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Jahresberichte

der

deutschen Geschichte

In Verbindung mit

Fr. Andreae, R. Haepke, F. v. Klocke, R. Koebner,

H. Krabbo, H. O. Meisner, F. Priebatsch,

H. Rothfels, M.Stimming, W, Windelband

herausgegeben von

V. Loewe und O. Lerche

Jahrgang 4- 1921

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Breslau 192^ Priebatsch's Verla.

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Jahresberichte

der

deutschen Geschichte

In Verbindung mit

Fr. Andreae, R. Haepke, F. v. Klocke, R, Koebner, H. Krabbo, H, O. Meisner, F, Priebatsch, H. Rothfels, M.Stimming:, W. Windelband

herausgegeben von

V. Loewe und O. Lerche

Jahrgang 4: 1921

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il Breslau 1923 ||

11 Priebatsch's Verlag ||

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Liste der Mitarbeiter.

Universitätsprofessor Dr. Fr. flndreae in Breslau (C IX).

o. Universitätsprofessor Dr. R. Haepke in Marburg a/L. (C VII).

Leiter der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familien- geschichte Dr. F. V. Klocke in Leipzig (AIII 2).

Privatdozent Dr. R. Koebner in Breslau (A II).

Staatsarchivar und Honorarprofessor Dr. H. Krabbo in Berlin (AIIIl).

Direktor Dr. 0. Lerche in Wolfenbüttel (A III 3. IV 2, 3, 5, 6. B V— VIII).

Archivrat Dr. V. LoeWe in Breslau (A I. IV 1, 4. C I, II, VI, VIII).

Staatsarchivar Dr. H. 0. Meisner in Berlin (C V).

Dr. F. Priebatsch in Breslau (B IV).

Archivrat Dr. H. Rothfels in Berlin (C IV).

Universitätsprofessor Dr. M. Stimmlng in Breslau (B I, II, III).

Universitätsprofessor Dr. W. Windelband in Heidelberg (C III).

Vorwort

Dank der materiellen Unterstützung, für die wir deutsch- amerikanischen Freunden deutscher Wissenschaft verpflichtet sind, waren wir in der Lage, für den vorliegenden Band der Jahresberichte bereits eine Anzahl von Fachgenossen als Mitarbeiter zu gewinnen; um den weiteren Ausbau, soweit ihn die Not der Zeit nur immer gestattet, werden wir bemüht sein.

Wir wiederholen unsere Bitte an Autoren und Verleger, zur Besprechung geeignete Bücher und Sonderabdrucke an die Verlagsbuchhandlung (Priebatsch's Verlag, Breslau I, Ring 58) gelangen zu lassen.

Die Herausgeber.

Inhalts= Verzeichnis.

A. Allgemeiner Teil. g^.^^

Kap. I. Bibliographie, Histor. Vereine . . 1

Kap. II. Methodologie, Geschichtsphilosophie, Historiographie 2 17

Kap. III. Histor. Hilfswissenschaften 17 33

1. Urkundenlehre, Palaeographie, Archivwesen. 2. Genea- logie, Heraldik und Sphragistik. 3. Histor. Geographie und Siedlungsgeschichte. 4. Sprachkunde und Literatur- geschichte.

Kap. IV. Gesamtdarstellungen 33 41

1. Politische Geschichte. 2. Kulturgeschichte. 3. Rechts- und Verfassungsgeschichte. 4. Kirchengeschichte. 5. Kunstgeschichte. 6. Lokalgeschichte.

B. Mittelalter.

Kap. I. Frühzeit 41— 42

Kap. II. Die fränkische Zeit 42— 46

Kap. III. Die Kaiserzeit 46 52

Kap. IV. Späteres Mittelalter 52— 62

Kap. V. Kultur- und Geistesgeschichte 62 65

Kap. VI. Kunstgeschichte 65— 66

Kap. VII. Lokalgeschichte 67— 68

Kap. VIIL Rechts-, Verfassungs- und Sozialgeschichte 68—71

C. Neuere Zeit.

Kap. I. Reformation, Gegenreformation und 30 jähr. Krieg 72—77

Kap. II. Vom westfäl. Frieden bis zum Wiener Kongreß 77 82

Kap. III. Vom Wiener Kongreß bis zu Bismarcks Entlassung .... 82 94

Kap. IV. Von Bismarcks Entlassung bis zum Ausgang des Weltkrieges 95 106

Kap. V. Staatsanschauung 107 116

Kap. VI. Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte ......... 116 118

Kap. VIL Wirtschaftsgeschichte 118-126

Kap. VIII. Kirchengeschichte 126—128

Kap. IX. Kultur- und Geistesgeschichte 129—140

A. Kapitel I. Bibliographie. Historische Vereine. (Loewe.)

Von Zusammenstellungen der Geschichtsliteratur einzelner deutscher Länder erschien im Berichtsjahr die Fortsetzung der durch B e m - mann^) im Auftrage der Kommission für sächsische Geschichte be- arbeiteten monumentalen Bibliographie der sächsischen Geschichte (vgl. Jahresber. 1, 1); das auch äußerlich vorzüglich ausgestattete Werk wird, wenn es einmal vollendet ist, als die beste aller terri- torialen Geschichtsbibliographien anzusprechen sein. Der vorliegende, ebenso wie der erste Halbband der allgemeinen Landesgeschichte gewidmete Teil behandelt Verfassung, Recht und Verwaltung, wirt- schaftliche Verhältnisse, geistiges Leben, Kirche, Unterrichtswesen und Heerwesen. Erneut sei hier darauf hingewiesen, daß das große Werk auch ein wertvolles Hilfsmittel für das Studium der allgemeinen Geschichte bildet, namentlich in den wirtschaftsgeschichtlichen Ab- schnitten stellt es dank seiner klaren Disposition auch zahlreiches Material für vergleichende Studien bequem zur Verfügung.

Über die wichtigeren Veröffentlichungen des Jahres 1919 unter- richtet in den durch die Not der Zeit gezogenen engen Grenzen der zweite Band unseres Unternehmens. 2) Rosenbaum 3) legte eine umfangreiche Zusammenstellung der in den Kriegsjahren erschienenen Bücher und Aufsätze zur deutschen Literaturgeschichte vor, die auch dem Historiker mancherlei bietet. Häpke*) begann mit einer Um- schau über neuere hansische Geschichtsliteratur.

Übersichten über die jüngste Geschichtsliteratur einzelner Terri- torien bezw. die Tätigkeit einzelner Vereine liegen mir vor für: das Baltikum,^) österreichisches Schlesien,^) Freistaat und Provinz Sachsen bezw. Thüringen, 7) 8) Niedersachsen, 9) Schleswig-Holstein, ^o) Hessen, ^i) Baden,i2) die Schweiz.^s)

^) Bibliographie d. sächsisch. Gesch. Hrsgb. von R. Bemmann. Bd. 1: Landes-G. Halbbd. 2. Leipzig, Teubner. XVII u. 614 S. ^) Loewe, Y., und 8 1 im m i n g, M: Jahresberichte d. dt. Gesch. Jahrg. 2. Breslau, Priebatsch. 100 S. -- ^j Rosenbaum, A.: Bibliogr. der in d. J. 1914—18 erschienenen Zt.-Aufsätze u. Bücher z. dt. Literat.-G. (= Euphorion. Ergänz.-Heft 12). Wien, Fromme, 192 S. *) Häpke, R.: Hans. Umschau. Hans. G.-Bl. 26, 235-46. ^) Häpke, R.: Die geschichtl. und landeskundl. Forschg. in Litauen und Baltenland 1915—18. Hans. G.-Bl. 25, 17-34. «) Karger u. Winter: Liter. Übers, zur schles. G. 1919/20. Zt. f. G. u. Kultur-G. Schlesiens 14/15, 207—12. "^j Bemmann, R.: übers, üb. neuerdings erschienene Sehr. u. Aufs. z. sächs. Gesch. u. Altertumskde. Neues Archiv f. sächs. G. 42, 1.53—67. S) Laue, M.: Bibliogr. z. thür.-sächs. G. Thür.-sächs. Zt. f. G. u. Kunst 11, 41—60. ») Lerche, 0.: Die Hist.Ver. Niedersachs, im letzten Jahrfünft. Korr.-Bl. d. Ges.-Ver. 68, 180—94. ^^) Agricola, 0.: Liter. Bericht für 1915-19. Zt. d. Ges. f. schlesw.- holst. G. 49, 278—331. Pauls, V.: Literaturbericht f. 1919—20. Ebd. 50, 460—568. i^) Dersch, W.: Bücher- u. Zt. -Schau. Zt. d. Ver. f. hess. G. u. Landeskunde 53, 11(3—85. ^ ^2) Rieser, F.: Bad. G.-Literat. d. .Jahre 1919 u. 20. Zt. f. d. G. d. Oberrheins. N. F. 36, 421-72. ") Wild, H.: Bibliogr. d. Schweizer G. Jhg. 1920. Beil. zur Zt. f. Schweiz. G. Bd. 1. 112 S.

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A. Kapitel IL Geschichtsphilosophie. Methodenlehre. Historiographie.

(Koebner.)

Zur systematischen Grundlegung der Ge- schichtswissenschaft. An erster Stelle muß in unserm Bericht die neue Fassung eines Werkes Platz finden, dessen methodo- logische Grundunterscheidungen für die Prinzipienlehre unserer Wissen- schaft in den letzen Jahrzehnten weithin bestimmend gewesen sind und auch im Berichtsjahre wieder ihre Anregungskraft erwiesen haben: die diitte und vierte Auflage von Ricke rts „Grenzen".^) Die wesent- lichste Erweiterung des Buches liegt im 9. Unterabschnitt des 4. Kapitel: „Die irrealen Sinngebil,de und das historische Verstehen." Der Abschnitt ist insbesondere der Auseinauidersetzung mit denjenigen Gegnern der R. 'sehen Wissenschaftslehre gewidmet, denen sie zu wenig auf die Eigenart des historischen Gegenstandes, auf die Gegebenheit des „Geistigen" und „Seelischen" und des ihm in der Erkenntnis entsprechen- den „Verstehens" und „Nacherlebens" einzugehen scheint. R. vollzieht die Abwehr auf der Grundlage einer bedeutenden Ergänzung seiner Position. Er erkennt an, daß die Geschichtswissenschaft nicht nur als Anwendung einer besonderen Methode in der Auffassung des Realen, sondern auch als Erkermtnis von besonders charakterisierten Gegenständen zu bestimmen ist; er erkennt auch an, daß individuelles Seelenleben ein Hauptobjekt des Historikers ist, und daß dieses Objekt im „Verstehen" erkannt wird. Aber dieses Verstehen ist kein unmittelbares Seelen-Erkennen, und die Arbeit des Historikers ist weder ein Verfahren, zu dessen Aufklärung man ein metaphysisches Geister- Verhältnis zu Hilfe nehmen müßte, noch macht ihr seelischer Gegenstand sie zu einer psychologischen Wissenschaft irgendwelcher Art. Denn als notwendige Vermittelungen und nächste Objekte des Verstehens treten vor das fremde individuelle Seelenleben, auf das der Historiker abzielt, die in ihm verwirklichten Sinnesgehalte. Historischer Gegenstand ist nicht seelisches Leben schlechtweg, sondern nur das seelische Leben, insofern es sinnvoll ist: vom Sinn- Verstehen geht alles Verstehen fremder Individualität aus. Die Sinnesgehalte, auf Grund deren das historische Seelenleben gedeutet wird, sind teils all- gemeine, teils relativ oder so häufig im Falle des „alogischen" Ver- stehens — absolut individuelle Gehalte. Niemals aber sind sie selbst „psychische" Objekte. Denn Psychisches gehört ins Bereich der Realität, der Natur; die Sinngiebilde aber sind in sich selbst irreal. Historisches Verstehen ist ein Verstehen irrealen Sinnes und des Seelenlebens, sofern es in ihm lebt. Andrerseits steht der Begriff des Sinnes zu dem des Wertes und der Kultur in engster Beziehung. Sinngehalte werden

*) Rickert, H.: Die Grenzen der naturwissenschaftl. Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die histor. Wissenschaften. 3. u. 4. yerbesserte u. ergänzte Aufi. Tübingen, Mohr. XXVIII u. 563 S.

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als Wert- und Kulturgehalte verstanden; der Sinn läßt sich „nur mit Rücksicht auf Werte seinem Gehalt nach deuten". Gerade als Wissen- schaft vom „sinnvollen Seelenleben" ist also die Geschichte wiederum das, was sie nach R.'s Definition hauptsächlich ist: Wissenschaft vom „wertbezogenen" individuellen Dasein, Kulturwissenschaft. Die Be- deutiuig dieser Ausfülirungen scheint dem Berichterstatter in dem gleichen Moment zu liegen, in dem auch die Erkenntnisleistung der R.'schen Grundtheorie liegt, die sie ergänzen wollen: es wird an einer besonderen Stelle aufs neue dargetan, wie wenig die historische Tat- sachenerkenntnis vom Standpunkte eines „naiven Realismus" aus zu be- greifen ist, wie vielmehr jeder Auswahl, die der Historiker unter dem Tatsachenmaterial treffen kann, eine Formung dieses Materials logisch vorausgeht, die den historischen Gegenstand erst konstituiert. Es wird ferner ideutlich, daß die Prinzipien dieser Formung untereinander in einem notwendigen Bedeutungszusammenhang stehen: die Beziehung des individuell verwirklichten Sinngehalts auf Werte und Kultur ist eine dieser Korrelationen. Man trägt aber der Bedeutung solcher Fest- stellungen nichts ab, wenn man zugleich hervorhebt, daß sie eins nicht leisten: nämlich eine positive begriffliche Bestimmung der historischen Gegenständlichkeit selbst.

Auch die neuen Ergänzungen der R. 'sehen Wissenschaftssystematik können die Frage nicht zum Schweigen bringen, ob die begriffliche Energie ihrer letzten formalen Einteilungsprinzipien nicht doch an der besonderen Struktur des Inhalts der Geschichte vorbeigeht. Gerade die Art, wie R. jetzt die Sinnhaftigkeit der historischen Objekte in sein System hineinzieht, stellt diese Frage. Die Sinnverwirklichung des histo- rischen Geschehens bedeutet ein Ineinander von Allgemeinem und Individuellem, von Realem und Ideellem : nicht dieses Ineinander selbst wird bei R. erläutert, sondern nur seine Beziehung auf die R.'schen Kategorien.

Rickerts Buch ist nur eine der neuen Veröffentlichungen, die die Eigenart des sinnhaften Geschehens zum Ansatzpimkt methodologischer Untersuchungen machen. Sein Werk ist in der neuen Auflage dem An- denken anMaxWeber gewidmet. Und seine Hinwendung zum Sinn- problem zeigt ihn auf einem Wege, auf dem dieser größte seiner metho- dologischen Nachfolger in eigener Weise seine wissenschafts-theoretische Orientierung gesucht hat. Die „verstehende Soziologie", die in W.'s ge- waltigem Opus posthumum umrissen wird,-) ist auf den Begriffen des Sinnes und des Sinnverstehens aufgebaut. Die Entwicklung dieser Be- griffe selbst, die das Buch einleitet, hat nicht eigentlich philosophische Absichten; sie erörtert nicht den Gegenstands-Charakter des Sinnes und die Erkenntnis-Bedeutung des Verstehens, sondern beschränkt ihre be- griffliche Leistung auf eine definitorische Umschreibung, von der dann eine fachtechnische Erörterung über die wissenschaftliche An-

2) Weber, M.: Wirtschaft und Gesellschaft. (Grundriß der Sozialökonomik, IIL Abteilung.) Tübingen, Mohr. 1922. XII u. 840 S. (Die erste Lieferung, die die methodologische Einleitung enthält, erschien 1921.)

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vv e 11 d u 11 g des „Versteheiis von gemeintem Sinn" ausgeht. Doch möchten wir meinen, daß die strenge Umgrenzung, die W. jenen Grund- begriffen gibt, für die philosophische Methodologie der Kulturwissen- schaften ähnlich l^edeutsam werden kann, wie die Begriffsansetzungen mancher Naturforscher für die Logik der Naturwissenschaften. Wenn die Geschichtsphilosophie aus diesem Grunde Jenen knappen Ein- leitungs-Abriß zu berücksichtigen hat, so sin,d andrerseits für den Historiker, der sich über Grundsätze und Möglichkeiten seines Ver- fahrens Rechenschaft geben will, auch die anschließenden Ausführungen über die technische Auswertung des „Verstehens" in der Soziologie von besonderem Wert. Im Mittelpunkt der Erörterung steht hier der aus früheren Arbeiten W.'s bekannte Begriff des „Idealtypus". Ein Ideal- typus ist eine Konstruktion von Sinnzusammenhäng:en, ,die der Deutung eines konkretein Handelns zugrunde gelegt werden können. Die Soziologie strebt danach, Idealtypen sozialen Verhaltens zu gewinnen, deren verständlicher Inhalt den Zusammenhang häufiger gleichartiger sozialer Erscheinungien ausdeutet: für die Aufstellung solcher Regeln ist es nötig, daß die konstruierte Verhaltsweise sinnhaft einleuchtend („sinn- haft adäquat") ist und daß ihr das konkrete Handeln „mit angebbarer Häufigkeit" tatsächlich entspricht („kausale Adäquanz"). Die Idealtypeii sozialen Handelns dienen aber auch methodisch als Orientierungen, um die Deutungs-Möglichkeiten besoiideTeir, einzelner, ihnen nicht ent- spirechender Verhaltweisen einzugrenzen. Um möglichste Evidenz zu erreichen, werden die Idealtypen sozialen Handelns „zweckrational" konstruiert; |d. h. sie zeigen an, wie ein unter gegebenen Zielen und Mitteln eintretendes Handeln zielgerecht verläuft, wenn es nicht den tatsächlich niemals auszuschaltenden „Störungen", namentlich Ein- griffen des Affekts, unterliegt. So enthalten sich die idealtypischem Deutungen des Anspruchs, alle sozialen Erscheinungen zu erklären; dieser Anspruch könnte auch wegen der im Einzelfalle stets notwendigen Rücksichtnahme auf sinnfremde, prinzipiell nicht verstehbare Einflüsse

Naturvorgänge nicht ertragen werden. Mit alledem entfernt sich die Typenkonstriüvtion der verstehenden Soziologie bewußt von der Wirklichkeit. Sie wird aber gerade durch ihre scharfe Einseitigkeit ein brauchbares Mittel, um das konkrete Einzelgeschehen auseinander- zulegen und in seiner historischen Besonderheit verständlich zu machen.

Wie W.'s „verstehende Soziologie" nach Absicht und Durchführung nicht nur eine systematische Erkenntnis herzustedlen, sondern auch zur Aufhellung kulturwichtiger historischer Vorgänge beizutragen strebt, so bringen diese prinzipiellen Ausführungen eins der Mittel des historischen Verstehens auf methodische Grundsätze.

Die Leistung des W.'schen „Idealtypus" hebt G o t h e i n terminologisch genauer hervor, wenn er ihn als „heuristischen oder experimentellen Typus" bezeichnet,^) Im übrigen erkennt er in ihm nur einen der mannigfaltigen Typenbegriffe, mit denen die Soziologie

8) Gothein, E.: Typen und Stufen. Kölner Vierteljahreshefte für Sozial- wissensch. 2. Jahrg., Heft 1, S. 5—17.

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arbeitet; den Durchschnitts- und den Normaltyp iis, sowie vor allem die entwicklungsgeschichtlich, an Ursprungsverhältnissen und Zielrich- tungen orientierten Begriffsgebilde des Urtypus und eigentlich so zu nennenden Idealtypus will er besondeirs gewürdigt wissen. Als ent- wicklungsgeschichtlich eingestellte Typen, nämlich als „Normaltypen innerhalb einer veränderlichen Reihe zwischen Grundtypus und Ideal- typus" spricht G. auch die „Stufen" der Sozialgeschichte an. Uns er- scheint die Darlegung des Verhältnisses aller dieser Typenbegriffe zum Idealtypus im W.'schen Sinne noch als eine beson^dere miethodologische Aufgabe.

Den Sinnbegriff, dessen weittragende Bedeutung für die Metho- dologie der Kulturwissenschaften Rickert und Weber von so ver- schiedenen Gesichtspunkten her ins Auge gefaßt haben, hat gleichzeitig Hönigswald als Voraussetzung und Beziehungspunkt psycho- logischer Fragestellungen erkannt.'*) So wenig seine Gedanken- gänge, die eine neue systematische Verbindung zwischen Philosophie und Psychologie herstellen, nach ihren Hauptabsichten hier zu er- örtern sind, so muß .doch auf ihre mögliche und vom Verfasser schon an- gedeutete Leistung für die Wissenschaftstheorie der Geschichte in Kürze hingewiesen wierden. Die von H. als „philosophische Prinzipienwissen- schaft" herausgearbeitete „Denkpsychologie" ist eine Wissenschaft vom sinnbezogenen Ich. Sie entwickelt Beziehungen zwischen der Ich- gegebenheit und allen Sinnsetzungen, die Wissensgebiete konstituieren und kann zunächst von hier aus die Grundkategorien der Geschichte durch Bestimmungszüge des psychologischen Objekts auf- klären. In dieser Richtung weist eine Bemerkung H.'s zum Begriff der historischen Zeit ,daß nämlich „die entscheidenden Zeitbestimmt- heiten, mit denen Geschichte unablässig operiert, .... vor allem der Begriff der Vergangenheit letzten Endes psychologischer Natur" ist. Schon von hier aus modifiziert sich die in der kulturwissenschaft- lichen Logik zum Grundsatz erhobene auch in ,den erwähnten Äuße- rungen von Rickert und Weber wieder stark betonte durchgehende Entgegensetzung des psychologischen und des historischen Objekts. Die Untea'fecheidung der beiden Gebiete darf nicht, wie es fast herkömmlich geworden ist, von einer „naturwissenschaftlichen" Auffassung der Psychologie ausgehen. Andrerseits bietet die psycho- logische Problemstellung, so wie sie H. fixiert, Raum dafür, die „Psycho- logie des Historikers" und die im engeren so genannte psychologische Wissenschaft unter einen höheren gemeinsamen Begriff zu bringen. Während Rickert dem historischen Verstehen seelischen Lebens den Charakter der Psychologie abspricht, weil es primär Sinn-Verstehen ist, ist für H. das seelische Leben überhaupt durch den Sinnbezug des Ich- Seins charakterisiert.

Im Unterschiede von den bisher genannten Revisionen der kultur- issenschaftlichen Grundbegriffe suchen die phänomenologischen

*) Hönigswald, R.: Die Grundlagen der Denkpsychologie. Studien und [nalysen. München, Reichardt. VIII u. 358 S.

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Analysen von E d i t h S t e i n den Begriff des G e i s t e s als gegenstands- bildendes Prinzip zurückzugewinnen.'') Sie findet im Wesen der geistigen Person die „qualitative unreduzierbare Individualität" be- gründet, der zufolge die historischen Wissenschaften das In4ividuuni in seiner Individualität zum Gegenstand der Forschung machen müssen. Ihr folgt grundsätzlich in allen Wissenschaften die Gliederung de** Methoden aus der „einsichtigen Verschiedenheit der Seinsbereiche": von hier aus gibt sie Andeutungen über .eine notwendige Umbildung des Rickertschen Systems. Auch T h. H a e r i n g glaubt diesem eine ver- besserte Formulierung zur Seite stellen zu können. Sein Buch ein Produkt ider später zusammenzufassenden Spengler-Literatur*^) , arbeitet mit den Begriffen des „Wesentlichen", der Individual- und Ge- setzestypen, mit der Unterscheidung zwischen der Tatsächlichkeit und der Geltung der Werte und Normen und hält sich insofern in der Nähe der Rickertschen Wissenschaftslehre. Über diese hinaus konstruiert er eine ,,Philosophie des Verstehens", die alle einseitigen Formulierungen des Eikenntniswesentlichen vermeiden imd ein Schema alleir möglicher Deutungen des im vorwissenschaftlichen „Urerlebens" aufzufindenden Weltbildes erreichen will. So sieht er sich im Besitz einer „philo- sophischen Grundlegung zu einer jeden Geschichtsphilosophie", die jeder Geschichtsdeutung ihre Vorurteile in |dar Bestimmung des histo- rischen Gegenstandes anmerken imd sie auf einen besonderen Typus des Verstehen-Wollens festlegen kann.

Während die methodologische Debatte der modernen Wissen- schaftslehre so zahlreiche neue Ansätze trieb, hat Otto Braun ver- sucht, ihre Ergebnisse in leicht faßlicher Darstellung zu einem Ganzen zusammenzustimmen.'^) Der damit gewonnene Apparat einer „formalen Geschichtsphilosophie" genügt ihm aber nicht; er fordert als Ergänzung eine inhaltliche Geschichtsphilosophie, deren Aufgabe es sein soll, „die allgemeinen inhaltlichen Zusammenhänge (die „Ideen") hinter dem Einzelgeschehen aufzudecken, Einheiten in der Mannigfaltigkeit zu sehen imd die Bedeutung ,der Vorgänge für den Ablauf des Ganzen fest- zustellen". Ein „Allgemeinprinzip" dieser Art sei immer wertvoll „als Quintessenz und Abbreviatur, die die Übersicht ermöglicht und den Sinn des Ganzen gegenwärtig hält". Die fast rückhaltlose Anerkennung, die B. für Spengler ausspricht, kann die Vorstellung, die er sich von einem solchen Entwicklungsdestillat macht, näher erläutern. In die Er- örterung der Prinzipien ist ein zur^ Einführung sehr brauchbarer Abriß der Geschichte der Geschichtsphilosophie eingeschaltet.

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*) Stein, E.: Beiträge z. philosoph. Begründung d. Psychologie u. der Geistes - wissensch. Jahrb. für Philosophie und phänomenologische Forschung, hrsg. von E. Husserl u. a, Bd. V, S. 1—283. (Vgl insbes. ,die Schlußbetrachtung" S. 267 ff.) ^) Ha e ring, Th. L.: Die Struktur d. Weltgeschichte. Philosophische Grund- legung zu einer jeden Geschichtsphilosophie. (In Form einer Kritik Oswald Spenglers.) Tübingen, Mohr. VllI u. 373 S. ') Braun, 0.: Geschichtsphilosophie. Eine Einführung. (Wissen und Forschen. Schriften zur Einführung in die Philo- sophie. Bd. XII.) Leipzig, Meiner. VIII u. 191 S. Dazu vom selben Verfasser: Geschichtl. Bildung u. ethische Werte. Chariottenburg, Mundus Verl. 39 S.

Die kritische Würdigiinor der modernen Geschiciitsphilosophie, die Troeltsch's letztes Werk darstellt, wird hier erst im nächst- jährigen Bericht zu besprechen sein. Diesmal ist nur zu erwähnen, daß das 1921 erschienene Stück der Aufsatzfolge**) sich insbesondere mit der Geschichtslogik des Neu-Kritizismus beschäftigt und daneben dem ge- danklichen Ringen Georg Simmeis eine eingehende Charakteristik widmet. Troeltsch hat für diesen Denker ein besonderes Verständnis, weil er gleich ihm um das Problem kämpft, trotz aller methodologischen Einsicht in die Relativität der historischen Erkenntnis zu einer Ansicht des historischen Ganzen, zu einem Entwicklungsbegriff zu gelangen. Wir sind dieser doppelten Orientierung schon bei Braun begegnet und werden ihr noch anderwärts begegnen. Es ist lehrreich, angesichts ihrer an die Sparmungen der Geschichtsphilosophie bei L e i b n i z zurückzudenken, wie sie uns aus Ettlingers Vortrag aufs neue ent- gegentreten.^) Sow^ohl Grundmotive seiner Metaphysik die Ideen der Individualität, der Kontinuität, der Teleologie , wie die Interessen seiner eigenen empirischen Geschichtsforschung mußten ihm ein Ver- ständnis für den Eigenwert der individuellen Mannigfaltigkint in der Geschichte geben. Aber es widersprach der Einheitstendenz seines Denkens, diese Eigenart selbständig zur Geltung kommen zu lassen, er mußte das historische Geschehen in seine naturphilosophische Entwick- lungslehre einbeziehen. Aus den durch zahlreiche Verweisungen lehr- reich unterstützte Andeutungen E.'s geht diese innere Gegensätzlichkeit deutlich hervor. Doch sucht die Darstellung E.'s hier nicht ihr Problem; sie will hauptsächlich zum Ausdruck bringen, wae Leibniz' Entwicklungs- glaube mit seinem deutschen Patriotismus zusammenklang. Einen be- sonderen W^ert gibt der kleinen Schrift die angehängte erstmalige Ver- öffentlichung eines kurzen, für Leibniz' Geschichtsmetaphysik sehr be- zeichnenden Traktats „über die Wiederherstellung aller Dinge", der in seiner letzten Lebenszeit entstanden ist.

Hegels Kulturphilosophie fand diesmal keine so tiefgehende Würdigung wie in den Vorjahren;") die dem Wiederabdruck der „Jugendgeschichte Hegels" beigefügten Fragmente aus Diltheys Nachlaß gelangen nur in einer flüchtigen Skizze zu der „Philosophie des Geistes", in der das System des Denkers gipfelt.^^)

Zur modernen Geschiehsmetaphysik. Das Ziel, Natur und Geschichte in der Einheit einer organischen Weltansicht zu erfassen, kehrt innerhalb der gegenwärtigen Philosophie bei D r i e s c h wieder; doch bleiben seine Meditationen über „die Menschheit als Ganzes" und über ihr „Endganzes", das sich in der Geschichte als

*) Troeltsch, E : Der histor. Entwicklungsbegriff in d. modernen Geistes- und Lebensphilosophie. IL Die Marburger Schule, die südwestdeutsche Schule, SimmeL Histor. Zeitschr. Bd. 124, S. 377—447. (Übergegangen in ,Der Historismus und seine Probleme**. Tübingen 1922. ^) Ettlinger, M.: Leibniz als Geschichts- philosoph. Festrede. München, Kösel u. Pustet. V u. 34 S. ^®) Vgl. nament- lich Franz Rosenzweig: Hegel und der Staat. 1920. ^^) Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften. IV. Bd. Die Jugendgeschichte Hegels und andere Abhand- lungen zur Gesch. des deutschen Idealismus. Leipzig-Berlin, Teubner. X u. 579 S.

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„Wissens Vollendung" verwirklicht, der geschichtswissenschaftlichen Arbeit zu fern, als daß wir hier über sie berichten dürften.^-) Der moderne Geschichtsdenker, der der gegensätzlichen Idee der unver- gleichbaren Struktur -Verschiedenheit von Natur und Geschichte erst ihren vollen Sinn abgewonnen zu haben meint, Oswald Spengler, hat sich in seiner „Kulturen"- und „Gestalten"- Lehre um so tiefer mit dem historischen Material eingelassen und muß demgemäß der Kritik sowohl der Geschichts-Methodologie, wie der Geschichts- forschung standhalten. Das Jahr 1921 hat eine Hochflut wissenschaft- licher Proteste gegen den „Untergang des Abendlandes" gesehen. Es liegt an Spengler selbst, wenn diese Gegenschriften in ihrem sachlichen Ergebnis unter methodologischem Gesichtspunkte etwas eintönig sind. Jede von ihnen muJB die offenliegenden Paradoxien in Spenglers Aus- gangsstellung feststellen: die relativistische Absage an die „ewdgen Wahrheiten" im Munde dessen, der die unabwendbaren Schicksale der Kulturen unfehlbar gültig voraussagen will die Verheißung, die Ge- schichte jenseits vom Kausalbegriff nach ihren ureigensten, der Natur- erkenntnis entgegengesetzten Kategorien aufzubauen, deren Erfüllung in der mechanischen Ablaufsgesetzlichkeit der Kulturschicksale endigt und die biologische iinalogie des Wachstums und Absterbens nicht ent- behren kann den Anspruch auf künstlerische Intuition, der willkür- liche Abstraktionen wie die der Kulturseelen legitimieren muß und bei der Nichtachtung der historischen Kontinuität lediglich ,die Kunst des Weglassens übt. Das grundsätzliche Ergebnis ist das gleiche, ob diese Mängel mit vorsichtiger Hochachtung festgehalten werden wie bei M e z g e r oder mit knapper Strenge w ie bei Volkelt, ob der Kritiker über sein Opfer als mitfühlender Warner triumphiert wie J o e 1 oder ob er ihn hochfahrend in kunstgerechtem Inquisitionsverfahren ad absurdum führt und als Mystagogen entlarvt wie Nelson, ob der Be- urteiler sich wie vor allem der letztgenannte rein negativ verhält oder ob er der ideellen Eigenart Spenglers durch eine Charakteristik ihrer Tendenzen seine Achtung erweist, wie Schuck und S c h o 1 z.^^) Man kami diese vielstimmige Kritik an Spenglers historischer Begriffs- bildimg nicht, wie versucht worden ist, mit der Zurechtweisung ent- kräften, es sei eben für Spenglers metaphysische Lebensansicht in der „bloß wissenschaftlichen" Einstellung kein Verständnis zu gewinnen. Man bringt Messerschnitte nicht damit weg, daß man Eisen für ein ge- meines Metall erklärt. Geschichtliche Erkenntnis bedarf der metho-

**) Driesch, H.: Philosophie des Organischen. 2., verbesserte u. teilweise umgearbeitete Aufl. Leipzig, Engelmann- XVI u. 608 S. (insbes. S. 564/74). ") Mezger, E.: Oswald Spenglers , Untergang des Abendlandes". Logos, Bd. IX fSpengler-Heft), S. 260/83. Joel, K.: Die Philosophie in Sp.'s U. d. A., a. a. 0. S. 135/70. Volkelt, J.: Die Grundbegriffein Sp.'s Geschichtsphilosophie. Hist. Viertelj.-Schrift, Bd. XX, S. 257/86. Nelson, L.: Spuk. Leipzig (der Neue Geist). 218 S. Schuck, K.: Sp.'s Geschichtsphilosophie. Karlsruhe, Braun. 39 S. Scholz, H.: Zum U. d. A. Eine Auseinandersetzung mit 0. Sp. 2. Aufl. Berlin, Reuther u. Reichard. 68 S. Eine Gesamtübeisicht der Sp. -Literatur gibt Manfred Schröter: Der Streit um Spengler. Kritik seiner Kritiker. München, Beck. 1922. VIII u. 168 S.

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dischen Stichhaltigkeit, um wirklich Erkenntnis zu sein. Es wäre freilich eine traurige Kraftverschwendimg, wenn jene Unzahl der Kritiken nur den Zweck gehabt haben sollte, Spenglers Buch zu „er- ledigen"; wir werden kaum bezweifeln, daß seine „Physiognomik" der kulturellen Eigenarten historische Probleme im Blick hat, deren Ab- leugnung ein Armutszeugnis des geschichtlichen Erkenntniswillens wäre. Aber gerade, um diesen Gewinn zu bergen, war es notwendig nach- zuweisen, daß er in der Form, wie ihn Spengler verkündet hat, nicht festgehalten werden kann. Gegenüber der Souveränität, mit der der Mythologe der Kultur ihre Stile und Stilwandlungen zusammendichtet, mag die Arbeit der Forschung unansehnlich scheinen, die seine Ein- sichten zersetzt, um sie nutzen; und wenn er meint, daß seine geistige Leistung gegenüber der der Wissenschaft die wertvollere ist, so kann man ihn nicht widerlegen. Aber darum bleibt doch für die Forschung keine andere Möglichkeit, ihm verpflichtet zu sein, als die, daß sie sich ihn dienstbar macht, daß sie seiner Interpretation des Geschichts- Ablaufs den Zauber einer Schlüssel-Formel des Lebensgesetzes entzieht, und sie dafür als „heuristischen" Hinweis auf besondere Zusammen- hänge des geschichtichen Lebens verwertet.

Diesem Prozeß der Ablehnung und Ausbeutung ist das wirkungs- vollste System moderner Entwicklungsdogmatik, ist die materia- listische Geschichtsauffassung schon längst unterworfen worden. Aber teils um ihrer theoretischen Geschlossenheit willen, teils darum, weil sie zugleich Glaubensbekenntnis einer Klasse und einer Partei ist, zieht sie noch fortgesetzt eine Literatur nach sich, die sie als Ganzes zu rechtfertigen un4 wiederherzustellen sucht. C u n o w") hat sich dieser Aufgabe in der doppelten Absicht unterzogen, einerseits die „idealistischen" und „bürgerichen" Wideriegungen der materialistischen Geschichtsauffassung abzuwehren, zugleich aber die Anschauungen ihres Urhebers Karl Marx von den Mißdeutungen zu reinigen, denen sie bei Gegnern wie bei Anhängern anheimgefallen ist. Die Erläuterung des Originalsinns der Marxschen Grundbegriffe, vor allem 4«r ent- scheidenden Termini „Produktionsverhältnis" und „Produktivkräfte", ist wohl das lehrreichste Moment der Darstellung. Sie macht dem Leser freilich auch den Anspruch der materialistischen Doktrin, das ganze Ge- webe der kulturellen Ursachenzusammenhänge bloß zu legen, aufs neue fragwürdig. C. wendet eine besondere Mühe daran, die Lehre von der ökonomischen Lagie als der „Basis" oder dem „in letzter Instanz" ent- s^'heidenden Moment der Kulturgestaltung zu präzisieren und zu ver- teidigen; aber der Leser möchte statt dieser Begriffe doch immer wieder den weniger anspruchsvollen einer „stets wichtigten Bedingung" ein- sietzen. Besonderes Gewicht legt C. auch idarauf, daß jene „letzt- instanzliche" Triebkraft des Ökonomischen als eine in ideologischer Ge- staltung sich auswirkende, nicht me\chanistisch -naturgesetzlich auf- zufassen sei; doch ist, wie dem Berichterstatter scheint, der Gedanke der

") CunoWjH.: Die MarxscheGeschichts-, Gesellschafts- u. Staatstheorie. Bd. 2. Berlin, Vorwärts. Bd. 1 ebenda, 1920, 346 S.

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„Umsetzung" des Ökonomischen ins Ideelle und damit die „Unterbau- Überbau"- L-ehre in konsequenter Durchführung von mechanistischen Gedanken-Motiven kaum zu befreien. Im Rahmen der Marx-Erläuterung bringt das Buch in populärer Fassung ein reiches Anschauungsmaterial zur Frage des Zusannnenhangs zwischen Wirtschaftsverhältnissen und Rechts- und Moralanschauungen, ferner eine eingreifende Kritik der Morgan-Engelsschen Urfamilien-Lehre, die C. aus ihrer Verquickung mit der materialistischen Geschichtslehre löst, endlich den Versuch zu einer den Anschauungen von Marx entsprechenden Definition der Nation.

Die Kritik doT materialistischen Geschichts- auffassung stai^d im Jahre 1921 sichtlich unter den Einwirkungen des Zusammenbruchs und der Revolution und war mit politischer Polemik eng verbunden. D e 1 b r ü c k^^) wertet die Marxschen Lehren als miß- glückte Prophezeiungen auf den gegenwärtigen Augenblick, wozu ihm Cunow bereits das Recht bestritten hat; seine übrige Kritik richtet sich auf die geschichtliche Bildung, die( der Lehre von den Klassenkämpfen zugrunde liegt. L e n z^*^) geht gleichfalls hauptsächlich darauf aus, den Marxismus „unter der Konstellation von 1918" zu würdigen: ihm ist diese Konstellation der Beweis dafür, daß die I^hre un<d die Bewegung am Staatsgedanken zerbrechen. In diesen politisch-soziologische<n Gedanken- gang schaltet er Betrachtungen darüber ein, wie sich der Marxismus nach seinen theoretischen Prinzipien, und wie er sich auch nach seinen geschichtlichen Entstehimgsbedingungen zum Staate verhält. Ihm ergibt sich, daß Marx sehr wesentlich von einer aktuellen politischen Motiva- tion, nämlich von der Bekämpfung des preußischen Staates in seine Ge- dankenbahn gedrängt worden ist, daß aber diese Einwirkung gerade in der Abwertung des Staates als einer bloßen Funktion der Gesell- schaftsstruktur zur Geltung kommt. Als dogmengeschichtliche Voraus- setzungen dieser Abwertung erweist L. neben der Hegeischen Staats- lehre, deren Umkehrung sie darstellt, den „westeuropäisch"-naturrecht- lichen Begriff der bürgerlichen Gesellschaft als eines Verbands freier Individuen. Er fragt, mit welchem Recht, die Doktrin diesen Begriff in eine Stufen-Kategorie der geschichtlichen Entwicklung umwertet und kritisiert im besonderen die Doppelstellung, die die Rechtsordnung als Bestandteil (Vertragsverhältnisse) und als Überbau (allgemeine Norm) der bürgerlichen Produktionsverhältnisse im System einnimmt.

Stammler hat bekanntlich die Paradoxie der Materialisten, daß die Wirtschaftsentwicklung die tragende Schicht in der Entwicklung der Kultur und zumal des Rechts sei, durch die nicht geringere Paradoxie zu überwinden gesucht, daß die Wirtschaft überhaupt nicht als selbständiger Gegenstand sozialwissenschaftlicher Untersuchung gelten könne, weil sie ihrem Begriff nach vom Recht abhängig sei und diese Abhängigkeit die Kraft eines logischen Verhältnisses (Form: Inhalt) habe. Diese

") Delbrück, H.: Die Marxsche Geschichtsphilosophie. Berlin, Stilke. (Vgl. Preuß. Jahrbücher. 182. Bd.. S. 157/180.) i«) Lenz, Fr.: Staat u. Marxismus. Grundlegung u. Kritik der Marxschen Gesellschaftslehre. Stuttgart-Berlin, Cotta. XXIY u. 17.5 S.

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dialektische Begriffs-Umwendimg trägt ihre Gewaltsamlveit besonders deutlich zur Schau, wenn sie, wie in St.'s neuester Darbietung, das Kern- stück einer gemeinverständlichen antisozialistischen Polemik bilden soll.^0 Als Abschluß der Beweisführung erscheint eine ethisch- spekulative Bestimmung des wissenschaftlichen Begriffs ,der Ge- schichte, durch die St. das im Materialismus vergeblich ge- suchte Einheitsprinzip der historischen Zusammenhänge erschließen will. Die Geschichte der Menschheit ist eine Kette zweckbestimmten Geschehens. Ihre Einheit kann also nur durch die Verbundenheit menschlicher Zwecksetzungen hergestellt werden. Man bedarf danach eines Zweckprinzips, das „unbedingt ge- meinsam" ist. Das ist die Idee der Willensreinheit. „Nennt man das nach ihr gerichtete Zusammenwirken das gemeinschaftliche Wollen, so ergibt sich: die Geschichte der Menschheit ist das Fort- schreiten ihres gemeinschaftlichen Wollens. Ein besonderes geschicht- liches Ereignis ist dann wissenschaftlich bestimmt, wenn es in seinem Einfügen oder in seinem Widerspruche zu jenem Grundgedanken ein- gesehen wird." Das soll zwar „nicht eine Beschreibung dessen, was wirklich geschehen ist oder es tun wird", sein, aber doch sein „formaler Einheitsgedanke". Dem Historiker, dem bei diesen Ausführungen sein methodologisches Gewissen schlägt, wird es nicht nur schwer fallen, sein wissenschaftliches Bemühen mit St.'s Bestimmung einer allererst als wissenschaftlich zu erachtenden Geschichtsbetrachtung in Einkang zu bringen; er wird auch daran verzweifeln müssen, daß seine Arbeit in diesem Sinne jemals „wissenschaftlich" werden könne. Denn das kritische Mittel, mit dessen Hilfe man geschichtliche Handlungen objektiv auf ihre „Willensreinheit", auf ihren Gesinnungswert prüfen kann, soll erst noch gefunden werden. St.'s Gedanke ist deutlich an Kants „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" angelehnt. Er stellt den Versuch dar, die von Kant entworfene Teleologie des Ge- schichtsablaufs in ein formales Prinzip der historischen Gegenständlich- keit zu verwandeln. Die Trennung, die Kant selbst zwischen seiner „Idee einer Weltgeschichte" und der „eigentlichen bloß empirisch ab- gefaßten Historie" errichtet hat, ist bei St. dem Drang nach einem ein- heitlichen, Sollens- imd Seins-Erkenntnis umspannenden Geltungsprinzip geopfert worden.

Lehrbücher der historischen Methode. St.'s einförmig ethisierende Deduktion des Geschichtsbegriffs liegt inhaltlich so weit wie nur möglich von den ästhetisch differenzierenden „Intuitionen" Spenglers ob. Aber sie teilt mit ihnen wie mit andern ge- schichtsphilosophischen Tendenzen, die uns schon begegnet sind, das Bestreben, die metahistorische Geschichts -B e we r t u ng mit der methodologischen Erfassung des geschichtlichen Tatsachenbegriffs in die Einheit einer übergreifenden begrifflichen Bewältigung zusammen-

**') Stammler, R.: Die materialistische Geschichtsauffassung. Darstellung, Kritik, Lösung. Studien des apologetischen Seminars in Wernigerode, hrsg. von Stange. 4. Heft. Gütersloh, Bertelsmann, 89 S.

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zuziehen. Diese Verschiiielziingstendenzen sind bezeichnend dafür, wie wenig heute eine „inhaltliche" Geschichtsphilosophie sich metho- dologischen Erwägung^^em im Sinne der Erkenntniskritik entziehen kann. Aber auch die aller Spekulation fern stehende „bloß empirisch abgefaßte Historie" sieht sich heute, weim sie sich über die Wege ihres Ver- fahrens Rechenschaft ablegen will, mehr als früher genötigt, auf die Grundlegung der Wisseinschaften in der philosophischen Methoden- unid Gegenstandslehre zurückzugehen. Dieses Ergebnis drängt sich auf, wenn man das neue umfassende Studien-Hilfsbuch Bauer s^^) etwa mit Bernheims verbreitetem Lehrbuch vergleicht. Die Ausführungen über den BegriiJ der Geschichte, über die Wissenschaftlichkeit des histo- rischen Erkennens, über den Beg^riff des historischen Gesetzes usw. suchen den engsten Anschluß an die philosophische Literatur und be- richten ausführlich über sie. Läßt sich die historische Fachmethodik so tief mit der philosophischen Methodenlehre ein, so wird es freilich eine Hauptaufgabe, die letztere, die Erörterung der begrifflichen Forschungs- Voraussetzungen, von den Problemen der Forschungs-Technik deutlich abzusondern. Das ist bei Bauer nicht durchweg gelungen; logische und technische Fragestellungen laufen bei ihm leicht ineinander. So lassen die einleitenden Ausführungen, die die „Auswahl" als methodische Voraussetzung miserer Wissenschaft charakterisieren, nicht hervor- treten, daß „Auswahl" im Sinne /der durch den Begriff der Ge- schichte und der Kultur bedingten Aussonderung der historischen Gegenstände aus der Wirklichkeit etwas ganz anderes ist als diejenige Scheidung des Wesentlichen und Unwesentlichen, die der Historiker bei der Sichtung seines Materials vornimmt. Auch im übrigen entbehren die grundlegenden Abschnitte der für eine „Einführung" doppelt nötigen straffen Gedankenführung. Der Historiker erhält hier eine Reihe nützlicher Belehrungen und Ratschläge; aber er gewinnt kein klares Bild von der Struktur seiner Problemstellungen. Das Buch wird um so wertvoller. Je mehr es sich von den Prinzipienfragen entfernt imd der Methode im Sinne des Forschungs -Handwerks zuwendet. Die §§ VII— X bilden ein handliches Kompendium der Quellen- kunde imd Quellennutzung; vielseitig unterrichtend ist zumal § IX, die Gruppierung der Geschichtsquellen. Die Aufgaben einer Charakteristik der Quell er,gattungen und eines bibliographischen Führers sind hier glücklich verbunden.

Neben Bauers „Einführung" wird Belrnheims MethQdenlehrbuch namentlich dank seiner zahlreichen instruktiven Forschungsbeispiele dauernd nützlich sein. Ein drittes Werk der gleichen Gattung, das Lehr- buch Feder' s^**) hat einen eigentümlichen Weg zur Einprägung geschichtswissenschaftlicher Forschungsgrundsätze eingeschlagen. Gilt es sonst als Besonderheit der historischen Methode, daß sie in ihren feineren Zügen eine Sache des persönlichen Taktes bleibt und sich nicht überall auf verbindliche Grundsätze bringen läßt, so glaubt F. ihrer

^*) Bauer, W.: Einführung in das Studium der Geschichte. Tübingen, Mohr. XI u. 395 S. ") Feder, A., S. J.: Lehrbuch d. historischen Methodik. 2. Aufl. (1. Aufl.: Privatdruck 1919.) Regensburg, Kösel u. Pustet. XII u. 307 S.

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durch ein vielgiestaffeltes Regelschema Herr werden zu können. Er kann sich an Einteilungen nicht genug tun. Da werden z. B. die Quellen dreifach unterschieden, nach Ursprung, Inhalt und Erkenntniswert, in letztgenannter Hinsicht nochmals zweifach in sachliche Quellen (Über- reste) und redende Quellen oder formale Zeugnisse. Diese wiederum bedürfen der Gliederung einerseits nach ihrem Verhältnis zur objek- tiven Wahrheit, andrerseits nach der äußeren Form der Darstellung. In erstgenannter Hinsicht zerfallen sie in Quellen mit rein historischem und solche mit nicht rein historischem Charakter und dann folgen jedes- mal noch zwei bis drei Unterklassen. Die hier als Beispiel gewählte Einteilung ist eine der wertvolleren; sie bringt eine schärfere Quellen- Gruppierung zustande als Bernheim und auch der ihn zum Teil richtig korrigierende Bauer. Aber wenn dann Anallogieschluß, Hypothese und Quellenkritik mit eins, zwei, drei auf Leitsätze gebracht werden, wenn der Verfasser es darauf anlegt, die Geschichtsforschung durch Rezept- Jormeln zu lenken, so wird eine Exaktheit vorgetäuscht, die in der Praxis stumpf bleiben muß. Solcher Art und Aussprüche wie folgende : „Rein berichtende Zeugnisse, die bald nach den Ereignissen von kundiger Hand niedergelegt wurden, verdienen durchweg Glauben." „Erweisen sich die Widersprüche (verschiedener Zeugnisse) als aus Parteirück- sichten hervorgegangen, so können wir oft die Wahrheit als in der Mitte liegend bezeichnen." Man braucht noch nicht sehr tief in die Fährnisse der Quellenanalyse eingedrungen zu sein, um zu erkennen, daß solche Anweisungen keinen Halt bieten. In dem Bestreben, Regel an Regel zu reihen und die sichere Erlernbarkeit der Wahrheit im Großen wie im. Kleinen zu erweisen, zeigt sich F.'s Buch als ein Erzeugnis der katholisch-kirchlichen Lehrtradition; dieser folgt es auch darin, daß es, so weit wie möglich, das Verfahren der Wissenschaft in die Formeln des Syllogismus umgießt. Auch in seinen Erkenntnis-Grundsätzen aber be- rücksichtigt es im hohen Mäße spezifisch kirchliche Gesichtspunkte. So ist es eines seiner ersten Anliegen, die Autorität neben dem „kritischen Zeugniswissen" als echte Entscheidungsinstanz des historischen Urteils zu erweisen, und ein eingehender Exkurs erweist mit Hilfe ,der vorher auf- gestellten Kriterien historischer Glaubwüridigkeit die Möglichkeit und Erkennbarkeit voti Wimdern. Wie man auch zum Wunder stehen mag Grundsätze der Quellenbeurteilung, die den Wunderglauben wissen- schaftlich stützen sollen, werden von den Grundsätzen der empirisch- wissenschaftlichen Geschichtsforschung sorgfältigfer geschieden werden müssen.

Zur Methodenlehre historischer Sonder gebiete. Die Schriften Webers und Gotheins haben uns bereits gezeigt, wie der Begriff des „Typus" ins Zentrum generalisierender sozialwissenschaft- licher Begriffsbildung tritt. Auf ihn ziehen sich auch die kritisch auf- gelösten Epochen-Begriffe der Geschichts-Betrachtung zurück. So be- kämpft H e u s s i'-'") auf kirchengeschichtlichem Gebiete die „Perio-

2°) Heussi, K.: Altertum, Mittelalter u. Neuzeit i. d. Kirchengeschichte. Ein Beitrag z, Problem der histor. Periodisierung. ^Tübingen, Mohr. IV u. 68 S.

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dologie"; bei der Zusammenordnung historischer Erscheinungen gelangt man wohl zu „großen monographischen Komplexen", die sich typologisch bewältigen lassen, aber nicht zum Ansatz in sich einheitlicher und von- einander scharf getrennter Zeitabschnitte. Andrerseits ergeht sich Sali n-^) im Anschluß an eine Würdigiuig der List'schen Stufenlehre über die Unmöglichkeit einer staiTen wirtschaftsgeschichtlichen Stadien- Theorie; ihm sind die Wirtschaftsstufen als Typen wesentlich metho- dische Hilfsmittel des Individual- Verständnisses. Auf schärfere Er- fassung des Individuellen dringt er auch, indem er die Wirtschafts- historiker dazu aufruft, „bildhafte Darstellung" zu geben und ihre Wissenschaft „wieder im Geistig-Menschlichen zu verankern". Wegen ihrer allgemein gerichteten geistesgeschichtlichen Reformabsichten, die sie ein wenig stürmisch vorträgt, darf in dieser Übersicht auch eine literaturgeschichtliche Monographie Erw ähnung finden : N a d 1 e r ' s^^) „Berliner Romantik". Dem Verfasser ist die ostdeutsche romantische Bewegung ein Vertreter des in mannigfacher Abwandlung stets wieder- kehrenden Durchbruchs zur geistig-sittlichen Wiedergeburt. Das treibende Element der Bewegungen dieses Typus sieht er in (den Reaktionswirkungen der Mischung und Schichtung völkischer Elemente; unterdrückte Schichten streben empor, oder aus „Blutmischung" entsteht eine neue Kultur-Einheit: in diesem wie in jenem Falle entsteht ein „Wiedergeburts"-Streben. Von dieser These aus fordert N. eine enge Angliederung der Literaturgeschichte, an landschafts-, familien- und rassegeschichtliche Studien. In den 4. Band der Gesammelten Schriften D i 1 1 h e y s^») ist der Aufsatz aufgenommen, in dem er 1889 dafür eingetreten ist, der philosophiegeschichtlichen Quellenforschung durch die Anlage besonderer geistesgeschichtlicher Archive eine Grund- lage zu geben, die die breiteste Einsicht in die zeitgeschichtlichen und biographischen Bedingungen der Systeme ermöglicht.

Zur Geschichte der Geschichtsw^issenschaft. An die umstrittenen Prinzipienfragen imserer Forschung knüpfen ver- einzelte w issenschaftsgeschichtliche Studien an. K. Bauers Dar- stellung und Kritik der Kirchengeschichtsschreibung Ferdinand Chr. B a u r s stellt an dieser nicht (wde ein jetzt gleichfalls wieder ge- druckter Aufsatz Diltheys)-^) die quellenkritische Seite in den Vordergrund, sondern das Prinzip der „Ideengeschichte", das eine Aus- wertung der Hegeischen Geschichtsphilosophie bedeutete; allerdings habe Baur in seinem letzten und umfassendsten Werke, der Kirchen- geschichte, die Zügel öfters locker gelassen und den Zusammenhang des Allgemeinen und Besondern nicht immer aufgesuchte^) Heussi schickt seiner soeben erwähnten Kritik der Periodenteilung eine

-^) Salin, E.: Zur Methode u. Aufgabe der Wirtschaftsgeschichte. Schmollers Jahrb., 45. Jahrg., S. 483/505. 22) Nadler, J.: Die Berliner Romantik. 1800 bis 1814. Ein Beitrag zur gemeinvölkischen Frage: Renaissance, Romantik, Restauration. Berlin, Erich Reiß. XIX u. 235 S. ^3) Vgl. oben S. 7, Anm. 11, S. 555/75. ^) Vgl. oben S. 7, Anm. 11, S. 403/32. 26) Bauer, K.: Ferd. Chr. Baur als Kirchenhistoriker. I— VI Blätter für württembersrische Kirchengesch., Bd. 25, S. 1-70.

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Geschichte des Schemas der Weltepochen hi der allgemeingeschicht- lichen und kirchengeschichtlichen Literatur voraus. Daneben unter- sucht er an besonderer Stelle die Anwendung des Schemas der Jahr- hundert-Abschnitte; er findet, daß diese im Werke der Magdeburger Centuriatoren keine periodologische, sondern nur äußerlich einteilende Funktion haben, und erst in der kirchengeschichtlichen Forschung des

18. Jahrhunderts einen tieferen Sinn beanspruchen.-*^) Den Einfluß, den die materialistische Geschichtsauffassung und die Soziologie überhaupt auf die deutsche Geschichtswissenchaft ausgeübt haben, bewertet V. B e 1 o w äußerst gering ; ihm ist durch zahlreiche Belege erwiesen, daß das Verständnis für die Wirtschaftsentwicklung und für die von ihr ausgehenden kulturellen Einflüsse eben dort begründet worden sei, wo das Verständnis für Volkstum und geschichtliche Individualität ent- standen ist: in der Romantik. Er gibt, indem er deren Bedeutung er- neut hervorhebt, sachliche und vornehmlich gegen Troeltsch ge- richtete — polemische Ergänzungen zu seinem Buche über die „deutsche Geschichtsschreibung von den Befreiungskriegen bis zu unsern Tagen''.-") Rassentheoretische Überzeugungen finden in Bieder's Geschichte der Germanenforschung ihren Ausdruck.^«) Aus der Stellung ,der einzelnen Forscher zu den Fragen der Rasse, Kultur und Heimat der Germanen soll sich ergeben, „ob sie in dem Germanentum, wie es heute nicht mehr anders möglich ist, eine erste Bewegung, ein aus sich rollendes Rad erblickt haben oder nicht". Unter diesem Ge- sichtspunkte wird zunächst einmal die deutsche und skandinavische Literatur der Altertumskunde von 4en Humanisten bis zum Beginn des

19. Jahrhunderts verhört. Der Verfasser will also Forscher der Ver- gangenheit nicht nach den gedanklichen Voraussetzungen ihrer Arbeit, sondern nach ihrem Verhältnis zu einem von ihm gebilligten Forschungs -Ergebnis charakterisieren und bewerten; er vollzieht diese Kritik an Geistern, die unter ganz andern Kultur-Bedingungen ge- arbeitet haben als er. Daß auf diese Weise keine wissenschaftliche Untersuchung zustande kommen kann, ist deutlich; Bieder's Schrift ist denn auch nichts als eine dilettantische, wenngleich fleißige Zitaten- sammlung.

Alle Fragen der Geschichtsauffassung liegen plötzlich weit ab, wenn wir uns der Geschichte der Arbeit zuwenden, die der Erforschung geschichtlicher Zusammenhänge erst den Stoff zuführt: der Geschichte der Regestensammlungen und Editionen. Ihre Bearbeitung gestaltet sich im wesentlichen als Geschichte des Gelehrtentums : als Darstellung imd Kritik organisatorischer Entwürfe und Mühen, als Vorführung ernster oder flatterhafter Sammelarbeit, und die Wissenschaftsentwick-

2«) Heussi, K.: Centuriae. Harnack-Ehrung. S. 32834. 27) Below, G. v.: Zur Gesch. der deutschen Geschichtswissenschaft. I. Das Verhältnis der deutschen Geschichtswissenschaft zur Romantik und zu Hegels Philosophie. II. Soziologie und Marxismus in ihrem Verhältnis zur deutschen Geschichtswissenschaft. Histor. Blätter, hrsg. vom. Haus-, Hof- u. Staatsarchiv in Wien. 1. Jahr, 1. u. 2. Heft, S. 5/30, 173/217. ^ßj Bieder, Th.: Geschichte der Germanenforschung. Erster Teil. ir)00-180e. Leipzig-Berlin, Th. Weicher, 116 S.

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hing kann nur von ihrer technisch-philologischen Seite her zur Geltung kommen. Die beiden Darstellungen, über die wir auf diesem Gebiete zu berichten haben, liefern aber zugleich für das Studium der Zusammen- hänge zwischen geschichtlichem Interesse und nationalem Gemeinsinn wichtige Beiträge. Durch Pfeilschifte r lernen wir die Schicksale einer großen kirchengeschichtlichen Repertorien-Unternehmung kemien, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts für Deutschland endlich das zu leisten versprach, was die Italia sacra Ughellis und die Gallia^ christiana der Brüder von Sainte-Marthe für ihre Länder längst geleistet hatten.-^) Wir erfahren von den früheren kümmerlichen Ansätzen zur historischen Bistümer-Beschreibung; wir sehen dann in St. Blasien unter der Führung des Fürstabts Martin Gerbert den „Maurinergeist" an der Arbeit, der zwischen 1778 und 1780 eine , Germania sacra" zu schai¥en unternimmt luid in einem Teil der Reichsdiözesen für dieses Werk Mit- arbeiter gewinnt. Die Aussichten für die Durchführung der Arbeit wurden von vornherein durch die Josefinische Kirchengesetzgebung verdmikelt; die Revolutionskriege brachten weitere Gefahren und Ver- zögerungen, und schließlich wurde das Unternehmen nach dem Er- scheinen weniger, zum Teil nur der Quellenpublilvation dienender Bände, durch die Säkularisation von St. Blasien stillgelegt.

Ein Jahrzehnt nach diesem unglücklichen Ende setzt die Haus- Chronik des Editionswerkes ein, das allen mittelalterlichen Studien in Deutschland seither die unentbehrliche Grundlage gibt.="') In der Ge- schichte der Monumenta Germaniae historica, die die Zentraldirektion sich und uns zur Jahrhundertfeier ihres Bestehens einbeschert hat, waltet B r e ß 1 a u als ein peinlich sorgfältiger Erzähler, der die Wechsel- fälle des um dieses Unternehmen gescharten gelehrten Gemeinschafts- lebens Zug um Zug verzeichnet und zu jedem der wohlbekannten Bände in Folio, Quart imd Oktav die Tatsachen s*5iner Entstehung hinzufügt. Über jenen Gelehrtenkreis hinaus führt die Geschichte der Gründung und die Gestalt |des Gründers, des Freiherrn vom Stein. Wir erfahren, wie das Werk zunächst durch das Mißtrauen und die Teilnahmlosigkeit der Regierungen zu leiden hatte wie andrerseits Stein an obrigkeit- lichem Schutz so wenig wie nur möglich für seine Schöpfung begehrte imd dafür dem deutschen Adel das Patronat über sie zudachte : die engen politischen Verhältnisse der Restaurationszeit und die ständisch- nationalen Ideen des uns dauernd lebendigen Staatsdenkers greifen in die Ursprünge der Monumenta ein. Steins Persönlichkeit, auf der die Hauptlast der grundlegenden Arbeit geruht hat, hinterließ aber auch eine auf Jahrzehnte fühlbare Wirkung in der Organisation des Ganzen. Wie die „Gresellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde" zu seinen Lebzeiten nur der Rahmen für die Tätigkeit war, die er mit den wenigen Männern seines Vertrauens ausübte, so blieben die Monumenta auch

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^') Pfeil schifter, G.: Die St. Blasianische Germania sacra. Ein Beitra: zur Historiographie d. 18. Jahrh. Münchener Studien zur histor. Theologie, Heft 1. Kempten, Kösel u. Pustet, 198 S. ^°) Breßlau, H.: Geschichte der Monumenta Germaniae historica. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts- kunde; 42. Bd. Hannover, Hahnsche Buchhandlung. XV u 770 S.

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nach seinem Hinscheiden unter einer letzlich unbeeinflußbaren monarchischen Führung, und ,die Art, wie der einst hochverdiente und unentbehrliche Georg Friedrich Pertz später diese Alleinherrschaft wahrnahm, hat bekanntlich die Mängel einer auf eine überragende Person gestellten Verfassung recht empfindlich werden lassen. Breßlaus Darstellung beleuchtet diese zeitweiligen Verfalls-Erscheinungen, wie auch die mit der Organisations-Änderung von 1872/5 anhebende

egeneration in allen Einzelzügen.

Auf eine Reihe neu mitgeteilter Historiker-Briefe braucht hier nur

ummarisch hingewiesen w^erden.=*^) Ihnen reiht sich H e 1 m o 1 1 s wesentlich der äußeren Lebensgeschichte gewidmete Ranke- Biographie an.^^) Die durch die Veröffentlichung ider Briefe Treitschkes angeregten Aufsätze betreffen in erster Reihe den Poütiker.««)

A. Kapitel III. Historische Hilfswissenschaften.

1. Urkundenlehre. Palaeographie. Archivwesen.

(Krabbe.) Urkunden lehre. Im Jahre 1906 war die von H. Steinacker sach- f kundig bearbeitete Lehre von den nichtköniglichen (Privat-) Urkunden vornehmlich des deutschen Mittelalters als Teil von Meisters Grundriß Wer Geschichtsvv^issenschaft erschienen. An Stelle der seit bald einem Jahr- zehnt erwarteten Neubearbeitung ist nunmehr, von R. Heuberger^) [dargeboten, eine allgemeine Urkundenlehre für Deutschland und Italien getreten, ein Werk also von viel weiter gespanntem Rahmen. .AVir erfahren aus dessen Vorwort, daß St. für seine schon 1910 in [Angriff genommene Neuauflage umfangreiche Studien, die sein Werk [weit über den Rahmen des Grundrisses hinauswachsen ließen, nament- Hich betreffs des altrömischen Unkundenwesens und seiner Anknüpfung an das hellenistische gemacht hat, und daß die einleitenden Abschnitte seine« so entstehenden neuen Buches seit 1914 gejdruckt, leider aber fnoch nicht ausgegeben sind. Doch hat St. die Ergebnisse seiner Forschung H. zur Verfügung gestellt, so daß sie dessen Urkundenlehre zugute gekommen sind. Im übrigen überschreitet aber H. den Rahmen |der früheren Arbeit St.'s, für die er in die Bresche springt, sowohl

") Obser, R.: Briefe Fr. Chr. Schlossers und Ludwig Häußers an Groß- Iherzog Friedrich I. von Baden. Zeitschr. f Gesch. des Oberrheins, N F., Bd :^6, iS. 398/420. Schultze, J.: Zur Entstehungsgesch. der Histor. Zeitschr. Hist. Zt., [Bd. 124, S. 474/83. (Briefe Sybels an Max Duncker.) 3^) Helmolt, H. F.: Leopold [Rankes Leben und Wirken. Nach den Quellen dargestellt. Mit 18 bisher un- Igedruckten Briefen Rankes. Leipzig, Historia -Verlag, 222 S. »»j Daniels, E.: [Die Briefe Treitschkes. Preußische Jahrbücher, Bd. 184, S. 1—36. Opper- mann, 0.: Heinrich von Treitschke in seinen Briefen. Internationale Monatsschr.. fBd. 15, S 54.5/66.

») Heuberger, R.: Allgera. Urkundenlehre f. Dtl. u. Italien. Lpz., Teubner. [VI, 67 S. (= Grundriß d. G. wissensch. Reihe 1. Abt. 2).

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zeitlich, wie sachlich; zeitlich, indem er seinen StoÖ nicht, wie üblich, mit dem Ende des Mittelalters abschließt, sondern bis zur Gegenwart weiter verfolgt; und sachlich, indem er die Königsurkunde wie die Papsturkunde in den Kreis seiner Erörterungen einbezieht. Das ist wissenschaftlich vollauf begründet; deinn diese Urkunden sind von den sog. Privaturkunden, mit denen sie entwicklungsgeschichtlich eng zu- sammenhängen, nicht gut zu trennen; wenn sie im akademischen Unterricht vielfach gesondert behandelt werden, so liegt das wohl daran, daß vornehmlich an diesen historisch besonders wichtigen Ur- kundengruppen die methodische Forschung der Diplomatik zu einer Zeit entstanden ist, als sich die Wissenschaft um die Verarbeitung der schwer übersehbaren Masse der sonstigen mittelalterlichen Urkunden noch nicht viel kümmerte. Ich kann einen leisen Zweifel nicht unter- drücken, ob das Werk H.'s in dem Bestreben, einen Riesenstoff in knappster Form zu bewältigen, nicht des Guten zu viel tut im Zu- sammenpressen : demjenigen, der mit ider Materie vertraut ist, sagt eine solche Zusammenfassung viel; dem Anfänger aber, dem die bunte Fülle der Einzelerscheinungen des Urkundenwesens noch nicht bekannt ist, mag sie manchmal eine schwer verdauliche Kost sein. Reiche Literaturangaben zeigen, was alles in das Werk hineingearbeitet ist; ein erschöpfendes, nach Schlagwörtern aufgestelltes Sachverzeichnis er- leichtert die Übersicht sehr wesentlich.

Zwei Sondergruppen deutscher Privaturkunden haben sachkundige Bearbeiter gefunden. Busch-) behandelt die Urkunden (des ersten, weifischen Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, Ottos des Kindes, und bezieht auch die Urkunden von dessen Eltern Wilhelm von Lüne- burg und Helene von Dänemark in seine Untersuchung ein. Nach seinen Feststellungen sin^d schon unter Otto dem Kind (gest. 1252) zwei Drittel der auf seinen Namen lautenden Urkunden Ausstelleraus- fertigungen, eine geordnete Kanzlei hat sich also ziemlich früh durch- gesetzt. Der wichtigste Einschnitt innerhalb der politischen Geschichte des Weifen, seine Erhebung zum Reichsfürsten (1235), wird als gleich- falls für die Kanzleigeschichte epochemachend erwiesen. In unseren Tagen der Not wird die beigefügte Lichtdrucktafel mit Schriftproben aus 8 Urkunden als besonders willkommene Gabe begrüßt werden. Auf die Dissertation von E. Weis e ^) über das Urkundenwesen der Bischöfe von Samland braucht hier nur vorläufig hingewiesen zu werden, da die zunächst nur in Maschinenschrift vorliegende, beachtenswerte Arbeit zurzeit im Band 59 (1922) der Altpreußischen Monatsschrift ab- gedruckt wird und ideshalb im nächsten dieser Berichte anzuzeigen ist; auch dieser Abdroick bringt einige Schriftproben als Beigabe.

Mit gewohntem Scharfsinn handelt S t e n g e P) über die urkundliche Überlieferung des Klosters Fulda. Seine methodisch interessante

2) Busch, F.: Beitr. z.Urkd.- u. Kanzleiwes. d. Herzöge z. Braunschw. u.Lüneb. im 13. Jhd. T. 1. Wolfenb.: Zwissler in Komm., VIII, 84 S. ») Weise, E.: D. Urkundenwesen d. Bischöfe von Samland. Königsb. Diss. 124 S. (Maschinenschr.). *) Stengel, E. E.: Fuldensia. (Archiv f. ürkundenforschg. 7, 1—46). II. Über d. Karoling. Cartulare d. Klosters Fulda. Beilagen.

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Arbeit geht von dem einen im Original und den beiden durch älteren Druck erhaltenen Chartularen des Klosters aus, stellt deren Anlage nach Gauen, innerhalb derer die Urkunden chronologisch aufgereiht sind, fest, und tritt, auf dieser Grundlage fußend, an die Frage heran, wie die übrigen, verloren gegangenen Chartulare ausgesehen haben, von denen wir nur die im 12. Jahrhundert angelegten Auszüge des

I Mönches Eberhard, „des unzuverlässigsten aller Abschreiber", kennen. jEr weist so den Weg, den Codex Eberhard! ganz anders, als solches bisher möglich war, wissenschaftlich nutzbar zu machen. 1 In einem anregenden Überblick bespricht Heuberger^) die Auf- gaben der tirolischen Urkundenforschung. Dieses Territorium stellt der Wissenschaft besondere Probleme, einmal, indem es in ein Gebiet (deutscher und ein solches italienischer Rechts- und damit auch Ur- kundenentwicklung zerfällt; dann aber hat die Bodengestaltung des Hochgebirgslandes bewirkt, daß mehrfach jedes einzelne abgeschlossene Tal seine Besonderheiten hervorbringt. Auf letzteres Problem ist der- selbe Verfasser 5^) mit einem im nächsten Bericht anzuzeigenden Auf- atz näher eingegangen.

