^ V: l .; .\^^v"\ >^ -7^7 pkarg 0f tlje gtxtscum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, , AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. dFountietr h^ pcibate suöscrfptfon, fn 1861. The gift of LOUIS AGASSIZ. • XkchjJi^^. P' JAHRESHEPTE des Vereins für vaterländische Naturkunde WÜRTTEMBERG. Herausgegeben von dessen Redactionscommission, Prof. Dr. H. v. Moltl in Tübingen ; Prof. Dr. H. v. »'ehling-, Prof. Dr. O. Fraas, Prof. Dr. W, Krauss, Dr. ^V, Aleuzel, in Stuttgart. SIEBENZEHNTER JAHRGANG. (Mit fünf SteiQtafeln.) «csOo STUTTGART. Verlag von Ebner & Seubert. 1861. J >^^^^ V.3^^.0^ \ -;^ ^^ X^ -^-^ \ %: ^- '^ /^^^-j^j4:| _Kv Schnellpressendruck der J. G. Sprandel'schen Buchdruckerei in Stuttgart. Inhalt. I. Angelegenheiten des Vereins. ^®'*® Bericht über die fünfzehnte Generalversammlung in Tübingen, den 29. Juni 1860. Von Med.-Rath Dr. Hering . . , 1 Rechenschaftsbericht. Von Prof. Dr. Krauss .... 1 Zuwachs der Vereinssammlung 5 Zuwachs zur Vereinsbibliothek 13 Rechnungsabschluss. Von Hospital-Verw. Sei ff ar dt . . 19 Wahl der Beamten 22 Wahl des Versammlungsortes für 1861 23 Nekrolog des Prof. Dr. Christ. Gmelin. Von Prof. Dr. Quenstedt 24 Nekrolog des Apothekers Weismann. Von Oberstudienrath Dr. V. Kurr 40 II. Aufsätze und Vorträge. , 1) Zoologie und Anatomie. Ueber eine von ihm entdeckte Steissdrüse des Menschen. Von Prof. Dr. Luschka 43 Ueber die Bevölkerung der Meere. Von Oberstud.-Rath Dr. V. Kurr 43 Einige Notizen über Taenien. Von Dr. Salz mann . . 102 Systematische Zusammenstellung der bisher in Württem- berg aufgefundenen Macrolepidopteren nebst Bemer- kungen über deren Lebensweise. Von A. Keller in Reutlingen und Dr. J. Hoffmann in Stuttgart . . 263 Die Schädel der württemb. Marderarten. Von General- stabsarzt Dr. V. Klein 325 2) Botanik. Ueber Protococcus roseo-persicinus Kg. Von Prof. Dr. Fleischer 55 Seite Die grosse Linde in Leutkirch mit Beziehungen zu den Wachsthums-Verliältnissen sehr alter Linden unseres Klima's überhaupt. Von Oberamtsarzt Dr. Walser . 57 Beiträge zur Württemberg. Flora. Von Oberamtsarzt Dr. Finckh . . - 350 3) Mineralogie und Geognosie. lieber die in den letzten Jahren durch bergmännische Arbei- ten gewonnenen Aufschlüsse. Von Bergrath v. Schüb ler 47 Ueber die weissen und rothen Kalke von Vils in Tyrol. Von Prof. Dr. A. Oppel in München (mit Taf. IL, III.) 129 Die Lagerungsverhältnisse zwischen Schönbuch und Schur- wald. Von Fabrikant Carl Deffner in Esslingen (mit Taf. IV., V.) .170 4) Palaeontologie. Ueber Semionotus und einige Keuper-Conchylien. Von Prof. Dr. Fraas (mit Taf. I.) 81 Die Arten der Gatt' ngen Glyphea und Pseudoglyphea. Von Prof. Dr. A. bppel 108 Die Mammuths-Ausgrabungen zu Cannstatt im Jahr 1700. Von Prof. Dr. Fraas 112 Die Arten der Gattungen Eryma^ Pseudastacus, Magila und Etallonia. Von Prof. Dr. A. Oppel 355 Deroplia Genei Arraguiia» Von Adolph Keller in Reut- lingen 362 III. Kleinere Mittheilungen. Bücheranzeigen . 125., 363. I. Ang^eleg'eiilielten des Vereins. Bericht über die fünfzehnte General-Versammlung am 29. Juni 1860 zu Tübingen. Von E. Hering. Zur bestimmten Vormittagsstunde hatte sich eine erhebliche Zahl sowohl von Mitgliedern des Vereins als auch von Freunden der vaterländischen Naturkunde überhaupt in dem grossen Saale der neuen Aula eingefunden; das Bureau bestand aus den bei- den Vorständen des Vereins, Prof. Dr. v. Rapp und Ober- studienrath Dr. v. Kurr und den Ausschussmitgliedern Prof. Dr. H. V. Mohl, Professor Fraas und Kassier Seyffardt; das Protocoll hatte Med.-Rath Dr. Hering zu führen übernommen. Der erste Vorstand Prof. Dr. v. Rapp eröffnete die Ver- sammlung mit einer Ansprache, in welcher er auf das erfreuliche Gedeihen des Vereins, zugleich aber auch auf die im letzten Jahre erhttenen Verluste hinwies. Bei der Wahl eines Vorsitzenden für die heutige Versamm- lung wurde Prof. Dr. v. Rapp einstimmig ersucht, dieses Amt zu übernehmen. Der Vereins-Secretär Prof. Dr. Krauss übergab folgenden, in seiner Abwesenheit von Prof. Dr. Fraas vorgetragenen Reclicui^cliaftsbericlit für das Jalir 1$59— 60. Meine Herren! Im Auftrag des Ausschusses habe ich die Ehre, Ihnen über die Wirksamkeit des Vereins im verflossenen Jahr, welches das sechszehnte ist, Bericht zu erstatten. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 1 — 2 — Ihre Redactions - Commission konnte zu ihrem Bedauern den laufenden Jahrgang der Jahr es hefte diesmal den Mit- gliedern nicht vollständig am Schkisse des Vereinsjahres über- geben, hofft aber, dass die beiden noch ausstehenden Hefte in kürzester Zeit übergeben werden können. Diese Verzögerung ist hauptsächlich durch den Wechsel der Druckerei entstanden, indem die Verlagshandlung den Druck der Jahreshefte der J. G. Sprandel'schen Buchdruckerei übertragen hat. Uebrigens wird auch die Bitte an die verehrlichen Mitglieder gestattet sein, dass sie sich, wie das bei unseren Vereinszwecken vorauszu- setzen ist, durch Einsenden von Original-Aufsätzen etwas eifri- ger an der Herausgabe der Jahreshefte betheiligen möchten, als es bisher der Fall war. Gewiss hat manches Mitglied Gelegen- heit und Stoff genug zu Beobachtungen in den verschiedenen Zweigen der Naturwissenschaften, deren Veröffentlichung sich für unsere Jahreshefte eignen würde. In Betreff der Herausgabe der Jahresberichte über die klimatisch meteorologischen Verhältnisse Würt- tembergs hat Ihr Ausschuss dem K. statitisch-topographischen Bureau den Beschluss der vorjährigen Generalversammlung (Jahrg. XVI. p. 22) mitgetheilt. Der Vorstand des K. Bureau's hat unterdessen das Manuscript für den 31. und 32. Jahres- bericht pro. 1855 — 56 zum Druck in unsere Jahreshefte einge- schickt und in seinem Begleitungsschreiben vom 10. September 1859 Folgendes bemerkt: „Der mit dem Jahrgange 1855 be- gonnene Anschluss an die in Preussen seit einigen Jahren adoptirte, von der bisher in Württemberg üblichen im Wesent- lichen nicht verschiedenen Beobachtungsmethode bringt fortan eine Vermehrung der württembergischen Jahresberichte und einige tabellarische Uebersichten , im Ganzen von 3 — 4 Seiten mit sich. Dagegen fällt die bisher den Jahresberichten vorangestellte allgemeine Schilderung der Jahrgänge mit 9 — 10 Seiten weg, da solche schon in den württembergischen Jahr- büchern gedruckt ist." Ihr Ausschuss hat hierauf den 31. und 32* Jahresbericht an Dr. Zech zu näherer Prüfung übergeben und von ihm er- schöpfende Gutachten sowohl über diesen als auch über die früheren meteorologischen Jahresberichte erhalten, nach welchen die Ausarbeitung dieses Jahresberichtes nicht im Einklang mit den bei der General-Versammhmg gefassten Beschlüssen steht. Ihr Ausschuss hat diese Gutachten und zugleich detaillirte Vor- schläge zur Aenderung und Redaction der württ. meteorologi- schen Jahresberichte mit zwei Schema dem K. statistisch-topo- graphischen Bureau mitgetheilt und in seinem Begleitungsschrei- ben vom 25. October 1859 sein Bedauern ausgedrückt nicht nur darüber, dass die „allgemeine Schilderung der Jahrgänge,'' welche doch für die Vereinsniitglieder als ein Gegenstand von allgemeinerem Interesse galt, in unsern Jahresheften wegfallen solle, sondern auch, „dass die Veröffentlichung der meteorologi- schen Berichte in seinen Jahresheften unterbleiben müsste, wenn die jenseitige Behörde auf die vorgeschlagene Aenderungen nicht eingehen würde.'' Ihr Ausschuss hat das Anerbieten der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien, ihre Berichte gegen unsere Jahreshefte auszutauschen, mit Freuden angenommen und zu einem Schriften- Austausch mit der Zoological Society of London die Einleitung getroffen. Die vaterländische Naturalien-Sammlung hat wieder manche werthvolle Beiträge durch Vereinsmitglieder und Gönner der Anstalt erhalten. Eines der seltensten Geschenke hat die Sammlung der Gnade Sr. Majestät des Königs, des erhabenen Protectors unseres Vereins, zu verdanken. Höchst- dieselben haben geruht, den Gemsbock, der im September im Lauterthal, Oberamts Münsingen erlegt wurde, zur Aufstellung in der vaterländischen Sammlung zu übergeben. Ferner hat unser dem Verein allzufrüh verstorbener Kassier, Gottlieb Weis mann, seine ganze durch Schönheit, Reichhaltigkeit und Seltenheiten ausgezeichnete Sammlung von Petrefacten aus dem Crailsheimer Muschelkalk und der Lettenkohle der vaterländischen Naturahen-Sammlung als Geschenk vermacht, unter der aus- drückHchen Bedingung, dass diese Sammlung niemalen getrennt werden dürfe. Dieses werthvolle Vermächtniss, sowie die Liebe, mit welcher der Entschlafene als Kassier sich den In- teressen des Vereins von dessen Gründung an unausgesetzt hin- gab, werden ihm für immer ein dankbares Andenken unseres Vereins sichern. Zum Nachfolger Weismanns hatte das langjährige Vereins- mitglied, Hospitalverwalter Seyffardt sich als Kassier an- zubieten die Gefälligkeit, was vom Ausschuss mit Dank ange- nommen wurde. Demgemäss wurden ihm die nach dem Tode des früheren Kassiers durch eine Commission in Empfang ge- nommenen Akten, die Staatsobligationen sammt dem Kassenvor- rath übergeben und ihm die nöthige Legitimation zur Erhebung der Vereinsbeiträge ertheilt. Für die Vereinsmitglieder wurden wie bisher auch im ver- flossenen Winter folgende Vorträge gehalten und zwar von Dr. Zech über die Zeitbestimmung, Oberstudienrath Dr. v. Kurr über Steinregen und Meteorsteine, Professor Dr. Köstlin über die organische Species, Med.-Rath Dr. Hering über die verschiedenen Menschen- species, Professor Dr. Fraas über den Einfluss der Schichten auf den Wein und in einer Versammlung für die Vereins- und Museumsmit- gheder mit ihren Familienangehörigen, von Oberstudienrath Dr. V. Kurr über das Meer und seine Bevölkerung. Zu correspondirenden Mitgliedern des Vereins wurden ernannt: Ritter von Bleeker, Präsident der naturforschenden Gesell- schaft in Batavia, Dr. Moriz Hörn es, Vorstand des K. K. Hofmineralien- Kabinets in Wien, Isaac Lea, Präsident der Akademie der Naturwissenschaften in Philadelphia. Durch den Tod von mehreren ausgezeichneten MitgUedern hat der Verein im verflossenen Jahre beklagenswerthe Verluste erlitten. Es starben - 5 — Geheime-Hofrath v. Job st, Ob.-Med.-Ruth Dr. v. Köstlin, Bergratbs-Director v. Wepfer, Kaufmann Weiler, sämmtlich in Stuttgart, Regimentsarzt Dr. Reinhardt in "Ulm, Prof. Dr. Christ. Gmelin in Tübingen, Apotheker G. Weismann in Stuttgart, Prof. Dr. Hochstetter in Esslingen. Die Vereins-Sammlung hat vom 24. Juni 1859 bis 1860 folgenden Zuwachs erhalten: I. S ä u g e t h i e r e. a) Als Geschenke: Capra Rupicapra L., drei bis vierjähriges Männchen im Uebergangs- kleid, im Lauterthal bei Erbstetten, von Seiner Majestät dem König: Cervus Caprtolus L., altes Männchen, mit abnormem Geweih, im Revier Bermaringen, von Herrn Oberförster Blochmann in Blaubeuren; Mustda Maries Briss., altes Männchen, bei Leonberg, Mustela Foina Briss,, altes Männchen, in Stuttgart, Sciurui vulgaris L., altes Weibchen, schwarze Varietät, vom Hasenberg, von Herrn Dr. Julius Hoffmann; PUcotus auritus Keys. u. Blas., Männchen, Vesperugo serotinus Keys. u. Blas., Weibchen, Veapertilio Daubentonii Leisler^ Männchen, von Herrn Kaufmann Hermann Reichert in Nagold; Talpa europaea L., Männchen, Varietät, von Herrn Dr. E. Schüz in Calw; Arvicola glareolus Sund., im Wald bei Monakam, von Herrn Schulmeister Ackermann in Sersheim; Mus Rattus L., Männchen und Weibchen, von Herrn Apotheker Dietrich in Waiblingen; Hypudaeus terrestris L., nackte Junge, von Herrn Prof. Dr. Fleischer in Hohenheim; Orocidura fSorex Htrm.J leucodon Wagler, altes Männchen, von Herrn Präparator Martin; Sorex vulgaris L., altes Männchen, von Herrn Fabrikant Albert Reiniger; - 6 - Vesperugö discolor Keys. u. Blas., Männchen, Vesperugo Noctula Keys. u. Blas., Männchen, Vesperugo Pipistrellus Keys. u. Blas., Männchen und Weibchen, Vespertilio murinus Sehr eh., Männchen und Weibchen, von Herrn Prof. Dr. Krauss. b) Durch Kauf: Meles Taxus TL., weisse Varietät, bei Poppenweiler, Mustela Maries Briss., junges Männchen und Weibchen, bei Gärtringen, Mustela Putorius L., junges Männchen und Weibchen, von Weil im Dorf, Arvicola glareolus Sund., altes Weibchen in Stuttgart, Arvicola arvalis S. Longch., altes Männchen, in Stuttgart, Lcpus timidus L., Männchen, silbergraue Varietät, bei Ulm, II. Vögel. a)AlsGesc henke: Alauda cristata L., altes Weibchen, aus Stuttgart, von Herrn Generalstabsarzt Dr. v. Klein; Süta europaea L., Weibchen, im Winterkleid, Columba Oenas L., Mannchen, Sturnus vulgaris L., altes Weibchen im Herbstkleid, Ortygometra Crex [Rallus Gm.) junges Männchen, Picus medius L., Männchen, im Winterkleid, Anthus aquaticus Bechst., bei Plochingen, Turdus viscivorus L., Männchen, vom Hasenberg, von Herrn Hofrath v. Heuglin; Buteo vulgaris Bechst., junges Männchen, bei Stuttgart, Sturnus vulgaris L., junges Männchen, ebendaher, Scolopax rusticola L,^ altes Männchen, bei Leonberg, von Herrn Dr. Julius Ho ff manu; Emberiza Cia L., altes Männchen, vom Hasenberg, von Herrn Buchhändler Gustav Hoff mann; Tringa Schi7izii Brehm, Männchen im Uebergangskleid, Sturnus vulgaris L., junges Männchen, Varietät, Fringilla cannabina L., junges Männchen, weisse Varietät, von Herrn Präparator Ploucquet; Bonasia sylvestris Brelnn, Männchen, Hypotriorchis subbuteo Boie, einjähriges Männchen, Oecinus viridis Boxe, einjähriges Männchen, Vanellus eristatus L., junges Männchen, Buteo vulgaris Bechst., altes Weibchen, — 7 — Larua tridactylus L., Männchen und Weibchen, Turdus pilaris L., altes Weibchen, Fuligula cristata Ray, {Anas fuligula L.), altes Männchen, von Herrn Kaufmann Hermann Reichert in Nagold; Fulica atra L., junges Weibchen, von Herrn Oberförster Blochmann in Blaubeuren; Limosa aegocephala Briss.^ altes Männchen, Pica caudata Ray, mit abnormem kreuzförmigen Schnabel, Fulica atra L., 1 bis 2tägige Junge, von Herrn Apotheker Valet in Schussenried; Charadrius Morinellus L., junges Männchen, im Uebergangskleid, von Herrn Obrist v. Rassler in Weitenburg; Sterna nigra L., junges Männchen, Spatula [Anas L.) clypeata Boie, Weibchen, von Herrn Revierförster Gönner in Neufra; Falco rußpes Besehe, junges Männchen, von Freiherrn v. Schott von Schottenstein, Oberamt- mann in Böblingen ; Buteü vulgaris Bechst., Weibchen, von Herrn Badwirth Lorenz in Neustadt bei Waiblingen; Charadrius pluvialis L.^ Weibchen, von Herrn Reallehrer Peter in Heilbronn; Strix ßammea L., Weibchen, Varietät, von Herrn Revierförster v. Mühlen in Gaildorf; Nyroca (Anas L.) ferina Fiemm., altes Weibchen, von Herrn Revierförster Probst in Heiligkreuzthal; Syrnium Aluco Buie, Weibchen von Urspring, von Herrn Revierförster Glaiber in Welzheim ; Buteo vulgaris Bechst.y altes Weibchen, Varietät, von Herrn Hofjäger Reinhold auf der Solitude; Scolopax rusticola L., Männchen, ganz weisse Varietät, von Herrn Revierförster Nestel in Eltingen; Fringilla monti/ringilla L., Weibchen, Erythacus (Motacilla L.) rubecula Cuv., Weibchen, ■Sylvia atricapilla Lath., altes Weibchen, Lanius collurio Boie, Weibchen, Elf Nester mit Eiern, von Herrn Schulmeister Ackermann in Sersheim; Ardea purpurea L., schönes altes Männchen, bei Wangen, von Herrn Kameralverwalter Hebsacker in Wangen im Allgäu ; Fringilla carduelis L., Männchen, schwarze Varietät, von Möckmühl; von Herrn Kaufmann Fr. Drautz in Heilbronn: Turdtis merula L., junges Männchen, Nest von Pringüla cannabina L.^ von Herrn Prof. Dr. Krauss. b) Durch Kauf: Ardea minuta X., altes Männchen, bei Friedrichshafen, Numenius Phaeopus X., Männchen, bei Ehingen, Nyroca [Anas L.) ferina Plem., Männchen bei Riedlingen, Totanus Glottis Bechst., Männchen, bei Blitzenreute, Totanus ochropus Ternrn., Weibchen, bei Mochenwangen, Tringa hypoleuca L , Männchen, bei Plochingen, Tringa pugnax Z., Männchen und Weibchen, bei Kisslegg, Ampelis garrulus L., junges Männchen bei Hohengehren, Anas Tufina Pallas, Männchen und Weibchen, vom Bodensee, III. Reptilien. Als Geschenke: Triton cristatus Laur^ Eier und Junge, bei Stuttgart, Triton punctatus Latr., Eier und Junge in verschiedenen Altersstufen, Triton alpestris Laur.y Eier und Junge in verschiedenen Altersstufen, Salamandra maculosa Laur.y Junge mit Kiemen, von Mezingen, von Herrn Präparator Bauer; Hyla viridis Laur., Junge, von Herrn Prof. Di'. Fleischer in Hohenheim; Lacerta stirpium Daud., Männchen, mit Doppelschwanz. von Herrn Kaufmann Aug. Seeger in Murrhardt; Lacerta muralis Licht., bei Kirchheira am Neckar, Bufo vulgaris Laut., Varietät, aus einem 60' tiefen Loch bei Waiblingen, Hyla viridis Laur., Junge, von der Gänsheide, von Herrn Prof. Dr. Krauss. IV. Fische. Als Geschenke: Abramis dobuloides Günther, sehr grosses Exemplar, Alburnus lucidus Heck, und Kner, beide aus dem Neckar; von Herrn Prof. Dr. W. v. Rapp in Tübingen; Phoxinus latvis Ag., Junge aus Bächen bei Geisslingen, von Herrn Dr. Grnelin in Geisslingen; Silurus Glanis L., jung, aus der Donau, von Herrn Prof. Dr. Veesenmeyer in Ulm; — 9 — Chondrostoma Nasus Ag., weisse Varietät, Acerina vulgaris Cuv., ausgewachsene Fische, Perca ßuviatilis L., grosse Exemplare, Telestes Agassizii Bonap., sämmtlich aus dem Neckar, von Herrn Kaufmann Fr. Drautz in Heilbronn, Phoxi7ius laevis Ag.^ mit Laichdornen, aus dem Zipfelbach, von Herrn Präparator Bauer; Cobitis Barhatula L. u. Cottus Oobio L., aus dem Feuerbach, Petromyzon ßuviatilis L. u. Perca ßuviatilis L., Junge, Bach am Schatten, Oasterosteus aculeatus ßl., Bach bei Pleidelsheim, von Herrn Präceptor K o 1 b ; Acerina vulgaris Cuv.j aus dem Neckar bei Jagstfeid, Barbus ßuviatilis Cuv., Halbgewachsene, Squalius Lepusculus Heck., Junge verschiedenen Alters, Squalius Dobula Heck.^ Junge und Alte, sämmtlich aus dem Neckar, Esox Lucius L, u. Squalius Dobula Heck., aus dem Bodensee, Salar Ausonii Val.f Weibchen aus der Brenz, Silurus Glanis L., jung, aus dem Federsee, von Herrn Prof. Dr. Krauss. V. Crustaceen. Als Geschenk: Achtheres Percarum Nordm., auf Lucioperca Sandra Cuv.<, von Prof. Dr. Veesenmeyer in Ulm. VI. Insecten. AlsGeschenke: Eine grosse Sammlung von Schmetterlingen aus der Umgegend von. Sulz, von Herrn Oberamtsarzt Dr. Hartmann in Reutlingen; Schmetterlinge, 50 Species und 77 Stücke aus der Umgegend von Stuttgart, von Herrn Dr. Julius Hoffmann; Bau von Ameisen aus einem alten Baum, von Herrn Staatsrath v. Roser; Xylocopa violacea Latr., Männchen und Weibchen in der Begattung, im Februar auf dem Schnee gefangen, von Herrn Edward Schwarz; Larven von Dytiscus u. Hydrophilus, bei Stuttgart, von Herrn Eulenstein; - 10 - Larven von Leda, Perla^ Culex u. Libellula bei Berg, Nest von Megachile rnuraria Latr., bei Cannstatt, von Herrn Prof. Dr. Krauss. VII. Entozoen. Als Geschenk: Eine Art Filaria aus dem Torf, von Apotheker Valet in Schussenried. VIII. Mollusken. Als Geschenke: Limnaeus, aus dem Bodensee, Ancylus fiuviatüis Müller^ aus dem Blautopf bei Blaubeuren, von Herrn Prof. Dr. Fr aas; Anodonta anatina Lam., aus dem Böblinger See, von ÖeYrn Dr. Steudel in Böblingen; Eier von Helix Pomatia L., bei Waiblingen, Einige Land- und Süsswasserconchylien, von Winnenden, von Herrn Präparator Bauer. IX. Petrefacten. Als Geschenke: -Knochen von Cervus Elaphus L., im Kalktuff von Seeburg, von Herrn Oeconom W. Raht; Ein Schädelstück, 68 Zähne und 5G Knochenstücke von Nothosaurus angustifrons v. M., Ein Kieferstück von Limosaurus Gaillardoti v. M., Ein Kieferstück, 155 Knochen- und 15 Schilderstücke von Labyrinthodon, 15 Zähne von Mastodonsaurus Jaegeri v. 3/., 20 Zähne und 10 Schilder verschiedener Saurier, 10 Zähne von Gyrodus tenuistriatus Ag. u. Cuvieri Ag., 8 Zähne von Ceradotus serratus Ag. u. Guüielmi PL, 4 Zähne von Placodus gigas Ag., 20 Zähne und Schuppen von Gyrolepis Albertii Ag., 50 Zähne von Saurichthys apicalis Ag., 100 Zähne von Hybodus tenuis Ag., lungiconus Ag., euspidatus Ag.y obliquus Ag., 10 Zähne von Strophodus angustissimus Ag. 10 Zähne von Acrodus GaillarduÜ Ag., - 11 - 15 Zähne von Sphaerodus parvus Ag., 6 Zähne von Psamodus rugosus Äg., 100 Fischwirbel und Coprolitheriy 24t Pemphix Suerii v, M., 23 Cephalopoden, Ceratites, Nautilus u. Rhyncholites, 12 Gasteropoden u. 50 ßivalven, Eine grosse Platte und 10 einzelne Stücke von Encrinus liUformis Schi., 4 Ästerias Weismanni v. A/., aus der Lettenkohle und dem Muschelkalk von Crailsheim, als Vermächtniss von dem verstorbenen Vereinskassier G. Weismann. X. Pflanzen. (Zusammengestellt von G. v. Martens.) Herr Revierförster W. v. Entress-Fürsteneck in Balingen übersandte uns fünf in unserem Herbar noch fehlende Pflanzen, darunter die seltenen Rhamnus saxatilis L. und Rosa alpina L. Von Herrn Oberamts-Arzt Dr. R. Finckh in Urach erhielten wir neun Arten, von denen fünf uns noch fehlten. Herr Apotheker Fischer in Haigerloch übersandte Exemplare von Specularia hybrida Dec. Herr Professor Dr. Fleischer in Hohenheim lieferte den Proto- coccus roseo-persicinus Kg,, welcher bei der diessjährigen Generalver- sammlung in Tübingen vorgezeigt wurde. Von Herrn Dr. Keerl Pfarrvicar in Täferroth, Oberamts Gmünd, in welchem wir einen neuen eifrigen Pflanzenforscher Württembergs begrüssen, wurden 37 schön eingelegte meist für die vaterländische Flora charakteristische Phänogamen mitgetheilt, die merkwürdigste darunter ist aber die niedliche hellrothe Primula farinosa L , im April 1859 auf einer feuchten Wiese zwischen Gschwend und Reippersberg, Oberamts Gaildorf, in ziemlicher Menge entdeckt, seltenes Beispiel einer Ueberschreitung der Alp durch eine Pflanze der Alpenflora. Herr Pfarrer Dr. Kemmler in Unter-Sontheim, Oberamts Gail- dorf, erfreute uns auch dieses Jahr mit einem reichlichen Ertrage seiner erfolgreichen Forschungen in einer noch vor wenigen Jahren den Botanikern völlig unbekannten Gegend; da solche der Keuper- formation angehört, in welcher die zwei am genauesten durchsuchten Puncte Württembergs liegen, die Hauptstadt und die Universität, so befinden sich freilich unter den 37 eingesandten Gefässpflanzen nur drei unserem Herbar noch fehlende, dagegen unter den 52 Zellenpflanzen nicht weniger als 24 für Württemberg neue Entdeckungen, von denen — 12 — wir nur Äulacomnion palustre ßridet, Hypnum ßuviatüe Su. , Gyaleda JHageni Koerher , Physrna compaciiim Kbr,, Blastenia sinapUperma Kbr., und Oedogonium Landsboroughii Kützing hervorheben. Herr Apotheker Georg Kern er in Besigheim übersandte den berüchtigten Holzschwamm, Merulius lacrymans Sehum. und Herr Apo- theker Kissling in Ulm vier hübsche oberschwäbische Frühlings- blumen. Herr Professor Dr. Krauss theilte die Kapselfrucht von Leucojum vernum Li, mit. Von Herrn Emil Schüz, Dr. Med. in Calw, erhielten wir sieben uns grösstentheils noch fehlende Gefässpflanzen des Schwarzwaldes, darunter Ädenostyles albifrons Rchb., Listera cordata Br., Lycopodium alpinum L. und das seltene Asplenium Breynii Betz, bei Wildbad jetzt ausgerottet, aber wahrscheinlich an den Granitfelsen bei Reinerzau noch vorhanden, wo Dr. Koestlin es den 4. Juli 1823 zuerst ent- deckte. Unter 30 schwarzwäldischen Zellenpflanzen, die Herr Dr, Schütz uns mitzutheilen die Güte hatte, befinden sich 9 für Württem- berg neue, darunter der sonderbare Leocarpus vernicosus Link und vier Telephoren, setigera Fr., serialis Fr.y frustulata Pers. u. laciniata Pers. Unter 4 schönen Orchideen, die uns Herr Apotheker A. Vo elter von Bonnigheim persönlich noch lebend überbrachte, befand sich auch das seltene, durch seine sonderbare auffallende Blüthe an tropische Orchideen erinnernde Himantoglossum hircinum Rieh., welches sich, wie Cypripedium, allzusehr verfolgt nur an abgelegenen Stellen zu erhalten vermag. Herr Apotheker Zell er in Nagold übersandte, ebenfalls noch frisch, Orchis fusca Jacg. und die seltene Orchis Spitzeln Sanier. Herr Finanzrath Zeller in Stuttgart beschäftigt sich mit grossem Erfolg mit mikroskopischer Untersuchung unserer Algen, besonders der zahllosen Diatomeen, und so befinden sich unter 16 Arten, die er uns gütigst mittheilte, nicht weniger als 10 neue Entdeckungen für Württemberg. Endlich hat der Gustos des Vereinsherbars demselben noch 23 Arten hinzugefügt, darunter das im vorigen Sommer an den Blättern der Obstbäume ungewöhnlich häufige Polystigma rubrum Dec. Es sind sonach im Ganzen seit dem letzten Rechenschaftsbericht 122 Arten und Spielarten von Gefässpflanzen und 108 von Zellen- pflanzen, zusammen 230, eingekommen. - 13 — Die Vereinsbibliothek hat folgenden Zuwachs erhalten: a) Durch Geschenke: Ueber die geologische Stellung der Horner Schichten in Nieder-Oester- reich von Dr. Fr. Rolle. 8^. (Separatabdruck der Wiener Sitzungsberichte.) Vom Verfasser. Württemb. naturwissensch. Jahreshefte. Jahrgang XV. Heft 3. 1859. Jahrg. XVI. Heft 1. 1860. Vom Verleger. Württembergische naturwissensch. Jahreshefte, vollständig. Von Herrn Prof. Dr. Köstlin. A Paper on Resolutions in advocacy of the establishment of a uniform System of Meteorogical Observations throughout the whole Ame- rican Continent. By Major Lachlan. Cincinnati 1859. 8^. Vom Verfasser. Reply of the „Statement of the Trustees" of the Dudley Observatory by Benj. A. Gould junior. Albany 1859. 8«. Vom Verfasser. Reise durch die Felsengebirge und die Humboldtgebirge nach dem stillen Ocean. Eine Skizze von Dr. J. Schiel. SchafFhausen Brodmanns che Buchhndlg. 1859. 8^. Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. Die Klassen und Ordnungen des Tbierreichs , wissenschaftlich darge- stellt in Wort und Bild. Von Dr. H. G. Bronn. Band II. Lief. 1 — 8. Leipzig und Heidelberg. L. F. Wintersche Ver- lagshandlung. 1859 — 60. 8». Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. Der Zoologische Garten. Organ" für die zoologische Gesellschaft in Frankfurt a. M., herausgegeben von Dr. D. F. Weinland. Jahrgang I. Heft 1—6. 1859—60. 8«. Vom Verleger zur Anzeige in den Jahresheften. Dyas et Trias ou le nouveau Gres rouge en Europe dans TAmerique du Nord et dans Finde par Jules Marco u. (Tire des Archiv» des Sciences de la Biblioth. universelle 1859.) Geneve 1359. 8^. Vom Verfasser. Reply of the Criticisms of James D. Dana by Jules Marcou. Including Dana's two articl. with a letter of Louis Agassiz. Zürich 1859. 8». Vom Verfasser. Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins in Heidel- berg. Bd. I. Nro. 7. Bd. II. Nro. 1. Vom Verein. — 14 — Amtlicher Bericht üher die 34. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Carlsruhe im Sept. 1858. Herausgegeben von den Geschäftsführern derselben, Eisenlohr u. Volz. Mit 5 Tafeln und 16 Holzschnitten. Carlsruhe 1859. 4«. Freiexemplar. Charakteristik neuer Infusorien-Gattungen von Prof. Dr. F. Stein in Prag. (Separatabdruck von Lotos.) Vom Verfasser. Deane, on the Sandstone Fossils of Connecticut River. (Separat- abdruck 4fi.) Lea, Contributions to Geology. Philad. 1833. 8'^. Lea, Notice of the Oolitic Formation in America. (Separatabdruck 4^.) Lea, Catalogue of the Tertiary Testacea of the United States. (Separat- abdruck. 80.) Lea, Fossil Footmarks of the red Sandstone of Pottville. (Separat- abdruck. 40.) 1852. Account of the remains of a fossil extinct Reptile, recently discovered at Haddonfield, New- Jersey. (Separatabdruck. 8^.) 1859. Lea, New red Sandstoue Formation of Pensylvania etc. (Separatab- druck 80. 1856. Lea, Description of 19 new Spec. of Colimacea. (Separatabdruck. 40.) Lea, Synopsis of the Family of Naiades. 3. Edit. Philad. 1852. 40. Lea, Observations of the Genus Unio etc. (Separatabdruck. 40.) 1857. Lea, Descriptions of the Embryonic Forms of 38 Spec. of Unionidae. (Separatabdruck. 4«.) 1858. Geschenke von Herrn J. Lea. Lettres sur les Roches du Jura et leur Distribution geographique dans les deux Hemispheres par J. Marcou. Seconde et derniere livrais. Paris 1860. 80. Vom Verfasser. Chemische Untersuchung der Hermannsborner Stahl- u. Sauerquellen von Dr. Wilh. von der Mark. Dortmund 1860. 40. Vom Verfasser. Die fossilen Mollusken des Tertiär-Beckens von Wien. Von Dr. Moriz Hörnes. Bd. II. Bivalven Nro. 11. 12. Mit 11 lith. Tafeln. Vom Verfasser. b) Durch Austausch unserer Jahreshefte, als Fortsetzung: Achter Jahresbericht über die Wirksamkeit des Werner Vereins zur geologischen Durchforschung von Mähren und Schlesien im Vereinsjahr 1858. 4". - 15 - Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien^ Jahrgang 1858. Als Folge der Verhandlungen des zoologisch- bot. Vereins. Bd. VIII. 8». Bulletin de la Societe Geolog, de France. 2. «er. Tom. XV. Feuill. 52. 53. „ XVI. „ 24-64. , XVII. „ 1—20. Paris 1857—60. 8». Zeitschrift für die gesamniten Naturwissenschaften. Herausgegeben von dem naturwissenschaftlichen Vereine für Sachsen und Thüringen in Halle. Jahrgang 1858. Bd. XII. Berlin 1858. „ 1859. „ XIII. XIV. Berlin 1859. 8». Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündtens. Neue Folge IV. Jahrg. 1857—58. Chur 1859. 8». Württembergische Jahrbücher für vaterländische Geschichte, Geo- graphie, Statistik u. Topographie. Herausgegeben vom k. stat. topogr. Bureau. Jahrg. 1857. Heft 1. 2. 1858 — 59. 80. Ueber das Bestehen und Wirken der naturforschenden Gesellschaft zul Bamberg. IV. Bericht. Bamberg 1859. 40. Quarterly Journal of the Geolog. Society in London. Vol. XV. Part, 2—5. Nro. 58—60. u. Suppl. „ XVI. „ 1 London 1858—59. 80. Zwölfter Bericht des naturhistorischen Vereins in Augsburg. Ver- öffentlicht im Jahr 1859. 80. Smith sonian Contributions of Knowledge. Vol. X. 1858. fol. Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution,, showing the Operations, expenditures, and condition of the Institution, for 1857 u. 1858. Washington 1858—59. 80. Defence of Dr. Gould by the Scientific Council of the Dudley Obser- vatory. 3. Edit. Albany 1858. 80. Proceedings of the Academy of nat. sciences of Philadelphia Vol. II. 1844 — 45. Vol. III. 1846 — 47. 1858. Bogen 10 — 20, 1859. Bogen 1—19. 80. Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Bd. IX.. 1859. 80. Bulletin de la Societe imperiale des Naturalistes de Moscou, Annee 1858. Nro. 2—4. „ 1859. „ 1. 80. Bulletins de l'Academie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux- Arts de Belgique. 27. Annee, 2. Serie. Tom IV. V. 1858. 28. , „ „ „ VI. 1859. 80. — 16 — Tables generales et analytiques du Recueil des Bulletins de l'Acad. royale des Sciences etc. 1. Ser. Tome I — XXIII. 1832 — 1856. Bruxelles 1858. 8». Annuaire de rAcademie ßoyale des sciences etc. 1859. Annee XXV. Bruxelles 1859. 120. Fünfundzvvanzig-ster Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde. Mannheim 1859. 8^. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Thl. II. Heft 2. 3. Basel 1859. 80. Jahresbericht über die Fortschritte der reinen, pharmaceutischen und technischen Chemie, Physik, Mineralogie und Geologie. Bericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften. Für 1858. Giessen 1859. 80. Sitzungsberichte der Kais. Akad. der Wissenschaften. Mathematisch naturwissenschaftliche Klasse. Bd. 34—38. Wien 1859—60. 80. Register zu den Bänden 21 — 30 der Sitzungsberichte der mathematisch- naturwissenschaftlichen Klasse der kais. Akademie der Wissen- schaften III. Wien 1859. 80. Verhandlungen des Vereins für Naturkunde zu P r e s s b u r g. III. Jahrg. Heft 1. 2. 1858. 80. Beitrag zur Kenntniss der klimatischen Verhältnisse Pressburgs von Prof. Dr. Kornhub er. (Aus dem 8. Jahresprogramme der Pressjaurger Ober-Realschule besonders abgedruckt). 1858. 40. Populäre naturwissenschaftliche Vorträge, gehalten im Verein für Naturkunde zu Pressburg von Prof. Fuchs. 1858. 80. Liste des membres de la Societe geol. de France au 1. Juillet 1859. 80. Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft in Würz- burg. Bd. X. Heft 1. 2. 3. Würzburg 1859-60. 80. Anuales de l'Observatoire physique -central de Russie publiees par Ordre de Sa Majeste Imperiale etc. par A. T. Kupfer. Annee 1856. Nro. 1. St. Petersburg 1858, Nro. 2. Correspondance meteorologique pour l'Annee 1857. St. Petersb. 1858. 40. Compte Rendu anuuel adresse ä S. Exe. M. De Knaijevitsch, ministre des Finances, par le directeur de PObservatoire physique central A. T. Kupfer. Annee 1857. St. Petersb. 1858. 40. Memoires de la Societe royale des Sciences de Liege. Tom. XIV. Liege 1859. 80. Bulletin de la Societe Vaudoise des Sciences naturelles. Tom. V. Nro. 39. 40. Tom. VI. Nro. 44. 45. 46. Lausanne 1856—60. 80. Reglements de la Societe Vaudoise des sciences naturelles. 80. Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. Br. Bd. II. Heft 1. 2. 1859—60. 80. - 17 - Neueste Scliriften der naturforsclienden Gesellschaft in D a n z i g. Bd. III. Heft 1. 1835. 40. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 13. Jahrgang. 1859. 8». Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 1859. X. Jahrgang. Nro. 1. 2. 3. Wien. 8». Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. X. Heft 4. Bd. XI. Heft 1. 2. Berlin 1858—59. 8«. Ansprache gehalten am Schlüsse des ersten Decenniums der k. k. geolog. Reichsanstalt in Wien, am 22. Nov. 1859 von Dr. Hai- dinger. Wien 1859. 8». Correspondenzblatt des naturforschenden Vereins in Riga, Jahrg. X. XL Riga 1858—59. 8». Correspondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereins in Regens- burg. XIII. Jahrg. 1859. S». Memoires de la soc. imper. des sciences naturelles de Cherbourg. Vol. IIT. 1855. 80. Bulletin de la societe Linneeune de Normandie. Vol. IV. Annee 1858—59. Caen 1859. 8». Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogthum Nassau, Heft 13. Wiesbaden 1858. 8». Die Athysanus-Arteu der Gegend von Wiesbaden von C. L. Kirsch- baum. Report of the Commissioner of Patents for the year 1857. Agriculture. Wash. 1858. 8«. First Report of a Geological Reconnoisance of the northern counties of Arkansas, made during the years 1857 u. 1858, by David Dale Owen. Little Rock 1858. 8«. Proceedings of the American Association for the Advancement of Science. XII. Meeting held at Baltimore May 1858. Cambridge 1859. 80. Proceedings of the Boston Society of natural history. Von Vol. VI. Titelblatt, Index u. Bogen 23—27 incl. Von Vol. VII. Bogen 1 — 9. 1859. 80. Transactions of the Academy of Science of St. Louis. Vol. I. Nro. 3. St. Louis 1859. 80. Geological Report of the Country along the line of the Southwestern Brauch of the Pacific Railroad, state of Missouri by G. C. Swallow. St. Louis 1859. 80. (Von der Academy of St. Louis.) Annais of the Lyceum of natural history of New York. Vol. VII. Nro. 1—3. 1858—59. 80. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. Is H^ft. 2 - 18 - Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rhein- lande und Westphal en s. Jahrg. XVI. Heft 1—4. 1859. 8». Monatbericht der kön. preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jan.— Decbr. 1859. 8». Mathematische Abhandlungen der kön. preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahr 1858. 4«. Dessgleichen Physikalische Abhandlungen aus dem Jahr 1858. 40. 36. Jahresbericht der schlesi sehen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Breslau 1838. 4^. Verhandelingen der kon. Akademie van Wetenschappen. Deel VII. Amsterdam 1859. 4^. Verslagen en Mededeelingen der kon. Akademie van Wetenschappen. Afdeel. Natuurkunde. Deel VIII. IX. Amsterdam 1858—59. 80. „ Letterkunde. „ IV. ^ 1859. 80. Jaarboek van de kon. Akademie van Wetenschappen, voor 1858. 80. Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift. Herausg. von der physik.-medic. Gesellschaft. Redig. von H. Müller, A. Schenk, R. Wagner. Bd. I. Heft 1. Würzburg 1860. 80. Tübinger Universitätsschriften a. d. Jahr 1859. Tüb.1860. 40. Sechstes Zuwachsverzeichniss der königl. Universitätsbibliothek zu Tübingen. 1858 — 59. 40. Flora des nördl. Schwarzwaldes. Inaugural- Abhandlung von Schüz. Calw 1858. 80. 10 medicinische Dissertationen von 1848 — 59. 80. Memoires de la Societe des sciences natur. de Neuchatel, Tom. IV. 1859. 40, Bulletin de la Societe des sciences nat. de Neuchatel. Tom. V. cah. 1. 1859. 80. Verhandelingen der erste Classe van het k. nederlandschelnstituut van Wetenschappen, Letterkunde en schone Künsten te Amster- dam. Derde Reeks. Deel I. Amsterdam 1849. 40. Memoires de l'Academie imper. des sciences, arts et Belleslettres de- Dijon. 2e ser. Tom. VII. Annees 1858— 59. Dijon 1859. 80. Note biographique sur Alex. Brongnart par d'Omalius D'Halloy. 80, Note biographique sur Louis Graves par Passy. 80. c) Durch erst in diesem Jahre eingeleiteten Tauschverkehr: Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie, uitgegeven door de Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie, onder Hoofdredaktie van P. Bleeker. Deel IV— XII. XV. XVI. XVII. Batavia 1853—58. 80. Acta societatis scientiarum indo-neerlandicae. Vol. I — IV. Bataviae 1856—58. 40; - 19 - Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. Jahrg. I. 1857. Jahrg. II. 1858. Jahrg. III. Heft 1. 2. 1859. Wien gr. 8». Hierauf trug Hospitalverwalter Seyffardt als Kassier des Vereins folgenden Rechiiuiigs-Abschlusis für das Jahr IS^^/eo vor. Meine Herren ! Gestatten Sie mir, dass ich Sie mit den Rechnungsresultaten bekannt mache. Nach der revidirten und abgehörten 16. Rech- nung pro 18^^60 betragen nämlich die Einnahmen A. Reste. 1) Rechners Kassenbestand auf 30. Juni 1859 . . 52 fl. 15 kr. 2) Activ-Ausstände ... 80 fl. 24 kr. 3) Ersatz-Posten ... — fl. 54 kr. 133 fl. 33 kr. B. Grundstock. Heimbezahlte Kapitalien 200 fl. — kr. C. Laufendes. 1) Activ-Kapital-Zinse . 141 fl. 17 kr. 2) Beiträge von den Mit- gliedern 1044 fl. 54 kr. neben 2 fl. 42 kr. Ausstand bei einem in Paris sich aufhal- tenden Mitgliede. 3) Staats-Beitrag ... 75 fl. — kr. 4) Ausserordentliche Ein- nahmen 19 fl. 31 kr. "l280 fl. 42 kr> Haupt-Summe der Einnahmen — :• 1614 fl. 15 kr. - 20 -- Ausgaben. A. Reste. 1) Zahlungs-Rückstände 41 fl. 22 kr. 2) Abgang und Nachlasa 5 fl. 24 kr. 46 fl. 46 kr. B. Grundstock. Kapitalien gegen Verzinsung hingeliehen . 700 fl. — kr. C. Laufendes. 1) für Vermehrung der Sammlungen . . . . 155 fl. 50 kr. 2) Buchdrucker- und Buch- binderkosten .... 462 fl. 57 kr. 3) für Mobilien .... 29 fl. 18 kr. 4) für Schreibmaterialien, Kopialien, Porti etc. . 43 fl. 13 kr. 5) Bedienung, Reinigungs- kosten, Saalmiethe etc. 149 fl. 47 kr. 6) Steuern 8 fl. 46 kr. "~849 fl. 51 kr. Haupt-Summe der Ausgaben — :• 1596 fl. 37 kr. Werden von den Einnahmen im Betrag von 1614 fl. 15 kr. die Ausgaben ; 1596 fl. 37 kr. abgezogen, so erscheint am Schlüsse des Rechnungsjahrs ein Kassen -Bestand von 17 fl. 38 kr. Vermögens - Berechnung. Kapitalien 3936 fl. — kr. Laufende Ausstände 2 fl. 42 kr. Remanet des Rechners 17 fl. 38 kr. der Vermögensstand beträgt somit am Schlüsse des Rechnungsjahres . . . 3956 fl. 20 kr. Da derselbe am 1. Juli 1859 .... 3493 fl. 39 kr. betrug, so stellt sich gegenüber dem Vor- jähre eine - 21 - Vermögens-Zunahme von — .; 462 fl. 41 kr. heraus. Nach der vorigen Rechnung war die Zahl der Mitglieder und Actien 385, hiezu die neu eingetretenen Mitglieder, näm- lich die Herren Finanzrath Herdegen, Kaufmann H. Reichert von Nagold, Hofzahnarzt Dr. Frisoni, Dr. Hallwachs, Bezirksförster Karl von Sigmaringen, Revierförster Jäger von Nattheim, Dr. Steudel von Böblingen, Regimentsarzt Dr. Hegelmaier von Ulm, Kaufmann Weiler, Baron Carl v. Palm von Mühlhausen, Dr. Klunzinger von Liebenzeil, Bau-Inspector Th. Hocheisen von Aalen, Kameralverwalter Knapp, Baurath G. Morlock, Kaufmann E. Fetz er, Friedensrichter Jackson, Verwalter Fr. Lempp, Fabrikant Fr. Mittler, Kaufmann E. Mittler, • „ H. Binder, Handlungs-Vorsteher A. Reiniger, jr., Kaufmann C. Dihlmann, Apotheker Dieudonn^ von Urach, „ Friedlein von Münsingen, Particuher N. Hahn, Oberamtmann Baron Schott v. Schottenstein von Böblingen^ Buchhändler A. Bonz, Zusammen 27 — :• 412 - 22 - Uebertrag — ;• 412 Hie von ab die ausgetretenen Mitglieder und zwar die Herren: Kaufmann S c h a 11 e r von Gros-Asbach, Revierförster Bührlen von Langenbrand, Professor v. Gmelin von Tübingen, Apotheker Bilfinger von Welzheim, Conservator Grün eisen von Tübingen, Maler C. Schmidt, Oberbaurath v. Fischer, Verwalter Zobel v. Oberndorf, E. Diefenbach von Immendingen, Professor Dr. Märklin von Tübingen, Chemiker Q. Schnitzer von Waldau, Schullehrer Siber von Oberdorf, 12 . Gestorben sind: Professor Zenneck, Freifrau v. Hügel in Kirchheim, Oberbaurath v. Bühl er, Finanzrath Dr. v. Sick, Pfarrer Komm er eil von Schopfloch, Bau- und Gartendirector v. Wild, Professor Pistorius von Ober-Ensingen, Ober-Med.-Rath v. Köstlin, Geheimerhofrath v. Job st, Regimentsarzt Dr. v. Reinhardt von Ulm, Direktor v. Wepfer, * Apotheker Weismann, 12 ^^ über deren Abzug die Zahl der Mitglieder und Actien am Rechnungsschluss beträgt 388 somit Zunahme gegen fernd 3 Mitglieder und Actien. Wahl der Beamten. Die bisherigen Vorstände, Professor Dr. W. v. Rapp und Oberstudienrath Dr. v. Kurr, sowie die statutengemäss aus- - 23 - tretenden Ausschussmitglieder wurden durch Acclamation für die nächste Verwaltungs-Periode wieder gewählt. Der Ausschuss besteht daher aus folgenden MitgHedern: Zurückgebliebene: Professor Dr. v. Fe hl in g, Medicinalrath Dr. Hering, Generalstabsarzt Dr. v. Klein, Professor Dr. Krauss, Kanzleirath v. Märten s, Dr. W. Menzel, Bergrath Dr. v. Schübler, Hospitalverwalter Seyffardt, sämmtlich in Stuttgart. Wiedergewählte: O.berreallehrer Dr. Blum in Stuttgart, Finanzrath Es er in Stuttgart, Professor Dr. Fleischer in Hohenheira, „ Dr. Fr aas in Stuttgart, Obermedicinalrath Dr. v. Jäger in Stuttgart, Professor Dr. Köstlin in Stuttgart, Oberstudienrath Dr. v. Kurr in Stuttgart, Finanzrath Dr. Zell er in Stuttgart. Zur Ergänzung des Ausschusses wurden in der Sitzung des Ausschusses vom 11. Januar 1861 gewählt: Professor C. W. Baur, Oberjustizrath Gmelin, Chemiker Haas, „ Dr. Marx, Dr. Paul Zech^ sämmtlich in Stuttgart. In derselben Ausschuss -Sitzung wurden die bisherigen Secretäre, Generalstabsarzt Dr. v. Klein und Professor Dr. Krauss, und der bisherige Kassier, Hospital -Verwalter Seyffardt bestätigt. Für den nächsten Ort zur G e n e r a 1 - V e r s a m m l u n g wurde Stuttgart und zum Geschäftsführer Oberstudien- rath Dr. V. Kurr bestimmt. - 24 - Die Vorträge begannen mit der Erinnerung an die hervor- ragenden Mitglieder, welche dem Verein im letzten Jahr durch Tod entrissen worden sind. Nekrologe. Nekrolog des Prof. Dr. Christian Gmelin in Tübingen, vorgetragen von Prof. Dr. Quenstedt. Christian Gmelin weilt nicht mehr unter uns! Mag das heute in diesem Kreise vielleicht weniger empfunden werden — öffentliches Auftreten liebte er nicht — so durften doch auch wir ihn einst den unsern nennen: Unser bleibt er für immer auf einem Gebiete, worin es in Schwaben ihm niemand zuvor gethan hat; unser hier im Geburtsorte seiner berühmten Väter, den er zu einer Pflanzstätte tieferer chemischer Bildung erhob. Denn nur wenige Naturfreunde werden unter uns sein, die nicht viel von ihm gelernt hätten. Mir ist daher eine schwere Aufgabe geworden , die ich nicht ablehnen durfte. Ich weiss es wohl, de mortuis nil nisi bonum , von Todten braucht man ja nur das Gute hervorzuheben, da wir von vorn herein wissen, dass jeder Sterbliche seine Schattenseite hat. Nein, bei Männern von solcher Begabung muss man die Wahrheit sagen, denn sie sollen für die Jünger der Wissenschaft ein unverfälschtes Vor- bild sein. Aber was ist Wahrheit auf dem Gebiete der Natur? Ist es nicht der Erisapfel, um den wir im Leben alle streiten, und dessen Urtheil auch uns erst der Tod löst? Und wie soll ich, der ich in die Tiefen der Chemie weniger eingeweiht bin, als mancher der hier Versammelten, die Verdienste eines Mannes schildern, welcher in der Fülle seiner Jahre überall mit an der Spitze stand. Doch habe ich das Eine vor Manchen voraus: — ich durfte mich zu seinen Freunden zählen, Blicke thun in sein tieferes Innere, zuweilen noch dann, wenn es müde von der Last des Lebens ahnungsvoll hinüberschweifte in das dunkele Jenseits. Da klang keine Saite nach der vermeintlichen Er- rungenschaft: ich weiss, dass aus mir nichts wird! Son- dern wie der ächte Weise ergab er sich in sein Schicksal^ das unserer Forschung ein stetes Geheimniss bleiben wird. „Aber komme, was da wolle, wie es ist, so muss es am besten - 25 - sein." Wie sollten wir das auch von einem so innerlich Be- gabten, der das wunderbare Treiben der Natur bis zu den chemischen Anfängen stets mit einer gehobenen Regung be- lauschte, anders erwarten? Jedes neue Gesetz war ihm ein Fingerzeig von der AermUchkeit unseres Wissens. Ein solcher Mann konnte nicht blos in seiner Chemie aufgehen, konnte nicht blos experimentiren und analysiren, oder sich gar unter einer dicken Schicht gelehrter Excerpte begraben. Nein, ward ihm die Last zu schwer, so wurde ein Theil bei Seite gestellt. Aber was er in die Hand nahm, das hat er gut ge- macht. Wir dürfen der Nachwelt sagen, dass es keinen selbst im grossen deutschen Vaterlande unter den Zeitgenossen gab^ der den Kern der Chemie klarer aufgefasst, geistreicher und an- regender wieder gegeben hätte, als unser verstorbener Freund. Sprach er auch im gewöhnlichen Umgänge nicht viel vom Fac4i, um so lebhafter wurde er angeregt, wenn man ihn um Belehrung anging: schon seine einnehmende Beredtsamkeit konnte dem Fremden dann beweisen, dass trotz aller Nebendinge, die ihn fesselten, doch die Wissenschaft allein ihm das Höchste blieb. Fand dieses noch in seinen letzten Jahren Statt, wo durch mannig- faltige Schicksalsschläge und langwierige Beschwerden die Kraft des Körpers sichtlich gelähmt war, wie muss es da erst in seiner Jugend gewesen sein , wohin wir jüngere ihn nicht mit eigenem Auge verfolgen können. Ich habe den Verstorbenen schon hochschätzen "gelernt , noch ehe er mir persönlich bekannt war. So oft mein Gönner und Lehrer Weiss in Berlin von Tübingen erzählte, war Ch. Gmelin der Gegenstand; seine Biederkeit und OtFenheit gepaart mit Talent und Wissen hatte dem jungen noch nicht 23jährigen Schwaben in der Metropole deutscher Bildung gar schnell die innigste Zuneigung erworben. Kaum war Klaproth 1817 todt, so dachte man ernstlich an ihn, zu einer Zeit, wo die meisten kaum die ersten Zeichen von Aner- kennung sich zu erringen vermögen. Was andern im gewöhn- lichen Umgange nicht selten schadet, schlug ihm in eine liebens- würdige Seite um. Genug, Weiss schwärmte für das furchtlose und treue Wesen seines Freundes, und war nur zu geneigt. - 26 — dem ganzen Schwabenlande gut zu schreiben, was sich hier in der Seele einer seiner treuesten Söhne auf originelle Weise vereinigt fand. In Berlin herrschte Jahrzehnte hindurch ein Mann, den Humboldt wiederholt den grössten Geologen des Jahrhunderts genannt hat, und was Geist anbetrifft gewiss mit Recht. Es war Leopold von Buch, aus uraltem märkischen Adel. Der hatte sein ganzes Leben an die Wissenschaft gesetzt, sie war ihm sein Eins^, war ihm sein Alles. Aber wehe, wer das Miss- geschick hatte seine Ideen mit andern Ansichten zu kreuzen, der wurde niedergedonnert, selbst ein Humboldt konnte solcher Wucht nicht widerstehen. Nur Ch. Gmelin ward mit ihm fertig, verkündete mir Weiss einst mit bedeutsamer Miene. Buch hatte in London, als er dort 1816 seine wissen- schaftlichen Triumphe feierte, Gmelin kennen gelernt und hier in Tübingen oft wieder aufgesucht, wo er eines Tages durch einen voreiligen Sprung aus dem Postwagen im Burgholze das Unglück hatte , den Arm zu brechen. Jetzt war beiden Freunden Zeit und Raum gegeben, sich bis ins Innerste kennen zu lernen. Damals, geht das Gerücht, sei auf einer geologischen Excursion der märkische Edelmann mit dem Tübinger Bürger nicht über Wissenschaft sondern über Politik derartig aneinander gerathen ^ dass sie auf freiem Felde in Zorn und feindlichen Geberden gegenseitig den Rücken gekehrt, um sich auf ewig nicht wieder zu sehen. Buch sei über diese unge- wohnt kräftige Reaction ganz verblüfft gewesen. Aber kaum sind beide sich aus dem Gesicht, so schlägt auch beide schon die Reue, sie kehren um, konnten sich jedoch zur Strafe erst nach einigen Irrfahrten wieder versöhnlich die Hand reichen. Vergessen wir auch bei solchen Erzählungen des alten Yirgil nicht, wie die böse Fama mobilitate viget viresque acquirit eundo, so liegt darin doch ein öffentliches Urtheil, was Beide schliess- lich ehrt. In den Freunden spiegelt sich der innere Werth des Mannes, deshalb war der Bund des grössten Geologen und des geistreichsten Mineralogen unserer Zeit mit dem Jüngern Tübin- - 27 — ger Chemiker gewiss nicht zufällig. Mochte auch der Name Gmeliii, der ein seltenes Beispiel in der Geschichte der Wis- senschaft, durch 4 Generationen hindurch volle 1^2 Jahrhunderte geglänzt hat, dazu den ersten Anstoss geben. Denn unser Christian Gottlob Gmelin, geboren 12. October 1792, war der Urenkel von Johann Georg, 1674 — 1728 Apotheker und Akademiker zu Tübingen, der aus der Schule von Hjärne seiner Zeit schon als ausgezeichneter Chemiker galt. Für uns schwäbische Petrefactensammler hat er noch eine ganz specifische Bedeutung, denn er war^ wie Ehrhart mittheilt, der Mann, „dessen vortrefflicher Schatz von Fossilien alles darbietet, was das lithologische Schwaben birgt." Es ist das zw^ar viel ge- sagt, doch wie wei-t es ging zeigt jener herrhche Unterkiefer vom Mammuth, der schon damals im Rhein bei Mannheim auf- gefischt, seinen Weg in das Cabinet des ersten Gmelin fand. Er, der Sohn eines unbekannten Schulmeisters von Münchingen bei Leonberg, war daher der ^vürdige geistige Stammvater einer Reihe von Gelehrten, worauf das ganze Schwabenland stolz sein darf. Die uns allen wohlbekannte Apotheke an der Markt- und Hirschgassenecke, welche leider vor wenigen Jahren ihr Schild änderte, war das Geburtshaus unseres Freun- des, das direct vom Urgrossvater durch den Grossvater Johann Conrad, 1702 — 1759, und den Vater Christian Gottlob, 1749 bis 1810, auf ihn vererbte. An diese Apotheke knüpft sich also zur Zeit der erste und letzte Name jener thätigen Schriftsteller auf dem Gebiete der Chemie. Das väterliche Haus, von mütter- licher Seite mit Cotta in der Münzgasse verschwistert, galt als ein Mittelpunkt geistigen Verkehrs, wo man in bürgerlicher Wohlhäbigkeit aber nichts destow^eniger einfach lebte. Dort schon hatte der feurige Knabe Eindrücke aufgenommen, die ihn bis zum Ende seiner Tage bewegten. Ach, wenn er von jenen guten alten Zeiten redete, wenn er Stundenlang Worte recitirte, wie sie hier und dort aus dem Mund seiner Lehrer und sonstiger Universitätsoriginale, die jetzt immer seltener werden, gefallen waren , wie heimelte einen das an , und wie musste man stau- nen, dass selbst das scheinbar Unbedeutendste, Dinge, die Hun- - 28 - derte gar nicht sehen, sich ihm schon früh tief eingeprägt hatten. Gewiss viele von den kleinern Zügen unserer Tages- geschichte, die nur ein geistiges Auge belauschen kann, die aber dem Bilde vergangenen Treibens Saft und Kraft verleihen^ sind mit ihm auf immer begraben. Ja wenn wir so an seinem Munde hingen, haben wir oft gerufen, wo ist der Griffel, der es aufzeichnet; jetzt wäre vielleicht der Griffel da, aber zu spät — der Mund spricht nicht mehr. Klassisch war seine Jugendbildung, denn er vermochte mit ganzen Reihen von Versen aus Horaz und Homer die Unter- haltung zu würzen. Früher bestand bei der Universität die löbliche Sitte, dass der angehende Professor durch einen ge- druckten Lebenslauf sich Rector und Senate vorstellen musste. Dieser sagt uns in fliessendem Latein (17. December 1817), dass der junge Student auf der Universität nicht blos die klassische Literatur bei Conz noch fortsetzte, sondern auch mit Vorliebe sich Pfleiderer's und Bohnenberger's Mathematik und Physik zuwandte. Ja man erzählt, dass, als er später die medicinischen Fächer treiben musste, er mit grösster Anstrengung und auf Kosten seiner Gesundheit nebenbei von den alten Lieb- lingsstudien nicht ablassen konnte. Den Doctorhut erlangte er mit einer gekrönten Preisaufgabe: sistens analysin chemicam renum hominis, vaccae et felis. Der Abschluss seiner Akademischen Studien fiel glücklicher Weise in die Zeit, wo im Frühjahr 1814 nach der Schlacht bei Leipzig die Alliirten siegreich in Paris eindrangen. Im October 1814 ging er daher mit seinem Vetter Leopold, der sich später in Heidelberg zu dem gelehrtesten Chemiker seiner Zeit auf- schwang, nach Paris, wo er im Laboratorium von VauqueHn arbeitete, Gay-Lussac und Thenard hörte, aber auch bei Haup, dem Begründer der Krystallographie, die Mineralformen studirte. Er hat mir oft erzählt, wie er mit diesem alten Meister vom Fach Arm in Arm den Vorlesungssaal verlassen habe, indem er der einzige war, der in der grossen Weltstadt für das Fach wirkliches Interesse bewies. Als aber am 20. März 1815 — 29 - Napoleon in den Tuilerien wieder erschien, verliess er schleunigst die Stadt, und ging langsam über Giessen, Marburg, Göttingen, Jena, Leipzig, Halle nach Berlin, um bei Klaproth seine chemi- schen Studien fortzusetzen. Allein er fand dort nicht, was er suchte, die Einrichtungen zum Laboriren waren schlecht. Doch gefesselt durch die Freundschaft mit Weiss hielt er den Som- mer dort aus, und nachdem er Werner in Freiburg besucht hatte, ging er nach Stockholm zu Berzelius, der ihn mit offenen Armen aufnahm. Sieben Monate lang arbeitete er bis zum Juni 1816 an dessen Seite, und machte in dieser Zeit seine Erstlingsarbeiten, Analysen über den Pargasit von Finland, und den Ichthyophthalm von Utö in den Abh. der Stockholmer Akad. 1816 in schwedischer Sprache bekannt. An Schweden hing er immer mit ganz besonderer Liebe, und hier hat er offenbar seine Richtung genommen, die haupt- sächlich auf Mineral-Analysen losging. Er durchreiste das Land zum Theil an der Seite von Berzelius. Grosser Freund der Botanik besuchte er Wahlenberg in Upsala 2 Mal, wmrde in die Famihe Linne's eingeführt, und sah noch dessen unverhei- rathete Tochter, die das Leuchten von Tropaeolum beobachtet hatte. Vorzüglich und mit ganz besonderm Eifer wurden jedoch schwedische Mineralien gesammelt, und dafür keine Kosten ge- scheut. Leider sind sie uns nicht geblieben, sondern in fremde Hände gelangt. Elfdalen, Fahlun, Dannemora, Utö wurden be- sucht, und von den berühmten Wasserfällen des TroUhätta ging es durch das unwirthsame Bergland Bohus nach Christiania; die Freude an Mineralien trieb ihn noch in vorgerückter Jahrs- zeit nach Laurvig und Arendal, und als er dann an der w^eiten Küste kein Schiff nach England fand, musste ersieh den stürmi- schen Wellen nicht ohne Gefahr anvertrauen, nach Göteborg in Schweden zurück, um von hier die Gelegenheit nach London wahrzunehmen, wo er den Winter von 1816 — 17 zubrachte, mit Heuland, Brooke , Wollaston , Davy etc. Umgang pflog. Schon der März 1817 trieb ihn fort in die Berge, um Eng- lands und Schottlands grosse Industrie zu sehen. Ueberall ward aus reinster Quelle geschöpft, und begünstigt von Glücksgütern ' _ 30 - hatte sich in der Frische seines Geistes der Kreis des Wissens schon so sicher gesclüossen, dass ihm auf seiner Heimreise nach dreijähriger Abwesenheit ein Ruf von Tübingen entgegen kam. Bis dahin hatte Kiehiieyer dahier die Chemie neben der Botanik vertreten. Es war nun einer der ersten Acte unseres Königs, dem die Universität so vieles dankt, dass beide Fächer getrennt wurden. Den jungen kaum 25 Jahre zählenden GmeUn hatte man zum Professor publicus ordinariius der Chemie ausersehen, eine Ehre, der sich in solchem Aker nur wenige Landeskinder rühmen können. Am 18. December Morgens 9 Uhr hielt er in der Aula nova (die jetzt die alte heisst) seine Antrittsrede: Historia theoriae combustionis. Damals gab es noch kein Labo- ratorium, sondern die alte Schlossküche mit ihren zwar grossen aber unheizbaren Räumen wurde ihm zum beUebigen Gebrauch überlassen. Da sich in jenen Zeiten mehr das Bedürfniss nach einem tüchtigen Lehrer als nach einem gewandten Experimen- tator geltend machte, so stellte sich das Verlangen nach be- quemern Arbeitsräumen erst nach und nach ein. Li Beziehung auf Lehrgabe ist er von wenigen erreicht, geschweige übertrof- fen. Seine sokratische Methode, eine Frucht klassischer Studien, zeigte sich besonders in den Examinatorien, welche er öffenthch vor einer grossen Zuhörerzahl mit ungetheiltem Beifall hielt. Hier lebte er auf und hier fühlte er sich in seinem wahren Elemente. Wenn er sonst nicht viel über Erfolg sprach, dar- über konnte er sich freudiger Bemerkungen nicht enthalten. Das glückliche Band, was zwischen Lehrer und Hörer ge- schlungen ist, wenn beide nach dem Besten streben, gab ihm sichtlich Kraft und Lust zur Sache bis ans Ende, was bei einem Lehrer, der 85 Semester thätig war, kein geringes Lob ist. Wir besitzen von ihm ein Buch mit dem bescheidenen Titel „Einleitung in die Chemie", welches im November 1836 vollendet wurde. Gegen 136 Druckbogen stark ist es keine Einleitung im gewöhnüchen Sinne, sondern wer dieses Buch, welches für seine Zeit auf der Höhe der Wissenschaft stand, durchgemacht hat, weiss was Chemie ist. Wie der Verfasser - 31 - selbst gesteht, war es eine Frucht jener Examinatorien , und zwar in „ganz zwangloser Form". Wie im Leben so blieb auch im Wirken das Zwanglose eine seiner originellsten Seiten. Der Feind wurde streng ins Auge gefasst, und wie es der Moment gab, besiegt, ohne weit meditirten Plan, und doch nicht planlos. Denn die Frage, wie soll man die beste popu- läre Chemie kurz und bündig schreiben, hat ihn als Lehrer bis an seinen Tod bewegt. Oft hat er die Feder angesetzt, oft die Feder wieder hingelegt, und noch am Morgen seines Todes- tages daran frisch gearbeitet. In seinem Haupte war die Frucht reif, aber wir sollten sie nicht mehr erndten. Dem Experiment gab er zwar seine gebührende Stelle, allein die unzweckmässige Einrichtung, dass er 30 Jahre ge- trennt vom Laboratorium lesen musste, zwang ihn zu einer Ge- wohnheit, die mit der Hebung des Hindernisses nicht mehr ganz abzustreifen war. Auch der Glanz unserer heutigen In- stitute ist Errungenschaft, die manchen bittern Kampf gekostet hat. Die Jüngern können sich glücklich schätzen, dass jene Zeiten dank einer weisen Regierung wenigstens zum grössten Theil hinter uns liegen. Was man einmal 60 Semester zu thun ge- nöthigt war, wird im 61ten schwer anders gemacht. Der süssen Gewohnheit mögen sieh selbst die besten Geister im vorgerück- ten Alter nicht gern entziehen. Doch hat er auch hierin wenig- stens den guten Willen gezeigt. Denn als das neue Labora- torium im Jahr 1846 eröffnet wurde, kündigten beide Lehrer praktische Uebungen in täglich 2 Stunden an. Es schien ein plötzlicher furor chemicus in das neue Kleid der Universität ge- fahren zu sein. Aber es zeigte sich bald , dass man keine Sprünge machen darf; zunächst schützten die Studirenden Mangel an Zeit vor, die Lehrer gaben vielleicht auch nicht un- gern nach, und so reducirte sich der Unterricht in der Analyse auf wöchentlich 4 Stunden, welche Gmelin bis ans Ende treu- lich eingehaUen hat. Die Menge ist damit zufrieden gewesen,, wenn gleich bei Einzelnen Weiterstrebenden der Wunsch, mehr Gelegenheit zu haben, nicht immer in Erfüllung ging. — 32 - Für seine Person hatte Gmelin, der einst das Glück genoss, an der Seite der bedeutendsten Experimentatoren Europa's zu arbeiten, auch in der Analyse Fertigkeit und Pünktlichkeit sich angeeignet, worüber die Schriften namentlich ans der ersten Hälfte seiner Wirkungszeit das beste Zeugniss ablegen. Ich darf hier nur an die Analysen vom Petalit Juli 1819, Lepido- lith September 1820, Periklin Juni 1824, Helvin Februar 1825, Lithiongliramer Febr. 1826, Turmalin Febr. 1827, Beryll Febr. 1840 etc. erinnern, welche als Dissertationen bei der medicini- schen Facultät erschienen. Es herrscht dort nämlich die alt hergebrachte Sitte, dass der Praeses dem Doctoranden den In- halt der Arbeit liefert. Geschichtüch sei nebenbei erwähnt, dass Gmelin der erste war, welcher im September 1820 die Disser- tation über Lepidolith in deutscher Sprache schrieb. Wie es scheint, geschah es ohne Rücksprache mit Rector und Senat: die Sache wurde kurz damit abgemacht, dass Latein für Chemie nicht passe, folglich die Materie um der Form willen nicht lei- den dürfe. Grade an den schwierigsten Dingen, wie Helvin und Turmalin, zeigte der Verfasser, wie sehr er seinen Vorgän- gern überlegen war. Sie bleiben für immer Muster von Ana- lysen. In jene erste Zeit gehören auch die „Versuche über Wirkungen des Baryts, Strontians etc. auf den thierischen Or- ganismus 1824" , welche als ein besonderes Werkchen heraus- kamen. Es leuchtet aus diesen mühsamen Arbeiten ein leben- diges Interesse auch für physiologische Probleme hervor. Wir besitzen aus den Jahren 1826—28 fünf Hefte „Naturwissen- schaftlicher Abhandlungen herausgegeben von einer Gesellschaft in Würtemberg". Namen wie Bohnenberger, Gärtner, Schübler, Ferdinand und Christian GmeHn bürgen uns für den Inhalt, der unsern Jahresheften noch heute als Vorbild dienen könnte; die alten Grössen sind alle dahin, nur eine*) weilet hier noch unter uns, die davon sagen könnte. In jener Zeit erscheint Christian Gmelin als der fleissigste unter den fleissigen mit 6 inhaltsrei- chen Abhandlungen: im ersten Hefte verbreitete er sich über *) Prof. Dr. Rapp. - 33 - die Kalkforraationen Schwabens in Beziehung auf Bittererdegehalt. Die Bittcrerde hatte damals durch die gefeierte Abhandlung Buch's über den Dolomit neues Interesse für Geologen beliommen. Gmelin wies ihr nun eine bis dahin nicht geahnte Verbreitung nach. Im 3. Heft kommt die Untersuchung vom "Wasser des todten Meeres, welches ihm ein Bürger von Ehningen gefüllt und in wohl verpichter Flasche überliefert hatte. Im 5. Heft werden wir in den Beitrügen zur nähern Kenntniss der Natur vulkanischer Gebirgsarten mit der neuen wie genialen Methode bekannt, welche in Beziehung auf die Zerlegung von Khngstein und Basalt ungetheilten Beifall fand. Mögen auch jetzt wieder andere Ansichten Platz greifen w^ollen, dem einstigen Verdienste ist damit wenig genommen. Den Schluss macht die Zeitschrift mit der Darlegung über das künstliche Ultramarin, was praktisch mit so glücklichem Erfolge gekrönt ist. Die unge- schminkte Erzählung des Hergangs zeigt zur Genüge , welch' wesentlicher Antheil ihm daran gebührte. Seine zufällige Ent- deckung, dass der Ittnerit vom Kaiserstuhl im Feuer schön blau ward und in Säuren Schw^efelwasserstoff entwickelte, wie das Ultramarin, hatte schon im Jahre 1822 die Idee der Berei- tung in ihm erweckt. Aber in einer kleinen Stadt waren bei der Kostbarkeit des ächten Ultramarin, das seit undenklicher -Zeit aus dem seltenen Lasurstein der hohen Tartarei dargestellt wird, die nothwendigen Vorarbeiten mit grossen Schwierigkeiten verknüpft. In dieser Bedrängniss ging eu im Frühjahr 1827 nach Paris , und theilte Gay-Lussac sein Vorhaben mit. Der französische Gelehrte gab ihm den Rath, gegen Niemand etwas zu äussern, und derselbe war es dann, der 10 Monate später am 4. Februar 1828 den Pariser Akademikern verkündigte, dass einem Herrn Guimet in Toulouse die künstliche Darstellung ge- lungen sei, ohne dabei GmeUn's zu gedenken! Gay-Lussac (Ann. Chim. Phys. 1828. XXXVII. 413) sucht sich nun zwar dagegen zu rechtfertigen , und Guimet behauptet sogar, dass er das Geheimniss schon Jahre lang mit sich trage, und der Maler Ingres bereits im Juli 1827 sich des künstlichen Products beim Plafond des Museums von Charles X. bedient habe; nur bemerkt Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 3 - 34 - " Poggendorf (Annalen 1828. XIV. 370) dagegen sehr triftig, wie auffallend es sei, dass er seine Entdeckung 2 Jahre zurück- halten mochte, während die Societe d'Encouragement schon seit 4 Jahren einen Preis von 6000 Franken vergeblich darauf ge- setzt hatte. Die Sache ist unklar. Das eine aber um so klarer, dass Öffentlich keiner die Natur so auf ihrer That belauscht hat, wie unser Gmelin, der durch blosses Blasen der Löthrohrflamme auf einen schwarzgratien Stein das Blauwerden vor Augen führte, und von hier aus durch Verbesserung der Analysen den Grund im Schwefel erkannte. Er war das neue Ferment, das die Köpfe in Bewegung setzte, seine glückliche Corabinationsgabe hat den Tartarenfürsten eines der werthvollsten Juwele entführt. Jetzt hat der Tod auch die Schmerzen gestillt, welche die Worte bergen : „Wenn eine wichtige technische Entdeckung reichen „Gewinn verspricht, so ist es gewiss Niemand zu verargen, „wenn er sie in der Absicht geheim hält, um sich unabhängig „zu machen; denn Unabhängigkeit ist das höchste „Gut vernünftiger Menschen." Gmelin meint hier aus- drücklich die Unabhängigkeit durch irdische Güter: aber nicht sich hatte er dabei im Auge, sondern die Seinigen, für die er als liebender Vater oft nur zu ängstliche Sorge trug. Doch geziemt es uns nicht darüber zu rechten, noch zu klagen, wenn er einen Theil seiner Persönlichkeit dem heiligen Feuer der Wissenschaft entzog, um ihn in Liebe zur Familie an das Wohl- ergehen des Vaterlandes zu knüpfen. Er hat sich damit seine Stellung zur Welt nicht leichter gemacht. Aber das Wollen des Guten entscheidet für den braven Mann, desshalb wird ihm die Erde jetzt um so leichter sein. Nekrolog des Professor Dr. Hochstetter zu Esslingen, vorgetragen von Oberstudienrath v. Kurr. * M. Christian Ferdinand Hochstetter wurde am 16. Februar 1787 zu Stuttgart geboren, wo sein Vater, Joh. * Grösstentbeils nach einer in HeindPs Galerie berühmter Päda- gogen, Augsburg 1857 erschienenen Selbstbiographie. - 35 - Heinrich Hochstetter, Professor der Rechtswissenschaft an der Hohen Karlsschule war; seine Mutter war die Tochter des Rektor Schlegel in Heilbronn. Im Herbst desselben Jahres zog sein Vater nach Frankfurt am M., wohin er als Syndikus berufen worden war, 1792 aber wieder nach Stuttgart, wo er eine Anstellung als Rechtsconsulent bei der Landschaft erhalten hatte, starb aber schon im Jahr 1795 und hinterliess 7 Kinder, wovon unser Hochstetter das 5te war. Derselbe besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, kam 1801 in das Seminar zu Blaubeurcn, 2 Jahre spcäter in das zu Bebenhausen und bezog 1805 das theologische Stift zu Tübingen, wo er 1807 zum Magister der Philosophie promovirt wurde. Bisher waren die alten Sprachen, Mathematik, Physik, Philosophie und Geschichte die Hauptgegenstände seiner Studien, von da an aber wandte er sich der Theologie zu, obgleich ihn schon damals Mathematik und Naturwissenschaften besonders anzogen. Diese Studien er- litten aber 1808 eine Unterbrechung, indem sich Hochstetter mit mehreren Gleichgesinnten (Wagemann, Reichen bach, Georgi u. A.) zu dem „Otahaiter Bund" vereinigt hatte, welcher auf Otahaiti ein neues Utopien gründen wollte, aber der Regierung als staatsgefährhch geschildert worden war und die Verhaftung- der Mitglieder und eine Einsperrung auf dem Schloss, die 70 Tage dauerte, zur Folge hatte. Nachher wurden jedoch die theologischen Studien abermals fortgesetzt. Allein gegen Ende des Jahres 1809 fiel auf Hochstetters Stube, wo er Senior w^ar, ein Excess vor, für den er einstehen musste, wenn der Thäter nicht ange- zeigt wurde. Daher zog er es vor, sich der weiteren Unter- suchung durch die Flucht zu entziehen, um so mehr, als er gehört hatte, man werde ihn dem Militär einreihen, was damals in solchen Fällen häufig geschah. Er begab sich mit seinem Freund "Wagemann nach Erlangen, wo dieser doktorirte, und schon nach 2 Monaten nach Berhn. Hier wirkte er an einer Privatanstalt 6 Monate lang als Lehrer, dann 4 Jahre lang als Hauslehrer in dem Hause des Ministers v. Altenstein, auch be- trieb er in seiner freien Zeit eifrig das Studium der Botanik, wozu ihm schon in Tübingen sein Freund Wagemann Anleitung — 3ß - gegeben hatte, und kam auch zuweilen mit Wildenow und Bouche in Berührung. 1814 verheirathete er sich mit Fräulein Schmidt aus Berlin, nachdem er kurz zuvor seine Stelle verlassen hatte, und zog nach Nürnberg, wo er die Bekanntschaft von Schweigger, Pfaff, Schubert und Kamm machte und für Dr. Wagen\ann Commissions- geschäfte besorgte, auch die Botanik weiter cultivirte. Im Frühjahr 1815 erkrankte seine Frau und starb zu seinem grössten Schmerz schon im Juni desselben Jahres. Ein Ausflug nach München brachte ihn in nähere Bekanntschaft mit den Herren Coiisistorialrath Niethammer, Präsident v. Roth, Jacobi und Hofrath v. Martins, aber die Hoffnung, dadurch eine feste Stellung irgendwo zu gewinnen, erfüllte sich nicht. Da kam ganz unerwartet von der protestantischen Kirche in Brunn (Mähren), wo er Freunde hatte, ein Ruf, die Stelle eines Pre- digers und Schulinspektors bei ihr zu übernehmen. Da sich H. schon geraume Zeit von der Theologie abgewendet hatte, so machte er Einwendungen und wollte blos als Lehrer daselbst auftreten^ allein es half nichts. Er bestand in Wien in dem Consistorium ein Colloquium, erhielt die Erlaubniss zu Ausübung des Predigtamtes, wurde am 27. April 1816 nach einem zuvor erstandenen theologischen Examen in Bielitz von dem Superin- tendenten Schmitz ordinirt und dann in die Gemeinde eingeführt. Bald wurde ihm auch das Seniorat über mehrere evangelische Gemeinden Mährens übertragen und er wirkte 8 Jahre lang mit gutem Erfolg und von der Brünner Gemeinde geliebt und ge- achtet in seinem doppelten Amt. Im Mai 1817 verehlichte er sich zum 2. Mal mit der Tochter des Fabrikanten Leidenfrost in Brunn und machte bald darauf einen Besuch bei Mutter und Geschwistern in Stuttgart. Während seines Aufentlialts in Briinn sammelte er die Pflanzen des Brünner Kreises mit Vorliebe und gab sie in Centurien heraus, beschäftigte sich auch mit Mineralogie, indem er eine Sammlung für seine Schule anlegte. Am 9. März 1818 wurde ihm der erste Sohn geboren, aber wenige Tage nachher starb die Mutter, und er war wieder vereinsamt. - 37 - Im Sommer 1819 machte er wieder eine Reise in die Heimath, erstand — um sich daselbst um eine Anstellung be- werben zu können — das Professoratsexamen, und kehrte, nach- dem er sich mit der Wittwe eines Kaufmanns Orth verehlicht hatte, nach Brunn zurück. Seine Frau brachte ihm eine Tochter aus erster Ehe mit, welche nun mit seinem eigenen Sohn er- zogen und immer als ein liebes Kind behandelt wurde. Im Frühling 1824 wurde er zum Professor an dem Schullehrerseminar in Esslingen ernannt und übersiedelte, von der Brünner Gemeinde ehrenvoll beschenkt und von ihren Segenswünschen begleitet, nach Esslingen, wo er an seinem Schwager, Oberschulrath Denzel, welcher dem Seminar vorstand, einen treuen Freund und Rathgeber fand. Die Reise dauerte 14 Tage und hatte mancherlei Beschwerden, da sich die Famiüe um 2 Kinder ver- mehrt hatte, wurde jedoch glücklich zurückgelegt, hatte aber auch grosse Opfer gekostet. Am 13. Mai 1824 erreichte er seinen neuen Wohnort und trat dann in sein neues Amt ein, wo er Katechetik, Naturgeschichte, Physik, Mathematik und deutsche Sprache zu lehren hatte und bald auch den Religions- unterricht in einer mit dem Seminar verbundenen Musterschule für Mädchen übernahm. Ende 1825 wurde ihm auch die er- ledigte Diakonat-Pfarrei übertragen , nachdem er kurz zuvor auch seine dritte Gattin durch den Tod verloren hatte. Am 27. Aug. 1828 verband er sich mit der Schwester seiner ver- ewigten Gattin, mit welcher er bis an sein Ende in glücklicher Ehe verbunden blieb, und welche ihm noch 6 Kinder, 3 Söhne und 3 Töchter gebar, wovon noch 5 am Leben sind. H. hatte aus Brunn eine schöne Mineraliensammlung und fein mit Doubletten reichlich ausgestattetes Herbarium mitgebracht, sich auch bereits viel mit Insektenkunde beschäftigt. In Ess- lingen fand er an Dr. E. Steudel einen eifrigen Botaniker und schloss bald mit ihm nähere Freundschaft. Sie gaben 1826 einen Ueberbhck der deutschen und schweizerischen Flora heraus: Enumeratio plantarum Germaniae Helvetiaeque indigenarum. Stuttgart, Cotta, 1826. Sodann stifteten sie mit einander den botanischen Reise- - 38 - Yerein und sandten der Reihe nach jüngere Botaniker, Fleischer, Miller, Kiirr, Endress, Schimper n. A. aus, um die Floren weniger bekannter Länder zu erforschen und zu sammeln, ein Unter- nehmen, welches manche erfreuliche Früchte, aber auch viele Sorgen und Mühe brachte. Die wissenschaftlichen Resultate dieser Reisen wurden meist von beiden Freunden gemeinschaft- lich in der Regensburger botanischen Zeitung bekannt gemacht, das Herbarium unseres Freundes aber erhielt dadurch so nam- hafte Zuflüsse, dass es bald zu einem der schönsten Deutschlands heranwuchs, so dass die Universität Tübingen es später (1847) zu erwerben für gut fand. Zudem kam er dadurch mit den ausgezeichnetsten Botanikern Deutschlands und der Nachbarländer in vielfachen Verkehr und erwarb sich viele Freunde in der Nähe und Ferne. 1829 vertauschte er die Diakonatsstelle mit dem zweiten Stadtpfarramte, das eben erledigt wurde, und erhielt damit auch eine geräumige Amtswohnung, wo er seine Sammlungen passend unterbringen und erweitern konnte. Könnten diese Räume reden, so wüssten sie viel zu erzählen von dem unermüdeten Fleiss und der harmlosen Thätigkeit unseres Freundes , von den er- freuenden Besuchen befreundeter Botaniker, welche er da empfing, von den häuslichen und amtlichen Sorgen des vielbeschäftigten, aber auch glücklichen Familienvaters, und von der Art und Weise, wie er bei all dieser Thätigkeit auch noch seine Söhne unterrichtete und an ihren Spielen Antheil nahm. Sein Lehrer- beruf an dem Seminar nöthigte ihn die populäre Seite der Natur- wissenschaften zur Geltung zu bringen und so bearbeitete er zuerst eine neue Ausgabe von Rebau's (Gebauers) Natur- geschichte für die deutsche Jugend, welche bei Macken in Reutlingen 1828 erschien, und später wiederholt verbessert und aufgelegt wurde. Hierauf verfasste er seine populäre Botanik, dann die populäre Mineralogie, wovon jene in 3 Auflagen verbreitet wurde; 1845 gab er die Giftgewächse Deutschlands und d e r S c h w e i z in colorirten Abbildungen im Verlag von J. F. Schreiber in Esshngen, 1853 die Natur- ~ 39 — geschichte des Pflanzenreichs in Bildern nach Schuberts Lehrbuch geordnet bei Schreiber und Schill heraus. - Aber auch im Gebiet der Theologie und Pädagogik war er nicht miissig. 