SETTING eier ELTA EEE ENTE: HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. EINST Asis- Nası ao Festschrif Mar Feier ües 100 jährigen Bestehens der Naturhistorischen Gesellschaft HANNOVER. Geschichte und 44.— 47. Jahresbericht (Geschäftsjahre 1893/94 bis 1896/97). "Hannover 1897. In Kommission der Hahn’schen Verlagsbuchhandlung. San u W, RIEMSCHNEIDER HANNOVER Fe sstschrift Geschichte ung 44.47. Jahresbericht der Naturhistorischen (resellschaft HANNOVER I Hannover 1897. In Kommission der Hahn’schen Verlagsbuchhandlune. Inhalt. I. Geschichte der Naturhistorischen Gesellschaft von 1797 Er b1s-1897. = Von. Dr. H. Ude !, 2 Zu an er ei 11. 44.—47. Jahresbericht: rt, ileitung Satin am. ee. TE FI 2:. Verzeichnis ‚der Mitglieder . . . ns ru... 20 3. Auszüge .aus den Rechnungen ; .ı .ı 2.2...» Vet 4."Bibhothek: .., 2... 1 24 en ee ie rt; 5. Naturhisterische Sammlungen . .° . . „u. 0 6.+Sitzunesberiehte a... Rn 02 nl. Are 7. Abhandlungen : a. Friedrich Ehrhart. Von R. Lehmann . . . . ...98 b. Verzeichnis der in Gesteinen der Provinz Hannover bie lang aufgefundenen fossilen Radiolarien. Von Dr. Rüst. 114 c. Über die im Schlamme des Dümmer-Sees in der Provinz Hannover aufgefundenen subfossilen Reste von Säuge- tieren. Mit Taf. I-IV. — Von Dr. ©. Struckmann. . 130 d. Ein Beitrag zur Bildungsgeschichte des Harzgebirges. Mit 2 Profilskizzen. — Von Dr. O. Lang . A e. Über Hannoversche Erdölvorkommnisse. Mit einer Lage- und 7 Profilskizzen. — Von Dr. O. Lang . . . 161 f. Hermaphrodit von aan paphia L. Mit Taf. Rx. = Vou HL 'Kreye,. .. ,: en g. Notizen zur Roy Richie Pilhor II. — Von Dr. GsaWiehmer sr. 3. men ee ee Die Geschichte der Naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover von 179% bis 1897. Zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Naturhistorischen Gesellschaft. bearbeitet von Dr. Hermann Ude, Öberlehrer. 50 0x2 Inhaltsverzeichnis über die Geschichte. Seite WOLWOTD. 0 Lee ee ee wer De a, N Ser. Be) Einleitung 5 a cn en ee ee Geschichte von 1797 bis 1849: 1. Gründung der Gesellschaft im Jahre 1797 . . . 2... 3 2. Die Gesellschaft unter Mensching als Ausschussmitglied und als, Direktor, 72.7 en ee ee ee | 3. Die Gesellschaft unter Feder als Direktor . . . ...8 4. Die Gesellschaft unter Hofmedikus Lammersdorf als Direktor 56 5. Die Gesellschaft unter Gruner als Direktor En E Geschichte von 1850 bis 1897: l. Umgestaltung der Gesellschaft unter Oberbergrat Jugler als Vorsitzendem und Gründung eines Vereins-Museum . . . 73 2, Das Museum für Kunst und Wissenschaft . . . 2.0.85 3. Geschichte. yon 1852 bis 1870 2 Ta m. DS gt 4. Geschichte. von 1870. 1897727 7. ven, av. 2 Überblick über die naturhistorischen Sammlungen et 2 ES Vorwort. Bei der Bearbeitung der Geschichte der Naturhistorischen Gesellschaft stand mir ein reiches, wenn auch nicht überall lückenloses Material zur Verfügung, das indessen erst der gründ- lichen Sichtung bedurfte, um ein klares Bild von dem Ent- wicklungsgange der Gesellschaft zu liefern. Ich habe die folgenden Schriften benutzen können: 1 Die im Archiv der Gesellschaft aufbewahrten Akten und die seit 1850 herausgegebenen Jahresberichte. Sie bildeten die sichere Grundlage, auf der mit Hülfe der übrigen, von früheren Mitgliedern veröffentlichten Darstellungen weitergebaut werden konnte. Ein kurzer Bericht von Feder über das Bestehen der Gesellschaft, bei Gelegenheit seines Aufsatzes: „Merk- würdige Überreste eines vor kurzem in der Grafschaft Hohnstein (bei Steigerthal) ausgegrabenen Elephanten“, im 14. Stück des hannoverschen Magazins von 1806 veröffentlicht. vonSpilcker, B. C., Historisch-topographisch-statistische Beschreibung der königlichen Residenzstadt Hannover. Hannover, Hahn’sche Hofbuchhandlung 1819. — S$. 60, Seite 321: Bibliothek der. naturhistorisch-ökonomischen Gesellschaft. Wächter, J. C., Geschichte der naturhistorischen Gesell- schaft in Hannover. In: „Hannoversches Magazin“ von 1840, Nr. 1—5. Jugler, Das naturhistorische Museum zu Hannover. In: „Notizblatt des Architekten- und Ingenieur-Vereins für das Königreich Hannover“. Bd. 3, Seite 399. b) 6. -] 9. 10. LL, Die Naturhistorische Gesellschaft zu Hannover und die Bonplandia. In: „Bonplandia“, Zeitschrift für die gesammte Botanik. Herausgegeben von Berthold und W.E.G. Seemann. VI. Jahrgang. Hannover 1858. Nr. 10, Seite 173. Schnell, F., Das Museum für Kunst und Wissenschaft in Hannover. Hannover, F. Klindworth 1858. Das Staatsbudget und das Bedürfnis für Kunst und Wissenschaft im Königreich Hannover. Hannover 1866, Hahn’sche Hofbuchhandlung. Seite 44. Für Kunst und Wissenschaft in Hannover. No- vember 1866. | Erster Jahresbericht des Provinzial-Museums für Kunst und Wissenschaft in Hannover. Hannover, W. Riemschneider 1871. Hartmann, R., Geschichte der Residenzstadt Hannover von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Hannover, E. Kniep, 1880. Seite 740 ff. Zahlreiche kleinere Nachrichten sind in den hiesigen Tages - blättern erschienen, besonders im „Hannov. Courier“ und „Hannov. Tageblatt“. Auf Grund der in diesen Schriften niedergelegten That- sachen und Verhältnisse habe ich versucht, in einfacher Dar- stellung den Entwicklungsgang der Naturhistorischen Gesellschaft klar zu legen. Befriedigt würde ich sein, wenn mir dieser Versuch gelungen wäre und die vorliegende Schrift mit dazu beitrüge, für unsere Gesellschaft reges Interesse unter den Bewohnern Hannovers zu erwecken und auch in ferner Zukunft zu erhalten. Schliesslich spreche ich hier noch allen jenen Herren, die mir in der Herbeischaffung von Material behülflich gewesen sind, meinen besten Dank aus. Hannover, im November 1897. H. Ude. Einleitung. D:. zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Zeit, die dem unglückseligen dreissigjährigen Kriege folgte, gilt mit Recht als die unfruchtbarste Periode deutscher Geistesentwickelung. — Um so höher ist daher das Verdienst des klugen und fein- gebildeten Herzogs Johann‘ Friedrich von Braunschweig- Lüneburg (1665 — 1679) zu schätzen, der in den Jahren, wo geistige Hohlheit und öde Nachahmung des Fremden in unserem Vaterlande herrschen zu sollen schien, seine Residenzstadt Hannover zu einem Brennpunkt des wissenschaftlichen Lebens Europas zu machen wusste. Bei allen den vielfachen Verdiensten, die sich dieser Fürst um sein Land erwarb, bleibt doch stets der schönste Ruhmes- titel für ihn, den ein ernstes Streben nach Wahrheit charakte- risiert, die Berufung von Leibniz als Hofrat und Bibliothekar an seine neugegründete Bibliothek. Von Ende 1676 bis zu seinem Tode 1716 lebte dieser universelle und vielumfassende Philosoph, der zu den bedeutendsten Geistern zählt, die Deutschland überhaupt hervorgebracht hat, in Hannover, abge- sehen von wenigen kurzen Unterbrechungen. Es ist bekannt, wie auch der Nachfolger Johann Friedrichs, der Kurfürst Ernst August nebst seiner Gemahlin Sophie, der fein- gebildeten pfälzischen Prinzessin, sowie deren Tochter Sophie Charlotte, die spätere Gemahlin des Königs Friedrich 1. von Preussen, dem Philosophen stets das grösste Wohlwollen entgegenbrachten. — Trotzdem ist leider Leibniz’ Wirkung auf das wissenschaftliche Leben Hannovers keine besonders nachhaltige gewesen; während doch auf seine Anregung in 7 Berlin 1700 die Akademie (Sozietät) der Wissenschaften ge- stiftet wurde, deren erster Präsident er selbst war. Es möge nicht unerwähnt bleiben, dass am Hofe Johann Friedrichs auch einer der hervorragendsten Anatomen und Naturforscher seiner Zeit, der Däne Nicolaus Steno (Niels Stensen) einige Jahre seines vielbewegten Lebens verbracht hat. Wie der Herzog war auch dieser grosse Gelehrte katholischer Konvertit geworden, hauptsächlich durch die hinreissende Be- redsamkeit des grossen Pariser Kanzelredners Bossuet zum Übertritt bewogen. — Merkwürdigerweise liess Steno bald nach seinem Glaubenswechsel Medicin und Naturwissenschaft gänzlich liegen und zeigte sich in einem übertrieben ascetischen Leben nur noch für sein Seelenheil besorgt. Der Mann der einst als Anatom der Stolz von Kopenhagen, Paris und Florenz gewesen war und dessen geologische Entdeckungen für alle Zeit bahn- brechend geworden sind, schreibt jetzt Abhandlungen über das Fegfeuer und Schriften gegen die Reformatoren, ohne jedoch auch nur irgend welche Erfolge damit zu erzielen. „Insignis erat Anatomicus“* wie Leibniz von ihm sagt, „inque Naturae cognitione valde versatus, sed ab ea disquisitione destitit infeliciter et e magno Physico factus est Theologus mediocris“. Von 1677— 1680 wirkte Steno in Hannover als Hofkaplan Johann Friedrich’s, auch hatte ihn Papst Innocenz XI. zum Bischof und apostolischen Vicar für die nordischen Missionen ernannt. Bald nach dem Tode des Herzogs, dessen feierliche Totenmesse er noch celebriert hatte, wurde ihm der Aufenthalt in der Stadt untersagt. Er starb 1686 in Schwerin. Auch an den Reunionsbestrebungen der Katholiken und Protestanten hat sich dieser merkwürdige Mann neben Leibniz beteiligt. — Im 18. Jahrhundert sehen wir besonders die Hofmedieci wie: Werlhof, Hugo, Wichmann, Zimmermann und Marcard einen hervorragenden Platz im wissenschaftlichen Leben der Stadt einnehmen. Namentlich die beiden ersten wurden von dem Premier-Minister G. A. von Münchhausen, dem eigentlichen Gründer der Universität Göttingen, bei der Be- setzung der medicinischen und naturwissenschaftlichen Professuren an der jungen Hochschule zu Rate gezogen, und ihrem Einflusse 5 ist die Berufung des grössten deutschen Naturkundigen seiner Zeit, Albrechts von Haller an die Georgia Augusta zu danken. Werlhof und Haller sind bis ans Lebensende die innigsten Freunde geblieben, wovon ein mehrbändiger Brief- wechsel Zeugnis ablegt. — Überhaupt haben die kräftig empor- blühende Göttinger Hochschule, sowie die mit ihr verbundene weitberühmte „Königliche Societät der Wissenschaften“ auf die geistigen Bestrebungen der Landeshauptstadt in jeder Weise fruchtbringend gewirkt. Ein Freund Hallers und zugleich ein Schüler war auch Zimmermann, der Friedrich dem Grossen in seiner letzten Krankheit mit ärztlichem Rat zur Seite stand. Der vielseitig gebildete Mann genoss als Mediciner einen europäischen Ruf und stand ferner mit allen litterarischen Grössen seiner Zeit, mit Goethe, Herder, Wieland, Lavater, Bodmer, Breitinger, Nicolai, Mendelssohn etc. in mehr oder weniger engen Bezie- hungen. Seine eigenen Abhandlungen über die Einsamkeit und über den Patriotismus sowie seine heftig angegriffenen „Frag- mente über Friedrich den Grossen“ gehörten damals zu den gelesensten Büchern. Es möge hier noch erwähnt werden, dass Zimmermann, der bei der Kaiserin Katharina von Russland in hoher Gunst stand, diesen seinen Einfluss in edelmütiger Weise zur Unterstützung Georg Forsters, „des Naturforschers des Volkes“ zu verwenden wusste, der sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts auch vorübergehend in unserer Stadt aufhielt. Dass in dem Hannover des vorigen Jahrhunderts auch ein lebendiges Interesse für die Naturwissenschaften im engeren Sinne vorhanden war, tritt uns recht deutlich entgegen in den 1750 ins Leben gerufenen „Hannoverischen gelehrten Anzeigen“ ; ein Blatt, das sich bald bei hoch und niedrig einer ausser- ordentlichen Beliebtheit erfreute. — Es möge gestattet sein, die wichtigsten Arbeiten naturwissenschaftlichen Inhalts aus dem ersten Jahrgange der Zeitung hier kurz aufzuführen. Bereits auf den ersten Seiten (S. 21) finden wir eine Abhand- lung über die Electrizität von J. F. Unger. — Mehrere Bei- träge liefert ein sonst unbekannter Gerichtsschreiber Eicken: Gedanken von dem Nutzen der Naturkunde (S. 44). Gedanken ) von den Hauptveränderungen in der Natur (S. 51). Gedanken von der Struktur des Holzes (S. 283). In dem ersten dieser Aufsätze spricht der Verfasser den Wunsch aus, die Teilnahme an den Naturwissenschaften möge eine allgemeinere werden; wenn er auch glaubt, wie er wiederholt versichert, dass der menschliche Verstand die Natur nimmer werde ergründen können. „Gleich wie es aber überhaupt zu bedauern, dass der Mensch seine Vorzüge selten dazu aufzuwenden pfleget, wozu sie ihm gegeben werden; also ist es auch unangenehm, wenige Arbeiter in der Naturkunde anzutreffen.“ Unter Hinweis auf Frankreich, Schweden und das „glückselige Engeland“ tritt er für eine weitere Verbreitung von Mathematik und Naturwissenschaften ein, wodurch er die Macht des Aberglaubens brechen zu können hofft. „Es ist aber zu bedauern, dass diese reichen Quellen bisher höchstens nur ein Werk der Gelehrten gewesen, und nur auf Universitäten für eine gar geringe Anzahl junger Leute eröfnet worden, von denen zumalen annoch der kleinste Haufe es einmal der Mühe Werth zu achten pfleget, daraus einen mittelmässigen Unterricht zu schöpfen. -— Sollte es nicht möglich sein durch Anlegung gewisser Landschulen die Naturlehre und damit zu verknüpfende Mathematic zum algemeinen Besten auch denenjenigen bekannt zu machen, welche sich ihren Um- ständen nach zu den Studien nicht bestimmt sehen ?* Ferner treten uns wiederholt aus englischen Zeitschriften, wie Oxford-Student und London-Magazine, übernommene Artikel entgegen, die sich mehr mit exotischen Lebewesen beschäftigen: Ein Schreiben an einen guten Freund in London von der Klapperschlange (S. 47). Von dem Torpedo, oder Krampf-Fisch (S. 83). Auszug eines Schreibens an den Verfasser des London- Magazins etc. (S. 389). Dieses letzte Stück handelt über den Unterschied und die Ähnlichkeit von „animalischen und vege- tabilischen Dingen“. Eine Reihe von Aufsätzen sind nach einer damals sehr verbreiteten Sitte oder Unsitte ohne Namensunterschrift ge- blieben oder doch nur mit einzelnen Buchstaben bezeichnet: Sammlung einiger Erfahrungen und Anmerküngen über die Wärme und Kälte in freyer Luft (S. 219). — Diese Arbeit, 10 die 19 Quartseiten zählt, ist die umfangreichste des ganzen Jahrganges. — Die Beschaffenheit des Nordlichts (S. 330). Von der Ursache der Kälte und Wärme der Winde (S. 431). Den meisten Platz unter den recht verschiedenartigen Abhandlungen dieser Zeitschrift nehmen Arbeiten lokal- und territorialgeschichtlichen Charakters ein und solche, die sich mit dem deutschen Altertum beschäftigen. Sehr häufig sind auch Beiträge die zur Hebung der Landwirthschaft dienen sollen z. B. über Bienenzucht, Kornpreise, neue Futterkräuter, wie Luzerne (Medicago sativa) und Esparsette (Önobrychis sativa), die damals aus England eingeführt wurden. — In den späteren Jahrgängen der Hannoverischen Gelehrten Anzeigen — die seit 1763 unter dem Titel „Neues Hannoverisches Magazin“ erschienen — werden die Aufsätze medicinischen, naturwissen- schaftlichen und landwirtschaftlichen Inhaltes immer zahlreicher, während die historischen, theologischen und philosophischen mehr und mehr schwinden. Der Merkwürdigkeit halber sei hier noch ein Artikel erwähnt: „Bekanntmachung einer sehr gemein- nützigen Sache“ (Jahrg. 1791, S. 1342), der von dem bekannten Philanthropen und Jugendschriftsteller Joachim Heinrich Campe, dem Verfasser des Robinson, herrührt. Es handelt sich hier um Beschaffung billiger Mikroskope für Schulen und Erziehungs- anstalten. Einer der regsten Mitarbeiter an dieser Zeitschrift war der Hofapotheker Andreä, ein Chemiker von bedeutendem Ruf. In den Jahrgängen 1764 und 1765 veröffentlichte er eine lange Reihe von „Briefen aus der Schweiz“, die das Ergebnis einer wissenschaftlichen Reise bildeten. Andreä, der besonders durch seine reichhaltige Naturaliensammlung und auserlesene Bibliothek in weiteren Kreisen bekannt geworden war, erhielt von der hannoverschen Regierung den Auftrag, die Erd- und Mergelarten des Kurfürstentums auf ihren Gebrauch für die Landwirtschaft zu untersuchen. Gegen Ende des Jahrhunderts bot der berühmte Königliche Garten zu Herrenhausen bei Hannover zwei bekannten Botanikern, Friedrich Ehrhart und dessen Schüler Wendland ein Feld der Thätigkeit. Ersterer, einer der bedeutendsten Schüler 11 Linne's lebte seit 1776 in Hannover, wo er die Sammlungen des Apothekers Andreä ordnete und die ersten Dekaden seiner getrockneten Pflanzen herausgab. Von 1780—1783 bereiste er im Auftrage der Regierung das Land zu botanischen Zwecken; darauf war er bis zu seinem Tode 1795 als kurfürstlicher Botaniker am Garten zu Herrenhausen angestellt. Leider hat Ehrhart seine Darstellung der Flora Hannoverana, die er auf Wunsch der Regierung übernommen hatte, nicht fertigstellen können. Der Mangel einer ordentlichen wissenschaftlichen Bibliothek in Hannover war dabei das Haupthindernis, auch scheint man ihn von oben nicht in gehöriger Weise pekuniär unterstützt zu haben. Indessen war er für weitere Verbreitung seiner Wissenschaft durch eifrige Mitarbeit am Hannoverischen Magazin thätig. — Für die engere Geschichte der Stadt hat sich der fleissige Pflanzensammler noch ein besonderes Verdienst erworben durch die Entdeckung des Schwefelbades Limmer- brunnen bei Hannover, das im vorigen Jahrhundert hauptsäch- lich durch Zimmermann’s Empfehlung sehr besucht war, aber jetzt fast gänzlich vergessen ist. Ehrhart’s Schüler Wendland, der für einen ausgezeichneten Palmenkenner galt, war seit 1780 in Herrenhausen angestellt und entfaltete gleichfalls eine aus- gebreitete schriftstellerische Thätigkeit. — So sehen wir, wie sich im vorigen Jahrhundert in Hannover bereits ein vielfaches Interesse für die Naturwissenschaften geltend macht, das dann gegen Ende des Jahres 1797 durch die Gründung der „Naturhistorischen Gesellschaft“ bald zu kräftigerer Organisation und freierer Entfaltung gelangen sollte. — L: Teil: Geschichte von 1797 bis 1849. I. Gründung der Gesellschaft im Jahre 1797. Am 18. September 1797 sandte der damalige Hofmedikus Ludwig Mensching an den Hofrat Feder, Direktor des Georgianums, folgendes Schreiben: Bruchstücke eines Plans zu einer Naturhistorischen Lesegesell- schaft und einer dadurch zu gründenden stehenden Natur- historischen Bibliothek. Dem Herrn Hofrath Feder zur Beurtheilung überreicht am 18. September 1797. Die Gesellschaft wird anfangs aus 20 Mitgliedern bestehen. Nach und nach kann sie sich erweitern, und muss es thun, um das zur Anschaffung grosser und kostbarer Werke nöthige Ver- mögen zu erhalten. Jedes Mitglied bezahlt: 1) gleich bei seiner Aufnahme in die Gesellschaft, einen Louisd’or, und nachher 2) iährlich einen Louisd’or, welcher am Michaelistage iedes Jahrs fällig ist, und von dem Umträger eincassirt wird. Von diesem Gelde werden die Bücher angekauft, der Buch- binder bezahlt, und andere etwanige Ausgaben bestritten. Die Gesellschaft hat einen Oeconomen, der ihre Geschäfte besorgt. Sein Amt ist: die Ordnung zu erhalten; die Gelder einzunehmen, die Rechnung zu führen; die Bücher anzuschaffen, eirkuliren zu lassen, u. s. w. Er behält dies Amt so lange als er will, und die Gesellschaft mit ihm zufrieden ist. Dies Amt übernimt allezeit das Mitglied, was die längste Zeit in der Gesellschaft gewesen ist. Der Dirigent legt der Gesellschaft iährlich 8 Tage vor Michaelis Rechnung ab von seiner voriährigen Haushaltung, 13 und empfängt und beantwortet innerhalb dieser 8 Tage die Monita der Mitglieder. Wenn ein Mitglied einen Vorschlag zum Besten des Ganzen zu thun hat, so theilt es denselben dem Dirigenten mit. Dieser macht ihn durch ein Circulare der Gesellschaft bekannt, und sammlet darüber ihre Stimmen. Die Meisten entscheiden. Wer in die Gesellschaft aufgenommen zu werden wünscht, wendet sich an den Dirigenten. Der schlägt ihn der Gesell- schaft vor, und er wird angenommen oder verworfen durch Ballottement. Wenn ein Mitglied aus der Gesellschaft treten will, so hat es diesen Entschluss, einen Monat vorher, dem Dirigenten an- zuzeigen. Bei seinem Austritt bezahlt es einen Ducaten, zur Danksagung für das, was es in der Gesellschaft gelernt hat. So lange die Gesellschaft für gut finden wird, ihre Anzahl nicht über 20 auszudehnen, kann kein Mitglied, ehe es nicht ein anderes, ihr anständiges, an seine Stelle geschafft hat, aus ihrem Cirkel treten. * * * Der Inhalt der cirkulirenden Bücher umfasst die gesammte, sowol allgemeine, als besondere Naturgeschichte aller drei so- genannten Naturreiche: die Naturgeschichte des Menschen mit eingeschlossen. — Reisebeschreibungen und Topographien, welche reiche Ausbeute für Naturgeschichte liefern, gehören zum Zweck. In iedem Turnus cirkuliren die neuesten Schriften, Producte der letzten und vorletzten Messen. So viel als möglich zu verhüten, dass irgend eine schlechte Schrift sich in den Cirkel einschleiche; sollen nur dieienigen Bücher angeschafft werden, für deren Güte die göttingischen gelehrten Anzeigen, und die Jenaische allgemeine Litteratur- zeitung Bürgen sind. Um für die Zufriedenheit aller Mitglieder nach Möglichkeit zu sorgen, müssten in einem ieden Turnus Schriften aus allen Fächern der Naturgeschichte, wo möglich aus iedem gleich viel umlaufen. Die Bücher werden alle 14 Tage durch einen dazu ange- stellten Menschen den Mitgliedern gebracht und wieder abgeholt. 14 Jeder behält die ihm zugekommenen Bücher 14 Tage zum durchlesen. Die Bücher werden vorläufig zum Behuf der Circulation blos brochirt, und mit einem Mantel von Pappe versehen, nach- her erhalten sie zum Aufstellen einen festern Band. Wenn die Kupfer zu einem Werke ein grösseres Format haben, als das Werk selbst, so werden sie besonders gebunden. * * * Wenn die cirkulirenden Bücher ihren Turnus geendigt haben, so werden sie nicht verkauft, auch nicht unter die Mit- glieder vertheilt, sondern bleiben ein Eigenthum der ganzen Gesellschaft, und bilden nach und nach eine stehende Natur- historische Bibliothek. Die Bibliothek ist einzig und allein zum Gebrauch der Gesellschaft da. Kein Fremder kann und darf Antheil daran haben. Wer sie benutzen will, muss sich aufnehmen lassen, Dies Gesetz muss während der ersten 10 Jahre unverletzlich seyn. Wenn ein Mitglied aus der Gesellschaft getreten ist, so wird es angesehen, als ein Fremder, und hat keinen Antheil weiter an der Bibliothek. Jedes Mitglied hat das Recht ein Buch aus der Bibliothek in sein Haus holen zu lassen, gegen einen Schein von seiner eigenen Hand. Der andern Mitglieder wegen aber ist es billig, dass keiner ein geborgtes Buch über 4 Wochen im Hause behalte. So lange die Bibliothek noch im Werden und klein ist, versieht der zeitige Dirigent zugleich das Amt des Bibliothekars. Unterschriebener übernimt die Direction. Mensching. Hofrat Feder erklärte sich sofort zum Beitritt bereit, schlug indessen u. a. vor, aus den Büchern keine Bibliothek zu schaffen, sondern dieselben jährlich oder alle 2 Jahre unter den Mit- gliedern zu verlosen. Hiergegen wandte sich jedoch in einem Schreiben vom 23. September Mensching mit folgenden Worten: „Sähe ich bei meinem Projekte einzig und allein auf den gegenwärtigen Nutzen, den meine naturhistorischen Freunde oder ich selbst davon ernten können, oder wäre die Sache über- haupt blos für meine Lebenszeit berechnet, so wäre mirs in der That gleichgültig, was aus den Büchern würde, nachdem sie ihren Circel gemacht hätten. Aber so ist, mit einem Worte, meine Absicht, künftigen naturforschenden Genies das Schicksal unseres vortrefflichen sel. Ehrharts zu ersparen. Wie sehr viel mehr hätte er bei seinen grossen Fähigkeiten leisten können, wenn ihm nicht das wichtigste Hülfsmittel, der Gebrauch einer botanischen Bibliothek gefehlt hätte. Seine Flora Hannoverana kam ja eben deswegen nicht zu stande. Ich hoffe, dass unter den vielen jungen Leuten, welche Sie verehrungswürdiger Herr Hofrath, auf dem Georgianum, und Freund Rühlmann in seinem Lyceum, zu Naturforschern bilden werden, es doch wenigstens Einen Pennant *), Einen Fabricius **), Einen Ehrhart geben wird. — Vielleicht danken diese dem ersten Stifter einer für sie so nützlichen Anstalt noch, wenn er längst von allen übrigen Menschen vergessen ist. Ich bekenne Ihnen aufrichtig, dass dieser Gedanke mich für die Sache erwärmt. — Es ist leider freilich Egoismus, aber ich hoffe doch keiner von der schlimmsten Art.“ — Ähnlich spricht sich Mensching in einem an den Bürgermeister Albert gerichteten Antwortschreiben aus; u. a. schreibt er: „Vielleicht lächeln Sie über den gutherzigen Schwärmer, dem von der Ausführung eines grossen Plans träumt, dessen Scheiterung Sie wachend vielleicht voraussehen. Mags doch! Die Idee an sich ist so schön, dass sie immer eines Versuchs werth ist. Gelingt er nicht, — Nun dann — voluisse sat est — wie bei dem meisten Guten.“ In demselben Briefe konnte freilich Mensching schon berichten, dass von den bereits beigetretenen 22 Mitgliedern, sich wenigstens 18 bloss *) Thomas Pennant geb. 1726, gest. 1798. Englischer Zoologe. Seine Hauptwerke sind: British zoology, 4 Bde. History of quadrupeds, 2 Bde. Arctic zoology, 3 Bde. **) Johann Christian Fabricius geb. 1743, gest. 1808. Ento- mologe. Fin Schüler Linne’s, dessen Grundsätze und Methode er sich völlig aneignete. Fabricius war Professor der Ökonomie in Kopen- hagen und seit 1775 Professor der Naturgeschichte in Kiel. In seinem „Systema entomologiae“ ordnete er die Insekten nach der Beschaffenheit der Fresswerkzeuge und wies dadurch der Entomologie eine ganz neue Bahn an. 16 der Idee einer bleibenden Bibliotkek wegen haben aufnehmen lassen. Um es zu verstehen, wie sich Mensching für die Idee der Gründung einer Lesegesellschaft und stehenden Bibliothek mit den neuesten Werken so sehr begeistern konnte, müssen wir uns daran erinnern, dass der Verkehr der wissenschaftlichen Welt unter sich damals ein äusserst lockerer war. Nur mit den grössten Mühen und Kosten gelangten selbst die bedeutend- sten Buchhandlungen durch den Verkehr auf den Messen in den Besitz neuer Werke; an ein „Zur Ansicht senden“ der jüngsten Litteratur, das heute jede Buchhandlung übernimmt, war da- mals nicht zu denken und die meisten Bücher waren selbst den Gelehrten vom Fach nur schwer zugänglich. Dazu kam, dass erst anfangende Werke, erste Teile oder Hefte mit jeder Messe kostbarer wurden und schliesslich gar nicht mehr zu erhalten waren. Da musste es allerdings von hervorragendem Werte sein, eine Gesellschaft zu gründen, die durch ihre Geld- mittel — betrug doch der Aufnahmepreis 2 Dukaten und der Jährliche Beitrag ebenfalls 2 Dukaten — grosse Anschaffungen machen und ihren Mitgliedern eine reiche Auswahl an Büchern zur Verfügung stellen konnte. Zudem erklärte sich einer solchen grösseren Vereinigung von gleichstrebenden Mitgliedern gegen- über die bekannte Buchhandlung der Gebrüder Hahn gern bereit auch englische, französische und italienische Werke herbeizuschaffen. Am 23. Oktober 1797 war nunmehr Mensching imstande, „der Naturhistorischen Gesellschaft mit grossem Vergnügen an- zuzeigen, dass die Anzahl ihrer Mitglieder bereits auf 24 ge- stiegen sei.“ Gleichzeitig setzte er mit dem Circular ein Ver- zeichnis über 129 naturwissenschaftliche Werke in Umlauf, deren Güte und Brauchbarkeit durch die damals vorzüglichsten kritischen Journale, die Göttingischen Gelehrten Anzeigen und die Jenaische Allgemeine Litteratur-Zeitung, bezeugt war und von denen die Mitglieder eine Auswahl treffen sollten. Am 21. November versandte Mensching das zweite Rund- schreiben an die Mitglieder, deren Zahl inzwischen auf 26 gestiegen war und unter denen sich sogar eine Frau befand — 17 II „gewiss eine seltene, aber erfreuliche Erscheinung“, wie Wächter schreibt. Wir halten es für eine Pflicht der Dankbarkeit, hier die Namen der Gründer unserer Naturhistorischen Gesellschaft zu ver- zeichnen und den Tag ihrer Beitrittserklärung bekannt zu geben. 1. 2. br 10. 13. 14. Ludwig Mensching, königl. und kurfürstl. Hofmedikus. Friedrich Christian Rühlmann, Direktor des Lyceums der Altstadt. 16. September 1797. Johann Georg Heinrich Feder, königl. und kurfürstl. Hofrat, Direktor des Georgianums. 18. September 1797. Gottlieb Ludolph Wilhelm Koester, königl. und kur- fürstl. Konsistorialrat und Geheimer Kanzlei-Sekretarius. 25. September 1797. Georg Friedrich Wehrs, Rat und Agent der Stadt Bremen, Redakteur und Korrektor bei königl. und kur- fürstl. Intelligenz-Comtoir. 26. September 1797. Georg Friedrich Mühry, Doctor medicinae. 27. Sep- tember 1797. Georg August Wilhelm von Pape, Assessor ordinarius bei königl. und kurfürstl. Hofgericht, ritterschaftlicher Deputirter bei der Hoyaischen Landschaft. 28. Septem- ber 1797. Johann Ludowig Wilhelm Gruner, Apotheker. 28. Sep- tember 1797. Georg Siegmund Otto Lasius, königlicher Ingenieur- Lieutenant. 28. September 1797. Frau Geheime Kanzleisekretärin Klockenbring, geb. Alemann. 1. Oktober 1797. Fontainier La Croix. 5. Oktober 1797. Georg Lodemann, königl. und kurfürstl. Hofmedikus. 6. Oktober 1797. August Christian Havemann, Direktor der königl. Vieh- Arznei-Schule. 7. Oktober 1797. Georg Ludewig Hansen, königl. und kurfürstl. Hof- medikus, Land- und adjungirter Stadt-Physikus. 7. Ok- tober 1797. Johann Anton Lammersdorf, Doctor medicinae. 9. Ok- tober 1797. 18 16. Conrad Heinrich Richelmann, Kaufmann. 9. Oktober IR: 17. Johann Bodo Lampe, königl. und kurfürstl. Leib- chirurgius, Direktor des Schwefelbades in Limmer. 10. Ok- tober 1797. 18. Johann Christoph Wendland, königl. und kurfürstl. Gartenmeister zu Herrenhausen. 11. Oktober 1797. 19. Gottlieb Franz Münter, Advokat und Obergerichts- Prokurator. 12. Oktober 1797. 20. Christoph Carl Ludewig Hoepfner, königl. und kur- fürstl. Kommerz-Rat, Geh. Kanzlei-Sekretarius. 16. Ok- tober 1797. 21. Wilhelm Dieterich Hermann Flebbe, königl. und kur- fürstl. Kämmerer. 17. Oktober 1797. 22. Friedrich Rudolph Unger, königl. und kurfürstl. Geheimer Kanzlei-Sekretarius. 20. Oktober 1797. 23. Ernst Friedrich Hector Falcke, Dr., königl. und kur- fürstl. Hof- und Konsistorial-Rat, Bürgermeister der Alt- stadt. 22. Oktober 1797. 24. Georg Ludowig Woempner, Polizei - Kommissarius. 23. Oktober 1797. 25. Johann Conrad Brande, Hofapotheker. 29. Oktober LI9N. 26. Heinrich Oelrichs, Prediger bei der deutsch-reformierten Kirche. 30. Oktober 1797. Da sich von den 26 Mitgliedern freiwillig nur 7 an der Auswahl der Bücher beteiligt hatten, so schlug Mensching in einem Schreiben vom 21. November vor: „dass die Gesellschaft einen Ausschuss von 6 oder 8 Männern aus ihrer Mitte wähle und bevollmächtige, die Auswahl der Bücher künftig zu treffen, sowohl die jedes Mal circulieren, als auch aus Auctionen für die Bibliothek angekauft werden sollen“. — Zugleich zeigte er an, „dass viele der Herren Interessenten monatliche Zusammen- künfte der Gesellschaft wünschen, um sich Theils über natur- historische Gegenstände unterreden, Theils über die Angelegen- heiten der Gesellschaft Beschlüsse fassen zu können“. Mensching schliesst sein Rundschreiben mit folgenden Worten: „Solange 1) I Int unser Institut noch nicht völlig zu stande war, glaubte ich das Recht zu haben, Mitglieder für mich allein aufnehmen zu können; von nun an aber, da alles in Ordnung ist, lege ich das Recht der künftigen Aufnahme gänzlich in die Hände der Gesellschaft nieder, und behalte mir nichts vor, als meine einzelne Stimme, und den Vorschlag, wenn sich Jemand zur Aufnahme an mich wenden wird. In unseren künftigen Ver- sammlungen wird also über die Aufnahme ballotirt werden“. Dem Rundschreiben war ein Verzeichnis über 38 Bücher bei- gelegt, die angekauft werden sollten. Da dieselben den Grund- stock unserer jetzt nicht unbedeutenden Bibliothek bilden, so rechtfertigt es sich wohl, wenn das Verzeichnis hier veröffent- licht wird. 1. Christ, J. L., Naturgeschichte der Bienen, Wespen und Ameisen. Frankfurt a. M. 1791. 2. Blumenbach, J. F., Decades collectionis suae craniorum diversarum gentium illustrata. II. 3. Wendland, H., Sertum Hanoveranum. Gotting., 1795. 4. Humboldt, A. von, Aphorismen aus der Pflanzen- physiologie. Leipzig 1794. Sprengel, F. K., Das entdeckte Geheimnis der Natur (bt im Bau und der Befruchtung der Blumen. Berlin 1793. 6. Esper, E. J. C., Icones fucorum. I. Nürnberg 1797. 7. Gmelin, J. F., Göttingisches Journal der Naturwissen- schaften. Heft 1. 2. 8. Russel, Alex., Naturgeschichte von Aleppo. Göttingen er 9. Bartram, W., Reisen durch Nord- und Süd-Karolina u.'s.; w. (Berlin 1793. 10. Berlin, Gesellschaft naturforschender Freunde. — Neue Schriften. Bd. 1. 1795. 11. Rossi, P., Fauna Etrusca. Helmstedt 1795. 12. Forster, J. R., Indische Zoologie. Halle 1795. 13. Herbst, J. F. W., Natursystem der ungeflügelten In- sekten. I. Berlin 1797. 14. Cavolini, Ph., Abhandlung über die Erzeugung der Fische und Krebse. Berlin 1792. 20 15. Schöpf, J. D., Naturgeschichte der Schildkröten. Er- langen 1792. Colombo, M., Beobachtungen über verschiedene Arten von Polypen des süssen Wassers und über die Rädertiere. Leipzig 1793. Goetze, J. A. E., Europäische Fauna. Leipzig 1791. Naumann, J. A., Naturgeschichte der Land- und Wasservögel des nördlichen Deutschlands. Köthen 1796. Swartz, O., Flora Indiae occidentalis. 1. Erlangen ROT Bauer, Fr., Delineations of exotic Plants. London 1796. (Fehlt.) Thunberg, €. P., Prodromus plantarum Capensium. Upsala 1794. Thunberg, C. P., Icones plantarum japonicarum. Up- sala 1794. Hedwig, J., Sammlung seiner zerstreuten Abhandlungen und Beobachtungen über botan.-ökonomische Gegenstände Leipzig 1793. Medicus, F. C., Kritische Bemerkungen über Gegen- stände aus dem Pflanzenreiche. Mannheim 1793. (Fehlt.) Magazin des Pflanzenreiches. Erlangen 1793. Römer, J. J., Archiv für die Botanik. I—Ill. Leipzig 1796. Reuss, Fr. A., Mineralogische Geographie von Böhmen. Dresden 1797. Reuss, Fr. A., Sammlung naturhistorischer Aufsätze. Prag 1796. Oryktognosie oder Handbuch für die Liebhaber der Mineralogie. Leipzig 1792. Estner, Versuch einer Mineralogie für Anfänger und Liebhaber, nach Werners Methode. Wien 1794. Giorni, J., Lithologie des Vesuvs.. Wien 1793. Beroldinger, F. von, Mineralogische Beobachtungen, Zweifel und Fragen. Hannover 1792. Hacquet, Neueste physikalisch-politische Reisen durch die Dacischen und Sarmatischen Karpathen. Nürnberg 1790. 21 34. Thunberg, C. P., Reise durch einen Teil von Europa, Africa und Asien, hauptsächlich Japan. Berlin 1792. 35. Georgi, J. C., Geograph.-physikalische und naturhisto- rische Beschreibung des russischen Reiches. Königsberg 1797. 36. Imlay, G., Nachrichten von dem westlichen Lande der nordamerikanischen Freistaaten, dessen Klima, Natur- produkte u. s. w. Berlin 1793. 37. Reiner und Hohenwarth, Botanische Reisen nach einigen oberkärntnerischen und benachbarten Alpen. Ulm 1793. 38. Le Vaillant, Reisen. Der Preis dieser Bücher belief sich auf 138 Rthlr. 22 ggr., eine für damalige Zeit nicht unbedeutende Summe. Das vor- stehende Verzeichnis enthält 10 zoologische, 12 botanische, 5 mineralogische Bücher und 11 Werke mit verschiedenem Inhalt, besonders Reisebeschreibungen; es zeigt also das Be- streben, den verschiedenen Neigungen der Mitglieder der Ge- sellschaft gerecht zu werden. Gleichzeitig giebt es aber auch Zeugnis davon, dass es den Mitgliedern nur um ernste wissen- schaftliche Werke aus neuester Zeit zu thun war, die auch für spätere Generationen ihren vollen Wert behielten. Unter den Büchern sind thatsächlich manche, die noch heutigen Tages von Bedeutung sind und auch in der Zukunft bleiben werden; ich brauche z. B. nur auf das treffliche Buch von Sprengel’s entdecktem Geheimnis der Natur hinzuweisen. Eine solche kluge Auswahl trefflicher, wertvoller Werke musste geeignet sein, das Interesse der Mitglieder wesentlich zu heben, neue Teilnehmer zu gewinnen und der Gesellschaft die Bedeutung einer gelehrten Körperschaft zu verleihen. In einem 3. Rundschreiben vom 6. Dezember lud nunmehr Mensching, dem Wunsche mehrerer Mitglieder entsprechend, die Gesellschaft zu einer ersten Zusammenkunft auf Montag, den 11. December 1797, abends 5 Uhr im Wester- nacher’schen Garten ein. Da diese Versammlung späterhin als die begründende betrachtet wurde, so soll das vorhandene, von Münter geführte Protokoll veröffentlicht werden. 22 Actum. Hanover, d. 11. Xbr. 1797. Bey der ersten allgemeinen Versammlung der Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft in dem Westernacherschen Garten - Hause. Der Herr Hofmedikus Mensching als Stifter der Societät, proponirte den anwesenden Mitgliedern, dass sie geneigen mögten unter sich eine Committee oder einen Ausschuss aus- zumitteln, dem so wohl die Besorgung der Societäts-Angelegen- heiten im allgemeinen, als auch besonders die Auswahl der anzuschaffenden Bücher übertragen werden könnte. Die Gesellschaft, überzeugt, dass der Herr Hofmedikus Mensching bey Gründung der Societät das Beste des Ganzen am reiflichsten überdacht haben würde, äusserte allgemein den Wunsch, dass derselbe die dazu erforderlichen Mitglieder selbst vorschlagen mögte. Solchem nach proponirte der Herr Hofmedikus Mensching a) für das Fach der allgemeinen Naturgeschichte, Antro- pologie und Naturhistorischen Reisebeschreibunngen den Herrn Hofrath Feder und Herrn Commerz-Rath Höpfner. b) für das Fach der Zoologie den Herrn Leibchirurgus Lampe, und Herrn Direktor Rühlmann. c) für das Botanische Fach den Herrn Doctor Lammersdorf und Herrn Gartenmeister Wendland. d) endlich für das Fach der Mineralogie den Herrn Leutnant Lasius und Herrn Apotheker Gruner. Diese Vorschläge wurden von der Gesellschaft nicht nur einstimmig genehmigt, sondern dabey auch zugleich der Wunsch geäussert, dass es dem Herrn Hofmedikus Mensching gefallen mögte, das prae Sidium in der Societät zu übernehmen — der solches jedoch durchaus von sich abgelehnt hat. 23 Die Gesellschaft erzeigte hierauf dem Procurator Münter die Ehre, ihn zu ihrem Secretario perpetuo zu ernennen. Demnächst fand die Gesellschaft zwar die Aufnahme neuer Mitglieder höchst zweckmässig, jedoch wurde dabey allgemein beschlossen: dass forthin Niemand ohne ein zuförderst über ihn angestelltes Ballottement recipirt werden sollte. Endlich kam die Gesellschaft dahin überein, dass die Be- schlüsse der Committee, als blosse propositiones angesehen werden sollten, welche der jedesmahligen nächstfolgenden Allge- meinen Versamlung zur Genehmigung oder Verwerfung vorge- tragen werden müssten, bevor sie als allgemeine Beschlüsse gelten könnten. Schliesslich wird noch anhero bemerkt, dass die wohl- thätigen Absichten einiger Mitglieder — als damahliger Inter- essenten der in der Ziehung begriffenen Hanöverschen Lotterie, den gewünschten Glücksausfall für die Societäts - Casse nicht erreicht haben. In fidem G. F. Münter. 2. Die Gesellschaft unter Mensching als Ausschussmitglied und als Direktor (1797 bis 1804). In allzugrosser Bescheidenheit hatte der Stifter der Ge- sellschaft die Wahl zum Vorsitzenden abgelehnt. Daher ver- sammelten sich die Komitee-Mitglieder zu einer Sitzung am 16. Dezember 1797 im Hause des Kommerz-Rates Höpfner und beschlossen, dem Hofmedikus Mensching anzutragen, „der von ihm selbst vorgeschlagenen und von der ganzen Societät ag- gregierten Committee in einer beliebigen Qualität beizutreten und solche durch seine Vorschläge und guten Rath zu leiten, mithin dadurch zum Besten des Ganzen fernerhin thätig mitzuwirken und beiräthig zu sein.“ Hiermit erklärte sich Mensching ein- verstanden, so dass sich nunmehr der Ausschuss aus 10 Mit- gliedern, nemlich Feder, Gruner, Höpfner, Lammersdorf, Lampe, Lasins, Mensching, Münter, Rühlmann, Wendland zusammen- setzte. 24 Wesentlich gefördert wurde der innere Ausbau der Gesell- schaft durch eine Ausschuss - Sitzung vom 20. Dezember 1797. Danach sollte sich „die Committee* am letzten Mittwoch eines jeden Monats in der Wohnung eines Mitgliedes versammeln. Bei jeder Ausschuss - Zusammenkunft musste der Sekretär zu- gegen sein, das Protokoll führen und zu ausserordentlichen Sitzungen per circulare einladen. An Versammlungen der ganzen Societät, von denen sich niemand ohne zureichendes Hindernis ausschliessen durfte, wurden jährlich 4 in Aussicht genommen und solche für das Jahr 1798 auf den 8. Januar, 2. April, 2. Juli und 1. Oktober festgesetzt. In denselben, welche nur bei Anwesenheit von ?/, der Mitgliederzahl beschlussfähig sein sollten, wurde über Vorschläge des Ausschusses und über Auf- nahme von Mitgliedern ballottiert. Über Vorschläge des Vor- standes sollten keine Dispüte zugelassen werden, sondern über ihre Annahme oder Ablehnung ein Ballottement mit einfacher Stimmenmehrheit entscheiden. Zur Aufnahme neuer Mitglieder sollten ®/, der Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich sein. — Von grosser Bedeutung war schliesslich noch, dass sich die Gebrüder Hahn bereit erklärten, der Gesellschaft zu ihren Zusammenkünften gegen ein Entgelt von 60 „$ 2 grosse möblierte Zimmer ihres Hauses einzuräumen und zugleich die neuesten naturwissenschaftlichen Werke in denselben auszulegen. Der Ausschuss ging sofort auf dieses Anerbieten ein und beschloss, dass die Gesellschaft die durch Miete, Feuerung und Licht ent- stehenden Kosten als besondere Leistung zu tragen habe. Weiterhin schlug das Komitee vor, dass mit Inbegriff der Quartalzusammenkünfte überhaupt jährlich 12 Versammlungen der Societät stattfinden sollten und zwar an dem jeweilig ersten Montage der Monate, nachmittags 5 Uhr. Am 1. Februar 1798 wurde das Abkommen mit Hahn kontraktlich auf 3 Jahre, also bis zum 1. Februar 1801*), festgesetzt, und am 5 Februar *) Von 1801 ab erhielt die Gesellschaft 4 Zimmer, von denen jedoch nur eins ausschliesslich zu ihrer Verfügung stand, während in den 3 übrigen Räumen auch der Verein „Museum“ seine Sitzungen abhielt. fand die erste monatliche Zusammenkunft in den Hahn’schen Zimmern, in denen auch die der Gesellschaft gehörigen Bücher und Effekten aufbewahrt werden sollten, statt. Nunmehr hatte die Gesellschaft ein festes Heim und es stand zu hoffen, dass sie sich kräftig weiter entwickeln würde. Indessen blieb die Beteiligung an den Generalversamm- lungen nur eine geringe. In der Sitzung vom 2. September 1799 wurde daher festgesetzt, dieselben für beschlussfähig gelten zu lassen, wenn eins mehr als die Hälfte der Mitglieder zu- gegen wären; dabei sollte auch eine Stimmabgabe „per manda- tarium“ zulässig sein. Weiterhin wurde der Druck von Diplomen für die Mitglieder genehmigt und ein Societätssiegel angeschafft. Letzteres zeigte einen Eichenkranz und die Inschrift „Natur- historische Gesellschaft in Hannover. Errichtet 1797“. Da fernerhin bei der Authentisierung der Diplome die alleinige Unterschrift des Sekretärs für nicht hinreichend erachtet wurde, so fasste man den Beschluss, einen Direktor der Societät zu ernennen, der zur Unterschrift bevollmächtigt sein sollte. Als solcher wurde „einstimmig und per acclamationem“ Hof- medikus Mensching erwählt. Damit war der Wunsch der Ge- sellschaftsmitglieder in Erfüllung gegangen, dass der Gründer der Societät die Leitung übernehmen möchte. Mithin lag nun die Verwaltung in den Händen eines Direktors (Mensching) und eines Sekretärs (Münter), die auf Lebenszeit gewählt waren, und 8 Mitgliedern als Verwaltern der Hauptfächer der Naturwissenschaft (Zoologie, Botanik, Minera- logie, Anthropologie und naturhistorische Reisebeschreibungen), welche jährlich neu zu wählen waren. Die Neuwahl dieser 8 Ausschussmitglieder führte indessen schon in dem laufenden Jahre zu grossen Unzuträglichkeiten und es wurde daher nach mehrfachen Verhandlungen in der Generalversammlung vom 4. November 1799 beschlossen, den ganzen Ausschuss auf Lebenszeit zu wählen. Bei der Neuwahl am 2. Dezember wur- den demnach durch das Los in „die permanente Committee“ folgende 8 Mitglieder gewählt: Hofrat Feder, Apotheker Gruner, Dr. Lammersdorf, Direktor Rühlmann, Kommerz-Rat Höpfner, Leibchirurgus Lampe, Lieutenant Lasius und Hofmedicus Hansen. 26 Was die Mitgliederzahl anlangt, die bei der Gründung 26 betrug, so traten bis zum Schlusse des Jahres 1798 noch 5 Personen ein, während 1 Mitglied ausschied. Mithin bestand die Societät aus 30 Mitgliedern. Im Jahre 1799 stieg die Zahl auf 36 und erhielt sich auf dieser Höhe auch im Jahre 1800. Bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung erfreute sich die Gesellschaft der vollsten Anerkennung bedeutender Männer. So übersandte Hofrat Beckmann in Göttingen 1798 der Gesellschaft eins seiner Werke mit der Versicherung seines vollsten Beifalls über die Gründung derselben. In dem an Beckmann gerichteten Dankschreiben vom 7. Januar 1799 heisst es dann: „Da der nächste uns vorgesetzte Zweck bei diesem noch in seiner Wiege liegenden Institut sich bloss auf unsere eigene Belehrung be- schränken muss; die Organisirung der Gesellschaft auch noch bei weitem nicht den Grad einer erforderlichen Festigkeit er- halten hat, so dürfen wir es jetzt noch nicht wagen, aus- wärtigen Männern von entschiedenem Rufe in diesem Fache der Gelehrsamkeit, eine Mitgliedschaft in gehöriger Form an- zubieten — wozu Ew. Wohlgeboren sich übrigens nach unsern Dankgefühlen das erste Anspruchsrecht erworben hätten. — Sehr ehrenvoll und schmeichelhaft wird es aber für uns sein, wenn wir einstweilen nur die Hoffnung fassen dürfen. auch ohne solche Formalitäten mit Ew. Wohlgeboren in einer dem Zwecke unseres Instituts so vortheilhaften Verbindung bleiben zu können.“ — Aber noch im Laufe desselben Jahres wurde die Einrichtung der Ehrenmitgliedschaft eingeführt. Da nemlich der Ausschuss zu der Ansicht kam, „dass es mehr Leben und Interesse in die Societät bringen würde, wenn man die bisher ausgesetzt gebliebene Aufnahme auswärtiger Mitglieder bei der immer mehr zunehmenden Organisation der Societät nunmehr eintreten liesse“, so wurde in der Generalversammlung vom 5. August 1799 beschlossen, dass durch einfache Stimmen- mehrheit auswärtige Personen zu Ehrenmitgliedern ernannt werden könnten, indes vorerst nur solche, welche „in den hie- sigen Landen oder deren Nachbarschaft“ wohnten, weil man einstweilen sich bezüglich der weiteren Ausbreitung natur- historischer Kenntnisse auf die Produkte des eigenen Vater- 27 landes beschränken wollte. Dem entsprechend wurden Hofrat Beekmann in Göttingen, Professor Mertens in Bremen und Dr. Roth in Vegesack zu auswärtigen oder Ehren - Mitgliedern gewählt. Auch in dem folgenden Jahre fanden solche Ernen- nungen statt, so dass sich die Zahl der Ehrenmitglieder Ende 1800 auf 18 belief. Zu ihnen gehörten die berühmten Göttinger Professoren Blumenbach und Gmelin und der Hofmedikus Men- sching in Nienburg, der Bruder des Direktors der Gesellschaft. Mit der Veranstaltung der Zusammenkünfte im Jahre 1797 hatte man von vornherein die Unterhaltung über naturwissen- schaftliche Themata zu verbinden beabsichtigt. Indessen wurde der erste Vortrag erst am 1. Oktober 1798 gehalten, indem Dr. Mühry einige theoretische Grundsätze über den Galvanismus behandelte und durch Experimente erläuterte. Allein das gute Beispiel fand zunächst keine Nachahmung und so richtete denn der Ausschuss, um auch gleichzeitig für die meist nur von 16 bis 18 Mitgliedern besuchten Generalversammlungen ein regeres Interesse zu erwecken, in der Sitzung vom 7. Oktober 1799 an die Mitglieder die Bitte, in Zukunft Vorlesungen über natur- historische Materien oder doch dahin zielende Gegenstände zu halten. Sofort erklärten sich mehrere Mitglieder dazu bereit. Infolgedessen wurden im Laufe des Jahres 1800 folgende Vor- träge *) gehalten. Lieutenant Lasius: Über das Harzgebirge im allgemeinen mit Vorzeigung der davon angefertigten petrographischen Karte und von 119 verschiedenen Gebirgsarten. Hofrat Feder: Über die Stufenfolge in der Natur. Direktor der Thierarzneischule Havemann: Über die Oestrus-Larven (Oestrus bovis L. OÖ. Equi Blumenb.), die sich in dem Magen der Pferde, Esel und Maultiere finden. Apotheker Gruner: Über den Diamant, dessen Natur und Zerstörung. Mit Vorzeigung genauer Abformungen der bekanntesten und grössten Diamanten in Europa. *) Der Inhalt dieser Vorträge ist angegeben bei Wächter, Ge- schichte der Naturhistor. Ges. 28 Dr. Mühry: Biographie eines der Medicin und den Natur- wissenschaften zu früh entrissenen jungen Arztes, des Dr. Ludwig Heinrich Christian Niemeyer. Hofrat Feder: Ist die Kenntnis der Naturgeschichte von solchem Nutzen für die Jugend, dass man sie als einen wesentlichen Teil der Erziehung anzusehen hat und wie ist sie in dem Falle am besten zu lehren ? Bergfaktor Rettberg: Einige allgemeine Erfahrungen über verschiedene Gebirge; ein Bruchstück aus der Geologie. Beschreibung der Gebirge vom Deister, Süntel und Osterwald. Bergfaktor Rettberg: Beschreibung der Mündenschen und Dransfeldschen Gebirge, vorzüglich der dortigen Braun- kohlen. Diese Vorträge, welche als schriftliche Abhandlungen ab- gefasst und vorgelesen wurden und die zum teil bei den Akten der Naturhistorischen Gesellschaft aufbewahrt werden, fanden allgemein bei den Mitgliedern Anklang, so dass dadurch die Beteiligung an den Generalversammlungen eine etwas lebhaftere wurde. Immerhin aber war die Zahl der Teilnehmer durch- schnittlich nur 20. — Auch in den folgenden Jahren wurde eine Reihe von Vorträgen gehalten. 1801 und 1802 sprachen Direktor Tischbein (als Gast) über die Verschiedenheit der Charaktere, Polizeikommissär Woempner über Austrocknung einer Sumpffläche vor dem Ägidienthore, Apotheker Gruner über Er- scheinungen des Galvanismus, über die Natur und den Nutzen atmosphärischer Luft und über die Vitriole des Rammelsberges bei Goslar, Dr. Hansen über einen historischen Überblick der bis dahin über das Churfürstentum Hannover erschienenen naturwissenschaftlichen Werke; weiterhin kamen zur Verlesung von Ehrenmitgliedern eingesandte Abhandlungen: von Ober- kommissär Westfeld in Weende über einen Erdfall bei Niedern- jesa und über Beiträge zur Physiologie der Kartoffeln, von Hofrat Gmelin in Göttingen über die Braunkohle und das bituminöse Holz bei Münden, und von Lehrer Einhof in Lüne- burg über physikalische Bemerkungen über die dortige Gegend 29 und über Monstrositäten bei Krähen, von Dr. Winkelmann in (Göttingen über Sandsteine bei Münden, von Pastor Hagemann in Borstel bei Nienburg über das dort befindliche Torfmoor und über den Nutzen der Heide. — In das Jahr 1800 fällt auch die Gründung der natur- historischen Sammlungen. Bei Gelegenheit seines Vor- trages über den Harz schenkte nämlich Lieutenant Lasius der Gesellschaft 119 verschiedene Gebirgsarten. In seinem Vortrage findet sich dabei folgende Bemerkung: „Da vorzüglich das Studium der vaterländischen Naturkunde der Zweck der Ge- sellschaft ist, so habe ichs für zweckmässig gehalten wenn ich die Sammlungen derselben durch eine Suite Harzischer Gebirgsarten vermehrte“ u. s. w. Es scheint daraus her- vorzugehen, dass die Societät bereits eine — wenn auch nur kleine — Sammlung von irgend welchen Naturprodukten besessen hat. Indessen ist darüber nirgends eine Bemerkung zu finden und wir müssen deshalb wohl annehmen, dass die vorhandenen Gegenstände von nur geringer Bedeutung waren. Zweifelsohne hat erst das Lasius’sche hochherzige Geschenk, von dem Münter im Protokoll schreibt, dass es „dem verdienst- vollen Herrn Geber auch unserer Nachkommen Dankgefühle zu- sichern“ wird, den Antrieb zur Gründung grösserer Sammlungen gegeben. So finden wir bereits im Protokoll vom 3. März desselben Jahres die Mitteilung, dass der Bergfaktor Rettberg „zum Süntel, Amts Lauenstein“ der Gesellschaft eine ganze Suite von „Erdschichten und Gebirgsarten“ vom Deister und Österwalde nebst einer Abhandlung darüber eingeschickt hat. Ferner schenkte der Geheime Kanzlei-Sekr. Flügge 5 Turbiniten aus Marienhagen und im Jahre 1801 cand. jur. Unger einen Kasten von 4 Auszügen mit einheimischen Käfern. Indem sich die Gesellschaft immer mehr entwickelte und festigte, ergab sich damit auch stets deutlicher die Notwendig- keit, die zahlreichen in den Protokollen niedergelegten Be- stimmungen als Satzungen zu vereinigen, sie durch Druck zu vervielfältigen und den Mitgliedern auszuhändigen. Der Sekretär der Gesellschaft, Prokurator Münter unterzog sich deshalb der Mühe, die einzelnen Beschlüsse zusammenzustellen, und entledigte 30 sich dieser Aufgabe mit vielem Geschick. Nachdem diese Satzungen durch den Ausschuss beraten und mit geringen Ab- änderungen genehmigt waren, wurden sie in der Generalver- sammlung vom 13. April 1801 von der Gesellschaft angenommen und bald darauf im Druck veröffentlicht. Sie hatten folgenden Wortlaut: „Die Constitution der Natur-Historischen Gesellschaft in Hannover vom 13. April 1801.“ Unter der Stiftung und Direction des Herrn Hofmediei Ludowig Mensching in Hannover, ist daselbst am 11. December 1797 eine Gesellschaft errichtet worden, deren Hauptabsicht dahin geht: die genauere Kenntniss der Naturproducte hiesiger Lande zu befördern — die dabey aber die Erweiterung aller naturhistorischen Kenntnisse unter den einzelnen Mitgliedern vermittelst einer dazu an- zuschaffenden zweckmässigen Bücher- und Naturalien- sammlung zur Nebenabsicht hat. SH. Die Sorge, diese Zwecke zu befördern, hat die Societät in die Hände eines Directors nebst acht Vorstehern für jedes wissenschaftliche Hauptfach der Natur-Historie, und eines be- ständigen Secretairs gelegt. Diese zehn Personen formiren zugleich den Ausschuss oder die sogenannte Committee der Gesellschaft. 8. 2. Der Ausschuss versammlet sich alle Monate einmal in den Wohnungen der dazu gehörigen Mitglieder nach dem alphabe- tischen Turno derselben. Hier wird alles in Überlegung gezogen, was das Wohl der Societät und ihre Erweiterung, nicht nur in Ansehung der Mit- glieder, sondern auch der Societäts-Bibliothek und Naturalien- sammlung bezielen kann. Die darin gefassten Beschlüsse, welche bey eintretenden verschiedenen Meynungen der Mitglieder durch Mehrheit der ol Stimmen festgesetzt werden, gelten jedoch in Rücksicht der ganzen Societät für nichts weiter, als Propositiones, welche bey der nächsten General - Versammlung der Societät vorgetragen werden müssen, und nur durch deren Sanction werden sie erst zu verbindlichen Beschlüssen für die ganze Gesellschaft. Bey eintretender Vacanz des Directors der Gesellschaft, hat die ganze Societät das alleinige Recht zur Wiederbesetzung dieser Stelle. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet hier; jedoch sind die Mitglieder der alsdann bestehenden activen Committee, nur die einzigen wahlfähigen Candidaten dazu. Das Amt eines Directors erstreckt sich überhaupt auf die Erhaltung der Ordnung im Ganzen. Er hat die Einnahme und Ausgabe sämmtlicher der Gesellschaft zugehöriger Gelder und legt darüber um Michaelis jeden Jahrs Rechnung ab. Er besorgt den Ankauf und die Circulation der von der Committee vorgeschlagenen Bücher; bewahrt die Schlüssel zur Bibliothek und Naturaliensammlung; erbricht die an die Societät erlassenen Briefe; sorgt für deren Beantwortung, nach vor- gängiger Communication mit der Committee, und unterzeichnet und befördert die Diplome; dabey hat er den Vortrag, sowohl in der Committee, als in den Societäts-Versammlungen; er ist befugt, falls es erforderlich seyn sollte, ausserordentliche Ver- sammlungen zusammen zu berufen, und der Societät das Nöthige per circulare bekannt zu machen. Das Amt eines Secretairs besteht in der Aufnahme der Verhandlungen zu Protocoll, sowohl bey den Versammlungen der Committee, als der ganzen Gesellschaft. Er coneipirt alle Aufsätze und Briefe, so die Angelegen- heiten der Gesellschaft betreffen, nach den Aufträgen des Directors, und liefert solche nächstdem dem Director zur Unter- schrift ein. Mit jedem Jahre beschliesst er seine Acten, und liefert solche dem Director ab. In der Committee hat er eine ent- scheidende Stimme. Er bewahrt das Siegel der Societät, und authentisirt nebst dem Director die Diplome. 32 Sowohl das Officium des Directors und Secretairs, als auch das Officium der übrigen Mitglieder der Committee ist permanent. Ereignete sich aber unter den Letztern eine Vacanz, so schlägt die Committee der Gesellschaft ein anderes dazu tüchtiges Mitglied vor, welches von der Societät ebenfalls durch Mehrheit der Stimmen entweder angenommen oder verworfen wird. Im letztern Falle ist die Committee gehalten, der Gesellschaft ein neues Subject in Vorschlag zu bringen. S. 4. Da es die Gesellschaft für zweckmässig gehalten hat, zur vollkommenen Erreichung ihrer Absicht, mit Männern, von an- erkannter Gelehrsamkeit in diesem wissenschaftlichen Fache, in so ferne solche ausserhalb Hannover in den hiesigen Landen und deren Nachbarschaft wohnen, in Verbindung zu treten; so ist, um solche enger zu knüpfen, beschlossen worden, dergleichen Männer zu Ehren-Mitgliedern aufzunehmen und ihnen darüber Diplome auszufertigen. Die Aufnahme eines solchen Ehren-Mitgliedes hängt ledig- lich von der Mehrheit der Stimmen ab, und der Aufgenommene ist von allen Lasten frey. Ein ordentliches Mitglied kann aber nur durch ein gesetz- mässiges Ballottement aufgenommen werden. Hiezu ist er- forderlich: 1. Die Gegenwart von wenigstens zwey Dritteln aller in Hannover wohnenden activen Mitglieder. Damit indessen ein anzustellendes Ballottement über ein aufzunehmendes Mitglied, durch den Mangel dieser festgesetzten Anzahl der Societäts-Genossen nicht aufgehalten werde; so soll, jedoch bloss bey dieser einzigen Handlung und unter ausdrück- licher Beybehaltung der Vorschriften des $. 6., die Ausnahme statt haben: dass wenn mit dem Schlage 7 Uhr auch nur einer über die Hälfte dieser Mitglieder gegenwärtig wäre, alsdann ein Ballottement über den Aufzunehmenden gesetzmässig angestellt werden könne. 2. Muss der Candidat von der Anzahl der alsdann gegen- wärtigen Mitglieder wenigstens drey Viertel auf seiner Seite haben, 33 LI Sonst schliessen fünf verneinende Kugeln unter 20 bis 23; sechs unter 24 bis 27; sieben unter 28 bis 31 Mitgliedern und so im gleichen Verhältniss weiter, den Candidaten aus. Jedes neu aufgenommene Mitglied zahlt, ausser den ordi- nairen jährlichen Beytrag von zwey Ducaten, annoch für die Aufnahme eine Pistole, und contribuirt auch überher zu den jährlichen Kosten der Miethe, der Feurung und Erleuchtung zu seinem Antheil. Die Societät versammlet sich in der dazu bestimmten Wohnung zwölfmal des Jahrs, und zwar am ersten Montage eines jeden Monats Abends fünf Uhr. Unter diesen zwölf Versammlungen sind diejenigen, welche in den Monaten Januar, April, Julius und October einfallen, als nothwendige Zusammenkünfte anzusehen, von welchen sich Niemand, ohne zureichende Hindernisse, ausschliessen darf. In diesen vier General-Zusammenkünften werden der Gesell- schaft die Beschlüsse der Committee über die Angelegenheiten der Societät zur Annahme oder Verwerfung vorgetragen. Hier müssen aber wenigstens zwey Drittel der in Hannover wohnenden Mitglieder zugegen seyn, indem die Gegenwart einer solchen Anzahl zur activen Repräsentation der Gesellschaft und zur Feststellung verbindlicher Beschlüsse durchaus erforderlich ist. Alle Beschlüsse, welche unter dieser Anzahl gefasst werden, sind ungültig. SEoWE Über die der Gesellschaft bey ihren Versammlungen vorge- schlagenen Beschlüsse der Committee, werden durchaus keine Dispüte zugelassen, sondern, wenn solche nach gemachter Pro- position nicht sofort eine allgemeine Annahme finden sollten ; so muss darüber von der ganzen Gesellschaft gestimmt werden, und hier entscheidet wiederum die Mehrheit der Stimmen. Bey diesen Zusammenkünften ist alles Spiel, ohne Aus- nahme, untersagt; so wie man sich auch dabey aller politischen 34 Unterredungen und Disceptationen, als zweckwidrig, gern von selbst enthalten wird. Sg. Ein jedes Mitglied hat die Befugniss, einen Fremden in die Versammlung zu führen, nur darf solches nicht an den Tagen geschehen, welche für die General- Versammlungen be- stimmt sind. Auch kann ein solcher Fremder nur einmal und weiter nicht zugelassen werden, es wäre denn, dass die Gesell- schaft, mittelst Ballottements, einen öfterern Besuch erlauben wollte. Ehren-Mitglieder haben dagegen bey allen Versamm- lungen freyen Zutritt. SS 10. Die in diesen Versammlungen zu haltenden Vorlesungen, werden der Regel nach, ein Eigenthum der Societät. Jedoch bleibt es einem jeden Verfasser derselben unbenommen, sich sowohl dies Eigenthum, als auch die freye Disposition über eine solche Abhandlung, vorzubehalten. Sn ae Der Fond der Societät ist besonders bestimmt, die er- forderlichen natur-historischen Werke anzuschaffen, von welchen die grössern und kostbaren nie zum Umlauf gebracht werden. Wer solche benutzen will, kann sie höchstens nur auf vier Wochen erhalten, und muss sich deshalb beym Directorio melden. Er überreicht hier einen Zettel, auf welchem das Buch, so er verlangt, notirt ist, und versieht solchen mit Datum und Namens Unterschrift. Durch diese Namens Unterschrift macht er sich zugleich stillschweigend verbindlich, für alle Beschädigungen und Beschmutzungen etc. zu haften. Sta. Die zur Circulation bestimmten Bücher werden alle 14 Tage gewechselt. Ein jeder Inhaber eines solchen Buchs, muss für die Integrität desselben einstehen. Wer daher ein Werk zurückliefert, aus welchem die Kupfer oder Charten gerissen oder geschnitten sind, oder welches sonst sehr beschmutzt ist, muss an dessen Stelle ein Neues anschaffen. 11T Damit auch ein Jeder wisse, für welche Anzahl von Kupfern und Charten er einzustehen habe, so soll deren Anzahl auf dem Umschlage eines jeden Buchs bemerkt werden. 5.28. Das Verleyhen solcher Bücher an Fremde ist nicht ver- stattet. Zur Vermeydung doppelter und mehrfältiger Wege für den Umläufer, der die Bücher bringt und abholt, müssen die Mit- glieder, bey ihrer etwaigen Abwesenheit, einen ihrer Hausge- nossen authorisiren, von welchem der Umläufer die gehabten Werke abfordern und dem er zugleich die neuen wiederum sicher behändigen könne. Dieser Hausgenosse macht aber seiner Handlungen halber blos den Societäts-Genossen der Gesellschaft verantwortlich. Ss. 14. Wenn ein Mitglied Reisen auf eine längere als vierzehntägige Dauer unternehmen will, so ist dasselbe gehalten, dem Director, mit Zurücksendung der in Händen habenden Bücher, hievon Nachricht zu geben, und sichs gefallen zu lassen, dass ihm die Mittheilung der in Circulation befangenen Bücher so lange vorbey gehe, bis es seine Wiederkunft angezeigt habe. S: 15: Falls ein Mitglied neue auf das Beste der Societät ab- zielende Vorschläge machen wollte, so müssen solche schriftlich aufgesetzt und dem Director zugestellt werden, der solche sodann der Committee in der nächsten Versammlung zur Deliberation vorlegen wird. Das Resultat der darüber gehaltenen Berath- schlagungen wird alsdann in der nächstfolgenden General-Ver- sammlung eröfnet werden. 8. 16; Wer aus der Societät austreten und solche ganz verlassen will, muss solches dem Directorio ein Vierteljahr vorher an- zeigen. Mit dem Austritt aus der Gesellschaft verliert der Societäts- Genosse alle und jede Ansprüche auf die stehende Bibliothek und Naturaliensammlung. 36 ST. Der Umläufer erhält von jedem Societäts-Genossen für seine Bemühung jährlich einen Reichsthaler. Hannover den 13ten April 1801. pro copia ES. G. FE. Muünter. S SED. Gegen Ende des Jahres 1801 wurde diese „Constitution“ mit einem Begleitschreiben, in dem besonders hervorgehoben wurde, dass „die Bemühungen der Gesellschaft nicht auf Ver- breitung bloss spekulativer Kenntnisse allein gerichtet sind, sondern auch zum allgemeinen Besten auf neue Entdeckungen im physischen und ökonomischen Fach ausgehen“, an die könig- liche Regierung gesandt. Die Bestätigung derselben führt folgenden Wortlaut: Das Königliche Ministerium lässt die von der hieselbst errichteten Naturhistorischen Gesellschaft unterm 30sten v. M. eingebrachte Anzeige Sich zu wohlgefälliger Nachricht dienen, und wird jederzeit die Fortschritte ihrer gemeinnützigen Be- mühungen mit Vergnügen vernehmen, auch solche gelegentlich zu Seiner Königlichen Majestät Höchsten Kenntniss bringen. Übrigens wird die Original-Anlage, mit dem dazu nach- gesuchten Imprimatur versehen, hiebey zurückgereichet. Hannover den 2ten December 1801. Königlich - Grossbritannische zur Churfürstlichen Braunschweig- Lüneburgschen Regierung verordnete Geheime Räthe. Grf. Kielmansegge. . Hiermit war in der Entwicklung der Satzungen im Allge- meinen ein Abschluss erreicht und mit den schönsten Hoffnungen konnte die Gesellschaft in die Zukunft blicken. Aus einer einfachen lockeren Lesegesellschaft, wie sie sich Mensching ur- sprünglich zur Begründung einer Bibliothek gedacht hatte, war ein Verein mit festen Satzungen entstanden, der nunmehr sein Hauptziel in der Beförderung der Kenntnisse der Naturprodukte besonders des engeren Vaterlandes erblickte. Um dies Ziel zu 37 erreichen, genügte aber nicht allein die Gründung einer Bücher- sammlung, sondern vor allem war dazu nötig, dass die Mit- glieder durch Vorträge und Aufsätze über fremde und eigene naturwissenschaftliche Untersuchungen anregend und belehrend wirkten. So ergab es sich von selbst, dass Sammlungen natur- historischer Gegenstände angelegt wurden. Hielten sich dieselben bislang auch nur in sehr bescheidenen Grenzen, so war doch wenigstens die Erkenntnis darin begründet, dass das wahre Studium der Natur nur in ihr selbst gefunden werden kann und nicht allein in der Lektüre naturwissenschaftlicher Bücher besteht. Somit waren die 3 Grundbedingungen, auf denen allein sich eine naturwissenschaftliche Gesellschaft auf die Dauer kräftig entwickeln kann, gegeben, nämlich: Sammlung natur- historischer Gegenstände; Vorträge mit Experimenten und wissen- schaftliche Abhandlungen ; Bibliothek klassischer Werke. — Im Laufe des Jahres 1802 war es infolge der scharfen Aufnahmebestimmungen für ordentliche Mitglieder ($. 4) in 5 Fällen vorgekommen, dass die angemeldeten Personen durch Ballottement von der Aufnahme in die Gesellschaft ausgeschlossen waren. Da sich. nun weiterhin am Schlusse des Geschäfts- jahres ein nur geringer Überschuss an Geld (nämlich 6 Rthl. 31 gr. 7 Pf.) ergab, so fürchteten die Mitglieder, dass die Ge- sellschaft auf die Dauer nicht lebenskräftig bleiben oder doch höchstens eine „Clubb*-förmige Fortdauer haben würde. Auch kam man zur Ansicht, dass jener Grund hinfällig wäre, durch den die scharfen Bestimmungen ursprünglich veranlasst waren und der darin lag, dass man sich durch dieselben ungeeigneter Elemente leichter erwehren wollte. Es wurde fernerhin betont, dass bei Aufnahme eines Mitgliedes nicht Standesverhältnisse ausschlaggebend sein dürften und dass die Gesellschaft nicht sowohl gesellige Vergnügungen als vielmehr wissenschaftliche Ziele verfolge. In Anbetracht dieser Erwägungen neigten fast sämtliche Mitglieder zu der Ansicht, dass eine Abänderung des $S. 4 der Satzungen nur im Interesse der Entwicklung der Ge- sellschaft läge. So wurde denn, gemäss einem dahingehenden An- trage auf der Generalversammlung vom 3. Januar 1803, der Bio) $. 4 der Constitution dahin abgeändert, dass auch beim Ballottement über die Aufnahme von Personen als ordentliche Mitglieder einfache Stimmenmehrheit entscheiden sollte. —- Damit war die erwünschte Einheit in der Abstimmung über neu aufzunehmende ordentliche und Ehren-Mitglieder erreicht. Da traten im Jahre 1803 jene traurigen Zeiten ein, in denen Land und Stadt Hannover von fremdem Kriegsvolk schwer heimgesucht wurden und der Wohlstand der Bürger an den Rand des Verderbens geriet. Am 5. Juni 1803 rückten nämlich die Franzosen in Hannover ein und hielten die Stadt bis zum 23. Oktober 1805 besetzt. Liessen sich dieselben auch im allgemeinen in ihrem Betragen nichts gegen die Bürger zu schulden kommen, sondern suchten vielmehr in geselligen Ver- kehr mit den Familien zu treten, so war doch die Last der Einquartierung eine so grosse und drückende und die Trauer über den Zustand des Vaterlandes eine so allgemeine, dass sich die patriotisch gesinnten Bürger so weit als irgend thunlich von allen grösseren geselligen Veranstaltungen zurückzogen, um im engeren Familienkreise auf bessere Zeiten zu hoffen. Viele Familien wurden damals schon an den Bettelstab gebracht. Endlich im Oktober verliessen die Franzosen die Stadt und mit Jubel wurden die heranrückenden befreundeten englischen und russischen Soldaten, deren Hauptquartier in Hoya lag, em- pfangen. Indessen sollte die Freude der Bürger nicht von langer Dauer sein, denn am 2. Februar 1806 rückte preussisches Kriegsvolk in die Stadt ein und hielt sie bis kurz nach der unglücklichen Schlacht bei Jena besetzt. Kaum aber hatten die Preussen die Stadt verlassen, da erschienen von neuem die Franzosen und richteten sich häuslich ein. Nach dem schmäh- lichen Frieden von Tilsit wurde Hannover dem Königreich Westfalen zugeteilt und blieb unter Jeröme’s Herrschaft bis zu dessen Vertreibung. In jener Zeit hat die Stadt unendlich viel gelitten. Unerschwingliche Kriegs-Kontributionen, der ständige Druck übermässiger Einquartierungen, der ununterbrochene Wechsel fremden Kriegsvolks lasteten schwer auf ihr. Der Handel lag danieder, der Grundbesitz war übermässig entwertet, die Geldnot allgemein. Dazu gesellten sich andere Schicksals- 39 schläge wie eine Wassersnot in der Neustadt und der Ausbruch einer Blatternepidemie. Und als schliesslich die grosse Armee vernichtet war und im traurigsten Zustande aus Russland zurück- kehrte, da hielten erst Recht Sorge und Elend Einzug in die Stadt. Der Typhus wütete nicht allein unter dem Kriegsvolk, sondern raffte auch einen grossen Teil der selbst im Elend hülfsbereiten Bewohner dahin. So gesellte sich zum Verluste von Hab und Gut der düstere Schrecken von Krankheit und Tod. In dieser hoffnungslosen unruhigen Zeit konnten Kunst und Wissenschaft nicht zur Blüte gelangen. Wenn trotz allem unsere junge Naturhistorische Gesellschaft diese schweren Zeiten überdauerte, so haben wir dies in erster Linie der tief em- pfundenen Begeisterung für die Naturwissenschaft, von der die Begründer und Mitglieder durchdrungen waren, zu verdanken. Zwar nahm die Gesellschaft an Zahl der Mitglieder nicht zu, doch hielt sich dieselbe fast auf der bisher erreichten Höhe. Starke Einbusse dagegen erlitten die regelmässigen Zusammen- künfte und vor allem trat ein Rückschritt in der Zahl der Vorträge ein. So wurden im Jahre 1803 nur 2 Vorträge ge- halten, nämlich vom Geh. Kanzlei-Sekr. Flügge über ein in Nordamerika ausgegrabenes Mammuth und vom Apotheker Gruner über Meteorsteine und Metallmassen. Ebenso scheinen im Jahre 1804 nur 2 vom Bergamtsauditor Hausmann in Clausthal ein- gesandte Abhandlungen zur Vorlesung gekommen zu sein, von denen die eine mineralogische Bemerkungen über die Gegend des Deisters bei Wennigsen brachte, während die andere eine Darstellung über die am 22. März 1804 aus den Weinstöcker Grubengebäuden bei Andreasberg hervorgedrungenen bösen Wetter und das sie begleitende Wasser gab. Abgesehen von den viertel- jährlichen Generalversammlungen scheinen die übrigen Zusammen- künfte nur schwach besucht gewesen zu sein. Auch wurde 1803 beschlossen, den auf den 11. December einfallenden Stiftungs- tag, der seit einigen Jahren durch eine Festlichkeit verschönt wurde, diesmal ungefeiert zu lassen, „indem der grösste Teil der Mitglieder bei den feindlichen Umgebungen diese Feier doch nicht mit frohem Herzen begehen würde“. 40 In der Zeit von 1799 bis 1804 traten in dem auf Lebens- zeit seiner Mitglieder gewählten Ausschusse folgende Verände- rungen ein. Für den am 28. März 1801 verstorbenen Kommerz- Rat Hoepfner wurde der Thierarzneischul - Direktor Havemann in den Vorstand gewählt. Am 8. Mai 1802 starb der Leib- chirurg Lampe; an seine Stelle trat Hofmedikus Lodemann. Den härtesten Verlust erlitt die Gesellschaft jedoch im Jahre 1804 durch den Tod ihres Stifters. August Ludwig Mensching stammte aus einem alten Gelehrten-Geschlecht, das ursprünglich in der Grafschaft Lippe sesshaft war. 1650 siedelte der Urgrossvater nach Hannover über und wirkte hier als Pastor an der Ägidienkirche, wo sich noch heute sein Bildnis befindet. Der Grossvater war Pastor in Helstorf, der Vater zuerst Regimentsarzt, dann praktischer Arzt und Hofrat in Boitzenburg in Mecklenburg. Hier wurde August Ludwig geboren. Von Ostern 1773 bis 1777 studierte er in Göttingen Mediein und bestand am 21. Februar 1777 sein Examen. Am 29. März 1777 disputierte er unter Prof. Baldingers Vorsitz „de regulis generalioribus in morborum curationibus ubique observandis“. Später war er Hofmedikus in Hannover und starb im 52. Lebensjahre am 23. August 1804 auf einer Reise bei seinem Bruder Hofmedikus Johann Heinrich Mensching in Nienburg an einem Leberleiden, das ihn seit 1802 wiederholt ans Krankenlager gefesselt hatte. Über seinen Charakter, von dem ja auch die anfangs unserer Geschichte veröffentlichten Briefe beredtes Zeugnis ablegen, und seine Bedeutung hielt der Sekretär der Gesellschaft, Münter, in der Sitzung vom 1. Oktober 1804 den folgenden Vortrag: „Seit dem Bestande unserer Societät, der jetzt einen Zeit- raum von Sieben Jahren begreift, hat das Amt, welchem ich vorzustehen die Ehre habe, mir noch nie eine Verpflichtung auferlegt, die mich mit so inniger Wehmuth erfüllt hätte, als an dem heutigen Tage, an welchem ich Ihnen unsers Menschings Tod ankündigen soll. Zwar wissen Sie es bereits insgesammt, dass dieser treffliche Mann, der uns als Stifter und Direcktor dieser Gesellschaft noch lange ein Ehrenvolles Angedenken hinterlassen wird, schon 41 am 23. August zu Nienburg, in den Armen seines Bruders, mit dem Ende seines langwierigen Leyden, auch das Ende seines Lebens fand — und wer unter uns vernahm wohl diese Nach- richt ohne herzliches Bedauern ? Allein in diesem Kreise seiner versammelten Freunde, in diesem Cirkel dem er sein Daseyn gab, dem er der Verbindung gemäss, die mannigfaltigsten geistigen Unterhaltungen verschaffte und den er nun — verwaiset zurücklässt, gewinnt diese Todes Nachricht, darum eine schmerzhafte Neuheit — weil sie Ge- fühle ganz anderer Art, als die vorherigen individuellen Em- pfindungen in uns nothwendig aufregen muss. Mir war der Vollendete freylig noch mehr, als was er in solchen Verhältnissen einem Jeden unter uns ohne Unterschied war und seyn musste — ein eyfriger Empfehler und Beförderer einer Wissenschaft, von der ich gern gestehe, dass sie jetzt die einzige Glückseligkeit meines Lebens ausmacht. — Ach! ich verlor mit ihm zugleich meinen langjährigen Freund — meinen Arzt! Und warum sollte ich seinen Manen den letzten Tribut meines dankbaren Herzens hier nicht öffentlich dafür ablegen dürfen — dass ich mich in dieser elenden Hülle durch seine Treue und Kenntnissvolle Sorgfalt wider alle meine Erwartungen noch bis jetzt durch dies Leben fortzuschleppen vermögend ge- wesen bin — da ich in den Augen mehrerer der hier ver- sammelten würdigen Männer gleiche Empfindungen, aus eben dieser Quelle auf das deutlichste zu lesen vermag. Und dürfte ich's wohl an dem heutigen Tage verheelen ? Verdient es nicht eben so sehr einer rühmlichen dankvollen Erwähnung von mir — dass in den siebenjährigen Amts und (Geschäftsverhältnissen worin ich mit ihm zu dieser Gesellschaft stand auch nicht ein Schatten von Unwillen, Missvergnügen oder Kälte unter uns eintrat und die so nöthige Harmonie bey dem Betriebe dieser Geschäfte stöhrte. Doch mein Dank weiss sich noch weiter auszudehnen und sich mit den Ihrigen zu vereinigen suchen. 0! meine Herrn könnten wir es wohl vergessen, dass es Mensching war, der dem grössten Theil unter uns den Zugang 42 zu den Kenntnissen der Natur, ihrer Kräfte und ihres mannig- fachen Reichthums, durch seine Stiftung erleichterte ? Dass er es war, der mit einer ausdauernden Anstrengung und mit nicht geringen Aufopferungen einen lange Jahre ge- fassten Plan zu einem solchen mit so vielen Schwierigkeiten verknüpften nützlichen Institute, Stufenweise bis zu dem jetzt erreichten Ziele ausführte ? Wer sich einen völligen Begriff von der Kostbarkeit der Mittel, die dazu erforderlich sind, machen kann, die bey dem Mangel fürstlicher Freygebigkeit, nur durch vereinte privat Kräfte herbey zu schaffen stehen; — Wer es aber auch zugleich einzusehen vermag, wie schwer es hält, auf diesem letztern so complieirten Wege einem solchen Institut die erforderliche Halt- barkeit und Dauer zu geben — unter den dazu ausersehenen Individuen nur erst einen thätigen eyfrig mit wirkenden Geist für die gute Sache und eine Begierde nach ihren Früchten, ehe sie vorhanden sind zu erwecken — der wird gewiss mit mir, Menschings doppeltes Verdienst um unsere Gesellschaft, mit Dankbarkeit zu schätzen wissen. Auch zweyfele man ja nicht, dass es sein herzliches Be- streben war, mehrere nützliche Unterhaltung, besonders bey den monatlichen Zusammen Künften herbey zu schaffen. Dazu hatte er den Geist einer solchen Societät, viel zu vollkommen gefasst. Allein sein eigener Geist unterlag schon lange, der drückenden Last seiner körperlichen Leyden und erstickte in ihm jeden Keim zur weiteren Ausbildung seines Lieblings Wercks. Jetzt hat er ausgelitten! Ein heiliger Friede umgebe seine modernden Gebeine!!* In derselben Sitzung vom 1. Oktober 1804 wurde als Mensching’s Nachfolger Hofrat Feder zum Direktor erwählt. Gleichzeitig trat Dr. Mühry dem Ausschusse bei. 3) Die Gesellschaft unter Feder als Direktor. (1804—-1821.) (Naturhistorisch-ökonomische Gesellschaft.) „Feder war“, wie Wächter schreibt, „kein Naturforscher im eigentlichen Sinne des Worts, d. h. er hatte die Kenntnis der Naturkörper nicht zum Gegenstande seiner Studien gemacht. 43 Aber Feder war ein Gelehrter von Hause aus — ein Philosoph, der als solcher mit allen Fächern des menschlichen Wissens bekannt sein musste und es auch wirklich war, dabei als Mensch ganz ausgezeichnet, dem jede übernommene Verpflichtung heilig war und dem nichts mehr am Herzen lag, als Beförde- rung des menschlichen Wissens und des menschlichen Glücks! — Seinen Händen war daher das Wohl der jungen aufblühenden Gesellschaft sehr zweckmässig anvertraut; auch hat er während seiner 17 jährigen Direktion nie aufgehört, für dieselbe wirksam zu sein. Sein Name und seine ausgebreiteten gelehrten und persönlichen Verbindungen trugen nicht wenig dazu bei“. Feder übernahm die Direktion nicht in der Form, wie sie Mensching geführt hatte. Vielmehr liess er eine Arbeitsteilung eintreten, indem er für sich selbst den Vorsitz und die Ver- tretung der Gesellschaft beanspruchte, während er die Sorge für die Bücher und das Naturalienkabinett an Dr. Lammersdorf und für die Kassenführung an Apotheker Gruner abtrat. Weiter- hin gehörten zum Ausschuss: Dr. Mühry, Direktor Rühlmann, Thierarzneischul-Direktor Havemann, Dr. Lodemann, Lieutenant Lasius und Hofmedikus Hansen. — Was zunächst die Mitgliederzahl anlangt, so erhielt sich dieselbe während dieser Periode auf annähernd gleicher Höhe. In der Januar-Sitzung von 1808 gab Münter eine Übersicht über den Bestand. Danach gehörten der Gesellschaft seit der Stiftung 66 ordentliche und 40 Ehrenmitglieder an. Von ersteren verlor der Verein durch den Tod 10 und durch Austritt 9; von den Ehrenmitgliedern starben 4. Die Gesellschaft zählte mithin 47 ordentliche und 36 Ehrenmitglieder. — Von Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaft wurde der Beschluss der Versammlung vom 6. März 1809. „In Ge- mässheit des $. 4 der Constitution hatte die Gesellschaft sich bisher in der Aufnahme von Ehren-Mitgliedern bloss auf solche Subjekte beschränkt, welche in den hiesigen Landen und deren Nachbarschaft wohnten. — Bei der Gelegenheit, dass ein ver- ehrtes Mitglied der Committee den Herrn Collegien Assessor Doctor Medicinae Ludolph Guckenberger, einen geborenen Hannoveraner, zum Ehren-Mitgliede in Vorschlag brachte, ward 44 die Frage aufgeworfen: ob man nicht überhaupt den dem An- schein nach durch die Constitution beschränkten Cirkel er- weitere und auch andere auswärtige Männer von anerkannten Verdiensten in dem Fache naturhistorischer Kenntnisse, ohne Rücksicht auf ihre Entfernung von uns, zu Ehren-Mitgliedern aufnehmen wolle“ Die Gründe für die Bejahung dieser Frage wurden noch durch den Umstand unterstützt, dass die Worte des $. 4 durchaus kein eigentliches Interdikt enthalten. Dem- nach wurde beschlossen, den $. 4 in dem Sinne jener Frage zu erweitern, und zu Ehren-Mitgliedern auch Gelehrte aus fremden Landen zu ernennen. Infolge hiervon erhielt die Gesellschaft mehrere Ehrenmitglieder von bedeutendem Ruf, so z. B. den durch sein treffliches Werk über die Insekten vorteilhaft be- kannten Dr. Panzer in Nürnberg. Wiederholt schon hatte es sich als ein Übelstand erwiesen, dass das Ballottement über die Aufnahme eines neuen Mit- gliedes nur in den 4 Generalversammlungen stattfinden durfte. In der Sitzung vom 6. November 1809 wurde deshalb auf An- trag Feders beschlossen, „dass die Aufnahme neuer Kandidaten zu ordentlichen Mitgliedern an jedem Versammlungstage gültig vorgenommen werden könnte“. Als Zusatz zu den Grundgesetzen ist noch der Beschluss aus dem Jahre 1812 zu erwähnen, dass Mitglieder, die infolge einer längeren Abwesenheit ihre Dimission eingereicht haben, nach Rückkehr ohne Weiteres wieder der Gesellschaft angehören, dass aber jene Mitglieder, die dauernd ortsansässig sind, sich einem neuen Ballottement unterwerfen müssen, falls sie aus- getreten waren und wieder aufgenommen zu werden wünschten. Eine bedeutsame Erweiterung erhielt die Gesellschaft im Jahre 1812 auf Anregung des in staatswirtschaftlichen Angelegen- heiten sehr bewanderten Landes-Ökonomierats Meyer in Coldingen, die darin bestand, dass der Gesellschaft eine Sektion für Land- wirtschaft hinzugefügt wurde. Meyer begründete seinen Antrag mit folgenden Ausführungen: „Nachdem mir die Ehre der Aufnahme in die hiesige Natur- historische Gesellschaft wiederfaren ist, sehe ich die innere Einrichtung dieser verehrungswerten Gesellschaft, mehr mit den 45 Augen des Landwirths, wie des Gelehrten an, und dadurch ent- wickelt sich immer mehr die Idee, dass es nüzlich und leicht seyn müsse, den hier vereinigten Kenntnissen vieler verdienter Gelehrten, besonders im Fache der Chemie, Botanick, Anatomie und Thier-Arzney-Kunde, einen wohlthätigen Einfluss auf die benachbarten Landwirthe und die practische Oekonomie zu ver- schaffen. Dieser Plan dringt sich mir um so mehr als richtig auf, da er mit meinen Grundsätzen über die Bildung junger Land- wirthe zusammen hängt. Ich hatte mich nemlich überzeugt, dass bey der practischen Ausübung der Landwirthschaft es bey den jungen Leuten, welche sich derselben als dem Haupt-Narungs-Gewerbe ihres Lebens widmen, vorzüglich auf eine Erziehung zur practischen Land- wirthschaft ankommt; dass heisst: frühe Ausbildung der körperlichen Kräfte, Erlernung des Mechanismus aller Landwirth- schaftlichen Arbeiten bis ins kleinste Detail, Übung des Auges in deren Beurtheilung, und Erkennen aller Mängel bey allen Vieh-Sorten, Erfarung in Anstellung der Arbeiter, richtige Leitung ihrer Kräfte, pünctliche Ordnung in ihren Geschäften und grosse Genauigkeit in Beobachtung kleiner Vortheile, und im Rechnungswesen. — Dieser mannigfaltigen Gegenstände muss sich der junge Oeconom in der frühesten Jugend wenigstens bis zum 20. Jahre bemeistern. Dazu gehört eine starke Anstrengung der körper- lichen Kräfte, welche es nicht warscheinlich macht, dass der junge Mensch, welcher den ganzen Tag in Tätigkeit gewesen, die Abendstunden aufgelegt seyn werde, abstracte wissenschaft- liche Gegenstände der Botanik oder Chemie zu studiren und gründlich zu erlernen. Der fehlende mündliche Unterricht er- schwert dieses noch mehr, und es entsteht höchstens eine Halb- wisserey, welche in jeder Hinsicht schädlich ist. Will der junge Oekonom sich diesen Wissenschaften auf Universitaeten und Instituten widmen, so entgeht ihm die höchst wichtige Ausbildung in dem oben beschriebenen Oekonomischen Mechanismus — ohne welche alle Gelehrte Kentnisse in der nachherigen practischen Anwendung keinen Erfolg haben. 46 Will er, nachdem er zum Practiker tüchtig erzogen worden, hinterher ein Jahr die Universitaet oder ein Institut besuchen, wird unter dreyen kaum einer in so kurzer Zeit in das wahre Wissenschaftliche der Chemie, Botanik, Anatomie etc. eindringen, daran verzweifeln, und bey der unverdaueten Leserey von Büchern und Journalen, in die grosse Gefahr des Hangs zum Müssig- gehen und Projectmachen gerahten, welches für das ganze übrige Leben die schädlichste Folgen hat. Ich halte mich daher überzeugt, dass die practischen guten Landwirthe nach wie vor auf eine practische Art vernünftig dazu erzogen werden müssen, und das eigendliche Studiren der Oekonomie, besonders aller damit verwandten Wissenschaften, der Vorzug der grossen Guthsbesitzer bleiben müsse, deren Geschäfte so ins Grosse gehen, dass sie zur Aufsicht der praetischen Arbeiten erfarne und zuverlässige Männer anstellen, und für sich zu einem gründlichen Studium aller mannigfaltigen vor- und haupt-Kenntnisse — die erforderliche geraume Zeit, und erhebliche Kosten anwenden können. — Ist dieser Grundsatz richtig; so ist es für das allgemeine Beste höchst wichtig, dass man von den Combinirungs-Plänen der Ausbildung zum Gelehrten und practischen Oeconomen, bey Zeiten ganz abstehe, jede Classe sowohl den Gelehrten, wie den Practicker nach ihren besondern Erfordernissen und Eigenthüm- lichkeiten, ausbilden lasse, und dann hinterher im gemeinen Leben diese bey den Classen der Statsbürger, einander so nahe bringe, dass sie sich auf eine leichte und angenehme Art in die Hände arbeiten. Hier ist grade der Punct, wo es recht einleuchten wird, wie nüzlich die Kenntnisse der in der Natur- historischen Gesellschaft vereinigten Gelehrten, besonders in Botanick, Chemie, Anatonomie und Thier-Arzneikunde, den be- nachbarten practischen Oeconomen werden können — so wie es für das Gelehrte Studium jener Wissenschaften ein offen- barer Gewinn ist, wenn practische Landwirthe von gesunden Urtheil, jenen ihre Erfarungen mittheilen, nüzliche Belehrungen richtig anwenden, und die Resultate wahrhaft vorlegen. Durch diesen glücklichen Verein werden nützliche gelehrte Kenntnisse und Entdeckungen einen unmittelbaren Einfluss auf die Landes- 47 Cultur, mithin Wollfarth des Stats und des gröstentheils seiner Bewohner gewinnen, und die Wissenschaft wird einen Schaz zuverlässiger Erfahrungen sammeln, deren glückliche Folgen vorher nicht übersehen werden können.“ In weiterer Ausführung seines Planes schlug Meyer vor, dass sich die Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft nach den verschiedenen Fächern der Naturwissenschaft in Sektionen gliedern möchten, und dass diesen Abteilungen der gelehrten Mitglieder die neue Sektion, welche aus praktischen Landwirten bestehen würde, hinzugefügt werden möchte. Die Idee Meyers fand allgemeinen Anklang und die Gesellschaft nahm nunmehr den Namen „Naturhistorisch-ökonomische Gesellschaft“ an. Als Vertreter der ökonomischen Sektion wurden Meyer und ein Jahr später noch Hofrat von Hinüber in den Ausschuss gewählt, so dass nunmehr der Vorstand aus dem Direktor, dem Schriftführer und 10 anderen Mitgliedern bestand. In der Folge traten der Gesellschaft mehrere Landwirte als Mitglieder bei; ebenfalls schlossen sich einige Forstleute an. Wie bereits weiter oben hervorgehoben wurde, nahm das Interesse an den Versammlungen während der unglücklichen Kriegsjahre stark ab, zumal nur wenig Unterhaltung bei den- selben geboten wurde. Um diesem Übelstand abzuhelfen, erliess der unermüdliche Feder 1806 ein Rundschreiben, in dem er Vorschläge zur Erreichung zweckmässiger Unterhaltung bei den monatlichen Versammlungen machte. Er gab nämlich anheim, dass möglichst jedes Mitglied es übernehme, entweder eine eigene Abhandlung vorzutragen oder aus einem Buche geeignete Mitteilungen vorzulesen oder schliesslich Fragen naturhistorischen Inhalts aufzuwerfen, die dann von den Mitgliedern zu be- antworten wären. Bezüglich des letzten Punktes stellte Feder einige Fragen auf: z. B. Überwintern der Kuckuck und die Nachtigall in unseren Gegenden? Haben sich im Hannöverschen die Hamster je schon in solcher Menge gezeigt, dass sie wie im Gothaischen zur Landplage wurden ? Seit wie lange verspürt man hier die grosse Ratte von hellerer Farbe (Wanderratte) und hat man bemerkt, dass sie die kleinere Art vertreibt ? Wie viele Steinkohlenbergwerke unseres Landes sind jetzt im 48 Betriebe und welches sind die ergiebigsten? Besitzt Jemand aus der Gesellschaft geologische Merkwürdigkeiten aus den be- rühmten Höhlen hiesiger Lande, oder was ist ihm vom gegen- wärtigen Zustande derselben bekannt? — Zwar sollten die Fragen, welche die vaterländischen Naturmerkwürdigkeiten be- träfen, allerdings die willkommensten, doch dürften die anderen, dem allgemeinen Zwecke entsprechenden nicht ausgeschlossen sein. Dahin rechnet Feder z. B. folgende Fragen: Von wie vielen unserer Getreidearten ist das ursprüngliche Vaterland bekannt oder noch unbekannt? — Es ist nicht zu bezweifeln, dass wenn dieser Gedanke streng durchgeführt wäre, die Ver- sammlungen nicht an der bedenklichen Einförmigkeit, wie sie das Ballottement über die Aufnahme von Personen mit sich brachte, gelitten hätten. Indessen scheint die Art und Weise der Durchführung des Gedankens, die freilich etwas schulmeister- liches an sich hatte, insofern es nämlich dem Direktor ge- stattet sein sollte jedes Mitglied einzeln zur Stellung und Be- antwortung von Fragen auffordern zu dürfen, auf starkes Be- denken seitens der Mitglieder gestossen zu sein. Zwar erklärte sich die Mehrzahl mit der Idee Feders einverstanden, doch wollte sie jeden Schein eines Zwanges, Vorlesungen zu halten und Fragen zu stellen bezw. zu beantworten aufs peinlichste vermieden wissen. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn die Vorschläge Feders in der auf Beschluss des Ausschusses festgestellten Form, wonach es wie bisher jedem Mitgliede voll- ständig freigelassen werden sollte sich an den wissenschaftlichen Verhandlungen zu beteiligen, auf die Dauer nicht den ge- wünschten Erfolg erzielten. Immerhin erreichte Feder, dass wenigstens die Vorträge während seines Direktoriats bis 1821 nicht ganz unterblieben. So hielt er selbst 1805 Vortrag über die Abweichungen der Begriffe und Kunstausdrücke in der Naturhistorie von den Begriffen und Benennungen des gemeinen Lebens; 1806 über merkwürdige Überreste eines bei Steigerthal (Grafschaft Hohnstein) ausgegrabenen Elephanten, dann aber erst wieder 1819 über die Frage, ob das Menschengeschlecht von einem oder mehreren Urpaaren abstammt. Apotheker Gruner sprach 1805 über die Natur des Wassers, cand. jur. 49 IV Unger 1807 über den Schmerz der Tiere und 1809 über die Sinnesorgane und das Respirationsvermögen einiger Insekten, Inspektor Munke 1809 über die Wiedererzeugung des Sauer- stoffs der atmosphärischen Luft, Lobo di Silveira (portugiesischer Gesandter) 1810 über ein von ihm in Schweden neu entdecktes Mineral (Gahnit?), Dr. Mühry 1812 über die Frage, ob der abgeschnittene Kopf eines Enthaupteten noch auf einige Zeit Be- wusstsein habe und 1815 über den verstorbenen Direktor Rühlmann, Procurator Münter 1812 über eine Methode dem galizischen Honig seinen Geruch zu entziehen, Direktor Havemann über die Krankheit des Rindviehs und der Pferde in der Moldau, Pastor Hesse 1818 über die auf dem Cap der guten Hoffnung befindlichen fremden Pflanzen, Prof. Wildt 1818 über den Ring des Saturn, 1819 über ein interessantes Feuermeteor, ferner über Entstehung des Höhenrauchs und über den Sandstein des Krönungsstuhls der Könige von Schottland. — Weiterhin wurden aus Briefen Mitteilungen gemacht; so 1806 von Geh. Kanzlei- Sekretär Flügge aus Briefen von Tiedemann an Blumenbach in Göttingen, 1807 von Feder aus einem Briefe des Dr. Lichtenstein an Hofrat Schulz in Göttingen über Hottentotten, Buschmänner u. s. w. —- Ferner fanden auch kleinere Mitteilungen mit Demonstrationen statt: 7. Juli 1806 zeigte Feder mehrere vom Cap der guten Hoffnung stammende Naturalien, 6. Oktober 1806 wurden die von Lehzen, Meyer und Unger geschenkten Mineralien und Versteinerungen vorgeführt; 1807 demonstrierte Direktor Havemann eine Blase von Coenurus cerebralis (Drehwurm) und 1815 eine Sammlung otahaitischer Zeuge und eine einem Pferde ausgeschnittene Beule mit unter der Haut angewachsenen Haarbüscheln; 1807 wurde eine vom Zehndtner Meyer in Goslar geschenkte Sammlung von Gesteinen des Rammelsberges und 1808 die von Weppen geschenkten Fossilien demonstriert; 1811 fand eine Besichtigung der Guckenbergerschen Pflanzensammlung statt. — Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass auswärtige Mit- glieder schriftliche Abhandlungen einsandten, die in den Sitzungen vorgelesen wurden. Solche Abhandlungen waren eingeschickt: 1805 von Hesse über die Behandlung der kapischen Blumen- 50 zwiebeln, von Voigt über Fragmenta florae Wildeshusanae und über die Naturgeschichte der Tiere im Amte Wildeshausen, 1814 von Dr. Jacobson in Altona über die periodische Er- starrung der dem Winterschlaf unterworfenen Tiere, 1817 von Binge aus Lehnsahn über Beiträge zur Naturkunde oder Ökonomie. Im Jahre 1806 wurde der Beschluss gefasst, „druckwürdige Abhandlungen und Aufsätze so lange Namens der Gesellschaft in das hannoversche Magazin einrücken zu lassen, bis ihre Zahl gross genug sei, einen eigenen Band naturhistorischer Schriften der Gesellschaft zu bilden, was bis dahin noch nicht der Fall gewesen sei“. Feder selbst ging damit voran, indem er im hannoverschen Magazin von 1806 Seite 215 seinen in der Ge- sellschaftssitzung vom 6. Januar gehaltenen Vortrag: „Merk- würdige Überreste eines vor kurzem in der Grafschaft Hohnstein (bei Steigerthal) ausgegrabenen KElephanten“ veröffentlichte, wobei er gleichzeitig Nachricht über die Gründung der Ge- sellschaft und ihre Ziele gab. Das hannoversche Magazin ist denn auch später wiederholt von Mitgliedern der Gesellschaft zur Veröffentlichung von Aufsätzen benutzt. Immerhin bewegte sich jedoch die wissenschaftliche Thätigkeit nur in engen Grenzen und damit hing es auch zusammen, dass es nicht zur Herausgabe einer selbständigen Gesellschaftsschrift kam. — Trotz dieser immerhin nur geringen wissenschaftlichen Thätigkeit erfreute sich die Gesellschaft nach aussen eines guten Rufes; denn nicht allein hielten es auswärtige Gelehrte für schmeichelhaft zum Ehrenmitgliede ernannt zu werden, sondern sie sandten, wie wir gesehen haben, selbst wissenschafliche Abhandlungen ein und nahmen gelegentlich auch teil an den Sitzungen, so 2. B. die Professoren Schrader und Stromeyer aus Göttingen. Der durch seine Entdeckungen in der Lehre vom Klange und durch seine Untersuchungen über Feuermeteore bekannte Dr. Chladni legte in der Sitzung vom 3. Februar 1817 „seine beträchtlichen Sammlungen von Meteorsteinen und aus der Atmosphäre niedergefallenen Eisenmassen vor und begleitete dieselben mit einem ebenso instruktiven als interessanten Commentar, indem er bei den einzelnen Stücken auf die be- kannten, dabei merkwürdigen Umstände aufmerksam machte und Hl IV* die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit zeigte, dass diese Körper, wie Lichtenberg es bereits geahnt, kosmischen und nicht tellurischen Ursprungs wären. Er fügte hinzu, dass Lichtenberg ihn zuerst auf diese Ansicht geführt und durch diese Äusserung zu einer genauen Prüfung aller über diesen Gegenstand aufzufindenden Thatsachen geleitet habe, welche letztere ihm bald so günstige Resultate ergaben, dass er es gewagt, das Dasein vom Himmel gefallener Massen laut zu be- haupten und obgleich fast alle Gelehrte und besonders Theologen gegen ihn aufgetreten wären und er geradezu des Aufklärungs- vandalismus beschuldigt sei, so habe er doch die Genugthuung erhalten, dass seine Meinung allenthalben als die richtige jetzt angesehen werde.“ Wir wollen hier noch hinzufügen, dass Chladni, der zum Ehrenmitgliede ernannt wurde, einige Jahre später über diesen Gegenstand in Hannover öffentliche Vorträge hielt. Die naturhistorischen Sammlungen scheinen unter Feder nur einen verhältnismässig geringen Zuwachs erfahren zu haben. Bei Steigerthal in der Grafschaft Hohnstein wurden 1805 gelegentlich der Urbarmachung von Ackerland die Reste eines Elephanten ausgegraben, von denen die Backenzähne und ein Stosszahn durch den Gerichtsverwalter Lehzen in den Besitz der Gesellschaft übergingen. Im folgenden Jahre schenkte Lehzen *) eine ansehnliche Sammlung von Mineralien und Ver- steinerungen aus der Grafschaft Hohnstein. Feder überwies dem Naturalienkabinett Dubletten aus einer von Pastor Hesse erhaltenen Sammlung süd-afrikanischer Naturalien. Hofrat Unger schenkte 32 geschliffene Blankenburgische Marmortafeln. Zehndtner Meyer in Goslar sandte 1807 Gesteine des Rammels- berges ein. Amtmann Weppen machte 29 Arten Fossilen aus der Wickershauser Gegend zum Geschenk. 1811 vermehrte Dr. Guckenberger die Sammlung durch eine Anzahl Pflanzen und 1814 G. D. Wendelstaedt durch eine Blitzröhre. — Ver- *) Als Lehzen, der zum Ehrenmitgliede ernannt wurde, 1806 das schwere Unglück der Plünderung durch feindliche Truppen traf, fand für ihn auf Anregung von Feder unter den Mitgliedern eine Geld- sammlung statt, deren Betrag ihm als Ersatz für seine Geschenke zu- gesandt wurde. mutlich sind noch manche andere Geschenke gemacht, doch lässt sich darüber aus den Akten nichts Sicheres feststellen. Es möge deshalb hier eine Bemerkung über die Sammlungen Platz finden, die Münter in der schon oben erwähnten Übersicht über den Stand der Gesellschaft im Januar 1808 gab und die folgenden Wortlaut hat: „Das beschränkte locale unseres Ver- sammlungshauses hat es leyder bis jetzt unmöglich gemacht, den gesammten durch die Liberalität sowohl unserer ordentlichen als Ehren-Mitglieder schon sehr stark angewachsenen Vorrath von Naturalien in einer systematischen Ordnung aufzustellen, um ihn dadurch gemeinnütziger zu machen, und es dürfte auch wohl besonders bey den noch immer fortdauernden öffentlichen Calamitäten anoch eine geraume Zeit vergehen bevor diesem Mangel abgeholfen werden kann. — Dieser Umstand muss uns aber nicht abhalten auf die fortwährende Vermehrung unserer Naturalien-Sammlung so viel als möglich Bedacht zu nehmen und solche zu befördern.* — Einen erfreulichen Aufschwung nahm dagegen die Bib- liothek. Im Jahre 1814 erschien das erste gedruckte „Ver- zeichnis der Büchersammlung der Naturhistorisch-Ökonomischen Gesellschaft zu Hannover“. Danach betrug die Gesamtzahl der verschiedenen Werke 655, wovon die einzelnen Fächer enthielten: uw Zoologied. Dh, WIE MIR TEN Werke DIA Botamikle tan AT. „Tuaulmelishir) 198 x aibMimeralogie:a: 1. Tui nt Innen GH 5 4) Vermischte Schriften . ...... 8 a 5) Schriften gelehrter Gesellschaften . 17 x bynZeitscheitten IT .nabeaiiattik,. send » 7) Reisebeschreibungen. .......143 s 8" Topegraphien hun. INH] 32. bm43 3 Se Okenomie Nah a Hill ce zusammen. . 655 Werke. Das Bibliothekzimmer war an jedem Mittwoch, mit Aus- nahme der auf diesen Tag fallenden Festtage, von 12—1 Uhr geöffnet. Die Bücher wurden gegen Abgabe eines Zettels mit Titel, Datum und Namensunterschrift auf 4 Wochen verliehen. Im Jahre 1814 wurden die bisher bei Hahn gemieteten 53 Zimmer aufgegeben und ein Vertrag mit dem Senator und Diakonus Böttcher als Rechnungsführer der neuen Hohen Schule (Altstädter Lyceum) abgeschlossen, wonach der Gesellschaft in dem dem Ratsbauhofe gegenüberliegenden Schulgebäude zunächst für die Zeit vom 1. März 1814 bis 1817 zwei eine Treppe hoch nach Süden belegene Zimmer nebst dem daran stossenden grossen Saal zu 30 Rthlrn. überlassen wurden. Dabei sollte die Gesellschaft berechtigt sein, „das eine zur Aufbewahrung für ihre Bücher und Naturaliensammlung auszuwählende Zimmer unter besonderen und privativen Verschluss zu setzen, sich des grossen Saales aber zu ihren Zusammenkünften jedesmal frei und ungehindert zu bedienen, falls das andere, zu den eigent- lichen Zusammenkünften bestimmte Zimmer die Zahl der Mit- glieder zu fassen unzulänglich sein sollte“. In der Zusammensetzung des Auschusses vollzog sich in dieser Periode folgender Personenwechsel. Im Jahre 1805 trat Lieutenant Lasius in Oldenburgische Dienste; sein Nachfolger im Ausschusse wurde Kammer -Sekretär Heiliger. Letzterer schied 1811 aus. Als Ersatz wurde Legationsrat von Wehrs in den Vorstand gewählt. Im Jahre 1812,13 wurden als Ver- treter der ökonomischen Sektion zwei neue Ausschussmitglieder gewählt, nemlich der Landesökonomierat Meyer und Hofrat von Hinüber. Am 25. Oktober 1816 starb der bisherige verdienst- volle Sekretär der Gesellschaft, Prokurator Münter. Sein Amt übernahm der Consistorial-Sekretär Unger. Nach dem Tode des Geh. Legationsrats Ritter von Wehrs im Jahre 1818 wurde Hofrat Unger in den Vorstand gewählt. Nachfolger der im Jahre 1819 verstorbenen Mitglieder Hofmedicus Hansen und Tierarzneischuldirektor Havemann vurden Pastor Reusmann und Hofapotheker Brande. Als 1820 Landesökonomierat Meyer in Coldingen gestorben war, wählte man den Generalforstsekretär Wächter in den Ausschuss. Der Mai des Jahres 1821 war für die Gesellschaft ein Trauermonat. Nachdem am 11. d. M. der Consistorial-Sekretär Unger gestorben war, traf die Gesellschaft schon am 21. Mai ein noch schwererer Verlust durch den Tod des um die Sozietät hochverdienten und unermüdlichen Justizrat Feder. 54 Johann Georg Heinrich Feder *), wurde als Sohn eines Pfarrers am 15. Mai 1740 im baireuthischen Dorfe Schornweissach geboren und kam mit 11 Jahren nach dem Tode seines Vaters nach dem benachbarten Neustadt a. d. Aisch. Im Jahre 1757 bezog er die Universität Erlangen, um Philosophie und Pädagogik zu studieren. Nach beendigtem Studium wurde er Michaelis 1760 Hauslehrer beim Freiherrn von Wöllwarth auf Polsingen an der schwäbischen Grenze. Dann begleitete er seine Zöglinge als sie die Schule zu Neustadt a. d. A. und zu Ansbach besuchten und brachte sie 1764 auf die Universität Erlangen. Hier schrieb er die Inaugural-Dissertation: „Homo natura non ferus“, durch die er die Magisterwürde und facultas docendi gewann. Auf Grund seiner schriftstellerischen Thätig- keit wurde er 1765 zum Professor der Metaphysik und der hebräischen Sprache an das Casimirianum nach Coburg berufen. Das Hebräische gab er bald ab und übernahm dafür den Vor- trag der Logik. Seine philosophischen Studien führten ihn auf das Gebiet der Geschichte und der Encyklopädie der Philosophie; aus dieser Beschäftigung ging sein „Grundriss der philosophischen Wissenschaften nebst der nötigen Geschichte“ hervor. Infolge dieses Buches erhielt er 1768 durch Empfehlung von Ernesti in Leipzig einen Ruf als Professor der Philosophie nach Göt- tingen. Seine hier veröffentlichten Lehrbücher über Logik und praktische Philosophie fanden in Deutschland sehr weite Ver- breitung. Seine Hauptthätigkeit als Schriftsteller nahmen seine „Untersuchungen über den menschlichen Willen“ (4 Teile, 1779 - 1793) in Anspruch. Daneben schrieb er noch zahlreiche kleinere Abhandlungen für Journale. 1782 erhielt er den Titel eines Hofrats. In einer ausführlichen Besprechung in den Göt- tinger Gelehrten Anzeigen (1777) machte er zuerst in Deutsch- land auf das berühmte Werk des schottischen Nationalökonomen A. Smith: „An inquiry into the principale and causes of the wealth of nations“ aufmerksam. In dieser Besprechung zeigt *) Die folgende Darstellung ist der allgemeinen deutschen Biographie entnommen. Ausserdem vgl.: J.G. H. Feder’s Leben, Natur und Grund- sätze. Herausgegeben von K. A. L. Feder. Leipzig, 1825. er sich als ein mit den wichtigsten Problemen der National- ökonomie seiner Zeit wohlbekannter Denker. Verhängnisvoll dagegen wurde für seine spätere wissenschaftliche Laufbahn die Stellung, die er sich zur kritischen Philosophie gab. Ohne die Bedeutung von Kants Kritik der reinen Vernunft recht zu ver- stehen, hatte er teil an der ersten unglücklichen Recension dieses Buches in den Göttinger Gelehrten-Anzeigen. In dem sich entspinnenden schriftstellerischen Kampfe unterlag Feder und sein Ansehen nahm sowohl als Schriftsteller wie auch als Docent immer mehr ab. Wohl infolge davon ging er 1797 als Direktor des Georgianums nach Hannover. Hier wirkte er als Dirigent und Lehrer segensreich, bis das Institut 1811 aufge- hoben wurde. Von da ab genoss er der verdienten Ruhe. Als Anerkennung seiner Verdienste wurde er Ritter des Guelphen- ordens, Mitglied der Göttinger Societät der Wissenschaften, Ge- heimer Justizrat und 1820 Dr. jur. — Er starb am 22. Mai 1821. In der Sitzung der Naturhistorischen Gesellschaft vom 2. Juli 1821 fanden Neuwahlen statt. Für Unger wurde Wächter zum Sekretär gewählt; Thierarzneischuldirektor Hausmann trat dem Ausschusse bei; Dr. Lammersdorf wurde zum Direktor er- nannt. 4. Die Gesellschaft unter Hofmedikus Lammersdorf als Direktor (1821-1822). Hofmedikus Lammersdorf, der ein vorzüglicher Botaniker war und dem Ausschusse seit Gründung der Gesellschaft angehörte, hat die Leitung des Vereins nur kurze Zeit in Händen gehabt. Von wichtigeren Ereignissen dieses Zeitraums ist zunächst zu erwähnen, dass der Hof- und Staatsminister Franz August von Meding, der früher, solange er als Berghauptmann in Clausthal weilte, Ehrenmitglied, seit 1816 aber wirkliches Mit- glied war, im Jahre 1821 zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde, indem man nicht allein Ehre damit zu erwerben hoffte, sondern sich davon auch mannigfache Vorteile versprach. — Zum 3. Male sah sich die Gesellschaft in dieser Zeit genötigt, die Wohnung zu wechseln, weil die Räumlichkeiten im Lyceum der Altstadt zu Schulzwecken benutzt werden mussten. Da 56 liess sich der Direktor der Thierarzneischule Hausmann bereit finden, in dem Gebäude der Thierarzneischule am Gleverthore der Gesellschaft gegen ein Entgelt von 50 Thalern 3 Zimmer, die in der ersten Etage lagen, zur Verfügung zu stellen. — Einen recht bedeutenden Zuwachs erhielten die naturhisto- rischen Sammlungen durch ein reiches Geschenk der Gebrüder Wilhelmi, das aus 73 Stück (15 Gattungen und 33 Arten) Säuge- thieren, 407 Stück (55 Gattungen und 183 Arten) Vögeln, 20 Fischen, 11 Reptilien und Amphibien, 181 Raupenbälgen und einigen bossierten Pflanzen bestand. In der Sammlung waren dem- nach mehr als 200 meist einheimische Thierarten, die in 203 Glas- kasten aufgestellt waren, vertreten. Die beiden Brüder hatten, wie das Protokoll vom 7. Oktober 1822 sagt: „auf eigenen Antrieb und aus reinem Patriotismus sich geneigt erklärt, der naturhistorischen Gesellschaft in Hannover diese schöne Sammlung zum Geschenke zu machen, wenn ihnen dagegen der freie Zutritt zu derselben und der freie ordnungsmässige Gebrauch der Büchersammlung der Gesellschaft gestattet und die Sammlung selbst allmählich, damit sie wenigstens zu einer Sammlung der sämtlichen ein- heimischen Vögel u. s. w. heranwachsen möge, vermehrt würde.“ „Erfreut und gerührt zugleich über diesen seltenen Beweis un- eigennütziger Liebe zu den Wissenschaften und zum Vaterlande“ nahm die Gesellschaft „dieses ansehnliche, ihre Zwecke so fördernde Geschenk“ an und „mit den lebhaftesten Gefühlen der Dankverpflichtung“ gieng man nicht allein auf die Bedin- gungen der Geschenkgeber ein, sondern ernannte die Gebrüder ohne Ballottement zu wirklichen Mitgliedern der Gesellschaft, frei von allen Aufnahme- und Beitrags-Kosten, „indem Niemand mehr verdiene Mitglied der Gesellschaft zu sein, als wer den Zweck derselben so sehr, mit eigener Aufopferung, fördere.‘ Zudem wurde die Sammlung nebst einer Büste des älteren Wilhelmi in einem der unteren öffentlichen Räume der Thier- arzneischule unter dem Namen der „Wilhelmi’schen Sammlung“ aufgestellt. — Weiterhin schenkte Lammersdorf eine Sammlung von getrockneten und nach dem Linne’schen Systeme geordneten Pflanzen aus allen Klassen in 28 Convoluten. Bereits im Oktober 1822 starb Lammersdorf und nun | wurde am 4. November der Ober-Bergkommissär Gruner, der sich besonders in dem ersten Jahrzehnt durch eine Reihe von Vorträgen und eine vorzügliche Kassenführung verdient gemacht hatte, zum Direktor erwählt. Ausserdem trat Hofmedikus Kaufmann dem Ausschusse bei. 5. Die Gesellschaft unter Gruner als Direktor (1822 1849). Ober-Bergkommissar Gruner gehörte der Gesellschaft seit Anfang ihrer Gründung an und hat von 1822 bis zu seinem im Jahre 1849 erfolgten Tode die Leitung derselben inne gehabt. Er war ein Mann von tüchtigen Kenntnissen und hat besonders in Gilberts Annalen der Physik zahlreiche Aufsätze veröffentlicht. An der wissenschaftlichen Unterhaltung in den Gesellschafts- sitzungen hat er in erster Linie Teil genommen und in früheren Jahren eine Reihe von Vorträgen mit Experimenten über chemische Erscheinungen gehalten. Von 1804 bis 1829 war er Rechnungs- führer. — In die ersten Jahre seiner Direktion fällt ein Vorgang, der vorübergehend von grosser Bedeutung für die Gesellschaft war, nämlich die Verbindung derselben mit dem neu er- richteten Gartenbau-Verein im Jahre 1829 und die Wiederauflösung dieser Verbindung im Jahre 1832. Im Jahre 1829 gründete der Gartenmeister Schaumburg nach dem Vorbilde ähnlicher Gesellschaften in Berlin, Wien, München und London einen Gartenbau-Verein für das Königreich Hannover und „da der Gartenbau nur noch eine feinere An- wendung der Naturwissenschaften, insbesondere der Botanik, auf das praktische Leben, als die Landwirtschaft genannt werden kann, der Gartenbau also jeden Augenblick auf Lehren der Botanik recurriren muss, die neu zu errichtende Gartenbau- Gesellschaft aber noch nicht in dem Besitze der unentbehrlichen botanischen und anderen naturhistorischen Werke sein konnte, so war es ganz natürlich, dass ferner der Wunsch geäussert ward. die eben ins Leben tretende Gartenbau-Gesellschaft mit der schon lange bestehenden Naturhistorischen Gesellschaft dergestalt in Verbindung zu setzen, — sie an diese anzulehnen — 58 dass sie in derselben zwar eine besondere Sektion bildete, die ihre eigenen Zwecke verfolge und sich nach besonderen Gesetzen und Anordnungen bewege, im Übrigen aber mit der Natur- historischen Gesellschaft nur eine und dieselbe Gesellschaft, unter einer gemeinschaftlichen Direktion, bilde, teil an ihren Sammlungen, Verhandlungen und Sitzungen, so wie auch an den in Umlauf zu setzenden Büchern nehme — Vergünstigungen, die natürlich der Naturhistorischen Gesellschaft auch ihrerseits an den Sammlungen u. s. w. der Sektion des Gartenbaues zu- stehen würden — mit einem Worte, eine Gesellschaft darstelle, in welcher der Kopf vereinigt, die Gliedmassen aber getrennt erschienen.