Nur im Vorübergehen ist eine überaus gründliche Arbeit von

'I. T r e i t e r*^) zu nennen, die sich auf die Datierung (der ältesten

nglischen Urkunden bezieht. Sie zeigt aufs neue, wie dlank der

insularen Lage der angelsächsischen Reiche deren Urkundenwesen

anz selbständige Bahnen einschlägt.

In einer kurzen, aber ertragreichen Untersuchung befaßt W. L e v i- o n ") sich mit der Grenzumschreibung in der neuerdings wiederholt rörterten Urkunde der Bertrada und des Charibert für Kloster Prüm on 721. Durch Zurückgehen auf die älteste abschriftliche Überlieferung ird der Text an einer Stelle richtiggestellt und damit nicht nur über- aupt erst verständich gemacht, sondern zugleich angedeutet, daß rüm damals vielleicht eine romanische Sprachinsel innerhalb der änkisch, d. h. germanisch gewordenen Umgebung darstellt.

Neuerdings beschäftigt sich die Wissenschaft wieder viel mit der Frage der päpstlichen Register. Dem gelehrten Jesuiten P e i t z ist zum mindesten das Verdienst zuzuerkennen, durch seine Angriffe auf Thesen, |die als gesichert galten, zu neuer Prüfung derselben anzuregen. Gegen sein 1917 erschienenes Buch „Das Register Gregors I." hatte sich in einer längeren Kritik bereits 1920 der leider seither vorzeitig der Forschung entrissene M. T a n g 1 gewandt. Sein Schüler E. P o s n e r^)

■hat jetzt in gründlicher und selbständiger Forschung das ganze Problem nochmals untersucht. Hatte Peitz behauptet, daß uns in der Sammlung I *) Heu b erger, R.: Aufgaben d. tirol. Urkundenforschg. (Forscb. u. Mitteil. z. B. Tirols u.Vorarlb., 16/17 [192Ö],14-.57).~ «») Heub erger, R.: Geländegestaltung B. Urkundenwesen in den Alpen (Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch^. 39, 1—57). ^) Treiter, M.: Die Urkundendatierg. in angelsächs. Zeit nebst Über- |lick über d. Datierg. in d. anglo-normann. Periode. (Archiv f. Urkundenforschg. |, 53 - 160). ') Le vi son, W.: Zur ältesten Urkde. d Klosters Prüm (Neues Archiv B. Ges. f. ältere dte. Geschichtskde. 43, 383—85). ») Posner, E.: Das Register Gregors I. (Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere dte. Geschichtskde. 43, 243—315).

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R (dem sogenannten Hadrianischen Register) nicht ein Auszug aus dem ursprünglichen Originalregister Gregors des Großen, sondern dieses selbst abschriftlich, aber im vollen Umfange, vorliege, so kehrt Posner mit überzeugenden Gründen zur alten Ewaldschen Ansicht zurück, daß die erhaltenen Sammlungen R, P und C sämtlich Auszüge aus dem ver- lorenen Originalregister darstellen, das also aus einer Vereinigung der 8 Überlieferungsklassen, soweit solches möglich ist, wieder aufgebaut werden nuiß, wie Ewald dies in seiner Ausgabe getan hat. Der eben genannte M. TangP) kehrte kurz vor seinem Tode zu dem Thema zurück, dem sein Buch von 1894 gegolten hatte, den päpstlichen Kanzleiordnungen. Er behandelt zunächst neue Überlieferungen des Kanzleibuchs, dabei 2 Ferienansagen (von 1347 und 1373) durch den päpstlichen Vizekanzler veröffentlichend; dann erläutert er die Kanzlei- verordnung Nikolaus' III. vom Jahre 1278, .die auf Grund der seit 1894 wesentlich verbreiterten handschriftlichen Überlieferung neu ediert wird. Hier mag auch die ausführliche Anzeige erwähnt werden, die derselbe Gelehrte dem schon 1914 erschienenen Werke seines gleichfalls entschlafenen Schülers Walter v. Hofmann über die kurialen Be- hörden des ausgehenden Mittelalters gewidmet hat.^«)

Ein im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufgefundenes Fragment eines Originalregisters Karls IV. aus dem Jahre 1348 wird von Lothar Gross^^) herausgegeben und erläutert. Die in ihm ent- haltenen 17 Urkimden beziehen sich sämtlich auf Böhmen und seine Nebenländer, so daß die schon von L i n d n e r vertretene, von B r e s s - lau aber abgelehnte Annahme, es seien unter diesem Herrscher Spezialregister für Böhmen geführt worden, eine wesentliche Stütze durch diesen Fund erhält.

Karl Brand i^^) hat von seiner kleinen Sammlung „Urkunden und Akten" einen anastatischen Neudruck erscheinen lassen, dem über die erste Auflage hinaus als Anhang 13 neu aufgenommene Stücke beige- geben sind, unter ihnen mehrere Fälschungen, ferner die päpstliche Urkunde des Wormser Konkordats, sowde die Gründungsurkunde des Herzogtums Braunschweig- Lüneburg.

Palaeographie. Im 3. und letzten Ban,d der Vorlesungen und Abhandlungen von Ludwig T r a u b e ^^) werden 13 bereits veröffent- lichte Arbeiten des früh verstorbenen Gelehrten zur Palaeographie und Handschriftenkunde erneut zum Abdruck gebracht. Ich hebe hier den Aufsatz Codices chartacei Latini und die kleine Materialsammlung

®) Tan gl, M.: Neue Forschungen über den Liber Cancellariae Apostolicae (Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere dte. Geschichtskde. 43, 550-578). *«) Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere dte. Geschichtskde. 43, 622-626. - ") Groß, L.: Ein Fragment eines Registers Karls IV. aus dem Jahre 1348 (Neues Archiv d. Gesellsch. für ältere dte. Geschichtskde 43, 579-601). ^2) ßrandi, K.: Urkunden und Akten. Für akad. Übungen zusammengestellt. 2. erw. Abdr. Berl. Verein wiss. Verleger. VIII, 134S. i») Traube, L.: Vorlesgen. u. Abhdlgen. Hrsg. v. Fr. Boll. Bd. 3: Kleine Schriften. Hrsg. v. S. Brandt, München: Beck. 1920. XVI, 844 S. Inhalt: S. 1—92: Zur alten Philologie. S. 93—210: Zur mittelalterl. Philologie. S. 211—288: Zur Palaeographie und Handschriftenkde. S. 291—332: Anhang. S. 333—44: Register für Bd. 1—3.

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de compendiosa scriptura " hervor, weil sie ursprünglich in der Biblio- theque de l'ßcole des chartes erschienen waren, also erst jetzt der deutschen Wissenschaft bequemer zugänglich gemacht werden. Unter den im gleichen Bande enthaltenen Aufsätzen zur mittelalterlichen Philologie ist auch die für die Schrift der Angelsachsen und Iren wichtige Abhandlung Perrona Scottorum erneut abgedruckt. Betreffs eines Werkes des auch in Deutschland rühmlichst bekannten italienischen Hilfswisse-nschaftlers S c h i a p a r © 1 11 ^*) über die lateinische Schrift kann leider nur auf eine Anzeige des Buches durch Schellhass hmgewiesen werden. Danach bildet dasselbe den ersten Band einer Lehrsammlung für Geschichte des italienischen Mittel- alters miter dem Titel „Auxilia ad res italicas medii aevi exquirendas in usum scholarum instructa et collecta", und gibt eine Ergänzung oder besser eine systematische Neubearbeitung des bekannten „Programma scolastico di paleografia latina" von Cesare Paoli. Beigegeben ist dem Werk eine paläographische Bibliographie einschließlich eines Ver- zeichnisses der Faksimilesammlungen.

A. H e s s e 1 ^5) behandelt in kulturgeschichtlich sehr ergebnis- reichen Untersuchungen die Ausbreitung der karolinischen Minuskel. Eine erste Studie befaßt sich mit deren Einzug in Spanien und erweist, daß hierfür entscheidend waren einmal die 1080 durch Gregor VII. durchgesetzte Einführung der römischen Liturgie an Stelle des alten, nationalen Ritus, weiter aber das Einströmen cluniazensischer Geist- licher und französischer Ritter in die iberische Halbinsel. Unter dem Einfluß dieser Kreise, aus denen der 1087 zum Erzbischof von Toledo und Primas von Spanien aufgestiegene Bernhard stammte, faßte eine Synode von Leon 1090 den Beschluß, daß liturgische Bücher künftig aus- schließlich in fränkischer Schrift, d. h. karolingischer Minuskel, ge- schrieben werden dürften. Diese von der Kirche durchgesetzte Schrift- reform versetzte der heimischen westgotischen Schrift den Todesstoß.

Wenigstens nachträglich sei hingewiesen auf das grundlegende Buch des Engländers L o e w ^^') über die Beneventanische Schrift und auf die gehaltvolle und ausführliche Anzeige, die P. L i e b a e r t dem- selben gewidmet hat. Er bedauert mit Recht und das ist seine einzige Ausstellung grundsätzlicher Art daß Loew sein Thema nicht auch von der kunstgeschichtlichen Seite angefaßt, d. h. daß er nicht auch die für die Schriftkun4e so wichtige Initialornamentik in den Kreis seiner Untersuchungen einbezogen hat. E.. D r ö s c h e r ,^7) der im Kriege sich praktisch auf dem Gebiete der Nachrichtenübermittelung

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^*) Schiaparelli,L :La scrittura latinanell' et ä romana (Notepaleografiche). Avviamento allo studio della scrittura latina nel medio evo, con appendice biblio- grafica. Como: Tip. Ostinelli. XI, 208 S. Anzeige: Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere dte. Geschichtskde. 44, 151, nr. 1. *^) Hessel, A.: Studien zur Aus- breitg. d. karoling. Minuskel. 1. Spanien (Archiv f. Urkundenforschg. 7, 197-202). ") Loew, E. A.: The Beneventan Script. A History of the South ItaUan Minuscule. 14. XX, 384 S. Rez.: Revue d'histoire ecclesiastique 15, 531—42 Liebaert. ^') Dröscher, E.: Die Methoden der Geheimschriften (ZifFerschriften) unter Berücksichtigung ihrer geschichtl. Entwickig. (Frankf. histor. Forschungen. N. F. 3). Lpz.: Koehler. VIII, 83 S.

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diiiiTh Geheimschrift betätigt hatte, bietet nunmehr im Rahmen der ge- schichlichen Entwicklung eine klar disponierte Übersicht über die ver- schiedenen Methoden der Zifferschriften.

A r c h i V w e s e n. Einen wertvollen Überblick über das deutsche Archivwesen bietet ein Buch des Herausgebers dieser Jahresberichte.^'^) Die Materie wird geographisch, d. h. nach Ländern, gegliedert. Im allgemeinen beschränkt sich Loewe bei der Darstellung der Ge- schichte des Archivwesens auf das 19. Jahrhundeirt, dessen Beginn in- folge der staatlichen Umwälzungen, die sich damals in Deutschland vollzogen, vielfach in den Territorien Anlaß zu einschneidenden Maß- regeln in bezug auf die Verwahrung der staatlichen Archivalien bot. Gelegentlich wird aber historisch weiter zurückgegriffen, so beim Reiche selbst, wo von den beim Tode Kaiser Heinrichs VIT. in Italien zurückgebliebenen Archivalien, die man eigentlich besser als Registratur bezeichnete, gehandelt wird, oder bei Brandenburg-Preußen, wo üba'igens die ersten Ansätze zur Verwahrung der Archivalien schon in die Askanierzeit zurückgehen. Neben den Staatsarchiven werden auch die größeren städtischen und Familienarchive Deutschlands, namentlich wenn sie von Fachleuten verwaltet werden, behandelt. Den Abschluß bildet eine Darstellung der ,dem deutschen Archivwesen eng verwandten entsprechenden Einrichtungen in Deutsch-Österreich.

Gustav Abb ^^) ermittelt aus den Buchstaben-Signaturen, die auf der Rückseite der Originalurkunden des Klosters Chorin angebracht sind, die systematische, nicht vor 1378 angelegte Ordnung der Ur- kunden des ehemaligen Klosterarchivs.

Zum Schlüsse sei erwähnt, daß der Franzose Lauer"") eine zu- sammenfassende Anzeige von Neuerscheinungen auf dem Gebiet der bist. Hilfswissenschaften, die Jahre 1912 1920 umfassend, verööentlicht hat. Sie ist nach Ländern geordnet und bringt ohne kritische Be- merkimgen lediglich kurze Inhaltsangaben der hauptsächlichsten Werke.

2. Genealogie, Heraldik und Sphragistik. (v. Klocke.)

Genealogie. Von dem „bedeutenden Aufschwung" der Genealogie während der jüngsten Zeit ist schon in den letzten „Jahres- berichten der deutschen Geschichte" gesprochen. In der Tat hat sich eine lebhafte Teilnahme sowohl für |die theoretischen Grundfragen wie für die praktische Arbeit im Fach entwickelt; und der wissenschaftliche Geist der Bestrebungen, als deren Mittelpunkt die im Hause der Deutschen Bücherei zu Leipzig tätige „Zentralstelle für deutsche Per- sonen- und Familiengeschichte" mit ihrem „Deutschen Familien- Archiv" und mit ihren „Familiengeschichtlichen Blättern" als wichtigstem Fach-

^^) Loewe, Victor: Das deutsche Archivwesen. Seine Geschichte u. Organi- sation. Breslau, Priebatsch. V, 131 S. Besprochen: Literar. Zentralblatt vom 22. IV. 22. Histor. Zeitschr. 127, 91. ^») Abb, G.r Märkische Klosterstudien I. Die Signaturen der Urkunden des Klosters Chorin (Forsch, zur brand. und preufj Gesch. 34, 79 8t)). ^o) Lauer, Ph.: Sciences auxiliaires de l'histoire. Paleo-' la^hie, diplomatique, bibliographie, divers. (Revue historique 137, 236—43.)

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Organ genannt werden muß/) drängt auch den früheren Dilettantismus weiteren Kreises ständig zurück.

Daß Wesen und Aufgaben der Genealogie sich in der Feststellung von Abstammungsverhältnissen noch nicht erschöpfen, hat bereits der Begründer der modernen wissenschaftlichen Genealogie, Ottokar Lorenz (Lehrbuch der G., 1898), betont. Von dort her sucht nun V. K 1 o c k e die Arten der G. in einer Dreiteilung aufzuzeigen als engere G. oder Stammkunde, die sich in Stamm- und Nachfahren- tafeln, in Ahnentafeln und Verwandtschaftstafeln betätigt, als weitere G. oder Familienkunde, die das Werden, Sein und Wirken einzelner Familien entwickelt, als allgemeine und vergleichende G. oder Ge- schlechterkunde, die die allgemeine Struktur und Geschichte des Ge- schlechtertums (d. h. des Großfamilientums) darlegt; woraus sich, in Anknüpfung an Gedankengänge Armin Tilles, die G. überhaupt nach ihirem Objekte: stammungsmäßig gebundenen Menschenreihen als eine Gesellschaftswissenschaft ergibt, die aber selbstverständlich sehr erheb- lich auch historische Hilfswissenschaft ist."^) Daß die G. also nicht ein- fach „Verwandtschaftswissenschaft" bedeutet, wie K o r s e 1 1 1920 meinte,^) erörtert v. Klocke eingehender in einem weiteren Aufsatze von 1921 und definiert dabei die G. als „die Lehre oder Kunde vom stammungsmäßigen Zusammenhang der Menschen und vom Werden, Sein und Wirken bestimmter Familienteile, einzelner Familien und der ganzen Geschlechter im Rahmen der menschlichen Gesellschaft".*) Aus Gedanken über G. und Philosophie deutet Zach au eine „Gentil- philosophie" an.-^) Einen Beitrag zur Geschichte der G. gibt M i c h a e L«)

Für Stammtafeln einzelner Geschlechter verbreitet die Zentral- stelle für Familiengeschichte seit 1921 ein Werk: Deutsche Stammtafeln in Listenform als Sammelstätte mit rein genealogischen wie auch mit sozialgeschichtlichen Zielen, das unter Schriftleitung v. Klockes wissenschaftlich brauchbare Genealogien von Geschlechtern aller Ge- sellschaftskreise und aller Gebiete des alten Deutschen Reiches ver- einigen soll.^) Als älteres genealogisches Sammelwerk für den hohen und niederen A,del vornehmlich Deutschlands erschienen auch 1921 die Gothaischen Genealogischen Taschenbücher in den 5 Abteilungen: Goth. (Hof-) Kalender, Gräfliche Häuser, Freiherrliche Häuser, Ur- adelige Häuser, Altadelige und Briefadelige Häuser; bei dieser seit 1920 durchgeführten Anordnung^) jetzt allen deutschen Adelskreisen genealogische Heimstätte^ übrigens vornehmlich praktischen Charakters

*) Wecken, Fr.: Die Leitgedanken d. Zentralstelle [f. dte. Personen- und Familien-G.]. Familiengesch. Bl. 18, 1920, 257—260. Ders.: Dtes Familien-Archiv. Ebd. 20, 1922, 97-100. ^) v. Klocke, Fr.: Vom Begriff Genealogie u. d. Ver- deutschungen d. Wortes. Ebd. 17, 1919, 217—228. ») Korselt, Th.: Verwandt- schaftswissensch. u. Recht. Ebd. 18, 97 ff. *} v. Klocke, Fr.: Die Genealogie Verwandtschaftswissensch.? Ebd. 19, 97 102. ®) Zachau, J.: Genealogie u. Philosophie. Ebd. 19, 1—4. «) Michael, G.: Johann Justus Winckelmann, ein Genealoge d. 17. Jh. Ebd. 19, 363—368. ') Ebd. 19, 348. ») v. Klocke, Fr.: Die Entwickig. d. Gothaischen Genealog. Taschenbücher. Ebd. 18, 129—134.

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iÜT den Tagesbedarf, aber doch recht nützlich auch für wissenschaft- liche Bedürfnisse.**) Wissenschaftlichere Ansprüche erhebt, vielfach aber keineswegs mit Berechtigung,") das Deutsche Geschlechterbuch (Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien) von K o e r n e r , dessen 1921 als Reutlinger Geschlechterbuch herausgekommener Band in manchen Teilen wiederum dem Dilettantismus nicht entgangen ist.^^) Aus der Reihe der Einzelveröffentlichungen von Stamm- bezw. Nach- fahrentafeln seien hervorgehoben zunächst die Stammtafeln der Her- zöge von Schwaben und Bayern von Curschmann, die freilich keine genealogische Vollständigkeit anstreben, vielmehr nur die Ver- wandtschaftsverhältnisse zwischen den einzelnen Inhabern der Herzog- tümer vom 10. bis 12. Jh. mit ihren bemerkenswertesten Angehörigen darstellen;^-) ,der in gleicher Bearbeitungsweise vom Verf. geplante Genealogische Atlas zur deutschen Geschichte des Mittelalters wäre also eine Fortgestaltung des Genealogischen Handbuches der euro- päischen Staatengeschichte von Lorenz-Devrient, nicht aber gleichen Zieles mit dem von Hofmeister vorgeschlagenen Stammtaf el- Ivorpus, „das grundsätzlich auf Vollständigkeit innerhalb der einzelnen Tafeln ausgeht, sich nicht auf Deutschland beschränkt und in irgend- einer Form Belege haben muß".^'*) In Tafelform legt ferner M a c h - holz die Nachfahrenschaft des Magdeburger Käufmanns- und Industriellengeschlechtes Hauswalt vor;^^) in guter Listenform gibt V. D ü r i n g die Stammtafeln seines niedersächsischen Uradels- geschlechtes.15)

Als genealogisches Sammelwerk für Ahnentafeln einzelner Per- sonen ist 1921 von der Zentralstelle für Familiengeschichte unter der Schriftleitung von Wecken das 1. Heft der Deutschen Ahnentafeln in Listenform veröffentlicht, ein bedeutsames Unternehmen, Seitenstück übrigens zu den Deutschen Stammtafeln, das schon mit dieser Lieferung in 68 teils größeren, teils kleineren Ahnentafeln aus verschiedensten Gesellschaftskreisen und Gegenden erheblichen genealogischen Stoff und bemerkenswerte Familien- und sozialgeschichtliche Bilder bringt.^^) Eine wertvolle und umfängliche Einzeluntersuchung über die Ahnen- schaft zweier großer Persönlichkeiten des Mittelalters, Kaiser Friedrichs I. und Heinrichs des Löwen, hat Curschmann in den als „Mitteilungen" der Zentralstelle für Familiengeschichte herausgegebenen

9) Im 158., bzw. 94, 71., 22., 15. Jhg. Gotha, J. Perthes, 1077, bzw. 1133, 1093, 992, 952 S ^^) Clemm, L.: Die Stammfolge Knodt im hessischen Geschlechter- buch [= Dtem. Geschlechterbuch, Bd. 32], ein Schulbeispiel d. Familienforschg., wie sie nicht sein soll. Familiengeschichtl. Bl. 19, 321 326, 357 364. ") Koerner, B., u. Wüst, H.: Dtes. Geschlechterbuch, Bd. 34 (= Reutlinger Geschlechterbuch). Görlitz, Starke, 598 S. ^^) Curschmann, Fr.: Stammtafeln d. Herzöge von Schwaben u. Bayern. Vierteljahrsschr. f. Wappen-, Siegel- und Familienkunde, ,37' irecte 38!], 1920, 55—58 mit 2 Tfln. ^^) Hofmeister, A.: Hist. Ztschr., 123, 526 f. ^*} Machholz, E.: Die Nachfahren des Kaufmanns Johann Christian Hauswaldt . . . [Magdeburg, Hauswaldtsche Familienstiftung], 15 Tfln. ^^) V. Düring, K.: Die Stammtafeln d. Familie v. Düring [Bielefeld, Selbstverlag] 1920, 140 S. ") Wecken, Fr.: Dte. Ahnentafeln in Listenform, I. Bd., 1. Lief. Leipzig, Zentralstelle f. Familien-G , Sp. 10—161.

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„Quellen und Darstellungen aus dem Gebiet der Genealogie und ver- wandten Wissenschaften" gebracht; mit 3 Ahnentafeln von je 32- Ahnen für Friedrich IL von Schwaben, Heinrich den Stolzen von Bayern un^d Gertrud von Supplingenburg sind für Barbarossa und seinen Vetter, den Löweni, die 64- Ahnen geboten, deren Einzelpersönlichkeiten nach ihrer Lebensgeschichte besprochen werden; mit vielem Neuen an Nach- richten, naturgemäß auch, bei solchem Stoffe, mit einzelnen Irrtümern, so namentlich hinsichtlich der Eltern der Kaiserin Gisela.^0 Eine neue Tafel, über die Ahnen Heinrichs IL von Brandenburg (f 1320), hat Hofmeister zu seiner verdienstlichen Anbeit von 1920 : Die Ahnen- tafeln der Markgrafen von Brandenburg usw.^®) gegeben/«) Aus dem Anhang, zum 2., unter ,den gegenwärtigen Verhältnissen nicht druck- barem Bande seiner wertvollen Genealogie des Hauses Brabant ver- öffentlicht K n e t s c h eine bis ins 13. Jh. zurückführende Übersicht über die fast ausschließlich aus fürstlichen Persönlichkeiten deutschen Geblütes gebildete Ahnenschaft des größten hessischen Fürsten, Philipps des Großmütigen.^») v. K 1 o c k e stellt die ersten Generationen aus der Ahne^schaft der Dichterin Annette v. Droste- Hülshoff zu- sammen, die eine Mischung aus münsterländischen un^d paderbornisch- sauerländisch-niejdersächsischen Geschlechtern zeigt,"^) ähnlich wie die Ahnenschaft des münsterländischen Dichters und Droste^Freundes Levin Schücking aus münsterländischen und rheinischen Geschlechtern.^^) An guten Familiengeschichten ist in den letzten Jahren eine ganze Reihe erschienen und manches Stück darunter mit allgemeinen be- merkenswerten Entwickelungen. Die älteste Geschichte des fürstlichen Hauses Schönburg hat C. Müller, ausgehend von der Besiedlungs- geschichte des Osterlandes und der allgemeinen Reichsgeschichte, in hellere Beleuchtung gerückt, indem er, wenn auch nicht in allem überzeugend, den Ursprung in der Schönburg bei Oberwesel am Rhein festzustellen sucht.^^) Bemerkenswerte Bilder vom schwäbischen Ur- adel zunächst ministerialenmäßigen, dann reichsritterschaftlichen Charakters gibt in rein genealogischer Folge die Geschichte der um 1200 erscheinenden Herren v. Hornstei n.^*) Desgleichen und ähnlich in genealogisch - biographischer Aufreihung durch Joachim und Klinkenborg behandelt, vom altpreußischen Landadel, der später auch in der Mark Brandenburg seßhaft wurde und im Staatsdienst oft führend wirkte, die Geschichte des seit 1451 nachweisbaren, später

") Cur seh mann, Fr.: Zwei Ahnentafeln. Ahnentafeln Kaiser Friedrichs I. u. Heinrichs d. Löwen zu 64 Ahnen. Mitteilgn. d. Ztst. f. dt. Familiengesch. 27, 106 S. u. 6Tfln. - 18) Vgl. Jahresber. d. dt. G. 3, 4. i») Hofmeister, A.: Die Ab- stammung d. Markgräfin Agnes v. Brand enb. (f 22. Juli 1345). Forschg. z. brandenb. u. preuß. G. 34, 86-92. 20) Knetsch, C: Die 128 Ahnen Landgraf Philipps des Großmütigen von Hessen. Hess. Chronik 10, 73—84. 21) v. Kl ecke. Fr.: Die Ahnentafel der Annette v. Droste zu Hülshoff. Westfäl. Familien - Archiv, Nr. 2, 17—20. ^^) Schücking, L. H.: Die Vorfahren Levin Schückings. In: Karl Prümer zum 75. Geburtstag. Dortmund, Lensing, 33—37. ^s) Müller, C: Die Urheimat der Dynasten von Schönburg. Leipzig, Seemann, 1920, 88 S. ^) Frhr. v. Hornstein- Grüningen, E.: Die von Hornstein und von Hertenstein. Erlebnisse aus 700 Jahren. Ein Beitrag zur schwäbischen Adels- und Volkskunde. Konstanz, Selbstverlag, 1911-20, 738 S.

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gräflichen Geschlechtes Finck v. Finckenstein.^'») Entsprechend an- gelegt ist die Geschichte des vom 14. Jh. an in hervorragender patri- zischer Stellung auftretenden Geschlechtes W e 1 s e r , dessen Be- tätigung und Entwicklung unterrichtsame Bilder aus dem Kreise des Stadtadels von Augsburg, Nürnberg, Ulm, aber auch des süddeutschen Landadels gibt,-") (während die wertvolle Studie von Krag über die Paumgartner*^) sich mehr wirtschaftsgeschichtlich als genealogisch dar- stellt) ; und ebenso gehalten die Geschichte des um 1600 auftauchenden bürgerlichen, bald im Gelehrten- und Beamtentum w^irkenden und später im Keußischen u. a. landsässigen und nun geadelten Geschlechtes V. Geldern.-'**) Geschlossenere Bilder familiengeschichtlicher Art gibt Tode in der nach ihrem Gegenstande sehr bemerkenswerten, nach seiner Bearbeitimg aber w,enig zulänglichen Chronik des aus dem niederen in den hohen A,del aufgestiegenen niederrheinischen Ge- schlechtes Schaesberg ;■-*') und mehr und besser noch Berdrow in seinem inhaltsreichen Werke über die Halbach (Krupp v. Bohlen und Halbach), das ein altes Geschlecht des bergischen Landes von kleinen Anfängen auf seinen Eisenhämmern in die Industrialisierung des 18. Jh., darauf in den Fern- und Überseehandel, weiter in den Diplomatenadel und zuletzt in die Großindustrie der Gegenwart verfolgt, zugleich auch das verschwägerte und erweiterten Namen gebende Ge- schlecht Bohlen aus dem Vielande a. d. Nordsee zeichnet.^") Alle diese und viele andere Werke aber bringen die familiengeschichtlichen Entwicklungen zu familiengeschichtlichen Zwecken; zugleich gesell- schaftsgeschichtliche Ziele hingegen strebt v. K 1 o c k e in 3 innerlich zusammenhängenden familiengeschichtlichen Arbeiten an, die die Geschichte bestimmter Geschlechter als Typen- oder Lehrbilder für die Geschichte des übergeordneten Gesellschaftskreises behandeln: eine umfänglichere Studie schildert ein altes patrizisches Geschlecht einer größeren Stadt, das Soester Geschlecht Klocke, rnid zeigt an seiner schließlich in den Landadel führenden Entwicklung zugleich die Ent- wicklung des Soester Patriziates und des zum großen Teil aus ihm nach selbständiger Aristokratisierung hervorgegangenen Jüngeren Landadels der Soester Börde ;3i) eine weitere Untersuchung verfolgt ein alt-

^^) Joachim, E., u. Klinkenborg, M.: Familiengeschichte des gräflich Finck von Finckensteinschen Geschlechts. Berlin, Gyldendal bzw. Klasing, 1920 21, Bd. I [Darstellung] 464 S. u. Stammtafeln, Bd. II [Urkunden] 238 S. - 26) [Frhr. V. Welser, L.:] Die Welser. Des Freiherrn Johann Michael von Welser Nach- richten über die Familie für den Druck bereitet. Nürnberg, Weiserische Familien- stiftung, 1917. Bd. I [Darstellung] 797 S., Bd. II [Urkunden u. Exkurse] 372 S. 2^) Krag, W.: Die Paumgartner von Nürnberg und Augsburg. Ein Beitrag zur Handels-G. des 15. u. 16. Jh. München u. Leipzig, Duncker u. Humblot, 1919, 137 S. (vgl. Jahresber. d. dt. G. 2, 37). ^s) y. Geldern-Crispendorf, W.: Gesch. der Familie v. Geldern und v. Geldern-Crispendorf. Görlitz, Starke, 1919, HSß S. u. 8 Tfln. 29) Tode, E.: Chronik der Retersbeck-Schaesberg. Görlitz, Starke, 1918, 256 S. u. 1 Tfl. »o) Berdrow, W.: Die Familie von Bohlen u. Halbach. Essen, Graphische Anstalt der Friedr. Krupp Aktiengesellsch., 394 S. u. 16 Tfln. ^^) V. Klocke, Fr.: Das westfäh Geschlecht v. Klocke. E. genealogische Studie zur G. d. Patriziats u. Landadels von Soest u. der Börde. Görlitz, Starke, 1915, 184 S. u. 3 Tfln.

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patrizisches Geschlecht kleinerer Städte in seinen Standeskreisen, die Geyr in Paderborn und Marburg, lange patrizisch, dann im 17. /18. Jh. infolge allgemeinen Standesniederganges verbürgerlicht, aber bald durch diplommäßige Nobilitierung dem Adel des Rheinlandes ange- schlossen;"'-) eine dritte Skizze umreißt ein ursprünglich bürgerliches, dann seit dem 16. Jh. neupatrizisches Geschlecht Michels in Soest, das nach seinem Eintritt in das Patriziat vermöge dessen allgemeiner Ent- kvicklung Adelscharakter erlangte. ='^) Endlich hat einen praktischen Versuch gentilphilosophischer Art v. K a h 1 e r in einem Buche ge- geben, das das Geschlecht Habsburg nicht in „linearer Entwicklung", sondern „als runde metaphysische Figur innerhalb des historischen Weltraums" nach Wesenszügen wie Abgeschlossenheit, Dichtigkeit, Überlegenheit, Entrücktheit zeichnen will, in zahlreichen Einzelheiten zweifellos sehr anfechtbar, in seiner Gesamtheit aber wenigstens nach methodischer Hinsicht recht bemerkenswert.^'^)

Genealogische Skizzen über bestimmte Geschlechterkreise bieten mehrere Veröffentlichungen. Sehr wertvoll ist die Arbeit von jV. P a n t z über die Geschlechter des steirischen Eisenadels.^'O Zahl- reiche genealogische Ableitungen hannoverscher Patriziergeschlechter ibt das durch N a h n se n publizierte Berckhusensche Wäskenb'ok [{d. h. Basen- oder Verwandtschaftsbuch) von 1553.^") Eine Reihe fannheimer Geschlechter schildert W a 1 d e c k,^'') einige Bergeller ^^asallengeschlechter v. Salis - Sogli o.^^)

Etliche Arbeiten sind schließlich zu nennen, die Herkunft und 'amilie namhafter Persönlichkeiten behandeln. Ein gutes Buch von entschier stellt die ursprünglich Hase genannten Vorfahren und lie Nachkommen des württembergischen Reformators Joh. Brenz zu- jammen.^*'') Aufsätze zeigen die direkte Herleitung im Mannesstamm ^on Joh. Heinr. Jung-Stilling,'*") Dav. Friedr. Strauß,^^) und Friedr. [ietzsche,''^) die Genealogie Moscheroschs**) oder die ältesten Vorfahren

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^^) Ders. : Die ständische Entwickig. des Geschl. Geyr (von Schweppenburg). E. Beitrag zur Patriziats -G. Westfalens u. zur Ritterschafts -G. des Rheinlandes. Görlitz, Starke, 1919, 34 S. -— ^^) Ders.: Die ständische Entwicklung d. westfäl. Geschlechtes von Michels. Eine genealog. Patriziats- u. Landadels -üntersuchg. Leipzig, H. Degener, 1920, 32 S. a*) y. Kahler, E.: Das Geschlecht Habsburg. München, Verlag «Der Neue Merkur". 1919, 118 S. ^ß) v. Pantz, A.: Die Ge- werken im Bannkreis d. Steirischen Erzberges Jahrb. der herald. Gesellschaft Adler, N. F. Bd. 27/28, 1917/18, 445 S. 3») Nahnsen, G.: Quellen u. Beiträge zur G. stadthannov. Familien, I. Everd von Berckhusen Wäskenbok, 1553. Hannov. G.bl., 23, 1920, 121-238. ^7) Waldeck, Fl.: Alte Mannheimer Familien. Mannheim. Familiengeschichtl. Vereinig., 1920, 103 S. ^^) v. Salis-Soglio, N.: Die Bergeller Vasallengeschlechter. Ihre Stellung u. Entwicklung im Churischen Lehensstaate. Chur, Schuler, 91 S. »»j Rentschier, A : Zur Familien-G. d.

formators Joh. Brenz. Tübingen, Fischer, 80 S. u. 2 Tfln. *») Menn, W.: ung-Stillings Ahnen. Westfäl. Familien-Archiv, Nr. 1, 1920, 2—4. ") Kauff-

ann, 0.: Die väterl. Vorfahren von David Friedr. Strauß. Familiengeschichtl.

1. 19, 105-106. *2) Mitzschke, P.: Friedrich Nietzsches Herkunft u. Vor- äter. Mitteilgn. d. Roland 5, 1920, 37—39, 49-50. *») Huffschmid, M.r Beiträge zur Lebensbeschreibg. u. Genealogie Hans Michael Moscheroschs u. seiner Familie. Zeitschr. f. d. G. d. Oberrheins 35, 1920, 182—204.

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Ludw. Uhlands.**) Friedr. Hebbels legitime Herkunft aus dem Dith- niarscher Bauern- und Handwerkergeschlechte H. verteidigt B a r t e 1 s.^'') Siebs skizziert das Geschlecht B. G. Niebuhrs.^") Eine Liste über Vorfahren und Nachfahren Leop. Rankes hat H e 1 m o 1 1 seinem Ranke-Buch angefügt,'*') wie sich auch sonst in biographischen Werken nützlicherweise ab und an Stammtafeln finden.

Eine große gesamtdeutsche familiengeschichtliche Bibliographie ist von der Zentralstelle für Deutsche Familiengeschichte in Angriff genommen/**) Ein sehr nützliches Nachschlagewerk zur Feststellung gedruckter Nachrichten über Hamburger Familien, von Schramm und Lutteroth bearbeitet, hat der Hamburger genealogische Verein herausgegeben.***)

Heraldik. Durch die lebhafte Arbeit auf genealogischem Ge- biete und das Interesse für Altertümer ist auch die Heraldik mannig- fach gefördert.

Die Grundzüge der Wappenkunde gibt recht brauchbar, mit der neuesten Auflage auf die Höhe gebracht, S a c k e n s Heraldik.^«) Sie beschreibt ganz vornehmlich die äußeren Erscheinungsformen der Wappen, während ihre inneren Wesenszüge ein großer und wertvoller Aufsatz Philippis behandelt,^!) auf dessen später erschienene er- weiterte Buchausgabe^^) später einzugehen sein wird. Im Gegensatz zu diesen Arbeiten, die beide in den W. eine Errungenschaft aus der Mitte des 12. Jh. sehen, steht (das umfängliche, laufend erscheinende Handbuch der Heroldskunst von B. Koerner, früher Mitglied des preuß. Heroldsamtes, der in völlig anti- wissenschaftlicher Weise ver- möge eines „armanischen" „Erberinnerns" nach dem Rezept des Wiener Skalden Guido List und eines erklärten „Runen-Wollens" als Weltanschauung die Masse der Wappenbilder (auch z. B. Löwen u. ähn- liches Getier!) aus Runein ableitet.^^) Bei derartiger Einstellung ides Verf., seinem wilden Konstruieren von tatsächlich Nicht- Vorhandenem, seinem fortgesetzten Unterdrücken oder Verdrehen des wirklich Überlieferten ist jedem halbwegs Unterrichteten die gänzliche Un- möglichkeit des Unterne>hmens völlig klar; die ahnungslosen Fach- liebhaber aber fallen, insbesondere in deutsch-völkischen Kreisen, durch

**) Mai er, G.: Erste Ahnen Uhlands. Mitteilgn. des Rolands 6, 31 32. ^^) Bartels, A: Hebbels Herkunft u. andere Hebbel-Fragen (Hebbelforschg. Bd. 9). Berlin, B. Behr, 126 S. *^) Siebs, B. E.: Des Staatsmanns u. Geschichtsschreibers Bartold Georg Niebuhr Geschlecht. Famihengeschichtl. Bl. 19, 39-42, 69-74. *') Helmolt, H. F.: Leopold Rankes Leben u. Wirken, 212—215. *8) Wecken, Fr. : Familiengeschichtl. Bibliographie. Familiengeschichtl. Bl. 18, 259—264, 327—330. **) Schramm, P. E., u. Lutteroth, A. W.: Verzeichnis gedruckter Quellen zur G. Hamburgischer Familien unt. Berücksichtig, der näheren Umgebg. Ham- burgs. Hrsg. von d. Zentralstelle f. Niedersächs. Familien -G. E. V., Hamburg. 136 S. ^^) Frhr. v. Sacken, E.: Heraldik. Grundzüge der Wappenkunde. 8. Aufl., bearb. von E. Frhrn. v. B er ehem. Leipzig, Weber, 1920, 159 S. mit 262 Abb. ^') Philippi, Fr.: Über Wappen. Heimatbl. f. Westfalen u. Nieder- rhein 3, 88—93, 162—166, 193—198. ^2) Ders.: Wappen, Versuch e. gemein- faßl. Wappenlehre. Dortmund, Ruhfus, 1922, 78 S. u. 5 Tfln. ") Koerner, B.: Handbuch der Heroldskunst. Wissenschaftl. Beiträge zur Deutung d. Hausmarken, Steinmetz-Zeichen mit Wappen . . Görhtz, Starke, 1920—21 : Lief. 1-3 (S. 1—180).

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eine ungewöhnliche Reklame und die sonderbare Haltung (des eigent- lich zur Abwehr berufenen heraldischen Vereins „Herold" bezw. seiner Zeitschrift Deutscher Herold»*) in Scharen auf den Unfug herein. In den Familiehgeschichtl. Bl. indessen ist 1921 Philip pis») u. v. Klocke,^^) in eigener Schrift auch H u p p ^^) gegen die Irrlehre zu Felde gezogen. Der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der W. sind mehrere neue Arbeiten gewidmet. B e 1 1 e e w^eist überzeugend nach, daß die Schildzeichen auf dem für die Altertumskunde so wichtigen Teppich von Bayeux aus der 2. H. 11. Jh. nur als Vorläufer von W., nicht als W. selbst angesehen werden dürfen.'^^) Zu ganz entsprechendem Ergebnis kommt Hauptmann hinsichtlich der bebordeten Schilde eines der 1. H. 12. Jh. zugewiesenen Kapitelsreliefs im Großmünster zu Zürich.^®) Recht förderlich durch neue Beobachtungen und Stoffe sin,d die weit- gespamiten Ausführungen 1 1 g e n s , der ausgehend vom Siegelgebrauch unter Heranziehung des Hantgemais und namentlich der bildlichen Stammsitzzeichen als Vorläufern der Wappenbilder das Aufkommen der Wappen unteirsucht, damit ebenfalls in die 2. H. 12. Jh. und zum 5ewaffnungswesen als entscheidenden Faktor der Wappenbildung gelangt und dementsprechend die von Anthony v. Siegenfeld auf- gebrachte Erklärung der W. aus Heerbannzeichen ablehnt.*''^) Die >onder-Entwicklung der Wappenzeichen eines größeren adligen reschlechterkreises verfolgt eine nützliche Arbeit von Möller; sie ieigt, wie die einzelnen aus dem Stamm der v. Rüdesheim (mit dem jlienwappen) hervorgegangenen Geschlechter (v. Rüdesheim, Brömser, Kämmerer v. Worms, Dalberg u. a.) durch Veränderung der Farben ind Bilder sowie durch die Aufnahme von Beizeichen in ihren W. sich mterschieden.^^) Die lehrreiche Wappengeschichte eines bürgerlichen ^Geschlechtes gibt W ü r t h mit der genauen Untersuchung des Auf- kommens und der Ausgestaltung der verschiedenen, nacheinander an- genommenen bezw. verliehenen Wappen |der aus Hammelburg-Schwein- Ifurt stammenden Merck.^^jc») Beachtlich, auch der reproduzierten SWappenmalereien des 15. ff. Jh. wegen, ist weiter die Veröffentlichung d ' A m m a n s über Wappenbriefe für Geschlechter von Freiburg (Schweiz),«*) ,die das Schweizer Archiv für Heraldik bringt, die gegen-

^) Dter. Herold 52, 11, 31 f.; 53, 11. ß') Philippi, Fr.: Runen u. Wappen. Familiengeschichtl. Bl. 19, 129-132. ^ßj v. Klocke, Fr.: Guido List, Bernhard Koemeru d. Mantel d. Wissenschaft. Ebd. 19, 289— 29(5, 325— 334. ") Hupp, 0. : Runen u. Hakenkreuz K. archäol. Studie mit herald. Schlußfolgerungen. München, Kellerer, 160 S. ^»i Beilee, H.: Die Fähnchen u. Schildzeichen des Teppichs von Bayeux. Dter. Herold, 51, 1920, 30-32 mit Tfl. ^^) Hauptmann, F.: Von der Schwelle d. Wappenwesens. Schweizer Archiv f. Heraldik 33, 1919, 57—59 mit Abb. «") Ilgen, Th.: Zur Entstehungs- und Entwicklungs-G. der Wappen. Korrespondenzbl. d. Ges -Ver. d. dt. G.- u. Altert. -Ver. 69, 185—207, 227 248. ^^) Möller, W.: Wappenänderungen bei Geschlechtsverzweigungen. Dter. Herold 52, 36-37 mit Tfl. «2) Würth, V.: Wappen-G. der Familie Merck. Darmstadt, Vlg. d. Merckachen Familien-Zeitschrift, 74 S. mit Text-Abb. u. 3 Tfln. *^)Kekule v. Stradonitz, St.: Zur G. des Wappens des Geschlechtes Rothschild. Familiengeschichtl. Bl. 18, 299— 304, mit Abb. «*) d'Amman, A.: Lettres d'armoiries et de noblesse concedees ä des familles fribourgeoises. Schweizer Archiv f. Heraldik 33—35, 1919 ff., 17 ff. u sp.

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wärtig beste heraldische Zeitschrift mit auch sonst sehr wesentlichem Stoffe, u. a. zur städtischen Heraldik. Manche Aufschlüsse für Rechts- fragen an bürgerlichen Wappen bietet eine in den geschichtlichen Seiten freilich wenig zulängliche Dissertation von Freie r.'^'^)

Als Veröffentlichungsstätte für klassisch gezeichnete Wappen deutscher Adelsg^schlechter aller Gegenden sei einmal der alljährlich erscheinende Münchener Wappen-Kalender von Hupp erwähnt; er bringt die weitaus beste Wappenkunst in Deutschland.*^*^) Eine vorzüg- liche größere Wappenpublikation für ein bestimmtes Gebiet stellt das Baseler Wappenbuch dar, das von S t a e h e 1 i n seit 1918 heraus- gegeben auch zahlreiche für deutsche Kreise bemerkenswerte Blätter (z. B. Oecolampadius, Schongauer) enthält.**') Weniger erfreulich ist nach seiner Heraldik wie nach seinem Texte das Werk der Brüder K a h 1 k e mit Bauernwappen der Eibmarschen, obwohl der Gegen- stand Beachtliches hat.**^) Im sogenamiten Neuen Siebmacher, dem großen deutschen Wappen - Thesaurus , kommen gegenwärtig in Lieferungen zwei Bände heraus, der eine mit Wappen des steier- märkischen Adels, einstweilen bis zum Buchstaben C, der andere mit altererbten wie neuentworfenen Wappen bürgerlicher Geschlechter ohne bestimmt gebundene Folge.*^^)

Sphragistik. Eine schöne Arbeit von K r a b b o untersucht Siegel der Stadt Havelberg auf die Frage hin, ob die Siegelbilder mit ihren Darstellungen einer stattlichen Kirche für die Kunstgeschichte, hier des Havelberger Domes, ausgewertet werden können, gelangt aber zu dem Ergebnis, daß es sich wie auch sonst zumeist nur um Idealbilder handelt.'*') Die Neubearbeitung einer älteren Studie von L. Schulte erörtert zu rechter Förderung der Kenntnis vom Siegel- und Wappen- wesen Schlesiens eine gi*oße Anzahl von Fragen, die sich an die Siegel der Stadt Neiße insbesondere mit dem Lilienwappen bezw. an das Breslauer Bistimiswappen und die Zusammenhänge zwischen ihnen knüpfen.'^) Mummenhoff zeigt an Nürnberger Siegeln, wie das städtische Hoheitszeichen, der sogenannte Jungfernadler, aus einem Adler mit gekröntem Königskopf entstanden ist.'-) Von einem nam- haften Kölner Geschlechte bespricht v. 0 i d t m a n im Zusammenhang

") Freier, W.: Der Rechtsschutz des bürgerl. Familien wappens. Greifs- walder Jur. Diss. 1920, 37 S. **) [Hupp. 0.:] Münchener Kalender.^ München- Regensburg, Manz, 12 Wappenbl. u. 5 S. genealog. Erläuterungen ^') Staehe- lin. W. R.: Wappenbuch d. Stadt Basel. I. Teil, 1.— 5. Folge. Basel, Frobenius. 1918—22. je 50 Bl. *^) Kahlke. M. u. W.: Die Wappen d. alten Bauernfamilien in den holstein. Eibmarschen. Altona. Riegel Ä: Jensen, 1920, 29 S. u. 18 Tfln. ^^) Witting, J. B.: Steiermark. Adel. J. Siebmachers Großes und Allgemeines Wappenbuch IV, 7, Heft 1—6, 344 Sp. u. 72 Tfln. Seyler, G. A.: Bürgerl. Ge- schlechter. Ebd. V, 12, Heft 1 u. 2, 27 Sp. u. 36 Tfln. Nürnberg, Bauer u. Raspe. 1919-21. "^«j Krabbe, H.: Mittelalter!. Siegel der Stadt Havelberg. Dter. Herold 51, 55—56, 63—64 mit Abb. "^i) Schulte, L.: Kleine Schriften 'Darstell. u. Quellen zur schles. G.). Breslau, Hirt, 1918, 1—52. ''h Mummen - hoff, E.: Entstehg. u. Alter des Nürnberg. Ratssiegels. Mitteilgen. d. Yer. f. G. d. Stadt Nürnberg. 22, 1918, 280-292.

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mit der Familiengeschichte die älteren Siegel und ihre Bildverände- rungen, freilich nicht ohne Hypothese.^^) Schweizer und H e g i ^—^haben eine neue, abwechslungsreiche Folge Züricher Siegel gebracht.'^^)

^^B 3. Historische Geographie und Siedlungsgeschichte.

^^H, (Lerche.)

^H: An die Spitze stellen wir drei geographische Werke: zunächst ^^ben Wester mann sehen Weltatlas,^) der sowohl historische ^Bwie politische Karten enthält. Wenn auch die Karten zur deutschen ^■Geschichte nicht viel Abweichendes von dem bisherigen Schema bieten, ^^so ist doch insofern eine begrüßensweirte Neuerung zu vermerken, als die Karten von einem kurzen, erläuternden Text begleitet werden. Für die neuere und neueste Geschichte sind die wirtschaftspolitischen Karten sehr wichtig, Kartenbild und Kartenzeichen weisen viele Neue- rmigen auf: wenn man sich erst in den Atlas hineingelesen hat, wird man ihn nie missen mögen. Sodann erwähnen wir den ersten Band von Pskar K e n d e s ^*) geographischem Wörterbuch, das eine geo- raphische Terminologie und Begriffsbestimmung für die meisten vor- legend naturwissenschaftlichen Disziplinen der weitgefaßten Geo- raphie bietet; das Buch ist wohl in erster Linie für Schulzwecke ge- acht. Zu nennen haben wir sodann Walter Vogels"*) Neues Europa : eine systematisch entwickelte politische Geographie Europas, sondern ine Darstellung der widerstreitenden geo- und demopolitischen endenzen bei der Entstehung der heutigen Staaten aus den Natur- ebieten. Besondere Beachtung hat der Verfasser den politischen Schüttergebieten" Rheinland, deutsche Nor,dmark, russische Rand- taaten, Südslawien usw. gewidmet.

Zur Kartographie merken wir die anläßlich des Geographentages n Leipzig erschienenen Beiträge, herausgegeben von Hans r a e s e n t *) an.

Friedrich B r a u n '^) stellt in seiner anregenden Schrift mit dem

eltsamen Untertitel die schon mehrfach abgelehnte Hypothese Marrs

deder auf: in Südeuropa haben kaukasische, d. i. japhetitische Völker

gewohnt, auch in Nordeuropa müssen wir mit einer solchen Ur-

''*) V. Oidtman, E. : Ältere Stammreihe u. ältere Siegel des Geschlechts 'Raitz von Frentz (Neue Beiträge zur köln. G. I). Bonn, Rhenania-Vlg., 80 S. mit Abb. ''*) Schweizer, P., u. Hegi, Fr.: Siegelabbildungen zum ürkundenb. d. Stadt und Landschaft Zürich. X. Lief. Zürich, Beer & Co., 1910, 9 Tfln. und tS. 181—213.

^) Westermanns Weltatlas, 130 Haupt- u. 117 Nebenkarten auf 106 Kartenbl., I. erl. Text u. aiphabet. Namensverz. bearb. v. A. Liebers unt. Mitwirkg. y. R. Barmm. Jraunschw., Westermann. Vil, 106, 91 S. 8^ ^) Ken de, 0.: Geograph. Wörter- mch. L Allgem. Erdkunde. Mit 81 Abb. Lpz., Teubner. IV, 235 S. —^} Vo^el,W.: )as neue Europa u. seine histor.-geograph. Grundlagen. Mit einer färb. Karte u. ~ Kartenskizzen. 2 Bde. Bonn, Schroeder. VIII, 295; VIU, 618 S. *) Bei- räge zur dten. Kartographie. Im Auftrage d. dten. Bücherei hrsg. v. H. Praesent. ipz., Akad. Verlagpges. 160 S. ^) Braun, Friedr.: Die Urbevölkerung Europas i. d. Herkunft der Germanen. Stuttg., Kohlhammer. 91 S. (= Japhetitische Studien rar Sprache und Kultur Eurasiens I.)

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Bevölkerung rechnen, die japhetitische Sprache dieser Urbevölkörung hat auf das Germanische eingewirkt; diesen Nachweis versucht Br. an der Hand von wenigen und nicht durchschlageniden Beispielen zu führen. Phantastisch ist dagegen die kleine Schrift von H e 1 m k e/*)

Zur lokalen Siedluiigsgeschichte erwähnen wir die Arbeiten von 0. Schlüter") (Ostpreußen) imd Ed. Jacobs^) (Wernigerode). Dem Stadtgrundriß sind zwei weniger geschichtlich als architektur- geschichtlich und kunstgeschichtlich gehaltene Arbeiten gewidmet von Anton H 0 e n i g *•) und A. E. B r i n c k m a n n i») gewidmet.

4. Sprachkunde und Literaturgeschichte. (Lerche.)

Das deutsche Wörterbuch der Brüdeir G r i m m ^) ist um einige Lieferungen fortgeschritten, das bewährte deutsche Wörterbuch von t Hermann Paul *) ist in dritter Auflage erschienen und hat mancherlei Änderungen und Verbesserungen im einzelnen erfahren; ebenso Friedrich Kluges^) etymologisches Wörterbuch in neunter Auflage. Die Mundartforschung hat eine wertvolle kartographische Unterlage durch A, B y h a n ^) erhalten, während die deutsche Dialektgeographie mit zwei weiteren Heften vorgeschritten ist: H. Wix^) behandelt den westfälischen Dialekt im südlichen Teutoburger Wald und Th. Frings imd Josef V a n d e n h e u v e 1 ^) die südniederländischen Miin,darten. Der Aufsatz von Hentrich^) über den Dialekt des thüringischen Eichfelds ist nun auch als Sonderdruck im Handel erschienen. Das von Herm. Fischer^) begonnene Schwäbische Wörterbuch geht seinem Abschlüsse zu.

Friedrich Kluge®) hat in einem kleinen verdienstvollen Büchlein den Versuch unternommen, „das Wesen unserer Sprache in ihrem

*) Helmke, F.: Das Werden und Vergehen d. Völker. Zeitz, Sisverlag. ') Schlüter, 0.: Wald, Sumpf u. Siedlungsland in Altpreußen vorder Ordenszeit. Mit 1 Karte. Halle, Niemeyer. VII, 96 S. ^) Jacobs, Ed.: Wüstungskunde des Kreises Grafschaft Wernigerode. Hrsg. v. d. hist. Komm, für d. Provinz Sachsen u. für Anhalt ... 9 Abb. 1 Karte von G. Reiscbel. Berlin, Hendel. IV, 80 S. *) Hoenig, A.: Dter. Städtebau in Böhmen. Die mittelalterl. Stadtgrundrisse Böhmens mit bes. Berücksichtig, der Hauptstadt Prag. 13 Abb. usw. Berlin, Ernst III, 113 S. 4». lO) Brinckmann, A. E.: Die geschichtl. Anlage d. dten. Stadt. (Monatshefte f. Kunstwiss. 1921. S. 14-28.)

^) Dtes. Wörterbuch von Jak. u. Wilh. Grimm. Lpz., Hirzel. ^) Paul, Herm.: Dtes. Wörterbuch. 3. Aufl. Halle, Nieraeyer. VI, 682 S. «) Kluge, Fr.: Etymolog. Wörterbuch d. dten. Sprache. 9., durchges. Aufl. Berlin, Ver. wiss. Verl. XVI, 519 S. *) Byhan, A.: Westermanns Völkerkarte. Dte. Mundarten. Braun- schweig, Westermann. 146x112,5 cm. ^) Wix, H. : Studien zur westfäl. Dialekt- geographie im Süden des Teutoburger Waldes. Marburg, Elwert. VIII, 182 S. (= Dte. Dialektgeographie 9.) ^) Frings, Th., u. Vandenheuvel, J.: Die südniederländ. Mundarten. Teil I: Texte. Marburg, Elwert. XXVII, 149 S. (= Dte. Dialektgeographie 16.) ') Hentrich, K.: Dialektgeographie d. thüring. Eichs- feldes u. seiner Nachbargebiete. Mit einer Sprachkarte. Duderstadt, Wecke. 32 S. ^) Fischer, Herm.: Schwäbisches Wörterbuch. Nach Fischers Tod weiter- geführt von W. Pfleiderer. Tübingen, Laupp. Lief. 63, 64. (Bd. 6, Sp. 161—480.) *) Kluge, Fr.: Dte. Sprachgesch. Werden u. Wachsen unserer Muttersprache y von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Lpz., Quelle & Meyer. VIII, 345 S.

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Werden und Wachsen darzustellen und in großen Zügen den Zusammen- hang von Sprache und Volkstum für unser Deutsch geschichtlich zu schildern." Man darf sagen, daß der Vf. diese Aufgabe, wie er sie sich gestellt hat, vollauf gelöst hat. Von Friedrich Seilers^«) großem Werk, die Entwicklung der deutschen Kultur im Spiegel des deutschen Lehnworts, erschien der zweite Teil, der von der Einführung des Christentums bis zum Beginn der neueren Zeit geht, in dritter ver- mehrter und verbesserter Auflage, während von dem fünften Teil, das deutsche Lehnsprichwort,^^ ^^^ erste Teil herauskam. Es ist gleichfalls •eine gewaltige Materialsammlung, ein wichtiges Nachschlagebuch, um so wichtiger, als die Kulturzusammenhänge durch das moderne Schulwesen immer mehr und immer gewaltsamer gelöst und ihre Be- achtung und Aufhellimg vernachlässigt werden. S. behandelt hier Antike und Christentum als Quellen des deutschen Lehnsprichwortes, seine innere und äußere Formgebung, die neueren Sprachen als Quellen und schließlich die alleinstehen,dien Lehnsprichwörter alpha- betisch mit Nachweisung ihrer Quellen.

Von Darstellungen der gesamten deutschen Literaturgeschichte dürfte man die von f Kari B o r i n s k i ^^j ^Is im ganzen verunglückt

I bezeichnen; sie ist freilich betont national und soll für die deutsche Familie bestimmt sein. Die Urteile sind darum voreingenommen und nicht immer gleich wert. Anders steht es um idie Zusammenfassung durch Karl Kaulfuß - Diesch,") die knapp und geschickt das

A. Kapitel IV. Gesamtdarstellungen.

1. Politische Geschichte. (Loewe.)

Die schöne Sitte, hervoirragenden Gelehrten, namentlich aka- demischen Lehrern zur Feier ihrer Geburtstage oder Jubiläen Fest- schriften mit einzelnen Beiträgen ihrer Schüler und Freunde zu widmen, hat in Deutschland neuerdings weitere Verbreitung gefunden, ob sie sich bei der jetzt herrschenden äußeren Not der deutschen Wissenschaft wird aufrechterhalten lassen, ist freilich zweifelhaft. Vom Standpimkt des Benutzers aus ist übrigens eine Häufung solcher Sonderverööent- lichungen nicht gerade erwünscht, da sie in der Regel nur auf den größeren Bibliotheken zu finden sind und die darin enthaltenen Beiträs^e

10) Seiler, Fr.: Die Entwickig. d. dten. Kultur im Spiegel d. dten. Lehnworts. Teil 2: Von d. Einführung des Christentums bis zum Beginn d. neueren Zeit. 3. verro. u. verb. Aufl. Halle, Waisenhaus. X, 314 S. i^) Seiler, Fr.: Das- selbe. Teil 5: Das dte. Lehnsprichwort T. 1. Halle, Waisenhaus. IX, 3058. 12) Borin ski, K.: G. d. dten. Literatur v. d. Anfängen bis zur Gegenwart. IVIit 168 Bildern. 2 Bde. Stuttgart, Union. XVI, 643 u. VIII, 673 S. i») Kaulfuß- Di e seh, K.: Dte. Dichtung hn Strome dten. Lebens. Eine Literaturgesch. Lpz., Voigtländer. XI, 316 S.

8

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erfahjungsgemäß über einen engeren Kreis nicht hinaiisdringen. Aus dem Berichtsjahre sind eine Reihe sehr wertvoller Festschriften für A. V. H a r n a c k ,^)-) F. v. B e z o 1 d ») und E. M a r c k s ^) zu nennen, über deren Einzelinhalt, soweit er die deutsche Geschichte berührt, an den in Betracht kommenden Stellen unseres Jahresberichts referiert wird. Wir begrüßen ferner die Veröffentlichung einer Sammlung der bisher an den verschiedensten Stellen zerstreuten Vorträge und Auf- sätze des verewigten Biographen Friedrichs des Großen, R. Kose r.^) Es war ihm nicht vei-gönnt, sein letztes Hauptwerk, die Geschichte der preußischen Politik, zum Abschluß zu bringen, so mag die vorliegende Sammlung, die vom Großen Kurfürsten bis ins 19. Jahrhundert führt, einigermaßen als Ergänzung des Torsos gelten. Es ist, wie uns scheint, nicht zu verkennen, daß fieser und Jener der Vorträge;, der aus der festefrohen Stimmung und Einstellung der Vorkriegszeit erwachsen ist, heute nicht mehr ganz unmittelbar zu uns spricht, an ihrer Stelle hätten wir lieber den Aufsatz über Preußen im Kampfe zwischen Imperialismus und reichsständischer Libertät gesehen, der nicht nur ge- sicherte Ergebnisse gründlicher Studien enthält, sondern auch einen Weg\s eiser in noch wenig gepflegte Gebiete der neueren deutschen Ge- schichte bildet.

Eine Reihe großangelegter französischer Gesamtdarstellimgen,^)^)») die bei der engen Verflechtung der Geschicke Deutschlands mit denen seines westlichen Nachbarlands heute mehr denn je Beachtung ver- dienen, seien hier angeführt, leider gestattet uns die gegenwärtige Büchernot der deutschen Bibliotheken nur eben die Titel zu nennen.^) Von kiu-zen Gesamtdarstellungen der Geschichte einzelner deutscher Territorien sei hier nur die gute Badische Geschichte Kriegers ^'') hervorgehoben.") Platzhoff ^2) schildert in knappem Überblick die Stellung der Rheinlande in der deutschen Geschichte unter Hinweis 4arauf, daß die deutsche Geschichtsforschung die rheinische Geschichte

*) Harnack-Ehrung: Beitr. zur Kirchen- G. Ihrem Lehrer Ad. v. Harnack zu seinem 70. Geburtstage dargebr. von einer Reihe seiner Schüler. Lpz., Hinrichs. XX, 483 S. 2) Festgabe V. Fachgenossen U.Freunden Ad. V. Harnack z. 70. Ge- burtstage dargebr, Tübingen, Mohr. IV, 406 S, ^) Festgabe Friedr. v; Bezold dargebr. von seinen Schülern, Kollegen u. Freunden. Bonn u. Lpz., Schroeder. 346 S *) Vom staatl. Werden u. Wesen. Festschrift E. Marcks z. 60. Geburts- tage dargebr. von L. Bergsträßer u. a. Stuttg., Cotta. 233 S. *) Kos er, R.: Zur preuß. u. dten. G. Aufsätze u. Vorträge. Stuttg., Cotta. ®) Histoire de la nation fran9aise, publiee sous la direction de Gabr. Hanotaux. Tome 3 : Histoire politique des origines ä 1515 par P. Imbart de la Tour. Paris, Plon-Nourrit, 1920. 590 S. '') Mathorez, J.: Histoire de la formation de la population fran9aise. Les etrangers en France sous l'ancien regime T. 2: Les Allemands, les Hollandais, les Scandinaves. Paris, Champion. XI, 446 S. ®) Parisot, R.: Histoire de Lorraine. T. 1: Des origines ä 1532. Paris 1919. XIV, 520 S. *) Jürgens, A. : Skandinavien u. Dtl. in Yergangenb. u. Gegenwart (= Pfingstbl. d. Hans. Gesch.- Ver. 12). Lübeck. Schmidt. 97 S. !<>) Krieger , A.: Badische Gesch. (Sammig. Göschen nr. 230). 137 S. ") Dresbach, E.: G. d. Grafschaft Mark im Abriß. Jahrbuch d. Ver. f. Orts- u. Heimatkde. d. Grafschaft Mark. 33, 1—103. ") Platzhoff, W.: Die Stelig. d. Rheinlande in d. dten. G. Festgabe für F. V. Bezold. 304-20.

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bisher über Gebühr vernachlässigt habe. Da die Organisation der rheinischen Geschichtsforschung für die anderen deutschen Land- schaften vorbildlich geworden ist, ist dieser Hinweis Platzhoös miß- verständlich, richtiger ist wohl, daß die landesgeschichtlichen Publi- kationsinstitute zu wemg nach gemeinsamem Programm arbeiten und sich zu sehr durch die überlieferte Abgrenzung der einzelnen Länder und Provinzen beeinflussen lassen. An sich stellt die heute fast über- all auf deutschem Boden durchg;eführte Schaffung historischer Kom- missionen einen wichtigen Fortschritt dar, aber das Bewußtsein, mit ihrer Arbeit immer auch einen Beitrag zur gesamtdeutschen Geschichte zu liefern, wird erst dann voll durchdringen, wenn sie ihre Tätigkeit auch auf gemeinsame Ziele hin organisieren, auch die oft gehörte Klage, daß 4as durch sie erschlossene Material nicht genügend aus- genützt wird, wird dann an Gegenständlichkeit verlieren.^»)

Die Geschichte der deutschen Stadt Danzig, die K e y s e r i*) vor- legte, müssen wir nach dem Diktat ,des Friedens von Versailles nun- [inehr unter den Landesgeschichten aufführen. Die in allen Teilen ein- S drucksvolle und in wissenschaftlichem Ernste gehaltene Darstellung gibt ein gutes Bild auch der wirtschaftlichen und kulturellen Ent- wicklung, hoffen wir, daß der Verfasser auch berufen ist, die Torso gebliebene monumentale Geschichte Danzigs aus der Feder P. Simsons zum Abschluß zu bringen.

2. Kulturgeschichte. (Lerche.)

Eine kurze Gesamtdarstellung der deutschen Kultur haben wir in "E. M o g k s ^) Schrift zu sehen, die aus Hans Meyers Deutschem Volks- tum abgedruckt, mit einigen Bildertafeln versehen, ein brauchbares Handbuch bietet. Die von ,dem gleichen Verf. herrührende kurze germanische Religionsgeschichte und Mythologie^) erschien umge- arbeitet in zweiter Auflage. Die berühmte und wertvolle deutsche Volkskunde von Hugo Elard M e y e r '^) erschien in einem anastatischen Neudruck: ein Zeichen dafür, daß trotz aller Einzelergebnisse der Kulturgeschichtsforschung von dieser alten Grundlage nicht abge- wichen w^erden kann. Aus A. W. G r u b e s *) geographischen Charakterbildern zog 0 e 1 1 1 i einige kulturgeschichtlich wertvollere Stücke aus un^d stellte sie unter dem etwas anspruchsvollen Titel terbende Sitten" zusammen.

Als eine Ergänzung zu seinem großen kulturgeschichtlichen Werk ,die Karikaturen der europäischen Völker" darf man das reich-

^^) Schäfer, Dietr. : Reichs- u. Landes-G. Blätter für württemb. Kirchen 'G. ;N. F. 25, 86-95. »*) Keyser, E : Gesch. Danzigs. Danzig, Kafemann. 234 S.

*) Mogk, E.: Die dten. Sitten u. Bräuche. Lpz., Bibl. Inst. VIII, 96 S. 4 Taf. 2) Mogk, E : Germanische Religions-G. u. Mythologie. 2. umgearb. Aufl. Berlin, Ver. wiss. Verl. 144 S. (= Sammig. Göschen 15). ^) Meyer, Elard Hugo: Dte. Volkskunde, mit 17 Abb. u. 1 Karte. Anast. Nachdr. 11898]. Berlin, Ver. wiss. Verl. VIII, 362 S. *) Grube, A W.: Sterbende Sitten. Ausgewählte Kapitel d. geograph. Charakterbilder. Zürich, Röscher. 74 S. (= Aus Natur u. Technik).

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illustrierte Buch van Ed. Fuchs :•"•) die Juden in der Karikatur betrachten. Das Buch ist quellenmäßig gearbeitet luid legt sein Haupt- gewicht auf die neuere Zeit, doch sind Mittelalter und ältere Zeit nicht unberücksichtigt geblieben. In der Auswahl der Abbildimgen übt der Vf. eine gewisse Zurückhaltung, die durchaus zu verstehen ist. Eine Kidturgeschichte Berlins, freilich mehr journalistisch flott als wissenschaftlich - ernst, will Hans 0 s t w a 1 d «) mit seinem Buche „Die Berlinerin" geben. Eine ausgezeichnete Arbeit ist die von Albrecht K e 1 1 e r 0 über den Scharf richtei\ Es ist weit mehr als der Titel besagt, es ist eine Kulturgeschichte der Strafrechtspflege, in deren Mittelpunkt der Scharfrichter steht; Deutschland und das Mittelalter und die folgenden Jahrhunderte stehen im Vordergrimde. Der ge- waltig«, ziemlich vollständig gesammelte Stoff gliedert sich leicht in die beiden Hauptabschnitte: Strafvollzug vor und nach Einführung des berufsmäßigen, besoldeten Scharfrichteramts.

3. Rechts- und Verfassungsgeschichte. (Lerche.)

Ein Seitenstück zu den verschiedenen Urkundensamnilungen zur deutschen Rechtsgeschichte bildet das in einer größeren Reihe er- schienene Buch von P. J o a c h i m s e n , ^) der deutsche Staatsgedanke. Hier werden keine Urkunden abgedruckt, sondern in einer geschickten, freilich sehr knappen Auswahl dokumentarische Auslassungen von Staatsmännern, Publizisten und Fürsten über den Staat, besonders den deutschen Staat, zusammengestellt. Vertreten sind Nikolaus V. Cues, Wimphelmg, Heinr. Bebel, Hütten, Luther, E. v. Günzburg, Lazarus v. Schwendi, Hippolithus a Lapide, Severinus de Monzambano, Valentin Andreae, Moscherosch, Conring, Leibniz und Friedrich d. Gr. Der Auswahl vorangeht eine Einleitung, die in die Entwicklung des deutschen Staatsgedankens sehr wohl einführt. A. Schulte -) erörtert in einer Bonner Rede die Frage, weshalb wir tausend Jahre gebraucht haben, um zu einem Einheitsstaat zu gelangen. Er legt dar, daß die Fürsten, erwachsen aus .dem hohen Adel imd vorher aus den Freien neben dem Könige^ diese Entwicklung unhistoaisch aufzuhalten ver- sucht haben und daß diese falsche Einstellung in erster Linie den Untergang der Fürstentümer im Jahre 1918 verschuldet habe.

Eine neue Darstellung der deutschen Rechtsgeschichte danken wir Hans Feh'r;=*) er betont das Historische sehr stark und rückt das Nationale im einzelnen, im Recht und im Staat in den Vordergrund.

^) Fuchs, E.: Die Juden in d. Karikatur. Ein Beitrag z. Kultur-G. Mit 307 Textillustr. München, Langen. VII, 311 S. 4«. «) Ostwald, H.: Die Ber- linerin. Kultur- u. Sitten-G.Berlins. M. 843 Abb. Berlin, Verl. f. Kunstwiss. 400 S. '') Kelle r, Albr., D. Scharfrichter in d. dten. Kultur-G. Bonn, Schroeder. 324 S.

