RN NV IN RN Librarg of the Aluseum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, Founded bp private subscription, in 1861. KNch Hay 5 Ne AN JAHRESHEFTE Vereins für vaterländische Naturkunde Württemberg. Herausgegeben von dessen Redactionscommission Prof. Dr. H. v. Mohl in Tübingen; Prof. Dr. H. v. Fehling, Prof. Dr. 0. Fraas, Prof. Dr. F. Krauss, Prof. Dr. P. Zech in Stuttgart. SECHSUNDZWANZIGSTER JAHRGANG. (Mit 13 Steintafeln.) STUTTGART. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch). 4870, Druck von Fr. Schweizerbart in Stuttgart. Inhalt Seite I. Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die vierundzwanzigste Generalversammlung am 24. Juni 1869 in Stuttgart. Von Prof. Dr. Zech . . 1 Eröffnungsrede des un Oberstudienrath Dr. v. Kurr. . . ESTER Se 1 Stiftung des Oben nedieinalraih Dr. v Heime ; 8 Rechenschaftsbericht für das Jahr 1868 — 1869. Von Ober: studienrath Dr. v. Krauss.. . EUREN REIF ASK EGR N 9 Zuwachs der Vereins-Naturalien- Samnılaiig: A. Zoologische Sammlung von F. Krauss. . ... 2 B. Botanische Sammlung von G. v. Martens. . . . 16 Zuwachs der Vereins-Bibliothek . . . . NL Lo) Rückblick auf die wichtigsten Vorkommnisse de Vereins von 1844-1869. Von Obersiudienrath Dr. v. Krauss . . 25 Rechenschafts-Abschluss für das Jahr 1868— 1869. Von Ho- spital- Verwalter Sey.kfamndit. 0.0.0 200. ae 202045 Wahl der Beamten . . Se ea AB Nekrolog des Prof. Dr. Wilh. von Rap as Prof. Dr. ©. Köstlin .. RE Nekrolog des Prof. Dr. Sehonhein in lt Von Ober- stiudienrath, Dr. v2 IGuinir 0o va a Nekrolog des Carl Freiherrn v. Reichenbach. Nach Mittheilungen seiner Familie eingesendet von Director v. Schmidt . . . ERDE NE ANREDE NROD UI. Vorträge und lungen 1) Zoologie und Anatomie. Die Räderthiere und ihre bei Tübingen beobachteten Ar- tenzaNVon Dr, Samuel’ Bartsch... . ....... ....307 2) Mineralogie, Geognosie und Petrefactenkunde. Ueber die Entwicklung der vaterländischen Geologie. Von Erofess0e DS OVEraasın.. 2 rang IV Der Buchberg bei Bopfingen. Von C. Deffner in Esslin- gen. (Hiezu Tafel I-II.) . ; Seele Die Fauna von Steinheim. Mit Rücksicht ab dien miocenen Säugethier- und Vogelreste des Steinheimer Beekens. Von Prof. Dr. Oscar Fraas. (Hiezu Tafel IV - XI.) 3) Physik, Chemie und Meteorologie. Bericht über die neueren geodätischen Aufnahmen in Würt- temberg zu Zwecken der europäischen Gradmessung. Von Prof. C. W. Baur 6 ka Ueber einen Hagelfall in Reutlingen. von Gartenbauinspeetor Dr. Lucas TREE Mittheilungen aus der Geschichte den Wärmeneqwisalente, Von Prof. Dr. Reuschle. IH. Kleinere Mittheilungen. Billigster Apparat zu Registrirung meteorologischer Beob- achtungen. Von Prof. Dr. Zech Ueber das Vorkommen der Canthariden in Wortiembere Von Apoth. Finckh Seite 95 145 76 83 94 143 365 © I. Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die vierundzwanzigste General- versammlung, den 24, Juni 1869 in Stuttgart. | Von Professor Dr. Zech. Die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Vereins ‘verbunden mit der diesjährigen Generalversammlung, vereinigte in den Sälen des Museum eine Versammlung von mehr als hun- dert Mitgliedern. Unter den aufgestellten Gegenständen war vor Allen zu bemerken ein Prachtexemplar eines Bibers (Castor Fiber, L.), vielleicht das letzte in Württemberg erlegte, welches der Verein der Liberalität des Herrn Dr. G. Leube, sen. in Ulm verdankt; ferner eine Sammlung getrockneter, meisterhaft eingelegter Farrenkräuter von Oberfinanzrath Dr. v. Zeller. Nach 10 Uhr eröffnete der Geschäftsführer, Oberstudienrath Dr. v. Kurr, die Verhandlungen mit den folgenden, die Bedeu- tung des heutigen Festes hervorhebenden Worten: Hochgeehrte Herren! Es ist für mich eine wahre Freude, Sie heute, da wir das 25jährige Bestehen unseres Vereins feiern, begrüssen zu dürfen, und ich danke dem gütigen Gott, der mir dieses vergönnt und unsere Bestrebungen bisher so sichtbar gesegnet hat. Bescheiden wie die geographischen und naturhistorischen Verhältnisse unseres Landes war unser Anfang und unsere Auf- gabe. Aber wir dürfen mit Befriedigung auf den Erfolg zurück- blicken, denn wir haben den Beweis geliefert, was vereinte Kraft Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. \ NER und redliches Zusammenwirken, was Treue im Kleinen und auf- richtige Vaterlandsliebe vermögen, und ich kann es mir nicht versagen, allen denen, welche dabei mitgewirkt haben, den herz- licehsten Dank hiemit auszusprechen.- Gestatten Sie mir, einen Rückblick auf die Vergangenheit zu werfen, soweit sie unsere Bestrebungen berührt, und einige hervorragende Männer zu nennen, welche die Naturwissenschaften im Bereich unseres Landes wesentlich gefördert haben. Obenan steht ein Stern erster Grösse, Johann Kepler aus Weil der Stadt, geb. 1571, T 1630, der berühmte Mathematiker und Astronom, der ebenbürtige Vorläufer eines Newton und Laplace. Johann Bauhin, geb. 1541, f 1613, der Verfasser der merkwürdigen Beschreibung des Bades Boll, worin viele Petre- facten aus dem dortigen Liasschiefer und bereits eine Menge der schönsten Obstsorten, welche dort gezogen wurden, abgebildet und beschrieben sind. Er war Professor in Basel und später Leibarzt des Herzogs von Württemberg, ist auch der Verfasser eines grossen, mit zahlreichen Holzschnitten gezierten botanischen Sammelwerkes: Plantarum historia naturalis in drei Foliobänden. Rudolf Jakob Camerarius, Professor in Tübingen, wies in seinem Brief an M. B. Valentin: de sexu plantarum, Tubin- gae 1694 zuerst die Sexualität der Pflanzen unumstösslich nach, und hat somit dem unsterblichen Linne die Grundlage für sein Pflanzensystem geliefert. Johann Georg Gmelin aus Tübingen, welcher mehrere Jahre lang Sibirien und andere Theile von Russland durchforschte, hat die Resultate davon in der Flora Sibirica 1747—1769, 4 Bände, niedergelest. Samuel Gottlieb Gmelin aus Tübingen, geb. 1744, + 1773, hat sich gleichfalls um die Naturgeschichte von Russland und zumal um die Algenkunde durch seine Historia fucorum ver- dient gemacht. Dr. Joseph Gärtner, praktischer Arzt zu Calw, geb. 1732, y 1791, hat zuerst gründliche Studien über die Früchte und Samen der Gewächse gemacht und in 2 Quartbänden 1788—1791 —— B3 — De fructibus et seminibus plantarum veröffentlicht. Mehr als tausend Analysen von Früchten und Samen sind nach eigen- händigen Zeichnungen desselben auf 180 Kupfertafeln abgebildet. Johann Simon von Kerner, Professor der Botanik an der hohen Carlsschule dahier, hat das Verdienst, in dem zu der Akademie gehörigen botanischen Gartep die wichtigsten württem- bergischen Gewächse angepflanzt zu haben. Er ist der Verfasser einer mit Abbildungen versehenen Beschreibung der ökonomischen Pflanzen, der essbaren und giftigen Schwämme und zweier Prachtwerke: Hortus sempervirens und Genera plantarum mit ausgemalten Tafeln in Landkartenformat, wie sie kein anderes Werk mehr aufzuweisen hat. Er starb 1830 in hohem Alter. Dr. Jakob Gottlieb Kölreuter, geb. zu Sulz a. N. 1753, T 1806, machte von 1759 bis 1790 unzählige Versuche über Bastardhildung der Gewächse und beschrieb sie in seiner „Kritik der Lehre von dem Geschlecht der Pflanzen“, Heidelberg 1812. Dr. Karl Friedrich v. Gärtner, geb. 1771, f 1850 in Calw, setzte das Werk seines Vaters, des obengenannten Dr. Jo- seph Gärtner: de fructibus et seminibus plantarum in einem dritten Bande fort, welcher 1805—1807 erschien. Später widmete er sich ganz den Versuchen über Bastardbildung der Gewächse, die sich auf viele Tausende beliefen, und veröffentlichte dieselben in 2 Octavbänden (Stuttgart, Schweizerbart) 1844 und 1849. * ; Major von Zieten, geb. 1785, f 1841, hat in seiner Ab- bildung und Beschreibung der Versteinerungen Württembergs 1830—1832 mit 72 Tafeln in Folio, schwarz und colorirt, die schönsten bis jetzt existirenden Bilder von Petrefacten nach eigenen Handzeichnungen geliefert. (Stuttgart, Schweizerbart.) Lassen Sie mich noch die Namen solcher Männer nennen, welche hauptsächlich als Lehrer an der Landesuniversität gewirkt haben, eines Kielmeyer, Gustav Schübler, Bohnenberger, Christian Gmelin, Nörrenberg, Schlossberger und Wil- helm v. Rapp, so werden Sie meine Ueberzeugung theilen, dass * Näheres über ihn und seinen Vater enthält der Nekrolog von 0. Med. R. v. Jäger in den Jahresheften Bd. VIII, 1852, S. 16 ff. 1* N Württemberg von jeher in der Reihe der deutschen Naturforscher vertreten war. Auch an Versuchen zu Bildung von Vereinen vaterländischer Naturforscher hat es früher nicht gefehlt. So hat „die vater- ländische Gesellschaft der ‚Aerzte und Naturforscher Schwabens* einen Band ihrer Druckschriften (Tübingen, bei Cotta 1805) herausgegeben, worin u. A. eine Beschreibung des krystallisirten Sandsteins von Stuttgart von Hoiphysikus Dr. Jäger und eine interessante geognostische Beschreibung des Kinzigthals und des dortigen Bergbaus von Bergrath Selb enthalten ist. Wiederum erschienen 1826—1828 2 Bände naturwissen- schaftlicher Abhandlungen von einer Gesellschaft in Württemberg bei Laupp und Cotta in Tübingen mit sehr schätzenswerthen Abhandlungen von Bohnenberger, Christ. Gmelin, Wilhelm Rapp, Gust. Schübler, Roser, Gärtner, Hundeshagen u. A. Die Bildung des naturhistorischen Reisevereins (1823) durch die Herren Dr. E. Steudel und Prof. Hochstetter, welche auch als Schriftsteller sich um die Botanik verdient ge- macht haben, war ebenfalls von vielen erspriesslichen Folgen für die Wissenschaft, insbesondere für die Botanik, begleitet. Fleischer bereiste zuerst die südlichen Alpen bis zum Litto- rale und Smyrna und Franz Müller Sardinien; mir war das norwegische Hochland zugewiesen, Wilhelm Schimper bereiste Algerien, Palästina und Abessynien, wo er noch lebt, Endress die Pyrenäen, Ecklon das Capland, Welwitsch Spanien und Portugal; dadurch wurden viele Tausende von interessanten und seltenen, theilweise neuen Pflanzen in ausgesuchten Exemplaren in die Hände der Botaniker gebracht. Komme ich auf unsern Verein zu reden, so hat derselbe seit seinem Bestehen, wie unsere Nekrologe nachweisen, * schon viele Verluste an tüchtigen Männern erlitten, und ich erinnere ausser den bereits angeführten Mitgliedern nur an Inspector Fleischmann, Bergrath Hehl, Director v. Seyffer, Staats- * S. das Register zu den Jahresheften Jahrgang 1 bis 20 von Dr. G. Werner, Bd. 20, S. 338, 339. KERNE rath von Roser, Graf v. Seckendorf, Apotheker Weismann und O. Med. R.v. Jäger. Dagegen ist aber auch manche junge Kraft in unsere Mitte getreten, und die Zahl unserer Mitglieder hat sich von 322 auf 436 gehoben. Unsere Jahreshefte sind, dank der Thätigkeit unserer Redactionscommission, regelmässig erschienen, und bald werden Sie den 25. Band vollendet in ihren Händen haben. Durch dieselben sind wir mit 75 naturforschenden Gesellschaften und Vereinen anderer Länder in Verkehr getreten, wodurch unsere Bibliothek wesentlich gewonnen hat. Unsre Sammlungen, längst vollständig geordnet in den Räumen des neuen Flügels des Kgl. Naturalien-Cabinets aufge- stellt, ziehen nicht nur einheimische, sondern auch fremde Be- sucher vielfach an, und wirken belehrend in weiten Kreisen; auch dürfte es wenig Localsammlungen in Europa geben, die sich an Vollzähligkeit und Schönheit mit den unsrigen messen könnten. Dennoch ist auch hierin noch Manches zu thun und noch manche Lücke auszufüllen, insbesondere im Bereich der Entomologie und der Kryptogamenkunde. Ich erlaube mir daher, Ihnen diese Zweige besonders ans Herz zu legen. Die Vorträge, welche während des Winters von Zeit zu Zeit von einzelnen Mitgliedern gehalten werden, finden immer ein reges Interesse, und wir gedenken sie auch ferner fort- zusetzen. Unsere Finanzen weisen ein Capitalvermögen von mehr als 5000 fl. auf, und gewähren daher eine weitere Bürgschaft auch von dieser Seite für das Fortbestehen des Vereins. Hoffen wir, dass derselbe, von der Sonne Ihrer Gunst be- schienen, sich immer mehr entfalte und ausbreite, und dass noch recht viele aus Ihrem Kreise sein nächstes Jubeljahr freudig begehen können.“ Bei der sofort vorgenommenen Wahl eines Vorsitzenden für die Verhandlungen übernahm auf einstimmigen Wunsch der Versammlung Oberstudienrath v. Kurr den Vorsitz. Es kam zunächst ein Schreiben aus dem Kabinet Seiner Majestät des Königs zur Verlesung, welches als Antwort auf . & . ei DER WEN die im Auftrag des Ausschusses durch den zweiten Vorstand geschehene Benachrichtigung des hohen Protektors unseres Ver- eins von dessen 2djähriger Jubelfeier und auf die kurze Mit- theilung seiner 25jährigen Thätigkeit eingelaufen war. Das Schreiben lautete: Euer Hochwohlgeboren habe ich höchstem Auftrage gemäss mitzutheilen die Ehre, dass Seine Königl. Majestät Ihre Eingabe vom 16. d. M., worin Sie Höchstdieselben Namens des Ausschusses des Vereins für vater- ländische Naturkunde in Württemberg von der bevorstehenden Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des letzteren benach- richtigen, richtig erhalten haben. ® Seine Majestät haben diese Nachricht, so wie die Mitthei- lungen, welche Sie hieran über die Wirksamkeit des Vereins knüpfen, mit lebhaftem Interesse vernommen, und gereicht es Höchstdenselben zum besonderen Vergnügen, bei diesem Anlasse dem unter HöchstIhrem Protektorate stehenden Vereine für die eifrigen und verdienstvollen Bemühungen, womit er für die För- derung der vaterländischen Naturkunde thätig ist und von welchen er besonders in den von ihm herausgegebenen, nunmehr bis zum 25. Bande gediehenen Jahresheften, sowie in seinen reichhal- tigen, mit anerkennenswerther Liberalität der öffentlichen Be- nützung zugänglich gemachten Sammlungen vaterländischer Natur- produkte so schöne Beweise geliefert hat, HöchstIhre gnädigste Anerkennung und Ihre vollste Befriedigung ausdrücken zu lassen. Mit Genugthuung haben Seine Majestät auch aus Ihrer ‘ Eingabe die Mittheilungen über die günstigen äusseren Verhält- nisse des Vereins und die wachsende Zahl seiner Mitglieder entnommen. Höchstdieselben hegen den aufrichtigen Wunsch, dass die Angelegenheiten des Vereins auch fernerhin diesen glücklichen Fortgang nehmen mögen, und lassen ihn HöchstIhrer fortdauernden wohlwollenden Theilnahme an seinen Bestrebungen versichern. Für die gemachte Mittheilung lassen Seine Majestät zugleich Euer Hochwohlgeboren, sowie den übrigen Mitgliedern des Ausschusses HöchstIhren gnädigsten Dank zu erkennen geben. DERBESLT Indem ich Sie ersuchen darf, von Vorstehendem den letzte- ren Eröffnung machen zu wollen, benütze ich die sich mir dar- bietende Veranlassung, Euer Hochwohlgeboren die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern. Stuttgart, den 20. Juni 1869. Der Cabinets-Chef Egloffstein. Sodann wurde der Versammlung die Freude zu Theil, ein Begrüssungsschreiben der Kaiserl. naturf. Gesellschaft zu Moskau zu ihrer heutigen Feier zu vernehmen. Es lautet: Die Kaiserliche naturforschende Gesellschaft in Moskau hat mich beauftragt, dem hochverehrten Vereine für vaterländische Naturkunde Württembergs in Stuttgart zu der Feier seines 25jährigen, so erfolgreichen Bestehens und seiner nützlichen Thätigkeit ihre herzlichsten und imnigsten Glückwünsche darzu- bringen, und gleichzeitig die Hoffnung auszusprechen, dass die seit einer Reihe von Jahren zwischen beiden Gesellschaften be- stehenden freundlichen literarischen Beziehungen auch für die Zukunft zum Vortheile der Naturwissenschaften fortdauern möchten! — Ich zeige dem hochlöblichen Vereine ferner an, dass die kaiserliche naturforschende Gesellschaft in Moskau mit Freuden diese Gelegenheit ergreift, um einem früher ausgesprochenen Wunsche des hochverehrten Vereins, sein Exemplar unserer Bulletins und Memoires completirt zu sehen, soviel als es noch möglich ist zu entsprechen; — die k. Gesellschaft wird im Laufe des Sommers suchen, ihrer jüngeren Schwester in Stutt- gart als schwache Anerkennung ihrer Hochachtung alles ihr in diesen beiden Publicationen Fehlende zukommen zu lassen. — In willigster und ausgezeichnetster Hochachtung habe ich die Ehre zu sein Ihr ganz ergebenster Dr. v. Renard, Secretär der k. naturforschenden Gesellschaft, k. russischer wirklicher Staatsrath etc. etc. nn Ferner traf ein Telegramm der Basler naturforschen- den Gesellschaft ein, folgenden Inhalts: Für die württemb. naturforschende Gesellschaft. Die ältere zweiundfünfzigjährige Schwester schickt der jünge- ren fünfundzwanzigjährigen freundnachbarlichen . Gruss und herz- lichen Handschlag, und wünscht ein schönes, vaterländisches Fest. Basler naturforschende Gesellschaft. Oben etenaliaih Dr. v. Hering überraschte die Versamm- lung mit folgender erfreulichen Mittheilung, eine Stiftung betreffend: Stuttgart, den 24. Juni 1869. Der Unterzeichnete überlässt die von ihm im Laufe von 40 Jahren zusammengebrachte Sammlung von Eingeweide-Würmern u. Haut-Parasiten (ca. 50 Genera und 450 Species: der ersten, und 45 Genera und 130 Species der letzteren) dem Vereine für vaterländische Naturkunde in Württemberg, eigenthümlich unter dem Vorbehalt, die beiden Sammlungen zu ordnen, die Species incertae näher zu untersuchen und mehrere neue Species zu beschreiben. Die Uebergabe der Sammlungen wird erfolgen in soweit und sobald diese nachträglichen Arbeiten vollendet sein werden. Um aber diejenigen Naturfreunde, welche etwa diese Samm- lungen zu benützen und zu vervollständigen Geschick und Lust haben werden, hiezu in den Stand zu setzen, wird der Unter- zeichnete auch die dazu nothwendigen literarischen Hülfs- Mittel, weiche in seinem Besitze sind, wie die Handbücher von Götze, Rudolphi, Dujardin, Diesing u. s. w. der Bibliothek des Vereins zum Eigenthum überlassen. So geschehen bei der 25. Jahres-Feier der Stiftung unse- res Vereins. V. Fl. Cr. Hering, Vorstand der k. Thierarzneischule. i Big. Zum Beginn der eigentlichen Verhandlungen, denen zu gros- sem Bedauern der Versammlung Oberstudienrath Dr. v. Krauss in Folge eines plötzlichen Krankheitsfalls nicht anwohnen konnte, trug an seiner Stelle Generalstabsarzt Dr. v. Klein den von ersterem verfassten Rechenschaftsbericht für das Jahr 18681869 wie folgt vor: K Meine Herren! Ein ausserordentliches und erfreuliches Ereigniss ist es, zu dessen Feier Sie heute versammelt sind. Unser Verein, der- sich den 26. August 1844 constituirt hat, hat mit diesem Jahr das erste Vierteljahrhundert seines Bestehens zurückgelegt. Es ist sonst im Privat- und öffentlichen Leben erhebende Sitte, nach Verfluss eines solchen Zeitabschnittes Veranlassung zu einer ebenso erfreulichen als ermuthigenden Feier zu nehmen, so sei es auch uns angenehme Pflicht, heute einander herzliche Glückwünsche zuzurufen über das gedeihliche Fortbestehen unse- res bescheidenen Vereins, der sich der Untersuchung und Nutz- "barmachung der natürlichen Verhältnisse des engeren Vaterlandes gewidmet hat. Das gemeinnützige Streben der Männer, welche den Verein vor 25 Jahren gegründet und Aller, die mit ihnen seine Zwecke befördert haben, ist nicht fruchtlos geblieben; wir durften unter- dessen manche Resultate verzeichnen, welche seitdem in unsrer Mitte zu Nutz und Frommen der Wissenschaft und des Vater- landes gewonnen worden sind. Ist unser wohlgemeintes uneigennütziges Streben in denk ver- flossenen 25 Jahren mit günstigen Erfolgen gekrönt worden, so dürfen wir uns bei der heutigen 24sten Jahresversammlung mit freudiger Befriedigung einer gehobenen Stimmung hingeben. Gestatten Sie mir daher, einem der Gründer des Vereins, Ihnen am Schlusse des diessjährigen Rechenschaftsberichts in einem gedrängten Rückblick das Wichtigste von unseren Er- lebnissen und unserer Thätigkeit in den letzten 25 Jahren zu vergegenwärtigen. — N . Zum achtzehntenmal seit der Gründung des Vereins ist mir heute die Ehre zu Theil, Ihnen über die Vorkommnisse im ver- flossenen Vereins-Jahr den üblichen Bericht zu erstatten. Die Naturalien-Sammlung ist, was aus dem nach- stehenden Verzeichniss zu entnehmen ist, hauptsächlich durch die Freigebigkeit einiger Mitglieder und Gönner des Vereins mit 11 Säugethieren, 80 Vögeln, 22 Nestern, 119 Arten wirbelloser Thiere, 256 Arten Pflanzen und 300 Arten Petrefacten und Ge- birgsarten vermehrt worden. Mit einem für die vaterländische Fauna seltenen Geschenk hat uns Dr. G. Leube sen. in Ulm erfreut, indem er seinen 1847 bei Ulm erlegten männlichen Bi- ber, voraussichtlich den letzten aus Württemberg, stiftete. Er ist heute zum ehrenden Andenken des Stifters ausgestellt. Auch die Vereinsbibliothek hat durch Geschenke und Austauch gegen unsere Jahreshefte wieder einen namhaften Zu- wachs erhalten, bestehend in 154 Bänden und Schriften, 19 Dis- sertationen und 2 geognostischen Karten. Unter den Gesellschafts-Schriften ist besonders dankbar zu erwähnen, dass die zoological Society of London durch die Ge- fälligkeit ihres Secretärs und unseres correspondierenden Mitglieds Dr. P. L. Sclater die ganze Serie der Proceedings von 1848 his 1860 in 13 Bänden und zwar in der werthwollen Ausgabe mit Illustrationen nachgeliefert hat. Ebenso ist das Wohlwollen und die Freigebigkeit der kaiser- lichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau unter gebühren- der Dankesbezeugung hervorzuheben, welche neben einem sehr freundlichen Gratulations-Schreiben zur Feier unseres 25jährigen Jubiläums eine seltene und werthvolle Reihe ihrer älteren Bul- letins und Mcmoires durch die gütige Vermittlung des wirklichen Staatsraths Dr. v. Renard gestiftet hat. In neue Verbindung durch Austausch unserer Jahreshefte ist der Verein getreten mit der Societe des sciences physiques et naturelles de Bordeaux. Von den Jahresheften ist das erste des 25. Jahrganges schon vor längerer Zeit in die Hände der Mitglieder gelangt. Das zweite und dritte Doppelheft wird aus Mangel an dem nö- thigen Manuseript zum Bedauern der Redactions-Commission erst später erscheinen. Wir bitten die Mitglieder, welche unsere Ver- einsschrift durch geeignete Aufsätze zu unterstützen in der Lage sind, dringend um Zusendung wissenschaftlicher Arbeiten, um unsere Jahreshefte in der Ausdehnung wie seit 25 Jahren heraus- geben zu können. Vom 26. Jahrgang an geht der Verlag der Vereinsschrift von der Verlagshandlung Ebner u. Seubert in die von E. Schweizer- bart (E. Koch) über, mit welcher Ihre Redactions-Commission einen neuen Vertrag abgeschlossen hat. Zur Feier des 25jährigen Bestehens des Vereins hat Ihr Ausschuss von dem seither üblichen Gebrauch, die Ehren-Mitglied- schaft nur Württembergern zu ertheilen, welche sich um die naturhistorischen Sammlungen des Vaterlandes in hervorragender Weise verdient gemacht haben, Umgang genommen und folgende durch ihre Verdienste um die Naturwissenschaften ausgezeichnete Männer zu Ehrenmitgliedern ernannt: Rathsherr Peter Merian in Basel, Geheimerath Dr. Eisenlohr in Carlsruhe, Professor Dr. W. Ph. Schimper in Strassburg, Professor Dr. F. v. Hochstetter in Wien, Oberbergrath H. v. Dechen in Bonn und als Württemberger Dr. R. Mayer in Heilbronn. Die üblichen von den Mitgliedern und deren Angehörigen - dankbar aufgenommenen Winter-Vorträge hatten heuer zu halten die Güte: A: Dr. E. Bessels, über die Korallen und ihren Haus- halt in der Natur, Prof. Dr. Zech, über die Sonnenfinsterniss vom 18. Au- gust 1868, Prof. Dr. Köstlin, über die Hand und die Geberden des Menschen. Am Schlusse dieses Jahresberichtes angelangt, habe ich noch im Namen des Ausschusses allen Mitgliedern und Gönnern, wel- che die Sammlungen und Bibliothek im verflossenen Vereinsjahr durch Geschenke bereichert haben, hiemit öffentlich den ver- Sn bindlichsten Dank auszudrücken. Sie sind in den nachfolgenden Verzeichnissen aufgeführt. .. Die Vereins-Naturaliensammlung hat vom 26. Juni 1868 bis dahin 1869 folgenden Zuwachs erhalten: A. Zoologische Sammlung. (Zusammengestellt von F. Krauss.): I. Säugethiere. a) Als Geschenke: Cervus Elaphus L., 6 Wochen altes Männchen, 60 Pfund schwer, von Herrn Kaufmann Theodor Lindauer; Seiurus vulgaris L., junges Männchen, von Herrn Dr. E. Bessels; Sciurus vulgaris L. var. nigra, altes Männchen. i von Herrn Revierförster Glaiber in Welzheim; Myoxus @lis L., 3 Monate altes Weibchen, von Herrn Schulmeister Perrot in Auendorf; Mus musculus L., altes Weibchen, von Herrn Dr. F. Krauss; Meles Taxus Pallas, 3 Fötus, von Herrn Kaufmann H. Reichert in Nagold; Rhinolophus Hipposideros Herm., altes Männchen, vom Asperg, von Herrn Reg.-Arzt Dr. Renz in Stuttgart. Castor Fiber L., altes Männchen, im Jahr 1847 in der Donau bei Ulm geschossen, von Herrn Dr. Gustav Leube sen. in Ulm. b) Durch Kauf: Canis Vulpes L., altes Weibchen im Sommerkleid. I. Vögel. a) Als Geschenke: Ardea cinerea L., Nest auf einer Tanne, Parus major L., Nest mit 2 jungen Männchen, Turtur auritus Ray, altes Weibchen, von Herrn Apotheker Valet in Schussenried ; Calamodyta arundinacea Gmel., Nest und junges Männchen, Parus major L., junges Weibchen, Tinnunculus alaudarius Gray, 4 Nesthocker, von Herrn W. Grellet; — 3 — Turdus viscivorus L. var., junges Männchen, ' Lanius rufus Briss., altes Männchen, Sylvia atricapilla Lath., Nest mit 2 jungen Weibchen, von Herrn Vereinsdiener Oberdörfer; Tinnunculus alaudarius Gray, 4 Junge, Parus caudatus L., Nest mit 10 vierzehntägigen Jungen, Lanius excubitor L., Nest mit dem alten Männchen und 6 Eiern, Ruticilla phoenicura Bp., Nest mit 7 Eiern, Milvus regalis Briss., ein Ei, Muscicapa grisola L., Nest mit dem alten Mänchen, 1 junges Männ- chen und 3 junge Weibchen, vom Herrn Reviergehülfen Glaiber in Kl. Aspach;; Erythacus rubecula Cwv., Nest mit dem darin ausgebrüteten jungen Kuckuck’s-Männchen, von Herrn Revierförster Pfizenmaier in Bebenhausen; Numenius arquata Lath., altes Männchen von Roth, von Herrn L. Mögle in Stuttgart; Philomachus pugnax Gould, junges Weibchen, Sterna nigra Bor&, altes Weibchen, vom Federsee, Mareca Penelope Gould, altes und junges Männchen, Nucifraga caryocatactes Briss., Weibchen, Tetrao Tetrix L., Nest mit 5 Eiern vom Seele Vanellus eristatus Bechst., Nest mit 2 Eiern, Coturnixz communis Bp., Nest mit 13 Eiern, Gallinula chloropus Lath., Nest mit 6 Eiern, Scolopax gallinago L., Nest, von Freiherrn Rich. v. König in Warthausen; Cypselus Apus L., Nest mit 2 Eiern, von Herrn Ober-Reallehrer Dr. Schwarz in Leutkirch, Tringoides hypoleuca Bp., altes Männchen, von Herrn Revierförster Junginger in Rottenmünster, Tringoides hypoleuca Bp., junges Weibchen, ey Columba Oenas L., junges Männchen, - Alauda arborea L., junges Weibchen, Erythacus rubecula Cuv. var., altes Männchen, von Herrn Hofrath v. Heuglin; Calamodyta arundinacea Gm., junges Männchen, Emberiza Schoeniclus L., Weibchen, ar miliaria L., altes Männchen, Parus caudatus L., Nest mit 6 Eiern, » palustris L., Nest mit 5 Jungen, Emberiza eitrinella L., junges Weibchen, von Herrn Forstcandidat Kopp; A m Circus eineraceus Mont. ‚ junges Männchen, von Herrn O. A. Arzt Dr. Se hwandner in Marbach: Accipiter Nisus Pall., junges Männchen, Varietät, von Herrn Kaufmann H. mon. Pernis apivorus Boie, junges Männchen, Varietät, von Herrn Rentbeamter Denzler in Roth; Milvus regalis Briss., junges Weibchen, Varietät, Otus brachyotus Boie, altes Weibchen, von Herrn Revierförster Laroche in Mergentheim; Cursorius europaeus Latbh. (gallicus Gm.), junges Weibchen, von Herrn Revierförster Rapp in Weissenau; Anthus pratensis Bechst., junges Männchen und Weibchen, Turdus merula L., Nest mit 5 Eiern, Anthus arboreus Bechst., Männchen, von Herrn Theodor Lindauer; Nucifraga caryocatactes Briss., Männchen und Weibchen, von Herrn Revierförster Fribolin in Derdingen ; Nucifraga caryocatactes Briss., altes Weibchen, von Herrn Revierförster Frank in Steinheim; Corvus cornix L., altes Weibchen, von Herrn Revierförster Hepp in Abtsgmünd; Alauda cristata L., altes Männchen, Troglodytes parvulus Koch, altes Weibchen; von Herrn Dr. Ferd. Krauss; Fringilla serinus L., altes Weibchen von Herrn Max Saızmann von Esslingen ; Charadrius plwvvalıs Gm., Männchen im Uebergangskleid, Pernis apworus Linn., Männchen, Varietät, Parus ater L., altes Männchen, mit Nest und 7 Jungen, Troglodytes parvulus Koch, altes Weibchen mit Nest und 4 Jungen, von Herrn Revierförster Glaiber in Welzheim; sh ylvia leucocyana Brehm, Weibchen, Pratincola rubetra Koch, altes Männcher Parus palustris L., Nest mit 9 Eiern, von Herrn Carl Ebert in Heilbronn; Circus ceineraceus Montagu, altes Weibchen, von Herrn Forstverwalter Stier in Thannheim; Ciconia alba Briss., 3 Tage altes Junge, von Herrn Gustav Werner; Buteo vulgaris Bechst., 2 Eier, v. Herrn Kaufmann H. nuert in Nagold; Cypselus Apus L., altes Männchen, von Herrn Carl v. Stockmaier- Br 15 nr Parus major L., ungewöhnlich grosses Nest, von Herrn Graf v. Taube. III. Reptilien. Als Geschenke: Pelias Berus Merr. var. (. Vipera prester L.) aus Auingen, von Herrn Waisenhaus-Aufseher Hess. IV. Fische. Als Geschenke: Phoxinus laevis Ag., aus Bächen, von Herrn Graf v. Beroldingen in Ratzenried; Perca fluviatilis L., eintägige Junge, von Dr. E. Bessels. V. Crustaceen. Als Geschenk: Astacus fluviatilis Gesner, alte Männchen, blaue Varietät, von Herrn Pfarrer Rieber in Diepolzhofen. VI. Insecten. Als Geschenk: 81 Species in 150 Stücken, von Kochendorf, von Herrn Stadtdirectionswundarzt Dr. Steudel. VI. Arachniden. Als Geschenk: Tetranychus telarius .L., Spinnmilbe, auf Erdbeeren, von Herrn Dr. F. Krauss. VII. Annulaten. Als Geschenk: Clepsine marginata Müller, auf Blättern im Dachensee, von Herrn Dr. E. Bessels. IX. Helmintha. Als Geschenk: Taenia plicata-Rud., aus dem Dünndarm eines Pferdes, 5 von Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Hering. x -Mollusken. Als Geschenk: Conchylien 9 Species in 146 Stücken, von Heilbronn, von Herrn Dr. Fricker in Heilbronn. Durch Kauf: Conchylien 26 Arten in 90 Stücken, von Wasseralfingen. XI Petrefacten. Als Geschenk: Lepidotus aus Lias eg von Herrn Oberamtmann Leipold in Rottweil. Durch Kauf: ca. 300 Arten und 1000 Stücke bei Wasseralfingen. XI. Mineralien. Als Geschenk: eine Kalkspath-Druse, - von Herrn Oberamtmann Leypold in Rottweil. B. Botanische Sammlung. (Zusammengestellt von G. v. Martens.) Von Herrn Apotheker Becher in Heubach erhielten wir die bei uns nichts weniger als gemeine Globularia vulgaris L. vom Rosen- stein und einen kleinen Pilz. Herr Pfarrer S. Engert zu Oberdettingen Oberamts Biberach hat sich die möglichst vollständige Kenntniss der Moose und Flechten des unteren Illergebietes zur Aufgabe gestellt, und mit Hülfe des Herrn Lehrers Haeckler zu Bohlanden die bedeutende Zahl von 117 der Ersteren und 34 der Letzteren gefunden und eingesendet. Der Werth der Moose ist dadurch sehr erhöht worden, dass der berühmte Bryologe, Professor Schimper, die Gefälligkeit gehabt hat, sie eigenhändig zu taufen, Barbula unguiculata ß cuspidata Schimper, Barbula subulata 8 angustata Sch., Orthotrichum leucomitrium Bruch et Sch., Hypnum Sommerfeltii Sch. und Hypnum Juratzkanum Sch. sind neu für unsere Flora; Orthotrichum pumilum Swartz und ß fal- lax Sch., Orthotrichum speciosum Nees, Ulota Bruchiü Sch., Webera elongata Schwaegr. und Eurhynchium velutinoides Sch. waren zwar schon in Württemberg gefunden worden, fehlten aber noch in unserem Herbarium. Die Flechten sind meist Formen der vielgestaltigen Cladonien, neu für uns ist nur Opegrapha herpetica d. siderella Schaerer ; Vario- laria communis Acharius und discoidea Persoon, sowie Cetraria glauca Achar. fehlten unserer Sammlung. Endlich legte Herr Pfarrer 16 meist unpressbare grössere Pilze bei, grossentheils von dem von ihm hiezu aufgemunterten Färber Friedrich Merkle gesammelt, darunter neu für Württemberg Trametes gibbosa Fries, Polyporus fulvus Sco- poli und Poliporus melanopus Fries und für unser Herbarium Hyd- num coralloides Scopoi. Herr Pfarrvikar Emmerich Haerlin zu Heiningen theilte uns zehn ihm aufgefallene Phanerogamen seines neuen Aufenthaltsortes freundlichst mit, Herr Professor Dr. Hegel- maier in Tübingen schöne Exemplare von Grimmia Hartmanm Schimper und Sticta fuliginosa Dickson. Herr Oberstudienrath Dr. v. Krauss fand am 25. sat v. J. an einem grossen Weidenbaum am Nesenbach im unteren Schloss- garten ein Riesen-Exemplar des gelben Löcherpilzes, Polyporus sul- phureus Scopoli, und es gelang ihm, diese Masse als Prachtexemplar . unserer Pilzsammlung aufstellen zu könnon. Unter 15 von Herrn Pfarrer Sautermeister in Haussen am Thann, Oberamts Rottweil, übermachten Pflanzen, welche wie Aspi- dium Lonchitis Swartz und Rosa alpina L. die oberschwäbische Flora an die benachbarte der Alpen knüpfen, befindet sich die ansehnliche Oystopteris montana Link als interessante neue Entdeckung für unsere Flora. Von Herrn Pharmaceuten Sautermeister erhielten wir eine kleine Kalkalge, Ainactis calcarea Kützing. Unter 22 Phanerogamen, welche uns Herr Lehrer Scheuerle in Frittliugen, Oberamts Spaichingen, vorlegte, befinden sich 14 Weiden, mit welchen er sich vorzugsweise beschäftigt, darunter drei bei uns früher nicht beobachtete Bastarde, Salie purpurea-repens Wimmer, 8. aurita-incana Wim. und $. daphmoides-incana Scheuerle. Von Herrn Präceptor Schöpfer in Ludwigsburg erhielten wir, wie schon früher von Herrn Sch euerle, die in der Flora von Württem- berg Seite 404 vorausgesagte Veronica agrestis Fries. | Herr Thurnlehrer Seyerlen in Biberach, ein eifriger Pflanzen- forscher, welcher durch die Herausgabe einer Gräser-Sammlung an- gehenden Botanikern eine bedeutende Erleichterung und Aufmunterung bietet, hat uns 34 der selteneren Pflanzen von Biberach in gut einge- lesten Exemplaren zugestellt und darunter, was jetzt bei den Phane- rogamen nicht mehr so leicht ist, einen fur unsere Flora neuen Fund. Im Juni vorigen Jahres entdeckte er nämlich an dem Ufer des Aiweihers bei Stafflangen, 1%, Stunden westlich von Biberach, den äussersten südlichen Vorposten der in der Schweiz und ganz Südeuropa Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 2 ® BU N fehlenden wurzelnden Binse, Scirpus "radicans Schkuhr. Diese der Waldbinse am nächsten verwandte Pflanze hat mit den unendlich weit von ihr entfernten Brombeeren eine schon dem Plinius an letzterer aufgefallene Vermehrungsweise gemein; von den Halmen der in dich- tem Rasen auf weichem Schlammboden wachsenden Binse entwickeln die einen grosse Blüthenrispen mit zahllosen Samen, sparsamer aber mit sicherem Erfolg verlängern sich die anderen ohne zu blühen bis über 3 Fuss, neigen sich in einem Bogen mit der Spitze dem Boden zu, in welchem sie Wurzel schlagen und im folgenden Frühling einen neuen Ansiedler entwickeln, während der übrige Theil des Halmes im Winter abstirbt, so den aufrechten Halm in einen den Schnüren der Erdbeeren entsprechenden Ausläufer metamorphosirend. Unser vieljähriges Mitglied, Herr Apotheker Valet in Schussenried, theilte uns mehrere Exemplare dieser Binse mit, nebst dem vereinzelt hie und da auftretenden Leonurus Cardiaca L. und der mit dem Ge- treide aus wärmeren Ländern eingeführten Crepis setosa Haller fil. Endlich lieferte der Custos des Herbariums als Beitrag zu den Pflanzen-Missbildungen einen bandförmigen Stengel der Wegwarte, Ci- chorium Intybus L. mit mehr als fünfzig Blumen, und Herr Revier- _ förster Glaiber in Welzheim als Curiosum einen tannenen Stumpen, in welchen ein hölzerner Keil vor vielen Jahren eingetrieben worden ist, wahrscheinlich zur Heilung eines Leibschadens durch Sympathie. Wir haben sonach in diesem Jahre 256 Arten erhalten, nämlich 84 Gefässpflanzen und 172, also mehr als doppelt so viele Zellenpflanzen. Die Vereinsbibliothek hat folgenden Zuwachs erhalten: a) Durch Geschenke: List of vertebrated animals living in the gardens of the zoological society of London, 4. edition. London 1866. 8°. Von Dr. Selater. 4 Conditions and doings of the Boston society of natural history, as exhibited by the annual reports of the custodian, treasurer, li- brarian and curators. Mai 1867. 1868. 8°. Annual of the Boston society of natural history 1868—1869. 1. Boston 1868. 8°. Annual of the national academy of sciences for 1866. Cambridge 1867. 8°. Von der Gesellschaft. Index to Vol. L.—XI. of observations of the genus Unio together with description of new species of the family Unionidae and descriptions of new species of the Melanidae, Paludinae, Heli- ceidae etc. by Isaac Lea. Philadelphia 1867. 4°. E Vom Verfasser. Verzeichniss der in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von 1804—1863 incl. enthaltenen Aufsätze. Breslau 1868. 8°. Von der Gesellschaft. Sulzfluh. Excursion der Section Rhätia in Chur. 1865. 8°. Von der Section Rhätia. Sea and River-side Rambles in Victoria. London 1860. 8°. Von Dr. Ferd. v. Müller in Melbourne. 27. Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Nebst der 22. Lief. der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Ens. Linz 1868. 8°. Von Custos C. Ehrlich. Geognostische Wanderungen im Gebiete der Trias Frankens von Carl Zelger. Würzburg, J. Staudinger 1867. 8°. Zur Anzeige in den Jahresheften. Dr. H. G. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs darge- stellt in Wort und Bild. Fortgesetzt von Dr. A. Gerstäcker. Bd. 5. Lief. 7--10. Gliederfüssler. > a © Vögel. Leipzig und Heidelberg, Winter 1868. 8°. Zur Anzeige in den Jahresheften. Dr. Jul. Hoffmann, die Waldschnepfe. Ein monographischer Beitrag zur Jagdzoologie. Stuttgart 1868. 8°. Vom Verfasser. Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der k.land- und forstwirthschaft- lichen Akademie Hohenheim. Stuttgart 1868. 8°. Von der k. Akademie. Meteorologische Beobachtungen, angestellt in Dorpat im Jahr 1868, redig. und bearb. v. Dr. A. v. Oettingen. 2. Jahrg. Dorpat 1869. 8°. Vom Verfasser. Ueber die Grenze zwischen Jura- uud Kreideformation von Peter Me- rian. Basel 1868. 8°. Vom Verfasser. Observations des phenomenes periodiques pendant les annees 1865 et 1866. Extr. T. 37. des Me&m. acad. roy. de Belgique. Von A. Quetelet. Württembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 21. Heft 2—3. » 22. 2. 1-2. 2 * Jahrg. 23. Heft 1—3. > 3 24, Ro: » 25. » 1. Stuttgart 1865—69. 8°, Paläontologische Mittheilungen aus dem Museum des kön. Bayerischen Staates, begonnen von Dr. A. Oppel, fortgesetzt von Dr. K. A. Zittel. Bd. II. Abth.1. Die Cephalopoden der Stramberger Schichten. Stuttgart 1868. Fol. Beide von der Verlagshandlung Ebner und Seubert. Det kongelige Norske Frederiks Universitets Aarsberetning for 1867. 8°. Meteorologiske Jagttagelser paa Christiania Observatorium 1867. Fol. Bidrag til Kundskab om Christiania fjordens Fauna af Dr. M. Sars. 1868. 8°. M&moires pour servir & la connaissance des Crinoides vivants par Mich. Sars. Christiania 1868. 4°. Von der k. Universität in Christiania. b) Durch Austausch unserer Jahreshefte, als Fort- setzung: Annales del Museo publico de Buenos Aires. Entrega quinta 1868. Fol. Annals of the Lyceum of natural history of New-York. Vol. VII. No. 15—17. April—Mai 1867. Annuaire de l’academie royale des sciences, des lettres et des ba arts de Belgique. Anne 35. Breralles 1869. 8°, Bulletin de l’academie royale des sciences... de Belgique. Annee 37. 9. serie. T. 25. 26. Bruxelles 1868. 8°. Bulletin de la societe geologique de France. 2. serie. T. 25. No.1—5. Paris 1867—68. 3 26.000. 1. Paris 1868—69. Bulletin de la soci6te imperiale des naturalistes des Moscou. Annee 1868. No. 1. 2. Bulletin de la societe des seiences naturelles de Neuchatel. T. VIH. cah. 1. Neuchatel 1868. 8°. Bulletin des seances de la societ€ Vaudoise des sciences naturelles. Vol. IX. No. 55. 58. 59. Vol. X. No. 60. 61. Lausanne 1866—69. 8°. Jaarboek van de kon. Akademie van Wetenschappen gevestigt te Am- sterdam. Voor 1867. Amsterdam. 8°. Catalogus van de Boeckerij der k. Akademie van Wetenschappen in Amsterdam. Deel. II. Stuk 2. 1868. 8°. The Quarterly Journal of the geological society of London. Vol. XXIV. Part. 3. 4. Vol. XXV. Part. 1. No. 95—97. London 1868—69. 8°. Materiaux pour la carte g@ologique de la Suisse. V. Livraison. Jura vaudois et neuchatelois avec 2 cartes et 8 profils geologiques par A. Jaccard. Berne 1869. 4°. Memoirs read before the Boston Society of natural history; being & new series of the Boston Journal of nat. hist. Vol. I. Part. 3. Boston 1868. 4°. Memoires de la societe de physique et d’histoire naturelle de Gen&ve. T. XIX. Part. 2. Geneve 1868. 4°. Mö&moires de la societ@ royale des sciences de Li6ge. T. XVII. 2. serie. T. II. Liege 1863—67. 8°. Memoires de P’acad&mie royale des sciences, belles-lettres et arts deLwyon. Classe des sciences. T. XVI. 1866—67. Classe des lettres. T. XIII. 1866—68. Lyon und Paris. 8°. Nouveaux memoires de la societe imperiale des naturalistes de Mos- cou. T. 1-3. Moscou 1829—34. 4°. (gekauft.) Proceedings of the American association for the advancement of science. First—ninth meeting 1849—56. Fifteenth meeting at Buffalo 1867. Washington u. Cambridge. 8°. Proceedings of the Boston society of natural history. Vol. XI. Bogen 7—30. May 1867—68. Boston. 8°. Proceedings of the zoological society of London. For the year 1848—60 nebst Index. 03718676 3P3: BE 2720925577.1868. °P.)1.,2. Eondon:,, 82. Proceedings of the academy of natural sciences of Philadelphia. No. 1—4. Jan.—Dec. 1867. Philadelphia. 8°. Smithsonian contributions to knowledge. Vol. XV. Washington 1867. 42: Annual report of the board of regents of the Smithsonian insti- tution. For the year 1866. Washington 1867. 8°. Soeiet& des sciences naturelles de Luxembourg. T.X. Annee 1867 et 1868. Luxembourg. 8°. Transactions of the zoological society of London. Vol. VI. Part. 5—7. London 1868. 4°. The transaetions of the acad. of science of St. Louis. Vol.II. No. 3. 1867—68. St. Louis. 8°. Verhandelingen der kon. akademie van wetenschappen. Elfde Deel. Amsterdam 1868. 4°. Verslagen en Mededeelingen der k. akademie van wetenschappen. Af- deeling Natuurkunde. Tweede Recks. DeelII. Amsterdam 1868. 8°. Processen-verbaal van de gewone Vergaderingen der k. akad. van We- wen De tenschappen in Amsterdam van Mai 1867 — April 1868. ibid. Afdeeling Letterkunde. Deel XI. ibid. 1868. Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Physikalische Klasse. Aus dem J. 1867. Mathematische Klasse. Aus dem J. 1867. Berlin 1868. 4°. Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. X. Hft. 3. 4. Halle 1868. 4°. Abhandlungen der naturhistorischen Gesellschaft zu Nürnberg. Bd. IV. Nürnberg 1868. 8°. Abhandlungen des zoologisch-mineralogischen Vereins zu Regens- burg. 8. Heft. Regensburg 1860. 8°. Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cul- tur. Phil. histor. Abtheilung 1867 und Hft. 1 von 1868. Abth. für Naturwiss. und Medicin 1867 und Hft. 1 von 1868. Breslau. 8°. Arbeiten des Naturforscher-Vereins zu Riga. Hft.2. Riga 1868. 8°. Bericht der Wetterauischen Gesellschaft für die gesammte Naturkunde zu Hanau, vom 14. Oct. 1863 bis 31. Dec. 1867. Hanau. 8". Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Rreiburg 1. Br.’ Bd. IV. Hit. A. "Bd. vX Hit. 12 Rreibors 1867—68. 8°. 'Dreizehnter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Giessen 1869. 8°. Neue Denkschriften der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaf- ten für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. 2. 3. 4. 15. 17. 1838—60. Der zoologische Garten. Organ der zoologischen Gesellschaft in Frank- furt a. M., hg. von Dr. F. C. Noll. Jahrg. VII. No. 7—12. 1866. » IX. No. 1—12. 1868. » X. No. 2. 1869. Frankfurt a. M. 8°. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1868. Bd. XVIII. No. 2. 3. 4. >31, 86 9,0 BAR RIRE Noel Wien. 8°. Württembergische Jahrbücher für vaterländische Geschichte, Geo- graphie, Statistik und Topographie. Jahrg. 1866. Stuttgart 1868, 8”. Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften. Hg. von H. Will. Für 1867. Hft. 1. 2. Giessen 1868 69. Register zu den Berichten für 1857 —66. Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündtens. Neue Folge. 13. Jahrgang. Vereinsjahr 1867—68. Chur. 8°. 34. Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde. Mann- heim 1868. 8°. 18. 19. 25. 26. 27. Jahresbericht der Pollichia, eines naturwissenschaft- lichen Vereins der bayerischen Pfalz. Neustadt a. d.H. 8°. 45. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur im J. 1867. Breslau. 8°. Lotos. Zeitschrift für Naturwissenschaften. Hg. vom naturhistor. Ver- eine »Lotos« in Prag. Jahrg. 2—9 und 18. Prag 1852—68. 8°. Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark. Heft 4. 5. Graz 1867—68. 8°. Mittheilungen des Vereins nördlich der Elbe zur Verbreitung natur- wissenschaftlicher Kenntnisse. Heft 9. Kiel 1868. 8°. Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. Neue Folge. 1868. Wien. 8°. Monatsberichte der k. Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jan.—Dec. 1868. Berlin. 8°. Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue Folge. Bd. I. Hft. 1. Danzig 1868. 8°. Schriften der k. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg. 8. Jahrgang. Abth. 1. 2. 1867. Königsberg. 4°. Sitzungsberichte der naturwissenschaftlichen Gesellschaft »Isis«e zu Dresden, red. von Dr. Drechsler. Jahrg. 1868. No. 4—12. Dresden. 8°, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. Math.-naturwiss. Klasse. 1. Abth. Bd. 56. Hft. 2—5. Bd. 57. Hft. 1—3. 2. Abth. Bd. 56. Hft. 3—5. Bd. 57. Hft. 1—3. Wien 1867—68. 8°, Tübinger Universitätsschriften. Aus dem Jahr 1868. Tübingen 1869. 4°, Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Thl. 4. Bft. 1. Thl. 5. Hft. 1. 2: Basel 1864—69. 8°. Verhandlungen des botanischen Vereins für die Provinz Branden- burg und die angrenzenden Länder, hg. von Dr. Ascherson. 8. Jahrgang. Berlin 1866. 8°. Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brünn. Bd. VI. Brünn 1867. 8°. Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Carlsruhe. Heft 3. Carlsruhe 1869. 8°. Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1868. No. 1—18. 1869. No. 1-8. Wien. 8°. Verhandlungen der physik.-medieinischen Gesellschaft in W ürzburg. Neue Folge. Bd. I. Hft. 2. 3. Würzburg 1868. 8°. / DRAN). Is VRR Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft. 9. Versammlung in Aarau 1823. 11. » » Solothurn 1825. 15: » » St. Bernhard 1829. 20. » » Aarau 1835. 21° » » Solothurn 1836. 23. » » Basel 1838. 24. » » Bern 1839. 25. » » Freiburg 1840. 50. » » Neuchatel 1866. 51. » » Rheinfelden 1867. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und: Westphalens. Jahrg. 25. 3. Folge. 5. Jahrg. Hft. 1.2. Bonn 1868. 8°. Verhandlungen des zoologisch-botanischen Vereins in Wien. Jahrg. 1868. Bd. 18. Hiezu: Heller, die Zoophyten und Echinodermen des adriati- schen Meeres. Wien 1868. 8°. Beilreich, die Vegetationsverhältnisse von Croatien. Wien 1868. 8°. Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 20. Hft.2—4. Bd. 21. Hft.1. Berlin 1867—69. 8°. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Hg. von dem na- turwiss. Verein für Sachsen und Thüringen in Halle. Bd. 31. Jahrgang 1868. Berlin. 8°. Berliner entomologische Zeitschrift. Jahrg. 12. Hft. 1—4. 1868. Jahrg. 13. Hft. 1. 2. 1869. Berlin. 8°. 15. Zuwachsverzeichniss der k. Universitätsbibliothek zu Tübingen. 1867—1868. Tübingen. 4°. Hiezu 19 verschiedene Dissertationen. ec) Durch erst in diesem Jahre eingeleiteten Tausch- verkehr: Memoires de la societe des sciences physiques et naturelles de Bor- deaux. T. V. VI. Bordeaux 1867—68. 8°. Nach dem Rechenschaftsbericht verlas ebenfalls General- stabsarz! Dr. v. Klein für den durch Krankheit verhinderten Verfasser folgenden von Oberstudienrath Dr. v. Krauss zusam- mengestellten IR SD Set Rückblick auf die wichtigsten Vorkommnisse des Vereins von 1844 bis 1869. Zu Anfang des Jahres 1844 hielten es einige hiesige Na- turforscher mit Prof. Dr. Th. Plieninger an der Spitze für zeitgemäss, auch in Württemberg einen naturwissenschaftlichen Verein zu gründen. Sie vereinigten sich einen Entwurf für des- sen organische Bestimmungen vorzubereiten, die Freunde der Na- turwissenschaften des Landes einzuladen und die geeigneten Männer zur Leitung und Ausführung der Arbeiten zu gewinnen. Die glänzenden Resultate, die ihre Bemühungen und vor Allem die rastlose und umsichtige Thätigkeit des Professors, nun mehrigen Oberstudienraths Dr. v. Plieninger erzielten, sind in den Berichten des ersten Jahrgangs der Vereinsschrift niederge- legt. Der Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg wurde am 26. August 1844 in Stuttgart constituirt, indem durch schriftliche Abstimmung von 35 Mitgliedern der erste und zweite Vorstand Gra£ Wilhelm von Württemberg Erlaucht und Profes- sor Dr. v. Rapp, ferner 16 Män er, welche sich hier und im Lande mit Naturwissenschaften beschäftigen, als Ausschussmit- glieder gewählt wurden. Dieser Ausschuss vollendete in seiner ersten Sitzung vom 2. Sept. 1844 das geschäftsleitende Bureau durch die Wahl weiterer 6 Mitglieder zu seiner Verstärkung, der 5 Secretäre (Dr. Hering, Klein, Krauss, Kurr, Menzel) und des Kas- siers Apotheker Weismann. Die landesherrliche Sanction des Vereins durch seine Maje- stät des Königs Wilhelm erfolgte vermöge Höchster Entschlies- sung vom 11. September 1844. Zur Herausgabe der unter dem Titel: Jahreshefte des Ver- eins für vaterländische Naturkunde bezeichneten Vereinsschrift wählte der Ausschuss den 13. November 1844 die ersten Re- dactions-Mitglieder: Prof. Dr. H. v. Mohl, Prof. Dr. Th. Plie- ninger, Prof. Dr. Fehling, Dr. Menzel und Dr. F. Krauss. Das erste Jahresheft erschien im Frühjahr 1846. Der Ausschuss OR beschloss ferner, dass im Schoosse des Vereins jeden Winter naturwissenschaftliche Vorträge für die Mitglieder gehalten werden sollen, die bis daher auch ununterbrochen fortgesetzt worden sind. Als die ersten Ehrenmitglieder wurden wegen ihrer hervor- ragenden Verdienste um die naturwissenschaftlichen Sammlungen Württembergs Herzog Paul von Württemberg Hoheit und Baron Dr. v. Ludwig in der Kapstadt ernannt, und ebenso später unter dem 31. August 1848 Dr. v. Barth in Calw und Prof. Dr. v. Glocker in Breslau. Die erste Generalversammlung hielt der Verein den 2. Mai 1845 in Stuttgart, in welcher über die Begründung und erste Thätigkeit Bericht erstattet wurde. Der Verein zählte damals schon. 322 ordentliche Mitglieder und hatte eine Einnahme von 920 fl. 42 kr. Wie der Verein sich mit dem Verein für Vater- landskuude und der K. Centralstelle des landwirthschaftlichen Ver- eins in Verbindung gesetzt hatte, so beschloss er den 7. No- vember 1845 mit anderen Gesellschaften ähnlicher Tendenz in Schriften- Austausch zu treten. Seine Majestät der König Wilhelm hat den 19. März 1846 das Protectorat des Vereins gnädigst übernommen. Die zweite Generalversammlung vereinigte am 1. Mai 1846 die Mitglieder zum Erstenmal in der neuen Aula in Tübingen. In den Verhandlungen wird die Herausgabe der württem- bergischen meteorologischen Jahresberichte in einem dritten Heft der Vereinsschrift festgestellt, von welchen dann auch der erste von 1845 im II. Jahrgang erschien. Die für Ulm ausgeschriebene vierte General-Versammlung musste im Jahr 1848 wegen der politischen Ereignisse vertagt werden. Einen der für die Thätigkeit des Vereins wichtigsten Be- schlüsse fasste der Ausschuss mit Stimmen-Einhelligkeit am 1. Fe- bruar 1849, indem er die Anlage einer Sammlung vaterländischer Naturalien anordnete, womit auch die General-Versammlung in Ulm am 30. April 1849 zustimmte. Der Ausschuss reducirte den 3. Mai 1849 die Zahl der bisherigen 5 Secretäre und wählte hiezu Dr. v. Klein und Dr. Krauss, die dieses Amt bis heute versahen. Mit dem Beschluss eine Naturalien-Sammlung anzulegen kam auch die Sorge, dieselbe in einem geeigneten Lokal unter- zubringen. Hiezu bot sich bald eine erwünschte Gelegenheit dar. Die Centralstelle für die Landwirthschaft zeigte sich geneigt, ihre in dem Staatsgebäude hinter der K. Thierarzneischule aufgestellte Sammlung vaterländischer Naturalien, welche seit 1818 von pa- triotischen Männern des Landes durch Geschenke vermehrt und durch Prof. Dr. Plieninger verwaltet wurde, dem Vereine zur Benützung und Verwaltung zu übergeben. Die Verhandlungen hierüber führten Director v. Sautter und von Seiten des Aus- schusses Dr. v. Hardegg und Krauss. Durch hohen Erlass vom 29. Juli 1850 wurde die Uebergabe der Sammlung an den Verein nach einem beiden Theilen convenirenden Statut für ihre Verwaltung genehmigt. Eine desshalb auf den 18. August 1850 in Stuttgart einberufene ausserordentliche General-Versammlung, in welcher Prof. Dr. Plieninger einen geschichtlichen Ueber- blick über die Sammlung und die Verhandlungen vortrug, beschloss alsdann die Uebernahme der Sammlung ohne Widerspruch und eröffnete zugleich den neugewählten Conservatoren Krauss, Sau- cerotte, v. Martens, Kurr und Weismann einen Credit von 500 fl. zu den für beste Anordnung und Aufstellung nöthigen Einrichtungen. Nach vorgenommener Sichtung der Sammlung von den un- brauchbaren und nicht in Württemberg vorkommenden Gegen- ständen konnte dann mit der neuen Aufstellung einer Sammlung württemb. Naturalien begonnen werden, die wöchentlich zweimal dem Zutritt des Publikums geöffnet wurde. Die Rechte einer juristischen Person sind dem Verein durch Höchste Entschliessung von der K. Kreisregierung am 8. October 1861 verliehen worden. Die erste Statuten-Abänderung erfolgte 1852 bei der Ver- sammlung in Tübingen, welche die Verlegung der Generalver- sammlungen vom 1. Mai auf den 24. Juni genehmigte. Am 3. September 1852 stellte der Ausschuss genaue Be- stimmungen über die Ausführung der Redaction der Vereinshefte für die Redactionsmitglieder fest. Die neunte Generalversammlung in Esslingen 1854 erwählte Prof. Dr. v. Rapp zum ersten und Prof. Dr. v. Kurr zum zweiten Vorstand. Im Sommer 1856 brachte Prof. Dr. Krauss die Heraus- gabe einzelner interessanter geognostischer Karten Württembergs mit Zugrundlegung des topographischen Atlasses in Berathung. In Folge dessen hat das K. Finanzministerium am Schluss des- selben Jahres eine Kommission zur Berathung solcher Karten, zur Hälfte aus Vereinsmitgliedern, niedergesetzt und mit Bewilli- gung der erforderlichen Geldmittel die Ausführung dem K. stati- stisch-topographischen Bureau übertragen. Prof. Dr. Fraas übernimmt im Oktober 1856 für Prof. Dr. v. Kurr das Amt eines Conservators über die geognostisch- paläontologische Sammlung. Die vierzehnte Generalversammlung in Stuttgart 1859 be- schloss, dass die meteorologischen Berichte in Württemberg nur dann in die Jahreshefte aufgenommen werden sollen, wenn sie nach Dove’s Plan in Uebereinstimmung mit den norddeutschen Berichten ausgearbeitet sind. Da der später von dem K. stat.- topographischen Bureau eingeschickte 31. u. 32. meteorologische Jahresbericht von Prof. Dr. Plieninger diesem Beschlusse nicht entsprach und auch die gewünschte „allgemeine Schilderung der Jahrgänge“ nicht enthielt, so musste die Veröffentlichung der- _ selben unterbleiben. . Im Januar 1860 übernahm Hospitalverwalter Seyffardt für den dahingeschiedenen bisherigen Kassier, Apotheker Weis- mann, das Kassenamt. In der siebenzehnten Generalversammlung 1862 in Esslin- gen wurde der Vertrag mitgetheilt, welchen der Ausschuss mit den Erben des verstorbenen Staatsrath v. Roser wegen der von demselben hinterlassenen Sammlung von Insekten und entomo- logischen Büchern abgeschlossen hat. Hienach wurden gedachte Sammlungen dem Verein jetzt schon zur Benützung und Aufbe- wahrung unter der Bedingung übergeben, dass sie einem v. Roser’schen Enkel, der das erforderliche wissenschaftlishe Inte- resse für die Insektenwelt innerhalb der nächsten 10 Jahre deut- lich beurkunde, wieder zurückzustellen seien, dass aber, wenn dieser Fall nicht eintrete, nach Ablauf der genannten Frist Alles volles Eigenthum des Vereins werde. Der Verein machte sich zugleich verbindlich, die übergebenen Sammlungen als ungetrenn- tes Ganzes bis zum 1. März 1872 aufzubewahren und für deren Conservirung zu sorgen, was inzwischen pflichtlich geschehen ist. Das Aufstellungs-Lokal für die vaterländische Sammlung der K. Centralstelle und des Vereins erwies sich wegen der Ent- fernung von der Stadt je länger je mehr als unzweckmässig für die Besuchenden wie für die, welche die Verwaltung und. Bear- beitung zu besorgen hatten. Eine sehr willkommene Gelegenheit zu ihrer Uebersiedlung nach der Stadt fand sich durch den neuen Flügelanbau des K. Naturalien-Kabinets und durch die darin be- absichtigte Aufstellung einer Centralsammlung württembergischer Naturalien, auf welche Dr. F. Krauss seit Jahren als eine Lieblingsaufgabe unverdrossen hinarbeitete. Nach einem Erlass vom 20. November 1863 genehmigte das K. Ministerium des Innern die Uebergabe der dem Verein anvertrauten Sammlung der K. Centralstelle als Staatseigenthum an das K. Naturalien- Kabinet und das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens gestattete dem Verein, dass seine eignen Sammlungen zum erwähn- ten Zweck uud räumlich vereinigt mit den Staatssammlungen nach festgestellten Bestimmungen in dem neuen Flügel aufgestellt werden dürfen. Nachdem hierauf die neunzehnte Generalversamm- lung 1864 in Wasseralfingen zur Erläuterung des $. 26 der Ve- reinsstatuten für den Fall eiuer Auflösung des Vereins den Be- schluss gefasst hatte, dass jetzt schon als die in diesem Para- graphen genannte Öffentliche wissenschaftliche Anstalt die Königl. Direction der wissenschaftlichen Sammlung des Staats bezeichnet werde, wurden im Herbst 1865 durch die Conservatoren Dr. Krauss und Dr. Fraas die Sammlungeu aus dem bisherigen Gebäude in das K. Naturalien-Kabinet übergesiedelt, wo nun die Gegenstände beider Sammlungen durch verschiedenartige Etiketten so bezeich- ‘net sind, dass sie jederzeit leicht erkannt werden können. Diese ae ao Lokal-Sammlung, die seit dem 15. April 1867 täglich zweimal dem freien Zutritt des Publikums geöffnet ist, hat sich bis daher des Beifalls der Männer vom Fach wie aller Besuchenden zu erfreuen. Nach dem Tode des Höchstseligen Königs Wilhelm haben Seine Majestät König Karl mittelst Cabinetsschreibens vom 17. October 1864 der Bitte des Ausschusses um Uebernahme des Protectorats des Vereins, in Anerkennung der vorzüglichen Ver- dienste desselben um die Erforschung der natürlichen Verhält- nisse Württembergs entsprochen. Im XXI. Jahrgang der Vereinsschrift erschienen von Dr. Wer- ner das Register über die 20 ersten Jahrgänge der Jahreshefte und von Prof. Dr. Krauss der Catalog über die Vereinsbibliothek, die nun ebenfalls im neuen Flügel des. K. Naturalien-Kabinets zu jederzeitiger Benützung der Mitglieder aufgestellt ist. Im Jahr 1866 musste die einundzwanzigste Generalversamm- lung in Heilbronn wegen der politischen Ereignisse auf den 4. October verlegt werden. In der zweiundzwanzigsten Gen ralversammlung 1867 in Stuttgart wurde für Unterstützung des in Südafrika reisenden Württembergers Carl Mauch und in der dreiundzwanzigsten 1868 in Ulm für die der deutschen Nordpolexpedition gewirkt. Diesem kurzen Rückblick auf die wichtigsten Vorkommnisse während des 25 jährigen Bestehens des Vereins füge ich noch folgende Zusammenstellungen an. Der Verein zählt heute 436 ordentliche Mitglieder. Seit seiner Gründung haben sich im Ganzen 852 ordentliche Mitglieder aufnehmen lassen, davon sind 273 wieder ausgetreten und 143 gestorben. Die höchste Zahl der Aufgenommenen fällt, das Gründungsjahr mit 322 Mitgliedern ausgenommen, in die Jahre 1855 mit 40, 1865 und 1866 mit je 33 Mitgliedern, die der Ausgetretenen in die politischen Jahre 1848 bis 1852 mit 27 bis 36, die der Gestorbenen auf 1859 mit 12 und auf 1863 mit 16 Mitgliedern. Zu Ehren-Mitglieder wurden bis jetzt nur 4 Württem- EN REN berger, die sich für die vaterländischen Naturaliensammlungen besonders verdient gemacht haben, und aus Anlass der heutigen Feier 6 hervorragende Naturforscher ernannt. Zu correspondirenden Mitgliedern wurden seit der Gründung des Vereins 29 ausgezeichnete Gelehrte erwählt, von welchen wir 6 durch den Tod verloren haben. Durch Gedächtnissreden sind in unserer Vereinsschrift geehrt worden: die Ehrenmitglieder Herzog Paul Wilhelm von Würt- temberg, Freiherr Dr. vv. Ludwig und Dr. v. Barth, ferner Oberbaurath v. Bühler, Bergrath Fabre du Faur, Inspector v. Fleischmann, Dr. v. Gärtner, Prof. Dr. Chr. Gmelin, Obermedicinalrath Dr. v. Hardegg, Oberamtsarzt Dr. v. Hartmann, Bergrath Dr. Hehl, Professor Dr. v. Holtz- mann, Obermedicinalrath Dr. G. v. Jäger, Staatsrath Dr. v. Kielmeyer, Apotheker Dr. Lechler, Oberfinanzrath v. Nörd- linger, Prof. v. Nörrenberg, Prof. Dr. A. Oppel, Staats- rath v. Roser, Obermedicinalrath Dr. v. Schelling, Professor Dr. Schlossberger, Bergrath v. Schübler, Graf v. Secken- dorf, Director v. Seyffer, Professor Dr. G. C. L. Sigwart, Oberamtsarzt Dr. v. Steudel, Apotheker Weismann, Apo- theker Dr. G. H. Zeller, Professor Zenneck und Major v. Zieten. Die vaterländische Naturalien-Sammlung hat sich von 1844 bis zum 24. Juni 1869 vieler Stiftungen und Schenkungen zu erfreuen gehabt und wird ihren Gönnern, deren Namen in der Vereinsschrift und auf der Etikette des Ge- schenks bemerkt sind, stets ein dankbares Andenken bewahren. Die Namen der Stifter sind: Inspector v. Fleischmann in Stuttgart, Dr. v. Gärtner in Calw, Fabrikant Albert Reiniger in Stuttgart, Otto, Graf v. Salm in Stuttgart, Apotheker Weismann in Stuttgart. ae Die Namen der Geschenkgeber sind: Seine Majestät König Karl von Württemberg, Seine Majestät der Höchstselige König Wilhelm von Würt- temberg, Seine Königliche Hoheit Prinz Friedrich von Württem- berg, Seine Hoheit Prinz Hermann von Sachsen - Weimar- Eisenach. Ackermann, Schulmeister in Sersheim, Bacher, Wundarzt in Heidenheiın, Bauer, Apotheker in Isny, Bauer, -Präparator in Tübingen, Baur, Dr. in Königsbronn, Becher, Apotheker in Heubach, Beck, Albert, Fabrikant in Heidenheim, v. Beroldingen, Graf in Ratzenried, Bertsch, Verwalter in Monrepos, Bessels, Dr. in Heidelberg, Bilfinger, Bergrath in Stuttgart, Binder, Baurath in Stuttgart, Blattmacher, Revierförster in Unterbrändi, Bonz, Buchhändler in Stuttgart, Bräuninger, Friedr., Badinhaber, Jaxtfeld, Brudy, Revierförster in Ellwangen, v. Bühler, Oberbaurath in Stuttgart, Bührlen, Revierförster in Nagold, Brücklacher, Kaufmann in Freudenstadt, Bruckmann, Apotheker in Grossbottwar, Bruckmann, Dr. Baurath in Stuttgart, Calwer, Dr. Revierförster in Sulz, Commerell, Revierförster in Maulbronn, Daulte, Fr., Institutslehrer in Ludwigs burg, Deeg, Bierbrauer in Ilsfeld, Deffner, Carl, Fabrikant in Esslingen, Denninger, Stadtrath in Stuttgart, Denzler, Rentbeamter in Roth, Dietler, Revierförster in Schnaitheim, Dietrich, Apotheker in Stuttgart, Dörner, Th., Kaufmann in Bietigheim, Dorrer, Forstrath in Stuttgart, Drautz, Friedr., Kaufmann in Heilbronn, Ducke, Apotheker in Wolfegg, v. Dürrich, Major in Stuttgart, Ebert, Carl in Heilbronn, Ebner, Albert, Buchhändler in Stuttgart, Edelmann, Forstwart in Thannheim, Elwert, Amtsnotar in Weingarten, Endlich, Studiosus in Tübingen, Engert, Pfarrer in Oberdettingen, v. Entress-Fürsteneck, Revierförster in Winnendei, Erlenmeyer, Revierförster in Ringingen, Eser, Finanzrath in Stuttgart, Essig, Heinrich, in Leonberg, Eulenstein, Theodor, in Dresden, Finckh, Carl, Kommerzienrath in Reutlingen, Finckh, Dr. Oberamtsarzt in Urach, Fischer, J. G., Dr. Professor in Stuttgart, Fischer, J. A., Apotheker in Haigerloch, Fischer, Otto, Apotheker in Haigerloch, v. Fleischer, Dr. Professor in Hohenheim, Fraas, Dr. Professor in Stuttgart, Fribolin, Revierförster in Bietigheim, Fricker, Med. Dr. in Heilbronn, Frickinger, Apotheker in Nördlingen, Frisoni, Dr. Hofzahnarzt in Stuttgart, Friz, Reallehrer in Heidenheim, Fuchs, Oberamtsrichter in Mergentheim, Gärttner, Fabrikant in Stuttgart, v. Gaisberg, Revierförster in Beilstein, Gauss, Kameralverwalter in Lorch, Gauss, Revierförster in Rosenfeld, Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 8 Sun BU Gauss, Forstwart in Harrasheim, Gawatz, Forstwart in Pflummern, v. Gemmingen, Freiherr in Babstadt, Gessler, Apotheker in Wurzach, Glaiber, Revierförster in Welzheim, Glaiber, Forsteandidat in Kleinaspach, Gmelin, W., Obertribunalrath in Stuttgart, Gmelin, Dr. in Geisslingen, Gmelin, P. Fabrikant in Göppingen, Gönner, Revierförster in Neufra, Gräter, Apotheker in Stuttgart, Gräter, Büchsenspanner in Oberndorf, Grellet, Wilhelm, in Stuttgart, v. Gültlingen, A., Freiherr, in Tübingen, Gundlach, Postmeister in Blaufelden, Günther, Dr. in London, Günzler, Pfarrer in Weiler, Gutbrod, Med. Dr. in Stuttgart, Gutekunst, Geognost in Ulm, v. Gwinner, Forstrath in Stuttgart, Härlin, Pfarrvikar in Heiningen, Häussler, Revierförster in Altenstadt, v. Hahn, Oberforstrath in Stuttgart, Hahn, Secretär in Stuttgart, Hahne, Inspector in Wasseralfingen, Haiss, Apotheker in Schorndorf, Harz, Pharmazeuth in Haigerloch, Hartmann, Dr. Oberamtsarzt in Reutlingen, Hartmann, Pfarrer in Wippingen, v. Hayn, Freiherr, Hofmarschall in Stuttgart, Hebsacker, Kameralverwalter in Rottweil, Hegelmaier, Dr. Professor in Tübingen, Heimerdinger, Dr. Stabsarzt in Asberg, Hildenbrandt, Geognost in Ohmenhausen, Hepp, Revierförster in Abtsgmünd, v. Hering, Obermedicinalrath in Stuttgart, a Hering, Buchdruckereibesitzer in Stuttgart, Hess, Waisenhaus-Aufseher in Stuttgart, v. Heuglin, Hofrath in Obertürkheim, Hochstetter, Apotheker in Esslingen, Hofer, Dr. Oberamtsarzt in Biberach, v. Hügel, Freiherr, Forstmeister in Urach, Huss, Revierförster in Lorch, Imhof, Revierförster in Wolfegg, Jäger, Gustav, Dr. in Stuttgart, Jäger, Präparator in Stuttgart, Jäger, Öberförster in Comburg, Jäger, Revierförster in Nattheim, Jobst, Karl, Kaufmann in Stuttgart, Jung, Reallehrer in Wangen, Junginger, Revierförster in Rottenmünster, v. Kapff, Dr. Oberkriegsrath in Stuttgart, Kapff, Dr. Oberamtsarzt in Esslingen, Karrer, Friedr., Forstwart in Kleebronn, Keerl, Pfarrer in Dünsbach, Kehrer, Professor in Heilbronn, Kemmler, Pfarrer in Donnstetten, Kerner, Apotheker in Besigheim, Kissling, Apotheker in Ulm, v. Klein, Dr. Generalstabsarzt in Stuttgart, Klein, Dr. in Heidelberg, -Kleinerz, Dr. in Herrenalb, Klemm, Bauinspector in Geisslingen, Knapp, Kameralverwalter in Roth a/S., Koch, Schullehrer in Sondernach, Kohl, Heinrich, Particulier in Stuttgart, v. König, Richard, Freiherr in Warthausen, v. Kolb, Regierungsrath in Ulm, Kolb, Präceptor in Stuttgart, Kopp, J., Forstcandidat in Stuttgart, Krauss, Dr. Oberamtsarzt in Tübingen, v. Krauss, Dr. Oberstudienrath in Stuttgart, 3 Eu — Krausser, Bergraths-Registrator in Stuttgart, v. Kurr, Dr. Oberstudienrath in Stuttgart, Kutroff, Forstmeister in Söflingen, v. Lang, Forstmeister in Cannstatt, La Nicca, Fabrikant in Langenargen, Laroche, Oberförster in Mergentheim, Lechler, Ewald, Pharmaceut in Nürtingen, Leibold, Wundarzt in Kochendorf, Lenz, August, in Stuttgart, Lezerkoss, Lehrer in Ruppertshofen, Leube, Gustav sen, Dr. in Ulm, Leypold, Oberamtmann in Rottweil, Lindauer, Theodor, in Stuttgart, Lörcher, Reallehrer in Schorndorf, Lorenz, Badwirth im Neustädtle, Lutz, Apotheker in Dürrmünz, v. Maldeghem, Carl, Graf in Stotzingen, v. Mandelslohe, Graf in Mergentheim, v. Martens, Dr. Georg, Kanzleirath in Stuttgart, v. Martens, Eduard, Dr. in Berlin, Martin, L., Präparator in Stuttgart, Mögle, L. in Stuttgart, Mohr, H., Banquier in Stuttgart, Morstatt, Apotheker in Cannstatt, v. Mühlen, Revierförster auf der Solitude, Müller, O.A.-Sparkassier in Wangen, Nestel, Revierförster in Eltingen, Neuber, Pfarrer in Limbach, Nördlinger, Dr. Forstrath in Hohenheim, Oberdörfer, J. G., Vereinsaufwärter im Stuttgart, Oppel, Albert, Dr. Professor in München, Paulus, Forstmeister in Lorch, Perrot, Schulmeister in Auendorf, Peter, Reallehrer in Heilbronn, Pfeilsticker, Regierungsassessor in Ulm, Pfizenmaier, Revierförster in Bebenhausen, en v. Plieninger, Dr. Oberstudienrath in Stuttgart, Plochmann, Forstmeister in Blaubeuren, Ploucquet, H., Präparator in Stuttgart, Probst, Forstmeister in Weingarten, Probst, Forstmeister im Zwiefalten, Probst, Pfarrer in Mettenberg, v. Pückler-Limburg, Graf, Oberst in Stuttgart, Rath, Oeconom in Aglishardt, Rathgeb, Apotheker in Ellwangen, v. Rapp, Dr. Professor in Tübingen, Rapp, Revierförster in Weissenau, v. Rassler, Oberst in Weitenburg, Rau, Revierförster in Geradstetten, Rau, Revierförster in Bodelshausen, Reichert, August, Kaufmann in Nagold, Reichert, Hermann, Kaufmann in Nagold, Reichert, Friz, in Wildberg, Reihlen, M., Apotheker in Stuttgart, Reinhold, K., Büchsenspanner in Stuttgart, Reiniger, Albert, Fabrikant in Stuttgart, Renz, Dr. Regimentsarzt in Stuttgart, Reuss, Revierförster in Hirschau, Rieber, Pfarrrer in Diebolzhofen, Riecker, Apotheker in Backnang, Riegel, Revierförster in Adelmannsfelden, Riegel, Ingenieur in Nürtingen, Roman, Med. Dr. in Heilbronn, Rominger, Joh., Kaufmann in Stuttgart, Roos, Hofbüchsenmacher in Stuttgart, v. Roser, Staatsrath in Stuttgart, Rosshirt, Revierförster in Schrozberg, Rueff, Dr. Director in Stuttgart, Salzmann, Med. Dr. in Esslingen, Sattler, Kaufmann in Ravensburg, Saucerotte, Hofrath in Stuttgart, Sautermeister, Pfarrer zu Hausen am Thann, SE Wa Sautermeister, Apotheker in Klosterwald, Schad, Collaborator in Tuttlingen, Schaupp, Oberamtssparkassier in Tuttlingen, Schäuffelen, Richard, Fabrikant in Heilbronn, Scheuerle, Lehrer in Frittlingen, Schnell, Paul, in Besigheim, Schöpfer, Präceptor in Ludwigsburg, Schott v. Schottenstein, Freiherr, Hofmarschall in Stutt- gart, Schüz, Med. Dr. in Calw. Schuler, Inspector in Wasseralfingen, Schultheiss, in Braunsbach, Schwarz, Dr. in Leutkirch, v. Seckendorff, Graf in Stuttgart, v. Seeger, Dr. Medicinalrath in Ludwigsburg, Seeger, August, Kaufmann in Murrhardt, Seyerlen, Turnlehrer in Biberach, v. Seyffer, Director in Stuttgart, Seytter, Lehrer in Schietingen, Simon, H., Kaufmann in Stuttgart, Spohn, Revierförster in Heiligkreuzthal, Stälin, Eugen, Fabrikant in Calw, Steudel, Dr. Stadtdirections-Wundarzt in Stuttgart, v. Steudel, Director in Rottweil, Stickel, Schulmeister in Oberwälden, Stier, Forstverwalter in Thannheim, Stützenberger, Revierförster in Alpirsbach, v. Taube, E., Graf in Stuttgart, Trefz, Gymnasiallehrer in Stuttgart, Tritschler, Forstmeister in Rottweil, Tritschler, Forstverwalter in Biberach, Troll, Oberförster in Heudorf, Tscherning, Forstrath in Bebenhausen, Tscherning, Pharmazeut in Münsingen, v. Vexküll, Graf, Revierförster in Wildbad, Umgelter, Apotheker in Wildbad, ag Ungerer, Fabrikant in Pforzheim, Valet, Apotheker in Schussenried, Veesenmeyer, Dr. Professor in Ulm, Völter, Apotheker in Bönnigheim, Wacker, Schulmeister in Hepsisau, Walchner, Forstverwalter in Wolfegg, Weigold, Bahnhofverwalter in Neckarsulm, Weinland, Dr. in Hohenwittlingen, Weismann, Apotheker in Stuttgart, Weiss, Apotheker in Friedrichshafen, Werner, Stadtpfarrer in Waiblingen, Werner, Dr. Oberamtsarzt in Vaihingen, Werner, Gustav, in Stuttgart, Widmann, Kaufmann in Stuttgart, Wittlinger, Lehrer in Unterböhringen, Wocher, Posthalter im Wangen, Wrede, Apotheker in Mergentheim, v. Zeller. Dr. Oberfinanzrath in Stuttgart, Zeller, Dr. G. H., Apotheker in Nagold, Zeller, E., Med. Dr. in Winnenthäl, v. Zeppelin, Graf in Stuttgart, v. Zeppelin, Revierförster in Blitzenreute, Ziegele, Diaconus in Langenburg, Zinck, Reallehrer in Wildbad. Die Sammlung vaterländischer Naturalien desVer- eins besteht heute aus: a) 330 Arten Wirbelthiere in ca. 3100 Exemplaren, näm- lich aus: 46 Arten Säugethiere in 400 Exemplaren, 208 „ Vögel 2100 " 21 “* Reptilien in ca. 550 ’ Se, ekische,r,-..: 900 " 42 ,„ Vogeleier „ 156 . und aus 130 Vogelnestern. U a b) 1790 Arten wirbelloser Thiere in 11,800 Exemplaren, darunter: 730 Arten Käfer in ca. 2310 Exemplaren, 695 5 Schmetterlinge in 1370 Exemplaren, 120 „ Conchylien in ca. 7000 Exemplaren. c) 2608 Arten botanischer Gegenstände in ca. 5500 Exem- plaren, darunter das Herbarium mit 1381 Arten Phanerogamen und 1227 Arten Cryptogamen. d) 630 Arten Mineralien, Gebirgsarten und Verstei- nerungen in 3400 Exemplaren, darunter von letzte- ren 587 Arten in 2970 Exemplaren. Die Bibliothek, die durch Geschenke, grösstentheils aber durch Austausch gegen unsere Jahreshefte entstanden ist, besteht aus 970 gebundenen Büchern, 925 gehefteten Schriften, 227 Dissertationen und aus ca. 1000 Vereins-Jahresheften, die zum Tausch gegen an- dere Schriften gesammelt sind. Die Namen der Geschenkgeber, die ebenfalls schon in der Vereinsschrift dankend erwähnt wurden, sind: Academie in Hohenheim, Achenbach, A., Bergrath in Bonn, Agassiz, Louis, Dr. Professor in Cambridge, Albert, L., Hauptmann in Gmünd, Bach, Hauptmann in Stuttgart, v. Basaroff, Probst in Stuttgart, Beyrich, Dr. Professor in Berlin, Burckhardt, Friz, Dr. m Basel, Burmeister, Dr. in Buenos Ayres, Bruckmann, Dr. Baurath in Stuttgart, Crosse, H. in Paris, Czjzek, Joh. in Prag, Ebner und Seubert, Buchhändler in Stuttgart, v. Eichwald, E., Dr. Staatsrath in Petersburg, RN Ehrlich, Carl, in Linz, . v. Ettingshausen, Dr. in Wien, Favre, Alphonse, in Genf, v. Fleischer, Dr. Professor in Hohenheim, Finanzministerium, Königl. im Stuttgart, Fischer, J. G., Dr. in Hamburg, Fraas, Dr. Professor in Stuttgart, v. Frauenfeld, Dr. in Wien, Gesellschaft, botanische in Regensburg, Gesellschaft, naturhistorische in Hannover, Giebel, Dr. Professor in Halle a/S., v. Glocker, Dr. Professor in Stuttgart, Gould, John, in London, Gümbel, Theodor, Rector in Landau, v. Haidinger, Dr. in Wien, Hehl, Dr. Bergrath in Stuttgart, v. Heldreich, Dr. im Athen, Hoffmann, Julius, Dr. in Stuttgart, Hörnes, Moritz, Dr. in Wien, v. Jäger, G., Dr. Obermedieinalrath in Stuttgart, Jäger, Gustav, Dr. in Stuttgart, Kenngott, Dr. Professor im Zürich, Kirschleger, Fred., in Strassburg, v. Köstlin, Obertribunalrath in Stuttgart, Köstlin, O., Dr. Professor in Stuttgart, Kreglinger, C. in Carlsruhe, v. Kurr, Dr. Oberstudienrath in Stuttgart, Lea, Isaac, Dr. in Philadelphia, Le Jolis, Auguste in Cherbourg, Leube, G. sen., Dr. in Ulm, Leyh, Professor in Stuttgart, Lotos, Zeitschrift für Naturwissenschaft in Prag, Malherbe, A. in Metz, Mauz, Dr. in Esslingen, Marcou, Dr. in Paris, v. Martens, Georg, Dr. in Stuttgart, N v. Martens, Eduard, Dr. in Berlin, v. Müller, Ferd., Dr. in Melbourne, v. Müller, J. W., Dr. in Kochersteinsfeld, Müller, Dr. Oberamtsarzt in Calw, Müller, J., Dr. in Aachen, v. Oettingen, Fr., Dr. in Dorpat, Oppel, Dr. Professor in München, Peters, Dr. Professor in Berlin, v. Plieninger, Dr. Oberstudienrath in Stuttgart, v. Rapp, Dr. Professor in Tübingen, Reeve, Lovell, in London, v. Reichenbach, Freiherr in Wien, Rolle, F. Dr. in Wien, Roth, H., Dr. in Wiesbaden, Schill, J., Dr. in Freiburg, v. Schlagintweit-Sakülünski, Hermann, in München, Schott, A., Dr. in George Town, Schüz, E., Dr. in Calw, Sclater, Dr. in London, v. Steudel, Dr. Oberamtsarzt in Esslingen, Thurmann, Jules in Pruntrut, Universität, K. in Christiania, Valet, Apotheker in Schussenried, Veesenmeyer, Dr. Professor in Ulm, v. Veiel, Dr. Oberamtsarzt in Cannstatt, Verein für Naturkunde in Cassel, Verein, naturhistorisch-medicinischer in Heidelberg, Verein, naturhistorischer in Passau, Walz, Dr. in Speier, Wirtgen, Ph. Dr. in Coblenz, v. Zepharovich, V., in Wien. Der Verein steht durch Austausch seiner Jahreshefte mit folgenden gelehrten Gesellschaften in Tauschverbindung: Amsterdam Kon. Akademie van Wetenschappen. Amsterdam K. zoolog. Genootschap. Be Augsburg Naturhistorischer Verein. Bamberg Naturforschender Verein. Basel Naturforschende Gesellschaft. Batavia Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie. Berlin Königliche Akademie der Wissenschaften. Berlin Deutsche geologische Gesellschaft. Berlin Entomologischer Verein. Berlin Botanischer Verein für die Provinz Brandenburg. Bern Schweizerische naturforschende Gesellschaft. Bonn Naturhistorischer Verein der Rheinlande und West- phalens. Bordeaux Societe des scienc. phys. et naturelles. Boston Society of natural History. Breslau Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. Brünn Naturforscher-Verein. Bruxelles Academie royale des sciences de Belgique. Buenos-Ayres Museo publico. Caen SocietE Linneenne de Normandie. Carlsruhe Naturwissenschaftlicher Verein. Cherbourg Societe imperiale des sciences naturelles. Chur Naturforschende Gesellschaft für Graubündten. Danzig Naturforschende Gesellschaft. Dijon Academie des sciences, arts et belles lettres. Dresden Isis, Naturwissenschaftliche Gesellschaft. Dublin Geological Society of Ireland. Dublin Natural history Society. Dürkheim a. H. Naturwissenschaftlicher Verein „Pollichia“. Frankfurta. M. Zoologische Gesellschaft. Freiburg i. Br. Gesellschaft für Beförderung der Naturwis- senschaften. Geneve Societe de physique et d’histoire naturelle. Giessen Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Görlitz Naturforschende Gesellschaft. Graz Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark. Halle Naturforschende Gesellschaft. Halle Naturwissenschaftlicher Verein. Bee UN Hamburg Naturhistorischer Verein. Hanau Wetterauische Gesellschaft für Naturkunde. Heidelberg Prof. Kopp’s Jahresberichte für Physik und Chemie. Kiel Verein nördlich der Elbe zur Verbreitung naturwissen- schaftlicher Kenntnisse. Königsberg Physikalisch-ökonomische Gesellschaft. Lausanne Societe Vaudoise des sciences naturelles. Liege Societe royale des sciences. London Zoological Society. London, Geological Society. Luxembourg Societe des sciences naturelles du Grand- Duche. Lyon Academie imperiale des sciences, belles lettres et arts. Lyon Societe imperiale d’agriculture, d’histoire naturelle et des arts utiles. Madrid Real Academia de ciencias. Mannheim Verein für Naturkunde. Mecklenburg Verein der Freunde der Naturgeschichte. Metz Societe d’histoire naturelle du Depart. de la Moselle. Moscou Societe imperiale des naturalistes. Neuchätel Societe des sciences naturelles. New-York Lyceum of natural History. Nürnberg Naturhistorische Gesellschaft. Paris Societe geologiaue de la France. St. Petersbourg Observatoire physique centrale. Philadelphia Academy of natural sciences. Pressburg Verein für Naturkunde. Regensburg Zoologisch-mineralogischer Verein. Riga Naturforschender Verein. St. Louis Academy of science. Strasbourg Societe d’histoire naturelle. Stuttgart Statistisch-topographisches Bureau. Tübingen Kön. Universitätsbibliothek. Washington Smithsonian Institution. Wien K. K. Akademie der Wissenschaften. Wien K. K. geographische Gesellschaft. ee Wien K. K. zoolog.-botanische Gesellschaft. Wien K. K. geologische Reichsanstalt. Wiesbaden Naturhistorischer Verein. Würzburg Physikalisch-medieinische Gesellschaft. Zürich Naturforschende Gesellschaft. Der Vereinskassier, Hospitalverwalter Seyffardt, tleilte folgenden Rechenschafts-Abschluss für das Jahr 186869 mit: Meine Herren: Der Kassenbericht, welchen ich Ihnen vorzutragen die Ehre habe, umfasst den Zeitraum vom 1. Juli 1868—69. Nach der revidirten und abgehörten 25. Rechnung betrugen nämlich: die Einnahmen: A. Reste. ieehners=Kassenbestand . . . . 