“ (Wächter.) Nach mehrfachen Verhandlungen kam am 1. Juni 1829 die Vereinigung unter den folgenden Gesichts- punkten zu stande. „Punktativum zur Verbindung des Gartenvereins mit der natur- historischen Gesellschaft in Hannover. ik Der Gartenverein verbindet sich mit der naturhistorischen Gesellschaft zu einer Gesellschaft unter dem Namen: „Naturhistorische- und Gartenbau-Gesellschaft“ jedoch dergestallt, dass der Gartenverein eine eigene Sektion der Gesellschaft bildet. — 2. Der Zweck dieser Sektion ist zunächst: Beförderung des Gartenbaues in allen seinen Zweigen im Umfange des Königreichs. -— Als solcher ist er „praktisch“ u. als solcher unterliegt er eigenen Vorschriften und Maassnahmen, die durch besondere Statuten des Gartenvereins, begründet u. durch eine besondere Comittee oder durch einen besonderen Ausschuss gesichert werden können u. mögen. — In allen übrigen Verhältnissen u. in so ferne der Garten- verein mit der N. H. Gesellschaft eine zu einem gemeinsamen, wissenschaftlichen Zwecke verbundene Gesellschaft bildet, gelten die jetzt bestehenden Statuten der N. H. Gesellschaft, wenn sie 59 durch die jetzige Vereinigung nicht eine nothwendige Ver- änderung durch gemeinschaftl. Verabredung erleiden sollten, auch für die Mitglieder des Gartenvereins, ohne Ausnahme u. sie sind verbunden sich denselben zu unterwerfen. Zu desto besserer Beförderung dieses gemeinsamen Zwecks u. zu desto besserer Aufrechterhaltung der Statuten der ver- einigten Gesellschaft, treten zwey Mitglieder des Gartenvereins der Comitte& der N. H. Gesellschaft hinzu. 4. Die Mitglieder der vereinigten Gesellschaft zerfallen, ihren Rechten u. Verbindlichkeiten nach in zwey Hauptklassen, nämlich 1. in wirkliche (aktive) u. 2. in Ehren-Mitglieder. — Die Ehren Mitglieder der Gesellschaft zahlen in keinem Falle Aufnahme- oder Jährl. Beitrags-Gebühren. — Die wirklichen, am Orte der Gesellschaft gegenwärtigen Mitglieder, welche alle Rechte der Gesellschaft so wie sie in der Constitution der bisherigen blossen N. H. Gesellschaft enthalten sind geniessen können, zahlen, ohne Ausnahme, die bei der vormaligen N. H. Gesellschaft bestimmten Aufnahme- u. jährl. Beitrags-Gelder namentlich Eine Pistole Rezeptions-Gebühren ; Sechs Thaler Conv. Münze jährl. Beiträge zur Bibliothek pp. u. Hausmiethe nach Maassgabe der Zahl der Mitglieder in die gemeinschaftl. Kasse der Gesellschaft. — 5. Die in die gemeinschaftl. Gesellschafts-Kasse fliessenden Gelder werden zu gemeinsamen, wissenschaftl. Zwecken der ver- einigten Gesellschaft, namentlich zu Anschaffung von Büchern u. zur Vermehrung der Sammlungen an naturhistorischen Gegen- ständen, nach, wie vor, verwandt. Auf das besondere, wissenschaftliche Bedürfniss der Sektion (:des Gartenvereins:) wird nach Maassgabe ihrer Beiträge u. der Umstände, Rücksicht genommen werden. Die in der Comittee sitzenden Mitglieder des Garten- vereins werden das Interesse des Vereins in dieser Hinsicht wahrnehmen. — 60 6. Die auswärtigen (aktiven) Mitglieder der N. H. u. Garten- bau-Gesellschaft haben nur in so weit an der Bibliothek einen Antheil, als es ihnen erlaubt sein soll, Bücher gegen einen, nur auf Vier Wochen lautenden Schein, zu ihrem eigenen Ge- brauche, zu verlangen. Mehr, wie zwei verschiedene Werke können nicht verlangt werden. Beschädigungen am Einband u. Inhalt der Bücher müssen, nach ihrem Werthe, ersetzt werden. — Te Die jetzt zu wirklichen (einheimischen u. auswärtigen) u. Ehren-Mitgliedern der N.H. u. Gart. Gesellschaft vorgeschlagenen Mitglieder des Gartenvereins werden in pleno in der allgem. Versammlung, zur Aufnahme proponirt u. ballottirt u. erhalten Diplome über ihre Aufnahme in üblicher Form, gegen die im Umstehenden erwähnten Verpflichtungen. In Zukunft werden sie einzeln ballottirt und aufgenommen, wenn über ihre Aufnahme zuvor in der besonderen Comitt6e des Garten-Vereins u. in der allgemeinen der Gesellschaft berathen ist. Mitglieder der allgem. Gesellschaft, die nicht gerade in die Sektion des Gartenvereins treten wolle, werden nach, wie vor, unter den bisherigen Formen der N. H. Gesellschaft ballotirt u. aufgenommen. -—- 8. Alle Druckschriften der Gesellschaft werden unter dem Titel: „Schriften der N. H. u. Gartenb. Gesellschaft — gedruckt. Einzelne kleine Aufsätze können auch in das Hann. Ma- gazin pp. eingerückt werden. Der Beschluss des Drucks geht von der gemeinsamen Committee aus u. der Ertrag verbleibt dem Theile der Ge- sellschaft, von welcher der Aufsatz ausging. 9. Die vereinte Gesellschaft behält den Ort und die Zeit der bisherigen Versammlung bei. — Die Sektion des Gartenvereins benutzt ebenfalls dies Lokale u. versammelt sich insbesondere während der Sommer- 61 Monathe d. i. vom April bis Oktober noch einmal mehr, um keine Geleeenheit zur Vorlage von Gartengegenständen zu verlieren. g oO oO Es versteht sich, dass alle Mitglieder der vereinten Gesell- schaft diesen besondern Versammlungen ebenfalls beiwohnen können. — Eins derjenigen beiden Mitelieder des Garten-Vereins, welche auch Mitglieder der allgem. Committee sind, führt bei diesen Versammlungen das Protokoll, wenn der Sekretair der N. H. Gesellschaft daran verhindert sein sollte.“ Zu Vertretern des Gartenbau-Vereins im Ausschuss der beiden vereinigten Gesellschaften wurden Hospital - Kommissär Cleves und Gartenmeister Schaumburg, die gleichzeitig dem aus einem Direktor und 4 Mitgliedern bestehenden Ausschusse des Gartenbau-Vereins angehörten, gewählt. Zugleich wurde neben dem früher seitens der Naturhistorisch - ökonomischen Gesell- schaft zum Ehren-Präsidenten ernannten Minister von Meding auf Vorschlag des Direktors der vereinigten Gesellschaften Ober- Bergkommissar Gruner noch der Geheimrat von Schulte, welcher Direktor des Gartenbau-Vereins war, zum 2. oder Vice-Ehren- Präsidenten ernannt. Die Gesellschaft führte nunmehr den Namen „Naturhistorische und Gartenbau-Gesellschaft‘. „Die ökonomische Section ward herausgelassen, weil mittler- weile die Zahl der ökonomischen Mitglieder durch Austreten und Absterben so gering geworden war, dass sie eine besondere Section nicht länger bilden konnte.“ „Die Gesellschaft ward nunmehr ziemlich zahlreich; die Section der Naturforscher zählte 34 wirkliche, einheimische, 4 wirkliche, auswärtige und 40 Ehren-Mitglieder ; die Section des Gartenbaues 21 wirkliche, einheimische, 10 wirkliche, auswärtige und 14 Ehren-Mitglieder.“ 62 „Es schien dies die Glanzperiode der Gesellschaft werden zu wollen; hochgestellte Personen würdigten die Gartenbau- Gesellschaft mit ihrer Protektion.* „Die Vereinigung dauerte indessen nicht lange. Die Zwecke beider Gesellschaften, insbesondere aber die Art und Weise, wie jede Gesellschaft die ihrigen am besten verfolgen zu können glaubte, lagen doch zu weit auseinander, als dass eine lange Dauer der Verbindung gehofft werden konnte.“ Im September 1832 richtete deshalb der Gartenbau-Verein ein Schreiben an die Naturhistorische Gesellschaft, in dem es u. a. heisst: „Es sind seit der Vereinigung des Gartenbau-Vereins mit der Natur- historischen Gesellschaft schon mehrere einheimische Mitglieder aus dem Vereine wieder ausgetreten und eine namhafte Anzahl derselben hat erklärt, zu Michaelis d. J. ebenfalls austreten zu wollen, wenn der jährliche Beitrag nicht herabgesetzt werde. — Da andererseits sich Niemand zur Aufnahme gemeldet hat, so ist die nicht ungegründete Besorgnis entstanden, dass der Verein sich wieder auflösen werde, wenn nicht zweckmässige Vor- kehrungen dagegen getroffen werden. — Dass der Grund des Austretens der einheimischen Mitglieder allein in der Grösse des jährlichen Beitrages zu suchen sei, leidet wohl um so weniger Zweifel, als andere Gartenbauvereine, namentlich der Braunschweigische, bei welchem der jährliche Beitrag nur 2 Thlr. beträgt, sich einer allgemeinen Teilnahme und schönen Ge- deihens erfreuen.“ Der Gartenbau - Verein machte daher der Naturhistorischen Gesellschaft folgende Vorschläge: 1) die jähr- lichen Beiträge von 6 Thlrn. auf 3 Thlr. herabzusetzen; 2) die Aufnahme von Ehren-Mitgliedern resp. zur Naturhistorischen und Gartenbau-Gesellschaft und die Ausfertigung der Diplome jeder Section zu überlassen; 3) dass die für die resp. Sectionen angeschafften und noch anzuschaffenden Bücher jeder Section verbleiben auf den Fall einer etwaigen künftigen Trennung.“ Zugleich wurde der Naturhistorischen Gesellschaft die Eröffnung gemacht, dass der Gartenbau-Verein die Trennung wünsche, wenn die Vorschläge keinen Anklang finden sollten. Schon am 4. Oktober 1832 liess die Naturhistorische Gesell- schaft dem Gartenbau-Verein den folgenden Entschluss zukommen: 68 „Die N. H. Gesellschaft hat aus dem gefälligen Schreiben der verehrl. Direktion des Gartenbau-Vereins vom 22. v. M. nebst anliegendem Protokolle, den Wunsch des Gartenbau- Vereins — von der Nat. Hist. Gesellschaft von Michaelis d. J. an, sich wieder zu trennen, wenn die von dem Gartenbau- Vereine gewünschten Veränderungen in der Organisation der vereinten Gesellschaft nicht eintreten könnten — kennen zu lernen, die Ehre gehabt. Die N. H. Gesellschaft, nachdem sie den Gegenstand in ihrer Comittee und in ihrer letzten General-Versammlung in Berathung gezogen, muss es bedauern, wenn sie es ihrem Interesse nicht hat angemessen finden können, die gewünschten und in dem angezogenen Protokolle enthaltenen Modifikationen in der Organisation der bisher vereinten Gesellschaft vorzu- nehmen; sie hat sich daher einstimmig für die Trennung von dem Gartenbau-Verein, von Michaelis d. J. an, erklärt und indem sie nicht verfehlt dieses der verehrl. Direktion des Vereins, dem Inhalte des angezogenen gefälligen Schreibens gemäss, zu eröffnen, fügt sie nur noch hinzu, dass sie diejenigen Bücher, so rücksichtlich des Gartenbau-Vereins angekauft worden sind, sammeln und nach einem Verzeichnisse an die hochlöbl. Direktion desselben abliefern lassen werde.“ „So ward nach dreijährigem Bestande eine Verbindung wieder aufgehoben, von der anfangs von vielen Seiten geglaubt wurde, dass sie recht lange zu beiderseitigem und allseitigem Vorteile bestehen würde. — Die Verbindung mit den Land- wirten dauerte bei weitem länger (17 Jahre) und dies darf nicht Wunder nehmen, wenn man erwägt, dass die Landwirte keinen besonderen, für sich organisirten gesellschaftlichen Körper bildeten, sondern aus Individuen bestanden, die der Ge- sellschaft wie jedes andere Mitglied beitraten. — Hier aber trat ein besonders organisirter, für sich bestehender und nur mit einem Ringe an die naturforschende Gesellschaft geketteter Körper bei; es war daher kein Wunder, dass dieser Körper, wenn er sich anders als der Hauptkörper bewegen wollte, abfiel und sich auf seinen eigenen Füssen aufstellte. — So stand die Gesellschaft nunmehr wieder in ihren ersten Verhältnissen und 64 mit ihrem ersten Namen da. Sie hat, nachdem sie veranlasst worden ist, mit zwei verwandten, praktischen Fächern eine Verbindung einzugehen, ihren Kreislauf vollendet. Sie befindet sich wieder an demselben Punkte, von welchem sie auslief.* (Wächter.) Was den Ausschuss der Gesellschaft anlangt, so lassen sich die Namen der Mitglieder desselben nicht mit vollkommener Sicherheit und Genauigkeit feststellen, da die Protokolle aus dieser Periode bedeutende Lücken aufweisen. Immerhin konnten darüber folgende Thatsachen ermittelt werden. Nachdem am 2. Dezember 1822 Hofrat Unger aus dem Vorstande ausgetreten war, wurde Konsistorialrat Kaufmann gewählt. Im Jahre 1826 schied der Landrat von Münchhausen aus und 1829 Pastor Reusmann, der nach Lehrte übersiedelte. So bestand der Vor- stand im Jahre 1832 aus folgenden Mitgliedern: Apotheker Gruner (Direktor), Forstrat Wächter (Sekretär), Konsistorialrat Kaufmann, Hofmedikus Kaufmann, Hofapotheker Brande, Direktor der Thierarzneischule Hausmann, Leibmedikus Lodemann, Medi- cinalrat Mühry, Leibchirurgus Spangenberg, Bergrat Jugler. Die Mitgliederzahl belief sich im Jahre 1829 auf 38, von denen 34 einheimische und 4 auswärtige ordentliche Mit- glieder waren. Daneben zählte die Gesellschaft etwa 40 Ehren- mitglieder. Diese Zahlen sanken in den folgenden Jahren aber immermehr, so dass 1839 der Gesellschaft nur noch 24 ordent- liche und wenige Ehrenmitglieder angehörten. Nur sehr vereinzelt wurden in dieser langen Periode Vor- träge gehalten oder Abhandlungen vorgelegt. Im Jahre 1825 überreichte Hofmusikus Herschel einen Teil eines gedruckten Verzeichnisses der Insekten des Königreichs Hannover. 1829 gab Garteninspektor Wendland biographische Nachrichten über seinen verstorbenen Vater Joh. Chr. Wendland, Forstrat Wächter sprach über die in Hannover vorkommenden Theerquellen und über die Gewinnung von Theer und Kohlen aus fossilem Nadel- holze, Gartenbaumeister Schaumburg berichtete über Dampf- heizungen in Treibhäusern und Gartenmeister Bayer über Obstarten. Im Jahre 1830 hielt Dr. Taberger einen Vortrag über 65 den sogenannten Feuerkönig Chabert und 1831 über das Gastheer als problematisches Schutzmittel gegen die Verbreitung der asiatischen Cholera. Schliesslich sandte Konduktor Jasper in Eldagsen 1835 einen Aufsatz über den Flachsbau in Hannover ein. — „Hiermit schliesst die Reihe der bei den Verhandlungen der Gesellschaft befindlichen oder in ihren Protokollen erwähnten vorgelesenen oder eingesandten Abhandlungen. Wohl mag es sein, dass noch über den einen oder den anderen Gegenstand Vorträge gehalten worden sind — aber sie sind abhanden ge- kommen oder ihre Erwähnung ist in den Protokollen vergessen worden; jedenfalls aber ist die Anzahl dieser Rückstände sehr gering.“ Ebenso ist auch bezüglich der naturhistorischen Sammlungen nur Ungünstiges zu berichten. Nicht allein, dass dieselben, soweit festgestellt werden kann, durchaus keinen Zuwachs erfuhren, litten vielmehr auch die vorhandenen Gegen- stände so ausserordentlich und waren infolge des Raummangels — war doch ein Teil auf dem Vorplawze der Thierarzneischule aufgestellt — so wenig vor Zerfall geschützt, dass sie mehr und mehr an Wert verloren. Wächter schreibt darüber 1839: „Alle Sammlungen ohne Unterschied haben etwas gelitten und es ist in diesem Augenblicke nicht wohl möglich ein vollstän- diges Verzeichnis von ihnen — die der ausgestopften Thiere u. Ss. w. ausgenommen — anzufertigen. Daran ist allerdings der beklagenswerte Umstand schuld, dass die Gesellschaft ein eigenes dauerndes Lokal entbehrt, wo sie ihre Sammlungen auf- bewahren und ihre Zusammenkünfte halten kann. Schon drei- mal während meiner Teilnahme an der Gesellschaft haben die Sammlungen ihren Platz verändern müssen; eine vierte Ver- legung steht ihnen bevor. Wer jemals in die Lage geraten ist, mit seinen Sammlungen den Platz räumen, sie einpacken und wieder aufstellen zu müssen, wird wissen, wie wenig sie dabei gewinnen! Noch könnte man sich solche Umzüge ge- fallen lassen, gewönne man dabei an Raum, sich wissenschaft- lich auszubreiten, allein auch dies ist nicht immer der Fall! Nichts könnte daher der Gesellschaft willkommener, nichts mehr ihrem Zwecke förderlich sein, als die Möglichkeit, ihr ein 66 dauerndes Lokal, einen Platz für ein Museum der Naturgeschichte des Landes einzuräumen!“ Einen bedeutenden Aufschwung dagegen nahm seit 1814 die Büchersammlung der Gesellschaft. Nach dem im Jahre 1827 herausgegebenen Nachtrage zum Verzeichnis von 1814 war die Bibliothek in diesem Zeitraume von 13 Jahren von 655 auf 1235 Werke angewachsen. Dieselben verteilten sich auf die einzelnen Fächer folgendermassen : Raser ee ern er 288 Werke BALEINE re ee RR (©) 5 Mineralogie, Geologie u. Bergwerkswissenschaft 160 „ Nermisehterschriften. .. st 2... ..,. 208, Schriften gelehrter Gesellschaften . .. .. 34 , Zeitschriften Mn... . .". a ze a 5 Reisebeschreibungen . ..... EEE 24.0 5 Ivporrapmienn em, se. en. 5, +61 a Ökonomische Schriften . 3 EEE Pe | : Nach den Angaben von Wächter stieg die Zahl der vor- handenen Werke bis zum Jahre 1839 auf etwa 1500. Die meisten Bücher waren von der Gesellschaft angekauft, indessen war doch eine grosse Anzahl von Mitgliedern und ge- lehrten Gesellschaften geschenkt. Unter letzteren weist der Katalog von 1827 z. B. folgende auf: Die Leopoldinisch- Carolinische Akademie, kgl. preussische Akademie der Wissen- schaften, Gesellschaft naturhistorischer Freunde in Berlin, Danziger naturhistorische Gesellschaft, Schweizerische Gesell- schaft. Im Jahre 1839 sah sich die Gesellschaft zum vierten Male gezwungen für die Sammlungen, Bibliothek und Versammlungen ein neues Lokal zu gewinnen, weil der Direktor der Thier- arzneischule die bisher der Gesellschaft vermieteten Räume in eigene Benutzung nehmen wollte. Da erbot sich der Direktor Karmarsch, der Gesellschaft die nötigen Räumlichkeiten in der höheren Gewerbeschule frei zur Verfügung zu stellen, wenn der Lehrer für Botanik und Zoologie an der Schule (Dr. Mühlen- pfordt) sowohl die Sammlungen als auch die Bücherei zu Unter- 67 richtszwecken benutzen dürfe. Das Anerbieten war unter den damals herrschenden Umständen zweifellos verlockend; denn die Gesellschaft war auf 24 Mitglieder gesunken und die Einnahmen reichten nicht hin, um neben der Lokalmiete die Bibliothek in dem gewünschten Masse zu vergrössern. Aus den lebhaft ge- führten Verhandlungen über diesen Vorschlag möge hier ein Schreiben Dr. Lodemanns veröffentlicht werden, das gleichzeitig eine treffende Charakteristik der Gesellschaft enthält. Er schreibt: „Als einem der ältesten und frühesten Mitgliede der Naturhistorischen Gesellschaft in Hannover ist es mir sehr wohl bekannt, dass nächster und vorzüglichster Zweck ihres Zu- sammentretens war: die Gründung einer Bibliothek in weitester Beziehung auf Naturgeschichte und Naturkunde; und monatliches Zusammenkommen der Mitglieder zu wechselseitiger Unterhaltung in gleicher Beziehung. Dieser Zweck ward damals, wie gewöhnlich das Neue, mit grossem Beifall von Vielen gebilligt, und in der ersten Auf- wallung constituirte sich diese Lesegesellschaft zu einer ge- lehrten Gesellschaft, theilte Diplome aus an wirkliche und Ehren- mitglieder, versuchte Vorlesungen zu halten, und setzte fest, wie es mit ihren Druckschriften gehalten werden sollte. Wenn nun gleich einige interessante Vorlesungen gehalten wurden, welche zum Theil des Druckes nicht unwerth gehalten wurden, die indessen mehr Darstellungen des schon Bekannten, als neue Bereicherungen des Wissens enthielten, so zeigte sich doch bald, dass die Gesellschaft grösstentheils aus blossen Dilettanten zusammengesetzt war, die für Naturkunde wohl Sinn, aber weder Zeit noch genügende Kenntnisse besassen. Der Schimmer einer gelehrten Gesellschaft, die Commentarien her- auszugeben vorhatte, verlor sich demnach ziemlich bald, und auch die monatlichen Zusammenkünfte verloren allmälich ihren Reitz, weil wissenschaftliche Erörterungen auf diesem Wege nur selten und unvollkommen erreicht wurden. Nur die Committee in ihren festgesetzten Versammlungen erfreute sich mehr dieses Erfolgs. So hat im Allgemeinen die Theilnahme für dieses Institut abgenommen. Die Zahl der Hinzutretenden ist immer mehr 68 hinter der Zahl der Abgetretenen zurückgeblieben, und die gegen- wärtigen Beiträge reichen kaum noch hin, neben der noth- dürftigen Fortsetzung des Bücherankaufs die Unkosten einer Local-Miethe, der Bedienung u. s. w. zu bestreiten. Nicht ohne Grund steht daher zu befürchten, dass bei noch mehr sinkender Theilnahme, die nach dem Gesetze der Vis inertiae zu erwarten steht, es bald dahin kommen werde, die Fragen zu hören, wessen Eigenthum ist die werthvolle Natur- historische Bibliothek mit ihren annexis? Darf die Verlassene, die kein Obdach mehr findet, veräussert werden? zum Vortheil der zuletzt vorhandenen wirklichen zahlenden Mitglieder ? Diesen sehr zweideutigen Fragen wird die Gesellschaft wenigstens auf eine Reihe von Jahren enthoben, wenn sie das Anerbieten der Direktion der höheren Gewerbeschule annimmt, die Gesellschaft mit ihrer Bibliothek und allem was ihr ist, unentgeltlich in ihr Locale aufzunehmen, mit Vorbehalt des Eigenthumsrechts der Gesellschaft.“ Eine andere Ansicht vertrat dagegen der damalige Rech- nungsführer Dr. Krause, indem derselbe für die Zukunft fürchtete, dass möglicherweise einst das Eigentumsrecht der Naturhistori- schen Gesellschaft verloren gehen und die Sammlung und Bibliothek als Eigentum der Gewerbeschule betrachtet werden könne. Da indessen die Einnahmen nicht hinreichten um auch weiterhin 3 Zimmer mieten zu können, so schlug er vor, nur 1 Zimmer für die wertvolle Bibliothek zu erwerben und „eine gänzliche Entäusserung von der lästigen Naturaliensammlung und Auf- hebung der von Niemand besuchten monatlichen Versammlungen als vorteilhaft“ zu beantragen. — Die Verhandlungen über diese Angelegenheit zogen sich längere Zeit hin und führten zu keiner Einigung in den Meinungen der Mitglieder. Da aber die jetzigen Zimmer geräumt werden mussten, so schloss der Direktor Gruner, nachdem ihm im Ausschusse der Auftrag ge- geben war, sich nach einem neuen Lokal umzusehen, mit dem Dekorationsmaler Rosenthal einen Vertrag, wonach die Natur- historische Gesellschaft 2 grosse Zimmer in dem an der grossen Duvenstrasse gelegenen Wohnhause von 35 Thlrn. erhielt. gegen eine jährliche Pacht 69 „Bereits oben ist — wie Wächter ausführt — erwähnt worden, dass die Zahl der wirklichen (beitragenden) Mitglieder im gegenwärtigen Augenblick [1839] nicht mehr als 24 beträgt. Dabei ist in ihrem inneren Leben und in ihrer Verfassung keine Veränderung vorgegangen. Vorträge sind in den letzten Zeiten nicht gehalten. dagegen aber ist die Bibliothek fortdauernd rühmlichst mit ausgezeichneten Werken vermehrt worden, so dass sie in der That eine treffliche Bildungs- und Unterrichts- anstalt genannt zu werden verdient. — Begreiflich kann mit dem, was jene Mitgliederzahl an pekuniären Mitteln in die Wagschale legt, nicht viel mehr ausgerichtet werden, als der Gesellschaft das Leben zu erhalten. Soll sie daher von neuem aufblühen und recht wirksam für das Land werden, so ist es vor allen Dingen erforderlich, ihre Geldkräfte zu vermehren; ohne diesen Hebel müssen ihr die Naturprodukte des Landes verborgen und ihre wissenschaftlichen Hülfsmittel mehr oder weniger in demselben Zustande verbleiben, worin sie sich gegen- wärtig befinden. — Nun ist es gegründet, dass die bisherigen jährlichen Bei- träge von 7 Rthlrn., ausser dem einmaligen Eintrittsgelde von einer Pistole, im Vergleiche mit denen, die von anderen ähnlichen (resellschaften geleistet werden, hoch erscheinen, obwohl sie es an und für sich nicht sind, sieht man auf die Menge von Büchern, die jedem Mitgliede durch die Circulation zukommen und in der Bibliothek zu Gebote stehen, — und dass vielleicht mancher Freund der Naturwissenschaft dadurch abgehalten wird, der Gesellschaft überall mit seinen geistigen und pekuniären Kräften beizutreten. — Unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Bemerkung und in der Hoffnung, dass bei Erleichterung des Eintritts in die Gesellschaft durch die Mehrzahl vollkommen Ersatz in dem Verluste beim Belange der Beitragsgelder herbeigeführt werden werde, hat die Gesellschaft daher in der Generalversammlung am 4. November d. J. beschlossen: 1) das Eintrittsgeld von einer Pistole gänzlich schwinden zu lassen; 2) die jährlichen Beiträge von 7 Thaler auf 5 Thaler Courant herabzusetzen, und 3) auch nach wie vor Freunde der Wissenschaft und Beförderer 70 der Zwecke der Gesellschaft als Ehrenmitglieder, ohne allen Geldbeitrag, jedoch auch ohne alle gesetzliche Teilnahme an der Bibliothek u. s. w. aufzunehmen. — In der Hoffnung ferner, dass hierdurch hinlängliche Materialien zur Herausgabe einer besonderen naturhistorischen Gesellschaftsschrift werden ge- wonnen werden, hat sie 4) auch noch die Herausgabe einer solchen Schrift beschlossen, die Beschlüsse über deren Form und Art der Erscheinung, ob nemlich in Heften oder in jähr- lichen Bänden u. s. w. einstweilen aber noch ausgesetzt. — Sollte die Zahl der neu hinzutretenden Mitglieder so gross werden, dass durch deren Beitragsgelder die Summe der Bei- träge der gegenwärtigen (24) Mitglieder vollkommen gedeckt werden würde, so ist endlich 5) auch noch beliebt worden, die Beitragsgelder der alten Gesellschaftsmitglieder denen der neuen gleich, sie also auch auf 5 Thaler herabzusetzen. Bis dahin haben sich jene alten Mitglieder zum völligen Abtrag der bis- herigen Beitragsgelder verpflichtet.* —- Wächter schliesst seine Geschichte mit der Hoffnung, „dass recht viele Vaterlands- und Wissenschaftsfreunde kommen und thätigen Anteil an ihren Bestrebungen nehmen werden.“ Diese Hoffnungen erfüllten sich indessen durchaus nicht. Vielmehr wurde das Interesse an den Zusammenkünften ein stets geringeres; nach den vorhandenen Akten fanden Versammlungen nur noch sehr selten statt. Selbst zur Erinnerung an das 50 jährige Bestehen im Jahre 1847 scheint keine Feier ver- anstaltet zu sein. Die Mitgliederzahl schmolz immer mehr zu- sammen; selbst Männer wie Dr. Lodemann, der der Gesellschaft 45 Jahre angehört hatte, traten aus. Neue Mitglieder gewann die Gesellschaft nur noch selten, von 1840 bis 1849 nur 7. Dazu kam, dass die Gesellschaft durch den Tod des Forst- rats Wächter und des Apothekers Gruner zwei der eifrigsten Mitglieder verlor. — Johann Ludwig WilhelmGruner waram 20. März 1771 zu Halle a. S., wo sein Vater Professor der Theologie war, geboren; er lernte die Apothekerkunst zu Berlin, studierte 2 Jahre in Halle, war dann 5 Jahre in der Hofapotheke zu Celle und kaufte darauf die Andreä’sche Apotheke an der Calenberger- zal strasse in Hannover. Er war in seinem Fache eine Autorität, führte lange den Titel eines Oberbergkommissärs und gehörte nach Veräusserung seiner Apotheke dem Hannoverschen Medizinal- kollegium an. Er besass eine bedeutende Mineraliensammlung und hat in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften (z. B. Gilberts Annalen) zahlreiche kleine Abhandlungen chemischen Inhalts veröffentlicht. Ausserdem brachte er bereits 1895 eine „tabellarische Übersicht der Lehre von den Salzen“ und über- setzte 1820 die „Hannoversche Pharmacopöe“ aus dem Lateinischen. Er starb am 7. Juli 1849. Im Jahre 1849 zählte die Naturhistorische Gesellschaft nur noch 13 Mitglieder; die Einnahmen betrugen 81 Thlr., die Aus- gaben dagegen 92 Thlr. 9 Ggr. 8 Pfg. Unter diesen Umständen konnte sich die Gesellschaft nicht mehr lange halten; es mussten daher geeignete Schritte gethan werden, sie entweder ganz auf- zulösen oder in geeigneter Form umzuwandeln. Wie letzteres geschah und wie dadurch die jetzige Naturhistorische Gesell- schaft entstand, soll in einem 2. Teile ausführlich gezeigt werden. — 1 IV NsReil: Geschichte von 1850 bis 1897. I. Umgestaltung der Naturhistorischen Gesellschaft unter Oberbergrat Jugler als Vorsitzendem und Gründung eines Vereins - Museums. Wie wir am Schlusse des ersten Teiles ausgeführt haben, war mit dem Jahre 1849 die Gesellschaft an Mitgliederzahl so weit zurückgegangen, dass eine Auflösung unvermeidlich schien. Der damalige Sekretär, Oberbergrat Jugler entbot daher die Mitglieder der Gesellschaft zu einer Besprechung und Beschluss- nahme über die allgemeinen Verhältnisse des Vereins auf den 27. November. In dieser Sitzung, an der sich von den 13 Mit- gliedern 11 beteiligten, wurde zunächst anerkannt, dass die Gesellschaft in bisheriger Weise nicht fortbestehen könne. Ein Vorschlag, zur Bestreitung der Kosten die Beiträge aller Mitglieder auf jährlich zehn Thlr. zu erhöhen, wurde abgelehnt. Auf Antrag des Hofrats Dr. Kaufmann wurde dagegen beschlossen, zunächst beim kgl. Ministerium des Innern um unentgeltliche Überweisung eines Lokals nachzusuchen, um die erworbene Bibliothek und Sammlung als Kern eines hier zu errichtenden Museums erhalten zu können und damit die Gesellschaft nicht gezwungen werde, sich aufzulösen und ihren Besitz zu verteilen. Auf Anregung von Dr. Mühlenpfordt und Hofrat Dr. Holscher wurde weiterhin als wünschenswert anerkannt, „an das Bestehen der Gesellschaft die Errichtung eines Museums zu knüpfen, zu dessen Bildung auf eine zu erlassende Aufforderung sich gewiss eine bedeutende Anzahl von Teilnehmern finden werde“. Auf das von Jugler an das Ministerium gerichtete Schreiben, in dem betont wurde, dass man die Sammlungen als den Kern eines hier dereinst zu errichtenden Museums zu er- halten wünsche, lief eine zusagende Antwort ein, wenngleich sofort ein Lokal nicht zur Verfügung gestellt werden konnte. 15 Infolge einer Verwendung des Ministerialvorstandes Dr. Stüve und des Hofmarschalls Dr. von Malortie geruhte im Februar 1850 Seine Majestät der König zu genehmigen, dass der Gesellschaft zur Aufbewahrung der Bibliothek und sonstigen Sammlungen die erforderlichen Räume in dem sog. Prinzenhause an der offenen Reitbahn bis auf Weiteres zur Verfügung gestellt würden. — Nachdem so in unerwartet schneller und günstiger Weise die Sorge für die Unterbringung der Bibliothek und Sammlungen beseitigt war, gingen die Mitglieder der Gesellschaft mit frohen Hoffnungen an die Ausführung zur Errichtung eines Museums. Zu dem Zwecke wurde im Hannoverschen Magazin vom 6. April 1850 ein vom 16. März datierter Aufruf an das Publikum erlassen, der von Hofrat Holscher verfasst war und folgenden Wort- laut hat: Aufruf an das Publikum von Seiten der naturhistorischen Gesellschaft zur Gründung eines naturhistorischen Museums in unserer Stadt. Im Jahre 1797 vereinigte sich eine Anzahl von 47 Männern und gründete eine Naturhistorische Gesellschaft in Hannover, deren Zweck war, „die genauere Kenntniss der Naturprodukte hiesigen Landes zu befördern, und alle naturhistorischen Kennt- nisse unter den einzelnen Mitgliedern vermittelst einer anzu- schaffenden zweckmässigen Bücher- und Naturalien - Sammlung zu erweitern“. Die Sorge, diesen Zweck zu fördern, legte die Societät in die Hände eines Directors nebst 8 Mitgliedern für jedes wissenschaftliche Hauptfach der Naturgeschichte und eines beständigen Secretairs. Die Gesellschaft hat sich bis zu dieser Stunde erhalten und durch die jährlichen Beiträge ihrer Mitglieder eine nament- lich an kostbaren Kupferwerken reiche Bibliothek und manche naturhistorische Gegenstände zusammengebracht. Ihre zeitigen Mitglieder haben nun aber nach reiflicher Erwägung den Entschluss gefasst, ferner nicht in dem engen Kreise einer kleinen Gesell- schaft zu bleiben. Sie wünschen dem Sinne der Stifter in grösserem Umfange nachzukommen und der Gesellschaft eine breitere Basis und eine allgemeine Nützlichkeit zu geben, und 74 wollen zu dem Ende ihr Eigenthum als den Keim und die Grundlage eines grössern naturhistorischen Museums für unsere Stadt hergeben, sobald das Publikum eine allgemeinere Theil- nahme an dem Unternehmen bezeigen wird. Die Idee, ein naturhistorisches Museum in der Residenz zu gründen, ist nicht neu. Sie ist schon früher angeregt, und wenn sie jetzt wieder aufgenommen und Anklang im Publikum finden wird, so darf man sich der Hoffnung hingeben, dass sie sich hier ebensowohl werde ausführen lassen, als das bereits in Schwesterstädten des Landes, namentlich in Hildesheim, auf eine höchst anerkennungswerthe Weise geschehen ist. Es scheint nun vor allen Dingen erforderlich, dass die Ansprüche an ein solches Institut nicht gleich zu hoch gestellt werden; man darf nicht gleich Vergleiche anstellen wollen mit anderen älteren länger bestandenen Museen, wie z. B. dem in Bremen. Alle Museen in der ganzen Welt, selbst das berühmte Britische Museum, haben die Tage ihrer Kindheit gehabt, und je kleiner oO und schwieriger der Anfang ist, um so erfreulicher und be- friedigender ist es, wenn etwas Tüchtiges zu Stande kömmt. Fragen wir, ob ein solches naturhistorisches Museum von wesentlichem Nutzen für unsere Stadt sein würde, so müssen wir diese Frage entschieden bejahen. Die Zeit, in der wir leben, fordert, dass die der Menschheit gewonnenen Schätze an Kenntnissen nicht allein in den engen Kreisen des Gehirns Einzelner beherbergt werden, sie müssen Gemeingut des ganzen Volkes werden und durch alle Schichten dringen. Nur die höhere geistige Bildung, der grössere Reichthum an brauchbaren Kenntnissen ist die gesunde Grundlage des Wohlstandes und des Glückes einer Nation. Ist das im Allgemeinen richtig und unbestreitbar, so ist es auch wahr hinsichtlich der natur- historischen Kenntnisse, um so mehr als die Zeit, in der wir leben, auch dadurch eine andere geworden ist, dass eine grosse Anzahl von Hannoveranern in die fernsten Zonen kömmt und durch ihr Geschick in fremde Welttheile geführt wird, in denen ihnen die daheim gewonnenen Kenntnisse im Allgemeinen und auch die naturhistorischen insbesondere sehr wesentlich zur Hülfe gereichen, um sich Bahn zu brechen und ein günstigeres m. [53] Loos zu erringen. Für die heranwachsende Generation würde namentlich das mehrere Studium der Naturgeschichte von Er- heblichkeit sein. Nicht allein, dass sie dadurch von manchen Thorheiten abgehalten und angeleitet wird, sich selbst zu be- schäftigen, wird ihr durch das projektirte Unternehmen auch die Gelegenheit geboten, welche Lehranstalt der eine oder der andere auch besuche und welchen Beruf er auch ergreifen mag, Interesse an der Naturgeschichte zu gewinnen, sich durch An- schauung und Belehrung gründlicher darin zu unterrichten, und es kann selbst manches Talent für diesen grossen und reichen Zweig des menschlichen Wissens geweckt werden, das bei den jetzigen Verhältnissen unbeachtet bleiben und verkümmern mag. Den einzelnen Lehranstalten unserer Stadt wird man durch ein solches Institut auf eine erfreuliche Weise zu Hülfe kommen und ihnen ihre grosse und schwierige Aufgabe sehr erleichtern, besonders wenn die Benutzung der vorhandenen und allmählich sich vermehrenden Sammlungen zweckmässig eingerichtet und möglichst liberal sein wird. Wir geben uns der Hoffnung hin, dass Niemand den grossen Nutzen in Abrede stelle, den ein solches naturhistorisches Museum in unserer Stadt bringen werde, und müssen auch eine zweite Frage, ob das Unternehmen ausführbar sei, mit derselben Bestimmtheit bejahen. Ist erst einmal der Grund gelegt, so wird sich die Theilnahme steigern, es werden manche Gegenstände dem Institute geschenkt werden, die so vereinzelt dastehen, und weniger Werth haben. Von fern her dürfen wir auf die Willfährigkeit unserer Landsleute rechnen, denn das Herz selbst des Ausgewanderten hängt doch immer an der Heimathsstadt und findet darin eine Genugthuung und Befriedigung, ihr auch aus der Ferne noch zu nützen. Freunde und Verehrer des naturhistorischen Studiums werden sich für das Unternehmen mit Wärme interessiren. Es wird immer unter uns eine hinreichende Anzahl von Männern geben, die den einen oder anderen Zweig der Naturgeschichte mit Vorliebe treiben und sich bei der Leitung der ganzen Angelegen- heit betheiligen. Die erforderlichen Geldmittel werden sich bei einem sehr mässigen Beitrage der Mitglieder des neu zu gründen- den Museums erschwingen lassen, um die nöthige Ordnung zu 76 erhalten, die Sammlung gut zu conserviren, neue Gegenstände zu erwerben u. s. w. Je reger und grösser die Theilnahme des Publikums sein wird, um so rascher und sicherer wird sich etwas Rechtes zu Stande bringen lassen, und darum richten wir unseren Aufruf nicht allein an diejenigen, welche ein näheres Interesse an dem Studium der Naturgeschichte haben, auch an diejenigen, welche die Mittel besitzen, Wissenschaften und Künste zu fördern. An alle die richten wir ihn, denen die Erziehung ihrer Kinder am Herzen liegt und die aus ihnen tüchtige und kenntnissreiche Menschen heranbilden wollen, die ihnen auf den Lebensweg mitzugeben wünschen, was ihnen bei allen Schwankungen der Zeit und den Stürmen des Lebens Niemand zu rauben vermag. Auch denen gilt unser Aufruf, die wünschen, dass die Stadt der sie angehören, ehrenvoll dastehe unter den Städten des deutschen Vaterlandes, auf dass man ihr nach- rühme, dass in ihrem Schosse kenntnissreiche und brauchbare Mit- glieder der menschlichen Gesellschaft erzogen werden. Es ist ein patriotisches Unternehmen, für das wir die warme und thätige Vaterlandsliebe des gesammten Publikums in Anspruch nehmen. Bisher hatte die Gesellschaft ein Local für ihre Bibliothek und Sammlung, wie für ihre Zusammenkünfte gemiethet. Nach Mittheilung ihres Planes haben Seine Majestät der König geruht, ihr bis auf Weiteres die erforderlichen Räume in dem Prinzen- hause auf dem Reitwalle einzuräumen, und wird baldthunlichst die Gesellschaft ihre Bibliothek und Sammlung dahin besorgen, so dass spätestens zu Michaelis d. J. schon der Eröffnung des Instituts nichts im Wege stehen dürfte. Die jetzigen Mitglieder werden es sich angelegen sein lassen, Subscriptionen zu eröffnen und damit zugleich nähere Mittheilungen allen denen zu machen, welche geneigt sind, sich bei dem Unternehmen zu betheiligen. Hannover, am 16. März 1850. Die Mitglieder der naturhistorischen Gesellschaft: Angerstein. Baring, Dr. Bossel. Cohen, Dr. Flügge, Dr. Friesland.‘ wHahn),.Dr.' Hildebrand. Holscher, Dr. Jugler. Kaufmann, Dr. Krause, Dr. Mühlenpfordt, Dr. 1 -1 Gleichzeitig wurden die folgenden Satzungen entworfen und angenommen. Vorläufige Statuten des naturhistorischen Museums in der Residenzstadt Hannover. di; Zur Beförderung der Kenntniss der Naturproducte unseres Landes und der Naturkunde überhaupt wird in der Residenz- stadt ein naturhistorisches Museum durch einen Verein ge- gründet, an dem ausser den Bewohnern der Stadt, der Vorstadt und der Umgegend, auch andere Freunde und Beförderer der Naturwissenschaften Theil nehmen werden. 2. Diesem neu zu errichtenden Museum widmet die Natur- historische Gesellschaft ihre Bibliothek und Sammlungen unter Vorbehalt des Eigenthums. 3. Von den Mitgliedern, welche zur Gründung und Vervoll- ständigung des Museums zusammentreten, entrichtet jedes einen jährlichen Beitrag von Einem Thlr. acht Ggr., diejenigen aber, welche sich auch für die Benutzung der Bibliothek betheiligen wollen, einen Beitrag von jährlich zwei Thalern. Die Geschäfte werden von einem Ausschusse besorgt, welcher von den zu der Bibliothek berechtigten Mitgliedern gewählt wird. Der Ausschuss besteht aus neun Mitgliedern, von denen drei, welche von drei zu drei Jahren von dem Ausschusse ge- wählt werden, die laufenden Geschäfte besorgen, die übrigen sechs aber jährlich neu oder wieder gewählt werden. Von diesen sechs Mitgliedern werden drei sich besonders mit den Sammlungen, die übrigen aber mit der Bibliothek, der Rechnungsführung und den sonstigen Angelegenheiten beschäf- tigen, alle aber nach den Umständen die geschäftsführenden drei Mitglieder unterstützen oder vertreten. Der Ausschuss tritt in jedem Vierteljahre einmal zusammen und fasst seine Beschlüsse schriftlich ab. 78 4. Von den drei geschäftsführenden Mitgliedern hat das eine die allgemeinen Angelegenheiten, das zweite die Sorge für das Museum, das dritte aber die Aufsicht über die Bibliothek nebst der Cassenführung zunächst zu übernehmen. Sie haben ihre Geschäfte so zu besorgen, dass sie nach Ablauf eines jeden Vierteljahres dem Ausschusse darüber eine Uebersicht geben und von den dazu bestimmten Mitgliedern des Ausschusses vertreten werden können. 5. Bis dahin, dass es möglich ist, einen Custos für das Museum zu bestimmen, werden die Mitglieder des Ausschusses unter Mitwirkung einzelner anderer Mitglieder sich bemühen, für die Aufstellung, Vervollständigung und Benutzung der Samm- lungen und der Bibliothek auf eine angemessene Weise zu sorgen. 6. Für die nächste Zeit werden die Einrichtungen so getroffen werden, dass das Museum zwei Male wöchentlich dem Publicum gegen unentgeltliche Einlasskarten geöffnet werden kann. Es werden dann auch die zur Ansicht sich empfehlenden Bücher, besonders auch Abbildungen, ausgelegt werden. Um vorsichtige Behandlung der Gegenstände muss dringend gebeten werden, wenn die blosse Betrachtung nicht genügt. gie Wenn Lehrer der hiesigen Anstalten eine längere oder un- gestörtere Benutzung des Museums für sich oder in Begleitung einiger ihrer Schüler wünschen, so wird ihnen dazu nach näherer Verabredung die Gelegenheit in geeigneten Stunden geboten werden. 8. Die zur Bibliothek berechtigten Mitglieder können in einer bestimmten Stunde eines Wochentages gegen Empfangschein vier bis sechs Bücher auf je vier Wochen zur Benutzung erhalten, falls diese für den allgemeinen Gebrauch zu entbehren sind. Die Empfänger sind für die Bücher verantwortlich, deren Verleihung nicht zulässig ist. Kupferwerke werden nur in der Bibliothek benutzt. 79 Ausnahmen für wissenschaftliche Zwecke und für die Mit- glieder der Naturhistorischen Gesellschaft, als die Eigenthümer der Bibliothek, haben kein Bedenken, bedürfen aber in anderen Fällen der Genehmigung des Ausschusses. 9: Die Benutzung des Museums und der Bibliothek wird durch auszulegende, monatlich nachzutragende Verzeichnisse mit Be- merkungen über besondere Eigenthümlichkeiten oder die Geber der geschenkten Gegenstände erleichtert. In diesen Verzeichnissen wird bemerkt, wenn die Gegen- stände im Tausch oder gegen bessere Exemplare wegzugeben, oder aus sonstigen Gründen zu beseitigen gewesen sind. 10. (reordnete Verzeichnisse der Bücher und anderer Gegen- stände werden gedruckt an die Mitglieder vertheilt, so bald die Verhältnisse des Vereins dazu die Mittel darbieten. he Nach Ablauf eines jeden Jahres wird dem Vereine in der Hauptversammlung, in welcher auch die Wahl der Mitglieder des Ausschusses stattfindet, die von dem Ausschusse geprüfte Rechnung nebst einer Nachweisung über die Verwendungen für die einzelnen Zweige des Museums und der Bibliothek vorgelegt. 12. Mit diesem Jahresabschlusse wird eine für das grössere Publicum bestimmte Uebersicht über den Fortgang, die Erwer- bungen, besonders durch Geschenke, und die eingetretenen Ver- änderungen des Vereins und seiner Sammlungen verbunden. Späterhin werden nach Ablauf eines Jahrs auch Nachträge der Verzeichnisse für die Mitglieder ausgegeben. 13. Die vorstehenden Grundsätze werden für das Museum zum Anhalten dienen, bis von dem Vereine vollständigere Anord- nungen beschlossen werden. Die 13 Mitglieder des Vereins zur Gründung eines Natur- historischen Museums übernahmen es nun, den obigen Aufruf s0 und die Statuten unter den Bürgern der Stadt zu verbreiten. Der Erfolg war ein glänzender. Innerhalb kurzer Zeit zählte der Verein 233 Mitglieder, von denen sich 174 für die Bibliothek und das Museum, 59 aber für das letztere allein unterschrieben hatten. Die erste Generalversammlung fand am 20. Dezember 1850 im Hanstein’schen Saale statt. In derselben wurde der Ausschuss gewählt und zwar der Oberbergrat Jugler zum Direktor, Dr. Mühlenpfordt zum Sekretair, Apotheker Angerstein zum Bibliothekar und Schatzmeister und als sonstige Mitglieder: Medizinalrat Dr. Kohlrausch, Hofchirurgus Dr. Hahn, Apotheker Hildebrand, Collaborator Guthe, Hofrat Dr. Holscher, Dr. Roebber. Nachdem die Räume in dem Prinzenhanse eingerichtet und die erforderlichen Schränke angeschafft waren, wurde die Bibliothek der Naturhistorischen Gesellschaft übersichtlich aufgestellt und den Teilnehmern geöffnet. Gleichzeitig wurde ein Verzeichnis gedruckt, das die Benutzung wesentlich er- leichterte. — Bedeutenden und raschen Aufschwung nahmen die natur- historischen Sammlungen. Ausser einer grösseren Anzahl Geschenke von Privaten wurden dieselben vor allem durch die von dem kgl. Ministerium der geistlichen und Unterrichts-An- gelegenheiten überwiesenen Dubletten des Göttinger Museums und durch die bedeutenden Sammlungen der vormaligen Forst- schule zu Münden, welche die kgl. Domänenkammer mit Ge- nehmigung des kgl. Finanzministeriums dem Vereine zur Be- nutzung überlies, wesentlich vergrössert. Zur Besichtigung der Sammlungen war das Museum am Mittwoch von 2—4 Uhr und am Sonnabend von 12—1 Uhr geöffnet. Von Bedeutung für eine stete und gute Entwicklung der zoologischen Sammlungen war es noch, dass es gelang, in dem Musikus Braunstein aus Goslar einen in der Kunst des Ausstopfens von Vögeln und Säugetieren sehr erfahrenen und unter der ausgezeichneten Anleitung von Prof. Meyer in Göttingen sehr geübten Custos zu gewinnen. Nicht minder günstig stellten sich die Geldverhältnisse des „Vereins zur Gründung eines naturhistorischen Museums“. Sl vi Ausser den Einnahmen durch die Beiträge der Mitglieder waren durch Geschenke von Privaten, des Kronprinzen und der Kron- prinzenzessin 184 Rthlr. und von dem kgl. Ministerium der geistlichen und Unterrichts- Angelegenheiten 200 Rthlr. über- wiesen. Im ersten Jahre beliefen sich die Einnahmen auf 817 Rthlr. 4 Ggr. Cour. und die Ausgaben auf 703 Rthr. 21 - Ger. Cour., so dass ein Überschuss von 113 Rthlr. 7 Ger. er- zielt wurde. — Nachdem so nach einjährigem Bestehen die Dauerhaftigkeit des „Vereins zur Gründung eines naturhistorischen Museums“ erwiesen war und auch für die Zukunft gesichert schien, trat die ältere Naturhistorische Gesellschaft, die noch immer bestand und deren Geschäfte von Jugler als Direktor und Mühlenpfordt als Schriftführer geleitet wurden, ihre „an sich völlig un- erheblichen und fast wertlosen Sammlungen“ von naturwissen- schaftlichen Gegenständen an das neue Museum gänzlich ab, dagegen behielt sie sich das Recht der Benutzuug und für den Fall der Auflösung des neuen Vereins den Rückfall der Bibliothek vor. Ausserdem erklärte sich der ältere Verein damit ein- verstanden, dass „der Verein zur Gründung eines naturhistorischen Museums in der Residenzstadt Hannover“ sich den bedeutsameren Namen „Naturhistorische Gesellschaft“ zulegte. Somit war erreicht, was auf dem einfacher erscheinenden Wege einer Statutenveränderung der älteren Gesellschaft wahr- scheinlich nicht zustande gekommen sein würde Zu neuem Leben erweckt stand nunmehr die Naturhistorische Gesellschaft, die als unmittelbare Fortsetzung und den Zeitumständen an- gepasste Weiterentwicklung der älteren Gesellschaft betrachtet werden muss, kräftig und blühend da und versprach die besten Hoffnungen für die Zukunft. Während jene ältere Gesellschaft in klösterlicher Abgeschiedenheit ihre Hauptaufgabe in der Vermehrung der Bücherei erblickte und die naturhistorischen Sammlungen als lästig und überflüssig betrachtete, legte der neue Verein gerade das Hauptgewicht auf die Gründung eines dem grossen Publikum zugänglichen Museums und anerkannte in der Bibliothek nur ein Hülfsmittel für jenen Hauptzweck. Am 9. März 1852 erhielt die Naturhistorische Gesellschaft 52 vom kgl. Oberhofmarschallamt ein Schreiben des Inhalts, dass über die dem Verein im Prinzenhause überwiesenen Zimmer anderweitig verfügt sei und bis Ostern geräumt werden müssten. Gleichzeitig erklärte sich jedoch das Oberhofmarschallamt bereit, dem Verein zur Anschaffung eines andern Lokals bis dahin, dass für dessen Bedürfnis in dem durch Privatunternehmung zu schaffenden Gebäude gesorgt sein würde, behülflich zu sein. In dem an das Oberhofmarschallamt gerichteten Antwortschreiben vom 13. März bemerkte der Vorstand der Naturhistorischen Gesellschaft, dass durch die Entziehung der freien Räume im Prinzenhause dem Vereine, der das naturhistorische Museum mit so vieler Aufopferung ins Leben gerufen habe, von neuem durch die Entrichtung einer Miete bedeutende Lasten entstehen würden. Wegen der äusserst beschränkten Hülfsmittel des Vereins und der mannigfachen Schwierigkeiten und grossen Kosten eines jeden neuen Museums, bat deshalb der Vorstand, „bei des Königs Majestät unserem Vereine eine huldreiche Er- leichterung der für das Museum jetzt neu erwachsenden Aus- gaben bis zur Vollendung des Hauptgebäudes der Vereine hochgefälligst erwirken zu wollen“. Diesem Wunsche ent- sprechend erklärte der Oberhofmarschall von Malortie in einer Sitzung von Vertretern der Naturhistorischen Gesellschaft, des Historischen Vereins und des Vereins für öffentliche Kunstsamm- lung vom 16. März, „dass des Königs Majestät sich gnädigst geneigt erklärt habe, dem Naturhistorischen Vereine in Betracht der Allerhöchst verfügten Zurücknahme der seither überlassenen Zimmer in dem kgl. Hause unweit der Reitbahn die Anschaffung eines anderen Lokals durch eine Beihülfe für die bevorstehenden beiden Jahre zu erleichtern, dass es sich aber für die Zwecke der 3 Vereine sehr empfehle, sie schon jetzt in einem ge- gemeinschaftlichen Lokale zu vereinigen, welches sich in dem ganz vor kurzem von dem Banquier Gerson Meyer angekauften Gräflich von Kielmannsegge’schen Hause an der Calenberger- strasse (Nr. 42) finden lassen werde.“ Da von allen Seiten eine solche Vereinigung als höchst wünschenswert anerkannt, und da eine Unterstützung seitens der kgl. Hand- und Schatull- Kasse nur unter dieser Voraussetzung zugesagt wurde, so er- S5 vI* klärten sich die 3 Vereine mit den gemachten Vorschlägen einverstanden und gründeten das sogenannte Vereins-Museum. Bereits Ende März wurden die in der ersten Etage des Kiel- mannsegge’schen Hauses gelegenen Zimmer bezogen , die Sammlungen in kurzer Zeit aufgestellt und dem Publikum zu- gänglich gemacht. Am 24. April 1852 wurden in einer ge- meinsamen Sitzung der Ausschussmitglieder der 3 Vereine die durch die Verbindung nötig gewordenen Anordnungen festgestellt und zur Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Ziele eine Kommission von 6 Mitgliedern aus den 3 Vereinen gewählt, nemlich: 1. vom Verein für öffentliche Kunstsammlung Kammerrat Oppermann und Baumeister Wohlbrück ; 2. von der Naturhistorischen Gesellschaft Apotheker Anger- stein und Dr. Mühlenpfordt; 3. vom historischen Verein für Niedersachsen Dr. Grotefend und Amtsassessor Einfeld. Von diesen wurden Oppermann zum Vorsitzenden, Einfeld zum Schriftführer und Angerstein zum Rechnungsführer gewählt. Die Miete jenes Lokals betrug jährlich 500 Thlr. Gold; jeder Verein trug 100 Thlr. dazu bei, während Se. Majestät der König eine jährliche Beihülfe von 200 Thlrn. bewilligt hatte. Die Stunden für den öffentlichen Besuch der Sammlungen wurden auf die Zeit von 12 bis 2 Uhr des Sonntags und von 2 bis 4 Uhr des Mittwochs bestimmt; ausserdem konnten die Sammlungen täglich in der Zeit von 10 bis 1 Uhr gegen ein Eintrittsgeld von 8 Ggr. für 1 bis 4 Personen besucht werden. Durch die -Verbindung der drei Sammlungen in aneinander stossenden Zimmern gewannen die aufgestellten Gegenstände beim Publikum ein so lebhaftes Interesse, dass das Vereins - Museum bereits in den ersten 5 Monaten von über 2000 Personen be- sucht wurde. Bevor sich diese Verbindung der drei Gesellschaften zu einem Vereins- Museum im Laufe des März 1852 vollzog, war bereits von anderer Seite ein für die Hebung von Kunst und Wissenschaft hochbedeutsamer Schritt gethan, nemlich die Grün- 54 dung des Museums- Gebäudes an der Sophienstrasse. Da die Naturhistorische Gesellschaft an der Gründung dieses Gebäudes beteiligt gewesen ist, so darf wohl eine kurze Darstellung in unserer Geschichte nicht als überflüssig erscheinen, obgleich bereits 1857 durch F. Schnell in seinem Werke „Das Museum für Kunst und Wissenschaft“ eine ausführliche Beschreibung gegeben ist. 2. Das Museum für Kunst und Wissenschaft. Bereits in den dreissiger Jahren wurde wiederholt die Idee, ein Museum für naturhistorische Sammlungen zu errichten, in Erwägung gezogen. „Damals bot Pastor Reussmann, ehemals an der Ägidienkirche, später zu Lehrte, seine beträchtlichen Sammlungen zoologischer Gegenstände an, alleir die Erwerbung gegen eine Rente fand bei der Verwaltung der königl. Residenz- stadt Bedenken. Als später derselbe seine Sammlungen zu gleichem Zwecke der königl. Regierung anbot, fand der Vor- schlag bei dem königl. Ministerium des Innern grossen Anklang und es wurde daher unter Genehmigung Sr. Majestät des Königs die Einleitung und Begründung von hiesigen Sammlungen für Naturkunde und für Werke der Kunst, in Verbindung mit einer Sammlung landesgeschichtlicher Altertümer, in Beratung ge- nommen und zur näheren Begutachtung eines Planes zu einem solchen wissenschaftlichen Museum eine Kommission angeordnet. Die damaligen Vorschläge schienen jedoch zu grosse Geldmittel zu erfordern und wurden deshalb nicht verfolgt.“ — Im Jahre 1845 regte dann der historische Verein für Nieder- sachsen die Erwerbung eines gemeinschaftlichen Gebäudes für die wissenschaftlichen Vereine an. Bei der geringen Mitglieder- zahl musste indess damals unsere Naturhistorische Gesellschaft auf eine Beteiligung verzichten. Auch ein vom Künstler- Verein und dem Verein für öffentliche Kunstsammlung gegen Ende der vierziger Jahre ausgehender Versuch, gemeinsam mit dem historischen Verein und der Naturhistorischen Gesellschaft ein Gebäude zu erwerben, scheiterte daran, dass die vorhandenen Geldmittel der Vereine durchaus unzureichend waren. Die so von verschiedenen Vereinen in Anregung gebrachte te}5) Idee wurde nunmehr von anderer Seite aufgegriffen. Am 16. December 1851 vereinigten sich nemlich Baumeister Wohl- brück, Architekt Hase, Commissair Hasje, Hofbaumeister Vogell, Bankier A. Meyer, Kammerrat Oppermann, Professor Oesterley, Dr. Mühlenpfordt, Apotheker Angerstein, Amtsassessor Einfeld und Amtsrichter Baldenius zu einem „Comite zur Errichtung eines Actien-Vereins behufs Gründung eines Instituts für Kunst und Wissenschaft.“ Seit Ende Januar 1852 nannte sich dieser Ausschuss „Comit& des Museums für Kunst und Wissenschaft.“ Bereits im Laufe des Decembers 1851 gingen Bittschriften an Se. Majestät den König, das königl. Ministerium des Innern und an den Magistrat sowie das Finanz-Comite des Bürger- Vorsteher-Collegs der königl. Residenzstadt ab. — Der Magistrat beschloss sofort aus städtischen Mitteln ein Kapital von 15 000 Thalern in Gold auf die Zeit von 12 Jahren gegen 2, °,, jährlicher Zinsen herzuleihen. Der König bewilligte am 11. Jan. 1852 eine auf 10 Jahre ausgedehnte jährliche Unterstützung von 1000 Thlrn. Courant; das königl. Ministerium gab einen jährlichen Beitrag von 800 Thlrn. auf 5 Jahre. — Weiterhin erliess dann das Comite am 26. August 1852 eine „Aufforderung zur Zeichnung von Actien behuf Erbauung eines Museums für Kunst und Wissenschaft in der Stadt Hannover“. Das Resultat dieser Aufforderung war ein überraschendes; denn bereits Ende Februar 1853 waren 34000 Thlr. Gold Actien gezeichnet. Die Naturhistorische Gesellschaft, welche bereits im No- vember 1851 zur Beteiligung an dem im Entstehen begriffenen Unternehmen aufgefordert wurde, lehnte in Rücksicht auf ihre beschränkten Mittel eine solche ab, zumal sie damals durch des Königs Fürsorge unentgeltlich im Prinzenhause Aufnahme gefunden hatte. Als indessen gegen Ende Januar 1852 zweifel- los eine baldige Kündigung dieser Räume zu erwarten stand, schloss sich unsere Gesellschaft den übrigen Vereinen an, so dass sich nunmehr die 6 folgenden Gesellschaften beteiligten: Künstler -Verein mit der Singakademie, Kunstverein, Verein für öffentliche Kunstsammlung, Historischer Verein, Architekten- und Ingenieur-Verein, Naturhistorische Gesellschaft. 86 Bevor jedoch das neue Gebäude errichtet sein konnte, musste unsere Gesellschaft Ende März 1852 das Prinzenhaus räumen. Wie weiter oben auseinandergesetzt ist, vereinigten sich jetzt die Naturhistorische Gesellschaft, der Verein für öffentliche Kunstsammlung und der Historische Verein zum sog. Vereins- Museum, das bis zur Vollendung des neuen Gebäudes im Gräfl. von Kielmannseggeschen Hause untergebracht wurde. Inzwischen war schon am 5. Februar 1852 die erste Be- kanntmachung des „Programms zur Preisbewerbung für einen Entwurf eines Gebäudes, worin die Räume mehrerer Vereine für Kunst und Wissenschaft enthalten“ sein sollten, erfolgt. Bis zum 1. Mai liefen 14 Arbeiten ein, von denen diejenige des Bau-Inspektors Hase als die beste anerkannt und zur Ausführung angenommen wurde. Nachdem das für den Bau erforderliche Kapital gesichert war, begannen die Vorarbeiten und am 27. Mai 1853, dem Geburtstage des Königs, wurde dem Bau an der Sophienstrasse die höhere Weihe dadurch gegeben, dass der König selbst die Grundsteinlegung übernahm. Über diese Feier entnehmen wir dem Notizblatte des Architekten- und Ingenieur-Vereins von 1853 den folgenden Bericht: „Der Bauplatz war mit Festons und Fahnen festlich geschmückt, und zwar so, dass einige grosse Stangen mit Wimpeln die Fassungsmauern des Gebäudes bezeichneten. Über dem Fundamente, auf welchem der Grundstein versetzt werden sollte, erhob sich ein aus Baumstämmen, Stangen und Tannen- zweigen gebildeter byzantinischer Thurm, auf dessen Ecken 2 Maurer- und 2 Zimmergesellen mit ihrem Bundgeschirr auf- gestellt waren. Zur Linken dieses Thurmes befand sich die Estrade für Seine Majestät, zur Rechten jene für die Sänger und das Musik- chor und vor demselben die grosse Tribüne für die zur Feier Eingeladenen. Im Locale des Künstlervereins hatten sich die Mitglieder desselben so wie anderer betheiligten Vereine versammelt und zogen gegen 11/, Uhr mit Musik unter Vortragung der Vereins- 87 fahne mit dem alten Dürerwappen nach dem Bauplatze, woselbst nach und nach die übrigen Theilnehmer der Festlichkeit sich einfanden. Gegen 2!/, Uhr erschien Seine Majestät, Seine Königliche Hoheit den Konprinzen an der Hand führend, während Ihre Majestät die Königin mit den übrigen Königlichen Kindern von den Fenstern eines benachbarten Hauses der Feier zuschauten. Seine Majestät ward unter dem Schmettern des „God save the King* mit lautem Jubelruf begrüsst. Alsbald trat der Vorsitzende des Comites, Herr Oberhof- marschall v. Malortie, an die Estrade und verlas die nach- stehende, in Porzellan eingebrannte Urkunde mit weithinschallender Stimme vor: „Allerdurchlauchtigster „Grossmächtigster König und Herr! „Wir empfangen Eure Königliche Majestät am heutigen doppelt festlichen Tage, welcher ein Tag der Freude für das sanze Königreich, nun auch für Kunst und Wissenschaft in unserer Vaterstadt eine neue Aera begründen soll, mit den Gefühlen der tiefsten Dankbarkeit. „Der Kunstverein für das Königreich, der naturhistorische Verein, das Museum für bildende Kunst, der historische Verein für Niedersachsen, der Künstler- und der Architecten-Verein hatten am Schlusse des Jahres 1851 gemeinschaftlich den Wunsch ausgesprochen, dass in Hannover ein Museum für Kunst und Wissenschaft erbauet werde. Ein Comit‘6 aus ihnen angehören- den Personen trat zusammen, um diesen Wunsch zu fördern. Mit dem gnädigsten, landesväterlichsten Interesse ist derselbe von Eurer Königlichen Majestät aufgenommen und mit wahrhaft Königlicher Liberaliät sind seine Zwecke von Eurer Königlichen Majestät Allerhöchst persönlich durch ein Geschenk von 10000 „8 gefördert, sowie Eurer Königlichen Majestät höchste Landes- behörde dem Plane die regste Theilnahme durch einstweilen zu- gesicherte jährliche 800 „$, so wie eine in Aussicht gestellte Actien- zeichnung von 15000 „8 zuwandte. Ausserdem hat der Magistrat der Königlichen Residenzstadt das Unternehmen durch ein unter sehr günstigen Bedingungen darlehnsweise verwilligtes Capital 88 von 15000 „8 auf die zuvorkommenste Weise unterstützt und es ist aus der patriotischen Hingebung, dem warmen Interesse unserer Mitbürger sowohl wie Auswärtiger für die hohen Zwecke, denen das Unternehmen gewidmet ist, eine Actienzeichnung von 34000 ‚ hervorgegangen. Hierdurch ist es möglich geworden, dass schon jetzt der Bau des Museums beginnen kann. Eure Königliche Majestät haben demselben dadurch eine besondere Weihe zu geben geruhet, dass am heutigen hohen Geburtsfeste Eurer Majestät, dem 27. Mai 1853, der Grundstein des neuen Tempels der Kunst und Wissenschaft von Eurer Königlichen Majestät Allerhöchstselbst gelegt wird. „Es sei uns gestattet, über diese, dem Baue Segen und Gedeihen bringende Handlung, diese Anrede als Urkunde auf die fernsten Zeiten in den Grundstein des Gebäudes zu legen, dessen Entstehen noch nach Jahrhunderten von der Gnade unseres erhabenen Königs Georg V., dem Interesse unserer Vaterstadt und der regen Theilnahme unserer Mitbürger Zeug- niss geben wird. „Hoch lebe seine Majestät Georg V.!* Nachdem sodann der König seine Einwilligung dazu ge- geben, verlas der Secretair des Vereins, Herr Amtsrichter Baldenius, diejenigen Gegenstände, welche in dem Grundsteine aufbewahrt werden sollten: 1) Das Familienbild Seiner Majestät des Königs. 2) Die auf Porzellan geschriebene Anrede an Seine Majestät als Urkunde. 3) Pro Memoria des Baumeisters über das einzelne auf den Bau Bezügliche, Preise der Materialien, Namensverzeichniss der beim Bau beschäftigten Personen etc. 4) Die Risse des Museums. 5) Dessen Ansicht. 6) Der Situationsplan der Residenzstadt Hannover. 7) Die Aufforderung des Comit6s zur Actienzeichnung für das Museums. 8) Die Namen der Comitemitglieder. 9) Die namentliche Liste der Actionaire. 59 10) Die namentlichen Listen der beim Museum betheiligten Vereine, deren Statuten und Mitgliederverzeichnisse. 11) Die unter Seiner des jetzt regierenden Königs Majestät geschlagenen Münzen. 12) Das Staatshandbuch von 1853. 13) Das Adressbuch der Residenzstadt von 1853. 14) Das Programm der Grundsteinlegung nebst einem Exemplare der Hannoverschen Zeitung vom 27. Mai 1853. 15) Eine Gedächtnissmedaille auf den Bau des neuen Hof- theaters mit dem Bildnisse Seiner Majestät des Königs Ernst August. 16) Der Festgesang von Herrn Hille, Text von Mithoff. Diese Gegenstände wurden in einen kupfernen Kasten gelegt. Nachdem dies geschehen, schritten Seine Majestät die Rampe von der Estrade hinab und traten an den noch im Seile schwebenden Grundstein. Der kupferne Kasten ward alsdann mit einem Deckel versehen, verlöthet und in den dazu ausgearbeiteten Grundquaderstein gesetzt. Alsdann richtete der Herr Bau- Inspector Hase folgende Anrede an Seine Majestät: „Majestät! „Also mit Gunst und Erlaubniss, dass ich das Wort nehme als Baumeister dieses Hauses! Wenn der Herr nicht das Haus bauet, so bauen umsonst die daran bauen. Wir beginnen das Werk im Namen des Herrn und hoffen mit Zuversicht auf seinen Segen, ja! mit voller Zuversicht, denn der Herr hat sein best Rüstzeug uns gesandt, das Werk zu beginnen. Eure Majestät wollen geruhen, heut vor aller Welt den Grundstein zu legen, auf dem der Bau sich erheben möge, fest und sicher, eine Stätte für Kunst und Wissenschaft, ein Denkmal unserer Zeit, ein Zeichen königlicher Huld und hoher Begeisterung für das Edle und Schöne. — Also mit Gunst und Erlaubniss, dass ich die ehrbare Maurerkelle auf und zu mir nehme, und aller- unterthänigst bitte, Eure Majestät wolle geruhen, dem Steine das Mörtelbett zu bereiten.“ Seine Majestät nahm hierauf die Kelle und gab dem Steine Speise. Nachdem das Mörtelbett durch die Maurermeister 90 Nordmann und Lange vollendet, wurde der Stein niedergelassen und seine richtige Lage durch den bauführenden Architecten, Herrn Hackländer geprüft. Alsdann sprach der Herr Bau-Inspector Hase weiter: „Also mit Gunst und Erlaubniss, dass ich den ehrbaren Maurerhammer auf und zu mir nehme und bitte, Eure Majestät wolle mit diesem Hammer dem Steine die drei Schläge thun, nach Handwerksgebrauch und Gewohnheit. Also mit Gunst!“ Seine Majestät nahmen den Hammer aus den Händen des Baumeisters und sprachen etwa Folgendes: „Ich trete hier an den Stein, um im Namen des dreieinigen Gottes bei seiner Legung mitzuwirken. Möge der Bau vom Himmel so gesegnet werden, dass er fröhlich emporwachse und ein Tempel werde, in welchem ein edles Streben und Gedeihen der Kunst und Wissenschaft die Bestrebungen anderer Länder übertreffe. Das ist meine inbrünstige Bitte. Das lebhafte Interesse, welches ich stets für Kunst und Wissenschaft gehegt habe, wird gewiss stets in meiner Familie sein und meine Nachfolger werden auch in Zukunft gewiss nicht aufhören, das Werk zu fördern, wozu wir jetzt den Grund legen. So thue ich denn im Namen der Dreieinigkeit die drei üblichen Schläge.“ Nachdem die drei Schläge erklungen, fiel der Sängerchor der neuen Sing-Academie mit der für diesen Zweck vom Herrn Cammerbau-Inspector Mithoff und von Herrn Eduard Hille componirten Hymne ein, unterstützt von einigen kräftigen Accorden der Blechmusik des Garde du Corps - Regiments. Während des Gesanges traten nun der Reihe nach die an- wesenden fürstlichen Personen, die fremden Gesandten, Generale, Präsidenten der Ständeversammlung, Magistratsmitglieder, Chefs der Behörden, die Mitglieder des Comite, die Vorstände der Vereine, die Werkmeister an den Stein und thaten die Schläge nach altem Brauch. Nach Beendigung der Hymne richtete Seine Majestät der König zum Abschiede an das um ihn versammelte Comite noch folgende Worte: „Es hat mich gefreut, dieser Feierlichkeit beizuwohnen, und besonders an diesem Tage, welcher so vielfach meine 91 Gefühle anregt. Der lebhafte Antheil, welchen ich in meinem Innern für Kunst und Wissenschaft und das Gedeihen ihrer Bestrebungen empfinde, kann ich in Worten nicht ausdrücken ; ich werde aber durch Schutz und Förderung stets beweisen, wie tief ich den Werth fühle, welchen ein Institut, wie das hier begründete, für das ganze Land hat.“ Dann verliessen Seine Majestät mit dem Hurrah der An- wesenden und dem Schmettern der Trompeten den Platz. Die Zahl derer, welche noch nicht zum Hammerschlage hatten kommen können, war aber noch gross. Alles drängte sich hinzu; ausser mehreren von der Blechmusik ausgeführten Musikstücken wurde von den Sängern noch ein Lied von Beethoven vorgetragen. Viele der Festgenossen vereinigten sich um 5 Uhr zu einem vom Künstlervereine veranstalteten Festessen auf dem Lister-Thurm, mit welchem die Doppelfeier in würdiger und heiterster Weise geschlossen wurde. Im Februar 1856 konnte das Gebäude als voll- kommen fertig gestellt angesehen werden. Aus Schnell’s Beschreibung der Einweihungsfeierlichkeiten geben wir den folgenden Bericht: Die Zeit der Einweihung wurde auf den 24. Februar 1856 Mittags 1 Uhr festgesetzt. Seine Majestät der König sagte Allerhöchstseine Gegenwart zu. Die Handlung fand in dem Saale des Künstler-Vereins und der Singakademie statt. Ausser Ihren Majestäten dem König und der Königin nebst Allerhöchst- deren Begleitung nahmen an der Feierlichkeit Theil: die Mit- glieder des Museums-Comite's, der Baumeister mit den Meistern der Gewerke, die den Bau geleitet, die Vorstände der in das Museum aufgenommenen wissenschaftlichen und künstlerischen Vereine, eine grosse Anzahl Actionaire des Museumsgebäudes ; ferner die Staatsminister, das diplomatische Corps, der Land- drost, der Magistrat und die Bürgervorsteher der Königlichen Residenzstadt, die Direetoren der Renten- und Capital-Versiche- rungs-Anstalten, endlich der Männerchor der Singakademie. Nach dem Eintritt Ihrer Königlichen Majestäten trug dieser Chor Mendelssohn - Bartholdy’s Hymne an die Künstler mit In- 99 Ja strumentalbegleitung vor, wobei die ersten Sänger des König- lichen Hoftheaters die Soli ausführten. Nachdem sodann der Baumeister Hase die Schlüssel des Gebäudes überreicht hatte, hielt der Vorsitzende des Comites, Oberhofmarschall von Malortie folgenden über den Stand des Unternehmen volles Licht verbreitenden Vortrag: Allerdurchlauchtigster König! Allergnädigster König und Herr! Als wir vor drei Jahren die hohe Ehre und die tiefgefühlte Freude hatten, Eure Majestät auf dem Bauplatze zu empfangen, wo jetzt dieses stattliche Gebäude, würdig den ersten Bauwerken der Residenz an die Seite gestellt zu werden, sich erhoben hat, waren wir von Freude beseelt, den Grundstein zu einem Tempel der Kunst und Wissenschaft zu legen, welcher die Institute und Vereine in sich fassen sollte, deren kräftige Förderung und Hebung sich viele kunstliebende Hannoveraner zur Aufgabe ge- stellt hatten. Mit noch grösserer Freude stehen wir heute vor Eurer Majestät, nachdem wir unsere Bestrebungen erfüllt sahen, da uns heute das Glück zu Theil wird, Eure Majestät in dem Gebäude zu empfangen, dem unser König durch Legung des Grundsteins zur Feier Allerhöchstseines Geburtsfestes die schönste Weihe zu geben geruheten. Der Segen des Tages hat unsere Bemühungen, unsern Eifer belohnt, und an dem heutigen Tage, am Vorabend des uns lange Jahre hindurch in Hannover theuren Geburtstages eines noch immer hochverehrten Fürsten, der zu- erst der Kunst in der hiesigen Stadt durch grosse Liberalität und unter Uebernahme des Protectorats des Kunstvereins vor vierundzwanzig Jahren einen besonderen Aufschwung gab, heute ist uns vergönnt, das Gebäude feierlichst seinen Zwecken zu übergeben. Hannover besitzt nun ein Institut, das Eurer Ma- jestät Residenzstadt zur Zierde und Ehre gereicht, Hannover ist damit in die Reihe der grösseren Residenzstädte Deutschlands eingeführt und hofft dadurch ein Monument gestiftet zu haben, welches auf späte Enkel ein Zeugniss der künstlerischen und wissenschaftlichen Bestrebungen sein möge, die sich hier unter der Regierung Eurer Majestät weiter entfalteten. Die grossen anfangs unüberwindlichen Schwierigkeiten bei 33 der Ausführung unseres Vorhabens sind, wenn wir auf Fort- dauer der gewährten Unterstützung rechnen können, beseitigt. Unser Vertrauen auf Eurer Königlichen Majestät landesväter- liches Interesse für Künste und Wissenschaften ist schon in den ersten Tagen Eurer Majestät Regierung auf die erfreulichste Weise durch einen namhaften Beitrag von 10000 Thlr., sowie eine bis auf Weiteres bewilligte jährliche Beihülfe von 800 Thlr. aus öffentlichen Mitteln gerechtfertigt und ist es bekannt, auf welche zuvorkommende Weise der hochlöbliche Maeistrat der Königlichen Residenzstadt unser Unternehmen durch ein unter sehr günstigen Bedingungen verwilligtes Darlehn von 15000 Thlr. unterstützte, sowie aus der patriotischen Hingebung und dem warmen Interesse unserer Mitbürger sowohl wie Auswärtiger für die Zwecke des Unternehmens eine Actienzeichnung von 34000 Thlr. Gold hervorgegangen ist, denen sich die nicht un- bedeutenden Opfer anschliessen, die von Gewerbetreibenden und Andern durch Schenkung von Baumaterialien und Sculpturen dargebracht sind. Während der ersten Vorbereitungen zum Bau zeigte sich indess, dass der zuerst gefasste Plan nicht genügende Räume darbiete, und hat danach eine Vergrösserung des Gebäudes in seinen Raumdimensionen in nicht unbedeutender Maasse statt- gefunden. Dieses, sowie die ungemeine Theuerung namentlich des letzten Baujahrs, waren die Veranlassung, dass der revidirte und festgestellte Anschlag ein Capital von — 83273 Thlr. Courant — erforderte, welches in Verbindung mit den Kosten der Erwer- bung des 1'/, Morgen grossen Grundstücks von 10474 Thlr. Gold, den Zinsen des Capitals während des Baues und den sonstigen Nebenkosten eine Totalsumme von reichlich 95000 Thlr. Courant herausstellte. Da wir nun dem Obigen nach nur über 67000 Thlr. zu verfügen hatten, so stellte sich ein Defieit von 25- bis 30000 Thlr. heraus, welches wir, da unsere Wünsche selbige aus Staatsmitteln zu erhalten, ohnerachtet des uns in vielen Be- ziehungen so reichlich gewährten Interesses der Regierung, an einseitigen kleinlichen Rücksichten Einzelner scheiterten und da 94 die Verwirklichung der Idee, welche unserm Unternehmen zum Grunde lag, das Institut zum öffentlichen Nutzen und Gebrauch dem Staate in dem Zeitpunkte abzutreten, in welchem der Schulden - Abtrag desselben eine feste und begründete Zukunft darbiete, ebenso wenig zur befriedigenden Lösung unserer Auf- gabe sich darstellen wollte, so haben wir die fehlenden Mittel von der hiesigen Renten- und Capital-Versicherungs-Anstalt mit 30000 Thlr. vorgestreckt erhalten und bezeugen dieser dafür hier öffentlich unsern besondern Dank. Hiernach haben wir zu verzinsen: 1) der Stadt Hannover 15000 ‚$ Gold 2!/,"), 375 .B 6. 2). dene Achionairen. - . 3A000..,, „, 3, 10207, 1395 8 G. oder 1500 „B6t. 3) der Rentenanstalt. . 30000 ‚8 Ctr. 4°, 1200 „ „ also an Zinsen jährlich 2700 ‚$ Ct. wozu dann die Lasten, die Feuer-Assecuranz auf eine Versiche- rungssumme von 70000 Thlr., die Reparatur- und sonstigen Verwaltungs- Ausgaben zu rechnen sind, welche pptr. 2- bis 300 Thlr. jährlich betragen dürften. Hierzu stehen uns Mittel, auf welche wir mit Sicherheit rechnen können, nur durch die Miethbeträge zu Gebote, welche die Vereine zum Betrage von jährlich 1500 Thlr. zahlen, so- wie uns die Hoffnung beseelt, dass uns die landesväterlichen und landesherrlichen Beiträge, welche bis dahin mit jener Summe jährlich über 3000 Thlr. betragen, noch über die jetzt zugesagte Zeit und bis dahin gewährt werden, dass unsere Administration erwünschtere Resultate auch ohne diese ergeben kann. Wir glauben übrigens auch hier wohl darauf aufmerksam machen zu können, wie schon nach der Natur der Verhältnisse überall nicht anzunehmen sein wird, dass wir jemals in die Lage kommen werden, unsere Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können. Das Institut ist ein solches, dessen Fertigung aus Privat- mitteln wir deshalb unternehmen mussten, weil wir bei der 95 Landesregierung, ungeachtet vieler darauf gerichteter Bestre- bungen, es nicht erreichen konnten, dass ein definitiver Plan dazu festgestellt und eingerichtet wurde, was seinen natürlichen Grund darin findet, dass bei dem Mangel sehr grosser Geld- mittel, die am Ende alles in der Art möglich machen, die Regierung nicht immer in der Lage ist, in den hier nöthigen Richtungen das zu leisten, was Privaten, namentlich wenn sie sich vereinen, manchmal leichter wird. Nichtsdestoweniger aber ist die Einrichtung des Instituts von allen Staatsbehörden so viel als irgend thunlich begünstigt und unterstützt, und ist in den von dem Königlichen Ministerium bestätigten Statuten des mit juristischer Persönlichkeit versehenen Comite’s dessen Ueber- weisung an den Staat stipulirt und es würde sicherlich, wenn nicht die Ungunst der Verhältnisse der letzten Jahre solches gehindert hätte, jener Zeitpunkt durch eine schon jetzt aus Staatsmitteln bewilligte Beihülfe vielleicht schon viel näher gerückt sein. Indem wir uns die öffentliche Rechenschaft und Rechnungs- ablage des ganzen Baues vorbehalten müssen, hoffen wir auch durch diese demnächst das uns geschenkte Vertrauen recht- fertigen zu können, und nachdem wir hiedurch öffentlich unsern Dank dem Herrn Baumeister, den Meistern und Werkführern für die aufopfernde Thätigkeit und Bemühungen aussprechen, übergeben wir hiemit das Museum für Kunst und Wissenschaft seiner Bestimmung, in der Hoffnung, dass es auch noch nach Jahrhunderten als Ausgangspunkt und wiederum als Vereinigungs- platz für die bildende Kunst und die dieser verwandten Wissen- schaften dienen möge. Es empfange der Kunstverein des Königreichs die würdigen Räume zu seinen jährlichen Ausstellungen. Das öffentliche Museum für bildende Kunst die Locale, um seine Sammlungen zugänglich und nützlich zu machen. Der Künstler-Verein, diese Vereinigung von Allen, die die Kunst hier ausübend, sowie begünstigend und pflegend betreiben und aus dessen Mitte die erste Idee des Baues hervorgegangen, für die wir auch hier unsern besondern Dank aussprechen, finde 96 hier seine Locale für seine Zusammenkünfte und seine reichen Sammlungen. Es empfange die Akademie für ernsten Gesang, der histo- rische Verein für Niedersachsen, das naturhistorische Museum, die ethnographische Sammlung, sowie der Architekten - Verein ihre Säle und den Bedürfnissen entsprechende Räumlichkeiten, und so vereine dieser Tempel der Kunst und Wissenschaften denn nach allen Richtungen hin nur das Wahre und Schöne, und vereine die Hannoveraner in ‘ihm, um seine Zwecke zu pflegen und zu befördern.“ Namens der Vereine brachte der Stadtdirektor Rasch dem Comite die Glückwünsche dar. Nachdem dann nochmals der Oberhofmarschall von Malortie in einem Vortrage die Einrichtung des Gebäudes dargelegt und Seiner Majestät den ehrerbietigsten Dank für das stets bethätigte Interesse ausgesprochen hatte, sprach der König folgende Worte: „Bei dem lebhaften Wunsche, welcher Mich stets beseelt hat, dass ein Tempel, wie dieser, wo wir uns jetzt befinden, gegründet werden möchte, um einen gemeinsamen Mittelpunkt für alle hiesigen Bestrebungen der Kunst und Wissenschaft ins Leben zu rufen, ein Tempel, der geeignet wäre, alle hiesigen Sammlungen und Vereine der Kunst und Wissenschaft in sich aufzunehmen, fühle Ich Mich gedrungen, es ist Mir eine theure Pflicht, allen denen Meinen wärmsten Dank und Meine innigste Anerkennung zu bezeugen, welche dazu beigetragen haben, jenen Meinen Wunsch in die Wirklichkeit einzuführen, besonders dem Comite, dessen rastlosem Streben es allein zuzuschreiben ist, dass dies Gebäude in so kurzer Zeit zu einem der schönsten Meiner Haupt- und Residenzstadt geworden ist. Um Sie ferner zu versichern, dass ich auch in Zukunft zur Erreichung des Zweckes, welcher der Errichtung dieses Gebäudes zu Grunde liegt, beitragen werde, bemerke Ich, dass, wenn im Jahre 1862 die jetzigen Verhältnisse dieses Unternehmens noch fortbe- stehen sollten, Ich auch noch fernere 10 Jahre dieselbe Summe, wie bisher, beisteuern werde, um die Zwecke zu fördern, welchen dieses Gebäude geweiht ist. Ich kann jedoch nicht aus diesem Raume scheiden, um den Segen des Allmächtigen auf das Streben, 97 die Kunst und Wissenschaft auh hier zu fördern, herabzuflehen. Mögen Kunst und Wissenschaft in Meinem Königreiche und in dieser Haupt- und Residenzstadt Hannover stets Gott dienen, von dem allein sie abstammen! Mit der Besichtigung der verschiedenen Locale schloss die erhehende Feierlichkeit.“ Bereits im September 1855 — bevor also das Gebäude vollständig fertig gestellt war — siedelten die Vereine des Vereins-Museums von der Calenbergerstrasse in das neue Museum über. Der Naturhistorischen Gesellschaft war nach dem schon am 7. April 1855 abgeschlossenen Kontrakt gegen jährliche Miete von 200 Rthlr. Gold das 3. Geschoss des Gebäudes ver- mietet, welches 4 grosse aneinanderstossende Säle, 2 kleinere Nebenzimmer und Wohnung für den Präparator umfasste. Nachdem in den Sälen die Sammlungen aufgestellt waren, wurden sie für das Publikum am 26. März 1856 geöffnet. — Nach der Übersiedelung in das neue Gebäude traten die 3 Vereine, nämlich die Naturhistorische Gesellschaft, der Historische Verein und der Verein für öffentliche Kunstsammlung, wieder in eine engere Verbindung, die während der Übersiedelung gelöst schien, da die Mietkontrakte und Lokale der Vereine völlig von ein- ander getrennt waren. Im April 1856 wurde daher eine neue „Kommission für dieSammlungen des Museums“ ge- wählt. Dieselbe bestand aus: Obergerichtsrat Witte (Vorsitzender) und Obergerichtsrat Dommes für die Naturhistorische Gesellschaft, Archivsekretär Dr. Grotefend (Protokollführer) und Amts-Assessor Einfeld für den Historischen Verein, Oberhofkommissär Teichmann (Rechnungsführer) und Maler Koken für die öffentliche Kunst- sammlung. Am 13. Mai 1856 erliess diese Kommission, die die gemeinsamen Interessen der drei Vereine vertrat, ihre Be- stimmungen für die das Museum Besuchenden. Danach waren die Sammlungen an jedem Sonntag von 12 bis 2 Uhr und an jedem Mittwoch von 2 bis 4 Uhr dem Publikum unentgeltlich geöffnet. Ausser dieser Zeit konnten Besuchskarten für die Stunden von 10 bis 1 Uhr zu 4 Ggr. gelöst werden. Somit war endlich in Erfüllung gegangen, was bereits Wächter im Jahre 1840 als dringend notwendig hingestellt 98 hatte: die Gesellschaft hatte nunmehr ein dauerndes Lokal, wo sie ihre Sammlungen aufbewahren und ihre Zusammenkünfte abhalten konnte. — 3. Geschichte von 1852 bis 1870. Unter dem Vorsitz von Oberbergrat Jugler (bis 1853), Ober- gerichtsrat Witte (bis 1866), Mediz.-Rat Hahn (bis 1870). Bevor wir auf die bedeutsamen Fortschritte in der Ent- wicklung der Gesellschaft näher eingehen, wollen wir zunächst einen Überblick über die VeränderungenindemVorstande während des ganzen Zeitraums von 1852 bis 1870 geben. Dem Vorstande gehörten 1851 an: Oberbergrat Jugler (Geschäftsführer) Dr. Mühlenpfordt (Conservator), Apotheker Angerstein (Bibliothekar und Schatzmeister), Dr. Guthe, Dr. Hahn, Apotheker Hildebrand, Medizinalrat Kohlrausch, Dr. Röbber, Hofrat Holscher. Im Jahre 1852 starb der nicht allein um unsere Gesellschaft, sondern auch um die Stadt hochverdiente Hofrat Dr. Holscher. An Stelle desselben wurde der damalige Obergerichtsanwalt Albers in den Vorstand gewählt. 1853 schied Oberbergrat Jugler aus, der während der Übergangszeit mit Eifer und Umsicht die Geschäfte geleitet hatte. Sein Nachfolger im Amte eines Vor- sitzenden wurde Obergerichtsrat Witte, der ein hervorragender Paläontologe war, eine bedeutende Sammlung der seltensten und schönsten Versteinerungen besass und bis zum Jahre 1866 die Leitung des Vereins in Händen hatte. In seinen auf eine rege Betätigung des Vereinslebens gerichteten Bestrebungen wurde er unter den übrigen Vorstandsmitgliedern besonders von dem stets unermüdlichen Dr. Guthe unterstützt, der trotz seiner umfangreichen wissenschaftlichen und Berufsthätigkeit lange Jahre hindurch das Amt eines Schriftführers und Bibliothekars, sowie Verwalters eines Teils der Sammlungen ausübte. Das Amt eines Conservators der Sammlungen versah in den ersten Jahren der Lehrer der Naturwissenschaften an der polytechnischen Schule Dr. Mühlenpfordt, der in erster Linie die Gründung eines naturhistorischen Museums angeregt hatte. Apotbeker Angerstein führte von 1850 bis 1870, wo er aus dem Vorstande ausschied, Di] vıl* die Kassengeschäfte und gab wiederholt bei der oft misslichen Lage der Gesellschaft aus eigenem Säckel Vorschuss. Dabei war er anfänglich Bibliothekar, verwaltete neben Bergkommissär Hildebrand und Dr. Guthe die Mineraliensammlung, war her- vorragend beteiligt bei der Gründung des neuen Museumsgebäudes und vertrat die Naturhistorische Gesellschaft bis zum Jahre 1876 im Comite des Museums für Kunst und Wissenschaft. Ein hervorragend thätiges Mitglied des Vorstandes war vor allem auch Medizinalrat Dr. Hahn, der lange Jahre hindurch einen Teil der zoologischen Sammlungen verwaltete und Vizepräsident war. Alsim Jahre 1866 Witte aus Gesundheitsrücksichten sein Amt als Vorsitzender niederlegte, trat Hahn an seine Stelle und versah dieselbe bis 1870. Hahn war es vor allem, der durch Beziehungen zum Hofmarschall von Malortie immer wieder Unterstützungen zur Vergrösserung der Sammlungen zu erreichen verstand. Zum Nachfolger des Medizinalrats Dr. Kohlrausch, der 1854 aus dem Vorstande ausschied, wurde Obergerichtsrat Dommes gewählt, dem die Vogelsammlung zur Verwaltung überwiesen und der 1856 stellvertretender Vorsitzender wurde, indes bereits 1858 sein Amt niederlegte. Nachdem 1856 Dr. Mühlenpfordt und Albers ausgeschieden waren, wurden cand. Armbrust und Dr. von Holle zu Vorstandsmitgliedern berufen. Ersterer übernahm anfänglich die Verwaltung der Conchylien und Insekten, später die der Reptilien und Fische. Er starb im Jahre 1861. Dr. von Holle gründete das Herbarium, indem er eine Sammlung einheimischer Pflanzen anlegte; er verliess bereits 1858 Hannover, um sich in Heidelberg für Botanik zu habilitiren. An seine Stelle trat der damalige Collaborator Mejer, der sich mit grossem Erfolge dem Studium der heimischen Flora hingab und das von v. Holle begonnene Werk einer Flora von Hannover glücklich zum Ziele brachte. Daneben war Mejer in späterer Zeit lange Jahre hindurch Schriftführer und Bibliothekar. Nachfolger von Dr. Röbber und Apotheker Hildebrand, die dem Vorstande seit 1850 angehörten, und von Obergerichtsrat Dommes wurden im Jahre 1858 Obergerichtssekretär Reinhold, Oberpostsekretär Pralle und Lehrer Begemann. Reinhold hat dem Vorstande bis zum Jahre 1374 angehört und bis dahin die Insekten ver- 100 waltet. Pralle war Ornithologe und hat unsere Vogelsammlung, der er anfänglich mit Dommes zusammen vorstand, tüchtig vorwärts gebracht. So wusste er besonders auch die Jagd- liebhaber für die Vermehrung der Sammlungen zu gewinnen und hat manche Vogelart selbst erlegt und der Sammlung über- wiesen. Bereits 1560 wurde er nach Hildesheim versetzt und zu seinem Nachfolger Graf von der Schulenburg ernannt. Letzterer legte indessen wegen Krönklichkeit im Jahre 1861 sein Amt nieder und da inzwischen auch Lehrer Armbrust ge- storben war, so wurden Oberbergrat Credner und Forstrat Mühry in den Vorstand gewählt. Nachfolger von Mühry wurde 1865 Direktor Prof. Gerlach. Im Jahre 1867 folgte Oberbergrat Credner einem ehrenvollen Rufe nach Berlin; seine Stelle übernahm der Direktor Niemeyer, welchem die Verwaltung der Vögel übertragen wurde. Eine bedeutende Umwälzung erfuhr der Vorstand im Jahre 1870, indem ausser Gerlach, der nach Berlin berufen wurde, auch die ältesten Mitglieder des Vorstandes nämlich Witte, Angerstein und Hahn ausschieden. Die Neuwahl fiel auf Prof. von Quintus-Icilius, Dr. Metzger, Rentier Aug. Stromeyer und Klosterkammer-Sekretär Glitz. Was die Anzahl der Mitglieder anlangt, so hielt sich dieselbe während des Zeitraums auf annähernd derselben Höhe. Vom Jahre 1850 bis 1856 fiel dieselbe von 233 auf 222, stieg dann bis 1861 auf 252, sank bis 1865 auf 219 herab, um von da bis 1869 nach einem an die Bürger Hannovers gerichteten Aufruf auf 269 zu steigen. Es ist dies auch ein äusserliches Zeichen dafür, dass das Interesse an den Bestrebungen der Gesellschaft während des ganzen Zeitraums von 20 Jahren im allgemeinen ein lebhaftes war und dass dasselbe besonders auch, wie noch weiter ausgeführt werden wird, durch die rastlose Thätigkeit der damaligen Vorstandsmitglieder wach gehalten wurde. Die bereits 1850 entworfenen „vorläufigen Statuten des naturhistorischen Museum“ erwiesen sich bald, nachdem die ältere Naturhistorische Gesellschaft ganz in die jüngere aufge- gangen war, als durchaus unzulänglich. Im November 1853 wurde daher auf Vorschlag von Med.-Rat Dr. Kohlrausch ein Ausschuss zur Ausarbeitung neuer Satzungen gewählt und zu 101 Mitgliedern desselben Obergerichts-Sekretär Reinhold, Stadt- sekretär Albers und Dr. Röbber ernannt. Die Fertigstellung eines Entwurfes zog sich indessen längere Zeit hin. Erst in der Generalversammlung vom 6. November 1855 konnten die Satzungen endgültig festgestellt und genehmigt werden. Die- selben haben den folgenden Wortlaut: Statuten der Naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover. Sp Zweck des Vereins. Zweck des unter dem Namen „naturhistorische Gesellschaft* in der K. Residenzstadt Hannover zusammengetretenen Vereins ist: Förderung und Verbreitung der Kenntniss der Natur, ins- besondere durch Sammlung naturhistorischer Gegenstände und naturwissenschaftlicher Werke. 2. Bestand des Vereins. un Der Verein besteht aus einer unbeschränkten Anzahl von Personen, welche sich durch Zahlung regelmässiger Geldbeiträge verpflichten, den obigen Zweck des Vereins zu unterstützen (wirkliche Mitglieder) und vom Vorstande des Vereins ernannten, zu Beitragszahlungen nicht verpflichteten Mitgliedern (Ehren- mitglieder). Erwerb der Mitgliedschaft. Das Recht der Mitgliedschaft wird erworben durch Unter- zeichnung der Statuten auf Vorlegung derselben durch den Vorstand. Bei auswärtigen Mitgliedern genügt eine schriftliche Beitritts- erklärung. S. 4. Rechte und Pflichten der Mitglieder. Den Mitgliedern steht in ihrer Gesammtheit das Eigen- thum an den Vereins-Sammlungen zu und zwar jenachdem sie volle oder ermässigte Beiträge zahlen an beiden Sammlungen oder nur an der naturhistorischen. Auch steht denen, welche die vollen Beiträge bezahlen, die Benutzung der Bibliothek ausserhalb des Vereins-Locales nach 102 Massgabe der deshalb vom Vorstande zu erlassenden reglemen- tarischen Bestimmungen zu. 448: Jedes wirkliche Mitglied ist verpflichtet, die vom Vorstande YUR festgesetzten vollen bezw. ermässigten Beiträge alljährlich prä- numerando zu bezahlen. S. 6. Verlust der Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft wird verloren 1. durch freiwilligen Austritt, welcher jedoch dem Vor- stande schriftlich vor Ablauf des Rechnungsjahres erklärt werden muss; 2. durch Ausschluss Seitens des Vorstandes wegen Zuwider- handelns gegen die Statuten oder die erlassenen reglementarischen Bestimmungen ; 3. durch zweijährige Nichtzahlung der zu leistenden Beiträge. SA Vertretung des Vereins. Der Verein wird in vermögensrechtlicher und administrativer Hinsicht durch einen Vorstand vertreten. Derselbe besteht aus neun Mitgliedern, welche in einer durch öffentliche Bekanntmachung angesetzten General-Versamm- lung durch einfache Majorität der Erschienenen aus der Zahl der in der Stadt Hannover, den Vorstädten oder Linden wohn- haften wirklichen Mitgliedern gewählt werden. Bei Stimmen- gleichheit hat das Loos zu entscheiden. 8. 8. Geschäftsvertheilung im Vorstande. Die Geschäftsvertheilung im Vorstande bleibt den Vorstands- Mitgliedern selbst überlassen, jedoch muss ein Präsident und ein Stellvertreter desselben nothwendig aus ihrer Mitte gewählt werden. Der Präsident und bei Behinderung dessen Stellvertreter leiten die Geschäftsführung und sind berechtigt, den Vorstand und somit auch den ganzen Verein nach aussen zu vertreten. Gültige Beschlüsse können vom Vorstande nur in Ver- sammlungen gefasst werden, zu welchen sämmtliche Vorstands- 105 mitglieder schriftlich geladen und mindestens vier von ihnen ausser dem Präsidenten bezw. dessen Stellvertreter erschienen sind. Die Beschlüsse werden durch einfache Majorität gefasst. SS Dauer des Amts der Vorstandsmitglieder. gewählt. Jedes 3. Jahr /;s der Mitglieder nach dem Dienstalter aus. Für die beiden ersten Male werden die Ausscheidenden durch das Loos Der Vorstand wird auf 9 Jahre 1 scheidet bestimmt. Bei zufälligem Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes ist in der nächsten General-Versammlung für die noch übrige Dienst- zeit des Ausscheidenden ein Ersatzmitglied zu wählen; jedoch steht dem Vorstande die Befugniss zu, bis zu der nächsten General-Versammlung ein Ersatzmitglied aus der Zahl der wirk- lichen Mitglieder des Vereins zu ernennen. S. 10. Verwendung der Geldmittel des Vereins. Was insbesondere die Verwendung der Geldmittel des Ver- eins anbelangt, so hat der Vorstand darüber dem Zwecke des Vereins entsprechend zu verfügen; es ist indess der General- Versammlung darüber alljährlich binnen 4 Wochen nach dem 1. October als dem Schluss des Rechnungsjahrs Rechnung ab- zulegen. Die abzulegende Rechnung ist von zwei von der General- Versammlung zu erwählenden Mitgliedern zu revidiren. Die Entscheidung über etwaige Monita erfolgt in der nächsten (reneral-Versammlung, nachdem dieselben dem Vorstande vorher mitgetheilt und von diesem beantwortet sind. 87 Ill. Besuch der Sammlungen. Die Sammlungen des Vereins sollen zu bestimmten reglemen- tarisch festzusetzenden Zeiten dem Publicum unentgeltlich ge- öffnet sein. Zu ausserordentlichen Zeiten ist der Besuch der Samm- lungen nur gegen Einlasskarten zu den darauf bestimmten Zeiten gestattet, wofür von Nichtmitgliedern eine zum Besten der Vereins-Casse zu verwendende Gebühr zu entrichten ist. 104 Sen Erlass reglementarischer Bestimmungen. Etwa nothwendig werdende reglementarische Bestimmungen werden vom Vorstande erlassen; soweit dieselben aber die Fest- setzung der zu leistenden Beiträge, den Besuch und die Be- nutzung der Vereins-Sammlungen betreffen, ist dazu die vor- gängige Genehmigung der General-Versammlung erforderlich. 8. 19. Auflösung des Vereins. Eine Auflösung des Vereins kann nur auf Antrag des Vor- standes durch die General-Versammlung beschlossen werden. In diesem Falle sind jedoch die Sammlungen des Vereins vor jeder anderweiten Disposition der Landes-Regierung und dem- nächst der Stadt Hannover zum eigenthümlichen Erwerbe schen- kungsweise zu offeriren. Wenn der Verein durch Herabsinken des Bestandes seiner Mitglieder unter die Zahl 20 seine Lebensfähigkeit verliert, so fällt das Eigenthumsrecht an den Sammlungen der Landes- Regierung oder eventuell der Stadt Hannover zu, jedoch mit der Bedingung, dass die Sammlungen in der Stadt Hannover zu öffentlichen Zwecken erhalten werden. S. 14. Abänderung der Statuten. Eine Abänderung der Statuten kann nur durch die General- Versammlung erfolgen. Die Bestimmungen des $. 13 sind jedoch unabänderlich. Auf Grund dieser Satzungen wurde der Naturhistorischen Gesellschaft vom kgl. hannov. Ministerium des Innern unterm 15. Februar 1856 das Recht juristischer Persönlich- keit verliehen, um das von der Gesellschaft mit der Begrün- dung nachgesucht war, dass sie zuweilen Kontrakte abzuschliessen habe, die ohne jenes Recht nicht rechtskräftig seien. Gleichzeitig war von den Vorstandsmitgliedern Hildebrand, Guthe und Dommes ein Geschäftsreglement für den Vorstand ausgearbeitet, das am 19. Dezember 1855 vom Vorstande angenommen wurde. Nach demselben leitet der Vor- 105 sitzende die Geschäftsführung, empfängt die eingehenden Schrift- stücke, sorgt für Aufbewahrung der Akten, führt ein Verzeichnis sämtlicher Mitglieder, erledigt Danksagungsschreiben für Geschenke, setzt Vorstandsversammlungen, die in der Regel am Ende eines jeden Monats stattfinden sollen, an, leitet den Gang der Ver- handlungen, giebt bei Stimmengleichheit den Ausschlag, sorgt für richtige Führung des Protokolls, berichtet über eingelaufene Sachen, hat die infolge der Beschlüsse des Vorstandes erforder- lich werdenden Ausfertigungen zu verfassen, und vertritt den Vorstand nach aussen hin. Bei Behinderung des Vorsitzenden versieht der Stellvertreter desselben dessen Amt und Geschäfte. Jedes Vorstandsmitglied hat die ihm vom Vorstande für die (Gesellschaft übertragenen Geschäfte zu besorgen und darüber zu berichten ; die die Sammlungen verwaltenden Mitglieder haben nach besten Kräften für die ihnen anvertrauten Abteilungen zu sorgen, über Ab- und Zugänge genaue Verzeichnisse zu führen und am 1. Oktober jedes Jahres schriftlich Bericht zu erstatten; über besonders hohe Ausgaben sind vorher Anträge beim Vor- stande zu stellen. Schliesslich enthält das Reglement noch An- weisungen für den Schatzmeister und Bibliothekar. Nach den Satzungen besteht die Gesellschaft ausser den wirklichen Mitgliedern noch aus Ehrenmitgliedern. Zum ersten Male wurden 1857 als solche ernannt: Sanitätsrat Dr. Hennecke in Goslar, durch dessen Empfehlung der Custos Braunstein angestellt war, Oberst von Pott in Petersburg, welcher eine Anzahl Bücher geschenkt hatte, Dr. Tölsner in Colonia Leopoldina, der in hochherziger Weise wiederholt reichhaltige Sammlungen brasilianischer Säugetiere und Vögel gesandt hatte, und Hofrat Dr. Berthold in Göttingen, mit dem die Dubletten der Sammlungen ausgetauscht wurden. Allmählich vergrösserte sich die Zahl dieser Ehrenmitglieder und belief sich Ende des Jahres 1870 auf 22. Unter diesen befanden sich die Göttinger Professoren Bartling, Sartorius von Waltershausen, Wöhler, Griesebach und die einstigen Mitglieder von Holle, Credner, Pralle und Gerlach. Im Jahre 1856 wurde auf Witte’s Antrag die sog. ewige Mitgliedschaft eingeführt. Hiernach wurde durch Einzah- lung von 50 Thlrn. die Eigenschaft eines immerwährenden Mit- 106 gliedes erworben, dessen Beitrag in den Zinsen der von ihm eingezahlten und stets in Verzinsung zu haltenden Summe be- stand. Dieser Beschluss kam 1860 zum ersten Male zur An- wendung, indem 6 Mitglieder den Betrag von 50 Thlrn. ent- richteten. Die Summe von 300 Thlrn. wurde in Obligationen festgelegt, jedoch im Jahre 1884 eingelöst. Fine bedeutsame Einrichtung, die Mitglieder der Gesell- schaft in eine nähere Verbindung mit einander zu bringen, wurde dadurch getroffen, dass zunächst während des Winter- halbjahres wöchentlich ein Vortrag gehalten werden sollte. Bereits auf der Generalversammlung vom 5. November 1851 wurde, wie der erste Jahresbericht meldet, beschlossen, dass die Mitglieder, welche nach einem mehrfach geäusserten Wunsche zu Vorträgen oder anderen wissenschaftlichen Mitteilungen, be- sonders über einzelne, für unser Land bedeutende Gegenstände geneigt sein würden, aufgefordert werden sollten, sich darüber gegen den Ausschuss zu erklären, um denselben zu den weiteren Einleitungen wegen der zu diesem Zwecke von Zeit zu Zeit an den Dienstagsabenden von 6 Uhr zu veranlassenden Zusammen- künften in den Stand zu setzen. Wohl infolge der überhäuften Arbeit, die die ausserordentlich rasch anwachsenden Sammlungen mit sich brachten, ist der Beschluss in den ersten Jahren nicht zur Ausführung gelangt. Indessen berichtet ein in der Zeit- schrift Bonplandia am 1. Juni 1858 erschienener Artikel über die Naturhistorische Gesellschaft, dass sich eine Anzahl Mit- glieder zu einem naturhistorischen Kränzchen vereinigten, auf dem man sich gegenseitig belehrte, und dass diese Versamm- lungen anfänglich in den Privatwohnungen der Mitglieder, später jedoch in einem öffentlichen Lokale und seit Winter 1856 im Museumsgebäude, wo sie als diejenigen der Natur- historischen Gesellschaft bezeichnet wurden, stattfanden. Zweifellos ist, dass auf Anregung von Dr. Guthe am 28. August 1856 beschlossen wurde, in dem folgenden Winter an jedem Donnerstag Abend von 6 bis 8 Uhr in einem Lokale des Museums eine Versammlung abzuhalten, an der alle Mitglieder der Gesellschaft teilnehmen könnten und die bezweckten, Ge- legenheit zu Mitteilungen und Besprechungen über naturwissen- 107 schaftliche Gegenstände zu bieten oder Veranlassung zu grösseren Vorträgen zu geben. Dieser Beschluss kam zur Ausführung und die im Winter 1856,57 gehaltenen Versammlungen erfreuten sich reger Beteiligung. Die dabei gehaltenen Vorträge waren folgende: 1. Obergerichtsrat Witte: Über die geologischen Verhältnisse der hiesigen Umgegend. 2. Gymnasiallehrer Armbrust: Über die hiesigen Gastropoden. 3. Gymnasiallehrer Mejer: Über die Benutzung der Giftkräuter zu abergläubischen Zwecken. 4. Dr. Guthe: Über die Bildung von Kıystallen. 5. Lehrer Begemann; Über die Entwicklung einiger Arten der Zweiflügler. 6. Pharmaceut Niemann: Über die Bildung des Torfes. 7. Dr. Guthe: Über die Gräser und deren geographische Verbreitung. 8. Apotheker Angerstein und Obergerichtsrat Witte: Über die Steinkohlen. 9. Postsekretär Pralle: Über die Eier der Anatiden. 10. Obergerichtssekretär Reinhold: Über die hiesigen Schmetter- linge. 11. Lehrer Krössmann: Über die schädlichen Arten der hie- sigen Schmetterlinge. 12. Lehrer Begemann: Über die Entozoön. 13. Mediz.-Rat Dr. Hahn: Über die geographische Verbreitung der Säugetiere. 14. Pharmaceut Niemann: Über die Structur der Moose, ins- besondere der Torfmoose. Während des Sommers 1857 führte Dr. Guthe in einer durch mehrere Wochen fortgesetzten Vorlesung die Mineralien der Naturhistorischen Gesellschaft vor, während Postsekretär Pralle seine eigenen zoologischen Sammlungen vorzeigte und erläuterte. i Der Inhalt jener Vorträge wurde durch die Tagesblätter dem Publikum bekannt gemacht. Infolge davon war von ver- schiedenen Seiten der lebhafte Wunsch geäussert, dass auch Nichtmitgliedern des Vereins, besonders Damen gestattet sein 108 möchte, geeigneten Vorlesungen beizuwohnen. Mit grosser Be- reitwilligkeit kam man diesem Wunsche nach. „Die Zulassung der Damen bot überdies keine Bedenklichkeiten dar, die eine aufmerksame Prüfung der Sachlage nicht hätte überwiegen können, denn schon in dem 1801 ausgegebenen ersten, wie in dem 1857 ausgegebenen letzten Verzeichnisse der Mitglieder findet sich der Name einer Dame. Es erging also die Ein- ladung in erwünschtem Sinne und am 7. April 1858 hatte die Gesellschaft die seltene Genugthuung, einen auserwählten Kreis von Fremden in ihrer Mitte zu begrüssen. Da der gewöhnliche Sitzungssaal zu beschränkt für diesen Zweck war, so hatte man den grossen Saal, worin die Singakademie gewöhnlich ihre Konzerte abhält, einrichten lassen. Dr. Berthold Seemann war die Ehre zuteil geworden, bei dieser für Hannover beachtens- werten Neuerung durch eine populäre Vorlesung über die Palmen, zu welcher der königl. Berggarten in Herrenhausen erläuternde Exemplare bereitwilligst eingesandt hatte, mitzuwirken.“ Auch in den folgenden Jahren wurden solche öffentlichen Vorträge veranstaltet, so fanden im Winter 1858/59 drei und 1859/60 fünf Vorlesungen statt, die sich stets reger Beteiligung er- freuten. Nach gemeinschaftlich mit dem Historischen Verein für Niedersachsen getroffener Übereinkunft wurden diese Vor- träge in den beiden folgenden Jahren an jedem Mittwoch für die Herren und Damen beider Gesellschaften in abwechselnder Reihenfolge gehalten. — Leider mussten dieselben mit dem Jahre 1862 aufgegeben werden, da die durch die Vorträge ver- anlassten Ausgaben die Mittel der Naturhistorischen Gesellschaft überstiegen und da kaum die notwendigsten Ausgaben für Lokal- miete, Gehalt für den Kustos, Sammlungen und Bibliothek gedeckt werden konnten. Dagegen blieben die Donnerstags- Vorlesungen bestehen und erfreuten sich stets eines regen Besuches. Der Inhalt der Vorträge bezog sich auf die verschiedensten Gebiete der Naturwissenschaft. Aus der Zoologie berichten Dr. Armbrust, Lehrer Begemann, Dr. Metzger, Direktor Gerlach, Dr. Rüst, Dr. Hess; ferner Direktor Niemeyer und Postsekretär Pralle über Säugetiere und Vögel, Obergerichtssekretär Reinhold, 109 Lehrer Krössmann, Revisor Glitz über Schmetterlinge, Ober- gerichts-Vicedirektor Witte über Conchylien, Medizinalrat Hahn u. a. 1862 über die Lehre Darwins. Medizinische Vorträge hielten Sanitätsrat Mensching, Dr. Dürr, Dr. Cohen, Medizinalrat Hahn. Eine grosse Zahl von Vorlesungen und Mitteilungen fielen in das Gebiet der Botanik. Oberlehrer Mejer und Dr. von Holle berichteten besonders über die einheimische Pflanzen- welt, Garteninspektor Wendland sprach über die Palmen, Apotheker Niemann, Direktor Tellkampf, Berthold Seemann, Lehrer Begemann brachten Kapitel aus der allgemeinen Botanik und der Pflanzen- physiologie, Dr. Oberdieck und Weinhändler. Schulz sprachen über Kernobst und Obstkultur. Vorträge aus der Mineralogie hielten Dr. Guthe und Apotheker Angerstein, während Apotheker Niemann, A. Stromeyer. Dr. Kraut und Lehrer Begemann über chemische Forschungen berichteten. Die Geologie fand be- deutende Vertreter in Witte, Oberbergrat Credner, Oberbergrat Schuster und Lehrer Armbrust. Geographische Vorträge hielt Guthe, meteorologische Lehrer Begemann, physikalische Direktor Tellkampf und Dr. von Quintus-Icilius. Über Reisen berichteten Dr. Denike und Dr. Benjamin. Mitteilungen aus verschiedenen anderen Gebieten brachten die Vorträge von Dr. Schläger, Prof. Wittstein und Kriegsrat Haase. In den ersten Jahren wurden ee nicht allein längere Vorträge gehalten, sondern manche Sitzungen wurden mit kleineren Mitteilungen und Demonstrationen ausgefüllt. AIl- mählich jedoch hörten die Letzteren auf und es war mehr und mehr Sitte geworden, längere, den ganzen Abend oder gar mehrere Abende in Anspruch nehmende Vorträge zu halten, zu deren Abfassung nicht Jedermann Zeit hat. So kam es denn, dass es häufig schwer hielt, geeignete Kräfte zur Haltung von Vorträgen zu veranlassen. Der Vorstand richtete daher in dem Jahres- berichte 1869,70 die dringende Bitte an die Mitglieder, durch kürzere Bemerkungen und Vorlegung interessanter Naturprodukte zu einer genussreichen und belehrenden Ausfüllung der Abende beizutragen. Zur Förderung wurde auch die Beantwortung anonym eingereichter Fragen angeregt. Eine besondere Sitzung wurde auf den 19. Februar 1864 110 zur Feier des 300 jährigen Geburtstages Galileis anberaumt. In derselben wurden von den Professoren Tellkampf, von Quintus- lcilius und Rühlmann Vorträge gehalten. In etwas grösserem Massstabe fand am 14. September 1869 die Feier des 100 jährigen Geburtstages Humboldt's statt. Zu dem im zoologischen Garten veranstalteten Feste waren ausser den Mitgliedern der Gesellschaft auch sonstige Freunde der Naturwissenschaften eingeladen. Die Feier begann in dem mit Humboldt’s Büste, Pflanzengruppen und Guirlanden festlich ausgeschmückten Saale mit einer Rede des Prof. Guthe. Die Gesellschaft nahm dann den geschmackvoll beleuchteten Garten in Augenschein und vereinigte sich zu einem durch Toaste und Gesang gewürzten Mahle. — Noch in anderer Weise betätigte sich das rege wissen- schaftliche Streben unter den Mitgliedern. In der Sitzung vom 2. Februar 1860 regte nämlich Witte die Idee an, eine Fauna und Flora des Königreichs Hannover aufzustellen und durch den Verein veröffentlichen zu lassen. Der Vorschlag fand allseitig vielen Beifall und wurde als ein fühlbares Bedürfnis der vaterländischen Naturgeschichte erkannt. Man einigte sich dahin, für einzelne Zweige Sektionen zu bilden, welche die ge- meinschaftliche Bearbeitung übernehmen sollten. Es erklärten sich auch sofort einige Herren zur Bearbeitung des einen oder anderen Gebietes bereit, so z. B. Kroesmann für Schmetterlinge und Mejer für die hannoversche Flora. „Dabei wurde für zweckmässig gehalten, nicht nur ein tabellarisches Namensver- zeichnis sämtlicher Gattungen und Arten zu geben, sondern auch eine kurze Beschreibung derselben und die Örtlichkeit ihres Vorkommens hinzuzufügen, um so eine allgemeine Übersicht zu gewinnen. Dazu sollten die Mitarbeiter die bereits vor- handene Litteratur benutzen und die geeigneten Verbindungen mit auswärtigen Gelehrten und Sammlern im Königreich Hannover einleiten, damit auf diese Weise ein möglichst vollständiges vaterländisches Werk geschaffen werde, welches dann mit den gedruckten Jahresberichten des Vereins zur Mitteilung an andere inländische und auswärtige Gesellschaften gesandt werden könnte. “ Wenngleich nun das gesteckte Ziel nicht erreicht wurde, so gab doch die Idee wenigstens Anlass zur Bearbeitung des einen und 1a anderen Teiles der hannoverschen Fauna und Flora. So ent- standen die mit den Jahresberichten veröffentlichten wissen- schaftlichen Abhandlungen, von denen im Ganzen von 1560 bis 1870 achtundzwanzig erschienen. Als erste derselben erschien 1860 ein „Verzeichnis der bei Hannover und im Um- kreise von etwa einer Meile vorkommenden Schmetterlinge“, welches unter Beihülfe des Lehrers Kroesmann und Revisors Glitz von Obergerichtssekretär Reinhold zusammengestellt war und zu dem 1862 und 1864 Nachträge herausgegeben wurden. Oberbergrat Credner schrieb 1861 „über die geognostischen Verhältnisse der Umgegend von Bentheim und über das Vor- kommen von Asphalt daselbst“. „Mineralogische Notizen“ brachte Dr. Guthe in den Jahren 1862, 1863, 1864, 1869 und 1870, wnd hypsometrische Notizen 1869 und 1870. Hüttenmeister Ulrich in Oker veröffentlichte 1869 eine Mitteilung über den sog. Jungfernschwefel, Medizinalrat Gerlach 1869 einen Vortrag über die Trichinen und Lehrer Begemann 1570 meteorologische Beobachtungen. Dr. Schläger berichtete 1563 und 1864 über den Stand der Arbeiten an dem von ihm ins Leben gerufenen zoologischen Garten. Am umfangreichsten sind die Abhandlungen aus der Pflanzenkunde: Lehrer Pflümer in Hameln gab 1861 ein Verzeichnis der bei Hameln vor- kommenden Pflanzen, Gerichtsassessor von Pape 1862 ein solches über die Gefässpflanzen bei Celle und Obergerichtsrat Nöldeke in Nienburg 1864 eine Zusammenstellung der Gefässpflanzen aus den Grafschaften Hoya und Diepholz und dem benachbarten hannoverschen Gebiete. Im Jahre 1862 veröffentlichte Dr. von Holle ein Verzeichnis über die bei Hannover vorkommenden (refässpflanzen, zu welchem 1863 Oberlehrer Mejer einen Nachtrag lieferte. Mejer teilte ausserdem 1863 eine „ınteressante Miss- bildung“ mit und gab 1869 die Moosflora aus der Umgegend von Hannover heraus. Präzeptor Eiben in Aurich lieferte 1870 „Beiträge zur phykologischen Charakteristik der ostfriesischen Inseln und Küsten“. Noch ist zu erwähnen, dass Dr. Hahn 1861 „über die Entzündbarkeit der Blüten von Dietamnus albus* und 1863 über „Beobachtungen beim Treiben von Hyazinthen im Wasser“ schrieb. Schliesslich veröffentlichte Dr. Metzger 1870 112 den ersten Teil seiner schönen Arbeit über „die wirbellosen Meerestiere der ostfriesischen Küste“. Diese Abhandlungen wurden gleichzeitig mit den Jahres- berichten veröffentlicht. Letztere wurden seit 1851 heraus- gegeben und enthielten ausser einer Einleitung vor allem Be- richte über die Geschenke und Ankäufe für die naturhistorischen Sammlungen und Bibliothek, ferner einen Auszug über die Rechnungsablage, eine Übersicht über die Vorträge und ein Mitgliederverzeichnis. Im Jahre 1858 wurde mit der von den Gebrüdern Seemann in Hannover herausgegebenen botanischen Zeitschrift „Bonplandia“ ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem letztere das Organ der Naturhistorischen Gesellschaft wurde und sowohl Berichte über die während des Winterhalbjahrs stattfindenden Sitzungen wie auch in geeigneten Fällen die Vorträge selbst bringen sollte. So erschienen auch die Jahres- berichte 8, 9 und 10 in der Bonplandia. Indessen wurde der Vertrag bereits 1561 wieder gelöst; die Bonplandia hörte 1862 zu erscheinen auf. Was die Bibliothek anlangt, so war dieselbe in den 40er Jahren wegen der geringen Geldmittel nur wenig ver- grössert. Wie wir bereits im ersten Teile unserer Geschichte gezeigt haben, belief sich die Zahl der Werke im Jahre 1804 auf 655, stieg bis 1827 auf 1235 und betrug 1839 nach den Angaben von Wächter etwa 1500. Das im Jahre 1851 heraus- gegebene Verzeichnis enthält aber nur 1588 Werke, wovon die einzelnen Fächer enthalten: Physiologie und Zoologie 351, Botanik 230, Mineralogie, Geologie, Petrefactenkunde und Berg- wesen 183, Reisebeschreibungen und Topographien 384, ver- mischte Schriften 305, Zeitschriften und Abhandlungen gelehrter Gesellschaften 110; ein Nachtrag, der die der Bibliothek ge- schenkten Bücher enthält, weist 25 Werke auf. — War es nun auch in dem Zeitraum von 1850 bis 1870 nicht möglich, für die Bibliothek grössere Geldbeträge anzusetzen und somit grössere Ankäufe zu machen, so fand doch eine starke Ver- mehrung durch Geschenke und Tausch statt. So ist bereits aus dem ersten Jahresbericht von 1850/51 zu ersehen, dass die k. k. geologische Reichsanstalt in Wien Bücher eingesandt 113 vIn hatte. Im folgenden Jahre kamen hinzu: die naturhistorische (Gesellschaft zu Emden und der naturhistorische Verein Maja in Clausthal: im Jahre 1861 stand die Gesellschaft bereits mit 22 und 1867 schon mit über 70 Vereinen in einem regen Tausch- verkehr. Anfänglich lag die Verwaltung der Bibliothek in den Händen Angersteins; seit 1855 war Guthe Bibliothekar und hat dies Amt bis 1873 versehen. Guthe war es auch, der im Jahre 1856 die Idee anregte, die eingelaufenen Bücher unter den Vorstandsmitgliedern zirkulieren zu lassen, damit diese sich mit dem Inhalte derselben bekannt und für die Sammlungen nutzbar machen könnten. Um indes auch den übrigen Mit- gliedern der Gesellschaft die neuen Bücher zugänglich zu machen, wurden dieselben seit 1858 vor den Donnerstags - Sitzungen öffentlich ausgelegt. Im Jahre 1861 wurde schliesslich der Leseverein gegründet, dem jedes Mitglied gegen Zahlung von 1 Thlr. beitreten konnte. Damit war man wieder bezüglich der Bücherei auf den Standpunkt zurückgekommen, den die ältere Naturhistorische Gesellschaft anfänglich als ihr Hauptziel hingestellt hatte. Als infolge des ausserordentlich raschen Anwachsens der naturhistorischen Sammlungen die Platzfrage im neuen Museum eine immer brennendere wurde, verlegte man 1860 die Bibliothek, die in einem kleineren Zimmer neben den Sammlungsräumen untergebracht war, nach Einwilligung des Magistrats der Stadt Hannover unter Vorbehalt des Eigentums in das Schulgebäude am Georgsplatze, wo auch die unter Guthe’s Leitung stehende Stadtbibliothek untergebracht war. Das Lokal war unter der Bedingung eingeräumt, dass die Benutzung der Bibliothek dem Publikum gestattet werde, eine Bedingung, deren Annahme kein Bedenken finden konnte, da es durchaus dem Zwecke der Ge- sellschaft entspricht, das Interesse an den Naturwissenschaften und die Bekanntschaft mit denselben zu verbreiten. — Bis zum Jahre 1870 blieb unsere Bibliothek mit der Stadtbibliothek vereinigt. Auch die Veranstaltung von Exkursionen seitens der Naturhistorischen Gesellschaft fällt in diese Geschichtsperiode. 