1833 erschienen bei Löflund in Stuttgart seine „Beiträge zur Beförderung christlicher Erkenntniss und christlichen Lebens" in 30 Predigten. Ferner 1845 bei Samuel Liesching in Stuttgart eine Controverse: über den offenen und herzlichen Hass gegen die Kirche etc., sowie einige Aufsätze in pädagogischen Zeitschriften über Schul- bücher und dgl. Später erschien auch eine Schrift über die Impffrage von ihm, und besonders über das englische Blaubuch. Hochstetter hatte sich bei seiner stillen Berufsthätigkeit und einfachen nüchternen Lebensweise stets einer guten Gesund- heit erfreut, fühlte jedoch vor einigen Jahren das Bediirfniss, in seinem doppelten Amte etwas erleichtert zu werden und bat daher um Enthebung von dein Pfarramte , die ihm auch in Gnaden gewährt wurde, dagegen setzte er sein Lehramt bis an sein Ende fort. Die gute Erziehung, die er in Gemeinschaft mit seiner Gattin seinen Kindern gegeben, trug reiche und schöne Früchte. Der älteste Sohn hatte in Mähren mehrere grossartige Fabrik- geschäfte gegründet, der zweite hatte als Universitätsgärtner in Tübingen eine ehrenhafte Stellung gefunden, der dritte hatte als Naturforscher mit der Novara-Expedition glücklich die Reise um die Welt vollbracht und am Polytechnikum in Wien eine An- stellung als Professor erhalten, eine Tochter war glücklich in Neapel verheirathet, eine Reihe blühender Enkel erheiterte die Tage des glücklichen Familienvaters, ein vierter Sohn hatte sich kürzlich als Apotheker in Esslingen etablirt. Zu seiner Ver- mählung waren die Brüder aus den österreichischen Landen herbeigeeilt und die ganze Familie begab sich nach Reutlingen, "wo der Vater selbst die Trauung vornehmen wollte. Da traf noch die frohe Kunde ein, dass Seine Majestät der König dem Sohn Ferdinand, dem Naturforscher von der Novara, das Ritter- kreuz des Kronordens verliehen habe. Das war des Guten zu viel; das menschliche Herz kann mehr Schmerz als Freude er- tragen. Eben sass der Vater noch heiter und gesprächig im «- 40 - trauten Kreis der Seinigen, da verfiel ihm plötzlich die Stimme und ein Herzschlag machte alsbald seinem Leben ein Ende. Er starb am 20. Februar 1860, nachdem er noch 4 Tage zuvor seinen 74. Geburtstag gefeiert hatte, und wurde am 23. Febr. in Esslingen beerdigt. H. war Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften, unserem Verein gehörte er von seinem Entstehen an mehrere Jahre lang als Ausschussmitglied an und war demselben stets mit warmer Liebe zugethan. Dem nachfolgenden Geschlecht hat er ein seltenes Beispiel gewissenhafter Berufstreue und ernstlichen wissenschaftlichen Strebens gegeben. Sein Andenken möge im Segen bleiben! Nekrolog des Apothekers Weismann zu Stuttgart, viel- jährigen Kassiers des V. f. v. Naturkunde , vorgetragen von Oberstudienrath v. Kurr. Gottlieb Weis mann wurde den 13. Aug. 1798 zu Nie- derstetten, OA. Gerabronn, geboren, wo sein Vater fürstlich Hbhenlohe-Jagstbergischer Amtmann war; seine Mutter Katha- rine, war die Tochter des Landschaftsassessors Beck in Cann- statt. Anfangs besuchte er die Schule des Dorfes und genoss nachher den Unterricht des Präceptors Metzger in Marbach; nach der Confirmation trat er bei Apotheker Sandel in Oehrin- gen in die Lehre und versah dann bei seinem älteren Bruder in Friedrichshafen, bei Pfluger in Solothurn, sodann in der Hof- apotheke in Carlsruhe und in der Gaupp'schen Apotheke in Stuttgart die Stelle eines Gehilfen. Schon frühe war die Liebe zur Botanik bei ihm erwacht, und so benützte er namentlich den Aufenthalt in Solothurn fleissig, um den benachbarten Weissenstein und auch die Berner Alpen zu durchforschen, von wo er eine schön ausgestattete' Pflanzensammlung zurückbrachte, welche er in Carlsruhe noch weiter vermehrte und auch durch die Gewächse des dortigen botanischen Gartens erweiterte. In Stuttgart wurde er von einem heftigen Nervenfieber befallen, das ihn dem Rande des Grabes nahe brachte; doch erholte er sich nach einigen Mona- — 41 — ten wieder vollständig. Nachdem er das Examen mit Glück erstanden und noch ein halbes Jahr die Ekher'sche Apotheke in Esslingen verwaltet hatte , erkaufte er die Apotheke in Metzingen und verheirathete sich im Mai 1828 mit Heinrike Nicolai , der Tochter des Pfarrers M. Nicolai in Dettingen. Diese Ehe war für ihn die Quelle des reinsten häuslichen Glücks, obwohl sie nicht durch Kinder gesegnet war, und eine lange Reihe von Jahren hindurch ward sie verschönert durch den Aufenthalt des nach langen Dienstjahren in den Ruhestand ver- setzten Schwiegervaters, eines ebenso liebenswerthen als ehr- würdigen Greisen. In Metzingen legte sich Weismann mit allem Fleiss darauf, die geognostischen Verhältnisse der Umge- gend zu erforschen und die charakteristischen Petrefacten der Juraformation zu sammeln, daher er dort auch öfter Besuche von Geognosten, wde z. B. Prof. Schübler in Tübingen, Graf Münster, Leopold v. Buch u. A. erhielt, und welche er auch gewöhnlich auf ihren Wanderungen begleitete. Besonders schön waren die Jahre 1829 — 32, wo die Geognosie anfing durch die genauere Erforschung der Petrefacte und der Schichtenord- nung festen Boden zu gewinnen, und es vergingen oft kaum einige Monate, ohne dass ich damals mit den Freunden Schüb- ler oder Fleischer Metzingen und das gastliche Haus des Freundes besuchte, wo wir stets willkommene, ja gefeierte Gäste w^aren. Pflichtgetreu und geordnet in jeder Beziehung wurde aber durch die naturhistorischen Studien die Dienstpflicht zu Hause nicht versäumt; im Gegentheil galt seine Apotheke als eine der besten im Lande, auch erwarb er sich durch Heranbildung mehrerer junger Männer zu tüchtigen Apothekern den Dank mancher Eltern. Im Jahr 1840 verkaufte W. seine Apotheke und zog nach Stuttgart, wohin ihn auch Papa Nicolai begleitete. Durch die Adoption einer Tochter seines älteren Bruders, der in Crailsheim Gerichtsnotar war, wurde der kleine Familienkreis helebt und öftere Besuche in Crailsheim , in dessen Nähe Mu- schelkalk und Lettenkohle so schön entwickelt sind und nament- lich das Knochenbett der letztern so reich an organischen Ueber- resten ist, gaben ihm Veranlassung mit anhaltendem Fleiss — 42 - dieselben auszusuchen und zu erforschen. Heitere Tage wur- den zu Excursionen, Ruhestunden und Regentage zum Zerschla- gen und Aussuchen jener interessanten Fisch- und Reptilien- überreste verwendet, und was der Freund nicht selbst sammeln konnte, das suchte sein Bruder durch häufige Nachsendungen zu ergänzen, so dass. im Verlauf von w^enigen Jahren eine Sammlung aus diesen Schichten zu Stande kam, welche kaum ihres Gleichen hat und nun durch die Güte desselben unserem Verein als Eigenthum übergeben worden ist und worin sich mehrere Prachtstücke befinden, wie sie Niemand sonst besitzt. Als sich im Herbst 1844 unser Verein constituirte, war W. einer der ersten , der sich mit Hingebung demselben an- schloss; alsbald übernahm er auf unser Ansuchen das Amt eines Kassiers und besorgte es bis an sein Ende mit der gröss- ten Pünktlichkeit und Treue. Ja man kann sagen, dass der geordnete und für unsere Verhältnisse blühende Znstand unserer Finanzen hauptsächlich auch seiner Umsicht und uneigennützi- gen Thätigkeit zu verdanken ist. Seit jener Zeit war er auch beständig Mitghed des Ausschusses, und wer vermisst heute nicht die Gegenwart des freundlichen Berichterstatters über den Kassenbestand unsers Vereins, welcher bei allen Versammlungen bisher anwesend und demselben bis an seinen Tod von ganzem Herzen zugethan war? Mit gleichem Eifer wirkte unser Freund für die Zwecke des früher von so schönen Erfolgen begleitet gewesenen Blumen- vereins, dessen Bibliothekar und Kassier er ebenfalls gewesen war. Bis vor wenigen Jahren hatte W. sich einer guten Gesund- heit zu erfreuen und seine einfache und geordnete Lebensweise schien ihm ein hohes Alter zu sichern , wie denn auch viel- fache Todesfälle in der Familie — er hatte allmählig alle seine Geschwister (11 an der Zahl) und im Jahr 1843 auch seinen 85 Jahr alten Schwiegervater zu Grabe geleitet — obwohl sie ihm tief zu Herzen gingen, seine kräftige Constitution nicht zu erschüttern schienen. Die glückliche Verheirathung seiner Adoptivtochter an Apotheker Bekh in Markgröningen und das Heranblühen ihrer Kinder erheiterte seinen Lebensabend auf — 43 — wohlthuende Weise. Dennoch stellten sich bei ihm seit etwa 4 Jahren zuweilen Anfälle von Kurzathmigkeit ein, welche ihm grössere Spaziergänge und namentlich das Bergsteigen verboten und ihn hauptsächlich im Winter zuweilen verhinderten, dem wöchentlich einmal versammelten Kreis naturforschender Freunde anzuwohnen. Am 12. December 1859 befiel ihn eine heftige Herz- und Lungenentzündung und führte schon nach 10 Tagen, am 22. December, nach zurückgelegtem 61. Jahre, ein sanftes Ende herbei. Die zahlreiche Begleitung von Männern aller Stände, welche am h. Christfest seinem Sai'ge folgten, bezeugte, wie der bescheidene, dienstfertige und in hohem Grade men- schenfreundliche Mann in seinem neuerwählten Wohnorte sich theilnehmende Freunde erworben hatte, und die stille, aber freudige Ergebung, womit er verschied, wand den schönsten Kranz um das Haupt des Entschlafenen, dessen letzte Jahre hauptsächhch der Einkehr in sich selbst und der Vorbereitung auf die Ewigkeit geweiht waren. Die wissenschaftlichen Vorträge eröffnete I. Prof. Dr. Luschka mit einer durch Präparate und Abbildungen erläuterten Beschreibung der von ihm entdeckten Steissdrüse des Menschen, eines erbsengrossen, in der Nähe des Os coccypis befindlichen Organs, dessen Structur Aehnlichkeit mit der des Hirnanhangs zeigte. Das Nähere ist aus der in- zwischen erschienenen Abhandlung: „Der Hirnanhang und die Steissdrüse des Menschen, mit 2 Kupfertafeln, Tübingen bei zu Guttenberg, 4^" zu ersehen. IL Oberstudienrath Dr. v. Kurr sprach über die Be- völkerung der Meere in verschiedenen Zonen oder Tiefen, unter Vorzeigung grossartiger Algen (^Laminaria Clathrus u?id Agarum, costata , esculenta, Macrocustis pyrifera, Viva la- tissima etc.) und einiger Korallen, w^orunter die zierliche Ocu- lina rosea Lam. aus der Südsee. Er hob hervor, wie die Ve- getation der Meere nicht nur in jedem Himmelsstrich, sondern auch in verschiedenen Tiefen eine verschiedene sei , wie aber auch die Beschaffenheit des Meeresgrundes und die Strömungen - 44 - einen Einfluss darauf üben, und namentlich, wie schnell die Vegetation gegen die Tiefe zu abnehme, so dass die oberste oder Littoralzone, im Bereich der Ebbe und Fluth sehr arm und einförmig, hauptsächlich durch einige Algen (Viva Lactuca Lünza, compressa) bezeichnet sei, während die zweite, ge- wöhnlich Laminarien-Zone genannt, von der tiefsten Ebbe bis zu 25 Faden Tiefe, die üppigste Vegetation an Laminarien, Conferven, Hornfaden (Ceramien), Florideen {Delesseria, Chon- dria, Rhodomela) und eigentlichen Tangen {Fucus nodosuSf, vesiculosuSf serratus , loreiis, FurceUaria lumbricalis u. s. w.) zeige, wovon mehrere wahre Buschwälder bilden. In grösseren Tiefen von 20 bis 100 Klaftern, der o b e ren und unter en Co- rallenzone, nehme die Vegetation schnell ab, sie werde ein- förmiger und immer sparsamer. Hier sind hauptsächlich die Sargassen zu Hause, welche theilweise eine sehr beträchtliche Länge erreichen. Damit im Zusammenhang stehe die Fauna des Meeres und namentlich der Aufenthalt der Mollusken und Strahlthiere , insofern auch hier, wie auf dem trockenen Lande,, die Pflanzenwelt den Thiercn die nöthigen Nahrungsmittel darbieten müsse. Um und auf den meist reichlichen Schleim enthaltenden Meerespflanzen leben eine Menge kleiner Crusta- ceen, Würmer, Mollusken und Infusorien, welche wieder den höheren Thieren zur Nahrung dienen , auch tragen die grünen Conferven und Ulvaceen wesentlich dazu bei, das Meerwasser selbst in kleinen Teichen und Gräben in der Nähe des Stran- des vor dem Verderben zu bewahren. Darauf gründe sich die Möglichkeit, Meeresaquarien auch in den Binnenländern anzulegen und verschiedene lebende Meerthiere darin gesund zu erhalten. Der Redner zeigte einen kleinen Behälter mit Meerwasser, lebenden Algen, die auf Steinen fest sassen, und einigen Aktinien vor, welch Letztere ihre zierlichen Tentakeln prächtig entfalte- ten. Es waren 6 Exemplare von Actinia Mescmbrijanihetmim., die er seit mehreren Monaten neben Anderen in einem grössern Glasgefäss aufbewahrt. Die grünen Pflanzen, hauptsächlich in Bryopsis plumosa, Conferva rujpestris und Ulva Lactuca be- stehend, entwickeln im Tageslicht immerfort Bläschen von - 45 - SauerstofFgas, wodurch das Wasser beständig klar und geruch- los erhalten wird, und an denselben entstehen fortwährend so viele Infusorien , dass die Tliiere hinlänglich Futter erhalten ; doch hat er schon einigemal auch kleine Stückchen Kalbsbraten ihnen in den Mund gesteckt, die sie mit Begierde verschlangen. Von anderen Polypen erhalten sich die Campanularien und Sertularien ebenfalls sehr gut in den Aquarien, von Mollusken die Litorinen, die Miesmuscheln (^Mytilus edulis) kleine Austern, Pholaden (^Pholas candidus) und dergleichen, von Crustazeen die Wasserflöhe {Gammarus) und Bernhardskrebse {Pagurus Bernhardus). Letztere,, in kleinen Schneckenhäusern lebend, sind besonders zierlich und unterhaltend, weil sie in beständiger lebhafter Thätigkeit sind und sehr zierliche Bewegungen machen. Diese müssen zuweilen mit kleinen Wasserthieren gefüttert wer-, den. Da sie aber auch mit Aas vorlieb nehmen, so kann man abgestorbene Miesmuscheln oder Austern, die man trocknet und in vorkommendem Fall in Meerwasser aufweicht, dazu verwenden. Von Fischen erhalten sich besonders kleine Blenniusarten sehr gut. Will man dergleichen Aquarien anlegen, so ist zuvörderst das Herbeischalfen des Meerwassers und der Pflanzen in gutem, Zustande erforderlich. Dieses geschieht am besten dadurch, dass man einen Topf oder eine Blechbüchse damit anfüllt und eine Parthie kleiner auf Steinen oder Muschelschalen fest ge- wachsener grüner oder rother Algen der oben bezeichneten Art hineinbringt. Sollte das Wasser während des Transports einen üblen Geruch angenommen oder sich getrübt haben, so muss es durch gröbliches Kohlenpulver, am besten von Knochenkohle, filtrirt werden. Man kann dasselbe aber auch künstlich vermehren oder- überhaupt zusanmiensetzen, zu w^elchem Behufe die Be- standtheile hier angegeben werden. Das Wasser an der Küste von Brighton im südlichen England besteht nach Schweitzer in 1000 Theilen aus: Chlornatrium 27,059 Chlormagnium 3,686 Chlorkalium 0,765 Brom-Magnium 0,029 — 46 — . schwefelsaurer Magnesia 2,295 schwefelsaurem Kalk 1,407 kohlensaurem Kalk 0,033 Wasser 964,744. Dasselbe hat ein spez. Gewicht von 1,026; 100 Theile enthalten durchschnittlich 2^,2 Theile der angeführten Salze. Werden nun diese nach den obigen Verhältnissen geraengt, in Regenwasser gelöst und filtrirt, so erhält man eine Mischung, welche das natürliche Meerwasser vollkommen ersetzt. Dennoch ist es gut, wenn man etwas des Letzteren dazu setzen kann. Ist dieses unthunlich, so bringt man für einige Tage eine Partie der Meerpflanzen in das künstliche Wasser, bevor man die Thiere hinein versetzt, damit das Wasser die nöthige Menge Gas aufnimmt und überhaupt für die Thiere zubereitet wird. Das Herbeischaffen der Meerthiere hat freiUch gewöhnlich mehr Schwierigkeiten, als dasjenige des Wassers und der Pflanzen. Am besten sammelt man dieselben selbst am Meeresstrand, wobei man an den Fischern, welche das Gestade und dessen Bevölkerung in der Regel sehr gut kennen, gewöhnlich eine gute Beihilfe und et. Am ergiebigsten sind felsige Ufer, besonders unmittelbar nach dem Eintreten der Ebbe, wo man nach hoher und stark bewegter Fluth oft die schönsten Thiere ausgeworfen auf dem Sande findet. Man bringt sie sogleich in ein Gefäss, worin man etwas Meerwasser und einige Ulven hat. Kann man nicht selbst sammeln, so lasse man sich durch Freunde oder Kommissionäre dergleichen senden, der Versandt muss ebenfalls in Meerwasser und zwischen solchen Pflanzen geschehen. Bei dem Empfang muss sogleich untersucht werden, ob die Thiere noch alle leben, und ob keine Pflanze abgestorben, das Wasser nicht übelriechend geworden ist. Im ersten Fall muss alles Todte sogleich entfernt werden. Ist aber das Wasser verdorben, so sind gewöhnlich auch alle Thiere todt, desswegen ist es wohlgethan, mehrere Töpfe mit den Pflanzen und Thieren auf die angegebene Weise zu füllen. Je zarter und weicher die Pflanzen sind und je mehr man dergleichen zu den Thieren bringt, desto besser erhält sich gewöhnhch das Wasser; daher nimmt man keine eigentlichen ■ _ 47 - Tange (Fucus vesiculosus, serratus ii. dgl.) sondern nur Ulven, Conferven, Ceramien u. dgl. Sollte aber das Wasser auf irgend eine Weise verdorben sein, so muss es durch thierische oder vegetabilische grobgepulverte Kohle filtrit werden, damit es wieder geruchlos werde. Die Erfahrung hat bis jetzt gelehrt, dass einige wenige Thiere sich leichter erhalten lassen als wenn man eine grosse Zahl derselben beisammen hat, und dass eine öfter wiederholte Bewegung des Wassers denselben sehr zu- träglich ist. III. Bergrath v. Schub I er theilte folgende Zusammen- stellung „der in den letzten Jahren durch bergmännische Arbeiten gewonnenen Aufschlüsse" mit. 1) Bohrarbeiten auf Steinkohle. lieber den Bohrversuch auf Steinkohle bei Ingelfingen sind der letzten Generalversammlung von Herrn Prof. Fraas und von mir Mittheilungen gemacht worden und ich erlaube mir über die bisherigen Ergebnisse das Wesentliche mitzutheilen. Ich erinnere daran, dass dieses Bohrloch auf der Gränze des Muschelkalks und des bunten Sandsteins angesetzt worden ist, dass der bunte Sandstein vom Tage nieder bis 1417 Fuss durchsunken worden ist, dass hier in der Mächtigkeit von 98 Fuss ein dem Zechstein zuzurechnendes Gebilde von dolomitischem Kalk aufgeschlossen wurde, dass ferner eine dem Weissliegendeii entsprechende Ablagerung von weissem grobkörnigem Sandstein bei 1516,5 Fuss erbohrt wurde. In diesem Gestein wurde nun vom Juli V. J. an bis 1649,4 Fuss die Bohrung fortgesetzt, was einer Mächtigkeit von 132,9 Fuss entspricht, unter diesem Ge- bilde wurde ein röthlicher Sandstein erbohrt, welcher mit rothen und rothbraunen Lagen von Schieferthon wechselte und Lager von Sandsteinschiefer zeigte, welche den oberhalb des Zechsteins durchsunkenen Schichten des bunten Sandsteins vollkommen ähnlich sich verhielten. Diese Schichten, welche von 1863 Fuss an in rothbraunen Schieferthon mit wenig Quarz und Jaspiskörner übergingen_, hielten bis 2162 Fuss an, wo ein sehr fester quarzreicher - 48 - Sandstein erbohrt wurde, weicher das Bohrgeschäft sehr er- schwerte. Die Arbeit hat jedoch trotz der bedeutenden Tiefe von 2200 Fuss einen guten Fortgang. * Es ist noch zu bemerken, däss während des ganzen Bohr- geschäfts die Wasser, welche sich bei 12,75 Fuss unter der Hängebank mit dem Kocher-Niveau gleich stellten, allmählig aufgestiegen sind und sich 6 Fuss gehoben haben. Die erbohrten Quellen sind jedoch nicht bedeutend und konnten bis zur Tiefe von 4 Fuss über dem Kocher-Niveäu durch zeitweises Ab- schöpfen mit einer Handpumpe von dem Bohrcylinder entfernt gehalten werden. Von der Tiefe von 700 Fuss an wurden Ausr Strömungen von kohlensaurem Gas bemerkt, die ausströmenden Schichten sind jedoch nicht zu unterscheiden. Dass der aus- geförderte Bohrsclimand Gasentwicklung zeigt, möchte sich da- durch erklären, dass die in der Tiefe des Bohrlochs befindlichen Wasser bei einem Druck von 40 — 60 Atmosphären mehr Kohlen- säure aufnehmen können als bei dem gewöhnhchen Atmosphären- druck. In technischer Beziehung ist anzuführen, dass sich die Bohreinrichtung in Ingelfingen mit Anwendung einer Dampf- maschine sehr gut bewährt hat. Vom Tage nieder bis zu 1539,6 Fuss wurde vom 23. März 1857 bis 15. Juni 1859 in 812 Kalendertagen durchschnittlich täglich mit Einrechnung aller Unterbrechungen durch Sonn- und Feiertage und Betriebsstörungen eine Tiefe von 1,9 Fuss durch- sunken. Die Kosten der Herstellung der Bohrhütte mit Einschluss der Dampfmaschine betrugen in Ingelfingen 21,802 fl. 22 kr., die Betriebskosten in 812 Tagen 26,785 fl. 27 kr. und für 1 Schuh Bohrtiefe stellen sich die Betriebskosten auf 17 fl. 24 kr. und auf 1 Kalendertag betragen die Betriebskosten 33 fl. I * Im Verlauf des Monat Juli war das Gestein günstiger und ein ausgehobener Zapfen zeigt einen quarzreichen conglomeratartigen rothen Sandstein mit einzelnen Feldspathausscheidungen, welche bis zur Tiefe von 2230 Fuss anhielt. — 49 — Bei dem Bohrloch bei Dürrmenz sind an Betriebskosten bei Anwendung von Menschenkräften für den Kalendertag eben- falls 33 fl. aufgewendet w^orden, es wurde aber bei Dürrmenz bis zur Tiefe von 1915,4 Fuss. nur durchschnitthch in dem gleichen Gestein 1,3 Fuss Bohrtiefe täglich erzielt. Im verflossenen Jahr wurde vom 15. Juni 1859 bis 22. Mai 1860 in Ingelfingen in 372 Kalendertagen das Bohr- loch von 1539,6 Fuss auf 2185,5 Fuss niedergebracht, oder in einem Kalendertag 1,74 Fuss erbohrt, was bei der bedeutenden Tiefe sehr befriedigend genannt werden kann, wobei allerdings das weiche Thongebirge theilweise sehr günstig wirkte ohne durch Nachfall Störungen zu veranlassen. Es ist hienach immer noch Aussicht vorhanden mit diesem Bohrversuch die Schichten des Rothliegenden zu durchsinken und die alte Steinkohlenformation aufzuschliessen, da bei gleichem Verhalten des Gesteins mit den vorhandenen Bohr Verrichtungen eine Tiefe von 3000 Fuss sich erreichen lassen könnte, wenn die Arbeit von Unfällen verschont bleibt, welche bei der sorg- fältigsten Behandlung häufig nicht zu vermeiden sind. Dergleichen Unfälle haben den von der K. preussischen Regierung bei Dettingen bereits auf 1900 Fuss niedergebrachten Bohrversuch zum Stillstand gebracht, indem die Arbeit durch anhaltenden Nachsturz so aufgehalten Avurde, dass eine Ver- wahrung des Bohrlochs nothwendig sich darstellt. Dabei scheint nach den neuerdings bei Dürrmenz und Ingelfingen gemachten Aufschlüssen der Zweifel entstanden zu sein, ob der bunte Sandstein durchsunken und das Rothliegende wirklich erreicht sein möchte, wie von den preussischen Bergbeamten früher an- genommen wurde, oder ob der Zechstein erst in grösserer Tiefe noch zu erwarten sein dürfte, was allerdings die Aussicht des Gelingens sehr trüben müsste. Da übrigens längs des Schwarz- w^aldes an sehr vielen Stellen das Rothliegende von dem bunten Sandstein unmittelbar qedeckt wMrd, so ist dieses Verhalten auch bei Dettingen recht wohl anzunehmen und es wäre sehr zu wünschen, dass die Bohrversuche auf Steinkohle am obern Schwarzwald zu einem entscheidenden Ergebniss gebracht würden. Warttemb. natnrw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 4 - 50 - 2) Die Versucliarbeiten auf den Metall führenden Gängen des Schwarzwaldes. Die Arbeiten in der Reinerzau zu Untersuchung der im Granit aufsetzenden Gänge, welche im vorigen Jahrhundert auf Silber, Kobalt, Kupfer, Arsenik und Blei abgebaut wurden, sind seit 35 Jahren wieder aufgenommen worden und werden noch fortgesetzt. Es werden an beiden Gehängen des Eeinerzauer Thaies Gänge im Granit verfolgt, jedoch bis jetzt ohne günstigen Er- folg. In der Grube Dreikönigstern wurden im vorigen Jahr- hundert Tiefbaue getrieben und einige reiche Anbrüche aufge- schlossen. Die Tiefbaue sind wiederholt in Anregung gebracht, aber wegen der erforderlichen bedeutenden Kosten noch nicht in Angriff genommen worden. Ohngeachtet einzelne reiche Erz- anbrüche in der Umgegend von Alpirspach bei den frühern ge- werkschaftlichen Arbeiten vorgekommen sind, so hat doch das sehr vereinzelte nesterweise Vorkommen die Eergbaulust auf der württembergischen Seite des Gebirges zurückgehalten, wäh- rend von einer englischen Gesellschaft in dem benachbarten Schappachthale auf badischem Gebiete mit bedeutenden Kosten ausgedehnte Arbeiten vorgenommen worden sind, welche jedoch einen mit dem Aufwand in günstigem Verhältniss stehenden Ertrag bisher nicht gewährt haben, wenn gleich die Gänge sich hier ungleich reicher als auf der w^ürttemb ergischen Seite zeigen. In geognostischer Hinsicht ist die an mehreren Punkten erhobene Thatsache von Wichtigkeit, dass die Metall führenden Gänge von dem Granit in den bunten Sandstein übersetzen, was nach den bei der Königswarth und bei Buhlach gemach- ten Aufschlüssen über die Metallführung im bunten Sandstein übrigens nicht befremden kann, wenn auch die Bauwürdigkeit dieser Gänge sich nirgends bis jetzt nachweisen liess und die weit ausgedehnten Arbeiten der Alten immer noch als Räthsel erscheinen. Für die jüngere Entstehung dieser Gänge spricht überdies, dass die Thalbildung einen entschiednen Einfluss auf die Be- - 51 - scliafienlieit der Gänge zeigt. Als bergmännische Regel gilt, dass die unterirdischen Baue, welche unter den in das Haupt- thal mündenden Querthälern getrieben werden, unter der Thal- sohle des Querthaies den Gang verdrückt zeigen, während der Gang sich wieder regelmässig anlegt, so wie die Strecke unter den Gebirgsrücken fortgetrieben wird und mit einer mächtigern Gebirgsmasse überlagert ist. 3) Aufschlüsse von Eis eust einlagern. In den letzten Jahren sind mehrere der Juraformation an- gehörigen Eisensteinlager aufgeschlossen worden, welche drei verschiedenen Abtheilungen des Juras angehören. Die ThoneisensteinflÖtze, welche in der Gegend von Wasser- alfingen und Aalen in mehreren Flötzen von verschiedener Mäch- tigkeit im untern braunen Jura abgelagert sind, lassen sich gegen Osten und Westen weiter verfolgen. Die auf bayrischem Ge- biete vorgenommenen bergmännischen« Arbeiten haben gezeigt, dass nach Osten diese ThoneisensteinflÖtze nicht mehr bau- würdig sind, dagegen haben die Arbeiten in westlicher Richtung im Filsthale an mehreren Punkten die Ablagerungen in einer den Wasseralfinger Erzen vollkommen entsprechenden Beschaf- fenheit aufgeschlossen. Weiter naeh Westen verlieren sich allmählig diese ThoneisensteinflÖtze, dagegen zeigt sich der Eisenrogenstein in regelmässigen Lagern im mittlem und obern braunen Jura in den westlichen Gegenden und ist in den letzten Jahren am Fuss des Plettenbergs bei Balingen und bei Tutt- lingen durch bergmännische Arbeiten aufgeschlossen worden, wo sich ganz ähnliche Verhältnisse wie auf den bei Gosheim und Geisingen betriebenen Gruben zeigen. Die Eisenkörner finden, sich in einem eisenhaltigen Thon ziemlich regelmässig vertheih und erreichen kaum die Grösse von Hirsenkörnern. Nach längerer Verwitterung wird der geförderte Grund gewaschen, wobei auf 5 Kübel Grund 1 Kübel Erz gewonnen wird, welches einen Eisengehalt von 45 bis 47 Procent nach verschiedenen Proben zeigt, und den reichsten Bohi>erzen somit gleich steht. lieber den obersten Schichten des weissen Jura wurden — 52 - auf der Höhe der Alb bei Tomerdingen neue Bolmerzlagerstätten aufgeschlossen , welche hinsichtlich des Vorkommens mit den Bohnerzablagerungen auf der Alb übereinstimmen. So sehr die drei verschiedenen Eisenerzablagerungen des Jura's von einander hinsichtlich des Vorkommens abweichen, so zeigen sie doch wieder hinsichtlich der chemischen Zusammen- setzung und der Tendenz zu kugelförmigen Concretionen so viel Aehnlichkeit , dass eine gleiche Entstehungsweise dadurch angedeutet erscheint. Bei den Thoneisensteinflötzen scheint die regelmässige Ab- lagerung mit scharf abgegränzten Schichten für einen Nieder- schlag aus einem mit Eisentheilen geschwängerten Wasserbecken zu sprechen, es ist aber auch hier die Tendenz zu kugelförmigen Sekretionen nicht zu verkennen, welche sich nicht nur in einzelnen lim einen Kern gebildeten Kugeln, sondern auch in grössern Ausscheidungen im Lager selbst zeigt. Die Flötze enthalten nämlich nicht in ihrer ganzen Mächtigkeit Thoneisenstein, sondern grösstentheils Thonsandstein , welcher ^/2 bis ^,'3 des Lagers bildet und durch Handscheidung von dem Erze getrennt werden muss. Wird in Betracht gezogen, dass die bei einem Druck von 36 Atmosphären oder in einer Meerestiefe von 1200 Fuss flüssige Kohlensäure das kohlensaure Eisenoxydul der altern Gebirgsformationen auflöst und bei dem an flachen Stellen sich ergebenden niedrigem Druck als kohlensaures. Gas entweicht, das kohlensaure Eisenoxydul aber niederfällt und durch Berührung mit der atmosphärischen Luft in Eisenoxydhydrat sich verwandelt und dass die gleichzeitig gebildeten Thonablagerungen vielfach von den feldspathreichen Ursprungstätten kieselsaures Kali zurückbehalten haben, so ist in den als Schlamm aus diesen beiden Gemengtheilen ursprünglich niedergeschlagenen Thoneisen- steinflötzen eine chemische Reaction recht wohl denkbar, welche das kohlensaure Kali in kieselsaures Eisenoxyd umsetzt und Gemenge von Eisenoxydhydrat mit kieselsauren Verbindungen von Thonerde und Eisenoxyd in krystallinischer Form ausscheidet, wie diese bei den Thoneisensteinen, bei den Eisenrogensteinen und bei den Bohnerzen gleichmässig nachgewiesen sind. Die — 53 - Umhüllung der Sandsteine mit einer Rinde von Thoneisenstein^ welche sich häufig bei den Sandsteinen in der Umgebung der Thoneisensteinflötze und in den Thoneisensteinflötzen selbst findet, scheint für diese nachträgliche Ausscheidung der Thon- eisensteine aus den ursprünglich niedergeschlagenen Schlamm- massen mit vorherrschenden Sandsteinablagerungen zu sprechen. Ein Beweis für eine solche Umbildung findet sich auch in den aus der Mineralquelle am Sulzerram bei Cannstatt ausge- förderten Sandsteingeröllen, welche zum Theil in Bohnerze ganz umgewandelt, zum Theil mit einem Kern von Sandstein erscheinen. Eine ganz ähnliche Bildung lässt sich bei dem Eisenrogenstein annehmen mit dem Unterschied, dass bei den in Schlammform abgelagerten Flötzen die Thonmasse vorherrschend war und die krystallinische iVusscheidung der kieselsauren Verbindungen von Eisenoxyd und Thonerde mit Eisenoxydhydrat in der weichern Thonmasse regelmässiger sich entwickeln konnte. Die Verschiedenheit der Bohnerzlager und der Lager von Eisenrogenstein dürfte nur darin beruhen, dass die auf dem Meeresgrund abgelagerten Schlammmassen der Bohnerzlager einer schützenden Decke entbehrten, als durch Erhebung des Meeres- grundes die Wasser sich zurückzogen und sie den Wirkungen der Atmosphärilien und der Erosionen blosgestellt waren. — Da die Bohnerze sich hauptsächlich nur durch die Grösse der Körner von den Rogeneisensteinen unterscheiden, so möchte darin keinenfalls ein Grund liegen, ihnen eine andere Entstehung zuzuschreiben, als den letztern, welche von den Thoneisenstein- lagern nicht wesentlich sich unterscheiden, so dass wir für die drei verschiedenen Eisensteinablagerungen des Jura's dieselbe Ent- stehungsweise mit wenigen Modificationen uns denken können, wo- bei noch manches der fernem Forschung überlassen bleiben muss. 4) Die HallerdengewMunung in Sulz. Die Anwendung der in Sulz schon seit langer Zeit geför- derten sogenannten Hallerde hat in den letzten Jahren mit dem Aufschwung der Landwirthschaft in jenen Gegenden bedeutend zugenommen und ich glaube um so mehr die Aufmerksamkeit - 54 - der Physiologen und der Landwirthe auf dieses Produkt lenken zu dürfen, als noch gar manches über die düngende Wirkung dieser Substanz nicht aufgeklärt ist. Die Hallerde besteht nach den chemischen Untersuchungen von Prof. v. Fehling in einem Gemenge von Anhydrit, Thon und Dolomit mit 1> Salzgehalt. Durch Benetzen der gepochten Hallerde mit Salzsoole entsteht eine Entmischung der verschiedenen Salze und es scheint nicht nur der Anhydrit Wasser aufzunehmen, sondern es dürften sich auch zerfliessHche Salze bilden, wobei die Verbindungen von Bittererde mit Schwefelsäure und Salzsäure besonders wirksam zu sein scheinen. Dass die Hallerde den Gyps an Düngungs- kraft übertrifft geht aus den Erfahrungen der Landwirthe hervor, welche dieselbe um höhern Preis kaufen und auf grosse Ent- fernungen beiführen , wenn sie den Gyps ganz in der Nähe laben. Dass das Salz nicht die Wirksamkeit allein bedingen kann, ergibt sich aus dem geringen Salzgehalt von 2 bis 3%, dass aber der Gehalt von 6 bis 10 ^/o kohlensaurer Bittererde und die kieselsauren Verbindungen im Betrag von 20 bis 30 V bei der mit Kochsalzauflösung vermittelten Verwitterung ver- schiedene Salzverbindungen ausscheiden müssen, ist aus allge- meinen Gründen anzunehmen, wobei die Vermuthung entstanden ist, dass bei dem Bestreuen der Pflanzen mit Hallerde die Tendenz der Bittererdesalze mit Ammoniak Doppelsalze zu bilden für den Vegetationsprocess von günstigem Einfluss sein könnte. Bemerkenswerth ist, dass die günstige Wirkung der Hallerde bei den verschiedensten Bodenarten und nicht nur bei Klee, Erbsen und Wicken, sondern auch bei den Getreidearten sich zeigt, bei welchen die löslichen kieselsauren Salze als besonders wirksam angesehen werden. IV. Der Vortrag des Dr. Marx aus Stuttgart handelte von Pflanzenpigmenten, insbesondere von dem Anilin. V. Professor Dr. H. v. Mo hl sprach über das Ab- fallen der Blätter.* * Dieser Vortrag, sowie der von Dr. Marx wurde nicht zum Druck für die Jalireshefte mitgetheilt. - 55 - YI. Eine Probe des von Prof. Dr. Fleischer in Hohen- lieim eingesandten Protococcus roseo-persicinus Kg. tlieilte Oberstudienrath v. Kurr mit. Prof. Fleischer schreibt hierüber Folgendes: In einem kleinen See findet sich seit einigen Tagen eine Alge, die das Wasser prächtig violett-pfirsichblüthroth färbt. Der kleine See von ca. 50 Schritten Umfang befindet sich auf hohenheimer Markung ganz nahe der Kärschbrücke bei PUenin- gen. Er ist ganz von Gebüsch umgeben, so dass er nur wenig directe Sonnenstrahlen empfängt. In ihm wachsen in grosser Menge Characeen und Wasser-Hypna und einige wenige pha- nerogame Wasserpflanzen. Sein AYasser ist klar, riecht aber stark nach Schwefelwasserstoff und andern übelriechenden Fäul- nissproducten. Da wa die Ohara- und Hypnaarten fehlen, sieht man den Boden mit Blättern von Laubholzarten dicht bedeckt. Auf denselben vorzugsweise ruht die färbende Alge in einer Tiefe von ca. nur 1 Fuss. Aber auch die genannten Wasser- pflanzen sind in der Nähe des Bodens mit derselben dicht be- deckt, doch nicht näher der Oberfläche, so dass z. B. die Chara- arten von oben nach unten halb grün- halb lilafarben erscheinen. Bewegt man das Wasser auch noch so leise, so erhebt sich sogleich die färbende Substanz, wie ein feiner Staub, welcher das Wasser trübt und ihm eine prächtige, zwischen licht arae- thystfarben und pfirsichblüthroth liegende Farbe ertheilt. In ein Glas geschöpft klärt sich das Wasser erst nach mehrstün- digem Stehen durch allmähliges zu Bodensetzen der färbenden Materie. Prof. Fleischer bemerkt ferner hiezu, er vermuthe, dass diese Alge Protococcus roseo-persicinus Kützing sei. , Finanzrath Dr. Zell er, dem die Alge zur Bestimmung mitgetheilt wurde, bestätigt diese Ansicht und schreibt: „Es findet sich unter dem Mikroscop durchaus keine mehr- fache Hülle, sondern blos ein Aggregat von kleinen Kügelchen von ca. ■''' Durchmesser, (ganz genau kann ich bei solcher J-OUU - 56 - Kleinheit mit meinem Mikrometer nicht messen), welche theils kugeliche Klumpen, theils Häutchen, oder mehr oder weniger zerrissene Reihen und Streifen bilden. Vermuthlich bewirkt die Bewegung des Wassers, dass die ursprünglich häutig ansitzende Pflanze bei ihrem lockeren Zusammenhang zerrissen wird und vielgestaltig dem blossen Auge wie Kügelchen erscheinend, im Wasser schwimmt. Den Bodensatz habe ich aus Mangel an Zeit nicht untersucht." VII. Zum Schluss sprach Dr. Z e ch aus Stuttgart über die am 18. Juli bevorstehende Sonnenfinsterniss und fordert zu Beobach- tungen über die während derselben eintretenden Temperatur- Veränderung auf. Nach beendigten Vorträgen vereinte ein fröhUches Mahl die Theilnehmer an der Versammlung, welche Nachmittags die inter- essanten Sammlungen der Universität besichtigten und Abends zum grössten Theil wieder der Heimath zueilten. II. Aufsätze und Abhaudluug^eu. 1. Die grosse Linde in Leutkirch mit Beziehungen zu den Wachsthumsverhältnissen sehr alter Linden unseres Chma's überhaupt. Yon Oberamtsarzt Dr. Walser in Leutkirch. In dem Garten des in der obern Vorstadt auf einer schönen Anhöhe gelegenen Schlossgutes, welches in früheren Jahrhunderten Eigenthum derer von Furtenbach war und gegenwärtig den der- zeit hier befindlichen barmherzigen Schwestern des Pater Theo- dosius gehört, steht eine Linde, welche es verdient, auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden. Ich machte im Frühjahr 1859 im Leutkircher Wochenblatt nicht nur auf das wahrschein- hch sehr hohe Alter dieses Baumes, sondern gleichzeitig auch auf die Nothwendigkeit aufmerksam, demselben mit einigen schützenden Klammern gegen die drohende Zerstörung künftiger Stürme zu Hülfe zu komn\en. Leider nur zu bald sollten meine Befürchtungen in Erfüllung gehen. Der orkanartige Sturm, am 1. Nov. 1859 riss in der 2. Nachmittagsstunde zwei grosse, nach unten zum gemeinschafthchen Stammaste verwachsene Aeste von dem Stamme selbst ab, wodurch der herrUche Baum etwa den 4. Theil seines majestätischen Laubdaches, und zwar gerade an der schönsten, der südhchen Seite, und zugleich den 6. Theil des labyrinthischen Sparrenwerkes seiner Verastung eingebüsst hat. Die Bruchwunde, nunmehr mit Theer überstrichen, ist 12 Fuss laug und 4^2 Fuss P. M. breit und reicht von oben - 58 ^ nach unten bis auf 6 Fuss zur Wurzel herab. Diesen bedauerns- werthen Unfall hat Einsender als eine seltene Gelegenheit be- nützt, nicht nur eine Lebensbeschreibung dieses Baumes zu geben, sondern auch Beobachtungen über das Wachsthum unserer Linden von hohem Alter anzustellen. Die Linde, welche der breitblätterigen Art (Tilia grandi- folia Ehrh.) angehört, hat oberhalb des Wurzelstocks bis zur Brusthöhe mehr eine prismatische als cylindrische Form, was daher rührt, dass die drei Hauptäste in mehr weniger gesonderten Massen ihre Holzbündel zur Wurzel herab senken. Hiedurch würde der Querschnitt des Stammes in Brusthöhe und darüber ohngefähr die Gestalt eines Kartenherzes zeigen. Der Ausschnitt des Kartenherzes ist (um bei der Vergleichung zu bleiben) nach Süden, die stumpfe Spitze nach Norden gekehrt, damit ergiebt sich, dass der eine der beiden Holzbündel-Pfeiler, welche den Ausschnitt begränzen, nach Südost, der andere nach Südwest und der dritte nach Nord gekehrt ist. Vom Fusse bis zur ersten Verzvv'eigung in die drei gewaltigen Hauptäste misst die Linde 12 Pariser Fuss Höhe. Von den beiden, nach Südost und Süd- west gekehrten Hauptäste A u. B. theilte sich zunächst jeder wieder in zwei Aeste a u; b, während der nach Nord gewendete dritte Hauptast sich in die drei Aeste a b u. c theilt. A a theilte sich ursprünglich wieder in a u. /5, diese beiden Aeste von A a sind aber gerade durch den Sturm vom 1. Nov. 1859 zu Grunde gegangen und A lebt darum jetzt hauptsäch- lich nur noch in dem in zwei Aeste getheilten a u. ß von Ab fort. Von dem nach Südwesten gekehrten B ist in früheren Zeiten nicht nur B a zu Grunde gegangen , sondern auch B b « und dieser Hauptast B lebt jetzt hauptsächlich noch in B b /? fort. Der nördliche Hauptast C endlich lebt derzeit noch fort in den Aesten Gay, sofern Ca« u. Q Si ß den Stürmen der Ver- gangenheit zum Opfer gefallen sind, wie auch der ganze Ast C b, während von C c die beiden Aeste C c et u. C c /5, in welche Cc sich theilt, noch am Leben sind, und gegenwärtig ihre Knospen entfalten. Zur höchsten Höhe haben sich die Ver- zweigungen von Ab« emporgeschwungen. - 59 - Der Umfang des ganzen Stammes in der Höhe von 4' P. M., an dessen Südseite gemessen, — der nördliche Fuss des Stammes ist um einen Fuss tiefer gelegen — beträgt nach meinen neuesten wiederholten Messungen nach allen Krümmungen des Stammes gemessen, 25' 10" 3'" P.M. Wird der Umfang in gleicher Höhe mit Ueberspringen der nach einwärts konvexen Krümmungen gemessen, so hat der 'Stamm 24' 10" P. M. Der südöstliche Stammast, zugleich derjenige, welchem der beklagenswerthe Unfall begegnet ist, die Hälfte seiner Astmasse zu verlieren, misst für sich noch 14' 6" Umfang. Das durch den Sturm zu Boden geworfene Astwerk Aa« u. Aaß, wo- von a 6' 6'", ß 6' 2^2" Umfang an der Basis mass , gab eine Holzmasse, welche annähernd zu 3 württembergischen Klafter geschätzt wurde. Die Höhe dieser Linde vom Fusse des südöstlichen Holz- pfeilers bis zur äussersten Endknospe von Ab« wurde von mir mit einem Theodolith mit Vertikelkreis , an welchejn mittelst Nonius noch drei Winkelminuten abzulesen sind, wie solches früher bei der Landesvermessung benützt worden war, nach mehrmahgen Messungen des Elevationswinkels und der Basis trigonometrisch zu 116' 7" 3'" W. M. = 103' und 6" P. M. bestimmt. Die Höhemessung wurde vor dem diessjährigen Blätterausschlage im Monat April 1860 vorgenommen. Da- durch dass mir dieser Windbruch theils ganze theils wenigstens Bruchstücke von Querschnitten aus allen Altersperioden dieser Linde heferte, wurde ich in den Stand gesetzt, das wahrschein- liche Alter dieses Baumes in die engen Gränzen von 23 Jahren einzuschränken. Der Gang meiner Untersuchungen war folgender. Da der Querschnitt des einen der beiden Aeste, nämhch von Aaa, Holzc} linder sammt Rinde im Umfang 6' 2^2" = 6,208' betrug, so hatte derselbe einen Durchmesser von 1,9 8'. Von diesem wurde die doppelte Dicke der Rinde je ^/2" betragend, abgezogen, wodurch für den Holzcylinder allein ein Durchmesser von l,9o' übrig bheb. Eine genaue Zählung der Holzringe ergab nun, dass dieser Ast 230 Jahre alt war und dass für den mittleren jährlichen Zuwachs des Holzdurchmessers innerhalb - 60 - 1 90. 144 den ersten 230 Jahre eine Dicke von -^^^^ — == 1,21 P. Linien anzunehmen ist. Bei näherer Betrachtung sowohl dieses als der übrigen sowohl äkeren als jüngeren Querschnitte stellte es sich auch heraus , dass die Excentricität des Markes der Art war, dass die Dicke der Holzringe an der Nordseite zu der an der Südseite sich verhielt wie 10 : 23. Leider zeigte es sich bei dieser Gelegenheit, dass das Innere dieser Linde längst dem Vermoderungsprocess anheimgefallen ist. Sogar ein Querschnitt von nur 184 Jahresringen war in seiner Mitte auf einige Zoll hinein trockenfaul, so dass nur die Jahresringe auf der Nordseite sämmtüch gezählt werden konnten, da der Vermoderungsprocess nicht vom Mark, sondern von der Mitte des Astes ausgeht. Von dem nach abwärts nächstfolgenden gemeinschafthchen Stammaste A a hatte ich zwar keinen vollständigen Querschnitt erlangen können, sofern die inneren älteren Jahrringe längst in Moder übergegangen waren, sondern ich zählte blos die jüngsten 100 Jahrringe. Diese hatten auf der Südseite eine Dicke von 113 Pariser Linien, wird hiezu für die Nordseite noch die Dicke von 113 = 0,49'" gerechnet, so bekomme ich für den Gesammtdurchmesser des Holzcylinders in seinen letzten 100 Jahren von 162 Linien und damit für den jährlichen mittleren Holzzuwachs dieses Astes innerhalb der letzten 100 Jahre von 1,62"''. Um nun das Alter dieses Stammastes möglichst genau zu ermitteln^ suchte ich noch einen zweiten Gränzwerth für den mittlem jährlichen Holzzuwachs, innerhalb der Periode seiner ältesten Jahrringe. Hiefür fand sich nun, dass die letzten 20 Jahrringe des 230 Jahre alten Astes, auf der Nordseite gemessen eine Dicke von 9,5 Pariser Linien 23 hatten, hiezu noch -.— 9,5"' = 21,85'" für die Südseite, ergab einen Gesammtdickmesser von 31,35'". Diesem nach betrug der jährhche Holzzuwachs in der letzten und dieser nächst fol- 31 35 genden Periode des 230 Jahre alten Astes — nA— '" = 1,56'". zu - 61 - Da nun der grosse gemeinschaftliche Stammast A a im Umfang 14,5 Pariser Fuss hatte, welchem der Durchmesser von 4,61?' entspricht und hievon für die doppelte Rindendicke, laut ge- nommenem Mass, 26 Pariser Linien in Abgang zu nehmen sind, so hatte der HolzcyHnder dieses Hauptastes 4,437' = 638,928 Pariser Linien im Durchmesser. Rechnen wir nun für die ersten 230 Jahre eine Dicke von 230 X 1,21'" = 278,3oo'" ab, so habe ich zur Bestimmung des Alters dieses Hauptastes , für die beiden Gränzwerthe, innerhalb welcher der Alterszuwachs des Hauptastes, um welchen letzterer älter sein muss als der 230 Jahre nächstobere Ast, die beiden Gleichungen 1,56 X' = 638,928 278,300 1,62 X" = 638,928 — 278,300 ' wobei x' und x" diese beiden Alterszuwachse selbst bedeuten, Hieraus ergibt sich x' = 231 x' = 216 d. h. dieser Hauptast ist jünger als 230 -\- 231 und älter als 230 -|- 216 Jahre. Das arithmetische Mittel aus beiden Werthen gezogen ergibt als das wahrscheinlichste Alter dessel- ben 453 Jahre und es ist für die ersten 453 Jahre ein jähr- licher Holzzuwachs von — i>'Q~'" ~ Ij^i Pariser Linien an- zunehmen. Was endlich das Alter des Stammes selbst anbelangt, welcher, wie schon bemerkt einen unregelmässig prismatischen Querschnitt hat, so wurde zunächst der Flächengehalt dieses Querschnitts möglichst genau in folgender Weise ermittelt. Der Umfang des Stammes in 4' Höhe hat mit Ueber- springung der nach einwärts gehenden konvexen Krümmungen 24' 10" P. M. Wird dieses Mass als die Peripherie eines Kreises angesehen, so entspricht derselben eine Kreisfläche von 49,069 Quadratfuss. Von dieser Fläche müssen nun, als nicht mit Holzmasse ausgefüllt, die von einwärts gehenden Krümmungen begränzten Ausbuchtungen , welche beim Messen von dem hiezu benützten Bande übersprungen wurden, abge- zogen worden. Dieselben reducirten sich vornehmlich auf zwei - 62 - Buchten, von welchen die grössere gegen Süden gekehrt, die andere an der östlichen Seite des Stammes sich befindet, diese Buchten als Dreieckflächen unter Zugrundlegung der unmittel- baren Masse der Dreieckseiten berechnet, ergaben einen Flächen- gehalt für das /\ a nach Süden gekehrt von 6,5 8 Ah „ Osten „ „ 1,67 8,25 D'. Wird dieser Flächengehalt von obigem abgezogen: 49,o69 so bleibt ein Flächengehalt von -j^^ Quadratfuss für die Kreisfläche des Querschnitts der Linde übrig. Dieser Kreisfläche entspricht nun ein Durchmesser von 7, 209 Pariserfuss und werden hievon lur die Rindensubstanz 26"' = 0,i8o' abgezogen, laut genom- menem Mass , so bleibt für den Holzcylinder ein Durchmesser von 7,028' = 1012,132 Pariser Linien. Von diesen gehen nun für die ersten 453 Jahre ab: 638,928'", bleiben also noch für den Alterszuwachs des Stammes 373,204'". Da nun nach unmittel- barer Messung die letzten 20 Jahrringe des 453 Jahre alten Stammastes, 26'" Dicke, an der Südseite gemessen, folgHch 10 23 Dickedurchmesser von 37,3o"' haben, so beträgt der jährliche Holzzuwachs ' = 1,8 6 Pariser Linien. Wird dieser jähr- üche Zuwachs der Altersberechnung des Stammes zu Grund gelegt, so bekommen wir für den Alterszuwachs des Stammes gegenüber dem Hauptaste — — -^ = 200 Jahre. 1,86 Der a»dere Gränzwerth dagegen ergibt, wenn die Dicke der Jahresringe der letzten 54 Jahre des Stammes selbst zu Grund gelegt werden, welche auf der Südseite 86"' in der Dicke messen, wozu noch 37'" für die Nordseite addirt werden müssen, 123 einen jährHchen Holzzuwachs von -^j- = 2, 10 Pariser Linien. mit dem Antheil der Nordseite von ^^75- 26'" = 11,3 0'", einen - 63 - Wird nun letztere zu Grund gelegt für den Alterszuwachs des Stammes, so wäre derselbe nur — —^ — = 177 Jahre. Diesem 2,10 nach muss für den Stamm dieser Linde in 4' Höhe ein Alter von weniger als 453 -[- 200 mid mehr als 453 -\- 177, also als wahrscheinlichstes Alter 641 Jahre angenommen werden* Rechnet man endlich hiezu das dem Langewachsthlmi von 4' entsprechende Alter und nimmt gegründet auf 25 unmittelbare Messungen von Jahrestrieben auf jedes Jahr in der frühesten Jugendperiode des Baumes ein durchschnittliches Längewachs- thum von 31,95 Pariser Linien, so sind für obige 4' = 576'" noch 18 weitere Jahre dem obigen Alter des Stammes hinzu- zurechnen ujid im Jahr 1859 wäre diese Linde 659 Jahr alt. Dasjenige Lindennüsschen, dem unser kolossaler Baum seine Entstehung zu verdanken hat, müsste demnach im Jahr 1200 nach Ch. G. gekeimt haben. Betrachten wir das Wachsthum des Dickedurchmessers dieser Linde für sich, so gibt nachfolgende Tabelle, welche Messungen aus den verschiedensten Altersperioden enthält, nähere Einsicht hierüber: — 64 — Alter des Quer- schnitts in Jahren. Umfang des Querschnitts in Millimeter. Durchmesser des Querschnitts in Millimeter. Durchmesser nach Abzug der Rinden- substanz in Millimeter. 1 7,06 2,25 2,00 2 10,09 3,50 3,00 3 15,29 4,87 3,25 4 18,84 6,00 4,00 5 25,12 8,00 5,00 6 27,73 8,87 6,00 7 35,32 11,25 8,00 8 42,39 13,50 lO.po 9 50,2 4 16,00 12,50 10 60,44 19,25 16,12 11 70,65 22,50 18,00 12 79,38 24,50 20,37 13 88,70 28,25 ' 24,00 14 99,69 31,75 26,00 15 141,30 45,00 35,00 20 157,00 50'oo 44,00 30 190 60,50 50 35 240 76,43 ßQ 40 265 84,39 72 50 335 106,68 92 65 440 140,12 126 75 475 151,12 133 90 797 253,82 231 184 1674 532,00 506 230 2011 640,00 600 453 4698 1496,00 1436 659 4790 2560 2500 Zu dieser Tabelle bleibt zu bemerken, dass säramtliche -Zablenwerthe, welche noch Decimalen enthalten, entweder Durch- schnittswerthe von mehreren unmittelbaren Messungen oder aus - 65 - deai Umfang berechnete Durchmessermasse sind. So wurden z. B. von jeder der 10 ersten Altersklassen eine Anzahl Zweige genommen, deren Querschnitte gemessen und von diesen Massen das arithmetische Mittel genommen. . Nehmen wir den ganzen Dickedurchmesser = 100, so erreichte diese Linde im 1. Jahrzehnt 0,64 Procent, es wuchs also bis „ 1,68 „ r> 2,40 „ » 2,8 8 „ „ 0,6 8 „ r> 4,60 „ » 5,16 5, „ 6,75 „ 5) . "/!'!= r> 10,12 r> 21,52 „ „ 34,80 „ „ 49,60 „ 78,2 0 „ 91,96 „ „ 100,00 „ des Gesammtdickedurchmessers. Die umstehende Tabelle I. veran- schaulicht mittelst einer Kurve diese Wachsthumsverhältnisse. Zu Orclinaten der Kurve sind gewählt die einander gleichen Zeiträume, je 10 Jahrzehnte umfassend bis zum 6. Jahrhundert, zu Abscissen die in gleichen Zeiträumen beobachteten Zunahmen des Dicke- durchmessers. Die Zahlenwerthe der Abscissen sind, so weit sie nicht auf unmittelbaren Messungen beruhen, durch Interpolation aus vornstehender Tabelle für die betreffenden Zeitmoraente be- rechnet. Bei näherer Betrachtung erkennen wir sogleich bis zum 5. Jahrhundert eine stetige Zunahme im Wachsthum des Dickedurchmessers, und zwar erreicht dasselbe gerade innerhalb des 5. Jahrhunderts sein Maximum. Im 6. Jahrhundert geht dasselbe auf einmal zurück und noch mehr scheint dieses im 7. Jahrhundert der Fall zu sein und werden zu wollen. Ich glaube diese Erscheinung einzig auf Kosten der individuellen Württemb. uaturw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 5 Ende des 2. w 3. V) 4. ?5 5. » 6. » 7. r> 8. » 9. 55 10. 55 20. 55 30. V 40. 55 50. 55 60. 55 65. - 66 Erlebnisse dieses Baumes schreiben und weder der Lindenspecies noch den ausdauernden baumartigen Pflanzen eigenthümlich an- sehen zu müssen. Wie man es dem Baume ansieht, hat er in Tab. I. Kurve des Durchmesserwachstliums der grossen Linde in Leutkirch., 65 60 50 40 80 20 10 10 21 34 49 78 91 100 früheren Jahrhunderten zahlreiche Windbrüche, wenn auch noch keinen wie den jüngsten erlebt. Es kann nicht fehlen, dass solche Verluste, die sich durch Adventivtriebe nur immer sehr allmählig ersetzen, im Durchmesser der Jahresringe des Stam- mes sich bemerklich machen müssen. Es scheint, dass dieser Baum im 5. Jahrhundert seines Lebensalters seine beste Zeit verlebt habe, von da an aber in Folge der grossen Fläche und des damit zusammenhängenden grossen Gewichts seines Astwerks von den Stürmen viel gelitten habe. Für etwas anderes als eine Wirkung rein physikalischer Momente, glaube ich, ist diese Erscheinung wohl nicht zu halten , namentlich nicht für eine diesem Individuum oder dieser Species etwa zukommende orga- nische Altersschwäche. Da es bei Würdigung der Wachsthumsverhältnisse eines Baumes mehr Einsicht gewährt, wenn die quadratischen Inhalte / ^^ / / X - 67 - der Querschnitte mit einander verglichen werden können, so fern von der Grösse dieser Fläche ein leichterer Schluss auf das Endresultat des gesammten Wachsthums, auf die Massenproduc- tion der Holzzellen machen lässt, als von den Zahlenwerthen des Dickedurchmessers, so habe ich die den obigen Durchmes- sern entsprechenden Flächengehalte zur Construction einer zwei- ten Kurve benützt und solche in Tabelle II. wieder gegeben. Tab. II. Kurve des Fläclienzuwaclises der Querschnitte der grossen Linde in Leutkirch. 65 60 50 40 30 20 10 _^^--''^: i ^.--^^ / / / i - a b c d 100 4411211 2460 6115 Wir sehen, wie wenig in den ersten 2 Jahrhunderten Holz- fläche anwächst gegenüber den später folgenden trotz des ver- hältnissmässig viel grösseren Wachsthums des Durchmessers in den früheren Perioden. Die Rechtecke Tab. II. a bis g sind Masse für die verschiedenen Wachsthumsverhältnisse, wie solche in gleichen Zeiträumen vom 1. bis 6. und der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts stattgefunden haben. Veranlasst durch vorhegendes Referat über unsere grosse Linde habe ich die Gelegenheit, welche der hiesige Ort bietet, benützt und von den vielen Linden, welche eine Zierde der . - 68 - nächsten Umgebung hiesiger Stadt sind, einige ältere Stämme ebenfalls gemessen. Eine zweite, der Form nach regelmässigere nnd darum noch schönere Linde als die vorhergehende, ist die Linde auf dem unmittelbar vor der Stadt, von letzterer westHch gelegenen Zimmerplatz. Diese Linde, ebenfalls eine Tilia grandifoUa Ehrh., steht unmittelbar am Ufer der an Leutkirch vorüberfliessenden Eschach und senkt ihre Wurzeln zweifelsohne auch unter das Bett des Baches. Dieselbe hat in Brusthöhe 12' 6" P. M. Umfang und dabei eine Höhe von 66' 2" 6'" W. M. =- 58,8o' P. M. Die- ser Baum hat somit in Brusthöhe einen Durchmesser von 4,oi'P.M. Ausgehend von meinen Beobachtungen an den Jahresringen und der Rindendicke der grossen Linde entspricht einem Durchmesser von 4,oi' = 577,4-i'", von welchem für die doppelte Rinden- substanz etwa 26'" abzuziehen sind, also noch 531 Par. Linien für den Holzcylinder bleiben , ein geringerer jährlicher Durch- messerzuwachs als 1,41 '" und ein grösserer als 1,2 1'". Durch Interpolation findet sich als wahrscheinlichster Werth für obigen Durchmesser ein jährlicher mittlerer Zuwachs von 1,3?'" und 531 damit wäre dieser Stamm in 4' Hohe = 387 Jahre alt, 1,37 wozu noch für die ersten 4' Längewachsthum nach angestellten Beobachtimgen 18 Jahre hinzu zu rechnen sind, diese Linde also im Jahr 1860 wahrscheinlicher Weise ein Alter von 405 Jahren haben würde. Eine 3. Linde an der Eschach aufwärts der vorigen und immittelbar vor dem Narenbacher Thor stehend, unterscheidet sich durch ihren weit schlankeren Wuchs von den beiden vor- ano-ehenden Bäumen beim ersten Blick. Der Baum gehört der glatt- und kleinblättrigen Art der Tilia parvifolia an und hat, bei 99' 1" 4'" W. M. = 87,98' P, M. Höhe in Brusthöhe ge- messen, einen Umfang von 10,6" P. M. , also einen Durchmes- ser von 3,341' = 481'" P. M; Der durch Interpolation aus den erfahrnngsmässig an der grossen Linde in Ermanglung ande- rer Anhaltspunkte ermittelten Werthen berechnete mittlere jähr- liche Zuwachs für obigen Durchmesser ist 1,33". Zieht man I - 69 - für die Rindendicke 20'" ab, so bleiben noch 461'" für den Holzcylinder und obige Linde ist im Jahr 1860 mit Hinzu- rechnung von 18 Jahren für die ersten 4' Längenwachsthum f_^ _J_18 = 364 Jahre alt. 1,33 Eine 4. Linde endUch, die nächste von der vorigen auf- wärts an den Ufern der Eschach, von voriger etwa 30 — 40' entfernt, eine grossblätterige Linde, welche aber im Wuchs die grösste Aehnlichkeit mit der vorigen hat, erreicht eine Höhe von 85' 7" 5'" W. M. = 76,1 o' P. M. bei einem Umfang von 9' 8" 6'" P. M., also einem Durchmesser von 3,09' P. M. Der für diesen entsprechende Interpolationswerth des mittleren jähr- lichen Zuwachses ist l,3o"' P. M. und die Linde ist daher mit Herbeiziehung von 18 Jahren für die ersten 4' Längewachsthum und nach Abrechnung von 18'" Rindendicke 444,96 — 18,^^ o./.-ri h 18 = 346 Jahre alt. 1,33 Ich lasse nun die mir aus der Literatur bekannten Er- hebungen über das Wachsthum alter Linder folgen, wobei nur zu bedauern ist, dass zum Zwecke der gegenseitigen Vergleichung so wenige und meist ganz unvollständige Angaben über das wahrscheinliche Alter und das damit zusammenhängende Wachs- thum des Dickedurchmessers sehr alter Linden ausfindig zu machen sind. Decandolle gibt zwar in seiner Physiologie vegetale die Masse von sehr alten Linden an, allein nur von einer derselben stand ihm ein bestimmtes Alter nebst der Angabe des Dickedurchmessers zu Gebot. Dieses eine Beispiel bezieht sich auf eine Linde bei der Stadt Freiburg in der Schweiz. Diese Linde wurde zum Andenken an die Schlacht von Murten im Jahr 1476 gesetzt. * Sie hatte im Jahre 1831 einen Um- * Ganz genau ist auch diese Altersangabe nicht, denn das Alter, welches die Linde, da sie gesetzt wurde, hatte, ist hier ausser Acht gelassen, rechnen wir hier 18 Jahre, was wohl nicht zu viel sein wird, so wäre der Stamm im Jahr 1831 373 Jahre alt gewesen und der durchschnittliche jährliche Zuwachs des Dickedurchmessers wäre nur 1,69'" P. M. — 70 - fang von 13' 9" P. M. daher einen Durchmesser von 630 Pariser Linien , nahm also in 355 Jahren durchschnittlich alljährlich um 1,77'" im Dickedurchraesser zu. Decandolle meinte, man könne gestützt auf dieses Beispiel ohne grossen Irrthum im Durchschnitt 2'" bei sehr alten Linden als jährHches Dickewachs- thum annehmen, um so mehr als obige Linde einerseits in einem etwas mageren Boden gestanden und auch an ihrem Wipfel bereits etwas gekränkelt habe. Diese Annahme ist in Bezug auf unsere grosse Linde entschieden falsch, indem mir die jüngsten 54 Jahresringe des Stammes ein durchschnittliches Wachsthum von 2.10 Linien ergeben, alle übrigen Perioden weniger, ich möchte es auch in dem grösseren Theil der Fälle in unserem Klima für zu hoch gegriffen halten. Die grosse Linde in Leut- kirch erreichte in 659 Jahren einen Durchmesser von 7,209' = 1038'" P. M. , der Durchmesser wuchs daher jährlich um 1,597 oder nahezu 1,6 Pariser Linien. Die berühmte Linde bei Neustadt, welche in neuerer Zeit mehr einer Ruine gleicht, mass nach John Evelyn im Jahr 1664, 37' und vier Finger breit nach württembergischem Mass, im Jahr 1831 von Jules Trembley bei 5 bis 6' gemessen hatte der Baum 37' 6" 3'" des gleichen Masses , hatte somit in 167 Jahren um sehr w^enig zugenommen. Legt man den jähr- lichen Zuwachs für die Freiburger Linde zu Grund, so wäre diese Linde im Jahr 1831 863 * Jahre alt gewesen. Eine weitere sehr grosse Linde steht nach Decandolle bei dem Dorfe Yillars en Moing in der französischen Schweiz. Dieselbe hatte nach Circourt im Jahr 1831 in 4 Fuss Höhe 36 Pariser Fuss Umfang und dabei eine absolute Höhe von 70'. Diese Linde soll der Volkssage nach schon im Jahr 1476 wegen * Die Rechnung in DecandoUes Physiologie vegetale Uebersetzung von Roeper p. 825 ist falsch. Denn obiges Mass von 33,396' = 4809,114"' P. M. für den Umfang gibt 1529'" für den Durchmesser und dieses durch 1,77 dividirt führt auf 863 und nicht 1147 Jahre für das Alter der Linde bei Neustadt, was auch ganz gut mit den geschichtlichen Urkunden zusammenstimmt, wonach man die Linde auf etwa 800 Jahre schätzt. — 71 - ihre Dicke berühmt gewesen und damals von den Gerbern, der Rinde wegen , verstümmelt worden sein , nachher aber wieder ausgeschlagen und 2 dicke Aeste getrieben haben. Diese Linde hatte nach obigem Umfang 1650'" Durchmesser und wäre bei 1,77'" mittlerem jährlichen Zuwachs des Durchmessers 932* Jahre alt gewesen. Es ist indessen in diesem ganz abnormen Falle, wo die Linde in hohem Alter auf einmal ihrer ganzen Krone beraubt wurde und erst wieder durch Adventivtriebe zu einem Laubdach kommen musste, der mittlere Zuwachs von 1,77"' voraussichtlich viel zu hoch. Es musste Jahrhunderte anstehen und vielleicht zur Stunde ist der Punkt -noch nicht erreicht, wo der jährliche der jeweiligen Blätterkrone entsprechende Holzring wieder diejenige Dicke erreicht hat, mit der er unmittelbar vor der Verstümmelung sich in den nächst vorhergehenden Jahren um die Peripherie des Stammes gelegt haben wird. Angenommen der jährliche mittlere Zuwachs des Durchmessers sei für die damalige Lebensperiode des Baumes richtig gewesen (um das Jahr 1476) , so kann der gleiche Werth für das Jahr 1831 nimmer richtig sein, sofern vom Jahr 1476 bis 1831 säinmtliche jährlichen Ausfälle für den Dickedurchmesser der Jahrringe auf Kosten des mittleren jährlichen Zuwachses gehen. Es ist in der That anzunehmen, dass jener Baum in Wirklichkeit viel älter sein wird. Ausser diesen Beispielen alter Linden hat Decandolle noch einer Linde bei Norwich erwähnt, welche nach John Evelyn im Jahr 1664, bei 6' über dem Boden gemessen, 8V2 Yard und eine absolute Höhe von 30 Yard (ä 405,34"' P. M.) Obiger Umfang führt für das Jahr 1664 auf ein Alter von 619 Jahre bei 1,77'" und 548 bei 2'"^* Zuwachs. Die grösste und wohl damitältesteLinde^ befände sich, falls sie jetzt noch stehen sollte, bei dem Schloss Chaille in der Nähe von Mel- les. Im Jahr 1804 hatte dieselbe nach der Statistique du d^partement * Die Rechnung bei Decandolle ist auch in diesem Falle falsch: 36' Umfang geben 1650'" und nicht 1639'" Durchmesser und diese durch 1,77'" dividirt 932 und nicht 1230 Jahre. ** Nicht 530 Jahre wie bei Decandolle angegeben ist. — 72 — des Deux-Sevres einen Umfang von 15 Metres (ä 443,2 9'" P. M.) oder 6649'" d. h. einen Durchmesser von 2117'" und hatte daher bei 1,7? Zuwachs ein Alter von 1196, bei 2'" Zuwachs von 1058 (nicht 1076 wie bei Decandolle angegeben ist) Jahren. Nachdem das Manuscript längst der Redaction eingeschickt, kam dem Verfasser durch zufällige Lektüre eines illustrirten Familienjournals Kunde von einer weiteren sozusagen historischen Linde, nämlich derjenigen, welche im Hofe der Kaiserburg zu Nürnberg steht, zu. Durch die gütige Vermittlung des ger- manischen Museums ist es sodann demselben gelungen, in Er- fahrung zu bringen und hier weiter einzuschalten: dass besagte Linde oberhalb der den Fuss der Linde umgebenden steinernen Brüstung, also in etwa 4', dermalen im Jahr 1860 einen Umfang von 17' und 2^2" bayrisches Mass habe und dass der bohle Stamm etwa 70 Fuss hoch ist. „Im Jahr 1808 oder 1818 soll der Stamm viel höher gewesen sein und die Aeste weit über die Gebäude des Burghofs hinausgelangt haben; der Baum wurde aber durch einen Sturm seiner Krone beraubt. Die neugetriebenen Aeste mögen gegenwärtig etwa die Höhe des Stammes haben." Von dieser Linde, genannt „die Kunigundenlinde" , geht nun die Sage: Als Kaiser Heinrich HL einsmals von seiner Residenz der Burg zu Nürnberg zur Jagd ausgeritten und mit seinem Gefolge ungewöhnlich lange nicht zurückgekehrt sei, habe seine Gemahlin, die Kaiserin Kunigunde, in der dortigen Schlosskapelle in inbrünstigem Gebete sich zu der Gottesmutter gewendet und um glückliche Rückkehr ihres Gemahls ge- flehet, Ihr Gebet sei alsbald erhört worden und nach der Zurückkunft ihres Gemahls habe sie von ihm erfahren^ dass er zu gleicher Zeit in grösster Lebensgefahr geschwebt. Beim Verfolgen eines Hirsches sei sein Pferd mit ihm an den Rand einer Waldesschlucht gekommen, in welche vor ihm bereits Einige seines Gefolges gestürzt seien und dort ihr Leben ver- loren hätten, da sei mit einem Mal sein Pferd an einer von einem früheren Waldbrand geschwärzten Linde scheu geworden und nicht mehr über jene Stelle, welche hart an den verhäng- nissvollen Abgrund gränzte, hinauszubringen gewesen und auf - 73 - diese Weise seie er dem grässlichen Tode,' dem einige seiner Jagdgefährten erlegen, entgangen. Zum Andenken an diese wunderbare Rettung soll hierauf die Kaiserin Kunigunde eigen- händig einen Zweig von jener AValdlinde an die gleiche Stelle ge- setzt und solchen eigenhändig sorgsam gepflegt haben, wo jetzt die grosse Linde im Burghof zu Nürnberg steht. Diese Sage als auf einer historischen Thatsache beruhend vorausgesetzt, müsste diese Linde bis in das 11. Jahrhundert zurück gehen (Heinrich III. war Kaiser von 1039 — 1056 nach Ch. G.) und nicht weniger als 800 Jahre alt sein. Hiefür spricht übrigens der Dickedurchmesser des Stammes keineswegs. Es sind nemlich 17' und 2,5" b. M. Umfang = 2478'" b. M. und diese silid gleich 2226,4 P. M. Diesem Umfang entspricht ein Durchmesser von 708,"ö P. L. Von diesem Durchmesser geht ab für die Rinde ca. 26'" P. L. , damit bleiben für den Holz- cylinder ein Durchmesser von 682 P. L. Nehmen wir nun ein ähnliches Wachsthum an, wie bei der grossen Linde dahier, so sind für die ersten 453 Jahre 638 P. L. abzurechnen, bleiben somit noch 682 — 638 = 44 P. L. übrig, welche, als mitt- lerer Durchmesserzuwachs 1,86 P. L. für diese Altersperiode angenommen, weiteren 23 Jahren entsprechen würden. Will man die für die ersten 4 Fuss Höhe noch weitere 18 — 20 Jahre hinzurechnen, so würde diese Linde 453 -|- 23 -]- 20 = 496 oder in runder Zahl etwa 500 Jahre alt sein. Die Bemerkung, welche mir in der freundlichen Zuschrift von Seite des ger- manischen Museums beziehungsweise dessen Herrn Direktors Freiherrn von Aufsess gemacht worden ist, dass der Kunigundenlinde nur eine geringe Humusschichte zur Unterlage diene und die Wurzeln sehr bald auf Keupersandsteine stossen, mus3 ich als diese Verhältnisse ausgleichend hier beisetzen, dass auch der hiesigen Linde in geringer Tiefe schon nur das magere Kalkgerölle unseres Molasseschuttlandes zur befestigenden Grund- lage dient. Nach all diesem ist kaum anzunehmen, dass diese Burghoflinde einem Zweige ihren Ursprung verdanke, welcher schon im 11. Jahrhundert Knospen getrieben hat. Es ist nicht unmöglich, dass die ursprüngliche aus unbekannter Ursache zir — 74 — Grund gegangene Linde vor etwa 500 Jahren durch eine zweite Linde ersetzt worden ist oder letztere dem Wurzelausschlag der ersten ihr Dasein verdankt. Durch die nämliche Quelle ist mir ausser der vorigen Linde noch Kunde von 2 w^eiteren alten Linden zugekommen. Indem V. Band 1. Heft des Archivs für Geschichte und Alterthums- kunde von Oberfranken pag. 45, herausgegeben v. E. C. v. Hagen 1851 ist der alten Linde zu Donndorf bei Bayreuth erwähnt. Auf der Strasse von Bayreuth nach dem reizenden Parke Fantasie stand vor dem Dorfe Donndorf eine uralte Linde, die von jeher wiegen ihrer Grösse und ihres hohen Alters die Aufmerksamkeit der Naturforscher und Alterthumskundigen auf sich gezogen hat. Dieselbe ist schon in einer Urkunde vom Jahr 1369 und in alten Akten des Rittergutes Donndorf vom Jahr 1450 als eine sehr alte Linde genannt. Leon- hardi in seiner Geographie der fränkischen Fürstenthümer sagt, dass im Jahr 1390 diese Linde 24 Ellen hatte. Li dem oben citirten Aufsatze pag, 46 wird der Umfang dieser Linde zu 48 Fuss (wahrscheinlich ba}Tisches Mass) und die Höhe zu 90 Fuss angegeben. Diese Linde hat den letzten ihrer Hauptäste am 10. Juli 1849 eingebüsst und es wäre demnach nur noch der hohle Stamm als Ruine übrig. In dem erwähnten Aufsatze ist durch Beilage wahrscheinlich gemacht, dass diese Linde die letzte Spur des germanischen Urwaldes jener Gegend und in heidni- schen Zeiten eine heilige Linde gewesen und dass unter ihrem Schatten das Gaugericht gehalten worden sei. Legen wir obige 48' B. M. zu Grund, so entsprechen die- selben 43,123' P. M. Umfang. Aus diesem Umfang würde ein Durchmesser von 13,7 3' oder 1977,i2"' P. M. folgen. Nach dem jährlichen Durchmesserzuwachs von 1,6'" P. M. berechnet (Rindensubstanz hier ausser Acht gelassen), müsste diese Linde etwa 1235 Jahr alt sein, also bis in das Jahr 600 nach Ch. G. zurückgehen, würde mithin nahezu ein Zeitgenosse der Linde von ChailM sein. In dem IIL Bande 2. Heft des Archivs d. histor. Vereins — 75 - für den Untermainkreis pag. 154 endlich ist der zwei Stifts- linden zu Aschaffenburg gedacht. Dieselben wurden im Jahre 1574 gepflanzt, wie eine im Kreuzgange in einem Bogen be- findliche Aufschrift zeige. Von diesen steht dermalen nur noch eine, die erste riss am 1. Juli 1011 Abends 8 Uhr ein Sturm- wind um. Leider sind an der genannten Stelle keine Masse angegeben. Ebenso wird der im Jahre 1459 gepflanzten Linden auf der sogenannten Alleenwiese des Nürnberger Burgbergs in oben erwähnter verehrlicher Zuschrift des germanischen Museums er- wähnt, aber nur keine Masse mitgetheilt. Dieses ist gerade bei diesen Linden, deren Alter man bestimmt weiss, um so mehr zu bedauern, als gerade sie ganz besonders geeignet wären, über die Wachsthurasverhältnisse solcher alten Linden Aufschluss zu geben. Stellen wir sämmtliche 11 vorher erwähnte Linden zusam- men, so folgen dieselben sich folgendermassen aufeinander und haben im Jahr 1860 mit mehr oder weniger Wahrscheinhchkeit das nebenstehende AUer: Linde I bei Leutkirch mit 346 Jahren ^ II w « n 364 „ „ „ Freiburg in der Schweiz „ 384 „ „ III „ Leutkirch „ 405 „ „ 77 i"^ Burghof zu Nürnberg „ 500 „ „ IV „ „ (grosse Linde) „ 660 „ ^ „ Nor wich „ 815 „ ^ „ Neustadt y, 892 „ j, „ Villars en Moing „ 961 „ y, „ Donndorf „ 1235 „ „ „ Chaille „ 1252 „ Es ist bekannt, dass der Dickedurchmesser gleich alter Bäume von ein und der nämlichen Species je nach Standort und Klima sogar beträchtlich verschieden sein kann. Das was an einzelnen Individuen (wenn man je einen Baum ein einzelnes Individuum nennen könnte) alltägliche Erfahrung ist, das habe ich an verschiedenen Aesten ein und des nämlichen Stammes ■ — 76 - nämlich unserer grossen Linde beobachtet. Es hatte der Holz- cylinder eines 35jährigen Astes 240, der eines anderen Astes nur 177 MiUimeter Umfang. Ein 40jähriger Ast hatte 248, ein andrer 265 Millimeter. Ein oOjähriger Ast zählte 335 und ein nur 2 Jahre älterer Ast 412 Millimeter. Bei dem ungeheuren Umfang, welchen die Aeste und Zweige eines solchen Bauni- kolosses einnehmen, kann diese Erscheinung nicht frappiren, denn die verschiedenen Aeste dieses Stammes sind clen einzel- nen Baumstämmen ein und des gleichen Waldes zu vergleichen^ von denen jeder eine nach Licht, Feuchtigkeit und Standort verschiedene Quantität Holzmasse in seinen Jahresringen absetzt. Ist nun schon der Dickedurchmesser eines Baumes ein keineswegs ganz zuverlässiger Anhaltspunkt für die Bestimmung des Alters eines Baumes, so sind die Verhältnisse des Länge- wachsthums, wie sich dieses an unserer Linde bekundete, noch viel mehr verschieden und für sich allein zu obigem Zwecke unbrauchbar. Ich will hier nur die Endergebnisse meiner vielen an Zweigen und Aesten der vom Sturm betroffenen grossen Linde vorgenommenen Messungen hersetzen. Der mittlere Durch- schnitt der Länge eines 1 Jahr alten Triebes misst 21, lo Par. Linien, 2 » 55 5, „ 34,40 „ „ 3 55 J7 n 55 25,12 „ „ 4 „ „ „ „ 52,50 5 „ „ „ „ 48,85 6 „ „ „ „ 48,00 ' » • 55 55 55 39,50 O „ „ „ „ 53,66 9 55 55 55 55 ^^J^O 10 55 55 5, 55 ^5,00 ^1 » 55 V 57 42,00 12 ,5 „ „ „ 54,00 14 W 55 55 55 58,00 15 55 55 5, „ 58,00 20 „ „ „ „ 66,42 55 « 30. v — 40. 36. » — 41. 35. w — 40. 40. 51 — 50. 50. 77 — 68. 35. 5? — 68. 65. n — 75. 90. 11 — 93. 108. 11 — 125. - 77 - Die Länge eines Astes vom 17. Jahr — 35. Jahr betrug 772"', kommt auf 1 Jahr 42,9"' „ 509- „ 50,9- „ 936- ^ 187,2- „ 240"', „ 48,6- „ 432"', „ 43,2- „ 552"', „ 30,6'" „ 1224'", „ 37,0'" „ 420-, „ 42,0'" „ 180-, „ 60,0'" „ 198'", „ 11,65'" Aus allen diesen Messungen zusammen geht nur ein fort- währendes alljährliches Schwanken im Längewachsthum hervor. Ton einem an ein bestimmtes Alter des Stammes oder Astes gebundenes Steigen oder Fallen dieser Werthe ist nicht zu denken, wenigstens liess sich solches innerhalb des 1. Jahrhun- derts nicht bemerken. Es ist dieses erklärlich, wenn man ins Auge fasst, dass ein solcher Baumstamm nicht so fast ein or- ganisches untheilbares Ganze ist, als vielmehr nur der gemein- same Träger eines Polyorganismus., der mit jedem alljährlich wiederkehrenden Vegetationscyclus den Lebenskreis von einer Reihe der Zeit nach zusammengehöriger und den gemeinschaft- lichen Ursprung aus ein und den nämlichen Embryonalzellen mit allen vorangegangenen Theilen der Organismen abschliesst. Ist dieser Lebenskreis beendet, sind die Holzzellen des Jahrestriebs gebildet, durch alle Zweige und Aeste bis zum Stamm hinab mit einander verbunden, so verhalten sich diese, zum Jahresring vereinigt, in den nachfolgenden Yegetationscyclen nicht anders wie andere für Licht, Feuchtigkeit, Wärme etc. durchdringbare physikalische Körper, von einer selbstthätigen organischen Fort- entwicklung nach Beendigung des Vegetationscyclus sämmt- licher früher zusammengehöriger Organismen kann keine Rede sein. Mit diesem ist aber auch gegeben , dass das Länge- wachsthum wie Dickewachsthum des Baumes nicht sowohl das Eudergebniss der stetigen Fortentwicklung derjenigen Embryonal- zellen, welchen der Baumstamm sein Dasein verdankt, ist, als - 78 - vielmehr das Produkt der Vegetationscyclen sUmmtlicher alljähr- lich zur Entwickelung gekommener organischen Individuen d. h. der Jahrestriebe. Es leuchtet dadurch ein , wie diese Momente nicht von dem subjectiven Alter des Baumstammes, sondern von den objectiven alljährlich wiederkehrenden und alljährlich schwan- kenden Einflüssen des Klimas abhängig sind. Ein feuchter und warmer Jahrgang wird das Längewachsthum der zusammengehö- rigen Jahrestriebe mehr begünstigen im Verhältniss zum Dicke- durchmesser als ein trockener und weniger warmer; seien die zusammengehörigen Jahresringe die 10. oder 100. oder 500. von dem Jahre an gerechnet, als der Embryo des Lindennüsschens gekeimt hat und diese Jahrestriebe alle werden gegenüber den vorhergehenden und nachfolgenden länger sein und bleiben, ohne dass dieses mit dem Alter des Stammes im geringsten causalen Zusammenhang stünde. Diese Erscheinungen, welche ganz die gleichen beim Wachsthum des Dickedurchmessers sind, das auch ganz unabhängig vom Alter des Stammes ein schwankendes ist, (s. Oben) macht sich nur beim Längedurchmesser in augenfäl- ligerer Weise geltend. Wenn mm entschieden weder der Dickedurchmesser noch das Längewachsthum des Stammes bestimmte Momente für die Schätzung des Alters irgend einer Baumspecies abgeben, so stellte ich mir die Frage, ob vielleicht nicht das Verhält- niss beider zu einander einen sichereren Anhaltspunkt hiezu darbieten? Die mir zu Gebot stehenden Verhältnisse für Linden sind folgende: Der Dickedm'chmesser verhält sich zur Höhe bei 7 209 1 der grossen Linde dahier (Nr. IV.) wie ■ /" = r-; — bei lUo,5 14,3 der Linde auf dem Zimmerplatz dahier (Nr. III.) wie ' bei der Linde (Nr. IL) dahier wie 58,80 l'i/e, 87, 9s Bei 3,14 -—— und bei der Linde (Nr. I.) wie ;^-^ = ?r7~' Bei der 26,3 ^ ^ 76,10 24,3 grossen Linde zu Norwich wäre das Verhältniss wie 30 - ,79 - -— -. Das Yerliältniss bei der grossen Linde von Yillars en 12,6 ^ Moin< f — — - — = — — I muss bei den ganz abnormen Wachsthumsverhältnissen zunächst ausser Acht gelassen werden. Andere Data sind mir zur Stunde nicht bekannt. Diese Werthe: r^r~ TT- T-A — -^\ — 777^~ belehren uns nun : 12,6, 14,3, 14,6, 24,3, 2b,3 1) dass diese Verhältnisszahlen keineswegs konstante, son- dern veränderliche Grössen sind. Die grossen Differenzen dieser Zahlen können unmöglich in Zufälligkeiten gesucht werden, ebenso wenig als hier von allmähligen Uebergängen gesprochen werden zu können scheint. 2) dass insbesondere unter obigen Verhältnisszahlen sich zweierlei Gruppen zusammengehöriger Werthe bei der Species der Linden bemerklich machen. Die hochstämmigen Linden zeigen annähernd das Verhältniss von -^ während die dick- stämmigen Linden annähernd das Doppelte der vorigen Ver- hältnisszahl: — — aufweisen. Will man endhch auch noch die 16 abnormen Wachsthumsverhältnisse der Linde von Villars en Moing in Betracht und Vergleichung ziehen , so kommen wir auf das auffallende Ergebniss , daag die letzterer Linde zukom- mende Verhältnisszahl gerade wieder das Doppelte, nämlich: TT— von der voranstehenden Verhältnisszahl ist. b,4 Der Verhältnisse, welche mir zu Gebot stehen, sind es^ es ist wahr, allerdings nicht so viele, dass es hier schon erlaubt wäre, mit einer gewissen Bestimmtheit einen allgemeinen Schluss daraus zu ziehen ; indessen ' wer möchte Angesichts dieser so sehr in die Augen fallenden Thatsachen nicht versucht sein, ein bestimmtes Naturgesetz hinter diesen Proportionalzahlen zu su- chen? Es würde sich ein solches Gesetz der vegetabilischen (vielleicht organischen) Centralachsen etwa an das merkwürdige Gesetz der Blattstellung anreihen, vielleicht mit diesem in kau- - 80 - salem Zusammenhang stehen. Man könnte solches als em schönes Correlat in der Welt der organischen Formen von dem für das anorganische Gebiet der Chemie längst entdeckten Gesetz der Mischungsgewichte ansehen. Möchten weitere Forschungen diesem höchst interessanten Thema sich zuwenden, ich kehre an diesem Ort wieder zu der Beantwortung der mir oben aufgeworfenen Frage zurück und finde solche darin: 1) Zur Ausmittelung des Alters eines Baumstammes, in specie hier der Linde, bietet das eben berührte Achsenverhält- niss des Stammes einen sichereren Anhaltspunkt dar, als die Vergleichung der Dickedurchmesser oder der Höhen für sich. 2) Gleiche Achsenverhältnisse deuten auf gleiches Wachs- thum hin. Ist von zwei oder mehr Bäumen der gleichen Species das Alter des einen bekannt, so ist damit auch der Anhalts- punkt zur Ermittelung des Alters der übrigen gegeben, wälnend weder aus der Gleichheit oder Ungleichheit der Dicke- oder Längedurchmesser auf die Gleichheit oder Ungleichheit des Alters der zugehörigen Baumstämme ein bestimmter Schluss zu- lässig ist. "^ * Daraus ergibt sich dass, vorausgesetzt die Richtigkeit der Er- mittelung des Alters der grossen Linde dahier, das Alter der Linde auf dem Ziramerplatz ebenfalls gleich richtig sein wird , daraus aber für das Alter der beiden andern Linden dahier, welches nach ähnlichen Wachsthumsverhältnissen geschätzt wurde, keine Gewähr zu über- nehmen ist. 2. üeber Semionotus und einige Keuper-Conchylien. Von Dr. Fr aas in Stuttgart. (Mit Taf. I.) Dr. Berg er in Coburg war der Erste, der 1832 *) aus dem Coburger Keupersandstein Fische mit scheinbar heterocer- ken Schwänzen beschrieb. Sie finden sich dort häufig zwischen dem ersten und zweiten Quaderstein des grobkörnigen weissen Keupersandsteins in einer dünnen grünlichen Thonschichte und haben eine mittlere Grösse von 6 Zoll Länge und fast 2 Zoll Höhe. Es sind Eckschupp er mit ungleichen Schwänzen „radii pinnae caudalis quo inferiores eo longiores." Die Brustflosse ist klein und schwach. Eine 16strahlige grosse Rückenflosse steht weit hinten auf dem Rücken, so zwar, dass sie gegenüber der Mitte zwischen Bauch- und Afterflosse beginnt. Sämmtliche Flossen tragen deutliche Schindeln. Die rhombischen Schuppen mit oben etwas eingebogenen, unten aber convexen Rändern sind glatt ohne bemerkbare Zeichnung, am Schwanz werden sie länglich. . Die Rückenschuppen zwischen Kopf und Rückenflosse sind spitzig nach hinten gerichtet. Der K§pf ist zu undeutlich, als dass er beschrieben werden könnte, nur springt ein grosser glatter Kiemendeckel in die Augen. Mit Rücksicht auf die nach hinten gerückte Stellung der Rückenflosse und des *) Die Versteinerungen der Fische und Pflanzen im Sandstein der Coburger Gegend von H. A. C. Berger. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 6 - 82 - schiefen Gabelschwanzes stellt Herr Berger die Fische zu den heterocerken „Palaeoniscum'''' Cuviers, die das ältere Gebirge charakterisiren und nennt diesen Keuperfisch Palaeoniscum are- naceum. Zur selben Zeit sah Agassi z auf seiner Rundreise nach Fischen in unseren Stuttgarter Sammlungen einen Liasfisch von Boll, welcher der Zeichnung (Tom IL Tab. 261) nach zu ur- theilen wenig Deutung zulässt und am ehesten das Aussehen eines jungen Lepidotus hat. Er ward Agassiz (recherches II. p. 227) 1831 von Herrn von Jäger mitgetheilt. Die Diagnose des Stückes hat ledighch nichts Schlagendes : der Kopf soll sich all- mählig zuspitzen, hoch gelegene, weite Augenhöhlen, dünne Kie- fer, eine Brustflosse mit 19 Strahlen, eine 28strahlige Rücken- flosse von bedeutender Länge sollen den Fisch charakterisiren. Die obere Hälfte der gegabelten Schwanzflosse wird von den Schuppen bis zur Mitte der Schwanzlänge gedeckt. Im Uebri- gen sind die Schuppen vollkommen glatt, an der Vorderseite des Fisches etwas höher als lang, nach hinten länger als hoch. Mit Rücksicht auf eine gewisse Aehnlichkeit des schiefen Schwan- zes mit den Heterocerken, glaubte Agassiz ein eigenes Geschlecht aus diesem Fische machen zu sollen und gab ihm zugleich in Betracht der grossen Rückenflosse den Namen Semionotus (ari^stov vcoTog) , als eines am Rücken gekennzeichneten Fisches. Der Species-Name leptoceplialus beruhte auf den kleinen leich- ten Kiemendeckeln und der Schlankheit des ganzen Kopfes. Auf seiner Weiterreise fand Agassiz in München einen Fisch, angeblich aus Brasilien, von Herrn Spix und Martius mitge- bracht, an welchem der heterocerkenähnliche Schwanz und die grosse Rückenflosse in die Augen sprang und der als S. Spixii (tabl. synopt. 2, p. 8) ein Beitrag wurde zum neu aufgestellten Geschlecht. Indess erschien Bergers Arbeit über die Coburger Keuperfische, die Uebereinstimmung des Coburger Fisches mit dem angeblichen Brasilianer war zu auffallend, als dass keine neue Untersuchung von Agassiz wäre eingeleitet worden. Bald stellte sich (1833) die Verwechslung heraus und fand Agassiz auf der Sandsteinplatte seines S. Spixii wirklich auch den Namen - 83 - „Coburg" mit Dinte fast unleserlich eingeschrieben. Auf dieses hin kassirte Agassiz den Namen Spixii und pubhcirte das Mün- chener Orginal als S. Bergeri 1833 (Taf. 26, 2.) Den Ber- ger'schen Namen Palaeoniscum arenaceum Bg. nahm Agassiz nicht an: der Gattungsname Palaeoniscus war ja für ächte Heterocer- ken des Kohlengebirges und Zechsteins vergeben. Der Species- Name aber, der das Vorkommen im Keuper Sandstein bezeich- nen sollte, passte^ wie wir sogleich sehen werden, nicht zu der Anschauung Agassiz's. Agassiz begründete di-ese That durch genaue Vergleichung der Palaeoniscus und der Coburger Fische und wies nach, dass letztere einfach nur eine kleine Verlänge- rung der Wirbelsäule am oberen Schwanzlappen haben, während sich beim ächten Palaeoniscus die Wirbelsäule zum Ende des Schwanzes hinziehe. Somit ist der Coburger Fisch kein Hetero- cerke, vielmehr hat der Schwanz einfach nur einen schiefen Ansatz, so dass die Flossenstrahlen des oberen Lappens kürzer sind als die des unteren, wie man das bei vielen Homocerken wahrnimmt. „Aus diesem Grund," fügt Agassiz bei, „und wegen der eigenthümlichen Form der Rückenflosse und ihrer Stellung zu den übrigen Flossen zähle ich den. Fisch zum Geschlecht SemionotuSj das bis jetzt nur Liasfische in sich begreift, denn ich glaube (und dies ist auch die Ansicht mehrerer Geologen, z. B. des Grafen Münster), dass der Coburger Sandstein viel- mehr zum Lias gehört, als zum Keuper. Dies scheint wenig- stens die Form der Schw^zflossen zu beweisen." Nach dieser geschichtlichen Einleitung müssen wir auf die Sache selbst eingehen, d. h. die Fische, welche den beiden Au- toren zu ihren Bestimmungen Veranlassung gaben, näher beleuch- ten. Es war natürlich zu diesem Ende von Werth, sich in den Besitz der Original-Exemplare zu setzen. Bei Sem. leptoce- phalus (Ag. rech. T. IL, Tab. 26, 1), zu welchem sich das Ori- ginal im Jahr 1831 in der Sammlung des landwirthschaftlichen Vereins in Stuttgart befunden haben soll, war dies leider nicht möglich. War das Stück je im Besitz des Vereins und kam es abhanden? existirt es noch in fremden Händen, oder beruht die ganze Notiz auf einer Verwechslung? wir wissen es nicht. - 84 - Jedenfalls ist das Stück in unserer Sammlung nicht vorhanden und wird schon dadurch die Species etwas apocryphisch, um so mehr als nach Agassiz selbst und allen Autoren, die ihm folgten, unser Exemplar das einzig existirende gewesen sein soll. Zwar liegen in unserer Sammlung Exemplare, die als S. lepto- cephalus bezeichnet sind, aber bei näherer Untersuchung erwei- sen sie sich als Lepidotus und Pholidophorus. Dahin gehören wohl auch sämmtliche in schwäbischen Sammlungen unter jenem Namen aufbewahrten Fische. Ich kenne auch nicht ein einziges Stück, das mit den Keuper-Semionoten in Betreff der eigenthüm- lichen Auszeichnungen, mit Ausnahme des Schwanzes, nur irgend wie übereinkäme. So würde ich auch, der Agassiz'schen Zeich- nung nach zu urtheilen, das abgebildete Original für einen jun- gen Lepidotus erklären. So weit man aus einer höchst mit- telmässigen Zeichnung urtheilen darf, stimmt die Grösse der Flossen (grosse Brustflosse, das gerade Gegentheil gegen die Keuper-Semionoten), ihre Stellung; der Besatz mit Schindeln ist nur an der Schwanzflosse bemerkbar. Der ganze Eindruck ist der eines Lepidotus, eines Geschlechtes, das so verbreitet ist im oberen Lias. Auch Quenstedt hat bei seiner jüngsten kriti- schen Sichtung der Jura-Fossile (Jura p. 234) des S. leptoce- phalus nur so gelegentüch erwähnt, bei der Schwierigkeit, un- sern Fischen die richtige Deutung zu geben und die Grenze zwischen den Pholidophoren und Lepidoten zu ziehen. Sehen wir die übrigen Arten, die Agassiz aufzählt, an, so finden wir S. rhombifer aus dem Lias von Lymeregis (26, a.) Die Spe- cies gründet sich auf ein Bruchstück, an dem weder Flosse noch Schwanz zu sehen ist und das früher von Agassiz selbst (p. 229) als Tetragonolepis angesehen wurde. Die Schuppen sind ge- furcht und am Hinterrand fein gezähnelt, wie es etwa Dapedius zeigt. Von irgend einer Auszeichnung der unpaarigen Rücken- schuppe ist gar keine Rede. Der schlanke Unterkiefer ist mit feinen Bürstenzähnen besetzt. — Ich nehme keinen Anstand, hie- nach und nach der ganzen hohen Form zu urtheilen (soweit es Zeich- nungen zulassen), diese Art zu Dapedius zu stellen. Mit den S, Bergeri existirt lediglich keine Gemeinschaft. — Anders ist - 85 - es mit S. latus (Taf. 27, 2) aus dem „Lias" von Seefeld in Tirol. Hier begegnen wir wieder der kleinen Brustflosse, der grossen bis zur Afterflosse hin sich ausdehnenden Rückenflosse und den Dornen an den Rückenflossen. Dies ist keuperi- scher Semionotencharakter und wirklich sollen auch die neueren Untersuchungen der Alpen laut brieflicher Mittheilung meines Freundes Oppel immer mehr zu dem Resultate führen, dass die dunklen fischreichen Mergel von Seefeld kaum einer andern Formation als dem Keuper zugerechnet werden können, üeber die weiteren Arten S. Nilsoni und striatus, die auf un- voflständige Reste sich gründen , erlaube ich mir kein weiteres Urtheil. Das zweifellose Resultat der Untersuchung ist, dass die wirklich has'schen Semionoten d. h. leptocephalus Ag. und rhombifer Ag. von Boll und Lymeregis mit den Semionoten von Coburg und Seefeld ausser einer schiefen Schwanzflosse nichts gemein haben, vielmehr selbst wesentliche Verschiedenheiten zeigen, dass sie jedenfalls generell unterschieden werden müssen. Die Folge der Agassiz'schen Vereinigung beider in ein Geschlecht war ein in der That nicht existirendes Monstrum von Genus, künstlich abstrahirt aus verschiedenartigen Fischen verschieden- artiger Formationen. Berger hatte die Sache richtig beschrie- ben, hatte aber einen falschen Namen; Agassiz hatte einen Na- men, aber die Sache dazu fehlte ihm. Jener hatte einen Keu- perfisch, dieser einen Li'asfisch vor sich und beginnt nun eine Zeit der Verwirrung in der Geschichte des Semionotus von dem Augenblick an, da Agassiz unter Ein (qua Liasfisch) aufgestell- tes Genus heterogene Lias- und Keuperfische als Arten unter- ordnet. Dies geschah einer vorgefassten Idee von der Organisation der Fische zu lieb. Um ihretwillen beging Agassiz den grossen Fehler^ geognostisch festgestellte Thatsachen zu ver- läugnen. Von der geistvollen Idee ausgehend, dass die Fischtypen in ihrer Entwicklung an die Formationen sich anschliessen, hatte nämlich Agassiz zu einer Zeit, wo überhaupt noch wenige genaue palaeontologisch-geognostische Untersuchungen vorlagen, die Zeit der heterocerken Fische mit der Trias inclusive abgeschlossen, - 86 - und die Homocerken mit dem Jura beginnen lassen. Diese Idee kaum ausgesprochen, (II. pag. 3) war im Begriffe, von Berger bestätigt zu werden, der in den Semionoten heterocerke Fische sah. Als aber Agassiz in denselben bei näherer Untersuchung homocerke erkannte, kam sie in Gefahr von ihm selbst wider- legt zu werden^ und ward von xA.gassiz in die Richtigkeit der Berger'schen Bestimmung des Alters der Fische Zweifel gesetzt. Aus dem Keuper Coburgs ;, von Berger Quaderstein geheissen, wird „Quadersandstein" gemacht und „plustot Lias." Als Sekundanten H. Berger gegenüber treten „mehrere Geologen" namentlich Graf Münster auf. So schreibt denn 1834 Agassiz an Bronn: (Jahrbuch p. 380) „Es soll meine Vermuthung über „die Lagerung des Semionotus sich bewährt haben, die ich doch „blos aus der Organisation des Fisches entnommen hatte , und „die Fundstätte von Coburg dem Lias angehören. Dies wäre ^mir eine sehr erfreuliche Bestätigung der Gesetze, die ich für die Aufeinanderfolge der Fische gefunden habe." — Mit Seefeld in Tirol scheint es ähnlich gegangen zu sein. Seit alten Zeiten fanden sich dort Fische in dunkeln Schieferthonen und gingen in die Sammlungen der europäischen Kabinete über, doch sprach sich vor Agassiz und Münster Niemand bestimmt über die Formation aus, der sie angehören sollten. Es war auch bei dem damaligen Stand der Alpengeologie im Grunde gar nicht mög- lich, ein sicheres Urtheil über das Alter der dortigen Ablagerungen sich zu bilden, da ausser einigen Fischarten andere Leitfossile namentlich Muscheln, Cephalopoden nicht bekannt sind. Münster und Agassiz bestimmten nun allerdings die gefundenen Fische als liasische (Jahrb. 1836. Dapedius, Lepidotus, Semionotus) Geschlechter und schlössen weiter daraus auf das Alter der Formation. D. h. das Raisonnement war wieder das gleiche, wie "beim Coburger Semionotus : nach der Anschauung jener Ge- lehrten beginnen homocerke Fische mit dem Jura, die Seefelder Fische waren homocerk, folglich ist Seefeld jurasisch, beziehungs- weise liasisisch. Die Falschheit dieser Logik springt in die Augen und steht die bisher allgemeine Annahme des Seefelder Lias — da andere Beweise fehlen — auf schwachen Füssen. - 87 - Nach den neuern Arbeiten in den Alpen wird der Seefelder Schiefer als Glied der mächtigen Dolomitformation angesehen, welche in den Alpen einen Theil des Keupers vertritt. In den Beiträgen zur Geognosie Tirols vom Jahr 1859 zeigt Pich! er wie die Schichten der bituminösen Schiefer von Seefeld, Scharnitz und Zirlerchristen mit den berühmten Fischabdrücken zwischen denen des Dolomits lagern und dessen Streichen einhalten. Ihre Ausdehnung ist sehr beträchtlich, indem sie ins Bayrische bis Partenkirchen und Garnisch sich herüberziehen, wo sie an mehreren Stellen anstehen. Nach Gümbel (Amtlicher Bericht über die XXXIV. Yerh. deutscher Naturf. p. 83) wird der Hauptdolomit in den oberen Keuper gesetzt: auch er führt an, dass einzelne ihm eingelagerte asphalthaltige Schiefer Fischreste und Pflanzentheile umschliessen. Darüber sind Emmrichs Ger- villienschichten oder die Kössener Schichten der Wiener, (Zone der Avicula contorta nach Oppel und Suess) zu stellen. Selbst wer letztere Schichten schon zum Lias rechnet, wie die Wiener Geognosten, kann doch in den Dolomiten nur ältere Lager, also obersten Keuper als Aequivalent erblicken. So schwierig auch immer die genaue Durchführung der Parallelen ist, namentlich wenn in etwas mehr als blos rohen Umrissen die ordinairen Gebirgsarten mit den alpinen verglichen werden, so ist in unserem Fall jedenfalls ganz sicher, dass die Seefelder Fischschiefer un- möglich liasisch sein können, vielmehr ein älteres Niveau haben und möglicherweise in die Nähe der Coburger-Fische gestellt werden können. Nach Allem Gesagten muss der Semionotus des Lias vom Semionotus des Keupers generell getrennt werden. Diese Noth- wendigkeit hat sich von der Zeit der Aufstellung des Geschlechts an dadurch herausgestellt, dass in den Sammlungen und in wirk- lich kritischen Katalogen das Genus „Semionotus" fehlt. Be- greiflich! die Diagnose eines unnatürlich künstlichen Geschlechts findet auf Individuen keine Anwendung! Nur in Hand- und Lehrbüchern führt der Semionotus ein Scheinleben fort. So führt Giebel in seiner Fauna der Vorwelt 1847 p. 210 Semionotus unter einer Diagnose auf, an der genau genommen - 88 - nichts richtig ist, als dass der Fisch eine schiefe Schwanzflosse habe; das geognostische Moment ist ganz verkannt, denn er soll zuerst und am zahlreichsten im Lias vorkommen, bei Auf- zählung der Arten aber wird S. Bergeri als zahlreich im Quader- sandstein (!) von Coburg citirt. Auch in der neuen Auflage der Lethaea (1852) wird Semionotus mit dem Coburger Sand- stein in den Lias versetzt, obgleich (Jahrb. 1843 p. 86) Dr. Berger wiederholt in einem ausdrücklichen Schreiben an Bronn auf das allerdeutlichste von seinen Keu per fischen spricht und ihr Lager unter den Stubensandstein in Sandschichten zwischen den bunten Mergeln stellt. * Ein neuer Wendepunkt tritt erst mit 1851 ein. Nachdem in Coburg lange Zeit keine Funde mehr gemacht wurden, erhielt in diesem Jahr (Zeitschrift der deutschen geol. Gesellsch. 1851 4. Heft pag. 405) Herr von Schau roth eine Platte mit drei sehr vollständig erhaltenen Fischen, auf deren Grund hin er eine Beschreibung gibt, mit welcher Geschlecht und Art, und die geognostische Stellung des Fisches festgestellt wird. ^Semionotus Bergeri'-'' wird beibehalten. Es ist nach Schauroth ein längHch eiförmiger, dem Schwänze zu etwas verlängerter Fisch. Der unsymmetrische Schwanz vermittelt die homocerken Ganoiden der Jurazeit mit den Heterocerken der älteren Formationen. Auf der Mittellinie des Rückens beginnen gleich hinter dem Kopfe sägezahnähnliche, spitze, nach hinten gerichtete Schuppen bis zur hohen 16strahligen Rückenflosse. Der erste Strahl ist mit Schindeln besetzt, was auch bei den übrigen Flossen der Fall ist. Stellung der Bauchflosse in der Mitte des Körpers, ihr Ende gegenüber dem Anfang der Rückenflosse. Ueber 40 parallele Schuppenreihen ziehen sich an einem Winkel von 60*^ gegen die Längenaxe des Fisches hin, die Form der * Eben hier spricht Berger von zwei neuen Arten S. socialis u. esox und charakterisirt seine drei Arten kurz auf folgende Weise: S. Bergeri Ag. hohe Form mit entfernt stehenden Flossenstrahlen socialis Bg. ge- streckte Form mit dicht stehenden Strahlen, esox Bg. gestreckte Form mit entfernt stehenden Strahlen. ' _ 89 - Schuppen vorne mehr quadratisch nach hinten rhomhoidisch. Die Schuppen selbst sind auf ihrer Oberfläche mit einer ihrem Umriss entsprechenden concentrischen 5 — 6 Mal sich wieder- holenden Streifung versehen (Gyrolepis), die Grösse varirt zwischen 5 — 7 Zoll. Der geognostische Horizont ist ganz in üeberein- stimmung mit Berger festgestellt: über den rothen Mergeln, unter welchen der Schilfsandstein liegt, treten sandige Schichten mit grünlicher, heller Farbe auf, aus welchen sich ein Sandstein von 10' mittlerer Mächtigkeit herausbildet. In den oberen Lagen dieser lOfussigen Bank stellt sich gern in Folge Thones und Glimmers eine schiefrige Structiir ein. Eben hier ist das Lager der Fische. Darüber setzt sich ein Wechsel von Mergeln und Sauden fort, der in den Stubensandstein übergeht. (Wie wenig verändert sich diese zwischen Coburg und Stuttgart! Kann man doch, einige MächtigkeitsdifFerenzen abgerechnet, diese Verhältnisse auf die Stuttgarter Fisch- und Saurierlager übertragen). Mit Bezug auf diese klare Beschreibung der zoologischen und geognostischen Merkmale des Semionotus gab Bornemann (Zeitschrift der deutschen geol. Gesellsch. 