^) Joachimsen, F.: Der dte. Staatsgedanke von seinen Anfängen bis auf Leibniz u. Friedrich d. Gr. Dokumente z. Entwicklung. München: Drei Masken- Verlag. LXXXIII, 276 S. 2 Taf. (= D. dte. Staatsgedanke, Reihe 1, 1). ^) Schulte. Aloys: Fürstentum u. Einheitsstaat in d. dten. Gesch. Berlin, Liebmann. 32 S. 8) Fehr, Hans: Dte. Rechts-G. Berlin, Ver. wiss. Verl. XI, 392 S. (= Grundrisse d. Rechtswiss. Bd. 10).

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Das Buch kann man kurz und bündig nennen, es ist in erster Linie für Studenten gedacht. In reichlichen Anmerkungen und Literaturnach- weisen berücksichtigt der Verf. besonders die strittigen Punkte, zumal die neuerdings in den Vordergrund getretenen. Eine preußische Ver- fassungsgeschichte blieb uns G. S c h m o 1 1 e r ,^) der beste Kenner und Hauptforscher auf diesem Giebiete, bei Lebzeiten schuldig. Das vor- liegende Buch ist die Vorlesung Schmollers aus dem Wintersemester 1886/87, die von 0. Hintze nachgeschrieben un,d durch Schmollers Durchsicht autorisiert wurde, sie diente dem damaligen preußischen Kultusminister zur Einführung des Prinzen Wühelm in die preußische Verwaltungsgeschichte. Die Herausgabe des Buches danken wir jetzt Karl Rathgen.

Die kirchliche Rechtsgeschichte verdankt der Staatsumwälzung und der damit zusammenhängenden Lösung der Kirche vom Staate mancherlei grundsätzliche Klärung. Die erste große Zusammenfassmig haben wir in dem neuen evangelischen Kirchenrecht für Preußen von B r e d t ^) zu sehen. B. geht von evangelisch-reformierter Seite an den Stoff heran, ohne die andern Zweige der akatholischen Kirche Preußens zu vernachlässigen; er stellt das Selbstverwaltungsrecht in den Vordergrund und berücksichtigt auch die außerpreußischen deutschen Länder. Der vorliegende erste Band, der die Grundlagen bis zum Jahre 1918 enthält, gibt die historische und grundsätzliche Einstellung.

4. Kirchengeschichte. (Loewe.)

Eine aus den Quellen gearbeitete umfan^greiche Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter aus der Feder v. Schuberts,^) deren erster Teil bereits 1917 erschien, mag hier angezeigt werden, weil ihre Fortsetzung ins Hochmittelalter hinein geplant ist. Die Darstellung beginnt mit den Zeiten Theoderichs und Chlodwigs und führt bis zum Ende der Karolingerzeit. Auch die Zusammenhänge des kirchlichen mit dem staatlichen und kulturellen Leben sind eingehend behandelt, Quellen- und Literaturverzeichnisse erhöhen den Wert des hervorragen- den Werkes, das als die vollständigste Darstellung der älteren Kirchen- geschichte bezeichnet w^orden ist. Das F u n k ' s c h e^) Lehrbuch der Kirchengeschichte, das als das beste unter den Lehrbüchern des Stoffes auf katholischer Seite gilt, wurde in neuer Bearbeitung durch Bihlmeyer in 7. Auflage herausgegeben. Auf evangelischer Seite veröffentlichte A c h e 1 i s^) eine knappe Kirchengeschichte, die zunächst den Kriegs- teilnehmern dienen sollte. Eine kurze, in wohlabgewogener Darstellung gut orientierende Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zur

*) Schmoller, G.: Preuß. Yerfassungs-, Verwaltungs- u. Finanz-G. Berlin, Tägl. Rundschau. 235 S. «) ßredt, Joh. Vikt.: Neues evangel. Kirchenrecht für Preußen. Bd. 1: Die Grundlagen bis zum Jahre 1918. Berlin, Stilke. 623 S.

^) Schubert, H. ▼.: G. der christl. Kirche im Frühmittelalter. 2. Halbbd. Tübingen, Mohr. XXIV, S. 401-808. 2) Funk, F. X. v.: Lehrbuch d. Kirchen-G. 7. stark verm. Aufl., hrsg. v. K. Bihlmeyer. Paderb., Schöningh. XXVII, 1080 S. ^) Achelis, H.: Kirchen-G. Lpz., Quelle & Meyer. XI, 236 S.

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französischen Revolution legte der Breslauer katholische Kirchen- historiker S a p p e 1 1') vor.

L o e s c h e ' s"^) bekannte Geschichte des Protestantismus in Österreich erschien in neuer Bearbeitung in verdoppeltem Umfange und wurde bis auf die Gregenwart geführt. D e c h e n t ' s") Kirchen- geschichte von Frankfurt a/M. schildert in ihrem im Berichtsjahr ver- öffentlichten zweiten Bande die Zeit vom 30 jährigen Kriege bis zur Gegenwart und hat entsprechend der Bedeutung der Stadt wesentlich mehr als bloß lokales Interesse.

5. Kunstgeschichte. (Lerche.)

Von allgemeinen Schriften der Kunstgeschichte erwähnen wir zu- nächst 4en neuerschienenen 14. Band des von T h i e m e und Becker begründeten allgemeinen Lexikons der bildenden Künstler.^) Der neue Band umfaßt die Namen Giddens bis Grefif: man darf füglich zweifeln, bei aller Anerkennung, die man der Sorgfalt und dem Sammfei- eifer der Herausgeber pflichtgemäß schuldet, ob ,das Werk in diesem Umfange wird zu Ende( geführt weirden können. Cornelius G u r 1 i 1 1^) kommt mit seinem Handbuch über die Pflege der kirchlichen Kunstdenk- mäler einem vielfach empfundenen Bedürfnis nach; es ist zu hoffen, daß nach dieser Anleitung die kirchliche Denkmalpflege mit bestem Er- folg gehandhabt wird. Von G. D e h i o s Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler^) ist Band 3 „Süddeutschland" in neuer Auflage er- schienen, die sorgfältig durchgesehen und nachgebessert ist. Die Inventarisierung der Bau- imd Kunstdenkmäler ist in Bayer n*) und Württember g^) um ein gutes Stück weitergediehen, im Reg.Bez. Wiesbaden^) abgeschlossen imd in Mecklenburg -Strelitz") mit einem gründlichen, vielversprechenden Einleitungsbande begonnen. H. Schmitz^) widmet der Ausdehnung des Begriffes Gotik auf das gesamte deutsche Kultur- und Geistesleben ein umfangreiches, an-

*) Seppelt, F. X.: Papst-G. von den Anfängen bis zur französ. Revolution. (Sammig. Kösel 88—91.) 231 u. 200 S. ^t Loesche, G.: G. des Protestantismus in Österr. 2. Aufl. Lpz., Klinkhardt. 333 S. «) Dechent, H.: Kirchen-G. von Frankfurt a/M., seit d. Reformation. Bd. 2. Frankf., Kesselring. VIII, 588 S.

^) Allgem. Lexikon d. bild. Künstler. Begr. v. U. Thieme u. F. Becker. Bd. 14. Lpz., Seemann. VIII, 600 S. ^) Gnrlitt, Com.: Die Pflege d. kirch- lichen Kunstdenkmäler. Ein Handbuch für Geistliche, Gemeinden und Kunst- freunde. Lpz, Deichert. IV, 153 S. ») Dehio, G.; Handbuch d. dten. Kunst- denkmäler. Bd. 3: Süddeutschland. *) Die Kunstdenkmäler von Bayern. Bd. 3, Heft 21: Bezirksamt Mellrichstadt. Bearb. von K. Gröber. Mit 5 Taf., 166 Abb. München, Oldenbourg i. Komm. V, 174 S. ^) Die Kunst- u. Altertumsdenkmale in Württemberg. Hrsg. v. P. Goeßler. Inventar. Lief. 60 64: Donaukreis 2: Oberamt Kirchheim, bearb. v. H. Christ. Eßlingen, Neff. 238 S. m. 310 Abb. *) Luthmer, F.: Die Bau- u. Kunstdenkmäler d. Reg.-Bez. Wiesbaden. Bd. 6: Nachlese, Ergänzungen zu Bd. 1—5 (Glockenverzeichnis), Orts- u. Namensreg. d. Gesamtwerkes. Frankf., Keller. XIII, 242 S. 4". ^) Krüger, G.: Das Land Stargard. Abt. 1: Geologische (v. E. Geinitz), vorgeschichtl. (v. R. Beltz) u. ge- schieht}. Einleit. die Amtsgerichtsbezirke Neustrelitz, Strelitz u. Mirow. Neu- brandenburg, Brünslow. XIV, 260 S. m. Abb. 4". ») Schmitz, Herrn.; Die Gotik im dten. Kunst- u. Geistesleben. Berlin, Verl. f. Kunstwiss. 261 S.

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spruchsvolles W^ea-k, .das freilich wie so viele ähnliche Versuche nicht ohne Widerspruch bleiben wird.

Die lokale Kunstgeschichte hat in Eugen Lüthgens») Gotischer Plastik in den Rheinlanden eine durch das beigegebene Abbildungs- material wertvolle Förderung erfahren. Wie die Rheinlande nicht sprachlich und nicht politisch ein einheitlicher Begriff sind, so sind sie es auch kultur- und kunstgeschichtlich nicht. Ober-, Mittel- und Nieder- rhein sind kulturell sehr verschieden starken und verschieden gerich- teten Einflüssen von den Nachbarn her ausgesetzt. Daher auch die Mannigfaltigkeit „rheinischer" Kunst schon in gotischer Zeit, die L. in schönen Abbildungen zeigt. Die Adelshöfe der Stadt Münster in West- falen behandelt E. Mülle r") vom bau- und kunstgeschichtlichen, be- sonders aber auch vom kulturgeschichtlichen Standpunkte aus. W. geht aus von adligen Anwesen in Münster im Mittelalter, um dann bei Sthlaun, dem genialen Erbauer des Schlosses, imd seinen Bauten länger zu verweilen und abzuschließen. Das niederdeutsche Dorf behandelt Hilde V. Beckerat h") in einem kultur- und siiedlungsgeschichtlichen Überblick, der durch 78 Abbildungen einen mehr stimmungsmäßigen als kunstgeschichtlichen, recht erfreulichen Anhang erhält. Die Bilder sollen, wie in der ganzen Reihe, hier die Hauptsache ausmachen.

Auf dem Gebiete des Kunstgewerbes erwähnen wir die zweite Auf- lage der Bildteppiche von Herm. S c h m i t z^^) ^nd das hervorragende Tafelwerk von Adolf Schmidt^^) über Bucheinbände der Landes- bibliothek zu Darmstadt aus dem 14. bis 19. Jhdt. W^enn auch die Datierung der ersten Tafel nicht stimmen wird, so sind doch zahlreiche hervorragende Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten in musterhaften Abbildungen hier gegeben. Das Buch ist wertvoll für die Geschichte der Darmstädter Bibliothek und darüber hinaus für das gesamte deutsche Buchwesen und die geistigen und kulturellen Zusammienhänge, die durch das Buch verknüpft wurden.

6. Lokalgeschichte. (Lerche.)

Die wertvollste territorialgeschichtliche Publikation sehen wir in dem ersten Teil der von Th. II g e n^) bearbeiteten Quellen zur inneren Ge- schichte der rheinischen Territorien. Er behandelt in zwei umfangreichen Bänden die Geschichte der Ämter und Gerichte, die Entstehung der

*) Lüthgen, E.: Gotische Plastik in den Rheinlanden, mit 80 ganzseit. Abb. Bonn, Cohen. XVI, 80 S. 4 <>(= Rheinische Heimatbücher, Heft 4). >o) Müller, E.: Die Adelshöfe der Stadt Münster i. W. Münster, Aschendorff. 256 S. ") ßecke- rath, Hilde V.: Das niederdte. Dorf. Braunschw., Westermann. 34 S., 78 Taf. (= Hansische Welt nr. 3). ^^) Schmitz, H.: Bildteppiche, Gesch. d. Gobelin- wirkerei. 2. Aufl. BerUn, Verl. f. Kunstwiss. 352 S. -■ ^^) Schmidt, A. : Buch- einbände aus dem 14. bis 19. Jahrh. in d. Landesbibliothek zu Darmstadt. Lpz., Hiersemann. 41 S. 101 Taf. 4^.

1) Ilgen, Th.: Quellen z. inneren Gesch. d. Rheinischen Territorien; Herzog- tum Kleve. 1. Ämter u. Gerichte, Entstehung d. Ämterverf. u. Entwicklung d. Gerichtswes. vom 12./16. Jahrh. Bd. 1: Darstellung; Bd. 2: Quellen. Bonn, Han- stein. XI. 610 11. 544 S. (= Publikationen d. Ges. f. Rhein. Geschichtskunde 38).

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Äiiiterverfassimg und ,die Entwicklung des Gerichtswesens vom 12. bis 16. Jahrhimdert im Herzogtum Kleve; der erste Band enthält die Dar- stellung, der zweite die Quellen: mit beiden ist geradezu Mustergültiges geboten. W. W e h r m a n n s-^) bewährte Geschichte Pommerns ist in zweiter Auflage mit dem zweiten Bande, vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart führend, zum Abschluß gieiangt. Eine eigentümliche Publi- kation bietet Kl. L ö f f 1 e r ,^) der die politische Geschichte des Eichs- felds des Kanonikus Wolf un,d dessen Artikel „Eichsfeld" in der Ersch- und Gruberschen Enzyklopädie neu herausgibt. Die Geschichte des Eichsfelds ist geschickt gekürzt, es sind viele unwesentlichere Urkimden fortgelassen, dagegen ist hier und da gebessert, mit Nachweisungen nach- geholfen imd übersichtlich gruppiert, so daß das Buch trotz seines teil- weise veralteten Inhalts einen Leserkreis finden wird. Großthüringen ist ein neuzeitlicher Begriff: ob sich das historisch nicht gewordene, sondern politisch konstruierte Wirtschaftsgebiet Thüringen halten und zwar so halten wird, ist noch die Frage. H. K ü h n e r t gibt einen volkstümlich-soziologischen Überblick*) über die Entwicklungsgeschichte der Wirtschaft in Thüringen und dazu ein Quellenheft zur Wirtschafts- geschichte von Großthüringen :^) gegen beide Publikationen darf man vom wissenschaftlichen Standpunkte aus mancherlei Bedenken erheben. Weit über ,die hessischen Pfarrer- und Lehrerkreise hinaus wird man 4em Hessen-Darmstädtischen Pfarr- und Schulmeisterbuch Wilh. Diehls^) Interesse entgegenbringen.

An Ortsgeschichten ist vornehmlich W. J e s s e s Geschichte der Stadt Schwerin^) zu erwähnen, die, von 1913 an im Druck, 1920 fertig vorlag und nun erscliienen ist. Diese Darstellung, die historiographisch die alte Chronik ablösen soll, wendet sich an weitere Kreise, doch ist sie, wie die Anmerkungen und Nachweisungen zeigen, durchaus wissen- schaftlich fundiert imd wohlgeeignet, den forschenden Leser weiter- zuführen. Zahlreiche Bilder- und Urkimdenbeilagen erläutern die Dar- stellung. Die Gedenkschrift aus Anlaß der 700 Jahrfeier der Stadt Bielefeld^) ist ein Sonderabdruck aus der Zeitschrift Niedersachsen; die Geschichte Swinemündes von Robert Burkhard t») wird wegen des Hafenbaues von 1740 und des Eingreifens der Könige Friedrich

2) Wehrmann, M.: Gesch. von Pommern. Bd. 2: Vom Beginn des 16. Jahrh. bis zur Gegenwart. 2. umgearb. Aufl. Gotha, Perthes. 352 S. *») Wolf, Joh.: Politische Gesch. d. Eichsfeldes. Nebst seinem Artikel „Eichsfeld" in der Enzy- klopädie V. Ersch u. Gruber. Neubearb. u. hrsg. v. Klemens LöflFler. Duderstadt, Merke. XX, 327 S. -- *) Kühnert, Herb.: Entwicklungsgesch. d. Wirtschaft in Thüringen. Ein volkstümlich-soziolog. Überblick. Teil 1. Jena, Volksbuchhdlg. 45 S. ß) Kühnert, Herb.: Quellenheft zur Wirtschafts -G. v. Großthüringen. Jena, Volksbuchhdlg. 72 S. «) Diehl, Wilh.: Hessen -Darmstädtisches Pfarr- u. Schulmeisterbucb, i. A. d. histor. Komm. hrsg. Friedberg. 504 S. (= Hassia Sacra Bd. 1). "^j Jesse, Wilh.: Gesch. der Stadt Schwerin. Von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart. Schwerin, Bärensprung. 1913/20. XXV, 602, 149 S. 8) Gedenkschrift aus Anlaß der lO'd Jahrfeier der Stadt Bielefeld im JuU 1921. Bremen, Schünemann. 56 S. 4», ») Burkhardt, R.: Gesch. des Hafens u. der Stadt Swinemünde. Swinemünde, Fritzsche. 1920/21. VIII, 120, VII, 167 S. mit Abb. u. Karten.

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Wilhelm I. und Friedrich IL weitere Beachtung finden; die Zu- sammenstellung Paul Mitzschke s") über den Naumburger Parnaß hat einigen biographischen und literarischen Wert. Anderes erwähnen wir nur dem Namen nach."~^*)

B. Mittelalter.

Kapitel I. Frühzeit. (Stimming.)

KossinnasO 1912 gehaltener und gedruckter Vortrag über die deutsche Vorgeschichte als hervorragend nationale Wissenschaft hat sich in der neuen dritten Auflage zu einem stattlichen Buche aus- gewachsen. Er hat das Interesse für die Germanenforschung in weitere Kreise getragen.^) Auch das 1920 erschienene Tacitusbuch Nordens hat, wie vorauszusehen war, einein belebenden Einfluß ausgeübt und sowohl die klassischen Philologen als auch die Erforscher des germa- nischen Altertums auf den Plan gerufen. So bringt W i s s o w a^) im Anschluß an Norden, dessen Werk er lebhaft rühmt, eigene neue Forschungsergebnisse, die zum Teil von denen des Berliner Meisters ab- w^eichen. Er vertritt z. B. die Ansicht, .daß Tacitus den Poseidonios un- mittelbar und nicht durch Vermittlung dos Livius betnutzt habe. Darin aber stimmt. er mit Norden überein, daß die kulturellen Schilderungen der Germania infolge der Anlehnung an hellenisch-römische Vorbilder mit Vorsicht aufzunehmen seien. Demgegenüber stellt Wilke,^) ohne jedoch auf Norden unmittelbar Bezug zu nehmen, an der Hand der Aus- grabungen und archäologischen Funde fest, daß die Germania zwar im einzelnen Irrtümer und Lücken aufweist, daß aber auf der anderen Seite zahlreiche von Tacitus berichtete Einzelheiten durch die archäologischen Tatsachen in vorzüglicher Weise bestätigt werden. Man wir4 also gut tun, trotz der epochemachenden Forschungen Nordens, den Quellenwert der Germania nicht gar zu tief einzuschätzen.^)

^°) Mitzschke, P.; Naumburger Parnaß. Übersicht d. Dichter, Erzähler und Schilderer, die dauernd oder zeitweise in Naumburg a. d. Saale gelebt haben. Naumburg, SieUug. 68 S. ^*) Zeller, E.: Aus sieben Jahrhunderten d. Gesch. Beuggens: 1246— 1920. 3. Aufl. Wernigerode, Koeple. 441 S. i^) ];;,auenstein, Hans: Die Entwicklung eines niedersächsischen Bauerndorfes in den letzten 100 Jahren. Hildesheim, Lax. 135 S. (= Forschungen zur Gesch. Niedersachsens, Bd. 6, Heft 1). 18) Resch, F.: Gerichtsbarkeit und Stadtrecht in Frankenberg vom 14. bis 19. Jahrh. Frankenberg Sa, Roßberg. TOS. **) Bolleter, E.: Gesch. eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich). Zürich, Beer. VIII, 232 S.

*) Kossinna, G.: Die dte. Vor.-G., eine hervorragend nationale Wissensch. 3., verb. Aufl. (Mannusbibl. nr. 9.) Lpz., Kabitzsch. VHI, 255 S., 456 Abb. 2) Dutschmann, G.: Literatur zur Vor- u. Früh-G. Sachsens. Lpz., Kabitzsch (= Mannusbibl. nr. 27). ^) Wissowa. G.: Die germ. Ur-G. in Tacitus Germania. (Neue Jahrb. f. d. klass. Altert, usw. 24, 14— .SO.) *) Wilke, G.: Archäolog. Erläuterungen z. Germania d. Tacitus. Lpz., Kabitzsch. 84 S. *) Wolff, G.: Wandelgen. in d. Auffassg. d. röm.-german. Altertumsforschg., ihrer Quellen u. Ergebnisse. (Korr.-Bl. d. Ges.-Ver. 68, 177—80, 69, 157— 62.J

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Ed. M e y e r«) weist die Ansicht zurück, daß die mit den Cimbern niai-schierenden Tougener Kelten gewesen seien; Strabo, auf den diese Nachricht zurückgeht, habe Tougener imd Teutonen verwechselt; diese aber seien ohne Zweifel Germanen gewesen. P 1 e 1 1 k e^ gehört zu den prähistorischen Forschern, welche aus den archäologischen Funden nicht nur ein Bild der äußeren Kultur der germanischen Stämme ge- winnen, sondern auch in das Dimkel der Siedlungs- und Wanderungs- geschichte vorzudringen suchen. Aus der Verbreitung bestimmter Typen von Fibeln, Gürtelschnallen, keramischen Gegenständen und Ornamenten will er archäologische Kulturprovinzen aussondern, die Er- gebnisse der archäologischen Forschung mit den historischen Nach- richten über die einzelnen Stämme und Stammesgruppen zusammen- arbeiten und so das Siedlungsgebiet dieser Stämme fest lunschreiben. In dem vorliegenden Werke ist der Versuch für die Wohnsitze der Angieln und Sachsen gemacht. Die kreuzförmige Fibel dient ihm als Hauptmerkmal für die Siedlungen dieser beiden Stämme.^)

B. Kapitel II. Die fränkische Zeit. (Stlmming.)

A. V. H 0 f m a n n^) ist eine neue Persönlichkeit unter den deutschen Historikern. Sein Buch „Das deutsche Land und die deutsche Ge- schichte" hat mit Recht hohes Lob geerntet. Es war nur eine Vorarbeit zu einer umfassenden Darstellung der politischen Geschichte der Deutschen, deren erster, bis zuni Ende der Karolingerzeit reichender Band vorliegt. H. sieht in den geographischen Be,dingungen die maß- gebenden Faktoren der geschichtlichen Entwicklung und stellt sie in den Vordergnmd. Es ist ihm tatsächlich gelungen, durch seine Methode eine Fülle interessanter Beobachtungen und neuer Erkenntnisse zu ver- mitteln. Am stärksten ist der Einfluß der geographischen Faktoren naturgemäß auf militärischem Gebiete. Recht interessant ist zum Bei- spiel die Parallelität der kriegerischen Handlungen, auf die H. hinweist, in den Unternehmungen der Karthager und der Vandalen oder in den Feldzügen der Römer in Deutschland und der Franken gegen die Sachsen unter Karl dem Großen. Aber auch die Politik ist oft durch die geographischen Verhältnisse entscheidend beeinflußt worden. Besonders für die ältere quellenarme Zeit hat sich die Methode des Verfassers nicht übel bewährt. Die Darstellung |der Frühzeit und der Völker- wanderung ist ihm denn auch bei weitem am besten gelungen. Weniger

•) Meyer, Ed.: Tougener u. Teutonen. (Sitz -Ber. d. Preuß. Akad. d. Wissen- schaften. 21, 750 55.) ■') Plettke, A.: Ursprung u. Ausbreitg. d. Angeln und Sachsen. Beitr. z. Siedlgs.-Archäol. d. Ingväonen (= Die Uinenfriedhöfe in Nieder- sachsen, 3, 1). Hildesh., Lax. VIT, 110 S. Mit 55 Taf. usw. ») Mehlis, Chr.: Raetia und Vindelicia bei Claudius Ptolemaeus. Zur Lösg. der Räterfrage. Mit 10 Abb. München, Lindauer. 87 S.

*) Hofmann, A. v.: Politische Gesch. der Deutschen. 1. Bd. Stuttgart, Dte Verlagsanst. 444 S.

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efriedigt ,das Zeitalter der Merovinger und Karolinger. Hier ist das Urteil des Verfassers vielfach recht einseitig und zu stark vom modernen Empfinden gefärbt. H. sieht in der Christianisierung der deutschen Stämme zu sehr eine verhängnisvolle Abdrängung von ihrer Eigenart; man darf aber nicht vergessen, daß auch die Kirche sehr starke germa- nische Elemente in sich aufgenommen hat, worüber Schubert'-) in einer kleinen Studie zusammienfassend berichtet. Die kirchliche Devotion der fränkischen Herrscher wird falsch beurteilt. Es fehlt dem Verfasser vor allem das richtige Verständnis für die Ideen, zumal für die religiösen Ideen; das tritt bei seiner Stellungnahme zum Kaisertum Karls des Großen mit besondetrer Deutlichkeit in die Erscheinung. Die ein- seitige Einstellung auf die politische Geschichte birgt geradei für die ältere Zeit große Gefahren in sich; die Entwicklung gewinnt ,den Ein- druck ,des Sprunghaften und Fragmentarischen; die Ereignisse, Persön- lichkeiten und Institutionen erscheinen leicht verzerrt, weil sie nur von einer Seite beleuchtet werden. So kommt z. B. die gewaltige sittliche und kulturelle Bedeutung der Kirche nicht zu ihrem Recht. Gänzlich verzeichnet ist die Figur Karls des Großen, dessen kraftvolle Herrscher- ersönlichkeit und staatsmännische Größe völlig verkannt wird. Man ann zwar aus dem Buche Hofmanns reiche Belehrung und Anregung chöpfen; man wird aber gut tun, sich nicht blind seiner Führung an- uvertrauen.

Die Edition der Scriptores rerum Merovingicarum, die nunmeh: abgeschlossen ist, hat die Forschimg über die Quellen der Merovinger- eit stark angeregt. Außer den beiden Bearbeitern Krusch und Levison ind auch zahlreiche andere deutsche, belgische und französische Ge- ehrte in der letzten Zeit mit neuen Forschungen hervorgetreten, e V i s o n^) untersucht eine Anzahl Jenseitsvisionen, die vom 6. bis . Jahrhundert im Frankenreiche entstanden sind, und stellt fest, ,daß iele dieser Schriften geradezu in den Dienst der Tagesinteressen ge- teilt wurden: sie waren erdacht worden zu dem besonderen Zwecke, ine Wirkung auf politische Dinge auszuüben. D e 1 e h a y e^) befaßt sich, angeregt durch das Werk Bubats, dessen übertriebeneT Skeptizis- mus seine Abwehr herausforderte, in einem ausführlichem Aufsatze mit einer Geschichtsquelle der vorfränkischen Zeit, der ältesten Vita des heiligen Martin aus der Feder des Sulpitius Severus. Auf Grund einer eingehenden Untersuchung der Geschichtsschreibung des Sulpitius Severus, der ein jüngerer Zeitgenosse des Bischofs von Tours war, kommt er zu der Überzeugung, daß die Vita sancti Martini zwar die- selben Mängel wie die anderen geistlichen Geschichtswerke jener Zeiten aufweist, daß aber von einer absichtlichen fälschenden Entstellung; nicht die Rede sein könne. L e v i 1 1 a i n'^) untersucht die im Kloster

2) Schubert, H. v.: Zur Germanisierung des Christentums. (Festgabe für Hamack. 389—404). ^) Levison, W.: Die Politik in den Jenseitsvisionen des früh. Mittelalters. Festgabe für Bezold. S. 81—100. *) Delehaye, H.: Saint Martin et Sulpice Severe. (Analecta Bollandiana. 38, 5—136.) *) Le vi Ilain, L.: Etudes sur l'abbaye de Saint-Denis a Fepoque merovingienne. (Bibliotheque de Tecole des chartes. 82, 5—116.)

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St. Denis entstaii,deneii Quellen über den heiligen Dionysius. Die älteste und beste Überlieferung stellen die „Gloriosae" dar, die, von einem Gallo-Ronianen ujn die Wende des 5. Jahrhunderts verfaßt, in einer Be- arbeitung des 8. oder 9. Jahrhunderts auf uns gekommen sind. Die Passio Post beatam et gloriosam vitam und die Miracula belade aus dem 9. Jahrhundert haben geringeren Wert, Eine Fülle verschieden- artiger Gegenstände der fränkischen Geschichte des 6. Jahrhunderts be- handelt das zweibändige Werk des belgischen Gelehrten Godefroy Kurt h.") Eine Anzahl seiner Studien beschäftigt sich mit der Natio- nalität der Beamten und der Bewohner einzelner Landschaften. Zwischen Römern und Germanen wurden bei der Besetzung der Grafen- und Herzogsämter unter fränkischem Regime keine Unterschiede ge- macht. Die Auvergne wurde beispielsweise 100 Jahre lang ausschließ- lich von galloromani sehen Eingeborenen verwaltet. Franci hießen in der Merovingerzeit alle freien Bewohner des Reiches ohne Rücksicht auf die Nationalität. Eine Reihe weiterer Artikel ist ider Erforschung einzelner Quellenwerke geAvidmet. Neben dem Liber historiae Francorum aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts, dessen zweiter mit dem Jahre 657 beginnender Teil eigenen Quellenwert besitzt, be- schäftigt sich der Verfasser besonders ausgiebig mit Gregor von Tours: sein Verhältnis zu den klassischen Studien seiner Zeit, seine Glaub- würdigkeit und die Quellen über- die Taufe Chlodewechs werden zum Gegenstande besonderer Untersuchungen gemacht. Vornehmlich polemische Auseinandersetzungen mit Krusch enthalten die Aufsätze über die heilige Genovefa und die Vita sancti Lamberti. K. verteidigt die Echtheit der Vita Genovefae und hält die Heilige nicht für die Fiktion eines Fälschers, sondern für eine der reizvollsten historischen Figuren des früheren Mittelalters. Von den übrigen teils längeren, teils kürzeren Studien nenne ich noch die über die Taufe des König Chlode- wechs und die über die Königin Brunichildis, deren Tragik nach der Meinung Kurths darin beruht, ,daß sie Unmögliches zu erreichen suchte.

Der erste Band von D o p s c h ' s^ Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit ist in zweiter Auflage erschienen. Im einzelnen ist mancherlei verbessert und ergänzt worden, an den Hauptresultaten aber hat der Verfasser festgehalten. Eine gründliche Untersuchung über die Pfalzgrafen der Merovinger und Karolinger liefert H. E. M e y e r.®) Vielfach gegen die 1915 erchienene Dissertation von Halbedel polemisierend, bringt er neue, glaubwürdige Forschungs- resultate über den Ursprung und die Entwicklung des Amtes, das Ende des 6. Jahrhunderts zuerst nachweisbar ist. Der Pfalzgraf war ursprüng- lich Richter am jeweiligen Aufenthaltsort des Königs und außerdem neben dem Comes stabuli oberstes Organ der Hofverwaltung. Seit dem

^ «) Kurth, G.: Etudes franques. 1919. 2 vol. VIII, 356, 349 S. Paris, Champion. "') Dopsch, A.: Die Wirtschaftsentwicklung d. Karolingerzeit vornehml. in Dtl. T. 1. 2. veränd. u. erweit. Aufl. Weimar, Böhlau. XIV, 402 S. ») Meyer, H. E.; Die Pfalzgrafen d. Merowinger u. Karolinger. (Zt. d. Savigny-Stiftg. G. A. 42, 380—463.)

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7. Jahrhundert wurde er von dem Majordom überflügelt und in den Hintergrund gedrängt. Seine Teilnahme am Königsgericht beschränkte sich in merovingischer Zeit darauf, daß er dem König über die gesetz- mäßige Durchführung der Prozesse Zeugnis abzulegen hatle. Unter den Karolingern war das Pfalzgrafengericht ein ständiges oberstes Reichs- gericht, welches, von wenigen dem Könige vorbehaltenen Fällen ab- gesehen, die ganze Hof- und Appellationsgerichtsbarkeit verwaltete. Die volkstümlich gehaltene Bonifatiusbiographie von Laux") ist ein Buch mit erbaulicher Tendenz, zeichnet sich aber durch gründliche Quellen- kenntnis und Vertrautheit mit der neuesten Bonifatiusforschung aus. Der Hallenser Kirchenhistoriker V o i g t^") sucht aus der spärlichen Überlieferung, besonders auch mit Hilfe der Patrozinienforschung, nach- zuweisen, daß ,der Bonifatiusgenosse und erste Abt von Fritzlar, Wigbert, zwischen den Jahren 743 und 747 in den Gauen Hessegau und Friesenfeld eine wirkungsvolle Missionstätigkeit ausgeübt habe, und daß die Christianisierung der Landschaft zwischen Saale und Unstrut später vom Kloster Hersfeld fortgesetzt worden sei. H a 1 p h e n s") kritische Studien zur Geschichte Karls des Großen, die sich mit quellenkritischen, militärischen, wirtschaftlichen und politischen Fragen beschäftigen, waren mir nicht zugänglich; sie werden von Lauer wegen ihrer Gründ- lichkeit gelobt, aber auch in manchen Resultaten beanstandet.^^) Rutau^=^) kommt in seiner Dissertation über die älteren Metzer Annalen (eoitstanden um 830), denen wir wertvolle Nachrichten über die ältere Geschichte des karolingischen Hauses verdanken, in einigen Punkten zu anderen Resultaten als Kurze, der sich als letzter vor ihm mit der lothringischen Geschichtsquelle befaßt hatte. T h o m a s^*) sucht gegen Hauck und v. Schubert die Echtheit auch des zweiten Teiles des Pactum Ludovicianum von 817 nachgewiesen. Lot^'^) glaubt, die beiden Synodalurkunden vom 28. April und 6. September 838 über die Rück- gabe der Abtei St. Calais an das Bistum Le Maus als echt und glaub- würdig in Anspruch nehmen zu können. K a 1 1 e n^^) verweist ,die an- gebliche Kölner Synode von 870 in das Reich der Fabel, indem er dar- tut, daß die Urkunde Erzbischof Williberts von Köln aus dem Jahre 873, die von dem Provinzialkonzil berichtet, als eine Fälschung des

®) Laux, J. J.: Der heilige Bonifatius, Apostel der Deutschen. Mit 11 Bild. Freiburg, Herder. XII, 307 S. i") Voigt, H. G.: Die Anfänge d. Christentums zwischen Saale u. Unstrut (= Neuj.-ßl. d. Eist. Komm. f. d. Prov. Sachsen u. An- halt, 43). Halle, Hendel. 56 S. ")Halplien, L.: Etudes critiques sur l'histoire de Charlemagne. Paris, Alcan. 1920. (Inh. : Les sources de l'histoire de Charlemagne

La conquete de la Saxe Le couronnement imperial L'agriculture et la propriete rurale L'industrie et le commerce). (Rez.: Annal. Rolland. 39, 382—85: Coeus u. BibL de l'ecole des chartes 83 (1919): Lauer). ^^) Himmel- reich: Papst Leo HL u. die Kaiserkrönung Karls d. Großen (lag mir nicht vor).

^3j Rutau, F.: Beitr. z. Kritik d. Annales Mettenses priores. Königsb. Diss. 1921 (Auszug). 1*) Thomas, H.: Die rechtl. Festsetzg. d. Pactum Ludovicianum von 817. Ein Beitrag z. Echtheitsfrage. (Zt. d. Savignystiftg. K. A. 41, 124—74.) ") Lot, F.: Les jugements d'Aix et de Quierzi. BibL de l'ecole des chartes 82, 281—315. ^«) K allen, G.: Die angebhche Kölner Provinzialsynode von 873. Festgabe f. Friedr. v. Bezold. S. 101—125.

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12. Jahrhunderts anzusehen sei. Über die Rolle, welche der Petrus- gJaube in den Briefen des Codex Carolinus spielt, unterrichtet die Disser- tation von K u 1 1 a k.^')

B. Kapitel III. Die deutsche Kaiserzeit. (Stimming.)

Die Erschließung neuer belangreicher Quellen zur frühmittelalter- lichen Geschichte gehört zu den großen Seltenheiten. Um so freudiger wird man den Fund Klebels^) begrüßen, der in einem Admonter Codex des 12. Jahrhunderts eine bisher unbekannte Salzburger Ge- schichtsquelle entdeckt hat. Das neue Quellenwerk, das Hofmeister Annales Salzburgenses antiqui neimen möchte, umfaßt die Zeit von 725—956 und enthält eine Fülle neuer und interessanter Nachrichten vornehmlich über Bayern in der Zeit der späteren Karolingser und älteren Ottonen. Eine wesentliche Bereichermig erfährt besonders die spärliche Überlieferung über Heinrich I. K o o s^) hätte außerordent- lichen Nutzen für seine Arbeit über das Verhältnis von Episkopat und Herzogtum im 10. Jahrhundert aus der neuen Quelle ziehen können, wenn sie ihm schon vorgelegen hätte. Die Untersuchung von J e s s © n^) über die AntapQdosis Liutprands von Cremona zeigt ein für eine Dissier- tation erfreulich hohes Niveau. Antapodosis, so führt der Verfasser aus, bedeutet nicht Rache, sondern ist mit retributio das heißt im Sinne der Vulgata Wiedervergeltung Gottes zu interpretieren. Liut- prands Werk hat zwar wie fast alle mittelalterlichen Quellen vornehm- lich eine religiöse Tendenz, will aber zugleich nach der Art der mittel- alterlichen Komödien unterhalten. Das tritt besonders in der Vorliebe für das Annekdotenhafte hervor. Völker imd Persönlichkeiten werden an iden Maßstäben augustinischer Anschauungen, die Liutprand, ohne die Civitas dei selbst gelesen zu haben, durch Vermittlung von Gregors Moralia kannte, gemessen.'^) Vorwahl*) macht darauf aufmerksam, daß sich in dem vielumstrittenen 35. Kapitel im 1. Buche von Widukinds Sachsengeschichte über die Milites agrarii Anklänge an eine Nehemia- stelle (10, 1) in der Vulgataübersetzung feststellen lassen.

In einer wertvollen kleinen Studie weist S t u t tP) die Wahl des Jahres 1002 als einen bedeutungsvollen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Königswahlen nach. Während nämlich bei den früheren

^') Kullak: Das Verhältnis der Päpste zum Apostel Petrus in den Briefen des , Codex Carolinus". Greifsw. Diss. (Auszug).

*) Klebel, E.: Eine neuaufgefundene Salzburger Geschichtsquelle. Mitt. d. Gesellschaft f. Salzburg. Landeskunde, 61 (vgl. Hofmeister, Hist. Zeitschr. 126, 346 f.). 2) Koos, K.: Der bairische Episkopat in seinem Verhältnis zur Politik des Herzogtums von 907-1002. Greifsw. Diss. (Ausz. 3 S.). ^) Jessen, H.: Die Wirkungen d. augustin. Gesch. philosophie auf die Weltanschauung u. Gesch. schreibg. Liutprands von Cremona. Greifsw. Diss. 62 S. ^^) Pavani, G. : Un vescovo belga in Italia nel secolo X: studio storico - critico su Raterio di Verona. Torino, Soc. nazionale. 1920. 181 S. *) Vorwahl, H.: Heinrich „der Städtegründer" (zur Kritik Widukinds von Corvey). (Zt. d. Hist. Ver. Niedersachsens. 86, 135 f.). *) Stutz, U.: Reims u. Mainz in der Königswahl des 10. u. beginnenden 11. Jh. (Sb. der preuß. Akad. d. Wiss. 1921. 414—433.)

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Wahlen, wie sich besonders aus dem Berichte Widukinds von Corvey über die Erhebung Otto I. ergibt, die Geistlichen nicht mitwirkten, nahmen sie, wie aus der Darstellung Wipos hervorgeht, an der Wahl Konrads II. hervorragenden Anteil. Stutz ist der Meinung, daß das Vorstimmrecht des Erzbischofs von Mainz und die Mitwirkung der geist- lichen Fürsten im Jahre 1002 zum ersten Male in die Erscheinung traten. Er führt die Neuerung auf die persönliche Initiative Erzbischof Willigis' zurück, der, dem Beispiele des Erzbischofs Adalbero von Reims bei der Erhebung Hugo Capets folgend, dem geistlichen Wahlrechte Bahn brach. Vielleicht hätte neben dem persönlichen Moment die seit den Tagen Ottos I. gewaltig gesteigerte politische Bedeutung des Episkopates, welche die Voraussetzung für die Neuerung bildete, noch stärker betont werden können.^)

Tenckhoff^) schickt seiner neuen Ausgabe der Vita Meinwerci

in der Oktav serie der Monumenta Germaniae eine ausführliche Ein- leitung voraus, in der er das für die Kultur- imd Wirtschaftsgeschichte des 11. Jahrhunderts so wertvolle Geschichtswerk gründlich untersucht und würdigt, ohne freilich bemerkenswerte neue Resultate aufweisen

Izu können. Der Text ist durch zahlreiche erläuternde Fußnoten und reichliche Register bequem benutzbar. ^-9) Das lateinische Gedicht vom Unibos gibt besonders über die ländlichen Verhältnisse ,des 11. Jahr- hunderts dankenswerte Aufschlüsse ; darauf weist Schmeidle r") in der Historischen Vierteljahrsschrift hin. Noch weit ergiebiger als kulturgeschichtliche Quelle ist der Ruodlieb. Strecke r^^) verteidigt gegen die Angriffe von Wilmotte den deutschen Ursprung des Gedichtes. Es kann nach seinen einleuchtenden Ausführungen kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß das Gedicht nicht in Frankreich, sondern, wie man bisher allgemein angenommen hatte, in Bayern, und zwar in Tegernsee, im 11. Jahrhundert entstanden sei. In einem 1918 neu er- worbenen Buche der Berliner Staatsbibliothek wurde ein beschriebenes Pergamentblatt gefunden, dessen Text nach den Ausführungen von P e r 1 b a c h^-) in Fragmenten der Padeirborner Annalen aus den Jahren 1112—27 besteht. Der Wortlaut war größtenteils bekannt.

In der großen Fehde um die Echtheit der älteren Hamburger Papst- und Kaiserurkunden ergreift B r a c k m a n n^^) das W^ort. Vornehm- lich gestützt auf die Forschungen von Curschmann und Levison, wendet

•) Büchner, M.: Zur mittelalterlichen Königswahlforschg. (Hist. Polit. 131. 168, 633—48.) ') Leben, Das, des Bischofs Meinwerk von Paderborn (Vita Meinwerci episcopi Patherbrunnensis). Hrsg. von Fr. Tenckhoff. Hannover, Hahn. XXVllI, 181 S. (Scriptor. rer. German. in usum scholar.) ^) Tenck- hoff, F.: Eine kurze Zusammenfassung d. Lebens d. Bischofs Meinwerk von Paderborn in Hexametern. (Zt. f. vaterl. Gesch. u. Altertumskde.) Westfalen. 78, 2, 71—73. ®) Huyskens, A.: Die Aachener Kirchengründungen Kaiser Heinrichs H. in ihrer rechtsgesch. u. kirchenrechtl. Bedeutung. (Zt. d. Aachener Gesch.-Ver. 42^ 233—94.) ^*^) Schmeidler, B.: Kleine Forschgen. zu literar. Quellen des 11. Jh. (Hist. Vierteljschr. 20, 129-49). ") Strecker, K.: Die deutsche Heimat des Ruodlieb. (Neue Jahrb. f. d. klass. Altertum. 47,289—304.) ^^) Perlbach, M.: Vier Fragmente der Paderborner Annalen. (Neues Archiv. 43, 224-34.) ^^) Brackmann, A.: Die neuesten Forschungen zur älteren Hamburger G, (Zt. Ver. hamburg. G. 24, Gl— 85.)

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er sich gegen Peitz, der die Echtheit der Hamburger Urlcunden ver- teidigt hatte; nur von der Untersuchung über die Palliumsurkunden läßt er einiges gelten, die übrigen Ergebnisse der Peitz'schen Arbeit lehnt er ab. In demselben Aufsatze läßt Brackmann Schmeidlers Forschimgen über Adam von Bremen gerechte Anerkennung wider- fahren. Seh m eidler hat inzwischen seine Studien dadurch ergänzt, daß er die Bamberger Herkunft Adams durch neue Beweisgründe er- härtet (vgl. No. 10). Es ist eine eigentümliche Tatsache, daß in Hamburg selbst über die Geschichte der Kirche und der Stadt weder von der geistlichen Historiographie des früheren Mittelalters, noch von der bürgerlichen Geschichtsschreibung der späteren Zeit ein größeres Werk von Belang geschaffen worden ist. Das ergibt sich aus der Übersicht R e i n c k e s^*) über Hamburgs mittelalterliche Geschichtsschreibung. Eine zusammenfassende Stadtgeschichte fehlt überhaupt gänzlich, da- gegen sind aus dem späteren Mittelalter eine Anzahl im amtlichen Auf- trage abgefaßter Berichte über Einzelereignisse auf uns gekommen.

Der Investiturstreit imd seine führenden Persönlichkeiten haben von jeher in hohem Maße das Interesse auf sich gelenkt. Besonders frus der Greif swalder Schule sind in der letzten Zeit zahlreiche Arbeiten auf diesem Gebiete hervorgegangen. Aus dem Jahre 1920 sind noch die Dissertationen von K r ö n i g^^) und Bürge r^**) nachzutragen. Hey n^^) zeigt, von welcher großen Bedeutung der Petrusglaube für die Denkweise und die Handlungen Gregors VII. gewesen sei; er habe ihm Antrieb zum Handeln und Kraft zum Aushalten auch in den schwersten Zeiten gegeben.^^) G a f f r e y^») untersucht nach bekanater Art den Liber de unitate ecclesiae conservanda auf augustinische Einflüsse; die Ergebnisse seiner Arbeit sind dürftig. Aus einer Anzalil neu auf- gefundener und an entlegener Stelle giedruckter Papsturkunden teilt uns K e h r^o) interessante neue Nachrichten über Wibert von Ravenna mit. Das Oböidienzgebiet dieses kaiserlichen Gegenpapstes erstreckte :üch keineswegs nur, wie man bisher gemeint hatte, auf das Machtgebiet Heinrichs IV., sondern griff zeitweise bedeutsam nach England, Ungarn und Serbien hinüber. Neues licht fällt auch auf die römischen Ereig- nisse des Jahres 1084, in dem Clemens III. das Übergewicht errang, und auf die Kämpfe zwischen Clemens und Urban IL in dem ent- scheidenden Sommer 1089.2^-22)

^*) Reincke, H.: Untersuchungen üb. Hamburgs mittelalt. Geschichtsschreibg. (Zt. Ver. hamburg. G. 24, 1 31.) ^^) Kröning, E.: Die Lehnspolitik der röm. Kurie unter dem Pontifikate Gregors YII. Greifsw. Diss. 1920 (Ausz.). ^®) B ünger , T.; Wo wurde Heinrich IV. zum 2. Male gebannt? Greifsw. Diss. 1920. 51 S. (Maschinenschr. u. Auszug). ^"^j Heyn, Fr.: Der Petrusglaube Gregors VII. Greifsw. Diss. (Ausz. 2 S.). ") Fliehe, A.: Saint Gregoire VH. Paris 1920. X, 192 S. ^®) Gaffrey. B.: Der liber de unitate ecclesiae conservanda im Lichte mittelalterl. Zeitanschauungen (= Hist. Studien 147). Berlin, Ebering. XY, 179 S. 20) Kehr, P. : Zur Gesch. Wiberts von Ravenna (Clemens IIL). 1. 2. (Aus: Sitzungsber. d. Preuß, Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Klass. 1921. 19.) Berhn, Verein, wiss. Verleg. S. 355—68 u. 973—88. ^i) Erben, W.: Die Gründungs- urkunde des Chorherrenstifts Habach (südl. v. Starnberger See, 25. Febr. 1085). IX, d. Savignystiftg. 42. Kan. Abt. 1—30. ^2) Negerin g, H.: Ein unbekannter Brief z. Gesch. der Lütticher Bischofswahl im Jahre 1119. (Neues Archiv 43, 23—538).

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A. Cartellier i-'-^) schildert in großen Richtlinien die auswär- tige Politik des Deutschen Reiches im staufischen Zeitalter. Die großen Mächte, welche die politischen Weltverhältnisse jener Tage bestimmten und beherrschten, waren das Kaisertum, das Papsttum, Frankreich, England, Byzanz und Sizilien. Bis zum Regierungsantritt Innozenz IV. hatte Deutschland die Führung, mußte diese nur vorübergehend während des Pontifikates Imiozenz' III. an die Curie abgeben. Mit Recht betont C. die hohe Bedeutung der um 1130 nein entstandenen normannisch- süditalienischen Großmacht für die Weltpolitik und die Konstellation jder Mächte.-*)

Man hatte bisher für die nicht immer glückliche Politik Lothars von Supplinburg vielfach das hohe Alter des Kaisers, der als Sechziger zur Regierung gekommen sei, mit verantwortlich gemacht. Nunmehr sucht Curschman n-^) nachzuw eisen, daß der Supplinburger erst 1075, wie die Desibodenburger Annalen berichteten, geboren sei. Friedrich L, der /das Kaisertum zu neuem Glänze emporführte, ver- dankte seine machtvolle Stellung im Inneren nicht zum wenigsten der Herrschaft über die Kirche. Der vielbehandelten Frage der Bistums- besetzimg widmen Fische r-^') und Main z") neue iVrbeiten. Mainz dehnt seine Untersuchung der burgundischen Bistümer auch über das salische Zeitalter aus. Im Gegensatz zu Italien war die Zahl ,der deutschen Bischöfe sehr gering. Das zeigt, wie lose das Abhängigkeits- verhältnis Burgunds vom Reiche besonders unter den Saliern war. Unter Friedrich I. war der deutsche Einfluß gewachsen, ohne jedoch auf die Dauer mit den mächtig gewordenen lokalen Gewalten konkurrieren zu können. Zu Burgund gehörte auch das Kloster Cluny. Hier schrieb zur Zeit Barbarossas der Mönch Richard eine (größtenteils noch ungedruckte) Weltchronik (—1174). Seh m a c k"^*^) untersucht mit kritischem Scharf- blick das Geschichtswerk des Cluniazensers und konnnt dabei in mannigfacher Hinsicht zu anderen Ergebnissen als Waitz und Berger, die sich vor ihr mit Richard von Cluny beschäftigt hatten. Auf dem Hintergrunde ,des Klosterlebens und der geistigen Strömungen der Zeit zeichnet die Verfasserin ein ansprechendes Bild der schriftstellerischen Persönlichkeit Richards. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dem Kardinalskapitel, als dessen Hauptquellen eine anonyme Descriptio sanctuarii Lateranensis ecclesiae von 1123 und Johannes Diaconus (1159) nachgewiesen werden. Quellenkritische und geistesgeschicht-

^) Cartellieri, A.: Die auswärtige Politik der Staufer. (Korr.-Bl. d. Ges.- Ver. 69, 49-67.). 2*) Drees, H.: Die deutschen Kaiserfrauen d. Mittelalters (= Sehr. d. Wemigeroder Gesch.-Ver. 2). Wernigerode, P. Sültner. 31 S. ^^) Curschmann, F.: Wann wurde Lothar von Supplinburg geboren? Eine genealog. Untersuchg. (Zt. Hist. Ver. Niedersachs. 85, 83-96.) ^«j Fischer, E.: Der dte. König u. die Besetzung der dten. Bistümer unter Friedrich Barbarossa, Heinrich VI. u. Philipp v. Schwaben. Bresl Diss. (Auszug). 2') Mainz, Chr.: Die Besetzg. d. Burgunder Bistümer im Zeitalter d. Salier u. Staufer. Bonn, Diss. 1921 (Anszug 12 S.) **) Schmack, J.: Richard v. Cluny, seine Chronik u. sein Kloster in d. Anfängen d. Kirchenspaltg. von 1159. Ein Beitr. zur Gesch. d. An- schauungen von Kardinalkolleg, u. Papsttum im 12. u. 13. Jh. (= Hist. Studien 146). Berlin, Ehering. 173 S.

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liehe Forschungen sind in der Arbeit auf das trefflichste ver- bunden.

G ' s e 1 1-") setzt in einem zweiten Aufsatz seine Untersuchungen über die Vita Arnoldi fort (vgl. Jahrg. 1920 S. 25). Er stellt fest, daß Sprache und Stil durchaus mittelalterlich sind, und daß auch die über- lieferten Tatsachen zu keinerlei Bedenken Anlaß geben. Unabhängig von G'sell tritt auch W a c ke r nag e P") in seiner Breslauer Disser- tation für die Echtheit der Vita ein. Beide Autoren stimmen darin überein, daß die Biographie bald nach dem Tode Arnolds, spätestens 1177, entstanden sei; sie weichen jedoch voneinander ab in ihren; An- sichten über das Verhältnis der Vita zur Chronik des Grafen von Zinunern. Während nämlich G'sell meint, daß die Chronik die Vita ausgeschrieben habe, nimmt Wackernagel wohl mit Recht an, daß beide aus einer verloren gegangenen zeitgenössischen Passio Arnoldi geschöpft haben. In der Streitfrage um dem Verfasser des Ligurinus tritt R u b a r t h^*) mit neuen Argumenten für Günther von Pairis ein, dessen Autorschaft zuerst von dem jüngst verstorbenen Albert Pannenborg ver- fochten worden war. Unabhängig von Holtzmann (vgl. Jahrg. 1920 S. 27) setzt sich Keußler^^) für die deutsche Abstammung Heinrichs von Lettland ein. Er glaubt den baltischen Chronisten mit dem 1210/11 als Urkundenzeugen nachweisbaren Heinricus sacerdos de Lon (= Lünen in Westfalen) identifizieren zu können, eine Ansicht, die freilich hypothetisch bleiben muß.

Halle r^'^) will den Nachweis führen, daß die drei Gedichte in Minnesangs Frühling, die man bisher Heinrich VL gemäß der Über- lieferung des 14. Jahrhunderts zugeschrieben hatte, von Heinrich VIL, dem Sohne Friedrich IL, gedichtet seien. Sein Hauptargument ist, daß die Verbindung von Reichsacht und Kirchenbann, wie sie in einem der Lieder in der Formel „acht und ban" auftritt, in der Zeit Heinrichs VL unbekannt gewesen sei. Salomon dagegen interpretiert „ban" im Sinne der älteren deutschen Rechtsprache mit Strafe und hält an d^r Autorschaft des Kaisers fest.

Die beiden Arbeiten von E. W. M a y e r=^^) imd T h i m m^^) be- schäftigen sich mit Papst Innozenz IIL Während Mayer ohne wesent- liche neue Ergebnisse die politischen Anschauungen des Papstes in systematischer Darstellung vorführt, faßt Thimm die praktische Politik gegenüber den einzelnen europäischen Staaten ins Auge und kommt zu

2») G'sell, A. [P.O.S.B.]: Die Vita des Erzb. Arnold von Mainz (11.^3-1160). (Neues Arch. 43, 317—78.) ««j Wackernagel, P.: Kritische Studien zur Vita Arnoldi archiepiscopi Moguntini. Bresl. Diss. 1921. 73 S. ^i) Rubarth, W.: Der Verfasser des Ligurinus. Bresl. Diss. (Auszug). ^^) Keußler. F. v.: Heinrich von Lettland (Sitzungsber der Gesellsch. für Gesch. und Altertumskunde zu Riga. 1914—21, S 150 flf.). 88j Haller, J.: War Kaiser Heinrich VL ein Minnesänger? (Neue Jahresb. f. d. klass. Altertum usw. 24, 109—28.) Salomon, G. : War Heinrich VIT. ein Minnesänger? (Ebd. 305—12) - si) Mayer, E. W.: Staats- theorie Papst Innocenz III. (Jenaer Hist. Arbeiten, 9.) Bonn, Marcus & Weber. 1920. XII, 50 S. »'^) Thimm, P.; Innocenz III. Auffassung vom Fürstenamt im Verhältnis zu den Fürsten seiner Zeit. Königsb. Diss. (Ausz.).

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dem wohl etwas zu scharf zugespitzten Urteil: alles Tun Innozenz' ver- einigte sich in dem Streben nach Weltherrschaft; das Papsttum wurde, seiner eigentlichen geistlichen Aufgaben entkleidet, zu einer primär weltlichen Macht. Von Cartellieri s=^") breit angelegter Biographie Philipps IL Augustus von Frankreich liegt die erste Hälfte des vierten und letzten Bandes vor. Die Darstellung umfaßt die bedeutsamen Kämpfe zwischen ,dem französischen König und Johann von England, durch welche das anjevinische Königreich zerstört, England des größten Teiles seiner kontinentalen Besitzungen beraubt und Philipp August zum Herren von fast ganz Frankreich gemacht wurde» Die vielgestal- tigen politischen und kriegerischen Ereignisse, die Deutschland nicht unmittelbar berührten, werden mit großer Gründlichkeit und Sach- kenntnis geschildert. Den englischen Beziehungen zu den Niederlanden im früheren Mittelalter ist die Arbeit von Toi T'^) gewidmet. Die enge politisch-höfische, wirtschaftliche und kulturelle Verbindung mit (den Territorien an der Rhein- und Maasmündung, die das Durchgangsgebiet für den englischen Verkehr mit dem Kontinent waren, fand auch in der mittelenglischen Sprache, deren Wortschatz durch zahlreiche nieder- [ländische Lehnwörter bereichert wurde, ihren Niederschlag.

Zur Geschichte Friedrichs IL sind nur einige kleinere Beiträge zu nennen. H a m p e^'^) weist nach, daß der angebliche Briefwechsel zwischen dem Kaiser und Gregor IX. über Ketzerverfolgungen, den er aus einer Reimser Handschrift des IB. Jahrhunderts veröffentlicht, eine Stilübung sei; er versucht aber, auch (dieser ,,an sich trüben Quelle einige Tropfen brauchbaren Wassers" abzugewinnen. Lundgree n^^) führt die Lebensbeschreibung des Grafen Heinrich von Schwarzburg (f 1236), des treuen staufischen Parteigängers, vertrauten Ratgebers Ludwigs IV. von Thüringen und deutschen Territorialfürsten, zu Ende. S t i m m i n g'*") macht aus 'einer ungedruckten Urkunde Erzbischof Sieg- frieds III. von Mainz Mitteilungen über den Mainzer Domkustos Friedrich von Eberstein, der sich im Jahre 1242 tatkräftig für die Sache Konrad IV. einsetzte. Liebeschüt z^^) untersucht die Beziehungen Friedrichs IL zu England seit dem Jahre 1285. Obwohl die Kurie selbst die Ehe zwischen dem Kaiser und der Schwester Heinrich III. vermittelt hatte, suchte sie später mit aller Macht England von Friedrich abzuziehen. Die papstfreundlichen Neigungen des englischen Herrschers wurden durch die ablehnende Haltung der Stände, die mit den päpstlichen Steuern unzufrieden waren, ausgeglichen.

3®) Cartellieri, A.: Philipp IL, August, König von Frankreich. Bd. 4, T. 1. Lpz., Dyk. X, 255 S. ") Toll, J. M.: Englands Beziehungen zu den Niederlanden bis 1154 (= Hist. Studien Nr. 145). Berlin. Ehering. XV, 59 S. *®) Hampe, K. : Stilübungen zur Ketzerverfolgung unter Kaiser Friedrich IL Festgabe für F. v. Bezold. S. 142-149. »») Lundgreen, F.: Heinrich IL, Graf V. Schwarzburg (gest. 1236) (Schluß). (Zfc. d. Ver. f. thüring. Gesch. u. Altertums- kunde. 32, 328—80). *o) Stimming, M.: Ein staufischer Parteigänger im Kampfe Friedrich IL gegen die römische Kirche. (Zt. f. Gesch. d. Oberrheins. N. F. 36, 249-58.) *') Liebeschütz, H.: Die Beziehungen Kaiser Friedrich IL zu England seit d. J. 1235. Heidelb. Diss. 1920. 76 S.

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N e u m a II n*-) verteidigt die Forschungsergebnisse seines Lehrers Keiiicke-Bloch über die Königswahlen und sucht sie für einen be- grenzten Zeitraum zu erweitern und zu vertiefen. Nach N. rangen drei Theorien bei den Königswahlen miteinander, ob die Herrschaft des deutschen Königs nach alter deutscher Anschauung auf einhelliger Wahl oder nach den kurialen Ansichten auf der päpstlichen Approbation oder nach kölnischer Auffassung auf der Krönung in Aachen beruhe. Die Kurie zeigle aus politischen Gründen bei den Wahlen des Inter- regnums große Zuiückhaltimg. Bei der Wahl Richards wirkte der dem Bischofswahlrecht entnommene Gedanke des „maior et sanior pars" mit; der Engländer sah sich nach seiner Krönung als rechtmäßiger Herrschjer im Regnum und Imperium an. Rudolf von Habsburg, der durch ein- hellige Wahl erhoben wurde, mußte die Trennung von Deutschland an- erkennen, eine Niederlage des staufischen Reichsgedankens.

C o h n*^) führt seine Forschungen über jdlie sizilisch-normannische Flotte durch eine neue Darstellung über die Zeit von 1250 66 fort. Er schildert in zwei getrennten Abschnitten die äußere Geschichte der Flotte, die in den letzten Kämpfen der Staufer eine geringere Rolle spielte, als man erwarten möchte, und die innere Organisation des ganzen Marinewesens. Trotz manchieir guter Einzelergebnisse mußte die Darstellung bei der lückenhaften Überlieferung fragmentarisch bleiben. Die Arbeit würde gewoimen haben, wenn der Verfasser das Marine- wesen der anderen Mittelmeermächte, besonders das von Byzanz, stärker zum Vergleich herangezogen hätte. .

B. Kapitel IV. Späteres Mittelalter. (Priebatsch.;

Eine allgemeine Darstellung des gesamten Zeitraums hat Käser in der von L. Hartmann herausgegebenen allgemeinen Weltgeschichte veröffentlicht.^) Die Schilderung der dem Verfasser besonders ver- trauten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist im großen und ganzen recht gut gelungen. Weniger befriedigen die rein politischen Kapitel und die Übersichten über die das Zeitalter bewegenden Ideen. Der allgemein-europäische Standpunkt, den die Hartmannsche Welt- geschichte einnehmen will, hätte gerade in idiesem Zeiträume besonders gut zur Geltung gebracht werden können, da die Schicksale deir sich jetzt bildenden nationalen Staaten auf das Stärkste miteinander ver-

^^) Neumann. W.: Die dten, Königswahlen u. d. päpstl. Machtanspruch während des Interregnums (= Hist. Studien 144). Berlin, Ehering. VII, 111 S. ^^) Cohn, W.; Die Gesch. der sizilischen Flotte unter der Regierung Konrads IV. und Manfreds (1250—66) (= Abh. z. Verkehrs- u. Seegesch. 9). Berlin, Curtiu.s. 1920.

») Käser, K.: Das spätere Mittelalter, Gotha, Perthes. VI, 278 S. (Welt- geschichte in gemeinverständl. Darstellung 1, 5.) (Rez.: Hist. Zt. 127, 267 ff. Hampe.)

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flochten sind und ,die Völker des Abendlandes nicht minder als in dem früheren Mittelalter von denselben Gedanken bewegt werden und dieselben Formen in Staat, Wirtschaft und Lebensführung aus- bilden.

Die Zahl der sonstigen Arbeiten aus dem späteren Mittelalter ist gering. Es fehlen auch die vielen kleinen Abhandlungen und Miszellen, die früher infolge des großen Reichtums an Archivalien aus dieser Zeit so gern veröffentlicht wurden. Das Interesse für diese Epoche scheint jetzt sehr viel geringer geworden zu sein.

Nach dem Untergange der Staufer zeigt sich am Sitze der Kurie eine starke Enttäuschung. Sie führt zu freaindlicherer Beurteilung Deutschlands, zur Abkehr von den Franzosen und stellenw^eise zur Fordermig des Verzichts auf alle weltbeherrschenden Pläne und zur Rücklvehr zu den rein kirchlichen Aufgaben. Es kommt sogar zur Er- hebung eines weltfremden Eremiten auf den päpstlichen Stuhl. Über diesen Coelestin V., der seine hohe Würde dann bald freiwillig nieder- gelegt hat, gibt uns jetzt Seppelt^) wichtige neue Quellen. Er ver- öffentlicht das Opus metricum ,des kunstsinnigeii, um die Kunst Giottos verdienten Kardinals Jacob Stefaneschi, das Wahl und Abdankung Coelestins, den Aufstieg seines Nachfolgers Bonifaz VIII. und die Heilig- sprechung Coelestins schildert. Er bringt dami zwei spätere Lebens- beschreibungen des Papstes, von denen eine Pierre d'Ailly zum Ver- fasser hat un,d veröffentlicht das Material über seinen Kanonisations- prozeß. Weiteres, das die tiefe Enttäuschung der Minoriten über das Scheitern ihres Papstes zeigt, harrt noch der Veröffentlichung.

Nach dem Sturze Bonifaz VIII. kommt das nach Avignon verpflanzte Papsttum wieder ganz in die Abhängigkeit von Frankreich. Über den unversöhnlichen Kampf, den es gegen Ludwig den Bayern führt, unter- richten 4ie reichen Sammlungen des Trierer Geistlichen Rudolph Losse.=*) Losse hat dem Erzbischof Balduin von Trier, auf den die Er- hebung des Luxemburgischen Hauses zurückgeht, sehr nahegestanden, und hat alle kirchlichen Akten und Nachrichten aus seiner Zeit und eine Reihe interessanter Schriftstücke früherer Perioden abgeschrieben und so der Nachwelt erhalten. Aus früherer Zeit findet sich in seinem Buche die älteste Fassung des berühmten Manifests Papst Clemens IV. gegen König Manfred, aus der von ihm durchlebten Zeit eine ungemein große Zahl kirchlicher Mitteilungen und Urkunden, z. T. aber auch manches ganz entlegene Schriftstück, wie Nummer 75, das Bestimmungen des Bischofs von Samland über die Behandlung der heidnischen Preußen erühält. Losses Sammlung war bisher schon gelegentlich nach einer un- vollständigen Handschrift des Darmstädter Staatsarchivs benutzt worden. Eine wesentlich umfassendere Handschrift aus der Casseler Landes-

2) Monumenta Coelestiniana. Quellen z. Gesch. d. Papstes Coelestin V., hrsg. u. bearb. v. Frz. X. Seppelt (= Quellen u. Forschg. a. d Gebiet d Gesch., hrsg. V. d. Görres-Ges, 19. Bd.). Paderborn, Schoeningh. LXIV, 334 S. «) Nova Alamaniae. Urkunden, Briefe u. and. Quellen bes. z. dt. Gesch. d. 14. Jahrb., vor

nehmlich a. d. Sammlung d. Trierer Notars Rudolf Losse aus Eisenach

V. Edmund E. Stengel. 1. Hälfte. Berlin, Weidmann. IV, 416 S.

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bibliothek hat jetzt Edmund E. Stengel herauszugeben begonnen. Band 1 ist davon bereits erschienen.

B e u e r ni a nn promovierte mit Studien zur politischen Publizistik desselben Zeitraums."*) In die Zeit der großen Reformkonzilien führt die eben erschienene erste Hälfte des neuen Bandes der Reichstags- akten ein,"') ferner eine Baseler Dissertation von E. B u r s e h e.') Dies-e letzte Schrift gibt eine gute und klare Zusammenstelluilg aller Anträge und Beschlüsse des Konzils. Verfasser ist einer der Führer der polnischen Protestantem und eifrig polnisch gesinnt. Gelegentlich finden sich Bemerkungen, die seinen politischen Stand- piuilvt in die Darstellung hineintragen, so S. 27 Anm., wo er den demo- kratischen Geist Frankreichs (unter den absolutistischen Valois des 15. Jahrb.! !) dem Polizeigeist Deutschlands (nb. des fast anarchi- schen Deutschlands des späteren Mittelalters) gegenüberstellt. In zwei Aufsätzen behandelt Hashagen den Einfluß der Laien auf das Kirchengut und die Anfänge des landesherrlichen Kirchenregiments.') Den Laieneinfluß habe so führt er aus trotz allen kirchlichen Wider- spruchs — das Mittelalter für durchaus rechtmäßig, für in Vogtei und Patronatsrecht begründet gehalten. Die Einmischung der Laienfürsten in die Kirche vor der Reformation rät er, nicht zu überschätzen. Die persönliche Frömmigkeit vieler Fürsten sei sehr groß und ernsthaft ge- wesen. Schrankenlose Willkür, wie sie z. B. in England und Frankreich möglich war, und wie sie sich dann auch noch in der englischen Refor- mation zeige, habe keiner der deutschen Fürsten wagen können und wollen. Von einer Schrift über idas drohende Schisma aus der Zeit 1440 bis 1444 macht H. K e u s s e n Mitteilung.^)

Daß die großen Konzilien zu Basel und Konstanz auch wichtige Büchermärkte gewesen sind, und daß sie vielen deutschen Klöstern Ge- legenheit geboten haben, Handschriften zu erwerben, zeigt Paul Leh- man n.*') Er zeigt auch, wie stark das Bedürfnis der versammelten Väter nach Büchern zur Information gewesen ist und auf welche Weise Buchhandel, Leihverkehr mit benachbarten Kirchen es befriedigt wurde.

Die Reformgeidanken des Nicolaus Cusanus schildert eine franzö- sische Arbeit,*") die ich nur aus einer Anzeig© in der Revue historique kennie. Verf. hat ein unbekanntes Predigtbuch C.'s im Vatikan gefunden und veröffentlicht einen Brief, in dem C. selbst seine im Brixener Stiftsstreite bewiesene Härte bedauert.

*) Bresl. Diss. (Ausz.)- ^) Dte. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 2. Abt. 1. Hälfte 1441—1442, hrsg. v. Herre. Gotha, Perthes. VIII, 206 S. ®) Bursche: Die Reformarbeiten des Basler Konzils. Lodz, Manitius. XII, 124 S. '') Hashagen, J.: Laieneinfluß auf das Kirchengut v. d. Reformation. Hist. Zt. 126, 377 449. Derselbe: Die vorreformator. Bedeutung des spätmittelalt. landesherrl. Kirchenregiments. Zt. f. Kirchen-Gesch. 41, 63 ff. ^) Zt. f. Kirchen- Gesch. 40, 138 if. ^) Lehmann, P.: Konstanz und Basel als Büchermärkte. Zt. d. dt. Ver. f. Buchwesen u. Schrifttum. IV, 6 ff., 17 ff. - »o) Edmond Vansteenberghe, le cardinal Nicolas de Cues, Faction, la pensee. Lille 1920. XX, 506 S.