114 So traf zum ersten Male am 14. Juni 1868 eine Anzahl Mit- glieder mit Herren aus Göttingen und Northeim auf der Winzen- burg bei Alfeld zusammen. „Man beschloss dort, diese Exkur- sionen regelmässig zu wiederholen und so zu versuchen, auch die im Lande zerstreuten Freunde der Naturwissenschaften für die Bestrebungen unseres Vereins zu interessieren. Am 19. und 20. Juni 1869 wurde eine Exkursion nach Ocker veranstaltet. Trotz des äusserst ungünstigen Wetters fanden sich in Ocker gleichwohl 26 Herren aus Hannover, Hameln, Goslar, Ocker, Harzburg, Clausthal zusammen. Es wurde die benachbarte Stadt Goslar besucht, in Ocker unter gefälliger Führung der Werksbeamten die dortigen metallurgischen Institute durch- wandert und in der Mittagsstunde des 2. Tages Verhandlungen gepflogen. Es sprachen Dr. Metzger: „Über das Tierleben in grossen oceanischen Tiefen“, Direktor Dr. von Groddeck aus Clausthal: „Über einen Silbersand von St. Andreasberg unter Vorlegung von Proben“, Hüttenmeister Ulrich: „Über Polari- sationserscheinungen an Krystallen“. Dr. Klüpfel aus Harz- burg, Hüttenmeister Stern aus Ocker, Oberhütteninspektor Grumbrecht aus Ocker, Cantor Schuch ebendaher legten Ver- steinerungen aus der Umgegend und aus den entsprechenden Schichten Schwabens vor, Dr. Guthe mikroskopische Dünn- schliffe aus dem Gabbro der dortigen Gegend. Ein gemein- samer Spaziergang durchs Ockerthal bis nach Romkerhall schloss den Tag. Auf der Hinreise nach Ocker hatte ein Teil unserer Mitglieder das Vergnügen, unter Leitung des Herrn Professors Blasius das unter der Leitung dieses Herrn stehende ausge- zeichnete Braunschweiger Museum zu sehen“. Auch in dem folgenden Sommer, am 25. und 26. Juni 1870, wurde eine grössere Exkursion nach Clausthal und dem Ockerthale unter- nommen. Eine nicht minder rührige Thätigkeit, wie sie sich innerhalb des Vereins selbst entfaltete, entwickelte die Gesell- schaft nach aussen hin, indem sie nicht allein die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse durch Vorträge und Abhand- lungen sich angelegen sein liess, sondern auch zu praktischen Zielen überging. So regte bereits am 15. November 1860 Dr. 115 VIII* Schläger durch einen längeren Vortrag über zoologische Gärten die Idee an, in Hannover einen zoologischen Garten anzulegen. Auch in dem folgenden Jahre war die Einrichtung eines solchen Gartens wiederholt ein Gegenstand längerer oder kürzerer Verhandlungen, so dass schliesslich auf Antrag Schlägers die Naturhistorische Gesellschaft einen Ausschuss, bestehend aus Dr. Schläger, Dr. Guthe und Weinhändler G. Schultz nieder- setzte, der zunächst alle einschlagenden Verhältnisse prüfte und zu dem Resultate kam, dass ein solches Unternehmen für die stets wachsende Hauptstadt sehr erwünscht sei. Es schien das Unternehmen um so eher ausführbar, als sich der Magistrat in zuvorkommender Weise geneigt zeigte, in der Eilenriede bei Hanebuth’s Block einen geeigneten Platz frei zu überlassen. Es wurde deshalb ein vorläufiges Circular zum Zeichnen von Actien herumgesandt, welches zur Genüge den Beweis lieferte, dass die Bürgerschaft mit regem Interesse sich bei der Gründung des Gartens zu beteiligen geneigt sei. Da indessen von Zweiflern und Gegnern noch mancherlei Einwände gemacht wurden, so berief der Ausschuss auf den 25. Februar 1863 eine General- versammlung. In derselben wurde ein neuer aus 7 Mitgliedern bestehender Ausschuss gewählt, der die noch aufgetretenen Be- denken näher prüfte und von dem im Laufe des Sommers 1863 5 Mitglieder zu einem Verwaltungsrate ernannt wurden. Noch in demselben Sommer begannen die Bau- und Erd- arbeiten. Damit war aber auch die Angelegenheit einem un- mittelbaren Einflusse der Naturhistorischen Gesellschaft entzogen, wie das ja auch in ihrem eigenen Interesse lag. Unserem Ver- eine konnte es nur darum zu thun sein, die in Anregung gebrachte Idee zu prüfen und zu unterstützen; das Unternehmen selbst musste auf eigene Füsse gestellt werden. Von grosser Bedeutung für die gesundheitlichen Verhältnisse der Stadt Hannover war der Vorschlag von Senator Dr. Schläger, dass die Gesellschaft sich mit der Trichinenfrage be- schäftigen möge. In den Sitzungen vom 6. und 13. December 1865 wurde dieser Gegenstand eingehend erörtert und beschlossen, dass das Publikum über die durch die Trichinen veranlasste Gefahr belehrt werden und zur grösseren Sicherheit desselben 116 auf die Einrichtung eines Schlachthauses hingewirkt werden müsste. Zu dem Ende wurde ein Ausschuss erwählt, der sich aus Prof. Gerlach, welcher sich eingehend mit dem Studium der Trichinen beschäftigt hatte, Med.-Rat Mensching, Senator Schläger und Dr. Guthe zusammensetzte und der weitere Schritte in dieser Hinsicht thun sollte. Am 18. December 1865 wurde darauf eine öffentliche Versammlung in der Aula der höheren Schulen abgehalten, in der Prof. Gerlach einen Vortrag über die Entwicklung und Wirkung der Trichinen hielt und dringend den Bau eines Schlachthauses empfahl. Seinen Aus- führungen schlossen sich Mensching und Schläger an. Nunmehr wurde eine grössere Kommission zur Gründung eines Schlacht- hauses erwählt, wodurch die Angelegenheit der unmittelbaren Einwirkung unserer Gesellschaft entzogen wurde. Später, am 11. Februar 1869, hielt Gerlach nochmals einen Vortrag über den damaligen Stand der Trichinenfrage, der auch in dem Jahres- berichte unserer Gesellschaft abgedruckt wurde; indessen ging man auf die ganze Angelegenheit nicht weiter ein. — In der Donnerstags-Sitzung vom 17. Februar 1870 gab L. Mejer einen Bericht über die Anlage eines botanischen Gartens. Das Projekt entstand bereits im December 1869, indem auf Vorschlag eines Mitgliedes Mejer, Metzger und Hupe in einen Ausschuss gewählt wurden, „der untersuchen sollte, ob es sich empfehle, dem hiesigen Magistrat die Anlage eines kleinen, wesentlich zur Unterstützung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Schulen bestimmten botanischen Gartens anheim zu geben. Die Commission kam indes zu dem Schlusse, dass es angemessener sein werde, den Verwaltungsrat des zoolo- gischen Gartens zu veranlassen, die Anpflanzungen im zoologischen Garten mit Rücksicht auf botanische Belehrung des Publikums anzuordnen“. Der Verwaltungsrat ging auf diesen Vorschlag ein und nahm dabei die Hülfe von L. Mejer gern an. „Im März 1870 lief ein Schreiben des Architekten- und Ingenieurvereins ein, in welchem die naturhistorische Gesellschaft aufgefordert wurde, sich an den Bemühungen des gedachten Vereins in Beziehung auf allgemeine Gesundheitspflege in hiesiger Stadt zu beteiligen. Die Gesellschaft ging bereit- 117 willigst darauf ein und wählte die Herren Hahn, Begemann, Kraut und Guthe als deputirte Mitglieder zu der grossen Kommission, welche ausserdem aus Mitgliedern des Architekten- und Ingenieurvereins, des ärztlichen Vereins und des Gewerbe- vereins bestand. Über die Thätigkeit desselben ausführlich zu berichten, ist hier nicht der Ort.“ „Der hiesige Verein für Geflügelzucht hatte aus seiner Mitte einen Ausschuss eingesetzt, der über den Schutz der Singvögel in der Umgegend Hannovers wachen sollte. Auf Antrag des Vereins am 15. April 1570 beschloss der Vorstand der Naturhistorischen Gesellschaft auch seinerseits 4 Mitglieder in jene Kommission zu entsenden und wurden dazu die Herren Hahn, Reinhold, Metzger und Glitz gewählt.“ (Jahresbericht XX.) Die wissenschaftliche Thätigkeit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitglieder anderen gelehrten Körperschaften gegenüber zu beweisen, wurde der Gesellschaft in dieser Periode zweimal (Gelegenheit geboten. In der Zeit vom 18. bis 23. September 1865 tagte in Hannover die 40. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, an der sich im Ganzen 861 Personen, darunter 425 aus der Stadt Hannover, beteiligten. Vom Vorstande unserer Gesellschaft wurden Medizinalrat Dr. Hahn, Kommerzrat Angerstein und Dr. Guthe in den Ausschuss zur Leitung der Vorbereitungen gewählt. Ausserdem wurden zu Sektionsführern ernannt: Oberbergrat Credner für Mineralogie, Geologie und Palaeontologie, Dr. Guthe für Botanik und Pflanzen- physiologie, Medizinalrat Hahn für Zoologie und vergleichende Anatomie, Geh. Ober-Medizinalrat Krause für Anatomie und Physiologie, Prof. von Quintus-Icilius für Physik und Mechanik. Ferner waren Mejer für Botanik und Guthe für Mineralogie zu Sekretären ernannt; Guthe war gleichzeitig noch Redakteur des von der Versammlung herausgegebenen Tageblatts. An den Verhandlungen nahmen unsere Mitglieder regen Anteil. Ausserdem hielt Dr. von Holle einen Vortrag: „Über die Formenkonstanz der Brombeeren zwischen dem Deister und den Mooren von Hannover.“ H. Wendland sprach: „Über die systematische Ein- teilung der Palmen“ und „Über Cyelanthus Poit“. Eine zweite Versammlung war die der Gesellschaft 118 deutscher Ornithologen, welche in der Pfingstwoche 1870 abgehalten wurde. „An ihren Sitzungen beteiligten sich mehrere Mitglieder der Naturhistorischen Gesellschaft und eine auf Antrag der Örnithologenversammlung gewählte Kommission des Vorstandes übernahm es, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Auch waren die Räume des Museums den Herren Ornithologen gratis zu- gänglich gemacht.* — Nunmehr wenden wir uns zu einer kurzen Betrachtung über die Entwicklung der Sammlungen, wogegen wir einen längeren, ausführlichen Bericht in einem späteren Abschnitte bringen werden. Dabei benutzen wir am besten die von Schnell in seinem „Museum für Kunst und Wissenschaft“ gegebene Darstellung vom Jahre 1857. „Das Museum des Vereins hat sich auf eine wahrhaft über- raschende Weise vergrössert, ungeachtet der Ungunst der Zeit- verhältnisse, sowie der Notwendigkeit, namentlich bei dem Umzuge in die jetzige Wohnstätte, für Anschaffung von Inventar, Schränken u. s. w. grosse Aufwendungen zu machen. Indessen haben bei Bereicherungen der Sammlungen, sowie überhaupt in Unterstützungen, sowohl Seine Majestät der König, als auch königliche Behörden, endlich aber auch die einzelnen Mitglieder des Vereins und andere Privatpersonen sich sehr thätig und liberal erwiesen. So schenkte im Jahre 1850 51 Seine kgl. Hoheit der damalige Kronprinz die auf der Insel Norderney vorkommenden Muscheln und Schnecken, das kgl. Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten überwies Doubletten des akademischen Museums zu Göttingen. Die kgl. Domänen- Kammer überliess mit Genehmigung des Finanzministeriums dem Vereine die einstweilige Benutzung der sehr bedeutenden natur- historischen Sammlungen der vormaligen Forstschule zu Münden.*) Im Jahre 1851 52 überliess der Ober-Hofmarschall von Malortie dem Museum eine beträchtliche Mineraliensammlung (Ge- birgsarten) mit Vorbehalt des Eigentums für den Fall einer Auflösung desselben. Im Jahre 1852 53 ermöglichte das kgl. Ministerium des Innern durch eine ausserordentliche Bewilligung den Ankauf einer zahlreichen Sammlung ausländischer Raubvögel == Dieselbe wurde Ostern 1868 zurückgegeben. 119 von vorzüglicher Auswahl; Obergerichtsrat Witte überwies eine grosse Folge vortrefflicher Gebirgsarten. Im Jahre 1853/54 schenkte Ihre Majestät die Königin 5 prachtvolle Stücke Bernstein, der Oberbergrat Freiherr Grote seine ganze Mineraliensammlung, welche, unter den günstigsten Verhältnissen mit 30 Jahre lang fortgesetzter Bemühung gebildet, insbesondere auch dadurch für das hiesige Land ein besonderes Interesse gewonnen hat, dass sie von älteren, jetzt nicht mehr in Betrieb befindlichen Fundorten eine grosse Zahl von Mineralien enthält. Dem Zwecke, worauf die Absicht des Schenkers gerichtet war, kam auch das kgl. Ministerium des Innern entgegen, indem dasselbe die Zusage erteilte, der Gesellschaftskasse einen jährlichen Beitrag von 50 Rthlr., welcher zur weiteren Vervollständigung der erwähnten Sammlung verwandt werden soll, zukommen zu lassen. Dasselbe übernahm zugleich die Kosten des Transports jener Sammlung von Clausthal nach Hannover. Ausserdem lieferte der vormalige kgl. preussische Konsul, jetzt kgl. hannoversche Kommerzrat Wedekind wertvolle Beiträge an Mineralien. Ferner wurde mit Hülfe eines ausserordentlichen Beitrages des kgl. Ministeriums des Innern eine von dem vor kurzem verstorbenen Physiographen des Königreichs, Hofrat Meyer zu Göttingen angelegte Sammlung von Vögeln erworben. Ferner bereicherten Amtsassessor Einfeld und Sanitätsrat Flügge die Konchyliensammlung in anerkennens- werter Weise. Im Laufe des verflossenen Jahres (1857) hat der in der Colonia Leopoldina lebende Dr. Tölsner aus Northeim eine mehrere hnndert Exemplare enthaltende Suite brasilianischer Säugetiere, Vögel, Amphibien und Insekten geschenkt, zu deren Ergänzung die Herren S. und E. Moniz de Aragao aus Bahia, welche die hiesige polytechnische Schule besucht, durch wiederholte Gaben wesentlich beigetragen haben. Überhaupt lässt sich die erfreuliche Bemerkung machen, dass die Teilnahme des Publikums an den Bestrebungen der Gesellschaft fortwährend im Steigen begriffen ist, und die ihr von allen Teilen des Landes zu- kommenden Geschenke beweisen, wie sehr sich die Ansicht ver- breitet, dass naturhistorische Gegenstände nur in Sammlungen ihren eigentlichen Wert haben und die Sicherheit der Erhaltung finden, während in ihrem vereinzelten Besitze eine blosse Tändelei 120 liegt, die regelmässig zum baldigen Untergange der Sache führt.“ Auch der Gunst fremder hoher Gönner hatte sich die Sammlung zu erfreuen; so schenkte der Kurfürst von Hessen einen schwarzen Rehbock, der Prinz von Würtemberg ein weibliches Elenntier, der König von Preussen einen Elennhirsch, der König von Bayern eine Gemsziege. 1855/56 schenkte u. a. Graf von der Schulenhurg 55 Enten, Dr. von Holle eine Käfersammlung und ein Herbarium einheimischer Pflanzen. An einheimischen Vögeln wurde die Sammlung besonders durch den Postsekretär Pralle und den Custos Braunstein reichlich vermehrt. Im Jahre 1858 überwies der Hofgärtner Wendland 60 Vögel aus Süd-Amerika. Einen ganz besonders starken Zuwachs erhielt die Sammlung 1859,60: damals schenkte der Konsul Kaufmann in Melbourne 55 australische Vögel, der Kaiser von Russland den Balg eines Auerochsen aus Lithauen, Dr. Tölsner wiederum 45 Säugetiere, Rentier Waitz in Bückeburg 200 Vögel aus Östindien, Ober- gerichtssekretär Reinhold 150 exotische Schmetterlinge. — Dazu kam, dass in einem der von der Naturhistorischen Gesellschaft gemieteten Räume die ethnographische Sammlung, welche vorwiegend aus Geschenken des Königs bestand, aufgestellt war und von Angerstein, später von Dr. Guthe verwaltet wurde. Bei einem solch schnellen, vorher kaum wohl erwarteten Anwachsen der naturhistorischen Sammlungen war bereits im Jahre 1860 — also nach vierjährigem Aufenthalt im neuen Museumsgebäude — der der Gesellschaft zur Verfügung stehende Raum so beengt, dass, obgleich das Bibliothekszimmer geräumt und als Sammlungsraum benutzt wurde, dennoch ein Teil der Schränke mit den darin aufbewahrten Sachen auf den Vorplatz gestellt werden musste. Hauptsächlich auf Veranlassung der Naturhistorischen Ge- sellschaft richtete daher das „Comite für die Sammlungen“ der 3 Vereine an „das Comite des Museums für Kunst und Wissen- schaft“, dessen Vorsitzender Oberhofmarschall von Malortie war, unterm 14. Dezember 1860 ein Schreiben, in dem ausgeführt wurde, dass die noch vorhandenen Räumlichkeiten schon in kurzer Zeit unzulänglich sein würden, und es wurde darin weiter die dringende Bitte ausgesprochen, die Frage in Erwä- 121 gung zu ziehen, ob und auf welche Weise den Vereinen im Museumsgebäude grössere Räume verschafft werden könnten. Die hierdurch veranlassten Verhandlungen zwischen dem Aus- schusse des Museums und den Vereinen führten zu dem Ent- schlusse, den linken Flügel des Museumsgebäudes durch einen Anbau zu vergrössern und der Naturhistorischen Gesellschaft die im 2. Geschoss gelegenen und bisher vom Historischen Verein für Niedersachsen innegehabten Räume auf der rechten Hälfte des Gebäudes zu überweisen. Auf besonderen Wunsch wurde unserer Gesellschaft ausserdem noch der an der östlichen Seite gelegene Saal, welcher nur gelegentlich der Kunstaus- stellung vom Kunstverein verwertet wurde, überlassen. Der Mietpreis wurde nunmehr von 210 Thlr. Gold auf 300 Thlr. Gold festgesetzt und der Kontrakt zwischen dem Comite des Museums und unserer Gesellschaft am 16. Oktober 1863 abge- schlossen. Nachdem der Anbau vollendet war, wurden 1864 die Sammlungen in den neu erworbenen Räumen aufgestellt. Hiermit schien zwar für längere Zeit der nötige Raum gewonnen zu sein, um die Sammlungen in angemessener Weise aufstellen zu können, dagegen wurde damit zugleich auch die Geldfrage eine immer brennendere. Anfangs bei Gründung des naturhistorischen Museums reichten die Beiträge der ca. 240 Mitglieder, besonders als 1856 derselbe auf je 2 Thlr. erhöht war, die Unterstützungen seitens des königl. Ministeriums des Innern, das jährlich 200 Thlr. bewilligte, und des königlichen Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten, welches jährlich 250 Thlr. zuschoss, vollkommen hin, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten. Mit der ausserordentlich raschen Vermehrung der Sammlungen wuchsen aber in gleichem Maasse die Ausgaben für Lokalmiete und Anschaffung von Sammlungsschränken und nur mit Hülfe mehrfach gewährter ausserordentlicher Beihülfen seitens der königl. Schatullkasse war es möglich, Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Aus- gaben herzustellen. Zwar gab sich die Gesellschaft vielfach Mühe, ihre Mitgliederzahl zu vergrössern, und immer wieder wurde in den Jahresberichten hierauf hingewiesen, indessen waren diese Bemühungen von nur geringem Erfolge begleitet. 122 Es musste deshalb auf andere Weise Rat geschaffen werden, damit die Sammlungen planmässig durch geeignete Ankäufe vervollständigt werden konnten; denn da dieselben fast nur durch Geschenke vergrössert wurden, so litten sie an der not- wendigen Einheitlichkeit und zeigten gegenüber dem reichen Bestande mancher Abteilungen wie z. B. der Vogel-, Insekten- und Mineraliensammlung ausserordentlich grosse Lücken in anderen Gebieten z. B. in der geognostischen Sammlung und der Sammlung niederer, wirbelloser Tiere. Zur Beleuchtung der Finanzlage der Gesellschaft möge hier der folgende Überblick über die Einnahmen und Ausgaben während des Zeitraums von Michaelis 1854 bis 1864 gegeben werden. Während dieser 10 Jahre betrugen die Einnahmen vom königl. Cultusministerium . . 2500 Thlr. — gr. — Pf. P Ministerium desInnern 1800 „ — „ — „ an Beiträgen der Mitglieder . . . 4491 „ 18 ,„ — „ „sonstigen Geschenkenu. Einnahmen 805 „ SE an 3597 Thlr. 23gr. 3Pf. Hieraus ergiebt sich, dass die Einnahmen durchschnittlich etwa 960 Thlr. betrugen, von denen etwa die Hälfte aus Bei- trägen der Mitglieder stammten, während der übrige Teil der Fürsorge der königl. Regierung zu verdanken war. Die Ausgaben betrugen während desselben Zeitraums für Lokalmiete . .... . 2217 Thlr. .3gr.4 Pf. N NcHrankagenk. 22... 125, 2 15%, An, SeSammlungen,.. 1...1820 „.. 13.93 ,, Suudie, Bibliochek „, 4 545,4... 10.2. an Gehalt u. Vergütung 2376 „ — „— , 9313 Thlrsk Tor &Pf Mithin entfiel von den Ausgaben allein auf Lokalmiete und Gehalt die Hälfte, auf Schränke etwa !/,, auf die Samm- / lungen etwa '/, und auf die Bibliothek gar nur !/,,.. Vergleichen sonstigen Ausgaben. 1102 „ 283,5, wir die Einnahmen und Ausgaben miteinander, so sehen wir, dass die Beiträge der Mitglieder gerade hinreichten, um die 123 Ausgaben für Lokalmiete und Gehalt zu decken. Für Samm- lungen und Bibliothek konnte die Gesellschaft selbst nichts aufwenden. Bedenklich aber musste diese Finanzlage für die Zukunft erscheinen, wenn, wie zu erwarten stand, die Zahl der Mitglieder nicht grösser, sondern geringer wurde. Dann konnte das weitere Bestehen der Gesellschaft überhaupt in Frage ge- stellt sein. Es musste daher der Wunsch der Gesellschaft dahin gehen, eine Einnahmequelle zu gewinnen, die von Zu- fälliekeiten unabhängig war und jährlich eine bestimmte und ausreichende Summe zur Verfügung stellte. „Da nun die anderen hiesigen wissenschaftlichen und künstlerischen Vereine sich in einer gleichen Lage befanden, so traten Mitglieder aus den Vorständen der verschiedenen Vereine zusammen, um sich in Verbindung mit den gleichen Vereinen im Lande zu setzen und gemeinschaftliche Schritte zur Erlangung einer regelmässigen Unterstützung von Seiten des Staates zu unternehmen. Bei genauerem Eingehen auf diese Sache fand sich nun, dass die den Vereinen bewilligten Geld- mittel meistens aus verschiedenen Nebeneinnahmen herrührten und dass im Budget jährlich zu diesem Zwecke nur die sehr geringe Summe von 1800 Rthlr. ausgesetzt war, wovon noch 300 Rthlr. für das germanische Museum in Nürnberg bestimmt waren.“ (Jahresbericht XVI.) Diese unbedeutende Summe stand natürlich in gar keinem Verhältnis zu den übrigen Ausgaben und besonders auch nicht zu jenen, welche die anderen gleich grossen Staaten für Kunst und Wissenschaft aussetzten. „In der 61. Sitzung der hannoverschen Ständeversammlung am 20. Juni 1864 ward freilich zur Förderung von Kunst und Wissenschaft statt der bis dahin angenommenen Position von von 1500 resp. 1300 Rthlr. eine Summe von 15—20000 Rthlr. beantragt, aber dieser Antrag wurde, namentlich infolge des Widerspruchs von Seiten der kgl. Regierung abgelehnt.“ Nunmehr sahen sich die Vereine veranlasst, ihrerseits eine nachhaltige Agitation zu beginnen, und ernannten zu diesem Zwecke einen besonderen Ausschuss. „Zunächst erschien 1866 eine Denkschrift unter dem Titel: „Das Staatsbudget und das Bedürfnis für Kunst und Wissenschaft im Königreich Hannover“, die in sehr 124 ausführlicher Darstellung die Bedeutung der ganzen Angelegenheit klarlegte, die Lage der wissenschaftlichen und künstlerischen Vereine schilderte und der Unzulänglichkeit der vom Staate bisher bewilligten Unterstützungen schlagend nachwies. Diese Schrift sollte der allgemeinen Ständeversammlung des Landes zugleich mit dem Gesuche überreicht werden, die in der 61. Ständeversammlung von dem Abgeordneten Elissen beantragte, aber damals abgelehnte erhöhte Unterstützung für Kunst und Wissenschaft nunmehr zu bewilligen. Die Überreichung dieser Schrift wurde indessen durch die Ereignisse des Jahres 1866 vereitelt. Inzwischen bewilligte der König am 14. März 1866 der Kommission der Vereine eine Audienz, in der die ganze Sachlage und die notwendige grössere Fürsorge des Staates für Kunst und Wissenschaft, für öffentliche Sammlungen und hierauf gerichtete Vereinsbestrebungen auseinandergesetzt wurde. König Georg anerkannte die dargelegten Gründe, fand die Summe nicht zu hoch angesetzt und versprach darauf hinzuwirken, dass für Kunst und Wissenschaft in der Zukunft mehr geschehen und im Budget ein Posten angesetzt werden sollte, welcher zu den Leistungen der anderen deutschen Staaten im richtigen Verhältnisse stehe. — Weiterhin richteten die Vereine im gleichen Sinne eine Bittschrift an das kgl. Gesamt-Ministerium, in der mit Bezugnahme auf die Verheissung des Königs Georg ersucht wurde, bei den Ständen des Landes die Erhöhung der Petition für Kunst und Wissenschaft bis zu 15—20000 Rthlr. zu be- antragen. — Da wurden die Hoffnungen, welche die Vereine an die ge- thanen Schritte geknüpft hatten, mit einem Male durch die Ereignisse des Juni 1866 vollständig in Frage gestellt. Hannover wurde preussische Provinz. Eine andere Regierung und eine andere Ordnung der Dinge trat an die Stelle der früheren ; wichtigere Angelegenheiten nahmen vor der Hand das allgemeine Interesse in Anspruch, Kunst und Wissenschaft mussten augen- blicklich zurücktreten gegen die ernsten Fragen der nächsten Zukunft. „Dennoch wurde von den Vereinen auch in dieser Zeit des Überganges noch gethan, was nach den Umständen einstweilen möglich war. Schon im November 1866 erschien eine Broschüre: 125 „Für Kunst und Wissenschaft in Hannover“, worin die bisherigen Leistungen der Vereine, der damalige Stand der ganzen An- gelegenheit, die von der früheren kgl. Regierung für die Zukunft gewährten Aussichten und schliesslich die Wünsche und Hoffnungen der Vereine für Kunst und Wissenschaft freilich kurz, aber hinlänglich dargeleet wurden.“ Gleichzeitig nahmen sich auch die öffentlichen Zeitungen der Angelegenheit aufs kräftigste an; so erschienen in der Zeitung für Norddeutschland Ende Dezember 1866 eine Reihe von Artikel, die die Frage unter dem Gesichts- punkte der veränderten Verhältnisse eingehend beleuchteten. „Der Ausschuss der Vereine hielt wieder seine Versammlungen und richtete unterm 18. März 1867 an das damalige kgl. preussische General-Gouvernement, Departement des Cultus, ein Gesuch, worin er die bei der kgl. hannoverschen Regierung ge- stellten Anträge wiederholte und dringend motivierte. Auf dies Gesuch erfolgte keine Erwiderung. Daher brachten die Vereine die Sache bei dem inzwischen an die Spitze der Provinzial- Verwaltung getretenen kgl. Ober-Präsidenten, Sr. Erlaucht dem Herrn Grafen zu Stolberg-Wernigerode, am 24. September 1867 nochmals in Erinnerung und es erfolgte nun die Zusicherung, dass die Angelegenheit der Vereine, überhaupt die Pflege der Kunst und Wissenschaft in Hannover auf das lebhafteste Interesse der kgl. Regierung rechnen, aber erst dann in nähere Erwägung gezogen werden könne, wenn die Stände der Provinz Hannover über die Verwendung des, auch für Kunst und Wissenschaft überwiesenen Provinzialfonds von 500000 Rthlr. im Einzelnen die näheren Bestimmungen zu treffen hätten.“ „In dieser Zeit zuerst gestaltete sich der Plan zu einem Provinzial-Museum. Der Anlass zu einem solchen Plane lag zunächst in dem Umstande, dass die Vereine sich nicht imstande zeigten, unter den veränderten Verhältnissen mit ihren Sammlungen sich angemessen weiter zu entwickeln, dass ferner weder die kgl. Regierung noch die Provinzialstände sich würden geneigt finden lassen, denselben erhebliche Geldmittel zu voll- ständig freier Verfügung zu überweisen, und dass es schliesslich bei den verwandten Zwecken der Vereinssammlungen ratsam schien, dieselben aus ihrer bisherigen Isolirung mit einander 126 in ein näheres Verhältnis zu setzen. Die kgl. Regierung zeigte sich dem Plane günstig, der Referent in Kunstangelegenheiten überzeugte sich persönlich von dem Stande der Sammlungen, später erschien auch der Herr Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten selbst; aber dessen ungeachtet und bei aller Anerkennung des von den Vereinen bisher Geleisteten geschahen noch keine wirksamen Schritte, den Plan zur Aus- führung zu bringen.“ „Unterm 11. Oktober 1868 reichten die verbundenen Vereine bei den Provinzialständen eine ausführlich motivirte Petition ein, worin mit der Darlegeung ihrer bisherigen Leistungen und mit dem Nachweis der Notwendigkeit einer Erhöhung der ihnen bisher zugeflossenen Unterstützung die Bitte ausgesprochen wurde: das Museum an der Sophienstrassse aus dem Provinzialfonds mit der Summe von jährlich 15000 Rthlr. in seiner Entwicklung künftig unterstützen zu wollen. Auf diese Petition einzugehen, fanden sich die Provinzialstände nicht veranlasst, es wurden lediglich die früheren Subventionen wieder bewilligt. Desgleichen wurde von keiner Seite ein Antrag auf Gründung eines Provinzial- Museums gestellt. Vor Allem mochte davon die für ein solches in Aussicht genommene verhältnismässig hohe Summe abhalten, da bei der Lage der Dinge diese aus dem Provinzial-Etat zu erübrigen vor der Hand nicht in der Möglichkeit lag. Somit waren die Anstrengungen der Vereine einstweilen wiederum ohne den gewünschten Erfolg geblieben. Um eine Verbesserung ihrer Verhältnisse herbeizuführen, ventilierten die Vereine jetzt einen andern Plan. Veranlassung zu demselben fanden sie in dem günstigen Ergebnisse der Lotterien zum Besten des Kölner Doms und der Kölner Aktiengesellschaft Flora zur Errichtung einer höheren Lehranstalt für Botanik und Gartenbau, sowie in dem guten Erfolge auch anderer derartiger Lotterien. Demgemäss wurde von Seiten der Vereine in Verbindung mit dem Verwaltungsausschusse des zoologischen Gartens eine Eingabe an das Königliche Ministerium des Innern erlassen des Inhalts, zu Gunsten der Genannten eine Prämien-Kollekte ge- statten zu wollen, deren Gewinne zum Teil in Kunstgegenständen, zum Teil in Geldgewinnen bestehen sollten. Zugleich wurde die 127 hiesige Königliche Landdrostei um Befürwortung dieses Gesuches gebeten. Letzteres geschah, aber dennoch wurde dasselbe von dem Königlichen Ministerium des Innern abgelehnt. — 3 Der Rückschlag auf die Vereine, das Sinken ihres Vertrauens auf die Zukunft und auf eine gedeihliche Weiterführung ihrer Bestrebungen, die eintretende offenbare Mutlosigkeit derselben war jetzt nicht mehr zu verkennen. Die Ereignisse des Jahres 1866 hatten die Grundlagen der Vereine, besonders die finanziellen Verhältnisse derselben, sehr erschüttert, erhebliche direkte und indirekte Unterstützungen waren in Wegfall gekommen, nicht wenige ihrer Mitglieder traten wegen Versetzung oder wegen sonstiger Veränderung aus, und das grössere Publikum, aus dem die Vereine neue Kräfte und Mittel hätten gewinnen müssen, wandte sein Interesse anderen, vor der Hand ihm wichtigeren Dingen zu. Von der Königlichen Regierung und den Provinzial- ständen schien keine weitere, wenigstens keine ausreichende Hilfe in Aussicht zu stehen. Die Sammlungen des Königs Georg waren teils im Auslande, teils unzugänglich. Die bis dahin aus kleinen Anfängen erstarkten Bestrebungen für Kunst und Wissenschaft gingen, kurz gesagt, allem Anscheine nach, jetzt ihrem nahen Verfalle entgegen. Somit war es wohl natürlich, dass mancher Verein daran dachte, seine Thätigkeit, so weit sie sich auf öffentliche Sammlungen erstreckte, unter solchen Verhältnissen schliesslich ganz einzustellen. Bei dieser schwierigen Lage der Vereine musste es für eine ganz besonders günstige Wendung angesehen werden, als mittler- weile wieder angeknüpfte Verhandlungen die Möglichkeit ergaben, nun dennoch das Provinzial-Museum, freilich auf einer be- scheideneren als anfänglich beanspruchten finanziellen Grundlage zu verwirklichen. In einer Versammlung der Delegirten der drei Vereine: des historischen Vereins für Niedersachsen, des Vereins für die öffentliche Kunstsammlung und der natur- historischen Gesellschaft wurde der Plan des Provinzial-Museums nochmals zur Berathung gestellt und der anwesende Landes- direktor von Bennigsen bezeichnete die Grenzen, innerhalb welcher von den Provinzialständen eine finanzielle Hilfe zu dem Plane zu hoffen sei. Derselbe versprach ferner, das Gesuch 128 der Vereine, wie es gemäss den Verhandlungen eingerichtet sei, bei den Ständen nach Kräften zu befürworten. Auf das hier- nach abgelassene Gesuch erhielten denn die Vereine unterm 9. October 1869 von dem Landes-Directorium in der That den Bescheid, dass die seitherige Unterstützung (von 1050 Thlr.) auf die Summe von 3050 Thlr. für das Jahr 1870 erhöht sei, „unter der Voraussetzung, dass die Sammlungen der drei Gesellschaften zu einem Provinzial- Museum vereinigt werden, welches unter der Mitwirkung des Landes -Direetoriums ver- waltet wird.“ Noch in demselben Monat (am 25. October) hielten Landes- Directorium und Ausschüsse der Vereine eine gemeinsame Sitzung, um die Statuten des zu gründenden Provinzial- Museums zu berathen, und ebenso fanden darauf eingehende Verhandlungen in den einzelnen Vereinen und der Vereine mit einander statt, um ihr demnächstiges Verhältniss zum Provinzial - Museum bezüglich der Finanzen und der Verwaltung klarzustellen. Der erste Punkt, die Finanzen, wurde dahin geregelt, dass die seither den Vereinen zugeflossene Unterstützung von 1050 Thlr. auch ferner zu ihrer Erleichterung auf die Ver- waltung (Localmiethen, Gehälter und Conservirung), dagegen die neubewilligten 2000 Thlr. lediglich auf die Vermehrung der Sammlungen verwandt werden sollten. Rücksichtlich des zweiten Punktes wurden nach längeren Verhandlungen für das Museum definitive Statuten vereinbart, so wie für den Ver- waltungsausschuss desselben eine Geschäftsordnung.“ (1. Jahres- bericht des Prov.-Museums.) Die Satzungen, welche von der Naturhistorischen Gesellschaft in der Generalversammlung vom 8. Januar 1870 angenommen wurden, haben den folgenden Wortlaut. Revidirter Entwurf des Statuts für das Hannoversche Provinzial-Museum für Kunst und Wissenschaft. Sau 2 Die Sammlungen der in der Stadt Hannover bestehenden drei Vereine, 129 IX a. naturhistorischer Verein, b. Verein für öffentliche Kunstsammlung, c. historischer Verein für Niedersachsen, werden unter Aufrechterhaltung der bisherigen Eigenthums- verhältnisse an denselben zu einem Provinzial-Museum für Kunst und Wissenschaft vereinigt. Se: Die Mittel zur Weiterführung der Sammlungen bestehen, ausser Schenkungen von Gegenständen, a. in den Zuschüssen aus dem Provinzialfonds; b. in öffentlichen oder Privat-Beiträgen, welche direct dem Provinzial-Museum überwiesen werden; c. in den von den Vereinen selbst für diesen Zweck bestimmten Summen. Die Verwendung dieser von den Vereinen selbst aufge- brachten Gelder steht in der bisherigen Weise den Vereinen zu; dagegen wird die Verwendung aller übrigen dem Provinzial- Museum zufliessenden Mittel einem zu constituirenden Ver- waltungs-Ausschusse übertragen. Die Ausgaben für Beaufsichtigung, Conservirung und Ver- waltung des Provinzial-Museums werden aus den Mitteln des- selben und den etwa für Besichtigung der Sammlungen erhobenen Eintrittsgeldern bestritten. Auch wird aus diesen Mitteln den Vereinen eine Beihülfe zu den im Uebrigen von ihnen zu be- streitenden Miethen gegeben werden, deren Höhe durch eine noch vor dem Inslebentreten des Provinzial - Museums abzu- schliessende Vereinbarung mit den einzelnen Vereinen fest- gestellt wird. Der gesammte Rest der dem Provinzial-Museum nach Be- streitung dieser Kosten verbleibenden Mittel wird zur Hälfte auf den Ankauf von historischen Gegenständen, zu je einem Viertel auf den Ankauf von Kunstgegenständen und von natur- wissenschaftlichen Gegenständen verwendet. Eine Ausnahme ist nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Verwaltungs-Ausschusses zulässig. 130 S. 4. Der Verwaltungs - Ausschuss ist verpflichtet, dem Landes- directorium jährlich Bericht zu erstatten und Rechnung abzu- legen. Bei der erstmaligen Aufstellung der Sammlungen, sowie bei späteren eingreifenden Veränderungen sind die betreffenden Vereins-Ansschüsse zuvor zu hören und deren Wünsche thun- lichst zu berücksichtigen. Der Verwaltungs-Ausschuss des Provinzial-Museums besteht aus einem Mitgliede des Landesdirectoriums, den drei Präsidenten der drei Vereine und dem jedesmaligen Conservator der Landes- alterthümer für Hannover. Ihm liegt die Leitung und Ver- waltung des Provinzial-Museums ob. Er versammelt sich zu regelmässigen Sitzungen, die er nach Bedürfniss mit Ausschussmitgliedern der drei Vereine verstärken kann. Die Geschäftsführung im Einzelnen wird der Verwaltungs- Ausschuss durch eine von ihm nach Anhörung der einzelnen Vorstände zu erlassende Geschäftsordnung regeln. S. 6. Der Verwaltungs-Ausschass hat einerseits mit sämmtlichen drei Vereinen eine rege Verbindung zu unterhalten, damit deren Wünschen thunlichste Rechnung getragen wird, auf der anderen Seite dem Publikum das Institut so nutzbar wie möglich zu machen und schliesslich dahin zu wirken, dass die all- seitige Theilnahme immer mehr gesteigert und werkthätiger wird. &. 1. Es bleibt einem jeden Vereinsausschusse vorbehalten, nach den gemachten Erfahrungen eine Aenderung der Statuten zu beantragen. Es kann eine solche jedoch nur unter Zustimmung aller 3 Vereine und des Landesdirectoriums beschlossen werden. Somit hatten schliesslich doch die Vereine Hannovers — wenn auch bei weitem die ursprünglich erhofften Unterstützungen nicht bewilligt waren — wenigstens erreicht, dass für die Sammlungen ein fester, jährlich wiederkehrender Betrag ange- IX* setzt war, wodurch die Möglichkeit geboten wurde, allmählich die in den Sammlungen vorhandenen Lücken durch planmässige Ankäufe auszufüllen. Auch dadurch war der Naturhistorischen Gesellschaft eine drückende Last genommen, dass der Custos Braunstein, der bislang von der Gesellschaft angestellt war, nunmehr in die Dienste des Provinzialmuseums übertrat und von der Provinzial- Verwaltung besoldet wurde. Andererseits litt die Gesellschaft auch in der Zukunft noch immer unter dem grossen Drucke, den die hohe Ausgabe für Lokalmiete ausübte, und wir werden in dem folgenden Abschnitte sehen, dass dieser Punkt vielfach hemmend auf die Weiter- entwicklung der Gesellschaft wirkte, bis dies Hindernis ent- fernt wurde. Am Schlusse dieses Abschnittes wollen wir noch der in dieser Periode verstorbenen Mitglieder gedenken, die sich um die Gesellschaft besondere Verdienste erworben haben. Georg Philipp Holscher,*) Sohn des hiesigen berühmten Kanzelredners Ober-Konsistorialrat Holscher, wurde am 10. Nov. 1792 in Münden geboren, studierte von 1810—1813 in Göt- tingen Medizin, nahm an den Freiheitskriegen teil und hielt sich dann mehrere Jahre in Frankreich und England auf. Nach Hannover zurückgekehrt, liess er sich hier als praktischer Arzt nieder, wurde Direktor des städtischen Krankenhauses und später Chef des Ober-Medizinal-Kollegiums. Nach thatenreichem Leben starb er am 30. August 1852. Der Naturhistorischen Gesell- schaft gehörte er seit dem 7. Dezember 1818 an, trat jedoch erst 1849/50 bei Umgestaltung der Gesellschaft in den Vorder- grund, indem er den vom 16. März 1850 datierten „Aufruf an das Publikum von Seiten der Naturhistorischen Gesellschaft zur Gründung eines naturhistorischen Museums in unserer Stadt“ verfasste. — Otto Kohlrausch*, wurde am 20. März 1811 zu Barmen geboren, studierte in Bonn und Göttingen, besuchte die Krankenhäuser in Kopenhagen und London und liess sich 1835 *) Hartmann, Geschichte der Residenzstadt Hannover. 132 in Hannover als praktischer Arzt nieder, wo er bald zum Hof- Chirurgus ernannt wurde. Von einer Reise nach Ungarn, wo er die Blutegelzucht studieren sollte, zurückgekehrt, legte er eine solche Züchterei auf dem Entenfange an. 1849 wurde Kohlrausch Mitglied des Ober-Medizinal-Kollegiums. Er starb 1854. Der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte er von 1850—54 als Vorstandsmitglied an. Friedrich Armbrust*, war am 4. Oktober 1830 zu Bakede geboren; von Ostern 1845—1850 besuchte er das Gym- nasium Andreanum zu Hildesheim und studierte von da bis Ostern 1853 in Göttingen Mathematik und Naturwissenschaften. Nachdem er, um seine Gesundheit zu stärken, ein Jahr lang in Hannover privatisiert hatte, trat er Ostern 1854 zur Abhaltung seines Probejahrs beim Lyceum ein und wurde nach Ablauf desselben als Hülfslehrer an derselben Anstalt bis Ostern 1858 beschäftigt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde er als Lehrer an der Stadttöchterschule angestellt. Er starb am 1. März 1861 an innerer Verblutung infolge eines Blutsturzes. Armbrust gehörte der Naturhistorischen Gesellschaft seit 1554 an. An- fänglich mit Entomologie, dann mit Botanik, zuletzt aber mit ausserorordentlichem Eifer sich mit dem Studium der Petre- facten beschäftigend, hat er nach vielen Seiten höchst anregend gewirkt, stets bereit zu Mitteilungen aus dem reichen Schatze seiner Sammlungen und Erfahrungen über die hiesigen Lokal- vorkommnisse. Er war mit einer Arbeit über die Bryozoen der hiesigen Kreidebildungen beschäftigt, von der man mit Recht hoffte, dass sie sich als eine wertvolle Bereicherung der Wissen- schaft erweisen werde, als ihn der Tod unerwartet von seinen Freunden fortriss. Carl August Tölsner**, wurde in Northeim geboren und trat nach beendigten Universitätsstudien als Arzt in den hannoverschen Militärdienst. 1818 gab er diese Stellung auf und ging mit den Gründern der Colonia Leopoldina nach Brasilien. In dieser Colonie lebte er als Arzt und Plantagenbesitzer und *) XI. Jahresbericht der Naturhistor. Gesellschaft p. 9. **) XII. Jahresbericht der Naturhistor. Gesellsch. Hannover 1862. 135 besuchte sein deutsches Vaterland nur noch einmal, bei welcher Gelegenheit er in Göttingen promovirte und die Abhandlung „Die Colonie Leopoldina in Brasilien“ (Göttingen, bei Dietrich 1858) herausgab. Zu gleicher Zeit ward er zum hannoverschen Vice-Konsul für seinen Wohnort ernannt, wohin er nach einer heftigen Lungen-Affektion, die ihm die ungewohnte Winterkälte zuzog, in folgendem Frühjahre zurückkehrte. Er beschäftigte sich hier mit den Vorbereitungen zu einer mehrjährigen Reise ins Innere des Landes, als er im Laufe des Jahres 1862 den Folgen des Übels erlag, das er sich in Europa zugezogen. Seiner Freigebigkeit verdanken die zoologischen Sammlungen die be- deutendsten Bereicherungen, die ihnen von Seiten eines Privat- mannes zu teil geworden sind; wiederholt sandte er nemlich umfangreiche Sammlungen Säugetiere, Vögel, Reptilien und In- sekten. Die Gesellschaft ernannte ihn zum Ehrenmitgliede. — Weiterhin haben wir noch eines Mannes zu gedenken, dessen Freigebigkeit die Gesellschaft eine hervorragend schöne Samm- lung verdankt. Carl Frhrr. Grote, Oberbergrat, schenkte nemlich 1854 seine bedeutende Mineraliensammlung, die besonders Erze des Harzes enthält von Fundorten, die heute nicht mehr bestehen. Die Sammlung ist nach Fundstellen geordnet (vergl. Grote, Über Zweck, Bedeutung und Anordnung mineralogischer Sammlungen nach den Lagerstätten). Grote wurde zum Ehren- mitgliede ernannt. Er starb 1868. —- Philipp August Friedrich Mühlenpfordt*) wurde am 31. Januar 1803 in Göttingen geboren und studierte dort von 1323 bis 1826 Medizin und Naturwissenschaften. 1826 er- hielt er von der medizinischen Fakultät die Doktorwürde und blieb als praktischer Arzt in Göttingen. Bei Errichtung der höheren Gewerbeschule zu Hannover folgte er 1831 dem Rufe als Lehrer der Zoologie und Botanik an diese Lehranstalt. Er starb am 23. Dezember 1868. — Mühlenpfordt gehörte der Naturhistori- schen Gesellschaft seit dem 7. November 1831 an und er war es, der in der denkwürdigen Sitzung vom 27. November 1849 zuerst *) Launhardt, die königl. techische Hochschule zu Hannover von 1831 bis 1881. Hannover, 1881. 134 die Idee, ein naturhistorisches Museum zu gründen, in An- regung brachte. Von 1850 bis 1855 war er Mitglied des Vor- standes und Konservator der Sammlungen. An der Gründung des neuen Museumsgebäudes nahm er anfänglich lebhaften Anteil. J. D. Adolf Tellkampf*) wurde am 23. Mai 1798 zu Hannover geboren, erhielt seine Jugendbildung anfangs auf dem Gymnasium zu Bückeburg, später auf dem Rittergute Heinde bei Hildesheim. Begeisterten Anteil nahm er an den Freiheits- kriegen, zog 1815 mit den siegreichen Truppen in Paris ein und blieb mit dem Okkupationsheere bis 1818 in Frankreich. Dann bezog er die Universität Göttingen und studierte unter Thibaut und Gauss Mathematik. Nach Beendigung seiner Studien und nachdem er eine Zeit lang in Göttingen Privat- dozent gewesen war, wurde er an das Gymnasium in Hamm berufen. Im Jahre 1835 wurde er als Direktor der neuge- gründeten höheren Bürgerschule in Hannover angestellt und hat sich als solcher ausserordentlich hervorragende Verdienste er- worben. Nach segensreicher Thätigkeit starb er am 9. März 1869. — An den wissenschaftlichen Unterhaltungen in den Sitzungen der Naturhistorischen Gesellschaft nahm er stets regen Anteil und hat eine Reihe von Vorträgen gehalten. — 4. Geschichte von 1870 bis 1897. Unter dem Vorsitz von: Prof. von Quintus-Icilius (bis 1885), Prof. Ulrich (bis 1889), Dr. Rüst. Wir haben bereits im vorhergehenden Teile hervorgehoben, dass im Jahre 1870 durch das Ausscheiden der langjährigen und verdienstvollen Mitglieder Witte, Hahn und Angerstein, von denen der erste zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde, aus dem Vorstande eine bedeutsame Änderung im Vorstande vor sich ging. Am Schlusse dieses Jahres setzte sich nunmehr der Vorstand in der folgenden Weise zusammen. Als Nachfolger von Hahn übernahm von Quintus-Icilius, Professor der Physik an der technischen Hochschule, den Vor- sitz. Obergerichtssekretär Reinhold wurde stellvertretender Vor- *) ‚Jahresbericht der Realschule I. Ordn. zu Hannover, 1870. 155 sitzender und Klosterrevisor Glitz, der ein tüchtiger Entomologe war, Schatzmeister. Von den übrigen zum Ausschusse gehören- den Mitgliedern verwaltete Professor Begemann die niederen Wirbeltiere, Dr. Guthe und A. Stromeyer die Mineraliensammlung, Dr. Metzger die wirbellosen Tiere, Direktor Niemeyer die Säugetiere und Vögel und Oberlehrer Mejer das Herbarium. Letzterer übernahm im Jahre 1872 auch das Amt eines Schrift- führers und Bibliothekars, das vorher Guthe beziehungsweise Metzger versehen hatten. Einen schweren Verlust erlitt der Vorstand im folgenden Jahre durch das Ausscheiden von Dr. Guthe, der einem ehrenvollen Rufe als Professor der Geographie an die Münchener technische Hochschule folgte, und von Dr. Metzger, der an die Forstakademie in Münden berufen wurde. An ihre Stelle traten Professor Ulrich und Dr. Fischer. Ersterer übernahm die Verwaltung der bis dahin von Guthe geleiteten Mineraliensammlung, hat derselben bis 1891 vorgestanden und sich um ihre Vervollkommnung bedeutende Verdienste erworben. Fischer widmete sich der palaeontologischen Sammlung. Als 1574 der bisherige Stellvertreter des Vorsitzenden, Obergerichts- sekretär Reinhold, gestorben war, trat Dr. Struckmann dem Vorstande bei und übernahm die palaeontologische und (ethno- graphische) Sammlung. Professor Begemann schied 1873 aus. Die von ihm bislang verwaltete Sammlung niederer Wirbeltiere wurde dem zum Vorstandsmitgliede erwähltem Dr. Hess an- vertraut. Stellvertretender Vorsitzender wurde Stromeyer. Bei (Gelegenheit der Feier seines 50 jährigen Doktor-Jubiläums am 7. September 1880 wurde Hahn zum Ehrenpräsidenten ernannt. Nach dem Abgange von Niemeyer im Jahre 1880, der als Direktor des Zoologischen Gartens durch Zuwendung von Ge- schenken und als Konservator der Abteilung der Säugetiere und Vögel sich um die Sammlung verdient gemacht hat, wurde Postdirektor Pralle, der bereits von 1858—1860 Mitglied des Vorstandes gewesen und aus Hildesheim zurückgekehrt war, gewählt und mit der Verwaltung der Vögel betraut, Hess über- nahm nun die Abteilung der Säugetiere und nach dem bereits 1882 erfolgten Tode Pralle’s, auch diejenige der Vögel. An Stelle von Pralle wurde Lehrer C. Gehrs gewählt, der die 156 niederen Tiere, besonders Conchylien, übernahm. Im Jahre 1885 starb von Quintus-Icilius; nunmehr wurde Ulrich Vor- sitzender. Gleichzeitig schieden Struckmann und Mejer aus, während Major a. D. Wesselhöfft, Apotheker Brandes und Marstallkommissär Preuss dem Vorstande beitraten. Wesselhöfft, der selbst eine schöne Petrefactensammlung besass und dieselbe testamentarisch der Gesellschaft vermachte, übernahm die geo- logische Sammlung. Die Leitung des von Mejer verwalteten Herbariums ging in die Hände von Brandes über, während Preuss zum Bibliothekar und Leiter des Lesevereins ernannt wurde. Dem Amte eines Protokollführers, das Mejer früher vertreten hatte, unterwarf sich Gehrs. Im Jahre 1888 starb Stromeyer; an seine Stelle wurde Dr. Rüst berufen, der, nach- dem zu Anfang des Jahres 1889 Ulrich sein Amt als Präsident niedergelegt hatte, zum Vorsitzenden gewählt wurde. Nach dem Tode des bisherigen Schatzmeisters Glitz 1859 übernahm Kaufmann A. Hoffmann die Kassenführung und Verwaltung der Insekten. Hoffmann, der ein ausgezeichneter Schmetterlings- kenner war, schied schon 1890 aus; er wurde durch unseren jetzigen Kassenführer Eisenbahnbetriebssekretär C. Keese er- setzt. Auch in den beiden folgenden Jahren kamen mehrfache Veränderungen vor. 1890 starb Wesselhoefft, während Preuss und Fischer ihr Amt niederlegten. Nunmehr wurden in den Vorstand gewählt Professor Dr. Kaiser, Oberlehrer Dr. Bertram und Oberlehrer Dr. Ude. Kaiser wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden ernannt, Bertram wurde Bibliothekar und über- nahm interimistisch die Petrefaktensammlung, Ude erhielt einen Teil der wirbellosen Tiere und die niederen Wirbeltiere zu- gewiesen und wurde ausserdem zum Schriftführer und Leiter des Lesezirkels bestimmt. Nachdem 1891 Ulrich und Hess ausgeschieden waren, wurden Amtsrat Dr. Struckmann und Direktor Mühlenpfordt zu Vorstandsmitgliedern gewählt. Ersterem wurde die Petrefaktensammlung zugewiesen, welche Bertram gegen die Mineraliensammlung abgab, während Mühlenpfordt die Insektensammlung übernahm. Bertram legte 1892 sein Amt als Bibliothekar nieder; an seine Stelle trat Ude. Seit 1594 verwaltet Keese die Bibliothek. Schliesslich trat 1896 137 Mühlenpfordt aus dem Vorstande aus. Die Neuwahl fiel auf Dr. Schäff, Direktor des Zoolgischen Gartens. Seit dieser Zeit besteht demnach der Vorstand aus folgenden Mitgliedern: Dr. Rüst (Vorsitzender), Professor Dr. Kaiser (stellvertretender Vorsitzender), Dr. Ude (Schriftführer und Leiter des Lesezirkels), Eisenbahnhetriebssekretär ©. Keese (Schatzmeister und Biblio- thekar), Dr. Bertram, Lehrer Gehrs, Apotheker Brandes, Dr, Struckmann und Direktor Dr. Schäff. Von den Sammlungen verwaltet Rüst seit 1891 die Vögel, Kaiser seit 1890 die Säugetiere, Ude seit 1890 die Reptilien, Amphibien, Fische, Krebse und Würmer, Gehrs seit 1881 die Mollusken (besonders Con- chylien), Echinodermen, Coelenteraten (besonders Korallen) und Fruchtsammlung, Schäff seit 1896 die Insekten, Brandes seit 1885 das Herbarium, Bertram seit 1891 die Mineralien, Struck- mann seit 1891 die Petrefakten. Ausserdem übernahmen Ober- lehrer Steinvorth seit 1891 die petrographische und Lehrer Peets 1895 die Käfer- und Schmetterlings-Sammlung Die Mitgliederzahl der Gesellschaft hat leider seit dem Jahre 1870 in ganz erheblichem Masse abgenommen. Während sich dieselbe, wie wir gesehen haben, in dem Zeitraum von 1850—1870 nur wenig verändert hatte und sogar gegen Schluss jenes Zeitabschnittes noch um ein Beträchtliches gestiegen war, sank sie von 263 im Jahre 1870 auf 235 im Jahre 1875. In den beiden folgenden Jahren trat eine geringe Erhöhung ein (um 8 Mitglieder); dann sank die Zahl langsam aber stetig bis 1889 auf 142. Nachdem dieselbe darauf bis zum Jahre 1893 wieder auf 163 angewachsen war, trat leider in den letzten Jahren ein bedeutender Rückschlag ein, so dass die Gesellschaft gegenwärtig nur 138 Mitglieder zählt. Was die Zahl der Ehrenmitglieder anlangt, so belief sich dieselbe im Jahre 1871 auf 29, 1880 noch auf 15 und beträgt jetzt nur 6. Indessen wird beabsichtigt hier allmählich wieder eine Steigerung eintreten zu lassen und solche Männer, die sich besonders um die wissenschaftliche Erforschung unseres engeren Vaterlandes verdient gemacht haben oder auch mit der Gesellschaft in nähere Beziehung getreten sind, zu Ehren- mitgliedern zu ernennen, da man wohl mit Recht annimmt, dass 138 solche Beziehungen zu auswärtigen Gelehrten, insonderheit unserer Provinz, für die Gesellschaft nicht allein ehrenvoll sind, sondern auch von erossem Nutzen werden können. Im Jahre 1860 wurde, wie im vorigen Abschnitte ausge- führt wurde, die Einrichtung der „beständigen oder ewigen“ Mitgliedschaft eingeführt, zu der sich 6 Mit- glieder meldeten; dieselben sind inzwischen verstorben. Da neue Mitglieder unter dieser Form nicht beigetreten sind, so besitzt die Gesellschaft augenblicklich keine beständigen Mit- glieder. — Von den ältesten Mitgliedern, die bereits 1850 der Gesell- schaft angehörten, leben nur noch einige. Von ihnen mögen besonders hier in Dankbarkeit für ihr treues Festhalten an unserem Verein genannt werden der Professor Dr. Röbber, der von 1850 bis 1855 Vorstandsmitglied war, und der Marstalls- Kommissär Preuss, welcher von 1885 bis 1889 zum Vorstande zählte und das Amt eines Bibliothekars und Leiters des Lese- zirkels versah. Schon im vorigen Teil haben wir hervorheben müssen, dass die Gesellschaft häufig mit schweren pekuniären Sorgen zu kämpfen hatte. Nachdem das Museum 1870 Provinzial-Museum geworden war, schienen zunächst die Kassenverhältnisse der Gesellschaft sich für die Zukunft günstiger zu entwickeln, wenigstens war die Vermehrung der Sammlung durchaus ge- sichert und die Ausgaben dafür lasteten nicht mehr auf der Kasse der Gesellschaft. Immerhin war aber noch eine jährliche Lokalmiete von etwa 1000 AL zu entrichten, zu welcher Summe vom Landesdirektorium nur ein Zuschuss von 225 Ab geleistet wurde. In den Ausgaben stand mithin ein fester Posten von etwa 800 Al. Mit der allmählichen Abnahme der Mitglieder- zahl sanken aber auch mehr und mehr die Einnahmen. So betrugen dieselben 1872 noch 1600 M, 1875 indess nur 1400 Al und beliefen sich 1879 auf 1200 Al. Mithin blieb der Gesellschaft zur eigenen Verwendung jährlich eine Summe von etwa 5—-600 Al. Davon waren die Ausgaben für die sich durch den immer mehr entwickelnden Schriftentausch stark vergrössernde Bibliothek , ferner für die Vorträge und eine 139 jährliche Remuneration an den Custos zu bestreiten. Nun durfte man aber auch im eigenen Interesse der Gesellschaft nicht davon Abstand nehmen, womöglich regelmässig einen Jahres- bericht mit Abhandlungen herauszugeben. Es ist leicht er- sichtlich, dass die Gesellschaft unter diesen Umständen und wenn sie sich das Ansehen bewahren wollte, das sie bis 1870 genossen hatte, notwendigerweise in Schulden geraten musste. So kam es denn, dass der Verein im Jahre 1879 bereits eine Schuldenlasst von etwa 1000 AU zu tragen hatte. In dankens- werter Weise gestattete die Provinzial-Verwaltung diesen Betrag aus der Summe zu decken, welche jährlich für die Sammlungen bestimmt war. Nicht lange dauerten die nun eintretenden leidlich günstigen Kassenverhältnisse. Bereits am Ende des Jahres 1883 stellte sich wiederum ein Defizit von 950 Al ein. Um dies zu decken, beschloss der Vorstand die Einlösung der Obligationen, die 1360 durch den Beitrag von 6 „beständigen“ Mitgliedern erworben waren und etwa 950 Al betrugen. Es ist nicht zuverwundern, wenn bei diesen trüben Aussichten der Vorschlag gemacht wurde, überhaupt die ganzen San:ımlungen an die Provinz abzutreten. Waren doch die Einnahmen aus den Beiträgen der Mitglieder nunmehr auf etwa 1000 Alb gesunken, die gerade dazu hinreichten, die Lokalmiete zu decken, so dass für die Zwecke der Gesellschaft kaum 400 AM zur Verfügung standen. Trotzdem man in den folgenden Jahren (1883 - 1888) von der Herausgabe eines Jahresberichts absah, überstiegen die Ausgaben schon 1885 die Einnahmen abermals um 1076 M. Wiederum war es dem Wohlwollen des Verwaltungs-Ausschusses des Provinzial-Museums zu danken, dass dieses Defizit nicht allein getilgt wurde, sondern die Gesellschaft einen Überschuss von etwa 400 A erhielt. Bereitwilligst stellte nemlich der Ausschuss eine Summe von 1500 Al zur freien Verfügung der Gesellschaft. Inzwischen waren nun aber seitens der Provinzial-Verwal- tnng Verhandlungen eingeleitet, die für die Kassenverhältnisse unserer Gesellschaft von grosser Bedeutung wurden. Bereits im Jahre 1875 hatten die Sammlungen einen solchen Fortschritt gemacht, dass notwendigerweise neuer Raum 140 geschaffen werden musste. Zu dem Zwecke wurde der Flügel des Museumsgebäudes, in welchem die naturhistorischen Samm- lungen ausgestellt waren, in den Jahren 1876/78 erweitert, so dass unsere Gesellschaft mehrere neue Zimmer erhielt. Eine beträchtliche Erweiterung auch des Grundstücks erfuhr das Museum dann im Jahre 1885, indem das an die Rückseite des bisherigen Museumsgrundstücks grenzende und mit einem an der Prinzenstrasse belegenen Wohnhause bebaute Adickes’sche Grundstück, sowie einige Parcellen benachbarter Grundstücke, die der kaiserlichen Oberpostdirection und dem Weinhändler Michaelis gehörten, angekauft und mit einem Neubau versehen wurden. In diesem Neubau wurde die sog. Cumberland- Sammlung untergebracht. Für die neusten Erweiterungsbauten brachte das Museum selbst 75000 Al auf, während die könig- liche Staatsregierung den hohen Zuschuss von 300000 Al be- willigte. Zwar war durch das Statut vom 30. Mai 1853 das Rechtsverhältnis „des Museums für Kunst und Wissenschaft“ geregelt, indessen konnte dasselbe in der Praxis zu mancherlei Schwierigkeiten führen, wenn z. B. zur Vornahme gerichtlicher Akte die Legitimation seiner Vertretung, der Nachweis der gültigen Bestellung der einzelnen Vertreter u. s. w. verlangt wurde. Dadurch war es auch veranlasst, dass das neu erworbene Adickes’sche Grundstück auf den Namen einer Mittelsperson, des Oberrendanten Bode, angekauft war. Auch die Anleihe jener 75000 Al war formell von demselben kontrahiert. Eine Vereinfachung und Klarstellung musste hier dringend wünschenswert erscheinen. Weiterhin trat infolge der ausser- ordentlich schnellen Entwicklung der Sammlungen die bereits im Statut von 1853 als Hauptzweck bezeichnete Verwendung des Gebäudes für Kunst und Wissenschaft immer mehr in den Vordergrund. Auf die Dauer konnte demnach auch die Beschränkung der Rechte des Provinzialmuseums auf diejenigen eines Mieters nicht aufrecht erhalten werden. Wenn es zwischen dem Verwaltungs- Ausschusse des Gebäudes und demjenigen des Provinzialmuseums bislang nicht zu Kollisionen gekommen war, so war dies nur dem Umstande zuzuschreiben, dass die beiden Verwaltungen im wesentlichen von denselben Personen 141 geführt wurden. Schliesslich waren auch die Einanhmen, auf denen die Existenz des Museums beruhte, durchaus unsicherer Natur. So kamen von den etwa 18000 U betragenden jähr- lichen Einnahmen allein 7800 Al auf Beihülfen seitens des Provinzialverbandes und etwa 6600 ‚ll auf Lokalmiethe, welche die im Museumsgebäude untergebrachten Vereine entrichten mussten. Nun war aber die Provinzialregierung nur zu einem Beitrage von 5400 JA, welche die königlich Hannoversche Regierung aus Staatsmitteln bewilligt hatte, verpflichtet, nicht aber zu der fortdauernden Zahlung der Erhöhung um 2400 M. Die Vereine ihrerseits litten stark unter dem Drucke der Lokal- miete und wir haben oben gesehen, dass unsere Gesellschaft kaum imstande war, ihren Anteil regelmässig zu entrichten. Unter diesen Umständen musste es sowohl für die Ver- waltung des Gebäudes wie auch für das Provinzialmuseum durchaus wünschenswert erscheinen, in die verwickelte An- gelegenheit Klarheit zu bringen. Nun war bereits im Statut vom 30. Mai 1853 eine Über- tragung des Eigentums des Musumsgebäudes auf den Staat Hannover vorgesehen. Hieran anknüpfend machte jetzt das Landesdirektorium den Vorschlag, das Museumsgebäude mit allen Aktivis und Passivis an die Provinz Hannover abzutreten. Der in einem „Pro memoria“ vom 16. Oktober 1885, dem auch die vorstehende Darstellung der Verhältnisse entnommen ist, seitens des Landesdirektoriums gemachte „Entwurf eines zwischen der Provinzialverwaltung und dem Museum für Kunst und Wissenschaft abzuschliessenden Recesses wegen Überganges des Museumsgebäudes in das Eigentum der Provinz Hannover“ wurde, nachdem er den Vereinen zur Beurteilung vorgelegen hatte, in einer Sitzung vom 10. März 1886 beraten, an der sich der Landesdirektor von Bennigsen, Schatzrat Müller und je ein Vertreter des Vereins für die öffentliche Kunst- sammlung, des Historischen Vereins für Niedersachsen, der Naturhistorischen Gesellschaft, des Künstlervereins, des Kunst- vereins und der an der Gründung beteiligten Aktionäre beteiligten. So weit als irgend möglich wurden seitens der Regierung die berechtigten Wünsche der Vereine berücksichtigt, so dass 142 die Verhandlungen zu einem alle Teile befriedigenden Ab- schlusse führten. Schliesslich am 7. Januar 1887 wurde der definitiv festgestellte Vertrag von den Interessenten unter- schrieben und erhielt bald darauf die Genehmigung der könig- lichen Regierung. Danach ging das Museumsgrundstück nebst Gebäuden und Verbindlichkeiten in den Besitz des Provinzial- verbandes über. Letzerer verpflichtete sich, das Gebäude für alle Zeiten den bestimmungsmässigen Zwecken zu erhalten. Von den dem Provinzialmuseum angehörenden Vereinen sollte für die Sammlungsräume keine Lokalmiete erhoben werden, sondern nur eine Vergütung für solche Räume des Museums, welche zur Unterbringung der Bibliotheken und zu Versamm- lungszwecken dienen würden. Was das Eigentumsrecht und die Verwaltung der naturhistorischen Sammlungen anlangt, so blieben dieselben unserer Gesellschaft unverändert erhalten. Infolge des Recesses wurde aber die Rechnung der Natur- historischen Gesellschaft von der drückenden Last der Lokal- miete befreit, wenngleich andererseits die bis dahin gewährte Unterstützung von 225 U seitens des Landesdirektoriums ver- loren ging. Immerhin gewann die Gesellschaft jährlich etwa 800 A zur eigenen Verwendung, sodass seit jener Zeit trotz des steten Rückganges an Mitgliederzahl günstigere Kassen- verhältnisse eingetreten sind. — Bald nachdem das Museumsgebäude in den Besitz der Provinz übergegangen war, stellte es sich als notwendig heraus, zur Verwaltung des Gebäudes einen eigenen Direktor anzu- stellen. Die Wahl, an der sich auch die zur Museumsverwaltung gehörenden Vereine beteiligten, fiel auf den Direktorial- Assistenten der Königl. Museen zu Berlin Dr. Reimers, der 1890 sein Amt antrat. Die Grundzüge der Stellung des Museums- direktors sind niedergelegt in einem „Nachtrag zu dem Statute des hannoverschen Provinzialmuseums für Kunst und Wissenschaft“, der folgenden Wortlaut hat: „Zur unmittelbaren Verwaltung und Leitung des Provinzial- museums unter dem Verwaltungsausschusse desselben wird ein Museumsdirektor angestellt. 143 Derselbe hat die Rechte und Pflichten eines Provinzial- beamten. Er wird nach Anhörung des Verwaltungsausschusses des Provinzialmuseums, welcher seinerseits sich zuvor mit den Vorständen der Einzelvereine zu benehmen hat, von dem Pro- vinzialausschusse ernannt. Sein Dienstvorgesetzter ist das Landesdirektorium. Er ist Mitglied des Verwaltungsausschusses des Provinzial- museums und nimmt an dessen Verhandlungen, soweit sie ihn nicht persönlich betreffen, mit beschliessender Stimme theil. Er bereitet die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses vor und trägt für deren Ausführung sorge. Er ist der nächste Vorgesetzte aller im Provinzialmuseum angestellten Beanıten und Dienstleute. Ihm liegt die Aufsicht über die Sammlungen ob und ist er für deren Ordnung und Konservirung verantwortlich. Soweit dabei Gegenstände in Frage kommen, welche in dem besonderen Eigenthum eines Einzelvereins stehen, bleibt er in seinen Massnahmen bezüglich der Konservirung und der etwaigen Restaurierung an die ausdrückliche Zustimmung des Vertreters des betreffenden Vereins im Verwaltungsausschusse gebunden. Im übrigen wird seine Thätigkeit und seine Stellung zu dem Verwaltungsausschusse des Provinzialmuseums und zu den einzelnen zu dem Provinzialmuseum vereinigten Vereinen durch eine nach Anhörung der einzelnen Vorstände von dem Verwaltungsausschusse zu genehmigende Dienstanweisung ge- regelt.“ Auf letztere näher einzugehen, ist hier nicht der Platz. Nunmehr wenden wir uns wieder der Geschichte der Ge- sellschaft selbst zu. Unbeeinflusst von dem Rückgange der Mitgliederzahl und den teilweise schlechten Kassenverhältnissen fanden die seit 1356/57 eingerichteten Vorträge an jedem Donnerstag im Winterhalbjahr im Museumsgebäude an der Prinzenstrasse von 6 Uhr ab statt. Die Anzahl der in einem Winter abgehaltenen Sitzungen belief sich auf 20 bis 24. In denselben wurden Vor- 144 träge aus allen Gebieten der Naturwissenschaft gehalten. Die grösste Anzahl behandelte naturgemäss zoologische und botanische Themata. Aus dem Fache der Zoologie sprachen in wiederholten Vorlesungen vor allem Direktor Niemeyer, Postdirektor Pralle, Dr. Rüst, Prof. Kaiser, Dr. Schäff über Säugetiere und Vögel und im besonderen Oberförster Wissmann und Staats Freiherr von Waequant-Geozelles über die Jagdtiere, Dr. Pape und Dr. Ude über die niederen Wirbeltiere, besonders Reptilien und Amphibien. Über schädliche Insekten berichtete Prof. Hess, über Schmetterlinge Revisor Glitz, Naturalienhändler Kreye, Kaufmann Hoffmann, über Hymenopteren und Conchylien Lehrer Gehrs, über die anderen wirbellosen Tiere und über Themata aus der allgemeinen Zoologie Med.-Rat Hahn, Prof. Begemann, Lehrer Hupe, Dr. Bertram, Prof. Kohlrausch, Dr. Voges, Dr. küst, Kandidat des höheren Schulamts Ackemann, Oberlehrer Steinvorth, Prof. Henking und Dr. Ude. Über Themata aus der Botanik hielten Vorträge Dr. von Holle, Oberlehrer Dr. Mejer, Apotheker Andree, Apotheker Beckmann, Apotheker Brandes, welche vor allem die einheimische Flora und ihre Veränderungen berücksichtigten, ferner Med.-Rat Hahn, A. Stromeyer, Prof. Begemann, Eisenbahn-Betriebs-Sekretär Keese, ©. Gehrs, Ober- lehrer Steinvorth, Dr. Warnecke, welche die allgemeine Botanik sowie Anatomie und Physiologie behandelten, und Apotheker Engelke und Dr. Wehmer, die über die Pilze vortrugen. -— In den ersten Jahren dieser Geschichtsepoche wurden auch Vorträge medizinischen Inhalts gehalten, so z. B. von Med.-Rat Hahn, Med.-Rat Cohen, Sanitätsrat Hüpeden, Med.-Rat Mensching, Dr. Esberg, Oberstabsarzt Dyes und Dr. Dürr. Mitteilungen aus der Nahrungsmittellehre brachten die Vorlesungen von Dr. Skalweit, Dr. Ballauf, Apotheker Salfeld und Dr. Schwarz. Rein mine- ralogische Berichte lieferten Dr. Guthe und Prof. Ulrich, während Bergrat Schuster, Amtsrat Dr. Struckmann, Dr. O. Lang und Bauinspektor Hoyer im besonderen die Geologie unserer Provinz und Dr. Rüst, Dr. Bertram und Oberlehrer Steinvorth allgemeine Kapitel aus der Geologie brachten. In früheren Jahren wurden häufig physikalische Vorträge gehalten, besonders von Prof. von Quintus-Ieilius, Dr. Guthe, Mechaniker Landsberg, Prof. Bege- 145 mann, Dr. Raydt; in den letzten Jahren haben dieselben indessen keinen dauernden Vertreter gefunden. — Auch durch chemische Vorlesungen wurden die Mitglieder wiederholt erfreut, so von Prof. Kraut, A. Stromeyer, Dr. Fischer, Prof. Begemann, Dr. Jüdell, Apotheker Brandes, Apotheker Salfeld, Dr. Schmieder, Apotheker Seelhorst und Ingenieur Rüst; aber auch diese sind in den letzten Jahren gegenüber zoologischen, botanischen und geologischen Vorträgen in den Hintergrund getreten. Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch über Kapitel aus der Astronomie (von Quintus-leilius), Geographie (Dr. Guthe), Meteorologie (Prof. Begemann) und Praehistorie (Dr. Struckmann) mehrfach Bericht erstattet wurde. So sehen wir denn in den Vorträgen die mannigfaltigsten Gebiete vertreten und es ist erklärlich, dass die Sitzungen sich durchschnittlich eines Besuches erfreuten, der zwar nicht sehr zahlreich war, aber von jenen Mitgliedern stets wiederholt wurde, die sich specieller mit den Naturwissenschaften beschäftigten. Um das Interesse derselben noch mehr zu erwecken, wurden im Anfang der siebziger Jahre nach den Vorträgen zoologisch- botanische, chemische und mineralogisch-zoologische Sektions- sitzungen abgehalten. Leider findet sich nirgends ein Bericht darüber, wie dieselben verliefen und ob sie bei den Mitgliedern Anklang fanden. Indessen scheinen sie nur einige Jahre durch- geführt zu sein. Nicht immer war es leicht, geeignete Kräfte für Vorträge zu gewinnen, da nicht Jedermann die zur Bearbeitung eines längeren Aufsatzes nötige Zeit zur Verfügung steht. Um diesem Mangel abzuhelfen und auch den durch ihren Beruf sehr in Anspruch genommenen Mitgliedern Gelegenheit zu bieten, persönlich an der Besprechung naturwissenschaftlicher Fragen teilzunehmen, erging seitens des Vorstandes wiederholt in den Jahresberichten und Generalversammlungen die Aufforderung, statt längerer Vor- träge kleinere Mitteilungen und Demonstrationen zu bringen. Da diesen Aufforderungen indessen nicht nachgekommen wurde, so beschloss man im Jahre 1895, in den Sitzungen derartig eine Änderung eintreten zu lassen, dass abwechselnd in der einen ein Vortrag gehalten wird, während die folgende kleineren 146 Berichten gewidmet ist. Soweit sich bis jetzt feststellen lässt, findet diese Einrichtung viel Anklang, da sie geeignet ist durch Meinungstausch über naturwissenschaftliche Fragen den Verkehr unter den Mitgliedern zu vertiefen. Weiterhin wurde im Jahre 1888 in Anregung gebracht, einen „Fragekasten“ einzurichten, der zur Aufnahme von Zetteln mit anonym gestellten Fragen dienen sollte. Andererseits wurde auch der Wunsch ausgesprochen, dass die für das Museum an- geschafften neuen Naturalien in den Sitzungen vorgelegt werden möchten. Letzteres ist seit einigen Jahren, wenn die Objekte dazu geeignet schienen, wiederholt geschehen. Durch Beschluss der Generalversammlung vom 15. März 1883 kam ein Vertrag zwischen den Mitgliedern der Naturhistorischen Gesellschaft, der Geographischen Gesellschaft, des Mathematischen Vereins und des Feldmesservereins zu stande, dem gemäss der Besuch der Versammlungen jener Vereine, um die Vorträge an- zuhören, jedem Mitgliede eines derselben erlaubt sein sollte. Grosse praktische Wirkung erwartete man zwar von diesem Be- schlusse nicht, da selbstverständlich auch früher schon von seiten unserer Gesellschaft nıe dagegen Einwand erhoben wurde, wenn ein Nicht-Mitglied einem Vortrage beiwohnte. Indessen hoffte man, dass durch jenen Beschluss der hier herrschenden Zersplitterung der wissenschaftlichen Vereinigungen ein Ziel gesetzt werden könnte und dass die Vereine in ein näheres Verhältnis zu einander treten würden. Wie zu erwarten war, hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. — Im Jahre 1895 wurde jener Gedanke wieder in Anregung gebracht und der Versuch gemacht, mit anderen Vereinen in ein Gegenseitigkeitsverhältnis zu treten. Da aber nach wiederholten Bemühungen kein Erfolg eintrat, so nahm man von weiteren Schritten Abstand. — Schliesslich ist hier noch zu erwähnen, dass die Donnerstags- Sitzungen seit dem Winter 1890/91 nicht mehr, wie bis dahin, von 6—8 Uhr, sondern von 8—10 Uhr abgehalten werden. Diese Veränderung wurde besonders auf Wunsch der jüngeren Teilnehmer an den Sitzungen eingeführt und hat zweifelsohne wesentlich zur Hebung des näheren Verkehrs der Mitglieder unter einander und damit eines regeren Lebens in der Ge- 147 sellschaft beigetragen. Während nämlich früher nach Schluss der Sitzungen die Mitglieder sich sofort trennten oder doch nur in geringer Zahl zusammenblieben, ist seit jener Zeit immer eine grössere Anzahl bereit, an einer an die Sitzung an- schliessenden geselligen Zusammenkunft in einem Restaurant teilzunehmen. Solche zwanglosen Vereinigungen sind aber be- geeignet, dass die Mitglieder sich sowohl näher sonders dazu g& kennen lernen, als auch Vereinsangelegenheiten besser besprechen können. Auch im Sommer finden diese geselligen Zusammen- künfte statt und ermöglichen den Mitgliedern während des ganzen Jahres in stetem Verkehr mit einander zu bleiben. In dieser Beziehung sind auch die von der Gesellschaft unternommenen wissenschaftlichen Exkursionen von hoher Bedeutung. Bislang wurden in einem Sommer meist nur 2 solcher Ausflüge veranstaltet, indessen ist in letztem Frühjahr (1896) der lebhafte Wunsch rege geworden, dieselben öfters zu wiederholen. Es liegt in der Natur der Sache selbst, dass diese Exkursionen vorwiegend zur Erforschung der Flora und der geologischen Verhältnisse unserer Provinz dienten, während eigentliche zoologische und mineralogische Ausflüge nicht statt- fanden. Zeitweise (etwa von 1878 bis 1882: wurden die Ex- kursionen in Gemeinschaft mit den Mitgliedern der Geographischen Gesellschaft, deren Vorsitzender anfangs auch von Quintus-Icilius war, veranstaltet. Ausser den in die nähere Umgebung unserer Stadt unternommenen Ausflügen wurden auch weiter entfernt gelegene interessante Punkte unserer Provinz aufgesucht. So veranstaltete die Gesellschaft wiederholt Exkursionen in die Heide, nach dem Deister, Süntel-Hohenstein, den Hildesheimer Bergen, Wohldenberge, dem Hils, Ith, Goslar und nach Scharzfels im Harz. Letztere wurde im Jahre 1882 unter Leitung von Amtsrat Dr. Struckmann zur Besichtigung der von ihm kurz vorher ausgegrabenen Einhornhöhle unternommen. Was die von der Gesellschaft herausgegebenen Jahres- berichte und Abhandlungen anlangt, so erschienen die- selben in der Zeit von 1870 bis 1876 regelmässig. Mit der seitdem sich verschlechternden Finanzlage musste jedoch von einer jährlichen Berichterstattung abgesehen werden und infolge 148 davon fanden seit jener Zeit meist nur alle 2 Jahre Veröffent- lichungen statt; die auf das Jahr 1884 folgenden Jahresberichte 34—-37 konnten überhaupt erst 1888 herausgegeben werden. Hiermit hängt es natürlich zusammen, dass auch in dieser Periode noch nicht das erreicht werden konnte, was Witte früher einmal in Anregung brachte: nämlich eine Flora und Fauna der Provinz Hannover zusammenzustellen. Trotzdem ist aber ein gut Teil Arbeit gethan, die von dem unermüdlichen Streben der Gesellschaftsmitglieder rühmlich Kunde giebt. In etwa 60 Aufsätzen, die seit 1871 öffentlicht werden konnten, ist für die Erforschung der natur- 97 in unseren Jahresberichten ver- wissenschaftlichen Verhältnisse unserer Provinz manche in- teressante Mitteilung gemacht. Aus dem Gebiete der Zoologie veröffentlichte Dr. Metzger die Fortsetzung seines Aufsatzes über wirbellose Tiere der ostfriesischen Küste, während Rechnungsrat Glitz in 5 Abhandlungen eine tabellarische Übersicht über die bei Hannover gefangenen Schmetterlinge gab. Prof. Hess publizierte eine Bestimmungstabelle über die dem Apfelbaume schädlichen Insekten; Lehrer Gehrs legte in mehreren Aufsätzen ein Verzeichnis der bei Hannover gefundenen Weichtiere nieder und schrieb eine kurze Abhandlung über eine Singceicade. Post- direktor Pralle brachte Mitteilungen aus dem Leben einiger Vögel. In neuerer Zeit veröffentlichte Dr. Ude den ersten Teil seiner Untersuchungen über Ringelwürmer der Provinz Hannover und ein Verzeichnis mit kurzer Charakteristik der von ihm be- stimmten Eidechsen des Provinzial-Museums. Schliesslich enthält der diesjährige Jahresbericht eine kurze, aber interessante Mit- teilung des Naturalienhändlers Kreye über den Zwitter eines Schmetterlings. — Mit der Flora Hannovers beschäftigte sich be- sonders Dr. Mejer, der zunächst einen Nachtrag zu dem v. Holle’ schen Pflanzenverzeichnisse lieferte und dann nach seiner 1875 erschienenen Flora von Hannover wiederholt Nachträge über neue Funde und Veränderungen in der Zusammensetzung der Flora herausgab. Nicht minder wertvoll sind die von Apotheker Andree publizierte Flora von Münder und einige kleinere Artikel. Auch von Holle lieferte wieder einen Beitrag zur Kenntnis der ein- heimischen Pflanzenwelt, indem er interessante Mitteilungen über 149 die am Hohenstein wachsenden Hieracien brachte. In jüngster Zeit hat dann Dr. Wehmer mehrere Abhandlungen in unseren Jahresberichten niedergelegt und zwar über die hannoversche Pilzflora. — In den ersten Jahren dieses Abschnittes der Geschichte unserer Gesellschaft veröffentlichte Dr. Guthe krystallographische und geographische Notizen, während Prof. Begemann eine Reihe von kurzen Aufzeichnungen über die meteorologischen Verhältnisse Hannovers brachte. — Dem Studium der geologischen Forma- tionen unserer Provinz widmete sich in erster Linie Amtsrat Dr. Struckmann. In einer Reihe von Abhandlungen legte er seine wertvollen Untersuchungen über den hannoverschen Jura und Wealdon nieder und veröffentlichte ausserdem mehrere inter- essante Arbeiten über die in der Provinz Hannover gefundenen fossilen und subfossilen Reste quartärer Säugetiere, sowie einen Aufsatz über die ältesten menschlichen Werkzeuge und Waffen im nördlichen Europa. Dr. Rüst studierte die geologische Ver- breitung der Radiolarien, gab eine tabellarische Übersicht über die Organisationstypen in den geologischen Formationen und veröffentlicht in diesem Jahre ein Verzeichnis der von ihm in Gesteinen der Provinz Hannover gefundenen Radiolarien. Weiter- hin erscheinen in dem diesjährigen Bericht zwei Artikel von Dr. 0. Lang ») von denen sich der eine mit der Bildungsgeschichte des Harzes, der andere mit Erdölquellen in unserer Provinz beschäftigt. Schliesslich dürfen wir hier einige Arbeiten nicht unerwähnt lassen, die zwar wegen ihres bedeutenden Umfanges nicht in unseren Jahresbericht direkt aufgenommen werden konnten, die aber von Vorstandsmitgliedern unserer Gesellschaft verfasst und mit pekuniärer Unterstützung seitens der Provinzial-Verwaltung ver- öffentlicht werden. Dahin gehört in erster Linie ein grosses Werk von Apotheker Brandes, welches eine Zusammenstellung aller in der Provinz bislang gefundenen Gefässpflanzen mit Angabe der Fundorte bringt und das somit eine Flora Hannovers darstellt. Weiterhin veröffentlicht Dr. Rüst ausser einem Kata- loge unserer Vogelsammlung noch ein besonderes Verzeichnis der in unserer Provinz vorkommenden und in unseren Samm- lungen vertretenen Vögel. Ferner enthält der von Prof. Dr. 150 Kaiser herausgegebene Katalog der Säugetiersammlung des Pro- vinzial-Museums gleichzeitig auch ein fast vollständiges Namens- verzeichnis der in Hannover vorkommenden Säugetiere. So sehen wir denn, dass die von der Gesellschaft veröffent- lichten Abhandlungen und Schriften thatsächlich für die Kenntnis der vaterländischen Naturkunde von grossem Werte sind. Es ist Hoffnung vorhanden, dass auf den eingeschlagenen Bahnen weitergewandelt wird und dass es gelingt, mit der Zeit eine vollständige Fauna und Flora unserer Provinz zusammenstellen zu können. Im Anschluss an den Bericht über die wissenschaftliche Thätigkeit möge hier erwähnt werden, dass Mitglieder unserer Gesellschaft auch an der vom 24. bis 26. September 1884 in Hannover tagenden 32. allgemeinen Versammlung der „Deutschen Geologischen Gesellschaft“ teilnahmen. Amtsrat Dr. Struckmann hatte die lokale Geschäftsführung übernommen und hielt beim Empfang in dem Saale des alten Rathauses die Begrüssungsrede, in welcher er nach einer allge- meineren Einleitung eine Übersicht über diejenigen Geologen gab, die sich um die Geologie von Hannover verdient gemacht haben. Am 25. September wurden unter Leitung der Vorstandsmit- glieder unserer Gesellschaft die Sammlungen besichtigt, welche allgemein Anklang fanden. Am Nachmittag desselben Tages wurden unter Führung des jetzigen Gartendirektors Wend- land die Gewächshäuser in Herrenhausen in Augenschein ge- nommen. Im August 1894 tagte in Hannover der Anthropologen- Kongress. An demselben beteiligte sich die Naturhistorische Gesellschaft nicht offiziell, indess liessen es sich die Vorstands- mitglieder angelegen sein, während der Besichtigungen der Sammlungen im Museum zu erscheinen. Amtsrat Dr. Struck- mann demonstrierte insonderheit die Funde aus der Einhorn- höhle. — Erwähnt sei hier noch, dass sich die Gesellschaft auch an mehreren Jubiläumsfeierlichkeiten beteiligte. So wurde im Jahre 1876 dem bekannten Arzte Dr. Stromeyer zu dessen 151 50 jährigem Dienstjubiläum eine Glückwunschadresse von einer aus von Quintus-lcilius, Niemeyer und Glitz bestehenden Ab- ordnung überreicht; ebenso überbrachte in demselben Jahre an Prof. Heeren zu dessen 50 jähriger Doktorfeier eine Vertretung, die aus A. Stromeyer, Niemeyer und Glitz bestand, die Glück- wünsche der Gesellschaft. Als Medizinal-Rat Dr. Hahn Ostern 1582 das 50jährige Jubiläum seiner Doktorpromotion feierte, bei welcher Gelegenheit er durch die Ernennung zum Geheimen Sanitätsrat ausgezeichnet wurde, da wurde ihm, als dem ältesten und stets eifrigsten Mitgliede, zum Dank für seine vielfachen Ver- dienste die Stellung eines Ehrenpräsidenten der Naturhistorischen (Gesellschaft übertragen. Weiterhin nahm unsere Gesellschaft auch an der im Dezember 1876 seitens des „Historischen Vereins“ veranstalteten Feier zur Erinnerung an Leibniz, der vor 200 Jahren seinen Wohnsitz in Hannover genommen hatte, teil. Als am 1. Mai 1882 der „Kunstverein“ das 50 jährige Jubiläum seines Bestehens feierte, da brachte auch die Naturhistorische Gesellschaft durch Dr. Mejer ihre Glückwünsche dar. Bei Ge- legenheit der Feier des 50 jährigen Stiftungsfestes des Gewerbe- vereins im November 1884 überbrachten im Namen unserer Gesellschaft von Quintus-Icilius und Struckmann die Glück- wünsche. Im Mai 1885 beging der Historische Verein für Niedersachsen sein 5Ojähriges Stiftungsfest; bei demselben war unsere Gesellschaft durch v. Quintus-Icilius und Hess vertreten. Schliesslich nahmen Dr. Rüst und Prof. Kaiser als Vertreter unserer Gesellschaft auch an der Feier des 50 jährigen Bestehens des Künstler-Vereins teil, die im Oktober 1892 stattfand. Was die Bibliothek unserer Gesellschaft anlangt, so haben wir folgendes darüber zu berichten. Die Vermehrung derselben fand vorwiegend durch Geschenke und Schriftentausch statt, da bei den durch andere dringende Ausgaben veranlassten schlechten Kassenverhältnissen auf grössere Ankäufe verzichtet werden musste. Durch Kauf wurden hauptsächlich fortlaufende Zeitschriften erworben, so z. B. Archiv für Naturgeschichte, Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Journal für Ornithologie, Botanische Zeitung und noch einige andere. 152 Eine höchst erfreuliche Ausdehnung nahm dagegen der Schriftentausch mit anderen Gesellschaften an. So belief sich die Anzahl der Vereine, mit denen wir in Verbindung stehen, im Jahre 1871 auf etwa 70, stieg bis zum Jahre 1880 auf etwa 130 und beträgt jetzt ungefähr 200. Von diesen Vereinen kommen etwa 110 auf Deutschland und Österreich-Ungarn und 80 auf die übrigen Länder. Wiederholt war schon in früheren Jahren der lebhafte Wunsch nach Herausgabe eines neuen Bücherverzeichnisses laut geworden, da das im Jahre 1851 aufgestellte bei weitem nicht mehr genügte. Infolge der ungünstigen Finanzlage musste indessen lange Zeit davon Abstand genommen werden. 1890 war es endlich möglich, dem Übelstande abzuhelfen und es unter- zogen sich deshalb Bertram und Ude der Arbeit und stellten mit Hülfe eines teilweise vorhandenen Zettelkatalogs ein neues Verzeichnis auf, das im Jahre 1891 im Druck erschien. In den vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, dass die Bücherei 1814 aus 655, 1827 aus 1235, 1851 aus 1588 Werken bestand. Das Verzeichnis von 1891 weist die be- deutende Zahl von etwa 2625 Werken auf, und zwar verteilen sich dieselben folgendermassen : 1) Tier- und Pflanzenkunde . . . . . . 1024 Werke 2) Stein-, Gestein- und Versteinerungs- kunde, Naturlehre il erschien. 24 3), NermischtevSchriften:. .„.uJhansu.-1% #0)288 n 4) Länder- und Völkerkunde .... . 422 f 5) Zeitschriften und Abhandlungen ge- lehrter; Gesellschaften, 1%. 1.5 “17 .-14296 zusammen . . 2625 Werke. Die Verwaltung der Bibliothek und des Lesezirkels lag bis zum Jahre 1871 in den bewährten Händen Guthe’s, an dessen Stelle dann Metzger trat. Nachdem dieser 1873 Hannover ver- lassen hatte, übernahm Mejer das Amt und versah dasselbe bis 1885. Sein Nachfolger wurde Preuss.. Nachdem Preuss sein Amt im Jahre 1890 niedergelegt hatte, übernahm Bertram die Bibliothek und Ude den Lesezirkel. Von 1892 bis 1894 war Ude Bibliothekar, seit 1894 versieht Keese dies Amt. 153 Wie im vorigen Abschnitt dieser Geschichte mitgeteilt wurde, war unsere Bibliothek von 1860 bis 1870 mit der Stadt- bibliothek vereinigt. Da indessen der Raum in der letzteren sehr beengt wurde, so musste unsere Bücherei im April 1870 wieder im Museumsgebäude untergebracht werden und wurde, da ein anderer Platz nicht zur Verfügung stand, in einem Raume neben den Sammlungszimmern aufgestellt. Im Jahre 1885 er- hielt dann die Bibliothek in dem an der Prinzenstrasse gelegenen und von der Provinzial-Verwaltung angekauften Adickes’schen Gebäude Räume angewiesen. Schliesslich sei noch bemerkt, dass wie in früheren Jahren, so auch seit 1895 wieder die neu einlaufenden Bücher vor den Donnerstags-Sitzungen zur Einsicht ausgelegt werden. — Einen erfreulichen Aufschwung und eine bedeutende Ver- vollständigung erfuhren seit 1870 die naturhistorischen Sammlungen im Provinzial-Museum, da es mit Hülfe der von den Provinzialständen bewilligten Summe von jährlich 1500 M, die 1376 auf 2500 Al erhöht wurde, möglich war neben den einlaufenden Geschenken vorhandene Lücken durch geeignete Ankäufe auszufüllen. Wenngleich eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Sammlungen in einem besonderen Kapitel gegeben werden soll, so wollen wir hier doch einige Bemerkungen darüber machen. In erster Linie wurde 1870 darauf Bedacht genommen, eine Petrefactensammlung, an der es bis dahin fast vollständig fehlte, zu gründen. Zu dem Zwecke wurde 1870 auf Antrag von Dr. Guthe und mit besonderer Unterstützung der königlichen Regierung eine Suite von Versteinerungen aus allen Formationen von dem Naturalienhändler Krantz in Bonn erworben. Durch wiederholte Ankäufe und mehrfache Geschenke, unter denen besonders die schöne Sammlung von Wesselhoefft hervorzuheben ist, hat sich die Petrefactensammlung stattlich entwickelt. Weiterhin wurde die neben der Grote’schen Fund- stättensammlung angefangene systematische Mineraliensammlung durch zahlreiche Ankäufe bedeutend erweitert. Von den zoolo- gischen Sammlungen waren bis 1870 diejenigen der Säugetiere, Vögel, Schmetterlinge, Käfer und Conchylien die reichhaltigsten, während die anderen Gruppen nur wenig oder gar nicht ver- 154 treten waren. Durch mehrfache Ankäufe wurden deshalb be- sonders die Sammlungen von Korallen, Seesternen, Seeigeln, Schwämmen, Krebsen, Würmern u. s. w. seit 1870 erst be- gründet. Daneben liefen indes auch sehr ansehnliche Geschenke ein. So schenkten die Erben des Weinhändlers Schultz eine in 2 grossen Schränken aufgestellte Sammlung europäischer und. exotischer Schmetterlinge. Lehrer Gehrs sammelte die einheimischen Mollusken, Lehrer Peets die einheimischen Käfer. Der Reichskanzler von Caprivi überwies dem Museum die be- deutende Conchyliensammlung des Divisionspfarrers Knoche und die Provinzial-Verwaltung die schöne Albers’sche Käfersammlung. Auch die Sammlung der Wirbeltiere wurde sowohl durch An- käufe wie auch durch Geschenke wesentlich vergrössert und mit schönen Schaustücken bedacht. Nicht minder rasch entwickelten sich die botanischen Sammlungen. So schenkten Frau von Lantzius-Beninga, Frau Assessor von Pape, Oberamtsrichter von Hinüber, Dr. von Holle und Apotheker Brandes umfangreiche Herbarien mit Gefässpflanzen. Ein Herbarium mit Moosen, Algen und Flechten und eine Sammlung Pilzmodelle erhielt das Museum vom Oberamtsrichter von Hinüber. Letzterer ver- machte ausserdem eine schöne Sammlung von Obst-Nachbildungen und gab dadurch Veranlassung zur Gründung einer besonderen Fruchtsammlung, die sich allmählich immermehr vergrössert. So nahmen die Sammlungen in verhältnismässig kurzer Zeit und trotz der im allgemeinen nur geringen Geldmittel doch einen ganz bedeutenden Aufschwung. Bei diesem raschen An- wachsen machte sich aber der Raummangel im Museum trotz der Erweiterungs- und Neubauten immer mehr bemerkbar und es war dringend zu wünschen, dass hier Abhülfe geschaffen wurde. Mit Freude wurde es daher auch von den übrigen zum Provinzial-Museum gehörenden Vereinen begrüsst, dass es den Bemühungen der Provinzialbehörden im Jahre 1895 gelang, den Provinziallandtag von der Notwendigkeit der Errichtung eines neuen Museumsgebäudes zu überzeugen. Im Februar 1895 stellte der Provinzialausschuss folgenden Antrag: „Der Provinziallandtag wolle beschliessen : 1) den Neubau eines den Sammlungen des Provinzialmuseums, der Fideikommissgallerie des Gesamthauses Braunschweig- Lüneburg und dem Welfenmuseum dienenden Museums- gebäudes zu genehmigen. 2) den Provinzialausschuss zu ermächtigen a. mit dem Maeistrate der kgl. Haupt- und Residenzstadt Hannover einen Vertrag zu schliessen, inhalts dessen sich der Magistrat verpflichtet, für den Neubau einen völlig frei gelegenen, den Bedürfnissen genügenden und von dem Provinzialausschusse für angemessen erachteten Bauplatz in dem vorderen Teile der Masch unentgeltlich dem Provinzialverbande zu Eigentum zu überweisen und das bisherige Museumsgebäude gegen Zahlung eines Kaufpreises von 725000 Al zu übernehmen, wogegen der Provinzialverband sich verpflichtet, das bisherige Gebäude dem Magistrate hypothekenfrei und frei von etwa darauf haftenden privatrechtlichen Lasten und Verbindlichkeiten, namentlich gegen den Kunstverein, die Naturhistorische Gesellschaft und den Historischen Verein für Niedersachsen abzutreten. b. einen den Verhältnissen des von der Stadt hergegebenen Platzes und seiner Umgebung entsprechenden monu- mentalen Museumsneubau unter Aufwendung einer Summe von etwa 1500000 Al, jedoch höchstens von 1500000 Al, eingerechnet von 700000 Alb aus dem von der Stadt gezahlten Kaufpreise, in den Jahren 1896 und folgenden zur Ausführung zu bringen, und c. die erforderlichen Vorbereitungen im kommenden Rech- nungsjahre zu treffen und zur Bestreitung der vorläufig entstehenden Kosten eine Summe von 15000 M aus den Überschüssen der Vorjahre zu verwenden, und 3) den Provinzialausschuss zu beauftragen, im Übrigen wegen der Art und Weise der Aufbringung der Mittel dem kommenden Provinziallandtage eine Vorlage zu machen.“ In der Sitzung vom 15. Februar 1895 wurde dieser Antrag des Provinzialausschusses vom Provinziallandtage angenommen und bald darauf ein Preisausschreiben erlassen. Unter der 156 grossen Anzahl von Entwürfen wurde derjenige von Prof. Stier in Hannover mit dem ersten Preise gekrönt und zur Ausführung angenommen. — Wir wollen diesen Abschnitt der Geschichte unserer Ge- sellschaft nicht schliessen, ohne dass wir uns dankbar jener Mitglieder erinnern, die uns durch den Tod entrissen sind, deren Andenken aber durch ihre Verdienste um die Gesellschaft und die Sammlungen für immer in den Annalen der Naturhistorischen Gesellschaft verzeichnet steht. Ein kurzer Überblick über ihr Leben und Wirken möge demnach hier Platz finden. Friedrich Ludwig Christian Jugler*) wurde als Sohn des Landphysikus Johann Heinrich Jugler am 11. Juni 1792 in Gifhorn geboren. Seinen Schuluntericht erhielt er anfänglich in Lüchow, von 1809 ab in Lüneburg. Nach Absolvierung der Schule nahm er zuächst die Stelle eines Sekretärs bei dem in Lüneburg 1810 neu errichteten Douanen- Tribunale und dann 1813 das Amt eines 2. Greffiers bei dem Tribunale erster Instanz daselbst an. Seine schwächliche Körperkonstitution und hauptsächlich ein Fehler am Beine — das eine Bein war erheblich kürzer als das andere — schützten ihn gegen die Konskription, verstatteten ihm aber auch nicht, bei der Errichtung des vaterländischen Heeres in dasselbe ein- zutreten. Ostern 1814 bezog er die Universität Göttingen, um die Rechte zu studieren. Bereits im ersten Studienjahre bearbeitete er eine Preisfrage, der nebst einer zweiten das Accessit und ein ausserordentlicher Preis zuerkannt wurde. Daneben beschäftigte er sich mit Kunstgeschichte, Techno- logie, Ökonomie und mit historischen und politischen Wissen- schaften, worin ihm sein Amt als Accessist der Bibliothek sehr zu statten kam. Nach vollendetem Studium wurde er 1818 als Bergamtsauditor in Clausthal angestellt und bereits 1819 zum Vice-Bergschreiber befördert. In Clausthal legte die emsige Beschäftigung mit seinem Berufsfache den ersten Grund zu seinen mineralogischen Kenntnissen und Sammlungen. 1821 wurde er zunächst als Hülfsarbeiter bei der kgl. Kammer zu *) XXII. Jahresbericht der Naturhistorischen Gesellschaft p. 20. 157 Hannover angestellt. Er behielt diesen Geschäftszweig auch später als Referent beim kgl. Kabinettsministerium und beim Ministerium der Finanzen und des Handels bis zu seinem Aus- tritte aus dem Staatsdienste, den 1. April 1854, nachdem er 1826 den Titel als Berginspektor, 1832 als Bergrat und 1839 als Oberbergrat erhalten hatte. Nach einer grossen Inspektions- reise durch Deutschland und Österreich-Ungarn, die er 1822 mit seinem Freunde, dem späteren Oberbergrat Freiherrn Grote, unternahm und auf der er fast alle deutschen Geologen kennen lernte, widmete er sich mit noch grösserem Eifer dem Sammeln von Mineralien und Versteinerungen. So gelangte Jugler in den Besitz einer grossen Petrefactensammlung aus dem nord- westlichen Deutschland, die wiederholt von hervorragenden Geo- logen besucht und zu wissenschaftlichen Arbeiten benutzt wurde. In den Jahıen 1848 bis 1856 litt er an einer eigentümlichen Nervenkrankheit seiner Fingerspitzen, so dass ihm die Benutzung seiner Sammlung, die durch Austausch von Doubletten mit anderen Geologen eine allgemeine Bedeutung erlangte, fast unmöglich gemacht wurde. Er verkaufte sie deshalb 1857 für 3200 Thlr. Gold an das kgl. Ministerium des Innern, welches dieselbe grösstenteils an die hiesige polytechnische Schule abgab, während einige Stücke nach Göttingen kamen. — Im Jahre 1854 trat Jugler wegen zunehmender Kränklichkeit in den Ruhestand, doch beschäftigte er sich auch fernerhin noch mit der Bergwerksverwaltung. Er starb infolge eines Schlaganfalls am 30. November 1871. — Jugler hat zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, u. a. 1855 einen „Überblick über die geognostischen Verhältnisse des Königreichs Hannover nach ihren Beziehungen für die technische Anwendung“. Der Naturhistorischen Gesell- schaft gehörte er seit 1821 an und hat sich um dieselbe, wie wir oben gesehen haben, hervorragende Verdienste erworben. — Obergerichts-Vice-Direktor Witte*) gehörte von 1853 bis 1870 dem Vorstand und zwar bis 1866 als Vor- sitzender an; 1870 wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt. *) Über Witte’s Lebensgang liess sich leider nichts Sicheres fest- stellen. 158 Unter seinem Vorsitz wurden die regelmässigen Vorträge ein- geführt, an denen er selbst lebhaft teilnahm. Witte war ein tüchtiger Geologe und Petrefactenkenner; er besass eine hervor- ragende Conchylien- und eine vorzügliche Petrefactensammlung. Letztere enthielt zahlreiche Exemplare, die wegen ihrer Schön- heit einzig dastanden und, da Witte selbst nicht schriftstellerisch thätig war, von anderen Gelehrten zu wissenschaftlichen Arbeiten verwertet wurden. Nach dem am 2. September 1872 erfolgten Tode Witte’s ging seine Sammlung in den Besitz des Göttinger Museums über. Hermann Adolf Wilhelm Otto Guthe*, wurde am 12. August 1825 als Sohn eines Kaufmanns zu St. Andreasberg geboren und erhielt seine Schulbildung auf dem Gymnasium zu Clausthal; Ostern 1845 bezog er die Universität Göttingen, um sich dem Studium der alten Philologie und nebenbei der Mathematik und der Naturwissenschaft zu widmen. Vorüber- gehend (W.-S. 1847/48) studierte er in Berlin. Nach glücklich absolviertem Examen wandte sich Guthe nach Hannover, wo er Michaelis 1849 eine Lehrerstelle am Lyceum bekam. Hier übernahm er den Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaften und Geographie. Besonders beschäftigte er sich zuerst mit Mineralogie und machte mit pekuniärer Unterstützung des Ober- schulkollegiums mineralogische Reisen nach Norwegen und Ungarn. Allmählich wandte sich Guthe fast allein dem Studium der Geographie zu. Seiner Tüchtigkeit verdankte er es, dass er dem Kronprinzen und den Prinzessinnen Privatunterricht er- teilen durfte und dass er 1863 den geographischen Unterricht am Kadettenkorps erhielt. In demselben Jahre wurde er als Lehrer für Mathematik und Mineralogie an der polytechnischen Schule angestellt. Im Jahre 1868 gab er sein bekanntes „Lehrbuch der Geographie“ heraus und wurde er zum Professor ernannt. 1873 veröffentlichte er seine „Lande Braunschweig und Hannover“. Ostern 1873 folgte er einem Rufe als Lehrer der Geographie an das Polytechnikum München. Hier starb er ”) Vgl. XXIII. Jahresbericht der Naturhistorischen Gesellschaft, Seite 51. 159 bereits am 28. Januar 1874. — Guthe gehörte unserer Gesell- schaft seit 1850 als Vorstandsmitglied an; er war langjähriger Schriftführer, Bibliothekar, Verwalter der mineralogischen Sammlung und Leiter des von ihm gegründeten Lesezirkels. Daneben hat er zahlreiche, stets interessante Vorträge gehalten und eine Reihe von Abhandlungen zu den Jahresberichten geliefert. Heinrich Credner*), war 1809 zu Waltershausen bei Gotha geboren, absolvierte das Gymnasium illustre zu Gotha, studierte von 1829—1831 zu Freiburg und Göttingen, stand dann bis 1858 in gothaischen und von 1855 —1866 in hannover- schen Diensten als Oberbergrat. Während dieser Zeit gehörte er der Naturhistorischen Gesellschaft als Vorstandsmitglied an, hielt zahlreiche Vorträge und lieferte mehrere wertvolle geo- logische Abhandlungen für die Jahresberichte. 1867 trat er in preussische Dienste und weilte nach einjährigem Aufenthalte in Berlin von 1868 ab am Öberbergamt Halle. Er starb als Geh. Bergrat zu Halle a. S. am 28. September 1876. Ferdinand Mühry**), wurde am 12. November 1811 in Hannnover geboren, bezog nach erlangter Schulbildung die Universität Göttingen, wurde dann hannnoverscher Forstamts- auditor und hatte von 1848 bis 1858 die Forstinspektion Ost- friesland inne. Nachdem er darauf als Forstrat und vortragen- der Rat im hannoverschen Finanzministerium beschäftigt war, übernahm er 1864 die Forstinspektion Hildesheim. Seit 1869 wohnte er in Hannover. Er starb am 14. April 1876. Der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte er in den 60er Jahren als Vorstandsmitglied und Leiter der Vogelsammlung an. Andreas Christian Gerlach*** wurde am 15. Mai 1811 zu Wedderstedt bei Quedlinburg geboren. Nachdem er die Schule in Halberstadt besucht hatte, wurde er Ostern 1830 Eleve der Tierarzneischule. Nach seiner Approbation im Jahre 1833 wurde er Militärrossarzt und liess sich 1837 in Hettstedt *) Vgl. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Palä- ontologie. Jahrgang 1876, Seite 895. **) Hannoverscher Courier 1876 vom 19. April. ***) (sünther, die Königliche Thierarzneischule zu Hannover. 1878, Seite 163. 160 bei Eisleben als praktischer Tierarzt nieder. 1845 wurde er Kreistierarzt und veröffentlichte seine erste bedeutendere Arbeit über „die Blutseuche der Schafe“. Infolge davon wurde er als Repetitor nach Berlin berufen und 1849 als Lehrer an- gestellt. 1859 wurde Gerlach Direktor der Tierarzneischule in Hannover und erhielt den Professortitel, eine Auszeichnung, die bis dahin dem tierärztlichen Stande noch nicht widerfahren war. Hier entfaltete Gerlach eine rege Thätigkeit und nahm auch lebhaften Anteil an den Vorträgen in der Naturhistorischen Gesellschaft. 1869 wurde er zum Geheimen Medizinalrat er- nannt und 1870 als Direktor an die Tierarzneischule in Berlin berufen. Dort starb er am 29. August 1877. Wilhelm Pralle, Postdirektor a. D., gehörte der Gesellschaft seit 1856 an und wurde einige Jahre nach seinem Fortgange nach Hildesheim im Jahre 1867 zum Ehrenmitgliede ernannt. Später kehrte er nach Hannover zurück und starb hier als Postdirektor a. D. am 26. Februar 1882. Er war wiederholt Mitglied des Vorstandes und hat sich als solches besonders durch seine Vorträge über das Leben der Vögel ver- dient gemacht. Ausserdem war ihm die Vogelsammlung des Museums unterstellt. Pralle war ein tüchtiger Ornithologe und besass selbst eine schöne Eiersammlung, die nach seinem Tode in den Besitz des Hildesheimer Museums überging. Arnold Hildebrand, Apotheker, wurde am 26. Januar 1808 in Münden geboren, trat 1523 in Clausthal als Apotheker in die Lehre, wurde 1839 Verwalter der Hofapotheke in Hannover und gründete 1845 die Apotheke an der Breitenstrasse. Er starbim Jahre 1883. Hildebrand gehörte unserer Naturhistorischen Gesellschaft ununterbrochen von 1839 bis zu seinem Tode an und bekleidete von 1850 bis 1857 das Amt eines Vorstands- mitgliedes. Gustav von Quintus-lcilius*), Professor, Dr., wurde am 20. September 1824 in Celle geboren, studierte in Göttingen und Berlin von Michaelis 1843 bis Ostern 1847 Mathematik *) Launhardt, die kgl. technische Hochschule zu Hannover von 1831 bis 1881. Hannover 1881. 161 xI und Naturwissenschaften, ward Ostern 1847 in Göttingen zum Dr. phil. promoviert, erhielt dort Michaelis 1849 die venia docendi für Physik und hielt als Privatdozent und Assistent am physikalischen Institute daselbst Vorträge. Michaelis 1853 wurde er als Lehrer für Physik und Mineralogie an die poly- technische Schule zu Hannover berufen, war von 1870 an Aichungsinspektor für die Provinz Hannover und wurde 1880 Mitglied der Kaiserl. Normal-Aichungskommission. Er starb am 17. März 1885. Was seine wissenschaftliche Thätigkeit anlangt, so hat er ausser einigen grösseren Werken, zahlreiche kleinere Abhandlungen physikalischen Inhalts veröffentlicht. Der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte er seit 1854 an und bekleidete von 1870 bis zu seinem Tode das Amt eines Vor- sitzenden. In den Sitzungen der Gesellschaft hat er eine grosse Anzahl von Vorträgen gehalten. — CarlBegemann, Professor, wurde am 25. September 1815 als Sohn des Hofpredigers Begemann zu Bückeburg geboren. Nach dem Besuche des Gymnasiums seiner Vaterstadt erlernte er die Apothekerkunst in Salzuffeln, bestand 1842 das Apotheker- examen in Göttingen und wurde Verwalter der Ratsapotheke in Lüneburg. Im Jahre 1848 wurde Begemann als Hülfslehrer für Naturwissenschaften an die kgl. Tierarzneischule zu Hannover berufen und 1876 zum Professor ernannt. Er starb am 29. Juni 1885. Er schrieb ein Lehrbuch über Veterinär-Pharmakopöe, Waarenkunde und Rezeptierkunde und hat zahlreiche meteoro- logische Beobachtungen — u. a. auch in den Jahresberichten der Naturhistorischen Gesellschaft — veröffentlicht. Von 1858 bis 1874 war er Vorstandsmitglied unserer Gesellschaft und hat in den Sitzungen zahlreiche Vorträge gehalten. Leonhard Ernst Gottlob Hahn, Geh. Sanitätsrat, Dr. med., wurde am 9. November 1807 in Hannover (Leinstr. 32) geboren, besuchte das Gymnasium zu Rinteln und studierte auf den Universitäten Göttingen und Leipzig Medizin. Nach voll- endeten Studien machte er grössere Reisen durch Italien, Frank- reich, England, wo er die Hospitäler besuchte. Nach seiner Rückkehr liess er sich in seiner Vaterstadt als praktischer Arzt nieder und übte diese Thätigkeit mit Erfolg bis in sein hohes 162- Alter aus. Im Jahre 1847 wurde er zum Hofchirurgen ernannt, 1854 erhielt er den Titel eines Medizinalrats und zur Feier seines 50 jährigen Doktorjubiläums 1882 wurde ihm die Be- zeichnung als preuss. Geh. Sanitätsrat verliehen. Er starb am 7. Februar 1887. — Der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte er seit 1835 an, war von 1850 bis 1870 Vorstandsmitglied und zwar von 1866 ab als Vorsitzender; 18382 wurde er wegen seiner grossen Verdienste zum Ehrenpräsidenten ernannt. Er war lange Jahre Verwalter der Säugetier-Sammlung, hat zahl- reiche Vorträge gehalten und einige wissenschaftliche Abhand- lungen in unseren Jahresberichten veröffentlicht. August Stromeyer,*) Chemiker, wurde als Sohn des Leibehirurgen Chr. Fr. Stromeyer zu Bad Limmer vor Hannover am 7. Juli 1807 geboren, besuchte das Lyceum und bezog nach abgelegter Reifeprüfung Ostern 1825 die Universität Göttingen, wo er Naturwissenschaften und besonders Chemie studierte. Im Jahre 1828 hielt er sich in Paris auf, kehrte 1829 nach Han- nover zurück, hielt sich dann kürzere Zeit in Göttingen auf, ging nach mehrjähriger praktischer pharmazeutischer Thätigkeit nach London und wurde 1833 Assistent bei Professor Clark in Aberdeen. Im Jahre 1834 wurde er mit der Errichtung einer Fabrik für Chrompräparate bei Drontheim in Norwegen betraut und stand derselben 18 Jahre lang als Direktor vor. Im Jahre 1852 kehrte er nach Hannover zurück, wo er sich fort- gesetzt mit chemischen Untersuchungen beschäftigte. Gründliches chemisches Wissen und reiche technische Erfahrung, verbunden mit bewundernswerter Arbeitskraft befähigten Stromeyer den In- dustriellen Hannovers in hervorragendem Masse als technischer Beirat zu dienen. Mit der Ausführung einer analytischen Arbeit beschäftigt und vor der chemischen Wage sitzend, starb der S0jährige Stromeyer am 21. November 1887. — Stromeyer war von 1870 bis zu seinem Tode Vorstandsmitglied der Natur- historischen Gesellschaft und hat zahlreiche Vorträge gehalten. Karl Otto Unico Ernst von Malortie, Staatsminister *) Dieser Nekrolog ist nach einem im Archiv der Naturhistor. Gesellschaft aufbewahrten Nachrufe abgefasst. 165 und Öberhofmarschall a. D., wurde am 15. November 1804 in Linden vor Hannover geboren, studierte in Göttingen die Rechte, ward 1836 zur Führung des Hofhalts des Herzogs Ernst August von Cumberland nach Berlin berufen und nach dessen Thron- besteigung 1837 zum Reisemarschall ernannt; 1862 wurde er Minister des königl. Hauses und trat 1866 in den Ruhestand. Er starb am 11. Oktober 1887. von Malortie unterstützte die Naturhistorische Gesellschaft von 1850 bis 1866 in jeder Hin- sicht und seiner Fürsprache ist es zu verdanken, dass die königl. Familie die naturhistorischen Sammlungen mit reichen (reschenken bedachte. Er selbst überwies eine umfangreiche (resteins- und Petrefacten-Sammlung ; unter seinem Vorsitz ent- stand das Museums-Gebäude an der Sophienstrasse. Im Jahre 1559 wurde von Malortie zum Ehrenmitgliede der Natur- historischen Gesellschaft ernannt. Eduard Wesselhoefft,*, Major a. D., war 1866 Haupt- mann im 3. Jäger-Bataillon zu Goslar; dann trat er zur preussi- schen Armee über und lebte seit dem Kriege 1870/71 als pensionierter Major in Hannover. Er starb am 4. September 1890. Der Naturhistorischen Gesellschaft gehörte Wesselhoefft seit 1574 an und zwar von 1885 bis zu seinem Tode als Vorstandsmitglied. Er verwaltete die Petrefacten-Sammlung und vermachte seine eigene wertvolle Sammlung testamentarisch der (Gesellschaft. Theodor Glitz starb als Rechnungsrat a. D. am 26. Febr. 18389 im Alter von 70 Jahren. Er war Mitglied der Natur- historischen Gesellschaft seit 1862 und bekleidete von 1870 bis zu seinem Tode das Amt eines Vorstandsmitgliedes und Ver- walters der Insektensammlung. Er hat sich besondere Verdienste um die Kenntnis unserer einheimischen Schmetterlinge erworben und eine Sammlung derselben angelegt, von der er in den Jahresberichten Verzeichnisse veröffentlichte. — Hermann Angerstein,* Kommerzrat, wurde am 10. Ok- tober 1814 in Hannover geboren. Er war lange Jahre Teil- haber der Apotheke von Andreö & Co., begründete 1846 die 3 ) Vergl. Deutsche Volkszeitung vom 3. Sept. 1890. *) Vergl. Hannoversches Gewerbeblatt vom 3. Mai 1890. 