1854. p. 612) die Beschreibung eines Semionotus-Exeraplars aus denselben Stuben- sandsteinschichten von Haubinda, an welchem der Kopf, Nacken, Operkeln, Schulter u. s. w. vortrefflich erhalten ist. 46 — 48 glänzender Schuppenreihen bilden den Torso des Fisches. 25 Reihen kommen auf den Raum zwischen dem Kopf und dem ersten Strahl der Rückenflosse zu stehen, die Neigung gegen die Axe des Fisches beträgt bis zu 40^. Die Schuppen sind glatt, ohne jede Streifung. Die Rückenschuppen zeigen die eigen- thümHche Dornform. Die Flossen sind mit Schindeln besetzt. — Die Frage ob der Haubindafisch mit dem Coburger specifisch identisch sei, lässt Herr Bornemann offen. Dagegen stellt er ihn unbedingt in das Genus Semionotus des Herrn v. Schauroth. In dem Stadium, in welches die Geschichte des Semionotus jetzt eingetreten ist, handelt es sich zunächst um die Frage: darf der Name Semionotus, den Agassiz auf Grund eines andern, liasischen Fisches aufgestellt hat, auf den Keuperfisch übertragen - 90 - werden? Dadurch dass Agassiz selbst noch mit seinem S. Bergeri den Keuperfisch — allerdings unter dem Präjudiz eines Lias- fisches — herbeizog, kann man dies rechtfertigen. Vollens darf man nach dem Vorgang des Herrn v. Schauroth keinen weiteren Anstand nehmen , mit „Semionotus" die Keuperfische zu be- zeichnen, um so mehr, als sich theilweise schon herausgestellt hat und sicher immer mehr sich herausstellen wird, dass liasische Semionoten in Wirklichkeit nicht existiren. Nur ist man eigent- lich verpflichtet, den Namen v. Schauroths, der die erste wissen- schafthche und präcise Arbeit über den Fisch lieferte, also dass man auf seine Diagnose weiter bauen kann , der ferner die Uebertragung des Agassiz'schen Namen auf seinen Fisch über- nahm, als den Autornamen für Semionotus zu nennen. Gehen wir nun auf unsere schwäbischen Keuper-Vorkomm- nisse über! Längst sind die vereinzelten Schuppen bekannt, welche in den verschiedenen Bonebeds der Lettenkohle und des oberen Keupers mit Zähnen und Knochenresten zusammen sich finden, und meist als Gyrolepis und Colobodus gedeutet wurden; ferner fand Inspector Klemm 1853 aus Veranlassung eines Strassenbaues auf dem Mainhardter Wald bei Hütten im mitt- leren Keuper (oberer Kieselsandstein) ein bisher unbekanntes Bonebed und einzelne Fisch- und Muschelreste , die damals auf der Versammlung deutscher Naturforscher in Tübingen von Ober- baurath v. Bühler vorgezeigt wurden und nach dem Tode des Letztern 1859 in unsern Besitz übergegangen sind. Es sind Fische mit vollkommen glatten Lepidotus ähnhchen Schuppen, die auf eine anständige Grösse hinweisen (Tafel I. 8 10) und Fische mit sägeförraig am Hinterrand ausgeschnittenen Schuppen. So interessant dieses Vorkommen an und für sich war, so war für die palaeontologische Bestimmung der Reste doch nicht ge- nügend Material vorhanden. Der Hauptfund sollte erst 1860 unmittelbar vor den Thoren der Hauptstadt gemacht werden, in den Stuttgarter Stubensandgruben, aus welchen alljährlich der Fegsand für Stuttgart in ungemessenen Quantitäten hervor- geht. Herr Kriegsrath Dr. Kapff, der seit Jahren schon ein scharfes Auge auf die dortigen Saurierreste hatte, fand in den - 91 - grünlichen und röthlichen Thonschniitzen, welche im Liegenden des Stubensandes den Sandstein durchziehen, eines Tages ein ganzes Nest von Fischen, die theilweise ausgezeichnet erhalten in einer Anzahl von gegen 50 Exemplaren dieser Arbeit zu Grunde liegen. Was zuerst das Geognostische anbelangt, so ist über die vollendete Analogie der Coburger und Stuttgarter Verhältnisse gar kein Zweifel. Die Fische liegen im Hangenden des Kiesel- sandsteins, wie wir die kieselharten grobkörnigen Sandsteinbänke nennen, die plattenartig die bunten Mergel durchschweifen und wegen ihrer fossilen Wellenschläge, Thierfährten und allerlei wunderlicher Eindrücke bekannt sind — oder aber im Liegenden des Stubensandsteins, wo die im Kieselsandstein noch vereinzelten Bänke zu massigerem Sandgebirge anschwellen. Nach Herrn Klemm ist dieser Horizont auch im Mainhardter Wald das Lager der dortigen Fische. Die Mehrzahl der in Stuttgart gefundenen Fische gehört 2u der in Taf. I. Fig. 1. in einem vollständigen Exemplar ab- gebildeten Art. Die grösste Länge, die der Fisch erreicht, be- trägt 0,1 Meter, in der Regel weniger, einige messen nur die Hälfte wie Fig. 2. Die Form ist oval, ^3 hoch als lang, der Kopf etwas spitz zulaufend. Die Dornschuppen auf dem Rücken, die Grösse und Stellung der Flossen, namentlich die ungleiche Schwanzflosse stellen auch abgesehen von dem gleichen geo- gnostischen Alter diese Fische in die Nähe der Coburger und Haubinda-Fische, auf welche der Name Semionotus wenig- stens ausgezeichnet passt. Denn das Charakteristische an Allen ist die Verlängerung der unpaarigen Rückenschup- pen zu nach hinten gerichteten Dornen, welche über den gewölbten Rücken des Fisches sich hinlegen. 21 und 22 solcher Dornschuppen und ebenso viele Schuppenreihen zähle ich zwischen Kopf- und Rückenflosse. Die unmittelbar vor der Rückenflosse gelegenen Schuppen verlängern ihren Dorn förmhch zu kleinen Stacheln, die auf der vordem Seite der Flosse an diese selbst sich anlegen. Es sind also keine Schin- deln, die auf dem ersten Strahl der Flosse befestigt wären, - 92 - sondern selbstständige auf den Schuppen aufsitzende Stacheln. Zwischen Rückenflosse und Schwanz setzen sich die Dornen auf den Rückenschuppen in ähnlicher Weise nur feiner und schlanker zur Schwanzflosse fort, indem sich hier die letzten Schwanzschuppen ebenfalls zu feinen Stacheln entwickeln, die vor der eigentlichen Flosse liegen. Die Schuppen sind alle glatt und ganzrandig, vorn höher als breit, hinten breiter als hoch , sämmtliche entschieden rhomboidisch. Der Verlauf der Wirbelsäule von der Nackenplatte zum oberen Schwanzende ist bei einigen Exemplaren als schwache Leiste unter dem Schuppenpanzer zu beobachten. Die Lage der Schuppenreihen zu der Wirbelsäule beträgt beiläufig 60^ zur idealen Längen- Axe des Fisches 70'^. Ihre Gesammtzahl ist gegen 40, jede einzelne Schuppenreihe zählt 12 — 16 Schuppen. Die Strahlen der Flossen wollen sich nicht recht zählen lassen, mehr als 12 werden in der Rückenflosse kaum sein, in den Flossen der Brust- und Bauchseite 6 — 8. Die Schwanzflosse ist allerdings sehr un- symmetrisch. Der Schuppenkörper geht bis in das 2. Dritttheil der Schwanzlänge hinaus. Aber von ächten Hetrocerken kann keine Rede sein, dagegen ist die gleichsam logische Vermittlung jener Fischgruppe mit den jurasischen Homocerken wirklich eine erfreuliche Erscheinung und wird damit den Semionoten des Keupers ihre Stellung im paläontologischen System ange- wiesen. Entschieden erinnern jedoch diese Fische viel mehr an das ältere Gebirge, als an Jura, wo wir ähnliche Charak* tere nicht mehr haben. Bornemann hat den Kopf dieser Fische am genausten zu schildern vermocht: so vollkommen wie das Haubindaexemplar eine Deutung der Kopfknochen zu- lässt, haben wir kein Stück, doch stimmen die Grösse des Operculare, die Form des Frontale, Occipitale durchaus. Zähne waren bisher nicht gekannt: nach Agassiz sprechen zwar Gie- bel, Bronn und A. von feinen Bürstenzähnen, dies ist je- doch ein Merkmal des Agassiz'schen Semionotus , das Liasfi- sehen entnommen ist. Der Keuper- Semionotus dagegen hat (Fig. 3) wie an einem meiner Exemplare deutlich zu sehen ist, einen unter der Krone geschnürten spitzen Griffelzahn. Ohne - 93 - Zweifel würden sie daher von Wagner (cf. Gel. Anz. der bayr. Aead. 1860, Nr. 11, pag. 91) zur Familie der Stylodonten gezählt werden. In diesem Falle könnten sie dazu dienen, zwischen dem Platysomus des Zechsteins und dem Pleurolepis des Lias eine Lücke auszufüllen. Eine 2. Form von Fischen desselben Geschlechtes ist unter Fig. 4 und 5 abgebildet. Die wesentlichen Merkmale der Rückenschuppen, Flossen u. s. w. bleiben. Nur ist die Form des ganzen Fisches eine lang gestreckte. Stirn und Augen sind an dem- Exemplar Fig. 5 vortrefflich erhalten, das auf dem Bauche liegt und somit von oben gesehen wird. In dem zum Stück gehörigen Gegenstück stecken die Dornfortsätze der Rücken- schuppen, die auf dem Stücke selbst abgebrochen sind. Da- gegen treten sie an dem auf der Seite hegenden Exemplare (Fig. 4) wieder deutlich hervor. Von einem Schindelbesatz der ersten Flossenstrahlen sehe ich auch an diesen Stücken keine Spur, dagegen verlängern sich die Dorne der Schuppen auch hier wieder vor den Strahlen der Rücken- und Schwanzflosse. Die grösste Länge dieser Form ist 0,09 Meter, die Höhe 0,02. Die Eckschuppen auch hier vollkommen glatt und ganzrandig. Bei aller vortreffHchen Erhältung des Schuppenkörpers hat doch alles was Knochen heisst so Noth gelitten, dass von genauerer Anatomie derselben leider keine Rede sein kann. Die Form des Kopfes, die Umrisse einzelner Theile , wie des Auges etc., sind auf der Zeichnung sehr treffend wiedergegeben. Die dritte Form der Stuttgarter Keuperfische ist in Fig. 6 leider nur sehr fragmentarisch wiedergegeben. Nur 2 Exemplare unter den 50 Stücken , und diese unvollständig , bekunden eine Form, die auf einen grösseren Fisch hinweisen, als die unter Fig. 1 — 5 gezeichneten. Es ist eine Form, die mit der Grösse der Coburger Fische stimmt. Die Schuppen sind an beiden Exemplaren abgesprungen, was die Zeichnung durch dunklere Haltung angegeben hat. Sehr deuthch treten die Dornschuppen des Rückens hervor, an Fig. 6 zähle ich 21 Schuppenreihen vom Kopf ab, so dass also gerade an den abgebrochenen Theil die Rückenflosse zu stehen käme. Dieser Raum zwischen Kopf - 94 - und Rückenflosse entspricht genau dem an dem Münchener Exemplar beobachteten, das eine Totallänge von 0,18 Meter hat. Ich zweifle daher nicht, unter Fig. 6 ein Exemplar zu besitzen, dass specifisch mit den Coburgern übereinstimmt. Um so mehr , wenn weitere Erfunde constatirten , dass diese Form Schindeln an den Flossen trüge, was bei den beiden ersten For- men nicht der Fall ist. Dies ist bei Vergleichung unserer Fische mit den Cobur- gern eine nicht zu übersehende Differenz. Berger, Agassiz, Sch^roth, Bornemann zeichnen sämmtlich fulcra an den Flossen, wovon ich mich an dem mir von Freund Oppel gefällig mitge- theilten Agassiz'schen Originalstück selbst überzeugt habe. Trotz der sorgfältigsten Untersuchung konnte ich an keiner einzigen Flosse unserer zahlreichen Exemplare auch nur Eine Spur von Schindeln entdecken. Die Möglichkeit des Abbrechens in Folge schlechter Erhaltung ist kaum denkbar, da die viel feinern Theile der Flossenenden u.s.w. auf's Beste erhalten sind. Ausser- dem tritt der eigenthümliche Fall ein, dass sich vor den Flossen die Dornschuppen des Rückens verlängern und in diesem Fall die Schindeln zu vertreten scheinen. Die Schuppen unserer 3 Formen sind alle glatt. Die von Schauroth beobachtete Zeichnung concentrischer, rhomboidischer Erhabenheiten, wie sie z. B. einige Pholidophoren-Arten haben, konnte ich nicht finden. Auch Berger, Agassiz und Bornemann reden von unvollkommen glatten Schuppen. Es scheint demnach der Schauroth'sche Sem. Bergeri bei genauer Prüfung etwas von den übrigen verschieden zu sein. Stellung und Grösse der Flossen stimmt, die Zahl der Strahlen der Rückenflosse, die die Coburger haben sollen (16), wird von den unsrigen nicht ganz erreicht. Handelt es sich nun um Namen für unsere 3 Formen, so wird die Verlegenheit nicht gering. Unsere Form III. stimmt mit Bergers, Agassiz's Bornemanns Exemplaren, also mit Palaeo- niscum arenaceum, Berger, Semionotus Bergeri Ag., aber nicht mit Semionotus Bergeri v. Schauroth, und doch ist v. Schauroth der Erste, der die Species auf eine brauchbare Weise definirt - 95 - und beschrieben hat .und dessen Namen man gern zu Grund legte. Form I. und II. sind entschieden neue Species. Ihr Se- mionoten-Typus, d. h. : das Zeichen auf dem Rügken ist für alle Formen, die unsrigen wie der Coburger und Seefelder so bezeichnend , dass der Genus-Name, wie es denn auch üblich geworden (cf. Quenst. Epochen pag. 511), erhalten werden sollte, jedoch mit Ausschluss liaslscher Formen, wie sich dies von selbst ergeben wird. Form I. nenne ich nach dem verdienst- vollen Entdecker der Stuttgarter Fische S. Kapffii, die Form IL S. elongatus. Zur Vervollständigung der Literatur der Keuperfische ziehen wir noch einen im englischen Keuper gemachten, in Betreff des von uns aufgestellten Semionotus-Charakters merkwürdig über- einstimmenden Fund herbei. Im Jahr 1854 erhielt Eg ertön aus den oberen Lagen des Keupers von Bromsgrove einen Fisch von ganz ungewöhnlicher Form, mit 2 Rückenflossen, schiefer (aber homocerker) Schwanzflosse, den er Dipteronotus cyphus nennt, (The Quarterly Journal- of the geological society of London 1854 pag. 367 Fl. XL) Die Länge des Fisches beträgt nur 3 Zoll von der Nase zur Gabel des Schwanzes, bei einer Höhe von l'/s Zoll, kleiner Kopf, ^/4 Zoll lang und ^/s breit, hoher cameel- artiger Doppelrücken mit 2 Flossen, homocerke Schwanzflosse und Ganoisschuppen, das Maul ist schmal und wahrscheinlich zahnlos. Das Orbitale ist gross, das Praeoperculare breit, halbmondförmig und rauh, das Operculare und Suboperculare klein. Die Bauchflosse steht genau in der Mitte zwischen der Nase und dem Schwanz. Die erste Rückenflosse hat 6 — 7 Strahlen, unter denen die vierte die längste ist, die zweite hat gegen 10 Strahlen, unter denen die sechste die grösste Länge erreicht. Die 3, beziehungsweise 5 Strahlen, die vor dem läng- sten Strahl stehen, sind von den anderen geghederten und ver- zweigten Flossenstrahlen bestimmt unterschieden, denn sie sind nur verlängerte Rückenschuppen. Das Schuppengewand ist stark und fest geschlossen, der Verschluss verstärkt durch obere Lappen an den Schuppen; die Oberfläche des Schmelzes - 96 - ist rauh getupft; der Schuppenreihen sind es 34 von dem Nacken zum Schwanz und 14 vom Rücken zum Bauch. Das Erste, was Egerton auffällt, ist das Vorkommen eines homo- cerken Fisches in einem Gebirge älter als Jura, als der Agassiz'schen Erfahrung zuwider laufend. Die Upper Beds of the New-Red Sandstone stimmen vollkommen mit den Coburg- Stuttgarter Verhältnissen (an bunten Sandstein darf man freiUch nicht denken, wie pag. 369 zu lesen) und ist es daher Egerton über allen Zweifel erhaben, dass Agassiz's Theorie einer Modi- fication bedürfe und die homocerken Fische nicht erst mit dem Jura beginnen, sondern schon früher. Ueberhaupt, ist der ge- lehrte Fischkenner Englands der Ansicht, man dürfe der Gestalt der Schwanzflossen nicht mehr Bedeutung beilegen, als streng nothwendig ist. Der Charakter dieser Flosse wird bei Verglei- ■ chung verschiedener Genera so variabel , dass eine positive Grenzlinie zwischen Heterocerken und Homocerken zu ziehen, nicht möglich ist. Es gehen beide Formen auf einer Stufenleiter langsam und unvermerkt in einander über , wie denn auch im Fötalzustand der anfangs heterocerke Schwanz immer mehr ho- mocerk wird. Was die Vergleichnng des Fisches mit Semiono- tus anbelangt, so hat der engUsche Ganoide mit seinem Doppel- rücken allerdings wenig Aehnlichkeit mit den bisher bekannten Keuperganoiden und doch trägt er den gemeinsamen Typus der dornförraig verlängerten Rückenschuppen des festgeschlosse- nen Schuppenpanzers, der schiefen Schwanzflosse , der Stellung der Bauchflosse, dass man sich unwillkürlich freut über die Uebereinstimmung von Formen, die bei aller localen Verschie- denheit in Ein geognostisches Alter fallen. Es bleibt nunmehr noch übrig, einige weitere Formen aus dem Keuper zu nennen. Unter Fig. 7 ist der Rest eines Fisches mit dicken Eckschuppen, die 2 — 3 Sägezähne haben, abgebildet. Es ist allerdings zu wenig vorhanden, um viel darüber sagen zu können, zumal die Erhaltung in dem grobkörnigen Kieselsand- stein von Hütten (Mainhaidter Wald) eine viel ungünstigere ist, als in den milden Sauden von Stuttgart. Dass er zur FamiUe der bisher besprochenen Fische gehört, beweisen die Dornschup- - 97 - pen des Rückens, Form und Grösse des Körpers spricht auch dafür. Die Schuppen aber sind ganz anders; sie sind dick und stark, hinter der Scapula bedeutend hölier als breit und 3 — 4nial gezähnt, im Verlauf nach hinten beobachtet man nur noch 1 — 2 Zähne (Fig 7^2). Sie haben täuschende Aehnlichkeit mit den Zähnen an einer Säge, die noch nicht „gestellt" ist, bei der also die Zähne noch in Einer Ebene liegen. Man kann das Stück kaum anders nennen als /Sem. serratus , Kieselsandstein von Hütten auf dem Mainhardter Wald. Die ältesten Semionotus , nämUch aus der Lettenkohle von Hoheneck, besitzt Herr Albert Reiniger von hier. Das Hohen- ecker Gestein, das so ausserordentlich verändert und ausgelaugt erscheint, ist zur feinen Erhaltung solch zarter Fische allerdings weniger geeignet, aber doch ist wenigstens an den 2 Exempla- ren, welche Herr Reinigers reiche Lettenkohlen-Sammlung be- sitzt, der Scbuppenkörper mit den Dornen auf dem Rücken gut conservirt. Ob die Flossen Schindeln trugen und andere Merk- male lassen sich jedoch nicht beobachten. Fig. 8 stellt einige Schuppen dar, welche die Aneinanderfügung mittelst einer Art am Oberrand der Schuppe zeigt. Ich nenne den Fisch Semio- notus letticus. EndHch Hess ich noch in Fig. 9, 10, 11 zwei Schuppen- und ein Kieferstückchen aus dem Bonebed des Kieselsandsteins von Hütten abzeichnen. Ich halte dieselbe für Reste von Lepidotus^ Die Fische sind auseinander gefallen und ihre Knochen, Schup- pen und Zähne zerstreut auf den Platten. Doch scheinen sie alle einer Art anzugehören. Nach der Gestalt der Zähne und der Form der viel grösseren Schuppen dürften sie mit Semionotus weiter in keiner Verwandtschaft stehen. Bis auf Weiteres nenne ich sie Lepidotus arenaceus. Ausser den beschriebenen Fischresten begegnen uns einige Conchylien, beziehungsweise deren Steinkerne. Von grossem palaeontologischem Werth sind diese Funde nicht; indem eine richtige Beschreibung sowohl der Art als selbst des Geschlechts im Sinne der Zoologen zur Unmöglichkeit gehört. Ich betrachte sie mehr als Orientirungsmittel für den Geognosten. Denn von Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861, Is Heft. 7 - 98 - jeher musste sich unser Keuper im Allgemeinen eine stiefmütter- liche Behandlung Seitens der Geognosten gefallen lassen. Der Mehrzahl der Geognosten winkte der Jura mit seinem Reichthum an Muscheln und Hess man den Keuper in seiner Armuth an Fossilen unbeachtet. Um so erfreulicher sind daher Muschel- bänke im Keuper, um so mehr als ihr Nachweis an mehreren Orten * gelingt, und sie daher nicht blos als vereinzelte zufällige Bildungen, sondern als weit verbreitete Charaktermuscheln zu betrachten sind. Ich zweifle kaum, dass bei genauerer Unter- suchung unseres Keuperlandes sie geognostische Horizonte ab- geben w^ erden. 1. Schnecken Fig. 12 — 23. Zwei Formen lassen sich an den Steinkernen unterscheiden. Die erste Form hat abge- rundete Umgänge und ovale Mundöffnung. Der letzte Umgang ist um ein Beträchtliches grösser als der vorletzte, 3 — 5 Um- gänge zählt man an den Steinkernen. Die Höhe schwankt zwischen 4 und 15 Mm. Die andere Form, die übrigens hundert- fältig in die erste übergeht, hat Kanten an den Umgängen und ist die Mundöffnung länglich oval, mehr in die Breite gezogen. Diese Form wird etwas grösser und ist daher mögUcher Weise nur eine Altersverschiedenheit von der erstbezeichneten. Man hat bisher die Gattung Paludina, welcher unsere Steinkerne am nächsten stehen, im älteren Gebirge nicht gefunden. Die ersten Paludinen gibt Römer aus dem Wälderthon von der Clus bei Minden an. Ich trage daher einiges Bedenken, ehe weitere Funde mit Schalen gemacht werden, geradezu den Namen Palu- dina auf unsere Muscheln zu übertragen. Doch mag solches vorläufig geschehen, um den Dingen Namen zu geben, unter denen man sich Vorstellungen machen kann, ohne die ohnehin schon zahlreiche Nomenclatur mit neuen Namen zu beschweren. Keinesfalls kann aus den Steinkernen bewiesen werden, dass es keine Paludinen sind, wenn ich auch den positiven Beweis zu liefern nicht im Stande bin. Das Lager dieser Schnecken ist * Ich fand sie bis jetzt bei Ubstadt, am Stromberg, bei Scborn- dorf und Stuttgart. - 99 -^> in der ersten festen Bank über den rothen Letten, welche in einer Mächtigkeit von 40—60' die Schihsandsteine des Keupers überlagern, also genau im Liegenden des Kieselsandsteins. Tiefer unten unter dem Schilfsandstein scheidet sich mitten in den Gypsletten eine ähnliche Bank aus, welche zwar nur wenige Zoll mächtig, doch gleichfalls aufs reichste mit ähnlichen Stein- kernen erfüllt ist (Stuttgart am Bopser über dem Gyps, hinter der Reiterkaserne im Hohlweg in den Gypsletten, Rothenberg unter den Gypsen und a. 0. Zwischen den Schnecken des Kieselsandsteins und des Gypses bemerke ich jedoch d*jn Unter- schied, dass die letzteren nicht die ovale Mundöffnung der ersteren haben, sondern nahezu kreisrunde. Auch sind diese Schneckcii durchweg viel kleiiier, die kleinsten nur hirsenkorngross , dass sie manchmal den Eindruck von Litorinellen machen, wie man sie im Mainzer Tertiär zu sehen gewohnt ist. Mit Rücksicht auf diese Unterschiede kann man die Paludinen des Gypses mit runder Mundöffnung P. gypsea, die des Sandsteins mit ovaler Mundöffnung P. arenacea heissen. Die bisher aus der Trias beschriebenen Schnecken wurden vorzugsweise den Turbonillen zugetheilt, andere den Melanien, Naticellen u. s. w. Mit Rissoa Stromhecki Schaur. * haben die unsrigen am meisten Aehnllchkeit, im üebrigen sind sie wiegen der Massenhaftigkeit ihres Vorkommens werth, besonders ausgezeichnet zu werden. Siehe auch Gümbel (Amtl. Ber. etc^ pag. 83) nach, der aus der Nähe der Seefelder Fische eine Masse kleiner Schnecken kennte die er zu Melania stellen möchte. 2. Unter den Muscheln sehen wir 1) in Fig. 24 — 27 kleine cyclasartige Zweischaler, gleichfalls nur in Steinkernen erhalten. Quenstedt nannte die über den Gypsen so zahlreich sich findenden Cyclas Keuperina Petr. K. T. 44 Fig. 17. Ein Unterschied dieser und der unsrigen aus dem Liegenden des Kieselsandsteins ist kaum zu bemerken. Bei der vollkommenen Zerstörung alles Organischen in den bezeichneten Bänken ist * Krit. Verz. der Versteinerungen der 't'rias im VicentiniscLeB- Wien 1859. (Akad. der Wissensch.) — 100 — von Schloss oder Zähnen nichts zu sehen. Aber Form und Grösse stimmt. Eine Kante, die vom Wirbel nach unten über die Seiten der Schale lauft, ist bald mehr bald weniger deutUch, verschwimmt aber bei kleinen Exemplaren fast ganz. Die Stärke der Kante wird kein specifisches Merkmal abgeben, wie auch an lebenden Cyclas zu sehen, weshalb wir bei dem Einen Namen C. Keuperina Q. stehen bleiben. Die Mytilaceen sind Fig. 28 — 31 abgebildet. Die scharf ausgeprägte gerade Schlosslinie bildet mit dem Hinterrand der Muschel einen Winkel von 45^, der erste Anblick erinnert am meisten an die Dreissenen von Kirchberg und Mainz und wäre die Muschel nicht so gar flach, ihr Kiel vielmehr ausgeprägter und stärker, so dürfte man die Muschel unbedingt Dreissena nennen. Indess hat v. Schauroth das Genus BakewelUa für diese und andere Mytilaceen der Trias aufgestellt. Herr v. Alberti, dem ich von unseren Erfunden Mittheilung machte, besitzt dieselben von Gansingen bei Aarau und hat ihnen den Namen B. laevigata gegeben, den ich gerne adoptire. Die weiteren Bilvalven sind Anodont?n. Fig. 32 — 35 Anodonta dubia Alb. (briefl. Mitth.) aus der Muschelbank von Ochsenbach. In allen Grössen von einem halben bis zu zwei Centimeter^ ohne Spur von einem Schloss schliessen sich diese Anodonten an die der Lettenkohle (A. lettica Qu.) an die des Gypses (A. gypsed) und des Bonebedsandsteines {A. postera DefFn. u. Fr.) an. Sie bilden zu Tausenden mit den Cyclas, Dreissenen und Paludinen die handhohe Bank unter dem Kiesel- sandstein und geben ihm das Gepräge einer (brackischen) Süsswasserablagerung. Solche Grösse, wie die Anodonten des Fischlagers von Stuttgart erreichten, Fig. 36 — 38, zeigen sie in den genannten Lagern nicht. Es werden daher die grossen, kräftigen Formen des Stubensandsteins einen eigenen Namen verdienen und mit ihrem Schichtennamen A. arenacea am ehesten ausgezeichnet. Die genannten Muscheln weisen wohl in ihrer Gesammtheit darauf hin, dass auch Semionotus , der mit ihnen vorkommt ,* ein Süsswasserfisch war. Von ächten pelagischen Muscheln und Seethieren ist nichts zu finden, so - 101 - wenig als von Kalkniederschlägen, wie sie die marinen Bildungen absetzen. Nehmen wir dazu noch die ausgezeichneten Funde von Landeidechsen, die H. Dr. Kapff (Jahresh. XV. 1859 p. 46) gemacht hat! In Begleitung der Fische fanden sich in den letzten Jahren Stücke , welche auf den apocryphischen Keuper- Saurier ein neues Licht werfen und in die Nähe von Megalo- saurus und Mosasaurus stellen. Es ist Phytosaurus Jäger 1826; die Identität dieser 1826 schon im Stubensandstein von Rübgarten gefundenen Reste mit den neuen Stuttgarter Erfunden hat KapfF mittelst eines Gyps-Abgusses zur Evidenz nachgewiesen. Ebenso werden die Saurierreste von Löwenstein AfFalterach, Leonberg, (v. Meyer, Saurier des Muschelkalks, Frankf. 1847—55 pag. 148) von Aixheim (Qu. Fetrf. p. 110) von Stuttgart (Plien. Jahresh. VIII) sämmtlich diesem acht schwä- bischen Neckarsaurier angehören. Bald werden Avir aus H. V. Meyers Meisterhand,' welche die monographische Bearbeitung dieser Reste übernommen hat, Ausführliches zu erwarten haben und wird so auf diese Weise an. dem vielfach verachteten Keuper eine längst schon drückende Schuld abgetragen werden. 3. Einige Notizen über Taenien. Von Dr. Salz mann in Esslingen. 1) Ueber das Vorkommen der Taenia cuciimerina im Menschen. Ausser den zwei bekannten menschlichen Bandwürmern, der Taenia solium und dem Bothrioceplialus latus, wurden in neuster Zeit noch einige weitere Species von reifen Cestoden im Menschen beobachtet. Küchenmeister (die in und' an deui Körper des lebenden Menschen vorkommenden Parasiten) führt noch die Taenia mediocanellata an, w^elche in Sachsen vorkommt, ferner eine Taenie vom Kap der guten Hoffnung und die Taenia 7\ana^ die in Aegypten in grosser Menge in einer Leiche gefunden \Yurde. Weinland (Med. Corresp. Bl. 1859, 31) beschreibt eine von ihm flavopunctata genannte Taenie, die in Amerika unbeachtet in einem Kinde gelebt hatte und von selbst abgegangen war. Aus der Aehnlichkeit der Eier dieser Taenie mit den Eiern derjenigen Bandwürmer, welche in Nagethieren und Insekten- fressern vorkommen, schliesst Weinland, dass sie eigentlich einem solchen Thiere angehöre und sich nur ausnahmsweise im Menschen entwickelt habe. Ein ähnliches Yerhältniss findet bei der Taenia cucumerina statt, indem dieser dem Hunde angehörige Cestode, wenn er sich in den menschlichen Darm verirrt, auch hier sich entwickeln kann. Dieses Vorkommen der Taenia cucumerina im Menschen scheint schon früher beobachtet worden zu sein, wird aber von - 103 - den Helrainthologen geleugnet. (Württ. naturwissensch. Jahres- hefte VIII, p. 171). Ich kann die Möglichkeit der Existenz der Taenia cucumerina im Menschen bestätigen, indem ich eine solche zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Wirtli, der diese Taenie beherbergte, war ein Kind von 16 Monaten aus einer Familie der hohem Stände. Die Eltern des Kindes theilten mir mit, dass es unruhig schlafe, im Schlaf mit den Zähnen knirsche und sehr reizbar sei , dass man desshalb Würmer bei dem Kinde vermuthet und ihm Wurmsamen gegeben habe. In der That seien auch Würmer von der Form der Gurkenkerne abgegangen, wie dies seit einigen Wochen schon häufig vorgekommen sei. Die Würmer seien theils mit , theils ohne Koth abgegangen , liaben sich lebhaft bewegt, aus dem Koth hervorgearbeitet und seien weiter ge- krochen. Die Würmer, die mir gezeigt wurden, waren todt, es waren Froglottiden einer Taenie, aber dass sie von keiner Taenia solium abstammten, sah man an ihrer Farbe, Form und Grösse, namentlich aber daran , dass auf beiden Seiten der Glieder Genitalöffnungen zu sehen waren. Das Kind hatte noch nie Fleisch zu essen bekommen, man hatte, wie man mich versicherte, nie mit dem Küchen- messer, mit dem man das rohe Fleisch zu zerschneiden pflegte, Brod für das Kind zugeschnitten; es war mir desshalb die Entstehung dieses Bandwurms überhaupt auffallend, besonders aber überraschte mich die Form der Froglottiden , die von der aller menschlichen Taenien abwich. Ich vermuthete, es könnte eine Täuschung obwalten und beauftragte die Eltern, mich davon zu benachrichtigen, sobald wieder Würmer mit der Oeff- nung abgingen. Wirklich bekam ich den andern' Tag eine solche Oeffnung zu Gesicht. Drei Froglottiden, die sich in derselben befanden, krochen munter hervor und entfernten sich eine ziemliche Strecke. Die Bewegungen waren Anfangs lebhaft, wurden allmählig lang- samer, auf die Anwendung verschiedener Reize, namentlich des — 104 — Galvanismus, wurden sie wieder etwas stärker und hörten nach zwei Stunden ganz auf. Ich war nun nicht mehr im Zweifel, dass die Bandwurm- glieder wirklich von dem Kinde abgegangen waren, und es handelte sich nur noch um die Bestimmung der Species. Die Proglottiden waren 2—3'" lang, ^'2 — V" breit, vier- eckig, an einem Ende etwas schmäler, mit schwach gebogenen Seitenkanten. Sie hatten eine Epidermis und eine Muskelhaut mit den bekannten Kalkkörperchen. An beiden Seitenkanten in der Mitte waren Genitalöffnungen. Die Genitalien gingen schief gegen die Mitte und nach vorn. Die Eier waren zu 2 — 7, meistens zu 5 — 7, in regelmässige ovale Conglomerate zusammengekittet. Die Conglomerate hatten keine Hülle, hielten aber doch fest zusammen. Die Masse, durch welche sie zusam- mengekittet waren, bestand aus kleinen, runden, ölartigen Tropfen und war wahrscheinlich der von Dujardin (Histoire naturelle des helminthes , p. 543) Sarcode genannte Stoff. Die Eier waren kugelförmig, etwa 0,05 Mm. gross, mit einfacher, unregel- mässig zerspringender Schale. Die Oberfläche derselben war rauh. Es war ein festerer Niederschlag von der zusammen- kittenden Masse auf derselben abgelagert. Dieser fiel in haut- artigen Stücken ab , bildete aber keine vollständige Haut. Der Embryo war 0,03 Mm: gross, glatt, mit hellem Inhalt und hatte 6 Embryonalhaken. Die Beschaffenheit der Proglottiden stimmte vollständig mit der der Taenia cucumerina überein, beim Vergleich mit Ghedern einer vom Hund abgegangenen Taenie war kein Unterschied zu finden. Die Untersuchung des Kopfes dieser vom Menschen abge- gangenen Taenia cucumerina war leider nicht möglich, da er unbemerkt von selbst abgegangen war. Ebenso mussten die vorbereiteten Fütterungsversuche verschiedener Thiere mit den abgehenden Proglottiden, um den noch unbekannten Finnenzustand der Taenia cucumerina zu finden, unterbleiben, da die Proglottiden auf einmal ausblieben. Ich Hess das Kind 8 Monate lang beobachten, ob nicht - 105 - von Neuem Proglottiden abgehen, allein ohne Erfolg. Nach dieser Zeit gab ich ihm Kousso ein, es bekam hierauf einige dünne Stühle, die ich mit dem Mikroskop genau untersuchte, es war aber keine Spur einer Taenie darin zu entdecken. Der Parasit musste sich im menschlichen Darm nicht sehr heimisch gefühlt haben, es war auch kein rechtes Gedeihen in demselben. Die Glieder gingen alle einzeln ab und enthielten wenig Eier im Vergleich zu andern reifen Proglottiden. Konnte auch der Kopf der Taenie nicht untersucht werden, so kann doch mit Bestimmtheit angenommen werden , dass die Taenie zuT. cucumerina gehörte, was besonders dieEiconglomerate bewiesen, welche bei keiner andern Taenia mit doppelten Genital- öffnungen vorkommen. Nach diesen Beobachtungen wird nun die Möghchkeit der Existenz der Taenia cucumerina im Menschen wohl nicht mehr bestritten werden können und es zeigt sich, dass ausser den dem Menschen eigenthümlichen Bandwürmern, zu denen Taenia solium, Bothriocephalus latus und wohl auch Taenia medio- canellata gehören, sich ausnahmsweise im Menschen auch Cestoden entwickeln können, die Thieren eigenthümlich sind. Zu diesen gehören die Taenia cucumerina und wohl auch die von Wein- land aufgefundene flavopunctata. In unserem engeren Vaterlande, dessen naturwissenschaft- liche Erforschung sich unser Verein zunächst zur Aufgabe ge- macht hat, finden sich von den oben genannten Cestoden fol- gende drei: 1) Die weit verbreitete dem Menschen eigenthümliche Taenia solium. 2) Der im und durch den Menschen voni Ausland, nament- lich von der Schweiz eingeschleppte Bothriocephalus latus. ' 3) Die dem Hunde angehörige und nur ausnahmsweise sich im Menschen entwickelnde Taenia cucumerina. 2) lieber die Befruchtung der Taenien. Wie bei andern Taenien , so finden sich auch bei der Taenia cucumerina Abnormitäten. — 106 - Ich fand z. B. in einem Eiconglomerat einer Taenie, die von einem Hmid abgegangen war, zwischen normalen Eiern mit sechshackigen Embryonen ein Ei, das einen Embryo von fast doppelter Grösse mit 12 Hacken enthielt. Der Hackenkranz scheint oft zu fehlen oder auch, wie bei andern Taenien, abzufallen, da Diesing (Systema Helminthum) diese Taenie zu den unbewaffneten Rhynchotaenien zählt, wäh- rend bei den von mir untersuchten Exemplaren von Taenia cu- cumerina die rosendoruähnlichen Hacken bei SOOfacher Ver- grösserung und passender Beleuchtung sehr deutlich zu sehen =waren. Dujardin (Histoire naturelle des helminthes) gibt an, die Hacken stehen in drei Reihen; ich sah die im Quincunx stehenden Hacken auch zwei und vier Reihen bilden. Besond6rs erwähnenswerth sind aber einige von mir be- obachtete Abnormitäten der Genitalien, da sie Aufschluss über den Begattungsakt geben. Bei einigen Proglottiden einer Taenie, die im Hund gelebt hatte, fehlten auf der einen oder andern Seite die männlichen Genitalien, ja zuweilen war sogar auf keiner Seite das bei frischen Taenien leicht zu erkennende, geschlängelte Vas deferens zu finden, und doch enthielten diese Glieder reife Eier. Bei zwei Ghedern der Taenia, die im Menschen gelebt hatte, waren die männlichen und weiblichen GenitaUen so weit von einander entfernt, dass die Entfernung der Genitalöffnungen den dritten Theil der Länge der Proglottis betrug und doch fanden sich reife Eier in denselben. Wenn Proglottiden, die keine männlichen Genitalien hatten und solche, bei denen wegen der gegenseitigen Entfernung der männhcheu und weiblichen Genitahen eine Selbstbefruchtung •nicht möglich war, reife Eier enthielten, so muss hier bei der Befruchtvuig eine Paarung zweier Taenienglieder stattgefunden haben, wie diess auch bei Anneliden und andern Hermaphroditen der Fall ist. Es findet demnach bei der Begattung der Cestoden ent- weder eine Befruchtung einer Proglottis durch sich selbst statt. — 107 - wie diess J. van Beneden (les vers cestoides ou acotyles) bei Phyllobothrium lactuca gesehen und beschrieben hat, oder eine eigentUche Paarung, eine gegenseitige Befruchtung zweier Pro- glottideu, was nach dem oben Gesagten angenommen werden muss und auch von Schultze (Heckers Annalen der ges. Heilk. 1825) bei Taenia crenulata beobachtet wurde. Diese Thatsache spricht für den von Darwin (über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natür- liche Züchtung 1860 übersetzt von Bronn) aufgestellten Satz, „dass auch bei Hermaphroditen eine wenigstens von Zeit zu Zeit erfolgende Kreuzung zweier Individuen Naturgesetz ist," da wir jedes Bandwurmglied als ein Individuum, den Bandwurm als eine Colouie solcher Individuen betrachten müssen. 4. Die Arten der Gattungen Glyphea und Pseudoglyphea. Von Prof, Dr. Albert Oppel. Die Bearbeitung des zahlreichen Materials von Crustaceen- Resten aus dem lithographischen Schiefer Bayerns, welches sich in der hiesigen paläontologischen Sammlung befindet, veranlasste mich, auch die mir zugänglichen Vorkommnisse fossiler Krebse aus den übrigen Jura-Schichten zu untersuchen, da mehrere Gattungen von dem untersten Lias an bis in die obersten Lagen des oberen Jura's^vertreten sind. Da die Pubhcation der nahe- zu vollendeten Arbeit erst binnen Jahresfrist erfolgen wird, so beabsichtige ich je für einzelne Gattungen schon zuvor einen Ueberblick über die mir bekannten Arten zu geben, indem ich vorläufig mit den Gattungen Glyphea und Ps endo glyphea be- ginne. Grlypliea Meyer. Hiemit fallen Münster's Örphnea und Brisa sowie Meyer's Selenisca zusammen. Es gelang mir, 21 Arten jurassischer Gly- pheen zu unterscheiden, einschliesslich einer Species, Glyphea rostrata Phill., deren Deutung unsicher bleibt. Die meisten Anm. Münsters Glypheen gehören dagegen 2u der artenreichen Gattung Eryma Meyer, mit welcher ich noch folgende Bezeich- nungen vereinigen musste: Aura Münst., Klytia Meyer, und Fustulina Quenst. Münsters Bezeichnung Bolina behielt ich als besonderen Gattungsnamen für das von Münster Beitr. II. Tab. 9 Fig. 18 abgebil- dete Exemplar, während seine Fig. 14 ein Individuum darstellt, das mit noch einer zweiten Species des lithogr. Schiefers eine neue Gattung j;St€nochirus" repräsentirt. - 109 - gehören dem oberen Jura an. Ich zähle sie ihrem Lager nach auf. A. Aus dem Li as. 1) Glyphea Heeri Opp. Kleine Species, deren kurze Vorder- füsse mit Wärzchen bedeckt sind, während die Schale des Cephalothorax auf ihrer Oberfläche zahheiche Vertiefungen be- sitzt. Sehr häufig im untern Lias von Mülligen (Schambelen) unweit Baden in der Schweiz. Von den H. Prof. Heer und Escher von der Linth in Zürich mitgetheilt. 2) Glyphea major Opp. Etwas grösser als die vorige Art. Ebendaher. 1 Exemplar. 3) Glyphea alpina Opp. Aehnlich der Glyphea Heeri; Schalenoberfläche des Cephalothorax granulirt. Ein Exemplar; unterer Lias Kamnierkehr bei Waidring; das einzige in dem Lias der Alpen aufgefundene Exemplar von Glyphea. Von H. Prof. P ichler in Innsbruck mitgetheilt. 4) Glyphea liasina Meyer. Mittlerer ^ Lias. Metzingen. (Württemberg). 5) Glyphea Terquemi Opp. Eine der vorigen Species be- nachbarte Art aus dem mittleren Lias des Mosel-Departements. Von H. Ter quem in Metz mitgetheilt. B. Aus dem Dogger. 6) Glyphea solitaria Opp. Unteroolith. Zone der Trigonia navis von Mössingen. (Württemberg). 7) Glyphea pustulosa Meyer. Unteroolith von Ehningen und NeufFen. (Württemberg). 8) Glyphea crassa Opp. Kleiner mit derben Warzen be- deckter Cephalothorax von breiter und dicker Form. Aus dem Unteroohth des Mosel-Departements von H. Terquem in Metz mitgetheilt. C. Aus dem oberen Jura. 9) Glyphea ornata Quenst. sp. (Orphnea ornata Quenst). Kelloway- Gruppe. Zone des Amm. athleta. ürsulaberg bei Pfullingen. (Württemberg). - 110 - .10) Glyphea üdressieri Meyer {Palinurus squamifer Desl.) Oxford-Gruppe. Sehr verbreitet. 11) Glyphea Münsteri Voltz {Glyphea speciosa Meyer). Mit der vorigen Art. 12) Glyphea Eegleyana Desm. {Glyphea vulgaris Meyer und Palinurus long ehr achiatus Desl.) Mit der vorigen Art. 13) Glyphea Bronni Eöm. Unteres Coralrag Römer's. Umgebung von Hannover. Von H. Obergerichtsrath Witte in Hannover mitgetheilt. 14) Glyphea rostrata Phill. Unsichere Species des oberen Jura's. 15) Glyphea Etalloni Opp. {Glyphea rostrata Etallon non Phill.) Terrain ä Ghailles. Calmouders (Haute-Saöne.) 16) Glyphea gratiosa Meyer sp. {Selenisca gratiosa Meyer). Oberste Jura-Schichten von WurmHngen bei Tuttlingen. Von H. Finanzrath Es er in Stuttgart mitgetheilt. 17) Glyphea pseudoscyllarus Schloth'. sp. {Orphnea striata, laevigata, pygmea Münst. Brisa dubia, lucida Münst. Lithogr. Schiefer Bayerns. 18) Glyphea squamosa Münst. {Orphnea squamosa Münst.) Lithogr. Schiefer Bayerns. 19) Glyphea tenuis Opp. Vorderfüsse sehr kurz und dick. Dimensionsverhältnisse ähnlich denen von Glyphea pseudo- scyllarus, — dagegen besitzt Glyphea tenuis eine beinahe glatte Schalenoberfläche. Antennenstyle der äussern Antennen kürzer als bei Gl. pseudoscyllarus und ohne die stacMigen Kanten. Ein Exemplar. Lithogr. Schiefer Bayerns. 20) Glyphea Saemanni Opp. Eine der grössten Arten von Glyphea. Schale mit dicken Warzen besetzt. Füsse kurz und dick. Lithogr. Schiefer von Cirin. 21) Glyphea Jurensis Opp. Aus den Plattenkalken des oberen Jura's von Söflingen bei Ulm. Ein Exemplar. Von H» Professor Fr aas mitgetheilt. - 111 - Pseudoglypliea Opp. Wurde seither mit Glyphea vereinigt, unterscheidet sich jedoch durch den Verlauf der Furchen auf dem Cephalothorax. Als Typus kann Glyphea grandis Meyer betrachtet werden. Die Form der Extremitäten ist nicht bekannt. 1) Pseudoglyphea gratidis Meyer sp. Unterer Lias. Fritt- lingen, Ofterdingen (Württemberg). Von H. Bergrath v. Alberti mitgetheilt. 2) PseudogJyphea amalthea Opp. [Glyphea amalthei, pars, Opp. der mittl. Lias Schwabens, tab. 1. Fig. 3a). Zone des Amm. margaritatus von Heiningen bei Boll. Von H. Dr. Roman in Heilbronn mitgetheilt. 3) Pseudoglyphea Terquemi Opp. Zierliche Species; der Cephalothorax trägt auf der obern Partie seines vorderen Haupt- theils vier starke , oben gezackte Längskanten , deren inneres Paar sich in der Medianhnie gegen vorn vereinigt. Schalen- oberfläche schwach granulirt. Augeblich aus der Oxford-Gruppe, Meurthe-Departement. Von H. Terquem in Metz mitgetheilt. 4) Pseudoglyphea eximia Opp. Derbe Warzen bedecken den Cephalothorax abwechselnd mit feineren Warzen. Im vor- dem Haupttheil stehen erstere zum Theil in Längsreihen. Grosse Species. Mit der vorigen Art. München, December 1860. 5. Die Mamrauths-Ausgrabungen zu Cannstatt im Jahr 1700. Aktenmässig dargestellt von Dr. Fr aas. Als im Laufe des verflossenen Jahres aus Anlass der Eisen- bahnbauten auf der Linie von Cannstatt nach Feilbach colossale Stosszähne und eine Reihe von Backzähnen und Knochen des Elephas mammutli ausgegraben wurden und wie gewöhnhch zu- gleich eine grosse Menge Zähne und Knochen von Nashorn, Bär, Hirsch, Pferd, Ochse u. s. w. sich vorfand, richtete sich die Auf- merksamkeit wieder auf die früheren Ausgrabungen zu Anfang dieses und des vorigen Jahrhunderts. Bei den Akten des K. Natu- ralien-Cabinets liegt ein ungedruckter Catalog über die im Jahr 1700 bei der UfFkirche ausgegrabenen erstmaligen Erfunde, die zum grössten Theil noch vorhanden mit dem Catalog verglichen werden können. Es ist derselbe zu bezeichnend für den da- maligen Standpunkt der Anschauung und jedenfalls von histori- schem Interesse, dass schon von diesem Gesichtspunkt aus eine aktenmässige VeröffentHchung gerechtfertigt sein wird. FossiliaCantstadiensia. Contactum fugias, oculis lustiässe sat esto. Nachdem anno 1700 den 4 Aprilis ein Granatir von Ihro hochf. durchl. Regiment bei Cantstatt vorbeygegangen und wahr- genommen, dass oben aus dem Boden etwas AVeisses hervorgucket, und er eine Haue bey sich hatte, hatt er mit der Haue nachge- graben und also zum ersten mahl diese wundersame Sachen in der erden entdecket. Das erste stück , so er herausgegraben und noch selbigen Abend bei Hof über die fürstliche Tafel gebracht, hat die inscription „das Erste Stück den 4. Apr. anno 1700." - 113 - Nachgehends hat man mit dem Nachgraben fortgefahren und bis in das folgende Jahr continuirt und nach und nach alle die Sachen, die nicht ohne Verwunderung können gesehen werden, herausgebracht und anhero zur Kunstkammer geführet und vor- gestellt, deren jedoch auch eine grosse Quantität in gestalt allerlei hörner, gross und klein, so aber gar mürb und gebrechlich ge- wesen und nicht haben gantz und unverbrechlich anhero können gebracht werden, Zur Hofapothek ist verwahret worden. N. 1. ist einem vertebra eines veritablen Cameeles ähnlich, zumalen an der grosse, ist aber in vielem gantz different, son- derlich in der substantz. N. 2. ein unförmlich stück 8 Zoll hoch und 6 Zoll breit, unten rund und oben hinaus etwas schmahl, gleich einem stück von einer unförmUchen kugel, inwendig gantz porös und nicht sonderlich schwer. N. 3. Ein ander etwas kleineres und in die runde laufendes stück, im Diametro 6 Zoll gleich einer halben Kugel, ganz porös und inwendig wie vermodert bein oder knochen. steht darauf geschrieben Cantstatt den 6. October 1700. N. 4. Ein ziemHch grosses globoses segmentum j gleich denen, wie sie in mundo subterraneo Kircheri pag. 60 be- schrieben werden begreiffend in seiner soUditate etwas mehr als eine halbe Kugel, der Diameter ist über 7 Zoll gross, das cor- pus ist durch und durch massiv, ist auch also in der gestalt eines hemisphaerii in der diefen erden gefunden worden, von aussen ist ganz glatt und perfect globos, ohne eintzige inae- qualität oder asperität, hat aber oben hinaus eine protuherantiam oder processum ungefähr 2 Zoll lang, ist auswendig beschrieben, Cantstadiense Fossile Die Septembr. 1700. dienet zur nähern nachsieht, was Kircherus an besagtem Ort, allwo er 3 dergleichen kugeln vorbildet mit folgenden Worten meldet: quemadmodum terra in utero suo omnis generis saxa^ carbones quos Lithan- thraces vocant j lignum fossile^ carnem terrae, quam margarn dicuntj ita et ossa suo modo generat, quos Metallici jam Eno- stos, OssifragoSj germanice „Knochenstein" vocant.^ N. 5. Ein gantz wunderbahres stück, fast gestalt wie eine Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. Is Heft. 8 — 114 — grosse vertebra, lesst sich aber wegen seiner sonderbaren Form nicht wohl mitt einer vertebra vergleichen, ist eines schuchs breit und so hoch, 3 Zoll duck, ohne eintziges foramen meduUae spinalis, sondern dasselbst ausgefüllt mitt einer substantia porosa und spongiosa^ durch und durch wie das gantze corpus ist, auf der anderen selten klebt die gelbe erden noch dran , ist überall friabel und hat dieses stück am Gewicht 3^,2 ft- N. 6. Ein sonderbahres anderes corpus gestalt wie ein kopff oder Hirnschal; ausswendig, alss es noch in der dichten erden steckte, war es ein gantzer globus, mit einer unten heraus- gehenden Spitzen, die andere helfft des hintertheils ist von den Gräbern, weil sie gemeint, es w^re ein stein, auss Unvorsichtig- keit zerhauen worden. Das gantze stück ist durch und durch solid, von- einer durchstreifenden massa porosa, wie ein schwamm, auch ziemlich schwer, wie denn dieses stück über 4 % wiegt, hat 9 Zoll im Diametro und von oben biss an die spitz 10 Zoll, oben auf dem convexo Zeigen sich etliche krumme sutiirae, wie auf dem cranio eines Menschen , so sich aber keineswegs mit demselben vergleichen lassen , ist inscribirt Cantstadii 30. Octobris anno 1700. N. 7. Wider ein segmentum von einer kugel, der substantz nach wie die Vorigen, ganz porös durch und durch, binden excavirt und mit gelber erden ausgefüllt hoch 6 Zoll und 5 Zoll breit. N. 8. ein etwas Kleiners alss nummero 7. Der substantz nach wie die vorigen, durch und durch porös und mit erden allenthalben angefüllt. ^. N. 9. Dieses ist anzusehen, wie die extremität von dem Unterkiefer eines Thiers, zwey breite Stücke jedes 7 Zoll lang, oben zusammenlaufend, unten 3^2 Zoll von einander stehend, darauf angeschrieben Cantstatt 9 Juli 1700. N. 10. £in solides stück, fast gestalt wie ein fass, ein ab- gebrochenes stück noch dran hangend ist abgenommen, die mas- sam inwendig zu erkennen, worauf sich allerhand figuren, wie Bäumlein, wie auf dem marmore florentino präsentiren, beschrie- -Hö- ben Cantstadii Die 5 May anno 1700. ist . das zweyte stück, so der granatir, nahmeiis S c h r a i s h o h n , ausgegraben. N. 11. Ein steinernes stück darauf geschrieben Cantstatt den 4 Apr. 1700 bestehend gleichsam aus 4 aneinander ge- wachsenen lameUiSy 5V2 Zoll lang, oben offen, mit drei ge- fachen, gleich denen sogenannten Elephantenzähnen, ist allem ansehen nach ein abgebrochenes stück von jetzt gedachten. N. 12. Eben ein dergleichen abgebrochener Jamellaj 6 Zoll lang, 3 breit rundlich auslaufend, gleicht dem vorigen, oben mit erden aufgefüllt. N. 13. gleich dem vorhergehenden, doch breiter und gantz dünner. Diese 3 stück seind dicht und hart wie stein. N. 14 ist anzusehen wie ein kopff von einem thier, 5 Zoll hoch, oben gantz scharfF, nach der Lenge Zugespitzt, gleichsam mit zwo cavitatibus des Gehirns über einander, überall sub- stantia ossea. N. 15. Ein selzsames allenthalben durchlöchertes stück, an einem ort porös , gleich den vermoderten beinen und knochen. N. 16 — 22 sieben stück, dergleichen mit vielen cavitatibus und celhilis, durch und durch porös wie vermoderte Knochenstück. N. 23 — 30 acht stück osseae substantiaey viele sehr gross^ wie von Riesen, das grösste über 2 schuh lang, inwendig voller erden, (ci-d-) N. 31. Drauf geschrieben 15 Octobris Cantstatt 1700. Diess bein ist ganz mit seinen capitibas aus der erden gegra- ben worden, welche aber gantz zerfallen und inwendig mit erden ausgefüllt waren. N. 32 — 35 4 kleine stücklein lamellae lapideae , in 5 ex- tremitäten auslaufend, am andern End ist es hohl und mit schö- nen Blumen und Figuren, wie die Dendrita. N. 36. Ein schönes weisses kegelstück 4 Zoll lang, noch in seiner halben mätrice liegend. N. 37. Ein von aussen noch mit harter erden umbwachsenes stück von sogenanntem cornu , daran zu sehen, wie gleichsam auss dem Kern oder centro immer eine cortex umb die ander sich herumgezogen. - 116 -- N. 38. Noch ein ander segmentiim cotii , inwendig sehr rein und weiss wie kreide, auswendig aber unansehnlich. N 39. Ein rares 8 Zoll langes conoidalstück, daran deut- lich zu sehen, wie ein conus über dem andern gewachsen und gar viel cortices oder rinden, wie es noch ganz gewesen, müssen übereinander gewachsen seyn. Die spitz ist im Heraussgraben abgebrochen, seind ausswendig auch noch viele Figuren wie arhusculae und floscuU zu sehen. N. 40. Ein spitz oder extremität von einem cornu, 7 Zoll lang, ist von einem grossen Hörn abgebrochen, die rinde ist rings herumb abgangen und die siqjerflcies externa sehr lieb- lich mit allerhand kleinen floscuUs figurirt. Die spitz ist unver- sehrt und auch hier klärlich zu sehen , wie ein conus in den andern more ceparum involviret» N. 41. Ein starkes kegelstück 6 Zoll lang, dessen spitz abgebrochen, am ducken end 3 Zoll im Diametro ^ ausswendig gantz grau und aschenfarb, inwendig aber zart, weiss und rein. N. 42. Ein ander conus stück 6 Zoll lang, an dem auch ein C071US den andern umgibt vom innersten kern an, ausswendig theils grau und wo was abgebrochen, weiss. N. 43 — 46 vier kleine Extremitäten von conus, daran die innere spitz noch deutlich zu sehen, davon die cortex aber halb abgefallen. N. 47. Ein erdenscholl oder klumpen Erden von Cantstatt mit vielen frustulis und Lamellis lapideis oder vielmehr creta- ceis durchwachsen, so gleichsam das principium oder die fa- tales aller solcher Fossilium terrestrium vorstellen können, von dergleichen generation meldet Kircherus pag. 62 tom 2 Dico latere in subterrestribus visceribus ^ intra saxosorwn montium hiatus terram quandam limosam, quam Margam vocant, gyp- seae materiae mixtam, quae terra ubi -per rimas montium nitrosum fluorem receperit, fit ut illa veluti cortice quodam gypseo itiduatur, qui uti cum tempore lapidescit , ita quoque salenitri splendore, albedine sua os proxime aemulatur^ utpote candidum, rimosum et friabile. N. 48. Ein gar luculenter Beweisthum, dass solche Fossilia - 117 - von sich selber in der erden generirert werden: demnach dieses stück so ad 3 Zoll lang, oben hinaiiss zugespitzt, ausswendig mit einer schönen, weissen cortice sich in der grubei!, welche schon damahl 2 Mann dief aussgegraben war, an der wandt aus der erden herfürthat und zwar in solcher Ducke, muthmasete man , es were eine extremität von einem grossen Hörn , derer schon vorher etHche gar viele heraussgebracht worden, derowegen wollte man es mit sonderbahrer Vorsichtigkeit herausbringen, dass es nicht verbrochen werde, finge derowegen ein paar schritt hinter dem herausguckenden stück zu graben an, man fand aber nichts als diess eintzige princijjium , dahero war leichtlich zu schliessen, dass es nur ein Ansatz von einem neuen Hörn ge- wesen, welches mit der Zeit immer hätte zugenommen und end- lich auch ein gross stück darauss hätte werden können, zumalen man gar augenscheinlich dran siehet, wie nach und nach die particulae lameUorum sich mehr und mehr angesezt, ausge- breitet und zusammengewachsen. N. 49. Etliche knöchlein, so sich mit den organis auditus in briitis vergleichen , alle in der diefen und dichten erden zu Cantstatt nebst andern Wundersachen gefunden und coUigirt. N. 50 — 52.. 3 Stück dicht mit erden umbgeben , daran zu sehen, wie sich nach und nach eine cortex nach der andern ansetzet, gleich wie Stratum super Stratum zu vergleichen, auch zeigen sich auf der Seiten viel weisse Düpflein. N. 53. Etlich Stück von der allgemeinen Erden in dieser Gruben, daran hie und wider weisse eingesprengte Düpflein zu sehen, dergleichen aller orten gefunden worden, als wann es gleichsam das principiwm oder der Samen were, woraus sich solche Fossüia generiren, es seynd auch an vielen grossen Erden- schollen, so nachgehends zerfallen, viel kleine weisse Bröcklein. N. 54. 55. Zwey rippenstück , so von einander gebrochen^ waren anfangs an einem stück und 18 Zoll lang, gekrümmt, ziem- lich stark und duck, inwendig durch und durch spongios, auss- wendig überall mit arbuscuUs figurirt und bemalet. N. 56. Drey stück bein , zerbrochen, waren anfangs noch gantz und ungeöffnet, alss sie entzwey gebrochen, waren sie — 118 — Voller erden, seyndt figurirert und auf der einen seitten einge- bogen , wie canale , das kleineste stück hat an einem end nur ein foramen^ auf dem anderen zwey. ist inscribirt Cantstatt den 5 Aug. 1700. N. 57. 58. Zwey stück osseae siibsta?itiae , das lengste 5 Zoll lang, hat das ansehen wie ein stiehl oder schafft von einem messer, figurirt auf sonderbahre Art, inscribirt Cantstatt den 28 July. Das andere ist von anderer Form Cantstatt den 19 Aug. 1700. Beide stück sind durch und durch spongios. N. 59. Ein gekrümmtes stück Cantstatt den 9 Aug. 1700. Der substantz nach als wie calcinirt. N. 60 — 62. Drey stück, deren eins spitz zugekrümmt , die andere beyde gleich abgebrochene stücken von Hirschhörnern, mit ihren tubercuUs nodosis. Cantstatt den 7. Aug. 1700. !N. 63. Ein spitz auslauffendes stück wie von einem zahn, osseae suhstantiae , die spitz ist abgebrochen oben am ducken end sihet es gleich denen sogenannten Risen oder Elephanten Zähnen, ist gekrümmt und 5 Zoll lang. N. 64 — QQ. Zween dentes, gleich den Pferdszähnen, deren aber in dieser Gruben eine unglaubhche Menge gefunden wor- den. Solche Zähne haben sich nicht etwa in kifern oder bey- sammen verscharrt gefunden, sondern eintzeln weiss aus der gelblichen erde heraussgesehen. Etliche sind osseae materiaef etliche calcinatae, etliche lapideae und hätte man deren einen gantzen Karn voll wegführen können. N. 67. 68. Zwey stück, gleich den ijatellis, osseae substan- iiae, inscribirt: Cantstadii effossum , die 10 Augusti a?ino Blargae CantstatDensis Certae. Das andere die 29 Aug. 1700. N. 68 — 74. Sieben stück Organa auditus von ziemlicher Grösse theils osseae^ theils auch lapideae substantiae. N. 75 ein stück stein mit einer kruste überzogen, Canstatt 15 Juli 1700. N. 76. Ein 3 Zoll hohes, ziemhch schweres gelenk oder condylus mit harter gleichsam petrificirter erden auf einer seit- ten fest umgeben mit gewöhnlichen cavitatibus, scheinend von substantia ossea zu sein. - 119 - N. 77. Ein starkes mitt einem Zahn sich Vergleichendes stück, 3^ Zoll hoch und so dück^ von gar harttem bein oder kno- chen, am gebiss mit viel ungewöhnlichen Löchern und ductibus. N. 78. Ein knochenstück 3 Zoll lang, solches alss es auss der erden kam, war es noch gantz und ohne eintzige laesioriy als es entzwey gebrochen ward, um zu sehen, wie es inwendig were, da befand sichs, dass es voller erden war. N. 79 ein Fragmentum auriSj darin sich auch das tympa- 7ium ohne die ???e/?ii'?^a;ia zu sehen, auf ungew^öhnliche art presentirt. N. 80 zwey stück gleich rinden von einem bein mit ihrem concavo und corwexo, tief in der erden gefunden, auf dem con- vexo war es gantz glatt , als wan es polirt were , auch in der grosse eines schulis lang, zerfiele aber alsbalt, ist auch figurirt und hat im concavo einen meatum, gleich den tubulis vermi- cularibus auf denen Testäceis. N. 81. Ein unbekanntes Zahnstück mitt ethchen cavitati- bus am Gebiss auf der andern seitten gleichsam die wurtzeln eines Zahns zeigend» N. 82 — 90. Neun stück Zähne, alle glatt und gläntzend und überaus schön mit Blümlein bemahlet , deren ettliche von unförmUcher Gestalt, ita ut tionnulli gigantum dentes nun im- tnerito viclcri possmt. N. 91 — 94. Vier stück Zähne, wie diejenigen so dentes Canini genennet werden, gross und lang. Der lengste 4 Zoll lang, all unten spitz ausslaufend mit vielen corticibus und rinden, deren etliche abgefallen, mehrentheils nach der Länge durch- löchert von unten biss oben, dass man einen faden dadurch ziehen kann, auch etliche ausswendig lieblich mit floscuUs figurirt. N. 95 — 97. Drey andere stück gleich denen dentibus molar ibus brutorum. N. 98 — 101 sind grosse und schwere stücke, deren etliche fragmentis coxendicum, etliche scapuUs ähnlich seind. N. 102 ist das grösst und schwerste unter den coxendicibuSj wie dann die patella im diametro ihrer grosse über 7 Zoll hatt. N. 103 — 104. Können mit grossen scapidis oder frag- mentis derselben verglichen werden, seind mehrtheils alle in- - 120 - wendig spotigios, theils mit erden ausgefüllt, etliche auch gleich den pttrificatis , ausswendig unansehnlich von der gelblichen erden, darin sie gesteckt ganz ungestalt und unangenehm, rauch und verwerflich. N. 105 — 112. Sieben grosse schwere steinerne stück, gleich den Elephantenzähnen , wie sie auch von den gemeinen leuten genannt werden, dergleichen aber viel hundert gefunden worden, die meisten wegen ihrer Friabilität zerbrochen, etliche auch waren dauerhaft, und wurde eines herausgebracht 2 schuh lang und sehr schwer, welches dem Herrn General Thüngen zugeschickt worden, war 24 Pfund schwer. Am Gebiss kommen diese Zähne zwar etwas überein mit den veritablen Elephanten- zähnen, aber ex ojyposito, wo die wurtzeln seyn sollen, ist eine grosse Differenz. Viele wurden gefunden, die noch in ihren grossen kiefern steckten, doch waren die Kiefer gar mürb und zerfielen beim Herausnehmen. Diese sogenannte Risen oder Elephantenzähne haben auswendig viele ductus oder lineas striatas und sind ihre gantze corpora gleichsam mit lauter Tabellis und asserculis crustaceis zusammengesetzt und aufein- andergewachsen, lassen sich auch leichtlich zertheilen und aus- einander reissen. Diejenige superficies, so dem gebiss opponirt ist, präsentirt solche taheUas, als wan ihrer zwei zusammenge- wachsen weren und solches befindet sich an all dergleichen Fossilien, welche backenzähne representiren. Dazu ist zu be- merken, dass sich dergleichen Figuren nach unterschiedlicher grosse auch noch immer kleiner und kleiner gefunden und auch von andern orten , statten und dörfern anherogeschickt worden. — Ob nun zwar von vilen Gelehrten dafür gehalten worden, dass dise Zähne etwa von der Sündflut her oder von Elephan- ten so hin und her in der erde vergraben worden, nachgeblie- ben sein möchten, wie in Seyfrieds tneduUa mirabiUum naturae zu sehen, da er p. 450 zweier Risenzälme gedenket, die mit den Unserigen etwas übereinkommen, so ist doch glaubücher, dass dise Sachen vilmehr mineralia seyn und anders nichts als margae terrestres, ex succis mineralibus pro ratione et qualitate fundi nach und nach hervorgewachsen, vornehmlich weil auch — 121 - in gantz kleinerer proportion eben dergleichen figurae und zwar in grosser Menge sich gefunden , so nachgehends aus Unacht- samkeit zerschlagen worden. N. 113. Ein sonderbahres 10 Zoll lang und 5 Zoll brei- tes Stück von fast unzehligen aufeinander gewachsenen rinden, an einem end dicht aneinander, am andern aber weiter aussein- ander, auch etlicher orten mit erden angefüllten tabidis und krusten, so unten dünn und oben hinauss je länger je dücker seindt. N. 114 — 120. Sieben Stück de7is continuus so theils blos liegen mit den wurtzeln, theils in einem spongiosen stück einer marilla staken. N. 121. Eine starke ducke maxilla worin noch 5 Zähne stecken, war anfangs anderthalbschuh lang, brach aber ein stück ab samt etlichen Zähnen; von was vor einem hruto und helua aber diese maxilla sey, kann nicht wohl erkannt werden, komt nicht mit maxilla Elephantorum, Camelorum, Hippopo- tamorum überein und kann hier füglich angezogen werden, was Kircher in mund. suhterr. p. 58 meldet. N. 122 — 131. Zehn grosse schwere stück, deren etliche sich grossen schusseln oder pfannen andere sich scapidis verglei- chen, alle in der tiefen erden gefunden und ausswendig mit erden collutulirt, darin auch noch kleine zahne und knöchlein gelegen. N. 132. Ein kleineres stück Risenzahn, gantz gekrümmet, von 12 placentis oder tahuliSy alss solches ausgraben wurde, lagen zween stein im weg, zwischen welchen das end, wo die tafeln zusammengetrückt seind der wachsthum des Stücks musste hindurchlaufen , dahero es gleichsam zusammengetrückt und am stracken ausslauf verhindert worden. N. 133. Ein kleineres stück von 10 tabidis ad 4 Zoll lang und tief, daran die wurtzeln abgegangen und weisse ves- tigia hinderlassen. N. 134. Widerumb ein geringeres und leichteres , auch mit zerbrochnen wurtzeln sonsten dem vorigen gleich an Form und gestalt und massa lapidea. N. 135. Inscriptio: Cantstadii die 31 Jidii 1700. Ein sonderbahres, mitt gantz glattem gebiss, alss wan sie polirt — 122 — weren, 3 Zoll breit und lang hat solche glatte superficiem ge- zeigt, sobalt es auss der erden gethan worden. N. 136 — 140 lassen sich ansehen, als wan es wider prin- cipia von grosen weren, die endhch würden mehr Blätter und tabulas bekommen, dan an jeglichem seind etliche anfang der blättlein zu sehen. N. 141 — 142 -zwey kleine stück zeigen den anfang von drey blättlein, welche nach und nach hätten können grösser wer- den und sich muUipIiciren. N. 143 — 145 gleichfalls eine anzeigung, dass wider viel blättlein haben hervorkommen wollen. N. 146. Diess gewächs hatte anfangs 8 röhrlein , davon 3 abgebrochen, sie waren ungleicher länge, wie die Finger an der Hand, an dem breiten end Voller erden. N. 146 — 148. Drey stück lapideae quasi substantiae, wo- runter das eine gleichsam 5 Finger hatt, was auch in mundo subterr. Kircheri _p. 61 vorgebildet wird. Das kleineste hatte auch 5 Finger, wovon aber nur noch die Stumpen zu sehen. N. 149. Ein sonderbahres ausserlessenes schönes stück von einem cornu^ überauss weiss und rein, war anfangs schuhs lang, ausswendig unansehnüch, grau und fielen gleich ettliche eortices ab, inwendig lag ein anmuthiger weisser Kegel, welcher zerbrach und ist noch die spitz davon zu sehen. N. 150. In einer erdenscholl eine maxilla aiitt Zähnen, gleichwie von einem Hasen, nebst einer kleinen vertebra, welche also tief in der erden gesteckt. Die erde von oben her war voll kleiner tüpflein, als wenn diese pr^ncipia wären hineingesähet. N. 151 — 154. Fünf stück hirnschalen, deren Eine noch suturam cranii zeigt; am andern ist noch ein gebiss, daran seind zween Zähne und andere aussgefallcn, will sich aber sol- ches stück mit keinem Gebiss von einem thier vergleichen lassen. N. 155. Etliche dentes canini sampt gebiss und stücklein von 7naxilUs , worinnen noch kleine Zähne stecken, die canini sind schön mit bäumlein figurirt. N. 156. Ein stück von einem Gebiss, worinnen noch ein Zahn steckt mit der aufschrift: an einem grossen Stein angewachsen. — 123 — N. 157 — 158. Zwey andere stück dünn wie blechlein, auch an steinen angewachsen. N. 159. Ein schweres stück, schuchs lang an einem end 3 Zoll dick, dan scharf ausgehend und gebogen, inwendig nicht hohl, sondern aus gefüllt und spongioSj auch mit erden überfahren. N. 160 — 170. Seind lauter fragmenta, wie sie sich an- sehen lassen , alss wan sie von grossem abgegangen weren, deren etliche zimlich duck, doch von keiner cavität etwas zu spüren, sondern ausgefüllt mit spongioser substantz. N. 171 — 178. Proben von erden, w^oreiu all diese Sachen gefunden, und proben gemacht von dem Chemico Bilger, welcher lange Jahr in der Officin des Boyle laborirt, die gra- nula oder kernlein hat er auss der erden herausgethau, zusam- mengelesen und proben, obs mineralia oder animalia waren, darüber vorgenommen. Welchen Werth um jene. Zeit die Mammuthszähne hatten, beweist nachstehendes Danksagungsschreiben der Stadt Zürich für die von Herzog Eberhard Ludwig dorthin geschenkten Stücke. Dem durchlauchtigen Fürsten und Herrn, Herrn Eberhard Ludwig _, Hertzogen zu Würtemberg und Teckh, Grafen zu Mömpelgard , Herrn zu Heidenheim , Unserem gnädigen Herrn. Durchlauchtiger Fürst, gnädiger Herr. Nachdem wir von unsern respective geliebten Mitrehten und ^etrew^en Lieben Burgern, denen Vorstehern Unserer Burger- Bibliothec geziemender masen verständigt worden, wie das Euro Furstl. Drchlcht gnädig beliebet, unserem Publico einiche ansehn- liche rariteten von allerhand gattungen unicornuum Fossilium durch die Hand des Herrn Professoris und verrühmten Antiquarii Schukhardt zu destiniren, und uns damit kostbahrhch zu schenken, haben Wir keinen Umgang nemmen dürfen, E. F. D. für solche Liberalität und Freygebigkeit unsern Dienstfleissigsten Dank, wie hiemit beschieht, zu bezeugen, mit aufrichtiger Versicherung, dass wo wir den Anlass werden ergreifen können, E. F. D. - 124 ~ angenehme Dienstgefelligkeiten zu erweisen, ein solcher uns erwünscht und erfreulich sein werde. Indess wir Gott bitten, dass Er E. F. D. in allerselbst-desiderirenden Glückseligkeiten noch fürbass väterlich zu erhalten geruhe. Datum den 5 Martii 1701. Euer Fürstl Dhlt Dienstwilligste Burgermeister u. Raht Der Stadt Zürich. III. Kleinere iriittlieiliiiigeii. Bücher-Anzeigen. Die Klassen und Ordnungen des Thier-Reichs, wissen- schaftlich dargestellt in Wort und Bild. Von Dr. H. G. Bronn. Mit auf Stein gezeichneten Abbildungen. II. Band. Leipzig und Heidelberg. C. F. Winter'sche Verlagshand- lung. 1859 — 1860. S*^. Vrfn diesem alle Branchen der allgemeinen Zoologie umfassenden Werke ist schon in dem fünfzehnten Jahrgange unserer Jahreshefte eine Anzeige über den ersten Band, bestehend aus vier die formlosen Thiere (Amorphozoen) behandelnden Heften aus kundiger Feder er- schienen. Inzwischen haben wir durch die treffliche Verlagsbuchhand- lung 9 Lieferungen des zweiten Bandes erhalten. Sie enthalten den zweiten Kreis des Thierreichs, nämlich die Strahlenthiere (Actmozoa), die in 7 Klassen: Polypen, Hydren^ Medusen, Kamm-Quallen, Knospen- Strahler, Lilien-Strahler, Stern- Strahler, Jg el- Strahler , und Lederhäuter eingetheilt sind. Man muss in der That den ungemein grossen Fleiss und die tiefe Sachkenntniss des gelehrten Verfassers bewundern, mit welchen er das gewaltige in der in- und ausländischen Literatur zerstreute Material über diese zum Theil noch nicht genügend untersuchten Geschöpfe- zu einem Ganzen zusammengetragen und verarbeitet hat, und wie der in andern Wissenschaften, insbesondere in der Palaeontologie überaus thätige und kundige Verfasser noch die Zeit erübrigen konnte, ein solches Werk zu unternehmen. Bronn beginnt in seinem Werke, wie in den Handbüchern von Van der Hoeven, Oscar Schmidt u. s. w., mit den unvollkommensten Thieren und steigt stufenweise bis zu den höchst-organisirten hinauf. Er beschränkt sich aber auf eine Darstellung der Zoologie im Allge- meinen und behandelt nur die Kreise, Klassen und Ordnungen er- schöpfend. Von jeder Klasse wird ihre Geschichte, eine Erklärung über die Benennung, eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur, dann in dem Abschnitt über die organische Zusammensetzung eine detaillirte Beschreibung der äusseren Theile, der Organe der Bewegung, Empfindung, Ernährung, Fortpflanzung u. s. w. gegeben, wozu immer, soweit es ausführbar, auf die angefügten Abbildungen hingewiesen ist. Mit gleicher Ausführlichkeit sind die Abschnitte über die Verrichtungen der Organe und die Eütwicklungsgeschichte behandelt, wobei in der - 126 — Beschreibung die dahin gehörigen Thiere citirt sind. Es ist noch kein ähnliches Handbuch vorhanden, das eine solche ausführliche Zusammen- stellung über die Chemie, Anatomie, Physiologie und Metamorphose der Thiere aufweist. Bei der Klassification schickt der Verfasser zuerst die allgemeinen Charaktere einer Thierklasse voraus, gibt dann in analytischer Form und mit kurzen Diagnosen eine systematische Uebersicht nicht nur aller lebenden, sondern auch der fossilen Genera, welcher häufig noch ein Schlüssel zur Unterscheidung der Familien vorangeschickt ist. Diese mit vieler Mühe ausgearbeitete sehr verdienstliche Uebersicht mit Hinweisung auf die beigegebenen Tafeln und Figuren ist für den Zoologen und Palaeontologen eine grosse Erleichterung zum Bestimmen der Gattungen ; der Anfänger möchte sich jedoch in den umfangreichen Klassen, wie z. B. bei den Polypen, Medusen, Jgelstrahlern, weniger leicht zurechtfinden. Es liegt aber nicht im Plane des Buchs, sich in die specielle Zoologie -weiter einzulassen. Von hohem Interesse sind ferner die Abschnitte über die topo- graphischen Wohnverhältnisse, die geographische und geologische Verbreitung der Thiere. Wie viel Anziehendes und Belehrendes bieten nicht z. B. (S. 55) die Betrachtungen über die räumlichen Beziehungen der Polypen! Wir erhalten hier Aufschluss über das ganze Wesen der Thiere, wo sie leben, wie tief im Meere sie sich aufhalten, über ihr Verhältniss zu den Korallenbänken und Riffen in ihren verschiedenen Formen, über Koralleninseln, deren Bildung, Wachsthum u. s. w. Ausserdem hat sich der Verfasser die Mühe genommen, auch noch in einer tabellarischen Uebersicht anzugeben, wie viele lebende und' wie viele fossile Arten in den verschiedenen Meeren und geologischen Perioden bis jetzt bekannt geworden sind. Zuletzt werden in jeder Klasse die Beziehungen zum übrigen Haus- halt der Natur mit Eücksicht auf den Nutzen und Schaden für den Menschen behandelt. Namentlich entwirft der Verfasser (S. 74) ein treffliches Bild von einer lebendigen Korallenbank mit den gleich einem Blumenbeet in allen Farben prangenden Thieren, von dem Haus- halt der Korallenthiere zur Erklärung über die Entstehung vieler Ge- birgsformationen, z. B. unseres Jura's u. s. w. Als ein weiterer Vorzug dieses vortrefflichen Werkes endlich ist hervorzuheben, dass das Buch mit einer Menge von Abbildungen aus- gestattet ist, die aus Journalen, Monographien und aus zum Theil schwer zugänglichen Kupferwerken ausgewählt sind. Die 9 Hefte des n. Bandes enthalten ausser den Holzschnitten allein 30 lithographirte zum Theil colorirte Tafeln, auf welchen die wichtigsten Formen der lebenden und fossilen Thiere mit vielen Details über die äussern und Innern Organe abgebildet sind. Jeder Tafel ist eine ausführliche Er- — 127 — klärung der einzelnen Figuren mit Angabe des Auetors, dem sie ent- nommen sind, angehängt. Wir schliessen mit dem Wunsche, dass dem ehrwürdigen Verfasser zur Vollendung seines sehr dankenswerthen Unternehmens Kraft und Ausdauer vergönnt sein möge. . K. Der zoologische Garten. Organ für die zoologische Ge- sellschaft in Frankfurt a. M. Herausgegeben von Dr. D. F. Weinland, wissenschaftlichem Sekretär der zoologischen Gesellschaft und Lector für Zoologie am Senkenbergischen Museum. I. Jahrgang. Frankfurt. 1860. 8^. Es war von der zoologischen Gesellschaft ein sehr zweckmässiges Unternehmen, ein Organ zu gründen, in welchem sie die Aufgabe zu lösen sucht, ihrem im Herbst 1858 eröffneten Garten neben dem Interesse, dessen sich derselbe als Vergnügungsort erfreut, auch noch den Charakter eines Instituts für Belehrung und Bildung zu verleihen. Dfe Gesell- schaft war so glücklich, in der Person unseres Landsmannes, Dr. Phil. Weiniand einen tüchtigen Zoologen für die Redaktion dieser Zeit- schrift zu gewinnen, der — dafür bürgen seine Studien, wissenschaft- lichen Arbeiten und seine Reisen in Nordamerika und Westindien — diese Aufgabe in jeder Beziehung auf's Beste lösen wird. Er wird sich viele Verdienste um die Zoologie erwerben, wenn er die vortreff- liche Gelegenheit, die ihm der zoologische Garten bietet, benützt, seine Beobachtungen über die Lebensweise, Fortpflanzung u. s. w. der Thiere bekannt zu machen. Neben diesem Zweck der naturwissenschaftlichen Belehrung und der Beobachtungen aus dem Gebiete der Zoologie im Allgemeinen ist es insbesondere auch die Acclimatisation neuer Arten oder neuer Ra^en von Hausthieren, womit sich die zoologische Gesellschaft beschäftigen will. Von der oben genannten Zeitschrift ist bereits der erste Jahrgang für 1860 in 12 Nummern erschienen. Er enthält aus der Feder des Dr. Weinland unter anderen Aufsätzen eine Aufzählung aller bis jetzt im zoologischen Garten vorhandenen Säugethiere in mehreren allge- mein fasslich geschriebenen Abschnitten. Der Leser erfährt darin neben allgemeinen Umrissen über systematische Eintheilung und über die Unterscheidungsmerkmale der Ordnungen, Familien und Gattungen viele lehrreiche Details über die geographische Verbreitung und die Lebensweise aller der Thiere, welche sich im Garten befinden. Inter- essant" sind die Beobachtungen über den Gleichmuth eines Waschbären, welche der Herausgeber an einem jung aufgezogenen Thier während seines Aufenthalts in Nordamerika gemacht hat. In zwei weiteren Aufsätzen „Einige Gedanken über die Thierseele" und „Was zu einem ganzen Thier gehört'' behandelt Dr. Weinland ein von ihm schon lange verfolgtes Thema : eine vergleichende Psycho- — 128 - logie, eine Seelenlelire der Thiere und der Mensclien. Seine Idee, Affen und andere in unserem Klima dahinsiechende Thiere in Rind- vieh-Ställen zu halten, wo sie Sommers und Winters eine gleichmässig warme und gesunde Luft haben, ist eines Versuches sehr wohl werth, und es wäre zu wünschen, dass derselbe im zoologischen Garten in Frankfurt recht bald ausgeführt würde. Auch der Zoologe, der sich mit dem descriptiven Theil dieser Wissenschaft beschäftigt, wird in dieser Zeitschrift manche Aufschlüsse finden; z. B. über eine dort beschriebene junge Wildkatze, über die unterscheidenden Merkmale des Kaiser- und Steinadlers und insbeson- dere über den neuen mexikanischen Nasenbären {Nasua solitaria Neuw. var. mexicana). In einem Aufsatz über die Angoraziege gibt Dr. Sacc eine Zu- sammenstellung über die Naturgeschichte dieses Thiers, über Züchtung und Produkte in Augora, über Einführung, Züchtung und Produkte in Europa und über Anwendung der Wolle, des Fleisches und des Felles dieses Thiers. Dr. M. Schmidt, der Direktor des zoologischen Gartens, ertheilt in fast jeder Nummer Nachricht, welche Thiere die Gesellschaft als Geschenk und durch Kauf erhalten hat und welche sich vermehrt haben. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass Halmaturus Bennetti Waterh., Antilope Bubalis Pall., Antilope picta Pall. und Hypsiprymnus murinusDesm. Junge geworfen haben und dass letzteres Beutelthier, dessen Heimath Neusüdwallis ist, den Winter über im Freien ausgehalten hat. Sehr dankenswerth ist, dass der Zeitschrift Abbildungen beigegeben werden. Der Holzschnitt der nach der Natur aufgenommenen Antilope Bubalis Pall. mit ihrem Jungen ist gut, die in Farbendruck ausgeführte Ab- bildung des mexikanischen Nasenbären ausgezeichnet, dagegen lassen die übrigen wahrscheinlich nach französischen Originalen kopirten Holzschnitte viel zu wünschen übrig. Dr. Weinland hat ferner einen „Führer durch den zoolo- gischen Garten in Frankfurt" mit einem Plan und vielen Holz- schnitten herausgegeben, durch welchen der Besucher nicht nur über alle Gebäulichkeiten, Ställe, Weiher u. s. w. orientirt wird, sondern auch eine kurze Beschreibung der vorhandenen Thiere mit lehrreichen Notizen erhält. Endlich hat Dr. Weinland angekündigt, dass er „Skizzen und Bilder aus dem zoologischen Garten in Frankfurt" in 2 — 3 jährlichen Lieferungen mit erklärendem Text und sorgfältig nach der Natur und durch Farbendruck ausgeführten Bildern herausgeben werde, wofür ihm ebenso wie für die Herausgabe seiner Zeitschrift „der zoo- logische Garten" jeder Zoologe und Naturfreund zu Dank verpflichtet sein wird. K, i 6. lieber die weissen und rothen Kalke von Yils ia Tyrol. Mit zwei Tafeln. Von Prof. Dr. Albert Oppel. München, Dezember 1860. Es sind unter der grossen Anzahl Reisender, welche jeden Sommer von dem bayerischen Städtchen Füssen aus die öster- reichische Grenze überschreiten, verhältnissmässig wenige, welche die besuchte Strasse nach Reutte verlassen und ihren Weg das Thal der Vils hinauf fortsetzen. Hier Ikgt, nur 1^2 Stunden von Füssen entfernt, jedoch schon in der einsameren Gegend, das Städtchen Vils. An diesem Punkte, über dessen Gesteins- Schichten ich einige Notizen zu geben wünsche, ist es dem Besucher so leicht gemacht, sich eine alpine Jura-Bildung- zu beschauen und sogar zahlreiche Versteinerungen daraus selbst, zu sammeln , dass wohl schon Mancher die kleine Seitentour gemacht haben würde, wenn er nur einige Kenntniss der Ver- hältnisse gehabt hätte. Und doch kommt es nur darauf an, es sich einen Nachmittag kosten zu lassen, von Füssen nach Vils zu gehen und in diesem Städtchen nach dem Platze zu fragen,, an welchem die Versteinerungen gefunden werden. Derselbe ist bald erreicht, denn es erhebt sich der niedere felsige Hügel unmittelbar hinter den letzten Häusern in einer. Entfernung von weniger als 5 Minuten , auch ist der Punkt leicht zu erfragen^ da er von Zeit zu Zeit von Geologen besucht wird. An Aus- beute fehlt es nie. Das Gestein ist gefüllt mit fossilen Resten imd selbst mit kleinem Hammer und Meissel lassen sich aus den weissen Kalken viele der zierlichen Brachiopoden mit Leich- Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 2s Heft. 9 - 130 - tigkeit befreien. Mehr Anstrengung verursacht es, den rothen Kalk auszubrechen und es erfordert schon grösseres Geschick, die Versteinerungen aus demselben zu befreien, da das marmor- artige Gestein härter oder vielmehr fester ist, als die grössten- theils in Kalkspath verwandelten Fossile. Die meisten der zahl- reichen Cephalopoden lösen sich nicht sauber heraus und viele der Brachiopoden-Schalen kommen nur zerbrochen zum Vor- schein. Dies sind besondere Schwierigkeiten, welche sich der Ausbeute entgegenstellen. Zwar war ich eine Woche an Ort und Stelle, hatte auch einige tüchtige Arbeiter, doch erhielt ich aus dem rothen Kalke nur wenige gute Stücke, während sich die weissen Lagen überaus ergiebig an Fossilen zeigen. Bei länger fortgesetzter Ausbeute Hesse sich gewiss aus dem rothen Kalke noch manche wichtige Leitmuschel gewinnen, es ist sogar denkbar, dass Terebratula diphya darin vorkomme. Indem ich die auf der einen Excursion gesammelten Resultate schon jetzt veröffentliche, hoffe ich zu denselben durch wiederholte Besuche des interessanten Punktes später noch weitere Beiträge und Ergänzungen hinzufügen zu können. §. 1. Die Hauptmasse der Felsen, aus welchen der niedrige, hinter Vils gelegene, nur theilweise bewachsene Hügel besteht, wird durch weissen und graulich-weissen Kalk gebildet, welcher an manchen Stellen oolithisch wird, an andern Stellen zahlreich« feine Crinoideentrümmer einschliesst. In der engsten Verbindung mit diesem graulich-weissen Kalk, welchem seither der Name Vils er Kalk ausschliesslich zukam, steht ein anderer wesentlich verschieden aussehender Kalkstein. Es ist der letztere ein rother, marmorartiger, harter Kalk, abweichend von dem graulich-weissen Kalk, nicht allein durch seine Härte, Farbe ii. s. w., sondern auch, was hier von besonderer Bedeutung ist, durch seine Versteinerungen. Ich will versuchen über das Vorkommen der fossilen Reste, welche sich in den Kalken des Vils-Hügels finden, einige An- - 131 - gaben zu machen, indem ich dabei die eine Bildung „weissen Kalk von Vils," die andere „rothen Kalk von Vils" nenne. §. 2. Versteinerungen des weissen Kalkes von Vils. Die Münster'sche Sammlung besitzt acht verschiedene Arten von Versteinerungen, über deren Fundort zwar noch einige Zweifel bestehen , deren Erhaltungsweise jedoch so sehr mit derjenigen der Fossile von Vils übereinstimmt , dass es äusserst wahrscheinlich wird, dass dieselben aus dem weissen Vilser Kalke stammen, nicht aber aus den Gebirgen von Salz- burg,* wie Münster ursprüngHch angegeben hatte. Münster besass diese Vorkommnisse schon frühzeitig und durch ihn er- hielt zuerst Leopold von Buch** Kenntniss von den Arten, welche er Terebratula pala und antiplecta nannte. Von den sechs weiteren mit Münster'schen Etiketten versehenen Species erwähnt Buch nur noch eine einzige unter der Bezeichnung Terebratula concinna Sow. *** Es hat sich gezeigt, dass diese letztere eine besondere, dem Vilser Kalk eigenthümliche Art ist, welche künftig unter dem Namen Rhynchonella ViJsensis angeführt werden wird. Auch die übrigen von Münster auf den Etiketten bemerkten Bezeichnungen haben ihre Gültigkeit ver- loren und konnten nicht wieder zur Geltung gebracht werden, f * Eine der Etiketten wurde von Münster noch selbst corrigirt. Man sieht darauf von seiner Hand „Vils in Tyrol" statt Salzburg geschrieben. ** Buch, Akad. der Wissensch. Berlin 1834. Ueber Terebrateln pag. 80, pag. 114. *** Buch, loc. cit. pag. 80, pag. 114. t Einige Exemplare von Rhynchonella myriacantha Desl. tragen auf der Münster'schen Etikette den Namen Terehr. senticosa Schloth. Rhynchonella trigona Quenst. sp. liegt unter der Bezeichnung Terebratula triangularis in der Münster'schen Sammlung, ein Name, der sich nicht wieder aufnehmen lässt, nachdem Quenstedt seither einen andern da- für gegeben. Terebratula Vilsensis und bifrons waren gleichfalls vor- banden, waren aber von Münster irrthümlich als eine einzige Varietät der Terebratula antiplecta unterschieden worden. Eine der Terebr. - 132 - Ausser L. v. Buch war es auch Prof. Quenstedt, wel- cher Vorkommnisse aus Schichten, die den weissen Vilser-Kalken entsprechen, neu benannt hat. Insbesondere BhyncJiQnella tri- gona,'^ eine schöne und interessante Art, während der Name Terebratula inversa Quenst. ** (als eine Bezeichnung, welche schon zuvor von Quenstedt selbst an eine von der Vilser ver- schiedene Art vergeben wurde) durch Terebratula Vüsensis ersetzt werden musste. Von weiteren Arten aus dem weissen Vilser Kalk wird in der Literatur nichts Erwähnenswerthes angeführt. Es ist zwar kein Zweifel , dass solche in den Sammlungen existiren , doch findet sich keine eingehende Beschreibung der ganzen Fauna, Auch mir ist es nicht gelungen, sämmtliche Erfunde , welche ich von Vils mitbrachte, sicher zu bestimmen, doch werde ich wenigstens einige besondere und neue Arten in dieser Arbeit dem seither Bekannten hinzufügen. Im Ganzen beträgt die Specieszahl der von mir in den weissen Kalken von Vils ge- sammelten fossilen Reste 24. Sie fanden sich sämmtlich in einem und demselben, meiner Ansicht nach zu einer einzigen Zone gehörigen Gestein, dem weissen Kalke von Vils, dessen Mächtigkeit sich leider nicht sicher bestimmen Hess. Zwar wird der kleine Hügel beinahe ganz von solchem Kalke gebildet, allein es ist nicht bekannt, wie weit die Ablagerung noch in die Tiefe reicht. Den Petrefacten nach zu urtheilen, ist die Neigung der Schichten des massigen Kalkes von der horizontalen Richtung etwas , aber nur wenig abweichend , während eine eigentliche Schichtung kaum zu bemerken ist. Es sind ein- zelne dichtgefüllte Muschelbänke, welche die Gleichmässigkeit des Ganzen unterbrechen und wesentlich zur Orientirung über die Lagerungsverhältnisse beitragen. Zwar keilen sich solche Calloviensis nabe stehende Art endlich hatte Münster mit der Sowerby- schen Terebr. obovata vereinigt. * Quenstedt 1852 Handb. pag. 458 tab. 36 fig. 34. Aus den Alpenkalken von Grossau von Dr. Rominger gesammelt. ** Quenstedt, ibid. pag. 465 tab. 37. fig. 21. - 133 - an mehreren Stellen aus , auch sind in der Hauptmasse der dortigen Kalke die fossilen Reste seltener, und weiter vertheilt, allein an manchen Stellen bilden die Muschelcongloraerate wahre Zwischenschichten von einiger Ausdehnung in horizontaler Rich- tung. Die Fossile häufen sich hier in solcher x\nzahl an, dass für das einschliessende Gestein nur geringer Raum übrig bleibt und die ganze Bank nur aus Versteinerungen zu bestehen scheint. Sehr verschiedenartig sind nun aber die einzelnen Arten der Zahl nach vertreten. Ammoniten und Reste von Concbiferen gehören zu den Seltenheiten , von Gasteropoden fand ich nur jein einziges Exemplar, und wenn schon kalkige Theile von Crlnoideen ganze Bänke zu füllen scheinen, so traf ich doch nur zwei deutliche Säulenglieder eines Pentacriniten in den weissen Kalken an. Dagegen verdienen die Einschlüsse die Bezeichnung einer Brachiopoden-Fauna, denn es steigt die Zahl der in dem Felsen eingeschlossenen Terebrateln und Rhynchonellen auf das Unglaubliche, und wenn schon einzelne Arten von Brachiopoden weit häufiger vorkommen als die übrigen, so besteht doch eine gewisse Mannigfaltigkeit unter den hier vertretenen Formen. In einer in den letzten Jahren von meinem Freunde Fraas veröffentlrchten Arbeit * „über die Ablagerung von Petrefacten im Jura" findet sich eine Zusammenstellung der Zalilenvörhält- nisse, nach welchen die einzelnen Species jurassischer Verstei- nerungen an der schwäbischen Alb in ihren Schichten vorkommen. Man wird später den Werth solcher Zahlen sicher in noch höherem Grade schätzen lernen , als dies vorerst der Fall ist. Sie bilden die Basis für manche Vergleiche und sogar für weitere Schlüsse über die Verbreitung der Arten und Gattungen. Am sichtlichsten zeigte sich die Wichtigkeit solcher Zahlenver- hältnisse bei den Vorkommnissen fossiler Säugethiere der tertiären Bildungen , denn es ist hier vor Allem die Kenntniss der Zahl der Individuen, Arten und Gattungen, durch welche wir das * O. Fraas, über die Ablagerung von Petrefacten im Jura. 1856. Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. Zwölfter Jahr- gang, pag, 43. - 134 - Bild der untergegangenen Faunen erhalten. Zwar wird es bei manchen Schichten nicht möglich sein, auch nur für die wich- tigsten Repräsentanten der früheren Faunen einigermassen sichere Anhaltspunkte zu gewinnen. Doch sind in manchen Fällen die Verhältnisse auch günstiger und es sollte unter diesen Umständen Alles versucht werden, um numerische Nachweise zu erhalten, wozu es jedoch der sorgfältigsten, oft sogar sehr langer und mühevoller Ausbeute- bedarf. Fr aas hatte bei den obener- wähnten Versuchen Gelegenheit, ein überaus reiches Material zu sichten und er hat sich auch dabei der Mühe unterzogen, für mehrere Schichten die Zahl der Individuen zu bestimmen, in welcher die fossilen Arten zum Theil unter seinen Augen ausgegraben wurden. Einfacher und leichter war ein ähnlicher Versuch bei den Einschlüssen des weissen Vilser Kalkes, da derselbe eine sehr gleichartige Ablagerung darstellt. Die Versteinerungen sind dort alle in derselben Weise erhalten, auch konnten sie alle auf die gleiche Art gewonnen werden, indem sie während und nach der Zersprengung des anstehenden Felsens aus dem festen Ge- steine gelöst wurden. Ich glaube desshalb in der nachfolgenden Liste durch die Zahl der Individuen auch so ziemlich richtig das Zahlenverhältniss auszudrücken, in welchem die einzelnen Arten in der Gesteinsschicht bei Vils verbreitet liegen. Dagegen unterlasse ich ähnhche Angaben über die Zahl der von mir ge- sammelten Vorkommnisse des rothen Kalkes , und zwar aus verschiedenen Gründen, insbesondere da ich nicht die gleiche Masse, sondern ungleich weniger von dem rothen Kalke aus- brach und überhaupt von den Fossilen des letzteren bei Weitem keine genügende Anzahl besitze , um daraus Schlüsse über die Vertretung der einzelnen Arten nur mit einiger Sicherheit ziehen zu können. Liste der Fossile aus dem "»veisseii üalke von Vils. Zahl der Expl, Ammonites (Exemplare unbestimmter Heterophyllen) . . 5 Ammonites nov. spec 1 Ammonites (ähnlich dem Amm, hecticus Rein.) .... 2 - 135 - Ammonites (ähnlich dem Amm. aspidoides Opp.) ... 6 Ammonites (ähnlich dem Amm. convolutus Quenst.) . . 2 Ammonites nov. sp 1 Trochus nov. sp ^ Mytihis nov. sp 1 Astarte Calloviensis Opp ^ Lima (imbest. Species mit glatter Schale) 1 Lima (unbest. Species mit gestreifter Schale) .... 2 Ostrea unbest J- Terebratula Vilsensis Opp 25 Terebratula bifrons Opp • ... 10 Terebratula antiplecta Buch 850 Terebratula cf. Calloviensis var. Algoviana .... 50 Terebratula pala Buch (Waldheimia) 850 Terebratula margarita Opp. {Waldheimia) 13 Rhynchonella cf. myriacantha Desl 50 Rhynchonella Vilsensis Opp ■ • 500 Rhynchonella trigona Quenst .25 Rhynchonella solitaria Opp 1 Cidaris basilica Opp. Bruchstücke von Stacheln ... 10 Pentacrinus (Stielglieder) 2 §. 3. Versteinerung-en aus dem rothen Kalke von Vils. Es kamen bei der Ausbeute der harten rothen Kalke 16 Arten zum Vorschein, von welchen sich wiederum meh- rere vorerst nicht bestimmen lassen. Die bestimmbaren Arten dagegen waren bisher zwar von anderen zum Theil weit entfernten Locahtäten, nicht aber von Vils bekannt. Wie sich überhaupt über das Vorkommen des rothen Kalkes bei Vils in der Literatur nur Weniges bemerkt findet, so werden auch keine bestimmten Versteinerungen aus demselben angeführt. Nur einen Nautilus erwähnt Es eher* aus diesen Lagen. Ich kann des- halb unmittelbar zu der Aufzählung der von mir selbst gemachten Erfunde übergehen. * Escher von derLinth, 1853, Geologische Bemerkungen über das nördl. Voralberg und einige angrenzende Gegenden pag. 9. - 136 - Liste der Fossile aus dem rotiten Malke von Vils. Sphenodus j zahlreiche Exemplare von Zähnen ähnlich dem Sphenodus longidens Agass. BelemniteSj Bruchstück nicht bestimmbar. Ammonites Hommairei d'Orb. Animonites Zignodianus d'Orb. Ammonites, verschiedene Bruchstücke zu Amm. tatricus und vielleicht noch zu anderen Arten von HeterophyUen gehörig. Ammonites cf. contractus Pusch (non Sow.) Ammonites ,' ähnlich Pusch's A. Schaflariensis jedoch enger genabelt, Ammonites, ein Fimhriat in mehreren jungen Exemplaren ohne Schale erhalten. Ammonites n. sp. Vleurotomaria n. sp. < ^ ■ Pecten Vilsensis Opp. Terebratula Bouei Zeus ebner. Terebratula sp. ind. Terebratula sp. ind. Mhynchonella contraversa Opp. Mhynchonella spoliata ? Suess. Crinoideenglieder. Obschon die Zahl der bei Vils gesammelten Species, welche in den beiden Listen angeführt werden, nicht gross ist, so geht doch aus ihrer Vergleichung hervor, dass der rothe Kalk andere Versteinerungen einschliesst . als der weisse , dass sogar keine der sicher bestimmbaren Arten des rothen Kalkes sich auch im weissen Kalke fand und umgekehrt. Betrachten wir dagegen die fossilen Reste beider Ablagerungen in Beziehung auf ihre weitere Verbreitung, so finden wir, dass mehrere derselben auch an andern Locahtäten vorkommen. Es entsteht hier die Frage, ob dieser Umstand uns die Schlüssel zur Deutung der Vilser Kalke zur Bestimmung ihres Alters und zu Parallelen mit aus- wärtigen Bildungen schon jetzt liefert. Theilweise möchte ich dies zugeben und deshalb im Nachfolgenden den Versuch machen, - 137 - auf einige Erörterungen über die wirklichen und die muthmass- iiclien Aequivalente der rothen und weissen Vilser Kalke einzu- gehen. §. 4. Ueber das Alter des weissen Kalkes von Vils im Verg^leiche mit ausser-alpinen und mit alpinen Bildung^en. Es findet sich unter den Fossilen des weissen Kalkes von Yils eine Anzahl von Arten, welche sehr viele Verwandtschaft und Aehnlichkeit mit ausser-alpinen Vorkommnissen besitzen, ohne dass sich jedoch bisher deren wirkliche Identität hätte erweisen lassen. Es kommen Formen von Ammoniten vor, welche dem Ammonites convolutus, andere welche dem Ammonites hecticus Rein, der Kelloway-Gruppe gleichen. Unter den Brachiopoden gibt es zwei Arten, welche ganz den Typus von Terchratula hivallata und Dumortieri Desl. aus dem französischen Callovien besitzen, während ich die seither gewöhnlich Bhynchonella senticosa Schloth. genannte Art zu der von D eslongchamps aus der Kelloway-Gruppe beschriebenen Rhynclionella myria- cantha stellen muss, da sie mit letzterer mehr übereinstimmt als mit Mh. senticosa Schloth. Ich glaube jedoch, dass die Bestimmungen der ebenge- nannten fünf Arten keine vöUige Sicherheit gewähren, und es noch fraglich bleibt, ob dieselben wirklich Species der Kelloway- Gruppe darstellen. Jedenfalls ist die grösste Vorsicht nöthig und ich ziehe vor, bei der Altersbestimmung der Vilser Schichten, von den ebengenannten iVrten wenigstens vorerst ab- zusehen. Dagegen schliesst die Liste zwei Species ein, über deren richtige Benennung, sowie über deren Vorkommen in ausser- alpinen Kelloway-Schichten die Zweifel beseitigt scheinen. Es sind dies Terchratula pala Buch und RhynchoneUa tingona Quenst. zwei ausgezeichnete Formen, deren eine T. pala im schwäbischen Jura in der Zone des Amm. macrocephalns ge- funden wird, während Bh. trigona von E. D eslongchamp s auch ausser den Alpen an verschiedenen französischen Locali- täten nachgewiesen wurde. Zwar ist von letztgenannter Species ein schärferer Horizont, den sie vielleicht einnimmt, nicht be- - 138 - kannt, doch ist soviel gewiss, dass sie, ebenso wie T. pala der Kelle way-Gru p pe angehört. Eine oder zwei Arten, welche in entfernten Ablagerungen gemeinsam vorkommen, haben schon häufig zu richtigen Parallelen geführt. Es kann dies auch hier der Fall sein, doch wären zur Befestigung einer bestimmten Annahme weitere Thatsachen sehr wünschenswerth , um so mehr als die Vergleiche alpiner Schichten mit ausser-alpinen Bildungen in den meisten Fällen grosse Schwierigkeiten darbieten. Auch kann es sich vorerst nur um die Einreihung der weissen Kalke von Vils in eine Etage, nicht aber um deren scharfe Parallele mit einer enger begrenzten Zone handeln. Wenn ich mich somit der schon zuvor von Andern ausge- sprochenen Annahme, dass die weissen Vilser Schichten in die Kellow^ay-Gruppe gehören, anschhesse, so geschieht dies, indem ich mich d^^bei nur auf die schwache Basis des Vorkommens zweier gemeinsamer, obschon bezeichnender Arten stütze. Zugleich aber glaube ich, dass es noch unmöglich ist, auf Grund der bisher gegebenen Anhaltspunkte, den weissen Kalk von Vils mit einer ausserhalb . der Alpen festgestellten Zone zu identificiren» Es ist diese Ablagerung eine alpine Zone, jedoch in diesem Gebiete ein weit verbreiteter Horizont, welchen wir schon jetzt nach seinen paläontologischen Merkmalen Zone der Terehratula pala, antipJectay der JRhynchoneUa trigona und JRTi. Vüsensis benennen können. Es hat sich besonders aus den Untersuchungen der österreichischen Geologen die Thatsache ergeben, dass der weisse Kalk von Vils nicht auf die Umo^ebuno^en dieses Stadt- chens beschränkt ist, vielmehr hat sich die paläontologisch be- stimmbare Ablagerung als eine weit verbreitete Zone erwiesen. Ebendeshalb darf dieselbe endUch von der localen Bezeichnung befreit und nach ihren paläontologischen Charakteren benannt werden, da letztere es waren, durch welche die Vertretung der Zone in verschiedenen Gegenden nachgewiesen werden konnte, im Gegensatze zu Schichten oder Formationstheilen , welchen - 139 — häufig in p]rmanglung jeder genauem Definition ein Localitäts- name zur Bezeichnung gegeben wird. Ueber das Auftreten des weissen Vilser Kalkes in den Umgebungen von Vils und Reutte hat Herr Bergmeister Gümbel* schon vor mehreren Jahren interessante Profile veröffentlicht und denselben sehr werthvolle Notizen über die weitere Verbreitung dieser und der angrenzenden Formations- abtheilungen beigefügt. Nächst Vils treffen wir in der Literatur am häufigsten Punkte aus den Umgebungen von Wind isch- garsten** (Prielerberg *^* und Gunstberg f) angeführt, an welchen die Schichten der Terebr. antiplecta und pala der JRhynchon. trigona und Vilsensis entwickelt sind. Doch scheint in den östHchen Alpen die Zone wenig aufgeschlossen zu sein. Nach Leop. v. Buchf-j- würden Conglomerate , welche aus dem Caprun'er Thal stammen, nach Qu en st e d t fff die Hochalpenkalke von der Gros sau Reste von Fossilen ein- schliessen, deren Vorkommen für die Entwicklung des Vilser Kalkes an diesen beiden Localitäten sprechen würde; doch be- dürfen obige Angaben noch weiterer Bestätigung. F. V. Hauer f* erw^ähnt Ter. pala von Volano bei Roveredo und Ter. antiplecta von Vallunga bei derselben Stadt , wodurch wenigstens die Andeutung über die Vertretung der Zone in diesen südhcheren Distrikten gegeben wäre. Ungleich bedeutender füi* die Kenntniss der Verbreitung,, * Gümbel, 1856, Beiträge zur Kenntniss von Vorarlberg und dem nordwestlichen Tirol, pag. 30. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichs- anstalt VII. Bd. ** Morlot, 1847, Erläuterungen zur geologischen Uebersichtskarte der nordüstlichen Alpen, pag. 117. *** Ehrlich, 1852, Geognostische Wanderungen im Gebiete der nordöstlichen Alpen, pag. 23. t Hauer, 1853, Jahrb. der geol. Reichsanst. Ueber die Gliederung der Trias- Lias- und Jura-Gebilde in den nordöstl. Alpen. Separat- abdr., pag. 44 — 45. tt Buch, 1834, Ueber Terebrateln. Separatabdr., pag. 80, ttt Quenstedt, 1852, Handbuch, pag. 458. t* Hauer 1. c. pag. 55. — 140 — welche die Zone der Ter. antiplecta pala u. s. w. besitzt, sind dagegen die Mittheilungen der neuesten Untersuchungen Berg- rath V. Hauer' s* und D. Stur's,** durch welche das Vor- kommen der Zone an einer Anzahl von Localitäten in verschie- denen Gegenden Ungarns nachgewiesen wird. Zwar ist die Zahl der Leitmuscheln noch gering, denn es werden von den bezeichnenderen Arten nur Terebratula pala., Rhynclionella trigona und Hhynch. senticosa zum Theil vereinzelt von dieser iind jener Localität genannt, dennoch ist die grosse Verbreitung der Aequivalente des weissen Vilser Kalkes in den Gebirgen des nördlichen Ungarns seit den Arbeiten der beiden Gelehrten nicht mehr zweifelhaft; um so weniger, als die überlagernden Schichten, welche in diesem Gebiete paläontologisch vortrefflich ausgestattet sind, allem Anscheine nach dem rothcn Kalke von Vils entsprechen. Hauer*** fand die Zone des weissen Vilser Kalkes bei seinen Aufnahmen im Sommer 1858 im nordöstlichen Ungarn in den Unghvarer und Marma roschen Comitaten. Hier treten in den Umgebungen von Uj-Keraencze und Dolha an mehreren Stellen Kalksteine auf, welche ausser den Resten von Crinoideen zahlreiche Brachiopoden einschliessen. Die Gesteins- beschatfenheit und die aufgefundenen Versteinerungen bewogen F. V. Hauer, diese Bildung den Vilser Kalken beizuzählen. Zweifelsohne ist die Schicht im nordwestlichen Ungarn noch verbreiteter, woselbst sie im Sommer 1859 von Dionys Sturf an vielen Punkten nachgewiesen wurde. Die Lagen scheinen hier häufiger aufgeschlossen zu sein. Es sind meist weisse *- Hauer Sitzungsberichte der k. k. geol. Reichsanstalt 15. März 1859, pag. 56. ** Stur ibid 12. April 1859, pag. 67. *** Hauer, 1859, Bericht über die geologische Uebersichts-Auf- nahme im nordöstlichen Ungarn. Jahrbuch der k. k. geol. Reichsan- 4stalt 10. Jahrg., pag. 399. t Stur, 1860. Bericht über die geologische Uebersichts - Auf- nahme des Wassergebietes der Waag und Neutra. Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt, elfter Jahrg., pag. 17. - 141 — Crinoidenkalke, aus welchen jedoch nur wenige bezeichnende Arten (insbesondere Terebr. pala) angeführt werden. Stur scheint sie überall scharf erkannt zu haben, auch hebt er sie in seiner Abhandlung unter der Bezeichnung Vilser Kalk immer besonders hervor. Es versteht sich von selbst, dass so- wohl Stur als Hauer unter diesem Ausdruck nur den weissen Vilser Kalk d. h. den Horizont oder die Zone der Tercbratula pala und antiplecta der Rhynclionella trigona und Vüsensis u. s. w. verstunden, während der rothe Yilser Kalk einem anderen Niveau angehört und vermuthlich dem eigentlichen Klippenkalke entspricht, welcher im nordwestlichen Ungarn an vielen Punkten unmittelbar über der Zone der Terehratula pala nachgewiesen wurde. Ehe ich jedoch auf die zuletzt berührten Verhältnisse weiter eingehen kann , habe ich zuvor einige Worte über das Auftreten des rothen Kalkes bei Vils selbst und über dessen Lagerung zu den weissen Kalken zu bemerken. §. 5. Auftreten des rothen Kalkes mit und in dem weissen Kalke von Vils. Bei der geringen Schichtung, welche sowohl der weisse, als der rothe Kalk bei Vils zeigen, werden Beobachtungen über die Lagerungsverhältnisse dieser Bildungen scliwierig. Es könnte scheinen, als hätte sich der rothe Kalk gleichzeitig mit dem weissen niedergeschlagen, spräche nicht die auffallend abweichende Gesteinsbeschaffenheit und die gänzliche Verschiedenheit ihrer fossilen Reste dagegen. AVenn auch der rothe marmorartige Kalk an manchen Stellen eine etwas lichtere, bisweilen selbst eine sehr helle oder gelbliche Farbe besitzt, und neben dem weissen Kalke ansteht, oder sogar mit diesem denselben Fels bildet, so dürfen wir ohne bestimmtere Anzeichen deren gemeinsame Entstehungsweise dennoch schon aus den ebenerwähnten Gründen nicht annehmen. Besonders merkwürdig fand ich die Verhältnisse an einer Stelle, an welcher der weisse Vilser Kalk von einer fussbreiten Masse des hier dunkelroth gefärbten Kalkes beinahe senkrecht durchschnitten wird. Es scheint als hätte der rothe Kalk eine Spalte im weissen Kalk ausgefüllt, jedoch erst nachdem letzterer vollständig abgelagert und fester Fels geworden war. Rechts - 142 - und links von der rothen gangförmigen Masse treten die weissen Brachiopodenschichten, mit Ter. pala, antiplectä und Bh. Vil- sensis gefüllt, bis an die Grenze des rothen Kalkes, welcher in seinem Innern so verschiedenartige Reste birgt, dass auch ohne die grelle Farbe, schon durch die grosse Zahl der Ammoniten sich die abweichende Schicht zu erkennen geben würde. Dabei trennt sich die nahezu fassdicke gangförmige Masse des rothen Kalkes seitlich, wenigstens mitunter, sehr deutlich von dem weissen Kalk ab. Wie weit dieselbe in die Tiefe des Felsens hinabdringt, ist nicht bekannt. Beachtensw^erth scheint mir der Umstand, dass auf einige Schritte Entfernung der rothe Gang nicht plötzlich, sondern langsam in den weissen Fels übergeht und zum Theil in feine Streifen aufgelöst , gleichsam mit dem weissen Gestein zusammenfliesst. Ich verbrachte längere Zeit mit der Ausbeute der gang- artigen rothen Kalkmasse, da sich diese Stelle äusserst ergiebig zeigte und mir die meisten der in §. 3 aufgezählten Fossile lieferte. Ich glaubte mich dabei überzeugen zu müssen, dass unmöghcherweise der rothe Kalk zuerst vorhanden gewiesen sein konnte, er erschien mir vielmehr wie eine spätere Einlagerung. Nur für den üebergang und das Zusammenfliessen des rothen in den weissen Kalk fehlt mir eine genügende Erklärung, wäh- rend ich mich bei der Frage über das relative Alter dieser Schichten vorläufig ganz zu der Annahme hingewiesen sehe, den rothen Kalk als die jüngere Bildmig zu betrachten. §. 6. Vergleichung des rothen Kalkes von Vils mit anderen alpinen Bildungen. Klippen-Kalk. Kalk von Rove- redo. Klaus-Schichten. In der kurzen Liste der fossilen Reste, welche ich in dem rothen Kalke von Vils sammelte, finden sich mehrere äusserst bezeichnende Species, wie Am- monites Hommairei d'Orb. und Anwi. Zignodianus d'Orb. ferner Terehratula Bouei Zeuschner, deren Vorkommen einen wichtigen Horizont andeutet. Zwar würde man diese Arten in den jurassischen Ablagerungen Englands sowie in den ausser-alpinen Juraschichten Frankreichs und Deutschlands ver- gebens suchen, doch charakterisiren sie in andern Distrikten — 143 - eine Zone von grosser Verbreitung. Es ist diese Zone haupt- sächlich in Gebieten vertreten , über deren geognostische Ver- hältnisse bisher nur vereinzelte Thatsachen gesammelt werden konnten, allein dennoch ist es möglich, manche der zum Theil sehr entfernten Bildungen wenigstens als annähernde Aequl- valente des rothen Kalkes von Vils zu erkennen. Aus §. 4 und 5 geht hervor, dass bei Vils der wohl be- stimmte öorizont der Terebratula pala, antiplecta, Rhynchonella trigo7ia und VilsensiSj wenigstens allem Anscheine nach die Basis des rothen Kalkes bildet, während an dieser Locahtät keine weitere Ueberlagerung durch jüngere Jurabildungen zu beobachten ist. Betrachten wir nun die muthmasslichen Aequivaleute des rothen Kalkes zuerst an solchen Localitäten, an welchen mit diesen zugleich auch die zunächst darunterhegende Zone der Terebratula pala entwickelt ist und als Anhaltspunkt für Ver- gleiche dienen kann. Rlippenlialk. Die Kalkablagerung, welche in den nörd- lichen Theilen Ungarns und den angrenzenden Distrikten zwischen Lias und Neocomien auftritt, wurde schon frühzeitig von Bou^, Lill von Lilienbach, Pusch, Zeuschner, Beyrich, Rominger und Andern beschrieben. Es ist insbesondere eine Abtheilung dieser Formation, der Klippenkalk, welche durch ihre interessanten Versteinerungen die Aufmerksamkeit auf sich zog und zum Theil zu jenen Publikationen Veranlassung gab. Neue Beiträge zur Kenntniss dieser Bildungen wurden im ver- gangenen Jahre durch die Untersuchungen F. v. Hauer' s und D. Stur's gehefert. Ich benütze im Nachfolgenden vorwaltend diese zuletzt erschienenen Arbeiten, da solche besonders in palä- ontologischer Beziehung sehr wichtige Ergänzungen des zuvor Bekannten enthalten. Hauer* gibt für die Jurabildungen des nordöstlichen Ungarns folgende Abtheilungen an. Hauer, 1. c. Jahrb. geol.. Reichsanst. X., pag. 415. — 144 — 1) Vils er-Schi chteii von Uj-Kemencze und Dolha. 2) Klippen-Kalk Umgeb. von Palocsa, Kijo und Uglya. 3) Weisser Kalkstein, welchen Hauer mit den Stram- berg er-Schi eilten identificirt. In dieser Zusammenstellung würde die unterste Abtheilung Nr. 1. dem weissen Vilser Kalk oder der Zone der Terebratula pala und antiplecta entsprechen , wie aus §. 5 hervorgeht. Nr. 2 wäre als das Aequivalent des rothen Kalkes^ von Vils zu betrachten. Yergl. d. folg. Seite. Dagegen muss ich von der Deutung der Ablagerung Nr. 3 hier absehen, verweise aber auf die neuerdings von E. Suess* sowie auf die schon 1844 von E. Beyrich** gemachten Bestimmungen. Für das nordwestliche Ungarn gibt D. Stur*** vielfache Belege über eine den Hau er 'sehen Angaben entsprechende Ordnung der Formationsglieder. In den von ihm untersuchten Flussgebieten der Waag und Neutra treten an vielen Punkten hellgefärbte Crinoideenkalke, die Aequivalente des weissen Vilser Kalkes, zu Tage. Manche der Durchschnitte zeigen noch die frühere Lagerung der Zone direkt auf Lias-Schichten , welche Stur Ad n et her Kalk nennt. Besonderen Werth erhalten je- doch Stur's Profile, weil durch sie der Beleg geliefert wird, dass in dem von ihm untersuchten Gebiete der Klippenkalk un- mittelbar über dem (weissen) Vilser Kalk d. h. der Zone der Ter. pala hegt. Die über dem Klippenkalk fol- gende Abtheilung wird auch von Stur Stram berger Kalk genannt. Die nächst -jüngeren Schichten gehören dem Neo- comien an. Da ich mehrere von H. Dr. Rominger f aus dem Klippen- kalk der Karpathen von Puchow mitgebrachte Arten in meiner Sammlung besitze, so hatte ich Gelegenheit, die Exemplare von * öuess, 1858. Die Brachiopoden der Stramberger Schichten. ** Beyrich, 1844. lieber die Entwicklung des Flötzgebirges in Schlesien. Karsten Archiv für Mineralogie Bd. XVITI. *** Stur Jahrb. ibid XL, pag. 17. t Vergl. Kominger, 1847. Beobachtungen über das Alter des Karpathensandsteins u. s w. Bronn Jahrbuch, pag. 778. - 145 - Vils mit diesen zum Theil damit übereinstimmenden Natur- exemplaren (darunter Ter. Bouei und Amm. tatricus) zu ver- gleichen. Das Gestein ist ein ähnliches und nur in Beziehung auf die Farbe verschieden, indem die meisten Stücke von Vils intensiver roth gefärbt sind. Hauer und Stur führen folgende Arten an, welche sie im Klippenkalk des nördlichen Ungarns sammelten: Ammonites tatricus Pusch. „ Zignodianus d'Orb. „ ptychoicus Quenst. „ picturatus d'Orb. „ charachtheis Zeuschn. „ fasciatus Quenst. „ tortisulcatus d'Orb. „ athleta Phill. „ pUcatilis Sow. „ tripUcatus Sow. „ infiatus binodus {Rein.) Quenst. „ oculatus d'Orb. (non Phill.) „ Adelae d'Orb. Aptychus lameUosus Parkins. „ laevis Meyer. Rhynchonella Agassizi Zeuschn. sp. Terebratida Bouei Zeuschn. 3, diphya Col. „ hisuff circinata Schloth. Wie wir aus der §. 3 gegebenen Liste ersehen, fände» sich in dem rothen Kalk von Vils Ammonites Zignodianus d'Orb. Amm. tatricus Pusch. und Terehratula Bouei Zeuschn. Sie weisen durch ihr gemeinsames Vorkommen im Klippenkalk und im rothen Vilser Kalk auf den Synchronismus dieser Bil- dungen hin. Als weiterer Beweis für den letzteren könnte die übereinstimmende Gesteinsbeschaffenheit angeführt werden, doch ist die Entfernung beider Ablagerungen eine zu beträchtlichCj, um hierauf ein besonderes Gewicht legen zu können. Viel be- deutender für obige Parallele ist dagegen der Umstand, dass Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 2s Heft. 10 — 146 - der rothe Kalk von Vils und der Klippenkalk der Karpathen in den von einander so entfernten Distrikten eine gemeinsame Unterlage haben d. h. unmittelbar über einer Schicht auftreten, welche hier und dort eine und dieselbe, paläontologisch über- einstimmende Zone darstellt. Rother Halle vom Roveredo. Wir haben bei Betrach- tung des weissen Vilser Kalkes gesehen, dass in den Umgebungen von Roveredo Andeutungen für das Auftreten der Zone der Terebratula pala gegeben sind. Ebenso ist kern Zweifel vor- handen, dass auch die Aequivalente des Klippenkalkes hier vorkommen, denn Quenstedt* erwähnt Terebratula diphya mit den von ihm neubenannten Amm. fasciatus und Amm. ptychoicus, drei Arten, welche sich im Klippenkalk der Karpathen gleichfalls finden. Wir dürfen somit den rothen Kalk von Koveredo zu denjenigen Ablagerungen stellen, welche durch Ter. diphya charakterisirt , aller Wahrscheinlichkeit nach ein und dasselbe Niveau einnehmen und sich bei einer grossen horizontalen Verbreitung auf weite Entfernungen verfolgen, und durch ihre eigenthümlichen Einschlüsse wenigstens mit einem an- nähernden Grade von Sicherheit sich wieder erkennen lassen. Auch dürfen wir dem Seitherigen zufolge den Klippenkalk der Karpathen und den rothen Kalk von Roveredo geradezu unter der Bezeich- nung Diphya-Kalk anführen. Aller Wahrscheinlichkeit nach gehört auch der rothe Kalk von Vils dazu. Anders verhält es sich mit den Klaus-Schichten, welche zwar manche Aehnlichkeit mit den ebenbetrachteten Ablagerungen zeigen, jedoch eine ver- schiedene Entstehungszeit zu besitzen scheinen. Klaus-Scliichteu. Die jurassischen Bildungen, welche m den nordöstlichen Alpen Oestreichs über dem Lias auftreten, zerfallen in mehrere durch ihre mineralogischen und paläonto- logischen Merkmale von einander abweichenden Glieder. Hauer** «nterscheidet folgende. Abtheilungen : * Quenstedt 1845 in Bronn Jahrb. pag. 683. Desgl. Cephal. pag. 271. ** Hauer 1853. lieber die Gliederung der Trias- Lias- und Jura- - 147 - unterer Jura (Klaus-Schichten, Vilser Kalk) oberer Jura (St. Veit, Krenkogel, Stollberg) Die Nachweise über das Vorkommen des (weissen) Vilser Kalkes in den nordöstlichen Alpen wurden schon §. 4 angeführt. Seine Lagerung zu den Klaus-Schichten kennt man nicht, auch konnte bisher nicht entschieden werden, ob derselbe jünger oder älter ist als letztere und umgekehrt. Da jedoch die Klaus-Schichten einzelne Arten des Klippenkalkes einschhessen und auch mit dieser Bildung identificirt wurden , so gehe ich im Folgenden kurz auf die mineralogischen und paläontologischen Verhältnisse der Klaus-Schichten ein. Nach Hauer sind die Klaus-Schichten braunroth oder ziegelroth gefärbte, oft oolithische Kalksteine, die besonders auf der Klaus-Alp bei Hallstadt durch ihren Petrefacten-Reichthum sich auszeichnen und ungleichförmig auf Dachsteinkalk oder weit älteren Gesteinen aufliegen. Liste der fossilen Arten aus den Klaus-Schichten der nord- östlichen Alpen: nach Hauer. Ammonites tatricus Pusch. y, Zignodianus d'Orb. „ Hommairei d'Orb. ^ ptychoicus Quenst. „ haloricus Hauer. „ subobtusus Kudernatsch. „ Kudernatschi Hauer. y, tripartitus Raspail. „ Humphriesianus Sow. „ subradiatus Sow. yf Eudesianus d'Orb. ^ Erato d'Orb? Mhynchonella senticosa sp. Schloth. „ Hausmanni sp. Zeuachn. Terebratula Bouei Zeuschn. n Simonyi Suess. Gebilde in den nordöstlichen Alpen. Separatabdr. pag. 58. Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt, 4. Jahrg. - 148 ^ Vergleichen wir die Arten dieser Liste mit den Vorkomm- nissen des rothenVilser Kalkes so erhalten wir 4 Species, welche die beiden Ablagerungen gemeinsam einschliessen und zwar : Ammonites tatricus Pusch. „ Hommairei d'Orb. „ Zignodianus d'Orb. Terebratula Bouei Zeuschn. Stellen wir dagegen die Arten des Klippenkalkes mit denen der Klaus -Schichten zusammen, so erhalten wir für diese beiden Bildungen folgende gemeinsame Species: Ammonites tatricus Pusch. „ ptychoicus Quenst. „ Zignodianus d'Orb. Terebratula Bouei Zeuschner. Trotz dieser übereinstimmenden Arten ist dennoch der Synchronismus der Klaus-Schichten mit dem Klippenkalk und dem rothen Vilser Kalk sehr unwahrscheinlich. Vergl. §. 8. Ich hebe hier nur noch den bemerkenswerthen Umstand hervor, dass die für den Klippenkalk der Karpathen so bezeichnende Terebratula diphya in den versteinerungsreichen Schichten der Klaus-Alp noch nicht nachgewiesen werden konnte. Doch kam die Species an einem andern Punkte der nordöstlichen Alpen Oestreichs, am Halse bei Weyer * zum Vorschein, in Schichten, über deren Alter keine genügenden Angaben gemacht wurden. Vielleicht dass sie die Aequivalente des rothen Vilser Kalkes bilden. §. 7. Diphya-Kalk. Oberer Jura des mittelländischen System's L. von Buch. Province jurassique hispano-alpine Marcou. Obschon der geognostische Horizont, welchen Tere^ bratula diphya einnimmt, gegen oben und unten noch keines- wegs scharf begrenzt wurde, so können wir dennoch vorläufig unter der Bezeichnung Diphya-Kalk eine Anzahl von Bil- dungen vereinigen, indem wir dieselben als paläontologisch * Hauer vorige Anmerk. pag. 56» ~ 149 - eigenthümlich ausgestattete Formationsabtheilung den Nieder- schlägen gleichen Alters anderer Distrikte gegenüberstellen. Verschieden von den Jurabildungen des englisch-französischen Beckens oder der schwäbischen Alb repräsentiren die Diphya- Kalke einen eigenen Typus jurassischer Ablagerungen von nicht unbeträchtlicher Ausdehnung. Das Auftreten der Terebratula diphya führte schon frühzeitig zu Parallelen. So hat Zeus eb- ner* 1844 auf den Synchronismus zwischen dem Klippenkalk des Tatra-Gebirges und den Diphya-Kalken des südlichen Tyrols hingewiesen. Später entwarf S u e s s ** ein interessan- tes Bild über die weitere Verbreitung dieser Schichten. Da auch Vic. d'A r c h 1 a c *** in dem sechsten und siebenten Bande der Progres die Beschreibung zahlreicher Localitäten und Distrikte gibt, von welchen das Vorkommen der Terebratula diphya nach und nach bekannt geworden ist, so kann ich meine Angaben über die Diphya-Kalke auf einige allgemeine Betrach- tungen beschränken, indem ich vor allem die grossen Verdienste hervorhebe, welche sich Professor Beyrichf durch seine scharfsinnige Darlegung der Verhältnisse erworben hat, unter denen die jurassischen Bildungen in Oberschlesien, Galizien, im nördlichen Ungarn und in Mähren auftreten. Beyrich beschreibt aus jenen Distrikten Jurakalke, welche besonders in Beziehung auf ihre Versteinerungen vollständig mit den Niederschlägen des oberen Jura's in Schwaben und in Franken übereinstimmen und in einzelnen Schichten die Fossile unserer Scyphien-Kalke sowie die Fauna des Nattheimer Coralrags einschliessen. In einiger Entfernung vom altern Gebirge , jedoch mit diesem parallel laufend, erstrecken sie sich südlich vom böhmisch- mährischen Gebirge und östlich von den Sudeten, mit einzelnen * Zeuschner in Bronns Jahrb. 1844 pag. 325^ ** E. Suess 1852. „lieber Terebratula diphya" Sitzungsberichte der Akad. der Wissensch. in Wien math. naturw. Cl. Bd. 8. pag. 560. *** Vic. d'Archiac 1856, 1857, Histoire des Progres de la Geo- logie Bd. 6 u. 7. t Beyrich 1844. lieber die Entwicklung des Flötzgebirges in Schlesien, In Karsten's Archiv für Mineral. Bd. XVIII. — 150 - Unterbrechungen von Ernstbrunn und Nickolsburg über Stramberg nach Krakau und von hieraus gegen Norden bis Wielun. Völlig verschieden treten dagegen die jurassischen Bildungen in den südlicher gelegenen Gebirgen auf, indem hier die alpine Zone der Diphya-Kalke (Klippenkalke) in ihrer ganzen Eigen- thümlichkeit zur Entwicklung kommt. Beyrich betrachtet die nördlicher beobachteten Nieder- schläge als Littoralzone. Nach ihm erklären sich die grossen Abweichungen, welche die Diphya-Kalke zeigen, durch ihre Entstehungsweise, entfernter vom Ufer, weiter im Innern des Beckens. Wenn auch nicht unmittelbar am Ufer, so haben sich doch jene Spongiten- und Korallen-Schichten in nicht allzugrosser Entfernung von den alten Continenten abgesetzt, jedenfalls aber unter anderen Bedingungen als die Diphya-Kalke. Doch war es dasselbe Meer, in welchem nach Beyrich sowohl die Littoralzone als der KHppenkalk entstunden, eine Ansicht, auf welche grosses Gewicht zu legen ist. Sie stimmt mit den Resultaten Marcou's sehr nahe überein, weicht jedoch von den Annahmen Zeuschner's* ab, welcher die Verschieden- heit jener zwei Typen jurassischer Niederschläge ihrem Absatz in getrennten Becken zuschreibt. Indem Beyrich auf die grosse Verbreitung der Diphya- Kalke besonders im südlichen Frankreich und den Gebirgen Italiens hinweist, stellt er sie zugleich den nördlicher gelegenen Jurabildungen gegenüber. Und in der That haben wir beim Vergleiche des schwäbischen und fränkischen Jura's mit dem, unserer Alpen dasselbe Verhältniss, wie zwischen den Ab- lagerungen südwestlich und nördlich von Krakau, mit dem Klippenkalke von P u c h o w oder R o g o z n i k. Vielleicht dass jene entfernten Gebiete günstigere Verhältnisse für Parallelen zwischen Diphya-Kalken und oberem Jura nach fränkischem oder schwä- * Zeuschner Ueber das Verhältniss des Fukoiden- (Karpathen-) Sandsteins zum Aramoniten-Kalke am nördlichen Abhang der Tatra. Bronn, Jahrbuch 1846 pag. 184. - 151 - bischem Typus darbieten (wofür besonders das Vorkommen von Ter. diphya und Amm. tatricus in den Stramberger Kalken spricht). In den Arbeiten L. v. Buch's finden wir manche An- gaben über das Auftreten und die Fossile der Diphya-Kalke verschiedener Gegenden. Es scheint, dass er ihre Entstehung in einem von den nördlicheren Jurabecken gesonderten Meere annahm. In einer 1846 von ihm veröffentlichten Notiz * finden wir einen allgemeinen Ueberbhck über die verschieden- artige Entwicklung der jurassischen Niederschläge nach ihrer geographischen Verbreitung. Dabei verdient erwähnt zu werden, dass das Auftreten der Diphya-Kalke sich auf die Ausdehnung eines der 3 Hauptdistrikte beschränkt, in welche L. V. Buch die jurassischen Bildungen der alten WeU geschieden hat und es ist anzunehmen, dass es die eigenthümliche Ent- wicklung der Diphya-Kalke war, welche ihn vorwaltend zur Abtrennung seines dritten Terrains bewog. Er nennt dasselbe „mittelländisches System," vertreten im südlichen Frank- reich, der Lombardei, den Karpathen und der Krimm und stellt es dem ersten System des enghsch-französischen Beckens, sowie dem zweiten in Russland ausgesprochenen Systeme gegenüber. Hätten wir unter diesen Systemen die Niederschläge in besonderen Becken zu verstehen , so könnte die Frage nahe liegen, ob nicht etwa wenigstens die Liasmeere unter einander verbunden waren, indem der Lias des mittelländischen Systems mit den Bildungen des französisch-englischen Beckens weit mehr Uebereinstimmung zu zeigen scheint, als dies bei dem oberen Jura der Fall ist. Lassen sich doch z. B. die Mollusken aus der Zone der Posidonomya Bronni in den Alpen zum grossen Theil wiedererkennen und zwar in einem und demselben Lager beisammen, dagegen getrennt von den Arten der tiefer liegenden liasischen Formationsglieder. Eine weit bestimmtere Richtung hat J. Marcou** der * Buch 1846. Lettre ä la Societe imperiale des naturalistes de Moscou. Bulletin Soc. imp. de Mose. Bd. 19. pag. 244. ** J. Marcou 1857 — 60. Lettres sur les Koches du Jura et leur distribution dans les deux hemispheres. - 152 -^ Äuvor behandelten Frage gegeben. Wie schon die Anschauungs- weise Beyrichs, so weicht auch diejenige Marcou's von der Buch 'sehen und der Z e u s c h n e r 'sehen Auffassung in wesent- hchen Punkten ab. Vor allem versuchte Marcou durch Be- rücksichtigung der von Forbes in den jetzigen Meeren ge- sammelten Erfahrungen über die Verbreitung der lebenden Organismen nach hom oiozo i sehen Gürteln und innerhalb dieser nach einzelnen Provinzen Anhaltspunkte für die Beur- theilungder untergegangenen Faunen, insbesondere der jurassischen zu gewinnen. Marcou nimmt 4 in Europa auftretende Meeres- Provinzen der Juraperiode an, und nennt dieselben 1) Province no7^mando-hourguignonne, 2) Province his'pano-al/pine, 3) Pro- vince crimeo-caucasiennef 4) Province moscovite. Die drei erst- genannten Provinzen fallen in den homoiozoischen Central-Gürtel des Jura-Meeres „(Bande homoiozoique centrale" Marc), während die ^^Province moscovite^ von Marcou einem anderen, unmittel- bar nördlich angrenzenden Gürtel „Bande homoiozoique neutrale du nord" zugetheilt wird. Die Provinzen 2 und 3 entsprechen ungefähr dem mittelländischen Jura-System oder Jura-Becken Buch's, Provinz 1 und 4 dagegen dessen beiden übrigen Jura- Systemen; doch gibt Buch nur ganz allgemeine Andeutungen über die Ausdehnung seiner Terrains. Bestimmter hat Marcou seine jurassischen Provinzen begrenzt und deren Ausdehnung durch ein besonderes Kärtchen veranschauHcht. Ich halte diesen Versuch, homoiozoische Gürtel und Provinzen auch für die Meere der früheren Perioden zu unterscheiden, für sehr wichtig und es hat J. Marcou denselben in seinen „Lettres" mit vielem Geiste und mit grosser Schärfe durchgeführt, vorerst für die jurassischen Bildungen, in einer weiteren Arbeit „Geographie antediluvienne," welche demnächst erscheinen wird, aber auch für die übrigen Formationen. §. 8. Schlüsse aus den fossilen Arten des rothen Vilser Kalkes, des Klippenkalkes und der Klaus-Schichten über das Alter dieser Bildungen. Bei Betrachtung der palä- ontologischen Verhältnisse des weissen Vilser Kalkes ergab es sich, dass unter den fossilen Resten zwei Arten existiren, - 153 - deren eine in den Macrocephalus-Schichten Württembergs, deren andere in den Kelloway-Schichten der Depart. Maine et Loire und Ardeche vorkommen. Diese Thatsachen genügen zwar nicht als sicherer Beweis, sprechen jedoch einigermassen für die Ansicht, dass der weisse Vilser Kalk der Alpen gleich- zeitig mit denjenigen Niederschlägen ausserhalb der Alpen ent- stmid, welche der Kelloway-Gruppe ziigetheilt werden. In dem rothen Vilser Kalk fand sich dagegen bisher keine einzige Art, welche sich mit einer der Juraversteinerungen identificiren Hesse, wie wir sie von der schwäbischen Alb oder aus den Niederschlägen des enghsch-französischen Beckens kennen. Dennoch halte ich das Vorkommen solcher gemeinsamer Species nicht für unmöghch, da aus den Klippenkalken und aus an- deren Bildungen derselben Zone (Diphya-Kalk) in der Literatur Arten angeführt werden, deren Vorkommen (im Bestätigungs- falle) zu bestimmten Parallelen führen müsste. Die Fauna der Diphya-Kalke besteht beinahe überall vorwaltend aus zahlreichen Arten von Ammoniten, mit welchen häufig eine Belemniten-Speeies, Terebratula diphya und einige andere Brachiopoden vorkommen. Zeuse hn er* hat von letz- teren schöne Abbildungen gegeben, während d'Orbigny** mehrere Ammoniten-Species gleichfalls. durch vortreffliche Figuren veranschauHchte. Es sind aber gerade die Ammoniten und Terebrateln, welche den Horizont besonders charakterisiren, in- dem eine ziemlich beträchtliche Anzahl ausgeprägter Formen hier auftritt und diesem Horizonte eigenthümlich , von andern Regionen nicht bekannt ist. Auffallend ist es jedoch, wenn mitten in einer Liste solcher, den Diphya-Kalken angehörender Species einzelne Arten ange- führt werden , welche vielleicht aus dem Kelloway-Rock von Yorkshire beschrieben, oder aus den Oxford-Thonen, den Ornaten- thonen u. s. w. bisher allein bekannt- waren. Solche gemein- * Zejszner 1846. Nowe lub niedokladnie opisane gatunki ska- mienialoscie tatrowych. Warschau. ** d'Orbigny Palaeont. fran^aise Terr. jurass. - 154 - same Arten würden rasch die Frage über das Alter der Diphya- Kalke entscheiden. Leider ist aber gerade derjenigen Literatur, welche über Diphya-Kalke handelt, nur bedingtes Vertrauen zu schenken. Es ist kein Zweifel, dass bei der zum Theil mangelhaften Er- haltung der Arten in den harten Kalken die Bestimmungen mit manchen Schwierigkeiten verbunden sind; gleichwohl ist es häufig der Fall, dass trotz der grössten Unsicherheit die Arten dennoch identificirt und mit Species-Namen angeführt werden, als wären sie sicher bestimmbar gewesen. Dieser Umstand veranlasst mich, einen beträchtlichen Theil der Literatur zu übergehen, und mich darauf zu beschränken, nur einige Schlüsse über das Alter des Klippenkalkes und der Klaus-Schichten mit zu Grund- legung der auf den vorhergegangenen Seiten gegebenen Listen zu ziehen. Die fossilen Arten des Klippenkalkes und der Klaus- Schichten, welche Hauer und Stur anführen, lassen sich in Beziehung auf ihre Bedeutung als Leitmuscheln in 2 Abthei- lungen gruppiren, deren eine solche Arten umfasst, welche aus- schliesslich für die Diphya-Kalke bezeichnend von Bildungen ausserhalb des mittelländischen Jura-Systems bisher nicht be- kannt geworden sind, während die zweite Abtheilung aus Arten besteht, welche schon längst aus den jurassischen Niederschlägen des englisch-französischen Beckens, der schwäbischen Alb oder Frankens bekannt, zugleich auch mit den Fossilen des Diphya- Kalkes erwähnt werden. Zergliedern wir nach diesem Gesichtspunkte zuerst die Liste der Fossile, welche Hauer und Stur* aus dem Klip pen- kalke der Karpathen angegeben haben, so theilt sich die Reihe: Uro. 1. in Fossille des Klippenkalkes, deren Ver- breitung sich auf die Ausdehnung des mittelländischen Jura- Beckens, oder der in §. 7 angeführten Meeres-Provinzen 2 u. 3^ * 1. c. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1859, li X. Jahrg. pag. 399. XI. Jahrg. pag. 17. — 155 - (Province hispano- alpine und crimeo-caucasienne Marcou) beschränkt : Ammonites tatricus Pusch. *) „ Zig'nodianus d Orb. „ ptychoicus Quenst. „ picturatus d'Orb. „ carachtheis Zeuschn, „ fasciatus Quenst. „ Adelae d'Orb. ' JRhynchonella Agassizi Zeusclin. Terebratula Bouei Zeuschn. „ diphya Col. ^vo. 2. Fossile des Klipp enkalkes, welche zugleich im englisch-französischen Becken, an der schwäbischen Alb u. s. w. (Province normando-bourguignonne Marc.) vorkommen: Ammonites athleta Phill. „ tortisulcatus d'Orb. „ pUeatilis Sow. „ tripUcatus Sow. ^ inflatus binodus Quenst. „ oculatus d'Orb. Aptychus lamellosus Parkins. „ laevis v. Meyer. Terebratula bissuffardnata Schloth. Zerlegen wir in derselben Weise die von Hauer** aus den Klaus-Schichten angeführte Reihe von fossilen Arten^ so erhalten wir wiederum zwei Gruppen und zwar: Uro. 3. Fossile der Klaus-Schichten, deren Verbrei- tung sich auf die Ausdehnung des mittelländischen Jura-Beckens^ * In meiner früheren Arbeit „die Juraformation" habe ich Amm. tatricus aus dem englisch-französischen Becken angeführt. Dieses Vor- kommen mag sich auf die von d'Orbigny abgebildete Form beziehen, von welcher ich jedoch Pusch's Amm, tatricus künftig abtrennen werde. Amm. tatricus Pusch wird sogar in manchen Schriften aus dem Lias erwähnt, wofür ich jedoch selbst nie eine Bestätigung fand. ** Hauer Jahrbuch der k. k. geol. Reichsanstalt Jahrg. IV. . - 156 - oder der in §. 7 angeführten Meeres-Provinzen 2 u. 3 („Pro- vince hispano-alpine und crimeo-caucasienne" Marc.) beschränkt. Ammonites tatricus Pusch. „ Zignodianus d'Orb. „ Hommairei d'Orb. „ ptychoicus Quenst. „ haloricus Hauer. „ subobtusus Kudernatsch. „ tripartitus Raspail. Mhynchonella Hausmanni Zeuschn. Terebratula Bouei Zeuschn. „ Simonyi'i Suess. THro. 4. Fossile der Klaus-Schichten, welche zugleich im englisch-französischen Becken, an der schwäbischen Alb w. s. w. vorkommen. Ammonites Kudernatschi Hauer. „ Humphriesianus Sow. „ subradiatus Sow. „ Eudesianus d'Orb. „ Erato d'Orb. Bhynchonella senticosa Schloth. Wie sich von selbst versteht, lässt sich auf Grund der in den Listen Nro. 1 und Nro. 3 aufgezählten Arten kein Vergleich mit der Fauna auswärtiger Bildungen ziehen , während in den Listen Nro. 2. und Nro. 4. diejenigen Arten vereinigt sind, aus deren Betrachtung sich Schlüsse über das Alter ihrer Bildungen ergeben. Fossile des Klippenkalkes nach der Liste Nro. 2. Es werden hier 9 Arten angeführt, deren erste: Ammonites athletha Phill., wohl schon an hunderten von Localitä- ten Englands, Frankreichs und Deutschlands aufgefunden, hier immer der obersten Zone der Kelloway- Gruppe angehört. Ammonites tortisulcatus d'Orb. beginnt in der Zone des Am. ath- leta, ist hier jedoch überaus selten. Exemplare, welche sich bisher nicht von diesem tiefer liegenden Vorkommen unterscheiden Hessen, ^finden sich in einem etwas höhern Niveau und zwar in den weissen - 157 ~ Kalken, welche an der schwäbischen Alb die Basis der Spongiten- schichten des oberen Jura bilden. Ämmonites plicatüis Sow. triplicatus Sow. inßatus binotus Quenst. oculatus d'Orb. Äptychus lamellosus Parkins. laevis h. Meyer. l^Tere- hratula hisuffarcinata Schloth. Diese 7 Arten gehören sämmtlich dem obern Jura an und finden sich grüsstentheils in dessen Mittelregion, in den Spongitenschichten, oder etwas tiefer. Betrachten wir die Kelloway-Griippe als unterste Etage des oberen Jura, so ergeben sich die in der Liste Nro. 2 aufgezähl- ten fossilen Reste des Klippenkalkes sämmtlich als: Species des oberen Jura. Fossile der Klaus -Schichten nach der Liste Nro. 4. Ich übergehe eine der in der Liste enthaltenen 6 Arten, Rh. sen- ticosa, bei der es zweifelhaft ist, welchem Lager sie angehört. Ämmonites Kudernatschi Hauer* eine Heterophylle, mit welchem allem Anscheine nach eine Species des französischen Unterooliths (^m. heterophylloides Opp. ** identisch ist. Ämmonites Erato Kuder n at s ch *** (d'Orb.?) Hauer hält es für wahrscheinlich , dass diese Species zu Am. oolithicus d'Orb. zu stellen sei. (Gleichfalls eine Species des Unterooliths). Ämmonites Humphriesianus Kudernatsch (non Sow.) ist gleichbe- deutend mit ^m. recieZoöaius Hauer und xn.it Am. Deslongchampsi d'Orb. die Figuren Kudernatsch's und Hauer's stimmen mit denjenigen der letztgenannten Art, welche d'Orbigny aus dem französischen Unteroo- lith abbildete, übereia. Am,m,onit€s subradiatns Sow. eine häufige und verbreitete Species des Unteroolith's. Ämmonites Eudesianiis d'Orb. gleichfalls aus dem Unteroolith. Das Vorkommen des Am. oolithicus^ Deslongchampsi und sxibradiatus spricht für eine Vertretung der Zone des Am. Parkinsoni d, h. der ober- sten Abtheilung des Unterooliths; während die übrigen Arten dersel- ben Etage angehören, so ist dagegen nicht bekannt, ob sie zugleich einen besonderen Horizont charakterisiren. * Hauer 1854. Beiträge zur Kenntniss der Heterophyllen der österreichischen Alpen pag. 44. Sitzungsber. der Akad. Wissensch. Wien. Bd. XII. ** Die Juraformation pag. 373. *** Kudernatsch 1852. Die Ammoniten von Swinitza tab. 2. fig. 4, 5. pag. 10. Abhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt 1. Bd. 2. Abthl. N. 1. - 158 - ° • Wir dürfen demnach die in der Liste Nr. 4 angeführten Arten der Klaus -Schichten als Fossile des Unterooliths be- trachten. Fassen wir, wie dies soeben ausgeführt wurde, nur dieje- nigen fossilen Reste des Klippenkalkes und der Klaus-Schichten ins Auge, welche eine weitere Verbreitung besitzen und in den Jurabildungen des englisch-französischen Beckens oder der schwä- bischen Alb nachgewiesen werden konnten, so ergiebt sich aus den seitherigen Vergleichen, dass die eben erwähnten Arten des Klippenkalkes .... dem oberen Jura^ der Klaus-Schichten. . . . dem Unteroolith angeboren. Verlassen wir uns auf diese Bestimmungen, so liegt die weitere Folgerung sehr nahe, dass der Klippenkalk zum oberen Jura, die Klausschichten zum Unteroolith gehören. Da der rothe Vilser Kalk nach §. 6 als das muth- massliche Aequivalent des Klippenkalkes zu betrachten ist, so dürfen wir diesen ersteren als Glied des oberen Jura deuten. Zugleich ist bei der getrennten Lage der Klaus-Schichten in einer tieferen Etage anzunehmen, dass der weisse Vilser Kalk das Niveau zwischen Klaus-Schichten und Klippenkalk einnimmt. Es sind dies gewiss beachtenswerthe Resultate, gegen deren Zuverlässigkeit nur der eine Umstand spricht , dass aus den Klausschichten, dem rothen Vilser Kalk und dem Klippenkalke einige sehr bezeichnende Arten wie Terebratula Bouei Zeuschn. u. Ammonites Zignodianus d'Orb. gemeinsam angeführt werden. Möghch, dass die hie durch entstehenden Widersprüche sich mit der Zeit lösen werden, jedenfalls gestatten uns die bis jetzt ge- machten Beobachtungen die Annahme, dass die jurassischen Niederschläge, welche in den Alpen und Karpathen zwischen dem oberen Lias und den Stramberger Schichten auftreten, in mehrere nach ihren organischen Resten bestimmbare Zonen zerfallen, deren schärfere Unterscheidung nach paläontologischen — 159 - Merkmalen vielleicht bald gelingen wird; ist ja sogar die, Hoff- nung vorhanden, sie in Parallele mit den Formationsghedern der übrigen Jurasysteme zu bringen. §. 9. Ich führe zum Schlüsse einige fossile Arten der Vilser Kalke an. 1 Fossile des weissen Vilser Kalkes. Astarte Calloviensis Opp. Die Umrisse der wenig gewölbten Schalen sind zwar nicht genügend erhalten, um sie ringsum verfolgen zu können, doch wird ihr Verlauf durch die concentrischen Furchen angedeutet, deren sich auf jeder Schale 10 finden, d. h. bei Exemplaren, welche von den Wirbeln bis zum gegenüberliegenden Schalen- rande 6 Linien messen. Bei grössern Individuen war ihre Zahl noch beträchtlicher. Die Muschel hat eine ovale Form und erinnert an die kleine Posidonomya Bronni des oberen Lias, scheint jedoch eine weit dickere Schale zu besitzen. In der Nähe der Wirbel stehen die Furchen gedrängter als in der Mitte der Schalen, woselbst sie nahezu V^ Linie Zwischenraum unter sich lassen. Doch verlaufen sie überall ziemlich regelmässig. Von dem Schlosse ist nichts erhalten. Da sich die Species in einigen Exemplaren in dem weissen Kalke von Vils fand, so habe ich sie hier angeführt und neu benannt, doch wäre es wünschenswerth, noch weitere Merkmale für ihre Unterscheidung zu erhalten. Terebratula Vilsensis Opp. , Tab. 2, Fig. 1. a— h. Kleine Species von 5'" Länge, h'" Breite und 4'" Dicke, von ausgesprochen 5 eckiger Form. In der Medianlinie der Stirngegend bildet die Rückenklappe eine stark hervortretende Falte, welcher ein tiefer gerundeter Sinus der Bauchklappe ent- gegen kommt. Zwei hohe Falten begrenzen den letzteren, ihnen - 160 - entsprechen zwei Sinus-artige Vertiefungen der Rückenklappe. Die Seitenflügel werden gleichfalls durch gewölbte Falten ge- bildet. Diesen Verhältnissen zufolge darf Terehratula Vilsensis zur Gruppe der Terehratula Bentleyi Dav. gestellt werden, doch unterscheidet sie sich von letzterer durch ihre gewölbtere Rückenklappe und ihre weit stärkeren Falten, welche ihr beson- ders von der Stirnseite betrachtet, eiii ganz anderes Aussehen 'verleihen. Von Terehratula coarctata weicht unsere Species noch ausserdem durch die Beschaffenheit der Schale ab, auf der zwar die Punctation sehr deutlich sichtbar ist, während im Uebrigen ihre Oberfläche gänzlich glatt erscheint. E. E. Deslongchamps bildet in dem Bulletin der So- cie'td Linn. de Normandie Bd. IV. (Extr. pag. 7, Tab. 2, Fig. 1, 2) eine Terebratel aus den Eisenerzen der Kelloway- Gruppe von la Voulte (Ardeche) ab , welche einige Aehnlichkeit mit Ter. Vilsensis besitzt. Doch ist die Deslongchamps'sche Species weit länger, auch weicht dieselbe durch schwächere Falten von der alpinen Art ab, weshalb sich die Uebertragung der Deslong- champs'schen Bezeichnung Terehratula hivaUata auf die be- nachbarte Species des weissen Vilser Kalkes nicht vornehmen lässt. Quenstedt Handb. der Petrefk. pag. 465 versucht eine ähnliche Art des oberen Jura, welche in Württemberg zu den seltensten Vorkommnissen gehört, Ter. inversa zu nennen, überträgt jedoch diesen Namen auf derselben Seite zugleich auch auf eine davon verschiedene alpine Art, welche möglicherweise mit der Species von Vils identisch ist. Wollen wir nun über- haupt die Benennung Terehratula inversa wieder aufnehmen, so können wir dieselbe nur für das zuerst angeführte schwä- bische Vorkommen anwenden. Ter. coarctata alba Quenst. Jura mag mit letzterer identisch sein. Indem ich somit die Terebratel von Vils neu benenne, beschränke ich die Bezeich- nung Ter. inversa auf die Species des oberen Jura's Schwabens. - 161 - Terebratula bifrons Opp. Tab. 2, Fig. 2, a— e. Die Falten der Schale treten in der Stirngegend ungefähr in derselben eigenthümlichen Weise auf wie bei der seltenen von Davidson zuerst beschriebenen Tere6raii/?a sub — Beut- Icyi oder gaJeiformis. Doch ist bei Terebratula bifrons die Stirne abgestumpft und die mittlere Vertiefung in der Bauch- schale breiter, als bei der englischen Species, welche überdies die 3 — 4fachen Dimensionen erreicht. Das Vorkommen mit der stark gefalteten Terebratula an- tiplecta führt leicht dazu, die kleinere und sehr seltene Terebra- tula bifrons zu übersehen. Doch besteht keine eigentliche Uebereinstimmung zwischen diesen beiden Arten, um so weniger als die jungen Individuen von Terebratula antijplecta äusserst flach sind, weder die eigenthümliche Stirn noch den stark ge- bogenen Wirbel mit der weiten Oeffnung besitzen, während Te- rebratula bifrons gerade in Beziehung auf die letztgenannten Verhältnisse beinahe der Terebratula galeiformis gleichkommt. Da die vergrösserten Abbildungen eine weitere Beschrei- bung ersetzen, so beschränke ich mich darauf, hier nur noch auf eine in den französischen Kelloway-Schichten aufgefundene Species Terebratula Dumortieri Deslongch. * hinzuweisen^ welche ihrem allgemeinen Habitus nach der Terebratula bifrons benachbart ist, deren Abbildung und Beschreibung jedoch eine Vereinigung beider nicht gestattet, da Terebratula Dumortieri durch einige sehr bestimmte Merkmale von der Terebratel von Viis abw^eicht. Terebratula cf. Calloviensis d'Orb. var. Algoviana. Ich unterscheide die der Terebratula Calloviensis nahe stehende Terebratel von Vils vorläufig als Varietät, da sie bei * Eug. E. Deslongchamps 1859. Notes sur le terrain Callovien Tab. I., Fig. 4—6, pag. 5. Bullet. Soc. Linn. de Normand. vol. lY. Württemb. naüirw. Jahreshefte. 1861. 2s Heft. 11 ^ 162 - beträchtlicheren Dimensionen weniger aufgebläht ist , als die französischen Exemplare. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sie einer besondern Art angehört. Terebratula antiplecta Buch. 1834. Terebratula antiplecta Buch, über Terebrateln pag. 80., Tab. 2, Fig. 38. Terebratula antiplecta gehört mit der folgenden Art zu den häufigsten Versteinerungen, welche der weisse Kalk von Vils einschliesst. Terebratula pala Buch. (Waldheimia). 1834. Terebratula pala Buch, über Terebrateln pag. 114, Tab. 3, Fig. 14. 1857. Terebratula Geisingensis Opp. die Juraformation, pag. 573. 1857, Terebratula pala Quenst. der Jura, Tab. 66, Fig. 19, 20. Ich habe hier eine Verwechslung zu berichtigen, zu wel- cher mich früher die Buch'sche Abbildung von Terebratula pala verleitete, indem ich die mit letzterer identische Art aus den Macrocephalus-Schichten Schwabens als besondere Species unter der Bezeichnung Terebratula Geisingensis von Terebra- tula jjala abtrennte. Die Untersuchung des zahlreichen Materials von Terebra- tula pala von Vils überzeugte mich nun aber von deren Ueber- cinstimmung mit den schwäbischen Exemplaren, wesshalb ich meine Terebratula Geisingensis hier wiederum mit Terebratula pala vereinige. Terebratula pala gehört zu den Waldheimien. Quenstedt bildet ein Knochengerüste eines schwäbischen Exemplars ab. * Terebratula Sandberg eri Eng. Deslongch. , welche ich (Juraform pag, 574) nach Ter. Geisingensis anführte, wird künftig als Bezeichnung einer besondern der Ter. pala verwandten Art aus der Kelloway-Gruppe bleiben. _ 163 — Sehr leicht erhält man dasselbe bei den Vorkommnissen von Vils, da es bisweilen beim Ausbrechen der Exemplare zum Vor- schein kommt. Die von der undurchbohrten Klappe absteigen- den Aeste zeichnen sich durch Feinheit aus, während die auf- steigenden Arme ungleich breiter sind. Terebratula margarita Opp, (Waldheimia). Tab. 2, Fig. 3, a— g. Kleine Species, welche in der Jugend flach ist, später aber stark aufgebläht und beinahe kugelrund wird; indem die un- durchbohrte Kla^^e sich nahezu ebenso stark wölbt^ wie die durchbohrte. Bei einzelnen Exemplaren bemerkt man auf bei- den Seiten der Stirn eine schwache Neigung zu Vorsprüngen oder Ecken. Ueberaus deutlich lässt sich die feine Punktation der Schale beobachten, auch bemerkt man, dass die einzelnen Punkte sehr bestimmt nach mehreren Richtungen in Reihen ge- ordnet sind. Die Muschel besitzt keine Falten oder Rippen, da- gegen treten die Anwachsstreifen in der Randgegend besonders bei ausgewachsenen Exemplaren ziemlich stark hervor. Im Allgemeinen stimmt die Species in Beziehung auf Grösse und Form der Schalen mit Terebratula faynarindus Sow. (Davids. Monogr. Brit. cretaceous Brachiop. Tab. 9, Fig. 26 — 31) ziemlich nahe überein , doch ergeben sich Unterschiede durch den Verlauf der Stirnlinie, welche bei Terebratula margarita in eine Ebene fällt, sowie durch die Form des Schnabels, welcher bei letztgenannter Art schwächer und mit feinerer Oeffnung ver- sehen ist als bei Ter. tamarindus. Gehört zu den selteneren Arten des weissen Vilser Kalkes. Rhynchonella myriacantha Desl. Rhynchonella senticosa verschd. Aut. (non Schloth.) 1859. Rhynchonella myriacantha E. E. Deslongch. Notes sur le ter- rain callovien. Unter den verschiedeneu Formen Hemithiris-artiger Tere- brateln scheint die von D e slongchamps aus dem französischen — 164 — Callovien beschriebene Rhynchonella myriacantha am besten mit der Species von Vils übereinzustimmenj weshalb ich letztere Bezeichnung wähle. Die Exemplare von Amberg (Schlotheims T. senticosa) besitzen andere Formverhältnisse. Rhynchonella Vilsensis Opp. Tab. 3, Fig. 3, a— f. 1834. Terebratula concinna Buch, über Tereb ratein pag. 80, pag. 114 (non S ow.) Rhynchonella Vilsensis ist in ausgewa|jhsenem Zustand eine ziemlich aufgeblähte Muschel von rundlichem Umfang und 7'" Länge, 7—8'" Breite und 6'" Dicke. Die Zahl ihrer bis in die Wirbelgegend reichenden Rippen variirt etwas , beträgt durchschnittlich 15 , bisweilen aber 2 — 3 mehr oder weniger. Charakteristisch ist die unsymmetrische Stirnbildung, welche je- doch die Ungleichseitigkeit wie sie bei Hhynchonnella incon- stans vorkommt, nicht erreicht. Doch variiren auch in dieser Beziehung die Exemplare sehr, indem die einen ähnlich der EhynchoneUa concinna beinahe symmetrisch werden*, andere aber eine Stirnbildung besitzen, beinahe so ungleich wie die der Bhynchonella Royeriana. Dennoch existiren keine voll- ständigen Uebergänge zu Rhynchonella concinna und Royeriana. welch letztere Arten sich durch die weit beträchtlichere Anzahl ihrer Rippen und durch ihre ungleich bedeutenderen Dimensio- nen von Rhynchonella Vilsensis unterscheiden. Rhynchonella Vilsensis ist eine der häufigsten Arten des weissen Vilser Kalkes und findet sich schon frühzeitig in der Literatur erwähnt, obschon ihr gewöhnhch der Sowerby'sche Name Ter. concinna beigelegt wird. Die Vergleichung eines zahlreichen Materials englischer und französischer Vorkommnisse von Rhynchonella concinna Sow. mit den Exemplaren von * Fig. 3, d. f. Doch sind die Muscheln in umgekehrter Stellung abgebildet, indem durch ein Versehen die Bauchschale gegen oben gestellt wurde. — 165 — Vils, hatten das Resultat, die letzteren als besondere Art zu unterscheiden und sie von der Rhynchonella des Grossooliths abzutrennen. Ich wählte den Species- Namen Rh. Vilsensis^ welchen die Muschel besonders verdient, da sie in den weissen Kalken von Vils in grosser Menge vorkommt. Rhynchonella trigona Quenst. sp. 1852. Terebratula triqona Quenst. Handb. pag. 458 Tab. 36 Fig. 34. 1859. Rhynchonella trigona Deslongch. Mem. Soc. Linn. de Normand. T. XI. Tab. 5. Fig. 9, 10, und Bullet, de la Soc. Lin. T. IV. Tab. II. Fig. 8. Ein interessantes und wichtiges Resultat, welches uns die Untersuchungen von E. Deslongchamps über die Brachio- poden der Kelloway-Gruppe geliefert haben, ist der Nachweis des Vorkommens von Rhynchonella trigona in den französischen Bildungen dieser Etage. Zuvor war die Species nur aus den Alpen bekannt gewesen. Quenstedt hatte sie abgebildet und von Gros sau erwähnt, während sie in einigen neueren Schriften auch von Vils angeführt wurde. Allein es erhielt die Species erst ihre jetzige Bedeutung durch die Kenntniss ihrer Verbrei- tung auch ausserhalb der Alpen und zwar in einer bestimmten Etage, indem wir durch das Auftreten dieser Species im Callo- vien von Montreuil-Bellay (Maine et Loire) und la Voulte (Ardeche) einen Fingerzeig für die Deutung der Zone erhalten, in der sie in unsern Alpen zu Vils, Windischgarsten und Grossau sowie im nördlichen Ungarn gefunden wurde. Rhynchonella solitaria Opp. Tab. 3, Fig. 2. a— d. Die ziemlich flache Muschel erscheint schon in geringer Entfernung von der Stirn beinahe glatt, doch ist unter der Lupe eine schwache Radialstreifung vorhanden, von der es jedoch bis zu weitern Erfunden ungewiss bleibt, ob sie ähnlich wie bei Rhynchonella Wrighti Dav. ganz der Schalenoberfläche angehört, oder mit der den Rhynchonellen eigenthüralichen - 166 — Faserung der Schale zusammenfällt. Erst in der Stirngegend erheben sich gerundete Rippen , deren 4 — 5 auf der schwach hervortretenden Mittelregion stehen, während auf jeder Seite zwei noch kürzere Rippen gleichsam nur noch angedeutet sind. Die Muschel besitzt den Umfang eines gleichschenkhchen Drei- ecks, dessen breitere Seite in der Stirnlinie liegt. Der Schnabel der durchbohrten Schale ging an dem einzigen bisher aufgefun- denen Exemplare verloren. Denkt man^ sich denselben restaurirt so besitzt die Muschel 5'" Länge, 5V2'" Breite und 3'" Dicke. Ich wollte das abgebildete Exemplar, welches sich unter den von mir in den weissen Kalken von Vils gesammelten Fossilen ganz vereinzelt vorfand, nicht unerwähnt lassen, vielleicht dass die Species späterhin an andern Localitäten häufiger angetroflfen wird. Cidaris basilica 0 p p. Es liegen nur Bruchstücke dicker Stacheln vor, welche auf ihrer Aussenseite glatt erscheinen, jedoch gewöhnlich so fest mit dem Gesteine verwachsen sind, dass meist nur die spathige Innenseite zum Vorschein kommt. Das Gehäuse ist gänzlich unbekannt, doch unterscheide ich die Art, da sie sich durch den bedeutenden Durchmesser ihrer Stacheln, welcher bei manchen Exemplaren auf 9 Linien steigt, auszeichnet. b. Fossile des rotlien T\\m Kalkes. Pecten Vilsensis Opp. Zahlreiche, ziemlich regelmässige, concentrische Vertiefungen und Erhöhungen machen sich in der Wirbelgegend bemerklich, setzen sich aber kaum ^2 Zoll weit, d. h. nicht bis zur Mitte der Schale fort. Von hier an wird die Oberfläche nach und nach glatt. Die flachen Schalen wölben sich nur in der Wirbel- gegend etwas stärker, woran besonders ihre mittlere Parthie Theil nimmt, während diese Wölbung der Peripherie zu aufhört. Die Species scheint in den rothen Kalken häufig vorzukommen. - 167 ~ wenigstens fand ich mehrere Exemplare davon^ leider aber immer nur Bruchstücke. Eines derselben erreichte vom Wirbel bis zum Rande 14 Linien Länge, die Breite war etwas geringer, lässt sich jedoch an den Fragmenten nicht durch Messen bestimmen. Terebratula ßouei Zeuschn. 1834, Terebratula resupinata (pars) Buch über Terebateln pag". 117 (non Sow). 1837. Terebratula resupinata Pusch Polens Palaeontologie pag. 23 Tab. 4, Fig. 6. (non Sow.) 1846. Terebratula Bouei Zeuschn. Bronn 's Jahrb. pag. 172. 1846. Terebratula Bouei Zeuschn. Nowe lub neidokladnie opisane Gatunki skamienialosci Tatrowych pag. 27. Tab. 3, Fig. 1. Nächst Terebratula diphya ist Terebratula Bouei eine der verbreitetsten Arten der in §. 7. beschriebenen Ablagerungen, doch gehören die Schichten, aus welchen sie angeführt wird, wie es scheint nicht einem einzigen Horizonte an. Zu Vils fanden sich einige Bruchstücke der Muschel in den rothen Kalken. Rhynchonella contraversa Opp. Tab. 3, Fig. 1, a— e. So wenig eine Scheidung der Gattung Rhynchonella in Arten mit Rippen und in solche ohne Rippen sich rechtfertigen liesse, so gibt es doch unter den glattschaligen Arten einige Formen, welche so viel Eigenthümliches besitzen, dass die Ver- muthung einer generischen Verschiedenheit sehr nahe gelegt ist. Bhynchonella tatrica Zeuschn. sp. und Bhynclionella dilatata Suess gehören unter diese Gruppe. Es sind Arten, bei welchen keine Rippen vorhanden sind, indem die grössere Klappe einen breiten aber glatten Sinus bildet, welcher sich der vortretenden Rückenklappe entgegen in die Höhe zieht. Ich gehe auf eine weitere Beschreibung dieser Arten hier nicht ein. Bhynchonella contraversa weicht von denselben durch den breiten Sinus der Rückenklappe ab, während sich die Bauchklappe in der Stirngegend entsprechend diesem Sinus - 168 - stärker erhebt. Es ist dies gerade das umgekehrte Verhältniss wie bei den ebenerwähnten zwei Arten. Auffallend ist dabei die Uebereinstimmung zwischen der Form der Rückenschale von Rh, tatrica und derjenigen der Bauchschale von Rh. contraversa und umgekehrt der Rückenschale der letzteren mit der Bauch- schale der ersteren, sofern wir diese Muscheln von der Stirn- gegend betrachten. Auch die schwache Erhöhung auf der Mitte des Sinus, welche Suess bei der Abbildung der Rh. tatrica andeutet, ist bei den Exemplaren von Rh, contraversa vorhanden, nur dass solche bei letzteren auf der kleinen Klappe Platz nimmt, bei ersterer sich auf der Bauchschale erhebt. Rhynchonella contraversa besitzt einen fünfeckigen Umfang, die zwei längsten Seiten laufen von den Wirbeln ab, unter sich einen Winkel bildend, welcher anfangs mehr als 90 Grad be- trägt, später spitzer wird. Die dicken Schalen von faseriger Structur lassen sich auch bei undeutlichen Bruchstücken durch ihre glatte Oberfläche von den Schalen der damit vorkommenden Terebrateln unterscheiden. Der Wirbel der durchbohrten Schale hebt sich wenig empor und zeigt wenigstens bei einigen Exem- plaren noch die OefFnung, obschon ziemlich undeutlich. Rhyn- chonella contraversa findet sich sehr häufig im rothen Kalke von Vils. Ich brachte Exemplare davon mit, eine weit grössere Anzahl wurde beim Ausbrechen der harten Kalke zertrümmert. Erklärung^ der Tafeln. Tab. 2. Fig. 1. Terehratula Vilsensis Opp. Aus dem weissen Kalke ron Vils. Fig. 1, a, b, c vergrössert. Fig. 1, d, e in natürlicher Grösse. Fig. 2. Terehratula hifrons Opp. Aus dem weissen Kalke von Vils. Fig. 2, a, b, c vergrössert. Fig. 2, d e in natürlicher Grösse. Fig. 3. Terehratula margarita Opp. Aus dem weissen Kalke von Vils. Fig. 3, a, b, c vergrössert. Fig. 3, d, e, f, g in natürlicher Grösse. Tab. 3. ' Fig. 1. Rhynchonella contraversa Opp. Aus dem rothen Kalke von Vils. Fig. 1, a, b, c vergrössert. Fig. 1, d, e in natürlicher Grösse. Fig. 2. Rhynchonella solitaria Opp. Aus dem weissen Kalke von Vils. Fig. 2, a, b, c vergrössert. Fig. 2, d in natürlicher Grösse. Fig. 3. Rhynchonella Vilsensis Opp. Aus dem weissen Kalke von Tils. Fig. 3, a, b, c vergrössert. Fig. 3, d, e, f drei Exemplare in natürlicher Grösse, von der Stirnseite, jedoch durch ein Versehen mit der grössern Klappe gegen oben gekehrt. 7. Die Lagerungs- Verhältnisse zwischen Schönbuch und Schurwald. Von C. Deffner in Esslingen. (Mit Tafel IV. und V.) Inhalt: Die Denudationshypothese pag. 17? Die Inselhypothese „177 Einwendungen gegen die Inselhypothese „ 179 Begründung der Denudationshypothese n 196 Die Lagerungsverhältnisse „ 222 Die Filder „228 Die Sehönhuchfilder . „ 230 Bebenhausen „ 247 Allgemeine Ursache dieser Dislacationen ..... „ 256 Noch immer wiU es keiner der verschiedenen Erklärungs- weisen, welche nach einander sich mit den Unregelmässigkeiten der Lagerungsverhältnisse des Lias in dem Gebiete zwischen Herrenberg und Esslingen beschäftigt haben, gelingen , diese Räthsel in allgemein überzeugender Weise zu lösen und damit diese Frage zu endgültigem Abschlüsse zu bringen. Nachdem schon Schübler und v. Alberti sich mit einzelnen dieser Erscheinungen beschäftigt hatten, war es Graf v. Man- delsloh, welcher in seinem „Geognostischen Profile der schwä- bischen Alb" zuerst eine Reihe dieser Unregelmässigkeiten zu- sammenfasste und als eine grosse Verwerfung, welche das Gebiet zwischen Schönbuch und Schurwald erfahren hat, in einem Durch- - 171 - schnitt zwischen Lorch und Tübingen signalisirte. Zwar erklärte dieser aufmerksame Beobachter der zu jener Zeit allgemein verbreiteten Anschauungsweise gemäss diese Dislocationen durch Hebungen , während sie sich durch spätere Untersuchungen als Senkungen herausstellten ; doch war er es wiederum, der in dem oben angeführten Werke S. 4 zuerst den Gedanken aussprach, es möchte das ganze Filder- und Schönbuchgebiet ursprünglich auch von den jüngeren Straten des Lias bedeckt gewesen sein, welche dann erst durch spätere Fluthen wieder entfernt wurden,, so dass sich nur solche Reste bis auf unsere Zeit erhalten haben, welche beim „Hebungsprozess- in sich öffnende Spalten der Erdrinde eingesunken waren. Wenn nun auch die Unter- suchungen des Grafen v. Mandelsloh in diesem Theile des Lan- des nicht soweit geführt waren, dass sie die ganze Ausdehnung des Senkungsgebietes festgestellt hätten, und wenn auch nament- lich die Richtung und die Erstreckung der langhinziehenden Verwerfungsspalten noch unbekannt blieb, so war durch diesel- ben doch der wesentliche Charakter dieser Anomalieen festgestellt und eine sichere Grundlage für ergänzende Untersuchungen ge- wonnen. Einen neuen Anstoss erhielt die noch immer schwebende Frage durch Quenstedt, welchem wir eine Reihe der belang- reichsten Beobachtungen in dieser Richtung, vor Allem das Auf- finden des unteren braunen Juras bei Oberesslingen verdanken» Zugleich fasste er die einzelnen Erscheinungen in noch ent- schiedenerer Weise als Ganzes zusammen, verliess jedoch die Mandelsloh'sche Anschauungsweise und suchte die Sache durch- Annahme von Inseln im Jurameere und Uferbildungen zu er- klären. * Die fernere Entwickelung dieser Frage brachte einen Ver- such von mir, die von Mandelsloh aufgestellte Ansicht umfas- sender zu begründen, indem ich die Spalten, welche das Dis- locationsgebiet begrenzen, mehr ins Einzelne verfolgte, die * Das Flözgebirge Württembergs II. Aufl. S. 526., der Jura S. 792, Sonst u. Jetzt S. 39. Epochen der Natur S. 226. — 172 — Annahme tief greifender Abwaschungen beibehielt, dagegen statt der Hebungen nun Senkungen substituirte. * Und endlich hat in neuester Zeit Herr Dr. Baur dieses Thema wieder aufgenommen und seine Beobachtungen, welche reich an neuen und werthvollen Thatsachen sind, besonders in westlicher Richtung noch w^eiter ausgedehnt, als dies mir gestattet gewesen war.** Als Resultat seiner Untersuchung findet derselbe zwar auch, dass die in Rede stehenden Unregelmässigkeiten ihre nächste Veranlassung in Verwerfungen und Senkungen haben, wogegen er die von mir vertheidigte Ansicht über die Zeit ihrer Ent- stehung, so wie über die Lagerungsweise der jüngeren Lias- schichten nicht theilt , sondern sich, mit einigen Modifikationen, wieder an die Quenstedtische Anschauung anschliesst und zu der Annahme von Uferbildungen zurückkehrt. Veranlasst durch die Untersuchungsergebnisse des Herrn Baur habe ich nun das fragliche Gebiet aufs Neue untersucht und dabei das Endresultat erhalten, dass sich auch gegen diese neue Modifika- tion der Uferbildungshypothese, wie sie Herr Baur vertritt, begrün- dete Einwendungen erheben, dass sich dagegen kein Grund vorfin- det, der mich veranlassen könnte, meine frühere Anschauungsweise, welche die gefundenen Thatsachen in ungezwungener Weise zu erklären vermag, zu verlassen. In diesem Stadium der Frage halte ich es für meine Aufgabe, diesen für die Genesis der mittleren Neckargegend und für die allgemeine geologische Anschauungsweise von den Veränderungen der Erdoberfläche überhaupt so wichtigen Gegenstand wiederholt zur Discussion zu bringen, meine Ansicht eingehender, als dies früher geschehen war, zu begründen und die Bedenken, welche sich in dieser Trage gegen jede Annahme von Uferbildungen erheben, aus- führlich der Erwägung der Geologen vorzuführen. Heben wir zunächst das Objekt der obschwebenden Kon- troverse kurz hervor, so handelt es sich um die Erklärung der Thatsache, dass längs bestimmter Verwerfungsspalten die breiten * Württ, naturwissenschaftU Jahreshefte XI. S. 20. ** Ebendaselbst XVI. S. 265. — 173 - Liasflächen von Kcuperhöhen überragt sind, welche theils ohne weitere Schichtenbedeeknng gegen oben als einfache Keuperzüge endigen, grösstcntheils aber noch eine dünne Kappe von Lias- schichten tragen. In letzterem Falle sind es aber nur die älte- ren Glieder des Lias «, welche die Scheitel der Keuperberge bilden , während dagegen die Schichten , welche an den Fuss dieser Keuperwände angelehnt sind, den jüngeren Liasgebilden angehören. Das Auftreten dieser letzteren ist dabei wesentlich auf die nächste Nähe der aufsteigenden Keuperwand beschränkt und schon in der kurzen Entfernung von wenigen tausend Fuss ist gerade, wie oben auf der Höhe nur der Lias a zu finden. Es stimmen nun beide sich gegenüberstehende Erklärungswei- sen darin überein, dass die im tieferen Niveau liegende Terrasse einst auf gleicher Höhe mit der oberen und in ununterbrochenem Schichtenzusammenhange mit derselben gestanden habe und erst in Folge einer Verwerfung auf ihr jetziges Niveau hinabgesunken sei. Dagegen weichen die Ansichten über die Zeit, in welcher die Katastrophe stattfand und über die derselben folgenden geo- logischen Ereignisse weit auseinander. Die eine derselben , Die Benudationshypothese, gelangt zu dem Resultate, dass zur Zeit der Katastrophe min- destens alle diejenigen jurassischen Schichten zur Ablagerung gelangt waren, welche sich heute noch an die Keuperwand an- gelehnt finden. * Die breite Liasfläche unseres Landes , welche ursprünglich weit über die Reste hinaus sich erstreckte, welche heut zu Tage vom Welzheimer und Mainhardter Walde herüber bis ans Ende des Schönbuchs bei Hildrizhausen reichen, trug nach dieser Ansicht vor der Katastrophe den regelmässig auf einander folgenden Schichtenbau der sämmtlichen jüngeren Lias- glieder und des untern braunen Jura, Und zwar hatten sich * Dass noch jüngere Juraschichten hier sich abgesetzt hatten, ist mir mehr als wahrscheinlich; doch habe ich an dieser Stelle nicht nöthig, auf diese Frage näher einzugehen. — 174 — dieselben mit den gleichnamigen Schichten längs der heutigen Alb aus Einem gemeinschaftlichen weiten und offenen , nirgends von Inseln oder Festland unterbrochenen Meere in so gleichar- tiger Weise abgesetzt, dass beträchtliche lokale Verschiedenhei- ten dieser Niederschläge nirgends in unserem Lande zu bemer- ken sind. Nach der Ablagerung sämmtlicher jurassischer Nie- derschläge und nach ihrer darauf folgenden Emersion aus den Meeresfluthen, trat zu einer noch nicht näher bestimm- baren Zeit die Epoche der Einsenkung ein. Dabei bildeten sich nicht allein die Hauptverwerfungsspalten , welche dis Grenzen der gesunkenen Gebiete bilden, sondern eine Reihe anderer we- niger bemerkbarer Klüfte und Risse entstand gleichzeitig im Innern der Senkungsgebiete. So bilden z. B. die Filder nicht eine gleichmässig eingesunkene ebene Fläche, sondern ein mancb- fach gebrochenes Schollenland, dessen einzelne Parthieen nach verschiedenen Richtungen einfallen, theilweise sogar durch Ver- werfungen treppenartig abgebrochen erscheinen. Die Lagerungs- Verhältnisse von Neilingen, Plieningen, Köngen und andern Orten sind Beweise für diesen schollenartigen inneren Bau der eingesunkenen Fläche, w^elche am schlagendsten noch in einer förmlichen Dislocationsspalte auftritt^ welche von Echterdingen nach Unterensingen zieht , und deren Verhältnisse weiter unten näher angegeben werden sollen. So lange es Regen auf der Erde gegeben hat, so lange muss auch eine Abwaschung der Gebirgsschichten durch den- selben stattgefunden haben und so setzte diese niemals ruhende Denudation ihre zerstörende Thätigkeit auch unter den neu ge- bildeten Verhältnissen nach der Katastrophe fort, indem sie von allem trockenen Lande eine Schichte um die andere entfernte. Ob bei diesem Zerstörungswerke besondere grössere Fluthen mitgewirkt haben oder nicht, kann hier füglich unentschieden bleiben. Nöthig ist ihre Annahme keinenfalls, da die Abwa- schung der Schichten eben so sicher und gründlich durch die gewöhnliche Einwirkung der Atmosphärilien, als durch die ge- waltigsten Fluthen geschehen kann. Dass irgendwo Gebirgs- schichten in namhafter horizontaler Ausdehnung durch besondere - 175 - Wasserfliithen weggespült worden sind, mag von Vielen billig bezweifelt werden, dass aber die mächtigsten Gebirgsglieder weggeregnet werden können , wird Niemand bestreiten dürfen, der geologische Zeiträume im Auge hat. Genug, nach der De- nudationshypothese wurde das ganze abgelagerte Thonletten- gebirge des jüngeren Lias mid unteren braunen Jura auf beiden Terrassen in ziemlich gleichzeitiger AVeise durch Gewässer all- mählig abgedeckt und fortgeführt, so dass wir heute diese fort- schreitende Entblössung auf den Bänken der Angulatensandsteine des Lias « angekommen sehen, welche auch ihrerseits, wenn gleich für menschliche Beobachtung unnÄrklich, dem ausnahms- losen Gebote des Vergehens unterUegen werden. Nur längs der Dislocationsspalte blieb ein schmaler Streif der jüngeren Juraglieder bis auf unsere Tage von gänzlicher Abwaschung verschont und zwar mögen zu dieser Konservirung jzwei verschiedene Ursachen beigetragen haben. Es darf wohl vorausgesetzt werden , dass so beträchtliche 3fiveauveränderungen der Erdoberfläche, welche sich über so weite Gebiete erstrecken, nicht plötzlich eintraten, und aus der tiefen Ruhe heraus wie mit Einem Ruck vor sich gingen. Ebenso wenig wird anzunehmen sein, dass mit der Senkung selbst jede Bewegung des Bodens ihr Ende werde erreicht haben, sondern man wird sich die Katastrophe wohl als eine länger dauernde Periode von Erschütterungen und Schwankungen des Erdbodens zu denken haben, in welcher der Act des Niedersinkens selbst immerhin noch ein plötzlicher und schneller sein konnte. Die nothwendige Folge dieser Bodenschwankungen musste aber eine tausendfältige Durchklüftung und eine Lockerung des festen Zusammenhanges des Schichtenbaues sein. Wären solche lockernde Erdbeben aber auch nicht die Begleiter der Katastrophe gewe- sen, so wird man dennoch zugeben müssen, dass längs der Ver- w^erfungsspalten grosse Gebirgsmassen sich von den stehen ge- bUebenen Wänden allein durch das Gewicht der auflagernden Schichten ablösen und auf die gesunkene Fläche hinabstürtzen mussten, welche sie unter einem mächtigen, längs der Spalte fortlaufenden Schuttwalle begruben. Auch die Atmosphärilien - 176 - werden das ihrige dazu beigetragen haben, die steile Wand in kürzester Zeit abzubröckehi und von der obersten Kante der nicht gesunkenen Schichten bis auf die untere Fläche hinab eine nach dem natürlichen Böschungswinkel geneigte ^Schutthalde zu bilden. Wenn auch heute nirgends mehr eine Spur solcher Schuttwälle längs der Verwerfungsspalten nachzuweisen ist, so erscheint ihre Annahme doch als statische Nothwendigkeit, wenn man bedenkt, dass die stehen gebliebenen Wände eine senk- rechte Höhe von 200 — 500 Fuss erreichten und aus den weich- sten und bröckeligsten Gebilden bestanden. Diese mächtige Trümmerdecke, von d?r stehen gebliebenen Wand abgebrocheh, und herabgerutscht, war es nun, welche die darunter begrabenen Schichten lange Zeit vor der Einwirkung der Atmosphärilien schützen musste, während die gegen das Innere des Senkungs- gebietes liegenden unbedeckten Theile alsbald von der Denuda- tion ergriffen wurden. So kam es, dass die unter dem Trüm- merhaufen verborgenen Schichtenlagen, als auch sie endlich nach allmäliger Abwaschung des bedeckenden Schutthaufens in Angriff genommen wurden, ihre Existenz gerade um so viel länger fri- sten konnten, als sie später an die Reihe gekommen waren. In ihrem Widerstände gegen die Abwaschung mögen aber die an der Dislocationswand anliegenden Schichten noch durch einen zweiten Faktor unterstützt worden sein, und zwar durch die in ihrem Rücken befindliche Keuperwand, welche gerade hier aus dem dauerhaftesten Gliede des Keupers, dem quarzreichen Stubensandstein besteht. An andern Orten längs unserer Ver- werfungsspalten , wo diese hintere Wand von Stubensandstein fehlt und die leichter zerstörbaren übrigen Keuperglieder seine Stelle eingenommen haben , da sind mit diesen selbst auch die Liasschichten verschwunden, wie z. B. auf der ganzen Spalten- strecke zwischen Untertürkheim und Rüdern. Dort hat die Spaltenwand, dem heutigen Niveau der Schichten nach, aus den Schilfsandsteinen und bunten Mergeln bestanden , aber weder diese leicht angreifbaren Gebilde, noch die daran gelegenen widerstandsfähigeren Liasbänke sind dort mehr erhalten. Nur zahlreiche Blöcke des dauerhaftesten aller Liasgesteine, des An- - 177 - gulatensandsteins, bedecken heute noch die Oberfläche der Hei- denweinberge als letzte Zeugen des früheren lagerhaften Vor- handenseins geschlossener Bänke. Die Rückenlehne des Stuben- sandsteins mag es somit gewesen sein , welche an andern Orten die weichen Liasthone gegen den Angriff der Denudation unterstützte, indem sie denselben nur von der einen Seite her gestattete, während dieselben Schichten des Binnengebietes, welchen solche festere Gesteine nicht den Rücken deckten, auf allen Seiten der zernagenden Erosion und der abwaschenden Denudation preisgegeben waren. Die zweite Erklärungsweise, welche man der Kürze halber Die Inselhypothese nennen mag, nimmt dagegen an, die Senkung habe schon früher und zwar zu einer Zeit stattgefunden, nachdem die Liasschich- ten vom Alter derjenigen, welche heute noch auf der oberen Terrasse beobachtet werden, schon zur Ablagerung gekommen waren, aber noch ehe die am Fusse liegenden., nächst jüngeren Liasgebilde sich aus dem Jurameere abgesetzt hatten. Die Zeit der Verwerfung wäre somit in die Liasperiode zu verlegen und es wird sich nun darum handeln, innerhalb dieser Periode die Katastrophe an einer bestimmten Stelle einzureihen. Auf die Schwierigkeiten, welche sich gleich hier am Anfang dieser Hy- pothese bei der näheren Bestimmung dieses Zeitabschnitts erge- ben, werde ich erst später, bei den Einwendungen gegen diese Erklärungsweise, zu reden kommen. Nach Herrn Dr. Baur wäre dieser Abschnitt zwischen der Ablagerung des Angulatensand- steins und des Arietenkalkes zu machen und er stützt diese An- sicht auf das von ihm behauptete Fehlen der Arietenkalke auf der oberen Terrasse, sowie auf verschiedene Eigenthümlichkeiten, welche in dem gegenseitigen Lagevungsverhältnisse des Angula- tensandsteins zum Arietenkalk diesseits der Neckar-Filz-Linie obwalten. Was die angelagerten jüngeren Juraschichten betrifft, so werden sie von dieser Hypothese für Lokalbildungen erklärt, welche sich nicht über die ganze Breite der gesunkenen Ebene^ Wilrtterab. naturw. Jahreshefte. 18G1. 