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In die Hussitenzeit führt Müllers Buch Geschichte der böh- mischen Brüder, I.") Der Verf. gibt eine Schilderimg der Entwickelung der hussitischen Lehre, beweist ihre Abhängigkeit nicht bloß von Wyclef, sondern auch von alten böhmischen Überlieferungen. Während anfänglich die Lehre von dem gedrückten I^ndvolk in erster Linie ge- stützt wird, und die sozialen Gedanken daher eine große Rolle spielen, bekommt bald der Kleinadel und das tschechisierte Stadtbürgertum die Führung. Die niederen Schichten folgen den böhmischen Brüdern, die bald schwer bedrückt werden. Die Zerklüftung der utraquistischen Bewegung führt zu deren schnellen Entkräftung. Wie schwer es den katholischen Breslauern geworden ist, den Papst, dem die Abwehr der Türken besonders am Herzen lag, zu einem Kreuzzug gegen den utra- quistischen König Georg Podiebrad zu bewegen, zeigt L a s 1 o w^ s k i^~)

Über das kirchliche Leben der Zeit unterrichten außer einer populären Sammlung von B ü h 1 e r über das Klosterleben^^) einige wenige Nachrichten. Sie behandeln einen Fall von Pfründen- anhäufung, ^'') den Piberer Pfarrstreit, wo ein zum Bischof von Seckau berufener Pfarrer die alte Pfarre auch gegenüber einem vom Papste ge- förderten Nachfolger zu behalten sucht), einen Wahlstreit in Pommern (wo Jaromar von Rügen 1289 1294 Elekt von Kammin wird und wo Pommern und Brandenburg sich über die Beherrschung des Bistums streiten).^"') Ferner liegt vor eine Schrift von Seidel, über die welt- liche Stellung des schles. Abtes von Leubus,^*') d. h. die allmähliche Ausdehnung seiner Gerichtshoheit, der von Zeit zu Zeit durch Inter- polationen in die alten Urkunden eine erweiterte rechtliche Grundlage gegeben wird; ebenso eine fortlaufende Darstellung des Praemon- stratenser-Klosters Klarholz (Kr. Wiedenbrück in Westf.)^^) und des schwäbischen Stifts Kempten.^^) In Klarholz sind die Pröbste stets ritte rbürtige Leute, ohne daß aber die Forderung edelfreier Abkunft erhoben worden wäre. Trotz der üblichen Beschwerden über Belastung durch die Vogtei, Übergriffe eines benachbarten Grafen, ebenso über gewalttätige Visitationen, ist ein wirtschaftlicher Aufschwung wahr- zunehmen. Eine sehr frühe Beteiligung von Laien an geistlichen Brüderschaften will F r ö 1 i c h in Niedersachsen nachweisen.!*^) Inter- essante Mitteilungen über das Bittschriftenwesen an der Kurie ver-

") Müller, Job. Ch.: Gesch. d.böhm. Brüder. 1. Bd. 1400—1528. Herrnhut, Vg. d. Miss.-Buchlidlg. XX, 644 S. ^^j Laslowski: D. Breslauer u. d. Kreuzablaß gegen Georg Podiebrad. Zt. d. Ver. f. Gesch. Schles. 55, 93 fF. ") Bühler, Job.: Klosterleben im dt. Mittelalter nach zeitgen. Aufzeichn. mit 16 Bildertafeln. Lpz., Inselverlag. ^*) Wonisch, Otmar: Der Piberer Pfarrstreit. Zt. d. bist. Ver. f. Steiermark (Luschin-Festschrift). 18, 51—55. ^^iWebrmann: Jaromar von Rügen. Pomm. Jahrb. 20, 121—129. **) Seidel, Victor: Die weltl. Stellung des Abts v. Leubus im Wandel d. 13. u. 14. Jahrb. Zt. d. Ver. f. Gesch. Schles. 55, Hoff. ") Schulze, Rud.: Beitr. z. Gesch. d. Prämonstr. Kl. Klarholz. Zt. f. vaterl. Gesch. u. Altertumsk., hrsg. v. Ver. f. Gesch. u. Altertumsk. Westf. 78. 1. Abt., S. 25-69. ") Rottenkolber: Stud. z. Gesch. d. Stifts Kempten. Die Äbte v. 1270—1523. Stud. u. Mitt. z. Gesch. d. Bened. - Ordens u. s. Zweige. 40, 1—42. Salzburg, Pustet. ") Frölich: Beitr. z. alt. Brüderschaftswesen in Dtl. Zt. d. TTnvvnr. 55,19—44.

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off entlicht Erben. Eine steirische Äbtissin, der der Geschäftsgang, in Rom zu kostspielig und zu unsicher ist, bittet einen in Deutschland weilenden päpstlichen Legaten um seine Unterstützung. Es ist un- bekannt, ob er dieser Bitte entsprochen hat; die päpstlichen Legaten sind oft mit ähnlichen xVnliegen behelligt worden. Die Nöte der Äbtissin stehen im Zusammenhange mit dem sog. Salzburger Stiftsstreit, dem Ver- such Kaiser Friedrichs IIL, seinem Freunde, dem aus Ungarn ver- triebenen Erzbischof von Gran die Koadjutorwürde in Salzburg gegen den Willen des dort amtierenden Kirchenfürsten zu verschaffen, ^^a)

Parallel mit den Wünschen, die Kirche zu reformieren, gehen auch die auf Reichsreform gerichteten Bestrebungen. Aloys Schulte zeigt in einer kleinen Schrift-") über Fürstentum und Einheitstaat, warum es in Deutschland zum Territorialstaat und nicht zum Einheits- staat gekommen ist. M o 1 i t o r'-^^) schildert die Reichsreformbestre- bungen im ganzen. Er beleuchtet die Machtkämpfe der maßgebenden Gewalten, die langsame Entwickelung der Reformideem und Institu- tionen, von denen das so lange begehrte höchste Reichsgericht nur ein ständisch beeinflußtes, aber nicht ein ganz von den Ständen abhängiges Gericht geworden ist. Über die bekannteste Flugschrift aus diesen poli- tischen Kämpfen, die sogenannte Reformation des Kaisers Siegismund, handelt J o a c h i m s e n.-^^) Er verlegt sie auf das Jahr 1435.

Die eigentliche Kaisergeschichte wird nur in wenigen Schriften be- handelt. Haberkerns Buch übeir den Kampf um Sizilien-'^*) ist für die Geschichte Heinrichs VII. wichtig. Heinrich steht auf seilen der in Sizilien regierenden Aragonier, gegen die Anjous von Neapel. Den Spuren Heinrichs VII. in Italien geht Nicolaus Weite r^^) nach. Karl IV. scheint umfassende Pläuje zur Entwicklung des böhmischen Fernhandels gehabt zu haben. Durch eine große Hamburger Messe wollte er im Jahre 1365 vermittelst der Elbschifiahrt Böhmen an iden Seeverkehr anschließen.-'') Über den seinem Hause nahestehenden Prager Erzbischof Johann IL (von Jenzenstein) handelt Sommer- feld t.^") Von Friedrichs IIL Anfängen berichtet der oben erwähnte neue Band der Reichstagsakten. Einen Bericht eines Augenzeugen über seinen Einzug in Rom 1452, seine Trauung mit Eleonore von Portugal und seine Kaiserkrönung veröffentlicht K e u s s e n.^') Einem Diplo- maten Maximilians L, Dr. Jacob Merswin, widmet Hans Kaiser eine ausführliche Skizze. M. ist ein Straßburger Patriziersohn, aus dem-

^^^) Erben: Bittschriften steirischer Klöster an einen päpstl. Nuntius. Zt. d. bist. Ver. f. Steiermark. 18, 87—94. ^o) Schulte, A.: Fürstentum u. Ein- heitsstaat in d. dt. Gesch. Berlin, Liebmann. 32 S. ~ ") Molitor: Die Reichsreform- bestrebungen d. 15. Jahrh. bis z. Tode Kaiser Friedrichs III. Breslau, Marcus. X, 222 S. '^) Joachimsen, P.: Die» Reformat. d. Kaiser Siegesmund. Jahrb. d. Görresges. 41, 36 51. ^^) Haberkern: Der Kampf um Sicilieo i. d. J. 1302-37. Berlin. Rothschild. XIV, 214 S. ^*) Welter: Mit Kranz u. Palme. Erinnerungsbl. Rez.: Hist. Zt. 127, 347. ^5) Reincke, H.: Die Hamburger Messe u. d. Weltverkehrspläne Karls IV. 1365. Zt. d. Ver. f. Hamb. Gesch. 23, 85 88. ") Sommerfeldt: D. verwandtschaftl. Verhältnis d. Prager Erzbischofs Job. II. (t 1400). Mitteil. d. Ver. f. Gesch. d. Dt. in Böhmen. 60, 333-336. ^') Keussen: Bericht eines Augenzeugen . . . Hist. Viertel] ahrsschr. 20,317 321-

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selben Geschlechte, dem der Mystiker Ruleniann M. angehört hat; er hat seine Vaterst^idt bei Kaiser Friedrich III. vertreten und ist dann in die Dienste Maximilians gegangen, der ihn anf Reichstagen öfters Verhand- lungen führen ließ.-^^) Das Reich ist im 15. Jahrhundert bedroht von den Türken und von ehrgeizigen Plänen der burgundischen Herzöge. Daß nicht alle gemeldeten Türkeneinfälle, so z. B. die sehr frühen von 1396,

il415, 1418, wirklich auf die Türken zurückzuführen sind, sondern als Verwüstungen der benachbarten Ungarn angesehen werben müssen, zeigt P i r c h e g g e r.-^) R e d 1 i c h^") gibt eine Übersicht über die burgundischen und dann die ihnen entg^egenwirkenden französischen Pläne, sich am Niederrhein eine Gefolgschaft zu schaffen. Aus der Geschichte der deutschen Territorien liegt mir das folgende vor : Über Sachsen ein Aufsatz von E r m i s c h , über Dresden in den Hussitenkriegen.^^) Auf Grund bisher nur teilwieise veröffentlichter interessanter Berichte schildert F. T h u r n h o f e r mit guten Er- läuterungen die Romfahrt des Kurfürsten Ernst von Sachsen. Der Stamm- vater der Ernestiner ist von dieser politischen Pilgerreise nicht mehr heimgekehrt.^-) Die bisher noch niemals näher untersuchte Entwick- ung der sächsisch-brandenburgischen Beziehungen, ohne die die erritoriale Gestaltimg Norddeutschlands un)d die Anfänge der Refor- ation dunkel bleiben müßten, beschreibt Hellmut Kretzschmar unächst für die Jahre 1464—1470.''=^)

Die Erwerbung der Oberlausitz durch die askanischen Markgrafen von Brandenburg schildert J e c h t.^*) Für die innere Geschichte der Mark und ihres Rechtslebens ist wichtig die Publikation von S chmi^dt jtiber das Fiscalat und die Geschichte des Strafprozeßrechtes in Branden- burg-Preußen.^^) Die Versuche des Pommernherzogs Erich, sich in Schweden als König zu behaupten, streift stark Joh. Paul s'*^*) Buch über den schwedischen Bauernführer Engelbrechtsson, der sich gegen die in der Kalmarer Union begründete dänische Herrschaft über Schweden auflehnt. Die Ostseeherrschaft des deutschen Ordens wird stark gefördert durch die Erwerbung der Weichselmündungen, die S e 1 1 k e im Zusammenhange darstellt.^*^) A. S i e 1 m a n n^^) behandelt die Reste des Marienburger Konventbuchs aus den Jahren 1395 bis 1398.3^) Für ,die Agrargeschichte des Ordenslandes und für die Ge-

«8) Kaiser, H.: Jakob Mersvin. Zt. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. 35, 166 fF. - 2») Pirchegger: Die ersten Türkeneinfälle 13%, 1415, 1418. Zt. d. hist. Ver. f. Steiennark. 18, 67—73. ^) Redlich, 0. R.: Das Ringen Frankreichs und Biirgunds um den polit. Einfluß am Niederrhein. Die Westraark. 1, 601—16. ^') Ermisch: Dresden u. die Hussitenkriege. Mitt. d. Ver. f. Gesch. Dresdens. 28. ^) Thurnhofer: Die Rorareise des Kurfüsten Ernst v. Sachsen. 1481. N. Archiv f. sächsische Gesch. 42, 1—63. ^^) Kretzschmar: Die Beziehungen zwischen Brandenburg und den wettinischen Landen. Forsch, z. brandenburg. und preuß. Gesch. 35, 1 if . *^) Je cht: Der Übergang d. Oberlausitz an d. brandenburg. Askanier. N. Laus. Magaz. 96, 102-129. »*) Schmidt, Eb.: Fiskalat u. Straf- prozeß in Brandenburg -Preußen. Münch., Oldenbourg. 8«) Paul, J.: Engel- brecht Engelbrechtson u. sein Kampf gegen die Kalmarer Union. Greifsw., Bam- berg. VII, 91 S. ") Sellke: D. Übergang d. Danziger Nehrung a. d. dt. Orden. Zt.d.Westpreuß. Gesch.-Ver. 62.27—55. «s) Sielmann: Die Reste des Marien- burger Konventsbu^hs. Ebenda 60, 67—73.

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schichte der Verwaltung seiner Ämter ist desselben Autors Aufsatz über die Verwaltung des Haupthauses,-''') |der Marienburg, aufschlußreich.

Eine Gesamtdarstellung der böhmischen Geschichte bringt B r e t - hol z.*") Der erste Band reicht bis 1419 und schildert die von ihm an- genommene erste germanische Besiedelung und die spätere von den Przemysliden geförderte deutsche Einwanderung. Nach Österreich führt P s c h o 1 k a s*') Aufsatz über eine selbständige Tagimg steirischer Städte, die über ihre wirtschaftlichen Interessen gemeinsam berat- schlagten.

Über eine kleine Untersuchung Otto H. Stowassers über Ulrich von Eizing und das Testament König Albrechts IL berichtet H. K a i s e r.'*-) Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß der ehrgeizige Führer der Österreichischen Stände das Testament Albrechts verfälscht hat, und daß er hierbei die Hilfe des schon vieler Fälschungen über- führten Kanzlers Kaspar Schlick geifunden hat. Die Diplomatik wendet sich jetzt in erfreulicher Weise stärker dem späteren Mittelalter zu und entdeckt da recht häufig Fälschungen. So ist nach E r m i s c h*^) aucli der Lehnbrief König Siegismunds für die Burggrafen von Dohna vom 28. Dezember 1420 ganz sicher eine Fälschung. Die Dohna hatten 1402 ihr Schloß Dohna verloren, und es ist immöglich, daß Siegismund, der mit ihrem Feinde, dem Markgrafen von Meißen, sehr gut stand, diese Be- stätigung erteilt haben kann. Die Fälschung stammt aus späterer Zeit und steht in Verbindung mit den von der Familie Dohna erstrebten Standeserhöhungen. Weitere Fälschimgen aus dem endenden Mittel- alter teilen v. B r u i n i n g k aus Livland,^^) Graf Oberndorff*^) aus der Pfalz mit. Im letzten Falle handelt es sich um den Protonotar Friedrichs des Siegreichen v. d. Pfalz Endres Pellendorffer, der großen Besitz erwirbt und deshalb ein Adelsdiplom fälscht.

Zur Geschichte des pfälzisch-bayrischen Erbfolgestreites 1504 bringt W. D e r s c h^") einige Nachrichten. Der Graf von Henneberg leistete, dem Pfalzgrafen Hilfe gegen den Kaiser und die Münchener Herzöge.

Sehr wertvoll sind W. Erben s*') Betrachtungen zu der italienischen Kriegstätigkeit der Schweizer. Er zeigt darin, wie früh das Reislaufen der Schweizer begonnen hat, und wie sie im Altertum und (dann im oströmischen Reiche lange vor den habsburgisch-burgun-

^®) Sielmann: Die Verwaltg. des Haupthauses Marienburg in der Zeit um 1400. Ebenda 61, 1— IUI. *"} Bretholz: Gesch. Böhm. u. Mährens. Bd. 1: Das Vorwalt. d. Deutschtums bis 1419. Reichenberg, Sollors. VII, 237 S- *0 Pschoika: Die landesförstl, Städte u. Märkte a. d. steir. Landtage 1458. Zt. d. bist. Ver. f. Steier- mark. 18, 74—86. **'») Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. StadtWien. 1922. Heft 3. Rez.: Eist. Zt. 126, 528. *^) Ermiscb: König Siegismunds Lehnbrief f. d. Burggrafen von Dohna. N.Archiv f. sächs. Gesch. u. Altertumsk. 48, 1 18. **) Bruiningk. V.: D. gefälschte Urk. d. Ordensmstr. Walther v. Plettenberg f. Heinr. Tepel. Mitt. a. d. Livl. Gesch. 21, 174 ff. «) Graf Oberndorff: Eine gefälschte Urk. König Ruprechts über Güter zu Beiheim. Mitt. d. bist. Ver. d. Pfalz. 39/42, 247 ff. *^) Dersch: Die Schleusinger Wehr u. Macht während d. bayer. Erbfolgekriegs. Sehr. d. Henneb. Gesch.-Ver. 1922. Heft 13, 1—8. *7) Erben: Betrachtungen zu der italienischen Kriegstätigkeit der Schweizer. Hist. Zt. 124, 1 40.

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difechen Kriegen schon eine militärische Macht darstellten. M a y e r s im vorigen Bande schon genannter wichtiger Aufsatz über die italienischen Einflüsse und Vorbilder, die» bei der Entstehung der Eid- genossenschaft mitgewirkt haben, hat bisher, so weit wir sehen können, noch keine kritische Prüfung erfahren. Die erste Annäherung der Schweiz nach dem romanischen Gebiete hin behandelt Tan Berche m.'*'^)

Zur Geschichte des Adels liegt außetr den oben genannten Mit- teilungen über Diplomfälschungen nur Albert s*^) Aufsatz über ein interessantes süddeutsches Wappenbuch vor. Der Freiburger Maler, der es angelegt hat, ist beherrscht von allerhand mystischen Gedanken, be- rücksichtigt die Quaternionentheorie und zeigt große Phantastik. Seite 63 trägt er ein: dis sint die ersten Juden, die wappen fuorten Abisay Gabittai. Über Titulaturen findet sich mancherlei Interessantes in einem Aufsatz von Rud. S i 1 1 i b.'") Gegen Ende des Mittelalters lebten die Formelbücher besonders stark auf, um namentlich alle Forderungen hinsichtlich der Titel erfüllen zu können.

Zur Geschichte des Kriegswesens erschien außer dem oben er- wähnten Aufsatz von Erben B. Rathgen s-"'^) Untersuchung über .die Einbürgerung der Feuerwaffen und Belagerungswerkzeuge in Naumburg.

Mehr erschien zur Geschichte der S d t e. Aus dem Gebiete der Hanse ist W. B o d e s''-') Fortsetzung seines Aufsatzes Hansische Bundes- bestrebungen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu notieren. Unter den hansischen Tohopesaten sind besonders wichtig die großen Tagungen von 1430 und 1434. An der ersteren nahmen auch Breslau und andere sonst wenig vertretene Bundesmitglieder teil. Breslau scheint wegen der Hussitengefahr gekommen zu sein. Ein Torso geblieben ist des verstorbenen Walther Stein s"'^) vortreffliche Studie über die hansisch-englischen Beziehungen. Er schildert darin die von der Hanse abgewiesenen Versuche der Engländer, direkt am Ostseehandel teil- zunehmen, und die Beraubungen Hansischen Gutes im Verlaufe dieser Streitigkeiten. Der Aufsatz bringt unendlich viel, auch allgemein Inter- essantes, über die innerenglischen Erörterungen über den Nutzen des Besitzes der südlichen Kanalküste, die nur tepidi et avari ablehnten, und den nur auf Raub abzielenden Charakter der gesamten Kriegsführung. Den meist von der Hanse geführten deutsch-russischen Handel hat Leopold Karl Götz in einer großen Arbeit geschildert, die wegen der Ungunst der Zeit nicht gedruckt werden kann. Er skizziert aber in den hans. Gesch.-Blättern*'"^) den Inhalt und will Interessenten Einsicht

*^) Berchem, van: Geneveetles Suisses au 15 siecle. La folle vie et le premier traite de Combourgeoisie IL Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 45, 1—39. *^) Albert: "Wappenbuch eines Freiburger Malers. Zt. d. Ges. f. Beförd. d. Gesch. von Frei- burg. 35, 53—72. ^) Sil Hb: Aus Salemer Hdschr. IV. Die Rhetorik des Chius Schreig. Zt. f. Gesch. d. Oberrh. 35, 443 fF. ^^) Rathgen: Feuer und Feuer- waffen in Naumburg. 1348 ff. Naumburg, Sieling. '^^) Bode: Hans. Bundes- bestrebungen i. d. ersten Hälfte d. 15. Jahrh. Hans. Gesch. -Bl. 25, 173—246; 26, 174-193. 5») Stein, W.: Die Hanse und England beim Ausgang des 100jährigen Krieges. Ebenda 26, 27—126. «*) Ebenda S. 174.

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in sein Ms. gewähren. Die sehr inhaltreichen Briefe der Brüder Veckuighusen, aus Westfalen stanunender Lübecker Bürger, ver- öffentlicht S t i e d a ,"'■') nachdem er sie früher schon öfters verwertet hatte. Der eine der Brüder, Hildebrand, an den die Briefe gerichtet sind, starb, nachdem er in Brügge lange im Schuldgefängnis gesessen hatte, der andere, Sievert, lebte daheim in angesehener Lage. Unsere Kenntnis vom Zahlungsverkehr, Nachrichtendienst, Betriebsformen des damals im Ostseehandel herrschenden, in Westeuropa aller,dings bereits zurückgehenden Hansischen Verkehrs wird sehr bereichert.

Über Hamburgs Handel vergl. den oben erwähnten Plan Karls IV. für eine Hamburger Messe, die der Rat übrigens selbst 1383 aufgehoben hat, über Hamburgs mittelalterliche Geschichtsschreibung schreibt Heinrich R e i n c k e ,"'") über ein ähnliches Thema aus Lübeck Fr. B r u n s.'^") Der letztere weist nach, daß die Lübecker Annalen von 1264 1327 von Alexander Hüne, dem Stadtschreiber uUjd späteren Rat- mann von L., verfaßt worden sind. Eine Lübecker Laienbruderschaft'^^) behandelt F i n k , der die vielen Oberdeutschen, namentlich Nürnberger Bewohner Lübecks nachweist. Zweck der Brüderschaft w^ar Armen- unterstützung. Aus Bremen liegt eine Ausgabe des ältesten Nequams- buch, eine Aufzeichnung über Kriminalfälle (herausgegeben von Hertzberg) vor.^») Die obrigkeitliche Wohlfahrtspflege in den Hansestädten des Deutschordenslandes untersucht Bertha Q u a s - s o w s k i.''") In denselben Zusammenhang gehören S e m r a u , der Markt nach Kulmischem Rechte im 15. Jahrh."^) Derselbe Verfasser behandelt die Verwaltung der Stadtgetmeinden nach Kulmischem Rechte im 13. Jahrh. (Burding, Schöffen, Schultheiß, Rat), "2) die Register über die Bewachung der Stadt Elbing im 15. Jahrh."^) v. B u 1 m e r i n c q""*) gibt eine Darstellung der Rechtsverhältnisse des Rigischen Lan^dgebiets- Lateinische Verse über Danziger geschichtliche Ereignisse des 14. und 15. Jahrh dts. teilt 0. Günther mit.®^) Sie betreffen meist Polen.

Einen Aufsatz über die europäische und nationale Bedeutung der Hanse veröffentlicht R ö r i g.^^) Er zeigt darin sehr gut die allmähliche

^^) Stieda: Hildebrand Veckinghusen, Briefwechsel eines dt. Kaufmanns im 15. Jahrh. Lpz , Hirzel. 560 S. Rez. (Kuske): Hans. Gesch.-Bl. 27, 187-195. ^^) Reineke: Unters, üb. Hamburgs mitttelalterl. Geschichtsschreibg. Zt. d. Ver. f. Hamb. Gesch. 24, 1 32. ") Bruns: Der Verf. d. Lübecker Annalen. Lüb. Forsch. Jährh.-Gabe d. Ver. f. Lüb. Gesch. u. Alterturask. S. 255 266. «s) Fink: Die Lüb. Laienbrüdersch. in Handel u. Wirtsch. bis zur Reform. Ebenda 325—370. **) Hertzberg: Das älteste Bremische Nequamsbuch u. s. Fortsetzungen. Bremisches Jahrb. 28, 1 67. ^) Quassowski: Obrigkeitl. Wohlfahrtspflege in d. Hanse- städten des Deutschordenslandes. Zt. d. Westpreuß. Gesch. -Ver. 61, 103—148, Schluß. *^) Semrau: Der Markt nach Kulmischem Rechte im 15. Jahrh. Mitt. d. Copemicus-Ver. f. Wissensch. u. Kunst zu Thorn. 28, 72—82. «'*) Ders.: Die Organe der Stadtgemeinde nach Kulmischem Rechte. Ebenda 29, 1 26. *'^) Ders.: Die Register über die Bewachung der Altstadt Elbing. Ebenda 29, 50 bis 61. **) Bulmerincq, v.: Die Besiedlung der Mark der Stadt Riga. Mitt. aus der Livländ. Gesch. 21, 201 ff". ®^) Günther, 0 : Lateinische Verse über Danziger geschichtliche Ereignisse. Zt. d. Westpreuß. Gesch.- Ver. 60, 23 67 **) Rörig: Die Hanse, ihre europäische und ihre nationale Bedeutung. Deutsche Rundschau. Bd. 188, 265 ff".

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innere Umwandlung der Hanse. Im 15. Jahrh. ist bereits die Rivalität der Bundesglieder untereinander ungemein stark, und nicht nur die Niederländer werden vom Ostseehandel und dem Verkehr mit Rußland ferngehalten, sondern auch die Ostseestädte selber machen einander die größten Schwierigkeiten hierbei. Riga läßt sie z. B. schon seit 1460 nicht mehr zur Fahrt auf der Düna zu. Je mehr das aristokratische Stadt- regiment den unteren Klassen Zugeständnisse machen muß, um so mehr wird auch die vordem so ruhige und stetige städtische Außenpolitik [wilder und stürmischer. Ein Vergleich zwischen dem Volkshelden Wullenweber und den Führern in den ruhmvollen Kämpfen mit Waldemar läßt das deutlich erkennen.

Aus Münster liegt eine Arbeit über die dortigen Adelshöfe vor.*^'^)

Aus Aachen über die städtische Gerichtsbarkeit (viel Sondergerichte der

Zünfte Lehnsleute, Berggericht, Propstei).^'^) Aus Goslar über die

Privilegienpolitik des Rates, der erst Bergwerke erwerben will, und als

sie nichts einbringen^ die beim Ankauf eingegangenen Rentenverpflich-

[tungen loszuwerden sucht.***^) Aus Freiberg i. S. über die Handwerke r-

rorganisationen,'") aus Freiburg i. B. über die Armenpflege.^^) Eine

[Sammlung kulturgeschichtlicher Miszellen ist Erwin Volckmanns

hübsch ausgestattetes Buch über Gewerbe und Gewerbegassen, .das er

eine deutsche Berufs-, Handwerker- und Wirtschaftsgeschichte älterer

Zeit nennt."-)

Mit dem Augsburgeir Demagogen Ulrich Schwarz (gest. 1478) be- [schäftigt sich F. S c h o 1 1.'=*)

Die deutschen Städte des endenden Mittelalters haben einen eifrigen 'Lobredner in Macchiavelli gefunden. Es ist sehr erfreulich, daß auch jetzt dessen Discorsi, die bisweilen auf deutsche Verhältnisse zu sprechen kommen, in einer guten deutschen Übersetzung vorliegen.^"*)

Die starken Einwirkungen Italiens, der Einfluß der großen Be- wegung der Renaissance werden jetzt mehrfach von neuem erörtert. J^icht bloß auf die Geschichte der Wissenschaften und der Künste, [Sondern auch auf den Geist und die Bestrebungen des deutschen Adels

") Müller, Eugen: Die Adelshöfe der Stadt Münster. Münster, Aschen- dorff. 256 S. ^^) Wirtz, Hermann: Die städt. Gerichtsbarkeit in Aachen. Zt. d. Aachener Gesch. -Ver. 43, 47flP. ««) Frölieh, K.: Die Privilegienpolitik des Goslarer Rates in der 2. Hälfte des 17. Jahrh. Zt. d. hist. Ver. f. Nieder- .sachsen. 86. Bd., Heft 3/4, S. 87—120. Derselbe: Die Verzeichnisse über den Gnibenbesitz des Goslarer Rates am Rarameisberge um das Jahr 1400. Zt. d. Ver. f. Harab Gesch. 23, 103 ft'. Derselbe: Die Urkundenpolitik des Goslarer Rates im Mittelalter. Archiv f. Urkundenforschung. VHI, 215—280. (Anlegung von Registern zur Verteidigung der städt. Ansprüche.) "^O) Schnitze, Franz: Die Handwerkerorganisationen in Freiberg bis zu Ende d. 16. Jahrh. Mitt. d. Freiberger Altert.-Ver. 53, 1— .55. ^') Retzbach, Die Freiburger Armen- pflege von der Gründung der Stadt bis zum 16. Jahrh. Zt. d. Ges. f. Beförd. V. Gesch., Altert, u. Volksk. von Freiburg i. B. 36, 40—57. ") Volckmann, E.r Gewerbe u. Gewerbegassen. Würzburg, Memminger. ^»j Scholl: Bemerkungen zu Georg Panzers Dissert. über Ulrich Schwarz d. Zunftbürgermeister v. Augsburg. Zt. d. hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg 4s _ ^*) Klassiker d. Pohtik. Hrsg. V. Meinecke u. Oncken. II. Bd. Nie. MacchiavelU. Discorsi. Übers, von v. Oppeln- Bronikowski. 33G 8. Berlin, Reimar Hobbing.

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und des entstehenden Beamtentums fällt da viel neues Licht. Doch wird sich über diese Dinge, vor allem über die Studien Gerhard Ritters und H e s s e 1 s besser im Zusammenhange im nächsten Baude referieren lassen. Seit gegen Ende des IB. Jahrhunderts alle die großen Lehrer der scholastischen Theologie und Philosophie ungefähr gleichzeitig dahin- scheiden, seit ein Jahrhundert später im Schisma die Universität Paris ihre zentrale Stellung in Europa verliert, und als nach dem Scheitern der großen Konzilien die auch in ihren persönlichen Hoffnungen ent- täuschten Uiiiveireitätslehrer den Kampf um die Reform der Kirche auf- geben, da entsteht bei den Völkern nördlich der Alpen jenes eigentüm- liche Verlangen nach neuen Eindrücken, nach neuer Befruchtung, das sie so empfänglich für die aus Italien kommende Bewegung gemacht hat. Wenn die heut erfreulicherweise beginnenden Arbeiten über den Lehr- betrieb der Universitäten und über die tatsächlich in Deutschland vor- handen gewesenen und benutzten Bücherschätze weiter fortschreiten, wird man sicherere Maßstäbe zur Beurteilung des deutschen Geistes- lebens vor der Renaissance und vor der Reformation gewinnen, als wenn man wie früher allein den Herolden des Humanismus Interesse schenkt.

B. Kapitel V. Kultur- und üeistesgeschichte. (Lerche.)

Von Georg G r u p p s^ bew^ährter Kulturgeschichte des Mittel- alters erschien der 1. Band in stark verbesserter und vermehrter Auf- lage. Eine jüdische Kulturgeschichte, insbesondere eine Geschichte der Juden in Deutschland im 14. und 15. Jahrhundert gibt in jüdischer und deutscher Sprache nebeneinander M. G ü d e m a n n.^) Die kirchliche Kultur, besonders auch die persönliche und geistige Kultur der Mönche und ihrer Orden zeigt anschaulich Johannes Buhle r^) in seinem Buche: Klosterleben im deutschen Mittelalter nach zeitgenössischen Aufzeichnungen. Ausgeschöpft werden insbesondere die Chronisten und Hinterlassenschaften der großen Benediktiner und Zisterzienser. Das Buch wird weit über den Kreis der populären Sammlung hinaus Beachtung finden. Die abgedruckten Quellenstellen sind sorgfältig übersetzt, gelegentlich sind auch Handschriften benutzt; eine Übersicht über die wichtigste Literatur und sonstige Hilfsmittel ist jedem Ab- schnitt beigegeben.

Die früheste deutsche Kultur behandeln zwei Büchlein von Wilke und Girke. Wilke"*) gibt einen neuen rein archäologischen

^) Grupp, G.: Kulturgesch. d. Mittelalt. Bd. 1. 3. stark verb. u. verm. A. in. 47 111. Paderborn, Schöningh. VIII, 369 S. - '^) Güdemann, Mor: Jüdische Kulturgesch. im Mittelalter (Juden im Deutschi. d. 14. und 15. Jahrb.). Klal- Verlag. 252 S. ^) Klosterleben im dten. Mittelalter nach zeitgenöss. Aufzeichngn. Hrsg. V. Job. Bübler. Lpz. Inselverlag. 527 S. (= Memoiren u. Chroniken). *) Wilke, G.: Archäologische Erläuterungen zur Germania des Tacitus. Mit 74 Abb. Lpz., Kabitzsch. 84 S.

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Kommentar zur Germania des Tacitus, in dem er leider die neueren philologischen Ergebnisse ganz unberücksichtigt läßt. W. geht be- sonders in dem ihm vertrauten Nord-Ost-Deutschland bis in die neolithische Zeit zuiiick. Georg G i r k e'') behandelt die Tracht der Germanen auf Grund der bisherigen Forschungsergebnisse ausführlich und recht wissenschaftlich. Seine Darstellung beweist, daß die land- läufige Germanendarstellung in vieler Hinsicht unhaltbar ist.

G. J u n g'O untersucht die Geschlechtsmoral des deutschen Weibes im Mittelalter, die bekanntlich umstritten und durch die zahlreichen Tagelieder der Minnesänger einen bedenklichen Ruf erhalten hat. Das nicht erfreuliche Bild, das J. gibt, ist durchweg quellenmäßig gut be- gründet.

Die Studie von W. v. B r u n n^) über Gilden der Barbiere und Chirurgen in den Hansestädten ist auf handschriftlichem Material auf- gebaut; Br. berücksichtigt die Hansestädte von Riga bis Hamburg und Lüneburg, druckt aber im Anhange handschriftliche Quellen aus Stral-

Isund, Rostock und Wismar ab. Es ist besonders die wirtschaftliche Not imd die Zusammenschließung der Wundärzte und Barbiere in der Gilde bder im Barbieramt, die im Vordergrunde der Mitteilungen Br.'s steht. Die Geschichte der mittelhochdeutschen Literatur v.on Friedrich V o g t*) ist in ihrer neuen, dritten Auflage ein völlig neues Werk ge- worden; es liegt vor die Darstellung der Blütezeit bis auf Gottfried von Straßburg. Zur Überlieferung der mittelhochdeutschen Literatur er- wähnen wir einen Aufsatz von R. S i 1 1 i b®) zur Geschichte der großen Heidelberger (d. i. Manesseschen) Liederhandschrift und eine Ausgabe der großen Bilderhandschrift des Willehalm von Wolfram durch K. V. A m i r a.^") Diese Ausgabe, die hervorragend und glänzend ge- nannt werden kann, stellt die Münchener und Nürnberger Bruchstücke zusammen und erläutert die Bilder recht sorgfältig. Die Entstehungs- zeit legt A. in die Jahre 1250 bis 1275; die Bilder werden in Mittel- deutschland, etwa gleichzeitig mit dem Dresdener und Wolfenbütteler Sachsenspiegel und verwandten Bilderhandschriften erschienen sein.

Von einzelnen Problemen der mittelalterlichen deutschen Literatur- geschichte behandelt Andreas H e u s 1 e r") das wichtigste in seinem Buche Nibelungensage und Nibelungenlied. H. lehnt die alte Lieder-

^) Girke, G. : Die Tracht der Germanen in der vor- und frühgesehichtL Zeit, mit einem Anhang: Vom heutigen landläufigen Germanenbildnisse. 2 Bde. Lpz., Kabitzsch. VIII, 59 S., 30 Tfln. VIII, 129 S., 46 Tfln. (= Mannusbibliothek nr. 23, 24). «) Jung, G.: Die Geschlechtsmoral des dten. Weibes im Mittel- alter. Eine kulturhistorische Studie. Leipzig, Krauß. 252 S. 4^ ^) Brunn,. W. V.: Von den Gilden der Barbiere und Chirurgen in den Hansestädten. Lpz.. Barth. 80 S. - ») Vogt, Fr.: Gesch. d. mittelhochdten. Literatur. T. 1. 3 umgearb. A. Berlin, Ver. wiss. Verl. X, 368 S. (= Grundriß der dten. Lit.- Gesch. 2). ^) Sillib, R. : Zur Gesch. der großen Heidelberger (Manesseschen) Liederhandschrift u. anderer Pfälzer Handschriften. Heidelberg, Winter. 27 S. (= Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. Jg. 12, Abh. 3). *®) Amira, K. v.: Die Bruchstücke d. großen Bilderhandschrift von Wolframs Willehalra. Farbiges Facsimile in 20 Tfln. nebst Einleitg. München, Hanfstengl. 30 S., 20 Tfln. 1920. ^') Heusler, Andr.: Nibelungensage u. Nibelungenlied, Die Stoff'gesch. des dten. Heldenepos dargest. Dortmund, Ruhfuß. 236 S.

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theorie endgültig ab. Auf dem Grunde einer Brünhildensage und einer Burgundensage aus dem 5./6. Jahrhundert entwickelt sich eine Fort- bildmig in drei Stufen. Schließlich erfolgte um 1205 auf österreichischem Boden durch einen wirklichen Dichter, eine große starke Persönlichkeit, die Zusammenfassung des ganzen Stoffes der beiden Sagen, wie sie damals vorlagen, in ein Gedicht. G. Baeseck e^^) erörtert die Be- ziehungen zwischen Hraban und Walafrid Strabo und findet damit eine feste Datierung der fuldischen Sprachdenkmäler. Die Frage, ob Kaiser Heinrich VI. ein Minnesänger gewesen sei, verneint Jobs. Haller^') insofern, als er es als höchstwahrscheinlich darstellt, daß König Heinrich (VII.) der Sohn Kaiser Friedrichs IL, der Verfasser der drei tiefempfundenen Gedichte sein wird, die in der Stuttgarter und Heidel- berger Liedersammlung einem Kaiser Heinrich zugeschrieben sind. Weitere Einzelheiten von Geisler,**) RoedervonDiersbur g,*"^) Kaiser*^*) erwähnen wir nur dem Namen nach, ebenso Gottfried Zedier s*") Buch über den holländischen Frühdruck, das auch manchen gelehrten Beitrag zur deutschen Druckgeschichte bietet.

Zur Geistesgeschichte führen wir zunächst an die philosophischen Darstellungen, und zwar W i c h m a n n s*®) Scholastiker, kurz und wenig selbständig, und die Philosophie des Mittelalters von Jobs. V e r - w e y e n ,*^) die auch größte Ansprüche im Rahmen des Gesamtwerkes befriedigt.

Zur Geistes- und Schulgeschichte notieren wir die von G. B u c h - w a 1 d und Th. H e r r 1 e-^) herausgegebenen Redeakte bei Erwerbung der akademischen Grade an der Universität Leipzig im 15. Jahrhundert. Benutzt sind hierzu sechs Leipziger Handschriften und eine Handschrift der Fürst Georg-Bibliothek zu Dessau. Die Vorbilder, die bei diesen Redeakten ähnlich in Prag und vor allemi in Paris zu finden sind, wurden nur gelegentlich herangezogen. Mehr als einen Beitrag zur Ge- schichte der Spätscholastik oder gar zur Geschichte der Heidelberger Universität in der Frühzeit bedeutet die Arbeit von G. Ritte r^*) über Marsilius v. Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland. R., der auf diesem Gebiet schon eine anerkannte Autorität bedeutet, ver-

*^) Baesecke, G.: Hrabans Isidorglossierung, Walahfrid Strabus u. d. althoch- deutsche Schrifttum. Zt. f. dies. Altertum. 58,241—279. ^^) Haller, Joh.: War Kaiser Heinrich VI. ein Minnesänger? Neue Jahrbb. f. d. klass. Altert. . . 1921. I. S. 109—126. 1*) Geisler, W.: Fürsten u. Reich in d. polit. Spruchdichtung d. dten. Mittelalters nach Walther v. d Vogelweide. ' Greifswald, Moninger. 77 S.

^^) Roederv. Diersburg, E. Freiin: Komik u. Humor bei Geiler v. Kaisersberg. Berl., Eberling. VIII, 120 S. ^^) Kaiser, Elsbet: Frauendienst im mittelhochdten. Volksepos. Breslau, Marcus. VII, 106 S. *'') Zedier, Gottfr.: Von Coster zu Gutenberg. Der holl. Frühdruck u. die Erfindg d. Buchdrucks. Mit 26 Doppeltfln. u. 49 Abb. Leipzig, Hiersemann. XI, 194 ö. 4^ ^^) Wichmann. 0.: Die Scholastiker. München, Rösl. 188 S. (Philosophische Reihe Bd. 15). i») Ver- weyhen, Joh.: Die Philosophie d Mittelalters. Berlin, Ver. wiss. Verl. X, 308 S.

^) Redeakte bei Erwerbung d. akadem. Grade an d. Universität Leipzig im 15. Jahrh. Aus Hss. d. Üniv.-Bibl. Hrsg. v. G. Buchwald u. Th. Herrle. Lpz., Teubner. IV, 97 S. 2^) Ritter, Gerh.: Marsilius von Jnghen u. die Okka- mistische Schule in Dtl. Heidelberg, Winter, 210 S. (= Studien z. Spätscholastik = Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss. PhiL-hist. Kl. 12. Jahrg., Abh. 4.)

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öft'entlichte verwandte Studien in der Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins. Auch die vorliegende Studie bedeutet einen wertvollen Beitrag zur Ver- breitung und Vertiefiuig der okkamistischen Lehre in Deutschland. Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg von. Albert W e r m i n g - h o f f--) führt weit in den Humanismus hinein und sei hier nur dem Namen nach genannt.

B. Kapitel VI. Kunstgeschichte. (Lerche.)

Im Vordergrunde steht Georg D e h i o s^) Geschichte der deutschen Kunst, von der der zweite Band des Textes und der Abbildungen vor- liegt. D. behandelt hier die Zeit von 1250 bis 1500, und zwar zunächst die Baukunst, dann die darstellenden Künste und im Anschluß daran noch den Bilddruck und das Kunstgewerbe. In der Baukunst tritt nun neben die kirchliche Kunst auch die weltliche Baukunst: Burg und Stadt werden eingehend behandelt. Hinter dem 15. Jahrhundert tritt das 14. Jahrhundert zurück. Was sich im 14. Jahrhundert anbahnte und nur leise bemerkbar machte, tritt im 15. Jahrhundert in Fülle und Vollendung in Erscheinung. D. lehnt die Spätgotik als mit der Renaissance verwandt ab; die besondere Entwicklung, die die Gotik in Deutschland durchmachte, veranlaßt D. der Spätgotik in Deutschland die Bezeichnung Sondeigotik zu geben. Das Buch ist mit Begeisterung, aus der Fülle giöß+er Sai'bkenntnis und mit abwägender Sorgfalt ge- schrieben: es ist selbstverständlich, daß D. bei manchen Gegenständen länger verweilt als bei anderen: damit wird die starke persönliche Note des Werkes iedodi nur anmutiger und erfrischender. Die wichtigste baugeschichtliche Veröffentlichung für das Mittelalter haben wir in dem jetzt erschienenen ersten Bande der Hohenstaufenbauten in Unter- italien, bearbeitet von A. Haselof V) Das gewaltige Werk, das trotz aller offensichtlichen Schwierigkeiten weiter gefördert werden konnte, zeigt Friedrich IL als einen Bauherrn ohne gleichen.

Der Geschichte der Baukunst bezw. der Plastik im, weitesten Sinne sind gewidmet die Ai-beiten von Hindenberg,=^) Ahlenstiel- Eng e P) und Weis e.'*) Die Arbeit von E. L ü t h g e n,<*) die dein

^^) Werminghoff, A.: Conrad Celtis u. sein Buch über Nürnberg. Frei- burg, Boltze. VII, 245 S.

*) Dehio, Georg: Gesch. d. dten. Kunst. Bd. 2. Text u. Abb. Berlin, Ver. wiss. Verl. IV, 350 u. 435 S. ^) Die Bauten d. Hohenstaufen in ünteritalien. Hrsg. V. Preuß. hist. Institut in Rom. Bd. 1. .v. A. Haseloff: Aufmessungen u. Zeichnungen von E. Schulz u. Ph. Langewand. Lpz., Hiersemann. XV, 448 S. m. 92 Abb., 4», u. Tafelband VI u. 61 Tfn. gr. 2». 3) Hin den b er g, Ilse: Benno IL, Bf. v. Osnabrück als Architekt. Straßburg, Heitz. 107 S. 4^ *) Ahlenstiel -Engel. E.: Die Stilist. Entwickl. d. Hauptblattform der roman. Kapitelornamentik in Dtl. u. der Wesensunterschied der roman. Bauornamentik in Dtsl., Frankreich u. Italien. Repertorium f. Kunstwiss. 43, S. 135-220. ') Weise, G.: Die gotische Holzplastik um Rottenburg, Horb u. Hechingen. Teil. 1: Die Bildwerke bis zur Mitte d. 15. Jahrh. Tübingen, Fischer. 208 S., 61 Abb. ^) Lüthgen, E.: Rheinische Kunst d. Mittelalters aus Kölner Privatbesitz. Mit 107 Abb. auf 104 Tfln. Bonn, Schroeder. VIH, 111 S.

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Rheinland gewidmet ist, stellt dagegen schon die Malerei in den Vorder- grund und erörtert grundsätzlich den Wesensunterschied zwischen morgen- und abendländischer Kunst. Im ganzen ist das Buch mehr eine philosophische Einführung in das Wesen der rheinischen Kunst im Mittelalter. Heinrich W ö 1 f f 1 i n") hat sich mit der zweiten, ver- mehrten Ausgabe der Bamberger Apokalypse ein großes Verdienst er- worben. So erst können wir Wert und Wirkung dieser gewaltigen Bilderhandschrift der Reichenauer Schule annähernd ermessen. Einer Einleitung über die Technik und den malerischen Stil des Reichenauer Künstlers folgt die Reihe der Bilder der Apokalypse, des Königsbuches und der anderen verwandten Münchener Handschrift in hervorragendem Lichtdruck. Dem Meister Konrad von Soest hatte Karl H ö 1 k e r®) im Vorjahre eine Studie gewidmet, die in erster Linie Vorbilder und Quellen Konrads aufdeckt. Ungefähr gleichzeitig mit dem Buche Hölkers erschien ein Buch von P. J. M e i e r ,") das dem Werke und der Wirkung des Meisters nachgeht. M. stellt die Wirkung Konrads sehr ein- gehend und als höchst bedeutend in Nordwestdeutschland dar; es ist nicht daran zu zweifeln, daß neben Schongauer und Dürer Konrad von Soest die stärkste Wirkung gehabt hat. Zu Matthias Grünewald er- wähnen wir einige Aufsätze,") von denen besonders der Alfred Martins über die zünftige Kunstgeschichte hinaus Interesse finden wird.

Mit seinem großangelegten Werke „Der Bilderschmuck der Früh- drucke" kommt Albert S c h r a m m^^)*^) einem vielfachen Bedürfnis entgegen. Es liegen vor die Bände 3 und 4, die die Augsburger Johann Baemler und Anton Sag behandeln. Einer kurzen biographischen Notiz folgen ausführliche Angaben über die Tätigkeit des Meisters, die Stellung seiner Offizin in der Gesamtgeschichte des Buchdrucks und eine be- sondere Bibliographie. Auf Tafeln chronologisch zusammengestellt folgen dann die Bilder der einzelnen Frühdrucke in Strichätzung wieder- gegeben.

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'') Wölfflin, H.: Die Bamberger Apokalypse. Eine Reichenauer Bilder- handschrift vom Jahre 1000. 2. verm. Aufl. 63 Lichtdr. u. 2 färb Tfln. München, Wolff. 39 S. 65 Tfln. 34x25 cm. ») Hölker, K : Meister Konrad v. Soest u. seine Bedeutung f. d. norddte. Malerei in d. 1 Hälfte d 15. Jahrh. München, Coppenrath. 63 S, 21 Tfln. ^) Meier, P. J.: Werk ü. Wirkung des Meisters Konrad v. Soest. Münster, Coppenrath. 95 S. 10 Tfln. (= Westfalen, Sonderheft 1). '°) Voegelen, M., W. K. Zu Ich u. A. Martin: Zur Grünewaldforschung. D.: Die Verspottung von M.G. E.: Das Dunkel um G. Mathis Gothardt alias Nyhard v. Würzburg. F.: Medizin-, Kultur- u. Kunstgeschich tl. zum Isenheimer Altar. Repert. f. Kunstwiss. 43, ^. 9 43. ^^) Schramm, A.: Die Drucke von .Johann Baemler in Augsburg. Lpz , Hiersemann. 26 S., 113 Tfln. 2^ (= Der Bilder- f-chmuck d. Frühdrucke. Bd. 3.) ^^l Schramm, A.: Die Drucke von Anton Sag in Augsburg. Lpz., Hiersemann. 52 S., 382 Tfln. (= Der Bilderschmuck der Frühdrucke. Bd. 4).

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B. Kapitel VII. Lokalgeschichte. (Lerche.)

Von großer Bedeutung sind hier die Arbeiten von Stengel und Zedier; sie sind beide in erster Linie diplomatisch und werden daher an anderer Stelle ausführlicher gewürdigt werden müssen. Stengels^) Arbeit stützt sich auf eine Kasseler Handschrift, die ur- kundliche Aufzeichnungen usw. des Rudolf Losse, gestorben am 7. Ja- nuar 1364 als Dekan des Mainzer Domkapitels, vom 13. Jahrhundert bis 1344 enthält; eine andre Handschrift Lossescher Notizen in Darmstadt war schon bekannt und mehrfach herangezogen, reicht auch bis 1364. St. hat sich nun bemüht, beide Handschriften gleichmäßig auszuschöpfen und ineinander zu arbeiten. Er legt den ersten Teil, bis 1339 gehen,d, vor und hat alles Zugehörige in Archiven und Bibliotheken des west- mitteldeutschen, kurmainzischen Kulturkreises hineingearbeitet. Die Edition steht technisch auf der Stufe höchster Vollendung. Dagegen muß der Diplomatiker die Arbeit Z e ,d 1 e r s ,2) der sich auf anderen Gebieten einen so guten Namen gemacht hat, durchaus ablehnen. Zedier setzt sich in der Einleitung darüber auseinander, inwiefern der Diplomatiker nicht ohne den Lokalhistoriker urteilen und verurteilen darf: diese Angelegenheit ist auch in diesem Bericht an anderer Stelle eingehend zu erörtern. Z. behandelt im Anschluß besonders an die Kritik der F. J. Bodmannschen Rheingauischen Altertümer den Rhein- gau nach Pfarrbezirken: Oestrich, Eltville, Geisenheim, Rüdesheim, Lorch, die Überhöhischen Dörfer und dann den Rheingau als Ganzes. Sodann kritisiert Z. die Bleidenstädter Traditionen und die echten Bleidenstädter Geschichtsquellen. Die Arbeit bringt sicherlich für die Lokalgeschichte mancherlei Wertvolles. K. F r ö 1 i c h^) wird durch die Entdeckung einer neuen Quelle im Goslarer Stadtarchiv, der Annalen von 1508 ff., in die Lage versetzt, in der Aufhellung der mittelalterlichen Ratsverfassung Goslars w^eit über Feine hinauszukommen. H. W e i g e 1*) behandelt eingehend die Deutschordenskomturei in Rothenburg o. T. und gibt damit weit über 4ie lokalgeschichtliche Bedeutung hinaus einen wertvollen Beitrag zu dem Thema Bürgerschaft und Geistlichkeit in mittelalterlichen Städten. Die Stadtpfarrkircbe St. Jakobi zu R. war Filialkirche von Dettwang und daher im Besitze des deutschen Ritter- ordens. Die Bewegung der Bauern richtete sich in R. bekanntlich vor- nehmlich gegen die Deutschherren. K. M e y e r'*) behandelt die Ver-

*) Stengel, Edmund E.: Nova Alamanniae. Urkunden, Briefe u. andre Quellen bes. zur dien. Gesch. des 14. Jahrh. ... 1. Hälfte. Berlin, Weidmann 416 S. 2) Zedier, Gottfr.: Kritische Untersuchungen zur Gesch. d. Rhein gaues. Beiträge zur nassauischen u. mainzischen Gesch. d. Mittelalt. Wiesbaden, Verein f. nass. Altertumskde XVI, 384 S., 22 Tfln. (= Nassauische Annalen. Bd. 45). ^) Frölich, K.: Verfassung u. Verwaltung der Stadt Goslar im Mittelalt. Goslar, Koch in Komm. 9i» S. *) Weigel, H., Die Deutschordens-Komturei Rothen- burg 0. Tauber im Mittelalter. Ihre Entstehung, ihre wirtschaftliche u. kirchl. Bedeutung... Lpz., Deichert. XVI, 166 S. *) Meyer, Kurt: Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziats. Ölten: Dietschi. VI, 389 S.

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fassuiigszustände in Solothurn zur Zeit des Patriziats. Mit Rücksicht auf die eigenartigen Verhältnisse in S., das recht lange unter exklusivem Fanülienreginient stand, hat die Arbeit Bedeutung über die lokalen Grenzen hinaus. Wir erwähnen die Fortsetzung des Codex diplo- maticus Lusatiae Superioris'*) und die Fortsetzung der Frankfurter Handelsgeschichte durch D i e t z^) und verschiedenes andre noch dem Namen nach.^^*®)

B. Kapitel VIII. Rechts-, Verfassungs- und Sozialgeschichte. (Lerche.)

Die Hauptquelle der Rechts- und Verfassungsgeschichte des deutschen Reiches im Mittelalter, die Reichstagsakten') sind um einen Teilband, der die Jahre 1441 und 1442 unter Friedrich III. behandelt, fortgeschritten. Ebenfalls ist Julius F i c k e r s-) großes Werk vom Reichsfürstenstande in der Bearbeitung von Puntschart um einen Teil- band weitergekommen. Die Vorlage Fickers ist im ganzen beibehalten, doch ist vielfach nachgearbeitet und neue Literatur eingehend heran- gezogen, z. B. die den Prozeß Heinrichs d. Löwen betreffende. Ausführlich wird die Reichshoffahrt behandelt, wobei sich kein wesentlicher Unter- schied zwischen der nach Lehenrecht oder nach Landrecht Pflichtigen Hoffahrt ergibt. Es werden dann welter Landhoftage, die nicht für das ganze Reich, und Reichshof tage außerhalb Deutschlands erörtert. Ein- gehend wird die Frage, ob der Besuch der letzteren Pflicht der Fürsten war, beleuchtet. Schließlich geht F. ein auf fürstliche Hoftage und Landesfürstentage. Über die Königswahl haben wir zunächst zu nennen die Arbeit N e u m a n n s,^) die im wesentlichen die Ansicht Blochs ver- tritt. N. behandelt die Wahlen Heinrich Raspes, Wilhelms von Holland, Richards v. Cornwallis und Alfons' von Kastilien, um dann besonders die Wahl Rudolfs zu besprechen und bei ihr den päpstlichen Einfluß nachzuweisen. Die Selbstwahl zum deutschen Könige, die durch die goldene Bulle eine reichsgesetzliche Regelung fand, behandelt

®) Codex diplomaticus Lusatiae superioris IV, umfassend die Oberlausitzer Urkunden unter König Albrecht II. u. Ladislaus Posthumus. Hrsg. v. R. Je cht. Heft 5. 1452-^54. Görlitz, Tzschoschel in Komm. (S. 737-930.) "^j Dietz, A.: Frankfurter Handelsgesch. Bd. 2, 3. Frankfurt a/Main, Selbstverlag. XI, 432 S. VIII, 402 S. ®) Jaeger, J.: Bilder aus der goldenen Mark. Duderstadt, T. l, 2. Duderstadt, Mecke. IV, 80, IV, 76 S. ~ ») Beitzen, Hans: Die Ent- stehung der Hildesheimer Rats- und Ratsgerichtsverfassung. Göttingen, Vanden- hoeck & Ruprecht. Diss. jur. 63 S. ^°} Rothert, Herrn.: Aus der Vergangen- heit d. Osnabrücker Landes. Aufsätze . . . Quakenbrück, Kleinert in Komm, II, 52 S.

*) Dte. Reichstagsakten. Hrsg. durch die bist. Komm, bei der bayer. Akademie d. Wiss. Bd. 16, 1: Dte. Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 1441—1442. Hrsg. V. Herm. Herr e. Gotha, Perthes. VIH, 206 S. 2) Ficker, Julius: Vom Reichsfürstenstande. Forschungen zur Gesch. d. Reichsverfassung, zunächst im 12. und 13. Jahrb. Bd. 2. Hrsg. u. bearb. v. P. Puntschart, Teil 2. Graz u. Lpz., Moser. XIII, 275 S. ^) Neumann, AV.: Die dten. Königswahlen u. der päpstl. Machtanspruch während des Interregnums. Berlin, Ehering. 109 S.

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E. H 0 y e r ;*) er zeigt, wie die Entwicklung des Wahlverfahrens zur Schaffung gesetzlicher Normen für die Wahl überhaupt und im Rahmen derselben auch für die Selbstwahl führt und behandelt ausführlich dann die Stellungnahme Karls IV. ') H. E. Meyer«) behandelt die Pfalz- grafen der Merowinger und der Karolinger in ihrer doppelten Eigen- schaft als Beamte der Hofverwaltung und der Reichsregierung. Schon in merowingischer Zeit haben die Pfalzgrafen bedeutenden Anteil am Königsgericht. Eine wesentliche Änderung in der Karolingerzeit erfolgt nicht, vielmehr handelt es sich um die Durchbildung der Tätigkeit der Pfalzgrafen, wie sie von Anfang an grundsätzlich bestand, schließlich auch in den karolingischen Teilreichen. Die Reichsreform wurde im 15. Jahrhundert weniger in der Praxis, als in der Form politischer Traktate und Theorien betrieben. E. MJolitor^ versucht diese mancherlei Zusammenkünfte, Verabredungen, Vorschläge usw., die doch im ganzen ergebnislos blieben, darzustellen. Diese Zusammenfassung, die auch alle Vorabeiten berücksichtigt, mag immerhin erwünscht er- scheinen.

Von einzelnen Gebieten der Rechtsgeschichte nennen wir zunächst das höchst anerkennenswerte, aus dem Nachlaß herausgegebene Buch über Beweis und Wahrscheinlichkeit im älteren deutschen Recht von E. Mayer- Homberg.^) M. lehnt die bisher herrschende Lehre, daß Bew'eis Vorteil, Vorrecht des Angegriffenen nach den Quellen ab, er erörtert sodann das Wissen der Partei als Beweiszuteilungsgrund, die Gewere als Beweiszuteilungsgrund und sodann vornehmlich das Vor- wiegen bezw. Zurücktreten von Zeugen und Urkunden als Beweis- ^ mittel. H. M i 1 1 e i s**) erörtert die Geschichte des Versäumnisurteils besonders im französischen Recht, doch geht er für die fränkische Zeit und für die Zeit der Rechtsbücher noch näher auf deutsche Verhältnisse ein. Im 13. und 14. Jahrhundert wendet er sich dann mit inquisitio und eremodicium mehr den französischen Einrichtungen, dem Parla- mentsprozeß zu. Auf Grund vornehmlich sächsischer Quellen an- hangsweise wird ein Verzeichnis der Ausgaben sächsischer Stadtbücher gegeben untersucht W. Schönfei d^") die Vollstreckung der Ver- fügungen von Todes wegen im Mittelalter. Die Einzeluntersuchung erstreckt sich auf das Objekt der Vollstreckung un^d auf den Begriff* einer solchen Verfügung und ihre Arten, sodann auf das Subjekt der

*) Hoyer, E.: Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle. Zt. d. Savignysliftg. f. R.G. 42. Germ. Abt. S. 1—109. ß) Stutz U.: Reims u. Mainz in der Königswahl des 10. u. zu Beginn des 11. Jahrh. Sitz.-Ber. d. preuß. Akad. d. Wiss. 1921. S. 414-433. «} Meyer, Hans E.: Die Pfalzgrafen der Mero- winger u. der Karolinger. Zt. d. Savignystiftg. f. R.G. 42. Germ. Abt. S. 380 bis 463. ') Molitor, E.: Die Reichsreformbestrebungen d. 15. Jahrh. bis zum Tode Kaiser Friedrichs III. Breslau, Marcus. X, 222 S. ») Mayer-Hom- herg, E. : Beweis u. Wahrscheinlichkeit nach älterem dten. Recht. Marburg, Elwert. VIII, 304 S. •) Mitteis, H., Studien zur Gesch. des Versäumnisurteils besonders im französischen Recht. Zt. d. Savignystiftg. f. R.G. 42. Germ. Abt. S. 137 bis 239. ") Schönfeld, W.: Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen. Zt. d. Savignystiftg. f. R.G. 42. Germ. AH. S. 240-379. ^

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Vollstreckung, auf den Begriff des Vollstreckers, von dem er verschie- dene Arten angibt (Salmann, Vormund der gave, Testaments- vollstrecker). Der Aufsatz ist, wie der Verfasser im Untertitel angibt, in derTat ein wertvoller Beitrag auch zur Geschichte des Seelgeräts. Fr. E. Meyer") gibt Beiträge zur Geschichte des Immobilienrechtes der deutschen Schweiz im 13./15. Jahrhundert und zeigt mancherlei Parallelen und wohl ebensoviel selbständige Erscheinungen im Ver- gleich mit den ähnlichen und gleichzeitigen deutschen Verhältnissen. Im Vordergrunde stehen Wesen und Bedeutung der Gewere und ihr doppelter Inhalt: faktische Nutznießung einer Sache und dingliches Recht an einer Sache. Sodann legt M. dar, daß die Gewere vielfach als Verfügung angesehen wird, als Investitur, im Gegensatz zur früheren Übertragung (sale, traditio). Auch sprachlich und kulturgeschichtlich bieten M.'s Ausführungen mancherlei Neues. Die Darstellung der Veme durch Schnettle r^^) j^t auch für einen weiteren, nicht wissenschaft- lichen Kreis gedacht.

Kirchliche Rechtsgeschichte. Die greifbare Beein- flussung des liber de unitate ecclesiae conservanda, der zur Wiederbele- bung der konziliaren Theorie des Konrad von Gelnhausen in schärferer Form und mit zur Berufung des Konzils von Pisa 1409 beitrug, durch mittelalterliche, insbesondere frühmittelalterliche (Augustin) Anschau- ungen stellt G a f f r e y^=*) dar. W. K i s s 1 i n g^^) behandelt ,das Ver- hältnis zwischen sacerdotium und Imperium nach den Anschauungen der Päpste von Leo d. Gr. bis Gelasius. Bernheim, der diesen Stoff wesentlich im Gesichtspunkte Augustins behandelt, geht erst von Gelasius I. aus. Somit wird für den bedeutendsten seiner nächsten Vorgänger hier die notwendige Vorstufe bearbeitet. H. T h o m a s^"') erörtert die rechtlichen Festsetzungen des pactum Ludovicianum von 817, dessen Echtheit aus dessen Verhältnis zu dem pactum von 816 zu- nächst festgestellt wird. Die Verfasserin legt dar, was Ludwig dem Kirchenstaate gegenüber aufgibt und versucht Ludwigs Charakter im Hinblick auf ihre Feststellungen neu zu beleuchten. Die portio cojigrua, ein Existenzminimum ist den Spiritualienverwesern oft von den Pfründeninhabern verweigert oder erst nach Überwindung von Schwierigkeiten zugebilligt. Erst das Lateranum hat angeordnet, daß neben dem formellen Amtsinhaber auch derjenige, der die Seelsorge ver- sieht, Anteil an den Temporalien der Pfründe haben soll: das wird von J. Bombi e ro- K rem enac^°) mit besonderer Berücksichtigung

") Meyer, Fr. Ernst: Zur Gesch. des Immobilienrechtes der dten. Schweizr- im 13. bis 15. Jahrb. Breslau, Marcus. XV, 209 S. ^^) Schnettler, 0.: Die Veme. Entstehung, Entwicklung u. Untergang d. Frei- u. heiml. Gerichte West- falens. Dortmund, Lensing. 134 S. ") Gaffrey, B.: Der liber de unitate ecclesiae conservanda im Lichte mittelalt. Zeitanschauungen. Berlin, Ehering. XV, 179 S. ") Kissling, W.: Das Verhältnis zwischen Sacerdotium und Imperium nach den Anschauungen d. Päpste von Leo d. Gr. bis Gelasius I. (440-496). Paderborn, Schöningh. XIII, 149 S. i») Thomas, Hildeg.: Die recbtl. Festsetzungen des pactum Ludovicianum von 817. Ein Beitrag zur Echt- beitsfrage. Zt. d. Savignystiftg. f. R.G. 11. Kan. Abt. S. 124—174. '*) Bom- biero-Kremenac, J.: Gesch. u. Recht der „portio congrua* mit hesond. Berück- sichtigung Österreichs. Zt. d. Savignystiftg. f. R.G. IL Kan. Abt. S. 31—124.

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Österreichs ausgeführt. A. Schröder ,^") dem wir die allgemeine Geschichte des Archidiakonats bis ins 11. Jahrhundert verdanken, be- schäftigt sich nun als der beste Kenner sowohl der grundsätzlichen Rechtsverhältnisse, als auch der Augsburger Lokalgeschichte mit dem Archidiakonat des Bistums Augsburg, der durchweg bis auf den des Domkapitels sehr früh eingegangen ist. In dem Aufsatze H. Foerster s^^) über die Organisation des erzbischöflichen Offizialatsgerichtes zu Köln bis auf Hermann von Wied werden nach einem Rückblick auf die Frühzeit zunächst die Organisation auf das Ver- fahren im allgemeinen, sodann die Gerichtsbeamten und ihre Tätigkeit eingehend unter sehr gründlicher Ausnutzung der lokalen Quellen ge- schildert.

Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Kötzsch- Jv e s^^) Grundzüge sind in neuer umgearbeiteter Auflage erschienen, in der auch die ältesten Zustände die notwendige Beleuchtung finden. K. schildert den wirklichen Verlauf der deutschen Wirtschaftsgeschichte zugleich im Hinblick auf die Nachbarländer und schließt mit den kata- strophalen Folgen des 30 jährigen Krieges für die deutsche Wirtschaft. Es ist erstaunlich für unsere Zeit und zugleich ein hervorragender Be- weis für die Güte und die Anregungsstärke des Buches, daß A. D o p s c h'^ö) Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit schon in zweiter Auflage vorliegt. Der Verfasser hat seine Thesen im ganzen beibehalten, er hat auch nicht nötig, sich viel mit gegnerischen Rezen- senten auseinanderzusetzen. Überall merkt man die sorgfältige Nach- prüfung und die nachbessernde Hand; die neue Literatur ist gründlich lierangezogen."-^)

K. H a m p e s^^) Zug nach dem Osten ist nicht ohne zeitgeschicht- lichen und nationalen Hintergrund denkbar. Die gewaltige kolonisa- torische Leistung des deutschen Volkes im Mittelalter bis zum Zu- sammenbruch von Hanse und Ordensstaat darf uns füglich Kraft in der Gegenwart und in einer dunklen Zukunft geben. A u d e t a t^^) schließt sich vielfach eng an A. Schuttes Geschichte des mittelalterlichen Handels an und ergänzt das dort gewonnene Bild für die Mittelschweiz.

") Schröder, AI fr.: Der Arcliidiakonat im Bistum Augsburg. Dillingen, Ver- lag d. Ver. f. d. Gesch. d. Höchst. Augsburg. 135 S. ^^) Foerster, Hans: Die Organisation des erzbischöfl. Offizialatsgerichts zu Köln bis auf Hermann von Wied. Zt. d Savignystiftg. f. R.G. 11. Kan. Abt. S. 254-350. ") Kötzschke R.: Grundzüge d. dten. Wirtschaftsgesch. bis zum 17. Jahrli. 2. umgearbeit. A. Lpz., iTeubner. VI, 194 S. (= Meisters Grundriß der Geschichtswissensch. II, 1). ^^) Dopsch, A.: Die Wirtschaftsentwickelung d. Karolingerzeit, vornehmlich in Dtl. T. 1. 2. veränd. u. erweit. A. Weimar, Böhlau. XV, 402 S. ") Heil, B.: Die dten. Städte u. Bürger im Mittelalter. 4. A. Lzp., Teubner. 131 S. (= Aus Natur und Geisteswelt. Bd. 43). ^'^j Hampe, K.: Der Zug nach dem Osten. Die kolonisator. Großtat d. dten. Volkes im Mittelalter. Lpz., Teubner. 108 S. (= Aus Natur u. Geisteswelt. 731)! ^3) Audetat, E.: V'erkehrsstraßen u. Handehbeziehungen im Mittelalter. Langensalza, Beyer. 124 S. Diss. phil. Bern.

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C. Neuere Zeit.

Kapitel I.

Reformation, Gegenreformation und 30 jähriger Krieg

(1517—1648). (Loewe.)

Luther und die Reformation. Allgemeines, Seine an verschiedenen Stellen zerstreuten, zum Teil auch noch nicht gedruckten Abhandlungen zur Kirchengeschichte vereinigte H o 1 1^) in einem Sammelwerke, dessen erster, im Berichtsjahr erschienener Band Luther gewidmet ist. Wir nennen daraus als das Kernstück die Abhandlung über die Religion des Reformators, ferner die für den Histo- riker besonders wichtigen Studien über die Entstehung von Luthers KirchenbegrilT, über Luther und das landesherrliche Kirchenregiment, Luthers Urteile über sich selbst. Nach E. Hirsch's Urteil (Theol. Lite- raturzeitung 1922 S. 312 ff.) ist die Sammlung HoU's als eine Fundgrube für den Historiker auf Jahrzehnte hinaus zu bezeichnen. Der letzte Auf- satz über die Kulturbedeutung der Reformation berührt sich mit einer durch universalen Weitblick ausgezeichneten Betrachtung Scheels-^) über die w eltg,eschichtliclue Bedeutung der Wittenberger Reformation. Scheel geht von der Beobachtung aus, daß es zu den Mitteln der geistigen Propaganda während des Weltkrieges gehörte, die Welt- bedeutung Calvins gegenüber Luther zu übertreiben. Demgegenüber betont er, daß die Genfer Reformation freilich größere Ausdehnung und Verbindung mit den aufsteigenden Weltmächten gewonnen hat, daß aber Calvin selbst in Luther seinen Meister verehrte und daß das deutsche lutherische Staatski rchentum in neuerer Zeit eine Art Calvinisierung durchgemacht hat. Die Betrachtung schließt mit der These, das neue Leben, das die Reformation brachte, sei zu selbständig gewesen, als daß es in irgendeine Form des Mittelalters gebracht werden könne.

Von der groß angelegten Biographie Luthers aus der Feder Scheels^) erschien der erste Band, der der reformationsgeschicht- lichen Forschung so starke neue Antriebe gegeben hat, bereits in dritter Auflage, er ist durch Anmerkungen vermehrt, ,die sich mit der neueren Literatur auseinandersetzen. Seine Lutherbiographie, deren zweiter Band in Jahrgang 2 S. 52 angezeigt werden konnte, brachte Berge r*) mit dem dritten Bande zum glücklichen Abschluß. Er behandelt darin, die Epoche von 1532 bis zum Tode Luthers, die inneren und äußeren Beziehungen zwischen dem Luthertum und den nicht katholischen

*) Höll, K.: Gesammelte Aufsätze z. Kirchengesch. Bd. 1: Luther. Tübingen, Mohr. 458 S. 2) Scheel, 0.: Die weltgeschichtl. Bedeutung d. Wittenberger Reformation. Festgabe von Fachgenossen und Freunden A. v. Harnack dargebr. S. 362-88. ») Scheel, 0.: Martin Luther. Bd. 1, 3. Aufl. Tübingen, Mohr. VIII, 340 S. *) Berger, A. E.: Martin Luther in kulturgeschichtl. Darstellg. Teil 3: 1532—46. (Geisteshelden 71, 72.) Berlin, E. Hofmann & Co. X, 370 S.