164 unter der Firma Erdmann und Angerstein betriebene Struve’sche Mineralwasseranstalt und gründete später die neue Hannoversche Badeanstalt. Er starb am 30. April 1890. Ausgestattet mit grossen natürlichen Gaben, ausgedehnten und gründlichen Kenntnissen in der Chemie und den sonstigen Naturwissenschaften, einer umfassenden allgemeinen Bildung und grossem Verwaltungstalent entfaltete Angerstein eine anregende und wirksame Thätigkeit auf den verschiedensten Gebieten. Um die Naturhistorische Gesellschaft, der er seit 1844 angehörte, hat er sich als Kassen- führer hervorragende Verdienste erworben. Von 1850 bis 1869 war er Vorstandsmitglied und vertrat die Gesellschaft von 1856 bis 1876 im Comite des Museums für Kunst- und Wissenschaft bezw. im Ausschusse des Provinzial-Museums. Georg von Holle,*) Dr. phil., wurde am 25. Mai 1825 auf dem Gute Eckerde bei Barsinghausen geboren. Schon als Schüler des Lyceums, das er seit 1841 besuchte, beschäftigte er sich fleissig mit Botanik. Nachdem er dann im Jahre 1845 der damaligen Ritter- Akademie in Lüneburg angehört hatte, bezog er 1846 die Universität Göttingen, wo er sich unter Bartling und Griesebach ausschliesslich mit botanischen Studien zur Vorbereitung auf die Dozentenlaufbahn beschäftigte und 1849 zum Dr. phil. promoviert wurde. Während des Jahres 1852 besuchte von Holle die Universität Wien und habilitierte sich dann als Dozent für Botanik an der Universität Heidelberg. Hier hat er eine grössere Anzahl wissenschaftlicher Abhand- lungen (u. a. 1857 „über die Zellenbläschen der Lebermoose‘*) veröffentlicht. Da er aber aus Gesundheitsrücksichten seine er- folgreich begonnene Laufbahn aufgeben musste, so kehrte er in seine Heimat zurück, setzte aber auch hier seine botanischen Studien fort und veröffentlichte 1862 seine „Farnflora von Hannover“ und das erste Heft seiner „Flora von Hannover“. Nach dem Tode seines Vaters trat v. Holle die Erbschaft des väterlichen Gutes Eckerde an, beschäftigte sich aber auch hier *) Die Darstellung des Lebenseanges des Dr. von Holle ist nach einem ausführlichen Bericht des Herrn Sanitätsrats Dr. Oberdieck abgefasst. 165 noch fleissig mit botanischen und entomologischen Studien, ins- besondere über die Arten und Abarten der Brombeersträucher, von welchen er zahlreiche Exemplare selbst kultivierte. — Nach einem ruhigen Lebensabend und schliesslich längerer Krankheit erlag er am 9. Oktober 1593 einem Herzleiden sanft in den Armen eines alten Freundes. -- Der Naturhistorischen Gesell- schaft gehörte v. Holle von 1854 bis 1858 als ordentliches und zwar von 1856 ab als Vorstandsmitglied an; 1860 wurde er zum Ehrenmitgliede ernannt. Nachdem er bereits in den Jahren 1855/56 den Sammlungen ein wertvolles Herbarium und eine schöne Suite Käfer überwiesen hatte, vermachte er 1893 testamentarisch wiederum ein sehr reichhaltiges Herbarium, eine umfangreiche Bibliothek und ausserdem noch 1000 Mk. Diese Vermächtnisse werden ibm für immer in den Annalen der Natur- historischen Gesellschaft eine dankbare Erinnerung sichern. Johann Friedrich Theodor Ulrich*), wurde am 2. Oktober 1830 zu Goslar geboren; absolvierte zunächst die höhere Schule seiner Vaterstadt und besuchte dann, nachdem er sich noch durch Privatstunden weiter vorbereitet hatte, von Michaelis 1847 bis 1850 die Bergschule zu Clausthal. Nach beendigtem Studium und bestandener Prüfung wurde er im De- zember 1850 auf den fiskalischen Hüttenwerken zu Oker am Harz als Hütteneleve angestellt. Hier bot sich ihm während des allmählichen Aufrückens zum Hüttenmeister vielfach Ge- legenheit zu Untersuchungen über die Hüttenprozesse in Oker und die mineralogisch und geologisch sehr anregende Umgebung seines Wohnorts. Ausserdem unternahm er mehrere Reisen, die ihn u. a. nach den Mansfelder, rheinischen, ungarischen und englischen Hüttenwerken führten. Die Resultate seiner eifrigen Studien hat er in einer grossen Anzahl kleiner Abhandlungen in den verschiedensten Zeitschriften, so auch in unseren Jahres- berichten veröffentlicht. Sowohl einen Ruf als Lehrer an die Bergakademie zu Clausthal wie einen solchen an die poly- technische Schule in Aachen lehnte er ab. Dagegen folgte er *) Verel. Launhardt, die königl. technische Hochschule von 1831 bis 1881, Seite 124. 166 im Herbst 1873 der Berufung an die polytechnische Schule zu Hannover als Lehrer der Mineralogie und Geologie. 1875 wurde er zum Professor ernannt. Er starb im Jahre 1894. — Um die Naturhistorische Gesellschaft hat sich Ulrich nicht allein durch eine Reihe von Vorträgen und wissenschaftlichen Arbeiten, die in den Jahresberichten veröffentlicht sind, verdient gemacht, sondern besonders auch dadurch, dass er die mineralogische Sammlung in jeder Beziehung mustergültig verwaltet hat. Von 1885 bis 1859 war Ulrich Vorsitzender der Gesellschaft und hat sich auch als solcher grosse Verdienste erworben. Ludwig Mejer wurde am 6. Juni 1825 in Celle geboren. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt absolviert hatte, bezog er die Universität Göttingen und widmete sich hier dem Studium der alten Sprachen, Mathematik und Botanik. Nach vollendetem Universitätsstudium fand er zunächst Beschäftigung am Gymnasium zu Celle, siedelte jedoch bald nach Hannover über, wo er als Kollaborator am Lyceum I. Anstellung fand. Zum Öberlehrer ernannt, gab er hier vorwiegend Unterricht in Mathematik und Geschichte. 1880 schied er aus dem Schul- dienste aus und widmete sich nun vorwiegend der Botanik. Am 27. Oktober 1880 wurde er in Leipzig zum Doctor philosophiae promoviert. Mejer, der mit einem umfangreichen Wissen ein Wesen seltener Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit verband, hat sich um die Naturhistorische Gesellschaft, zu deren Vor- stande er lange Jahre zählte, sowohl durch seine zahlreichen interessanten Vorträge, als auch besonders durch seine wissen- schaftlichen Abhandlungen verdient gemacht. Sein bekanntestes Werk ist die „Flora von Hannover“. Er starb nach längerer Krankheit am 15. September 1895. — 167 Überblick über die naturhistorischen Sammlungen. Obgleich wir in der vorstehenden Geschichte wiederholt Rücksicht auf die naturhistorischen Sammlungen genommen haben, so geschah dies jedoch nur insöfern als sie auf den Entwicklungsgang der Gesellschaft bestimmenden Einfluss aus- übten und für die Thätigkeit der Vorstandsmitglieder von Be- deutung waren. Es verlohnt sich deshalb wohl der Mühe, hier einen besonderen Überblick über den Entwicklungsgang der Sammlungen und ihren jetzigen Stand zu geben. Bei dieser Betrachtung brauchen wir die naturhistorischen Sammlungen der älteren Gesellschaft 1797 1849), die von geringem Werte waren, nur kurz zu erwähnen. Immerhin möge des historischen Interesses wegen davon folgendes hervorgehoben werden. Im Jahre 1800 schenkte der Lieutenant Lasius gelegentlich seines Vortrages über den Harz 119 Stück Harzer Gebirgsarten. 1801 erhielt die Gesellschaft vom cand. jur. Unger eine Sammlung einheimischer Käfer. Der Gerichtsverwalter Dr. Lehzen zu Neustadt am Hohenstein übersandte 1805 die Zähne eines bei Steigerthal ausgegrabenen Elephanten und 1806 Mineralien und Versteinerungen aus der Grafschaft Hohnstein. Zehndtner Meyer in Goslar schenkte 1807 eine Sammlung von Mineralien aus dem Rammelsberge. Ausser diesen und anderen Geschenken wurde die Sammlung im Jahre 1822 beträchtlich vergrössert durch die von den Gebrüdern Wilhelmi überlassenen Sammlungen einheimischer Tiere, welche 73 Säugetiere, 407 Vögel, 20 Fische, 11 Reptilien und Amphibien und 181 Raupenbälge enthielten. — Allein diese Sammlungen litten durch den Transport, welchen der mehrmalige Lokalwechsel mit sich brachte, ausserordentlich 168 und kamen, da die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten durchaus ungenügend waren, immer mehr in Verfall, so dass sie in den vierziger Jahren fast vollkommen wertlos geworden waren. Infolge davon wurde von ihnen bei der Umgestaltung der Gesellschaft im Jahre 1850 und bei der Begründung der jetzigen Sammlungen so gut wie nichts über- nommen. Mit dem Jahre 1850 beginnt dann eine neue Ära in der Entwicklung der Sammlungen. Infolge des am 16. März 1850 erlassenen Aufrufs an das Publikum zur Gründung eines natur- historischen Museums trat der Gesellschaft nicht allein eine grössere Anzahl von Mitgliedern bei, sondern vor allem liefen zahlreiche, kleinere und grössere, teilweise sehr wertvolle Ge- schenke an Naturprodukten ein. Dem glänzenden Beispiele der königlichen Familie, die dem Museum das grösste Interesse entgegenbrachte und dasselbe sowohl durch Überweisung einer grossen Menge schöner Naturalien wie auch durch Geldmittel unterstürzte, folgend, wetteiferten viele Privatpersonen mit ein- ander in der Schenkung wertvoller Naturprodukte. Kaum konnten die eingelaufenen Geschenke rasch genug verarbeitet und auf- gestellt werden und wiederholt fehlte es an den dazu nötigen Schränken. So wurde in verhältnismässig kurzer Zeit eine Sammlung von ansehnlichem Umfange zusammengebracht. Da indessen nur wenige Ankäufe gemacht werden konnten, so blieb es nicht aus, dass die Sammlungen in manchen Ge- bieten reich vertreten waren, während sich in anderen ein grosser Mangel bemerkbar machte. So waren bis zum Jahre 1870 von Säugetieren, Vögeln, Insekten, Mineralien zahlreiche Exemplare vorhanden, dagegen fehlte es noch fast vollständig an Vertretern der niederen Tierwelt und an einer Petrefakten- sammlung. Bedeutsam wurde daher im Jahre 1870 die Gründung des Provinzial-Museums, denn von dieser Zeit an wurde jährlich eine bestimmte Geldsumme zum Ankauf von Naturalien aus- gesetzt. Dadurch erst wurde es ermöglicht, die früher vor- handenen Lücken allmählich auszufüllen, beziehungsweise die noch bestehenden Mängel durch geeignete Erwerbungen mit der Zeit zu beseitigen. — 169 Erwähnt sei hier noch, dass im Jahre 1851 die natur- historischen Sammlungen der ehemaligen Forstschule in Münden leihweise dem Museum überlassen wurden. Dieselben enthielten 27 Säugetiere, etwa 830 Vögel, 68 Gläser mit Eidechsen, 49 Gläser mit Fischen, 85 Gläser mit Skorpionen, Spinnen, Krebsen, 36 Gläser mit Würmern und 87 Kästen mit Insekten. Als aber die Sammlungen der Naturhistorischen-Gesellschaft so an Ausdehnung zunahmen, dass kaum für diese genügend Raum geschaffen werden konnte, da wurden Ostern 1868 die Naturalien der Forstschule wieder zurückgegeben. — Nunmehr wenden wir uns zu den einzelnen Abteilungen der naturhistorischen Sammlungen. Zoologische Sammlungen I. Wirbeltiere (Vertebrata). 1. Säugetiere. Den Grundstock dieser Sammlung bilden zahlreiche Geschenke an einheimischen Tieren, die von Privat- personen eingesandt wurden. Daneber liefen jedoch auch schon in den ersten Jahren ausländische Tierarten ein, so z. B. im Jahre 1854 eine Gemse, 1856 ein Ursus ornatus und Ameisenbär, 1857 eine brasilianische Tigerkatze, ein Gürteltier und Schuppentier. Consul Marwedel zu Hobbarttown in Tasmanien sandte 1857 mehrere Säugetierbälge, unter denen sich ein Schnabeltier befand. Bedeutenden Zuwachs erhielt die Sammlung in den Jahren 1857 bis 1861 durch die Liberalität des Dr. Tölsner in Colonia Leopoldina, der dem Museum 80 brasilianische Säugetiere (etwa 54 Arten) schenkte. Weiterhin überwies der König von Hannover 1853 einen Delphin, 1858 einundzwanzig Arten Säugetiere aus Surinam, 1859 fünf zentralamerikanische Species, 1860 einen Flusspferdschädel. Auch der Gunst anderer hoher Fürstlichkeiten erfreute sich diese Sammlung. So schenkte der Kurfürst von Hessen 1856 einen schwarzen Rehbock, der Prinz von Württenberg 1356 ein weibliches Elenn, der König von Preussen 1857 einen Elennhirsch, der König von Bayern 1858 eine Gemsziege und der Kaiser von Russland 1860 den Balg eines Auerochsen. Wiederholt liefen Geschenke vom zoologischen Garten ein, so 170 z. B. 1864 zwölf, 1866 sechzehn, 1868 zwölf Arten; auch in späteren Jahren hat die Direktion dieses Instituts dem Museum mehrfache wertvolle Zuwendungen gemacht. Vervollständigt wurde die Säugetiersammlung seit 1870 durch geeignete Ankäufe von Bälgen und Skeletten. Bis zum Jahre 1870 lag die Verwaltung dieser Sammlung in den Händen des Med.-Rats Dr. Hahn, der selbst eine Reihe einheimischer Tiere schenkte. Dann folgte bis 1880 der damalige Direktor des zoologischen Gartens Niemeyer und darauf Professor Dr. Hess. Seit 1890 hat Professor Dr. Kaiser diese Abteilung übernommen, sie durch Gründung einer Geweih- und Gehörn- sammlung vergrössert, neue Etiquetten anbringen lassen und einen Katalog zusammengestellt. Letzterer weist in 15 Ordnungen auf: 111 Gattungen, 225 Arten und 452 Exemplare (einschliesslich Skelette und Gehörne). Es sind mithin sämtliche Ordnungen der Säugetiere vertreten und zwar am reichsten die Artiodactyla (Pachydermen und Wiederkäuer durch 22 Gattungen, 39 Arten und 84 Stück, ferner die Rodentia (Nagetiere) durch 26 Gattungen, 57 Arten, 109 Stück und die Carnivora (Raubtiere) durch 17 Gattungen, 49 Arten und 120 Stück. Erwähnt sei noch, dass besonders die einheimische Säugetierfauna gut vertreten ist. — 2. Vögel. Die schönste und wertvollste Sammlung ist ohne Zweifel die Vogelsammlung, die sich von Anfang an be- sonderer Gunst erfreute. Auch sie ist hauptsächlich durch Ge- schenke zusammengebracht. In den fünfziger Jahren wurden auf Veranlassung des Ministeriums des Innern wiederholt Dubletten aus dem Göttinger Museum überwiesen und 1853 konnte mit Unterstützung des Ministeriums der geistlichen- und Unterrichts- angelegenheiten eine Anzahl schöner Raubvögel angekauft werden. Vor allem aber sorgte der König Georg für eine stete Ver- grösserung der Sammlung. So überwies derselbe im Jahre 1858: 81 Stück Vogelbälge aus Surinam, 1859: 40 Stück zentral- amerikanische Vögel, die der Konsul Nanne von Costarica gesandt hatte und dann 1860 die bedeutende Sammlung des Hofrats Meyer in Göttingen, die über 900, in besonderen Schränken auf künstlichen Bäumen und Sträuchern aufgestellte Arten enthält. Nicht minder reichhaltig waren die Geschenke, die von Privat- 171 personen einliefen. Dr. Hennecke in Goslar, Med.-Rat Kohlrausch, Öbergerichtsrat Dommes, Med.-Rat Hahn u. a. trugen viel zur Vermehrung der Sammlung bei. Postdirektor Pralle und Oustos Braunstein liessen es sich in erster Linie angelegen sein, eine möglichst vollständige Sammlung einheimischer Arten zu schaffen. Fernerhin gingen an Geschenken ein: 1856 vom Grafen v. d. Schulenburg 55 Enten, 1857 von Dr. Tölsner 103 und 1861 37 brasilianische Vogelbälge; 1857 von einem Herrn Manis aus Brasilien durch Vermittlung des Majors von Uslar-Gleichen 30 Stück brasilianische Vögel und vom Oberhofmarschall von Malortie 31 Exemplare aus Neu-Holland; 1858 vom Hofgärtner Wendland 60 zentralamerikanische Arten; 1859 vom Hüttenmeister Nolte zur Juliushütte bei Goslar 75 Stück aus Valparaiso und vom Konsul Kauffmann in Melbourne 55 australische Vogelbälge; 1860 vom Rentier Waitz in Bückeburg 200 Stück aus Ostindien; 1865 vom Kaufmann Fabian in Valparaiso 33 Arten; 1866 vom Konsul Müller in Mexico 122 zentralamerikanische Vögel und von Professor Müller in Melbourne 49 neuholländische Arten. Zahlreiche Exemplare verdankt das Museum auch dem hiesigen zoologischen Garten. Durch Tausch erhielt die Sammlung 1865 von der Royal Society of Tasmania 31 Arten. Seit 1870 konnten durch wiederholte Ankäufe die Sammlungen ergänzt werden; so wurde z. B. 1892 eine schöne Kollectien Paradies- vögel erworben. — Die Eiersammlung, die jetzt mehrere hundert Arten umfasst, ist hauptsächlich dem Custos Braunstein zu ver- danken; wiederholt wurden auch Ankäufe gemacht. Die Verwaltung dieser Sammlung übten aus: Obergerichtsrat Dommes bis 1858, Ober-Postsekretär Pralle 1858 bis 1860, Graf v. d. Schulenburg 1861, Forstrat Mühry 1861— 1866, Direktor Niemeyer 1867 — 1880, Postdirektor Pralle 1880— 1882, Professor Dr. Hess 1882—1891. Seit 1891 hat Dr. Rüst die Verwaltung übernommen. Derselbe hat nicht allein die Sammlung durch Ankäufe und Geschenke vermehrt, sondern sich vor allem dadurch grosses Verdienst erworben, dass er dieselbe nachbestimmt, etiquettiert und katalogisiert hat. Ausserdem hat er die ein- heimischen Vögel zu einer Provinzialsammlung vereinigt und auch von diesen einen Katalog herausgegeben. 172 Die Vogelsammlung zerfällt jetzt in 3 Abteilungen: a. Die Meyer’sche Sammlung, welche von Sr. Königl. Hoheit dem Herzoge von Cumberland leihweise dem Provinzial- Museum überlassen ist, enthält etwa 987 Stück; darunter besonders Papageien, Kolibris, hühnerartige Vögel, Tauben, Trochilus-Arten; b. die systematische Vogelsammlung, welche nach dem Kataloge von Dr. Rüst 1576 Arten umfasst; c. die Provinzial-Vogelsammlung, die aus 42 Familien mit 148 Gattungen, 248 Arten und 555 Exemplaren besteht. 3. Niedere Wirbeltiere. Die Sammlung der Reptilien, Amphibien und Fische hat sich nicht in dem Masse der Unter- stützung zu erfreuen gehabt, wie die übrigen Abteilungen. Immerhin enthält sie manches wertvolle Stück und wird, wenn erst die angefangene Bestimmung der Arten und die jetzt ge- bräuchliche Aufstellung der Exemplare durchgeführt sein wird, auch beim Publikum Anklang finden. Sie wurde bereits in den ersten Jahren seit Bestehen des Museums durch eine Reihe von Geschenken begründet. So schenkten: 1552 Dr. Taberger einige Amphibien, 1854 Steuerdirektor Ruperti 2 Alligatoren, 1857 Dr. Tölsner einen Leguan, 1858 Hofgärtner Wendland ver- schiedene Reptilien aus Zentral-Amerika, 1859 Kapitän Gerling ein ostindisches Krokodil, 1861 Kaufmann Fairmann in Alexan- drien 2 Gläser mit Schlangen, 1866 Dr. Tellkampf verschiedene Fische und Amphibien und Professor Müller in Melbourne eine Sammlung australischer Fische, 1868 Kaufmann Meine eine Anzahl Reptilien aus Java, 1869 G. Ohage 5 Gläser mit Reptilien aus Australien. Wiederholt überwies auch der König Georg Sammlungen von niederen Wirbeltieren. In den letzten Jahren erhielt das Museum besonders schöne Geschenke vom zoologischen Garten, fernerhin von Herrn Robby afrikanische Reptilien, W. Brandes brasilianische Schlangen, E. A. Gieseler in Savannah nordamerikanische Schlangen und Eidechsen, Ingenieur Strüver Reptilien aus Venezuela, Oberlehrer Dernedde chilenische und A. Meine javanische Reptilien und Amphibien, A. Biermann einen Haifisch aus der Nordsee, H. Kreye aus ländische Amphibien und Metamorphosen vom Frosch. — Ausserdem wurden seit einigen Jahren verschiedene Ankäufe an seltenen europäischen Reptilien und Amphibien sowie an Metamorphosen gemacht und von Dr. Ude anatomische Präparate hergestellt. Ebenso ist die Fischsammlung durch Ankauf einer Anzahl ausgestopfter Tiere aus der einheimischen Fauna, welche der hiesige Naturalienhändler Kreye lieferte, vermehrt. Die Verwaltung dieser Sammlung übernahm anfänglich Med.-Rat Hahn und Dr. Armbrust, dann Prof. Begemann 1858 bis 1875, darauf Prof. Hess 1875 bis 1890 und schliesslich Dr. Ude. Letzterer hat mit der systematischen Bearbeitung des bis dahin vernachlässigten Materials begonnen, den grössten Teil der Krokodile, Schildkröten, Eidechsen und Amphibien bereits bestimmt und aufgestellt und die einheimischen Reptilien und Amphibien so weit als möglich zusammengebracht. Immer- hin wird die Beendigung dieser Arbeit wegen des Mangels an geeigneter Literatur noch einige Zeit in Anspruch nehmen, und es lassen sich deshalb vorläufig noch keine bestimmteren An- gaben über die Anzahl der Gattungen und Arten machen. II. Weichtiere (Mollusca). Die Sammlung der Conchylien wurde bereits in den 50er Jahren begonnen, indem der Kronprinz von Hannover, ferner Assessor v. Einfeld, Sanitätsrat Flügge, Ober - (er.- Vice-Direktor Witie, Dr. Senoner in Wien Geschenke an Meeres-, Süsswasser- und Land-Mollusken überreichten. Im Jahre 1870 fügte Dr. Metzger eine kleine Sammlung aus der Nordsee hinzu. Indessen war die Sammlung bis dahin noch wenig umfangreich. Erst durch wiederholte Ankäufe wurde sie wesentlich vergrössertt. So wurde in den siebziger Jahren ausser einer Kollektion britischer CGonchylien eine schöne Samm- lung von Frau Baurat Dincklage in Geestemünde durch Kauf erstanden. Wiederholt wurden dann durch kleinere Ankäufe von der Naturalienhandlung Linnaea in Berlin vorhandene Lücken ergänzt. Den grössten Zuwachs erfuhr die Sammlung dadurch, dass der Reichskanzler von Caprivi im Jahre 1890 die umfang- reiche und schöne Sammlung des Divisionspfarrers Knoche für 12000 Mk. ankaufte und dem Museum überwies. Schliesslich 174 wurde die Sammlung noch durch Geschenke von Kaufmann Meyer, Hotelbesitzer Fr. Kampe, Gartendirektor Wendland, Ober- lehrer Steinvorth und A. Meine vermehrt. — Die ganze Samm- lung umfasst jetzt 7779 Arten und Varietäten in 628 Gattungen. Eine schöne Sammlung einheimischer Schnecken und Muscheln hat C. Gehrs angelegt und dem Museum ge- schenkt. Dieselbe enthält an Schnecken 10 Familien mit 27 Gattungen und 100 Arten und an Muscheln 2 Familien mit 6 Gattungen und 15 Arten. (Vergl. Jahresberichte der Natur- historischen Gesellschaft von 1883 und 1888.) Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Sammlung der Weichtiere auch einige Arten Tintenfische aufweist. Was die Verwaltung dieser Sammlungen anlangt, so lag dieselbe anfänglich in den Händen von Lehrer Armbrust und Witte; 1870—1873 übernahm sie Dr. Metzger. Später wurde die Sammlung von Divisionspfarrer Knoche neu aufgestellt. Seit 1882 steht C. Gehrs derselben vor und unter ihm erst ist sie auf die jetzige Höhe gehoben, so dass sie jetzt die arten- reichste Sammlung des Museums ist. IN. Gliederfüssler (Arthropoda). 1. Insektensammlung. Unter den Sammlungen an Insekten nehmen diejenigen der Käfer und Schmetterlinge den ersten Platz ein. Den Grundstock der Käfersammlung bildete eine 1852 von dem Kammerkanzlisten Ahrbeck geschenkte kleine Kollektion, die 1856 durch ein grösseres Geschenk des Dr. von Holle ver- mehrt wurde und 1857 durch Dr. Tölsner einen Zuwachs an brasilianischen Arten erhielt. Im Jahre 1860 überwies dann Se. Majestät der König Georg die schöne Ahrbeck’sche Käfer- sammlung und gleichzeitig erhielt das Museum von Dr. Heyn eine mehrere hundert Arten umfassende Sammlung brasilianischer Käfer. Grössere Sammlungen schenkten ausserdem Notar von der Horst (1885) und Dr. von Holle (1892). Ausser kleineren Ankäufen erwarb die Provinzial-Regierung im Jahre 1896 die schöne Sammlung des Senators Albers. Schliesslich schenkte 1896/97 W. Peets eine sehr wertvolle und umfangreiche Samm- 175 lung einheimischer Käfer, die von ihm selbst zusammengebracht wurde. W. Peets, der jetzt die Käfersammlung verwaltet, hat dieselbe in folgende 3 Abteilungen angeordnet: a. die Peets’sche Sammlung der Käfer der Provinz Hannover umfasst 79 Familien mit 772 Gattungen 3030 Arten; b. eine Sammlung paläarktischer Käfer, die aus den vor- handenen Sammlungen zusammengestellt ist; c. eine Sammlung exotischer Käfer, deren grössten Teil die von Albers gesammelten Lucaniden mit 9 Familien, 52 Gattungen, 280 Arten und Scarabaeiden mit 7 Familien, 291 Gattungen und 1310 Arten bilden. Die Schmetterlingssammlung wurde 1852 dadurch begründet, dass der Revisor Glitz gegen 200 hiesige Schmetter- linge schenkte, deren Zahl 1853 durch eine von Gerichtssekretär Reinhold gestiftete Sammlung vergrössert wurde. Auch später haben diese beiden Mitglieder für Vermehrung der Sammlung einheimischer Arten, besonders auch von Kleinschmetterlingen, Sorge getragen. Weiterhin erhielt das Museum 1855 eine Sammlung von Lieutenant Schädeler in Benthe, 1857 eine solche von Apotheker Wattenberg, 1860 von Obergerichtssekretär Reinhold 150 exotische Arten und vor allem 1870 eine be- deutende Sammlung einheimischer und exotischer Schmetterlinge von den Erben des Weinhändlers Schultz. Im Jahre 1872 er- warb das Museum durch Kauf die vortreffliche Heinemann’sche Sammlung von Kleinschmetterlingen und 1882 die Comperl’sche Sammlung. Seit den achtziger Jahren wurden durch wiederholte Ankäufe vorhandene Lücken ausgefüllt und u. a. 1891 eine Raupensammlung erworben. Lehrer Peets, der diese Sammlung verwaltet, hat sie in folgende 4 Abteilungen geteilt: a. eine Zusammenstellung der Grossschmetterlinge nebst Raupen aus der Provinz Hannover; sie umfasst die etwa 700 Arten haltende Glitz’sche Sammlung der Schmetter- linge aus der Umgebung von Hannover, die von W. Peets ergänzt wurde; einige Seltenheiten sind von Direktor Mühlenpfordt gestiftet. Sie enthält jetzt in 5 Familien 285 Gattungen und 1041 Arten; b. eine Sammlung paläarktischer Schmetterlinge; 176 c. eine Sammlung exotischer Schmetterlinge; d. die Heinemann’sche Sammlung der Kleinschmetterlinge, die die Typen zu den Arbeiten Heinemann’s enthält. Von den übrigen Ordnungen der Insekten ist noch diejenige der Hymenopteren durch eine grössere Sammlung vertreten, die durch Kauf von Dr. Schmiedeknecht in Blankenburg er- worben wurde. Im Jahre 1880 wurde auch eine kleine Samm- lung von Hemipteren angekauft. Die Verwaltung der Insektensammlungen hatten: Lehrer Armbrust bis 1858, Obergerichtssekretär Reinhold 1358 — 1874, Klosterkammer-Sekretär Glitz 1570 —1889, A. Hoffmann 1890, Direktor Mühlenpfordt 1891-1896 und seitdem Lehrer W. Peets. 2. Die übrigen Klassen der Gliederfüssler sind in weit geringerer Zahl vertreten. Es sind vorhanden a. etwa 140 Arten Krebse, von denen ein kleiner Teil 1870 von Dr. Metzger an der ostfriesischen Küste ge- sammelt, während der grössere Teil 1881 von der zoolo- gischen Station in Neapel angekauft wurde. Dr. Ude hat anatomische Präparate vom Flusskrebse angefertigt und ein Präparat über die Entwicklung dieses Tieres gekauft. b. etwa 15 Arten Skorpione und 10 Arten Spinnen, c. etwa 20 Arten ausländischer und 38 Arten deutscher Tausendfüsse; erstere wurden durch Geschenke (u. A. von E. A. Gieseler in Savannah und Prof. Dr. Kohlrausch in Hannover) erworben, während die deutschen Spezies 1881 gekauft sind. Die Verwaltung dieser Sammlungen hat Dr. Ude über- nommen, der die Tiere in geeigneter Weise aufgestellt hat. — IV. Würmer (Vermes). Die Sammlung der Würmer wurde erst im Jahre 1890 be- gründet; bis dahin waren nur einige von Dr. Metzger geschenkte Arten vorhanden. Dr. Ude kaufte nämlich 1890 eine Sammlung von 53 Arten Mittelmeer-Würmer, die die zoologische Station von Neapel lieferte, und schenkte eine Kollektion einheimischer Ringelwürmer und verschiedene andere Arten. Die Sammlung ist noch im Entstehen begriffen und ihre Vermehrung wird noch 177 längere Zeit in Anspruch nehmen, da die Tiere nicht im Handel zu erhalten sind, sondern selbst gesammelt und bestimmt werden müssen. Es wird beabsichtigt, vorwiegend die einheimische Fauna zu berücksichtigen. V. Stachelhäuter (Echinodermata). Die Sammlung der Stachelhäuter, die erst seit 1890 besteht und von C. Gehrs angelegt wurde, umfasst 1) etwa 45 Arten Seeigel, die zum Teil von den Herren A. Dahl und Oberrevisor Bode geschenkt, zum grössten Teil aber angekauft wurden, 2) etwa 40 Arten Seesterne, die durch Kauf erworben sind, 3) einigen Arten Holothurien oder Seewalzen. VI. Pflanzentiere (Coelenteraten). Abgesehen von einigen Quallen und Glasmodellen von Siphonaphoren besteht die Sammlung, die von C. Gehrs ver- waltet wird, aus 160 Arten Korallen, welche zum Teil von Ihrer Majestät der Königin Marie von Hannover, Finanzdirektor von Bennigsen, Georg Weste, Kapitän Graefenhayn und F. v. Buchwald geschenkt, zum grössten Teil jedoch seit 1887 von Ö. Gehrs angekauft sind. Ausserdem sind etwa 25 Arten Seeschwämme vorhanden, die fast alle durch Kauf er- worben wurden; als Schenkgeber ist Bürgermeister Troje in Einbeck zu nennen. Botanische Sammlungen I. Herbarien. 1. Gefässpflanzen. Bereits im Jahre 1855 schenkte Geheimrat Wedemeyer eine Kollektion einheimischer Pflanzen, die im folgenden Jahre durch das Herbarium des Dr. von Holle wesentlich vervollständigt wurde. Wertvollen Zuwachs bekam die Pflanzensammlung im Jahre 1865, indem Se. Majestät der König Georg das umfangreiche Schlotthauber’sche Herbarium, das in 3 Schränken untergebracht war, ankaufte. Diese Herbarien 178 enthielten vorwiegend die Pflanzen des Regierungsbezirks Hannover. Im Jahre 1874 schenkte Frau von Lanzius-Beninga ein bedeutendes Herbarium und 1886 kam die umfangreiche von Hinüber’sche Pflanzensammlung hinzu. Beide Herbarien enthielten haupt- sächlich die Pflanzen des Regierungsbezirks Hildesheim. Dazu kam noch das Lang’sche Herbarium mit den Pflanzen des Re- gierungsbezirks Stade, dann nochmals ein namentlich Hieracien- und Rubus-Arten enthaltendes Herbarium des Dr. von Holle; ferner das bedeutende von Pape’sche Herbarium mit den Pflanzen des Regierungsbezirks Lüneburg und schliesslich ein von Apotheker Brandes geschenktes Herbarium mit Pflanzen aus der weiteren Umgebung von Hildesheim. Vor mehreren Jahren begann Apotheker Brandes, der als Nachfolger von Holle (bis 1858) und Mejer (bis 1885) die Sammlung verwaltet, eine gründliche Bearbeitung des vor- handenen Materials, das er in ein Herbarium europaeum und ein Provinzial -Herbarium teilte. Letzteres wurde dadurch wesentlich vermehrt, dass zahlreiche in der Provinz wohnende Botaniker infolge einer an sie gerichteten Bitte getrocknete Exemplare von seltener verkommenden Pflanzen einsandten und von den übrigen in den Gebieten vorkommenden Arten Standorts- verzeichnisse anfertigten. Von dem Provinzial-Herbarium hat Brandes ein Verzeichnis angefertigt, das unter der Bezeichnung „Flora der Provinz Hannover“ im Druck erschienen ist. Was die Anzahl der vorhandenen Pflanzen anlangt, so umfasst a. das Herbarium europaeum 6736 Arten, Varietäten und Bastarde, b. das Provinzial-Herbarium 120 Familien mit 322 Gattungen und 1664 Arten, Varietäten und Bastarden. 2. Moose, Pilze, Algen. Öbergerichtsrat Witte schenkte 1855 und 1856 Meeresalgen und 1864 wurde ein Moosherbarium begonnen. Indessen erhielt das Museum erst in den 80er Jahren durch das hochherzige von Hinüber’sche Geschenk eine reiche Sammlung an Moosen, Flechten und Algen, sowie eine schöne Kollektion Pilzmodelle. Die Sammlung harrt aber noch der Bearbeitung. 179 XII* 11. Fruchtsammlung. Den Anfang der Fruchtsammlung bildete 1879 die von Oberamtsrichter von Hinüber geschenkte Sammlung Arnoldi’scher Obstmodelle (nebst Pilzmodellen), die C. Gehrs durch Ankauf vermehrte. Fernerhin erwarb derselbe eine schöne Kollektion von ÜConiferenzapfen und eine grössere Anzahl tropischer Früchte von Schmidt und Haage, sowie von Schuchardt. Daneben gingen zahlreiche Geschenke ein und zwar von H. von Rudloff, Marstall- Kommissär Preuss, Frl. Gerber, A. Meine, Oberlehrer Steinvorth, Apotheker Grünhage, Hofgartendirektor Wendland, Apotheker Brandes, Apotheker Beckmann, Dr. Rüst sen. und jun., Dr. Warnecke, Apotheker Capelle, Willi von Wurmb-Zink, K. Keese, F. v. Buchwald, C. Gehrs, Fr. Schumacher, Oberförster Wiss- mann, Lehrer Peets, Dr. Ude, Apotheker Engelke, Kaufmann Rump. Die Sammlung, die von C. Gehrs verwaltet wird, um- fasst jetzt 763 Nummern. Mineralogische Sammlungen. Die Mineraliensammlung gliedert sich in 2 Abteilungen. 1. Grotesche Fundstätten-Sammlung. Im Jahre 1854 schenkte Oberbergrat Frh. Grote der Natur- historischen Gesellschaft seine bedeutende Mineraliensammlung, welche unter sehr günstigen Verhältnissen innerhalb 30 Jahren zusammengebracht war. Dieselbe besitzt nicht allein einen bedeutenden Geldwert, sondern ist vor allem dadurch von be- sonderem Interesse, dass sie von älteren, jetzt nicht mehr in Betrieb befindlichen Fundorten eine grosse Zahl von Mineralien enthält. Die Gründe, welche Grote veranlassten, seine Samm- lungen nach Fundstätten zu ordnen, sind in seiner Schrift: „Über Zweck, Bedeutung und Anordnung mineralogischer Sammlungen nach den Lagerstätten u. s. w.“, niedergelegt. Nach der am 20. August 1854 zwischen Grote und der Natur- historischen Gesellschaft durch Vertrag beschlossenen Verein- barung, ist diese Sammlung dauernd als Fundstätten-Sammlung weiterzuführen und durch jährlichen Aufwand von 50 ,f, die zu neuen Ankäufen dienen, zu vergrössern. Das k. Ministerium 150 des Innern erklärte sich bereit, diese Summe stets zur Ver- fügung zu stellen. Die Sammlung enthält in erster Linie Harzer Mineralien; so z. B. 580 Stück Andreasberger Silber-Arsenik-Gänge, dar- unter über 60 Silbererze, 50 Arsen- Verbindungen und 280 Kalkspath -Krystalle. Die Bleiglanz-Gänge sind ziemlich voll- ständig vertreten, unter ihnen befinden sich die seltenen krystallisierten und derben Weiss- und Vitriol-Bleierze der Zellerfelder und Schulenberger Gänge, sowie die schön krystalli- sierten Fahlerze und Bleiglanze des Rosenhöfer Zuges. Weiter- hin befinden sich in der Sammlung Mineralien der Wolfsberger Spiessglanz-Gänge der Tanner Bleiglanz-Gänge, der Rammels- berger Erzlager, der Ilfelder Braunstein-Gänge u. s. w. Schliesslich enthält die Sammlung auch Mineralien aus dem sächsisch-böh- mischen Erzgebirge, dem Riesen- und mährischen Gebirge, dem böhmischen und bayrischen Waldgebirge,dem rheinischen Übergangs- Gebirge, dem Schwarzwald, dem ungarischen und siebenbürgischen Erzgebirge, den Alpen und dem norddeutschen Kupferschiefer. — Die Sammlung ist durch zahlreiche Ankäufe vergrössert. 2. Systematische Mineraliensammlune. Diese Sammlung wurde bereits 1851 durch mehrfach wiederholte Geschenke von Oberbergrat Jugler, Apotheker Angerstein, Apotheker Hildebrand begründet und besonders 1852 durch eine Sammlung des Oberhofmarschalls von Malortie bereichert. Ferner schenkten 1858 Dr. Bialloblotzky in Göttingen 64 Mineralien, 1859 Herr Ribeiro da Vianna brasilianisches Geröll mit Gold und Diamanten, 1861 Se. kgl. Hoheit der Kronprinz mehrere Stücke, Kapitän Gerling chinesiche Kupfer- erze. In späterer Zeit wurde die Sammlung besonders unter Ulrich durch zahlreiche Ankäufe bedeutend vergrössert. Von den in den letzten Jahren gemachten Geschenken ist vor allem dasjenige des Bergwerksbesitzers Karlbaum in Melbourne zu er- wähnen, der eine Suite schöner australischer Silber-, Kupfer- und Bleierze und -Verbindungen übersandte. Die Sammlung umfasst jetzt 350 verschiedene Mineralien. — Die Mineraliensammlungen wurden anfangs von Apotheker Hildebrand, Apotheker Angerstein, Dr. Guthe und A. Stromeyer 181 verwaltet; von 1873 bis 1591 waren sie Professor Ulrich über- wiesen. Seitdem hat Dr. Bertram die Leitung übernommen. Letzterer hat die systematische Sammlung neu geordnet, in geeigneter Weise aufgestellt und katalogisiert. Geologische Sammlungen. 1. Petrefactensammlung. In den 50er und 60er Jahren liefen einige Geschenke an Versteinerungen ein, von denen hier folgendes hervorgehoben werden möge. 1851 schenkten Medizinalrat Kohlrausch und Öbergerichtsrat Witte mehrere Petrefacten, die im folgenden Jahre um eine schöne Sammlung des ©Öberhofmarschalls von Malortie vermehrt wurden. 1854 überwies Ihre Majestät die Königin 5 Stück Bernstein und das Ministerium des Innern einige Fossilien. Ferner schenkten 1855 Dr. Stüve in Osna- brück Farnabdrücke, 1865 Dr. Speyer in Fulda Tertiärver- steinerungen aus der Gegend von Cassel, 1866 Obergerichtsrat Witte Pflanzenversteinerungen aus dem Wäldersandstein von Rehburg. Indes waren die Sammlungen bis zum Jahre 1870 von nur geringer Bedeutung. Auf Antrag von Dr. Guthe und mit besonderer Unterstützung der Regierung wurde deshalb eine Suite von Versteinerungen aus allen Formationen von dem Naturalienhändler Krantz in Bonn angekauft. 1874 erwarb Dr. Struckmann eine schöne Sammlung von Petrefacten aus der Umgebung von Goslar, die W. Brauns zusammengebracht hatte. In den folgenden Jahren wurden wiederholt kleinere Suiten an- geschafft, so z. B. Kreide-Versteinerungen aus der Lüneburger Gegend, eine Gesteinsplatte mit Tierfährten von Rehburg, Tertiär- Petrefacten aus Bünde. Schöne Schaustücke wurden von den Mineralienhändlern Sturtz in Bonn, Blatz in Heidelberg, Dr. Haller in Zürich erworben. Durch Tausch erhielt die Sammlung 13 Stück, teilweise vegetabilische Einschlüsse enthaltende Ost- sce-Bernsteine von Dr. Conwentz in Danzig und 40 Arten oberjurassischer Versteinerungen aus Haute-Saone von P. Petit- clere in Vesoul. Eine ansehnliche Bereicherung erfuhr das Museum im Jahre 1881 durch Ankauf der Sammlung von 182 Woeckener in Thüste, welche namentlich wertvolle Versteinerungen aus der Hilsmulde enthielt. Auch mit Geschenken wurde die Petrefactensammlung wiederholt bedacht; so schenkten Dr. Struckmann u. a. verschiedene Säugetierreste aus dem Hastings- sandsteine von Rehburg, 1882 das Landesdirektorium den Schädel von Rhinoceros tichorhinus aus dem Diluvium des Weserthals bei Stolzenau, der Magistrat von Osnabrück Pflanzen- versteinerungen vom Piesberge. Einen besonders reichen An- wuchs erfuhr die Sammlung durch den Major a. D. Wessel- hoefft, der von 1885—1890 die Petrefactensammlung verwaltete und seine schöne Sammlung der Naturhistorichen Gesellschaft vermachte. Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch die in den Jahren 1880 und 1881 im Auftrage der Provinz von Dr. Struckmann ausgegrabenen Fossilien aus der Einhornhöhle bei Scharzfeld seitens der Provinzialverwaltung dem Museum über- wiesen wurden. Die Petrefactensammlung wurde anfänglich von Dr. Röbber und Obergerichtsrat Witte verwaltet; dann folgten 1870 bis 1873 Dr. Guthe, 1874—1885 Dr. Struckmann, 1885—-1890 Major a. D. Wesselhoefft und seitdem wieder Dr. Struckmann. 2. Felsarten-Sammlung. Diese Sammlung, die erst seit 1891 besteht und von Öberlehrer Steinvorth verwaltet wird, umfasst 130 Stück ein- fache Gebirgsarten, 135 Stück gemengte Felsarten, 110 Stück Felsarten des Harzgebirges.. Dazu kommt noch eine Anzahl von Stücken, die vorläufig wegen Raummangel nicht aufgestellt ist. Die Herstellung einer Sammlung von Felsarten aus der Provinz Hannover ist in Aussicht genommen, indes bis zur Übersiedelung ins neue Museumsgebäude aufgeschoben. 153 a rent ni ee M vr ? 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Dezember der Gesellschaft ein Freudenfest bringen, das der hohen Bedeutung des Tages gemäss in würdiger Weise verläuft und das einen frohen Aus- blick auf eine segensreiche Zukunft eröffnet. — Der letzte Jahresbericht, der die Geschäftsjahre 1891/92 und 1892,93 umfasst, ist Anfang 1894 erschienen. Wir haben deshalb hier über die 4 Vereinsjahre 1893,94 bis 1896,97 Bericht zu erstatten. Was zunächst die Veränderungen im Mitgliederbestande anlangt, so haben wir leider festzustellen, dass die Gesellschaft an Zahl der Mitglieder abgenommen hat. Am Schlusse des Geschäftsjahres 1892/93 zählte die Gesellschaft 163 Mitglieder. Es sind 1893/94 eingetreten 9, ausgeschieden 18; 1894/95 i 4, e 16: 1895/96 i m e 14; 1896/97 5 Tr n 9, Mithin sind in diesem Zeitraume 27 eingetreten, dagegen 57 ausgeschieden. Die Gesellschaft hat demnach 30 Mitglieder verloren und zählt nur noch 133. Unter den Verstorbenen haben wir den Verlust von 2 um die Gesellschaft sehr verdienten rührigen Männern zu beklagen, nämlich des Prof. Ulrich und Dr. Mejer. Die Pficht der Dank- barkeit heischt es, dass wir ihrer noch besonders gedenken. Johann Friedrich Theodor Ulrich wurde am 2. Ok- tober 1830 zu Goslar geboren; absolvierte zunächst die höhere Schule seiner Vaterstadt und besuchte dann, nachdem er sich noch durch Privatstunden weiter vorbereitet hatte, von Michaelis 1847 bis 1850 die Bergschule zu Clausthal. Nach beendigtem Studium und bestandener Prüfung wurde er im Dezember 1850 auf den fiskalischen Hüttenwerken zu Oker am Harz als Hütten- eleve angestellt. Hier bot sich ihm während des allmählichen Aufrückens zum Hüttenmeister vielfach Gelegenheit zu Unter- suchungen über die Hüttenprozesse in Oker und die mineralogisch und geologisch sehr anregende Umgebung seines Wohnorts. Ausserdem unternahm er mehrere Reisen, die ihn u. a. nach den Mansfelder, rheinischen, ungarischen und englischen Hütten- werken führten. Die Resultate seiner eifrigen Studien hat er in einer grossen Anzahl kleiner Abhandlungen in. den ver- schiedensten Zeitschriften, so auch in unseren Jahresberichten veröffentlicht. Sowohl einen Ruf als Lehrer an die Bergakademie zu Clausthal wie einen solchen an die polytechnische Schule in Aachen lehnte er ab. Dagegen folgte er im Herbste 1875 der Berufung an die polytechnische Schule zu Hannover als Lehrer der Mineralogie und Geologie. 1875 wurde er zum Professor ernannt. Um die naturhistorische Gesellschaft hat sich Ulrich nicht allein durch eine Reihe von Vorträgen und wissenschaftlichen Arbeiten, die in den Jahresberichten ver- öffentlicht sind, verdient gemacht, sondern besonders auch dadurch, dass er die mineralogische Sammlung in jeder Beziehung mustergültig verwaltet hat. Von 1885 bis 1889 war Ulrich Vorsitzender der Gesellschaft und hat sich auch als solcher grosse Verdienste erworben. Ludwig Mejer wurde am 6. Juni 1825 in Celle geboren. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt absolviert hatte, bezog er die Universität Göttingen und widmete sich hier dem Studium der alten Sprachen, Mathematik und Botanik. Nach vollendetem Universitätsstudium fand er zunächst Beschäftigung am Gymnasium zu Celle, siedelte jedoch bald nach Hannover über, wo er als Kollaborator am Lyceum I. Anstellung fand. /um Oberlehrer ernannt, gab er hier vorwiegend Unterricht in Mathematik und Geschichte. 1880 schied er aus dem Schul- dienste aus und widmete sich nun vorwiegend der Botanik. Am 27. Oktober 1880 wurde er in Leipzig zum Doctor philosophiae promoviert. Mejer, der mit einem umfangreichen Wissen ein Wesen seltener Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit verband, hat sich um die Naturhistorische Gesellschaft, zu deren Vorstande er lange Jahre zählte, sowohl durch seine zahlreichen, interessanten Vorträge als auch besonders durch seine wissen- schaftlichen Abhandlungen verdient gemacht. Sein bekanntestes Werk ist die „Flora von Hannover“. Er starb nach längerer Krankheit am 15. September 1895. — Was die Veränderungen in der Zusammensetzung des Vor- standes anlangt, so ist darüber Folgendes zu berichten. Zu- nächst wurde Herr Apotheker Brandes, dessen Vorstandsmitglied- schaft am 1. Oktober 1894 abgelaufen war, in der General- versammlung vom 1. November 1894 wiedergewählt. Im Jahre 1595 legte Herr Direktor Mühlenpfordt sein Amt nieder; für denselben wurde Herr Dr. Schäff, Direktor des Zoologischen Gartens, in der Generalversammlung vom 7. November 1895 zum Vorstandmitgliede gewählt und ihm die Verwaltung der Insekten übertragen. Wir haben bereits betont, dass die Mitgliederzahl leider in stetem Rückgange begriffen ist. In den Sitzungen hat daher wiederholt eine Aussprache darüber stattgefunden, welche Mittel und Wege einzuschlagen seien, um jenem Missstande nicht allein zu begegnen, sondern womöglich die Mitgliederzahl wieder auf die Höhe füherer Jahre zu bringen. So wurde zunächst der Versuch gemacht, die Sitzungen dadurch mehr zu beleben und das Interesse zu fesseln, dass man Abende für kleinere Mitteilungen ansetzte. Ohne jeglichen Zwang kann in solchen Sitzungen jeder das vorbringen und demonstrieren, was ihm geeignet erscheint. Diese Einrichtung, die seit dem 10. Januar 1895 getroffen ist, hat sich durchaus bewährt und befriedigt in hohem Maasse; sie ermöglicht auch jenen Mitgliedern, denen es zur lang- wierigen Ausarbeitung eines Vortrages an Zeit gebricht, ihr Interesse für naturwissenschaftliche Fragen an den Tag zu legen und giebt ausserdem zu vielseitigem und lehrreichem Gedankenaustausch Anlass. Fördernd wirkt in dieser Hinsicht auch — wenngleich noch nicht in demselben Masse wie erwartet war —, dass die für die Bibliothek eingegangen Werke vor jeder Donnerstagssitzung zur Ansicht ausgelegt werden. Es steht zu hoffen, dass hiervon noch mehr Gebrauch gemacht werden wird; denn damit ist wieder an jene Idee angeknüpft, welche die Stifter unserer Gesellschaft hegten und zunächst allein im Auge hatten, als sie sich zur Gründung einer Lese- gesellschaft verbanden. Thatsächlich bieten auch die durch Tausch, Geschenk und Kauf erworbenen Schriften gute Gelegen- heit zu lehrreicher Unterhaltung. Um von dem inneren Leben der Gesellschaft auch der Aussenwelt mehr zu berichten als bisher geschehen war, wurde. wiederholt der Wunsch geäussert, in den verschiedenen Tages- blättern hiesiger Stadt regelmässige Mitteilungen über die Sitzungen, Ausflüge und besonders wertvolle Erwerbungen für die naturhistorischen Sammlungen des Provinzialmuseums zu geben. Durch das bereitwillige Entgegenkommen der Vor- tragenden und einzelner Mitglieder ist es möglich geworden, diesen Wunsch zu erfüllen. Hoffen wir, dass auch die daran seknüpften Erwartungen in Erfüllung gehen. — Weiterhin wurde in Anregung gebracht, mit anderen, in ähnlicher Richtung thätigen Vereinen Hannovers dadurch in nähere Verbindung zu treten, dass gegenseitige Einladungen erfolgten. Da aber nach wiederholten Versuchen kein Erfolg eintrat, so nahm man von weiteren Schritten Abstand. — Da fernerhin hervor- gehoben wurde, dass die seit einer Reihe von Jahren unter- bliebenen Ernennungen zu Ehren- und korrespondierenden Mitgliedern für die Gesellschaft von Vorteil sein könnten, so wurde beschlossen, solche von jetzt ab wieder erfolgen zu lassen. Der Anfang wurde damit gemacht, dass in der Vorstandssitzung vom 4. Februar 1896 Herr Dr. Paul Leverkühn, Direktor der wissenschaftlichen Institute und Bibliothek des Fürsten von Bulgarien, zum korrespondierenden Mitgliede ernannt wurde. Abgesehen von der wiederholten Besichtigung des Herren- häuser und zoologischen Gartens, wobei die Herren Hofgarten- direktor Wendland und Dr. Schäff die Führung übernahmen, hat die Gesellschaft mehrere Ausflüge gemacht. Als solche mögen hier erwähnt werden eine Wanderung von Alfeld aus zum Hils, der Besuch des Finkenberges bei Hildesheim und Exkursionen nach dem Hohenstein, Ricklinger Moor und den Ithwiesen. Alle diese Ausflüge waren ausserordentlich lohnend und erfreuten sich einer regen Beteiligung. Da dieselben für die Gesellschaft von hoher Bedeutung sind, so sollen sie öfters wiederholt werden als es bislang geschehen ist. In früheren Jahren hatten nur während der Winterhalbjahre regelmässige Zusammenkünfte stattgefunden, während man sich im Sommer mit der Veranstaltung weniger Ausflüge begnügte. Um nun auch im Sommer mehr Fühlung mit einander zu behalten, finden seit einer Reihe von Jahren ausser jenen Ausflügen wöchentliche gesellige Zusammenkünfte statt. Wenn- gleich sie nicht unmittelbar wissenschaftlichen Beratungen gewidmet sind, so ist doch ihre Bedeutung nicht zu unter- schätzen. Diese beruht einmal darin, dass sich die Mitglieder der Gesellschaft näher kennen lernen und ausserdem ermöglichen sie einen leichteren Gedankenaustausch über Vereinsangelegen- heiten. Dass sie fast stets gut besucht sind, ist zweifellos ein Zeichen dafür, dass die Mitglieder unter einander im angenehmen Verkehr stehen. Im laufenden Sommer 1897 ist ausserdem beschlossen, versuchsweise monatlich eine wissen- schaftliche Sitzung abzuhalten. Dieselben finden an jedem ersten Donnerstage im Monate statt. — Herr Dr. von Bodemeyer schenkte der Gesellschaft ein Mikroskop, für das wir ihm auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen. — Ferner haben wir hier noch einer wichtigen An- gelegenheit zu gedenken, die zwar nicht unmittelbar die Interessen der Naturhistorischen Gesellschaft als solcher be- rührt, wohl aber von grosser Wichtigkeit für die von der Gesellschaft begründeten und vom Vorstande verwalteten naturhistorischen Sammlungen des Provinzialmuseums ist. Schon seit einer Reihe von Jahren war man immer mehr zu der Erkenntnis gelangt, dass die Räume des jetzigen Museums- gebäudes nicht den modernen Ansprüchen genügen. Bei dem ausserordentlich reichen Zuwachs, den alle Sammlungen des Museums erfahren haben, ist schliesslich ein solcher Platz- mangel eingetreten, dass eine übersichtliche, einheitliche Auf- stellung der Sammlungsgegenstände fast zur Unmöglichkeit geworden ist. Dazu gesellt sich vor allem aber auch der Übelstand, dass es in den meisten Räumen an dem nötigen Tageslicht gebricht und dass infolge dessen die Sammlungen nicht zur vollen Geltung gelangen. Mit der Zeit wurden diese Misstände geradezu unerträglich und wiederholt ist seitens der interessierten Behörden und Vereine der lebhafte Wunsch nach Abhülfe ausgesprochen. Auch in unserem Jahresberichte von 1592 mussten wir laut Klage über Platz- und Lichtmangel in unseren Sammlungsräumen erheben. Um so dankbarer be- grüssen wir es jetzt, dass es endlich den unermüdlichen Bestrebungen der Provinzialbehörden gelungen ist, den hannoverschen Provinziallandtag von der Notwendigkeit des Neubaues eines stattlichen Museums zu überzeugen. Dank auch schulden wir den städtischen Körperschaften, durch deren bereitwilliges Entgegenkommen die Erledigung der Angelegenheit ermöglicht wurde. — Im Februar 1895 stellte der Provinzial- ausschuss folgenden Antrag: „Der Provinziallandtag wolle beschliessen: 1) den Neubau eines den Sammlungen des Provinzial- museums, der Fideikommissgallerie des Gesamthauses Braunschweig-Lüneburg und dem Welfenmuseum dienenden Museumsgebäudes zu genehmigen, 2) den Provinzialausschuss zu ermächtigen a. mit dem Magistrate der kgl. Haupt- und Residenzstadt Hannover einen Vertrag zu schliessen, inhalts dessen sich der Magistrat verpflichtet, für den Neubau einen völlig frei gelegenen, den Bedürfnissen genügenden und von dem Provinzialausschusse für angemessen erachteten Bauplatz in dem vorderen Teile der Masch unentgeltlich dem Provinzialverbande zu Eigentum zu überweisen und das bisherige Museumsgebäude gegen Zahlung eines Kaufpreises von 725000 Al zu über- nehmen, wogegen der Provinzialverband sich verpflichtet, das bisherige Gebäude dem Magistrate hypothekenfrei und frei von etwa darauf haftenden privatrechtlichen Lasten und Verbindlichkeiten, namentlich gegen den Kunstverein, die Naturhistorische Gesellschaft und den Historischen Verein für Niedersachsen abzutreten. b. einen den Verhältnissen des von der Stadt hergegebenen Platzes und seiner Umgebung entsprechenden monu- mentalen Museumsneubau unter Aufwendung einer Summe von etwa 1500000 Al, jedoch höchstens von 1500000 Al, eingrechnet von 700000 AM aus dem von der Stadt gezahlten Kaufpreise, in den Jahren 1896 und folgenden zur Ausführung zu bringen, und c. die erforderlichen Vorbereitungen im kommenden Rech- nungsjahre zu treffen und zur Bestreitung der vorläufig entstehenden Kosten eine Summe von 15000 AM aus den Überschüssen der Vorjahre zu verwenden, und 3) den Provinzialausschuss zu beauftragen, im Übrigen wegen der Art und Weise der Aufbringung der Mittel dem kommenden Provinziallandtage eine Vorlage zu machen.“ In der Sitzung vom 15. Februar 1895 wurde dieser Antrag des Provinzialausschusses vom Provinziallandtage angenommen und im Mai ein Preisausschreiben erlassen. Aus letzterem heben wir die folgenden Mitteilungen hervor: Als Bauplatz ist das von den drei Strassen Langensalza-Allee, Maschrand- strasse und N.-N.-Strasse begrenzte Grundstück bestimmt, über dessen Lage ein Lageplan näheren Aufschluss giebt. Das Gebäude kann ausser dem Kellergeschoss und Dachgeschoss 3 Geschosse enthalten. Die Baukosten für die Ausführung des Museumsbaues sollen die Gesamtsumme von 1500000 M, einschliesslich der Honorar-, Bauleitungs- und aller sonstigen Kosten, namentlich auch der Zentralheizung, Wasserzu- und -ableitung, elektrischen Beleuchtung und der Fundirungskosten nicht überschreiten. In letzterer Beziehung wird darauf auf- merksam gemacht, dass sich tragfähiger Baugrund erst in 7 Meter Tiefe findet. Die Verteilung der Räume für die Sammlungen ist so anzuordnen, dass die naturhistorischen Sammlungen von den Kunst- und Kultursammlungen getrennt gehalten werden. Dieses kann entweder so geschehen, dass ein Geschoss ganz für die naturhistorischen Sammlungen ein- gerichtet wird, oder dass dieselben in einem Flügel in zwei oder drei Geschossen untergebracht werden. Die Wahl einer der beiden Arten ist dem Ermessen des Architekten überlassen, jedoch soll auch eine andere zweckmässige Einteilung nicht ausgeschlossen sein. Die Kunstabteilung soll erhalten 3000 Quadratmeter Bodenfläche, nämlich für Skulpturen 970 Quadratmeter, Gemälde 2000 Quadratmeter, ein Arbeitszimmer 30 Quadratmeter. Auf der Fläche für die Gemälde sind 1550 laufende Meter benutzbarer Wände einzurichten. Es ist dabei angenommen, dass die Oberkante der Bilder durchschnittlich nicht über 3 Meter über den Fussboden reichen soll; die Unterkante der Bilder ist dabei auf 0,80 Meter über dem Fussboden angenommen. Die Bilder sind im ersten (Greschoss, etwa zur Hälfte in Oberlichtsälen und zur Hälfte in Kabinetten mit hohem Seitenlicht unterzubringen. Die historische Ab- teilung soll 2000 Quadratmeter Bodenfläche erhalten und folgende Unterabteilungen umfassen: Historische Kulturalter- tümer, Münzen und Siegel, Prähistorie, Ethnographie und ein Arbeitszimmer. Für die naturhistorische Abteilung werden ebenfalls 2000 Quadratmeter Bodenfläche gefordert, die sich auf folgende Unterabteilungen verteilen soll: Säuge- tiere, Vögel, Schmetterlinge und Käfer, niedere Tiere, Gonchylien, Mineralogie, Petrographie, Paläontologie, Herbarien und 4 Arbeitszimmer. Für das Kellergeschoss sind ausser den nötigen Kohlenräumen etc. anzunehmen: eine Wohnung für den Hausmeister, ein Raum für Vorträge zu 150 bis 200 (Juadratmeter, ein oder zwei Arbeitsräume für Restaurirung etc. von Bildern, ein oder zwei Arbeitsräume für Restaurirung von Skulpturen und Kulturaltertümern mit Laboratorium für die prähistorische Sammlung, ein grosser Macerirraum (zum Skelet- tieren grösserer Säugetiere), ein grosser Präparirraum für die naturhistorische Abteilung (nach Norden gelegen), ein Pack- und Spedirraum, ein Arbeitsraum zum Aufenthalt für die Heizer, Raum für Reinigungsutensilien etc. — Das Keller- geschoss muss in Höhe, Ausstattung und Fenstergrösse so eingerichtet sein, dass darin ohne grosse Unkosten Sammlungen und Bibliotheken auch für den öffentlichen Besuch eingerichtet werden können. — Das Erdgeschoss muss ausser den Sammlungsräumen enthalten: ein Geschäftszimmer für den Direktor, ein Wartezimmer, ein Arbeitszimmer für den Assistenten, einen Raum für Kleiderablage und den Portier. — Für sämtliche Räume sind feuersichere Decken anzunehmen. Für die Er- wärmung der Räume ist eine Zentralheizung anzulegen. — Unter der grossen Anzahl von eingesandten Entwürfen wurde derjenige von Prof. Stier in Hannover mit dem ersten Preise gekrönt und zur Ausführung angenommen. — Zum Schlusse wollen wir noch in Kürze über die Thätigkeit der Vorstandsmitglieder im Museum berichten. Mehrere Abtei- lungen der Sammlungen sind vollständig neu bearbeitet und den modernen Anforderungen entsprechend aufgestellt. So ist die von Herrn Prof. Kaiser verwaltete Abteilung (Säugetiere) neu etikettiert und katalogisiert. Herr Dr. Rüst hat die ganze umfangreiche Vogelsammlung in den letzten Jahren einer eingehenden Revision unterworfen, neu etikettiert und katalogisiert und — was für unser Provinzialmuseum vor allem wichtig ist — eine Sammlung der Vögel aus der Provinz Hannover zusammengestellt. Herr Dr. Ude hat die seit vielen Jahren im Museum angesammelten Krokodile, Schildkröten, ausländischen Eidechsen und Amphibien systematisch untersucht, einheimische Arten gesammelt und die Tiere nach neuester Methode aufgestellt. — Herr Gehrs ist damit beschäftigt, die sehr umfangreiche Knoche’sche Conchyliensammlung mit unserer eigenen zu einer einzigen zu verschmelzen. — Auch auf dem Gebiete der Insekten ist ein wesentliches Anwachsen der Sammlungen festzustellen. 10 Hier haben wir vor allem der Thätigkeit des Herrn Peets zu gedenken, der nicht allein die Albers’sche grosse und schöne Käfersammlung neu aufgestellt hat, sondern vor allem das Museum und die Naturhistorische Gesellschaft dadurch zu grossem Dank verpflichtet, dass er eine mustergültige Sammlung einheimischer Käfer schafft. — Herr Brandes hat ein sehr umfangreiches Provinzial- Herbarium zusammengestellt und sich der verdienstvollen Arbeit unterzogen, von demselben einen vollständigen Katalog anzu- fertigen. Das Herbarium europaeum ist in erfreulichem Wachstum begriffen. — Herr Dr. Struckmann hat für die palaeontologische Sammlung eine Anzahl von schönen Stücken erworben und ausgestellt. Herr Dr. Bertram hat die Aufstellung der Mineralien- sammlung beendigt, sodass die Schönheit derselben nunmehr zur vollen Geltung gelangt. Nachdem so mehrere Abteilungen der Sammlung gründlich durchgearbeitet waren, machte sich der Wunsch geltend, auch gedruckte Kataloge von ihnen zu besitzen. Dankbar begrüssten wir es daher, dass der Provinziallandtag im Februar 1897 eine Summe von 3500 Alb bewilligte für den Druck der Kataloge der Säugetier- und Vogelsammlungen und insonderheit des Provinzial- Herbariums. — Heute gerade vor 100 Jahren sandte Mensching an den Hofrat Feder das erste Schreiben, das er als Plan zur Gründung einer Naturhistorischen Lesegesellschaft und Bibliothek be- zeichnete. Wir schliessen deshalb unseren Bericht mit dem Wunsche, dass die von Mensching mit grosser Begeisterung in's Leben gerufene Naturhistorische Gesellschaft auch in der Zukunft blühe und gedeihe. Hannover, den 18. September 1897. Dr. H. Ude. 11 Verzeichnis der Mitglieder am I. October 1897. Der Vorstand der Gesellschaft besteht aus folgenden Mitgliedern: Dr. med. Rüst, Vorsitzender. Prof. Dr. Kaiser, stellvertretender Vorsitzender. Dr. phil. Ude, Schriftführer. 'Eisenbahn-Betriebs-Sekretär ©. Keese, Schatzmeister und Bibliothekar. Dr. phil. Bertram. Amtsrat Dr. Ehrenmitglieder. Herr Consul Nanne, in San Jose, Costa Rica. „ ConsulMarwedel, Hobharton, Tasmanien. „ Consul A. Kaufmann. „ Erblandmarschall Graf von Münster, Exec. in Derneburg. Baron von Müller in Melbourne. =» Prof. Dr. Buchenau m Bremen. Correspondirende Mitglieder. Herr Dr. P. Leverkühn in Sofa. Beständige Mitglieder. Herr Geh. Reg.-Rat a.D. Oldekop. Mitglieder. Die Herren: Ackemann, Dr. phil. Alpers, Seminarlehrer. Lehrer C. Gehrs. Struckmann. Apotheker Brandes. Direktor Dr. Schäff. Andr&e, Apotheker. Athenstadt, Apotheker. Bade, Apotheker. Ballauf, Dr. med. Beckmann, Apotheker. Benecke, Fabrikant. von Bennigsen, Dr. jur., Ober- präsident, Wirkl. Geh. Rat, Exc. Bergmann, Apotheker. Bergmann, H., Apotheker. Berkenbusch, Dr. phil., lehrer. Bertram, Dr. phil., Oberlehrer. Beuermann, Fabrikant. Blume, Kaufmann. Bokelberg, Civilingenieur. von Bodemeyer, Dr. med., Sanitätsrat. Brandes, Apotheker. | Brandes, Architekt. ı Brandhorst, Lehrer. ı Brauns, Georg, Fabrikant. ' Brauns, Senator. ' Bückmann, Öberlehrer. ' Capelle, Apotheker in Springe. Ober- Carius, Kaufmann. Dahl, Intendantur-Sekretär. Dieckhoff, Lehrer. Dreyer, Fabrikant. Droop, G., Kaufmann. Dürr, Dr. med., Sanitätsrat. Ebeling, Apotheker. Ebhardt, Commerzrat. Engehausen, Rentner. Engelke, Apotheker in Lauenau. Flohr, Kaufmann. Franck, Landes-Baurat. Fuge, L., Hoflieferant. Gehrs, C., Lehrer. Georg, C., Buchhändler. de Haön, Dr. phil.., Commerzrat. Hagen, Baurat. von Hammerstein, Freiherr, Landwirtschafts - Minister. Hartmann, Dr. phil., Fabrikant. von Hattorf, Major a.D., Ritter gutsbesitzer. Henking, Prof. Dr. phil. Hess, Dr. phil., Professor an der Techn. Hochschule. von Heymann, Generalagent. Homann, Ad., Apotheker. Hoyer, Bau- u. Betr.-Inspektor. Hoyermann, Fabrikant. Hurtzig, Fahrikant. Jänecke, Geh. Commerzrat. Jugler, Amtsassessor a. D., Sekr. der Handelskammer. Kahler, Apotheker. Kaiser, Dr. phil., Professor an der Thierärztl. Hochschule. Kaiser, Dr.. Chemiker in Seelze. Kaiser, Architekt u. Maurermstr. Kasten, Hotelbesitzer. Keese, C., Eisenb.-Betr.-Sekretär. Kissel, Fabrikant in Ricklingen. Knyphausen-Lütetsburg, Graf zu Inn- und. Köllner, Dr. med., Sanitätsrat. 12 Kraul, Weinhändler. Kreye, Naturalienhändler. Lang, Dr. phil. Lang, Steuerassessor a. D. Lange, Oberlehrer. Laves, Historienmaler. Lehmann, Apotheker. Liebig, G., Kaufmann. Linnenbrügge, Ingenieur. Löns, Redakteur. Maier, Direktor in Burgdorf. Malkmus, Professor, Dr. phil. Meyer, Stadtrevisor. Meyer, Fr., Kaufmann. Meyer, Ernst, Commerzrat. Meyer, Gerhard L., Geheimer Commerzrat. Mielenhausen, G., Kaufmann. Möller, Rentner. Mühlenpfordt, G., Ingenieur. Müller, Landes-Direktor. Müller, Dr. med., Sanitätsrat. Niehaus, Lehrer an der höheren Töchterschule 1. Niemann, Apotheker. Noeldeke, Dr. phil., Ober- Appellationsgerichtsrat in Celle. Oberdieck, Dr. med., Sanitätsrat. Oppenheimer, Pferdehändler. Peets, W., Lehrer an der Bürger- schule II. Pentz, L., Apotheker. Preuss, Marstalls-Commissär. Preuss, Dr. med. Prinzhorn, Direktor. Reiche, Tierhändler in Alfeld. Reimers, Dr. phil., Museums- Direktor. Riemschneider, Buchdruckerei- Besitzer. Robby, C., Rentner. Röbber, Dr. phil., Professor am Real-Gymnasium I]. ' Röhrs, M., Kaufmann. Rüst, Dr. med. Rüst, C., Ingenieur. Runde, Direktorial-Assistent. Salfeld, Apotheker. Schäff, Dr. phil., Direktor des Zoologischen Gartens. Schaper, Apotheker. Schliemann, C., Fabrikant in Ricklingen. Schmieder, Dr. phil., Apotheker. Schomer, Prov.-Steuer-Direktor in Charlottenburg. Schulte, Ingenieur. Schultz, ©., Weinhändler. Schwarz, Dr., Chemiker. Seelhorst, Apotheker. Smidt, O., Kaufmann. Söhlke, Lehrer. Steinvorth, Oberlehrer a. D. Stolberg, Oskar, Fabrikant. Strodthoff, Lehrer an der höh. Töchterschule 11. ' Stromeyer, Dr. phil., Apotheker. Struckmann, Dr. phil., Amtsrat. Thun, Apotheker. Tiedje, W., Oberlehrer. Touraine, W., Kaufmann. Ude, Dr. phil., Oberlehrer. Voges, E., Dr. phil., Redakteur. ' von Wacquant-Geozelles, Freiherr. Warnecke, Dr. phil., Chemiker. Wehmer, Dr. phil. Wendland, Hof-Gartendirektor in Herrenhausen. Wilhelm, Apotheker. Wilkening, Fr., Kaufmann. | Wippermann, Staatsanwalt in Hechingen. | Wissmann, Öberförster a. D. Wolpers, Franz, Kaufmann. Wülbern, Senator. 14 Auszüge aus den Rechnungen der Naturhist. Gesellschaft. Vereinsjahr 1893/94. Einnahme. Kassenbestand am Schlusse des Vereins- jahres. 189293 halb. . 1. net ra Non 36 Jahresbeiträge der Mitglieder. . . ..... 924 -- Einnahme aus dem Lesezirkel . . .... % „ — Dparkasse Ziäsn. al hna We Nora. Sa 10,041 28 Gescheüke: aasusdus#toH.: Meran Hlbuk 10 ,„ — Summa . . 1516 M 21 Ausgabe. Für, ‚die Bibliotkiektidtafl - 4 Yo 1a» Isa an 22 Druck- und Büreaukosten 515 „422 Remuneration für den Kustos und Vergütung an Lohndiener . . . 158 „ — Ausgaben durch Vorträge und Kxkursionen veranlasstur 2 0a RE Ms ernen aea ( Summa . . 1010 M 7 bleibt Bestand am 1. Oktober 1894 . . 505 M 44 Vereinsjahr 1894/95. Einnahme. Kassenbestand am Schlusse des Vereins- jahresnl893/94 .. „U... „cha AL 2 505 7M2 Jahresbeiträge der Mitglieder. . .. ... 82 „ — Einnahme aus dem Lesezirkel . ..... 78, — Summa . . 1435 M 44 Ausgabe. Für‘ die,Bihbliethek u... Wo ine oa Sie nB06. A Druck- und Büreaukosten . . . . : 1277. Remuneration für den Kustos und Vereütung an Lohndiener . . . 112 „ — Ausgaben durch Vorträge und E zkursionen yeranlassuenant: ink 95 Summa . . 690 I 37 bleibt Bestand am 1. Oktober 1895 . . 745 Ab 07 led: 3 Y Vereinsjahr 1895/96. Einnahme. Kassenbestand am Schlusse des Vereins- jahres 1894/95 . j Jahresbeiträge der Mitglieder . Einnahme aus dem Lesezirkel Sparkasse-Zinsen Geschenke U EHI U U DL Summa . Ausgabe. Für die Bibliothek. Druck- und Büreaukosten enu id Remuneration an den Kustos, Vergütung an Lohndiener, Porto und Verschiedenes . Ausgaben durch Vorträge und Exkursionen veranlasst Summa . bleibt Bestand am 1. Oktober 1896 . 629 M 90 IV 745 M 07 8sl0 „ — 78 „ TE „ +5 ,0g40 +; 10 -— „ „ 1658 Ab 47 AV) 225 M 05 9 6 , 40°, BB 2 161 20 1028 M 57 16 Bibliothek der Naturhistorischen Gesellschaft. Vermehrung der Büchersammlung (bis 1. Juli 1897.) A. Durch Geschenke. Zeitschrift der Deutsch. geolog. Ges. — Bd. 45—49. — Von Dr. Rüst. Kuntze, O., Geogenetische Beiträge. Leipzig 1895. — Vom Verfasser. Steinvorth, Beiträge zur Frage nach den Irrlichtern. — Vom Verfasser. Leverkühn, P., Über das Brutgeschäft der Crotophagiden. — Vom Verfasser. Vogelschutz in England. — Vom Verfasser. — Die Iskerthal-Bahn. — Vom Verfasser. Struckmann, Ö., Über die Jagd- und Haustiere der Ur- bewohner Niedersachsens. — Vom Verf. — Über die geologischen Verhältnisse der Umgegend von Han- nover. — Vom Verf. Ude, H., Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbri- ciden. Leipzig 1895. — Vom Verf. — Enchytraeiden der Hamburger Magalhaensischen Sammelreise. Hamburg 1896. — Vom Verf. Conwentz, H., Über einen untergegangenen Eibenhorst im Steller Moor bei Hannover. — Vom Verf. Wehmer, (., Beiträge zur Kenntnis einheimischer Pilze I und I. — Vom Verf. — Aspergillus Oryzae. — Vom Verf. Köhler, Fr. E., Nützliche Vogelarten und ihre Eier —- Vom Verleger. Lang, 0., Das nordwestdeutsche Erdölgebiet. — Vom Verf. Dolomit- und Eisenerz-Bildung. — Vom Verf. 17 Lang, 0., Dolerit von Rongstock. — Vom Verf. — Die Bildung der Erdkruste. — Vom Verf. — Die zeitlichen Bestandwechsel der Vesuvlaven und Aetna- gesteine. — Vom Verf. — Die vulkanischen Herde am Golfe von Neapel. — Vom Verf. — Über die Individualität der Gesteine. — Vom Verf. — Beiträge zur Systematik der Eruptivgesteine. — Vom Verf. De l’action de la gelee sur les eboulis anisomeres. — Vom Verfasser. Nove sur l’elimination des matieres organiques de l’eau. — Vom Verfasser. Das Mengenverhältnis von Calcium, Natrium und Kalium als Vergleichungspunkt und Ordnungsmittel der Erup- tivgesteine. — Vom Verf. Beobachtungen an Gletscherschliffen. — Vom Verf. Über einen Pendel-Seismograph. — Vom Verf. Nachtrag zur Abhandlung über die Alaunschieferscholle von Bäkklaget bei Christiania. — Vom Verf. Über geriefte Geschiebe von Muschelkalkstein der Göttinger Gegend. — Vom Verf. jeschaffenheit und Mächtigkeit der Lettenkohlenstufe bei (röttingen. — Vom Verf. Versuch einer Ordnung der Eruptivgesteine nach ihrem chemischen Bestande. — Vom Verf. Rogel, Franz, Verschiedene mathematische Abhandlungen. Jacobsen, Reise in die Inselwelt des Banda-Meeres. — Von Redakteur H. Löns. Balawelder, A., Abstammung des Allseins. -—— Vom Verf. B. Durch Sehriftentausch, Geschenke von Behörden, Vereinen u. Ss. w. Aarau, ÄArgauische naturforsch. Ges. — Mitt. VII. Albany, New York State Museum. — Ann. rep. 1891. 1892. 1893. Altenburg i. S.-A., Naturforsch. Ges. des Osterlandes. Mitt: N.BECVT. ‚Vi: Amiens, Soc. Lin. du Nord de la France. — T. XI. il. Annaberg, Annab.-Buchholzer Ver. f. Naturk. — Ber. IX. Augsburg, Naturw. Ver. f. Schwaben u. Neuburg. — Ber. 31. 32. Aussig, Naturw. Ver. — 188793. Basel, Naturforschende Ges. — Verh. IX 3; X 2, 3; XT 1, 2. Bergen, Bergens Museum. Aarsberet. 1892. 1893. 1894/95. 1896. Beilage V. IV 18 Berlin, Ges. naturforsch. Freunde. — Sitzungsbericht 1893. 1894. 1895: — Journal für Landwirtschaft. 42. Bd. 3,4: 43. Bd., 44. Bd., 45: Bart — Botanischer Verein für die Provinz Brandenburg. — Verh. 35.136, 37.-38: — Polytechnisches Centralblatt. — Jahre. 55—58, Nr 23. Bern, Naturforsch. Ges. — Mitt. 1305—1372. — Schweiz. naturforsch. Ges. — Verh. 1894. Bistritz, Gewerbeschule. — Jahresber. 18. 19. Bonn, Naturhist. Verein der pr. Rheinlande, Westfalen und des Rgbz. Osnabrück. — Jahrg. 50 2. -53. 1. 2. —- Niederrhein. Ges. für Natur- und Heilkunde. — Sitzungs- bericht 1895. 1896. Boston, Soc. of nat. hist. — Proceed. XXVI--XXVIL. Nr. 14. Mem.}1W II 16: MAly27,10c& ha Braunschweig, Ver. f. Naturw. — Jahresber. 7. Bremen, Naturwiss. Ver. — Abh. XII 1—3, XIV 1. Nebst Beitr. z. n.-w.-deutschen Volks- u. Landeskunde. 3remen, Meteorolog. Stat. — Die meteor. Jahrb. für 1893. 1894. 1895. 1896. Breslau, Schles. Ges. f. vaterländ. Kultur. — Jahresber. 71.72.73. Nebst Litt. d. Landes- u. Volkskunde. 3. 4. Brünn, K. k. mähr.-schles. Ges. zur Beförderung des Acker- baues u. s. w. Centralbl. 1893---96. — ‚Naturtorsch. Ver. — ‚Verh. 31—-34 und 11.--14. Ber. der meteorol. Commission. — K.k. mähr.-schles. Ges. — Notizbl. d. hist. stat. Sekt. 1895. Budapest, Ungar. National-Museum. —- Termeszetrajzy füzetek 1894. 1895. 1896. 1897. Nebst Beilage zu Bd. 18. Buenos-Aires, Acad. Nacional de Ciencias. — Bol. XU. IE: RIVSEEN. HR, Buffalo, Soc. of nat. Se. — Bull. V 4. Cambridge, Mus. of Comp. Zool. at Harvard College. — Bull. OU HEN PET ENTER EROSNE I E, RRUM. SI 340 KR RAR 16 All rep. 189293. 93/94. 94/95. 95/96. Champaien, Illin. State Labor. of Nat. Hist. — Biennial Rep. 1895,94. Chapel Hill N.-C., El. Mitchel Se. Soc. -- Journ. X— X. Chemnitz, Naturw. Ges. — Ber. XH. XIU. Cherbourg, Soc. nationale des se. nat. — Mem. AXIX. Chicago, Field Golumbian Museun:. — Pub. 1—17. - Ac. of Scs. — Bull. II 2. Ann. rep. XVIl. 19 Christiania, Videnskabs-Selskabet. — Forh. 1893 —1895. — Den norske Nordhavs Exp. No. XXU. XXI. XXIV. —- Norweg. Comm. d. europ. Gradmessung. — Resultate 1893 — 94: Astronom. Beob. 1895. — Bibliothek der Universität. -— Kjerulf, Reskrivelse af en raekke norske bergarter. — Barth, Noronaskaller. Chur, Naturf. Ges. Graubündens. — Jahresber. 37, 38 nebst Beilage, 39. 40. Cincinnati, Museum Ass. — Ann. Rep. XI. Colorado Springs, Col. College Studies. — Ann. publ. V. VI. Danzig, Naturf. Ges. — Schriften N. F. VIT 3. 4& IX 1.2. — Westpr. Prov.-Museum. — Ber. XVI. Darmstadt, Ver. f. Erdkunde. — Notizbl. IV. F. 14. 15. 16. 17. Davenport, Ac. of nat. Sc. — Proc. V 2. Donaueschingen, Ver. f. Gesch. u. Naturg. d. Baar- u. s. w. Schrift. IX. Dorpat, Naturf.-Ges. — Sitzungsber. X. XI. — Schriften IX. — Naturforsch. Ges. — Archiv f. Naturkunde. X 3—XT 2. Dresden, „Isis“. — Sitzungsber. 1893. 1894. 1895. 1896. Dürkheim, „Pollichia“. — Mitt. 6—11. Mehlis: Der Drachenfels. Düsseldorf, Naturw. Ver. — Mitt. 3. Elberfeld, Naturw. Ges. — Jahresb. VII. Emden, Naturforsch. Ges. — Jahresb. 78. 79. 80. Erfurt, Kel. Akad. gemeinnütz. Wiss. — Jahrbücher N. F. 20—23. Erlangen, Phys.-med. Soc. — Sitzungsber. 1894. 1895. 1896. Firenze, Biblioteca nazionale centrale. — Boll. 1894—1897. — R. Istituto di Studi Sup. pract. e di Perfezionamento. — Publ. 1890/91. Frankfurt a/M., Senkenbergische nat. Ges. — Ber. 1893 —96. — Phys. Ver. — Jahresber. 1892/93. 93/94. 94/95. Nebst Beilage. Frankfurt a0., Naturw. Ver. d. Rgbz. Frankfurt a/0. — Helios 1894. 1895. 1896. — Societatum Litterae. 1894—1897, Nr. 6. Frauenfeld, Thurgauische naturf. Ges. — Mitt. XI. XI. Freiburg i. B., Naturf. Ges. — Ber. VI 1. VII. IX 1-3. St. Gallen, Naturw. Ges. — Ber. 1891/92—1894/95. Geneve, Soc. phys. et d’hist. nat. — Compte rendu X— XI. Giessen, Oberhess. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. Beri 30431 Görlitz, Neues Lausitz’sches Magazin. — Bd. 69, 70, 71, 72 und Festschrift. — Naturforsch. Ges. — Abh. XXI. 20 Göttingen, Kgl. Ges. d. Wiss. — Nachrichten 1893—1897 (1). — Univ.-Bibl. — Inaug.-Diss. 1893 — 1896. Graz, Naturw. Ver. f. Steyermark. — Mitt. 1893—1896. — Ver. d. Ärzte in Steyermark. — Mitt. 1894. Greifswald, Geogr. Ges. — Jahresber. V. VI. Güstrow, Ver. d. Fr. d. Nature. in Mecklenburg. Archiv 47. 48. 49. 50. Nebst Inhaltsverzeichnis. Halifax, Nova Scotian Inst. of Sc. — Proc. & Trans. II. Ser. I. II. Halle a. S., Ver. f. Erdkunde. — Mitt. 1893—1896. — Leopoldina XXX—XXXI. Hamburg, Naturw. Ver. —- Abh. XIII—XV.— Verh. II. F. 1—4. — Deutsch. meteor. Jahrb. f. 1892—1895. — Ver. f. naturw. Unterhaltung. — Verh. VII. IX. Hanau, Wetterauische Ges. — Ber. 1892 95. Hannover, Kgl. Landw. Ges. — Journal 41.—45. Bd. — Jahresber. 1894—96. Hartford, Connecticut Humane Soc. — Ann. rep. XV. Heidelberg, Naturhist.-med. Ver. — Verh. N. F. V 2-5. Hermannstadt, Siebenbürg. Ver. f. Naturw. — Verh. und Mitt. 43. 44. 45. — Geschichte desselben. Innsbruck, Ferdinandeum. — Zeitschr. 38-—40. Karlsruhe, Naturw.’ Ver. —-' Verh. XI. Kassel, Ver. f. Naturkunde. — Ber. 39 —41. Kiel, Naturw. Ver. f. Schleswig-Holstein. Schrift X 2; XLL Klagenfurt, Naturh. Landesmuseum v. Kärnten. — Jahrb. XXI. XXI. XXIV. — Magen. u. meteor. Beob. 1892 — 96. Königsberg, Phys.-ökonom. Ges. Schrift. 34—37. Landshut, Botan. Ver. — Ber. XII. XIV. Lausanne, Soc. Vaudoise des sc. nat. — Bull (3. Ser.) 113—124. — Soc. Helvetique des Sc. nt. — Actes 76. — Universite. — Index bibliogr. Leipa, Nordböhm. Exk.-Klub. — Mitt. 17-—20. Nebst Beilage. Leipzig, Kgl. sächs. Ges. d. Wiss. — Ber. (math.-phys. Kl.) 18941896. 1897. TI. -— Ver. für Erdkunde. — Mitt. 1893—1896. — Wiss. Ver- öffentlichungen zu II. II. - Naturf. Ges. — Sitzungsber. 19/21. — Fürstl. Jablonowski’sche Ges. — Preisschr. XII. XIII. Jahresber. Lille, Revue biol. du N. de la France. — Annee Vl. VI. Linz. Museum Francisco-Carolinum. — Ber. 51.—55. Bibliotheks- Katalog. Ver. f. Naturkunde. — Ber. 1894-96. Lisboa, Com. dos Trabalhos geol. de Portugal. — Comm. II 1. 21 St. Louis, Missouri botanical garden. — - rep. V-— VI. — Acad. of Sc. — Trans. VI 9—18. VI 1-3. Lüneburg, Naturw. Ver. für das Fürstentum Lüneburg. — Jahresheft XI. Luxemburg, „Fauna“. — 1893. 1894. 1895. — Inst. K. Grand-Duec. — Publ. XXIL—XXW. Madison, Wisconsin Ac. of Se., Arts & Lett. — Trans. X. Magdeburg, Naturw. Ver. — Jahrb. u. Abh. 1892, Fest- schrift; 1893 94. Manchester, Liter. & phil. Soc. — Mem. & proc. (4. Ser.) Nr. 209... VEIBEF EIER Mannheim, Ver. f. Naturkunde. — Jahresber. 56-—60. Marburg, Ges. z. Bef. d. ges. Naturw. — Sitzungsber. 1893. 1894. 1895. 1896. Schrift. XU. XIH. Melbourne, Royal Soc. of Victoria. -- Proc. V—IX. Meriden, 'Scientif. Ass. —- "Trans. Mexico, Observatorio Met. — Bol. mens. 1896. 1897. Milwaukee, Nat. hist. Soc. of Wisconsin. — Oce. pap. IL 2. 3. — The Board of Trustees of the Public Museum. — Ann. rep. XI’ XII. 'XIN. Minneapolis, Geolog. & nat. hist. Survey. — Bull. No. 10. Ann. rep. 1892. 93. 94. — The state zoolog. — Rep. I. 1. Minneapolis, Minnesota Ac. of Nat. Se. — Bull. IV 1. Part. 1. — Oce. pap. 11. Montevideo, Mus. nacional. — Ann. 1896. Moscou, Soc. imp. des natural. — Bull. 1893—1896. München, Kgl. bayr. Akad. d. Wiss. — Sitzungsber. 1893 —97. 1. — Bayr. botan. Ges. z. Erforsch. der heimischen Flora. Ber. II. Münster, Westfäl. Prov.-Ver. — Jahresber. 21—23. Nantes, Soc. sc. nat. de l’ouest de la France. — Bull. III 2—V11. Neuchatel, Soc. des Se. nat. — T. XVIL-=XX. New Haven, Connecticut Ac. arts & sc. — Trans. IX 2. New-York, Microscop. Soc. — Journ. VII. IX 4—XIl 3. — Acad. of Sc. — Annals VII 6—IX 3. Index zu VI. VO. — Trans. XIV. XV. Nürnberg, Naturhist. Ges. — Abh. X 2. 3. 4. Odessa, Neuruss. Naturf. Ges. XVUI—XXI 1. Bitenhach, Ver. 'f:. Naturk.. — Ber. ;33—36: Osnabrück, Naturw. Ver. — Jahresber. X. XI. Passau, Naturhist. Ver. — Ber. 16. St.Petersburg, Societe Imp. des Naturalistes, — Travaux 1871—94, ID ID St. Petersburg, Trav. 1895. — Compt. rend. 1895. 1896. 1597.01. — Sect. de Geol. & Min. XXI—XXIV. — Sect. de Bot. XXV—XXVI. — Sect. de Zool. & Phys. XXV. XXVL Philadelphia, Amer. philos. Soc. — Proceed. 142—-152. — Ac. of nat. sc. — Proceed. 1893—1896. II. Pisa, Societä Toscana di sc. nat. — Proc. verb. IX. X. — Mem. XII. XIV. XV. La Plata, Bureau general de statistique 1897. Posen, Naturw. Ver. der Prov. Posen. — Zeitschr. d. bot. Ahtnili2 Prag, K. böhm. Ges. d. Wiss. — Sitzungsber. 1893—96. — Jahresber. 1893 — 96. = I0tosrr Hahrbs Le Naturw. N. Re Rave EANhhSa Pressburg, Ver. f. Natur- u. Heilkunde. — Verh. N. F. 8. Heft. Regensburg, Naturw. Ver. — Ber. IV. V. — K. bot. Ges. — Katalog der Bibliothek. Reichenberg, Ver. d. Naturfreunde. — Mitt. 25—28. Riga, Naturforscher-Ver — Corresp. XXXVI—XXNIN. Rio de Janeiro, Mus. nacional. — Arch. VI. Rochester, Acad. of sc. — Proceed. II 3.4. II 1. Roma, R. Ac. dei Lincei. — Atti (Mem.) 1891. 18927 — Rend. 1894 —97. — Bibl. naz. centr. Vittorio Emanuele. — Boll. 1892. Salem. Amer. assoc. for the adv. of sec. — Proceed. 1893 — 1896. — ERsSSEx DS BERKER San Francisco, Calif. Ac. of Se. — Oecc. pap. IV. — FroeeIN NEN. San Jose, Museo nacional. — Antiguedades. 1896. I. — Mamiferos. Moluscos. Insectos. —- Informe 1896. 1896/97. Santiago, Deutscher wiss. Ver. — Verh. I 5— III 4. Soc. sceient. du Chili. Aides II4 II lot 3%. 1 Van: Sion, La Murithienne. XXI XXI Stavanger, Museum. — Aarsberet. 1892—95. Stockholm, Soc. entomol. — Entom. Tidsk. 1895. Stuttgart, Ver. f. vaterl. Naturk. Württemberg. — Jahres- hefte, 507 917°32.33. — Württemb. Ver. f. Handelsgeographie. — Jhrb. XL/XI. Tokio, Imp. Univ. of Japan. — Calendar 1893,94. 94/95. — Zoolog. Soc. — Annotationes I !/,. Topeka, Kansas Ac. of Sc. — Trans. XII. 23 Toronto, Canadian inst. — Ann. rep. V. VII. — Trans. III 2, GNRTETS: Trencsen, Naturw. Ver. — Jahrhefte 1894/95. Trieste, Societa Adriat. di sec. nat. — Boll. XV. Tufts College, Studies. 1—4. Upsala, The geol. Inst. of the University. — Bull. I. I. Washington, U. S. geol. Survey. — Ann. rep. XI-XVII 3. — U. S. department of agriculture. Bull. 6. 8. — North am. fauna. 8— 12. — Farmers Bull. 54. — Smithsonian Rep. f. 1891—94. U. S. Nat. Mus. 1891—94. — U. S. nat. Mus. — Bull. 43—47. Oceanic ichthyology. North amer.“bırds..— Proc: XV. XVII. XVIE Wernigerode, Naturw. Ver. d. Harzes. — Schriften 1893 —96. Wien, K. k. geol. Reichsanst. — Verh. 1893 Nr. 1—1897 Nr. 8. — K. k. zoolog.-bot. Ges. — Verh. 1893: 3. 4. Quart. — Sitzungsber. 1894. 1895. — K.k. naturhist. Hofmuseum. — Annalen VIIT 3. 4. IX. X. XL — Rmtomols Vers Jahresber. Vv —\ll. — Ver. d. Geogr. a. d. Univ. — Ber. 19,21. — Lotos. — Jahrb. f. Naturw. N. F. XW. —- Naturw. Ver. a. d. Universität. — Mitt. 1892/93. 93/94. — Verein zur Verbreitung naturwiss. Kenntnisse. — Schriften XXXV—XXXVI. Wiesbaden, Nassauischer Verein für Naturkunde. — Jahr- bücher 47. 48. 49. 50. Würzburg, Phys.-med. Ges. — Sitzungsber. 1893—-95. Zürich, Naturforscher-Ges. — Vierteljahrs - Schrift. 38—42 (und Beilage). Zwickau, Ver. f. Naturkunde. — Jahresber. 1892—96. C. Dureh Ankauf. Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geol. und Pal. Journal für Ornithologie (Cabanis). Botanische Zeitung (Solms-Laubach & Wortmann). Zoologischer Anzeiger (V. Carus) Nr. 429 —453. G. de Kerville, Leuchtende Tiere. Dennert, Vergl. Pflanzenmorphologie. Foologisches Adressbuch. Deutscher Seefischerei-Verein. — Mitt. XI. XI. XII (8). Biologisches Centralblatt XV—XVII (16). Naturhistorische Sammlungen im Provinzial-Museum. 1. Verwaltung. Es verwaltet: Herr Prof. Dr. Kaiser (seit 1890) die Säugetiere, Dr. Rüst (seit 1891) die Vögel, Dr. Ude (seit 1890) die Reptilien, Amphibien, Fische und Würmer, Direktor Dr. Schäff (seit 1896) die Insekten, ! C. Gehrs die Weichtiere (Conchylien), Pflanzentiere, Stachelhäuter und Fruchtsammlung, Apotheker Brandes das Herbarium, Dr. Bertram (seit 1891) die Mineraliensammlung, Dr. Struckmann die geologische Sammlung, „ Oberlehrer Steinvorth (seit 1891) die Gesteinssammlung. 2. Vermehrung. Die Sammlungen, über deren teilweise neue Bearbeitung und Aufstellung seitens der Abteilungsvorstände wir bereits in der Einleitung berichteten, haben auch in diesen Jahren reich- lichen Zuwachs erfahren. Von einer Berichterstattung über die durch Kauf erworbenen Gegenstände kann hier abgesehen werden, dagegen wollen wir die als Geschenke erhaltenen Naturalien namentlich erwähnen, indem wir den gütigen Gebern auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen, zugleich jedoch die Bitte hinzufügen, uns auch in der Zukunft in unseren gemein- nützigen Bestrebungen unterstützen zu wollen. 25 Zoologischer Garten: mehrere Chamaeleons, einen Ochsen- frosch (skelettiert), Uromastix hardwickii Gray, 1 Krokodil, 5 Schildkröten, eine grössere Anzahl Vögel, mehrere Schlangen und Eidechsen. Herr Hofgartendirektor Wendland: peruanische Käfer. Herr Lehrer Wehrhan: Kollektion von Planorbis multiformis. Herr Oberlehrer Schultze in Einbeck: Dithymalus salicifolius. Herr Bürgermeister Troje in Einbeck: 1 Glasschwamm. Frau Bruin: Flusspferdschädel. Herr Forstmeister Hesse in Springe: 1 Schnabeltier, 2 Bälge von Sterna caspia, 2 Petrefakten, ein Stück Bernstein von Sylt. Herr Dr. Rüst: Anas strepera $, Diomedea exulans und canta. Herr Eis.-Betr.-Sekr. Stahrenberg: Versteinerungen aus dem Ural. Herr Dr. Struckmann: 1 Fledermaus. Herr Oberst Schneider: Myoxus Glis. Herr Oberlehrer Dernedde: eine Sammlung _chilenischer Amphibien und Reptilien. Herr Kaufmann Behne: Kernbeisser. Herr Prof. Dr. Kohlrausch: niedere, wirbellose Tiere (See- sterne, Schlangensterne, Polychaeten) von Teneriffa und den Canarischen Inseln. Frau Baronin von Wurmb-Zink: Früchte von Salisburia adiantifolia. Herr Oberleher Steinvorth: eine Mangopflaume, Coniferen- früchte. Herr Dr. Ude: einheimische Amphibien, Petrefacten (Annu- laria sp. und Lingula tenuissima). Herr E. A. Gieseler in Savannah (Nordamerika): Haifisch- zähne, fossile Knochen (7), Fischeier mit Embryonen, 1 Schlange, 1 Eidechse, 1 Spinnennest, Regenwürmer. Unter letzteren befand sich eine neue Art, die als Allolo- bophora gieseleri Ude beschrieben ist (vgl. Ude, Beiträge zur Kenntnis der Enchytraeiden und Lumbrieiden; in Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 61. Bd. p. 111). 26 Herr Ingenieur Strüver: Früchte von Luffa, Reptilien und Mineralien aus Venezuela. Herr Apotheker Engelke in Lauenau: Triton alpestris aus dem Deister. Herr Bergwerksdirektor Pook in Waldhausen: eine Flasche mit Rohpetroleum aus Wietze a. d. Aller. Herr Kreye: Stamm-Ende einer Eibe aus dem Steller Moor, Turdus pilaris X mit Nest und Ei. Herr Apotheker Capelle in Springe: Stapelienblüten, Früchte von Passiflora coerulea. Herr Dr. v. Campe: eine grosse Zahl Conchylien. Herr Apotheker Brandes: Früchte der Myristica-Arten. Herr Eis.-Betr.-Sekr. Keese: 1 Menschenschädel und mehrere Bezoirs aus der Leunis’schen Sammlung. Herr A. Meine: Insekten in Spiritus. Herr Dr. Bertram: Apus cancriformis aus der Vahrenwalder Heide. Frl. A. Voss: Agapornis cana / und 9. Herr Eis.-Sekr. Schumann: 1 Kreuzotter. Herr Redakteur Löns: Moorfrosch, Chamaeleon, Netzbeschwerer. Herr Prof. Mohrmann: 1 Maus. Herr Ernst C. Fischer aus New.-York: 1 Schlange (Heterodon simus) mit doppeltem Kopfe. Herr Staats Frhr. von Wacquant-Geozelles: Feuer- steinwerkzeuge. Herr Finanzdirektor v. Bennigsen: Korallen von Dar-Es-Salaam. Herr Peets: Fische. Herr Apotheker Cruse in Eschershausen: cf von Geburts- helferkröte. Herr Stadtrevisor Meyer: mehrere Versteinerungen. Der Pflanzen- und Fruchtsammlung sind Geschenke gemacht von: Frau Assessor Pape in Hildesheim, Herrn Seminar- lehrer Alpers, Pastor Stölting, Fr. Wilde in Goslar, Apotheker Wolpers in Burgwedel, Postverwalter Iser- mann in Bodenwerder, Lehrer Töber in Kieste, Apotheker Grote in Peine, A. Vocke in Nordhausen, Apotheker Capellein Springe, Frhr. von Wacquant-Geozelles, Oberlehrer Steinvorth, Apotheker Brandes. Sitzungsberichte. 1593/94. 1. Sitzung. 2. November 1895. Generalversammlung. Nach Begrüssung der Versammlung durch den Vorsitzenden und nach Verlesung des Protokolls der vorigen Generalversammlung gab Herr Dr. Rüst eine Übersicht über die Rechnungsablage des Vereinsjahres 1892/93. Nach der- selben (vgl. vorigen Jahresbericht pag. 5) blieb ein Bestand von 475.96 Al. Zu Kassenrevisoren wurden die Herren Carius und Preuss gewählt. Am Schlusse des Vereinsjahres 1891/92 zählte der Verein 149 Mitglieder; neu eingetreten sind 23 Mitglieder, dagegen sind ausgetreten bezw. verzogen oder gestorben 9 Mit- glieder, sodass die Gesellschaft 1892/93 um 14 Mitglieder gewachsen ist und 163 Mitglieder zählte. Unter den Verstorbenen befanden sich Herr Dr. von Holle und v. Seefeld. Ersterer hat dem Prov.-Museum sein wertvolles Herbarium, eine schöne Insekten- sammlung, eine reiche Büchersammlung und 1000 Ab Kapital vermacht. (Vgl. vorigen Jahresbericht.) Zu Ehren der Ver- storbenen erhoben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. — Dann erfolgte die Berichterstattung der Abteilungsvorstände über ihre Thätigkeit in der naturhistorischen Abteilung des Museums während des Jahres 1892/93. Herr Prof. Dr. Kaiser hat verschiedene Säugetiere angeschafft. Herr Dr. Rüst hat die ganze Vogelsammlung neu bearbeitet und katalogisiert. Herr Dr. Ude hat die Eidechsen, Schildkröten und Krokodile bestimmt und Skorpione, Tausendfüsse und Krebse aufgestellt. Herr Direktor Mühlenpfordt hat Vertreter für Mimiery und verschiedene Insekten angeschafft. Herr Dr. Bertram berichtete über die neue Aufstellung der Mineralien und über die Karl- baum’sche Sammlung. Herr Oberlehrer Steinvorth hat Felsarten aus der Hildesheimer Gegend angeschafft und die Gesteinsarten des Harzes aufgestellt. Herr Gehrs ist mit der Einordnung der Knoche’schen Conchyliensammlung beschäftigt. Herr Apotheker Brandes hat das Herbarium, soweit Vorrat an Pflanzen vorhanden war, fertig gestellt und die Bildung des 28 Provinzial- Herbariums begonnen. — Schliesslich sprach Herr Oberlehrer Steinvorth noch den Wunsch aus, dass neue Er- werbungen für das Museum in den Sitzungen vorgezeigt werden möchten und Herr Dr. Rüst ersuchte die Abteilungsvorstände, die ihnen unterstellten Sammlungen den Gesellschaftsmitgliedern vorzuführen. — 2. Sitzung. 9. November 1893. Vortrag des Herın Dr. Mejer über: „Die Verfälschung der Floren“. Die meisten botanischen Kreise verurteilen das Anpflanzen von Gewächsen auf einen neuen Standort als eine Verfälschung der Flora, und scheinbar allerdings mit Recht. Wenn man die Sache genauer ansieht, erkennt man jedoch, dass nicht nur der Schaden, der dadurch angerichtet wird, völlig unmerklich ist, sondern dass eine Bereicherung der Flora sogar Nutzen bringt. Zunächst muss man konstatieren, dass es eine echte Flora des deutschen Waldgebietes überhaupt nicht mehr giebt, schon von der Zeit her, als die alten Germanen hier eingewandert sind. Seitdem ist fort und fort die Flora verändert, und in der neuesten Zeit giebt es überhaupt wenig Stellen, auf denen man nicht neu eingeführte Pflanzen findet. Selbst unsere Wälder, Wiesen, Moore und Sümpfe sind nicht unberührt geblieben. Und wieviel neue Pflanzen bringt der Verkehr, der Ackerbau durch fremden Samenbezug, der Gartenbau in unsere Flora hinein? Dagegen fallen viele ursprüngliche Pflanzen der Kultur, den Kräutersuchern und den Blumenliebhabern (z. B. in der Eilenriede) zum Opfer. Daneben wirkt die Natur schon seit undenklichen Zeiten fort- während umgestaltend auf die Flora ein: Vögel, Wind und andere uns unbekannte Ursachen führen uns regelmässig neue Pflanzen zu, deren Herkunft wir in den meisten Fällen nicht erfahren können. — Dem gegenüber ist das absichtliche An- pflanzen neuer Gewächse in der Flora stets ohne Bedeutung, und um so mehr, da dies wohl nie anders geschehen wird, als in solchen Gegenden, wo lebhaftes botanisches Interesse herrscht. Hier werden also die Pflanzen niemals viele Jahre hindurch unbeachtet bleiben und sich so ausdehnen können, dass man sie ja für ursprünglich halten könnte, denn selbstverständlich sind neu angepflanzte Gewächse anfangs auf enge Kreise beschränkt. Wenn nun die Aufgabe der Botanik ist, die Be- dingungen zu erkennen, unter denen die Existenz einer Pflanze in einem Florengebiete dauernd gesichert ist, so giebt das An- pflanzen neuer Arten in der Wildnis die einzige Möglichkeit, dies zu erreichen. 3. Sitzung. 16. November 1895. Herr Dr. Rüst demonstrierte die Vogelsammlung. 4. Sitzung. 23. November 189%. Vortrag des Herrn Ö. Gehrs über: „Die solitären Bienen“. Die Bienen, welche nur eine Gruppe der Hymenopteren bilden, sind lange nicht so eifrig studiert und gesammelt worden, wie die Käfer und Schmetterlinge, weshalb auch in der neuesten Zeit zum ersten Male ein Verzeichnis der deutschen Bienen veröffentlicht wurde. Danach sind bis jetzt in Deutschland 330 Arten Bienen gefunden worden, während man in Frankreich 440 Arten kennt. Da sie in enger Beziehung zur Flora der Phanerogamen stehen, so muss der, welcher sich näher mit der Bienenfauna eines Ortes vertraut machen will, zugleich Botaniker sein und die Flora des Sammelgebietes kennen. Der Bienenreichtum einer Gegend hängt sehr von den Boden- formationen und Wärmeverhältnissen ab. Bevorzugt sind trockene Thäler mit Böschungen und von der Sonne beschienene Abhänge, besonders Muschelkalk. Arm sind einförmige, feuchte oder aus Flugsand bestehende Flächen, wie auch Umgebungen von Fabriken mit giftigen Gasen und auch Gegenden mit intensivem Anbau von Kulturpflanzen in grossem Betriebe. Man teilt die Bienen in drei grosse Gruppen, in soziale, solitäre und parasitische, oder nach ihren Sammelorganen in Schienen-, Schenkel-, Bauchsammler , pseudoparasitische und parasitische Bienen. Man kann sie auch nach der Anlage ihrer Wohnungen gruppieren. Da es zu weit führen würde, sämtliche Gattungen zu schildern, so wendet sich Redner zu der Gattung Andrena, welche des Genaueren gekennzeichnet wird. Die Andrenen, welche auch wohl Sandbienen genannt werden, bauen ihre Wohnungen gern in sandigen Lehm- oder Thonboden. Hier graben die Weibchen einzeln bis fusstiefe Löcher, an deren Endpunkten sich die Zelle befindet, in welche die Nahrung für die Brut eingetragen wird. In 3—4 Wochen hat jede Art ihre Zellen geschlossen und die Brut geborgen, worauf die Weibchen absterben. Die Männchen, welche sich nicht in den Löchern aufhalten, sondern im Freien bleiben, sind nur kurz- lebig. Die meisten Arten treten im ersten Frühjahr auf und besuchen dann vorzugsweise die blühenden Weiden. Vereinzelt treten manche Arten mit dem Aufblühen gewisser Pflanzen, an welche sie gebunden sind, bis zum Herbste hin auf. Die Andrena sammelt Pollen und Honig besonders von 10—4 Uhr nachmittags im Sonnenschein, während sie die übrige Zeit 30 zum Graben der Röhren verwendet. Sie ist ein freundliches und friedfertiges Tier, welches keinen Feind angreift, sondern seinen Wehrstachel nur benutzt, wenn es angegriffen wird. Die Andrenenbrut wird geschädigt durch eindringende Schmarotzer, unter denen sich Käfer, Fliegen, Schlupfwespen und besonders eine Schmarotzerbiene, die Nomada oder Schmuckbiene, finden. Für die Bienensammler ist oft ein Schmarotzer der Andrena sehr lästig, weil er seinen Wirt entstellt und leicht unkenntlich macht, das ist eine Art der Gattung Stylops. Nach dem Vortrage demonstrierte Redner die von ihm hier gesammelten Bienen. In der Sammlung der Hummeln fielen besonders die durch ihre grellen Farben ausgezeichneten Hummeln von Lappland auf. 5. Sitzung. 30. November 1893. Vortrag des Herrn Dr. Ude: „Über leuchtende Tiere“. Fast in allen Kreisen des Tierreichs finden sich Tiere, bei denen Leuchtkraft beobachtet ist. So sei zunächst vor allem erwähnt, dass das häufig vorkommende Leuchten toter Schellfische und Schollen auf die Gegenwart von Bakterien zurückzuführen ist. Überträgt man solche Baeillen auf Fleisch, so strahlt auch dieses ein weisses oder grünliches Licht aus. Das zauberische Schauspiel des Meerleuchtens, wird durch winzig kleine Tierchen (Noctiluca miliaris) hervorgerufen, die, in grosser Menge ver- einigt, eine mehr oder weniger dicke Schicht auf der Oberfläche des Meeres bilden. — Von den vielzelligen Tieren beschrieb der Vortragende dann die Seefeder und die interessanten Versuche, die Panceri mit diesen Tierchen anstellte. Eingehend wurden darauf die hochentwickelten Leuchtorgane gewisser Krebse beschrieben, die in den tiefsten Meeresschlünden leben, wohin kein Lichtstrahl dringt. Das bekannteste Beispiel leuchtender Tiere unter den einheimischen Käfern, ist das Johanniswürmchen, bei dem selbst Eier, Larven und Puppen leuchten. Die Leuchtorgane dieses Tieres liegen am Hinter- leibe. Aus dem Kreise der Wirbeltiere kennt man mit Sicherheit nur aus der Klasse der Fische Arten, die Leuchtvermögen besitzen. Bei vielen derselben ist am Kopfe ein System von Kanälen entwickelt, die in reichlicher Menge selbständig leuchten- den Schleim absondern. Andere Fische haben besondere Leucht- organe, die rücksichtlich ihrer Lage und ihres Baues zahlreiche Modifikationen bieten. Im einfachsten Falle erscheinen sie als zahllose kleine Wärzchen oder als grössere, aber in geringerer Anzahl vorhandene Höcker. Höher entwickelt sind die roten oder grauen Augenflecke, die in 2 Reihen unten an jeder Seite [e) ol des Körpers in regelmässigen Abständen gelegen sind. — Die Fische, welche leuchtenden Schleim absondern, strahlen so lange Licht von ihrer Oberfläche aus, als sie in Thätigkeit sind, das aber erlischt, wenn sie schlafen oder ruhen. Bei den Fischen mit hochentwickelten Leuchtorganen ist die Licht- produktion augenscheinlich willkürlich. — Was die Ursache der Lichtentwickelung anlangt, so geht aus den Versuchen von Dubois hervor, dass es sich um einen rein chemisch-physikalischen Vorgang handelt, der sich im Protoplasma der leuchtenden Zellen abspielt. Es gelang dem genannten Forscher, aus den leuchtenden Teilen der Bohrmuschel zwei Stoffe darzustellen, deren Berührung, wenn Wasser zugegen war, das Erscheinen von Licht verursacht. Er nannte die beiden Stoffe Luciferin und Luciferase. — Aus dem Leuchtvermögen erwachsen den Tieren verschiedene Vorteile. Sie können ihre Umgebung er- leuchten, was ihnen gestattet ihre Nahrung zu suchen, ihre Feinde und drohende Gefahren zu erkennen. Ferner dient das Licht als Lockmittel, indem dadurch andere Tiere angelockt und so leicht erbeutet werden. Weiter können die Leuchtapparate ein Schutzmittel sein durch den Schreck, welchen das plötzlich auftretende Licht Feinden einjagt. — Zur Erläuterung einiger anatomischer Einzelheiten dienten Zeichnungen. — 6. Sitzung. 7. Dezemper 1893. Die Sitzung fiel aus. Statt derselben demonstrierte am 2. December Herr Ober-Hofgärtner Wendland die Orchideen in Herrenhausen. . Sitzung. 14. Dezember 189. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Kaiser über: „Die Milch in physiologischer und patholoeischer Hinsicht“. — Der Vortragende erörterte den anatomischen Aufbau der Milch- drüse, die verschiedenen Theorien über die Milchbildung, die Wechselbeziehungen der Milchdrüse zu dem Sexualapparat und die Entstehung der Colostralmilch. Auf die Quantität der Milch sei zumeist die Milchdrüse selbst anzusehen; von Bedeutung dafür sei die Ernährung des Tieres, die Aufnahme von Trink- wasser, die körperliche Bewegung und die Temperatur des Aufenthaltsortes. Weiterhin schildert der Redner den Einfluss der natürlichen und künstlichen Futtermittel. Die Qualität könne sowohl hierdurch als auch durch Verdauunesstörungen alteriert werden. Den bedenklichsten Einfluss aber vermöchten die in schmutzigen Ställen ganz besonders leicht sich an- siedelnden Mikrobien zu entwickeln. Zum Schlusse wurden 32 noch die Mittel besprochen, durch die eine längere Haltbarkeit der Milch zu erzielen versucht wird. 8. Sitzung. 21. Dezember 189. Vortrag des Herrn Oberlehrer Steinvorth über: „Ameisen- pflanzen“. Einleitend wurde auf die seltsamen Auswüchse an Acacia cornigera und sphaerocephala, welche vorlagen, hin- gewiesen, die man als Gallen von Insekten zu deuten geneigt sein könnte, welche aber als Wohnungen von Ameisen anzu- sehen sind. Nach Mitteilungen über die Hymenoptera-Abteilung der Formiciden nach ihrer Systematik, dem Körperbau, der seelischen Eigenschaften, ihrem Haushalte und der auffallenden Gestaltung eines staatlichen Gesellschaftslebens, wurden die Gewächse besprochen, welche zu dem Leben der Ameisen be- sondere Beziehungen haben. Die nuptialen und extranuptialen Honiggefässe vieler Gewächse bilden für viele Insekten eine Anziehung, die für die Fortpflanzung der Gewächse von grosser Bedeutung sind. Daneben sind besondere Hohlräume und Schlupfwinkel zu erwähnen, die als Brutstätten in Betracht kommen. In dieser Beziehung kennt man jetzt schon gegen 30 Pflanzenarten aus 9 verschiedenen Familien. In der Familie der Artocarpaceen ist der Ameisen- oder Trompetenbaum (Öecropia peltata) hervorzuheben; unter den Mimosaceen sind es Akazien- arten des warmen Amerikas (Acacia spadicigera, sphaerocephala etc.); unter den Rubiaceen die Gattungen Myrmecodio, Hyd- nophytum etc. unter den Melastomaceen Kibara formicarum. — Die Beobachtung, dass manche Ameisenarten eine Schutzrolle in Betreff der von ihnen bewohnten Pflanzen führen, gab schliesslich Anlass zu der allgemeinen Frage nach der Symbiose und ihrer eigenartigen Gestaltung in diesen Fällen. Endlich wurde auf die Litteratur hingewiesen, welche das Leben der Ameisen und die Ameisenpflanzen insbesondere behandelt (Lubbock, Belt, Fr. Müller, Huth, Schumann, Fr. Darwin, A. Kerner etc.). 9. Sitzung. 28. Dezember 189. In Fortsetzung seines Vortrages vom 14. Dezember knüpfte Prof. Dr. Kaiser zunächst an die Thatsache an, wie durch die Art der Futtermittel das Verhalten der Milch beeinflusst werde, wie sehr ferner eine Störung des Verdauungsprozesses der milchgebenden Tiere auf die Qualität der Milch reflektiere, und wie durch deren Genuss die menschliche Gesundheit geschädigt werden könne. Letzteres aber sei besonders der Fall, wenn die Milchtiere an gewissen Krankheiten leiden, wie z. B. Tuber- 33 kulose, Maul-Klauenseuche u. s. w. Durch die an sich gesunde Milch könnten auch die Krankheitskeime von Typhus, Scharlach, Masern, Pocken u. s. w. verschleppt werden. — Schutz gegen derartige Infektionen werde u. A. durch das Pasteurisieren, noch mehr aber durch das Sterilisieren erzielt, beide Verfahren wurden näher demonstriert. Sodann wurden eine Reihe von Bacillen besprochen, welche die blaue, die rote, die gelbe, die schleimige, die bittere, die saure Milch erzeugen. Schliesslich wurden die Mittel genannt, wodurch die sog. Milchfälschungen bewirkt werden. 10. Sitzung. 4. Januar 1894. Vortrag des Herrn Dr. Rüst über: „Die Einteilung der Gacteen“. Der Vortragende gab zunächst eine kurze Beschreibung der Cactaceae im allgemeinen, ging dann auf die Unterscheidunesmerkmale der drei Stämme dieser Familie ein to) und besprach ausführlich die Gattungskennzeichen der 17 bekannteren Gattungen. An stark vergrösserten farbigen Ab- [o} O7 {o) bildungen typischer Arten aus diesen Gattungen wurden die 8 N) Unterschiede in der Tracht, den Blüten, Früchten und Samen gezeigt. 11. Sitzung. 11. Januar 1894. Vortrag des Herrn Dr. Struckmann über: „Die palä- ontologischeSammlung*. Bis zum Oktober 1878 stand die paläontologische Sammlung unter Leitung der Herrn Prof. Dr. Guthe. Die Sammlung war äusserst dürftig; den Grundstock bildete eine kleine systematische Sammlung, welche mit Unterstützung des Ministeriums von dem Mineralienhändler Dr. Krantz in Bonn angekauft war und eigentlich nur aus den gewöhnlichsten Arten bestand, welche grösstenteils von Fundorten ausserhalb der Provinz Hannover stammten. Jetzt ist verhältnissmässig nur mehr ein geringer Teil dieser Sachen ausgestellt. Im Oktober 1878 wurde die Verwaltung der Sammlung von dem Vortragenden übernommen. Zunächst wurden einige alte Be- stände, die in Kisten eingepackt auf dem Boden standen, ein- geordnet; darunter befanden sich eine Reihe von wertvollen Versteinerungen aus der Provinz Hannover, welche in früheren Jahren Se. Excellenz der Herr Staatsminister von Malortie hierselbst der naturhistorischen Gesellschaft geschenkt hatte. Sodann wurden zu wiederholten Malen kleinere Suiten von Versteinerungen aus der Provinz Hannover angekauft, z. B. Kreide-Petrefakten aus Lüneburg, Tierführten aus Rehburg, c b) 34 Steinkohlenpflanzen vom Piesberge bei Osnabrück, Tertiär- Versteinerungen aus Bünde. Hervorragende Schaustücke wurden von den Mineralienhändlern B. Stürtz in Bonn, Blatz in Heidelberg, Dr. Haller in Zürich erworben. Getauscht wurde mit den Herren Dr. Conwentz in Danzie und P. Petitelere in Vesoul. Ganz ausserordentlich erwünscht war der Ankauf einer sehr wertvollen Sammlung von Versteinerungen aus der Umgegend von Goslar von Herrn W. Brauns daselbst, im Jahre 1880. Die ansehnlichste Bereicherung aber erfuhr unser Museum im Jahre 1881 durch den Ankauf der Woeckener’schen Sammlung, welche namentlich wertvolle Suiten von Versteinerungen aus der Hilsmulde enthielt. Im Jahre 1885 legte der Vortragende die Leitung der Sammlung nieder. Nachfolger war der Major a. D. Herr Wesselhoefft, welcher im Jahre (September) 1890 verstarb und seine sehr schöne Sammlung von Versteinerungen (vorzugsweise aus der Umgegend von Goslar und Hannover) der naturhistorischen Gesellschaft testamentarisch zum Geschenk überwies. Auf Wunsch des Vorstandes hat der Redner sodann die Verwaltung seit dem Jahre 1891 wieder übernommen und sich namentlich bemüht, die besten Exemplare der Wesselhoefft’schen Sammlung einzuordnen. Noch mag erwähnt werden, dass unsere Sammlungen einen sehr wertvollen Zuwachs erfahren haben durch die vom Redner im Auftrage der Provinz in der Einhornhöhle bei Scharzfeld in den Jahren 1880 und 1881 ausgegrabenen Fossilien und vorhistorischen Altertümer, welche dem Museum von der Provinzial-Verwaltung überwiesen und in besonderen Schränken aufgestellt sind. 12. Sitzung. 18. Januar 1894. Vortrag des Herın Dr. Warnecke über: „Pfeilgifte*. Seit den ältesten Zeiten und bei den Völkern aller Erdteile sind die verschiedenartigsten Stoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs in Gebrauch als Gifte, mit welchen die Spitzen der Geschosse versehen werden. Schon die alten Skythen benutzten in Fäulnis übergegangene Vipern und Menschenblut zur Vergiftung ihrer Pfeile, und noch heute stellen die Grajiroindianer im Norden von Südamerika Fäulnisgifte aus verwesten Schlangen, Kröten, Eidechsen, Skorpionen und Taranteln dar. Die Busch- männer benutzen Schlangengift, einige Indianerstämme die Ausschwitzung eines Laubfrosches (Phyllobates melanochinus). — Unser Hauptinteresse nehmen die vegetabilischen Pfeilgifte, 35 so namentlich das südamerikanische Pfeilgift Curare (Urari, Woorara) — das Extrakt der Rinde von holzigen klimmenden Strychnosarten — in Anspruch. Die Wirkung des Curare kommt dem von Böhm isolierten Curarin zu, welches der Vor- tragende in einem Tropfen einer ganz verdünnten Curare- Lösung nachwies. Um die Wirkung zu zeigen, wurden einem Frosche einige Tropfen derselben Lösung unter die Rückenhaut gespritzt, worauf nach wenigen Sekunden durch Lähmung der peripherischen Enden der motorischen Nerven eine völlige Lähmung aller Glieder eintrat. Eine geradezu entgegengesetzte Wirkung hat das Alkali der ostindischen Strychnosarten, das Strychnin, welches wir in dem gefährlichsten aller Pfeilgifte, dem Upas-Radja, Upus-Tieute oder Tschettikgift vor uns haben. Dasselbe wird aus der Wurzelrinde des auf den Molukken und den Sundainseln heimischen Strauches Strychnos Tieute gewonnen. Die Wirkung dieses Giftes, welches infolge seines Strychnin- eehalts Reflexkrämpfe hervorruft, die sich als Tetanus, Kon- traktion der sämtlichen Skeletmuskeln darstellen, wurde an Fröschen demonstriert. Der Vortragende knüpfte an die Be- sprechung des Methylstrychnins noch einige Betrachtungen über die Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und „hysiologischer Wirkung. Zum Schluss wurden Samen und Rinden verschiedener ostindischer Strychnosarten vorgeführt, wobei einer Verwechslung der zur Liqueurbereitung hoch- geschätzten Angusturarinde mit Strychnosrinde gedacht wurde, wodurch im Jahre 1804 zu Hamburg wiederholt gefährliche Vergiftungen veranlasst wurden. Auf ein in neuester Zeit verbreitetes Gerücht, dass die Angusturarinde Strychnin enthielte, erklären die Fabrikanten des echten Angustura-Bittern, dass zu ihrem Fabrikat niemals auch nur das geringste Quantum von Angusturarinde verwendet worden sei. 13. Sitzung. 25. Januar 1894. In Fortsetzung seines Vortrages der letzten Sitzung besprach Herr Dr. H. Warnecke diejenigen Pfeilgifte, welche als Herzgifte wirken, d. h. ähnlich wie Digitalis (Fingerhut) in kleinen Gaben das Herz zu stärkerer Kontraktion anregen, in grossen Gaben dasselbe lähmen. Upas-Antiar (Pohon-Upas) auf den ostindischen Inseln, wahrscheinlich auch das Siren- Boom auf Borneo, wird bereitet aus dem Milchsaft vom Antiaris toxicaria, des sog. javanischen Gifthaumes, zur Familie der Artocarpeae gehörig. Seine Verwandten sind der Feigenbaum, der Gummibaum, der Schellackbaum und der Brodfruchtbaum Östindiens und der Südseeinseln, sämtlich harmlose, nützliche 3 x 36 Kulturpflanzen. Upas-Antiar enthält als wirksame Substanz das Glycosid Antiarin. Die Senegambier gebrauchen zum Ver- eiften der Pfeile und zur Bereitung eines Trankes für die (sottesgerichte die Rinde eines zur Familie der Mimosaceae gehörigen Baumes, Erythrophloeum guineense, von den Portu- giesen Mancone genannt. Die Rinde ist als Sassyrinde bekannt und verdankt ihre Wirkung dem Alkaloide Erythrophloein. (Grosses Interesse beanspruchen zwei Pfeilgifte, welche von einer Apocynacee, Strophantus hispidus, herrühren und in Westafrika am Gaboon als Jnee oder Onage, in Ostafrika bei den Manganjah am Sambesi als Kombe oder Gombi bezeichnet werden. Der Vortragende zeigte Bogen und Pfeile, welche aus der portu- giesischen Besitzung Benguala in Niederguinea stammen und mit diesen Substanzen vergiftet werden. Strophantus-Samen sind in den Arzneischatz aufgenommen und werden in Form eines spirituösen Auszuges bei chronischer, sowie acuter Herz- schwäche gebraucht. Ihr wirksames Prinzip ist das Glycosid Strophanthin. Weit energischer als Strophanthin wirkt das Glycosid Ouabain in einem Pfeilgifte, welches ostafrikanische Stämme (Wa-Nyika, Wa-Kamba, Wa-Gyriawa) auf der Jagd und im Kriege gebrauchen und aus einer Apocynacee, Ako- kanthera Ouabaio, vom Ahlgeebirge im Somalilande gewinnen. Das Pfeileift der Wanikas und das Teta- oder Swahili- (Suaheli) Pfeilgift enthalten ebenfalls Ouabain. Auch im Massailande bereiten die Wakinga und Wakamba ihre Pfeilgifte aus Akokanthera- Arten. — Die Herren Gehe & Co. - Dresden und Caesar & Lorentz-Halle hatten dem Vortragenden hoch- interessante Drogen zur Verfügung gestellt. 14. Sitzung. 1. Februar 1894. Vortrag des Herın ©. Keese: „Über alpine Pflanzen- seographie“. Wenn schon in unserem Hochgebirge dem Reisenden bei jedem Schritte eine Fülle landschaftlicher Schön- heiten geboten und seine Aufmerksamkeit besonders durch den üppigen Reichtum und die Mannigfaltigkeit der sich dem Auge darbietenden Blumenteppiche gefesselt wird, so bietet die Pflanzengeographie nicht minder reichlich Gelegenheit zu nicht nur genussbringenden, sondern auch durch Auffindung neuer Standorte, durch Ermittlungen von Beziehungen der Pflanzen- arten und deren Modifikationen zu den DBodenarten und meteorologischen Bedingungen, durch Beachtung der Blüthe- zeiten je nach der Höhe des Fundortes u. s. w. für die Wissen- schaft erspriessliche Thätigkeit. Was die geographische Ver- breitung der alpinen Pflanzen anbetrifft, so muss bemerkt werden, dass eine partielle Übereinstimmung der alpinen mit der nordisch-arktischen Flora stattfindet. So begrüsste Horace Benoit Saussure im Jahre 1787 auf der Rückkehr vom Gipfel des Montblanc freudig die schöne, unseren Nelkenarten nahe- stehende Silene acaulis. Diese Pflanze erfreute diesen reisen- den Botaniker auch an den öden Küsten Spitzbergens. Auch Saxifraga oppositifolia kommt sowohl auf den unwirtlichsten Alpenspitzen, als auch in den am weitesten gegen den Nordpol vorgeschobenen Gegenden, sowie in den Sudeten vor, welche überhaupt einen merkwürdigen Reichtum von Alpenpflanzen darbieten. Die von den Alpenbewohnern sehr geschätzte Arte- misia mutellina (Edelraute) findet sich auch in den Pyrenäen und Apenninen, aber nicht im nördlichen Gebiete. Dies schöne silberglänzende Kräutchen hat sich auch auf der Stadtmauer von Augsburg angesiedelt und gedeiht dort vortrefflich. Merk- würdig und hochwichtig für die allgemeinen Grundsätze der Pflanzen-Geographie ist das Auftreten der Mehlprimel (Primula farinosa), welche nicht nur in den Alpen, sondern auch an manchen Orten der Ebenen Deutschlands, sowie im fernen antarktischen Gebiete an den Gestaden der Magellanstrasse vor- kommt. Es wird dann über die durch die Beschreibung ihres Wohn- orts zur Berühmtheit gewordene Wulfenia Carinthiaca berichtet, welche sich nur auf der Kühweger Alpe und Watschiper Alpe in 16—1900 m Höhe im Gailthale Oberkärnthens findet, eine (Gegend, die zu einem Wallfahrtsorte der europäischen Botaniker geworden ist. (Ein Exemplar der Pflanze wurde vorgezeigt.) — Zu den Pflanzenarten, welche das altaische Asien, die Alpen, Karpathen, Pyrenäen und Apenninen bewohnen, gehört auch das Edelweiss, eins der geschätztesten Lieblinge der Alpenwanderer u. s. w. — Von 693 Arten, welche Christ als eigentlich hoch- alpine anführt unter Weglassung der auch in der Ebene häufigen Pflanzen, welche sehr hoch auf die Alpen steigen (so tnsere Schafgarbe), gehören 271 zugleich dem nordischen Gesamt- gebiete von Asien, Amerika und Skandinavien an; 422 dagegen fehlen im Norden und in Mittelasien und finden sich nur in der eigentlichen Alpenkette und meistens auch in einem oder mehreren der Gebirge der Mittelmeerländer, den Apenninen, Pyrenäen, der Sierra Nevada, sowie in den Karpathen. Es muss bemerkt werden, dass diese (Gebirge auch eine beträcht- liche Anzahl von auf den Alpen nicht vorkommenden Pflanzen- arten besitzen. Schliesslich ging der Vortragende näher auf die Theorien ein, welche zur Erklärung der gegenwärtigen Verbreitung der arktisch-alpinen Pflanzen dienen, Theorien, welche durch Darwin, Heer, Hooker und andere Forscher weiter entwickelt wurden. Er knüpft daran Betrachtungen über die Verteilung der Arten innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes bezüglich der Abhängigkeit von den Verhältnissen der Boden- arten und deren physikalischen Eigenschaften etc. Redner verweist endlich auf die wertvollen Arbeiten von Nägeli, welcher weitere Beobachtungen in dieser Richtung als von hoher Wichtigkeit für fernere Fortschritte der Pflanzengeographie anempfiehlt. 15. Sitzung. 8. Februar 1894. Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Mejer über einen „Ausflug nach dem Wilseder Berge“. — Der Wilseder Berg ist der höchste Punkt der einst „übelverschrieenen“ Lüne- burger Heide, die jetzt allmählich als eine der schönsten und abwechselungsreichsten Gegenden Norddeutschlands bekannt zu werden beginnt. Früher war ihr Ruf garnicht so arg; seit der Erbauung der Strecke Hannover-Hamburg hat ihr Ruf gelitten, weil die Bahn die ödesten Teile durchschneidet. Wer aber mit Liebe und offenem Blick durch die Heide wandert, dem erschliessen sich landschaftliche Schönheiten, die reichere, fruchtbarere Gegenden nicht aufweisen. Der Wilseder Berg ist ein solcher Punkt. Mitten in der Heide liegend in einsamer Ruhe, selten von Menschenfüssen betreten, erhebt er sich über die braune oder rotblübende Fläche. Ungehindert schweift von seiner Kuppe das Auge, aber es trifft nicht auf Heide, sondern auf grünen Laub- und Nadelwald, Wiesen, Äcker und Saatfelder. Der Heidebauer ist fleissig gewesen und hat in jahrhundertlanger saurer Arbeit den Boden umgebrochen, entsteint und urbar gemacht. Der Heidebauer ist fleissig und sparsam wie Jeder, der sich mühevoll ein Besitztum erwarb; aber sehr strebsam ist er auch und die landwirtschaftlichen Vereine zählen hier mehr Mitglieder, wie sonst in der Provinz. Eine grosse Merkwürdigkeit findet sich nicht sehr weit von dem Berge in einem sumpfigen Quellgrunde, nämlich ein Rosen- stock, dessen Stamm dicker ist wie der seines berühmten Verwandten am Dom zu Hildesheim; er misst 20 cm im Durch- schnitt. Leider ist der Stamm abgesägt, aber er treibt vier lange blütenreiche Äste durch das umstehende Gestrüpp, in dem eine mächtige Stechpalme mit fussdickem Stamm und ein riesiger Faulbaum, ein Unikum, auffallen. Das ist ein schöner Punkt der Heide, aber jede Heidetour bietet herrliche Landschafts- bilder; darum sollte jeder, der diesen Teil des Vaterlandes nicht kennt, die kurze Reise nicht scheuen. 39 16. Sitzung. 15. Februar 1894. Vortrag des Herrn Dr. med. Ballauf über: „Feuerbestat- tung“. Die Feuerbestattung ist seit Ende des vorigen Jahr- hunderts und Anfang dieses Jahrhunderts vom sanitären Stand- punkte aus der Gegenstand zahlreicher Erörterungen gewesen, be- sonders als die Naturwissenschaften ihren Einfluss übten und die Vorzüge der Feuerbestattung nachgewiesen wurden, so dass sich namentlich bei schweren Epidemieen, als Cholera, eine langsame, aber stets wachsende Agitation für diese Art der Bestattung erhoben hat. Der Vortragende, zunächst auf die verschiedenen Arten der Todtenbestattung, wie sie bei den ältesten Völkern gebräuchlich waren, näher eingehend, erwähnt, dass schon in den frühesten Zeiten beide Arten des Begräbnisses Sitte waren, entweder die Leichen zu verbrennen oder sie zu beerdigen. Bei den Indogermanen und Juden wurde im ganzen die Erdbestat- tung vorgezogen, doch finden wir bei Plinius und Herodot auch Sehilderungen von Leichenverbrennungen, die auf einem Holzstoss geschahen. Bei den alten Römern nannte man die Orte, wo die Verbrennung stattfand, Culinae; man baute dort auch der Göttin Mephitis einen Tempel. Die alten Küstenvölker, auch die Sachsen, scheinen vielfach die Leichen verbrannt zu haben. Aber über- all, wo das Christentum sich verbreitete, wurde die heidnische Leichenverbrennung abgeschafft, so später bei den Germanen, und schon Karl der Grosse verbot den Sachsen jene bei Todesstrafe. Im Mittelalter setzte man die Leichen in Grab- gewölben bei, und besteht leider auch noch heute hin und wieder die Sitte, dass die Leichen nach der Einsenkung mit der Luft in Kommunikation bleiben, wodurch dieselbe in der Umgebung leicht durch schädliche Gase verunreinigt werden kann. Infolge des langsamen Verwesungsprozesses entwickeln sich leicht schädliche Gase, es bilden sich Ptomain und. Toxal- albumin, die die Erde durchdringen, dem Grundwasser sich beimischen und auf die Zusammensetzung der Luft, die in bestän- digem Wechsel mit der äusseren Atmosphäre steht, gefährliche Krankheiten vermehren lassen können. Alle diese Umstände werden vermieden oder beschränkt durch die Art der Feuer- bestattung, wie sie jetzt besteht, wobei eine rasche Zersetzung der Leiche stattfindet, infolge dessen die Menschen vor den Gefahren geschützt werden, welche durch die Beerdigung der Leiche entstehen. In Frankreich ist die Feuerbestattung fakul- tativ und für Leichen der Hospitäler sogar obligatorisch. Es existiren in Paris zwei Crematorien. In Italien bestehen jetzt in etwa 40 Städten Crematorien; in Dresden befindet sich ebenfalls eine solche Einrichtung und in jüngster Zeit auch in 40 Hamburg, sowie bekanntlich in Gotha die meisten Feuer- bestattungen stattfinden. In der neuesten Zeit haben sich in vielen grossen Städten Vereine für die Agitation der Leichen- verbrennung gebildet, aber die Regierungen haben sich meist ab- lehnend verhalten, kaum dass einzelne die Verbrennung fakultativ gestattet haben. Dagegen hat die Hygiene mit Recht verlangt, dass wenigstens bei ansteckenden Seuchen die Verbrennung obligatorisch sei; auch Redner hält diese Forderung für unab- weisbar. Das Bedenken, dass durch die Verbrennung die Spuren eines an den Verstorbenen ausgeübten Verbrechens vernichtet werden, könnte wohl durch die Einführung einer allgemeinen Leichenschau durch wissenschaftlich gebildete Ärzte vollständig gehoben werden. Der Einwand, der von Seiten der Kirche gegen die Verbrennung erhoben wird, dass dadurch die Pietät und das religiöse Gefühl verletzt werde, ist hinfällig, wenn man bedenkt, dass auch in dem Crematorium die religiösen Gebräuche in derselben erhebenden Weise stattfinden, wie bei den Beerdigungen. Die Wissenschaft, schliesst der Vortragende, die auch in das Dunkel des Grabes leuchtet, hat uns den Weg gezeigt, wie die Bestattung besser geschehen kann; die aufgeklärte Menschheit wird auch der Weisung folgen. 17. Sitzung. 21. Februar 1894. Vortrag des Herrn Dr. Schäff über: „Das Gebiss der Säugetiere“. Die ersten Anfänge der in Form und Gestalt, Grösse und Zahl so ungemein manniefaltigen Zahngebilde treffen wir bei den Selachiern, deren nicht nur auf die Mund- höhle beschränkten, sondern über die ganze Körperoberfläche verbreiteten „Hautzähnchen“ uns zugleich Aufschluss geben über die Entstehung der Zähne. Der Vortragende erläutert dieselbe eingehend und betont die Teilnahme sowohl des Ektoderms als auch des Mesoderms an der Bildung des Zahnes. Das erst- genannte Keimblatt liefert den Schmelz, das letztere Zahnbein und Cement. Dadurch, dass bei den Selachiern zahlreiche Zahnpapillen neben und hinter einander gebildet werden, entsteht ein Zahnwechsel, der bei niedrig stehenden Wirbel- tieren unbeschränkt, bei den Säugetieren einmalig und bei gewissen Ordnungen sogar auf wenige Zähne sich erstreckt oder ganz fehlt. Die Säugetiere weisen bezüglich der Bezahnung eine ungemein grosse Mannigfaltigkeit auf; gänzliche Zahnlosigkeit bei den Bartenwalen, homodontes, vielzahniges Gebiss bei Zahn- walen, beschränkter Zahnwechsel bei den ein hoch spezialisiertes Gebiss tragenden Beuteltieren, vollständiger Zahnwechsel bei 41 höheren Säugern u. s. w. Die den Vögeln nahestehenden Monotremen haben nicht zur Entwicklung kommende Zahn- anlagen, statt deren der Schnabel später Hornzähne erhält. Das homodonte Gebiss der Zahnwale ist nicht als primitiver Zustand zu betrachten, sondern als Anpassung an die Be- schaffenheit der Nahrung. Die Gebisse der Beuteltiere variieren ebenso sehr wie die ganze Organisation dieser Tierklasse; sie haben das Gemeinsame, dass nur ein einziger Zahn gewechselt wird. Bei den Edentaten finden wir (wie auch bei den Walen) überhaupt keinen Zahnwechsel. Bei den Sirenen erleidet das Gebiss verschiedene Umbildungen, sofern die Backenzähne durch Anpassung an die Beschaffenheit der Nahrung breite Mahl- kronen erhalten, die Schneidezähne meist verkümmern, teils zu Stosszähnen werden, während Eckzähne sich nicht entwickeln. Bei den Perissodaktylen tritt an den Backenzähnen zum ersten Male eine Differenzierung in Molaren und Prämolaren ein. Den Artiodaktylen fehlen untere Eckzähne, wogegen 8 Schneidezähne im Unterkiefer auftreten, während obere meist fehlen. Die Proboscidea sind ausgezeichnet durch lange zu Stosszähnen gewordene obere Incisiven, sowie durch die umfang- reichen Backenzähne, die aus je einer Anzahl durch Cement verbundenen Zahnplatten bestehen. Die von den Huftieren zu den Nagern hinüberführenden Lamnungia haben wie die vorige Ordnung keine Eckzähne, die Schneidezähne fallen z. T. aus, während 1 Paar oben und unten nagezahnartig wird. Diese Zähne sind jedoch auch an der Rückseite mit Schmelz bekleidet, während bei den Nagetieren die beiden oberen und unteren Nagezähne nur vorn Schmelzbelag aufweisen. Das Gebiss der Insektivoren enthält alle Arten von Zähnen, dabei sehr spitz- höckerige Backenzähne; der Zahnwechsel findet oft schon im Fötalzustande statt. Das Raubtiergebiss ist charakterisiert durch kleine Schneide-, lange Eck- und einen die anderen Backen- zähne meist an Grösse überragenden mehrspitzigen sogen. „Reisszahn“, welcher oben der letzte Prämolar, unten der erste Molar ist. Die verschiedenen Familien der Raubtiere zeigen mannigfache Modifikationen in den Backenzahnverhältnissen. Die Zähne der Pinnipedien erscheinen dem Wasserleben der Tiere angepasst und sind unter sich ziemlich gleichförmig, ab- gesehen von den Walrossen, hei denen nur oben und unten je 2 Schneidezähne bleiben und die Eckzähne lang und dolchförmig werden. Das Gebiss der Chiropteren ist vollständig, doch fallen zuweilen einige Schneidezähne aus. Bei den frucht- fressenden Gattungen haben die Backenzähne breite, bei den insektenfressenden spitzhöckerige Kronen. Das letztere ist auch der Fall bei den Halbaffen, deren Gebiss Anklänge an dasjenige der Insektivoren sowohl als auch der Raubtiere er- kennen lässt. Die mit vollständigem Gebiss versehenen Primaten haben in ihren der alten Welt angehörigen Formen 5, in den neuweltlichen 6 Backenzähne mit stumpfen Kronen; nur die amerikanischen Krallenaffen besitzen spitzhöckerige Backen- zähne. In der Lücke, welche sich bei den Affen stets zwischen Schneide- und Eckzähnen findet, sieht man mit Recht einen durchgreifenden Unterschied gegen das menschliche Gebiss. Verfasser erörterte dann die Phylogenie des Säugetier- gebisses, das von reptilienähnlichen, einfach kegelförmigen Zähnen herzuleiten ist. Alsdann wurde auf die Entwickelung des Säugetierzahnes näher eingegangen, sowie der Zahnwechsel betrachtet und die Verschiedenheit in den Ansichten der Forscher dargestellt. 18. Sitzung. 1. März 1894. Herr Amtsrat Dr. Struckmann sprach folgende Worte zur Erinnerung an den am 24. Februar d. )J. ver- storbenen Herrn Senator a. D. Dr. Hermann Roemer in Hildesheim: „Am Schluss des Jahres 1891 war es mir vergönnt, an dieser Stelle einige Worte dem Gedächtnis des am 14. Dezember 1891 verstorbenen berühmten Geologen und Paläontologen Dr. Ferdinand Roemer in Breslau zu widmen. Sein älterer, nicht minder um die geologische Wissenschaft verdienter Bruder Friedrich Adolf Roemer war ihm bereits am 25. November 1869 im Tode voraufgegangen. Am 24. Februar d. J. ist nunmehr auch der dritte, um Kunst und Wissenschaft, um unsere Provinz und ganz besonders um seine Vaterstadt Hildesheim hochverdiente Bruder Hermann Roemer aus diesem Leben abberufen, und ist damit das glänzende Dreigestirn, welches während vieler Jahre eine helle Leuchte der geologischen Wissenschaft war, gänzlich erloschen. Friedrich Adolf und Ferdinand Roemer wurden durch ihre Forschungen bahnbrechend für viele Zweige der Geologie und Paläontologie; die aus- gezeichneten Schriften des ersteren bilden noch jetzt die Grundlage unserer Kenntnis der hannoverschen Jura- und Kreidebildungen und der Geologie des Harzgebirges. Ferdinand toemer beherrschte das ganze weite Gebiet der Geologie und der damit verwandten Wissenschaften in einem seltenen Grade, und seine zahlreichen geologischen und paläontologischen Arbeiten begründeten bereits frühzeitig seinen Ruf als einen der ausgezeichnetsten Gelehrten unserer Zeit. Die grossen Verdienste des vor einigen Tagen verstorbenen dritten Bruders Hermann Roemer beruhen weniger auf speziellen Studien und umfangreichen geologischen Schriften, als auf seiner selbstlosen gemeinnützigen Thätigkeit im Interesse von Kunst und Wissen- schaft; durch die Begründung öffentlicher Sammlungen, durch die Erhaltung von Kunstdenkmälern, durch die Belebung des Interesses für wissenschaftliche Studien, insbesondere aber durch die Stiftung des Hildesheimer Museums für Kunst und Wissenschaft hat er sich unvergängliche Verdienste nicht allein um seine Vaterstadt, sondern um Kultur und Wissenschaft überhaupt erworben. Möge es mir gestattet sein, sein Leben in ganz kurzen Zügen zu schildern, indem ich im Übrigen auf den bereits im „Hannoverschen Courier“ am 26. Februar erschienenen längeren Nekrolog verweise. Hermann Roemer wurde am 4. Januar 1816 geboren; sein Vater war Justizrat an der Königlichen Justizkanzlei in Hildesheim und seine Mutter eine Tochter des Bürgermeisters Lüntzel daselbst. Er widmete sich dem Studium der Rechtswissenschaft und bezog mit seinem jüngeren Bruder Ferdinand gemeinschaftlich die Universitäten Göttingen und Heidelberg, an denen beide Brüder infolge ihrer grossen Vorliebe für die Naturwissenschaften neben ihren Fachstudien auch mineralogische, botanische und zoologische Vorlesungen hörten. In den Ferien namentlich gewährte es ihnen eine grosse Freude, ihren älteren Bruder Friedrich Adolf, welcher überhaupt grossen Einfluss auf ihren Bildungsgang gehabt hat, auf seinen geologischen und botanischen näheren und weiteren Ausflügen zu begleiten. Während nach den beendeten Universitätsstudien Ferdinand Roemer sich seinen Neigungen entsprechend ganz den Naturwissenschaften und insbesondere der Geologie und Mineralogie widmete und dem- nächst die akademische Laufbahn einschlug, blieb Hermann der Rechtswissenschaft treu, um zunächst in den Jahren 1840 bis 1852 beim Stadtgericht seiner Vaterstadt als Auditor und später als Assessor Anstellung zu finden. Während dieser Zeit betrieb Roemer neben seinen Amtsgeschäften sehr eifrig die geologische Untersuchung der näheren und weiteren Um- gegend von Hildesheim; er legte den Grund zu seiner paläonto- logischen Sammlung und sammelte allmählich das Material zu den später von ihm herausgegebenen geologischen Karten. In diese Periode fällt auch die erste Gründung des Hildesheimer Museums, welche wesentlich der Anregung und Thatkraft Roemers zu danken ist. Aus kleinen Anfängen haben sich daraus durch seine unermüdliche Thätigkeit in verhältnis- mässig kurzer Zeit die umfangreichen und wertvollen Sammlungen aus dem Gebiete der Kunst, der Völkerkunde und der Natur- 44 kunde gebildet, welche jetzt den Stolz seiner Vaterstadt bilden und deren Anordnung und Aufstellung als eine mustergiltige allgemein anerkannt ist. Bei der neuen Justizorganisation wurde Roemer am 1. Oktober 1852 als Amtsrichter nach Goslar versetzt; diese Stellung entsprach jedoch wenig seinen Wünschen, und er bewarb sich daher um die freigewordene Stelle eines Senators seiner Vaterstadt, und nachdem die Wahl auf ihn gefallen war, wurde er am 24. Dezember 1852 in sein neues Amt eingeführt, welches er 20 Jahre zum Segen seiner Mit- bürger bekleidet hat. Was Hermann Roemer während dieser langen Zeit in aufopfernder Liebe für die Entwicklung seiner Vaterstadt durch Förderung von Handel und Verkehr, durch Anregung auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft, durch die Erhaltung und Wiederherstellung ehrwürdiger Baudenkmäler geleistet hat, ist nicht meine Aufgabe, hier zu schildern. Ebenso wenig kann ich auf seine politische Thätigkeit hier eingehen; von 1867 bis 1890 gehörte er ununterbrochen dem deutschen Reichstage an und genoss auch hier bei allen seinen Kollegen und namentlich innerhalb der nationalliberalen Partei, zu deren treuesten Mitgliedern er gehörte, wegen seiner Charakter- festiekeit und seiner patriotischen Gesinnungen das höchste Ansehen. Während seines vorübergehenden Aufenthalts in Berlin unterhielt er ausserdem einen lebhaften wissenschaftlichen Verkehr mit hervorragenden Gelehrten, insbesondere mit den Geologen Beyrich und Ewald, die zu seinen nächsten Freunden gehörten, und welche er, gleichwie die Spitzen der Behörden, für das seiner Obhut anvertraute Museum zu interessieren wusste. Am 31. Dezember 1882 schied Roemer aus dem städtischen Dienste, um sich in den letzten Jahren seines Lebens ganz seinen wissenschaftlichen Beschäftigungen und der Pflege des städtischen Museums widmen zu können. Bei dieser (Gelegenheit wurde ihm in Anerkennung seiner hohen Verdienste um seine Vaterstadt das Ehrenbürgerrecht der Stadt Hildesheim verliehen, die Universität Göttingen aber ernannte ihn wegen seiner vielfachen hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft zum Doctor philosophiae honoris causa. Auf wissenschaftlichem Gebiete blieb das Studium der Geologie stets seine Lieblingsbeschäftigung. Im Auftrage der hannoverschen Regierung gab Roemer in den 50er Jahren auf Grundlage der Papenschen topographischen Karte verschiedene geologische Karten im Bezirke der Landdrostei Hildesheim und der angrenzenden braunschweigischen Landesteile heraus. Entsprechen dieselben auch nicht mehr ganz den jetzigen wissenschaftlichen Anfordernngen, so nahmen die Karten zur 45 Zeit ihres Erscheinens doch eine hervorragende Stelle ein, und bilden auch jetzt noch eine wertvolle Grundlage für die geognostische Kenntnis jener Landesteile. In der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft hat Hermann Roemer verschiedene Aufsätze veröffentlicht, z. B. über neue Aufschlüsse oligocäner Schichten in der Provinz Hannover, über einen neuen Aufschluss der Wälderthon- und Hilsthonbildung bei Sehnde, über ein neues Vorkommen des Räth bei Hildesheim. Besonders wertvoll ist die im Jahre 1883 in den Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preussen Band V, Heft 1, er- schienene Schrift: „Die geologischen Verhältnisse der Stadt Hildesheim. Nebst einer Karte.“ Die Anlage eines langaus- gedehnten Kanals zur Entwässerung des neuen Bahnhofs in Hildesheim, durch welchen namentlich die sehr versteinerungs- reichen Schichten des braunen Jura in vorzüglicher Weise auf- geschlossen wurden, hat in erster Linie die Veranlassung zu dieser wichtigen Arbeit gegeben. Die letzte von Roemer herausgegebene, im Jahre 1892 erschienene Schrift behandelt auf Grund von historischen und botanischen Untersuchungen in sehr anziehender Weise den „Tausendjährigen Rosenstock am Dome zu Hildesheim“. Bis in die letzten Tage seines Lebens und über das Grab hin- aus hat Roemer seine treueste Fürsorge dem von ihm begründeten städtischen Museum gewidmet; er und seine Geschwister haben sich dadurch ein dauerndes Denkmal in ihrer Vaterstadt Hildesheim gestiftet; noch die späte Nachwelt wird mit Dank- barkeit seiner gedenken.“ Das Andenden des Heimgegangenen wurde hierauf von der Versammlung durch Erheben von den Sitzen geehrt. 19. Sitzung. 8. März 1894. Vortrag des Herrn Dr. Ude: „Uber die Systematik und geographische Verbreitung der Eidechsen des Provinzialmuseums. Mit Demonstrationen.“ 1594/95. 1. Sitzung. 1. November 1894. Generalversammlung. Der Vorsitzende Dr. Rüst, die Versammlung nach der Sommerpause begrüssend, spricht den Wunsch aus, dass das beginnende Vereinsjahr wieder ein erfolg- reiches sein möge. Nach Verlesung des Protokolls der vorig- 46 jährigen Versammlung giebt der Vorsitzende eine Übersicht über die Rechnungsablage, wonach der Vermögensbestand am 1. Oktober 1893 betrug 475 Alb 96 A) (dazu von Mitgliedern 924 Ab, Geschenke u. s. w.); im ganzen: Einnahmen 1516 U 25 »%; Ausgaben 1010 Al 77 »%, bleibt Bestand 505 NM 44 9. /u Kassenrevisoren wurden die Herren Carius und Preuss gewählt. Am 1. Oktober 1893 betrug die Mitgliederzahl 163; eingetreten sind 9, ausgeschieden dagegen 18, sodass der Mit- gliederbestand am 1. Oktober 1894 sich auf 154 belief. Unter den Verstorbenen, zu deren Ehren sich die Anwesenden von ihren Sitzen erhoben, haben wir den Verlust mehrerer eifriger Mitglieder zu beklagen nämlich der Herren Apotheker Schramm und Grünhagen und des Herrn Prof. Ulrich, der mehrere Jahre hindurch Vorsitzender war und die Mineraliensammlung treff- lich verwaltet hat. Es wird sodann berichtet, dass Dr. v. Bode- meyer der Gesellschaft ein Mikroskop zum Geschenk gemacht hat. — Apotheker Brandes, der nach 9 jähriger Amtsthätigkeit aus dem Vorstande ausscheidet, wird durch Akklamation wieder- sewählt. — Nachdem der Vorsitzende eine Übersicht über den Zuschuss, den das Provinzialmuseum erhält, gegeben hatte, erfolgte Berichterstattung der Abteilungsvorstände über ihre Thätigkeit in der naturhistorischen Abteilung des Museums. Professor Kaiser hat eine Hyäne angeschafft, sowie eine siamesische Katze, zwei Affen und einen Darm- und Nierenstein geschenkt. Ausserdem ist von einem Ungenannten ein Schnabel- tier dem Verein zum Geschenk gemacht. Der Katalog für die Säugetiersammlung ist fertiggestellt. Dr. Rüst hat die Vogel- sammlung durch Anschaffung einiger einheimischer Vögel ver- vollständigt, derselbe teilt mit, dass eine Sonderabteilung für einheimische Vögel eingerichtet werde. Dr. Bertram berichtet, dass durch Kauf und Geschenke die Mineraliensammlung bereichert ist; viele der neuangeschafften noch fehlenden Stücke (Mineralien zum grössten Teil aus Argentinien) stammen von Professor Brakebusch. — Was die botanischen Sammlungen betrifft, so berichtet Herr Brandes, dass das Herbarium europaeum jetzt 4475 Arten und 1020 Unterarten enthält. Das Provinzial-Herbarium ist fast vollständig; von den hier vorkommenden Pflanzen sind etwa 1600 vorhanden, so dass nur noch etwa 100 fehlen. Die v. Holle’sche Bibliothek ist vollständig geordnet, etwa 360 botanische and 56 zoologische Werke sind katalogisiert. — Dr. Ude hat die Eidechsen auf- gestellt und die Amphibien bestimmt. — Es schloss sich daran ein Vortrag des Herın Dr. Mejer: „Zur Geschichte der Pflanzennamen“. Der Vortragende ging davon aus, dass 47 die lateinische Benennung der Pflanzen (natürlich auch der Tiere und Mineralien) sich geschichtlich gemacht hat, dass aber kein besseres Mittel gefunden werden konnte, dergleichen Namen herzustellen, da nur tote Sprachen sich gefallen lassen können, so misshandelt zu werden wie dies zur Herstellung so unzähliger Namen notwendig ist. Diese Namen sind eigentlich nur gemacht, geschrieben zu werden; an die Aussprache hat man überhaupt nicht gedacht. Deswegen ist es selbst schwer, eine Regel über die Aussprache neuer Namen, zumal der von Eigennamen ab- geleiteten, zu geben. Aber auch die aus den ältesten Zeiten übrig gebliebenen Pflanzennamen sind in vielen Fällen in betreff der Betonnung höchst unsicher, da es fast unmöglich ist, sie zu erklären und abzuleiten. Der Vortragende wies in dem Gange, den die Benamung der deutschen Pflanzennamen genommen hat, nach, dass auch die Griechen und Römer die meisten ihrer Pflanzennamen aus fremden Sprachen übernommen und sich mundgerecht gemacht haben, so dass selbst dann, wenn ein solcher Name mit einem griechischen oder lateinischen Worte Ähnlichkeit hat, sehr häufig es wahrscheinlich erscheint, dass er doch mit dem Grundworte nichts zu thun hat. 2. Sitzung. 8. November 1894. Vortrag des Herrn Dr. Rüst: „Über die Befruchtung der Stapelien“. Der Vortragende zeigte St. nemoralis und besprach die Blüten der 3 Abteilungen der Stapelien. Die Bestäubung geschieht durch Insekten, die durch den starken Geruch, der den meisten Blüten eigen ist, angelockt werden. Weiterhin sprach der Redner über die Frucht und den Samen. Das Vaterland der Stapelien ist Afrika (Kapland), nur eine Art kommt in Griechenland vor. Schliesslich legte der Vor- tragende noch eine Orobanche ramosa, die Herr Capelle in Springe auf Begonien gezüchtet hatte, vor. 3. Sitzung. 8. November 1894. Vortrag des Herrn Professors Dr. Kaiser über: „Das Schmarotzertum in der Leber“. Nach kurzer Übersicht über die Krankheiten durch Schmarotzer und Einteilung der Schmarotzer besprach der Vortragende die Anatomie und Ent- wickelung von Distomum hepaticum und demonstrierte die Leber eines Ochsen und Schafes, welche Leberegel und Gregarinen- Heerde enthielten. Weiterhin zeigte er Inkrustationen aus den Lebergängen einer Kuh. 48 4. Sitzung. 22. November 1894. Die Sitzung fiel aus; statt derselben folgte die Gesellschaft am 24. November der Einladung des Herrn Dr. Schäff zur Besichtigung des Zoologischen Gartens. >. Sitzung. 29. November 1894. Vortrag des Herrn Direktor Dr. Schäff: „Über die Familie der Hirsche*“. Obwohl im gewöhnlichen Leben der Begriff Hirsch jedermann geläufig ist, verursacht die wissen- schaftliche Definition und die Begrenzung dieses Begriffes den Zoologen nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Um den letzteren Punkt zunächst zu berühren, so fassen einige Zoologen den Begriff sehr weit und rechnen nicht nur die Moschustiere und die Zwergmoschustiere (Moschus tragulus) zur Familie der Hirsche, sondern sogar die Giraffe. Andere lassen diese eigen- artige Tierform weg, zählen aber die Gattungen Moschus und Tragulus zu den Hirschen. Da aber diese beiden Gattungen in einer ganzen Reihe wichtiger Charaktere von den eigentlichen Hirschen, z. B. sogar von den Wiederkäuern im allgemeinen abweichen, dürfte es nicht ungerechtfertigt sein, die erwähnten Formen von den Hirschen abzusondern. Dem Laien erscheint als Hauptmerkmal eines Hirsches das Geweih. Allein, wenn man bedenkt, dass dasselbe mit Ausnahme des Rens nur dem Männchen zukommt, dass es auch dem Männchen zuweilen fehlt und dass es je nach dem Alter des Hirsches grossen Ver- änderungen unterworfen ist, so muss man zugeben, dass das Geweih nur von sekundärem Wert für die Charakterisierung der Hirsche ist. Auch ein anderes, lange Zeit für wichtig gehaltenes Merkmal, eigenartige Haarbüschel oder Haarbürsten an den Hinterbeinen, findet sich nicht ausschliesslich bei den Hirschen, sondern auch bei manchen Antilopen. Der schweizerische Zoologe und Paläontologe Rütimeyer wies in mehreren aus- gezeichneten Arbeiten eine Reihe von Besonderheiten der Schädel- und Gebissbildung bei den Hirschen nach, die zwar nicht einzeln, sondern kombiniert sichere Kriterien für die Zugehörigkeit zur Hirschfamilie bieten. Von Interesse sind auch die Ergebnisse der Forschungen des englischen Zoologen Brooke, der auf wichtige Eigenschaften des Fussskeletts, und Prof. Garrod, welcher auf mit dieser Fussbildung zusammengehende Eigen- tümlichkeiten der Pflugschar- und Gaumenbeine hinwies. Diese osteologischen Befunde wurden vom Vortragenden eingehend dargestellt. Sodann folgte eine Auseinandersetzung über die Entstehung des Geweihes und seine Beziehungen zum Leben 49 des Hirsches. Nach einem kurzen Blick auf die äussere Körper- form der Hirsche wurde die phylogenetische Entwickelung der Familie von der Tertiärformation bis zur Gegenwart erläutert und sodann die geographische Verteilung der jetzt lebenden 63 Hirscharten auf der Erde berührt (2 Arten finden sich eircumpolar auf beiden Erdhälften, nämlich Elch und Ren, 39 Arten weist die alte Welt, 22 Amerika auf) und endlich gab der Vortragende eine sysematische Übersicht über alle jetzt bekannten Arten resp. Gattungen der Hirsche. Die alte Linn@sche Gattung Üervus wird von den Zoologen in eine sanze heihe von Gattungen aufgelöst, da die Verschieden- heiten innerhalb derselben thatsächlich zu gross sind, als dass man alle Hirsche in eine einziee Gattung zusammenfassen könnte. 6. Sitzung. 6. Dezember 1894. Vortrag des Herrn ©. Gehrs: „Über Ichneumoniden*. Diese Tiere bilden eine gegen 6000 Arten umfassende Abteilung der Hymenopteren, sind jedoch noch lange nicht alle bekannt. Nachdem der Redner eine Übersicht der auffälligsten Unter- scheidungsmerkmale gegeben, schilderte derselbe die noch nicht in allen ihren Teilen aufgeklärte Entwickelung der Ichneumoniden. Die Männchen sieht man mitunter in der Eilenriede in erstaun- lich grossen Schwärmen Lufthäuser aufführen, wie wir es wohl kennen von Mückenmännchen; die Weibchen hingegen treiben sich zwischen Laubwerk und im Grase herum, nach Raupen und Larven suchend, welche ihnen geeignet scheinen, als Wirte der Ichneumonenbrut zu dienen. Es sind nicht allein die frei lebenden Raupen den Angriffen der Ichneumonen ausgesetzt, sondern es werden auch die in Blattrollen, Säcken, Gespinnsten, Pilzen, Früchten, im Holze oder Wasser lebenden Raupen auf- gesucht und angestochen. Während die kleineren Arten in die sogenannten -Wurmlöcher kriechen, um die Wirtstiere aufzu- suchen, stechen die grossen Arten mit ihrem oftmals über einen Zoll langen Legestachel die im Holz verborgene Larve an, welche sie mit Hülfe der Fühler witterten. Die grösseren Arten pflegen jedes gestochene Tier mit einem Brutei zu ver- sehen, während die kleinen Arten mitunter in eine Raupe mehrere Hundert Eier versenken. Die angestochenen Raupen zeigen durch ihr Verhalten nicht, dass ihnen der innewohnende Schmarotzer sehr lästig sei, sondern leben und fressen ruhig weiter, sterben aber, sobald sie sich verpuppt oder eingesponnen haben, ihr Puppenkleid dem darin verborgenen Schmarotzer überlassend. Die von mehreren Larven der kleinen Ichneumonen 4 50 besetzten Raupen haben ein qualvolles Ende, da sich ihre Be- wohner zu gleicher Zeit durch die Raupenhaut einen Ausgang ins Freie bahnen und so den Tod des Wirtstieres veranlassen. Die Aufgabe der Ichneumoniden ist, die Vermehrung der Insekten zu regeln, weshalb die verständigen Forstleute bei drohender Insektenplage auf die mehr oder weniger zahlreichen Ichneumoniden achten. Sind von 100 Raupen 30 bis 50 mit Ichneumonidenlarven besetzt, dann wird die Plage voraus- sichtlich bald vorübergehen. Betreffs der in der Eilenriede seit mehreren Jahren herrschenden Viridanaplage erwähnt der Vortragende, dass die Plage sich ihrem Ende zu nähern scheine, denn von den am 10. Juni eingezwingerten 100 Raupen der Tortrix viridana kamen 10 Timpla rufata, 11 Timpla scanica, 3 Microgasten und 3 Dipteren, während 6 Raupen durch Pilze erkrankten und starben. Wir haben also Hoffnung, dass die so hässliche Entblätterung der Eichen bald nachlassen wird. 7. Sitzung. 13. Dezember 1894. Die Sitzung fiel aus; statt derselben am 16. Dezember Besichtigung der Gewächshäuser in Herrenhausen unter Leitung des Herrn Oberhofgärtners Wendland. 8. Sitzung. 20. Dezember 1894. Vortrag des Herın Oberlehrer Steinvorth: „Über Natur- und Kulturfloren*“. Der -Vortragende bespricht in längerer Ausführung die Darwinischen Grundgedanken der fortwährenden Entwicklung auf allen Gebieten der Natur- wissenschaft, daher auch der Umbildung alter Begriffe, wie des der Art (Species), sowie der Umgestaltung der ganzen Welt- anschauung. Im Gegensatz dazu verweilt er bei der Betrachtung natürlicher Florengebiete, zunächst der Gewächse der nord- deutschen Moore, worüber die neueste Litteratur bemerkens- werte Arbeiten gebracht hat, wie die des Dr. Weber über die nordöstlichen Gebiete des preussischen Staates, vor allem aber die grössere und sorgfältige Arbeit des Prof. Dr. R. v. Fischer- Benzon über „die Moore der Provinz Schleswig - Holstein“, woraus die bedeutsamsten Ergebnisse mitgeteilt werden. Daran schliesst der Redner längere Mitteilungen an, welche er einer Durchmusterung der hiesigen Land- und Forstwissenschaftlichen Bibliothek entnommen hat, über die Kulturen der nordwest- deutschen Moore, deren Grösse, Verteilung und geschichtliche intwicklung bis zur Gegenwart. Eine Betrachtung altdeutscher Gartenfloren, worüber eben- falls von R. v. Fischer - Benzon eine erschöpfende Arbeit er- 51 schienen ist, wird zu einer Behandlung der Kulturfloren führen. 9. Sitzung. 3. Januar 189. Die Gesellschaft besichtigte auf Einladung des Herrn Dr. Henking die Sammlung des deutschen Seefischereivereins. Nach einer einleitenden Übersicht über die Entwicklung unserer See- fischerei und über die Unterschiede, welche dieselbe in der Nord- und Ostsee aufweist, führte der Vortragende die Gesellschaft in die Sammlungsräume, in denen eine grosse Anzahl Modelle in- ländischer und ausländischer Fischereifahrzeuge und Fischerei- betriebe, sowie Geräte zur wissenschaftlichen und praktischen Durchforschung des Meeres ausgestellt sind. Ausserdem wurde die Aufmerksamkeit der Anwesenden durch eine Sammlung von Spirituspräparaten gefesselt, zu denen das Material auf Wxpeditionen der früheren Sektion für Küsten- und Hochsee- fischerei (jetzt deutscher Seefischereiverein) gewonnen ist. Die- selben gaben ein anschauliches Bild von dem Tierleben der Nordsee. 10. Sitzung. 10. Januar 1895. Kleinere Mitteilungen. Zunächst legte Herr Gehrs Früchte von Salisburia adiantifolia (Gingko biloba) vor. Der Baum, dem die Früchte entstammen, wächst auf Schloss Harbke bei Helmstedt und hat dort zum ersten Male im Jahre 1853 Früchte getragen. Der Redner geht dann näher auf die Ver- breitung und Eigenart der Pflanze ein und zeigt schliesslich noch eine echte Perle, die in einer Auster gefunden ist. Darauf berichtete Herr Dr. Warnecke in kurzem über die ganz eigen- artige Flora des Pic von Teneriffa und legte ein Exemplar der interessanten Viola cheirantifolia Humb. vor, die Herr Dr. Behrens in Göttingen im Jahre 1892 auf Teneriffa gesammelt hat. Weiterhin demonstrierte er Früchte vom echten Illicium anisatum L. aus Süd-China und vom giftigen J. religiosum aus Japan. Es werden dieselben als Anisfrüchte in den Handel gebracht und leicht miteinander verwechselt. Sie lassen sich mit Sicherheit nur dadurch von einander unterscheiden, dass, wenn dieselben im Wasser gelegen haben, der Extrakt der giftigen Anisfrüchte bitter schmeckt. Die giftigen Früchte enthalten einen Stoff den man Skimin genannt hat und der wie Piknotoxin wirkt. Von Herrn Dr. Rüst wurde eine Frucht von der in Südamerika heimischen Opuntia ficus indica gezeigt, die Herr Apotheker Gapelle in Springe gezogen hat. Herr Kreye demonstrierte eine vortreffliche und sehr wertvolle Sammlung 4* St IV ausländischer Schmetterlinge, die durch ihre wunderbare Farben- pracht allgemein erfreuten. Zum Schluss führte Herr Dr. Bertram ein Anlege- und Reflexionsgoniometer vor, Instrumente, die zum Bestimmen der Neigungswinkel von Krystallflächen dienen. 11. Sitzung. 17. Januar 189. Kleinere Mitteilungen. Herr Oberlehrer Steinvorth legte mehrere Bücher von R. von Fischer-Benzon, Max Schulze und N. Gaucher vor, deren Inhalt er näher erläuterte. Herr Dr. Struckmann demonstrierte eine Sammlung alpiner Gesteins- arten. 12. Sitzung. 24. Januar 1895. Vortrag des Herrn Dr. Ude: „Über die Amphibien des Provinzial-Museums“. — Der Vortragende gab zu- nächst eine allgemeine Übersicht über den Bau der Tiere und erläuterte denselben durch eine Reihe von Zeichnungen und anatomischen Präparaten vom Frosch. Dann wandte sich der Redner in Kürze zu den sog. Regenerationserscheinungen. Hier- an knüpfte sich eine Besprechung von merkwürdigen Experimenten, die vor kurzem mit Larven von Amphibien angestellt sind und von denen einige hier Erwähnung finden mögen. Man hat z. B. 2 Froschlarven oder Kaulguappen quer durchgeschnitten und die Hinterteile derselben zusammenwachsen lassen. Weiter- hin wurden das Vorderende einer Tritonlarve und das Hinter- ende einer Froschlarve mit ihren Schnittflächen aneinander befestigt: nach kurzer Zeit waren die Teilstücke verwachsen. Ebenso gelang es, eine Froschlarve und Krötenlarve mit den Bauchflächen zur Verwachsung zu bringen. Soweit bis jetzt festgestellt ist, handelt es sich bei diesen Erscheinungen nicht allein um eine äussere oberflächliche, sondern auch um eine innere Verwachsung der verschiedenen Organe, so dass die mit einander vereinigten Larven oder Teilstücke derselben längere Zeit am Leben erhalten werden konnten. — Darauf gab der Redner eine Übersicht über die Systematik der Amphibien, hob in besonderem die unterscheidenden Merkmale hervor nnd wandte sich schliesslich zur Besprechung der geographischen Verbreitung der einheimischen Arten. — Die im Museum nach neuester Methode aufgestellten Amphibien dienten zur Erläuterung des Vortrages. 13. Sitzung. 31. Januar 1895. Vortrag des Herrn Professor Kaiser über „Vollblut*. Das Pferd. welches Vollblut genannt wird, ist keine besondere > Species der Gattung equus caballus, seine zoologischen Merk- male sind mit jedem anderen Pferde ganz übereinstimmend. Es ist noch nicht einmal ein sog. urwüchsiges Tier, sondern ein durch Paarung orientalischer und englischer Pferde ent- standenes Zuchtprodukt, welches durch besondere Erziehung und Ernährung, namentlich durch methodische und sehr an- strengende Arbeit nach und nach eine besondere Formgestaltung, mehr noch eine eigen geartete Konstitution erlangt hat. — Äusserlich zeigen diese Pferde, und namentlich das sog. Renn- Vollblut einen mehr schlanken Körperbau, feinen Hals, hohen Widerrist, kurzen festen Rücken, lange, gut gewinkelte Schenkel; ihr Blutgefässsystem ist vortrefflich ausgebildet, der Herz- muskel sehr leistungsfähig; ihre Knochen sind sehr fest und von : spezifischer Schwere, die Muskeln stramm, die Sehnen elastisch. — Diese körperlichen Eigenschaften verdanken die Tiere aber nicht nur ihren Eltern, sondern auch der Fütte- rung und Pflege, ganz besonders auch dem sogenannten Training, dessen Methode vom Redner eingehend geschildert wurde. — Im Jahre 1680 führte der vorletzte Stuart Karl II. eine Anzahl morgenländischer Hengste und Stuten in England ein, vorzugsweise um oute Renner zu züchten, denn die Wett- rennen waren zu jener Zeit schon in England sehr beliebt. Die orientalischen Pferde galten damals schon als die schnellsten und andauerndsten Pferde: sie bildeten den Grundstock des englischen Vollbutes. Von hervorragendster Bedeutung sind die Nachkommen von Beyerley's Turk, Darley's Arabian und Godolphine’s Sham (berberischer Herkunft). Diese Orientalen wurden mit passenden englischen Stuten gepaart: nur die auf der Rennbahn am leistungsfähigsten Nachkommen derselben wurden zur Edelzucht benutzt. Aber erst 1808 erschien das erste vollständige Stutbuch. Und nur der Nachweis, dass die Voreltern durch acht Generationen im Stutbuch eingetragen sind, also der Nachweis einer zielbewussten Paarung gleich- artiger Eltern und rationelle Aufzucht des Füllens ist der Adelsbrief des Vollhblutes. Nur die Paarungsprodukte der in dem General-Stutbuch verzeichneten Adelsgeschlechter gelten als Vollblut. HReinblut ist deshalb noch kein Vollblut. Der Grad der Veredelung wird Vollblut, Halbhblut oder Dreiviertel- blut ete. genannt. Kaltblut und Warmblut sind Bezeichnungen, welche sich nicht auf die Bluttemperatur gründen, sondern auf die Qualitätseigenschaften und die Formgestaltung einzelner Pferderassen. Zum Schluss bespricht der Redner noch den Einfluss des Vollblutes auf die Förderung der Pferdezucht im allgemeinen; auch wurden naturgetreue Abbildungen der be- 54 deutendsten Vollbluthengste unserer Hauptgestüte vorgezeigt. — An den Vortrag schlossen sich noch einige kurze Mitteilungen an. So legte Herr Kreye Gebisse von einem Wildschwein und Affen vor, um die Verdrängung der Milchzähne durch die bleibenden Zähne zu zeigen. Herr Peets demonstrierte eine Sammlung einheimischer Käfer, die für die Provinzialsammlung bestimmt ist. Herr Dr. Rüst zeigte peruanische Insekten, die Herr Wendland der Sammlung geschenkt hat. Herr Dr. Lang legte einen fossilen Flossenstachel eines Selachiers vor. — 14. Sitzung. 7. Februar 1895. Vortrag des Herın Dr. O0. Lane: „Über bituminöse Kohlen.“ — Nachdem für das wichtigste der bituminösen Natur- produkte, das Erdöl, die Abkunft von tierischen Fetten nach- gewiesen und daher sein Herkommen aus marinen Ablagerungen wahrscheinlich gemacht ist, erübrigt die Frage nach der Ab- stammung des in vielen Steinkohlen enthaltenen und in manchen mit diesen vergesellschafteten oder wenigstens ihnen ähnlichen Schichtmassen (bituminöse Schiefer, Kerosenschiefer, Torbanit, Boghead- und Cannel-Kohle) ungemein angehäuften Bitumens. Diese Frage haben die französischen Botaniker Bertrand und Renault durch die Untersuchung von 3 typischen Vorkommen solcher Ablagerungen zu lösen versucht und fanden letztere aufgebaut aus den Thallen bestimmter vielzelliger Gallert- aleen. Von dem Befunde wurde unter Vorlegung von Ab- bildungen berichtet und die Theorie mitgeteilt, welche die Bildung solcher Massenanhäufungen erklären soll. Muss es immerhin noch fraglich bleiben, ob und wie die Algenwucherung bituminöse Ablagerungen von erheblichem industriellen Werte entstehen, deren Bezeichnung als Algen-Kohlen schon der von Kohle abweichenden Substanz halber beanstandet werden kann, so steht doch nun fest, dass derartige Anhäufungen sich aus vegetabilischem Material bilden können. 15. Sitzung. 14. Februar 189. Vortrag des Herrn Dr. Schwarz: „Über Margarine- fabrikation und den Nachweis der Margarine in Butter“. Redner bespricht die allmähliche Entwicklung der Margarine in den verschiedenen Staaten und schilderte ein- gehend die heutige Herstellungsweise, welche von dem von Mege-Mouries, dem Erfinder der Margarine angebenen Verfahren wesentlich verschieden ist. Mege-Mouries schied aus dem Rindstalg die schwerschmelz- baren Bestandteile, Stearin und Palmitin möglichst vollständig ab und erhielt dadurch ein Produkt, das Oleomargarin, welches er sofort mit angesäuertem Rahm bezw. Kuhmilch verbuttern konnte. Dieses Oleomargarin zeigte einen Schmelzpunkt von 20.bis 22° C. Untersucht man jedoch heute die in der Margarine ver- wendeten Oleum- bezw. Rohmargarine, so findet man, dass der Schmelzpunkt wesentlich höher liegt. Redner legt 5 verschiedene Marken Rohmargarine vor, deren Schmelzpunkt zwischen 2% und 380 C. liegt. Aus diesen Produkten lässt sich jedoch durch einfaches Verbuttern mit Rahm oder Milch kein Streich- fett von der Konsistenz der Butter herstellen. Um diese richtige Konsistenz zu erhalten, werden der Rohmargarine vor dem Verbutterungsprozesse Pflanzenöle zugesetzt. Angewandt werden besonders Erdnuss-, bezw. Sesam- und Baumwollsaatöl. Zu den besseren Marken Margarine wird nur Erdnuss- bezw. Sesamoel in Verbindung mit Rahm oder Vollmilch ver- wendet; die billigeren Sorten, die im Handel mit 35. 40 und 45 „% verkauft werden, erhalten Baumwollsaatöl und werden mit angesäuerter Magermilch verbuttert. (Redner legt 8 ver- schiedene Proben Margarine im Preise von 80 bis 35 A% pro '/, kg vor, welche von einer hannoverschen Margarinefabrik in den Handel gebracht werden.) Die Rohmargarine wird zum grössten Teile aus Amerika eingeführt. Während der Wert der eingeführten Rohmargarine im Jahre 188889 noch mit 505000 Doll. angegeben wird, soll derselbe im Jahre 1892/93 schon auf 2371000 Doll. gestiegen sein. Die landwirtschaftlichen Kreise sehen in dieser enormen Ausdehnung der Margarinefabrikation eine grosse Gefahr für den milchwirtschaftlichen Betrieb. Als Ursache dieser starken Verbreitung der Margarine wird von landwirtschaftlicher Seite das Färben der Margarine und Herstellung mit Hilfe von Milch und Rahm angesehen. Durch das butterähnliche Färben wird das Aussehen und durch den Zusatz von Milch der Geschmack der Margarine der Butter so ähnlich, dass es bei den besseren Marken dem Konsumenten unmöglich wird, nach Aussehen und Geschmack Butter von Margarine zu unterscheiden. Der Bund der Landwirte verlangt daher eine Abänderung des Margarinegesetzes vom 12. Juli 1887 und hat schon im Sommer 1894 der Regierung einen diesbezüglichen Entwurf unterbreitet, der als Mindestforderung verlangt: 1) Verbot der Färbung. „n >6 2) Verbot der Verwendung von Milch und Milchprodukten zur Herstellung von Ersatzmitteln für Butter. 3) Verbot des gleichzeitigen Verkaufs von Butter und Margarine in denselben Geschäftsräumen. 4) Verschärfung der bisherigen Kontrolle. Redner bespricht dann die Versuche der verschiedenen landwirtschaftlichen Vereine und Molkereiverbände, durch zahl- reiches Aufkaufen und Untersuchen von Butter den Beweis zu erbringen, dass massenhaft Butter mit Margarine verfälscht würde und dass die bisher geübte polizeiliche Kontrolle nicht ausreiche. Die Folge dieser Eingaben war zunächst ein Erlass der Regierung an die einzelnen Polizeidirektionen u. s. w. häufiger Proben aufzukaufen und dieselben auf Beimischung von Margarine untersuchen zu lassen. Gleichzeitig holte die Regierung die (sutachten der verschiedenen Handelskammern ein. Angesichts dieser Gutachten, welche der Vortragende näher bespricht, und die im wesentlichen darauf hinausgehen, dass eine Erschwerung oder Besteuerung der Margarinefahrikation weder im wirtschaftlichen noch im socialen Interesse geraten sei, scheint die Bestrebung des Bundes der Landwirte auf eine Abänderung des Margarinegesetzes wenig Erfolg zu haben. Es wird der Landwirtschaft in diesem Konkurrenzkampfe ausser einer verschärften Kontrolle nur die Selbsthilfe übrig bleiben. Namentlich ist dahin zu wirken, dass in den kleinen Bauernwirtschaften die Butter mit mehr Sorgfalt hergestellt wird. Die bislang dort gewonnene Butter ist meist sehr schlecht gereinigt, sehr wasserreich und daher oft in wenigen Tagen dem Verderben ausgesetzt. Ein derartiges Produkt kann selbst- verständlich nicht die Konkurrenz mit guter Margarine aushalten. Auch sollen die Landwirte, welche heute ihre Gesamtmilch an Molkereien verkaufen und den für ihren Betrieb erforderlichen Bedarf an Butter durch Margarine decken, bedenken, dass sie dadurch wesentlich zur Förderung der Margarine beitragen. Auch hier kann durch Selbsthilfe viel gewonnen werden. 16. Sitzung. 21. Februar 1895. Vortrag des Herrn Apothekers Brandes über „Droguen aus: Afrika“. Der Vortragende demonstrierte zunächst Kautschuk aus Kamerun, das eine grosse Ähnlichkeit mit dem amerikanischen hat: es ist im vorigen Jahre zum ersten Male eingeführt und scheint ein wichtiger Importartikel zu werden; die Stammpflanze, von der das Kautschuk gewonnen wird, ist noch nicht näher bekannt. Dann zeigte derselbe falsche I! 1 Kalababohnen, die von einer noch unbekannten Physostigma-Art stammen und die ebenso wie die echten Kalababohnen einen sehr giftigen Stoff, das Physostigmin, enthalten. Weiterhin demon- strierte der Vortragende eine Wurzel, die in der Annahme ein- geführt wurde, dass sie das gegen Hautausschlag benutzte Chrysarobin enthält: in Wirklichkeit enthält sie aber einen noch nicht näher bestimmten, sehr eiftigen Stoff. Nachdem Herr Brandes noch eine Schilfart, die Kampfer enthält, gezeigt hatte, wandte er sich zur Besprechung der neuesten Saffran- fälschung. Ein Herr Adrian fand nämlich einen sonst ganz gut aussehenden Saffran dadurch verdächtig, dass derselbe beim Zusammendrücken geformte Massen, die zusammengeklebt blieben, bildete, während echter Saffran elastisch ist, daher nach Auf- hebung des Druckes in den ursprünglichen Zustand wieder zurückzukehren betrebt ist. Ferner trat beim Eintragen des verdächtigen Saffrans in conc. Schwefelsäure nur vorübergehend die charakteristische indigoblaue Färbung auf, vielmehr wurde die Flüssigkeit rosenartig gefärbt. Die genaue Untersuchung des in Frage stehenden Saffrans zeigte dann, dass derselbe mit 40%, fremden Salzen (Borax, Natriumsulfat, neutralem Kalium- tartrat, Kochsalz und Ammoniumnitrat) durchtränkt war. — Herr Direktor Dr. Schäff legte zwei Backenzähne von einem Elephanten des Zoologischen Gartens vor und bemerkte dazu, dass ein solcher Zahn aus zahlreichen einzelnen Zähnen zu- sammengesetzt ist und 7- oder Smal gewechselt wird. — Herr Dahl demonstierte Koprolithen aus der Halberstädter Gegend, in denen deutlich Fischschuppen zu erkennen waren. — Herr Dr. Rüst beschrieb Gallmücken, die ihre Eier in die Wurzeln von Kakteen legen, wodurch die Pflanzen zu Grunde gerichtet werden. — Schliesslich machte Herr Oberlehrer Dr. Steinvorth noch Mitteilung von einer Beobachtung, nach der ein paar Neuntödter 27 kleine Vögel, 76 Maikäfer und 47 andere Tiere innerhalb kurzer Zeit getödtet hat. 17. Sitzung. 28. Februar 189: Vortrag des Herrn Oberlehrer Steinvorth über: „Schöne Gartenkunst und italienische Landschaftsgärtnerei“. Der Redner knüpfte einleitend an einen vor einigen Monaten erschienenen Artikel über die städtischen Gartenbauanlagen an. Dieser enthalte abermals die schon früher zurückgewiesene Nachricht, dass die Umgestaltung des Theaterplatzes 130 000 AU gekostet habe, während doch nur für den gesammten dortigen Strassenbau diese Summe in Anspruch genommen ist und die Kosten der gärtnerischen Neuanlagen einschliesslich Einfriedigung Bio) und Wasserleitung nur 41500 ‚U betragen haben. Für 1895/96 sind beantragt für Unterhaltung der Anlagen, Alleen, der ge- schlossenen Friedhöfe, der Baumpflanzungen auf Plätzen und Schulhöfen, der Schulvorgärten, sowie der städtischen Restau- rationsgärten die Summe von 42800 Al, für ausserordentliche Anlagen und Anschaffungen 20400 Ab, wovon 8000 MM für Neuanlagen des Georgsplatzes bewilligt sind. Nach Mitthei- lungen eines Vortrages vom Gartendirektor in Riga verwenden die Grossstädte durchschnittlich 1 Prozent aller Ausgaben auf die gärtnerischen Anlagen. Dagegen sei voll zuzustimmen der Anerkennung, welche in dem Artikel „der Schaffenslust und Regsamkeit*, „der raschen Initiative in der Planung und der eifrigen und gewandten Durchführung“ gezollt werde. Wenn dann aber „mehr schöpferische Gestaltungskraft und geschmack- volle Formentfaltung* gewünscht werde, wenn angedeutet wird, dass trotz des „wirkungsvollen Farben- und Formenreichtums der Eindruck nur kalt lasse“, dagegen aber „die freie Beweglich- keit der Formen, das anmutige Linienspiel und die feinsinnige Verwendung der geschwungenen Linien hervorgehoben wird, welche sich der Umgebung anschmiegt, wie sich das früher in klassischer Weise in der Umgebung des Theaters gezeigt habe*, so empfindet man den versteckten Tadel, ohne darin fassbare, bestimmte Vorschläge zur Besserung zu sehen. Rar, wahr und klar sei auch hier eine berechtigte Forderung. Nach Erörterung des Begriffs von „Schöner Gartenkunst“ verbreitete sich der Vortrag über die dargebotenen Mittel, die Grundsätze der Land- schaftsgärtnerei, über die berühmtesten Musteranlagen und ihre Meister, ihre Arten und die geschichtliche Entwickelung der Schönen Gartenkunst und gab dann ein Bild der günstigen Verhältnisse Italiens nach seiner natürlichen Oberflächengestaltung mit Bezug auf zoologische, klimatische und botanische Ver- hältnisse. Für die Landschaftsgärtnerei sind von besonderer Bedeutung die Anlagen der Grossstädte und ihrer Friedhöfe, die Landhäuser und Paläste der oberitalienischen Seen und vor allem die prächtigen Gärten der Ufer (Riviera) am Golf von Genua, wovon die bemerkenswertesten einer eingehenden Be- sprechung unterzogen wurden. Eine kurze Besprechung bezog sich vorzugsweise auf die über die hiesigen gärtnerischen An- lagen dargelegten Bemerkungen, denen zugestimmt wurde. — 18. Sitzung. 7. März 1895. Vortrag des Herrn Dr. Henking: „Über die Beruhigung der Sturzwellen durch Ol“. Dass durch Ausgiessen von Ol das Überbrechen der Sturzwellen verhindert werden kann, 59 war schon im Altertum bekannt. So berichtet Aristoteles, dass die Schwammfischer durch Ausgiessen von Öl die Meereswellen beruhigten und so besser im stande waren, die Schwämme auf dem Meeresgrunde zu erkennen und zu fangen. Ähnliche An- gaben finden wir bei Plinius und Plutarch und auch im Mittel- alter waren diese Thatsachen nicht ganz unbekannt und wurden besonders in den Klöstern der Nachwelt überliefert. So gab z. B. Aelianus seinen Priestern zu einer gefährlichen Seereise geweihtes Öl mit. Eingehendere Untersuchungen über den Ein- fluss des Öles auf das Meer stammen jedoch erst aus dem Jahre 1772 und zwar von Benjamin Franklin. Einige Jahre später erschien ein Buch von einem Holländer über die Wirkungen des Öls, in dem sich u. a. die Mitteilung befindet, dass die holländischen Fischer das Öl zur Beruhigung der Wellen be- nutzten, um die Fische besser sehen zu können. Bestätigung der Wirkung des Öles kam auch von den Walfischfängern, die beobachteten, dass hinter ihren Schiffen, von welchen ständig Walfischthran herabtropfte, die Meereswellen beruhigt wurden. Eingehende Untersuchungen sind seit den achtziger Jahren von der deutschen und französischen Admiralität und von den Handelskammern angestellt. Karlowa und Rottock sprachen in besonderen Schriften die Ansicht aus, dass den dickflüssigen Ölen vor den dünnflüssigen der Vorzug zu geben sei. Eine gute Erklärung über die Wirkung des Öls auf Wellen bahnten jedoch erst Oberingenieur Grossmann und Professor Koeppen an. Letzterer besonders ist der Ansicht, dass es sich um die Oberflächenspannung von Wasser und Öl gegen Luft handelt. Giesst man nämlich einen Tropfen Ricinusöl auf Wasser, so breitet sich derselbe sehr schnell auf der Wasseroberfläche aus. Das kommt daher, dass die Oberflächenspannung des Wassers gegen Luft grösser ist, als diejenige des Öls gegen Luft; das Wasser reisst also gewissermassen den Oltropfen auseinander. Daher kommt es auch, dass sich die verschiedenen Öle, da sie ungleiche Oberflächenspannung haben, verschieden schnell auf der Wasseroberfläche ausbreiten, und dass sich die verschiedenen Öle gegenseitig verdrängen können. Der Vortragende zeigte nun an einer Reihe von Experimenten die Richtigkeit dieser Ansicht. Giesst man z. B. einen Tropfen Ricinusöl auf Wasser, so breitet sich derselbe schnell aus, setzt man jetzt einen Tropfen Stichlingsthran hinzu, so verdrängt derselbe das Ricinusöl. Kehrt man nun das Experiment um, indem man zuerst einen Stichlingsthrantropfen sich ausbreiten lässt, so wird sich ein hinzugefügter Ricinusöltropfen nicht mehr ausbreiten. Die Ober- llächenspannung des Stichlingsthrans ist eben geringer, als 60 diejenige des Ricinusöls. Wie der Vortragende nun durch Ver- suche gefunden hat und bewies, hat Stichlingsthran, wenn man ihm Fuselöl hinzusetzt, von allen in Betracht kommenden Ölen die geringste Oberflächenspannung, er verdrängt also alle anderen Öle und breitet sich am schnellsten aus. Bei Anwendung auf der See hat sich das Gemisch bereits gut bewährt. Ein von Dr. Richter als Wellenberuhigungsmittel angepriesenes Öl, das aus Ölsäure und Fuselöl besteht, ist bei weitem schwächer als das Gemisch von Stichlingsthran und Fuselöl, und hat ausser- dem den Nachteil, dass es bereits bei — 20 C. gefriert, was bei dem Henking’schen Gemisch erst bei — 8 bis 100 geschieht. Professor Koeppen hat Seife als Wellenberuhigungsmittel vor- geschlagen: dieselbe lässt sich jedoch nicht praktisch verwerten, da sie durch Seewasser chemisch verändert wird. — Schliesslich erläuterte der Vortragende noch, wie das Öl das Überkippen der Sturzwellen verhindert. 19. Sitzung. 14. März 1895. Vortrag des Herrn Dr. Warnecke: „Über koffein- haltige Genussmittel“. Die Genussmittel, deren sich die verschiedensten Völker der Erde seit Jahrhunderten bedienen, haben einen solchen Einfluss auf alle Lebensverhältnisse er- rungen, dass sie mit der Geschichte ihres Heimatlandes auf das engste verwachsen sind. — Dieses gilt von dem Opium bei den Chinesen, von dem Haschisch bei den Indern und Persern, von den Cocablättern in Peru und Bolivia und von dem Tabak der Ureinwohner von Amerika, ganz besonders auch von denjenigen Genussmitteln, welche sich durch einen Gehalt an Coffein, bezw. Theobromin auszeichnen und ihre Wirkung zum Teil diesen Alkaloiden ver- danken. Diese coffeinhaltigen Genussmittel sind noch dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht einer Pflanzengattung oder gar einer Species, wie die zuerst genannten, entstammen, sondern von Pflanzen geliefert werden, welche den verschiedensten Familien des Pflanzensystems, den Rubiaceen, den Camelliaceen, den Nyctagineen, den Sapindaceen, den Aquifoliaceen und den Sterculiaceen angehören. — Instinctiv haben sich die Eingeborenen der verschiedensten Länder der Erde den coffeinhaltigen Pflanzen zugewandt und Blätter und Samen derselben als Genussmittel gebraucht. Nicht das Coffein ist Genussmittel geworden, sondern die betreffenden Drogen mit ihrem Aroma und Gerb- säuregehalt in geeigneter Zubereitung. Wo die Natur kein Aroma mitgegeben hatte, wurde erst ein solches künstlich be- schafft. Kaffeebohnen werden vor dem Genusse gebrannt, 61 Cacaobohnen einem Gährungsproces unterworfen. Die Blätter des Theestrauches und des Matebaumes vermischt man mit aromatischen Blättern anderer Pflanzen. Coffein und Theobromin gehören in chemischer Beziehung der Xanthingruppe an und sind mit einer Reihe von Stoffen verwandt, welche der tierische Organismus produziert. Das Theobromin ist ein Dimethylxanthin, das Coffein ein Trimethyl- xanthin. Beide Stoffe sind geschätzte Arzneimittel. Der Kaffeebaum, Coffea arabica L., gehört zur Familie der Rubiaceen und wächst in Abessinien und den be- nachbarten Kaffeeländern wild. Samen und Blätter des Kaffee- baums sind in ihrem Vaterland seit den ältesten Zeiten in Ge- brauch. Aus Afrika gelangte der Kaffee im 15. Jahrhundert nach Arabien. Von hier und auch von agypten aus verbreitete sich die Sitte des Kaffee- Trinkens über die ganze Erde. In Deutschland eröffnete Nürnberg im Jahre 1686 das erste öffent- liche Kaffeehaus. Der Theestrauch, Camellia Thea Link, zur Familie der Camelliaceen gehörig, wächst wild in Bengalen (Assam) und ist vielleicht nach China eingeführt, wo er jetzt in grösster Ausdehnung kultiviert wird, ausserdem aber auch in Japan, englisch Ostindien, in Australien, Afrika und Amerika. Der chinesische Thee fand in Europa erst im 18. Jahrhundert all- gemeinere Verbreitung. Neea theifera Örsted, eine Nyctaginee, liefert den Brasilianern in ihren Blättern ein Genussmittel. Paullinia sorbilis Martins, ein kletternder Strauch aus der Familie der Sapindaceen, ist im nördlichen Teil von Brasilien heimisch. Die Samen der Paullinia werden von den Eingeborenen zerstossen und mit heissem Wasser zu einer Masse geknetet, welche unter dem Namen „Guaranä* bekannt ist und hauptsächlich als Medikament gebraucht wird. llex-Arten, namentlich der Matebaum, Ilex paragu- ayensis Saint Hilaire aus der Familie der Aquifoliaceen, liefert den Südamerikanern den Paraguaythee, Mate, Jesuiten- thee, welcher in anderen Ländern aber keinen Anklang ge- funden hat. Theobroma Cacao L., Familie der Sterculiaceen, liefert den Cacao des Handels. Der Cacaobaum ist in den wärmeren südwestlichen Ländern Nordamerikas, in Mittelamerika, West- indien und Südamerika heimisch. Die Cacaosamen und die daraus bereitete Chocolade sind überall hochgeschätzt. Der Kolabaum, Stereulia acuminata Beauv. aus der Familie der Stereuliaceen ist im tropischen Afrika heimisch, Die Samen dieses Baumes werden von den Negern in grosser Menge gesammelt und dem Kaffee oder Thee vorgezogen. Die- selben werden meist gekaut, seltener zur Herstellung von Ge- tränken benutzt. 20. Sitzung. 21. März 18%. Vortrag des Herrn Dr. OÖ. Lang über: „Deutschlands Petroleumquellen“. Der Vortragende schilderte zunächst die industriellen und geologischen Verhältnisse (letztere nur in- soweit sie ermittelt sind) des norddeutschen (Oelheim, Wietze) und des elsässischen Ölgebietes, gab dann einen Überblick über die verbreiteten Ölbildungs-Theorieen und betonte schliesslich, dass pessimistische Urteile über die Zukunft unserer Erdölpro- duktion wissenschaftlich ebenso wenig berechtigt sind, wie etwa überschwängliche Hoffnungen; dass es aber in nationalökono- mischer und patriotischer Rücksicht zu wünschen wäre, wenn unserer Ölgewinnung mehr Interesse zugewandt würde, sich der Tribut für Mineralöl an das Ausland, den wir jetzt jährlich in Höhe von 65 Millionen entrichten, dadurch verringern und vielen Arbeitskräften in industriearmen Landstrichen dabei Ver- dienst verschafft werde. 21. Sitzung. 28. März 1895. Vortrag des Herrn Oberlehrer Dr. Mejer: „Über das Verhältnis von Klima und Flora“. An einer grossen Anzahl von Beispielen zeigte Vortragender, wie grossen Ein- fluss das Klima auf unsere Pflanzenwelt hat. Der Pflanzen- wuchs zweier Jahre ist sich nie vollkommen gleich. Auch im örtlichen Vorkommen einiger Pflanzenarten innerhalb desselben Jahres walten die grössten Verschiedenheiten ob. Ferner sterben viele Pflanzen an manchen Orten plötzlich aus, um erst nach langen Jahren wieder zu erscheinen. Das Klima allein kann jedoch diese Verschiedenheiten nicht hervorrufen, jedenfalls spielen auch die Bodenverhältnisse und bisher nicht bekannte Ursachen eine grosse Rolle bei demselben. Es dürfte für die botanischen Institute eine der interessantesten Aufgaben sein, diesen Ursachen nachzuforschen. — Von Herrn Oberlehrer Stein- vorth wurden einige sehr interessante Erzeugnisse des Tullbast- baumes in Jamaika vorgelegt, als Peitschen, Fächer und Lampen- schirme. Wie alljährlich fand in Kastens Hotel, Luisenstrasse, ein Abendessen statt. Ausflug zum Hils.. Am 19. Juni 1895 unternahm die Gesellschaft unter zahlreicher Beteiligung einen Ausflug über Alfeld, Lippoldshöhle, Blosse Zelle nach Grünen- 6: plan, der in jeder Beziehung als lohnend betrachtet werden kann. Von den Botanikern wurden eine Reihe interessanter Pflanzenarten aufgenommen. So wachsen an der Lippoldshöhle das Fegatella conica und an den schroff abfallenden Dolomit- felsen die hellgrünen Rasen von Encalypta streytocarpa und die dunkelen Polster des häufigen Anomodon viticulosus, aus denen seltene Farne, wie Phegopteris Robertiana, Asplenium viride, Oystopteris fragilis und Scolopendrium vulgare ihre anmuthigen Wedel erheben. An Steinen des unterhalb der Höhle fliessenden Glenebaches wurden das flutende Gezweig von Rhynchostegium rusciforme und an den Steinen des Ufers ein schöner Bäumchen- farn Thamnium alepecurum, sowie das häufige Lebermoos Pellia epiphylla bemerkt. Ferner wurden hier gefunden: Ranunculus nemorosus, Asarum europaeum und Orchis mascula. Am Fusse des Hils, wo unter dem Hochwalde die grossen Farnarten Polystichum montanum, Filix mas, cristatum und spinulosum, Phegopterus dryopteris und Equisetum silvaticum wachsen, führte der Weg an einer Berglehne hin, auf der ausser den überall in Wäldern vorkommenden Hypnum- und Polytrichum-Arten die weisslichen Rasen von Plagiothecium undulatum, die unschein- baren Lebermoose Jungermannia bicuspidata und incisa und Lepidozia reptans beobachtet wurden. Auf dem höchsten Gipfel der „Blossen Zelle“ findet sich eine ausgebreitete Moorfläche, auf der die charakteristischen Moorpflanzen Scirpus caespitosus, Lycopodium anotinum und Eriophorum vaginatum angetroffen wurden. Auch für die Käfersammler gab es manche interes- sante Beute. Ausser vielen gewöhnlichen Arten fanden sich an den Feldwegen unter Steinen Leistus spinibarbis, Chlaenius nitidulus, Badister humeralis, Adelosia macra und Amara euryonota, im Glenebache bei der Lippoldshöhle Hydraena riparia und Elmis Maugei, beim Aufstieg im Walde Molops terricola, Pterostichus metallica, Platycerus caraboides, Byrrhus luniger, in den Nestern der Formica rufa und furca Lomechusa strumosa. Attemeles emarginata und Hetaerius ferrugineus, an den ge- fällten Tannen am Kammwege forstschädliche Hylobius abietis und Rhagium inquisitor und flinke nützliche Dromius fenestratus, auf der Moorfläche der „Blossen Zelle“, im Sonnenschein schwärmend, Corymbites cupreus. -- Die Ausbeute an Hymenop- teren war nicht bedeutend, da die meisten an blühenden Bäumen schwärmten und deshalb nicht zu erlangen waren. An Tannen flogen die oftmals schädigende Lyda hypotrophica und Nematus pineti; an Wiesenblumen mehrere Arten von Bienen, wovon Andrena xanthusa für die hiesige Gegend neu ist, sowie deren Schmarotzer, z,. B. Nomada lineola und ruficorius. — Nach 64 fünfstündigem Marsche gelangte die Gesellschaft gegen 1 Uhr nach Grünenplan, wo im Kurhause ein gutes Mittagessen die ermüdeten Wanderer bald wieder erfrischte. Hier wurden von einem dort weilenden Freunde der Gesellschaft in liebenswür- diester Weise prachtvolle, in der Umgegend von Kaierde auf- genommene Orchideen, wie Orchis fusca, Ophrys musecifera, Cephalanthera xiphophyllum und Cypripedium calceolus, an die Mitglieder verteilt. Gegen 5 Uhr trat die Gesellschaft den Rückweg nach Alfeld an und traf um 9 Uhr wieder in Hannover ein. 1595/96. 1. Sitzung. 7. November 1895. Generalversammlung. Nach Begrüssung der Gesell- schaft durch den Vorsitzenden und Verlesung des Protokolls der vorigen Generalversammlung, erfolgte Übersicht über Kassen- und Personalbestand. Am 1. Oktober 1894 war der Kassen- bestand 505.44 Ab. dazu kamen als Einnahmen 930 Ab: die Ausgaben betrugen 690,37 Al. Mithin Kassenbestand (am 1. Oktober 1895) 745,07 M. Zu Kassenrevisoren wurden die Herren Carius und Preuss gewählt. — Am 1. Oktober 1894 zählte die Gesellschaft 154 Mitglieder. Neu eingetreten sind 4, dagegen ausgetreten bezw. verzogen oder gestorben 16 Mitglieder. Mitgliederbestand am 1. Oktober 1895 also 142. Unter den Verstorbenen, zu deren Ehren sich die Anwesenden von ihren Sitzen erhoben, haben wir besonders in unserem langjährigen eifrigen Mitgliede Oberlehrer Dr. Mejer einen schweren Verlust erlitten. Mejer war ein Mann von gediegenem, vielseitigen Wissen, dabei aber von einer seltenen Bescheidenheit; er er- freute sich seines tadellosen Charakters wegen allgemeiner Hoch- achtung. Sein bekanntestes Werk ist die Flora von Hannover. — Dem Wunsche einer Anzahl von Mitgliedern entsprechend wurde auf Antrag des Vorsitzenden beschlossen, in den Sitzungen in der Weise eine Änderung eintreten zu lassen, als Vortrags- abende und Sitzungen für kleinere Mitteilungen mit einander abwechseln sollen. — Herr Direktor Mühlenpfordt hatte sein Amt als Vorstandsmitglied niedergelegt. Die Neuwahl fiel auf den Direktor des Zoolog. Gartens, Herrn Dr. Schäff: derselbe nahm die Wahl an. Bezüglich der Sammlungen berichteten die Ab- teilungsvorstände folgendes. Herr Prof. Dr. Kaiser hat wegen Geldmangel neue Anschaffungen nicht machen können; dagegen hat der Zoolog. Garten verschiedene Geschenke gesandt. Die 65 Vogelsammlung ist nach dem Berichte von Herrn Dr. Rüst be- trächtlich bereichert, besonders durch Geschenke vom Zoolog. Garten, Herrn Kreye und Herrn Gehrs. Neben der Haupt- sammlung hat Herr Dr. Rüst eine Provinzial- Sammlung einge- richtet. — Die neue Aufstellung der Mineraliensammlung durch Herrn Dr. Bertram ist annähernd beendigt. — Herr Gehrs ist noch mit Einreihung der Knoche’schen Uonchyliensammlung beschäftigt; die Fruchtsammlung ist durch Geschenke von Herrn Apotheker Capelle und Apotheker Brandes vermehrt. — Das von Herrn Brandes eingerichtete Provinzial-Herbarium ist vor- aussichtlich in kurzer Zeit fertig gestellt. — Herr Peets ist mit der Aufstellung einer von ihm gestifteten Sammlung ein- heimischer Käfer beschäftigt. — An Amphibien, Reptilien und niederen wirbellosen Tieren sind nach dem Berichte von Herrn Dr. Ude ausser neuen Anschaffungen verschiedene Geschenke vom Zoologischen Garten und von den Herren Ingenieur Strüver, Apotheker Engelke in Lauenau und E. A. Gieseler in Savannah Ga. eingegangen. — Auf eine Anfrage des Herrn Dr. Lang, ob im neu zu erbauenden Museum die Einrichtung eines Lesezimmers vorgesehen ist, teilt der Vorsitzende mit, dass ein dahin gehen- des Gesuch von der Provinzial-Verwaltung abschlägig beantwortet ist. — Schliesslich sprechen die Herren Dr. Lang und Ober- lehrer Steinvorth den Wunsch aus, dass geeignete Schritte ge- than werden, die Naturhistorische Gesellschaft nach aussen hin bekannter zu machen. 2. Sitzung. 14. November 1895. \ Vortrag von Dr. Rüst: „Über das Fliegen der ver- schiedenen Tiere.“ Der Vortragende wies zunächst auf eine vor Kurzem erschienene Schrift des Professors Wilhelm Winter über den „Vogelflug* hin, in der es versucht wird, an der Hand sehr zahlreicher genauer Wägungen und Messungen vieler verschiedener Vögel und ihrer einzelnen Teile die Gesetze des Vogelfluges durch Rechnung festzustellen und zu erklären. Da diese Beobachtungen und Erwägungen, um allgemeine Giltig- keit zu haben, auch auf das Fliegen anderer Tiere anwendbar sein müssten, wird es erforderlich sein, vergleichende Betrach- tungen über den Flug der Vögel, der fliegenden Säugetiere, Eidechsen, Fische und Insekten anzustellen. Zur Erklärung des Fliegens überhaupt ist es notwendig, die verschiedenen Arten des Fluges möglichst auseinander zu halten und gesondert zu betrachten. Die Beobachtungen fliegen- der Vögel verschiedener Arten lehrt unmittelbar, dass der Flug der Vögel bei den Tieren derselben Art, oft auch schon der 5 66 gleichen Gattung, durchaus stets derselbe ist, während im Fluge der Vögel verschiedener Familien sich ganz ausserordentliche Unterschiede in der Flugweise bemerklich machen. Der erfahrene Beobachter kennt daher die Vogelgattungen am Fluge. Bedingt ist die Eigentümlichkeit des Fluges natürlich durch die Körper- gestalt des Vogels, die Entwickelung seiner Bewegungsorgane, die Flugmuskeln, die Grösse seiner Flügelflächen und sein Körpergewicht. Die sorgfältige zahlenmässige Feststellung dieser Verhältnisse und ihre Vergleichung an einer grossen Anzahl verschiedener Vogelarten aus möglichst fernstehenden Familien haben nun Tabellen ergeben, aus denen es leicht ist, eine gewisse Rangord ıung in der Fähigkeit des Fliegens aufzustellen und eine Reihe zu bilden, von den besten bis herab zu den schlechtesten Fliegern. In Wahrheit ist der Ausdruck schlechter Flieger nicht gut gewählt, und müsste schwer belasteter oder schwerer Flieger und das Gegenteil davon leicht belasteter oder leichter Flieger heissen. Denn z. B. Rebhuhn, Wildtaube, Wild- ente und Fasan werden zu den schlechten Fliegern gerechnet, obwohl sie im Fluge eine grosse Schnelligkeit erreichen. Zur 3eurteilung der grösseren oder geringeren Flugfähigkeit, das ist der Geschicklichkeit im Fliegen, ist es nun notwendig, die verschiedenen Flugarten besonders daraufhin zu betrachten, ob bei ihnen das Fliegen durch aktive Muskelarbeit des Vogels, also durch Schlagen mit den Flügeln gegen die Luft, oder nur durch geschickte Benutzung des Winddruckes bei feststehenden ausgebreiteten Flügeln zustande kommt. Als reine Beispiele würde für die erste Form der Rüttelflug, oder der Flug am Orte, für die zweite das Segeln und Kreisen anzuführen sein. Bei den übrigen Flugarten finden wir vielfach gemischte Be- wegungen, auf die bei der Beschreibung derselben eingegangen werden soll. Betrachten wir zunächst den Rüttelflug, so ist an sich klar, dass der Vogel hierzu die grösste Kraftentfaltung bedarf. Er muss bei Windstille so stark und schnell mit den Flügeln gegen die Luft schlagen, dass er sein doppeltes Körper- gewicht im Gleichgewicht hält. Anders verhält es sich bei mässigen entgegenkommendem Winde, der, da er den Flügel- schlägen einen viel grösseren Widerstand entgegensetzt, erheblich mit tragen hilft. Im Ganzen sieht man nur verhältnissmässig wenige Vögel rütteln. Es gehört eben ein nicht schwerer Körper, grosse lange und nicht breite Flügel und eine stark entwickelte Brustmuskulatur dazu. Die besten und ausdauerndsten Rüttler sind die Kolibri, die sogenannten Schwirrvögel, dann folgen wohl die Seeschwalben (Sterna), dann die Falken und manche Möven. Auch die Lerche rüttelt gern, und es ist schwer zu [o) 67 glauben, dass es ihr eine grosse Anstrengung sei, wenn man sie dabei so kräftig singen hört. Eine andere Art des Fluges ist der Finken- oder besser Wellenflug, der dadurch charakterisirt ist, dass die Vögel eine auf- und absteigende Wellenlinie durch die Luft machen. Aus- geübt wird diese Flugart durch die Spechte, Finken, Bachstelzen und viele andere Kleinvögel in der Weise, dass sie sich durch sechs bis acht kräftige Flügelschläge eine stark aufsteigende Richtung geben, dann wie beim Sitzen die Flügel an den Körper legen und in der angenommenen Richtung durch die Luft schiessen. Sobald die Kraft nachlässt und sie stärker zu fallen beginnen, breiten sie die Flügel wieder aus und heben sich durch einige schnelle Flügelschläge wieder auf den Wellenberg, um das Spiel von Neuem zu beginnen. An den Wellenflug schliesst sich der Streckenflug oder Wanderflug an, eine Flugart, bei der es dem Vogel darauf an- kommt, weite Strecken in kurzer Zeit zu durchmessen , dabei aber auch bei möglichst geringer Arbeitsleistung alle Vorteile seines Körperbaues und der Tragfähiekeit der Luft des Wind- druckes voll auszunutzen. Wie sehr der Vogelkörper bevorzugt ist, geht einesteils aus der Grösse der Flugmuskeln hervor. So beträgt das Gewicht des Brustmuskels bei den meisten Raub- vögeln, dem Reiher, den Raben, Spechten, dem Sperling und vielen anderen !/, bis '/, des Körpergewichts; beim Kiebitz, dem Bussard, einigen Möwen, dem Staar und den Finken !/, und bei der Taube, dem Rebhuhn, dem Haselhuhn, dem Fasan nur '/, des Körpergewichts. Andererseits befähigt den Vogel die Grösse der Flügelfläche, die durch hohle Wölbung noch um das !/, fache vergrössert wird, nicht nur auf der ruhenden Luft zu gleiten, sondern auch durch geringes Ausdehnen der Vorder- ränder der Flügel sich von dem entgegenwehenden Winde direkt heben zu lassen. Wie ein Papierdrachen bei festgehaltener oder angezogener Schnur im Winde aufsteigt, so auch der Vogel, bei dem die Schnur durch den Druck seines Körpergewichts vorgestellt wird. Stets fliegt der Vogel möglichst gegen den Wind und schnell, da ihn der Wind um so besser trägt, und langsames Fliegen ihm mehr Arbeit machen würde. Er macht beim Wanderfluge nicht mehr und nicht grössere Flügelschläge als nötig sind, eine bestimmte Schnelligkeit zu erreichen und schwebt oft weite Strecken, nicht selten Kilometer weit, ohne Flügelschlag. Einige Angaben über die Zahlen der Gewichte und Masse mögen hier folgen. [br 1 * 68 Körpergewicht Flügeloberfläche Zahl der Flügel- in in Quadrat- schläge in (srammen. centimetern. 1 Secunde. Wanderfalk 744 1142 3 Stadtkrähe 587 1495 3-—4a Kiebitz 216 814 3—4 Wildtaube 446 7143 5 Rebhuhn 352 305 7 Schwalbe 18 119 4 Fink 20 105 5 Die gewöhnliche Schnelligkeit der Vögel auf der Wanderung beträgt gegen 15 Meter in der Secunde, sinkt bei einigen schwächeren Fliegern auf 10 Meter; steigt aber in günstiger Luft bei guten Fliegern auf 22 bis 25 Meter. Diese Geschwindigkeit würde mehr als ausreichend sein, einen Vogel in 24 Stunden von der Nordsee bis zum Mittel- ländischen Meere zu bringen. Es erübrigt nur noch, einen Blick auf die schönste und eleganteste Art des Fliegens zu werfen, auf den Segelflug und eine Unterart desselben, das Kreisen. Beide Arten des Fliegens werden von den Vögeln nur bei mässigem oder mittlerem Winde unmöglich. Während beim Segelfluge langgezogene Ellipsen beschrieben werden, ziehen die kreisenden Vögel scheinbar regel- rechte Kreise, denn meistens sind es Spiralen, in denen sie sich ohne Flügelschlag in grosse Höhen am Winde hinaufschrauben. Beim Segeln beschreibt der Vogel eine Wellenlinie, indem er sich auf den ausgebreiteten Flügeln abwärts schwebend grössere Geschwindigkeit giebt, um sich dann durch geringes Aufdrehen der Flügel vom Gegenwinde wieder heben zu lassen. Dieses Herabgleiten ist zum Beispiel bei den Bekassinen so heftig, dass die zwischen den Schwingen durchstreichende Luft das bekannte Meckern hervorbringt. Die bekanntesten Segler sind unsere Turmschwalben (Cyprelus apus). Beim Segeln sowohl, wie beim Kreisen erlangt der Vogel den Fortgang nur durch das richtige Einstellen seiner Flügelflächen gegen den Wind, ohne anderen Gebrauch seiner Flügelmuskeln, als um die Flügel in der richtigen Lage zu erhalten, ganz ähnlich wie der Schiffer durch die richtige Einstellung seiner Segel sein Schiff fahren lässt. Auch unter den fliegenden Säugetieren giebt es eine nicht geringe Zahl vorzüglicher Flieger. Vor allen die Klassen der Fledermäuse und der fliegenden Hunde. Unter den eigentlichen Fledermäusen mit 5 Gattungen und sehr zahlreichen Arten, den grösseren Vampyren mit 4 Gattungen, sind die den Süden bewohnenden Ballenfledermäuse (Nycteris) besonders merkwürdig durch die Fähigkeit, von den Backen aus grosse Hohlräume zwischen ihren Flughäuten mit Luft aufzublasen und sich so ein Analogon der grossen Luftsäcke und der mit Luft gefüllten hohlen Röhrenknochen der Vögel zu verschaffen. Sie sollen ausgezeichnete Flieger sein und in der möglichsten Nachahmung ihrer Flugapparate möchte wohl für den Menschen die wahr- scheinliche Möglichkeit des Fliegenlernens beruhen. Viel geringer ist die Fluggewandheit der mit einer Flughaut versehenen Pelzflatterer (Galeopithecus), den Halbaffen nahe stehend, und der beiden Arten fliegender Eichhörnchen (Ptenomys). Sie können nur von den Bäumen abflattern, um sich ihren Verfolgern zu entziehen. Ebenso schwache Flieger sind die drei lebenden Arten fliegender Eidechsen, während aus der viel höheren Entwickelung der Flugorgane der ausgestorbenen Gattungen der Flugeidechsen, des Pterodactylus, Ornithopterus, Rhamphorhynchus und besonders des Archaeopterix mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass sie geschickte Flieger gewesen sind. Über die Art des Fluges der fliegenden Fische sind die Gelehrten noch uneinig. Es steht nur so viel fest, dass die schnellen und unter schwirrenden Bewegungen ihrer gewaltig ent- wickelten Brustflossen einen Bogen durch die Luft beschreiben, dessen Grösse von den Beobachtern sehr verschieden angegeben wird. Wenn die Angabe, dass sie über 100 Meter weit fliegen und bis 30 Sekunden über Wasser bleiben, auf Wahrheit beruht, können diejenigen Forscher, die eine aktive Bethätigung der Flossen leugnen, nicht wohl Recht haben, es müsste denn sein, dass auch die fliegenden Fische den Winddruck geschickt auszu- nutzen verständen. Die vorgerückte Zeit gestattete nicht mehr, auf das Fliegen der Insekten, unter denen sich die geschicktesten und ausdauernd- sten Flieger befinden, einzugehen. Der Vortragende schloss mit der Bemerkung, dass die für den Vogelflug berechneten und aufgestellten Gesetze und Regeln nur zum sehr geringen Teile auch auf den Flug der Insekten anwendbar seien. 3. Sitzung. 21. November 189. Zunächst wurde die Frage erörtert, welche Massregeln zu ergreifen sind, um die Naturhistorische Gesellschaft in ihrem Bestande und Ansehen zu heben. Herr Oberlehrer Steinvorth sprach die Ansicht aus, dass im allgemeinen der Sinn für Naturwissenschaften gewachsen wäre, dass es aber infolge der grossen Menge von Vorträgen naturwissenschaftlichen Inhalts nicht zu verwundern sei, wenn die Beteiligung an den Versammlungsabenden so gering sei. Um aber das Interesse 0 für den Verein unter den Mitgliedern zu wecken, würde es erforderlich sein, folgende Wünsche zu berücksichtigen. Zunächst sind die Satzungen jedem Mitgliede bekannt zu machen und womöglich in jedem Jahresberichte abzudrucken. Ferner sind sowohl über die Vorträge wie auch über die kleineren Mit- teilungen und Demonstrationen und über die für die Provinzial- sammlung eingegangenen Geschenke in den Tagesblättern Be- richte zu geben und ebenso sind die Sitzungsprotokolle in den Jahresberichten zu veröffentlichen. Weiterhin ist zu wünschen, dass die neu eingegangenen Bücher zu einer bestimmten Stunde ausgelegt werden und von den Mitgliedern eingesehen werden können. Dann möge man auch nach dem Vorgange anderer Vereine auswärtige Mitglieder anzuwerben versuchen und die Ernennung von Ehrenmitgliedern und korrespondierenden Mitgliedern gelegentlich erfolgen lassen. Schliesslich sei in Erwägung zu ziehen, ob man nicht mit anderen hiesigen Vereinen, die ähnliche Ziele verfolgen, ein Gegenseitigkeits- verhältnis anknüpfen solle. — An der weiteren Diskussion beteiligten sich die Herren Dr. Lang, der die Bildung von Sektionen empfiehlt, Dr. Ude, Dr. Struckmann, Dr. Schäff und Dr. Rüst. Letzterer erklärt dann, dass sich der Vorstand bemühen werde, die Wünsche zu erfüllen und dass u. a. von jetzt ab an jedem Donnerstag zwischen 6 bis 8 Uhr im Sitzungszimmer die neu eingegangenen Schriften ausgelegt werden sollen. — Übergehend zu den wissenschaftlichen Mit- teilungen zeigte Herr Dr. Struckmann ein Stück Flysch mit Nummuliten, Kalk vom Bodengletscher, Quarzit mit Gletscher- spuren von Krampach, eine sehr grosse Terebratula obeysa, einige schöne Exemplare von Cyphosoma princeps und Cidaris vesiculosa bzl. subvesiculosa, ein vorzüglich erhaltenes Stück von Ulypeaster aegyptiacus und schliesslich sog. Klappersteine. Herr Gehrs legte ein Exemplar von Phaseolus perennis und einen bei Grünenplan gefundenen Albino der Wegeschnecke vor. Herr Kreye demonstrierte einen von Herrn von Bennigsen aus Ostafrika mitgebrachten monströsen Nilpferdzahn. Herr Dr. Schäff schenkte der Sammlung ein aus Vegesack stammendes Exemplar von Mus alexandrinus. Diese heller gefärbte Dachratte ist vermutlich mit der dunkler gefärbten Hausratte identisch. Es ist wahrscheinlich, dass die Dachratte auf ihrer Wanderung von Süden nach Norden sich allmählich an das Leben in dunklen Räumen gewöhnte und dabei eine dunklere Färbung angenommen hat. Schliesslich zeigte Herr Oberlehrer Steinvorth die Gebisse vom Wasserschwein und Sumpfbiber und ein Exemplar des bei der Döhrener Wollwäscherei wachsenden Grases Chloris radiata, wobei er bemerkte, dass daselbst jetzt 81 sicher bestimmte fremde Pflanzenarten (7—8 Papilionaceen, 4—8S Compositen, 23 Chenopodeen und 12 Gräser) wachsen. 4. Sitzung. 28. November 189. Nach Vorlesung des Protokolls der vorigen Sitzung teilte der Schriftführer einen Brief von der Redaktion des Hannoverschen Tageblattes mit, wonach ein ständiger Berichterstatter von der Redaktion nicht geschickt werden kann. Es wurde dann auf Anregung von Dr. Bertram der dringende Wunsch ausgesprochen, dass die Berichte über Vorträge von den Vortragenden selbst angefertigt und gleich an den Vortragsabenden dem Schriftführer übergeben werden möchten. — Darauf hielt Herr ©. Gehrs den angekündigten Vortrag über die Cypraeen. Nach Be- schreibung der Körperteile dieser Tiere, wies Redner auf die Form und Farbe der Schalen hin, demonstrierte den Unterschied von reifen und unreifen Schalen und zeigte, dass grosse und kleine Schalen derselben Art vorkommen. Der Vortragende bemerkte dann, dass einzelne Arten als Schmucksachen sehr geschätzt und von Völkern der Südsee sogar als Ordenszeichen verwendet werden. Besonders wurde noch auf die Kaurimuschel eingegangen, die zur Zeit des Sklavenhandels in ungeheuren Mengen nach Afrika gebracht wurde und als Tauschmittel diente. 9. Sitzung. 5. Dezember 189. Kleinere Mitteilungen. Herr Gehrs legte 2 Läufe von Moschus pygmaeus aus Java und die Frucht einer selbst gezogenen Martynia proboscidea vor. Hieran anschliessend sprach Herr Oberlehrer Steinvorth über Primula obconica. Herr Dr. Rüst zeigte eine Reihe von Geschenken, die Herr Meine aus Java erhalten und dem Museum vermacht hat und zwar besteht die Sammlung aus der sehr dünnen seidenartigen Rinde eines Pinangbaumes, aus Insekten und Insektenlarven, Krebsen und Fischen. Herr Dr. Bertram schenkte dem Museum einen im September in der Vahrenwalder Heide gefangenen Apus cancriformis und bemerkte dazu, dass dieselben oft in grossen Mengen auftreten, oft jedoch gar nicht zu finden sind. In manchen Jahren werden nämlich die jungen Larven von Cypridinen zerstört. Die im Jahre 1756 zuerst beschriebenen Weibchen pflanzen sich parthenogenetisch fort; daher kommt es, dass selten Männchen gefunden werden und dass diese erst 100 Jahre später beschrieben wurden. Herr Dr. Rüst teilte mit, dass er Apus cancriformis früher in der Eilenriede 12 gefunden, während Herr Dieckhoff die Tiere in grossen Mengen bei der sog. Kunst gesehen hat. Herr Oberlehrer Steinvorth sprach dann über die Eibe und das von ÜConwentz heraus- gegebene Buch: „Die Eibe in Westpreussen, ein aussterbender Waldbaum“ und legte Versteinerungen (Belemn. brunsvicensis, Crioceras denkmanni und Ancyloceras-Arten) aus der Ziegelei- grube von Mellendorf vor. Schliesslich demonstrierte Herr Dr. Ude eine Sammlung naturwissenschaftlicher Gegenstände, die Herr E. A. Gieseler in Savannah Ga. (Nord-Amerika) dem Museum geschenkt hat und die aus einem Spinnennest, Fischeiern und Regenwürmern besteht. Unter letzteren befindet sich eine noch nicht beschriebene Art, die als Allolobophora gieseleri nov. spec. bezeichnet wurde und deren Beschreibung vor kurzem in einer Festschrift veröffentlicht ist. 6. Sitzung. 12. Dezember 1895. Vortrag von Dr. OÖ. Lang: „Über Kalisalzlager“. Zu- nächst gab er einen historischen Überblick von der Entdeckung derselben, deren Existenz noch vor 40 Jahren, abgesehen von geringen Mengen von Sylvin zu Kalusz in Galizien, ganz un- bekannt war. Dann schilderte er die Verhältnisse des zuerst aufgefundenen und bestuntersuchten Salzlagers von Stassfurt- Leopoldshall, um, hieran anknüpfend, die Frage der Salzlager- bildung zu behandeln. Die volkswirtschaftliche Krankheits- erscheinung des Kalifiebers und des Kaligesetzkampfes streifend, stellte er dann die infolge allseitigen Nachsuchens erkannte Verbreitung der Kalisalze dar und schloss mit der Erklärung seiner Meinung, dass, so teuer auch unserem Nationalvermögen der Kalikampf voraussichtlich zu stehen kommen werde, die meisten Verluste der einen dafür anderen Volkskreisen zu gute kommen und überhaupt die Kaliindustrie unser gesicherter Besitz bleiben würde. 7. Sitzung. 19. Dezember 1895. Kleinere Mitteilungen. Herr Meyer legte mehrere Versteinerungen aus einem Steinbruch bei Rethen vor. — Herr Oberlehrer Steinvorth sprach über Arbeiten von Martin in Oldenburg, die darthun, dass das nordische Geschiebe von nord-ost nach süd-west gewandert ist. Dann zeigt er ein Gletscher-Geschiebe aus der Nähe der Stadt, Imatrasteine aus den Anden Süd-Amerikas, Schwefelkies aus der Nähe von Walle und Kalkspathkrystalle aus der Nähe von Banteln. Herr Dr. Rüst bemerkte dazu, dass in der Nähe Hannovers sowohl nordische Geschiebe wie auch aus dem Harz stammendes ee ee Geschiebe vorkommt. Ferner legte Herr Dr. Rüst die Be- stimmungstabelle über eine Familie der Stapelien vor und erläuterte die Prinzipien, nach denen die Tabelle aufgestellt ist. s. Sitzung. 9. Januar 1896. Herr Amtsrat Dr. Struckmann berichtete über den im Oktober 1895 in Begleitung des Herrn Prof. Dr. Conwentz aus Danzig und unter Führung des Herrn Kreye unternommenen Ausflug in das Steller Moor zwischen Hannover und Burgdorf zur Beobachtung des untergegangenen, im dortigen Torfmoor begrabenen Eibenwaldes, indem er zugleich eine Abhandlung von Prof. Conwentz: „Über einen untergegangenen Eibenhorst im Steller Moor bei Hannover“ im Auftrage des Verfassers überreichte. Nachdem der Vortragende sich dann kurz über die jetzige Verbreitung der Eihe geäussert hatte, teilt er über den Erfolg des Ausfluges folgendes mit. Etwa 2 km südöstlich des Dorfes Stelle zieht sich etwa 1,5 m unter der Oberfläche des an anderen Stellen viel tieferen Moores ein Sandrücken hin, der zu unterst zunächst in einer Mächtigkeit von etwa 0,2 m von dem ehemaligen sandig-humösen Waldboden, dann in einer etwa 0,3 m starken Schicht Schilftorf und darüber in einer Mächtigkeit von etwa 1 m von einem reinen Sphagnum- torf bedeckt wird. Unter dem Schilftorfe ist nun das Lager der subfossilen Hölzer, die aus Zweigen und Stämmen von Fichten, Eiben, Eichen, Birken und Erlen bestehen. Es wurden mehr als 50 Stubben und Stämme von Taxus beobachtet, von denen einige mehr als 1 m Stammumfang aufweisen; die stehen gebliebenen Wurzelstöcke sind 0,5 m bis 1,5 m hoch und ragen mehr oder weniger aus dem Moore hervor. Der Erhaltungszustand der Eibenstämme ist meist ein ausgezeichneter, so dass das Holz noch zu verschiedenen technischen Zwecken benutzt werden kann. — Es unterliegt keinem Zweifel, dass sich bei Stelle vor Jahrhunderten ein üppiger Wald befand, in dem die Eibe einen hervorragenden Platz einnahm. Der Untergang desselben ist wahrscheinlich durch eine Niveau- Veränderung der Wasserfläche, aus welcher der bewaldete Rücken hervorragte, durch Überflutung und Versumpfung und durch allmähliche Überwucherung durch Torfmoos herbeigeführt worden. 9. Sitzung. 17. Januar 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Dr. Rüst legte Zweige eines S' und & Eibenbaumes vor und machte darauf aufmerk- sam, dass die 2 Exemplare dunkler gefärbt und dass ihre Nadeln 4 dicker und regelmässiger gestellt sind, als bei dem & Baume. — An den Vortrag aus voriger Sitzung anknüpfend teilte Herr Ober- lehrer Steinvorth mit, dass es nach Meinung eines anderen Herrn noch nicht sicher festgestellt ist, ob die im Steller Moore ge- fundenen Stämme Eiben oder Wachholder sind. — Auf die aus- gezeichneten Züchtungsversuche mit Pflanzen seitens des Herrn Capelle in Springe hinweisend, legte Herr Dr. Rüst eine von Herrn Capelle gezüchtete blühende Gentiana vor, die eine Kälte von 6—7° überstanden hat. — Dann demonstrierte Herr Dr. Wehmer unter Vorlegung verschiedener Reinkulturen von Pilzen auf gekochtem Reis die javanische Hefe oder Raji und japanische Hefe oder Koji von Tokio. Erstere ist ein Gemisch von 3 verschiedenen Pilzen, das Reisstärke in Zucker und Alkohol verwandelt und zur Arrakfabrikation benutzt wird, letztere, die Koji, besteht aus einem Pilze und verwandelt Reisstärke in Zucker. Ferner zeigte Herr Dr. Wehmer Photographieen von verschiedenen an Bäumen der Eilenriede wachsenden Pilzen. -— Weiterhin legte Herr Keese ein Stück Rutil auf Quarz vom Ankogel und Früchte von Pinus cembra aus dem Gepatschthal vor, während Herr Apotheker Beckmann vorzüglich konservierte Torfmoose aus der Sammlung von Warnstorf und die Photo- graphie eines erst vor kurzem in Steiermark gefundenen Farnkrauts, des Asplenium trichomanes %X Ruta muraria, vorzeigt. — Nachdem noch Herr Meyer einige Versteinerungen aus dem Muschelkalk und der Kreide demonstriert hatte, erläuterte Herr Dr. Schäff an der Hand einer Photographie das Vorkommen der Küchenschabe (Periplaneta orientalis) in einem interglacialen Torflager in Schleswig. Schliesslich zeigte Herr Gehrs ein Fliege (Eristalis), die oft mit der Honigbiene verwechselt wird. 10. Sitzung. 24. Januar 1896. Vortrag des Herrn Oberlehrer Steinvorth: „Über Berg- stürze*“. Einleitend erwähnte der Redner eines Gletscherbruches am Rhonegletscher, wobei eine grosse Eiswand des krystall- blauen Eises vor seinen Augen frei gelegt wurde, sowie der deutlichen Pflanzenstufen, welche das Vorder-Rheinthal von der Oberalp bis Ilarz zu hübscher Anschauung bringt. Hier ist das Thal durch einen grossartigen, vorgeschichtlichen Felsensturz abgesperrt, durch dessen Barre von Hochalpenkalk der Rhein sich in zahlreichen Windungen und Tobeln Bahn gebrochen hat. — Nach einer Schilderung der geologischen und botanischen Verhältnisse von Flims (1100 m hoch) und seinen malerisch gelegenen Waldhäusern wurde das Absturz- ee ee Pu gebiet gezeichnet und mit der Erzählung von der Besteigung des 2700 m hohen Flimser Steins geschlossen. — In einem zweiten Teile wurden die Erscheinungen der Bergstürze nach ihren Arten, Ursachen, Vorzeichen und ihrem ungewöhnlicheren Auftreten dargelegt und Schilderungen einzelner besonders bemerkenswerter historischer Bergstürze mitgeteilt wie nament- lich die von Goldau, Plurs, Elm, Felsberg. Als grossartigster Felssturz wurde der zuerst beschriebene von Flims mit seinem weiten Trümmerfelde, seinen wilden Wassertobeln, den schauer- lich grossartigen Felsschluchten und seinen 7 Seen in prächtiger Waldeinsamkeit bezeichnet. — In der sich an den Vortrag anschliessenden Diskussion wiesen Herr Dr. Lang und Dr. Bertram auf einige ähnliche Erscheinungen hin, welche unser norddeutsches Gebirgsland in kleinerem Massstabe darbietet. 11. Sitzung. 30. Januar 1896. Kleinere Mitteilungen. Zunächst teilte Herr Dr. Rüst mit, dass bei der Debatte in der vorletzten Sitzung nicht Zweige von männlichen und weiblichen, sondern nur von männlichen Exemplaren des Taxus vorgelegen haben, wie nach- trägliche Untersuchungen ergaben. Sodann berichtete Herr Oberlehrer Steinvorth über ein neues Werk von Dr. Conwentz, das aussterbende oder — besser gesagt — vergessene Bäume behandelt. Weiterhin machte derselbe Mitteilungen über den Entenfang bei Celle, der im vorigen Jahre 2800, früher 35—40000 Enten lieferte; auch wird erwähnt, dass der jetzige Besitzer des Entenfanges beim Sundern auf schlechtem Boden sehr wertvolle Fischteiche angelegt hat, die einen guten Ertrag an Hechten, Aalen, Karpfen, Schleien und Regenbogenforellen liefern. Ferner erwähnt der Vortragende die verschiedenen Arten des auf den Teichen vorkommenden Wassergeflügels. -- Schliesslich legte Herr Dr. Rüst noch einen Dünnschliff aus Ruhrkohle vor, welcher Makrosporen enthielt. 12. Sitzung. 6. Februar 1896. Zunächst teilte Herr Dr. Rüst ein Schreiben des Vor- sitzenden vom mathematischen Verein, Herrn Prof. Kiepert, mit, in dem zu einem gegenseitigen Freundschaftsverhältnis aufgefordert wird. Weiterhin machte derselbe bekannt, dass Herr Dr. Paul Leverkühn in Sofia vom Vorstande der Natur- historischen Gesellschaft zum korrespondierenden Mitgliede er- nannt ist. Dann hielt Herr Dr. Warnecke den angekündigten Vortrag: „Über das Hautgewebe der Pflanzen“. Redner schilderte eingehend den anatomischen Bau der Oberhaut der Pflanzen, indem er die verschiedene Ausbildung der Epidermis und ihrer Anhänge (wie Haarbildung) erläutert und schliesslich auf die verschiedenen Arten der Korkbildung (wie Lederkork, elastischen Kork und Wundkork) eingeht. Es werden verschiedene Präparate (wie Lenticellenbildung, Korkbildung) vorgezeigt. 13. Sitzung. 13. Februar 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Brandes legte ein Exemplar von Dithymalus salicifolius vor. Die Pflanze ist bislang mit Euphorbia Esula L. verwechselt, von der sie sich jedoch durch eine wollige Behaarung und dottergelbe Hüllblätter unterscheidet. Sie wurde im vorigen Jahre von Herrn Oberlehrer Schultze in einem alten, von Mönchen angelegten Garten bei Einbeck aufgefunden. Weiterhin zeigte derselbe einen Zweig von Eukalyptus globulus aus Neu-Holland und beschrieb den Baum und übermittelte der Provinzialsammlung einen von Herrn Bürgermeister Troje in Einbeck geschenkten Glasschwamm (Hyalonema mirabile). — Herr Dr. Rüst demonstrierte ein wertvolles Exemplar des von H. Chr. Funck im Jahre 1820 herausgegebenen Taschen- herbariums, das Deutschlands Moose enthält und von Herrn Capelle geschenkt ist. Herr Dr. Struckmann und Dr. Schäff legten einige neue grössere naturwissenschaftliche Werke vor. Herr Gehrs zeigte und beschrieb dann Pilze und ein Wespennest aus der Eilenriede. Darauf demonstrierte Freiherr Staats von Wacquant - Geozelles eine sehr seltene Abnormität und eine merkwürdige Monstrosität von Rehgehörnen. Erstere zeichnet sich dadurch aus, dass die beiden Stirnzapfen mitten auf der Stirn in einen ‚einzigen zusammengewachsen sind, von dem sich eine senkrechte Stange als Pfosten erhebt. Diese Geweih- säule teilt sich dann nach rechts und links und verläuft in 2 normale, mit Sprossen besetzte Sechserstangen. Weiterhin legt der Redner den Querschnitt einer Fichte vom Brocken vor. Schliesslich berichtet Herr Oberlehrer Steinvorth über eine vor kurzem erschienene Arbeit über den Kuckuck. 14. Sitzung. 20. Februar 1896. Der Vorsitzende machte bekannt, dass der Provinzial- landtag die wertvolle Käfersammlung nebst Bibliothek des verstorbenen Senators Albers zum Preise von 3000 Al angekauft hat. Dann hielt Herr Dr. Schäff einen Vortrag „Über die Beuteltiere*. Der Vortragende betonte die Sonderstellung der genannten Tiere und die grosse Mannigfaltigkeit in Gestalt und Organisation innerhalb der Gruppe. Sodann wurden die anatomischen Verhältnisse und die merkwürdige Art der Fort- “ N —] —] pflanzung bei den Beuteltieren erläutert, welche darin besteht, dass die Jungen nach ausserordentlich kurzer Trächtigkeitsdauer in höchst unentwickeltem Zustande geboren und und alsdann in den Beutel der Mutter gebracht werden, wo sie geraume Zeit ihre Weiterentwickelung durchmachen, bis sie sich selbst- ständig bewegen können. KEingehender wurden auch die eigen- artigen Gebissverhältnisse erörtert. Obwohl ein sehr spezialisiertes Gebiss vorhanden ist, kommt bei sämtlichen Beuteltieren nur ein einziger Milchzahn vor. Zum Schluss wurde die geographische und die geologische Verbreitung der Beuteltiere dargestellt. Diese Tiere fanden sich in früheren Erdepochen nicht nur an ihren jetzigen Wohnorten, sondern waren viel weiter verbreitet, besonders in Europa und Amerika. Auf einer niedrigen Entwickelungsstufe stehen geblieben, konnten sie im Kampf ums Dasein nicht bestehen und sind in der Jetztzeit als eine dem zwar langsamen, aber sicheren Untergange geweihte Tier- gruppe zu betrachten. 15. Sitzung. 27. Februar 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Dr. Rüst legte die Blüte einer von Herrn Capelle in Springe gesandten Phyllocacteen- Hybride und Hyalithkrystalle auf Zeolith vom Kaiserstuhl vor. Herr Dr. Struckmann zeigte den Abdruck einer Gänsefeder aus dem diluvialen Kalktuff von Stuttgart und mehrere von Herrn Dr. Rüst geschenkte Seeigel aus dem Unter-Kimmeridge bei Zürich. Herr Kreye demonstrierte eine Sammlung ethnographischer Gegenstände, die aus Afrika stammen. Weiterhin legte Herr Freiherr von Wacquant-Geozelles das sehr seltene Gehörn eines Tiroler Steinbocks vor, das Ende der dreissiger Jahre von einem Alpenbewohner erworben wurde und dessen Querschnitt die für die Alpensteinböcke charakteristische länglich-viereckige Form zeigt. Der Steinbock ist in den Alpen fast vollständig aus- gerottet und kommt nur noch auf den unzugänglichsten Punkten des Mont Blanc und Monte Rosa vor. Schliesslich erläuterte Herr Dr. Wehmer mehrere Pflanzenkrankheiten, wie die Trocken- fäule und Nassfäule der Kartoffeln, eine Penicillum-Art auf einer faulen Apfelsine und die Peronospora auf den Kartoffel- blättern. 16. Sitzung. 12. März 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Brandes legte Früchte vor, die als Verfälschungen der Vanille benutzt und auf Tahiti gezogen werden; er zeigte weiterhin Früchte mit Vanillegeruch von La Guyara und Süd-Amerika. Herr Gehrs demonstrierte eine Sammlung Skorpionfliegen. Herr Dr. Rüst erläuterte einen Jaspis aus der Nura vom Ural, der deutlich Radiolarien enthält und dem Menschen zur Steinzeit zur Herstellung von Pfeil- spitzen etc. diente. Schliesslich sprach Herr Dr. Lang noch über die in letzter Zeit vielfach genannten Goldfelder Süd - Afrikas, indem er auf die Lagerung und Gewinnung des Goldes sowie seine Entstehung in den dort lagernden Quarziten, Sandsteinen und Conglomeraten näher einging oO° 17. Sitzung. 19. März 1896. Vortrag des Herrn Dr. Bertram: „Über Meteorite“. Vom Himmel gefallene Stein- und Eisenmassen sind seit alten Zeiten bekannt und oft Gewenstand göttlicher Verehrung gewesen; dennoch wurde ihr Vorkommen von wissenschaftlicher Seite bis zur Wende des 18. Jahrhunderts geleugnet. Erst Chladni, der auch Mitglied der naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover war und hier einen Vortrag über diesen Gegen- stand hielt, vertrat infolge einer Anregung durch den berühmten Lichtenberg in Göttingen die richtige Anschauung, dass Fälle von Meteoriten thatsächlich nachgewiesen und diese Fremdkörper — also kosmischen Ursprungs — seien. Seine Lehre wurde bald durch Beobachtung neuer Fälle bestätigt. Der Vortragende schilderte dann die beim Fall von Meteoren auftretenden Er- scheinungen, ihre Häufigkeit (600 —700 jährlich), Schnelligkeit (der Meteorit von Pultusk legte 7'/, Meilen in der Sekunde zurück), Grösse (300 kg bis 0,06 g und Meteorstaub) und Zahl (beim Fall von L’Aigle wurden 3000 Steine gezählt) und ging dann auf ihre Einteilung (Holosiderite, Mesosiderite, Sporado- siderite und Asiderite) ein, die sich im wesentlichen auf ihre chemische und mineralogische Zusammensetzung gründet. Letztere liefert einen Beweis für den einheitlichen Bau der Weltkörper, denn neuere physikalische Beobachtungen zeigen einen engen Zusammenhang zwischen den Meteoriten und Kometen. Auch auf unserer Erde wird der Tiefseeschlamm als wesentlich durch Meteorstaub verursacht angesehen und das Vorkommen von gediegenem Eisen im Basalt von Ovifak gestattet einen Schluss auf die Ursache, aus der das spez. Gewicht der Erde weit höher ist als das der Gesteine, von denen ihre Oberfläche gebildet wird. — Der Naturhistorischen Gesellschaft ging ein Schreiben des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- angelegenheiten zu des Inhalts, dass die Direktoren der Samm- lungen des Museums für Naturkunde in Berlin sich bereit erklärt haben, dem Provinzialmuseum zu Hannover zurückgelegte 5, Doubletten unter der Voraussetzung abzugeben, dass dasselbe einen Vertreter mit dem Auftrage nach Berlin schickt, die Doubletten selbst auszuwählen, in Empfang zu nehmen, zu etiquettieren und zu verpacken. 18. Sitzung. 26. März 1896. Kleinere Mitteilungen. Der Vorsitzende, Herr Dr. Rüst, verlas eine Einladung des Vereins für Naturwissenschaftl. Unterhaltung in Hamburg zur Feier des 25 jährigen Bestehens und legte darauf ein Stück Meteoreisen aus Mexiko vor. Herr Apotheker Beckmann demonstrierte eine grössere Anzahl von Gattungen der europäischen Asclepliadaceen. Herr Kreye zeigte den Schädel eines westafrikanischen Warzenschweines mit anormaler Zahnbildung. Herr von Wacquant - Geozelles erläuterte an abgeworfenen Stangen von Hirsch und Reh das Benagen derselben durch Füchse, Eichhörnchen, Ratten und Mäuse. — Ausflug nach den Hildesheimer Bergen. Am Sonn- tag, den 24. Juni 1896 fand eine botanische Exkursion nach dem Finkenberge bei Hildesheim statt, welcher als einer der letzten Ausläufer der das Leinethal einsäumenden Kalkberge sich durch eine charakteristische Flora auszeichnet. Es ist ja eine bekannte Thatsache, dass die physikalisch -chemische Be- schaffenheit des Bodens von grosser Wichtigkeit für die Vege- tation ist und dass daher auch die Kalksteingegenden eine eigenartige Flora besitzen. Im besonderen Masse trifft das für den östlichen Abhang des Finkenberges zu, den man erreicht, wenn man von Emmerke aus zunächst die Chaussee verfolgt und kurz vor Sorsum im „oldenen Winkel auf dem Feldwege die bewaldete Anhöhe zu erreichen sucht. Hier schon wachsen zahlreiche „kalkholde“ Pflanzen, von denen nur einige wichtige typische Formen hervorgehoben seien, wie z. B. Adonis aestivalis L., Falkaria Rivini Host. und Vicia villosa Roth. An den sonnigen Abhängen und auf den trocknen Wiesen des Finkenberges findet man dann ganz allgemein Hippocrepis comosa L. (Hufklee), Veronica Teucrium L. und in den Gebüschen und Wäldern Chrysanthemum (Tanacetum) corymbosum L. Dicht vor dem juchenwalde des Finkenberges blühte auf einem offenbar kürzlich erst urbar gemachten Acker in grosser Menge Reseda lutea L., Caucalis daucoides L., Fumaria Vaillantii Loisl. und Teucrium Botıys L. Folgt man nun dem Rücken des Berges so findet man zunächst das seltene schön himmelblau blühende Lithos- permum purpureo-coeruleum L., dessen Hauptverbreitungsgebiet S0 weit südlicher, nämlich in Thüringen liegt. Hier und dort er- hebt sich aus dem Gebüsch, der wohlbekannte Türkenbund oder Lilium martagon L. in imposanter Grösse und Gestalt. Weiter- hin wachsen hier Ervum pisiforme Peterm., Ervum silvaticum Peterm., Bupleurum longifolium L. und von Gräsern und Halb- gräsern Bromus ereetus Huds., Elymus europaeus L., Brachy- podium silvaticam, Brachypodium pinnatum und Carex montana L. Von besonderem Interesse für den Botaniker sind dann noch die beiden Doldengewächse Laserpitium latifolium L. und Siler tri- lobum Scop., dessen 3fach dreizähligen unteren Blätter denen des Acklei ähnlich sind und das hier die Norderenze in Europa erreicht. Vereinzelt findet man weiterhin das purpurn blühende Trifolium rubens L. oder Fuchsklee. 1896/97. 1. Sitzung. 6. November 1896. Generalversammlung. Nach Begrüssung der Gesell- schaft durch den Vorsitzenden und Verlesung des Protokolls, machte Herr Dr. Rüst bekannt, dass auch in Zukunft Vortrags- abende und Sitzungen für kleinere Mitteilungen mit einander abwechseln sollen. Weiterhin verbreitete sich der Vorsitzende über die Beziehungen der Naturhistorischen Gesellschaft zu ver- wandten Vereinen unserer Stadt und stellte fest, dass die an ein engeres Zusammengehen mit denselben geknüpften Hoff- nungen sich nicht erfüllt haben. — Dann gab der Vorsitzende eine Übersicht über den Kassen- und Personalbestand. Am 1. Oktober 1895 betrug der Kassenbestand 745,07 Al; im Vereinsjahre 1895,96 beliefen sich die Einnahmen auf 913,40 M,, die Ausgaben auf 441,90 Al. Am 1. Oktober 1896 war also der Kassenbestand 1216,57 AM. Der Personalbestand belief sich am 1. Oktober 1895 auf 142 Mitglieder; davon sind 7 ausgeschieden: am 1. Oktober 1896 war demnach der Bestand 135 Mitglieder. Zu Ehren der Verstorbenen erheben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. Zu Kassenrevisoren wurden die Herren Carius und Preuss gewählt. — Was die botanischen Sammlungen anlangt, so hat Herr Brandes die ihm zur Ver- fügung stehende Summe Geldes zur Anschaffung von Büchern benutzt; ein wertvolles Herbarium, das ausser zahlreichen anderen Pflanzen besonders solche des Wendlandes enthält, ist von Frau Assessor von Pape in Hildesheim geschenkt. Die Herren Seminar- lehrer Alpers, Pastor Stölting, Fr. Wilde in Goslar, Apotheker Wolpers in Burgwedel, Postverwalter Isermann in Bodenwerder, s1 Lehrer Töber in Kieste, Apotheker Grote in Peine und A. Vocke in Nordhausen haben seltene Pflanzen geschenkt. Herr Prof. Dr. Kaiser hat mehrere Wirbeltiere vom Zoologischen Garten, einen Flusspferdschädel von Frau Bruin, einen Menschenschädel und mehrere Bezoirs aus der Leunis’schen Sammlung von Herrn Keese erhalten. Die von Herrn Dr. Rüst verwaltete Vogel- sammlung ist durch neue Anschaffungen und Geschenke bereichert. Herr Gehrs hat die Bearbeitung der Conchyliensammlung fort- gesetzt; die Fruchtsammlung ist durch Geschenke von Herrn Brandes, Herrn Oberlehrer Steinvorth und Freiherrn von Wac- quant -Geozelles bedeutend vergrössert. Die Käfersammlung ist durch die wertvolle Sammlung exotischer Käfer des ver- storbenen Senators Albers bereichert: dieselbe wurde von dem Provinzial-Landtag angekauft und dem Museum überwiesen. Herr Peets hat die Einreihung übernommen. Die Aufstellung der mineralogischen Sammlung durch Herrn Dr. Bertram ist beendigt. — Herr Dr. Ude hat verschiedene Amphibien ange- schafft und die Aufstellung der vorhandenen Amphibien beendigt. — Schliesslich wünschte Herr Dr. Wehmer, dass für die Bib- liothek eine grössere Summe bewilligt wird und Herr Dr. Lang regte eine Besprechung an, wodurch die Mitgliederzahl gehoben werden könnte. 2. Sitzung. 12. November 1896. Herr Apotheker Brandes berichtete über die Verän- derungen, welche die Flora der Umgegend von Hannover in den letzten beiden Jahren erlitten hatte. Redner bedauerte, ein vollständiges Bild dieser Veränderungen nicht geben zu können, da dazu die Mitwirkung vieler Botaniker gehöre und richtete daher an dieselben die Bitte, ihn von ihren Be- obachtungen in Kenntnis zu setzen und durch Einsendung neuer oder seltener Pflanzen das Herbarium der Provinz Hannover bereichern zu wollen. Als nicht mehr in unserem Floren- gebiete vorhanden, sind zu bezeichnen: Pulsatilla vulgaris, welche bis zum Frühjahr vorigen Jahres noch in wenigen Exemplaren an den Sandbergen hinter Herrenhausen vorhanden war, und Salvia verticillata, bis dahin auf einer Wiese zwischen der Kunst und der Limmerbrücke. — Mit ausländischer Wolle eingeschleppt sind eine grosse Zahl von Pflanzen bei der Döhrener Wollwäscherei, doch sind dieselben nur als Hospitanten zu betrachten, da sie unser Klima und unseren Winter nicht vertragen können und daher sich nicht einbürgern. — Als neuer und sehr lästiger Bürger ist aber zu betrachten die von Osten und Westen vordringende Senecio vernalis. 6 82 Während diese Pflanze noch im Jahre 1895 vereinzelt hier und da in Kleefeldern angetroffen wurde, trat sie in diesem Jahre schon massenhaft auf mehreren Feldern um Hannover auf und es liegt daher die Gefahr nahe, dass dieselbe ein ähnliches lästiges Unkraut wie das Franzosenkraut werden kann. Ein anderer Einwanderer wurde in Obstgärten in und um Bückeburg beobachtet, nämlich Veronica peregrina, auf dessen Weiter- verbreitung zu achten ist. — Zur Weiterverbreitung der Pflanzen tragen wesentlich die Eisenbahnen und Flüsse bei und dadurch ist es erklärlich, dass bis in die Nähe von Hannover an den Eisenbahndämmen Lactuca scariola, Anthemis tinctoria, Arnica montana, Malva Alcea vorgedrungen sind und an den Ufern der Leine in der Masch Arabis Halleri und Lepidium Draba angetroffen werden. — Bereichert wurde die Flora durch mehrere neu aufgefundene Pflanzen und zwar in der Fösse Ruppia rostellata, beim Entenfange und Isernhagen Sparganium neglectum, in der Masch Callitriche autumnalis, in Tümpeln der Weser bei Hess.-Oldendorf Utricularia intermedia, bei Bodenwerder Asplenium germanicum, Orchis hybrida und Anemone silvestris, in der Eilenriede Carex Arthuriana Beckmann-Figert. Dazu kommen noch 34 Brombeerarten, von denen in der Eilenriede allein 15 neu aufgefunden sind. — Schliesslich wurden von dem Vortragenden noch neue Standorte von schon länger im Florengebiete vorkommenden Pflanzen angegeben. 3. Sitzung. 19. November 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Dr. Rüst zeigte ein Exemplar von Salvinia natans und sprach über die Verbreitung dieses Wasserfarnes. Herr Gehrs demonstrierte ein bei Brelingen gefundenes Exemplar der Schweinetrüffel. Herr Dahl legte mehrere Versteinerungen vor, unter denen besonders eine Seelilienart wegen ihres vorzüglichen Erhaltungszustandes Beachtung fand. Herr Peets hatte eine Sammlung Stapheliden, die in Ameisen- nestern leben, zusammengestellt. Schliesslich berichtete Herr von Wacquant-Geozelles über einen reichen Fund von Feuerstein- werkzeugen, der in der Nähe des Steinaltars Glaner Heide an der Hunte gemacht wurde und der aus 18 Stück Schabern und 572 Messern bestand. 4. Sitzung. 