2.2... 563. 59 kr. B. Grundstock. Heimbezahlte Kapitaien . . - 2 2 22.2.3001. — kr C. Laufendes. 1) Activ-Kapital-Znse . . . 244fl. 17 kr. 2) Beiträge von den Mitgliedern 1177 fl. 12 kr. 3) Ausserordentlickes . . . 15f. — kr. Te wer DASORIN ZIELE Hauptsumme der Einnahmen — '- 2300 fl. 28 kr. Die Ausgaben: N. N OS ORETER REREE LTR usa ANET — fl. — kr. B. Grundstock. Kapitalien gegen Verzinsung hingeliehen .. . 737 fl. 15 kr. Uebertrag 737 fl. 15 kr. C. Laufendes. 1) Für Vermehrung der Samm- lungen . . Me 24 D. olakr 2) Buchdrucker- ei Buchbinder- kosten, darunter 441 fl. 48 kr. für. 2Jahresheite ©. . ..55901. 2kr. 3) Bun Mobiltene re. 2 22 2er ck. 4) Für Schreibmaterialen, Kopia- lrens Portisete., ... „or nasaıı kr. 5) Bedienung, Reinigung, Saal- miethe etc. 2... 20202 22h 681.248 kr Be Steuermann 2. 2 ENT: 7) Ausserordentliches . . . . 13fl. 38 kr. 1094 fl. 9 kr. Hauptsumme der Ausgaben — '. 1831 fl. 24 kr. Werden von den Einnahmen im Betrage von . . . 2300fl. 28 kr. die Ausgaben im Betrage vn . . 1831fl. 24 kr. abgezogen, so erscheint am Schlusse des Rech- nungsjahrs ein Kassen-Vorrath des Rechners von —. A69 fl. A kr., der hauptsächlich zu Bezahlung der Kosten für die vom XXV. Jahrgang noch rückständigen 2 Hefte nöthig ist. Vermögens-Berechnung. Kapitaien . . . Be N 0,70 ul. 0 Kassenvorrath nach Oren N RER NT 469 fl. Akr. Das Vermögen des Vereins beträgt somit am Schlusse des Rechnungsjahrs. . . » . 6268fl. Akr. Da dasselbe am 30. Juni 1868 . . . . .„ 5887 fl. 59 kr. betrug, so stellt sich gegenüber dem Vorjahre einer Zunahme von oem ee 2 0Oak heraus. Ba N Nach der vorhergehenden Rechnung war die Zahl der Nuratiedeme. a I Syn en NR RR: Hiezu die neu eingetretenen Mitglieder, nämlich die Herren: Baron K. v. Chroustchoff, Apotheker Dr. Wacker in Ulm, Apotheker Dr. G. Leube, jr. daselbst, Pfarrer Th. Hartmann in Wippingen, Öberpostmeister Kübler in Ulm, Lehrer C. Bodamer daselbst, Pfarrer Gutekunst in Kohlstetten, Apotheker O0. Sautermeister in Sigmaringen, Dr. Max Bauer in Tübingen, Postinspector C. v. Hoff 436 Hievon das ausgetretene Mitglied: Herr Apotheker Dr. Bilfinger in Heilbronn . 1 Die gestorbenen Mitglieder, nämlich die Herren: Rechtsconsulent L. Gwinner, Apotheker Uhland, Professor Tröster in Esslingen, Dr. Med. Fallati, Professor Dr. v. Rapp in Tübingen, Professor Dr. Griesinger in Berlin, Inspector Schuler in Wasseralfingen, Cigarrenfabrikant A. Reiniger, Apotheker Friedlein m Leutkirch . .. 9 — W über deren Abzug die Mitgliederzahl am Rechnungsabschluss gleich dem Vorjahr beträgt —. 436, Am Schlusse dieses Jahresberichtes gibt Hospitalverwalter Seyffardt eine Zusammenstellung der einzelnen Posten über die Einnahmen und Ausgaben von 1844—1869 zu den Akten und theilt aus derselben mit, dass der Verein in dieser RUN > Zeit im Ganzen 25,606 fl. 48 kr. für Jahresbeiträge der Mit- glieder und 3928 fl. 23 kr. an Kapitalzinsen eingenommen und davon 24,943 fl. ausgegeben habe. j Unter den Ausgaben sind 16,101 fl. 52 kr. für Druckerei- und Bibliotheks-Kosten, darunter allein 13,928 fl. 46 kr. für den Druck und die Herausgabe der Vereins-Jahreshefte, ferner 3267 fl. 19 kr. für Naturalien zur Vermehrung der Sammlung, 1048 fl. 52 kr. für das Mobiliar und 3136 fl. 49 kr. für Bedienung, Reini- gungskosten u. s. w. ausgesetzt. Wahl der Beamten. Die Generalversammlung wählte an Stelle des im vergan- genen Jahr mit Tod abgegangenen Prof. Dr. W. v. Rapp zum ersten Vorstand: Prof. Dr. H. v. Mohl in Tübingen, sodann zum zweiten Vorstand: Oberstudienrath Dr. v. Kurr, ferner für diejenige Hälfte des Ausschusses, welche nach $. 12 der Vereinsstatuten diessmal auszutreten hat, die Herren: Geheimer Hofrath Dr. v. Fehling, Obermedicinalrath Dr. v. Hering, Generalstabsarzt Dr. v. Klein, Oberstudienrath Dr. v. Krauss, Kanzleirath Dr. v. Martens, Director v. Schmidt, Hospitalverwalter Seyffardt, Prof. Dr. Zech. Im Ausschuss bleiben zurück die Herren: Professor €. W. Baur, Professor Dr. Blum, Finanzrath Eser, Professor Dr. Fraas, Obertribunalrath W. Gmelin, Professor Dr. Köstlin, Professor Dr. Marx, Öberfinanzrath Dr. v. Zeller. Or e Zur Verstärkung des Ausschusses wurden in der Sitzung vom 5. Januar 1870 nach $. 14 der Statuten gewählt: Professor Dr. Ahles, Baurath Binder, Professor Haas, Apotheker M. Reihlen. In derselben Ausschusssitzung wurden in die Redaktions- Kommission gewählt: Professor Dr. v. Mohl, Geheimer Hofrath v. Fehling, Professor Dr. Fraas, Oberstudienrath Dr. v. Krauss, Professor Dr. Zech. ferner wurden unter Dankesbezeugung für ihre Dienstleistung wieder gewählt: als Sekretäre: Generalstabsarzt Dr. v. Klein, Oberstudienrath Dr. v. Krauss, letzterer zugleich als Bibliothekar, und als Kassier: Hospitalverwalter Seyffardt. Für den Ort der nächsten Generalversammlung am Johannisfeiertag 1870 wurde Rottweil und zum Geschäftsführer Director v. Steudel gewählt. Nach dem Schluss der Verhandlungen gegen 1 Uhr Nach- mittags vereinigte sich die Verammlung zu einem Mittagessen in dem festlich dekorirten grossen Saale des Museums, während dessen eine huldvolle Einladung seiner Majestät des Königs zum Besuch der Wilhelma einlief. Die Geladenen hatten sich ausser des reichen Naturgenusses in- vollem Maasse der Königlichen Gastfreundschaft zu erfreuen, so dass nur eine Stimme über den glänzenden Schluss der schönen Feier herrschte. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites left. 4 Nekrolog Professor Dr. Wilhelm von Rapp. Von Professor Dr. 0. Köstlin. Das vergangene Jahr hat unserem Vereine seinen ersten Vorstand geraubt, und wir erfüllen eine heilige Pflicht der Pietät, wenn wir heute dem Andenken des Mannes, der seit 1855 man- nigfach thätig an der Spitze unseres Vereines gestanden ist, ehrende und dankende Worte widmen. Professor Dr. Wilhelm von Rapp war in Stuttgart am 3. Juni 1794 geboren. Sein Vater, welcher die Helferstelle an der Leonhardskirche bekleidete, gehörte einer Familie an, die sich in mehreren ihrer Zweige durch vielseitige geistige Begabung und Empfänglichkeit auszeichnete. Seine Mutter war bis in ihr höheres Alter eine geistig belebte, offene, leutselige Frau. Sein Vater starb, als der Knabe kaum vier Wochen alt war, und auch der zweite Vater, Hofrath Widenmann, kam nach wenigen Jahren als Bergrath durch einen Sturz in emem Bergwerk des Odenwal- des um. Die Mutter siedelte jetzt nach Schorndorf über, und ihr Sohn, dem nur noch eine Tochter gefolgt war, blieb für ihr gan- zes übriges Leben das Hauptziel ihrer Bestrebungen, Wünsche und Hoffnungen. Sie bewachte sorglich seine erste Entwicklung, und mit strahlender Freude erfüllten sie später die Erfolge, welche er als akademischer Lehrer in der Mitte seiner Schüler und als selbstständiger Forscher im Kreise der Gelehrten errang. Rapp besuchte zuerst die lateinische Schule in Schorndorf und dann, nach seiner Confirmation, das obere Gymnasium in Stuttgart. Weiterhin bezog er die Universität Tübingen zum FETT en Zwecke des Studiums der Medicin. Seine Lehrer waren hier insbesondere Kielmeyer in der Chemie, Botanik und vergleichen- den Anatomie, Froriep und nachher Emmert in der menschlichen Anatomie, Autenrieth in der Medicin. Im März 1817 doktorirte er mit einer Abhandlung „circa methodos varias veneficium ar- senicale detegendi*, und im April desselben Jahres bestand er die medicinische Staatsprüfung zu Stuttgart. Seine Examinatoren, die Medicinalräthe Jäger und Schelling, bezeugten ihm „ganz vorzüglich gute Kenntnisse in den theoretischen und praktischen Zweigen der Medicin.* Unmittelbar nach dieser Prüfung wandte er sich nach Paris, wo damals Naturwissenschaften und Medicin in ihrer höchsten Blüthe standen, wo begeisterte Lehrer einen zahlreichen Kreis von Schülern aus allen Theilen der civilisirten Welt um sich versammelten. Dort lehrte Jussieu sein natürliches System der Pflanzen; dort legte Laönnec durch die Einführung der Auscul- tation den Grund zu einer schärferen Untersuchnng der Kranken; dort verkündigte vor Allem Cuvier mit der Kraft seiner geist- vollen Rede die umfassenden Entdeckungen, welche der Zoologie und vergleichenden Anatomie eine neue Gestalt gaben und die Kenntniss der vorweltlichen Thiere als eine völlig neue Wissen- schaft zu Tage treten liessen. Rapp erfasste diese neuen Eindrücke mit der ganzen Ge- wissenhaftigkeit, welche seinem Wesen eigenthümlich war. Sie bestimmten die Richtung seines späteren Strebens und Wirkens. In der Beobachtung und Behandlung der Krankheiten, in der Beurtheilung des Leichenerfundes folgte er der nüchternen Me- thode Laönnec’s und seiner Schule. Am tiefsten und dauernd- sten aber wirkte auf ihn der mächtige Genius Cuvier’s. Seit Aristoteles hatte jene Richtung der Naturwissenschaften, welche auf den Thatsachen fusst und aus diesen allein ihre Schlüsse zieht, keinen Vertreter von gleicher Bedeutung gefunden. Dar- um beugten sich vor Cuvier die Geister, und zahlreiche Schüler trugen seine Lehren in alle Länder der Erde hinaus. Damals, wie jetzt, kamen und gingen die Theorien; phantastische Hypo- thesen befriedigten das Verlangen der Ungeduldigen; aber die BON wahre Wissenschaft schritt ruhig weiter, und ihre Meister eröff- neten immer neue Pfade des Wissens und Erkennens. Für Rapp blieb Cuvier immer das leuchtende Vorbild, der hochverehrte Lehrer. Bis zu Cuvier’s Tode stand er mit diesem in Verkehr. Die Büste des Meisters zierte sein Zimmer, und es war sein höchster Stolz, sagen zu dürfen, dass Cuvier sein Freund ge- wesen sei. Gegen Ende des Jahres 1818 kehrte Rapp von Paris zu- rück und betrat im Stuttgart die Laufbahn eines praktischen Arztes unter der Leitung des Leibmedikus Jäger. Aber schon im folgenden Jahre wurde er nach Tübingen an die Stelle des früh verstorbenen Emmert zuerst als ausserordentlicher und 1828 als ordentlicher Professor berufen. Seine Lehraufgabe war mensch- liche Anatomie und Physiologie, pathologische Anatomie, Zoologie und vergleichende Anatomie. Betrachtet man jetzt die stattlichen Gebäude, welche theils in der alten Stadt Tübingen selbst, theils in ihrer nächsten Um- gebung den Zwecken des naturwissenschaftlichen und medicini- schen Unterrichtes dienen, so ist es schwer, sich in jene, nicht weit zurückliegende Zeit zu versetzen, wo für Sammlungen und Laboratorien gar keine oder nur sehr unvollkommene Räum- lichkeiten bestanden, wo insbesondere die Anatomie in einem überaus engen, düsteren und schmutzigen Lokal der unteren Stadt gelehrt wurde. Es ist Rapp gelungen, den Bau eines neuen, hellen und luftigen Gebäudes für die Zwecke der Ana- tomie am Abhange des Oesterberges bei Regierung und Stän- den zu bewirken, und mit der Eröffnung des anatomischen Thea- ters im Jahre 1836 war der Anfang zu jenen zweckmässigen, der Wissenschaft dienenden Bauten gemacht, welche jetzt von den Tübinger Hügeln in das Ammerthal herabschauen. Aber auch unter den reichhaltigen Sammlungen des jetzigen Tübingens ist die vergleichend anatomische Rapp’s die erste gewesen; er hat sie mit grossen persönlichen Opfern in einer längeren Reihe von Jahren zu Stande gebracht. Es gehörte die ganze Hingebung und Ausdauer Rapp’s da- zu, um den mannigfachen Ansprüchen seines ausgedehnten Lehr- BE auftrages Genüge zu leisten. Obenan stand ihm freilich die ver- gleichende Anatomie und die mit ihr innig verknüpfte Zoologie. Diesen Wissenschaften galten die wiederholten Reisen, welche er nach Cette, nach Neapel und Sieilien, nach Schweden und Norwegen, nach Paris und in’s nördliche Frankreich und an die Schweizer Seen ausführte. Die Früchte dieser Reisen waren Be- reicherungen der Staatssammlungen und Rapp’s verschiedene, zo0- logisch-anatomische Schriften. Dahin gehören insbesondere die Abhandlungen über Argonauta Argo, über das Molluskengeschlecht Doris, über die Polypen, über die Osteologie des indischen Kro- kodils und über die Fische des Bodensee’s, dann seine umfassen- deren Werke über die Cetaceen und über die Edentaten. Zur pathologischen Anatomie hat er nur „praktische Anmerkungen über die richtige Beurtheilung des Leichenerfundes“ und zur Physiologie eine Abhandlung über die Verrichtungen des fünften Hirnnervenpaares veröffentlicht. Ein Grundriss der menschlichen Physiologie wurde nach dem Druck der ersten Probebogen von Rapp selbst wieder zurückgezogen. Genauigkeit und Umsicht in Erhebung der Thatsachen, Ein- fachheit und Klarheit in der Darstellung zeichnen Rapp’s Schrif- ten aus. Diese Eigenschaften bildeten auch den Grundzug seiner akademischen Vorlesungen. Eiue fast übermässige Schmucklosig- keit, eine damals weniger bemerkte Trockenheit des Vortrags wurden aufgewogen durch die unbedingte Zuverlässigkeit der Mittheilungen und durch die sachkundige Sammlung der wich- tigsten Thatsachen. Für einzelne Studirende, welche mit Rapp in nähere Berührung traten, gewann sein Unterricht und Um- gang noch eine höhere Bedeutung. Es gab eine Zeit, wo die medieinischen Vorlesungen zu Tübingen in die Beobachtung des Krankheitsverlaufes und in die Beurtheilung des Leichenerfundes nur sehr unvollkommen einführten. Damals erhielten Viele durch persönliche Bekanntschaft mit Rapp, durch Lecture und An- schauungen, welche er ihnen gewährte, die erste Anleitung zu jenen Grundlagen alles ärztlichen Denkens und Handelns. Rapp machte sich mit allen bedeutenderen Erscheinungen auf dem Ge- biete der mediecinischen Literatur bekannt. Er begrüsste in der RN BR Physiologie mit Freuden die Versuche Magendie’s und die bahn- brechenden Arbeiten Johannes Müller’s. In der pathologischen Anatomie stützte er sich besonders auf die reichhaltigen Werke der Franzosen und Engländer. Als die mikroskopischen For- schungen in deu Vordergrund zu treten begannen, versäumte er es nicht, seine Schüler auf diesen neuen Zweig des medicinischen Wissens mit grossem Eifer hinzuweisen. Rapp behielt während fünfundzwanzig Jahren die sämmt- lichen Fächer bei, welche ihm bei seiner Berufung übertragen worden waren. Erst im Jahre 1844 trat er die menschliche Anatomie und Physiologie an Arnold ab. Er hatte von Anfang an neben seiner akademischen Thätigkeit auch die praktische Medicin ausgeübt. Aber erst allmählig nahm diese Seite seines Wirkens eine grössere Ausdehnung an. Die Schärfe und Unhe- fangenheit seines Urtheils, die Einfacheit seiner Verordnungen, der ruhige Ernst seines Benehmens machten ihn im Laufe der Jahre nicht nur in Tübingen, sondern auch in einem weiteren Umkreise zu einem sehr beliebten und gesuchten Arzte. Indess erschwerte das Alter mehr und mehr diese Verbindung des aka- demischen und des praktischen Berufes. Rapp entschloss sich daher im Jahre 1856, seine Pensionirung nachzusuchen. Seine weiteren Lebensjahre verflossen unter fortgesetzter ärztlicher Thä- tigkeit und unter den stilleren Arbeiten des Studirzimmers. Aber seine Gesundheit, welche bis dahin immer kräftig gewesen war, fing langsam an zu wanken; die Näherstehenden bemerkten eine deutliche Abnahme der Kräfte. Im Juni 1867 trat ein Schlag- anfall ein, von dem Rapp sich nicht mehr ganz erholte. Er er- lag erneuerten Anfälien am 11. November 1868. Das Leben Rapp’s war arm an äusseren Ereignissen. Schon aus seiner Knabenzeit wird er als still und in sich gekehrt ge- schildert; er beschäftigte sich gern mit sich und seinen Büchern und wich der Gesellschaft anderer Knaben aus. So blieb er auch in seinem späteren Leben von dem Lärm und Treiben der Welt abgewendet, wortarm, aber milde und freundlich, seinen Studien allein gewidmet. Er war nie verheirathet. So lang seine Mutter und seine Schwester lebten, hing er an diesen mit ES aa inniger Liebe. Von Freunden stand ihm der geniale Chemiker - Christian Gmelin besonders nahe. Den Spannungen und Kämpfen, welche so oft die akademischen Kreise trennen, blieb er fremd. Er fühlte sich glücklich in der ruhigen, ungestörten Verfolgung der Ziele und Aufgaben seines Berufes. Hier traten die edlen und liebenswürdigen Züge seines Charakters, seine Uneigennützig- keit, seine Dienstwilligkeit und Leutseligkeit, schüchtern aber klar zu Tage. Unbemittelte Studirende, arme Kranke fanden bei ihm stets williges Gehör. Er war unermüdlich, seine Schüler mit seinem bewährten Rathe und mit den reichen Schätzen sei- ner Bibliothek zu unterstützen. Die vielseitigen Verdienste Rapp’s blieben nicht ohne äus- sere Anerkennung. Der König zeichnete ihn durch Orden aus. Zahlreiche gelehrte Gesellschaften und Vereine wählten ihn zu ihrem Mitgliede. Im Jahre 1845 ertheilte ihm die Stadt Tü- bingen das Ehrenbürgerrecht „in Betracht der hohen Ver- dienste um Universität und Stadt, wegen der so vielfältig den Ar- men und Kranken geleisteten Hilfe und Unterstützung.* End- lich, als Rapp am 22. März 1867 in völliger Stille sein Dok-\ torjubiläum beging, fasste die medicinische Fakultät zu Tübingen alle seine Ehrentitel zusammen, indem sie ihm das neue Diplom überreichte, als „viro in multa varietate studiorum summa cum gloria versato, litterarum monumentis inter viros doctos perquam celebrato, doctori academico auctoritate et gratia florentissimo, me- dico consultissimo, peritissimo, in dignoscendis morbis sagacissimo.* Rapp’s letzte Lebensjahre waren sehr einsam, ein gebrech- liches Alter ohne den Schmuck der Familie oder des Freundes- kreises. Als er starb, hatten Manche vergessen, dass er noch am Leben gewesen war. Aber sein Tod hat in Allen wieder die Erinnerungen an die Verdienste wachgerufen, welche er sich um die Wissenschaft und um das öffentliche Wohl erworben hatte. Sein Andenken wird in den Herzen seiner zahlreichen Schüler und Kranken fortleben; unser Verein wird seinen lang- jährigen ersten Vorstand nie vergessen, und die Wissenschaft wird dem Namen des Verstorbenen einen ehrenvollen Platz in ihren Annalen anweisen. Nekrolog des Prof. Dr, Schönbein in Basel. Von Oberstudienrath Dr. v. Kurr. Wenn ich es unternehme, in wenigen Worten das Bild eines Mannes zu schildern, welchen der unerbittliche Tod im abgelau- fenen Jahr seiner Familie und seinen zahlreichen Freunden ent- rückt hat, so hoffe ich damit nicht nur unserem engeren Kreise einen Dienst zu erweisen, sondern auch eine Ehrenschuld abzu- tragen, welche wir dem biedern Ehrenmanne wie dem berühmten Gelehrten und Forscher umsomehr abzutragen schuldig sind, als er, unserem engeren Vaterland entsprossen, demselben stets als treuer Schwabe von Herzen zugethan war. Dr. Christian Friedrich Schönbein wurde am 18. Oc- tober 1799 zu Metzingen unter Urach geboren, wo sein Vater Färber war; beide Eltern waren bestrebt dem Knaben eine gute christliche Erziehung zu geben und hielten ihn fleissig zum Be- such der Kirche und Schule an, die ihm ausser den gewöhnlichen Fächern auch die Elemente der lateinischen Sprache geboten hatte, Nach beendigter Schule trat er, 14 Jahre alt, in das che- mische Laboratorium der Herren Bonz und Klaiber in Böblingen ein, wo chemische Präparate für Apotheker und Fabrikanten im Gros- sen dargestellt wurden. Dort war es, dass ich den jungen Mann im Jahr 1815 kennen lernte und lieb gewann, der mir mit sei- ner Offenheit und Gewandtheit im Arbeiten alsbald imponirte. Da Herr Bonz selbst ein tüchtiger Chemiker war, so fehlte A es nicht an wissenschaftlicher Anregung, auch durfte Schönbein die lateinische Schule des Städtchens noch besuchen, um seime Schulkenntnisse zu erweitern, wobei ihm seine geistigen Fähig- keiten und sein Fleiss trefflich zu Statten kamen. Nachdem er die practische Chemie daselbst gründlich erlernt hatte, sehnte er sich nach weiterer wissenschaftlicher Ausbildung und bezog zu diesem Ende die Universität Tübingen, wo damals Kielmeyer, Chr. Gmelin und Bohnenberger wirkten, und später die zu Er- langen, wo er unter Pfaff seine chemischen, unter Schelling seine philosophischen Studien fortsetzte, welche Beide ihm durch per- sönlichen Umgang förderlich waren, wie er denn im Schelling- schen Hause als Freund aufgenommen war. Nachher wirkte er über ein Jahr lang an einer Privatanstalt zu Keilhau bei Rudol- stadt als Lehrer der Chemie und trat dann eine wissenschaft- liche Reise nach England und Frankreich an, die er aufs Beste benützte, um seine Kenntnisse in der Chemie und Physik zu er- weitern und die hervorragenden Männer seines Faches kennen zu lernen. Im Frühjahr 1828 erhielt er einen Ruf nach Basel, wo er am Pädagogium Physik, an der Universität für den erkrankten Peter Merian, seinen spätern Freund, Chemie zu lehren hatte, und 1835 wurde er von der Universität zum ordentlichen Pro- fessor beider Fächer ernannt. Hiemit war er in sein eigentliches Element eingetreten und er lehrte auch nebenher noch einige Jahre lang Mineralogie. 1852 wurde für Physik ein eigener Lehrstuhl errichtet, so dass er sich nun ganz der Chemie zu- wenden konnte, dennoch behielt er die physikalische Richtung in derselben bei den meisten seiner Forschungen bei. — Als 1834 die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Stuttgart tagte, war er bereits einer der gefeiertsten Gäste und bei dieser Gelegenheit lernte er seine künftige Gattin Emilie Benz kennen, mit welcher er im nächsten Jahre sich ehelich ver- band; in dieser glücklichen Ehe wurden ihm 4 Töchter geschenkt, von denen noch 3 am Leben sind. Schönbein’s ganzes Wesen war dazu angethan, Vertrauen und Liebe zu erwecken, daher hingen nicht nur seine Zuhörer, u sondern alle, mit denen er in persönliche Berührung kam, mit Liebe und Hochachtung ihm an. Die Stadt Basel ertheilte ihm das Ehrenbürgerrecht und bald nachher wurde er in den grossen Rath, etwas später in den kleinen Rath berufen, und bei den verschiedenen Commissionen, in welche er gewählt wurde, bewies er durch Wort und That, dass ihm das öffentliche Wohl sogut wie das Interesse für die Wissenschaft am Herzen lag. Aber auch für Gesellschaft und allgemein nützliche Bestrebungen hatte er offenen Sinn und so betheiligte er sich bei der Gründung der Basler Museums-Gesellschaft auf’s Lebhafteste, welche er als Vorstand auch bis an sein Ende im Flor zu erhalten verstand. In geselligen Kreisen war er durch joviales und anspruchloses Wesen, sowie durch sprudelnden Witz und Humor ein überall gefeierter Gast, wie diess bei den Versammlungen der deutschen und schweizerischen Naturforscher, wo er nicht leicht fehlte, überall anerkannt wurde. Zu Hause war er ein glücklicher Fa- milienvater und übte die Gastfreundschaft zumal gegen seine Landsleute in liebenswürdigster Weise. Um ihn aber ganz ken- nen zu lernen, musste man ihn in seinem bescheidenen Labora- torium walten und experimentiren sehen. Da gab es stets etwas Neues, das er mit unglaublicher Geschicklichkeit durch Versuche zu beweisen und mit bündigster Klarheit zu erklären verstand. Keine noch so kleine Erscheinung entging seinen scharfen, an Beobachtung gewöhnten Sinnen und damit verband sich, wie bei seinem Freunde Faraday, eine gewisse Fertigkeit, die Natur zu befragen. Darauf gründeten sich denn auch seine Forschungen und Entdeckungen im Gebiet der Chemie und Physik, welche nun Schlag auf Schlag folgten. — Sein Hauptaugenmerk war auf den Sauerstoff gerichtet, zuvörderst auf sein Verhalten zu den Metal- len, wobei er das eigenthümliche, mit dem Namen der Passivität des Eisens und anderer Metalle bezeichnete Verhalten derselben gegen einander entdeckte. Als er im Jahre 1839 eine Reise nach England machte, traf er mit Grove zusammen, welcher kurz vorher eine constante voltaische Säule aufgebaut hatte und ihm dazu behilflich war, zu Hause eine ähnliche in grösserem Maass- stabe zu construiren. Als er dieselbe zunächst zur Zersetzung EMO. des Wassers benützte, fiel ihm der dabei entstandene eigenthüm- liche Geruch auf, den er auch bei grösseren Electrisirmaschinen schon wahrgenommen hatte und einem eigenthümlichen neuen Stoff zuschrieb, welchen er Ozon benannte, später jedoch als einen eigenthümlichen allotropischen Zustand des Sauerstoffs erkannte. Hiemit war der Impuls zu einer ganzen Reihe der vielseitigsten Versuche gegeben, deren Resultate er theils bei den Versamm- lungen der Naturforscher theils in Zeitschriften bekannt machte. So gelang es ihm die Entstehung des Ozons durch blosse Ein- wirkung des Lichts auf die atmosphärische Luft, den Wasser- dampf, das Terpentinöl und andere Öle, den Äther u. s. w. nach- zuweisen und in dem jodirten Stärkekleister auf Papier gebracht ein sehr empfindliches Reagens auf Ozon zu entdecken. Als eine zweite Modification des Sauerstoffs, die er Antozon nannte, entdeckte er in dem violetten Flussspath von Wölsendorf in Bayern ein Gas, welches dem Ozon entgegengesetzte Eigenschaf- ten zeigte. In eine frühere Zeit fällt seime Erfindung der Schiess- baumwolle, welche anfangs das Schiesspulver zu verdrängen schien und dem Erfinder auch von der Leopoldinischen Aka- demie den Beinamen „Berthold Schwarz« eintrug, dessen Anwendung sich aber bis jetzt nur bei Sprengarbeiten bewährt hat. Viel wichtiger ist aber die damit zusämmenhängende Er- findung des Collodiums, das als Heilmittel vielfache Anwen- dung findet und welches auch für die Photographie eine grosse Wichtigkeit gewonnen hat. Er hatte gefunden, dass die Schiess- wolle in Äther löslich sei und dass dieser Klebäther nach dem Verdunsten eine elastische durchsichtige Substanz hinterlasse, die man in dünnen Blättchen darstellen kann, welche in der Medicin zum Schutz der Haut, zu Verklebung von Wunden und derglei- chen, in der Photographie zu Darstellung von Bildern gebraucht werden kann und in beiden Fällen die wichtigsten Dienste leistet. Nach allem diesem war es kein Wunder, dass sich sein Ruhm weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus verbreitete und ihm vielfache Anerkennung zuzog. Der König von Schwe- den ernannte ihn 1846 zum Ritter des Wasa-Ordens, der Gross- I N in herzog von Baden 1858 zum Ritter des Ordens vom Zähringer Löwen, die K. Akademie der Wissenschaften in München 1854, dieselbe zu Wien 1856, und Paris 1863 zum korrespondirenden Mitglied und 28 gelehrte Gesellschaften erwählten ihn theils zum Ehren-, theils zum korrespondirenden Mitglied; die Universität Tübingen ertheilte ihm 1863 das Diplom eines Doctors der Na- turwissenschaften. Andererseits gewann ihm seine liebenswürdige Persönlich- keit, sein schlichtes bescheidenes Betragen und sein edler Cha- rakter überall, wo er erschien, Freunde. Wahrheitsliebe,, Offen- heit und Biederkeit traten Jedem, der ihm nahte, entgegen, und in der Gesellschaft wie bei Tische wirkte sein jovialer Humor überall belebend und erfreuend, ohne Jemand im Geringsten zu verletzen. Er konnte füglich als das Muster eines tüchtigen bi- derben Schwaben gelten, wie er denn auch in seiner Sprache sein Vaterland nie verleugnete. So war er mit den hervorragendsten Naturforschern der Neuzeit befreundet, so mit Grove, Faraday, de la Rive, Peter Merian, Studer, Desor, O0. Heer, Escher von d. Linth, Eisenlohr, Wöhler, Liebig u. A. Er war aber kein Stubengelehrter, noch Compilator, sondern durch und durch practisch; daher hat er auch kein grösseres Werk verfasst. -— Eine seiner Reisen nach England hat er in seinen „Mittheilungen aus dem Reisetagbuch eines deutschen Naturforschers in England“ Basel 1842 beschrie- ben. Eine andere Schrift: „Menschen und Dinge“ Stuttgart und Hamburg 1855 spricht sich besonders über deutsche Verhältnisse aus; die Resultate seiner Forschungen sind hauptsächlich in den Schriften der Basler und schweizerischen Naturforschenden Ge- sellschaft, sowie in Poggendorff’s und Wöhlers Zeitschriften nie- dergelegt. * Schönbein war von kräftiger Statur und hatte sich immer * Ein vollständiges Verzeichniss seiner veröffentlichten nicht we- niger als 338 Nummern betragenden Arbeiten findet sich in dem Pro- gramm für die Rectoratsfeier der Universität Basel 1868 von Ed. Ha- genbach, worin auch sein ganzes Leben und Wirken ausführlich geschildert ist. einer guten Gesundheit zu erfreuen, bis in den letzten Jahren sich Spuren von Gicht einstellten, wesshalb er auch im August 1868 das Wildbad besuchte. Hier bildete sich im Nacken ein Karbunkel, was alsbald vom Arzt erkannt wurde und ihn be- stimmte, sofort nach Baden-Baden abzureisen, wo er jedoch trotz der sorgsamsten Pflege eines geschickten Arztes, einer Tochter und seines herbeigeeilten Freundes Eisenlohr, schon wenige Tage nachher, am 29. August 1868, der Krankheit unterlag. Friede seiner Asche! Nekrolog des Karl Freiherrn von Reichenbach. Nach Mittheilungen seiner Familie eingesendet von Director v. Schmidt. Karl Ludwig Reichenbach ist geboren zu Stuttgart am 12. Fe- bruar 1788. Sein Urgrossvater war Chirurgus zu Canstatt und hatte zwei Söhne; der jüngere derselben, Regimentsarzt, gest. 1810 im Alter von 84 Jahren, war Reichenbach’s Grossvater und hinterliess vier Söhne nebst zwei Töchtern. Bemerkenswerth ist, dass von diesen sechs Personen vier das hohe Alter von 80 bis 86 Jahren erreichten. Der zweite dieser Söhne, gestorben im Jahre 1837 als Archivar und Bibliothekar zu Stuttgart, war Rei- chenbach’s Vater. Seine Mutter, gest. 1841, die Tochter des Hofkammerraths Schweitzer, war eine Frau von ungewöhnlich leb- haftem Geiste, welcher auf ihren ersten Sohn Karl zumeist über- ging. R. durchlief mehrere Classen des Stuttgarter Gymnasiums; aber sehr früh erwachte seine Neigung für die Naturwissen- schaften, indem er schon damals begann, Herbarien anzulegen und Mineralien zu sammeln, auch gerne mit mechanischen Ar- beiten- und besonders viel mit electrischen Experimenten sich be- schäftigte. Nachdem er das Gymnasium verlassen, wurde er durch einige Jahre als sogenannter Schreiber in Amtskanzleien verwen- det, welcher Weg damals in Württemberg zu allen höheren Staats- ämtern führte. Wenn auch die Beschäftigung in diesem Fache a REN seinen Wünschen in jener Zeit wenig entsprach, so kam ihm doch die dadurch früh gewonnene Kenntniss des praktischen Verwal- tungs- und Verrechnungswesens im weiteren Geschäftsleben sehr wohl zu Statten, was er später oftmals anerkannt hat. Bei den beschränkten Verhältnissen seines Vaters brachte es R. nicht ohne mehrere Schwierigkeiten dahin, dass ihm end- lich ermöglicht war, durch zwei Jahre die Universität Tübingen zu besuchen (1807). Er sollte freilich dort Jurisprudenz stu- diren, welche er jedoch ziemlich vernachlässigt zu haben scheint, um sich desto mehr seinen Lieblingswissenschaften, insbesondere der Chemie und Physik hingeben zu können. Namentlich waren es die Vorlesungen von Kielmeyer und Bohnenberger, welchen er hier die meiste Anregung zu verdanken hatte, während sein Freund Schübler sein Interesse an der Naturgeschichte förderte und wach erhielt. Diese Universitätsstudien wurden vor der Zeit, im Jahre 1808, gestört durch ein Ereigniss von halb politischem Charakter. R. hatte nämlich mit mehreren jugendlichen Gesinnungs-Genossen den Plan zu einer Auswanderungs-Gesellschaft entworfen, welche sich die Insel Otahaiti im stillen Ocean zum Ziel setzte. Die nächste Veranlassung zu diesem abenteuerlichen Vorhaben gaben ihm und anderen die trostlosen politischen Zustände Deutschlands zu jener Zeit während der Herrschaft Napoleon’s I, besonders die Gewaltthätigkeit, mit welcher damals alle jungen Leute zum Soldatendienste gezwungen wurden. Da aber eben aus diesem Grunde alles Auswandern strenge verboten war, musste die Sache ganz im Geheimen betrieben werden; indessen wurde sie durch Verrath dennoch der Württ. Regierung bekannt, wovon die Folge war, dass R. nach längerer Untersuchung zwei Monate auf der Festung Hohenasperg verbringen musste. Bald nach dieser Zeit finden wir R. als provisorischen Amts- verweser zu Freudenthal, für welches Amt ihn sein Freund und Gönner, der ehemalige Kameralverwalter Ammermüller, als seinen Nachfolger empfohlen hatte. R. verwaltete auch dieses Amt zu voller Zufriedenheit durch ein halbes Jahr, konnte sich aber nicht entschliessen, im Staatsdienst zu verbleiben, da die —. (ln — technische Laufbahn ihn weit mehr anzog. Schon zu Ende 1810 verheirathete R. sich mit Friederike Erhard, Tochter eines Stutt- garter Buchhändlers. Durch dıeses Verhältniss verbesserte sich zugleich seine äussere Lage insoweit, dass er nicht genöthigt wurde, unmittelbar ein Amt anzunehmen; vielmehr konnte er noch mehrere Jahre zu seiner weiteren Ausbildung durch Reisen und technische Arbeiten verwenden. Die Zeitumstände waren ihm an- fangs wenig günstig, um irgend ein neues Fabriksgeschäft zu gründen oder bei einem solchen sich zu betheiligen. Er ent- schloss sich daher, nachdem er durch Ammermüller die Be- kanntschaft Faber du Faur’s, Hüttenverwalters zu Wasseral- fingen gemacht hatte, sich gänzlich dem Eisenhüttenwesen zu wid- men und vorerst durch grössere Reisen seine Kenntnisse und Er- fahrungen auf diesem speciellen Gebiete zu erweitern. Er un- ternahm mehrere solche Reisen in den Jahren 1816 bis 1818 und besuchte zuerst Oesterreich, Steyermark und Kärnthen, dann Mähren und Schlesien; später noch Sachsen und die Rheinlande, auch einige Punkte von Elsass und Lothringen, wo er sich überall meist längere Zeit aufhielt. So gründlich vorbereitet übersiedelte R. zu Ende des Jahrs 1818 sammt seiner Familie von Stuttgart nach Hausach im Gross- herzogthum Baden, wo er, in Verbindung mit v. Uechtriz und Klee, neben den dortigen Eisenhämmern die zwei ersten grossen Ver- kohlungsöfen nach seiner eigenen neuen Erfindung zur Ausfüh- rung brachte. Diese bestand im Wesentlichen darin, dass die Verkohlung des rohen Holzes nicht, wie bisher, in geschlossenen eisernen Kästen oder Cylindern mit äusserer Heizung, sondern mittels besonderer Heizröhren bewerkstelligt wurde, welche das Innere eines gemauerten Ofenraumes durchzogen. Durch diese Abänderung wurde der Hauptzweck erreicht, grössere Holzmassen in Wege der trockenen Destillation schneller zu verarbeiten, festere Kohle zu erhalten und die sämmtlichen flüchtigen Neben- produete leichter zu gewinnen. Obwohl dieses Fabriksgeschäft dort nur wenig über zwei Jahre fortbestand, hatte es doch grossen Einfluss auf R.’s wei- tere Schicksale, indem es für ihn der Ausgangspunkt wurde zu ER umfangreicheren Unternehmungen. Die Verwerthung der Neben- producte der Holzverkohlung, des Holzessigs und Theers, zeigte sich nämlich damals noch mit erheblichen Schwierigkeiten ver- bunden, indem ihre Reinigungsmethoden noch zu wenig ausgebildet waren. Allein der erste Anstoss war gegeben und weitere Ver- besserungen standen in naher Aussicht. Schon im Jahre 1816 hatte R. auf seiner Reise nach Oesterreich zufällig in Wien durch Professor Meissner den verewigten Altgrafen Hugo zu Salm-Reifferscheid-Krautheim kennen gelernt, einen Mann von eminentem Geiste, welcher an allen Fortschritten der Indu- strie und Wissenschaft nicht nur den lebhaftesten Antheil nahm, sondern auch selbstthätig eingriff. Unter anderem war es auch die Holzverkohlung in geschlossenem Raume, welche ihn, der selbst grosse Waldungen besass, vorzugsweise interessirte und schon früher seine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Als ihn nun R. durch briefliche Mittheilungen vom günstigen Erfolg seiner so eben im Badischen errichteten Kohlöfen in Kenntniss gesetzt hatte, fand der Altgraf sich bewogen, densel- ben sofort einzuladen, dass er ihm ähnliche Fabrikseinrichtungen auf seinen Herrschaften in Blansko in Mähren ins Leben rufen möchte. Im Sommer 1821 machte R. vorher noch eine Reise nach Frankreich, wo er sich zu Paris und Dijon mehrere Wochen auf- hielt und begab sich dann im Herbst desselben Jahres über Wien nach Mähren, um jener Aufforderung des Altgrafen Salm zu entsprechen. Hier in Blansko war nunmehr der Ort, wo R.s organisatorische Talente den erwünschten grösseren Spielraum finden sollten. Es gelang ihm in der That sogleich in den Jahren 1822 und 1823 zwei neue grosse Kohlöfen dort zu errichten, welche je 60 und 80 Klafter Holz fassten und eine reichliche Menge von flüssigen Nebenproducten lieferten, ohne gegenüber den Mei- lern, der Qualität der Kohle selbst Eintrag zu thun. Der Alt- graf zu Salm war über diese kaum erhofften technischen Resul- tate in so hohem Grade erfreut, dass er von nun an zu R.s Fähigkeiten das grösste Vertrauen fasste und ihm bald darauf Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. ) BR ERN den Vorschlag machte, auch die Oberleitung aller seiner Berg- und Hüttenwerke zu übernehmen. So entstand jene engere Ge- schäftsverbindung R.’s mit dem Altgrafen zu Salm, welche bis zu des letzteren Tode (am 31. März 1836) ungestört fortdauerte und für beide Theile die günstigsten Ergebnisse lieferte, — letz- tere auch für R. desshalb, weil er vom reinen Geschäftsgewinn 25, zuletzt 33 Procente bezog. Im Jahr 1835 verlor R. durch Tod seine Gattin, was ihn einige Zeit mit dem Gedanken um- gehen machte, sich nunmehr ganz vom Geschäfte zurückzuziehen und von nun an der Wissenschaft allein zu leben. Er liess sich jedoch durch den dringenden Wunsch des schon bejahrten Alt- grafen Salm bewegen, von diesem Plane wieder abzugehen, ein Entschluss, welcher wohl in Anbetracht der später eingetretenen Conflicte zu bedauern bleibt. Während jener längeren Geschäftsperiorde von 1822 bis 1836 brachte es R. dahin, die in ziemlich vernachlässigtem Zu- stande befindlichen Eisenwerke von Blansko rasch auf eine be- deutende Stufe zu heben, was er vornämlich dadurch bewirkte, dass er eine bessere Administration und genauere Controle ein- führte, wozu er es verstand, geschickte Leute aus dem Inlande und Auslande herbeizuziehen und zu tüchtigen Beamten heran- zubilden. Vor allem andern war es die Blansker Eisengieserei, welche jetzt in Aufschwung kam und in Kurzem als die erste der österreichischen Monarchie anerkannt wurde. Grösseren Schwierigkeiten als beim Verkaufe der Eisenfa- brikate begegnete R. noch immer bei der Verwerthung der Ne- benproducte von der Holzverkohlung. Denn der Theer vom har- ten Holze hatte einen geringeren Preis und diente meist nur zur Gasbeleuchtung für grosse Fabriken; der Absatz der essig- sauren Salze endlich war ein beschränkter. Diese Umstände waren es, welche R. veranlassten, seine Aufmerksamkeit der näheren chemischen Erforschung des Holzessigs und Holztheers selbst zuzuwenden, zunächst nur in der Absicht, jenen Roh- stoffen durch weitere Veredlung einen höheren Handelswerth zu verschaffen. — So geschah es, dass R. von der rein technischen Bahn allmählich auf eine mehr wissenschaftliche übergeführt RT worden ist und zwar in dem Gräde mehr, als es ihm wirklich bald gelang, verschiedene bisher ganz unbekannte chemische Po- tenzen aus dem Holztheere zu isoliren und an’s Tageslicht zu ziehen. Reichenbach’s erste bedeutende chemische Entdeckung war im Jahre 1830 die des Paraffins, eines Stoffes, der jetzt aller Welt bekannt ist, seitdem sich gezeigt hat, dass er nicht allein im Holztheer, Sondern in noch weit grösserer Menge, wenn auch unter gewissen Modificationen im Theer mancher Braunkohlen und des Torfes, endlich besonders im Steinöl enthalten ist. Dem Pa- raffin folgte im Jahre 1832 zunächst seine Auffindung des Kreo- sots, welches der nachmals von anderen Forschern im Steinkoh- lentheere entdeckten Carbolsäure ünd Phenylsäure höchst nahe steht und von letzteren beiden Stoffen vielleicht nur in Folge nicht ganz gleicher Darstellungsweise in gewissen Eigenschaften etwas abweicht. Während R. seine chemisch wissenschaftlichen Arbeiten in solcher Weise bis 1835 eifrig fortsetzte, gelang es ihm, noch mehrere bisher meist ganz unbekannte Substanzen aus dem Holz- theer und auch aus dem Steimkohlentheer abzuscheiden, welchen er nacheinander die Namen Picamar, Kapnomor, Pittakall etc. ‘ertheilte..e Es scheint zwar späteren Chemikern nicht immer ge- lungen zu sein, alle diese neuen Stoffe als selbstständige wieder aufzufinden und deren vollkommene Identität sicher zu stellen. Was jedoch das Pittakall betrifft, so ist es höchst wahrschein- lich, dass R. hier bereits das Oxydationsproduct des Anilins auf- gefunden hatte, ohne noch das Anilin selbst zu kennen, welches sich seiner Beobachtung entzog, da es im Holztheere nur in äusserst geringer Menge vorkömmt. In dieselbe Zeit beinahe fällt R.’s Beschäftigung mit prac- tischer Geologie. Die erste Veranlassung hiezu gaben ihm äus- sere Umstände. Die Cholera war seit 1831 auch in Mähren ausgebrochen und begann die Umgegend von Blansko schwer heimzusuchen. In der Absicht, diesem drohenden Feinde gegen- über seine etwas schwankende Gesundheit zu stärken, fasste er den Plan, die Zeit, welche er fleissiger Bewegung in freier Luft 5 * widmen sollte, zugleich auf geognostische Untersuchung des ihn umgebenden Terrains nützlich zu verwenden. So entstand seine nachmalige Schrift „geologische Mittheilungen aus Mähren“, Wien 1834, in welcher er eine sehr genaue Monographie der sämmt- lichen geognostischen Formationen lieferte, welche fast 10 Qua- dratmeilen der Umgebung von Blansko ausmachen. Zu Ende März 1836 starb unerwartet früh der Altgraf zu Salm, mit welchem R. noch kurze Zeit vorher einen neuen Ver- trag über die Errichtung einer grossen Runkelrüben-Zuckerfabrik auf den eigenen Gütern des Grafen abgeschlossen hatte. Es war insoferne kein glücklicher Gedanke R.’s zu nennen, als er dadurch auf ein ganz anderes industrielles Gebiet abgelenkt wurde, welches ihm bisher ziemlich fremd geblieben war. Der Nachfolger und Erbe des Altgrafen, der spätere Fürst Hug o zu Salm- Reifferscheid bestätigte zwar unmittelbar sämmtliche geschäft- liche Verträge, welche R. mit dessen Vater abgeschlossen hatte, und so wurde auch die Ausführung der projectirten Zuckerfabrik so- fort in’s Werk gesetzt. Die besondere Bestimmung jedoch, dass die zum Betrieb erforderlichen Runkelrüben vom Wirthschafts- amte des Fürsten allein zu einem im voraus angenommenen Preise an die Fabrik abgeliefert werden sollten, wurde im Verlaufe we- niger Jahre zur wesentlichen Veranlassung jener vielen Streitig- keiten, welche nachmals zur gänzlichen Auflösung der so lange glücklich bestandenen Verbindung führten. Es stellte sich näm- lich alsbald heraus, dass der Zuckerrübenbau in dem nöthigen, sehr ausgedehnten Massstabe mit weit grösseren Schwierigkeiten verbunden war, als R. selbst erwartet hatte, indem der Ertrag der Felder in den ersten Jahren weit hinter der vorausgesetzten Grösse von 300 Ctr. per Wiener Joch zurückblieb. So kam es, dass der Fürst Salm später sich durch den Vertrag beunachtheiligt glaubte und endlich auf Mittel und Wege denken mochte, den- selben wieder aufzuheben. Er begann den Streit damit, dass er im Juni 1840 die General-Vollmacht zurücknahm, mittelst welcher R. bisher sowohl die sämmtlichen Eisenwerke und chemischen Fabriken als auch seine Ländereien und Forsten administrirt hatte. Die weitere Folge dieses Gewaltschrittes waren zweierlei rg Prozesse, welche R. gleichzeitig wider seinen Gegner durchzu- kämpfen hätte, einestheils um seine Ehre zu vertheidigen, an- derntheils um sein Buch-Guthaben geltend zu machen. Der erste Theil dieser Prozess-Verhandlungen, worin ihn der Hof- und Gerichts-Advokat, kais. Rath Dr. Josef Neumann in Wien auf’s Wirksamste vertrat, kam schon im Herbste 1843 zu einem für R. durchaus günstigen Abschlusse. Der andere Theil aber, welcher die Schlussabrechnung betraf und sich Jahrzehnte fort- zuspinnen drohte, führte im October 1846 endlich zu einem Ver- gleiche, kraft dessen an R. noch 149,000 fl. CM. vom Fürsten Salm baar hinausbezahlt worden sind. So endete dieser lang- wierige Streit, welcher keiner Partei Vortheil gebracht, wohl aber den Fürsten selbst nachmals zur Einsicht geführt haben dürfte, dass R.’s Rath ihm nicht immer so wohl entbehrlich war, als es einst ihm scheinen mochte. Durch seine wissenschaftlichen Bestrebungen wurde R. schon frühzeitig veranlasst, die deutschen Naturforscher-Versammlungen wiederholt zu besuchen, meist in Begleitung seiner Gattin. Zu- erst sehen wir ihn in Berlin 1828, im folgenden Jahre zu Hei- delberg, von wo aus er noch eine Geschäftsreise bis Lüttich machte: 1830 besuchte er Hamburg, wo er der Versammlung eine erste Probe von Paraffin vorzeigte; 1832 ging er nach Wien, 1833 nach Breslau und 1834 nach Stuttgart. Im Jahr 1837 sah er Prag und 1843 erschien er noch in Graz. Von jener Zeit an nahm indess seine Thätigkeit zum Theil eine andere Richtung, welche sein Interesse an jenen Vereinigungen etwas abschwächte und wir finden ihn erst 1862 wieder und zum letz- ten Male bei der Naturforscher-Versammlung zu Karlsbad. Schon im Jahre 1835 hatte R. das bei Wien gelegene Gut Reisenberg, gewöhnlich Cobenzl genannt, angekauft, wo er sich von nun an im Sommer aufzuhalten pflegte, während er die Win- termonate in Blansko zubrachte.e Von 1839 an nahm er aber seinen bleibenden Aufenthalt auf jenem Gute und im Winter zu- weilen in Wien, wo er es besonders liebte, von Zeit zu Zeit einen Kreis von Gelehrten und Freunden der Wissenschaft um sich zu versammeln. Er wendete nun seine Aufmerksamkeit mehr auch der Landwirthschaft zu und begann vorzugsweise für die Einführung der Seidenzucht selbst thätig zu sein, nachdem er einen ersten Anfang damit schon zu Blansko gemacht hatte. Ueber zehn Joch Feld liess er auf seinem Gute mit Maulbeer- bäumen bepflanzen und dureh eine Reihe von zwanzig Jahren jeden Sommer eine grosse Anzahl von Seidenraupen in besonde- ren Lokalen aufziehen, sowie deren Concons abhaspeln. Die an- sehnlichen Opfer an Geld, welche er diesem wichtigen Gegen- stande brachte, wurden zwar durch den praktischen Erfolg nicht ersetzt, noch weniger belohnt, indem er in beständigem Kampfe gegen die verderblichen Krankheiten dieser Raupen nicht viel glücklicher war als manche andere. Gleichwohl hat er dadurch vielfache Gelegenheit gegeben zu neuen Beobachtungen und werth- vollen Erfahrungen auf diesem jungen Erwerbszweige, von wel- chen sich mit Grund hoffen lässt, dass sie nicht gänzlich ver- loren gehen werden. Nur kurze Zeit noch setzte R. hier seine früheren chemi- schen Arbeiten fort; seine letzte Abhandlung auf diesem Gebiete: „zur Kenntniss der trockenen Destillation organischer Körper“, welche er 1843 publizirte, war jene über das von ihm so genannte Assamar, einen bitteren Stoff, der durch Röstung an freier Luft entsteht. Es geschah nämlich Anfangs Mai 1844, dass R. eines Tages von dem Wiener praktischen Arzte Dr. von Eisenstein über einige eigenthümliche Erscheinungen, welche ebenderselbe am Krankenbette beobachtet hatte, zu Rathe gezogen wurde. Es handelte sich um einen Fall von Katalepsie, in welchem die be- treffende Kranke ausserordentliche Reizbarkeit gegen den Ein- fluss von Eisenmagneten, die man in ihre Nähe brachte, zeigte, auch in grosser Dunkelheit verschiedene Lichteindrücke wahr- nahm, wo andere Personen nichts weiter sahen. In Folge eines Besuches, welchen R. sofort bei jener Kranken zu machen ver- anlasst war, verfiel er auf den Gedanken, dass jener Patientin möglicher Weise auch die Emanationen eines Magnetes sichtbar sein könnten. Es wurde unverzüglich ein Versuch in diesem Sinne durch ihn veranstaltet, welcher in der That R.’s Vermu- thungen vollkommen bestätigte. Indem R. von diesem Augen- RE blicke an dieses auffallende neue Factum mit Eifer weiter ver- folgte, wurde er in jene lange Reihe von physikalisch-physiolo- gischen Untersuchungen hineingezogen, welche er später unter dem Namen „odische* oder „über Od und Sensitivität* in mehreren kleineren Abhandlungen und grösseren Werken veröffentlicht hat. Der Inhalt dieser Schriften, welche ihrer Zeit ein gewisses Aufsehen in der gelehrten und nicht gelehrten Welt erregt ha- ben, ist zwar dem Wesentlichen nach bekannt; nicht so leicht aber, als es manchen scheinen mag, wird es sein, die Bedeutung desselben richtig zu beurtheilen und den wahren Werth der frag- lichen Mittheilungen zu erkennen und festzustellen. Denn wenn es auch wahrscheinlich ist, dass R. in der näheren Erklärung jener von ihm nicht selbst wahrgenommenen, sondern ihm nur beschriebenen Lichterscheinungen zuweilen weiter gegangen ist, als es schon an der Zeit war, wenn er sogar hin und wieder von Einzelnen getäuscht worden wäre, so ist doch die Anzahl der von ihm zu Rathe gezogenen Personen eine viel zu grosse, als dass ohne weiteres behauptet werden könnte, es müssen hier überall Betrug oder Täuschung im Spiele sein. R. hat vielleicht die Glaubwürdigkeit der zahlreichen von ihm vorgeführten Beob- achtungen selbst dadurch vermindert und ihre Annahme dadurch erheblich erschwert, dass er dieselben von Beginn an als etwas ganz Eigenthümliches, von andern schon bekannten Wirkungen oder Agentien der Natur specifisch Verschiedenes hinzustellen suchte. Er war stets vorwiegend darauf bedacht, die Unter- schiede oder Abweichungen seines sogenannten Odes von anderen gewöhnlichen Erscheinungen nachzuweisen oder hervortreten zu lassen, während er dessen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit solchen zu leicht übersehen mochte, manchmal wohl im zu grossen Eifer, ganz neue Wahrheiten aufzufinden. Wenn es sich indessen mit der Zeit auch herausstellen sollte, dass das von ihm mit dem Namen „Od“ bezeichnete Agens mit der ge- meinen Electrieität zusammenfalle und nur eine specielle Mani- festation derselben unter gewissen veränderten, bisher unbeach- teten Umständen sei, so würde R. immer der Ruhm bleiben, eben diese besonderen Umstände für neue elektrische Erscheinungen a an das Tageslicht gezogen zu haben. In der That lässt sich schon jetzt in nicht wenigen Fällen, für welche R. ein Auftreten von „Od“ in Anspruch nimmt, deren Zusammenhang mit irgend einer wirklichen Elektricitäts-Aeusserung unmittelbar darthun, in- dem sich die odische Erscheinung einfach als Fortsetzung einer bereits sehr schwachen, durch Instrumente kaum nachweisbaren, durch höchst reizbare Sinnesnerven aber noch wahrnehmbare elek- trische Erscheinung darstellt. Wenn man R.’s bezügliche Ar- beiten von diesem Gesichtspunkte aus einer genauen und unbe- fangenen Kritik unterziehen wollte, so würde man kaum lange in Verlegenheit oder im Zweifel bleiben, welcher Classe von phy- sikalischen Thatsachen man sie einzureihen und welche Bedeu- tung im Allgemeinen man ihnen in der Wissenschaft anzuweisen habe. Nachdem R. sein odisches Hauptwerk „der sensitive Mensch“ (2 Bde., 1854, bei Cotta) beendigt hatte, liess er eine Pause in dieser Beschäftigung eintreten, indem die geringe Theilnahme, welche seine bezüglichen Forschungen in der Gelehrten - Welt fanden, seine Lust an weiterer Fortsetzung etwas abgeschwächt hatte. Er wandte sich daher nunmehr einem anderen wissen- schaftlichen Gegenstande mit Vorliebe zu, auf welchen sein Au- genmerk schon weit früher durch ein ausserordentliches Ereigniss hingelenkt worden war. Es war nämlich am Abend des 25. No- vember 1833, dass in der Nähe von Blansko in Mähren ein glänzendes Feuermeteor erschien, begleitet von einem wirklichen Steinfalle, dessen sichere Constatirung damals R.’s rastlosen Be- mühungen ausschliesslich zu verdanken war. Indem er bei die- sem Anlasse ohne Zeitverlust eine grosse Anzahl von Leuten aufbot, um in den umliegenden Waldungen nach seiner Weisung den Erdboden durchsuchen zu lassen, gelang es ihm, etwa sieben oder acht der gefallenen Meteorsteine noch aufzufinden, von wel- chen er nachmals mehrere dem kais. Mineralien-Cabinet in Wien zugewendet hat. Von da an begann er aber auch eine eigene Sammlung von alten und neuen Meteoriten anzulegen, welche er im Laufe der Jahre zu einem solchen Umfange gebracht hat, dass dieselbe wohl als die reichhaltigste Privatsammlung iu Eu- A u ropa dastehen mag. Um ein besonderes Zeichen seiner dank- baren Erinnerung zu geben, überliess er später (1858) diese sehr werthvolle Sammlung durch förmliche Schenkung der Uni- versität Tübingen, welche ihm in Anerkennung dieser Widmung noch das Diplom eines „Doctors der Naturwissenschaften* verlieh, nachdem er daselbst den philosophischen Doctorgrad längst er- worben hatte. R. machte sich nun daran, diese seit Jahren gewonnenen reichen wissenschaftlichen Hülfsmittel auch selbst noch zu ver- arbeiten, indem er dieselben sorgsamen mikroskopischen For- schungen unterzog, um die Kennzeichen der verschiedenen Me- teoriten festzustellen, ihre nähere mechanische Zusammenfügung zu ergründen und die erlangte Einsicht zu kosmogenischen Be- trachtungen zu verwerthen. Die Resultate dieser mühsamen Ar- beiten hat er in zahlreichen Aufsätzen in Poggendorff’s Annalen der Physik von 1854 bis 1864 niedergelegt und wenn auch nicht alle seine dort aufgestellten speculativen Ansichten für die Dauer sich behaupten sollten, so dürfte das von ihm gelieferte so reichliche Material für die künftige wissenschaftliche Forschung auf diesem neuen Felde immerhin einen bedeutenden Werth be- halten. Um den genannten Arbeiten eine möglich grösste Vollen- dung zu geben, entschloss sich R. noch im Sommer 1861, in seinem 74. Lebensjahre zu einer grösseren Reise nach Paris und London, um auch die dort befindlichen reichen Meteoritensamm- lungen in eigenen Augenschein zu nehmen und etwaige Lücken seiner theoretischen Zusammenstellung auszufüllen. Die Rück- reise aus England machte R. damals über Göttingen, wo er sei- nen Freund Wöhler noch besuchte, und kam dann nach Berlin, wo er über 9 Monate, bis Juli 1862 sich aufhielt. Hier beab- sichtigte er nämlich, einen neuen Versuch zu machen, die dor- tigen Gelehrien für seine odischen Untersuchungen persönlich zu interessiren, welcher jedoch abermals fehlschlug, wie aus seiner Schrift „odische Begebenheiten zu Berlin 1862* hervorgeht» Nachträglich möge hier erwähnt sein, dass R. schon im Sommer 1845 in ganz ähnlicher Absicht zu Karlsbad eine Zusammen- A kunft mit Berzelius hatte, wo dieser grosse Naturforscher da- mals über R.’s bereits gewonnenen Ergebnisse auf jenem schwie- rigen Felde der Wissenschaft keineswegs bloss negirend sich äusserte, sondern sich dadurch vielmehr veranlasst fand, zu fort- gesetzter, wenn auch strenger Prüfung der vorgebrachten neuen Thatsaehen dringend aufzufordern. So grosse praktische Resultate R. bei seinen früheren in- dustriellen Unternehmungen erzielt hatte, so wenig war ihm das Glück günstig bei allen seinen Versuchen auf dem technischen Gebiete in den späteren Jahren seines Lebens. Die Ursache dieser Misserfolge erklärt sich zumeist daraus, dass er, einiger- massen verwöhnt durch die glücklichen Ergebnisse seiner vor- maligen Wirksamkeit, später nicht mehr die so nöthige Vorsicht dabei anzuwenden pflegte und wohl glaubte, die Leitung solcher oft verwickelten Geschäfte nunmehr als Nebensache besorgen zu können, indem er sich gleichzeitig nicht entschliessen wollte, die ihm lieber gewordene rein wissenschaftliche Thätigkeit aufzu- geben. Schon im Jahre 1845 hatte er sich so ohne genügende Kenntniss der Sachen und Personen bei einem Colonialwaaren- Geschäfte in Wien betheiligt und war hier eben noch mit einem blauen Auge davon gekommen. Als aber später, um 1855, das Eisenbahnwesen auch in Oesterreich einen grösseren Aufschwung zu nehmen begann, konnte R. abermals fremder Ueberredung nicht widerstehen, welche ihn glauben machte, dass die Fabri- kation von Bahnschienen nunmehr vor allem zeitgemäss und ein Geschäft wäre, welches sicheren Gewinn verspreche. Nachdem er sich auf solche Weise hatte bewegen lassen, immer grössere Summen aufzuwenden und seine Güter mehr und mehr mit Schul- den zu belasten, um die schon angefangenen Eisenwerks-Anlagen bei Terniz in Niederösterreich und bei Gaja in Mähren zu voll- enden und ertragsfähig zu machen, schlugen im Laufe weniger Jahre die anfänglich so günstig scheinenden Conjuncturen in das gerade Gegentheil um. Die unerwartete beträchtliche Herab- setzung der Eingangszölle, welche von der österreichischen Re- gierung im Jahre 1858 verfügt worden war, um den Ausbau des Bahnsystems zu beschleunigen, hatte ein so rasches Sinken ER a aller Eisenpreise im Inlande zur Folge, dass die meisten jener neuen Hüttenwerke, welche sich auf die Erzeugung von Eisen- bahnschienen soeben mit grossem Kostenaufwand eingerichtet hat- ten, plötzlich in die bedenkliche Lage geriethen, ohne allen vor- ausgesetzten Gewinn fortarbeiten zu müssen. Da nun unter sol- chen misslichen Umständen an eine baldige Rückzahlung der zum Betriebe aufgenommenen hohen Geldsummen nicht zu denken war, so gingen für R. alle seine Güter wieder verloren, welche er dafür zur Hypothek gegeben hatte und damit zugleich der bei weitem grösste Theil seines einst in ähnlichen Geschäften er- worbenen Vermögens. Obwohl die sonach erlittenen grossen Unfälle und Verluste ihm seine letzten Jahre verbittert und offenbar zur Abkürzung seines Lebens beigetragen haben, liess sich R. durch solches Miss- geschick doch nicht abhalten, seine ihm fast einzig noch am Her- zen liegenden wissenschaftlichen Bestrebungen fortzusetzen. So sehen wir ihn denn im Sommer 1867 seine letzte Reise von Wien nach Leipzig unternehmen, im Alter von nahe 80 Jahren, in der Absicht, in jener Stadt für seine odischen Untersuchun- gen noch weitere Thatsachen zu sammeln und in der Hoffnung, einige ihm befreundete Gelehrte dort näher dafür zu interessiren. Allein übermässige Anspannung der Geistesthätigkeit in Ver- bindung mit mancherlei Gemüthsaufregung mögen seine grosse Lebensenergie früher erschöpft haben, als seine einst so kräftige, noch mehrere Jahre versprechende Körperconstitution ausserdem hatte erwarten lassen. Im Sommer 1868 begann er zu krän- keln und gegen Ende des Jahres sanken seine Kräfte so rasch, dass er am 19. Januar 1869 zu Leipzig verschied, wenige Tage vor Vollendung des 81. Lebensjahres. Noch bis in die letzten Tage hatte er sein klares Bewusstsein sich erhalten. Es bleibt schliesslich zu erwähnen, dass R., nachdem er schon um 1834 durch Ertheilung des kgl. württemb. Kronordens ausgezeichnet, auch zum Ehrenbürger von Stuttgart ernannt wor- den war, zu Anfang des Jahres 1839 von seinem Landesherrn, dem Könige Wilhelm I. von Württemberg, in den Freiherrnstand erhoben worden ist. Vorträge. I. Professor C. W. Baur gab folgenden Bericht über die neueren geodätischen Aufnahmen in Württemberg zu Zwecken der europäischen Gradmessung: Es hat mir angemessen geschienen, Sie von einer bei uns im Gang befindlichen, in das Gebiet der Naturkunde einschlagen- den geodätischen Arbeit zu benachrichtigen, deren erste Ergeb- nisse Sie in dem nächstens erscheinenden Vereinsheft niederge- legt finden werden. Es ist unser Antheil an dem Nivellement, welches die Conferenz für die mitteleuropäische, jetzt europäische Gradmessung durch den Continent von den Küsten des mittel- ländischen Meers bis zu denen der Nord- und Ostsee zu dem Zwecke veranstaltet hat, für die Höhen der drei Meere eine mög- lichst genaue Vergleichuug zu erhalten und eben damit für sämmt- liche Höhenangaben in dem Continent, welche bald auf den Spie- gel des einen, bald auf den des anderen Meers bezogen werden, eine sichere Grundlage zu gewinnen. Den vielerlei Verwirrun- gen, welche sowohl bei wissenschaftlichen als bei technischen Unternehmungen da entstehen, wo Gebiete, in denen verschiedene Horizonte zu Grund gelegt sind, zusammenstossen, soll schliess- lich dadurch ‚vorgebeugt werden, dass man sich über die Wahl eines für ganz Europa gültigen Nullpunkts verständigt und zu- gleich in jedem Lande eine Menge von wohl versicherten Punk- ten nach ihren Höhendifferenzen gegen denselben bestimmt. Meine Herren! welche von Ihnen bei der Versammlung un- seres Vereins im Jahre 1864 anwesend waren, erinnern sich viel- leicht einer kurzen mündlichen Darstellung, welche ich damals a an diesem Orte von dem Zwecke, welcher durch die Gradmes- sung erreicht werden soll, gegeben habe, und die nachher in er- weiterter Form in einem Vereinshefte erschienen ist. Dieser Zweck besteht in der Erforschung der wahren Gestalt der mathe- matischen Erdoberfläche, besonders nach den Abweichungen, welche sie von der seit Newton angenommenen geometrischen Gestalt des Drehungsellipsoids vermöge unregelmässiger, vom Erdinnern ausgeübten Anziehungen und dadurch bewirkter Abweichungen der Lothlinie darbietet. Zur Erscheinung würde diese wahre Gestalt der Erdober- fläche kommen an einer zusammenhängenden flüssigen Umhüllung des ganzen Erdkörpers, die keinen anderen Kräften ausgesetzt wäre als der Anziehung von Seiten des Erdinnern und der Cen- trifugalkraft, also keinen Störungen durch Winde, durch Fluth- wellen, durch ungleiche Vertheilung von Zufluss, Abfluss und Ver- dunstung unterworfen wäre, sie käme unter denselben Umständen auch zur Erscheinung an einem Netz von Kanälen, durch wel- ches man sich die Continente durchzogen denkt. Diese Voraussetzung trifft aus einem doppelten Grunde nicht zu, einmal, weil weder die zusammenhängende wässrige Umhül- lung des gesammten Erdkörpers noch das Kanal-System vorhan- den ist, zum anderen, weil, wenn auch die eine oder das andere vorhanden wäre, jene der Erdgestalt fremden störenden Kräfte darauf wirken würden. Sie begreifen nun, inwiefern von einer Vergleichung der Meeresspiegel überhaupt die Rede sein kann. Ohne jene stö- renden Wirkungen wären die Spiegel der verschiedenen Meere an den verschiedenen Küsten eo ipso gleich hoch, sie würden uns überall die wahre Erdoberfläche darstellen. Sie sind es aber nicht, nicht einmal der Spiegel eines und desselben Meeres steht an verschiedenen, verhältnissmässig wenig von einander entlege- nen Küstenpunkten gleich hoch, wie die nivellistische Verglei- chung der Seehöhen in einigen Häfen der wenig entwickelten südfranzösischen Küste nachgewiesen haben soll. Glücklicherweise sind wir aber zum Zweck einer Darstellung der wahren Erdgestalt auf jene beiden Hilfsmittel der wässrigen ae Umhüllung des gesammten Erdkörpers oder des Kanalsystems nicht angewiesen. Die Oberfläche jeder in einem Gefäss im Gleichgewicht befindlichen Flüssigkeitsmasse stimmt, den Win- den, den Stauungen, den Fluthwellen entzogen, mathematisch ge- nau mit derjenigen Lage überein, welche ein gleich grosser Aus- schnitt aus der Oberfläche der sich bis zu dieser Höhe erheben- den wässrigen Umhüllung darbieten würde. Wir übertragen diese Lage von unseren Wasserwagen oder Libellen auf die Sehlinie unserer Nivellirinstrumente, welche dadurch in ganz ausgezeich- netem Sinne des Worts eine horizontale wird, eine besser hori- zontale als es die jenen störenden Kräften ausgesetzte Meeres- fläche selbst ist. Um die ideale Fortsetzung der ungestörten Meeresfläche von irgend einem Küstenpunkt aus unter dem Massif des Continents hinweg zu erhalten, durchwandern wir den Con- tinent von der Küste aus von Punkt zu Punkt, indem wir nur Sorge tragen, bei jedem Wechsel des Instrumentenstands die Er- hiebung über die vorige Lage an einem ebenfalls senkrecht ge- haltenen Maassstab, den man eine Nivellirlatte zu nennen pflegt, in der horizontalen Sehlinie des Instruments abzulesen. Durch Addition aller derart nach und nach abgelesenen Erhebungen er- halten wir die Höhe jedes Punkts über der idealen Meeresfläche. Die winzige Oberfläche der Flüssigkeit in unserer Libelle leistet uns so mehr als Ersatz für die Oberfläche einer wässrigen Um- hüllung; den Kräften, welchen sie ausgesetzt sein soll, um einen Ausschnitt aus der wahren Erdoberfläche darzubieten, ist sie aus- gesetzt, nämlich den vom Erdinnern aus durch die Gefässwände hindurch und auf jede Entfernung wirkenden Anziehungen, den secundären störenden Ursachen aber ist sie entzogen. Entschuldigen Sie m. H.! dass ich mich durch den Zusam- menhang bestimmen liess, Ihnen eine so bekannte Operation wie die des geometrischen Nivellements ihren Grundzügen nach vor- zuführen und lassen Sie mich das bisherige in den Worten zu- sammenfassen: das geometrische Nivellement gibt die gegensei- tigen Entfernungen der Oberfläche des Continents und derjenigen idealen Erdoberfläche zu erkennen, welche sich nach den vom ZEN, Erdinnern ausgeübten Anziehungskräften in Verbindung mit der Centrifugalkraft bestimmt. Es war nach dem gedruckten Berichte, der über die Ver- handlungen der Berliner Conferenz von 1864 vorliegt, weniger der nahe Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Nivellements und der Frage nach der wahren Gestalt der idealen Erdober- fläche, der die Versammlung bewog, das Nivellement in den Be- reich ihrer 'Thätigkeit zu ziehen, als vielmehr der Wunsch, die einmal vorhandene Vereinigung von Kräften auch zur Lösung der in geographischer und geodätischer Beziehung wichtigen Höhenfrage zu benützen. Es waren ferner vorzugsweise Gründe praktischer Natur, welche die Conferenz bestimmten, zur Lösung der Frage das sogenannte geometrische Nivellement aus der Mitte anstatt des früher vorzugsweise angewandten trigonometrischen Nivellements zu adoptiren. Was für das erstere spricht, ist die vollständige Befreiung von den Einflüssen der die Sicherheit der trigonometrischen Operation stets beeinträchtigenden Strahlenbre- chung, sowie der Instrumentenfehler, die dann erreicht wird, wenn die Visuren auf die Latte in beiderseits gleichen Entfernungen vom Instrument aus genommen werden. In Betracht der äusserst günstigen Ergebnisse, welche in der Zwischenzeit sich bei den in Mecklenburg, Sachsen, Hessen und der Schweiz ausgeführten geometrischen Nivellements her- ausgestellt hatten, fand die Conferenz von 1867 an den Be- schlüssen derjenigen von 1864 nichts wesentliches zu ändern. Ausser einigen technischen Fragen, womit ich Sie nicht behelligen will, war es besonders die Wahl des allgemeinen europäischen Nullpunkts, welche die betreffende Section und die Generalver- sammlung beschäftigte. Dove insbesondere sprach gegen den bisher im nördlichen Deutschland zu Grund gelegten Nullpunkt des Amsterdamer Pegels, weil hier die mittlere Seehöhe in Folge der starken Fluthwellen der Nordsee und der zeitweise eintreten- den Stauungen durch die Weststürme schwierig zu ermitteln sei, zwei Umstände, die beim Mittelmeer wegfallen; andererseits wurde dagegen auf die oben erwähnten abnormen Erscheinungen in den Häfen des südlichen Frankreichs aufmerksam gemacht. Da N) die Wahl des Nullpunkts vor dem Abschluss und der Ausglei- chung des nivellistischen Netzes durch den Continent keine Eile erfordert, so wurde dieselbe auf die Anstellung weiterer Pegel- beobachtungen besonders mit selbstregistrirenden Apparaten, die man den Uferstaaten empfahl, ausgesetzt. Mit der Frage nach unserer Betheiligung am Nivellement befanden wir uns damals in dem bedenklichen Stadium der Kosten- voranschläge, als zu einer glücklichen Lösung dieser Frage der Anstoss von einer Seite gegeben wurde, mit deren Erwähnung ich mich an diesem Orte wieder auf einem bekannteren Terrain befinde, als ich mir manchem meiner verehrten Zuhörer gegen- über mit meiner bisherigen Darstellung gewesen zu sein schmei- cheln darf. Es sind die Blätter unseres geognostischen Atlas, welche in unerwarteter Weise jenen Anstoss gegeben haben. Wie Sie wissen, betreibt das K. statistisch-topographische Bureau die geometrischen Vorarbeiten für den geognostischen Atlas in einer trigonometrischen Höhenaufnahme, welche sich über die Blätter unseres topographischen Atlas erstreckt, wie sie nach und nach zur geognostischen Aufnahme gelangen. Die öftere Vergleichung der bei dieser Aufnahme erhaltenen Höhenzahlen von Eisenbahnpunkten mit denen der Eisenbahnver- waltung — sagen wir: der Anschluss des trigonometrischen Ho- rizonts an den Eisenbahnhorizont, liess Differenzen wahrnehmen, welche Verdacht gegen die Zuverlässigkeit der beim Eisenbahn- bau erhaltenen Bestimmungen erregten und den ausführenden Trigonometer zum Vorschlag eines genauen Nivellements sämmt- licher Bahnlinien unseres Landes führten. Lassen wir die Frage ausser Spiel, wieviel von diesen Differenzen auf die eine und auf die andere Seite fallen mag, und erwähnen nur, dass der Vor- schlag ein der Gradmessungscommission willkommener war und das uns erfreuliche Resultat hatte, dass sich die K. Eisenbahn- baucommission entschloss, das Nivellement zum grössten Theil auf ihren Etat zu übernehmen und uns die Leitung desselben zu übertragen. Den Gang, welchen das Geschäft nahm, sowie die im Som- mer 1868 erhaltenen Resultate finden Sie in der von meinem EA ee Collegen Schoder mitgetheilten Zusammenstellung geschildert, woraus Sie insbesondere entnehmen, dass das Nivellement der 253,3 Kilometer oder 68 Eisenbahnstunden langen Cirkelbahn einen Schlussfehler von nur 57 Millimeter oder ungefähr zwei württembergischen Zollen geliefert hat, d. h. um diesen Betrag stellt sich die Höhe der Stelle, wo unsere beiden Gehilfen, der eine über Heilbronn, der andere über Goldshöfe arbeitend, zwi- schen Sulzdorf und Altdorf bei Hall zusammengetroffen sind, nach den Aufzeichnungen beider verschieden heraus. Sagen Sie nun nicht etwa: diese Uebereinstimmung ist kein Beweis für die Genauigkeit der Arbeit, sondern nur das zufäl- lige Ergebniss einer gegenseitigen Aufhebung grösserer Fehler: wir haben auch Sorge für die fortwährende Selbstprüfung der Arbeit in ihrem ganzen Verlauf dadurch getragen, dass wir jeden der beiden Gehilfen auf seiner ganzen Strecke gleichzeitig zwei von einander fast ganz unabhängige Nivellements ausführen lies- sen, die nach ihren Ergebnissen beständig mit einand:r zu ver- gleichen waren und in der That auch im Verlaufe des Geschäfts keine grösseren Differenzen gegen einander darboten. Sagen Sie ferner auch nicht: diese Genauigkeit ist eine überflüssige, sondern erinnern Sie sich, dass es sich um eine Vergleichung vom Mittelmeer mit Nord- und Ostsee handelt, und auf diese Entfernung viele Cirkelbahnen gestreckt werden können, auf eine gegenseitige Aufhebung der Fehler aber nicht gerechnet werden darf, sondern im Gegentheil auf eine Häufung derselben zu einem Betrag, der nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Verhältniss der Quadratwurzel aus der Länge der Strecke wächst. Wir haben mit der erreichten Genauigkeit auch den Anforde- rungen der Conferenz gegenüber durchaus nichts Uebriges ge- than, unser Fehler streift an die zulässigen Grenzen, und wir können nur versichern, dass wir ein namhaft besseres Resultat erreicht hätten, wenn wir beim Beginn der Arbeit schon im Be- sitz der Erfahrungen gewesen wären, dis wir im Verlauf der- selben an Instrumenten, Methoden und besonders auch an Men- schen gemacht haben. Gäbe es sonst nichts zu thun, so würden wir am liebsten die ganze Strecke nochmals bearbeiten lassen. Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 6 Ba Nachträglich möge bemerkt werden, dass die Bedeutung dieser Arbeiten und besonders der Nutzen der Höhenmarken für die Geologie auf der Berliner Conferenz von 1867 eindringlich hervorgehoben wurde durch Sartorius von Waltershausen, der von der Ansicht ausgehend, dass auch im Innern der Con- tinente solche Hebungen und Senkungen vor sich gehen, wie sie sich an einzelnen Küsten in einer scheinbaren Senkung vder He- bung des Meeresspiegels zu erkennen gegeben haben, in diesen Marken der Nachwelt die Mittel überliefert wissen will, solchen Vorgängen durch ein wiederholtes Nivellement auf die sichere Spur zu kommen. In diesem Frühjahr (1869) haben wir die.Strecke von Goldshöfe bis Nördlingen bereits erledigt und bieten somit unsern Nachbarn in Bayern, die von gemeinschaftlicher Arbeit mit den Sachsen aus dem Fichtelgebirge heranrücken, die Hand zum Anschluss mit zwei Marken in Nördlingen. Andererseits ist die Strecke von Bietigheim bis Bruchsal in Angriff ge- nommen und bis Mühlacker gediehen, reift also dem Anschluss an das badische Nivellement, durch welches das schweizerische mit dem hessischen verbunden werden soll, entgegen (zur Zeit des Erscheinens dieser Veröffentlichung bereits erledigt). Uns bleibt, wie Sie sehen, nach Aussen der Beruf, die beiden Ni- vellements, durch welche das Mittelmeer mit Nord- und Ostsee verbunden werden soll, durch controlirende Querlinien mit einan- der in Fühlung zu erhalten, nach Innen fällt uns dabei der Nutzen eines reichen Netzes von sicheren Höhenpunkten ab, an welche sich weitere nivellistische Arbeiten jeder Art anschliessen lassen. Am Bodensee angelangt, gedenken wir uns als Seestaat zu benehmen, und die Aufgabe, die den Uferstaaten der grossen Meere gestellt ist, am schwäbischen Meer im Kleinen zu lösen, indem wir den Anstoss dazu geben, dass bei Gelegenheit des Anschlusses der nördlichen und der südlichen Arbeiten, ein Ni- vellement über die ganze Uferlinie erstreckt wird, in das die Nullpunkte der zehn wichtigsten Pegel aufgenommen werden, womit die Grundlagen für eine erfolgreiche Erforschung der ohne NDR. Zweifel vorhandenen Abweichung des Seespiegels vom mathema- tischen Horizont und der zeitweise local verschiedenen Schwan- kungen desselben geliefert sein werden. Den regelmässigen Einzug der Pegelbeobachtungen hat der für die Kunde des Bo- densee’s bestehende Verein bereits in die Hand genommen und für eine systematische Verarbeitung derselben Schritte gethan. Endlich kann ich mich der Andeutung einer Aussicht nicht enthalten, welche dafür vorhanden ist, dass an unser Nivellement wenigstens der Anfang einer Landesaufnahme nach Horizontal- curven angeschlossen wird. Wenn Sie also künftig auf Ihren Eisenbahnfahrten an einem Geometer vorbeisausen, der sein empfindliches Instrument unter einem grossen Regenschirm gegen die Strahlen der Sonne — leider bei gegenwärtigem Wetter häufiger gegen den rieselnden Regen — schützt, und in seine Visionen nach einer Nivellir- latte versunken ist, so sagen Sie nicht bloss: hier wird auch einmal wieder nivellirt, sondern setzen Sie gefälligst bei: aber wie wird nivellirt, und denken an das, was dabei herauskommen soll! II. Gartenbauinspector Dr. Lucas berichtet über einen Ha- gelfall in Reutlingen mit Körnern von der Grösse kleiner Kinderfäuste, die mit ungemeiner Intensität fielen und grosse Bogenlinien beschrieben. Er erinnert dabei an eine Abhandlung seines Oheims, welche schon vor 50 Jahren erschienen ist und sich für die Wirbeltheorie des Hagels ausspricht. III. Prof. Dr. Fraas sprach über die Entwicklung der vaterländischen Geologie Folgendes: Wenn ich Ihnen, m. H., heute einen kurzen Ueberblick über die Entwicklungs - Geschichte der vaterländischen Geognosie zu geben versuche, wie sie nach Ablauf der letzten 25 Jahre hinter uns liegt, so darf ich wohl vor Allem mit einem gewissen freu- digen Gefühl darauf hinweisen, wie diese Wissenschaft zu ganz anderen, fast unerwarteten Ehren in der öffentlichen Meinung ge- langt ist, als das vor jener Zeit der Fall war, auf die wir jetzt 6* a SAL zurückblicken. Damals dachte man sich noch unter Geognosie mehr ein Wissen um die einzelnen Steinarten, die da und dort im Lande sich finden: Ihr Vorkommen stellte man sich vielfach noch als ein zufälliges vor, als ob statt dieser Steine ebensogut auch andere an diesem oder jenem Platze liegen könnten. Be- fand sich doch die Wissenschaft selber noch ganz und gar auf dem Weg der analytischen Methode und ist auch ihr der orga- nische Zusammenhang der irdischen Körper unseres Planeten, erst allmählig mehr und mehr zum Bewusstsein gekommen. Heut- zutage recurrirt eine Reihe von Wissenschaften, die sich auf das organische Leben der Erde überhaupt beziehen oder das Leben der Völker und deren Haushalt speciell zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen, auf die Verhältnisse des Bodens. Diese kommen an die Geognosie mit Anfragen in Betreff der Verbrei- tung gewisser Urkörper und deren inneren Zusammenhang mit dem Leben der Bewohner. Ja noch mehr! Die Wissenschaft der Geschichte hat bis vor wenigen Jahren da angefangen, wo die ersten Spuren des menschlichen Geistes sei es in Schrift sei es in Bildern zu finden waren. Heute ist der Anfang der Menschen- geschichte weit über die Anfänge der Culturgeschichte hinausge- rückt und der Geognosie die Aufgabe zugefallen, durch richtige Beurtheilung der Gegenwart eine Vergangenheit der Erde zu re- construiren, in der der Mensch sich selber wiederfände als in den ersten Anfängen seines Geschlechtes. Es besinnt sich gewis- sermassen der Menschengeist in unserer Wissenschaft auf seine eigene Vergangenheit und führt seine und aller lebenden Wesen Existenz auf dem freilich noch vielfach dunkeln Wege der Vor- zeit den Anfängen des Lebens so nahe wie möglich entgegen. Viel weniger sind es die Fachmänner in der Geognosie, welche derartige hohe, vielleicht die höchste Aufgabe, die der Menschengeist kennt, sich stellen, als wie schon bemerkt die öffentliche Meinung, die in ihren Koryphäen auf unsere Wissen- schaft hindeutet, als die Wissenschaft, die, wenn überhaupt eine, . berufen sei, die Geschichte des Geistes zu schreiben und wie die Fussstapfen des Menschen in den verschütteten Werken seiner Hände, so auch die Fussstapfen des Lebens überhaupt in seinem DEREN Nr RE ersten Erscheinen auf dem Planeten aufzusuchen. Philosophie und Theologie als die ältesten Wissenschaften schauten vor 25 Jahren noch mit einer gewissen mitleidigen Geringschätzung auf die armselige Beschäftigung mit dem Erdenklosse nieder, als mit Staub und Asche, die leblos bleiben ohne den Geist ihrer Wis- senschaft. Heute blicken sie mit ganz anderen Augen die junge Wissenschaft an, die Einen zutraulich und freundlich, die An- dern entsetzt und feindselig. Sie sehen, dass sie eine Macht zu werden beginnt in der geistigen Entwicklung, deren Freundschaft man sucht, vor deren Feindschaft man sich zu schützen hat, Die Macht dieser Naturwissenschaft beruht nun offen- bar darin, dass sie mit Thatsachen vor die Welt tritt, ihre Beweise in der Hand trägt und sie dem Menschen vor Au- gen hält. Ein Augenschein aber ist Jedermann zum mindesten ebenso viel werth als die beste Beweisführung mit Gründen. Wie das so geworden ist, wie unser kleines Württemberg und in diesem namentlich unser Verein mithalf, Bausteine zu- sammenzutragen zur Aufführung des stattlichen Bau’s, der be- reits die Augen der Welt auf sich lenkt, möchte ich in Kurzem auszuführen versuchen. Das Erste, Wichtigste, worauf nicht ge- nug Werth gelegt werden kann, ist die Ausbildung des Be- griffs der Schichten. Vor 25 Jahren fing derselbe gerade an, zum Bewusstsein zu kommen, waren doch die beiden Funda- mental-Arbeiten über schwäbische Schichtenkunde: Alberti’s Trias und Quenstedt’s Flötzgebirge nur einige Jahre vorher erschienen, jene für das alte Gebirge Schwabens, dieses für den Jura den Weg weisend. Vorher hatte man ohne Plan auf der Oberfläche des Landes herumgetastet: Salz hatte man im Keuper gesucht, Kohle bald im schwarzen Jura, bald im braunen, Gyps auf der Alb, Silber in den schwefelkiesreichen Amalthenthonen, Gold in den Bohnerzletten jurassischer Höhlen. In den ersten Oberamts- beschreibungen des Landes werden noch die vier geognostischen Rubriken „Metalle, Steine, Erden und Versteinerungen“ gerade so angesehen und behandelt, wie römische Alterthümer, Münzen ‚und Grabhügel. Die Geographien jener Zeit sprechen von einer Gegend „hier gibt es auch Gyps, hier Mergel* u. s. w., gleich BR Pe als ob ihr Vorkommen ein rein zufälliges wäre; von der Noth- wendigkeit dieses oder jenes Vorkommens, von der Verbreitung der Schichten durch die Gebirge, von der Ueberlagerung älterer durch jüngere hatte man kaum eine Ahnung. So konnte es kommen, dass die offizielle Landesbeschreibung vom Jahr 1823 den Gryphitenkalk die Decke des bunten Sandsteins nannte und die verschiedenen Schichten des Flötzgebirges „9 Mamigfaltig- keiten“ heissen. Und doch war 1816 schon das erste Salzbohr- loch niedergetrieben worden, im nächsten Jahr das zweite und dritte und im Jahr 1824 der Schacht zu Wilhelmsglück ab- geteuft und in den 20er und 30er Jahren am ganzen oberen und unteren Neckar, wo man nur in einer bestimmten Tiefe son- dirte und eine bestimmte Aufeinanderfolge von Schichten durch- brach, das Salz gefunden, das zur Hebung des nationalen Wohl- standes unseres Volks mehr als jeder andere Körper beigetragen hat. Nicht geringer anzuschlagen ist der Werth dieser Arbeiten in Betreff der Richtigstellung der geognostischen Begriffe über das Alter und die Aufeinanderfolge der Steine. Hatte doch jenes erste Fundbohrloch nicht nur in das Salz ein Loch getrieben, sondern in tausendjährige Unwissenheit und überdiess in alte kaiserliche Privilegien und Monopole aus der Zeit des heiligen römischen Reiches. Nach der Trias war dem Jura seine Zeit erschienen. „4 Man- nigfaltigkeiten“ unterschieden die Alten bis in die 30er Jahre: Gryphiten-Kalk, an vielen Stellen bituminösen Mergelschiefer, Eisensandstein und Jurakalkstein. Um jene Zeit hatten die Eng- länder angefangen, ihren Jura zu gliedern. Ihre Gliederung war: 1) Lover Lias shale and limestone 2, Marlstone 3, Upper las 4, Inferior Oolite and Sands 5, Fullers earth and rock 6, great Oolite and Stonesfield state 7, Forest marble and Bradford Clay 8, Cornbrash 9, Oxford Clay and Kelloway rock 10, Coralline Oolite and Calcareous Grit 11, Kimmeridge 12, Portlande Stone and Sands. Anschliessend an diese englische Systematik sollte (Memminger’s Beschr. 