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Parteien, endlich in einem besonders anziehenden Kapitel Luthers amtliches Wirken und häusliches Leben. Seine eigene Note gibt dem Bergerschen Gesamtwerk sein breiter, im weitesten Sinne des Wortes kulturgeschichtlicher Unterbau, der ihm neben den miehr theologisch orientierten Darstellungen des Stoffes dauernde Geltung verbürgt.^-?)

Einzelnes. A. V. M ü 1 1 e r**) bietet eine Schilderung des Observantenstreites im Augustinerorden un,d der die Selbständigkeit der Kongregation der Ordensleitung gegenüber vertretenden Politik von Staupitz. Luther bekämpfte demgegenüber die Trennung von der Zentralleitung, es geht daher nach dem Urteile Müllers nicht an, ihn als halben Rebellen zu schildern, um so das Bild des „Haeresiarchen" zu erklären. Seine Studien zur Geschichte des Franziskanerordens im 16. Jahrhundert setzte Doelle^) mit einer Abhandlung über die Martinianische Reformbewegung fort, die willkommenen ELn])lick in das innere Leben des Ordens bietet; sie ist ein Seitenstück zu der Jahrg. 1 S. 97 angezeigten Studie desselben Autors über die Observanzbewegung in der sächsischen Franziskanerprovinz. P a u 1 u s^") zeigte, daß noch in den Jahren 1519 un,d 1520 der Ablaß in Wittenberg ausgeboten wurde, legte auch eine zusammenfassende Abhandlung über den Abliaß im Mittelalter als Kulturfaktor vor.^^) Er behandelt darin die Bedeutung, die der Ablaß für kirchliche und gemeinnützige Zwecke hatte: für Kirchenbauten, Krankenhäuser, Kreuzzüge, aber auch für Brücken- und Straßenbauten, für Koloiiisationszwecke u. a. Derselbe Autor* 2) wendet sich gegen die Behauptung A. V. Müllers, ,daß Tetzel ein Bullen- fälscher gewesen sei.

Die große Veröffentlichung der Werke katholischer Schriftsteller im Zeitalter der Glaubensspaltung, das Corpus Catholicorum, wurde rüstig weiter gefördert. Im Berichtsjahre erschien ein von Metzle r*=^) herausgegebenes, der literarischen Tätigkeit Johann Ecks gewidmetes Heft, ferner eine von Thurnhofe r*^) besorgte Ausgabe der Schriften des Humanisten Hieronymus Emser, der als Sekretär Herzog Georgs von Sachsen den Kampf gegen Luther aufnahm. Der Herausgeber hat der Ausgabe einen sorgfältigen Kommentar und eine

*) Berger. A. E.: Luther u. d. dte. Staatsgedanke. Jahrb. d. Luthergesellsch. 1, 34—56. *) Krocker, E.: Luthers Tischreden als geschichtl. Quelle. Jahrb. d. Luthergesellsch. 1, 81-131. ^) Walther, W.: Luther u. die Juden u. die Antisemiten. Lpz., Dörffling & Franke. 39 S. ^) Müller, A. V.: D. Augustiner- Observantismus u. die Kritik u. Psychologie Luthers. Archiv f. Reformgesch. 18, 1 34. •) Doelle, F.: Die raartinian. Reformbewegg. im 15. u. 16. Jahrh. Münster, Aschendorff. X, 159 S. »o) Paulus, N.: Ablaßfeiern zu Wittenberg in den Reform ations jähren. Hist.-poht. Bl. 168, H. 9. ") Paulus, N.: Der Ablaß im Mittelalter als Kulturfaktor. 1. Vereinsschr. d. Görresgesellsch. f. 1920. 70 S. *2) Paulus, N.: Tetzel ein Bullenfälscher? Hist. Jahrb. d. Görresgesellsch. 41, 80—86. *8) Eck, Johannes: Epistola de ratione studiorum suorum (1538). \Volph, Erasm.: De obitu Joann. Eckii adversus calumniam Viti Theodorici (1543). Hrsg. V. Joh. Met zier (= Corp. cathol. 2). Münster, Aschendorff. VII, 106 S. ") Emser, Hieron.: De disputatione Lipsicensi, quantum ad Boemos obiter de- flexa est (1519). A venatione Luteriana aegocerotis assertio (1519) (= Corp. cathol. 4). Hrscr. v. F. X. Thurnhofer. Münster, Aschendorff. VIII, 111 S.

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die geschichtlichen und literarischen Zusammenhänge erläuternde Ein- leitung beigegeben. Die Neuausgabe soll nach der Absicht des Heraus- gebers die Antwort auf die Frage geben, ob Cochlaeus Recht hatte, als er im Jahre 1521 in bezug auf die Gegner Luthers schrieb: solus Emserus perstat invictus.^'')

Das vierhundertjährige Jubiläum des Wormser Reichstages regte zwei unserer ersten Reformationshistoriker, M. L e n z^^) und P. K a 1 k o f f,'") zu lesenswerten, für ein weiteres Publikum mit meisterlicher Beherrschung des Stoffes geschriebenen Betrachtungen an. Gleichzeitig gab der Verfasser ,der katholischen Lutherbiographie, G r i s a r ,*^) ein kurzes Bild von „Luther auf dem Reichstage zu Worms nach den Quellen" und behandelte die Jahrhundertfeste der Refor- mation als „eine Schaustellung des Abfalls von Luther". Nach dem Urteile von Srbiks (Histor. Blätter 1, 515 ff.) ist hier der Zweck der Polemik vergebens geleugnet, andrerseits betont Scheel (Theol. Lit.- Zeitung 1922 S. 86), daß es nicht überflüssig sei, den Kampf mit den Wormser Legenden aufzunehmen, trotzdem auch die protestantische Forschung schon gegen sie aufgetreten sei. In Fortsetzung seiner „Lutheranalecten" wendet sich G r i s a r^^) gegen die protestantische Erklärung des bekannten Lutherwortes: cur non manus nostras in sangiüne istorum lavabimus?, eine weitere Veröffentlichung des- selben Autors-") beschäftigt sich mit den der Verspottung des Papst- tums dienenden Kampfbildern der Reformationszeit, der Versuch, diese Erzeugnisse des Hasses auf Luther zurückzuführen, ist nach der Ansicht Scheels mißglückt.

Schottenlohe r^^) ist es geglückt, eine große Anzahl von Flug- schriftendrucken deT Jahre 1523—29, deren Heimat bisher unbekannt war, dem iVugsburger Drucker Ulhart zuschreiben zu köimen. Seh. bietet ein genaues Verzeichnis der Flugschriften und zeigt, ,daß Ulhart anfangs für die Wittenberger, dann im Dienste Zwingiis, endlich in dem äer Wiedertäuferbewegung tätig war.^^)

Der Briefwechsel eines der Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser Reichstage, des Bischofs von Sitten, Kardinal Matthaeus Schiner, wird jetzt von Büchi herausgegeben, nach ,der Auffassung K a 1 k o f f s^^) wird im Anschluß hieran die Bedeutung Schiners neuer-

") Boehmer, H.: Luther u. der 10. Dez. 1520. (Aus: Luther-Jahrbuch). Lpz., Breitkopf & Härtel. 48 S. ^^j Lenz, M : Luthers Tat in Worms. (Sehr. d. Ver. f. Reformgesch. 134.) 45 S. - ") Kalkoff, P.: Der große Wormser Reichs- tag von 1521. Darmstadt, Waitz. 109 S. ^^) Grisar, H.: Luther zu Worms u. die jüngsten 3 Jahrhundertfeste d. Reformation. Freib., Herder. VII, 89 S. *•) Grisar, H.: Lutheranalekten. Eist. Jahrb. d. Görresgesellsch. 41, 247 67. 20) Grisar, H. u. Heege, F.: Luthers Kampf bilder. I. Freib., Herder. XHI, 68 S. -^) Schottenloh er, K. : Philipp Ulhart, ein Augsburg. Winkeldrucker u. Helfershelfer d. , Schwärmer" u. „Wiedertäufer" (1523—29). Freising, Datterer. 160 S, 6 Taf. •''2) Schottenloher, K.: Beitr. z. Bücherkde. d. Reforraations- zeit. Zentralbl. f. Biblwes. 38, 20—33, 67—78. ^s) Kalkoff, P.: Kardinal Schiner, ein Mitarbeiter Aleanders auf dem Wormser Reichstage. Archiv für Reformgesch. 18, 81—120.

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diiigs überschätzt, er weist ihm viehnehr nur eine hervorragende Stelle- an in der langen Reihe der „kriegerischen Prälaten oder Bandenführer im geistlichen Gewände" und vertritt die Ansicht, daß er immer nur ein Werkzeug erst in der Hand des Papstes Julius IL, dann Maximilians I. und Karls V. war. Seine früheren NachforBchungen über die Aufnahme der Verdammungsbulle vom 15. Juni 1520 diirch die deutschen Bischöfe und Hochschulen setzte K a 1 k o f f^*) mit einer gleichfalls auf restloser Ausschöpfung des Materials beruhenden Studie über die Vollziehung der Bulle „Exsurge" insonderheit im Bistum Würzburg fort. Er schließt mit einer allgemeinen Betrachtung über die Haltung des deutschen Episkopats bei Verkündigung des Verdammungsurteils und stellt fest, daß sich in ihrer ganzen Furchtbarkeit hier die Folgen des Zustandes enthüllten, den der Geschichtsschreiber der Päpste, Pastor, als das „Adelsmonopol in der deiutschen Kirche" bezeichnet hat: das er- drückende Übergewicht des Adels in den Einrichtungen der Kirche, die zu einer Versorgungsanstalt für den jüngeren Nachwuchs dieses Standes herabgesunken waren, erwies sich dann als das festeste Bollwerk gegen den Sieg der evangelischen Bewegimg.^'^)

Einzelne Persönlichkeiten und Territoriales, eine in Jahrg. 3 unseres Jahresberichts S. 40 angezeigte Arbeit über die Geisteswelt Ulrich Zwingiis ergänzte Kohle r^«) durch eine fein- sinnige Studie über die Bibliothek des Schweizer Reformators.-^) In einer starke Anregimgen bieten,den Untersuchung handelt H a s - h a g e n-"*) über die Stellung des Erasmus zu den klevischen Kirchen- ordnungen von 1532/33, die er als lehrreiche Dokumente des vor- jesuitischen Reform- oder Kompromißkatholizismus bezeichnet. Die ins einzelne gehemde Untersuchung der direkten oder indirekten Einflüsse des Erasmus auf die Kirchenordnungen ist auch von erheblichem metho- dischen Interesse. Ein umfangreiches englisches Buch über Erasmus und Luther vermag ich nur dem Titel nach zu nennen.'^^)

Die territorialgeschichtliche Reformationsliteratur wurde durch eine den baltischen Gebieten gwidmete, erschöpfende Darstellung A r b u - s G w s^") bereichert, die auch für die politische Geschichte beachtens- werten Ertrag liefert; äußere Gründe zwangen, die Darstellung mit dem Jahre 1535 abzubrechen. Weitere territorialgeschichtliche Literatur von

2*) Kalkoff, P : Die Vollziehg. d. Bulle „Exsurge" insonderheit im Bistum Würzburg. Zt. f. Kirchengesch. 39, 1-43, 15u— 51. Derselbe: Ein neu- gefundenes Original d. Bulle „Exsurge". Ebenda 39, 134—39. ^») Giemen, 0.: Zur Kritik der Quellen über Luthers Lebensende. Zt. f. Kirchengesch. N. F. 3, 73-83. 2«) Köhler, W.: Huldrych Zwingiis Bibliothek. Zürich, Beer. 34 und f)l S. Derselbe: Aus Zwingiis BibHothek. Zt. f. Kirchengesch. N. F. 3, 41—73. 2^j Bömer, A.: Ist Ulr. v Hütten am ersten Teil d. epistolae obscuror. viror. nicht beteiligt gewesen? Aufsätze F. Milkau gewidmet. 10—18. 2*) Hashagen, J.: Erasmus und die Klevischen Kirchenordnungen von 1532/33. Festgabe für F. v. Bezold. 181—220. 29) Murray, R. H.: Erasmus and Luther. Their attitude to Toleration. 1920. XXIIL 503 S. »'') Arbusow, L : Die Ein- führung d Reformation in Liv-, Esth- u. Kurland. Lpz., Heinsius. XIX, 851 S. (= Quellenschr. z. Reformgesch. 3).

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gewisser Bedeutung liegt vor für Österreich,^0 Ostpreußen,'*^)"^) Ost- friesland,^'') die kleine Reichstadt Windsheim '*») und Straßburg. 3* b)

Zeitalter der Gegen refor ni a t i o n. M e n t z^-') legte einen knappen Abriß der europäischen Geschichte im Zeitalter Karls V., Philipps IL und der Elisabeth vor. Eine Untersuchung des politischen Testaments Karls V., die E. W. Mayer im Jahre 1917 ver- öffentlichte, kam zu dem Ergebnis, daß es eine absolute Fälschung sei. J. K. M a y r-'"') nahm im Berichtsjahr die Untersuchung erneiut auf, in- dem er den Kreis der zur Prüfung herangezogenen Versionen er- weiterte, bemerkt aber selbst, daß seine Feststellungen noch nicht ab- schließend sind, da noch nicht alle erreichbaren Texte behandelt sind. Das Don Carlos-Problem, das zuletzt Gegenstand einer eingehenden Untersuchung Bibl's gewesen ist (vgl. Jahresber. 2, 57), ist im Be- richtsjahre erneut mit scharfer Kritik, diesmal durch R a c h f a h 1,^") behandelt worden. Nach dem Urteile von Srbik's, der früher schon selbst zu den Ergebnissen Bibl's kritisch Stellung genommen hatte (vgl. Jahresber. 2, 57), hat Rachfahl endgültig festgestellt, daß Don Carlos keine hochbegabte Persönlichkeit war, die nur ein Opfer seines Vaters wurde, sondern daß er ein in jeder Hinsicht zur Leitung des Staates ungeeigneter und unglücklicher Mensch war. Zwei wich- tige Veröffentlichungen, die der Korrespondenz Maximilians 11.^*) und die des schwäbischen Abtes Gerwig Blarer-*") wurden fortgesetzt. Der Kenntnis der folgenschweren Rekatholisierung der habsburgischen Erblande dient eine Arbeit B i b 1 ' s.*^'-*')

Die Flngschriftenliteratur der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, aus der, namentlich durch die Droysensche Schule, früher mit Vorliebe Stoff für Erstlingsarbeiten geschöpft wurde, hat seither nur wenig Be-

^*) Loesche, G.: Die reformator. Kirchenordnungen Ober- u. Inneröster- reichs (Forts.). Archiv f. Reformgesch. 18, 35—55. ^^) Seraphim, A.: Soziale Bewegungen in Altpreußen i. J. 1525. Altpreuß. Monatsschr. 58, 1 36, 71 104. ^3j Die Berichte u. Briefe d. Rats u Gesandten Herzog Albr. v. Preußen, Osw. T. Brandt. Hrsg. v. A. Bezzenberger. H. 4 (1550—56). Kgbg., Gräfe & Unzer. VI, S. 423—641. ^*) Kochs, E.: Anfänge d. ostfries. Reformation. Jahrb. d. Ges. f. bild. Kunst zu Emden. 1920. 3*a) ßergdolt, J.: Die freie Reichsstadt Winds- heim im Zeitalter der Reformation. Lpz., Deichert. XIII, 305 S. ^*b) Cler- val, A.: Strasbourg et la Reforme fran^aise oct. 1525 dec. 1526. Revue d'histoire de l'eglise de France. 7, 139 60. ^'^) Mentz, G.: Europ. Gesch. im Zeitalter Karls V., Philipp II. u. d. Elisabeth. (Aus Natur u. Geistes vs^elt, 528.) 125 S. 2«) Mayr, J. K.: Das politische Testament Karls V. Eist. Bl. 1, 218—51. ^') Rachfahl, F.: Don Carlos. Kritische Untersuchungen. Frei- burg i. Br., Boltze. IV, 168 S. ^®) Die Korrespondenz Maximilian II. Be- arbeitet von V. Bibl. Bd. 2. (= Korresp. österr. Herrscher = Veröff. d. Kommiss. f. neuere Gesch. Österr. 16.) Wien, Holzhausen. XX, 308 S. 3») Gerwig Blarer, Abt von Weingarten u. Ochsenhausen. Briefe u. Akten. Bearb. von H. Günter. Bd. 2: 1547—67. Stuttgart, Kohlhammer. XXXII, 572 S. *«) Bibl, V.: Die Religionsreforraation K. Rudolfs II. in Oberösterreich. Archiv f. österr. Gesch. 109, 373—416. *') Hashagen, J.: Bundesgenossen d. jesuit. Gegenreformation am Rhein. Monatshefte f. rhein. Kirchengesch. 15, 3—26. ^^) Bruiningk, v.: Die Nachwirkungen d. Gegenreformation in Livland. (Sitzungsbericht d. Gesellsch. f. Gesch. u. Altertumsk. zu Riga. 1914—1921, 86—94.) *^) Milchsack, G.; Herzog August d. J. von Braunschweig u. sein Agent Philipp Hainhofer 1613 47. Braunschw. Magaz. 1920, 25—34.

achtiing gefunden, eine nur in Maschinenschrift vorliegende Königsberger Dissertation'*'') beschäftigte sich im Berichsjahr mit einer Flugschrift aus dem Jülicher Erbfolgestreite.

Dreißigjähriger Krieg. Zur Geschichte des Dreißig- jährigen Krieges ist eine stoffreiche Arbeit v. G e y s o ' s^'*) hervor- zuheben, in deren Mittelpunkt eine Biographie des hessischen General- leutnants Joh. Geyso steht und die wertvolles Material zur Geschichte des Heerwesens, sowie zur Kenntnis der hessischen Politik und der evange- lischen Fürsten in der Mitte des Krieges bietet. Eine schwedische Arbeit gilt dem Feldzuge Wrangeis in den Jahren 1646/47.'»«)^^) Bati- f o 1 P^) glaubt zeigen zu können, daß Richelieu nicht eine Annexion des Elsaß erstrebte, sondern daß sich dieses ihm an den Hals warf man darf mit Genugtuung feststellen, daß auch die Redaktion der Revue historique eine erneute Prüfung des Ergebnisses für nötig hält. Die weiteren Veröffentlichungen zur Geschichte des Krieges aus dem Be- richtsjahr haben mehr nur landschaftliches oder örtliches Inter- esse.^»-^-)

C. Kapitel IL

Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß (1648—1815). (Loewe.)

Vom Westfälischen Frieden bis zur Thron- besteigung Friedrichs des Großen. Der Cambridger Ge- schichtslehrer A. W. Ward /) dem deutschen Historiker namentlich durch seine Biographie der Kurfürstin Sophie von Hannover und sein Buch über die Beziehungen zwischen Großbritannien und Hannover be- kannt, legte eine stattliche Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen vor, die in einem Zeitraum von mehr als 50 Jahren an den verschiedensten Stellen erschienen und zu drei Vierteln der deutschen Neuzeit gelten. Da das Werk uns nicht zu, Gesicht s^ekommen ist, können wir nur auf die den Inhalt im einzelnen anführende und kennzeichnende Anzeige

**) Wassner, E.: Der italienische Discurs. Eine Flugschrift aus d. Jülicher Erbfolgestreite 1609. Kgbg. Diss. 1920. 224 S. (Maschinenschr.) *^) Geyso, F. V,: Beitr. zur Politik u. Kriegführg. Hessens im Zeitalter d. 30 jähr. Krieges. Zt. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landesk. 53, 1—115. *^) Steckzen, B.: Karl Gust. Wrangeis fälttäg 1646-47 tili och med fördraget in Ulm. Lund 1920. XV, 160 S. *'') Samuel, E.: Johk Bauer als Ermattungsstratege 1634—39. Gießen. Diss., 67 S. *^) Batifoll, L.: Richelieu et la question de l'Alsace. Revue historique. 138, 161—208. <9) Strahlmann, F.: Wildeshausen zur Zeit d. 30 jähr. Krieges. Greifsw. Dis.sert., 215 S. (Maschinenschr.) ^^) Hecht, J.: Pforzheim und das Restitutionsedikt. Freiburg. Diöcesanarchiv. 21,169—92. ^^) Striedinger, J.: Hans Georg Pucher (Frh. v. Purch), ein Freisinger Diplomat d. 17. Jahrh. Sammel- -blatt d. Hist. Ver. Freising. 12, 1—130. ^'') MöUenberg, W.: Die Grafschaft Regenstein zu Ausgang d. 30jähr. Krieges. Zt. d. Harzvereins. 54, 51—58.

*) Ward, A. W.: Collected papers: historical, literary, travel and mis- cellaneous. Vol. 1, 2: Historical. Cambridge.

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F. Lieberinaims (Histor. Zeitschr. 126, 288 0.) hinweisen: sie betont den Essaycharakter der Publikation und nennt den Verfasser einen ehr- N\'ürdioren Patrioten, der vor v.ie nach 1918 über Deutschlands Ge- schichte mit herzlichem Anteil spricht und dessen Leistunsj sich durch universalhistorisches Wissen sowohl wie unparteiisches Urteil und kritische Sachkenntnis auszeichnet.

Eme kurze Übersicht über die europäische Geschichte vornehmlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bietet Platzhoff.-) Eine dankbar empfimdene Gabe und eine hohe wissenschaftliche Leistung bescherte uns im Berichtsjahr der Wiener Historiker Osw. U e d - 1 i c h'O in einer Geschichte Österreichs unter Kaiser Leopold. Es ist die Epoche des werdenden zentralistischen Absolutismus, die Zeit, in der man bemüht war, aus dem losen Ländergefüge des habsburgischen Machtgebietes ein einheitliches Staatswesen zu formen, zugleich die hohe Zeit der österreichischen Großmachtstellung, die »im Kampfe gegen die Türken und Frankreich errungen wurde. Der Ablauf der politischen Aktionen und kriegerischen Auseinandersetzungen wird in ausführ- licher Darstellung vorgeführt, auf archivalisches Material wird nur ge- legentlich zurückgegriffen, doch hat der Leser das Gefühl, daß der Autor mit besonnenem Urteil den Stoff überall selbständig zu durchdringen gewußt hat. Den uns ferner liegenden imieren ungarischen Verhält- nissen ist mit Recht größere Aufmerksamkeit zugewandt, im übrigen ist die Darstellung der inneren Entwicklung der Fortsetzung des W'erkes vorbehalten.

Eine Kieler Dissertation Andresen' s,*) die die Berichte des gottorpischen Gesandten am Regensburger Reichstage von 1653/54 ver- wertet, bietet mehr für die Kenntnis des äußeren Lebens am Reichstage, als für die der politischen Verhandlungen. Das Erstarken der landes- herrlichen Gewalt gegenüber den städtischen Gemeinwesen zeigt K e n n e po h 1"') am Beispiel der Beziehungen zwischen der Stadt Osna- bmck und Bischof Ernst August. Eine Reihe dänischer, schwedischer und französischer Veröffentlichungen sind w^eiter hier zu nennen, die uns nur zum geringsten Teile zugänglich waren.^-*^) Windelband ^i)

2) Platzhoff, W.: Europäische Gesch. im Zeitalter Ludwig XIV. und des Großen Kurfürsten. (Aus Natur und Geisteswelt 530.) 108 S. ^) Gesch. Öster- reichs. Begonnen von Alf. Huber. Bd. 6: Österr. Großmachtbildg. in d. Zeit Kaiser Leopold L Von Osw. Redlich. Gotha, Perthes, XV, 644 S. (= Allgem. Staaten- gesch., hrsg. v. H. Oncken. 1. Abt., 2.*^, 6). *) Andresen, L.: Holstein u. die die. Reichspolitik z. Z. d. Regensbg. Reichstages 1653/54. Zt. d. Gesellsch. f. schlesw.-holst. Gesch. 50, 1—146. (Auch Kieler Diss.) ^) Kennepohl, K.: Die Stadt Osnabrück u. Bischof Ernst August L (1662—98). Mitt. des Ver. f. Gesch. u. Landesk. von Osnabrück 24, 155 219. ^) Danmark-Norges Traktater 1523 bis 1750. Udg. af L. Laursen. Bd. 5: 1651—1654. Kopenh., Gad, 1920. IV, 628 S. ') Svenska riksradets-protokoll utgifv. af S. Bergh. D. 15: 1651—53. Stockh., Norstedt, 571 S. ^j Wimarson, N.: Karl Gust. Wrangel och brytniugen med Brandenburg 1674. Hist. Tidsskrift 1920, 23-35. ^) Picavet, C. G.: Les dernieres annees de Turenue 1660—75. Paris 1919. 520 S. ^") Dedieu, J.: Le röle politique des protestants fran^ais 1685 1715. Paris, Bloud & Gay, XII, 362 S. ") Windelbaud, W.: Wilhelm IIL von Oranien u. das europ. Staaten- system. Festschr. für E. Marcks. S. 125—49.

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betont in einer liebevoll ausgeführten Zeichnung Wilhelms III. von Oranien, daß er einen fast fatalistischen Glauben an seine Sendung als Befreier Europas hatte und daß er sein ganzes Leben lang an dieser Auffassung festhielt. L o e w e^-) gab Mitteilungen aus einem Protokoll des Brandenburgischen Geheimen Rates vom Jahre 1698, die Belege für den Gegensatz zwischen offizieller Politik und den persönlichen An- schauungen der leitenden Staatsmänner bieten. Der Frage der Be- ziehungen zwischen Preußen und Kurland, die durch das Hineinspielen russischer, schwedischer und polnischer Interessen auch eine gewisse internationale Bedeutung hatten, gilt eine Abhandlung S e r a - p h i m s ,^3) die auch archivalisches Material über die Beziehungen zu Sachsen-Polen und Vertragsverhandlungen vom Jahre 1712 er- schließt.^^) Zur Kenntnis der Vorgeschichte der Erwerbung des Fürstentums Neuenburg durch Preußen im Jahre 1707 dient eine Ab- handlung P i a g e t ' s^^) im ersten Jahrgang der neubegründeten Zeit« Schrift für schweizerische Geschichte.

Die Feldzüge Marlborough's behandelt ein mir nur dem Titel nach bekannt gewordenes englisches Werk,^**) auch für die Epoche des nordischen Krieges liegen eine Reihe wichtiger schwedischer und dänischer Publikationen vor, auf die ich nur summarisch hinweisen. kami.i'-^O

Von der Thronbesteigung Friedrichs des Großen bis zum Wiener Kongreß (1740 1815). Über die Freiheit der öffentlichen Meinung unter Friedrich -dem Großen bot E t z i n^^) eine be- queme Zusammenfassung des verstreuten Materials, ohne das Thema durch eigene archivalische Studien erschöpfen zu wollen. Zu der Fest- stellung, der König habe in der zweiten Hälfte seiner Regierung der öffentlichen Meinung in allen ihren Faktoren keine direkten Hemmungen mehr bereitet, wird man ein Fragezeichen machen dürfen, eine tiefere Auffassung des Problems bedarf vor allem einer gründlichen Kenntnis der Staatsanscbauung des Königs. Sehr wertvolle Beiträge hierzu ent-

*2) Loewe,V.: Französ. Rheinbundidee u. brandenburg. Politik i. J. 1698. Hist. Viertel] hrschr. 20, 162 70. ^^) Seraphim, A.: Preußen u. die kurländ. Frage. Beitr. zur Gesch. d. preuß. Politik im Nordischen Kriege. I. ; König Friedr. I. u. die kurländ. Frage. Altpreuß. Monatsschr. 58, 280— 348. i*) Rheindorf. K.: Die Anerkenng. des preuß. Königstitels durch die Kurie. Zt. d. Savigny-Stiftg. K. A. 41, 442 46. •^) Piaget, A.: Les Neuchätelois a la diete de Langenthai (12.-20. dec. 1707). Zt. f. schweizer. Gesch. 1, 181-200. »«) Taylor, F. W.: The Wars of Marlborough 1702-9. 2 vol. Oxford, XVI, 466; VII, 555 S. '^) Grauers, S.: Arvid Bernh. Hörn. Biografisk studie. I. 1664-1713. Göteborg, 1920. XXVIII, 291 S. - »8) Almquist, H.: Holstein-Gottorp, Sverige och den nordiska ligan i den politiska krisen 1713—14. üpsala. 1918. LH, 397 S. Rez.: Svensk Hist. Tidsskr. 1921, 80—88.) »») Lundsberg, B.: Den franske ambassa- dören Croissy säsom medlare mellan Karl XII. och Fredrik Vilhelm I. (Karolinska förbundets ärsbok 1919, 65—171). 20) Den störe Koalition med Sverige af 1715^ Udarbejdet af A. P. Tuxen u. a. Kopenhagen, Gyldendal, 1920. VIH, 335 vS. 2^) Sörensson, P. : Sverige och Frankrike 1715-18. 3 Bde. Lund 1909/21. ^) Etzin, F.: Die Freiheit der öffentlichen Meinung unter Friedrich d. Grossen- Forsch, z. brand. u. preuß. Gesch. 33, 89—129, 293—326.

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hält eine Studie K ü n t z e 1 ' s'-'^^) über die Anfänge der Geschichts- schreibung des jungen Friedrich. Er betont, daß neben Voltaire keiner der europäischen Denker seiner Zeit so stark auf ihn gewirkt hat wie Montesquieu, trotzdem hat er sich auch ihm gegenüber seine geistige Selbständigkeit gewahrt. Vor allem hat er dessen Grundgedanken von der überragenden Bedeutung ,des Volksgeistes nicht übernommen. Für ihn war der Fürst und nicht der Volksgeist die Seele des Staates. Auch den Montesquieuschen Gedanken der politischen Freiheit lehnte er ab und verstand luiter ihr lediglich geistige Gedankenfreiheit. Sein Ideal war und blieb die aufgekärte absolute Monarchie und niemals ist sein Gedaidve gewesen, die Untertanen durch allmähliche Erziehung für politische Freiheit reif zu machen.-^)

N a u k e=^'') gab in einer Breslauer Dissertation über die Gesandten der Großmächte am preußischen Hofe einen Beitrag zu der noch zu wenig gepflegten Geschichte des diplomatischen Dienstes. Die Heraus- gabe der für die Personal- und Hofgeschichte ergiebigen Tagebücher des Grafen L e h n d o r f f^") wurde fortgesetzt. Wächters' s=^") archi- valische Studie über die letzte Zeit ostfriesischer Selbständigkeit vor ider Besitzergreifung durch Preußen ist ein interessanter Beitrag zur Kennt- nis kleinfürstlicher dynastischer Politik. Eine in den Schriften der sächsischen Kommission für Geschichte erschienene Publikation über Minister Graf Brühl und Karl Heinrich von Heinicken^«) enthält vielerlei, namentlich über Kunst- und Kulturpflege am Dresdener Hofe, nach dem Urteile Brabants (Neues Archiv für sächsische Gesch. 43, 129) hat aber der Herausgeber die Bedeutung der Mitteilungen überschätzt. Vor- nehmlich aus den reichen Quellen des Wolfenbütteler Archivs ist die an- ziehende, über den territorialen Rahmen weit hinausreichende Biographie des Herzogis Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig ge- schöpft, die S. Stern-'«) veröffentlichte: die Persönlichkeit |des Herzogs ist mit fast allen politischen und militärischen Ereignissen seiner Epoche verflochten und auch im geistigen Leben der Zeit spielt er eine gewisse Rolle, so daß die Biographie auch interessantes Material zur Geschichte höfischer Kultur im Zeitalter der klassischen Dichtung erschließt. Ein Vortrag Härtung' s^") über Karl August von Weimar als Landes- herrn betont, daß er nicht das Muster eines sorgsamen Landesvaters ge- wesen und daß der Mensch in ihm immer stärker war als der Fürst,

23) Küntzel, G.: D. junge Friedrich u. die Anfänge seiner G.schreibg. Fest- gabe für F. V. Bezold 234—49. 2*) Volz, G. B.: Die auswärtige Politik Friedr. d. Gr. Dte. Rundsch. 192L Sept. ^5) Nauke, G.: Die Gesandten d. Groß- mächte am Hofe Friedr. II. von Preußen. Bresl. Diss. 145 S. (Maschinenschr.) 26) Des Reichsgrafen E. A. H. Lehndorff Tagebücher nach seiner Kammerherren- zeit. Bd. 1. Gotha, Perthes. ^T) Wächter, F.: Das Erbe d. Cirksena. Ein Stück ostfries. Gesch. u. d. Kampfes um d. Vorherrsch, in Norddtl. Aurich, Dunk- mann, YIII, 92 S. 28) Schmidt, 0. E.; Minister Graf Brühl u. Karl Heinr. V. Heinecken. Briefe u. Akten. Charakteristiken u. Darstellgn. zur sächs. Gesch. Lpz., Teubner. VIII, 387 S. 2») Stern, S.: Karl Wilh. Ferdinand, Herzog zu Braunschw. u. Lünebg. Hildesh., Lax, XVI, 402 S. ^O) Härtung, F.: Carl August von Weimar als Landesherr. Hist. Zt. 124, 41—02.

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immerhin hat er für die geistige Entwicklung seines Landes die not- wendigen wirtschaftlichen Grundlagen geschaffen.

Zwei größere französische Werke, das eine über den bayrischen Erbfolgekrieg und den Frieden von Teschen,»^) das andere über die Quellen zur rheinischen Geschichte von 1792—1814 sind mir nicht zu- gänglich, ich vermag daher nicht zu sagen, ob das letztere Werk rein wissenschaftlichen Charakters ist oder auch politischen Zielen dient.^-) Die deutsche Geschichte der Epoche berührt natürlich auch eine Ge- schichte der Revolution, die S a g n a c=*=^) zum Verfasser hat und mit der sich Wahl in der Histor. Zeitschrift (127, 141—44) auseinandersetzt. Eine bereits vor Kriegsende niedergeschriebene, nicht erst durch die Ereignisse der jüngsten Gegenwart veranlaßte und -mit ernster Gründ- lichkeit gearbeitete Untersuchung über das Verhältnis der franzö- sischen Regierung zu den Rheinländern in der Epoche der Revolutions- kriege nennt der Verfasser, A. K a r 1 1 ,3*) in prägnanter Zusammen- fassung seiner Ergebnisse mit Recht einen Beitrag zur Geschichte der amtlichen Mache.^^)

Weit über ,die Kreise der zünftigen Historiker hinaus darf eine neue, verkürzte Ausgabe von Max Lehmann' s^^) Steinbiographie Interesse beanspruchen, handelt es sich doch um das klassische Lebens- bild eines deutschen Staatsmanns, dessen Andenken zu beleben und festzuhalten heute mehr denn je Pflicht ist; vielleicht täuschen wir uns auch nicht in der Annahme, daß für das Fortwirken der Grundgedanken seines Wesens und seiner Leistungen der Boden heute besser bereitet ist als es noch vor kurzem der Fall war. In der neuen Ausgabe sind nach der Angabe des Verfassers die neuen Ergebnisse fremder und eigener Forschung überall verwertet, die Anmerkungen sind fort- gefallen, leider ist auch die Schilderung des alten Preußens nicht wieder abgedruckt, so daß der Fachmann des ursprünglichen dreibändigen Werkes nicht wird entraten können, idafür aber wird die neue Ausgabe, um ein Wort Alfred Doves zu gebrauchen, ihren dauernden Platz im „Chore der Nationalliteratur" einnehmen.^")

Für die Epoche der Freiheitskriege liegt nur weniges vor. Aus dem im Breslauer Staatsarchiv beruhenden wertvollen Nachlaß des preußischen Staatsrats v. Rhediger wurden interessante einzelne Stücke veröffentlicht, eine Biographie Rhedigers hatte der im Felde gefallene P. L e n e P^)

^M Oursel, P., La diplomatie de la France sous Louis XVI. Succession de Baviere et paix de Teschen. Paris, Plön. 397 S. - ^^) Schmidt, Gh.: Les sources de rhistoire des territoires rhenans de 1792 ä 1814. Paris, Rieder, II, 332 S. ^) Lavisse, E.: Histoire de France contemporaine depuis la revolution jusqu' ä la paix de 1919. I. La revolution (1789—92): Par P. Sagnac. Paris. 440 S. ^*) Karll. A.: Französ. Regierg. u. Rheinländer vor 100 Jahren. Ein Beitr. z. Gesch. der amtlichen Mache. Lpz., Köhler. XI, 282 S. 8«^) Weil, M. H., D'Ulm a Jena: Correspondance inedite du Chevalier de Gentz avec F. J. Jackson, Ministre de la Grande Bretagne ä Berlin 1804-06. Paris, Pagot, 336 S. ^ß) Lehmann, Max: Freiherr vom Stein. Neue Ausgabe in einem Bande. Lpz., Hirzel. 623 S. *^) Frhr. vom Stein. Staatsschr. u. polifc. Briefe. Hrsg. u. eingel. von H. Thimme. Münch., Drei -Masken -Verl. XLI, 246 S. »s) Beitr. zur Biographie d. preuß. Staatsrats v. Rhediger. Aus d. Nachlaß von P. Lenel, hrsg. von A. Stern. Hist. Zt. 124, 220-49.

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geplant. W a 1 1 i c h=^'') schilderte die Entwicklung, die erfolgreiche Berliner Heereslieferanten zu Bankiers und als solche zu bedeutenden Geldgebern des Staates in der Zeit seiner stärksten finanziellen Zer- rüttung machte."^) Bitterau f^^) unterzieht Treitschkes Urteil über eine Episode preußisch-bayrischer Beziehungen einer Nachprüfung, aus dem Nachlaß A. F o u r n i e r s ' s^^) wurde eine Betrachtung über die europäische Politik von 1812 bis zum ersten Pariser Frieden veröffent- licht, die als Einleitung zu einer von ihm geplanten Geschichte des Wiener Kongresses gedacht war. Eine für weitere Kreise bestimmte Darstellung ,der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und England vom Ausgang des Mittelalters bis 1815 aus der Feder V. S c h o c h ' s^^) legt naturgemäß den Hauptnachdruck auf die Schil- derung der Epoche Napoleons, sie ist gefällig und sachkundig geschrieben und wird ihrem Zwecke gut dienen können.

C. Kapitel IIL Vom Wiener Kongreß bis zu Bismarcks Entlassung

(1815—1890). (Windelband.).

Gesamtdarstellungen. Eine sehr anerkennenswerte Verarbeitung des riesigen Materials, das für diese Periode zur Ver- fügung steht, bietet W u e s s i n g.^) Wenn sein Buch auch vielfach wegen entgegengesetzter politischer Auffassung (die des Verfassers tritt scharf in den Vordergrund) und wegen anders gerichteter Welt- anschauung bekämpft werden wird, so ist es doch jedenfalls eine Leistung, an der nicht vorüberzugehen ist. Hier wird wirklich der Ver- such gemacht, .die treibenden Kräfte zu schildern und über die bloße Er- kenntnis der Tatsachen hinauszuführen. Die Darstellung reicht über die an dieser Stelle zu besprechende Periode bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Viel Richtiges und Kluges wird geboten; einem schlimmen Fehler jedoch hat sich W. infolge seiner politischen Ein- stellung nicht entziehen können: wie die Demokraten von 1848 die deutschen Geschehnisse ausschließlich für sich selbst zu betrachten, an- statt sie in den Zusammenhang der gesamteuropäischen Geschichte ein-

**) Wallich: Gebr. Behrend & Co., Berliner Heereslieferanten, Bankiers u. Industrielle aus d. Anfang d. 19. Jahrh. Forsch, z. brand. u. preuß. Gesch. 33, 369 bis 407. *®) Brinkmann, E., Di6 Staatsschulden d. Königr. Westfalen nach seiner Beseitigung u. die Stadt Mühlhausen. Aus d. hinterlass. Papieren von Prof. Jordan^ hrsg. von . . . Mühlhausen. Gesch.-Bl. 21, 33-44. *») Bitterauf, Th.: Bayern und Preußen im Frühjahr 1813. Festgabe f. F. v. Bezold 2H4-89. *^) Four- nier, A.: Die europ. Politik von 1812 bis zum 1. Pariser Frieden. Hist. Bl. 1, 97 132. *^) Schoch, G. v.: Die polit. Beziehungen zwischen Dtl. u. England vom Ausgang d. Mittelalt. bis z. J. 1815. Bonn, Schroeder. VIII, 282 S.

*) Wuessing, Fritz: Gesch. d. dten. Volkes vom Ausgang des achtzehnten Jahrh. bis zur Gegenwart. Ein sozialpsycholog. Versuch. Berlin, Franz Schneider. VIII, 815 S.

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zureihen, durch den sie doch in Wahrheit bedingt sind. Deshalb fehlt ihm auch das Verständnis für Bismarcks Leistung, die gerade auf der Einsicht in den europäischen Charakter des deutschen Problems basiert; die sich mit Bismarck befassenden Abschnitte sind die wenigst gelungenen des Werkes.

Insofern kann zu seiner Ergänzung das Buch von F u e t e r^) herangezogen werden. Nur unter diesem Gesichtspunkt des Einflusses der internationalen Zustände auf die deutsche Entwicklung möchte ich sein unwissenschaftliches Machwerk erwähnen, für diese selbst ist es völlig belanglos. Ebenfalls mehr politisch als historisch gefärbt, wenn auch nicht im entferntesten in so üblem Sinn wie bei Fueter, ist R 1 e - m a n n s^) Geschichte des Bürgertums. Der gewählte Titel ist aller- dings völlig verfehlt, denn die Darstellung beschränkt sich nicht nur auf Deutschland, und was haben Monroe, Bentham, Cobden und Louis Blanc mit schwarz-rot-gold zu tun? R. bezweckt ^die Schilderung des Ringens der Demokratie gegen das Gängeln von oben her.

Die Schnelligkeit, mit der Bergstraessers*) Parteiengeschichte in zweiter Auflage hat erscheinen müssen, beweist das Maß des Bedürf- nisses nach einem orientierenden Überblick, wie die heutigen Parteien geworden smd. Trotz wenig glücklicher Stoffanordnung wird besonders auch durch reichliche Literaturangabe die bequeme Möglichkeit gegeben, sich tiefer in die Probleme einzuarbeiten. Für das Zentrum hat dies derselbe Verfasser^) noch besonders leicht gemacht durch die Auswahl von Dokumenten und Schriften, mit denen er die Entwicklung des poli- tischen Katholizismus seit 1815 veranschaulicht. Im Berichtsjahre ist der erste Band dieser Sammlung erschienen, er reicht bis 1870, also bis zur Gründung der heutigen Zentrumspartei, deren Werdegang der zweite Band gewidmet werden soll.

Vom Wiener Kongreß bis zu Bismarcks Er- nennung zum Ministerpräsidenten (1815—1862). Als höchst bedauerlich ist es von jeher empfunden worden, daß das grund- legende Werk für die Zeit bis zur 48 er Revolution, Treitschkes Deutsche Geschichte, nicht mit einem Register ausgestattet war. Oft ist der Wunsch danach geäußert worden, aber die Arbeit erschien gar zu müh- selig. Um so dankbarer müssen wir sein, daß L ü d i c k e^) sich ihr unterzogen hat. Auf Grund seiner Leistung ist jetzt die Orientierung über Einzelheiten des Werks und das Nachschlagen bestimmter Stellen mit einem Mindestmaß von Mühe verbunden.

Das deutsche Leben nach 1815 ist beherrscht durch den Kampf zwischen Absolutismus und Liberalismus; im Vordergrund aller poli-

2) Fueter, E.: Welt-Gesch. der letzten 100 Jahre 1815—1920. Zürich, Schult- hess. VII, 674 S. ^) Riemann, Rob.: Schwarz-rot-gold. Die politische Gesch. d. dten. Bürgertums seit 1815. Lpz., Dieterich. 215 S. *) Bergstraesser, Ludw.: Gesch. d. polit. Parteien in Deutschi. 2. Aufl. Mannh., J. Bensheimer. XVI, 148 S. *) Bergstraesser, Ludw.: Der politische Katholizismus. Dokumente seiner Entwickig. Bd. I (1815—1870). = Der dte. Staatsgedanke, zweite Reihe, Bd. III. München, Drei - Masken -Verlag. 314 S. ~ «) Treitschke, H. v.: Dte. Gesch. im 19. Jahrh. Personen- u. Sachregister bearb. v. R. Lüdicke. Lpz., Hirzel. III, 234 S.

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tischen Interessen steht die Frage, ob und in weLchem Umfang der Unter- tan verfassungsmäßig Anteil an der Staatsgewalt erhalten werde. Be- sonders geeignet, um die Stimmung im Lager des Konstitutionalismus erkennen zu lassen, ist die von D u c h^) neu abgedruckte Schrift Görres' von 1819: Teutschland und die Revolution, die vom Herausgeber durch Auszüge aus anderen Staatsschriften Görres' ergänzt wird. Außerdem hat D u c h**) die Aufmerksamkeit auch dadurch verstärkt auf Görres gelenkt, daß er eine Auswahl seiner gerade heute überaus aktuellen Artikel aus dem Rheinischen Merkur (aus den Jahren 1814—16) vor- legt; ihr Leitgedanke ist außenpolitisch der Kampf gegen Frankreich, den „Erbfeind" dieser Ausdruck ist von Görres geprägt innen- politisch der Aufruf zur Reichseinheit und die Mahnung an die Regie- rungen, sich der Forderung der Zeit nach Verfassungen nicht zu ver- schließen. Kommt in diesen beiden Veröffentlichungen im Wesentlichen Görres selbst zu Wort, so liefert Berge r®) eine Würdigung seiner Leistung als politischer Publizist, und zw^ar legt er in seiner Darstellung den Hauptnachdruck auf die Wirksamkeit bis zur Berufung nach München im Jahr 1827; die spätere wird nur knapp behandelt.

Eine Verfassung, wie Görres sie gefordert hatte, ist so will es die übliche Anschauung zuerst in Weimar 1816 bewilligt worden. Immer wieder ist deshalb Karl August als Vorkämpfer freiheitlicher Ideen gefeiert worden. Wie anders die historische Wahrheit aussieht, wie wenig Karl August ein Freund der Gedanken von 1789 gewesen ist, darauf weist H a r t u n g^") hin. Auch hier muß also eine fest gewurzelte Legende berichtigt werden.

In das Lager der Verfassungsgegner kommen wir hinüber an Hand von H a a k e s^^) Darstellung der Gründe, aus denen in Preußen das Versprechen vom Mai 1815 nicht zur Tat erhoben worden ist. Er führt den Nachweis, daß die Schuld an der Nichterfüllung nicht auf Harden- bergs Schultern gewälzt werden darf. Der Kanzler hat vielmehr bis zu seinem Tode sich dafür eingesetzt, aber er hat den König nicht fort- reißen können; aus Rücksicht auf den zum absolutistischen Regiment zurückgelenkten Zaren hat sich Friedrich Wilhelm nicht zu entschließen vermocht, dem Liberalismus die Hand hinzustrecken. Welche Auf- nahme das Verfassungsversprechen in der Provinz Posen gefunden hat, untersucht Laubert.^-) Mit der Verwaltungsorganisation Preußens

'') Görres, Jos.: Deutschi. u. die Revolution. Mit Auszügen aus den übrigen Staatsschriften. Hrsg. von Arno Duch. = Der dte. Staatsgedanke. Erste Reihe, Bd. XI, 2. München, Drei Masken -Verlag. XXXII, 326 S. «) Görres, Jos.: Rheinischer Merkur. Ausgevf^ählt u. eingeleitet von Arno Duch. = Der dte. Staatsgedanke. Erste Reihe, Bd. XI, 1. Münch., Drei -Masken -Verlag. XXXVI, 291 S. ') Berger, Martin: Görres als politischer Publizist. Bücherei der Kultur und Gesch., Bd. 18. Bonn, K. Schroeder. 181 S. ^^) Härtung, F.: Carl Aug. V. Weimar als Landesherr. Hist. Zt., Bd. 124, S. 41—62. ") Haake, P.: Der preuß. Verfassungskampf vor 100 Jahren. München, Oldenbourg. VII, 126 S. ^^) Laubert, Manfred: Die Provinz Posen u. die preußische Verfassungsfrage (1815—1818). In: Vom staatlich. Werden u. Wesen, Festschrift Erich Marcks zum 60. Geburtstag. Stuttgart, Cotta. S. 73—101.

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nach 1815 befaßt sich ein aus dem Nachlaß L e n e 1 s") herausgegebener Artikel über v. Rhediger, dem neben Briefen Rhedigers Briefe Boyeiis, Eichhorns und W. v. Humboldts an ihn beigegeben sind.

Die nationale Einigkeit, die nach der Befreiung vom Franzosenjoch durch den Deutschen Bund gewährleistet werden sollte, ist gleich in den ersten Jahren seines Bestehens durch Streitigkeiten zwischen den Glied- staaten auf schwere Proben gestellt worden. Besondere Bedeutung kam dabei dem Zwist zwischen Bayern und Baden um den Besitz der rechts- rheinischen Pfalz zu. Auf Grund neuen Aktenmaterials gibt S a h r - man n^*) allerdings mit etwas einseitig bayrischer Färbung eine Übersicht über die verschieden gerichteten Versuche der Münchener Regierung, die ihr im Rieder Vertrag zugesicherte vollwertige Ent- schädigung für die Abtretung von Tirol und Vorarlberg zu erlangen. Die Hoffnung war dabei, neben Österreich und Preußen sich zur dritten Großmacht innerhalb des Bundes emporschwingen zu können. In die gleichzeitigen Vorgänge am Karlsruher Hof führt H a e r i n g^^) ein mit seiner Abhandlung über Varnhagen v. Ense als preußischen Vertreter in Baden. Ebenfalls zur Erkenntnis der Geschichte eines Mittelstaates, aber darüber hinaus als höchst ergiebige Quelle für das gesamte Bundes- leben dienen die von U 1 m a n n^**) herausgegebenen Denkwürdigkeiten des hessen-darmstädtischen Misnisters du Thil. Sie sind nieder- geschrieben auf Wunsch Großherzog Ludwigs III. zu dessen eigener Information, damit er genauer mit der Politik seiner Vorgänger sich ver- traut machen könne. Dieser äußere Zweck läßt schon den außerordent- lichen Quellenwert der Denkwürdigkeiten erkennen. Obwohl sie auch für die Zeiten des Rheinbundes und der Freiheitskriege viel Bedeut- sames enthalten, beginnt ihr Hauptwert natürlich mit seiner Ernennung zum Minister im Jahre 1821 ; bis zur Revolution von 1848 hat er diese Stellung innegehabt. Eine sympathische Persönlichkeit und ein kluger imd zielbewußter Politiker tritt uns aus den Aufzeichnungen entgegen. Trotz allen Verständnisses für den hessischen Partikularismus setzt er sich mit Wärme und Energie stets für die Stärkung der Bundeszentral- gewalt und für die strammere Zusammenfassung der nationalen Kräfte ein. Zeugnis für diese Gesinnung hat er ja bekanntlich abgelegt durch sein Verdienst um das Zustandekommen des Zollvereins. Trotz des damit betätigten Anschlusses an Preußen hat du Thil es aber auch ver- standen, sich mit Metternich gut zu stellen, weil beide die gemeinsame Abneigung gegen die Forderungen des bürgerlichen Liberalismus ver- band. Auf diese Weise hat Hessen während der Dauer seines Mini- steriums eine besonders günstige Stellung innerhalb des Bundes be-

") Lenel, Paul: Beitr. z. Biographie des preuß. Staatsrats v. Rhediger. Hist. Zt. Bd. 124, S. 220-249. »*) Sahrraann. A.: Pfalz oder Salzburg? Gesch. des territor. Ausgleichs zw. Bayern u. Österreich von 1813—1819 {= Hist. Bibliothek 47). Mönch., Oldenbourg. VIII, 97 S. ^^) Haering, H.: Varnhagen u. seine diplomat. Berichte. Karlsruhe 1816—19. (Zt. f. d. Gesch. des Oberrh. N. F. 36, 52-86, 129-70). ") Denkwürdigkeiten aus d. Dienstleben d. Hessen-Darmstädt. Staatsministers Frhr. du Thil 1803-48. Hrsg. v. H. Ulmann (Dte. G.quellen d. 19. Jahrh., Bd. 3). Leipzig, Hirzel; Stuttgart, Dte. Verlagsanst. VI, 627 S.

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haupten können. Zusammen mit den im Bericht über die Literatur von 1920 (S. 49) erwähnten Tagebüchern des Freiherrn v. Dalwigk liefern die Denlvwürdigkeiten das auf intimster Kenntnis beruhende Bild der hessischen Politik von der Gründung des Bundes bis zu der des Reiches.

Ein Gegenstück hierzu bietet die Biographie des Bremer Bürger- meisters und langjährigen Vertreters am Frankfurter Bundestag Johann Smidt aus der Feder v. B i p p e n s.^^) Auch hier wieder ein Staats- mann, der durch seine persönlichen Beziehungen und Eigenschaften zu einflußreicher Stellung im Bundestag gelangt ist. Smidts aktive Mit- wirkung an den Ereignissen der großen Politik umspannt die Jahrzehnte von den Freiheitskriegen bis 1854. Neben den Kapiteln über seine Frankfurter Tätigkeit sei besonders hingewiesen auf die Schilderung seiner Teilnahme an den Verhandlungen in Paris 1814. Für seine Heimatstadt, indirekt aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung Ge- samtdeutschlands hat er sich höchstes Verdienst erworben durch die Gründung von Bremerhaven.

Zu der seit Meineckes Anregung so stark in Fluß gekommenen Untersuchung der Zusammenhänge der äußeren Vorgänge mit dem geistesgeschichtlichen Hintergrund sind mehrere wichtige Beiträge zu verzeichnen. In die geistige Entwicklung zweier durch starken Einfluß auf die praktische Politik ausgezeichneter Historiker gewinnen wir ge- naueren Einblick durch die Arbeiten von Lülmann und Christern. L ü 1 m a n n^*) schildert die Anfänge August Ludwig v. Rochaus. Nach dem Wort H. Onckens, der die Arbeit seines gefallenen Schülers heraus- gegeben hat, veranschaulicht er die Umbildung des vormärzlichen Libe- ralismus zu realerem und staatlicherem Denken. Der leidenschaftliche Jenenser Burschenschafter, einer der radikalsten Utopisten, mäßigt in der Verbannung, in der er das wahre Wesen der westlichen Demo- kratie kennen lernt, seine Ansichten, er erkennt die Gefahr, die durch überspannte Forderungen hervorgerufen wird, und seine Abwendung vom Parteidogma läßt in ihm .die Erkenntnis aufblitzen, daß nur die Macht und zwar die Macht Preußens Deutschland zu retten imstande sein werde. Die materielle Macht muß sich dem nationalen Idealismus verbünden, wenn etwas dauernd Lebensfähiges erstehen soll. Es ist höchst bedauerlich, daß L. nicht mehr die Wirksamkeit des Verfassers der „Realpolitik" in der Zeit seiner Reife in seine .Untersuchung hat miteinbeziehen können; hier winkt ein lohnendes Thema.

In der theoretischen Überzeugung von der Notwendigkeit der fest- gefügten Staatseinheit, aber nicht in der praktischen Nutzanwendung auf Preußen stimmt Dahlmann vollauf mit Rochau überein. Wenn er auch schließlich der Wortführer der Kleindeutschen geworden ist, also die Kraft des deutschen Nationalstaats auf Preußen begründen wollte, so war seine Absicht dabei, daß der preußische Staat sich selbst zugunsten des nationalen Gedankens aufgeben solle. Die Hinwendung zum Macht-

") Bippen, W. V.: Job. Smidt, e. hanseat. Staatsmann. Stuttg., Dte. Verlags- anst. VII, 331 S. ") Lülmann, Hans: Die Anfönge August Ludwigs v. Rochau 1810—1850. Mit einem Nachruf von H. Oncken. Heidelberg, C. Winter.

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gedanken aber ist, wie C h r i s t e r n^*) eindringlich zeigt, der Leit- gedanke, den er der öffentlichen Meinung einzuhämmern suchte. In- sofern muß ihm, trotz aller Meinungsverschiedenheiten im einzelnen, ein hoher Ehrenplatz unter den Mämiern eingeräumt werden, die die un- entbehrliche geistige Vorbereitung für Bismarcks Werk geleistet haben. Die Kraft, mit der auch Arndt an dieser Erziehung zu staatlichem Denken mitgestritten hat, offenbart die Auswahl seiner Schriften, die sein Biograph M ü s e b e c k^») unter Beigabe einer ausführlichen, vor- trefflich den Wandel in Arndts Anschauungen beleuchtenden Einleitung besorgt hat. Vorausgeschickt werden Auszüge aus Werken Arndts in der Zeit der Fremdherrschaft und Befreiung 1808—1815, den Hauptteil füllen seine Aufrufe an die Deutschen von 1843 1854.

Haben wir in Dahlmann und Rochau Vorkämpfer der liberalen Ideenwelt vor uns, so erschließt sich eine unendlich wichtige Quelle für die Begrimdung des deutschen Sozialismus durch den von M a y e r^^) herausgegebenen Briefw^echsels Lassalles. Erschienen sind vorläufig der erste und dritte Band. Der erste bringt Briefe von und an Lassalle aus den Jahren 1840—1848; seine Bedeutung liegt wesentlich auf biographischem Gebiet, er liefert wichtigste Ergänzungen zu Onckens grundlegendem Werk. Der dritte Band ist angefüllt in der Hauptsache durch den Briefwechsel zwischen Lassalle und Marx. Viel Bekanntes wird hier allerdings neu abgedruckt, immerhin wird durch die Zu- sammenstellung das Verhältnis der beiden zu voller Klarheit erhoben. Eindeutig führen diese Briefe den Beweis, wie falsch die Behauptung von Marx gewesen ist, Lassalle trage die Schuld am Erkalten ihrer Be- ziehungen. Durch sein aus Eifersucht geborenes Verhalten hat Marx den sachlichen Gegensatz so verschärft, daß der Bruch unvermeidlich wurde. Nachdem schon der Briefwechsel zwischen Marx und Engels uns tiefen Einblick in das Innöre der Väter des deutschen Sozialismus gestattet hatte, gibt diese neue Publikation die volle Abrundung des Bildes. Hoffen wir, daß ihre Fortsetzung nicht lange auf sich warten lassen wird.

In die Entstehungsgeschichte des Klerlkalismus führt V i g e n e r--) «in mit seiner Skizze des jungen Clemens August v. Ketteier. Der Auf- satz umfaßt seinen Werdegang bis zum Ausbruch der Revolution von 1848 und bildet einen Ausschnitt aus einer bald erscheinenden zu- sammenfassenden Lebensbeschreibung dieser im deutschen Katholizis- mus führenden Persönlichkeit. In diesem Zusammenhang mag auch der kurze Essay L ü n i n c k s^^) über Herm. v. Mallinckrodt erwähnt sein.

**) Christern, Herrn.: Friedr. Christ. Dahlmanns polit. Entwicklung bis 1848. Ein Beitr. zur Gesch. d. dten. Liberalismus. Zt. d. Ges. f. Schlesw.-Holsteinische Gesch. Bd. 50, S. 147—392, auch selbständig Lpz., H. Haessel, ^o) ^^ndt, E. M. : Staat u. Vaterland. Eine Auswahl aus seinen politischen Schriften. Hrsg. u. eingeleitet v Ernst Müsebeck. = Der dte. Staatsgedanke, Erste Reihe, Bd. X. Münch., Drei-Masken-Verlag. LXXXVI, 175 S. ^i) Lassalle, Ferd.: Nach- gelassene Briefe u. Schriften. Hrsg. von Gust. Mayer. Stuttg., Dte. Verlagsanst. u. Berlin, J. Springer. Bd. I, X. 357 S. Bd. III, XII, 411 S. ^2) Vigener, F.: Ketteier vor dem Jahre 1848. Hist. Zt. Bd. 123. S. 398—479. 23) Lüninck, H. Frhr. v.: H. v. Mallinckrodt. Hist.-polit. Blätter, Bd. 167, S. 16tJ-182.

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Ausschließlich in den Rahmen des klerikalen Parteiprogramms, so weit von einem solchen damals überhaupt die Rede sein kann, lassen sich die Schriften von Radowitz nicht einspannen, die M e i n e c k e-^) als willkommene Ergänzimg seiner Biographie gesammelt hat. Zwar ist Radowitz der Führer der katholischen Partei in der Paulskirche ge- wesen, aber sein Geist ist viel zu reich und fein, und zu viele Strömimgen kreuzen sich in ihm, als daß es gerechtfertigt wäre, ihn als Exponenten einer einzelnen, scharf ausgeprägten Richtung aufzufassen. Erfreulicherweise ist auch die berühmte Denkschrift vom November 1847 über die Reform des deutschen Bundes neu abgedruckt, die der Gegenstand so verschiedener Auffassung in der historischen Literatur geworden ist. Im Anschluß an diese Beiträge zur Entstehungsgeschichte der Parteien ist zu berücksichtigen, daß ein älterer mit diesen Problemen sich befassender, aber in der Unterhaltungsbeilage einer Zeitung ver- grabener Artikel von Kose r^^) neu zugänglich gemacht worden ist ; er schildert die ersten parteimäßigen Organisationen der Liberalen und Konservativen in Preußen. An derselben Stelle findet sich auch sein be- kannter Aufsatz über die Haltung Friedrich Wilhelms IV. in den März- tagen 1848,'*') demgegenüber neuerdings so widerstreitende Auffassung geäußert w^orden ist. Dieses ganze schwierige Problem, welches der eigentliche Sinn der deutschen Politik des Königs gewesen ist, wird noch einmal aufgerollt in der Dissertation von Elisabeth S c h m i t z^^) an Hand der Äußerungen Edwin v. Manteuffels über Friedrich Wilhelm. Das Ergebnis ist der Nachweis, wie gering der objektive Wahrheitswert seiner Berichte ist. Subjektiv durchaus von der Richtigkeit seiner An- schauung durchdrungen, wird er durch die eigene politische Stellung- nahme verleitet, dem König völlig unzutrelfende Gedankengänge zu- zuschieben.

Für die eigentliche Geschichte der 48 er Revolution ist im Berichts- jahr nichts Bedeutendes erschienen. Dagegen fällt auf ihren Ausläufer, auf Entstehung und Verlauf der badischen Revolution von 1849 neues Licht durch V a 1 e n t i n.^®) Seine Darstellung fußt auf den Berichten des preußischen Vertreters in Karlsruhe v. Arnim. Von jeher war dem Konservativen das Entgegenkommen des badischen Ministeriums gegen die Demokratie mißliebig gewesen, darum sieht er auch die Ereignisse des Aufstandes etwas getrübt durch die Parteibrille. Immerhin bewährt er sich als guter Beobachter von richtigem Augenmaß.

^*) Radowitz, Joseph v.: Schriften u. Reden. Hrsg. u. eingeleit. von Friedrich Meinecke. = Der dte. Staatsgedanke, Erste Reihe XVI. Münch., Drei-Masken- Verl. XXI, 195 S. 28) Kos er, Reinh.: Die Anfänge d. polit. Parteibildg. in Preußen bis 1849. In: Zur preußischen u. dten. Gesch. Aufsätze u. Vorträge v. R Koser. Stuttg., Cotta. S. 376—400. ^6) Koser, R., Friedr. Wilhelm IV. am Vorabend der Märzrevolution. In dem unter Nr. 25 erwähnten Buch. S. 287—329. *^ Schmitz, Ehs.: Edwin v. Manteuffel als Quelle zur Gesch. Friedr. Wilh. IV. (Bist. Bibl. 45). Münch., Oldenbourg. V, 95 S. 2») Valentin, Veit: Baden u. Preußen im Jahre 1849. Vom staatUchen Werden u. Wesen. Festschrift Erich Marckß zum 60. Geburtstag. Stuttg., Cotta. S. 103—122.

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Die Stimmung nach dem Zusammenbruch der liberalen Hoffnungen erhellt aus Zeugnissen, die Wentzeke^») vermittelt. Die Briefe Roggenbachs an Georg v. Bunsen, die er veröffentlicht, entstammen zu- meist den Monaten April Juni 1849. In die Periode der vollen Reaktion treten wir ein mit der Schilderung, die Schultz e^«) von dem Konflikt Gustav Freytags mit der preußischen Polizei entwirft. An Hand der Akten der preußischen Behörden und ungedruckter Briefe Freytags an das Ehepaar Duncker beleuchtet er diese durch die Entlassung Freytags aus dem preußischen Untertanenverband beendete Episode von 1854.

Den Übergang zum Zeitalter Bismarcks bieten die Briefe Schlözer s^^) aus der Zeit ihrer gemeinsamen Arbeit in Petersburg. Auch diese Briefe bestätigen das reizvolle Bild der Persönlichkeit des Schreibers, wie es die früher veröffentlichten Bände gezeigt hatten. Hier ist von besonderem Interesse, neben der Zeichnung der russischen Zustände, das Verhältnis zu seinem Chef: aus stärkstem Gegensatz wandelt es sich allmählich bei Schlözer zur Anerkennung der überragen- den Fähigkeiten Bismarcks; später, allerdings erst nach Jahren, ist dann daraus die Bewunderung herausgewachsen, die Schlözer zum treuen An- hänger des Kanzlers hat werden lassen.

Das Zeitalter Bismarcks (1863—1890). Eine der ersten schweren Krisen, die Bismarck als Ministerpräsident in seiner deutschen Politik zu bestehen gehabt hat, ist Österreichs Versuch ge- wesen, durch den Frankfurter Fürstentag von 1863 die eigene Hegemonie aufzurichten. Oft behandelt sind die Ereignisse, die zum Fernbleiben König Wilhelms geführt haben; allgemein ist man dabei bisher der Darstellung der Gedanken und Erinnerungen gefolgt, wonach es dem Minister einen schweren Kampf gekostet hat, seinen königlichen Herrn zu dieser Stellungnahme zu bewegen. Ein anderes Bild zeichnen in- dessen die Briefe des Königs an seinen Schwager Karl Alexander von Sachsen-Weimar, die B a i 1 1 e u^^) ^qj. Öffentlichkeit zugänglich macht. Danach hat König Wilhelm in Gastein, noch bevor er sich mit Bismarck besprochen hatte, die Anregung Kaiser Franz Josephs alsbald zurück- gewiesen. In Baden-Baden allerdings ist er unter den Einfluß seiner Ge- mahlin und Johanns von Sachsen geraten; das Ringen, das Bismarck hier zu bestehen hatte, ging also mehr gegen diese beiden als gegen die eigene Überzeugung des Königs.

Überaus wertvoll sind weiter die eigenhändigen Aufzeichnungen Wilhelms I. aus dem Jahre 1870, die G r a n i e r=*») mitteilt. Das Tage-

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) Wentzcke, P.: Aus dem Lager der Besiegten. Briefe Fr. v. Roggen- bachs aus den Herbsttagen der ersten dten. Einheitsbewegung. Dte. Rundschau. ■^) Schultze, Johannes: Gustav Freytag u. die preußische Polizei. Preuß. Jahrb., Bd. 183, S. 331— 344. ") Schlözer, Kurd v.: Petersburger Briefe 1857—62 nebst einem Anhang: Briefe aus Berlin-Kopenhagen 1862—64. Hrsg. v. Leopold u. Schlözer. Stuttg., Dte. Verlagsanst. XV, 303 S. 8^) Bailleu, Paul: König Wilhelm I. und d. Frankfurter Fürstentag (1863). In: Festschr. der Kaiser Wilh.- Ges. zu ihrem 10jährigen Jubiläum. Berlin, J. Springer. S. 262—71. ^^j Granier, Herrn.: König Wilhelm 1870 in Ems u. vor Sedan. Eigenhänd. Aufzeichngn. des Königs. In dem unter Nr. 32 erwähnten Buch. S. 271—282.

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buch über die Vorgänge des 13. Juli in Ems vernichtet endgültig die Legende von der „Fälschung" der Emser Depesche durch Bismarck. Er hat nichts anderes getan, als durch die knappe Zusammenziehung den Willen seines Königs zu deutlichstem Ausdruck zu bringen. Prachtvoll ist der Bericht über die Reise von Ems nach Berlin; die wundervolle Persönlichkeit des Herrschers tritt daraus imponierend in ihrer Güte imd Bescheidenheit hervor. Und ebenso ist die Erzählung seines Treffens mit Napoleon nach Sedan das glänzende Zeugnis des ihm eingeborenen ritterlichen Taktes. Wie wohltätig muß es für den gestürzten Imperator gewesen sein, auf solchen Ton beim Sieger zu stoßen.

Von den letzten Wochen unmittelbar vor dem Krieg und von den Ereignissen bei seinem Ausbruch in Paris erzählt Graf W a 1 d e r - s e e ,^^) damals dort Militärattache. Dies und seine Urteile über Kaiser luid Kaiserin Friedrich, sowie sein Bericht über seine rein militärische Tätigkeit im Generalstab als Gehilfe und dann als Nachfolger Moltkes sind Ausschnitte aus seinen Denkwürdigkeiten, deren Gesamterscheinen vom Herausgeber in Aussicht gestellt wird; die letzteren Teile müssen auch nach dem Erscheinen des Buches berücksichtigt werden, da sie darin nicht in vollem Umfang enthalten sind.

Aus der großen Zahl von Reden, mit denen die fünfzigste Wieder- kehr des Tages der Reichsgründung begangen worden ist, muß be- sonders hervorgehoben werden die von 0 n c k e n ,^^) weil sie wichtiges, noch ungedrucktes Material benutzt. 0. konnte sich stützen auf das in Versailles geführte Tagebuch Friedrichs von Baden, „ein ergreifendes Dokument eines feinen und selbstlosen Ringens um die Einheit des deutschen Volks". Hoffentlich geht die Ankündigung, daß es binnen nicht alzu langer Zeit bekannt gegeben werden soll, in Erfüllung. Über Großherzog Friedrichs Werdegang sind wir übrigens genauer unter- richtet durch zwei Publikationen 0 b s e r s : Die Jugenderinnerungen des Fürsten=^^) reichen von 1826 1847, die Zeit also, in der politische Aufgaben an ihn herantraten, ist nicht miteinbegriffen; nur über seine äußere und innere Ausbildung geben sie Aufschluß. Ergänzt werden sie durch die Briefe, die Schlosser und Häußer an den Großherzog ge- richtet haben.^') Beiden ist er als Prinz in seiner Heidelberger Studien- zeit nahe getreten, und auf das Fortbestehen dieser Verbindung hat er immer Wert gelegt. Die Briefe Schlossers entstammen den Jahren 1847 und 1850, die Häußers ziehen sich thit Unterbrechungen von 1845 bis 1866 hin.

^*) Meisner, H. 0.: Aus den Erinnerungen des Generalfeldmarschall Grafen Waldersee. Dt. Revue, Juli-, September- u. Oktoberheft. ^^) Oncken, H.: Unser Reich. Rede bei der Gedächtnisfeier zur Wiederkehr des Tages der Reichs- grtindung, veranstaltet von Universität u. Stadt Heidelberg. Heidelberg, C. Winter. 28 S. ^*) Friedrich I., Großherzog von Baden. Jugenderinnerungen. 1826—47. Hrsg. u. eingel. v. K. Obser. Heidelbg., Winter. XV, 124 S. ^7) Obs er, K.: Briefe Schlossers u. Häussers an Friedrich von Baden. Zt. für die Gesch. des Oberrheins. N. F. Bd. 36, S. 393-420.

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Das traurige Kapitel des Gewinnes und abermaligen Verlustes von Elsaß-Lothringen für die nationale Einheit behandelt Wentzcke=^^) auf Grund eindringender Kenntnis des Landes. Einleitend berührt er die Geschichte der Provinzen bis zur Reichsgründung, schildert ausführ- lich die Auseinandersetzungen, zu denen 1870 der Plan ihrer Er- werbung und die Ausführung des Planes Anstoß gegeben haben, um dann das trostlose Versagen der deutschen Verwaltung im Reichsland am Leser vorüberziehen zu lassen. Im höchsten Maße berechtigt ist sein scharfer Hinweis darauf, daß der Mangel an eigener Einheitlichkeit des Reiches, das Überwuchern des Partikularismus viel dazu bei- getragen hat, um die Verschmelzung der gewonnenen Lande mit Gesamt- deutschland zu unauflöslicher Einheit zu verhindern.