26. November 1896. Herr Dr. Struckmann machte zunächst einige Mitteilungen über einen von ihm im letzten Sommer beobachteten Standort alpiner Pflanzen im Berner Oberlande, indem er zugleich ein darauf bezügliches Herbarium vorlegte. An diese Mitteilungen 83 schloss sich ein Vortrag über die bisher im Schlamme des Dümmer Sees im Kreise Diepholz aufgefundenen subfossilen Reste von Säugetieren, von denen Geweihe, Knochenreste und Zähne vorgelegt wurden. Herr Löns schenkte der Gesellschaft das Werk von Jacobsen, Reise in die Inselwelt des Bandameeres. Herr von Wacquant - Geozelles überwies den Sammlungen eine grosse Anzahl von Feuersteinwerkzeugen. >. Sitzung. 3. Dezember 1896. Kleinere Mitteilungen. Zunächst legte Herr Dr. Rüst das Buch: „Nützliche Vogelarten und ihre Eier“ von Köhler vor und empfahl es zur Anschaffung. Dann teilte derselbe mit, dass im Continental-Hötel Demonstrationen mit Röntgen-Strahlen stattfänden. Herr Kreye zeigte Präparate von Limulus polyphemus und Gefässinjektionen der Taube, sowie eine Sammlung aus- ländischer Käfer. Herr Oberlehrer Steinvorth sprach über das Vorkommen von Doppelfrüchten und besonders über Citrus Bizarria, eine in Italien beobachtete Zwitterfrucht von Orange und Citrone. Herr Dr. Rüst demonstrierte eine von Ingenieur Pink geschenkte Sammlung von Bergwachs. — Herr Löns schenkte dem Museum mehrere naturhistorische Gegenstände (Rana arvalis und eine Chamaeleon-Art) und einen aus einer Kiesgrube bei Ricklingen stammenden sog. Netzbeschwerer. Nachdem dann noch Herr Dr. Schäff ein neues Werk über die Säugetiere vorgelegt hatte, zeigte Herr Strothoff schliesslich ein Exemplar von Ascalaphus und Geaster hygrometricus. 6. Sitzung. 10. Dezember 1896. Kleinere Mitteilungen. Herr Lehrer Wehrhan schenkte der Sammlung des Provinzialmuseums 2 schöne Exemplare von Geaster hygrometricus. Herr Dr. Bertram demonstrierte eine faustgrosse mit Flüssigkeit gefüllte Blase, die in der Leibeshöhle einer Ente gefunden war. Im Anschluss daran teilte Herr Prof. Dr. Kaiser mit, dass er im Herzen einer Kuh eine Echinococcus- Blase gefunden habe, die den infolge Herzschlages eingetretenen Tod des Tieres verursachte. Dann berichtete Herr Prof. Dr. Henking in längerer Rede von den neuesten Ansichten und Be- obachtungen über die Entwicklung des Aales und hob hervor, dass der Jugendzustand desselben wahrscheinlich der sog. Lepto- cephalus des Meeres ist. 7. Sitzung. 17. Dezember 1896. Vortrag von Herrn Dr. Bertram: „Mitteilungen über die naturwissenschaftlichen Ferienkurse in Göttingen 6 k 54 für Lehrer an höheren Schulen“. Der Vortragende berichtete zunächst über die Einrichtungen und den Wert der Kurse, zu denen jedesmal je 6 wissenschaftlich gebildete Lehrer aus den Provinzen Hannover, Westfalen, Rheinland und Hessen einberufen werden. Dann sprach der Redner über einige Punkte aus der Chemie, indem er einen Überblick über die von Mendelejeff (1872) vorher berechneten und später entdeckten Elemente Gallium (1875), Scandium (1879) und Germanium (1886) gab und neue Verfahren zur Darstellung von Sauerstoff anführte, von denen besonders dasjenige von Linde hervor- gehoben wurde. Bei der Besprechung der Mithülfe der Elektrieität zur Darstellung chemischer Verbindungen wurden Siliciumearbid (Karborund) und Galciumcarbid vorgezeigt und ihre Eigen- schaften erläutert. Dabei wurde die bereits 1862 von Wöhler gemachte, aber erst im vorigen Jahre durch Wilson bekannter gewordene Entdeckung erwähnt, dass Acetylen aus Calcium- carbid und Wasser hergestellt werden kann. Dieser Vorgang wurde schliesslich durch Experiment erläutert. 8. Sitzung. 7. Januar 1897. Vortrag des Herrn Reg.-Baumeisterss Hoyer: „Uber Missbildungen bei fossilen CGephalopoden‘“. Der Vortragende gab zunächst eine Übersicht über die Systematik und den Bau der CGephalopoden und hob hervor, dass bereits D’Orbigny, Römer, Quenstedt und andere Geologen auf pathogene Bildungen der Gehäuse der Gephalopoden hingewiesen haben. Dann ging der Redner auf Missbildungen von Ammoniten und Belemniten näher ein und legte eine grosse Anzahl von Ver- steinerungen als Belege für seine Mitteilungen vor. Als Miss- bildungen bei Ammoniten sind z. B. Lockerungen der Schalen- windungen bei jenen Exemplaren zu betrachten, bei denen die typische Art dicht an einander liegende Windungen besitzt. Andere Missbildungen sind Veränderungen am Sipho, Zerstörungen der inneren Windungen, Störungen im regelmässigen Verlauf der seitlichen Rippen, Unregelmässigkeiten des Kieles und Ver- änderungen am Mundsaume. Bei Belemniten sind Krümmungen, plötzliche Querschnittsänderungen und Schwund der Spitze als Missbildungen beobachtet. — An den Vortrag schloss sich ein gemeinschaftliches Abendessen an, bei welchem der Vorsitzende, Herr Dr. Rüst, darauf hinwies, dass die Natur- historische Gesellschaft in diesem Jahre ihr 100 jähriges Stiftungsfest feiert. 55 9. Sitzung. 14. Januar 1897. Kleinere Mitteilungen. Zunächst berichtete Herr Dr. Bertram über einen Eibenwald bei Göttingen, zeigte die Photo- eraphie einer von einer grossen Menge Misteln befallenen Linde und erläuterte verschiedene Verfahren zur Herstellung mikros- kopischer Präparate; von letzteren legte er eine grössere Sammlung vor. Dann demonstrierte Herr Kreye die in einem Wanderfalkenneste vorgefundenen tierischen Reste, unter denen sich besonders zahlreiche Knochen von Brieftauben befanden. Schliesslich legte Herr Dr. Rüst eine Anzahl von Mineralien, zum Teil in Dünnschliffen vor, wie z. B. Quarz mit Lufthlasen, Rutil, Jaspis, Aventurin und Aventuringlas. 10. Sitzung. 21. Januar 1897. Vortrag von Herrn Dr. Schäff: „Über die Abstammung unserer Haustiere“. Einleitend bemerkte der Vortragende, dass der Urmensch vermutlich die Jungen wilder Tiere aufzog und, wenn sie sich für ihn als nützlich erwiesen, als Haustiere züchtete. Wahrscheinlich ist es auch, dass an verschiedenen Orten verschiedene Tiere gezüchtet sind; so haben z. B. die Peruaner das Lama und Meerschweinchen, die nordischen Völker dagegen das Renntier gezüchtet. Die Veranlassung zur Züchtung ist vielleicht anfänglich nur die Liebe zu den Tieren gewesen. Die wichtigsten Haustiere sind: Hund, Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Pferd. Von den prähistorischen Hunden unterscheidet man den Torf-, Bronze- und Aschenhund. Die europäischen Hunde sind jedenfalls Abkömmlinge von europäischen, nicht asiatischen wilden Hunden. Das Rind stammt nach Cuvier und Nehring von Bos primigenius ab, auf den sich auch die von hHütimeyer aufgestellten 3 Arten zurückführen lassen. Wilken ist dagegen der Ansicht, dass das europäische Rind vom asiatischen Zebu abzuleiten sei. Was die Abstammung des Schafes anlangt, so ist man jetzt der Meinung, dass die langschwänzigen und hellhörnigen Schafe von dem in mährischen Höhlen sefundenen Arkal abstammen, während die kurz- schwänzigen Schafe Abkömmlinge des Mufflon sein sollen. Die Ziege stammt wahrscheinlich von der Bezoarziege ab. Bezüglich des Schweines fand Rütimeyer in den schweizerischen Pfahlbauten 2 Rassen, das Wild- und das Torfschwein. Nehring hat jetzt aber nachgewiesen, dass das Torfschwein ein Ab- kömmling des Wildschweines ist. Das europäische Pferd ist als domestizierters Tier schon sehr alt und jedenfalls europäischen Ursprungs. Überhaupt ist jetzt mit Sicherheit nachgewiesen, dass die oben genannten europäischen Haustiere dem Boden 56 Europas entsprossen sind. Unser Kaninchen stammt von dem wilden Kaninchen ab, während das Meerschweinchen zuerst von Peruanern gezüchtet ist. Unsere Hauskatze, von der sich in den Pfahlbauten keine Reste finden, ist anscheinend von der kleinpfötigen Katze der Ägypter abzuleiten, doch ist es sicher, dass bei Entstehung unserer jetzigen Hauskatze die Wildkatze eine Rolle gespielt hat. — An den Vortrag knüpfte sich ein Meinungsaustausch an, wobei Herr Dr. Struckmann mitteilte, dass Reste der Stammformen fast aller Haustiere in der Einhornhöhle bei Scharzfeld gefunden sind. — Schliesslich erinnerte Ober- lehrer Steinvorth an den hervorragenden Hannoverschen Botaniker Erhardt und empfahl ferner, in der Festschrift eine Übersicht über die bei Döhren gefundenen ausländischen Pflanzen zu bringen. 11. Sitzung. 28. Januar 1897. Kleinere Mitteilungen. Im Auftrage des Herrn Finanzdirektors von Bennigsen übergab Herr Kreye der natur- historischen Sammlung eine Anzahl schöner Korallen von Dar-Es-Salaam, und berichtete über einen in Amerika auf- tretenden und die Wälder arg verwüstenden Spinner (Ocneria dispar). Herr Oberlehrer Steinvorth demonstrierte einen sog. Enhydros aus Amerika und ein Stück Gips von Lüneburg mit Wassereinschluss und Luftblase; ferner berichtete derselbe über die Entstehung der Hexenbesen und über eine im Georgenpark wachsende Hainbuche mit ungleich grossen Blättern, bei der die Verkümmerung gewisser Blätter nach den Untersuchungen von Herrn Dr. Wehmer durch einen Pilz hervorgerufen werden soll. Darauf legte Herr Gehrs Früchte von Burzeldorn (Tribulus lanuginosus) und einen sehr grossen Fichtenzapfen vor. Nach- dem dann Herr von Wacquant-Geozelles Abbildungen von Eskimohunden gezeigt hatte, demonstrierte schliesslich noch ein Gast eine Reihe Versteinerungen aus der Umgegend von Hannover. 12. Sitzung. 4. Februar 1897. Vortrag von Herrn Dr. 0. Lang: „Über die von Vulka- nismus und Oberflächengliederung unabhängigen Bewegungen und Erschütterungen des Erdbodens‘“. Der Vortragende stellte zunächst die Verhältnisse und Bedingungen der aus den tiefsten Landseen erhobenen Torfinseln dar und entwickelte dann die Gründe, weshalb in Ablagerungen losen Materials Umlagerungen eintreten, durch welche gröbere Be- standteile von der Oberfläche „verschluckt“ werden und sich 87 im Grunde berrschend finden. Darauf erläuterte er die bBe- dingungen „schwimmenden Gebirges“ und der Bodensenkungen zu Schneidemühl, Briansk und Brüx. Auf die Verhältnisse der Höhlen- und Schlottenbildung durch die chemischen Angriffe des Wassers eingehend, wandte er sich schliesslich zur Darstellung der Verhältnisse der Eislebener Bodenerschütterungen und Boden- senkungen, wobei Pläne und Gesteinsproben vorgelegt wurden. 13. Sitzung. 11. Februar 1897. Kleinere Mitteilungen. Zunächst teilte der Vorsitzende, Herr Dr. Rüst, mit, dass der Provinziallandtag zur Bestreitung der Druckkosten der Sammlungskataloge 3500 Al bewilligt hat. Daran schloss sich eine längere Beratung über die zum 100 jäh- rigen Jubiläum herauszugebende Festschrift. Darauf demonstrierte Herr Freiherr von Wacquant -Geozelles einen Ziegenbockschädel mit 3 Hörnern und berichtete über eine bei Tündern gefundene alte Feuerstelle, die 2,11 m unter der Erdoberfläche und zwar unter Thon liest. Weiterhin zeigte Herr Strodthoff einige aus- ländische Hemipteren und zwar eine australische Wasserwanze und einen chinesischen Laternenträger. Schliesslich gab Herr Dr. Rüst eine Übersicht über die fossilen Radiolarien der Provinz Hannover. An solchen sind bis jetzt gefunden 26 Arten in dem Mangankiesel des Devons von Elbingerode, 87 Arten in dem Kieselschiefer des Kohlenkalkes des Harzes, 66 Arten in den aus dem Jura stammenden Koprolithen von Ilsede bei Peine und 7 Arten aus der Kreide von Misbhureg. 14. Sitzung. 18. Februar 1897. Vortrag von Herrn Privatdozent Dr. Wehmer: „Über die Bedeutung der Bakterien für Landwirtschaft und Gewerbe, sowie Aufgaben und Leistungen der ge- werblichen Bakteriologie“. In den Bakterien haben wir keineswegs bloss Schädlinge des Menschen zu sehen, in nicht wenigen Fällen sind dieselben auch von erheblichem Nutzen: ihre chemischen Leistungen im Gewerbe sind sehr mannigfach und werden zur Zeit eingehend studiert. Die Zahl der Gewerbe- betriebe, welche mit ihnen arbeiten, ist eine beträchtliche. Für die Landwirtschaft spielen insbesondere die „Bodenbakterien“, welche die Bildung von Ammoniak, von Salpetersäure sowie die Fixierung des freien atmosphärischen Stickstoffs bewirken, eine Rolle. Wohl die Hauptmenge des auf der Erdoberfläche vor- handenen Salpeters ist ein Produkt der Lebensthätigkeit dieser Organismen, allein an Chilisalpeter wurden in Deutschland 1896 tote) rund 9 Millionen Centner im Werte von ca. 70 Millionen Mark eingeführt. Die Bakterien der Leguminosen-Knöllchen werden zur Zeit bekanntlich den Landwirten in Gestalt von fabrikmässig hergestellten Reinkulturen („Nitragin“) geliefert. Die Bereitung von Braunheu, Sauerheu, Sauerfutter und Grünpressfutter rechnet mit dem Auftreten und der Wirkung von Spaltpilzen (Wärme- wirkung, Milchsäuregährung). Gleiches gilt für viele Gewerbe, welche landwirtschaftliche Produkte verarbeiten. Die Tabak- fabrikation, deren Ertrag im Deutschen Reiche 1896 etwa 35 Millionen Kilogramm betrug und die bei uns circa 10 Mil- lionen Mark an Steuern einbringt, bedient sich der notwendigen „Fermentation“ zur Verbesserung des Blattes; die Fermentation ist eine Bakterienwirkung und ganz ähnlich derjenigen bei der Braunheubereitung. Hier liegt ein Gebiet vor, auf dem die Bakteriologie voraussichtlich noch Erfolge erzielen kann; die jährliche Weltproduktion an Tabak beträgt ungefähr 1000 Millionen Kilogramm, so dass erhebliche Werte in Frage stehen. In der Milchwirtschaft spielen Bakterien gleichfalls eine wichtige Rolle. Die Rahmsäuerung leitet man zur Zeit durch Rein- kulturen bestimmter Bakterien ein, wodurch die Qualität der Butter verbessert wird. Ohne Bakterien gäbe es keinen „Käse“, Geruch und Geschmack ist von ihrer Wirkung abhängig („Reifung“); mit 1 g Käse geniessen wir ungefähr + 1 Mill. Bakterien; übrigens sind dieselben bei den Pflanzenfressern ja auch bei der Cellulose-Verdauung thätig und als Darmbewohner allgemein verbreitet. Gewerblich wichtige bakterielle Säuregärungen spielen in der Brennerei sowie Gerberei ein Rolle. Die Säuerung der Hefenmaische beginnt man zur Zeit auch mittelst Rein- kulturen einzuleiten: wie hier, so handelt es sich auch bei der „Schwellbeize* im Wesentlichen um die Bildung von Milchsäure. Für die Bakteriologie bietet die Lederfabrikation noch manche Probleme; der jährliche Lederverbrauch Europas soll ungefähr 2 Milliarden Mark betragen. Beabsichtigte Stoffzersetzungs- prozesse leisten Bakterien verschiedener Art bei der Flachs- und Hanfrötte, in der Weizenstärkefabrikation, bei der Dar- stellung des Indigo und Reinigung der Knochenkohle in der Zuckerfabrikation; in den ersten Fällen handelt es sich um Gewinnung der Bastfasern, Reinigung der Stärke von dem be- gleitenden Kleber, sowie Zersetzung der den Indigofarbstoff liefernden Glykoside; die hier spontan und sehr lebhaft ein- tretenden Gärungsprozesse sind mehrfach sogenannte Fäulnis- vorgänge, können gelegentlich aber auch durch rein chemische Behandlungsweisen ersetzt werden. Insbesondere die Indigo- fabrikation ist von hohem Wert (jährlich ca. 100 Mill. Mark). 59 Deutschlands Einfuhr an diesem Farbstoff belief sich 1896 auf ungefähr 1’/, Mill. Kilogramm im Werte von ca. 15 Mill. Mark. Übrigens ist auch das Enthaaren der Häute durch „Schwitzen* (Gerberei) eine hierhergehörige Bakterienwirkung. Wissenschaft- liche Forschungen auf diesen Gebieten fehlen noch fast ganz. Als Säurebildner sind endlich Bakterien auch die treibenden Kräfte in der Essigfabrikation aus Sprit oder alkoholischen Flüssigkeiten (Wein, Bier), in der von Milchsäure und Butter- säure aus Kohlenhydraten, und ihre jährliche Leistung bewertet sich hier immerhin wohl auf einige 100000 ‚„W. Arbeiten mit Reinkulturen besonders geeigneter Arten muss auch hier immer mehr erstrebenswertes Ziel des Betriebes sein; das Produkt gewinnt qualitativ und quantitativ, Sicherheit wie Schnelligkeit des Arbeitens wachsen. Säurebildende Bakterien züchten wir auch im Sauerteig wie im Kephir, in letzterem Falle in Ver- bindung mit alkoholbildenden Hefen. Die Beziehungen der Bakteriologie zum Gewerbe sind hiernach sehr enge und fordern zu einer regeren Pflege auf; in der That wird aber zur Zeit die medizinische bezw. hygienische Seite der Bakteriologie unverhältnismässig stärker berücksichtigt, wie auch die Mehr- zahl der bakteriologischen Lehrbücher Darstellungen vom einseitig medizinischen Standpunkt liefern. Die Bakteriologie ist aber keineswegs eine zpeziell medizinische Wissenschaft. — An den Vortrag schloss sich ein lebhafter Meinungsaustausch an und u. a. legte Herr Dr. Schmieder Bakterienkulturen für Rahmsäure- gärung vor. 15. Sitzung. 25. Februar 1897. Kleinere Mitteilungen. Herr Gehrs berichtete über eine Wespe, die in ihrem Baue überwintert hat und legte mehrere Stücke vom Trepang vor. Herr Peets demonstrierte 2 Kasten mit einheimischen Bockkäfern, die im Provinzialmuseum aus- gestellt werden. Herr Direktor Dr. Schäff legte mehrere Bücher vor und berichtete über den Inhalt derselben. Herr Prof. Dr. Kaiser erläuterte an einem Modell den anatomischen Bau eines Pferdefusses und sprach über Erkrankungen desselben. Herr Dr. Ude zeigte eine aus Nord-Amerika stammende und dem Museum geschenkte Schlange mit doppeltem Kopf. Herr Kreye legte das Fell eines Dachses vor, in dessen Halsteil eine alte Drahtschlinge eingewachsen war. Herr Oberlehrer Steinvorth demonstrierte einen Zweig von Pandanus, aus dessen Gewebe die Panamahüte verfertigt werden, eine Rispe von Durrha, eine Blüte vom Fingerbaum und einen an den Küsten von Sylt vorkommenden Schwamm. Schliesslich machte Herr Prof. Dr. Henking Mit- 90 teilungen aus Briefe von Valparaiso über die Robinsoninsel, wo ein lebhafter Handel mit Langusten und Fischen betrieben wird und die vor einiger Zeit nach den Berichten der Tages- blätter untergegangen sein sollte. 16. Sitzung. 4. März 1897. Vortrag des Herrn Gehrs: „Über die Gattung Gonus“. Der Vortragende führte Folgendes aus: Die Gattung Conus um- fasst Meeresschnecken, die wegen ihrer Zunge Toxiferen, d. h. Pfeilzüngler genannt werden, weil sich am vorderen Ende der Zunge ein Büschel langer, hohler, pfeilförmiger Zähne befindet. Mit Hülfe dieser Zunge können die Conutiere sich sehr wirksam verteidigen, ja sie benutzen dieselben auch, um die ihnen zur Beute gefallenen Tiere zu töten, indem sie dieselben verwunden und vergiften. Daraus erklärt es sich auch, dass sich das wehrhafte Tier zum Verschluss seines Hauses einen Deckel schafft, der nur dünn ist und die Öffnung nur bis zu einem Drittel verschliesst. Die Gehäuse sind mehr oder weniger kreisel- förmig, meist sehr schön gefärbt und bei vielen Arten mit den wundervollsten Zeichnungen bedeckt. Deshalb bilden diese Conchylien auch sehr wertvolle Handelsobjekte und werden einzelne Arten sehr hoch bewertet. Fossil finden sich gegen 100, lebend ungefähr 500 Arten. Es sind vorwiegend Bewohner der Tropen, Europa beherbergt nur eine Art im Mittelmeer. Die Conussammlung unseres Provinzialmuseums, aus welcher der Vortragende eine grössere Anzahl von Arten vorlegte und erläuterte, ist sehr reichhaltig. 17. Sitzung. 11. März 1897. Kleinere Mitteilungen. Zunächst gab Herr Oberlehrer Steinvorth eine ausführliche Übersicht über ein von Warming herausgegebenes Werk, das die sog. oekologische Pflanzen- eeographie behandelt. Herr Apotheker Salfeld demonstrierte dann ein grosses Stück Schwefel aus der Nähe von Weentzen bei Alfeld und Coelestin aus der Gegend von Sehnde. Herr Dr. Warnecke legte darauf mikrophotographische Abbildungen vor und Herr Peets zeigte einige aus der Nordsee stammende Fische. Weiterhin wurden von Herrn Dr. Rüst blühende Zweige von Jasminum nudi- florum, einer Pflanze, deren Knospen gegen Frost widerstandsfähig sind, ferner eine aus Brasilien stammende Kaktee (Rhipsalis funalis var. grandiflora Sch.) und Schalenbruchstücke einer aus dem Oolithenkalke bei Springe stammenden sehr grossen Auster demonstriert. Herr Kreye legte einen Albino vom Edelfasan und ein Hermelin im Übergangskleide vom Winter zum Sommer 91 vor. Nachdem dann Herr Dr. Schmieder eine Frucht von Cassia srandis gezeigt hatte, berichtete schliesslich Herr Dr. Schäff über eine neue Ausgabe von „Friedrichs II. Bücher von der Natur der Vögel und der Falknerei“. 18. Sitzung. 18. März 1897. Vortrag des Herrn Staats von Wacquant-Geozelles: „Überabnormeundmonströse@eweiheund Gehörne*. An Zeichnungen und Belegstücken wurde zunächst die regel- mässige Entwicklung des Rehgehörns erklärt, und zwar die Entwicklung vom meist fast unsichtbaren Gehörnchen des jungen Kitzbockes bis zum stattlichen Zehnender- Gehörn. Letzteres bildet die höchste Stufe der Entwicklung des Rehgehörns, wird aber in den weitaus meisten Ländern heutzutage nur noch ganz ausnahmsweise beobachtet, bezw. erbeutet. — Auch das regelmässig gebaute Achter-Gehörn ist heute eine Seltenheit; — der Jäger pflege ja leider gar zu allgemein jeden stärkeren Sechser-Bock abzuschiessen, — schwächere und ganz schwache Böcke haben also die Fort- pflanzung zu übernehmen, und das habe sich im Laufe der Zeit vielfach bitter gerächt: Minderwertiges und direkte De- generation seien hier und da an Stelle des Normalen, Kraft- vollen getreten. Nach dem wichtigen Naturgesetze soll im allgemeinen Kampfe Aller gegen Alle — im harten „Kampfe ums Dasein“ nicht der Schwache, sondern der Stärkere siegen, — das Kraftvolle, Gesunde und also Geeignete soll zur Fort- pflanzung gelangen. Nachdem nun darauf hingewiesen, dass bei der Benennung der Geweihe („Gabeler“-, „Sechser“-, „Achter“-, „Zehner“-Geweih) nur die Sprossen einer Geweihstange gezählt und dann verdoppelt würden, dass also der „Sechser“-Hirsch nur drei „Sprossen“ oder „Enden“ an jeder Geweihstange trage, der „Achter“ nur vier, der „Zehner“ nur fünf an jeder „Stange* aufweise, ging der Vortragende kurz auf den bekannten merkwürdigen Umstand ein, dass die Hirsche alljährlich das Geweih verlieren oder „abwerfen“ und sogleich ein neues, meistens etwas stärkeres Geweih wiederbekommen oder „auf- setzen“. (Der alte Name „Hornung“ für Februar entstand lediglich aus diesem Grunde; denn die stärkeren Hirsche ver- lieren eben im Monat Februar ihre Geweihe) — Das nun neu entstehende Geweih ist zunächst mit Haut und Haaren überzogen, wird durch die äussere Kopfschlagader aufgebaut und ernährt, ist strotzend von Blut und weich. — Ist das neue Geweih nach einigen Monaten erwachsen und durch reich- liche Ablagerung anorganischer Substanzen (phosphorsaurer 92 Kalk etc.) erstarkt, so hört die durch die Adern bewirkte Blutzufuhr zunächst unter der das Geweih bedeckenden Haut und später auch im Inneren der Geweihstangen auf. Die Geweih-Haut — „Bast“ genannt — stirbt ab, ein hierdurch hervorgerufener Juckreiz veranlasst den Hirsch oder den Bock, das Geweih bezw. Gehörn an Bäumen, Zweigen und Büschen zu reiben (oder wie der Jäger sagt, zu „schlagen“ und zu „fegen“), und bald prangt das Tier im neuen, prächtigen Waffen- schmucke. — Gebräunt und poliert wird das Geweih durch den Gerbstoff und das Harz der verschiedenen „befegten“ Weichhölzer, besonders durch Faulbaum, Erle, Vogelbeere und Lärchentanne. Die vielen Missbildungen, welche wir an Ge- weihen und Gehörnen wahrnehmen und welche oft ganz ungeheuer- liche Gebilde darstellen, haben ihren Grund wohl a) zum weitaus grössten Teile in Verletzungen der im Wachstum begriffenen und daher noch weichen, sehr empfindlichen Stangen (oder wie der Jäger sagt, „Kolben“); b) in individueller Beanlangung, und zwar hauptsächlich in abnormer Bildung der „Stirnzapfen“, auf welchen die Geweihstangen fussen, und c) in Verletzungen gewisser Körperteile, z. B. der Röhrenknochen. Der Vortragende legte grosse eingerahmte Tafeln vor, auf deren mit grünem Sammet beschlagenen Flächen eine grosse Menge Belegstücke aufgeheftet waren, und zwar ausnahmslos abnorme und monströse „Abwurfstangen“ des Rehbockes. Man sah die zu merkwürdigen und oft ungeheuerlichen Formen ausgearteten Verheilungen der während der Wachstumsperiode durch Stoss, Sturz oder Schuss verletzten Gehörnstangen, ferner zahlreiche abnorme Bildungen, welche ihre Entstehung dem anormal gebildeten Stirnzapfen verdanken, Missbildungen infolge Verletzung von Röhrenknochen etc. etc. Ausführlich wurde dann an wohl einzig in ihrer Art dastehenden Zusammenstellungen die allmähliche Ent- wicklung abnormer Gehörne vorgeführt, besonders die Entstehung der sogenannten „Dreistangen-Gehörne“ und der „/Zwillingsgehörne“. Bei ersteren ragen auf den beiden Stirn- zapfen drei Stangen empor, — bei letzteren erhebt sich mitten auf dem Kopfe des Bockes nur eine einzige mächtige „Gehörn- Säule“, welche sich weit oben plötzlich teilt und nach rechts und links je eine wundervoll ausgereckte, mit Sprossen ver- sehene Gehörnstange entsendet. Die von den Hirschen von Ende Februar an, von Rehböcken von Ende Oktober an ab- seworfenen Geweih-, bezw. Gehirn-Stangen finden nicht nur unter den Menschen, sondern auch in der Tierwelt ihre Lieb- haber. Der Fuchs knabbert daran herum und trägt sie in dichte Bestände oder in seinen Bau, das Eichhörnchen 93 zermagt sie am Erdboden oder schleppt sie ins Nest auf hoher Fichte, Ratten und Mäuse zernagen sie ebenfalls und auch das starke Gebiss wilder und zahmer Schweine vernichtet manche schöne Geweihstange. Sonntag, den 21. März 1897. Eine grössere Anzahl von Mitgliedern der Gesellschaft be- sichtigte die Gewächshäuser in Herrenhausen. Herr Oberhof- gärtner Wendtland führte dieselben nach eingehender Besichti- gung des Palmenhauses in das Gewächshaus für Orchideen, die zum Teil noch in voller Blüte standen und allgemeine Auf- merksamkeit erregten. 19. Sitzung. 25. März 1897. Kleinere Mitteilungen. Nach Verlesung eines Schreibens der hiesigen Vereinigung für Auswanderungsfragen, demonstrierte Herr CGapelle aus Springe eine grosse Anzahl von Pflanzen, die trotz der frühen Jahreszeit in seinem Garten bereits seit einiger Zeit in voller Blüte stehen. Von einheimischen Pflanzen befanden sich darunter: Narcissus pseudonarcissus, Leucojum vernum, Spiranthus autumnalis, verschiedene Heleborus- und Daphne- Arten; an ausländischen Pflanzen enthielt die Sammlung Saxifraga sancta, Primula caschmiriana, Erythronium dens canis, Bulboco- dium vernum, Eranthis hiemalis, Scilla bifolia und amoena und Leucojum caucasicum. Weiterhin legte Herr Oberlehrer Steinvorth mehrere Bücher vor und berichtete über den Inhalt derselben. Ferner zeigte Herr Kreye einige schöne Exemplare von afri- kanischen Stab- oder Gespensterheuschrecken, die Mimicery- Erscheinungen vortrefflich erläuterten. Schliesslich legte Herr Dr. Schmieder noch Bakterienkulturen vor, die als sog. Nitragin zum Düngen von Hülsenfrüchten verwertet werden. 20. Sitzung. 1. April 1897. Vortrag von Herrn Dr. Ude: „Über die geographische Verbreitung der Tiere, ihre erdgeschichtliche Ent- wicklung und Beziehung zur Systematik“. Bei der Aufstellung tiergeographischer Reiche ist man von 2 verschiedenen Auffassungen ausgegangen, je nachdem man entweder die topo- graphischen oder die klimatischen Verhältnisse der Erde als massgebend für die geographische Verbreitung der Tiere be- trachtete. So haben Sclater, Wallace und andere Forscher auf Grund der topographischen Verhältnisse und der Verbreitung der Säugetiere, Vögel und Reptilien die Kontinentalfauna in Regionen und Subregionen geteilt, die bis zu einem gewissen gar 94 Grade mit der Verteilung des Festlandes in der Tertiärzeit zusammenfallen und die vom Vortragenden nach ihren wesent- lichsten Verschiedenheiten und ahnlichkeiten in der Zusammen- setzung der Faunen charakterisiert wurden. Andererseits haben manche Forscher, wie z. B. Pfeffer, auf Grund der geographischen Verbreitung von Meerestieren und in Rücksicht auf die klimatischen Verhältnisse der Erde eine Reihe von tiergeographischen Zonen aufgestellt, die eine ausgesprochene Circumpolarität d. h. eine annähernd gleiche Zusammensetzung ihrer Faunen auf jedem Längengrade in der ganzen Weite ihres Bereiches erkennen lassen. Dabei zeigen die Polargegenden und kälteren gemässigten Gegenden auf der nördlichen und südlichen Halbkugel eine grosse Ähnlichkeit und es sind denselben manche Tiere gemeinsam, die in den dazwischen liegenden wärmeren Zonen fehlen. Auf Grund dieser Ähnlichkeiten und mit Berücksichtigung paläonto- logischer Funde ist man zu der Ansicht gekommen, dass in älteren (tertiären) Zeiten über den grössten Teil der Erde, besonders der Meere, eine einzige allgemeine Fauna herrschte, deren Habitus etwa derjenige unserer heutigen Tropenfauna gewesen ist. Während des Tertiärs zog sich dieser der heutigen Tropenfauna ähnelnde Teil der alten allgemeinen Fauna all- mählich von den höheren Breiten zurück und findet sich jetzt nur noch zwischen den Wendekreisen; die höheren Breiten zeigen nur die Überbleibsel der alten Fauna und zwar in zonen- förmiger Anordnung. Diese zonenartige Anordnung der Faunen kann nur auf Grund der Bildung klimatischer Zonen eingetreten sein. In alten Zeiten dehnte sich nämlich das Klima in tropischer Wärme über die ganze Erde aus, ohne wahrnehmbare Ausbildung in Klimazonen, ohne bemerkbare Unterschiede in den verschiedenen Breiten und ohne grosse Unterschiede zwischen Sommer und Winter. Sehr wahrscheinlich durch eine allmähliche Abnahme der Sonnenwärme bildeten sich die Klimazonen aus und mit der Entstehung dieser ging Hand in Hand die Bildung der Klimafaunen. — Nachdem der Vortragende dann noch in Kürze die Süsswasserfauna, deren Zusammensetzung auf der ganzen Erde eine ausserordentlich einheitliche ist, berücksichtigt hatte, zeigte er schliesslich an den verwandtschaftlichen Beziehungen und der geographischen Verbreitung der Gattungen der Regen- würmer den engen Zusammenhang zwischen Systematik und Zoogeographie. 21. Sitzung. 8. April 1897. Kleinere Mitteilungen. Herr Apotheker Capelle legte wiederum eine eorosse Anzahl von PHanzen vor, von denen 95 folgende hervorgehoben sein mögen: Primula muritiana, villosa, marginata, kamtschatica; Anemone pulsatilla; Scopalina atropo- ides; Hyacinthus patulus; Saxifraga sassifolia; Asarum euro- paeum und Scilla patula. Im Anschluss hieran gab derselbe einige Winke, wie man solche Pflanzen im Garten am besten zieht. — Herr Dr. Bertram zeigte ein Mutterkorn im keimenden Zustande. — Weiterhin gab der Schriftführer einen Überblick über das Programm zur Feier des 100 jährigen Bestehens, das in der Vorstandssitzung vom 17. Februar aufgestellt war. An die Sitzung schloss sich ein gemeinsames Abendessen im Mu- seum an. 22. Sitzung, 6. Mai 1897. In Abwesenheit des Vorsitzenden übernahm Herr Prof. Kaiser die Leitung. Auf Antrag mehrerer Mitglieder wurde ein Fest- ausschuss zur Vorbereitung der Feier des 100jährigen Bestehens gewählt. Zu Mitgliedern desselben wurden auf Vorschlag von Herrn Apotheker Brandes folgende Herren ernannt: Dr. Rüst oder Prof. Dr. Kaiser, Dr. Wehmer, Oberlehrer Steinvorth, Apotheker Salfeld, Apotheker Seelhorst, Museumsdirektor Dr. Reimers und Dr. Warnecke. Auf Antrag von Herrn Dr. Bertram und Herrn OÖberlehrer Steinvorth wurde dann eine gemeinsame Sitzung des Vorstandes und Festausschusses auf Donnerstag, den 13. Mai anberaumt. Herr Dr. Ude stellt weiterhin den Antrag auch in diesem Sommer- halbjahre regelmässige Sitzungen der Gesellschaft zu veranstalten. Dieser Antrag wird mit dem Vorschlage von Herrn Dr. Lang, an jedem ersten Donnerstage des Monats im Vereinslokale zusammenzukommen, angenommen. An diesen geschäftlichen Teil schlossen sich kleinere Mit- teilungen an. Herr Kreye legte ein Modell einer wachsenden Keimpflanze vor; Herr Oberlehrer Steinvorth sprach über die schwarzen Flecke auf den Blättern von Arum maculatum, die — wie auch Herr Dr. Wehmer bestätigt — lokale Farbstoff- ablagerungen sind. — 27. Mai 1897. Ausflug zum Hohenstein. Vom Bahnhofe Münder aus wanderten die Teilnehmer trotz des Regens frohen Mutes zum nahen Walde, wo ausser anderen Pflanzen besonders Equisetum silvestre, Veronica montana und Lysimachia nemorum gefunden wurden. Weiter führte der Wege beim Aufstieg zum Süntel durch das romantische Steinbachthal, das mit seinen wildrauschenden Wassern viel Ähnlichkeit mit manchem Thale des Harzes besitzt. Hier wachsen Chrysosplenium 96 oppositifolium, Luzula silvatica, Carex pendula und verschiedene Farne, von denen das seltenere Polystichum montanum erwähnt zu werden verdient. Das Rispengras, Poa sudetica, das nach Mejer's Angaben im Steinbachthale vorkommen soll, wurde trotz emsigen Suchens nicht aufgefunden. Schön und lohnend zwar, aber auch anstrengend war der Aufstieg zum Süntel, denn die Hitze des Tages liess trotz des diesjährigen Wonne- monds nichts zu wünschen übrig. Freudig begrüsst wurde deshalb der Süntelturm und behaglich streckte man sich ins schwellende Gras. Doch nicht lange währte die Rast und weiter gings auf dem Kamme des Berges entlang, wo Dentaria bulbifera und Polygonatum verticillatum beobachtet wurden, zum eigent- lichen Ziele, den schroffen, wild zerklüfteten Felsen des Hohen- steins. Hier wachsen eine Reihe Pflanzen, welche für den Bo- taniker grosses Interesse haben. So wurden gefunden Biscutella laevigata, Saxifraga tridactylites, Hippocrepis comosa, Fragaria elatior, Cotoneaster integerrima, Asperula eynanchica und Dianthus caesius. Die beiden letzteren standen freilich noch nicht in Blüte. Die nach Mejer als sehr selten am Hohenstein vor- kommenden Pflanzen Amelanchier vulgaris, Sisymbrium austriacum und Sedum dasyphyllum wurden nicht beobachtet, wahrscheinlich sind die beiden ersteren überhaupt vom Hohenstein verschwunden. Gegen 2 Uhr wurde der Marsch nach Hess.-Oldendorf angetreten. Auf dem Wege durch das Todtenthal wurden noch Circaea alpina, Equisetum maximum und Cardamine amara gefunden. Von Oldendorf aus erfolgte die Rückfahrt nach Hannover. — 19. Juni 1897. Eine kleinere Anzahl von Mitgliedern unternahm einen Nachmittagsausflug nach dem Ricklinger Moor. 27. Juni 1897. Ausflug zu den Ithwiesen. Morgens 5 Uhr 45 Min. fuhr die Gesellschaft in einer An- zahl von 18 Personen über Kreiensen nach Vorwohle. Schon an dem sich zwischen Kreiensen und Greene stark emporwindenden Bahndamme konnten wir mehrere interessante Pflanzen wie 2. B. Anthemis tinetoria, Malva Alcea, Salvia pratensis und Bupleurum longifolium beobachten. Um 8°), Uhr trafen wir in Vorwohle ein, von wo wir mit einem Wagen nach Eschershausen fuhren. Hier gesellte sich Herr Apotheker Cruse jun. zu uns, der in liebenswürdiger Weise die Führung übernahm. Erwähnt sei noch, dass Herr Cruse in einem eigenen kleinen Teiche ein- heimische Amphibien züchtet und eine männliche Geburtshelfer- kröte mit FEierschnüren unserem Museum schenkte. Gegen 10 Uhr brachte uns der Wagen bis zum Walde unterhalb der Lüerdissener Klippen. Von hier aus begann die Fusswanderung. Beim Eintritt in den Wald trafen wir folgende Pflanzen an: Brachypodium pinnatum, Br. silvaticum und Elymus europaeus. Steil hinan windet sich nun der Weg zu dem gewaltigen Dolomit- felsen des Ith. Aber herrliche Rundsicht lohnt oben den er- müdeten Wanderer und von Entzücken erfasst vergisst er des schwierigen Aufstiegs. Hier fanden wir Thalictrum minus und Hieracium caesium. Nach kurzem Verweilen eilten wir zum Kamme des Berges und gelangten jenseits desselben zu den Ithwiesen. Ein schönes landschaftliches Panorama bietet sich hier dem Wanderer, mehr aber noch ist der Naturforscher durch die wunderbare Üppigkeit und Blütenpracht der Wiesen über- rascht. Hier fanden wir nicht weniger als 15 Orchideen, darunter Gymnadenia albida, Platanthera viridis, Ophris mus- cifera, Herminium Monorchis, Anacamptis pyramidalis, Cepha- lanthera rubra, Epipactis microphylla; ferner beobachteten wir Botrychium Lunaria, Ophioelossum vulgatum, Gentiana germa- nica. Alle diese Pflanzen zeichneten sich durch prachtvolle, intensive Färbung und seltene, Grösse ihrer Blüten aus, sie erinnerten dadurch an alpine Gewächse. Befriedigt von dieser reichen Ausbeute wurde der Marsch über die Rotensteinhöhle und Holzen nach dem Hils fortgesetzt und gegen 4 Uhr gelangten wir nach Grünenplan. Hier wurde ein stärkendes Mahl ein- genommen und um 7 Uhr der Weg nach Alfeld angetreten. Gegen 11'/, Uhr trafen wir dann in Hannover ein. 23. Sitzung. 1. August 1897. Kleinere Mitteilungen. Herr Kreye legte eine sehr interessante Zwitterbildung von Argynnis paphia L. vor. Der Schmetterling besitzt auf der linken Seite männliche, auf der rechten weibliche Charaktere. Herr Dr. Bertram demonstrierte Fischabdrücke aus dem Kieselguhr von Ober-OÖhe bei Unterlüss und Herr Meyer eine Seelilie. Schliesslich zeigte Herr Mielen- hausen noch eine grössere Anzahl von Versteinerungen aus der Nähe von Hemmoor. 3 98 Abhandlungen. Friedrich Ehrhart. Von Rudolf Lehmann. In Usteris Annalen der Botanik, 19. Stück vom Jahre 1796, finden sich über Friedrich Ehrhart wichtige Mittheilungen, welche hier an erster Stelle Platz finden mögen : „Unter den Papieren meines seligen Freundes, des gelehr- ten, fleissigen und verdienstvollen Ehrharts, die mir, dem Wunsche ihres seligen Mannes gemäss, seine hinterlassene Gattin übersandt hat, fanden sich auch diese kurzen biographischen Notizen, die seinen zahlreichen Freunden sehr angenehm seyn müssen; die übrigen erhaltenen Manuskripte werden mir Stoff geben, noch einen Band der so schätzbaren Ehrhart’schen Beyträge herauszugeben, den ich mit nöthigen Registern über die ganze Sammlung zu begleiten suchen werde. U,8 „Ich bin gebohren zu Holderbank im Canton Bern, den 4. November 1742. Mein Vater war Johannes Ehrhart, Bürger der Stadt Bern, und Pfarrer im gedachten Holderbank, wo er im Jahre 1764 starb. Meine Mutter hiess Magdalena Wild. Mein Vater überliess es mir, was ich werden wollte. Ich wählte die Oeconomie, welche ich bis zu seinem Tode practisch und theoretisch studirte. Ich legte mich auf die Botanik, und sammelte die Pflanzen der dortigen Gegend, arbeitete auch, ungeachtet ich noch ein Knabe war, an einer Florula Holder- bankensi, wovon der selige Haller Wind bekam, und Lust bezeigte mich in seinem Hause zu haben, und mir die Stelle eines Amanuensis und Bibliothecarii antragen liess; welche ich mir aber verbitten musste, weil ich meinen kränklichen Vater nicht gern verlassen wollte. Nach dessen Ableben riethen mir meine Anverwandten, ein Apotheker zu werden. Ich folgte und gieng im Herbst 1765 nach 99 Nürnberg, wo ich von Michaelis 1765 bis Michaelis 1768 bei Herrn Leincker die Pharmacie lernte. Nach verflossenen Lehr- jahren kam ich zu meinem Freunde, dem Herrn Apotheker Frischmann in Erlangen, wo ich bis Ostern 1770 blieb, im Frühling 1769 jedoch eine Excursion nach dem Fichtelberge, und vom 16. Julii bis zum 11. September d. J. mit meinem seligen Freunde Heumann eine botanische Reise nach der Schweiz machte. Durch Empfehlung des Herrn Leibarzts Zimmermann kam ich auf Ostern 1770 in die Apotlieke des nun verstorbenen Andreä in Hannover, worin ich anderthalb Jahre arbeitete. Im Herbst reiste ich nach Hamburg, Lübek und Wismar, und von da zu Schiffe nach Stockholm, wo mir Herr Hofapotheker Ziervogel Condition anboth, welche ich auch annahm, und anderthalb Jahre bey ihm blieb. Ich hörte zugleich Collegia bei Herrn Professor Bergius, worin ich vieles lernte. Auf Ostern 1773 reiste ich nach Upsal, wo ich ein Jahr bey dem Universitäts- apotheker Möllenhoff conditionirte, und, soviel es sich thun liess, der beiden Herrn von Linne und des vortrefflichen Berg- manns Vorlesungen frequentirte. Ostern 1775 miethete ich mir daselbst ein Logis, weil das Conditioniren und Studiren nicht mehr recht zusammen passen wollte. Ich hörte nun Natur- geschichte, Chemie, Oeconomie, und Medicin, legte mich jedoch besonders auf die Botanik und Chemie. Meine Lehrer waren: Linn‘, der Vater, und Linn‘, der Sohn, Bergmann, Lastbom und Tidström. Die Ferien und übrigen Stunden, die ich nicht zum Hören der Kollegien gebrauchte, nuzte ich fleissig zum Botanisiren, und sammelte für mich und meine Freunde eine Menge Schwe- discher Pflanzen, entdeckte auch viele neue, fand auch eine nicht kleine Anzahl um Upsal, die zwar schon lange bekannt waren, vor mir aber keiner allda gesehen hatte, und vermehrte also die dortige Flora mit manchem schönen Rekruten. Den Sonntag feierte ich gewöhnlich im botanischen Garten, und besah die ausländischen Pflanzen, erhielt aucb durch die gütigen Hände meiner Freunde, des Professors von Linn€ und des Gärtners Broberg, manch seltenes Exemplar für mein Herbarium, und hätte noch viel mehr bekommen können, wenn ich gewollt hätte, denn sowohl Linn@ als Broberg waren mir sehr gewogen, und Mi 100 ersterer munterte mich sogar auf, die mir damahls noch nicht so sehr, als die wilden, ans Herz gewachsenen Gartenpflanzen einzulegen. Er gab mir auch verschiedene getrocknete Pflanzen aus seiner eigenen Sammlung, worunter sogar einige aus dem ersten Herbario seines Vaters sind, das bekanntlich in Quarto war. 1776 wünschte Herr Staatsrath Müller in Coppenhagen mich zum Mitarbeiter an der Flora danica zu haben; ich konnte aber seinem Begehren nicht entsprechen, weil ich dem seligen Andreä in Hannover bereits versprochen hatte, auf Michaelis wieder zu ihm zu kommen. Ich reiste also zu Ende des Septembers 1776 von den mir unvergesslichen Upsala ab, hielt mich noch einige Tage in Stockholm auf, fuhr über Nyköping, Norrköping, Linköping, Eksiö und Wexiö nach Diö, gieng sodann ein wenig zur Seite, und besuchte den Prediger in Strenbrohult, Herrn Samuel Linnäus, einen Bruder des Archiaters von Linne, welcher mich sehr freundschaftlich aufnahm. Ich suchte zugleich die daselbst wachsen sollenden Pflanzen auf, welche ich auch fast alle zu sehen bekam, und die meisten einlegte. Hierauf reiste ich nach Christianstad und Ystad, wo ich an dem Seestrande braf Fucos sammelte. Von hier wollte ich zu Schiffe nach Stralsund; es fand sich aber keine Gelegenheit dazu. Ich fuhr also nach Malmö, und nachdem ich erst meine Freunde in Lund besucht hatte, liess ich mich am 23. Oktober nach Coppenhagen übersetzen. Hier blieb ich acht Tage, und genoss von meinen Freunden und Gönnern Müller, Spengler, Vahl, Berger und Horrebow viele Gefälligkeiten. Am 31. Oktober gieng ich zu Schiffe und kam den folgenden Tag nach Travemünde, von da ich nach Lübek spazirte, wo ich mich bis zur Ankunft meiner im Schiffe gelassenen Sachen aufbielt. Am 6. November reiste ich von hier nach Hamburg und kam den 11. in Hannover glücklich an. Ich blieb drei Jahre bei dem guten Andreä und genoss viele Freundschaft von ihm. Mit der Apotheke hatte ich nichts zu thun, sondern brachte sein Herbarium, sein Saamenkabinet, seine Hölzersammlung u. dergl. in Ordnung, bestimmte die Pflanzen seines Gartens, machte chemisehe Experimente für ihn, oder that andere Sachen, die mir nöthig‘ schienen, denn ich hatte völlige Freiheit, mir 101 meine Arbeit zu wählen, und wenn ich auch meine eigene Sammlung in Ordnung brachte, oder für mich etwas Schrift- liches ausarbeitete, so war es dem uneigennützigen Mann gleichviel, genug wenn nur etwas Nützliches geschahe. Zu seiner Bibliothek und zu seiner Naturaliensammlung hatte ich den Schlüssel, und konnte solche nutzen, wie die meinige, welche mehr als freund- schaftliche Gepflogenheit ich Zeitlebens nicht vergessen werde. Im Herbst 1779 wurde mir von dem jüngeren von Linne das Supplementum plantarum zugesandt, mit der Bitte solches durchzusehen und abdrucken zu lassen. Ich wollte auch mein Phytophylacium herausgeben und einige botanische kleine Reisen verrichten. Diese und noch ein Paar andere Arbeiten, welche ich vorhatte, nöthigten mich, das Haus meines Gutthäters zu ver- lassen und wieder mein eigener Herr zu werden. Ich miethete mir also in Hannover ein kleines Logis, welches ich auf Michaelis 1779 bezog. Kaum hatte ich angefangen das Linn£sche Supplement durchzusehen, und die ersten Decaden des Phytophylacii heraus- zugeben, als mir im Februar 1780 von der königlichen Regierung in Hannover aufgetragen wurde, gegen ein jJährliches Reisegeld von 250 Rthlr., in 3 Jahren, nämlich vom 1. März 1780 bis 1. März 1783, das Churfürstenthum Braunschweig - Lüneburg botanisch zu bereisen, und eine deutsche Flora von diesem Lande zu schreiben. Ich sagte zu diesem angenehmen Anerbieten Ja und fing meine Reisen zur gehörigen Zeit an. Was ich in diesen drei Jahren gesehen, wo ich mich aufgehalten, was ich an allen Orten gefunden und beobachtet habe, kann man aus meinem darüber geführten Tagebuche, auch hin und wieder in meinen Beyträgen zur Naturkunde sehen. Im April 1780 wurde mir von der königl. churfürstl. Cammer zu Hannover die Stelle eines Botanici in Herrenhausen angetragen, welche ich mit Dank annahm, verbath mir jedoch mein Salarium, das jährlich in 180 Rthlr bestehen sollte, bis nach geendigten Reisen, weil ich nicht gern unverdienten Lohn geniessen wollte. Dieses ward von königl. Cammer genehmigt, und ich unterm 20. d. M. zum Botanico designato gemacht und mir angedeutet, dass ich mich nach geendigten Reisen um meine Bestellung und Beeidigung melden, und vom 1. März 1783 an jährlich 180 Rthlr. Besoldung 102 und freie Wohnung in Herrenhausen haben sollte, welche letztere ich sobald es mir beliebig beziehen könne, welches aber erst auf Ostern 1781 geschahe. Am 3. März 1783 stattete ich der königl. Regierung Bericht von meinen gethanen Reisen ab, und zeigte derselben zugleich verschiedene in hiesigen Landen be- merkte, theils in die Oeconomie, theils in die Medicin einschlagende Fehler an, weil mir dergleichen Sachen von dem geheimen Rathe, Herrn von Gemming, besonders aufgetragen worden, der aber während den drei Jahren meiner Reisen, leider! gestorben war. Ich zeigte in diesem Berichte auch, wie einige dieser Fehler meiner geringen Meinung nach, zu verbessern wären. Unter obigem Dato bath ich auch die königl. Cammer um meine Be- stallung als Botanicus zu Herrenhausen: „bewandten Umständen nach wurde aber beliebt, vorerst der wirklichen Bestallung und Beeidigung des designirten Botanicus Ehrhart Anstand zu geben.“ Ich genoss indessen vom 1. März 1783 an mein jährliches Gehalt von 180 Rthlr. und freie Wohnung. Den 30. Juli 1783 ver- heirathete ich mich mit Jungfer Hedwig Sonnenburg, von Stolzenau, mit der ich zwar keine Kinder zeugte, dem ungeachtet aber sehr vergnügt und zufrieden lebte. Den 24. August 1784 nahm mich die Berlinische Gesellschaft naturforschender Freunde zu ihrem Mitgliede auf. Nachdem ich noch ein Paar Jahre für meine eigene Rechnung gereiset, und hier und da verschiedenes nachgehohlet hatte, was mir in den 3 zu meinen Reisen bestimmten Jahren nicht genug bekannt geworden war, bath ich im Frühling 1785 die königl. churfürstl. Regierung, mir zur Ausarbeitung meiner Flora behülflich zu seyn, und mir den Gebrauch der königl. Bibliothek in Göttingen zu erlauben, mir auch etwas Land zu einem Gärtchen zu schenken, damit ich mit einigen critischen Pflanzen Versuche anstellen könnte, ich wünschte auch freie Post zu haben, damit ich besser mit auswärtigen Gelehrten correspondiren könnte, auch hätte ich gern gesehen, wenn mein Salarium etwas vermehrt worden wäre; die königl. Regierung hatte aber die Gnade, mein Gesuch ad acta zu legen. Bey so bewandten Umständen war ich also gezwungen, mir die nötigen Bücher zu kaufen, wenn ich solche haben wollte, und meine Correspondenz, die ich der Hannoverischen 103 Flora wegen führen musste, aus meinem eigenen Beutel zu zah- len, das mir, natürlicher Weise, bei einem Gehalt von 180 Rthl. sehr sauer werden musste. Indessen, was nicht zu ändern ist, das muss man mit Geduld ertragen. Ich und mein Weibchen gewöhnten uns, Cartoffeln zu essen und Wasser zu trinken, und auf alles, was zum menschlichen Leben nicht höchst nöthig war, Verzicht zu thun, und so ward denn zuweilen ein Groschen gespart, den ich, sobald ich ihn hatte, für ein gutes Buch gab, und mir so nach und nach ein artiges Bibliothekchen anschaffte. Das schlimmste wär nur, dass ich auf die besten Werke Verzicht thun musste, und dass es mit der Vermehrung meiner Sammlung gar zu langsam gieng, ich also erst in 20—30 Jahren im Stande seyn konnte, dasjenige zu thun, was ich im ersten Jahre hätte ausführen können, wenn meine unterthänige Bitte Gehör gefunden hätte, und dass meine Flora also liegen blieb, und nicht nur liegen blieb, sondern in der langen Zeit auch manches vergessen wurde, zumahl da ich bey einer so undankbaren Arbeit nicht selten verdriesslich wurde. Um indessen dem Publico doch nützlich zu sein, auch mir einige Groschen zum Ankaufe der Bücher zu verdienen, so fieng ich auf Ostern 1785 an, meine Plantas cryptogamas herauszugeben, wie ich auch die Calamarias, Gramina und Tripetaloideas, von welchen ersteren nun 34 Decaden und von den letzteren 14 fertig sind, die sämmtlich vielen Beifall erhalten, und vielen Nutzen gestiftet haben, auch so gesucht wurden, dass ich nicht allen, die solche haben wollten, damit dienen konnte. In diesem Jahre forderte mich mein Freund, der Doctor und diesmahliger Staabsmedicus, Guckenberger, auf, auch die Plantas officinales auf solche Art den Liebhabern in die Hände zu liefern, welchem ich, wiewohl nicht ganz gerne, folgte, weil ich zum voraus sahe, dass mir dieses viele Arbeit machen und wenig einbringen würde. Zu Ende dieses Jahres machte ich mit der Herausgabe dieses Werkes den Anfang und habe nun bereits 46 Decaden davon geliefert, denen noch 14 folgen sollten. Unterm 11. October 1786 erinnerte mich die königl. churf. Re- gierung an meine Floram hanoveranam, und am 14. nahm ich die Freiheit, dieses hohe Tribunal an meine im Frühling 1785 demselben 104 überreichte unterthänige Bittschrift zu erinnern, und solches nochmahls um deren Gewährung anzuflehen. Im Februar 1787 gab ich die zwei ersten Decaden von meinen Herbis, wie auch von den Arboribus, Fruticibus und Suffruticibus heraus, die mit den Plantis eryptogamis und den Calamariis, gleichsam ein Ganzes ausmachen. Sowohl von den Herbis als Arboribus kamen nachher noch 14 heraus, und haben besonders die Arbores bei unseren Förstern vielen Beifall erhalten, auch vielen Abgang gefunden, und, wenn ich verschiedenen von diesen Herren glauben kann, so hat mancher die Kenntnisse der Weidenarten etc. diesen Heften zu danken. Im April dieses Jahres wurde der erste Band von meinen Beyträgen zur Naturkunde fertig, dem bis jetzt noch 6 gefolget sind. Die ersteren enthalten bloss solche Ab- handlungen, die bereits im Hannöverischen und Baldingerischen Magazine, oder in anderen periodische Schriften, abgedrukt sind, die letzteren aber zumeist neue und zuvor nicht gedrukte Anfsätze. Dass diese nicht alle von gleicher Güte seyn können, wird wohl jeder Vernünftige begreifen, und wenn man die vielen Wahr- heiten beherzigt, die so manchem Gelehrten, und zwar etwas frei gesagt werden, so wird es einen auch nicht befremden, wenn verschiedene dieser Herren nicht ganz damit zufrieden waren. Es wird indessen doch keiner läugnen, dass nicht manche gute Bemerkung darin vorkomme, ungeachtet die besten für die folgenden Bände, und besonders für meine Flora, bestimmt sind und also zurückbehalten worden. Unterm 12. October dieses Jahres (1787) wurde mir ein königliches Patent zugestellt, worin Se. Majestät, unser König, mir die Gnade erwiesen, mir den Charakter von seinem Botanicus beyzulegen. Am 31. Januar 1791 machte mich die naturforschende Gesellschaft in Zürich zu ihrem Mitgliede. Den 28. Juni 1792 that dieses auch die physikalische Privatsocietät in Göttingen. Zu Ende dieses Jahres wurden die 8 ersten Decaden von meinen Plantis selektis Hortuli proprii fertig, denen ein Jahr darauf noch 8 nachfolgten. Den 14. Juli 1793 erzeigte mir die naturforschende Gesellschaft in Jena die Ehre, mich als Mitglied aufzunehmen.“ Hier endet die Selbstbiographie Ehrhart’s, welche wenig bekannt sein dürfte. Ältere Botaniker werden sich vielleicht 105 erinnern, dass dieselbe in der Zeitschrift „Bonplandia“ : 6. 1858, S. 226— 230 abgedruckt ist. Fhrhart schrieb die Geschichte seines Lebens nieder während jener heimtückischen Krankheit, welche er sich im August 1794 auf einer Excursion zugezogen hatte. Es war eine heftige Lungenentzündung, welche ihn befiel, von deren Folgen er sich nicht wieder erholen sollte. Im Frühjahr 1795 trat eine vor- übergehende Besserung ein, er konnte sich noch einmal der geliebten Wissenschaft widmen, die ihm über so Vieles hinweg- geholfen hatte, was ihm das Leben erschwerte, über den Neid und die Missgunst unverständiger Menschen und nicht selten sogar über Existenzsorgen; — Ehrhart schrieb damals seine letzten Aufsätze für das hannoversche Magazin. Am 26. Juni 1795 erfolgte der Tod. Derselbe wurde von den Gelehrten aller Nationen betrauert, und in vielen Sprachen erschienen Biographien von ihm. Besonders ausführliche finden sich in der „Biographie Uni- verselle Ancienne et Moderne. Redige par une societe de Gens de Lettre et de savants. Tome douzieme ä Paris 1814.* Der betreffende Artikel ist von Usteri; ferner in der „Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste — Leipzig — Brockhaus 1838“, und in der „Allgemeinen Deutschen Bio- graphie* — Leipzig — von Duncker und Humblot. In neuerer Zeit hat Herr Professor Dr. Mohrmann hierselbst in verschiedenen Artikeln, welche 1879 und 1897 im hannoverschen Courier und Tageblatte veröffentlicht sind, die Verdienste des ausge- zeichneten Gelehrten um die Stadt und Provinz Hannover geschildert. Die hinterlassenen Papiere erhielt, wie schon aus der Vor- rede hervorgeht, Herr Dr. Paul Usteri, ein bekannter Gelehrter, welcher der Freund und Landsmann Ehrharts war. Leider ist die von ihm in Aussicht gestellte Veröffentlichung des Ehrhartschen Nachlasses nicht erfolgt. Die angestellten Nachforschungen nach dem Verbleib dieser Papiere, welche sicher noch eine Fülle des Interessanten enthielten, sind leider bislang erfolglos geblieben. Wahrscheinlich sind sie in den Besitz der Usterischen Erben übergegangen. 106 Doch auch ohne sie hat Ehrhart sich um die Botanik so grosse Verdienste erworben; der Nachwelt in seinen sieben Bänden, enthaltend „Beiträge zur Naturkunde und den damit verwandten Wissenschaften, besonders der Botanik, Chemie, Haus- und Landwirtschaft, Arzeneigelahrtheit und Apotheker- kunst“, ein solch’ reiches litterarisches Erbe hinterlassen, dass sein Name zu allen Zeiten ein hochgeachteter bleiben wird. Wie er selbst schon mittheilte, war er als Student in Upsala ein Schüler Linnes, der ihn hochschätzte; während der jüngere Linne ihm bald ein lieber Freund wurde. Es wurde aus dem Schüler bald ein selbstständig schaffender Meister, der, gestützt auf umfassende Kenntnisse und im Besitze eines riesigen Gedächtnisses, mit bienenhaftem Fleisse arbeitete und das Feld des Wissens auf dem Gebiete der Botanik wesentlich erweiterte. Schon in Upsala vermehrte sich das bekannte ausgezeichnete Herbarium des Forschers bedeutend; er schrieb bereits damals eine Flora von Upsala, welche aber erst im Jahre 1790 erschien und eine grosse Anzahl von ihm neu entdeckter Pflanzen enthält. Vom 31. Dezember 1779 ist Ehrharts erster „Versuch eines Verzeichnisses der um Hannover wild wachsenden Pflanzen“ datirt; weitere Nachträge veröffentlichte er 1781, 1782 und im Mai 1788. Im Ganzen werden 1142 Pflanzen aufgezählt. Sein Hauptwerk, die „Flora des Churfürstenthums Braun- schweig-Lüneburg“, ist bekanntlich nicht erschienen, weil Ehrhart von Seiten der Regierung nicht die nötige Unterstützung er- hielt. Jedoch sind die vieljährigen Arbeiten nicht verloren gegangen. Ehrhart gilt noch heute als einer der gründlichsten Kenner der hannoverschen Flora und Männer, wie Meyer, von Holle und Mejer, welche sein Werk fortsetzten und Floren der Provinz Hannover veröffentlichten, konnten nicht genug Worte des Lobes und der Anerkennung für ihn finden. Nicht unerwähnt soll hier eine Schrift des eben erwähnten verdienstvollen Botanikers Mejer bleiben, welche im Jahre 1867 erschien, die „Veränderungen in dem Bestande der hannoverschen Flora seit 1780* behandelt und sich also mit der bekannten Thatsache des Verschwindens vorhandener und der Einwanderung neuer Pflanzen seit Ehrharts Zeiten beschäftigt. Ein näheres Eingehen auf die Broschüre, 107 welche in weiteren Kreisen bekannt sein dürfte, wird in einem späteren Aufsatze erfolgen. Wie mit den meisten bedeutenden Botanikern seiner Zeit, blieb Ehrhart auch mit den beiden Linnes im Schriftwechsel. Er wurde mit der Herausgabe und Durchsicht des Linneschen Pflanzensupplements in der deutschen Sprache beauftragt, welche Anfang der achtziger Jahre erfolgte. Die wertvollen Beiträge Ehrharts sind in seinen Werken unterm März 1781 veröffentlicht. Aus den letzteren, besonders aber auch aus den „Göttingischen gelehrten Anzeigen“, ist zu ersehen, wie unermüdlich thätig er war, und welche Früchte sein Fleiss zeitigte. Im Sommer benutzte er jede freie Stunde zum Botanisiren und war häufig wochenlang unterwegs, um die Flora Hannovers und der angren- zenden Länder, zumal Hollands, zu erforschen. Er hatte dabei mit grossen Hindernissen zu kämpfen! Sein Gehalt war klein und reichte nur zu den nötigsten Erfordernissen des Lebens aus. Es ist kaum zu begreifen, dass er davon die Kosten für die Reisen, die Vergrösserung seiner Bibliothek und die umfangreiche Korrespondenz bestreiten konnte. Freilich reiste er einfach genug. Bepackt, wie man schwerlich einen reisenden Handwerks- burschen trifft, mit Büchern, Kleidungsstücken, den botanischen Instrumenten und der botanischen Ausbeute, durchwanderte er die Fluren des Landes. Sein Bett war häufig ein Bund Stroh, sein Essen das einfache Mahl der primitiven Dorfwirtschaften. Die schon vorhin erwähnten Göttingischen gelehrten Anzeigen, welche auch eine Kritik der Ehrhartschen Werke enthalten, erwähnen seinen Namen sehr häufig und bezeugen, dass der Forscher zu einer nicht geringen Anzahl von botanischen Werken, welche im Ausgange des achtzehnten Jahrhunderts erschienen, Beiträge lieferte. Es seien hier nur einige hervorge- hoben: Dr. Georg Franz Hoffmanns „Historia salicum iconibus illustrata.“ Wildenows „Flora Berolinensis, ab Thunbergio emendat. conscriptum, * welche beide im Jahre 1787 (die letztere bei Vieweg) erschienen. In Gmelins Bearbeitung von Linnes Systema naturae vom 108 Jahre 1791 wurden die neuen Arten und Gattungen Ehrharts bereits eingeschaltet. Wesentlich beteiligt war der Forscher auch an der von Dr. Stöver zur selben Zeit veröffentlichten Biographie des Ritters von Linne. Ferner war Ehrhart Mitarbeiter des hannoverschen Magazins, des @Gartenkalenders und von Baldingers Neuem Magazine für Ärzte. Von ganz hervoragendem Interesse waren für die damalige Zeit die von Ehrhart unter dem Namen „Phytophylacia“ heraus- gegebenen Sammlungen getrockneter Pflanzen, welche er als erster anfertigte und für ein geringes Entgelt vertrieb. Durch diese verbreitete er die Kenntniss der Pflanzenwelt in weiteren Kreisen. Bruchteile dieser ausserordentlich sorgfältig ange- fertigten Sammlungen, welche bekanntlich „Dekadenweise*“ verkauft wurden, haben sich bis auf die heutige Zeit erhalten. Das Nähere hierüber hat der Gelehrte bereits in seiner Selbstbiographie mitgeteilt. — Ehrhart wirkte auch als Kritiker ersten Ranges in seinen „botanischen Zurechtweisungen“ aufklärend und be- lehrend. Sie legen Zeugniss ab von seinem scharfen Verstande und ausserordentlichen Wissen, sind aber häufig nicht frei von beissendem Sarkasmus, der allerdings die Sache meinte, häufig jedoch persönlich aufgefasst und erbittert erwidert wurde. Und hier finden wir vielleicht den Schlüssel zu sonst unerklärlichen Vorkommnissen, die dem verdienten Manne viele schweren Stunden bereiteten und ihn teilweise um den Erfolg seiner Forschungen brachten. Den Ränken seiner Feinde war es jedenfalls zuzu- schreiben, dass die definitive Anstellung Ehrharts so lange auf sich warten liess, dass sein Gehalt nie erhöht wurde, und die Regierung ihm die erforderliche Unterstützung zur Herausgabe der Flora des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg versagte. — Ehrhart war ein Feind alles Halbwissens, und möge eine Stil- probe die ebenso ergötzliche wie treffende Art und Weise ver- anschaulichen, in der er seinen Gefühlen Ausdruck gab! — Im ersten Bande seiner Werke, S. 43, teilt der Forscher mit, dass er die Blüte der dicken Wasserlinse (Lemna gibba), welche vor ihm der Italiener Michelius beobachtet und beschrieben hatte, und deren Existenz von manchen Botanikern der Zeit bezweifelt 109 wurde, in einem Graben in der Nähe von Kirchrode wieder- gefunden habe und Liebhabern davon Exemplare zur Verfügung stelle. Er fährt dann fort: „Niemand von uns hat sich wohl weniger Hoffnung gemacht, der dicken Wasserlinse ihre Blüthe zu sehen, als wie ich, zumal, da schon so viele mit Luchsaugen versehene Botanisten solche so lange vergeblich gesucht haben. Indessen es kommt nicht allezeit auf die Luchsaugen an, denn zuweilen, sagt unser Schweizer Bauer, findet auch ein blindes Huhn ein Haberkorn. Man muss nur am gehörigen Orte, zu rechter Zeit und mit einem nicht mit Vorurtheilen angefüllten Kopfe suchen, so wird es schon gehen. Hätten es unsere botanischen Spötter recht angefangen und, anstatt dass sie sich über den guten Michelium lustig gemacht, sich nicht verdriessen lassen einige stinkende Gräben zu visitiren: so hätten solche vielleicht nicht nur unsers Florentiners Wasserlinsenblüthe, sondern viele andere an diesen Stellen von mir gefundene schöne Sachen ebenfalls zu sehen bekommen. Aber die meisten dieser Botanisten sind Stuben- botanisten, sehen des Vormittags ins Dintefass und Nachmittags ins Weinglas, und wenn es hochkommt, so nehmen sie ein von anderen verfertigtes Herbarium vor sich, oder gehen auch wohl zuweilen Spatzirens wegen in einen botanischen Garten; und da ist es freilich nicht zu verwundern, dass unsere allgemeinsten Pflanzen diesen guten Leuten öfters nicht mehr als blos dem Namen nach bekannt sind !* Ehrhart hatte bekanntlich als Botaniker des Königs von England und Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg freie Wohnung in einem kleinen Hause im Berggarten zu Herrenhausen, in der Nähe des alten Palmenhauses. Hier hat er sich auch mit seiner geliebten Hedwig verheiratet, welche ihm bis zum Tode nicht nur eine getreue Gattin, sondern auch eine fleissige Gehilfin — namentlich beim Einlegen der Pflanzen — war. Worin die Befugnisse des Gelehrten bestanden, geht aus dem Titel der auf Herrenhausen bezüglichen Arbeiten hervor. Er veröffentlichte „Verzeichnisse der Glas- und Treibhauspflanzen, welche sich auf dem königl. Berggarten zu Herrenhausen in Hannover befinden 1787; zweites Stück 1791;* sowie „Verzeich- 110 nisse der Bäume und Sträucher, welche auf der königl. Plantage daselbst vorhanden sind 1787 und 1791.“ Mit der Beaufsichtigung der Gärten hatte er nichts zu thun:;: auch stand ihm ein direkter Einfluss auf die Anlagen nicht zu. Doch benutzte er seine Stellung stets, um für die Befoleung eines naturgemässen Systems einzutreten. So waren ihm beispielsweise die sogenannten französischen Hecken im „grossen Garten“ ein Greuel; auch eiferte er gegen das über- mässige Verschneiden der Bäume und Sträucher, sowie gegen alle übertriebene gärtnerische Künstelei, mit der ihm eigentüm- lichen Schärfe. Seine „echt deutschen“ Bestrebungen sind be- kanntlich nicht immer von Erfolg gewesen; doch fand er in weiten Kreisen Beifall. Mehr Erfolg hatten seine Bemühungen um einen vermehrten Obstbau, sowie um die Einführung neuer und die Vermehrung schon vorhandener nutzbringender Bäume. Er empfahl besonders die Anpflanzung von Juglans regia, Fagus Castanea L., Prunus avium L., Cornus mascula, Pyrus baccata, Morus alba. Seine Anregung fand sowohl bei der Regierung, wie bei Gelehrten und Landwirten Beifall. Ihr verdanken wir haupt- sächlich die ausgedehnte Verbreitung des Wallnussbaumes in der Provinz Hannover. Fassen wir die Verdienste Ehrharts um die Botanik kurz zusammen, so kommen wir zu dem Schlusse, dass er sich die höchsten um die Allgemeinheit durch die Entdeckung zahlreicher neuer Pflanzen, von denen eine Anzahl noch heute nach ihm die Bezeichnung Ehıh. führt, sowie durch die Verbesserung der Charaktere vieler Linnescher Arten und die Verbreitung der Kenntniss vaterländischer Gewächse, erworben hat. Wie Ehrhart in seiner Selbstbiographie berichtet und auch in dem fünften Bande seiner Werke ausführlich erzählt, be- schäftigte er sich schon in Stockholm und in Upsala nicht nur mit botanischen Studien, sondern auch mit der Chemie, Phar- macognosie und anderen Zweigen der Naturkunde. Auf seinen späteren Reisen und botanischen Excursionen verfehlte er nicht von allem Wissenswerten Vermerk zu nehmen auf diesen Gebieten und auch der damals sehr vernachlässigten öffentlichen Gesund- 111 heitspflege seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er machte mehrere Eingaben an die Regierung, in welchen er auf die Schädlichkeit der Kirchenbegräbnisse hinwies; ferner eiferte er gegen die Gleich- eiltigkeit der Landbewohner, welche totes Vieh einfach auf die Dorfstrasse warfen und dort verwesen liessen, statt es einzugraben. In einem Briefe an den bekannten Hofrath und Leibarzt Dr. Baldinger in Kassel, der in mehreren Zeitschriften veröffent- licht wurde, machte Ehrhart Mitteilung von seinen Bemühungen und schlug gleichzeitig die Enrichtung eines Collegii medici im Churfürstenthum vor, welches die Bekämpfung dieser gesundheits- schädlichen und ekelhaften Unsitten in die Hand nehmen sollte. In den Pharmacognostischen Anzeigen weist Ehrhart auf die Verfälschung vieler Drogen hin, welche in jenen Zeiten noch häufiger vorkamen als jetzt. Hauptsächlich deshalb, weil ein grosser Teil der damals gebräuchlichen Vegetabilien von Kräuterweibern gesammelt und zum Weitervertriebe an die Materialwaarenhändler verkauft wurde, deren Blick durch keiner- lei Sachkenntniss getrübt war. Ehrhart machte ferner auf die Gefährlichkeit der üblichen Verarbeitung der Extrakte in kupfernen Gefässen aufmerksam, welche zur Folge hatte, dass nicht selten giftige Verbindungen dieses Metalles darin nachweisbar waren. Die eifrigen Bestrebungen des Gelehrten die teueren aus- ländischen Drogen — besonders die Nahrungs- und Genussmittel — durch gleichwertige einheimische zu ersetzen, sind noch heute vorbildlich. So wünschte er auch den chinesischen Thee zu verdrängen und machte Versuche mit zahlreichen Pflanzen. Als besonders geeignet bezeichnete er die Blätter von Liqui- damber Styraciflua L., Prunus Mahaleb, Hypericum prolificum und von Vaccinium Vitis idaea. Ehrhart verhehlte dabei nicht, dass ein völliger Ersatz nicht zu finden sei, er jedoch in seinem Haushalte nichts anderes als die genannten Blätter verwende und sich sehr wohl dabei befände. Dem Stande, aus welchem er hervorgegangen, widmete er sein Lebelang eine dankbare Erinnerung. Zeugniss davon legen die mit grossem Fleisse und gründlicher Sachkenntniss im September 1791 von ihm veröffentlichten Verzeichnisse der in den europäi- schen Apotheken befindlichen Pflanzen, Tiere und Mineralien ab. 112 Auch machte Ehrhart seinen Einfluss geltend für eine Erhöhung der Vorbildungsansprüche beim Eintritt in den Stand und für eine Verschärfung der Examina. Er sprach sich ent- schieden gegen die damals übliche Verleihung von Apotheken- privilegien gegen ein hohes Entgelt und für zollfreie Einführung derjenigen Drogen und Chemikalien aus, welche zum Arznei- gebrauche dienten und vom Auslande bezogen werden mussten. Er wünschte, dass dieselben ausschliesslich in den Apotheken abgegeben werden dürften und zwar gegen eine festzusetzende Taxe, welche nicht überschritten werden dürfte. Ehrhart war der Ansicht, dass ein angesehener, hochgebildeter Apothekerstand im Interesse des Volkswohles erforderlich sei, da er die beste Gewähr für billige und gute Arzneimittel biete. In der That gingen in jener Zeit viele bedeutende Gelehrte aus dem Apothekerstande hervor. Die pharmaceutischen Labo- ratorien besonders waren lange Zeit die einzigen Stätten, in welchen die Experimentalchemie geübt wurde, und in denen die Entdeckungen gemacht wurden, welche die Chemie im Laufe der Zeit zu einer Specialwissenschaft von höchster Bedeutung erhoben. Ehrhart erlebte diese grossartige Entwickelung mit und unterhielt einen regen Briefwechsel mit dem berühmten Scheele in Kiöping und Bergmann in Upsala, sowie anderen be- deutenden Chemikern, welcher zum Teil in seinen Werken ab- gedruckt ist. Der Gelehrte hat sich um die Stadt und Provinz Hannover durch mehrere Entdeckungen einen Anspruch anf Dankbarkeit erworben, welcher hier besonders hervorgehoben werden muss. Gelegentlich einer Excursion entdeckte er im Sommer 1779 zwischen Linden, Davenstedt und Badenstedt die Salz- quellen — an denselben Stellen, an welchen sich jetzt die grossen Salzwerke befinden, die heute Hunderten von Arbeiter- familien das tägliche Brot geben. Kurze Zeit darauf, am 15. September desselben Jahres, fand der Forscher — wiederum bei einer botanischen Excursion — die Schwefelquellen des Limmerbrunnens. Erst nachdem er sich durch mehrere Unter- suchungen von dem Werth seiner Entdeckungen überzeugt hatte, machte er im hannoverschen Magazine Mitteilung davon. Schon 115 1782 konnte er berichten, dass die Schwefelquellen auf Befehl der Regierung eingefasst und zum bequemen Gebrauch eingerichtet seien. Infolge der Bemühungen tüchtiger Ärzte nahm das neue Bad bald zur Freude Ehrharts einen kräftigen Aufschwung. Im Jahre 1783 gab der Gelehrte ein von ihm zusammen- gestelltes Verzeichniss der Mineralquellen des Churfürstenthums Braunschweig-Lüneburg heraus, welchem 1784 eine Fortsetzung folgte. Bemerkenswert sind die Mittheilungen über Heiligersbrunn, wonach „besonders durch den Eifer des Magistrats der Altstadt Hannover, namentlich des Herrn Forstinspektor und Senator Meyer, die von Natur bereits schöne Quellgegend noch angnehmer gemacht wird, auch schon veranstaltet worden, dass man sich allhier baden kann, wovon allem Anscheine nach viel Gutes zu erwarten ist.“ Die Quelle wird des Eisengehalts wegen besonders empfohlen. So zeigte der unermüdliche Forscher für alle Zweige der Naturkunde Interesse und wirkte überall anregend und belehrend. Es war ein einfacher, überaus mässiger Mann, dessen höchste Freude darin bestand zu lernen und zu lehren und immer wieder Neues finden. Sein Freund und Landsmann Dr. Paul Usteri sagt in der von ihm verfassten Biographie von Ehrhart: „Einfach in seinen Gewohnheiten, rechtschaffen und loyal, erhielt und verdiente er hohe Achtung.“ Thunberg und Smith benannten zu seiner Ehrung Pflanzengattungen nach ihm. Ein Bild Ehrharts ist nicht vorhanden, bis auf den in seinen Werken befindlichen Schattenriss. Als er starb, wurde er auf dem Neustädter Kirchhofe begraben, doch bezeichnet kein Stein mehr die Grabstätte; auch das Häuschen im Berggarten, in welchem er wohnte, ist verschwunden. — Nirgends giebt ein Denkmal oder eine Tafel davon Kunde, dass in der schönen und sonst so dankbaren Stadt Hannover der berühmte Botaniker Ehrhart wohnte und wichtige Entdeckungen machte, welche der Stadt zu Gute kamen. Aber er hat sich durch seine Werke in den Herzeu der Menschen ein Denkmal gesetzt, welches unvergänglicher ist als Stein und Erz! 114 Verzeichnis der in Gesteinen der Provinz Hannover bislang aufgefundenen fossilen Radiolarien. Von Dr. D. Ruüst. Die ersten fossilen Radiolarien wurden von K. A. v. Zittel in Gesteinen der oberen Kreide aufgefunden und im 28. Bande der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft, 1876, erstes Heft, Seite 75 bis 86 beschrieben und auf Tafel II ab- gebildet. Sie wurden im Ätzrückstande, der bei der Unter- suchung von Schwämmen erhalten war, aufgefunden und stammten aus der Mucronatenkreide von Vordorf bei Braunschweig, dem oberen Kreide-Mergel von Lemförde und Haldem bei Osnabrück und der Quadratenkreide von Coesfeld. Im oberen Kreide-Mergel von Misburg und Ahlten bei Lehrte wurden dieselben Arten, sowie noch einige andere, die noch der Beschreibung harren, ebenfalls beobachtet. Einige wenige der beschriebenen Arten wurden dann noch in Koprolithen der Kreide von Oker bei Goslar nachgewiesen. Im Ganzen sind aus den Gesteinen der Kreide in Hannover nur 7 Arten bekannt. Eine erheblich grössere Anzahl von Arten lieferten dann die aus dem unteren Dogger und oberen Lias stammenden Jura- Koprolithen von Ilsede bei Peine, deren Radiolarien, insgesamt 66 Arten, vom Verfasser im 31. Bande der Palaeontographica unter dem Titel „Beiträge zur Kenntnis der fossilen Radiolarien aus Gesteinen des Jura“ beschrieben und abgebildet sind. Auf den Seiten 277 und 278 dieser Schrift ist genauer auf das Vorkommen, die Lagerung und Beschaffenheit dieser Koprolithen eingegangen. Die grösste Bereicherung der fossilen Radiolarien - Fauna der Provinz ergab dann die Untersuchung der palaeozoischen [0% {e) (Gesteine des Harzes, veröffentlicht im 38. Bande der Palaeonto- graphica unter dem Titel „Beiträge zur Kenntnis der fossilen Radiolarien aus Gesteinen der Trias und der palaeozoischen Schichten“. Es sind darin auf den Seiten 111 bis 113 die Radiolarien enthaltenden Gesteine aus dem Carbon des Harzes aufgeführt und kurz beschrieben. Aus diesen Gesteinen konnten 87 Arten beschrieben und abgebildet werden. Aus der nächst älteren Schicht dem Devon ergab die Untersuchung nur in einem Vorkommen, dem oberdevonischen Mangankiesel von Schaebenholz und Kuxloch bei Elbingerode im Harze gute Radiolarien. Es konnten aus diesem Gestein 26 Arten beschrieben und abge- bildet werden. Nähere Angaben über das Gestein finden sich loc. eit. Seite 113. In Kreide, Jura, Carbon und Devon wurden also in dem folgenden Verzeichnisse, nach dem Haeckel’schen Systeme ge- ordnet, im Ganzen 175 Arten aufgeführt. Davon kommen 10 Arten in mehr als einer Formation vor, 6 Arten in zwei Formationen, 3 Arten in drei Formationen und 1 Art in allen vier Formationen. I. Sublegio Sphaerellaria. II. Ordo Sphaeroidea. V. Familia Liosphaeridae. 15. Genus Cenosphaera. 1. Cenosphaera gregaria, Rüst. Im oberdevonischen Mangan- kiesel von Schaebenholz, im untercarbonischen Kiesel-Schiefer des Harzes und in den Jura-Koprolithen von Ilsede. Palaeontographica, Bd. 31, pag. 286, Taf. 26, Fig. 10. 2. CO. pachyderma, Rüst. Von-denselben 3 Fundorten. Palaeont., Bd. 31, pag. 286, Taf. 27,-.Fig. 2 u. 3. 3. CO. disseminata, R. Mangankiesel von Schaebenholz, Kiesel- schiefer vom Harze. Obere Kreide von Misburg. Palaeont., Bd. 31, pag. 286, Taf. 27, Fig. 4. 8*+ oO 1 3: 116 CO. earbonica, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 134, Taf. 6, Fig. 1. C. castanea, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 134, Taf. 6, Fig. 5. Ü. ingens, R. Carbon-Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 134, Taf. 6, Fig. 8. ©. polygona, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 285, Taf. 26, Fig. 3. C. marginata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 285, Taf, 26, Fig. 4. C. regularis, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 285, Taf. 26, Fig. C. inaequalis, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 285, Taf. 26, Fig. 6. ©. disporata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 286, Taf. 26, Fig. 9. Ü. angusteporata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 286, Taf. 27, Fig. 4. br! ©. radiata, v. Zittel. Mucronatenkreide von Vordorf bei Braunschweig, Kreidemergel von Misburg. Zeitschrift d. deutsch. geolog. Gesellschaft, Bd. 28, Taf. II, Bu: 16. Genus Stigmosphaera. Stigmosphaera Rothpletzü, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd.. 38, pag. 135, Taf. 6, Fig. 10, St. mira, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 135, Taf. 6, Fig. 11. St. suspecta, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 135, Taf. 6, Fig. 12. 19. Genus Carposphaera. Carposphaera distinguenda, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 290, Taf. 28, Fig. 9. C©. micropora, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 290, Taf. 28, Fig. 10. ©. vulgaris, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 290, Taf. 28, Fig. 11. C. eircumplicata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 290, Taf. 28, Fig. 12. 117 21. CO. affinis, R. Kropolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 290, Taf. 28, Fig. 13. 22. Ü pygmaea, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 135, Taf. 6, Fig. 13. 23. CO. jejuna, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 136, Taf. 7, Fig. 1. 24. C. infracrinita, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 136, Taf. 7, Fig. 3. 25. C. magna, R. Kieselschiefer vom Harze. Balaeont-, Bd’ 38, page. 136, Taf. 7, Fig. 2. 26. C. macractinia, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 136, Taf. 7, Fig. 4. 21. Genus Thecosphaera. 27. Thecosphaera unica, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 292, Taf. 29, Fig. 8. 28. Th. sicula, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 137, Taf. 7, Fig. 7. 22. Genus Rhodosphaera. 29. Rhodosphaera idonea, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd..38, pag. 13/7, Taf...7, Fig. 9. 30. Rh. devonıensis, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Balaeont,, Bd. 38, pag. 137, Taf. 7, Fig. 10. 31. Rh. erucifera, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont:, Bd. ’38/' pag.. 137, Taf? Pig."11; 23. Genus Cromyosphaera. 32. ÜOromyosphaera frequens, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 138, Taf. 8, Fig. 2. 33. CO. radiata, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 138, Taf. 8, Fig. 5. 34. CO. alternans, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 139, Taf. 8, Fig. 7. 35. (Ü. eminens, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 139, Taf. 8, Fig. 8. 24. Genus Caryosphaera. 36. Caryosphaera Groddeckiü, R. Mangankiesel von Schaeben- holz und Carbon-Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 139, Taf. 9, Fig. 1. So -] a 40. 41. 44. 46. 118 35. Genus Acrosphaera. Acrosphaera Glitzü, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 140, Taf. 9, Fig. 2. A. hercynica, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 140, Taf. 9, Fig. 3. Genus Sphaeropyle, Dreyer. Sphaeropyle multangularis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 141, Taf. 9, Fig. 7. VII. Familia Stylosphaerida. 45. Genus Xiphosphaera. Xiphosphaera globosa, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 288, Taf. 27, Fig. 16. X. macrostyla, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 141, Taf. 9, Fig. 10. 46. Genus Xiphostylus. Arphostylus attenuatus, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 288, Taf. 27, Fig. 17. X. ardea, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 142, Taf. 10, Fig. 1. Genus Stigmosphaerostylus, Rüst. Stigmosphaerostylus notabilis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 142, Taf. 10, Fig. 2. 48. Genus Stylosphaera. Stylosphaera acuta, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 142, Taf. 10, Fig. 3. 49. Genus Sphaerostylus. Sphaerostylus Zittelä, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont:, Bd. 31, pag. 291, Taf. 29, Fig. 1. VIII. Familia Staurosphaerida, 60. Genus Staurosphaera. Staurosphaera setispina, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 143, Taf. 10, Fig. 6. 48. 54. 55. 56. q 1 119 61. Genus Staurostylus. Staurostylus tenuispinus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 143, Taf. 11, Fig. 2. 65. Genus Staurolonche. Staurolonche coprolithica, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 291, Taf. 29, Fig. 4. St. spinigera, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 144, Taf. 11, Fig. 4. St. macracantha, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 144, Taf. 11, Fig. 5. 65. Genus Staurolonchidium. Staurolonchidium Coheni, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 144—45, Taf. 12, Fig. 2. 67. Genus Stauracontium. Stauracontium incompletum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 145, Taf. 12, Fig. 3. St. xiphophorum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 145, Taf. 12, Fig. 5. 71. Genus Staurodoras. Staurodoras Mojsisoviesi, Dunikowski. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 292, Taf. 29, Fig. 11. St. cingulum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 293, Taf. 29, Fig. 12. IX, Familia Cubosphaerida. 75. Genus Hexalonche. Hexalonche valida, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 146, Taf. 12, Fig. 6. H. palaeozoica, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 146, Taf. 12, Fig. 7. X. Familia Astrosphaerida. SS. Genus Acanthosphaera. Acanthosphaera entactinia, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 147, Taf. 13, Fig. 1. 60. 61. 64. 66. 68. 69. 120 S9. Genus Heliosphaera. Heliosphaera Kjrulfi, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 147, Taf. 14, Fig. 1. H, bardanum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 147, Taf. 13, Fig. 3. 94. Genus Haliomma. Haliomma asperum, R. Mangankiesel von Schaebenholz und Carbon-Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 148 und Bd. 34, pag. 194, Taf. 23, Fig. 1. H. stigmophorum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 148, Taf. 13, Fig. 4. 95. Genus Heliosoma. Heliosoma Mojsisovicst, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 148, Taf. 14, Fig. 4. 101. Genus Actinomma. > Actinomma schachbenholzianum, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 148—49, Taf. 14, Fig. 5. IV. Ordo Prunoidea. XI Familia Ellipsida. 122. Genus Cenellipsis. Cenellipsis perovalis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, page’ Ts Taf. 16, Fig.4. ©. cepaeformis, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 152, Taf. 16, Fig. 1. Ü. reticulosa, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 152, Taf. 16, Fig. 2. 124. Genus Ellipsidium. Ellipsidium aculeatum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 152—53, Taf. 16, Fig. 7. E. spinosum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 153, Taf. 17, Fig. 1. s0. 31. 121 125. Genus Ellipsoxiphus. Ellipsoxiphus procerus, R. Culmthonschiefer von Stuken- loch bei Lerbach und Lautenthal im Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 153, Taf. 16, Fig. 9. E. hystrix, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 153, Taf. 16,.Fig. 10. 128. Genus Lithomespilus. Lithomespilus bipolaris, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 154, Taf. 16, Fig. 12. L. Steinvorthi, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 154, Taf. 17, Fig. 2. XII. Familia Druppulida. 131. Genus Druppula. Druppula andreana, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd:,,38,5pag; 155,-Taf. 17;Eig. 5. D. endechinata, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 155, Taf. 17, Fig. 9. D. cerucifera, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 156, Taf. 17, Fig. 10. 1355. Genus Prunulum. Prunulum Murrayi, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 157, Taf. 18, Fig. 3. P. armeniacum, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 157, Taf. 18, Fig. 4. 137. Genus Lithatraetus. Lithatractus Mejeri, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 157, Taf. 18, Fig. 6. 1585. Genus Druppatractus. Druppatractus dietyococcus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 158, Taf. 18, Fig. 9. XIII. Familia Spongurida. 145. Genus Spongurus. Spongurus vartabilıs, R. Mangankiesel von Schaebenholz und untercarbonischer Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 158—59, Taf. 18, Fig. 10. 83. 89. 88. 89. I. 91. 94. 95. Sp. lacunosus, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 159, Taf. 18, Fig. 12. Sp. resistens, R. Koprolithen vom Harze. Palaeont., Bd. 31, pag. 300, Taf. 34, Fig. -] 147. Genus Spongoprunum. Spongoprunum holodietyosum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, -pag." 159, Taf. 19, Fig. 1. 148. Genus Spongodruppa. Spongodruppa triradiata, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 159, Taf. 19, Fig. 2. Sp. ornithopus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 160, Taf. 19, Fig. 3. V. Ordo Diseoidea. XVIIIl Familia Cenodiscida. 175. Genus Cenodiscus. Cenodiscus praemordialis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 161—62, Taf. 19, Fig. 8. C. nummularis, R. Mangankiesel von Schaebenholz und Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 162, Taf. 19, Fig. 9. C. intermedius, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 162, Taf. 19, Fig. 10. 176. Genus Zonodiscus. Zonodiscus macrozona, R. Kieselschiefer vom Harze. - I . Palaeont., Bd. 38, pag. 162, Taf. 19, Fig. 12. 177. Genus Stylodiseus. Stylodiscus dictyosus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 162—63, Taf. 20, Fig. 1. 178. Genus Theodisceus. Theodiscus brachyacanthus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 163, Taf. 20, Fig. 2. Th. convexus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 163, Taf. 20, Fig. 3. Th. planus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 163, Taf. 20, Fig. 5. 123 150. Genus Trochodiseus. 96. Trochodiscus proavus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 164, Taf. 21, Fig. 1. 97. Tr. convexus. R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 164, Taf. 21, Fig. 7. 98. Tr. recurvispinus, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 164, Taf. 21, Fig. 5. 99. Tr. Nicholsoni, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 164, Taf. 21, Fig. 3. 100. Tr. serrula, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 164-—65, Taf. 21, Fig. 2. 101. Tr. longispinus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 165, Taf. 21, Fig. 4. XIX. Familia Phacodiscida. 187. Genus Triactiseus. 102. Triactiscus ilsedensis, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 289, Taf. 28, Fig. 7. 193. Genus Heliodiscus. 103. Heliodiscus salurnalis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 165—66, Taf. 22, Fig. 1. XX. Familia Coccodiscida. 196. Genus Lithocyclia. 104. Lithocyelia squarrosa, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 293, Taf. 30, Fig. 2. 105. L. Ulrichüä, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 166, Taf. 22, Fig. 3. 106. L. macrococcus, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 166, Taf. 22, Fig. 4. XXI Familia Porodiscida. 212. Genus Archidiseus. 107. Archidiscus lens, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 166—67, Taf. 22, Fig. 5. 108. 112. 118. 124 214. Genus Porodiseus. Porodiseus communis, R. Mangankiesel von Schaeben- holz, Culm-Kieselschiefer vom Harze, Koprolithen von Ilsede und obere Kreide von Misburg. Palaeont., Bd. 31, pag. 294, Taf. 30, Fig. 7 u. 8. P. simplex, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 294, Taf. 30, Fig. 6. R- SR R. (früher Discospira aequalis, R.). In den Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 294, Taf. 31, Fig. 1. P. vetustus, R. (früher Discospira vetusta). In den Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31. pag. 295, Taf. 31, Fig. 4. Genus Atactodiseus. Atactodiscus liasieus, R. Kropolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 295, Taf. 31, Fig. 5—. 218. Genus Xiphodictya. Xiphodietya teretispina, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 295, Taf. 31, Fig. 10. X. acuta, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag: 295, Taf. 31, Fig. 11. X. Knoopü, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 296, Taf. 31, Fig. 12. X. pales, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 296, Taf. 31, Fig. 13. 220. Genus Staurodietya. Staurodictya Deneckei, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., :Bd.; 31, pag.. 296, Taf. 32, Fig. 1. 221. Genus Stylodietya, Zittel. Stylodietya Zittelii, R. Mangankiesel von Schaebenholz und untercarbon. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 168—69, Taf. 23, Fig. 6 u. 7. St. polaris, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 169, Taf. 25, Fig. 1. St. Haeckelüi, Zittel. Obere Kreide von Haldem und Misburg, Mucronatenkreide von Vordorf. Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. 28, pag. 85, Taf. II, Fig. 9. 124. 128. 129. 130. 131. 125 St. longispina, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd., 31,: pag. 296, Taf. 32, Fig. 2. St. Steinmanni, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31,'pag.! 296, Taf: 32, Fig. 3. St. latispina, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 296, Taf. 32, Fig. 4. Subfamilia Euchitonida. 225. Genus Amphibrachium. Amphibrachium diminutum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 296, Taf. 32, Fie. 5. 224. Genus Amphymenium. Amphymenium Krautü,R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38,, pag. 170, Taf. 24, Fig, 1. A. alienum, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 170, Taf. 24, Fig. 2. 228. Genus Rhopalastrum., Rhopalastrum carbonicum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 170—71, Taf. 24, Fig. 3. XXIII Familia Spongodiscida. 255. Genus Spongodiseus. Spongodiscus herzynicus, R. Mangankiesel von Schae- benholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 172, Taf. 25, Fig. 2. 256. Genus Spongotripus. Spongotripus concentricus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 173, Taf. 25, Fig. 4. 259. Genus Spongotrochus. Spongotrochus Malvinae, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 300, Taf. 34, Fig. 6. 262. Genus Rhopalodietyum. Ithopalodictyum astrictum, R. Mangankiesel von Schae- benholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 174, Taf. 25, Fig. 7. 126 VI. Ordo Lareoidea. XXIX. Familia Lithelida. 305. Genus Lithelius, 132. Lithelius diffieilis, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38,. pag. 175, Taf. 26, Fig. 1 u. 2. 309. Genus Spironium. 133. Spironium Haeckelü, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 175, Taf. 26, Eie. 3. XII. Ordo Stephoidea. XLVIII. Familia Stephanida. 405. Genus Zygoeireus. 134. Zygoeircus priseus, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 176, Taf. 10, Fig. 8. LI. Familia Tympanida. 434. Genus Dystympanium. 135. Dystympanium carbonieum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 177, Taf. 11, Fig. 9. 438. Genus Lithocubus. 136. Lithocubus spee.?, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 320, Taf. 42, Fig. 13. LVII. Familia Lithobotrida. 491. Genus Lithobotrys. 137. Lithobotrys dubia, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 301, Taf. 35, Fig. 1. XVI. Ordo Cyrtoidea. I. Subordo Monocyrtida. LIX. Familia Tripocalpida. 501. Genus Tripilidium. 138. Tripilidium armatum, R. Kropolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 303, Taf. 35, Fig. 17. 127 139. Tr. Fischeri, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 304, Taf. 35, Fig. 19. 140. Tr. dissociatum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 178, Taf. 26, Fig. 6. 502. Genus Tripodiseium. 141. Tripodiseium modestum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. -31, pag: 303, Taf. 35, Fig. 13. LX. Familia Phaenocalpida, 519. Genus Halicalyptra. 142. Halicalyptra inornata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 303, Taf. 35, Fig. 12. 523. Genus Phaenoscenium. 143. Phaenoscenium excentrium, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 179, Taf. 26, Fig. 8—-10. LXI. Familia Cyrtocalpida. 526. Genus Cornutella. 144. Cornutella limbata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 305, Taf. 36, Fig. 11. 529. Genus Cyrtocalpis. 145. Cyrtocalpis prima, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 180, Taf. 26, Fig. 14. 146. C. reticulosa, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 301, Taf. 35, Fig. 3. 147. (©. stenostoma, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 302, Taf. 35, Fig. 7. 148. (U rariporata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 302, Taf. 35, Fig. 8. 531. Genus Spongocyrtis. 149. Spongocyrtis ewrydietyum, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 181, Taf. 27, Fig. 4. LXIV. Familia Sethocyrtida. 575. Genus Sethocyrtis. 150. Sethoeyrlis excisa, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 182, Taf. 27, Fig. 4. 156. 158. 159. 580. Genus Dicolocapsa. Dicolocapsa gaultiana, R. Kreide-Koprolithen von Oker. Palaeont., Bd. 34, pag. 208, Taf. 27, Fig. 27 u. 28. LXV. Familia Podocyrtida. 587. Genus Theopodium. Theopodium micropus, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 309, Taf. 37, Fig. 15. LXVII. Familia Theocyrtida. 616. Genus Theosyringium. Theosyringium eurtum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 308, Taf. 37, Fig. 9. > Th. expansum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 308, Taf. 37, Fig. 10. Th. tripartitum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bdhi31;,paeI308 Taf. 37X.Eig. 11. 623. Genus Theocapsa. Theocapsa gratiosa, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 309, Taf. 37, Fig. 16. 624. Genus Tricolocapsa. Tricolocapsa grandaeva, R. Kieselschiefer vom Harze. Palaeont., Bd. 38, pag. 185, Taf. 28, Fig. 5. LXIX. Familia Phormocampida. 636. Genus Stichophormis. Stichophormis multicostata, Zittel. Oberere Kreide von Haldem und Misburg. Palaeont., Bd. 31,. pag. 317, Taf. 41, Fig. 1 u. 2 sowie Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. 28, pag. 81, Taf. IL, Fig. 2—4. LXX. Familia Lithocampida. 643. Genus Dietyomitra. Dictyomitra Ehrenbergi, Zittel. Obere Kreide von Vordorf. Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft, Bd. 28, pag.' 82; Taf: II,.Fig. 5. 160. 161. 162. 163. 164. 165. 166. 167; 168. 129 D. stabilis, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont‘, Bd..31, page.’ 311,*"Taf.38, Fig: 6. D. parva, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag:'311; Taf. .38; Fig. D. reclinata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag.. 311, Taf.. 38, Fig. 10. D. pervulgata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 314, Taf. 39, Fig. 6. D. pumilio, R. Mangankiesel von Schaebenholz. Palaeont., Bd. 38, pag. 187, Taf. 28, Fig. 10. —] 647. Genus Eueyrtidium. Eucyrtidium liasicum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 312, Taf. 38, Fig. 14. E. conoideum, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 316, Taf. 40, Fig. 10. E. bicorne, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 316, Taf. 40, Fig. 11. 650. Genus Lithocampe. Lithocampe eoarctata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 314, Taf. 39, Fig. 5. Genus Anthocorys. Anthocorys regularis, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 312, Taf. 38, Fig. 15. A. induta, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 312, Taf. 38, Fig. 16. A. divaricata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 312, Taf. 38, Fig. 17. 654. Genus Stichocapsa. Stichocapsa amazona, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 313, Taf. 38, Fig. 22. St. stenopora, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 313, Taf. 38, Fig. 23. St. devorata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 318, Taf. 41, Fig. 7 u. 8. St. bicacuminata, R. Koprolithen von Ilsede. Palaeont., Bd. 31, pag. 318, Taf. 41, Fig. 15. 130 Ueber die im Schlamme des Dümmersees in der Provinz Hannover aufgefundenen subfossilen Reste von Säugetieren. Von 6. Struckmann. Hierzu Tafel I bis IV. Schon vor längeren Jahren und zu wiederholten Malen habe ich die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Kreise auf die aus dem Schlamme des Dümmersees im Kreise Diepholz zu verschiedenen Zeiten zu Tage geförderten zahlreichen subfossilen teste von Säugetieren gelenkt.') Am bekanntesten in weiteren Kreisen sind die häufigen Funde von Hirschgeweihen insbe- sondere vom Edelhirsch und vom Rentier, von welchen im Laufe der Jahre manche Stücke in den Besitz von öffentlichen und Privatsammlungen gelangt, viele auch verschleppt sind. Indessen ist es mir gelungen, einen grossen Teil der Fundstücke in meiner eigenen Sammlung zu vereinigen. 1) ©. Struckmann, Über die Verbreitung des Rentiers in der Geeenwart und in älterer Zeit ete. Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. Bd. XXXII (Jahrgang 1880). S. 759 ff. Derselbe, Über die bisher in der Provinz Hannover aufgefundenen fossilen und subfossilen Reste quartärer Säugetiere. 33. u. 34. Jahres- ber. d. Naturh. Ges. zu Hannover (1884). 8. 21 ff., insbesondere 8. 33 (Separat-Abdr. S. 15). Derselbe, Nachträge und Ergänzungen zu vorstehendem Aufsatze. 40. u. 41. Jahresber. (1892) ders. Ges., insbesondere 8. 59. Derselbe, Eine Ansiedelung aus der norddeutschen Rentierzeit am Dimmer See. Correspondenzbl. d. deutschen Ges. für Anthropologie ete. Jahrgang 1887. 8. 13 ff. Derselbe, Nachträgliche Funde im Schlamme des Dümmer Sees. Archiv f. Anthropologie. Jahrg. 1888. 8. 174. 131 Weniger beachtet und von Liebhabern minder begehrt sind die übrigen Knochenreste, von welchen ich durch das liebens- würdige Enteegenkommen des Fischereipächters Herrn Wenzel in Hüde bei meinen wiederholten Besuchen an Ort und Stelle einen erheblichen Teil für meine Sammlung erwerben konnte. Es befinden sich darunter verschiedene Stücke, welche für die Geschichte der Verbreitung der Säugetiere im nordwestlichen Deutschland von grossem Interesse sind. Das seichte Becken des Dümmersees liest im Kreise Diep- holz zwischen den Flecken Lemförde und Diepholz in einer völlig ebenen Gegend etwa 34 Meter über dem Spiegel der Nordsee; sein westliches Ufer bildet die Grenze zwischen dem Grossherzogtum Oldenburg und der Provinz Hannover. Der See mit seinen grösstenteils sumpfigen Ufern bedeckt einen Flächen- raum von etwa 1875 Hektar und wird von ausgedehnten Moor- und Wiesenflächen umgeben. Nur bei dem Dorfe Hüde an der Ostseite und an der gegenüberliegenden Oldenburgischen Seite erheben sich einige flache Sandhügel in der Nähe des Ufers. Das nächste anstehende Gestein, ein sandiger, mässig fester Kalkstein der obersenonischen Kreide findet sich etwa 5 km südlich in der Hügelgruppe von Lemförde und Haldem an der Grenze des Regierungsbezirks Minden. Mitten durch den See in der Richtung von Süden nach Norden fliesst die Hunte, ein kleiner Fluss, welcher am Weser- gebirge bei Buer entspringt, von Oldenburg ab schiffbar wird und bei Elsfleth in die Weser mündet. Die Ufer des fischreichen Landsees sind jetzt völlig baum- los; derselbe wird von einem breiten Schilfrand umgürtet, in welchem zahlreiche Wasservögel nisten. Im Herbst und Winter wird die Wasserfläche, so lange sie eisfrei ist, von zahlreichen Schaaren verschiedener Enten, Wildgänsen und Schwänen besucht. Im übrigen ist die Gegend, abgesehen von dem Sumpf- und Wassergeflügel jetzt arm an Wild; Hochwild und Wildschweine kommen selbst in der weiteren Umgegend regelmässig jetzt nicht mehr vor. Die subfossilen Reste einer älteren Säugetierfauna finden sich über den ganzen Seeboden zerstreut und im Schlamme be- 9* 132 graben, nach Aussage der Fischer indessen am häufigsten in einigen Buchten des nördlichen Ufers. Sie werden dadurch zu Tage gefördert, dass sie sich gelegentlich beim Fischen in den Maschen der grossen Zugnetze verwickeln und dadurch beim Aufziehen in das Boot gelangen. Bei den grossen Hirsch- geweihen, welche mit ihren Zacken aus dem Schlamm hervor- ragen, kommt dieses naturgemäss am häufigsten vor, während die Netze über die kleinen Gegenstände leichter hinweggleiten. Da der Boden des Sees grösstenteils ein mooriger ist, so haben fast sämtliche Knochen und Geweihreste eine dunkel- braune, teilweise fast schwarze Farbe angenommen. In den Fällen, in welchen die Farbe eine lichtbraune ist, darf man an- nehmen, dass die Gegenstände noch nicht sehr lange im Wasser gelegen haben. An einzelnen Knochen findet sich ein dünner kalkiger Überzug von weisslicher Farbe; fast an allen Resten haften kleine Wassertiere. Der Erhaltungszustand ist im All- gemeinen ein guter; beim vorsichtigen Trocknen ist ein Zer- fallen nicht zu befürchten. Bisher habe ich folgende Reste mit Sicherheit nachweisen können: 1. Canis familiaris palustris Rütimeyer. Der Torfhund, Dieser älteste europäische Haushund ist zuerst von Rüti- meyer aus den ältesten Pfahlbauten der Schweiz als konstante Form erkannt und als Haushund des Steinalters oder Torfhund beschrieben worden.!) Seitdem sind die Reste desselben an den verschiedensten Orten nachgewiesen, z. B. von Jeitteles in dem Torfgrunde unter der Stadt Olmütz, von Naumann in den Pfahl- bauten des Starnberger Sees bei München, ferner aus dem Boden- see, aus dem Daber-See in Pommern. Wiepken erwähnt diese Hunderasse nach einem von Rütimeyer bestimmten Unterkiefer aus den in den Oldenburgischen Watten belegenen von Fr. von ‘) Rütimeyer, die Fauna der Pfahlbauten der Schweiz. Zürich 1861. S. 116-119 u. S. 162. 135 Alten beschriebenen sog. Kreisgruben auf dem „Hohen Wege“ bei Fedderwarder Siel.!) Von diesem vorhistorischen Hunde, den man als Stamm- vater unseres Wachtelhundes und unseres kleineren Jagdhundes ansieht, besitze ich aus dem Dümmer See 2 Schädel, von welchen der eine sehr gut erhalten ist und mit der von Rüti- meyer gegebenen Abbildung genau übereinstimmt. Beide Schädel haben offenbar schon lange Zeit im Wasser gelegen und sind mehr oder weniger von einer dünnen Kalkrinde überzogen. Diese Reste geben Zeugnis davon, dass der Mensch schon in sehr früher Zeit die Umgegend des Dümmersees bewohnt hat. 2. Canis familiaris L. Der gewöhnliche Haushund, Ein gut erhaltener Schädel gehört einem Hunde kleinerer Rasse an. Nach seiner hellbraunen Farbe zu urteilen, hat der- selbe noch nicht lange auf dem Boden des Sees gelegen und stammt wahrscheinlich aus neuerer Zeit. 3. Ursus arctos L. Brauner Bär. Obwohl der braune Bär noch in historischer Zeit in allen waldigen Gegenden des nördlichen Deutschlands ziemlich allge- mein verbreitet gewesen ist, so werden doch seine Reste in unseren jüngeren Ablagerungen recht selten gefunden. Es war mir daher sehr erfreulich, als ich bei meinem letzten Besuch des Dümmersees im Herbst 1896 auf der Fischereistation zwei Bärenzähne erwerben konnte, welche kürzlich beim Fischen aus dem Schlamme zu Tage gefördert waren und ganz unzweifelhaft dem Ursus arctos angehören. Der eine ist ein Eckzahn des linken Unterkiefers, der andere der letzte Backenzahn des rechten Oberkiefers; in der Grösse stimmen beide mit den Zähnen eines ausgewachsenen russischen Bären überein. Sie haben offenbar schon lange in dem moorigen Wasser gelegen '!) Friedrich von Alten, die Kreisgruben in den Watten der Nord- see. Bericht über die Thätigkeit des Oldenburger Landesvereins für Altertumskunde. III. Heft. Oldenburg 1881. S. 17. Taf. I, Fig. 16. Wiepken, die Säugetiere der Vorzeit im Herzogtum Oldenburg. Oldenburg 1883. 8. 8. 154 und haben eine tiefbraune Farbe angenommen. Wahrscheinlich ist der zugehörige Schädel durch den Huntefluss aus der süd- lichen waldigen Bergegegend in den See geschwemmt worden. Subfossile Reste des braunen Bären sind mir sonst in der Provinz Hannover nur aus den jüngeren (neolithischen) Ablage- rungen der Einhornhöhle am Harz bekannt geworden. gt 4. Lutra vulgaris Eırxl. Die Fischotter. Gleichzeitig mit den Zähnen des Ursus arctos konnte ich einen gut erhaltenen Schädel der Fischotter aus dem Dümmer- see erwerben, an dessen Ufern das gefrässige Raubtier wahr- {o) scheinlich noch jetzt lebt. 5. Castor Fiber l,.. Der Biber. Während ich im Jahre 1891 bereits einen linken Unter- kieferast eines jungen Bihers aus dem Dümmersee erhielt, konnte ich von meiner letzten Reise den Schädel eines ausgewachsenen Exemplars mitbringen. In alter Zeit scheint der Biber im nordwestlichen Deutschland sehr verbreitet gewesen zu sein. In der Provinz Hannover ist er indessen seit mindestens 100 Jahren völlig ausgerottet. Ich kenne seine Reste aus einer Sumpf- schicht in der Stadt Oldenburg (Flussgebiet der Hunte bezw. Weser), aus einem Torfmoore bei Vilsen, Kreis Hoya (Fluss- gebiet der Weser), aus einem Torfmoore bei Lübbow, Kreis Lüchow (Flussgebiet der Elbe) und aus der oberen Kulturschicht der Einhornhöhle am Harz. 6. Lepus timidus L. Der gemeine Hase. Bisher habe ich nur einen einzigen Schädel erhalten, der nach seiner hellen Farbe zu urteilen noch nicht lange auf dem Grunde des Sees gelegen hat. Von dem Schneehasen (L. variabilis) habe ich bislang noch keine Reste entdecken können. 7. Cervus Alces I... (Alces palmatus Gray), Das Elen oder der Elch, Tafel I. Fig. 1. Reste des Elchs sind bisher nur sehr vereinzelt vorge- kommen. Das Bruchstück einer Geweihstange befindet sich in 135 der Sammlung des Herrn Sanitätsrats Dr. Hartmann in Lintorf. Ausserdem habe ich bereits im Jahre 1884 an Ort und Stelle ein höchst merkwürdiges Schädelfragment erworben. Dasselbe ist allerdings schon früher von mir beschrieben worden; ) da ich aber jetzt in der Lage bin, eine nach einer Photographie hergestellte Abbildung beizufügen, so wiederhole ich die frühere Beschreibung und ergänze dieselbe in einigen Teilen. An dem Schädel ist das Hinterhauptsbein und das Stirnbein fast voll- ständig erhalten; letzteres trägt an der linken Seite noch ein 33 cm langes Ende der Geweihstange, von welcher jedoch der grösste Teil der Schaufel mit den sämtlichen Sprossen abge- brochen ist. Die rechte Geweihhälfte ist dagegen am Rosen- stock künstlich abgetrennt worden. Man kann deutlich wahrnehmen, dass die Geweihstange zunächst von 2 Seiten mittelst eines scharfen Instruments eingeschnitten und sodann abgebrochen ist (Punkt d der Abbildung); etwas unterhalb des Rosenstockes finden sich dann noch 2 sehr breite Einschnitte (bei Punkt ec). Endlich sind oben am Hinterhauptsbein noch 2 sehr tiefe und breite Einschnitte wahrnehmbar (bei den Punkten « und b), während sich unmittelbar daneben zwei tiefe Knochenwunden zeigen, welche durch ein spitzes Instrument verursacht sein müssen. Diese künstlichen Verletzungen sind nicht etwa erst in neuerer Zeit am Schädel geschehen, viel- mehr stammen dieselben ganz unzweifelhaft, wie deutlich aus der gleichmässig braunen Farbe der vorletzten Knochen wahr- zunehmen ist, bereits aus alter Zeit. Auch wird diese Annahme noch dadurch bestätigt, dass sich auf einigen der Schnittflächen kleine Wassertierchen (Larven) angesetzt haben, wie solche auf der ganzen Oberfläche des Schädels sichtbar sind. Nach der breiten Schnittfläche zu urteilen, dürften die Einschnitte mittelst eines scharfen Steinbeiles bewirkt sein. Ob die Ver- letzungen auf der Jagd dem lebenden Tiere oder dem toten Körper beigebracht sind, ist schwer zu entscheiden; die tiefen Hiebwunden sprechen für erstere Annahme, während die künst- liche Abtrennung der Geweihstange wahrscheinlich erst nach Erlegung des Wildes geschehen ist. ') Correspondenz-Bl. d. deutsch. anthropol. Ges. Jahre. 1887. S. 14. 136 Der Schädel stammt nach der Grösse zu urteilen von einem alten Hirsche. 8. Cervus (Rangifer) tarandus L. Das Rentier. Tafel I u MI tRısur 2°p1s 7). Wohl die interessanteste Erscheinung unter den zahl- reichen Säugetieren, welche der Dümmer See bisher geliefert hat, ist das häufige Vorkommen von Resten des Rentieres, insbesondere von Geweihstangen desselben. Zwar werden auch grössere Knochen der Extremitäten, Unterkieferhälften, Wirbelknochen etc. nicht selten an die Oberfläche befördert, von den Fischern aber vielfach als wertlos bei Seite geworfen, während sie die Geweihe, namentlich in neuerer Zeit sorgfältig aufbewahren, weil sich stets Liebhaber für dieselben finden. Eine Angabe über die Anzahl der im Laufe der Jahre auf- gefundenen Rengeweihe bezw. einzelnen Geweihstangen, vermag ich nicht zu machen, weil dieselben nicht allein in den Besitz verschiedener öffentlichen Sammlungen, sondern auch vielfach in den Besitz einzelner Liebhaber übergegangen sind. Ich bemerke nur, dass das Grossherzogliche Museum in Oldenburg und das Provinzial-Museum in Hannover verschiedene Exemplare aufbewahrt; auch soll Herr Sanitätsrat Dr. Hartmann in Lintorf einige besitzen; einige sehr schöne Geweihe befinden sich noch im Besitz des Fischereipächters Herrn Wenzel in Hüde. Meine eigene Sammlung enthält zunächst ein interessantes Schädelfragment, an welchem das Hinterhauptsbein vollständig und das Stirnbein zum grossen Teil und zwar mit der rechten (reweihstange erhalten ist, während die linke Stange an- scheinend künstlich abgetrennt ist, ähnlich wie dieses bei dem Elchschädel der Fall ist. Die vorhandene Stange ist unten rundlich, nach oben hin dagegen abgeplattet und an der Spitze offenbar schaufelförmig verbreitert gewesen; das obere Ende ist leider abgebrochen. Das vorhandene Fragment besitzt noch eine Länge von 25 cm (in der Krümmung gemessen 27 cm); es ist nur die Augensprosse ausgebildet, während Eissprosse und Hintersprosse überhaupt nicht vorhanden gewesen sind. Das gut erhaltene Hinterhauptsbein stimmt in allen Einzel- heiten mit dem Schädel eines ausgewachsenen, wahrscheinlich weiblichen gezähmten Rentieres überein, welches Herr Prof. Dr. A. Nehring in Berlin die Freundlichkeit hatte, mir nebst einigen anderen Schädeln aus der Sammlung der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule behufs Vergleichung mitzuteilen. Auch den subfossilen Schädel aus dem Dümmer See halte ich der Geweihbildung nach für einen weiblichen, der einem 2 bis 3jährigen Tiere angehört haben wird. Die Grössen- verhältnisse sind etwas geringer als bei dem erwähnten aus- gewachsenen weiblichen Schädel. Ausserdem besitze ich noch 12 einzelne, grösstenteils sehr gut erhaltene Geweihstangen, welche sowohl ganz jungen Tieren, als ausgewachsenen ‘starken Hirschen und weiblichen Rentieren angehört haben. Einzelne derselben werde ich noch näher beschreiben. Ganz vollständig erhaltene Geweihe sind bisher noch nicht gefunden; vielmehr sind die Schaufelenden fast regelmässig und meist auch einzelne Sprossen abgebrochen. Im Ganzen sind etwa 50 einzelne Geweihstangen meiner Beob- achtung zugänglich gewesen, von welchen ungefähr die Hälfte jungen, noch nicht ausgewachsenen Tieren angehört hat. Nach meinen Aufzeichnungen ist ferner die Hälfte aller Geweihe natürlich abgeworfen, während an den übrigen noch mehr oder weniger grosse Bruchstücke des Schädels haften, so dass sie von ge- fallenen oder getöteten Tieren herrühren müssen. In dieser Beziehung verhalten sich aber die Stangen von jungen und alten Tieren sehr verschieden; denn während von ersteren nur der vierte Teil natürlich abgeworfen ist, zeigen die ausgewachsenen Geweihe das umgekehrte Verhältnis; ®/, derselben sind natürlich ab- geworfen, während !