23 Heft. 12 - 178 - sondern als Uferbildungen von örtlichen Bedingungen abhängig^ nur an einzelnen Punkten, vorzugsweise längs der Verwerfungä- spalten abgelagert haben. Aus dem Charakter der Uferbildun- gen erklärt sodann diese Hypothese auch die geringere Mächtig- keit, welche diese Liasbildungen, mit denen am Fuss der Alb verglichen, zeigen sollen; so wie sich aus dem Umstände, dass die Filderebene am tiefsten eingesunken ist und deshalb den tiefsten Theil des alten Uferbodens gebildet habe, auch die Thatsache ergebe, dass gerade auf den Fildern diese Nieder- schläge ihre grösste Ausdehnung erreichen. Aus der Vergleichung beider Hypothesen geht nun hervor, dass eine Differenz nicht nur bezüglich der Zeit der Verwerfung besteht, sondern auch bezüglich des Charakters der auf der gesun- kenen Fläche lagernden jüngeren Liasglieder, welche nach der Denudationshypothese sich in keiner Weise von den gleichnami- gen Schichten jenseits des Neckars unterscheiden, sondern wie jene einen rein pelagischen Charakter tragen, während die Insel- hypothese an ihnen einen andern Habitus erkennen will, und sie für Uferbildungen erklärt. Gegen beide Erklärungsweisen hat sich nun eine Reihe von Einwendungen erhoben, von deren Widerlegung es abhängig zu machen sein wird, welcher Grad von Glaubwürdigkeit jeder von ihnen wird zugemessen werden können. Man wird zwar von einer geologischen Hypothese nicht verlangen dürfen, dass sie von den Ereignissen, welche sie zu Erklärung der beobach- teten Thatsachen anzunehmen veranlasst ist, bis ins Einzelne hinaus genaueste Rechenschaft ablege ; die Unzugänglichkeit und die Lücken des Beobachtungsmaterials werden immer eine Reihe unaufklärbarer Punkte übrig lassen, wo der Faden der Erklärung unter der Erdkruste verschwindet und erst an einer anderen Stelle wieder aufgenommen werden kann. Allein das sich hieraus ergebende Vorrecht der geologischen Beweisführung, auch bei mangelndem Zusammenhange noch auf Gültigkeit An- spruch machen zu dürfen , wird nur in der Weise eingeräumt w^erden können, dass nicht solche Fragen, welche gerade den Kern der zu erklärenden Thatsachen berühren, unbeantwortet — 179 — bleiben und dass nicht Zustände in früheren geologischen Epochen vorausgesetzt werden, welche der heute beobachteten Wirkungs- weise der Naturkräfte widersprechen. Eine Hypothese, welche wesentliche Seiten der Frage auf sich beruhen lassen muss, kann nicht als eine Erklärung derselben gelten und ebenso wird jede Erklärungsweise, welche in unsrer Zeit der nüchternen geolo- gischen Anschauung auf Glaubwürdigkeit Anspruch machen will, den Lyellschen Fundaraentalsatz zur Richtschnur nehmen müssen, dass die Naturgesetze sich nie verändert haben, und dass gleichen Ursachen gleiche Wirkungen ehemals wie heute haben folgen müssen. Einwendungen gegen die Inselhypothese. Da sowohl die gesunkenen als die nicht gesunkenen Flächen des in Rede stehenden Gebietes heute von Liasablagerungen bedeckt sind, so folgt, wenn die Inselhypothese die Zeit der Verwerfung in die Liasperiode verlegen will, dass der Akt der Verwerfung selbst noch unter der Oberfläche des ursprünglichen Lias-Meeres stattgefunden haben muss. Wenn aber nach jener Ansicht dieser Akt ein submariner war, so ergeben sich für das nicht gesunkene Gebiet nur zwei Fälle als möglich. Entweder blieb es nach wie vor der Katastrophe vom Meere bedeckt, und dann konnten die von der Inselhypothese vorausgesetzten Inseln und Ufer nicht hervortreten, oder sie wurden vom Meere entblösst, dann musste der Spiegel dieses Meeres zugleich mit der Katastrophe so tief sinken, dass das nicht gesunkene Gebiet über die Meeresoberfläche hervor trat. Wenn also diese Hypo- these von Festland, Inseln oder Uferbildungen sprechen will, so muss sie immer eine mit der Katastrophe gleichzeitig eintretende Senkung der gesammten Wasserfläche des Erdballs stillschweigend voraussetzen. Dieser Konsequenz könnte sie nur dadurch ent- gehen , dass sie den ganzen Prozess mit einer Hebung des ge- sammten noch ungebrochenen Gebiets über die Meeresfläche einleiten würde und dann alsbald die Senkung eintreten liesse. Abgesehen von kleineren Schwierigkeiten der Erklärung sprechen hiegegen alle die Gründe, welche weiter unten überhaupt gegen - 180 - die x\nnahme von Festland, das bei der Senkung entstanden wäre , vorgebracht werden sollen. Was aber die Tieferlegung des allgemeinen Meeresspiegels anbelangt, so kann eine solche in diesem Falle nicht anders konstruirt werden, als durch Ein- stürzungen ungeheurer Gebiete der Erdrinde bis zu solcher Tiefe unter, den alten Meeresboden, dass die Ausfüllung des dadurch entstandenen leeren Raumes mit Meerwasser eine Depression der ganzen Wasserbedeckung der Erde um das erforderliche Maass zur Folge haben musste. Ausser der Scheu, mit so kolossalem geologischem Apparate zu operiren, finden sich aber noch andere Gründe, welche die Annahme, dass durch die Senkungskatastrophe irgendwo Festland entstanden sei, mit Entschiedenheit ausschliessen. Es ist dies der Charakter der jüngeren Juraschichten , welche sich dieser Erklärungsweise gemäss nach der Katastrophe als üferbildung abgelagert haben sollen. Es lässt sich kein Meer ohne Wellenschlag, kein Wellen- schlag ohne Uferbrandung und dadurch hervorgerufene Brandungs- produkte des zerstörten Strandes denken. Wenn also das Jura- meer auch seine Niederschläge längs der beiden einzig möglichen Ufer am Fusse des Schönbuchs und des Schurwalds abgesetzt hätte, so konnten sie doch nicht aus feingeschlämmten Thonen und glattbrüchigen homogenen Kalkbänken bestehen, sondern sie mussten Brandungsgerölle, Geschiebe der einmündenden Süsswasserbäche oder jedenfalls Massen von Quarzsand enthalten, welche sie aus der Zerstörung der nebenstehenden Stubensand- steinwand entnahmen. Von All dem zeigen aber die als Ufer- bildungen bezeichneten Ablagerungen keine Spur, weder an der Spalte des Schönbuchs, noch an der des Schurwalds, weder bei Walddorf noch bei Unterensingen, weder bei Bebenhausen noch bei Hildrizhausen. An all' diesen Orten sind die jüngeren Lias- thone, sie mögen der Region des Am. Turneri, Amaltheus oder Opalinus angehören, so zart und so fein geschlämmt als in ihrem normalen Gebiete am Fusse der Alb, die Numisraalis- kalke, so glattbrüchig und homogen wie bei Pliensbach und .Sondelfingen, und die Posidonienschiefer so feinblättrig und glatt- - 181 - gelagert wie bei Boll und Holzmaden. Nicht ein Körnchen Quarz in all' diesen Gebilden, sondern die vollständigste petrographischeCongruenz mit den typischen Ablagerungen am Fusse der Alb. Und solche Schichten sollten sich in der Wellenbrandung eines Stubensandsteinufers bilden können? Aber nicht nur der petrographische, auch der paläontologische Charakter dieser jüngeren Liasreste widerspricht durchaus der Natur einer Uferbildung. Nicht nur finden sich ganz dieselben organischen Reste wie am Fusse der Alb, sondern es finden sich auch nur diese Reste. Hier aber, am Ufer eines weit verbreiteten Festlandes, dessen einmündende Süsswasserbäche eine Brackwasserbuchf hätten bilden müssen, ist noch nicht eine einzige Landschnecke oder Brackwassermuschel gefunden worden, und doch 'gehören die Schichten von Hof und Stetten zu den best ausgebeuteten des Landes, wo man seit Jahrzehnten die Versteinerungen handvollweise von der sammelnden Dorfjugend erhält. Auch die Paläontologie verbietet somit die Annahme nahen festen Landes. Noch ein vierter Grund spricht dagegen. Es finden sich nämhch auf der bei der Versenkung stehen gebliebenen Lias- terrasse an mehreren Punkten gleichfalls dieselben jüngeren Ab- lagerungen wie am Fusse der Verwerfungsspalten, zum deutliehen Beweis, dass Ein Meer auch in der jüngeren Liaszeit noch beide Flächen deckte. Diese Punkte sind auf der Seite des Schur- walds : mehrere Stellen zwischen Baltmannsweiler und dem Ess- linger Jägerbaus in der Maad und im Spachbruch, wo die Bänke des Pentacr. tuhercuJatus und Am. scipionianus gebrochen werden. Sodann zwischen Diegelsberg und Krapfenreuth , wo sich die Thone des Am. raricostatus finden und endlich bei Börtlingen, wo etwa 300 Fuss über den gleichen Schichten bei Göppingen die Numismalismergel in der Einsenkung einer Ver- werfungsspalte oben am Berge liegen. Auf dem andern Flügel der die Fildersenkung begrenzenden Hochebene, auf der grossen, jetzt durch viele Thäler aus dem Zusammenhang gerissenen Fläche zwischen den Fildern und Hildrizhausen liegen am letz- teren Orte die Arieterkalke und darüber noch ntächtige Turneri- - 182 - thone , am Schaichhof und Sauerschlatt . die Tuberculatus- scliicliten des Lias a, und die Arietenschichten am Rothen Steigle, meist in einer korrespondiienden Höhe von circa 150 — 250 Fuss über der Filderebene. Bei Altdorf sind auch die Numismaliskalke schon vor Jahren von Dr, Rominger angegeben; ob ich gleich dieselben selbst noch nicht finden konnte, so kann ich doch bei der bekannten Treue dieses erfahrenen Beobachters an der Richtigkeit seiner Angabe nicht zweifeln. Von so verchiedenen Gesichtspunkten die im Vorhergehenden angeführten Gründe auch ausgehen, so sprechen sie wie man sieht, doch alle mit gleicher Entschiedenheit gegen die Annahme, dass durch die Senkungskatastrophe irge'ndwo trockenes Land gebildet wurde. Demzufolge wird bei der Erklärung der vor- liegenden Thatsachen durch die Inselhypothese keine Rede von Festland oder von Inseln sein können, sondern es wird dieser Erklärungsweise nur in der Aufstellung ein Ausweg bleiben, dass Eine gemeinschafthche Wasserdecke, Ein weiter Ocean nach wie vor der Katastrophe die Ablagerungen des alten Angulatenmeeres bedeckte. In diesem Falle wird es aber schwer, sich die Ursachen vorzustellen , warum sich die jüngeren Niederschläge in dem besprochenen Gebiete nur an so wenigen, sporadisch zerstreuten Orten abgelagert haben sollen. Die Sache wird um so räthsel- liafter, wenn man in Rechnung zieht, dass diese Art der spo- radischen Ablagerung sich nur diesseits des Neckars findet, jenseits des Neckars aber ein ununterbrochener Zusammenhang dieser Gebilde längs der ganzen Alplinie statt hat. Auch sollte man meinen, dass sich solche jüngere Absätze, namentlich die Arietenkalke , nicht nur oben auf den flachen Höhen, sondern auch am Abhang der verrutschten Verwerfungsklüfte den Keuper- schichten abweichend aufgelagert haben müssten. Will man submarine Strömungen zu Hülfe nehmen, welche durch ihre fortführende Kraft den Niederschlag der Sedimente nur an ruhigeren Stellen gestatteten? Wenn man auch gegen diese Annahme nicht die Einwendung gelten lassen will, dass es in hohem Grade auffallend erscheinen muss, wie die Wirkung dieser - 183 - Strömungen, welche auf dem diesseitigen Neckargebiet so über- mächtig sich kund gegeben hätte, plötzlich mit der Neckarlinie aufhört, so wird man sich doch gegen einen andern Einwurf nicht verschliessen dürfen. Die jüngeren Liasgebilde diesseits des Neckars vom Beta an aufwärts zeigen nämlich die Eigenthümlichkeit, dass sie sich immer nur an Dislocationsspalten finden. Diese Art des Auf- tretens ist in dem angeführten Gebiete so konstant, dass ihre Yerschwisterung für den untersuchenden Geognosten eines der sichersten Merkmale bei der Aufsuchung der beiden Erschei- nungen abgibt; jüngere Liasschichten und Verwerfungsspalten sind hier gegenseitig leitend. Wie lässt sich dieser innige Zu- sammenhang beider Erscheinungen, der sich durch die Trümmer- wälle der Denudationshypothese so einfach und ungezwungen erklärt, aus der Inselhypothese ableiten, und wie stimmt gerade dieses Vorkommen mit der Annahme von Strömungen? Wie eigenthümlich hätten diese wirken müssen , derm gerade längs der stehen gebliebenen Wände hätten sie nach dieser Auslegung ihre Kraft verloren und deshalb ihre Suspensionen ablagern müssen, während man nach Analogie der heutigen Meeresströ- mungen vermuthen sollte, dass sie umgekehrt durch die Einengung an diesen Wänden dort ihre grösste Schnelligkeit und ihre grösste fortführende Kraft gewonnen hätten. Wie wenig stimmt der petrographische Charakter und die ebene glatte Schichtung des jüngeren Lias zu der Annahme, dass sie hart neben lebhaften Strömungen sich abgesetzt haben. Vor allem ist es das Vorkommen der feinblättrigen Posi- donienschiefer bei Weidach, das sich der Annahme von Strö- mungen entgegensetzt. Die Posidonienschiefer machen bekanntlich in vielen Be- ziehungen eine Ausnahme von allen andern marinen Ablagerungen unseres Landes und gehören unstreitig zu den merkwürdigsten Gebilden des Meeres, welchen nur ein sonst äusserst seltenes Zusammentreffen günstiger Umstände die ihnen so besondere Eigenschaften ertheilt haben kann. Wenn irgend eine Ablagerung aus dem Wasser den Eindruck der ungestörtesten Ruhe und - 184 - der Abwesenlieit von jeder, auch nur der geringsten Bewegung auf dem Grunde des Meeres zur Zeit ihrer Entstehung zu machen im Stande ist, so ist es diese. Die feinsten, homogensten Blätterschiefer liegen in papierdünnen Lagen dicht aufeinander gepackt in ebenster, glättester Lagerung aufeinander; nicht das leiseste Wellengekräusel stört die beinahe mathematisch genaue Schichtungsebene und der reiche, gleichmässig vertheilte Bitumen- gehalt verräth das üppig entwickeUe Thierleben, dessen letzte aufgelöste Reste sich dem Meeresschlamme beigemischt haben. Mächtige Lagen von eingebetteten Algen bezeugen eine ebenso massenhafte marine Flora und die treffliche Erhaltung der or- ganischen Reste bis auf die zartesten Theile hinaus lassen auch von dieser Seite die tiefe Ruhe des Posidonienmeeres erkennen. Die Erhaltung der Loligineen mit Magen und Tintenbeuteln, die schöne Aufbewahrung ganzer so äusserst leicht zerfallender Pentacrinitenthiere, auf Treibholzstämmen sitzend, und die voll- ständigen Saurier- und Fischskelette mit Eingeweiden setzen ein Meer voraus, dessen Wellenschlag sogar durch irgend einen Umstand gedämpft sein musste und das vollständig frei von submarinen Strömungen war. Und doch sind es Hochseenieder- schläge, dafür spricht die dünne Schale aller vorkommenden Muscheln, selbst der Austern! Ich kann mich beim Anblick dieser feinblättrigen Seegras- schiefer nie des Gedankens an die grossen marinen Tangwiesen erwehren^ welche westlich der Azoren in einer Ausdehnung von 40j000 Quadrat-Meilen das Meer bedecken und deren stetiges Verbleiben an einer bestimmten Stelle des atlantischen Oceans jetzt durch 3V2 Jahrhunderte historisch nachgewiesen ist. Alle Untersuchungen stimmen darin überein, dass jene Tangfluren an ihrer Stelle durch den grossen Rotationsstrom festgehalten werden, welcher durch den Golfstrom und seinen bei den Azoren nach Süden abzweigenden Nebenarm entsteht, der von der afrikanischen Küste wieder an die südamerikanische zurückläuft. Innerhalb dieser Kreisbewegung liegt das ruhige Sargassomeer, dort sammeln sich die Treibhölzer des Golfstromes, mit See- thieren überzogen, dort sammelt sich der ungeheure Wiesen- - 185 - teppich des Fucus natans zu Massen , dass das Meer dadurch oft wie geronnen * erscheint und ein frischer Wind dazu gehört^ um sie zu durchschiffen. Die starre Ruhe dieser weiten Gras- flur war es auch, welche auf die seegewohnten Gefährten des Kolumbus einen so beängstigenden Eindruck machte. Im netz- artigen Gewebe dieser Pflanzendecke, unter welcher der Lophius und Scyllaeen hausen, findet nach Meyen die reichste Entwicklung des Thierlebens statt. .„Der Fucus ist gewöhnlich überzogen mit Sertularien und Vorticellen und auf dessen Aesten sitzen Pleurobranchen und Nereiden , welche zahlreichen Fischen und Krebsen, deren schon Kolumbus erwähnt, zur Nahrung dienen." — Welcher Art müssen die Niederschläge sein, welche heutzutage unter dieser dicht bevölkerten, ruhigen Wiesendecke des weiten Oceans sich absetzen? Sollte man nicht meinen, dass sich hier die bituminösen Seegras schiefer der Zukunft bilden und kann man sich ein besseres Jagdrevier für den Ichthyosaurus und den Meeres-Gavial von Boll denken? Und wie einfach erklärt sich dann die vollkommene Erhaltung der Fisch- und Saurier- gerippe; die Leichname schwebten, von den Gasen des Ver- wesungsprocesses getragen , unter der Fucusdecke dem zerstö- renden Wellenschlag der Oberfläche entzogen, bis sie platzten und langsam in die Tiefe sanken. Das sind freilich, so lange die Naturgeschichte, besonders die Fauna des merkwürdigen Sargassomeeres nicht genau unter- sucht ist, nicht viel mehr als Phantasieen und können vor der Hand nicht zu geologischen Schlüssen verwendet werden. Dass aber die Posidonienschiefer auf jeden aufmerksamen Beobachter den oben geschilderten Eindruck der ruhigsten Ablagerung machen, dafür sei Quenstedt, der vielerfahrene Beobachter jurassischer Schichten, mein Gewährsmann. Er schildert die Posidonienschiefer ** in kurzen treffenden Zügen als das Pro- dukt eines in stiller, lange dauernder Ruhe gebildeten Nieder- schlags, in welchen die ruhig beisammen lebende und behaglich. * Humboldt, Kritische Untersuchungen I. 213. II. 44. 65. ** Flözgebirge Württembergs S. 218. 250. Jura, S. 275. - 186 - sich mehrende Thierwelt ohne besondere Ungewitter der Natur im geordneten Wege des natürlichen Absterbens eingebettet wurde. Freilich lässt er dann diesen Process an ruhigen seichten Meeresküsten vor sich gehen, wo ich der Brandung wegen die nöthige Meeresstille nirgends zu finden weiss, allein Ruhe ist auch ihm die erste Bedingung bei der Entstehung dieser Gebilde. Besuchen wir unter diesem Eindruck die Posidonienschiefer von Weidach j so treffen wir sie ganz oben am Dorf hart neben und in gleichem Niveau mit den Angulatensandsteinen des Lias a. Während aber bei dem ruhigen Charakter des Posi- donienmeeres eine übergreifende Lagerung der Posidonienschiefer über die älteren Liasschichten sich hier als nothwendige Folge ergeben sollte , so sehen wir doch den Lias s sich nirgends über das a hinüber wagen, sondern hart an demselben ab- schneiden. Auf dem übrigen gesunkenen Gebiet der Filder und der Esslinger Berge findet man diese Schiefer nirgends wieder, * es hätten also Strömungen sowohl auf dem oberen als dem unteren Plateau den Absatz der Niederschläge verhindern müssen. Nur zwischen diesen beiden Strömungsgebieten hätte sich als- dann ein schmaler Streif von Ablagerungen niedergeschlagen, der sich bis auf das Niveau des oberen Plateau's anhäufen, dort aber weder seitwärts noch vertikal sich weiter entwickeln durfte. Wer kann sich aber zwei Reihen von so starken Meeres- strömungen, dass sie jeden Niederschlag zu verhindern im Stande * Ich muss hier einen mir zur Last fallenden Irrthum berichtigen, indem ich (Jahrgang XI. S. 21) die Posidonienschiefer im Helminsberg bei Esslingen anführte. Die Notiz stammt ursprünglich von Schübler und ist den „Geognostischen Verhältnissen Württembergs von Hehl" entnommen ; ich selbst fand damals auf der schon angebauten Stelle nur noch schiefrige Plättchen ganz vom Aussehen der Posidonien- schichten umherliegen. Nachdem neuerdings Quenstedt in seinem „Jura" solche Schiefer im obersten Alpha als Olifexschichten nachge- -wiesen hat, ergab eine wiederholte Untersuchung den palaeontologischen Beweis, dass die Helminsberger Schiefer diesem obersten Gliede des Xiias cc und nicht dem Lias « angehören. — 187 — - waren, vorstellen, welche dennoch einen kaum 2000 Fuss breiten ßaum zwischen sich gelassen hätten, der als neutrales Gebiet sich mit dem ruhigsten aller existirenden Absätze, mit den Posidonienschiefern, bedeckte? Oder will man auf die Annahme von Meeresströmungen verzichten und sich auf noch unergriindbare Ursachen berufen, welche nun einmal den Absatz der Sedimente nur an ihren heu- tigen Lagerungsplätzen gestatteten? Man wird aber bei einer solchen Annahme im Auge behalten müssen , dass eine Erklä- rung darüber zu geben ist, wie die Meeresniederschläge während der ganzen übrigen Liasperiode sich in regelmässiger Folge im- mer und ganz allein an die Dislocationsspalten abgelagert haben ; wie trotz aller petrographischen Umänderungen der auf einander folgenden Sedimente dennoch die Tendenz des Meeres, seine Absätze immer und immer wieder längs der Dislocationsspalten und sonst nirgends anders über einander zu häufen , sich durch unermessliche Zeiträume gleich bleiben musste. Auf welch my- steriöse Verwandtschaft zwischen dem Jurameere* und den Spal- ten, auf welch diktatorische Attraktionskräfte der Yerwerfungs- klüfte gegen marine Sedimente müsste diese Annahme führen! Man sieht, die Annahme einer Meeresbedeckung führt nach jeder Seite hin auf Unmöglichkeiten und Widersprüche, aus denen ein Ausweg schwer zu finden sein wird. Allein es gibt noch einen weiteren Einwurf, welcher in direkter Weise darthut, .dass die Katastrophe keine submarine sein , sondern erst nach der Emersion unseres Landes aus den Meeresfluthen eintreten konnte. Stellen wir uns hiezu vor, die Verwerfung habe wirklich unter der Oberfläche des Meeres stattgefunden, wie es die Insel- hypothese haben will, und denken wir uns auf den Grund die- ses Meeres versetzt, so sehen wir eine breite Ebene, die jetzige Filderfläche, welche an 2 Seiten von senkrechten, mehrere hun- dert Fuss hohen Wänden begrenzt ist. Diese Wände bestehen von unten nach oben aus den bunten Mergeln, dem Stubensand- stein und den oberen Knollenmergeln des Keupers, worauf noch die unteren Liasschichten mit den Angulatensandsteinen (Malm) gelegen hätten, wenn man mit Herrn Baur die Zeit der Kata- - 188 -^ Strophe zwischen Malm und Arietenkalk setzt. Diese Wände konnten sich aber in ihrer ursprünglichen senkrechten Abgeris- senheit nicht erhalten , sondern es tritt auch hier das statische Postulat ein, dass sich ein Theil derselben ablösen und an ihrem Fusse einen mächtigen submarinen Schuttwall bilden musste. Wenn man nun auch einen grossen Theil der leichter verwasch- baren Trümmer durch angenommene Meeresströmungen wieder entfernen lässt, so hätten doch noch die herabgestürzten Fels- blöcke des Stubensandsteins, des Malms und der Psilonotenkalke liegen bleiben müssen, und dies um so mehr, als ja gerade die Ablagerung jüngerer Liasschichten längs dieser Wände es ist, welche die Annahme von Strömungen an dieser Stelle verbieten. Unter diesen jüngeren Liasgebilden müsste man also eine Breccie aus Felsstücken der genannten Gesteine finden , welche längs des ganzen Fusses der alten Dislocationswand zwischen den älte- ren und den jüngeren Liasschichten hinziehen würde. Trotz einer Reihe der schönsten Aufschlüsse längs des Schurwaldes und zwar in nächster Nähe der Spalte, ist aber von einer sol- chen Felsenbreccie noch nirgends auch nur eine Spur beobachtet worden. Auch längs der Schönbuchspalte, wo sich die Aufschlüsse weniger häufig finden, lässt sich doch mit Sicherheit erkennen, dass man auch hier vergebens nach einer solchen Breccie gra- ben würde. Hieran reiht sich noch ein zweiter Grund, der mit gleicher Entschiedenheit gegen eine submarine Katastrophe spricht. Es ist dies die Erwägung, dass wenn die Einsenkung und die mit ihr Hand in Hand gehende Zerklüftung des Schichten- baues unter Meeresbedeckung stattgefunden hätten, wie die Insel- hypothese annimmt, sich die geöfineten Risse und Klüfte noth- wendig mit marinen Sedimenten ausgefüllt haben müssten,. und zwar gilt diese Forderung ebensow^ohl bei der Annahme von Strömungen als bei gänzlich ruhiger Meeresbedeckung; denn auch die Strömungen mussten Sedimente mit sich führen, welche sie auf ihrem Wege über die Spalten weg in diese eingeschwemmt hätten. Statt aber in diesen Klüften Gerolle oder Sand oder ein verbindendes Ceraent vom Alter und Charakter der Arieten- — 189 — kalke zu finden, zeigen sich diese Klüfte durchaus leer, so tief man auch bis heute in diesen Schichten gekommen ist. Wer hier den Ausweg ergreifen wollte, die gesunkenen Bänke , als zur Zeit der Katastrophe noch nicht vollkommen erhärtet zu erklären, so dass sie unter dem Drucke der späteren Niederschläge ihre erlittenen Wunden durch nachheriges Anein- anderkleben selbst wieder zu heilen vermochten, dem tritt die Beobachtung entgegen, dass die Kluftrichtungen meist in wun- derbarer Gleichförmigkeit alle nach Einer Richtung streichen, und zwar parallel mit den Verwerfungsspalten. In diesem über viele Quadratmeilen des gesunkenen Landes sich erstreckenden Parallelisraus der Klüfte mit den Verwerfungsspalten liegt der Nachweis eines unmittelbaren Causalzusammenhanges beider Erscheinungen^ der sie zu gleichzeitigen Bildungen stempelt. Abgesehen also von der gänzlichen Unwahrscheinlichkeit weicher Sandkalke^ deren Risse wieder von selbst zusammenheilen, ver- bietet das angeführte Verhältniss der Zerklüftung diesen Aus- weg und es wird deshalb auch aus diesem Grunde zugegeben werden müssen, dass eine W^asserbedeckung während der Kata- strophe nicht stattfinden konnte. Die bisherige Ausführung ging davon aus. Schritt vor Schritt nachzuweisen, in welche unlösbare Verwickelungen der Fundamentalsatz der Inselhypothese, nämlich die Annahme einer Wasserbedeckung während der Katastrophe führen muss. Eine Reihe von Beobachtungen und Schlüssen hat zuerst gezeigt, dass mit einer solchen Annahme jedenfalls die Emersion von trocke- nem Land zur Zeit der Katastrophe , also die Entstehung von Inseln und Ufern unvereinbar wäre, dass also das ganze Gebiet nach wie vor hätte vom Meere bedeckt bleiben müssen. Dass aber auch dieser Fall nicht möglich ist, ist damit nachgewiesen worden, dass bei dieser Annahme das sporadische Auftreten des jüngeren Lias in keiner Weise erklärt werden kann. Und schliesslich gesellen sich zu diesem indirekten Beweise für die Unhaltbarkeit des angeführten Fundamentalsatzes dieser Hypo- these noch positive Gründe, welche in direkter Weise der An- nahme einer Wasserbedeckung während und nach der Kata- - 190 - Strophe entgegen treten. Wenn aber dieser Satz fällt, so fällt damit die ganze Insel- und Uferbildungshypotbese und es bleibt nur Ein Weg der Erklärung übrig, nämlich die Katastrophe bei trockenem Lande geschehen zu lassen. Dies ist aber der Aus- gangspunkt der Denudationshypotbese, auf welche somit die Schlussfolge der vorstehenden Erwägungen von selbst hinweist. Ehe ich indessen zur Denudationshypothese und zur Prü- fung der gegen sie erhobenen Einwendungen übergehe, wird es nöthig sein, noch einige von Herrn Dr. Baur zu Gunsten seiner Ansicht angeführte Beobachtungen näher zu erörtern. Derselbe stützt nemlich seine Aufstellung, dass die Senkungskatastrophe zwischen der Bildung des Malms und der der Arietenkalke statt- gefunden habe, auf die von ihm angeführte Beobachtung, dass erstens bei Hildrizhausen der Arietenkalk übergreifend über die dortige Verwerfungsspalte lagere, und dass zweitens auch in den Esslinger Bergen die Lagerung der Arietenschichten auf dem An- gulatensandstein eine diskordante sei. Zwar glaube ich, in der vorstehenden Erörterung überzeugend nachgewiesen zu haben, dass die Katastrophe erst nach der Emersion unseres Landes aus dem Meere stattgefunden haben könne, und dass demgemäss die Zeit derselben nicht in die Juraepoche, sei es in welchem Abschnitt derselben es auch sein mag, gestellt werden darf. Dennoch wird noch speziell an den von Herrn Baur angeführten Punkten nachzuweisen sein, dass sie der oben versuchten Be- weisführung gegen die Inselhypothese durchaus nicht wider- sprechen. Was zunächst die Lagerungsverhältnisse bei Hildrizhausen betrifft, so habe ich vorauszuschicken, dass die ganze Liasfläche, welche vom Schaichhof nach Altdorf und Hildrizhausen her- überzieht, am Fusse des Brombergs (auf der Karte „Eschach") und des Hildrizhauser Kirnbergs von einem weit verbreiteten Schwemmland bedeckt ist, das sich deutlich als eine Composition aus verwaschenen Keupermergeln, Quarzsand des Bonebed- und des Stubensandsteins und liassischen Lehmen erkennen lässt. Eine breite Zone dieses von den nebenstehenden Höhen herab- geschwemmten Detritusgebildes deckt dort alle älteren Schichten - 191 - mit einem midurchdringlichen Schleier, so dass selbst die ge- naueste Dm'chforschung der Gegend nicht so viele Anhaltspunkte an die Hand gibt, als zu einer absolut sicheren Orientirung er- forderlich sind. Es kann deshalb leider gerade an dieser wich- tigen Stelle, wo eine Haupt verwerfungsspalte des Schönbuchs durchzieht, die sich mit einer Querspalte kreuzt, die Bestim- mung der Forraationsgrenzen, der Lagerungsweise der Schichten und der genauen Spaltenlinie nicht mit derjenigen Schärfe erfol- gen, welche zu einem ganz bestimmten Ausspruch über jene Verhältnisse berechtigen würde. Indessen habe ich bei meiner Untersuchung, welche an der Hand der Flurkarte (1 : 2500) geschah, mich wenigstens bestrebt, die gröstmögliche Klarheit über diese Verhältnisse zu erhalten , und ich muss bedauern, dass der Maasstab des beigegebenen Kärtchens nicht erlaubt, noch weitere Unterabtheilungen des Lias in der Darstellung auszuscheiden, was zu einer vollständigen Verdeutlichung der gewonnenen Untersuchungsresultate unumgänglich nothwendig wäre. Indessen genügt das Gegebene wenigstens, um ein Ge- sammtbild jener Lagerungsverhältnisse zu ermöglichen. Wie die Karte und die Durchschnitte zeigen^ läuft vom nordöstlichen Fusse des Brombergs her eine lange in N. 50 W. (h. S'^/s) streichende Verwerfungsspalte wenige Schritte östlich von Hildrizhausen vorbei, deren Verhältnisse weiter unten näher beleuchtet werden sollen. Hier genügt die Angabe, dass die Verwerfungshöhe der Schichten durchschnittlich etwa 300 Fuss beträgt und dass auf der westlichen Seite der Spalte nur Keu- per, auf der östlichen nur Lias zu finden ist. Da plötzlich, an der Stelle, wo diese Spalte sich mit der Richtung des obersten Würmbettes kreuzt, treten auch auf der westlichen Seite der- selben liassische Gebilde auf und die seither so markirte Ver- werfung ist mit einem Male verloren gegangen. Zwar lässt eine aufmerksame Beobachtung an kleinen Merkmalen noch er- kennen, dass eine Spaltung der Schichten auch durch das Hil- drizhauser Liasfeld in der Richtung der bisherigen Verwerfungs- Hnie fortzieht, allein die „Sprunghöhe'' der Verwerfung, welche noch am Kirnberg gegen 200 Fuss betrug, hat sich entweder - 192 - ganz zu einer schwachen Synklinen Schichtenneigung ausgegli- chen oder doch auf wenige Fusse reducirt. Dagegen erscheint im weiteren Verlauf der Spalte gegen W. die Verwerfung wieder deutlich jenseits der nordwestlichen Grenze des Hildriz- hauser Liasfeldes an der äussersten Spitze des Keupergebiets gegen Ehningen hin (Kaisersbusch), wo die Stubensandstein- bänke hart neben den horizontalen Gypsraergeln gegen S. 0. ein- schiessen. Offenbar durchsetzt also die Spalte zwar noch das Hildrizhauser Liasgebiet, aber sie hat auf dieser Strecke ihre verwerfende Eigenschaft verloren, d. h. sie liegt nicht mehr auf der äussern Grenze des gesunkenen Gebietes, sondern in diesem selbst und die eigentliche Verwerfungslinie der Schichten ist mehr westlich, jenseits der Hildrizhauser Liasbänke zu suchen. In der That linden wir auch in dieser Richtung in kurzer Ent- fernung vom Orte diese Verwerfungsgrenze an mehreren Stellen deutlich ausgeprägt; am schlagendsten auf dem Feldwege von Hildrizhausen nach den „Kullen". Nachdem uns auf diesem Wege die Arietenkalke vom Dorfe an längere Zeit begleitet haben, erscheinen endlich darüber die Monotisschiefer, deutlich nach S. 60 W. (h. 4) fallend, auf welchen nach kurzer Ent- fernung mächtige glatte Schieferthone mit Schwefelkiesknollen folgen, welche auch ohne Petrefakten mit Sicherheit als Turneri- thone bestimmt werden können. Verfolgt man den tief darin eingegrabenen Hohlweg eine kurze Strecke weiter, so brechen diese Thone plötzlich an einer Stubensandsteinwand und zwar so scharf ab, dass man die Spalte beinahe mit der Hand be- decken kann. Die ächte Verwerfunirslinie geht also hier, ziem- lich genau 2000 Fuss westlich von der Kirche des Ortes durch und zeigt, wenn man noch mehrere Punkte derselben, z. B. auf der Herrenberger Strasse und am Würmursprung bestimmt ein geradliniges Streichen N. 30 W. (h. 10), d. h. in einer Richtung, welche sie der oben angeführten grossen Verwerfungs- linie des Brombergs mehr und mehr nähert und endlich am nordwestlichen Fusse der Hildrizhauser Liasfläche, zwischen die- sem Orte und Ehningen (am Kaisersbusch) vereinigt. Die merk- würdigen , aber verwickelten Lagerungsverhältnisse, welche in - 193 — dem spitzen Winkel zwischen beiden Spalten stattfinden, im Ein- zelnen zu verfolgen, würde an diesem Orte zu umständlich sein, es genügt dem vorliegenden Zwecke, anzuführen, dass die Tur- nerithone von den Kullen über den Heiligenbrunnen und die Herrenberger Strasse bis an*den Würmursprung die ganze süd- westliche Ecke eines Dreiecks auszufüllen scheinen, das von den zwei genannten und einer dritten Spalte gebildet wird, welche vom Würmursprung nach dem Brockenberg bei Holzgerlingen hinü- berzieht, und dass die Arietenkalke, unter den Turnerithonen hervortretend, in der ganzen südöstlichen Ecke dieses Dreiecks bis an die Brombergspalte hin die Sohle des Ackerbodens bilden. Die angeführte dritte Spalte ist zuerst auf dem Wege von Hildrizhausen nach Breitenholz erkenntlich , wo auf der rechten Seite des Würmursprungs, welcher offenbar in dieser Dislocation seine Veranlassung gefunden hat , die geborstenen Keuperfelsen auf die Turnerithone herein gerutscht sind. Von hier zieht sie in einer deutlichen Mulde des Terrains unterhalb der Kirche von Altdorf durch diesen Ort und in gerader Linie weiter nach Nordost, bis sie am Brockenberg in den Wasserriss gegen die obere Mühle hinab einmündet, nachdem sie sich oben an der Böbhnger Strasse noch durch eine deutliche Stauung der Schichten in bezeichnender Weise bemerklich gemacht hat. Auf der ganzen. Länge der Linie fallen die Schichten von beiden Seiten gegen dieselbe ein, und veranlassen dadurch die augen- fällige Mulde, welche das Altdorfer Liasplateau in dieser Rich- tung durchzieht. Wenden wir uns nach dieser Darstellung zu der Auffas- sung jener Lagerungsverhältnisse, wie sie Herr Dr. Baur gibt, so findet derselbe südlich und südwestlich von Hildrizhausen keine scharfe Grenze zwischen Lias und Keuper, sondern ein allmäliges Uebergehen des Arietenkalks in den Stubensandstein^ woraus er dann den Schluss zieht, dass in dieser Richtung die Arietenschichten nicht in einer Verwerfungslinie gegen den Keuper abbrechen, sondern über die schon früher gebildete Spalte her sich abgesetzt ^haben , d. h. übergreifend aufgelagert seien. Es bieten sich aber nach der oben gegebenen Darstellung drei Punkte, Wüittemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 28 Heft 13 — 194 - auf dem Wege nach Breitenholz, nach Herrenberg und auf die Kullen, wo eine scharf abschneidende Grenze zwischen Keu- per und Lias beobachtet werden kann , besonders dürfte die letzte der genannten Lokahtäten gar keinen Zweifel darüber lassen , dass dieses Abschneiden ^e Folge einer Verwerfimgs- spalte ist, welche jedenfalls erst nach Ablagerung des Lias ß entstand. Diese direkte Beobachtung einer bestimmten Spalte widerspricht demnach einer Ueberlagerung des Arietenkalks über den Stubensandstein wenigstens in westlicher Richtung aufs Entschiedenste und auch gegen Süden ist nirgends ein Anhalts- punkt vorhanden, der erlauben würde, eine solche anzunehmen. Direkte Beobachtungen für oder gegen die Annahme des Herrn Dr. Baur verhindert zwar dort die weite Verbreitung des Schwemmlandes, allein die Lage der drei Yerwerfungshnien lässt auch dort wohl keinen Zweifel übrig, dass eine Ueber- lagerung der Spalten durch spätere hasische Schichten nirgends erschürft werden könnte, da ausserhalb des von den Spalten gebildeten Dreiecks nirgends jüngere Liasgebilde als der Angu- latensandstein aufgefunden werden können. Zur Bestätigung seiner Ansicht über eine Discordanz in der Lagerungsweise des Arietenkalks und des Angulatensand- steins führt Herr Dr. Baur noch eine andere Beobachtung aus den Esslinger Bergen an, der ich auf eben so bestimmte Weise zu widersprechen genöthigt bin. Er führt an, dass dort der Arietenkalk das Einfallen des Malms und des Keupers gegen die Schurwaldspalte hin nicht theile, sondern nahezu horizontal ^uf den geneigten Schichten der genannten älteren Bildungen aufgelagert sei, woraus sich alsdann die Folgerung einer Dis- loeation in der Zwischenzeit beider Ablagerungen von selbst ergeben würde. Herr Dr. Baur hat die Stelle, wo er die be- treffende Beobachtung gemacht hat, nicht näher bezeichnet, ich hin daher nicht im Stande, den Irrthum, der ihr zu Grunde liegt, in concreto nachzuweisen. Dagegen habe ich selbst nirgends auf irgend einer Stelle zwischen üntertürkheim und Plochingen Arietenbänke oder jüngere Liasschichten gefunden, welche ein anderes Fallen als die an Ort und Stelle in ihrem — 195 — Liegenden auftretenden älteren Bildungen gezeigt hätten. Es ist aber bei der Beobachtung der Fallrichtungen in diesem Ge- biete und bei darauf zu bauenden Schlüssen grosse Vorsicht nöthig, um den Täuschungen zu entgehen, welche der schollen- artige Charakter der vielfach gebrochenen und verschieden ein- gesunkenen Bänke längs der Schurwaldspalte so leicht hervor- rufen. Sowohl das Niveau, als die Richtung und der Grad des Einfallens wechselt hier oft auf die kürzesten Entfernungen, wesshalb auch Schlüsse über eine discordante Lagerungsweise nur dann gegründet sein könnten, wenn sich die betreffende Beobachtung in Einem, die Angulatensandsteine und die Arietenkalke gemeinschaftlich aufschliessenden, klaren und voll- ständigen Profile finden würde. Alle derartigen Schlüsse, welche auf Beobachtungen von nicht direkt über einander liegenden Schichten beruhen , entbehren bei dem bezeichneten Charakter dieses Gebiets, jeder genügenden Sicherheit. Das einzige Profil aber, welches im Gebiete der Esslinger Berge jener Forderung entspricht, und den Angulatensandstein unter den Arietenkalken in einem gemeinschaftlichen, unmittelbaren und klaren Aufschluss entblösst und hiedurch eine unzweideutige Beobachtung der Lagerungsverhältnisse gestattet, findet sich in dem Liasbruche von Oberesslingen. Dort fallen aber alle Bänke in gleicher Richtung und gleichem Neigungswinkel gegen die Spalte hin ein, es herrscht vollständige Concordanz der Lagerungsweise und es fehlen alle und jede Zeichen einer einstigen Separatbewegung des Liegenden der Arietenbäuke. Auch bei Altbach zeigen die Arietenschichten im Katzen- loch am Schherbach ganz dasselbe Einfallen wie die Angulaten^ Sandsteine. Es geben somit die Esslinger Berge eben so wenig als die Hildrizhauser Liasmulde eine Veranlassung, zwischen der Bildung des Angulatensandsteins und der Arietenschichten eine Dislocationskatastrophe anzunehmen und die Inselhypothese wird darauf verzichten müssen, von dieser Seite her eine Stütze für ihre Richtigkeit zu erhalten. Im Gegentheil erwächst derselben aus den soeben geschil- - 196 - derten Lagerungsverhältnisseu des Liasplateau's von Holzger- lingen eine neue Schwierigkeit. Wie schon erwähnt, schneidet die genannte Dislocations- linie dieses Plateau von dem höchsten Zuge des Schönbuchs, von dem Kirnberg und Bromberg durch eine Verwerfung der Schichten um etwa 300' ab. Der stehen gebliebene Theil zeigt auf seinem Gipfel überall den Bonebedsandstein, nirgends ist mehr eine Spur von Lias, wogegen die gesunkene Fläche wie wir gesehen haben, den Lias bis zu den Angulatensandsteinen und stellenweiss sogar bis zu den Tuberculatusbänken und den Turnerithonen aufweist. Wer nun keine Denudation zugibt, dem bleibt kein anderer Ausweg, als die hier stattgefundene Dislocation in die Zeit zwischen Bonebedsandstein und Psilo- notenkalk zu stellen, welcher sodann später eine zweita Kata- strophe zwischen der Zeit der Angulaten und der Arieten gefolgt wäre. Gegen eine solche Doppelsenkung erheben sich aber ausser den schon oben gegen die Inselhypothese angeführten Gründen noch eine Reihe weitere; namentlich bieten die Ver- hältnisse von Hildrizhausen bei jedem Versuche, sie nach dieser Erklärungsweise zu konstruiren, so unlösbare Schwierigkeiten, dass ich nicht damit zu Stande kam, mir ein Bild der bei ihrer Entstehung statt gehabten Vorgänge im Sinne dieser Hypothese zu entwerfen, während sich dasselbe nach der Denudationshypo- these in der einfachsten Weise gestaltet. Auch dieser Punkt gesellt sich zu den wesentlichsten Hindernissen, welche der Inselhypothese entgegenstehen. Begründung der Denudationshypothese. Dass eine Fortführung kleiner Erdtheile durch die atmos- phärischen Niederschläge auch von den ebensten Flächen des Erdbodens statt hat, ist eine Erfahrung, die sich täglich in jeder Ackerfurche machen lässt. Wo nur ein Ablauf des Regen- wassers auf der Erde stattfindet, da hält die Bewegung des fliessenden Wassers auch Bodentheile suspendirt, und entfernt sie von ihrer ursprünglichen Lagerungsstätte. Als nothwendige Folge dieses immerwährenden Abflössungsprocesses ergibt sich - 197 — auf diese Weise eine stetige Abnahme des Bodens, welche, trotz des unendlich kleinen jährlichen Betrags doch im Verlaufe geologischer Zeiträume Dimensionen annehmen muss, welche die Grenzen unserer gewöhnlichen Vorstellungsweise weit über- eteigen. Daher kommt es denn, dass, so übereinstimmend auch «ine tägliche Abschwemraung von Bodentheilen von allen Seiten ^anerkannt wird, dennoch die Ansichten über den Gesammtbetrag dieser Abwaschung in jedem konkreten Falle weit auseinander weichen. Mit Zahlen lässt gich freihch der Umfang der Denu- dation aui" einem bestimmten Gebiete vorläufig noch nicht an- geben, denn es ist das Kapitel über die allmählige Abflössung des Schichtengebäudes unserer Erdrinde noch lange nicht so ausgebildet und so vielseitig erforscht, als das weit zugänglichere über den Aufbau desselben. Es fehlt vor allen Dingen noch an der Grundlage für weitere Schritte auf diesem schwierigen Gebiete, nämlich an gründlichen und erschöpfenden Beobachtungen über den Wirkungsgrad dieses grossen geologischen Faktors in der Jetztzeit. Wüsste man die Menge der Gebirgstheile , welche unsere heutif en Gewässer aus bestimmten Formationsgebieten entführen, so ergäbe sich daraus mit Leichtigkeit die Zeit, welche unter denselben Umständen zur Abwaschung einer beliebigen Mächtig- keit derselben Schichten erforderlich wäre. Leider mangeln solche Beobachtungen über den Abflössungsbetrag bestimmter Formationsglieder noch ganz und erst in neuester Zeit hat man wenigstens angefangen, die Massen, welche jährlich einem ge- gebenen Flussgebiete überhaupt, ohne Rücksicht auf die geo- gnostischen Formationen desselben entführt werden , mit etwas grösserer Zuverlässigkeit zu erheben. Ehe aber von einer Reihe von Stromgebieten, deren geognostische Zusammensetzung über- diess vollständig bekannt sein müsste, nicht wenigstens solche Bestimmungen des jährlichen Abflössungsbetrages vorliegen, wird diese Richtung der Geologie stets verkümmert bleiben und sich nicht an die Lösung der sich anknüpfenden weiteren Fragen wagen dürfen. Hoffen wir, dass auch unser Land bei der Er- forschung dieser Verhältnisse nicht zurückbleiben werde und — 198 — dass bei der jetzt begonnenen amtlichen Aufnahme der geo- gnostischen Verhältnisse Württembergs auch die Untersuchung der Abflössungsbeträge, deren Erforschung die Kräfte von Privaten weit übersteigt, in den Kreis der gestellten Aufgabe gezogen werden werde. Ein schönes Beispiel in dieser Beziehung geben die Beobachtungen, welche aus Veranlassung der auf Kosten des Conseil ge'neral du Departement du Bas-Rhin in den Jahren 1840 — 48 gemachten geognostischen Aufnahme jener Provinz von Daubr^e angestellt wurden und eine über ein Jahr lang täglich fortgesetzte Reihe von Messungen über die Wasser- und Schlammmassen, welche der Rhein bei Kehl mit sich führt, in sich schliessen. * Wenn ich es unternehme, an der Hand der Beobachtungen Daubree's und Anderer einige Berechnungen mit positiven Zahlen über die Massen und Zeiträume , welche bei dieser Frage in Betracht kommen, anzustellen^ so werde ich kaum die Bemer- kung daran zu knüpfen brauchen, wie vorsichtig die gefundenen Werthe bei Schlüssen in anderen geognostischen Gebieten zu verwenden sind. So lange die Grundlagen derartiger Berech- nungen so lückenhaft , wie unsere heutigen sind , wo wir erst am Beginn einer Aera solcher Erhebungen stehen , so lange kann selbstverständhch auch das daraus abgeleitete Resultat nur einen beschränkten Werth haben. Nichts desto weniger erscheinen derartige Zahlen immer von einigem AVerthe, da sie wenigstens annähernd jene Massen und Zeiträume zu versinn- lichen vermögen, und der sonst zügellos sich selbst überlassenen Phantasie bestimmte Grenzen anweisen. B. Cotta ** nimmt den mittleren jährlichen Schlammgehalt der Flüsse zu 0,0022 ihrer Wassermasse an. Hienach ergäbe sich, wenn das Stromgebiet des Neckars oberhalb Cannstatt zu ßß □ Meilen und die durchschnittliche Wassermenge des Flusses zu 1000 C. F. p. See. angenommen wird, eine jährliche Ent- führung von 34,690,000 Ctr. Schlamm. So beträchtlich auch * Description geol. et mineral. du Dep. du Bas-Rhin S. 257. ** Briefe über A. v. Humboldts Kosmos S. 197. — 199 — diese Masse erscheinen mag, so wird sie doch beinahe immerk- lich, wenn man sie auf die Oberfläche des betreffenden Strom- gebietes vertheilt; es ergibt sich nämlich bei einem spez. Gew. der entführten Schichten von 2,6 eine jährliche Abwaschung von nur 0,06 Linien oder in 100 Jahren von 6 Linien, so dass 500,000 Jahre dazu gehören würden, um eine Schichtenmäch- tigkeit von 300 Fuss , wie sie in der vorhegenden Controverse angenommen werden kann, von der Oberfläche zu entfernen. Ein abweichendes Resultat erhält man, wenn die Ergebnisse welche A. Taylor* vom Missisippi erhalten hat, zu Grunde ge- legt werden, wonach die Abschweramungen dieses Flussgebiets erst in 9000 Jahren 1 Fuss, also in 2,700,000 Jahren 300 Fuss betragen. Dagegen stimmen ziemlich genau die vom Ganges- gebiet erhaltenen Zahlen desselben Beobachters. Die Ab- schwemmung jenes Stromgebiets beträgt schon nach 1794 Jahren einen Fuss, also 300 Fuss nach 540,000 Jahren. Daubree ** hat gefunden, dass der Rhein bei Kehl in Einem Jahre 1,122,455 Cub. M. Lehmschlamm oder einen Cubus von 360 Fuss Seiten- länge seinem Flussgebiete entführe. Auf die Oberfläche des abgewaschenen Gebietes vertheilt, erhält man eine jährliche Abschwemmung von 0,06 Millim. Dicke. Zur Entfernung einer 300 Fuss mächtigen Schichtenfolge würde demnach das Rhein- gebiet einen Zeitraum von 1,440,000 Jahren gebrauchen, also nahezu dreimal so viel als das Gebiet des Ganges, aber nur halb soviel als das des Missisippi. Es darf aber hiebei nicht ausser Acht gelassen w^erden, dass die Beobachtungen Daubr^e's bei Kehl sich nur auf die feineren Schlammtheile des Rheins, auf den Lehm zu erstrecken scheinen, nicht aber auf die am Boden des Flusses sich fortbewegende Masse Sand und grösserer Geschiebe, über deren vielleicht vorwiegenden Betrag noch alle Beobachtung fehlt. Ebenso ist zu bedenken, dass der grössere * Petermann Mittheil. a. d. Ges. Geb. d. Geogr. 1855 S. 120. ** Observations sur les alluvions anciennes et modernes d'une partie du Bassin du Rhin S. 9 und Descr. geol. et min. du Dep. du Bas-Rhin S. 257. — 200 — Theil des betreffenden Stromgebiets den quarzreichen bunten Sandstein und solche Gesteine zur Unterlage hat, welche nur äusserst langsam verwittern und daher zur Vergleichung mit den verwitterbarsten Schichten, die wir kennen, wenig geeignet sind. Es wird deshalb auch eine auf Daubr^e's Beobachtungen gestützte Berechnung viel zu grosse Zeiträume für die hier in Frage stehenden Verhältnisse ergeben und die WahrscheinHch- keit für die Annahme der aus Taylor's Berechnung für den Ganges und Cotta's Bestimmung übereinstimmend sich ergebenden Zeitraums von etwa 500^000 Jahren sprechen, welcher dazu hinreichen würde, die Oberfläche des Erdbodens um 300 Fuss abzutragen , wenn dieselbe aus unseren oberen Liasschichten bestünde. Manchem mag ein solcher Zeitraum vielleicht zu kurz für das zu vollbringende Werk, manchem zu lange für eine so unbedeutende Episode in der Entwicklungsgeschichte der Erde erscheinen. Wem er zu lange däucht, der möge bedenken, dass eine Wissenschaft nicht mit Jahrtausenden kargen darf, welche die Geschichte der Ewigkeit zu schreiben hat. Ausser den Schlammmassen, welche von den Flüssen täg- lich an unsern Augen vorüber dem Meere zugeführt werden, und welche für Jedermann verständlixjh den nie ruhenden Ab- waschungsprocess der Erdoberfläche demonstriren, gehen aber mit denselben Gewässern noch weitere beträchtliche Massen der Erdrinde an uns vorbei, ohne dabei dem Auge erkennbar zu werden. Es sind dies diejenigen Bestandtheile unserer Gebirgs- schichten , welche in Form von auflöslichen Salzen , meist als doppelt kohlensaurer und schwefelsaurer Kalk in den Gewäs- sern aufgelöst , mit fortgenommen werden. Es geschieht dies auf dem bekannten Wege, dass sich einestheils das überall vorhandene Schwefeleisen zu Brauneisenstein umwandelt und die entstandene Schwefelsäure dann meist Gyps bildet, der leicht auflöslich mit dem Sickerwasser sich entfernt, und anderntheils, dass die Kohlensäure dieser Sickergewässer bei ihrem Ein- dringen in das Gestein den Kalkgehalt desselben auflöst und mit sich nimmt während der schwer lösliche Thon- und Kiesel- erdegehalt als Lehradecke zurückbleibt. — 201 - So verborgen und unscheinbar im Einzelnen auch dieser Auflösungsprozess vor sich geht, so suiumiren sich doch auch hier die kleinsten Wirkungen zu Gesammtresultaten, welche bei ^er Würdigung geologisclicr Yeiüülleri'.n^er! '^.er Erdoberfläche von grosser Bedeutung sein können. Wenn z. B. der Neckar bei Cannstatt in 10,000 Theilen Wasser etwa 2,5 solche auf- gelöste Bestandtheile mit sich führt und, wie oben angenommen, dabei eine durchschnittliche Wassermenge von 1000 C p. See. besitzt, so beträgt die Summe der so entführten Salze in einem Jahre nahezu 4 Millionen Centner. Vertheilt man diese Masse in gleicher* Weise auf dem ganzen Gebiete, so beträgt die Ab- nahme des Bodens hiedurch jährlich nur 0,0067'" d. h. etwas mehr als ^lo der in Schlammform abgewaschenen Bodentheile. Wenn also unsere Erdrinde in 500,000 Jahren durch mechani- sche Abschwemmung etwa 300' an Dicke verlieren würde , so würde die Abnahme, welche die chemische Auslaugung der Gesteine verursacht, nur 33' Fuss betragen, so dass in dem angenommenen Zeiträume ein Gesammtverlust der Bodenhöhe von 333' herauskäme. Allein in der Regel , und namentlich -auch im vorliegenden Falle wäre diese Rechnungsweise nicht richtig, weil sich kalkhaltige Schichten nicht über die Ober- fläche des ganzen Flussgebiets ausgebreitet finden. Um einen Anhaltspunkt dafür zu erhalten, wie schnell der Kalkgehalt inner- halb der kalkhaltigen Schichten selbst verschwindet, wird des- halb eine andere Rechnungsweise einzuführen sein. Nehmen wir als Beispiel die Arietenbänke , um deren Verschwinden es sich ja auf der ganzen Fläche des Schurwalds und des Holz- gerlinger Plateaus handelt. Die Kalkbänke der Arietenschich- ten sollen nach Abzug der zwischenliegenden Thone durch- schnittlich 3 Meter betragen und einen Kalkgehalt von 60 V führen; die jährlich fallende Regenmenge betrage ferner 24 par. Zoll, von der aber nur ^4 in die Schichten eindringe, die übri- gen ^'4 verdampfen und oberflächlich ablaufen ; endlich sättige sich auch dieses eindringende ^/4 der jährlichen Regenmenge nur bis zum fünften Theile seiner Capacität mit Kohlensäure, so werden dennoch nach 69.000 Jähren die Arietenbänks gänzliclj - 202 - verschwunden sein und an ihrer Stelle würde man nur etwa 4' sandigen Lehm antreffen, sofern er nicht gleich bei seiner Ent- stehung vom Meteorwasser weggewaschen wird. In einem Zeit- räume von 500,000 Jahren könnte aber nach diesem Maasstabe eine Felsenbank von 76' Mächtigkeit aufgelöst und entfernt werden, so dass z. B. auf unserer schwäbischen Alb möglicher Weise noch Schichten anderer Formationen abgelagert gewesen sein könnten, welche heut auch bis auf die letzte Spur wieder verschwunden sind. Der Geologe, welcher sich mit der Frage über die einstige Ausdehnung der einzelnen Formationsmeere beschäftigt, wird daher grosse Vorsicht anwenden müssen, wenn er darüber entscheiden soll, ob ältere Gebirgsschichten , welche heutzutage die Erdoberfläche bilden, bei der Bildung der jünge- ren Formationen schon trockenes Land gebildet haben oder nicht. Wie wir gesehen haben, ist das Fehlen solcher jüngeren Bildungen an sich noch durchaus kein Beweis dafür, dass sie niemals früher vorhanden waren, oder für die Emersion der älteren Formationsgebiete über die Meeresfläche während der Bildung der späteren Meeresablagerungen. Was die einzelnen Stadien des Auslaugeprozesses anbe- langt, so lassen sich diese überall in kalkhaltigen Schichten ver- folgen. Solche Kalke, welche sehr viel Quarz- oder Glimmer- sand enthalten, verändern sich durch Auslaugung ihres Kalk- gehalts in Sandsteine , wie dies in den Schichten der Angula- ten- und Murchisonaesandsteine an vielen Stellen beobachtet wer- den kann. Bleibt bei dieser Extraction des Kalkgehalts kein Bindemittel mehr zurück, so ist das Endresultat des Prozesses häufig ein brauner Sandmulm von der früheren Form des Kalk- stückes, der ohne allen festen Zusammenhang sich zwischen den Fingern zerdrücken lässt und von den Bauern treff'end als ^verfaulter" Stein bezeichnet wird. Bei solchen Kalken, deren Residuum so wenig oder von solcher Beschaffenheit ist, dass es gar keinen Zusammenhang mehr behält, sondern schon während des Auflösungsprozesses lose aus einander fällt, wie z. B. bei manchen Psilonotenkalken, besonders aber bei den reineren Kal- ken des oberen weissen Juras, entstehen abgerundete geschieb- - 203 — förmige Kalkknollen, welche nach und nach ihre Ecken und Kan- ten verlieren und sich von ächten Flussgeschieben oft nur da- durch unterscheiden lassen , dass ihre Oberfläche nicht wie bei jenen glatt geschhffen , sondern rauh ist und die widerstands- fähigeren Einschlüsse wie Sand, Petrefakten etc. aus der Kalkmasse hervorstehen. Die Hauptquelle der verwendeten Kohlensäure dürfte wohl die vermodernde Pflanzendecke sein und die Extraction des Kalkgehalts scheint gerade unmittelbar in Berührung mit sol- chen in Verwesung begriffenen organischen Theilen sehr schnell vor sich zu gehen. Wenigstens haben mir intelligente Landwirthe schon öfters ihr unzufriedenes Erstaunen darüber ausgesprochen, nach wie kurzer Zeit der Kalkgehalt der Mergel^ welche behufs der Düngung auf kalkarme Ackerböden geführt werden, wieder verschwunden sei. Allerdings wird hiebei auch ein bedeutender Theil des Kalks in die Pflanze übergegangen sein , allein auch dieser Theil geht eben der Schichte für immer verloren und es mag bei der Beurtheilung solcher Auslaugeprozesse im Grossen wohl auch die Absorbtion der Stoffe durch die jährlich sich erneuernde Pflanzendecke eine geologische Würdigung verdienen; holt ja doch z. B. das ganze Menschengeschlecht seit seiner Entstehung seinen ganzen Bedarf an Kahsalzen aus der Asche von Vegetabilien, deren Wurzeln ihm die Auslaugung und An- sammlung dieser Salze aus den Gebirgsschichten vermitteln. Bei diesem allmäligen Verschwinden des Kalkgehalts der Schichten tritt nun an manchen Orten eine Erscheinung auf, welche auf den ersten Anblick zwar nicht in Uebereinstimmung mit den gewöhnlich hiebei stattfindenden Vorgängen zu stehen scheint, welche aber nichts destoweniger nur eine konsequente Folge der Bedingungen dieses Prozesses ist. Es ist dieses die Art des Auftretens der Arietenkalke diesseits des Neckars. Während dieselben jenseits der Neckarlinie als zusammenhän- gende regelmässig anhaltende Schichtenlage längs des Fusses der Alb ununterbrochen fortsetzen, ist ihr Auftreten diesseits des Neckars ein sporadisches, häufig nur auf kleine Strecken be- schränktes. Herr Dr. Baur hat dabei mit Recht die Eigenthüm- — 204 — lichkeit hervorgehoben, dass diese Arietensporaden sehr häufig schwach muldenförmige Becken der unterliegenden Angulaten- sandsteine ausfüllen und dann meist von Wasseransammlungen und Quellenbildung beglGitet sind. Wenn ich auch die Ansicht des Herrn Baur bezüglich der geringen Ausdehnung mancher Arietenfelder , z. B. bei Walddorf und auf den Fildern, nicht theile, so muss ich doch die Richtigkeit der Beobachtung in def Hauptsache bestätigen, dass sich die Arietenkalke verhältniss- mässig seltener auf den Höhen des welligen Hügellandes zeigen, sondern häufiger in flachen Wellenmulden desselben auftreten. Dieses Verhalten steht aber in engem Zusammenhange mit einer ähnlichen Erscheinung, welche zuweilen die Sandsteine des Am. angulatus und Murchisonae , sowie die meisten jurassischen Thonablagerungen zeigen. Die genannten Schichten lassen nemlich im Bette von Bächen oder in wasserreichen Mulden, also an solchen Orten, wo sie anhaltend mit Wasser getränkt bleiben, erkennen, dass sie in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung weniger verän- dert sind und daher auch von ihrem Kalkgehalt nichts oder jedenfalls weit weniger verloren haben als an andern oft hart daneben gelegenen Lokalitäten, wo die eindringenden Sickerwas- ser ihren Weg durch das Gestein ungehindert fortsetzen konn- ten. Statt der rostbraunen Lias- und Oolithsandsteine finden wir dann an solchen wasserreichen Stellen noch blaue Sand- kalke, statt der ockergelben Thonletten noch blaugrüne oder schwarze fest geschichtete Schieferthone. Besonders deuthch Hessen sich derartige Beobachtungen an den Brückendurchlässen beim Bau der Eisenbahn zwischen Metzingen und Neckarthail- fingen machen, und auch jetzt zeigen sich wieder beim Bahnbau im Echazthal, z. B. in sehr deutlicher Weise bei Betzingen die- selben Erscheinungen. Dieses Verhalten zeigt, dass eine beständige Tränkung mit so viel Wasser, dass alle Poren und Klüfte des Gesteins gefüllt erhalten werden , den kohlensäurehaltigen Sickerwassern das Eindringen in die Schichten sehr erschwert, und so den ursprüng- lichen chemischen Bestand der Gesteine längere Zeit konservirt. - 205 - Auch die mechanische Abwaschung wird dabei durch Erhaltung der ursprünglichen Festigkeit und der kompakten Schichtung des Gesteins auf ein Minimum beschränkt, so dass hauptsächlich nur die Erosion durch Untergrabung der Bänke die Zerstörung derselben bewerkstelligen kann. An solchen Stellen, wo diese Erosion sonstiger Umstände wegen weniger kräftig wirken kann, werden sich also alle wasserreichen Schichten länger erhalten, als die Fortsetzung derselben Bänke, welche dem fortwährenden Eindringen der Sickerwasser in das Gestein ausgesetzt sind. Letztere werden, nachdem sie erst extrahirt und dadurch im Zusammenhange gelockert waren, der mechanischen Denudation als erleichterte Beute schon lange anheim gefallen sein, während erstere immer noch kräftigen Widerstand gegen das auch sie endlich erreichende Loos des Vergehens zu leisten vermögen. So treffen wir denn die Arietenbänke auf den weiten Plateaus der Angulatensandsteine hauptsächlich nur noch da, wo der ursprünglich horizontale Schichtenbau kleine Störungen erlitten hat und die Bänke muldenartig eingesunken, die Sickerwasser sammeln. Man wird deshalb auf einem Malmfelde nicht ohne Hoffnung Arietenkalk da suchen dürfen, wo ein sumpfiger Bo- den eine Ansammlung von Schichtengewässern verräth. Die Anwesenheit des Wassers ist jedoch dabei in genetischem Sinne nicht die Folge des Vorhandenseins von Arietenbänken, sondern umgekehrt verdanken letztere ihre längere Conservirung den Ansammlungen des Wassers. Das Auftreten der Arietenkalke in der angegebenen Weise zeigt zugleich, wie leicht der Geo- gnost in Gefahr kommen kann, eine Erscheinung als besondere Eigenheit der Niederschläge, als abnormen Aufbau der Meeres- absätze anzusehen, welche doch nur eine etwas aussergewöhn- liche Form des Abbruchs derselben ist; und es mag in allen zweifelhaften Fällen, wo die Erklärung eines geologischen Pro- blems mit den gewöhnlichen Verhältnissen der Meeresabsätze in Widerspruch kommen will, von Vortheil sein, sich zu erinnern, dass die Lösung des Räthsels erst in zweiter Linie auf dem Wege der Entstehung der Schichten, in erster aber auf dem ihres Wiedervergehens zu suchen sein dürfte. - 206 - Kehren wir nach dieser Abschweifung über das Verschwin- den der Kalkbänke wieder zu unserem Hauptthema zurück, so finden wir ausser den besprochenen, heute noch vor sich gehen- den Prozessen der Abwaschung und der Auslaugung als weite- ren Beweis ihrer geologischen Bedeutung auch noch deutüch redende Zeugen der schon vollbrachten Denudation. Man braucht z. B. nur auf einer geognostischen Karte des muldenförmigen Stufenlandes zwischen den Granitkernen des Schwarzwaldes und des böhmischen Waldgebirges die inselför- migen Vorposten (outliers der Engländer) der einzelnen Flötz- formationen aufmerksam zu verfolgen und man wird nicht umhin können, bedeutende Wegführungen zerstörter Schichtenmassen, nicht nur aus den heutigen Erosionsthälern , sondern auch von grossen Flächen weg zuzugeben. Es sei nur kurz der Muschelkalkabschnitte bei Weschnitz und Michelstadt im Odenwalde, 4 Meilen von dem zusammen- hängenden Muschelkalkgebiet entfernt gedacht; ebenso des weit vorgeschobenen, von der grossen Platte des weissen Juras voll- ständig getrennten Hesseibergs am Ries, und wählen wir näher liegende Beispiele- Wer zweifelt z. B. daran, dass die Lias- kuppen des Mainhardter und Löwensteiner Waldes ursprünglich eine zusammenhängende Decke über dem Keuper gebildet haben? Dort ist keine Spur von gewaltsamer Schichtenstörung zu bemer- ken, keinerlei Unregelmässigkeit in der Lagerungsweise der Lias- reste ist zu finden, und doch ist die breite Hochfläche rein abge- waschen bis auf den Stubensandstein, ohne irgendwo lose Trüm- mer der früheren Bedeckung hinterlassen zu haben. Nur ver- einzelt erheben sich auf derselben, Burgen gleich, noch kleine, in bestimmten Linien gereihte Liasische Sporaden , und zeigen dem Geologen, dass das grosse Liasmeer auch diese weite Land- schaft einst vollständig überdeckte. Ja diese Reste früherer allgemeinen Bedeckung überschreiten gegen Brackenheim hin den Neckar und zeigen sich noch auf den Höhen des Strombergs, wo zwar der Lias selber schon verschwunden ist, aber sein Vor- läufer, der Bonebedsandstein, noch auf den drei höchsten Kuppen — 207 - gefunden wird. * Will man daran zweifeln, dass auch noch der Lias hier abgelagert war? Hiegegen sprechen die Juraschichten des benachbarten Langenbrückens. Die vollständige Uebereinstim- mung des petrographischen und paläontologischen Charakters jener Ablagerung mit den Schichten der schwäbischen Alb lässt nur auf einen direkten Zusammenhang des Jurameeres auf geradestem Wege ohne Insclunterbrechung oder Ufersnähe schhessen. ** Das tiefe Niveau, in welches jene Reste durch ihre Einsenkung zwi- schen Schwarzwald und Odenwald kamen, hat sie vor vollstän- diger Abwaschung geschützt, und sie uns als Zeugen dafür er- halten, dass von der schwäbischen Alb bis zum Rhein herüber Ein weiter Juraocean ausgebreitet lag, der in grosser Gleichför- migkeit seine Niederschläge auch hier, wenigstens bis zur Zeit des Am. HumphriesianuSy verbreitete. Ebenso ist es mit dem ausgewaschenen Keupergebiet Cann- statt-Marbach- Vaihingen , das jetzt nur noch die Lettenkohle zeigt, aber rings umgeben von Keuperniederschlägen, selbst ohne die Zeugen des Aspergs und des Lembergs bei Alfalterbach ge- wiss allgemein als einst mit Keuper bedeckt angesehen wird. Von vielen zu Gebot stehenden Beispielen sei hier nur noch der Hohenstaufen angeführt. Die Spitze des Berges bildet die Grenzbank zwischen dem ß und y des weissen Juras; die unter- liegenden Schichten finden sich in regelmässiger Aufeinanderfolge über einander gebaut und es ist nicht das mindeste Zeichen zu finden, das dazu berechtigen würde, eine durchlaufende Ablage- rung der Schichten des weissen Jura vom Körper der Alb bis auf die Staufenspitze zu bezweifeln. Die Schichten des Stau- fens standen also mit denen der Albkette einst in ununterbroche- nem Zusammenhange. Aber auch seitwärts mussten sich noch weit in das Land hinaus die Bänke des weissen Juras abgela- gert haben; auf den Stubensandstein von Haitis hinüber haben wir von der Spitze des Berges nur 5000 Fuss, d. h. ^3 so weit * Fraas, Württ. naturw. Jahreshefte XIV. S. 331. ** Deffner und Fraas , die Juraversenkung bei Langenbrücken. Neues Jahrb. für Mineral. 1859. - 208 - als auf die Lacunosenbänke des Rechbergs und bei dem ruhigen Charakter, den alle unsere jurassischen Ablagerungen zeigen, ist es einleuchtend, dass dieselben nicht mit dem Rande des Hohenstaufen aufhören konnten, sondern dass auch die jetzigen Keuper- und Liasflächen von Haitis und Waeschenbeuren weit hinein noch braunen und weissen Jura getragen haben müssen. Wer daran zw^eifeln wollte, dem mag der Verbindungsgrat des Hohenstaufen mit dem Rechberg, der Aasrücken, zeigen, wie die Denudation auf dieser Verbindungslinie zwar weniger stark als rechts und links aber desto unbestreitbarer gewirkt hat. Dieser 1^/2 Stunden lange Gebirgsrücken zeigt heute nur noch die Personatensandsteine des braunen Jura ß, während an seinen beiden Enden der Hohenstaufen und der Rechberg sich bis in den mittleren weissen Jura erheben. Ja, der von der Spitze des Staufens herabgefallene Trümmerhaufen, die Spielburg, zeigt unwiderleglich, dass auch die obere Etage des d und des s hier noch abgelagert war. Zu welchen ausserordenthchen Mitteln^ zu welch' unerklärlichen Ausnahmezuständen müsste der Geologe greifen, welcher das einstige Vorhandensein sämmtlicher Schichten des weissen Juras auf dem Aasrücken bestreiten wollte! Eine Denudation aber von den harten Marmoren des weissen «, bis hinab auf die Personatensandsteine, oder gar wie bei Haitis bis auf die Angulatensandsteine, der man am Staufen nun einmal nicht ausweichen kann, beträgt das drei- und vierfache der von den Fildern weggeräumten Schichten. Aber, wirft man ein, der Fall mit den Fildern ist ein ganz anderer, als der am Staufen. Das allmälige Einschneiden der Wasserrinnen und Bachrisse in die vertikale Aufeinanderfolge der Gebirgsschichten , und die hiedurch hervorgerufene Fortführung von Gebirgstheilen ist so am Tage liegend , dass an dieser Art der Abwaschung, der Erosion im engeren Sinne des Worts, Nie- mand zweifeln kann. Durch die Erosion allein aber könnte sich das heutige Rehef unseres Landes nie gebildet haben; es vermöchte überall nur abgerundete Hügel oder schmale rippen- artige Bergzüge wie den Aasrücken und keineswegs jene Flächen zu zeigen , welche bald von grösserem bald von geringerem - 209 - Umfange das Charakteristische der schwäbischen Stufenlandschaft bilden. Was sind nun die Bedingungen, unter welchen die Atmosphärilien solche Flächen und nicht blos runde Bergkuppen herstellen? Mit andern Worten und dem Sprachgebrauch folgend, wann macht sich neben der vertikalen Erosion auch die hori- zontale Denudation geltend? Sehen wir uns zu Beantwortung dieser Frage erst nach den vorhandenen Flächenbildungen um, so fällt zunächst auf, dass dieselben immer nur in bestimmten geognostischen Hori- zonten auftreten, und demnach wesentlich an bestimmte petro- graphische Eigenschaften der Schichten gebunden sind. Tu un- serem Lande finden wir drei Formationsglieder, welche vorzugs- weise Flächenbildung zeigen. Es sind dies die Posidonienschiefer des oberen, die Angulatensandsteine des unteren Lias und die Dolomite des Muschelkalks. Andere, wie z. B. der Stubensand- stein und der Bonebedsandstein zeigen diese Eigenschaft nicht so ausgesprochen und nur unter besonderen Umständen. Bei den genannten drei Flächenbildnern treffen nun übereinstimmend zwei besondere Umstände ein, welche ihnen die bezeichnete Eigenschaft verleihen; und zwar erstens, dass sie selber eine ausgezeichnete Widerstandsfähigkeit gegen die Angriffe der Atmosphärilien besitzen, und zweitens, dass die auf ihnen ruhenden Gebirgsschichten umgekehrt zu den allerverwaschbarsten gehören, welche wir ira Lande aufzuweisen haben. Denkt man sich aber zwei in ihrer Widerstandsfähigkeit ge^en die AtmosphäriHen extrem verschiedene Schichten den abwaschenden Agentien ausgesetzt, so wird die obere weiche schon längst wie mit einem feuchten Schwämme weggewischt sein, während die untere dauerhafte noch vollständig erhalten ist; die letztere wird also blossgelegt werden und wenn sie horizontal und eben gelagert ist, als Fläche erscheinen. Es ist demnach die Differenz der Widerstandskräfte gegen Ab- waschung zweier auf einander folgenden Schichtenkomplexe, welche die Denudationsebene hervorruft, je grösser diese Differenz, desto breiter wird die daraus hervorgehende Ebene sein. Dieses Verhältniss trifft nun allein bei den genannten drei WQrttemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 23 Heft. 14 - 210 - Flächenbildnern unseres Landes in genügendem Maasse zu. Die Widerstandsfähigkeit der Posidonienschiefer gegen Abflössung ist bekannt und mag sich theils auf ihren grossen Bitumengehalt, tlieils auf das dicht gepackte horizontale Gefüge ihrer feinen Blätter gründen , vermöge dessen sie sowohl dem lockernden JFroste als auch besonders den kohlensäurehaltigen Sickerwassern länger als ihre Bedeckung Widerstand zu leisten vermögen. Diese Bedeckung besteht aber aus den höchst angreifbaren Thonletten der Jurensismergel und der Opalinusthone von einer mehrere hundert Fusse betragenden Mächtigkeit. Die wenigen dazwischenliegenden Kalkbänkchen halten die schnelle Abflössung der leicht verwitternden Lettenmasse nicht auf, da sie bei ihrer geodenartigen Bildung leicht in Stücke auseinanderfallen, und dadurch den zerstörenden Atmosphärilien überall den Zugang zu den unterliegenden Schichten gestatten, auf welchen sie selber noch länger als zusammenhangslose Reste herumliegen mid der Zerstörung trotzen. Bei der leichten Verwaschbarkeit dieser mächtigen Thonbildung wird also mit der Zeit nothwendig ein grosser Theil des ehemaligen Opalinusgebietes in den Gewässern bereits weggeführt sein, w^ährend die unterliegenden Posidonien- schiefer dieser rückgängigen Bewegung weit langsamer folgen. Wenn aber jene Decke schneller zurückgeht als ihre Unterlage^ so müssen wir als Resultat unsere heutigen Posidonienflächen erhalten wie sie gegen die Mitte hin noch Reste der Jurensis- mergel und unkenntliche verwitterte Opalinusthone tragen, die als fette Sandletten sich von der angebauten Posidonienfläche in nassen waldigen Hügeln abheben. So sind unsere bekanntesten Posidonienfiächen beschaffen, wie sie in der Göppinger und Kirchheimer Gegend, am ausgesprochensten wohl aber auf dem schönen Plateau sich zeigen , das sich von Schömberg über Dormettingen und den kleinen Heuberg in einer Längenaus- dehnung von 3 Stunden bis gegen Balingen hin zieht. An den eingefressenen Buchten von Erzingen, Geisslingen und Schömberg ist aber zu erkennen , dass wenn die abwaschende Wirkung der Atmosphärilien auf die Oberfläche der Posidonienschiefer auch eine verhältnissmässig langsame ist, die Erosion dagegen - 211 - die weiche Unterlage der Amaltheenthone zum Angriff benützt und scharfe Zähne in ihre Seiten zu schlagen vermag, mit denen sie ein Stück nach dem andern abreisst und dem Meere zuführt. Noch weit ausgedehntere Flächen als die Posidonienschiefer bildet die zweite der angeführten Schichtenlagen, nämlich der untere *Lias «, und diese grössere Ausdehnung der Alphafelder ist auch hier wie vorhin ein nothwendiges Ergebniss der un- gleichen Entblössung zweier über einander folgender Gebirgs- glieder. Es wiederholt sich hier dieselbe Reihenfolge petro- graphisch verschiedener Ablagerungen. Auch hier liegen die verwitterbarsten und weichsten Schichten, die Amaltheen- und Turnerithone und die Kalkmergel der Terebr. numismalis , auf einer widerstandsfähigen Unterlage. Die leichte Verwaschbarkeit jener weichen Bedeckung geht schon daraus hervor, dass sie sich nie weit von dem oberen Rande der Posidonienschiefer ent- fernt , weil der Zerstörung der schützenden Posidoniendecke unmittelbar auch die ihrige nachfolgt. AYo diese Gebilde dennoch in einer grösseren Entfernung vom Posidonienrande vorkommen, da kann man sicher darauf rechnen, dass sie an irgend einer Dislocationsspalte liegen, wo sie gegen den allseitigen Angriff der Atmosphärilien besser gedeckt, sich in klein zusammenge- schrumpften Resten bis auf unsere Tage hinzuhalten vermochten» Unter diesen verwaschbaren Schichten bieten dann erst wieder die dichten gepackten Bänke des Lias a der Abflössung einen kräftigen Widerstand, so dass auf dessen breiter Fläche die weicheren Gebilde schon weit hinein spurlos verschwunden sein werden, ehe die erstere selbst angegriffen wird. Und selbst dieser Angriff gegen die Alphaflächen geschieht mehr durch einnagende Erosionsgewässer als durch eine flächenabtragende Denudation. Die breit vorgeschobene Ebene löst sich allmählig ni eine weit hinausreichende Kuppenzone von hügeligen Vor- posten auf, die man eigentlich richtiger Nachzügler nennen könnte und welche mit dünner und dünner werdenden Kappen der früheren mächtigen Liasbedeckung bekrönt, als letzte Nach- hut des verlorenen weiten Liasfeldes im fruchtlosen Kampf gegen die Elemente mehr und mehr zusammenschmelzen. Die obersten - 212 - Schichten des Alpha sind zwar zu einem Widerstände noch nicht geeignet, sie verschwinden deshalb auch beinahe gleichzeitig mit dem auf ihnen ruhenden Thonlettengebirge. Aber schon die Arietenkalke finden in ihrer grösseren Mächtigkeit und der ge- drängteren Packung der einzelnen Kalkbänke die Mittel zu grösserem Widerstände. Doch zeigt ihr beschränktes Verbrei- tungsgebiet, dass auch sie nicht dazu geschaffen sind, sich lange genug zu erhalten, um zu grossen Denudationsflächen heran- wachsen zu können. Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist das grosse Liasplateau zwischen Balingen, Rosenfeld und Neukirch bei Schömberg, dessen Grundlage gerade diese Kalkbänke bilden. * Wie schmal bleibt auf jenem grossen Räume die wirkliche von jüngeren Schichten ganz entblösste Arietenplatte. Wie oft tritt auf ihr der mittlere Lias noch hart bis an den Rand zum entblössten Keupergebiet heran und was will die Ausdehnung der Alphaflächen dieser Gegend gegen die des Ge- biets zwischen Tübingen und Stuttgart und gegen den bekannten Liasteppich des Welzheimer- und Schurwalds sowie der Löwen- steiner Kuppenzone sagen? Der Grund dieser geringen Entwick- lung liegt zweifelsohne darin, dass die Arietenbänke immer noch nicht lange genug der Auflösung zu widerstehen vermögen , um ihre Fläche eine grössere Ausbreitung gewinnen zu lassen. Denn der grosse Flächenbildner des Lias ist der Angulatensand- stein (Malm) und nicht der Arietenkalk, dies geht aus der Malmdecke der • oben genannten grossen Liasfiächen ganz un- zweifelhaft hervor. Auch die Posidonienschiefer übertrifft er noch weit an fiächenbildender Widerstandsfähigkeit und seine Bänke sind es, welche überall, wo sie nur in genügender Mäch- tigkeit entwickelt sind, der chemischen Auflösung und der mechanischen Abfiössung einen so wirksamen Widerstand ent- gegenzusetzen vermögen, dass ihre Plateaus zu den ausgedehn- testen des Landes gehören. Aber gerade dieser flächenbildende * Die näheren Notizen über diese Gegend verdanke ich Herrn Prof. Fraas, der mir auch seine geognostische Aufnahme derselben bereitwilligst zur Benütznng überliess. - 213 - Malm ist im Balinger Lias nur in geringer Mächtigkeit ausge- bildet, so dass er nach Entfernung der Kalkbänke bald der unterwaschenden Erosion anheimfällt und nicht im Stande ist, die unterliegenden Thone, und damit sich selbst, vor schneller Zerstörung zu schützen. Die dritte Flächenbildung endlich findet auf den Dolomiten der Lettenkohle und des Muschelkalkes statt. Meine Detail- beobachtungen erstrecken sich zwar in jenem Gebiete nicht so weit, dass ich mich berechtigt glauben könnte, auf die Einzeln- heiten der dort stattfindenden Vorgänge einzugehen, jedenfalls aber ist soviel sicher, dass auf der schwer zerstörbaren Unter- lage mächtiger Dolomite die weichen Gypsletten des Keupers in mächtiger Entwickelung liegen und wir deshalb demselben Schauspiel wie oben begegnen, dass die rückgängige Bewegung des Dolomitrandes eine weit langsamere ist, als die der Keuper- mergel und somit zwischen beiden Rändern eine breite Letten- kohlenfläche zum Vorschein kommen muss. Gewiss ist der in Vorstehendem nur kurz berührte Ab- schnitt über die Entstehungsweise der Denudationsflächen einer der interessantesten in dem grossen Kapitel, welches von dem Abbruch der Erdrinde handelt und es darf bei der schwachen Bearbeitung, welche dieses Feld bis jetzt noch gefunden hat, wohl darauf hingewiesen werden, wie ohne eine volle Würdigung dieser Verhältnisse ein richtiger Einblick in die geologischen Verhältnisse mancher Gegenden zur Unmöglichkeit wird. Zum Studium der Abwaschungserscheinungen möchte aber kein Gebiet günstigere Verhältnisse bieten , als gerade unser schwäbisches Stufenland , dessen regelmässige Lagerungsweise die Wirkungen der Denudation in den bekannten Formationstreppen so deutlich hervortreten lässt. Wenn nun aber eine fortwährende Abwaschung der Schichten stattfindet, wenn ferner eine solche Abwaschung bestanden hat, so lange es Regen gibt, wenn hieraus ferner folgt, dass dieser Prozess im Verlaufe geologischer Zeiträume Schichtenentblös- sungen zu Werke gebracht haben muss, deren Dimensionen nicht unbemerkt bleiben können, so wird der erklärende Geognost — 214 - in jeder Gegend, mit deren geologischer Genesis er zu thim hat, sich zu fragen haben, welche Schichten er bei seiner Er- klärungsweise in Bereitschaft habe^ um sie der seit der Bildung des trockenen Landes statt gehabten Denudation zum Opfer zu bringen. Im vorliegenden Falle hat aber die Inselhypothese hiefür nichts reservirt. Ihr gemäss miisste der Regen seit der Emersion unseres Landes aus dem Meere spurlos über die Filder weggegangen sein, denn nach dieser Ansicht ist nichts oder wenigstens beinahe Nichts vom Filderbuden w^eggekommen. Und doch haben allein während der Diluvialzeit die Cannstadter Quellen 70 Fuss hohe Bänke am Rande ihres Bassins aufgebaut, um nicht zu reden von den Ablagerungen der Kreide- und Tertiärzeit; und während dieser Perioden sollte auf den Fildern nicht auch etwas vom Schichtenbau abgebrochen worden sein? Aussei ihrer allgemeinen Begründung, welche die Denu- dationshypothese hiemit abschliessen zu dürfen glaubt, liegt ihr aber noch die Beantwortung einiger speciellen Einwendungen ob , die gemacht worden sind. Es ist besonders eingeworfen worden , dass sich nirgends mehr Reste oder Trümmer der früher vorhandenen Schichten finden, während doch namenthch die harten Arietenkalke so widerstandsfähige Gebilde seien , dass die Zerstörung so ausge- dehnter Bänke wohl auch entsprechende Massen von Geschieben und Trümmern hätte zur Folge haben sollen. Was zunächst die Bildung von grösseren Geschiebmassen anbelangt, so setzt diese grössere Fluthen voraus, deren An- nahme die Denudationshypothese dahin gestellt sein lässt. Wenn nun auch solche wirklich stattgefunden haben, so waren die in Rede stehenden Schichten, mit Ausnahme der Arietenkalke nicht zur Geschiebebildung geeignet. Die härteren Bänke in diesem Thongebirge zerfallen im Wasser auf kürzestem Wege und was das Wasser nicht zerstört, das nimmt der Frost vollends in kurzer Zeit. Wir sehen deshalb aus diesem ganzen Schichten- komplex auch keinen einzigen Baustein im Freien verwendet, und es bleiben nur die Arietenkalke übrig, welche in dem noch nicht nachgewiesenen Falle grösserer Fluthen etwa Anhäufungen - 215 - von Geschieben hätten bilden können. Wir haben aber oben gesehen, dass nichts leichter verschwindet als kohlensaurer Kalk, indem er von der Kohlensäure der vermodernden Pflanzendecke aufgelöst wird. Es müssten deshalb die Kalkgeschiebe ebenso- gut, wie häufig die Arietenbänke selbst, auf diesem Wege ver- schwunden sein, wenn sie überhaupt je existirt haben. Aber, wird eingeworfen, wenn auch nicht in der Form von Geschieben, so dürften sich doch noch da und dort kleine Reste der alten Liasdecke in anders geformten Trümmern erhalten haben und Herr Dr. Baur * begründet dieses Postulat durch die merkwürdigen Liasreste, welche er auf dem ausgedehnten Keupergebiete zwischen Böblingen, Rohr und Mussberg nach- gewiesen hat. Er führt diese Stellen als Beweis dafür an, dass zwar allerdings jene waldigen Höhen des Stubensandsteins einst alle mit Lias bedeckt waren, dass aber solche frühere Be- deckungen nicht so gänzlich verschwinden können, ohne Reste ihrer Gesteine zurückzulassen. Man könnte hierauf einfach erwiedern, dass, wenn ein be- stimmter Zeitraum die Entfernung der gesammten ehemaligen Liasdecke mit alleiniger Ausnahme jener Reste bewerkstelligen konnte , nur ein längerer Zeitraum oder günstigere Umstände vorausgesetzt zu werden brauchen, um auch das Verschwinden solcher letzten Zeugen an andern Orten mit mathematischer Nothwendigkeit erfolgen zu lassen. Die von Herrn Baur auf- gefundenen Liasreste gestatten jedoch noch eine andere direkte Beweisführung gegen das von ihm aufgestellte Postulat. Hiezu wird in erster Linie nöthig sein , die Thatsachen an der Hand genauer Beobachtungen festzustellen und zu untersuchen, an welche Bedingungen das Auftreten dieser merkwürdigen Nach- zügler geknüpft ist, welche in der That von hohem Interesse für die geologischen Verhältnisse jener Gegend sind. Was zunächst die Stelle am rothen Steigle betrifft, so liegt dort eine regelmässige Ablagerung zusammenhängender Bänke. Seitlich im Walde, am Fusswege über „den Plan" lassen sich, * 1. c. S. 280. - 216 - soweit die Waldbedeckung eine Beobachtung erlaubt, in gleichem Niveau, horizontal neben einander gelegt von Ost nach West erkennen: zu unterst der Stubensandstein, dann die obersten Keupermergel , die Psilonotenkalke, mächtig entwickelte Thone, nach welchen der Mahn sich einstellt und endlich noch blaue Kalke, wahrscheinlich aus dem Horizont des Riesenan'gulaten. Letztere Bank zeigt im AVege nach dem rothen Steigle sehr deutlich ein Einfallen von 20^ nach S. 22 W. (h. 1^2); d. h. genau rechtwinklig auf die Thalmulde, welche neben dem Plan herauf sich gegen die alte Stuttgarter Strasse hin zieht. Ver- folgt man die Ausdehnung dieser Liasablagerung weiter, so findet man sie in einem ununterbrochenen, durch viele alte Steinbrüche in den Angulatensandsteinen bezeichneten Zuge iu einer Länge von 3600 und einer mittleren Breite von 700 Fuss bis an den Hügel, über welchen die alte Foststrasse von Böb- lingen herabzieht. Dort hindert die Waldbedeckung alle Ge- steinsbeobachtung und nur an der untern Spitze dieses Hügels lässt sich eine sehr mächtige Lehmbildung erkennen. Die Bänke dieser Liasablagerung sind zwar stellenweise stark zerklüftet und wie wir gesehen haben, ziemlich geneigt, allein ihr Zu- sammenhang und ihre regelmässige Aufeinanderfolge ist überall noch vorhanden, sie bilden nicht einen Schutthaufen unordent- hcher Trümmer, sondern einen regelmässig eingesunkenen, beim Sinken, wie dies so häufig an anderen Dislocationsspalten be- obachtet werden kann, etwas gequetschten Schichtenkomplex. Geht man im Streichen dieses Liaszuges N. 75 W (h. 7) weiter, so gelangt man jenseits der alten Böblinger Poststrasse direkt in die Finstermünz , einen im AValde versteckten längst ver- lassenen Liasbruch. So weit eine Schichtenbeobachtung an den meist verstürzten Wänden noch möglich ist, so liegen die Schichten hier vollständig horizontal und zwar zu oberst die lichten Kalkmergelbänke des Pentacr. tuherc. darunter die Monotisschiefer voll Seegras; etwa 15 — 20 Fuss tiefer sehen unter dem Haldenschutt abermals horizontal gelagerte blaue Thone hervor, unterteuft von einer Kalkbank mit Arcuaten und dem Malmpentacriniten j es dürfte die Pviesenangulatenbank sein. - 217 - Die Bänke sind nicht zerrissen, sondern fest geschlossen und regelmässig gelagert. Ob hier noch tiefere Schichten als die Arietenkalke im Abbau begriffen waren, ist schwer zu bestimmen, Am. angulatus findet sich zwar häufig, aber immer in Geoden, vollgespickt mit Austernschalen. Modiola , geschwänzte, lobate und ovale Nuculen, gestreifte Terebrateln, Cucullaeen, Astarte pusilla, 2 — 3 kleine Gasteropoden und eine Unzahl kleiner unbestimmbarer Bivalven Hegen in den Geoden eingewickelt bei einander und bis 1 Zoll grosse flache Pecten wittern aus den Thonen. Nach diesen Funden ist es sicher, dass wir uns in dem Horizonte befinden, den Quenstedt das Vaihinger Nest nennt und welcher die Region zwischen den ächten Arieten- schichten und der Riesenangulatenbank einnimmt. Von Angu- latensandsteinen sind nirgends Spuren zu treffen, diese finden sich erst im weiteren Streichen dieses schmalen Liaszugs. Zu- nächst der Finstermünz verbietet zwar das sumpfige mit jungen Tannen dicht bestockte Waldthal jede weitere Verfolgung der Schichten, aber man braucht nur immer im Streichen des bis- herigen Liaszuges fortzugehen und man findet gleich vorne an der neuen Poststrasse nach Stuttgart, wo dieselbe den Wald betritt, liasische Thone durch den Strassenbau blossgelegt, welche sich in scharf markirtem Waldhügel bis an die Wiesenfläche des Eschenbrünnles erstrecken. Alte Steinbrüche am Waldrande lassen erkennen, dass hier die Angulatensandsteine und die darunter folgenden Schichten anstehen, welche alle horizontal gelagert überall den festen Zusammenhang einer regelmässig anstehenden Liasablagerung zeigen. Dieser letzte Punkt schneidet im Niveau der unteren Gypsmergel des Keupers ab und ist an beiden Seiten von Stubensandstein begleitet, welcher an einzelnen Stellen ein Einfallen gegen die Liaszunge hin erkennen lässt, anderwärts aber wieder horizontal zu liegen scheint. Aus den mitgetheilten Thatsachen dürfte zur Genüge her- vorgehen, dass man es bei diesem Liaszuge nicht mit einer Anhäufung von Trümmern oder Geschieben zu thun hat, welche durch Gewässer von verschiedenen Punkten hier zusammenge- tragen wären; ebensowenig mit verstürzten, zusammenhangslos — 218 - durcheinander geworfenen Gesteinstrümmern, sondern mit einer wohlgeordneten, beinahe noch überall regelmässig geschichteten Ablagerung, welche eigentlich nur an dem Niveau, in dem wir sie heute treffen, erkennen lässt, dass sie eine Dislocation von mehreren 100 Fuss erfahren hat. Abgerissen von der früheren normalen Liasbedeckung dieses ganzen Keupergebiets , welche jetzt bis auf diesen verstürzten Rest spurlos verschwunden ist, zeigt der letztere in einer Breite von 700 und einer Länge von 11,000 Fuss eine von Ost nach West sich immer tiefer neigende Einsenkung der Liasbänke, indem sie allmählig den Horizont sämmtücher Keuperschichten vom Stubensandstein an