3. Auflage 1841) ähnlich in Schwaben gegliedert werden: 1) Lias-Sandstein, Kalk, Mergel und Schiefer; 2) Unteroolit: Eisensandstein, Mergelschiefer, Eisenoolit, Kalk- ER ON A stein; 3) Jurakalk: Bradford, Kelloway, Oxford, Juradolomit, Co- ralrag, Kimmeridge, Portland. * Da erschien Quenstedt’s Flötz- gebirge, mit ihm eine naturwüchsige, rein objectiv gehaltene Ein- theilung, die einzige Grundlage zum Weiterbauen. Der gelehrt tönende Kram von Bradford, Oxford u. s. w. ward bei Seite ge- schoben und an deren Stelle die leitenden Fossile oder ausge- sprochene petrographische Verhältnisse als Eintheilungsprincip ge- wählt. So war der Stand der Dinge ein glücklicher, als der Ver- ein in’s Leben trat. Die gute, für Trias und Jura gegebene Grundlage machte er sich zu der seinigen und begann ein reges freudiges Schaffen Land auf, Land ab. Zugleich boten sich aber auch Hilfsmittel zum Studium der Schichten, wie zuvor nie dar, fing doch im gleichen Jahr, da der Verein sich constituirt, der Bau der Eisenbahnen an, der in unserem Lande die seit Erschaf- fung der Welt unversehrt gelegenen Schichten zu schlitzen und zu durchbohren begann und schon vom einfach praktischen Stand- punkt aus zur Beobachtung der Schichten aufforderte. Was der Balınbau nicht förderte, auf das wurde jetzt express gegraben, denn es lohnte sich bei dem allgemein erwachten Sammel- eifer von Museen und Privaten das Graben nach Petrefakten zum Erwerbszweig zu machen. Die Wichtigkeit der Petrefakten aber trat von Jahr zu Jahr immer schlagender zu Tag und bereitete das massenhafte Sammeln derselben die veränderte Anschauung von der „Species“ vor, welche heutzutage die Mehrzahl der Faclı- männer zu Anhängern zählt. Nicht minder arbeiteten die Chemiker. Eine ganze Reihe von Jahresheften enthalten die Analysen von schwäbischen Steinen und Wässern, die nicht verfehlten, das Ihre zur Feststellung der Schichten beizutragen. * Nur Eine der englischen Jurabezeichnungen hat sich erhalten, aber auch so, dass sie nie wieder aus Schwaben verschwinden wird, da sie auf’s innigste mit der Sprache des Volks verwachsen ist. Es ist der »Portländer«, den der Erbauer der Ulmer Festung, der ge- lehrte preussische General v. Prittwitz auf dem Gewissen hat, da von ihm die Plattenkalke als Portlandkalke amtlich bestellt und bezahlt wurden. ED EN, Ueberblicken wir kurz die einzelnen Formationen und Schich- ten unseres Landes, zu deren richtigen Beurtheilung der Verein in seinen Heften Beiträge geliefert hat, so mögen Sie selbst daraus entnehmen, was in der schwäbischen Geognosie geschehen ist, aber auch was noch zu thun ist und wie Vieles uns noch fehlt, bis das unterirdische Schwaben, Suevia subterranea des Balthasar Ehrhardt von Memmingen, das als Ideal der Wissen- schaft vor mehr als 100 Jahren schon dem Manne vor Augen schwebte, bis in sein Detail von uns gekannt ist. Gleich die älteste, primäre Formation, Gneiss und Granit, hat Niemand gefunden, der mit ihr sich abgegeben hätte. Un- gekannt in seinem geologischen Alter, wie in seiner Beschaffen- heit ruht er noch in der Tiefe unsrer Schwarzwaldthäler. Von Niemand noch verstanden, sprudelt nach wie vor die kostbare Therme des Enzthals, und versammelt noch viele Tausende jähr- lich aus Nah und Fern an ihrem geheimnissvollen Quell. Die chemische Untersuchung der Thermen von Wildbad im 16. Jahr- gang ist das Einzige, was zur Kenntniss des Granites etwas beitrug. Die ganze veränderte Anschauung des Gmneisses und Granits, wie sie sich anderswo ausgebildet hatte, liess nur von gewissen Zumuthungen abkommen, die man früher dem Granit da und dort gemacht, als ob er irgend Störungen des Flötz- gebirges veranlasst hätte und eine Hebung des Schwarzwalds irgendwie mit dem Granit in Zusammenhang gebracht werden könnte. Besser als mit dem Granit ging es mit der Kenntniss des alten Ge- birges, vom Granit aufwärts bis zum bunten Sandstein. Beweg- ten sich doch die Tiefbohrungen von der preussischen Regierung am oberen Neckar, von der württembergischen am unteren Neckar ausgeführt, durchgängig in diesem alten Gebirge, über dessen Mächtigkeit und Verbreitung seither alle Daten gemangelt hatten. Mit dem Sandstein selber blieb es beim Alten: leider hat zur Zeit auch die geognostische Detailaufnahme des Landes nichts Neues erhoben und namentlich die Frage unentschieden gelassen, in welchem Verhältniss der gres vosgien im Westen des Rheins zu dem Unter-Horizont unseres Buntsandsteins stehe. In dieser Be- ziehung sind die Elsässer uns voran, welche auf Grund fossiler a 2 uch RN; BERRIRON DEN Pflanzen den Namen des bunten Sandsteins nur für die oberen Plat- ten-Sandsteine gelten lassen, den Vogesensandstein aber in eine ganz andere Formation als die Trias, nämlich in die Dyas, ver- setzen und dem alten rothen Sandsteingebirge zuzählen. Die Kenntniss des Salzgebirges, seit einem halben Jahr- hundert in ihren allgemeinen Umrissen feststehend machte in Folge zweier gelungener Schachtanlagen zu Stetten bei Haiger- loch und zu Friedrichshall und einer misslungenen zu Rottweil erhebliche Fortschritte. Schwierigkeiten von ganz ausnehmender Art, die von kohlensauren Gasen und kohlensauren Wassern aus- gingen, machten diese Bauten gleich werthvoll für die Praxis, wie für die Wissenschaft. (16. Jahrgang.) Ebenso wurde die Frage nach den Grenzen des Muschel- kalks schon im vierten Jahrgang regulirt und dabei der Letten- kohle ihr gebührender Rang in der Trias angewiesen. Im achten Jahrgang wurden die werthvollsten Erfunde aus dieser Forma- tionsgruppe durch ein indessen verstorbenes Vereinsmitglied pub- lieirt, das jedoch in seiner Sammlung noch unter uns fortlebt. Mit dem Keuper gab eine Reihe von Kennern sich ab: hiezu Juden vor Allem die Einschnitte der Eisenbahnbauten ein, welche die Schichtenverhältnisse in einer Klarheit blosslegten, dass in der That kaum noch etwas zu wünschen übrig bleibt. So wurden in 2 grossen Eisenbahntunnels das noch unverritzte und von Atmosphärilien unberührt gelassene Gebirge der Gyps- mergel angefahren, welches unter der Hand der Techniker sich umzuwandeln begann und das höchste Interesse nicht nur der Fachmänner, sondern nahezu des gesammten Publikums in An- spruch nahm. Ungeahnte paläontologische Schätze lieferten die 3 Sand- steine des Keupers, es waren Erscheinungen alter wunderbarer Lebensformen, die nicht ohne Rückwirkung blieben auf die Ent- wicklung aller Begriffe von der Geschichte des Erdenlebens. Ich nenne nur den 3. Jahrgang, wo auf Einer Seite (pag. 164) eine kurze Mittheilung über Microlestes steht, als das älteste bis jetzt bekannte Säugethier. Wie ein Lauffeuer durchlief diese Notiz die ganze Welt und zog die ungetheilte Aufmerk- BENNO samkeit aller Fachmänner auf sich. Ein Zähnchen nur wenige Millimeter gross — aber so klein es ist, eine unwidersprechliche Thatsache, eine Thatsache, die mit Einem Mal uralte feststehende Meinungen über den Haufen warf und das Auftreten der ersten Säugethiere um eine volle Formation zurückrückte in der Ge- schichte des Lebens. In ihrer Art nicht minder werthvoll, ja für Laien wie Fach- mann noch verwunderlicher, waren die Saurierfunde im weis- sen Sandstein (15. Jahrgang) die Reste von Schöpfungsformen, welche, den Typus der Lurche der alten Welt an sich tragend, doch schon den Sauriern des zweiten Weltalters ähnlich werden und damit die Idee von der allmähligen Umprägung der Spe- cies bestätigen, die je länger je mehr die herrschende Ansicht der Zoologen und Paläontologen wird. Zugleich mit diesen . Funden ging von Schwaben für die ganze wissenschaftliche Welt das Studium der Bonebed-Formation aus. Nach uns wa- ren es Schweizer, welche in den Bergen um Kufstein in Tirol das Aequivalent unseres Keupers erkannten, der erste Lichtstrahl der Wissenschaft in die dunkeln Verhältnisse der Alpen. Einem zu früh heimgegangenen Mitglied des Vereins gebührt im fünf- zehnten Jahrgang das. Verdienst, die Geologen des Ostens auf die im Westen Deutschlands zur Genüge durchforschte Forma- tion hinzuweisen, die indessen als eigene rhätische Formation be- zeichnet zu werden pflegt. Am schärfsten war man seit Quenstedt’s Flötzgebirge hinter dem-Jura her. Vom zweiten bis zum letzten Jahrgang enthält nahezu jeder Beiträge zu dessen Kenntniss. Daneben entstanden Monographien und Vergleichungen mit ausserdeutschen Furmen, so dass sicher nicht zu viel gesagt ist, wenn wir unsern schwäbi- schen Jura für den bestgekannten und durchsuchten Jura der Welt erklären, vom Ausland bereits auch vielfach als Typus anerkannt. Es ging aber auch oft heiss her, wenn die wissen- schaftlichen Duelle ausgefochten wurden und es galt allerlei Ge- fahren zu beseitigen, welche der naturwüchsigen Entwicklung der schwäbischen Jurageognosie drohten. Die grössten Gefahren droh- ten von Seiten der besten Kenner des Jura’s selbst, die mit eng- ERS ie lischer und französischer Anschauungsweise liebäugelnd aus Freund- schaft für das Ausland das bessere Heimische fallen lassen wollten. Vollständig terra incognita war vor 25 Jahren noch das Tertiär. Ganz Oberschwaben war Molasse (siehe die Bach’sche Karte vom Jahr 1845), die offizielle Unterabtheilung war „Mo- lassesand und Süsswasserkalk“, Steinheim und Ulm hiessen älterer, Cannstatt jüngerer Süsswasserkalk. Von einem Alter unseres Tertiärs hatte man noch keine Ahnung. Im 4. und 5. Jahr- gang ging unser Verein dem Tertiär von Ulm aus zu Leibe. Ob auch die Deutung erstmals misslang und die Kirchberger Sande für eocän gehalten wurden, so ging man doch den einzig richtigen Weg, indem man bis zum 9. Jahrgang alle Mühe und Sorgfalt auf die Untersuchung der Fossile des Tertiärs verwendete, die denn auch alsbald die Zeit von Ulm in die Zeit des Mainzer Beckens oder des Miocän von Bordeaux verlegten. Zur selben Zeit stellte sich aber auch ächtes Eocän auf ganz anderer Seite ein, das jeden mit Staunen erfüllte: es war das Paläotherienloch von Frohnstetten, zugleich der Todesstoss für früher beliebte vul- canistische Erklärungsweise der Bohnerze. Diese wurden denn auch, obgleich im 9. Jahrgang noch ein letzter Versuch gemacht wurde, den eruptiven Charakter der Bolimerze zu retten, durch weitere eingehende Untersuchungen im 15. Jahrgang als in das tertiäre System gehörige Seebildungen angesehen, welche eine chemische Umwandlung erfahren hätten. Eine Ansicht, gegen welche bis jetzt von keiner Seite eine Einwendung versucht wurde. Ungelöst dagegen ist zur Stunde noch die Frage nach dem Alter der Molasse, deren innere Gliederung und deren Verhältniss zu dem Landschneckenkalk. In die Zeit der Tertiäre fallen schliesslich die vulcani- schen Ausbrüche im Ries, im Centrum der Alb und im He- gau, die eine ganz eigene Flora und Fauna, die Oeninger Stufe, eine ächt vulcanische Tertiär-Formation (Randeck und Hohen- krayen) zum Gefolge haben. In überraschender Massenhaftigkeit hat sich in jenen Gegenden ein Schuttgebirge aufgethürmt, des- sen Bewegungen wir allerdings noch nicht verstehen, das aber in allen seinen Erscheinungen bewegende Kräfte voraussetzt, Das oberschwäbische Gerölle und Geschiebe sah man vor 25 Jahren als ein Glied der Molasse, als eine Nagelfluhe an. Bereits war aber zu jener Zeit in der be- nachbarten Schweiz der Kampf entbrannt über den errati- schen Blöcken und überliess man vor der Hand dem in dieser Beziehung entwickelteren Nachbarland die Beweisführung zu Gun- sten einer so auffallenden Thatsache, die unmittelbar nach dem noch subtropischen Klima des Tertiärs eine hochnordische Ver- änderung voraussetzt. Heute zweifelt kaum noch da und dort ein Fachmann an der Thatsache, dass von den Alpen und vom Schwarzwald her sich Gletscher durcli Oberschwaben hinzogen, ihre Schuttwälle da und dort niederlegten und den Transport der Alpenblöcke besorgten, zumal da im 23. Jahrgang des Vereins einer der direktesten Beweise, der je in Central-Europa geliefert wurde, das Vorhandensein der schwäbischen Eiszeit constatirte. Im Schussenrieder Moor kam der Hammer des Geologen zugleich mit der Schaufel des Archäologen hinter die Fussstapfen der ältesten Bewohner des Continents, der kühnen Renthierjäger, die mit Feuersteinmesser und Holzkeule bewaffnet von dem noch durchfeuchteten und kältestarren Oberschwaben Besitz ergriffen. Bereits ist die Anschauung von den alten Gletscherschüben in Oberschwaben so weit gediehen, dass Herr Bach Ihnen heute eine Karte von „Oberschwaben zur Eiszeit“ vorzulegen im Stande ist. Alle diese Resultate in Betreff des natürlichen Schichten- verlaufs werden nunmehr auf unserer geognostischen Landes- karte eingetragen, deren Fertigung auf Kosten des Staates we- sentlich in Folge einer Anregung Seitens des Vereins (13. Jahrg.) beschlossen worden is’. Ein Dritttheil der Karte ist jetzt nahezu publizirt oder wenigstens in Publikationsarbeit befindlich, zwei Dritttheile aber aufgenommen. In diesem Werke wird die hori- zontale Verbreitung der Schichten zur Anschauung gebracht und das Wissen um den vaterländischen Boden mit farbigen Kurven verzeichnet, so dass jeder aufmerksame Betrachter selber im Stande sein wird, eine Reihe von Fragen, die er an die Landesoberfläche richten möchte, zu beantworten. Neben der Kenntniss um die Horizontale des Bodens öffnet sich a aber auch die Verticale mehr und mehr. Die Eisenbahnen des Staates fahren in zahlreichen Einschnitten und Durchstichen die Erdrinde unseres hügeligen Landes an und sind im Stande, uns ein geognostisches Gesammtprofl vom Granit des Wildbades an bis zu den Torfmooren am Fuss der Adelegg zu bieten, das uns die Lagerungsverhältnisse und mit denselben die ganze Bildungs- geschichte unserer Erdkruste vor die Augen hält. Hat sich so der Begriff der Schichte im Laufe der verflos- senen 25 Jahre zu einem Denkmittel entwickelt, in Folge dessen unsere Anschauung von der Geognosie der Erde eine wesentlich andere geworden ist, so dürfen wir noch eines zweiten wichtigen Förderungsmittels für die Wissenschaft gedenken, das ganz we- sentlich zur Hebung ihres Ansehens beigetragen hat, es sind diess die Sammlungen. Concreter noch als Zeichnungen, wirk- samer als das Bild ist die Beweisführung mit dem Körper selbst, den man in der Hand halten kann. Vor dem Schranke unserer Sammlung, der die Reste von Schussenried enthält, Knochenreste hochnordischer Thiere zerklopft und bearbeitet, grönländische Moose, zugleich mit Messern von Feuerstein, beinernen Nadeln, Hacken und Angeln, — vor diesem Schranke überkommt Jeden die Ueberzeugung, dass die Eiszeit kein geologischer Traum, sondern in Wahrheit in Oberschwaben bestanden habe. Angesichts der Entwicklungsreihen von Ammoniten im schwarzen Jura, Ange- sichts unserer Saurier überzeugt man sich leichter, als mittelst lan- ger gelehrter Abhandlungen von der Veränderlichkeit der Art und holt sich Belehrung aus unmittelbarer Anschauung. Gute Samm- lungen vertreten die Stelle von Vorlesungen, denn sie sind ge- wissermassen eine permanente Vorlesung, wie Freund Müller in Basel sie nennt. Aber gut muss die Sammlung sein: man er- zählt sich den Ausspruch eines der ersten Paläontologen Frank- reichs, der die ausgezeichnete Saıımlung der «&cole des mines unter sich hat, „une collection faut &tre jetde six fois par la fe- netre, pour ötre une bonne collection.“ Wir dürfen dem Publi- kum kein erdrückendes Material vor Augen führen, sondern aus- gewählt und concis beschrieben, dass der Laie in jedem Stück ein wissenschaftliches Beweisstück erkennt und in der ganzen Sammlung Klarheit herrscht und Uebersicht möglich ist. N Un ya Staat und Verein haben in der Zeit, auf die wir zurück- blicken, in dieser Hinsicht zusammengewirkt unsere vaterländische Sammlung zusammenzustellen, in welcher das Detail des ganzen schwäbischen Bodens allgemein verständlich zu dem Besucher spricht. Die 26,000 Menschen, welche im verflossenen Jahre die Sammlung besuchten, nahmen doch wenigstens den allgemeinen Eindruck mit sich, dass unser Boden seine Vergangenheit in sich begraben trage und die Geschichte dieser Vergangenheit vom Menschen geschrieben werden könne. Wir alle aber, die wir Naturwissenschaft treiben, dürfen uns freuen, gerade in dieser Zeit kräftigen Aufblühens und rascher freudiger Entwicklung der Wissenschaft zu leben. Arbeiten wir ruhig fort. jeder in seinem Kreise! ob auch die Arbeit mühlich ist und nur langsam gedeiht, so geht es doch immer ruckweise vorwärts und bleiben wir auf dem guten gesunden Wege, da wir That- sachen aufsuchen und die gefundenen Thatsachen dem Menschen- geist an die Hand geben. Die vor uns gearbeitet, haben gear- beitet wie es gerade in ihrer Zeit lag: was Einer der Alten an Thatsachen erkannt hat, bleibt sein unvergessenes Verdienst für alle Zeiten; aber oberflächliches Beobachten, blosse Systematik oder Speculation verschwindet wie Spreu vor dem Wind. So wird auch über unser Schaffen gerichtet werden, wenn der Verein sein 50jähriges Jubiläum feiern wird. IV. Prof. Dr. Reuschle machte einige Mittheilungen aus der Geschichte des Wärmeäquivalents. Er führte an, dass immer noch so häufig der Name des verstorbenen Prof. Carl Holtzmann, der unabhängig von Dr. Mayer die Aequivalenzzahl in gleicher Weise, nur 2 Jahre später berechnete, in der Geschichte der neueren Wärmetheorie vergessen werde. Er brachte sodann Zweifel vor an der Angabe Töpfer’s (in den populären Vorträ- gen von Holtzendorf und Virchow), dass Kolding in seinen An- sichten mystisch sei, auffallend sei nur, dass er durch Reibungs- versuche eine kleinere Zahl als Mayer und Holtzmann fand, Joule dagegen eine grössere. (Näheres in der deutschen Vierteljahrs- schrift 1869.) II. Abhandlungen. Der Buchberg bei Bopfingen. Von C. Deffner in Esslingen. Eine Viertelstunde südlich von der Station Bopfingen bildet der Buchberg mit der am östlichen Ende desselben darauf sich erhebenden Beiburg eine durch ein schmales Thal von dem Mas- siv des weissen Jura-Plateau’s abgetrennten Ausläufer desselben, der nur gegen Westen, am Breitwang, mit demselben noch in Zusammenhang steht. Vor diesem länglich gezogenen Bergrücken ist an seinem östlichen Ende noch der Flochberger Schlossberg als nahezu isolirter Kegel gegen das Egerthal hin vorgelagert, der durch eine niedere Brücke von W. J. « Schichten noch mit dem Buch und der gegenüber liegenden Beiburg verbunden ist. Seine höchste Erhebung erreicht unser Ausläufer im Schloss- berg und der ringsum, auch gegen den Buchberg noch erheblich abfallenden Beiburg. Auch in der Mitte der Längenaxe des Ganzen, auf dem Buchberg, schwillt das Terrain zu einem flach- seitigen Gipfel an und fällt dann mehr und mehr gegen den Breitwang hin ab, an dessen Gehänge es sich als niederer schmaler Bergrücken anlehnt. Fügen wir noch die Meereshöhen der wichtigsten Punkte hinzu: I ORT Meereshöhe württ. Fuss. Meter. Egerthal unterhalb Bopfngen . . 1591 456 Bopfingen, an der Kirche . . . 1628 466 n Bahnhof Schwellenhöhe 1690 484 Osterholz, Erdfläche . 2 .....7..1832 525 Buchberg, vordere Kante rl 562 n höchste Stelle. . . . 2016 577 Schlossberg, „ Seele 0 22020 579 Beiburg, " ee ET 581 Breitwang, 5 4 BEuE. 22lldR 618 so sind damıt die Hauptzüge des Gebiets gezeichnet, dessen geo- logische Verhältnisse hier erörtert werden sollen. Besteigt man von Bopfingen aus das südlich gelegene Pla- teau des Weissen Jura, so gelangt man aus den Schichten des Braunen Jura ß über den flach geneigten Abhang des mittleren und oberen Braunen, sowie des Weissen Jura « hinweg an eine steile Wand von Kalkbänken des W.J. ß, welche, wie alle bis- herigen Etagen sich horizontal gelagert zeigen. Man ist bis hie- her in der regelmässigen Folge der Schichten aufgestiegen und desshalb nicht wenig überrascht, wenn man hinter der kurzen Biegung der Strasse nach Süden plötzlich wieder in das ältere Gestein des Braunen Jura ß gelangt. Das Räthselhafte steigert sich noch bei näherer Untersuchung. Der Braune Jura liegt hier auf dem Weissen ß, das ist zweifellos. In breitem Erguss, zu einem hohen Rücken angeschwellt, bedeckt eine Lage von braunen Juragesteinen das ganze westliche Ende des Buchbergs, nicht in Bänken oder in regelmässiger Lagerung, sondern meist als zerfallene Sande mit Brocken von festerem Gestein oder in der Form von ineinandergedrückten Schichtengliedern. Eine wirkliche Schichtung ist selten mehr zu erkennen, wenigstens nicht hier vorne, an der nördlichen Stirne dieser abnormen Bil- dung. Bei weiterer Untersuchung des ganzen Braun-Jura-Auf- satzes findet man sodann, ausser den Gesteinen des 8 auch noch die jüngeren Etagen des Braunen Jura vertreten. Und zwar liegen sie in deutlich erkennbarer Altersfolge, das ältere ß im a Osten beginnend, die jüngeren nach Westen hinter einander fort. So lassen sich z. B. in dem Hohlweg, welchen sich die neue Poststrasse nach Neresheim durch diese Schuttmasse graben musste, zuunterst die Austernbänke und die Macrocephalus-Gesteine des Br. Jura ö und & deutlich erkennen, während weiter - aufwärts die dunklen Thone mit den charakteristischen Knollen des Z fol- gen. Und endlich lagern, in schmalem Streifen an die Halde des Breitwangs angelehnt, noch die lichten Thone des W. J. «, welche den Schluss des ganzen abnormen Haufwerks machen. Doch, fügen wir gleich hinzu, sind diese W. J. & Thone nicht die jüngsten hier repräsentirten Bildungen. Denn es ercheinen, mit denselben, Ansammlungen von abgerundeten Geschieben aus W. Jura-Material, wie sie an vielen Orten die tertiären Uferbil- dungen des Riesrandes charakterisiren. Ohne vorläufig auf die Lagerungsweise dieser Tertiärgeschiebe näher einzugehen, heben wir nur noch hervor, dass sämmtliche hier abnorm gelagerten Gesteine auf der südlichen Seite unseres Bergrückens mehr Schich- tung zeigen, als auf der nördlichen, so dass die Austernbänke des Br. J. ö, sowie die Sandkalke und Thone des Br. J. ß, y dort an einzelnen Stellen bankartig aus dem darüber liegenden Haufwerk steil gegen SW. aufgerichtet (Fallen 45°--N. h. 21/, red.) hervortreten. Ueber die Erklärung der im Vorhergehenden geschilderten räthselhaften Lagerungsweise haben sich nun zwei von einander ab- weichende Ansichten ausgebildet, welch beide mit gleichem Eifer verfochten werden und zwischen denen bis jetzt eine Ausgleichung nicht zu erzielen war. Da sich die Erscheinungen des Buchbergaufsatzes in ähnlicher Weise auch an anderen Stellen des Riesrandes wiederholen, denen allen eine und dieselbe Erklärungsweise zukommt, da also die Auffassung dieser Localität den Prinzipien präjudicirt, welche bei der Bearbeitung der geognostischen Karte des württ. Rieses zu Grunde zu legen sind, so beschloss die von der K. württ. Re- gierung für die geognostische Aufnahme eingesetzte Commission, einen kleinen Versuchschacht abteufen zu lassen, um damit die Prinzipienfrage zur Entscheidung zu bringen. Derselbe musste 'Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 7 SBagennen jedoch, auf dem Sattel des Br. ß Rückens angelegt, bei 33° Tiefe aus Gründen der Sicherheit verlassen werden, ohne eine Ent- scheidung geliefert zu haben. Ein zweiter, mehr am Ausgehen- den der Br. ß Lage niedergebrachter Schacht traf dagegen in 18‘ Tiefe auf die normalen Schichten des Weissen Jura ß. Den- noch war eine Einigung auch hiedurch nicht zu erzielen und es ist der Zweck dieses Aufsatzes, einmal sämmtliche bisherige Be- obachtungsergebnisse festzustellen, sodann die Uebereinstimmung jeder der beiden Erklärungsweisen mit den Thatsachen zu prü- fen und damit den Versuch zu machen, eine Entscheidung des Streites herbeizuführen. Die eine der beiden Erklärungsweisen, welche sich auf die Hebungstheorie stützt, lässt den auf dem Weissen Jura liegenden Braunen ß aus der Tiefe des Buchbergs selbst stammen *, indem die unter den Weissjurabänken desselben lagernden Etagen in einer Spalte heraufgetrieben worden wären, und sich zu Tage in jetziger Weise ausgebreitet hätten (Siehe Taf. II, fig. ur und ıv). Die Gründe, welche sich aus den bis jetzt gewonnenen That- sachen für diese Ansicht aufstellen lassen, sind folgende. Zunächst kann man auf den eruptiven Charakter der Ries- bildung im Allgemeinen hinweisen, wo nicht allein eine grössere Zahl unzweifelhafter vulkanischer Ausbruchstellen, sondern auch deutliche Hebungen und Aufrichtungen grosser Schichtencomplexe bekannt sind. Desshalb, wird geltend gemacht, dürfe wohl auch im vorliegenden Falle an eine derartige eruptive Hebung gedacht werden, umsomehr, als auch die Erscheinungen im Einzelnen da- mit in Uebereinstimmung sich befinden. * Quenstedt äussert über den Buchberg im Jahre 1866 (Württ. naturw. Jahresh. XXII, 1, S.125): »Selbst die Kesselthalbildung wie- derholt sich im Kleinen, wie das südlich von Bopfingen am Buch so- gleich hervortritt. Die Jurakuppen von Flochberg und was sich daran rings anschliesst, bilden den Kranz, während der Buch im Centrum Aalener Eisenerz enthält und gleichsam blasenartig hervorgetrieben scheint, wobei natürlich die harten Kalkränder theilweise zersplittern mussten. Hier, wo die Natur so klar gesondert hat, miocänen Jura- schutt hinzusetzen, würde ein unverzeihlicher Fehler sein.« EA So habe sich z. B. m dem ersten Versuchsschachte nach dem Berichte des Steigers die Schichtung des durchsunkenen Ge- birgs durchaus regelmässig, und die Lagerung nahezu horizontal gezeigt, indem sich nur ein Fallen von 5° nach Osten vorge- funden habe. Eine solch normale Lagerungsweise sei aber mit der vertikalen Hebung in einer Spalte wohl vereinbar, ja im Mittelpunkt der Hebung sogar sehr wahrscheinlich, nur die Sei- ten der emporgeschobenen Massen können und müssten die ver- stürzte Lagerungsweise - eines Haufwerkes zerbrochener Bänke zeigen. Diess sei nun auch wirklich der Fall, wie sich in dem zweiten Versuchsschachte, der mehr gegen den Rand der Br. Jura-Kuppe zu gelegen ist, deutlich gezeigt habe. In diesem war die Beschaffenheit der durchsunkenen Schichten eine durch- aus andere, als sie der Steiger in dem ersten beschrieben hatte. (Leider wurde der Schacht I. so eilig zugeworfen, dass keiner der streitenden Geologen denselben befahren und die Angaben des Steigers verificiren konnte.) Von einer normalen Lagerung, selbst von einer bankartigen Verbindung war keine Spur zu er- kennen. Alle Schichtung war zerstört, das Ganze bildete eine aus den Sandsteinen und Thonen des Br. Jura B zusammenge- knetete, in einander gequetschte Masse, deren grössere Brocken nur zuweilen noch eine ursprüngliche Schichtung erkennen lies- sen. Am meisten Zusammenhang hatten noch einzelne Fetzen der fetten Thone gerettet, welche ihre ursprüngliche blätterför- mige Schichtung, wenn auch kreuz und quer verbogen, noch be- wahrt hatten. Ein wildes Haufwerk einzelner Stücke, welche durch Druck und Sinterungen von Kalkspath und Brauneisenstein zu einem festen und zähen Ganzen wieder verbunden war und an einzelnen Stellen durch Häufung des Eisenoxydhydrats ganz den Charakter von Schalerzen angenommen hatte, diess war der Charakter des in Schacht II. durchsunkenen Gebirges. Als für die Entstehungsweise dieser zusammengebackenen Masse besonders bezeichnend wurde auf der Sohle des Schachts noch eine kleine Höhlung angehauen, welche in einer Breite von 2—3 und einer Höhe von 1—1'/a Fuss, in hora 12 red. strei- chend, auf eine Länge von etwa 7 Fuss beim Grubenlieht ver- 7 %* 200,2 folgt werden konnte, ohne dass hiemit ihr Ende erreicht ge- wesen wäre. Dieselbe ist unverkennbar nicht durch Erosion, sondern durch eine Stauung oder Verspannung der Gesteins- brocken entstanden, welche bei ihrer Lagerung einen hohlen Raum unter sich bildeten. So erschien den Besuchern des Schachts die durchsunkene Masse an den glatt abgeschürften Wänden und dem auf die Halde gestürzten Förderungsmaterial.e Bei der Arbeit des Ab- teufens selbst scheint jedoch noch etwas mehr Gesetzmässiges in dem Gestein erkennbar gewesen zu sein, denn der Steiger be- richtet darüber, dass von oben herab die Lagen etwa 30° nach SW. geneigt waren und diese Neigung sich abwärts mehr und mehr bis zu dem Grade gesteigert habe, dass ganz unten die- selben fast auf dem Kopfe gestanden seien. Die Hebungstheorie betrachtet nun sämmtliche, von beiden Schächten gelieferte Thatsachen als zu ihren Gunsten sprechend. Auch die gefundene Höhlung verwerthet sie für sich in der Weise, dass sie die aus der Spalte aufsteigenden Schichten seit- lich auf die Ränder herabstürzen lässt, wobei da und dort eine Sperrung oder Spannung der herabgefallenen Massen entstehen konnte, welche alsdann die Bildung von hohlen Räumen veran- lasst haben soll. Das Gebilde in Schacht II. sei aber eben dieser Wall, der sich aus den herabgestürzten Steinen der gehobenen Masse bilden musste. Durch die Lage des Schachts IL, annähernd über der Mitte der Spalte, des Schachts II. aber jenseits der- selben seien die Erscheinungen, wie sie die Hypothese an beiden Orten voraussetze, auch in Wirklichkeit zu Tage gefördert und damit dieselbe durchweg als zutreffend nachgewiesen worden. Doch sind wir mit den Erscheinungen, welche der Schacht II. darbietet, noch nicht zu Ende, denn unter dem oben beschrie- benen Mischmasch aus Braun-Jura-Material gelangte man bei 18° - Tiefe unter Tag wieder auf den normalen Weissen Jura ß. Auch hier, der Mitte des Braun-Jura-Aufsatzes um 350 Fuss näher gerückt, als an den Schichtenköpfen des Thalabhanges, zeigte sich keine Störung dieser Schichten. Eine harte, durchaus nor- mal und horizontal gelagerte Kalkbank bildete das Liegende der — 101 — beschriebenen Br. Jura-Kappe. Dabei zeigte sie die merkwür- dige Erscheinung einer glatten, fast polirten Fläche, welche durch zahllose, durchaus parallele Schliffe und Kritze oberflächlich durch- furcht war. Die Richtung dieser Schlifflächen ging von ONO. nach WSW. (hora 42/3 reduc.). Später fand man dieselbe Bank mit Schlifflächen auch zu Tage anstehend im gleichen Horizont vorn an der Strassenbiegung, gerade da, wo der Aufsatz von Braun-Jura beginnt. Sie erstreckt _sich demnach jedenfalls bis an den äussersten östlichen Rand des Berges. Als ritzende Ur- sache erkennt man alsbald kleine scharfe Quarzkörner, welche durch: Ocker in kleinen Häufchen zusammengekittet oft noch fest auf der Platte sitzen und durch ihre Lage die Richtung ange- ben, von welcher her die Bewegung erfolgte. Sie kam hienach von Osten hora 42/3 red. Es ist unschwer zu erkennen, dass es keine leichte Sache ist, diese Schliffflächen und ihre Richtung mit der eben darge- stellten Erklärungsweise in Uebereinstimmung zu bringen. Um- somehr als die nähere Untersuchung der ritzenden Quarzsande mit aller Sicherheit feststellt, dass dieselben keineswegs den Sandsteinen des Braunen Jura ß entstammen, sondern jenen bis jetzt als diluvial angesehenen Quarzsanden, welche im Gebiete der Jaxt und des Kochers eine so weite Verbreitung haben und welche wir, da sie noch öfter erwähnt werden, nach einem be- kannten Fundort die „Goldshöfer Sande“ benennen wollen. Doch wird für die Erklärung der Schliffflächen Folgendes geltend gemacht. Man müsse sich grosse Strömungen denken, welche nach erfolgter Katastrophe über den Buchberg weggingen und so kräftig waren, dass sie wenigstens die auf den Rand des Weissen Jura’s überstürzten Braun-ß-Gesteine auf der von O.—W. geneigten Fläche im Anprall der Wogen etwas vorwärts zu schie- ben vermochten. Durch die grosse Last des Schuttgebirgs sol- len sich dann bei dieser Bewegung die Schliffe und Risse ge- bildet haben. Damit schliessen wir die Erklärungsweise durch vertikale Hebung, welcher sich eine zweite, die des horizontalen Schubs entgegenstellt. — 12 — Zur Vertheidigung dieser Erklärungsweise wird zunächst gel- tend gemacht, dass aus dem geologischen Charakter des Rieses als eines vulkanischen Kraters sich eine Hebung in solcher Form, wie sie hier stattgefunden haben müsste, noch keineswegs ableiten lasse. In den bisher als Hebungen erkannten Fällen seien, wo es sich nicht um Erhebungen ganzer Continente handle, die horizontalen Schichten des Flötzgebirges unter bestimmten Neigungswinkeln aufgerichtet, entweder auf beiden Seiten der He- bungsaxe oder wenigstens auf einer. Von einer vertikalen He- bung horizontaler Schichten innerhalb einer höchstens einige 100 Fuss br-iten Spalte wisse eine nüchterne Beobachtung nichts. Eingesunkene und in Spalten festgeklemmte Schichten jün- gerer Gesteine seien allerdings bekannt, ebenso Spalteneruptio- nen von vulcanischen Massen, aber eine auf halbem Wege stehen gebliebene Spalteneruption eines Sedimentge- steins gehöre zu den bis jetzt unerhörten Dingen. Zwar seien in den Alpen Fälle nachgewiesen, wo horizontal gelagerte Flötz- schichten auf jüngerem Gebirge liegen, allein jene Erscheinungen werden nicht durch vertikales Heraufschieben der älteren For- mation durch ein schmale Spalte der jüngeren, sondern allge- mein durch Faltung und Ueberschiebung der Schichten, d. h. durch Einwirkung eines Seitendruckes auf das gehobene Gebirgs- stück erklärt. Noch in anderer Art kommen Hebungen von so winzigem Umfang wie im vorliegenden Falle an manchen Orten vor, wie z. B. in unserem Lande bei Sulzbach an der Murr. * Es sind diess die Hebungen durch Aufblähungen des Gypses, welche eine besondere Gattung von Dislocationen der Erdkruste bilden. Allein * Die Stelle liegt bei Ellenweiler zwischen Sulzbach und Oppen- weiler, wo eine kleine Kuppe von Muschelkalk und Lettenkohle an der rechten Thalseite plötzlich mitten im Keuper gebaut zu Tage tritt. Die Stelle ist nur etwa 1000 Fuss lang und die Schichten sind auf einer Seite horizontal, auf der andern bis zu 40° geneigt gelagert. Es wird wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese wirklich niedliche Hebung in der Aufblähung der Anhydrite im mittleren Muschelkalk ihren Ursprung hat. Schon der Ortsname Sulzbach deutet auf Spuren der Steinsalzgruppe, vielleicht in salzhaltigen Quellen. — 193 — hier am Buchberg schliesse sich diese Erklärung durch die tiefe Lage der möglichen Anhydritlager aus. Die gegebene Hypothese stelle daher eine ganz neue Kate- gorie von Hebungen auf, deren Möglichkeit oder Existenz noch nir- gends nachgewiesen sei, während sie sich jedenfalls mit den am Buch beobachteten Thatsachen in unzweifelhaftem Widerspruch befinde. Frage man z. B., auf welche Weise die Spalte sich gebildet haben könne, so gebe es hiefür nur 2 Wege. Entweder entstand erst eine schmale Kluft, deren Wände durch den Seitendruck der emporsteigenden Massen mehr auseinander gerückt wurden, indem die sämmtlichen Schichten des Buchbergs links und rechts der Spalte sich aus einander bewegten. Oder musste das den Raum der Spalte ursprünglich bedeckende Material vom Weissen B hinab bis auf den Braunen Jura gleichfalls gehoben und auf die Seite gedrückt werden. Im ersteren Falle müsste man an den Bergwänden des Buchbergs eine Einwirkung des Seitenschubs wahrnehmen. Eine Verschiebung der 2 Berghälften auch nur um 30 Fuss könnte bei einem Bergrücken von nicht einmal 2000 Fuss Breite nicht ohne die grössten Störungen des Zusammenhangs und der Lage der einzelnen Schichten vor sich gegangen sein. Es liegen die- selben jedoch, wie schon erwähnt, durchaus normal und lassen weder an den beiden Seitenabhängen noch auf der Sohle des Schachts II. irgend eine Dislocation verspüren. Es werde ‚sich desshalb auch Niemand, der die Verhältnisse an Ort und Stelle kenne, für diese Art des Hergangs entscheiden und es bleibe für diese Hypothese nur die zweite Möglichkeit offen, dass die Schichten- decke der Spalte mit aufgebrochen und emporgeschoben worden sei. Versucht man für diese Annahme den Hergang zu construi- ren, wie er stattgehabt haben müsste, wenn die jetzigen that- sächlichen Verhältnisse sich als mögliches Resultat desselben er- geben sollen, so genügt dieser Anforderung nur eine einzige Cun- struktion in einigermaassen zufriedenstellender Weise. Wenig- stens hat der Verfasser vorliegender Blätter unter vielen ver- suchten nur einen plausiblen Weg gefunden, wie er in fig. u und ıv, Taf. II dargestellt ist. Er beruht auf der Annahme, — 14 — dass die Hebung innerhalb einer Spalte, und zwar in Form eines Gewölbes, dessen beide Seitenflügel eingebrochen und wieder in ein tieferes Niveau gesunken sind, stattgefunden habe, wie diess bei gewölbartigen Hebungen nicht selten vorkommt. Das Nähere der Construction kann hier übergangen werden, da die Abbil- dung über die Einzelnheiten hinlänglich Auskunft ertheilt. So viel Bestechendes nun auch diese Erklärungsweise für sich haben mag, so ist sie bei näherer Prüfung doch nicht stich- haltig. Denn, abgesehen davon, dass solche Gewölbe entweder nur als Kettengewölbe oder als blasenartige Centralhebungen be- kannt sind, nicht aber als 100—250 Fuss breite, man möchte sagen, Laboratoriumsversuche, würde man zunächst fragen müssen, wohin die über den gehobenen Schichten früher befindlichen Eta- gen, welche doch heraufgeschoben worden sein müssten, also vom Weissen ß hinab bis zum Braunen y gekommen sind. Man könne sich den Hergang doch nicht anders denken, als dass wäh- rend des Aufbrechens und Emporsteigens der Spaltendecke das Gestein derselben an beiden Seiten hätte abbröckeln und links und rechts auf die Ränder der Spalte herabfallen sollen. Dabei hätte sich das Material dieser Schuttwälle in der Weise ordnen müssen, dass die jüngsten, also obersten der emporgetriebenen Schichten zuerst und der Spalte am nächsten, die älteren der Reihe nach darüber her sich zu einem abgeböschten Haufen aufgeschüttet hätten, über welchen dann die letzte der gehobenen Abtheilun- gen, je an ihrem Orte sich mantelartig ausgebreitet haben würde. Es lässt sich nun rechnungsmässig nachweisen, dass das geho- bene Material, wie z. B. das des Braunen Jura ß gar nicht hin- gereicht hätte, um die beiden Schuttwälle längs seiner Eruptions- spalte vollständig zu überdecken. Denn, aus der normalen Mäch- tigkeit der Juraschichten vom Weissen 8 bis zum Braunen « hinab, verglichen mit dem Inhalt der geschobenen Masse be- stimmt sich die Ausdehnung des unter dem Braunen-5-Mantel des Buchbergs liegenden Schuttkerns, so wie die Weite der Spalte, welche erforderlich gewesen wäre, um dieses Material als Schutt zu liefern. Da nun aus derselben Spalte auch der Braune ß aufgestiegen wäre, so müsste die Quantität des letzteren, — 105 — wie sie sich aus seiner normalen Mächtigkeit bei Bopfingen und aus der gefundenen Spaltenbreite ergibt, mindestens hinreichen, den Schuttkern so vollständig zu überdecken, wie diess heute noch der Fall ist. Eine Ausführung der Rechnung * ergibt nun für den Schuttkern eine nothwendige Spaltenbreite von höchstens 105’. Wird alsdann die Dicke der Braunen 8 Hülle auch nur zu 20’ angenommen (sie beträgt in Schacht I. mindestens 33 Fuss am ausgehenden, dünnsten Theile, in Schacht II. noch mindestens 18 Fuss), so müsste die Spalte eine Breite von mindestens 220 Fuss gehabt haben, um das nöthige ß Material zu liefern, auch wenn man annimmt, dass in der Spalte selbst gar kein Brauner Jura mehr zurückgeblieben wäre. Oder mit anderen Wor- ten: wenn eine und dieselbe Spalte die über einander aufge- schütteten Gesteine des Buchs hätte liefern sollen, so hätte der Er. J. 8 ursprünglich mehr als noch einmal so mächtig als er wirklich ist, abgelagert sein müssen, um so viel Material lie- fern zu können, als zur Ueberdeckung des Schutthaufens der jüngeren Gesteine erforderlich gewesen wäre. Die Incongruenz der beiden gefundenen Werthe zeigt deut- lich die schwachen Fundamente dieser Hypothese. Und dabei * Die Rechnung selbst ist folgende: Nach dem vom Steiger aufge- nommenen Querprofil kann die Breite des Braunen # Aufsatzes vor seiner Verwaschung durch die Meteorwasser zu 1100, seine Mäch- tigkeit am höchsten Punkt zu ungefähr 90 Fuss angenommen wer- den. Die obere Grenze des Braunen ß liegt bei der Stadt Bopfin- gen etwa 1635’ Meereshöhe, woraus sich die Mächtigkeit der Schich- ten von der normalen Grenze des Braunen J. 8, » bis auf die des Weissen 8 auf den Buchberg auf 300 Fuss berechnet. Für die nor- male Mächtigkeit des Braunen Jura & in dieser Gegend fehlen direkte Anhaltspunkte. Legt man aber die von Schuler (Württ. naturw. Jah- reshefte XXI, 1, S. 73) bestimmte Mächtigkeit desselben in der Was- seralfinger Gegend von 116° Fuss zu Grunde, und berücksichtigt man, dass diese Mächtigkeit bekanntlich von Ost nach West abnimmt, so dürfte die Annahme von 100°, auch nach den Beobachtungen bei Jaxt- hausen, Westerhofen und Baldern keinenfalls als zu gering erscheinen. Eine Berechnung mit diesen Factoren ee nun für den inneren Kern eine Spaltenbreite von . . . BHEHIEET EN, sr 108% für den Mantel aber eine Spaltenbreite Von en ee 220; — . 106 —. ist noch nichts für die stattgefundene Abwaschung abgezogen, welche an dem von 3 Seiten freiliegenden Buchberg und bei dem so leicht verwaschbaren Sande von keiner geringen Bedeutung sein kann und desshalb eine noch grössere Spaltenbreite als die oben berechnete als nothwendig herausstellen würde. Ganz ähn- lich wie mit dem Ueberwurf des Braunen 8 wäre auch die Be- rechnung für die übrigen gehobenen Schichten zu machen, wenn nicht die Grenzen nach allen Seiten zu sehr verwaschen wären, um die nöthigen Dimensionen noch einigermassen sicher bestim- men zu können. Es werden aber noch weitere Einwendungen gegen diese Hypothese erhoben. So sei es z. B. nicht denkbar, dass die Weiss- B3-Bänke des Buchs noch in Schacht II. so ruhig nnd vollkom- men ungestört liegen könnten, wenn in kurzer Entfernung da- neben eme 105— 220’ breite Spalte sich gebildet haben und dar- aus ein ganzes Gebirgsstück von 400° Mächtigkeit emporgedrängt worden wäre. Diess sei um so weniger möglich, als diese Weiss- 3-Bänke, wie Schacht II. gezeigt habe, vor der Katastrophe voll- ständig denudirt, und durch nichts mehr belastet waren, also einem Druck nach oben und auch nach den Seiten hin leichter nachgeben konnten. Im vorliegenden Falle müsste wenigstens das auf beiden Seiten der Spalte liegende Gebirge auf grössere Entfernung gleichfalls von dem aufwärts wirkenden Druck er- griffen worden sein, und durch blasenartige Auftreibung oder Zertrümmerung und Störungen aller Art sich charakterisiren. Ein weiterer Anstand wird darin gefunden, dass der nach dieser Hypothese nothwendige Kern der jüngeren Gesteine nir- gends aus dem umgebenden ß-Mantel hervorsehe. Irgendwo hätte doch die Denudation diese innere Schuttlage entblössen und ihre Existenz nachweisen sollen. Namentlich müsse man als ein Postulat dieser Hypothese voraussetzen, dass die emporgepressten Massen auch Stücke von den Seitenwandungen losgerissen und als Reibungsconglomerate bis zu Tage mit emporgetragen haben würden. Aber weder der Pflug noch die Schachtabteufung an 2 Orten habe irgendwo, an den Seiten oder im Körper des brau- nen Jura-Aufsatzes, ein derartiges Gestein erkennen lassen. 30 Endlich sei die Lagerungsweise der braunen Jura-Kappe bei dieser Hypothese nicht wohl zu erklären. Wenn schon die horizontale Lage fester unzerstörter Schichten im Schacht I. mit einer Hebung um 400° durch einen so engen Schlund schwer vereinbar sei, so sei das steile Einfallen in Schacht II. gegen die Spalte zu durchaus unerklärbar und ein ungelöstes Räthsel, Ebenso das Vorkommen von Schlifflächen auf den Weiss-ß- Bänken der Schachtsohle II. Denn der versuchten Erklärung dieser Erscheinung, wonach grosse Strömungen einen Theil des Br.-8-Schuttes im Anprall vor sich her gedrängt und durch diese Bewegung die Schliffe herorgerufen habe, werde wohl selbst von ihren Autoren bei näherer Prüfung der Thatsachen kein grosses Gewicht mehr beigelegt werden. Rufen wir dieselben in unser Gedächtniss zurück, so hat man es, wie Schacht II. gezeigt hat, mit einer mindestens 18 Fuss mächtigen Schuttlage zu thun, welche auf ihrer Unterlage durch den Stoss der Gewässer vor- wärts geschoben worden wäre und dabei jene Unterlage in einer Länge von mindestens 150 Fuss glatt geschliffen hätte, denn in dieser Länge sind die Schlifflächen nachgewiesen. Eine solche Masse durch den Stoss von Gewässern auf rauher Unterlage vor- wärts bewegen zu wollen, gehöre in das Kapitel der übersinn- lichen Aufgaben, der gewöhnliche Mensch würde wohl dabei stehen bleiben, dass überhaupt kein sandiger Schutthaufen als zusam- menhängendes Ganzes auf seiner Unterlage durch Wasser vorwärts gerückt werden kann, weil die physikalische Natur des Sandhaufens diese Möglichkeit in gar keiner andern Form zu- lasse, als wenn derselbe in seiner ganzen Mächtigkeit zu einem festen Ganzen wieder zusammengebacken oder gefroren wäre. Dann aber hätte der ganze Buchberg eine einzige Masse gebil- det, welche fortzuschieben selbst einem Ocean zu schwer ge- wesen wäre. Es dürfte aus diesen Einwendungen klar hervorgehen, dass wenn die Spaltenhypothese keine triftigere Erklärungsweise für die Rutschflächen beizubringen vermag, dieser Punkt in schla- gender Weise gegen ihre Gültigkeit zeugen muss. Auch die diluvialen Goldshöfer Sande, welche in Schacht II. — . .108 — anf der Rutschfläche gefunden wurden, werden als Beweis gegen die Richtigkeit der Spaltenhypothese geltend gemacht. Die glatte Sohle dieses Schachtes habe gezeigt, dass der Weisse ß des Buchbergs vor der Katastrophe von allen darauf gelegenen Ver- witterungsproducten und losen Theilen mit Ausnahme dieses Quarz- sandes auf das Sauberste gereinigt und bis auf die com- pakten, noch von keiner Verwitterung angegriffenen Kalkbänke hinab entblösst worden war. Es sei aber kein mit dieser Hypothese vereinbares Mittel erdenklich, welches sämmtlichen Gebirgsschutt der ehemaligen Buchbergsfläche bis auf den kleinsten Rest zu entfernen im Stande wäre, ohne zu- gleich den losen Quarzsand mitzunehmen. Der Hergang müsse desshalb ein anderer gewesen sein, als die Spaltenhypothese auf- stelle. Und endlich biete auch die Höhle Schwierigkeiten für die Erklärung. Bei einer Böschung von 1:5, welche der Buchberg zeige und nach dieser Hypothese von Anfang an gezeigt haben müsse, weil sonst die Spalte noch mehr Braun-ß-Material zu lie- fern gehabt hätte, sei am äussersten Rande derselben in Schacht II. ein Uebereinanderfallen der nachgeschobenen Massen nicht mehr möglich, da schon bei einer Böschung von 1:3 ein derartiges Fallen kaum mehr stattfinde. Nur in der Nähe der Eruptionsspalte sei eine solche Sperrung herahstürzender Brocken möglich, wo von oben herab grössere noch zusammen- hängende Massen hätten auf die Spaltenränder fallen können. Das ß-Material könnte also an diese Stelle nur durch Abflössung oder Schub gekommen sein. Bei Annahme der Abflössung sei aber eine 2/2‘ breite, 1° hohe und mindestens 7° lange Höhlung im Schuttgestein unmöglich. Wenn dagegen ein von der Spal- teneruption ausgehender Seitenschub zu Hülfe genommen werden wolle, so müsse in Betracht gezogen werden, dass die hohle Ver- spannung des ß-Gesteins auf der Sohle des Schubs d. h. un- mittelbar auf den Weiss-ß-Bänken aufsitze, ein Seitenschub also seine Richtung durch Kritze in der Unterlage hätte aufzeichnen müssen. Dieselbe zeige aber eine Bewegung der darüber hin- weg geschobenen Massen gerade nach der entgegengesetzten — 103° — Richtung, wodurch sich auch dieser Erklärungsversuch als nicht zutreflend erweise. Diess sind die hauptsächlichsten Gründe, welche gegen die Spaltenhypothese geltend gemacht werden. An ihrer Stelle wird nun das Räthsel des Buchbergs durch Annahme eines Seiten- schubs in nachstehender Weise zu lösen gesucht. * * Zu den Vertretern dieser Auffassung zählt mein Freund Dr. Fraas und der Verfasser, welche schon seit längeren Jahren gemein- schaftlich, unter stetem Austausch und gegenseitiger Controle ihrer Beobachtungen, sich mit der geologischen Untersuchung des Rieses be- schäftigen. Nach manchen Wandlungen unserer Ansichten gelangten wir im Jahr 1861 endlich zu der Ueberzeugung, dass das rings um das Ries sich findende Schuttgebirge das Produkt der im Riese thätig ge- wesenen Kräfte, in miocäner Zeit gebildet und im Wege der Ue- berschiebung auf seine jetzige Stelle gelangt sei. Der Weg zu dieser Ueberzeugung war ein sehr mühseliger und wir können nicht mehr unterscheiden, welchem von uns beiden die einzelnen Beobach- tungen und Fortschritte in der Erkenntniss als Eigenthum angehören. Bald war es der eine, bald der andere, bald beide zusammen, welche auf Neues kamen, und uns nach verschiedenen Erklärungsversuchen, worunter sich auch die oben bekämpfte Hebung in Spalten befand, endlich zu jenem Schlussresultate führten, das wir nun seit 9 Jahren nicht mehr mit einem andern zu vertauschen hatten. Kleinere Modifikationen dessel- ben waren in Folge neuer Beobachfungen allerdings geboten und der Ver- fasser bringt am Schlusse dieser Abhandlung selbst eine solche von grös- serer Tragweite in Anregung. Aber der Weg durch Ueberschiebung statt durch Hebung an Ort und Stelle, sowie der »miocäne Juraschutt« ohne dessen volle Würdigung ein Verständniss des Rieses gar nicht mög- lich ist, sind uns seither unverändert geblieben. Auch jetzt hätten wir unsere Ansicht und ihre Begründung noch bis zur Publikation der Ries- blätter des geognostischen Atlasses von Württemberg zurückgehalten, aber die heftigen Angriffe Quenstedt’s (das Steinheimer Becken, Württ. nat. Jahresh. XXII, 1, S.116), sowie die am Buchberg ausgebrochene Differenz über die Auffassung und Darstellung des miocänen Jura- schutts auf der Karte nöthigen — zunächst den Verfasser — unsere Ansicht öffentlich zu vertheidigen. Wenn nun auch die Beobachtun- gen und Resultate unser gemeinsames Eigenthum sind, so ist doch letzterer selbstverständlich allein verantwortlich für die Art und Weise ihrer Darstellung und für die Begründung im Einzelnen, sowie endlich für das über die Riesgletscher Gesagte. — 10° — Denkt man irgend eine feste Masse langsam aber un- widerstehlich von NO. her gegen den Buchberg sich bewegend, welche auf ihrem Wege einer auf ihrer Unterlage nur lose auf- sitzenden Partie von Braun-Juraschichten begegnet, so wird sie die letztere vor sich her und selbst an den flachen Berggehän- gen aufwärts über andere Formationen wegschieben. Dabei müs- sen die zuerst getroffenen Schichtenköpfe zusammengedrückt und als loser Schutt aufgestaut werden. Die folgenden theilen dieses Schicksal in mit der grösseren Entfernung von dem schiebenden Körper abnehmenden Grade und stellen sich, so weit noch Spu- ren von Schichtung bestehen bleiben, allmählig senkrecht, da sie dem auf sie ausgeübten Drucke nach keiner andern Seite als nach Oben ausweichen können. Nur wo sie durch auflagernde Gesteinsmassen genügend stark belastet sind, würden sie in ihrer horizontalen Lage verbleiben müssen. Dieses Ineinanderdrücken, Aufstauen und sich Bäumen der Schichten wird sich, je nach der Natur des Gesteins und der Grösse der sich: gegenüberstehenden Kräfte mehr oder weniger tief in’s Innere der Masse fortsetzen. Anders gestaltet sich die Wirkung am entgegengesetzten Ende der geschobenen Masse. Bis diese allmählig in ihrem ge- sammten Umfange in Bewegung kommt, werden sich zwar die Bänke auch dort etwas in einander drücken. Da sie aber vorne keinen Widerstand mehr finden, so bleibt ihre Schichtung im Ganzen mehr erhalten und insbesondere werden die äussersten (vordersten) Schichtenköpfe nur schwächere Zeichen des erlittenen Druckes nachweisen. Auch die horizontale Lage der Bänke wird noch ein gutes Stück bergeinwärts ungestört bleiben, namentlich wenn dieselben von einer mächtigen Schichtendecke belastet sind. Dagegen wirkt eine andere Ursache störend auf die Hori- zontalität der vorderen Lagen. Es sind die Reibungsprodukte, welche aus der Bewegung der geschobenen Gesteine auf ihrer Unterlage hervorgehen. Es leuchtet ein, dass durch das Vor- wärtsschieben sowohl die feste Unterlage als die darauf rutschen- den Bänke der Auflage zu feinem Schliech zerrieben werden müssen, auf dem die nachfolgenden Theile glatt dahin schleifen werden, wenn erst einmal die harte Unterlage des Weissen ß a N auch dort abgeglättet sein wird. Vorn aber, an der Stirne der Schichten, muss das Gleiten noch ein sehr unvollkommenes und holperiges sein, da Auf- und Unterlage noch rauh und uneben sind. Dort muss sich aus den abbrechenden Schichtenköpfen ein Schuttwall bilden und vor der vorwärts geschobenen Masse her und unter dieselbe hinunter gewälzt werden, welcher die letz- tere mehr und mehr heben wird, so dass, wenn die Bewegung lange genug anhält, die vorderen Bänke eine ziemlich steile Lage annehmen können, welche sich nach rückwärts mehr und mehr abflacht. Dies sind die Sätze, von welchen die Schubhypothese bei der Erklärung der fraglichen Erscheinung ausgeht und für deren Zutrefien am Buchberge sie folgende Belege anführt. Die nach SW. (h. 42/3 red.) streichenden Schliffflächen, welche auf der Ostseite des Buchbergs auf mindestens 150 Fuss Länge nachgewiesen sind, lassen zunächst an einer Bewegung schwerer Massen auf dieser Länge keinerlei Zweifel zu. Für die weitere Fortsetzung der Bewegung spricht aber die Lage- rungsweise des Braun-Juraaufsatzes in deutlichen Zeichen. Das Haufwerk zerstörter Schichten in Schacht IL, das dort von den Arbeitern erkannte steile Einfallen der Schuttlage in der Rich- tung des Schubs, die sanft in der Richtung des Schubs ansteigende Lagerung noch deutlicher wenig verdrückter Bänke in Schacht I., endlich das Ausbeissen stark geneigter (45°) Bänke an der südlichen Seite des Schubs, gleichfalls in der Rich- tung desselben, alle diese Momente stimmen mit der Con- struction überein, wie sie eben für diese Hypothese a priori auf- gestellt worden ist, nicht gezwungen, nicht lückenhaft, sondern von Anfang bis zu Ende mit der Theorie übereinstimmend. Ausserdem spricht auch die Reliefform des Buchberg-Auf- satzes für diese Auffassung. Während nämlich der nördliche Ab- hang desselben convex aufgetrieben erscheint, wie es einer Stau- ung der Schichten auf dieser Seite entspricht, bildet der südliche eine concave, ziemlich steil abfallende und sodann sich stark verflachende Linie, welche ganz gut mit einer steilen Schichten- stellung auf dieser Seite und einer nachfolgenden flachen Ver- — 112 — waschung der bröckeligen Sande stimmt. Ja man glaubt dort am Abhange an einer kleinen Anschwellung des Terrains noch deutlich die Grenze zu erkennen, bis zu welcher die geschobenen Massen ursprünglich gereicht haben und von wo an die Ab- waschung der Sande begonnen hat. Nur kurz machen wir darauf aufmerksam, dass auch die in Schacht II. angehauene Höhle sich durch Bäumung und Verspan- nung der Gesteine über der festen Unterlage des W. ß in ein- fachster Weise erklärt. Was aber die Goldshöfer Sande, welche das kritzende Ma- terial auf der Schubfläche abgegeben haben, anbelangt, so zeigen dieselben schon 1 Stunde von hier gegen Westen eine allge- meine Verbreitung. Es liegt daher nahe, dass sie vor dem gegen Westen sich wälzenden Schub auch hier vorhanden waren und bei der Bewegung als Vorderstes und zugleich als das härteste und dauerhafteste Material auf der Schubfläche zuletzt noch als Ganzes übrig blieben. Uebrigens werden wir weiter unten noch einmal auf diese Sande zu reden kommen. Noch weitere Beweise lassen sich aus der Lagerungsweise der jüngeren Jura- und Tertiärschichten entnehmen. Wie schon erwähnt, so liegen am Abhang des Breitwang an dem vorderen Ende des Schubs noch weitere und zwar die auf den Braunen ß folgenden Juraglieder bis zum Weissen «a, in schmalen Streifen nach dem Alter geordnet. Doch scheinen dieselben nicht genau in ihrer normalen ursprünglichen Mächtigkeit, welche zusammen etwa 230 Fuss beträgt, hier vertreten zu sein, sondern je nur in einzelnen abgerissenen Theilen derselben. Auch sind ihre Grenzen gegen einander nicht deutlich geschieden, sondern durch Einmengung des einen Gesteins in die Schuttmassen des andern häufig verwischt, wie diess bei einem Schub nicht anders sein kann. Dessgleichen sind nirgends regelmässige Bänke zu finden, sondern wie bei dem Braunen ß nur mehr ein Haufwerk zer- störter Schichten. * * Dafür, dass das Streichen dieser Gesteine so ist, wie es Taf. I darstellt, hat man als hauptsächlichen Anhalt den heute nicht mehr ==. Alla, Ve So geordnet in der ursprünglichen Altersfolge bei aller Zer- störung des geschichteten Zusammenhangs, so neben einander, was ursprünglich über einander lag, vermag aber nur ein hori- zontaler Schub die Schichten im Weg des Aufrollens hinzulegen, nicht aber eine aus engem Trichter oder schmaler Spalte erfol- gende Hebung. Zur völligen Entscheidung der Frage gehört aber noch die Beantwortung zweier Punkte, welchen bei Begründung dieser An- sicht ein wesentliches Gewicht zukommt. Die eine Frage geht nach dem Ursprung der geschobenen Massen und die Antwort darauf lautet: er liegt in nächster Nähe, am Fusse des Buchbergs, nur 2000—5000 Fuss, je nach dem Alter derselben, entfernt. Fassen wir zunächst in’s Auge, dass die geschobenen Mas- sen in der Reihenfolge liegen, dass, im Rücken angefangen, Brauner Jura ß y ö e & und Weisser Jura « sich regelmässig folgen, und dass dann statt weiterer Juraetagen tertiäre Geschiebe und Breccienfelsen erscheinen, so brauchen wir nur in der dem Schub entgegengesetzten Richtung in das Egerthal hinabzustei- gen, um von der tertiären Grieskuppe des Buchbergs bis auf die Thalsohle hinab gerade alle jene Schichten in derselben Reihen- folge an ihrem ursprünglichen Lagerungsorte anstehend zu finden. deutlichen, zur Zeit unserer ersten Aufnahme vor 13 Jahren aber noch sehr klaren Aufschluss in dem Einschnitt der neuen Poststrasse nach Neresheim. Die zweite Stelle für die Bestimmung der Lage jenes Juragliedes liegt auf dem hinteren Weg auf den Buchberg, wo die y- und ö-Bänke des Braunen Jura zu Tage treten. Und endlich haben am südlichen Abhang des Buchbergs im Thal der Haidmühle die Bauern in den aus den Feldern ausgelesenen »- und ö-Brocken das Streichen dieser Lage abermals deutlich erkennbar gemacht. Eine Bestätigung dieser Construction der Streichungslinie findet sich we- nige Schritte westlich der Strasse, wo sich am Breitwang nicht allein die weissen Thone der Terebr. impressa, sondern auch Geröllmassen und Griesfelsen in der Richtung des Schubs angelehnt finden. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 8 — td — Unsere Richtungslinie weist uns nun direkt auf die nörd- liche Seite des Schlossbergs hin, der sich bei näherer Unter- suchung als ein schmales, an seinen beiden Seiten genau in der Schubrichtung geformtes Riff, aus den regelmässigen Schichten des W. J. « bis y aufgebaut zeig. Nur auf der von der Schubrichtung abliegenden, also Westseite, ist der Schichtenkern des Berges entblösst. Die übrigen Seiten, vor Allem die nörd- liche, ist übersäet mit fremden Felsblöcken des oberen weissen Jura, welche öfters noch in der Richtung der Bewegung über- einandergeschoben liegen. Hier kann kein Zweifel sein, dass die schiebende Masse, beladen mit den Jurablöcken die Bergwand scharf gestreift und, soweit möglich, nach ihrem Bedürfniss mo- dellirt hat, wobei sie ihre Lasten theils auf dem Gipfel wirr auf einander gethürmt, theils auf dem Abhang liegen gelassen hat. Unten aber am Fusse des Bergs wurde von ihr ein Stück der scharf vorspringenden Ecke des Braunen ß losgedrückt und auf ihrem Wege mit fortgenommen. Dieser führt flach ansteigend über die normalen jüngeren Schichten des Br. J. und W. « geraden Wegs auf unsere strei- tige Stelle zu. Es ist desshalb die Wahrscheinlichkeit der Auf- rollung der obersten verwitterten Lagen dieser Formationsglieder am Kopfe der ganzen in Bewegung befindlichen Masse sehr nahe gelegt. An der steilen Felsenwand des nun folgenden Buchbergs scheint jedoch der Schub seine Kraft vergebens versucht zu ha- ben. Wohl sieht man die Schichtenköpfe im Lager klein zer- drückt, und meist in regelmässige, senkrecht stehende Täfelchen von nur 1“ Dicke, mit der flachen Seite gegen den Schub ge- richtet zerspalten. Aber man findet oben in den geschobenen Massen keine nennenswerthen Spuren von losgelösten Gesteinen dieser Etage. Es scheint die Kraft des Schubs oder die Härte des schiebenden Körpers nicht hingereicht zu haben, um diese Felsbänke aus dem geschichteten Zusammenhang loszureissen. Diese Wirkung stellt sich erst wieder ein, wo der Schub auf dem horizontalen Plateau des W. J. 8 angelangt ist. Deort lagert in breitem Erguss jene als tertiär angesehene Kalkbreceie, ee — 15 — welche wir unter dem landesüblichen Namen Gries unter die Ge- steinsbezeichnungen des Rieses aufgenommen haben. Es wird allsei- tig als ein Product der Zerdrückung oder Zerschmetterung der Weiss- Juraschichten aus der Zeit der Riesbildung angesehen und bildet entweder lose zerfallenden, scharfkantigen Kutter von verschie- denem Korn bis abwärts zu Erbsengrösse, oder noch in ihrer ur- sprünglichen Form zusammenhängende Felsen und Klötze, durch und durch in kleine Stückchen zerdrückt, welche bald durch Kalk- spathabsatz aus den Sickerwassern, bald durch Niederschläge aus Gewässern der Tertiärzeit zu einem festen Ganzen cementirt sind. Ein solches tertiäres Griesfeld, aus losem und Felsengries bestehend, nimmt den grössten Theil des Plateau’s ein und bildet namentlich dessen höchste Partie. Ueberall darauf zerstreut fin- det man noch eine Menge Feuerstein- und Jura-Gerölle bis zu Faustgrösse, welche mit hellfarbigen Süsswasserletten stellenweise grössere Ansammlungen bilden und ebenfalls als tertiäre Bildung angesehen werden. Diese Schuttmasse ist nun plötzlich unterbrochen durch den Strom von braunem Jura, der sich vom Nordrande her quer über den Berg ergiesst, so dass aus der Form der Grenzlinie beider Gesteine ein jüngeres Alter des Braun-Jura-Schubs, sowie die Ueberwältigung des Grieses durch denselben hervorzugehen scheint. Letzterer wurde theils bei Seite gedrückt, theils als das vorderste Glied im ganzen Schub schliesslich beim Eintritt der Ruhe an der Spitze der geschobenen Gesteine liegen gelassen. Dort fin- den wir ihn jenseits der Strasse, an den für ihn unersteiglichen Breitwang angelehnt und zwar sowohl die Griesbrocken als auch die Gerölle. Letztere zeigen sich schon in ansehnlicher Menge eingeknetet in die Thone des Braunen &£ und des Weissen « und bilden durch ihre Häufigkeit die deutlich gezeichnete Grenze des ganzen Schubs. Es bleibt noch die eigenthümliche Ausdehnung der gescho- benen Masse nach links (Süden) zu erklären übrig. Dieselbe ist die einfache Folge eines Ausweichens derselben nach derjenigen Seite, auf welcher ihr der geringste Widerstand gegen ihre Fort- bewegung entgegengesetzt war. Sie geschah nach dem einfachen 8 * —,. 16 — physikalischen Gesetze des Parallelogramms der Kräfte, ja die Richtung des Schubes hätte sich, wenn nur Material genug vor- handen gewesen wäre, in Hufeisenform bis zur vollständigen Rückwärtsbewegung drehen können, wie diess aus ganz ähnlichen Ursachen der Rücklauf des fliessenden Wassers in der sich bil- denden Wirbelbewegung zeigt. Nur Ein Punkt ist hiebei noch dunkel und bedarf noch näherer Untersuchung. Es ist diess der Umstand, dass nicht angegeben werden kann, wohin die von dem nach Süden gerich- teten Braun-Jurastrom verdrängten Griesgesteine hingekommen sind. Unten, am Fusse des Hügels, wo man sie erwarten müsste, liegen sie nicht. Für die Erklärung dieser Erscheinung bieten sich zwei Wege. Dass der Griesaufsatz des Buchbergs nicht auf seiner heu- tigen Lagerstelle gebildet, sondern gleichfalls seitwärts herge- schoben ist, das ergibt sich aus Beobachtungen an Ort und Stelle, sowie aus Analogie mit anderen derartigen Bildungen. Die Gries- felsen des Buchbergs bestehen meist aus W.-J.-Dolomit und Mar- mor mit Kieselschnüren oder Knollen, also aus oberem Weissem Jura, der hier nirgends anstehend zu finden ist. Er muss also von anderswo hieher getragen und zwar geschoben worden sein. Dafür sprechen wenigstens die von den Bauern ausgegrabenen, abgerollten, 1—2 Cub.-Fuss haltenden Ellipsoide aus Kiesel & und Marmorkalk. Ob man die vielen kleinen Gerölle aus Jura- kalk und Feuerstein, welche das Griesfeld bedecken, auch hieher rechnen kann, ist noch zweifelhaft, da sie sichtlich eher einer Bewegung durch Wasser ihren Ursprung verdanken. Aber die grossen Marmorkugeln, die Dolomitfelsen lassen keinen Zweifel an der fremden Heimath derselben aufkommen, aus der sie auf trockenem Landwege hieher gelangten. Zunächst entsteht die Frage, ob der Schub des W.-J.-Grieses ein besonderer früherer Akt war, oder ob er mit dem des Br.- Jura-Aufsatzes zusammenfällt. Für Ersteres spricht der Umstand, dass in einer ähnlichen Schubmasse am Bildwasen bei Lauchheim, wie wir später sehen werden, ganz fertige Griesfelsen in einer Weise eingebettet lie- —E gen, welche keinen Zweifel darüber lässt, dass die Vergriesung vor der Fortbewegung der Gesammtmasse stattfand, d. h. dass dort die fertigen Griesbildungen erst in einem folgenden zweiten Akt mit anderen Schubmassen zusammen weiter bewegt wurden. Diess würde auch mit unserer weiter unten näher ausgeführten Ansicht übereinstimmen, dass die Griesbildung ein Werk der bei der Entstehung des Rieses thätigen Kräfte gewesen ist, welche die Juradecke desselben zertrümmerten und auf die Seite scho- ben. Wenn nun der W.-J.-Gries des Buchs zu diesen älteren Ueberschiebungen gerechnet wird, so müsste man annehmen, dass der zweite Schub, der des Braunen Jura, die alte Grieslage in der westlichen Hälfte des Buchs in der Weise überschüttet habe, dass sie jetzt unter jenem Schub begraben liegt. Welcher von den oben aufgestellten beiden Fällen am Buch- berg aber vorliegt, ist bis jetzt nicht zu ermitteln gewesen, und dürfte auch ohne neue Schürfarbeiten nicht sicher ermittelt wer- den können. Auch für diesen Fall, dass beide Gesteinsarten, der W.-J.-Gries und der Braune Jura in Einem Akt zusammen auf den Buch geschoben wurden, lässt sich eine, wenn auch künstlichere Erklärung finden, welche davon ausgeht, dass das Gries aus weiterer Entfernung etwa aus dem Riese hertranspor- tirt, der Braune Jura aber, wie schon oben erläutert, erst an der Schlossberg-Ecke aufgenommen wurde und beide so neben einander und mit einander auf dem Plateau des Buchbergs an- langten. Hier aber gerieth die Bewegung des Grieses etwas in’s Stocken, weil er gerade hinter die Pyramide des Schloss- bergs zu liegen kam, an welcher sich die nachschiebende Kraft der Bewegung etwas brach, während der Druck auf den Braunen Jura unaufgehalten sich gleichmässig weiter äussern konnte. Ist diese Auslegung richtig, so wäre kein Griesmaterial auf die Seite zu drücken gewesen und die heutige Gestalt vielleicht besser als durch Annahme zweier, im Alter verschiedener Be- wegungen erklärt. Trotzdem neigt sich der Verfasser eher der ersten Alterna- tive zu, wonach der Griesaufsatz des Buchs ein Rest der durch vulcanische Kraft auf den Rand überschobenen, ehemaligen — 118. — Riesdecke und vor dem braunen Jura dorthin gelangt wäre. Hoffentlich gibt uns eine Fortsetzung der Schurfarbeiten an einem geeigneten Punkt des Buchs darüber bald sicheren Aufschluss. Jedenfalls hängt die Entscheidung dieser Frage aber enge mit der über Das Alter des Schubs zusammen. Zu ihrer Beantwortung müssen wir noch eine andere Localität beiziehen, welche geologisch nahezu dasselbe Verhalten, wie der Buchbergaufsatz zeigt, aber eine grössere Mannigfaltig- keit der geschobenen Formationsglieder enthält und desshalb zur Bestimmung des Alters noch sicherer benützt werden kann. Es ist diess der Bildwasen und der ihn durchquerende Tunnel bei Lauchheim, dessen geologische Verhältnisse Fraas* schon vor 6 Jahren erläutert hat. Bekanntlich liegt auch dort, wie auf dem Buch, 1/2 Stun- den gegen Westen von letzterem entfernt, auf dem anstehenden W. J. ß eine Schuttmasse fremden Gestein. Und wie auf dem Buch zeigt sich die W.-J.-8-Platte (östlich von Punkt T der Pro- file m und ım, Taf. III) auch hier durchaus eben geschliffen, po- lirt und gekritzt, letzteres beinahe ganz parallel mit den Schliff- flächen auf dem Buch, nämlich h. 52/3 red. Auch dort ist ein Schub der Massen auf der entblössten Weiss-ß-Platte in einer Länge von 300 Fuss direkt nachgewiesen, auch dort geschah er vom Riese her, von O.—W., wie am Buchberg und es kann kein Zweifel sein, dass ein und dieselbe Kraft im gleichen Akt an beiden Orten gewirkt hat. Beide Localitäten gehören also geo- logisch zusammen, und wenn der Buchberg durch die Einfachheit der Lagerungsverhältnisse, sowie der geschobenen Gesteine sich auszeichnet, so ist es am Lauchheimer Tunnel gerade die Man- nigfaltigkeit der translocirten Formationsglieder und deren La- gerungsverhältnisse, was diese Stelle so anziehend macht. Beide zusammen ergänzen sich aber in den Merkmalen für die Aus- * W, nat. Jahresh. XX, 1, S. 33. eg: legung der hier stattgehabten Vorgänge und der dabei wirken- den Kräfte. Prof. Quenstedt * bezweifelt zwar, in Uebereinstimmung mit seiner Ansicht über den Buchberg, auch hier das Vorhan- denhein eines Schubs und meint, „dem Unbefangenen müsse ein Herschieben aus dem Ries durch vulkanische Gewalten bedenk- lich erscheinen. Granitblöcke von 30,000 Cubikfuss, und die Süsswasserfelsen waren wohl 100mal umfangreicher, legen einen Weg von 1 bis 1!/, Meilen nicht so leicht zurück.“ Auch über die Natur der Griesbildung ist er anderer Ansicht. Nach den bei Steinheim gemachten Beobachtungen „dürfe hinfort nicht mehr von miocänem Juraschutt die Rede sein, der als ein Pro- duct der vulkanischen Gewalt des Rieses und als Massstab des Stosses ausgegeben werden wolle, während die gebrochenen und wieder verkitteten Belemniten sogar die Richtung der Schubkraft beweisen sollen.“ „Solche kühne Hypothesen, auf die schwäch- sten Fundamente gestützt, mussten natürlich bei Fachmännern die gewichtigsten Bedenken erregen u. s. w.*, worauf er seine eigene Erklärungsweise der Lauchheimer Gebilde folgen lässt. Er meint, dass es „nach der Entdeckung bei Steinheim gerathe- ner sein möchte, näher an Ort und Stelle den Grund zu suchen. Es ist damit ein neues Feld für wissenschaftliches Forschen er- öffnet, uns beschäftigt jetzt nicht mehr der oberflächliche Schutt, sondern der verschlossene Bau der Tiefe.“ Nach dieser Ankündigung des gefundenen Schlüssels zu den Geheimnissen von Lauchheim erwartet man, deren e'gent- liche Erklärung und die Begründung der letzteren durch be- obachtete Thatsachen zu erhalten, allein mit jenem allgemei- nen Satze vom verschlossenen Bau der Tiefe verlässt der Fach- mann den Gegenstand und überlässt es dem wissenschaftlichen Forschen des Lesers, sich die Art und Weise auszudenken, wie die Griesmassen und Felsblöcke des oberen Weissen Jura, die tertiären Braunkohlenthone und Süsswasserkalke, sowie die abge- rollten Ufer- oder Flussgeschiebe, mit Goldshöfer Sanden und * Das Steinheimer Becken. W.n. Jahresh. XXIJI, 1, S. 126. a0 Granit und Trachyttuffen sich hier auf der polirten Platte des Weissen Jura ß zusammengefunden haben. Wir unsererseits sind damit auf dem angerathenen Wege der Tiefe nicht fertig geworden und fahren daher ruhig fort, die Fundamente unserer Hypothese durch Vorführung von That- sachen weiter zu begründen. Fig. ı, Taf. III zeigt das westliche Ende des Einschnitts vor dem Tunnel am Bildwasen, wie es im März 1862 durch die Eisenbahnarbeiten aufgeschlossen war. Fig. ıı aber gibt den Durchschnitt des Bildwasens in der Län- genaxe des Tunnels, genau nach der von dem Ingenieur desselben Herrn Bauinspector Knoll bearbeiteten Redaction. Fig. m und ıv geben Theile des östlich vor dem Tunnel ausgehobenen Einschnitts gleichfalls nach dem Stande der Aufschlussarbeiten im März 1862. Die als „unbekannte Tuflage“ bezeichnete Gebirgsmasse war damals noch nicht aufgeschlossen und blieb dem Verfasser unbekannt. Dass aber nur Tuffe hier liegen können, sieht man unter der Grasdecke auch heute noch und ergibt sich überdiess aus den Angaben des Herrn Bauinspector Knoll. Aus den Profilen ı, ır, ım und ıv, Taf. III dürfte nun zweierlei evident hervorgehen: erstlich eine horizontale Schiebung der Massen von O0.