/, von verendeten oder absichtlich getöteten Rentieren herrührt. Dass die Berührung mit den menschlichen Urbewohnern der Gegend in dieser Beziehung nicht ohne Ein- fluss geblieben ist, erscheint mir höchst wahrscheinlich; denn abgesehen von dem oben erwähnten Schädelfragment mit den Spuren menschlicher Eingriffe, zeigt auch eine sehr grosse Geweihstange, an welchem noch Fragmente des Schädels haften, deutliche Einschnitte, welche anscheinend durch ein ziemlich stumpfes Intrument verursacht worden sind. Die Grösse der in meinem Besitz befindlichen Geweih- stangen ist eine sehr verschiedene und wechselt von 19 cm (in der Krümmung gemessen 20 cm) bis 74 (in der Krümmung 90 cm) in der Länge, während der Stangenumfang über der Rose von 5 cm bei der kleinsten, bis 13,5 cm bei der grössten beträgt. Die Stangen sind am Grunde mehr oder weniger rundlich, nach oben dagegen abgeplattet ; doch zeigen die einzelnen Geweihe in dieser Beziehung eine grosse Verschiedenheit; überhaupt ist die Veränderlichkeit im Bau des Gehörns eine ausserordentlich grosse. Ich werde dieses an den beigegebenen photographischen Abbildungen näher erörtern. Tatel- 11.77 Riew2, Rechte Stange eines jungen Rentieres mit anhaftendem Schädelfragment. Länge von der Rose bis zum abgebrochenen schaufel- förmigen Ende direkt gemessen — 38 cm, in der Krümmung a As ern Kae Kae Se sr Umtang über der.Bose . >... »... .. 2... Stau Breite unmittelbar unter der Mittelsprosse . ... 27, Breite am abgebrochenen schaufelförmigen Ende . 3 „ Es ist nur eine Augen- und Mittelsprosse vorhanden, die Eissprosse fehlt. Tafel II. Fig. 3. Sehr grosse linke, abgeworfen gewesene (Geweihstange, wahrscheinlich von einem starken Renhirsche (Bullen). Das schaufelförmige Ende ist mehrfach verzweigt gewesen; indessen sind die Sprossen abgebrochen. Die Augensprosse ist verhältnissmässig schwach; die Eis- sprosse fehlt ganz; dagegen ist eine kleine Mittelsprosse (Hintersprosse) vorhanden. Stangenlänge, direkt gemessen, +. un rk nenn n in der Krümmung gemessen... . W „ Umfang anndekiBose®: 4.2 share ee Breitesiunter. der.JMittelsprosser is kn. es In ke: Ging Breite unter der schaufelförmigen Erbreiterung am oberen Erdesschensls | Ara ht 1,6% 139 Die Stange zeichnet sich durch einen rundlichen Um- fang aus. Tafel I. Fig. 4. Grosse, natürlich abgeworfene linke Geweihstange, wahr- scheinlich von einem starken Renhirsche. Augensprosse und Mittelsprosse (Hintersprosse) sind stark entwickelt gewesen; letztere war anscheinend schaufelförmig erbreitert, während das obere Ende nur wenig verzweigt gewesen zu sein scheint. Eine Eissprosse ist nicht vorhanden, die Augensprosse ist stark nach abwärts geneigt und war wahr- scheinlich schaufelförmig verbreitert. Länge von der Rose bis zum abgebrochenen oberen Enderdirekiegemessena,. "er. .3.. 202000 0,0% CM OS AET CLINTON I ne ae Te, BimtanosdergRosemz.. Kemmer ARD Breite unter der Mittelsprosse. . . . Eee ln O2m: Breite am abgebrochenen oberen schaufelförmig ERDEEILEHLENAENdER re REIN a RL; 7,4, Diese Geweihstange zeichnet sich durch starke Abplattung in der Mitte aus. Patellcile, .2B1ie.,5. Abgehbrochenes schaufelförmiges Ende einer starken Geweih- stange mit zackenförmigen kleineren Sprossen. Tatele IH smRig!06. Natürlich abgeworfene linke Geweihstange, welche wahr- scheinlich einer Renkuh angehört hat, mit langer, abwärts geneigter Augensprosse, stark entwickelter, wahrscheinlich schaufel- förmig erbreitert gewesene Eissprosse, unter welcher sich noch eine Nebensprosse gebildet hat. Weiter oben findet sich auch dienach rückwärts gerichtete Mittelsprosse (Hintersprosse), während der obere Teil des Geweihes sehr dünn und schlank ist und wahr- scheinlich eine schaufelförmige Erbreiterung ganz entbehrt hat. Länge der Stange direkt gemessen . . ......56 cm > T s in der Krümmung gemessen . . 63 Umfang an der sehr schön entwickelten Rose . . 10 Umfang zübersdieuMittesprossetz „un .n. Zur. am U, 140 Breite unmittelbar unter der Mittelsprosse . . . . 3,7cm Länge der völlig erhaltenen Augensprosse . . . ISoue Länge der Eissprosse, soweit erhalten ...... 203 „ Länge der völlig erhaltenen Nebensprosse .... 95 „ Länge der Mittelsprosse Wi Wa. Mein RO Se Länge der Stange von der Mittelsprosse bis zum ab- gebrochenen oberen Ende . : 29,978 Diese Stange zeichnet sich dadurch ganz besonders aus, dass sie bis zur Mittelsprosse abgeplattet, weiter oberhalb aber fast völlig rund ist. Das Auftreten einer Nebensprosse unter der Fissprosse dürfte als ein zufälliges Gebilde zu betrachten sein. Dr. Röhrig erklärt in seiner interessanten Schrift: „Die Geweihsammlung der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin. Neudamm 1896. Seite 17°, überhaupt das Auftreten einer über der Augensprosse entspringenden, bald kleineren, bald orösseren Sprosse als das Ergebnis eines in der: Nähe des Ursprungs der Augensprosse erfolgten überreichen Säftezuflusses, sodass Augensprosse und Eissprosse als durchaus verwandte Gebilde anzusehen sind, die häufig sogar in Wechselbeziehung stehen, sodass, wenn die Eissprosse gut entwickelt ist, die Augensprosse in der Entwicklung zurückgeblieben ist und um- gekehrt. Bei der vorstehend beschriebenen Stange trifft diese Annahme allerdings zu, indem die Augensprosse der kräftigen Eissprosse gegenüber nur schwach ausgebildet ist; als allgemeine Regel ist indessen diese Erscheinung nicht anzusehen, wie dieses bereits die Betrachtung der folgenden Geweihstange ergiebt. TatelAIll. 2. Biesa. Natürlich abgeworfene linke Geweihstange mittlerer Grösse, bei welcher es mir zweifelhaft ist, ob dieselbe einem männlichen oder weiblichen Ren angehört hat. Letzteren Fall halte ich allerdings für den wahrscheinlichsten. Die abwärts geneigte Augensprosse ist kräftig entwickelt und vorn schaufelförmig erbreitert; die Eissprosse ist ungewöhnlich lang, stark abge- plattet und läuft in eine zweispitzige Schaufel aus; indessen ist eine Spitze abgebrochen. Die Stange ist oberhalb der Hinter- sprosse rundlich, der untere Teil, insbesondere aber der mittlere Teil ist abgeplattet und an der Hinterseite mit einer ziemlich scharfen Kante versehen, welche zwischen Eissprosse und Hinter- sprosse besonders deutlich hervortritt. Der obere Teil der Stange ist abgebrochen und es fehlt an jedem Anzeichen, ob derselbe an der Spitze schaufelförmig ausgelaufen ist oder nicht. Länge der Stange direkt gemessen... ...... 52 cm Länge derselben in der Krümmung gemessen . . 54 „ Umfang der Stange unter der sehr schwach ent- mickeltenaBose. .soit ustysrkanr ses ee Umfang unmittelbar über der Mittelsprosse (Hinter- SPEOSSelasNAatn Er Diese. volatsehkftepe 10las Baneesder Augensprosse sl... zranamuıl. veis de 020 05 Länge der Eissprosse direkt gemessen. ..... 34 „ Länge derselben in der Krümmung . . .....96 „ Aus den vorstehenden Darlegungen geht die ausserordent- liche Veränderlichkeit der Rentiergeweihe hervor. Einmal ist in der Regel schon das Gehörn der Kuh schwächer und kürzer, als das des Hirsches; sodann aber findet sich bei beiden Ge- schlechtern eine grosse Neigung zur Bildung von Abnormitäten und zwar nach den Beobachtungen der Reisenden mehr bei den Tieren in gezähmtem Zustande als bei den wilden. Es ergiebt sich daraus, dass es fast unmöglich ist, aus den Geweihen allein sichere Schlüsse auf die verschiedenen Rassen des Rentiers zu ziehen. Von einzelnen Zoologen wird das in Amerika lebende Ren- tier unter dem Namen Tarandus Caribu von dem europäisch- asiatischen Ren (Cervus tarandus, Tarandus rangifer, Tarandus arcticus, Tarandus groenlandicus) als besondere Art abgetrennt, indem hervorgehoben wird, dass ersteres sich durch eine be- deutendere Körpergrösse, aber kleines Geweih, sowie durch eine dunklere Haarfarbe von letzterem unterscheidet. Auch wird angeführt, dass der Karibu einsamer und vorzugsweise nur in Wäldern lebt und nicht wandert, während das europäische Ren auch die waldlosen arktischen Regionen bewohnt. Endgültig wird sich diese Frage wohl nur durch eine genaue Vergleichung 142 der Skelette entscheiden lassen, indem Körpergrösse, Geweih- bildung und Haarfarbe auch bei derselben Art infolge der Lebensweise und klimatischer Einflüsse wechseln können. Th. von Heuglin ist geneigt, das spitzbergische Ren, welches kleiner als das norwegische und mit dem des Tschukt- schen — Landes das kleinste seiner Art ist, als eine besondere Form oder Rasse, aber nicht als eine besondere Art anzunehmen. !) Auch Nordenskiöld scheint, indem er die Verbreitung des wilden Rentiers bespricht, einen Art-Unterschied nicht zu machen. ”) Dames hat bei Besprechung der Rentierreste aus den Glacialablagerungen von Rixdorf bei Berlin?) zuerst darauf auf- merksam gemacht, dass es von besonderer Wichtigkeit sei, bei slacialen, postglacialen und prähistorischen Rentierfunden zu untersuchen, ob eine Trennung der Reste nach verschiedenen Arten möglich sei. Bei der Untersuchung der diluvialen Ren- tierfunde aus der Umgegend von Berlin ist derselbe zu dem Ergebnis gelangt, dass dieselben sämtlich, soweit die Erhaltung ein bestimmteres Urteil gestattet, der kleineren Art mit grossem Geweih (also dem Tarandus Caribu) auf das nächste verwandt sind. Wie ich bereits oben hervorgehoben habe, würde ich Be- denken tragen, aus den Geweihen allein eine bestimmte Ver- mutung in betreff der Art oder Rasse der Rentiere, welche früher in der Umgegend des Dümmersees gelebt haben, abzu- lücklicherweise werden aber die Geweihfunde einiger- leiten; g massen durch das oben beschriebene Schädelfragment ergänzt, welches wahrscheinlich einem 2 bis jährigen weiblichem Tiere der europäischen Rasse angehört hat. Auch spechen die sonstigen Umstände für die Annahme, dass das Ren vom Dümmer See unserer nordeuropäischen Rasse, dem Rangifer tarandus, zuzuteilen ist. Daneben lassen verschiedene Er- ı) Th. v. Heuglin, Reisen nach dem Nordpolarmeer in d. Jahren 1870 u. 1871. Braunschweig 1872. I. Teil. S. 193. 2) Nordenskiöld, die Umsegelung Asiens u. Europas auf der Vega. Leipzig 1882. I. Band. S. 115 ff. 3) Sitzungs-Berichte d. Ges. naturh. Freunde zu Berlin. Jahrgang 1834. 8. 49 ff. 145 wägungen es nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass dasselbe bereits mit dem Menschen zusammen in der Nähe der Fund- stelle gelebt und letzterem als Haustier (Heerdentier) gedient hat. Es ist anzunehmen, dass die meisten unserer alluvialen und prähistorischen Renntierfunde im nördlichen Deutschland derselben Rasse angehören. Die Geweihreste, welche Münter aus Pommern abbildet, stimmen gut mit den hiesigen überein. !) Auch das von Dr. Noack in Cöslin abgebildete sehr schöne Geweih aus einem Torfmoore in der Feldmark Barzwitz bei Rügenwalde dürfte unserer Art zugeteilt werden können. ?) Es ist zu wünschen, dass weitere Forschungen diesen Bericht ergänzen werden. 9. Cervus elaphus L. Der Edelhirsch. Reste des Edelhirsches, insbesondere Geweihstangen, finden sich etwa ebenso häufig als solche vom Ren und zwar von allen Altersklassen, indem ich Stangen vom Spiesshirsch bis zum Sechszehnender beobachtet habe. Grosse vollständige Geweihe sind allerdings sehr selten; an den meisten ist ein Teil der Sprossen abgebrochen. An vielen Geweihstangen und zwar vorzugsweise bei solchen von jüngeren und mittleren Hirschen haften noch Fragmente des Schädels, sie stammen daher von verendeten oder von gewaltsam, sei es nun von Raubtieren oder auf der Jagd getöteten Tieren. Letztere Annahme ist um so berechtigter, weil an einzelnen Stangen die Spuren menschlicher Eingriffe wahrnehmbar sind. Die Mehrzahl der ganz grossen Geweihe ist dagegen natürlich abgeworfen. Vor längeren Jahren ist auch der vollständig erhaltene Schädel eines weiblichen Hirsches gefunden worden; Unterkiefer- ') I. Münter, über subfossile Wirbeltierfragmente von teils aus- gerotteten, teils ausgestorbenen Tieren Pommerns. Mitt. a. d. natur- wissensch. Vereine v. Neu-Vorpommern u. Rügen. IV. 1872. Taf. 2. Fig. 15 bis 22. ?) Dr. Noack, über Elen- und Rentiergeweihe aus Hinterpommern. Verhandlungen d. Berliner Ges. f. Anthropologie, Ethnologie u. Ur- geschichte. Berlin. 1872. Sitzungsbericht v. 15. Juni 1872. 8.7. 144 hälften und Knochen der Extremitäten werden häufig zu Tage gefördert. Besondere Abnormitäten an den Geweihen sind von mir nicht bemerkt worden. 10. Cervus capreolus L. Das Reh. Tafel IV. Fig. 8 bis 10. Reste vom Reh kommen nicht so häufig vor als solche vom Edelhirsch und Ren, sind indessen nicht gerade selten; ich habe bei meinen verschiedenen Besuchen am Dümmer See die Gehörne von 24 bis 30 Rehböcken, auch einzelne weibliche Schädel beobachten können und einen Teil derselben für meine Sammlung erworben. In den meisten Fällen werden nur einzelne Stangen mit daran haftenden Resten des Schädels gefunden; vollständige Schädel mit beiden Gehörnstangen sind erheblich seltener. Auffallend ist es, dass soweit mir bekannt ist, bisher kein einziges natürlich abgeworfenes Gehörn gefunden ist. Auf dem Boden des See’s müssen daher grösstenteils die Cadaver von verendeten Rehen oder die Reste von solchen Tieren ab- gelagert sein, welche von wilden Tieren zerrissen oder auf der Jagd von Menschen erlegt worden sind. Unter den Gehörnen haben sich mehrfach solche mit auffallend stark entwickelten Seitensprossen gefunden; die auf Tafel IV Fig. 8 u. 10 abgebildeten Stangen habe ich früher dem jetzt verstorbenen Professor Dr. Rütimeyer in Basel zur Ansicht mitgeteilt; derselbe sprach sich indessen dahin aus, dass auch diese von der Normalform abweichenden Gehörne dem gewöhnlichen Reh angehören. 5 Tafel IV. Fig. 8. Abnorm entwickelte Stange eines Gabelbocks, die Seiten- sprosse ungewöhnlich lang; die nach hinten gebogene Haupt- stange ist oben abgeplattet und schaufelförmig erbreitert. Die Länge der ganzen Stange vom Rosenstock bis zur Spitze beträgt 15,2 cm, diejenige der Seitensprosse 7 cm. Tafel IV. 2 Rie. ID: Gehörnstange eines Sechsers mit ungewöhnlich stark entwickelter unterer Nebensprosse. Länge der ganzensStange EN SU. ma nl. 24 cm Länge ‚der unteren. Nebensprosse. . . .....12...2...8, Umtames destRoasenstockss 2 MER aa en LO DatelsIN nie; 9, Stange eines Sechsers, welche mit besonders schönen krausen Perlen bedeckt, sehr schlank, aber mit ungewöhnlich kleinen Nebensprossen versehen ist. Derartige Gehörne habe ich häufiger in den östlichen preussischen Provinzen beobachtet. Länge der ganzen Stange . ...... Re, em Baneer derzunteren) Nebensprosser 1). ea a #2 72,0, Bansesdersoberen /Nebensprosse).. 3.55 se la... .r , Bun, Umfange-des-Rosenstocks u... m. ra an 2 0A, 11. Bos primigenius Boj. Der Ur. Vor etwa 20 Jahren ist ein gut erhaltener Schädel dieser Art beim Fischen zu Tage gefördert und im Jahre 1878 auf der Provinzialgewerbeausstellung in Hannover mit einer grösseren Anzahl subfossiler Hirschgeweihe zur Schau gestellt worden. Auf dem Rücktransport soll derselbe infolge mangelhafter Verpackung sehr stark gelitten haben; über den späteren Verbleib habe ich nichts in Erfahrung bringen können; ich habe mich damals vergeblich um den Erwerb bemüht. Später habe ich an Ort und Stelle zwei Unterkieferhälften von einem jüngeren und einem älteren Tiere erhalten, welche wahrscheinlich dem Ur angehören. 12. Bos brachyceros Rütimeyer. Die Torfkuh. Von diesem kleinen Rinde, dessen Reste sich nicht selten in unseren Torfmooren und älteren vorhistorischen Ansiedelungen finden, von mir z. B. in der neolithischen Kulturschicht der Einhornhöhle bei Scharzfeld am Harz nachgewiesen wurden, habe ich im Herbst 1896 bei meinem Besuch der Fischerei- station am Dümmer See einen in seinem Vorderteile mit dem Hornzapfen wohl erhaltenen Schädel erwerben können. Die Torfkuh war jedenfalls eines der ältesten Haustiere unserer Gegend. 10 146 13. Equus caballus L. Das Pferd. Vom Pferde sind mehrfach Knochenreste im Dümmer See gefunden, vor nicht langer Zeit auch ein sehr gut erhaltener Schädel einer mittelgrossen Rasse, welcher von dem Fischerei- pächter aufbewahrt wird. Ob diese Reste dem früher in nördlichen Deutschland heimischen Wildpferde oder dem Haus- pferde angehört haben, vermag ich nicht zu entscheiden. 14. Sus scrofa ferus L. Das Wildschwein. Reste des Wildschweines kommen sehr häufig vor und zwar vorzugsweise von jüngeren Tieren; jedoch sind auch wiederholt solche von alten Ebern gefunden worden. Ich selbst besitze in meiner Sammlung ausser einer grösseren Anzahl von Unterkiefern einen fast vollständig erhaltenen Schädel eines starken Schweines. Neben diesen tierischen Resten werden im Schlamme des See’s auch Artefakte und sonstige Zeugen von der Anwesenheit des Menschen zu verschiedenen Zeitperioden aufbewahrt und gelegentlich zu Tage gefördert. So besitze ich einen menschlichen Unterkiefer von tief dunkelbrauner Farbe, der jedenfalls bereits lange Jahre auf dem Boden des See’s geruht hat, sonstige auffallende Er- scheiniı:ngen aber nicht bietet. Im Sommer 18857 wurde ein kleines Thongefäss von der Form eines s. g. Thränenkruges auf dem Seeboden gefunden, welches ich im Archiv für Anthropologie, Jahrgang 1888, Seite 179 beschrieben und auf Tafel V, Fig. 3 abgebildet habe. Dasselbe lässt allerdings keine genaue Zeitbestimmung zu, dürfte indessen noch dem heidnischen Zeitalter angehören. Ferner ist vor etwa 12 bis 13 Jahren beim Fischen mit Netzen ein aus einem ausgehöhlten Baumstamme hergerichtetes Boot, ein sog. Einbaum zu Tage gefördert. Die Farbe des Holzes ist eine tiefschwarze gewesen; beim Trocknen am Ufer ist es zerfallen und die Reste sind später verbrannt worden. Im Jahre 1856 habe ich mich vergeblich bemüht, noch einige Spuren des interessanten Fundes am Ufer zu entdecken. a2 225 147 Zu wiederholten Malen sind auch zugespitzte und unten angebrannte eichene Pfähle vom Boden des See’s heraufgeholt. Im Jahre 1887 habe ich selbst einen derartig zugerichteten, 2,5 m langen Eichenpfahl gesehen, der eine tiefschwarze Farbe besass und einige Tage vor meiner Anwesenheit beim Fischen in der Nähe des nördlichen Ufers gefunden war. Wird nun ferner in Betracht gezogen, dass an dem Schädel des Elchhirsches und an einzelnen Rentierstangen unverkennbare Spuren von in alter Zeit geschehenen menschlichen Eingriffen beziehungsweise künstlicher Bearbeitung wahrnehmbar sind, so liegt der Schluss nahe, dass die Ufer des Dümmer See’s bereits in sehr früher Zeit besiedelt oder wenigstens zeit weise von Menschen besucht worden sind. Es erscheint sogar nicht unwahrscheinlich, dass der Mensch bereits gleichzeitig mit dem Rentier die Gegend bewohnt hat. Ob an den Ufern des Dümmer See’s bereits sog. Pfahlbauansiedelungen bestanden haben, ist bisher mit Sicher- heit nicht erwiesen; verschiedene Fundgegenstände deuten aber darauf hin. Schliesslich will ich noch erwähnen, dass im Schlamme des See’s auch mancherlei Gegenstände aus neuerer und neuester Zeit gefunden sind, z. B. die eisernen Spitzen von mittel- alterlichen Jagdspiessen, Messer etc. Werfen wir nochmals einen Rückblick auf die bislang im Dümmer See gefundenen tierischen Reste, so ist anzunehmen, dass der Torfhund und die Torfkuh als Haustiere im Dienste der menschlichen Bewohner gestanden haben. Vielleicht hat auch das Rentier bereits im gezähmten Zustande gelebt. Bei der grossen Anhäufung von Knochen und Geweihen ist kaum anzunehmen, dass sämtliche Cadaver durch den kleinen Huntefluss in den See hineingeschwemmt worden sind; vielmehr halte ich die Annahme für berechtigt, dass ein grosser Teil der Reste von Tieren herstammt, welche von den alten Be- wohnern auf der Jagd erlegt oder geschlachtet worden sind. Dem Rentiere bot die Umgegend des Dümmer See’s eine durchaus geeignete Heimat; derselbe liegt an der Süderenze des norddeutschen Flachlandes; nach Norden erstreckt sich die weite an Sümpfen und Mooren, sowie an ausgedehnten 10 * 148 Heideflächen reiche Ebene, während das südlich belegene waldige Hügel- und Bergland dem Wilde oder den Heerden im Winter Schutz gewähren konnte. Wann das Renntier aus unseren Gegenden nach Norden. ausgewandert ist, konnte bisher nicht festgestellt werden; jedoch ist es wahrscheinlich, dass dasselbe noch zur Zeit Caesars im nördlichen Deutschland vorgekommen ist. !) Nach Lubbock?) hat das Ren im nördlichen Schottland sogar bis zum 12. Jahrhundert gelebt. Auch dem Elen bot die Umgebung des See’s passende Standorte; denn im Norden fand es ausgedehnte Sümpfe und im Süden ein waldreiches Gebiet. Wahrscheinlich ist dieses grosse Wild in unseren Gegenden bereits im frühen Mittelalter ausgerottet. Die Lebensgewohnheiten des Edelhirsches, des Reh’s und des Wildschweines bedingen das Vorhandensein von Wäldern bezw. ein von Wiesen und offenen Plätzen unter- brochenes waldiges Gebiet. Wenn auch die unmittelbare Umgebung des See’s dieser Bedingung jetzt nicht entspricht und wahrscheinlich auch in früheren Jahrhunderten nicht entsprochen haben wird, so liegt doch das waldige Bergland, in welchem der Huntefluss entspringt, nicht fern. Das Reh findet sich noch jetzt in der Nähe nicht selten, während Edel- hirsch und Wildschwein der fortgeschrittenen landwirtschaftlichen Kultur haben weichen müssen. Auch der Ur und der braune Bär, welche längst aus dem nördlichen Deutschland verschwunden sind, waren Bewohner des Waldes; der erstere gehört zu den gänzlich erloschenen Tieren und ist in Deutschland schon seit 600 bis 700 Jahren ausgestorben, während der Bär bei uns noch vor 250 bis 300 Jahren ein ziemlich häufiger Gast war. '!) ©. Struckmann, Veränderungen in der geographischen Ver- breitung der höheren wildlebenden Tiere im mittleren Europa seit der älteren Quartärzeit. Zeitschr. für wissensch. Geographie. Bd. III (1882). S. 133 bis 138 u. S. 173 bis 183. 2) Lubbock, die vorgeschichtliche Zeit. Deutsche Ausgabe. Bd. II. 8. 14 ff. vr BEPBBFEN iu. His zn En nn ah. ee ee 149 Der Biber, früherein häufiger Bewohner an den Ufern unserer Flüsse und Landseen ist erst in neuerer Zeit im nörd- lichen Deutschland ausgerottet worden. Der Hase und die Fischotter sind noch jetzt sehr allgemein bei uns verbreitet. Die Ablagerung dieser mannigfaltigen Reste grösserer Säugetiere, von welchen einige Arten seit vielen Jahrhunderten entweder ganz ausgestorben oder aus unserer Gegend ver- schwunden sind, auf «em Boden des Dümmer See’s muss sich selbstverständlich während eines sehr langen Zeitraums vollzogen haben; indessen stehen der Annahme, dass die meisten Arten in alter Zeit in der Umgegend des Landsee’s neben einander und gleichzeitig gelebt haben, keine zwingenden Gründe entgegen, weil die günstige Lage an der Grenze des Flachlandes und des waldigen Hügellandes den verschiedenen Tierarten die geeigneten Lebensbedingungen bot. Jedenfalls ist der Dümmer See als einer der wichtigsten Fundorte für Reste unserer ehemaligen reichen Säugetierfauna anzusehen. — 150 Ein Beitrag zur Bildungsgeschichte des Harzgebirges. Von Otto Lang. Mit 2 Profilskizzen. Die Faltungen, Windungen und Knickungen von Kiesel- schiefer und diesem verwandten Gesteinen, nämlich den natrium- reichen Adinolen, den Wetzschiefern und Thonschiefern, verdienen die ihnen geschenkte Beachtung sicherlich in vollem Masse, nicht allein der Tektonik und der Frage nach den Verhältnissen der gebirgsumlagernden Energieen wegen, sondern auch vom allein petrographischen, das Gesteinsmaterial in's Auge fassenden Standpunkte aus, weil wir da an sehr festem und ungemein sprödem Stoffe ungewöhnliche Formbarkeit erweisende Gestaltungen finden. Desshalb ist denn von jeher auf die Stellen, an denen solche Schichtenfaltungen auf grössere Erstreckung hin auf- geschlossen und der Untersuchung im Tageslichte zugänglich wurden, besonders aufmerksam gemacht worden und haben, da Tagesaufschlüsse selten Aussicht auf längere Erhaltung geniessen, die Geologen nie versäumt, deren Verhältnisse wenigstens in Profilskizzen festzuhalten. Diesem löblichen Brauche sind auch viele Erforscher unsers Harzgebirges gefolst, wovon schon ein Blick in Hausmann’s „Harzgebirge“ (Göttingen, 1842) überzeugen wird, und zwar trotzdem, dass die Profile aus dem Harze nicht, wie z. B. diejenigen aus dem Christiania-Silurbecken, an Interesse noch dadurch gewinnen, dass verschiedenartige, den Schichtmassen eingeschaltete Erup- tivgesteinskörper auch die Frage nach dem Kausalnexus der (iesteinsverbände sowohl als auch der Gesteinsformen anregen; 151 der Reiz, der in dieser Hinsicht den Harzprofilen abgeht, wird für den Forschungseifer eben durch die Qualität der gefalteten, spröden Schichtgesteine ersetzt. So darf man es denn auch freudig begrüssen, dass von einem solchen Aufschlusse, der im Laufe der letzten Jahrzehnte schon Einbussen erlitten hatte, noch vor seiner zu gewärtigenden völligen Verschüttung photographische Aufnahmen gemacht worden sind, deren Autotypien auf Seite 500 u. 502—504 der Zeitschr. Deutsch. geol. Gesellsch. 1896, 48. Band ver- öffentlicht wurden; es ist dies derselbe Aufschluss, von dem ich aus angegebenem Grunde, in Ermanglung photographischer Ausrüstung wenigstens eine Skizze meiner Abhandlung über „die Bildung des Harzgebirges* (Virchow-Holtzendorff’s Samml., Hefte 236 u. 237, 1896) in Abb. 8 auf Taf. 2 beigegeben habe. Zu wünschen wäre aber sicherlich gewesen, dass der mit allen wissenschaftlichen Hilfsmitteln ausgerüstete Forscher, der den Aufschluss nun photographisch festgehalten hat, sein Interesse auch durch eine eingehendere Bearbeitung des dar- gestellten Materials bethätigt hätte. Gesteine von so bedeutender Festigkeit und Sprödigkeit, wie es die Kieselschiefer sind, haben für die Frage der „bruchlosen Biegung oder des Pelomor- phismus* zweifellos die grösste Wichtigkeit. Es genügt da nicht, einzig in Rücksicht auf genannten, von Baltzer und Heim dahin bestimmten Begriff, dass unter allseitigem, die Festigkeit übersteigendem Drucke die vollständigste Über- windung der innern Kohäsion und innern Reibung , mithin eine molekulare Umlagerung eintrete, nur zu prüfen, ob die Biegung in Wirklichkeit ohne jeden Bruch und ohne Zermalmung erfolgt sei, sondern es kommt vielmehr darauf an zu ermitteln, welches die wesentlichen Bedingungen derartig vollkommner Faltungen und Windungen sind. Die von den beiden genannten Geologen gegebene Begriffsbestimmung kann die wissenschaft- liche Forschung auf Abwege führen. Wenn man sich da nur begnügt, wahrscheinlich zu machen, dass Seitenschub auf starre Gesteinsschichten keinen „Pelomorphismus“ bewirke, wie dies Stapff (Neu. Jahrb. f. Min. 1879, 792) im Allgemeinen gethan, oder durch den Nachweis mikroskopischer Spältchen und 152 Bruchformen dessen Mitwirkung für den Einzelfall auszu- schliessen, so ist damit immerhin noch die Möglichkeit an- erkannt, dass solcher Pelomorphismus oder vielmehr die ihn bedingenden Umstände in manchen oder vielen, allerdings durchweg unbeweisbaren Fällen (denn wie sollte die einstige, aber vorübergegangene Herrschaft allseitigen, übergrossen Druckes bewiesen werden können?) die vollkommenste Faltung der Schichten bewirkt habe. In Anerkennung dieser Möglich- keit bliebe also nicht nur das Rätsel zu lösen, warum die den sefalteten Kieselschiefern unter Umständen vergesellschafteten, dickbankigen Gesteine, z. B. Grauwacken, trotz ihrer jenen gegenüber geringeren Festigkeit dem allseitigen Drucke, welcher jene überwandt, nicht viel eher und viel vollkommner nach- gaben, sondern auch noch dasjenige, warum bei der Über- windung der Kohäsion und bei der durchgehenden Molekular- lockerung noch die Anordnung in Schichten erhalten blieb und nicht vielmehr richtungsloses, massiges Gefüge hervorging. Besser dürfte also unter diesen Umständen sein, von jener Begriffsbestimmung zunächst ganz abzusehen und die Forschung ohne jene theoretische Rücksicht vorzunehmen. Mit dem von vornherein zu erwartenden Ergebnisse derselben, dass die Biegungen und Umformungen nicht ohne zahllose mikroskopische Risse erfolgt seien, ist es eben nicht abgethan; wahrscheinlich hat beim ganz allmählich fortschreitenden, ungeheuer lange dauernden Umformungsvorgange neben einer örtlich wechselnden, aber im Allgemeinen fortwährenden Zermalmung auch eine nebenhergehende Ausheilung stattgefunden. Es ist vielmehr zu ermitteln, einmal, welche Umstände eine „anscheinend bruchlose* Biegung begünstigen, sodass diese bei gewissen Gesteinen gewöhnlich, bei anderen dagegen unbekannt ist (also die „spezifische Bedingtheit“), und dann, warum bei solchem Vorgange die Individualität der Schichtkörper erhalten bleibt und keine Vermengung des gesamten Materials stattfindet. /u hierauf zielenden Untersuchungen, deren Ausführung die Umstände mir nicht gestatteten, dürfte sich das Material des erwähnten Aufschlusses*) besonders gut eignen, und würde *) Das zu solchem Zwecke von mir in jenem Aufschlusse gesammelte Material befindet sich jetzt im Grossherzogl. Museum in Darmstadt. es mich deshalb besonders gefreut haben, wenn ich ausser von der photographischen Aufnahme auch von der wissenschaftlichen Durcharbeitung des Gesteinsaufschlusses berichten könnte. Hierzu genügt aber eben die Musterung einzelner Dünnschliffe nicht, sondern bedarf es der Verfoleung der Erscheinungen über zahlreiche und sehr ausgedehnte Querschnittflächen. Oben dargelegte Gründe bestimmen mich nun auch, nach- stehende Protfilskizze nur vorübergehend (1592) aufgeschlossen gewesener Schichtenfaltungen zu veröffentlichen. Der Auf- schluss war ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Stadt Osterode, am „Hengstrücken“, beim Freiheiter Schützenplatze und dicht östlich von der Weekreuzung der alten Harzchaussee mit der in das Bremkethal hinabführenden Forststrasse. Er wurde durch die neue Wasserleitung veranlasst, deren Röhrengraben die alte Harzchaussee durchschneidet; die Umbiegungen dieses Grabens an beiden Enden in die Streichrichtung der Schichten bedingt die noch beträchtliche Seitenhöhe des Profils A, während in einer senkrecht zum Schichtenstreichen gelegt gedachten Verticalfläche sich die Verhältnisse so wie in Skizze B darstellen würden. Der Graben erreichte gegen 6 m Tiefe. Die Schichten weisen hier nicht so mannigfaltige Biegungen auf wie im ersterwähnten Aufschlusse; trotzdem verdienen auch ihre Faltungen Beachtung, denn diese zwischen 2 und 25 cm dicken Schichten bestehen hauptsächlich aus lebhaft gefärbten, zumeist roten, aber auch grünen und gelben oder buntgefleckten Adinolen, welche mit einigen Kieselschiefer- lagen sowie ganz untergeordneten Thonschiefern und Schiefer- thonen wechsellagern. Ihre Streichrichtung ist in hora 2 (NON. - SWS.). Ebenfalls spitzwinklig zur Streich- und Einfallrichtung wurden aufgelagerte massige Bänke von Kalkstein vom Röhren- graben geschnitten, die mit etwa 25° nach Nordwesten einfallen; dieselben bilden vermutlich, obwohl dies bisher nicht bekannt war und kein Aufschluss es verrät, den Untergrund des mit 10—15° Böschung zum Bremkethale fallenden Bergabhanges. Bietet nun auch, wie schon erwähnt, der Aufschluss nicht die Mannigfaltigkeit von Faltungs- und Windungsformen, die 154 dem ersterwähnten seine Bedeutung verleihen, so erscheint er mir dafür in andrer Beziehung von ganz besondrer Wichtigkeit, indem das schlichte Profil über einige Verhältnisse der Bildungs- geschichte des Harzgebirges unterrichtet. Wir finden hier die eng gefalteten Adinolschichten den Rücken eines Bergkammes, des „Hengstrücken“, bilden, der natürlich ihrer Streichrichtung entsprechend verläuft. Auf der nordwestlichen Flanke aber ist den Adinolen dickbankiger Kalkstein von unbekannter Mächtigkeit discordant aufgelagert. Der 1,10 m tiefe Röhrengraben hat denselben noch fast 300 m weit in dem Schichtenstreichen angenäherter Richtung (auf der ins Bremkethal hinabführenden Forststrasse bis nahe zu dem an ihr beleenen, verlassnen Adinol-Steinbruche) aufgeschlossen und auf dieser Strecke nirgends durchteuft. Die Masse der einzig beim Ausheben des etwa 0,5 m breiten Grabens ge- wonnenen nutzbaren Bruchsteine konnte ich, da diese zum Verkauf in Haufen gestellt waren, auf 120—140 cbm schätzen. Wenn man nun den noch in ungestörtem Schichtenverbande auf 300 m streichende Länge angetroffnen Kalksteinbänken naturgemäss auch eine entsprechende Erstreckung in der Einfall- richtung zugesteht, so ist dieses Vorkommen, das auf der von M. Koch 1893 veröffentlichten geognostischen Karte des Oberharzer Diabaszuges gar nicht vermerkt ist, demnach das ausgedehnteste Vorkommen von den Harzkerngebirgsschichten unmittelbar auflagerndem Kalkstein, das mir aus der nähern Umgebung Osterodes bekannt geworden ist. Der Gesteinsbeschaffenheit nach zu urteilen, und insbesondere wegen der Gliederung in gröbere Bänke von 20—40 cm Mächtigkeit, entspricht der Kalkstein dem sogenannten Dolomit. der mittleren Zechsteinstufe; er erinnert an ebenso dickgebankten Kalkstein, welcher auf der Höhe der jenseits des Sösethals belegenen Berge, so zumal auf dem „Leuchtenmacher Berge“ gebrochen wird. Ebensowenig wie dort, wo der Dolomitgehalt in die Klüfte auskleidenden Dolomitkrystallkrusten angesammelt zu sein pflegt, liegt am Hengstrücken wirklicher Dolomit vor, denn in verdünnte Essigsäure gelegte Splitter veranlassen leb- hafte Blasenentwicklung. Dem Dolomit und insbesondere dessen ee ee ka 155 Rauhwacke schliessen sich aber die dolomitischen Kalksteine durch ihr poröses und zelliges Gefüge an. Letzteres ändert jedoch örtlich in mannigfaltiger Weise ab und neben an kleinen und zuweilen auch grösseren Hohlräumen, welche von Eisen- ocker erfüllt sind oder einen dunklen Eisen- und Manganbelag der Wände zeigen, reichen Partieen finden sich auch ganz kompakte, helllederfarbene oder gelbe bis graue. An einem der eingehender untersuchten Stücke glich die Schichtfläche mit 0,5 - 1,0 mm dicken, einander ziemlich parallelen Kalkwülsten einer von kurzgeschnittenem, gekämmtem Haare besetzten Lederhaut. Diese Ungleichmässigkeit des Gefüges wird begreif- licherweise noch auffälliger bei der mikroskopischen Betrachtung. Die kompakten Gesteinsteile zeigen sich da aus ungleich grossen, 0,001—0,1 mm, in der Mehrzahl jedoch zwischen 0,01 und 0,002 mm Durchmesser besitzenden Körnchen aufgebaut, deren regellose Formen wegen stellenweise erkennbarer konkaver Begrenzungsflächen doch nicht „klastisch* d. h. durch Bruch und mechanischen Transport gegeben sein können. Vereinzelte farblose, aber lebhaft chromatisch polarisierende Körner und Bruchstücke von diejenige der Karbonatkörnchen meist etwas überragender Grösse sind dem Quarz zugerechnet worden. Von Versteinerungen war mit blossem Auge nichts auffindbar, unter dem Mikroskop erinnerte die konzentrische Anordnung verschieden grosser Körner, sowie die Verteilung des trübenden Belages der Körnerfugen oft an organische Gebilde, welche jedoch nur in Brocken (Fragmenten) am Gesteinsaufbau teilgenommen zu haben scheinen. Diese Kalksteinschichten befinden sich aber, wie schon bemerkt, jetzt in geneigter Lage, während sie doch in horizontaler gebildet sein müssen. Über das Niveau, in welchem sie entstanden sind, giebt die unterste Schicht Auskunft. Wie in der Profil- skizze angegeben, befindet sich nämlich zwischen Adinol- und Kalksteinschichten eine Schotterlage von geringer aber wechseln- der Mächtigkeit, die wesentlich aus Adinol-Bruchstücken besteht, in deren Zwischenräume sich thonige Masse drängt. Von diesem Adinolschotter finden sich nun auch Stücke in die ” r > s > > unterste Kalksteinschicht eingeschlossen und zwar in solcher 156 Weise, dass die Annahme einer nachträglichen Aufnahme derselben in den Kalkstein, etwa durch Anschluss der von Carbonat inkrustierten Bruchstücke an die Schichtunterfläche, vollständig ausgeschlossen erscheint: der die Fragmente von Adinol, sowie einzelne Quarzsplitter, verkittende Kalkstein stellt sich vielmehr als ein durch Aus- und Zusammenwachsen ursprünglich klastischer Kalkkörnchen verhärteter Kalkschlamm dar, der fast frei ist von den obenerwähnten, vermutlich organogenen Bröckchen, sonst aber in Ungleichmässigkeit und Regellosigkeit der Körnerformen alles Vorbeschriebene wiederholt, wobei jedoch die Körnergrösse im allgemeinen nur das Drittteil wie dort beträgt. Nirgends finden sich Überrindungen der Adinolbruchstücke oder Umwachsungskränze wie in oolithischen Gesteinen oder grobspäthige Natur des Kittes wie in Rauch- wacken, was man erwarten müsste, wenn etwa die Breccie erst secundär durch Carbonat verkittet worden wäre, nachdem die hangen- den Kalksteinschichten schon gebildet waren. Demnach ist der Kalk- stein an der aufgeschlossenen Kontaktstelle in unmiteltbarer Auf- lagerung auf dem Adinolschotter entstanden. Während aber seine Schichtenmasse an diesem Punkte, auf der Höhe des Hengstrückens, liegen und haften blieb, wurde ihr ersichtlich später in ihrer weiteren nordwestlichen Erstreckung die Unterlage entzogen und erhielt sie so, durch eine Abwärtsdrehung bei ruhendem Drehpunkte, das in das Bremkethal geneigte Schichtenfallen. Wenn man nun eine Antwort auf die Fragen suchen will, wodurch den Kalksteinschichten ihre Unterlage auf deren grösste Erstreckung hin entzogen wurde und von welcher Art und welchem Alter diese Unterlage gewesen ist, darf man den Um- stand nicht aus dem Auge lassen, dass trotz der Lagerungs- störung die Kalksteinschichten auf 300 m Erstreckung und bis zu 4 m aufgeschlossener Mächtigkeit ihren inneren Schichtenverband wohl erhalten zeigen. Diese wunderbare Erscheinung schliesst die Annahme jeder jäh und schnell wirkenden Ursache der Schichtenneigung aus; auch durch mechanische Erosion kann die Unterlage nicht entführt worden sein, denn bei solcher Untergrabung würde . die Kalksteindecke stückweise haben nachstürzen müssen. Not- wendiges Erforderniss ist demnach der ganz allmählich und zugleich auf grosse Erstreckung hin fort- schreitende Senkungs-, Drehungs- oder Neigungsvorgang der Kalksteinschichten. Ein derartig gelinder und gemässigter Vorgang lässt sich aber nur erwarten von dem langsamen Schwunde einer der Auflösung unterworfenen Unterlage oder von einer plastischen Masse, falls diese dem Drucke der belasten- den Decke seitlich (also entweder in Richtung der Thalmündung oder des offen gelegten Thalweges) auszuweichen vermag; noch zuverlässiger wirkt natürlicher Weise die Verknüpfung beider vorgenannten Bedingungen. Unter den bekannten Gesteinskörpern des Harzkerngebirges (zu denen die Adinole gehören) entspricht nun sicherlich kein einziger solcher Anforderung, und kann also die Unterlage der Kalksteinschichten unmöglich von ihnen geliefert worden sein; vielmehr sind wir zu der Annahme gezwungen, dass die Unterlage von Ablagerungen gebildet wurde, welche jünger als 5 oO das Harzkerngebirge waren. Demnach konnte der Raum des jetzigen Bremkethales, den diese gesuchten Ablagerungen aus- füllen, nicht von Kerngebirgsschichten eingenommen sein, sondern es musste sich dort schon damals ein, allerdings zunächst wohl noch grösstenteils submariner Thaleinschnitt in das Harzkern- gebirge befunden haben, auf welchen wichtigen Umstand weiter- hin zurückgekommen wird. Unter den Harzrandgebirgsschichten, welche jünger als die Harzkerngebirgesschichten sind, eine den Anforderungen entsprechende Unterlage für den dolomitischen Kalkstein zu finden, ist dagegen in anbetracht von dessen grosser Über- einstimmung mit dem dickbankigen dolomitischen Kalksteine des Leuchtenmacherberges nicht schwierig. Letzterer gehört zu den hangendsten Schichten der mittleren Zechsteinstufe, ist also jünger als deren Anhydrit- und Gipsstöcke (mit welchen gewisse schieferige Kalksteine des ‚„Kalkberges“ gleichalterig zu sein scheinen). Anhydrit erinnert nun an Salz, von welchem einst auch in der Osteroder Gegend Lager vorhanden gewesen sein können, auf welche mehrere noch etwas salzige Quellen sowie einige Erdfälle zurückzuführen gehen. Ein Salzlager 158 aber verlangt zu seinem Schutze gegen hinzugetretenes Meer- wasser, in welchem darnach die Kalksteinbildung stattfinden konnte, eine Decke von Salzthon oder überhaupt plastischem Thon. Die Annahme, dass das jetzt am Bergabhange hinabfallend liegende System von Kalksteinschichten ursprünglich eine Unterlage besessen habe, die bei etwa 40 m Mächtigkeit, auf Salz aufgelagert, hauptsächlich aus plastischem Thon mit oder ohne Salz bestanden habe, dürfte also nicht der Unwahr- scheinlichkeit oder Naturwidrigkeit geziehen werden können. Durch die Entstehung der nahen Randspalte des Harz- gebirges und des aus derselben wahrscheinlich hervorgegangenen Randthales Papenhöhe - Osterode-Badenhausen - Gittelde- Münche- hof-Seesen wurde diese Unterlage in ihrer weiteren Thalabwärts- erstreckung dem Wasser zugänglich und schwand allmählich, wobei die ins Thalinnere zurückgreifende Fortführung des Materiales vermuthlich noch durch jene Randspaltenbildung begleitende sowie dem Materialverluste folgende Entstehung von tissen begünstigt wurde. Alle diese Annahmen und Voraussetzungen, so befremdend es auch erscheinen mag, dass sie einzig auf Grund des Vor- handenseins einer jetzt den Kerngebiresschichten geneigt auf- gelagerten grossen Scholle von Kalksteinschichten gefordert werden, wird man bei näherer Erwägung als erforderliche und auch als wahrscheinliche anerkennen müssen. Diese Kalkstein- scholle unterrichtet uns mithin über bislang unbekannte Verhältnisse der Entwicklung des Harzgebirges. Ihre Bedeutung reicht aber noch weiter. Wie im Vorstehenden dargelegt, verlangt ihre Existenz die Annahme und das Zugeständnis, dass schon zur Bildungs- zeit der Kalksteinschichten und deren verschwundener, ursprüng- licher Unterlage ein Thaleinschnitt an Stelle des jetzigen Bremkethales in das Harzgebirge hineingereicht habe. Wie insbesondere die Übereinstimmung in der Richtung mit dem Schichtenstreichen der gefalteten Kerngebirgsschichten vermuten lässt, werden bei der Aufsattlung und Faltung der letzteren die Längsthäler gleich mit entstanden sein. Demnach haben wir uns vom Harzgebirge nicht vorzustellen, dass dasselbe, wie 159 hochverdiente Forscher wissen wollen, nach seiner Entstehung und bei seiner Erhebung über den Meeresspiegel unter der abradierenden Wirkung der Brandungswogen eine geebnete glatte Schildfläche erhielt, deren Randteile zur permischen Periode noch unter dem Wasser lagen; vielmehr haben wir Grund zur Annahme, dass die durch den Gebirgsbau veranlagten Thäler auch schon damals den Schild durchfurchten. Und weiter: von gewisser Seite wird behauptet, dass das Harzgebirge seit seiner Bildung nicht über dem Meeresspiegel erhaben geblieben sei, sondern während der ganzen mesozoischen Ara unter demselben gelegen habe. Natürlicherweise hätten sich auch die Gesteinsablagerungen der Trias-, Jura- und Kreideperiode über das Harzgebiet erstreckt, dieselben seien aber alle der späteren Abtragung erlegen.*) Dieser Behauptung, für welche, mir wenigstens, kein einziges positives Beweismittel bekannt ist, vermag man allerdings auch nur apagogische Beweispunkte entgegenzusetzen; von diesen ist der eine der, dass in den massigen Ablagerungen von dem Harzgebirge durch Flusswässer entführten Gesteinsstücken *) Auch der Verfasser der zuerst erwähnten Veröffentlichung in der Zeitschr. D. geol. Ges. vertritt diese Meinung, lässt die entstandenen mesozoischen Schichten denudiert werden und spricht von deren „den Harzkern jetzt noch umgebenden Faltenzügen“, die von Süd- osten nach Nordwesten verlaufen. Leider hat er diese seine, jedenfalls neue Entdeckung nicht näher begründet; mir wenigstens ist am ganzen Südwestrand kein einziger derartiger Faltenzug bekannt, vielmehr zeigt das Gebirge südlich von den auf die Nordwestecke des Harzes zu- laufenden Sattelzügen und über das ganze Eichsfeld hin ausgesprochenen Schollenbau; auch verflachen die südwestlich vom Gandersheimer, diesem parallel ziehenden Gebirgssättel bei ihrer Annäherung an den Harz und zwar in desto grösserer Entfernung schon von diesem, je südlicher sie beleeen sind; Sattel- und Muldenbildungen sind da nur ganz ver- einzelt und meist auf in Gräben versenkte Gebirgsschollen beschränkt. — Zu beachten ist aber ferner, dass die obereretacäischen Schichten des Ohmgebirges am südwestlichen Harzrande den triassischen Schichtmassen unmittelbar auflagern, Ablagerungen der ganzen Jura- und älteren Kreidezeit also an dieser Stelle fehlen, was sogar für diese Randgebirgs- stelle die Annahme eines Festlandszustandes während letzteenannter Perioden erfordert. („hereynischem Schotter“) bislang keine Fragmente mesozoischer (rebilde entdeckt worden sind, was bei einstigem Vorhandensein derselben im ganzen Harzgebiete doch rätselhaft wäre, der andere aber der, dass gleicherweise, wie sich von den Ab- lagerungen des Harzrandmeeres in der Rotliegenden- und Zech- steinperiode in der Nähe des Harzrandes noch dem Kerngebirge aufgelagerte Schollen erhalten finden, auch noch Reste mariner mesozoischer Gebilde im ganzen Harzkerngebirge anzutreffen sein müssten. Dieser Einwurf nun wird an Bedeutung gewiss ungemein gewinnen in Rücksicht auf die oben erkannte Thatsache, dass das Harzgebirge den mesozoischen Ablagerungen keine ebene Fläche geboten haben würde, von welcher dieselben leicht wieder ab- getragen werden konnten, sondern eine schon von Thalanlagen durchfurchte; dass auch aus letzeren die etwa vorhanden gewesenen mesozoischen Sedimente schon spurlos weggeführt sein sollten, während am Harzrande die Zechsteinschollen stellen- weise, wie z. B. bei dem ersterwähnten Aufschlusse der ab- radierten Felsfläche noch auflagern, erscheint doch wohl natur- widrig und unwahrscheinlich. 161 Über Hannoversche Erdölvorkommnisse. Von Otto Lang. Mit einer Lage- und 7 Profil - Skizzen. Nachdem vor mehreren Lustren von einem Miteliede unsrer Gesellschaft, das sich auch auf einem andern naturwissenschaft- lichen Gebiete grosse Verdienste erworben hat, die anerkannt zuverlässigste Zusammenstellung der geologischen Kenntnisse von den Erdölvorkommnissen Norddeutschlands veröffentlicht worden *), lag der Gedanke nahe, zur Jahrhundertfeier der Ver- einigung einen Nachtrag zu liefern, welcher die seither er- zielten Forschungsergebnisse enthalten sollte. Dies erschien zeit- gemäss in Anbetracht des Umstandes, dass nicht nur unsre Erdölproduktion nach einer etwa zehnjährigen Ermattungsperiode sich zu erholen anschickt und von Neuem gestiegen ist, sondern sich ihr auch das Interesse von industriellen Unternehmern wieder mehr zuzuwenden beginnt, wie die Erwerbungen von Ölgewinnungs- berechtigungen für ausgedehnte Landstriche bei Celle beweisen. Meine an die hannoverschen Erdölgewinner gerichtete Bitte, mich zu diesem Behufe mit Material zu versehen, ist aber nur von zweien derselben (unter 6) erfüllt worden. Für die Neu- bearbeitung der Verhältnisse von Ölheim, welche erst jüngst **) eine eingehende Darstellung erfahren haben, wäre es vor allem k ”") Nöldeke: Vorkommen und Ursprung des Petroleum. Celle und Leipzig. Aug. Schulze, 1883. *#) Von Alwin Freystedt in „Beiträge zur Geologie und Paläontologie des Herzogthums Braunschweig und der angrenzenden Landesteile*, herausgegeben im Auftr. des Herzogl. Staats-Ministeriums von Herzogl. Kammer, Direktion der Bergwerke. 1. Heft. Braun- schweig 1894. 11 162 darauf angekommen, Kenntniss der von Herrn Ölbohrwerks- besitzer Th. Arnemann erzielten und bisher geheim gehaltenen Aufschlüsse zu erhalten. Da dies auch mir nicht gelang *), muss ich mich bezüglich Ölheims auf die Wiedergabe nachstehen- der Mitteilungen beschränken. Übersicht über die Rohölproduktion der Bohrlöcher der Ver- einigten Deutschen Petroleum - Werke, A.-G., zu Ölheim während der Zeit vom 1. Januar 1893 bis 1. April 1897. Während des Jahres 1893 wurden nur die beiden Bohrlöcher Nr. 1 und 22 gepumpt, deren Ergebnis sich andauernd gleich blieb. Es betrug im ganzen Jahre zusammen : 1390 Hektoliter Öl. Im Jahre 1894 wurden bis zum 1. Oktober ebenfalls nur die vor- genannten 2 Löcher Nr. 1 und 22 gepumpt, deren Ergebnis bis dahin zusammen 980 Hektoliter Öl betrug. Vom 1. Oktober ab wurden nach einander mehrere der früher ausser Betrieb gesetzten Löcher wieder in Pumpbetrieb genommen und stellten sich die Produktionsergebnisse der Löcher von da ab wie folgt: Bohrloch Nr.: l 22 12 12 83 Oktober 36 sl 65 — u November 31 73 108 14 8 Dezember 37 79 s9 73 32 (resamtergebnis aus allen Löchern pro 1894: 2035 Hektoliter. *) Herr Th. Arnemann fühlt sich, wie er so freundlich war mir wissen zu lassen, nicht mehr berechtigt mir zu willfahren, nach- dem er die Zusage der Überlassung seines Materials bereits nach andrer Seite gegeben hat, von welcher demnach wohl in wenigen Jahren eine Neudarstellung der Ölheimer Verhältnisse zu erwarten ist. Eine Mitteilung aber, die er mir bei dieser Gelegenheit zukommen liess, sei auch hier wiedergegeben, weil aus derselben die grösste Schwierigkeit derartiger Bearbeitungen, nämlich die Unzuverlässiekeit des Materials, zumal soweit dasselbe aus persönlichen Mitteilungen besteht, zu ersehen ist. Nach den von Freystedt benutzten Quellen soll nämlich die Tiefboh- rung des „Helios“ nach Durchteufung der bunten Mergel Liasschichten getroffen haben, welcher Umstand genannten Forscher wohl hauptsäch- lich einmal zu der von ihm vertretenen Altersbestimmung der bunten Mergel als „Münder Mergel*“ oder Untern-Purbeck, andererseits zur Konstruktion desjenigen zusammenfassenden Sattelprofiles veranlasste, welches ich in der Allgem. Österr. Chem.- u. Technik.-Zeitung (1895) und in „Gaea“ 1896, S. 360 u. 361 zu ändern versucht habe. Nach Mitteilung des Herrn Arnemann ist nun aber der Sachverhalt gerade umgekehrt gewesen: die bunten Mergel unterlagerten die Liasschichten ! 165 1895. Bohrloch Nr.: 1 2 2 72 Der Tr 67H Januar rl) BT See u, ,,, Februar ss 64 59 597 % Br he — März 0 9383 64 —- 8 580 —- — — April Sberibar ol 49,426, 00, Dh _ Mai 39 20m at Asa 647 Don oe ‚Juni Sao al 506..,928 756, 6 For Juli BE 10 SH An n26 776 60 00 August SIR ONE SB LO EE5OR 60T Ham September SAGE 68,26 abge ih 6055 Oktober 37 69 3 37 -- 48 15402189 16 November 30T bon ale AI AI 5365 5 Dezember SopE 69,257 aan Gesamtergebnis aus allen Bohrlöchern pro 1895: 4261 Hektoliter. 1896. Bohrl. Nr.:; 1 22 12 67 70 72 76 77 66 91.92 93 94 Januar 31.65 32 53.37: 34 4 5dı—- — —. — 0 2 4) Februar a ee ea März 02 23 5 36 38 59256 — — — —_ — April Ba 69 Un — , 36, Areale Mai 307 70, 66m. 38 733246 W527 E - - Juni 352 65. 607. 37 "827 AI A0N = Ze — Juli 194758.,56% 0. 32 31743-140207 — — a August 2 585 -— 35 3131 41539883 — — — September Sk 229462, 2.32 731, ,33..87 30, 87 15, — Oktober DOES DOSE AI BAR OEE —er November 29555, A902 DAS ITOTE 3A0 IH Dezember 36.997 MEET IE IT 29297337 89. H58l Die Bohrlöcher Nr. 91, 92, 95 und 94 sind Neubohrungen. (resamtergebnis aus allen Bohrlöchern pro 1896: 4830 Hektoliter. 4897. Bohrloeh, Nr.:if 192224512 66.570,:76,.917 92. 93 94,79 Januar SB AUT 6663 20 Februar 34 59 10 53 27 48733749 .44 138. — März BO 326053234007 Bohrloch Nr. 95 ist ebenfalls eine Neubohrung und wurde am 9. März fündig. Gesamtergebnis aus allen Bohrlöchern vom 1. Januar bis 1. April 1897: 1961 Hektoliter. Auszug aus dem Bohr-.Journal der Bohrlöcher Nr. 89 bis Nr. 95, welche Neubohrungen in der Zeit vom März 1895 bis März 1897 auf dem Areal der Vereinigten Deutschen Petroleum - Werke, A.-G., zu Ölheim ausgeführt wurden. Bohrloch Nr. 89. Begonnen 9. März, beendet 10. August 1895. Kies und Fliesssand 3,00 m Thon und Findlinee ab- Kies, Sand, Thon und wechselnd 9.00 m Findlinge 13,50 „ (Grauer u. blauer Thon 10,01 „ Kalksteiu 2,00 Thon 5,30 Thon mehrfach m. dünnen Sandsteinschichten, , letztere geringe Ol- spuren enthaltend 25,20 Thon mit Schwefelkies 18,30 Weicher Sandstein 3,45 Ölsandstein m.Schwefelkies 9,50 Quarzsand 3,1D Hartes Gebirge 0,25 Sand u. loser Sandstein mit Schwefelkies 28.25 Thon 1.50 Heller Sandstein 2.00 Die mehrfach angetroffenen ” Quarzsand, Sandstein, Thon m. Schwefelkies u. etwas Olsandstein 11,00 Thon 71,19 Sandstein 4,75 Braun. Thon m.Schieferthon11,75 (Grauer Sandstein 2,05 Thon mit Schieferthon 11.95 (Grauer Sandstein mit Schwefelkies 13.00 Sandsteinm.Fliesssandadern 1,25 Harter erauer Sandstein 4.25 Sandiger Thon 6,25 Brauner Thon 11575 (sesamte Teufe eiebig und ist das Bohrloch nicht fündig geworden. Bohrloch Nr. 90. Angefangen Sand 1,00 Thon 2,50 Kies 1,50 Fliesssand 1,00 Grober Kies 2,50 Sandiger Thon m. Steinen 7,25 Blauer Thon 26,75 Thon mit Ölsand 5,00 Kalkstein, Quarz u. grauer Sandstein 6.00 Heller Thon m. Sandstein 1,00 Quarzsand 0,50 Thon 0,75 Sand 3,79 Sandiger Thon mit etwas Olsand 0,50 Weicher Sandstein 8,50 Thoniger Sand 5.50 m ” 22. April, beendet 30. Mai 1896. Sandstein 1,00 Dunkler thoniger Sand 2,20 Sandiger Thon u. Quarzsand 1,50 Dunkelgrauer Sandstein 0,50 Blauer Thon 5,20 Heller Sand 0.90 Thoniger Sand 0,90 Quarzsand 0,70 Grauer thoniger Sand 3,10 Abwechselnd Thon und dünneSandsteinschich- ten mit Olspuren 9,35 Sandiger Thon mit ge- ringen Olspuren 5,75 Heller Sand 2,65 Brauner Thon, Ölsandstein 7,25 Thon an der Sohle 0,60 (esamte Teufe — 115,60 220,75 m Olschichten erwiesen sich nicht er- ” m Dieses Bohrloch blieb ebenfalls ohne Erfolge, da zuviel Wasser im Bohrloch war und nicht gepumpt werden konnte. Bohrloch Nr. 91. Mutterboden 0,50 Sand 1.00 Thon 1.50 Sand und Steine 0,50 Trockener blauer Thon 2,25 Kies und Findlinge 0,75 m Angefangen 7. Juli, beendet 28. August 1896. Findlinge 2,00 Brauner sandiger Thon 6.20 Blauer Thon 3,75 Steiniger Thon 925 (Grauer fetter Thon 8,80 Hartes Gestein, Kalk u. Heller Sandstein, Quarz, Thon abwechselnd 10,00 m starker Olgeruch 1,50 m Thoniger Ölsand 2,00 ,„ Thon mit Ölsand 0,707, Hartes Gestein 0,75 „ Ölsandstein u.Schwefelkies 4,90 „ Trockner thoniger Ölsand 4,05 „ Gesamte Teufe — 63,40 m Harter Kalkstein 2:10; Das Bohrloch wurde fündig und ist als besondere Erscheinung zu bemerken, dass das Loch eine erhebliche Menge Gas ausströmen lässt. Dasselbe wird zur Beleuchtung des Bohrwerkplatzes verwendet. Bohrloch Nr. 92. Angefangen 15. August, beendet 12. September 1896. Mutterboden u. thoniger Blauer Thon 0.30 m Sand 150 m Kalkstein m. Thoneinlagen Fliesssand 0028 und Quarz 4,80 „ Grober Kies 150% Blauer Thon 0,80 „ Brauner Thon m. Findling. 1,00 Kalkstein, sehr fest 105, Grober Kies 125,3 Blauer Thon mit geringen Brauner sandiger Thon 1.00,5 Ölspuren 5,107, Blauer Thon 9,00 „ Heller Sandstein mit ÖI- Kalkstein mit Quarz 05% sandstein, kalkhaltigem Blauer Thon 3,05 „ und thonigem Ölsand 3,45 „ Kalkstein mit Quarz 0504, Ölsandstein m. Schwefelkies 1,85 3 Blauer Thon 10,507, Ölsandstein 1,30 „ Kalkstein mit Quarz 230% (sesamte Teufe —= 60,50 m Das Bohrloch wurde fündig. Bohrloch Nr. 93. Angefangen 5. Oktober, beendet 31. Oktober 1896. Mutterboden 0.50 m Blauer Thon u. etwas Ölsand 2,75 m Thoniger Sand 1.00 „ Thon mit Sandsteinadern 3,40 „ Fliesssand 0.50 „ Blauer Thon DE) = Kies, Sand u. Findlinge 1,70 „ Grauer‘ Sandstein und Brauner Thon 6,80 „ Fliesssandadern 1,30, Sehr steiniger Thon 6,20 „ Thon mit etwas Ölsand Blauer Thon 10.05 „ u. Schwefelkies 0,90 . Kalkstein u. Quarz, sehr Thonig. Ölsand m.Schwefel- hart 1590 ;, kies u. Sandsteinschicht. 12,70 „ Blauer Thon 8.05 „ Weisser Sandstein 0,20 „ Kalkstein, sehr hart 1,59 „ Thoniger Ölsand mit Blauer Thon 1,15 Schwefelkies A209 Kalkstein, sehr hart 3:20, Thon und Ölsandstein 6,45 „ Blauer Thon 0,50 „ Schieferthon 4,90 „ Kalkstein 4,50 „ Gesamte Teufe — 87,40 m Das Bohrloch wurde fündie. Bohrloch Nr. 94. Angefangen 19. Nov., beendet 19. Dez. 1896. Mutterboden 0,50 m Graublauer, sandiger Thon 1,45 m Sand und Kies 6,45 „ Steiniger Thon 3305 Blauer Thon 200 m Heller blauer Sandstein (Grauer sandieer Thon 130,2, mit Schwefelkies 2,80 m Grauer Sandstein 0,80 „ Thoniger Ölsand aılaya. Brauner sandiger Thon 0,80 „ Heller Sandstein 2,00 „ Blauer Thon Bald Sandiger Thon Aliriay. .. do. m.harten Schichten 23,50 „ (Grauer Sandstein 0,20 „ Kalkstein 3,49 „ Sandieer Thon 0 5 Kalkstein m. Thoneinlagen 2,30 ,„ Ölsandstein mit Quarz 2.00 „ Blauer Thon Ned Gesamte Teufe = 70,20 m do. mit etwas Ölsand 4,45 „ Das Bohrloch wurde fündig. Bohrioch Nr. 95. Angefangen 13. ‚Januar, beendet 17. März 1897. Mutterboden 0,50 m Thon 2,55 m (selber Sand und Kies 3,00 „ Kalkstein u. heller Sandstein 2,40 „ Sandiger Thon (Ob. Sandiger Thon 1,80 „ (Gelber Sand Oons Loser Sandstein 2,00 „ Blauer Thon 3,00 „ Sandiger Thon 4.80 „ Brauner steiniger Thon 6.00 „ Quarz und sandiger Thon Sandiger Thon 2,00 „ mit Ölspuren 4,90 „ Blauer Thon 235 „ Sandstein und Quarz mit Roter Sand NT Thoneinlagen und Öl- Blauer 'Thon 615%, sandsteinadern 0,054, Kalkstein u. Quarz, sehrfest 1,25 „ Sandstein und Quarz 6,35 „ Blauer Thon 10,35 „ (sesamte Teufe = 79,60 m Kalkstein 12:53 Das Bohrloch wurde fündig. Zu vorstehenden, von der Bohrwerks- Leitung freundlichst ge- machten Mitteilungen, für welche ich auch hier meinen Dank ausspreche, will ich zur Erläuterung nur folgendes hinzufügen. Die erneute Ölgewinnunge hat zumeist in demjenigen Feldstriche stattgefunden, welcher schon früher den grössern Teil des überhaupt erbeuteten Öles lieferte, von Südsüdwest nach Nordnordost in ungefähr 500 m Länge hinzieht, dabei gegen 50 m Breite erreicht, und (nach Freystedt) oberhalb der im Untergrunde stehenden Schichtenköpfe des kalkigen, des kieseligen und thonigen Sandsteines und des diesen un- mittelbar überlagernden Sandes der Wälderstufe liegt. Die neuen fündieen Bohrlöcher Nr. 91 95 liegen im südlichsten Theile dieses Landstriches und lassen die oben angegebene Richtung deutlicher her- vortreten, während Freystedt Süd-Nord-Erstreckung angegeben hat; sie lassen zugleich an eine Verbindung dieses einen, von Freystedt als so reich gekennzeichneten Feldstriches, dass in ihm „nur ganz vereinzelte Bohrungen erfolglos waren“, mit dem andern, als ebenso dankbar geschilderten (rewinnungsgebiete denken, das nahebei im Berechtieungsfelde der „@sermania“ liegen, in Südwestrichtung etwa 170 m lang, dabei geeen 60 m breit sein und an dasjenige Arnemann’s anschliessen soll. Die 167 graphische Konstruktion der Gebirgsprofile auf Grundlage der mitge- theilten Bohrregister giebt aber kein klares Bild einfachen Gebirgs- baus; hieran mag jedoch die Seichtheit der Bohrlöcher grosse Schuld tragen. Die genannten neuen Bohrlöcher befinden sich unweit (60 m) des „langlebigen* Bohrloches Nr. 22, während das seit noch längerer Zeit ergeiebige Bohrloch Nr. 1 in etwa 400 m nordnordöstlicher Entfernung von Nr. 22 die Reihe der seitens der Deutschen Petroleum-Bohrwerke getriebenen Bohrlöcher von Norden her eröffnet. Im mittlern Teile des Bohrlöcher-Zuges liegen in dichtem Gedränge die andern wieder in Betrieb gesetzten älteren Bohrlöcher und von den neuen die als Fehlbohrungen erachteten Nr. 89 und 90. Vermutlich sind, wie das allgemein üblich ist, die Mächtiekeiten der angetroffenen ‚Schichten in abgerundeten Maassen aufgezeichnet worden, wodurch sich die zumteil beträchtlichen Differenzen ihrer Summen von den in Wirklichkeit erreichten Tiefen erklären. Den Leser wird gewiss die Bemerkung bei Bohrloch Nr. 91 in- teressiert haben, dass zu Beleuchtungszwecken nutzbare Mengen von Gas angetroffen wurden; nach Freystedt’s Angaben ist schon früher (ras oft reichlich angebohrt worden, und zwar vorzugsweise im Gebiete der Germania, welches, wie vorher erwähnt, nicht weit von Nr. 91 beginnt. Aufmerksam machen möchte ich aber noch auf die „Langlebigkeit“ der Bohrlöcher Nr. 1 und 22. Das Vorkommen von schon länger als ein Jahrzehnt hindurch Öl liefernden zwischen einer Überzahl von nur kurze Zeit produktiven Bohrlöchern ist gewiss ein Umstand, der über Sitz und Ursprung des Erdöls zu denken giebt und ganz unerklärlich sein dürfte, wenn man annehmen wollte, dass das Öl in dem vom Bohrer erreichten Sandsteine oder’ sonstigem Gesteinskörper entstanden sei. Der geologischen Wichtigkeit halber erbat ich mir also von der Bohrwerks-Leitung noch weitere Mitteilungen über genannte Bohrlöcher, die mir (noch im August) in zuvorkommendster Weise zu- teil wurden und lauteten: „Das Bohrloch Nr. 1 ist am 20. Mai 1882, Nr. 22 am 16. Juni 1883 in Betrieb gekommen. — Über die Produktion haben wir leider die Daten bis zum 1. Januar 1887 nicht mehr ermitteln können. Die beiden Bohrlöcher sind bis dahin im Besitze einer unsrer früheren Gesellschaften gewesen, von der uns aber die Produktionsbücher nicht überkommen sind. Die Produktion soll in der ersten Zeit nach der Inbetriebnahme recht erheblich (bis zu ca. 70 Hektoliter den Tag) gewesen sein. — Vom 1. Januar 1887 bis 1. Juli 1897 betrug die Ölproduktion aus Nr. 1 5960 Hektoliter, aus Nr. 22 8730 Hektoliter. In dieser Zeit ist dieselbe, abgesehen von unerheblichen Schwan- kungen, ziemlich unverändert geblieben, also ca. 50, bezw. 70 Hekto- liter Öl den Monat. Beide Löcher sind noch im Betriebe.“ 168 So vermag ich denn in der Hauptsache nur eine Schilderung des Erdölvorkommnisses von Wietze-Steinförde zu bieten und auch diese nur auf Grund sehr unsichern, sowie auch unvoll- ständigen Materials. Auf dem Gebiete von Wietze, das sich zu unserm Hauptproduktionsorte von Erdöl aufgeschwungen hat, betreiben nämlich ausser der „Maatschappij tot Exploitatie san Oliebronnen in Hannover“, welche das Poock’sche Unter- nehmen nach dessen 10jährigem Bestande erworben hat und es unter der technischen Leitung des Herrn L. Poock (dessen Freundlichkeit ich die Überlassung aller vorhandenen Bohr- register und der Lagepläne, sowie manche sonstige wichtige Auskunft verdanke) fortführen lässt, auch die „Deutschen Mineral- öl-Werke (Schrader & Rheinhold) zu Winsen a. d. Aller“ die Erdölgewinnung, allerdings in viel weniger erheblichem Maasse ; die ziemlich beschränkten Berechtigungsgebiete derselben greifen zwischen diejenigen der niederländischen Maatschappij ein, doch haben jene auch 3 Bohrungen neben und zwischen den Gehöften und Häusern von Wietze ausgeführt, deren Punkte in die bei- gegebene Lageskizze nicht mit eingezeichnet sind. Von den Bohrergebnissen dieser Gesellschaft habe ich keine Mitteilung *) erhalten. In der Scheu vor einer sichern Fehlbitte habe ich es über- haupt unterlassen, solches Ansuchen an die Englische Gesellschaft zu richten, welche zur weiteren Untersuchung des benachbarten Steinförder Salzlagers jüngst eine Tiefbohrung mit Diamant- krone hat ausführen und eine zweite beginnen lassen; zur genaueren Ermittlung der Natur und Lagerung der das Salz bedeckenden und unterlagernden Schichten wären mir allerdings die Bohrproben sehr erwünscht gewesen, aber einmal war zweifelhaft, ob überhaupt Bohrkerne nicht nur einzig im Salze, sondern auch in diesen Schichten gewonnen wurden, und weiter erfuhr ich, dass die erhaltnen Bohrkerne bereits nach England ausgeführt worden seien. Überdies liegen die erwähnten Bohr- punkte vom Ölgebiete ziemlich weit östlich entfernt. *), Nach Abschluss dieser Arbeit ersah ich aus einer Zeitungs- nachricht, dass die Gesellschaft aus einer Neubohrung am 17. Juli 80 Fass, an jedem folgenden Tage 65 Fass Ol erhalten habe. 5..0 sr TEE. De A nn 169 Von älterem Materiale habe ich die Angaben Leo Strippel- mann’s über die Bohrungen für die Reval’er Handelsbank benutzt und zwar auf Grund von drei, in Einzelheiten von einander abweichenden Quellen, nämlich einmal des Strippel- mann’schen Buches („die Petroleum-Industrie Österreich-Deutsch- lands“, Abt. II. 1878), dann der Angaben Nöldekes, welchem seiner Anmerkung 56 zufolge auch ein „Gutachten“ Strippelmann’s über das Vorkommnis zur Einsichtnahme zugänglich gewesen ist, und endlich von graphischen Profilwiedergaben unbekannter Herkunft, deren Mitteilung ich Herrn Poock verdanke, die mir aber wegen ihres summarischen Charakters wenig dienen konnten. Letzterwähnten Makel zeigten noch ausgesprochner die auf ebenerwähntem Wege erhaltenen Profilskizzen Bergheim's (von der Continental Oil Company) von dessen Bohrlöchern: „1) Beim Schulhause a. d. Chaussee; 2) in Wietze, mit Pumpen- betrieb; 3) an der Öhaussee Steinförde-Hornbostel; 4) zwischen Wietze und Jeversen“. Diese Profile besitzen nur sehr bedingten, aber, wie sich zeigen wird, immerhin noch einigen Wert. Von den Bohrungen der „Berliner Handelsgesellschaft“, deren Nöldeke S. 36 gedenkt, scheint kein Material aufbewahrt worden zu sein und auch die mir an den Bohrpunkten selbst von dem Bohrmeister (Hasenbein), welcher jene ausgeführt hatte, gemachten Mitteilungen konnten mir nicht zu geologischer Aufklärung dienen; es scheinen nur Seichtbohrungen gewesen zu sein. Das wichtigste Material war und blieb unter diesen Um- ständen das mir freundlichst von Herrn L. Poock gewährte. Dasselbe bezieht sich auf fast 60 Bohrlöcher, von denen aller- dings nur eins über 350 m Tiefe erreichte, und ist demnach wohl als reichlich anzuerkennen. Wären in allen diesen Bohr- löchern Kernstücke aus den durchsunknen Schichten gewonnen worden und zwar unter möglichster Feststellung der Einfalls- richtung letzterer, so wäre es nicht schwer, den Gebirgsbau bis zu den zumeist erreichten Tiefen hinab mit erforderlicher Genauigkeit zu bestimmen. Leider ist aber das gebotene Material weit entfernt von dieser erwünschten Beschaffenheit. Gebohrt wurde nämlich mit freifallendem Meissel und sind (mit einer 170 Ausnahme) nur Bohrregister vorhanden ohne Bohrproben, welche als Belege für die in den Reeistern angegebenen Bestimmungen der Gesteinsart nötig wären. Die in die Register eingetragenen petrographischen Be- stimmungen der Bohrproben rühren von dem zum Betriebs- inspektor gestiegenen Bohrmeister her, dessen im Übrigen wohl zu würdigende Gewissenhaftigkeit und natürlichen Verstandes- gaben bei solcher Aufgabe die mangelnde Fachschulbildung doch nicht ersetzen können; demselben war nur eine sehr be- schränkte Anzahl von Mineralien und Gesteinen bekannt. Für die Bewertung dieser Bestimmungen kommt aber noch in Betracht, dass bei mit dem Meissel zerschlagnen Bohrproben die sichere Erkennung sehr erschwert ist in Fällen, wo verschiedenartige Gesteine in dünnen Schichten wechsellagern und z. B. dünn- schiefrige Kalksteine und Letten, die bei Hannover den „Wellen- kalk* aufbauen, als einheitliches Mergelgestein erscheinen können, - ferner dass zähe und bildsame Thone, weil diese am Meissel haften bleiben und in der Schlammbüchse Klumpen bilden, viel mehr, als ihrem wirklichen Anteil an der Gebirgsmasse entspricht, in die Augen fallen, — endlich dass durch „Nachfall“ gegebene Irrtümer auch hier, trotz des im Bohrwesen erfahrenen Beob- achters und der dem Meissel immer bald nachfolgenden Bohr- lochausfütterung nicht vollkommen ausgeschlossen waren, zumal in Anbetracht der reichlichen Gegenwart von gern ihren Ort verlassenden Sanden, durch deren Wanderung leicht ein an sich zäher Thon zum sandigen Thone werden, sowie Sand in an- scheinenden Einlagerungen oft wiederholt angetroffen werden kann *). Von den eben nicht gerade zahlreichen Bestimmungen von Gesteinsarten, welche in den Bohrregistern unterschieden werden (abgesehen von den bekanntlich Zufälligkeiten ganz besonders aus- gesetzten Farbenbezeichnungen), sind aber überdies ein paar häufig wiederkehrende auch noch ungenau. So ist bei der Angabe Nach den Bohrregistern war z. B. in Bohrloch Nr. 29 Treibsand mit 27.5 m Tiefe schon durchsunken, die Ausfütterung des Loches auch bis 31,5 m in grauem Thone weitergeführt, trotzdem brach jener Sand bei 48,5 Bohrlochtiefe (hinter den Futterröhren) wieder durch. u 171 „Steine“ oder „Steineinlagerung“ nicht nur der Mineralbestand derselben zweifelhaft, sondern es frägt sich insbesondere, ob es sich um zusammenhängende festere Schichten oder um lose Stücke handelt. Am Empfindlichsten aber wird der Forscher berührt durch die Angabe „Felsen“ (in den vorher mitgeteilten Bohr- registern aus Ölheim findet sich auch jetzt noch, trotz der von Freystedt versuchten Aufklärung, die ebensowenig aussagende Bezeichnung: „hartes Gestein“). Der „Felsen“ der Ölsucher ist trotz seiner Unbestimmtheit ein sehr wichtiges Glied des Wietzer Untergrundgebirges, weil mit ihm zugleich, allerdings nicht immer, aber sehr oft Erdöl angetroffen wird, welches jedoch seinerseits nicht allein aus „Felsen“, sondern auch aus losen Ölsanden in den Ölsucher befriedigenden Mengen austreten kann. Immerhin begrüsst der Ölsucher den „Felsen“ stets als gewissermassen spezifisches Olgebirge. Deshalb war eine eingehendere Prüfung nötig. Schon ein flüchtiger Blick auf eine Sammlung von als „Felsen“ bezeichneten Stücken aus verschiedenen Bohrlöchern überzeugt davon, dass der Name mineralogisch und petro- graphisch sehr verschiedenartigem Material beigelegt wurde. Die im Laufe der Zeit, ohne bestimmten Plan und ohne Angabe der Herkunft nach Bohrlochsnummer, vom Betriebsinspektor gesammelten Stücke gestatten, der Zufälligkeit ihrer Auf- bewahrung halber, nicht einmal zu sagen, welche Mineral- und Gesteinsart vorzugsweise den „Felsen“ liefert. Schwefel- kies, der in Konkretionen dies zunächst zu thun scheint, kann in jener Probesammlung sehr wohl nur deshalb so reichlich vertreten sein, weil man ihm wegen seiner metallischen, un- gewöhnlicheren Erscheinung besondre Beachtung schenkte. Wahr- scheinlich liefern aber kalkige Gebilde in Wirklichkeit viel häufiger die Felsen (und nach den Bohrprofilen möchte man mindestens eben so oft auf sandige Felsen schliessen). Neben Schwefelkies findet sich noch ein andrer Kies in Krystallen mit rechteckigen, sowohl quadratischen als auch oblongen, und dreieckigen Flächen, der ebenfalls nicht magnetisch, aber von silberweisser Farbe ist. Unter den Proben kalkiger „Felsen“ sind mehrere vor- handen, welche an die in den untercretacöischen Thonen nicht seltenen, aber dabei doch vereinzelt eingelagerten Schichten von mergligen, hellgrauen Kalksteinen oder linsenförmigen Kalksteinkonkretionen erinnern. Manche der letzteren von etwa Faustgrösse gleichen in ihrer flachen Linsengestalt sogar Geschieben:; eine Spur schaligen Baus wird durch die ver- schieden intensive Imprägnation mit Bitumen zur Erscheinung gebracht: der dunkelbräunliche Kern wird zunächst von einer fast schwarzen Schicht umgeben, die nach aussen zu erst allmählich, in den äussersten 4—5 mm aber ziemlich jäh bis zum hellen Aschgrau ausbleicht; nach der gerössten Durch- schnittsebene (Mittelebene) spalten die Stücke am leichtesten, und senkrecht zu ihr ist zuweilen eine geringe Zerklüftung zu Septarien erkennbar. Mehr in die Augen fallen Konkretionen von zumeist deut- lich radialstrahligem Bau; sie erscheinen auch von Bitumen getränkt, dunkel- bis hellbraun, ähnlich manchem Vorkommen von Eisenspath, an den auch die gewöhnliche Beimengung von Schwefelkies denken lässt, doch bestehen die bis zu 4 cm langen Stengel aus vor dem Löthrohre nicht zerbröckelndem Kalkkarbonate, also wahrscheinlich Anthrakonit; eine optische Prüfung des Krystallsystems hat allerdings nicht stattgefunden, jedoch erinnern die Stengel mehr an den Anthrakonit aus den Alaunschieferbrüchen an der Kinnekulle, als wie an Aragonit. Eine ziemlich poröse, fast schwarze, aber hellgefleckte Konkretion erwies sich bei mikroskopischer Betrachtung als ein an Fremdkörpern überaus reicher Kalkstein; Kalkkarbonat dient da nämlich in einem feinkörnigen Haufwerke z. t. scharf- kantiger, sowohl fragmentarer als auch Kystallformen aufweisender, z. t. wohlgerundeter Körnchen von 0,2—1,0 mm Durchmesser als reichlicher Kitt, durch den grosse, farblose Quarzkörner mit etwa 1-mm grossen Bruchstücken organischer Gebilde ver- bunden werden; unter letzteren finden sich Schalenstücke, welche noch die Skulptur in Punktsystemen aufweisen; mehr fallen jedoch ebenfalls gegen 1 mm grosse oolith-ähnliche Aggregate von concentrisch schaligem Bau auf, deren einzelne Ringe aber nicht aus radialgestellten feinen Fasern, sondern aus breiten Gliedern bestehen und deshalb zwischen gekreuzten Nicols kein Interferenzkreuz erscheinen machen; meist wechseln in ihnen hellere Ringkränze mit opaken Massen ab, welche letztere auch oft den Kern bilden und über die hellen Karbonatkörnchen überwiegen. Ein andres traubig-concretionäres Gebilde schien zum grossen Teil aus wirr gehäuften, doppeltbrechenden Fasern und Stengeln (Gips) zu bestehen. Unter den mir zur Verfügung gestellten Proben von „Felsen“ befand sich nur ein einziges Stück von Sandstein. Dieses aber war Glaukonitsandstein. Farblose, zumeist 0,1 mm grosse, z. t. scharfkantige, z. t. gerundete Quarzkörner (mit einigen Feldspathfragmenten) machen etwa 9 Zehntel der Masse aus; die grünen Glaukonitkörner sind durchweg gerundet, aber z. t. zerbrochen, und die ersichtlich zusammengehörigen Bruchstücke neben einander gelagert und durch das, im Gestein überhaupt ziemlich reichlich (etwa 5°/,) vorhandene, aber ungleichmässig verteilte, bräunliche, griesige, nicht doppeltbrechende Gement wieder mit einander verkittet. Auf polarisirtes Licht zeigt der Glaukonit nur geringe Einwirkung, nämlich kryptokrystallinische feinst- und verworrenkörnige Aggregatpolarisation bei Dunkel- stellung. Sonst findet man im Gestein noch vereinzelte und zum Teil ganz kleine opake Putzen von zerrissenen Formen. Die vorstehenden Angaben lehren, dass man mit „Felsen“ Material von sehr verschiedener Natur bezeichnet hat. Dabei ist auch keine der mit diesem Namen belegt gefunden Mineral- arten auf den „Felsen“ beschränkt, also für denselben spezifisch, denn wir begegnen in den Bohrregistern z. B. der Angabe „Schwefelkies“ und sogar einmal „Schwefelkiesbank* auch in anders bezeichneten Gesteinen, zumeist Thonmassen, nicht selten. Sogar die Härte und Festigkeit ist kein ausschliessliches Kennzeichen desselben, da wir den Namen nicht auf jeden naturgemäss harten Gesteinkörper, z. B. auf „Kalksteineinlagen“ ausgedehnt sehen, ferner bei Thonen bisweilen den Vermerk: „sehr fest“ und andererseits bei „Felsen“ ganz gewöhnlich die Bemerkung „abwechselnd weich“ finden. 174 Es ist aber trotzdem schwerlich anzunehmen, dass die Bohrmeister nur aus reiner Willkühr oder Trägheit die Bezeichnung „Felsen“ eingeführt und an ihr ohne jede Folgerichtigkeit fest- gehalten haben. Man wird vielmehr voraussetzen dürfen, dass allem diesem verschiedenartigen Materiale eine Eigenschaft oder eine gewisse Verknüpfung solcher gemeinsam sein wird, die die Bohrmeister zwar empfunden haben, aber nicht vermögend waren in Worten auszudrücken und gegenüber dem normalen Verhalten der in Frage kommenden Gesteinsarten zu kennzeichnen. Ein „Begriff“, obwohl vermutlich kein klarer und scharf um- schriebener, wird dem „Wort, das sich zur rechten Zeit einstellte“, sicherlich zu Grunde liegen und gelegen haben. In Anbetracht des mir vorgelegten Materials ist zu ver- muten, dass der Bitumen-Gehalt, der an sich zwar noch keine Gewinnung des Bitumens gestattet (haben doch viele Bohrlöcher, trotzdem „Felsen“ in ihnen und zwar z. t. in erheblicher Mächtigkeit durchbohrt wurde, keine nutzbaren Ölmengen ge- liefert), doch die Zähigkeit und Festigkeit des Mineral- aggregates schon wesentlich beeinflusst. Letzterer Umstand kommt dem „Krickelführer“ oder Bohrmeister beim Tiefbohren mittels Meissels deutlich zur Empfindung und erscheint es deshalb nicht unwahrscheinlich, dass er eine besondere Bezeich- nung der durchbohrten Gesteinsmasse veranlasst hat. Demnach wäre „Felsen“ die Kennzeichnung eines „metamorphischen“ Zu- standes, in welchem Gesteine von verschiedenem Mineralbestande gemeinsames Tenacitäts-Verhalten erlangt haben; solcher Meta- morphismus wäre also ein mehr in physikalischer, denn in chemischer Beziehung erfolgter, da stofflich nur ein zufälliges Hinzutreten eines untergeordneten („accessorischen*) Gemeng- teils zu verzeichnen ist. Diese Sättigung mit Bitumen hat aber, wie die aufbewahrten Stücke ebenfalls erkennen lassen, die einzelnen Partien der „Felsen“ sehr ungleichmässig betroffen; neben an Bitumen reichen Proben finden sich daran viel ärmere und sogar davon ganz freie. Es erklärt sich dies aus dem verschiedenen Grade von Porosität, den die einzelnen Teile der zu „Felsen“ gewordenen Gesteine besessen haben. Diesen örtlichen Wechsel des Gefüges, 1:75 der hiervon abhängigen Bitumenimprägnation und Tenacität wird der Bohrmeister bei seiner Arbeit vermutlich auch em- pfunden haben und ist es daher wohl möglich, dass auch die Mannigfaltigkeit verschiedener Zähigkeitserade an demselben Gesteinskörper mit zum Begriff seines „Felsen“ gehört. Die Frage nach dem Grunde der Mannigfaltigkeit der Structur des „Felsen“ und der damit gegebenen verschieden- starken Empfänglichkeit für die Sättigung mit Bitumen erscheint an sich nebensächlich, hat aber in diesem Falle dennoch Wichtigkeit, weil es bei der Entscheidung der Hauptfrage, ob wir nämlich in den „Felsen“ normale Schichtgesteine oder aber Spaltenfüllmassen vor uns haben, an festeren Anhaltspunkten mangelt und man deshalb auch Geringfügigkeiten zu erwägen nicht verschmähen darf. Das Material an sich lässt uns dabei völlige im Stich, denn z. B. die vorgefundenen Konkretionen können ebensowohl in Schichtgesteine bei deren Ablagerung mit eingeschlossen, wie nachträglich auf Spalten- räumen gebildet worden sein: ebenso können die als „Felsen“ PR oO befundenen Kalk- und Sandsteinstücke noch ihrem primären Schichtkörper oder Schichtenverbande entstammen, wie dem klastischen Füllmateriale von Hohlräumen. Das Gleiche gilt nun im Allgemeinen auch von dem örtlichen Wechsel der Empfänglichkeit für Imprägnation. Einen derartigen Wechsel weisen eben nicht allein Spaltenraumfüllmassen auf, sondern auch alle Schichtgesteine von überhaupt porösem Gefüge, ins- besondere alle Konglomerate, Kiese bis Sande, Sandsteine, thonigen Sande und sandigen Thone (Lehme) u. a. m.; man wird aber einräumen, dass sich solches nicht von zähen, plastischen Thonen erwarten lässt. Findet man nun bei Ver- gleichung der Profile einander benachbarter Bohrlöcher, dass bezüglich der Schichtenfolge an Stelle des „Felsen“ in dem einen Bohrloche Sandsteine, thonige Sande oder sandige Thone im nächsten angetroffen wurden, so ist wohl der zunächst berechtigte Schluss hieraus der, dass aus den zuletzt erwähnten Gesteinen durch Bitumenimprägnation „Felsen“ geworden und der Schichtenverband zwischen beiden Bohrlöchern noch erhalten ist; diese Annahme dürfte dagegen unstatthaft sein, wo an Stelle 176 des „Felsen“ im Nachbarbohrloche plastischer Thon ange- geben ist. Der Wert der aus der Vergleichung solcher Profile ge- wonnenen Ergebnisse dürfte als für die ganze Frage überhaupt bedeutender anerkannt werden. Leider ist die Zahl der auf diesem Wege gewonnenen Ergebnisse eine nur geringe, da eben die Beobachtungen an sich zu unsicher und ungenau sind und es in Berücksichtigung dessen nur für dicht benachbarte Bohr- löcher gestattet erscheint, einen Zusammenhang einander ähnlicher Schichtkörper oder Schichtenfolgen anzunehmen. Selbst da lässt sich jedoch einige Sicherheit erst erlangen, wenn man die Schichtenlage nach allen Raumerstreckungen verfolgen kann, was nur bei nach allen Himmelsrichtungen, und nicht nur in Reihen, angeordneten, einander benachbarten Bohrlöchern möglich ist. In solchen Fällen wäre zweifellos von „Felsen“, welche sowohl an discordant auflagernden Schichtenfolgen des Hangenden, als auch an ebenfalls discordant gelagertem Liegenden absetzen oO oder abstossen, die Behauptung gerechtfertigt, dass dieselben Spaltenfüllmassen oder durch Reibung der an einander bewegten Gebirgsschollen entstandene Breccien darstellen. So klar sind aber leider die Verhältnisse nirgends erschlossen; sogar die günstigsten Umstände gestatten nur Wahrscheinlichkeitsschlüsse. Der Grund aber ist der, dass das Liegende der „Felsen“ seltener mit dem Bohrer erschlossen wurde und viele Bohrungen schon mit dem Felsen selbst oder kurz unterhalb desselben ihr Ende fanden. — Ebendeshalb ist dort, wo er wahrscheinlich obwaltet, auch der entgegengesetzte Fall nicht unanfechtbar festzustellen, dass nämlich der „Felsen“ einem normalen, zwischen anders- artige Schichten gleichsinnig eingelagerten Schichtenkörper entspreche; es ist da immer zu berücksichtigen, dass möglicher Weise statt des scheinbaren Schichtkörpers in Wirklichkeit die Füllung einer streichenden Verwerfungskluft, einer Sattel- oder Muldenfuge oder einer Wechselverwerfungsspalte vorliege. Jene Annahme ist als die näherliegende jedoch dann vorzu- ziehen, wenn zähe, zu Spaltenbildungen wenig geneigte Thone die Felsenschichtmasse unmittelbar unter- und überlagern. { 177 Beiderlei Fälle scheinen in Wirklichkeit im Ölgebirge von Wietze vorzukommen. Ein Vorherrschen der einen oder der anderen Art von „Felsen“ daselbst behaupten zu wollen, erscheint wenigstens nicht gerechtfertigt. Es bleibt vielmehr für jede einzelne Gruppe von Bohrlöchern besonders zu ermitteln, welcher Art die in ihnen angetroffnen „Felsen“, ob den Schichtgesteinen oder den Spaltenfüllmassen zugehören. Hierbei helfen die kon- statierten, oft sehr beträchtlichen Mächtigkeitsschwankungen der „Felsen“ bei deren Verfolgung durch benachbarte Bohrlöcher, ihr gewaltiges Aufthun nach irgend einer Richtung hin (z. B. von Bohrloch Nr. 36 durch Nr. 37, 38 bis 40, also auf 29 m Horizontalerstreckung hin von 7 m durch 17,5 und 25,5 zu etwa insgesamt 39 m Mächtigkeit) sehr wenig zur Erkennung der Bildungsart, denn einmal findet ja ein einseitiges Aufthun der vertikalen (scheinbaren) Mächtigkeit auch bei normalen Schichtkörpern statt, deren Streichrichtung schräg zur Profil- ebene liegt, andererseits aber lassen sich die Mächtigkeits- schwankungen ebensowohl durch Biegungen, Faltungen und Stauungen eines Schichtkörpers erklären, als wie durch Wei- tungen und Unregelmässigkeiten von Spaltenräumen, deren Ebenflächigkeit ja nur eine elementare Voraussetzung ist. Aller- dings spricht jäher Wechsel der Felsenmächtigkeit am ehesten für Spaltenfüllung, nicht allein deswegen, weil Spaltenräume öfters ganz regellos begrenzt vorkommen, sondern weil sich auch von einer Spalte aus die Imprägnation mit Bitumen leicht auf die angrenzenden Schichtmassen der Spaltenwände auszudehnen vermag, insoweit dieselben hierzu veranlagt sind; an letztgemeinten Stellen wird nun ausser der Spaltenfüllmasse selbst auch das benachbarte Schichtgestein zu „Felsen“ ge- worden sein. Da das Erdöl zumeist an den „Felsen“ oder aber an lockere Ölsande geknüpft gefunden wurde, ist es wohl hier am Platze, der Frage zu gedenken, ob für das Öl der „Felsen“ die (ursprüngliche) Heimat oder nur den Auftriebweg darstelle. Für erstere Annahme spricht keine einzige Thatsache; denn die „Felsen“ verraten keine Spur davon, dass sie eine gewaltige Volumenreduktion hätten erleiden müssen, welche z. B. bei der 12 Erdölbildung aus tierischen Weichteilen*) die Masse bis auf wenige Hundertteile zusammenschrumpfen macht. Der anderen Annahme günstig zu deuten ist dagegen der so oft be- obachtete „Auftrieb“ des Öls. Denn die Erklärung desselben nur aus dem geringern spezif. Gewichte des Öls gegenüber dem des im Gebirge enthaltenen (tropfbarflüssigen) Wassers erscheint ganz ungenügend; diese Differenz führt nur zu langsamen Orts- veränderungen (die Langwierigkeit derselben hat der Ölgewinner sogar noch an seinem gewonnenen Rohprodukte zu beklagen, das sich erst nach langer Zeit in Öl und Wasser sondert) und kann keinesfalls die Ursache sein, dass das in den Bohrlöchern Nr. 5 und Nr. 7 erschürfte Öl freifliessend sogar bis über die OÖbertläche trat. Es muss da also noch eine andere Ursache, ein „Druck“, den Auftrieb bewirken; demselben darf man aber ausser der ebenerwähnten Springquellbildung auch die Bitumen- Imprägnation der Ölsande und „Felsen“ mit auf Rechnung setzen. Überall, wo hier Öl erbohrt wurde, hatte man also ehemalige oder gegenwärtige Ölauftriebwege angeritzt. Zu solchen dienten, wie vorher dargelegt, z. t. Spaltenausfüllungen, z. t. Schichtenkörper. Von beiderlei Gesteinsmassen darf man nun wohl, trotz der Wahrscheinlichkeit einer Zersplitterung des Gebirges in viele Schollen, eine ziemlich erhebliche Er- streckung nach den seitlichen Dimensionen voraussetzen. Diese Erwartung wird bezüglich des „Felsen“ selber (mit Hinzurechnung seines noch nicht mit Bitumen imprägnierten Muttergesteins) meist auch erfüllt, die Quellpunkte des Öls innerhalb der Bohrlöcher aber entsprechen sehr selten der Voraussetzung einer Flächenentwicklung der wirklich ergiebigen Öladern; das Öl scheint vielmehr dort, wo es längere Zeit hindurch zur Gewinnung kam, engen, regellos gewundnen und leicht sich verstopfenden Spalten gefolgt zu sein, während die bald er- schöpften Bohrlöcher wohl nur „Nestern“ und reichlicher ge- sättigten Felsenpartieen ihr Öl entnahmen. So stellte sich z. B. heraus, dass eine in die Tiefe niedersetzende Felsenmasse *) Engler in Chem. Industrie 1895, Nr. 1 und 2. — Essen’er „Glückauf* 1896, Nr. 29 und 30. u 1 weder in der Berührung mit der Diluvialdecke noch in ihren beiderseitigen streichenden Verlängerungen Öl lieferte, während solches innerhalb einer dem Einfallen entsprechenden Vertikal- ebene an zwei Punkten angetroffen worden war. Dieser vielleicht nur auf Mängel der Kommunikation zurückführbare Umstand macht die Vorherbestimmung einer Ergiebigkeit für neu angesetzte Bohrlöcher sehr schwierig und zumeist unthunlich. Denn selbst in dem günstigsten Falle. dass man die Einfallrichtung eines Ölauftriebweges, nämlich einer vielversprechenden Felsenmasse sicher ermittelt hat, und dieselbe auch in der That gleichsinnig und gleichmässig noch bis zu derjenigen grösseren Tiefe fort- setzt, in welcher man sie treffen will, so fragt es sich dennoch, ob auch die reiche Ader des flüssigen Öls die Richtung be- wahre. Es sind das Verhältnisse, welche ausser grossen Bohr- lochweiten die Zuhilfnahme der Sprengkräfte bei der Ölgewinnune rätlich erscheinen lassen. Dass sich aber die Ölauftriebwege leicht verstopfen, machen nicht nur die Erfahrungen bei der Ölgewinnung wahrscheinlich, sondern das lässt sich auch von vorn herein erwarten bei der grossen Verbreitung plastischer Thone im kompliziert gebauten Ölgebirge. Vielleicht ist es nicht überflüssig schliesslich noch auf zwei Punkte hinzuweisen; nämlich einmal darauf, dass „Felsen“ so- wohl als wie Erdöl nicht in jedem Bohrloche nur auf ein ein- ziges Niveau beschränkt auftreten; sogar mehr als der dritte Teil der überhaupt fündig gewordenen Bohrlöcher traf, ganz abgesehen von den weitverbreiteten „Ölspuren“, gewinnbare grössere oder geringere Ölmengen in mehreren, von einander getrennten Tiefenlagen. Der andere Punkt ist die reichliche Gegenwart von Schwefel- kies. Dass dieses, schon als „Hans in allen Gassen“ bezeichnete Mineral auch hier vorkommt, ist an sich nicht wunderlich, da- gegen ist es seine ungewöhnlich reichliche Menge. Diese spricht doch wohl für eine Einwanderung; dass eine solche getrennt von dem Bitumen stattgefunden, ist dabei jedenfalls unwahr- scheinlich. Allerdings braucht das Bitumen nicht das ganze Material mitgebracht zu haben, insbesondere nicht das Eisen; dieser allverbreitete Stoff kann vielmehr bereits innerhalb der 12 * 180 (Gesteine vorhanden gewesen sein und hat durch Fesselung des Schwefels das Ol von diesem befreit. Das höchste geologische Alter unter den in der Gegend Wietze-Steinförde von dem Bohrer getroffenen Schichten dürften die im Tiefbohrloche (3) von L. Strippelmann im Liegenden des grossen Salzlagers gefundenen besitzen. Strippelmann rechnet die untersten derselben, nämlich ein System von wechsellagern- den Sandsteinen und Mergeln, dem Buntsandstein und die auf- lagernden Kalkmergel (von nur 44 m Gesammtmächtigkeit) dem Muschelkalke zu; beide Altersbestimmungen sind sehr anfechtbar, jedoch durch keine besser begründeten zu ersetzen; vielleicht hat ja derjenige, welchem seiner Zeit die Bohrproben vorlagen, von feinem petrographischem Gefühle (gegenüber charakteristi- schen Buntsandstein- und Wellenkalkstücken!) geleitet das Rechte bei der Bestimmung getroffen, doch hat er eben leider die Gründe seiner Entscheidungen späterer Nachprüfung durch Verschweigen entzogen. Es ist dabei wohl zu bedenken, dass die petrographische Entwickelung beider genannten geologischen Stufen durchaus nicht mit derjenigen übereinzustimmen braucht, welche dieselben am Harzrandgebirge und südwestlich davon aufweisen; sind doch sowohl Buntsandstein wie Muschelkalk schon in der Umgebung der Stadt Hannover an Werksteinbänken sehr arm und von geringerer Gesamtmächtigkeit. Andererseits darf aber auch nicht unbemerkt gelassen werden, dass sogar die Altersbestimmung des grossen Salzlagers und der dasselbe zunächst unter- und überlagernden Schichten nicht paläonto- logisch gesichert ist; die Erscheinungsweise der letzteren als bunte, dabei oft Gips haltige Mergel ist es allein, die, sogar in Gestalt von Bohrproben leicht wiedererkennbar, bunte Keuper- mergel in ihnen vermuten lässt; es ist dies eben die nächst- liegende Annahme; nach Art und Folge der Gesteine lässt sich nicht an eine andere, in der Nähe auftretende Schichtenstufe denken, insbesondere nicht an Zechstein. Das grosse Salzlager ist, abgesehen von den jüngsten vor- erwähnten Diamantbohrungen, durch 7 Bohrungen untersucht worden, deren Punkte ziemlich in einer von Nordnordwest nach Südsüdost gerichteten Reihe lagen; in Nöldeke’s Profilskizze 151 auf S. 33 sind 6 derselben aufgenommen, aber auch bei der späteren, siebenten Bohrung soll nach freundlicher Mitteilung der Herren Vorsteher Rathe und H. W. Kasten in Steinförde derselbe Fall eingetreten sein, nämlich. dass das Salz in ca. 85 m Tiefe angetroffen wurde. Aus dieser Übereinstimmung wird, und dies wohl mit Recht, gefolgert, dass 1., jene Richtung dem Schichtenstreichen entspricht, falls das Salzlager nach einer Seite geneigt liegt, und 2., die Schichtmassen, welche in den 7 Bohrlöchern angetroffen wurden, noch im Allgemeinen zusammenhängen. Wie weit letzteres weiter nach Südost, Süd und Südwest hin stattfindet, das zu sagen fehlt mir das Material; dagegen liegen Bohrergebnisse vor, welche die Nord- und Westgrenze dieser grossen Schichtenscholle zu bestimmen gestatten. Etwa 250 m von jener aus Südostsüd nach Nordwestnord gerichteten Linie, in welcher die erwähnten Bohrlöcher liegen, nach Ostnordost enfernt ist nämlich das Bohrloch Nr. 56 und von diesem weitere 25 m entfernt Nr. 52 abgeteuft worden (Vgl. beigegebene Skizze des Haupt-Bohrungsgebietes auf Taf. 6): während nun jenes noch im „Salzgehirge“ steht, zeigt dieses ganz davon abweichende Gesteinsfolgen. Zwischen beiden muss demnach eine Gebirgskluft, mithin auch die Nordgrenze des Schichtenmassivs liegen. Dabei ist es allerdings immerhin möglich, dass schon südlich von Nr. 56 eine Verwerfungs- spalte durchsetze und wenanntes Bohrloch also in einer vom Massive abgetrennten Schichtenscholle steht, die aber zweifellos noch ebenso wie jenes dem „Salzgebirge* angehört, und deshalb auch jenem Massive mit zugerechnet werden kann; dass dieses von ihr durch eine Kluft geschieden werde, deren tektonische Bedeutung diejenige der zwischen Nr. 52 und 56 zu vermutenden übertreffe oder nur erreiche, dies anzunehmen liegt wenigstens kein Anlass vor. Mit immerhin grösserer Wahrscheinlichkeit darf man den Schichtenzusammenhang von dem zuerstgenannten Tiefbohrloche bis zu dem 240 m im Streichen von ihm entfernten, ebenfalls von Strippelmann abgeteuften Bohrloche (6) neben Mainheit's Theerkuhle voraussetzen. Der Ort des letzteren ist mir etwas zweifelhaft, da mir bei mehreren Besuchen der Stelle von den ver- schiedenen Auskunftspersonen abweichende Mitteilungen gemacht worden sind und ein Irrtum unter den daselbst geschaarten Bohrlochs-Ruinen leicht möglich ist; jedenfalls muss dasselbe dem Poock’schen Bohrloche Nr. 50 ganz benachbart sein. Die hier beigefügte „aufgerollte“ Profilskizze (I.) soll das Salzlager im Streichen -und Einfallen darstellen; in ihm stellt das Tiefbohrloch Strippelmann’s die Knickungslinie vom Streichen zum Fallen (also um 90°) dar, obwohl dasselbe nur für das Profil im Streichen maassgebend sein soll; denn die nach den Einfallen durch Bohrloch Nr. 56 gelegte Vertikalebene wird die jenem Streichungsprofile entsprechende Ebene erst in einer weiter östlich belegenen Lothlinie schneiden. Vor näherer Betrachtung und Erörterung des in Skizze I dargestellten Gebirgsbaues ist erst des Materiales zu gedenken, das zur Konstruktion gedient hat. Für die Darstellung der Strippelmann’schen Bohrlöcher sind die Quellen bereits oben angegeben. Von den Poock’schen Bohrlöchern (Nr. 50, 52 und 56) musste hier wegen des geringeren Maassstabes ein zusammen- fassenderes Bild hergestellt werden; eine die Einzelheiten mehr berücksichtigende Skizze des Bohrloches Nr. 50 folgt in Skizze II; für die Bohrlöcher 52 und 56 aber geben die Bohr- register folgendes an: Bohrloch Nr. 52. Von der Oberfläche bis zu 23,0 m Tiefe Sand, in den tieferen Lagen bis zu 0,5 m mächtigen Theersand führend, ausserdem von 15 m Tiefe ab Gerölle einschliessend ; 26,5, .. ‚dunkler Thon; 34,0, „ grauer, sandiger Thon mit Geschieben und Olspuren; 58.5. viel Sand mit sandigem Thone, auch reinem Thone, Geröllen, Theersand; bei 47 m starke Ölspuren ; 735» „ Kalkstein (Felsen); 76.0», dunkelgrauer Thon; 83,0, „ blauer Schieferthon mit Ölspuren: 103,0. .„, dunkler Thon mit zumteil starken Ölspuren ; 110,0 „ „grauer Thon ohne Ölspuren ; 114,0 „ .„ dunkler Thon mit Steineinlagen und Schwefelkies; 183,0 m Tiefe „Felsen“, abwechselnd hart und weich, anfänglich mit Gips (2) und starken Ölspuren; bei 145 m ist grauer Thon in 2 m Mächtigkeit eingelagert. Gewinnbare Men- een von Erdöl treten aus in 151—155 und in 170 m Tiefe; 187,0. .„ grauer Thon mit Öl: 190,5 „ ,„ hellblauer Thon; h 203.0 ,„ „ grauer Thon mit wenig Ol. Bohrloch Nr. 56. Von der Oberfläche bis zu 17,0 m Tiefe Sand, nach der Tiefe zu mit Geschieben ; 2a Ss elihon: sl7 , „ "sandıger‘ Thon!mit Ölspuren; aus ca. 30 m Tiefe und zwar angeblich aus Kies stammen bis zu 2 em grosse, aber meist kleinere, abgeriebene Bruchstücke von Schalen von Pectunculus und Turritella; 52,0, Sand, nach der Tiefe zu mit Steinen; ») ” 55,2, „. sandiger Thon mit Steinen ; 61,0 ,„ „weisser und heller Thon und Mergel; 835...» bunte Thone und feste Steinmergel (Kalksteine ?); 89.0. „ heller Thon mit Gips, Ölgeruch: 98,0, „Felsen“ (Anhydrit?), starke Ölspuren mit Ölgeruch: 100,0 „ „Thon mit Anhydrit und Salz. Die von hier an gezogenen Bohrproben sind mir zur Bestimmung übergeben worden und zeigten diejenigen aus 100,0 m Tiefe zumteil durch Thon und Anhydrit verunreinigtes Steinsalz, zumteil reines Fasersalz in etwa 1 cm dicken Adern; ganz untergeordnet war ein farbloses, glimmerähnliches Mineral; 103,0, „ $alzreste (der durch das Bohrlochwasser ausgelaugten Probe) von verschiedenartiger Erscheinung, nämlich 1. Steinsalz in wasserhellen Krystallspaltstücken, 2. dasselbe milchig in krystallisch-körnigem Haufwerke, 3. mehr oder weniger intensiv rotgefärbte Salzstücke: deutlicher als die nur fleischfarbenen erteilten die roten Stücke der Flamme die spezifische Kalifärbung; 107,0, „ Salzreste verschiedener Art, nämlich l. an Menge vorwaltend: ziegelrotes feuchtes, körniges Salz, das unter Entfärbung schmilzt, die Flamme stark rot färbt, auch etwas Schwefelsäure enthält; 2. unreines, thoniges, graues bis graubraunes Salz, wel- ches die Flamme kaum rötet, dagegen selbst vor dem Lötrohre rot oder gelb wird; 3. in ganz untergeordneter Menge milchigweisses bis wasserhelles, die Flamme nur schwach rötendes Salz; 184 118.0 m Tiefe weisser, zumteil thoniger Gips mit verschiedenartigen Salzstücken, sowohl späthigen, aber nicht völlig wasser- klaren, als auch körnigen, weissen; beide Sorten er- teilen der Flamme deutliche Kalifärbung und enthalten ersichtlich mehr Schwefelsäure, als wie durch eine Gips- beimengung genügend erklärt werden könnte; wahr- scheinlich liegt also in ihnen ein Kalisulfat vor. Nach Mitteilung des Herrn Poock ist im Lebensmitteluntersuchungs- amt zu Hannover der Gehalt an Kaliumchlorid von zwei der vorstehend beschriebenen Bohrproben — von welchen? — bestimmt worden zu, falls ich mich recht erinnere, 15 und 9 Pet. *) 123,0 m Tiefe weisser Gips mit hellerauem Thon; 126,0 . 127,0 „, 129,0 „, 130,5 133,0 „, 136,0 „, 138,0 „, 142,0 „. 142,5—- 151 m 151,0 m Tiefe 165,0 ., 168,5 „, 170,9 „, 170.5, 174,5 ,, 179,0 , 183.0, 186,0 ., 189,0 I 2) E$ 1 . eh) ” hl ” bunter Mereel, rot und grau, mit weissem Gips; hellgrauer, schiefriger Mergel mit farblosem bis grauem, krystallinisch-körnigem Anhydrit; hellgrauer bis weisser Anhydrit in schiefrigen Stücken von verworren stengligem Gefüge; zuckerkörniger Anhydrit mit Gips und etwas hellgrauem Thone; Anhydrit, grau bis weiss, zumteil parallel-, zumteil ver- worrenstenelig, wie bei 129 m; desgleichen, aber von Bitumen durchtränkt; dunkelgrauer Schieferthon mit glimmerähnlichem Glanze der Schichtflächen, sowie fester, feinkörniger, grauer Anhydrit; dunkelbrauner, mit zu Sand zerschlagenem Anhydrit ge- mengter Thon; Tiefe heller Anhydrit; bunter, roter und grauer, plastischer Thon mit weissem Gips; dunkler, grauer bis braunschwarzer Mergel mit weissen, krei- digen Muschelschalen-Bruchstücken, von Erdöl durchtränkt; dunkel rotbrauner Thonmergel und grauer Kalkmergel (Nachfall?), von Erdöl durchtränkt; dunkelgrauer, schiefriger Mergel oder mergliger Kalk- stein, erdölhaltie ; fast schwarzer oder schwarzgrauer Mergel, reich an Erdöl; desgleichen, etwas schiefrig (?), noch reicher an Erdöl; hellgrauer Kalkmergel oder mergliger Kalkstein ; desgleichen ; desgleichen, zumteil dunkelgrau, schiefrig; grauer Mergel mit vereinzelten Stückchen eines hellen, anscheinend dolomitischen Kalksteins; 192,0— 195,5 m Tiefe hellgrauer Kalkmergel oder mergliger Kalkstein. *) Meine schon geraume Zeit vor der Drucklegung an Herrn Poock eerichtete Bitte um genaue Auskunft hierüber und über mehrere andre Punkte, insbesondre auch um Mitteilung der Produktionsregister, wurde nicht erfüllt; selbst die Zustellung der Korrekturabzüge dieser Abhand- lung blieb erfolglos. 185 Betrachten wir von der kombinierten I. Profilskizze zunächst denjenigen Teil näher, welcher das Gebirge nach seiner Streich- ungsrichtung darstellt, so liegt ersichtlich kein Grund vor, etwa anzunehmen, dass der Zusammenhang der Schichten zwischen den beiden, 240 m von einander entfernten *) Strippel- mann’schen Tiefbohrlöchern durch Verwerfungsspalten unter- brochen ist. Nun sind vom Bohrloch Nr. 6 die über dem Salze lagernden, der Keuper-Stufe zugerechneten Schichten in ziemlich gleicher Mächtigkeit durchstossen worden wie vom Tiefbohrloche Nr. 3, dagegen wurde Steinsalz nur von 91--109,5 m Tiefe angetroffen, und gelangte der Bohrer, nachdem bis 118 m Tiefe noch Gips durchfahren wurde, darunter bis zu 144,3 m Tiefe in „grünlich blauschwarze Thonschichten mit Erdölgeruche und austretendem Erdöle“, die entschieden der benachbarten Gebirgs- scholle angehören, in welcher das Bohrloch der englischen Gesellschaft und Poock’s Bohrloch Nr. 50 stehen. Hierauf weist die Übereinstimmung der in ihnen angetroffenen Gesteins- arten hin, wie dies bezüglich des englischen Bohrlochs Nöldeke schon erkannt hat; auch für Poock’s Bohrloch ist diese Über- einstimmung im Wesentlichen festzustellen, obwohl in dessen Bohrregister unterhalb der dunklen Thone von 128 m Tiefe ab hellgraugrüner Thon und von 138 m ab „grüner, abwechselnd weicher Felsen“ angeführt werden; denn letztere Bezeichnung soll doch nur auf angetroffene härtere Partieen hinweisen, welche bei Bohrung von Nr. 6 wohl nicht besonders beachtet wurden, und andererseits hängt die mehr oder weniger dunkle Färbung der graugrünen Thone wahrscheinlich von deren Öl- reichtum ab; letzterer aber wird in der Nähe der Gebirgsspalte vermutlich grösser gewesen sein als weiter von ihr entfernt, und werden die ihr anliegenden Thone dunkel sein, welche in weiteren Abstande (also in Bohrloch Nr. 50) hell erscheinen. Von den in Bohrloch Nr. 50 von 165,5—230 m Tiefe angetroffenen, zumeist roten Thonen mit Gips ist mit einiger *) Nach Strippelmann’s eigner Angabe, während Nöldeke das Tiefbohrloch (Nr. 3) 200 m vom Schulhause und 600 m von der Mainheit’schen Theerkuhle entfernt orientiert, was entschieden über- triebene Massangaben sind. 186 Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie den von Strippelmann als zum Keuper gehörig angesprochenen Schichtmassen in dessen beiden Bohrlöchern entsprechen, und zwar doch wohl den das Salzlager bedeckenden; demnach liegt eine widersinnige Ver- werfung mit mindestens 125 m „Sprunghöhe, vor. Doch hat vielleicht, wie dies in Besprechung des II. Profils eingehen- der erörtert wird, nicht nur eine Verwerfung der durch die Spalte von einander getrennten Gebirgsteile im vertikalen Sinne, sondern zugleich eine seitliche Verschiebung (vielleicht auch nur diese) stattgefunden. Diese das Steinförder Salzgebirgsmassiv im Nordwesten begrenzende Verwerfungsspalte streicht ersichtlich nach Ost- nordost, da die in den Bohrlöchern Nr. 22, 18 und sogar 23 angetroffenen Gesteinsfolgen einigermassen denjenigen des Bohr- lochs Nr. 50, aber in keiner Weise denjenigen im Salzgebirge entsprechen. Vermutlich wurde das in genannten Bohrlöchern und den beiden zusammenliegenden Steinförder Theerkuhlen ge- wonnene Erdöl denselben durch diese senkrecht zum Schicht- streichen gerichtete „Querspalte* zugeführt. Viel weniger als das nach der Streichungsrichtung gelegte kann das auf Grund des vorhandenen Materiales für die Ein- fallrichtung konstruierte Profil im Allgemeinen befriedigen und wird durch dasselbe eine ganze Reihe von Fragen geweckt, die allerdings zumeist Natur und Lagerung des Salzlagers, und nicht das Ölgebirge betreffen, die aber alle noch unbeant- wortet bleiben müssen. Bei jeder Vergleichung der Gesteinsfolgen von Bohrlochs- profilen thut man gut, „von Unten“, d. h. von den ältesten Schichten auszugehen. Nun sind die von Strippelmann dem Buntsandsteine zugerechneten Schichten im Bohrloche Nr. 56 anscheinend nicht erreicht worden, dagegen lassen die jenen aufgelagerten „Muschelkalk“- und „Keuper“ -Schichten nach Mächtigkeit und Gesteinsbeschaffenheit eine auffällige Überein- stimmung erkennen mit den in Nr. 56 angetroffnen; die in letzt- sgenanntem Bohrloch dem Keuper zurechenbaren, das Salz noch unterlagernden Massen besitzen ziemlich genau dieselbe Mächtig- 187 keit wie die entsprechenden in Strippelmann’s Tiefbohrloche; dies trifft nicht in gleichem Masse zu bei den Schichten des „Muschelkalkes“; da aber Strippelmann's Buntsandsteinstufe Mergelschichten in Wechsellagerung enthalten soll, ist die Grenze gegenüber dem Muschelkalke mit seinen „kalkigen Mergeln*“ wohl etwas unbestimmt. Der Gesteinsbeschaffenheit der Bohrproben aus Bohrloch Nr. 56 nach zu urteilen muss ich gestehen, dass ich es wohl für möglich halte, dass da wirklich Muschelkalk-Schichten vor- liegen. Werksteinbänke von irgend erheblicher Mächtigkeit scheinen allerdings zu fehlen, was, wie schon oben erwähnt, nicht sehr verwunderlich sein würde; hauptsächlich scheint der Muschelkalk aus einem Systeme dünnschichtiger Kalksteine zu bestehen, mit denen bald reichlicher, bald spärlicher Letten wechsellagern. Auffällig ist dabei noch der Bitumenreichtum der Schiefermergel in 168—174 m Tiefe; man kann da an einen primären Erdölsitz denken. Nimmt man nun an, dass die einander nach Gesteinbeschaffen- heit und Mächtigkeit entsprechenden Schichtenstufen auch noch im Schichtenzusammenhange stehen, so ergiebt sich hieraus, wie dies die I. Profilskizze darstellt, ein nach WSW. gerichtetes Schichteneinfallen von etwa 46,5. Dies wäre an sich ja nicht unwahrscheinlich, die Schwierigkeit liegt aber darin, wie man in solchem Falle die Form und Lagerung der Salzmasse und insbesondere diejenige der letztre bedeckenden, zur Keuperstufe gerechneten Schichten erklären soll. Folgerichtig müssten da die Schichten unter der dem Diluvium zugerechneten Decke ausbeissen, nämlich die oberen Keuperschichten des Strippel- mann’schen Tiefbohrloches in der Weise, wie es durch die gestrichelte Linie angedeutet ist, und darunter das Salzlager bis zu der abschneidenden Gebirgsspalte hin. Entgegengesetzt dieser Erwartung wurden nun aber in Bohrloch Nr. 56 noch über dem Salze Schichtmassen angetroffen, die in ihrer Gesteins- beschaffenheit, und zwar insbesondere durch ihre Führung von Gips und Anhydrit, lebhaft an Keuperstufen erinnern. Die daraufhin dargestellte Verbindung beider hangenden, als Keuper angeredeten Stufen liefert also eine discordant zu den älteren 188 Mergelschichten gelagerte Decke, deren thatsächliches Verhalten doch wohl noch einer genaueren Untersuchung bedarf. Dem Salzlager eine steil geböschte Linsenform von gegen 50% Neigung des Randes gegen die Deckfläche (in welchem Falle also die liegenden Keuperschichten schon zu einem Mulden- becken gefaltet waren vor der Ablagerung des Salzes, das sich eben dann in diesem Becken ausschied) zuzuschreiben, er- scheint etwas unnatürlich. Gleichwohl sprechen zwei Umstände für diese Annahme. Von ihnen ist der eine die Natur der in Bohrloch Nr. 56 angetroffenen Salze, denen wir nach theoretischen Folgerungen bei einem „primären“, unmittelbar aus Meerwasser ausgeschiedenem Salzlager einen Ort unter den „Abraumsalzen*, im Hangenden des reinen Steinsalzes, anweisen müssen. Nun war es bereits Strippelmann gelungen, trotzdem auch er ohne Wasserabschluss und mit Freifall bohrte, in zwei Bohrlöchern (Nr. 4 und 5) von den 4 seinerseits in das Steinsalz abgeteuften ebenfalls Kali- und Magnesiasalze in 12—15 m Mächtigkeit im Hangenden des reinen Steinsalzes zu erkennen: Die beiden Bohrlöcher lagen in der Streichrichtung von Nr. 3 und 6. Darnach erscheint wohl die Annahme gestattet, dass diese „Abraumsalze“ eine zusammenhängende und ziemlich wagerechte, d. h. in dieser Gegend (bei Bohrloch Nr. 56) schwach, mit etwa 50 nach Ostnordost geneigte Decke des reinen Steinsalzes bilden. Der zweite Umstand, welcher für die primäre Natur und im Wesentlichen ungestörte Lagerung der Deckschichten des Salzlagers spricht, ist der eigentümliche Mineralbestand der in Bohrloch Nr. 56 angetroffenen Schichtenfolge. Wir haben da theoretisch wohl erklärbare Anhydrite und Gipse sowohl im Liegenden wie im Hangenden der Salze, wir haben leichtwasser- lösliche Abraumsalze mit etwas Steinsalz, aber der eigentliche Steinsalzkörper, die Hauptmasse jedes Salzlagers, die nahebei in mächtiger Entwickelung nachgewiesen ist, wird vermisst. Dies lässt sich meines Erachtens nur als eine übergreifende Randbildung *) bei Ablagerung eines grösseren Salzlagers erklären. *) Vergl. Essen’er „Glückauf“ 1896. Nr. 24 und 25. 