bis zum Gypsmergel herab durchschneiden. Es ist hier wohl keine andere Erklärung möghch, als die vom Grafen Mandelsloh zur Erklärung der Bebenhauser Verhältnisse aufgestellte, dass nämlich die Liasschichten in eine schmal sich öffnende Spalte des Keupers einsanken und auf diese Weise ein Theil der alten Liasdecke in ein Niveau versetzt wurde, w^o es länger als auf den Höhen den zerstörenden Einflüssen Widerstand leisten konnte. Herr Dr. Baur hat noch eine zweite Parthie solcher Lias- reste gefunden} dieselbe findet sich, ebenfalls in langer gerader Linie gereiht, in dem Sulzbachthale, welches die Stubensand- steinfläche von Schönaich von dem Liaszuge des Hohenwart bei Steinenbronn trennt. Auch in diesem Falle sind es nicht einzelne Gesteinsbrocken, welche sporadisch auf dem Stubensand- gebiete herumliegen, sondern wohlerhaltene Schichtenkomplexe von regelmässig auf einander folgenden Bänken, die sich in einer Länge von 7000 Fuss in einzelnen Abtheilungen von Zeit zu Zeit vorfinden. Ob es ein zusammenhängender Zug oder nur einzelne grössere in dieser Reihe geordnete Liasparthieen sind, welche hier die rechte Seite des Sulzbachthales bilden, kann wegen der dichten AValdbedeckung nicht entschieden werden. Dass man es aber auch hier mit Resten zu thun hat, welche nur durch aussergewöhnliche Umstände der Abwaschung ent- gangen sein können, geht schon daraus hervor, dass es nicht allein feste Kalk- und Sandsteinbänke sind, welche sich hier noch wohlerhalten vorfinden, sondern dass die bei weitem grössere - 219 - Masse der erhaltenen Liasreste aus wohlgeschichteten bröckeligen Thonen dieser Formation besteht, welche unter gewöhnlichen Umständen langst hätten der Zerstörung anheim gefallen sein müssen. Dies zeigt sich besonders in dem Steinbruche, welcher am äussersten Punkte dieses Liaszuges am Fusswege von Schön- aich nach Mussberg in den obersten Malmschichten angelegt ist. Diese haben hier noch ihren ganzen Kalkgehalt konservirt und bilden noch dunkelblaue Sandkalke, zum deutlichen Beweise, dass sie hier in einer Lage sich befinden , in welcher sie den zerstörenden Einflüssen der Atmosphärilien lange Zeit entzogen waren. Auf diesen Bänken folgen dann regelmässig mächtige Thone, welche wieder von Arietenkalken bis zu deren Belem- nitenschichten und Tuberculatusbänken hin überlagert werden. Nimmt man zu all diesen Anzeichen noch in Rechnung, dass imser Liaszug einerseits parallel mit dem vorhin beschriebenen Zuge der Finstermünz läuft, andererseits in der Fortsetzung einer deutlichen Verwerfungsspalte liegt, welche durch das Dorf Steinenbronn zieht und oberhalb der Bachmühle (unterhalb Wal- denbuch) in das Aichthal mündet, so ist auch hier kein Zweifel mehr, dass diese Liasreste in einer Yerwerfungsspalte einge- klemmt sind, wo sie gegen die Abwaschung einen länger dauern- den Schutz fanden. Andere derartige Liasreste sind bis jetzt nicht bekannt, dürften aber auf dem von Spalten nach allen Seiten durchzoge- nen Gebiete zwischen Böblingen und Rohr sich wohl noch finden lassen. Man darf aber nach dem bis jetzt Bekannten schon, heute die feste Ueberzeugung hegen, dass alle solche Reste, welche noch aufgefunden werden sollten, mit der Spaltenbildung zusammenhängen und memals den Charakter von lose zerstreu- ten, durch Fluthen zusammen getragenen Gesteinsresten tragen werden. Es wäre sonst auch schwer zu begreifen, warum in andern Gebieten z. B. dem Schurwald oder dem Mainhardter Wald sich nicht ebenfalls solche Liasreste in ähnlicher Weise finden sollten. Dort aber kennt man bis jetzt keinen einzigen derarti- gen Punkt, wenigstens nicht, so weit jene Gegenden eine unge- störte Lagerungsweise zeigen und frei von allen Dislocations- — 220 - spalten sich erweisen. Erst da, wo der Scliurwald bei dem Kloster Adelberg an die tiefe Verwerfung , welche den Hohen- staufenzug begleitet, herantritt, taucht auch die Erscheinung sol- cher Spalteneinklemmungen wieder auf, wovon die Gegend von Unterbergen, Adelberg, Zell und Rechberghausen mehrfaclie Bei- spiele Hefert. Aus der Untersuchung des Böblinger Waldgebietes geht also hervor, dass dasselbe früher mit Lias bedeckt war, während es auf den Höhen heute nur noch Keuper zeigt, dass sich ferner unter gewöhnlichen Umständen nirgends mehr Trümmerreste dieser Liasbänke nachweisen lassen und endlich, dass nur an solchen Stellen, wo Dislokationen der früheren Liasdecke statt- gefunden haben, noch Reste derselben in einem Niveau gefunden werden, in welches sie erst nach ihrer Ablagerung gelangt wa- ren. Daraus ergibt sich aber noch weiter, dass solche dislocirte Gebirgsstücke weit länger conservirt bleiben, als an ihrem ur- sprünghchen Lagerungsorte, und damit gelangen wir gerade zu demselben Endresultate, welches die Denudationshypothese auch bei den jüngeren Liasresten an den Dlslocationsspalten der Filder und des Schurwalds gefunden hat. Die Verhältnisse des Böb- linger Waldgebietes beweisen also nicht gegen, sondern für diese Erklärungsweise. Hiemit dürfte auch die Denudationshypothese ihre Verthei- digung gegen die ihr entgegen gehaltenen Einwürfe beendigen und zum Schlüsse derselben nur noch hervorheben , dass die Erklärung der beobachteten Thatsachen auf diesem Wege nicht nur weit einfacher, als auf dem der Inselhypothese sich gestaltet, sondern dass das Einzelne des Hergangs auch weit vollständiger und lückenfreier konstruirt werden kann. Die Schwierigkeiten der Erklärung treten mit der Annahme der allgemeinen Grund- lage der Inselhypothese erst recjit hervor, während die prinzi- pielle Annahme einer starken Denudation nur wenige untergeord- nete Fragen offen lässt. Uebrigens möge noch die Bemerkung eine Stelle finden, dass der im Vorhergehenden versuchte Beweis, die Zeit der Senkung eines Gebietes erst nach der Ablagerung der auf dem - 221 - gesunkenen Theile vorkommenden Schichten zu statuiren, nicht allein für das hier im Einzelnen behandelte Gebiet gilt, sondern caeteris paribus für alle diejenigen Senkungsgebiete, deren Schichten keine Strandbildungen aufzuweisen vermögen. Es ist nicht eine lokale , sondern eine Prinzipienfrage der Geologie, welche hier zur Entscheidung vorliegt, und von dieser Entschei- dung wird die genetische Erklärung einer Reihe von anderen Thatsachen abhängen, welche je nach der einen oder andern Anschauungsweise in sehr verschiedenem Sinne gedeutet werden müssten. So lässt sich z. B. ganz in derselben Weise, wie für die Filder, auch für das Rheinthal zwischen Schwarzwald und Vogesen der Nachweis führen, dass die Annahme einer Hebung dieser beiden Gebirge auf parallelen Spalten verlassen werden muss, dass vielmehr das Rheinthal zwischen den stehen gebhe- benen Wänden dieser beiden Gebirge eingesunken ist, dass diese Einsenkung na c h Ablagerung des ganzen Jura aber vor Abla- gerung der Tertiärgebilde des Rheinthaies geschah , und dass ferner die Höhen des Schwarzwaldes und der Vogesen ursprüng- hch alle Schichten der Trias und des Jura bis zum Ilauptrogen- stein hinauf getragen haben müssen. Alles das ergiebt sich mit logischer Nothwendigkeit aus der von allen Beobachtern über- einstimmend berichteten Thatsache, dass die im Rheinthal hüben und drüben angelagerten Gebilde der Trias und des Jura sich von den gleichnamigen Schichten des lothringer oder schwäbi- schen Beckens weder petrographisch noch paläontologisch in belangreicher Weise unterscheiden, keinen Falls aber den Cha- rakter von üferbildungen zeigen, den sie nach der obigen An- schauungsweise haben müssten. Der Strand-Charakter tritt dort erst in den Ablagerungen des Tertiärmeeres auf und zwar hier gleich zu Unterst in kolossalen Geschiebebildungen sämmtlicher noch im Rheinthal vorhandener vortertiärer Gesteine. Erst das Tertiärmeer bildete demnach einen alsatischen Golf zwischen den Wänden der Vogesen und des Schwarzwaldes^ nimmermehr aber die älteren Meere der Trias und des Jura, deren Spiegel vielmehr hoch über dem ungebrochenen Granitgewölbe dieses Gebietes lag. ' — 222 — Damit schliesse ich die Controverse über eine Frage, deren Lösung schon vor 27 Jahren auf dem hier verfochtenen Wege versucht worden war. Es ist das Verdienst des Grafen v. Man- delsloh, zuerst diesen Weg der Erklärung eingeschlagen zu haben, und wenn auch eine gültige Würdigung desselben lange Jahre verschoben werden konnte, so kann man doch jetzt, bei dem wachsenden Gewichte der sich sammelnden Thatsachen mit zu- versichtlicher Ruhe abwarten, bis seine Richtigkeit vollends zu allgemeiner Anerkennung gelangt sein wird. Die Lagerungsverhältnisse. In den voranstehenden Erörterungen über die Entstehungs- weise der Anomalien, welche sich in den Lagerungsverhältnissen des Gebietes zwischen Schönbuch und Schurwald zeigen, konnte eine Darstellung dieser Lagerungsweise selbst nur so weit Platz finden, als dies die Zwecke der Polemik nothwendig machten. Es wird daher zum Schlüsse noch eine gedrängte geologische Skizze dieses Gebiets folgen müssen, um den Gegenstand der vorstehenden Untersuchung selbst mehr im Zusammenhange dar- zustellen. Dabei übergehe ich als in der Hauptsache hinläng- lich bekannt, die Beschreibung der konstituirenden Formations- glieder und wende mich sogleich zu den Lagerungsverhältnissen derselben. Am besten wird man sich den geologischen Bau der bespro- chenen Gegend versinnlichen, wenn man sich denselben in der Form einer dreistufigen Treppe vorstellt, deren einzelne Abstu- fungen oder Terrassen einander in der Richtung von SW — NO. folgen und deren höchste aus dem schmalen Zug des Kirnbergs, des Brombergs und des Stunkerts * bei Bebenhausen besteht, * Bromberg wird in der Gegend allgemein der sowohl in der topo- graphischen als auch in der vierblättrigen (Mittnaeht'schen) General- karte von Württemberg als Eschach bezeichnete Bergzug genannt, und Stunkert heisse ich mit den Anwohnern und Forstmännern der Gegend die in der topogr. Karte von Württemberg (Blatt Böblingen) als Appelenshalde aufgeführte Hochfläche ; der Name Appelenshalde wird nur - 223 - die zweite aber das zerrissene Plateau von Holzgerlingen-Wald- dorf- Steinenbronn und Weidach bildet und die dritte niederste Stufe die Filder mit ihrer Appendix der Esslinger Berge in sich begreift. Jenseits der Filder tritt dann wieder eine Stufe höher die Schurwaldfläche auf, welche als zweite Treppe mit dem Holzgerlinger Plateau korrespondirt. Ob auch auf dieser Seite des Senkungsfeldes hinter der Schurwaldterrasse eine dritte höchste Stufe sich nachweisen lasse, ist nach dem heutigen Stande der Untersuchungen in jener Gegend nicht mit Sicherheit zu bestimmen; bis jetzt sind keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme gegeben, und es dürfte wohl mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen sein, dass nach jener Seite hin keine dritte Stufe im steilen Abfall einer Verwerfungskluft ausgeprägt ist. Jede der beiden unteren Terrassen wird nun gegen die an- liegende höhere durch einen sehr markirten , meist geradlinigen Steilrand abgegrenzt, welcher die Verwerfungsspalte , d. h. die Abbruchslinie der Schichten bezeichnet, bis zu welcher hin die untere Stufe je um 150 — 300 Fuss hinabgesunken ist. Was den Verlauf der sich auf diese Weise ergebenden drei Verwerfungsspalten anbelangt, so ist der Zug der östlichsten, der Schurwaldspalte, von Untertürkheim* hinter den Ess- linger Bergen her bis Plochingen schon früher ** genau ange- geben worden. Sie zieht in einer Länge von l'^'i geogr. Meilen dem Abhang des Stunkerts gegen den Goldersbach hin ertheilt. Im Uebrigen sind die Ortsnamen, welche in dieser Darstellung gebraucht werden, alle den Blättern Böblingen und Kirchheim der topographischen Karte von Württemberg entnommen. * Herr Dr. Baur zieht diese Spalte von Untertürkheim weiter nach Münster. Nach meinen Beobachtungen ist zwar eine Verwerfungslinie von der Station Zuffenhausen über die nördlichsten Häuser des Ortes weg bis in die Einbuchtung zwischen Schneckenberg und Steinhalde, Münster gegenüber, verfolgbar. Die Richtung dieser Spalte ist jedoch von der der Schurwaldspalte wesentlich verschieden, und ich ziehe vor, ehe erschöpfende Beobachtungen jene Verhältnisse aufgeklärt haben, die Schurwaldspalte und die Zuffenhauserspalte strenge zu trennen, und deshalb nur von einer Plochingen-Untertürkheimer Spalte zu reden. ** Würt. naturw. Jahresh. XI. pag. 24. — 224 - in beinahe ganz gerader Linie N. 52 W. (h. .8V2)* und ist bekanntlich von jüngeren Liasschichten , bei Kimmichsweiler selbst vom untersten braunen Jura, begleitet. Die zweite VerwerfungsHnie, die Filderspalte, ist erst- mals in der Nähe des Katzenbacher Hofs nachweisbar und geht in gerader Linie etwa ^/s Meilen lang N. 50 W. (h. 8^/3) bis an die alte Böblinger Poststrasse, wo sie an der Stelle ^ an welcher sie von der Verlängerung des Nesenbachthals geschnitten wird, in bemerkenswerther Weise plötzlich ein seitwärts springen- des Knie von etwa 1600 Fuss Länge bildet. Erst von hier an ist sie auch von jüngeren Juraschichten , zunächst von den Turnerithonen begleitet und verfolgt das vorige Streichen in schnurgerader Linie ^2 geogr. Meile weit bis gegen ünter- Aichen hin, wo sie zum zweitenmale seitwärts abweicht, dies- mal aber nur in einem weiten Bogen sich nach dem Fusse der Federlensmaad wendet und von da an in einer etwas undulirt erscheinenden Linie bis in das Rombachthal bei Bonlanden fort- läuft. In diesem Thale selbst kann ihr weiterer Zug bis Aich nicht direkt beobachtet werden; dass aber die Bewegung noch hier durchlief, das zeigt das alsbaldige Wiederauftreten der Spalte auf der rechten Thalseite der Aiha, wo sie gleich in dem untern Bette des Baierbachs von Belemniten führenden Thonen begleitet ist, welche sich auch jenseits des Galgenbergrückens am Abhänge gegen Neckarthailfingen hin unter mächtiger Lehm- decke und den Tuberculatusbänken aufgelagert einstellen. Auf ihrem Zuge über diesen Bergrücken schneidet sie die höhere Terrasse Schlaitdorf-Walddorf scharf gegen die tiefer liegende des Galgenbergs und Bauerwalds ab und weist dadurch die erstere unserer zweiten Plateaustufe, die letztere aber den Fildern zu. Mit der Erreichung des Neckarthals stirbt jedoch die Ver- werfung noch nicht ganz ab. Nachdem bei Neckarthailfingen die Tiiberculatusbänke des Lias a die Spalte fortwährend bis ins Neckarthal hinab in geneigter Lage begleitet haben, wo sie * Alle Kompassangaben sind auf den wahren Meridian reduzirt. - 225 - noch in der Thalsohle gebrochen wurden, steigen jenseits des Flusses die Angulatensandsteine wieder an der Thalwand hinauf und haben ganz unten, im Niveau des Stubensandsteins, wo der Thalabhang etwas zurückspringt, zu einem Steinbruch Veran- lassung gegeben. Die Sprunghöhe der Verwerfung nimmt je- doch auf dieser Seite des Neckars schnell ab; denn zwischen Altdorf und dem Nettelbach liegen an der Fortsetzung der Spalte die Numismaliskalke schon in gleichem Niveau mit den Arieten- schichten. und an der Stelle , wo die Spalte die Eisenbahn kreuzt, ist nur noch eine wenige Fuss betragende Einsenkung der Amaltheenthone in eine flache Numismalismulde zu erkennen. Von hier an weist die seitherige Spaltenrichtung in das Thal des Authmuthbaches gegen Tischardt hin, wo sich übrigens nirgends eine Dislocation mehr zeigt, und also nur noch eine Spaltung des Schichtenzusammenhanges stattgefunden haben könnte. Wer die Verfolgung dieser Spahenrichtung auf die Spitze treiben will, dem bieten sich nicht ganz ungegründete Anhalts- punkte: zunächst in der Richtung der oberen Neuffener Thnl- rinne, welche wieder genau im Streichen der Spalte liegt; so- dann aber namentlich in den weiten , ganz mit vulkanischem TutF ausgefüllten Klüften des mittleren weissen Jura, welchen man auf der Strasse nach Grabenstetten ganz oben am Felsrande der Alb begegnet. Das Streichen dieser mehr als 50 Fuss weiten Klüfte stimmt mit dem der Filderspalte überein und das ebenso gerichtete Einfallen der weissen Deltabänke an dieser Stelle dürfte wohl auch nicht alleinige Folge der Unterwaschung am Steilrande sein , sondern eher einer durchziehenden Spalte zugeschrieben werden. Allein wenn auch derartige Beziehungen für eine spätere Verknüpfung mit weiteren ludicieu nicht aus dem Auge zu ver- lieren sind, so dürfte es doch jetzt schon, ehe eine grössere Reihe ergänzender Beobachtimgen vorliegt, noch zu frühe sein, auf dieselben weitere Schlüsse gründen zu wollen und ich rechne deshalb als sicher nachgewiesen nur die Spalteuerstreckung vom Katzenbacher Hof an bis zur Eisenbahnlinie bei Grossbctt- Württemb. natnrw Jahreshefte. 18G1. 2s Heft. ^5 - 226 - lingen, wo die Verwerfung abstirbt, in einer Länge von 3^4= geogr. Meilen. Die Richtung der Spalte läuft im obern Vier- theil bis an das Knie bei ünteraichen N. 50 W. (h. 8^/3), die unteren ^,'4 derselben weichen etwas von dieser Richtung gegen Nord ab und streichen N. 42 W. Dass auch diese Spalte von Rohr bis Plattenhardt und von Aich bis Neckarthail- fingen von jüngeren Juraschichten begleitet wird, ist aus dem Vorhergehenden bekannt. Die dritte Spalte endlich, die Brombergspalte, trennt die höchste Terrasse von der zweiten und ist zuerst am Kaiser- busch bei Ehningen erkenntlich. Von dort zieht sie ins Würm- thal über die Hildrizhauser Mühle, am Fuss des Kirnbergs und Brombergs vorbei, schneidet den Bannwald und den Sauerschlatt zur zweiten Terrasse ab und erreicht am Fusse des Kohlhaus vorbei, über die nördliche Äeite der Weihersteig ziehend das Seebachthal bei Bebenhausen, wo sie abzusterben scheint, oder vielmehr in ihrer dislocirenden Wirkung von einer Querspalte abgelöst wird, von welcher später die Rede sein soll. Das Streichen dieser in einer auffallend geraden Linie ziehenden Spalte ist N. 50 W. (h. 8^/3), ihre Länge beträgt auf der ange- gebenen Strecke 1^/4 Meilen. Auch für die Fortsetzung dieser Spalte gegen das Neckarthal und weiterhin lassen sich passend auf einander laufende Bachrisse im Tiefenbach und längs des Echatzthales auffinden, ohne dass ich jedoch beim Mangel ge- nauerer Untersuchungen eine solche hier behaupten möchte. Jedenfalls aber hätte in diesem weiteren Verlauf, wenn er sich bestätigen sollte, die verwerfende Eigenschaft der Spalte durch- aus auft^ehört, und nur von dieser handelt es sich in dieser Darstellung. Eigenthümlicher Weise zeigt diese Spalte nirgends in ihrem Verlaufe jene jüngeren Liasgebilde, wie die beiden vorher be- schriebenen, sei es nun, dass vielleicht noch wenige Reste unter dem weit verbreiteten Schwemmland , welches den Fuss der Spaltenwand deckt, versteckt liegen, oder dass sie wirklich ganz fehlen. Als jüngstes Liasglied treffen wir nur noch vom Schaich- hof an bis in den Sauerschlatt die Oelschiefer und Tuberculatus- - 227 - schichten des Lias a, während jenseits des Schaichhofs sogar nur noch die Angulatensandsteine vorhanden sind. Offenbar hat auf dem höher gelegenen Plateau auch die Denudation stärker gewirkt als auf den tieferen Fildern. Noch muss eine besondere Erscheinung erwähnt werden, welche mit dieser Spalte verknüpft ist. Der Abhang des stehen gebliebenen Gebirgstheils lässt nämlich längs des Kirnbergs und Brombergs bis zum kleinen Goldersbach hin beinahe nirgends den inneren Kern jenes Bergzuges in Aufschlüssen erkennen. Er ist vielmehr ganz überschüttet mit den Resten zerbrochener Bänke des Bonebedsandsteins und des Lias a. Am deutlichsten sieht man diese Erscheinung auf dem „Markwege" von Altdorf auf den Eselstritt. Den ganzen Berg hinauf liegen dort zer- streute Gesteinsbrocken von allen Schichten des Lias a bis zur Grösse von 1 c' in einem sandigen steinigen Lehmboden, der nirgends den unterliegenden Stubensandstein zu Tage treten lässt. Auch die Thone, welche in dem unteren Lias a dieser Gegend eine so hervorragende Rolle spielen, finden sich noch in grösseren unverwaschenen Massen, wie sich in den kürzlich ausgeworfenen Entwässerungsgräben der Waldungen deutlich erkennen lässt. Die Erscheinung ist schwierig zu erklären und wenn nicht die Inselhypothese aus andern Gründen unhaltbar wäre, so wäre hier der Ort, wo sie in einer Ueberlagerung des Lias über den Keuper die einfachste Lösung dieser Verhältnisse zu geben vermöchte. Soll man ein Herabrutschen dieser Theile in der Weise annehmen, dass bei der Bildung der Verwerfungsspalte die weichen und sehr mächtigen Angulatenthone des stehen gebliebenen Theils am Rande der Kluft nachsanken? dann könnte aber hier nicht wohl eine vertikal stehende Spalte angenommen werden, sondern eine schiefe Neigung derselben vorauszusetzen sein, auf deren Ab- hang die sinkenden Reste zurückblieben. Meine seitherigen Beobachtungen genügen hier nicht, um eine hinreichend begrün- dete Erklärung daraus ableiten zu können; Hypothesen aber, welche nicht auf Beobachtungen fundirt werden können , helfen der Sache nichts. Bei Betrachtung der beiden treppenartig eingesunkenen - 228 - Terrassen wirft sich alsbald die Frage auf, ob das Senkiings- gebiet, welches in den bezeichneten Verwerfungsspalten seine scharf markirten Grenzen gegen Ost und West erhalten hat, auch gegen Nord und Süd in ähnlicher scharfer Weise abge- sclmitten ist, und ob sich demnach die Ausdehnung des Senkungs- feldes als ein nach allen Seiten bestimmt abgeschlossenes Ganzes angeben lässt. Diese Frage muss verneint werden und zwar iu positiver Weise, nicht als ob Beobachtungshindernisse den Nachweis jener Grenzen unmöglich machten, sondern es sind bestimmte Anhaltspunkte dafür vorhanden , dass solche scharfe Gränzen überhaupt nicht existiren. Es ist weder- gegen Norden ein bestimmter Anfang der Einsenkung der Schichten vorhanden, noch lässt sich gegen Süden irgendwo ein Ende des gesunkenen Terrains auffinden, die Schichten des Senkungsfeldes beginnen vielmehr im Norden alhnähhg sich zu neigen und behalten dieses südöstliche Fallen fortwährend bei , bis endlich der ganze Jura an der Donanlinie plötzUch unter dem oberschwäbischen Tertiär- gebilde verschwindet. Dies ist der allgemeine Charakter des Verlaufs unseres Sejikungsgebiets von NW. — SO.; im Einzelnen der Art und Weise aber, wie dessen einfallende Schichten die Neckarhnie von Norden her erreichen, zeigen die beiden gesun- kenen Terrassen ein sehr verschiedenes Verhalten. Was zunächst das Verhalten der unteren Terrasse, der F i l d e r betrifft, so ist ihr Gesammthabitus hinlänglich bekannt als der einer von NW. — - SO. sanftgeneigten Fläche; die sinkende Schichtendecke dieses Gebietes hat jedoch neben dieser allge- meinen Neigung noch da und dort besondere, enger begrenzte Einbrüche erlitten, welche ihm den Charakter eines vielfach ge- knickten Schollenlandes verleihen, wie dies schon weiter oben bemerkt wurde. Auch diese über das gesammte Senkungsgebiet zerstreuten kleineren Störungen scheinen, wie z. B. die Arieten- mulde des Hummelberges bei Plieningen und von NeUingen längs bestimmter Linien zu liegen, welche als wenig ausgesprochene Bruchspalten das Senkungsfeld durchziehen; als sicher bestimm- , ' - 229 - bar kann aber bis beute nur eine einzige solche Linie gelten und es muss abgewartet werden, ob weitere Detailbeobachtungen auch für die übrigen Einbrüche einen solchen Zusammenhang längs gewisser Richtungslinien nachweisen lassen.- Jene bis jetzt allein bestimmbare Spalte tritt zuerst in der Gegend von Echterdingen auf, wo anfänglich ihre sichere Traci- rung, ob gegen Leinfelden oder den Antenbrunnen hin, noch nicht gelungen ist. Von hier aus zieht sie südlich an Bern- hausen vorbei, wo sie sich in der Synklinen (d. h. von entgegen- gesetzten Seiten einander zufallenden) Schichtenneigung der Lias- bänke auf beiden Seiten des Baches zum erstenmale deutlich bloslegt. Der weitere Verlauf führt zwischen Ober- und Unter- sielmingen hindurch, über den „Horb und das obere und untere Thal" nach Unterensingen, wo sie an den nördlichsten Häusern des Orts das Neckarthal erreicht und eine der tiefsten Ein- senkungen der Schichten unseres Landes in der grossen Mulde von Köngen veranlasst, in welcher der Neckar bekanntlich sein Bett in die Turnerithone, vielleicht sogar in den Lias y eingraben konnte. Hier zeigt nun die Spalte auch das gewöhnliche Ver- halten unserer Dislocationslinien, indem längs des liasgekrönten Keuperbergs von Unterensingen dieselbe bedeckt ist mit lang- hinziehenden jüngeren Liasgliedern des /S und y. DiesQ nahezu diagonal über die Filder laufende Dislocation, welche bei weitem die bedeutendste Störung ihres Schichtenbaues verursacht hat, schneidet-jene S. westliche hochgelegene Ecke der Filder ab, auf welcher sich die Orte Obersielmingen , Harthausen und Wolf- schlugen niedergelassen haben und gegen welche der gegen 150 Fuss tiefer liegende Theil von Köngen, Neuhausen, Unter- sielmingen in deuthcher Neigung einfällt. So kommt es , dass in einem von Bebenhausen nach Plochingen gezogenen Profile sogar vier scharf markirte Terrassen: die Hochfläche des Brom- bergs, das Walddorfer Plateau, die Filder des Galgenbergs und die Köngener Mulde von VV. — 0. hinter einander auftreten. Wenn nun auch die am tiefsten gesunkenen Schichten der Köngener Mulde jenseits des Neckars gegen die Alb hin wieder etwas steigen , so ist dies doch nur auf einer kurzen Strecke - 230 - der Fall und man würde einen Fehler begehen, wenn man auch ausserhalb dieser engbegrenzten Einsenkung ein gleiches Stei- gen der Schichten gegen SO. annehmen wollte. Im Gegen- theile zeigen die Schichten ausserhalb dieser Mulde auch jen- seits des Neckars dasselbe gleichmässige Fallen gegen SO., das sie schon diesseits desselben von Vaihingen und Degerloch an angenommen haben. Es ist somit gegen SO. hin nirgends ein Ende der Schichtensenkung zu linden und es geht daraus wohl mit Sicherheit hervor, dass das ganze Gebiet vom Neckar bis zur parallelen Donau gleichzeitig mit den Fildern gegen SO. eingesunken ist; ein Schluss, der sich noch an vielen andern Stellen längs des Fusses der Alb, z. B. im Rammert- und im Schurwald unabweislich aufdrängt. Eben so wenig als sich gegen Süden ein Ende findet, eben so wenig ist auch gegen Norden ein bestimmter Anfang dieses Einsenkens der Schichten zu unter- scheiden. Zwar liefert das Nesenbachthal in seinen Mineral- wasserabsätzen die unverkennbarsten Spuren, dass es nicht ein blos zufälliges Erosionsthal ist, sondern entschiedener Spalten- bildung entstammt, so dass man sich dadurch versucht fühlen könnte, in der Nesenbachthalspalte das nördliche Ende des Sen- kungsgebietes finden zu wollen; allein die Schichten jenseits dieses Thaies scheinen im Pfarrwald und bei der Solitüde immer noch ein Einfallen gegen SO. zu bewahren, so dass man immer- hin wird annehmen dürfen, dass sich die letzten Einwirkungen der Verwerfung bis in jene Gegend erstrecken. Die S c h ö n b u c h f i 1 d e r. Ein ähnliches Verhalten zeigt auch die höhere Terrasse, welche durchschnittlich 250 Fuss über der der Filder liegt. Dieselbe bildet, wie schon erwähnt, nicht eine so gleichförmige, zusammenhängende Fläche wie die tiefere Filderterrasse, sie ist vielmehr durch breite Thaleinschnitte in viele einzelne Stücke getrennt, deren Zusammengehörigkeit erst eine Vergleichung der Höhenlage und der Lagerungsweise der einzelnen Abschnitte deutlich nachweist. Offenbar ist die weit gediehene Zerstücke- — 231 - lung dieser zweiten Terrasse nur eine Folge der hier weiter vorgeschrittenen Erosion, welche bei der höheren Lage dieser Fläche über der gemeinsamen Wasserrinne des gesammten Sen- kungsgebietes weit stärker wirken musste als auf dem 250 Fuss tiefer liegenden Filderplateau, indem der Fall der nagenden Ge- wässer ein weit höherer und dadurch zerstörenderer wurde. Erst wenn man sich die in den Keiiper tief eingenagten Thal- rinnen dieses Gebietes mit ihrem ehemaligen Schichtencomplex wieder ausgefüllt denkt, tritt der Zusammenhang der zerrissenen nnd abgetrennten Liaslappen deutlich als gemeinsames Plateau hervor. Die konstituirenden Theile desselben bilden zunächst den Zug der Federlensmaad über Weidach bis zum Uhlberg, sodann die Steinenbronner Liasinsel und das AValddorf-Pfron- dorfer Plateau, welches durch den Eckberg und den Ochsen- schachen mit den Liasflächen von Weil im Schönbuch bis zum Betzenberg ob Neuenhaus und von Holzgerlingen zusammenhängt, das in der weit vorgestreckten Baumgartenwand endlich wieder dem Steinenbronner Zuge und der Federlensmaad die Hand reicht. Während das soeben umschriebene Gebiet etwa 5,3 Quadrat- meilen enthält, misst die Oberfläche der untersten Terrasse, der Filder, nur unbedeutend weniger, und die Filderspalte trennt das gesammte Senkungsgebiet ziemlich genau in der Mitte in zwei gleiche Hälften. So wie es die Gewinnung eines allgemeineren geologischen Ueberblickes über dieses stark zerrissene Gebiet sehr erleichtert, wenn man die ideelle Restauration desselben als Gesammtplateau vor Augen behält, ebenso möge es auch gestattet sein, zur Bequemlichkeit bei -den nachstehenden Erörterungen dasselbe mit einem Collectivnamen zu bezeichnen und diese höhere Stufe der Filder die Schönbuchfilder zu benennen. Das restaurirte Bild dieser Schönbuchfilder zeigt uns nun eine wellig bewegte Fläche, ähnlich wie die Filder, aber mit dem Unterschiede, dass in der Richtung und Aufeinanderfolge dieser Terrainwellen weit mehr Ordnung und Gesetzmässigkeit als auf der unteren Terrasse herrscht. Es ist eine Reihe lan- -_ 232 - ger, meist paralleler Wellen, welche von SW. — NO. streichend, in kurzen, oft nur 4000 Fuss betragenden Zwischenräumen hin- ter einander liegen und ihren Grund in einer entsprechenden Anzahl von Parallelspalten haben, welchen die Schichten abwech- selnd zu- und wieder abfallen, so dass sie auf diese Weise eine Reihenfolge flacher Sättel und Mulden bilden. So wie die früher abgehandelten drei Verwerfungsspalten des Schurwalds, der Filder und des Bronibergs Einem gemeinschaftlichen Systerne angehören, welches N. 50 W. (h. 8^/3) streicht, so bilden auch diese Qiierspalten ein zusammengehöriges System, dessen Haupt- streichen zwischen N. 52 — 72 0. (h. SVs— 4^/4) variirt und welches das erstere nahezu rechtwinklig durchkreuzt. Es kann hier nicht die Aufgabe sein, alle, auch die kaum merklichen Mulden- und Sattellinien zu bezeichnen, welche das Gebiet der Schönbuchfilder durchziehen. Eine vollständige Auf- zählung der in diesem formenreichen Terrain erkennbaren Spal- ten würde überhaupt nur auf Grund wiederholter, ins Einzelnste des Schichtenbaues eingehender Untersuchungen möglich sein, wie sie mir nicht zur Seite stehen ; für eine kurze Skizze dieses so interessanten Gebietes genügt indessen ein Hinweis auf die Hauptspalten , welche vorwiegend den inneren Bau und damit die äussere Oberfläche desselben bestimmen. Da ist es nun zunäclist die vom Kohlhau bei Bebenhausen über den Eckberg bei Dettenhausen und den Betzenberg bei Neuenhaus sich bis auf den grossen Uhlberg bei Bonlanden ziehende hochgelegene Sattellinie, welche durch eine Trennung der Schönbuchfilder in zwei deutlich geschiedene Theile den grössten Eiiifluss auf den geologischen Bau dieses Plateau's aus- übt, indem von dieser Linie der höchsten Erhebung an die Schichten wie von einer Hauptrippe aus sowohl nach SO. als nach NW. flach abfallen. Die auf diese Weise sich bildenden beiden Theile des Gesammtplateau's, welche als die grossen Seitenflügel des Hauptsattels dieses Gebiets angesehen werden können, zeigen nun in ihrem weiteren Verhalten Eine wesent- liche Verschiedenheit. Während der südliche Flügel in mehreren welligen Sätteln und Mulden sich gegen den Neckar hin tiefer ~ 233 - und tiefer senkt, bleibt das Niveau des nördlichen Flügels, wenn auch gegen die Mitte hin merklich eingesunken, und durch schwache Wellen öfters unterbrochen, doch im Wesentlichen sich gleich . ja es steigt sogar fin seiner nördlichen Liasgrenze (am Hörnle und am Hohenvvart) wieder bis auf das Niveau des Hauptsattels. Es ist dieses Verhalten nichts Anderes, als die Accomodation auch dieses gesunkenen Gebietstheils in seiner AVeise an die allgemeine Regel, wonach der Schichten- bau des Landes im grossen Ganzen von NW. — SO. geneigt ist. Einige dieser kleineren Wellenbewegungen des benannten Gebietes wird man leicht auf der Strasse vom Schaichhof nach Holzgerlingen gewahr und dort gelangt man auch an die tiefste Mulde desselben, nämlich an die schon oben ange- führte Querspalte , welche vom Brockenberg bei Holzgerlingen durch Altdorf an den Ursprung der Wurm zieht und welche am Brockenberg neben der Strasse durch eine deutliche Stauung der Malmbäp.ke charakterisirt wird , während sie am Fusse des Kirnbergs bei Hildrizhausen sogar als Verwerfungsspalte auftritt und dort die Turnerithone neben dem Stubensandstein erblicken lässt. Auch östlich auf der Steinenbronner Liasfläche lässt sich die Fortsetzung dieser tiefsten Einsenkung am südlichen Abhang des Hohenwarts als plötzliche Neigung der Schichten noch deut- lich verfolgen und erst von dieser tiefsten Mulde des Holzger- linger Plateau's an steigen die Schichten wieder gegen NW. empor, bis sie im Hörnle bei Mauren und im Hohenwart bei Steinenbronn sich wieder bis zur höchsten Höhenlage , welche das Plateau überhaupt erreicht, erhoben haben. Der letzten deutlichen Spalte dieses Quersystems begegnet man am nörd- lichen Fuss des Hörnle's, sie zieht als Einsenkung des Ter- rains längs dieses ganzen Liaszuges hin und erstreckt sich gegen Westen durch das Glemsbachthal und die Einschnitte der Ket- terlenshalde bis an den Sulzberg an der Spitze des Kaiser- busch s, wo sie unfühlbar wird. Gegen Osten ist die Spalte in den dichten Waldungen schwer zu verfolgen, nur soviel ist sicher, dass sie am Fusse des Hohenwarts zwischen diesem und dem Schmellenhau nach Musberg durchläuft und etwas nördlich — 234 - von Leinfelden in das Filderplateau einmündet, wo sie nicht mehr erkennbar ist, aber wahrscheinlich im Erlenbrunnen weiter läuft bis sie das Körschthal westlich von Plieningen erreicht. Hier mag sie die schon oben angeführte Arietenmulde veranlassen, welche durch ein beckenförmiges Einsinken der beiden Thalsei- ten entstand und das letzte erkennbare Zeichen dieser Spalte bildet. Indessen bildet sie keineswegs die nördliche Grenze des Senkungsgebietes , diese scheint sich vielmehr bis in die Nähe von Böblingen zu erstrecken. Wenigstens fallen die oberhalb der Stadt noch in horizontalen Bänken abgebauten Schilfsand- steine so schnell nach S. 15 W. (h. 1.) ein, dass sie schon bei der Kleemeisterei unter der Thalsohle verschwinden, und es möchte beinahe den Anschein gewannen, als ob bei der Ter- rasse der Schönbuchfilder die Erstreckung des Senkungsgebietes gegen Norden sich in bestimmterer Weise abgegrenzt habe, als dies in dem allmähligen Uebergang der Filderstufe, aus der ge- neigten in die horizontale Lngerung der Fall ist. Hierüber kön- nen nur eingehende Untersuchungen in dem Keupergebiet zwi- schen Böblingen und Leonberg Gewissheit verschaffen. Dass ausser den angeführten Parallelspalten noch weitere, welche zu diesem Systeme gehören, unsere Hochfläche durch- ziehen , würde eine umfassende Untersuchung dieses für die Kenntniss der Bewegungen unserer Erdkruste so interessanten Gebietes mit Sicherheit ergeben. Ich mache hier nur noch auf Eine aufmerksam, deren genauere Untersuchung mir jedoch bis jetzt an zu wenigen Stellen möglich war, um mich mit aller Sicherheit über ihren Verlauf aussprechen zu können. Es ist dies die Spalte, welche am nordwestlichen Abfall des gegen die Weidacher Liasfläche eingesunkenen grossen Uhlbergs über den südlichsten Häusern von Plattenhardt beginnt, zwischen Bildhau und Bechtenrain an der Burkhardtsmühle vorbeizieht, die Bachrisse der Glashütte und des Hirschlandbaches bei Det- tenhausen veranlasst, und die Hauptrippe der Schönbuchfilder zwischen Eckberg und Ochsenschachen gerade an der Steile durchschneidet, welche die neue Tübinger Poststrasse als tiefste - 235 - EinsenkuHg des Bergrückens zu ihrem Ueb ergang sich ausge- sucht hat. Einige weitere Spalten, welche den nördlichen Theil der Hochfläche, aber in anderer Richtung durchziehen, werden am Schlüsse dieses Abschnitts Erwähnung finden , dagegen wenden wir uns nun zu der Lagerungsweise des südlichen Tlieiles unse- rer Hochfläche, welcher aus dem grossen Liasplateau von Pfron- dorf- Waldhausen besteht, dem sich gegen Westen noch die abge- trennten Parthieen des Bebenhausener Kirnbero^s , sowie der Waldhauser und Hagellocher Liasflecke anschliessen. Wie schon oben bemerkt, unterscheidet sich der zusammen- hängende südhche Theil der Schönbuchfilder vom vielfach zer- rissenen nördlichen hauptsächlich darin, dass er von dem Haupt- sattel der Ühlberg-Kohlhau-Linie aus gegen den Neckar fort- während tiefer einsinkt. Die Walddorfer Hochfläche bildet im grossen Ganzen eine von NW. — SO. geneigte Fläche, deren höchste Kante an ihrem nördlichen Ende liegt und die rechte Seite des Schaichthals bildet. Während im Norden ihre höchsten Punkte etwa 1560 Pariser Fuss über dem Meere liegen, senkt sie sich gegen Süden bis auf etwa 1250 Fuss, also um 260 bis 300 Fuss. Der Abfall dieser Liasfläche von NW.— SO. ist jedoch nicht durchweg ein gleichmässiger, stätiger, sondern er geschieht bald muldenförmigj bald in Absätzen, welche wie im nördlichen Theile der Schönbuchfilder in langen Linien das Pla- teau durchziehen und ihren Grund ebenfalls in den Spalten haben, welche den Schichtenbau dieses ganzen Gebietes durch- setzen. Am bequemsten bekommt man einen Einblick in diese vielfache Muldenbildung auf der alten Strasse von Dettenhausen nach Tübingen , wo sich auf einer Strecke von 1 V2 Stunden fünf Mulden hinter einander folgen , deren fortwährendes Auf- undab auch endlich die Verlegung der Poststrasse in den geeb- neteren Thalvveg zur Folge hatte. Auch auf diesem Theile des Plateau's ist es mir eben so wenig als auf dem nördlichen mög- lich, alle kleineren Einsenkungen zu verfolgen ; es möge an der Bezeichnung der wichtigsten Spaltenlinien genügen, welche für den ganzen Charakter dieses Plateau's massgebend sind. - 236 - Die erste dieser Einsenkungslinien. welche die Nonnen- häuless palte heissen mag, ist zuerst zwischen Wolfschlugen und Grötzingen fühlbar, wo sie durch einen Bachri'ss den Benz- berg vom Filderplateau trennt und in gerader Richtung durch Aich zieht. Jenseits der Aiha ersteigt sie in deutlich auf ein- ander laufenden Wasserrissen die Hochfläche von Schlaitdorf, in deren nördlicher Kante sie bis in den Meridian von Wald- dorf fortläuft, von wo an sie auch auf der nördlichen Seite noch von einem Streifen Lias, dem Fuchswasen nnd dem Erlenbusch begleitet wird. Dieser begleitende Liaszug ist aber nicht hori- zontal gelagert, sondern neigt sich in starkem Fallen gegen die Spalte, so dass an dem Ausstreichen desselben gegen das Schaich- thal eine 70 Fuss tiefe Einsenkung zwischen der Häslacher Höhe und der letzten Ecke des Fuchswasens entsteht. Hier oben, hart am Eintritt der Spalte ins Plateau liegen auch gleich die ersten Steinbrüche in „verfaulten" Arietenkalken, welche bis an die Strasse von Walddorf nach Dettenhausen fortwährend an- halten. Westlich neben diesen letzteren Arietenbänken liegt nun, ziemlich parallel mit dem Strassenzug, ein schmaler Strei- fen Turnerithone, wie sich in den für eine Obstbaumanlage frisch geöffneten Baumlöchern dieses Frühjahr erkennen und an den häufigen Terebr, Turner i nachweisen Hess. Dann folgt weiter w^estlich die von Herrn Dr. Baur aufgefundene Platte von Numis- malismergeln. Hinter dieser, immer gegen Westen, liegen am Wege, der in das kleine Waldgebüsch des Nonnenhäules hinauf- führt, gebleichte Thone mit Am. amaltheus , Bei, paxillosus, clavatus und verkiesten kleinen Gasteropoden, in den Thonen Nagelkalke und eine harte Steinbank voll Belemniten, Nuculen, Pecten und den schönsten basaltiformen Pentacriniten. Weiter aufwärts deckt die Ackererde den Schichtenbau, darin liegen aber vereinzelte Stücke der Stinksteinbänke des Lias a und hin und wieder ein Bei. digitalis. Geht man auf diesem Wege vollends bis ans Ende des Gebüsches, so findet man da, wo der Fussweg von Walddorf her einmündet, unter herabgerutsch- tem Malmschutt versteckt, feinblättrige verwitterte Thone mit kleinen Geoden von Thoneisenstein. Ob ich gleich kein Petre- — 237 — fakt darin finden konnte, so nehme ich doch nach Lagerungs- weise und petrographischem Charakter kernen Anstand, dieselben als Opalinusthone anzusehen, so dass hier in ununterbrochener Reihenfolge alle Glieder des Lias nebst der untersten Abthei- lung des braunen Jura zu finden wären. Das Nonnenhäule weist also, wie schon früher Kinimichsweiler, darauf hin, dass zur Zeit der Senkung die Opalinusthone dieses Gebiets von der Denudation noch nicht weggewaschen waren, sondern dass sie mit den jüngeren Liasgebilden zusammen noch bergehoch die Schichten bedeckten, auf deren Oberfläche jetzt das Menschen- geschlecht seine Werkstätte aufgeschlagen hat. Dass an Verwerfungsspalten sich solche jüngere .Juraglieder häufig erhalten haben, ist von den beiden Verwcrfungsgrenzen der Filder, sowie von andern Dislocationsspalten hinlänglich bekannt; es darf also nicht wundern, wenn diese Regel hier eben- falls eingehalten" ist. Das Merkwürdige der Verhältnisse im Nonnenhäule ist nur das, dass diese Liasglieder nicht über einander, sondern neben einander zu liegen scheinen. Ob sie sich hiebei, wie wahrscheinlich, dachziegelförmig überdecken, oder ob die Unterlage der einzelnen Liasglieder immer direkt der Angulatensandstein bildet , darüber verhindert der dichte Wiesenteppich jede Beobachtung, und Schürfen allein könnte hierüber Gewissheit verschaffen. Man wird sich indessen an jener räthselhaften Stelle, besonders wenn man das hügelförmige Absetzen der geneigten Arietenkalke auf den Angulatenbänken in Rechnung zieht, kaum des Eindrucks erwehren können, dass hier Rutschungen mit im Spiele sind; allerdings keine Rutschun- gen, wie sie heut zu Tage an den entblössten Schichtenköpfen unserer Thäler durch Erosion eingeleitet werden, liiegegen spricht schon die horizontale Lagerung und der enggeschiossene Schich- tenbau des Gammas und Deltas, sondern Rutschungen, welche bei der Senkungskataslrophe selbst stattfanden und von einer seitlichen Verschiebung der Schichten längs der Spalten begleitet gewesen &ein müssen, vermöge deren sie zuletzt über einander wegglitten. VV^ie man sich einen solchen Hergang zu denken habe_, das ist freilich vorläufig ein Räthsel, dessen Entzifferung - 238 - ohne die aufmerksamste Detailuntersuchung der ganzen Spalten- länge nicht versucht werden kann. Wenn mir, eine so eingehende Untersuchung vorzunehmen, auch nicht gestattet war, so rnuss ich doch zweier Beobachtun- gen hier Erwähnung thun, welche meines Erachtens gleichfalls auf eine seitliche Schichtenverschiebung längs der Spalte hin- weisen. Dahin gehört zunächst der Fund paxilloser Belemniten B. hastatns. B. giganteus. B. paxiUosus aus den Amaltheenthonen des Nonnenhäules, welche jene staf- feiförmige Verschiebung zeigen, wie sie wohl nur durch seitli- chen, verschieden stark wirkenden Druck entstehen konnte. Das Vorkommen solcher verschobener Belemniten wird von mehreren Orten erwähnt, immer aber in Schichten, welche noto- risch eine Störung erlitten haben. Am häutigsten und schön- sten mögen sie wohl im Ries * auftreten , wo sie am äusseren Senkungswall des grossen Rieskessels eine gewöhnliche Erschei- nung in allen Horizonten des braunen und weissen Juras bilden. Leider sind meine Exemplare nicht im Lager anstehend, sondern schon ausgewittert im Gebirgsschutt gefunden worden, so dass * Belewnites giganteus und hastaius der Abbildung ist im Ries ge- funden, B. paxiUosus im Nonnenhäule. - 239 - über das Streichen der Treppenabsätze keine Beobachtung mehr gemacht werden konnte. Es ist daher auch nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob die Abtreppung nicht von oben nach unten, statt von der Seite her stattgefunden hat. Wenn nun aber auch diese Form eine Wirkung des Seitendrucks sein mag, so kann man doch immer noch Zweifel darüber hegen, ob derselbe nicht blosse Folge eines einfachen Hcrabrutschens der am Ab- hang liegenden Amaltheenthone ist, welcher mit der Senkungs- katastrophe in gar keinem Zusammenhange mehr stand, sondern vielleicht in weit späterer Zeit stattgefunden hat. So unwahr- scheinlich dies auch ist, und so sehr hiegegen das Auftreten dieser Belemnitenverwerfungen im Ries spricht, wo sie sich häufig im Lager, aber immer als seitlich verschobene beobachten las- sen, so würde ich doch diesen Funden kein weiteres Gewicht beilegen, wenn nicht eine andere Erscheinung hinzuträte, welche ebenfalls für eine horizontale Verschiebung der Spaltenränder spricht. Es ist dies das Vorkommen von Rutschflächen mit Spiegeln, das sich in den Stubensandsteinbrüchen zwischen Aich und der Schlaitdorfer Hochfläche beobachten lässt. Dort ist am bewal- deten Thalabhang eine etwa 400 — 500 Fuss breite Zone, gerade an der Stelle, welche in der Spaltenlinie liegt, die von einer Unzahl polirter Rutschflächen durchzogen ist. Die grosse Mehr- heit derselben streicht parallel mit dem Spaltenzuge, während sich andere auch in anderer Richtung, besonders von N. — S. streichend y finden. Die Klüfte, auf denen diese Rutschflächen auftreten, stehen meist lothrecht, doch kommen auch bis zu 50" geneigt stehende vor; sämmt liehe Rutschflächen aber, welche auf diesen verschiedenen Klüften vorkommen, sind nicht vertikal, wie man dies bei einer Senkung erwarten sollte, son- dern nahezu horizontal mit einer geringen Neigung gegen Osten abwärts gestreift. Die Friktionsflächen sind glatt; bald mehr bald weniger striemig gefurcht und spiegeln oft mit lebhaftem Glänze, während sich häufig an dem Querschnitte der abge- schliffenen Quarzkörner erkennen lässt, dass hier eine wirkliche Reibung stattgefunden hat. Zwischen den beiden sich zuge- - 240 — kehlten Fiiktionsfläclien hat sich bald ein dünner, oft durchsich- tiger, oft opak abblätternder Kalkspathüb erzug abgesetzt, bald fehlt eine solche Zwischenlage gänzlich. Beir.erkenswerth ist ausserdem noch, dass eine sehr grosse Zahl solcher Friktions- klüfte parallel hinter einander liegen, so dass das Gestein an manchen Stellen in nur zolldicke vertikale Sandsteinplatten ge- spalten ist, welche auf beiden Seiten mit solchen Spiegeln ver- sehen sind. Das Vorkommen solcher horizontal gestreifter Rutschflächen ist schon an vielen andern Orten, namentlich auch in Erz- und Gesteinsgängen beobachtet werden,* wie sie z. B. bei dem Goldgange von La Gardette (Isere) über 400 Meter weit in Einer Richtung verfolgt worden sind. Auch bei uns kommen dergleichen Horizontalstreifen noch öfters vor, z. B. bei Beben- hausen im Bonebedsandstein , und bei der Kannstatter Ziegel- hütte im Muschelkalk. Graft hat diese Erscheinung bei La Gardette durch eine um 90^ erfolgte Umstürzung des ganzen betreffenden Gebirgstheils zu erklären versucht, was ich dahin gestellt lassen muss. Dass aber eine solche Erklärungsweise auf die Verhältnisse bei Aich nicht anwendbar ist, leuchtet bei der nahezu horizontalen Lagerung der Stubensandsteinbänke in die Augen. Weit eher möchte ich diese Erscheinung mit der Verän- derung in Zusammenhang bringen, weiche die Rotationsgeschwin- digkeit eines Punktes der Erdoberfläche erleidet, wenn er der Erdaxe genähert wird, wie dies im vorliegenden Falle beim Ein- sinken der Filder um mehrere hundert Fuss geschehen musste. So gering auch die ursprüngliche Differenz der Umfangsgeschwin- digkeit des anfänglichen und des sekundären Lagerungspunktes immer sein mag und so viel auch von dieser geringen Differenz noch durch die Reibung der Kluftflächen beim Niedersinken absorbirt werden mag, so lässt sich doch annehmen, dass wenig- stens in einzelnen Fällen die gesunkene Masse noch einen, wenn auch noch so unbedeutenden Ueberschuss ihrer ursprünglichen * Naumann, Lehrbuch der Geogriosie IL Aufl., p. 928. - 241 - grösseren Umfangsgeschwindigkeit behalten habe. Dieser kleine Rest einer Bewegung, welche an dem neuen Lagerungsorte als eine von West nach Ost schiebende Kraft sich äussern musste, genügt aber vollkommen , um jene horizontalen Rutschflächen zu veranlassen. Zieht man die kolossalen Massen in Betracht, welche die Träger jener so geringen Bewegung sind, so ergibt sich, dass, wenn der eine Faktor des zur Bildung solcher Rutsch- flächen nothwendigen Kraftmomentes auch noch so klein ist, der andere desto riesigere Dimensionen besitzt, und demnach das Produkt aus beiden immerhin noch ein sehr respektables sein kann, Jedenfalls mag es häufig noch zu der Wirkung hinrei- chen, dass die gesunkenen Massen noch einige Linien vorwärts, d. h. nach Osten geschoben werden, und diese kurze Bewegung würde bei dem kolossalen Druck, der auf den Bänken ruhte, genügen, nicht nur alle Spuren des seitherigen vertikalen (para- bolischen) Senkungsweges durch die nachfolgenden Schliffrichtun- gen auszuwischen, sondern auch noch die Richtung der letzten Bewegung dem Gesteine bleibend aufzudrücken, welche offenbar nur eine der horizontalen sehr nahe kommende sein kann. Ganz harmonisch würde sich nach dieser Anschauungsweise auch die Thafsache erklärei], dass das Vorkommen der Schliffe nicht auf eine Einzige Kluftfläche, auf eine Einzige Linie be- schränkt ist, sondern eine gegen 400 Fuss breite Zone einnimmt, innerhalb deren unzählige solcher Spiegelkliifte parallel hinter einander liegen. Der unmittelbar an die Verwerfimgsspalte an- stossende Theil der gesunkenen, nach Osten in Bewegung be- griffenen Massen, müsste nämlich durch die Reibung an der Verwerfungskluft zuerst zur Ruhe gelangen, während der Rest der Masse durch das Beharrungsvermögen noch in Bewegung bliebe. Dadurch muss ein Abbruch zwischen dem zur Ruhe gelangten und dem sich noch bewegenden Theile erfolgen, dessen Kluft sich ebenfalls spiegelartig abschleift, durch diese Reibung einen weiteren Theil der bewegten Masse festbremst, der sich wieder mit Spiegeln bedeckt, und so fort so lange, als der Rest der Masse noch eine Bewegung hat. Die Breite der so ent- WQrttemb. naturw. Jahreshefte. 18G1. 2ä Heft. 16 — 242 - standenen Schliffflächenzone ergibt also einen relativen Massstab für die Grösse des Bewegungsmomentes der gesunkenen Massen. Die Stichhaltigkeit der gegebenen Erklärungsweise voraus- gesetzt, würde aus dem zuletzt Ausgeführten noch weiter folgen, dass die Spalten des peripherischen Systems nicht alle gleich- zeitig mit einander entstanden sein können, sondern dass wenig- stens bei der Aihaspalte das auf der südlichen Seite derselben gelegene Gebiet zuerst einsank^ und dann erst, als die nach Osten gerichtete Bewegung desselben aufgehört hatte, die nörd- liche Seite nachkam, wobei freilich der zwischen beiden Ein- sinkungen liegende Zeitraum möglicherweise nur wenige Minu- ten betragen haben konnte. Ob diese Hypothese, deren Grundlage wesentlich eine mathe- matische ist, sich haltbar erweist, mögen Männer vom Fache entscheiden. Eine gründliche Behandlung dieser Frage, verbun- den mit erschöpfender Untersuchung der wirklichen Verhältnisse verspricht lohnende Resultate noch über manche andere Seiten derselben , wenigstens erlaubt das reiche Gebiet dieser Spiegel bei Aich und Bebenhausen noch verschiedene Beobachtungen über Richtung und Neigung der Schliffe, welche dem geduldigen Sammler der einzelnen Thatsachon -noch weitere Aufschlüsse über das Spiel der hiebei thätigen Kräfte versprechen. Möchten die Mathematiker die so viele interessante Seiten darbietende Frage der horizontalen Schliffflächen einer umfassenden Würdi- gung unterwerfen. Wenden wir uns nach diesem Excurs über die Seitenver- schiebung der Spaltenränder wieder ins Nonnenhäule zurück, um den weiteren Verlauf der Dislocationslinie zu verfolgen, so Terbirgt uns gegen Westen hin der dichte Wiesenteppich zu- nächst jede Spur von Gebirgsschichten. Erst im nächsten Walde, in dem kurzen Bachriss, welcher von Norden her in den Hecken- klingenbach führt, treten die Arcuatenkalke, welche sich auch im Heckenklingenbach selbst, steil einsehiessend, finden, gegen die Spalte hin fallend auf. Ebenso begegnet man denselben wie- der in der dreigabeligen Eichenfürstklinge (nicht zu verwechseln mit dem weiter westl. gelegenen Eichenfürstbach). Steigt man - 243 — im nördlichen Bachriss über die dortigen, verworren durch ein- ander gerutschten, rUthselliaft gelagerten Arietenbänke aufwärts, so hören dieselben, wenn wir in die kreuzende Richtung der Verwerfungsspalte eintreten, plötzlich auf, das seither steilwandige Bachbett zeigt mit einem Male eine kleine gegen Osten weisende Ausweitung, deren Wände nicht mehr von Liasschichten, sondern vom oberen Keupermergel gebildet werden , der nach wenigen Schritten in regelmässiger Weise unter dem Bonebedsandstein und dem ihm folgenden Angulatensandstein verschwindet. Hier ist also die Stelle, wo die Spalte durchläuft, wieder scharf be- stimmbar und ergibt mit den Punkten der Fuchswasenecke und den Aicher Rutschflächen die Richtung derselben in deutlich ausgesprochener Weise. Diese Richtung weist nun auch über die etwas eingesunkene Liasfläche hinweg geraden Weges in die tiefe Mulde des Eichenfürstbaches, in dessen oberem Theile abermals die Arietenkalke auftreten, zum deutlichen Beweise, dass wir es in dieser Bachklinge nicht mit einem gewöhnlichen Erosionsthale, sondern mit einer Einsenkung der Schichten zu thun haben, welche erst die Bildung des Thaies zur Folge hatte. Die weitere Erstreckung der Spalte gegen Osten wird zweck- mässiger weiter unten bei den Lagerungsverhältnissen von Beben-?^ hausen zur Sprache kommen, weshalb wir uns vom Eichen- fürstbach auf kürzestem Wege zur nächsten Parallelspalte begeben, welche wir auf der alten Tübinger Poststrasse nur 2000 Fuss weiter südlich auf dem Gipfel des Eichenfürsts tref- fen und die wir die Aihaspalte nennen können. Das Auftreten derselben an diesem Punkte ist bemerkenswerth, indem hier, oben auf der Angulatenplatte, mit einem Male der rothe Keuper-» mergel auftritt , den wir in dem Wege , der in gerader Linie nach dem Einsiedel abzweigt, wenige Schritte von der Strasse entfernt, anstehend finden Lässt man sich die Mühe nicht ver- driessen, denselben im Walde zu verfolgen, so wird man von ihm längs eines zur Linken fortlaufenden Lias-Walls in die süd^ liebste Gabel der Eichenfürstklinge und von dort in die Hecken- klinge geleitet, während zur Rechten alsbald das flateau des - 244 - Angulatensandsteins wieder auftritt. Man geht also« dort auf einer Verwerfungsspalte von vielleicht nur 30 Fuss Sprunghöhe hin. Lässt man den westlichen Verlauf der Spalte vorläufig unbe- rücksichtigt und folgt derselben gegen Osten, so ist sie zunächst im Heckenklingenbach deutlich an dem steilen, nahezu saigeren Einfallen der dortigen Arietenkalke, so wie an dem verrutschten Vorkommen von Raricostatenthonen und Numismaliskalken zu beobachten. Von hier ab auf langen Strecken nur noch an der muldenförmigen Einsenkung der Erdoberfläche, aber mit aller Entschiedenheit erkenntlich, zieht sie nördlich von Walddorf am Häslacher Wirthshaus über die Walddorf- Schlaitdorfer Strasse, durchschneidet sodann Schlaitdorf der Länge nach, wo sich in ihr wieder ein Rest von Arietenkalken erhalten hat, und veran- lasst in deutlicher Trennung der Hochfläche in zwei Theile den Baiersbach, von dem aus sie bei Grötzingen in das Aihathal austritt. Sie bildet von hier an auf längerer Strecke dieses merkwürdige Parallelthal des Neckars, veranlasst bei der Ulrichs- höhle das wild durch einander geworfene Steinmeer des Bone- bedsandsteins, sowie die Rutschungen des obern Keupers ober- halb Oberensingen und schneidet den Zitzishauser Berg noch von den Fildern ab, ehe sie im Neckarthal und in der Köngener Mulde verschwindet. Möglicherweise lässt sich noch eine weitere Fortsetzung derselben nachweisen, wenigstens bieten die Ver- hältnisse bei der Kirehhofskapelle von Unterboihingen und be- sonders vom Lerchenberg bei Steiubach noch einige Anhalts- punkte für ihre Weitererstreckung. Was nun den langen Streifen Landes, welcher zwischen den angeführten beiden Spalten liegt, anbelangt, so zeigen dessen Schichten von Schlaitdorf bis an die W^alddorf-Dettenhauser Strasse hier ein beständiges Einfallen nach SC, das auch viel- leicht noch auf der weiteren Strecke bis an die drei Eichen- fürstklingen anhält, bei dem Mangel genügender Aufschlüsse auf letzterer Strecke aber durch Beobachtung nicht festgestellt werden kann. Um so mehr überrascht jenseits dieser Klingen das auf der ganzen Strecke bis zum Eichenfürst hinauf anhaltende Einfallen der Bänke in beinahe umgekehrter Richtung — NO., - 245 - und dies» um so mehr, als die Stelle, wo dieser Fallrichtungs- wechsel zum erstenmal beobachtet werden kann, von der abnor- men Erscheinung begleitet ist, dass inmitten eines Bonebedsand- steinfeldes plötzlich stark zerklüftete und zerbrochene Arieten- bänke in gerader Richtung von N. — S. über die drei Zweige der Eichenfürstklinge herüberliegen, wie wenn an der Stelle, wo sich die Ebenen der beiden Schichtenneigungen bcrübren, ein Querbruch des zwischen beiden Spalten laufenden Bandes statt- gefunden und die Schichten in eine dort sich bildende Kluft tiefer eingesunken wären. Eine definitive Erklärung dieser räth- selhaften Erscheinung vermag ich jedoch aus dem heutigen Um- fang meiner Beobachtungen keineswegs abzuleiten. Während die so eben abgehandelten Dislocationslinien auf ihrem ganzen Zuge einander nahezu parallel bleiben, weicht eine dritte Spalte dieses Plateau's wesentlich von dieser Rich- tung ab. Es ist dies die muldenbildende Linie, welche im Neckarthal unterhalb Pfrondorf „im grossen Stück" beginnend, in der Viehhausklinge das Plateau von Einsiedel durchschneidet, über den Dürreberg, an Rübgarten, Dörnach und Altenrieth vor- über, unterhalb dieses Orts* wieder in das Neckarthal einmündet und in diesem für weitere Beobachtung vefrschwindet. Die Richtung dieser Spalte streicht N. 52 0. (h. SVa), divergirt also mit den beiden ersteren etwa um 20^. Was diese Linie besonders kennzeichnet, das ist, dass ihr Verlauf in anhaltend deutlicher Weise sich in der Terrainbildung ausspricht, obgleich nirgends in ihrem Zuge ein schrofles Abbrechen der Schichten, sondern nur ein muldenbildendes, synklines Einsinken derselben gegen die Spalte hin stattfindet, so dass letztere gleich von ihrem ersten Auftreten an, wo sie die unterste Spitze des Pfron- dorfer Höhbergs in deutlicher Klingenbildung durchschneidet, bis an den Fuss von Altenrieth Schritt vor Schritt verfolgt werden kann. Von den in ihrem Verlaufe auftretenden Erschei- nungen sei hier als die interessanteste eine eisenockerreiche Kalktuff'ablagerung auf dem Einsiedel erwähnt, welche sich ge- rade über die Spalte her abgesetzt hat und deren Kenntniss wir den darin nöthig erfundenen Drainageanlagen verdanken. - 246 - Auf vorstehende drei Hauptspalten des Walddorfer Plateaus folgen gegen den Neckar hin noch zwei weitere, aber weniger deutlich ausgesprochene Linien, längs deren gleichfalls eine fort- laufende Muldenform des Terrains beobachtet werden kann. Die Eine zieht von der Mündung der Echaz in den Neckar an die Mühle auf dem linken Neckanifer bei Neckartenzlingen, die Andere liegt in der Richtung von den untersten Häusern dieses Orts nach den nördHchsten Wohnungen von Pliezhausen. Beide Spalten sind nur hin und wieder deutlich markirt und ver- schwinden oft auf längere Strecken dem Auge. Bemerkenswerth an ihrer Richtung ist die sich fortwährend steigernde Divergenz uait den obersten Spalten dieses Gebietes bei Walddorf. Die drei zuletzt aufgeführten Linien sind sämmtlich Mulden- linien , so dass immer zwischen je zwei derselben nothwendig noch eine Sattellinie existireri muss, welche jedoch nirgends in ausgesprochener Weise sich finden lässt, wie dies wohl aus dem Abwaschungsprocess der Höhen zum Voraus gefolgert werden kann. Auf diese Weise überzieht sich nun das Plateau mit einer Reihe hinter einander liegender Sättel und Mulden in merkwür- diger Regelmässigkeit und wenn auch die Neigungswinkel dieser Dislocationen sehr flache sind, so ist darin doch eine so eigen- thümliche Lagerungsform eines ganzen Plateaus gegeben, dass diese Erscheinung zu den bemerkenswerthesten Strukturen der Erdrinde in unserem Lande gezählt werden mag. Die plateau- bildende Tafelform des schwäbischen Schichtenbaues zeigt darin deutliche Anklänge an die Kettenform und wie ein schwaches Miniaturbild gemahnen diese niederen Schichtenwellen an die mächtigen hintereinander liegenden Gewölbeketten des schweizer Jura, so dass man gerne mit dem Gedanken spielt, als ob ein sehwacher Anfang oder ein letztes Ausklingen der mächtigen schweizer Bewegung hier auf den schwäbischen Hochebenen zu suchen sei. Ob in diesem Spiele der Phantasie ein keimfähiger Kern verborgen liege, das können nur fortgesetzte Lagerungs- Studien in dem schwäbischen Stufenlande darthun, welches in der anhaltenden Gleichförmigkeit seiner einzelnen Formations- - 247 - glieder, sowie in dem Umstand, dass sein Boden zwar Bewegungen, aber keine solche von verwirrender Heftigkeit erlitten hat, Eigen- schaften besitzt, welche es vor vielen andern Ländern geeignet macht, als dankbares Untersuchungsfeld für die Bewegungsgesetze der Erdkruste zu dienen. In der vorstehenden Darstellung des Walddorfer Plateaus sind die beiden nördlichsten Spalten desselben nur bis an den Kirnbach verfolgt worden , es ist deshalb nachträglich ihre Er- streckung gegen West hier noch nachzuholen. Verlängert man zu diesem Behufe die Linie Schlaitdorf-Heckenklinge-Eichenfürst so gelangt man über die tiefste Einsenkung des zwischenliegenden langen Rückens in gerader Richtung in das Seebachthal nach B e b e n h a u s e n dieser schon lange entdeckten , aber immer noch unentziflferten Hieroglyphe der Geologie. Auch meine Untersuchung muss darauf verzichten , jene Verhältnisse in ihrem ganzen Umfang enträthseln zu können, dazu gehören ins kleinste Detail sich erstreckende, in dem un- unterbrochenen Waldgebiete sehr zeitraubende Beobachtungen. Die nachstehende Darstellung versucht nur, das Wesentliche jener Verhältnisse zu beleuchten, und den Schlüssel aufzufinden, welcher zur Entzifferung der Hieroglyphe nöthig ist. Die oben gezogene Verlängerungslinie schneidet am südöst- lichen Anfange der AVeihersteige ein, zieht am Abhänge denselben hin, über die Kaltbuchlesklinge weg, und scheint, immer ihre Richtung in gerader Linie verfolgend, an den Thalassitenbänken des Jordanswaldes hinzulaufen, bis sie auf der Fläche der Fohlen- weide sich verliert, nachdem sie, wie es scheint, zum letzten- male bei einer alten Wolfsgrube sich fühlbar gezeigt hat. Dass diese Verlängerung der Spalte aber nicht eine willkürliche, nur graphische ist, sondern in der Wirklichkeit besteht, das zeigen die Erscheinungen, welchen wir in dieser Linie begegnen. Besonders ist es der Abhang der Weihersteig, welcher die Aufmerksamkeit des Geognosten fesselt. Derselbe besteht seiner ganzen Länge nach aus Liasablagerungen, welche in ihrer grossen =_ 248 - Masse der Region des Am. angulafus anzugehören scheinen, an manchen Stellen aber bis hinauf in die Region des Pentacr. tuberculaius reichen. Gewöhnlich wird dieser an den Abhang des Bergs angeklebte Liaszug als ein übergestürztes, durch ünterwaschung verrutschtes Trümmerfeld bezeichnet; die Er- scheinung hat indessen auf mJch einen andern Eindruck gemacht. Die Entscheidung, ob eine Erscheinung als Verrutschung oder Verwerfung aufzufassen ist, bildet in manchen Fällen eine der schwierigsten Aufgaben der Untersuchung. So behutsam deshalb auch der Gcognost darüber zu wachen hat, dass er Verrutschungen nicht leichthin für Verwerfungen erklärt, so sehr wird er sich auch vor dem umgekehrten Fehler zu hüten haben, die oft verwischten und versteckt liegenden Unterschiede beider Erscheinungen zu übersehen und eine Verrutschung der Ober- fläche für den Typus auch des inneren Baues der fraglichen Ablagerung zu halten. Besonders wird er nicht aus dem Auge verlieren dürfen, dass in vielen Fällen notorische Verrutschungen von heute, ihre ursprüngliche Veranlassung in alten Verwerfungen finden, indem bei der Vervverfungskatastrophe nicht selten der Schichtenzusammenhang der gesunkenen Bänke etwas gelockert und der Erosion besonders' günstige Angriffspunkte geschaffen wurden. So findet man z. B. am Abhang des Schurwalds ober- halb Plochingen, fortwährend in Bev/egung befindliche Ver- rutschungen der oberen Keupermergel und der jüngeren Lias- schichten, aber eine behutsame Würdigung sämmtlicher Verhält- nisse lässt deutlich die Natur einer alten Verwerfung erkennen, deren dislocirte Massen sich durch heute noch ablösende Ver- rutschungen ins Gleichgewicht zu setzen suchen. Besonders leicht entstehen aber nachträgliche Verrutschungen an solchen Stellen von Verwerfungsspalten, wo diese durch querlaufende Bachrisse blosgelegt wurden, wie dies z. B. bei der Weihersteig durch die Kaltbuchlesklinge und das obere Seebachthal geschieht. Es finden sich deshalb auch wohl ganz naturgemäss an jenen beiden Enden des Abhanges vorzugsweise Verrutschungen, wäh- rend die Mitte desselben so wohl zusammenhängende und fest- gepackte Bänke zeigt, dass sie nimmermehr auf diesem gleichen - 249 - Wege an ihre jetzige Stelle gebracht sein können. Diesen Ein- druck wird jeder gewinnen, welcher den an jenem Abhänge an- gelegten .Steinbruch besucht, und dabei die festgelagerten mäch- tigen Thonmassen dieser Liasablagerung berücksichtigt, welche als die weichsten und verschiebbarsten aller Niederschläge dosh gewiss auch Einwirkungen der stattgehabten Verrutschung hätten erleiden müssen. Hienach nehme ich keinen Anstand, die Liasablagerung am südöstlichen Abhang der Weihersteige als das Resultat einer Verwerfung anzusehen, welche mit der Entstehung der durch- ziehenden Spalte zusammenfällt. Und zwar scheint eine klaffende Spalte des Keupers dieses versunkene Liasstück in sich aufge- nommen zu haben, wonach es zu jener dem Sehönbuch eigenen Reihe von schmalen, zwischen Keupervvänden eingekeilten Lias- streifen gehören würde, von denen sich oben schon Beispiele in der Finstermünz und im Sulzbachthale gezeigt haben und wozu sieh noch weitere gesellen werden. Die Aihaspalte ist übrigens nicht die einzige , welche das Gebiet von Bebenhausen durchzieht. Auch die Nonnenhäules- spalte macht sich in den Lagerungsverhältnissen hier noch fühl- bar. Geht man vom AViedmann'schen Denkmal auf dem sanft ansteigenden Wege (dem Bretterzaunwege) nach dem Kohlhau, so folgen auf die am Denkmal lagernden Tuberculatusbänke längs des Weges dunkle Thone, wie es scheint Turnerithone, die sich sonst nirgends in der Umgegend wieder finden lassen. *) Darüber erscheinen, nur wenige Schritte anhaltend, die oberen Keupermergel, über welchen sodann den ganzen Berg hinauf vollends die Angulatensandsteine auftreten. Offenbar geht aus dieser Stufenfolge der Schichten hervor, dass zwischen jenen ersten Malmbänken und den vermuthlichen Turnerithonen eine Verwerfung durchzieht, welche den Keuper biosgelegt hat. * Am Fusse der Weihersteige liegt eine Ablagerung liasischer Thone, welche vielfach für Turnerischichten ausgegeben werden. Die- selben halten aber dünne sandige Schniitzen eingestreut, in welchen. man nach kurzem Suchen einen A. angulatus entdeckt haben wird. - 250 - Verbindet man diese Stelle mit der Nonnenhäulesspalte, so führt die Linie durch fortgesetzt aufeinander passende Bachrisse genau in der Richtung dieser Hauptspalte weiter. Wie ihr fernerer Verlauf gegen Westen hin sich gestaltet, ist noch nicht unter- sucht; auf der Fohlenweide ist sie nirgends bemerkbar und ob sie die Trennung des Dickenbergs vom Stunkert verursacht, müssen erst weitere Beobachtungen nachweisen. Aber auch mit dieser Spalte sind die Dislocationserschei- nungen des reichlich damit versehenen Bebenhäuser Kessels noch nicht erschöpft. Längst bekannt sind die am Fuss des Jordans- berges lagernden Numismaliskalke, sowie die gegenüber im Goldersbache liegenden Schichten des oberen Lias «; und hiezu hat in neuester Zeit Herr Dr. Baur noch den Nachweis von Arietenbänken und selbst Numismalisresten gefügt, welche in dem Bache zwischen der Gaishalde und dem Waldhauser Heu- berg im Niveau des weissen Keupers auftreten. Der meist noch feste Zusammenhang dieser Bänke , sowie die Richtung ihres Streichens und ihrer Zerklüftung lassen mir keinen Zweifel übrig, dass man es auch bei diesen Anomalien mit Spaltenein- klemmungen zu thun hat, und dass, wo etwa Verrutschungen vorkommen, dieselben sekundärer Natur sind. Nach dieser An- schauung ergeben sich als die Ursachen dieser Erscheinung zwei sich kreuzende Dislocationslinien , und zwar zieht die eine der- selben zwischen der Rosenau und Hagelloch durch, verfolgt so- dann die ganze Länge des Gaishaldenbachs und schneidet am Fusse des Jordansberges noch die dortigen Numismaliskalke von den durch die Aihaspalte schon abgetrennten oberen Keuper- mergeln ab. Mit dieser „Heubergspalte" a kreuzt sich eine andere, die „Gaisha!denspalte"b, wel- che nördlich von Hagel- loch in dem Bachriss am Schweinhag beginnt, die Liasplatte dieses Dorfes durch eine den Keuper bioslegende Verwerfung vom höchsten Zug der Gaishalde trennt, neben - 251 - letzterer her eine langgestreckte Liasmulde veranlasst und sich endlich am Abhang gegen den Goldersbach hin mit der Heu- bergspalte kreuzt. Oder vielmehr scheint sie längere Zeit im Bachbett hinab mit dieser vereint fortzulaufen (in der Gang- sprache: sich mit ihr zu schaaren) und erst weiter unten sich wieder zu trennen und ihre erste Richtung fortzusetzen, wie dies bei sich kreuzenden Gängen so häufig beobachtet wird. Dieser untere Arm der Gaishaldenspaltc würde sich dann als die Ver- anlassung der im Goldersbache liegenden Tuberculatusbänke ausweisen, und da sie genau parallel mit der Aihaspalte läuft^ so ergäbe sich die Begrenzung des Bebenhauser Liaskessels durch die genannten zwei Parallelspalten und ihre Querverbin- dung, die Heubergspalte. Zieht man noch in Rechnung, dass nur 2000 Fuss hinter der Aihaspalte die Nonnenhäulesspalte läuft, welche die Weihersteig gegen Norden abtrennt, sowie, dass sich die Hauptdislocationslinie des Gebiets, die Brombergspalte, bis an die Östliche Spitze der Weihersteig fühlbar macht, so erscheint Bebenhausen als der Knotenpunkt von mindestens fünf Spalten, welche gerade um diesen Kessel herum alle von Ver- werfungen begleitet sind, und die tiefe Versenkung des dortigen LidS, welche einen der tiefsten Liaspunkte des Landes bitdet, wird nicht mehr Wunder nehmen. Auch Bebenhausen bietet somit einen Beleg für das noch öfter sich wiederholende Gesetz, dass auf der Kreuzungsstelle zweier oder mehrerer Spalten die Verwerfung immer ihr Maximum erreicht hat. Besonders deut- Hch tritt dieses Gesetz an den vier Kreuzungsstellen des radialen Spaltensystems mit dem peripherischen innerhalb unseres Gebiets auf. Diese vier Punkte, welche zugleich die vier tiefsten Ein- senkungen der Gegend bezeichnen, sind: 1) Plochingen, wo die Angulatensandsteine das Neckarbett bilden, 2) Unterensingen,, wo der Neckar die Turnerithone durchgegraben hat, 3) Neckarthail- fingen mit den Tuberculatusbänken in der Thalsohle und endlich 4) das so eben beschriebene Bebenhausen mit seinem Liaskessel. Zu einem klaren Einblick in die Lagerungsverhältnisse der Bebenhauser Umgebung gehört jedoch ausser der Kenntniss von der Richtung, Erstreckung und Wirkungsweise der durchziehenden - 252 - Spalten in erster Linie noch die Beantwortung der Frage, in welchem Verhältniss die um Bebenhausen liegenden Liaskuppen des Kohlbaus, des Kirnbergs und der Höben von Hagelloch- Waldbausen zu den Terrassen des Brombergs und der Schön- buchfilder stehen. Eine Vergleichung der Schichtenniveaus er- gibt nun mit Bestimmtheit, dass die genannten Höben der Ter- rasse der Schönbuchfilder zugetheilt werden müssen. Diese Zuweisung involvirt aber zugleich die Notbwendigkeit einer Dislocationsspalte zwischen den genannten Bcbenhauser Höhen und der Terrasse des Bromberg-Stunkerts. Wo ist nun diese Verwerfungsliiiie zu finden? Sollte sie das Goldersbachthal vom ^grossen Brunnen" bis zum Dikcnberg herab bilden? Dafür spräche das gleichschenklige Dreieck, dessen Basis diese Linie bildet und dessen Spitze am östlichen Ende der Weihersteige in dem Kreuzungspunkt der beiden Hauptspalten des Gebiets liegt. Aber nur eine sorgfältige Untersuchung der Keuper- schluchten des westlichen Schönbuchs vermag darüber sichere Antwort zu ertheilen. Die Wandungen des Arabachs und seiner Seitenklingen , des grossen und kleinen Goldersbaches und die Abhänge und Schluchten des grossen Brombergs bis zum Esels- tritt versprechen nicht nur diese, sondern noch andere Fragen, deren Beantwortung noch aussteht, zu lösen. Denn in der bis- herigen Darstellung sind nur die Hauptpunkte, wTlcl>e für die Lagerungsverhältnisse dieser Gegend massgebend sind, zur Sprache gekommen; untergeordnete, wenn auch oft noch ganz räthselhafte Dinge, sind geflissentlich übergangen. Als Beispiel erwähne ich nur einer kleinen Ablagerung von Arietenkalken im Brühl in der nördlichen Ecke, welche der Kohlhau mit der Weihersteig bildet, tief unten im weissen Keuper. Solche Dinge können unmöglich mit einiger Zuversicht gedeutet werden , ehe gründliche Detail- untersuchungen des ganzen Gebietes vorhergegangen sind. Und da es sich hiebei um Spaltenrichtungen handelt, deren richtige Tracirung auf Messungen bestimmter Distanzen beruht, so wird bei einer geognostischen Aufnahme dieses dichten Waldgebietes, in dem alle andern Anhaltspunkte der Orientirung versagen, die Boussole und die Messstange des Georaeters wohl ein ebenso i - 253 - wichtiges Werkzeug als der Hammer des Geognosten abgeben. Auch kann diese Aufnahme nur an der Hand der Flurkarten geschehen, da der Maasstab der topographischen Blätter bei weitem zu klein ist, um die nöthigen Details noch in deutlicher Weise eintragen zu können, üeberdies ist die Terrainzeichnung dieses Blattes in den Waldparthieen stellenweise ungenügend und es würde, ehe dasselbe einer geognostischen Darstellung zu Grunde "gelegt werden könnte, eine beinahe unerlässliche Vor- arbeit sein, die Topographie desselben einer Revision zu unter- werfen. Aus diesen Bemerkungen , welche mir die Würdigung der imensen Schwierigkeiten abnöthigt, welche einer zu verläs- sigen Untersuchung dieser weilen Forste entgegentreten, geht wohl klar hervor, dass, wenn nicht auf eine amtliche Aufnahme von Seite des Staats gewartet werden will, nur ein in der Ge- gend ansässiger Geognost vom Forstfache sich mit voller Zuver- sicht an die Lösung dieser Aufgabe wagen kann. Wie geeignet wäre es, wenn diese schon so lange auf ihre Enträthselung harrende Gegend, welche alle Mühen der Beobachtung durch die interessantesten Thatsachen zu lohnen im Stande ist, endlich ihren Commentator in ihrer eigenen Mitte finden würde. Fassen wir die Störungen aller Art, welche das Senkungs- gebiet zwischen Schurwald und den höchsten Schönbuchhöhen erfahren hat, übersichtlich zusammen, so begegnen wir vorwie- gend zwei Systemen von Spalten, welche das Gebiet in seiner ganzen Ausdehnung durchziehen und als Hauptelemente der Construction seinen inneren Bau bestimmen. Das eine dieser Systeme, wozu die drei Parallelspalten des Brombergs, der Filder und des Schurwalds gehören und welches man das Radialsystem nennen kann, streicht gleichmässig in N. 50 W. (h. 8^/3) und zeichnet sich in den genannten drei Repräsentanten durch den strengen Parallelismus ihrer Richtungen, vor Allem aber durch die Schroffheit seiner Dislocationen aus , welche nirgends ein bloses Zusamraenneigen, d. h. ein blos muldenförmiges Einsinken der Spaltenränder zeigt, sondern immer bis zum gänzlichen Ab- brechen der Schichten gesteigert ist, von denen die eine Seite neben der stehen gebliebenen Wand der andern in die Tiefe - 254 - hinabgesunken liegt. Das zweite hier auftretende System, wel- ches das erstere kreuzt und das man das peripherische nennen kann, zeigt dagegen nicht allein einen weit grösseren Spielraum in der Richtung der einzelnen Spalten, indem dieselbe mit grosser üngebundenheit zwischen N. 52 — 72 0. (h. 3^2 4^/4) variirt, sondern auch vorwiegend die minder heftige und schroffe Dis- locationsform der Sattel- und Muldenbildung. Ein schroffer Abbruch der Schichten , wie er die Regel des ersten Systemes bildet, scheint hier allein an solchen Stellen zur Ausbildung ge- langt zu sein, wo sich beide Systeme kreuzen und sich also eine gesteigerte Energie der Dislocation wohl erklären lässt; im ganzen übrigen Verlauf dieser langgezogenen Linien ist überall nur die Kettenbildung als die mildere Form der unterirdischen Bewegung ausgeprägt zu finden. Die Art und Weise, wie diese beiden Systeme bald einzeln, bald in Verbindung mit einander die äussere Oberfläche des Bodens, den Lauf der Gewässer, kurz die ganze Architektur dieses Gebietes bedingen, hier darzustellen, würde, so interes- sante Seiten auch diese Aufgabe bietet, doch zu weit führen. Nur so viel sei davon erwähnt, dass die Hauptwasserrinne des Vorlandes der Alb in ihrer Richtung wesentüch durch diese beiden Systeme bedingt ist, indem der Neckar von Sulz bis Plochingen mit kurzen Ausnahmen das peripherische System, von Plochingen bis Cannstatt im Wesentlichen das radiale zu verfolgen gezwungen ist. Ausser den genannten zwei Systemen finden sich sodann noch einige andere Spaltenlinien, deren Verhältnisse schon oben im Einzelnen geschildert wurden und welche sich keinem dieser beiden Systeme einreihen lassen. Dahin gehört z. B. die Fin- stermünzspalte, welche sich noch am nördlichen Steilabfalle des Hohenwarts bis in das Reichenbachthal verfolgen lässt, so wie die Unterensinger Verwerfungsspalte, welche mit der ersteren nahezu parallel läuft und sich vielleicht bei weiteren Unter- suchungen als Umsetzung der Spaltenrichtung des mittleren Neckars in diejenige des Filsthales ergibt. Besondere Aufmerk- samkeit verdient auch der Liaszug von Steinenbronn, welcher - 255 - in den verschiedensten Richtungen von einem reichen aber noch unentwirrten Netz von Dislocationen durchzogen ist, von denen die ausgesprochenste in merkwürdiger Weise parallel mit der Filderspalte läuft und sich dadurch dem Radialsysteme einreiht. Dieselbe zieht durch das Ort Steinenbronn, bildet die Mulde neben dem Steinenberg und Mühlberg (von Waidenbuch) und mündet bei der Bachmühle in das Aichthal ein. Sowohl von Osten als Westen neigen sich die Bänke in starkem Fallen gegen diese Muldenlinie, besonders steil vom hohen Steinenb'erg (südwest- lich von Steinenbronn gelegen) herab, welcher in auffallender Weise die ganze Fläche der Schönbuchfilder überragt, ob er gleich nur noch den Bonebedsandstein auf seinem Scheitel trägt. Dieses überragende Niveau und die abgetrennte Lage des Bone- bedsandsteinkopfes erheben diese Stelle zu einer besonderen Bedeutung, über welche mir aber der Umfang meiner Beobach- tungen mehr zu sagen noch nicht erlaubt. Hiemit schliesse ich die Darstellung der Lagerungsverhält- nisse des Gebiets zwischen Schönbuch und Schurwald, das ge- wiss die wichtigsten Aufschlüsse über denjenigen Theil der Geologie gewährt, welcher sich mit der Reaction des Erdinnern gegen die feste Schichtendecke, sowie mit der Aufgabe beschäf- tigt, das heutige Relief der Erdoberfläche als das Produkt der beiden Faktoren, des inneren Schichtenbaues und der äussern Einwirkung der Atmosphärilien darauf zu konstruiren. Wie lückenhaft auch bis jetzt noch die Skizze ist, welche die bis- herigen Untersuchungsresultate der Geologen von diesem Ge- biete zu »entwerfen gestatten , so mag doch das Gegebene hin- reichend sein, die Bedeutung dieses Landstriches für. die be- nannten allgenjeinen Fragen der Wissenschaft hervorzuheben. Ebenso wird man daraus entnehmen können, dass dieses Gebiet noch bei weitem nicht erschöpft ist, sondern noch lange fort- fahren kann, dem aufmerksamen Beobachter mit Thatsachen zu lohnen_, welche die endliche Beantwortung der angeführten geo- logischen Probleme gestatten werden , für deren Erforschung dieses Gebiet eben so typische Vortheile zu besitzen scheint, wie sie unseren Trias- und Juraschichten für die stratogra- - 256 — phische Erkenntniss dieser Formationen längst zugestanden sind. Allgemeine Ursache dieser Dislocationen. An das geologische Bild dieser Gegend knüpft sich von selbst noch die Frage nach der genieinscliaftlichen Ursache aller dieser Störungen des ursprünglichen Schichtenbaues an. Zu einer sicheren Beantwortung der.selben gehört zwar nicht allein ein ums Vielfache erweitertes Beobachtungsfeld, sondern auch eine so erschöpfende Untersuchung desselben, dass man die gegründete Sicherheit haben kann, das ganze zur Beur- theilung der Frage erreichbare Material gesammelt vor sich zu sehen. Da aber in der gegenwärtigen Entwicklungsphase der geologischen Wissenschaften die besten und meisten Kräfte in die Dienste der paläontologischen Forschung gezogen werden, so möchte es noch lange anstehen, bis die verlangte Sammlung des Materials geschlossen und an die kritische Verwendung des- selben zur Lösung des bezeichneten Problems geschritten werden kann. Da überdies wenigstens so viele Beobachtungen vorliegen, dass eine Verbindung derselben unter sich schon jetzt wenig- stens zu einigen Schlüssen berechtigt, da ferner das Bedürfniss, sich die letzten Gründe solcher geologischen Phänomene auszu- denken, unwillkürlich fortwirkt, unbekümmert darum, ob auch die Vorbedingung für die systematische Schlussfolgerung in einer vollständigen Sammlung der Thatsachen erfüllt ist oder nicht, so glaube ich diese Frage an diesem Orte nicht ganz umgehen zu dürfßn, und lasse meine Ansicht hierüber, zwar im lebhaften Gefühle von der Lückenhaftigkeit der nöthig^n Begründung, hier nach dem Stande der heutigen Beobachtungen kurz zusam- mengedrängt folgen. Hiezu erscheint es aber nöthig, diejenigen hieher einschla- genden Thatsachen, welche in der voranstehenden Untersuchung nicht erwähnt werden konnten, weil sie sich ausserhalb des behandelten Gebietes vorfinden, vorher, wenn auch nur kurz und ohne den Nachweis von Einzelnheiten hier aufzuführen. - 257 — Dazu gehört zunächst die weitere Ausdehnung der oben unter- schiedenen beiden Spaltensysteme gegen Westen und gegen Osten. Und zwar ist in erster Linie das höchst interessante Senkungsfeld aufzuführen, welches bei der geognostischen Auf- nahme des Blattes Freudenstadt durch die Herren Finanzassessor Paulus und Dr. Baur im letzten Sommer in der Gegend von Dornstetten aufgefunden wurde. Es zieht, von zwei Spalten begrenzt, welche N. 50 W. (h. S^/s) streichen, also vollständig mit der Richtung unseres Radialsystems übereinstimmen, von Hallwangen über Schopfloch und Diessen ins Neckarthal, dessen Richtung von Dettingen bis Mühlheim durch diese Spalte be- stimmt wird. Aber auch das peripherische System tritt dort deutlich in einer Reihe von Parallellinien auf, von denen die wichtigste diejenige ist, in welcher der Neckar bei Sulz sein Bett gewühlt hat und welche von Mühlheim an in gerader Rich- tung über Wiesenstedten, die Mineralquellen von Imnau und Niedernau läuft, von Kiebingen bis Lustnau wieder im Neckar- thaie hinzieht und dort beinahe in ganz gerader Linie in die oben beschriebene Dislocationsspalte des Einsiedeis eintrifft. Eine kürzere Parallelspalte zeigt sich in der Gegend von Hechin- gen, von Bechtolsweiler über Bodelshausen nach Ofterdingen; und auch die divergirende Richtung der Spalten von Pliezhausen scheint sich über den Einschnitt von Altenburg nach Wankheim und an dem östlichen Abfall des Rammerts in der deutlichen Liaskante oberhalb Dusslingen bis gegen Bodelshausen hin fort- zusetzen. Dazu verspricht das südwestlich zwischen Alb und Schwarzwald eingekeilte Gebiet von Nagold bis Donau- eschingen noch die wichtigsten Aufklärungen in dieser Beziehung zu bringen, und ebenso muss eine Untersuchung der noch wenig erforschten Verwerfungen längs der Wutach Resultate zu Tage fördern, welche die richtige Beantwortung der vorliegenden Frage wesentlich fördern. Wenden wir uns an die andere Seite des oben abgehan- delten Senkungsfeldes, nach Plochingen, so finden wir auch hier eine Fortsetzung der Dislocationserscheinungen und zwar in öst- Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 3s Heft. 17 - 258 - lieber Richtung. Eine, wenn auch nur an wenigen Punkten in voller Deutlichkeit erkennbare Verwerfungsspalte beginnt unter- halb der Plochinger Brücke, zieht in dem Bachriss nördlich von Siegenberg durch und trennt unterhalb Krapfenreuth die Turneri- thone vom Malmplateau des Schurwalds ab. Yon hier an bis zum Hohenstaufen ist es schwierig, diese dem peripherischen System zugehörige Dislocationslmie weiter zu verfolgen, indem sie in der Gegend von ünterwälden, Unterberken, Adelberg, Birenbach, von mehreren, kurz hinter einander folgenden Radial- spalten durchkreuzt wird. Nur so viel ist sicher, dass sie am nördlichen Fusse des Hohenstaiifens ihren Zug fortsetzt und in schnurgerader Linie am Steilabfalle der Alb hin sich bis an das Kocherthal verfolgen lässt. Dabei darf nicht unbemerkt bleiben, dass sowohl das peripherische als das Radialsystem auf diesem Gebiete ein etwas anderes Streichen als im Gebiete derFilder zeigt, indem die Richtung der peripherischen Filderspalten aus N. 65 0. (h. 4^/3) sich bei Plochingen in N. 75 0. (h. 5) umwandelt und ebenso die Radialrichtung sich von N. 52 W. (h. 8V2) in N. 67 W. (h. 7V2) umsetzt; mit andern Worten, beide Systeme nähern sich hier in ihrer Richtung einander und scheinen all- 'mählig in ein einziges peripherisches System zu verschmelzen; wenigstens ist vom Hohenstaufen bis Aalen von radialen Ver- werfungen nirgends mehr etwas zu finden. Zugleich mit der Veränderung des Streichens der beiden Systeme schwächt sich auch der oben ausgesprochene charakte- ristisclie Unterschied derselben etwas ab, wonach das periphe- rische hauptsächlich rauldenbildend, das radiale verwerfend auf- trat, und es erscheinen im Gebiete von Plochingen bis Aalen beide Dislocationsformen an beiden Spaltenlinien, obgleich das Radialsystem immer noch vorwiegend Verwerfungen, das peri- pherische mehr Muldeneinsenkungen zeigt. Die angeführte ' Thatsache , dass das peripherische Spal- tensystem keineswegs eine konstante Richtung beibehält, sondern aus seinem Streichen bei Sulz in N. 65 0. (h. 4^3) sich am mittleren Neckar bei Plochingen nach N. 82 0. (h. 5^2) des Hohenstaufenzuges umsetzt, und auf diese Art einen weiten - 259 ~. Bogen beschreibt, tritt noch klarer hervor, wenn man, die wahr- scheinlichen Ergebnisse der DetaiUmtersuchung antizipirend, die Wutachspahe in ihrem N. 37 0. (h. 2^2) Streichen als süd- liche Verlängerung des peripherischen Systems ansieht, und da- durch den Uebergang zu den grossen Dislocationslinien des schweizer Juras gewinnt. Vergleicht man mit diesem bogenförmigen Zuge der unter- irdischen Bewegungen den Steilabfall des schwäbischen Jura, so zeigen sich» beide Linien auffallend parallel und ebenso ist es mit der Grenzlinie unserer Alb an der Donauseite. Wenn auch die Richtung dieser letzteren Linie mehr nur das allge- meine Streichen jener Dislocationen theilt, so ist es darum doch nicht minder einleuchtend, dass diese drei Linien in einer gewis- sen ursächlichen Verbindung mit einander stehen müssen. Welche Bewandtniss es dabei mit der Bildung des Steilrandes habe, ist noch unerklärt, und mag noch lange ein geologisches Problem bleiben; dagegen ergeben sich für die Donaulinie so viele An- haltspunkte, dass man nicht länger anstehen kann, sie für eine Verwerfung längs des Molassebeckens von Oberschwaben zu erklären. Die Beweise dafür können freilich, der Natur der Sache nach, weniger aus speciellen Nachweisungen an bestimm- ten Lokalitäten als aus der allgemeinen geologischen Gestaltung des Landes zwischen Jura und Alpen geschöpft werden; denn ausser dem hart am Jura 200 Meter tief in die Molasse einge- triebenen Bohrloch von Eghsau und einigen Punkten unterhalb Ulm und bei Wittishngen in Bayern kenne ich bis jetzt keine Stelle, welche ein Abbrechen der Schichten in sicherer Weise anzeigte; dagegen lässt eine zusammenfassende Betrachtung des peripherisch um die Alpen gelegten Gürtels des schweizerischen und deutschen Juras die hohe Wahrscheinlichkeit einer Dislo- cationslinie längs des den Alpen zugekehrten Randes aus mehr- fachen Gründen hervortreten. Dass eine solche längs des eigent- lichen Juragebirges von Chamb6y bis zur Kette des Laegeren bei Baden läuft, geht aus den schroff unter das Molassegebiet einsinkenden Endschichten dieses Gebirgsrandes hervor. Weniger sicher lässt sich dies allerdings in dem tafelförmigen Weiterzuge - 260 - dieser Ablagerungen von Brück an der Aare nach Schaffhausen^ und Schwaben nachweisen; allein die scharfe Linie, welche der Jurarand von hier bis Regensburg bildet, lässt sich wohl auf keine andere Weise als durch eine Versenkung des Jura erklä- ren. Wer aber auch eine solche nicht zugeben mag, der wird doch nicht umhin können, aus der gürtelförmigen Lage, dem anhaltenden Einfallen gegen SO. und andern Anzeichen anzu- erkennen, dass der süddeutsche Jura in wesentlicher Beziehung zu den Alpen steht. Alle diese Gründe bestärken mich in der Ansicht, auch das bogenförmige System unserer Dislocations- spalten für eine Einwirkung der Bildung der Alpenkette zu hal- ten, etwa in der Weise, dass eine Bewegung des flüssigen Erd- kernes gegen die Hebungslinie der alpinen Centralkette hin ein Nachsinken der peripherischen Umgebung bis in eine gewisse Entfernung zur Folge haben musste. Sei dem aber wie ihm wolle, so ist jedenfalls so viel ge- wiss, dass es nicht die im Körper der Alb selbst in drei Gebie- ten, dem Höhgau, der Reutlingen-Kirchheimer-Gegend, und dem Ries auftretenden vulkanischen Eruptionen sind, welche als Ursache der Einsenkung angesehen werden können. Zwar lässt sich nicht verkennen, dass die Einsinkung des grossen Rieskes- sels nicht ohne Einfluss auf die Richtung mancher Dislocations- linien jener Gegend geblieben ist; so lässt sich z. B. das nach S. 70 0. gerichtete Streichen der Dislocationsspalte von Lauch- heim über Aufhausen und Flochberg ins Egerthal nach Utz- memmingen vielleicht aus- einer gegen das Centrum des Rieskessels gerichteten Abänderung der sonstigen Spaltenrichtung erklären; allein alle diese vulkanischen Erscheinungen, selbst die bedeu- tendsten unter ihnen, wie sie das Ries aufweist, zeigen einen so eng beschränkten Wirkungskreis, dass man die Einsenkung des ganzen Albkörpers unmögUch als eine Folge ihres Auftre- tens annehmen kann. Umgekehrt sprechen vielmehr alle Ein- zelnheiten dafür, das Hervortreten feuerflüssiger Gesteine im Albkörper als die Folge der durch andere Ursachen hervorgeru- fenen Spaltungen der festen Erdrinde zu betrachten, in welchen die flüssige Masse unter dem Drucke der aufliegenden Schichten — 261 - «mporquoll. Es zeigt sich auch, mit geringen Ausnahmen im Ries, wo einige Ueberschiebungen kleineren Urafangs auf dem äusseren Senkungswall des grossen Kessels, z. B. Thalassiten- und Amalthecnschichten des Lias auf den Spongitenkalken des weissen Jura 7 vorkommen, nirgends eine Erscheinung, welche in irgend einer Weise als Hebung gedeutet werden könnte, wie deren doch wohl sich zeigen müssten, wenn das Hervorbrechen der unterirdischen Massen die Ursache der Bewegung gewesen wäre. Dass übrigens das Hervortreten derselben mit der Ent- stehung unserer Senkung zusammenhängt, somit auch der Zeit nach zusammenfällt, soll nicht bestritten werden, und möchte auch daraus hervorgehen, dass die vulkanischen Gesteine häufig in Gangform als Ausfüllung von Spalten emporgequollen sind, welche z. B. am Jusiberg, am Hochbohl (Fuss der Teck) und am BöHe, südlich von Owen deutlich parallel mit dem periphe- rischen Spaltensystem streichen und sich dadurch als diesem zugehörig ergeben. Ohne zunächst eine ursächliche Verbindung kombiniren zu wollen, kann ich doch nicht umhin, auch noch kurz darauf hin- zuweisen, dass wenn man die Richtung unseres radialen Spalten- systems geradlinig verfolgt, man auf der gegenüberliegenden Abdachung der Alpen, am Abhänge gegen die Poebene, direkt in die Euganeen und die im Vizentinischen von Verona bis an den Piave hinziehende einzige vulkanische Zone des Fusses der Alpen trifft, welche zugleich mit dem diesseitigen Gürtel der ähnlichen Gesteine in Schwaben auffallend parallel streicht. Um es kurz zu wiederholen , so scheinen mir der Ansicht -wohl einige Anhaltspunkte zur Seite zu stehen, dass die allge- meine Ursache der oben abgehandelten Störungen in der Hebung der Alpen zu suchen wäre, deren nachweisbar äussersten Reac- tionskreis die geschilderten Senkungsfelder bilden würden und zu deren integrirenden Erscheinungen auch das Emporsteigen vulkanischer Gesteine längs der äusseren Ränder des alpinen Reactionsgebietes gehörte. Nur die eingehendsten Detailunter- suchungen können über die Richtigkeit dieser Ansicht Gewiss- heit verschaffen. Erklärung zu Tafel IV. u. V. Der geognostischen Karte liegt die (sogenannte Mittnacht'sche) Generalkarte von Württemberg im Maassstabe von 1: 200,000 zu Grunde, von welcher einen Ueberdruck zu nehmen, das k. statistisch-topogra- phische Bureau mit dankenswerthester Bei-eitwilligkeit gestattet hat. Die eingezeichneten schwarzen Linien bezeichnen die Richtung der Dislocationsspalten. Die eingeschriebenen Zahlen bezeichnen nachstehende Berge: 1. Dickenberg, 2. Aldinger Wald, 3. Galgenberg, 4. Uhlberg, 5. Federlensmad, 6. Baumgartenwaad, 7. Roth Steigle, 8 Eichenfürst, Von den Profilen liegt dem ersten der Maassstab von 1 : 200,000 für die Längendimensionen, von 1:40,000 für .die Höhen zu Grunde. Die übrigen 4 Profile haben 1 : 20,000 für die Höhen und 1 : 50,000 für die Längen (Maassstab des topographischen Atlasses). 