—W., gerade wie am Buchberg, zweitens die un- bestreitbare Thatsache, dass die geschobenen Massen zum Theil wirklich aus dem Riese selbst, und nicht „aus der Tiefe an Ort und Stelle“ stammen. Nicht allein die in Fig. m dargestellten einzelnen Theile der Schubmasse, sowie die Schliffflächen auf der festen Unter- lage des Weissen ß zeigen unverkennbar eine horizontale Be- wegung der Masse, sondern es ist damit auch die von Herrn Knoll gegebene Darstellung des Bildwasendurchschnitts ganz in Uebereinstimmung. Mit grösster Freude und Genugthuung ent- nahm der Verfasser aus dieser, ihm vor wenigen Wochen erst- mals zu Gesicht gekommenen Darstellung, dass, wie bei Punkt f der Fig. ın und ım, so auch auf der Westseite des Bildwasens — 121 — auf dem Abhang des früheren Weissjura-Rückens nicht Tuffe, sondern eine dicke Lage W. Juraschutts folge, während die Ost- seite desselben Rückens davon völlig frei erscheint. So aber muss eine schwere, von Osten sich herbewegende Masse die auf dem Abhange liegenden Verwitterungen der festen Unterlage vor sich her über den Rücken hinüber schieben und am jenseitigen Abhange aufhäufen. Beide Stellen der Fig. u correspondiren vollständig mit einander und liefern mit Fig. ıu und den Schliffflächen den, wie wir glauben, unumstösslichen Be- weis für einen horizontalen Schub auf der Oberfläche. Dass aber die Schubgesteine nicht „aus der Tiefe an Ort und Stelle* herstammen können, dafür liefern überzeugende Be- lege neben Anderem namentlich die miocänen Helix-Kalke und Braunkohlenthone, welche in dem Schube in grossen Massen ver- treten sind. Letztere sind nur Wenigen bekannt, da sie bis jetzt nur in der verschlossenen Tiefe der Riesebene als Ausfüllung des einstigen Tertiärsee’s gefunden worden sind, und desshalb der Beobachtung lange Zeit gänzlich entzogen waren. Bei Bohr- arbeiten, welche im Jahr 1858—59 im Riesbecken nach Braun- kohlen geführt wurden, haben wir, Prof. Fraas und der Ver- fasser, die umfassendste Gelegenheit gehabt, diese Thone und ihre Lagerungsverhältnisse kennen zu lernen. In 34 im Riese vertheilten Bohrlöchern haben wir zwei Arten dieser Thonletten gefunden. Die eine nahezu dunkelschwarz vom feinsten Gefüge, fettig anfühlend, glänzt beim Zerschneiden wie Seife und ent- hält von organischen Resten nur Braunkohlen, Fischgräte und Schuppen. Die andere Art war graulich, sehr stark kalkhaltig, kurz im Bruch, und bestand beinahe ganz aus Cypridinenschalen. Seltener fanden sich darin kleine verdrückte Planorben und eine flache, gleichfalls immer verdrückte Bivalve, welche der Gattung Anodonta anzugehören scheint. Wir hatten diese tertiären Thone und Mergel sonst nirgends als in der Tiefe des Rieskessels gesehen, wie erstaunt waren wir daher, als wir 4 Jahre nach ihrer dortigen Erschürfung die- selben Lier oben auf dem Jurasattel wieder fanden. Beide Va- rietäten, die schwarzen Seifenletten, sowie die grauen Cypris- — 12 — Mergel waren hier und zwar in Massen von zusammen über 300 Fuss Länge vertreten. Freilich konnte, wer diese Kinder des Rieses nicht an ihrem Heimathsorte beobachtet hatte, sie da oben am Bildwasen nicht als solche erkennen. Und wer nicht im Frühjahr 1862 die Tunnelbauten besuchte, der fand diese Braunkohlenletten an den mit Dammerde überschütteten und planirten Böschungen später auch nicht mehr. Für denjenigen aber, welcher sie an den bei- den einzigen Stellen ihres bisherigen Vorkommens rechtzeitig beobachten konnte, sind sie ein sicherer Führer für die Erklä- rung der Dinge am Bildwasen. Geht man nun hinüber auf die westliche Seite des Tunnels, so findet man ausser diesen tertiären Letten auch Helix-Kalke in die gleiche Tuffmasse eingewickelt mit Marmor- und frei darin liegenden Griesfelsen des W. Jura, mit Granit- und Diorit- blöcken, sowie mit Braun-Jurafetzen aus allen Horizonten. Wenn aber die tertiären Einschlüsse dieses Mischmaschs aus dem Riese hergeschoben wurden, dann kann es kein Zweifel sein, dass auch jene anderen Gesteine ganz oder stückweise desselben Weges gekommen sind, und nicht den aus der Tiefe. Zugleich aber ergibt sich für das Alter des Schubs die nicht angreifbare Schlussfolgerung, dass er nach Ablagerung der Helix-Kalke, Braunkohlenthone und Oypris-Mergel, sowie nach Bildung der im Tuff eingeschlossenen Gerölle, also frühe- stens am Schlusse der tertiären Riesbildungen stattgefunden hat. Noch deutlicher kennzeichnet sich das junge Alter des Schubs in dem Längenprofile Taf. III, Fig. ı des westlichen Ein- schnitts, also des vorderen Kopfes der geschobenen Masse. Dort lagern aufgeschlossen die Goldshöfer Quarzsande, mit vielen Jura- und Hornsteingeröllen vermischt, ganz deutlich unter dem über- geschobenen Tuff, wo sie heute noch vom Tunneleinschnitt an mit ihren Gerölleinschlüssen beobachtet werden können, wie sie sich an dem nördlichen Thalabhange weit hinter Grombach hin- überziehen, während statt des Quarzsandes allmählig ein fetter gelber Letten, aus zersetztem Tuff hervorgegangen, auftritt. Drüben aber auf der östlichen Seite des Tunnels findet man ge- —_- 23 — nau wie am Buch diese Sande als kritzendes Material auch noch fest auf der glatt geschliffenen Unterlage des W. J. ß auf- sitzend. Wenn nun auch das Alter jener Sande noch keineswegs durchaus festgestellt ist, so ist doch so viel sicher, dass sie jünger sind, als unsere Tertiärbildungen. Und da der Schub sich noch jünger als diese Sande erweist, so wird.er dadurch zu einem der spätesten geologischen Ereignisse. Er hat statt- gefunden, nachdem im Ries schon vollständige Ruhe eingetreten war, Braunkohlenthone und Helix-Kalke längst sich abgesetzt hatten, und die Goldshöfer Quarzsande, schon wie heute, im Ge- biete der oberen Jaxt allgemein verbreitet waren. Wir gelangen damit weit über die Tertiärepoche hinaus und nähern uns einer Periode, in welche von der neueren Wissenschaft übereinstimmend die älteste Eiszeit gesetzt wird. Wenn wir in dem bisherigen auch den unanfechtbaren Be- weis erbracht zu haben glauben, dass jene Massen nicht von unten herauf, sondern von der Seite überschoben worden seien, so ist doch die Erscheinung damit noch nicht in ihrem ganzen Um- fange erklärt. Die letzte Frage betrifft noch Die bewegende Kraft. Im Bereiche der Möglichkeit liegen nur zwei Ursachen, welche die Vorwärtsbewegung solcher Massen hätten bewerkstel- ligen können. Die eine ist die aus dem Erdinnern stammende oder vulkanische, die andere die an der Erdoberfläche sich ent- wickelnde Kraft der Gletscher. Ein drittes gibt es im vorlie- genden Falle nicht; denn alle übrigen Wege, wie der durch Wasserfluthen oder durch vulkanische Auswürfe, welche durch die Luft geflogen wären, schliessen sich durch den ganzen Ha- bitus der fraglichen Schuttmassen von selbst aus. Was nun die erste Alternative, die vulkanische Action an- belangt, so ist darüber, dass unterirdische Kräfte den ganzen — 124 — 342 Quadratmeilen haltenden Rieskessel ausgehoben und dessen frühere Jurabedeckung beseitigt haben, unter allen Beobachtern des Rieses wohl kein Zweifel mehr. Es ist desshalb wohl be- gründet, dass in erster Linie an diese Katastrophe als die Quelie der Kraft gedacht werde, welche bei der Ueberschiebung der erst zerbrochenen und gehobenen Riesbedeckung auf die Ränder desselben thätig war. Allein mit einer blos allgemeinen Hinweisung auf diese Kraft ist es nicht gethan. Bei der Beurtheilung geologischer Vorgänge handelt es sich nicht allein darum, einen allgemeinen, plausibel klingenden Satz auszusprechen, wie diess so gerne bei halbfertigen Vorstellungen oder reservirten Orakelsprüchen ge- schieht, vielmehr ist von jeder ernstlich aufgestellten Hypothese zu verlangen, dass sie über ihre nothwendigen Consequenzen im Einzelnen Rechenschaft gebe. | Man hat desshalb im vorliegenden Fall zuerst zu fragen, wohin die Zwischenmittel gekommen sind, welche zur Zeit des Schubs zwischen dem Schiebenden und dem heute noch übrigen Rest des Geschobenen vorhanden sein mussten. Diese Zwischen- mittel sind aber heute trotz allem Suchen nicht mehr zu finden und doch musste, nach der Richtung des Schubs zu schliessen, das Egerthal in seiner ganzen Breite davon ausgefüllt sein, als die Ueberschiebung stattfand. Die Natur dieser Zwischenmassen müsste also eine solche gewesen sein, welche die Abwaschung und Entfernung durch Einfluss der Atmosphärilien und Strömungen im höchsten Grade erleichtert hätte. Es ist aber keine Gebirgsart bekannt, welche diese Eigenschaft in dem verlangten Grade besitzt, denn selbst die weichsten Letten, wie sie aus der Wälzung der Keupermer- gel, Braunkohlenthone etc. hervorgegangen wären, hätten sich, bei dem geologisch jugendlichen Alter des Schubs, in Thalecken und anderen der Verwaschung mehr entzogenen Stellen in grösseren Resten erhalten müssen. Ueberdiess konnten die fragliehen Zwi- schenlagen unmöglich nur aus Letten u. dergl. verwaschbarem Material bestehen, vielmehr zeigt schon Profil m, Taf. III des Lauchheimer Schubs, dass ein Wechsel harter und weicher Gesteine — 125 — vorwärts getrieben wurde, wie das auch a priori gar nicht an- ders erwartet werden kann. Um so eher müssten aber Reste der härteren Gesteine vom Buch und dem Lauchheimer Tunnel an bis zum Ausgangspunkt des Drucks zurückgeblieben sein, welche den Weg, welchen die Bewegung genommen hat, noch deutlich angeben würden. Wenn nun auch an beiden Abhängen des Egerthals kleine derartige Reste vorkommen, die wir später aufzählen werden, so sind sie doch nicht von der Bedeutung, wie man sie erwarten müsste, wenn die Schubmasse das ganze Thal ausgefüllt hätte. Denn na- mentlich ist in der Thalsohle selbst keine Spur mehr von frem- dem, nicht anstehendem Gestein zu finden. Wir können uns desshalb des Schlusses nicht erwehren, dass der Hergang nicht in dieser Weise stattgefunden haben kann. Es tritt aber noch ein anderer Grund hinzu, welcher da- gegen spricht, dass die in Rede stehenden Massen durch die Kräfte des Erdinnern auf ihre heutige Lagerstelle gebracht wor- den sind. Es ist diess das Alter des Schubs, das sich nach dem früher Gesagten als ein posttertiäres ergeben hat. Wir müssen hier wiederholt darauf zurückkommen, dass es allen bekannten That- sachen widerspricht, in diese Zeit noch eine Hebung des Rieses setzen zu wollen. Die Zeit der Umwälzung desselben fällt vor und nicht nach Ablagerung der bekannten lacustren Nieder- schläge am Rande und im Grunde des Riesbeckens. Der Gürtel miocäner Süsswasserkalke, welche den nördlichen Rand des Rieses umsäumen und die in den Flächen desselben abgelagerten Braun- kohlen- und Cypridinenthone sprechen deutlich für einen See, welcher schon in der Tertiärzeit die ruhige Schlussscene der ganzen Katastrophe gebildet hat. Um aber die miocänen Pisolithe und Braunkohlenthone des Lauchheimer Tunnels, 1 bis 2 Meilen weit auf die Uferränder zu schieben, hätte es einer Umwälzung nach der Ausfüllung jenes See’s bedurft und zwar einer so gewaltigen, dass die Re- gelmässigkeit der dortigen Tertiärablagerungen in heute noch sichtbarer Weise hätte zerstört werden müssen. Allein unge- ee achtet diese die jüngste aller Rieskatastrophen gewesen wäre, fin- det man dennoch keine irgend sichere Spur einer solchen. Wir können zwar nicht behaupten, dass die Untersuchung dieser Frage schon durch’s ganze Ries vorgenommen und end- gültig abgeschlossen sei, die bisherigen Beobachtungen sprechen aber übereinstimmend gegen jene Annahme, und wenn die wei- teren Forschungen, wie wir kaum zweifeln, zu demselben Resul- tate führen sollten, so werden wir, in Ermanglung einer andern Möglichkeit, von selbst, wenn auch gegen unsere Neigung, auf die Gletscher als die einzige noch übrige Kraft verwiesen, welche den Transport so gewaltiger Massen bewerkstelligen konnte. Gegen unsere Neigung, weil wir jetzt selbst gezwungen werden, der Richtung zu folgen, welche den Geologen heut zu Tage vorzugsweise in Eiszeiten und alten Moränen als den Auf- schlusspunkten aller möglichen Räthsel umhertreibt. Und weil bei dem Wechsel, den die Richtung des Forschens im Riese dadurch erfährt, die Reihe einer 13jährigen Beobachtung revidirt und häufig an Ort und Stelle ergänzt werden muss. Denn jede Aen- derung der prinzipiellen Auffassung ändert auch die Merkmale für die Beobachtung, früher Gleichgültiges erhält Bedeutung und das einst Wichtige verliert den Werth. Allein subjective Antipathien werden von dem wissenschaft- lichen Gebot der Wahrheit nicht berücksichtigt und so fügen wir zu den gegebenen negativen Beweisen auch noch die posi- tiven, welche für Alte Riesgletscher sprechen. Die erste, vom DBuchberg und dem Bildwasen gestellte Forderung, dass die Zeit des Schubs in die posttertiäre fallen müsse, trifft bei der Annahme von Gletschern vollständig ein, und auch dem zweiten Postulat, einem leichten Verschwinden der schiebenden Masse, ohne Zurücklassung irgend einer Spur ist bei Eismassen selbstverständlich im höchsten Grade Genüge geleistet. Man könnte nur nach den Resten der gewöhnlich sich bildenden — Mi — Grundmoräne fragen, jenem Gemisch von Sanden, Letten und ge- rollten Steinen, welche durch Reibung des Gletschers auf dem Boden und dadurch entstehen, dass Schutt und kleinere Fels- stücke, welche in die Gletscherspalten fallen, beim Vorwärtsgehen des Eises zu Sand und polirten Rollsteinen gemahlen werden. Zwar sieht der Bildwasen selbst einer Grundmoräne gleich, denn wie Fig. m, Tafel III zeigt, so ist die Oberfläche des Schubs durchaus glatt, ohne irgend einen Unterschied oder eine Protuberanz zu zeigen, ob weiche Letten oder harte Kalkbänke den Untergrund bilden. Auch liegt nur 1 Zoll bis 1 Fuss mäch- tig eine schwarze, moorige Dammerde gleichmässig und ohne alle Zwischenmittel über das Ganze ausgebreitet, so dass man den entschiedenen Eindruck erhält, als ob die Oberfläche der ganzen Masse durch einen schweren, sich darüber hinweg bewe- genden Körper abgeschliffen worden wäre. Allein es handelt sich darum, weiter rückwärts liegende Spuren solcher Moränenreste auizufinden. In dieser Beziehung liefert das breite Wiesenthal der Eger keinen Aufschluss, auch die Aecker an beiden Seiten, obgleich schwammig und kein ächter Juraboden, geben keine Anhaltspunkte. Dagegen dürfte vielleicht eine Beobachtung hieher gehören, welche vom Jahr 1863 stammt. Die Sohle der damals im Bau begriffenen Eisenbahn, welche Troch- telfingen gegenüber in der Thalebene gegen 3° tief ausgehoben war, zeigte auf etwa 250 Fuss Länge ein welliges Aussehen, indem in die Grundlage des Br. J. B-Schuttes, aus verdrückten Sandsteinen und Thonletten bestehend, alla 10 Fuss eine 3 Fuss breite und 1!/2 Fuss tiefe, halbrunde Rinne, wie Fig. v, Taf. III zeigt, eingedrückt war. Die Rinnen waren theils mit W.-J.- Schutt geib gefärbt, wie die bekannten tertiären Kalkgerölle der Gegend, bald mit Stücken des Br. J. ö, bald mit hellfarbigen Letten so fest gepackt ausgefüllt, dass schon dadurch jeder Ge- danke an eine Bildung durch Erosion ausgeschlossen ist. Ueber- diess hatte sich über die glatt abgehobelte Oberfläche dieser aus- gefüllten Gräben eine 2—3 Fuss mächtige Bildung von Kalk- tuff, Moor und Torf abgelagert. Diess ist der einzige hieher bezügliche Aufschluss in der- 2 an Thalsohle. * Dagegen sind an der südlichen Bergwand des Eger- thales am Steilabfall des Herdsfeldes noch zwei Punkte, welche als Moränenreste anzusehen sein werden. Der eine liegt "Ja Stunde weiter abwärts, am Fusse des „Kapf“ genannten Eckberges zwi- schen dem Eger- und Rohrbachthal. Die Strasse von Trochtelfingen in’s Rohrbachthal führt an der Stelle vorüber. Auf ersterer gelangt man vom Braunen ß regelrecht in’s y und d, dann verbirgt Juraschutt das Weitere. An der Biegung der Strasse erscheinen nun mit einem Male kleine Gruben, aus welchen weisser Stubensand gegraben wird. Jahre lang war keine ordentliche Entblössung vorhanden, welche einen Einblick in die Lagerungsverhältnisse verstattet hätte, als im Decembes 1868 ein grösserer Aufschluss volle Klarheit gab. Er ist Fig. vı, Taf. III dargestellt. Rothe Keuperletten, weisse Stubensande fanden sich regellos in einander gewürgt mit einem graugelben, thonigaschigen Schutt, der viel Aehnlichkeit mit vul- kanischem Tuff zeigt und zerstreute kopfgrosse Stücke von Jura- kalk eingeschlossen enthält. Dass man es mit ächtem Keuper zu thun hat, das beweisen die aus den nächsten Gruben stammenden Knollen, ganz iden- tisch mit den im Knollenmergel, dem obersten Gliede unseres Keupers vorkommenden harten Concretionen. Gleich über diesen, ebenfalls wie der Keuper an die Berg- wand angedrückt eine Grube mit gelbem Thalassitensandstein des Lias «&, kaum noch kenntlich in seiner jetzigen Form eines in tausend kleine Stückchen zerbrochenen, häufig zum feinsten hoch- gelben Sandmulm verdrückten Gesteins, das man leicht für ter- tiäre marine Sande halten könnte. Das Ganze macht den Ein- * Nicht mehr in der Thalsohle, sondern in der westlichen Fort- setzung des Buchbergschubs liegt eine für eine Grundmoräne deutlich sprechende Stelle. Die flache Mulde, welche zwischen dem Breitwang und dem Sandberg hinzieht, ist ausgefüllt mit dem feinsten, zu Staub zermahlenen Br.-J.-6#-Sande, in welchem sich selten noch abgerollte Stückchen der härteren Kalkbänkchen dieser Etage erhalten finden, während an der Seite Blockwälle von Dolomit die glatte Mulde be- grenzen. 2 — druck einer auf der Erdoberfläche hergeschobenen und an die Bergwand angepressten erratischen Masse. Eine Richtung des Drucks ist weder aus den Keupergruben, noch den Liasresten zu entnehmen, steigt man jedoch am Berge hinauf zu dem grossen, in den Weissen ß-Kalken angelegten Steinbruch, so trifft man dessen Bänke in der regelmässigsten Weise oft in 30—-40' langen Linien hora 4!j2 red. zerklüftet. Auch fallen die Schichten 4—5°—-0 h. 4!2 red., das ist, genau in der Richtung der Schlifflächen auf dem Buch, so dass ein ursächlicher Zusammenhang beider Erscheinungen nicht zweifel- haft ist. Wie weit sich dieser Zusammenhang aber ertreckt, und ob die zerdrückten Lias- und Keuperreste einem Gletschertransporte entstammen, oder mit dem Aufsteigen der hier gar nicht weit ent- fernten Riesgranite zusammenhängen, das wage ich heute noch nicht zu entscheiden. Hier ist es schwer, beide Wirkungsarten zu trennen und desshalb sei die Stelle zur weiteren Beobach- tung empfohlen. An derselben Thalwand, aber eine halbe Stunde mehr west- lich findet sich die zweite Stelle. wo in einem Hohlwege Keu- perletten im Horizonte des Weissen Jura « liegen. Sie befindet sich im Wege von Trochtelfingen nach Dorfen über den Hollhardt, gleich unten, wo man den Wald betritt. Und so mögen am Abhange noch manche derartige Stellen im Walde verborgen liegen, die man bei fleissigen Absuchen finden kann. Auch auf der Höhe des Plateau’s gleich am Rande des Egerthales finden sich ünstreitige erratische Bildungen. Selten tritt dort die Unterlage des ö-Dolomites anstehend zu Tage. Aber auf ihr liegen im Walde eine Reihe in die Länge gezo- gener Blockwälle, aus grossen und kleinen Dolomit-, selten Mar- morblöcken bestehend, über einander geworfen, welche nahezu alle das Streichen der Buchberger Schlifflächen und der Klüfte am Kapf zeigen und dadurch diesen beiden Punkten nach links und rechts die Hand reichen. Endlich erinnern wir an den Schlossberg und die Beiburg, deren Gipfel und Abhänge, wie wir schon oben angegeben haben, Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. Ites Heft. 9 — 130, übersät sind mit erratischen Blöcken des oberen Weissen Jura in allen Grössen und Lagen, und deren ganzes Bild den Ein- druck eines hier beim Rückzug des Gletschers liegen gebliebenen Eistransports macht. Es kann im jetzigen Stadium der Untersuchung nicht un- sere Aufgabe sein, die Ausdehnung des etwaigen Gletscherge- biets bestimmen zu wollen. Dazu gehört die Arbeit von Jahren. Was wir heute beabsichtigen, das ist lediglich, den Beweis zu führen, dass die Ueberschiebungen am Buchberg und am Lauch- heimer Tunnel als das Werk von Gletschern anzusehen sind. Dennoch glauben wir zur Unterstützung der Ansicht von einer früheren Existenz von Gletschern im Ries noch einige andere Punkte aufführen zu sollen, bei welchen der erratische Charakter her- vorragend entwickelt ist, und welche als Moränen ihre beste Er- klärung finden. Dabei scheint sich das erratische Feld über weite Flächen ausdehnen zu wollen. Auf württ. Seite zeigt das obere Herds- feld ganz den Charakter eines Moränengebiets. In ganz ausge- zeichnetem Grade ist diess mit Herdsfeldhausen der Fall. Es ist wie auf diese Localität geschrieben, wenn einer der erfah- rensten Fachmänner sagt:* „all die kleinen und scheinbar so unregelmässigen und den gewöhnlichen Gesetzen der Bergbildung widersprechenden Hügel sind erratische Bildungen, welche einzig durch die Auffassung derselben als Moränen früherer Gletscher gesetzmässig erklärt und übersichtlich geordnet werden können.* Den gleichen Charakter zeigen die Hügel bei Demmingen. Auch die unerklärlich gewesene Schuttoase von Grosskuchen, die Sande und Letten vom Hagenbucher Hof und Zahnberg erhalten Zusammenhang und ihre genetische Deutung. Ob auch der räth- selhafte Jurakern von Steinheim hieher gehört, wird eine nähere Untersuchung zeigen. Wenigstens kann die eruptiv-pelagische Er- klärungsweise Quenstedt’s** den nicht befriedigen, der die nivel- lirende Einwirkung der Wellen auf Sand- und Thongebilde wie Braun-Jura « und 8 im richtigen Grade zn würdigen sucht. il Mühlberg, die erratischen Bildungen im Aargau, S. 178. ** Das Steinheimer Becken. W.n. J. XXII, 1, S. 125. UNE Magen Auf bayerischer Seite weist besonders die Gegend von Fünfstädt und Otting ganz ähnliche Erscheinungen auf, wie das württembergische Herdsfeld.. Auch dort ist die Hoch- fläche des Weissen Jura überzogen mit einer Decke verschiedener älterer Gesteine. Neben den Kuppen und Zügen von W.-J.-Gries- felsen ist das niedrigere Land übergossen mit zu Sand zer- fallenem Braun-Jura ß, der auch hieher nur durch Schub ge- langt sein kann. Ja, es ist die Frage, ob nicht die Granite von Itzing und Sulzdorf ebenfalls aus dem Rieskessel hieher ge- schoben sind. Einer eigenthümlichen Stelle müssen wir hier noch kurz erwähnen. Sie liegt auf einem niederen Keuperrücken zwischen Enslingen und Rauhstetten hart an der NW.-Grenze von Bayern gegen Württemberg. Dort gelangt man über einen Strich Br.- ß-Schutt, der am Abhang eines Keuperhügels liegt in einen Steinbruch auf dem Kopf stehender W.-J. 3-Bänke. Streichen h. 10 red. Darüber her liegen zusammengeknetete dunkle Letten und Keupermergel, welche wieder von horizontalen weissen Quarz- sanden und Süsswasserletten überlagert sind. Dass hier schliess- lich das Wasser eingewirkt hat, erleidet keinen Zweifel. Doch kehren wir wieder in unser Egerthal zurück, wo wir auf der nördlichen Seite noch einige Punkte namhaft zu machen haben, welche zur Unterstützung unserer Ansicht dienen sollen. Ausser einer weniger bezeichneten Stelle am Fussweg von Bopfingen nach den Osterholzhöfen, wo zwei Hügel von Weiss- Juraschutt auf dem normalen Br. ß liegen, ist es besonders der westlich des Ipfs gelegene Sigart mit seinen Vorsprüngen Käs- bühl und Kargberg, welche von hohem Interesse sind. Wir müs- sen darauf verzichten, jene Verhältnisse näher zu schildern, denn es ist ohne Detailkarte in grösserem Maassstabe geradezu un- möglich, von dem dortigen Durcheinander ein klares Bild zu geben. Das mag für später vorbehalten bleiben. Hier genügt es anzuführen, dass über dem regelmässigen, aus Braun 8 bis Weiss & bestehenden Kern des Sigarts her ein Schub von Weiss-Jura- Schutt, von der Grösse des Kleingrieses an bis zu zusammen- hängenden Felsbänken hergewälzt und in deutlichen Hügelketten 9 * —. 132 — wallartig aufgethürmt ist. Alle Etagen des Weissen Jura von ß bis in’s e sind darin vertreten, aber auch Braun ß und Keupersand- stein liegt dazwischen, daneben eine tertiäre Süsswasserbildung, und der Granit und Diorit gewinnt eine so beträchtliche Ausdehnung mitten in dem Schuttfeld, dass man unsicher wird, ob derselbe nicht wirklich hier ansteht. Hinter die vorspringende Felsen- ecke des Käsbühls aber ist teigartig eine Masse eingeknetet, welche das Analogon zu den angeführten Keupergruben am Kapf bildet. Formlos durch einander gedrückt liegen dort: zu Mulm zerdrückte Dolomite des Weissen Jura d—e, rothe Keupermergel, weisser Keupersandstein, W.-J.-a-Thone, dunkle liasische Letten und Bohnerzthone mit Bohnerzen, Alles zusammen, eine wahre Musterkarte von Formationsgliedern. Eines launigen Spiels des Zufalls muss hier noch gedacht werden. Ueber den südlichen Abhang des Sigarts herab läuft, ziemlich in der Mitte desselben ein 15—20‘ breites Band von Dioritschutt, eine regelmässige gerade Linie h. 11 red. beschreibend. Anfangs hält man es für einen Dioritgang, der hier in dem Gries- feld ausbeisst. Allein man findet bald, dass es nur eine dünne Lage ist, welche nicht in’s Innere reicht. Es kann nicht wohl etwas Anderes sein, als die Fussspur eines jener weichen, dem Ries eigenen Dioritblöcke, der auf seiner Wanderung in Mitte der Weissjura-Griese allmählig verbröckelte und auf diese Weise seinen Weg in einer Art von unterirdischer Guferlinie bezeich- nete. Hora 11, d. h. die Senkrechte auf die Schlififlächen des Buchbergs spielt aber in Klüften und Fallrichtungen zwischen Oberdorf und Aufhausen eine grosse Rolle, jedenfalls weist sie uns auf Hohenbaldern hin, den drastischsten aller erratischen Punkte, welcher für sich allein so viel beweist, als die angeführten Gründe zusammenge- nommen. Denn auf der Spitze der aus den regelmässigen For- mationsgliedern des Braunen Jura aufgebauten Pyramide liegen unmittelbar auf dem letzteren grosse über einander geworfene Felsblöcke des Weissen Jura ö und &. 400—500 Fuss Gebirge fehlen zwischen beiden Horizonten. Diese können also nicht an Ort Tag, und Stelle unterwaschen und so allmählig senkrecht herabgestiegen sein., Für vulkanische Bomben sind sie zu schwer, für den Trans- port durch Gewässer ebenfalls. Und zwischen der Baldernpyra- mide und den nächsten Rieshöhen bei Wessingen liegt die breite Thalfläche ohne alle Anzeichen einer stattgehabten Translocation solcher Massen. Hier bleibt nichts anderes übrig, als der Trans- port durch Gletscher, man mag sich drehen und winden wie man will. Mit diesem äussersten, nach Westen vorgeschobenen Punk- tum der erratischen Bildungen schliessen wir desshalb auch am besten die Reihe unserer Beweismittel für die frühere Existenz von Riesgletschern. * Es ist, wir fühlen es auf das Lebhafteste, eine gewagte Hypothese, die wir hier aufstellen, und wir vermögen uns leicht vorzustellen, dass wir, statt einer auf Ueberzeugung beruhenden Zustimmung, weit eher einem allgemeinen Kopfschütteln, wenn nicht gar dem Vorwurfe einer schwindelhaften Projectenmacherei begegnen werden. Was uns ermuthigt, trotzdem den gewagten Schritt zu thun, das ist, dass wir im Besitze einer reichen Fülle von Thatsachen nach vieljährigen vergeblichen Bestrebungen, die- selben auf anderem Wege zu erklären, durch überwältigende Gründe endlich auf den jetzt eingeschlagenen geführt oder, besser gesagt, auf ihm bestärkt worden sind. Denn schon im Jahr 1863 hat Fraas ** auf die grosse Uebereinstimmung mit Glet- schererscheinungen aufmerksam gemacht, und nur der Mangel eines Hochgebirgs und die Nähe des vulkanischen Rieses lies- sen die Erklärung immer wieder auf dem Wege des Vulcanis- * Noch andere Stellen des Nordabhangs der schwäbischen Alb zeigen erratische Erscheinungen , so namentlich in dem vulcanischen Gebiet zwischen Boll und Pfullingen. Den Nachweis, dass auch dort alle Anzeichen dafür sprechen, dass Gletscher die vulcanischen Aus- würflinge mit dem andern Gesteinsschutt zusammengeschoben und in jenen sonst unerklärbaren Schutthügeln aufgehäuft haben, sowie von erratischen Bildungen zwischen Canstatt und Heilbronn muss ich mir für einen andern Ort vorbehalten. ** Württ. nat. Jahrsh. XX, 1, S. 37. — 134 — mus suchen. Erst eine lange Zeit reifte die Ueberzeugung, dass dieser Weg für sich allein nicht ausreiche und durch Glet- scher ergänzt werden müsse. Zwar bleiben noch viele Fragen zu lösen, ehe die neue Hypothese, selbst von uns als nach allen Seiten festge- stellt, wird erklärt werden können. Allein Fragen werden in jedem Stadium unserer Erkenntniss übrig bleiben, und so glaub- ten wir, mit unserer Ansicht im jetzigen Augenblick hervortreten zu sollen, in welchem in Bayern wie in Württemberg die Er- forschung des Rieses zu einer staatlichen Aufgabe gemacht wor- den ist. Die erste Frage, welche sich bei der gegebenen Erklä- rungsweise aufdrängt, kann keine andere sein, als die nach dem Hochgebirge, welches als Gletscherstock gedient haben könnte. Und auf diese für unsere Hypothese wirklich vitale Frage müs- sen wir allerdings vorerst mit einem Non liquet antworten. Wir können nach dem heutigen Stande unserer Beobach- tungen nur so viel sagen, dass bis jetzt sich weder vom Fichtelgebirge, noch dem Böhmerwald, noch den Alpen erratische Gesteine in den von uns als Moränen angesehenen Bildungen gefunden haben, dass überhaupt nur Riesgesteine vorkommen, und dass daraus geschlossen werden muss, dass auch die Gletscher ihren Ursprung im Riese selbst hatten. Freilich ist dort nirgends ein für. jene Aufgabe geeignetes Gebirge zu finden. Doch glauben wir, mit aller Zuversicht ent- gegnen zu dürfen: wenn erst durch mehrseitige Beobachtungen im ganzen Umkreise des Rieses festgestellt sein wird, dass man es hier mit Gletscherwirkungen zu thun hat, so muss sich auch die Ursache dazu in einem Gebirgsstock irgendwo finden, sei es “nun ein noch sichtbarer, sei es ein schon verschwundener. Nicht um darüber schon jetzt Muthmassungen zu geben, was noch viel zu früh an der Zeit wäre, sondern nur um auf die Möglichkeiten hinzuweisen, wo man solche Gebirgsstöcke finden könnte, erinnern wir an den nahen Gebirgszug vom Hah- nenkamm zum Hesselberg, der zwar jetzt in einer tief einge- sunkenen Mulde liegt, der aber, wenn sein Liasfuss auf das Ni- — 1393 — veau der.benachbarten Liashöhe von Ellenberg versetzt würde, 3500 Fuss Meereshöhe erlangt, ohne dass hiebei eine weitere Hebung des Bodens, als sie heute noch in dem Ellenberger Zuge bewahrt blieb, zu Hülfe zu nehmen wäre. Würde aber, was durchaus nicht gewagt ist, eine solche weitere Hebung zu Hülfe genommen, so wäre das Niveau der einst vergletscherten Schwarzwaldhöhen wohl zu erreichen, ohne im mindesten die Grenzen der möglichen Verhältnisse dieses Gebiets zu über- schreiten. Im äussersten Falle bietet auch der vulkanische, gegen 3’ Quadratmeilen haltende Kessel des Rieses Raum, Mittel und Kräfte genug, um hier die erforderlichen Höhen in versunkenen Kratern suchen zu können. Allein diess sind uns vorläufig noch unnöthige Sorgen. Ehe Richtung und Grenzen der supponirten Gletscher näher erforscht sind, muss jede Bemühung, den Gletschersitz bestimmen zu wol- len, sich als vorzeitig und vergeblich erweisen, denn erst aus jenen Elementen lässt sich das Gesuchte herleiten. Weit mehr als diese ferne Frage beschäftigt uns die Dis- cordanz, welche in einzelnen Punkten zwischen dem Wesen der alpinen erratischen Bildungen und den im Ries beobachteten be- steht und welche gegen unsere Aufstellung von Riesgletschern nicht leicht in’s Gewicht fällt. Sie betrifft folgende Punkte. Ein Hauptunterschied besteht darin, dass unseres Wissens in den Alpen nirgends Schichtencomplexe als moränenartiger Schub bekannt sind, wie diess im Ries der Fall ist. Diese Ver- sehiedenheit glauben wir uns in folgender Weise zurecht legen zu können. Die Gewalt der bei der Bildung des Rieses thätigen Kräfte, so grosse Umwälzungen sie auch vollbracht hat, lässt sich doch in keiner Weise mit den bei der Hebung der Alpen in Wirk- samkeit getretenen messen. Nach der Verschiedenheit der Kräfte ınussten aber auch die Wirkungen derselben nicht nur im gros- sen Ganzen, sondern bis in’s Einzelne hinaus verschieden sein. So scheint rings am Riesrande herum häufiger ein ruhiges Bei- seiteschieben der Schichten ohne gänzliche Zerstörung ihres Zu- sammenhangs stattgefunden zu haben, denn seibst reine Thon- — 136 — schichten wie die der Amaltheen und Impressen findet man zu- weilen noch in geschichtetem Zusammenhange auf jüngere Ge- birgsglieder geschoben. Dass nun solche, von ihrer Unterlage gelöste Schollen von geschichteten Bänken, wenn sie im Gletscherwege lagen, unter günstigen Umständen die kurze Strecke von höchstens 2 Meilen als Ganzes weiter transportirt werden konnten, kann schon dess- halb keinem Zweifel unterworfen sein, einmal weil derartige no- torische Schube am Buch und Bildwasen nachgewiesen sind, sei es nun, dass Gletscher oder vulkanische Gewalt sie dorthin ge- bracht hat, und zweitens weil für die Erhaltung des geschich- teten Zusammenhangs die ruhige Bewegung des Gletschers ge- wiss ebenso viel Garantien bietet, als die andere Alternative, der Seitendruck der vulkanisch gesprengten Riesdecke. Dass aber, wie wir oben für den vom Schlossberg stam- menden Aufsatz des Buchs angenommen haben, auch andere als gänzlich losgelöste Bänke von Gletschern vollends abgeschoben und mitgenommen werden konnten, dafür lässt sich geltend ma- chen, dass allen Anzeichen nach die Erschütterungen und Stö- rungen der Schichten weit in’s umliegende Land hinaus fühlbar waren, welche den Zusammenhang derselben beträchtlich lockern mussten. Solche gelockerte Partien vollends loszudrücken, konnte aber unter günstigen Umständen von dem Gletscher ebenso leicht bewerkstelligt werden, als das Weiterbewegen gänzlich abgeho- bener Schichtenmassen. Wenn der Widerstand der einen Masse nicht grösser war, als der der anderen, so mussten beide mit gleicher Leichtigkeit der Gewalt des Gletschers weichen. So ist es z. B. sehr wahrscheinlich, dass jene am Fusse des Schlossbergs anstehend gewesene Partie von Braun-Jura, der nachher als Moräne auf den Buch gehoben wurde, dort vorher schon durch eine Verwerfungsspalte vom übrigen Kern des Ber- ges losgelöst war. Dieselbe zeigt sich schon auf der topogra- phischen Karte in der Terrainbildung an. Sie zieht von Lippach über den Berger Hof, südlich vor Röttingen vorüber, über den Sonneberg hart am Fuss des Schlossbergs vorbei. Auf ihrer ganzen Länge ist das südliche Gebirgsstück gegen das nördliche — 1317 — versunken. Bei Trochtelfingen beträgt die Sprunghöhe etwa 200 Fuss, an der Ecke des Schlossbergs noch etwa 170, wäh- rend sie bei Lippach in 0 auszulaufen scheint. Ein auf diese Weise abgetrenntes Eckstück des Schlossbergs scheint es nun ge- wesen zu sein, welches vom Gletscher auf den Buch geschoben wurde. Ganz anders als im Riese wird man sich aber die Wirkun- gen der Hebungen in den Alpen vorzustellen haben. Dislocatio- nen so winziger Gebirgsstücke wie im Riese, vollends von wei- chen Thonen und Letten scheinen dort die Hebungs-Catastrophen nirgends überstanden zu haben. Bedenkt man die ausserordent- liche Energie der alpinen Bewegungen, das Drücken und Drän- gen dieser Massen, so wird man zu der Ansicht geführt, dass hier die losgerissenen Schichtencomplexe nicht so zusammenhän- gend und verhältnissmässig unverletzt zuletzt auf einen festen Rand überschoben werden konnten, wie diess offenbar im Ries in vielen Fällen nachweisbar stattgefunden hat. Vielmehr muss dort die Zerstörung des geschichteten Zusammenhangs viel gründ- licher, und die Erhaltung solcher geschichteter Schollen nur sehr selten, vielleicht gar nicht Platz gegriffen haben. Wenn nun aber dennoch, der eben ausgeführten Ansicht entgegen, derartige Schollen sich während der Hebung erhalten haben sollten, so sprechen doch andere Gründe dafür, dass sie heutigen Tages nicht mehr existiren könnten. Bekanntlich stellt die neuere Geologie zwei Fiszeiten auf, welche durch einen langen Zwischenraum von wärmerem Klima getrennt sind. Nur die erste Eiszeit aber konnte möglicher Weise solche losgelöste Schichtencomplexe, von der letzten Hebung herstammend, vorfinden, wenn man nemlich voraussetzt, dass zwi- schen beiden Perioden nicht noch einmal eine Hebungscatastrophe stattgefunden habe. Nun scheint es, dass die Produkte der alpinen Gletscher aus dieser ersten Eisperiode nirgends mehr ganz unverletzt er- halten sind. Entweder sind sie durch die Gletscher der zweiten Periode überschoben, zerstört oder umgestaltet worden, oder, wo sie im Flachlande von letzteren nicht mehr erreicht wurden, — 138 — so waren sie den nivellirenden Gletscherbächen und Strömungen so lange ausgesetzt, gewesen, dass schon desshalb die Erhaltung ihrer ursprünglichen Form nur in den seltensten Fällen als mög- lich gedacht werden kann. Dazu kommt aber noch der weite Weg, den diese Alpenschieblinge hätten zurücklegen müssen. Während die längste Reise für die Riesgesteine höchstens 2 Mei- len beträgt, liegen die nächsten Bildungen der ersten Eiszeit in Oberschwaben 20 Meilen von ihrem Heimathsorte entfernt, eine Weglänge, welche wohl auch unsere Riesschollen nicht unzer- stört zurückgelegt haben würden. Wir kommen damit zu dem Schlussergebnisse, dass wenn je in dem letzten Hebungsschutt der Alpen solche geschichtete Com- plexe sich erhalten haben würden, sie doch in der ersten Eiszeit schon von den Gletschern aufgegriffen und im Wegschaflen de- molirt worden wären. Der zweiten Periode blieben aber, nachdem in der ersten der alte Schutt so zu sagen weggefegt und die Alpen geputzt waren, ausser den Verwitterungen nur noch die nachfolgenden Einstürze zum Hinausschaffen. Zusammenhängende Schichtenglie- der der alpinen Gesteine loszudrücken, dazu war die Kraft der Gletscher nicht zureichend, denn was lose war, hatte die erste Periode beseitigt, die zweite traf auf Gesteine, welche bereits alles abgegeben hatten, was der Gletscherkraft zu erlangen mög- lich war. Diess zeigt sich auch in dem Charakter der Moränen aus beiden Perioden. Während die zweite eine grosse Menge mas- sigerer Steine und Felsblöcke zeigt, bestehen die Bildungen der ersten weit mehr aus kleinem gleichmässigerem Gestein mit Schlamm und Sand, wie sie der von der letzten Hebung herrüh- rende, in den Alpen noch aufgehäufte Schutt veranlassen musste. Nach all diesem scheint uns kein Widerspruch in der An- nahme zu liegen, dass die Riesgletscher Schichtencomplexe von gewisser Ausdehnung vorwärts schieben konnten, während die alpinen Gletscher diese Arbeit nirgends nachzuweisen vermögen. Einen zweiten Unterchied der beiden Gletscherarten glaubt man vielleicht darin zu finden, dass die Riesgletscher eine Ver- sg griesung ihrer geschobenen Kalke vorgenommen haben, was bei den alpinen gänzlich unbekannt ist. Man würde sich aber, wie wir schon weiter oben ausgeführt haben, wohl täuschen, wenn man die Vergriesung der Jurakalke im Ries für ein Werk der Gletscher ansehen wollte. Allen An- zeichen nach sind die Breccien des Weissen Jura das Werk der vulkanischen Kräfte, welche die Jurabedeckung des heutigen Rieses zerbrachen, emporhoben und auf die Seite drückten. Sie bleiben für uns nach wie vor miocäner Juraschutt. Wohl mag ein leicht zerbrechliches Gestein, wie die thonigen Bänke des Weissen Jura auch durch Gletscherdruck dann und wann in Breccie ver- wandelt worden sein, wie die Schichtenköpfe des Weissen Jura 8 am Buchberg einen deutlichen Anfang davon zeigen, allein die grossen Massen, wie sie namentlich auf dem Herdsfeld liegen, namentlich auch die Breccien aus den harten Marmoren des W., J. e können nicht wohl ein Werk von Gletschern, sondern nur der unterirdischen Kräfte sein. In diesem Punkt würde somit das Verhalten der Riesgletscher nicht gegen das der alpinen verstossen. Dagegen sind bis jetzt im Bereiche der Riesbewegung noch keine gekritzten Rollsteine, wie sie sich durch Fortbewegung unter dem Eise unter Umständen in den Alpen bilden, gefunden worden. Das kann zwei Ursachen haben. Die erste ist, dass man noch sehr wenig danach gesucht hat. Die zweite, dass unsere Gesteine wahrscheinlich zu weich sind, um sich zu kritzen. Auch in den Alpen trifft man sie nicht in allen Moränen, und sie ge- hören immer zu den Seltenheiten. Der erfahrene Mühlberg* sagt, dass sich nur wenige Gesteinsarten zur Annahme von Gletscher- politur und Kritzen eignen, und man desshalb auch wenig ge- kritzte Rollsteine am Südabhang des Jura finde. Der dunkle Alpenkalk eigne sich vorzugsweise hiezu. Eines letzten Punktes müssen wir noch erwähnen, welchen * Die erratischen Bildungen im Aargau S. 95. — 10° — die alpine Gletscherkunde gegen die frühere Existenz von Ries- gletschern geltend machen könnte. Die Mehrzahl der Schweizer Geologen bestreitet die Fähig- keit der Gletscher, Geschiebemassen und überhaupt Material von seinem Grunde aufwärts zu bewegen. Damit wären aber die Riesgletscher durchweg geläugnet, da sie nach allen Seiten erst auf das Plateau des Weissen Jura gelangen und ihre Moränen hinaufschieben mussten, um sich dort erst ausbreiten zu können. Doch sprechen sich auch Autoritäten, wie Ramsay, Tyndall, Mor- tillet und Gastaldi für die Fähigkeit der Gletscher aus, im Grunde liegende Massen zu heben. Rütimeier gibt nur horizontales Vor- schieben schon gelockerter Materialien zu. Wie man sieht, stehen in dieser Frage noch Autoritäten gegen Autoritäten, und der Gegenstand kann noch nicht als er- schöpft und spruchreif angesehen werden. Vielleicht ist das Ries im Stande, in diesem Punkte Aufklärung über die Wirkungs- art der Gletscher zu geben, welche in den Alpen nicht so leicht wie hier zu erhalten ist. Ausser den vorstehend aufgeführten Punkten gibt es noch manche andere, welche Abweichungen von dem Wesen der alpi- nen erratischen Erscheinungen zeigen. So kennen wir z. B. im Riese keine Terrassen an den Thalwänden, keine sicheren End- moränen, Querwälle und Gletscheramphitheater in den Thälern. Alle diese und weitere Punkte bedürfen noch der Aufhellung. Man wird nur bei der Erforschung derselben nicht ausser Acht lassen dürfen, dass die Gletscherfrage hier auf ganz an- derem Boden, mit anderem Material und unter wesentlich ver- schiedenen Terrainverhältnissen zu ergründen ist, dass man es also hier nicht mit einer photegraphisch getreuen Copie, sondern mit einer localen Modification der alpinen Gletschererscheinungen zu thun hat, welche wohl manche eigenthümliche Züge darbieten wird und damit das Wesen dieses geologischen Agens von einer neuen Seite zu beleuchten verspricht. So einladend und interessant hienach auch die Probleme sind, welche das Ries der wissenschaftlichen Forschung darbietet, so glauben wir uns doch berechtigt, vor der Hoffnung eines kur- — 11 — zen Veni Vidi Vici warnen zu dürfen. Das Ries ist eine tief in Schlamm und Sand versunkene Sphynx und gibt dem Forscher Räthsel auf, die nur durch lange anhaltende Bemühungen und nicht in kurzem Siegeslauf zu lösen sind. Erklärung zu Tafel I, II, I. Die Terrain-Karte des Buchbergs mit Umgebung verdanke ich der bereitwilligen Unterstützung des K. statistisch-topogra- phischen Bureau’s, welchem ich hier meinen ergebensten Dank dafür ausspreche. Die geognostische Aufnahme des Kärtchens ist von mir gemacht. Bei den Profilen auf Tafel II ist für Längen- und Höhen- dimensionen ein und derselbe Maassstab zur Anwendung gebracht und damit eine Verzerrung des Bildes vermieden worden. Tafel II, Fig. ı gibt das Längenprofil des Buchbergs, wie es bei Annahme des horizontalen Schubs sich ergeben würde, Fig. ım das Querprofil hiezu. Fig. m stellt das Längenprofil desselben Berges nach der vertikalen Hebungshypothese dar, während Fig. ıv das Querprofil dazu gibt. Die Profile auf Tafel III sind nach verschiedenem Maass- stab aufgenommen, nur der Fig. ıı liegen wirkliche Messungen zu Grunde, die übrigen Darstellungen sind nach dem Augenmass gemacht. Fig. ı stellt den Durchschnitt des Bildwasens bei Lauch- heim dar, wie er von dem Ingenieur des Tunnelbau’s, Herrn Bauinspector Knoll, nach den Bauergebnissen entworfen worden ist. Für die gefällige Mittheilung desselben sage ich ihm mei- nen besten Dank. Bei dem kleinen Maassstab dieses Profils ist die Einziehung des Tunnels als unwesentlich unterlassen worden und nur die Länge desselben angegeben. Fig. ı zeigt den auf der westlichen Seite des Tunnels gelegenen Einschnitt an seinem vorderen Ende. Fig. m ein Stück des östlichen Einschnitts vom Tunnel- N Eingang an, wie es von mir im März 1862 während der Grab- arbeiten aufgenommen wurde. Leider war es mir nicht ver- gönnt, meinen Besuch zur Vervollständigung des Profils vor dem Frühjahr 1863 wiederholen zu können, wo die Grabarbeiten schon vollendet, die Böschungen mit Dammerde überschüttet waren und meine Profilzeichnung desshalb unvollendet bleiben musste. Doch genügt das Gegebene zur Charakterisirung der Schuttmasse. Des kleinen Maassstabs wegen ist erläuternd noch beizufügen, dass die drei in der Schuttmasse eingeschlossenen Partien von W.-J. ß und W.« zwar ihre Schichtung noch deutlich erhalten haben, aber das Gestein meist in kleine Stückchen verdrückt oder „ver- griest* ist. Besonders stark ist diess immer im Liegenden bei den untersten Bänkchen der Fall. Fig. ıv ist ein Querprofil des Einschnitts an der in Fig. u mit T bezeichneten Stelle. Fig. v Bahnsohle bei Trochtelfingen. Fig. vı Sandgrube am Kapf. Billigster Apparat zu Registrirung meteorolo- sischer Beobachtungen. Von Professor Dr. Zech. Im fünfundzwanzigsten Jahrgang dieser Hefte habe ich dar- auf aufmerksam gemacht, dass die Schwarzwälder Uhr mit Schlag- werk alle Mechanismen enthalte, welche zur Registrirung meteo- rologischer Beobachtungen nothwendig sind, und dass vermittelst einer solchen Uhr bei ihrer ungemeinen Billigkeit auch der bil- ligste Apparat zur Registrirung sich müsse herstellen lassen. Ich habe seitdem diesen Gedanken ausgeführt, indem ich eine Schwarz- wälder Uhr zum Preis von sechs Gulden verwendete. Aus dem Werke wurde das Rad des Schlagwerks, welches die Zahl der stündlichen Schläge regulirt, herausgenommen, ebenso die Stahl- feder in Form einer Spirale, welche als tönender Körper dient. Der Hebel, welcher gegen diese Feder anschlägt, um sie zum Tönen zu bringen, wird so umgebogen, dass er, wenn das Schlag- werk in Gang kommt, zur Seitenwand der Uhr, die man sich zunächst weggenommen denke, langsam hervortritt, um rasch wie- der zurückzugehen. Wird also die Seitenwand in eine Thüre verwandelt, welche sich öffnen kann, für gewöhnlich aber durch eine Feder geschlossen erhalten wird, so wird jedesmal, wenn die Uhr schlägt, diese Thüre langsam sich öffnen und rasch wie- der in Folge des Federdruckes sich schliessen. Hat man eine Zinkröhre vor dem Fenster, die vertikal auf- gehängt ist, und deren unteres Ende auf einen Hebel drückt, welcher am andern Ende in das Zimmer hereinragt und dort eine Spitze trägt, so ergibt sich leicht, dass jenes Oeffnen benützt — 14 — werden kann, um die Spitze gegen einen mit Papier überzogenen Cylinder anzudrücken, und die Schliessung, um den mit einem Zahnrad verbundenen Cylinder (man kann dazu das herausge- nommene Rad des Schlagwerks benützen), um einen Zahn vor- wärts zu schieben, damit die Spitze bei jeder folgenden Stunde ihre Marke weiter vorwärts mache und so ein Bild der Aende- rung der Temperatur mit der Zeit gebe. Die Einrichtung im Einzelnen lässt sich jederzeit im Poly- technikum einsehen, wo seit einem halben Jahre der Apparat regelmässig arbeitet. Wer selbst kleinere mechanische Arbeiten auszuführen gewöhnt ist, kann sich Alles selbst verfertigen, so dass nur Uhr und Zinkröhre im Preis von etwa 8 fl. zu be- schaffen ist. Eine sorgfältigere Ausführung durch einen Mecha- niker wird auf etwa 20 fl. kommen. Wer die Schwarzwälder Gewichtsketten nicht liebt, dem sind die wohlfeilen Uhren zu empfehlen, die in neuester Zeit aus Frankreich kommen und in Beziehung auf den Preis den Schwarzwäldern Concurrenz machen. Sie haben keine Gewichte und keine Pendel, sondern sind den Taschenuhren ähnlich eingerichtet, und haben darnach den Vor- theil, überall bequem, sei es liegend oder stehend, im kleinsten Raum untergebracht werden zu können. Im hiesigen Muster- lager sind solche Uhren zu sehen. Es ist klar, dass man ebenso leicht eine solche wohlfeile Uhr, sei es eine Schwarzwälder oder eine französische, zur Re- gistrirung des Barometerstands verwenden kann, wenn man ein Heberbarometer mit Schwimmer benützt, man kann in diesem Fall auch noch dafür sorgen, dass die Quecksilbersäule kurz vor der Registrirung etwas erschüttert wird, um die Trägheit des Queck- silbers zu überwinden. Dazu dient die Warnung der Uhr vor dem Schlagen: es dreht sich hiebei ein Rad des Schlagwerks, welches seitlich einen Stift trägt, einmal um. Man kann den Stift benützen, um einen kleinen Hammer von leichtem Holz zu heben und dann gegen die Barometerröhre fallen zu lassen. Ausgegeben im April 1870. b re; 4 az wi. BE [EEE | Wivttemb. matınw. Sahresh. XXVI. 18710. ı geognostiochen Verhältnine um u ö RR c] San Nr RI TÜR my I NIE N RN \ \ N AI BES Main Se Sa) li | a EI AaaneE 7 OH FE ISN) NA BLAU, 5 FASSTE 0777110072 PAR LEANNEHN ENNALRSSARRDNUIIR 7012770 i sehr l % PHERERRÄNKLENDSDLEN YLldR Sa ©. Weisser Jura) Weivow Jmuy Weisser Imnwd. W.I.C.Dolomiw. T M ıva = f ——— rn nn A | EHRE: | EEFEFEEFEEEEH andtehend. wmratisch. anotehend. evratisch. andtehend. evuckisch. Terı: Breccien- 7 EEE Ah ograyhie 9. H Hoyyıkaw , Shuttg.. a . - = N f Re kon Ü m le \ ’ b { Y { hl ci ey - = - ö { “ - D ; f ö \ { . J r 5 6.2 " u 2 Tr Ai R b j = Y I 7 a r " ö x Y j { " j « i “ . “ Württ: Naturw: Jahresh: Jahrdans AXVI zero. 4 Taf. I Breitwang. Buchberg$. En T.Br. We Brz& 5% Tertisere Breceien. ' wu Schacht I. Buchber$. m mim Württ: Naturw: Jahresh: Jahrgang XXVI. 1870. FiET. Gkoldshöfer Sande mit Jura u.Feuerstem keröllen West. Fig... HH Be HH & E | Bildwasen 580 m,ü.M. ra vn — 2 W.$ Schutt. a - we N en West. Tuff. Lzenge 2000 - 573 m. Fig.Il. Tuff mit Braunkohlenfetzen u Geröllmassen. NEIN a nn = 20 Sa ee ee ee 350° Braunkohlenthone. Unbekannte Tuffe. $: we Schwellen =» Schbff-Flo che N a Braunkohlen « Letten RBDIIISIIN BEACH Die Fauna von Steinheim. Mit Rücksicht auf die miocänen Säugethier- und Vogel- reste des Steinheimer Beckens von Dr. Oscar Fraas, Professor. (Mit 10 Tafeln.) Auf dem unbegrenzten Felde der Paläontologie, auf wel- chem alljährlich neue Funde seither unbekannter Geschlechter und Arten oder vollständigere Erfunde längst bekannter Formen neue Gesichtspunkte eröffnen, wendet man sich stets mit einer gewissen Vorliebe zu einzelnen von der Natur begrenzten Loca- litäten, auf welchen man eine vollständige Uebersicht über sein Arbeitsfeld gewinnt. Ein solches von der Natur wie wenige an- dere Plätze umrahmtes und scharf begrenztes Feld bietet Stein- heim bei Heidenheim, eine tertiäre Oase im weiten Jurafeld, auf welche seit mehr als 1'/2 Jahrhunderten die Augen der Forscher gerichtet sind. Zuerst waren es die Schnecken, welche die Auf- merksamkeit auf sich zogen (1709 Dr. Lentilius, 1751 Dr. Keyss- ler, 1824 Ami Boue6) und heute noch sind es die Millionen Schnecken, vorherrschend Planorbis multiformis und Paludina globulus, welche den Besucher der Sandgruben mit gerechtem Staunen erfüllen. Steinheim liefert für die ganze Umgegend den Bausand und Fegsand, der aus 2 grossen Gruben, einer östlich und einer westlich des Dorfes gelegenen gewonnen wird und ge- nau betrachtet aus Nichts Anderem besteht als aus Schnecken- schalen und deren Trümmern. Wirbelthier-Reste finden sich fast Württernb. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 10 ausschliesslich nur in der westlichen Sandgrube, die östliche ist sehr arm an solchen. Herr Dr. Hilgendorf (Monatsber. der K. Akademie d. Wissensch. in Berlin, 19. Juli 1866) hat ausge- führt, wie in 10 unterscheidbaren Zonen in der Sandgrube 19 unterscheidbare Formen der Planorbis multiformis, die eine aus der andern hervorgegangen seien, und gründet darauf eine Entwicklungsgeschichte dieser Schnecke, die ihm als Beispiel für Formveränderung im Laufe der Zeit gilt. Es wäre von unläug- barem Werthe, auch von den Wirbelthierresten stets den genauen Horizont ihres Lagers angeben zu können, aber in Anbetracht, dass die Sandgräber die einzigen Finder der Fossile sind, die ihrer Seits auf den Detailunterschied der äusserlich gleich aus- sehenden Schneckenhorizonte nicht wohl achten mögen, so kann das Lager der Wirbelthierreste nur bis auf einen gewissen Grad fixirt werden. Nur von wenigen der Fossile steht es ganz fest, welcher Schichte sie entstammen. Unbestritten ist, dass die Fischschichten den untersten Horizont einnehmen. In den untersten Bänken des Klebsandes von 1,2 Meier liegen sie so häufig, dass man jeder Zeit eine Nachgrabung nach Fi- schen veranstalten und zum Voraus günstiger Resultate versichert sein kann. Damit ist aber nicht gesagt, dass die Fische aus- schliesslich nur in dem untersten Horizont der flachgewundenen Planorben sich finden, sie gehen im Gegentheil bis in die ober- sten Sandschichten hinauf, wo sie jedoch als im losen Sande un- rettbar verloren gehen. Der mittlere Horizont umfasst etwa 5 Meter. Die Zwischenbänkchen von Steinmergeln, welche den Sand durchziehen, sind der Hauptfundplatz für Schildkröten, Vögel und Hirsche, die oberen 3—4 Meter enthalten den gröberen Sand mit den Resten von Jthinoceros und Mastodon. Wenn es nun auch unmöglich ist, nachträglich aus dem Munde der Sandgräber, durch deren Hand alle Funde gehen, das Detail der Lagerung der Fossile festzustellen, so ist doch so viel gewiss, dass der obere Horizont überhaupt das Hauptlager der Säugethiere dar- stellt. Sobald dieSandarbeiten in diesem Horizont sich bewegten, floss die Quelle der Erfunde reichlich, solang in den unteren Sand- schichten, nur kümmerlich. Für die geologische Bezeichnung des — 111 — Fundplatzes hat das höhere oder tiefere Vorkommen eines Fos- sils kaum einen Werth, wir haben es offenbar mit einer verhält- nissmässig ziemlich beschränkten Zeit des Tertiärs zu thun, wenn auch in derselben die Planorben Zeit zu einer Formveränderung fanden. Einen besondern Werth erhält der Fundplatz Steinheim dadurch, dass zusammengehörige Skelettheile nicht fern von ein- ander beisammen liegen. Im Jahr 1860 fand sich das vollstän- dige Skelett eines Cervus furcatus (Jahresh. XVII, Taf. 1.) bis auf die kleinsten Knöchelchen hinaus, z. B. Phalangen der After- klauen, Sesamenbeinchen u. dgl. Alles annähernd noch in der Lage, in welcher die Knochen am lebenden Thiere sich befunden hatten. Der Sandgräber hackt mit seiner Haue die Sandwand an. Er weiss, worauf er zu achten hat und sieht z. B. einen Unterkiefer des „Rehbocks“ aus dem Sande sich frei machen. Mit Vorsicht arbeitet er weiter, weiss er doch, dass er mit jedem wohlerhal- tenen Stück seinen Tagelohn verdoppeln wird und sieht im Sande auch das obere Gebiss, ein Haufwerk von Knochenbrosamen, die einst der Schädel waren, und das Geweihpaar. Nicht immer ge- lingt es zu erhalten, was man in der Sandwand vor Augen hat und nur wegnehmen zu dürfen wähnt, denn jedem Stich mit dem Messer, mit dem man jetzt arbeitet, rieselt der Sand nach, mit Schmerz sieht man unter der Hand den Schädel zerbröckeln und schliesslich sind wir noch froh, ein Dutzend Fetzen, in welche das Geweih zersprang, gerettet zu haben und so doch die Hörner und Zähne eines Individuums zu besitzen, und was etwa an Wir- beln und Extremitätknochen in der Nähe liegt. Eine Strecke entfernt gräbt man ein ganzes Haufwerk von grossen Knochen an, sie gehören nach ihrer Grösse zu urtheilen Mastodon an oder Rhinoceros. Allein kein Mittel gibt es, den beweglichen Val- vatensand festzuhalten, der zerfällt, wo man ihn auch berühren will und den im Gebirg schon zerbröckelten und gleichfalls nur lose noch zusammenhängenden Knochen nach sich zieht. Nur was hart ist von Hause aus, kann gerettet werden, ein Zahn oder der Fussknochen, oder was durch eine glückliche Cementa- tion mit Kalk einige Consistenz gewonnen hat. In der Regel liegen nun die Reste einzelner Individuen beisammen, 10 * — 148 — keine Welle führte sie auseinander und vermengte sie mit an- deren Resten, wie es in marinen Ablagerungen der Fall ist. Das Skelett zerfiel einfach und kamen die einzelnen Knochen in der Regel nicht weit von einander zerstreut auf dem Grund des Val- vaten-Sees zur Ruhe. ‚ Diesen geologischen Charakter von Steinheim darf man bei Beurtheilung der Funde nimmermehr aus dem Auge verlieren und unsern Fundplatz mit andern tertiären Localitäten nicht verglei- chen, die Theile weit verbreiteter Formationen sind, namentlich nicht mit Bohnerzlocalitäten, oder marinen Kalken und Sanden, kurz mit solchen Plätzen, wo eine Bewegung eines grösseren Wasserbeckens stattfand, in deren Folge die abgelösten Theile eines Skelettes dahin und dorthin trieben, ehe sie zur Ruhe ka- men. Jeder Sammler weiss, welcher Art die Funde an solchen Plätzen sind: neben dem Zahn eines Rhinoceros, auf den wir stossen, liegt nicht etwa ein 2ter und 3ter, wie in Steinheim, sondern etwa der Fussknochen einer Schildkröte oder ein Wie- derkauerzahn. Ist ja selbst die vollständige Vermengung von Land- und Seethieren nichts Ungewöhnliches. Solchen Plätzen gegenüber besteht der grosse Vorzug von Steinheim darin, dass bei der Ablagerung der Fossile kein bewegtes Wasser die ein- zelnen Theile auseinanderführte und zerstreute.. Die Sandgrube birgt somit in ihrem Grunde Alles, was ihr bei Ablagerung der Sande von Cadavern zufiel, und unterliegt es wohl keinem Zwei- fel, dass eine vollständige Sammlung aller Funde der Grube ei- ner Statistik über die tertiären Thiere der Umgegend von Stein- heim annähernd gleich kommt. Seit 15 Jahren gebe ich mir daher Mühe, womöglich Alles in die Hände zu bekommen, was die Sandgräber an Fossilen förderten, um ein übersichtliches Bild über die merkwürdige Fauna dieses Platzes zu gewinnen. Ich weiss zwar sehr wohl, dass der Sammeleifer Anderer mich um manches kostbare Stück gebracht hat, das vom Arbeiter aus mir zugedacht war, aber ebenso sicher ist, dass durchziehende Samm- ler sich gewöhnlich mit diesem oder jenem in die Augen fallen- den Stück begnügten und die Masse der Funde, die zerbrochenen Knochen und zerstückten Geweihe und Zähne verschmähten, so —-— 19 — dass schliesslich doch alles das Material in meine Hände ge- langte, aus welchem ich die Fauna des Platzes zu reconstruiren versuchen möchte. Im Uebrigen haben mir verschiedene Samm- ler, die im Besitze von Steinheimer Fossilen sind, mit der gröss- ten Bereitwilligkeit ihr Material zur wissenschaftlichen Verwer- thung überlassen, denen ich hiemit meinen besondern Dank noch dafür ausspreche, A. SÄUGETHIERE. I. Ordnung der Vierhänder oder Affen. Colobus grandaevus (Taf. IV, Fig. 1, a. b). Die Backenzähne der Schlankaffen (Semnopithecus) wie die der Stummelaffen (Colobus) sind beide nach einem Typus gebaut, der sich im Ober- wie im Unterkiefer gleichmässig ausspricht. Der erste ächte Backenzahn (M I)* repräsentirt diesen Typus am vollkommensten, er besteht nämlich aus 2 Hügelpaaren, die je durch ein Querjoch verbunden sind. Das Querthal zwischen dem Vorjoch und Nachjoch beginnt auf der Aussenseite der Zahn- krone mit einer nach innen eingeschlagenen Falte, die eine Bucht in das Querthal bildet. Innenzu fällt das Querthal steil ab, ohne dass eine Bucht vermittelte. Dadurch stellen sich selbst an ganz frischen Zähnen des Umterkiefers die inneren Hügel höher als die äusseren, während entsprechend im Oberkiefer die äusseren Hügel die inneren überragen. Bei fortschreitender Abnutzung tritt diese Ungleichheit immer stärker zu Tag, indem im Unter- kiefer die äussere Hügelreihe, im Oberkiefer aber die innere von der Usur erfasst wird und die Zähne alter Affen schliesslich ein ganz eigenthümlich schiefes Aussehen gewinnen. Am Nachjoch stehen die Schmelzhügel etwas weiter auseinander als am Vor- joch, so dass der Breitendurchmesser des Zahns hinten grösser ist als vorne. Bei den Semnopitheken rundet sich der Zahn vorne und hinten sanft ab zu einem Oval, bei Colodus aber hängt sich * In der ganzen Abhandlung folge ich bei Bezeichnung der Backen- zähne der von Hensel vorgeschlagenen und von Rütimeyer u.A. adop- tirten Bezeichnungsweise, die molares von vorne nach hinten zu zählen, die praemolares von hinten nach vorne. Die Milchbackenzähne (de- ciduwi) werden wie die praemolares behandelt. Der Kürze halber wer- den die Backenzähne mit M und römischen Ziffern, die Vorbackenzähne mit P, die Milchbackenzähne mit D und arabischen Ziffern bezeichnet. — 11 — auf der Hinterseite an das Oval noch ein kleiner Schmelzwulst an. Den 2ten Molaren vom 1ten zu unterscheiden, ist nur mög- lich, wenn beide im Kiefer sitzen. Da erkennt man, das MI um ein Unbedeutendes breiter ist als M I, bei Colobus tritt auch der hintere Schmelzrand etwas kräftiger hervor. Kann man MI und II nicht von einander unterscheiden, so bekommt M III sein eigenes Aussehen, wornach er mit keinem andern Zahn verwech- selt werden kann. Bei Semnopithecus tritt nämlich zu den vor- handenen 2 Hügelpaaren noch ein Öter unpaariger Hügel, der den Zahn nach hinten abschliesst, bei Colobus endlich tritt statt des unpaarigen Hügels sogar noch ein Hügelpaar, das zwar die Grösse der beiden vorderen nicht erreicht, aber doch dem Zahn ein 6spitziges Ansehen verleiht. Die Hügelpaare der Molaren verkümmern in den Praemo- laren. An P1 ist nur der innere Hügel des Nachjochs noch etwas sichtbar, an P2 aber verwachsen beide Hügel zu einer einzigen Spitze und bilden damit den Anschluss an den spitzen Eckzahn. Ganz anders sind diese Zähne in der Milch D1 ist eine Wiederholung von M III und noch dazu mit einem vorderen Hügelansatz. Es herrscht daher bei den Milchzähnen dieser Affen etwa das gleiche Bildungsgesetz wie wir es z. B. bei Wie- derkauern finden, dass der Hauptmilchbackenzahn den Typus des letzten ächten Backenzahns vorgebildet hat. D2 aber sieht wie ein durch eine vordere Schmelzfalte etwas entstellter und seit- lich comprimirter erster Backenzahn aus. Sehen wir uns unter den fossilen Zähnen nach Analogien um, so finden wir im blei- benden Gebiss von Dichobune, was im Milchgebiss von Semno- pithecus und Colobus sich forterhalten hat. Dieses merkwürdige eocene Geschlecht: „Doppelhügelzahn* von Cuvier genannt, gleicht in seinen Backenzähnen aber auch so auffällig den Backenzähnen unserer Affen, dass sie, vereinzelt angesehen, geradezu verwech- selt werden können. P1 trägt am Vorderrand noch einen ten einfachen Hügel und entspricht damit dem letzten Milchbacken- zahn von Oolobus. Erst die vorderen Praemolaren weichen ab und tragen mit ihrer 3spitzigen Gestalt und ihren schneidenden Schmelzblechen den Character von Carnivoren an sich. Eine wei- — 12 — tere Uebereinstimmung von Colobus und Dichobune fanden wir ferner auch in dem Verhältniss der inneren und äusseren Hügel, indem der grössere und höhere Hügel am Unterkiefer aussen sitzt, der kleinere innen. Am letzten Backenzahn endlich ist bei bei- den Geschlechtern ein hinteres, die ganze Zahnverse abschliessen- des Hügelpaar an den 4hügeligen Zahn angehängt. Bei dieser auffallenden Uebereinstimmung wird es erklärlich erscheinen, dass ich, obgleich seit Jahren schon im Besitz eini- ger Colobus-artigen Zähne, solche stets als Dichobune bezeichnet hatte. Befremdend war mir nur stets das Vorkommen eines ächt eocenen Geschlechtes in unserer so rein erhaltenen Miocene von Steinheim. Erst eine genauere Prüfung und das Studium der Zähne lebender Schlank- und Stummelaffen liess mich erken- nen, dass wir unsere fraglichen Zähne nirgends richtiger an- schliessen können, als an Colobus. Taf. IV, Fig. 1 u. 2 sind 4 Zähne abgebildet, die ich 1865 von meinem eifrig sammelnden Sandgräber Niederberger zugleich mit den Trümmern eines Unterkiefers erhalten hatte. Es sind die 4 hinteren offenbar zusammengehörenden Backenzähne des linken Unterkiefers. Ein 2ter Backenzahn der rechten Hälfte lag auch noch dabei. Die Molaren bilden länglichte Ovale und erin- nerten an Semnopithecus monspelliensis Gerv. Pal.* Tf. 1, nur stimmte damit der Schmelzwulst am Hinterrand von MI und II nicht überein, dagegen gleichen sie den Zähnen von Colobus so sehr, dass ich keinen Anstand nehme, sie diesem Genus zuzu- theilen. An MI und II sind die beiden inneren Hügel gleich- falls höher als die beiden äusseren, die durch fortgeschrittene Ankauung schon ziemlich gelitten haben. In die Querthäler schlägt das äussere Schmelzblech eine Falte ein. M III hat am wenig- sten durch Ankauung gelitten, er ist deutlich 6hügelig, das 3te hintere Paar ist kleiner und enger zusammengerückt. P1 hat leider durch den Gebrauch schon so gelitten, dass die beiden Hügel in Eine Kaufläche verschmolzen sind, vor welche sich eine * Zoologie et Paleontologie frangaises. Nowvelles recherches sur les animaux vertebres par M. Paul Gervais. II. Edition. Paris 1859. — 193 — einfache Schmelzfalte legt, diese wird von einer vorderen schwä- cheren Wurzel des zweiwurzligen Zahnes getragen. Hienach haben wir ausser den Orangutang-ähnlichen Affen unserer Bohnerze (Salmendingen, Ebingen) deren Nachkommen heute auf die Sunda-Inseln beschränkt sind, .in Colobus den heute über Mittelafrika verbreiteten sog. Teufelsaffen, nach Rüppel ein herrliches Thier von sammtschwarzem Leib mit silberweissem Haar und Mähne, die wie ein weisser Burnus den dunkeln Leib um- flattert. Er findet sich vom 13° N.B. an in einem Höhengürtel von 6—8000' ü. d. Meer still und harmlos im den Gipfeln der Bäume lebend und fast auf allen heiligen Bäumen zu treffen, die in der Nähe einsamer Kirchen stehen. Der im Süden Frank- reichs gefundene Semnopithecus wird sicherlich in Schwaben auch noch gefunden werden, wenn er nicht schon als Dichobune oder Xiphodon in den Sammlungen liegt (cf. Jäger F. S.,* IV, 62- 63.), dessen lebende Vertreter in Indien S. entellus oder Hul- man die Reisenden den schönsten Affen nennen, dessen Behendig- keit jeden Beobachter fessle Gelehrig und klug in der Jugend lässt er leicht sich zähmen und lebt, von den Hindu** heilig ge- halten, in gewissen Gegenden so zahlreich als der Mensch. II. Ordnung der Raubthiere. A. Insektenfrosser. Parasorex socialis. H. v. Meyer. Taf. IV, Fig. 2—10. Erinaceus soricinoides Blainv. Pl. XI. Plesiosorex soricinoides Pome). ” arvernensis Blainv. Pl. XI. Parasorex socialis H. v. Meyer. Glisorex sansaniensis Lart. Unter den lebenden Geschöpfen stimmt Parasorex socialis, was die uns erhaltene Form des Schädels, des Unterkiefers und * Ueber die fossilen Säugethiere, welche in Württemberg auf- gefunden worden sind von Med. Dr. Georg Friedrich Jäger. Stuttgart, 1835. ** In Indien rühmt sich eine regierende Familie, vom Hulman abzustammen und führen deren Mitglieder den Ehrentitel „geschwänzte Ranas“ (Brehm, Thierl. I, p. 42.). — 154 — namentlich den Bau der Zähne betrifft, mit dem javanischen Spitzhörnchen Oladobates überein, dass ich anfänglich für das Steinheimer Fossil das lebende Genus beizubehalten im Sinne hatte. Wer es vorzieht, lebende Genera wenn auch mit einzel- nen Abweichungen in die Vorzeiten zurückzudatiren, dem stehe frei, unser Fossil Cladobates socialis zu nennen. Es existiren jedoch in Betreff der Zahl der Lückenzähne ebenso, wie in der Verwachsung der Fibula und Tibia Unterschiede, welche das von Meyer aufgestellte neue Genus Parasorez empfehlen. Ohne Zweifel, soweit man auf Zeichnungen und mangelhafte Beschrei- bungen sich verlassen darf, ist Erinaceus soricinoides Blv. von Sansan (Insectiv. Pl. XI.) das Gleiche: Form und Grösse stimmt mit unsern Unterkiefern, dessgleichen stimmt mit unsern Ober- kiefern Erinaceus arvernensis Bl. (ibid.), um so mehr, als Croi- zet bei Vergleichung der Sansaner Funde nach einer Bemerkung bei Gervais (pag. 53) an Tupaja erinnert wurde. Ebenso scheint Plesiosorex soricinoides, Pomel, aus der Auvergne nicht ferne zu stehen. Die mangelhaften Reste und die undeutlichen Abbildun- gen beim Fehlen gründlicher Beschreibungen lassen jedoch die Identität der genannten Arten aus Frankreich noch fraglich. Da- gegen beschreibt H. v. Meyer unsere Insektenfresser (Jahrb. 1865, pag. 844) als Parasorex. socialis, dessen Speciesnamen wir um so lieber angenommen haben, als er auf das gesellige Zusam- menvorkommen dieser Thierreste hinweisen soll. Meyer hatte von 25 Individuen Kieferreste, ebensoviele mögen durch H. Hilgen- dorf nach Berlin gekommen sein, in Tübingen liegen gleichfalls Dutzende, und unsere Sammlung zählt über 120. Alle diese Stücke kamen im Sommer 1865 an Einem kleinen Fleck zum Vorschein, als am Ausgehenden der Grube zum Behuf der Räu- mung des Abfuhrwegs ein grosser poröser Tufffelsen bei Seite geschafft wurde. Der Tufffelsen war eine förmliche Breccie von kleinen Thierchen, ausser unserem Spitzhörnchen von Mäusen, Hasen und andern Nagern, dessgleichen von kleinen Schlangen. Ich glaube jedoch weniger an das gesellige Zusammenleben die- ser Thiere, als vielmehr dass sie an diesem Orte durch die Raub- vögel zusammengeschleppt wurden, deren Reste wir unten kennen — 15 — lernen werlen. Das vorhandene Material lehrt uns Parasorex kennen, als ein kleines insektenfressendes Raubthier, halb so gross als das javanische Tupaja, nur wenig kleiner als der afrikanische Rohrrüssler Macroscelides Rozeti Dav., neben welches sich Pa- rasorex stellt. Der Schädel ist im Ganzen 0” 034 lang, 0” 018 breit über die Scheitelbeine, 0% 009 über die Stirne. Er ist Fig. 2 getreu wiedergegeben. Die Scheitelbeine sind sehr gross und bilden den grösseren Theil des eigentlichen wohl gerundeten Schädels, das Stirnbeinpaar ist um so kleiner, von quadratischer Gestalt zwischen den Scheitelbeinen und den Gesichtsknochen. Unter den letztern hat H. v. Meyer den Unterkiefer so genau beschrieben, dass ich dessen Beschreibung nur die Zahl von 3 Schneidezähnen, die Meyer an seinen Exemplaren nicht zu er- mitteln vermochte, beizufügen habe. Die Schneidezähne selbst sind Zähnchen von !/’» M.M. Breite, die vorderen 2 stärker, als der Dritte. Hinter dem einwurzligen, kolbigen Eckzahn, der nur wenig über die Zahnreihe heraussieht, folgt die Reihe der Backen- zähne, nämlich 4 Praemolaren und 3 Molaren. Der Unterschied zwischen dem lebenden CI. javanicus oder tana aus Java, von welchen mir Schädel zur Vergleichung vorliegen, und unserem socialis beruht, was den Unterkiefer anbelangt, auf der Zahl der Praemolaren. Die lebenden haben nur 3 (den vordern 1wurze- lig, die folgenden 2wurzelig), die fossilen 4, unter welchen gleich- falls der vordere 1wurzelig, die 3 andern 2wurzelig sind. Der grösste Zahn ist bei den lebenden wie: bei den fossilen der 2wur- zelige MI mit seinen 5 Spitzen. Vor den durch schmale Quer- joche verbundenen 2 Hügelpaaren steht eine ausgebildete un- paarige Spitze, die übrigens bei M II und III stetig kleiner wird, wie denn die ganze Zahnreihe von vorne her zum ersten Molaren zu- und gegen den letzten Molaren hin wieder an Körper ab- nimmt. Fig. 3 zeigt den Winkelfortsatz sehr hervorragend und nach innen gebogen, was schon stark an Beutelthiere gemahnt. Der Oberkiefer von Cladobates tana weicht vom fossilen mehr ab als javanica. Hinter einem kleinen einwurzeligen Eckzähnchen ein ebensolcher vorderer Praemolar und 2 weitere 3wurzelige Zähne mit dreieckigen Kronen. Dann die 3 ächten Molaren, von — 156 — denen I und II eine viereckige Gestalt haben und der letzte eine dreieckige. Bei Ol. javanica sind die beiden vordern Praemo- laren 2-, der hintere nur 3wurzelig und dreieckig. P. socialis hat einen 2wurzeligen Eckzahn, etwas nach hinten zurückgebogen 4 Praemolaren, die beiden vordern 2wurzelig, die hintern 3wur- zelig. An P4 und 3, die ziemlich von gleicher Grösse sind, beobachtet man neben der Hauptspitze ein hinteres Höckerchen, an P 2 und 1 noch ein vorderes Höckerchen und je einen in- neren Ansatz, der an P 2 einfach, an P 1 doppelt ist. Ist PI schon 5höckerig, so tritt an M I und II in der Mitte der Krone noch eine 6te Spitze dazu, furchtbare Mordwerkzeuge an diesem kleinen Thiere, die man vergrössert ausgeführt ohne Schrecken sich kaum denken mag. Der letzte hintere Zahn ist wieder klein und 3spitzig. Der Eckzahn hat die Gestalt des ersten Backen- zahns, den er jedoch an Grösse um’s Doppelte übertrifft. Er ist 2wurzelig. Hart vor ihm fügt sich das Intermaxillare ein. Lei- der ist dieser Knochen an allen mir zu Gebot stehenden Exem- plaren ausgefallen, so dass über die Schneidezähne des Ober- kiefers noch ein Dunkel herrscht. Fehlten sie vielleicht ganz, so dass unser Thier ein Istiopkora war, oder waren sie wie an Cladobates und Macroscelides seitlich gestellt? Milchzähne an diesen kleinen Kieferchen zu beobachten, ist mir nicht gelungen, dagegen liegen 7 im Schieben begriffene Kieferstücke vor. Die Molaren sind an denselben vorhanden, der erste und zweite Praemolar stecken noch ganz und theilweise im Kiefer, während die vorderen Praemolare zuerst auswachsen. Das Zahnsystem von Parasorex ergiebt sich hienach auf folgende 30 1.,4,,8 2EN2. AND NR Aus der Knochenbreccie der kleinen Nager, Insekten- fresser und Reptile die zu Parasorexe gehörigen Knochen auszuklauben, war keine Kleinigkeit. Sehr wahrscheinlich lief auch manche Unrichtigkeit mit unter. Gleich die Becken- knochen machten viel zu schaffen: nachdem zuerst die zu Zago- mys, Myozus und Mus passenden Stücke, die sich stets an die lebenden Formen halten liessen, weggenommen waren, blieben Weise: — 157 ° — noch diejenigen übrig (Fig. 6), welche am Sitzbein einen ganz ungewöhnlich entwickelten Tuber zeigen, von dem aus ein dün- ner schmaler Sitzbeinast absteigt, ebenso entwickelt sich unter der Pfanne eine Erhabenheit, von der aus sich ein gleichfalls ausserordentlich dünnes Schambein zum Sitzbeinast . erstreckt. Nach einem Os marsupiale suchte ich jedoch vergeblich. Ich zweifle kaum, dass die so eigenthümlich leicht gebauten, am mei- sten noch an Cheiropteren erinnernden Becken zu Parasorex ge- hören, wenigstens stimmen sie mit keinem der anderen mitvor- kommenden Geschlechter. Zu diesen Becken passt die grosse Zahl von Femur (Fig.7), die etwa der Zahl der Kieferstücke entspricht: das kleine runde Köpfchen passt in die tiefe Pfanne und steht gerade in der Mitte der beiden scharf ausgeprägten Trochanter. Dem Charakter von Cladobates entsprechend war auch Parasorer zum Leben auf den Baumzweigen bestimmt, dem entsprechend wer- den ihm die schlanken, langen Unterschenkel (Fig. 8) zugeschrieben, wie sie Macroscelides besitzt. Von Tupaja. weicht der Unter- schenkel sehr wesentlich ab, indem Fibula und Tibia an ihm getrennt bleiben, hier aber vom obern Drittheil an eine Ver- schmelzung beider eingetreten ist. Auch die Scapula stimmt zu Macroscelides, dem Crista und Schlüsselbein fehlen, dagegen ein stark nach innen gekrümmtes Hackenbein eigen ist. Die Gelenkfläche zum. Oberarm ist ganz flach. Ein ganz charakteristischer, nicht zu übersehender Kno- chen ist der so zahlreich gefundene Zumerus, dessen Werth schon H. v. Meyer gewürdigt hat. In seiner Hinterlassenschaft* fand sich die Zeichnung dieses Knochens vor (Fig. 9); und fol- gende Notiz: „Diese Knochen besitzen nicht nur das seitliche Loch zum Durchgang der Ellenbogen-Arterie, sondern sie sind auch noch durch ein querovales Loch, welches über der untern Gelenkrolle den Knochen von vorne nach hinten durchsetzt, aus- gezeichnet. Dieses Loch kenne ich von keinem der Weisenauer Insektenfresser. Zu Lagomys kann der Knochen nicht gehören, * Die Hinterlassenschaft H. v. Meyer’s ist in den Händen der Münchener Akademie und wird auf die liberalste Weise Jedem zu- gänglich gemacht, der sie für wissenschaftliche Zwecke benützen will. +58 dessen Humerus vorliegt, für Mus und Myorus wäre er zu gross. Unter den Insektenfressern finden sich beide Löcher, das seit- liche wie das über den Gelenkrollen bei Zrinaceus, einschliess- lich des Tenrec vor, woraus indessen nicht geschlossen werden kann, dass das Thier, dem die Knochen gehörten, ein Erinaceus wäre“. Es folgen noch einige Maasse, die ich nach voliständi- geren Exemplaren vervollständige. Die Totallänge ist 0,” 0185, die obere Leiste reicht nicht bis zur Hälfte des Knochens; am Unter-Ende misst der Knochen von aussen nach innen 4,5 M.M., wovon 3 M.M. auf die eigentl. Molen kommen. „Gervais (T. 44, f. 21) bildet einen ähnlichen Oberarm von Sansan ab, den Car- tet zu Oricetodon medium zählt, man weiss aber nicht, in wel- cher Grösse er dargestellt ist. Das über der Gelenkrolle lie- “ gende Loch ist mehr rund. Für den Steinheimer Cricetus (s. u.) ist dieser Knochen wohl zu gross.“ B. Bärenartige Thiere. Amphieyon major Lartet. Tafel IV, Fig. 11—12. Stimmt vollständig mit Blainv. Tab. XIV. links oben und Gervais Taf. 28, Fig. 12. Unsere Kenntniss von dieser nicht gewöhnlichen Art wird durch den Steinheimer Fund wesent- lich gefördert, indem ich das Glück hatte, ein ganz vollständiges Gebiss des Unterkiefers zu erwerben, bei dem noch die Schneide- und Eckzähne des Oberkiefers lagen. Die Oberkieferbackenzähne fehlen dagegen. 1) Die Backenzähne: 7 an der Zahl, 3 Praemolaren, 1 Fleischzahn, 3 Molaren. Die Ersteren sind 2wurzelig angelegt, doch verwachsen in den beiden vorderen Zähnen die Wurzeln zu einer einzigen. Die Zahnkrone ist von aussen gesehen dreieckig, in den beiden vordern Zähnen nicht sehr hoch, von oben ge- sehen oval, mit einer Medianleiste, welche den Zahn in eine etwas concave innere Hälfte und eine convexe äussere theilt. P 1 ist 2wurzelig und 2spitzig. Hinter der mittleren Haupt- spitze erhebt sich die Medianleiste zu einer Nebenspitze. Folgt jetzt der kräftige Reisszahn, aus 3 Theilen bestehend , 1) aus ) — 159 — einem schneidenden Vorhügel, 2) einer kräftigen Hauptspitze mit einem inneren Nebenhöcker, 3) einem kräftigen Nachhügel, an dessen Fuss gleichfalls ein breiter Nebenhöcker sitzt. Bis hieher sind die Zähne reine Carnivorenzähne: mit den Molaren ändert sich das Verhältniss und erhalten wir Zähne von omnivorem Cha- rakter. M1 hat die Gestalt eines Bärenbackenzahns, in der vor- dern Hälfte 2, in der hintern 1 Schmelzhöcker, 2 starke Wur- zeln tragen ihn. Hinter diesem Molaren stecken noch 2 weitere einwurzelige Zähne mit bohnenförmigen Kronen, auf deren Ober- fläche es nicht mehr zu ausgebildeten Schmelzhöckern kommt, sondern nur zu Ansätzen von solchen. Eine Schmelzleiste trennt noch wie bei allen Backenzähnen in ein Innen und Aussen. An MI geht in der vordern Hälfte eine innere Leiste ab gegen den Innenrand verschwindend; an M III setzt sich diese Leiste nach hinten fort und bildet eine Schlinge, deren Richtung die schiefe Stellung des Zahns in der Zahnreihe bekundet. Was die flache, bohnenförmige Gestalt der Kronen anbelangt, so bietet der afrikanische Honigdachs, Ratelus capensis und auch der Wickel- bär ähnliche Gestalten. Der starke spitzige Eckzahn hat den gleichen Charakter wie alle Zähne, eine scharfe, fein gesägte Schmelzleiste trennt eine etwas vertiefte Innenseite und eine Aussenseite des Zahnes ab. Dasselbe ist bei den 3 Schneidezähnen der Fall, die mit ihren schief gedrehten spitzigen Kronen etwas so Eigenthümliches an sich tragen, dass sie lediglich mit keiner lebenden Art verglichen werden können. Der dritte hintere Schneidezahn ist der stärkste, die sägeförmige Zahnleiste, die von aussen nach innen sich zur Spitze hinaufdreht, noch sehr deutlich. Um die Hälfte kleiner ist der zweite und im selben Verhältniss der erste vorderste Schneidezahn, dessen Wurzel so comprimirt ist, dass eine schmale, lange Schnauze nothwendig resultirt. Aus dem Oberkiefer lagen bei dem Fund noch die Schneide- und Eckzähne und drei 1wurzelige Lückenzähne. Die ersteren sind kleiner, als die des Unterkiefers, die Eckzähne jedoch etwas grösser, ebenso auch die Lückenzähne, letztere auch etwas breiter. Die wissenschaftliche Bestimmung unserer Art betreffend SON kann es gar keinem Anstand unterliegen, dass unsere Steinhei- mer Art mit der oben erwähnten Blainville’schen Art vollkommen stimmt. Nicht minder passt Gervais’s Zahn: unser Stück ist also A. major Lartet. Amphicyon-Reste hat ferner geliefert: 1) Weisenau (Jahrh. 1844, pag. 388), woher von Meyer die am häufigsten vorkommende Art von der Grösse eines Hundes A. dominans nannte. 2) Ulm (Jahrb. 1849, p. 548) lieferte die neue Art A. intermedius. Das Original war damals im Besitz des Grafen v. Mandelslohe und ist indessen in unsere Sammlung übergegan- gen. Der dem neuen Namen zu Grunde liegende Zahn ebenso, als die ausserdem noch mitgefundenen Reste des gleichen Thieres weisen auf ein ganz anderes Geschlecht als Amphycion hin, ein Geschlecht mit 4 an Stärke zunehmenden Praemolaren, einem entsprechend kleineren Reisszahn und 1 oder 2 Molaren. Kaup hat in seinen Beiträgen (Heft 5, pag. 15) diesen Unterschied richtig erkannt und das Genus Amphaloper auf diese Fleisch- fresser übertragen. 3) Käpfnach. Im der dortigen Braunkohle (Jahrb. 1851, p. 75) fand Escher v. d. Linth Unterkiefer, welche v. Meyer die Zahl der Backenzähne ermitteln liessen. Er nennt auch diese Amphicyon und findet die Zahnformel Canis entsprechend, während doch Lartet, Blainville, Gervais und Pictet deutlich genug eine von Hund abweichende Zahnformel für Am- phicyon aufstellen. 4) Tuchoritz in Böhmen. Was Fuchs (Sitzungs- ber. 1861, p. 225) zur Untersuchung vorlag, waren nur einzelne Zähne und Zahnfragmente, die ohnehin immer schwer zu deuten sind. Der starke, spitze Praemolar, der um 2 M.M. den Reiss- zahn überragt, ist so wenig Kennzeichen von Amphicyon, als der hintere Doppel-Talon des Reisszahns. Ebenso ist der 1wurzelige Höckerzahn ganz anders gestaltet als bei Blainville. 5) Eibis- wald in Steiermark (Denkschr. d. Kais. Acad. XXIX. B. 1868). Durch die Deutung von Meyer'und Fuchs liess sich auch Peters bestimmen, den Eibiswalder Fleischfresser zu Amphicyon zu ziehen, ob von ihm gleich die Abweichungen von den Blainville’schen Originalen vollkommen erkannt wurden. Das prachtvolle Kiefer- stück auf Taf. IT, 1—4 entspricht nach seiner Grösse ganz — > unserem Original von Meyers A. intermedius 1849. An der ganzen Form aller Zähne, die den Hundscharacter viel mehr trägt, als den Bärencharakter, an den 4 Praemolaren und dem offen- baren Platzmangel für 3 Tubercularzähne erkennt man unschwer das andere verwandte Genus: Amphalopex Kaup. Amphieyon giganteus Laurillard. Blainville hat auf Taf. XIV unter demselben Namen major Reste eines Amphicyon dargestellt, das selbst einen Höhlenlöwen noch an Grösse übertraf. Die Cuvier’schen Fragmente T. IV, Pl. 31 dieses „Canis d’une taille gigantesque‘“ stimmen so sehr mit die- ser Grössenform bei Blainville, dass wir unter beiden A. gigan- teus Laur. (Gerv. pag. 215) vermuthen. Es fand sich diese Art im Miocen von Avaray und Chevilly,. Auch von dieser grossen Form erhielt ich im Lauf der Jahre 3 Zähne: 1) einen losen Eckzahn von ächter Bärengestalt, 2) einen Reisszahn des Unter- kiefers, 3) den ersten Molaren, die nach ihrer Grösse in die Zahnalveolen des riesigen Unterkiefers bei Blainv. rechs unten passen. Trochotherium eyamoides*. Tafel IV, Fig. 13, 14. Nachdem ich zu verschiedenen Zeiten einzelne Zähne mit bohnenförmiger Krone und vielen Wurzeln versehen erhalten hatte, die in keine Ordnung lebender Thiere sich fügen wollten, bekam ich schliesslich die zerbröckelten Reste eines Schädels mit 5 ein- zelnen Zähnen, welche diesen höchst sonderbaren Zahngebilden ihre Stellung in der Nähe der Dächse anweisen. An diesen und den verwandten Geschlechtern finden wir allein unter den leben- den Säugethieren eine Wucherung der Zahnwurzel, welche neben den Hauptwurzeln, unter den grösseren Schmelhzhöckern so zu sagen noch zwischenliegende Hilfswurzeln treibt. Nehmen wir einem ausgewachsenen Dachs seinen oberen Backenzahn heraus, so ist man in Anbetracht der Grösse der Zahnkrone, über die flache Alveole erstaunt, in welcher der Zahn steckt, 2 kleine äussere Alveolen, unter den Fleischzahnhöckern des Backenzahns 2 grössere innere, die ineinander verlaufen und ungemein weit, * 0 zpoxos der Dachs, 0 xvauos die Bohne. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 11 = aber nichts weniger als tief sind, dazwischen ein poröser Knochen mit einzelnen Alveolaröffnungen. Dieser Alveole entspricht das Wurzelwerk des Zahns: sämmtliche Wurzeln werden kolbig, zwi- schen den 2 schlanken äusseren und den massiven inneren Wur- zeln, welch letztere bald zusammenwachsen, proliferiren dünne, 1—2 M.M. lange Würzelchen oder stehen schliesslich nur kleine Beinwärzchen auf einer Gräthe. Warum der Mangel an stärkeren Wurzeln für den grossen Zahn, ersiehtt man bald. Es hat das Maxillare vor dem stark entwickelten Gaumenbein keinen Platz mehr zur Entwicklung, reicht doch das vordere obere Blatt des Gaumenbeins in der Augenhöhle vor bis zum Thränenbein und nimmt doch das untere Blatt die Gaumensohle von Backenzahn zu Backenzahn vollständig ein. Dieser hat somit in dem durch das Palatinum beschränkten und verschmälerten Maxillare keinen Platz mehr für tiefgreifende Wurzeln und ist genöthigt, durch eine Anzahl Hilfswurzeln, die mit kolbenförmigem Ende in dem Maxillare festwurzeln, die den Hauptwurzeln mangelnde Stärke zu ersetzen. Wie im Oberkiefer, so treiben auch unten die 2 vorhandenen Backenzähne Hilfswurzeln, auch hier im Einklang mit der Grösse des ersten Backenzahns und der schmalen Gestalt des Kieferastes. 5—6 etwas längere Zahnwürzelchen helfen hier den hinteren Mahlzahntheil des Backenzahns tragen. Der afri- kanische Honigdachs ist schon zu sehr Carnivore, als dass sich Aehnliches an ihm beobachten liesse, obgleich die Form der Zahn- krone viele Aehnlichkeit mit unserem Thier zeigt, dagegen zeigt der Binturong, Wickelschwanz und Nasua die Erscheinung einer oder der andern Nebenwurzel an den Backenzähnen. Fig.13 a ist der hinterste rechte obere Backenzahn. Sein link- seitiges Vis-ä-vis vom gleichen Individuum ist gleichfalls vor- handen. Beide Zähne stecken noch im Kiefer, an welchem die Gaumennaht noch erhalten ist; zwischen dem Zahn und dem Gau- menbein ist kaum 1 M.M. Platz. Der Zahn ist 0” 013 breit und 0% 012 lang, 0” 004 beträgt die Höhe der Krone. Die Krone besteht aus einer ovalen Schmelzbohne, an deren Innen- seite ein Schmelzwulst sitzt. Die Schmelzbohne ist in der Mitte angemahlen. Ein scharfer Rand trennt den Schmelz von der — 163 — Wurzel, die aus einer Reihe kleiner stielförmigen Würzelchen besteht. Ausser diesen beiden grössten hintersten Backenzähnen fanden sich vereinzelt 2 kleinere, genau von derselben Gestalt: sie entstammen der rechten Oberkieferhälfte, der eine, Fig. 13,b ist 0% 011 breit, 0% 009 lang. Der andere, Fig. 13,c misst 0% 010 in der Breite, 0% 008 in der Länge. Ohne Zweifel gehörten sie 2 verschiedenen Individuen an. Die Krone dieses zweiten (?) Molaren ist genau, wie die des letzten, die Wurzeln aber ver- schieden, sie bieten das wunderlichste Bild, das man sich denken mag und glücklicher Weise erhalten, als wären sie lebend. Vorne sind 2 verwachsene Wurzeln, hinten 3 isolirte, innen 3, aussen 4. Alle diese 11 Wurzeln sitzen am Rande des Zahns, unmit- telbar auf der Unterseite der Krone sind förmliche Stiele, deren jeder unten zu einem Kolben anschwillt; nach der Mitte des innen noch hohlen Zahns sendet jede Wurzel eine kleine Leiste, die sich in einen centralen Punkt vereinigen, der gewissermassen als eigene mittlere Wurzel angesehen werden kann. Auf den Leisten sitzen noch 5—6 kleine Wurzelästchen, so dass man im Ganzen 11 Haupt- und sicher 5 Nebenwurzeln zählen kann, ohne die in der Mitte, macht 16—17 Wurzeln. Für solche Verhält- nisse sieht man vergeblich sich unter den Zähnen lebender Thiere um. Fig. 13,d sind 2 Praemolaren, die zum Individuum a, b ge- hören, auch sie sind doppelt vorhanden, d. h. ein rechter und ein linker. Sie stimmen ziemlich zu den Praemolaren der Dächse, namentlich des afrikanischen Ratels. Von unteren Molaren besitze ich zwei zu verschiedenen Ma- len gefundene ganz gleiche Exemplare, von denen der eine noch in einem Stück Unterkiefer sitzt. Die Krone ist eine länglichte Bohne, die vorne ihre grösste Dicke hat, vor ihr sitzt noch ein Schmelzhöcker. Ausser 2 Hauptwurzeln, einer schwachen vorderen und starken hinteren sitzen am Rande 6 zarte Nebenwurzeln, 3 innen, 3 aussen. Die Abreibung beginnt bei beiden auf der höchsten Spitze der Bohne. Unter allen mir zur Verfügung stehenden Gebissen lebender Thiere ist es auch hier wieder der Ratel, der in seinem hintern Backenzahn noch am meisten Ana- logie bietet. 11 * — 164 — Ausser Steinheim ist dieses neue tertiäre Geschlecht bis jetzt noch nirgends beobachtet worden, in Steinheim selber ist es zwar selten, gehört aber nicht gerade zu den seltensten Vorkommnis- sen. Beim Eisenbahnbau fand sich in dem schon mehrfach ci- tirten Haslacher Einschnitt die linke Unterkieferhälfte eines klei- nen Säugethiers, dem H. v. Meyer den Namen Cordylodon ge- geben (Jahrb. 1859, 174... Der Name sollte die Zweifel aus- drücken, die H. v. Meyer in Betreif dieses seltenen Stückes hegte, das er anfänglich für die Hälfte einer Krebsscheere hielt, wegen der warzenförmigen Zähnchen, später für ein Reptil (Cordylea ist der Name der Eidechse an den Pyramiden), bis er den Säu- gethiercharakter des Thiers erkannte. Auch Cordylodon hat nur in viel kleinerem Maasse (der ganze Kiefer misst nur 0” 01) 2 flache, bohnenförmige Zähnchen die an Fisch- oder Reptilzähne ebenso erinnern, als der erste Anblick unserer Steinheimer Zähne den Gedanken an die Pflasterzähne von Pycnodus oder Sphae- rodus wach ruft. Bei Cordylodon sind aber die Pflasterzähne deutliche Praemolaren, hinter ihnen folgen 2 Molaren, die mit den Mahlzähnen kleiner Mustelinen verglichen werden mögen. Mögen bald weitere Funde ein helleres Licht über diese kleinen zoologisch so merkwürdig gestellten Thierchen verbreiten! C. Ottern. Lutra dubia Blainv. Taf. IV, 15. (Potamotherium Geoffroy.) Mehrere Unter- und Oberkiefer-Stücke von Fischotter liegen aus Steinheim vor und lassen 2 verschiedene Grössen dieses Ge- schlechtes erkennen. Der Grössenunterschied ist so bedeutend, dass er nicht mehr auf individuelle Verschiedenheiten bezogen werden kann, sondern 2 Arten verlangt, die denn auch von Blainville und Geoffroy nach allerdings unbedeutenden Er- funden zu Sansans und im Dep. Allier aufgestellt worden sind. Lutra dubia Bl. Ostiogr. Mustela Pl. 14 ist ganz die Grösse von Steinheim, das uns ein Ober- und Unterkiefergebiss geliefert hat. Das letztere wurde von mir schon 1862 W, Jahresh. XVII, pag. 129 und 130 beschrieben und auf die Abweichung von — 165 ° — Lutra hingewiesen, die im oberen Reisszahn besteht. Der innere Queransatz verbindet sich nur mit der vorderen Spitze der Aus- senseite, während er bei allen lebenden Fischottern auch noch die hintere Spitze wenigstens theilweise umfasst. Indessen fan- den sich auch zugehörige Unterkiefer. Die Stellung der Schnei- dezähne an wohlerhaltenen Alveolen ist unverkennbar die von Lutra, sie besteht im Zurückstehen des 2ten Schneidezahns hin- ter dem lten und 3ten, welch letztere neben einander stehen. Hinter dem kräftigen Eckzahn steht zunächst, nur durch eine ganz dünne Knochenwand getrennt ein 1wurzeliger Lückenzahn, dann erst folgen drei 2wurzelige Praemolaren von der Gestalt der ächten Zutra-Zähne. An allen vorliegenden 3 Unterkiefern beobachte ich diesen 4ten Praemolar, der bei keiner lebenden Fischotterart mehr gefunden wird. Der Reisszahn stimmt wieder leidlich: am besten mit Lutra vulgaris, weniger mit der ameri kanischen Art; was aber wieder nicht stimmt, ist das Grössen- Verhältniss des Reisszahns zu den Praemolaren. Bei L. vulgaris misst der Reisszahn 13””®, die Reihe der Praemolaren 17”, L. dubia Reisszahn 15, die Praemolaren 29. Bei der fossilen Art tritt der Reisszahn den Vorbacken- zähnen gegenüber zurück, bei den lebenden überwiegt er. Unter den lebenden überwiegt er an der capischen, krallenlosen Zutra (Aonyx, Gray) so sehr, dass er geradezu ebenso gross ist, als sämmtliche Praemolaren. Lutra Valetoni Geoffr. (Gerv. Pal&ont. pag. 344.) Lutra Valetoni nennen Geoffroy und Gervais die kleinere Art von Steinheim, seither nur aus dem In- dusienkalk von Langy (Allier) bekannt. Es ist annähernd die Grösse, die Gervais auf Pl. 22 und 28 giebt, namentlich vom Reisszalhn Pl. 22, 5°. Zwei zusammengesetzte Unterkiefer geben über alle Zähne desselben Aufschluss, nämlich über 4 Praemo- laren in einer 18 MM. langen Reihe 1 Reisszahn von 9 MM. Länge und 1 Molaren von 4 MM. Länge. Dieser Molare hat auch etwas Eigenes, das die lebende Fischotter nicht zeigt: 2 starke Schmelzhöcker in der Mitte der napfförmigen Zahnfläche. — 166 — Diese und andere von französischen Beobachtern bemerkten Abweichungen veranlassten Geoffroy zur Aufstellung des Genus Potamotherium, Pomel zum Genus Zufrictis, H. v. M. zum Genus Stephanodon, wie H. Gervais auf Grund der Verglei- chung eines von Meyer bestimmten Originalstücks angibt. Die Wahl eines neuen Genus hängt doch wohl nur von den Grund- sätzen ab, die man in Betreff der Aufstellung von Arten und Geschlechtern sich festgestellt hat und bin ich weit entfernt da- gegen Einwendungen zu machen, wenn man in Rücksicht auf den von Lutra abweichenden Zahnbau Zutrictis oder Potamotherium sagt. Ich bin jedoch anderer Ansicht und glaube dem Wissen um die vergangenen Formen der Erdgeschichte bis auf Weiteres einen grösseren Dienst zu erweisen durch Beibehaltung Eines Geschlechts- namens. Es liegt in meinen Augen ein grössererReiz darin, die histo- risch-geographische Entwicklung Eines Geschlechtes durch die verschiedenen Phasen der Species hindurch zu verfolgen, als eine Reihe meist fremdartiger Namen vor sich zu sehen, die gewisser- massen gleichberechtigt neben dem Namen des Hauptgeschlechts stehen. Ich bleibe um so lieber bei dem Namen Zufra, als die Skelettrimmer von ZL. Valetoni, die von Einem Individuum mir zu Handen kamen, in ihren wesentlichsten Theilen von Lutra nicht abweichen. Ein Dutzend Brust- und Schwanzwirbel bekun- den durch schmäleren, aber um so längeren Körper ein noch zierlicheres, schlankeres Thier als die lebende Otter. Auf die gleichen Verhältnisse weist das Becken hin, dessen Darmbein sich fast parallel zur Wirbelsäule legt. Eine flache Pfanne, ein klei- ner Schenkelkopf mit schwachem Schenkelhals, flache Gelenkflä- chen am Ober- wie am Unter-Ende der Tibia und Fibula, da- gegen ein ausgebildeter Tarsus und 5 Metatarsen bekunden das Wasserthier, das zwar schlecht zu Fusse, ein um so behen- derer Schwimmer ist. Die gleichen Erscheinungen, mit Lutra vortrefllich stimmend, wiederholen sich am Vorderfuss: ein flaches Capitulum humeri mit einem starken Knorren an der Innenseite, die nur bei Zutra zu trefiende Rolle am Unter-Ende des Ober- arms, dessgleichen Radius und Ulna und einzelne Mittelhand- Iknochen. Bei einer derartigen Uebereinstimmung des Skelettes — 167 — darf das Fehlen oder Vorhandensein eines ersten oder letzten Backenzahns keinen Grund abgeben, darauf einen neuen Ge- schlechtsnamen zu basiren. D. Viverren. Viverra Steinheimensis Lartet. Taf. IV, fig. 16, 17. Palaeomephitis Steinheimensis Jäger. Viwerra Sansaniensis Lartet. Mit der Sammlung der landwirthschaftl. Centralstelle kam das K. Naturaliencabinet in den Besitz eines seltenen Stückes, das früher in Händen des Herzogs Paul von Württemberg ge- wesen. Er hatte ihm, wie die alte Etikette noch zeigt, den Na- men Palaeobassaris Steinheimensis gegeben. 1836 publicirte Jäger, foss. Säugeth. W. p. 78, Taf. X, fig. 7, 8, das Stück als Palaeomephitis, wozu ihm ein von Herzog Paul mitgebrachter Schädel eines Mephitis conepatl Anlass gab, zu welchem er am ehesten passen sollte. Leider ist Jäger’s Abbildung ganz übel ausgeführt und das Stück unmöglich zu erkennen. Um so besser hatte H. v. Meyer das Stück abgezeichnet und veröffentliche ich Fig. 16 abc dessen Zeichnung aus seinem Nachlass. Zu- gleich folgt hier die nähere Beschreibung Meyer’s, gleichfalls seinem Nachlass entnommen: „Der ganze vorhandene Ueberrest ist 0% 045 lang, die grösste in die Gegend des Gehörgangs fal- lende Breite beträgt 0,049 und die grösste Höhe, wenn man die Gaumenseite horizontal sich denkt, und den Stirnkamm mit hin- zunimmt, fällt ebenfalls in die Gegend des Gehörgangs und be- trägt 0,03. Von hier an fällt der Kamm oder die obere Grenz- linie des Profils hinterwärts ab und zwar etwas mehr als nach vorn. Die Krümmung im Ganzen aber ist nicht stark. Der Stirn- kamm ist hoch und breit, es scheint fast nicht, als wenn eine Pfeilnaht bestanden hätte. Nach hinten verliert sich dieser Kamm zu beiden Seiten allmählig in den Hinterhauptskamm. Das Hin- terhaupt ist mit Inbegriff des Hinterhauptsloches 0,024 hoch und über diesem Loche 0,027 breit. Das Hinterhauptsloch ist 0,009 hoch und 0,011 breit, am Vorderende ist in der Gegend der Quernaht der Schädel 0,024 breit und 0,027 hoch. Im Uebrigen — 168 — ist die Zeichnung so genau genonimen, dass sie alle Dimensionen treu wiedergiebt. Die Nähte sind sehr deutlich und klaffen so- gar theilweise.“ So weit Meyer. Ueber die zoologische Stel- lung spricht er sich nicht aus, nur findet sich mit Bleistift noch die Notiz: „scheint von einem mehr sich zu den Fleischfressern hinneigenden Insektenfresser herzurühren.*“ Jedenfalls ist die Wahl Herzog Pauls sowohl als Jäger’s eine unglückliche ge- wesen: Bassaris (s. Blainv. Viverra, pl. V. Bassaris astuta) hat eine ganz verschiedene Schädelform, indem der Kamm auf der Höhe des Hinterhauptes seine höchste Höhe hat und auf den Scheitelbeinen sich zu theilen anfängt, um als Doppelkamm über das Scheitel- und Stirn-Bein zu verlaufen. Auf die Verschieden- heit von Mephitis hat Jäger (l. c.) selbst ausführlich hingewie- sen, ob ihm gleich die beobachteten Unterschiede nicht erheblich genug erschienen waren, um sich vielmehr bei andern lebenden Geschlechtern umzusehen. Vor Allem aber ist die Wahl von Bassaris und Mephitis unglücklich gewesen, weil sie auf ameri- kanische Formen hinweist, mit denen die ganze Steinheimer Fauna sonst lediglich nichts gemein hat. Ich zweifle nicht, dass der fragliche Schädel zu Viverra sansaniensis Lartet (Gerv. 22, 1), gehört, von welcher Art uns Zähne von Steinheim vorliegen. Ich besitze daher noch ein nahezu vollständiges Gebiss des Unter- kiefers: drei kleine Schneidezähnchen, einen kräftigen, stark ge- krümmten Eckzahn mit einer äusseren Längsrinne, die etwas unter der Spitze anfängt und gegen die Basis der Krone verlauft und einer hinteren schneidenden Leiste. Vier gleichgebaute Lücken- zähne nehmen vom ersten bis zum vierten an Grösse zu, doclı ist der erste einwurzelige, der unmittelbar hinter der starken Wurzel des Eckzahns sitzt, unverhältnissmässig klein und ein- seitig, die übrigen drei sind einfache Schmelzspitzen, an deren Fuss vorne und hinten eine basale Nebenspitze steht, die hintere Nebenspitze ist noch dazu von einem Halskragen umgeben. Alles das ist ächter Viverren-Charakter, den auch der Fleischzahn ganz ausgesprochen trägt. Auf dessen vorderer Wurzel stehen zwei schneidend scharf gegen einander verwachsene Spitzen, auf der hinteren ein breiter Schmelzhöcker mit einer inneren Spitze. Der — 169 — hintere Zahntheil ist beim Licht betrachtet dasselbe, was nun .der folgende letzte Zahn oder Kornzahn ist. Bei dem vollende- ten Viverrentypus übertrifft unsere Zibethkatze in der Grösse die lebenden. Viv. genetta vom Cap & (Nro. 704, c Nat.-Cab.) hat ihre Zähne der Reihe nach in folgender Breite: 3, 6, 7, TI, — 8, 3. Die Sansaner ebenso, wie die Steinheimer 3, 7, 8, 9 — 12 fehlt. Der Eckzahn von Steinheim misst 14 MM. bei 4 MM. Breite an der Kronenbasis, die Genette 9 MM. bei 3 MM. Breite. II. Ordnung der Nagethiere. A. Hasen. Wir beginnen die Ordnung der Nager mit der Familie, welche ihre zahlreichsten Vertreser in Steinheim hat, mit den Hasen. So viel bis jetzt bekannt, kommt das Geschlecht der Leporiden oder der ächten Hasen, die in der gegenwärtigen Zeit die grösste Verbreitung haben, in der tertiären Welt gar nicht vor. Die ältesten bekannten Leporidenreste entstammen den Höh- len, wobei man überdiess vielfach sich hüten muss, die später durch Füchse eingeschleppten Reste nicht mit den Ablagerungen in dem alten Lehm zu verwechseln. In den Höhlen Schwabens wenigstens ist der Hase weder mit dem Höhlenbären noch mit dem Mammuth als sicher gleichzeitig gefunden worden, der älteste mir bekannte schwäbische Hase stammt aus den Renthier- lagern der Schussenquellee Auch Rütimeyer erwähnt des Hasen in seiner „Herkunft unserer Thierwelt“ erst als aus dem Torfe stammend und aus den modernen Ablagerungen. Doch auch angenommen, dass Lepus dilwvianus Cuv. wirklich diluvial und nicht jünger ist, kann doch von tertiärem Zepus ganz und gar keine Rede sein. Wenn die Franzosen eines Lepus priscus aus den pliocenen? Knochenbreecien von Cette erwähnen, oder eines L. Issiodorensis Croiz oder L. Lacosti Pomel aus jün- geren Ablagerungen im südlichen Frankreich, so gehören diese nach Gervais ohne Unterschied zum Subgenus der Kaninchen (euniculus) und darf wohl angenommen werden, dass diese vor =, 1A: — den ächten Hasen auf dem Boden Europa’s auftraten. Aber trotz dieser Priorität treffen wir auch sie vor dem Ende der Tertiär- zeit nicht. Die tertiären Hasen gehören ausnahmslos zur Gruppe desPfeifhasen oderSchoberhasen (Zagomys), dem der Schwanz fehlt, die Ohren kurz sind und die Hinterbeine nicht länger, als die Vorderbeine. LDagomys hat heutzutage Europa ganz verlas- sen und sich in die Gebirge Sıbiriens und den Osten Asiens zu- rückgezogen. In der tertiären Zeit aber lebten sie weit verbrei- i ES 2.5 tetin Europa. Lagomys hat us Zähne. Der letzte der 5 Zähne des Unterkiefers ist ein einfaches Schmelzprisma, der erste eine sehr faltenreiche Schmelzbüchse, an welcher 2 Falten nach aus- sen, Eine nach innen sich faltet, so dass der Zahn von aussen gesehen 3, von innen gesehen 2 Säulen sehen lässt. In diesen beiden Zähnen, namentlich aber in dem letzten, fünften Zahn des Unterkiefers fand Hensel* ein Unterscheidungsmerkmal unter den fossilen Arten. Bei einem Theil der fossilen ZLagomys ver- wachst nämlich der aus 2 Prismen bestehende 4te und der aus 1 Prisma bestehende dte Zahn zu Einem Zahn mit 3 Prismen, zugleich damit wird der erste untere Backenzahn faltenreicher. Hensel däuchten diese Umänderungen so erheblicher Art, dass er die Pfeifhasen mit der Zahnformel - ; zu einem besonderen Geschlechte, Myolagus, erhob. Aechten Lagomys begegnen wir in der Molasse. Hensel eitirt den ihm von Quenstedt mitgetheilten als-aus den Bohn- erzen, ohne nähere Angabe der Localität, Quenstedt bildet das Stück in seiner Petrefaktenkunde ** als aus der Molasse von Altshausen stammend ab. Sein Name ist wegen seiner Ueber- einstimmung mit dem sibirischen: Lagomys verus Hensel. Dr. Schill hat denselben Hasen in der Molasse des Deggenhauser- Thals (Umgebung von Stockach) gefunden, woher ihn H. v. Meyer * Zeitschr. d. Geol. Gesellsch. Jahrg. VIII. 1856, pag. 688 u. ff. ** Handbuch der Petrefaktenkunde. II. Ausgabe. 1867, pag. 45. N seiner Zeit erhalten hat. Wir finden im Nachlasse H. v. Meyer ’s eine mit unendlicher Sorgfalt gezeichnete Unterkieferhälfte mit vergrösserter Darstellung der Schmelzfalten, so dass man auf den ersten Blick die Identität der Art erkennt. Zahlreicher als sonstwo aber liegt L. verus im Ries, eingebacken in die Vogel- breccie des Spitzbergs. Ein halbes Dutzend mehr oder minder vollständiger Köpfe mit einer Reihe Unterkiefer und Zähne gibt Material zur Vergleichung an die Hand und stellt den Rieshasen dem lebenden sehr nahe. Ein kleiner Unterschied liegt nur im ersten Zahne des Unterkiefers, der die Grösse des L. alpinus- Zahnes etwas übersteigt. Merkwürdig gut ist im Ries die Form der Köpfe dieses Nagers wiedergegeben, die mit keinem anderen Nager, am wenigsten mit Lepus verwechselt werden kann. Von ächten ZLagomys fand sich zur Stunde noch keine Spur in Steinheim. Alle dort zu Hunderten gefundenen Stücke ver- rathen das Untergenus Myolagus, mit 4 Backenzähnen im Un- terkiefer. Zur Zeit als die Nagerreste in grösster Zahl sich fan- den (Sommer 1865 *), erhielt auch H. v. Meyer eine Anzahl Kieferreste und erkannte in ihnen die Oeninger Art, welche Meyer’s eigenen Namen führt. Auf Grund dessen reden wir von der Steinheimer Art als von Myolagus Meyeri Tschudi. Taf. V, 2—16. (H. v. Meyer, Oeningen. Taf. II, fig. 3 und Taf. III, fig. 2. **) Der Kopf des Myolagus Meyeri bleibt durchweg kleiner als Lagomys, was, wenn auch nur an Bruchstücken, die vorliegen, zu constatiren ist. Fig. 1,a b ist eines der grössten Bruch- stücke abgebildet, das sich aus dem bröckeligen , den dünnen zarten Knochen anklebendem Kalktuff herausarbeiten liess. Ueber * Mittheilung von Meyer an das Jahrbuch. B. 36, Jahrg. 1865, pag. 843. ** Allerdings eine sehr unvollständige Publication, über die schon Hensel am angeführten Orte sich ausspricht. Hätte Meyer nicht selbst auf Grund der Vergleichung der Originale die Identität beider Vorkommnisse ausgesprochen, bei blosser Vergleichung der Zeichnun- gen wäre es nicht möglich gewesen, — 112 — die Stirne ist Myolagus etwas breiter (um 2 MM.) als Lagomys, aber noch nicht so breit als das Eichhorn. Im Uebrigen ist die Bildung der grossen Augenhöhle, der Maxillarfortsatz und hintere Horizontalfortsatz des Jochbeins dieselbe. Bei den ächten Hasen endlich ist der vor dem Jochfortsatz liegende senkrechte Theil des Maxillare ein lockeres, von grossen Oefinungen durchbroche- nes Knochengewebe, bei Lagomys und Myolagus aber eine grosse dreieckige Oefinung, dessen oberer Rand noch vom Stirnbein ge- bildet wird. So gut wie im Ries ist freilich in Steinheim die Form der Köpfe nicht wiedergegeben. Dort hat ein harter Kalk- niederschlag die Schädelchen umhüllt und die härtesten Theile wiedergegeben. Der Hinterkopf ist unförmlich gross und heben sich auf demselben die Nähte des Hinterhauptbeins und der Schei- telbeine hervor, dessgleichen auf der Unter-Seite die grossen Paukenbeine, die vielfach auch einzeln getroffen werden. Zum Unterschied von dem Steinheimer Thier verschmälert sich aber der Schädel rasch nach vorne und schnürt sich vor den Stirn- beinen zusammen, die gewissermassen nur einen schmalen Steg zwischen den beiden grossen Augenhöhlen bilden. Die Stein- kerne unter den abgesprungenen zarten Schädelknochen geben auf das treueste die äussere Gestalt des Gehirns wieder. Am zahlreichsten und aufs beste erhalten liegen die Kiefer- stücke mit Zähnen und ohne Zähne vor uns. An den letzteren lassen sich die Alveolen und die Zahnungsverhältnisse besonders deutlich erkennen. Der Oberkiefer (Fig. 2 und 3) hat 2 Schneide- und 5 Backenzähne. Die Schneidezähne stehen wie bei allen Hasen nicht neben, sondern vor einander. Der vordere Zahn ist ein doppelter und ist aus etwas ungleichen Schmelzröhren zu- sammengesetzt, die nur im oberen Drittheil mit Zahnbein erfüllt, nach unten hohl sind und bekanntlich immer neu sich bilden und in demselben Maasse hinten nachwachsen, als sie vorne abge- nützt werden. Der ‚vordere Doppelzahn hat keine so ungleichen Hälften, wie Lagomys oder Lepus. Die äussere Hälfte ist nur ein weniges breiter als die innere, während bei diesen die Diffe- renz eine viel grössere ist. Das hintere kürzere Pfeilerzähnchen unterscheidet sich dagegen nicht. Dagegen haben nun die Backen- — 13 — zähne so viel Eigenthümliches und ebenso von Zagomys als an- dern Myolagus-Arten Abweichendes, dass ein näheres Detail hier- über gerechtfertigt sein wird. Der vorderste, erste Backenzahn besteht aus 3 Pris- men, die in der Quere nebeneinander stehen. Dadurch weicht dieser Zahn von dem Typus der hinteren Backenzähne ab, an welchen stets ein Prisma hinter dem andern ist. Die Anordnung des ersten Zahns ist somit in der Richtung von aussen nach in- nen, die der übrigen Backenzähne in der Richtung von vorne nach hinten. Die Prismen stellen sich jedoch bei Betrachtung des Zahns von der unteren Seite nicht als isolirte Prismen dar, sondern unter sich zusammenhängend. Auf der Unterseite, wo die Schmelzfalten in stetem Neuentstehen sind, kann die Anord- nung des Schmelzes viel besser gesehen werden, als auf der oberen Seite, wo sich Zahnbein zwischen die Falten legt und die Ankauung schiefe Schnitte auf der Oberfläche des Zahnes bildet. Die 3 auf der Oberseite als 3 isolirte Prismen erscheinenden Schmelz-Säulen sind auf der Unterseite nur eine 3fache Fältelung der ungetheilten Schmelzbüchse, aus welcher der Zahn besteht. Auch der erste Lagomys-Zahn ist ähnlich gebildet. nur sind die 3 Falten des Zahns nicht in der Weise markirt, wie bei Myolagus. Die beiden äusseren Faltenschläge des Schmelzes un- terscheiden sich nur wenig von einander und der dritte innere Faltenschlag wird deutlich. Von beiden endlich unterscheidet sich Zepus, dessen Zahn zwei Faltenschläge wirft, deren jeder einen kleinen Knick in der Mitte erfahren hat. Der zweite Backenzahn (Fig. 6) ist auch 3faltig, aber noch viel complicirter als der erste. Sieht man den Zahn nur von oben an, d.h. die meist schief angeriebene Kaufläche, so glaubt man 3 hufeisenförmige Schmelzfalten von verschiedener Grösse vor sich zu haben, von denen das grössere sich vor das kleinere legt. Dieses liegt aussen, jenes innen. Bald merkt man jedoch, dass unter verschiedenen Zähnen, die man verglei- chen will, jeder wieder etwas abweicht. Zur richtigen Feststel- lung der Schmelzverhältnisse ist auch hier der Zahn von unten zu studiren, wo kein Zahnbein sich zwischen die Schmelzfalten u MA legt und diese, ob auch von unendlicher Zartheit, frei und bloss vor Augen liegen. So erkennt man denn auch an diesem Zahn, dass er nur aus einem einzigen Schmelzblech besteht, das 3mal in einander gerollt ist. Die Faltenschlingen sind nach aussen offen; von innen an betrachtet zieht sich das Schmelzblech nach aussen, hier biegt es um und schlägt sich nach innen zurück, dann geht es zum zweitenmal nach aussen, wieder zurück nach innen und zum Schluss die dritte und letzte Falte nach aussen. Mit einem Stück Zeug oder feinem Papier ahmt man mit Leich- tigkeit die Fältelung des Zahnblechs nach. Diese beiden ersten Backenzähne müssen, wenn die Bezeich- nungsweise der Zygodontenzähne auf Nager übertragen wird, als Vorbackenzähne, praemolares, angesehen werden. Als ächte Mo- laren gelten dann nur die 3 nächstfolgenden Zähne 3, 4, 5 der ganzen Zahnreihe. Sämmtliche 3 Zähne sind wieder nach einem besonderen Typus gebaut. Derselbe besteht darin, dass eine tiefe Falte im Schmelzblech der oblongen Zahnsäule dieselbe in zwei rhombenförmige, von vorne nach hinten zusammengedrückte Schmelzbüchsen trennt. Die Täuschung liegt auch hier wieder sehr nahe, in den beiden hintereinander liegenden Schmelzbüchsen zwei abgesonderte Schmelzbüchsen zu sehen, welche durch einen Cement erst mit einander verbunden wären. Man ziehe nur die Zähne aus ihrer Alveole, was jeder Zeit leicht geht, da keine Wurzel sperrt und keinerlei untere Anschwellung hinderlich ist, so sieht man den ursprünglichen Faltenschlag, d.h. ein unge- theiltes, in der Mitte sich faltendes Blech, das von aussen nach innen den Falteneinschlag macht. Diese Bildung haben sämmt- liche 3 Molaren mit einander gemeinsam; aber bei alledem un- terscheidet man die 3 Molaren leicht von einander, nur der Öte oder hinterste Backenzahn hat nämlich das einfach getheilte Schmelzblech, bei den beiden andern stecken noch isolirte Schmelz- säulen, im Querschnitt von Hufeisen-Form, die sich in die hintere Hälfte der Schmelzbüchse legen. Zwei Säulen, eine von grös- serem und eine von kleinerem Durchmesser, legen sich in den dritten, eine Säule nur in den vierten Backenzahn. Der fünfte — 115 — dagegen bleibt wie schon gesagt leer. Hensel* beobachtete bei Myolagus sardus Taf. XVI, fig. 7 am dritten Backenzahn des Oberkiefers die gleichen Schmelzsäulen. „Das Merkwürdigste an diesem Zahne — sagt er — sind zwei isolirte Schmelzcylin- der. Sie befinden sich im äussern und hinteren Viertel des Zahns. - Der grössere von ihnen erscheint auf dem Querschnitt hufeisen- förmig, mit der concaven Seite nach aussen gerichtet, mit der convexen die Schmelzfalte der Innenseite berührend. Der kleinere Cylinder liegt an der Mündung des von dem grösseren gebilde- ten Hufeisens, ist gleichfalls isolirt, seitlich zusammengedrückt, aber nur wenig gebogen. Seine convexe Seite sieht nach dem Innern des Hufeisens.* Einen solchen Werth legt Hensel auf diese Art der Zusammensetzung eines Zahns, die er eine Ein- schachtelung zweier einzelner Zähne in einen grossen nennt. Am vierten Zahn beobachtete Hensel diese Bildung nicht mehr, so wenig als am fünften, während unser Steinheimer Nagus am vierten Zahn noch einen Innencylinder zeigt. Die Betrachtung der Milchzähne wirft auf diese in der That von allen bekannten Zähnen abweichende Bildungsweise ein Licht. Ehe wir jedoch die Milchzähne kennen lernen, sehen wir die Zähne des Unterkiefers näher uns an. Der Schneidezahn ist einfach dreikantig, im Querschnitt dreieckig. Er streift am ge- genüberstehenden oberen Doppelzahn auf dessen Innenseite und steht auf dem inneren einfachen Pfeilerzahn auf. Unter den 4 Backenzähnen kann nur der erste vordere als ein Praemolar angesehen werden. Während die 3 folgenden Backenzähne Einem Bildungsgesetz folgen, dem der Trennung der Schmelzbüchse in rhombische Prismen, macht dieser erste Zahn eine Ausnahme und verschlingt sein Schmelzblech auf so complicirte Weise, dass er unbedingt als der schwierigste Zahn im ganzen. Gebiss anzusehen ist. Der Zahn ist dreieckig im Querschnitt. Die vordere Kante. der Säule ist ein runder, vollständig frei liegender Cylinder, der mit dem übrigen Schmelzblech des Zahns in keiner weitern Ver- bindung stelit. Die runde Säule ist einfach durch Cementsubstanz * Zeitschrift d. deutsch. geol. Ges. Band VIII, pag. 690. — 1716 — an die hinter ihm liegende faltenreiche Schmelzbüchse angeklebt. Diese Schmelzbüchse faltet nun ihr Blech Tmal, 2mal nach aus- sen, 2mal nach hinten, 3mal nach innen, so dass wir 7 Fältchen auf der Kaufläche zählen, die ebensovielen Schmelzsäulen ent- sprechen, die unter einander zwar verbunden, doch auf den 3 Seiten des Zahncylinders hervortreten. . Nach dem Gesagten bildet somit der untere Praemolar von Mwyolagus Meyeri eine Tmal canellirte Schmelzsäule, eine com- plieirte Bildung, welche allein schon dieses Geschlecht von dem einfachen Zagomys-Zahn unterscheidet. Die übrigen 3 Zähne, die man wegen der Uebereinstimmung ihrer Bildung und ihrer auffallenden Abweichung von dem ersten Backenzahn für ächte Backenzähne oder Molaren zu nehmen be- rechtigt ist, bestehen je aus 2, der letzte aber aus 3 rhombi- schen Säulen, deren jede eine für sich bestehende Schmelzbüchse darstellt. Ohne Kenntniss der Milchzähne blieben diese eigenthüm- lichen Zahnverhältnisse von Myolagus wesentlich unklar. Glück- licher Weise aber hat Steinheim ein so reiches Material auch an Milchgebissen geliefert, dass in Betreff dieser Art keine Lücke besteht, wie sie leider noch bei einer Reihe lebender Nager- Arten existirt. Wir haben wieder einen der nicht gerade selte- nen Fälle, dass wir ein reicheres Material von fossilen Resten an der Hand haben, als die lebenden Thiere uns zu bieten ver- mögen. Fehlt es doch überhaupt in Beireff des Zahnwechsels der Nager an eingehenden Untersuchungen, speciell von ZLago- mys, dessen Individuen in nur geringer Zahl den Sammlungen zur Verfügung stehen, wissen wir über die Art und die Zeit des Zahnwechsels so gut wie Nichts. Schwanken doch selbst über den Zahnwechsel des Hasen noch die Angaben. Derselbe soll mit 12 Wechselzähnen zur Welt kommen (Rousseau, anat. compar.) mit 1 oberen Schneidezahn, 3 oberen und 2 unteren Backenzähnen, 18 Tage nach der Geburt soll der Wechsel be- reits vollendet und das permanente Gebiss vorhanden sein. Bei andern, wie Cavia, soll der Zahnwechsel schon im Mutterleibe vor sich gehen. Um so erfreulicher, dass der Zahnwechsel der - 11 — untergegangenen Myolagus-Art, was die Zahl und Gestalt der Milchbackenzähne anbelangt, ganz aufgehellt ist. Für das Milch- . gebiss des Oberkiefers ist vor Allem zu constatiren, dass der erste Backenzahn ein faltenreicher dreieckiger Zahn ist, der mit dem zweiten des permanenten Gebisses viele Aehnlichkeit hat (vergleiche Fig. 14 und 15). Dieser Zahn ist 3wurzelig, 2 zarte nadelfeine Würzelchen greifen nach aussen, eine starke abgerun- dete greift nach innen. Sämmtliche Wurzeln sind hohl und bleiben bis zum Ausfallen hohl. Die Wurzeln dieses und der andern Milchzähne stehen weit von einander ab und bergen zwi- schen sich die zarte Schmelzbüchse des keimenden permanenten Zahnes (Fig. 16,b). Dieser fängt an zu wachsen, die Nahrungszufuhr für die Wurzeln, welche die Nahrungscanäle des Milchzahns dar- stellen, hört auf und fängt der permanente Zahn an, in dem Maasse seiner Anschwelluug den Milchzahn zu verdrängen. Den ersten Milchbackenzahn trifit die Reihe des Abgestossenwerdens zuerst, wie 2 Kieferstücke mir zeigen, in welchen die 2 nächsten Milchzähne noch sitzen, der erste faltenreiche aber fehlt. Auf dem Grund der offenen Alveole schaut die Oberfläche des Ersatz- zahns schon heraus, noch näher aber steht der erste permanente Zahn, der von vorne her anrückt und wahrscheinlich zuerst her- vorgebrochen wäre. An die Stelle dieses ersten Deciduus rückt also P 1. Der vorderste Praemolar P 2 aber, durchbricht den Kiefer vor Pl und rückt durch die gleiche Zahnlücke vor, welche durch das Ausfallen des Deciduus entstund. Folgen noch 2 dreiwurzelige Milchbackenzähne, die über den beiden Molaren I und II wie Käppchen aufsitzen. Jeder hat 3 Wurzeln. Eine kräftige Hohlwurzel greift nach innen, 2 zarte dünne Hohlcylin- der greifen nach aussen. Die Wurzeln dieser Milchzähne unter- scheiden sich jedoch wesentlich von den Wurzeln der Zygodon- ten, sie bestehen genau aus derselben Schmelzmasse, wie die Zahnbüchse selbst, die das Zahnbein umgiebt. Die Falten aber, die auf der Kaufläche des Zahns zu Tage treten, sind nichts anderes, als die oberen Enden der in die Zahnbüchse einge- schachtelten Wurzelcylinder. Sehen wir somit an den Milch- backenzähnen auf deren Oberfläche Schmelzfalten zu Tage treten, Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 12 — 18 — wo die Wurzeln sich vereinigen, so begreift sich dieser Falten- schlag leicht. Das Eigenthümliche ist nur, dass sich die inneren, mit den Wurzeln zusammenhängenden Falten auch an den per- manenten Zähnen zeigen, die über ihre ganze Dauer wurzellos sind. Es ist diess so zu sagen die Uebertragung eines Jugend- zustandes auf das Alter, das Permanentwerden einer Schmelz- falte, die ihre natürliche Erklärung nur im Milchzahn, d.h. in den Anfangszuständen des Zahulebens findet. Im Unterkiefer (Fig. 16,3) haben wir anstatt des complicirten Praemoiars mit den 7 Falten einen viel einfacheren Milchzahn, dessen Blech 2 äussere und 3 innere Faltenschläge hat. Der vordere isolirte Cylinder fehlt ihm ganz. Neben diesem ersten 2wurzeligen Deciduus, der über dem einzigen Praemolaren sitzt, ist noch ein zweiter 2wurzeliger Deciduus, der von dem ersten Molaren verdrängt wird. Er gleicht auch schon mit Ausnahme eines äusseren Faltenschlags in der vordern Schmelzbüchse einem ächten Molaren. Fig. 16,2 zeigt schliesslich, wie der vierte 3säu- lige Backenzahn noch nicht ganz ausgewachsen, jedenfalls von der Ankauung noch nicht berührt ist, während die beiden Milch- zähne bereits deutliche Spuren der Abnützung zeigen. Vergleicht man damit die Zahnverhältnisse von Lepus timidus oder von Ka- ninchen, so fallen hier die Milchzähne wieder aus, ohne je zum Kauen wesentlich Dienste geleistet zu haben. Auch gleichen die Milchzähne der Hasen nur ganz schmalen, niederen Käppchen, die den permanenten Zähnen aufsitzen. Myolagus dagegen hat kräftige, weit höhere Milchzähne als der Hase, die vor ihrem Ausfallen stark in Gebrauch kamen und somit ganz anders ihrem Zweck entsprachen, als die Milchzähne der Leporiden. Die zu Myolagus gehörigen Skeletttheile herauszufinden, machte nicht viel Mühe. Unter dem Gemenge der Knochen der Insektenfresser, Hasen, Mäuse und Hamster zeichneten sich die Knochen des Myolagus ebenso als die grössten aus, wie sie an dem Grössenabstand von Vorder- und Hinterfuss sich erkennen lassen. Der Schwerpunkt des Hasen fällt nach hinten, daher Becken, Ober- und Unterschenkel durchweg kräftiger als die vordere Extremität. Das Os ilei (Fig. 8) ist 0,” 02 lang, bei einer 009 — vordern Breite von 5 MM. Das Foramen obturatorium ist klein, das Schambein schmal und zart und daher meist zerbrochen. Die Gesammtlänge des Femur (Fig. 11) beträgt 0” 034, der Durchmesser des Caput femoris 3 MM., der unteren Rolle 4,5 MM. Die Grube unter dem grossen Trochanter ist tief, dieser selbst aber nur mittelmässig, wie auch der kleine 'Trochanter. Der grosse Tro- chanter verlauft in einer scharfen äusseren Crista, ohne jedoch bedeutend hervorzuragen. Der längste Knochen überhaupt ist der Unterschenkel, 0% 036—038, genau in der Mitte verwächst die Fibula mit der Tibia (Fig. 10). Unter den Fusswurzeln lässt sich Sprungbein und Fersenbein noch bestimmen, ersteres hat 2 sehr ungleiche Rollen; am Unterende der kleineren Rolle sitzt ein langes schmales Caput astragali. Das Sustentaculum astragali am Fersenbein steht unter einem rechten Winkel aus dem Kör- per des Fersenbeins heraus, ihm gegenüber ragt ebenso die Fläche für den Fibular-Knöchel des Schienbeins hervor, so dass wir eine regelmässige Kreuzform erhalten. Der Körper des Fersenbeins endet mit der vordern breiten Cuboidalfläche und hat am Vor- der- und Hinter-Ende ganz den gleichen Durchmesser. Die Vorder-Extremitäten sind wie schon bemerkt schwächer. Scapula (Fig.9,ab)ist schlank und länglich, wegen der Zartheit dieses Knochens liegen jedoch vollständige Exemplare nicht vor. Wir erken- nen sie an der mangelnden Gräthen-Ecke, was mit dem unvoll- kommenen Schlüsselbein bei den Hasen zusammenhängt, dagegen ist ein ausgesprochenes Hackenbein (Fig. 9,b) vorhanden. Humerus (Fig.13) ist gerade und schlank, cylindrisch ohne gebogen zusein und 0” 027 lang. Die untere Rolle erbreitert sich nur wenig über den Kör- per des Oberarms, oberhalb derselben ist der Knochen durch eine grosse ovale Oeffinung durchbrochen, welche die ganze Breite der Rollenrinne einnimmt. Der Vorderarmknochen, aus den bei- den eng hintereinander liegenden aber nicht verwachsenen Kno- chen von Ulna und Radius (Fig. 12) bestehend, ist mässig nach.hinten gebogen und misst gleichfalls 0% 027. Von den Knochen der Hand finde ich nichts Zuverlässiges zusammen. Die Differenz der Höhe an der vorderen und hinteren Extremität beträgt hie- nach gegen 0” 02. 12* —.: 10. — B. Eichhörnchen. Myoxus Sansaniensis, Lartet. Ueber ein Dutzend Kieferstücke und verschiedene Skelet- theile weisen jene kleine Art von Siebenschläfer nach, welche Lartet in Sansans fand und als von der Grösse der Hausmaus beschrieb. Gervais bildet (pl. 44, 14—20) in verzerrter Ver- grösserung einige mangelhafte Kieferstücke und ein Stück des Oberarms ab. Unser Material ist viel vollständiger und ermög- licht eine genauere Beschreibung. Die Grösse des Thiers ver- hält sich zu der von Myozus glis etwa wie 5: 9, so etwa ist das Verhältniss der Kieferreste. Unterkiefer sind einzelne ganz vollständig erhalten, welche dieselbe Form des Knochens wie der Zähne zeigen, die wir an den europäischen Siebenschläfern ken- nen. Die ganze Länge vom Gelenkbein bis zur Spitze des Schnei- dezahns misst 0% 014, bei Myozxus glis von Stuttgart 0” 027, die Länge der Zahnreihe 0” 0045, bei M. glis 0" 0075. Der vordere Backenzahn ist einwurzelig, die anderen 3 dreiwurzelig. Das Wurzelpaar ist bei denselben nach vorne gestellt, die un- paarige Wurzel steht hinten. Die Faltung des Kronenschmelzes ist die der lebenden Arten, und stellt an jedem Zahn 3 schmale quer neben einander gelegte Schmelzbüchsen vor, wie sie an den Elephantenzähnen in grösserer Zahl vorkommen. Die 4 Backen- zähne des Oberkiefers sind dreiwurzelig, der erste und letzte der- selben kleiner als die zwei mittleren. Die Wurzelstellung an den Zähnen ist anders als im Unterkiefer, indem die unpasrigen Wurzeln nach innen gerichtet sind, die paarigen aber nach aus- sen. Die Zähnchen fallen sehr leicht aus, so dass die Mehrzahl der Oberkieferstücke nur Zahnlücken hat. Die Schneidezälne sind schmale, seitlich comprimirte Schmelzröhren, die des Unter- kiefers sind schwach nach oben gekrümmt, die des Oberkiefers noch einmal so stark als die unteren in der Richtung nach un- ten gebogen. Im Jahr 1849 wurde beim Eisenbahnbau der Nord- bahn im Tertiär von Haslach oberhalb Ulm eine Anzahl kleiner Nager gefunden, darunter auch ein Myoxus, den H. v. Meyer obtusangulus genannt hatte (Jahrb. Bd. 30, pag. 172). Es ist — 1831 — diese Art noch kleiner, als die Steinheimer und der erste Backen- zahn näher an dem Schneidezahn. Die Originale von Haslach, welche Meyer seiner Mittheilung zu Grunde gelegt hatte, be- finden sich in unserer Sammlung, lassen übrigens bei genauerer Ansicht erkennen, dass das Merkmal, auf welches diese Art sich gründet, ein nur auf mangelhafter Erhaltung des Fossils be- ruhendes Merkmal ist. Meyer meinte, der Unterkiefer runde sich hinten nur ab, statt dass er den hinausstehenden Winkel bilde Diess ist nur Täuschung, an den von Meyer gezeichne- ten Stücken ist der hintere Winkel gebrochen und der Bruchrand noch verdeckt, die Art steht daher auf schwachen Füssen. Die Arten, ohne die Originale bei der Hand zu haben, nur nach Be- schreihungen zu erkennen, ist fast nicht möglich und darf wohl ein nur sehr relativer Werth auf dieselben gelegt werden. So differiren z. B. die lebenden Myoxus glis von hier unter einan- der um 2—3 MM., sowohl was die Länge des Unterkiefers, als die des Schenkels oder Humerus und aller übrigen Knochen be- trifft. Es ist daher sehr wohl möglich, dass auch die Haslacher Art und andere wie M. murszus Pomel und fossilis Fisch mit der für Steinheim adoptirten Art von Sansan zusammenfallen. Ueber die Skelettheile, die vorliegen, ist wenig zu sagen; es unterscheiden sich die einzelnen Knochen von M. glis nur durch die geringere Grösse, nicht aber durch abweichende Form. So ist z. B. der Femur 25—28, Humerus 15 MM. lang. C. Mäuse, Cricetodon minus Lartet. Cricetodon minus Lartet. Gerv. pl. 44, pag. 44. Häufiger als Myoxus, doch nicht so häufig als Lagomys und Parasorer finden sich die Kiefer und Knochen von zwei Mäuse-Arten. Beide stehen den Hamstern am nächsten, so dass H. v. Meyer in seiner Mittheilung von 1865 sie Cricetus nennt (Jahrb. 1865, pag. 843) und Lartet den ungerechten Vorhalt macht, er habe keine Gründe für die Aufstellung seines neuen Geschlechtes Oricetodon angegeben. Letzteres ist ganz unrichtig, — 132 — denn Lartet sagt ausdrücklich bei Gervais pag. 43: „die Backenzähne von Oricetodon gleichen denen von: Cricetus in der Anordnung der Schmelzhöcker, unterscheiden sich aber von die- sem, indem unten wie oben am vorderen Höckerpaar nur Ein Höcker sich zeigt.“ Diese Angabe Lartets findet sich an den Steinheimer Exemplaren durchweg bestätigt. Die lebenden Ham- ster haben an den 3 oberen Backenzähnen je 6, 4, 3 Höcker, an den unteren 6, 4, 4. Der Steinheimer Hamster zeigt oben wie unten 5, 4, 3 Höcker. Die ganze Länge des Unterkiefers beträgt 0” 02, bei Hamster 0” 03, bemessen wir hienach die Totallänge des fossilen Thiers, so erhalten wir die von Lartet nur vergleichsweise angegebene Grösse „plus petit que notre souris domestique*. Genau gemessen beträgt die obere Backen- zahnreihe 0” 005, die untere 0” 0055 bei einer Zahnbreite von etwas über 1 MM. Die 3 Backenzähne des Oberkiefers sind 3wurzelig und nehmen vom ersten bis zum dritten an Grösse ab. Die Schmelzhügei sind aussen weniger dem Angriff unterworfen, als innen, wo sie bei vorschreitender Ankauung W bilden. Wie bei Cricetus treten die vorderen Gaumenöffnungen nicht so weit nach hinten, dass sie die Gegend des ersten Backenzahns erreich- ten. Im Unterkiefer sind die Zähne 2wurzelig, so dass man auch Kieferstücke mit blosen Zahnlücken leicht von den durch Grösse nicht verschiedenen Myoxus zu trennen im Stande ist. Wie oben, so ist auch unten der erste Zahn der grösste, der hinterste aber der kleinste. Bei tieferer Abnutzung entsteht eine fortlaufende Schlangenlinie, indem sich die Schmelzhöcker der äusseren und inneren Reihe mit einander in Verbindung setzen. Skelettheile von Mäusen sind in Menge vorhanden. Die Schulterblätter sind wegen ihrer Zartheit und Gebrechlichkeit stets am schlimmsten erhalten, um so besser der Humerus. Durch- schnittlich 0% 018 lang, werden sie an der unteren Rolle 0" 0045 breit. Ueber der Rolle sind sie nicht durchbrochen, dagegen ist ein ganz ausgezeichnetes seitliches Foramen vorhanden zum Durchgang der Ellenbogen-Arterie. Eine stark entwickelte vor- dere Crista dreht sich etwas gegen innen. Ueber Ulna und Ra- dius ist nicht viel zu sagen, der letztere ist stark nach oben — .183 — gebogen, wie bei dem lebenden Hamster. Das Becken von Ori- cetodon erkennt man an dem langen Hüftbein, das zwei Drit- theile der ganzen Beckenlänge einnimmt, ebendarum verkürzt sich das Sitzbein, das mit einem flachen, aber ziemlich breiten Scham- bein das eirunde Loch bildet. Femur ist 0% 023 lang, Tibia 0” 024. Die. Fibula verwächst mit ihr im unteren Drittheil. Cricetodon pygmaeum. Tat. V, fig. 17. Neben (©. minus L. ist noch eine kleinere Art zu unter- scheiden, welche zwar, was Form und Gestalt der Zähne, wie der Knochen anbelangt, sich genau an die grössere Art an- schliesst, aber constant durch geringere Dimensionen von dersel- ben abweicht. Die Totallänge der oberen Zahnreihe beträgt nur 0” 003, der unteren kaum 0” 004, die Gesammtlänge des Un- terkiefers 0% 015. Diese Grössenverhältnisse gehen durch die Knochen des Vorder- und Hinterfusses durch (Humerus 0” 012 u. 8. w.), so dass wir ein Mäuschen vor uns haben, um ein Vier- theil noch kleiner als unsere kleinste Hausmaus. D. Biber. Chalicomys Jaegeri Kaup. Kaup, ossem. foss. pl. XXV, fig, 20 und addit. pl. I, fie. 5. Es genüge hier, einfach die Thatsache des Vorkommens von Chalicomys Jaegeri zu constatiren. Es ist die grössere Art aus Schwaben, bisher zu Günzburg und Heudorf gefunden, die jedoch immer noch hinter der Grösse des Bibers zurückbleibt. Die klei- nere Art fand sich beim Eisenbahnbau im Haslacher Einschnitt bei Ulm und wurde von H. v. Meyer Ch. Eseri benannt. Der ganze Bau des Zahnes weicht von Castor ab, so dass die Auf- stellung des Kaup’schen Geschlechtes (1832), ob es gleich von ihm 1839 wieder zurückgezogen wurde, entschieden empfiehlt. Auch in Frankreich wurde es adoptirt, obgleich unsere deutschen Arten dort noch nicht aufgefunden worden sind. Der Steinheimer Fund beschränkt sich auf einen oberen Backenzahn und kommt an Grösse und Faltenschlingung den Günz- burger Zähnen gleich. Die Kaufläche misst in zwei Richtungen — 1834 — 0” 006. Auch in Steinheim hat der Zahn eine schwärzliche Fär- bung angenommen, wie wir es an den Haslacher, Günzburger und Weissenauer Zähnen sehen. Es überrascht diese Farbe, die sonst bei keinem einzigen Zahne in Steinheim beobachtet wird. IV. Ordnung der Dickhäuter. Mastodon arvernensis Taf. V, fig. 1. Mit diesem Artennamen benenne ich die Steinheimer Ma- stodon-Reste, ob ich gleich der Möglichkeit Raum gebe, dass weitere und vollständigere Funde wohl geeignet sein dürften, eine- neue Mastodon-Art aufzustellen, zumal wenn ein Fund das Vor- kommen von Schneidezähnen im Unterkiefer constatiren würde. Seit der lichtvollen Darstellung des Genus Mastodon, der letzten Arbeit H. v. Meyer’s (Palaeontogr. XVII, 1867), in welcher die Arten angustidens, turicensis, virgatidens und Hum- boldii nach dem überhaupt bekannten Material beleuchtet worden sind, ist Falconer’s Subgenus Trilopkodon in einer Weise fest- gestellt, die in Bezug auf das Zahnsystem nur Weniges zu wün- schen lässt. Wir freuen uns namentlich der reichen Beiträge, welche hiezu das schwäbische Tertiär geliefert hat, indem vor allen Heggbach, die Schöpfung des Herrn Pfarrers Probst, dann Baltringen, Mösskirch und Obersiggingen sich als wichtige Plätze erwiesen haben. Im Interesse der Wissenschaft bedaure ich nur, dass Meyer das prachtvolle Mastodon-Material, das Herr Baron v. Mayenfisch aus den Brüchen von Engelwies gerettet und . in der fürstlichen Sammlung von Sigmaringen aufgestellt hat, nicht kannte, und möchte ich nur wünschen, dass diese werth- vollen Stücke recht bald die Publication erfahren, die sie in so reichem Maasse verdienen. Meyer’s Arbeiten lehren uns, dass der Gedanke an Angusti- denten-Charakter beim Steinheimer Thier vornweg auszuschliessen ist. Denn wir haben einen 5reihigen letzten Backenzahn vor uns, der eine 4reihige Beschaffenheit des vorletzten Backenzahns verlangt. Leider ist dieser vorletzte Backenzahn nur fragmenta- rısch erhalten, die Haue des Sandgräbers hatte ihn zersplittert, nen dass nur 2 Querreihen wieder zusammengefügt werden konnten. Fig. 1 ist der letzte untere Backenzahn der rechten Kieferhälfte in nat. Grösse abgebildet. Seine grösste Länge ist 0” 214, seine grösste Breite über der mittlern Querreihe gemessen 0” 09. Er theilt sich in seiner Längenaxe in 2 Hälften, eine innere und äussere, die innere Hälfte ist bei der Krümmung, welche der Zahn macht, um 2 CM. kürzer als die äussere, indem der Raum zwischen dem Iten und 5ten Hügel der Innenseite 0” 16, der- selbe aber aussen 0% 18 misst. Der Zahn besteht aus 5 Quer- jochen, deren jedes aus einer Anzahl (6—2) zizenförmiger Schmelzhügel zusammengesetzt ist. Ein seitlicher Basalwulst fehlt ganz und gar, nur auf der vorderen Seite, im Anschluss an den Nachbarzahn ist ein aus kleinen Schmelzwarzen gebildeter Kranz. Die äusseren Hügel sind etwas grösser als die inneren, nament- lich die vorderen 3 Haupthügel, jeder Haupthügel hat nach in- nen zu noch einen Nebenhügel, der an Höhe nahezu dem Haupt- hügel gleichkommt, der 4te Hügel hat sogar noch einen 2ten Nebenhügel, was bei der inneren Hügelreihe der Fall ist. Die inneren Hügel an sich etwas kleiner als die äusseren, haben (mit Ausnahme des 4ten Hügels) 2 Nebenhügel, ausserdem sind die 4 Querthäler durch besondere isolirte Hügel gesperrt. Ausserdem ist der ganze Schmelz über und über uneben, kleine Schmelz- buckel von seichten Rinnen umzogen, fast wie sich das Relief- modell eines vulcanischen Gebirges ausnehmen würde. Eine Ver- gleichung mit Kaup’s M. arvernensis Croiz. lässt freilich allerlei Differenzen zu Tage treten. An riesigen, offenbar zu unserem Mastodon gehörigen Kno- chen wurde Allerlei gefunden, aber nur sehr wenig erhalten. Ich erwähne eines Rippenstückes und einzelner Fussknochen. Ein Fingerglied, gegen das das Mammuth ein Kind war, misst am Un- ter-Ende über der Gelenkfläche 0% 1. Die Dicke der Gelenk- fläche 0% 08. Astragalus ist 0% 145 breit, von hinten nach vorne misst er 0% 111. Die Tibialrulle ist eine einfache, höchst flache Wölbung, dessgleichen die Calcareusflächen höchst einfach. Das Caput tali ist ähnlich gewölbt, wie die Tibialfläche dem Mammuth gegenüber. ZU NESh Os unciforme des linken Vorderfusses sieht dem reinsten Pflastersteine gleich. Bei einer Breite von 0” 12 und einer Länge von 0% 11 ist der Knochen 0% 10 hoch. Ebenso ist cuneif. se- cundum des Hinterfusses vorhanden. Rhinoceros minutus Cuv. Taf. VI, fig. 1. 10. Rhinoceros Steinheimensis Jäger. (Nach Gervais gehören noch hieher Rh. pleuroceros Duv., tapirinus Pom., paradozus Pom.) Nashorn-Zähne und Knochen sind in Steinheim nächst den Muntjac’s die häufigsten Reste. Ganze Kieferreihen sind sogar keine Seltenheit und zusammengehörige Ober- und Unterkiefer, um so grösser aber ist die Schwierigkeit, die zerstreuten Kno- chen der einzelnen Arten zusammenzufinden und jeder Art die ihr zugehörigen Reste anzuweisen. Wir beginnen mit der kleinsten und seltensten Art. Das Steinheimer Ah. minutus scheintin der That mit Ausnahme des von Cadibona das kleinste bekannte Rhinoceros zu sein; es ist kleiner als das 'Thier- von Moissac (Tarn et Garomne), das Cu- vier erstmals beschrieb (B. II, pl. XV, pag. 94), ebenso auch kleiner als das von Gannat (Allier) das Duvernoy beschrieb, dessgleichen als die Eppelsheimer, so weit die Vergleichung nach den von Kaup gegebenen Maassen möglich ist. Aus die- sem Grunde hat Jäger (Säugeth. 66—69) den Namen von Steinheimensis aufgestellt. Dieses Grössenverhältniss allein ge- nügt aber entschieden nicht zur Begründung einer eigenen Art, wesshalb ich bei der alten Cuvier’schen Bezeichnung bleibe, um so mehr als dieses kleine, an und für sich schon höchst merkwürdige Thier noch sehr ungekannt ist in dem Detail seines Skelets, wie seiner Zähne. Einen kleinen Beitrag gebe ich durch Abbildung eines im Zahnwechsel begriffenen Unterkieferstückes und eines zngleich mitgefundenen oberen Milchbackenzahns. Aus- serdem habe ich in 15 Jahren nur noch 6 Unterkieferzähne von möglicherweise zwei Individuen erhalten. Das Kieferstück (Fig. 1) enthält 1) eine Zahnlücke für einen einwurzeligen, verloren gegangenen D 4. 2) den 3ten Milch- — 18970 — backenzahn, der 3hügelig angelegt, einen nichts weniger als Nas- horn-artigen Charakter an sich trägt. Ein weiterer, früher schen einzeln gefundener Zahn war lange bei Cervus eminens gelegen, mit dem er, wenn man sich die Mühe der Vergleichung geben will, die frappanteste Aehnlichkeit in seinem ganzen Bau hat. Cervus eminens ebenso, wie der Milchzahn von Rhinoceros mi- nutus bestehen im Einzelnen betrachtet aus 3 Abtheilungen, ei- ner hinteren Schmelzschlinge, einer mittleren einfachen Spitze und einem kleineren Vorhügel. Der Unterschied zwischen Cervus und Rhinoceros ist einfach in der Breite und Tiefe, der Milch- zahn von AA. misst in der Länge, d. h. der Richtung von vorne nach hinten 22 MM., in der Breite 10 MM., während die glei- chen Maasse bei Cervus 18 und 11 MM. ergeben. Sehwerlich wäre ich daher ohne den Fund des abgehildeten Kieferstückes auf den Gedanken gekommen, in dem vermeintlichen Vorbacken- zahn des Hirsches den Milchzahn von Rhinoceros zu vermuthen, und war daher sehr erfreut, beim vorsichtigen Oefinen des Un- terkiefers und Praemolaren in der Pulpa zu entdecken, welche dem Rh. minutus angehören. 3) Grösser noch als der 3te Milch- zahn ist D2, der gleichfalls ein dreifacher Zahn ist, aus 3 Halb- monden bestehend, von denen sonst 2 einen permanenten Zahn zusammensetzen. Die Halbmonde sind aber nicht einfach, son- dern macht jeder noch eine Faltenschlinge nach innen. Auch der obere D 2, der vortrefflich erhalten ist, möge (Fig.10) eine Abbildung finden. Er sieht einem 2ten wahren Backenzahn so sehr ähnlich und verdient wegen seines Faltenreichthums und des breiten äusseren Schildblechs eine Aufmerksamkeit. Die Knochen, die zu Rh. minutus gehören, sind auffallend selten. Jäger hatte vor 40 Jahren mit ihnen mehr Glück, als es in der letzten Zeit der Fall war. Mittelfussknochen und Pha- langen, von der Kleinheit der Palaeotherien, wie sie in den foss. Säugeth. pag. 68 und Taf. III beschrieben sind, gingen mir nicht durch die Hände. Einen einzigen Astragalus möchte ich der fraglichen Art zuweisen. Er ist etwas breiter als lang, 0” 070 gegen 0" 065. Die äussere Tibialrolle ist schon um ein Drittheil breiter, als die innere, ohne das hätten wir noch — Ne typische Palaeotherium-Form vor uns. In der That stimmt die angegebene Grösse bis auf das Millimeter mit der Grösse des Palaeotherium magnum (Cuvier’scher Gyps-Abguss von pl. 54. 2.). Am Vorderende der Rolle ist eine tiefe Fossa dorsalis und die Calcaneusflächen in 3 isolirte Flächen getheilt. Die äussere grosse Fläche bildet eine Pfanne mit flacher, runder Höhlung, die innere eine glatte Drehscheibe und die vordere einen schma- len, rechtwinklig zur Cuboidalfläche gestellten Streifen. Nur in Betreff der inneren Fläche weicht Palaeotherium von Rh. minu- tus ab, indem hier statt der abgerundeten Scheibe eine schmale langgestreckte Fläche von der Rolle zur Cuboidalfläche herab- greift. Zudem ist die dritte Vorderfläche noch reduzirter. Ver- gleicht man mit ‚Palaeotherium die zugleich mit diesem Geschlecht vorkommenden Plagiolophus oder Paloplotherium, so ist der Un- terschied wirklich schon überraschend. Hier wird die äussere Calcaneusfläche zur tiefen, winkligen Grube, in welcher das Fer- senbein vollständig unbeweglich fest sass, die vordere schmale Fläche aber verschmilzt vollständig mit der inneren. Am Cu- boideum aber nimmt der Astragalus kaum mehr Theil. Eine Vergleichung mit Pferd, mit Hipparion und Anckitherium lässt eben im Astragalus den Anknüpfungspunkt finden, der diese Ge- schlechter auf Plagiolophus zurückführt, während Rhinoceros an Palaeotherium sich anschliesst. Damit hängt die Anlage zur Schraubenwindung zusammen, die sich in den Hufthieren und in Plagiolophus viel energischer ausdrückt, als in Rhinoceros und Palaeotherium. Eine Vergleichung der Cuboidalfläche zeigt endlich die merk- liche Zunahme des Antheils, den Astragalus neben Calcaneus an dieser Articulation nimmt. Je schmäler der Fuss, um so weniger berührt der Astragalus das Cuboideum, wie bei Plagiolophus, breiter schon artieulirt er bei Palaectherium, wo tja auf das Cu- boideum, ?/ auf das Naviculare fallen, bei Zhinoceros betheiligt er sich zu "3 am Cuboideum und zu 2/3 an Naviculare. Wir werden unten finden, dass die beschriebene Form des Astragalus, den wir wegen seiner Kleinheit als zu R. minutus gehörig annehmen, nach dem Typus nicht des einhörnigen indi- a > N schen oder sumatranischen Nashorns gebaut ist, sondern über- raschender Weise nachder Regeldes Rh.tichorhinus oder der Bicorner. Rhinoceros Sansaniensis Lartet. Taf. VI, fig. 2, 4, 9 u. Taf. VI, fig. 3, 7, 10. Bildet eine ganz ausgesprochene, zahlreich vorkommende Art für Steinheim. Dass sie bisher noch nicht erkannt wurde, hat seinen Grund offenbar nur in der Unbekanntschaft mit den fran- zösischen Funden, ob sie gleich schon 1851 von Lartet publi- cirt wurden. Man kann, einmal mit der Art vertraut, an den Zähnen sowohl als an den Fussknochen sie wieder erkennen, und . bilde ich mit Rücksicht auf anderweitige Funde, namentlich im oberschwäbischen Becken, die wichtigsten Zähne und Knochen ab, um die Vergleichung derselben mit unsern Steinheimer und San- saner Funden zu ermöglichen. 1. Backenzähne im Oberkiefer. Glücklicher Weise besitzen wir vollständige Zahnreihen des Ober- und Unterkiefers von Einem Individuum, an welche die vielen vereinzelt gefunde- nen Zähne nur gehalten zu werden brauchen, um über dieselben in’s Reine zu kommen. Die 3 Molaren sind ohne Unterschied an der Einschnürung des vorderen Hügels c zu erkennen, an welchem in Folge der Abschnürung ein besonderer Vorhügel her- austritt. Im Querthal sitzt nur die Spur einer Schmelzwarze. MI und II sind so ziemlich gleich gross, 35 MM. breit und 40 MM. tief (eigentlich 44 vorne, 36 hinten). Die doppelte Vor- der-Ecke des Aussenbleches überdeckt schuppenartig die einfache hintere Ecke. Von der Mitte der Innenseite aus zieht sich das Querthal zunächst rechtwinklig gegen Aussen (1tes Drittheil), dann schief auf die Vorder-Ecke zu (2tes Drittheil), von da macht das Thal eine Biegung nach hinten, dann eine neue Falte nach vorne und zuletzt schief auf den hinteren Hügel zu. Das hintere Querthal kommt dem vordern gegenüber viel zu kurz und bildet bei vorgeschrittener Ankauung nur noch eine rundliche Grube. In M III ist der hintere Hügel verschwunden. Ein ein- faches Querthal zieht sich schief gegen die Vorder-Ecke des Schmelzbleches hin. Das wichtigste specifische Merkmal an allen naon Molaren ist und bleibt die Abschnürung des vordern Hügels, der dem Festungsvorwerk einer Lunette gleicht. M II und III sind Fig. 9 abgebildet. Die 4 Praemolaren. P1 erreicht die Grösse der Molaren nicht mehr ganz, ob er gleich sonst das treue Abbild eines Mo- laren ist. Nur ist die Abschnürung des vordern Hügels nicht mehr so deutlich, als an jenen, dafür bildet sich aber ein Schmelz- träger an der Innenseite der Kronenbasis aus, die Aussenseite bleibt absolut glatt. P 2. Die Einschnürung des vordern Hügels kaum mehr sichtbar, der Schmelzkragen stärker. P 3. Der Vor- derhügel durchaus einfach, wie der Nachhügel, an der Innenseite förmliche Schmelzwulst. P 4. Bei einiger Ankauung verschwindet jede Schmelzmarke und bleibt auf der Innenseite der Krone nur 1 scharf ausgeprägter Schmelzwulst. 2. Die Backenzähne des Unterkiefers. Die 3 Molaren zeigen gerade nichts Ausgesprochenes, um sie von andern Arten zu unterscheiden. Die vordere Schmelzsäule ist höher, die Kau- fläche, die zu Tage tritt, rechtwinklig gebogen. Die hintere nie- dere Säule lehnt sich gleichsam als Stütze an die vordere an, die Kaufläche eine einfache Curve bildend. Ein schmales, schwa- ches Schmelzband umgiebt die Krone und zieht sich an der vor- deren Säule in die Höhe. Von den 4 Praemolaren habe ich den vordersten 4ten nie gefunden, das Thier verlor ihn offenbar frühe. Eine blanke Fläche auf der Vorderseite des 3ten Praemolar be- stätigt jedoch sein Vorhandensein. Um so zahlreicher liegt der 2te Backenzahn vor P 3; ein zweitheiliger Zahn, vorne eine Hü- gelspitze mit einer nach vorne verlaufenden Gräthe, hinten eine Schmelzsäule mit halbmondförmiger Kaufläche. Ein leichtes Ba- salband umzieht die Aussenseite der Zahnkrone. An P2 und 1 wird das Halsband durch kleine Schmelzfältchen noch etwas ge- kräuselt und ausgeschnitten; im Uebrigen sind beide nach dem Typus der Molare gebaut. Die Länge der Zahnreihe oben wie unten ist nach dem zusammengehörigen Exemplare 205 MM. (Unser sumatranisches Rhinoceros misst 230 MM.) Unter den vorhandenen Schneidezähnen gehörte die grosse Sorte unserem Thiere an, wie ein noch im Kiefer stecken- — 181° — der Zahn bewies. Es ist der linke untere Schneidezahn, gleich einem Mammuthsstosszahn doppelt gekrümmt nach aussen und nach oben. Die Krone ist dreieckig im Querschnitt. Die Aus- senseite derselben ist mit einer zarten dünnen Schmelzschichte überzogen. Auf der Innenseite, welche der Lesur unterliegt, ist kaum ein Hauch von Schmelz zu beobachten. Zu dem beschriebenen unteren Schneidezahn passt ein oberer. Es ist der linke obere, der auf der äusseren Unter- seite angekaut wird, während der untere auf der innern obern Seite zur Abnutzung kommt. So greift auch in den Schneide- zähnen der Unterkiefer über den Oberkiefer vor. Die Knochen anbelangend, werden wir unten sehen, wie schwierig die Ausscheidung der Arten ist und welche Gesichts- punkte bei der Vergleichung derselben untereinander leiteten. Zunächst möge die Bestimmung der Zähne folgen. Rhinoceros brachypus Lartet. Taf. VI, fig. 3,5, 7,8, 11. VII, fir 2, 4, 5,8 11,12. Gleichfalls eine an den Zähnen des Oberkiefers nicht zu verkennende Art. Ein Schmelzkragen umgibt den ganzen Zahn, der selbst auf der Aussenseite sich bemerklich macht, das Quer- thal sehr tief eingeschnitten, die Schmelzfalte des hinteren Hügels fein gefältelt. Sehr starke Gliedmassen mit breiten Gelenken, breite, aber sehr kurze Mittelfuss- und Handknochen (Gerv. p. 99). Herr P. Gervais hatte die Freundlichkeit, mir einige Original- zähne und Knochen dieser Art aus Simorre mitzutheilen, die auf’s Haar mit dem Steinheimer Vorkommen stimmen und über die Identität beider keinen Zweifel lassen. Merkwürdig ist, dass in Sansan noch kein Rh. brachypus gefunden wurde, worauf aus- drücklich aufmerksam gemacht wird. 1. Die Backenzähne des Oberkiefers. Ich bedaure, noch keine vollständige Zahnreihe erhalten zu haben, wie von Sansa- niensis, dagegen sind einzelne Zähne mehrfach gefunden. Fig. 8 bilde ich M 3 ab. Der Zahn ist von der linken Hälfte. Der Schmelzwulst, der sich selbst bis in’s Querthal erstreckt, umgibt die Basis der Krone. Der vordere Hügel ist vom Querjoch —'192 — schwach abgeschnürt, bietet aber sonst keine Schmelzfalte. Erst auf der Innenseite der hinteren und bei dem letzten Zahn zu- gleich äusseren Schmelzwand tritt die Eigenthümlichkeit des Bra- chypus zu Tage, zarte Ausbogung des Schmelzblechs (Ta colline festonnse) der Zahn misst 50 MM. in der Breite, 65 in der Tiefe. An den andern Molaren, wie auch noch an den hintern Prae- molaren kräuselt sich die Schmelzfalte noch mehr, wie Fig. 7 zeigt. 5 Fältchen, die an Einhuferzähne gemahnen, wachsen in die tiefe Zahngrube hinein, von der ein ebenso tiefes und steiles Querthal zur Innenseite herausführt. Der Halskragen um die ganze Krone herum ist sehr scharf markirt. 2. Die Backenzähne des Unterkiefers lassen sich, wie Solches sich übrigens von selbst versteht, im Stadium der starken Ab- nutzung kaum von andern Arten unterscheiden, bei weniger vor- geschrittener Usur dagegen sind sie auch gar nicht zu verkennen an dem Faltenreichthum des Schmelzes, die keine andere Art von Steinheim zeigt. Fig. 3 und 5 bilde ich gleichfalls P2 und 3 ab, wie von Sansaniensis. Der Halskragen, wie ihn die Oberkiefer- zähne haben, ist verschwunden, nur an den Molaren steigt am vordern Hügel eine Schmelzwulst herauf. Alle Zähne haben eine stärkere Faltung, so dass bei der Ankauung überall Winkelfalten entstehen, wo sonst nur halbmondförmige Curven sichtbar sind. P 2. An der vordern Säule macht der Aussenschmelz eine Falte am rechten Winkel, nach Innen macht sie 2 Schlingen zwischen der vordern und mittlern Hügelspitze. In P 3 trennt sich an der hinteren Säule eine innere Hügelspitze ab, wie denn auch vorne die sonst einfach verlaufende Schmelzgräthe noch ein Fält- chen schlägt. Rhinoceros ineisivus Cuv. Taf. VI, fig. 6. VII, fig. 1, 6, 9. Aceratherium Kaup. Ausser den genannten drei ächten 3zehigen Rhinoceros-Arten haben wir es noch mit der grossen, beziehungsweise grössten Steinheimer Art zu thun, einer tetradactylen Art, dem Geschlechte Aceratherum Kaup. Ein vollständiges Gebiss des Unterkiefers von 0” 330 liegt vor, dessgleichen ein Milchgebiss mit 3 Zähnen ze — und defecte Zahnreihen des Oberkiefers. Ich weiss aus dem vor- liegenden Material, dem bereits bekannten namentlich von Kaup so eingehend Behandelten nichts beizufügen, mit Ausnahme etwa eines Milchgebisses mit den 3 vorderen Backenzähnen. D I hat das Aussehen eines ächten Molars, der sich nur durch eine schwache Falte im Innern der vorderen Säule vom perma- nenten Zahn unterscheidet. DII ist ein 3theiliger Zahn, indem vor der Doppelsäule sich noch eine dritte vordere erhebt. D III ebenfalls 3theilig, nur sind die 2 vorderen Säulen einfach ge- schlossene Säulen mit einer über die Mitte der höchsten Höhe hinlaufenden Gräthe. Einige Unterkiefer-Enden zeigen, dass mit der Zunahme der Grösse der Backenzähne die Grösse der Schneidezähne abnimmt. Rh. incisivus hat die kleinsten Schneidezähne. Rhinoceros-Knochen. Wir betrachten sie zunächst für sich, ohne Rücksicht auf die vier, nach den Rhinoceros-Zähnen festgestellten Arten. Die Hauptunterschiede im Skelett der verschiedenen Rhino- cerosarten culminiren im Calcaneus und Astragalus Es möge damit die etwas ausführliche Behandlung dieser beiden Knochen gerechtfertigt sein. 1) Die grössten in Steinheim vorgefundenen Fersenbeine sind sogar noch länger, als die Fersenbeine des diluvialen RA. tschorhinus aus dem Mammuthfelde von Canstatt. Sie messen - 0” 160 in der Längenausdehnung, ihre Breite beträgt am Tuber (Fersenhöcker) 0” 066, über das Sustentaculum gemessen 0” 095. Ein wohlerhaltener Calcaneus von Rh. tichorhinus misst 0% 150, 0” 08 und 0” 095. Letzterer ist also kürzer und hinten etwas stärker. Taf. VII, fig. 9 giebt diesen Knochen in halber Grösse. Der Calcaneus articulirt mit 3 Knochen, Astragalus, Cuboi- deum und Fibula, für welche Flächen existiren. Die wichtigste Gelenkfläche ist die zu Astragalus, die sich in eine hintere grosse, von aussen nach innen über den ganzen Körper des Beins sich verbreitende Fläche theilt und eine vordere ausserordentlich schmale, die in einem rechten Winkel an die Cuboidalfläche stösst. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. ?2tes u. 3tes Heft. 13 lan Ein rauher, warziger Sinus trennt die vordere und hintere Astragalusfläche. Das Wichtigste ist, dass die hintere grosse Fläche Eine ungetheilte Fläche bildet, gegen innen concav ausgehöhlt, nach aussen convex gebaut. Die gleiche Astragalus- fläche an Rh. tichorhinus ist durch den Sulcus sustentaculi in 2 Hälften getheilt, der eine innere, vom Sustentaculum getragen, eine Concavität bildet, während die äussere einem mässig ge- wölbten Condylus gleicht. Die vordere Fläche fehlt selbstredend nicht, sie ist sogar breiter als dort und verbindet sich mittelst einer schmalen Brücke mit der concaven Sustentaculumfläche. Im Wesentlichen sind mit diesen beiden Formen von Calcaneus- flächen die beiden Gruppen des einhörnigen und zweihörnigen Nashorns bezeichnet. Die grosse Steinheimer Form ist die eines typischen Unicorners. Die Cuboidalfläche ist eine halbmondförmige glatte Fläche, die sich von der vorderen Spitze des Processus anterior schief nach innen zieht. Der Winkel, unter welchem sich diese Fläche an eine durch die hintere Astragalusfläche gezogene Gerade an- lehnt, beträgt nicht mehr als ungefähr 30°. Ganz anders bei Rh. tichorhinus, das in Ermanglung eines Fusses vom lebenden Rh. bicornis für den Typus eines Bicorners gilt. Die Cuboidal- fläche bildet keine halbe Drehscheibe, sondern eine Hohlkehle. die auch von der Spitze des Processus anterior zum Sustentaculum herabzieht, aber unter einem Winkel von mindestens 60°. Denn der Processus anterior calcanei ist bei dem Unicorner wesentlich kürzer als beim Bicorner. Dadurch wird die ganze Gestalt des Bicorner-Fersenbeins eine gedrungenere, kürzere, über das Su- stentaculum aber breitere. Zum Dritten stosst die Fibula des Bicorners an eine unter einem rechten Winkel von der Astraga- lusfläche abfallende kleine Dförmige Fläche Fig. 9 links. Bei dem Bicornertypus fehlt die Fibularfläche an der Aussenseite des Calcaneus ganz und gar. Ziehen wir den Calcaneus des sumatranischen Nashorns mit in Betracht, von dem wir glücklicher Weise ein ganz vollständi- ges Skelett besitzen, so springt alsbald in die Augen, dass des- sen Fuss genau nach demselben Princip gebaut ist, wie unsere — ..195 — grosse Steinheimer Form *. Ist es erlaubt, mit den grössten Knochen auch die grössten Zähne zu vereinigen, so gehören sämmtliche nach dem Typus des Rhinoceros sumatrensis gebau- ten Knochen zu der Art, welche die grössten Zähne hat, das heisst: zu Ahinoceros incisivus. Die hieher gehörigen Würfelbeine sind nicht minder bezeich- nend und mit Sicherheit auszuwählen. Die Astragalusfläche be- treffend wiederholt sich nur als auf der Gegenseite, was beim Calcaneus gesagt worden ist: hinten verschmolzene innere und äussere Calcaneusfläche, vorne ein schmaler, durch einen rauhen, warzigen Sinus abgetrennter Fläche-Streifen. Die Tibialrolle ist nicht tief versenkt (9—11 MM.) und die beiden Rollhügel annähernd gleich. Etwas breiter zwar ist der äussere Condylus, aber nicht merklich, Eben daraus folgt, dass auch die Schraubenwindung der Rolle nur wenig ausgesprochen ist. An der äusseren Seite reibt deutlich noch die Fibula an dem Rollhügel, um ein Ausweichen des Knochens aus der flachen Ge- lenkfläche des Caleaneus zu verhüten. Die Vorderseite des Fer- senbeins bildet eine doppelte Fläche, eine grössere für das Na- vieulare und eine kleinere Fläche von dreieckiger Gestalt für das Cuboideum. Diess ist auch wiederum Charakter des Rh. suma- trensis, von dem sich incisöivus nur durch bedeutendere Grösse unterscheidet. Dieses misst 11, jener 9 CM. in der Breite, in der Länge aber 9 und 7. Die Astragali der Bicorner sind nie breiter als lang. So misst ein tichorkinus von Stuttgart nach beiden Richtungen 0” 095. Aus- serdem ist die äussere Rolle nahezu ums Doppelte breiter, als die innere. Diesem Bau der Rolle entspricht die Calcaneusfläche, welche in eine äussere und innere Fläche durch einen tiefen Sinus abgetheilt ist. Die äussere unter der breiten Rolle lie- gende Fläche ist eine tief ausgehöhlte Pfanne, die nach vorne sich etwas umstülpt, die innere Fläche ist eiförmig und flach, * Die Abweichung besteht nur in der Grösse. Denn Rh. suma- trensis misst in der Länge Om 13, hinten Om 06, vorne Om 09. Ganz besonders deutlich ist die Articulation mit der Fibula. 13 * — 196 — oder wenigstens kaum merklich convex. Die dritte vordere Fläche hängt sich nur wie ein schmaler Streifen an und zieht sich nach aussen. Cuboidal- und Navicularfläche gehen nur durch eine schwache Leiste getrennt fast ineinander über. 2. Die zweite Form der Steinheimer Tarsus-Beine weicht von der ersten incisivus-Form so entschieden ab, als Bicorner vom Unicorner, und lässt sich jeder einzelne Knochen als dem ersten oder zweiten Typus angehörig, mit grosser Bestimmtheit erkennen. Der Calcaneus von 0” 125 Länge und 0%. 075 grösster Breite hat 3 abgetrennte Astragalusflächen. Die äussere bildet einen ganz ausgesprochenen Condylus, d.h. eine tief versenkte Grube, aus der sich eine Gelenkrolle erhebt. Die innere Fläche auf dem Sustentaculum ist regelmässig abgerundet, einer Dreh- scheibe gleich, die vordere schmal dreieckig. Sämmtliche 3 Flä- chen sind durch Buchten von einander getrennt. Die Cuboidal- fläche ist breit, schwach ausgekehlt und steht ziemlich horizontal mit schwachem Abfall nach innen. Der dazu gehörige Astraga- lus ist so lang als breit, d.h. 0% 08. Zwischen der Rolle und der Navicularfläche schiebt sich eine Bucht ein, Sinus tarsi am menschlichen Skelett, welche die Längendimension des Knochens veranlasst. Die äussere Rolle ist noch einmal so breit als die innere. Die äussere Calcaneusfläche hat für die Gelenkrolle .des Calcaneus eine tiefe Pfanne und. für dessen Grube eine Rolle, die beiden andern entsprechen genau den Flächen am Fersen- bein. Man sieht deutlich, wie der Bau dieses Knochens schon den Typus des späteren tichorhinus trägt, bei aller Aehnlichkeit aber sich doch seine Individualität wahrt. Die übrigen Fusswurzelknochen treten gegenüber den beiden vorangehenden an Wichtigkeit zurück. Sie hängen zwar von der Form dieser Knochen ab, bieten aber überhaupt selten etwas Charakteristisches. Zwei sehr gut erhaltene Os cuboideum unterscheiden sich nur durch ihre Maasse vom sumatranischen Skelett. Die Steinheimer Form misst in der Richtung von oben nach unten 0% 035. Ah. sumatr. 0” 04. von aussen nach innen 0” 045. „ e 0» 05. von vorne nach hinten 0” 07. > > 0” 08. SL N Der einzige Unterschied, der an den Flächen zu finden, besteht in der Articulation mit dem Cuneiforme tertium et secundum, an welches das Cuboideum des sumatranischen Nashorns vorne mit . 3, hinten mit 1 Fläche gelenkt, während das Steinheimer Thier vorne 2 und hinten 2 Flächen hat. Wiefern das auf indivi- duellen Unterschieden beruht, vermag ich aus Mangel an Mate- rial nicht zu sagen. Von Os scaphoideum haben wir 5 Stücke von 3 verschiede- nen Grössen, die in Betreff der Form und Gestalt sowohl unter sich als mit dem Thier von Sumatra stimmen. Die Astragalus- fläche misst bei Rh. sumatr.: bei der grossen Form, mittleren, kleinen 0% 07 0” 07 0” 06 07 05 die vordere Höhe: 0% 025 07 03 0% 025 0" 025. Os cuneiforme primum und das verwachsene secundum und tertium weichen vom sumatranischen Thier kaum etwas ab. Der Mittelfussknochen sind es 3 ausgebildete und 1 Rudiment des grossen Zehengliedes. 1) Der rudimentäre Meia- tarsus pollex hat oben 2 Flächen, deren eine mit dem Metat. index gelenkt, während die zweite gebrochene Fläche an das Cuneiforme und Scaphoideum greift. Am Skelett von Sumatra beträgt die Länge dieses Knochens 0” 07 und die Breite an den Ansatzflächen 0” 045. In seiner Gestalt gewinnt er grosse Aehn- lichkeit mit dem pisiforme des Vorderfusses. Von Steinheim be- sitzen wir zwar den Knochen nicht, aber die Ansatzflächen am Kahnbein und Keilbein bekunden das Vorhandensein dieses vier- ten rudimentären Gliedes bei derselben Steinheimer Art, deren Sprungbein und Fersenbein mit dem Thier von Sumatra stimmt. Es giebt aber neben dieser Art ein Steinheimer Rhinoceros, das - kein Daumenrudiment hatte. Ein äusserer Tuber am Index erinnert nur noch an das bei den typischen Unicornern ent- wickelte Glied. 3) Der zweite Zehen am Skelett von Sumatra, Index, der erste entwickelte Phalangenträger, ist 0% 15 lang, 0% 05 breit und oben 0” 048, unten 0% 038 dick. Er ist das flächenreichste — 198 — Glied, mit 6 Ansatzstellen für den Tarsus 1) einer seitlichen gegen den rudimentären Pollex, 2) der grossen oberen Mittel- fläche gegen Cuneiforme secundum, 3) 2 seitlichen Flächen gegen Cuneiforme primum, 4) 2 seitlichen gegen den Metatarsus medius. Von dieser Indexform weicht der Index des andern kurz- gliedrigen aber breitgedrückten Fusses ab (Fig. 5... Er gehört einer Rhinocerosform ohne Dauimenrudiment an, wie der äussere Knorren deutlich zeigt. Seine Totallänge ist 0” 09, seine Breite, oben wie unten 0” 05, die Dicke 0” 045. Ausser der Cunei- formfläche hat er nur 2 seitliche Ansatzstellen gegen den mitt- leren Mittelfussknochen. 4. Der dritte Zehen am Skelett von Sumatra, medius, das stärkste, kräftigste und allein symmetrische Glied des Hinter- fusses misst in der Länge 0% 16, in der Breite 0” 065, in der Dicke 0% 05 und 04. Der Ansatzflächen zählt man oben 5, nämlich 1 grosse obere zum Keilbein und je 2 seitliche zum Index und Annularis. Ganz die gleiche Form finden wir auch wieder vor, von nahezu derselben Grösse und Stärke. Daneben aber wieder die kurz und breitgliedrige Form (Fig. 4.) von 0% 115 Länge, 0” 07 Breite und 0% 045 Dicke. 5. Der vierte Zehen am Skelett von Sumatra, Annularis, ist 0” 14 lang, 0" 04 breit und 0” 05 dick. Ausser der Haupt- fläche zum Würfelbein, stösst er an seinem oberen Ende mit 2 Flächen an den Mittelzehen und einer kleinen an das grosse Keilbein. Zwei solcher Zehen hat uns Steinheim erhalten, die an Länge sogar noch die Sumatraform übertreffen, 0” 145 lang, dagegen schmäler und schlanker (0” 035 und 0” 04). Die Phalangen. Die Maasse der Mittelphalangen be- tragen: Länge obere Breite untere Breite. Phalanx I. 0” 045 0” 057 0” 09. 