Der starke Schwung, der in die Forschung zur Epoche Bismarcks gekommen war, hat auch 1921 angehalten. Zusammenfassend hat W a h P^) eine Anzahl der früher erschienenen Werke (Raschdaus leider so ungenügende Ausgabe der Berichte aus Petersburg und Paris, Lucius, Plehii und Groos) gewürdigt. Von diesen Werken ist im Berichtsjahr eine neue Auflage der Erinnerungen von L u c i u s**') nötig geworden, (dieser denkbar wichtigen und alsbald unentbehrlich gewordenen Quelle. Sie muß aus dem Grunde an dieser Stelle angeführt werden, weil er- freulicherweise in ihr ein an der ersten Ausgabe vielfach gerügter Mangel behoben worden ist durch Anfügung eines ausführlichen Registers.

Nicht bloß den Politiker und Staatsmann, sondern in allem den Menschen und Vater Bismarcks haben wir vor uns in den Briefen an seinen Sohn Wilhelm, die W i n ,d e 1 b a n d*^) aus den Beständen des Varziner Archivs herausgibt. Es sind wieder Proben der wunderbaren Meisterschaft Bismarcks im Briefeschreiben; ein besonders reizvoller ist der aus London an den 10 jährigen Sohn. Dagegen enthält der aus Nikolsburg 1866 die auf die denkbar knappste Formel gebrachte, echt Bismarckschen Geist atmende Charakteristik seiner Haltung gegenüber Österreich. Im ganzen sind es 25 Briefe aus den Jahren 1859—95. Die persönliche Eigenart des Kanzlers wird veranschaulicht durch eine Skizze eines anonymen Autors,^^) über iden nur mitgeteilt wird, daß er „eine geistig sehr hochstehende, längst verstorbene Persönlichkeit sei, die das unschätzbare Glück hatte, Bismarck viele Jahre hindurch nahe zu stehen". Die intime Kenntnis geht auch deutlich aus den . Auf Zeich- nungen hervor. Manche Urteile allerdings können kaum unwider- sprochen hingenommen werden. Ausgezeichnetes Material hat J ö h - 1 i n g e r") zu Bismarcks Verhältnis zur Judenfrage zusarriengetragen ;

^^) Wentzcke, P.: Der dten. Einheit Schicksalslaud. Elsaß-Lothringen u. das Reich im 19. u. 20. Jahrh. Münch., Drei-Masken-Verlag. 228 S. »»j Wahl, Ad.: Neue Bismarckliteratur. Preuß. Jahrb., Bd. 183, S. 41—56. ^^) Lucius Y. Ballhausen, Frhr.: Bismarckerinnerungen. 4.-6. Aufl. Stuttgart, Cotta. Xll, 622 S. **) Bismarcks Briefe an seinen Sohn Wilhelm. Im Auftrage d. Grälin Wilhelm Bismarck hrsg. von Wolfgang Windelband. Berlin, Verlag f. Politik u. Wirtschaft. XIII, 50 S. *^) Bismarcks Persönlichkeit. Ungedruckte Erinnerungen. Bismarck-Heft d. Süddten. Monatshefte Dezemb., S. 105—122.'— ^S) Jöhliuger, 0.: Bismarck u. die Juden. Berlin, D. Reimer (E. Vohsen). VIII, 206 S.

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leider läßt sich nicht gleich Günstiges über die Verarbeitung sagen, die er dem Stoff hat angedeihen lassen.

Der ungeheure Umschwung, der für die wirtschaftlichen Verhält- nisse Deutschlands durch die Reichsgründung heraufgeführt worden ist, wird hell beleuchtet durch die Lebensbeschreibung einer der führenden Persönlichkeiten im deutschen Wirtschaftsleben, des Gründers der Deutschen Bank, Georg v. Siemens, aus der Feder von Helfferic h.^^) Bisher liegt bloß der erste Band vor, er reicht bis zur Mitte der siebziger Jahre, also bis zur Zeit, in der die Geschäfte der Bank den ganz großen Stil und den politischen Charakter anzunehmen beginnen. Es wäre leb- haft zu wünschen, daß das Werk nicht Torso bleibt, sondern diese eigent- lich entscheidenden Leistungen ebenfalls noch dargestellt werden. Höchst interessant sind auch die Erlebnisse, die Siemens vor der Bank- gründung im Dienste seines Vetters Werner gehabt hat.

Klarheit über die Stellung König Johanns von Sachsen zum Kultur- kampf ergibt sich aus den Briefen an Kaiser Wilhelm, die Johann Georg Herzog zu Sachse n^"') jetzt abdruckt, nachdem er sie aus verständlicher Rücksichtnahme bei der Buchausgabe ihres Briefwechsels fortgelassen hatte. Sie enthalten scharfe Mißbiligung des Jesuiten- gesetzes. Zur auswärtigen Politik Bismarcks in den siebziger Jahren hat V. W e r t h e i m e r , in Ergänzung zu seiner Biographie des Grafen Andrassy, mehrere kleinere Beiträge geliefert. Wertvoll sind die Briefe Erzherzogs Albrechts an Kaiser Franz Joseph aus den Jahren 1873 und 1875,*^') und erfreulich ist es, daß wir den Text des von Andrassy ver- faßten Resumes der Reichstädter Verhandlungen mit Gortschakow vom Jahre 1876 kennen lernen.*") Deutschland und Österreich-Ungarn haben sich im Vertrage vom 11. Oktober 1878 darauf geeinigt, die Bestimmung des Prager Friedens aufzuheben, wonach in Schleswig eine Volks- abstimmung über die staatliche Zugehörigkeit entscheiden sollte. Dies Abkommen ist, vor allem in Danemark, aufgefaßt worden als Demon- stration gegen die Heirat des Herzogs von Cumberland mit der dänischen Prinzessin Thyra. Die Unrichtigkeit dieses Standpunkts beweist Friis;*®) der Vertrag ist in Wirklichkeit schon am 13. April 1878 ab- geschlossen, nachträglich ist ihm ein anderes Datum gegeben worden. Nur mit der Veröffentlichung steht die Heirat in ursächlichem Zu- sammenhang.

Für die innerösterreichischen Zustände gewährt der zweite Band der Denkwürdigkeiten von P 1 e n e r*») reiche Aufschlüsse. Er um- faßt die Jahre 1873—1891, und da Plener im Parlament so vielfach

**) Helfferich, Karl; Georg v. Siemens. Ein Lebensbild aus Deutschlands großer Zeit. Berlin, J. Springer. Bd. 1. VIII, 336 S. *») Joiiann Georg, Herzog zu Sachsen: König Johann v. Sachsen u. der Beginn des Kulturkampfes. Hist.-polit. Blätter. Bd. 168, S. 320— 326. ") Wert heimer, E. v.: Ungedruckte Briefe des Erzherzogs Albrecht an Kaiser Franz Josef I. Dte. Revue, März- u. April- heft. — ") Wert heimer, E. v.: Neues zur Orientpolitik des Grafen Andrassy. 1876—1877. "} Friis, A.: Die Aufhebung des Artikels V des Prager Friedens. Hist. Zt. 125, 45-62. *•) Plener, E., Erinnerungen. 2. Bd.: Parlam. Tätigk. 1873-91. Stuttg., Dte. Veriagsanst. X, 461 S.

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hervorgetreten ist, so spiegeln sich in seiner Darstellung alle wichtigen außen- und innenpolitischen Fragen des Lebens der Donaumonarchie. Plener stand in scharfer Opposition zur Nationalitätenpolitik der Regie- rung, dies Problem nimmt deshalb besonderen Raum ein. Zwar ist der Band schon geschrieben vor dem Zusammenbruch, aber er läßt deutlich die Keime der Zersetzung erkennen und fördert wesentlich das Ver- ständnis, warum die Dinge den tragischen Ausgang genommen haben. Ein dritter Band soll die Erlebnisse bis 1918 besprechen.

Zur Aufhellung von Bismarcks Außenpolitik in den achtziger Jahren trägt R a c h f a h 1^") Erhebliches bei durch seine Untersuchung des Zentralproblems, das mit den Vorgängen des Jahres 1887 geboten wird. Damals zieht der Kanzler die Konsequenzen aus den Geschehnissen der letzten Jahre und tastet alle Möglichkeiten vorsichtig ab, auf welche Weise von nun an der Kurs nach fester Richtung gesteuert w^erden könne; infolgedessen tritt hier der seiner Politik innewohnende Sinn ganz besonders deutlich zutage. Mit Energie weist Rachfahl die Auf- fassung des Briefes an Salisbury vom 22. November als Bündnisangebot zurück. Der Aufsatz ist außerordentlich inhaltreich, gegründet auf ge- naueste Kenntnis aller damals erreichbaren Quellen und verarbeitet sie mit größtem Scharfsinn. An der Außenpolitik der achtziger Jahre hat Herbert Bismarck von Jahr zu Jahr steigenden Anteil genommen. Seine umstrittene Persönlichkeit sucht W i n de 1 b and"^^) in knapper Skizze ins rechte Licht zu setzen und ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem er, auf den Akten des Friedrichsruher Archivs fußend, die tragische Natur seines Schicksals aufdeckt: gegen seinen innersten Lebensdrang bleibt er das Werkzeug des Vaters, obwohl niemand besser als er weiß, daß dieser Selbständigkeit neben sich nicht verträgt. In vollem Bewußtsein der Selbstaufopferung setzt er sich zum einzigen Lebenszweck den Dienst für den Kanzler. Immer wieder aber bäumt sich dagegen seine Natur auf. So ist es zu erklären, daß allmählich die Art seines Auftretens so rauh geworden ist, wodurch er sich so viele Feinde gemacht und zweifellos in den letzten Jahren der Amtszeit des Kanzlers nicht gerade zur Ausgleichung der Gegensätze beigetragen hat.

Damit stehen wir schon unmittelbar in der Vorgeschichte von Bismarcks Sturz, über dessen Verlauf wir jetzt ganz anders klar sehen können. An erster Stelle der Erscheinungen zu dieser heftig um- kämpften Frage ist die Veröffentlichung des dritten Bandes von Bis- marck s''-) Gedanken und Erinnerungen zu nennen. Sie ist möglich geworden durch gütliche Beilegung des langwierigen, unerquicklichen Streites. Nachdem die Auffassung des einen Hauptbeteiligten durch seinen Brief an Kaispr Franz Josef bekannt geworden war, besitzen wir

^^) Räch fahl, F.: Der Rückversicherungsvertrag, der , Balkandreibund * und das angebliche Bündnisangebot Bismarcks an England vom J. 1887. (Weltwirt- schaftlich. Archiv IG, 23—81.) '^^) Windelband, Wolfgang: Herbert Bismarck als Mitarbeiter seines Vaters. Dt. Revue, Juniheffc. S. 193—208. Auch als Broschüre Stuttg., Dte. Verla^sanst. '^^) Bismarck, Fürst Otto v.: Erinnerungen u. Ge- danken. Stuttg., Cotta. 1910 (ausgeg. 1921). XVI, 207 S. (= Bismarck, Ge- danken u. Erinnergn. Bd. 3).

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mm die ^i'oße, zusaimiieiihäiigende Darstelliino- von der anderen Seite, Allerdings stellt der Band bloß ein Fragment dar, das zu vollenden Bismarck durch den Tod seines unentbehrlichen Helfers Lothar Bucher verhindert worden ist. Zur Beurteilung des Quellenwerts der gegebenen Darstellung sind sehr wichtig die Mitteilungen, die M a r c k s'^^) über die Entstehungsart gemacht hat: die Grundlage des endgültigen Textes bilden Aufzeichnungen des Grafen Herbert noch aus dem April 1890, 4ilso unter dem ganz frischen Eindruck des Ereignisses ; der Fürst hat sie erweitert, umgegossen und erläutert, da,durch also sie ganz sich zu eigen jgemacht. Die Verantwortung für jedes in dem Band enthaltene Wort -trägt deshalb Bismarck selbst, es wäre völlig unberechtigt, sie auf Grund dieser Entstehungsgeschichte dem Sohne zuzuschieben. Allerdings ist die Folge, daß manche Partien unverkennbar nicht den für den Fürsten typischen Stil tragen. Daran haben alle die Durchsichten und Nach- fei lungen nichts ändern können, die er bis 1897 immer wieder vor- genommen hat.

Zur Nachprüfung von Bismarcks Darstellung sind geeignet die Be- richte des österreichischen Botschafters in Berlin, aus denen v. W e r t - h e i m e r^^) Mitteilungen macht. Ebenfalls von Wiener Material geht S c h ü ß 1 e r^'^) aus bei seinem Unternehmen, der angehäuften Stoff- masse die erste, großangelegte, systematische Verarbeitung angedeihen zu lassen. Er hat auch schon den dritten Band benutzen können, zu- nächst aller,dings nur in schwedischer Übersetzung. Weit ausholend deckt er die Vorgeschichte des Zusammenpralls auf und schafft damit die Grundlage, auf die gestützt er den eigentlichen Verlauf in allen Einzelheiten ausbreitet. Wenn man vielleicht auch nicht allen seinen Urteilen und Folgerungen wird zustimmen können, so bleibt doch auf alle Fälle die sorgfältige Ausarbeitung des Problems und die lebens- warme Darstellung erfreulich. Mit Recht hat das Buch große An- erkennung gefunden.

Noch nicht verwerten können hat Schüßler in der ersten Auflage seines Werks den ausgezeichneten Stoff, den v. Mülle r^^) mit der Ver- öffentlichung der Berichte des bayrischen Vertreters in Berlin darbietet. Graf Hugo Lerchenfeld hat am kaiserlichen Hof durch seine vielseitigen .Verbindungen eine vortreffliche Stellung besessen^ infolgedessen hat er viel erfahren und seinem Minister Crailsheim viel zu erzählen. Das Bild dieser verhängnisvollen Wochen erfährt durch seine Berichte in vielen Punkten willkommene Bereicherung. So ist also im ganzen unsere Kenntnis der großen Tragödie von 1890 in glücklichster Weise ge- fördert worden.

*') Marcks, Erich: Die Stimme Bismarcks. Velhagen & Klasing, Monats- hefte Dezember. 1921. S. 440-447. •**) Wertheimer, E. v.: Bismarcks Sturz. Preuß. Jahrbücher 184, S. 300-336. - «^S) Schüssler, W.: Bismarcks Sturz Lpz.: Quelle. & Meyer. XII, 327 S. - ") Müller, Karl Alexander v.: Die Entlassung. Nach d. bayrischen Gesandtschaftsberichten. Bismarck-Heft d. Süddten, Monatshefte, Dezember. S. 138— 178.

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C. Kapitel IV.

Von der Entlassung Bismarcks bis zum Ausgang

des Weltkrieges (1890—1918). (Rothfels.)

Der Versuch, die deutsche Geschichte von 1890 bis 1918 in einer esamtdar Stellung zu behandeln, ist im Berichtsjahr von B o r n h a k unternommen worden. Seine „Deutsche Geschichte unter Wilhelm IT'^) ist ein Buch von stark persönlichem Charakter, aus dem Bedürfnis der eigenen „Gewissenserforschung" heraus entstanden und mit den Zügen dieser inneren Entstehungsgeschichte unverkennbar be- haftet. Die Partien, denen der Verfasser fachmäßig nahe steht, die Fragen der inneren und namentlich die der Verfassungs- und Verwal-. tungspolitik sind von Interesse, die kulturgeschichtlichen Enterfilets da- gegen bleiben unbefriedigend und auch das, was sachlich naturgemäß im Mittelpunkt steht, die Darstellung der auswärtigen Politik, ist lückenhaft und widerspruchsvoll. Überall, sowohl im Lob wie in der Kritik macht sich ein Mangel an Distanz geltend.

Sehr viel reicher ist gleichzeitig die Spezialforsch ung über die auswärtige Politik des Deutschen Reiches entwickelt worden. Begreiflich genug! Denn hier liegt nicht nur ein starker aktueller Antrieb, sondern auch die Möglichkeit vor, ein in sich ge- schlossenes Gebiet, das vorwärts wie rückwärts durch schon heute deut- liche Zäsuren sichtbar abgegrenzt wird, einheitlich zu überschauen. Aus- drücklich diesem Ziele gewidmet ist die umfangreiche Darstellung von V a 1 e n t i n.^) Sie schildert in einem ersten kürzeren Teile das Bis- marckische Erbe, den neuen Kurs und die weltpolitischen Konflikte im Orient und in Afrika, um dann ausführlicher den Kriegsausbruch und die Kriegspolitik zu behandeln. Die gedruckte Literatur wird dem da- maligen Stande nach ausgiebig verwertet, auch sind dem Verfasser für einzelne Partien Aktenreferate des Auswärtigen Amtes zugute ge- kommen. Die Forschung zeigt einen starken Zug zu internationaler Ge- rechtigkeit, sie kommt dazu, eine Art „Schuldskala" aufzustellen, bei der Rußland an durchaus erster, Österreich an zweiter Stelle rangieren, während für England, Frankreich, Deutschland ein annähernd gleiches Mischungsverhältnis von Schuld und Unschuld konstatiert wird. Sehr mit Recht wird die allgemeine Kriegsdisposition der Epoche hervor- gehoben. Leider stehen diesem objektiven Zuge andere Tendenzen entgegen: Nicht so sehr die parteimäßige Bindung des Verfassers, die an sich der Farbe imd Wucht der Darstellung durchaus nützlich sein könnte, als vielmehr ein leidiges Haschen nach Effekten, das (etwa in dem Vorwort und bei der Mehrzahl der Charakteristiken) den Wert des Buches erheblich mindert. Im stärksten stilistischen Gegensatz zu

») Bornhak, K.: Dte. G. unter Wilhelm IL Lpz., Deichert. VIII, 368 S. *) Valentin, V.: Dtls. Außenpolitik von Bismarcks Abgang bis zum Ende des Weltkriegs (1890-1918). Berl. Dte. Verlagsges. f. Polit. u. Gesch. XV, 918 S.

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dieser Behandlung eines großen Stoö'es stehen zwei Arbeiten von K j e 11 e n. Zunächst seine diplomatische Vorgeschichte des Welt- krieges unter dem Titel : Dreibund und Dreiverband:^) eine intensive Studie der beiden entgegengesetzten Bündnissysteme in Ihrer Abwandlung von 1870 bis 1914. Kjellen glaubt in ihnen die außen- politische Projektion des innerpolitischen Dualismus zu erblicken: hier wesentlich konstitutionelle, dort wesentlich parlamentarische Staaten. Man kann gegen diese rationale Konstruktion erhebliche Einwendungen machen, aber sie schädigt den Wert der Darstellung nicht ernsthaft. Ihr vorbildlicher Zug beruht gerade darin, daß sie von allen vorgefaßten Meinungen imd gefühlsmäßigen Momenten abstrahiert und die zum Kriege führende Verflechtung als ein vor allem geopolitisch bedingtes schicksalsmäßiges Erlebnis des europäischen Kulturkreises entwickelt. Noch stärker tritt das in dem zweiten Buche Kjellens hervor, der Neu- auflage seiner klassischen Studie über die Großmächt e.^) Sie ist im Hauptteil nur wenig verändert, stattdessen sind die aus der Nach- kriegsperspektive sich ergebenden Gesichtspunkte in einen Anhang ein- gearbeitet worden, der die Aufstellung der Mächte, den Kriegsausbruch und die Form des Friedensschlusses mit fast experimenteller Sachlich- keit darstellt. Dem dynamischen Teil folgt ein statischer: eine be- deutsame Skizze des gegenwärtigen großmächtlichen Systems. In naher Berührung mit Kjellen steht ein Anfsatz von Bächthold,^) der gleichfalls ganz geopolitisch eingestellt die Schuldfrage im Sinne bewußten Plauens entschieden zurückweist. Sein Motto ist viel- mehr das Wort Dostojewskis: „So setzt sich die Welt auseinander", d. h. die Entwicklung der modernen Weltpolitik wird als ein einheit- licher rhythmischer Zusammenhang aufgefaßt, in dem „ein östliches und ein westliches Mühlsteinpaar das Schicksal Europas mahlt".

Mit dem Stil dieser Arbeiten in etwas verwandt sind die V ergleichend, en Geschichtstabellen Kaiser Wil- helms II.*') Sie bilden gewissermaßen den Übergang von den Dar- stellungen zu den Quellen der Außenpolitik: Die Auswahl der Daten, mit denen die Politik der Großmächte von 1878 1914 anschaulich ge- macht wird, enthält auf der einen Seite gewiß ein subjektives Moment, das der Kritik unterliegt, andererseits bringt die synchronistische Zu- sammenstellung der quellenmäßig bezeugten Vorgänge die Tatsachen selbst zum Sprechen. Das u n m i 1 1 e 1 b a r e Q u e 1 1 e n m a t e r i a 1 zur Geschichte der deutschen Außenpolitik ist im Berichtsjahr durch eine höchst wertvolle Publikation bereichert worden. Der frühere Sekretär der russischen Botschaft in London, B. v. S i e b e r t ,^) hat in einem stattlichen Bande den wichtigsten Teil der amtlichen russischen Korre- spondenz aus den Jahren 1908 1914 veröffentlicht. Sein Buch enthält sowohl den Depeschenwechsel der Petersburger Zentrale mit der

^) Übers, v. Normann. München-Lpz., Duncker u. Humblot. 138 S. *) Die Großmächte und die Weltkrise. Lpz. und Berlin, Teubner. 249 S. ^) Welt- wirtschaftl. Archiv. 16, H. 4. «j Lpz., Koehler. 75 S. Volksausgabe 1922. ') Diplomatische Aktenstücke zur Gesch. d. Ententepolitik d. Vorkriegsjahre. Berlin, Verein, wiss. Verleger. IV, 827 S.

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Londoner Botschaft, wie auch den mit den übrigen russischen Missionen, soweit er in London abschriftlich einging. Das Material ist in Sach- kapitel angeordnet und bringt für die kritischen Phasen der europäischen Politik und namentlich für die Art und das Tempo, in denen die französisch-englisch-russische Annäherung sich vollzog, wesentliche Auf- schlüsse. Wie die belgischen Gesandtschaftsberichte den ersten, so stellen die Siebert-Akten den zweiten großen Lichtschacht dar, durch den das Dunlvel der Ententepolitik erhellt wird. Die Authentizität der mit- geteilten Stücke, über die übrigens, wie man jetzt weiß, das deutsche Auswärtige Amt schon lange verfügte, ist von keiner Seite bestritten worden. Immerhin wäre bei einer Neuauflage ein stärkerer Ausbau der Publikation nach der methodischen Seite erwünscht. Auch für die Einzelvorgänge der deutschen Außenpolitik liegen mancherlei neue Quellenzeugnisse vor. So hat E c k a r d t s t e i n^) einen dritten Band seiner Lebenserinnerungen veröffentlicht. Wieder wie in den früheren Bänden tritt dabei die Person des Autors sehr stark hervor, wieder er- fährt man höchst seltsame Dinge über die Art, wie der ehemalige deutsche Botschaftsrat sich zum gutgläubigen Sachwalter englischer und französischer Interessen machen ließ. Aber eben daraus folgt auch, daß E. über eine Kenntnis intimer Vorgänge verfügt, die quellenmäßig sehr bedeutsam ist. Namentlich seine Vermittlertätigkeit während der Marokkokrise von 1904 und sein abschließender Brief an Holstein sind hier zu nennen, ferner sei auf eine interessante Unterredung mit Bebel aus dem gleichen Jahr verwiesen. Wie Eckardtstein, so hat auch H a m m a n n^) seinen früheren Büchern einen neuen vierten Band folgen lassen. H. rückt damit mählich gewissermaßen in die Stellung eines „Poschinger des neuen Kurses" ein. Er gleicht seinem Vorgänger sowohl im publizistischen Eifer und in der Neigung zur Wiederholung, wie vor allem auch darin, daß er genügend aktenmäßigen Einblick be- sitzt — und zwar H. aus der Zeit eigener amtlicher Tätigkeit her, um je nach dem Stand der öffentlichen Kenntnis und Interessenrichtung ein weiteres Stück des Schleiers zu lüften. Die neuen Mitteilungen des jetzt vorliegenden Bandes betreffen Einzelfragen namentlich der eng- lischen Politik (Teilungs Vorschlag Salisburys, Krügerdepesche, Bünd- nisfrage) und der deutsch-russischen Beziehungen (Kaiserbriefe, Björkövertrag).

Näher dem Mittelpunkt der deutschen Außenpolitik stehen die Er- innerungen des Freiherrn von Schön ,^^) der bekanntlich von 1907—1910 Staatssekretär des Auswärtigen Amts unter Bülow war. Freilich, wer überraschende Aufschlüsse von dem Buche erwartet, wird enttäuscht sein. Der Verfasser selbst bezeichnet als einen Grund seines Rücktritts, er sei dem Kanzler zu ähnlich gewesen. In der Tat fehlt es völlig an einem eigenen starken Ton, ein Mangel, für den eine wohl- abgewogene Besonnenheit wohl menschlich, aber kaum politisch ent-

^) Die Isolierung Deutschlands. Lpz., List. 206 S. ^) Der mißverstandene Bismarck. Berlin, Hobbing. 204 S. ^^) Erlebtes. Beiträge zur polit. Gesch. d. neuesten Zeit. Stuttg. u. Berlin, Dte. Verlagsanstalt. 227 S.

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schädigt. Wichtiger als die Erinnerungen aus der Zeit des Staats- sekretariats, die nur anläßlich der Daily-Telegraph-Affäre mehr ins Detail eingehen, ist der Abschnitt über Schöns Tätigkeit als Pariser Bot- schafter (bis 1914). Hier wird, namentlich für die unmittelbare Kriegs- vorgeschichte, sachlich viel neues geboten. Den außenpolitischen Quellenwerken ist auch das Buch von Spickernage P^) über Bülow zu zählen. Sein darstellender Teil ist stark panegyrisch gehalten und lücht eben sehr aufschlußreich. Aber der offiziöse Charakter des Werkes bringt es zugleich mit sich, daß die eigene Auffassung des Altreichs- kanzlers häufig durchschimmert. Außerdem werden wichtige Mate- rialien zum ersten Male dargeboten: Teile des Briefwechsels zwischen Bassermann und dem Fürsten, die Briefe Bassermanns an seine Gattin aus der Zeit der Daily-Telegramm-Affäre und die Berichte des Militär- attache in Rom, v. Schweiiütz (1914/15), die für die Vorgeschichte der italienischen Kriegserklärung von großem Wert sind. Wesentlich der Vorkriegsgeschichte gewidmet ist auch das Erinnerungsbuch des Baron V. S z i 1 a s s y,'-) der während der Balkankrise Botschaftsrat in Peters- burg und dann unter Berchthold bis Ende 1913 Sektionschef am Ballplatz war, um kurz vor Kriegsausbruch die Gesandtschaft in Athen zu über- nehmen. Auf allen drei Stationen war Sz. ein entschiedener Anhänger der Friedenspartei, sein Buch gibt von diesem Standpunkt sehr inter- essante Details zur inneren Geschichte der österreichischen Außen- politik sowohl wie zur Psychologie des Magyarentums. Übrigens ist darauf hinzuweisen, daß der mäßigende Einfluß der deutschen Politik von dem Verfasser ausdrücklich hervorgehoben wird. Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch der erste Band der Erinnerungen des Feldmarschall Conradvon Hötzendorf f^^) zu erwähnen. Er be- handelt die Zeit der Annexionskrise (1906—09) und bringt für dieses Spezialproblem sehr wesentliche Aufschlüsse, die gemäß der kräftigen, eigenwilligen Natur des Generalstabschefs sich nicht auf die militärisch- fachlichen Aufgaben des Moments beschränken, sondern auch in die poli- tischen Einzelfragen stark eingehen.

Als ein besonders wichtiges außenpolitisches Teilproblem stellt sich wie für die Politik, so auch für die geschichtliche Forschimg die Schuldfrage heraus. Ihr widmet sich in Deutschland systematisch die Zentralstelle für Erforschung der Kriegs- ursachen unter Leitung des Schweizers Sauerbeck. Die Zentral- stelle gibt seit 1. Oktober 1921 als Manuskript gedruckte Merk- blätter heraus,^*) die hier als bibliographisches Hilfsmittel zu nennen sind. Auch in Frankreich und England fehlt es nicht an wichtigen An- sätzen zu objektiver Betrachtung (Kreis der Clarte und der Foreign.

^*) Hamburg. Alsterverlag. 264 S. ^^) Szilassy, J. v.: Der Untergang der Donau -Monarchie. Berlin, Verlag Neues Vaterland. 423 S. *^) Aus meiner Dienstzeit. Wien, Rikolaverlag. 676 S. Eine weitere wichtig-e Quelle zur öst' Vorkriegspolitik sind die Erinnerungen des franz Botschafters Crozier (1907 11 in Wien). Revue de France, 1. Jahrg. April- Juni 1921. ^*) Zu beziehen durch den Arbeitsausschuß deutscher Verbände. Berlin NW. 6, Luisenstr. 31. A.

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Affairs). Sehr anderen Charakter tragen die Vorträge P o i n c a r e s^^) über den Krie.gsausbruch, die naturgemäß stark apologetisch und polemisch gehalten sind, ohne im übrigen sachlich viel neues zu bieten.

Aus dem deutschen Schrifttum sind größere Darstellungen der Vor- kriegsgeschichte im Berichtsjahr nicht zu erwähnen. Nur eine wichtige Quelle ist veröffentlicht worden : Das 2. HeftderWeißbücherdes Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ,^®) das die militärischen Rüstungen und Mobilmachungen behandelt. Um so reicher ist die deutsche Streitschriftenliteratur. Sie ist teils defensiver, teils offensiver Natur. Unter den Verteidigungsschriften ist E. Fischers „Plaidoyer vor einem Gerichtshof redlicher Menschen in Sachen der Kriegsschuld"^') zu nennen, ferner die öffentliche Schuld- diskussion zwischen Delbrück und dem Londoner Historiker H e a d 1 a m.^^) Noch eingreifender ist die neue Schrift von S c h w e r t f e g e r , der den „Fehlspruch von Versaille s"^^) auf rein dokumentarischer Grundlage ad absurdum führt, indem er die früher von ihm in 5 Bänden veröffentlichten belgischen Gesandtschafts- berichte (1871 1914) in knapper, wirkungsvoller Form zusammen- faßt. — Die deutsche Kriegsschuldlegende im engeren Sinn, d. h. die These von Deutschlands unmenschlicher Kriegsführung, widerlegt ein Auszug aus dem Buch des englischen Pädagogen H. P i c t o n.-'') In den innerpolitischen Schuldstreit greift eine Schrift von Schie- rn a n n-^) ein, die an Kautsky berechtigte Kritik übt, freilich nicht ohne der inngekehrten Parteidogmatik zu verfallen.

Daneben stehen wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Ver- antwortung der Entente am Kriegsausbruch befassen. Eine kurze und prägnante Schrift von R o h r b a c h-") trägt namentlich aus belgischen und russischen Quellen Belastungsmaterial zusammen. Sehr wirkungs- voll ist eine Studie von Karo ,'^) die den Kriegswdllen der Entente aus den Zeugnissen ihrer führenden Männer selbst belegt, wobei manches weniger bekannte Quellenstück (Iswolski, Sassonow) abgedruckt wird.

Ferner sind zwei Spezialarbeiten über den Anteil Englands bezw. Frankreichs an der Kriegsvorgeschichte zu erwähnen: Brentano^*) behandelt die englische Politik auf Grund der eingreifenden Kritik, die em Führer des englischen Liberalismus im überkommenen ethischen Sinne, E. D. Morel, an ihr geübt hat. Die höchst aktive Rolle, die

^*) Les origines de la guerre. Buchausgabe. Paris, Plön. Dazu Daniels: Preuß. Jahrb. Mai 1921. ^^) Verlag Hobbing, Berlin. ") Berlin, Dte. Ver- lagsgesellschaft f. Pol. u. Gesch. 50 S. - i») Delbrück, H.: Deutsch - engl. Schulddiskussion. Berlin, Verl. f. Pol. u. Wirtschaft. 98 S. i») Berlin, Dte. Ver- lagsges. f. Pol. u. Gesch. XIV, 215 S. '^^) Das bessere Deutschland im Krieg. München, Südd. Monatshefte 1921. ") Deutschlands u. Kaiser Wilhelm II. angebliche Schuld am Ausbruch des Weltkrieges. Berlin, Vereinigung wissensch. Verleger. 31 S. ") Die Beweise für die Verantwortlichkeit der Entente am Weltkrieg. Stuttg., Engelhorns Nachf. 47 S. ^s) Die Verantwortung der Entente am Weltkrieg. Nach Zeugnissen ihrer führenden Staatsmänner. Halle, Nie- meyer. 76 S. «*) Der Weltkrieg und E. 0. Morel. Ein Beitrag z. engl. Vor- geschichte des Krieges. München, Drei-Masken-Verl. 102 S.

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Poincare in der Kriegsvorgeschichte spielt, wird von Schwert- fege r-'*) scharf beleuchtet.

Während so die auswärtigen Fragen im Mittelpunkt des Forschungs- interesses stehen, ist die deutsche Innenpolitik der Vor- kriegszeit nicht eingehender behandelt worden. Nur eine Spezial- arbeit liegt mir vor, die Geschichte der politischen Parteien von B e r g - Strasse r.'-") Freilich hat sie ihren sachlichen Schwerpunkt in der Epoche Bismarcks, aber auch die Parteientwicklung der Vorkriegs- und der Kriegszeit erfährt eine wenn auch nur skizzenhafte Behandlung. Dabei wird Parteientwicklung rein äußerlich als Fraktionsgeschichte aufgefaßt, wodurch eine zweifellose Verengerung des Themas entsteht. Aber auch so v^ird man diesen ersten wissenschaftlichen Führer durch ein schwieriges Gebiet freudig begrüßen. Reiche Literaturangaben er- liöhen seine Brauchbarkeit. Eine neue Quelle zur Geschichte der deutschen Parteien ist in dem Nachlaß des Zentrumsführers Grobe r^^) erschlossen worden. Vornehmlich auf die deutsche Innenpolitik be- ziehen sich auch die Aufsätze von Ir e n ä u s ,^^) ein Pseudonym, unter dem sich bekanntlich der Name August Steins verbirgt, des langjährigen Berliner Korrespondenten der Frankfurter Zeitung (1889—1920), des „Gesandten Sonnemanns am Berliner Hofe", wie Bismarck ihn nannte. Der von Freundeshand heraus!?egebene Gedächtnisband vereinigt eine bunte Sammlung ausgewählter Artikel, teils Charakteristiken von Männern des Parlaments, der Verwaltung, der Politik, darunter be- sonders reizvoll das Portrait Bülows, zu dem Stein in nahen Beziehungen stand, teils Bilder aus dem öffentlichen und privaten Leben der Haupt- stadt. — Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch das Elsaß-Buch von W e n t z c k e-'») zu erwähnen, eine ungewöhnlich aufschlußreiche und kraftvolle Darstellung von mehr als landesgeschichtlichem Inter- esse. Wentzcke sieht in der Geschichte der Reichslande gewissermaßen ein Symbol der allgemeinen Reichsgeschichte und zwar in doppeltem Sinne. Einmal ist sie der Gradmesser für die Energie, mit der die französische Politik gegen den Rhein vordringt, vor allem aber spiegelt die Entwicklung Elsaß-Lothringens den Jeweiligen Stand der inner- deutschen Geschichte, das Verhältnis der Einzelstaaten, der Dynastie q und der Parteien zum Reichsgedanken wieder. So werden die beiden V/estprovinzen in einem eminenten Sinne zum „Schicksalsland" der deutschen Einheit.

Für die innerdeutsche Geschichte der Kriegszeit liegen Dokumente und Bekundungen aus den verschiedensten Lagern vor. Die Wirkung der alldeutschen Propaganda beleuchtet Haußmann ,^^) indem er einen Bericht des französischen Propa-

2^) Poincare und die Schuld am Kriege. Berlin, Dte. Verlagsgesellsch. f. Pol. u. Gesch. 118 S. ^ej Mannheim, J. Bensheimer. 148 S. 2') Cardauns: Ä.. Gröber. " München-Gladbach, Volks Vereins- Verlag. 171 S. ^®) Iren aus: Auf- sätze August Steins Frankfurt am Main, Sozietätsdruckerei. 195 S. ^®) Der dten. Einheit Schicksalsland. München, Drei-Masken-Verl. 228 S. ^°) Hauß- mann, C: Geheimbericht N. 7 vom Februar 1017. Die Innenpolitik Deutschlands als Instrument der Außenpolitik Frankreichs. Berlin, Dte. Verlagsgesellsch. f. Pol. u. Gesch. 56 S.

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gandadienstes abdruckt, der auf die innere Zerklüftung des deutschen Parteilebens weitgehende und nur zu berechtigte Hoffnungen setzt. Den Ideenkreis der Mittelparteien repräsentieren die „Gesammelten politischen Schriften" Max Web.ers,=^0 freilich in einem Stil durch- aus persönlicher und überdurchschnittlicher Art. Was hier an Aufsätzen und Briefen aus dem Nachlaß eines führenden deutschen Gelehrten dar- geboten wird, umreißt die Züge eines elementaren Temperaments und eines wahrhaft politischen Charakters. Durch alle Zeugnisse hindurch geht ein leidenschaftlicher Wille zur Sachlichkeit und zur Synthese und zugleich ein bewußter Kampf gegen alle einseitig und dogmatisch fest- gelegten Gruppen. Für die Stoßkraft des linken Flügels dieser Gruppen liegen aus dem Berichtsjahr wichtige Quellen vor. Zunächst das Protokoll des Gründungsparteitags der U.S.P.D.,»^) vor allem aber die Sammlung der politischen Aufzeichnungen aus dem Nachlaß Liebknechts ,=^=^) sie bringen aus den Jahren 1913 18 die wichtigsten Reden und Artikel des radikalen Führers, darunter zum ersten Male in offiziellem Druck die eindrucksvollen und geschicht- lich bedeutsamen Spaiiakusbriefe. Von der anderen Seite her be- leuchtet der erste Band der Erinnerungen von W r i s b e r g s^*) den Weg zur Revolution so, wie er sich der Verwaltung des Kriegsmini- steriuins und der ihm nachgeordneten militärischen Heimatbehörden dar- stellte. Es handelt sich dabei naturgemäß nicht um eine Abwägung der miteinander ringenden Kräfte und entfernt nicht um eine objektive Vor- geschichte der Revolution,^*^) die Bedeutung des Buches liegt wesentlich in dem reichen Material, das es darbietet. Weitere wichtige Beiträge zu dem gleichen Problem enthält eine Veröffentlichung Scheid e- m a n n s.^'*) Sie stellt im Hauptteil einen Auszug aus den „26 Bänden" Tagebüchern dar, die Seh. seiner Angabe nach während des Krieges ge- schrieben hat. Aber da bereits der gedruckt vorliegende Band sehr viel Ivleine und subalterne Dinge behandelt, so darf man wohl annehmen, daß der geschichtlich wichtige Bestand der Scheidemann-Erinnerungen iiunmehr ausgeschöpft ist. Sie bringen quellenmäßige Aufschlüsse zur Friedensfrage,^') vor allem aber zur inneren Geschichte der sozia- listischen Parteien. Namentlich der Kampf gegen Haase wird mit inter- essanten Details belegt. Schließlich bietet das Buch eine indirekte und ungewollte Selbstcharakteristik des Verfassers, die für die Forschung

»') München, Drei-Masken-Verlag. 488 S. 32) Protokoll über die Verhand- lungen des Gründungsparteitags d U.S.P.D. y. 6.— 8. April 1917 in Gotha. Mit Bericht über die gemeinsame Konferenz d. Arbeitsgemeinschaft u. d. Spartakus- gruppe herausg. v. E. Eichhorn. Berlin, A. Seehof. 120 S. ^3) Herausg. von Pfemfert. Berlin-Wilm., Verlag der Aktion. VII, 374 S. ^^) Der Weg zur Revolution. Lpz., Koehler. VI, 179 S. ^^) Die eigentliche Revolutionsgeschichte fällt aus dem zeitlichen Rahmen dieses Berichtes heraus. Die Vorgeschichte wird mindestens kursorisch mitbehandelt in den Büchern von Bernstein (Die deutsche Revolution, ihr Ursprung, ihr Verlauf u. ihr Werk, I. Berlin, Verl. f. Gesellschaft u. Erziehung. 198 S.) u. Deutsch (Aus Österreichs Revolution. Militärpol. Er- innerungen Wien, Wiener Volksbuchh.). ^^) Der Zusammenbruch. Berlin, Verl. für Sozialwissenschaft. VIII, 251 S. ^7) Hierzu noch eine ergänzende Schrift Scheidemanns: Papst, Kaiser u. Sozialdemokratie in ihren Friedens- bemühungen im Sommer 1917. Berliner Verlag f. Sozialwissen seh. 20 S.

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wertvoll ist. Eine andere Spielart des Parteikampfs repräsentieren die Aufzeichnungen der Gräfin Hetta Treuberg ,^^) eine unerfreu- liche Mischung von gesellschaftlichem Klatsch und internationaler Intrigue, der gleichwohl ein gewisser Quellenwert zukommt.

Unter den Sonderarbeiten zur innerdeutschen Ge- schichte ist endlich noch das monumentale Werk des Stadtarchivars K a e b e r^^) über „Berlin im Weltkriege" zu nennen, ein bis zur Ent- sagung sachliches Buch, mosaikartig zusammengesetzt aus Spezial- berichten der einzelnen Verwaltungsreferenten, aber gerade in der schlichten, schmucklosen Ausbreitung des Tatsachenmaterials ein wich- tiger Beitrag nicht nur zur Berliner Geschichte, sondern, zur Geschichte der Wirtschafts-, Kultur- und Sozialpolitik der deutschen Großstadt im Kriege überhaupt.

Damit ist der Übergang gegeben zur Geschichte des Krieges im engeren Sinne. Sie ist nach der allgemein-politischen, wie nach der militärischen Seite im Berichtsjahre von R o 1 o f f*°) be- handelt worden. Freilich nur in einer kurzen Skizze, deren größere Hälfte noch dazu von der Vorkriegsgeschichte beansprucht wird. Aber bei der weitgehenden Spezialisierung der Forschung sind auch die knappen Abschnitte, die militärisches, politisches und wirtschaftliches Kriegsgeschehen neben- und miteinander darzustellen streben, sehr willkommen, um so mehr, als die Darstellung kritische Objektivität und frische Anschaulichkeit verbindet. An die Spitze der Quellenwerke zur PolitikdesKriegesist der zweite Band der Erinnerungen von Bethmann-Hollweg s^O zu stellen. Er teilt mit dem früher er- schienenen Bande den Vorzug eines ungemein hohen geistigen Niveaus, die politischen Ereignisse der ersten beiden Kriegs jähre und die der kritischen Wochen von 1917 werden in einer überlegenen Art behandelt, hinter der die persönliche Erregung kaum merklich nachzittert. Daß mit diesem geistigen Zuge sich eine gewisse Allgemeinheit und Un- bestimmtheit der politischen Grundlinien verbindet, ist für die Person des Verfassers ebenso aufschlußreich, wie es dem allgemein-sachlichen Quellenwert der Memoiren Abtrag tut. Übrigens sind die am meisten interessierenden Einzelangaben (Österr.-serbischer Streit, U-Boot- Krieg, Wilson- Vermittlung) schon aus den Aussagen Bethmanns vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß bekannt. Sehr anderen Charakter hat das Buch von N o w a k.^^^ Es ist ganz auf äußere Wirkung gestellt, in einem eiligen und aufgeputzten Journalistendeutsch geschrieben, dafür andererseits im sachlichen Gehalt ungewöhnlich wertvoll. Wenn Nowak bei seinem früheren Buche Mitteilungen Conrads zur Verfügung standen, so ist der Bereich der vertraulichen Aufschlüsse diesesmal ein viel weiterer. Laut Vorwort liegen dem

38) Zwischen Politik und Diplomatie. Herausg. v. Bopp, Strasbourg. Im- primerie Strasbourgeoise. VII, 335 S. 3») Berlin, Trowitzsch & Sohn. VII, 567 S. ^) Die Bilanz des Krieges. Ursprung, Kampf, Ergebnis. Königstein, Lpz., Langewiesche. 221 S. *M Betrachtungen zum Weltkriege II. Teil. Während des Krieges. Berlin, Hobbing. VII, 280 S. ^^) Nowak, R. F.: Der Sturz der Mittelmächte. München, Callwey. VII, 435 S.

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Buche „Geheimakten und Kronratsprotokolle" und „wiederholte und ausführliche, intime und authentische Darlegungen nahezu sämtlicher führender Staatsmänner und Militärs, die auf der Seite der drei Mittel- mächte beteiligt waren", zugrunde. Wohl fordern diese Angaben im ganzen wie im einzelnen die Kritik heraus, aber daß das Werk mindestens für große Strecken auf offiziösen Bruchstücken aus ver- schiedenen Lagern beruht, ist nicht zu bezweifeln. Besonders markant zeichnen sich die Aussagen von General Hoffmann und den Staats- sekretären Kühlmami mid Hintze ab, ferner die von Pflanzer-Baltin, Hussarek, Conrad, Arz, Max v. Baden und Solf. Eine wichtige Einzel- heit aus der österreichischen Kriegspolitik wird durch die Schrift von D e m b 1 i n^^) beleuchtet, in der ein vertrauter Mitarbeiter Czernins unanfechtbares und für die Rolle des Kaiserpaares sehr belastendes Material zur Geschichte der Sixtus- Affäre beibringt.'**) Wichtige indirekte Aufschlüsse zur Geschichte der deutschen Außenpolitik während des Krieges bieten die Erinnerungen P a I e o 1 o g u e s ,*5) des letzten französischen Botschafters am Zarenhof und die Verteidigungs- und Anklageschrift des Exministers C a i 1 1 a u x.*^)

Schließlich bleibt noch die militärische Geschichte des Krieges zu betrachten. An Gesamtdarstellungen liegt im Berichtsjahr der vierte Band des großen Werkes von Stegemann vor.*^) Er umfaßt die Kriegshandlungen von Ende 1915 bis November 1918, ausführlicher nur die großen operativen Vorgänge behandelnd; daneben wird an den Zäsuren des militärischen Geschehens auch die Entwicklung der politischen. Lage kurz analysiert. Das Buch zeugt wie seine Vorgänger von einer erstaunlichen Kraft der Einfühlung, der reiche sprachliche Ausdrucksmittel zur Verfügimg stehen. Immer wird es merkwürdig bleiben, wie hier ein Laie es verstanden hat, dem mili- tärischen Tatsachenstoff ein individuelles und oft ergreifendes Leben einzuhauchen, ohne der Gefahr des Dilettantismus zu verfallen. Es ist in der Tat eine Art Epopöe des Weltlmeges auf wissenschaftlicher Grundlage, die in dem nunmehr abgeschlossenen Werke vorliegt. Nüchterner und rein fachlich eingestellt ist der strategische Überblick von Mose r.'*^) Er läßt einer kurzen Skizze des Kriegsverlaufs gehalt- volle und im Urteil wohl abgewogene Betrachtungen folgen. Eine ge- wisse Mittelstellung nimmt das Buch von V o 1 k m a n n*») ein. Es ist die erste Gesamtdarstellung des Krieges, die auf die Akten des Reichs- archivs sich stützen konnte. Ihr kommt demgemäß eine besondere wissenschaftliche Bedeutung zu. Andererseits werden die Ergebnisse

**) Demblin, A,: Czernin u. die Sixtus- Affare. München, Drei-Masken- Verl. 1920, 101 S. ■**) An weiteren Quellen zur höfisch-dynastischen Geschichte Öster- reichs hrsg. von Wölfling, L.; Habsburger unter sich (Berhn, J. Goldschmidt. 179 S.) und ungleich wertvoller: v. Margutti: Vom alten Kaiser. (LpB., Leon- hardt- Verlag.). *') Paleologue. M.: La Russie des Tsars pendant la grande guerre. Paris, Plon-Noumt. *«) Caillaux: Meine Gefangenschaft Basel-Lpz., Kheinverlag. 300 S. *'') Stegemann, H.: Gesch. d. Krieges. IV. Stuttgart- Berlin, Dte. Verlagsanstalt. XIV, 708 S. ^^) Moser, O.v.: Kurzer strategischer Überblick über den Weltkrieg 1914—1918. Berlin, Mittler & Sohn. VI, 123 S. ") Volkmann, E. 0.: Der große Krieg 1914—1918. Berlin, Hobbing. 243 S.

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dieser Forschung in einer knappen, allgemeinverständlichen Form dar- geboten, so daß das Buch auch als erstes Orientierungsmittel sehr brauchbar ist.

Unter den neuen Quellen zur Gesamtkriegs- geschichte sind zwei Erinnerungsbücher zu nennen. Das des Obersten Bauer ,'''') der in der Obersten Heeresleitung eine sehr ein- flußreiche und vielumstrittene Stellung einnahm und dessen Aufzeich- nungen daher sowohl für die Fragen der Kriegsführung, wie die des militärisch - pK)litischen Grenzgebietes wertvolle Aufklärungen ent- halten. Ferner der zweite Band der Erinnerungen des Generals von Wrisber g.^^) Auch seine Bedeutung liegt wie des erwähnten ersten Bandes wesentlich im Material. Der Verwaltungszweig des Kriegsministeriums, dem W. vorstand, umfaßte die Mobilmachung, die Aufstellung der Neuformationen und die Versorgung des Heeres mit allem denkbaren Bedarf. Daraus erwuchs vermöge der untrennbaren Verbindung von Heeresersatz und Arbeitsleistung der Heimat dem Kriegsministerium eine einschneidende wdrtschafts- und sozialpolitische Kompetenz. Der aktenmäßige Bericht über dieses weitschichtige Tätigkeitsfeld ist ein erster wichtiger Beitrag wie zur Formations- geschichte des Frontheeres, so auch zur Geschichte der Kriegswirtschaft. Im Anschluß an dieses Buch aus dem Bereich der Kriegsverwaltung ist eine kleine Schrift des französischen Generalstabschefs B u a t'^^) zu nennen, die auf Grund der Akten des französischen Nachrichtenbüros gleichfalls den inneren Aufbau des deutschen Heeres, seinen Mobil- machungsstand, seinen Zuwachs und seine Abnahme schildert.

Die militärische Spezialforschung wendet sich nach wie vor besonders dem Marne problem vor. Hier sind im Berichts- jahr zwei Hauptbeteiligte zu Wort gekommen. Zunächst der ehemalige Chef der Operationsabteilung Tappe n^^) in einem kurzen Referat, das sachlich nicht viel neues bringt, das aber eben durch diese Dürftig- keit des Inhalts und durch das Fehlen Jeder starken eigenen Linie ein erschütterndes Zeugnis ablegt. Sehr eingehend behandelt dagegen der Generalstabschef deir ersten Armee v. KuhP^) die Vorgänge, die zum Rückzug geführt haben. Er hält nach dem heutigen Stand des Wissens allerdings wohl auch stark beeinflußt durch den eigenen Erfolg am Ourcq den Abbruch der Schlacht für eine Maßregel unnötiger Vor- sicht, deren Verantwortung er außer der Obersten Heeresleitung dem Oberkommando der zweiten Armee zuweist. Ferner ist ein neues Buch

*•*) Bauer: Der große Krieg in Feld u. Heimat. Erinnerungen u. Betrachtungen» Tübingen, Osiander. XV, 323 S. ") Wri sb er g, E.V.: Heer u. Heimat 1914- 1918. Erinnerungen IL Lpz., Koehler, VI, 258 S. ^^) Buat: Die dte. Armee im Weltkriege, ihre Größe u. ihr Verfall, ihr Manövrieren auf der inneren Linie. Übers, v. H. Krause. München, Wieland- Verlag. 79 S. Dazu auch den Auf- .satz V. Kühl: Zur Beurteilung unserer Heerführer im Weltkrieg (Preuß. Jahrb. 189. 3.), der an die früheren Arbeiten von Buat über Hindenburg-LudendorfF an- knüpft. Über die franz. Heerführung vgl. v. Zwehl (Deutsche Rundsch., Juni 1921). ") Tappen: Bis zur Marne. 1914. Oldenburg -Berlin, Stalling. 32 S.. «*) Kühl, H. V.: Der Marnefeldzug 1914. Berlin, Mittler. VI, 266 S.

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des Generals B a ii m g a r t e ii - C r u s i u s^^) zu nennen, der den Miß- erfolg an der Marne auf breiter Grundlage analysiert und von da aus zu einer Kritik der Organisation und des Geistes der deutschen Führimg gelangt. Gleichfalls für den Beginn des Krieges von Be- deutung sind die Aufzeichnungen des Grafen S t ü r g k h ,56) der in den ersten 10 Monaten österr. Delegierter im Großen Hauptquartier war. Man erfährt aus ihnen manches Wichtige zur Personalgeschichte der deutschen Führung und namentlich über den Beginn der Friktionen zwischen den Bundesgenossen. Von den Taten des 7. Res.-Korps be- richtet dessen Kommandeur v. Z w e h P^ in einem fesselnden Buche, aus dem der Bericht über die Eimiahme von Maubeuge hervorzuheben ist. Den Feldzug gegen Rumänien behandelt der Führer der 9. Armee v. Falken hay n^**) in der ihm eigenen sachlich-unpersönlichen Art. Was hier vorliegt, ist ein spezielles Generalstabswerk, soweit es vom Standpmikt des Armeeoberkommandos zu schreiben war. Für das viel umstrittene Problem der Westoffensive von 1918 bietet eine akten- mäßige Arbeit von Feh r'») wichtige Aufschlüsse. Die Analyse der operativen Anweisungen ergibt, daß die deutsche Führung gezwungen war, den taktischen Gedanken über den großen strategischen Zweck zu setzen.

Mehr auf das Gnmdsätzliche des strategischen Problems ist die Studie von F o e r s t e r*^*') über Schliefien und den Weltkrieg eingestellt, deren jetzt vorliegender lll. Teil von Verdun bis zur großen Schlacht in Frankreich führt. Foerster kommt zu dem Schluß, daß der Streit um Schlieffens Gedankengut aus der Praxis keine direkte Beantwortung er- fahre, da Falkenhayn andere, in sich widerspruchsvolle Ziele verfolgt habe imd die Wiederaufnahme der Vernichtungsstrategie erst in einem Moment geschehen sei, als die Kräfte zu ihrer Durchführung nicht mehr ausreichten. Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt nach wie vor D e 1 b r ü c k.^^) Er sieht in Schlieffens Plan das Ergebnis einer ein- m.aligen Konstellation, das nach dem Wiedererstarken Rußlands im Sinne der Ostoffensive hätte umgeändert werden, bezw. an dessen Stelle nach der Marneschlacht eine bewußte Ermattungsstrategie hätte treten müssen. In die Beweisführung mischen sich starke doktrinäre und dog- matische Züge, immerhin bietet die fast überscharfe Form der Problem- stellung wertvolle Anregungen. Die Spezialfrage des Ludendorff- Falkenhaynschen Streites über die Oststrategie behandelt in einem

^'^) Baumgarten-Crusius, A.: Dte. Heerführung im Marnefeldzug 1914. Beitr. z. Beurteilung d. Schuldfrage. Berlin, Scherl. 226 S. ß») Stürgk, Gf. Jos.: Im dtschen. großen Hauptquartier. Lpz., Paul List. 160 S. ^') v. Zwehl: Mau- beuge, Aisne. Verdun. Das 7. Reservekorps im Weltkriege v, seinem Beginn bis Ende 1916. Berlin, Curtius. 216 S. ^^) Falkenhayn, E. v.: D. Feldzug der 9. Armee gegen d. Rumänen u. Russen 1916/17. 2 Teile. Berlin, Mittler. V, 102; III, 127 S. ") Fehr, Otto: Die Märzoffensive 1918. Strategie oder Taktik. Lpz , Koehler. 48 S. «>) Foerster, Wolfgang: Graf Schlieffen und der Wehkrieg. III Teil. Verdun 1916. Der Feldherr Ludendorft'. Die große Schlacht in Frankreich. Berlin, Mittler. 131 S. ^^) Die strategische Grundfrage des Welt- krieges. Preuß. Jahrb., Mai 1921.

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Delbrück verwandten Sinne J. Z i e k u r s c h/'-) Die Vorgeschichte des Schlieffenschen Planes beleuchtet Z i m m e r m a n n''^^ mit wich- tigen dokumentarischen Beiträgen.

Von dem großen A d m i r a 1 s s t a b s w e r k über den Seekrieg liegt ein Band vor, der die Vorgänge in der Ostsee bis Mitte März 1915 schildert/'*) sehr eingehend und mit vielen interessanten Details. Das Ergebnis der geschilderten Expeditionen und Streif züge ist die un- beschränlvte deutsche Seeherrschaft im Osten. Gleichfalls für die deutsche Seekriegsgeschichte von Interesse ist die nach den amtlichen englischen Darstellungen gearbeitete Studie von B u 1 1 r i c h**^) über die englische Handelsflotte vor und im Weltkrieg. Das Ende der deutschen Hochseemarine schildert in sachlicher, aber eben darum tief bewegender Form der Admiral v. Reuter,'^) der Chef des Internierimgs- geschwaders in Scapa Flow. Über den Luftkrieg liegt ein zu- sammenfassendes und gut orientierendes Buch des kommandierenden Generals der Luftstreitkräfte H ö p p n e r''") vor. Die österreichisch- ungarische Marine im Weltlvrieg behandelt Winterhalde r.'^^)

Für die Kriegführung der Bundesgenossen ist vor allem das um- fangreiche Werk von Auffenber g****) zu nennen, der als Kriegs- nnnister sowohl wie als Heerführer, in der Einführung der Skoda- mörser hier, im Anfangssiege bei Komarow dort, wichtige Erfolge er- ringen konnte. Die Widerstände und Schwierigkeiten, imter denen dies gelang, sind ebenso lehrreich wie die Tatsache, daß der General nach seinem Siege unmittelbar in Ungnade fiel. Die Erbitterung darüber iüUt naturgemäß das Erinnerungsbuch, aber wenn man diesen Umstand gehörig in Rechnung setzt, so bietet es eine Fülle wertvoller Aufschlüsse dar. Den Zusammenbruch der österr-ungar. Wehrmacht schildert Kerchnaw e.^") Seine Schrift beruht vornehmlich auf Aktenauszügen, in erster Linie der Frontkommandos, denen als wirksame Folie ein italienischer Generalstabsbericht hinzugefügt wird. So entsteht, ohne daß man dem eigenen Kommentar des Verfassers in allem zu folgen braucht, ein Bild von starkem imd ergreifendem Eindruck. Für die schwierige Lage der deutschen Truppen in der Türkei und die be- sondere Art des orientalischen Feldzugs sind schließlich noch die Auf- zeichnungen des Generalmajors v. G 1 e i c h'^) zu nennen, der während des Balkankrieges Militärattache in Athen im Frühjahr 1916 als Chef des Stabes zum General v. d. Goltz entsandt wurde.

®') Falkenhayn und Ludendorff in den Jahren 1914—1916. Forsch, zur brandenb. u. preuß, Gesch. 34, 49—77. ^^) Um Schlieflfens Plan. Südd. Monats- hefte. März 1921. •*) Firle, R.: D. Krieg in d. Ostsee bis Mitte März 1915. Berlin, Mittler. X, 290 S. «^j Bullrich: Die engUsche Handelsflotte vor und in dem Weltkrieg. Berlin, 0. Eisner. 216 S. ««) Reuter. L. v.: Scapa Flow. D. Grab der dt. Flotte. Lpz., Koehler. VIII, 107 S. «') Höppner. Deutschlands Krieg in d. Luft. Lpz., Koehler. 184 S. ^^) Winterhaider: Die österr.-ungar. Kriegsmarine i. Weltkriege. München, Lehmann. ®^) Auffenberg-Komarö w: Aus Österr. Höhe u. Niedergang. Eine Lebensschilderung. München, Drei-Masken- Veri. 524 S. '^) Kerchnawe, Hugo: Der Zusammenbruch d. österr.-ungar. Wehrmacht i. Herbst 1918. München, J. F. Lehmanns Verl. 205 S. '^^) Gleich, G. V.: Vom Balkan nach Bagdad. Militärpol Erinnerungen an den Orient. Berlin, Scheri. 185 S.

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C. Kapitel V. Staatsanschauung. (Meisner.)

^^ Nicht bestimmte Staatsanschauung, sondern die Anschauung des

deutschen Staates schlechthin als eines teuren Gutes vermittelt uns in vorbildlicher Klarheit eine kleine Schrift Ph. Zorn s^) durch einen Überblick der deutschen Gesamtgeschichte. Das im besten Sinne populäre Büchlein möchte man als weltliches Brevier jedem Deutschen in die Hand legen. In gewissem Sinne eine Ergänzung zu Zorn bildet die Heidelberger Antrittsvorlesung G. R i 1 1 e r s ,2) der vom Standpunkt des Historikers „nach dem. Wesen jener Kräfte fragt, auf denen die Be- deutung der deutschen Monarchie im deutschen Staatsleben beruht hat" und darauf mit w^ohltuender Objektivität und Verständnis für histo- rische Notwendigkeiten, jede „urteilende Inquisition des Vergangenen" vermeidend, die Antwort gibt. Leider kann man ähnliches von dem geschichtlichen Rückblick R. R i e m a n n s^) nicht behaupten. Hier ist jene „Inquisition" die Hauptsache. Der Politiker führt dem Geschicht- schreiber die Feder und trübt ihm den Blick. So wird das Buch zu einer Parteiangelegenheit, an welcher übrigens auch Gesinnungs- genossen des Verfassers keine ungemischte Freude haben dürften.

Zum Problem der Entwicklung einer allgemeinen Staats- lehre in Deutschland äußert sich 0. W e s t p h a 1. *) Ausgehend von der grundsätzlichen Verschiedenheit zwischen uns und den westlichen Völkern hinsichtlich der Stellung gegenüber „Staat" und „Gesellschaft" (deutlich wieder in der giftigen Polemik, die sich E. Boutroux während des Krieges in der „Revue des deux mondes" ge- leistet hat) untersucht W. die Stellung der Hegel, Ranke, Dahlmann, Treitschke, Rochau, Bluntschli, Jellinek, Rieh. Schmidt und Adolf Wagner zu seinem Thema; besser gesagt, er gibt Extrakte ihrer Lehren, die eindringliche Beschäftigung mit den genannten Autoren ver- raten. Manchmal wünschte man zugunsten einer Klärung des Gegen- standes die philosophische Komprimiertheit des Ausdrucks nicht so weit getrieben.

Die Einheit des deutschen Staatsgedankens in der Mannigfaltigkeit deutschen Staatsdenkens (individuellen und parteigebundenen) dar- zustellen, ist die Aufgabe einer umfassend angelegten Publikation des

') Zorn, Ph.: Der dte. Staatsgedanke. Lpz., Voigtländer. 94 S. (= Schriften der Fichte-Gesellschaft: Dter. Staat 1 ) 2) Ritter, G.: Geschichtl. Grundlagen des monarch. Staatsgedankens in Preußen -Dtl. (Preuß. Jahrb. 184, 234—52.) •) Riemann, R.: Schwarz-rot-gold. Die polit. Gesch. des Bürgertums seit 1815. Lpz., Dieterich. 215 S. Vgl. dazu die gründliche, durchaus zu Recht bestehende Kritik H. Haerings in den Preuß. Jahrbuch. 187, 80-105. *) Westphal, 0., Bemerkungen über d. Entw. e. allg. Staatslehre in Dtl. (Vom staatl. Werden und Wesen. Festschrift für E. Marcks 25—42.) Vgl. Liter. Zentralblatt 1923 Spalte 36.

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Dreiniaskenverlages.5) Das Ganze einleitend verfolgt P. Joachim- sen^) (dessen kleine Geschichte des deutschen Nationalbewußtseins schon zum zweiten Male erscheinen konnte)^) die Genesis des deutschen Staatsgedankens von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert, vom deutschen Staat des Mittelalters (der mit v. Below bejaht wird) über die politische Reformation um die Wende des 16. Jahrh. zu der schließ- lichen Verflüchtigung ins Weltbürgerliche bezw. Verengerung ins Friderizianisch-Preußische.

Die ausgewählten Quellenstücke beginnen erst mit dem großen Ciisaner und führen über Hauptstationen wie Hütten, Luther, Chemnitz, Pufendorf, Moscherosch, Conring auf Leibniz, der als „Zusammen- fassung der ganzen Entwicklung" gesehen wird, und auf das Politische Testament Friedrichs von 1752. Luther und den deutschen Staats- gedanken behandelt gesondert Arnold E. B e r g e r ,*) noch ohne Kemitnis von Memeckes Aufsatz in der Historischen Zeitschrift.^)

Die Staatsdenker des 18. Jahrh. sollen in der Duchschen Sammlung selbständig gewürdigt werden; davon unabhängig legt K. Brandi^^) seinen Beitrag über Justus Moser vor. Die Einleitung zeigt schon in den musterhaft knapp u n d erschöpfend gestalteten Fußnoten des Heraus- gebers intime Vertrautheit mit der Person seines berühmten Osnabrücker Landsmannes. Dem Geschichtssjchreiber Moser gilt trotz seiner bekannten Schwärmerei für die „güldene Zeit" altgermanischer Freiheit der so ganz anders geartete Ständestaat seiner Tage für die res publica optima und so „gipfelt" auch die „praktische Staatsauffassung" des über den Brauch der Zeit Ämter kumulierenden Geschäftsmannes Moser „in einem Bekenntnis zum Werte des Bestehenden, das sich ebensogut der unruhigen Geschäftstüchtigkeit des aufgeklärten Des- potismus, wie der unhistorischen Gleichmacherei der neuen Menschen- rechte entgegensteinmte". Der naiven Saturiertheit des stets gut ver- sorgten Justus ist das, was unterhalb der repräsentativen Stände be- gimit, auffallend gleichgültig, er verteidigt die Leibeigenschaft und Tortui', sowie das Stigma der „unehrlichen" Leute. Hierin ganz auf gleichem Boden mit Friedrich Karl v. Moser, dessen bedeutendsten Lebensabschnitt (1765 67) Br. Renner in einer tüchtigen Disser- tation (der Krauskeschen Schule) zum Gegenstande seiner Betrach- tung macht.i^) Man hat gesagt, daß auch für den iüngeren Moser der Begriff des Volkes noch nicht existierte. (Was allerdings nur ein be- dingter Vorwurf sein kann: wie das „Volk" des deutschen 18. Jahr-

^) Der die. Staatsgedanke. Eine Sammlung. Begründet v. Arno Duch. Erste Reihe: Führer u. Denker. Zweite Reihe: Die Parteien u. d Staat. (Außerdem sind noch ^ Sonderbände " über „Deutsche Probleme" vorgesehen.) ^)Joachimsen,P.: Der dte. Staatsgedanke von seinen Anfängen bis auf Leibniz u. Friedr. den Gr. (= Der dte. Staatsgedanke Reihe I, 1.) Münch.: Drei-Masken-Verlag. LXXXIII, 276 S. ') ,Aus Natur- u. Geisteswelt" (Teubner). Bd. 511. «) Berger, A. E.: Luther und der dte. Staatsgedauke. (Jahrbuch der Lutherges. 1, 34—56.) ») Bd. 121 (1920) 1—22. '">) Moser, Justus: Gesellsch. und Staat. Eine Aus- wahl aus sein. Sehr. Hrsg. u. eiugel. v. K. Brandi. Münch., Drei-Masken-Verl. VIII, XXXI, 266 S. (= D. dte. Staatsgedanke, Reihe 1, 3.) ") Renner, B.: Die nationalen Einigungsbestrebgen. Fr. Carl v. Mosers (1765—67). Königsb. Diss.

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hunderts noch nichts oder wenig vom Staatsgedanken wußte, so be- schäftigt sich der Staatsgedanke der damaligen Publizistik wenig oder gar nicht mit dem Volke.) Auch in der Abneigung gegen den preußi- schen „Despotismus" und miles perpetuus treffen sich „die beiden geistreichsten Repräsentanten der empirischen und historischen Richtung unter den deutschen Staatsrechtslehrern" des 18. Jahrhunderts, wie sie Bluntschli genannt hat, wenigstens nachdem Moser seinen Wechsel aus dem fritzischen in das josephinische Lager vollzogen hat. Während aber der Osnabrücker „advocatus patriae" als ein Hyperpartikularist allen Ernstes 1777 die Frage erörtert, ob man nicht jedem Städtchen seine besondere politische Verfassung geben solle, und so ohne Be- denken das Heilige Römische Reich nach dem Einhofsystem seiner Heimat bewirtschaften ließe, liegt die große Verschiedenheit und Be- deutung F. K. V. Mosers in seinem begeisterten Uriitariertum, das ihn zu einem advocatus patriae ganz anderen Stils gemacht hat. Renner analysiert an Hand der zahlreichen Schriften Mosers und der zeitgenössischen Literatur das Wesen dieses „Reichspatriotismus", die Bedeutung des von M. geschaffenen Wortes: „Nationalgeist". Die Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, daß die reinen Motive dieses antizipierten „Staatsromantikers", der 100 Jahre nach Pufendorf an die Lebensfähigkeit des „monstrum" glaubte und für sie bis zum Verdacht habsburgischer Parteigängerschaft lange Zeit eintrat, nicht zu be- zweifeln sind. Daß es an Versuchen einer Wiederbelebung des in der Agonie liegenden Reichskörpers auf dem Wege einer Kräftigung der kaiserlichen Machtbefugnisse nach dem Westfälischen Frieden nicht gefehlt hat, zeigt eine Arbeit Hans Erich Feine s^^) insbesondere an der Praxis der Besetzung der Reichsbistümer. Den „inneren Grund" dieses Vorganges sieht der Verfasser in dem absolutistischen Zeit- geist, der „auch das Heilige Römische Reich nicht so ganz verschont hat, wie man wohl meint".

Moser ging von Preußen zum Reich. Umgekehrt der Frei- herr vom Stein. Aus dem überreichen, schwer zugänglichen Schatze seiner politischen Äußerungen stellte H. T h i m m e^^) anderthalbhundert handliche Stücke zusammen. Unbekanntes aus dem Berliner Archive hinzufügend, das „Politische Testament" auffallenderweise beiseite lassend. In der Einleitung, für welche der Herausgeber Steins noch ungedruckte Geschichtswerke be- nutzte, sähe man gern das Problematische des Steinschen Staats- gedankens in seiner zeitlichen Bedingtheit und zeitlosen Auswirkung (viel- leicht auf Kosten des biographischen Moments) stärker herausgearbeitet. Mit Fußnoten und Zitaten hätte in jedem Falle nicht so sparsam um- gegangen zu werden brauchen. In die Nähe Steins und der Reformer,

^2) Feine, H. E.: Die Besetzung d. Reichsbistümer v. Westfäl. Frieden b. z. Säkularisation, 1648—1803. (Kirchenrechtl. Abb., hrg. v. ü. Stutz, 97. u. 98. Heft.) Ders. in der Zt. Savignystiftung f. Rechtsgesch. Germ. Abt. 42, 474 481. ") Stein, Frh. vom: Staatsschr. u. polit. Briefe. Hrsg. u. eingel. v. H. Thimme. Münch., Drei-Masken-Verlag. XLI, 246 S.