9. Weihersteig, 10. Kiruberg b. Bebenhausen, 11. Kohlhau, 12. Stunkert, 13. Fuchswasen, 14. Kirnberg b. Hildrizhausen, 15. Kaisersbusch. 8. Systematische Zusammenstellung der bisher in Württemberg aufgefundenen Macrolepidopteren nebst Bemerkungen über deren Lebensweise. Von Adolph Keller, Part, in Reutlingen und Di\ Julius Hoffmann in Stuttgart. Im April 1861. Es ist zwar schon im Jahr 1850 in diesen Blättern (Jahr- gang Y. pag. 76) durch die Bemühungen des Herrn Dr. Otto E. J. Seyffer ein Württemberg. Schmetterlingsverzeichniss unter Beihülfe der zu jener Zeit sammelnden Entomologen erschienen, es haben aber erstens viehache Yergleichungen einige der damals aufgeführten Arten als falsch bezeichnet erkennen lassen, welche also zu streichen waren; zweitens und hauptsächhch sind in der Zwischenzeit durch den Eifer von neuen auf diesem Felde thätigen Kräften mehrere bisher in Württemberg unbemerkt ge- bhebene Arien aufgefunden worden; auch über manche der schon verzeichneten Arten sind in der Zwischenzeit einige interessante neue Beobachtungen gemacht worden. Eine neue Bearbeitung schien uns daher unumgänglich nothwendig zu sein. Als leitendes System haben wir daü von J. Boisduval "^ gewählt. Um Tübingen wird leider nicht mehr gesammelt, dagegert * Boisduval , genera et index methodicus Europaeorum Lepidop- terorum. Paris 1840. ' — 264 — um so eifriger im Oberlande, wo es dem Fleiss des Herrn Pfarrer Hensler in Marbach (Oberamt Riedlingen) gelang, eine Reihe seltener, für Württemberg neuer Arten aufzufinden; auch in Marththal und Sulz, vor Allem aber in Stuttgart und Reutlingen Avird Nichts vernachlässigt^ um die genaue Kenntniss unserer ^ürttembergischen Fauna zu fördern, so dass wir schon jetzt auch eine Zusammenreihung der Microlepidopteren für die nächsten Jahre in Aussicht nehmen können. Um recht sicher zu gehen, war es nöthig, eine Menge von Arten kommen zu lassen; — solche sind nach den besten Werken und nach der reichhaltigen Keller'schen Sammlung gewissenhaft bestimmt, so dass unsere Angaben auf volles Vertrauen Anspruch machen; eine ganz vollständige Uebersicht unserer württemb. Fauna Avird freilich erst dann möglich sein, wenn alle Gegenden durchforscht sind; so dürften namentlich in den See- und Sumpf- •gegenden noch einige Arten von Nonagria Tr. und Leucania Ochsenh. vorkommen. Wir müssen uns daher vorbehalten, in einigen Jahren noch einen grösseren oder kleineren Nachtrag zu liefern. In unserem Württemberg ist die Schmetterlingskunde bisher im Vergleich mit Oesterreich, Preussen, Bayern u. s. w. sehr vernachlässigt worden; und zwar haben dazu wohl verschiedene Gründe beigetragen ; vor Allem sind die literarischen Hülfsmittel der Mehrzahl der Sammler ferne und unzugänglich; öfFentHche Sammlungen sind nur in Stuttgart und Tübingen; so bleibt es bei manchem Dilettanten bei dem Anfang stehen und die Samm- lungen der Knaben können kein bedeutendes Resultat hefern, wenn selbst mehr Beharrlichkeit vorhanden w^äre. Wir stellen übrigens gerne unsere wohlgeordneten Sammlungen den Anfängern für Bestimmung zur Verfügung und erbieten uns, genau nu- merirte Sendungen möglichst genau zu bezeichnen. Eine topographische Beschreibung Württembergs ist wohl überflüssig, da bei der kleinen Ausdehnung des ganzen Landes sich kaum mit Recht viele Arten auf ein engeres Gebiet be- schränken lassen. Es dürfte genügen, im Folgenden die absolute Höhe einiger Hauptpunkte anzugeben: - 265 - Die Allgäuer Berge erheben sich bis zu 3456' üb. d. Meeresfl. Das Albgebirge erhebt sich bei St. Johann bis auf 2372' „ Und bei dem grünen Felsen . . . 2488' „ Eeutlingen liegt etwa 1199' Stuttgart 770' jFeuerbacher Haide . . . 1266' /Bopser, höchster Punkt . . 1489' Tübingen etwa 1100' iSpizberg 1444' (Schwärzloch 1172' Riedlingen nächst Marbach .... 1647' Sulz 1336' Rhopalocera. A. Succinctae. I. Tribus Papilionides. Papilio Latr. Ochsenh. 1. Podalirius L. Ueberall. 2. Machaon L, Ebenso. Thais Fabr. 1. Hypsipyle Fahr, Soll vor Jahren bei Stuttgart und am Bodensee einzeln vorgekommen sein; ich erzog einst aus einer Anzahl von Puppen, welche ich aus Dalmatien mitgebracht hatte, gleichzeitig ganz hellgelbe und intensiv dunkelgelbe Falter. K, Parnassius Latr. 1. Apollo L. Ueberall auf Felskuppen der Alb. 2. Mnemosyne L, Alb. An merk. Bemerkungen, welche sich je auf eine specielle Beob- achtung gründeten, haben wir stets mit den Anfangsbuchstaben unserer Namen bezeichnet, also Keller mit K., Hoflfmann mit H. Die Verfasser. - 266 — II. Tribus Pierides. Pieris Boisd, 1. Crataegi L. Selten in Schaaren, schlupfen zuweilen mit fast farblosen Oberflügeln aus. 2. Brassicae L. Ueberall gemein. 3. Bapae L. Ebenso. 4. Napi L. Ebenso. 5. Daplidice L. Wurde vor vielen Jahren einzeln, ich glaube auf den Wiesen bei Berg und Wangen gefunden, ist jedoch seither in der Umgebung Stuttgarts nicht mehr gefunden wor- den. H. — Ist auch bei Tübingen* K. Anthocharis Boisd, 1. Cardamines L. Ueberall häufig. Leucopliasia Steph. 1. Sinapis L. Die zeichnungslose Varietät Erysimi Borkh, fing ich schon bei Stuttgart. H. Rliodocera Boisd. 1. Rhamni L. Ueberall gemein. Colias Boisd. 1. Edusa L. In manchen Jahren gemein , in manchen geradezu selten. Die var, Heiice H, einmal von mir gefangen. K. 2. Palaeno L. Schwarzwald und Allgäu. — In einem Sommer der 40er Jahre (wenn ich nicht irre 1846) flogen bei Stuttgart mehrere Ex., wovon sich eines, ein sehr grosses, schon etwas abgeflogenes d noch heute in meiner Sammlung befindet. H. 3. Phicomene JEsp. Auf den Allgäuer Bergen. K. 4. Hyale L. Häufig. III. Tribus Lycaenides. Thecla Fabr. 1. Betulae L. Ueberall. » - 267 - 2. Primi L. 3. Lynceus Fahr. {Ilicis Huhn?) bei Reutlingen selten. K. Bei Stuttgart auf lichten Waldstellen Ende Juni, Anfangs Juli nicht selten. H. 4. Spini Fahr. Selten. (Stuttgart? H) 5. Quercus L. Stellenweise, so auch bei Stuttgart, häufig. — Bei Reutlingen finde ich seit mehreren Jahren keine Raupe mehr. K. 6. Rubi L. Ueberali häufig. Polyomriiaius Boisd. 1. Ballus Fahr. Bei Isny einst aufgefunden. K. 2. Phlaeas L. Ist seit Jahren bei Stuttgart nur spärlich zu finden. PL . 3. Virgaureae L. Zur Zeit, wo die Mehrzahl der (S noch rein ist (Ende Juni bis Mitte Juli) findet man selten ein p. Letztere fliegen durchschnittlich 14 Tage später. H. 4. Chryseis Fahr. Im Allgemeinen selten; im Leonberger Wald (im Madenthale) bisweilen zahlreich. Die P sind auch bei dieser Art seltener, als die d und erscheinen etwas später, als letztere. H. 5. Hiere Fahr. (Hipponoe Ochs.) Tübingen, sehr selten. 6. Xanthe Fahr. {Circe Illig.) Stuttgart und Alb. 7. Plelle Fahr. Tübingen, sehr sehen. Lycaena Boisd. 1. Telicanus Herhst. Von Herrn Pfarrer Hahn 1834 ein- mal an der Schötzach gefangen. K. Im Herbst 1859 beobach- tete ich zuverlässig 1 Expl. in einem Garten des Stuttgarter Thaies. Es setzte sich^ nachdem ich ihm längere Zeit gefolgt war, auf eine halboffene Monatrose, w^o ich die charakteristische Hinterseite seiner Flügel genau zu betrachten Müsse hatte, ent- schlüpfte mir jedoch leider, als ich es mit dem Hut zu fangen yersuchte. H. 2. Amyntas Fahr, und var. polyperchon Ochsenh. Spär- lich, aber wohl überall; an einzelnen Flugplätzen häufiger. - 268 — 3. Hylas Fahr. Ich erzog einst ein herrliches p mit Rubi- Eaupen, ohne auf die Raupe aufmerksam zu werden. K. 4. Aegon Borkh. Stellenweise, so z. B. bei Stuttgart, gemein. 5. Argus L. Von der vorigen Art bekanntlich nur durch den mangelnden Hornstachel am Ende der Vorderschienen sicher zu unterscheiden. Trotz eifrigen Suchens konnte ich Argus bei Stuttgart noch nicht auffinden. ff, 6. Cumedon Esp, Reutlingen, Stuttgart, Marbach, auf ein- zelne Flugplätze beschränkt. 7. Agestis Esp. Ueberall; aber spärlich. 8. Alexis Fabr. 9. Adonis Fahr. Nicht häufig, auf einzelne Flugplätze beschränkt. Variet. Ceronus Hübn. Reutlingen, selten. 10. Dorylas Hnhn. Ein (S Exemplar fing ich bei ReutHngen; auch befand sich ein (? bei Sulz gefangenes) Ex. unter den Schmetterlingen, welche Herr Dr. Hartmann der Sammlung des Vereins für vaterländ. Naturkunde verehrte. (Herr Dr. Hartmann hat meines Wissens auch gekauft!) K. 11. Cor y dort Fahr. An sonnigen Orten, wo die Futterpflanze der Raupe (Coronüla varia und minima) zahlreich wächst, so hinter Ehningen und bei Stuttgart, gemein. 12. Acis Wien. Verz. Nicht sehr häufig. 13. Alsus Fahr. Stellenweise gemein. 14. Dämon Fahr. Auf Bergwiesen (z. B. bei Degerloch). 15. Argiolus L. Stets spärlich. 16. Cyllarus Fahr. Ebenso. 17. Alcon Fahr. Tübingen, selten. Soll auch bei Stuttgart vorgekommen sein. Seit Jahren wurde er daselbst nicht gefunden. 18. Euphemus Huhn. Oberschwaben selten; soll ebenfalls früher bei Stuttgart gefunden worden sein. 19. Erehus Fahr. Oberschwaben selten; ein Ex. wurde vor Jahren von Herrn Goldarbeiter Mancher bei Stuttgart ge- fangen; seither wurde er jedoch bei Stuttgart nicht mehr be- obachtet. ' K. — 269 — 20. Arion L, Alb häufig, bei Stuttgart nur sehr selten; scheint mir überall Gebirge vorzuziehen; auch um Meran fing ich (am Josephsberg) eine herrliche Varietät in Mehrzahl. K. IV. Tribus. Erycinides Boisd. Nemeobius Steph. (Lycaena Tr.) 1. Lucina L. Ueberall häufig, namentlich an Waldsäumen, von Ende April bis Ende Mai. B. Pendulae. V. Tribus. Nymphahdes. Limenitis Boisd. (Limenites Ochs.) 1. Sibylla Fahr, Fliegt um Reutlingen meist an Wald- wegen der Alb und fehlt in der Höhe und im Thal. K. — In den lichten Waldungen um Stuttgart nicht selten. H. 2. Camilla Fahr. Bei Stuttgart wohl nur bisweilen ein verirrtes Expl. H. — Auch bei Reutlingen seit einigen Jahren sehr selten und stets am und im Gebirge. K. Nymphalis Bold. {Limenites Ochs.) 1. PopuU L. Nach Herrn Trinkers Angabe überwintert die Raupe in den Blüthenknospen der Zitterpappel; var. Tremulae Linn^ besitze ich sehr schön mit violetter Unterseite. K. Ferner habe ich durch die Güte des um die Entomologie so verdienten Herrn Pfarrer Hensler in Marbach bei Riedlingen einen prächtigen Zwitter erhalten mit folgendem Bericht: „Ich habe diesen Zwitter von Limenitis Populi im Juni 1858 von einer Excursion leer zurückkehrend, an der Puppen- hülse frisch entwickelt, gefunden, und nur ersterer Umstand veranlasste mich, ihn mitzunehmen und zwar, weil er noch ganz weich war, ungetödtet; zu Hause erst bemerkte ich, dass die linke Seite männhche Flügel, die rechte weibliche in sehr augenfälliger Weise darstellte. '^ — Nach genauer Beschauung und Untersuchung stellte sich heraus, dass er nicht nur auf den — 270 - Flügeln ganz entschieden oben und unten ein Zwitter (links d, rechts P) ist, und zwar die linke Seite mit den kürzeren Flü- geln das Männchen, sondern dass der Leib links männliche, rechts weibliehe Geschlechtsglieder weist, natürlich jede Seite nur hälftig. — Ich bezweifle sehr, dass die Zwitter von dieser Beschatfenheit fähig sind zur Fortpflanzung, obwohl dieses Exemplar in der Grösse durchaus nicht verkümmert erscheint. — Es wäre dies also der erste mir bekannte württ. Zwitter und wohl noch interessanter als L. dispar, da jene Art nach mehreren Autoren am häufigsten Hermaphroditen liefert, freilich bemerkenswerth wegen der Abweichung der gefiederten und borstigen Fühler; es würden vielleicht mehr Zwitter beobachtet, allein bei den Lepidopteren, die gleichfarbige Männchen und Weibchen besitzen, entgehen sie der Aufmerksamkeit, leicht namentHch im Freien, wie es ja auch im vorliegenden Falle beinahe gegangen wäre. K, Ärgy7m(S, Ochs. 1. Paphia L. 2. Aglaja L. Eine eigenthümlich schöne Varietät mit grossen schwarzen und unten mit zusammengeflossenen Sil-' berflecken aus der Ulmer Gegend befindet sich in meiner Sammlung. K. 3. Adippe Fabr. 4. Niobe L. 5. Lathonia L. 6. Amathusia Fabr. Selten um Stuttgart, Tübingen, Mar- bach. (Ich habe ihn nie bei Stuttgart gefunden. H.) 7. Daphne Fahr. Einmal an der Teck mit drei Flügeln, nun in der Sammlung des Herrn Trinker. K. 8. Ino Esp. Stuttgart und Tübingen, selten. 9. Hecate Fabr. Stuttgart und Oberland selten, (von mir bei Stuttgart nie gefunden. H.) 10. ArsUache Hübn. Auf den Bergen des Allgäu, auch Marbach. H. 11. Pale s Fabr. Soll einmal bei Stuttgart gefunden wor- , - 271 — den sein. In Tyrol fand ich ihn nie unter etlichen tausend Fuss* Höhe. K. 12. Dia L. Selten. 13. JEuphrosyne L, 14. Selene Fahr. Ist seltener als Euphrosyne und fliegt etwas später. Anfangs Juni, zu welcher Zeit Euphrosyne, wenig- stens das c^, schon stark abgeflogen ist, fängt man noch ganz frische Exemplare von Selene. jj. 15. Aphirape Huhn. Stuttgart und Marbach selten. — Im Madenthal (zwischen Leonberger und Gerlinger Wald) in manchen Jahren zahlreich, in andern sehr spärlich. //. Melitaea Fabr. 1. Matiirna L. Reutlingen, Tübingen eben nicht selten; einst fand ich eine Menge Raupen im Mai auf Eschentrieben. K. Bei Stuttgart selten; Leonberger V\^ald alljährlich (in der ersten Hälfte des Juni). jj, 2. Cynthia Fabr. - Soll einmal bei Stuttgart gefangen wor- den sein. 3.- Artemis Fahr. 4. Cinxia Fahr. Stuttgart und Alb. — Ich erzog die an AYaldrändern der Alb gesellig auf Ampfer lebende Raupe schon mehreremal; der Falter ist stets selten, K. 5. Phoebe Fahr. Bei Stuttgart äusserst selten. (?) 6. Didyma Fahr. Fand ich im Juni 1860, die Raupe ge- sellig an der Albhöhe auf Leinkraut, musste aber zu meinem Leidwesen die Erfahrung machen, dass die hungernden Raupen die Puppen anfrassen. K. Auch ich fand Ende Juni 1860 zum erstenmale bei Stuttgart zwei Raupen auf Leinkraut. H. — Bei Niedernau ist Didyma nach Herrn WafFenfabrikant Kohl in manchen Jahren sehr gemein. 7. Dictynna Esp. 8. Parthenie Ochsenh. und Meyer-Dür. (nicht Parthenie JBorkhausen, Herr. Sch.y Speyer etc., denn diese kommt in Württemberg wohl nicht vor) fehlt in Stuttgarts nächster Umge- bung; auf einer nach Osten gelegenen blumenreichen Wiese in - 272 - der Nähe des „Schattens" ist sie jedoch alljährlich gemein. Die Artberechtigung beider Parthenie wurde wiederholt in Zwei- fel gezogen, jedoch zeigt Parthenie Ochsenh., abgesehen von der verschiedenen Zeichnung auffallende Unterschiede in der Lebensweise. Zur Zeit, wo die ersten Athalia fliegen, nämlich von Ende Mai bis ca. 10. Juni, fliegt noch keine Parthenie. Letztere erscheint erst Mitte, öfters erst Ende Juni ; Athalia ist ausserordentlich verbreitet, und findet sich nicht nur auf sonni- gen Waldwiesen, sondern auch auf jedem schattigen blumenrei- chen Waldweg, während Parthenie ausschliesslich an ersteren Localitäten vorkommt und sich selbst da auf besondere Stellen beschränkt. Wo Parthenie fliegt, wird daher gewöhnlich auch Athalia fliegen, aber nicht umgekehrt. H, 9. Athalia Borkh. Vanessa Ochs. Prorsa L. ) Selten ; ich fand ein einzelnes Exemplar in Levana L. \ Oberschwaben. Herr Freyer fand -sie einmal häufig bei Ravensburg. K. 2. Cardui L. Die Raupe lebt meist auf Disteln, aber auch auf verschiedenen anderen Pflanzen, namentlich auch auf Mal- ven. K. Cardui war seit 1857 in der Umgegend von Stuttgart äusserst selten. Mitte Mai 1860 erschienen plötzlich einzelne anscheinend überwinterte Exemplare (meist p), deren Zahl gegen Ende Mai immer grösser wurde, so dass der Schmetterling von da bis Mitte Juni auf allen Wald-Chausseen und Feldwegen höchst gemein war. Dieselbe Erscheinung wurde auch im badi- schen Elsass beobachtet, und ich möchte fast glauben, dass der Schmetterling in dem andauernd warmen Frühling 1860 in Masse aus einer anderen Gegend eingewandert war, eine Annahme, die in dem ungewöhnlich raschen Fluge und unsteten Tempera- ment des Falters eine Stütze finden dürfte. H, Soeben finde ich einige Notizen, welche die Annahme des Herrn Hoff'mann bestätigen, nämlich in einer Abhandlung von Dr. Hagen über Schmetterlinge, welche während des Zuges - 273 ~ beobachtet wurden ; es finden sich daselbst drei Fälle aufgeführt, welche sich auf V. cardui beziehen: 1) Prevost sah am 26. Oktober 1837 einen Zug von V. cardui, 10 — 15 Fuss breit, von Norden nach Süden ziehen. (in Genf?) L'institut 1837. p. 220. 2) Giuliani sah am 26. April 1851 in Turin einen grossen Zug von V. cardui frisch angekommen. Ann. Soc. Ent. 1851. Bull. p. 55; Froriep, Notizen 1852. T. 3. p. 200. 3) Marcal des Serres spricht in seiner Schrift über Wan- derungen der Insekten pag. 296 über Züge von V. cardui, urticae, Sph. lineatüf nerii und celerio. K. 3. Atalanta L. (Bei Stuttgart entschieden seltener, als vor etwa 10 Jahren. H,). 4. Jo L. 5. Antiopa L. 6. Urticae L. 7. Polychloros L. 8. Xanthomelas Bsp. Soll schon bei Stuttgart vorgekom- men sein. Bei der grossen Aehnlichkeit mit Polychloros steht zu vermuthen, dass er öfters für diesen angesehen und des- wegen nicht weiter beachtet wird. 9. C. album. Herr Trinker besitzt eine schöne dunkle Varietät mit zusammengeflossenen Flecken. VI. Tribus Apaturides. Äpatura Ochsenh. 1. LHs L. Es Heferte mir eine an der Kopfspitze verletzte Raupe einen weiblichen Falter ohne Fühlhorn an der ent- sprechenden Stelle. K. var. Jole Huhn. Es wurden schon mehrere Exemplare bei Stuttgart gefangen. H. 2. llia Fahr. var. Clytie Huhn. Bei Stuttgart fast ebenso häufig als die Stammform. H Württerab. naturw. Jahreshefte. 1861. 33 Heft. 18 274 VII. Tribus Satyrides. Arge Esp. [Hipparchia Ochs.) 1. Galathea L. Erehia Boisd. {Hipparchia Ochs.) 1. Medusa Fabr. ^ 2. Blandina Fahr. (Medea Hübn.) 3. Ligea L. Alb, Reutlingen, Tübingen, soll auch schon bei Stuttgart gefangen worden sein. Satyrus Boisd. {Hipparchia Oclis.) 1. Phaedra L. Tübingen, Stuttgart. K. (Ich fand Phaedra bis jetzt noch nicht bei Stuttgart. H.) 2. Hermione L. Tübingen selten. K. ; bei Stuttgart früher gemein, ist in den letzten Jahren selten worden. H. var. Alcyone Hübn. , ebenso. H. 3. Circe Fabr. (Proserpina Hübn.) Auf dem Schwarzwald selten. K.'-, bei Stuttgart (Hasenberg) vor ca. 10 Jahren noch alljährlich zu finden und selbst allen sammelnden Knaben unter dem Namen „Weisser Waldporteur" bekannt. Jetzt sehr sehen. Seit langer Zeit erbeutete ich wieder das erste Exemplar (ein ungewöhnlich grosses P) am 17. JuH 1859 in der Nähe des „Schattens." h. 4. Briseis L. An Felsbergen, z. B. auf dem Engelberg bei Leonberg in manchen Jahren häufig. 5. Semele L. 6. Eudora Fabr. Bei Stuttgart selten (? H.) 7. Janira Ochs. Herr Präparator Bauer fand im Jahre 1850 ein cS dieser Art mit einem p von F. blandina in Begattung. Die Exemplare befinden sich in der Sammlung des Vereins für Vaterland. Naturkunde. 8. Tithonus L. 9. Maera L. Häufig. var. Adraste Ochs. Bei Stuttgart selten. 10. Megaera L. Häufig. 11. Aegeria L. Gemein. - 275 - 12. Dejanira L. Nicht überall. Ich fand sie stets auf Waldwegen der Alb, im Thale niemals. K. Bei Stuttgart stellenweise häufig. //. 13. Hyperanthus L. Ueberall häufig. Ab. Ärete Müller. Reutlingen. 14. Hero L. Ist in Stuttgarts nächster Umgebung nahezu ausgerottet, im „Neuen Wald" Ende Mai bis Mitte Juni häufig. IL 15. Iphis Hübii. 16. Arcanius L. (Arcania Hübn.) 17. Davus. L. Bei Marbach nicht sehr selten. K. 18. Pamphiliis L. C. Involutae. VIII. Tribus Hesperidae. Steropes Boisd. {^Ilesperia Ochs.) 1. Paniscus Fabr. Ueberall auf Waldwegen. Hesperia Boisd. 1. Linea Fabr. Sehr häufig. 2. Lineola Ochs. Verbreitet. Ich traf Lineola bei Stuttgart nie im Wald, sondern auf trockenen Feldw^egen, Mitte Juli, an Distelblüthen saugend. H. 3. Sylvcmiis. Fabr. 4. Comma L. 5. Actaeon Esp. Bei Reutlingen einmal gefangen. K, Syi'icthus Boisd. (Hesperia Ochs.) 1. Altheae Hübn. Bei Stuttgart, namentlich im „Neuen Wald" auf blumigen Waldwegen nicht selten. H. 2. Malvae Fabr. [Malvariim Ochs.) Angeblich bei Stutt- gart, ich fand ihn niemals und vermuthe eine Verwechslung mit der vorigen x\rt. H. 3. Lavaterae Esp. Wurde einmal auf der Feuerbacher Heide bei Stuttgart gefangen. - 276 - 4. Cartha?ni Ochs. Bei Tübingen selten; soll auch schon bei Stuttgart gefangen worden sein. 5. Fritillum Huhn. (Fand ich nicht bei Stuttgart. H) 6. Alveolus Hübn. Häufig im Mai und Juni und Ende August. 7. Eucrate Ochs, hat Herr Pfarrer Hensler bei Marbach gefunden. K. 8. Sao Hübn. (Sei^torius Ochs.') Selten. Reutlingen, Marbach. Thanaos Boisd. 1. Tages L. üeberall. Heterocera. IX. Tribus Sesiariae Boisd. Thyris IlUg. 1. Fenestrina Fabr. Ist in heissen Sommern auf der Achalm und den Albhöhen nicht gerade selten, sie fliegt auf der Land- strasse am Walde bei Genkingen und setzt sich sowohl auf feuchte Stellen am Boden, als auch auf die Blüthen von Veronica. K. Sesia Lasp. Ochs. 1. Tetithrediniformis Hübn. Tübingen und Reutlingen. 2. TipuUformis L. 3. Nomadaeformis L. Soll schon bei Stuttgart gefunden worden sein; bei Reutlingen einmal an einer Eiche im Juli; auch fand ich schon unter Eichenrinde die Larve. K. 4. Formicaeformis L. Stuttgart selten. 5. Mutillaeformis L. Stuttgart und Reutlingen selten. Ich fand sie einmal häufig auf Blüthen des Hartringels an Hecken. K. 6. Culiciformis L. Entwickelte sich einst auf meinem Spei- cher aus dürrem Holz in Mehrzahl; ich sah sie auch schon in der Sonnenhitze auf Pflaumenbäumen. K. 7. Cynipiformis Hübn. Stuttgart (?) und Ulm selten. 8. Ichneiünoniformis F. Stuttgart, Reutlingen, Marchthal, selten. - 211 - 9. Hylaeiformis L. Selten; bei Stuttgart beobachtete ich sie Ende August 1860 um Himbeerbüsche schwärmend und auf deren Blättern sich sonnend, in ziemlicher Anzahl. H. Auf Him- beeren fand ihn auch Herr Pfarrer Hensler in Marbach. Ich fand Hylaeiformis einmal auf Erlen. K. 10. Spheciformis Eühn. Tübingen, ISIarbach, selten. 11. Mhingiocformis Huhn. Einmal in Marbach. II. 12. Asiliformis Fahr, Bei Sulz, ^selten; angeblich auch schon bei Stuttgart gefunden. 13. Apiformis L. X. Tribus. Sphingides. Macroglossa Ochs. 1. Fusciformis L. fliegt vor Bomhyliformis. Zur Zeit, wo man von letzterer noch ganz reine Exempl. fängt, (Anfang bis Mitte Juni) , ist Fusciformis bereits abgeflogen. 2. Bomhyliformis Ochs. var. Milesiformis Dahl. Stuttgart, Marbach, selten. 3. Stellatarum L. Pteronon Boisd. 1. Oenotherae Esp. Seit einigen Jahren sehr selten, bei Tübingen einst sehr häufig. K. Die Erscheinungszeit der Raupe scheint sehr von der Witterung abhängig zu sein; in warmen Sommern wird sie schon Ende Juni, in kühlen und feuchten (1860) erst Mitte August gefunden. Die Raupen wachsen sehr schnell und machen die Entwicklung vom Ei bis zur Verpup- pung öfters in 14 Tagen durch. H. Deilepliila Ochs. 1. Porcellus L. Ueberall häufig. 2. Elpenor L. Ebenso. 3. Celerio L. Noch seltener, bisher nur um Stuttgart und Hohenheim gefunden. 4. Nerii L. In heissen Jahrgängen einzeln. 5. Lineata Fahr. Schon bei Stuttgart und Reutlingen ein- - 278 - - • zeln vorgekommen. K. Am 21. Mai 1860 verfolgte ich bei Stuttgart in der ersten Abeni^dämmerung (so dass ich mich nicht täuschen konnte!) ein Exemplar wolil fünf Minuten lang, welches an den Blüthen von Vicia sepium umherschwarmte. Zu langes Zaudern, aus Furclit, den seltenen Schwärmer durch einen Fehlschlag mit dem Netze zu verscheuchen, hatte zur Folge, dass er mir, plötzlich weit weg fliegeiid, gänzlich aus den Au- gen kam. //. 6. Eupliorhiae L. Die Puppenruhe hat eine sehr variable Dauer, öfters von mehreren Jahren. Die weitaus grösste Anzahl von Faltern schlüpft Mitte Juh aus und entsteht aus Raupen, welche sich im September bis Spätherbst des vorigen Jahres verpupp- ten. Von denjenigen (wenig zahlreichen) Faltern, welche schon im Mai oder Juni ausschlüpfen, stammt in demselben Jahre eine zweite Generation, deren Raupen Ende Juni bis Mitte Juli gefunden werden und Ende Juli bis Ende August die Falter liefern. //. 7. Galii Fabr. Nicht häufig. Gewöhnliche Flugzeit: Juni. — 1859 fing ich noch am 7. September Abends ein ziemlich reines Exemplar. Sollte dies nicht einer zweiten Generation an- gehört haben? //. Die Raupe wurde schon an Reben gefun- den und lieferte keine abweichenden Falter. . K. Splänx Ociis. 1. Pinasiri L. Ueberall in Nadelwaldungen. 2. Ligustri L. Die Varietät Spiraeae Hübn. habe ich aus einer ganz ähnhchen Raupe erzogen. K. 3. Convolvuli L. Die Raupe findet man in heissen Jahr- gängen manchmal in Menge auf den Stoppeln, woselbst sie von der Ackerwinde lebt, und nach Abräumung neue Nahrung sucht. 7^' Acherontia Ochs. 1. Atropos L. Hievon erhielt ich im Jahre 1860 die sehr seltene schwärzliche Spielart der Raupe, welche sich durch die 3 weissen Vorderringe mit braunschwarzer Zeichnung sehr schön - 219r - auszeichnet. Ich möchte wissen, wo der Schmetterhng seine Eier absetzt, da doch meist zur EntwickUingszeit die vorzügHche Futterpflanze der Raupe, das Kartoffelkraut, abgeräumt ist und nur sehr wenige Puppen überwintern. A'. Atropos war Ende August bis Mitte Septembers 1859 bei Stuttgart (und Ludwigs- burg) ausnehmend liäufig, ebenso im Jahre 1846. Weinjahre, d. h. Jahrgänge mit sehr hcissen Sommern, scheinen daher der Entwicklung dieser Species besonders günstig zu sein. H. Sme.rinthus Ochs. L Tiliae L. Wechselt wie Trip?i. Fimhria von schönem Grün bis zu dunklem Braun mit grösseren und kleineren Flecken, ohne dass ,5 oder p eine vorgezeichnete Färbung oder Flecken- bildung hätte. K. Die braune Form — in manchen Gegenden selten — scheint bei Stuttgart häufiger zu sein, als die grüne, wenigstens erzog ich mehr Exemplare von der erstem, als von der letzteren Färbung. H. 2. Ocellata L. Wurde im Jahr 1859 durch Gymnasiast Hahn in Stuttgart in 2 Generationen beobachtet. Ein im Mai gefun- denes begattetes Weibchen legte Eier. Die daraus entstandenen Raupen wurden gross gezogen und die gewonnenen Puppen lie- ferten im Sommer desselben Jahres mehrere Falter. Diese be- gatteten .sich und aus den Eiern, vrelche ein Weibchen legte, wurden wiederum Raupen gezogen, welche sich im Herbste ver- puppten und im Mai 1860 die Falter lieferten. Letztere waren der Mehrzahl nach unvollkommene kurzflügelige Falter, was jedoch wahrscheinlich der zu trocknen Aufbewahrung der Puppen zuzuschreiben ist. H. 3. PopuU L. Ueberall häufig. 4. Qi/.ercus Fabr. Herr Seyffer klopfte im Jahr 1843 eine Raupe, kaum ethche Tage alt, von einem Eichenbusch, sie ging aber zu Grunde; übrigens fand ich auch schon junge Sm. PopuU auf Eichenbüschen. K. Obiger vereinzeinten Angabe fehlt meiner Ansicht nach jeder wissenschaftliche Werth, da 1) die junge Raupe von Quer- cus der von Ocellata und Populi sehr ähnlich ist, 2) das Vor- - 280 - kommen einer Raupe auf einer bestimmten Pflanze nicht genü- gen kann, um daraus eine Species als solche zu constatiren. Abgesehen davon, dass Herr Keller auch schon ächte Populi- Raupen auf Eichen antraf, dass auch ich schon die Puppe von Populi in reinem Eichenwald ausgrub, scheint mir bei obigem Falle die Wahrscheinlichkeit sehr nahe zu liegen, dass die junge Raupe durch irgend welchen Zufall von einer benach- barten Futterpflanze (Espe, Weide, Ulme, Linde, Birke oder Rhamnus frangula) entfernt worden war und sich auf einen Eichenbusch verirrt hatte. Dass sie zu Grunde ging, spricht für diese Annahme, da ihr vermuthlich das dargereichte Eichen- laub nicht zusagte. H. XL Tribus Zygaenides. Latr. Zygaena Latr. Ochs. 1. Minos W. V. Verbreitet, bei Stuttgart an einigen Stel- len alljährlich nicht selten. 2. Scabiosae Hülm. Ebenso. Bei Stuttgart häufig. Die Puppen werden Anfangs Juni besonders häufig an Buchenstäm- men, in der Nähe von wenig begangenen Waldwegen gefunden. i7. 3. AchiUeae Esp. (Bei Stuttgart fand ich sie erst einmal. Ä) 4. Cynarae Esp. Stuttgart selten. Flugzeit Mitte Juli. 5. Meliloti Esp, Bei Stuttgart häufig, Alb selten. 6. Trifolü Esp, Bei Niedernau von Herrn Kohl in Anzahl gefunden, bei Stuttgart habe ich sie noch nicht entdecken können. H. 7. Lonicerae Esp. Fast überall an blumigen Waldrändern, Flugzeit: Mitte Juli bis Anfang August. 8. Füipendulae L. Ueberall — von Mitte Juni bis August — die gemeinste Zygäne. 9. Hippocrepidis Odisenh. Tübingen \md Oberschwaben; fehlt bei Stuttgart. 10. Peucedani Esp. Ochseiih. Stuttgart. (Ich habe sie da- selbst bis jetzt nicht gefunden. //,) - 281 -^ 11. Oiiobrychis. ^Y. V. Auf Höhen; sie war einst (nebst Zyg. faustq) an der Albsteige sehr häufig, jedoch vermisse ich sie daselbst seit langer Zeit. K. Bei Stuttgart , in der Nähe . von Degerloch in manchen Jahren häufig. H. 12. Fausta L. War einst auf der Alb häufig, ist aber nun seit Jahren verschwunden. K. Noch muss ich einer Zygäne Erwähnung thun, welche ich trotz sorgfältiger Prüfung des gesammten wissensch. Materials (Hübner, Herrich-Schaeffer, v. Heinemann etc. etc.) nicht zu bestimmen vermag, die ich aber gleichwohl vorläufig nicht für eine neue Art, sondern für eine Varietät von Trifolii halten möchte. Im Gesammt-Habitus erinnert sie am meisten an Lonicerae, unter- scheidet sich jedoch von dieser unter Anderem durch das Feh- len des sechsten Flecks, durch weit kürzere und plumpere Fühler und durch die bedeutend frühere Flugzeit. (Mitte Juni.) Die Diagnose stellt sich, wie folgt: Länge des Vorderflügels von der Wurzel bis zur Spitze 6 — 7 Par. Lin. Fühler massig lang (weit kürzer als bei Lo- nicerae) , plump , mit kurzer, dicker, schwach zugespitzter Kolbe. Vorderflügel breit, mit gerundeter Spitze, dünn bestäubt, matt schwarzgrün, mit grünhchblauem oder violettem Schimmer. Die fünf Flecken frei, ohne Verbindung, blass carmoisinroth ; der fünfte meist deutlich halbmondförmig, die convexe Seite wur- zelwärts gerichtet; Hinterflügel blass carmoisinroth, mit breitem schwarzgrünem Saume. Fundort: eine feuchte Wiese im Ma- denthal bei Eltingen. Flugzeit: Mitte Juni. Wenn diese Zygäne zu Trifolii Esp. zu ziehen ist, so wäre sie immerhin — wegen des blassen Roths und der isolirten rothen Flecke — als constante Localvarietät anzusehen. Die Exemplare von Trifolii jedoch, welche mir zum Vergleich vorliegen, unter- stützen diese Annahme keineswegs und weichen sehr augenfällige von der oben beschriebenen Zygäne ab. H. Procris Fahr: {Atijchia Ochsenh ) 1. Statices L. Häufig. 2. Globulariae Esp. Häufig. - 282 - 3. Primi Fahr. Bei Stuttgart nicht selten ; die Raupe wird Anfangs Juni an Waldrändern von Schlehen geklopft. //. XII. Tribus Lithosides Boisd. Euchelia Boisd. 1. Jacohaeac L. Ueberall. Emydia Boisd. 1. Cribrum L. Sehr selten. Ich habe noch kein wiirtt. Exempl. gesehen, Hr. Prof. Hepp vermischte aus Versehen mit dieser Art Tinea cribrella Huhn., was ihm auch Herr Freyer in seinem Werke (siehe Mis- cellen) nachwies. K. 2. Grammica L. Fand ich einst in Menge frisch ent- wickelt auf einer Anhöhe hinter dem Bräuhause in Zwiefalten. K. Lithosia Boisd. 1. Ruhricollis L. Spärlich; die Raupe, wie die der übrigen Lithosien auf Baumflechten lebend, wird im Herbst gefunden. 2. Quadra Fahr, Kam hier als Raupe an Buchenstämmen schon sehr häufig vor, oft 4 — 5 Ex. an einem Stamme; (in demselben Jahre auch V, nigrum an Eichenbüschen und auriflua ebendaselbst. K) Ist bei Stuttgart (z. B. an • den mit Flechten stark be- wachsenen Kastanienbäumen zunächst der Solitude), äusserst gemein, dann aber wieder jahrelang geradezu selten. H. 3. Griseola Huhn. Stuttgart, ziemhch selten. 4. Complana L. Häufig. 5. Complanula Boisd. {Lurideola Tr.) Stuttgart. 6. Depressa Esp. p j Helveola Ochsenh. (5 ( 7. Luteola Huhn. Angeblich bei Stuttgart, sehr selten. 8. Aureola Huhn. Verbreitet, bei Stuttgart nicht selten; der Schmetterling fällt Anfiings Mai beim Raupenklopfen öfters in den Schirm. Reutlingen, Stuttgart zieml. selten. - 283 - 9. JRosea Fahr. Ziemlich spärlich. 10. Mesomella L. {Ehorina Huhn.) Setina Boisd. [Lithosia O.) 1. Roseida Fahr. Auf der Feiierbacher Haide bei Stutt- gart, selten. 2. Irrorea Hühii. Verbreitet. Naclia Boisd. [Lithosia O.) 1. AnciUa L. Selten. — Bei Stuttgart fand ich sie noch nicht. II. Herr Kohl erhielt sie bei Niedernau. Nudaria Stephens. [Lithosia 0.) 1. Mimdana L. Stuttgart selten, auch auf der Alb; bei Niedernau nach Herrn Kohl huufig. XHI. Tribus Chelonides Boisd. Callimorpha Boisd. {Eyprepia O.) 1. Dominula L. Ueberall in lichten Waldungen. 2. Hera L. Alb und Stuttgart. Nemeoiihila Stephens [Eyijvepia. Ochs.) 1. Russula Z. Häufig. 2. Plantagiiiis L. Ebenso. rar. Hospita (mit weissen Hinterfliigeln) ist bei Stuttgart die häufigste Form; so auch im unteren Kocherthale und bei Reutlingen. var. Matronalis (mit beinahe ganz schwarzen Hinter- flügeln) ist bei Stuttgart selten; auf dem Schwarzwald dagegen gewöhnlich. Chelonia Latr, [Eyprepia O.) 1. Aulica L. Bei Freudenthal und Ulm einzeln. K. 2. Matronula L. Selten. 3. ViUica L. Bei Wangen durch Herrn v. Wocher. 4. Purpurea L. Ist oft jahrelang sehr selten und tritt dann plötzlich wieder in grösserer Anzahl auf. - 284 - 5. Caja L. In meiner Sammlung eine prachtvolle Varietät mit weissgelben , dunkelgefleckten Vorderflügeln , von einem Knaben erzogen. ^, 6. Hebe L. Bei Wangen und Mergentheim. K. Arctia Boisd. [Eyprepia O.) 1. Fuliginosa L. Ueberall. 2. Luctifera Fabr. Soll schon bei Stuttgart gefunden wor- den sein, jedoch selten. \, 0. Lubricipeda Fabr. Bisweilen häufig. 4. TJrticae Esp. Reutlingen und Ludwigsburg. K. 5. Menthastri Fabr. Diese, sowie die vorige Art, früher bei Stuttgart häufig, kommt daselbst seit Jahren nur noch sehr spärlich vor. pj, 6. Mendica L. Selten. XIV. Tribus Liparides Boisd. Liparis Ochsenh. 1. Monacha L. Manchmal verheerend, durchschnittlich aber ziemhch selten. 2. Dispar L. Nur im ünterlande häufig; bei Reutlingen fand ich in 22 Jahren nur zwei Raupen und auch diese ver- kümmerten. K Herr Präparator Bauer fand ein (S, welches auf einem Vorderflügel einen ziemhch grossen Fleck hatte, der die Zeichnung und Farbe des P trug, eine Andeutung eines herma- phroditischen Zustandes. Professor Lichtenstein in Berlin erhielt, ebenfalls nach Herrn Bauers Mittheilung, aus dem dortigen Thier- garten Exemplare, die auf der einen Seite männliche, auf der andern weibliche Flügel und Fühler trugen. Sie sollen mit Hoden und Eierstöcken versehen, also ächte Hermaphroditen gewesen sein, wie denn überhaupt bei dieser Gattung Hermaphroditen noch verhältnissmässig am häufigsten vorkommen. 3. Salicis L. (Ist bei Stuttgart nicht häufig). 4. Auriflua Fabr. Fand ich einmal in Unzahl an Buchen- stämmen K. Bei Stuttgart stets häufig. H. - 285 - 5. Chrysorrhoea L. Schädlich in Obstgärten. Orgya Boisd. 1. T^ nigrum Fahr. Selten; die Ueberwinterung der Raupe ist höchst schwierig. K. 2. Pudibmida L. Gemein. 3. Faseelina L. Spärlich. 4. Coryli L. Nicht überall; bei Stuttgart selten. 5. Gonostigma Fabr. (Bei Stuttgart sehr selten. H.) 6. Antiqua L. XV. Tribus Bombycini Boisd. JBonibyx Boisd. 1. Neustria L. Ueberall, bisweilen den Obstbäumen schädlich. 2. Castrensis L. Oberschwaben. 3. Lanestris L. Gewöhnlich. 4. Everia Fabr. Bei Stuttgart und Reutlingen, bei Stutt- gart häufig. 5. Caiax L. Von etwa 10 Puppen entwickelten sich mir einige Falter nach 1, 2, 3. 4 — 5 Jahren; einer erst nach 7 Jahren. K. 6. Processionea L. Die Raupe in manchen Jahren äusserst gemein und dient dann dem Kukuk fast zur ausschliesslichen Nahrung. 7. Crataegi L. Nicht häufig. 8. Populi L. Die Zucht der Raupe ist nicht ganz leicht. Viele gehen trotz sorgsamer Pflege zu Grunde. H, 9. Dumeti L. Stuttgart und Tübingen , selten. K. Bei Stuttgart wurde er seit vielen Jahren nicht mehr gefunden. Vor ca. 8 Jahren erhielt ich im Oktober ein cS , welches, bei Tage matt umherfliegend, im Leonberger Walde gefangen wurde. H. 10. Tamxaci Fabr. Von mir auf der Alb und bei Gönnin- gen am Rossberg zwei Raupen gefunden. K. - 286 - 11. Rubi L. üeberall häufig. 12. Quercus L. Ebenso, 13. Trifolü Fabr. Stets spärlich. var. Medicaginis Hübn. Stuttgart selten. - Odoiiestls Geimar. 1. Potatoria L. Obwohl der Name darauf hinweist, ist es doch wenig bekannt, dass die Raupe mit grosser Begierde Wasser trinkt. Lasiocampa Latr. 1. Pini L. Im Allgemeinen nicht zahlreich. Auf dem Bopser bei Stuttgart werden die überwinterten Raupen im ersten Früh- jahr öfters in Anzahl gefunden, wenn man die Moosschichte in den Kiefern-Waldungen aufdeckt. Ji. 2. Pruni L. Selten. 3. Querdfolia L. üeberall ziemlich häufig. var. Alnifolia Ochs. Stuttgart. 4. Populifolia Fabr. Üeberall selten; die Ueberwinterung der Raupe ist schwierig und wird auch im Freien oft nicht gut überstanden. K. ', wurde meines Wissens bei Stuttgart noch nicht, bei Ulm dagegen mehrmals gefunden. H. 5. Betulifolia Fabr. Selten. 6. lliäfolia L. Stuttgart, sehr selten. 7. Lobidina Hübn. Bei Marbach, aber selten. K. XVI. Tribus Saturnides Boisd. Saturnia Schranck. 1. Carpini Borkh. Herr Seyffer bemerkte, dass manchmal zwei Raupen ein gemeinschaftliches Gehäuse zur Yerpuppung fertigen, welches dann zwei verschiedene Enden zum Ausschlü- pfen hatte. — Viele Puppen von Carp. liefern bekanntlich die Falter erst nach zwei- und mehrjähriger Puppenruhe. Nach meiner Beobachtung sind diese Puppen grösstentheils weiblich (von zehn im Sommer 18 5 8 gezüchteten Raupen schlüpften im — 287 ~ Frühjahr 18 60 acht P und zwei d aus). Dieses Verhiiltniss könnte wohl den Zweck haben, die reichliche Vermehrung der Species zu sichern. . H. XVII. Tribus. Endromides Boisd. Aqlia .Ochs. 1. Tau L. Die Witterung während der Flugzeit dieses Schmetterlings ist von bedeutendem Einfluss auf die 'Individuen- zahl der nächsten Generation. Da das P bis zur Begattung stets ruhig sitzt, und das d nur bei Sonnenschein in den Stunden von 9 Uhr Morgens bis 1 . Uhr Mittags umher- schwärmt, so finden sich in Frühjahren mit anhaltend trübem, regnerischem Wetter nur wenige Paare zur Begattung. Im Jahre 1858 flog A. Tau äusserst zahlreich bei Stuttgart; im Frühjahr 1859 war zur Flugzeit (wenn die Apfelbäume blühen und das erste Buchengrün zum Vorschein kommt), fast immer trübes Wetter, und man sah nur sehr wenige schwärmende (S- Die natürliche Folge hie von war, dass im Frühjahr 1860 .4. Tau geradezu selten war. H. Endroiiiis Ochs, 1. Versicolorä L. Ist wohl überall, aber selten; wo man Raupen findet, sind meist viele; ein (5 fand ich einst an einem Hause sitzend. K. Bei Stuttgart war diese Art seit ca. 10 Jahren von verschiedenen Sammlern vergebens gesucht worden. Mitte Mai 1860 fand Gymnasist Hahn wieder eine Gesellschaft von 14 kaum den Eiern entschlüpften Räupchen an einer jungen Birke auf der Feuerbacber Haide. H. XVin. Tribus Zeuzerides Boisd. Cossus Boisd. 1. Ligniperda Fabr. Die schädliche Raupe in Weiden- und Obstbaumstämmen häufig. var, Terehra Fahr. xVngeblich bei Stuttgart sehr selteiu — 288 - Zeuzera Latr. {Cossus O.) 1. AescuU L. Stets spärlich. 2. Arundinis Hübn. Fand Herr Seyffer einmal ganz abge- flogen bei Stuttgart. Hepialus Fabr. 1. Humuli L. Fliegt manchmal in Oberschwaben Abends häufig umher. K. 2. Sylvinus L. (Ist bei Stuttgart ziemlich selten. H.) var, Flina Esp. Stuttgart selten. 3. Lupulimis L. Häufig. 4. Hectus L. Ebenso. XIX. Tribus Psychides Boisd. Psyche Schranck. (Die Psychiden sind in Württemberg noch gar wenig beobachtet worden, namentlich in den ersten Ständen; um Reut- lingen kommt leider nur jmlla vor, daher fehlt mir bei allem Eifer die Gelegenheit. K. Auch bei Stuttgart konnte ich bis jetzt nur pulla Esp., nitidella Hübn. culveUo O. und graminella W. V. finden. H. Vülosella Ochs, kommt bei Marbach vor). 1. Pulla Esp. var. Plumella Ochs. Stuttgart. 2. Nitidella Hübn. Stuttgart häufig. 3. Bombycella Wien. Verz. Marbach. 4. Calvella Ochs. Stuttgart, an Eichen. 5. Nudella Ochs. Stuttgart, selten. . €♦ Muscella Fabr. Ebenso. 7. Villosella Ochs. Marbach, selten. 8. Graminella Wien. Verz. XX. Tribus. Cocliopodes Boisd. Limacodes Latr. ' 1. Testudo Godart. In Laubwaldunsren nicht selten. - 289 - 2. AseUus Fabr. Marbach. K. XXI. Drepanulides Boisd. Cüix Leach. 1. Spinula Hübn. Platypterix Boisd. 1. LacertuJa Hübn. Ziemlich selten. 2. Sicula Hübn. Stuttgart, Tübingen, selten. 3. Falcula H. Nicht sehen. 4. Hamula Esp. Sehen. 5. Ungidcida Hübn. Die schwärmenden Männchen biswei- len Anfangs Mai in Buchenwaldungen sehr häufig. XXII. Tribus Notodontides Boisd. Dicraniira Latr. 1. Bicuspis Hübn. Tübingen sehr selten ; wird gar oft mit bifida verwechselt; so erhielt ich sogar von Berlin statt bicuspis: bifida. Jene zeichnet die weissere Farbe sehr aus , sowie die andere Stellung der Streifen, aber in Ermangelung einer guteß Abbildung oder eines sicheren Exemplars bestimmt man gar leicht falsch; so bin ich noch sehr im Zweifel über das Tübin- ger Original, da mein Freund und ich damals bei der Bestim- mung noch kein achtes Exemplar von bicuspis kannten; inzwi- schen bekam ich eines von Leipzig. K. 2. Bifida Hübn. 3. Furcida L. Spärlich. 4. Erminea Esp. Sehr selten. 5. Vinula L. Auf dem Gebirge fand ich einst eine beinahe erwachsene Raupe mit dunklem Seitenstreif, der, wie bei ermi- nea der weisse Seitenstreif, gegen die Bauchfüsse herablief. Ich habe sie in zwei Grössen abgebildet ; leider ging die Pupp& zu Grunde. Hätte sie vielleicht die var. minax geliefert? K. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 3s Heft. 19 - 290 - Harpyia Ochs. 1. Fagi L. Bei Reutlingen und Stuttgart, aber stets selten. Die Raupen, im August und September auf Buchen, Haseln etc. zu finden, dürfen nicht in Mehrzahl beisammen erzogen werden, da sie sich gegenseitig verstümmeln. 2. Milhauseri Fabr. Selten ; man nehme die eigenthümlich gestaltete Puppe ja nicht aus dem Gehäuse, denn dadurch sind mir schon zwei Ex. verunglückt. Puppengehäuse fand ich nicht selten am Fuss alter Eichen, aber immer aufgerissen und aus- gefressen, wahrscheinhch von Spechten ; sonst ist das geschlos- sene Gehäus wegen seiner Gleichförmigkeit mit der Eichenrinde sehr schwer bemerkbar. K. Seit vielen Jahren war Milhauseri bei Stuttgart nicht beobachtet worden. Am 25. Juli 1860 fand ich eine prachtvolle, völlig erwachsene Raupe an einem Eichen- busch in der Nähe des Pulverhäuschens. H^ Auch Herr Pfarrer Hensler besitzt von 1860 eine Puppe. K. Asteroscopus Boisd. 1. Cassinia Fahr. Nicht sehr selten. 2. Nubeculosa Esp. Stuttgart, Oberschwaben, selten. — Ich fand die Raupe bei Stuttgart an der Bothnanger Steige auf Schlehen, und erzog sie ohne Schwierigkeit. K. Ptilodontis Steph. 1. Palpi7ia L. Ziemlich Selten. Notodonta Ochs. 1. Camelina L. Reutlingen, bei Stuttgart ziemlich selten. 2. Cucullina W. V. Stuttgart und Alb, selten. 3. Carmelita Esp. Stuttgart und Marbach, selten. 4. Dictaea L. 5. Dictaeoides Esp. Die Artverschiedenheit von dictaea und dictaeoides kann ich bis heute nicht anerkennen. Die tren- nenden Speciesmerkmale der Schmetterlinge sind gar zu gering- fügig und schwankend. Ende Juni 1860 fand ich auf einer niederen Espe zwei Raupen, die eine grün mit gelbem Bauch- — 291 - streif, die andere leberbraun, welche offenbar Geschwister waren. Erstere passt vollkommen zu Ochsenheimers Beschreibung der dictaeoides-Raupe, letztere zu der Beschreibung der dictaea- Raupe; beide verpuppten sich am selben Tage und lieferten — ebenfalls beide — am 22. August 1860 zwei ächte dic- taea. H. Auch ich kann unter grünen und braunen Raupen keinen festen Anhaltspunkt finden, nur glaube ich auf Pappeln noch nie dictaeoides, auf Birken nie dictaea gefunden zu haben. Beide Arten sind hier ziemlich selten. K. 6. Dromedarius L. Selten (wenigstens bei Stuttgart. H^ 7. Tritophus Hübn. ZiemUch selten. 8. Ziczac L. 9. Turva Ochs. Reutlingen und Stuttgart; scheint nicht immer so selten , denn im ersten Jahre meines Sammeins zog ich aus Raupen, die ich auf Weiden gesellig fand, statt des gehofften ziczac eine Menge torva, ohne viel Werth darauf zu legen j allein seither finde ich sie nur einzeln und zwar, wie mir scheint, vorzugsweise an Pappeln. ^. 10. Trepida Fabr. (Tremula W. V.) Ziemlich selten. 11. Melagona Borlih. Marbach, selten. K. Bei Stuttgart und im Leonberger Wald finde ich fast alljährlich einige Ex. H. 12. Velitaris Esp. Selten. 13. Bicolora Fahr. Selten. 14. Argentina Fahr. Stuttgart; die Raupe nur auf niedern Eichenbüschen und daran zu entdecken, dass sie die Eichenblätter bis auf die Mittelrippe rein abnagt. H. 15. Querna Wien. Verz. Reuthngen, selten. K. 16. Chaonia Hübn. Nicht selten. 17. Dodonaea Wien. Verz. (Bei Stuttgart konnte ich sie noch nicht finden. H.) 18. Plumigera Fahr. Auf den Albhöhen manchmal dem Massholder schädlich. K. Gluphisia Boisd. {Notodonta O.) 1. Crenata Esp. Wurde einmal bei Stuttgart gefunden und befindet sich in meiner Sammlung. K. - 292 - Biloba Boisd. (Episema O.) 1. Coeruleocephala L. Gemein; die Raupe bisweilen den Obstbäumen schädlich. Pygaera Boisd. O. 1. Bucephala L. Häufig. Clostera Hofifmannsegg. {Pygaera O.) 1. Curtula L. Verbreitet. 2. Anachoreta Fabr. Einzeln, nicht häufig. 3. Medusa Fabr. Verbreitet. 4. Anastomosis L. Selten, (habe ich bei Stuttgart noch nicht gefunden. H?) N o c t u a e. XXIII. Tribus. Noctuobombycini Boisd. Cymatophora, Treitsch. 1. Ridens Fabr. {xanthoceros, H.) Die Mordraupe wird Anfangs Juni oft in Anzahl von Eichen geklopft. 2. Octogesima Hübn. Selten, bei Reutlingen nicht. 3. Or Fabr. Minder selten. 4. Flävicornis L. Die Falter in den ersten Frühlingstagen öfters an Zäu- nen, noch häufiger unten an Birkenstämmen im Wald. 5. Diluta Fabr. Spärlich. 6. Fluctuosa Hübn. Marbach, selten. 7. Bipuncta Borhh. Reutlingen und Marbach, selten; die Raupe auf Erlen, Cleoceris. Boisd. {Polia u. Cosmia Ochs.) 1. Viminalis Fabr. (Saliceti Borkh.) Zuweilen findet man die Raupe häufig zwischen den Blättern der Wollweide. - 293 - 2. Oo L. Ziemlich selten. Plasteiiis Boisd. (Cosmia Ochs.) 1. Subtusa Fabr. I ^r ^ . _ ^ ^ ) Verbreitet. 2. Retusa L. { XXIV. Tribus Borabyeoides Boisd. Acronycta Ochs. 1. Leporina L. Selten. var. Bradyporma Hübn. Sehr selten. 2. Aceris L. 3. Megacephala Fabr. 4. Alni L. Reutlingen und Stuttgart, sehr selten. Ich fand vor einigen Jahren Mitte Juli , vom Baden heimkehrend , die junge Raupe am Stocke und nährte sie bis zur nächsten Häu- tung mit Erlen; sie frass aber nicht lustig, überspann immer den Sitzplatz mit weissen Fäden und ging zu Grunde. Ich durchforschte die ganze Gegend umsonst nach mehr Exempla- ren. — Man fand sie auch schon auf Weiden, aber sehr selten. K. 5. Ligustri Fabr. Nicht sehr selten. 6. Strigosa Fabr. Einmal bei Tübingen und Marbach. 7. Tridens Fabr. Weitaus seltener als psi. 8. Psi L. Häufig. 9. Cuspis Hübn. Selten in Stuttgart und Reutlingen, auch vielleicht oft für die Psi-Raupe angesehen ; doch kommt sie nur auf Erlen vor, sitzt daselbst ziemlich hoch auf der Oberseite der Blätter und so fest, dass sie nicht leicht zu klopfen ist. — Bei sehr geübtem Blicke wird man selten eine Raupe allein finden, doch scheint die Eule die Eier sehr zu zerstreuen, so dass einst ich und meine Frau an zwei verschiedenen Erlen- parthien in einigen Tagen vielleicht ein Duzend zusammen- brachten. K. 10. Menyanthidis Esp. Stuttgart und Marbach, selten. 11. Auricoma Fabr. , , ,^ , . n o D • . T • ' ' Verbreitet. 12. Kumicis Lmne. — 294 — 13. Euphorbiae Fabr. Selten. 14. Euphrasiae Borhh. Selten. Diphtera Ochs. 1. Coenobita Esp. In Marbach und Sulz selten. 2. Ludißca L. Oberschwaben. 3. Orion Esp. Manchmal nicht selten auf Eichen. Bryophila Treitsch. 1. Glandifera W. V. Die Raupe dieser und der nachfol- genden Bryophila-Arten werden spät Abends, oder besser, in der Morgendämmerung an mit Steinflechten bewachsenen Mauern und Zäunen oft in Menge angetroffen. Bei Tage sind sie in einem Gespinnste verborgen, welches mit zernagten Flechtentheilchen bedeckt und schwer zu sehen ist. H. 2. Perla Fabr. Häufig. 3. Algae Fabr. (^SpoUatricula Hübn.) Die Raupe lebt an alten, reichlich mit Flechten bewach- senen Zäunen, bisweilen nicht selten, und bohrt sich zur Ver- wandlung bis zu 1 Zoll Tiefe in morsches Holz ein. Sie ist um Stuttgart manchmal nicht sehr selten. H. 4. Fraudatricula Hübn. Stuttgart, selten. 5. Baptricida Hübn. Reutlingen selten; bei Stuttgart fand ich den frisch aus- gekrochenen Falter Ende Juni 1858 in grosser Anzahl an einer Mauer. jj, XXV. Tribus Amphipyrides Boisd. Gonoptera Latr. {Calpe Ochs.) 1. Libatrix L. Häufig. , Spintherops Boisd. {Amphipyra Tr.) 1. Spectrum Fabr. Nach Herrn v. Wochers Angabe in Oberschwaben; möglich ist es, dass diese Eule von so rapidem Fluge sich schon aus Istrien, wo sie sehr gemein ist, verflogen hat; — in Südtyrol wurde dieselbe auch schon einzeln bemerkt; um - 295 - Triest lebt die herrliche Raupe gesellig und entginge auch bei uns dem Sammler bei ihrer ansehnlichen Grösse nicht. K. Ämphipyra Ochs. 1. Pyramidea L. Gemein. 2. Perflua Fahr. In Oberschwaben selten. Scotophila Hübn. (Ämphipyra Tr.) Tetra Fahr, wurde von mir als bei Sulz einmal vorgekommen, angegeben und dieser Irrthum ging in mehrere Werke über; — genaue Vergleichung mit einem seitdem mir aus Wien zuge- langten wirklichen tetra-Expl. belehrten mich, dass es nur eine ölichte tenebrosa war. JT. 1. Tragopogonis L. Gemein. Mania Tr. 1. Maura L. Unter Brücken bisweilen in Anzahl. 2. Typica L, Nirgends häufig. , Eusina Steph. {Acjrotis Tr.) 1. Tenehrosa Huhn. Selten. XXVI. Tribus Noctuides. Segetia Steph. {Mythimna Ochs.) 1. Xanthographa Fahr. Stuttgart und Sulz, nicht selten. Man findet die Raupe im Frühjahr mit der Laterne. H. Cerigo Steph. [Mythimna Tr.) 1. Cytherea Fahr, (Texta Esp.') Stuttgart und Tübingen^ selten. Triphaena Treitsch. 1. Linogrisea Fahr. Stuttgart, sehr selten. 2. Janthina Fabi. Reutlingen selten; Stuttgart? - 296 - 3. Fimhria L. Nicht gar selten, obwohl sehr verborgen. Die Raupe wird im ersten Frühjahr mit der Laterne oft zahlreich gefunden, namentlich auf keimenden Schlehenknospen; sie steigt Abends auch auf hohe Bäume, wie ich denn einmal mehrere Expl. von hohen Eschen stiess, die, auf harten Boden fallend, sofort auf- platzten. H. 4. Orbona Fabr. (Comes Hübn.) Selten. 5. Pronuba L. var. Innuba Tr, Ich fand einst beim Umgraben eines Erdhügels eine Menge grauer pronuba- und grüner innuba- Raupen sammt Puppen untereinander. ~ K. Chersotis Boisd. (Agrotis, Trachea u. Noctua Tr.) 1. Multangula Hübn. Marchthal, von Herrn Pfarrer Hensler. 2. Porphyrea Hübn. Selten; die Raupe ist gar schwierig :zu überwintern, mir glückte es noch nie. K 3. Plecta L. Stuttgart und Reutlingen selten. Noctua Treitsch, (Noctua, Caradrina u. Orthosia Tr.) 1. C. nigrum L. 2. Tristigma O. Reutlingen, Marbach, selten. 3. Triangulum O. 4. Rhomboidea Esp. Reutlingen, Stuttgart, Marchthal, selten. 5. Depuncta L. Selten, doch fand ich im Juni des Jahres 1846 gegen 18 Raupen auf Taubnesselblüthen Abends fressend, längs einer Kegelbahn. K. 6. Bella, Borkh. Marbach, sehr selten. K. 7. Leucographa Hübn. Reutlingen und Marbach, selten.^.; bei Stuttgart bisweilen Abends an Birnknospen nicht selten. H. 8. Festiva W. V. Selten. 9. Dahin Hübn. Stuttgart, sehr selten. 10. Brunnea Fabr. Die Raupe manchmal im April auf Schlüsselblumen häufig. K. - 297 - 11. Candelisequa W. V. Fand mein Freund Vöhringer in Sulz a.jN. einmal. K. 12. Glareosa Esp. Stuttgart, einmal von mir aus der Raupe erzogen, welche ich mit Schlüsselblumenblättern fütterte. H. 13. Baja Fahr, Selten. 14. Sigma W. V. Reutlingen und Marbach, selten. Spaelotis Boisd. (^NocUia, Trachea, Amphipyra Ochs.) 1. Augur Fahr, Selten. 2. Bavida Huhn. Stuttgart, selten. 3. Praecox L. Stuttgart, selten. 4. Lucipeta Fahr. Im Jahr 1860 wurden in Stuttgart zwei Exemplare aufgefunden. H. 5. Pyrophila Fahr. Dizenbach und Stuttgart, selten. Agrotis Ochs. {Agrotis u. Xylina Tr.) 1. Suffusä Fahr. Reutlingen, Tübingen, fliegt manchmal im Herbst auf Baumgütern, und verkriecht sich im Grase. H. 2. Segetum W. V. Ueberall in vielen Abänderungen; die Raupe schadet namentlich in Blumengärten durch Abfressen der Wurzeln, wo- durch die Pflanzen absterben. K. 3. Exdamationis L. Auch sehr häufig. 4. Corticea W. V. Reutlingen, Marchthal. 5. Cinerea Borkh. Reutlingen einmal, ebenso in Stuttgart, 6. Tritici L. Stuttgart, selten. 7. Ohelisca W. V. Stuttgart. 8. Aquilina W. V. fand ich einmal in Reutlingen. K. var. Ruris Huhn. Stuttgart, selten. 9. Fumosa Fahr. Ziemhch häufig.* 10. Putris L. Fand ich einmal die Raupe zu Hunderten Sommers in Wassergräben an den am schattigen Abhang wuchern- den Pflanzen, die sie ohne Unterschied verzehrte. K. 11. Valligera Fahr, besitzt Trinker mehrere Expl. aus der Stuttgarter Umgegend. 12. Crassa Huhn. Stuttgart, selten. — 298 — Heliophobus ßoisd. (Episema, Hadena Tr.) 1. Grammis L. Marbach und Poppen weiler auf dem Lemberg. 2. Popularis Fabr. Herr Seyffer besass eine weissgraue Varietät. XXVII. Tribus Hadenides. Luperina Boisd. {Hadena, Xylina, Apamea, Cleophana u. Mamestra Auctt.) 1. Leucophaea Borkh. Ueberall gemein. 2. Cespitis W. V. Stuttgart, selten. 3. Testacea W. V. Selten. 4. Infesta O. Tübingen, selten. 5. Abjecta Huhn, (Nigricans View.) Einmal bei Ulm ge- fangen. K. 6. Virens L, Selten, manchmal auf Distelköpfen. 7. Lateritia Esp. Selten; bei Wildbad fand ich im Jahr 1844 mehrere Falter Anfangs Juli an Wegsteinen. K. 8. Rurea Fabr. Nicht häufig. var. Combusta Hübn. sah ich schon bei Herrn Kohl in Stuttgart ein Exemplar. K. 9. Scolopacina Hübn. Marbach, Reutlingen,, an Waldhöhen, wo die Raupe oft im Juni häufig an weichen Gräsern lebt; es gehen aber viele bei der Verwandlung zu Grund. K. 10. Pinastri L. Einmal von mir bei Wildbad gefunden, soll auch bei Stuttgart vorkommen. K. 11. Hepatica W. V. Marchthal. 12. Lithoxylea W. V. Ziemlich häufig an Zäunen. 13. Polyodon L. Häufig. 14. Conspicillaris L. Ziemlich häufig. 15. Basilinea Fabr. Fand ich einst im Herbst halberwachsen zu Hunderten in Maiskolben, wo sie bedeutenden Schaden an- richteten; sie frassen namentlich die halbreifen Körner an und füllten die Hülsen mit Unrath aus, manchmal staken 4 — 6 in einem Kolben. K. 3. _ 299 — 16. Gemina Tr. Hier sah ich sie noch nicht, bei Tübingen selten. K, var. Remissa Huhn. Marbach. 17. TJnanimis Hübn. Schon einigemal bei Reutlingen. K, 18. Didyma Borkh. Vielfach variirend. var, Secalina Hübn, Selten. 19. Leucostigma Hübn. Mir von Marbach zugesandt. K. 20. Nictitans L. Selten. var. Fucosa Tr. Selten. Apamea Tr. 1. StrigiUs L. var. Latruncula "W. V. 2. Furuncula Tr. Stuttgart und Tübingen, selten. Duponchelii B. ( Sah ich schon im Jahr 1854 bei Airae Frey. \ Herrn Pfarrer Hensler in Marbach unter dem Namen Non. despecta ein Expl. , auf Schilf gefunden, eingesteckt; sie wurde seither auch von Herrn Hoffmann bei Stuttgart aufgefunden. K. Hadena. (Hadena, Mamestra^ Cleophana u. Xijlina Tr.) 1. Persicariae L. var. Accipitrina Esp. Ulm, selten. K. 2. Brassicae L. Sehr gemein. 3. Suasa W. V. Fehlt in Reutlingen, soll bei Stuttgart vorkommen. 4. Oleracea L. Häufig. 5» Pisi L. SpärUch. 6. Petrorhiza Borkh. Stuttgart, an einzelnen Stellen häufig. Die Raupe auf Berberis. H. 7. Chenopodii Fabr. kam mir um Reutlingen noch nie unter die Augen. K. 8. Dentina Esp. Gemein. Ich kann nicht umhin, hier einer der H. Dentina sehr nahe stehenden, aber durch folgende Merk- male entschieden abweichenden Eule Erwähnung zu thun, welche Herr Pfarrer Hensler mir einsandte. Solche hat, obwohl als Fal« - 300 -^ ter gefangen, eine geringere Grösse, viel schmälere Flügel und führt um die Makeln eine weit dunklere Zeichnung ohne so viel weissliche Beimischung. Abbildung kann ich nirgends finden. K, 9. Glauca Huhn, sah ich ein Expl. bei Herrn Pfarrer Hens- ler in Marbach. K- 10. Saponariae Esp. Selten. 11. Sdtura W. V. Ich ernährte die Raupe mit Weiden- blättern , sonst frisst sie gerne niedere Pflanzen aller Art. * H. 12. Adusta Esp. Selten. 13. Rectilinea Esp, Erhielt ich schon von Marbach. K, 14. Thalassina Borkh. Nicht selten an Gartenzäunen, auch im Wald. H. var. Achates Hübn, Bei Sulz. 15. Genistae Borkh, Gemein. 16. Contigua Fahr. Marbach, Reutlingen, nicht selten. 17. Convergens Fahr. Die Raupe wird bei Stuttgart Ende Mai alljährhch von Eichen geklopft, und scheint sonst in Würt- temberg noch unbeachtet. H. 18. Protea Esp. Reutlingen und Tübingen nicht selten. K. Phlogophora Tr. 1. Lucipara L. Um Reutlingen manchmal auf Himbeeren häufig, sonst ziemlich selten in Württemberg. K. 2. Scita Huhn. Ich fand einst auf der Alb an einer blühenden Linde zwei Schmetterlinge, einige Jahre nachher auf derselben Blüthe im Thale ebenfalls zwei Expl.; der Schmetterling war damals seit vielen Jahren nirgends mehr aufgefunden und der Insekten- händler Fehr, eigens hieher gereist, veranlasste mich zu eifriger Forschung nach der Raupe, ich hatte aber keinen Erfolg; seither erzog mein Freund Vöhringer in Sulz a. /N. ein schönes Expl. aus einer unter meticulosa-Rau^en gefundenen und unbeachteten Raupe. K, 3. Meticulosa L. — 301 — Apleeta Guenee. (Polia Treitsch.) 1. Advena Fahr. Im Allgemeinen selten, bei Stuttgart noch nicht beobachtet. H, 2. Tincta Borkh. Reutlingen und Marbach selten. Herr Pfarrer Hensler fand die junge Raupe an sonnigen September- tagen an niederem Birkengesträuche; später lebt sie, wie die anderen Raupen dieses Genus sehr verborgen und frisst im Frühjahr niedere Pflanzen aller Art. Auch hier wurde der frisch entwickelte Falter an Birken gefunden. K. 3. Nehulosa. Naturf. Häufig. 4. Occulta Ross. Selten. 5. Herhida Hübn. Ueberall, um Reutlingen manchmal häu- fig, bei Stuttgart spärlich. Agriopis Boisd. {Miselia Tr.) 1. Aprilina L. Nicht selten. Miselia Tr. 1. Oleagina Fahr. Reutlingen noch nicht gefunden ; Stutt- gart, als Raupe oft häufig ; allein der grössere Theil der Raupen geht zu Grund, namentlich, wie mir scheint, wenn man viele zusammensperrt. H. 2. Oxyacanthae L. Gemein. 3. Culta Fahr. Sehen. Dianthoecia Boisd. {Polia, Hadean, Miselia u, Xanthia Tr.) 1. Conspersa W. V. Selten um Stuttgart. 2. Comta Fahr. Nirgends selten, der Falter an Zäunen und Abends um Blumen schwärmend ; die Raupe in Nelken. 3. Filigramma Esp. Erhielt ich einmal von Stuttgart, von Marbach mehrfach. K. 4. Capsincola Esp. Nirgends häufig. 5. Cucuhali W. V. Ziemlich häufig. 6» Carpophaga Borkh. {Perplexa H.) manchmal häufig. 7. Echii Borkh. Marbach, einmal. K. - 302 — Polia Tr. 1. Dysodea W. V. 2. Serena Fahr, Manchmal nicht selten. 3. Chi L. Vom Juli bis September nicht selten und fast an jedem Bretterzaun zu finden; manche Jahre indessen selten. 4. Platinea Tr. Einmal von Vöhringer bei Sulz. H. 5. Flavicincta Fahr. (Bei Stuttgart von mir noch nicht gefunden. H.^ Thyatyra Ochs. 1. Balis L. Ueberall. 2. Berasa L. Die Raupe lebt manchmal im Juli nicht selten auf Himbeerstauden in schattigen Waldungen, ist aber schwer zu finden , da sie stets im umgebogenen Blatt eingesponnen ist. Einmal kam mir ein einzelner Falter schon im Herbst aus. K. XXVm. Tribus Leucanides. Mythimna Ti\ 1. Turca L. Marchthal, sehr selten. Leucania Ochs. 1. Coniger a Fahr. Selten. 2. Albipuncta Fahr. Stuttgart, selten. H. In Reutlingen und im Oberland noch nicht gefunden. K. 3. Lithargyrea Esp. Stuttgart und Tübingen, selten. 4. VitelUna Hühii. Marbach, selten. - K. 5. Musculosa Hübn. i Einmal der Schmetterling bei Reut- Flava Freyer ) fingen und Sulz. K. 6. Comma L. Selten am untern Neckar, auch bei Marbach. K. 7. L. alhum L. Nicht selten in 2 Generationen, von denen die häufigere im Juni, die andere im September fliegt. H. 8. ÖhsoJeta Huhn. Stuttgart, ziemlich selten. - 303 - 9. Impura Hubn. Stuttgart, selten. 10. Pallens L. Selten. Nonagria Tr. 1. Extrema Huhn. Stuttgart, sehr selten. 2. Paludicola Huhn. Oberschwaben. XXIX. Tribus Caradrinides. Caraclrina Ochs. 1. TrilineaW. V. Bei Reutlingen manchmal häufig am Fusse der Eichen, Abends an den Blüthen der Salvia pratensis schwär- mend. Wohl überall. 2. Bilinea Huhn. Stuttgart, selten. 3. Plantaginis Huhn, {amhigua W. V.) die Raupe manch- mal im Juni unter Steinen. K. 4. Taraxaci Huhn, {hlanda W. V.) Stuttgart und Tübingen. 5. Aisines Bork. Ebenso. 6. Morpheus View. Sehr selten, bei Reutlingen noch nicht gefunden. K. 7. Cuhiculciris W. V-. XXX. Tribus Orthosides. Episema Ochs. 1. Trimacula W. V. Fand ich im October 1860 ein c^ an «inem Hause sitzend. K. Orthosia Ochs. (Orthosia, Caradrina u. Noetua. Tx.) 1. Gothica L. Gemein. 2. Litura L. Nicht selten. var. Ornatrix Frey. Reuthngen, selten. 3. Neglecta Huhn. Stuttgart und Tübingen, selten" 4. Coecimacida Fahr. Stuttgart und Tübingen, selten. 5. Gracilis Fahr. Kicht selten. (Stuttgart?) 6. Laevis Huhn. Marchthal und Stuttgart, selten. 7. Nitida Fahr. Bei Stuttgart die Raupen im Frühjahr nicht selten auf Schlüsselblumen, auch schon bei Reutlingen, auf — 304 — Waldreben; jung ist dieselbe gewöhnlich grün und wird erst später röthlich. 8. Pistacina Fabr. Manchmal sehr gemein. var. Lychnidis Hübn. Reutlingen. 9. jRubricosa Fabr, Selten, man findet den Schmetterling manchmal im ersten Frühling an Stämmen in Waldschlägen. 10. Macilenta Fr. Stuttgart und Marbach, selten. 11. Munda Fabr. Häufiger in Stuttgart und Reutlingen. 12. Instabilis Fabr. Gemein. 13. Ypsilon W. V. Die Raupe ist auf Pappeln und Wei- den zwischen den Ritzen der Rinde gemein, aber nicht gar leicht zu erziehen. 14. Lota L. Stuttgart, selten. 15. Opima Hübn. Reutlingen 2mal erzogen, auch Marbach. 16. Populeti Fabr. Stuttgart, selten. 17. Stäbilis Hübn. Gemein. 18. Miniosa Fabr. Manchmal häufig, öfters ganz fehlend, einst fand ich eine Menge Raupen zwischen Brombeerblätter eingesponnen; sonst in Eichenritzen. K. 19. Ambigua Hübn. (Cruda.) W. V. Häufig. Trachea Ochs. 1. Piniperda Esp. Bisweilen häufig. Cosmia Ochs. 1. Diffinis L. Marchthal, Stuttgart. 2. Affinis L. Nach H. Seyffer um Stuttgart nicht selten, wir sahen aber noch keine. 3. Pyralina W. V. Bei Reutlingen ist die Raupe manch- mal im Juni häufig auf Zwetschgenbäumeh, sonst überall selten. 4. Trapezina L. Gemein. 5. Fulvago W. V. Mesogona Boisd. (Cosmia Tr.) 1. Acetosellae L, Stuttgart, selten. - 305 - Gortyyia Ochs. 1. Cuprea W. V. Reutlingen und Stuttgart, sehr selten. 2. Flavago Esp. Bei Tübingen bisweilen häufig, sonst wohl nur einzeln. 3. Lu7%ata Kinderm. Diese Seltenheit wurde 1859 einmal von Herrn Staatsrath von Roser bei Stuttgart gefunden. H. Xarithia Ochs. 1. Ferruginea Huhn. Nicht selten überwintert der Falter unter Laub und Moos. 2. JRt(fina L, 3. Amhusta W. V. Stuttgart selten. 4. Aurago Fahr. Einmal war der Schmetterling im Herbst in Reutlingen sehr häufig auf Buchen, sonst überall selten in Württemberg. 5. Süago Hübn. Selten. 6. Cerago W. V. Ziemlich selten. var. Flavescens BorJch. Stuttgart, selten. 7. Gilvago Fahr. var. PaUeago Tr. Stuttgart und Reutlingen, selten. 8. Citrago L. Nicht selten. Hoporina Boisd. {Xanthia Tr.) 1. Croceago Fahr. Ziemlich häufig. Dasycampa Guenee {Cerastis Tr.) 1 . Rubiginea W. V. Selten , bei Reutlingen noch nicht gefunden. Cerastis Ochs. 1. Vaccinii L. Häufig, in manchfaltigen Abänderungen. 2. Erythrocephala W. V. Stuttgart, bisweilen im Frühjahr an zuckersehwitzenden Birnknospen nicht selten. H. 3. Silene W. V. Stuttgart und Tübingen, ziemlich spärlich. 4. SateUitia L. Häufig. 5. Serotina Ochs. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 33. Heft. 20 — 306 - Sie ist überall, doch nur um Stuttgart zuweilen häufiger, wo sie am Waldsaum an Schlehenstauden im Juli zur Zeit der Erdbeerreife manchmal gefunden wurde ; sie sitzt der Länge nach an den Stauden, ist aber oft von Ichneumonen bewohnt, — eine arge Mordraupe, deren Schuld die harmlose Fr. fimbr'ia-ReLU^e in den altern Beschreibungen büssen muss. Sie scheint auch wie alle dieses Geschlechts manchmal zu überwintern, denn ich fand einst an einer Schlehenstaude den etwas verblichenen Falter im Mai , — jedenfalls verweist sie ihre Lebensweise und die lange Zeit (ca. 6 Wochen), welche die Raupe in der Erde liegt, ehe sie zur Puppe wird, zu diesem Genus. K. XXXL Tribus Xylinides. Xylina Tr. 1. Vetusta Huhn. Selten, die Raupe manchmal schwarzgrau. 2. Exoleta L. 3. Conformis Fahr. Manchmal nicht selten; überwinterte Schmetterlinge an Stämmchen und Zäunen. 4. Rhizolüha Fabr. Gemein. 5. Petrificata Fahr. Gemein, überwintert gleichfalls. 6. Oculata Germ. Angeblich bei Stuttgart häufig ; ich habe sie nie gefunden. H. Xylocampa Guenee [Cleophmia Tr.) 1. Ramosa Esp. Herr Pfarrer Hensler in Marbach erzog sie mehrmals aus der auf Lonicera xylosteum tief unten am Grase von Mitte August bis Anfang September wohnenden Raupe. K. Cloantha Boisd. {Cleophana Tr.) 1. Perspicillaris L. Nicht sehr selten. 2. Radiosa Tr. Auf der Alb von Herrn Prof. Hepp in einigen Expl. im Sonnenschein schwärmend gefangen , von mir seither vergeblich nach Raupe und Falter gefahndet. K. Cleophana Boisd. \. Linariae Fabr. Nicht selten» - 307 - Chariclea Kirby {Heliothis Tr.) 1. Delphinii L. Wangen, auch seitdem von Herrn Pfarrer Hensler in Marbach aufgefunden, der die Raupe in vier Expl. an Feldrittersporn am Rand von einem Fruchtacker fand. Cucullia Ochs. 1. Gnaphalii Hübn. Ich fand im August 1857 auf Gold- ruthe an der Albhöhe in Gesellschaft von C. asi^ris-Raupen fünf Raupen von verschiedener Grösse, die aber sämmtlich von Ichneumonen bewohnt waren; — Freyers Abbildung ist in der Form sehr verfehlt, an Färbung sehr kenntlich. K. 1858 fing ich den Falter in zwei Expl. bei Stuttgart; die- selben schwärmten an einem warmen Juni-Abend an den Blüthen von Salvia pratensis. H. 2. Abrotani W. V. Stuttgart ; auch im Oberland. 3. Ahsynthii L. Ebendaselbst aber seltener. 4. Umbratica L. Häufig. 5. Chamomillae W. V. Von Herrn Pfarrer Hensler bei Marbach gefunden. K 6. Lactucae Esp. Nicht sehr selten. 7. Lucifuga Esp. Tübingen und Reutlingen. Diese drei Arten sind noch nirgends richtig abgebildet, auch Herr Freyer wurde erst durch Herrn Dr. Speier zu einer Abänderung veranlasst; — Herrich-Schäff'er stellt Lactucae als Campanulae dar; daher kommt es wohl, dass in allen mir bis- her zugänglichen Sammlungen Württembergs noch Verwechs- lungen stattfinden; ich hatte alle drei Arten mehrfach erzogen,, und Hess mich dennoch durch Freyer und Herrich-Schäffer zu einer Umsteckung verleiten. — Um nun Gelegenheit zu dies- fallsigen Berichtigungen zu bieten, nehme ich nach Herrn Freyer in der „Stettiner entom. Zeitung, Jahrgang 1859" nun Veran- lassung, diese Arten nach allen bekanntern Werken einer ge- nauen Prüfung in nachstehender Zusammenstellung zu unterzie- hen, was gewiss manchem Sammler erwünscht sein wird. K. 308 Raupe C. ümhratica Falter Rösel, 1. Th. XXV. Fig. 3. Raupe. Hübner, Larv. Lepid. IV. Noct. II. Genuina V. 6. Fig. 1. c. d. (irrig als lucifuga). Rösel, 1. Th. XXV. Fig. 6. i Taf. 137. Noct. 58. Fig. 1 (^ . Esper, IV. I „ 178. „ 99. „ 6 p. Hübner, Noct. Taf. 54. Fig. 263 1. 264 c^. (Fig. 264 irrig als Lactucae). Freyer, Neuere Beiträge, Tab. 447 in allen Ständen, dann Tab. 431 p (berichtigt). C. Lactucae Rösel, 1. Th. Tab. XLII. Fig. 1—5. alle Stände, Esper, IV. Th. Tab. 137. Noct. 58. Fig. 4. 5 u. 6 in allen Ständen. Hübner, Larv. Lepid IV. Noct. IL Genuina V. b. c. Fig. 1. a. b. c. Freyer, Neuere Beiträge Tab. 502 in allen Ständen. C. Lucifuga '^ Raupe Falter Rösel, 1. Th. Tab. XXV. Fig. 1. 2. Raupe. HL Th. Tab. 71 Fig 10. junge Raupe. Esper, IV. Th. Tab. 137, Noct. 58. Fig, 2. Raupe. Hübner, Larv. Lep. IV. Noct. IL Genuina V. b. Fig. 1 a. Rösel. 1. Th. Tab. XXV. Fig 5. , Hübner, Noct. Tab. 54. Fig. 262. I Freyer, Neuere Beiträge Tab. 431, alle Stände, verbessert. 8. Asteris Fahr. Manchmal häufig, dann wieder sehr selten. 9. Thnpsiphaga Tr. Tübingen selten, auch von Herrn Dr. Hartmann bei Sulz gefunden. 10. Scrophularlae Eamh. {an speciesl H) ' 11. Verhasci X. - 309 — 9 XXXII. Tribns Plusides. Ahrostola Ochs. 1. Asclepiadis Fabr. Einmal fand ich die Raupe auf der Achalra. K. 2. TJrticae Huhn, i . 3. Triplasia L. ( Chrysoptera Latr. {Plusia Ochs.) 1. Moneta Fabr. Nicht selten. Plusia Ochs. 1. Illustris Fabr. War einmal in Tübingen im botanischen Garten nicht selten, auch bei Marchthal. 2.'Festucae L. Stuttgart, Marbach, selten. 3. Chrysitis L. 4. Orichalcea Fabr. Bei Wangen, auch Marchthal. 5. Bractea Fabr. Selten, aber wohl überall. 6. Jota B. Selten. var. Percontationis Ochs. Reutlingen, Dizenbach, selten. K. 7. Gamma B. Sehr gemein. 8. Interrogationis B. Einst von mir auf dem Schwarzwald gefunden im Juli an einem Felsen ruhend. K. 9. Divergens Fabr. Einmal bei Ludwigsburg gesehen» XXXIII. Tribus Heliothides. Anarta Ochs. 1. MyrtiUi B. Nirgends selten. 2. Cordigera Thunb. Oberschwaben selten. 3. Arbuti Fabr. (Heliaca Hübn.) Häufig. Heliothis Ochs. 1. Ononis Fabr. Marbach und Stuttgart, sehr selten. 2. Dipsacea B. Ich besitze Expl. von Reutlingen und Sulz. K. — 310 — 3. Scutosa Fabr. Bei Marbach durch Herrn Pfarrer Hensler gefunden. j^ 4. Peltigera W. V. Nach Herrn Präparator Bauers Angabe in der Neckarstrasse in Stuttgart schon gefangen. 5. Marginata Fahr. Zuweilen ziemlich häufig. XXXIV. Tribus Acontides. Acontia Ochs. 1. Solaris W. V. Bei Stuttgart angeblich sehr selten, wurde seit vielen Jahren nicht mehr beobachtet. 2. Luctuosa W. V. Auf Aeckern und feuchten Wiesen nicht sehr selten. XXXV. Tribus Catocalides. Catephia Ochs. 1. Leucomelas W. V. Stuttgart und Mergentheim, selten. 2. Alchymista Fahr. ReutHngen nicht so selten, wie ander- wärts. Catocala Ochs. 1. Fraxini L. Selten, um Stuttgart und Tübingen an Tan- nenstämmen des Bopsers und Burgholzes manchmal recht häufig. 2. Elocata Esp. Nicht sehr häufig. 3. Nupta L. Gemein. 4. Dilecta Huhn. Stuttgart und ReutHngen, sehr selten. 5. Sponsa L. Manchmal häufig. 6. Promissa Fahr. Stets seltener. 7. Electa Borkh. Stuttgart und Tübingen. 8. Agamos Huhn. Soll einmal bei Stuttgart gefunden wor- den sein! 9. Paranympha L. Wurde bei Ludwigsburg schon häufig gezogen, sonst im Allgemeinen selten. Ophiusa Ochs. 1. Lnnaris Fahr. Selten, die Raupe auf jungen Eichen, - 311 - bekommt aber gerne schwarze Brandflecken und geht sodann zu Grunde. K. 2. Pastinum Tr, Stuttgart, selten. 3. Lusoria L. Ebenso (?) 4. Viciae Hübn. Ueberall, ich erzog sie schon aus Eiern, die mir ein an der Nadel steckender Schmetterling lieferte. K. 5. Craccae Fahr, Stuttgart. XXXVI. Tribus Noctuophalaenides. Euclidia Ochs. 1. Mi B. Ueberall. 2. Glyphica L. Ueberall. Brephos Ochs. 1. Parthenias L. Gemein. 2. Notha H. Sehener. 3. Puella Esp. Bei Stuttgart angeblich sehr selten; ich fing sie niemals. H, Ä?ithophila Boisd. 1. Aenea W. V. Ueberall. 2. Argentula Borkh. Stuttgart, sehen. Agrophila Boisd. {Anthophila u. Erastria Ochs.) 1. Sulphurea Hübn, Ueberall. 2. Unca W. V. Stuttgart, Marbach, selten. Erastria Boisd. Ochs. 1. Fuscula W. V. 2. Atratula Borkh. Häufig in Laubwaldungen. Geometrae. Geometra Boisd. Tr. 1. Papilionaria B. Ueberall, aber selten. Phorodesma Boisd. {Geometra Tr.) 1. Bajularia Esp. Stuttgart selten. — 312 - Hemithea Dup. (Geometra Tr.) -1. Cythisaria W. V. Nicht selten. 2. Vernaria W. V. Ueberall selten. 3. Viridaria Hübn. Nicht selten , im Frühjahr im Grase zwischen Waldungen. K. 4. Aeruginaria W. V. Nicht selten. 5. Putataria L. Stuttgart, selten. 6. Aestivaria Esp. Reutlingen, nicht selten ; die Raupe auf Schlehen, der Schmetterling auf blühenden Lindenbäumen. K. 7. Bupleuraria W. Y. Stuttgart, Tübingen, Marchthal, selten. Metrocampa Latr. [Elopia Treitsch.) 1. Fasciaria L. Nicht selten in Nadelwäldern fliegend. var, Prasinaria Hübn. 2. Margaritaria i. Häufig. ürapteryx Kirby {Acaena Tr.) 1. Sambucaria B. Rumia Dup. {Ennornos Tr.) 1. Crataegaria Hübn, Nicht sehen. Ennornos Dup. Tr. 1. Syringaria B. Nicht selten. 2. Dolabraria B. Ebenso. 3. Apiciaria W. V. Ziemlich selten bei Weidenpflanzungen. 4. ParalUlaria W. Y. Tübingen, Stuttgart. 5. Advenaria Esp. Stuttgart, sehr selten. 6. Lunoria W. Y. Meist ziemlich selten. 7. Delunaria Hübn. Selten. 8. Illunaria W. V. Nicht selten. 9. Hlnstraria Hübn. Hat gar schöne Abweichungen, doch ist meist die gleiche Brut ähnlich gefärbt, während dunkle Weiber helle Nachkommen, hellere umgekehrt liefern können. K. 10. Angularia W. Y. Gemein. var. Carpinaria Hübn. - 313 - 11. Erosaria W. V. 12. Tiliaria Hübn. Stuttgart selten. 13. Alniaria L. 14. Dentaria Esp, Marbach, Reutlingen, Stuttgart, aber selten. 15. Prunaria L, var. Corylaria Esp. Selten. Himera Dup. {Crocallis Tr.) 1. Pennaria L. Geraein. Crocallis Tr. 1. Elinguaria L. Fand ich einst eine Reihe von Jahren auf demselben schattigen Fliederbusch mit syringaria-Rs^w^Qn ziemlich häufig. K. Aventia Dup. {Ennomos Tr.) 1. Elexularia Hübn. Reutlingen, Marbach, nicht selten. Stuttgart? Macaria Curtis {Ennomos Tr.) 1. Notataria Esp. Selten. 2. Alternaria Hübn. Selten. 3. Lituraria Hübn. Ziemlich selten. 4. Signaria Hübn. Tübingen, Stuttgart, selten. Halia Dup. {Fidonia Tr.) 1. Wavaria L. Häufig. Aspilates Tr. {Idaea, Aspilates et Ennomos Tr.) 1. Vibicaria B. Ueberall, wo Besenpfrieme (Spartium scop.) wächst, auch hier schon an Brombeeren 1 Exemplar ge- funden. K. 2. Purpuraria B. Gewiss überall selten ; Reutlingen gar nicht. K. 3. Adspersaria Borhh. Auf Besenpfrieme, selten. 4. Gilvaria W. V. Sulz und Tübingen. — 314 - Ploseria {Fidoiiia Tr.) 1. Diversaria Hübn. Wurde einst von meinem verstorbenen Freunde Hepp nicht selten im ersten Frühling im Buchenwalde nächst dem Waldhörnle bei Tübingen gefangen; ich bemühte mich schon einigemal umsonst dahin. K. Stuttgart und Marbach selten. Nwneria Dup. {Fidonia Tr.) 1. Pulveraria L. Auf der Alb nicht selten, ich erzog sie schon einigemal. K. 2. Capreolaria Fabr. Stuttgart einzeln. Fidonia Tr. {Fidonia Zerene Tr.) 1. Plumaria W. V. Tübingen und Stuttgart einzeln. 2. Piniaria L. Gemein. 3. Melanaria L. Ein Exemplar in Stuttgart, 1 Exemplar in Ludwigsburg. 4. Atomaria L. Gemein. Eupisteria Boisd. {Fidonia Tr.) 1. Cebraria Hübn. Manchmal nicht selten. Speranza Curtis {Fidonia Tr.) 1. Conspicuaria Esp. Im Schwarzwald nicht selten, im Juli an Wegsteinen und zwischen Besenpfriemen und Farrenkräutern. K. 2. Koraria Esp. (Spartiaria Tr.) Schwarzwald. Anisopteryx Steph. {Fidonia Tr.) 1. Aescularia W. V. Nicht selten, schon im Februar und März am Fusse von Bäumen. Hihernia Latr. {Fidonia Tr.) 1. Aceraria W. V. ZiemHch selten, doch fand ich einst - 315 - noch während des Frostes eine grosse Menge AcerariOy Pro- gemmaria und Aescularia am Fasse alter freistehender Eichen, Weiber waren sehr selten zu bemerken. K. 2. Mupicapraria W. V. Nicht häufig, bei Stuttgart am wenigsten selten. 3. Aurantiaria Esp. üeberall, doch nicht häufig. 4. Progemmaria Huhn. Nicht sehr selten. 5. Defoliaria L. Gemein, allein in einzelnen Jahren wiede sehr selten. 6. Leucophaearia W. V. Gemein. 7. Bajaria Huhn. Selten. 8. Püosaria W. V. Nicht selten. Nyssia Dup. (Amphidasis Tr.) 1. Hispidaria W. V. Reutlingen Ende März an Eichen, aber selten} ebenso bei Stuttgart und Ludwigsburg. 2. Zonaria W. V. Die Raupe ist wohl nirgends sehr sel- ten, allein die Entwicklung scheint sehr misslich, so dass Du- zende von Raupen dieser (und der folgenden) Art erzogen werden können, ohne einen Falter zu liefern. K. 3. Pomonaria Esp. Manchmal an Obstbäumen und Eichen sehr gemein. K. Bei Stuttgart nur einmal gefangen, allein wohl nur nicht beachtet, da er in Hohenheim gemein und die Raupe zuweilen schädlich ist. Amphidasis Dup. Tr. 1. Hirtaria L. Häufig, namentlich im März an Häusern. 2. Betularia L. Manchmal nicht selten. 3. Prodromaria Fahr. Boarmia Tr. 1. Bepandaria W. V. Häufig in einer Menge von Abän- derungen. 2. Bohoraria W. V. Selten. 3. Consortaria Fahr. Vorzugsweise in Obstgärten. 4. Bhomhoidaria W. V. Ziemlich selten. — 316 ^ 5. Abietaria W. V. Selten und fehlt an vielen Orten. 6. Secundaria W. V. Stuttgart, Marbach, Ludwigsburg^ selten. 7. Cinctaria W. V. Häufig. 8. Glabraria Huhn. Marbach selten. 9. Viduaria W. V. Die Puppen fand ich schon am Fuss alter Eichen. 10. Lichenaria W. V. Nicht sehr selten. Tephrosia Boisd. {Boarmia Tr.) 1. Crepuscularia W. V. Gemein. 2. ConsonariaHühn. Stuttgart, Sulz, Marbach, fliegt Abends nicht selten in der Nähe des Waldes an blühenden Stachelbeer- büschen. H. . 3. Extersaria Hübn. Ziemlich selten an Eichen. 4. Punctularia Hübn. Häufig. 5. Ambiguaria H. Seh. Niedernau. Elophos Boisd. (GnopJios Tr.) 1. Dilucidaria W. V. Auf der Alb selten. 2. Obfuscaria Hübn. Sehr selten. Gnophos Tr. 1. Furvaria Hübn. Selten, mehr im Gebirge. 