5 I. 0” 035 0” 065 0” 055. „ III. 0” 045 0” 085 0” 09. Die Verbindung des Phal. I mit den Metatarsus geschieht mittelst 2 paariger Sesambeine, deren vertiefte Flächen in der un El Rolle des Metatarsus laufen. Auch diese mittleren Phalangen sind nicht ganz symmetrisch, indem sie nach aussen zu, d. h. gegen den Annularis, anschwellen. Die zweiten Phalangenglieder haben oben eine kaum vertiefte Fläche, unten aber eine schmale, starke Rolle, die mit den dicken Phalangengliedern mittelst eines sehr schmalen Sesambeins artieulirt. Die Maasse der seitlichen Phalangen betragen: Länge obere Breite untere Breite Phalanx I. 0" 035 0” 045 0” 045. n I. 0” 030 0” 045 0” 035. II. 0" 035 0” 07 » Man kann die beiden unteren Phalangen geradezu je als halbe mittlere Phalangen ansehen, die an einander gehalten die Gestalt der mittleren Zehenglieder erhalten. Zwei paarige dicke Sesambeine mit je 2 Flächen, von denen 2 gegen die Metatar- salrollen, 2 gegen den Phalangen gekehrt sind, verbinden die Zehen mit dem Mittelfussknochen, zwischen dem 2ten Zehen und dem Hufglied haftet nur ein kleines schmales Sesambeinchen. Vom Gesichtspunkt des sumatranischen Rhinocerosfusses wur- den die Dutzende von Steinheimer Phalangen sortirt. Entspre- chend der seitherigen Trennung der Knochen in eimerseits die Sumatraform, andrerseits die Form der kurzen und breiten Glieder, reihen sich die einzelnen Phalangen bald dem einen, bald dem andern Typus an. Die sich an das Thier von Sumatra an- schliessen, weichen nur unwesentlich in der Grösse ab, um so kürzer aber breiter werden die andern Typen. Länge obere Breite untere Breite Phalanx. I... 07.03 0” 053 0” 046. n I. 0902 0” 06 0” 05. II. 0° 04 0m 08 0” 085. ” In diesen Maassverhältnissen schliessen sich entsprechende Zehenglieder an einander an, womit freilich nicht bestimmt aüs- gesprochen werden soll, dass die Glieder Eines Individuums ge- nau dieselben Maasse tragen. | Gehen wir von den Einzelknochen des Hinterfusses gleich zu denen des Vorderfusses über, so kommt diesen zwar nicht —, 200° — dieselbe Bedeutung für den ganzen Bau des Skelettes zu, wie jenen, aber immerhin genügt oft die eine oder andere Fläche an denselben, um Abweichungen eines Geschlechtes von dem an- dern zu constatiren. Zu Grunde liegt uns wieder das Skelett von Sumatra. 1) Erste Reihe der Handwurzel: Die Fortsetzung des Radius bilden die beiden ersten Hand- wurzelknochen: Scaphoideum und Semilunare. Das erstere ist 0" 09 breit und 0” 06 lang. Die obere Hauptfläche, tief ge- wölbt und dreifach gebrochen, articulirt mit dem Unterende der Speiche. Zwei innere seitliche Flächen berühren das Semilunare. Drei untere Flächen berühren 3 verschiedene Knochen: das äus- sere am Trapezoidbein sitzende Daumenrudiment, das Trapezoid- bein selbst und das Os magnum. Semilunare ist gleichfalls die Fortsetzung der Speiche, 0" 055 lang, 0” 05 breit und 0” 08 tief. Der oberen grossen convexen Radiusfläche gegenüber ist die untere gebrochene und concave Fläche zum Os magnum und hamatum, an den Seitenwänden ar- ticuliren das Scaphoideum und Triquetrum. Beide Knochen fanden sich in verschiedenen wohl erhalte- nen Exemplaren in Steinheim, und zwar von der Sumatraform ebenso, wie von der abweichenden BDrachypus-Form. Beide For- men weichen nicht blos durch die Grösse von einander ab, son- dern namentlich das Scaphoideum durch das Fehlen der äusseren Pollexfläche, so dass wie der Hinterfuss so auch der Vorderfuss als ein rein tridactyler Fuss sich bekundet. Die Metacarpal- glieder bekräftigen diess noch ferner. Die Fortsetzung der Ulna bildet Os triquetrum und Pisi- forme. Weder am Skelett von Sumatra, noch an den Steinheimer Resten lässt sich etwas Bemerkenswerthes beobachten. Pisiforme ist ein schippenförmiger Knochen mit 2 dreieckigen Flächen, deren eine die Ulna, die andere Triquetrum berührt. 2) In der zweiten Reihe der Handwurzelknochen stehen zu- erst ein überzähliger Knochen, der am ehesten als Pollexrudiment angesehen wird, von 0% 04 Länge und 0” 025 Breite. Auf der Innenseite 3fach gebrochene Fläche, die mit dem Scaphoideum, Trapezoideum und dem Index artieulirt. Der Knochen hat die — 201 — Bestimmung neben der, den ersten Finger zu repräsentiren, die erste Reihe der Carpalknochen mit der zweiten zu vermitteln. Cuvier nennt den Knochen „Os conique au lieu du trapeze et du pouce“. Blainville sieht ihn als Trapezknochen an. Von Steinheim fehlt dieser Knochen. Dagegen sind 4 Stücke von Os trapezoideum vorhanden, an denen eine eigene Ansatzfläche von Pollex nicht beobachtet wird. Neben dem Trapezoideum ist Os magnum ein nicht zu ver- kennender sehr flächenreicher Knochen von der Gestalt eines Halbstiefels. Die Steinheimer Knochen stimmen vollständig, ebenso auch Hamatum (unciforme). Mit den Mittelhandknochen wiederholen sich alle die Ver- hältnisse, die wir am Hinterfuss trafen. Die grösste Länge des Metac. medius ist 0” 185 bei einer Breite von 0” 07 und einer Dicke an der Rolle von 0” 04. Ueber ein Dutzend Metacarpi zeigen dreierlei Grössen. Die erste weicht vom Skelett von Su- matra nur wenig ab, sie misst 0” 19, 0% 05 in der Breite und 0” 035 in der Dicke, die zweite ist 0% 17 lang, 0" 075 breit und 0” 055 dick. Die massige Rolle weist namentlich auf breite, gedrungene Phalangenkörper hin, wie sie in Fig. 12 gezeichnet sind, von welchen nicht mehr gesagt werden kann, ob sie am Hinter- oder Vorderfuss Dienste leisteten. Die dritte Form ist 0” 15 lang, 0” 07 breit und 0” 045 dick. Während die erste Form mit den oberen Flächen sich an sumatrensis anschliesst, weichen die beiden letztern durch einfachere Flächen auf der Annularisseite ab. So stimmen auch bei Metac. index die seitlichen gegen den medius gekehrten Flächen nicht, abgesehen von den Grössen- Verhältnissen, welche bei sumatrensis eine Länge von 0” 165 und eine Breite von 0% 05 ergeben, bei der bdrachypus-Form 0” 13 und 14 Länge und 0% 055 und 06 Breite. Endlich ist auch Metac. annularis recht characteristisch. Er ist am Skelett von Sumatra 0” 145 lang, oben 0” 06, unten 0” 05 breit. Neben der tief gewölbten Hauptfläche, welche den Kno- chen mit dem Os hamatum verbindet, und den beiden inneren Flächen zu medius ist eine kleine äussere Fläche vorhanden, für LED den zwar verkümmerten, aber eben doch selbständig vorhandenen kleinen Finger. Diese Fläche fehlt unserer brachypus-Form. Lang ist der Annularis derselben 0” 125 oben, 0” 045 unten, 0” 06 breit. Am wenigsten specifische Unterschiede bieten die übrigen Extremitätenknochen dar, von welchen das eine oder andere Stück in theilweise ausgezeichneter Erhaltung vorliegt. So ein Femur von 0" 55 Länge, bei einer Breite oben von 0" 235, in der Mitte 0” 160 unten, über die Condyli gemessen von 0” 170. Ein dritter Trochanter ist stark entwickelt und nach vorne wul- stig umgestülpt. Dieser Femur übertrifft nach allen Dimensionen das Skelett aus Sumatra um ein Weniges, denn hier sind die Maasse in derselben Weise wie oben: 0” 5, 0% 21, 0” 16, 0" 17. Ganz in ähnlichem Verhältniss steht das vorhandene Becken, das ohne Zweifel zum gleichen Individuum gehört, wie Femur. Die Tibia des sumatranischen Thiers hat folgende Maasse: grösste Länge 0m 355, grösste Breite oben 0" 13, grösste Breite unten 0” 1, geringster Durchmesser in der Mitte 0” 055. Hieran schliesst sich ein Schienbein von 0% 33, während ein anderes von 0” 29 den dbrachypus-Typus repräsentirt. Hier ist ein viel massigerer Knochen, namentlich die Spina tibiae stärker entwickelt, dess- gleichen auch der hintere hackenförmige Fortsatz, der die Rolle des Astragalus fasst. Ausserdem ist nicht zu übersehen, dass von einem Ansatz der Fibula nirgends etwas zu sehen ist. Diess stimmt wieder auf erfreuliche Weise mit den oben mitgetheilten Beobachtungen am Calcaneus und weist unsere drachypus-Form in die Nähe von tichorhinus. Das ganze untere Gelenk der tichorhinus-Tibia ist flacher, es fehlen die ausgebildeten Malleo- lus und die Spina, die in die Fossa dorsalis greift. Ebenso fehlt vollständig jeder Ansatz für die Fibula. Weniger Werth für die systematische Beurtheilung haben die vorderen Extremitäten, die wir mehrfach von der kleineren brachypus-Form besitzen. Besonders stark und massig macht sich der Oberarm durch den grossen und kleinen Höcker, doch spre- — 203 — chen sich besondere Unterschiede an den beiden Formen nicht aus. Am Vorderarm gibt eine Vergleichung von Radius und Ulna des Skeletts von Sumatra folgende Maasse: Radius des Rh. von Sumatra von Steinheim Danze; 0 wer an .r. 020555, 0m 32, grösste Breite... ).... 0% 15, 0” 095, geringste Breite . -. . . 0” 0052, 0” 05, Cubitus Gesammtlänge . . . .. 0m 445, 0239, Länge bis zum Olecranon . 0” 38, 0” 33, Breite am Olecranon . . 0” 125, 0” 120. Der grösste Unterschied ruht in der Form der unteren Ra- dius-Fläche zur Handwurzel. Am Skelett von Sumatra ist sie aussen hoch gewölbt und nach vorne tief eingebuchtet, die Se- milunarfläche aber sehr flach. An der Steinheimer brachypus- Form ist die Scaphoidalfläche viel runder und flacher gewölbt, die vordere Einbucht kurz, dagegen die Semilunarfläche tief ge- wölbt. Die Ulna bietet keinen Unterschied der Form dar. Das Resultat unserer Untersuchungen fasst sich nach Allem darin zusammen, dass wir an der Hand der Steinheimer Rhino- ceroszähne die 4 Arten zu unterscheiden im Stande sind; in- eisivus, brachypus, sansaniensis und minutus, welche Cuvier und Lartet zu Autoren haben und an den verschiedensten Or- ten innerhalb des miocenen Gebiets von Europa gefunden worden sind. Sehen wir von den Zähnen ab und beachten wir allein nur die zahlreichen Knochen, so halten diese mit den Zähnen wohl gleichen Schritt, was überhaupt das Zahlenverhältniss der Rhinocerosknochen zu den Zähnen anbelangt, aber die Zusam- mengehörigkeit der einzelnen Zähne und Knochen ist mehr ver- muthet als bewiesen. Jedenfalls bieten sämmtliche Knochen nicht etwa 4 unterscheidbare Formen, wie die Zähne, sondern entschie- den nur 2. Die eine Form von Skeletttheilen, die wir mit den Zähnen des Ach. incisivus vereinigten, weist auf das lebende Nashorn von Sumatra, dessen Skelett unsere Sammlung glück- licher Weise besitzt und das bis aufs kleinste Detail bei der Untersuchung verglichen worden ist. Ausser dieser Unicorner- — 204 — Form finden sich nicht etwa noch 3 oder 2 andere Formen, sondern entschieden nur 1 weiterer Typus, der einzig nur durch Maassverhältnisse sich unterscheidet, ohne dass jedoch die ein- zelnen Grössen constant blieben. Sind nun dbrachypus, sansa- niensis und minutus wirkliche Arten, su vertheilen sich wohl die Knochen in der Art auf dieselben, dass die grössten zu drachy- pus gehörten, die nächste Grösse auf sansaniensis fiele und die kleinsten mit minutus zu vereinigen wären. Liegt dagegen der Hauptwerth bei Beurtheilung des Rhinoceros in den Knochen und nicht in den Zähnen, so hätten wir es nur mit 2 Arten zu thun: der drachypus-Form und inciswus-Form, wobei immer die Frage offen gelassen werden muss, ob wirklich die grössten Knochen und die grössten Zähne zusammengehören, d. h. das Unicorner- Skelett zu incisivus gehört. Ich halte es nur für wahrscheinlich, sicher bin ich nicht; um so weniger, als die Zähne unseres su- matranischen Thieres viel grössere Aehnlichkeit mit Rh. sansa- niensis zeigen, als mit incisivus. Dass eine Reihe von Fehlern andere Autoren, die über ter- tiäre Rhinocerose schrieben, gemacht haben, ist mir zur vollsten Gewissheit geworden. Ich schweige darüber stil. Um ganz sicher sich aussprechen zu können, sind noch Thatsachen zu er- warten, und bleibe bis dahin die Frage über die Natur der 4 Steinheimer Nashorne eine offene Frage! Tapirus suevicus. Taf. VIII, fig. 9. Tapirzähne gehören zu den grössten Seltenheiten, fehlen aber doch nirgends in der schwäbischen Miocene. Skelettreste sind noch nicht gefunden, wenigstens noch nicht als solche er- kannt worden. Ausser unserem Fig. 9 abgebildeten Zahn exi- stiren überhaupt nur noch einige Zähne aus den Bohnerzen, ein Unterkieferstück mit 5 Zähnen aus dem Graben der Michelsfeste bei Ulm und einige Zähne von Engelswies in unseren Sammlun- gen. Die Bohnerzzähne, von Jäger längst veröffentlicht (Jäg., f. Säugeth. Württb., Taf. IV, 44, 45, 46, 47) und Lophiodon, petite espece d’Argenton, zugeschrieben, stimmen vollkommen mit dem Ulmer Tapir, das H. v. Meyer Tapirus helveticus genannt — 205 — hatte (cf. Leonh., Jahrb. 1840, 584.). Unser Steinheimer Zahn M II des linken Unterkiefers ist etwa noch einmal so gross als T. helveticus, länger und jedenfalls um ein Namhaftes breiter als T. arvernensis, Croizet et Jobert. oder T. priscus Kaup. Vergleichen wir unsern Zahn mit dem entsprechenden Zahn des indischen und amerikanischen Tapirs, so finden wir, dass er in demselben Maass die Grössenverhältnisse des indischen Tapirs übertrifft, wie das indische grösser ist, als das amerikanische. Bei Tap. americanus von Surinam misst der betr. Zahn 22 und 15 MM., bei T. indicus von Sumatra 24 und 17, unser Stein- heimer Zahn 26 und 22. Der bedeutende Zahndurchmesser von aussen nach innen, eine viel stärkere Basis des Zahns, die sich durch einen Schmelzkragen mit zart gefälteltem Schmelz aushebt, endlich eine schiefere Stellung der Kauflächen, die nicht recht- winklig zur Axe des Kiefers stehen, berechtigen jedenfalls zur Aufstellung einer besondern Art, ja vielleicht werden weitere Funde von Praemolaren lehren, dass eines der mit Tapir ver- wandten Genera vorzuziehen ist. Soll an die lebenden Formen angeknüpft werden, so bietet T. bicolor, wie schon H. v. Meyer und A. ausgesprochen haben, mit seinen durchweg grösseren Zahnverhältnissen viel eher einen Anknüpfungspunkt, als das amerikanische Thier. Ausser den Zäh- nen zeichnet sich T. bicolor durch die starke Wölbung der Stirne aus, die sich über das Hinterhaupt erhebt. Beim Amerikaner fällt im Gegentheil das Hinterhaupt, das den höchsten Punkt des Schädels bildet, in der Crista sagittalis zur Stirne ab. Vorbehältlich neuer Funde, die vielleicht auf das Genus Lo- phiodon oder Pachynolophus hinweisen, gebe ich der auf jeden Fall noch unbeschriebenen Art den Namen „swevicus“ zum Un- terschied von der H. v. Meyer’schen Art Tapirus helveticus. Chalicotherium antiquum Kaup. Taf. VIII, fig. 8. 10-13. Neue Beiträge zu diesem äusserst seltenen Thiere, von wel- chem in Schwaben meines Wissens bisher noch keine Spur ge- funden wurde, vermag auch Steinheim nicht zu liefern. Es con- statirt einfach die Thatsache, dass das Thier bei uns gelebt hat, = 200 5 das in seinem Zahnbau zwischen Anoplotherium und Rhinoceros sich stellt. Die 3 Zähne Fig. 10, 11, 12 stellen die Funde von Stein- heim vor. Ich lasse sie gut abbilden, weil es überhaupt noch keine gute Abbildung von Chalicotherium-Zähnen gibt. Denn die Kaup- schen Zeichnungen von 1833 sowohl, als die von 1859 sind schauerlich missrathen, und auch die Blainville’sche so wenig scharf und genau, dass Niemand einen richtigen Begriff von die- sem eigenthümlichen Zahnbau bekommt. Fig. 12 ist ein linker oberer Backenzahn, nach Analogie von Zrhinoceros M II, jeden- falls ein ächter Backenzahn. Ein äusseres Schildblech, Wförmig angekaut, so gross als es nur die ächten Palaeotherien tragen, greift auf die Oberseite der Zahnkrone herein. Zwei Falten ziehen sich von der Innenseite der Krone gegen den äusseren Schild, beide gehen von inneren Hügeln aus, wie es bei sämmtlichen Palaeotherien, Anoplotherien, Anchitherium, Tapir u. s. w. der Fall ist, und sind von einem durchlaufenden Schmelzkragen umgeben, auf welchem sich vor dem Vorjoch ein eigener, von innen nach aussen hingezogener Hügel erhebt. Am augenfälligsten ist der in der Mitte des Zahns befindliche, rings abgerundete Schmelz- hügel, an den sich die Vorderfalte anlehnt. Gleich hinter ihm steht ein weiterer kleiner Hügel, der Vorhügel vor dem Nach- joch und auf der Hinterseite endlich macht der Halskragen, der zur Hauptkrone noch ein Nebenthal bildet, abermals Versuche, Hügel und Wülste zu bilden. Was die Wurzeln des Zahns be- trifft, so existiren in Wirklichkeit nur 3 abgesonderte, breite, nicht sehr hoch hinaufgreifende Wurzeln, eigentlich aber sind es verwachsene Wurzeln, indem die breite innere Wurzel aus 3 Aesten und die beiden vordern und hinteren äussern je aus zwei verwachsenen Stücken besteht. Ein besonderes Wort verdient der Zahnschmelz. Die Zahn- prismen des Schmelzes, rechtwinklig auf das Zahnbein gestellt, sind so angeordnet, dass sie vielfach unter einander verschmol- zene Gänge bilden, die von den beiden Seiten des Zahns ebenso, wie von der grossen Medianfalte aus gegen die Mitte des Schild- blechs schief sich hinziehen. In der Mitte vereinigen sie sich — 207 — und bilden hier eine schwache Gräthe, welche nach Kaup für Ch. antiquum bezeichnend sein soll, während bei G@oldfussis eine ebensolche Rinne beobachtet wird. Um den innern Hügel legen sich die zarten Schmelzlinien als horizontale Curven und gehen von der Spitze an bis zur Basis rings herum. Fig. 11 ist ohne Zweifel der erste Vorbackenzalın. Das äussere Blech hat eine einfache mediane Falte, welche dasselbe in 2 ziemlich gleiche Hälften theilt. Zwei, beziehungsweise drei innere Hügel, von denen aber nur der hintere seine Falte nach aussen und vorne entsendet, der andere Hügel und der dritte Nebenhügel auf dem Halskragen aufsitzend, bleiben isolirt. Fig. 8 sehe ich als den dritten Praemolaren an. Beide Halb- monde noch sehr ausgesprochen, beide erheben sich in ihren Hör- nern zu 2 Mittelspitzen. Der vordere Halbmond geht im die Länge und wird dadurch im Vergleich mit dem hinteren ver- zogen. Die bei dem Molaren schon erwähnten zarten Schmelz- curven lassen auch an ihm sich erkennen. Fig.10 ist einer der unteren Molare. Die Anlage der Schmelz- linien ist die gleiche wie bei den oberen Backenzähnen. Die zarten Linien ziehen sich vom Oberrand schief gegen die Falte der Halbmonde, die an ihren Enden jeder 2 besondere Pfeiler- spitzen trägt, so dass in der Mitte der Innenseite, wo die bei- den Halbmonde zusammenstossen, 2 solcher Pfeiler sich erheben. Vollständig der Character der Anchitherien, in deren nächste Nähe sich Chalicotherium stellt. Ausser den Zähnen ist Chalicotherium fast ganz ungekannt. Indessen liegt es nahe, den Mittelhandknochen Fig. 13 hier bei- zuziehen. Ein linker äusserer Metacarpus, dem zwar die Rolle zu den Fingergliedern fehlt, dessen obere Fläche (ad unciforme) jedoch erhalten ist und auf nur zwei Mittelhandknochen weist. Nach seiner Mittelhand schlösse sich Chalicotherium an das eocene Anoplotherium an, wohin es auch die Franzosen unter dem Lar- tet’schen Namen Anisodon stellen. Es würden sich hienach in ähnlicher Weise die beiden Geschlechter Anoplotherium und Cha- lkkcotherium zu einander verhalten, wie das miocene Anchitherium zum eocenen Palaeotherium. — 208 — Chaeropotamus Steinheimensis. Tafel VII, fig. 1—6. 14. Bei der Wahl des Geschlechtsnamens Chaeropotamus Cuv.* für unsere Steinheimer Pachydermen folge ich P. Gervais **, der keinen Anstand nahm, den Namen des eocenen Geschlechtes aus den Gypsen von Paris auf ein miocenes Geschlecht aus den Süss- wasserkalken von Debruge und Barthelemy zu übertragen, um so mehr, als H. v. Meyer schon 1834 die Unsicherheit nachgewie- sen hatte, die über die Kenntniss des Cuvier’schen Geschlech- tes herrschte. War doch dieser gelehrte Kenner der Fossile an- fänglich in Versuchung gekommen, sein Ayotherium Sömmeringü (Georgsg. pag. 55) mit Chaeropotamus zu vereinigen, wäh- rend Kaup ebenso im Rechte ist, bei dem Genusnamen Sus zu bleiben, denn seine Zähne (Taf. VI, 4) wie auch die Meyer- schen (Georgsg. II, 9—14) zeigen ächten Schweinstypus. Das Wichtigste ist, dass wir einen neuen Beitrag erhalten zu der so wunderlichen Thiergruppe, die in Cynochaerus Kaup, Hyopo- tamus Owen und Entelodon Gervais ihre nächsten Verwandten hat. Leider kennen wir nur sehr fragmentarisch diese Gruppe, die mit keinem lebenden Geschlechte zu vereinigen, die Mitte hält zwischen Schwein und Raubthier. Die Molaren des C’hae- ropofamus sind die Molaren eines Schweins, während die Prae- molaren an Hund oder Hyäne erinnern. In dieser Hinsicht hätte Kaup den besten Namen gewählt: „Hundeschwein“ oder Cyno- chaerus. Ich bilde auf Taf. VIII, fig. 1—6 Alles ab, was ich in 15 Jahren von diesem seltenen Thiere bekommen habe. Der erste Fund bestund in einem Kieferstückchen mit 2 Zähnen, die * Die Cuvier’sche Bezeichnung gründet sich (Oss. foss. III, Taf. 51, fig. 3) auf eine ziemlich vollständige Zahnreihe des Ober- kiefers und einen unvollständigen Unterkiefertheil aus den Gypsen des Mt.Martre. Die Grösse des Thiers erreichte die des Wildschweins nicht. ** Gervais (paleont. franc. pag. 196) hatte Anfangs für die Chae- ropotamus jüngeren Alters den Namen affinis gegeben, in Anbetracht der Uebereinstimmung mit parisiensis wieder gestrichen. Nur auf den Tafeln 31 und 32 figurirt der Name affinis noch. Ob diese Vereini- gung wohlgethan ist, möchten wir bezweifeln. Die beiderlei Grössen sind doch zu verschieden und überdiess die beiderlei Erfunde zu un- vollständig, um die Vereinigung von 2 der Zeit nach so verschiedenen Arten damit begründen zu können. N ag eben gar nicht zu einander zu passen schienen. Wären sie nicht beisammen gesessen, so hätte man sie füglich unter 2 verschie- dene Thiergruppen unterbringen können. Die beiden Zähne sind, wie sich das später an Fig. 3, a, b herausstellte, der erste Mo- lar und der erste Praemolar. Bei Vergleichung mit lebenden Thieren war es das von Heuglin (Act. Leop. Bd. 30) neu auf- gestellte Geschlecht Nyetochaerus Hassama *, das in Betreff des Molaren vollständig, in Betreff des Praemolaren wenigstens etwas übereinstimmte. An dem Unterkieferstück (Fig. 1) sind 3 Mo- laren und 3 Praemolaren erhalten, das sorgfältig aufbewahrte Trümmerwerk des zerschlagenen Vordertheils zeigte uns 3 schweins- artige Schneidezähne. Von dem Eckzahn leider keine Spur. Ebenso fehlt, worauf am meisten Werth zu legen wäre, das Kieferstück hinter dem Eckzahn, so dass nicht einmal die Zahl der Prae- molaren angegeben werden noch über die Zahnlücke zwischen dem letzten und vorletzten Praemolar oder zwischen diesem und dem Eckzahn etwas gesagt werden kann. Die 3 Molaren tragen ächten Schweinstypus an sich. Ein- zeln gefunden möchte ich mich nie getrauen, sie von Hyotherium oder Sas unterscheiden zu wollen. So liegen denn auch seit Jahren einzelne in den Bohnerzen gefundene Molaren in unserer Sammlung, die v. Meyer und Jäger als Hyotherium Meissneri und medium bestimmt hatten, die ebenso gut unserem Thiere an- gehören konnten, als den genannten Schweinsarten. Nimmt man die ganz vortreffliche Arbeit von Peters ** zur Hand, so stimmt * Nyctochaerus Hassama, dessen Originalschädel in unserer Samm- lung liegt, zeigt in allen seinen Formen des Schädels wie der Zähne so viel Uebereinstimmung mit Sus larvatus, dass ohne weitere Be- gründung sich die Aufstellung eines neuen Geschlechts kaum recht- fertigen lässt. *=* K, F. Peters (zur Kenntniss der Wirbelthiere aus den Mio- censchichten von Eibiswald XXIX. B. d. Denkschr. Wien 1868) hat das seither nur mangelhaft gekannte Hyotherium Soemmeringiüi v. Meyer (1834 und 1841) auf die Eibiswalder Schweinsreste übertragen und in der Art wissenschaftlich verwerthet, dass er in Hyotherium eine jener fossilen Sippen erkennt, welche im innigsten Anschluss an Sus den Uebergang der Schweine der alten Welt zu dem abgeschlossenen amerikanischen Typus von Dicotyles einerseits und zur Gruppe der Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. ?2tes u. 3tes Heft. 14 — 0: die Schilderung der Molaren des Unterkiefers vom Eibiswalder Hyotherium Soemmeringü so merkwürdig überein, dass man glau- ben möchte, Peters habe bei seiner Beschreibung unsern Chae- ropotamus-Kiefer vor Augen gehabt. Als einzigen Unterschied finde ich nur, dass unsere Steinheimer Zähne etwas schmäler sind. Peters misst bei M. I. 0” 0163 von vorne nach hinten 0” 0133 am Vorderhügel und 0” 0124 am Hinterhügel von aussen nach innen gemessen. Ich messe 0% 017 in der ersten Richtung 0% 012 und 0” 0115 in der andern Richtung. Ebenso ist esauch beim zweiten Molar. Peters misst 0” 0194 und 0” 0153, ich lese 0% 0195 ab und O0” 014. Sonst aber stimmt, wie schon bemerkt, Alles was Peters vom vordern Wall und dem hintern Talon, von Querthal und Längsfurche und den Zwischentuberkeln sagt, bis auf’s Einzelnste hinaus. Und doch haben wir mit unserem Steinheimer Kiefer ein ganz anderes Thiergeschlecht, als das Ei- herbivoren Pachydermen andrerseits vermittelt. Das wichtigste anato- mische Moment, das Peters an dem Eibiswalder Hyotherium be- obachtet, ist die Degradation des Eckzahns zum Vorbackenzahn, wie er sich ausdrückt. Dieses Verhältniss tritt am Oberkiefer zu Tage, während im Unterkiefer sich noch schlanke Hauer am Männchen, aber auch an den Weibchen ein immerhin noch deutlich ausgesprochener Eckzahn beobachten lässt. Als Synonima fasst Peters zusammen: Sus antediluvianus Kaup und Sus chaerotherium von Sansan. Hyotherium Meissneri H. v. M. v. Wiesbaden. COhaeropotamus von Avary. Palaeochaerus major Pom. und P. typus Pom. Chaerotherium sansaniense Lart. 26 mammillatum Gerv. Chaeromorus simplex Gerv. Auch Kaup identificirt Hyotherium Soemmeringi mit seinem Sus an- tediluvianus (Ossemens 9, 5 und 6) und hat jedenfalls die Priorität für sich. Ebenso wird er seine Gründe haben, mit Sus palaeochoerus, von dem übrigens nur Molaren bekannt sind (vergl. auch Jäger, foss. Säugeth. Taf. V, 71) die Blainville’schen Arten von Avison, Anjou, Örleanais, Avaray zu vereinigen. — =2ıl -— biswalder. Ich möchte daher, so sehr ich für Reduction der zahl- reichen „Schweinsarten* bin, doch nicht dafür einstehen, dass sämmtliche von Peters zusammengefasste Namen nur das Ayoth. Soemmeringü H. v. M. 1841 bedeuten wollen. Ohne vollständige Zahnreihen vor sich zu haben, ist es geradezu unmöglich, etwas Sicheres über derartige Zähne auszusprechen. Vermag ich doch nicht einmal unsern 3ten linteren Molaren von dem Zahn ge- meiner Hausschweine aus unsern Pfahlbauten zu unterscheiden. Das Hauptgewicht ruht vielmehr auf den Praemolaren, von denen 3 erhalten sind: ob noch ein 4ter vorhanden war? Fände man sie vereinzelt, so suchte man bei Ayaena, Pterodon oder ähnlichen Carnivorengeschlechtern nach Anhaltspunkten der Vergleichung. PI ist (Fig. 3, b) durch eine Hügelspitze gebil- det, an deren Grund eine äussere Schmelzfalte sich hinzieht, die vorne und hinten zu einem Schmelzwulst sich verdickt. Der hin- tere Wulst ist stärker als der vordere. Kleine Nebenfältchen am hintern wie am vordern Wulst lassen doch Pachydermen- Charakter ahnen, denn Carnivoren sind derartige Falten fremd. Der Zahn misst 0% 018 von vorne nach hinten, 0% 014 von aus- sen nach innen. Er hat 3 Wurzeln, 2 hinten, die dritte vorne. P 2 ist grösser, um 2 MM. länger als P 1. Die Krone dieses Zahns ist gleichfalls aus Einer Hügelspitze gebaut, die noch höher und spitziger ist, als bei P1. Ein Schmelzkragen an der Basis bildet hinten einen förmlichen Höcker, vorne umgibt er einfach den Fuss der scharfen Kante, die steil zur Hügelspitze hinan- steigt. Der Zahn ist gleichfalls noch 3wurzelig, doch verwachsen die beiden hintern Wurzeln bald in Eine. Dagegen wird P 3 2wurzelig, seine Krone ist eine lang und schmal hingezogene Schmelzwulst, deren Gräthe hinten wieder eine Falte schlägt. Der Zahn sieht einem Anoplotherium-Zahn sehr ähnlich. Gervais zeichnet an Chaerop. affinis (Zool. frang. Taf. 31, 5) den ersten Backenzahn hinter der Lücke ganz anders, dort ist dieser Zahn hoch und spitzig. Noch eigenthümlicher nimmt sich der Zahn auf Taf. 32, 8 aus; an beiden Stücken ragt derselbe über die Zahn- reihe etwas heraus, schliesst sich auch nicht unmittelbar an den nächstfolgenden Vorbackenzahn an. Dies sind Unterschiede, die 14 * — 212, eine Verschmelzung unseres Chaeroptamus mit dem Thiere der Vaucluse bei sonstiger Aehnlichkeit nicht erlauben und den Lo- calnamen Steinheimensis rechtfertigen. Die Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers sind nach dem Typus der Schweinezähne gebaut. Fig.6,ab zeigt 3 Schneide- zähne, die mit dem Unterkiefer gefunden wurden. Es sind schmale, seitlich zusammengedrückte, lange Zähne, der erste vorderste zeigt diess am deutlichsten, der vorne glatt, hinten längs der ganzen Innenseite eine mittlere Längsfalte stehen lässt, die im 2ten Zahn noch stärker wird. Zudem ist der zweite Schneidezalın schon sehr schief gewendet und der dritte endlich macht eine doppelte Wendung von vorne nach hinten und zugleich von aus- sen nach innen, und ist die schon bemerkte Längsfalte auf der Innenseite ganz nach hinten gerückt, gewissermassen an diesem Zahn schon den hinteren Schmelzhügel ankündigend, der bei allen nachfolgenden Zähnen des ganzen Gebisses eine Rolle spielt. Der Zahn Fig.4, ab vermuthlich ein oberer Schneidezahn, eine breite, nach innen und hinten gekrümmte schiefe Schaufel vorstellend. Die nicht fehlende Medianfalte theilt die Innenseite der Zahu- krone in 2 ungleiche Hälften. Ausser den beschriebenen, ohne Zweifel Einem Individuum zugehörigen Zahnresten erhielt ich noch die Fig. 2 abgebildete Zahnreihe, die ich lange zu Hyoth. Soemmeringis oder Meissneri stellte. Die klare Darstellung von Peters belehrte mich bald eines Andern und glaube ich das Richtige zu treffen, diese Zähne als einem jungen Ühaeropotamus angehörig zu betrachten. Die vorderen 3 Zähne wären Milchzähne, der 4te hinterste wäre MI. Dieser Zahn ist noch ganz Keim, mit zartem Schmelz, noch nicht oder wenigstens kaum erst der Pulpa entwachsen. Die zahl- reichen Bildungswege des Schmelzes und der grosse Faltenreich- thum der Haupt-, wie der Nebenhügel lassen hier noch viel besser sich sehen, als es an dem schon von der Usur erfassten Zalın des Unterkiefers der Fall ist. Die 3 folgenden Milchzähne des Oberkiefers tragen ganz und gar das Gepräge der ächten Backenzähne, sie nehmen nur von hinten nach vorne an Grösse ab und verliert der vorderste — 213 — einen der 4 Hügel, so dass er nur als 3hügeliger Zahn dasteht. Der erste, d.h. hinterste Milchbackenzahn (D 1) ist 4wurzlig, entsprechend den 4 Hügeln auf der Krone des Zahns. Auf der äusseren Zahnseite stehen die stärkeren Hügel und die stärkeren Wurzeln, auf der Innenseite die schwächeren. Quertheilung wie Längstheilung des Zahns sind beide gleich deutlich, indem der Zahn durch ein Querthal und ein Längsthal zerschnitten ist, in welches zahllose Schmelzrinnen von den 4 Hauptspitzen des Zah- nes sich verlaufen. Auch D 2 ist noch 4wurzelig und 4hügelig und unterscheidet sich allein durch geringere Dimensionen von D 1. Dagegen ist D 3 vom eigenthümlichsten Bau: unter den lebenden Schweinen trägt kein einziges an seinen Milchzähnen, namentlich schon an einem der vorderen oder gar dem vordersten (worüber leider keine Gewissheit herrscht) so sehr den Typus der ächten Backenzähne. Genau genommen ist auch D 3 4hüge- lig, nur drängen die 2 vorderen Hügel sich zu einem Doppel- hügel zusammen, von dem ins Querthal 2 Kämme hinabziehen. Dem gemäss sind auch die Wurzeln höchst sonderbar: zwischen 3 Hauptwurzeln, 2 hinteren und 1 breiten vorderen stellen sich kleine Hilfswurzeln ein, die auf der Aussenseite wachsen und auch nach hinten noch eine Wurzel entsenden. Fig. 14 ist noch ein Mittelhandknochen abgebildet, der kaum einem anderen Thiere angehören wird, als unserem O'haeropota- mus. Es ist Metacarpus medius des rechten Vorderfusses. Ver- gleicht man ihn mit dem betreffenden Knochen eines alten Wild- schweins, so stimmt die Länge genau, die Breite an der oberen Gelenkfläche (zum Os magnum) ist bei C’haeropotamus geringer als bei dem Schwein. Gervais hat pl.33, fig.3 denselben Kno- chen, der übrigens durchweg schmäler und um 1 CM. kürzer ist, Palaeochaerus typus Pom. zugeschrieben. Im Uebrigen ist er geneigt, die noch vielfach unklaren Arten Anthracotherium ger- govianum, Hyotherium Meissneri, Chaeromorus, Ohaerotherium zusammenzuwerfen. 9 Unter allen Umständen steht fest, dass unsere Kenntniss um die tertiären Schweinsarten noch sehr mangelhaft ist und die Mehrzahl der publicirten Arten noch weiterer Funde und genauerer — 214 — Untersuchung wartet. Unserem Chaeropotamus am nächsten, vielleicht identisch, scheint Sus Belsiacus Gerv. 33, 7 von Montabusard zu sein. Die Art gründet sich auf einen eben im Schieben begriffenen Unterkiefer, an welchem P 1 am stärksten entwickelt ist. Einzelner Zähne von Belsiacus thut auch H. v. Meyer (Münchner Nachlass) Erwähnung, welche im Besitz von Herrn Wetzler in Günzburg sind. Aechten Schweinscharakter scheinen zu haben: 1) Sus ar- vernensis Croiz. et Jobert bei Blv. pl. 9. Die Praemolaren sind hier bedeutend reducirt: nach Meyer und Pictet steht ihm das siamesische Schwein sehr nahe. 2) Sus provincialis Gerv. Zool. fr. pl. 3, f. 1—6 aus der Molasse von Montpellier wird, obgleich ausser den Molaren nur 1 Praemolar bekannt ist, mit S. larvatus verglichen. Hiemit scheint Jäger’s Hyotherium si- deromolassicum übereinzustimmen. 3) Sus major Gerv. Zool. fr. pl. 12, fig. 2 von Cucuron, wo es mit Hipparion mediterra- neum sich findet, gleichfalls ächtes Schwein und noch dazu das grösste bekannte. 4) Sus erymanthius Roth und Wagner von Pikermi mahnt schon sehr an Sws scrofa ferus. Sehr mangel- haft charakterisirte Arten sind: Sus chaeroides Pom. von Apt (Vaucluse); ein Unterkieferstück mit 4 Zähnen vom Mte. Bamboli in Toscana, das ich der Freundschaft des Herrn Prof. G. Capellini in Bologna verdanke, hat in seinen Molaren mit Sus larvatus viele Aehnlichkeit. Ohne Kenntniss der Praemolare ist aber nichts Bestimmtes zu sagen. Sus chaerotherium Lart., nur in wenigen Zähnen bekannt, die an S. provincialis streifen. Sus Lockharti Lart. Blv. pl. 9 von Avary (von Blainville Ohaeropotamus genannt), trägt mehr einen Nilpferd- als Schweinscharakter. Sus lemuroides hat fast gar nichts mehr von Sus an sich, so wenig als Heterohyus armatus Gerv. 35, 14 das ein Pachyderme ist, an der Grenze der Fleischfresser mit einer geschlossenen Zahn- reihe. Zwischen Schwein und HZyraz endlich steht Hyraeotherium leporinum Owen, ein eocenes Thier in der Grösse eines Hasen. Hyopotamus aber (R. Owen, Quaterly Journ. 4, pl. VII.) ist ein zu Anthracotherium gehöriges Thier, dessen Molare denen des Palaeotherium ähnlich sind, während die 4 Praemolaren vom — 215 — Typus der omnivoren Pachydermen, einspitzig und 3hügelig sind, zwischen P 3 und P 4 ist eine Lücke, wie auch zwischen P 4 und dem Eckzahn. Anthracotherium selbst führt in einigen sei- ner Arten (velaunum und minimum von Cadibona (Bart. Ga- staldi, cenni sui vertebrati fossili del Piemonte 1858) Thiere auf den Schauplatz, die in den Molaren etwas von Schweinen und von Palaeotherium haben, in den Praemolaren sind sie Fleischfresser, im redueirten Eckzahn und den Schneidezähnen Ruminantien. Listriodon splendens H. v. Meyer. In Anbetracht der hintersten Molare, welche den schweins- artigen hinteren Höcker tragen und der riesigen, 24 CM. langen Hauer des Ober- und Unterkiefers, die sich fast wie bei Bab:- russa krümmen, wurde das von Meyer 1846 * aufgestellte Ge- schlecht, trotz der grossen Verwandschaft im Zahnbau mit Tapir zu den Porcinen gestellt. Ein neuer Beleg für die ausserordent- liche Mannigfaltigkeit der schweinsartigen Thiere zur Tertiärzeit, die uns leider zum weitaus grösseren Theil noch ganz unbekannt sind. Weiss man doch vom Skelett des Listriodon so gut wie nichts und sind auch die Steinheimer Funde keine neuen Bei- träge zur Kenntniss des Thiers, als vielmehr nur Beiträge, die Verbreitung dieser Art in Schwaben betreffend. Im Jahr 1859 erhielt Meyer (siehe den Münchner Nach- lass) aus Steinheim mitgetheilt einen rechten unteren Eckzahn. In Grösse, Querschnitt und selbst der Beschaffenheit der Ab- nutzungsfläche gleicht er so sehr einem der Chauxdefonder Eck- zähne des Listriodon, dass Meyer an der Identität nicht zwei- felt. Die äussere Spitze ist zwar abgebrochen, auch fehlt die Basis, aber dennoch lässt er sich sicher erkennen. Ebenso soll * Mai 1846 berichtet H. v. Meyer, Jahrb. 464 über die Tertiär- reste von la Chauxdefond, wo neben Lophiodon-Zähnen auch einige den Schweinszähnen sich nähernde Backenzähne lagen, die er Listrio- don splendens nannte. Später (Febr. 1850), Jahrb. 203, erhielt Meyer die gleiche Art von dem durch seine Dinotherien bekannten Manners- dorf am Leithagebirge in Oestreich. — 216 — Farbe und Erhaltungsweise des Fossils dem Steinheimer Vorkom- men entsprechen, dass auch über dessen Fundstätte kein Zweifel herrscht. Ich erhielt im Laufe des letzten Jahrzehnts nur Einen Zahn, den letzten Molaren des Unterkiefers, der aber charakte- ristisch genug ist, das Vorhandensein dieser Art in Steinheim zu bestätigen. Aus Sansan hatte ich indessen ein vollständiges Ge- biss des Ober- und Unterkiefers erworben und stimmt der Stein- heimer Zahn mit dem entsprechenden Sansaner aufs Haar. Das ganz Bigenthümliche der Listriodon-Zähne, das bei Gervais pl. 20, fig. 2, 3 sehr gut, in der Lethaea dagegen pl. 50 sehr schlecht wiedergegeben ist, ist der schiefe Steg, der von einem Querhügel der Molaren zum andern über das Thal hinüberführt. Auf der Hinterseite des hinteren Hügels bildet er einen Höcker, der im letzten 3ten Molar zum selbstständigen 5ten Hügel aus- gebildet ist. Viel öfter als in Steinheim hat sich Listriodon in Laichingen gefunden, gelegentlich einer Grabarbeit, die dort von den Bauern auf Wasser ausgeführt worden ist. In der Nähe von Basalttuffen grub man Süsswassermergel an, die auf die Aecker geführt, den dortigen trockenen Boden verbessern sollten. Bei diesem Anlass witterten Zähne und Knochen aus, welche der Auf- merksamkeit des H. Dr. Koch daselbst nicht entgingen. Sie gehören zum grössern Theil Listriodon splendens an (Anchithe- rium aurelianense, Rhinoceros sansaniensis und Cervus sind die wichtigsten mitvorkommenden Reste), vom Steinheimer und San- saner Vorkommen nicht zu unterscheiden. Anchitherium aurelianense. Taf. IX. Palaeotherium aurelianense Cuv. oss. foss. pag. 254, pl. 67, 2—12. Palaeotherium hippoides Lart. not. s. 1. coll. de Sansans. Palaeotherium de Sansan, Blainv. pl. VII. Anchitherium aurelianense H. v. Meyer, Georgensgm. pag.86. pl. VII und VIII. Hipparitherium Christol. Cts. rend. XXIV, pag. 374. Wenige Thiere nur spielen in geologischer wie in zoologi- scher Hinsicht eine gleich wichtige Rolle, wie das „Palaeothe- rium von Orleans“, das erstmals 1783 in den Steinbrüchen von Montabusard von Desay beobachtet und 1822 von Cuvier be- a N schrieben worden ist. In Deutschland war damals noch nichts Aehnliches bekannt, bis 1834 H. v. Meyer aus den tertlären Lagern von Georgensgmünd eine Reihe von Zähnen und Knochen zur Untersuchung bekam, an welchen er die Abweichung dieser Palaeotherienzähne von denen des Montmartre bei Paris noch schlagender nachwies, als es Cuvier bei dem mageren Material von Montabusard möglich gewesen. Seither wurde das Thier an verschiedenen Orten noch gefunden und als ein leitendes Fossil für das mittlere Tertiär erkannt. Es fand sich durch Ezquerra am Cerro de San Isidro bei Madrid, zu St. Genies bei Montpel- lier, bei Issel in Languedoc, namentlich aber zahlreich im Hügel von Sansan (Gers.). Durch die Bemühungen Lartets fanden sich hier so viele Skelett-Theile, dass im Jahr 1851 schon Lar- tet sein Thier von Sansans charakterisiren konnte, als ein Huf- thier mit 3 Zehen, von denen aber nur die Mittelzehe einen Huf trägt und den Boden berühren soll. Der Unterfuss soll durch- weg dem des Pferdes sich nähern, während die oberen Glied- maassen den Typus der Palaeotherien tragen. Gervais (Zoolo- gie etc. pag. 63) bringt das Thier wegen seines Trochanters am Femur und der Verhältnisse des Unterfusses mit Hipparion in Verbindung. In Schwaben fanden sich schon in den 40ger Jahren einzelne Zähne in den miocänen Bohnerzen von Melchingen, Sal- mendingen, Würtingen, die durch die H. Schmidt und Graf Mandelslohe in unsere Sammlung kamen. Alberti hatte in den Bohnerzen von Heudorf dessgleichen gesammelt, endlich lie- ferte mir auch der Hahnenkamm bei Heidenheim nebst einigen von Dr. Maak beschriebenen Lophiodonten ein Unterkieferstück mit 3 Molaren. Ausser dem Vorkommen in den Bohnerzen fand sich 1856 ein Oberkieferstück mit 4 Praemolaren in dem Kirch- berger Molassesandstein mit Paludina varicosa Br. und Melania turrita v. Kl., einem Sandstein, der nach dem gegenwärtigen Stande der Anschauung für untere Süsswasser-Molasse angesehen wird und vereinzelte Zähne in Engelwies bei Sigmaringen. Weit- aus das vollständigste Material jedoch lieferte Steinheim. Ausser vollständigen Backenzahnreihen in einer Erhaltung, die lediglich nichts zu wünschen übrig lässt, fanden sich auch die Knochen — 2l$ — von Extremitäten, die dem AHipparion so ähnlich sehen, dass ich anfänglich dieselben als zu diesem Geschlechte gehörig betrach- tete. Freund Zittel erst machte mich bei einem Besuche der Sammlung auf Anchitherium aufmerksam und fand sich nach näherer Vergleichung der einschlägigen Knochen seine Vermuthung vollkommen gerechtfertigt. Was die Art unseres Steinheimer Anchitherium’s anbelangt, so beliess ich es bei dem altgewöhn- ten Namen ‚„aurelianense“, von dem es auch, was den Bau und die Form der Zähne betrifft, nicht abweicht. Nur übertrifft das Steinheimer Thier in allen seinen bekannt gewordenen Resten das Thier von Georgensgmünd an Grösse und stellt sich an die Seite des spanischen Anchitherium’s. Im Nachlass H. v. Meyer’s findet sich der Jahrb. 1844, pag. 299 beschriebene Unterkiefer- zahn (M. II) von Anchith. Ezquerrae abgebildet, dessgleichen P 1 der rechten Oberkieferhälfte vom Cerro de San Isidro bei Madrid. Dieselben gehörten der Bronn’schen Sammlung zu, die jetzt im Boston (Nordamerika) aufgestellt ist. Hält man die mit der scrupulösesten Treue abgezeichneten Zähne an unsere Steinheimer, so überrascht in der That die grosse Aehnlichkeit. Die Grössen- verhältnisse sind allerdings noch bedeutender, indem der Zahn von Ezquerrae 0” 024 lang und 0” 0135 breit ist, der ent- sprechende Steinheimer misst 0” 021 und 0” 013. Für A. aure- lianense von Georgensgmünd gibt Meyer 0” 013 und 0” 012 an. Meine Messungen an Georgensgmünder Stücken ergeben so- gar noch etwas weniger. Die sonst unbedeutenden und für die Bestimmung der Art unwesentlichen Merkmale, auf welche Meyer hinweist, z. B. ler stärkere hintere Basalwulst mit der Neben- spitze, der höhere Winkel, zu dem sich der Halbmond in seinem Aussenrand erhebt und andere kleinere Abweichungen des spa- nischen Anchitherium’s vom Georgensgmünder, treffen beim Stein- heimer Thier in einer Weise zu, dass es jenem näher tritt als diesem. Ich möchte jedoch keine der von Meyer bezeichneten Abweichungen für so wichtig halten, dass sich die Aufstellung einer besondern Art auf sie gründen liesse und trete vollständig Kaup’s Anschauung bei, der die spanischen Reste als zu A- aurelianense gehörig betrachtet. Auch die Funde in unsern Bohn- — 219 — erzen weisen verschiedene Grössen auf, die in sexuellen Verhält- nissen begründet sein oder auf das Leben der Individuen in der Ebene oder in den Bergen Bezug haben mögen. Das Schönste, was ich von Steinheim in Händen habe, ist die Taf. IX, 1 ab- gebildete Backenzahnreihe des Oberkiefers, von dem ich die rechte und linke Hälfte besitze und die linke Hälfte (Fig. 1.) mit grosser Sorgfalt ab- gezeichnet ist. Das Gebiss gehörte nach dem Grad der Abnutzung der Zähne zu urtheilen einem alten Thiere an, indessen liegen auch ganz unberührte Zähne von jungen Individuen vor mir, wahrscheinlich auch Milchzähne, die ich jedoch nicht mit Sicher- heit zu bestimmen mir getraue. Das Gebiss besteht aus 4 Prae- mnolaren und 3 Molaren, die nach denselben Grundsätzen unter- schieden werden können, wie die Zähne der Pferde und der Hip- parien, d.h. an der vordern Eckfalte der Aussenwand, die bei den Praemolaren eine Schlinge macht, während sie bei den Molaren einfach ist. Rütimeyer hat (Beitr. zur Kenntniss d. fossilen Pferde, p. 94) auf dieses ebenso einfache, als sichere Hilfsmittel hingewiesen, das allen einzeln gefundenen Zähnen von Hipparion ohne Schwierigkeit ihre Stellung im Ge- biss anweist und seine Anwendung in vollem Maasse auch auf Anchitherium findet. Ein Blick auf die Zahnreihe zeigt, wie der Schwerpunkt des Gebisses in den Praemolaren ruht, was wir bei keinem ächten Palaeotherium finden, wohl aber bei Tapir, dann bei Hipparion und Equus. Von der Länge der vollständigen, geschlossenen, 124 MM. messenden Zahnreihe des Anchitherium fallen nämlich 70 MM. auf die Praemolaren, 54 auf die Mo- laren, bei Tapirus suillus von Surinam, dessen ganze Zahnreihe 135 misst, treffen 72 die Praemolaren und 63 die Molaren, bei Hipparion ist das Verhältniss 80 und 60, bei Pferd. 105 und 90. Der Bau sämmtlicher Backenzähne mit Ausnahme des letz- ten Praemolars (oder ersten Backenzalıns), ist nach dem Typus der Tapire: Zwei gleiche Querjoche setzen auf der Innenseite an. Sie gehen im ersten Drittheil der Zahntiefe rechtwinklig nach aussen, ziehen sich dann gleichmässig schief gegen vorne zum Zickzack der Aussenwand. Ein Schmelzkranz schlägt sich vorne — 20 — und hinten um die Querjoche und gibt dem ganzen Zahn eine oblonge Form. Auf der vorderen schiefen Schmelzfalte erheben sich, was bei unangekauten Zähnen sichtbar ist, im hinteren Querthal 2 Schmelzhöcker. Die beiden kräftigsten Zähne sind P1 und M1. Bei M2 verliert das hintere Querjoch an Breite, noch mehr bei M3, an welchem das Nachjoch dem Vorjoch gegenüber verkümmert. P 1, noch mehr aber P 2 und P3 unter- scheiden sich von M 1 durch die Schlinge an der vorderen Eck- falte des äusseren Schmelzbleches. P2 hat diese Faltenschlinge schon mehr als P 1, am stärksten tritt sie an P 3 hervor, der hiedurch seine länglicht viereckige Gestalt geradezu verliert und durch den äusseren vorderen Schmelzvorsprung verzerrt wird. Sämmtliche bisher beschriebenen Zähne sind 4wurzelig, beziehungs- weise 3wurzelig, indem die beiden inneren Wurzeln in Eine breite Wurzel verschmelzen. Ein 2wurzeliger vorderster Praemolar (P 4) legt sich in die vordere Bucht von P 2 hinein. Ganz und gar von der Form der 6 andern Zähne abweichend, besteht er eigentlich nur aus einer einfachen Schmelzschlinge, an Grösse kaum den 4ten Theil der Backenzähne erreichend. Ein bis jetzt noch von keinem Schriftsteller angeführtes Kennzeichen für Ar- chitherium beruht auf basalen Schmelzhügeln an der Innen- seite einzelner Backenzähne. Dieser Umstand ist für die Einreihung des Anchitherium-Zahns in die Nähe der Einhuferzähne ebenso als die der Tapirzähne von nicht zu unterschätzendem Werthe, obgleich das Vorkommen dieser Basalspitzen eigenthümlicher Weise nur dem M ı und P 3 zukommt. Wie unsere Figur zeigt, ist die basale Schmelzspitze — denn Hügel ist diese Schmelzwarze noch nicht zu nennen -- an dem grossen vordern Praemolar (P 3) am stärksten entwickelt, die beiden andern Praemolare haben kaum Andeutungen. Dann hat M 1 wieder eine kräftige Spitze, die an M 2 und M 3 nahezu wieder verschwindet. Wir werden unten noch auf die Bedeutung dieses Schmelzhügels zu sprechen kommen. Die Backenzähne des Unterkiefers sind von H. v. Meyer so gründlich untersucht und so eingehend beschrieben worden, dass nichts Wesentliches hinzuzufügen ist. Von dem gemeinsamen EDEN Bilde, nach welchem die Zähne gebaut sind, weicht nur wieder der vordere, einen einfachen Schmelzhügel bildende Praemolar, P 4, ab, der lwurzelig wie ein verlassener Posten vor der lan- gen Reihe der doppelhalbmondigen Zähne steht. Ein ähnlicher Schmelzknopf wie dieser vorderste Zahn, verwächst am Schlusse der Zahnreihe mit dem hintersten Backenzahn (Fig. 2). Der Grund, warum ich die 3 Molaren und P 1 abbilden liess, war der, dass es ganz frische, intakte Zähne sind, an welchen nicht nur die mittleren Doppelspitzen, sondern auch die Hügelspitze auf dem hinteren Eck des Zahns und die wulstige Unebenheit des Schmelzrandes ausnehmend deutlich ist. Den kräftigen, tief abgekauten Eckzahn des Oberkiefers (Fig. 4) schreibe ich ohne Anstand unserem Thiere zu; dessglei- chen auch die Krone des Schneidezahns (Fig. 3). Der Eckzahn gehörte unter allen Umständen einem sehr alten Individuum an. Die kurze Wurzel mit Knochenwucherungen überdeckt und die breite Basis der Krone stellen den Zahn in den Oberkiefer und stimmt er mit dem von Meyer (Georgensgm. Taf. VIII, fig. 68) abgebildeten Zahn. Es wäre in diesem Fall der rechte obere Eckzahn. Eine starke Schmelzkante zieht sich auf der Innen- seite der Krone von der Wurzel zur Spitze, ob eine zweite vor- dere Schmelzkante bestanden hatte, lässt sich bei der tiefen Ab- kauung des Zahns, der sich auf der Innenseite des unteren Eck- zahns rieb, nicht mehr erkennen. Ueber den Schneidezahn dürfte kaum ein Zweifel sein. Ein Schmelzhöcker auf der Innenseite und kleine daneben sitzende Unebenheiten, dessgleichen ein un- ebener Schmelzrand, gleich dem der unteren Backenzähne, ver- leihen ihm den Charakter von Anchitherium. Es wird unbeanstandet sein, dass unsere Backenzahnreihen, namentlich des Oberkiefers, der Zahnreihe des Tapirs am nächsten stehen. Palaeotherium, das unbestritten der reinen Eocene an- gehört, steht nicht blos als chronologisch älter, sondern nach sei- nem ganzen Zahnbau, der auf die Molaren den Praemolaren gegen- über den Nachdruck legt, entschieden ferner. Ist nun Tapir, wie das Rütimeyer in seiner ausgezeichneten Entwicklungsge- schichte des Hufthierzahns darlegt, so zu sagen die Grundform, — 22 — die sich aus jener Zeit als solche in die Jetztwelt gerettet hat, so bilden die beiden untergegangenen Geschlechter des Anchi- therium und Hipparion die erwünschten Hilfsmittel der Deduk- tion des lebenden Einhuferzahns aus dem Tapirzahn. Zu dem vielen Vortrefflichen, das hierüber vornämlich von Rütimeyer und Hensel gesagt worden ist, füge ich nur Weniges bei, das bei Vergleichung der betreffenden Zahnreihen sich mir aufdrängte: 1) Der vorderste obere Praemolar des Tapirs (P 4) reiht sich noch in selbstständiger Bedeutung an P3 an. Nur das Vorjoch ist ihm verkümmert, das Nachjoch ist ebenso entwickelt als das Vorjoch am nächstfolgenden Praemolar. Die 4 Praemo- laren aber nehmen vom vordersten zum hintersten stetig an Grösse zu. .Anchitherium: Der vordere Praemolar verliert den andern gegenüber vollständig seine Bedeutung. Er ist nur noch ein einfacher Knopf vor dem breitesten Zahne P 3. Hipparion hat nach Hensel (Taf.IIl, fig. 4) einen Lücken- zahn P4, der entwickelter ist, als es je von ihm an E. caballus beobachtet worden. An Zguus caballus fand er unter 110 Pferde- schädeln, die er untersuchte, 28 mit Lückenzähnen. Wenn auch, was Rütimeyer vermuthet, der von Hensel als P 4 gedeutete Praemolar ein Milchzahn ist, so haben wir jedenfalls bei beiden Geschlechtern den im Anchitherium-Gebiss dauernd vorhandenen Praemolaren, theils nur noch im Milchgebiss vorhanden, theils als bedeutungslosen Lückenzahn, der unter zehn Pferden sieben fehlt. Es wäre der Lückenzahn unserer Pferde hienach so zu sagen noch eine Erinnerung an den 4ten Praemolar des Tapirs, die olıne die Zwischenstufe des Anchitherium’s unverständlich bliebe. Im Unterkiefer ist am Tapirgebiss kein P 4 vorhanden, wie bei Anchitherium. Dafür ist vor dem Vorjoch von P 3 noch ein einfacher Schmelzhügel angewachsen. Hipparion und Pferd trägt im verschwindenden Lückenzahn des Milchgebisses gleichfalls noch vorübergehend an sich, was Anchitherium permanent eigen war. - 2) Der Hauptunterschied zwischen Aipparion und Equus einerseits und Tapir und Anchötherium andrerseits bleibt freilich — 223 — stets unerklärt: er beruht auf dem Vorhandensein des Cements bei jenen. Alle die Vertiefungen zwischen den Schmelzhöckern und den Schmelzjochen sind mit Knochensubstanz erfüllt, die sich in alle Fugen und Winkel des Schmelzblechs hineinzieht, das selbst wieder durch die reichste Fältelung aufs Innigste mit der Cementsubstanz sich verbindet. Der Abnutzung ist bei den ce- mentirten Zähnen viel weniger Widerstand geboten, als bei den Zähnen mit freiliegendem Schmelzblech. Die Höhe des Zahns, seine säulenförmige Gestalt, die lange genug eine Abkauung aus- zuhalten im Stande ist, tritt an die Stelle der niederern, aber um so stärkeren Zahnkrone, welche Charakter der Omnivoren ist. In Betreff des Cements wäre der nähere Verwandte des Hippa- - rion, der im übrigen freilich entfernter stehende Zahn des Pa- loplotherium oder Plagiolophus. Ueber die Kopfform unseres Thieres ist durch Funde von Schädeln nichts direkt bekannt. Wir werden der Wahrheit näher treten, wenn wir mehr an Tapir anknüpfen, als an Hipparion. Bei den niederen Zahnkronen und breit auseinandergehenden Zahnwurzeln des Anchitherium’s ist kein hohes und steiles Os maxillare vorauszusetzen, welches Auge und Jochbogen nach hin- ten rückte: der starke Eckzahn verlangt gleichfalls eine starke Entwicklung der vorderen Partie der Gesichtsknochen. Ob das Thier ein Rüsselträger war oder nicht, darüber freilich fehlt es an allem und jeden Anhaltspunkt. Vom Rumpf des Anchitherium mag wohl der eine oder an- dere Knochen vorhanden sein, kann aber zur Zeit wenigstens noch nicht sicher gedeutet werden. Dagegen besitze ich einige Fussknochen, die eben wegen der Wichtigkeit dieses Gliedes für die Entwicklungsgeschichte der Einhufer noch eine nähere Be- trachtung verdienen. Ist doch der Fuss des Thiers mehr noch als die Zähne geeignet, die Lücke auszufüllen, die zwischen den ächten eocenen Palaeotherien und dem miocenen Hipparion be- stund. So.mangelhaft mir leider die Fussreste von Steinheim zu Gebot stehen und so mühsam die Arbeit war, diese Reste in ihrem De- tail zu vergleichen und zu bestimmen, so hoffe ich doch, damit — 224 — für die Kenntniss um die Morphologie des Einhuferfusses einen Beitrag zu liefern. Wir besitzen z. B. vom Anchitherium-Fuss den grösseren Theil einer Tibia, an welchem zwar das Oberende fehlt, aber die Basis tibiae vollkommen erhalten ist. Der ganze Knochen ist, nach dem Verlauf der Crista tibiae zu schliessen, kaum um 2° CM. kürzer gewesen als die Schiene eines Caballus aus den Torfmooren. Die Basis tibiae misst über die 2 Knöchel gemessen 0” 055, bei dem Torfpferd 0” 065. Das gleiche Maass ergibt sich bei 3 Tibien von Hipparion aus Pikermi, bei dem kleinsten 0% 058, bei den beiden andern grösseren und stärkeren 0" 068. Bei dem eingehenden Studium, das Hensel * dem Hippa- rion-Fuss zuwandte, bedauert er sehr, an seinem Material von Pikermi die Frage nicht entscheiden zu können, wie weit die Fibula bei Hipparion eine Reduction erfahren habe. Nach mor- phologischen Grundsätzen setzt er voraus, werde dieser Kno- chen ähnlich wie die Ulna am Vorderfuss als vollständiger, nicht wie beim Pferd unterbrochener Knochen sich mit der Tibia ver- einigen. Bei Hipparion trifit nun zwar diese Voraussetzung nicht ein, wie auch Rütimeyer (foss. Pferde, p. 109) fand und wie ich an meinem in dieser Hinsicht ganz gut erhaltenen Material deutlich sehen kann. Vielmehr verhält es sich bei Hipparion schon genau wie beim Pferd. Das Unterende der Fibula, deren Ober- theil gegen die Mitte der Tibia erlischt, tritt in ihrem Unter- theil fest mit der letzteren verwachsen als deren äusserer Knö- chel auf. Dieser Knöchel ist nur durch eine kleine Vertiefung in der äusseren Gelenkfurche als der Vertreter des sonst selbst- ständigen Knochens angedeutet, sonst kündet ihn am Aussenrande des Knochens keine Spur mehr an. Der Unterschenkel des Hip- parion ist hienach bereits wie der des Pferdes gebaut. Dessen ungeachtet ist Hensel’s apriorische Voraussetzung vollkommen begründet, dass es in der Geschichte des Einhuferfusses ein Ge- schöpf geben werde, in welchem die Fibula noch nicht redueirt ist. Nur ist dieses Thier nicht AZipparion, sondern Anchitherium. * Abh. d. K. Akademie d. Wissensch. zu Berl. 1860, — 225 — Tibia und Fibula (Fig. 9) sind zwar innig verwachsen, aber ihr ganzer Verlauf ebenso an der Gelenkfläche angezeigt, wie auf der Aussenseite der Schiene. Der Malleolus externus oder das - Unterende der Fibula fasst die äussere Astragalusrolle von aus- sen, verschmälert sich aber gegen die Mitte der Tibia mehr und mehr, um in einer ganz scharfen Crista, wie sie kein Pferd und kein Hipparion hat, zum Caput tibiae hinaufzusteigen. Letzteres fehlt mir leider, so aber, wie sich an der Aussenseite des Un- terschenkels eine scharfe Gräthe erhebt, sehe ich diese als an- statt des Griffelbeins vorhanden und wit der Tibia verwachsen an. Eine 1 MM. breite Rinne trennt an dem Unterende des ganzen Knochens den Fibular-Antheil der Gelenkfurche von dem grossen Antheil der Tibia: fast darf wohl als sicher angenom- men werden, dass auch das Oberende der Fibula in ähnlicher Weise mit dem Caput tibiae in Verbindung stund. Der Astragalus (Fig.8) misst der Gelenkrolle derTibia ent- sprechend O0” 40, an der Tarsalfläche 0" 35. Der Unterschied des Anchitherium-Fusses von dem ächter Palaeotherien tritt gleich in der Rolle am schärfsten zu Tage. Das Kreissegment derselben ist ein viel grösseres als das der Palaeotherien und Rhinocerosse, aber doch noch nicht so gross als bei Hipparion und Equus. Die Rolle, die einer aussen anlaufenden und nach innen aufstei- genden Schraube gleicht, ist bei Pferd am tiefsten eingeschnit- ten, am seichtesten bei Palaeotherium. Zwischen Hipparion und Ziquus finde ich so wenig als Hensel hierin einen Unterschied, während man den Astragalus des Anchitherium zwischen beide stellen muss. Diese Schraube ist steiler als bei Palaeotherium, dagegen nicht so steil als bei Aipparion. Den Hauptunterschied finde ich jedoch im Unterende der inneren Rolle, die oberhalb der Scaphoidalfläche aufhört, so dass der Sinus tarsi sich noch zwischen der innern und äussern Fossa dorsalis hindurchzieht. Am breitesten ist dieser Sinus bei den Omnivoren, bei Rkino- ceros und Palaeotherium ist er gleichfalls noch sehr stark aus- gesprochen, bei Pferd und Hipparion aber so sehr verschwun- den, dass man von einem Caput tali und Corpus tali gar nimmer reden kann. Wie die Rolle aufhört, verflacht sich der Körper Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. ?tes u. 3tes Heft. 15 ee des Astragalus zur Scaphoidalfläche, so dass das Ende der inneren Rolle noch über diese Fläche hinausgreift. Nicht nur dass zwi- schen dieser Fläche und der Rolle kein Zwischenraum mehr ist, greift die Rolle noch einige Millimeter über die Scaphoidalfläche hinaus, so dass beim Beugen des Fusses das Unterende der Rolle am Kahnbein einen Widerstand findet. Auffallend ist, dass die Tarsalfläche des Astragalus zum Cuboideum eine verschwin- dend kleine, seitliche Fläche ist, während der Astragalus des Pferdes doch noch ziemlichen Antheil am Cuboideum hat. Diess weist schliesslich darauf hin, dass die Cuboidalfläche des Proc. ant. calcanei eine breitere sein muss, was ınit dem Vorhanden- sein eines ausgebildeten Metatarsus externus zusammenhängt, der mit dem Cuboideum artieulirt. Von den Tarsusknochen finde ich leider Nichts, das mit Sicherheit dem Anchitherium zugeschrieben werden könnte. Die Abbildung eines Naviculare und Cuneiforme von Sansan bei Blainville, Pal. pl. VII ist zu ungenügend, um daraus irgend eingehende Schlüsse zu ziehen, man sieht nur aus der Metatar- salfläche des Cuneiforme deutliche Abschnürung des Mesocunei- forme und Entocuneiforme, was nach Rütimeyer’s Beobachtung l.c. p. 112 bei Hipparion schon mehr als bei Pferd beobachtet wird und bei Anchitherium consequenter Weise noch schärfer prägnirt ist. Um so erfreulicher aber ist der Fund von zwei Metatarsen (Fig. 13), die wahrscheinlich Einem In- dividuum angehören. Die Länge des mittleren Metatarsus ist 0%. 223, die Breite. der oberen Tarsalfläche 0% 032, der unteren Rolle 0” 028. Zum. Vergleich mit Hipparion und Pferd setze ich deren Maasse bei: Anchith. Hipypar. Equus*. ganze Länge des Metatarsus 0”. 223 0” 243 0% 288. Breite der Tarsalfläche 032 038 055. Tiefe der Tarsalfläche 025 030 041. Breite. der Digitalrolle 028 032 055. Tiefe „ ® 020 027 040, * Dem Maasse an Pferd liegt ein Eguus caballus aus der Mam- muthzeit vom Seelberg bei Canstatt zu Grunde, das sich von einem gewöhnlichen Pferd unserer Landrasse nicht wohl unterscheiden dürfte. —ı al N Te Ein Blick auf das Oberende (Fig. 10) zeigt sogleich die Abwei- chung dieser Fläche von den entsprechenden Flächen der beiden jün- geren Geschlechter. Das Pferd zeigt neben der Hauptfläche für das Cuneiforme ausgebildete Flächen für Cuneiforme primum und euboideum. Eine Ligamentgrube zieht sich in einem unregel- mässigen Bogen vom Cuboideum zum Cuneiforme primum und trennt 2 kleine hintere Flächen ab, die mit dem grossen Cunei- forme (secundum et tertium) und einer kleinen Nebenfläche für Cuboideum articuliren. Letztere sitzt auf einem auffälligen, nach hinten hervortretenden Höcker. Beim Hipparion-Fuss fehlt die- ser Höcker und die kleine Cuboidalfläche gänzlich, es treten nur die beiden äussern Flächen noch auf. Ebenso bildet die Liga- mentgrube nur eine einfache Bucht in der Hauptfläche, ohne sie in einem Bogen zu durchsetzen. An dem Anchitherium-Fuss endlich sieht man nur eine einzige halbmondförmige Fläche, ohne die bei Pferd und AHipparion genannten Nebenflächen und einen kleinen Sinus für das Ligament. Diess hängt selbstredend mit der Entwicklung der Grilfelbeine des Pferdes zu ausgeprägten seitlichen Mittelfussknochen zusammen, die bei Hipparion schon Afterklauen tragen und bei Anchitherium endlich zu selbststän- digen, den Boden berührenden Phalaugen ausgebildet sind. Fig. 13 stellt den äusseren rechten Metatarsus in seiner ganzen Länge von 0” 202 dar. Er ist demnach um 21 M.M. kürzer als der Metatarsus medius. Es ist ein schmaler, im Mittel nur 6—7 M.M. breiter, dagegen (von vorne nach hinten gemessen) oben 25, in der Mitte 17, unten 23 M.M. tiefer Knochen. Seine obere Cuboidalfläche ist oval und lässt ein Os cuboideum voraussetzen, wie es ächte Palaeotherien haben. Auf der Innenfläche ist noch eine schmale Haftfläche zur Befestigung an den Metat. medius, an welchen dieser seitliche Mittelfussknochen zudem noch bis über die Hälfte seiner ganzen Länge mittelst Synostose ange- schweisst war. Von da ab biegt sich die untere, kleinere Hälfte schwach nach aussen und nach hinten und endet in einer zwar schmalen (12 M.M.) aber sonst wohl ausgebildeten halbkreisför- migen Rolle mit einer nur nach hinten vorhandenen Leiste. Die- ses Verhältniss führt uns wieder zum mittleren Metatarsus und 15* — 228 — zwar dessen Unterende (Fig. 11), an welchem noch v’el mehr als am Oberende die Differenzen zwischen Anckitherium und seinen Ver- ‚ wandten heraustreten. Die Gelenkfläiche zum Phalanx primus ist nämlich von aussen vollkommen glatt, ohne Spur jener medianen Rollenleiste, welche bei Pferd und Hipparion in gleicher Stärke von vorne nach hinten über die Gelenkrolle sich hinzieht. An- chitherium hat nur auf der Hinterseite eine Rollenleiste. Damit hängt die Gestalt der Phalangen aufs engste zusam- men. Entsprechend der eben genannten Leiste wird bei Pferd und Hipparion die obere Gelenkfläche des ersten Phalangen (Fig. 5) durch eine tiefe Fuge halbirt, welche aussen und innen einen Einschnitt in den Körper des Zehenglieds hinterlässt. Bei Anchitherium ist nur auf der Hinterseite der Fläche die Fuge und der Einschnitt; auf der Vorderseite ist nicht nur kein Aus- schnitt, sondern schlägt sich sogar der Knochenrand des Zehen- glieds zur Fläche des Metatarsus hinauf. Bei einer Länge von 02 04 ist die Dicke des Phalangen an der obern Fläche 22, an der untern 13 M.M., so rasch verjüngt sich der Körper naclı unten. Der 2te Phalange fehlt mir, dagegen ist der 3te Huf- phalange (Fig. 6) vorhanden. Seine Gelenkfläche zum 3ten Pha- langen ist gleichmässig breit, die obere Abrundung der Ecken abgerechnet, von oblonger Gestalt, während sich dieselbe Fläche beim Pferd einer 3eckigen Form nähert. Auf der untern Seite beobachtet sich eine kleine Fläche für die Sesambeine. Von aus- sen gesehen macht der Huf den Eindruck von 2 verwachsenen Hufphalangen, indem sich eine deutliche Medianlinie, sogar mit einer kleinen Mittelbucht im Huf beobachten lässt. Eine Bucht, die ich übrigens bei einem jungen, d. h. kleinen Hiöpparion-Huf noch in viel stärkerem Grade ausgeprägt finde. Fig. 7 ist die Hufphalange eines seitlichen Zehen abgebil- det, der zugleich mit den übrigen Resten sich fand und mit sei- ner ungleichen Gelenkpfanne und dem grossen hinteren Sporn das Zehenglied eines 3zehigen Thiers verräth. Die Knochen- struktur dieses Zehen ist genau dieselbe. wie. die des Mittel- zehens. Die ersten und zweiten seitlichen Phalangen fehlen von Steinheim, indessen besitze ich sie von Sansan, sie der Güte des az Herrn Lartet verdankend, ihre Form ist entsprechend unsym- metrisch. Im Ganzen erscheint der seitliche Zehen um 3 C.M. kürzer als der mittlere. Der seitliche Metatarsus ist, wie wir oben sahen, um 2 C.M. kürzer als der mittlere, ist aber um diese Entfernung schon dem Boden näher gerückt durch seine nach hinten gebogene Form. Ein Schweinsfuss, bei welchem die 2 mittleren Zehen und Mittelfussknochen in Eins verwachsen wären. gäbe wohl die richtigste Vorstellung von dem Anchitherium-Fuss. Der Oberarm von Anchitherium stimmt in Betreff der Länge genau mit dem Oberarm eines Maulesels. H. Dr. Baur in Kö- nigsbronn besitzt hievon einen vollständigen linken Humerus. Seine Länge beträgt 0% 23. Die obere Breite 0” 062, die un- tere, über die Rolle gemessen 0” 053. Die Scapularfläche misst in der Tiefe 0” 083, die Fläche zum Unterarm 0” 053. Letz- tere Fläche, sammt der tiefen, eng umschlossenen Fossa olecrani stimmt mit dem Pferd wie mit Hipparion. Ebenso ein ganz ausgesprochener 'Trochanter, dagegen weicht der innere Rand der oberen Fläche erheblich vom Pferde ab und kommt dafür dem Typus der Wiederkäuer nahe, mit welchem doch die Unterarm- fläche nicht das Geringste mehr gemein hat. Ueber den Vorderfuss ist wenig mehr zu sagen. Gleich wie beim Pferd ist der Metacarpus kürzer. Unser abgebildeter Knochen * (Fig. 10 und 11) ist 0” 210 lang, bei Pferd 0” 240. Die obere Carpalfläche bietet gleichfalls nur Eine glatte Fläche für das Os capitatum, der seitliche abgebildete Metacarpus (Fig. 12) articulirt nur mit dem hamatum. Die untere Gelenkfläche zu den Phalangen verhält sich genau wie beim Metatarsus. Einen Unterschied nur beobachte ich zwischen dem Vorder- und Hinterfuss, dass sich die seitlichen Metacarpen tiefer hinab an den mittleren anlegen. Die Spur an beiden Knochen reicht bis zu 3/, der Länge des Metacarpus, dann erst greift der seit- liche Knochen schwach nach hinten. Somit erscheint der Vor- * Da wegen des Formates der Tafeln der Knochen in seiner ganzen Länge nicht abgebildet werden konnte, sind nur Ober- und Unterende gezeichnet. — 280 derfuss etwas geschlossener als der Hinterfuss, an beiden aber scheinen die hinteren 2 Zehen den Boden als Stützen des mitt- leren Haupthufes wenigstens noch berührt und nicht blos als Afterklauen figurirt zu haben. In Meyer’s Nachlass findet sich noch die vortreffliche Ab- bildung von 2 Phalangen von San Isidro bei Madrid, die zu Anchith. Ezquerrae gehören sollen, namentlich ist ein Nagelglied so schmal und in seiner oberen Gelenkfläche so einfach abge- rundet, dass ich es vorzöge, diese (einst zur Bronn’schen Samm- lung gehörigen) Stücke Hipparion zuzuschreiben, wofür sich auch Gervais ausspricht (Bull. geol. feuill. X. 1852--53, tab. 4, 1. ;0). Hyaemoschus crassus. Taf. X. Der Erste, der das Vorhandensein dieses merkwürdigen Ge- schlechts im fossilen Zustand erkannte, war A. Pomel, der in der Sitzung der Academie der Wissenschaften zu Paris am 6. Juli 1851 * Mittheilung machte „sur la structure des pieds dans le genre Hyaemoschus.“ Pomel fand, dass der von Lartet für einen Hirsch angesprochene Dicrocerus crassus Lart. einen aus 2 feinen Knochen bestehenden Metacarpus besitze und dass ebenso auch der Metatarsus wie beim Nabelschwein aus 2 einfach an einander gefügten, nicht aber verwachsenen Röhren bestehe. Ebenso sind die Tarsalknochen Cuboideum, Scaphoideum und Cu- neiforme in Einen vereinigt. In Anbetracht, dass diese Kenn- zeichen auf Hyaemoschus Gray passen, so schlug Pomel den Namen H. Larteti für das Thier von Sansan vor. Laut Mitthei- lung von Herrn P. Gervais ist der Lartet’sche Speciesname * Le Hyaemoschus Gray, vivant en Afrique, a le metacarpe di- vise en deux os libres; le metatarse les a soudes, non en canon, comme chez les autres ruminants, mais comme chez les pecares, les deux os etant simplement soudes par approche et non confondus; en outre les cuboide, scaphoide et cuneiforme sont &galement soudes. Or cette structure est exactement Ja meme, dans le Dicrocerus cerassus Lar- tet, qui n’est pas un cerf, mais une espece fossile de ce genre; ce sera le Hyaemoschus Larteti Pomel. — 231 — üblich geblieben und wird in Frankreich das Thier Hyaemoschus crassus genannt. Das Glück wollte, dass der grössere Theil eines Skelettes von diesem ebenso seltenen als wegen seines Baues dem Zoolo- gen wichtigen Thieres in Steinheim zur Erhaltung kam. Das Individuum war noch nicht ausgewachsen, denn M III stack noch in der Pulpa, und sind drei Milchzähne vorhanden. Sämmtliche Zähne im Ober- wie im Unterkiefer tragen nur sehr wenige Spu- ren von Abnutzung an sich. Viele Epiphysen der Extremitäten- knochen waren abgefallen. Lage und Erhaltungsweise der Reste lassen keinen Zweifel, dass Alles Einem Individuum angehört hat. Der Schädel, Fig. 1, ist mit Ausnahme des Vorderendes ziemlich erhalten. Vom Hinterrand des Oceiputs bis zum An- fang der Nasenbeine misst er 0” 10, über die Stirne von einem Augenrand zum andern 0" 06. Was auf der Oberseite des Schädeldachs alsbald in die Augen fällt, sind neben 2 tiefen, aus der Supraorbitalgegend des Stirnbeins hervortretenden Knochen- furchen eine starke Vertiefung des vorderen Stirnbeins, die voll Knochenwarzen und Furchen sitzt. Die Nasenbeine fangen erst in der Gegend der Praemolaren an und betheiligen sich an der Stirnbeinbucht nicht mehr. Die lebenden Moschiden* haben Nichts * Moschus ein zierlicher Wiederkäuer, gedrungen gebaut, hinten höher gestellt als vorne, schlankläufig, kurzhalsig, mit länglichem, an der Schnauze stumpf zugerundetem Kopf, mittelgrossen Augen und un- gestalteten Ohren von halber Kopflänge, kleine, schmale, lange Hufe, die mittelst einer Hautfalte breit gestellt werden können, die in Ver- bindung mit den Afterklauen ein sicheres Dahinschreiten auf Eisfel- dern ermöglichen. Dichtes, rothbraunes Haarkleid, 2—3 Zoll lange Eckzähne ragen dem Männchen aus dem Maul, sanft nach auswärts und sichelförmig nach hinten gebogen. Die Eckzähne der Weibchen treten nicht aus dem Maul heraus. Seine Heimat ist das hinterasia- tische Gebirgsviereck, wo es auf den höchsten Alpen zwischen 3 und 7000‘ ü. d. M. lebt. Es bewegt sich in den schroffen Gehängen und Waldungen ebenso rasch und sicher, lauft mit der Schnelligkeit der Antilope, springt mit der Sicherheit des Steinbocks und klettert mit der Kühnheit der Gemse. Das Weibchen setzt 1—2 Junge, die mit drei Jahren erwachsen sind. Es ässt Baumflechten, Alpenkräuter, Beere etc. (Brehm, Thierleben.) Zu 2320 derartiges, wir kennen diese Erscheinung nur bei ächten Pachy- dermen, und zwar unter den lebenden am ähnlichsten beim in- dischen Hirscheber, Porcus babirusa L. Das Gebiss unseres Thieres (Fig. 2 und 3) zeigt oben wie unten vollständige Zahnreihen von Backenzähnen. Der Oberkiefer. Der letzte Molar war noch nicht aus der Pulpa getreten und gelang dessen Entblössung aus dem Kie- fer nur am Unterkiefer, der letzte obere fehlt uns daher bei der Untersuchung. Es sind demnach 5 Zähne je auf einer Seite vorhanden, von denen wir nach Analogie der Moschiden die 3 vordern für Praemolare, die 2 hinteren (zu denen noch M 3 in der Pulpa käme) für Molare anzusehen haben. Die Molare haben einer wie der andere den ächten Typus tertiärer Wiederkäuer, d.h. sie sind tiefer als breit, gleich den Zähnen der eocenen Anoplotherien, deren miocene Nachkommen sie zu sein scheinen. Sie haben 2 Querjoche mit je 2 Schmelzhügeln, einem inneren niederern und einem äussern höheren. Eigenthümliche Schmelzfältchen, die an Schweinezähnen beobachtet werden, ziehen sich von der Spitze der Hügel zur Jochgrube. Auf der Aussenseite trägt jedes der beiden Schmelzbleche, die in der äusseren Hügelspitze gipfeln, eine eigene Spitze, das Schmelzblech selber ist durch eine schwache mediane Falte gefältelt. Von den Halbmonden, deren jeder in der inneren Hügelspitze gipfelt, schlägt sich der vordere unter den hinteren herunter. Alles das entspricht einem Zahnbau, wel- chen wir bei Dichodonzähnen auch schon finden, nun umgibt aber eine starke Basalwulst beide inneren Hügel, welche dem ganzen Zahn ein so eigenthümliches Aussehen gibt, wie wir es bei den Wiederkäuern nirgends finden: der Basalwulst wird ge- wissermassen zu einem 3ten Querjoch, das die Festigkeit des Zahns erhöht. Nach demselben Typus, nach dem die ächten Backenzähne gebaut sind, hat sich auch D 1 oder der dritte Backenzahn in der ganzen Zahnreihe gebildet. Er zeigt unter sämmtlichen Zäh- nen die stärkste Usur, ist also wohl als der älteste Zahn im Gebiss anzusehen. Anfangs war ich der Meinung, an dem vor- liegenden Gebiss es mit den permanenten Praemolaren zu thun 988, — zu haben, um so mehr, als eine mit Vorsicht angebrachte Oeff- nung im Kiefer keine Spur von Ersatzähnen sehen liess. Allein bei genauerer Betrachtung der Zähne mit ihrem dünneren Schmelz- blech und stärkerem Faltenschlag blieb bald kein Zweifel mehr über ihre Natur als Milchzahn. Der Umstand, dass im Kiefer noch keine Ersatzzähne zu beobachten sind, ist nur eine Bestä- tigung der von Andern schon ausgesprochenen Erfahrung, dass die Moschiden überhaupt erst sehr spät ihre Zähne schieben. In unserem Fall ist also der letzte ächte Backenzahn schon im Be- griff hervorzubrechen, von den Praemolaren aber ist noch nicht einmal ein Keim in der Zahnhöhle vorhanden. Ist nun D1 zwar ganz nach dem Typus eines Molaren gebaut, so unterscheidet man ihn doch leicht an einer vorderen Schmelzfalte, am Aussen- blech des ersten Joches. Auffällig gemahnt dieser Zahn sowohl als auch D2 und D3 an die Zähne von .Anoplotherium. Bei letzteren ist diese Aehnlichkeit noch viel mehr ausgesprochen, indem sie 3theilige Zähne vorstellen. Namentlich ist D 3 so- wohl von aussen, wie von innen gesehen 3spitzig. Drei einfache Hügel, von denen der mittlere die beiden andern etwas überragt, sind so nebeneinander gestellt, dass der ganze Zahn fast 3mal so breit ist als tief. An der 2ten und 3ten Hügelspitze zeigt sich eine innere Basalwulst, welche die hintere Seite des Zahns etwas erbreitet. Der zweite Backenzahn D 2 ist gleichfalls 3spitzig, aber nicht mehr aus den 3 einfachen Hügeln zusam- mengesetzt, indem sich ein innerer Halbmond der hinteren Schmelz- spitze gegenüberstellt. So wird der Uebergang zu den doppelten Jochzähnen der Molaren gebildet und die eigenthümlich fremd- artigen vordern Backenzähne mit den hinteren vermittelt. Unter den mir zu Gebot stehenden Schädeln lebender Thiere zeigt Tra- gulus javanicus, das Napu von Sumatra, einen ähnlichen Bau. Unser Napu-Schädel, 9, steht noch im Milehgebiss und zeigt 1 Eckzahn und 3 Milchbackenzähne und 2 Molaren. D3 ist 3- spitzig, die mittlere Spitze die höchste, ebenso ist D 2 gebaut, nur dass sich an den hinteren 3ten Hügel ein 4ter innen anlegt und so den Uebergang zu D 3 bildet, der gleichfalls das Bild der ächten Backenzähne an sich trägt. — 2354 — Im Unterkiefer gelang es, den letzten hintern Backen- zahn aus der Pulpa zu lösen und zu constatiren, dass er 5hüge- lig ist. Eine Ödte Spitze tritt ans Ende der 2 Doppelspitzen. MI und II sind je 4spitzig, je aus 2 Querjochen bestehend, auch sie zeigen feine Schmelzfältchen, die an Schweinszähne er- innern. Ein Schmelzkranz umzieht beide Querjoche und drückt sich vorne, hinten und im Querthal aus. Auf der Aussenseite zieht dieser Schmelzkranz von der Basis des hinteren Hügels zur Spitze des vorderen hin und bildet jenes Fältchen, das in den Zähnen des Cerv. furcatus in einem kleinen Rest noch ange- deutet ist und auf welche seiner Zeit H. v. Meyer so grosses Gewicht gelegt, als Kennzeichen seines Geschlechtes Palaeomeryx. D 1 ist wieder ein 6spitziger, aus 3 Jochen zusammengesetzter Zahn, der gleichfalls einen deutlichen Basalwulst trägt, welcher an der Vorderseite des Hinterjochs sich wieder als „Palaeome- ry&-Wulst“ geltend macht. D 2 und 3 sind einfach 3spitzige, in die Breite gezogene Zähne. Nur am Abfall des hinteren Hü- gels faltet sich der Schmelzrand zu einer Schlinge und kündet damit den Anfang der Doppelzahnreihe an, der mit P 1 beginnt. Hart vor dem 3ten Praemolar ist die Symphyse der beiden Kie- feräste und eine Zahnlücke von der Breite des ersten Praemo- lars. Der Schneidezähne sind es 4 auf jeder Seite, von denen wenigstens 3 erhalten sind. Dem Oberkiefer fehlten offenbar die Schneidezähne. Die des Unterkiefers tragen so sehr den ächten Wiederkäuertypus, sind zarte, schmale Schaufeln mit aufgeworfenem Seitenrand, ohne Spur von Ankauung, dass ihnen gegenüber keine oberen Schneidezähne gestanden haben können. Von Eckzähnen fand sich zwar keine Spur bei dem Skelett, aber darauf ist natürlich keinerlei Werth zu legen, denn sie konnten beim Ausgraben sich verloren haben oder zuvor schon ausgefallen sein. Nach Analogie des Napu haben wir obere Eckzähne zu vermuthen, wie denn mit Napu auch das Unterkiefergebiss unseres Thieres mehr als mit andern lebenden Wiederkauern stimmt. Der oben schon erwähnte Schä- del zeigt D3 und 2 als schneidend scharfe, 3spitzige Zähne, D1 von der Seite gesehen auch 3spitzig, von oben gesehen 5spitzig, — 235 — indem sich der vordere Hügel dieses Zahns als einfacher Hügel an D 2 anreiht, während die beiden hinteren Hügel als Doppel- hügel an den Typus der Molaren sich anreihen. Ferner zeigt Tragulus sehr scharf winkelig gestellte Halbmonde. Die ganze Länge des Kopfes betrug nicht ganz 0” 14. An diese Kopflänge anreihend ist die Kürze des Haises vor allem Andern hervorzuheben. Die 7 vollständig erhaltenen Wir- bel, von denen in Fig. 11 Atlas, Epistropheus und Vert. colli tertia abgebildet sind, haben zusammen nur eine Länge von 0” 11. Den kürzesten Hals unter den Wiederkauern haben allerdings die Moschiden, aber in diesem Verhältniss wie das fossile Ayaemo- schus ist der Hals dem Kopf gegenüber nirgends zu kurz ge- kommen. Auch diess weist uns wieder an das Schwein. Der Atlas (der übrigens in der Abbildung verkehrt gestellt ist, und den man sich gerade umgekehrt zu denken hat) hat gar nichts mehr mit dem Atlas der ächten Wiederkauer gemein. Der Atlas des CO. furcatus z. B. misst gerade 0" 04 in der Länge und in der Breite, während unser Atlas 0” 03 lang und 0” 05 breit ist. Die Oceipitalfläche des Hyaemoschus-Atlasses kündet eine rechtwinklige Stellung des Kopfes zum Atlas an, während die Epistrophealfläche dem Epistropheus gegenüber auf eine stumpf- winklige Stellung hinweist. Fast noch mehr als der erste Hals- wirbel ist der zweite nach dem Typus des Schweins gebildet: von dem kreisförmigen Charnier, in welchem der Processus odon- toides in der entsprechenden Fläche des Atlasses läuft, ist keine Spur. Der Zapfen hat nur eine minimale Fläche zur Bewegung, während am Körper des Wirbels 2 concave Flächen aufwärts ge- richtet sind, um mit 2 entsprechenden convexen Flächen am Atlas zu articuliren. Eine seitliche Drehung des Kopfes ist eben da- mit auf ein Minimum reducirt, um so grösser aber ist die Kraft der Kopfbewegung in verticaler Richtung. Eine Crista von 0% 015 Höhe, die wegen der nothwendigen Verkürzung in der Zeichnung nicht recht beraustritt, gibt diesem Wirbel ein kurzes aber ge- drungenes Aussehen, wie wir es bei Wiederkäuern nimmer mehr finden. Die 5 übrigen Halswirbel nehmen allmälig an Länge ab, der Körper des dritten misst noch 0” 02, der Körper des — 2356 — siebenten kaum noch 0” 015. Die Kürze des Halses, die Un- beweglichkeit des Kopfes nach den Seiten hin weist auf eine Lebensweise, welche den Apparat eines Rüssels erheischt. Dessen Vorhandensein ist durch die tiefen Knochenfurchen und Protu- beranzen am Stirnbein an sich schon höchst wahrscheinlich ge- macht. Beides zusammen, die starken Haftorgane für einen Rüs- sel, wie ihn etwa Babirussa führt, verbunden mit der Gestaltung der Halswirbel, lassen hierüber kaum einen Zweifel aufkommen. Der fossile Hyaemoschus wiche hierin von dem lebenden aqua- ticus ab, seine Stellung im System der Entwicklung der Wieder- käuer gewinnt aber dadurch offenbar an Werth. Von den Brustwirbeln unseres Individuums gingen mehrere zu Grunde, 7 Stücke und 15 Einzelrippen sind jedoch vorhanden. Im Verhältniss zu den Halswirbeln sind die Brustwirbel kräftiger und stärker, während bekannt ist, dass bei Wiederkauern das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Die Rippen sind dagegen viel zarter und feiner als bei gleich grossen Schweinen, z. B. Dicotyles. Die breiteste und kräftigste, aber zugleich auch kür- zeste Rippe ist die erste (Fig. 10), welche das Manubrium sterni fasste. Von den kräftigen Lendenwirbeln finde ich 5 Stücke vorhanden, ebenso 5 Kreuzbeinwirbel, an deren erstem in leich- ter Art die schlanken Darmbeine (Fig. 9) befestigt siud. Die Stellung des Beckens zur Wirbelsäule ist wie bei den Schweinen, die Länge des Beckens im Vergleich mit Dicotyles torquatus (einem ausgewachsenen Exemplare von Surinam) bleibt um 0% 02 hinter dem Nabelschwein zurück. Mit Ausnahme eines bei Di- cofyles stärker entwickelten Sitzknorrens stimmt sonst Gestalt und Grösse bei beiden, wie denn überhaupt kaum ein Skelett von einem lebenden Thiere gefunden werden wird, das in Betreff der Knochen des Stamms und der Extremitäten grössere Aehnlichkeit mit unserem Thiere hätte, als eben das Skelett des Dicotyles. So stimmt Gestalt und Länge des Femur 0" 15, dessen Oberende Fig. 6 abgebildet ist und die Länge der Tibia 0" 135. Die grösste Eigenthümlichkeit liegt jedoch in der Bildung des Unterschenkels, der wieder vom Schwein abweicht und Wieder- käuercharakter zeigt, denn ein Querschnitt in der Obergegend — 2397 — des Schienbeins stellt kein gleichseitiges Dreieck (Schwein), son- dern ein gleichschenkliges dar. Die Fibula fehlt ganz, an ihrer Stelle ist am Unterende der Tibia (Fig. 8) ein äusserer Malleolus mit ihrer unteren Gelenkfläche verwachsen, der bei Cervus als abgesondertes Fihularrudiment auftritt. Dieser äussere Knöchel hat nun aber nicht etwa eine Gelenkpfanne an seinem Unterende für den Gelenkhöcker der Lamina calcanei, wie das bei allen Wiederkäuern der Fall ist, sondern vielmehr einen abgerundeten, etwas concav ausgebuchteten Zapfen, der in einer entsprechenden Gelenkvertiefung in der Lamina calcanei (Fig. 5) articulirt. Es ist diess die wunderlichste Verschmelzung von Schwein und Wiederkäuer. Das Verschrumpfen der Fibula zum äussern Knö- chel ist dem Wiederkäuer, das Articuliren des Knöchels im Fer- senbein dem Schweine eigen. Das Sustentaculum erreicht nicht die Stärke wie an den Cerviden, die innere Gelenkfläche ist breit, gewölbter als bei Muntjak, ja fast so gewölbt als bei den Cavi- eornern, ganz entsprechend der schiefen Ebene auf der Plantar- seite des Astragalus, was eben wieder der Punkt ist, darin das Thier vom Typus des Schweins abweicht. Der Verschmelzung der Typen von Schwein und Wieder- käuer entspricht auch der Bau des Astragalus (Fig. 4), der doch immer als Schwerpunkt der gesammten Bewegungsthätigkeit des Fusses dasteht und in erster Linie eine genaue Prüfung verdient. Die obere Tibialrolle lässt auf den ersten Blick eine auffällige Ungleichheit der inneren und äusseren Rolle erkennen, nicht nur dass diese */3 vom Durchmesser des ganzen Gelenkes einnimmt, ragt sie um 3 MM. über die innere Rolle hervor. Die innere - Rolle endet nach hinten ohne umgestülpten Endrand, dadurch entfernt sich der Astragalus von dem Typus des Anoplotheriums, welches dieses Merkmal am ausgeprägtesten zeigt, lässt sich auch anf den ersten Blick von den mit vorkommenden Würfelbeinen des Cervus furcatus unterscheiden *. * In Palaeontogr. II, Taf. 9, Fig. 4 hat H. v. Meyer einen ganz ausgesprochenen Astragalus unserer Art abgebildet, er stammt aus Triebitz in Böhmen und ward ihm 1846 von Dr. Reuss in Bilin mit- getheilt. Zwar wird das Stück fraglicher Weise Palaeom. Scheuchzeri — 233 — Die Plantarseite der Calcaneusflächen ist bereits erwähnt, sie ist entsprechend der hohen Wölbung der Innenfläche am Su- stentaculum des Fersenbeins concav gebildet im Sinne der Längs- axe des Beins. Bei dieser plantaren Bewegung in der Gelenk- höhle des Fersenbeins ist die Stellung des Würfelbeins zum Un- terfuss ebenso als zu Schienbein durch jene seitliche Basalfläche angedeutet, welche unterhalb der tiefen seitlichen Ligamentgrube mit der Innenfläche der Lamina calcanei articulirt. Das auf der Queraxe dieser Fläche errichtete Perpendikel fällt mit der Lin- genaxe des Unterfusses zusammen und bestimmt zugleich den Winkel, in welchem die Tibia für gewöhnlich in der Rolle sich stell. Hienach war bei Hyaemoschus der herrschende Winkel ungefähr derselbe, den man beim Renthier beobachtete, jedenfalls ein viel spitzerer als beim Schwein, doch nicht so spitz wie z. B. beim Rind. Die dritte digitale Gelenkfläche des Würfelbeins hat wieder mehr Schweinsform. Schon die schiefe Stellung der Längsaxe dieser unteren Rolle zu der oberen ist nicht mehr Wiederkäuern eigen, bei welchen die Queraxen beider Rollen parallel liegen. Eine weitere Verschiedenheit zeigt die kleinere äussere Rolle, neben der sich noch eine zweite Rinne ausgebildet hat, so dass die untere Gelenkfläche gegenüber der oberen aus 2 Rollen und 2 Rinnen besteht, während die obere aus 2 Rollen und 1 Rinne zusammengesetzt ist. Ausser den beiden besteht der Tarsus aus 2 sehr ungleichen Knochen 1) aus dem Stück der verwachsenen Seaphoideum, Cuboideum und zweier Ossa cuneiformia, 2) dem Cuneiforme primum. Auf der ‘oberen Gelenkflä:he bemerkt man zum: Untersehied von den ähnlich aussehenden Tarsen der Hirsche eine viel: breitere, doppelt gekrümmte Fläche am Cuboideum, auf welcher die Calcaneusfläche artieulirt. Damit ist die Form des Tarsus nicht quadratisch, wie dort, sondern breiter als tief. Noch viel mehr als die obere, weicht die untere: Gelenkfläche vom Wiederkäuer ab. Die 5 Flächen für die Zehen sind räumlich zugetheilt, aber hievon kann aus: den: bei Palaeomeryx. furcatus aus- führlicher. behandelten. Gründen keine Rede: sein. — 0289. — von einander getrennt und nichts weniger als in Einer Ebene, alle 5 Flächen übrigens sind in einer Weise ausgesprochen, dass man die 3 keilförmigen Beine und das Cuboideum mit seinen 2 Flächen deutlich in ihrer Bedeutung erkennt. Der Metatarsus (Fig. 5) besteht aus 1) zwei langen, enge mit einander verbundenen, aber nicht verwachsenen Zehen, welche dem 3ten und 4ten entsprechen, der innere der beiden hängt an dem verwachsenen Cuneiforme, der äussere an dem Cuboideum. 