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nicht Friedrichs (wie es bisher geschah), rückt A. 0. Meyer^^) die Ethik Kants. Besteht hier wirklich der Zwang zum Entweder .Oder, könnte es nicht, entsprechend der Verehrung, die Stein für Friedrich im Herzen trug, nach wie vor heißen: Sowohl als auch? Jedenfalls wird zu so rigoroser Ablehnung aller Zusammenhänge zwischen dem Verkünder des kategorischen Imperativs und dem friderizianischen Preußen nur gelangen, wem mit den Reformern und ihren Biographen (z. B. Max Lehmann) das „alte Preußen" als schroffe Antithese der Folgezeit erscheint. Küntzels neuester Essay über Friedrich^^) bietet da Lm allgemeinen doch richtigere Perspektiven. Steins getreuer Arndt durfte natürlich in der Duchschen Sammlung neben diesem nicht fehlen. Ernst Müsebec k^") verfolgt in einer der beinahe verwirrenden Fülle Arndtscher Projekte entsprechenden Einleitung die Etappen „auf der Bahn, die aus dem schwedisch gesinnten pommerschen Partiku- laristen einen bewußten Vertreter des deutschen Einheitsgedankens mit der prädominierenden Stellung Österreichs, aus diesem einen deutschen Preußen bildete". Die Staatsauffassung des Deutschesten aller Deutschen nach 1815 definiert Müsebeck von nun an in seiner Dar- stellung dem 2. Bande seiner umfassenden Arndtbiographie vor- greifend — mit den beiden Worten: „Demokratische Monarchie." Für Arndt waren diese Begriffe, die er wohl (kurz ausgedrückt) im Sinne der schwedischen Regierungsform des 19. Jahrhunderts auf- faßte, eben deswegen keine Gegensätze, so'ndern eine mindestens auf gegebene Harmonie, an deren Möglichkeit auch der Achtund- vierziger nicht gezweifelt hat.

In einem ähnlichen Verhältnis zum Freiherrn vom Stein wie Arndt fühlte sich Joseph Görres, der andere große (in manchem noch größere) Publizist Jener deutschen Hochjahre. Ihm widmet Arno Duch zwei Bände^^)^*) seiner Sammlung. Der eine gilt dem „Rheinischen Merkur", dem „ersten gemeindeutschen Parla- ment", wie D. das Coblenzer Kampfblatt glücklich nennt. Die (Czygan^^*) verbessernde) Einleitung zu einer Auswahl markanter Artikel zeichnet mit kundiger Hand die charakteristischen Züge des Staatsdenkers Görres von 1814/15, wie er scheinbar antithetisch, letzten Endes aus einer Wurzel verständlich im „Merkur" sich enthüllte: auf der einen Seite der „traditionalistisch-konservative Feind aller vernunft- rechtlichen Konstitutionsmacherei", den „eine Welt vom Liberalismus trennt", den Anhänger einer ständischen Gesellschaftsordnung und

") Meyer, A. 0.: Kants Ethik u. d. preuß, Staat. (Vom staatl. Werden u. Wesen. Festschr. f. E. Marcks 1 24.) ^'^) In: Meister der Politik. Hrsg. von E. Marcks u. K. Alex v, Müller. Dte. Verlagsanstalt, Stuttg. u. Berl.) Auch als Sonderdruck. ^•) Arndt, E. M : Staat u. Vaterland. E.Auswahl aussein, polit. Sehr. Hrsg. u. eingel. v. E. Müsebeck. Münch., Drei -Masken -Verlag. LXXXVI, 175 S. *') Görres, J.: Rhein. - Merkur. Ausgew. und eingel. von A. Duch. München, Drei-Masken-Verlag. 4, 291 S. ^*) Görres, Jos.: Auswahl in 2 Bdn. Bd. 2: Dtl. u. die Revolution. Mit Auszügen aus d. übr. Staatsschriften. Hrsg. V. A. Duch. Münch., Drei -Masken -Verl. XXXVI. 236 S. i»*) Zur Geschichte der Tagesliteratur während der Freiheitskriege. I, 335 ff.

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überzeugten Monarchisten, ein Glied jener Reihe, die von Burke-Rehberg und Graf de Maistre - Marquis de Bonald zur politischen Romantik führt, andererseits der durch den Souveränitätenschwindel und inneren Ab- solutismus damaliger Zeit um sein Ideal einer nationalen Einheits- monarchie auf demokratischer Grundlage betrogene Patriot, der auf diese Weise in immer stärkere Opposition zu der bestehenden staat- hchen Ordnung und in den beliebten Verruf eines Jakobiners gerät. Letzten Endes ein Utopist im Ursprungssinne des Wortes, wie mit Stein so viele der besten Deutschen. Der zweite Görres- band bringt die Staatsschrift: Teutschland und die Revolution, die wie ein Fanal in die stickige Atmosphäre der Karlsbader Beschlüsse hineinleuchtet und in der Tat „die Signatur der Zeit von 1815—19 besser festhält als jede neuere Darstellung", schon weil in ihr der Pulsschlag des Miterlebens und welches Miterlebens! hämmert. Das Verständnis der Schrift, insbesondere auch ihrer staatstheoretischen Elemente, hat der Herausgeber, dessen Ein- leitung diesmal Görres' geistige Gesamtentwicklung verfolgt, auf jede erdenkliche Weise dem Leser zu erleichtern versucht. Über Görres li^ aus dem Berichtsjahre noch eine weitere Publi- kation vor: Martin B e r g e r^'*) betrachtet den weiten Weg, der vom Herausgeber des „Roten Blattes" bis zum ultramontanen Verteidiger des Ministeriums Abel führt. Die Schrift ist weiteren Kreisen zugäng- lich. In fortgesetzter Reflexion aus der Görresschen Publizistik auf die Verhältnisse der Gegenwart tut sie des Guten zuviel, gerade solche Aktualisierung wird die Arbeit bald etwas antiquiert erscheinen lassen. Der alternde Görres mündet in die katholische Staatsanschauung. Sein Rundschreiben in Sachen der Historisch-politischen Blätter findet sich daher auch (samt Stücken aus dem „Athanasius") unter den Doku- menten, welche L. Bergstraße r^*^) aus der Entwicklungsgeschichte des politischen Katholizismus vorläufig bis zur Begründung des neuen Reiches^'^^) zusammengestellt hat. Daneben begegnen hier (es handelt sich um den Eöltnungsband der Note 5 erwähnten zweiten Serie des Drei- niaskenverlages) Äußerungen des Freiherrn Droste zu Vischering, Döllingers, der beiden Reichensperger, des Konvertiten Jarcke, Mallinkrodts imd des nach 1866 neue Wege weisenden Freiherrn von Ketteier um bekannte Namen herauszugreifen. Der auf dem Ge- biete der Parteigeschichte heimische Herausgeber skizziert die deutsche, später vor allem preußische Entwicklung katholischer Parlaments- Fioütik vor dem Vatikanischen Konzil, ihre moralistisch-religiöse Be- dingtheit, die aber gerade in den wichtigen Fragen der Staats- und Regierungsformen hierin der ja auch sonst nahestehenden Romantik ähnlich einem gewissen Indii'ferentismus („Okkasionalismus" nennt es Schmitt-Dorotic in einem noch zu erwähnenden Aufsatz) Raum läßt.

1») ßerger. M.: Görres als polit. Publizist. Bonn, Schroeder. VIII, 181 S. ^) Katholizismus, Der politische, Dokura. seiner Entwicklung. 1: 1815—70. Ausgew. u. eingel. v, L. Bergsträ&er. Münch, Drei-Masken-Verl. 314 S. ^oaj j)qj. inzwischen erschienene (bis 1914 reichende) 2. Bd. wird im nächsten Jahrgang be- sprochen werden.

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In seinem Schriftchen über den demokratischen Gedanken (vgl. Jahresbericht 1920) hatte Karl Gebhardt den Satz aufgestellt: „Der organische Staat des deutschen Idealismus ist die soziale Demokratie.'" Im Anschluß daran unterninnnt es Gerhard L e i b h o 1 z'-^) Fichte als den „Staatsphilosophen des deutschen Demokratismus" und den Zu- sammenhang seiner politischen Ideen mit der Weimarer Reichs- verfassung darzustellen, wobei der Begriff: Demokratie in einem ver- edelten Sinne (nicht in dem der aristotelischen 'ö-Y][io%paxLa, sondern gerade in dem ihres Widerspiels, der noXiZzia) verstanden wird. Be- deutender als die ebengenannte ist eine andere Untersuchung über den demokratischen Gedanken, die an das Medium E^rl Gutzkow an- knüpft. In L. M a e n n e r t s-') sorgfältiger Analyse des vormärzlichen Gutzkow sehen wir (wie so oft im Leben deutscher Politiker jener Zeit) die Wandlung vom Anarchismus und Naturrecht zu historischerer Denkungsweise und irgendwie gestufter Bejahung des bestehenden Staates. Der Demokrat und Liberale Gutzkow (vor 1848 ist zwischen diesen Begriffen höchstens ein quantitativer, noch kein qualitativer Unterschied) w^ollte nicht mehr den zersetzten, sondern nur noch den „entfesselten" Staat; er gesteht, nach rein republikanischen Eruptionen ruhiger werdend, dem Fürsten die „Repräsentantenrolle des notwen- digen Begriffs" zu und scheut (wie Fichte und Görres durch das Pariser Experiment ernüchtert) bei stärkster Betonung des Freiheits- gedankens — gerade deswegen werden w4r Späteren sagen vor den Konsequenzen des jenem ursprünglich verschwisterten Gleichheits- gedanlvens zurück. All das natürlich mit der bei dem „Dichter" Gutz- kow noch besonders bedeutsamen Jeweiligkeitsklausel !

Man wird den Staatsgedanken des „Jungen Deutschland" und den der Rom.antik mit Recht als Gegensätze empfinden. Immerhin zeigt K. Schmitt-Doroti c-^) besonders an Äußerungen Friedrich Schlegels und Adam Müllers, daß sich „das romantische Welt- und Lebensgefühl mit den verschiedensten politischen Zuständen" (der Revolution so gut wie ihrem legitimistischen Widerpart) „zu verbinden vermag", und daß eben „dieser Mangel an politischem Entscheidungs- vermögen „im Wesen des Romantischen", das als Okkasionalismus definiert wird, „begründet" ist. Als Vorfrucht einer kritischen Gesamt- ausgabe der Werke des Romantikers Adam Müller bietet uns A. Salz, dessen Dresdener und Wiener Vorlesungen aus den Jahren 1806 und 1812,^*) 25) deren fichtisch-nationaler Hochflug sich weit über den reak- tionären Dunst erhebt, welcher auf späteren Schriften Müllers drückend

'^) Leibholz, G.: Fichte u. d. demokrat. Staatsgedanke. Ein Beitrag z. Staats- lehre. Freiburg, Boltze. IV, 100 S. ^2) Maennert, L.: Karl Gutzkow u. d. demo- krat. Gedanke. (Eist. BibHothek4ß). Münch., Oldenbourg. X, 149 S. ^S) Schmitt- Dorotic,E.: Politische Theorie u. Romantik. (Hist. Zt. 123, 377—397.) Dazu: Below, G. V. in: Hist. Blätter. 1. Heft. 1921. S. 8. 2*) Müller, Adam: Zwölf Reden über d. Beredsamkeit u. deren Verfall in Dtl. Mit e. Vorwort hrsg. von A. Salz. München, Drei -Masken -Verlag. 1920. XV, 299 S. ^ß) Müller, Adam: Vorlesungen über d. dte. Wissensch. u. Literatur. Mit einem Vorwort hrsg. V. A. Salz ebenda, 1920. XXVI, V, 232 S.

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lagert. Müllers Freund Geiitz feiert im gleichen Verlage die Vierdiente, würdig ausgestattete Neuausgabe der bedeutendsten politischen Schriften und Briefe, die durch H. v. E c k a r d t^^^) mit Sachkenntnis ausgewählt, eingeleitet, erläutert und durch bisher unbekannte Stücke vermehi-t wurden. Überwiegt im ersten Bande der „europäische Staatsmann" Gentz, die äußere Politik, so im zweiten nach erreichter Befriedimg des Erdteils (1815) die innere, auf die Gentz nun sein be- rühmtes, heute wieder besonders zeitgemäßes Gleichgewichtssystem in gewisser Weise übertrug. Der Herausgeber glaubt, daß der große publizistische Gegner Napoleons auch als späterer Turm im Metternich- schen Reaktionsspiel und sophistischer Deuter des famosen Art. 13 W.B.A. „sich gleich geblieben" sei, weil das Denken dieses deutschen Hobbes sich „immer nur am Staate und an der Politik orientiert, nie am Volke" das ihm, wie A. Müller eine unbekannte Größe ist „und an der Gesellschaft". So erscheint Gentz (in der ^ausgezeichnet ge- schriebenen Einleitung zum 2. Bande, die einer Gentz-Renaissance Bahn brechen kann) entgegen der communis opinio nicht eigentlich als Reaktionär, sondern nur als ein Hersteller des Gleichgewichts zwischen „Traditionellem" und „Rationellem" (wie er selbst nach Schlossers Vorgang den ringenden Dualismus seiner Zeit Adam Müller bezeichnet), nur als ein „Verteidiger der Kontinuität der geschichtlichen Entwick- lung", eben deswegen nicht so starr und doktrinär wie sein Herr und Meister Metternich. Allerdings gegenüber der Idee des deutschen Nationalstaats „versagte" auch Gentz, der an die „unbedingte Priorität des Staates vor der Nation" glaubte, jener Gedanke war ihm schon wegen seiner Verschwisterung mit dem anderen Kinde der Revolution, der I reiheit, verdächtig.

Das Schlagwort Nationalstaat führt zu einem, der es im Gegensatze zu Gentz als Staatstheoretiker voll Inbrunst bejahte und als praktischer Staatsmann doch nicht zu realisieren vermochte: Joseph von Radowitz. Ihn im Rahmen der Dreimaskenverlag-Publikation zu würdigen konnte es keinen Berufeneren geben als M e i n e c k e ,-" ) seinen Biographen. Die knappe Einleitung zeichnet mit sicherer Hand die Wandlung des im Zaubergarten christlich-germanischer Staatsideale durch den Kölner Kirchenstreit jäh Ernüchterten zu einem „modernen Menschen", der sich den nationalen Gedanken zum neuen Leitstern erkor und auch schon in das Dämmer des sozialen einen tiefen Blick tat. Der Text bringt u. a. Proben aus den „Neuen Gesprächen . . . über Staat und Kirche", die der junge Bundestagsgesandte v. Bismarck in einem Bericht an seinen Chef Otto Manteuffel so arg kritisierte.

Mit anderem Aspekt wie die vorigen (A. Müller etwa aus- genommen) betrachtet Hegel den Staat. Durch ihn wird das von der naturrechtlichen Staatstheorie stark vernachlässigte, und auch von der romantischen trotz hier sich findender grundlegender Voraussetzungen

2ß) Gentz, F. V.: Staatsschriften u. Briefe. Ausw. in 2 Bden. Hrsg. von H. V. Eckardt. München, Drei -Masken -Verlag. LV, 362 u. XXXIX, 334 S. ^'^) Radowitz, J. v.: Ausgew. Sehr. u. Reden. Hrsg. u. eingel. von F. Meinecke. Münch., Drei-Masken- Verl. XXI, 195 S.

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letzten Endes abgelehnte Moment der Macht zum alleinigen und aus- schließlichen Kriterium des StaatsbegrilTs erhoben. Werden, Sein und Wirken dieser Hegeischen Staatsanschauung unterzieht H. Helle r^**) einer Untersuchung, die alle Vorzüge juristischen Denkens aufweist. Wenn er wiederholt bemerkt, daß man Hegel als Machtpolitiker bisher nicht gekannt habe, so ist das hinsichtlich des Auslandes nicht ganz richtig; namentlich von französischer Seite hat man H. instinktiv als Exponenten einer dem eigenen Imperialismus gefährlichen Staats- auffassung erkannt. Indem man ihn dort mit durchsichtiger Tendenz zu einem Führer des sogenannten „anderen Deutschlands", der „force brutale" machte, zeigte sich allerdings das gröbliche Mißverstehen einer Theorie, deren Machtbegrilf, wie Heller betont, nie als bloß militärisch- physisch, sondern (kraft der zugrundeliegenden Identitätsphilosophie) immer als „versittlicht", als ethisch-historisch gedacht werden muß. Die universale Rolle, welche Hegel gerade auf dem engeren Erkenntnis- gebiet der Staatslehre gebührt, kommt in der Darstellung Hellers zu deutlichem Bewußtsein. Ist er nach ihr doch nicht nur der Schöpfer des „Volksgeist"- und des „Gesellschafts"-Begriffs, der modernen Per- sönlichkeitstheorie des Staates (die Albrecht und Gerber nur über- nommen und ausgestaltet hätten) und seiner Auffassung als Organismus, der konsequenteste Theoretiker des monarchischen Prinzips, die eigent- liche Quelle eines konservativen Parteiprogramms (neben Stahl und Schelling), sondern wichtiger noch, in außenpolitischer Beziehung, der Vater des modernen Imperialismus (mit dem Maximum eines Verständ- nisses für Kolonialpolitik), dessen Anschauung vom Staate als einer ge- schlossenen Einheit zu einer völligen Neuorientierung der deutschen Völkerrechtswissenschaft geführt habe. Heller verwahrt sich dagegen, das deutsche Machtstaatsdenken aus der Idee „Hegel" allein ableiten zu w^ollen, trotzdem überschätzt er doch wohl mitunter die Wirkungen seines Philosophen. Für den Begriff des Volksgeistes darf an Mosers „Nationalgeist" (das Nähere in der oben erwähnten Arbeit Renners) erinnert werden.^^)

Es sind kaum stärkere Gegensätze denkbar als die Staatsauffassung Hegels, die Bismarcks Werk fundierte und die Constantin Frantzens, welche es im Grunde negierte. Für Hegel ruhte die „Macht" in der ge- schlossenen Staatseinbeit, Frantz sucht sie in der „Föderation". Föderalismus ist ihm das höhere Dritte einmal zu Individualismus imd Sozialismus, sodann auf den äußeren Prozeß der Staatenbildung be- zogen — zu Partikularismus und Zentralismus. (Ganz ähnlich be- trachtet in unseren Tagen der katholische Universitätslehrer J. M a u s - b a c h^") als Vertreter einer organischen Staats- und Gesellschafts-

2®) Heller, H.: Hegel u. d. nationale Machtstaatsgedanke in Dtl. Ein Beitr. z. polit. Geistesgesch. Lpz., Teubner. VI, 210 S. Rez.; Lit. Zbl. 72, 90 f. (v. Below . Schmollers Jahrbuch 45, 595—97 (Hintze). Forsch z, brandenb. -preuß. Gesch. Bd. 35. S. 297 f. (Müsebeck). ^») Vgl. die in Note 28 angeführten Besprechungen. ^^) Mausbach, J.: Das organische Prinzip im Staats- u. Gesellschaftsleben. (Aus katholischer Ideenwelt. Gesammelte Aufsätze u. Vorträge, S. 362—390.) Münster, Aschendorffsche Verl.-Buchh.

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aiiffassung den „Solidarismus" als das höhere Prinzip gegenüber In- dividualismus und Sozialismus, die als Atomisierung und Mechanisierung des menschlichen Verbandes empfunden werden.) Der Föderalismus schreibt weiter in Schlagwörtern skizziert das „Recht", statt der „Macht", auf seine Fahne. Frantzens föderalistische Hauptschrift hat nun die Deutsche Verlagsanstalt in einem verkürzten, von E. S t a m m=^^) eingeleiteten Neudruck herausgebracht. Kein Zweifel über die Berech- tigimg des Unternehmens. Die Lektüre ist Gewinn und Genuß. Ob jenen Gedanken eine Zukunft beschieden ist, wie der Herausgeber glaubt, läßt sich heute weniger sagen denn je. Wohl aber besteht die Gefahr die Einleitung Stamms zeigt das deutlich , daß Frantzens moderne Apostel die überlegene Selbstgewißheit von der Siegerkraft ihrer Idee für die positiven Leistungen andersgearteter Staats- anschauungen blind macht (selbst mehr oder weniger klobige Anzüg- lichkeiten scheint man dabei nicht vermeiden zu können), und bei welt- fremden Utopien oder metapolitischen Glaubensinhalten enden läßt. Bisweilen ergibt sich auch ein amüsanter circulus vitiosus, wie in dem Problemüberblick Br. Jacob s,^^) der das englische Greater Britain als glorioseste Verkörperung des föderalistischen Staatsgedankens preist, ohne zu merken, daß eben dieses empire der Protoyp des „imperia- listischen" Gedankens ist, gegen den als angebliche Eigentümlichkeit des verabscheuten militaristischen Einheitsstaats die Föderalisten Front machen.

Es ist kein Zufall, daß in dem eben berührten Werke C. Frantzens ein Abschnitt von „Preußen und Deutschland" handelt. Denn Werden und Sein des größten deutschen Einheitsstaats ist für den Föderalismus ein Dorn im Auge. Wie föderalistische und unitarische Bestrebungen auf lange hinaus unsere Staatsbildung beeinflussen werden, so be- schäftigt jener preußisch-deutsche Dualismus immer wieder Theorie und Praxis. Was jene betrifft, so sei hier noch der Marburger Antritts- vorlesung S. Kahler s=^^) gedacht, der das Lieblingsproblem seines Lehrers Meinecke in Anlehnung an dessen Gedankengänge, aber doch auch wieder in origineller, geistreicher Weise verfolgt: von dem ersten- Akutwerden in den Tagen der Paulskirche über die Bismarckzeit zum Stande von 1914 und nach dem Kriege.

Wir schließen mit einem Aufsatze M e i ne ck e s.^"^) Anknüpfend an fast gleichzeitig erschienene politische Schriften F. Th. Vischers, Schmollers und Max Webers betrachtet er das Wesen der deutschen Gelehrtenpolitik. „Edelste Gemütspolitik" (neben der doktrinäre Elemente der Hegeischen Dialektik sichtbar werden) machte den Ver- fasser des „Auch Einer" zu einem Großdeutschen und Demokraten, der sich jedoch von der weltbürgerlich-radikalen Richtung bewußt

^^) Frantz, Const. : Dtl. u. d. Förderalismus. Mit e. Einleitg. von E. Stamm. Stuttg., Die. Verlagsanst. XXVI u. S. 5— 216. ^2) Jacob, Bruno: Der Föderalis- mus. Ein Überblick. Hameln, Südhannov. Landeszeitg, 1920.— »3) Kahler, S.: Das preuß.-dte. Problem seit d. Reichsgründg. (Preuß. Jahrb. 185, 2G— 45). ^*) Meinecke, Fr.: Drei Generationen dter. Gelehrtenpolitik. (Hist. Zt. 125, 248-83.)

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trennte und nach 1866 mit der Bismarckischen Lösung zufrieden gab. Schmoller repräsentiert das „Sekuritätsgefühl" des neuen Reiches, einen „politischen Rationalismus von Selbstgewißheit und Hoffnungsfreudig- keit", der von der Lebensfähigkeit des monarchisch-konstitutionellen Systems überzeugt war. Max Webers Gelehrtenpolitik charakterisiert „ein rationaler Voluntarismus auf empirischer Grundlage mit vehementer Zuspitzung aller Elemente". Meinecke wird der Bedeutung Schmollers, den seine tiefsoziale Gesinnung „geschichtlich groß" mache, in ganz anderer Weise gerecht, als es in dem oben erwähnten Aufsatze West- phals den Anschein gewinnen muß. Dagegen zeigt er bei aller An- erkennung für Max Webers Persönlichkeit doch ein deutliches Miß- behagen gegenüber dessen politischer Prognose vom Maschinenstaat und cäsaristischem Führertum, die ihm die Grundzüge des Kapitalismus und Kalvinismus (Entseelung, Versachlichung) bekanntlich alten For- schungsproblemen Webers wiederspiegelt. Man kann nur zustimmen, wenn Max Weber, dessen Kritik des alten Staatswesens und des letzten Monarchen mindestens hemmungslos war, nach Meinecke „nicht schlecht- hin als Repräsentant der heutigen Gelehrtenpolitik gelten darf".

C. Kapitel VI. Neuere Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte. (Loewe.)

Es ist G. S c h m o 1 1 e r^) nicht beschieden gewesen, die uns in Aus- sicht gestellte Zusammenfassung seiner Studien zur inneren Geschichte Preußens in einem Werke großen Stils vorzulegen, die jetzt im Druck er- schienene Niederschrift einer Vorlesung über preußische Verwaltungs-, Verfassungs- und Finanzgeschichte aus dem Jahre 1886 kann nur als Kotersatz angesprochen werden. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts ab ist die Darstellung ganz knapp, an Literatur sind nur die einschlägigen Arbeiten Schmollers selbst angeführt. Während die neueren eingehen- den Darstellungen der preußischen Verwaltungsgeschichte von Born- hak und von Giese, die ihrerseits wieder ohne die Schmollerschen Vor- arbeiten nicht denkbar sind, zu dogmatisch-juristischer Einstellung neigen, kommt iu dem Abriß Schmollers das entwicklungsgeschichtliche und fmanzwirtschaftliche Moment, sowie die Leistung des Beamtentums zu ihrem Recht. Eine auf reichem Berliner Archivmaterial beruhende, zugleich mit vorbildlichem Geschick komponierte Arbeit Eberhard S c h m i d t ' s^) bringt die Tätigkeit des brandenburgisch-preußischen j'lskalats von seinem Anfange im 15. Jahrhundert an, soweit sie sich auf strafrechtlichem Gebiete bewegt, zur Darstellung. Der Verfasser betont mit Recht, daß die Verwendung des Fiskalats auch auf anderen Gebieten

^) Schmoller, G.: Preuß. Verfassungs-, Verwaltungs- u. Finanz-Gesch. Berl., Tägl. Rundschau. 236 S. ^) Schmidt, Eberh.: Fiskalat u. Strafprozeß. Archival. Studien zur Gesch. d. Behördenorgan, u. d. Strafprozeßrechts in Brandenb.- Preußen. Münch., Oldenbourg. XX, 223 S.

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des staatlichen Lebens eine nähere Untersuchung wünschenswert er- scheinen läßt. Die Gründung eines zentralisierenden Generalfiskalats im Jahre 1704 leitete die allerdings nur kurze Blütezeit der Behörde ein; je mehr dann das Beamtentum im ganzen die Stütze des Absolutismus in Preußen wurde, desto weniger wurde es nötig, das Fiskalat als Er- ziehungsinstrument durch Überwachung des Beamtenkörpers zu ver- wenden, im Beginn des 19. Jahrhunderts fand es daher sein Ende.

Einen sehr wertvollen, aus planmäßiger Ausschöpfung der reichen und überaus zerstreuten Literatur erwachsenen Beitrag zur kirchlichen, aber auch zur politischen Verfassungsgeschichte neuerer Zeit stellt Feine's^) Buch über die Besetzung der Reichsbistümer von 1648 bis 1803 dar. Für den Historiker ist zunächst das Kapitel über die kaiser- lichen Rechte bei der Wahl von besonderem Interesse: es wird darin gezeigt, wde die schon früher üblichen kaiserlichen Wahlgesandtschaften seit der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts rechtliche Funktionen und auch das Recht der Exklusive zum ersten Male bei der Kölner Wahl im Jahre 1688 für sich beanspruchten. Von starkem politischen Inter- esse sind auch die Ausführungen über die Bistumskumulationen: seit dem 16. Jahrhundert traten sie in den Dienst der fürstlichen Territorial- politik, fanden auch durch die Reformation ein protestantisches Gegen- stück in den Säkularisierungen. Die beiden Fürstenhäuser, die nicht zum wenigsten auch zu ihrem eigenen Vorteil ihre Macht in den Dienst der Kirche stellten, sind Österreich und vor allem Bayern gewesen: die bayrischen Kurfürsten von Köln z. B. haben 5 Generationen hindurch eine wittelsbachische Hausmacht vertreten, der im wesentlichen nur bayrisch-dynastischer Ehrgeiz zugrunde lag, der Widerstand hiergegen ging weniger von der Kurie, als vielmehr von den Kapiteln und im 18. Jahrhundert auch vom Hause Habsburg aus. Die weitgehende Ent- kirchlichung imd Verweltlichung der Reichsbistümer im Interesse des hohen deutschen Adels und der Reichsritterschaft erreichte etwa um die Wende des 17. zum 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt, im 18. Jahrhundert kehrte man hier und dort allmählich zu den kirchlichen Grundsätzen zurück, bis dann im Beginn des 19. Jahrhunderts der Säkularisations- gedanke, der seit dem Westfälischen Frieden immer lebendig geblieben war, den vollen Sieg errang.*) Beachtenswerte Beiträge zur Kenntnis der Regierungspraxis in einem geistlichen Fürstentum und der Gegen- wirkung ständischer Interessenpolitik enthält eine Studie L. D e h i o ' s"') zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Fürstbistums Münster.")

^) Feine, H. E.: Die Besetzg. der Reichsbistümer vom Westfäl. Frieden bis zur Säkularisation 1648—1803. Stuttg., Enke. XVIII, 444 S. (= Kirchenrechtl. Abhandig., hrsg. v. U. Stutz 97, 98). *) Feine, H. E : D. protest. Fürst- bistum Lübeck. Zt. d. Savigny-Stiftg. f. Rechts -Gesch. K. A. 41, 439—42. *) Dehio, L.: Zur Verfassungs- u. Verwaltungs- Gesch. d. Fürstbistums Münster im 17. u. 18. Jahrh. Zt. f. vaterl. Gesch. u. Alt.kde. (Westfal.) 79, ], 1—24. *) Scholand, F.: Verhandigen über d. Säkularisation u. Aufteilung d. Fürst- bistums Münster 1795-1806. Zt. f. vaterl. Gesch. u. Alt.kde. (Westfal.) 79, 1, 42-94.

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Au weiteren Einzelstudien von stärkerer Bedeutung liegt aus dem Berichtsjahr für unser Gebiet nur weniges vor. N e u d e g g e r^) setzte seine älteren Forschungen zur Geschichte des Geheimen Rats in Bayern durch eine Veröfltentlichung fort, die im wesentlichen Regesten in chrono- logischer Folge enthält. Eine Göttinger Dissertation v. Seile's^) über die Gravamina der brandenburgisch-preußischen Stände von 1740 liegt bisher nur in Maschinenschrift vor, auf die Arbeit wird zurück- zukommen sein, wenn sie, wie zu erwarten ist, in weiterem Rahmen all- gemein zugäuglich sein wird. Im Anschluß an Lüdicke's Publikation über die Beamtenschaft des preußischen Kultusministeriums (vgl. Jahresber. 1, 108) zeigt Kahler*») in kurzem sozialgeschichtlichem, lebendig charakterisierenden Überblick wie in der Art der aufeinander- folgenden 17 Minister sich die Entwicklung des preußischen Beamten- tmns im 19. Jahrhundert spiegelt.

C. Kapitel VII. Neuere Wirtschaftsgeschichte. (Häpke.)

Die wissenschaftliche Tätigkeit auf dem Gebiete der neueren Wirt- schaftsgeschichte mit ihren einzelnen Zweigen (Agrar-, Handels-, Ge- werbe-, Sozial-, Finanzgeschichte usw.) war im Berichtsjahre recht um- fangreich. Den einzelnen Vertretern der beiden hauptsächlich be- teiligten Disziplinen, Historikern und Nationalökonomen, kommt die Mannigfaltigkeit des Schaffens selten ganz zu Bewußtsein, da die Früchte der Arbeit in den zahlreichen staatswissenschaftlichen nnd geschicht- lichen Organen zerstreut auftreten und nur wenige sich die Mühe nehmen, sich auch in der Nachbardisziplin gehörig umzuschauen. Die neuen Probleme der Gegenwart, die zwar durchaus nicht nur wirtschaft- licher Natur sind, abier häufig in erster Linie von ökonomisch-sozialen Gesichtspunkten betrachtet zu werden pflegen, haben die neuere Wirt- schaftsgeschichte in eine vor 2 3 Menschenaltern ganz unbekannte Stellung in der wissenschaftlichen Welt einrücken lassen. Man denke nur an die Erforschung des Werdens von Kapitalismus und Sozialismus. Auch die gegenwärtige bewußte Abkehr eines großen Teils unserer Wirtschaftswissenschaftler von der historisierenden Betrachtungsweise eines G. Schmoller hat die Beschäftigung mit der Wirtschaftsgeschichte wohl einschränken, nicht aber lahmlegen können. Ist doch für den Aus- fall der Nationalökonomen Ersatz geschaffen durch das gesteigerte Inter- esse in historischen Kreisen, wo mancher die früher dort vielfach übliche Gleichgültigkeit gegenüber den wirtschaftlichen Fragen aufgegeben hat.

') Neudegger, M. J.: Gesch. d. Geh. Rats u. Ministeriums in Bayern vom Mittelalt. bis zur neuer. Zeit. Münch., Ackermann. 167 S. *) Seile, G. v.: Die Gravamina d. brand.-preuß. Stände von 1740. Götting., Diss. 1920. 142 S. (Masch.schr.). ") Kahler, S.: Randglossen zur Beamten-Gesch. im neueren Preußen. Hist. Zt. 124, 63—74.

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Auch im akademischen Unterricht bringen weite Kreise der Studieren- den erfreuliche Einsicht für den Wert der Wirtschaftsgeschichte auf. Die beiden bisher gebräuchlichsten Grundrisse sind denn auch 1921 neu aufgelegt ; ein weiterer Leitfaden ist hinzugekommen. Herkners Arbeiterfrage mit ihrem starken historischen Gehalt (s. unten) erlebte die 7. Auflage und muß jetzt Frühjahr 1923 schon von der 8. ab- gelöst werden. Auch S o m b a r t s Deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahr- hundert (s. unten) wurde zum fünftenmal neu aufgelegt, und vom Hand- wörterbuch der Staats Wissenschaften konnte die 4. Auf- lage mit der 1. Lieferung einsetzen.^) So sehr daher die wissenschaft- liche Tätigkeit durch die Zeitumstände erschwert ist, so glauben wir für die neuere Wirtschaftsgeschichte doch nicht die anderen Wissenszweigen drohende Gefahr des Verdorrens befürchten zu müssen.

Von jenen Leitfäden reichen Kötzschkes treffliche Grundzüge^) bis ins 17. Jahrhundert, nämlich bis in die Periode des Stillstands, die der glänzenden Entfaltung des deutschen Wirtschaftslebens um 1500 folgte; der altbewährte Grundriß hat in dieser zweiten Auflage sorg- fältige Ergänzungen erfahren. Auch Sievekings 3. Auflage ist ver- bessert ;=^) auf knappem Raum versucht er die gesamteuropäische Ent- wicklung einschließlich der ökonomischen Denker vom Merkan- tilismus bis zur Gegenwart zu skizzieren. Derselbe Verfasser ließ eine Mittlere Wirtschaftsgeschichte*) im gleichen Verlage erscheinen, die nach seiner Auffassung den Raum zwischen der Antike und dem gegen- wärtigen Wirtschaftsleben ausfüllt und die wirtschaftliche Neuzeit erst mit dem ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert anheben läßt. Im allgemeinen wird man aber doch an der auch hier an- genommenen Cäsur um 1500 als maßgebend für den Beginn der „neueren" Wirtschaftsgeschichte festhalten.

Eben damals setzt sich namentlich auch auf deutschem Boden ein jugendkräftiges, rücksichtsloses Unternehmertum durch, dessen Er- forschung, wie sie von G. A u b i n^) durch die Entdeckung der Kollektiv- verträge zwischen Nürnberger Unternehmern und den städtischen und zünftlerischen Obrigkeiten der Oberlausitz (1590—1690) wesentlich ge- fördert wurde, stets von äußerster Wichtigkeit bleiben wird für die histo- rischen Grundlagen des modernen Kapitalismus überhaupt. Der Streit um die von W. Sombart aufgestellten und durch V. B e 1 o w angefochtenen Theorien der kapitalistischen Ent\\4cklung ist im Berichtsjahre fortgeführt f) auch hat H ä p k e in einer Studie „zur

») Hrsg. V. L.Elster. Lf. 1. Jena, Fischer. 1921. ^) Kötzschke, Hud.: Grundzüge der dten. Wirtschaftsgesch. bis zum 17. Jh., Grundr. d. Gesch.- Wiss. Reihe II Abt. 1. B. G. Teubner, Leipzig -Berlin. 194 S., 2. umgearbeitete Aufl. ^) Sieveking, Heinr.: Grundzüge der neueren Wirtschaftsgesch. vom 17. Jh. bis zur Gegenwart, ebd. Reihe II Abt. 2, 110 S., 3. verb. Aufl. *) Ders.: Wirtschaftsgesch. II. Vom Ausgang der Antike bis zum Beginn des 19. Jahrh. (Mittlere Wirtschaftsgesch.) Aus Natur u. Geistesw. Bd. 577, ebd., 136 S. <*) Ztschr. f. d. ges. Handels- u. Konkursrecht. Bd. 84, S. 423 ff. «) Below, G.v.: Die wirtschaftsgesch. Auffassg W. Sombarts, zur Begriffsbestimmg. d. Kapitalismus. Schmollers Jbch. 45, 1 S. 237 ff.

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neueren Wirtschaftsgeschichte" den historischen Gehalt von Sombarts Werk zu würdigen unternommen.') Die großen Streitpunkte liegen im allgemeinen auf mittelalterlichem Gebiete, auf dem Sombart schwer- lich seinen Gegnern gewachsen ist; für die Neuzeit wird sein Werk ge- wiß nicht abschließend, aber befruchtend wirken.

Führt die Erörterung des Aufbaus des Kapitalismus häufig ins 16. Jahrhundert, so erweist sich dieser so wichtige Zeitraum denen gegen- über recht spröde, die ihm ohne das genügende historische Verständnis nahen. H. H a a c k e s Versuch,^) die Reichsabschiede auf ihre wirt- schaftspolitischen Bestimmungen zu untersuchen, ist nicht einmal zur Spezialliteratur durchgedrungen und auch sonst wenig befriedigend.

Gewiß reichte damals die Wirtschaftspolitik im Reiche schon nicht mehr recht aus. Daß im übrigen aber die Erschließung der deutschen Rohstoffe in vorher ungeahnter Weise gefördert wurde, beweisen die Nachrichten über die Flößerei auf der Saale, die sich von 1572 an zu einer sehr erheblichen Scheit- (Brenn-) holzflößerei zur Versorgung der Pfännerschaft in Halle auswächst, wobei um 1612 50 000 Klafter verflößt werden. H o h 1 s Schrift") ist ein nützlicher Beitrag zur Geschichte der Forstwirtschaft und der mitteldeutschen Wirtschaftsgeschichte überhaupt.

In Mitteldeutschland ist noch Erfurt gut vertreten durch die Arbeit von Friedr. H. S c h r a d e r über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Stadt nach Beendigung des 30 jährigen Krieges.^^) Sow ohl die Anzahl wie die Steuerkraft der Bürgerschaft er- fuhr in der Kriegszeit einen sehr beträchtlichen Rückgang. Überhaupt knüpft die wirtschaftsgeschichtliche Forschvmg für das 17. Jahrhundert gern an die Frage nach den Kriegsschäden der Jahre 1618 1648 an; ein aus den Quellen gearbeiteter, viel Material enthaltender Aufsatz von G. M e h r i n g widerlegt für Württemberg die These von R. Hoeniger, die vernichtenden Einwirkungen des großen Krieges seien bisher stark übertrieben.")

In demselben Hefte wird ein durch die Nöte der Gegenwart be- sonders „aktuelles" Thema sachgemäß behandelt. E. Schöttle be- spricht die Kipper- und Wipperzeit (1620—1623) in Oberschwaben.^-)

In den Bereich der deutschen Münzwirren des 17. Jahrhunderts führt auch Frhr. v. Schrötters Studie über die Münzstätte zu

') Häpke, Rud.: Zur neueren Wirtschgesch., Vierteljahrsschr. f. Soz.- u. Wirtschgesch. XVI., 1. u. 2. H., S. 168 ff. Daselbst die Nachweise der sonstigen Streitschriften u. Rezensionen von W. Sombarts Mod. Kapitalismus. ^) Haacke, H.: Wirtschaftspolit. Bestimmungen in den Reicbsabschieden. Ein Beitrag zur Wirtschaftspolitik der Reichszentralgewalt am Ausgang d. M.A. u. zu Beginn der Neuzeit. Jahrb. für Nat.-;Ökon. u. Stat. 116, I, S. 465— 506. »j Hohl, Th.: Beitr. z. Flößerei auf d. Saale in geschichtl. u. wirtschaftl. Hinsicht. Jbch. f. Nat.- Okon. u. Stat. 117, S. 385 438. Z. Forstgesch. vermerken wir noch die beiden im Archiv d. Hist. Ver. f. Unterfranken u. Aschaffenbg. Bd. 62 (wieder) abgedruckten Studien des f Seb. Göbl. *®) Mittigen. d. Ver. f. Gesch. u. Altertumskunde von Erfurt. H. 40 u. 41. ^M Mehring, Gebhard: Wirtschaftliche Schäden durch den 30jähr. Krieg im Herzogtum Württemberg. Württemberger Vierteljahrshefte f. Landesgesch. N. F. 30. Jg. S. 58— 89. ^^) Schöttle, G.: Die große deutsche Geldkrise von 1620—1623 u. ihr Verlauf in Oberschwaben, ebd. S. 36—57.

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Halberstadt 1651—1680, die, abgesehen von den münzgeschichtlicheii Ergebnissen, auch interessante allgemeinere Fragen aufwirft: Wie kommt es z. B., daß das Vorland des metallreichen Harzes sein Münz- silber in Hamburg einlvauft? Woher stammt es und wer sind die Silberverkäufer? Die starke Judenschaft Halberstadts wird vom Ver- fasser auf Silberhandel zurückgeführt. ^•'*)

Die Geschichte des preußischen Merkantilismus kann im Berichsjahre eine Neuerscheinung namhaft machen, die keinen Ge- ringeren als G. S c h m o 1 1 e r^^) zum Verfasser hat; indessen handelt es sich nur um eine Niederschrift seines Kollegs über die preußische Ver- waltungsgeschichte aus dem Winter 1886/87 (!). Der Zeitpunkt der Ab- fassung zeigt, daß die großenteils von Schmoller und seiner Schule (0. Hintze) selbst unternommenen Aktenpublikationen und Dar- stellungen zur inneren preußischen Geschichte gar nicht berücksichtigt werden konnten. Was der Titel verspricht, kann daher der Inhalt nicht halten.

Dagegen sind einige nützliche Einzelstudien in der preußischen Wirtschaftsgeschichte zu verzeichnen. So führt Marg. Herzfeld ihre Arbeit über den preußisch-polnischen Haiidelsvertrag von 1775 zu Ende;^-'0 die etwas breit angelegte Abhandlung übersieht einigermaßen, daß man in Westeuropa damals bereits sich von dem in Fiskalismus ausmündenden Merkantilismus abwandte (1776 erschien ja Ad. Smith's epochemachendes Werk) ; daher auch die scharfe Kritik innerhalb und außerhalb Preußens über diesen Polen knebelnden und den preußischen Handel schädigenden „Handelsvertrag". In eine Zeit völliger Zer- setzung der preußischen Staats Wirtschaft gegen Ende des 18. Jahr- hunderts leuchtet Schwemann hinein, indem er aus den archiva- lischen Quellen den von Wöllner und seinen Rosenkreuzern gegen Heinitz' Autorität und Sachkunde unternommenen Bergbau auf Kupfer- schiefer im Kr. Neuhaldensleben schildert. Der Schwindel kam dem preußischen König und Staat recht teuer.^^) Zur Finanzgeschichte, die jetzt aus naheliegenden Gründen eifriger betrieben wird, sei die Schrift des verstorbenen Finanzwissenschaftlers Herm. Mauer genannt, die P]duard Wegener aus dem Nachlaß herausgegeben hat. Mauer schildert die Möglichkeiten, während des 18. Jahrhunderts in Preußen Kapitalien bei der Kurmärkischen Landschaft, der Seehandlung, Kgl. Banlv usw. anzulegen, in sachkundiger Weise. ^'')

'^) Ztschr. d. Harz-Yer. f. Gesch. u. Alterts.kde. 54. Jg. S. 9-28. ^*) Schmoller, G. : Preuß. Verfassurgs-, Verwaltungs- und Finanzgesch. Berlin, Verl. d. Tägl. Rundsch. 236 S. Sehr richtig dazu G. Aubin in Jbch. f. Nat.-Ökon. u. Stat. III. F. Bd. 62, II S. 172, in obigem Sinne. »^j Forschg. z. brdb -preuß. Gesch. 35. Bd. 1, S. 45 ft". ^^) Schwemann, A., Geh. Bergrat Prof, Aachen: Ein staatHcher Bergwerksschwindel im 18. Jahrh. in Beitr. z. Gesch. d. Technik u. Industrie. Jbch. d. Vereins dter. Ingenieure, hrsg. von. Conr. Mat schoß. Bd. XI, S. 143 154. Auf diese treffliche Ztschr. mit ihren wertvollen histo- rischen Beiträgen sei hier einmal ausdrückhch hingewiesen. Die Geschichte der Technik im weiteren Sinne bietet Technikern u. Historikern noch manches un- bearbeitetes Arbeitsfeld. *^) Mauer, Herrn.: Die private Kapitalanlage in Preußen während d. 18. Jahrh., aus d. handschr. Nachl. d. Vf. hrsg. v. Eduard Wegener, Mannh.-Berl.-Lpz.

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Wie schon eingangs angegeben, ist das 19. Jahrhundert besonders stark bei den Neuerscheinungen vertreten. Sombarts deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert^*^) hat in der 1920 erschienenen deutschen Wirtschaftsgeschichte 1815 1914 von Sartorius von Walters- hausen ein Seitenstück erhalten, das mehr als Sombart das staatliche Moment gegenüber dem privatv^'irtschaftlichen hervorhebt und damit für die Jahre des Aufbaus (Eisenbahn- und Straßenwesen!) auch Recht hat. Aber Sombarts Buch wird allem Anschein nach sich neben Sartorius behaupten, wie es seither schon starken Einfluß ausgeübt hat. Von den großen Wirtschaftsführern des 19. Jahrhunderts wirid der Rhein- länder Gustav M e V i s s e n von Bruno K u s k e erneut gewürdigt; sein \ ortrag zeichnet sich namentlich durch eine umfassende Einleitung über das rheinisch-deutsche Wirtschaftsleben aus.") In München wurde in einer Festschrift des Gründers des Pschorrbräus, Jos. P s c h o r r (1770 1841), gedacht, der das Münchener Bier erst auf seine welt- berühmte Höhe hob, indem er den Unterschied zwischen „altem" und „neuem" Bier zu tilgen verstand.^") Sodann erschien ein erster Teil der Biographie von GeorgvonSiemens, des bedeutenden Vetters Werners.-^) Das Lebensbild ist von K. Helfferich mit Hilfe von anderen bearbeitet; es bietet zunächst allgemein interessierende Stimmungsbilder aus der preußischen Verwaltung der 50 er und 60 er Jahre, sowie aus den Feldzügen von 1866 und 1870/71. Dann schildert das Buch die ersten Jahre der Deutschen Bank, für die der juristisch ge- schulte G. V. Siemens alsbald sein großes Organisationstalent entfaltete. Die zweifellos hochwichtige Biographie würde gewinnen, wenn sie in ihren späteren Teilen minder apologetisch verführe. Warum werden nicht offensichtliche Fehlschläge, wie die Niederlassungen in Ostasien, ruhig als solche gekennzeichnet? Vollends unter Vorbehalt sei der Studie gedacht, die von Herm. Brinckmeyer Hugo Stinnes ge- widmet ist.22) Wir führen sie der Vollständigkeit halber auf, fragen uns aber, ob sie die umfassende Tätigkeit des Genannten ohne allzu fühlbare Lücken wiedergibt.

Die deutsche Wirtschaftspolitik wird in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts besonders bestimmt durch den Kampf für und gegen den Zollverein. Das Problem, weshalb die Hansestädte ihm solange fernblieben, hat Ernst B a a s c h in einer Reihe von Aufsätzen behandelt; für das Berichtsjahr notieren wir seine Studie über die Haltung, die der Staatswissenschaftler Lorenz v. Stein in der Frage der deutschen Wirtschaftseinheit einnahm; so sehr er dafür eintrat, gehörte er doch zu den Wenigen, die auch Hamburgs Eigenart als handels-

^8) Volksausgabe. 5. mit d. 4. gleichlautende Aufl., Berl., 532 S. -- ^ö) Kuske, Bruno: Gustav Mevissens Stellung in d. Wirtschaftsentwicklung. Ein Beitr. zur Gesch. der dten. u. rhein. Wirtschaftstendenzen. Kölner Univ.-Reden 2, Köln 1921. 16 S. Vgl. dess., Wirtschaftl. Eigenart d. Stadt Köln. 56 S. ''O) Roth, Herrn.: Ein Jahrh. Pschorrbräu 1820—1920. München. 67 S. ^i) Helfferich, Karl: Georg von Sieraens. Ein Lebensbild aus Deutschlands großer Zeit. Bd. 1. Berlin. 366 S. ^^) Brinckmeyer, Herm.: Hugo Stinnes, Gestalten u. Doku- mente 3. München. 5. Aufl. 78 S.

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mächtigen Sta4tstaat zu würdigen wußten.-=^) Weniger wirtschafts- historisch als für die allgemeine Geschichte wichtig ist W. v. B i p p e n s Lebensbild des großen Bremer Bürgermeisters Joh.^Smidt, des Gründers von Bremerhaven. Auch bei Errichtung des Mitteldeutschen Handels- vereins, bei Bahn- und Dampferverbindungen hat Smidt mitgewirkt.^'*)

Neuere Städtegeschichte mit ihrem starken wirtschafts- geschichtlichen Einschlage ist durch das große Werk über Dussel- d o r f-"') würdig vertreten, das in zwei starken Bänden von den Anfängen der Stadt bis 1856 (Einführung d. rhein. Städteordnung) reicht. Nament- lich zur Geschichte der Dampfschiffahrt, der Eisenbahnen und der Ent- wicklung der Industrie in Rheinland- Westfalen wird man der monumen- talen Arbeit wichtige Angaben entnehmen können. An der Küste er- schienen in Hamburg-'^) und D a n z i g-^) Schilderungen der wirt- schaftsgeschichtlichen Entwicklung; dort sorgte E. B aa s c h, hier E. K o y s e r für sachgemäße Darstellung. Auch Swinemünde fand 1920/21 seinen Geschichtsschreiber.-^)

In die unmittelbare Gegenwart führt sodann das Kriegswerk der Stadt Berlin, bearbeitet von E. K a e b e r.^^) Es ist sehr zu begrüßen, daß diese umfassende Darstellung der Kriegswirtschaft in der größten und wichtigsten Gemeinde des Reiches zum Druck gelangt ist; die Er- kenntnis der nüchternen Wirklichkeit, wie sie in diesem Verwaltungs- bericht zutage tritt, sollte die Augen öffnen über die ungeheuren, letzten Endes doch unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche die improvisierte Ernährungswirtschaft in den großen Kommunen mit sich brachte.

Dem „Ernährungsproblem in der Geschichte", von der Antike bis zur. Neuzeit, widmete Häpke einen in Schmollers Jahr- buch 45, 2 S. 507 ff. abgedruckten Vortrag vor der Berliner Historischen Gesellschaft. Einmal galt es auf die Bedeutung der in der Geschichts- wissenschaft vor dem Kriege kaum beachteten Frage nach der Ver- pflegung der Volksmassen hinzuweisen, und zweitens lassen sich auch methodische Gesichtspunkte aus dem Ernährungsproblem gewinnen; alle Zahlenangaben über Bevölkerung, Größe der Heere usw. wird man

^*) Schmollers "Jbch. 45,4 S. 95—114. Baaschs einleitender Aufsatz erschien in d. Hist. Ztsch. Bd. 122, S. 454 ff. , fortgeführt wurden die Arbeiten in den Hansischen Geschbl. 1922, S. 115 169. ^*) Bippen, W. v.: Johann Smidt, ein hanseatischer Staatsmann, hrsg. m. Unterstützg. der Smidt- Stiftung. Stuttgart u. Berlin. SM S. ^ß) Gesch. d. Stadt Düsseldorf. 2 Bde. Bd. 1: Von d. An- fängen bis 1815 von Fr. Lau. 1. Abt.: Darstellg., 2. Abt.: Urk. u. Akten (2 Teile in 1 Bd.). XIV u. 314, III u. 322 S. - Bd. 2: Von 1815 bis zur Einführg. der rhein. Städteordnung (1856) von Otto Most, XVI u. 238 S., Düsseldf, Aug. Bagel, 4". 2®) Hamburg in seiner polit., wirtschaftl. u. kulturellen Bedeutung, hrsg. v. d. dten. Auslandngeraeinschaft. Hbg. 170 S. ~ 2^) Keyser, Erich: Gesch. Danzigs, ebd. A. W. Kafemann. 235 S. ^sj Burckhardt, Rob.: Die Entstehg. u. Ent- wickig. der Stadt Swinemünde bis z. J. 1806. Teil 1 A u. B. Swinemünde, W. Fritzsche 1920/21. 120 u. 167 S. 2») Berlin im Weltkriege. 5 J. städtischer Kriegsarbeit. Im Auftr. d. Mag. auf Grund d. Ber. d. städt. Verwaltungsstellen, hrsg. V. Ernst Kaeber, Arch. d. Stadt Berlin. Berlin, Trowitzsch. 4^, 567 S.

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mehr als bisher daraufhin prüfen müssen, ob sie mit den Erfahrungen und Möglichkeiten der Volksernährung in Einklang gebracht werden können.

Die neuere Sozialgeschichte richtet ihre Blicke mit Vor- liebe auf die verhältnismäßig kurze, aber um so leidenschaftlichere Ent- wickkmgsgeschichte des modernen Sozialismus. Eine Art von Heroenkult, der sich neben der materialistischen Geschichtsauffassung etwas seltsam ausnimmt, auf Seite der Sozialisten läßt die Literatur über Marx und Lassalle anschwellen; aber auch das Interesse der NichtSozialisten ist durch die gewaltig wachsende Arbeiterbewegung und ihre Erfolge namentlich in Deutschland stärker geworden. Als wich- tige Neuerscheinung ist zu nennen die von Gustav Mayer unter- nommene Veröffentlichung von F. Lassalles nachgelassenem Schrifttum,^") wovon der im Berichtsjahr erschienene 1. Band den jugendlichen, frühreifen Lassalle bis 1848 begleitet. An Fr. Engels Biographie von G. Mayer knüpft H. Oncken an, der in- der Hist. Zeit- schrift die Anfänge des deutschen Kommunismus in Verbindung mit Mayers Buch bespricht; der Aufsatz, der auch J. Hansens Rheinische Briefe und Akten zur Geschichte der polit. Bewegung 1820 50, I, Essen 1920, heranzieht, geht über den Rahmen einer Besprechung hinaus, indem er bei aller Anerkennung der eigenartigen Persönlichkeit von Fr. Engels die Grenzen seines Könnens bei der Konstruktion seines Weltbildes und der Entstehung der materialistischen Geschichts- auffassung schärfer umreißt, als Mayer es getan hatte.^^) Die Genesis des Kommunistischen Manifestes erörtert C. G r ü n b e r g in seinem Archiv,''^) der dort auch das erste und einzige Heft der Londoner Kommunistischen. Zeitschrift aus dem Sept. 1847 zum Abdruck bringt, das bisher kaum bekannt war. * Die Zeitschrift führt bereits den berühmten Schlußsatz des Manifestes „Proletarier aller Länder vereinigt euch*' als Motto.

Die Geschichte der Sozialpolitik wurde bereichert durch einen Aufsatz von H. Rothfei s^'^) über den Versuch Friedrich Wilhelms IV. (1850), auf Grund der Initiative des Elsasser Fabrikanten und Philantropen Daniel Legrand zunächst in England Schritte im Sinne des internationalen Arbeiterschutzes anzuregen. Auch die Arbeit von P. E. Braun über die geschichtliche Entwicklung der Sonntags- ruhe umfaßt zwar auch vorchristliche Zeit und Mittelalter, führt dann aber diesen „Beitrag zur Soziologie des Arbeiterschutzes" bis zur un- mittelbaren Gegenwart weiter.^^) Im Anschluß hieran sei auf

^) Lassalle, Ferd.: Nachgelassene Briefe u. Schriften, hrsg. von Gustav Mayer. 1. Bd. Briefe von u. an L. bis 1848. X u. 357 S. Seither erschien 1922 Bd. 3: Briefwechsel zwischen Lassalle u. Marx usw. Stuttg. u. Berlin, Dte. Verlagsanstalt. Berlin, J. Springer. Dazu G. Ritter, Hist. Ztschr. 127, S. 315 ff. 3') Oncken, H.: Fr. Engels u. die Anfänge des dten. Kommunismus. Hist. Ztschr. 123, 239 ff. ^2) Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. der Arbeiter- bewegung. IX. Jg. S. 249 341. ^^) Rothfels, H.: Die erste diplomatische Aktion zugunsten d. internal Arbeiterschutzes. Vierteljahrsschr. f. Soz. u. Wirt- schaftsgesch. XVI, S. 70-87. »*) Ebd. S. 325-369.

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H. H e r k n e r s Arbeiterfrage hingewiesen, deren großen buchhänd- lerischen Erfolg wir bereits erwähnten. Der 2. Band bringt die Ge- schichte der Arbeiterbewegung bis zur Gegenwart und enthält somit auch eine Darstellung der Konflikte des Weltkrieges. Verfasser steht indessen nicht stets über der Sache, so lesenswert seine Ausführungen auch sind. Abgeklärter sind die Abschnitte über die ältere Geschichte der Arbeiterbewegung und der sozialistischen Theorien.^^^)

Immerhin bleibt hier noch viel Spielraum für die historische Forschung. Indem P. Mombert feststellt, daß in der Frühzeit des deutschen Industrialismus mit seinen sozialen Nöten noch manches un- geklärt ist, bereichert er unsere Kenntnis durch ein 277 Nummiern starkes Verzeichnis der zeitgenössischen Literatur aus einer privaten Sammlung, das er mit wertvollen kritischen Notizen versieht. =^*')

Über dem gewerblichen Arbeiter werden wir den Land- arbeiter nicht vergessen. Eine der eigenartigsten Erscheinungen auf agrarischem Gebiete ist „das Heuerlingswesen im Fürsten- tum Osnabrück", dessen Wandlungen von der Bauernbefreiung bis zur Zeit vor dem Weltkrieg Ad. Wrasmann ausführlich schildert.^^'') Der Heuerling, ein Kleinpächter auf dem Grund und Boden der Bauern und Kolonen, denen er Dienste leistet, wird durch die Markenteilung be- nachteiligt ; um so wichtiger wurden für ihn Spinnerei, Weberei und der Hollandgang. Während aber weder die zeitweilig hochentwickelte Hausindustrie noch die Wanderarbeit sich halten, kam das Heuerlings- wesen als Dienst- und Pachtverhältnis ländlicher Art bis auf unsere Tage.

Aus der Nachkriegszeit, die zwar eine gewaltige wirtschafts- politische, aber begreiflicherweise nur geringe wirtschaftshisto- rische Literatur gezeitigt hat, seien noch etwa erwähnt Wilh. Mattes' Studie über die bayrischen Bauernrät e^^) und F. P h i 1 i p p i s Bericht über den Streit um den Wittgen- steiner Wal d.^«) Hier handelt es sich um die Frage, ob die großen Waldungen der Grafen Sayn-Wittgenstein-Berleburg und S.-W.-Hohen- slein als Privateigentum anzusehen sind, w^as Ph. auf einen von ihm vorausgesetzten Forstbann zurückführt, oder ob sie als Staatseigentum zu gelten haben, was die in schwierigen Verhältnissen lebende ansässige Bevölkerung , seit der Revolution fordert. Endlich darf ganz allgemein der Wunsch ausgesprochen werden, daß die Wirtschaftsgeschichte sich die zahlreichen amtlichen und nichtamtlichen Denkschriften

^^) Herkner, Heinr.: Die Arbeiterfrage. Eine Einführung. 2 Bde. 7. (jetzt 8.) erweiterte u. umgearbeitete Aufl. Berl. u. Lpz. Ausführlich gehe ich auf Herkners Ausführungen zur Zeitgesch. in einem in Bei. 17 H 1, 2 der Vierteljahrsschr. f. Soz.- u. Wirtschaftsgesch. erschienenen Referat ein. ^^) Archiv f. d. Gesch. d. Sozialis- mus u. d. Arbeiterbewegung, hrsg. von C. Grünberg. Bd. IX. Lpz. S. 169 236. ") Mittl. d. Ver. f. Gesch. u Landeskunde von Osnabrück. Bd. 44, S. 1—154, gedr. m. Unterstützg. d. Reichsarbeitsministeriums. Ein erster Teil in Bd. 42 S. 53 ff. ^*) Mattes, Wilh.: Die bayer. Bauernräte. Eine soziologische u, histor. Untersuchung über bäuerliche Politik. Münchener volkswirtsch. Studien, hrsg. von L. Brentano u. W. Lotz. St. 144. Stuttg., Cotta. 210 S. «»j Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 16. S. 39-89.

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usw. nutzbar mache, die infolge der Friedensbestimmungen für die be drohten Außenbezirke des Reiches (Rhein, Saar, Oberschlesien usw.) ausgearbeitet wurden. Das oft mit größter Mühe und Sorgfalt beschaffte Material, mit wertvollen graphischen Darstellungen, Karten usw., pflegt häufig nicht in den Buchhandel gegeben, sondern an Interessenten ver- teilt zu werden, ohne daß es den wissenschaftlichen Kreisen, Biblio- theken, Seminaren zugänglich wird. Hier wäre eine engere Fühlung- nahme der Verwaltungskörper und der Wissenschaft entschieden an- gebracht, namentlich auch für die Forschungszwecke kommender Generationen.'*")

C. Kapitel VIII. Neuere Kirchengeschichte. (Loewe.)

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Das Berichtsjahr bescherte uns zwei umfassende Werke tief- gründigen Geltehrtenfleißes, die ganz verschiedene Äußerungen des Lebens der evangelischen Kirche durch die Jahrhunderte hindurch verfolgen. Petersen^) schildert die Geschichte der aristotelischen Philosophie im protestantischen Deutschland von der Reformation bis zur Aufklärung: er zeigt, wie Melanchthon aus biblischen und aristote- lischen Elementen das Weltbild des alten Protestantismus geformt hat, wie dann im 17. Jahrhundert die Scholastik das philosophische Denken beherrschte, bis endlich die Aufklärung die Autorität des Aristoteles untergrub. G r a f f s 2) Geschichte der Auflösung der alten gottes- dienstlichen Formen in der evangelischen Kirche behandelt die gleiche Epo.che und hat naturgemäß auch starkes kulturgeschichtliches Inter- esse. Ein holländisches Werk Eekhofs^) über die Leydener theologi- sche Fakultät im 17. Jahrhundert ist bei der hohen Bedeutung, die sie auch für den deutschen Protestantismus dieser Epoche hatte, auch hier zu erwähnen. Mahrholz "*) betont in seiner schönen Sammlung von Zeugnissen des deutschen Pietismus aus dem 17. 19. Jahrhundert besonders stark das mystische Element desselben. M. L e u b e s ') Geschichte des altberühmten Tübinger Stifts im 16. und 17. Jahrhundert ist nach dem Urteil Scheels (Zt. f. Kirchengesch. N. F. 3, 264) die lerste wirkliche Geschichte der xVnstalt; der größte Teil der Darstellung gilt

^) Vor mir liegt z. B. ein wertvolles Memorial of the Oberschlesische Berg- u. Hüttenmännische Verein (and) of the Chamber of Commerce for the Government District of Oppeln in Folio mit prachtvollen Karten. Ref. selbst brachte zum Druck die bereits 1918 bearbeitete Darstellung der Deutschen Verwaltung für Litauen 19U— 1918.

^) Petersen, P.: G. d. aristotel. Philosophie im Protestant. Dtl. Lpz., Meiner. XII. 542 S. ^) Graff, P.: G. der Auflösung d. alten gottesdienstlichen Formen in d. evang. Kirche Dtls. (bis zum Eintritt d. Aufklärung u. d. Rationalismus. Göttingen, Vandenh. u. Ruprecht. VIII, 473 S. 3) Eekhof, A.: De Theologische Faculteit te Leiden in de 17 de Eeuw. Utrecht, Ruys. VII, 506 S. *) Mahr- holz, W.: D. dte. Pietismus. E. Auswahl von Zeugnissen .... aus d. 17., 18., 19. Jhd. Berlin, Furche- Verlag. 456 S. ^) Leube, M.: Die Gesch. d. Tübinger Stifts im IG. u. 17. Jahrh. Stuttg. 244 S.

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den Verfassungseinrichtungen, dem Bildungswesen und den wirtschaft- lichen Verhältnissen.")

Das monumentale, in Gesamtleistung und Ergebnissen bisher vielleicht zu wenig gewürdigte Werk des Jesuiten B. D u h r ") über fdie Geschichte seines Ordens in den Ländern deutscher Zunge fand im Berichtsjahre seine Fortsetzung, die der zweiten Hälfte des 17. Jahr- hunderts gilt. Die Einteilung ist im wesentlichen dieselbe wie in den früheren Bänden. Der erste, die äußere Entwicklung behandelnde Abschnitt, schildert nach einem Überblick über die allgemeine Lage der Gesellschaft Jesu die einzelnen Provinzen und ihre Niederlassungen und zwar die niederrheinische, die oberrheinische, die oberdeutsche imd die österreichische Provinz. Der zweite Abschnitt schildert die innere Geschichte und hier vornehmlich Aufnahme und Entlassung, asketische mid wissenschaftliche Ausbildung, finanzielle Sorgen, häusliches Leben imd die überseeischen Missionen. - Der dritte Abschnitt Arbeits- leistung — befaßt sich u. a. mit der Lehrtätigkeit, der Seelsorge, der Schriftstellerei, den Volksmissionen, endlich auch mit der Stellung der Jesuiten zu Besessenheit und Hexenwahn und mit ihrem Verhältnis zu den katholischen Höfen, dessen Versuchungen und Gefahren der Autor nicht verschweigt. Das umfangreiche Werk verarbeitet lein ungeheures, zumeist aus den Archiven des Ordens stammendes Material von großem kirchen- und kulturgeschichtlichem Interesse in gefälliger Darstellung und in ernstem und ruhigen Tone, der idie Lektüre des Werkes auch dem Andersdenkenden anziehend macht.

Zur Geschichte des Katholizismus der Aufklärungszeit liegen ver- schiedene Beiträge vor. Schnütgen^) skizziert nach vatikanischen Nuntiaturakten die ausweichende und schwankende Haltung des päpst- lichen Nuntius in Köln der Jahre 1767—75, Caprara, die einer Verfalls- periode päpstlicher Macht angiehört. Aus dem Nachlaß des im Felde gefallenen H. Cardauns*^) wurden Nachrichten aus fremden Archiven geboten, die sich mit der Entdeckung 4es Verfassers der die monarchische Verfassung der katholischen Kirche leugnenden Schrift : de statu ecclesiae befassen; der Autor war, wie bekannt, der Trierer Weihbischof J. N. v. Hontheim, der schließlich die Verfasserschaft zugab und im Jahre 1778 Widerruf leistete. Die Briefe des P. Firmin Bleibin- haus, die B a i e r ^") als einen Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Aufklärung am Hofe Herzog Karl Eugens von Württemberg veröffent- lichte, verdienten wohl kaum den vollständigen Abdruck. Eine inter- essante, in weiteren kirchen- und ideengeschichtlichen Rahmen einge- spannte Studie von Beyer ha us^O gilt dem „Kuchenheimer

*) Jung. R.: Der Große Kurfürst u. die Frankfurter Reformierten. Festgabe f. Fr. C. Ebrard. S. 35—50. ') Duhr, B., S. J.: Gesch. der Jesuiten in den Ländern dter. Zunge. Bd. 3. München - Regensburg. Manz. XII, 923 S. *) Schnütgen, A,: Ein Kölner Nuntius d. Auf klärungszeit u. die rhein Kurfürsten u. Bischöfe. PJhrengabe dter. Wissenschaft. 743—66. ^) Cardauns, H : Die Entdeckg. des Verfassers des Febronius. Ehrengabe dter. Wissenschaft. S. 728— 42. "] Baier. H.: Die Briefe d. P. Firmin Bleibinhaus . . . Württ. Viertelj. hefte f. Ldes-G. 28, 76 166. ^^) Beyerhaus. G.: D. Kuchenheimer Religionsklub (1791/92). Festgabe f. F. v. ßezoid 250-63.

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Religionsklub", einer sektirerischen Vereinigung rheinischer katholi- scher Laien, die unter Ausschluß geistlicher Instanzen sich gemäß dem Anspruch der deutschen Aufklärungstheorie zwar dem kirchlichen Dogma entgegenstellen, aber innerhalb der Kirche behaupten wollten. Der im Auftrage des Kölner Kurfürsten sofort unternommenen geist- lichen Bearbeitung durch die altgläubigen Pfarrer wurde kein wesent- licher Widerstand entgegengesetzt.^^)

Zur Geschichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert notieren wir zunächst den eingehenden und durch die Vielseitigkeit seiner Ausblicke sehr anregenden Bericht V i g e n e r s ^^) über neuere einschlägige Literatur, ferner einige kleinere Arbeiten Laube rts^*)^^) zur Kenntnis der Beziehungen zwischen dem Posener polnisch-katholi- schen Kirchentum und der preußischen Regierung. Ein Aufsatz Vigeners ^") über die religiöse Entwicklung des späteren Bischofs V. Ketteier vor dem Jahre 1848, ein Ausschnitt aus einer größeren Arbeit über Ketteier gibt Anlaß, dieser mit hohen Erwartungen entgegen- zusehen.*")^^) Der bereits im Jahre 1920 veröJtentlichte zweite Band der Eriimerungen des Reichskanzlers Grafen H e r 1 1 i n g *^) gilt den Jahren 1882 1902 und bietet mancherlei Material zur Kenntnis der Ge- schichte der Zentrumspartei und der Katholikentage. Diesen letzteren ist eine besondere Darstellung K i s s 1 i n g s ''^") gewidmet, von der bis- her der erste Band vorliegt; das stoffreiche und dadurch wertvolle Buch hat mehr offiziösen Charakter und erhebt wohl kaum den Anspruch, als rein wissenschaftliche Leistung zu gelten.

Aus der Literatur zur neueren Geschichte der evangelischen Kirche heben wir eine Studie Zscharnacks^O hervor, die die Pflege des religiösen Patriotismus während der Freiheitskriege am Beispiel der Durchschnittspredigt beleuchtet. Eine Untersuchung M a h 1 i n g s 22) über das religiöse und antireligiöse Moment in der ersten deutschen Arbeiterbewegung gut vornehmlich Wilhelm Weitling und der kommunistischen Strömung bis 1848 sowie Wilhelm Marr und der atheistischen Propaganda unter den deutschen Handwerksgesellen in der Schweiz.

12) Bludau, A.: Die Aufhebg. d. KoUeg.stifts Guttstadt. Zt. f. G. u. Alt.kde. Ermlands 21, 149—235. ^^) Vigener, F.: Literaturbericht zur Gesch. d. neueren Katholizismus. IL Hist. Zt. 125, 108—42. 1*) Laubert, M.: Die Sendung d. Gnesener Erzbischofs von Przyluski nach Berlin im April 1846. Hist. Zt. 125, 70—79. ^^) Laubert, M.: D. erste Zusammenstoß d. Posener Oberpräsidenten Flottwell mit d. Erzbischof v. Dunin. Forsch, z. brand. u. preuß. G. 33, 193—208.