2. Pullaria Hübn. Von mir bei Wildbad gefunden. K. 3. Obscuraria Hübn. Einmal bei Reutlingen. ' ' Mniophila Boisd. {Boarmia Tr.) 1. Corticaria Hübn. Stuttgart. Boletohia Boisd. (Gnophos Tr). 1. Carbonaria W. V. Reuthngen, Cannstatt. Euholia Dup. {Aspilates, Jdaea, Cidaria & Larentia Tr.) 1. Artesiaria W. V. Stuttgart selten. 2. Palumbaria W. Y. Gemein. 3. Mensuraria W. V. Gemein. ' — 317 - 4. Moeniaria W. V. Selten. 5. Bipunctaria W. V. Gemein. 6. Vesjyertaria (ata L.) Ueberall, doch selten. 7. Scahraria Tr. Bei St. Johann auf der Alb im Juli häufig im Buchenwalde, meist Männchen. K. 8. Miaria W. Y. Nirgends häufig, doch überall. 9. Ferrugaria W. V. Häufig. 10. Quadrifasciaria W. Y. Stuttgart, Marbach, Uracher Wasserfall, häufig. 11. Ligustraria Tr. Nicht selten. Anaitis Dup. {Larentia & Äspüates Tr.) 1. Plagiaria {ata L.) Gemein. 2. Praeformaria {ata H.) Cassiata Tr. Auf der Alb selten. Larentia Tr. Dup. Larentia & Acidalia Tr. 1. Sahaudiaria {ata Dup.^ An Felsparthieen im Oberland. 2. Dubitaria {ata L.) Nicht häufig. 3. Certaria {ata J/.) Häufig. 4. Ehamnaria {ata. Fabr.) Nicht häufig. 5. Vitalharia {ata Tr.) Die noch unbeschriebene Raupe fand Herr Prof. Hepp in Tübingen auf Clematis erecta und viti- cella. K. 6. Vetularia {ata W. Y.) Nicht häufig. 7. Undularia {ata L.) Ebenso. 8. Gemmaria {ata H.) Besitze ich ein Exemplar aus der Stuttgarter Gegend. K. 9. Fluviaria {ata Huhn.) Reutlingen und Marbach im August auf Stoppeln. K. 10. Bilinearia {ata L.) Gemein. 11. Tersaria {ata W. V.) Marchthal, selten. 12. Lignaria {ata IL) Marbach, selten. 13. Petraria Esp. Stuttgart, selten. 14. Lineolaria {ata W. Y.) Tübingen, Zwiefalten. K. - 318 — 15. Scripturaria W. V. Lauterthal. X 16. MoUuginaria {ata H.) Alb, Marbach. 17. Cyanaria [ata H.) Heimensteiner Höhle im Juli, auch im Oberland. K, 18. Psittacaria (ata Fabr.) Gemein ; im ersten Frühjahr er- beute ich stets mit der Laterne einige anscheinend nicht über- winterte Exemplare. H. 19. Coraciaria {ata Hübn.) {an variet. praecedentis'i) Stutt- gart, Sulz. 20. Dilutaria (ata W. V.) Häufig. 21. Brumaria Esp, Nur zu häufig. 22. Multistrigaria Hawth. Stuttgart, selten. H. Noch erwähne ich eines Spanners dieser Familie, der ent- weder eine Local- Varietät der L. caesiata W. V. oder eine eigene Art ist, eine etwas anders gestellte Binde, vorn etwas dunklere Flecken am Aussenrande und wenige scharfe Puncte vor der Franse hat ; er kommt bei Marbach vor und ist nirgends abgebildet. K LobopJiora Curtis {Acidalia Tr.) 1. Appendicularia {sertata Hübn.) Einmal im Herbst 1854 bei Reutlingen in drei Exemplaren. k. 2. Polycommaria (ata Hübn.) Reutlingen, Tübingen, Mar- bach selten. 3. Lobularia (ata Hübn.) Nicht häufig. 4. Hexapteraria {ata Fabr.) Häufig. 5. Sexalaria {ata Tr.) Stuttgart, Marbach, selten. Eupiihecia Curtis {Larentia Tr.) 1. Modicaria{ataH.) Bei Stuttgart von Herrn Kohl gefunden. 2. Pimpinellaria (ata H.) Tübingen. 3. Oxydaria (ata Tr.) Alb, manchmal auf Lindenbäumen. K. 4. Succenturiaria (ata L.) Marbach. K. 5. Centaurearia [ata H.) 6. Exiguaria {ata H.) Sehr selten. 7. Innotaria (ata Borhh.) Sehr selten. 8. Hospitaria [ata Tr.) Reutlingen und Marbach, selten. - 319 - 9. Consignaria {ata Börkh). Sulz, Marbach, selten. 10. Venosaria [ata Hübn.) Reutlingen und Marbach, selten. 11. Valerianaria {ata Hübn.) Stuttgart, häufig. 12. Indigaria (ata Hübn.) Reutlingen, nicht sehr selten. 13. Linariaria (ata Fabr.) Tübingen, selten. 14. Strobilaria {ata BorM.) Nicht selten. 15. Rectangularia (ata Fabr.) Häufig. 16. Debiliaria (ata Hübn.) Marbach, selten. 17. Cydoniaria (ata Boisd.) Selten. 18. Intiirbaria (ata Hübn.) Stuttgart. 20. Sobrinaria (ata. Hübn.) Reutlingen. Cidaria Tr. (Cidaria^ Chesias, Zerene, Larentia & Acidalia Tr.) 1. Achatinaria (ata H.) Reutlingen, Tübingen, Marbach. 2. Popularia (ata L.) Schwarzwald, häufig um Wildbad. Ä'. 3. Pyraliaria (ata W. V.) Reutlingen, Stuttgart, selten. 4. Chenopodiaria (ata L.) Marbach, selten. 5. Fulvaria (ata W. V.) Nicht selten, wo wilde Rosen sind. 6. Juniperaria (ata L.) Ziemlich häufig. 7. Variaria (ata W. Y.) Häufig. var. Obeliscata. H. 8. Ruptaria (ata Hübn.) Auf der Alb und bei Marbach auf Linden nicht selten. K, 9. Firmaria (ata Hübn.) Stuttgart, Marbach, selten. 10. Simiaria (ata W. V.) Reutlingen, Tübingen, nicht selten. 11. Bubidaria (ata W. V.) Reutlingen, Sulz, selten. 12. Badiaria (ata W. V.) Nicht selten. 13. Berberaria {ata W. V.) Häufig. 14. Derivaria (ata W. V.) Häufig. 15. Suffumaria (ata W. V.) Reutlingen, Marbach, ziemlich selten. 16. Bibesiaria (ata Boisd.) (prunata L.) Häufig, um Stutt- gart selten. 17. Silacearia (ata W. V.) Alb, selten. 18. Balsamitaria Frey er. Marbach und an den Uracher Fällen zwischen wilden Balsaminen, selten. K. — 320 — 19. Reticularia {ata Fahr.) Alb, Marbach, an der gleichen Pflanze im Juli. 20. Russaria (ata W. V.) Manchmal häufij^. 21. Elutaria (ata Hübn.) Meist nicht häufig. 22. Impluviaria {ata Hübn.) Alb, nicht so selten, Stuttgart ? 23. Propugnaria {atd Fabr.) Tübingen, Ludwigsburg, selten. 24. Viretaria {ata Hübn.) Reutlingen, Marbach selten , an Nadelholz. 25. Frustraria {ata Tr.) Tübingen, sehr selten. 26. Tophacearia {ataW.Y.) Sulz und Marbach selten, flog mir einmal ganz frisch entwickelt ins Zimmer. K. 27. Picaria {ata Boisd.) Spärlich bei Stuttgart. 28. Aptaria {ata H.) Alb und Oberschwaben, nicht häufig, manchmal ganz grünlich. K. Melanippe Dup. {Acidalia, Cidaria, Zerene Tr.) 1. Macularia L. Gemein. 2. Marginaria L. Häufig. 3. Hastaria {ata L.) In Birkenschlägen im Mai nicht gerade selten. 4. Tristaria {ata L.) Häufig. 5. Luctuaria {ata W. V.) Marbach, selten. 6. Turbaria Tr. Stuttgart, sehr selten. 7. Eivularia {ata W. V.) Reutlingen an schattigen Wald- stellen selten. K. 8. Rivaria {ata Hübn.) Alb, selten. K. 9. Alchemillaria {ata L.) Gemein. Melanthia Boisd. (Zerene, Acidalia, Cidaria Tr.) 1. Montanaria Tr. Häufig, namentlich die Raupe im April auf Schlüsselblumen. K. 2. Ocellaria (ata L.) Nicht so selten. 3. Fluctuaria {ata L.) Sehr gemein. 4. Caliaria {ata W. V.) Selten. 5. Blandiaria {ata W. V.) Sehr selten. - 321 - 6. Ruhiginaria (ata W. V.) Selten. 7. Procellaria {ata W. V.) Reutlingen, Sulz, Stuttgart. 8. Adustaria (ata W. V.) Nicht sehr selten. 9. Albicillaria (ata L.) Spärlich. 10. Pulchraria Fuchs. Einmal auf der Alb an einer Linde im Juli. , K. Zerene Dup. 1. Grossularia (ata L.) 2. Vlmaria Huhn. 1855 von mir in Mehrzahl auf der Alb in Waldungen erbeutet; sie hat, wie die vorstehende, einen Moschusgeruch; nachher fand Herr Bauer auch ein Exemplar bei Winnenthal. K. Cahera Dup. [Cabera, Fidonia & Zerene Tr.) 1. Taminaria Huhn. Selten. 2. Pusaria L. Häufig. 3. Exanthemaria Esp. Häufig. 4. Strigillaria Esp. Tr. Selten; ich besitze ein Exemplar von Stuttgart. K. 5. Cararia Huhn. Neckargegend, sehr selten. 6. Onanaria Borkh. Stuttgart, sehr selten. (?) Ephyra Dup. {Cahera Tr.) 1. Pictaria Curtis. Stuttgart und Marbach. 2. Trilinearia Borkh. Ziemlich häufig. 3. Punctaria L. Häufig. 4. Poraria Tr. Im Oberland noch nicht gefunden, sonst allerwärts. 5. Pendularia L. Nicht selten in jungen Birkenschlägen. 6. Omicronaria W. V. Nicht selten. Acidalia, {Idaea, Acidalia, Fidonia, Zerene & Cabera Tr.) 1. Temeraria Huhn, Ziemlich selten. 2. Ornataria Esp. Nicht selten. WOrttemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 3s Heft. 21 - 322 - 3. Immutaria Huhn. Sehr selten. 4. Incanaria Huhn. Häufig. 5. Rusticaria Dup. Stuttgart. (?) 6. Scutularia Huhn. Reutlingen und Sulz, selten. 7. Bisetaria Dup. Reutlingen, häufig. 8. Auroraria Huhn. Ulm, selten, Stuttgart. 9. Aureolaria Fahr. Stuttgart, sehr selten. 10. Ochrearia Huhn. Ueberall. 11. Rufaria Huhn. Seltener. 12. Ruhricaria Huhn. Stuttgart, Marbach. 13. Ossearia Huhn. Häufig. 14. Lutearia Huhn. Nicht so selten. 15. Decoloraria (ata Huhn.) Selten. 16. Albularia {ata Fahr.) Gemein. 17. Sylvaria {ata W.Y.) Reutlingen, selten, an Erlenbüschen. 18. Candidaria Huhn. Sehr selten. 19. Glarearia W. V. Tübingen, Degerloch, an letztem Orte nicht selten. K. 20. Immoraria Huhn. Gemein. 21. Sylvestraria Bkh. Nicht selten. 22. Remutarin Huhn. Ueberall häufig, um Stuttgart selten. 23. Suffusaria {ata Tr.) Marbach, selten. H. 24. Aversaria Huhn. Häufig. 25. Emarginaria Huhn. Sehr selten. 26. Mutataria Huhn. Reutlingen selten. 27. Prataria Boisd. {Strigilaria Huhn.) Timandra Dup. {Ennomos Tr.) 1. Amataria B. Stellenweise, manchmal häufig. Strenia Dup. (Fidonia Tr.) 1. Clathraria Huhn. Häufig. , Siona Dup. {Idaea Minoa Tr.) 1. Dealharia Huhn. Gemein. Die noch unbeschriebene - 323 - Raupe fand ich auf Plantago und beschrieb solche in dem Jahr- gang 1855 der entomol. Zeitung in Stettin. 2. Nivearia W. V. Marbach und Weil im Dorf. 3. Grisearia Huhn. Weil im Dorf. Sthanelia Boisd. (Chesias Tr.) 1. Hippocastanaria Hübn, Stuttgart, einmal gefunden. Odezia Boisd. (Minoa Tr.) 1. Chaerophyllaria L. Schwarzwald, Tübingen, Reutlingen, sehr gemein. K. Torula Boisd. {Psodos Tr.) 1 Equestraria Esp. (Alpinata W. V.) ^Igäuerberge. Minoa Dup. Tr. 1. Euphorbiaria Hübn. Gemein. Die Zahl der nunmehr in Württemberg aufgefundenen Arten beträgt: Sphingiden 48 Bombyciden 123 Noctuiden 284 Platypteriden 6 Geometriden 238 rter 1 und 6 Varietäten, » ?» — » V •n 4 7) n n 10 •n V V\ — 7> ri « 4 T) 824 , „ 24 Oewiss eine schöne Zahl; das Albgebirge liefert namentlich manche Gattung, die man nur in den Alpen sucht. Zum Schlüsse führen wir noch die Namen der Sammler an, welche seither auf diesem Felde thätig waren, aber nicht mehr sammeln: Herr Dr. Paulus in Ludwigsburg, „ Dr. Cammerer in Stuttgart, „ Gutekunst, Petrefakten-Händler in Ulm, - 324 - Herr Oberamtsarzt Dr. Hartmann, früher in Sulz, „ Mancher, Goldarbeiter m Stuttgart. Noch jetzt sammeln: Herr Pfarrer Hensler m Marbach. „ Dr. medic. Vöhringer in Sulz a./N. „ Staatsrath von Roser. „ Kohl, Waffenhändler. „ Trinker, Goldarbeiter. ^ .^ Stuttgart, „ Dr. Med. Guckelberger. „ Bauer, Präparator am königl. Naturalien-Kabinet. „ Kaplan Hub er in Marchthal. „ Grieb, Naturalist in Ulm. 9. Die Schädel der Württemberg'schen Marderarten. Von Generalstabsarzt Dr. Klein. Ein reiches Material in meiner eigenen Sammlung von Schädeln, in der des Königl, Naturalienkabinets und der K. poly- technischen Schule veranlassten mich, eine Vergleichung der Schädel der württemberg'schen Marderarten mit Hinzuziehen vonv einigen ausländischen Arten vorzunehmen, und da ich einige Beiträge zu den sorgfältigen Abhandlungen von A. Wagner (Supplement zu Schrebers Säugethiere), Blasius (Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands) und Dr. Hensel (Archiv für Natur- geschichte XIX. Jahrg. Bd. 1) geben zu können glaube, die Resultate meiner Untersuchungen in diesen Blättern niederzulegen. Die Schädel der württ. Marderarten zeigten, mit Berück- sichtigung der weiter unten näher beschriebenen Species, folgende allgemeine Merkmale, welche durch andere, mir nicht zu Gebote stehende Arten vielleicht Abänderungen erleiden würden. Der Schädel ist in die Länge gezogen, flach gewölbt, breit, hinter der Augenhöhle eingeschnürt; die Stirne ist nicht über den Schädel erhöht, das Hinterhaupt stark entwickelt, die Hinter- hauptsschuppe steht senkrecht, das grosse Loch sieht nach hinten 5 die Hinterhauptsleiste ist stark und endet, indem sie sich zu beiden Seiten des Schädels fortsetzt, hinter dem äussern Gehör- gang. Der Gesichtstheil ist bald mehr, bald weniger lang; der Zwischenkiefer hat eine schmale Seitenfläche, in deren Grube der untere Eckzahn liegt; der Jochfortsatz des Oberkiefers ent- springt über dem hintern Ende des Zahnfortsatzes, über dem obern Reisszahn und Höckerzahn. Das Unteraugenhöhlenloch - 326 - ist einfach, nicht gross, von zwei Aesten des Jochfortsatzes ge- bildet; die Angenhöhlendecke fehlt, ist nur durch eine nach aussen gerichtete Wölbung des Jochfortsatzes des Stirnbeins angedeutet. Die Jochbogen sind auswärtsgebogen, stehen weit ab und divergiren nach hinten. Der Stirnfortsatz des Jochbeins ist sehr kurz. Der knöcherne Gaumen reicht weit hinter den Backzähnen rückwärts. Die Paukenknochen sind lang, gewölbt und convergiren nach vorn. Die Gelenksgrube für den Unter- kiefer ist in die Quere gestellt, breit, hinten durch eine dach- förmig überragende Leiste begränzt, welche besonders innen stark ist, eine schwächere vordere, deren äusserer Theil am meisten hervorragt, ist ihr gegenübergestellt. Die ünterkiefer- hälften verwachsen nicht; der Kronfortsatz überragt den Gelenk- fortsatz weit. * Die Knochen des Schädels und Gesichts verknöchern sehr bald und sind so mit einander verbunden, dass die Nähte nicht mehr erkennbar sind; zuletzt verknöchern wohl die Nasenbeine unter sich. /» 77 einwurzelige Schneidezähne, von denen die mittlem die 0 kleinsten, die äussern die grössten sind. Im Oberkiefer haben sie hinter der Schneide einen kleinen Ansatz, die äussern sind Eckzahn-ähnlich und durch eine Lücke von den Eckzähnen ge- trennt. Im Unterkiefer sind sie gekerbt und reihen sich un- mittelbar den Eckzähnen an. Die zweiten sind an der Basis aus der Reihe nach hinten gerückt. Eckzähne, welche lang, stark, conisch zugespitzt, leicht gekrümmt sind. • Dreierlei Backzähne, welche im Allgemeinen nach hinten mit der MittelHnie divergiren. -r—i oder ^r-^r Lückenzähne. 4.4 6.6 Der erste, oben und unten, ist einwurzelig, kleiner als die folgenden. Die Andern sind länger als breit, haben zwei Wurzeln, — 327 - nehmen nach hinten an Grösse etwas zu, sind von beiden Seiten stark zusammengedrückt und bestehen aus einer Spitze und vor- tretendem Zahnrand hinten, oder hinten und vornen. — ^ Reisszähne. Der obere Reisszahn ist lang, schmal, hat drei Wurzeln, eine mittlere starke Spitze mit vorderem kleinern, hintern grössern Ansatz und an der innern Seite des vordem Randes einen kleinen Höckeransatz. Der untere Reisszahn hat zwei Wurzeln, ist länger als breit, die Schneide besteht aus zwei hinter einander liegenden Zacken, von denen die hintere höher ist, und einem platteren Ansatz hinten. Höckerzähne. Der obere ist quergestellt, breiter (perpendiculär auf die Achse des Kiefers) als lang, der innere Theil länger als der äussere. Der untere ist kleiner, rundlich. Nach der Verschiedenheit der Zahl der Zähne theilt Blas ins die deutschen Märderarten in zwei Gattungen, Mustela Linn. und Foetorius Keyserling und Blasius. 3 3 Mustela hat 38 Zähne, , ' , Lückenzähne. Der Gesichts- 4.4 theil des Schädels ist verhältnissmässig länger als bei Foetorius und verhält sich vom vordem Rande der Nasenbeine bis zu einer Linie gemessen, welche beide Jochfortsätze der Stirnbeine mit einander verbindet, (der Lage der Siebplatte entsprechend) zur Länge des Schädels, d. h. bis zum hintern Ende der Mittel- leiste wie 1 : 2,9 — 3. Die längsten Schädel im Verhältniss zum Gesichtstheil haben die eines Marders von Labrador, wie 3,3 : 1. Von den Schneidezähnen zum Jochfortsatz gemessen zum ganzen Schädel d. h. den Schädel ohne Unterkiefer auf eine horizontale Fläche gelegt, wie 1 : 2,41—2,64, bei den von Labrador selbst 2,65. — Der vorderste Theil der Schnauze vom vordem Ende der Nasenknochen bis zum vordem Zahnhöhlen- rande des Zwischenkiefers ist länger als bei Toetorius, die vordere Nasenöifnung liegt schiefer. Hinter den Jochfortsätzen der Stirnbeine verschmälert sich der Schädel und hat etwas weiter zurück eine stärkere Ein- schnürung, welche vor dem knöchernen Rande liegt, welcher in der Schädelhöhle die Siebbeingrube begränzt und die vordere Wand der Hirnhöhle bildet. Der hintere Theil des Schädels ist höher, gewölbter. Der Schädelhöhlentheil geht von der mittleren Gräthe, mit starker Wölbung nach aussen, abwärts; die Einschnürung hinter den Jochfortsätzen ist kurz, der vordere Theil der seitlichen Schädel- höhlenwand ist gewölbt, so dass die Kronfortsätze des Unter- kiefers schon dem auswärtsgewölbten Theil der Schädelhöhlen- wand gegenüberstehen. Die Mittelleiste, in welcher die halbcirkelförmigen Linien zusammenkommen, bildet hinter der Hinterhauptsleiste eine nach hinten hervorragende Ecke (mit Ausnahme von M. Zibellina), welche weiter zurückreicht als die Gelenksfortsätze des Hinter- hauptbeins. Von dieser mittlem Ecke zieht sich auf der Hinter- hauptsschuppe eine breite, hervorragende Wulst, durch den Wurm des kleinen Gehirns gebildet, zum Hinterhauptsloch. Die Hinterhauptsleiste setzt sich an der Seite des Schädels fort und endet hinter dem äussern Gehörgang mit einem nach aussen gekehrten Fortsatz (ausser Zibellina). Der Gelenktheil des Hinterhauptbeines bildet hinter dem Paukenknochen einen Fortsatz, process. paramastoid. * Bei dem Marder von Labrador ist derselbe nur klein, ebenso bei Zibelhna. Die zweiten Schneidezähne im Unterkiefer sind an der Basis stark zurückgestellt, stehen aber auch an der Schneide mit den Andern nicht ganz in gleicher Linie. Der erste obere und untere Lückenzahn ist viel kleiner als die Andern, hat eine wenig nach vorne abgesetzte, schräg nach vorne gerichtete Spitze und wenig vorragenden Zahnrand. Nach Küstlin, Schädel der Wirbelthiere. F. 149. - 329 - Der zweite oben und unten hat die Spitze mehr nach vorne, der Zahnrand tritt hinten mehr hervor. Beim dritten obern und untern steht die Spitze ziemlich in der Mitte, ein vorragender Zahnrand hinten und vorne; am untern ist die Spitze mehr nach vorne gerückt, die hintere schiefe Fläche ist länger. Am vierten untern ragt der Zahnrand hinten und vorne her- vor, die Spitze ist etwas vor der Mitte, auf der hinteren schiefen Fläche derselben ist zwisctien Basis und Spitze eine leichte Ein- kerbung und unter dieser eine leichte Spitze, oder die schiefe Linie zeigt wenigstens eine leichte Krümmung nach hinten als Andeutung der Spitze. Am untern Reisszahn besteht die Schneide aus zwei hinter- einanderliegenden Zacken und einer kleinen dritten an der Innern Seite und etwas hinter der zweiten. Der hintere Theil ist platt, auf ihn tritt der innere Theil des obern Höckerzahns. Der obere Höckerzahn zeigt auf seinem äussern Theil 2 — 3 kleine Höcker, und einen kleinen Höcker auf dein vordem Theil der Innern platten Fläche, die sehr verbreitert und nur ein halbmal weniger lang, als der ganze Zahn breit ist (mit Ausnahme des von Labrador). Der untere Höckerzahn ist klein, rundlich, so lang als breit, hat drei kleine Höcker und ragt mit dem grössern Theil hinter dem obern Höckerzahn hervor. Die zwei bei uns vorkommenden Species M. martes und foina Briss. sind sich sehr ähnlich und unterscheiden sich eigentlich im Allgemeinen nur dadurch, dass die Erstere eine gelbe, Foina eine weisse Kehle hat, um so interessanter sind die charakteristischen Unterschiede, welche der Schädel zeigt und welche das Erkennen der Species leicht machen. Mustela martes Briss. Edelmarder. Der Schädel ist sowohl in seinem Gesichts- als Schädel- höhlentheil verhältnissmässig länger als breit, der ganze Schädel erscheint so gestreckter, schlanker, als bei Foina. In einer horizontalen Linie gemessen von den Schneidezähnen bis zu einer - 330 - Linie, welche beide Joehfortsätze der Stirnbeine mit einander verbindet und bis zur hintern Ecke der mittlem Grathe (den Schädel ohne Unterkiefer auf eine ebene Fläche gelegt) verhält sich der Gesichtstheil zur ganzen Schädellänge wie 1 : 2,4 — 2,48, er ist um 9 — 11 Mm. länger als die Breite von der Spitze eines Jochfortsatzes zum andern, und um 14 — 16 Mm. länger als die Breite zwischen den iiinern Rändern der Unteraugenhöhlenlöcher. Die grösste Breite des Schädelhöhlentheils (über dem äussern Gehörgang) verhält sich zu dessen Länge wie 1 : 1,4 — 1,48, zur ganzen Länge des Schädels wie 1 : 2,41 — 2,48. Ebenso ist die Entfernung der hintern Enden der Jochbogen eine ge- ringere und verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 1,7 — 1,8, Hensel sagt, die Entfernung der Spitzen der obern Eck- zähne sei um 2 Mm. kleiner als bei Foina. Ich fand immer, dass die Eckzähne bei Martes von der Wurzel aus mehr gerade abwärts gehen, während sie bei Foina convergiren, so dass trotz des breitern Gesichtstheils des Letz- teren doch die Entfernung der Spitzen eine geringere ist als bei Martes. Die vordere Nasenöffnung ist hoher als breit, nur kann ich sie nicht, wie Hensel, oval nennen im Gegensatz zu der herz- förmigen von Foina, weil auch bei Jenem die Vereinigung der Nasenbeine vorgezogen ist und eine Zacke in die Oeffnung hereinbildet, so nur eine mehr in die Länge gezogene Herzform bildet. Die Entfernung des vordem Nasenbeinrandes vom vor- dem Alveolarrand ist grösser, die Nasenöffnung liegt so schiefer. Die Länge des Unterkieferastes, von der Mitte des Gelenks- kopfes an gemessen zum vordem Alveolarrande ist bei Aeltern ungefähr die doppelte des Abstandes der beiden untern Fortsätze von einander. Die obern Lückenzähne stehen in gleicher Linie hinter einander, welche nach hinten mit der Mittellinie divergirt, also in der Richtung des Kieferrandes. — Der obere Reisszahn ist längs des Aussenrandes so lang als der Höckerzahn breit. Der obere Höckerzahn wird gegen den Aussenrand hin ungleichmässig schmäler und abgerundet, sein innerer Theil ist - 331 - sehr verbreitert (der Achse des Kiefers parallel) und verhält sich zur Breite des Zahns (perpendiculär auf die Achse wie 1:1,4. Der untere Höckerzahn ist so breit als der untere Reiss- zahn, was aber doch nicht ganz constant ist, bei dem Schädel eines weibUchen und eines grossen männlichen Marders ist der Höckerzahn um ein Ziemliches schmäler, wenn auch der Unter- schied nicht so gross ist, als bei Foina. Bei den untersuchten altern Schädeln schwankt Die Länge des ganzen Schädels zwischen 82 — 93 Mm., „ „ des Gesichtstheils zwischen 34 — 38. „ Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern 20 — 22, „ „ der Schneidezähne des Oberkiefers 8 — 9, , „ des Schädelhöhlentheils (über dem äusseren GehÖr- gang) 34^2— 36V2. Die grösste Entfernung der Jochbogen 46—51^2. Die Länge des Unterkieferastes 52 — 60. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 27^2 — 32 Mm. Miistela foina Briss. Steinmarder. Der Schädel ist in seinem Gesichtstheil und Schädelhöhlen- theil kürzer und breiter als bei Maries-^ der ganze Schädel er- scheint so kürzer, gedrungener, wie Blasius sagt. In gleicher Weise gemessen, verhält sich der Gesichtstheil zur Schädellänge wie 1:2,44—2,64, in Mittel wie 1:2,54; er ist nur 8, selbst nur 5 V2 Mm. länger als die Breite von einem Jochfortsatze des Stirnbeins zum andern, um 10—12 Mm. länger als die Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern. Die grösste Breite des Schädelhöhlentheils verhält sich zu dessen Länge wie 1 : 1,3 bis 1,44, zur ganzen Länge des Schädels wie 1:2,05 — 2,37. Die grösste Breite der Jochbogen soll nach Hensel bei Foina in der Mitte des Bogens und die Krümmung deshalb eine stärkere sein als bei Martes] ich fand immer die grösste Breite an dem hintern Ende der divergirenden Jochbogen, somit keine grössere Krümmung in der Mitte, aber die Entfernung der hintern Ende der Bogen bei gleich grossen und alten Schädeln - 332 - grösser als bei Maries , im Verhältniss zur Länge des Schädels wie 1 : 1,6—1,67. Die vordere Nasenöffnung ist so hoch als breit, die Ent- fernung des vordem Nasenbeinrandes vom Alveolarrand ist ge- ringer als bei Martes , die vordere Nasenöffnung steht deshalb senkrechter. Der Unterkiefer ist im Verhältniss der geringeren Länge und grösseren Breite des Gesichtstheils kürzer und breiter, so dass bei Alten die Länge des Unterkieferastes nicht viel über anderthalbmal so lang ist, als der Abstand der beiden un- tern Fortsätze, sagt Blasius. Der Unterkiefer ist nicht, wie bei Martes , noch einmal so lang, aber doch meistens um ein ziem- liches mehr als anderthalbmal der Abstand der Fortsätze. So ist bei einem ganz alten Weibchen der Unterkieferast 52 Mm. lang, der Abstand 31 ; bei einem alten Männchen die Länge des Unterkieferastes 57 Mm., der Abstand der untern Fortsätze 33. Da der Gelenkskopf nicht quer, sondern etwas schief von innen und vornen nach aussen und hinten steht, so ist das Maass von der Mitte des Gelenkskopfes genommen. Das Verhältniss der Länge zur Breite schwankt zwischen 1:1,53 — 1,66, im Mit- tel 1,6, Die obern Lückenzähne stehen in der bei Weitem grössten Anzahl der untersuchten Schädel nicht in gleicher Linie hinter einander, sondern der zweite und dritte divergiren jeder für sich nach hinten in der Art, dass der hintere Rand des zweiten an der äusseren Seite des vordem Randes des dritten, der hintere Rand des dritten vor dem äussern Rande des Reisszahns steht. Die ersten Lückenzähne stehen mit der Mittellinie parallel. Blasius führt als Unterschied an , dass der dritte obere Lückenzahn am Aussen- und Innenrande convex abgerundet sei, während derselbe bei Martes am Aussenrande concav, flach ein- gebuchtet erscheine. Bei den meisten Schädeln von Foina, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, ist der Aussenrand concav eingebuchtet, wenn auch bei Einigen nur leicht, aber convex fand ich den Aussenrand nur ausnahmsweise und auch - 333 - » dann nur sehr leicht, so dass es wohl nicht als Unterschied gelten kann. Der obere Reisszahn ist an seinem äussern Rande länger als der Höckerzahn breit. Der obere Höckerzahn ist an seinem Aiissenrande einge- buchtet, in zwei Lappen getheilt, von denen der Vordere grösser ist und mehr nach aussen steht, als der innere. Sein innerer Theil ist sehr verbreitert und verhält sich zur Breite des Zahfls wie 1 : 1,6 — 1,5. Der untere Höckerzahn ist viel schmäler als der Reisszahn • jedoch finden sich auch hier Ausnahmen, so ist bei einem männ- lichen Schädel derselbe kaum schmäler als der Reisszahn. Die Länge des Schädels schwankt zwischen 79 und 90 Mm. „ „ des Gesichtstheils zwischen 31 — 35^,2. „ Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern 21 — 23^2. „ „ der Schneidezähne 9 — 9^/4. „ „ des Schädelhöhlentheils über dem äussern Gehör- gang 36—39. Die Länge des Unterkieferastes 50 — 57^/2. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 30 — 37 Mm. Als Altersverschiedenheit lässt sich anführen, dass die Joch- fortsätze der Stirnbeine bei beiden Species immer weiter nach vorne rücken ; bei Martes so , dass sie in der Mitte zwischen der Einschnürung des Schädels und der Anlagerung der Joch- beine am vordem Orbitalrand stehen; bei Foina nur so, dass sie wenig über ein Drittheil der Entfernung zwischen Einschnü- rung und Orbitalrand stehen. Die beiden halbzirkelförmigen Linien, welche von den Joch- fortsätzen der Stirnbeine ausgehen und über die Mitte des Schä- dels laufen, bilden bei beiden Species, jedoch früher bei Martes, einen Kamm, der fast bis zur Stirno geht, sagt Blasius. Früher glaubte man auch hier einen Unterschied zwischen beiden zu finden und führte an, dass bei Foina die Linien bis ans Hin- terhaupt getrennt verlaufen, bei Martes sich zu einem Kiel ver- binden. Hier scheint aber keine Gleichförmigkeit stattzufinden, oder die Verschiedenheit einen andern Grund zu haben. Bei - 334 - dem Schädel eines alten Weibchens von Martes sind beide Linien noch bis zum hintern Ende getrennt; bei einem Weibchen von Foina , das nach dem Verhältniss der Länge des Unterkiefers zu seiner Breite ebenfalls alt ist, sind die Linien bis kurz vor der hintern Ecke nicht vereinigt, bilden aber dann eine scharfe Gräthe. Selbst bei einem ganz alten Weibchen von Foina, des- sen Zähne so abgenützt sind, dass die Reisszähne keine Spitzen mehr haben, die Eckzähne abgenützt sind, und von den Schneide- zähnen im Unterkiefer nur vier vorhanden und selbst die Alveo- len der zwei andern völlig verwachsen sind, vereinigen sich beide Linien erst am hintersten Theil zu einer Gräthe und bilden auf dem andern Schädeltheil nur eine nach vorne breitere, kaum erhabene Fläche. Ob hier nicht eine Geschlechts Verschiedenheit stattfindet? Bei allen altern männlichen Schädeln, welche ich untersucht habe, sind die Linien zu einer Gräthe vereinigt; bei den weiblichen Schädeln, wenigstens denen, deren Geschlecht ich genau kenne, sind die Linien nicht vereinigt, doch macht ein Schädel eines weiblichen Martes davon eine Ausnahme, bei welchem die Ver- einigung hinter der Mitte des Schädels beginnt. Nicht uninteressant dürfte vielleicht sein, hier eine Verglei- chung mit Schädeln einer Marderart aus Labrador*^ von wel- * Dieser Marder scheint, soweit nach den mangelhaften Beschrei- bungen eine genaue Bestimmung möglich ist, Mustela Euro Fr. Cuv. (M. leucopus Knhl?) zu sein und kommt als kanadischer Marder, ame- rikanischer Zobel (american Sable) im Handel vor. Nach dem Ge- biss muss er von unserem Edelmarder getrennt werden, wenn auch sonst die Aehnlichkeit in Grösse und Färbung gross ist. — Das alte Thier im Sommerkleid und im Haarwechsel ist auf dem Scheitel und am Kinn dunkelbraun mit weisslichen Haarspitzen, an den Seiten des Kopfes hellbraun, innen und am Rande weisslich, Kehle gelblich und weisslich gefleckt, Brust hellbrgun mit weisslichen Stichelhaaren, Füsse und Schwanz dunkelbraun, der übrige Theil des Körpers hell- und dunkelbraun, stellenweise fast schwarz, durch hell- und dunkelbraune Stichelhaare melirt. — Das jüngere Thier, ebenfalls im Sommerkleid, ist gleichförmig dunkelröthlichbraun, an den Füssen dunkelbraun, sonst wie das Alte. Beide sind aus Labrador durch Herrn Dr. v. Barth dem k. Naturalienkabinet zum Geschenk gemacht, Kraitss. - 335 - eher sich im königl. Naturalienkabinet zwei ausgestopfte, an Grösse und Färbung unserm Edelmarder ähnliche Thiere im Sommerkleide und drei vollkommene Schädel befinden, und mit dem Schädel einer M. zibeUina, welchen das Kabinet im Jahr 1837 von der kaiserlichen Akademie in St» Petersburg erhielt, beizufügen. Die Schädel der Mustela von Labrador unterscheiden sich in einigen Punkten wesentlich von dem unseres Martes. Der Schädel ist gestreckt, aber mehr in seinem hintern Theil. Der Gesichtstheil ist im Verhältniss zum Schädel kürzer und verhält sich zu diesem wie 1 : 2,6 — 65 , also wie bei Foina und selbst noch etwas kürzer. Die Jochfortsätze stehen mehr hervor, die Einschnürung hinter denselben ist viel tiefer und steht vom Jochfortsatz so weit ab, als dieser vom vordem Orbital- rand. Die Breite des Schädels über dem äussern Gehörgang verhält sich, wie bei Maries, zwischen 1 : 2,37 — 2,54, ebenso ist die Entfernung der Jochbogen von einander die gleiche. Die Mitteileiste auf dem Schädel bildet eine hintere Ecke als hintersten Theil des Schädels. Der Schnauzentheil ist noch mehr zugespitzt als bei Martes, die Entfernung der Unteraugenhöhlen- löcher beträgt; wie bei diesem, zwischen 21 — 23 Mm., aber die Breite der Schneidezähne nur 8 — 8^2 (bei Martes 8V2 — 9.) Der Fortsatz, welchen der Gelenktheil des Hinterhaupt- beins hinter dem Paukenknochen bildet, ist nur klein. Die Länge des Unterkiefers im Verhältniss zum Abstand der untern Fortsätze steht zwischen der von Martes und Foina und verhält sich wie 1,75 — 1,9 : 1. Die obern Schneidezähne sind etwas mehr nach vorne ge- richtet, die äussern stärker als bei den beiden andern Species. Im Unterkiefer stehen die zweiten an der Basis und Schneide aus der Reihe zurück. Die Lückenzähne des Oberkiefers stehen in einer Linie hinter einander in der Richtung des Kieferrandes ; der dritte ist an seinem Aussenrande eingebuchtet. Der obere Höckerzahn ist so breit als der Reisszahn lang, verschmälert sich nach aussen und ist an seinem Aussenrande - 336 - nicht eingebuchtet; der innere Theil ist aber viel kürzer als bei Hartes, sehr wenig erweitert und unterscheidet sich dadurch sehr charakteristisch von demselben. Der untere Höckerzahn ist etwas schmäler als der Reisszahn. Die Länge des ganzen Schädels beträgt 90 — 91 V2 Mm. „ „ des Gesichts theils 34 — 34 "2. „ Breite des Schädelhöhlentheils 36— 38V2. „ Länge des Unterkieferastes 58 — 60. „ Entfernung der untern Fortsätze desselben 31 — 34 Mm. Wenn die vorige nordamerikanische Art offenbar in den meisten Merkmalen sich unserm Hartes nähert, so steht dagegen der Schädel von M. ZihelUna L. näher unserer Foina. Er ist gestreckt, schmäler als bei Foina, der Gesichtstheil etwas länger, im Verhältniss zur Länge des Schädels wie 1 : 2,41. Die Breite der Jochfortsätze der Stirnbeine ist geringer, ebenso die Breite des Schädelhöhlentheils etwas kleiner und verhält sich zur Länge desselben wie 1 : 1,34, zur Länge des ganzen Schä- dels wie 1 : 2;29. Die Breite der beiden Jochbogen ist die gleiche. Die Einschnürung hinter den Jochfortsätzen ist stärker, und steht diesen fast um die Hälfte näher, als diese der x\nla- gerung der Jochbeine am vordem Augenhöhlenrande. Die Mit- telleiste auf dem Schädel bildet an ihrem hintern Ende keine hervorragende Ecke, aber endet doch in einer nach hinten ge- richteten Ausbuchtung der Hinterhauptsleiste. Die Hinterhaupts- leiste setzt sich an der Seite des Schädels fort, bildet aber hin- ter dem äussern Gehörgang keinen Fortsatz. Die Gelenkstheile des Hinterhauptbeins treten hinter den Paukenknochen herunter? endigen aber nur mit einer Andeutung eines Fortsatzes. Die vordere Nasenöffnung ist etwas höher als breit. Die Entfernung der untern Fortsätze des Unterkiefers ver- hält sich zur Länge des Unterkieferastes wie 1 : 1,74. Die äussern Schneidezähne des Oberkiefers sind am stärk- sten; im Unterkiefer stehen die zweiten an der Basis und der Schneide aus der Reihe zurück. Der zweite und dritte obere Lückenzahn divergirt mit der - 337 - Mittellinie in derselben Weise wie bei Foina. Der erste steht mit ihr parallel. Der dritte obere ist an seinem Aussenrande eingebuchtet. Der zweite untere convergirt nach hinten mit der Mittellinie. Der obere Reisszahn ist an seinem Aussenrande etwas län- ger als der Höckerzahn breit. Der obere Höckerzahn ist aussen eingebuchtet, der vordere grössere Lappen steht mehr nach aussen. Der innere Theil des Zahns ist sehr erweitert, viel länger als bei Foina und Marte» und hat 7 Mm. bei einer Breite von 5^/4, also wie 1 : 1,25. Der untere Höckerzahn ist so breit als der Reisszahn. Die Länge des Schädels beträgt 87 Mm. „ „ des Gesichtstheils 36. „ Breite der Jochfortsätze 23^2. „ Entfernung beider Unteraugenhöhlenlöcher 22. „ Breite der Schneidezähne 8V2. „ „ des Schädelhöhlentheils über dem äussern Gehör- gang 38. „ grösste Entfernung der Jochbogen 49. „ Länge des Unterkieferastes 57^2. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 33 Mm. Foetorius Keys. u. Blas. Der Schädel ist etwas kurz, namentlich der Gesichtstheil kürzer als bei Mustela, und verhält sich zur Länge des ganzen Schädels wie 1 : 2,8 — 3, selbst mehr als 3. Der Na- senrücken ist stärker abwärts gekrümmt, so dass der flache Bogen des Schädels vorne schneller abwärts fällt. Die vordere Nasenöffnung steht senkrechter, die Entfernung des vorderen Na- senbeinrandes vom Alveolarrande ist kürzer. Der hintere Theil des Schädels ist flacher gewölbt. Die halbcirkelförmigen Linien vereinigen sich sehr bald mit einander, selbst bei Jüngern Schä- deln und bilden eine Leiste auf dem Schädel, welche aber am hintern Ende ohne eine hinten hervorragende Ecke zu bilden^ Württemb. natnrw. Jahreshefte. 1861. 3s Heft. 22 - 338 - in der Hinterhauptsleiste endigt. Die Hinterhauptsleiste ist her- vorragend, bildet aber gegen die Mitte hin einen mehr concaven Kand, in welchem die Mittelleiste endigt. Die Hinterhauptsschuppe ist von beiden Seiten flach convex, von oben nach unten concav mit nur leichter Erhabenheit in der Mitte und zieht sich gegen den obern Rand des Hinterhauptlochs mehr nach hinten, so dass derselbe mehr nach hinten hervorragt als die Hinterhauptsleiste; noch mehr nach hinten stehen die Gelenksfortsätze hervor, so dass sie bei horizontaler Lage des Schädels ohne Unterkiefer am meisten nach hinten hervorragen. Die Gelenktheile des Hinterhauptbeins bilden hinter den Paukenknochen keinen beson- dern Fortsatz. 2.2 Die Anzahl der Zähne ist 34, indem nur ^ Lückenzähne vorhanden sind. Die zweiten untern Schneidezähne sind an' der Basis auf- fallend nach hinten gerückt und stehen auch an der Schneide zurück. Der zweite Lückenzahn hat im Oberkiefer die Spitze in der Mitte, vorn und hinten einen Ansatz ; im Unterkiefer steht die Spitze mehr nach vorne, der Zahnrand ragt hinten mehr hervor. Der dritte untere ist höher, hat die Spitze ziemlich in der Mitte, einen Ansatz vorne und hinten. — Am obern Reisszahn ist der Ausschnitt zwischen dem vorderen Rande und dem in- neren Höckeransatz tiefer. Der untere Reisszahn hat an der Schneide zwei hinter ein- ander liegende Zacken , aber die weitere Zacke an der innern Seite des zweiten fehlt; der hintere Theil des Zahnes besteht nur aus einem kleinen Höcker oder kleinen Zacken, auf den der mittlere eingeschnürte Theil des obern Höckerzahnes tritt. Der obere Höckerzahn ist quer gestellt, breiter als lang, der äussere Zahnrand ist eingebuchtet und dadurch in einen grössern vordem und kleinern hintern Höcker getheilt. Der Höcker auf dem platten innern Theil steht mehr in der Mitte. - 339 - Der untere Höckerzahn ist klein, rundlich und hat einen kleinen Höcker in der Mitte. Die Gattung Foetorius zerfällt in drei Gruppen: Iltisse, Wiesel und Surapfottern, welche sich auch in der Schä- delbildung von einander unterscheiden. a) Iltisse. Der Schädel ist kurz, an seinem hinteren Theile sehr breit, der Gesichtstheil kurz mit stark abwärts gebogenem Nasen- rücken. Die Einschnürung des Schädels beginnt gleich hinter den Jochfortsätzen der Stirnbeine, zieht sich aber lang am Schädel hin, so dass eine sehr breite Verengerung zwischen den Fortsätzen und dem gewölbten Theil des Schädels gebildet wird, welche sich bis in die hintere Hälfte des Schädels erstreckt und den Siebbein- zellen und der Siebbeingrube entspricht, welche in der Schädel- höhle durch einen scharfen Knochenrand von der Hirnhöhle ge- trennt ist. Der Jochfortsatz des Stirnbeins Hegt dem vordem Orbitalrande näher als dem hintern Ende der Einschnürung. Der Oberkieferrand ist hinter dem Eckzahne tief und plötzlich einge- buchtet, die tiefste Stelle entspricht dem ersten Lückenzahn und fällt vor den zweiten. Der erste Lückenzahn ist auffallend kleiner, als die andern. Die höhere Spitze des obern Reisszahnes liegt über der Mitte, oder wenigstens unmittelbar vor der Mitte des Zahns. Der obere Höckerzahn ist an seinem Innern Theil wenig erweitert; der Zahn ungefähr zweimal so breit, als der innere Theil lang. Foetorius putorius Keys. u. Blas. Htis. Der Schädel ist besonders bei Alten nicht flachbogig, son- dern an seinem vordem Theil, dem Nasenrücken, von den Joch- fortsätzen der Stirnbeine an, stark abwärts gebogen, seine grösste Wölbung hat er hinter den Jochfortsätzen, senkt sich dann über dem hintern Theil der Einschnürung und hebt sich wieder in einem flachern Bogen über dem hintern Theil des Schädels, so dass die Stirn wenigstens so hoch steht, als der hintere Theil des Schädels und eine leichte Einbuchtung hinter der Mitte be- - 340 - steht. Das Schädeldach zieht sich von der Mitte, mit nur leichter Wölbung, abwärts nach den Seiten und unten mehr nach aussen, so dass der Schädel gegen die Basis hin viel breiter wird. Die grösste Breite des Schädels über dem äussern Gehörgang ver- hält sich zur ganzen Länge desselben wie 1:2,17 — • 2,2, bei jungen 2,25. Die Einschnürung hinter den Jochfortsätzen ist lang; so weit die Siebbeinzellen und die Grube hinter der Sieb- beinplatte reichen, fällt die seitliche Wand steil abwärts, die Kronfortsätze des Unterkiefers stehen in ihrer ganzen Breite dem eingeschnürten Theil gegenüber. Der hintere breite Theil ist daher kurz und erscheint um so breiter. Die halbcirkelför- migen Linien vereinigen sich selbst bei jungen Schädeln sehr bald und bilden bei altern eine ziemlich starke Gräthe auf der Mitte des Schädels, welche bis fast zur Stirne reicht und in der Hinterhauptsleiste, ohne eine hintere Ecke zu bilden , endigt. Die Hinterhauptsleiste ragt sehr hervor und zieht sich nach vorne breiter werdend an der breiten untern Seite des Schädel- höhlentheils hin , wodurch der Schädel gegen seine Grundfläche hin noch breiter wird und endigt hinter dem äussern Gehörgang mit einem stumpfen Fortsatz. Die grösste Breite des Schädels von einer Ecke hinter dem äussern Gehörgang zum andern verhält sich zur Länge des Schädels wie 1: 1,7 — 1,8. Das Hinterhaupts- loch ist breiter als hoch, der obere Rand desselben vorgezogen. Der Gesichtstheil ist breit, kurz, verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 2,8 — 3. Der Nasenrücken ist stark abwärts gebogen, flach. Der vordere Rand der Nasenbeine steht nur sehr wenig vom Alveolarrande ab, die vordere Nasenöffiiung ist deshalb ziemlich senkrecht gestellt. Der Jochbogen ist stärker, als bei den Mustelen, auswärts ge- krümmt, die grösste Breite desselben verhält sich zur Schädellänge wie 1 : 1 ,5 — 1,8. Der Stirnfortsatz der Jochbeine ragt mehr hervor. Die Paukenknochen sind flacher, breit, nach vorne breiter als hinten. Die Flügelbeine enden hinten mit einer auswärts gekrümmten Spitze. Die Länge des Unterkieferastes verhält sich zum Abstand der untern Fortsätze wie 1,24 — 1,34 : 1. - 341 - Die äussern untern Schneidezähne sind an der Schneide breiter, im Querdurchschnitt aber nicht viel grösser als die zweiten. Der erste obere Lückenzahn divergirt nach vorne nur wenig mit der Mittelünie, der zweite aber sehr stark nach hinten. Der erste untere divergirt stark nach vorne, der zweite nur wenig nach hinten. Der dritte untere ist fast so hoch als der Reisszahn. Die hohe Spitze des obern Reisszahnes liegt etwas vor der Mitte, der hintere Theil desselben bildet mehr eine scharfe Kante. Die höhere Spitze des untern Reisszahnes ist etwas nach hinten gebogen. Der obere Höckerzahn ist an seinem Innern Theil etwas erweitert, aber bei den Exemplaren, welche ich untersuchen konnte, nicht IV2 mal so breit als der äussere Theil; beide Theile sind durch eine Einbuchtung des vorderen, wo sie stär- ker ist, und hinteren Randes von einander geschieden. Der äussere Theil des Vorderrandes steht mehr nach vorne, als der innere, so dass beide, vom Gaumen aus gesehen , nicht in der- selben Richtung Hegen. Die Länge des Schädels schwankt zwischen 62 — 71 Mm. Die Länge des Gesichtstheils 21^2 — 25. Die Breite zwischen den ünteraugenhöhlenlöchern 17—20. Die Breite der Schneidezähne 6 — 7^j2. Die Breite des Schädelhöhlentheils über dem äusseren Ge- hörgang 29—33. Die Breite der untern Fläche des Schädels von einer Ecke hinter dem äussern Gehörgang zur andern 36 — 39. Die Länge des Unterkieferastes 36 — 41. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 27 V^ — 32 V2 Mm. Von den in Deutschland vorkommenden Species gehören zu dieser Gruppe noch Foet. furo und sarmaticus Keys, und Blas., für deren Schädel Blasius folgende Charaktere angibt. F. furo, Frettchen. Schädel kürzer, an Nase und zwischen den Augenhöhlen schmäler, am Jochbogen absolut breiter, im - 342 - Profil weniger gebogen, vorne an der Nase kaum abschüssig, an der Stirne flacher. Hinterhauptsloch ziemhch gleichmässig quer oval. Zähne gleich. F, sarmaticus, gefleckter Iltis. Schädel besonders an der Nase kürzer und breiter. Der erste Lückenzahn etwas schwä- cher als bei Putorius. Der obere und untere Höckerzahn ver- hältnissmässig etwas stärker; der obere in der innern Hälfte kaum erweitert, vorne nicht eingebuchtet, fast sogar convex, am Aussenrand weit stärker als am Innenrande nach vorne vortretend. b) Wiesel. Der Schädel ist schlanker als der der Iltisse, weniger, na- mentlich hinten weniger verbreitert, im Ganzen flach gebogen, der Nasenrücken fällt stärker abwärts. Das Schädeldach geht an den Seiten mit starker Wölbung abwärts, verbreitert sich aber nicht nach unten. Die Verengerung der Stirn- beine beginnt gleich hinter ihren Jochfortsätzen, liegt so in der vorderen Hallte des Schädels, ist schmal und gleich hinter ihr wölbt sich die Schädelwand wieder auswärts und vorwärts, so dass die Kronfortsätze des Unterkiefers schon wieder dem gewölbten Theil gegenüberstehen. Die Jochfortsätze der Stirn- beine liegen dem verengten Theil viel näher, als der vordem Naht der Jochbeine am Augenhöhlenrand. Die halbcirkelförmi- gen Linien verbinden sich bald zu einer Leiste, welche fast bis zur Mitte des Schädels vorwärts reicht und hinten in dh' Hin- terhauptsleiste, ohne eine hintere Ecke zu bilden, endigt. Die Hinterhauptsleiste ist stark, gegen die Mitte leicht concav und zieht sich an der Seite des Schädels bis hinter den äussern Gehörgang, wo sie ohne einen besondern Fortsatz zu bilden endigt. Die Hinterhauptsschuppe ist von einer Seite zur andern leicht convex, ihr unterer Rand am Hinterhauptsloch vorgezogen und steht weiter nach hinten als die Hinterhauptsleiste. Noch mehr nach hinten ragen die Gelenksfortsätze, welche bei hori- zontaler Lage des Schädels ohne Unterkiefer den hintersten Theil bilden. — Der Rand des Oberkiefers verläuft an der Seite der Lückenzähne in einem flachen Bogen ohne starke Einbuchtung. — 343 - Der erste Lückenzahn ist auffallend kleiner als die andern. Die Spitze des obern Reisszahnes liegt über der vordem Hälfte des Zahns. Der obere Höckerzahn ist an seinem innern Theil nur wenig- erweitert, ungefähr zweimal so breit, als der innere Theil lang. Foetorius erminea Keys. u. Blas. Grosses Wiesel. Der Schädel ist ziemlich schlank, flach gebogen, der Na- senrücken fällt stärker ab, und ist fast geradelinig. Der Gesichts- theil verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 2,9 — 3. Der vordere Rand der Nasenbeine steht sehr wenig hinter dem Alveo- larrand, die vordere Nasenöffnung ist nur wenig geneigt. Die Mittelleiste des Schädels ist nur wenig über diesen erhaben. Die Hinterhauptsleiste zieht sich als schmale, nach vorne breitere Linie an der Seite bis hinter den äussern Gehörgang, wo sie stumpf endet. Die grösste Breite des Schädels von den Enden dieser Leisten verhält sich zur Schädellänge wie 1 : 2,04 — 2,02; die grösste Breite des Schädelhöhlentheils über dem äussern Gehörgang zur ganzen Schädellänge wie 1 : 2,1 — 2,23. Das Hinterhauptsloch ist breiter als hoch, mit einem Ausschnitt am untern Rande. Die Paukenknochen sind ziemlich gewölbt, vorne so breit als hinten und reichen aussen bis an die Linie, welche sich bis hinter den äussern Gehörgang zieht. Die Flügelbeine enden mit kurzer, scharfer, nach hinten gerichteter Spitze. Der Jochbogen ist zart, stark aufwärts gewölbt, die Entfernung beider von einander verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 1,74 bis 1,84. Der Stirnfortsatz des Jochbeins ist kaum angedeutet. Die Entfernung der untern Fortsätze des Unterkiefers ver- hält sich zur Länge des Unterkieferastes wie 1 : 1,3 — 1,5. Die äussern Schneidezähne des Unterkiefers sind an der Schneide breiter, aber im Querdurchschnitt wenig stärker als die zweiten. Die zweiten sind an der Basis stark, aber auch an der Schneide aus der Reihe zurückgestellt. Der erste Lückenzahn des Oberkiefers divergirt mit der Mittellinie nach vorne nur wenig, der zweite stärker nach hinten, - 344 - der letztere hat die Spitze in der Mitte, vorne und hinten ragt der Zahnrand hervor. Der erste untere divergirt ziemlich stark nach vorne; der zweite steht mit der Mittellinie parallel, sein vorderer Rand steht an der äussern Seite des hintern Randes des ersten, seine Spitze ist mehr nach vorne gestellt, der Zahnrand stärker hinten. Der dritte untere divergirt nach hinten, erreicht jnit seiner Spitze, welche in der Mitte steht, die Höhe des Reisszahnes, der Zahn- rand ragt hinten und vorne hervor. Die Spitze des obern Reisszahns liegt vor der Mitte des Zahns, der hintere Theil desselben bildet eine scharfe Kante. Der obere Höckerzahn ist fast quer gestellt, doch steht der äussere Rand etwas mehr nach vorne; er ist schmäler als der Reisszahn lang. Der Vorderrand ist in der Mitte leicht eingebuchtet, der innere Theil ist ziemlich stark erweitert, der äussere zweilappig, der vordere Lappen grösser als der hintere. Der untere Höckerzahn ist sehr klein, rundlich. Die Länge des Schädels wechselt zwischen 43 — 48 Mm. >, „ des Gesichtstheils 15 V2 — 16 V2. „ Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern 11 — 13. ys „ der Schneidezähne 4 — 4^/4. „ „ des Schädelhöhlentheils über dem äussern, Gehör- gang 20—21^2. „ Länge des Unterkiefers 23—26. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 16 — 19 Mm. Foetorius vulgaris Keys. u. Blas. Kleines Wiesel. k Der Schädel ist ziemlich schlank, am mittlem und hintern Theil sehr flach gebogen, der Nasenrücken dagegen abschüssig und flach gewölbt. Der Schädelhöhlentheil ist mehr als dreimal so lang, als der Gesichtstheil , erscheint, weil er sich unten weniger erweitert als beim Iltis, schmäler und bildet im Allge- meinen ein nach vorne schmäleres Oval. Die Mittelleiste reicht fast zur Mitte des Schädels, bleibt aber niedrig. Bei einem Schädel, welcher in horizontaler Ebene gemessen, 34 Mm. lang - 345 - ist, reicht noch eine doppelte Linie bis zum hintern Ende. Die Hinterhauptsleiste zieht sich als leichte Linie, welche nach vorne nicht breiter wird, an den Seiten hin bis hinter den äussern Gehörgang, ohne dadurch den Schädel gegen seine Grundfläche hin breiter zu machen, so dass selbst bei einem Schädel die Breite über dem äussern Gehörgang grösser ist, als von dem Ende der Linie zum andern. Im Allgemeinen verhält sich die Breite zur Länge des Schädels wie 1 : 2 — 2,3, bei einem jun- gen wie 1 : 3. Das Hinterhauptsloch ist mehr abgerundet. Die Flügelbeine enden hinten mit kurzer scharfer Spitze. Die Paukenknochen sind gewölbt, hinten breiter als vorne und reichen sehr weit zurück. Bei dem grössten Schädel überwölbt der hinterste Theil, der sich wieder etwas zuspitzt, noch die Rinne zwischen ihnen und den Gelenksfortsätzen. Nach aussen reichen sie bis zur Linie, welche sich an den Gehörgang zieht. Der vordere Rand der Nasenbeine endigt sehr nahe hinter dem Alveolarrand, die vordere Nasenoffnuug steht fast senkrecht. Die Jochbogen sind stark aufwärts gekrümmt; ihre Entfer- nung von einander verhält sich zur Schädellänge wie 1 : 1,75 — 1,9, bei einem Jungen selbst wie 1 : 2. Der Abstand der untern Fortsätze des Unterkiefers verhält sich zur Länge des Kieferastes wie 1 : 1,1 — 1,4. Der erste obere Lückenzahn steht mit der Mittellinie paral- lel. Der zweite obere divergirt nach hinten, sein hinterer Rand steht an der Innern Seite des äussern Randes des Reisszahns; er hat die Spitze in der Mitte, der Zahnrand steht vorne und hinten hervor. Der erste untere Lückenzahn divergirt nach vorne; der zweite nur wenig nach hinten, hat die Spitze nach vorne, der Zahnrand steht hinten mehr hervor; der dritte erreicht mit der Spitze, welche in der Mitte steht, fast die Höhe des Reisszahns. Die Spitze des obern Reisszahns Hegt über der vordem Hälfte des Zahns, der Rand hinter derselben ist sehr scharf und endigt hinten in eine kleine Spitze. Der obere Höckerzahn ist schmäler als der Reisszahn lang, sein innerer Theil ist erweitert; der äussere Zahnrand einge- — 346 - buchtet, der vordere Höcker desselben, welcher grösser ist als der hintere, steht etwas mehr nach vorne, als der innere Zahn- rand, bei Jüngern sogar stark nach vorne; der vordere Zahn- rand ist concav. Der untere Höckerzahn ist sehr klein. Die Länge des Schädels beträgt 33 — 37 Mm. „ „ des Gesichtstheils 10 — 11^2. „ Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern 8—9. „ „ der Schneidezähne 3. „ „ des Schädelhöhlentheils über dem äussern Gehör- gang 15^2—17. „ Länge des Unterkieferastes 16 — 19. Der Abstand der untern Fortsätze desselben 12 — 14 Mm. c) Sumpfottern (Nörze nach Wagner) kommen in Württemberg nicht vor, da aber die Vergleichung ihrer Schädel mit den zuvor beschriebenen Arten gerade von Interesse ist, und mir Gelegenheit gegeben war, einige Schädel zu unter- suchen, so füge ich das Resultat der Beobachtungen hier bei. Der obere Höckerzahn steht mit seinem Innern Rand wei- ter nach vorne als mit dem äussern. Die beiden hieher gehörigen Species: Foetorius lutreola Keys. u. Blas., der Nörz und Vison Briss. sind nach der Annahme der meisten Schriftsteller wohl nur eine Species, auch die im hiesigen Naturalienkabinet befindlichen Exem- plare sind gleich, mit Ausnahme der Grösse. Lutreola ist grös- ser, ebenso lässt sich auch an den Schädeln keinerlei Unterschied auffinden, als ebenfalls die JGrösse; alle Schädel von VisoM sind kleiner. Der Schädel hat im Allgemeinen die Form und Grösse des Iltis, aber die grösste Erhebung des sehr flachen Bogens steht mehr nach hinten, hinter dem mittleren Theil des Schädelhöh- lentheils; der Nasenrücken ist flach und nur leicht abwärts ge- krümmt. Der Gesichtstheil ist schmäler und kürzer und verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 3. Die Einschnürung beginnt hinter den Jochfortsätzen der Stirnbeine und ist ziemlich lang, doch nicht — 347 - so lang als beim Iltis, die grösste Verengerung steht den Joch- fortsätzen näher, als diese dem vordem Orbitalrande und liegt etwas vor der Mitte des Schädels. Die Breite des Schädels über dem äussern Gehörgang verhält sich zur Länge wie 1 : 2,27 bis 2,32. Die halbcirkelförmigen Linien vereinigen sich bald hinter den Jochfortsätzen , bilden aber anfangs nur eine Linie und keine Gräthe, welche erst am hintern Ende des Schädels, wo dieser vor der Hinterhauptsleiste sich etwas senkt, sich er- hebt und in dieser, ohne eine hintere Ecke zu bilden, endigt. Die Hinterhauptsleiste ragt stark hervor \md zieht sich in einer nach vorne breiter werdenden Linie an der Seite hin bis hinter den äusseren Gehörgang, wo sie in einem nach aussen stehenden Fortsatz endet und dadurch die Basis des Schädels verbreitert, so dass diese der Hälfte der Länge gleichkommt. Die Hinterhauptsschuppe ist von oben nach unten concav, von einer Seite zur andern convex, über sie ragt die Hinter- hauptsleiste stark nach hinten hervor. Die Gelenksfortsätze stehen mit ihrem untern Rand weiter nach hinten, als die Leiste und der obere Rand des grossen Lochs. Das Hinterhauptsloch ist in die Quere breiter als hoch. Die vordere Nasenöffnung steht ziemlich senkrecht. Der Rand des Oberkiefers ist am ersten Lückenzahn stark einge- buchtet. Die Jochbogen sind aufwärts gekrümmt, die Entfernung ihrer hintern Enden von einander verhält sich zur Länge des Schädels wie 1 : 1,73—1,78. Die Paukenknochen sind an ihrem Innern Theil gewölbt, flachen sich nach aussen ab und reichen bis zur Linie an der Seite des Schädels. Hinter ihnen bilden die Gelenktheile des Hinterhauptbeins keinen eigenthchen Fortsatz, sie reichen aber mit ihrem absteigenden Theil bis zur Höhe der Paukenknochen oder enden selbst mit einer leichten stumpfen Hervorragung. Die Flügelbeine endigen hinten mit einer leicht nach aussen ge- krümmten Spitze. Der Abstand der untern Fortsätze des Unterkiefers verhält sich zur Länge des ünterkieferastes wie 1 : 1,34—1,38. — 348 - Die Schneidezähne sind, namendich die oberen, kleiner als die des Iltis, die äussern im Oberkiefer sind grösser als die zweiten und mittlem. Im Unterkiefer treten die zweiten an der Basis aus der Reihe zurück, „stehen aber an der Schneide in gleicher Linie mit den Andern ," sagt Blasius und hebt dies als Unterschied der Sumpfottern vor allen andern Species heraus; ich hatte frei- lich nur Gelegenheit an sieben Schädeln zu untersuchen, allein nur bei einem einzigen von Vison standen die sechs Schneide- zähne an der Schneide in gleicher Linie, bei den andern sechs von Lutreola und Viso7i standen die zweiten an der Schneide gegen die äussern und mittlem zurück aus der Reihe und nicht weniger als bei Putorius und Erminea. Der erste Lückenzahn im Oberkiefer ist auffallend grösser als bei den andern Species und ähnlich dem zweiten der andern; die Spitze steht nach vorne, hinten ragt der Zahnrand mehr hervor als vorne; er divergirt etwas mit der Mittellinie nach hinten. Der zweite obere ist w^eniger als ^/2mal grösser als der erste, divergirt stark nach hinten, sein vorderer Rand steht an der innern Seite des ersten, der hintere am äussern Rand des Reisszahns. „Der erste untere ist auffallend klein und kegelförmig," sagt Blasius; ich fand denselben an allen Exem^^laren ebenfalls grösser als bei den andern Species. Er hat eine abgestumpfte Spitze am vordem Ende, eine schief abgeschliffene Fläche nach hinten, längern hintern Zahnrand; convergirt etwas nach hinten. Der zweite untere steht ziemlich parallel mit der Mittellinie, sein vorderer Rand mehr an der äussern Seite des hintern Randes der ersten, sein hinterer Rand vor dem dritten. Der dritte untere hat fast die Höhe des Reisszahns, die Spitze steht in der Mitte. Der obere Reisszahn hat hinter der Spitze eine ziemlich scharfe ^ante, welche mit einer kleinen Spitze hinten endet. Der untere Reisszahn ist an seinem hintern Theil stärker, von der zweiten Spitze zieht sich ein erhabener Rand an die innere Seite des hintern platten Theils. Der obere Höckerzahn ist an seinem innern platten Theil - 349 - verhältnissmässig sehr erweitert und der vordere Rand desselben ragt viel mehr nach vorne gegen den innern Höcker des Reiss- zahns hervor, als der äussere Rand des Zahns, wodurch er sich von dem aller andern Species unterscheidet. Er ist nicht so breit als der Reisszahn lang, sein vorderer Rand ist stark ein- gebuchtet, er wird gegen den äussern Rand schmäler, der Aussen- rand selbst ist eingebuchtet, in einen viel grösseren vordem und kleinen hintern Höcker getheilt, der vordere ist durch eine Längs- furche in zwei Höcker getheilt. Auf der Kaufläche des innern erweiterten Theils ist ein ziemlich starker, quergestellter Wulst. Der untere Höckerzahn ist klein, rundlich und schmäler als der Reisszahn. Die Länge des Schädels beträgt 65 — 66 Mm. bei Vison, 71 bei Lutreola. Die Länge des Gesichtstheils 21^2 bei Vison, 24 bei Lutreola. Die Breite zwischen den Unteraugenhöhlenlöchern 16 bei Vison^ 1772 bei Lutreola. Die Breite der Schneidezähne 6 bei Vison, 6^/4 bei Lutreol. Die Breite des Schädels über dem äussern Gehörgang 28 bis 29 bei Vison, 31 bei Lutreola. Die Länge des Unterkieferastes 39 V2 bei Vison, 42 bei Lutreola. • Der Abstand der untern Fortsätze desselben 28 — 29^2 bei Vison, 31^2 bei Lutreola. Es wäre sehr erfreulich, wenn dieser Versuch einer ver- gleichenden Beschreibung Andere zu ähnlichen Untersuchungen anregen würde und mit grossem Danke würde anerkannt werden, wenn unsere Jäger und Jagdliebhaber die Schädel der geschos- senen Thiere von allen Altersstufen, naraenthch auch Jungen an den Verein einschicken würden, um weitere Untersuchungen mög- lich zu machen. Es bedürfte dabei nichts, als die von der Haut befreiten Schädel ohne weitere Zubereitung mit der einfachen Bemerkung des Geschlechts einzuliefern. 10. Beiträge zur württembergischen Flora. Von Dr. R. Finckh in Urach. Aus dem Material, das mir seit meinem letzten Bericht* durch Vereinsmitglieder und andere Botaniker zugekommen ist, wähle ich Nachstehendes zur Aufnahme in diese Hefte aus, in der Ueberzeugung, dass diese Mittheilungen bei einer künftigen Umarbeitung unserer Flora mit Nutzen zu verwenden sein dürften. Aus der Gegend des Anfangs der schwäbischen Alb bei Spaichingen übersandte Herr Oberamtsrichter Gmelin eine Anzahl Pflanzen, die er in der dortigen Gegend, welche wie es scheint bisher eine terra incognita war, gefunden hat. Darunter befinden sich u. A. Anemone narcissiflora L. und Dentmna digitata Lam. von einem Wald zwischen Hausen und Thalheim; Aquilegia atrata Koch, Polygala chamaebuxus h., Lonicera alpigena L., 3Ielittis grandiflora S. vom Dreifaltig- keitsberg; Daphne cneorum L. vom Hausener Berg gegen Seitingen ; Comarum palustre L. , 3Ienyanthes trifoJiata L., Sagina procumbens L., Pedicularis palustris L. , von einem Torfmoor bei Dürbheim; Cypripedium caiceolus L. vom Heuberg bei Denkingen. Weitere Entdeckungen in der dortigen Gegend stehen in Aussicht; wie denn diese Gegend, die mit dem im mittleren Theil der schwäbischen Alb gelegenen Oberamt Urach auf der gleichen Gebirgsart liegt, doch wieder manches Eigen- thümliche hat, indem, um nur ein Beispiel anzuführen, die hier Im Jahrgang XVI. S. 153 u. f. dieser Hefte. • _ 351 — ganz fehlende Specularia Speculum D. C. dort ein häufiges Ackerunkraut ist. In dem von Spaichingen aus nordöstlich sich fortsetzenden Theil der schwäbischen Alb fand Oskar von Kolb, Apotheker in Buchloe, der vom Bad Imnau aus Excursionen machte,* am Zellerhorn die Pimpinella magnaß) rosea Koch (= P. rubra Hoppe), eine sehr schöne Alpenform der P. magna mit niedrigerem Stengel und rothen Blüthen, die ich am Sentis und Hohenkasten in einer Höhe von 5 — 6000 Fuss in Menge fand. Es ist dies ein weiterer Beitrag zu den Alpenpflanzen die in diesem Theil des schwäbischen Jura in letzter Zeit gefunden wurden. (S. diese Jahreshefte XIV. 10). Zwischen Stetten und Haigerloch fand derselbe Podospermum calcitrapifolium D. C. , auf dem Hundsrücken Orchis pallens L., auf dem Dreifürstenstein Pia- tanthera chlorantha Custer. (welche nach Herrn O.-J. Rath Steudel sich auch in den Waldungen um die Neckarburg bei Rottweil findet); auf dem Plateau des Zellerhorns Hieradum ohscurum Rb. , eine Var. des H, praealtiim. Bei Balingen fand Herr Revierförster von Entress Diple- taxis muraJis D. C. , Chenopodium rubrum L. und Epüobium tetragonum L. Vom mittleren Theil der schwäbischen Alb ist folgendes anzuführen. Im Thal Zittelstatt, eine Stunde von Urach, fand Herr Professor Sigwart die schöne Salvia sylvestris L., welche zur Zeit der Herausgabe der württ. Flora im Jahr 1834 bei uns noch unbekannt war, seither aber an verschiedenen Orten z. B. bei Nürtingen, Hohenheim, Nagold, Ellwangen, Heidenheim u. a. 0. gefunden worden ist. Die Sahia verticillata L., welche noch vor 20 Jahren in der Uracher Gegend unbekannt war, brei- tet sich hier, seitdem einige früher kahle Bergabhänge cultivirt werden, so aus, dass zur Zeit ihrer Blüthe oft grössere Strecken davon bläuHchroth aussehen. * Allg-. Uebersiclit der vegetativen Verhältnisse des Fürstenthums Hohenzollern und des angrenzenden Theils von Württemberg, im XI. Bericht des naturhistor. Vereins zu Augsburg. 1858. - 352 - iVuf dem raiihesten Theil der Alb, bei Zainingen, fand ich voriges Jahr im Sommerfeld in Menge Chaerophyllum bulhosum L. , das nach der Flora von Württemberg bei uns bisher blos „in feuchten Hecken und Gebüschen" des Unterlands und an der Donau gefunden wurde. Diese der Schweiz fehlende Pflanze findet sich in vielen deutschen Lokalfloren als heerdenweise auf- tretendes Ackerunkraut. Ausserdem erwähne ich von Pflanzen, welche ich z. Theil schon früher hier fand , Yeronica Bux- haumii Ten. in einer Hecke bei Urach; Phleiim BÖhmeri Wib. am Thiergartenberg bei Urach; Calamagrostis sylvatica D. C. hinter den Ruinen von Baldek (sie ist hier viel seltener als die um Urach an allen Bergen vorkonimende C. montana Host.); Andropogon Ischaemum L. am Fussweg von Urach nach Neuflfen; Linum tenuifolmm L. bei Glems; Poa sudetica Hanke in ver- schiedenen Wäldern um Urach. Zwischen Hohen-Neuff'en und Erkenbrechtsweiler fand Herr Oberförster von Hügel die Ophrys apifera Huds. an der Stelle, welche in der der Flora von Württemberg beigegebenen Karte als Fundort merkwürdiger Pflanzen eigens bezeichnet ist. Im Gerolle der Hier bei Ulm fand Herr Regimentsarzt Dr. Hegelmaier Erigeron dröbachensis Mill., eine schwach- behaarte, niedere Alpenform des E. acris, die zwischen diesem und dem kahlen oder wenig behaarten E. alpinus in der Mitte steht, und bis jetzt bei uns noch nicht gefunden wurde. Diese Pflanze geht aus den Alpen den Rhein hinab bis Mannheim und durch die Ifler bis Ulm an die Donau^ wo sie einige Meilen weiter stromabwärts von Ulm auf Kiesbetten zwischen den Weidenwäldern des Donaurieds bei Dillingen mit andern sub- alpinen Pflanzen wie z. B. Juncus alpinus und atratus vor- kommt. * Sie findet sich auch im Gerolle der Isar bei München, wo sie, was bemerkenswerth erscheint, wie bei Ulm^ um einige Wochen später als E. acris blüht. Auf dem Glacis des Alpecker Forts bei Ulm fand Hegelmaier das Cirsium lanceölato ~ erio- * S. von Kolb, Flora des Donaurieds in der Gegend von Wertingen, im XII. Bericht de? naturhist. Vereins in Augsburg 1859. S. 104. - 353 — phorum (C. intermedium Doli Flora von Baden II., 937) unter den Eltern. Aus der Flora von 0 b e r s cli w a b e n ist hier anzuführen : Hymphaea alba ß) minor D. C. im Lindenweiher bei Essendorf und Potamogeton compressus L. im Schweigfurther Weiher bei Schussenried (Valet). Ferner Evonymus latifolius Scop, bei Wurzach (Gessler). Die Flora des Neckarkreises betreffend, so wurde das Xanthium spinosum L. , über dessen Vorkommen bei Calw Herr von Martens früher (Jahrg. X, 10) Mittheilung gemacht hat, im vorigen Jahr auch bei Böblingen am oberen See von Herrn Dr. Steudel, und von Herrn Ap. Dietrich bei Heg- nach, O.A. Waiblingen, in einem Hopfengarten gefunden, der mit Abfällen von ungarischer Wolle gedüngt war, und zwar in Gesellschaft des Xanthium strumarium. Auf gleiche Weise hat sich diese Pflanze seit einigen Jahren in der Gegend von Breslau ausgebreitet. Sie soll auch bei Hohenheim seit neuerer Zeit nicht selten sich finden. Ob es dieser Pflanze gelingen wird, sich bei uns zu acclimatisiren und einzubürgern, muss die Zeit lehren. Bei der Centaurea solstitialis scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. (S. Jahreshefte V., S. 257). Bei Heilbronn fand Hegelmaier die Atriplex latifolia Wahlhg. {z= A. patula Sm.) Im J a X t k r e i s fand Herr Pfarrer K e m m I e r Carex dioica L. auf Sumpfboden einer Viehwaide bei Willa, O.A. Ellwangen ; Carex Hornschuchianalip, auf einer Sumpfwiese bei U.-Sont- heim; Potamogeton acutifolius L. im Haspelhäuser See, O.A. Gaildorf; Salix rubra Huds, an der Bühler bei O.-Sontheim; Stachys arvensis L. auf Aeckern bei Honhardt, O.A. Crailsheim; Galeopsis pubescens Bess. beim Hirschhof, O.A. Crailsheim, und auf Aeckern bei Westhausen, O.A. EUwaugen; Linaria Pla- tine Desf. auf Aeckern bei Mittelfischach; Myosotis caespitosa Schultz, am Fleckenbachweiher, O.A. Crailsheim; Myosotis stricta Link bei Geifertshofen ; Crepis succisaefoUa Tausch und Cirsium decoloratum Koch, auf einer Wiese bei Hausen, O.A. Hall; Württemb. naturw. Jahreshefte. 1861. 3s Heft. 23 - 354 - Sempervivum soboliferum Sims, an einer Mauer bei U,Sont- heim; Galium rotundifolium L. bei ü. Sontheim; Lepigonum rubrum Wahlbg. und Silene gallica L. bei Geifertshofen ; Car- damine sylvatica Link in einem lichten Wald bei Engelhofen, 0,A. Gaildorf. In der Gegend von Lorch fand Herr Apotheker Seeger Carex ericetorum P. , Galeopsis pubescens B. , Potamogeton compressus L. Ausserdem erwähne ich zweier seltener von Herrn Finanz- rath Zeller bestimmter Algen, wovon die eine, Psichohor- mium gracile Kütz., von mir in Wasserkufen auf der Bleiche der hiesigen Flachsspinnerei, die andere Coccochloris Pila Suhr, von Valet im Schweigfurther Weiher bei Schussenried gefunden wurde. In Rabenhorsts Kryptogamenflora von Deutsch- land wird von letzterer Alge nur ein einziger Standort angegeben, nämlich das Ufer der Eider, wo sie v. Suhr gefunden hat. Sie bildet rundliche, gallertartige Massen an Wasserpflanzen, oder frei schwimmend. Im Juli 1858 stellte sich in Repsfeldern des k. Landge- stüts bei St. Johann eine Krankheit ein, wobei sich im unteren Theil der Repsstengel ein Pilz in Form rundlicher schwarzer Körner von 2 — 3 Linien Durchmesser fand, nach Herrn von Härtens Sclerotium varium Pers. oder Sphaeria Brassicae Hoflfm. (Crypt. IL, tab. 5, fig. 2). Herr Medicinal-Rath Hering fand in diesen kranken Repsstengeln eine weisse Milbe nebst einigen Mückenlarven. Die Samen waren sehr ölreich, aber in Bezug auf Quantität nicht sehr ausgebend. Die Repsfelder waren, wie dies gewöhnlich geschieht, stark gedüngt gewesen. Die Krankheit zeigte sich damals auch auf andern benachbarten Repsfeldern, hat sich jedoch seither nicht wiederholt. April 1861. 11 Die Arten der Gattungen Eryma, Pseudastacus, Magila und Etallonia. Von Professor Dr. Albert Oppel. München, Mai 1861. In dem Nachfolgenden habe ich versucht, einen kurzen Ueberbhck über die Vertretung einiger Crustaceen-Gattungen in den jurassischen Bildungen zu geben. Eine dieser Gattungen {Eryma) zeichnet sich durch ihren grossen Artenreichthum aus. Die übrigen Gattungen, obschon seltener, besitzen doch so cha- rakteristische Merkmale, dass sie gleichfaUs hervorgehoben zu werden verdienen. Eryma Meyer. Die Zahl der constanten Charaktere, durch welche sich die der Juraformation angehörige, von Herm. v. Meyer aufgestellte Gattung Eryma von dem lebenden Astacus unterscheidet, ist so beträchtlich, dass ihre schon frühzeitig vorgenommene Abtren- nung von Astacus sich als vollständig begründet erweist. Zwar wurde die Bezeichnung Aura von Münster ein Jahr zuvor ge- geben, jedoch mit einer den eigenthchen Merkmalen gänzlich widersprechenden Beschreibung. Der Name Aura kann deshalb in Zukunft nicht in Gebrauch treten. Beseitigt erscheinen fer- ner die Bezeichnungen Clytia Meyer und Pustulma Quenst., da dieselben erst nach Eryma in der Literatur angeführt werden. Enoploclytia M'Coy ist eine nahestehende Gattung der Kreideformation. - 356 - Die Zahl der mir bekannten Arten von Eryma, welche sich auf 26 belief, wurde in der letzten Zeit durch weitere zum Theil sehr charakteristische Species, welche H. Professor Etal- lon in Gray meist in den dortigen Juradistrikten auffand, noch erhöht. Ich erhielt von ihm Abbildungen und Gypsabgüsse seiner neuen Arten, unter welchen sich besonders zwei höchst' bezeichnende Formen finden {Eryma Baheani Etall. und Eri/ma Perroni Etall.), deren Beschreibung in den Meraoires de la So- ci^t^ d'agriculture , et sciences de la Haute-Saone wir demnächst entgegen sehen dürfen. Da mir H. Professor Etall on die nöthigen Notizen über das Lager und die Fundorte seiner neuen Arten mittheilte, so wird es mir möglich, dieselben in die nach- folgende Liste einzureihen. Ich führe die einzelnen Spezies wieder ihrem Lager nach an, indem ich die neun neuen, von H. Etallon aufgefundenen Arten durch ein besonderes Zeichen -j- hervorhebe. A. Aus dem Lias. 1) Eryma numismalis Opp. {Gl. numismalis Opp., der mittlere Lias Schwabens pag. 24). Mittlerer Lias, Zone des Ammonites ibex. Von Hinterweiler (Württemberg). Von H. Dr. Roman in Heilbronn mitgetheilt. 2) Eryma propinqua Opp. Cephalothorax, ähnlich dem der vorigen Species, ohne jedoch die deutlich ausgesprochene Granulation der Schale zu besitzen. Mittlerer Lias der Um- gebungen von Metz (Moselle). Von H. Terquem in Metz mitgetheilt. 3) Eryma amalthea Quenst. sp. (Glyphea amalthei Quenst. württemb. naturw. Jahresh. 1850 pag. 196). Mittlerer Lias, Zone des Ammonites margaritatus. Von Weidach und vom Breitenbach bei Betzingen (Württemberg). 4) -{- Eryma Laedonensis Etall. Mittlerer Lias von Lons- le-Saunier (Jura). B. Aus dem Dogger. 5) Eryma Aalensis Quenst. sp. Glyphea Aalensis Quenst. Jura pag. 349. Unteroolith, Zone des Ammonites Murchisonae von Aalen (Württemberg). - 357 - 6) Eryma Württembergica Opp. Glyphea Bedelta, pars, Quenst. Jura tab. 53, fig. 6. Unteroolith. Zone des Ammonites Parkinsoiii. Heiningen (Württemberg). 7) Eryma aspera Opp. Glyphea Bedelta^ pars, Quenst. Jura tab. 53, fig. 5. Unteroolith. Zone des Ammonites Parhin- soni. Umgebung von Balingen (Württemberg). 8) Eryma ehgdns Opp. Ein mit feinen Wärzchen sehr gleichmässig bedeckter Cephalothorax aus dem Unteroolith von Longwy (Moselle). Von H. Terquem in Metz mitgetheilt. 9) Eryma compressa Desl. sp. Palinurus compressus Desl. Soc. Linn. 1840 pag. 60. Aus der Bath-Gruppe von Ranville (Calvados). 10) Eryma Greppini Opp. Ein Cephalothorax und zwei zweifelsohne dazu gehörige Scheeren. Die Schale dieser Theile ist zum Theil granulirt, zum Theil von derberen Wärzchen bedeckt. Die Scheeren etwas schlanker als die von Astacus fluviatilis'j der bewegUche Scheerenfinger erscheint seiner breiten Seite nach flach gedrückt. Aus der Bath-Gruppe von der Kette des Vellerat (Schweizer Jura). Von H. Dr. Greppin in Deld- mont mitgetheilt. 11) -\- Eryma GirodiEtaM. Obere Lagen der Bath-Gruppe von St. Claude (Jura). C. Aus dem oberen Jura. 12) Eryma ornata Quenst. s-p. Glyphea ornati, y3Lis, Quenst. Jura tab. 69, fig. 1 (non fig. 2. 5). Kelloway-Gruppe, Zone des Ammonites anceps von Gammelshausen bei BoU (Württemberg). 13) Eryma Mandelslohi Meyer sp. Kelloway-Gruppe, Zone 'des Ammonites athleta. Oeschingen, Dettingen (Württemberg). 14) Eryma Calloviensis Opp. Glyphea ornati, pars, Quenst. Jura tab. 69, fig. 2 (non fig. l). Kelloway-Gruppe, Zone des Ammonites athleta. Pfullingen und Oeschingen (Württemberg). Herrn Dr. J. Hof f mann in Stuttgart verdanke ich ein vortreff- lich erhaltenes Scheerenpaar dieser Species. 15) Eryma Romani Opp. Kleine, kaum zwei Zoll lange Species. Die Scheere des ersten Fusspaares trägt auf jeder ihrer beiden schmälern Seiten eine gekerbte Längskante. Kelloway- - 358 - Gruppe, Zone des Ammonites athletd. Schwäbische Alb. Von H. Dr. Roman in Heilbronn mitgetheilt. 16) -f- Eryma squalida Etall. Kelloway- Gruppe von Etrochez (Cote d'Or). 17) -f- Eryma rugosa Etall. Mit Ter, impressa und Am. hiarmatus. Von Vaudioux (Jura). 18) Eryma radiata Opp. Glyphea ventrosa ß, Quenst. Jura pag. 599. Oxford-Gruppe. Aus den Scyphienkalken des oberen Jura's, Umgebungen von Wasseralfingen und Aalen (Württemberg). 19) Eryma ventrosa Meyer sp. Oxford-Gruppe, Terrain a Chciilles. Von Charriez, Calmoutiers und anderen Localitäten imDep. der Haute-Saone. H. Prof. Etallon fand die Species in demselben Niveau auch zu Daix (Cote d'Or). 20) -\- Eryma suhveyitrosa Etall. Oxford-Gruppe St. Claude (Jura). 21) -f- Eryma Perroni Etall. (Enoploclytia Etall.) Charak- teristische Species mit starken Warzen und kurzen Scheeren, ähnlich der Eryma minuta Münst. Oxford- Gruppe. Terrain a Chailles. Frasne (Haute Saone). 22) Eryma modestiformis Schloth sp. (GL laevigata und Gl. crassuJa Münst.) Lithographischer Schiefer. Solenhofen (Bayern). 23) Eryma leptodactylina Germ. sp. Lithographischer Schiefer von Solenhofen und anderen Localitäten (Bayern). Nus- plingen (Württemberg). 24) Eryma Veltheimi Münst. Lithogr. Schiefer von Eich- städt (Bayern). 25) Eryma eJongata Münst. Lithogr. Schiefer von Solen- hofen und Eichstädt (Bayern). 26) Eryma major Opp. Eine 21 Linien lange Scheere, deren Formverhältnisse mit denjenigen nahe übereinstimmen, welche die Scheere des ersten Fusspaares von Eryma leptodac- tylina besitzt, doch ist die Schale rauher, indem zahlreiche engstehende Wärzchen ihre Oberfläche bedecken. Lithograph. - 359 - Schiefer von Nusplingen (Württemberg). Von H. Professor Fr aas in Stuttgart mitgetheilt. 27) Eryma punctata Opp. Kurze breite Scheere; ähnlich der folgenden Speeies, jedoch von dieser durch ihre Oberflächen- beschaffenheit abweichend, indem die Schale von Eryma ver- rucosa von Wärzchen bedeckt ist, während bei Eryma punctata vertiefte Punkte zwischen den ungleich feineren Erhöhungen ver- theilt sind. Mit der vorigen Speeies. 28) Eryma verrucosa Münst. sp. Beitr. II._, tab. 9, fig. 12. Lithogr. Schiefer, Eichstädt (Bayern). 29) Eryma minuta Schloth. sp. Münst. Beitr. IL, tab. 9, fig. 8 — 10. Lithogr. Schiefer. Solenhofen, Eichstädt (Bayern). 30) Eryma Fraasi Opp. Grosse Speeies; ähnlich den vorhergehenden Arten E. Perroni und E, minuta. Starke Er- höhungen bedecken die kurzen und dicken Scheeren des ersten Fusspaares. Erreicht die doppelten Dimensionen von E. minuta. Von E. Perroni durch die Oberflächenbeschaffenheit des Cepha- lothorax verschieden. Lithogr. Schiefer von Nusplingen (Würt- temberg). Von H. Professor Fr aas in Stuttgart mitgetheilt. 31) Eryma Suevica Quenst. sp. (Pustulina Suevica Quenst. Jura tab. 99, fig. 30). Lithogr. Schiefer von Nusplingen (Würt- temberg). 32) Eryma fuciformis Schloth sp. Astacus spinimanus Germ. {Glyphea fuciformis et GL intermedia Münst.) Lithogr. Schiefer von Solenhofen und anderen Localitäten (Bayern), von Nusplingen (Württemberg). 33) -\~ Eryma Baheani Etall. Schmale Scheere mit äus- serst langen Scheerenfingern. Kimmeridge-Gruppe von le Hävre (Seine inferieure). 34) -f- Eryma Thurmanni Etall. Kimmeridge-Gruppe von Porrentruy (Schweizer Jura). 35) -\- Eryma Thirriai Etall. Kimmeridge-Gruppe von Arc-Gray (Haute-Saone). - 360 - Pseudastacus Opp. (Bolina, pars, Münst., non Mert.) Steht unter den bekannten Gattungen jurassischer Crusta- ceen der lebenden Gattung Astacus am nächsten, doch sind bei Pseudastacus die äussern Antennen und ihre Stiele länger als bei Astacus. Während sich die Scheeren des ersten Fusspaares durch ihre schmale Form auszeichnen und die Handwurzel an- nähernd von gleicher Breite wie der Basaltheil der Scheeren ist, so besitzen dagegen die lebenden Arten von Astacus un- gleich breitere Scheeren. Ich war einige Zeit unschlüssig, ob 'ich die vorliegenden Exemplare nicht geradezu mit Astacus vereinigen sollte, da be- sonders auch die einzige über den Cephalothorax verlaufende Hauptfurche bei ersteren in derselben Weise vorhanden ist, wie bei Astacus. Doch wäre es immerhin etwas gewagt, die Iden- tität beider Gattungen anzunehmen, um so mehr als die fossilen Exemplare einen etwas schlankeren Körperbau zu besitzen schei- nen als die zu Astacus gehörigen Arten. Unter der Voraus- setzung, dass sich später noch weitere Unterschiede ergeben, stelle ich vorläufig die beiden Species Astacus-ähnlicher Krebse der Juraformation als Repräsentanten einer besonderen Gattung Pseudastacus zusammen: Oberer Jura; 1) Pseudastacus pustulosus Münst. sp. (Bolina pustulosa Münst.) Lithogr. Schiefer von Solenhofen und Eichstädt (Bayern). 2) Pseudastacus Blünsteri Opp. Kleine Art, ausgezeichnet durch ihre dünnen und langen Scheeren. Die Schale der letz- tern trägt vereinzelte feine Wärzchen. Ein Exemplar aus dem lithogr. Schiefer von Solenhofen (Bayern). jflagila. (Magila, pars, Münst.) Münster vereinigte unter der Bezeichnung Magila die Arten zweier sehr verschiedenartiger Gattungen. Ich behalte dieselbe hier bei, beschränke sie jedoch auf eine der von ihm beschrie- benen Formen, indem ich den mit kurzen dicken Scheeren ver- - 361 - sehenen, von Münster Magila latimana benannten Krebs als eigentlichen Repräsentanten der Gattung Magila von der zwei- ten Miinster'schen Art abtrenne. Wurde bisher nur in den lithogr. Schiefern des oberen Jura's in Bayern nachgewiesen. 1) Magila latimana Mimst Beitr. IL, pag. 25, tab. 10, fig. 2. Solenhofen, Eichstädt (Bayern). £talloiiia Opp. Die höchst eigenthümlich geformten Scheeren charakterisiren diese Gattung in sehr bestimmter Weise, indem der stark ge- krümmte, bewegliche Finger nahezu die doppelte Länge des unbeweglichen Fingers erreicht. Letzterer endigt mit einer schar- fen Spitze, dabei erhebt sich an seiner Basis ein starker Neben- zacken. Münster hat das Vorhandensein dieses zweiten Vor- sprungs übersehen, obschon derselbe eine ziemlich beträchtliche Höhe erreicht. Da bisher keine ähnliche Form in jurassischen Ablagerungen gefunden wurde, so genügen vorläufig diese An- gaben zur Bestimmung der Gattung Etallonia, um so mehr als die Münster'sche Figur die übrigen Verhältnisse veranschauhcht. Doch sind bei den vorhandenen Exemplaren hauptsächlich nur die Scheeren scharf abgedrückt, während von den meisten ande- ren Theilen nur unbestimmte Umrisse geblieben sind* Ich habe diese Gattung nach meinem Freunde Hr. Pro- fessor Etallon benannt, durch dessen Arbeiten die Kenntniss fossiler Crustaceen schon so wesentlich vermehrt wurde. 1) EtallonialongimanaMimst. sp. Magila longimanaMünst. Beitr. H., tab. 10, fig. 3. Lithogr. Schiefer von Solenhofen und Eichstädt (Bayern). Sam9ilung des Hrn. Gerichtsarztes Redenbacher in Hof und paläontologische Sammlung in München. Deroplia Genei Arragona. Von Adolph Keller in Reutlingen. Diesen bisher aus Italien stammenden schönen Käfer habe ich schon zweimal in hiesiger Gegend aufgefunden; einmal an einer starken Eiche zwischen der Rinde während eines Gewitters, das anderemal Insekten in einen Schirm klopfend, von einem jungen Eichenbaum, wo er am Laube sass ] es war beidemal im Monat Juli. Eichen sind nicht so nahe bei mir, dass ich häufig daran suchen könnte, auch erschwert die düstere bräun- liche staubige Farbe des ohnedem nicht ansehnlichen Geschöpfes das Auffinden, wenn es sich in die Borke verkriecht. Der Kä- fer muss aber sehr selten sein, da ich ihn in einem Zeitraum von 12 Jahren nur zweimal erbeutete. Er wurde in Berfin bestimmt und ist in der Synopsis deutscher Käfer von Herrn Z e b e nachzutragen. III. Kleinere Iflittlieiluiig^en. Bücher-Anzeigen. Illustrazione della Mummia peruviana esistente nel civico museo di Milano dal Dottore Emilio Cornalia» Milano 1860. 11 Seiten gr. 4^. Besonderer Abdruck aus dem II. Bande der Verliandlungen des Lombardischen Instituts für Wissenschaft und Kunst. Der mailändische Naturforscher A. Kaimondi, gegenwärtig Professor in Lima, hat dem städtischen Museum seiner Vaterstadt unter andern peruanischen Gegenständen auch eine Mumie geschenkt, von welcher Dr. Cornalia in vorstehender Schrift eine treue Abbildung und Beschreibung liefert. Der Verfasser erwähnt zuerst die natürlichen Mumien in Venzone (v. Martens, Italien III., 232), Palermo (daselbst 649), Monza (das. 124) und Bordeaux und geht dann, unter Beziehung auf Raimondi's Briefe, auf die peruanischen über. Diese finde man in ganz Peru vom Meeresstrande bis zu einer Höhe von 14,000 Fuss über dem Meere, in Felsenklüften, unter den Ruinen alter Gebäude, und in besonderen bis 20 Meter hohen Grab- hügeln, welche in vielen Beziehungen mit den von Squier und Davis beschriebenen des Missisippithals (Smithsonian Contributions I., 184. II., 1851) übereinstimmen, in grosser Anzahl, aber höchst selten gut erhalten; alle in zusammengezogener sitzender Stellung, das Gesicht in den Händen verbergend, bald nackt, bald mit Resten baumwollener Gewänder, oft in einem Sack, von einem weitmaschigen Netz überzo- gen, mit Stricken von Binsen umwunden und in der gezwungenen Stellung festgehalten. Bei diesen Mumien finde man Thongefässe, bald roh, bald feiner, und wie die etruskischen oder egyptischen bemalt; Raimondi habe die - 364 - Farben, unter denen Blau fehle, untersucht und der Verfasser gibt die Stoffe an, aus welchen die der Thongefässe und die der gewobenen Zeuge bestehen. In diesen hermetisch verschlossenen Gefässen finde man noch flüssiges Maisbier, gekochte Meerschweinchen {Cavia Cutleri), kleine Fische, Bohnen, Nüsse der Juglans nigra, Erderbsen (Arachis hypogea), am häufigsten ganze Maiskolben, daneben Säckchen mit einer Art Johannisbrod {Prosopis dulcis) und Blätter der Coca. Bei der hier beschriebenen Mumie hätten sich auch Spindeln, ge- sponnene Baumwolle und aus Dornen verfertigte Nähnadeln gefunden, obschon es eine männliche Leiche sei, dem Stamme der Chinchas und den Zeiten der Incas angehörend. Räthselhaft sei es, dass bei weiblichen Mumien so häufig kleine Kinder gefunden werden, auf 10 Weibermumien könne man 6—7 mit Kindern rechnen, was schon den Verdacht erregt habe, dass die hülf- losen Geschöpfe mit der Mutter begraben worden seien , ihr für das andere Leben mitgegeben, wie die Nahrung. Barredas Behauptung einer künstlichen Bereitung der peruanischen Mumien wird gründlich widerlegt. Bedingungen der Verwesung seien Luft, Wärme und Feuchtigkeit ; fehle eines dieser drei Erfordernisse, so trete sie nicht ein, an der Küste regne es beinahe nie, die Trocken- heit sei so gross, dass man bei Tarapaca aus Salz gebaute Häuser sehe, im Hochgebirge fehle die Wärme und die stark verdünnte Luft sei so trocken, dass eingelegte Pflanzen die Farben nicht ändern. Am Schlüsse liefert unser Verfasser noch für den Anatomen in- teressante Beobachtungen über überzählige Knochen am Schädel der Peruaner, erwähnt auch die vielbesprochenen, künstlich eingesetzten Augen der Mumien von Arica, von denen sich jedoch an der hier be- sprochenen keine Spur vorfinde. Dies ein kurzer Auszug aus der klar und anziehend geschriebenen Abhandlung, welche noch manche weitere lehrreiche Thatsachen und Betrachtuno^en enthält. v. M. WiTül nalurwiiss.Jahreslefte M. Janrg. 1861 Taf. ^ '"X d 17 16 ^£^ «iP 1 ( I { < f^ i Q i ck von Carl El)ner,Stutt^art Wurttb.mturwiss. Jakesliefte IVI. JaKr^. Albert Oppel. iel iritb .naturwiss . JahresKefte M. Jahrg. TafEI. rfi S.d ^AA ^J%4$$^/ ¥A/, -.JLA^A ^^ Albert Oppel del atkv.J. Söhömg. I Geognostisclie Karte der DÜltleren Jfeclar^ej^end « "^'"^'^^4^7^ I I SaueTwa/ierkalk \ AJit/t^ererLiaSj i s- \ I \Br(tuJier ^/iimy 1 IJ/ioJ- et I 1 TTmprr '■/^irtl). natuwis?. Jalireshefte XVIT.Jakg.lsei. Taf.V. ^'■1 1 ^ 1 1 1 ^ Jfo/r.,. Soliön S,l,ui-»al.l /-/«CA«. , i'/^ K m Wal ddort'er Plateau 4 I I IV I ^ Date Due If ' 4 • -'r <:^ ■V ^-^r:^m:,^L'