189 Demnach hätte in der nächsten Nachbarschaft von Bohrloch Nr. 56 das Salzlager seine natürliche Grenze gehabt, gegeben vermuthlich durch den Rücken der emporgesattelten Schichten, welcher Rücken vielleicht zugleich die das Salzwasserbecken vom Ocean trennende „Barre“ darstellte. Die ursprünglich randliche Stellung der in Nr. 56 angetroffenen Salze zum Hauptsalzlager wird man aber auf jeden Fall einräumen müssen, auch bei Annahme durch sehr starke oder wiederholte Störun- gen bedingter, geneigter Lagerung, sowie von Aufhebung des Schichtenverbandes zwischen den Bohrlöchern Nr. 3 Strippel- manns und Nr. 56 Poock’s, und ferner unabhängig von der Ent- scheidung darüber, ob hier wirklich ein primäres, aus Meerwasser hervorgegangenes, oder aber ein secundäres, durch Umlagerung älterer Salzniederschläge entstandenes Lager vorliegt. Für letzterwähnte Natur spricht nämlich eine Angabe, über deren Zuverlässigkeit und Bedeutung die Meinungen aller- dings geteilt sein werden. Als Liegendes eines jeden primären Steinsalzlagers wird bekanntlich theoretisch Anhydrit in nicht unerheblicher Mächtigkeit gefordert. Anstatt dessen, der ja auch in Nr. 56 gefunden wurde, giebt jedoch Strippelmann an, dass das „reine Steinsalz“ von mit 10 Zoll mächtigen Steinsalzbänken wechsellagernden Keupermergeln unterteuft werde. Entspräche diese Mitteilung der Wirklichkeit, so wäre an der secundären Naturdes Steinsalzlagers nicht zu zweifeln ; auf secundärer Lagerstätte befänden sich alsdann aber auch jene Magnesium- und Kaliumsalze; für diese war die Concentration während der Steinsalzablagerung noch zu gering gewesen. An der Trennung der Schichtenmassen, in denen Bohr- löcher Nr. 56 und 52 stehen, von einander durch eine Gebirgs- spalte ist nach Darstellung der Profilskizze wohl kaum zu zweifeln; dagegen ist Richtung und Grösse des Einfallens dieser Spalte noch ganz unermittelt; vermutlich streicht sie angenähert dem „Salzgebirge* (NWN. — SOS.) und der Haupt-Richtung, welcher der Wietze-Fluss dort folgt, parallel. Die nördlich und östlich an dieselbe angelagerten Gesteinsmassen gehören wieder dem „Ölgebirge“ an und zwar ist mit dem Bohrloche Nr. 52 eine räumlich von dem bisher hauptsächlich 190 ausgebeuteten „Ölgebiete“ entlegene Partie eines solchen erschlossen worden, dessen Sonderstellung auch durch abweichende Eigenschaf- ten des Erdöls, mit welchem sich seither das Bohrloch (binnen 24 Stunden allemal 4 m hoch) füllte, zur Erscheinung gelangte. Räumlich derselben zunächst liegt das unbedeutende Öl- Produktionsgebiet längs der vorher erwähnten Gebirgsspalte, welche zwischen Strippelmann’s Bohrloch Nr. 6 und Poock’s Nr. 50 verläuft. Der Bau des Gebirges nordwestlich von dieser Verwerfungsspalte ist noch weniger sicher zu bestimmen, als wie östlich davon, obwohl dort auf verhältnissmässig beschränktem Raume 5 Bohrlöcher, von denen 3 über 180 m Tiefe erreichten, ab- geteuft worden sind. Da man nur auf die Bohrregister angewiesen ist, deren Qualität oben gekennzeichnet wurde, ermangelt jede Konstruktion der festen Grundlage. Wenn aber auch die Bohr- register der 5 Bohrlöcher nicht in volle Übereinstimmung mit einander zu bringen sind, so tritt diese doch in manchen Einzel- heiten hervor und spricht die Mehrzahl der auffindbaren Ana- logien für die Herrschaft östlichen Einfallens der vorliegenden Schichtkörper. Den grössten und demnach dem wahren am Nächsten kommenden Betrag des Einfallwinkels erhält man in dem Falle, dass man die Profilebene durch das „alte englische Bohrloch* (Bergheim’s Nr. 1) und Poock’s Bohrloch Nr. 23 legt; hiernach ist die II. Profilskizze entworfen, indem auf genannte Vertikal- ebene die Bohrprofile der Bohrlöcher Nr. 50, 22 und 18*) pro- jiciert wurden. Diese Skizze lehrt wohl deutlicher als viele Worte, wieviele Zweifel erregende Punkte noch der Aufklärung und Begleichung bedürfen, ob es z. B. gerechtfertigt ist, den Zusammenhang der Schichten zwischen allen oder wenigstens mehreren Bohrlöchern anzunehmen oder nicht. Man wird er- kennen, dass sogar für die beiden produktiven Bohrlöcher Nr. 22 und 18, welche im übrigen die grösste Übereinstimmung *) Zu dem Bohrlochprofile Nr. 50 sei noch bemerkt, dass das Bohrregister von dem in 40 -52 und 58—65 m Tiefe angetroffenen Thon angiebt, dass derselbe „Kalkspath“ (??) enthalten habe, welcher von 655—70 m Tiefe sogar reichlich aufgetreten sei. 191 der Schichtenfolgen zeigen, noch immer Abweichungen übrig bleiben. Desshalb erscheint es auch nicht angemessen, aus den zahlreicheren Abweichungen der anderen Bohrlochprofile gleich auf Verwerfungsspalten zu schliessen, die den Gesteinsverband zwischen ihnen unterbrechen sollen; solche Annahme würde entschieden mehr einer besondern Begründung bedürfen, als wie die nächstliegende des noch obwaltenden Zusammenhanges. Noch in einem andern, sehr wesentlichen Punkte ist dem willkürlichen Ermessen ganz freier Raum gelassen und die Ent- scheidung anheimzugeben ; ich meine die Frage, ob man die in den drei tiefsten Bohrlöchern zu unterst angetroffenen, zumeist roten, Gips-führenden Thone und Mergel für zu einer einzigen Schichtmasse zusammengehörig auffassen soll, welche ebenso wie die ihr konkordant aufgelagerten Schichten nach ONO. steil einfällt, oder ob man sie für, zwar zu einer Schichtenstufe (Keuper) zusammengehörig erklärt, aber in ihnen nur die Schichtenköpfe diskordant gegen den aufgelagerten „Felsen“ abstossender Lagermassen erblickt. Hieran zu denken wird man durch den Rückblick auf das in der I. Profilskizze dar- gestellte steile Einfallen der älteren Keuperschichten nach WSW. veranlasst, das den schreienden Gegensatz zu dem im Il. Profil herrschenden Steilfallen nach ONO. darstellt. Möglich ist der eine Fall gewiss ebenso gut wie der andere und gewinnt auch keiner von beiden an besonderer Wahrscheinlichkeit, wenn man die Bohrprofile der nach Westen zu nächstgelegenen Bohrlöcher (III. Profilskizze) unter der Voraussetzung des bis dorthin reichenden Schichtenverbandes und einheitlichen Gebirgsbaus, was allerdings wegen der verhältnismässig grossen Entfernung leicht angezweifelt werden kann, inbetracht zieht. Ist es doch sogar sehr fraglich, ob auch nur die beiden Bohrlöcher, welche dort ’ auf 50 m einander benachbart sind, nicht in durch eine Ver- werfungskluft von einander getrennten, verschiedenen Schichten- systemen stehen, denn das ältere (englische) Bohrloch war an- scheinend sehr produktiv und lieferte aus Sandstein reichliche Mengen von Öl, das der Überlieferung zufolge von besonders guter Qualität und leichflüssig gewesen ist, während der in viel grösserer Tiefe in Poock’s Bohrloch Nr. 47 erschlossene Sand, 192 von dem man annehmen könnte, dass er jenem Sandsteine ent- spricht, kein Ol gab. Konstruiert man gleichwohl unter vorerwähnten Voraus- setzungen die III. Profilskizze für beide Bohrlöcher (zu beachten ist, dass diese wiederum wie die I. Skizze in halb so grossem Massstabe als wie die II. Skizze [1:1000] gezeichnet wurde), so könnte man in den steil nach Südwesten eintallen- den, gegen 35 m mächtigen Sanden und Sandsteinen, sowie in den darunter lagernden roten Thonen und Thonmergeln die „Buntsandsteinschichten“ Strippelmann’s (aus Bohrloch 3) ver- muten, die zu einem steilen Sattel aufstiegen, welcher zwischen der Region dieser Bohrlöcher und derjenigen des II. Profils zwischen drinnen liege, nach Nordwestnord streiche (wie das „Salzgebirge“) und dessen nach Ostnordost einfallenden Gegen- schenkel eben das Il. Profil darstelle. Wie unsicher und an- zweifelbar diese Konstruktion ist, leuchtet aber auch schon bei näherer Betrachtung des III. Profils hervor, wo sich im „eng- lischen“ Bohrloche über den als Buntsandstein angeredeten Sandsteinen Schieferthone mit Mergel angegeben finden, in denen man vielleicht Glieder des Muschelkalks vermuten könnte, im Poock’schen Bohrloche aber ein solches Äquivalent vermisst wird; hier lagern vielmehr gleich bunte, gipsführende Thone dem mächtigen Sande auf, die man dem Keuper zurechnen möchte. Doch sind auch andere Deutungen, z. B. diejenige der ebengenannten gipsführenden Thone als „Münder Mergel“ und die des Sandes als Deistersandstein, nicht zu widerlegen, weil eben paläontologische Kennzeichen fehlen. Als Hauptölgebiet innerhalb dieser Gegend gilt von jeher der weiter westlich gelegene, aus Südwesten nach Nordosten bis zum Wallmann’schen Gehöfte ziehende Landstrich, in wel- chem früher eine Reihe von Theerkuhlen angelegt worden war. Der reichliche Ertrag, den insbesondere die Wallmann’sche Theerkuhle in schon Jahrhunderte (mindestens seit 1670) wäh- rendem Betriebe geliefert hatte, gab ja seiner Zeit die Veran- lassung zu Tiefbohrversuchen, welche natürlicherweise zunächst im engsten Umkreise der genannten Kuhle ausgeführt wurden. ee Der ersten, auf Kosten der hannoverschen Regierung anfangs der 60er Jahre ausgeführten Bohrung folgten bald zahlreiche andere von Privatpersonen oder Gesellschaften unternommene, wobei man von den ersten Ölgewinnungspunkten aus vorsichtig weitertastend die Erstreckung des Ölgebietes zu ermitteln suchte. In diesem waren zurzeit meiner Untersuchung allein an Poock’- schen Bohrlöchern 49 Stück vorhanden, von denen gegen 31 Stück ergiebig, dagegen 18 nicht so reich an Öl befunden worden waren, dass eine Ausbeutung gelohnt hätte. Die mittlere Tiefe der produktiven Bohrlöcher beträgt nur 100,8 m, in denen Öl in Tiefen zwischen 43,9 m (Nr. 5) und 150 m (in Nr. 33 (?), in Nr. 14 in 142 m), im Mittel, bei Ausserachtlassung der in geringern Tiefen derselben Bohrlöcher angetroffenen Ölmengen, bis zu 87,7 m angetroffen wurde; diejenige der unproduk- tiven Bohrlöcher erreichte 117,75 m (zwischen 25,8 und 180,5 m). Beiläufig bemerkt wäre eine etwa dahin lautende Schlussfolgerung aus der grösseren Tiefe der unproduktiven Löcher, dass das Öl in der Tiefe verschwinde, verfrüht: viel näher liegt die Erklärung, dass zu den fündigen Bohrlöchern diejenigen mitzugehören, deren Abteufung durch bereits bis zur Oberfläche reichende Ölspuren veranlasst wurde; als man aber von deren Punkten aus nach Öl suchend in die Nachbarschaft vorschritt, konnte es nicht ausbleiben, dass bei diesem von keiner genügend begründeten Theorie geleiteten, nur dem glück- lichen Zufalle vertrauenden Herumtasten viele Bohrlöcher un- produktiv blieben; gerade diesen aber, als neuen und deshalb technisch leicht fortzusetzenden Bohrlöchern, wurde zumeist eine etwas grössere Tiefe gegeben. Eine Ausnahme hiervon macht nur die Gruppe der in der Nachbarschaft der südlichsten Theerkuhle gelegenen Bohrlöcher, welche, obwohl unproduktiv, doch schon nach Erreichung geringer Tiefen (Nr. 27 bei nur 25,3 m, Nr. 30 bei 77 m, Nr. 31 bei 70,5 m und Nr. 32 bei 80 m) aufgegeben wurden; in ihnen waren unterhalb der ca. 20 m mächtigen Decke diluvialen, gerölleführenden Sandes gegen 30 m sandige Thone und hierunter helle Thone, ebenfalls bis zu 30 m mächtig, angetroffen worden; der Befund im Bohrloch Nr. 31 wich nur darin ab, dass von 30,5 bis zu 55,5 m Tiefe, 15 194 wo blauer Thon folgte, „abwechselnd weicher Felsen“ angegeben wird. Von dieser Gruppe von Bohrlöchern kann bei der weiteren Betrachtung ganz abgesehen werden, da sie in keiner Beziehung auf die Frage nach dem Sitze des Erdöls in der Tiefe Aufschluss giebt. Die Aufgabe, auf Grund der Bohrregister den Gebirgsbau zu ermitteln, wird für alle hier zu betrachtenden Bohrlöcher ausser durch die schon früher erwähnten Umstände noch er- heblich mehr erschwert und zumeist sogar unlösbar gemacht durch die geringe Tiefe und die dieser entsprechende Kürze der Bohrreeister. Wo man nur nach Übereinstimmung von Gesteinsfolgen in Beschaffenheit und Mächtigkeit beurteilen soll, ob «leiche Schichtensysteme in verschiedenen Bohrlöchern an- eetroffen worden sind, besondere Kennzeichen gewisser Leit- schichten aber ganz fehlen, da wird man mindestens recht ausgedehnte Beobachtungsreihen verlangen. Da nun ferner nicht nur vorauszusetzen ist, sondern auch die Erfahrungen zu be- stätigen scheinen, dass sich die Schichten in sehr gestörter Lagerung finden, nach den verschiedensten Richtungen geneigt liegen, gefaltet oder von Verwerfungsspalten durchsetzt sind, und dies vermutlich in desto grösserer Mannigfaltigkeit, als sie der oberflächlichen diluvialen Sanddecke näher kommen, so wird man auf das Verhalten dieser (bis 60 m Tiefe) zunächst erreichbaren Gebirgsglieder sehr wenig Gewicht bei der Er- forschung des Untergrundbaues legen dürfen. Weit ausgreifende Vergleiche sind unter diesen Umständen unstatthaft; von der nächsten Nachbarschaft ist auszugehen, um Andeutungen über die Lagerung der Schichtmassen zu erhalten und mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein und den Verlauf von Gebirgsspalten zu schliessen. Letztere sind vermutlich in ver- hältnismässig sehr grosser Anzahl vorhanden, aber hinwiederum wäre die Behauptung unterbrochenen Schichtenverbandes zwischen der Mehrzahl der Bohrlöcher ein allerdings bequemes, jedoch der mangelnden Begründung halber unstatthaftes Mittel zur Erklärung der überall und durchweg verbleibenden Fälle der Nichtübereinstimmung von Schichtenfolgen einander benachbarter Bohrlöcher. 195 Da Untergrundwasser (hier Salzwasser) seinen Lauf eben- sowohl auf Gebirgsklüften wie innerhalb sehr durchlässiger Gesteinskörper nehmen kann, ist es auch nicht gerechtfertigt, aus dem Antreffen solchen Salzwassers gleich auf das Dasein einer Gebirgsspalte zu schliessen; dazu bedarf es des wieder- holten Antreffens desselben in benachbarten Bohrlöchern und zwar bei Wechsel in der mit dem Wasser zugleich erbohrten Gesteinsschicht. Noch schwieriger und nur unter besonders günstigen Ver- hältnissen zu lösen ist, wie schon im Allgemeinen dargestellt wurde, die Aufgabe, zu entscheiden, ob das in gewinnbarer Menge ausgetretene Erdöl aus einem porösen Schichtkörper oder aus einem Spaltenraume zufliesst. Zwar ist hier der Umstand förderlich, dass für die Vorkommen und Tiefenlagen des Öls als des industriell wichtigen geologischen Körpers die Beobachter am meisten interessiert waren; ihre Angaben über jene dürften deshalb sehr genau sein; trotzdem ist die Entscheidung sehr erschwert, insbesondere deshalb, weil beiderlei Fälle ein- ander nicht ausschliessen und neben einander vorliegen können. Die Mitteilungen fühle ich mich dabei verpflichtet noch in anderer Weise zu beschränken. Da ich nämlich das wert- vollste Material dem Vertrauen des Leiters einer Gesellschaft verdanke, deren Betriebserfolge eine Konkurrenz in unmittel- barer Nachbarschaft veranlasst haben, und die Konkurrenz begreiflicher Weise bestrebt ist, alle von erstgemeinter Gesell- schaft unter erheblichem Kostenaufwande gewonnenen Aufschlüsse des Untergrundgebirgsbaues und des Ölsitzes für sich selbst aus- zunutzen, halte ich es nicht für gerechtfertigt, über letztere Verhältnisse bestimmte Mitteilungen von erheblicher Bedeutung für die Erdölindustrie zu machen, insoweit solche die unmittel- bare Nachbarschaft des Gebietes betreffen, für das der konkur- rierenden (Winsen’er) Gesellschaft die Gewinnungsrechte zustehen. Dies gilt nun vom nördlichen Teile des in Ausbeutung ge- nommenen Landstriches, wo um das bisher ertragreichste aller Wietzer Bohrlöcher (Nr. 7) herum ein paar Dutzend Bohrlöcher geschaart sind. Wenn ich nun nicht nur für diese Gegend, sondern auch im übrigen thunlichst vermeide, bestimmte Be- 13* 196 hauptungen über den Gebiresbau im Untergrunde, über die Verteilungsweise und den Sitz des Erdöls zu machen, also auch über die Stellen, an denen grössere Erdölmengen anzutreffen sein möchten, so ist dies wegen der schon dargelegten Mängel des Materiales, an die nicht oft genug erinnert werden kann, a kein grosser wissenschaftlicher Verlust, denn, obwohl ich bei meinen Schlussfolgerungen vorsichtig genug vorgegangen zu sein glaube, sind diese wegen des unsicheren Grundes, auf welchem sie ruhen, doch nur von so bedingtem Werte, dass ich in allen Fällen wünschen müsste, dieselben vor ihrer Veröffentlichung erst experimentell und praktisch bestätigt zu sehen. Das zur Zeit südlichst gelegene, produktiv befundene Bohr- loch Nr. 6, welches Öl aus 50,25 bis 56,5 m Tiefe geliefert hat und bis 80,1 m vertieft wurde, lässt keine übereinstimmende Gesteinsfolgen mit dem nächst benachbarten Bohrloche Nr. 54 erkennen. In seiner Nähe ist neuerdings Bohrloch Nr. 59 ab- geteuft worden, das aus 67,5 m Tiefe in den ersten 24 Stunden Pumpenbetriebs 120 Fass und darnach andauernd durchschnittlich 20 Fass Öl jeden Tag gab. Betrachtet man die Profile der Bohrlöchergruppe von Nr. 6 im Süden bis zu Nr. 4 im Norden, so findet man, dass von je zwei produktiven Bohrlöchern das östlichere das Erdöl immer in höherem Niveau angetroffen hat als wie das westliche. Für die Ölaustrittspunkte in diesen Bohrlöchern kann man darnach Niveaulinien konstruiren, welche das Bild eines nach Westen geböschten Abhanges mit einem Vorsprunge in Bohrloch Nr. 5 und einer Einkehlung in Nr. 54 liefern, nämlich Bohrloch Nr. 5 hat (das erste) Öl in 43,9 m Tiefe 6, D 50,24 ” ” ” ” » » ie) » » » 52 ’ s1 » ” » » 49 ” » » 62 » » ) 54 » » » 65-69 » » ” » 15 » » ” 68 ’ 5) » » y ” 4 » ) » 12 » » 2) 35 ” » ” 74 ) 5) » » » » 48 » >) » 76 » )) » b) 55 » 2) » 82 » ” 197 Hieraus könnte man auf einen einzigen (abgesehen von örtlichen Spaltungen, Gablungen und Zerschlagungen), flächen- förmigen Sitz oder Aufsteigepfad des Erdöls schliessen, gleich- viel ob denselben ein Schichtkörper oder eine Gebirgsspalte bilde, der zwischen Bohrloch Nr. 15 und 55 mit 30° ulalss Heniaariein 45) BB alulebi nn A020 Bd Brasib 38 a y mals, Hinbiunsesil;53 nach Westen einfallen würde. Diese Annahme findet noch eine Stütze in dem durch die westlichen Bohrlöcher gelegten (IV.) Profile, das vielleicht sowohl nach SW durch noch unver- ritztes Gebiet, als auch nach NO. durch das Gebiet der Winsen’er Gesellschaft (nämlich deren Bohrlöcher I, II und III) fortgesetzt werden kann. Die IV. Profilskizze scheint nämlich den Ölsitz in seiner Streichrichtung darzustellen. Die vorhandenen Ab- weichungen der leitenden Richtungslinie von der Horizontalen kann man dabei entweder durch wechselweises, geringes Vor- und Zurücktreten einzelner Bohrlöcher vor oder hinter die Profilebene, oder durch eine schwache Faltung erklären. Den Ölsitz bilden „Felsen“ und Ölsande, z. t. auch sandige Thone von gegen NO etwas zunehmender, im Mittel etwa 20 m betragender Mächtigkeit. Innerhalb dieser Ölträgerzone tritt das Öl in verschiedenen Höhen auf, am Grunde oder bis zu 15 m über demselben. Da wir in 6 von 7 Bohrlöchern als Liegendes dieser Ölträgerzone blauen oder hellen Thon angegeben finden, darf man von dem nur bis zum Ölsande abgeteuften 7. Bohrloche Nr. 48 wohl unbeanstandet annehmen, dass es denselben bei seiner Vertiefung bis zu 80 —82 m wohl auch auf- gewiesen haben würde. Alle diese Bohrlöcher sind nicht über den erwähnten Thon hinunter fortgesetzt worden; man hatte sich begnügt, das Öl zu gewinnen, und nur im Öl-armen Bohr- loche Nr. 34 hat man in dem Thone bei geringer Vertiefung noch Kalksteineinlagerungen erreicht. Meines Erachtens würde, vorausgesetzt, dass man vorstehende Deutung des Gebirgsbaus anerkennt, die plastische Natur des die Ölträger unterteufenden Thons hier gegen die Annahme sprechen, dass die Ölträger Spaltenfüllungen seien, denn längs der Thonschicht konnte keine klaffende Spalte entstehen und sich etwa mit Gesteinstrümmern füllen. Eine Unterbrechung der Schichtensysteme anzunehmen wäre ja auch nicht wegen der Gegenwart des Öls zu fordern nötige, sondern nur um die Verschiedenheit der den Ölträgern auflagernden Gesteinsfolgen erklären zu können. Doch kommt es eben darauf an, welchen Wert man den Angaben der Bohr- register von dieser Mannigfaltigkeit der hangenden Gesteine nach Mineralbestand und Färbung beilest, zumal da die Angabe: „mit Steineinlagen* zweifelhaft lässt, ob lose Geschiebe oder zwischengelagerte feste Schichten gemeint sind. Wenn man aber der Annahme des Vorhandenseins discordanter Lagerung der hangenden auf den liegenden Schichten zuneigt, so wird man die trennende Gebirgskluft nur innerhalb der „Felsen“- zone zu vermuten haben; sie müsste mit dieser parallel streichen. Wenn wir aber weiter zu ermitteln versuchen, nach welcher Richtung diese Kluft und nach welchen Richtungen die Schichten beiderseits derselben einfallen und welcher Natur die Schichten im Liegenden sind, so stossen wir auf Schwierigkeiten, die man bei Betrachtung der ziemlich einfach erscheinenden Ver- hältnisse der IV. Profilskizze wohl kaum geahnt haben wird. Wegen des schon angeführten Umstandes, dass im all- gemeinen in dieser Bohrlochgruppe das Öl im Westen in grösserer Tiefe angetroffen wurde als östlich, wird man meinen, dass der Öl-führende Gebirgskörper, sei er Schicht, sei er Spaltenfüllung, sich in ziemlich gleichmässigem, ostwärts gerichtetem Aufstiege zur Oberfläche verfolgen lassen werde. Eine möglichst parallel zur Ebene der IV. Profilskizze durch die östlich nächstbe- nachbarte Reihe von Bohrlöchern gelegte Profilskizze müsste demnach mit jener grosse Übereinstimmung zeigen und ebenso müssten die einzelnen „Querprofile* (soweit dieselben zusammen gestellt werden können, was für die Bohrlöcher 3—13 nicht geht, da östlich von ihnen bereits Gebiet der Winsen’er Ge- sellschaft von mir unbekanntem Bohrbefunde liegt) einander sehr ähnlich ausfallen. Diese Erwartungen werden nun durchaus nicht erfüllt. Da 199 die Reproduktion eines jeden, sowohl einzelnen Bohrlochprofils oder Bohrregisters als auch durch mehrere Bohrlöcher gelegten Gebirgsprofils nicht nur diese Arbeit, sondern auch durch deren Druckkosten die Kasse unserer Gesellschaft zu sehr belasten würde, beschränke ich mich auf folgende, zur Beweisführung wohl genügende Mitteilungen. Das Längsprofil durch die Bohrlöcher zeigt NERLOF HE? 24, 15 und 53 das Öl in Tiefen von 80; —: 60,86: — : 68,45 sowie 84; u. 74,5 m, also in zweien garnicht und in den anderen in sehr ver- schiedenen Tiefen, von denen nur zwei erheblich geringer sind als in den Bohrlöchern des IV. Profils; blauer oder heller Thon aber, der in letzterem als Liegendes des Öl-liefernden Gesteins oder wenigstens „Felsens“ die Beachtung herausforderte, wurde in entsprechender Verknüpfung innerhalb der vorgenannten Bohr- löcher (mit beibehaltener Reihenfolge) gefunden in Tiefen von s0, IN, 111,9: 10, und -IPr1. m; das würde also eine sehr gebrochene Linie geben und, wenn man Nr. 15 ausscheiden sollte, ein im allgemeinen östliches Einfallen des „Felsens“ mit unterlagerndem Thone, im Gegen- satz hierzu aber ein z. t. östliches Ansteigen oder eine im allge- meinen horizontale Verbreitung des Öls. Von den in nordwest-südöstlicher Richtung gelegten, ver- meintlichen Querprofilen, welche in den hangenderen Partieen ebenso wie das vorbeschriebene Profil jede Regelmässigkeit ver- missen lassen, erweist sich gleich das erste, durch Nr. 3 und 10 bestimmte als ein „streichendes“, da beide Bohrlöcher das Öl in SO m und den blauen Thon in 81 und 83 m Tiefe erreichten. In den Bohrlöchern Nr29, 51 und fe) ist Öl in 0, sowie 77 — 51,5 und 60,8 m der blaue Thon in 87 97 —ım Tiefe gefunden worden. Mit Bohrloch Nr. 8 könnte ausser Nr. 51, das bis in vielleicht dem Keuper zuzurechnende graue, gipshaltige Thone bei 122,1—135 m Tiefe fortgesetzt wurde, noch Nr. 4 in Ver- gleich gezogen werden, jedoch, da in dem nur 66 m tiefen 200 Loche Nr. 8 blauer Thon unterhalb des Olzuflusses gar nicht erreicht wurde, nur bezüglich dieses Olaustrittes, der in Nr. 4 erst tiefer, nämlich bei 72 m, erschlossen wurde. In dem durch Nr. 48, 15 und 53 gelegten Profile tritt Öl aus in 76; 68,5 u. 84; 74,5 m; Thon steht an in SOAP), RO! 111 m Tiefe; also findet sich auch hier wenig Regelmässigkeit. Und in Nr. 49 im Vergleich mit Nr. 48 wurde Öl schon in 62 m Tiefe, Thon aber erst in 105 m angetroffen. Da die vorstehend angeführten, einander sehr wenig ähn- liche Verhältnisse aufweisenden Profile fast nur Bohrlöcher von sehr geringen Tiefen umfassen, wird man um so grösseres Ge- wicht auf die V. Profilskizze legen dürfen, die in aufgerollter Form die Gebirgs-Profile zeigt, welche man durch die tieferen unter den hier in Frage kommenden produktiven Bohrlöchern, nämlich durch Bohrloch Nr. 55 einmal in der Richtung nach SOS. durch Nr. 54, und dann nach SO. durch Nr. 5 legen kann; auf jene Profilebene ist noch das nahebenachbarte Bohr- lochprofil Nr. 53, auf diese aber Nr. 15 projiziert worden. Beiläufig bemerkt, hat sich die Teilung des Profils und seine Beschränkung auf die nächstgelegenen Bohrlöcher nötig gemacht, da eine Projektion der Bohrlöcher Nr. 6, 54, 5, 53, 49, 15, 55, 8, 48 und 4 auf eine einzige, z. B. die erstgenannte Ver- tikalebene kein instruktives Bild lieferte. Da wird es nun auffallen, dass diese sich unter einem Winkel von wenig mehr als 300 schneidenden Vertikalebenen ganz abweichende Gebirgsverhältnisse aufweisen. Während man für den einen Flügel in anbetracht der übereinstimmenden Schichtenfolgen in Nr. 53 und 54 sehr steiles, nach NWN. gerichtetes Einfallen annehmen möchte, zeigt sich im mehr östlich, nach Nr. 5 gerichteten Profile steileres Einfallen nur in grösseren Tiefen, dagegen bei den hangenderen Schichten ein flaches und anscheinend sogar umgekehrtes, südöstliches Ein- fallen. Hierbei ist immer der Umstand zu berücksichtigen, dass bei zur Profilebene schrägen Schichtenstellungen die Ab- weichungen der vertikalen von der wirklichen Mächtigkeit mit dem Abstande von der Einfallrichtung wachsen, dann auch die 201 Möglichkeit, dass Faltungen und Biegungen vorliegen, endlich die immer wieder zu betonende Ungenauigkeit der Bohrregister; den bequemsten Ausweg aber bietet natürlich die Annahme einer Schichtenzerreissung und Verwerfung, die mitten zwischen den Bohrlöchern Nr. 5 und 54, bezw. 15 und 53 verlaufen möchte. In der Profilebene Nr. 55—5 sieht man die schon beim IV. Profile erwähnte Ölader oberhalb des hellen oder blauen Thones emporsteigen von 82 m Tiefe aus über 68,5 m zu 43,9 m; sie verläuft auch hier im „Felsen“ mit Ölsanden, also einem wahrscheinlich metamorphosierten Gesteinskörper, von dem es, wie oben erwähnt, wegen der plastischen Natur des liegenden Thones unwahrscheinlich ist, dass er eine Spalten- füllung sei. Nr. 5 gab das Öl dieser Ader „freifliessend“ und war nächst Nr. 7 (beide genannten Bohrlöcher lieferten die einzigen hier beobachteten „Ölspringquellen“) wohl das ertragreichste Bohrloch. Unter dem Thone fand sich in Nr. 5 wiederum Öl; noch wichtiger ist aber, dass sich in Nr. 15 bei 83 m und in Nr. 5 bei 56,5 m Tiefe Salzwasser einstellte, das auch einer- seits in Nr. 53 bei 74—85 m und andererseits in Nr. 49 bei 61 m Tiefe bemerkt wurde, und dass unterhalb oder in Be- leitung desselben wiederum Öl gefunden wurde, nämlich in Nr. 15 bei 84 m Tiefe, a RE HIFEIETE Hetit Tiefe! „ (84) „ (65-69 m Tiefe), EDEN EZ Tiefe: Au 5b „ 57—60,5 m Tiefe. Da in Bohrloch Nr. 5 unterhalb des bis 42,9 m Tiefe reichenden sandigen Thones 0,75 m Ölsand, 0,25 m Felsen und dann nur einmal, von 43,9 —44,4 m sandfreier blauer Thon in 0,5 m Mächtigkeit angetroffen wurde, während solcher für Nr. 15 sowohl von 40,27—58,69 m als auch von 69,9 — 72,2 m Tiefe angeführt wird, so ist allerdings fraglich, welchem dieser beiden Thone jene schwache Thonschicht entspricht (und welcher Felsenzone in Nr. 15 jene nur 0,25 m mächtige Felsenschicht). Da das Öl in Nr. 5 erst am Grunde des „Felsen“ hervorquoll, was sich rücksichtlich der beiden höheren in Nr. 15 getroffenen „Felsen“ nur bei dem in 58,7—69,9 m Tiefe angetroffenen 202 wiederholte, erscheint es berechtigt, den Thon, welcher in Nr. 15 bei 70 m ansteht, mit dem in Nr. 5 angetroffenen in Verbin- dung zu bringen; der hangende, in Nr. 15 viel mächtigere und in Nr. 55 sogar gegen 40 m mächtige Thon würde sich dem- gemäss (wenn keine Verwerfung angenommen werden sollte) schon vor Bohrloch Nr. 5 auskeilen. Wichtiger aber erscheint noch folgender Umstand; wollte man der entgegengesetzten An- sicht huldigen, so würde der in Nr. 15 bei 68,5 m austretenden Ölader in Nr. 5 nicht das bei 43,9 m, sondern das bei 46 bis 52,5 m Tiefe angetroffene Öl entsprechen, das erst unterhalb des für Öl doch wohl ziemlich undurchdringlichen, plastischen Thones ansteht, während jenes oberhalb von solchem gefunden wurde; eine Verbindung beider Ölmassen dürfte daher ganz unwahrscheinlich sein. Über die Lagerungsverhältnisse dürfen wir aus diesem Pro- file wohl schliessen, dass die beiden den Öl liefernden Felsen einschliessenden Thonschichten (in Nr. 55 und 15) gleichsinnige Lagerung besitzen, wofür das übereinstimmende rasche Ab- nehmen der Mächtigkeit nach Bohrloch Nr. 5 hin Zeugnis ab- legt, während des umgekehrten Verhaltens wegen der hangende sandige Thon und der diesen bedeckende graue Thon diskordant aufgelagert sein wird; da die Salzwasserbahn nicht der in jener Schichtengruppe ausgesprochenen Divergenz der Schichtenfugen nach unten hin in entsprechendem Masse gehorcht, ist in ihr wiederum eine Lagerungsunterbrechung (Wechsel oder Spalte) zu vermuten; hiermit ist aber nicht zugleich gesagt, dass längs solcher Spalte auch eine erhebliche Verwerfung eingetreten sei. Ermittelt wäre also in diesem Falle (und bei Geltend- machung der erwähnten Annahmen) die Existenz einer ziemlichen Anzahl von Ölauftriebwegen, nämlich ausser dem schon viel genannten oberhalb des hellen Thones in Nr. 55 bis 15 der- jenige unterhalb desselben über, mit und unter dem Salzwasser (in 46—60,5 m Tiefe in Nr. 5, in 84 m Tiefe in Nr. 15, als starke Ölspuren in 33—38 m Tiefe und als Öl in 74,5 m Tiefe in Nr. 53), ferner das Öl in 65 m Tiefe in Nr. 54, und noch tieferen Schichten-Niveaus entspricht vielleicht das Öl in 50,24 und in 56,5 m Tiefe in Bohrloch Nr. 6. 203 Wir haben also gerechten Grund, die Annahme eines ein- zigen schichtenförmigen Ölsitzes oder einer einzigen ölführenden Spalte abzulehnen und für diese Mehrheiten anzunehmen. Auch im Bohrloch Nr. 49 scheinen noch einige Glieder der vorbetrachteten Schichtensysteme getroffen zu sein, worauf schon das Auftreten von Salzwasser in 61 m Tiefe hindeutet; doch 114 m Tiefe) erreichten hellen Thone (mit Kalksteineinlagen!) um 28 m höher, als wie stehen die von ihm zuletzt (in 105 dieselben bei Einordnung durch rechtwinklige Projektion in die Profilebene 55—54 gegenüber den hellgrauen Thonen von Nr. 53 zu stehen kommen sollten; gleiches gilt vom Salzwasser- und Ölaustritte (um 22 m höher). Es sind dies Umstände, die zu Gunsten der oben erwähnten Annahme einer zwischen Nr. 54 und 5 verlaufenden Verwerfungskluft sprechen. Dabei ist das über dem Öle zunächstliegende Schichtensystem an seinem Haupte schon um die blauen und hellen Thone verkürzt, wäh- rend das von Norden her übergreifende System von sandigem und diesem aufgelagertem grauem Thone, das in Nr. 5 bis 28 m Mächtigkeit hatte, hier auf 35 m Dicke angewachsen ist. Dass dieses Schichtensystem nahezu von Osten nach Westen streicht, macht die Vergleichung mit Nr. 48 (s. IV. Profilskizze) wahrscheinlich, dessen Schichtenfolge derjenigen in Nr. 49 bis zum Felsen hin ganz ähnlich ist. Hiermit hören aber auch die Analogien der nördlicher gele- genen Bohrlöcher mit den südlicheren auf, denn weder Nr. 24 noch Nr. 4 (s. IV. Profilsk.) mit Nr. 49 u. 48 verglichen zeigen irgend wel- che Ähnlichkeit ausser der Unterteufung des ölliefernden Felsens oder Ölsandes durch blauen oder hellen Thon. Letztere Überein- stimmung kann aber sehr wohl nur zufällig sein, denn die bei 81 m Tiefe in Nr. 4 angetroffenen blauen Thone sind wahrscheinlich besser, als mit den bei 111 m Tiefe vorhandenen, mit den in 43 —47 m angetroffenen „schiefrigen* oder den von 50—56 m Tiefe reichenden „blauen“ Thonen in Nr. 24 in Verbindung zu bringen. Für die hangende Partie (vielleicht sogar bis 70 m Tiefe) erwecken da die Angaben über blauen, festen, sandigen Thon von 48—62 m Tiefe in Nr. 4 die Vermuthung, dass der Schichten- zusammenhang südwärts unterbrochen ist und diese Schichten derselben Gebirgsscholle wie die Löcher Nr. 9, 3 und 51) an- gehören. Bohrloch N. 8 liefert, wie schon erwähnt, wegen seiner Seichtheit (65 m) mit keinem einzigen der ihm benachbarten Bohrlöcher sichere Vergleichspunkte. Wie soeben angedeutet, scheinen Nr. 9 und 3 (s. IV. Profilsk.) sowie Nr. 51 und 10 in einem einheitlichen Gebirge zu stehen. Die Schichten desselben fallen, den vorhandenen dürftigen Angaben zufolge, nach Südwestsüd mit etwa 30° ein und bestehen zu unterst aus blauem Thone, der in Bohrloch Nr. 51 (wo unterhalb desselben von 108—122,5 m dunkler, fester Thon und bis zu 145 m Tiefe grauer, Gips-haltiger, also ver- mutlich dem Keuper zugehöriger Thon liegen) etwa 11 m mächtig gefunden wurde; darüber folgt „abwechselnd weicher Felsen“ von verschiedentlicher Mächtigkeit, dann hellblauer Thon, der wiederholt und zumal in seinen liegenderen Massen als sandig gekennzeichnet wird und in den hangenderen Theilen in Nr. 3 auch „Steineinlagen“ führen soll. Thon und Felsen zusammen sollen 27—35 m verticale Mächtigkeit besitzen und hierüber soll bis zur Diluvialdecke hin sandiger grauer Thon (in Nr. 3 ebenfalls mit „Steineinlagen“) lagern. Zu verwundern ist aber, dass während Nr. 3 in 80—82 m, Nr. 9 in 70 und 77 m und Nr. 10 in 80 m Tiefe oberhalb des sandfreien blauen Thons Öl geliefert haben, das Bohrloch Nr. 51, das den Öl liefernden Felsen in grösserer Tiefe (93—97 m) durchstiess, dennoch kein Öl in gewinnbarer Menge, sondern nur in Spuren aufwies. Auch Nr. 34 und Nr. 13 stehen vielleicht noch in dem eben beschriebenen Schichtensysteme, das hier etwa einer gelinden Einmuldung (in Nr. 34) oder einer stufenförmigen Zerschlagung unterworfen war. Vorstehende ausführlichere Darlegung wird wohl genügend gezeigt haben, wie grosse und welcher Art Schwierigkeiten die Ermittelung sicherer Ergebnisse hindern. Ausser zu diesem Zwecke ist sie deshalb aufgenommen worden, um für die aus- bleibenden Angaben über die Mehrzahl der in der nördlichen Gruppe enthaltenen Bohrlöcher gewissermassen zu entschädigen, | | ü 205 denn aus bereits angeführten Gründen fühle ich mich bezüglich dieser Bohrlochgruppe zu einer gewissen Zurückhaltung ver- pflichtet. Solche Zurückhaltung wird mir allerdings sehr leicht rücksichtlich der Bohrlochreihe Nr. 28, 2, 26, 1 und 39, denn über diese lässt sich in der That wenig sagen; sie umfasst nur seichte Bohrlöcher, die von einander abweichende Gesteins- folgen gezeigt haben; dieselben lassen den Gebirgsbau schon desshalb nicht erkennen, weil sie nach einer einzigen Richtung geordnet sind und die Aufschlüsse seitlich davon fehlen. Um aber wenigstens einige Einzelheiten der Gebirgsver- hältnisse der wichtigsten Bohrlochgruppe mitzuteilen, deren Veröffentlichung ich verantworten zu können glaube, sind hier ohne weitere Erklärung nach zwei Profilskizzen gegeben; in die durch die Bohrlöcher Nr. 7 und 35 gelegte Verticalebene der VI. Skizze sind die Projektionen der Bohrlöcher Nr. 14 und 43 eingezeichnet. In diesen Profilen kommt „Felsen“ zur Darstellung, der wesentlich und in seiner Hauptmasse als Füllung einer Spalte aufgefasst werden darf, die bei nördlichem Einfallen durch eine ziemlich grosse Zahl von Bohrlöchern zu verfolgen ist. Doch wird, und dies möchte ich betonen, um nicht Miss- verständnisse aufkommen zu lassen, selbst im beschränkten Gebiete dieser Bohrlochgruppe, der Gebirgsbau nicht einzig und durchweg von dieser Verwerfungskluft beherrscht. Als ein wesentliches Ergebnis meiner Untersuchung darf ich vielmehr hinstellen, dass ich zur Annahme von zahlreichen und örtlich gedrängten Lagerungsstörungen des Öl-liefernden Gebirges innerhalb des ganzen Hauptölgebietes gedrängt wurde. Desshalb erscheint mir auch der Versuch nicht nur unerspriesslich, sondern sogar noch irreführend und verwerflich, ein „ideales“ Profil der Lagerungsverhältnisse zu construiren. Wenn dies nach Freystedt für das Ölgewinnungsgebiet von Ölheim angängig war, so ist es dies doch eben nicht gleicherweise für dasjenige von Wietze; die Gebirgsstörungen, deren Vorhandensein ich bereits früher (Allgem. Österr. Chem. und Tech. Z. 1896) als ein allen unseren „Ölpunkten“ gemeinsames Kenn- zeichen hingestellt habe, sind hier zu zahlreich, verschieden- artig und dicht gedrängt, als dass sie eine einfache und einheit- liche Darstellung (im ebenen Bilde) gestatteten. Zu einem Überblicke der Verhältnisse verhilft nur die Theorie; diese aber wird sich hierbei weniger auf unmittelbar gegebene Beweispunkte stützen können, als auf die Charakter- züge des allgemeinen Gebirgsbaues in unserm Lande. Als nachgewiesen kann nur hingestellt werden: 1. Dass die Gesteinskörper, aus denen bislang bei Wietze Öl gewonnen wurde, jüngere Gebilde sind als wie die Salz und Gips einschliessenden Triasschichten. Dies wird bewiesen, ausser durch die petrographische Übereinstimmung vieler Bohrproben von plastischen Thonen und Kalksteinen mit Gliedern der bei uns weitverbreiteten Hils- und Gault-Stufen, insbesondere da- durch, dass in der Nachbarschaft des Ölgebietes, zu Steinförde, wie dies die beiden ersten Profile darstellen, die Öl liefernden Schichten dem Keuper höchstwahrscheinlich gleichsinnig auf- lagern. Vermutlich sind das aber dieselben Schichten, wie die bei Wietze als Ölträger befundenen. Bei den sandigen Gebilden lässt sich daher an die Wälderstufe (Wealden) denken. Ob und inwieweit ältere Schichtenstufen (des Malm, Dogger und Lias) vertreten sind, ist fraglich, ganz unsicher ist auch die Abgrenzung und Altersbestimmung nach Oben hin, gegenüber jüngeren Ablagerungen. Die vorwiegend aus Sand mit mehr oder weniger grossen und zahlreichen Geschieben kieselsäure- reicher Gesteine, aus Kies, Lehm und Thon bestehende Decke ist wohl zweifellos diluvialen Alters; ob aber und inwieweit Gleiches auch von den darunter liegenden, ziemlich mächtigen sandigen und nicht sandigen Thonen gelte, bleibt noch zu er- mitteln. Auf Grund von Nöldeke’s Autorität wird die Gegenwart von Tertiärschichten behauptet, doch erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass diese wirklich in Schichtenform erhalten sind und am Gebirgsaufbau teilnehmen ; die tertiären Versteinerungen nämlich, welche als wichtigste Belege jener Bestimmung aufgeführt werden, stammen nach Angabe des Bohrinspektors stets aus Conglomeraten und Kiesen, sind also vermutlich in diesen auf sekundärer Lagerstätte gefunden und haben ihr abgeriebenes und fragmentares Äussere nicht einzig durch die Arbeit des Bohrmeissels erhalten, und Braun- kohle (Lignit), von welcher nach Nöldeke ein schwaches Flötz vorhanden sein soll, scheint wegen ihrer Beschränkung auf vereinzelte Bohrlöcher immer nur in verschleppten Schollen von geringer Erstreckung diluvialen Sanden eingelagert zu sein. Wenn nun auch bislang Öl nur aus Gesteinskörpern ge- wonnen wurde, die jünger als Keuper sind, so ist doch damit weder bewiesen, dass es auf sie beschränkt sein müsse, noch dass es in jenen seinen primären Sitz habe. Ersterer Be- hauptung würde schon der reichliche Bitumengehalt der in Bohrloch Nr. 56 (s. I. Skizze) unterhalb des Salzes gefundenen, als Muschelkalk gedeuteten schiefrigen Kalkmergel widersprechen. Wie an betreffender Stelle erwähnt wurde, könnte man bei ihnen an einen primären Ölsitz denken, doch entscheidet dieser Fund in Wirklichkeit weder in der einen noch in der anderen Richtung. Denn ebenso wie sich das Diluvium stellenweise von dem aus grösserer Tiefe, wenn vielleicht auch nur aus den unterlagernden Gesteinen stammenden Bitumen gesättigt findet, kann auch dieser Kalkmergel erst sekundär imprägniert sein und zwar sogar von der Seite jüngerer Ablagerungen her, welche in der Nachbarschaft in grössere Tiefe gesunken waren. Dass dies sehr wahrscheinlich der Fall gewesen sei, will ich jedoch nicht behaupten, schon in anbetracht der mergligen Natur dieser Schiefer. Jedenfalls steht nichts im Wege, für die Herkunft des Öles, ausser etwa aus diesen Mergelschiefern, die Gegenwart noch anderer, viel älterer Ablagerungen im Untergrunde anzu- nehmen, aus denen die Erdöle abdestilliert sein könnten. Als solches, wahrscheinlich vorhandenes Muttergestein möchte be- kanntlich Nöldeke die karbonischen Kohlenflötze anerkannt wissen, die im anthracitisierten Zustande am Piesberge bei Osnabrück abgebaut werden; dass diese Flötze weithin nach Osten fortstreichen und noch im Lande nördlich des Harzes auf grosse Erstreckung hin am Untergrundgebirge teilhaben können, wird schwierig zu bestreiten oder gar zu widerlegen sein. Es lässt sich aber auch an die als „Kupferschiefer“ be- kannten bituminösen Mergelschiefer des untersten Zechsteins denken, da diese längs des Nordrandes des Harzgebirges aus- 208 beissen. Alle diese Annahmen entbehren zwar einerseits der bestimmten Begründung, sind aber andererseits auch nicht zurückzuweisen, so lange wir keine Kenntnisse von dem Auf- bau und der Art der in grösseren Tiefen des nordwestdeutschen Bodens lagernden Gebirgsmassen besitzen. Schon jetzt aber darf man die Annahme, dass sich das gewonnene Öl auf primärer Lagerstätte (also am Orte seiner Bildung) befunden habe, als weniger wahrscheinlich als wie die gegenteilige bezeichnen und zwar aus den bereits bei Erörterung der Natur der Erdöl-„Felsen“ und der Erdölfundstellen inner- halb des Gebirges angeführten Gründen. 2. Dass die jüngeren, das Erdöl liefernden Gesteinskörper an Gebirgsspalten anlagern, welche auch noch die älteren Schichten, hier zunächst die Trias- Gebilde, durchsetzen und dass sie durch solche Gebirgsstörungen teilweise in gleiche und zumteil noch grössere Tiefe unter der Oberfläche versetzt worden sind, in der die Gebilde älterer geologischer Perioden im allgemeinen dort gefunden werden. Als Beweis hierfür können schon die in den ersten Profilen dargestellten Verhält- nisse gelten, wo verschiedenaltrige Schichten neben einander zu liegen gekommen sind. Aber auch im Hauptgewinnungsgebiete finden wir, dass in gleichen Tiefen, wo sonst noch jüngere Ab- lagerungen angetroffen wurden, in den Bohrlöchern Nr. 51 und 36 (vielleicht auch Nr. 17?) der Bohrer in vermutlich dem Keuper zugehörige Schichten trat; daraufhin wird von den Öl- suchern vermutet, dass, ähnlich wie in der Steinförder Feld- mark, so auch in dem Landstriche zwischen dieser und dem Hauptölgewinnungsgebiete im allgemeinen der Keuper die Dilu- vialdecke unmittelbar unterlagere. Welche Ausmasse das zwischen Keupermassen eingelagert gedachte, aus jüngeren Schichten aufgebaute „Ölgebirge“ des Hauptgewinnungsgebietes überhaupt besitzt, ist noch gar nicht ermittelt. Selbst von den erwähnten, die Keuperschichten er- reichenden Bohrlöchern lässt sich nicht behaupten, dass sie seine Ostgrenze genau und vollständig bestimmen, denn bereits Nr. 42 beweist eine östliche Ausbiegung des Ölgebirges über die durch jene gegebene Linie hinaus. Nach Süden zu hat 209 man die Grenze noch gar nicht gesucht und auch bezüglich deren Lage im Norden und Westen hegt man ganz unbestimmte und unsichere Vermutungen; allerdings ist es immerhin möglich und nur noch nicht allgemeiner bekannt, dass schon in einem oder anderem der westlicher gelegenen Bohrlöcher der Winsener Gesellschaft wiederum Keuper angetroffen worden ist. In den Fällen, wo man zu Bohrungen nicht durch bis zur Oberfläche reichende Ölspuren veranlasst wurde, hat man sich eben immer, abgesehen von den sogleich zu erwähnenden Fällen, um Miss- erfolge zu vermeiden, möglichst in der Nähe von bereits pro- duktiv befundenen Bohrlöchern gehalten. Das grösste, noch erfolgreiche Wagnis war bisher die Bohrung Nr. 52, deren Punkt von den produktiven Bohrlöchern Nr. 18 und 22 der Steinförder Nebengruppe etwa 400 m entfernt liegt. Alle weiter ausgreifenden Schürfungen aber haben bislang „Ölgebirge“ nicht angetroffen. Innerhalb der nördlich an die Wietzer an- grenzenden und unfern dieses Dorfes beginnenden Gemarkung Hornbostel, in der nirgends sichere Ölspuren gefunden oder bekannt geworden sind, ist eine unweit östlich des Dorfes (von einem Brunnenbohrungsunternehmer) in jünster Zeit begonnene Bohrung noch in keine erhebliche Tiefe vorgeschritten und bleibt deren Erfolg erst abzuwarten; viel näher an Wietze, nämlich nur etwa 300 m von der Wietze-Brücke entfernt, findet man aber noch, nahe an der Strasse, die Reste einer Bohrung, welche also in nördlicher Fortsetzung des Ölproduktionsgebietes angesetzt war und trotz einer erreichten Tiefe von 218 m doch kein Öl antraf. In viel grösserer Entfernung von demselben ist auch im Westen, zwischen Jeversen und Wietze, aber ersterem Orte näher, ein Bohrloch bis zu 182 m Tiefe vergeblich abge- teuft worden. Den allzu summarischen Bohrlochprofilen Berg- heim’s (von der früheren englischen Gesellschaft) nach zu urteilen sind beide Bohrungen schon tief in Triasschichten ge- raten; Bergheim giebt nämlich für diese Bohrlöcher an Flur Hornbostel Flur Jeversen Sand mit Kies 1,0— 16,0 m Tiefe, 1—39 m Tiefe, (mit zwischenge- lagertem Thone bei 23—31,5 m) 4 210 Flur Hornbostel Flur Jeversen dunkler sandiger Thon 16,0—50,6 m Tiefe, 39—73 m Tiefe, Sand »0,8>=57.07 Sau — Se: verschiedenfarb. Thone 57,0 --173,0 „ ,„ 15197 yo Schieferthon m. Mergel 173,0 — 218,0 „ , 157—164 ,„ „ Thon = SER 164—182 „ „ Die „verschiedenfarbigen Thone“ sind dabei im Profile in gleicher Weise ausgezeichnet, wie der „in Farbe wechselnde Thon“ des Bergheim’schen Bohrloches der III. Profilskizze, der vermutlich schon Keuperstufen umfasst; ebenso der „Schiefer- thon mit Mergel* gleich dem in diesem Bohrloche ebenso be- zeichneten, möglicherweise schon dem Muschelkalke entsprechen- den Schichtensysteme. Ist nun auch die Grösse und Gestalt des Haupt -Ölge- winnungsgebietes noch nicht genau bekannt, so hat dennoch die Annahme, dass es von Südwestsüd nach Nordostnord (also dem Meridian angenähert) in die Länge gestreckt sei, die Wahrscheinlichkeit für sich deshalb, weil die an der Oberfläche bemerkten Ölspuren, welche zuerst die Anlage der 5 Wietzer Theerkuhlen und später die Bohrungen veranlassten, eine in dieser Richtung geordnete Reihe bilden, wie aus der Lageskizze zu ersehen ist. Wir werden also annehmen dürfen, dass hier an längs genannter Richtung ziehenden, tief hinabreichenden Gebirgs- spalten die ölliefernden jüngeren Schichten abgesunken und in gleiches Niveau mit den angrenzenden älteren Triasstufen zu liegen gekommen sind. Wir haben es demnach vermutlich mit einer Form des Gebirgsbaues zu thun, die von Eduard Suess als „Graben“ bezeichnet worden ist. Nun hat schon vor der Zeit dieser Namensgebung der Verfasser in „Zeitschr. Deutsch. geol. Ges. 1880“ nachgewiesen, dass auch das obere Leinethal einem grabenförmigen Versenkungsgebiete entspricht; bei Göt- tingen, auf dessen Gegend sich dieser Beweis zunächst be- schränkte, zeigen sich die in dem gegen 7 km breiten Graben vorgefundenen Gebirgsschichten gegenüber ihren Fortsetzungen im Osten und Westen um 250—400 m gesunken, welcher Vor- gang erst nach Ablagernng der Braunkohlen und in Begleitung 211 von Basalteruptionen erfolgt zu sein scheint. Vom Leinethale ist es ferner sehr wahrscheinlich, dass seine flussabwärts bis Hannover andauernde nördliche Richtung durch denselben Ge- birgsbau bedingt worden ist, allerdings zumeist bei wesentlicher Verschmälerung des Thales, unter stellenweisen Ordnunesstörungen und Verdrückungen, welche auch Unterbrechungen des Graben- Zusammenhangs bewirkt haben und die Leine zwingen, zwischen Freden und Banteln der Sattelspalte eines Gebiressattels von Triasschichten zu folgen, sowie vorher (Salzderhelden-Kreiensen) und nachher (Elze -Sarstedt) dieselbe auf Querspalten solcher Aufsattelungen verweisen, wobei die Spalten die Vertretung des Gebirgsgrabens übernommen haben; südwärts ist der Graben von Göttingen aus nicht nur direkt bis Eichenberg zu verfolgen, sondern es ist bereits von anderen Forschern erkannt worden, dass er zwischen Meissner und Hirschberg in Hessen hindurch fortsetze bis zu dem grossartigen grabenförmigen Senkungs- gebiete des Rheinthales zwischen Oden- und Schwarzwald einer- seits und der Haardt und dem Wasgenwalde andererseits. (Greo- logische Spekulation erlaubt wohl auch, unter Annahme von seitlichen Abstufungen des Grabens seine Erstreckung noch weiterhin in dem Gebiete zwischen 4. und 12. Längengrade östlich v. Gr. zu vermuten, nämlich südlich bis ins untere Rhonethal, nördlich aber bis durch den Christianiafjord und vielleicht sogar noch darüber hinaus. Dabei ist aber der Leinethalgraben nicht vereinzelt, der- selbe wird vielmehr seitlich in wechselndem Abstande begleitet von zahlreichen anderen ihm parallelen Gräben und Gebirgs- spalten, welche allerdings nur stellenweise die Reliefbildung der Oberfläche so wesentlich bedingen, wie jener es thut, der schon seiner viel grösseren Erstreckung halber als der Führer und Fürst derselben erscheint. Die Wichtigkeit und Bedeutung dieser, immer nahezu und im allgemeinen überhaupt, nördlich gerichteten Gebirgsklüfte wird jedoch dabei ziemlich verdunkelt, dort, wo nicht wie im Eichsfeld und Solingen, nur oder wenig- stens vorwaltend einfacher Schollenbau des Gebirges herrscht, sondern die Schichten bereits zu Satteln und Mulden gebogen waren, indem da die Spannung, welche zur Entstehung von 14* 212 nördlich ziehenden Gräben und Gebirgsklüften führte, im auf- gesattelten Gebirge oft ausgelöst wurde durch Bildung und Wiederbelebung von Längs- und zwar besonders gern den Sattellinien folgenden, und von Quer-Spalten. Solche Verhält- nisse liegen nun aber vor in dem ganzen Gebiete nördlich von der Northeimer Gegend und vom Nordwalle des Sollings, und sie setzen sich aller Wahrscheinlichkeit zufolge fort in die weite norddeutsche Tiefebene, wo eine mächtige, nur an wenigen und ganz vereinzelten Stellen Lücken aufweisende Diluvial-Decke den Bau des Untergrundes verhüllt. Die Vermutung, dass dieser auch hier noch durch (im allgemeinen) nordwestlich streichende Schichtenaufsattelungen mit deren Längs- und Querspalten, sowie durch von Graben- versenkungen begleitete, (ebenfalls im allgemeinen) nördlich gerichtete Gebirgsklüfte beherrscht werde, wird nun durch die Bohrlochsfunde von Wietze-Steinförde bestätigt. Wenigstens _ ist die denselben gegebene Deutung die nächstliegende und trotz der Unsicherheit des Beweismaterials die wahrscheinlichste. Wie oben dargelegt, entspricht nämlich dem Wietze-Bett nörd- lich von Steinförde vermutlich eine Sattelkluft der Triasstufen im Untergrunde, während das Öl der Bohrlöcher Nr. 18 und 22 von einer Querspalte dieses Sattels herrührt; das Hauptölge- winnungsgebiet aber gehört einem, dieser Sattelbildung gegen- über jüngeren, nämlich wahrscheinlich nach Ablagerung der Braunkohlen entstandenen Gebirgsgraben an, in dessen Innerem die eingezwängten Schichtmassen die mannigfaltigsten Ver- werfungen und Verschiebungen, Verdrückungen und Stauungen erfahren haben. Verfolgen wir diesen Gedankengang weiter, so ist der nächstliegende Schluss der, dass wir in dem Wietzer Haupt- gewinnungsgebiete von Öl den vom oberen Leinethale herziehen- den Gebirgsgraben selbst erkennen. Denkt man sich jenes nämlich südwärts verlängert, so finden wir, dass es sich alsbald, nämlich oberhalb Wiekenberg, in die Linie fortsetzt, welcher der Wietze-Fluss von Niederhägen und Langenhagen bei Han- nover aus bis zu erwähnter Stelle folgt. Noch weiter südlich aber treffen wir auf die Leine selbst, welche, wenn sie nicht 213 in der Stadt Hannover gezwungen wäre, nach Nordwesten abzu- biegen, und falls sie ihren bis dorthin nördlichen Lauf hätte gerad- linig fortsetzen können, eben an Stelle der Wietze fliessen würde. Diese vermutete unterirdische, von stellenweisen Unter- brechungen allerdings nicht freie Fortsetzung des Göttinger Leinethalgrabens finden wir also wiederum von einem Wasser- laufe benutzt. Bekanntlich wird aber auch die im allgemeinen nordwestliche Richtung (Abweichungen von deren Normalstreichen in nicht höherem Betrage als um 30° werden als durch neben- sächliche Umstände bedingt betrachtet) vieler unserer Flussläufe, so insbesondere der Aller, streckenweise auch der Leine (von Hannover bis Schlossricklingen) und der Wietze (von Steinförde bis zur Mündung), erklärt aus Leitlinien des Untergrundge- birgsbaus; diese, nämlich insbesondere Gebirgsspalten, sollen für die Richtungen der Wasserläufe wesentlich massgebend sein, obwohl letztere mit den Gesteinen des Untergrundgebirges durch die mächtige Decke diluvialer (und jetzt noch hinzugekommener alluvialer) Ablagerungen hindurch garnicht in Berührung treten können. Trotzdem scheint sich die Sache in Wirklichkeit so zu verhalten. Wie diese Beeinflussung der Stromrichtungen seitens des Untergrundes erfolgt sei, bleibt jedoch noch zu erklären. Etwa anzunehmen, dass die Flussläufe bereits vor Ablagerung des Diluviums bestanden hätten und mächtig genug gewesen seien, sich während derselben zu erhalten, ist doch wohl nicht zulässig. Annehmbarer dürfte folgende Ableitung sein. Unsere Diluvialdecke besteht hauptsächlich aus wasser- durchlässigem Materiale und ist infolge dessen von „Grund- wasser“ (nappe phreatique Daubree’s) durchtränkt; jeder ober- flächliche Flusslauf wird daher begleitet von nicht nur seitlichen, sondern auch bis zum Boden der wasserdurchlässigen Ab- lagerungen reichenden Tiefenströmungen des Grundwassers. Räumt man ein, dass diese Grundwasserströmungen die Richtung des Oberflächenstroms beeinflussen können, so wird es sich nur noch um die Grösse dieses Einflusses handeln. Dieselbe wird wohl von der Massenhaftigkeit des in der einen und der anderen Form bewegten Wassers und von der Zeitdauer abhängen. Ist der oberflächliche Wasserlauf ausgetrocknet, so ist der Grund- . 214 wasserstrom allein massgebend, während sonst das Flusswasser nach derjenigen Seite seinen Lauf nehmen und seine bahn- brechende Gewalt am kräftigsten bethätigen wird, nach der es den leichtesten Abfluss findet, und zwar auch dann, : wenn ihm das Grundwasser nicht dahin folgen kann; der Abfluss kann sogar für Hochwasser anders gerichtet sein als für Mittel- wasser und wieder anders für Seichtwasser. Die bahnbestimmenden Wirkungen des Oberflächenwassers sind also ewig wechselnd und veränderlich, während der Grundwasserstrom einer konstanten Grösse entspricht; fehlt demselben auch die bahnbrechende Erosionsgewalt, so besitzt er doch eben „cohäsive“, an den Ort bindende Einflüsse auf den Oberflächenwasserlauf und wegen seiner steten Einwirkung kann er, falls er wie in den gemeinten Fällen grosse Wassermassen umfasst, für die dauernde Haupt- richtung des Flusses von grösster Bedeutung sein. Ist es also gestattet, die Richtung unserer Flussläufe als durch die wasserundurchlässigen Gebirgsmassen des Untergrundes, mithin durch dessen Gebirgsbau bedingt anzusehen, so wird man auch die geologischen Spekulationen als zunächst berechtigt anerkennen müssen, welche einzig an unser hydrographisches Kartenbild anknüpfen. Zu den Spekulationen aber wird man gedrängt in Er- wägung der Unwahrscheinlichkeit, dass gewinnbare Erdölmassen nur auf einige, verhältnismässig sehr eng begrenzte Örtlich- keiten unsers Landes beschränkt vorkommen und dass diese Vorkommen in keinem Zusammenhange mit einander stehen sollten. Der Orte, an denen in Norddeutschland bituminöse Stoffe auf natürlicher Lagerstätte bisher gefunden und mit grösserem oder geringerem Erfolg zu gewinnen versucht worden sind, giebt es an sich ja eine ziemliche Anzahl; es wäre aber ganz verkehrt und unberechtigt, daraufhin behaupten zu wollen, dass Erdöl und andere bituminöse Stoffe nicht noch weiter bei uns verbreitet seien. An den bislang als „Ölpunkte“ geltenden Stellen ist man auf das Öl nur durch bis an die Oberfläche dringende Spuren aufmerksam geworden. Nun ist es einerseits sehr wohl möglich, dass von manchen bedeutenden Ölmassen die Spuren nicht bis dahin reichen, andererseits aber können letztere noch ganz unbeachtet geblieben sein. Unsere Land- bewohner haben denselben, wie mehrere derselben dem Verf. erklärten, bisher sehr wenig Achtsamkeit und Verständnis ent- gegengebracht und wissen zumeist nicht die auf Moorwasser sehr verbreiteten Häute von Eisensalzen von Ölspuren zu unter- scheiden. Die bislang bekannten Fundorte bituminöser Stoffe in Niederdeutschland sind dabei ungemein verstreut: von Heide in Holstein bis nach Kl. Schöppenstedt und Hordorf im Braun- schweigschen, ferner bis nach den Asphaltgruben bei Vorwohle am Hils und dem Vorkommen bei Bentheim nahe der holländischen Grenze. Sollten alle diese Punkte ohne Zusammenhang mit einander stehen? Bislang ist ein solcher noch nicht einmal zwischen den Ölvorkommen von Wietze, Hänigsen und Ölheim, trotz der frühzeitig aufgestellten Behauptung einer Aller-Linie, ermittelt. Festeren Boden, als wie solchen die oben erwähnte hydro- graphische Karte darstellt, kann den Spekulationen über diese Verhältnisse sowie zugleich denen über Sitz und Entstehung der hier auftretenden bituminösen Stoffe nur ausgedehntere und zu- gleich sachverständige Forschung verschaffen. Um aber nicht nur die deshalb zu wünschende Steigerung und Ausdehnung der Erdölschürfung, sondern auch eine grössere Berücksichtigung der wissenschaftlichen Interessen dabei zu erzielen, glaubte ich nun, mich nicht darauf beschränken zu dürfen, ihr dringendes Bedürfniss wiederholt nachzuweisen und eindringlich zu erklären, ferner meine Bereitwilligkeit zur geologischen Bearbeitung der zu erwartenden Bohrergebnisse zu versichern, sowie Schürfunter- nehmen nach meinen geringen Kräften zu fördern und zu unter- stützen, sondern fühlte mich gedrungen, auch selbst zu versuchen, was sich an mächtigerer Stelle zum Besten der Sache erreichen lasse. Bekanntlich hat die Ölheimer Katastrophe mit ihren Be- gleiterscheinungen ungemein von Erdölgewinnungsunternehmen bei uns abgeschreckt. Viele Kapitalisten verweigern die gewünschte und nötige Beteiligung und Hilfe schon deshalb, weil die Ölge- winnung hier „Eigentümerbergbau* ist (d. h. dem Grundstücks- eigentümer gehöriges, nicht dem Staate vorbehaltenes Material 216 abbaut), der nur zu leicht dem Öllandschacher und der Parasiten- Concurrenz Nährboden gewährt, bei dem sich ferner, falls Lücken in den Gewinnungsverträgen mit den Grundeigentümern vorhanden — und wie wenige Rechtsverträge sind wohl lückenlos?! —, der Unternehmer leicht ohne sachlichen Rechtsschutz sieht und der Frucht seines Wagnisses verlustig zu gehen droht. Deshalb machte Strippelmann der früheren hannoverschen Regierung zum Vorwurfe, dass sie versäumt habe, der Petroleumindustrie, welcher sie zunächst und uneigennützig die Wege gebahnt, auch die zu ihrem Gedeihen nöthige Rechtsordnung zu verleihen. Strippelmann wollte die Staatshilfe in sehr ausgedehntem Maasse in Anspruch nehmen; Seite 140 seines Buches*), sagt er: „Aber auch die Staatsregierung muss bei der wirtschaftlichen Entwickelung dieser (Erdöl-) Industrie eine gewichtige Rolle übernehmen und dieselbe energisch durchführen. Zunächst sind Reformen in der Berggesetzgebung der betroffenen Landesteile ein absolutes Erforderniss, um, der Speculation des Grundbe- sitzers entrückt, dem Industriellen durch Kundgebung einer regierungsseitigen Teilnahme an dieser Industrie grösseres Ver- trauen einzuflössen und so deren Entwickelung eine neue Basis zu schaffen. Aber nicht nur auf diesem Wege, sondern auch dadurch, dass seitens der Regierung für Durchführung einer gründlichen und systematischen bergmännischen Untersuchung, insbesondere von Tiefbohrungen die Initiative ergriffen wird, :sollte diese Industrie, welche von der allergrössten wirtschaftlichen Bedeutung werden kann, staatsseitig unterstützt werden.“ Ähnliche Gedanken habe auch ich früher gehegt und gelegentlich geäussert (Essener „Glückauf“ 1895, S. 1740). Trotzdem erscheint es mir nicht gerechtfertigt, von der Erdölgewinnung abzuschrecken nur deshalb, weil die vorgeäusserten Wünsche nicht erfüllt sind und bei der zur Zeit in weiten Kreisen herrschenden Abneigung gegen Bergbauunternehmen auch gar keine Aussicht baldiger Erfüllung haben. Manche Erfahrungen der jüngsten Zeit machen überdies an dem Segen der Staatshilfe zweifeln. Es fragt sich auch, ob sich jene Wünsche ganz erfüllen lassen und ob mit *) Petrol.-Industrie Österreich-Deutschlands, Abt. III. Deutsch- land, 1878. ihrer Erfüllung alle gerügten Schäden behoben werden. Der Hauptforderung nämlich, dass die bituminösen Stoffe der Ver- fügung des Grundeigenthümers entzogen und bergrechtlich „ver- leihbar“ gemacht werden, dürfte jetzt durchaus nicht, mehr nachzukommen sein; solche Rechtsänderung ist ohne schwer- fühlbare Schädigung vieler Einzelner nur möglich vor oder bei Beginn einer Mineralgewinnung; zu solchem Zeitpunkte ist dieselbe ja auch im Elsass eingeführt worden, wo „Bitumen“ verleihbar wurde. Das Elsass aber lehrt eben auch, dass hiermit das Heil nicht gesichert ist, denn dort sind trotz vieler Hun- derte von nur den Erwerb des Bergwerkseigentums bezweckenden Bohrlöchern die geologischen Verhältnisse des Erdöls doch fast ebensowenig aufgeklärt wie bei uns. Für wichtiger halte ich also zu versuchen, was sich auch unter den jetzt obwaltenden rechtlichen Zuständen erreichen lasse. Mir erschien vor allem nötig, einerseits das Aufsuchen des Erdöls unter wissenschaftliche Aufsicht zu bringen, damit die erzielten Aufschlüsse einer gehörigen Untersuchung, Zusammen- stellung und Überarbeitung unterworfen werden können und andererseits auf die Ausdehnung des Erdölsuchens hinzuwirken. Die volkswirthschaftliche Bedeutung dieser Ziele, deren Er- reichung die Beantwortung der Frage gestatten dürfte, welche Zukunft unsrer Erdölindustrie bevorsteht, sollte meiner Meinung nach auch seitens unserer Regierung Anerkennung finden und sie zur Förderung und Begünstigung der darauf gerichteten Schritte veranlassen, und dies um so eher, als ihr gar nicht angesonnen würde, dass sie selbst Geldmittel im Interesse der wichtigen Sache opfern oder wenigstens wagen solle. Zwar hatte die frühere, königlich hannoversche Landesregierung die das Öl zuerst nachweisenden Bohrungen auf ihre Kosten und ohne dabei fiskalische Interessen zu verfolgen, ausführen lassen, die Nachahmung dieses Vorbildes wurde aber von der jetzigen Landesregierung gar nicht erwartet, obwohl diese bekanntlich ein geschultes Personal mit den besten Bohrapparaten zu eigen hat und mittels derselben in den alten Provinzen ständig Boh- rungen ausführen lässt. Der Regierung zu Lüneburg unter- breitete ich deshalb den Vorschlag, mir das Ölgewinnungsrecht 218 für alle forst- und domänenfiskalischen Grundstücke innerhalb ihres Bezirks gegen gewisse Bedingungen auszuwirken. Ob diese Grundstücke in Wirklichkeit Öl enthalten, ist eine noch offene Frage; bis jetzt ist noch von keinem einzigen derselben eine Ölspur bekannt geworden. Der vorgeschlagene Vertrag, dessen allgemeine Begründung ich zum Schluss folgen lasse, weil deren Inhalt für manchen Leser von Interesse sein dürfte, hatte ja auch weniger die Ölausbeutung jener Grundstücke zum Zwecke, als vielmehr das Schürfen nach Öl möglichst allgemein unter wissenschaftliche Aufsicht zu bringen. Eine der vorge- schlagenen Verpflichtungen des Unternehmers schrieb nämlich vor (Abs. 3), „dafür zu sorgen, dass bei Aufsuchung und Ge- winnung des Erdöls sowohl Bohr- und Ertragsregister sorgfältig geführt, sowie zahlreiche Bohrproben in möglichst vollständigen Reihen aufbewahrt, als auch von einer seitens der königlichen geologischen Landesanstalt als hierzu genügend befähigt aner- kannten Person alles hierbei gefundene, zur geologischen Landes- erforschung und insbesondere zur Beantwortung der Frage nach Herkunft und Sitz des Erdöls geeignet erscheinende Material zusammengestellt und ausser zur eignen, auch zur Verfügung der geologischen Landesanstalt gehalten werde, welcher eine Ver- öffentlichung desselben aber nur insoweit gestattet sein soll, e oO als diese die geschäftlichen Interessen des Unternehmens nicht zu schädigen droht. Zu diesem Behufe wird der geologischen Landesanstalt ein Aufsichtsrecht in dem Maase eingeräumt, dass derselben auf ihr Verlangen periodisch Bericht zu erstatten und ihren Anweisungen insoweit folgezuleisten ist, als dem Unternehmen keine erheblichen Kosten aus den geforderten Maassnahmen entstehen“. Und eine andere Verpflichtung lautete: dahin zu wirken, dass die übrigen Erdölgewinnungsunternehmer in der Provinz Hannover sich den eben angeführten Bestim- mungen unterwerfen. Zu diesem Zwecke soll der erste Erwerber der Gewinnungsrechte für fiskalische Grundstücke auf seine freie Verfügung über die von fiskalischem Boden aus ermittelten Erdölvorkommen insoweit verzichten, als er die Übernahme derselben innerhalb bestimmter Fristen gegen Erstattung der aufgewandten Kosten im Versteigerungsverfahren denjenigen 219 Besitzern von ähnlichen Unternehmen anheimstellt, welche sich auch für letztere den unter 3 (vorstehend) ange- führten Bedingungen fügen. Auf diesen Antrag, über den ich das Gutachten der geo- logischen Landesanstalt einzuholen bat, zumal deren Heran- ziehung zur wissenschaftlichen Kontrolle beabsichtigt war, erhielt ich zu vorigem Weihnachten den Bescheid, dass derselbe „zur weiteren Erwägung völlig ungeeignet und unannehmbar für die Regierung sei“. Im Zweifel, ob etwa nur einzelne Bedingungen die Ablehnung veranlasst hätten, bat ich nochmals um Aus- kunft, ob die Regierung überhaupt geneigt sei, Erdölgewinnungs- rechte für fiskalische Grundstücke zu verleihen, worauf mir eröffnet wurde, dass sie dazu „nicht in der Lage sei“. Noch weitere Schritte nach dieser Seite zu thun würde sich mithin nicht lohnen; in dem Bewusstsein, meinerseits und in bester Absicht das Möglichste versucht zu haben, darf ich das Weitere wohl ruhig abwarten. Wenn die Zukunft, wie zu be- fürchten, die Erweiterung und Festigung unserer Kenntnisse der Erdölverhältnisse in unserem Lande nicht bald und in ge- wünschtem Umfange zeitigt, um die zur Entwicklung einer gesunden Erdölindustrie bei uns nötigen Regeln der Erdölver- breitung feststellen zu können, so ist dies gewiss sehr be- dauerlich, nur fragt sich, ob mehr im Interesse der Wissenschaft oder unsers Volkswohlstandes; und kann, wenn später offenbar würde, ein wie grosser volkswirtschaftlicher Fehler die Ver- säumnis der hierzu nötigen Forschungen gewesen sei, die Ver- antwortung dafür jedenfalls nicht auf die Schultern der Geologen geschoben werden. Allgemeine Begründung meines der Regierung vor- seschlagenen Vertrages. — Der Umstand, dass das Deutsche Reich dem Auslande mit jährlich etwa 65 Mill. Mk. für Mineralöle tribut- pflichtig ist, wird gewiss von den Regierungen ebensosehr bedauert wie von allen guten Bürgern. In Ergebenheit diesen Missstand zu ertragen, würde vielleicht die Überzeugung von der Unmöglichkeit erleichtern, durch heimische Produktion den Import in beträchtlichem Maasse entbehrlich machen zu können. Demgegenüber müssen wir eingestehen, 220 dass wir uns noch in völliger Unkenntnis der Verbreitung, des eigent- lichen Sitzes und der Herkunft derjenigen Erdölmassen befinden, deren bislang gewonnene Partien bereits die Entwickelung einer bescheidenen Mineralölindustrie bei uns gestatteten; und dass also immerhin als Möglichkeit anzuerkennen ist, dass unser Vaterland selbst grosse Mengen gewinnbaren Erdöls in seinem Boden enthält (wenn auch überschwäng- liche Hoffnungen, wie diejenige auf eine Beeinflussung des Weltmarkts, ungerechtfertigt erscheinen). Weder für das Elsass trotz seiner mehr als hundertjährigen Erdölgewiunung durch Grossbetriebe, noch für die Provinz Hannover trotz deren Ölheim- Episode ist sicheres und ge- nügendes Material zur Beantwortung der Frage ermittelt worden, ob die Erdölindustrie daselbst „eine Zukunft“ habe. Für das Elsass scheint allerdings diese Frage, wenn auch nicht auf wissenschaftlicher und geologischer Grundlage, so doch auf empi- rischem Wege eine immerhin erfreuliche Antwort gefunden zu haben, nämlich durch das stete Anwachsen der Produktion (12609 t im Jahre 1893, 15632 t im Jahre 1894). Begünstigt durch die sonderrechtlichen Verhältnisse, denenzufolge das „Bitumen“ verleihbar ist, hat auch daselbst eine rege Bohrthätigkeit stattgefunden, aber fast nur behufs Erwerb von Bergwerkseigentum, und kann sehr wohl die Unterlassung ausge- dehnter und systematischer Forschungen nach der Herkunft des Erdöls der aufgeblühten Industrie noch verhängnisvoll werden. Die Gewinnung des Erdöls in der Provinz Hannover, das unter ganz anderen Lagerungsverhältnissen als wie im Elsass vorzukommen scheint, hat bekanntlich schon eine schwere Niederlage erlitten. An der Ölheimer Katastrophe können aber, da sogar von einem pessimi- stischen Beurteiler der dort vorhandenen geologischen Verhältnisse anerkannt werden musste, „dass von einem eigentlichen Erschöpftwerden des Terrains nicht wohl die Rede sein könne“, die natürlichen Verhält- nisse nur die geringste Schuld tragen. Dass die seither noch erhaltene Erdölgewinnung, trotzdem sıe in allerjüngster Zeit wieder einen gelinden Aufschwung zu nehmen scheint, wirklich zu Kräften und gesunder Blüte gelange, ist jedoch nicht zu erwarten, solange wir ohne Kenntnis wenigstens der Verbreitung und des eigentlichen „Sitzes“ der Erdölmassen bleiben. Selbst Pennsylvaniens Petroleumindustrie, neben welcher die unsrige voraussichtlich stets untergeordnet erscheinen wird, würde dem Wohlstande jenes Landes eher zum Schaden als zum Vorteile gereicht haben, wenn daselbst nicht, begünstigt durch die leichtere Erkennbarkeit des Untergrund- Gebirgsbaues, bald die Regeln der Verteilung des Erdöls im Gebirge erkannt und die Ölsucher so in den Stand gesetzt worden wären, einmal aufgefundene Erdöllager bis in ihre letzten Ausläufer zu verfolgen, ohne weitere, vermeidliche Fehlbohrungen gewärtigen zu müssen; der Schürfer brauchte eben vom zuerst ergiebig gefundenen Bohrloche aus 221 nur der „Öllinie“, d. h. der durch den Sattelbau der Gebirgsschichten bedingten Himmelsrichtung zu folgen, um mit ehester Wahrscheinlich- keit das Erdöllager wieder zu treffen. Eine solche, vertrauenswürdige geologische Anleitung entbehren unsere Erdölsucher noch; wenn sich hier ein Bohrloch ergiebig er- wiesen, so giebt keine Regel die Himmelsrichtung an, in welcher ein zweites Bohrloch anzusetzen sei, das ebenfalls Ertrag liefern werde. Es ist noch alles reine Glückssache. Bei diesem von keiner Erkenntnis geleiteten Umhertasten ıst jede weitere Bohrung ebenso riskant wie die erste, und gehen leicht durch die Kosten der ferneren Bohrungen die aus den erstgenützten Bohrlöchern gezogenen Gewinne verloren. Für eine gesunde, blühende Industrie bietet sich da kein Nährboden, eher ist zu befürchten, dass unser Erdöl ein dem Volkswohlstande verhängnisvolles Naturgeschenk bleibe. Wie gross der Wert sei, den die Ermittelung der geologischen Verhältnisse unsrer Erdöllager für den Volkswohlstand besitzt und wie dringend nötig zunächst und vor allem die Erkenntnis des Sitzes und der Verteilung des Erdöls im Gebirge ist, wird hieraus wohl er- sichtlich sein. Diese Erkenntnis ist nur zu erwarten von einer grossen Zahl sehr tiefer Bohrungen, welche bei wissenschaftlicher Kontrolle der Bohr- proben plangemäss über ein grosses Gebiet zu verteilen sind. Die bei uns bisher schon ausgeführten Bohrungen nun, obwohl deren Zahl, die sich gar nicht mehr feststellen lässt, zweifellos viele hunderte betragen hat, bieten leider nur sehr wenig wissenschaftlich benutzbares Material, denn die von ihnen herrührenden Angaben sind zumeist nicht vertrauenswürdig. Das an sich schon wenig befriedigende Ergebnis des Versuchs, den trotzdem ein jüngerer Geoolog für das Vorkommen von Ölheim unternommen, ist also sogar für dieses einzelne Öllager als nicht entscheidend zu kennzeichnen, eben weniger wegen des, trotz der Benutzung von etwa 160 Bohrregistern, vom Verfasser selbst beklagten Mangels an Material überhaupt, als wegen der zweifel- haften Qualität des letzteren. Unsichere und unrichtige Angaben sind aber gefährlich, können in die Irre führen und mehr schaden, als der Mangel jeden Materials. Auf die Unbrauchbarkeit und Unzuverlässig- keit des vorhandenen Materials hat mich besonders ein fachmännisch gebildeter Techniker, der als Leiter eines Bohrunternehmens bei Ölheim selbst mit thätig war und die Bohrverhältnisse daselbst durch eigne Er- fahrung kennen gelernt hat, aufmerksam gemacht und ist dieser Warnung wohl um so eher Glauben zu schenken, als gemeinter Herr, der frühere Bergwerksdirektor L. Poock, der inzwischen der erfolgreichste unserer Erdölgewinner wurde, die aus seinen eigenen Bohrlöchern stammenden Bohrproben nicht milder beurteilt. Den Erdölsuchern mangelt eben, wie genannter Herr betont, bislang jedes wissenschaftliche Interesse, und ist ihren Angaben über die bei den Bohrungen angetroffenen geo- logischen Verhältnisse, z. B. über die Tiefen, aus welchen Bohrproben stammen u. s. w., nur mit Misstrauen zu begegnen. Ist schon aus diesem Grunde das bisher angesammelte Material von nur ganz bedingtem Werte, so kommt dazu, dass es nicht in plan- gemäss über ein grösseres Gebiet verteilten Bohrlöchern gewonnen wurde; die Zahl der Punkte, an denen schon nach Erdöl «gebohrt wurde, ist ja an sich nicht geringe und verteilen sich dieselben über ziemlich die ganze südliche Hälfte des Regierungsbezirks Lüneburg sowie die benachbarten Landstriche der Regierungsbezirke Hildesheim und Hannover, aber die Weiterverfolgung angetroffener Lagerstätten ist an allen Stellen nur vom Zufall abhängig geblieben, insbesondere von der Erstreckung der Grundstücke, für welche den Unternehmern das (rewinnungsrecht zustand. Zu einer systematischen, nach be- stimmtem Plane fortschreitenden Untersuchung ist nun aber die möglichst vollständige Beseitigung solcher Schranken nötig und wird eben zu diesem Zwecke die Eröffnung der fiskalischen Grundstücke erbeten, welche sonst (z. B. der Ovelgönner Forst) eine planmässige Ausdehnung der Forschungen vereiteln können. Um über die Verhältnisse unserer Erdöllagerstätten unterrichtet zu werden, bedarf es also, wie schon gesagt, zahlreicher Bohrungen, welche, unter wissenschaftlicher Kontrolle ihrer Ergebnisse, möglichst grosse Tiefen erreichen und deren Ansatzpunkte nicht vom Zufall be- dingt, sondern planmässig gewählt sind. Nach der oben gegebenen Kennzeichnung der Unzulänglichkeit des bisher vorliegenden Materials sind diese Unterlagen einer entscheidenden Urtheilsbildung erst noch zu beschaffen. Wer wird und soll aber dieselben beschaffen? Bei der unge- meinen Kostspieligkeit eigentlicher Tiefbohrungen ist wohl keine Aus- sicht darauf, dass die königliche Regierung selbst, ähnlich wie die frühere königlich hannoversche Regierung durch auf ihre Kosten aus- geführte Bohrungen unsere Erdölgewinnung förderte, die Untersuchung in die Hand nehme und uneigennützig, nur zum Besten des Wohl- standes der Grundbesitzer und der Nation durchführe. Dass die Unternehmer der Erdölgewinnung sich freiwillig zu einer grösseren Rücksichtnahme auf die Wissenschaft entschliessen, sich zu einem gemeinsam durchgeführten Untersuchungsplan verbinden oder sich gegenseitig ihre Ermittelungen mitteilen würden, ist erst recht nicht zu erwarten. Was dieselben aber nicht aus eigener Initiative unternehmen, beobachten und durchführen würden, werden sie hoffent- lich auf energische und hartnäckige Anregung hin thun, zumal wenn ihrer Unterwerfung unter eine wissenschaftliche Kontrolle nicht nur die Aussicht auf das auch von ihnen als höchst erstrebenswert aner- kannte Endziel, die bessere Erkenntnis, sondern auch diejenige auf 223 einen geschäftlichen Vorteil gegenübersteht. Nur auf diesem Wege, meine ich, bietet sich ein Absehen, das benötigte Material an wissen- schaftlich gesicherten Beobachtungen zu erhalten. Diesem Zwecke soll der vorgelegte Vertrag dienen, der also nicht nur den Vertragsschliessenden materielle Vorteile sichern will für den Fall, dass die fiskalischen Grundstücke in Wirklichkeit Erdöl enthalten, sondern auch und vor allem das höhere Ziel erstrebt, der Nachforschung nach den Verhältnissen des hannoverschen Erdöls wissenschaftliche Kontrolle zu verschaffen, einem planmässigen Vorgehen bei Unter- suchung der Erstreckung von Erdöllagerstätten auch den fiskalischen Boden zugänglich zu machen und dabei, unter Mitwirkung möglichst des ganzen Unternehmerkreises, gesichertes Material anzusammeln, welches die Wissenschaft in den Stand setze, eine Antwort zu finden auf die nicht nur für Unternehmer und Grundbesitzer, sondern auch für den Nationalwohlstand so wichtige Frage: ob unserer Erdölindustrie eine gedeihliche Zukunft bevorstehe. Hermaphrodit von Argynnis paphia L. Von H. Kreye. Mit Tafel 9. Argynnis paphia L. der Kaisermantel ist eine der kon- stantesten Schmetterlingsformen; bei einer sehr grossen Ver- breitung, durch ganz Europa und Asien, zeigt der Falter nur 3 scharf begrenzte Abarten. Auf Japan eine grössere weibliche Form mit grünlicher Färbung, die ab. paphioides Buttl., aus Sizilien die ab. anargyra Stdg. ohne Silberstreifen der Hinter- flügel und die ab. valesina Esp. eine sehr verbreitete weibliche Form mit dunkler, graugrüner Färbung der Oberflügel. Zwischen- formen dieser Abarten, oder sonst erhebliche Varietäten gehören bei Arg. paphia zu den Seltenheiten. Es ist interessant, dass gerade bei einer derartigen festen Form sich diese Zwitterbildung findet, während dieselbe sonst mehr bei den zum Variieren neigenden Spinnern vorkommt. Der von mir am 18. Juli, an der Mauer des Sauparks im Deister, erbeutete Hermaphrodit zeigt die charakteristische Paphia- form in beiden Geschlechtern (Taf. 9). Die Trennung der Ge- schlechter geht genau durch die Mittellinie des Körpers, die linke männliche Seite ist von rotgelber Färbung, die rechte weibliche lichtbraungelb, an der Wurzel der Flügel düsterer gefärbt, in gleicher Weise sind die Palpen der linken und rechten Seite verschieden. Die Geschlechtsteile liegen an der Spitze des Abdomens voll- ständig getrennt, der männliche Haarbüschel ist stark entwickelt. Der Aussenrand des weiblichen Vorderflügels ist, entsprechend der weiblichen Form, stärker eingezogen und gezähnt,® wie der entsprechende männliche Vorderflügel. Die Zeichnung der linken Seite entspricht durchaus der charakteristischen Zeichnung des Männchens, es findet sich die auffallende Verdickung der 4 unteren Rippen des Vorderflügels; während die weibliche rechte Flügelseite, die Ausdehnung der Fleckenzeichnung, die schwarze, nach innen hell abgegrenzte Bogenlinie am Saume des Hinter- flügels und im Vorderflügel den charakteristischen dunklen Fleck der weiblichen Zeichnung in Zelle VI zeigt. Notizen zur Hannoverschen Pilzflora 11. ') Von Dr. C. Wehmer, Privatdocent an der Technischen Hochschule. A. Myxomyceten (Schleimpilze). 87. Reticularia Lycoperdon Bull. (R. umbrina Fr.). Sporangien bilden ansehnliche, mehrere Centimeter im Durchm. haltende, halbkuglige, anfangs hellglänzende später braunschwarze Polster mit papierartiger leicht zerbrechlicher Rinde und staubiger dunkler Innenmasse (Sporen). Auf alten Weiden bei Limmer (im Garten der „Schwanenburg‘“ ) in der Mehrzahl nebeneinander. 88. Ceratium hydnoides Alb. et Schw. Die verzweigten eigenartig gestalteten „Fruchtkörper* auf dem blossliegenden Holzkörper alter Buchen (Eilenriede). 89. Stemonitis fusca Roth. Sporangien in dichtem Rasen an kranken Buchenstämmen, häufig (Eilenriede). B. Eumyceten (Mycelpilze). I. Zygomyceten (Jochpilze). 90. Spinellus fusiger van Tiegh. ?) Seidenglänzende bis 4 cm lange Sporangienträger mit 1) ef. diesen Jahresbericht 1894. — In der hier vorliegenden Fort- setzung sind die Hinweise auf die Litteratur forteelassen. Abbildungen sind zur Zeit in zahlreichen Werken zu finden. Zumal sei hier auf G. Hahn (Der Pilzsammler 1890) verwiesen. Weiter kommen für Interessenten die Bücher von Ahles, Michael, Constantin, Kummer u. a. in betracht, in denen — wie auf den Tafeln von Stitzenberger — viele Arten der grösseren Schwämme abgebildet sind. ?) Diagnose weicht in einigen Punkten von der Fischers in Kryptogamenflora I. 4, p. 222 ab. 15 92 93. 94. 95. 226 braunschwarzem leicht zerfliesslichem Sporangium. . Charak- teristisch sind die lJanggestreckten Sporen, wie sie keine andere ähnliche Art aufweist, sowie das regelmässige Vorkommen auf der Hutunterseite von Agaricus fusipes (Eilenriede, September 1895, fehlte dort an den gleichen Standorten samt dem Wirtspilz in beiden folgenden Jahren). Sporodinia grandis Lk. Wollige helle, später braune Überzüge auf verderbenden Blätterpilzen, in der Eilenriede zur Herbstzeit. Insbesondere auf dem Knollenblätterschwamm, bei feuchter Witterung dessen Fäulnis hervorrufend und die Hüte vollständig schimmelartig überziehend. Die massenhaft erzeugten Zy- gosporen bedingen später Braunfärbung des wolligen Rasens. Zahlreich besonders im feuchten Herbst 1896. Pilobolus cristallinus Tode. Auf Pferdedünger fast regelmässig bei Kultur im feuchten Raume auftretend. Auffällig durch das Abschleudern der Sporangien („Pillenwerfer*). II. Oomyeeten (Eipilze). Cystopus candidus Lev. Blasenrost oder „weisser Rost“ der Cruciferen. Die weissen blasigen Conidienlager überall auf Capsella bursa pastoris Deformationen der Stengelteile, Blätter und Blüten hervorrufend. Gemein (doch unbeständig) wo auch die Nährpflanze vorkommt (Friedrichswall, an der Strasse nach dem Pferdeturm, auf den Rasenflächen vor der Hoch- schule ete.).. Mai-Sommer. Im Sommer 1896 seltener. Peronospora parasitica de By. Weisse Schimmelstellen auf Cruciferen (insbes. Capsella bursa pastoris) bildend und häufig mit der vorigen Art zusammen vorkommend (so auf den Rasenflächen vor der Hochschule). Juni, Juli. Unregelmässig. P. effusa Grev. Grau-violette Überzüge auf der Blattunterseite von Cheno- podiaceen, besonders von Chenopodium Bonus Henricus und Ch. glaucum; den befallenen Blättern eine gelbliche Fär- bung gebend. Auf Gartenbeeten am Misburgerdamm, bei Limmer, Benthe etc. 96. Phytophthora infestans (Mont.) de By. Pilz der Kar- toffelkrankheit. Tote braune Flecke auf den Blättern der Kartoffelpflanze hervorrufend, die unterwärts mit einem weissen Schimmel- rande (den Sporenträgern des Pilzes) umgeben sind. Bei feuchter Witterung stark umsichgreifend und weitgehende Krautfäule hervorrufend. Überall; bei Linden, Daven- stedt etc. Spätsommer, abhängig von den Witterungs- verhältnissen (massenhaft und auffällig nur in nassen Jahren). III. Uredineen (Rostpilze). 97. Gymnosporangium fuscum D.C. Gitterrost der Birnen. Vereinzelt auf Birnblättern rotgelbe Flecke (Aecidien) bildend. Teleutosporen (auf Coniferen) im Gebiet bislang nicht beobachtet. — In gewissen Gegenden durch massen- haftes Vorkommen den Obstbau stark schädigend (Elsass, Schweiz). 98. Puceinia graminis Pers. Getreiderost.') Auf Roggen wie auch Weizen sehr verbreitet an vielen Orten der Umgegend; gelegentlich alle unteren wie mittleren Blätter fast sämtlicher Halme des Feldes be- fallend und mit gelben Rostflecken bedeckend (Sommer- sporen-Lager). Etwas seltener sind die schwarzbraunen Lager der Wintersporen. Sommer (ab Anfang Juni); Döhren, Wülfel, Limmer, Benther Berg, Pferdeturm etc. Die Aecidien auf den Blättern der Berberitze etc. in der Umgegend sehr selten und in der Umgebung jener Felder fast durchweg fehlend; neuerdings überhaupt nicht von mir aufgefunden. 99. P. Malvacearum Mont. Malvenrost. Grosse orangefarbene Rostflecke auf Blättern und Stengel- teilen der Malva rotundifolia veranlassend und nicht selten !) Die Unterscheidung der verschiedenen Formen ist hier un- wesentlich und nicht beabsichtigt. 15* 100. 103. 104. 105. 106. 107. 108. 109. 110. 228 die ganzen Pflanzen überziebend. Juni, Juli. Bei Döhren, Benthe etc. nicht selten. Mit amerikanischen Sämereien angeblich bei uns ein- geführt und an manchen Orten Deutschlands als Ver- nichter der Malvenculturen (Stockrosen) sehr schädlich geworden. P. coronata Cord. Kronenrost des Hafers. Ähnlich dem Getreiderost. Hierzu gehört das Aecidium Rhamni Pers. auf Rhamnus und Frangula vereinzelt. P. aegopodii Lk. Auf Aegopodium Podagraria stellenweis (so bei Nienfeld). P. compositarum Schld. Auf Compositen, so mehrfach auf Disteln (Cirsium arvense). Braune Rostflecke. P. Ribis D. C. Stachelbeerrost. Auf Blättern und Früchten der Stachelbeere, vereinzelt (hierzu Aecidium grossulariae D. C.). Melampsora populina Lev. Auf der Unterseite von Pappelblättern, vereinzelt (Deister). M. betulina Desm. Birkenrost. Eilenriede u. a. O.; vorigem ähnlich. M. euphorbiae. Wolfsmilchrost. Auf Euphorbia helioscopia überall verbreitet (Limmer, Deister ete.) in Gärten und Feldern. Coleosporium Tussilaginis Pers. Huflattichrost. Überall auf Tussilago und Petasites, besonders auf Äckern nach dem Getreideschnitt. C. Sonchi Tul. Verbreitet auf Sonchus-Arten, in Gärten, auf Äckern ete. Sommer - Herbst. C. campanulacearum Fr. In Gärten gelegentlich auf Glockenblumen-Arten mit scheinbar schädlicher Wirkung. Phragmidium inerassatum Lk. Rosenrost. Schwarzbraune Flecke auf der Unterseite von Rosenblättern 111. 112. 113. 114. 115. 116. 229 (Sporenlager), die infolge dessen nicht selten vorzeitig abfallen. Die dunklen langgestielten Sporen sind viel- zellig und durch ansehnliche Grösse ausgezeichnet. Juli, August. Bei Hannover vereinzelt, z. B. in einer Gärtnerei bei Wülfel 1895. Ph. Rubi Wint. Brombeerrost. In Waldungen, an Wegen, Hecken etc. gelegentlich. Uromyces Pisi Schröt. Erbsenrost. Die braunen Sporenhäufchen auf den Spreiten von Erbsen- blättern (Gartenerbsen) in der Umgegend sehr verbreitet und vielfach da wo die Aecidienform (Aecidium Euphor- biae) mit ihrer Wirtspflanze (Euphorbia Cyparissias) ganz fehlt. Sommer - Herbst. U, Phaseolorum Tul. Bohnenrost. Dem vorigen ganz ähnlich, doch auf den Blättern der verschiedenen Gartenbohnen - Sorten (Phaseolus vulgaris), zumal Vietsbohnen, und sehr im Gebiet verbreitet. Merk- licher Schaden tritt selten hervor. Sommer - Herbst. Die Aecidienform ist selten (nur einmal auf einer Schote beobachtet). U. Vieiae fabae Schröt. Rost der Hülsenfrüchte. Ebensolche Flecke auf verschiedenen Vieia-, Lathyrus- ete. Arten. Auf „grossen Bohnen“ (Blatt und Stengel) gelegentlich in Gärten und hier anscheinend gefährlicher, da sein Vorkommen in einem 1897 beobachteten Fall mit einem Kümmern derselben zusammenfiel (Verkrüppeln der Schoten). Sommer - Herbst. Aecidien scheinen gleichfalls selten zu sein. U. Polygoni (Pers... Knöterichrost. Braune Flecke auf den Blättern des Polygonum aviculare bildend, so z. B. in der Scharnhorststrasse reichlich im Juni 1895 (fehlte dort 1896). IV. Ustilagineen (Brandpilze). Urocystis occulta Rbnh. Roggenstengelbrand. Die braun-schwarze Sporenmasse erfüllt den verkümmern- 11m 118: 11:9: 120. 230 den und nicht zur Fruchtbildung kommenden Halm. Auf Feldern bei Davenstedt. Vereinzelt aber sehr schädlich. Ustilago Carbo Tul. Haferbrand, Gerstenbrand, Staubbrand. Die Körner der Ähre zerfallen in eine schwarze staubige Masse (Sporen), sodass der Pilz, wo er reichlich auftritt, erheblichen Schaden anrichtet (mehrere Prozent Ernte- ausfall). Auf Hafer und Gerste bei Limmer (Juli 1895). — Auch auf Gräsern, so im Georgengarten, doch un- beständig. V. Ascomyeeten (Schlauchpilze). a. Gymmoascen. Exoaseus Pruni Fuck. Pilzder „Taschen“ der Zwetschen. Auf unreifen Zwetschen, diese lang blasig auftreibend und so vernichtend; vereinzelt (Lauenstein, Nienfeld a. D.). b. Perisporiaceen. Erysiphe graminis D. ©. Mehltau des Getreides. Weisse Schimmelflecke und Überzüge auf den untern Blättern und Halmgliedern des Getreides (insbesondere vom Roggen) bildend. Neben den Conidienträgern ge- wöhnlich zahlreiche Perithecien in Gestalt erst gelb- licher dann schwarzer Punkte. Mai-Juli. Häufig z. B. beim Pferdeturm, Bentherberg, Limmer, u. a. O., gewöhn- lich neben dem Rost. — Auch auf Gräsern und andern Pflanzen innerhalb der Eilenriede, besonders bei feuchter Witterung oder an solchen Standorten, doch nicht regel- mässig. E. Martii Lev. Erbsenmehltau. Mehrfach auf Erbsenblättern in Gärten, meist ohne nach- teilige Wirkung. Sphaerotheca pannosa Wallr. Mehltau der Rosen. Rosenschimmel. Schimmlige Überzüge, insbesondere der Triebspitzen und Knospen bildend, welche unter Verkümmern nicht zur Blüte gelangen. Unbeständig (Witterungseinfluss); im 123. 124. 125. 126. 129. 231 Spätsommer und Herbst 1895 die hochstämmigen Rosen- arten des Welfengartens merklich schädigend. c. Pyrenomyceten. Polystigma rubrum D. C. Vereinzelt auf Blättern von Zwetschenbäumen, dort rot- gelbe Flecke bildend. Nectria Cucurbitula Fr. An Stämmen verschiedener Laubbäume (Kastanie, Ulme) krebsartige Erscheinungen veranlassend. Frühjahr. Cordyceps militaris Fr. OÖrangefarbige Keulen auf toten Schmetterlingspuppen bildend. Sommer-Herbst. Stellenweis. Der Pilz vernichtet die unter dem abgefallenen Laub liegende Puppe und treibt seine Fruchtträger aus dem Waldboden empor. C. ophioglossoides Fr. Dunkelfarbige Keulen, parasitisch auf der Hirschtrüffel (Elaphomyces granulatus), doch bislang nur ausserhalb des Gebietes gefunden (Lüneburger Heide). Hypoxylon coccineum Bull. Vereinzelt in den südlich gelegenen Waldungen; ziegel- rote fast kuglige Polster auf alten Buchenästen. Xylaria polymorpha Grev. An alten Buchenstöcken (Eilenriede). Claviceps purpurea Tul. Mutterkorn, Hungerkorn. Die violett-braun-schwarzen Sklerotien (und ihnen vorauf- gehend die Conidienform, Sphacelia segetum) viel- fach in Roggenähren, z. B. bei Limmer und Benthe (Juli 1895), aber nicht jährlich (fehlte dort 1896 fast ganz). In das Mehl gelangend und mit diesem genossen be- kanntlich die „Kriebelkrankheit* hervorrufend; Gehalt an giftigen Alkaloiden etc., welche die Anwendung in der Heilkunde bedingen. Ustulina vulgaris Tul. Die mausgrauen weissberänderten Conidienrasen (Juni) am Grunde alter Stämme sehr ver- breitet. Hier später die kohlschwarzen Perithecienlager. 130. 3313. 132. 133. 134. 135. 232 An Linden, Buchen etc. in der Eilenriede wie ausserhalb (Herrenhäuser Allee etc.). d. Discomyceten. Peziza Acetabulum L. Ader-Becherpilz. Stellenweis, vereinzelt (Süntel) auf dem Erdboden. P. leporina Batsch., Hasenohr. Wie vorige, der es auch ähnelt. P. Willkommii Hartg. Die als Lärchenkrebs (an Larix europaea) bekannte Er- scheinung hervorrufend; aus den erkrankten Stellen treten die hellfarbigen kleinen Becher (Schlauchfrüchte) des Pilzes hervor. Süntel, Deister, ab und zu. Bulgaria inquinans Fr. Vereinzelt auf Stämmen von Buchen und Eichen. Die fast schwarzen gallertig-festen kreiselförmigen Hüte mit keiner andern Art zu verwechseln (Ahlemer Holz u. a.). Rhytisma Acerinum Fr. Ahornrunzelschorf. Schwarze Flecken auf den Blättern jüngerer Ahornbäume (Acer platanoides, z. B. in der Eilenriede hinter der Bult) bildend. Jährlich, den ganzen Sommer über. VI. Hyphomyceten („Schimmelpilze“ z. T.). Monilia fructigena Pers. Schimmel des Obstes. Graue Räschen auf Früchten verschiedenster Art (Äpfel, Birnen, Zwetschen, Kirschen, Aprikosen etc.) bildend und dieselben rasch zerstörend (Fäulnis). Mehrfach auch schon auf dem Baume auftretend und die Ernte decimierend. Die inficierten Früchte bleiben hart, bräunen sich oder werden glänzend schwarz, um dann Mumien-artig zu schrumpfen (Schwarzfäule). Seiner ansteckenden Wirkung wegen gefährlich. Überall verbreitet, besonders in feuchten Sommern häufig (am Deister, Wennigsen etc.). Bis in den Spätherbst. 136. tar: 138. 139. 140. 141. 233 Penicillium olivaceum m.) Olivfarbene Schimmelrasen auf erkrankten eingeführten Südfrüchten (Apfelsine, Citrone), deren Fäulnis es mit veranlasst, bildend, und unter günstigen Verhältnissen die ganze Frucht in wenigen Tagen über- und durch- ziehend. Auf käuflichen oder aufbewahrten Früchten sehr häufig und merklichen Schaden anrichtend (ansteckend). P. roseum m. Hellrosafarbene Rasen auf verdorbenen Apfelsinen bildend, seltener. P. italiecum m. Apfelsinenschimmel. Bläulich-grüne Schimmel-Rasen auf verdorbenden Apfel- sinen bildend und die Frucht rasch vernichtend.') Sehr gemein und schädlich (ansteckend). Fusarium Solani (Mart.).. Kartoffelschimmel. Auf verderbenden bez. kranken Kartoffeln auf dem Felde, sowie im Keller und in zarten hellfarbigen Polstern die Rinde durchbrechend. Das in der Knolle sich ausbreitende Mycel bewirkt den Zerfall des gesunden Gewebes, sodass der Pilz nicht, wie man bisher annahm, nur als Folge- erscheinung der Fäule (Nassfäule bez. Trockenfäule) auf- tritt, sondern an derselben oft primär beteiligt ist. Die mondförmigen Sporen sind mehrzellig und werden massenhaft erzeugt; daneben kuglige Sporen (Gemmen). Ob hierher auch eine auf Gurken gelegentlich vor- kommende Art zu rechnen (Fäule veranlassend), ist zweifelhaft. F. purpureum A. Borchers. 1896. Neben dem vorigen in kranken Kartoffeln; Sporenlager orangefarben, Mycel oft purpurviolett. Conidien merklich schlanker als die der vorigen Art. F. heterosporum Nees ab Esenb. Rosa Überzüge an erkrankten Weizenähren bildend. Sporen schlank, vielzellig. In nassen Sommern in der Umgegend. !) Beschreibung und Abbildung dieser neuen Arten in den „Unter- suchungen über die Fruchtfäule“ (Beiträge zur Kenntnis einheim. Pilze. Heft II. 1895). 234 142. F. moschatum (Kitas.). Im Schleimfluss lebender Bäume (Linde 1895), sowie im Blutungssaft frischer Stöcke bez. Wunden. Wahrscheinlich sind hier auch noch andere F.-Species beigemengt. — Die zahlreichen F.-Arten bedürfen noch einer schärferen Unter- scheidung. 143. Spicaria Solani Hartng. Auf kranken Kartoffeln und deren Zersetzung beschleuni- gend („Trockenfäule*); in missfarbigen Polstern die Schale durchbrechend. Gemein. Sehr oft neben Fusarium Solani. Ebenso wie dieses hier stets ohne Schlauchfrüchte be- obachtet. 144. Cladosporium cucumeris Frank. Gurkenschimmel. In Gärten graugrüne Räschen auf jungen wie älteren Gurken bildend (Faulflecke). Gelegentlich stark schädigend, da die Erkrankung um sich greift und die Früchte, wenn nicht vernichtet (faul), so doch unverkäuflich werden. Von Frank bei Berlin (1893) in einer Gärtnerei beobachtet ; weiterhin in Schlesien von Aderhold. Herbst 1897 aber auch im Deistergebiet mehrfach aufgetreten (Nienfeld). 145. Fusiecladium dendriticum Fuck. (Rostflecken des Obstes). Dunkle Flecke auf Kernobst bildend; nicht grade sehr schädlich aber die Früchte unansehnlich machend und etwas in der normalen Entwicklung störend. Mehrfach auf reifen Äpfeln und Birnen (= F. pirinum).') 146. Gloeosporium Lindemuthianum Magn. „Fleekenkrankheit“* der Gartenbohnen veranlassend; insbesondere auf Buschbohnen der Umgegend. Gegen Ende des Sommers verbreitet. 147. Chaetomium cristatum, Auf kranken Kartoffeln im Winterlager. 148. Aspergillus albus Wilh. Ebendaselbst doch seltener, öfter auf altem verschimmelten Pumpernickel etc. Mit ansehnlichen reinweissen oder gelblichen Sporenträgern. 1) cf, die neuere Bearbeitung der Arten durch R. Aderhold. 235 149. A. clavatus Desm. Grüne Rasen auf verderbenden organischen Stoffen bildend; seltener (verdorbene Würze im Laboratorium). 150. A, famigatus Fres. Wie vorige Art, doch kleinwüchsiger und mit Vorliebe bei höherer Temperatur (Blutwärme) auftretend. Als pathogen für Wirbeltiere bekannt (Ohr- und Lungen- erkrankungen). VI. Basidiomyceeten (Basidienpilze). a. Gastromyceten. 151. Sphaerobolus stellatus (Tode). Kugelwerfer. Gelbe kleine Becher mit in einzelne Lappen auseinander- gehender weiter Mündung, aus denen die braunen kugligen stecknadelkopfgrossen Innenkörper zur Reifezeit gleich Geschossen fortgeschleudert werden. Das Mycel lebt in zerfallendem nassgehaltenem Holz und ist so leicht kulti- vierbar. Vereinzelt, so bei Davenstedt auf einem alten Stock, Oktober 1895. 152. Lycoperdon piriforme Schaeff. Birnen - Stäubling. Auf Waldboden nicht selten; birnförmig, klein. — Alle 8; L.-Arten in jungem Zustande geniessbar. 153. L, gemmatum Bull. Flaschen - Stäubling. Wie voriger aber häufiger. 154. L. caelatum Bull. Hasen - Stäublinge. Auf Triften und Heiden; durch Grösse ausgezeichnet. 155. L. echinatum Pers. Igel-Stäubling. Seltener, in Wäldern (Süntel, bei Lauenau u. a.). 156. Geaster fornicatus Huds. Vierteiliger Erdstern. In Nadelwäldern nicht selten. Oft massenweis beisammen (Süntel). Äussere Hülle in 4 Lappen zerreissend:; innere Peridie gestielt und mit Mündung. b. Phalloideen. 157. Phallus caninus Schaeff. Hundsmorchel. Am Süntel, seltener (Lauenau u. a.). 159. 160. 162. 163. 164. 165. 166. 236 d. Hymenomyceten. a. Thelephoreen. Corticium quercium Pers. Kleine flache graugelbliche Lager auf der Rinde absterben- der Eichenäste bildend, Eilenriede. Holzzersetzend. Craterellus cornucopoides (Pers.). Totentrompete. Die braunen trompetenförmigen Hüte stellenweis und dann zahlreich. (Gehrdener Berg, Benther Berg) auf dem Erd- boden. Thelephora palmata Fr. Vereinzelt, wie vorige (Gehrdener Berg, Eilenriede). B. Hoydneen. Hydnuum repandum L. Stoppelschwamm. Nicht selten (Eilenriede, Benther Berg, Süntel ete.). Ein- ziger Stachelschwamm der näheren Umgegend und stellen- weis sehr häufig (Süntel). Essbar. H. coralloides Scop. Vereinzelt (Deister) an alten Stöcken. Essbar. y. Olavarien. Clavaria flava Pers. Wie folgende besonders am Süntel. Cl, strieta Pers. Cl. pistillaris L.. Herculeskeule. Häufig am Süntel in grossen Trupps beisammen, doch unregelmässig je nach Witterungscharakter des Herbstes (kann in trocknen Jahren an den gleichen Standorten fast ganz fehlen, so 1897). — Essbar. Cl. Ligula Schaeff. Einzeln, Vahrenwalder Heide. d. Polyporeen. Polyporus umbellatus Fr. Eichhase. Selten. Am Süntel. Übrigens wie alle vorhergehenden geniessbar. 168. 169.* 170. 172. 174. 1.76. P. igniarius Fr. Falscher Feuerschwamm. Die harten vieljährigen consolenförmigen Hüte an Eichen und Buchen in der Eilenriede. Der Pilz ist bekanntlich ein „Wundparasit“ und ruft im Holze lebender Eichen eine stark umsichgreifende Zersetzung (Weissfäule) hervor, so dass er solchen verderblich werden kann. Ebenso an Obstbäumen (Zwetschen, Apfelbaum) und Weiden häufig. P. adustus Fr. P. fomentarius Fr. Echter Feuerschwamm. Die vieljährigen braunen, meist flacheren consolenartigen Hüte bisweilen an alten Stöcken und Stämmen (insbe- sondere der Buchen) in der Eilenriede. Liefert bekanntlich den („echten“) Zunder. P. albidus Trog. Tannen - Löcherpilz. An alten Fichtenstöcken kleine weisse Consolen bildend (Eilenriede, Süntel). P. versicolor L. Gemein an alten Stöcken (Eilenriede); bunt gezont, sammtharig. P. conchatus Pers. An toter Rinde von Buchen (Eilenriede). Filzige kleine Hüte. P. zonatus Fr. Lederige blasse Consolen an absterbenden und toten Eichen. Eilenriede. Holzzerstörend. *P. vulgaris Fr. (?). Ausgebreitete hellfarbige Massen aus der Rinde kranker und abgestorbener Eichen hervordringend. Eilenriede häufig. Holzzerstörend. P. salieinus Pers. Weidenschwamm. An alten Weiden, so bei Limmer am Leineufer. Unan- sehnliche bald zerfallende glatte Gonsolen. P. hispidus Fr. Steifhariger Röhrenschwamm. Hüte rostfarbig mit rauher Oberseite, sitzend, insbesondere an lebenden Buchen und Erlen in der Eilenriede, deren 178. 179, 180. 1833. Holz zersetzend und somit forstschädlich. Die von Wund- stellen aus befallenen Bäume jeglichen Alters werden all- mählich hohl, zeigen auch krankhafte Wucherungen er- heblichen Umfangs. Die Schädigung scheint gelegentlich auch verhängnissvoller (Abtötung) werden zu können. Der Pilz gilt als gefährlicher Wundparasit. Die im Sommer entstehenden lederig-brüchigen Hüte fallen mit dem Winter stückweis ab, sind also einjährig. P. frondosus Schrad. Klapperschwamm. Hüte zusammengesetzt, einen vielteiligen Busch bildend (Kohlkopfähnlich), saftig, weich, grau-braun, unterseits weiss mit sehr kurzen Röhren. Häufig in der Eilenriede und meist auf kranken Wurzeln von Eichen, nahe dem Stammgrund. September, Oktober. — Geniessbar, doch kaum wohlschmeckend. P. betulinus Fr. Birkenschwamm. An Birken nicht häufige hellfarbige Consolen bildend (Süntel). P. sulfureus Bull. Schwefelgelber Löcherpilz. Weiche saftige, oberseits leuchtend orangegelbe, unter- seits hell schwefelgelbe, unregelmässig gelappte oder auch eonsolenartige sitzende Hüte, einzeln oder in Mehrzahl an lebenden Stämmen (Eiche) oder verwachsen (zusammen- fliessend), auch noch auf alten Stöcken der Eichen. Von Juni an bis Herbst und 3—4 Wochen dauernd, dann zerfallend oder eintrocknend. Der Pilz greift lebende Bäume (meist von Wundflächen aus) an und zersetzt das Holz unter den Erscheinungen der „Rotfäule“. Vielfach in der Eilenriede und dort aus- schliesslich an Eichen (sonst auch gern an Zwetschen- bäumen). Die frischen Hüte sind essbar und sollen wohl- schmeckend sein. Polyporus perennis l.. Vereinzelt in Wäldern (Eilenriede etc.). Der einzige Polyporus bei uns mit centralgestieltem Hut. 182. 183. 154. 185. 186. 187. 188. 239 P. giganteus Pers. „Bärenklau.“ Zusammengesetzte kastanienbraune bis weissfarbene, kurz- lebige sitzende Hüte von ansehnlicher Grösse (0,3 m und mehr breit werdend), am Grunde lebender älterer Buchen und alter Stöcke (Eilenriede, Süntel) aus der Rinde hervor- brechend. September-Oktober. Schädlich; holzzerstörend. P. confluens Fr. Semmelpilz. In gelbbraunen derben Massen vereinzelt (Bentherberg) an alten Stöcken. Fistulina Hepatica Huds. Leberpilz. Anfangs orangefarbige Knollen, dann meist fleischrote kurzgestielte Consolen von saftiger Beschaffenheit, be- sonders am Grunde älterer lebender Eichen aus deren Rinde hervorbrechend ; September-Oktober; 3—4 Wochen dauernd, dann eintrockend oder verfaulend. In der Eilen- riede häufig. Zersetzt Eichenholz unter den Erscheinungen einer „Rotfäule“. Auch an frischen wie älteren Eichenstöcken. Essbar, aber nicht grade für jedermann wohlschmeckend. (Herbst 97 wurde beim „Neuen Hause“ ein über 5 Pfund schweres Exemplar gefunden). — Verdächtig als Baum- schädling. Daedalea quereina Pers. Eichenwirrschwamm. Die korkigen löwengelb- bis lederfarbigen Consolen sehr gemein an Eichenstöcken, meist in grosser Zahl beisammen. Nur in einem Falle an einem verwundeten noch stehenden Baum gefunden (Eilenriede). Holzzerstörend. Merulius lacrymans Sch. Hausschwamm. Gelegentlich am Holzwerk innerhalb der Wohngebäude und bekanntlich sehr gefürchtet, da er umsichgreifend alle Holzteile (Fussboden, Wandbekleidungen) morsch macht. Trametes suaveoleus Fr. An alten Weiden bei Limmer. Geruch anisartig, angenehm. Tr. gibbosa Fr. An alten Buchenstöcken in der Eilenriede. Gezonte, hell- farbige grosse Consolen. 189. 190. eat 192. 193. 194. 195. 196: 197: 198. 240 Boletus edulis Bull. Steinpilz. In der näheren Umgebung nicht häufig (sehr viel ge- sammelt); vereinzelt in der Eilenriede, am Benther Berg u. a. a. OÖ. Häufiger am Deister und Süntel. Wird von dort vielfach frisch wie getrocknet in die Stadt gebracht. Der Pilz gehört bekanntlich zu den besten Speiseschwämmen. Übrigens in den verschiedenen Jahren sehr ungleich auftretend und bisweilen an den Standorten ganz fehlend, woran natürlich die starke Nachstellung keine Schuld trägt. B. subtomentosus L. Ziegenlippe. Die häufigste Boletus-Art der Umgegend, doch immer nur vereinzelt und in Exemplaren von sehr verschiedener Grösse. Eilenriede u. a. OÖ. Essbar und wohlschmeckend. B. luteus L. Butterpilz. Stellenweis (Nadelwäldchen der Vahrenwalder Haide gegen Langenhagen hin) und einzeln. Gut kenntlich an der glänzenden braunen leicht abziehbaren Oberhaut und dem Ring. Speiseschwamm. B. variegatus Sow. Sandpilz. Einzeln, ebendaselbst. Essbar, braungelb. B. bovinus L. Kuhpilz. Ebendaselbst. Bekanntlich essbar, gelb. B. piperatus Bull. Pfefferpilz. Vereinzelt. B. flavus With. Gelber Röhrenpilz. In der weiteren Umgebung (Deister, Süntel) ziemlich häufig, geniessbar. B. luridus Schaeff. Hexenpilz. An den roten Farbentönen (Stiel und Hutunterseite) leicht kenntlich. Nicht geniessbar bez. verdächtig. Süntel. B. elegans Fr. Gleichfalls nicht in Nähe der Stadt (Süntel). B. versipellis Fr. Rothäuptchen. Vereinzelt. Geniessbar wie der vorhergehende. 199. 200. 201. 203. 204. 205. B. parasiticus Bull. Als einziger parasitischer Boletus bemerkenswert; die kleinen kaum einige cm hohen gelblichen Hüte auf leben- den Bauchpilzen (Scleroderma vulgare), an deren Basis hervorbrechend und sie in der Entwicklung hemmend. Eilenriede vereinzelt (so bei Bischofshole 1896). Der Pilz scheint selten zu sein und wird von Leunis- Frank, sowie Wünsche nicht aufgeführt. In der „Kryptogamenflora® fehlt näheres über sein Vorkommen. Abbildung bislang nur bei Constantin (Atlas des Champignons comestibles et veneneux. Paris 1896). &. Agaricineen (Blätterschwämme). Amanita rubescens Fr. Perlschwamm. In der Eilenriede ziemlich häufig, doch nicht jedes Jahr und zeitweise ganz fehlend. Geniessbarkeit kritisch. Soll z. B. in England Speiseschwamm sein und sonst auch nach Entfernung der Schuppen geniessbar sein. Die Angaben widersprechen aber einander. A. viridis Pers. Grünling. Einzeln in der Eilenriede. Wie A. bulbosa (Varietät ?) giftig. A. vaginata Bull. Scheidenschwamm. Mehrfach in der Eilenriede, angeblich essbar; fehlt dort in manchen Jahren ganz. Armillaria splendens (A. mucida Schrad.). Einzeln in der Eilenriede an älteren Buchen (Baumbe- wohner). Durch grossen eleganten Wuchs und die leuch- tend weisse Farbe wohl einer der schönsten Pilze. Bisweilen zu Dutzenden aus der Rinde hervorbrechend. Der Pilz scheint als Baumzerstörer verdächtig. A bulbigera Alb. u. Schw. Am Süntel mehrfach. Pleurotus ostreatus Jacqy. Austernpilaz. Am Holzkörper verletzter lebender Buchen, sowie alten Buchenstöcken in der Eilenriede mehrfach und auf Grund 16 209. 210. 211. 213. 214. der zitzenden muschelförmigen grau-blauen Hüte leicht kenntlich. Oft in grosser Zahl beisammen. Sehr lebenszäh. Geniessbar. Holzzerstörer. Lepiota granulosa Batsch. Am Süntel; klein, bräunlich. L. gracilenta Krombh. Ebenda. Zierlicher heller Schwamm. Lactarius piperatus Fr. Pfefferschwamm. Die grossen weissen trichterförmigen Hüte mehrfach in der Eilenriede (gelegentlich in „Hexenringen*) und sehr häufig in den Waldbeständen des Süntels. Soll giftig sein. L. delieiosus Fr. Echter Reizker. Wachholderschwamm. Der an der orangegelben Milch unfehlbar kenntliche Pilz ist in der weiteren Umgebung der Stadt (Süntel) sehr häufig. Speiseschwamm. Charakteristisch ist auch das srünspanfarbige Anlaufen. L. subduleis Fr. Russula aurata With. Goldtäubling. Am Süntel nicht selten. Eine der wenigen geniessbaren (und an der gelben Lamellenschneide kenntlichen) Täub- lingsarten. Im allgemeinen meidet man aber diese wie auch die Lactarius-Arten (mit Ausnahme des leicht kennt- lichen Wachholderschwamm) als Speiseschwämme. R. emetica Fr. Speitäubling. Vielfach vorkommend. Leuchtend rot. Mehrfach Ver- giftungen bewirkend. Kommt aber (geschält) auch auf den Markt („Markthalle“), wird also gegessen. R. virescens Schaeff. Vereinzelt. R. nigricans Bull. Schwarzer T. Ebenso (Süntel). Dunkelfarbig. Clitocybe laccata Scop. Lack-Trichterpilz. Der violett-blaue Pilz ist weitverbreitet, doch nicht grade sehr häufig. An der Farbe leicht kenntlich. 216. 21.9. 220. 225. 228. 245 Cl. odora Bull. Anis-Trichterpilz. Durch grünliche Farbe und erklärten Anisgeruch aus- gezeichnet. Truppweis, Süntel. Essbar. Cl. fragrans Sowb. Gelblich. Geniessbar, Stellenweis (umliegend. Gehölze). Hygrocybe coccinea Fr. Gelegentlich auf Rasen. Wässeriger grellgefärbter kleiner Pilz. Limacium eburneum Bull. Elfenbeinschwamm. Stellenweis häufig, doch nicht jedes Jahr (Süntel). Schlüpfrige Beschaffenheit und weisse Farbe kennzeichnen ihn. Geniesshar. Camarophyllus niveus Scop. Schnee-Ellerling. Nicht häufig, doch in der Eilenriede stellenweis. Weiss wie die vorhergehende Art. Collybia radicata Rel. Auf alten Stöcken im Walde, verbreitet (Eilenriede etc.). Mycena polygramma Bull. Wie vorige Art. Marasmius rotula Fr. Sehr kleiner steifer Pilz auf Tannennadeln nicht selten. Clitopilus prunulus Scop. Mousseron. Stellenweis. Im Aussehen Nr. 219 und 220 ähnlich. Eilenriede. Essbar, angenehm riechend. Phlegemacium caerulescens Schaeff. Nicht selten. Blau-violett und somit der Clitocybe laccata ähnlich. Nicht geniesshar. Inoloma traganum Fr. Am Süntel mehrfach. Nicht geniessbar. Pholiota mutabilis Schaeff. Stockschwamm. Auf alten Stöcken überall verbreiteter kleiner gelbbrauner Speiseschwamm. Meist in grösseren Kolonien. Eilenriede. Deister. Süntel. Paxillus atrotomentosus Batsch. Sammetfuss - Krämpling. Auf alten Stöcken, verbreitet (Eilenriede, Süntel etc.). Leicht kenntlich an dem sammtharigen Stiel. Kaffee- braun. Soll essbar (aber nicht wohlschmeckend) sein. 2929 IV 5 DV 233. 234. 236. 238. 244 P. involutus Batsch. Kahler Krämpling. In Farbe etc. dem vorhergehenden ähnlich, doch Stiel glatt. Stellenweis. Geniessbar. Gomphidius glutinosus Schaeff. Am Süntel mehrfach (Nadelwald). Mit schleimiger Hülle. Kein Speiseschwamm. Psalliota arvensis Schaeff. Ackerchampignon. Verbreitet; von angenehmem Geruch und Geschmack, wie auch die übrigen Ps.-Arten oder -Varietäten, welche auf Grund des Ringes, der im Alter braun-schwarz gefärbten Hutunterseite, der freien Lamellen, der meist weissen (bis bräunlichen) Hutoberseite, sowie der oft knolligen Stiel- basis kaum mit andern Arten zu verwechseln sind. Cantharellus tubaefoımis Fr. In Wäldern der weiteren Umgebung nicht häufig (Süntel), truppweis. Schizophyllum commune Fr. An abgeschlagenen Buchenstämmen, seltener (Süntel). Hypholoma sublateritium Schaeff. An alten Stöcken, besonders der Buchen (Eilenriede). Dem Schwefelkopf ähnlich, doch gross und dunkler in der Fär- bung (braunrötlich). Nicht geniessbar. H. lacrymabundum Fr. Eilenriede stellenweise (beim Neuen Haus), doch unbe- ständig, mit faserigem Hut und Stiel. Fehlte am gleichen Standort 1896 und 97. Pholiota adiposa Batsch. Fettglänzender Blätterpilz. Mehrfach an lebenden Buchen (Eilenriede) in grossen leuchtend gelben etwas schleimigen Hüten, holzzersetzend (Wundparasit). In jeder Stammhöhe, oft aus Höhlungen hervorwachsend ; jährlich (September-Oktober). Ph. aurivella Batsch. Goldfarbiger Blätterp. Am Grunde alter Bäume und Stöcke in grossen goldgelben Hüten (Eilenriede). Herbst, wie die meisten dieser Arten. Ph. destruens Brond. Grosse fahlgelbe Hüte an lebenden Pappeln, schädlich. Druck von Wilh. Riemschneider. Hannover. "ısaouuep 'unl SYAIIV '9 uoA yonıpıyary P ssog1n "ınyeu ®| L A B I PfPL II 1/DL - « ‚1AouurH "unl SYTL Tafel III. ı/, natürl. Grösse Lichtdruck von G. ALPERS jun. Hannover. -ı9A0uue]] "unl SYHAIIV '9 UoA yonıpyyOrT assginy "neu ®lı AL P/DL "702 S9459[95 UENIIgIS[OWLPY «dop UOLWDIOAS TunZz Iypoayuos 'd —_ I: | MNM | 1014 Ur 9 LOPOAISO) 104 „UONDLIISSUOF]" UBP Yaamp UEgeASssungeflosse A "V - ee a NN e— 3 ee — 2 von Sei warmsledt na, zZ \ EEE Lageski I etenen = ageskizze ER a Watt E Bohrlöcher bei Wietze-Steinfürde. HN Z 2 1:4000 ES ta » f 10 M- © Bohrlöcher der Holländischen Gesellschaft. a en 1.000 gen x R „ Winsener Pr engl Bohrtoch + 5 „ früheren englischen „ Wallmann's o10 Theer-Kuhle IV. Profilskizze 1: 1000. indels. Ge; xaltes Bohrl> | =, 7 wu | 1 | Wi | RS e- | N Al SITE | S | | S ua i7 AN "l | | N m A | 2% = G ae! B| ER 9 | 20 m R 1 om Ei / AE LIBER. nn nr ER. 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En & graublau 5 z - er grau = s den „bunten Keupermergeln* ähnlicher, meist = = rother oder rötblicher bis bunter Thon. > = „Felsen“ > 2 92392839) Kalkstein oder Kalkmergel A z = | Gips und Anhydrit S = Salz (verschiedener Art) e eg 5 > 5 = in gewinnlohnender Menge ange- [es] < troffenes Erdöl EB 24 % — Öl-haltig 3 = = Zi v r "pP = - = x = Ol-Spuren 23 teinsalz.| = x = starke Ölspuren 7 5 o — Ölgase I er er ai — Ölgerue 5 = ä Igeruch = ri © — mit Tlhieer gesättigt = $ Asphalt 2 a & - 22 ® — mil Ölsandeinlagen = 23 4 ch & — Schwefelkies = ee a3 © = = < — Salzwasser = BE 3, + - fest . Ei {1} vw < + = sehr fest = rs + abwechselnd weich und hart. = se Zi ix r 8 = schiefrig HE @ 9 — mit Kalksteineinlagen | Y z ® = mit „Steineinlagen® Pe en A Ara S h E ee man ! Keupermerge UNE “/ 3 ! wechsellsgernd mit. 4/14 Pi 2 De nmt \ 2 m mehligen u Pa=. 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