18) Vigener, F.: Ketteier vor d. J. 1848. Hist. Zt. 123,398-479. ") Schrörs, H.: Die Berufg. Möhlers an die Universität Bonn. Ein Beitr. . . . zur G. d. kathol. Kirche Preußens. Hist.-polit. Bl. 167, 336 ff. "} Schnütgen, A.: Briefe von Andr. Räß an Franz Georg Benkert. Histor. Jahrb. d. Görresges. 40, 137 79.

1') Hertling, G. V.: Erinnerungen aus meinem Leben, Bd. 2. Kempten, Kösel, 1920. 312 S. 20) Kissling, J. B.: G. d. dten. Katholikentage. Bd. 1. Münster, Aschendorif. 1920. XVI, 506 S. ^i) Zscharnack, L.: Die Pflege d. religiösen Patriotismus durch d. evangel. Geistlichkeit 1806—15. Harnack-Ehrung 394 423.

22^ Mahling, F.: Das religiöse u. antireligiöse Moment in d. ersten dt. Arbeiter- bewegung (von ca. 1840—60). Festgabe v. Fachgenoss. u. Freunden A. v. Harnack . . 4argebr. S. 183—214.

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C. Kapitel IX. Neuere Kultur- und Geistesgeschichte. (Andreae.)

Die Rubrik „Kulturgeschichte" in unsern Bibliographien und Literatur- berichten aus der Vorkriegszeit pflegte nicht nur qualitativ der Viel- gestaltigkeit des Begriffes und der unsicheren Abgrenzung des Arbeits- feldes dieser historischen Disziplin entsprechend die buntscheckigste, sondern in der Regel auch quantitativ die am meisten vollgepackte zu sein. Die Not der Zeit hat auch diese Fülle stark einschrumpfen lassen und indem sie der Geschichtsschreibung überhaupt heute mehr als jemals die Verpflichtung auferlegt, ,dem Leben zu dienen und durch Darstellung der großen Vorbilder oder durch sinnreiche und zweckvolle Sichtung und Sammlung der Lehren aus der Vergangenheit unserer in so vielen Krisen gequälten Gegenwart unmittelbar geistige Stärkungsmittel zuzuführen, hat sie auch die wissenschaftliche Pro- duktion auf kulturhistorischem Gebiet in ,diesem Sinne beeinflußt. In- folgedessen wird der kulturgeschichtliche Literaturbericht von heute zum mindesten nicht mehr im gleichen Maße wie früher bestimmt durch die zahllosen „bis in die äußersten Verästelungen und Verknorpe- lungen" geführten Untersuchungen von Einzeltatsachen, die den früheren Berichterstattern so manchen Stoßseufzer abgerungen haben (vgl. Friedrich Kammerer in iden „Jahresberichten für neuere Literatur- geschichte" 1913) ; im Vordergrunde stehen heute vielmehr Arbeiten, die den menschlichen, geistigen oder seelischen Gehalt einer ver- gangenen Epoche ausschöpfen, gestalten und mit dem der unsrigen, sei es durch Analogisierung, sei es durch Kontrastierung fortwährend in lebendiger Beziehung erhalten wollen. Von solchen Arbeiten soll daher zunächst und in erster Linie hier die Rede sein.

Wir verdanken Waetzolidt^) die längst erwünschte Geschichte der deutschen Kunstgeschichtsschreibung, von welcher der erste vom Barock bis zur Romantik (einschließlich) reichende Band, der die Entstehung der Kunsthistoriographie in Deutschland behandelt, vorliegt, während ein zweiter „von Schnaase bis Justi", der die Geschichte ihrer methodischen Durchbildung bringen soll, angekündigt wird.^*) Das dringende Verlangen nach einer zusammenfassenden Darstellung der einzelnen kunstwissenschaftlichen Doktrinen und kunsthistorischen Betrachtungsweisen und Periodisierungsversuche kennzeichnet die Tat- sache, daß ziemlich gleichzeitig von drei verschiedenen Seiten und auf verschiedenen Wegen versucht worden ist, dieses Bedürfnis zu be- friedigen. Aber die „Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunst- geschichte" (1917) des im Kriege gefallenen Basler Professors Ernst

^) Waetzoldt, W.: Deutsche Kunsthistoriker von Sandrart bis Rumohr. Lpz., Seemann. 333 S. * *) Als vorläufigen Ersatz für den noch ausstehenden zweiten Band bietet Waetzoldt sein in Seemanns ^Bibliothek der Kunstgeschichte" erschienenes Bändchen „Von Sandrart bis Justi", das 20 Bildnisse deutscher Kunst- historiker umfaßt.

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Heidrich sind Fragment geblieben, und Julius Schlosser hat sein© Studien allzu bescheiden selbst nur als „Materialien zur Quellen- kunde der Kunstgeschichte*' (1914 21) bezeichnet. Übrigens bleiben diese ebensowenig wie die von Heidrich auf die deutsche Kunst- geschichte beschränkt.

Waetzoldt, der Verfasser der „Kunst des Porträt" (1908) wählte für seine Arbeit die Form, uns die Geschichte der deutschen Kunst- geschichtsschreibung in einer Porträts^alerie vorzuführen. Wie die in seinem Buche behandelte Zeit unsere moderne Arbeitsteilung noch nicht kennt, sondern noch völlig eingestellt ist auf universale Bildung, so finden wir darin noch keine Bildnisse von zünftigen Kunsthistorikern, sondern von Kunstenthusiasten aller Art, Literaten, Sammlern, Künstlern, ausübenden wie des Lebens und dergl. mehr. Aber indem diese Porträts zugleich in hohem Maße die einzelnen ihre Zeit be- herrschenden Gedanken- und Gefühlsrichtungen repräsentieren, bleiben die ideengeschichtlichen Zusammenhänge nicht nur nicht unvollständig, oder werden gar zerstückelt, sondern treten in den Trägern der ein- zelnen Ideen, die andauernd, sei es in ihren lebensmäßigen Beziehungen zueinander verfolgt oder als geschlossene Gestalten einander gegenüber- gestellt werden mit plastischer Deutlichkeit hervor. Mit welcher er- freulichen Energie wird z. B. immer wieder die Wechselwirkung von Theorie und Praxis, in ihrer Bedeutung für den Stand von Kunstschaffen und Kunstlehre, in den einzelnen Zeitabschnitten erörtert und fest- gestellt. Es ist lehrreich, mit Waetzoldt zu beobachten, wann und warum jeweils entweder der Künstler odeir der Kunstgelehrte in der Ent- wicklung der deutschen Kunsthistoriographie der Weiterführende ge- wesen ist. Die einzelnen Strömungen des deutschen Geisteslebens und innerhalb derselben die einzelnen Persönlichkeiten werden nicht nur als individuelle Erscheinungen sorgfältig herausgearbeitet, sondern auch in ihren Wirkungen und Wirkungsmöglichkeiten auf Zeitgenossen und Nachwelt differenziert. Besonders reizvoll ist in dieser Beziehung das Kapitel über die Malerästhetik des 18. Jahrhunderts. Oeser (1717—99), der Anreger Winckelmanns und Goethes, findet in dieser Rolle ein Gegenstück zu Fiorillo (1748 1821), der etwa die gleiche erzieherische Bedeutung für die Generation der Romantiker hat. Die Wirkung von Anton Raphael Mengs auf seine Zeit und sein Zusammenwirken mit Winckelmann werden anschaulich durch eine Parallele aus unserer Zeit: „Die rationalistische Kunsttheorie Mengsens ist in modernem psycho- logischen Gewände wieder auferstanden in Adolf Hildebrandts Problem der Form», wie Winckelmanns Kunstgeschichte in Wölfflins «Beiträgen zu einer Geschichte des Sehens»". Aber als Vorbild ist Mengs für uns tot, während Winckelmanns Gestalt unter den großen und zeit- losen Erziehern des Menschengeschlechts ihren ewigen Platz behält. Die beiden in Anlage, Temperament und Schicksal so ungleichen Schweizer: der „als Mensch und Künstler problematische Maler" Heinrich Füssli d. J. und der „naive Dichter der Idyllen und Radierer zarter Vignetten" Salomon G essner weisen bereits auf die Wege hin, die zur Sturm- und Drangperiode und zum Klassizismus der Goethezeit führen. In dem

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Porträt des Christian Ludwig von Hagedorn (1713—80) des „deutschen Cayhis" des Connaisseurs ohne ästhetisches Dogma tritt die berufs- ständisch-soziale Seite des Themas in die Erscheinung. Kunst- anschauung und -lehre sind bei ihm wesentlich beeinflußt durch die Lebenshaltung der vornehmen diplomatischen Kreise, aus denen er herkam. Ganz beherrscht von dem abgezirkelten, exldusiven Standes- gefühl des Barock wird die kunsthistorische Leistung ,des „Maler- kavaliers" Joachim von Sandrart (1606—88). Sein Antipode ist Georg Forster, ,der „gesellschaftliche Schriftsteller" Friedrich Schlegels, als Repräsentant des freien Bildungsideals des individualistischen Bürger- tums vom Ende des 18. Jahrhunderts. Forsters für die Geschichte der Kunstgeschichtßschreibung bedeutendstes Werk „die Ansichten vojm Niederrhein" (1790) bietet den Anlaß, die Bedeutung der Reise- beschreibung für die Kunsthistoriographie zu erörtern. Ihre Entwick- lung wird freilich nur in knappen Andeutungen bis zu Burck- hardts „Cicerone" verfolgt.

Am Eingange der Waetzoldtschen Darstellung steht als erste kunst- geschichtliche Arbeit eines Deutschen das noch halb der spätmittel- älterlichen Scholastik angehörige Büchlein eines Mönches, entstanden um das Jahr 1505. Am Ende desselben führt in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ein heiteres Weltkind die deutsche Kunstgeschichts- schreibung hinüber aus ihrer „ästhetischen" in die „historische" Epoche. Fast dreiundeinhalb Jahrhunderte deutscher Bildungs- geschichte sind in 26 mit der Treffsicherheit des mit der Epideixis des Skioptikon vertrauten akademischen Lehrers ausgewählten Bildnissen an uns vorübergezogen. Sie verteilen sich auf 7 große einfache und übersichtliche Kapitel: „Anfänge deutscher Kunstliteratur; Begründung der deutschen Kunstwissenschaft, Malerästhetik, Sturm und Dran^, Klassizismus, Romantik, Anfänge der Fachwissenschaft." Wenn wir unsern Vergleich sehr weit treiben wollten, so würden wir sagen: diese Galerie ist ausgezeichnet gehängt. Natürlich besitzen in einer Bildersammlung nicht alle Stücke den gleichen Wert. Nicht jedes Kapitel bietet einen so dankbaren Vorwurf wie das über die Maler- ästhetik und nicht jeder Menschentypus kommt den besonderen Veran- lagungen und Neigungen ,des Porträtisten in der gleichen Weise ent- gegen. Im allgemeinen liegen Waetzoldt anscheinend die abge- schlossenen und fest in sich gegründeten Charaktere besser als die brüchigen und problematischen, die klassischen besser als die Stürmer und Dränger. Die Porträts von Sandrart, Mengs oder dem „Kunst- meyer" sind bis ins einzelnste liebevoll durchgeführte Bildwerke. Aber auch den bedeutendsten unter den Romantikern, den beiden Schlegel, wird er mit der äußerst wirksamen Kontrastierung der geistigen und seelischen Entwicklungsverläufe dieses Brüderpaares durchaus gerecht. Etwas skizzenhaft geblieben ist das Porträt von Karl Friedrich v. Rumohr trotz der ausführlichen Analyse seiner Schriften, in denen in der Tat die „Schicksalsstunde" der deutschen Bildung: die Verschiebung ihres Schwergewichtes von ,der Seite der Kunst auf die Seite der Wissenschaft sich ankündigt. Daß man aber in

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der bildhaft runden Darstellung der Totalität solcher schillernden Naturen, die auf vielen Gebieten des Lebens sich bewegen und zu Hause sind, doch noch weiter kommen kann, zeigt das Porträt, das Kurt Groba von einem Rumohr in mehr als einem Betracht verwandten Menschen: dem Fürsten Hermann von Pückler - Muskau gegeben hat (Schlesische Lebensbilder 1922). Ich breche ab. Um aber ab- schließend die Bedeutung der wissenschaftlichen Leistung des Waetzoldt- schen Buches noch einmal kurz zu kemizeichnen, so sei hier auch noch auf seine anerkennende Würdigung durch Heinrich Wölfflin verwiesen (Deutsche Literaturzeitung 1922 Nr. 6).

Die beiden folgenden noch eingehender zu besprechenden Schriften von Egon C o h n ^) und Weisbach ^) gehören zu den in letzter Zeit sich erfreulicherweise mehrenden Arbeiten, die sich auf neuen Wegen um die Erschließung der tieferen Kulturpsychologie des uns trotz unsrer Vorliebe für seine Bau- kunst — noch immer so rätselvollen und problematischen 17. Jahr- hunderts bemühen. In Cohn hat ein Literarhistoriker, in Weisbach ein Kunsthistoriker es unternommen, zwei eminent wichtige Kapitel aus seiner Kulturgeschichte, der eine den Gesellschaftsroman, der andere die religiöse Kunst des Barock nach ihren schöpferischen Inten- tionen zu untersuchen und zur Anschauung zu bringen. Wahl und Formulierung des Themas bei beiden Arbeiten brachten es mit sich, daß in dem Weisbachschen Buche, das in erster Linie die Werke der Malerei und Plastik als die unmittelbar signifikanten Zeugnisse für das religiöse Empfinden der Barockkunst heranzieht, der Schwerpunkt vornehmlich in den Kunsterscheinungen der auf diesen Gebieten allein originären und absolut führenden romanischen oder romanisch orientierten (Vlamen, Rubens) Kulturen liegt, während bei Cohn der deutsche Gesellschaftsroman durchaus im Zentrum der Unter- suchung steht. Der Gesellschaftsroman ist im Deutschland des 17. Jahr- hunderts zwar auch nur . ein sekundäres Gewächs und die deutsche Romanproduktion von damals zum größten Teile Übersetzertätigkeit. Aber Übersetzungen hatten damals eine andere Bedeutung als heute: Sie dienten wesentlich der Ausbildung einer deutschen Dichtersprache und wurden infolgedessen Voraussetzung und Ausgangspunkt für den Anschluß der deutschen an die Weltliteratur. Das war in der gleichzeitigen deutschen Malerei und Plastik in nennenswertem Maße wenigstens nicht der Fall.

Die Arbeiten von Cohn und Weisbach suchen beide die von ihnen behandelten Teilgebiete der Kulturgeschichte des 17. Jahrhunderts aus einer über die gesamten Zeitverhältnisse ausgebreiteten Kenntnis zu verstehen. Sie gehören aber auch insofern zusammen, weil sie mehr- fach soziologische Betrachtungsweisen anwenden, wenn auch die

^) Cohn, E.: Gesellschaftsideale u. Gesellschaftsroman d. 17. Jahrh. Studien zur dten. Bildungsgesch. Berlin, Ehering. [Germanist. Studien H. 13.] 237 S. ^) Weisbach, W. : Der Barock als Kunst der Gegenreformation, Berlin, P. Cassirer. 232 S. u. 99 Abbild.

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kunst- bezw. literarhistorische Methode vorherrscht. Cohn kommt z. B. durch seine soziologischen Fragestellungen in vieler Beziehung über die zahlreichen gelehrt deskriptiven Einzeluntersuchungen wesentlich hinaus, die Geoirg Steinhausen der deutschen Gesellschaft jener Zeit gewidmet hat, wenn auch diese Arbeiten in seiner sonst so gründlichen Bibliographie bei aller seiner erfreulichen Selbständigkeit doch über Ge- bühr ignoriert zu sein scheinen. Endlich gehören die Arbeiten von Weisbach und Cohn auch deshalb zusammen, weil beide eifrig beüht sind die Analogien festzuhalten und zu verfolgen, die sich fort- während bei der Erörterung der kulturpsychologischen Probleme des 17. Jahrhunderts aus unsrer Zeit imd für unsre Zeit ergeben. Indessen gerade an dieser Stelle wird auch der Unterschied zwischen den beiden Arbeiten und Arbeitsweisen besonders deutlich. Bei Cohn dient dieser Parallelismus in der Hauptsache dazu, um die von ihm dargelegte geistig-seelische Verfassung des 17. Jahrhunderts nachträglich zu glossieren. Weisbach hat von vornherein gewisse der Religiosität der Barockkunst entgegenkommende Stimmungen und Gedankenrichtungen unserer Zeit als Elemente in seine Betrachtimgsweise aufgenommen. Cohns Leistimg besteht in Untersuchung, Weisbachs in Darstellung. Cohn hat, wie er selbst sagt, seine Arbeit niedergeschrieben, um sich Klarheit über die Probleme seines Themas zu verschaffen. Er hat diese überall und meist in gedankenreicher und scharfsinniger Weise aufgezeigt und so tatsächlich, wie er hofft, zum Weiterbau der Forschung erheblich beigetragen. Aber das Bild des deutschen Menschen des 17. Jahrhunderts hat er uns nicht gegeben und auch nicht geben wollen. Es gehört vielmehr durchaus zum Stil seiner Arbeit, daß ihr analytischer Charakter bis zu dem Grade gewahrt und betont wird, daß das methodologische Gerüst bis in die Hilfskon- struktionen in volleir Absichtlichkeit imverhüllt stehen gelassen ist. Weisbach analysiert zwar auch die Kunst des Barock auf ihre psycho- logischen Grundlagen und zeigt am einzelnen Kunstwerke, in welcher Weise und in welcher Mischung die seelischen Elemente : das Heroische, die Mystik, Erotik, Asketik und Grausamkeit ^a) darin Gestalt gewonnen haben, besonders glücklich ist der Umfang und die Differenzierung der spanischen Mönchsmystik an den Bildern so verschiedenartiger Tem- peramente wie Greco, Zurbaran und Murillo zur Anschauung gebracht aber er bleibt dabei nicht stehen, sondern stellt den analytischen Kapiteln über die psychologischen Grundlagen des Barock und die Elemente der gegenreformatorischen Kunst das synthetische: „die gegenreformatorische Kunst und das Heilige" an die Seite. Ein ent- sprechendes Schlußkapitel für den Gesellschaftsroman findet man bei Cohn nicht, wenn es auch an Ansätzen dazu gewiß nicht fehlt.

Unabhängig voneinander entstanden kommen sich die beiden Ar- beiten in der Auffassung der Menschen des Barockzeitalters doch außer-

'^) Zu Weisbachs Ausführungen über das Grausame in der religiösen Kunst des Barock sei angemerkt, daß es sich auf dem bekannten Martyriumbilde Riberas im Prado um das Martyrium des heiligen Bartholomäus und nicht wie Weisbach durchgehend angibt, um das des heiligen Andreas handelt.

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ordentlich nahe und ergänzen sich in vieler Beziehung aufs glücklichste. Zwei Grundrichtungen treten deutlich hervor. Die eine mehr weltlich knüpft an den Hof an, die andere an die Kirche. „Höfische und w^eltliche Kultur suchen teils Ergänzuncr, teils Vorherrschaft" (Cohn). Es ist „ein Jahrhundert ohne Humor", das seine Helden gern zu Märtyrern und seine Heiligen gern zu Heroen macht. Die Einheit von Religion und Bildung ist verloren. Wissen und Glauben ringen um den Sieg. Es ist ein Jahr- hundert des Überganges voller Gegensätze, voll von Weltdrang und Weltflucht, von Wissensfreude und Wissensüberdruß, von Inbrunst und Skepsis. Der Intellekt dominiert, aber strebt vergebens nach der einigenden Formel für alle diese Gegensätze und divergierenden Tendenzen. Noch halten die alten Autoritäten, vor allem die Kirche. „Zu tief wurzelte noch altererbter Glaube, um die letzte Konsequenz des Denkens zu ziehen" (Cohn). In dem von der strengsten Konvention der „Conduite" und Komplimentierbücher beherrschten weltlichen Ideal (des „Hofmannes", wie es uns in den Helden des Gesellschaftsromans ent- gegentritt, kündigt sich nur keimhaft, stärker erst um die Jahrhundert- wende mit Thomasius (nach Herders Wort dem „hellen Kopfe" unteir den Lehrern der Weltklugheit) die freie Bildung des Individualismus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an. Die Kirche aber als der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht vermag noch einmal in der um idie Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzenden geistigen Bewegung, die wir als Gegenreformation bezeichnen, aus sich heraus neue große religiöse Vorbilder der Lehre und des Lebens hervorzubringen, des Streiters wie Igjiatius, der Hingabe wie die heilige Theresia. Indem fortan solche Vorbilder die von der Kirche im weitesten Maße für das Erhalten ihrer Kinder beim Glauben herangezogene und ausgenutzte Kunst immer mehr bestimmen, erwächst aus ihr dem Jahrhundert im Barockstil auch wieder eine neue, wesentliche Kräfte des Zeitalters zur Einheit zusammenfassende schöpferische Form. Weisbach hat bis ins einzelste nachgewiesen, „wie die Barockkunst sich in den Ausdrucks- gehalt der gegenreformatorischen Bewegung und ihrer Auffassung des Heiligen eingefühlt und darauf ihre Formen und Gestalten abgestimmt hat". Freilich, es ist die Kunst des Barock, in der die pathetische, rhetorische, theatralische und larmoyante Übersteigerung der beiden Grundtypen idealen Menschentums, des Heros und des Heiligen doch auch von der ungeheuren Kraftanstrengung einer heiß umstrittenen Kampfstellung Zeugnis ablegt.

Wenn über die folgenden Bücher und Aufsätze mit Rücksicht auf den zur Verfügimg stehenden Raum wesentlich summarischer berichtet wird, so soll dadurch keineswegs zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich in ihnen um qualitativ geringere wissenschaftliche Leistungen handelt. Die meisten von ihnen sind vielmehr durchaus geeignet, für unsere Erkenntnis des deutschen Kulturlebens in der Vergangenheit an ihrem Teil mehr oder minder beizutragen. Aber sie nehmen, sei es in der Wahl ihres historischen Themas, sei es in der Behandlung desselben, nicht in so unmittelbarer Weise Bezug auf Fragen und Probleme, die unsere Gegenwart tiefinnerst erregen, wie die bisher be-

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sprochenen iVrbeiten, denen der Berichterstatter aus diesem Grunde eine gewisse Vorzugsstellung einräumen zu sollen glaubte.

Innerhalb der Literatur über neuere Kunstgeschichte, in deren Bereich uns schon die Bücher von Waetzoldt und Weisbach wiesen, steht dann weiterhin schon vermöge des Umfanges des Themas und der Dar- stellimg an erster Stelle das prachtvoll ausgestattete Weirk über die Ent- wicklungsgeschichte der Kunst in Dresden aus der Feder des hochver- dienten greisen Forschers und langjährigen Mitgliedes der General- direktion der sächsischen Kunstsammlungen, Woldemar v. Seidlit z.*) Es ist auf zwei Bände berechnet. Der erste von den Anfängen des Herzogs Albrecht (1464—1500) bis in die Frühzeit der Regierung des Kurfürsten Johann Georg I. (1511 56) reichend, liegt vor. Der zweite soll die späteren Regierungszeiten der sächsischen Herrscher bis 1764 behandeln. Diese Einteilung des Buches in Perioden, die den Regierungs- zeiten der einzelnen Herrscher folgen, erscheint insofern berechtigt, als es sich in der Hauptsache um die Bau- und Sammeltätigkeit der Landesfürsten handelt. Der Titel führt insofern irre, als in diesem Werke eine voUständige Geschichte des Albertinischen Sachsens ge- geben wird, in der die Kunstentwicklung ihre gebührende, aber keines- wegs die anderen Gebiete wie politische oder Glaubensgeschichte usw. überragende Stelle erhalten hat. Sehr anschaulich wird aber durch die Behandlung der Kunstgeschichte im Rahmen der allgemeinen histori- schen Entwicklung Sachsens ihre wirtschaftsgeschichtliche Bedingtheit. In diesen Partien der Darstellung meldet sich offensichtlich der ehe- malige Nationalökonom zum Wort. Woldmar v. Seidlitz gehört der älteren historisch- philologisch eingestellten Generation der deutschen Kunstgeschichtsschreibung an. Man wird also von seinem Buche eine formenästhetische Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der Kunst in Dresden nicht erwarten dürfen. Gibt v. Seidlitz dem Leser an der Hand seiner zahlreichen Abbildungen meist von kunstgewerblichen Gegenständen dem Leser einen Einblick in die Schätze der .dutch die Jahrhunderte intakt gebliebenen Kunstsammlungen der sächsischen Fürsten, so erhält dieser aus dem gleichfalls mit vielen Abbildungen versehenen Buche M ü 1 1 e r s ^^) eine Vorstellung von dem viel zu wenig bekannten Reichtum an architektonischen Schätzen, über den die west- fälische Haupt- uBjd Bischofsstadt in ihren Domherrnhäusern und Adels- höfen aus der Barock- und Rokokozeit verfügt. Auf Grund neuer eigener Funde, der Mitteilungen von Kunstfreunden und Bibliotheken, vor allem aber der ihm früher unbekannt gebliebenen Forschungen Boltes (Zeitschr. d. Ver. f. Volkskunde Bd. XVII u. XIX f.) konnte Theodor H a m p e ^) seine in den „Mitteilmigen aus dem Germanischen

*) Seidlitz, W. v.: Die Kunst in Dresden vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Bd. I 1464—1625. Dresden 1920 ff., Kommission s- Verlag der W. u. B. von Baensch- Stiftung. (1. Buch [1464-1521] m. 20 Tafeln u. 10 Textabb.; 2. Buch [1541—86] m. 37 Taf. u. 24 Textabb.; 3. Buch [1586-1625] m. 25 Taf. u. 10 Textabb.) ^) Müller, E.: Die Adelshöfe der Stadt Münster i. W. nebst einem Anhange: Die Münsterischen Adelsgesellschaften. Münster, Ascliendorff. 256 S. *) Hampe, Th.: Beitr. zur Gesch. des Buch- u. Kunsthandels III (Mitteil, aus d. German. Nationalmuseum Nürnberg 1920/21. S. 134-70.)

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Nationalmuseum" (1914/15) gedruckte Abhandlung über den Nürn- berger Kunstverleger Paulus Fürst (t 1666) wesentlich vervollständigen. Die Ergänzungen betreffen sowohl die biographischen Daten, wie 4^n von Hanipe zusammengestellten Katalog der Flugblätter und Bilder- dTucke des Fürstschen Verlages. Zwei von den neuaufgefundenen Kupferstichen, die namentlich in der Schrifttechnik sehr sauber sind, v\ erden reproduziert. Im gleichen Hefte gibt Gustav von B e z o 1 d ^) knappe Charakteristiken der deutschen Porträtmaler des 16. Jahr- hunderts, ohne eigentlich neues darin zu bieten. Der Aufsatz von B r a n d t '^) über das Seifersdorfer Tal bei Dresden sucht einmal die empfLndsame Gartenschöpfung des gräflich Moritz Brühischen Ehepaares aus den 80 er Jahi*en des 18. Jahrhunderts einzureihen in den histori- schen Zusammenhang der vom englischen oder landschaftlichen Gartenstil beeinflußten sächsischen Gärten, sodann ihre zahlreichen Sinnbilder und Inschriften aus den verschiedenen nebeneinander her- gehenden Gefühlsrichtungen ihrer Zeit abzuleiten und zu deuten. Da dieser Garten in seinen Anlagen gewissermaßen wie in einem Kom- pendium den ganzen Komplex an Stimmungen, der zwischen der Ge- fühlswelt Wielands auf der einen, Klopstocks auf der anderen Seite liegt, zur Anschauung bringen wollte, so liefert er für eine gefühlsgeschicht- liche Betrachtung reiche Ausbeute.

In Zeiten, die, wie die unsere, von Krisenstimmungen beherrscht werden, hat das Erscheinen von Wundermännern immer eine beträcht- liche Rolle gespielt. Als eine solche lokale Folgeerscheinung der Welt- krisis um 1800 behandelt der hessische Haus- und Staatsarchivar Fritz H e r ir m a n n *^) das Leben und Wirken des Bernhard Müller aus Kost- heim, alias Proli, der in den Jahren 1822 31 in Offenbach als Prophet auftrat und viele Anhänger auch unter den gebildeten Kreisen fand. Herrmami weist in der Lehre des Proli als Elemente sowohl chiliastische als auch der roseiikreuzerischen Freimaurerei des späten 18. Jahr- hunderts entstammende alchimistische und spiritistische Vorstellungen nach. Er hält Proli für einen Schwärmer, aber nicht für einen Schwindler. Interessant sind die Lichter, die der Verlauf des Proli wegen angeblich staatsgefähdicher Umtriebe 1830 gemachten Prozesses auf die Verbreitung freimaurerischer Tendenzen im hessischen Herrscher- hause wirft. Um die hessischen Prinzen in ihren freimaurerischen Be- ziehungen zu dem Propheten nicht zu kompromittieren, befahl der Großherzog Ludwig IL, das Verfahren gegen Proli einzustellen. Durch einen von ihm unterschriebenen Revers verpflichtet, außer Landes zu gehen, wanderte Proli mit seinen Anhängern nach Amerika aus, wo er, anscheinend noch vor 1840, als Haupt einer von ihm nach kommunisti- schen Prinzipien begründeten Kolonie gestorben ist.

Die Krise, die der Nationalismus heute durchmacht, hat das Auf- kommen einer gegen den jüdischen Internationalismus gerichteten

^) Bezold, G. V.: Beitr. zur Gesch. des Bildnisses. (Ebd. S. 42—48.) *) Brandt, O.H.: Das Seifersdorfer Tal, ein Denkmal der Empfindsamkeit. (Neues Archiv für sächs. Gesch. u. Alt.kde. XLII, 84—104.) »} Herrmann, F.: Maxi- milian Ludwig Proli, der Prophet von Offenbach. (Archiv für hessische Gesch. u. Alt.kde. N. F. XIII, 202—65.)

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Literatur begünstigt. Für ihre Auseinandersetzung mit dem Judentume bildet in der Regel den Ausgangspunkt die Ungleichheit der Rassen, in der nach dem Worte Gobineaus, des Begründers der anthropologischen Methode, der „Schlüssel zur Weltgeschichte" liegt. Als „erstes Werk" anthropologischer Geschichtsauffassung über das Judentum bezeichnet der Literat Otto H a u s e r ^«^ seine jüdische Geschichte. Sie will zwar nicht ausgesprochen antisemitisch sein, zeigt sich aber doch von einem starken Ressentiment gegen das Jüdische erfüllt. Referent muß be- kennen, daß er die wissenschaftlichen Fundamente der anthropologi- schen Methode für viel zu unsicher ansieht, um auch nur andeutungs- weise auf die darauf gegründeten apodiktischen Urteile Hausers ein- gehen zu können. Die Schrift von K e r n h o 1 1 ") war ihm nicht zugänglich. Eduard Fuchs^^) ^^t seinen früheren populären Veröffentlichimgen eine neue hinzugefügt, diesmal handelt es sich um das Juidentum in der Karikatur. Die von dem ehemaligen Direktor des Danziger Archivs, Adolf Warschauer, angeregte Arbeit Jacob Jacob- sons^^) ist eine sachliche imd gründliche Studie über das Judentum in Süidpreußen und Neuschlesien zur Zeit der preußischen Besitzergreifung. An der Hand von Aktenmaterialien aus den Staatsarchiven von Berlin, Breslau und Posen mid der bis 1914 verfolgten gedruckten Literatur gibt sie ein eindrucksvolles Bild von der bedeutenden Stellung der Juden im polnischen Wirtschaftsleben und ihrer mit dieser Bedeutimg in eigen- tümlichen Kontrast stehenden traurigen ökonomischen Lage.

Unsere historische Kenntnis ,des deutschen Zeitungswesens läßt trotz Ludwig Salomons zusammenfassender Darteilung seiner Geschichte noch viel zu wünschen übrig. Namentlich über die älteste Form des- selben, die geschriebenen Zeitungen, herrschen noch manche Unklar- heiten und ebensowenig ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte so manches unter den späteren Zeitungs- und Zeitschriftentypen hin- länglich geklärt. Das von dem Senior der .deutschen Nationalökonomen Karl Bücher ins Leben gerufene „Institut für Zeitungskunde" an der Universität Leipzig will seine Schüler zu exakten Einzelforschungen an- halten, an denen es auf diesem Gebiete noch vielfach fehlt. xAus diesem sind zwei Arbeiten von Johannes Kleinpaul hervorgegangen, die die Be- stände der Wiener Staats- und Leipziger Universtitätsbibliothek an handschriftlichen Zeitungen einer genauen Durchforschung unterziehen. Die erste Arbeit Kleinpauls^^) betrifft die sogenannten Fugger-

^^) Hauser, 0.: Gesch. des Judentums. Weimar, A. Duncker. VIII, 535 S.

") Kernholt, 0.: Vom Ghetto zur Macht. Die Gesch. des Aufstiegs der Juden auf dtem. Boden. Lpz., Weicher. XI, 319 S. ^^) Fuchs, E.: Die Juden in der Karikatur, ein Beitr zur Kulturgesch. München, A. Langen. VII, 311 S. u. 307 Abb.

'3) Jacobson, J.: Die Stellung der Juden in den 1793 u. 1795 von Preußen erworbenen poln. Provinzen zur Zeit der Besitznahme. (Monatsschrift f. Gesch. u. Wissensch. des Judentums. N F. XXVIII [1920], S. 209—26; 282—304; XXIX [1921], S 42-70, 151 163; 221-245.) - '*) Kleinpaul, J.: Die Fuggerzeitungen (1568 1605). Preisschrift, gekrönt von der Fürstlich Jablonowskischen Gesell- schaft. Lpz.. E Reinicke. 128 S. Aus dem Inhalt der Fuggerzeitungen gab Victor Klarwill einen vom Wiener Rikolaverlag (1923) pompös ausgestatteten Aus- wahlband heraus, der sich allerdings mehr an kuriositätenfrohe als wissenschaft- lich gestimmte Leser wendet.

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Zeitungen in Wien. Ausgehend von der Bedeutung, die das Wort „Zeitung" noch im 16. Jahrhundert hatte „Zeitung" bedeutete damals Mitteilung eines einzehien Vorganges, nicht Nachrichtenzusammen- stellung — kommt Kleinpaul im Gegensatz zu Salomons „romanhafter" Darstellung zu dem Ergebnis, daß die „Fuggerzeitungen" noch keine Zeitungen in unserui Simie darstellen, d. h. keine gewollte Zusamuien- stellung von Nachrichten, sondern eine anfangs zufällige, später mehr systematische Sannnlung von Einzelberichten, die den Fuggern für ihren Hausgebrauch teils direkt aus den verschiedensten Gegenden zugingen, teils von ihnen von berufsmäßigen Zeitungsschreibern bezogen wurden. Davon, daß die Fugger, wie Salomon behauptet hatte, Zeitmigsverleger waren, kann gar keine Rede sein. Zu einem ähnlichen Resultat kommt K 1 e i n p a u 1 s ^^) Untersuchung der Leipziger Sammlung, die ge- schriebeue Zeitungen aus den Jahren 1587 91 enthält. Auch hier handelt es sich nicht, wie Opel (Archiv f. Gesch. d. deutschen Buch- handels Bd. III, 1879) gemeint hatte, um ein in Nürnberg zusammen- gestelltes und von Nürnbei'^ aus verbreitetes „Wochenblatt", sondern um eine analoge imd mit den Fuggerzeitungen in Zusammengehörigkeit stehende Sammlung, die teilweise aus den gleichen Quellen wie die Fuggersche gespeist wurde. Entstanden ist sie vermutlich in der Leip- ziger Schöppenstube, wo man sich anscheinend auch mit Zeitungs- schreiberei beschäftigte. Den journalistischen Typ des Intelligenz- blattes hat Willy K 1 a w i 1 1 e r ^^) imierhalb Schlesiens verfolgt, wo er unter verschiedenen Titeln und Überschriften fast 100 Jahre hindurch bis 1833 bestanden hat. Ursprünglich ein speziell für Inserate ge- schaffenes Blatt privater Unternehmer, das imabhängig von den Zeitungen, die damals noch keine Inserate amiahmen, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand, wurde das Intelligenzblatt in Preußen, wo das Insertionswesen als staatliche Einrichtung monopoli- siert war, zugleich ein Organ für Mitteilungen der Regierung. Es erfüllte bis zu einem gewissen Grade die Funktionen, die später besonderen Amts- und Regierungsblättern übertragen wurden. Bei der geringen Bedeutung des Insertionswesens für das Wirtschaftsleben im 18. Jahr- hundert erlebten die Schlesischen Intelligenzblätter nur eine be- scheidene Blüte, imd da es einerseits nicht gelang, die Zwangsinsertion für gewisse geschäftliche Anzeigen, wie Grundstücksverkäufe usw. mid das bestimmten Kreisen der Bevölkerung, wie Gastwirten und Juden auf- erlegte Zwangsabonnement auf die Dauer wirksam durchzuführen, andererseits die Versuche, diese Blätter durch belehrende und unter- haltende Beiträge anziehungskräftig zu gestalten, ünmer wieder scheiterten, so sind die Intelligenzblätter schließlich im Konkurrenz- kampfe mit den privaten Tageszeitungen und den offiziellen Amts- blättern der Regierung unterlegen. Sie konnten ihr kümmerliches Leben nur so lange fristen, w^eil dieses von der Regierung künstlich

^^) Klein p au 1, J. : Geschriebene Zeitungen in der Leipziger Universitäts- bibliothek. (Zeitschr. f. d. ges Staatswissensch. LXXVI, 190—96.) ") Kla- witter, W.: Gesch. der schlesischen Intelligenzblätter. (Zeitschr. d. Ver. f. Gesch. Schlesiens. LV, 45-64.)

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verlängert wurde. Die Neigung, moderne Einrichtungen und Denk- weisen in die Vergangenheit zu projizieren, eine Hauptfehlerquelle auf dem Gebiet zeitungsgeschichtlicher Forschung, hat auch Franz E t z i n ^^) in seinem der öffentlichen Meinung unter Frieidrich dem Großen gewidmeten Aufsatze dazu verleitet, die Wirksamkeit der damals der preußischen Presse gewährten Erleichterungen an sich und in ihrer Bedeutung für die Entwicklung des politischen Selbstbewußt- seins der preußischen Untertanen stark zu überschätzen. Natürlich ist die Handhabung der Zensur unter dem aufgeklärten Despotismus eine etwas andere, lockerere gewesen als unter dem patriarchalischen; aber hier wie überall handelt es sich bei beiden um Grad- nicht um Wesens- unterschiede. Von einer „Freudigkeit" der Untertanen, „am politischen Leben teilzunehmen", in der Etzin eine Folgeerscheinung der von Friedrich gewährten „Freiheit der öffentlichen Meinung" sehen will, sollte man im Hinblick auf 1806, wo Ruhe bekanntlich die erste Bürger- pflicht war, doch wirklich nicht reden.

Auf den Aufsatz von Wilhelm S t i e d a ^^) über die russischen Studierenden an der Universität Leipzig wird deshalb hingewiesen, weil er zu den wenigen Arbeiten gehört, die auf den Einfluß der deutschen auf die russische Bildung Bezug haben. Die französische Historiographie hat Dutzende von Schriften hervorgebracht, in denen bis ins einzelste die tatsächliche oder angemaßte Leistung ihrer Nation als Kulturträgerin im europäischen Osten erörtert wird, die deutsche scheint sich der großen Aufgabe, die ihrer mit der Darstellung der Einwirkung der deutschen Universitäten (insonderheit Berlins im Zeit- alter Hegels) auf das russische Geistesleben harrt, noch kaum bewußt geworden zu sein.^^*) Stiedas Aufsatz gibt nun allerdings nur einen be- scheidenen Beitrag zu diesem großen Kapitel. Er beschränkt sich in der Hauptsache auf Auszüge aus der Leipziger Universitätsmatrikel und Mitteilungen aus den Akten der Leipziger Universität über Unstimmig- keiten, die zwischen den 1766 von Katharina IL nach Leipzig auf die Universität geschickten Russen und ihrem Mentor einerseits und Leip- ziger Professoren andererseits herrschten. Er hätte mit Benützung der ihm zugänglichen russischen Quellen weiter kommen können, denn die „Sammlung (Sbornik) der russischen historischen Gesellschaft" enthält in ihrem X. Bande noch eine ganze Reihe von interessanten, auf den Aufenthalt dieser russischen Studenten in Leipzig bezüglichen Materialien. Es sind doch nicht alle der aus der Leipziger Matrikel ermittelten, aber nicht weiter verfolgten Russen, wie Stieda meint, „nachher lautlosen Schrittes ihren W^eg gewandelt". Namentlich einer von ihnen, A. N. Radischtschew, der Verfasser der „Reise von Peters-

1^) Etzin. F.: Die Freiheit d. öffentl. Meinung unt. d. Regierung Friedrichs des Großen. (Forsch, z. brandenb. u. preuß. Gesch. XXXIII, «9-192; XXXIV, 1—34.) ^^) Stieda, W: Russische Studenten in Leipzig. (Neues Archiv für Sachs. Gesch. u. Alt.kde. XLII, 105-123.) ^^^) Eine rühmliche Ausnahme bildet die von Theodor Schiemann angeregte Dissertation M. Wischnitzers (1906), die den Einfluß der Universität Göttingen auf die Entwicklung der liberalen Ideen in Rußland behandelt.

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bürg nach Moskau" (1790) sie liegt seit dem Vorjahre in Karl Stählins Qiiellensamnilung zum ersten Male ins Deutsche übersetzt vor jenes „ersten, im vollen Sinne des Wortes revolutionären Buches der russischen Literatur" sollte bald von sich reden machen imd fAie lange Reihe der Märtyrer eröffnen,, die mit der Freiheit deutschen Wissenschaftsgeistes erfüllt, sich in ihrer versklavten Heimat nicht mehr zurecht finden konnten.

Zum Schlüsse sei es dem Referenten verstattet, noch auf zwei eigene kleine Beiträge zur schlesischen Kulturgeschichte hinzuweisen. * 9)

*•) Andreae, Fr.: Breslau um 1800. Breslau, J. U. Kern, 59 S„ und: Die zivilisatorische -Entwickig. Oberschlesiens. Aus Reisebeschreibungen u. Memoiren. (Aus Oberschlesiens Vergangenheit. Beiträge zur schlesischen Geschichte, hrsg. vom Verein f. Gesch. Schlesiens. Gleiwitz 1921, S. 70-77.)

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I. Personenregister.

Ahlenstiel -Engel, E.

65*. Almquist, H. 791». Amira, K. v. 63^0. d'Amman, A. 29«*. Andreae, F. U0^\ Andresen, L. 78*. Arbusow, L. 758o. Aubin, G. 119^ Audetat, E. Tl^a. Auffenberg-Komaröw

10669.

Baascb, E. 12323, «e. Bächthold, 96». Baesecke, Gr. 64^. Baier, H. 127io. Bailleu, P. 8932. Bartels, A. 28*^ Batifoll, L. 77*«. Bauer. 104 «o. Bauer, K. U^ß. Bauer, W. 12i8. Baum garten -Crusius,

A. 105". Beckerath, H. v. 39". Beitzen, H. 68». Beilee, H. 29ß8. Below, G. V. 152^ 1122»,

119«. Bemmann, R. 1^, ''. Berchem, van, 59**. Berdrow, W. 2680. Bergdoldt, J. 7684a. Berger, A.E. 72*, 6, 108». Berger, M. 84». Uli». Bergstraesser,L. 83*,*.

1U026. 11120. Bernstein, E. lOl^». V. Bethraann-Hollweg,

102*». Beuermann, 54*. Beyerhaus, G. 127»». Bezold, F. V. 34^.

Bezold, G. V. 136^ Bezzenberger, A. 76«3. Bibl, V. 7688, *^ Bieder, Th. lö«». Bippen, W.v. 86". 123«*. Bismarck, 0., Fürst v.

93*2. Bitterauf, Th. 82*^ Bludau, A. 128^2^ Bode, W. 59*2. Boehmer, H. 74**. Bolleter, E. 41»*. Bömer, A. 752^. Bombiero-Kremenac,

70»«. Borinski, K. 33»2. Bornhak, K. 95». Brackmann, A. 47*^ Brandi, K. 20i2. 108". Brandt, 0. H. 136». Braun, P. E. 124»*. Braun, 0. 6^ Bredt, J. V. 37«. Brentano, L. 99^*. Bresslau, H. 168». Bretholz, B. 58*°. Brinckmeyer, H. 12222. Brinkmann, E. 82*». V. Bruiningk 58**. 76*». Brunn, W. v. 63^ Bruns, F. 60^"^. Buat 104 «^2, Buchner, M. 47«. Buchwald. G. 642». Bünger, T. 48i«. Bühler, J. 55»«. 62«. Bullrich 106". Bulmerincq, v. 60®*. Burkhardt,R.409.123 28 Bursche .^4^ Busch, F. 18».

Caillaux 103*^ Cardauns, H. 127^

Cardauns 100»^ Cristern, H. 87»». Giemen, 0. 75»^ Clemm, L. 24»». Clerval, A. 76»*b. Cohn, E. 1322. Conrad v. Hötzendorff

98 »8. Crozier 98 »8. Cunow, H. 9»*. Curschmann, Fr. 24»».

25»''.

Daniels, E. 17". Dechent, H. 38«. Dedieu, J. 78»». Degering, H. 482». Dehio, G. 38». 65». Dehio, L., 117 ^ Delbrück, H. 10»». 99»8.

105«». Delehaye, H. 43*. Demblin, A. 103*8. Dersch, W. 1»». 58*«. Deutsch 101 «^ Diehl, W. 40^ Dietz, A. 68^ Dilthey, W. 7»». Doelle, F. 73». Dopsch, A. 44^. 71»«. Dresbach, E. 34»». Driesch, H. 8»». Droescher, E. 21»^ Duch, A. 84^ 8. 108*.

110»^ »8. V. Düring, K. 24»*. Duhr, B. 127 ^ Dutschmann, G. 41».

Bckardt, H. v. 113»«. V. Eckardtstein 978. Eekhof, A. 126«. Elster, L. 119».

142

Erben. W. 48-». 56»»a

58 *^ Ermisch, H. 57". 58*». Ettlinger, M. 7». Etzin, F. 79". 139".

Kalkenliayn,E.v. 105 '5^ Feder, A. 12»». Febr, H. SG». Fehr, 0. 105»^ Feine, H.E. 109 '2.1178,*. Ficker, J. 68«. Fink, 60^8. Firle, R. 106«*. Fischer, E. 99»'^. Fliehe, A. 48»«. Foerster, H. 711». Foerster, W, 105«*. Foiirnier, A. 82*«. Freier, W. 30«». Friis, A. 92*». Frölich.K..^5»^61«».673. Fuchs, E. 36\ 137»8. Fueter, E. 83«. Funk, F. X. V. 37«.

Oaffrey, B. 48»^ 70»».

Geisler, W. 64»*.

V. Geldern- Crispen-

dorf, W. 26^8. Geyso, F. v. 77*». Girke. G. 63 ^ Gleich, G. v. 106'». Goessler, P. 38^ Gothein, E. 48. Granier, H. 89'». Graff, P. 1262. Grauers, S. 79»'. Grisar, H. 74»8-2o. Gröber, K. 38*. Gross, L. 20»». Grube, A. W. 35*. Grünberg, C. 124 3». Grupp, G. 62». Güdemann, M. 62«. Günter, H. 768». Günther, 0. 60«^ Gurlitt, C. 382.

Haacke, H. 120». Haake, P. 84»». Haberkern 56^^. Häpke, R. 1*, ^ 120'.

126*0. Haering, H 85»^ Haering, Th. L. 6*. Haller, J. G4'3. Halphen, L. 45'». Hamann 97». Hampe, K. 71««.

Hampe. Th. 135«. Harnack, A. v. 34', 2. Härtung, F. ld^\ 84»». Haseloff, A. 652. Hashagen,.]. 54^^ 75««.

76*». Hauptmann, F. 29^». Hauser, 0. 137io. Haußmanu, C. 100»°. Hecht, J. 778«. Hegi, F. 31'*. Heil, B. 7121. Helfferich,K.92**.122«». Heller, H. 1142». Helmolt,H.F. 1732. 28*'. Herkner, H. 12585. Herre, H. 54\ 68». Herrmann, F. 136». Hertling, G. v. 128»». Hertzberg 60^». Herzfeld, Marg. 121»^ Hessel, A. 21 ^^ Heuberger, R. 17». 19^

19"». Heusler, A. 63»». Heussi, K. 1320. 1526. Heyn, F. 48»'. Himmelreich, 45'2, Hindenberg, J. 65^, Hölker, K. 66». Hönigswald, R. 4^ Höppner, 106«'. Hofmann, A. v. 42». Hofmeister, A. 24 »8. 25»^ Hohl, Th 120». Holl, K. 72». V. Hornstein-Grünin-

gen,E. 252*. Hoyer, E. 69*. Huffschmid, M. 27*«. Hupp, 0. 29". 30«^ Huyskens, A. 47».

Jacobson, J. 137^'. Ilgen, Th. 29^^ 39». Jmbart de la Tour, P.

34«. Jrenaeus 1002«. Jaeger, J. 68«. Jecht, R. 578*, 68«. Jesse, W. 40'. Jessen, H. 468. Joachim, E. 262». Joachimsen, P.36». 5622.

108«, '. Jöhlinger, 0. 91*«. Joel, K. 8»«. JohannGeorg, Herzog

zu Sachsen 92*^ Jürgens, A. 84».

.lung, G. 63«. Jung, R. 127«.

Kaeber 1023». 123«».

Kahler, S. 115 "^ 118».

V. Kahler, E. 278*.

Kahlke, M. 30«8.

Kaiser, H. 572«.

Kalkoff, P. 74»', 2«. 752*.

Kallen, G. 45»«.

Karger 1«.

Karll, A. 818*.

Karo 9923.

Käser, K. 52».

Kauffmann, 0. 27*».

Kaulfuß-Diesch, K. 3318

Kehr, P. 482o.

Kekule v. Stradonitz,

St. 29 «8. Keller, Albr. 36'. Kennepohl, K. 785. Kerchnawe, H. 106'«. Kernholt, 0. 137»». Keussen 56^^. Keyser, E. 35»*. 123»'. Kissling, J. ß. 12820. Kissling, W. 70»*. Kjellen 96», *. , Klawitter, W. 138»«. Klebel, E. 46». Kleinpaul, J.137i*.138»^ Klinkenborg, M. 262^., V. Klocke,F.232,*. 23',8.

2521.268^2782,83^ 296«, Knetsch, C. 2520. Kochs, E. 768*. Köhler, W. 75^6. Koerner, B. 24»». 28»8. Kötzschke,R. 71»», 119«. Koos, K. 462. Korselt, Th. 238. Koser, R. 345.882», 26. Kossina, G. 41 ». Krabbo, H. 30'a. Krag, W. 26«'. Kretzschraar, H. 578*. Krieger, A. 34»». Krocker, E. 73«. Kröning, E. 48»^ Krüger, G. 38'. Kühnert, H. 40*, ^ Küntzel, G. 7923. Kühl, H. V. 10452, 54. Kullak, 46»'. Kurth, G. 44«. Kuske, B. 122»».

Ivaslowski 55'«. Lau, F. 12325.

143

Laubert, M. 84 iM28»V*. Laue, M. 1^ Lauenstein, H. 41 '2. Lauer, Ph. 22'^ Laursen, L. 78^. Laux, J. J. 45 ^ Lehmann, M. Sl^e. Lehmann, P. 54 ^ Leibholz, G. 1122«. Lenel, P. Sl^». 85^». Lenz, Fr. 10^^ Lenz, M. 74»«. Lerche, 0. 1^ Leube, M. 1265. Levillain, L. 436. Levison, W. 19^ 433. Liebknecht, K. 101 «8. Löffler, Kl. 40^ Loesche, G. 38^ 763i. Lot, F. 45^». Loew, E. A. 2r^ Loewe, V. 1^ 22^8, 7912, Lucius V. Ballhausen,

91*0. Lüdicke, R. 836. Lülmann, H. 86I8. Lüninck,H.,Frhr.v.87«3.

Lüthgen, E. 39», 65«. Lundberg, B. 79^^ Luthmer, F. 38^

Machholz, E. 24»*. Maeunert, L. 112«^ Mahling, F. 128^2. Mahrholz, W. 126*. Mai er, G. 28^*. Marcks, E. 34*. 9458. V. Margutti 103**. Martin, A. 66»^ Mathorez, J. 34^ Matschoss, C. 121 »«. Matthes, W. 125»^ Mauer, H. 121". Mausbach, J lU»«. Mayer, G. 87^1. 124 ^o. Mayr, J. K. 76^6. Mehlis, Ch. 42«. Mehring, G. 120»^ Meier, P. J. 66». Meinecke, F. 88^*. 1132^

1153^ Meisner, H 0. 90»*. Menn, W. 27*». Mentz, G. 7635. Metzler, J. 73". Meyer, A. 0. HO". Meyer, Ed. 42«. Meyer, H H. 35«. Meyer, F E. 70". Meyer, H. E. 44». 69«.

Meyer, K. 676. Mezger, E. 8^», Michael, G. 23«. Milchsack, G. 76*3. Mitteis, H. 69^ Mitzschke,P. 27 *2. 4110. Möllenberg, W. 77^2. Möller, W. 29«i. Mogk, E 351, ^. Molitor, E. 5621. gg?^ Mombert, P. 125»«. Moser. 0. v. 103*». Most, 0. 123'^6 Müller, A. V. 738. Müller, C. 2523. Müller, E. 39l^ 135ß. Müller, K. A. v. 9466. Müller, J. Ch. 55i\ Müsebeck,E. 8720. 110*6. Mummenhoff, E. 30^2^ Murray, R. H. lb^\

Nadler, J. I422. Nahnsen, G. 2736. Nauke, G. 792ß. Nelson, L. 8>3 Neudegger, M. J. 118"^. Neumann, W. 683. Nowak, R. F. 102*2.

Oberndorff, Graf 58*6. Obs er, K. 173i. 903«, ^\ V. Oidtmann, E. 31'3. Oncken,H. 9035. 12431. Oppeln-Bronikowski,

V. 61 '\ Oppermann, 0. 1733. Ostwald, H. 366. Oursel, P. 8131.

Paleologue, M. 103*6. V. Pantz, A. 2736. Parisot, R. 34». Paul, J. 5736. Pauls, V. 110. Paulus, N. 7310-12. Pavani, G. 463a. Perlbach, M. 4712. Petersen, P. 126i. Pfeilschifter, G. 162». Philippi,Fr.286i, 62 2955^

125 3ö. Piaget, A. 79i6. Picavet, G. G. 78». Picton, H 9920. Pirchegger 572^. Platzhoff, W. 3412. 782. Plener, E. v. 92*«. Plettke, A. 42^. Poincarö 99'6.

Posner, E. 19«. Pscholka, 58*1.

Quassowski, B. 60«o-.

Rachfahl, F. 76«^ 936*. Rathgen, B. 59^1. Redlich, 0. 783, Redlich, 0. R. 573«. Reincke, H. 48^*. 5626^

606«. Renner, B. IO811. Rentschier, A. 273«. Resch, F. 4113. Retzbach 61^1. Reuter, L. v. 106««. Rheindorf, K. 79**. Rickert, H. 2 1. Riemann, R. 83 ^ 107 ^ Rieser, F. l»«. Ritter, G. 62. 6421. 107^ Roeder v. Diersburg

64 »6. Rörig 6066. Rohrbach, P. 9922. Roloff, G. 102*0. Rosenbaum, A. 13. Rosenzweig, F. 7^^ Roth, H. 12220. Rothert, H. 681°. Rothfels, H. 12433. Rottenkolber 55i8. Rutau, F. 4513.

Sacken, E. Frhr. v. 286<^. Sagnac, P. 8133. Sahrmann, A. 85i*. Salin, E. 1421. V. Salis-Soglio, N. 278» Salz, A. 1122*, 25, Samuel, E. 77*^ Schäfer, D. 35 13. Scheel, 0. 722, 3^ Scheidemann, Ph. 10186, 3V

Schiaparelli, L. 21»*. Schiemann, Th. 992i. Schlözer, K. v. 893i. Schmeidler, B. 47io. Schmidt, Ad. 3913. Schmidt, Ch. 8132. Schmidt, Eb. 5736. hqz Schmidt, O.E. 7928. Schmitt-Dorotic, E.

11223. Schmitz, E. 8827. Schmitz, H. 388. 391a, Schmoller, G. 37*. 116».

1211*. Schnettler, 0. 70i2.

144

Schnütgen, A. 127«.

128". Schoch. G. V. 82*3. Schön. Frhr. v. 97 »». Schönfeld, W. 69io. Schöttle, G. 120". Scholand, F. 117«. Scholl 61 '8. Scholz, H. 8»». Schottenloher, K.

7421 22^

Schrader, H. 120^^ Schramm, A. 66^ '\ Schramm, P. E. 28*». Schröder. Alfr. 71^^. Schrörs, H. 128^^ Schröter, M. 8". Schrötter, F. Frhr. v.

121'». Schubert, H. v. 37 ^ 432. Schuck, K 818. Schücking, L. H. 2522. Schüssler, W. 948*>. Schulte, A. 362. 5020, Schulte, L. 30'^ Schnitze, Fr. 61^0. Schultze.Joh. 17''^898^

Schulze, Rud. 55^'. Schweizer, P. 31^*. Schwemann, A. 121 '^ Schwertfeger 99'».

10026. Seidel, V. 551«. Seidlitz, W. v. 135*. Seiler, F. 33'\ '\ Seile, G V. 118«. Selke 57«^ Semrau 60«»-«3. Seppelt, F. X. 38*. 532. Seraphim, A. 7682. 79 is, Siebert, B. v. 96^ Siebs, B. E. 28*«. Sielmann 5738,3». Sieveking, H. 1193, *. Sillib, R 59^0. 63». Sörensson, P. 792». Sombart, W. 1221«. Sommerfeldt, G. 562». Spickernagel 98". Staehelin, W. R. 30«^ Stamm, E. II581.

Stammler, R. 11". Steckzen, B. 77*«. Stegemann, H. 103*^ Stein, E 6^. Stein, W. 5968. 8*. Stengel, EE.18*.538. 671, Stern, S. 792». Stieda, W. 60". 139^8. Stimming, M. 1 '. Stowasser 58*2. Strahlmann, F. 77*». Strecker, K. 47^^ Striedinger, J. 17^^. Stürgk, Grf. J., 105««. Stutz, U. 466, 696. Szilassy, J. v. 98^2.

Tangl, M. 20», i«. Tappen 10463. Taylor, F W. 791«. Tenckhoff, Fr. 47^ «. Thieme, U. 3S\ Thimme, H. 818'. IO918. Thomas, H. 45^*. 70i6. Thurnhofer, F. X. 5782.

731*. Tode, E. 262». Traube, L 20»8. Treiter, M. 19«. Treuberg, Gräfin 10238. Troeltsch, E. 7^. Tuxen, A. P. 79«o.

Ulimann, H. 85^^

Valentin, V. 882«. 952. Vansteenberghe, E.

5410. Verweyhen, J. 64^». Vigener,F.8722.l28i«,i6. Vogt, Fr. 63«. Voigt, H. G. 45»o. Volckmann, E. 61^2 Volkelt, .T. 8^3. Volkmann, E. 0. 103*». Volz, G. B. 7924. Vorwahl, H. 46*.

^Wachter, F. 792^ Waetzoldt, W. 129i. Wahl, A. 913».

Waldeck, F. 278^ Wallich, P. 8289. Walther, W. 73 ^ Ward, A. W. 11\ Wassner. K. 77**. Weber, M. 32. 101 81, Wecken, F. 23S 2. 24".

28*«. Wehrmann, M. 402. 5515, Weigel, H. 67*. Weil, M.H. 8135. Weisbach, W. 1328. Weise, E. 183. Weise, G. 656. V. Welser, L. 2626. Welter 562*. Wentzke, P. 892». 918«.

1002^ Werminghoff, A. 6522. Wertheim er, E.V. 92*8, *T.

946*. Wichmann, 0. 64". Westphal, 0. 107*. Wild, H. 1^3^ Wilhelm IL, Kaiser. 96*, Wilke, G. 41*. 6v5\ Wimarson, N. 78^ Windelband, W. 1S^\

91 *^ 93 61. Winte'rhalder 106««. Wirtz, H 61^8 Wissowa, G. 413. Witting, J. B. 30^». Wölfflin, H. 66*^. Wölfling, L. 103**. Wolff. G. 416. Wonisch, 0. 55i*. Wrasmann, A. 1258^. v.Wrisberg 1018*. 10461. Wuessing, F. 82^. Würth, V. 2982.

Zachau, J. 236. Zedier, G. 64". 672. Zeller, E. 41". Ziekursch, J. 106^2^ Zimmermann 10683. Zorn, Ph. 107\ Zscharnack, L. 1282^. V. Zwehl 10462. 1056^

145

IL Sachregister.

Aachen, Kircliengründungen Heinr.II. 47.

Adelshöfe 135.

Ahnentafeln 24 f.

Ämterverfassung 39.

Angeln u. Sachsen 42.

Anglo-Normannen, Urkundendatie- rung der, 19.

Arbeiterbewegung 125. Relig. Ele- ment in d. A. 128.

Archivwesen 22.

Armenpflege 61.

Arndt, E. M. 87. 110.

Aufklärungszeit, kathol. 127.

Augustin. Gesch. philos. 46.

Baden, Gres.-Gesch. 34. B. u. Preußen 1849. 88. Großherzog Friedr. I. 90.

Barbiere u. Chirurgen i. Mittelalt. 63.

Barock, 132.

Bayern u. Preußen 1813. 82. B. u. die Pfalz 1813-19. 85. Geheimer Rat in B. 118.

Bibliographie 1.

Bielefeld 40.

Bildniskunst 135.

Bismarck, H. v. 93.

Bismarck, 0. v. 91ff.

Böhmische Brüder 55.

Böhmen 58.

Bonifaz 45.

Brandenburg, Bezieh, zu d. wettin. Landen 57.

Braunschweig u. Lüneburg, Ur- kundenwesen 18.

Breslau 140.

Brüderschaftswesen 55. 60.

Buchdruck, Erfindung d., 64.

Bucheinbände 39.

Buchhandel 135.

Bürgertum, G. d. dt. seit 1815. 83.

Celtis, Conr. 65. Chor in, Kloster 22.

Dahlmann, F. C 87.

Dan zig, Gesch. von, 35, 123.

Deutsche Geschichte, Gesarat- darsteil. 42. D. G. vom Ausg. d. 18. Jhd. 82.

Dreißigjähr. Krieg, 77. WirtschaftL Schäden durch d , 120.

Dresden 135.

Düsseldorf 123.

Bichsfeld 40.

Elsaß-Lothringen u. d. dte. Reich 91.

Empfindsamkeit 136.

Engels, Fr. 124.

England u. DtL 82.

Erbfolgekrieg, Bayr. 81.

Erfurt 120.

I^ euer Waffen 59.

Fichte J. G. 112.

Foederalismus 115.

Forstgeschichte 120.

Frankenberg, Stadt 41.

Frankfurt a/M., Kirchengeschichte 38. Handelsgesch. 68.

Fränkische Zeit 42—46.

Frantz, Const 115.

Französische Gesch., Gesamtdar- stellungen 34.

Frauendienst 64.

Freiheitskriege 82.

Freytag, G. 89.

Friedrich I, Kaiser 25.

Friedrich Wilh, d. große Kurf. 127.

Frühzeit d dt Gesch. 41 f.

Fuggerzeitungen 137.

Fulda, Kloster 18.

Fürstentag zu Ernntfurt 89.

Fürstentum u. Einheitsstaat 36,

Gegenreformation, Gesch. 76 ff.,

Kunst 132. Geheimschriften 21. Gelehrtenpolitik, dte. 115.

10

146

Genealogie 22fF. Gentz, F. v. 81. 113. Gerichtsbarkeit, städt. 61. Germanenforschung 15. Germania sacra 16. Germanisierung d. Christentums 43. Gesaratdarstellungen 33fF. Geschichtsphilosophie 2flf. Geschlechtsmoral 63. Gesellschaftsroman 132. Gewerbegassen 61. Goldene Bulle 69. Görres, Jos. 84. llOf. Goslar, Verfass. -Gesch. 67. Gregor I., Register 19. Gregor VIT. 48. Gutzkow, K. 112.

Gottesdienste, Formen d. evang. Kirche 126.

Hab ach, Chorherrn stift 48.

Habsburg, Das Geschlecht 27.

Hamburg, ältere Gesch. 47 f. Neuere Gesch. 123.

Handelsgesch,, neuere 122.

Handwerkerorganisationen 61.

Hanse 59f.

Häußer, L. 17.

Hegel G.W. F. 114.

Heinrich der Löwe 25.

Heraldik 28ff.

Heroldskunst 28.

Hertling, G. v. 128.

Hessen, Landgraf Philipp v. 25.

Hessen-Üarmstadt, Pfarr- u. Schul- meisterbuch 40.

Heuerlingswesen 125.

Hildesheim, Ratsverfassung 68.

Histor. Geographie 31f.

Historiographie 2ff.

Hohenstaufen, Bauten der, 65.

Jesuiten, G. d. dt. 127. Intelligenzblätter, Schles. 138. Judentum 62, 137. J. in d. Karikatur

36, 137. Bismarcks Stellung zum

J. 91.

Kaiserzeit, dte. 46 ff. Kant u. d. preuß. Staat 110. Kapitalismus 119f. Karl d. Große 45. Karl IV., Kaiser 20. Karolinger 44. Katholikentage, dte. 128. Katholizismus, polit., 83, 111. Neuerer

K , Liter.-Bericht 128. Ketteier, v., Bischof 87. 128. Kirchengeschichte, Gesamtdarstel

Inneren 37 f. Neuere K. 126 ff.

Kirchenrecht, evang. 37.

Kirchliche Rechtsgeschichte 70.

Kirchenregiment, landesherrl. 54.

Kleve, Herzogtum 39.

Klosterleben 62.

Königswahl 47. 68.

Kulturgeschichte, Gesamtdarstel- lungen 35 f.

Kultur- u. Geistesgesch., Mittelalt. 62 ff., Neuere 129 ff.

Kulturkampf 92

Kunstgeschichte, Gesamtdarstellung. 38 f. Des Mittelalters 65-66. Der Neuzeit 129 ff. Kunsthistoriker 129. Kunsthandel 135.

Kuriale Behörden 20.

L,assalle, F. 87. 124. Lehnwort, dtes. 33. Leyden, theol. Fakultät 126. Literaturgeschichte 1. 32f. 63. Lokalgeschichte, Gesamtdarstellung.

39-41. L. d. Mittelalt. 67 f. Lothringen 34.

Lübeck, protest. Fürstbistum 117. Lüttich, Bischofs wähl 48.

Mallinckrodt, H. v. 87.

Manteuffel, E. v. 88.

Mark, Grafschaft 34.

Märzrevolution 88.

Meinung, öffentl. 139.

Methodenlehre 2ff.

Mevissen, G. 122.

Mittelalter, späteres, 52-62.

Monumenta Germ, historica, Gesch. der, 16 f.

Moser, J. 108.

Moser, F. C. v. 108.

Müller, Adam 112.

Münster,Säkularis d.Fürstbistums,117. Verfass.- u. Verwalt.-G. 117. Adels- höfe 135.

Münzgeschichte 120.

Mythologie, German. 35.

Naumburg a/S. 41. Nibelungensage 63.

Oberlausitz 68. Oberschlesien 140. Österreich, Protestantismus 38, unter Franz Josef L 92, im Weltkrieg 96 ff'.

Paderborn, Bischof Meinwerk von, 47. Palaeographie 20ff. Papstgeschichte 38. Patriotismus, religiöser 128. Pfalz, bayr. 1813-19. 85.

147

^

rfalzgrafen 69.

Philosophie, aristotel. in Dtl. 126.

Pietismus, dter. 126.

Plastik, gotische 39.

Politische Geschichte, Gesamt- darstellungen 33 35.

Pommern 40.

Posen. Provinz 84.

Preußen, Verwalt.- u. Finanzgesch. 87. 116 121. Verfassungskampf 84. Polit. Parteibildg. 88. Fiskalat u. ^Strafprozeß in P. 116. Gravamina d. Stände 118. Beamtengesch. 118. Bergwesen 121. Private Kapital- anlage 121. Handelsgesch. 121.

Preußisch-dtes. Problem 115.

Proli, M L. 136.

Prüm, Kloster 19.

Radowitz, J. v. 88. 113.

Rauke, L. v. 17. 28.

Rechts- u. Verfa SS ungsge schichte, Gesamtdarstellungen 36 f. Mittel- alter 6Sff.

Reformation 72ff.

Reichsbistümer 109. 117.

Reichsfürstenstand 68.

Reichsabschiede, Wirtschaftspolitik d., 120.

Reichs- u Landesgesch. 35.

Reichsreformbestrebungen 56. 69.

Reichstagsakten 68.

V. Rhediger. Staatsrat 81.

Rheingau 67.

Rheinlande, in d. dt. Gesch. 34. In- nere Gesch. d. rhein. Territor. 39. Kunst d. Mittelalt. 65. Quellen zur G. d. Rh. 1792 - 1814 81. Rh. u. französ. Regierung. 81.

Roch au, A. L. v. 86.

Roggenbach, F. v 89.

Romantik u. polit. Theorie 112.

Rothenburg o/T., Dt.-Ordenskomturei 67.

Rückversicherungsvertrag 93.

Ruodlieb 47.

Sachsen, Bibliographie 1. Saint-Denis 43. Säkularisationen 128. S a m 1 a n d , Urkunden wesen der Bischöfe

68. Scharfrichter 36. Schlözer, K. v. 89. Schlosser, Fr. Chr. 17. Schweiz, italien. Kriegstätigkeit 58. Schwerin, Stadt 40. Seifersdorfer Tal 138.

Siedlungsgeschichte 31f. Siemens, G. v. 92. 122. Sitten u. Bräuche 35. Smidt, Joh. 86. 123. Solothurn 67. Spätscholastik 64. Sozialgesch., neuere 124. Sozialpolitik 124. Sphragistik 30f. Sprachkunde 32 f. Spruchdichtung, polit. 64. Staatsanschauung 107ff. Staatsgedanke, dter. 36. 107f. Stadtgrundrisse 32. Stammtafeln 24. Stein, Frhr. vom 81. 109. Studenten, russische, 139. Sulpicius Severus 43. Swinemünde 40. 123. Sybel, H v. 17.

Xaeitus 41. 62. du Thil, Frhr. 85. Thüringen, Wirts chaftsges eh. 40. Tirol, ürkundenforschung 19. Treitschke, H. v. 17. Tübingen, Stift 126.

Urkundenlehre 17ff.

Varnhagen v. Ense 85.

Veme 70.

Verkehrsstraßen im Mittelalter 71.

Volkskunde 35.

Vorgeschichte, dte. 41.

W aldersee, Graf, Generalfeldmar- schall 90.

Wappenwesen 28f.

Weltgeschichte d. 19. Jhd. 83.

Weltkrieg 1914-18, 95if.

Westfalen, Königreich 82.

Wibert von Ravenna 48.

Widukind v. Gorvey 46.

Wiener Kongress 82.

Wilhelm I., König 89.

Wilhelm IL, Kaiser 95.

Wirtschaftsgesch. d. Mittelalt. 71. Neuere W. 118—26.

Wittgensteiner Wald 125.

Wohlfahrtspflege, städt. 60.

Württemberg, Herzogt. 120.

Wüstungskunde 32.

Xeitungswesen 137f. Zollverein, dter. 122. Zug nach dem Osten 171,

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