2\kleimeren nur halb so langen seitlichen Zehen den 2ten und 5ten darstellend, die am Cuneiforme primum und Cu- boideum hängen, zugleich aber auch mit kleinen seitlichen Flä- chen an das Oberende des mittleren Zehenpaars befestigt sind. Der innere Zehen trägt ausserdem noch auf seiner hinteren Seite einen kleinen Knorren mit einer Fläche, an welcher, ob er gleich nicht aufgefunden wurde, ein kleiner Bummelknochen hängen muss, der als Rudiment des 5ten Fingers resp. des Daumens anzu- sehen ist. Ich brauche nicht zu sagen, dass dieselben Verhältnisse am Schweinsfuss herrschen, mit der alleinigen Ausnahme, dass die mittleren Metatarsen selbstständiger ausgebildet sind, nicht so enge an einander geschweisst wie bei Ayaemoschus. Gray war es, der zuerst dieses abweichende Verhalten des Hyaemoschus gegenüber anderer Ruminantien erkannte und die Diagnose dieses Geschlechts mit den Worten bestimmte: „Metatarsus osseus bi- partitus“. Beide Metatarsen sind zwar gleich lang (0” 09), aber der äussere mittlere hängt um 3 MM. tiefer hinab als der innere mittlere, indem das Cuboideum um ebensoviel länger ist als die verwachsenen Scaphoideum und Cuneiforme. Die Totallänge des Metatarsus (0” 09) übertrifft die des Dicotyles torquatus (0” 055) um 0” 035. Misst man dazu noch die kräftigen und starken Phalangen, freilich nicht von der Länge der Phalangen des Cer- vus furcatus, so gewinnen wir dem Däicotyles gegenüber noch weitere 0” 009 an Höhe, denn dessen Phalangen messen 21, 17, 19 MM. an Länge, während wir an unserem Thier 25, 21, 20 messen. Das 3te huftragende Zehenglied zeigt zum Schluss noch ganz den Bau des Schweins, indem dieses Glied nach seiner Ge- — 240 — lenkfläche so gestellt war, dass es mit der Sohle den Boden gleichmässig berührte, nicht etwa blos mit dem äussern Rand wie die Hirsche. Summiren wir die Länge der einzelnen Extremitätenknochen, so erhalten wir für Hyaemoschus Dicotyles Phalanges 0” 066 0” 057 Metatarsus 0” 090 0” 055 Tibia 02 140 0m 135 Femur 0” 150 0” 150 0m 446 0m 397. Die Vorder-Extremitäten sind durchweg kleiner, als die hinteren. So misst gleich die Scapula nur 0” 1 an Länge. Ihre Gestalt weicht, so weit wir an dem leider sehr defecten Stücke zu beobachten vermögen, vom Schwein noch mehr ab, als vom Wiederkäuer. Sie ist durch eine im vorderen Viertheil ange- brachte geradlinige Spina bezeichnet. Eine fast kreisrunde Pfanne von 15 MM. Durchmesser nimmt das Capitulum humeri auf. Der Humerus ist ein leichter, zierlicher Knochen von 0” 11 Länge. Seine untere Gelenkfläche ist Fig. 7 abgebildet. Sie zeigt die charakteristische Doppelrolle, die vom Wiederkäuer abweicht, in- dem die innere flächere Rolle lange nicht die Breite der Rolle der Wiederkäuer erreicht. In Dicotyles fällt die innere Rolle steiler ab, dagegen stimmt sie. noch am ehesten mit Porcus. Mit diesem Geschlecht stimmt auch die durchbrochene Fossa für das Olecranon. Bei Dicotyles und Schwein haben wir eine Knochen- wand, wie bei allen Wiederkäuern, hier aber ist ein Loch, wie es die lebenden Babirussa und die fossilen Xiphodon und Dicho- bune, nicht aber Anoplotherium es zeigen. Beim Einpassen der Ulna in den Humerus stemmt sich in der That das Olecranon in der Art in die Fossa ein, dass es durch das Loch hindurch auf der Vorderseite herausschaut. Radius und Ulna (Fig. 14) sind vollständig unabhängig von einander, doch trägt die Speiche auf ihrer Hinterseite die Spur, wo sie auf der Elle aufsitzt. Von den Carpalknochen sind nur aufgefunden worden Os triquetrum (Fig. 12) und Os magnum (Fig. 13). Bedeutend kleiner — 241 — als die entsprechenden Knöchelchen des C. furcatus stimmt es zu denen des Dicotyles, welche es nur an Höhe etwas übertrifft. Der Metacarpus besteht gleich dem Metatarsus aus 4 Glie- dern, 2 kräftigen mittleren und 2 schwachen seitlichen, be- ziehungsweise nach hinten gerückten. In Fig. 15 sind die bei- den, enge an einander gestellten aber nicht verwachsenen Meta- carpen abgebildet. Ihre Länge beträgt 0” 06. Einige wenige Fingerglieder des 2ten und 3ten Phalanx sind kürzer als die des Hinterfusses (0% 015, 0” 019). Die Fingerglieder miteinander mögen 0” 055 messen, bei Dicotyles 0” 05. Hienach erhalten wir für die vorderen Extremitäten nachstehende Maasse: Hyaemoschus Dicotyles Scapula ORSEORSS 0m 13 Humerus pl 0m 11 Radius 0” 10 0” 09 Metacarpus 0” 06 0m 045 Phalanges 0” 055 0m 05 0m 425 0m 425. Die Verschiedenheit der einzelnen Knochen gleicht sich in der ganzen Höhe des Thiers am Widerrist aus. Der Unterschied zwischen Hyaemoschus und Dicotyles aber springt sogleich in die Augen, indem dieses vorne höher ist als hinten, während jenes hinten höher steht als vorne. Das lebende A. aquaticus Ogilby ist am Kreuz gemessen 0” 40 hoch, vorne nur 0” 35. Die Differenz der vordern und hintern Höhe beträgt hienach Centimeter, beim fossilen etwas über zwei. In der Sammlung des K. Naturaliencabinets ist zwar der Balg des lebenden Hyaemoschus aus dem centralen Westafrika vorhanden, welcher der Beschreibung bei Schreber zu Grunde liegt, leider aber fehlt uns das Skelett, um das vorliegende De- tail der fossilen Art mit der lebenden zu vergleichen. Indessen wurden an der Hand des Pariser Skeletts die in Sansan aufge- fundenen Knochenreste verglichen und der Genusnamen von den Pariser Gelehrten aufgenommen. Sämmtliche mir von dort mit- getheilten, als Hyaem. crassus Lartet bestimmten Knochen und Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. ?tes u. 3tes Heft. 16 — 242 — Zähne stimmen mit dem Steinheimer Fund vollständig überein, dass über deren Identität kein Zweifel ist. Eine andere Frage ist die, ob nicht Kaup’s Dorcatherium vom Jahre 1833 Prioritäts-Ansprüche zu erheben berechtigt wäre, das H. v. Meyer seiner Zeit (Jahrbuch 1864) für identisch mit /yaem. cras- sus bezeichnet hatte, ohne jedoch in einer Publikation diese Bezeich- nung näher begründet zu haben. Bei der Undeutlichkeit der Kaup’schen Originalzeichnungen (Oss. foss. XXI. A. B. C.), welche eine genaue Vergleichung derselben nicht zulässt, und der mangelhaften Beschreibung in Folge unzureichenden Maäte- rials sind absolut keine nöthigenden Gründe vorhanden, den Kaup- schen Geschlechtsnamen aufzunehmen; hätte nicht H. v. Meyer den Namen für die ergänzenden Funde von Georgensgmünd, Mäinzerbecken, Günzburg, Ulmer Gegend u. s. w. adoptirt, aus dem von Kaup publicirten Eppelsheimer Fund konnten nie sichere Schlüsse gezogen werden und bleibt die Identität immerhin un- gewiss. Soll doch Dorcatherium 7 Backenzähne im Unterkiefer haben, was augenscheinlich individuelle Zahnwucherung ist, die auch sonst bei verschiedenen Cerviden beobachtet werden kann. So besitzt z.B. H. Pfarrer Probst in Essendorf einen Unterkiefer von Palaeomeryz medius mit 4 Praemolaren, indem vor dem zweiwurzligen dritten, der sonst als der vorderste Backenzahn des Gebisses dasteht, noch ein einwurzlges, stiftförmiges Zähn- chen sitzt. Es gleicht dasselbe vollständig der Art und Weise, wie (XXIII, B. fig. 3.) am Kaup’schen Stücke ein 4tes einfaches Zähnchen vor den 3 Praemolaren sich befindet, und eine oflen- bare Abnormität darstellt. Abgesehen davon besteht eine ent- schiedene Abweichung in den Schmelzfalten der Backenzähne, wie denn auch der Basalkragen des Hyaemoschus nur unvollständig und kümmerlich bei dem abgebildeten Kaup’schen Stücke vor- handen ist. Wenn endlich die XXIII, C. f. 3—5 abgebildeten Fussknochen wirklich zu Dorcatherium gehören, so kann ohnehin von einer Identität der beiden fraglichen Thiere gar keine Rede sein, da der verwachsene Mittelfussknochen einen ächten Wieder- kauer bekundet. Wenn es daher auch möglich ist, dass Kaup’s Dorcatherium-Kopf einem Hyaemoschus angehört, so ist doch — 243 — Kaup’s Dorcatheriun-Skelett ein ächter Cervide und Hyaemo- schus so fremd, als irgend ein anderes Genus. Wie wenig seit Kaup’s Publikation dessen Bestimmung von Dorcatherium ver- standen worden ist, beweist z. B. Quenstedt’s Anschauung, die in den Jahresheften 1850 (VI, 177) niedergelegt ist, er identi- fieirt Dorc. Naui geradezu mit Palaeomeryx Scheuchzeri v. M., den Quenstedt aus den schwäbischen Bohnerzen und aus Stein- heim eitirt. Was es mit den 7 Zähnen des Unterkiefers für ‘eine Bewandtniss habe, lässt er dahingestellt. Nebenbei spricht er freilich auch wieder von wahren Palaeomeryx aus Georgens- gmünd, unterlässt aber, über den charakteristischen Palaeomeryx- Wulst sich auszusprechen, der bei Beurtheilung der Cervidenzähne allein maassgebend ist. Ebenso vereinigte auch ich im Jahr 1861 (Jahrg. XVII, 117) Dorcatherium wit den Cerviden, der Hinblick auf den ächten Hirschfuss musste bei den Zweifeln, in welchen der Blick auf den Kopf mich beliess, für diese Anschau- ung bestimmend sein. Indessen hatte H. v. Meyer das Kaup- sche Geschlecht Dorcatherium wieder aufgenommen und vielfach gefundene Zähne, namentlich aus der schwäbischen Molasse, im Laufe der 50ger und 60ger Jahre darnach bestimmt. Eine Anzahl der von Meyer bestimmten Originalstücke kam mir zu Gesicht, ins- besondere vertrauten mir Herr Wetzler in Günzburg und Herr Probst in Essendorf ihr gesammtes Material zur Einsicht an, in Uebereinstimmung mit den Zeichnungen Meyer’s und den be- gleitenden Noten, die mir Herr Zittel zur Verfügung gestellt hatte. Die Kaup’sche Art Dorc. Naui übertrug Meyer auf einen Hyaemoschus aus den Sanden der Reissenburg, der nahezu um Ns kleiner ist, als das Eppelsheimer Thier, dem Kaup den Namen gab. Herr Wetzler besitzt das Unterkieferstück mit 2 Molaren und der Alveole eines dritten, die an sich ebenso, wie die Form des Unterkiefers mit unserem Steinheimer Thier stim- ınen. Ein kleineres, viel häufiger noch in den Sanden von Günz- burg sich findendes Thier besimmte Meyer als D. guntia- num. Vier Unterkieferstücke mit 3—5 Zähnen, gleichfalls in H. Wetzler’s Besitz, halten genau ?/3 des Maasses von D. Naui und ist hienach D. guntianum um 3 kleiner als D. Nawi 16* —ı 24 — (Meyer non Kaup). Zwei der fraglichen Stücke tragen Milch- zähne, deren Verhältnisse gleichfalls mit Hyaemoschus stimmen: bei einem andern sind die Molaren leider so tief abgekaut, dass über die Gestalt der Krone nichts mehr gesagt werden kaın. Aus dem Oberkiefer besitzt H. Wetzler einzelne Praemolaren, deren Tiefe und scharf vorspringenden Hügel entschieden von Cerviden abweichen und eine Verwechslung mit diesen nicht wohl zulassen. Aus dieser Geschichte der Deutung von Dorcatherium wird zur Genüge hervorgehen, dass lediglich keine Gründe vorliegen, statt des von den französischen Gelehrten angenommenen Ge- schlechtes Ayaemoschus den zwar älteren aber nur höchst man- gelhaft beschriebenen Namen Dorcatherium zu gebrauchen. Um so weniger, als indem Namen des Hyaemoschus, der nach seinem Autor Gray den Fötalzustand der Wiederkäuer repräsentirt, eben die wichtige und bedeutungsvolle Thatsache ausgesprochen ist, ‚dass das heute nur in Einer höchst seltenen, dem Aussterben vielleicht ganz nahen Art (aguaticus Ogilby) erhaltene Geschlecht zur Zeit der Tertiäre eine viel grössere Verbreitung gehabt hat. VII. Ordnung der Wiederkäuer. Einzige Familie der Cervinen. Seit demim Jahrgang 1862 der württ. Jahresh. (XVIII, Taf. Tund II) beschriebenen Fund eines nahezu vollständigen Individuums von Cervus furcatus ist nichts ähnlich Vollständiges mehr in Stein- heim aufgefunden worden, um so mehr aber Einzelreste zahl- reicher Individuen, die wesentlich zur Vervollständigung unserer Kenntniss um jene Art beitragen, welche entschieden die häufigste sämmtlicher Steinheimer Säugethiere ist. Die vollständige Er- haltung des Exemplars vom Jahr 1862 war einzig dem Um- stand zuzuschreiben, dass dasselbe auf einer milden Mergelplatte lag. Gewöhnlich liegen die Reste im Valvaten-Sand, wo bei der grösstmöglichen Vorsicht der Knochen zerbröckelt und nur die festeren Skeletttheile, Zähne, Geweihstücke und Fusswurzelknochen erhalten werden können. So bedauerlich dieser Umstand ist, so — 245 — erfreulich ist andrerseits das zahlreiche Vorkommen der einzelnen Zahn- und Knochenreste, die auf viele Dutzende von Individuen hinweisen, welche auf der verhältnissmässig nur kleinen Grund- fläche der Steinheimer Sandgrube begraben liegen. Die Voll- ständigkeit, in welcher seit 1 Jahrzehent alle Steinheimer Funde mir durch die Hände giengen und fast ausschliesslich in den Besitz der Vaterländischen Sammlung kamen, ersetzt die Vollständigkeit der einzelnen Individuen. So liegen gegenwärtig die Reste von mindestens 50 Individuen jeden Alters als Material der Bearbei- tung zu Grund, dass das Skelett unseres Hirsches nunmehr an- nähernd so genau beschrieben werden kann, als das eines leben- den Thieres, von welchem unser osteologisches Museum ein Ske- lett bewahrt. Zehnjährige, sorgfältig gesammelte Funde vereinzel- ter Reste geben schliesslich in ihrem Durchschnitt auch ein Ganzes; etwa in derselben Weise, in welcher der Zoologe aus einer Anzahl vorliegender Individuen eine Art beschreibt. Geweihe fanden sich in grosser Zahl. 50 unpaarige Stücke, mehr oder minder vollständig, 8 zusammengehörige Paare, dar- unter Eins noch an einem Schädel mit Zähnen, liegen vor uns und weisen unserem Hirsch ganz unbestritten seine Stellung in der Nähe des Muntjac’s an. Ueber die Zusammengehörigkeit der Geweihe unter sich sowohl, als zu den verhältnissmässig in glei- cher Anzahl gefundenen Gebissen kann kein Zweifel sein. H. v. Meyer zwar hatte N. Jahrb. 1864, pag. 187 diese Zweifel aus- gesprochen, den Beweis für meine 1862 ausgesprochene Behaup- tung vermisst, diese selber als blosse Vermuthung hingestellt und schliesslich mit grosser Bestimmtheit wiederholt, mein Cervus furcatus sei ein Palaeomeryx, Palaeomeryx habe aber kein Ge- weih getragen, folglich können unsere Steinheimer Geweihe nicht zu den aufgefundenen Gebissen gehören, müssen vielmehr irgend einem andern tertiären Hirsch angehören” Zuvor war H. v. Meyer in der hiesigen Sammlung, um meine Beweisstücke einzusehen und namentlich an dem auf Taf. I abgebildeten Stück meines (©. furcatus sich von dem Fehlen oder Vorhandensein von Geweihen zu überzeugen. Leider war ich um jene Zeit von Stuttgart ab- wesend, sonst hätte ich ihm damals schon die direktesten Be- N 2A0ı N weise gezeigt, zwar nicht am Hauptstück (XVIII, Taf. I), dem das ganze Schädeldach als über die Bank hinausragend fehlt, aber an einem andern damals schon vorhandenen Stück, an welchem ein Geweih wie das Taf. II, Fig. 3 abgebildete auf einem Schädel sitzt. Der Schädel selber steckt allerdings in einem Steinknauer und kann bei der enormen Härte dieser Knauer nicht blosgelegt wer- den, auf der Unterseite ist aber noch eine Anzahl von Zähnen zu sehen, die mit den Zähnen des ©. furcatus übereinstimmen. So kam es, dass Meyer pag. 188 mir den Versuch empfehlen konnte, an meinem Hauptexemplar die Oberseite des Schädels so weit von dem Gestein zu befreien, als zur Ueberzeugung vom Vorhandensein der Geweihe nöthig gewesen wäre. Vier Jahre zuvor schon hatte ich ohne H. v. Meyer’s Empfehlung diesen Versuch angestellt, dabei aber — wie oben bemerkt — nur einen Abgang im Gestein gefunden, mit dem die Oberseite des Schä- dels sich abgelöst und wohl im Abraum der Sandgruke ihren Untergang gefunden hatte. Obgleich ich damals nur etwa ein halbes Dutzend Gebisse vor mir hatte, vereinigte ich aus Grün- den der Lagerungsweise der Reste Geweih und Gebiss. Die seit- her, vielfach unter meinen Augen ausgegrabenen Reste von min- destens 50 Individuen bestätigten meine damalige Anschauung vollständig. Es finden sich, wie wir sehen werden, überhaupt nur dreierlei Wiederkäuer in Steinheim, eine grosse Form, Pa- laeomeryz (Cervus) eminens, eine ganz kleine Form (Micro- meryx) und häufiger als die beiden zusammen unsere Mittelform des Palaeomeryx (Cervus) furcatus. In durchschnittlich gleicher Zahl wurden nach 10jähriger Statistik Geweihe und Gebisse aus- gegraben nebst den zugehörigen Skeletttheiien. Angesichts die- ser Erfahrung finden wir nun in Steinheim 1) Geweihe, Zähne und Knochen von C. furcatus gewöhnlich bei einander liegen. 2) das Zahlenverhältniss, in welchem die Geweihe, Gebisse und Knochen gefunden werden, zeigt nach 10jährigem Durchschnitt eine richtige Uebereinstimmung. 3) Gebisse eines weiteren Hir- sches, dem etwä die Geweihe angehört hätten, wurden bis jetzt in Steinheim noch gar nicht gefunden. NachH.v. Meyer’s Ansicht wären die Steinheimer Geweiheirgend — 247 — einem geweihtragenden Wiederkäuer mit Moschidenähnlicher Zahn- bildung zugekommen, dagegen muss doch nothwendig geltend gemacht werden, dass es doch die wunderlichste Sache von der Welt wäre, wenn an einem so beschränkten Lagerplatz von Fossilen, wie Steinheim ist, die Geweihe — und zwar nicht abgeworfene, sondern Schädelstücke mit Geweihen — von etwa 50 Thieren gefunden würden, aber kein einziger Zahn und hinwiederum die Zähne von etwa 50 Thieren, aber ohne Schädelreste und endlich Knochen, namentlich Fusswurzelknochen, von gleichfalls etwa 50 Thieren, die nun der einen oder andern Sippe zugetheilt werden müssten Zu diesen apriorischen Gründen kommt nun nech der oben schon berührte direkte Beweis aus einem Fundstück, an welchem Ge- weih und Schädel noch an einander sitzen. Das Stück ist nur sonst zu defect, als dass es sich zum Abbilden geeignet hätte, aber sein Anblick überzeugend. Hätte H. v. Meyer seiner Zeit es gesehen, so, wäre er in seinem Artikel „über die tertiären Wiederkäuer von Steinheim“ gewiss nicht auf diese irrthümlichen An- schauungen verfallen, die freilich mit seiner langjährigen (seit 1838) irrigen Vorstellung zusammenhingen, Palaeomeryz sei geweihlos gewesen und lasse sich stets sicher an dem Schmelzwülstchen des vordern Halbmondes der unteren Backenzähne erkennen. Auf dieses Wülstehen und dessen Bedeutung werden wir unten noch zu sprechen kommen. Cervus (Palaeomeryx) furcatus Hensel. Tate L 14,07 93, Tat, XIT 119,9. 10. Die Untersuchung der Steinheimer Geweihe zeigt uns an einer Reihe von Dutzenden die Geschichte dieses für die Ent- wicklung des Geschlechts Cervus so bedeutungsvollen Stirnfort- satzes, dem wir eigentlich zum ersten Male in der Lebensge- schichte der Planeten begegnen. Es sind noch keine älteren Wiederkäuer mit Stirnzapfen bekannt, und gewährt sicherlich das erste Auftreten derselben doppeltes Interesse. Einfache, finger- lange Zapfen (Fig. 1.) wachsen an jungen Thieren über dem oberen Augenrande aus. Zwei Gefässöffnungen, die zu der oberen Augenhöhle führen, eine untere grössere und hart darüber eine — 248 — kleinere, dienten zur Ernährung des Stirnfortsatzes. Die Form desselben ist nicht drehrund wie bei den Antilopen, vielmehr seitlich etwas zusammengedrückt. Mein kleinstes, jüngstes Exem- plar misst 0" 075 Länge, 0" 005-0” 010 in der Breite und 0” 010 bis 0” 015 in der Tiefe. Das (Fig. 1) abgebildete Paar ist be- reits etwas grösser, 0% 09 lang. Das Wachsthum der Rose und der Stange hat eben begonnen, die erstere ist durch tiefere Fur- chung und Auskehlung vom Oberende des Stirnzapfens angedeu- tet, die Stange durch ein schmäler werdendes, nach hinten hin- ansteigendes Stückchen. Beide wuchsen nach Analogie des Munt- jac’s aus dem mit Fell bekleideten Stirnzapfen heraus. Fig. 2 zeigt die Entwicklung des Geweihs schon um einen Schritt wei- ter vorgeschritten, bereits ist der nach vorne gerichtetete Augen- sprosse angedeutet. Mit 0" 09 beginnt an dem Stirnzapfen die Furchung und beide Sprossen sind kenntlich angedeutet, der Au- gensprosse an diesem Individuum schon stärker als die Stange entwickelt. Von der Rose ist noch keinerlei Andeutung zu sehen. Erst bei fernerem Wachsthum schwillt die Gegend unter der Gabel an. Fig. 3 ist in einem solchen Stadium. Absichtlich habe ich ein Geweihpaar gewählt, das einen nur 0” 05 langen Zapfen hat, ja ich besitze sogar Stücke mit noch kürzerem Stock von nur 0% 04. Der Rosenstock ist in diesen Fällen um so stärker und massiger, wie denn das abgebildete Stück 0” 015 breit und 0” 020 tief ist. Die beiden Sprossen, Augen- und Stangensprosse sind je durch eine tiefe Furche bezeichnet, die an der Rose an- fängt und erst gegen die Spitze hin sich verliert. Die mitten im Wachsthum begriffene Rose ist durch Knochenwarzen und Pro- tuberanzen gebildet, die sich auf der Innenseite schon zu den Perlen der späteren Rose gestaltet haben. Eine grosse Anzahl von Geweihstücken befindet sich in diesem Zustand. In Fig. 4 bilde ich ein Geweihpaar ab, wo sich aus dem etwas schmalen und dünnen Rosenstuck eine Art von Palma herausbildet, aus der erst Stange und Augensprosse wachsen. Es scheint die Anlage zu einer grossen, breiten Rose zu sein, dass sich erst eine breite Wurzel der Gabel bildet, tiefe Rinnen ziehen sich von der Ro- sengegend zur Spitze hin, die eigentliche Rosenanschwellung ist — 249 — noch nicht erheblich. Fig. 5 prägt eine andere Individualität aus, wo eine Erbreiterung der Basis wie in Fig. 4 gar nicht zu Stande kam, sondern die beiden schlanken Sprossen unmittelbar aus der Rose hervorbrechen. Das Geweihstück ist von der In- nenseite abgebildet, wo die Furchen nicht so tief einschneiden und die Perlen nicht so stark hervortreten, wie auf der Aussen- seite. Derartige Stücke haben nicht mehr weit bis sie den aus- gewachsenen Zustand der Geweihe in Fig. 6 erreichen. Auf dem 0” 09 langen Stock sitzt die ovale Rose auf mit 0% 04 und 0” 05 Durchmesser. Aus der Basis von gleicher Breite wächst ein Stangensprosse von 0% 13 und ein Augensprosse von 0" 11 Länge, so dass die Höhe des ganzen Geweihs, so weit es den 0” 09 hohen Rosenstock überragt, 0” 16 beträgt, von der Stirne bis zur Stangenspitze aber 0" 25. Ein ähnliches Stück hatte ich Jahrg. XVIH, Taf. II, fig. 2 abgebildet. Der Rosenstock selbst zeigt nur undeutliche Furchen oder Gefäss-Endrücken, während Rose und Sprossen starke mit einander correspondirende Erhabenheiten zeigen. Aus jeder Perle der starken Rose geht ein Knochen- striemen aus, der immer schwächer werdend bis zur Sprossen- spitze sich hinzieht. Zur Vergleichung mit dem Muntjac von Steinheim bilde ich (Fig. 8) das Geweih eines nepalesischen Munt- jac’s ab, Nro. 940° der hiesigen osteologischen Sammlung. Die Stange übertrifft an Länge weitaus die Augensprossen (0,090 : 0,015), so dass letztere nur als unbedeutender Anhang an der erstern erscheint. Die Spitze der Stange ist nach innen ge- krümmt. Nach den im zoologischen Garten zu Hamburg leben- den Muntjac’s krümmt sich das Geweih allerdings zuerst nach innen, macht aber später eine halbe Wendung nach hinten und aussen, die mit jedem Geweihwechsel zunimmt. Der Director des Zoologischen Gartens, Herr Dr. Hilgendorf, dessen Namen immer genannt werden wird, wenn von Steinheim die Rede ist, hatte die grosse Freundlichkeit, mir über den Geweihwechsel sei- ner Muntjake Mittheilung zu machen. Hienach warf der alte Muntjac, der 1865 nach Hamburg kam, im Juli desselben Jahres noch ab. Im Jahr 1866 am 8. Juli. 1867 warf er nicht ab, dagegen 13868 am 5. Juli, 1869 am 30. Juli. Das zweite Exem- DLR «_ — 150_— plar kam wie das erste als ausgewachsenes Thier im Juni 1869 nach Hamburg, die Hörner waren reingefegt und offenbar schon vom Vorjahr. Es hatte im Jahr 1870 noch nicht abgeworfen und wird wohl ebenso, wie der ältere 1 Jahr beim Geweihwech- sel überschlagen. Das Geweih vom Jahr 1868 misst an der Rose 0” 03, die Stange 0” 115, die Sprosse 0” 065. Das Geweih von 1869 0” 035, die Sprosse 0” 07, die Stange 0” 14. Es war also das Geweih in jenem Jahr an der Stange um 25, an der Sprosse um 5 und an Dicke der Rose um 5 MM. ge- wachsen. Zugleich mit dem Wachsthum in die Länge hatte sich die Spitze der Stange mehr nach aussen gedreht. Als besondere Seltenheit erwähne ich noch (Fig. 7) des ein- zigen Geweihstückes, wo zwischen Augen- und Stangensprossen noch ein Zinken abzweigt. Und zwar geht dieser Zinken aus der Stangensprosse ab. Es ist diess das erste bekannte Beispiel, dass die Stange sich gabelt und mehr als 2 Sprossen dem Rosenstock entsteigen. Man wird ohne Zweifel derartige Beobachtungen an den ersten und ältesten Cervus-Arten, die man überhaupt kennt, mit Freuden begrüssen. Noch kennen wir aus dieser Zeit weder Hirsche mit flacher Geweihbasis, wie Elch und Dam, noch Hirsche mit rundem Astgeweih, wie die meisten heutzutage lebenden Hirsche, ebensowenig ist bis jetzt eine Spur von Cavicornern gefunden, die als älter denn ©. furcatus bezeichnet werden könnte. So steht denn unser Steinheimer Hirsch als Stammvater der Hirsche da, aus welchem die übrigen Hirschgruppen ebenso wie die Hohl- hörner erst hervorgegangen sind. Bereits sind am Steinheimer Hirsch Fig. 5 cornua palmata, in Fig. 7 cornua ramosa ange- deutet, im Uebrigen bleibt der Charakter wesentlich noch der der Muntjac’s *, die heutzutage auf das tropische Ostasien beschränkt, * Der Muntjac oder Kidang, etwa von der Grösse des Rehbocks, ist 4° lang, am Widerrist 26, am Kreuz 29 Zoll hoch. Die Geweihstan- gen des Männchens sitzen auf langen Rosenstöcken, schräg nach rück- wärts gerichtet. Sie biegen sich anfangs nach aussen, dann hacken- förmig nach rück- und einwärts. Zuerst sind sie einfach, später er- halten sie eine kurze starke, nach vor- und aufwärts gerichtete Augen- als einzige noch lebende Vertreter jener tertiären Urrasse anzu- sehen wären. | Auf gleiche Resultate führt das Studium der Zähne. Das reiche vorliegende Material von Hunderten, darunter eine Reihe vollständiger Gebisse hat mich in Stand gesetzt, eine genaue Untersuchung jedes einzelnen Zahnes vorzunehmen, und dieselben ebenso unter sich, als mit lebenden Formen zu vergleichen. Die Zähne zeigen den ächten Typus der Wiederkauer mit der Formel 0.1.6 4.0.6 Molaren. 1) Die Zähne des Oberkiefers. Das Wichtigste ist wohl die Beobachtung der Zahnung. Auch hierin finden wir von ‚den lebenden Hirscharten keine Abweichung. Die Milchbacken- zähne sind nach dem Vorbild der Molaren gebaut und weichen dadurch von den sie ersetzenden Praemolaren ab. Der vorderste Milchbackenzahn (Fig. 9 b) ist ein ausgesprochener Doppelzahn, 3wurzelig, breiter als tief, das Aussenblech doppelt, jede Hälfte mit 2 Falten, während der permanente Zahn als einfacher Zahn Die 6 Backenzähne zerfallen in 3 Praemolaren und 3 sprosse. Die am Rosenstock liegende behaarte Haut trägt längs der Rosenkante einen büschelförmigen Haarwuchs. Mit dem Alter wird der Rosenstock stärker und mehren sich die Perlen an der Rose. Das Thier ist ziemlich schlank gebaut, von gedrungenem Leib, mittellangem Hals, kurzem Kopf, hohen schlanken Läufen. Behaarung kurz, glatt und dicht. Er erwählt gewisse Gegenden, an die er grosse Anhäng- lichkeit zeigt und ist mancher Ort seit Menschengedenken als ein bevor- zugter Stand bekannt. Er liebt namentlich Hügel und Thäler, den Fuss höherer Gebirge oder den Rand grösserer Wälder. Das lange Gras »Allang« auf Java, eine Phyllantusart und malvenartige Gewächse sind die Hauptäsung des Muntjacs. Leben und Geschichte noch sehr wenig bekannt, weiss man doch nicht einmal die Zeit, da der junge Bock zuerst aufsetzt. Auf Java ist der Muntjac der Gegenstand lei- denschaftlicher Jagd der Vornehmen, die ihn mit einer eigenen Art Hunde hetzen. Er ist übrigens ein muthiger Gesell, der sein kleines Geweih mit grosser Kraft und Gewandtheit handhabt. In der Ge- fangenschaft wird er bald zahm und zutraulich und hält es auch in Europa leidlich aus, was gegenwärtig ein wohlgenährtes Paar im zoo- logischen Garten von Hamburg bezeugt. — 252 — mit einem kleinen vordern Appendix erscheint. Er misst 0” 011 und 0” 007. Der vordere permanente Backenzahn 0” 010 und 0” 008. Der innere Schmelzwall des Milchzahns ist durch eine starke Querleiste und mehrere kleinere Zwischenleisten mit dem äussern Schmelzblech verwachsen. Dagegen stellt der perma- nente Praemolar beim Licht betrachtet nur einen halben ächten Molar vor. Ein einfacher Halbmond, dessen Hörner durch den äusseren, einfach gefalteten Schmelzrand verbunden sind, bildet den ganzen Zahn. In dieser Gestalt sehen wir ihn im frischen unbenützten Zustand. Eine nach hinten eingeschlagene kleine Falte unterstützt noch die Verbindung des Aussenrandes mit dem Halbmond und tritt bei vorgeschrittener Ankauung je mehr und mehr zu Tage. Der zweite permanente Praemolar (P 2) ist vom vorderen (P 3) nur wenig verschieden. Er ist der kräftigste unter den dreien. Auch er besteht nur aus einem einfachen Halbmond, der auf der breiteren, nach innen gestellten Wurzel sitzt und dem einfach gefalteten Aussenblech. Dieses ist durch die Falte in 2 un- gleiche Felder getheilt, ein schmales und ebendarum tiefer ge- faltetes vorderes Theil und ein breiteres Hinterfeld.e Auch hier unterstützt eine kleine Schmelzfalte den Zusammenhang des äus- seren und inneren Schmelzrandes. Ganz anders sieht der 2te Milchbackenzahn aus, er ist ein aus 2 Jochen zusammengesetzter Doppelzahn, deren jedes einzelne die Gestalt des permanenten Zahnes hat. Eben der gleiche Fall ist beim dritten Backenzahn, oder P 1, während D 1 (Fig. 9 c) den Typus der ächten Backenzähne an sich trägt und als ein Doppelzahn aus 2 Halbmonden be- steht, deren jeder mit einem gefalteten Schmelzblech nach aussen versehen ist. Die Schmelzränder der Halbmonde sind bei fri- schen Zähnen förmlich gekräuselt, nie scharf und glatt, wie aın permanenten Zahn und schiebt sich zwischen beide Joche ein gefältelter Schmelzwulst ein, der in einer inneren Basalspitze ausgeht. Ganz anders der permanente Zahn P 1. Er ist schmäler als P 2, noch einfacher als dieser, das äussere Schildblech ebenso getheilt, einen Unterschied beobachtet man nur an der hinteren — 259 Schmelzfalte, die als Brücke vom Innenrand zum Aussenrand führt. Diese Falte wird jetzt zur ausgesprochenen Schlinge, noch stärker als am ersten und zweiten Zahn. Vergleichen wir die Praemolaren von C. furcalus mit an- dern nahestehenden Typen, so weichen die des Muntjac auffällig von furcatus ab; wohl sind die Zähne auch einfach im Vergleich mit den Molaren, aber an jedem Halbmond sitzt noch ein hin- terer Schmelzhügel, der bei vorschreitender Ahknutzung immer breiter zu Tage tritt. Die Milchzähne beider Arten sind weniger verschieden. Am meisten stiminen unter den Lebenden die Prae- molaren des Moschusthiers, wäs die Form und Gestalt anbelangt, dagegen bleiben sie in der Grösse weit hinter ©. furcatus zurück. Mit andern lebenden Hirschen ist keine Vergleichung mehr zu- lässig, es wäre denn das Renthier, an welchem die Praemolaren ebenso einfach aus Halbmond und Schildblech zusammengesetzt sind. Sämmtliche ächte Backenzähne, drei an der Zahl, sind nach Einer Regel gebaut: je ein Molare ist aus zwei Praemolaren zu- sammengewachsen. Zunächst sieht der erste Backenzahn, in der ganzen Reihe der 4te, aus, als wären 2 dritte Praemolaren ver- einigt, beide Hälften tragen die Falten des 3ten Zahns, die erst bei vorgeschrittener Abnutzung verschwinden, um ein einfaches Zickzack zu bilden. Der vordere Halbmond drückt sich unter den hinteren hinab, der seinerseits jenen etwas zudeckt. In der Mitte der Vereinigung, in dem sog. Querthal bemerkt man so- wohl auf der Aussenseite als auch der Innenseite eine kleine Schmelzspitze, welche bei alten Exemplaren noch von der An- kauung erfasst wird. Der 2te ächte Backenzahn, der öte der Reihe, ist unter allen der kräftigste. Nach dem Typus des ersten gebaut, unterscheidet er sich nur durch seine stärkeren Schmelz- schlngen von dem erstern. Am 3ten und letzten wird das hin- tere Joch des zusammengesetzten Zahnes kleiner und zeigt der letzte Halbmond keine Faltenschlinge mehr. Sämmtliche Zähne sind tiefer als breit, der erste 12 : 11, der zweite 14 : 12, der dritte 15 : 12, wodurch sie von allen lebenden Hirscharten ab- weichen und sich dem Typus der Pachydermen, zunächst der Palaeotherien nähern. Die Eckzähne wurden leider alle vereinzelt und ausge- fallen gefunden. Sie haben ohne Unterschied eine doppelte Curve, die erste weist nach unten, die andere nach aussen. Ja manch- mal ist sogar eine dritte Curve zu beobachten, indem die Spitze wieder etwas nach innen abbiegt, so dass eine Sform entsteht. An sämmtlichen Eckzähnen ohne Unterschied liegt auf der Aus- senseite ein ganz dünner Schmelz. Auf der Innenseite beobachtet man einfache Zahnmasse ohne Email. Ihre Form ist die der Muntjac-Zähne, nach innen schneidend, auf der Aussenseite eine Gräthe, was dem Querschnitt des Zahns eine dreieckige Gestalt verleiht. Der Unterkiefer liegt in einer ganzen Reihe vollständi- ger Gebisse vor, sowohl von Milchgebissen als von permanenten. Das Milchgebiss namentlich D 1 weicht vom lebenden Muntjac kaum ab. Ebenso ist auch der Bau der Praemolaren fast genau nach dessen Typus gebildet. Der erste Milchbackenzahn D 1, der erste Zahn im Gebiss der überhaupt zuerst erscheint und zuerst wieder ausfällt, wie deutlich an Taf. XII, fig. 10 gesehen werden kann, hat, wie das auch sonst gewöhnlich der Fall ist, mit dem letzten ächten Backen- zahn M III am meisten Aehnlichkeit: er ist aus 3 Querjochen zusammengesetzt, nur dreht sich so zu sagen der Molar im Milch- backenzahn um, dass das kleinere Querjoch das vordere ist, das grösste unter den dreien aber hinten steht, im Anschluss an MI. So wird der Zahn 6spitzig, indem bei der Ankauung so- wohl die äussere als auch die innere Spitze jedes der 3 Quer- joche sich hervorhebt. Dazu treten noch 2 starke Aussenpfeiler je zwischen dem ersten und zweiten und zwischen dem zweiten und dritten Querjoch. Ja auf der Hinterseite des mittleren Quer- jochs ist sogar eine Spur der Palaeomeryz-Wulst deutlich sicht- bar. Damit trägt dieser Zahn vollends den Typus ächter Backen- zähne an sich. An unserem Exemplar ist P 1 eben im Begriff den Milchzahn zu schieben, denn er ist bereits hart unter den 3 Wurzeln desselben angelangt und hat ihn auch schon um 1 Millimeter in die Höhe gehoben. D2 und 3 sind 2wunzlige, schmale und schwache Zähnchen, sie haben mit ihrem Nachbar D 1 gar keinen Bildungszug mehr gemein, tragen dagegen das Bild der nachwachsenden Praemolare an sich. Vom äusseren Schmelzschild laufen 3 Hauptfalten schief nach innen, so dass man schon das Bild des Hirschgeweilıs im württembergischen Wappenschild erhält, das die späteren Praemolaren zeigen. Die Praemolaren wurden früher schon, Jahrg. XVILH, p. 124 u. ff. genau beschrieben, dass wenig mehr zu sagen übrig ist. Auf Taf. I, fig. 11 ist dort eine Zahnreihe eines älteren Indivi- duums mit ziemlich abgenutzten Zähnen abgebildet worden. Es ist selbstverständlich, dass unberührte Zähne jüngerer Thiere ein besseres Bild zur Beurtheilung der Zahnkrone abgeben, wesshalb wir in Taf. XII, fig. 9 möglichst intakte Zähne wiedergeben. Man er- sieht daraus einmal die grosse Aehnlichkeit von P 1 und 2, die an sich faltenreicher als jeder lebende Hirsch es zeigt, auf Kosten der Breite sich in die Länge ziehen, an welchen, wenn man überhaupt noch von Jochen reden kann, das vordere Joch das hintere weit überfiügelt. Am einfachsten ist P 3, ein schneidendes Vorjoch, dem das Nachjoch nur wie ein Faltenschläg anhängt. Wie schon gesagt, finden wir in den Praemolaren des Muntjac mit wenig Unterschied Analogien. Freilich ist auch mit dem Savannenhirsch von Surinam und dem brasilianischen Spiesshirsch (C. savanno- rum Caban. und simpkcicornis Smith) grosse Uebereinstim- mung. Der einzige Unterschied bleibt, dass die Zahnfalten des C. furcatus, die sich vom äussern Schild nach der Innenseite ziehen, eben hier immer noch eine kleine Nebenfalte schlagen. Am auffallendsten bleibt wohl, dass unser furcatus in seinen Praemolaren gar nicht mehr mit Moschus stimmt, während doch die Zähne des Oberkiefers Anhaltspunkte der Vergleichung ge- boten hatten. Besondere Aufmerksamkeit verdienen noch die Molaren. Das Stück vom Jahr 1861 bot nur tief abgekaute Zähne dar, an welchen die besondere Eigenthümlichkeit des Meyer’schen Palaeomeryx-Wülstchens verschwunden war. Andere Stücke jün- gerer Individuen ergänzten bald den Mangel und zeigten an den Molaren ohne Ausnahme jene Falte, auf die H. v. Meyer mit Recht einst so grosses Gewicht gelegt hatte, und die seinem — 256 — Genus Palaeomeryr einen unläugbaren Werth verleiht. Das Wülstchen selbst hat Meyer so vielfach und so ausdrücklich beschrieben, dass eine Wiederholung unnöthig ist, dagegen lasse ich frische Exemplare von Zähnen (XII, fig. 9) ahbilden, wie sie weder von Meyer noch von Andern abgebildet worden sind. Man mag über dieses Wülstchen urtheilen wie man will, mag man es als ein durch Abnutzung verschwindendes und darum nur unwesentliches Kennzeichen ansehen (wie es in Frankreich ge- wöhnlich angesehen wird als „un caractere de peu de valeur“), so viel steht eben doch fest, dass kein lebender Wiederkäuer noch eine Spur von dieser Falte zeigt und dass die- selbe als ein ganz vorzügliches Erkennungszeichen für tertiäre Wiederkäuer gilt. Als H. v. Meyer in seinem „Georgensgmünd * zum erstenmal auf diese Sache aufmerksam machte, fügte er die Bemerkung bei, es sei die Schmelzfalte bei lebenden Moschiden vorhanden. Ich sah dieselbe noch bei keinem unserer Moschus- Schädel, selbst nur eine schwache Andeutung würde mir nicht entgehen, es war mir aber weder bei Moschus noch bei irgend sonst einem Schädel eines Wiederkäuers möglich, etwas Aehn- liches von dem zu entdecken, was alle unsere ersten und ältesten Wiederkäuer so deutlich und bestimmt an den Molaren tragen. Anlässlich der Molare von Hyaemoschus (pag. 234) habe ich schon darauf hingewiesen, wie der Bau von dessen oberen Backen- zähnen an Anoplotherium anknüpft, das in der Entwicklungsge- schichte der Säugethiere ohne grosse Bedenklichkeiten als der Stammvater der Wiederkäuer gelten kann. In den Backenzähnen des Unterkiefers dagegen erkennt man das Anoplotherium schon nicht mehr. Ein nur dem Ayaemoschus eigener, mächtig ent- wickelter Basalwulst umgibt das Aussenblech und bildet sich nahezu zu einem eigenen Schmelzschild vor dem Aussenschild aus. Palaeomeryz trägt noch auf der hinteren äussern Wand des Vorjochs an sämmtlichen 3 Molaren einen Rest dieser Wulst, welche das 'Thier in der That von jedem späteren Hirsch unter- ‘scheiden lässt. Aus diesem Grunde ziehe ich auch vor, den M eyer’schen Genusnamen beizubehalten, in welchem schon der — 257 — Unterschied zwischen den lebenden Nachkommen und Verwandten ausgesprochen ist. Dabei ist aber nicht zu vergessen, auf was schon oben pag. 247 aufmerksam gemacht worden ist, dass Meyer’s Pa- laeomeryx einer wesentlichen Begriffserweiterung und Verbesse- rung in Betreff des Geweihes bedarf. Auf unvollständige frühere Erfunde hin hatte Meyer die Ansicht bekommen, dem Wieder- kauer mit dem Zahnwulst an den Molaren fehle ein Geweih, während nun aber gerade dieser Wiederkäuer es ist, welcher unter allen miocenen Wiederkäuern (eocene aber kennen wir gar nicht) zuerst aufsetzt und als ältester Geweihträger dasteht. Ueber die Schneidezähne ist nichts Neues nachzuholen. Sie gleichen denen des Muntjac oder des virginischen Hirsches und nehmen vom ersten bis zum vierten an Breite rasch ab, oder vielmehr hat der mittlere erste Schneidezahn nahezu die Breite der drei übrigen. Unter allen bekannten Arten steht Dieroceros elegans Lar- tet von Sansan unserem furcatus am nächsten. Gervais (Pal. p. 151) nennt ihn Cervus dicroceros, Lartet selbst ist laut briefl. Mittheilung vom Juli 1864 geneigt, die Gattung Dicro- ceros fallen zu lassen und den Namen Cervus elegans dafür auf- zunehmen. C. elegans ist grösser als das Reh, ist auch grösser als furcatus, das Geweih besteht gleichfalls aus einfach gegabel- ter Sprosse.. Am Fusse der Gabel beobachtet man häufig An- schwellungen, die mit dem Perlenkranz am Rosenstock unserer Hirsche vergleichbar sind. Diese Art wurde in Frankreich im Departement Gers und im Lyonnais gefunden. Gervais zieht wohl mit Recht ©. dieranoceros Kaup Taf. XXIV, 3—3° hinzu, das freilich nur aus einem fragmentären Rosenstock besteht. Wäre die Grösse der Zähne nur der einzige Unterschied zwischen C. elegans und furcatus, so würde ich keinen Anstand nehmen, mich für die Identität beider Arten auszusprechen, d. h. den Namen furcatus fallen zu lassen und statt seiner den älteren Namen elegans aufzunehmen, allein es ist nicht blos die Grösse, sondern die Gestalt des Geweihs, welche an elegans sich ebenso gleich bleibt, als an furcatus. Dort ist, wie ich solches schon Württerab. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 17 — 2538 — 1862 pag. 121 ausgeführt habe, eine steilere Stellung des Ge- weihs, der Rosenstock selbst immer kurz ‘und sein Querschnitt ovale So sind auch die Rosen unter der Gabel nie rund, wie an den Steinheimer Stücken, sondern stets verzogen. Durch See- mann noch und später durch Herrn Lartet und Gervais habe ich zahlreiche Kieferstücke und Zähne von ©. elegans zu Handen bekommen. Bei keinem Molaren fehlt der Palaeomeryx-Wulst. Es dürfte daher mit Sicherheit angenommen werden, dass auch C. elegans ein ächter Palaeomeryx ist, der als vierte Art zu den beschriebenen 3 Steinheimer und Sansaner Arten tritt. Diess ist namentlich auch ein erwünschtes Kennzeichen, um die Kiefer- stücke der zahlreichen Antilopen von Sansan nicht mit Cervus zu verwechseln. Von Antilopen hatte Steinheim zur Zeit noch nichts geliefert, wenigstens besitzt unsere Sammlung davon Nichts. Was den Namen betrifft, so ist sicher, dass unser Thier schon eine ganz erkleckliche Zahl aufzuweisen hat. Meyer selbst zog eine Anzahl von ihm selbst geschaffener Namen wie- der zurück, sie mit andern verschmelzend, allen aber fehlte bei der Mangelhaftigkeit der Erfunde jene Genauigkeit der Beschrei- bung, die Verwechslungen ausschliesst. Im Jahr 1861 habe ich den vortrefflichen Hensel’schen Namen furcatus gewählt, der die einfachen Geweihverhältnisse unseres Thieres so gut bezeich- net und wenn auch nicht der älteste, so doch der beste Name für unsern Palaeomeryx ist. Meyer selbst war in den Be- stimmungen unsicher, wie er denn unser Steinheimer Palaeomeryx anfänglich Kaupii, dann Scheuchzeri, später minor, dann medius genannt hat. Indem wir, was die Glieder des Rumpfes anbelangt, auf Jahrg. XVIII, Taf. I verweisen, haben wir nichts Neues hinzu- zufügen. Die Wirbel in Vollkommenheit zu erhalten, ist an sich schon schwierig, ihr Detail vollends zu beschreiben, lohnt nicht der Mühe. Eine Verschiedenheit vom Muntjac wird sich kaum herausstellen, der selbst wieder mit O©. virginianus übereinstimmt, was schon Jäger beobachtet hatte. Dagegen reizte die Menge des vorhandenen Materials, die Extremitätenknochen einer besondern Beobachtung zu unterwerfen. Die specielle Untersuchung des Fusses muss jeden einzelnen Knochen umfassen und die eigenthümliche Form der ausgebilde- ten Flächen in ihrer Bedeutung für die Bewegungsthätigkeit des Thiers in Erwägung ziehen. Während wir an Becken und Oberschenkel nichts Besonderes zu sehen im Stande sind, weicht auch der Unterschenkel m keiner Weise von dem der übrigen Wiederkäuer ab. Nur er- scheinen am Unterende dieses Knochens 1) die Gelenkflächen von vorne gesehen etwas tiefer eingeschnitten, indem der Zapfen, der in die Fossa dorsalis astragali eingreift, breiter und stärker ist, als bei den heutigen Wiederkäuern. Das Wadenbein fehlt, wie allen Wiederkäuern, statt dessen ist das knöcherne Rudiment auf der Aussenseite des Knochens vorhanden, das bei allen Wieder- käuern frei an die Tibia sich anlehnt, auf 2 kleinere Flächen sich stützend. Dieser Fibularknochen, so klein er ist, so wichtig und flächenreich ist er, indem er mit seiner Innenseite den Astragalus fasst, vermöge einer, den Quadranten eines Kreises bildenden Gelenksfurche alle Bewegungen der Tibialrolle mit- macht, und mit seiner unteren Nussfläche auf dem runden Ge- lenkkopf der Lamina calcanei aufsitzt *. Das Fersenbein unseresHirsches Fig.14 ist das der übrigen Wiederkäuer, 0,07” lang. 0,025" fallen von dieser ganzen Länge auf den Raum vom Anfang des Sustentaculum bis zur Cuboidal- spitze. Die Bedeutung des Fersenbeins im Fuss des Wieder- käuers ist die, den grösseren Theil der Gelenkhöhle zu bilden, in welcher das Würfelbein seine Bewegungen macht. Daher die grosse Gelenkfläche auf der Vorderseite des Sustentaculum, die verhältnissmässige Stärke dieses Knochens, von dessen rauher Rückseite die plantaren Tarsusbänder ausgehen und von wo aus die Beugung der Phalangen in’s Werk gesetzt wird. Die Gelenk- fläche ist nach 2 Richtungen hin verschieden, sie bildet in der Richtung von oben nach unten eine concave, in der andern Rich- tung von aussen nach innen, also rechtwinklig zur ersten Rich- * Siehe hierüber ausführlicher die vortreffliche Abhandlung von Bergmann, Ueber den Tarsus der Wiederkäuer. Rostock 1859. Ile al — tung eine convexe Fläche. Bei dem Fersenbein der Cavicorner ist sogar eine deutliche Gräthe zu beobachten, von der aus sich 2 Flächen nach innen und aussen abdachen. Nach hinten schlägt sie selbst noch eine kleine Fläche auf den Rand des Fersenbein- körpers zurück (Rind, Renthier besonders auffällig), welche im Zustand der Streckung des Fusses, durch Eingreifen in die Fossa cruralis astragali entsteht. Bei unserem CO. furcatus, so wenig als bei Muntjac, konnte ich jedoch diese Fläche beobachten. In der Cuboidalfläche allein finde ich einen Unterschied von den lebenden Wiederkäuern und Annäherung an Anoplotherium. Diese Fläche zieht sich zwar auch von der Cuboidalspitze, die einen Winkel von 75° bildet, zuerst plantarwärts und dann ein- wärts, aber nicht so stark, wie bei den lebenden Hirschen. Es hängt diese Fläche mit der Eigenthümlichkeit des Scaphocuboi- deum zusammen, von der unten die Rede sein wird. Der Ge- lenkkopf der Lamina calcanei hat eine ausgesprochene Falte, in welche sich der vordere Zapfen des Fibula-Rudimentes einfügt, sobald der Tibialzapfen in die Fossa dorsalis eingreift, d. h. im Augenblick der stärksten Beugung. Hienach besass unser Hirsch die Fähigkeit vollständigen Zusammenklappens des Hinterfusses, . wie Hirsch, Reh, Muntjae u. s. w. Am wichtigsten ist für die Bewegung des Fusses das Wür- felbein, Astragalus oder Talus (Fig. 13, a. b). Das Würfelbein bewegt sich in 3 Gelenken, dem Tibialgelenk, Calcaneusgelenk und Scaphocuboidalgelenk; das eine wie das andere besteht aus dem Segment eines Kreises von verschiedenem Durchmesser und bildet jede Fläche eine für sich bestehende schiefe Ebene, die sich um ihre Queraxe dreht. Das Tibialgelenk besteht aus 2 ungleichen Rollen mit einer Rinne, die von der Dorsalgrube zu der Cruralfalte sich hinzieht. Die äussere Rolle misst 0% 010, die innere 0” 006 im Querdurchmesser; ihre Axe ist zur Längsaxe des Astragalus in einem Winkel von 12° gestellt. Da die Längs- axe des Astragalus mit der des Calcaneus zusammenfällt und ebendamit mit der Lage des Vorderfusses, so giebt der Winkel, in welchem die Queraxe der Tibialrolle zu der Längsaxe des Astragalus steht, die Lage an, in welcher der Unterschenkel zum ab — Fusse steht. Der Unterschenkel ist also im gleichen Winkel aus- wärts gestellt. Bei Reh finde ich kaum 7’, bei Muntjac aber 20°, beim Rind 30°. Ein wichtigeres Kennzeichen, als die Stel- lung der Rollen zum Fersen erscheint mir am hinteren Ende der inneren, kleineren Rolle eine Hemmung für die Tibia in Gestalt eines Knorrens (Fig. 13, a) mit aufgeworfenem Flächenrand. Die- ser Knorren ist grösser als bei Hirsch, Reh, Muntjac und andern Wiederkäuern, die ich zu vergleichen Gelegenheit habe, dagegen etwas kleiner im Vergleich mit Anoplotherium, bei welchem die- ser Knorren am stärksten unter allen Thieren mit 3fach gelen- kendem Würfelbein ausgebildet ist. Ist der Satz richtig, dass die Ausbildung einzelner Knochen von ihrem Gebrauch abhängt, so lebte unser Cervus furcatus mehr als die lebenden Wieder- käuer im Zustand der Streckung des Fusses. Die trägeren Wie- derkäuer, die Cavicorner, namentlich Bos, aber auch schon das Reh haben keine Spur von diesem Hemmapparat für die Tibial- rolle. Bei diesen ist vielmehr eine andere Fläche ausgebildet: es wird die Aussenseite der äusseren grösseren Rolle von dem Fibularknochen des Uuterschenkels umfasst. DBei Rind und Reh ist eine- viel tiefere Rinne angebracht, entsprechend dem Falz auf der Innenseite der Fibula. Dieselben Bänder, welche den Fuss strecken, pressen nun die beiden Knöchel gegen die Aussenseiten der Rolle und wirken als Bremse. Was beim Ano- ‚plotherium und unserem Muntjac eine Hemmvorrichtung darstellt, d. h. ein Einfallen der Tibia in die Cruralfalte des Würfelbeins ist bei dem Rinde eine Bremsvorrichtung. Sicherlich conform ' mit der ganzen Lebensweise der betreffenden Thiere. Die grösste Gelenkfläche des Astragalus ist die Calcaneus- fläche (Fig. 13, b).. Sie bildet ein Segment aus einem Kreise, dessen Radius 0” 012 beträgt, während die Tibialrolle nur 0” 009, die Scaphoidalrolle nur 0% 007 Durchmesser beträgt. Von selbst versteht sich, dass, da die Axen der genannten 3 Gelenke mit ungleich langen Radien auseinanderfallen, bei der Drehung der Einen Axe auch die andern ihren Ort verändern. Auf der gros- sen Calcaneusfläche des Astragalus wird die gewöhnliche Bewe- gung des Fusses beim Gehen grösstentheils ausgeführt. Im —ı 2020 Augenblick der Streckung fällt der Rand des Fersenbeinkörpers in die Falte ein, welche unsere grosse Fläche nach hinten be- grenzt und die Vorderseite unserer Fläche liegt frei in der Ge- lenkhöhle. Im Augenblick der Beugung reibt sich die Vorder- seite an dem Calcaneus und die Hinterseite der Fläche mit der Falte wird frei. Die Drehung geschieht genau in der Richtung der Längsaxe des Fersenbeins. Ausser auf dieser plantaren Fläche findet noch eine zweite seitliche Reibung am Fersenbein statt. Diese Reibung geschieht auf zwei von einander getrennten schma- len Flächen an der Innenseite der Backenwand des Calcaneus. Namentlich lege ich auf die untere Fläche einen Werth, deren Lage die gewöhnliche Stellung des Astragalus zum Calcaneus be- gezeichnet, beziehungsweise zur Stellung des Unterschenkels gegen- über dem Unterfuss. Man ziehe eine Linie über diese Fläche in der Richtung ihrer grössten Ausdehnung, (welche Linie in die Richtung von oben nach unten fällt), so wird das auf dieser Linie errichtete Loth den Astragalus entweder auf der Tibialfläche oder der Calcaneusfläche verlassen. Je mehr sich das Loth gegen den Horizont neigt, um so grösser wird der Winkel, den der Un- terschenkel zum Fusse bildet, je mehr — umgekehrt — das Loth der Verticale zuneigt, um so spitzer ist der Winkel. Die Lage der Calcaneusfläche am Würfelbein von ©. furcatus ist nun der Art, dass ein auf ihr errichtetes Loth in der hinteren Hälfte der Plantarfläche über den Knochen heraustritt. Die Folge davon ist eine fast rechtwinklige Stellung des Unterschenkels zum Fuss (Tragulus, Moschus). Auch der virginische Hirsch ist ähnlich gestellt, indem der Winkel, den Tibia und Calcaneus zu einander machen, gegen 80° beträgt. Beim Reh fällt das Loth in die Verbindung der Tibialrolle mit der grossen Plantarfläche. Bei Muntjac und Reh in das Hinterende der Tibiarolle, beim Rind in das Vorderende dieser Rolle, wesshalb auch der Winkel, in welchem das Fersenbein des Rindes zum Unterschenkel steht, ein durchaus spitzer Winkel ist. Auch in dieser Hinsicht finden wir eine Erinnerung an Anoplotherium, bei welchem die Plantarfläche etwa in ihrer Mitte von dem Lothe getroffen wird. Die dritte und letzte Fläche des Astragalus bleibt uns noch ler. — übrig, die Scaphocuboidalfläche oder die untere Gelenkrolle; sie besteht gleichfalls aus zwei Rollen, wie das obere Gelenk, die äussere cuboidale Rolle verflacht sich mehr, als die innere. Eine Verschiedenheit von den lebenden Hirschen ist nicht wohl zu be- obachten. Eine starke Knochenwulst trennt die beiden Gelenk- rollen, und ein tiefer zungenförmiger Einschnitt dient für die Bänder des Ligam. talonaviculare internum, welches durch das Kahnbein hindurchgehend an den Metatarsus angeknüpft ist und diesen nöthigt, dem bei der Beugung rückweichenden Astragalus zu folgen. Das Gelenk ist in Gestalt eines Halbkreises, der 0” 007 im Radius hat. 3) Kahnwürfelbein mit Keilbein. Auf der oberen Seite sieht man die zwei Flächen zu der Gelenkrolle des Astra- galus, welche doppelt ist und zum Calcaneus, welche einfach an der Aussenseite dieses Knochens sich hinzieht. Eine Articulation zwischen dem Fersenbein und Kahnwürfelbein findet so gut wie nicht statt, die stramme Verbindung beider an lebenden Thieren zeigt es zu deutlich. Das Strecken des Fusses hat nur durch Eintreiben des Astragalus in die Gelenkhöhle eine Streckung der vordern Bänder zur Folge. Der Astragalus wirkt dann wie ein Keil, der zwischen Fersenbein und Kahnwürfelbein eingetrieben ist und den ganzen Unterfuss bis zu den Zehen hinab vollständig stramm macht. Die Calcaneusfläche der lebenden Wiederkäuer ist beim Schwein am einfachsten, ähnlich noch bei Anoplotherium. Bei den lebenden Wiederkäuern dagegen ist die Sache complicir- ter, nicht nur dass sich Vorder- und Hinterende der Fläche vorne und hinten hinabschlägt, klappt die Fläche nach innen noch hin- auf, was sich durch entsprechende Flächen am Fersenbein zeigt. Die untere Fläche (Fig. 12) zeigt uns fünf abgesonderte Berührungsflächen. Die erste die Fläche für Cuneiforme primum, die zweite und dritte Fläche für die verwachsenen secundum und tertium, die vierte und fünfte für das Cuboideum. Auch bei C. furcatus ist ein Verwachsen des Scaphocuboideum mit dem Cu- neiforme secundum et tertium häufig, was sonst bei den Wieder- käuern vorkommt. Metatarsus: Die Mittelfussknochen sind in Einen verwach- ae - sen, der mit seiner Doppelrolle den dritten und vierten’ Metatar- sus vorstellt. Auf Fig. 21 ist das obere Ende im Contact zu den Tarsusknochen abgebildet und treten ganz deutlich fünf Flä- chen zu Tage: drei verkümmerte und zwei ausgebildete. Ver- kümmert sind die erste und zweite Keilbeinfläche. Die dritte Keil- beinfläche ausgebildet, dessgleichen die vordere Cuboidalfläche, dagegen die hintere Cuboidalfläche, welche den kleinen Zehen sonst trägt, wieder verkümmert. Der dritte und vierte Zehen ist somit entwickelt und in dem verwachsenen Metatarsus aus- gebildet, die beiden Afterklauen repräsentiren hienach offenbar den zweiten und fünften Zehen, während der erste, am Cunei- forme primum sonst festsitzende, Zehen fehlt, auch nicht durch ein Rudiment vertreten ist und höchstens als in dem Knochen- vorsprung auf der hinteren Seite angedeutet betrachtet werden kann. Die grösste beobachtete Länge des Metatarsus beträgt 0” 18, genau soviel als bei CO. virginianus, die Mehrzahl misst jedoch 0% 17 und 16. Die Metatarsen unseres sibirischen Munt- jacs messen nur 0” 135. Von den vielen Dutzenden von Phalangen sind (Fig. 23) drei passende Stücke abgebildet. Sie unterscheiden sich nur wenig sowohl unter einander als von O. virginianus. Die Grössen des letzteren erreichen jedoch nur die grössten unserer Phalan- gen. In der Regel bleiben sie um einige Millimeter kleiner, dagegen sind alle ohne Ausnahme grösser als bei Muntjac. Im Allgemeinen gehören die schwächeren und kleineren zum Vorder- fuss, die stärkeren nach hinten. Die letzten Phalangen sind so gebaut, dass der Tritt nicht ganz auf dem äusseren Rande ge- schah, sondern die Sohle des Phalangen berührt wurde. Ein Querdurchschnitt durch denselben bildet ein gleichschenkliges Dreieck, indem vom oberen Rand des Phalangen die Seiten gleich- mässig zur Sohle abfallen. Auch diess ist wieder Anoplotherium- Typus, während die ächten Hirsche nur auf dem scharfen Rand der letzten Phalange auftreten und ein Querdurchschnitt durch denselben einem rechtwinkligen Dreieck gleicht, dessen Hypo- thenuse die äussere Seite des Phalangen bildet. Im Vergleich mit dem Hinterfuss bietet der Vorderfuss — ,265 — bei weitem nicht das Interesse der eingehenderen Vergleichung dar. Die gewöhnlichsten Funde sind Mittelhandknochen, die auf den ersten Blick schon, abgesehen von der Endfläche vom Mit- telfussknochen unterschieden werden können. Dem Metacarpus fehlt die tiefe Rinne auf der Vorderseite des Knochens, dagegen ist die Hinterseite flacher ausgehöhlt. Die Länge des Knochens beträgt zwischen 0” 162 und 0” 165. Das Oberende articulirt mit dem Os hamatum aussen, innen aber mit dem verwachsenen trapezoideum und magnum. Palaeomeryx eminens. H.v. Meyer. Tafel XI, fig. 15—17. 22. Taf. XII, fig. 1—8. Unter dem Namen Cervus pseudoelaphus hatte ich 1862 (Jahreshefte pag. 128) des grossen Hirsches von Steinheim Er- wähnung gethan, den Jäger seiner Zeit (foss. Säugeth. p. 61) für elaphus angesprochen hatte. Das Material war damals zu unbedeutend, um irgend etwas Ordentliches über dieses Thier sagen zu können. Indessen haben sich doch von verschiedenen Thieren Reste gefunden, die einige Beiträge zu dieser grossen Hirschart liefern mögen. Vor Allem steht fest, dass H. v. Meyer einen Unterkiefer von dieser Art als Palaeomeryx eminens aus Oeningen im 2. Band der Paläontogr. 1852, pag. 78, Taf. 14, fig. 5 beschrieben hat. An Grösse soll der Kiefer dieser Art zwischen Pal. Nico- leti von Chauxdefond und Pal. Bojani von Georgensgmünd stehen. So viel wir von dieser Art erhalten haben, bestätigt nur, was ich 1862 darüber gesagt, dass sie mit Ausnahme der Grösse in Nichts von Pal. furcatus abweicht. Das zeigen zunächst die drei Milchbackenzähne des Unterkiefers D1—3, (Taf. XI, fig. 15). D1 ist 0” 042 lang, aus drei Querjochen bestehend, 6spitzig, dazu kommen noch zwei äussere Basalspitzen und ihnen gegenüber zwei Spitzen auf der Innenseite: thut zehn Spitzen; endlich an der äussern Hinterseite des zweiten Querjochs der bekannte Palaeomerys-Wulst. Breit ist der Zahn 0” 015. Die Länge von D 2 ist 0% 020, von D 3 0” 015, dabei werden sie ausnehmend schmal und den nachwachsenden Praemolaren ähn- zer266 > lich. Was über den Bau der Zähne zu sagen ist, wäre nur eine Wiederholung dessen, was bei P. furcatus gesagt wor- den ist. Die permanenten Zähne habe ich mehrfach in ganz vortreff- licher Erhaltung und in continuirlicher Reihe im Kiefer erhalten. Sie mögen daher um so mehr eine Abbildung (Taf. XII, fig.1) finden, als das Oeninger Stück nicht ganz blosgelegt werden konnte und die innere Hälfte der Zähne bedeckt ist. Die grossen, kräftigen Molaren mit der breiten Basis stehen ohne jeglichen Vergleich in der Jetztwelt da, es wäre denn die Giraffe, deren Gebiss, was die Länge der Zahnreihe und die Stärke des Gebisses anbelangt, herbeigezogen werden müsste. Die Maasse der Molare sind: lang breit hoch MIT 0023 0” 018 0” 014. M I. 0” 026 0” 019 0” O14. M III. 0” 040 0m 021 0” 015. Unser grösster letzter Edelhirschzahn misst 0” 030, wird also um ein volles Centimeter vom Steinheimer Hirsch übertrof- fen. Die Maasse der Giraffe sind nahezu die gleichen, einige Millimeter durchschnittlich mehr betragend, dagegen ist ihre Zahn- krone viel höher. Was aber unserem tertiären Riesenhirsch seine besondere Eigenthümlichkeit verleiht, ist die üppige Entwicklung der Schmelzspitzen zwischen den Querjochen. Es sind Hügel, welche sich zwischen emlegen und das ganze Vorjoch nach innen drücken. Bei lebenden Hirschen kommt das nirgends vor. Dazu kommt nun noch die Palaeomeryx-Wulst, die von der Spitze des äusseren Hügels in das Querthal hinabhängt. Auf der Innen- seite entspricht eine Nebenspitze am Fuss der Hauptspitze, dem äusseren Schmelzhöcker. An M III hängt sich zum Schlusse der Zahnreihe an die beiden Molarjoche noch ein drittes Joch, an dem jedoch der innere Hügel in der Art verkümmert ist, dass das ganze dritte Joch nur wie eine Schmelzschlinge am Zahn hängt. Abgesehen von dieser Faltenentwicklung, die wir nur an den ältesten Wiederkäuern kennen, steht unser C. eminens an Grösse nur dem pliocänen ©. euryceros nach, dem grössten Hirsch, der — 2367 — _ überhaupt je existirt hat, dessen Molare messen nach einem im K. Naturaliencabinet dahier aufbewahrten, an der Winterhalde bei Canstatt von König Wilhelm 1860 ausgegrabenen Unter- kiefer: lang breit hoch * MIT. 00.025 0” 020 0” 08 M I. 0"030 0” 020 0” 012 M II. - 0” 041 0” 021 0” 013. Die Praemolaren fallen durch ihre Grösse im Grunde noch mehr auf als die Molaren. Man kann zwar nicht sagen, dass die Schwerkraft des Kiefer auf ihnen ruhe, wie wir bei dem Steinheimer Schweine (pag. 211) fanden, aber doch treten Molare und Praemolare zu einander in’s Gleichgewicht, was bei den leben- den Hirschen nichts weniger der Fall ist. Die Reihe der Mo- lare eines ausgewachsenen Hirsches misst 0” 074, die der Prae- molare O0” 044 bei P. eminens 0" 086 und 0" 064, d.h.: Mo- lare und Praemolare verhalten sich beim lebenden Hirsche im Werth von 15:9, bei Palaeomeryx wie 15:13. Im Einzelnen messen: Länge Breite Höhe Bet. 0” 025 0” 017 0” 017. Br2, 05022 0” 016 0” 016. Bus. 0” 016 0” 010 0” 010. Der Bau bleibt derselbe, den wir bei P. furcatus kennen lernten, nur tritt die Form wegen der bedeutenden Grösse um so plastischer hervor. Wer die Praemolare als verkümmerte Mo- lare anzusehen gewöhnt ist, an denen das Nachjoch verschrumpft, der findet an P 1 eine äussere Basalwulst, und findet nament- lich die Palaeomeryx-Falte als den Schmelzzug, der von der vorderen Jochspitze zur hinteren sich hinzieht. Wer es dagegen vorzieht, in den Praemolaren eine grössere Bedeutung zu suchen als in den Molaren, der findet in der Palaeomeryz-Wulst der Molare noch einen Anklang an die Schmelzfalte der Praemolare, welche die Spitzen beider Joche mit einander vereinigt. Von den Oberkieferzähnen sind (Taf. XI, fig. 22) die Praemolaren * Die Höhe erscheint nur in Folge der tiefen Abkauung so gering. — 268 — abgebildet. Man halte nur die Zähne unseres Edelhirsches da- neben, die einen Raum von 0" 045 einnehmen, während sie bei unserer Art 0% 057 brauchen, die Giraffe misst 0” 059, ungefähr ebensoviel als Cervus euryceros aus der Mammuthzeit. Ihr Bau un- terscheidet sich in Nichts von P. furcatus. Wie mit den Prae- molaren, so auch mit den Molaren, die jedoch nur defect gefun- den worden sind. Eine sehr kräftige Basalwulst, die den Fuss der Krone umgibt, macht sich besonders bemerklich. Von andern Schädeltheilen als den Zähnen fand sich leider nichts vor: in Sonderheit kann nichts über das Geweih gesagt werden, das nach Analogie des furcatus doch wohl nicht fehlte. Oder waren wie bei Giraffe nur Stirnzapfen vorhanden, ohne ein eigentliches Ge- hörn zu tragen? Etwas Aehnliches fand sich nämlich einmal, ging aber leider beim Präpariren zu Grund. Ein kräftiger Eckzahn (Fig. 17) gehört wohl keinem an- deren Thiere an, obgleich nicht so sichelförmig gebogen, wie der Eckzahn des furcatus (Fig. 10 und 11), ist er doch eben so messerförmig und auf der Innenseite schmelzarm. Der 1862 Taf. II, fig. 3 abgebildete Eckzahn ist noch etwas grösser. Fig. 16 ist der grösste Schneidezahn, der mir aus Steinheim begegnet ist, einem Wiederkäuer angehörig, und wird doch wohl mit P. eminens zu vereinigen sein, für diesen Fall gehören freilich die 1862, Taf. II, 4—6 gezeichneten Schneidezähne nicht zur gros- sen Art des eminens, sondern zu furcatus. Einzelne Trümmer von Rumpf- und Extremitätenknochen be- sagen nicht viel, dagegen mag ein Blick auf die Hand- und Fussknochen die Grösse des Thiers bestätigen, die wir den Zäh- nen entnahmen. In Taf. XII, fig. 7, ist das Unterende von Metacarpus und Metatarsus abgebildet, an der Rinne unterscheidbar, in wel- cher der Musculus adductor liegt und den Knochen zwischen den beiden Rollen durchbricht. Die grösste Breite dieses Unterendes misst beim Metacarpus 0” 060, beim Metatarsus 0" 065. An der gleichen Stelle misst das Unterende des Metacarpus vom ausge- wachsenen (©. elaphus 0” 045, von Bos brachyceros aus dem Torfe Schussenrieds 0” 044, von Bos primigenius aus dem Torfe Sindelfingens 0” 061. Ein Maass, das also annähernd auf die 0 re Stärke des Auerochsenfusses schliessen lässt. Solcher Rollen lie- gen fünf Exemplare vor von derselben Grösse. Jäger hat im Jahr 1832 ein kleineres Ende von 0% 051 (Taf. IX, fig. 15) als linken Metacarpus des Steinheimer Hirsches abgebildet. Das Original liegt noch in unserer Sammlung und wurde nachträglich von Jäger „nach H. v. Meyer“ als Palaeomeryx Bojani eti- kettirt, da jedoch sonst keine Spuren des namhaft kleineren Pal. Bojani gefunden wurden, namentlich die zahlreichen Zähne ohne Unterschied unter einander übereinstimmen, so möchte ich in dem Jäger’schen Fussende nur ein kleines Individuum von P. emi- nens erblicken, nicht aber eine besondere Art. Fersenbein und Würfelbein, gerade noch einmal so gross als die des P. furcatus, zeigen alle dort beobachteten Eigen- thümlichkeiten. Das letztere liess ich 1862 (Taf. II, fig.8) schon abbil- den, leider nicht von der Plantarseite, wo die besondere Eigen- thümlichkeit der Fläche mit dem Hemmapparat sichtbar wäre. Wie die obere Reihe der Tarsusknochen verhält sich auch die zweite Reihe: das verwachsene Scaphocuboideum. Endlich lasse ich noch Taf. XII, fig. 4-6 drei zusammenpassende Phalangen abbilden und zwar von der Seite aus gesehen, um die Heftstellen für die starken Sehnen des Fusses zu zeigen. Es braucht wohl kaum wiederholt zu werden, dass die Berührung des Bodens nur mit dem äusseren scharfen Rand des dritten Phalangen geschah. Die Längenmaasse der drei Phalangen sind: 1) 0” 068, 2) 0% 045, 3) 0" 058. Jäger hatte Tafel IX, fig. 16, 17, 18, 19 ein kleineres Phalangenpaur abgebildet von 1) 0” 055 und 2) 0% 040 Länge, die ohne Zweifel demselben Individuum angehören, dem auch der Metacarpus gehörte, von welchem oben die Rede war. H. Lartet ist, was die Benennung dieser grossen Stein- heimer Art anbelangt, mit mir einverstanden, 1) dass C. pseu- doelaphus Fraas 1862 dem Meyer’schen Namen eminens vom Jahr 1852 zurückzustehen hat, 2) dass auch sein Dieroceros magnus (Gerv., Pal. pag. 151) mit P. eminens identisch sei. Nur hält Herr Lartet laut Correspondenz vom 16. Juli 1864 es noch für zweifelhaft, ob dieses Thier Geweihträger war, um so mehr, wenn der grosse Eckzahn (Fig. 17) wirklich zu demselben gehören sollte. Es ist allerdings sehr verdächtig, dass sich noch keine Spur von Geweih gefunden hat, das auf einen grösseren Hirsch als furcatus hätte schliessen lassen, aber die bis in’s Detail gehende Uebereinstimmung sämmtlicher Zähne und Kno- chen von eminens und furcatus ist doch andrerseits ein schweres Gewicht in der Wagschale, das Berücksichtigung verdient. Unter allen Umständen aber ist die Thatsache erfreulich, dass wir in P. eminens einen weiteren Anknüpfungspunkt gefunden haben, um die beiden wichtigen Localitäten Frankreichs und aan lands, Sansan und Steinheim zu verbinden. Palaeomeryx (Micromeryx Lartet) Flourensianus. Taf. XI, fig. 18—20. 24. Pal. Flourensianus Lart. Notice 1851 ist der dritte der Steinheimer Wiederkäuer vom Bau und Gestalt des furcatus, ein ebenso zierliches und kleines Hirschehen als P. eminens gross und stark ist. Im Jahr 1862 kannte man die Art in Steinheim noch nicht. Erst die letzten Jahre brachten uns einige Indivi- duen, theilweise so gut erhalten, dass der vollständige Hinterfuss (Fig. 24) und das zum selben Individuum gehörige Ober- und Untergebiss (18—20) wiedergegeben werden konnte. Fig. 20 stellt den ersten Molaren und den ersten Milch- backenzahn dar, um das Doppelte vergrössert. Man könnte beide Zähne ebensogut als furcatus-Zähne in natürlicher Grösse gelten lassen: M I mit Doppeljoch, Basalhöcker und Palaeomeryx-Wulst. D 1, dreijochig mit zwei Basalhöckern und am mittleren Joch die charakteristische Schmelzfalte, genau wie bei furcatus und eminens. Ein ganzes Unterkiefergebiss, an dem jedoch von P 2 und 3 die Kronen abgesprungen sind, ist in Fig. 18 abgebildet. Der hintere dreitheilige Zahn misst 9 MM., bei furcatus gerade das Doppelte, 18 MM., bei eminens endlich noch etwas mehr als das Doppelte von furcatus, 40 MM. Auch die Grössenverhält- nisse der Praemolarenreihe und der Molaren bleiben dieselben. Fig. 19 ist das vollständige linke Oberkiefergebiss und ge- hört dem gleichen Individuum an, zu dem der Hinterfuss Fig. 24 u “ gehört. Die Praemolarenreihe erreicht fast die Länge der Mo- larenreihe, und verhält sich wie 9: 10. Die einzelnen Zähne bedürfen keiner weiteren Besprechung, da wir sie von furcatus und eminens her genau kennen. Die Knochen des Thiers gehören mit zu dem Zierlichsten, was man in Steinheim findet, sie besitzen einen gewissen Grad von Härte, der sie der Witterung widerstandsfähig machte und schälen sie sich frisch und glatt aus dem Sand. Der ausgezeich- net erhaltene linke Hinterfuss (Fig. 24) bedarf kaum einer Er- läuterung, er stellt genau die Form und die Maassverhältnisse dar. Am Calcaneus ist der Fibularknöchel weggelassen, der übrigens vorhanden ist; es hatte das Gelenkköpfchen an dem Knochen zugedeckt. Auch den Hemmapparat am Astragalus auf der Innenseite des Fusses sieht man gerade noch. Die Länge des Metatarsus ist 0” 106, die Breite an der Rolle 0% 015. Die Gestalt der Phalangen, ihre Maassverhältnisse untereinander sind durch ?P. furcatus bestimmt. Ueber die Identität der Steinheimer Art mit Micromeryz Flourensianus Lartet von Sansan, Simorre und Villefranche d’Astarac (Dep. Gers) ist kein Zweifel. Originalstücke von dort, die ich den HH. Gervais und Lartet verdanke, überzeugten mich. Lartet vergleicht das Thier in der Grösse mit den klei- nen Bisamhirschen und macht ausdrücklich auf den dritten Molar des Unterkiefers aufmerksam, dessen drittes Joch nicht einfach ist, wie bei den lebenden Hirschen, sondern aus zwei Halbmon- den besteht (obgleich der innere Halbmond immer etwas ver- kümmert). B. VÖGEL. Gehören fossile Vögel überall zu grossen Seltenheiten, deren Erhaltung wegen der Dünnwandigkeit der Knochen ohnehin mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen hat, so waren in Sonder- heit für Schwaben derartige Reste fast unbekannt. Hr. Hofrath v. Veil in Canstatt hat im Jahr 1859 (Jahrg. XV, 4) einige Notizen über die versteinerten Vogelreste im Mammuthtuff von Canstatt gegeben und auf einer, nicht im Buchhandel erschiene- nen Tafel die vorzüglichsten Vogelreste seiner Sammlung abge- bildet. Diese Reste bestehen in Abdrücken von Federn, deren wissenschaftliche Bestimmung jedoch ausserordentlich schwer hält, ja fast zur Unmöglichkeit gehört. Sie sollen reiherartigen Vö- geln angehören, andere einem Strandläufer (nach Krauss dem lebenden Regenpfeifer). Letzterem sollen auch zwei in der Samm- lung des K. Naturalien-Kabinets befindliche Knochen zuzuschrei- ben sein. Ausserdem habe ich im Jahr 1852, Jahrg. VIII, p. 245 einiger alttertiären Vogelknochen Erwähnung gethan, die ich mit Palaeotherienresten aus den Bohnerzgruben von Fronstetten er- halten hatte. Es sind lauter kleine Knöchelchen, meist nur das eine oder andere Knochenende erhalten. Herr Blanchard aus Paris hat sie vor Jahren schon gezeichnet und wird bei dem eingehenden Studium von Vögeln, das dieser Gelehrte treibt, ohne Zweifel bald seine Bestimmungen veröffentlichen. Endlich bildet Quenstedt in den „Epochen der Natur“ p. 748 das Unterende eines Humerus, die Ulna, Mittelhandknochen und Daumen ab. Das Stück ist von Steinheim, doch geht Quenstedt nicht näher auf dessen Uutersuchung ein. Diess ist so ziemlich Alles, was —- 2713 — wir über fossile schwäbische Vögel wissen. Wohl steckt in den Sammlungen manch kostbares Stück, aber das Studium der Kno- chen ist so diffieil und erfordert ein so reiches Material der Ver- gleichung, dass ohne dasselbe nichts Positives über die Stellung der Vögelreste im System ausgesagt werden kann. Zum Glück erscheint gegenwärtig ein Prachtwerk über diesen Gegenstand, welches die Untersuchungen erleichtert, und an dessen Hand auch die nachfolgenden Studien über die Steinheimer Reste gemacht worden sind, es ist das Werk von Alphonse Milne Edwards*, von welchem bis jetzt 26 Lieferungen erschienen sind. Mit Stau- nen entnimmt man diesem Werk den grossen Reichthum Frank- reichs an fossilen Vögeln, weniger zu den älteren Zeiten des Tertiärs, als gerade in der miocänen, unserer Steinheimer Zeit entsprechenden Periode. Doch waren es weniger die immerhin sparsamen Reste von Steinheim, die mich zum Studium dieses Werks veranlassten, als der überraschende Reichthum von Vogel- knochen, den der geologische Zwillingsbruder von Steinheim, das Ries, eröffnete. Man traut seinen Augen kaum, wenn sich die Vogelwelt des Rieses, bestehend in einer fussmächtigen Vogel- knochenbreccie vor uns ausbreitet. Knochen ist an Knochen ge- backen, nicht etwa blos kleine Enten-artige oder von Strandläu- fern, wie zu Steinheim, sondern ungeahnte neue Formen von Pe- likanen, Scharben, Kranichen schälen sich aus dem Sprudelkalk heraus, in den sie die Kalkquellen des Rieses zur miocänen Zeit eingebacken hatten. Seit Jahren schon mit dem Sammeln dieses Vogelmaterials beschäftigt, aber bisher ausser Stande, genauere Bestimmungen zu machen, veranlasst mich erst das Erscheinen des Milne Edward’schen Werks zur eingehenderen Unter- suchung, wobei die Steinheimer Reste, an und für sich zu unbe- * Recherches anatomiques et pal&ontologiques pour servir & l’hi- stoire des oiseaux fossiles de la France par M. Alphonse Milne Edwards, prof. de zoologie & l’ecole superieure de pharmacie, aide naturaliste au Museum d’histoire naturelle. Ouvrage qui & obtenu le grand prix des sciences physiques en 1866. Paris 0. Masson 1867. Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 18 —_— 274 — deutend, um ihnen zu lieb die zeitraubenden Untersuchungen zu machen, bei Verwerthung der Riesvögel gewissermassen in den Kauf gingen. Ein weiterer misslicher Umstand stellt sich in Steinheim ein, dass die Knochen nur vereinzelt gefunden werden und die Zu- sammengehörigkeit der einzelnen auf keine Weise mehr eruirt werden kann. Ein Hauptmittel zur Bestimmung, die gegenseiti- gen Maassverhältnisse der einzelnen Knochen, ist somit gar nicht vorhanden. So muss mancher Knochen als unbestimmbar zur Zeit noch bei Seite gelegt werden, bis weitere Funde das Auge schärfen und oft rasch das Richtige erkennen lassen. I. Ordnung der Entenvögel. (Palmipedes lamellirostres.) Anas atava. Taf. XIII, fig. 1.a,b, c. Entenvögel bilden weitaus den grösseren Theil der Stein- heimer Vogelreste und zwar Entenvögel von allen Grössen. Wir beginnen mit Anas atava, als der ältesten bekannten Gans. Gerne hätte ich diese Steinheimer Gans mit der Oeninger, von H. v. Meyer 1865 * beschriebenen Gans vereinigt, aber eine genaue Messung der Grössenverhältnisse von Anas oeningensis Meyer oder Anser oeningensis M. Edwards erlaubte es nicht. Die Oeninger Gans übertrifft unsere Art um ein Ansehnliches an Grösse. Diess lehrt das Stück des rechten Oberschenkels, der Fig. 1 von aussen (2), von innen (b) und von oben (ec) abge- bildet ist. Der Femur eines Entenvogels lässt sich mit keinem andern Femur verwechseln, wie das A. Milne Edwards |. c. pag. 87 beweist. Er ist kurz, verhältnissmässig stark und wenig gebogen. Die untere Gelenkfläche ist sehr breit und leicht sich nach innen verflachend, die Rinne zwischen den beiden Condylen ist ziemlich seicht und ausgeschweift. Der Vorderrand des innern Condylus ist schmal und springt scharf vor, der äussere ist breiter und greift tiefer hinab, so dass die Gerade, die von dem einen zum andern gezogen wird, mit der Axe des Knochens einen Winkel ** * Palaeontographica, Bd. XIV, Taf. XXX, fig. 2. ** Um diesen Winkel zu messen, legt man nach Milne Edwards den Knochen so, dass man beide Rollen gegen ein Lineal drückt und vom Aussenrand des Schenkelkopfes eine Linie zieht zu dem Punkt, 13,3 — 2716 — von 70° bildet. Die Crista peroneo-tibialis macht einen ganz bedeutenden Vorsprung nach hinten, der durch eine tiefe Rinne vom Aussenrand des Condylus getrennt ist, die Keen e vertieft sich mässig. Das Oberende ist breit und dick, der Schenkelkopf klein, sein Hals kurz und gedrungen, ohne bemerkenswerthe Einschnü- rung und gerade nach aussen gestellt. Die runde Gelenkgrube ist kaum angedeutet, der Trochanter dick und wenig erhaben, so dass sein Oberrand nahezu im gleichen Niveau mit dem Schenkelkopf steht, und eine breite Gelenkfläche (91—96°) dar- bietet. Die Axe des Knochens trifft diese obere Fläche unter einem rechten Winkel und etwas darüber. Diese detailirte Beschreibung des Oberschenkels der Enten- vögel stimmt genau bei unserer Steinheimer Art. Das grosse Luftloch auf der Innenseite des Oberendes, das die starken Flie- ger besitzen, fehlt ganz, die Luftlöcher am oberen Abductor und am Gesässmuskel, dessgleichen am Ende der inneren Gräthe sind nur wie Nadelstiche im Knochen, accurat wie bei der lebenden Gans. Die Maassverhältnisse der Steinheimer Art, soweit sie an dem leider defekten Stück beobachtet werden können, sind um ein Weniges kleiner als bei der Hausgans, doch so, dass die Verschiedenheit schliesslich als individuelle Verschiedenheit be- trachtet werden kann. Nur der Trochanter der lebenden Gans ist um 1—2 MM. stärker, wodurch das Oberende des Knochens etwas massiger erscheint als bei der tertiären Gans. Anas cygniformis. Taf. XIII, fig. 2, a und b. Hieher gehört zunächst ein sehr vollständiges Os coracoi- deum der linken Seite, Fig. 2,a von aussen, Fig. 2, b von innen. Die- ser Knochen ist bei keinem Entenvogel fest mit dem Sternum vereinigt. Es fehlen diesem die tiefen Gelenkrinnen der starken da der innere Condylus am Lineal anstösst. Der Winkel, den diese Curve mit dem Lineal bildet, gibt für jedes Genus verschiedene, sehr überraschende Thatsachen an die Hand. — 277 — _ Flieger, welche den Knochen in sich aufnähmen. Die hintere Partie des Knochens erbreitert sich, der Hyosternaltheil ist sehr entwickelt und viereckig zugeschnitten, die Apophyse selber klein und scharf schneidend. Die Sternalfläche ist nach innen sehr erbreitet, nach aussen schmal. Die Subelavicularis ist nur mit- telmässig entwickelt, bildet aber doch immer einen nach oben und nach vorne gekrümmten Hacken. Ein Foramen infraclavi- culare trifft man nur bei dem Geschlecht Anseranas. Die Sca- pulargrube ist breit und tief, der Tuberhals lang und mager, der Tuber selbst klein und häufig auf der Innenseite nach unten zu mehr oder minder ausgehöhlt. Bei sämmtlichen C'ygnus-Arten ist der Körper und Kopf des Coracoideum etwas stärker und dicker als bei den andern Geschlechtern der Palmipeden, die Hyosternalapophyse etwas abgerundet, die Clavicularfläche breit und flach. Das Rabenbein der eigentlichen Enten erkennt man an dem schwach entwickelten oberen Kopf, bei Fuligula ist das untere Ende immer breiter, als bei den Enten und die Hyoster- nalapophyse hervorspringender, bei Cereopsis ist der ganze Kno- chen leichter gebaut als beim Schwan, dagegen ist die Hyoster- nalapophyse sehr entwickelt und ruderförmig verlängert. Am meisten unter allen Geschlechtern der Palmipeden unterscheidet sich das Rabenbein der Anseranas mit dem Foramen subelavi- culare und einem stärkern Körper des Knochens. Unser vorliegendes Coracoideum ist 0% 08 lang, 5 MM. länger als das der Gans, 25 MM. kürzer als das von Oygnus ferus. Seine ganze Gestalt trägt den Typus der ächten ‚Anas an sich, und innerhalb dieser Gruppe mehr den Typus der Schwa- nen als den der Gänse, denen der Knochen seiner Grösse nach sonst am nächsten steht. Die Sternalfläche (Fig. 2) ist die einer ächten Ente, bei Gans und Schwan wird die nach aussen ge- kehrte Fläche breiter, steht auch mehr auf der Aussenseite vor. Die Apophysis supraclavieularis steht schlank und spitz hervor und schlägt sich wie beim Schwan nach aussen und oben um, die Clavicularfläche ist schmal und flach, wie auch die Humeral- fläche, welche beide an der Gans sich buchten und Concavitäten bilden. Der ganze Körper ist schlank, von einem Foramen sub- Sr Bl claviculare, wie es bei Anser angedeutet und bei Anseranas aus- gesprochen ist, keine Spur. Auf der Aussenseite des Knochens zieht sich von oben bis unten eine scharf ausgesprochene Linie (lines intermuscularis) hin. Unverkennbar zu unserer grossen Anas-Art gehören zwei Tarsometatarsi, von denen aber leider nur die oberen Enden noch vorhanden sind. Aber gerade am Oberende erkennt man den Knochen, indem sich der Fersen zwar nicht weit zurücklegt, aber so breit wird, dass er beinahe den ganzen hinteren Theil des Knochens einnimmt. Er besteht aus vier starken Gräthen, unter denen die innere am weitesten vorspringt und die längste ist, die andern werden allmälig kleiner. Dieser Charakter wiederholt sich bei keinem andern Vogel mehr als eben bei der Gruppe des Palmipedes lamellirostres, ist somit ein Merkmal, welches mit der grössten Freude begrüsst werden muss, da es in dem bun- ten Allerlei ähnlicher. Knochen eine sichere Handhabe gibt. Unser Oberende misst 0% 020 von aussen nach innen, 0” 014 von vorne nach hinten. Der Tuber intercondyleanus erhebt sich kräftig über die Glenoidalflächen. Bei der Gans sind die ent- sprechenden Maasse 0” 018 und 0” 014, beim Schwan 0” 026 und 0” 021. Die Erhebung des Höckers über die Glenoidalflä- chen bleibt sich gleich. Auf Taf. XII, 11—13 sind drei Zehenglieder unseres Vo- gels abgebildet. Auch die Vogelzehen sind gleich den Zehen der Säugethiere aus härterem Knochenmaterial als andere Ske- letttheille, und darum verhältnissmässig häufiger und besser er- halten. Fig. 11, a b entspricht dem ersten Phalangen der grossen Mittelzehe. Seine Länge beträgt 0” 036, am Skelett einer Gans messe ich 0” 032, Im Uebrigen stimmen beide vollständig über- ein, selbst die zarten, wie mit der Nadel eingestochenen Luft- löcher auf der Unterseite des Phalangen. Ganz ähnlich verhält sich der 12, a b, abgebildete erste Phalange des ersten Zehen (index). Er misst 0% 030, bei der Gans 0” 027, die obere Me- tatarsalfläche stimmt ebenso wie die untere Rolle zum zweiten Phalangen, welcher Fig. 13, a b vorstellt. Beide sind wahrschein- lich vom selben Individuum. 0 Anas Blanchardi. A. Milne Edwards. Pl. XXI—XXIV. Der gelehrte Verfasser der Recherches anatomiques etc. hat aus dem Departement de l’Allier (St. Gerand, le Puy, Langy, Billy und Chaveroches) ausser einem fast vollständigen Skelett _ die Reste von mehr als hundert Individuen in die Hand bekom- men und daraus das Thier construirt, das ihm zwischen Dendro- cygna und Anas steht. Anas Blanchardi ist eine Ente, höher auf den Beinen als alle andern ihres Geschlechts. Wären nicht die Füsse und das Sternum, so würde sie zu Dendrocygna ge- stellt werden; hienach rechtfertigt sich die oben angeführte sy- stematische Stellung zwischen beiden genannten Geschlechtern. Im Einzelnen ist der Tarsometatarsus der Anas Blanchardi von dem der Wildente kaum verschieden, während die Tibia der Reiherente ähnlicher ist. Das Brustbein entfernt sich wieder von der Form der F'uligula und Dendrocygna, um Sich dem der ge- meinen Ente zu nähern. Während sonach die hintere Extremität mit der lebenden A. boschas stimmt, so entfernt sich die vordere Extremität, als die viel kleinere. Die Maasse für die einzelnen wichtigeren Knochen sind: Tarsometatarsus 0” 045. Tibia 0” 083. Femur 0” 043. Coracoideum 0” 043. Scapula 0% 062. Humerus 0” 078. Cubitus 0” 067. Metacarpus 0N 070. Von Steinheim besitzen wir Humerus, Cubitus und Radius. Die gleichen hat auch Quenstedt erhalten und „Epochen“ pag. 748 abgebildet, ohne sich jedoch näher über diese „Vogel- knochen“ auszusprechen. Der Zeichnung nach ist es der linke Oberarm, Vorderarm und Handknochen und erkennt man die Ente an dem quer angelegten oberen Condylus, an dem die Spaiche articulirt (Condylus radialis), und an der schiefen Fossa ole- crani. — 230 — Ausser Anas Blanchardi erwähnen die Recherches noch fünf weiterer Arten, zwei aus dem Departement de l’Allier und drei von Sansan. Die beiden ersten sind consobrina und na- tator, von denen consobrina grösser ist als boschas, natator aber von der Grösse der Kriechente (sarcela) mit einer Entwicklung der Tibialrolle, die auf einen feinen Schwimmer hinweist. Anas velocr von Sansan war dagegen ein stärkerer Flieger, die wir mit A. ericca vergleichen können. Diese Art hatte wahrschein- lich auch im Steinheimer Becken gelebt, nach einem Coracoideum von 0” 037 Länge zu urtheilen und einem Tarsometatarsus. Diese Art war noch klemer als A. sponsa Linne; grösser war Anas sansaniensis, noch grösser Anas robusta, von der Grösse der lebenden Gans. II. Ordnung der Schwimmvögel. (Palmipedes totipalmati). Diese Ordnung begreift die Vögel, deren Zehen durch Eine Hautfalte verbunden sind. Sie sind ohne Ausnahme schlechte Läufer, aber um so bessere Schwimmer. Die Flügel mässig mit spitzen Schwingen, der Schnabel mit einer Randfurche, in wel- cher kleine Nasenlöcher liegen. Wie die Enten, so erkennt man auch die Totipalmaten am besten an dem kurzen, robusten und gedrungenen Tarsometatarsus, an welchem sämmtliche Knochen- ränder und Wülste in Folge der starken Muskelausbildung stark markirt sind. Die Fersenhöcker sind am Lauf wie am Unter- ende des Schienbeins gleichfalls ganz ausgezeichnet. Seit Jahren schon vermuthete ich nach einer vereinzelten Scapula das Vorhandensem von Pelikan in Steinheim. Die Ge- wissheit haben aber erst die im letzten Jahre gemachten zahl- reichen Funde dieses ansehnlichen Vogels, der zwar längst schon aus dem eocenen Montmartre bekannt ist, aber dessen Fund immerhin vereinzelt dastund. Ebenso ist auch Pelecanus gracilis aus den miocenen Lagern immerhin eine nicht gewöhnliche Er- scheinung. Dagegen lieferte der Hahnenberg im Ries, der geo- logische Zwillingsbruder des Klosterbergs von Steinheim einen — 2831 — Pelikan in so zahlreichen Exemplaren, dass sein Vorhandensein zur miocenen Zeit als ein ganz gewöhnliches bezeichnet werden muss. Pelecanus intermedius. Taf. XII, fig. 3, 4. Bei der ausserordentlichen Entwicklung des Schnabels hält es nicht schwer, den Schädel der Pelikane zu erkennen. Aber auch abgesehen vom Schnabel zeigt der eigentliche Schädel seine Eigenthümlichkeiten. Die Occipitalgegend (Fig. 3, c) ist breit, abge- plattet und nach hinten und unten geneigt. Der Hirnvorsprung ist nur wenig angedeutet, dagegen ist der Processus mastoideus sehr aufgebläht und nach unten und ein wenig nach hinten gerichtet, die Hinterhauptslinie ist nur schwach angedeutet und die Schlaf- gruben nur wenig vertieft. Die Stirngegend (Fig. 3,a) ist breit, flach und leicht eingedrückt, sie articulirt mit den Knochen des Schnabels mittelst einer Naht, welche dem Schnabel die ausgedehntesten Bewegungen ermöglicht. Die Interorbitalwand ist vollständig, nur bemerkt man an ihr einen hinteren Durchbruch für die Seh- nerven. An das Stirnbein und Thränenbein stösst mittelst Anschif- tung ein Schnabel, der gerade um’s vierfache den Schädel an Länge übertrifft. Zwei schmale Mittelnasenbeine ziehen sich vom Stirnbein bis zur Schnabelspitze. Im vorderen Drittheil des Schnabels verwachsen sie erst mit dem Maxillare und unter sich, bleiben aber immer durch zwei Längsfurchen markirt. An dieses mittlere Knochenpaar schliesst sich rechts und links ein weiteres Nasenbeinpaar an mit den Nasenlöchern zwischen sich, so dass das Nasenbein in Wirklichkeit aus einem Knochenbüschel von sechs langen, schlanken Knochen besteht, an welche sich der von Luftlöchern siebartig durchbrochene Kiefer anschiftet. Auch dieser besteht nicht etwa aus Einem Knochen, sondern aus zwei Stücken, dem vorderen spongiösen und einem hinteren Knochen, der an der Vereinigung von Stirnbein und Thränenbein entspringt. Der spongiöse Vordertheil des Kiefers schiftet sich im hinteren Drit- theil an. Ebenso geht es auf der Unterseite des Schnabels, in- dem Vomer und Gaumenbein ganz auf dieselbe Weise sich nach _ 232 — vorne strecken. Der erstere (Vomer) stösst hinten an die Inter- orbitalwand und zwei kleine schmale Flügelbeme, die ihrerseits an den zwei grossen Tympanbeinen hängen. Mittelst drei Ge- lenkköpfen articulirt hier der eigenthümliche kahnförmige Unter- kiefer, der ganz ähnlich wie der Oberkiefer aus je drei verschie- denen Knochenstücken zusammengeschiftet ist. Im Alter ver- wachsen diese sowie auch die Knochentheile des Schnabels zu Einem Ganzen. Der Schädel des fossilen Pelikans vom Hahnenberg misst nur 0” 066, des P. onocrotalus aber 0" 080. Von der Crista oceipitalis an 0” 057, bei onocrotalus 0” 067. Man ersieht daraus, dass das Hinterhaupt von intermedius viel steiler abfällt, als von onocrotalus. Der Winkel, den das Hinterhaupt zur fla- chen Scheitelfläche bildet, misst in Wirklichkeit dort 75°, hier nur 60%. Die Breite des Hinterhaupts, über das grosse Hinter- hauptsloch gemessen, beträgt 0% 045, die Höhe 0” 038, dort 0” 053 in der Breite und in der Höhe. Die Breite zwischen den Augen ist nicht grösser als 0% 018, über der Stirne gemes- sen 0” 040, bei onocrotalus 0” 038 und 0” 040. Hieraus folgt, dass die Orbitalränder viel näher zusammen treten, über die Stirne aber der Schädel wieder breiter wird. In der Mitte der Scheitelbeine ist eine sehr merkliche Depression zu beobachten, während der onocrotalus-Schädel, wie oben bemerkt, eine auffäl- lige Flachheit verräth. Am Ende des Stirnbeins steht ein kleiner Tuber frontale, wie hart über dem Foramen ein Tuber occi- pitale. Wir erhalten somit eine Form, die doch sehr merklich von dem lebenden P. onocrotalus abweicht, der Schädel ist verhält- nissmässig höher gestreckt, reicher an Form, als der plumpe, flache, von hinten viereckig anzusehende Schädel des lebenden Pelikans. Leider fehlen unserer Sammlung die Schädel von an- dern Pelikan-Arten als dem onocrotalus, um damit weitere Ver- gleiche der Ries-Art anzustellen. Milne Edwards weiss über den Schädel seines P. gracilis gar nichts zu sagen, wie über- haupt bis jetzt fossile Pelikanschädel noch nirgends publicirt wor- den sind. — 283 — Andem Schädel unseres Pelikans hängt noch Fig. 3a ein grosses Stück Schnabel und ebenso ein Stück des linken Unterkieferastes. Der erstere weicht von P. onocrotalus darin ab, dass er an sei- ner Basis viel kräftiger und breiter ist, in semem Verlauf aber schmäler wird. Sowohl das Nasenbein zeigt diese Erscheinung, als auch der Oberkiefer, welche beide viel kräftiger sich an das Stirnbein anfügen. Ein vollständiger Schnabel fehlt leider, aber vereinzelt gefundene Bruchstücke constatiren, dass der Schnabel in seinem letzten Drittheil doch zum mindesten ebenso breit wird als der lebende, ja den lebenden eher noch an Breite übertrifft. Das Ende des Schnabels wird wieder etwas schmäler und zeigt die Gestalt von Fig. 4. Der Knochen ist ausnehmend dünn und spongiös, in der Regel springt er von der erfüllenden spätigen Kalkmasse ab und bleibt nur zwischen den jetzt mit Kalk ge- füllten Poren hängen, wodurch das Ganze einen eigenthümlichen, mit keinem andern Knochen zu verwechselnden Anblick be- kommt. Der Unterkiefer unterscheidet sich gleichfalls von onocrota- lus nicht unwesentlich. An seinem Anfang, d.h. an der Gelenk- fläche zum Os tympanicum sehen wir eine tiefe Grube zwischen beiden Condylen, nach hinten aber bildet sich eine glatte, nicht articulirende Fläche. Dieser Anfang ist im Vergleich mit dem lebenden durchaus zierlich und zart, erst in der Breite der Na- senöffnung angekommen, schwillt der Unterkiefer an und erreicht eben da, wo die Basis des Schnabels ist, seine grösste Dicke. Nach vorne verjüngt sich der Unterkiefer wieder, doch fehlt bis jetzt ein vollständiges Ende. Soll eine Vergleichung des Steinheimer Pelikans mit einer lebenden Art angestellt werden, so liegt wohl nach der ganzen Gestalt des Schnabels P. rufesceng am nächsten (Abyssinien). III. Ordnung der Storchen. Aus der Ordnung der Storchen nennen wir in erster Linie einen kleinen zierlichen Ibis, den A. Milne Edwards aus Langy und St. Gerard le Puy beschrieben hat: — 284 — Ibis pagana. M. Edw. Pl. 69—71, fig. 1—12. Milne Edwards gibt vom Skelett dieses miocenen Vogels folgende Maasse: Tarsometatarsus 0” 063 Tiba 0m 093 Femur 0” 649 Coracoideum 0” 037 Humerus 0” 074 Cubitus 0” 090 Wir fanden von dieser Art zu Steinheim Oberarm und Ra- benbein. Das letztere, Us coracoideum, soll bei dem Geschlechte der Ibis stets unverkennbar sein und speciell bei /bis pyagana sehr kurz, kaum etwas gebogen und an der Basis breit sein. Unser Stück zeigt das spatelförmige Unterende und die breite, wohl entwickelte Subclavicular-Apophyse, dieselbe hat ein ganz ausgesprochenes Foramen. Die Scapularfläche ist eine kleine, ziemlich tiefe Pfanne, während die Humeralfläche länglich und wenig vertieft ist. Der Oberarm soll nach Milne Edwards in der Form von Ibis religiosa sich kaum unterscheiden, dagegen in der Grösse. Leider fehlt mir noch ein Ibisskelett zur ge- naueren Vergleichung. Ardea similis. Taf. VII, fig. 14,ab c. Die Füsse der Reiher sind hoch und schlank und die äus- sere Vorderzehe länger als die beiden andern. Das Unterende von Tibia, das Steinheim lieferte, mit einem ziemlichen Stück des Röhrenknochens (das Raumes halber nicht abgebildet wurde) weist auf ein Reiher-ähnliches Thier hin. Unter allen mir zu Gebot stehenden Vogelschienen stimmt das Stück mit Ardea am besten. Doch bestehen folgende Unterschiede: 1) der Röhrenknochen wird über dem unteren Gelenk bei Ardea cinerea um 2 MM. schmäler, während die Breite des Gelenkes nur um 1 MM. grösser ist als beim Reiher. Der Knochen wird damit durchaus derber und ge- drungener. 2) Während die Rolle von hinten gesehen, wie von — 285 — der Seite, von Ardea sich nicht unterscheidet, liegt der zweite Unterschied in der Haftstelle für den vorderen Tibialis, der so- fort unter der Knochenbrücke hindurch sich schief nach innen in die Höhe zieht. Die Haftstelle bei Ardea ist auf der Innenseite des Condylus internus, beim Steinheimer Stück fällt sie noch in die Interartieulargegend.. Im Uebrigen stimmt die Art, wie das Gelenk nahezu einen vollständigen Kreis beschreibt und die Rolle nach unten und vorne anschwillt, so sehr mit Ardea, dass ich keinen Anstand nehme, dieses Genus auf unser Steinheimer Stück zu übertragen. Paloelodus Steinheimensis. Taf. VII, fig. 13. Milne Edwards führt aus der Miocene von Allier und des rheinischen Beckens ein neues Geschlecht ein, das als rich- tiger Strandläufer sich an Flamingo anschliesst, aber auch von Löffelreiher und Totanus Eigenschaften besitzt. Sehr lange Zehen gestatteten diesen Vögeln dasGehen auf Wasserpflanzen und Sumpf. Der Tarsometatarsus ist in einer Weise zusammengedrückt, wie ihn sonst kein lebender Strandläufer zeigt, während bei der Familie der Steissfüsse und der Taucher etwas Analoges beobachtet wird. Diese Eigenthümlichkeit muss mit der schwimmenden Lebens- weise dieser Vögel in Einklang gebracht werden und ist sehr wahrscheinlich, dass sie am Ufer der Bäche und Seen lebten und von Planorben, Paludinen und Heliceen sich nährten, deren Schalen zahlreich dieselben Schichten füllen, in welchen die Vo- gelknochen sich finden. Ebenso mögen zahlreiche Phryganeen- larven zu ihrer Nahrung beigetragen haben. Die Arten dieses untergegangenen Geschlechtes waren so zahlreich, dass das Departement de l’Allier allein fünf aufweist, wir haben von Steinheim mindestens drei Arten, soweit überhaupt die Grösse eines Gelenkkopfes das Recht hat, auf specifische Be- rücksichtigung Anspruch zu machen. Fig. 13 ist das wohlerhal- tene Unterende einer linken Tibia abgebildet. Das für Paloe- lodus Bezeichnende ist die abgeplattete Articularfläche, die durch zwei Rinnen gegen den scharfen hintern Fortsatz der Condylen — 286 — abgegrenzt ist. An diese Fläche greift der Hinterrand der Gle- noidalfläche des Tarsus. Die Stellung des Unterendes zum Röh- renknochen zeigt die Krümmung der Schiene nach innen, die übrigens allen Storchenarten zukommt. Die Oeffnung des vor- deren Sehnenloches ist gross, eiförmig und in der Mitte zwischen der äusseren und inneren Rolle gelegen, worin der speecifische Unterschied des P. Steinheimensis gegenüber von P. Goliath und crassipes M. Edw., die auf Pl.88 abgebildet sind. Nach Maass- gabe der Grösse derselben würde die vollständige Tibia unseres Vogels zum mindesten 0” 22 lang sein, d.h. die Tibia eines Reihers (0% 195) übertreffen. Paloelodus gracilipes. A. Milne Edwards. Taf. XIII, fig. 5—7. Während der im Departement Allier gewöhnliche P. ambi- guus, der sich auch in Weissenau vielfach finden soll, in Stein- heim nur zweifelhaft sich findet, ist die zierliche Art, die M. Edwards gracilipes nennt, häufiger vorhanden, und in Steinheim sowohl als im Ries, am Goldberg, Spitzberg und Hahnenberg gefunden worden. Taf. XIII, fig. 5—7 bilde ich die ganz un- verkennbaren Theile der Fussknochen ab, vor Allen den Tarso- metatarsus, Fig. 5 die obere, Fig. 6 die untere Gelenkfläche. Fig. 5, a gibt die Ansicht von oben. Zwei nahezu gleiche Gle- noidalgruben, die zugleich nahezu in Einer Ebene liegen; die äussere scheint etwas tiefer hinabzugreifen als die innere. Genau in der Mitte erhebt sich der Tuber, der sich zwischen den bei- den Condylen der Tibia bewegt. Breiter als diese Articulations- fläche steht der Fersenhöcker nach hinten, aus vier neben ein- ander liegenden Knochenplatten bestehend, von denen die innere am weitesten vorsteht und die drei andern um fast 2 MM. über- ragt (fig. 5, b).. Zwischen denselben liegen die Sehnen für den Adductor, zwischen der ersten und zweiten Knochenplatte hat sich ein eigenes Foramen ausgebildet, das (Fig. 5, a) weiter zurückliegt. Auf der vorderen Seite erblickt man eine tiefe Grube für den Extensor. Von der inneren Glenoidalfläche aus zieht sich eine ganz scharfe Gräthe seitlich an der Röhre des — 2837 ° — Knochens herab. Diese Verhältnisse des Tarsus sind in der That so eigenthümlich und nirgends wiederkehrend, dass die volle Be- rechtigung vorliegt, in einem neuen Geschlechtsnamen * diese Eigenheiten zusammenzufassen. Dieser Tarsus stellt die interes- santeste Combination der Tarsen von Tauchern, Schwimmern und Strandläufern dar, zu dem das Unterende des Metatarsus Fig. 6, a b vortrefilich passt. Während der Röhrenknochen ausserordent- lich zierlich ein Oblong von fünf und drei Millimetern darstellt, fügen sich die drei Trochleen so an, dass die innere Trochlea sich regelmässig neben die mittlere legt. Sie ist aber durch -eine tiefe Rinne von derselben getrennt, in welcher auch das untere Sehnenloch liegt. Das Sehnenloch liegt noch oberhalb der beiden Trochleen, an deren Basis, aber die Sehnenrinne endigt nicht mit dem Loch, sondern trennt die mittlere und innere Trochlea von einander ab. Die äussere Trochlea hat eine ganz sonderbare, verkümmerte Gestalt, sie ist einmal viel kürzer als die innere und zum Ändern ist sie so nach hinten gerückt, dass ihr Vordertheil in die Gegend zu stehen kommt, wo das Hinter- theil der inneren Trochlea liegt. Dem Oberende des Tarsometatarsus entsprechend ist das Un- terende der Tibia, Taf. XIII, fig. 7, ab. Die Interarticuiar- gegend (a) ist nicht nur nicht vertieft, sondern flach gewölbt, wie wir es schon bei P. Steinheimensis fanden. Die markirten Condyli entsprechen genau den stark vertieften Glenoidalflächen, das grosse vordere Sehnenloch liegt dem innern Condylus näher als dem äusseren. Kenntlicher noch als das Unterende der Tibia wird das Oberende, das durch eine schneidend scharf nach vorne gekehrte Gräthe sich auszeichnet. Wie nach vorne, greift sie auch nach oben und überragt die Gelenkfläche für die Condyli femoris um 6 MM. Fig. 8a lässt das Oberende von oben sehen, b von der Seite, an welcher die Ansatzfläche für Fibula * Schade nur, dass sprachlich der Name Paloelodus ganz unver- ständlich ist und der gelehrte Autor des Namens nirgends sagt, was er mit dem philologisch unentwirrbaren Worte eigentlich ausdrücken will. —. 288 — zu beobachten ist. Diese vordere, das Gelenk überragende Gräthe vermuthen wir bei sämmtlichen Störchen, finden sie dagegen bei den Tauchern entwickelt, wiederum eine Bestätigung der eigen- thümlichen Stellung der ‚Paloelodus im System. Eine Reihe Knochen liegt noch vor, die noch auf genauere Bestimmung warten. Ich erwähne unter denselben nur noch einen Rallus major M. Edw., der mit Sansaner Funden stimmt. C. REPTILE & FISCHE erforderten in ähnlicher Weise monographisch bearbeitet wie die Säugethiere und Vögel, zum mindesten denselben Raum der Pu- blication und dieselbe Zeit der Bearbeitung, wenn nicht noch mehr. Ich erwähne ihrer hier nur anhangsweise, um das Lebens- bild aus der Steinheimer Tertiärzeit zu vervollständigen. An die Vögel schliessen zunächst sich die Schildkröten an. Unter ihnen haben eine Bearbeitung gefunden: Testudo antigua Bronn. Die von Bronn seiner Zeit bei seiner Arbeit über die Testudo antigua vom Hohenhöwen (Nov. Act. Acad. Leop. 1831, II, 200) benützten Originalstücke von Althaus, Alberti und Mandelslohe sind im Laufe der Zeit in den Besitz des K. Naturalien-Kabinets gekommen. Keines der Stücke war so aus dem Gestein herausgearbeitet, wie es zu einer anatomischen Untersuchung nothwendig ist, und wurden erst unter meiner Hand gereinigt. Es treten jetzt 22, nicht 24 Rand- schuppen zu Tage und eine denn doch recht augenscheinliche Abweichung sowohl von graeca als von tabulata. Namentlich übertrifft 1) die Grösse der Mittel- und Seitenschuppen die der graeca um 0” 03, 2) die Form der ersten Schuppe bei anti- qua ist ganz scharf fünfseitig, dessgleichen die der letzten fünf- ten. H. v. Meyer hat (Pal. XV, 203) vollständiger und ge- nauer die Art untersucht und festgestellt, und Taf. XXXIV, fig. 1—3 die Hälfte eines Rückenschildes von Steinheim abgebildet, den er, obwohl fraglich, mit 7. antiqua vereinigt. Das Stück selbst war in den Besitz des Herrn Wetzler im Günzburg ge- kommen, der es in bekannter liebenswürdiger Weise dem hiesigen Württernb. naturw. Jahreshefte. 1870. %tes u. 3tes Heft. 19 logge Naturalien-Kabinet überliess. Ich bin mit H. v. Meyer voll- kommen einverstanden, vor der Hand das fragliche Stück unter dem Namen von T. antiqua zu bewahren. Die allerdings sehr in die Augen fallenden Abweichungen der Gestalt und Höhe des ‘Panzerstückes dürften die Uebereinstimmung des Verlaufs der Grenzeindrücke nicht überwiegen. Aus den Gaskalken des Rieses habe ich seither eine neue Testudo von der hohen Gestalt der Steinheimer anfiqua erhalten, die ich jedoch aus mehrfachen Gründen nicht damit vereinigen möchte. Die Hauptabweichung besteht 1) in einer gekielten ersten Medianschuppe, 2) in höheren, schmäleren Seitenschuppen, wo- durch die Höhe des Schildes graeca, tabulata und antiqua über- trifft, 3) ihre Gestalt bildet ein ganz vollkommenes Oval, ohne alle Ausbuchtung oder Umstülpung, 4) die grosse, fünfte Median- schuppe ist in ihrer Grundform dreieckig, nur stumpft sich die Spitze des Dreiecks ab, dessen Grundlinie an die paarige eilfte und an die unpaarige zwölfte Randschuppe stösst. Vorläufig habe ich diese Riesschildkröte nach ihrem Fundort bezeichnet als T'e- studo risgoviensis. Unter allen Umständen stimmen die bei- den Funde von Steinheim und vom Ries am besten zu einander. Testudo minuta Bravard erreicht kaum den dritten Theil der Grösse von antigqua. Diese Art ist gleichfalls nur in einem einzigen, leider sehr mangelhaft erhaltenen Individuum gefunden worden. Weitaus zahlreicher als die Landschildkröten finden sich die Süsswasserschildkröten, vor Allen Ohelydra Murchisonae Bell. (1832 proceed. of theL. geolog. society. v. Meyer, Fauna d. T. 1845) ist durch einige theilweise sehr vollständige . Exem- plare vertreten. Je nach ihrem Vorkommen im Schneckensand ist das innere Skelett ganz vortrefflich erhalten, während der Schild vermürbt, oder ist — wenn die Stücke im Klebsand lie- gen, der Schild sehr gut erhalten, aber die Knochen unrettbar. Unser Exemplar Nro. 3713 von Steinheim gehört zu den ersteren. Eine Vergleichung mit lebenden Schildkröten zeigt bis in’s Ein- zelnste eine solche Uebereinstimmung mit Zimysaura serpentina Schweigg., dass man wirklich versucht ist, beide zu 'identifi- eiren. Letztere lebt in den Flüssen und Seen von Florida und ist als snapping turtle bekannt. Sie lebt von Fischen und Vö- geln, welch letztere sie mit Gewandtheit zu erschnappen ver- steht. Bauch- und Rückenpanzer verbindet sich durch Synchon- drose, nicht durch Verwachsung. Der Schwanz ist sehr lang und schaut bej einem unserer Stücke bis zu !/3 der Panzerlänge unter dem Schilde heraus. Der Schwanz ist so vortrefflich erhalten, dass selbst die Chevronknöchlein noch zu beobachten sind. Chelydra Decheni Mey. ist um ein Gutes kleiner als Mur- chisonae. Hieher gehören die Exemplare mit dem langen Schwanz, der die Länge des Schildes nahezu erreicht. Die Grösse und Gestalt der Medianplatten und Seitenplatten würde nach ober- flächlicher Vergleichung die Chelydra von Wies in Steyermark (Peters, Denkschr. d. Wiener Acad. 9. 1855, Schildkrötenreste Taf. 5) mit der Steinheimer Art vereinigen lassen. Hieher gehört wohl auch Nr. 4735, ein aus 14 zusammen- hängenden Wirbeln bestehendes Schwanzstück, dessen erster Wir- bel biconcav ist, während die 13 folgenden convex-concav sind. Dem ganzen Schwanze mögen etwa noch 6—8 Wirbel fehlen. Ob eine Reihe weiterer vorliegender Funde neue Arten bedingen, oder an die genannten vier Arten anschliessen, kann nur eine eingehendere Untersuchung herausstellen. Von Eidechsen begegnete mir noch nichts, einmal nur ein Frosch, Rana rara genannt, dagegen liegen Schlangen in zwei Arten vor. Wirbel einer Natter nannte ich Coluber Stein- heimensis, sie ist von der Coluber papyraceus Meyer und der Oeninger durch bedeutendere Grösse verschieden. Eine Schlange von respectabler Grösse war die Viper Naja, die ich der Freund- schaft des Herrn Dr. Baur in Königsbronn verdanke. Stücke vom Unterkiefer und über 40 Wirbel, theilweise noch in einan- der gelenkt, weisen auf die Uebereinstimmung mit denen der ägyptischen Schildviper hin; auch könnten sie mit dem Genus Xenodon verglichen werden. Ich gab ihr den Namen Naja suevica. Auf dem Grund der Steinheimer Mulde, in den untersten Bänken, stecken die Fische. Kaum mag es sonst einen zwei- 19 * — 292 — ten Ort geben, wo eine solche Menge Fische neben einander läge, als eben hier. Der Klebsand, reich an Bitumen, ist von ihnen in einer Weise erfüllt, dass jeder Spatenstich Fischskelette durchschneidet. Aber leider befinden sich alle im traurigsten Zustand der Erhaltung. Unter den Fingern zerbröckelt das schönste Stück, will man es feucht, wie der Klebsand aus der Erde gefördert wird, herausschneiden. Man muss erst grössere, ausgestochene Stücke rasch am Feuer, am besten in einem Back- ofen trocknen und dann erst auf gut Glück spalten. Aber auch so erhält man nie rein erhaltene Stücke, die Knochen und Wirbel zerbröckeln. Am besten erhalten sich noch die Schlundzähne der Karpfen. Von Raubfischen, Salm oder Hecht fand sich noch keine Spur, die vier von Steinheim beschriebenen Arten sind: Karpfen, Barben, Weissfische und Schleihen. Tinca micropygoptera Ag. \, pl. 5la. Leuciscus Hartmanni Ag. \, pl. 51. 1. 5 gracilis Ag. V, pl. 51. 2. 3. Barbus Steinheimensis Qu. Petr. 19, 1 und 2. Unter den Schnecken hat das frühere Genus Valvata *, oder wie Hilgendorf es richtig stellt, Planorbis, seine Mono- graphie erfahren, auf welche ich hiemit (s. o. pag. 146) ver- weise. Es sind: Planorbis multiformis denudatus. Hilgd. n ” costatus v. Kl. BR 2 oxystomus Hlgd. (oxystomav. K1.) * Der Name Valvata entstund wegen des Vorherrschens höhe- rer kegelförmiger Gestalten, wobei jedoch die flachen, niedrigen For- men als Planorbis bezeichnet wurden. Man übersah dabei, dass sämmtliche Schneckenformen in genetischem Zusammenhang mit ein- ander stehen, daher auch als Abänderungen Einer Art in derselben grossen Gattung vereinigt werden müssen. Da sich herausstellte, dass die Entstehung der fremdartigen, kegelförmigen Gestalten, welche den Namen Paludina oder Valvata veranlassten, von der Planorbis-Form abzuleiten seien, die Schalform aber ebenso als wie der absolute Man- gel von Schalendeckeln die Annahme verhindert, dass diese Schnecken den Deckel der Valvata besassen, so wurde es nöthig, den Gattungs- namen Planorbis anzunehmen. Cf. Hilgendorfl.c. Planorbis multiformis revertens Hlgd. „ » supremus Hlgd. er Steinheimensis Hlgd. » = Kraussü v. Kl. N a aequeumbilicatus Hlgd. „ ” parvus Hlgd. „ 35 minutus Hlgd. „ ” crescens Hlgd. js 15 triquetrus Hlgd. „ ” tenws Hlgd. » “ pseudotenwis Hlgd. 8 k discoideus Hlgd. (planorbifor- mis v. Kl. „ » sulcatus Hlgd. n „ rotundatus v. Kl. „ a trochiformis v. Kl. „ ” elegans Hlgd. Andere Wasserschnecken * sind: Lymnaeus socialis Schübler, mit den drei Varietäten: elongata, intermedia, striata. Lymnaeus bullatus v. Kl. ellipticus Kurr. „ Kurrii v. Kl. Paludina globulus Desh., eine Bezeichnung, die zwar ıngenommen, aber nur von zweifelhaftem Werthe ist, da diese Art der Eocene des pariser Beckens angehört. An Landschnecken finden sich: Helix insignis Schübler, die ich übrigens von Helix Mat- fiaca aus den Ulmer und Ehinger Landschneckenkalken nichi zu unterscheiden vermag. Helix subverticillus Sandb. (var. amplificata.) „ silvestrina Ziet., var. silvana v. Kl. Clausilia antiqua Schübl. Pupa Schübleri v. Klein. * Diese Bestimmungen gründen sich auf Dr. v. Klein, Die Con- chylien der Süsswasserkalkformation Württembergs, W. Jahresh. II. Jahrg. pag. 60. — 294 — Dazu kommen noch zwei neue Arten Pupa und eine neue Art Helix, deren Bestimmung ich jedoch anderen Händen überlasse. Von anderen, zwar dem Steinheimer Klosterberg sehr nahe liegenden, aber doch zweifelsohne dem Alter nach getrennten Fundorten mit anderen Schneckenarten sehe ich ab, dessgleichen von den selten genug sich findenden Pflanzenresten, die in weni- gen, noch dazu schwer zu entziffernden Stücken bestehen. Am ‘ häufigsten noch finden sich die Samen, die man zu Grewia stellt, einer tertiären Passiflora. Von Blättern erhielt ich nur einmal aus den Sprudelfelsen des Klosterbergs einige Blattabdrücke, die etwa einer der immergrünen Eichen oder Lorbeere der Miocänzeit verglichen werden können. Es liegt das in der Beschaffenheit des versteinernden Materials von Steinheim begründet. Der Mangel jeglichen Thonschlickes, in dem sich solche zartere Organismen, wie Insekten, Blätter und Blüthen erhalten hätten, der vorherrschende Kalk- und Schneckensand bringt un- vermeidlich diesen Uebelstand mit sich. Wir müssen daher auf das eigentliche Landschaftsbild von Steinheim zur Tertiärzeit ver- zichten, wenn wir zum Schluss einen Rückblick auf die Lebens- formen der Steinheimer Thierwelt gewinnen wollen. Er soll den Zweck haben, durch Anpassung des tertiären Bildes an Lebens- bilder der Gegenwart, Jedem das Mittel in die Hand zu geben, sich selbst das alte Klima von Steinheim zu reproduciren. Frei- lich lässt uns da manche Thierform im Stich, die mit keiner lebenden mehr sich vergleichen lässt. Gleich die häufigsten Or- ganismen, mit denen wir als den niedrigsten beginnen möchten, Planorbis multiformis, hat. ihres gleichen nirgends mehr, weder in der fossilen Welt, noch in der Jetztwelt, gewährt also nach keiner Seite hin einen * Anhaltspunkt. Ebenso wenig wird man mit den Paludiaen und Lymnaeen ** anzufangen wissen. Erst * Kurr hat zwar (W. Jahresh."XII, pag. 41) versucht, die ame- rikanische Valvata tricarinata Say in die Nähe der Steinheimer Schnecke zu stellen, ging aber von der Voraussetzung aus, es mit ge- deckelten Valvaten zu thun zu haben, was sich durch Hilgendorf als unrichtig herausgestellt hat. ** Vergleiche auch hierüber W. Jahresh. XII, pag. 42. Es sollen 2a die Landschnecken präcisiren sich etwas. Olausilia antiqua Sch. (Sandberger, Conch. d. Mainz. Tertb. pag. 62) schliesst an ostasiatische Formen an, Cl. javana Pfeiff., während die. ver- wandte CO. grandis der CO. shanginensis Pfeiff. zunächst steht. Helix insignis erinnerte Kurr durch ihren trichterförmigen Nabel fast nur an die grossen Formen von H. rosacea Müll., wie sie im südwestlichen Afrika vorkommt, während A. mattiaca von Sandberger in die Nähe von ZH. desertorum Forscal aus Ara- bien und Aegypten gestellt wird. Eben dahin gehört auch die gemeinste Aelix Steinheims: silvestrina Zieten. Im unserer Sammlung liegen bei ihnen einige von mir am Nil gesammelte Schnecken, welche von der Sonne gebleicht, ebenso weiss, wie die Steinheimer Schnecke, an Gestalt kaum von ihr zu unter- scheiden sind. Ein Blick auf die Fische zeigt die auch sonst in der Ent- wicklungsgeschichte der Thiere beebachtete Thatsache, dass die Bewohner des Wassers viel weniger den Veränderungen des Kli- mas ausgesetzt sind, als die Landbewohner. Die Geschlechter der Fische sind alle die gleichen, welche heute noch unsere Süss- wasser beleben. Karausche, Barsch und Schleie waren zur Ter- tiärzeit in Steinheim herrschend. Wie weit die. Arten von den lebenden abweichend, konnte noch nicht genügend ermittelt wer- den. Raubfische fehlen ganz. Die Feinde der Steinheimer Fische waren wohl nur Schildkröten, Fischotter und Vögel, nicht aber Hechte und Salmen, wie an andern Orten der Miocene. Empfindlicher gegen den Wechsel des Klima’s waren die Reptile. Schildkröten in grosser Zahl, zwar nicht so häufig wie Fische, aber doch zahlreicher als die Säugethiere, belebten den See und das Ufer. Die gewöhnlichsten derselben, die Alligator- schildkröten, haben sich seither ganz in die Subtropen gezogen. Wenn sie auch vorzugsweise als den Süden Nordamerika’s be- wohnend in den Handbüchern bezeichnet wird, so ist sie aber die Steinheimer Limneen theils an indische, theils an nordamerikani- sche und europäische Formen erinnern. Damit ist aber so wenig etwas gesagt, als dass Pal. globulus eine überall in Küstengegenden wieder- kehrende Form sei. — 296 — auch im Süden Afrika’s, z. B. in den Süsswasserseen des Natal- landes zu Hause. Die Nachkömmlinge der Landschildkröten ac- commodirten sich an das Klima der Mittelmeergegenden, in wel- chen sie in nur wenig verändertem Typus fortleben. Ueber die Frösche, Nattern und Vipern ist wegen der Mangelhaftigkeit der Reste sowohl, als wegen mangelnder Untersuchung nicht viel zu sagen. Auch unter den Vögeln fehlen die Raubvögel. Vorherr- schend sind die Enten und Gänse, in der Mehrzahl die Grösse der jetztlebenden übertreffend.. Pelikane und Storchen, Ibis und Reiher weisen gleichfalls wieder an die Küsten des Mittelmeers oder die Ufer des Nils, während Palaelodus als ein ausgestor- benes Geschlecht dasteht. Aber fast noch weniger als die Was- serbewohner sind die Segler der Lüfte geeignet, Repräsentanten eines Klima’s zu sein. Ist doch heute noch eine grosse Anzahl von Vögeln in Centraleuropa ebenso heimatberechtigt, als am Mittelmeer oder an den Grenzen des Sudans. Es liegt daher das Hauptgewicht auf den 27 Arten von Säugethieren, die sich in der Weise auf die verschiedenen Ordnungen vertheilen, dass wir es mit 11 Arten Dickhäuter, 7 „ Raubthiere, 5 „ Nager, 3 „.. Wiederkäuer, 1 Art Vierhänder zu thun haben. Weitaus am zahlreichsten ist die Ordnung der Wiederkäuer vertreten, und unter diesen Cervus furcatus, der miocene Munt- jac. Wir kennen ihn schon als ächten Ostasiaten, der in der Gebirgswelt der dortigen Tropen seine Heimat hat. Neben ihm — was die Zahl der Individuen anbelangt, steht der Hase: Myo- lagus Meyeri, heute auf Sibirien und Hochasien beschränkt. Nur wenig an Zahl nachstehend begegnen wir dem Insektenfresser, Parasorex und den Hamstern und Haselmäusen, welche specifisch javanischen Formen am nächsten stehen. Die Reihe trillt jetzt die artenreiche Ordnung der Dickhäuter, unter welchen wir dem Nashorn mit Einem Horn und dem Anchitherium von Orleans a häufiger begegnen, als dem Nashorn mit dem Bicornertypus, den Tapiren und Schweinen. Am seltensten finden wir den Riesen der Miocene, Mastodon und die wunderliche Uebergangsform von Schwein zum Wiederkäuer, Hyaemoschus. Gleich selten der Bär, Dachs, Fischotter, Zibetkatze und schliesslich der Teufelsaffe, Colobus. Alle Säugethiere ohne Unterschied weisen nach dem Südosten der Erde als der Gegend hin, da ihre näheren oder entfernteren Verwandten noch leben. Und zwar ist die Mehrzahl dieser lebenden Typen dem indischen Archipel eigenthümlich, ohne sonstwo in der Jetztwelt verwandte Formen zu haben, so dass man unwillkührlich zu dem Gedanken hingerissen wird: die miocene Periode unseresSchwabenlandes lebt im Archi- pelnoch fort und können wir uns von der untergegangenen Fauna und Flora der schwäbischen Alb zu Anfang der Miocene keine rich- tigere Vorstellung machen, als wenn wir eine Landschaft etwa von Java und Sumatra diesen Begriffen zu Grunde legen. Mit dem hier aufgerollten klimatischen Bilde hängt die Frage nach dem Alter von Steinheim auf's engste zusammen, das zum Schluss unserer monographischen Behandlung nothwendig besprochen werden muss. Das geognostische Moment der Lage- rungsverhältnisse weist zunächst auf einen Zusammenhang mit dem Becken von Ulm hin. Während die Schichten und Fossile der eigentlichen Steinheimer Mulde, wie sie die Sandgruben des Klosterbergs zeigen, ganz einzig für sich dastehen, unvergleich- bar mit anderweitigen Tertiärgebilden, treten iin Westen der Stein- heimer Mulde auch sonst bekannte geschichtete Tertiärkalke zu Tage, welche mit den Schichten von Ulm und Mundingen über- einstimmen. Der bekannte Planorbis solidus ist hier leitend, der in der Sandgrube noch nicht gefunden wurde, Planorbis de- clivis A. Br. platystoma Kl. conulus* Fr. Hilgendorfi, Fr. Helix silvestrina Ziet. fehlt nicht gyrorbis; Klein, Zymneus sccialis Schüb., Ancylus deperditus Desh., Neritina fluviatilis L. Un- * Siehe Begleitworte zur geogn. Spezialkarte von Heidenheim, vom K. stat. topogr. Bureau. Stuttg. 1868. Zu 2I8n ter diesen Schnecken ist Pl. declivis von Hilgendorf als Pl. aequeumbilicatus näher bestimmt. Er soll der Stammvater der Steinheimer Planorben-Reihe sein. Hienach fiele die Bildung der Steinheimer Schichten, an denen sich am allermeisten Planorbis multiformis betheiligt hat, in die Zeit nach dem „Ulmer Tertiär.“ Wird nun der Landschneckenkalk von Ulm, Ehingen, Eg- gingen, Thalfingen, Arnegg, den ich zur näheren Unterscheidung von jüngeren Gebilden wohl auch Strophostomen-Kalk genannt habe, mit der aquitanischen Stufe* parallelisirt, so ist Steinheim als nächstfolgend der Stufe von Langhe (etage langhien) anzu- reihen, in welche nach Mayer Weissenau fällt, Oppenheim, Kreuznach, Kleinkarben, Hohe Rhonen, Lausanne, Günzburg, Kirch- berg, Radoboj, im Westen Europa’s Saucats, Leognan, im Süden ausser Langhe, Serravalle, Arquato, Superga, Malta u. s. w. Die dritte Stufe Mayer’s, die helvetische, in welche marine Ablage- rungen fallen, erreichte Steinheim schon nicht mehr, so wenig als die nächstfolgenden Stufen (TV. Tortonien, V. Messinien) mit Steinheim etwas gemein haben. Dass einzelne Arten Steinheims sich noch im dieser Zeit finden, in welche z. B. Oeningen fällt oder Eppelsheim, Lauben- heim, Simorre, wird Niemand überraschen. Aber gerade diejeni- gen Arten, auf welchen nach der seitherigen Erfahrung der Ge- lehrten ein Hauptwerth ruht, reichen nicht in jene Stufen. Hip- parion z. B. in der Entwicklung des Einhufers jünger als An- chitherium, und nie zugleich mit diesem aufgefunden, ist in Ep- pelsheim,, Simorre, Cucuron, Pikermi, Madrid leitend und drückt diesen Lokalitäten einen Stempel jüngeren Datums auf. Dagegen bin ich in Betreff des Hügels von Sansan anderer Ansicht als Mayer. Dieser versetzt Sansan in die tortonische Zeit. Im Laufe unserer Untersuchung haben wir aber eine so durchgrei- fende Uebereinstimmung von Steinheim und Sansan gefun- den, dass ich keinen Anstand nehme, beide Lokalitäten in die gleiche Zeit zu versetzen. Als dritte ebenbürtige Lokalität wäre etwa noch Eibiswald zu nennen, das an Peters seinen Monographen * Tabl. synchron. des terr. tert, par Charles Mayer. Zürich 1868. 4. edit. —ı 239 7° gefunden hat und dessen Vorkommnisse bis jetzt mit den Stein- heimern auf die überraschendste Weise übereingestimmt haben. So gewöhnen wir uns nachgerade in den verschiedenen be- kannter gewordenen Lokalitäten des tertiären Europa’s — wie viele aber sind noch ganz unbekannt! — ebenso viele Repräsen- tanten jenes europäischen Klima’s zu erblicken, das aus den fernen Zeiten der tropischen Eocene dem heutigen Klima immer näher rückt. Nicht in gewaltigen Sprüngen und Absätzen, wenigstens was unser europäisches Tertiär betrifft, sondern in stillem Wan- del, unvermerkt an der Lebensdauer des einzelnen Individuums, ging die klimatische Aenderung vor sich, die der rückblickende Menschengeist erst an einer bestimmten Summe von Merkmalen erkennt, ohne jedoch im Stande zu sein, der Entwicklung der Natur selbst auf ihren verborgenen Wegen nachgehen zu können. Erklärung der Tafeln. Tafel IV. Fig. 1. a und b. Colobus grandaevus, Fraas. Vier zusammengehörige Zähne der linken Unterkieferhälfte, a von oben, b von innen gesehen. 2—10. Parasorex socialis H. v. Meyer. Fig. 2. Schädelstück von oben gesehen, Fig. 3. Ober- und Unterkiefer mit der vollständi- gen Zahnreihe und den vollständigen Knochen. Fig. 4. Die Zähne des Oberkiefers um’s Doppelte vergrössert, von oben gesehen. Fig. 5. Die Zahnreihe des Unterkiefers von oben gesehen, um’s Dop- pelte vergrössert. Fig. 6. Rechte Beckenhälfte, mit dem voll- ständigen, langgezogenen Schambein und Sitzbein. Fig. 7. Linker Oberschenkel von vorne. Fig. 8. Linker Unterschenkel, mit ver- wachsenem Schienbein und Wadenbein, von vorne gesehen. Fig. 9. Linker Oberarm mit den 2 Oeffnungen über der unteren Rolle. Fig. 10. Linker Unterarm. 11—12. Amphicyon major Lartet. Fig. 11,a vollständige Zahnreihe des linken Unterkiefers von der Seite. Fig. 11,b. Dieselbe von oben gesehen. Fig. 12. Die 3 Schneidezähne des Oberkiefers von innen gesehen. 13—14. Trochotherium cyamoides Fraas. Fig. 13,a.b.c. Molare des Oberkiefers von oben gesehen, Fig. 13,d. e. f ist der Molar, b von der Seite (d) von vorne (e) und von unten (f) gesehen, um den Verlauf der Zahnwurzeln zu zeigen. Fig. 13, g und h Prae- molare des Oberkiefers, der eine von oben, der andere von der Seite gesehen. Fig. 14. Ein Molar des Unterkiefers, a von oben und von der Seite gesehen, b noch im Kiefer steckend. 15. Lutra (Potamotherium) dubia Blainville. Linke Unterkiefer- hälfte mit 3 Praemolaren und ! Molaren. 16 u. 17. Viverra Steinheimensis Lartet. Fig.16. Schädelstück, a von oben, b von unten, c von hinten gesehen. Fig. 17. Kieferstücke mit den Backenzähnen und dem Reisszahn. Fig. — 301 — Y) » 18. Lutra (Potamotherium) Valetoni Geoffroy. Rechte Unterkiefer- 1. hälfte mit erhaltenem Reisszahn und 4 Backenzähnen. Tafel V. Mastodon arvernensis Croizet. Rechter, unterer Backenzahn. 2—16. Myogalus Meyeri Tschudi. Fig. 2,a. Schädel von oben gesehen. 17. il. Fig. 2,b. Derselbe von der Seite. Fig.3. Die beiden oberen Schnei- dezähne. Fig. 4. Die beiden Oberkiefer mit dem Gaumenbein. Vorne noch die 2 Alveolen für die Schneidezähne. Fig. 5. Linker Unterkiefer mit der vollständigen Zahnreihe, a von aussen, b von innen gesehen. Fig. 6. Die Backenzähne des Oberkiefers (rechte Hälfte) um das vierfache vergrössert. Fig. 7. Die Backenzähne des linken Unterkiefers um’s vierfache vergrössert. Die Fältelung des Zahnblechs ist mit der grössten Genauigkeit wiedergegeben. Fig. 8. Rechtes Beckenstück mit vollständigem Hüftbein. Fig. 9. nterende der linken Scapula, a von aussen gesehen, b von unten, mit dem Schulterhaken. Fig. 10. Rechtes Schienbein und Waden- bein. Fig. 11. Rechter Oberschenkel. Fig. 12. Linker Unterarm, Spaiche und Ellenbogen zusammengehörig, in ihrer Lage etwas verrückt. Fig. 13. Linker Oberarm mit dem querovalen Foramen über der unteren Rolle. Fig. 14. Die 3 Milchbackenzähne des rechten Oberkiefers um’s vierfache vergrössert; die 2 hintersten permanenten Backenzähne sind aus den Alveolen herausgenommen. Fig. 15. Der zweite Milchbackenzahn von der Seite gesehen. Die dritte Wurzel des dreiwurzligen Zahns ist weggebrochen beim Her- ausnehmen aus dem Kiefer. Fig. 16. Linke Unterkieferhälfte , a zeigt die 2 Milchbackenzähne, 2 permanente hintere Zähne wur- den aus den Alveolen herausgezogen. b von der Seite gesehen, mit geöffneter Kieferwand. Der vordere, erste Milchbackenzahn sitzt noch fest, hart unter ihm ist der erste permanente Ersatz- zahn schon nachgerückt. Die übrigeu Backenzähne 2, 3, 4 sind permanente; der letzte hat 3 Prismen. Oricetodon minor Lartet. Die Zahnreihe des rechten Unterkie- fers. Die Zähne um’s vierfache vergrössert. Tafel VI. Rhinoceros minutus Cuvier, Milchgebiss. Fig. 1,a. Das linke Unter- kieferstück von oben gesehen mit 2 Milchbackenzähnen und der Alveole des vordersten einwurzligen Milchbackenzahns. Fig. 1,b. Dasselbe von der Innenseite mit der Seitenansicht der Milchbacken- z&hne und der beiden vorderen Praemolare. a aA Fig. 10. 11. un PwMm 13. 14. . Zweiter und dritter Praemolar Rh. sansaniensis Lartet von oben gesehen. . Dritter Praemolar von Rh. brachypus Lartet, von der Aussen- seite. . Dritter Praemolar von Rh. sansaniensis Lartet, von der Aussen- seite. . Erster, zweiter und dritter Praemolar von Rh. brachypus Lartet, von oben gesehen. Vorderzähne einer vollständigen Zahnreihe. . Zweiter und dritter Praemolar von Rhinoceros inciswus Cuvier. Einem vollständigen Gebiss angehörig. . 8. Zweiter und dritter Molar, rechts oben von Rh. brachypus Lartet. . Zweiter und dritter Molar, links oben von Rh. sansaniensis Lartet. Einer vollständigen Zahnreihe Eines Individuums entnommen. Zweiter linker oberer Milchbackenzahn von Rh. minutus Cuvier. Linker oberer Schneidezahn von Rh. brachypus Lartet. Halbe natürliche Grösse. Tafel VII. . Rhinoceros ineisiwus. Mittlerer Metacarpus des rechten Vorder- fusses. 'j2 natürlicher Grösse. . Derselbe Knochen von Rhinoceros brachypus. "2 nat. Gr. . Rhinoceros sansamiensis, linker mittlerer Metacarpus. !/a nat Gr. . Rhinoceros brachypus, rechter mittlerer Metatarsus. !/2 nat. Gr. > “ äusserer linker Metatarsus. 1/2 nat. Gr. . Rhinoceros incisivus, linker Astragalus, a von unten gesehen, b von oben. !/a nat. Gr. . Rhinoceros sansaniensis, rechter Astragalus von unten gesehen. Un nat. Gr. . Derselbe Knochen und dieselbe Ansicht bei Rhinoceros brachypus. 2 nat. Gr. . Rhinoceros incisivus, linker Calcaneus. 2 nat. Gr. u sansaniensis, derselbe Knochen. '/2 nat. Gr. ” brachypus, rechter Calcaneus. ’/2 nat. Gr. en $ die mittlere Phalangenreihe des Hinterfusses, a. der erste, b. der zweite, c. der dritte Phalange, letzterer das breite Hufglied. !/a nat. Gr. Palaelodus Steinheimensis Fraas, Unterende der linken Tibia, a. von hinten, b. von vorne gesehen. Ardea similis Fraas. Unterende der linken Tibia, a. von vorne, b. von hinten gesehen, c. äussere Seitenansicht. Fig. . Chaeropotamus Steinheimensis Fraas. Linker Unterkiefer von 180) eos@a on — 11803 = Tafel VID. innen gesehen. . — — Milchbackenzahnreihe der rechten Oberkieferhälfte. . Chaeropotamus Steinheimensis. Erster Molar und erster Praemo- lar, a. von der Aussenseite, b. von oben gesehen. . — — Rechter oberer Schneidezahn. . — — Schneidezähne der linken Unterkieferhälfte, von aussen ge- sehen, von innen gesehen. — — Dieselben von der Innenseite. . Zweifelhafter Praemolar. . Chalicotherium antiquum Kaup. Rechtseitiger Praemolar. . Tapirus suevicus Fraas. Molar der linken Unterkieferhälfte. . Chalicotherium antiquum, Molar des Unterkiefers. . — — erster Praemolar des rechten Oberkiefers. . — — linker oberer Molar, a. von oben, b. von aussen gesehen. . — — linker äusserer Metacarpus. . Chaeropotamus Steinheimensis, rechter mittlerer Metacarpus. . Viverra? Astragalus. Tafel IX. Anchitherium aurelianense Cuvier. . Vollständige Zahnreihe des linken Oberkiefers von einem alten In- dividuum. . Die 4 hinteren Backenzähne der rechten Unterkieferhälfte. Frische von der Abkauung noch unberührte Zähne junger Individuen. . Erster oberer Schneidezahn. . Oberer Eckzahn, tief abgekaut, mit Knochenwucherungen an der Wurzel, von einem sehr alten Individuum. . Erster Phalange der Mittelzehe. . Dritter Hufphalange der Mittelzehe. . Dritter Hufphalange der seitlichen Zehe. . Rechter Astragalus. . Basis Tibiae des rechten Unterschenkels. 10. Jul. 12. 13: ÖOberende des mittleren Metacarpus. Unterende des gleichen Knochens, Seitenansicht des seitlichen linken Metacarpus. Mittlerer und seitlicher Metatarsus des rechten Hinterfusses. 16. [or > Ge = — 304 — Tafel X. Hwyaemoschus crassus Lartet. . Schädelstück mit vollständigem Unterkiefer. . Rechte Zahnreihe des Oberkiefers. . Rechte Zahnreihe des Unterkiefers. Linker Astragalus, von der Plantarseite aus gesehen. . Vollständiger linker Hinterfuss. . Oberende des rechten Femur. . Unterende des rechten Humerus mit durchbrochener Fossa ole- erani. . Unterende der linken Tibia mit dem eigenthümlichen Malleolus externus (m) der in die Grube des Calcaneus (fig. 5, f) passt. . Rechtes Darmbein von innen gesehen. . Erste Rippe. . Die drei ersten Halswirbel (der erste Halswirbel ist jedoch ver- kehrt gezeichnet worden und sollte umgekehrt dastehen). . Os triquetrum. . Os magnum. . Ulna und Radius des rechten Vorderarms. . Die beiden enge an einander anschliessenden, aber nicht verwach- senen Mittelhandknochen des rechten Vorderfusses. Am Unter- ende sind die Rollenepiphysen abgefallen. Zwei Phalangen des Vorderfusses. Tafel XI. . Cervus (Palaeomery&) furcatus Hensel. Stirnzapfen eines jungen Hirsches. "3 natürl. Grösse. . Derselbe. Stirnzapfen eines etwas älteren Thiers. '/3 nat. Gr. . Derselbe. Das einfach gegabelte Geweih fängt an aufzusitzen. Us nat. Gr. . Derselbe. Zeigt die Entwicklung des Rosenstocks. 1/3 nat. Gr. . Derselbe. Mit entwickelteren Sprossen. "/s nat. Gr. . Derselbe. Vollständiges Geweih eines ausgewachsenen Thiers. !/s nat. Gr. . Derselbe. Anfang einer weiteren Sprossenbildung. "/3 nat. Gr. . Geweih eines ausgewachsenen Muntjacs vom Himalajah zur Ver- gleichung mit den fossilen. "/s nat. Gr. . Derselbe. a. Vollständige Zahnreihe der rechten Oberkieferhälfte" b. vorderer Milchbackenzahn (D 3). c. hinterer Milchbackenzahn (D 1). Pr 0 8 @n Im Do 10. Ur u 805 ° . Derselbe. Ein linker oberer Eckzahn. . Derselbe. Rechter oberer Eckzahn eines älteren Individuums. . Untere Fläche des Scaphocuboideum. . a, rechter Astragalus von vorne gesehen. h bezeichnet die Hemm- vorrichtung, pag. 000. b, derselbe von hinten gesehen. . Derselbe. Rechter Calcaneus von oben gesehen. . Cervus (Palaeomeryx) eminens v. Meyer. Milchbackenzähne des linken Unterkiefers (D 1—3.) . Derselbe. Mittlerer Schneidezahn (?). . Derselbe. Linker oberer Eckzahn. . Cervus (Micromeryx) Flourensianus Lartet. Linke untere Zahn- reihe. . Derselbe. Linke obere Zahnreihe. . Derselbe. Milchbackenzahn und ächter Backenzahn, links unten. 2/ı der natürl. Grösse. . ©. furcatus. Oberende des rechten Metatarsus. . ©. eminens. Die Praemolaren des rechten Oberkiefers. . C. furcatus. Die drei Phalangen von der äusseren Hälfte eines Hinterfusses. . C. Flourensianus. Vollständiger linker Hinterfuss. Tafel XII. . Cervus (Palaeomery&) eminens v. Meyer. Die 6 permanenten Zähne des rechten Unterkiefers. An den Molaren ist die deutlich ausgeprägte Palaeomeryx-Wulst punktirt. . Derselbe. Vollständiger Astragalus von der Seite aus gesehen. . Derselbe. Erster linksseitiger Phalanx. . Derselbe. Zweiter linksseitiger Phalanx. . Derselbe. Dritter linksseitiger Phalanx, oder Nagelglied. . Derselbe. Unterende des Metatarsus. . Derselbe. Unterende des Metacarpus. . Cervus (Palaeomeryx) furcatus Hensel. Die 6 permanenten Zähne eines linken Unterkiefers. Das Palaeomeryx-Wülstchen auf der Aussenseite der Molaren ist nicht zu übersehen. . Derselbe. Rechtes Unterkieferstück eines jungen Thiers. Die Praemolaren haben noch nicht geschoben. Doch ist P 1 bereits in der Pulpa fertig. Die 3 Milchzähne haben durch den Gebrauch schon stark gelitten. Anas eygniformis. Erster Phalanx der grossen Mittelzehe, a. von der Seite, b. von vorne. Dieselbe. Erster Phalanx der ersten Zehe (index), a. von der Seite, b. von vorne. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. N) Fig. 12. — 306 . — Dieselbe. Zweiter Phalanx der ersten Zehe, a. von der Seite, b. von vorne. Tafel XII. . Anas atava Fraas. Linker Femur, a. von vorne angesehen, b. von hinten, c. von oben. . Anas cygniformis Fraas. Os coracoideum der linken Seite, a von vorne, b. von hinten gesehen. . Pelecanus intermedius Fraas. Sehr vollständiges Schädelstück mit Ober- und Unterkiefer. a. obere Ansicht, b. Seitenansicht, c. hin- tere Ansicht mit dem Condylus und dem Foramen oceipitale. . Derselbe. Vorderende des Schnabels, von oben gesehen. . Paloelodus gracilipes Milne Edwards.. Oberende des rechten Tarsometatarsus, a. obere Ansicht, b. seitliche Ansicht, c. von hinten gesehen. . Derselbe. Unterende des gleichen Knochens, a. Ansicht von hin- ten und b, von vorne. . Derselbe. Unterende der rechten Tibia, a. Ansicht von hinten, b. von vorne. . Derselbe. Oberende desselben Knochens, a. von oben aus gesehen, b. von der Aussenseite mit der Ansatzfläche für die Fibula. Die Räderthiere und ihre bei Tübingen beobachteten Arten. Von Samuel Bartsch aus Iglö in Ungarn. Es war in den letzten Februartagen laufenden Jahres, als ich mich um einen passenden Gegenstand zu einer Dissertation umgesehen habe. Ich verfiel auf die Räderthiere, da ich nach einer Bemerkung in der „Beschreibung des Oberamtes Tübingen, Stuttgart, 1867,“ aufmerksam wurde, dass diese Thiergruppe in Württemberg überhaupt noch wenig oder gar nicht studirt wor- den sei. Mit raschem Entschlusse machte ich mich an die Ausfüh- rung; die ungewöhnlich lang andauernde, schlechte Frühjahrs- witterung benutzte ich zu literarischen Vorstudien, die ich im ersten allgemeinen Theile bündig zusammenfassen will, wobei ich mich hauptsächlich an die Arbeiten des Herrn Prof. v. Leydig, namentlich an seine Abhandlung: „Ueber den Bau und die sy- stematische Stellung der Räderthiere“* (in der Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. VI) anlehnte und die seit dieser Zeit geschehenen Forschungen Anderer berücksichtigte. Mit spätem Beginne besserer Witterung durchstreifte ich geschäftig die nähere und fernere Umgebung der Stadt Tübingen, um möglichst genau aufzählen zu können, was aus dieser inter- essanten Thierklasse hier vorkommt. Meine Bemühung ist über alles Erwarten belohnt, denn mehr als 50 Arten, darunter einige neue, bereichern die hiesige Fauna. Diese Artenaufzählung soll den zweiten, speciellen Theil meiner Schrift bilden, In nähere 20 * — 1,008, 0 — Detail-Studien einzugehen lag ausser dem Bereich meiner streng abgemessenen Zeit, und wenn ich, Dank meines trefflichen „Hart- nack“ (Obj. 4 und 8) hie und da etwas Neues bemerkt habe, so will ich es gehörigen Ortes anführen. Hier ergreife ich die Gelegenheit, meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. v. Leydig, dessen freundlicher Güte ich während mei- nes ganzen Hierseins stets theilhaftig wurde, der mich bei mei- ner Arbeit mit Rath und That unverdrossen unterstützte, meinen aufrichtigsten Dank zu sagen. I. Allgemeiner Theil. Der Bau der Rotatorien. 1. Geschichte und Quellen. Thierchen, an und ausserhalb der Grenze unseres Sehens stehend, wurden die Rotatorien in älteren Zeiten höchstens dort bemerkt, wo sie in massenhaftem Erscheinen eine Trübung oder Färbung des Wassers hervorriefen. Als organische Einzelwesen wurden sie erst nach der Erfindung des Mikroskops, am deut- lichsten zuerst von Leuwenhoek — 1677 — erkannt. Die Forscher des 18. Jahrhunderts * begnügten sich, ein- zelne neue Formen zu entdecken, sie dem Systeme hie oder da anzureihen, und selbst der Vater der systematischen Naturwissen- schaft, Linne und der kenntnissreiche Pallas kannten kaum eine Art. Grosse Naturforscher der ersten 25 Jahre unseres Jahr- hunderts, wie Bory de St. Vincent, Lamarck und Cuvier nahmen in ihre Systeme meistens nur die von ihren Vorfahren aufgestellten Arten auf. Erst die vieljährigen eingehenden Stu- dien Ehrenberg’s stellten die alten Sachen in ein neues Licht, und die in den Jahrbüchern der Berliner Akademie und in sei- nem grossen Werke: „Die Infusionsthierchen als vollkommene * Joblat 1718, Baster 1759, Ledermüller 1763, Müller 1773—1786, Eichhorn 1775 etc. a0 Organismen* niedergelegten Thatsachen bilden die Grundlage jeder ferneren -Forschung auf diesem Gebiete. Ehrenberg ist es, der zuerst die innere Organisation dieser Thiere erforschte, -—— wenn auch theilweise falsch deutete — das bisherige Material zusammenfasste und ordnete, der Leben und Bewegung in das Studium dieser interessanten Thiere brachte. Seine Forschungen theils bestätigend, theils anders deutend und bereichernd, gelangten die Nachfolger bald zur eingehenden Kennt- niss dieser allerdings „vollkommenen Organismen“. Unter diesen Nachfolgern waren es besonders Dujardin und Siebold, welche die Deutung der Organisation wesentlich gefördert haben. Mr. Brightwell* fand zuerst männliche Thiere sie als solche erkennend und beobachtete den sexuellen Befruch- tungsakt; Dalrymple und Leydig beschreiben in grösster Ue- bereinstimmung den organischen Bau der Männchen an je einer neuen Art; auch hat letztgenannter Forscher, der über den orga- nischen Bau dieser Geschöpfe gründliche Studien angestellt hatte, nach den Beschreibungen und Abbildungen Ehrenberg’s die Vermuthung ausgesprochen, dass einige „Arten“ Ehrenberg’s blos als sexuell verschieden, zusammengehören müssen, welche Vermuthung bald von Cohn (1856) und kurz darauf von ihm selbst an Aydatina senta Ehr. bestätigt werden konnte. Rüh- mend muss ich der unten citirten Arbeit Gosse’s gedenken, in der er die Zähne der Rotatorien einer minutiösen Untersuchung unterzieht. Andere Forscher betheiligten sich am Streite um die systematische Stellung ‚ler Rotatorien, oder sie haben ihre Arten- zahl durch neu entdeckte vermehrt. Die mir zugänglichen und gebrauchten literarischen Quellen sind folgende: ührenberg: „Die Infusionsthierchen als, vollkommene Orga- nismen“. Leipzig, 1838. Dalrymple: „Description of an Infusory Animalcule allied to the Genus Notommata of Ehrenberg, hitherto undescribed * Philos. transact. of the soc. of London 1849. * Annals of natural history 1848. ZUR Weisse: „Ueber Kuckuk und Wintereier“. Bull. phys. math. Petersburg. VIII. IX. Leydig: „Ueber den Bau und die systematische Stellung der Räderthiere.* Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie (Z. Z.). VI. 1854. Gosse: „On the structure, functions and Homologies of the Man- ducatory Organs in the class Rotifera“. Phil. trans. 1856. Perty: „Zur Kenntniss kleinster Lebensformen.“ Bern 1852. Cohn: „Ueber die Fortpflanzung der Räderthiere®. Z. Z. VII. — „Bemerkungen über Räderthiere“ ebendas. XII, 1863. Mecznikow: „Apsilus lentiformis ein Räderthier* ebendas. XV1. 1866. Grenacher: „Einige Beobachtungen über Räderthiere* ebendas. XIX. 1869. Clapar&de: „Miscellanees zoologiques“. Ann. d. sc. nat. T. VIII. 1867. Dujardin: „Zoophytes“. Paris 1841. 2. Form, Gliederung und Hülle des Körpers. Die Rotatorien sind Keulen-, Walzen-, Spindel-, Glocken-, Ei-, Scheiben- oder Linsen-förmige symmetrische Thierchen von mikroskopischer Grösse, ungefähr zwischen "20 und einer Linie schwankend. Ihr Körper lässt nach den Organen und nach der Beschaffenheit der Oberhaut, mehr oder minder deutlich, einen Kopf-, Leib- und bei vielen auch einen Fusstheil unterscheiden, wornach man von einem vordern und hintern Ende, von rechts und links, von einer dorsalen und ventralen Seite reden kann. Das Kopfstück, meist mit einem specifischen Organe ver- sehen und tubusartig in das Leibstück einziehbar, gliedert sich von diesem in vielen Fällen ziemlich deutlich ab, imdem die Cu- ticula an der Stelle, bis zu welcher der Kopf einziehbar ist, eine ringförmige Querleiste bildet, oder eine deutliche Einfaltung zeigt. Das Leibstück, als Träger der Eingeweide, der Geschlechts- und Exeretionsorgane ist das bei weitem umfangreichste; erhartet auf seiner Oberfläche gern zu einem steifen Panzer, der glatt bleiben (Euchlanis) oder Gruben und Höcker erzeugen kann (Di- — 311 — nocharis, Brachionus); oder die Oberhaut bleibt weich, mehr oder weniger zähe, und erscheint geringelt oder furchig (F’loscularia, Philodinaea). Eigenthümliche vier zipfelförmige Fortsätze sind für das Männchen von Notommata Sieboldis Ldg. charakteristisch. Bei manchen trägt die Oberhaut 3—6 lange Schwimmborsien. In der Aftergegend verjüngt sich der Leib zu einem schwanz- artigen Fortsatz, am richtigsten seiner Function nach als Fuss zu bezeichnen; er ist kürzer oder länger, geht vom hintern Körperende oder der Ventralseite ab, erscheint wie der Leib glatt, oder geringelt und gerunzelt; ist zusammenziehbar (Floscularia, Brachionus) oder fernrohrartig einstülpbar (Philo- dinaea), am freien Ende sehr selten abgestutzt und mit beweg- lichen Cilien besetzt (Pterodina); in den übrigen Fällen glatt abgestutzt oder in zwei (bei Actinurus in drei) Fussspitzen von wechselnder Länge bei verschiedenen Familien und Arten aus- gehend. Eingeweide treten nie in den Fuss hinein; er lässt nur Muskeln und kolbenförmige Organe erkennen, welche zuerst von Leydig richtig erkannt und gedeutet wurden. Es sind ächte Drüsen, mit zarter Tunica propria, welche eine blasse Grund- substanz umhüllt. In die Grundsubstanz erscheinen Nuclei und Nucleoli eingebettet, hie und da mit zarten Fetttröpfchen ge- mengt. Wie Leydig vermuthete und Grenacher * es bestä- tigte, und ich mich in mehreren Fällen deutlich überzeugt habe, münden diese zwei Drüsen mit sehr zarter Oefinung in die zwei Fussspitzen. Ihre Function ist offenbar die, in die Fussspitzen ein klebriges Secret zu liefern, mittelst dessen die festsitzenden Rotatorien (Floscularineae fan. noyv.) an ihrer Unterlage haften und die locomotiven sich von Zeit zu Zeit anheften, um den Körper peripherisch um diesen Anheftungspunkt herumzuführen. Wollen sie dann den Ort verlassen, so ziehen sie mittelst der, an den Gabelspitzen endenden Retractoren diese in den Fuss ein, wobei seine härtere Cuticula hinlänglichen Widerstand leistet. Die Körperhülle aller Rotatorien besteht immer aus einer mehr oder minder verschmolzenen, daher mehr oder weniger deut- *].c. p. 49. — 12 lich unterscheidbaren doppelten Haut, aus einer Cuticula und einer „Körnerlage*. Die Cuticula, immer sichtbar als eine homogene, struktur- lose, mehr oder weniger durchsichtige Membran, ist glatt, oder sie bildet die erwähnten Hautfortsätze; auch erhebt sie sich stel- lenweise zu borstentragenden Cylindern oder Höckern, oder sie bildet wallförmige, mit Borsten ausgekleidete Gruben, worüber beim Nervensystem Näheres gesagt werden soll. Diese Cuticula ist es, welche weich und biegsam bleibend faltig und furchig zusammenziehbar erscheint (Aydatinaea, Philadinaea) und an die Muskelhaut der Würmer erinnert; oder sie wird starr und fest und ist in diesem Falle vom Panzer der Crustaceen in Nichts unterschieden. Nach ihrer chemischen Beschaffenheit, nach dem Verhalten gegen KHO, darin sie theils ganz unlöslich, theils nur nach langer Einwirkung löslich ist, besteht die Cuticula aus Chitin. Unter der Cuticula findet man immer, zwar nicht mit glei- cher Evidenz, wesshalb Cohn mit Unrecht an ihrer Anwesenheit zweifelte, eine weiche, körnige Hautlage. Sie besteht aus einer homogenen Grundsubstanz, in die „Fettpünktchen und Zellkörner* untermischt sind. Ausser dieser doppelten Haut findet sich bei wenig frei- lebenden (Notommata saccigera E., capeus E., centaura E.) und allen festsitzenden Arten (Floscularineae) eine gallertige Hülle, in der sie einzeln, oder in Gesellschaft leben und in die sie sich meist zurückziehen können. Diese Hülle ist wohl in den meisten Fällen eine Cutieular- abscheidung, die hell und fast unsichtbar bleiben, oder durch Ein- lagerung fremder Körper getrübt werden kann; hingegen baut Melicerta ringens E. ihr Haus aus Pillen, die es aus den eige- nen Excrementen, gemischt mit fremden Körperchen, selbst be- reitet, wie es im zweiten Theile ausführlich beschrieben werden soll. Ob die Rotatorien sich häuten, ist zur Zeit durch direkte Beobachtung, auf die es hier ankommen muss, noch nicht erwiesen. Zar 3. Muskelsystem. Betreffs der Muskulatur repräsentiren die Räderthiere theils die diesbezüglichen Figenschaften der Würmer, theils die der Anthropoden. Stamm- und Eingeweidemuskeln lassen sich oft sehr deutlich unterscheiden. Bei den mit weicher Körperhülle versehenen Arten macht die Muskulatur mehr den Eindruck einer Hautmuskulatur, während die mit fester Chitinschale gepanzerten Arten oft eine ausserordentlich deutliche Längs- und Quermusku- latur unterscheiden lassen, sehr oft mit schönster Querstreifung. Von Längsmuskeln lassen sich nicht selten 2—4 deutlich gesonderte, aus einer breiten und mehreren schmalen Muskel- fasern bestehende Parthien unterscheiden, welche am Kopfende, wo sie meist ein Muskelnetz bilden, und nach hinten an den dor- salen oder den lateralen Seiten angeheftet sind, und so die rasche Einziehung des Kopfes und seiner Organe ermöglichen. Auch in den Fuss sieht man oft deutliche Muskelfasern verlaufen, und wo man solche vermisst, kann man aus der raschen Bewegung dieses Organes auf das Vorhandensein von Muskelelementen schliessen. Die Quermuskulatur besteht in einem oder in mehreren Ringen, welche von Ehrenberg irrig als Gefässe gedeutet wurden. Der Tractus und die Excretionsblase besitzen eine eigene, mehr oder weniger deutlich erkennbare Muskulatur, darüber ge- legentlich Näheres bemerkt werden soll. In histologischer Beziehung findet man oft in einem Räder- thiere alle Muskelformen der Thierwelt vertreten, von den zar- testen primitiven Cylindern bis zu den schön quergestreiften Muskelbündeln. 4. Ernährungsorgane. Die im Thierreiche allgemein vorkommende Verschiedenheit der getrennten Geschlechter erreicht bei den Rotatorien beinahe ihren höchsten Grad. Da sich diese grosse Verschiedenheit zu- nächst bei den Ernährungsorganen zeigt, wollen wir zuerst die gemeinschaftlichen Theile besprechen und dann diejenigen uns — 814 .— vorführen, in denen sie abweichen, und zwar so, dass wir die Schilderung des Weibchens voranschicken. a. Der Mund mit seinen accessorischen Organen. E a) Der Mund selbst. Im vorderen, selten abgerundeten (Notommata tardigrada, Ldg., Apsilus lentiformis Mecz.), meist abgeplatteten Kopfende findet sich eine einfache oder trichterförmig erweiterte Oeffnung der Mund. Er befindet sich entweder in der Richtung der Längs- axe, und dann erscheint der Kopf grad abgeplattet, oder er rückt etwas nach unten, dann steht die Abplattung schief, oder er rückt bis auf die ventrale Seite des Kopfes, der dann abgerundet er- scheint. Bei Apsilus bildet der Mund einen ausstülpbaren und einziehbaren grossen Rüssel. ß) Accessorische Organe des Mundes, Wie die Larven der Würmer, haben auch die der Rotatorien am vorderen Körperende immer, am hinteren hingegen oft einen feinen Ciliensaum; bei der Weiterentwickelung geht der letztere fast immer ein *. Wenn der vordere Ciliensaum auch eingeht, wird die Mund- öffnung ganz nackt und ist höchstens von Einfaltungen der Cu- tieula umgeben — Apsilus ** —; gewöhnlich aber bleibt er und umgibt den Mund, sich auf die Mundhöhle und Mundspalte he- schränkend — Notommata tardigrada Ldg., vermicularis Duj. — oder umsäumt auch den plattgedrückten Kopf in einer oder in mehreren Reihen. Erhebt sich der bewimperte Saum auf bei- den Seiten über den Kopf, so bildet er die Auriculae Ehren- berg’s (Not. copeus, synchaeta); erhebt er sich an der Ventral- seite, bildet er ein rüsselförmiges Organ (Not. centaura). Ent- wickelt sich der bewimperte Saum in seinem ganzen Umfange und gleichmässig stark, so erzeugt er eine schirmförmig geschlos- sene Hervorragung (Microdon); unterbleibt diese Entwickelung nur an einem, ventral gelegenen Punkte, so wird das Cilienorgan nierenförmig (Megalotrocha, Lacimularia); wnterbleibt sie auch * Bei Pierodina E. nicht. * Mecznikow ]. c. p. 347. — 35 — am entgegengesetzten dorsalen Punkte, so wird das Organ zwei- lappig (Tubicolaria, Philadinaea); unterbleibt sie an mehreren Punkten, so wird es mehrlappig (Melicerta, Floscularia); doch dürfte man die Zahl 5 kaum überstiegen finden. Die einzelnen Lappen sind entweder gleichmässig entwickelt, oder einer, ge- wöhnlich der dorsale, gewinnt die Oberhand (Floscularia). Ent- wickeln sich alle Lappen gleichmässig und sehr stark, entstehen Gebilde, wie wir sie bei Stephanoceros treffen. Innerhalb des Cilienkranzes begegnen wir oft stärkeren borstenartigen Wimpern, die entweder einen zweiten geschlosse- nen Kreis bilden (Hydatina, Melicerta), oder in zwei Halbkrei- sen den Mund umgeben (Microdon clavus E.), oder im einzelnen Büscheln stehen. Die Function dieses mannigfaltig gebauten, oft äusserst zier- lichen Organes ist wesentlich eine gleiche. Das Cilienorgan ist fast immer retractil; eine Ausnahme macht nur Microdon clavus E.*. Der mit Cilien besetzte Saum wird einwärts gefaltet und sammt dem Kopfe eingezogen; ist er gelappt, so schliessen sich die Lappen klappig und zwar zuerst die kleineren, wenn sie un- gleich gross sind (Floscularia proboseidea E.). Die Entfaltung geschieht in der entgegengesetzten Reihenfolge. Ist das ganze Cilienorgan flach ausgebreitet, so bewegt sich der Ciliensaum meist automatisch, und bewirkt den optischen Effect, als würde sich ein radförmiges Organ am Kopfende um seine Axe drehen, welche Erscheinung dieser Thierclasse den Namen Räderthiere, Rotatoria, verschaffte. Den weiteren Vorgang erklärt Grenacher ** in Ueber- einstimmung mit Clapar&de *** folgendermaassen: _ Alle Cilien schlagen in derselben Richtung, nach auswärts, parallelisiren somit ihre Wirkung, welche sonst eine Ortsbewe- gung zur Folge haben müsste und treiben, indem das Thier ruhig und ungestört im Wasser schaukelt, das innerhalb des Cilien- kranzes befindliche Wasser heraus; neues strömt hin und schwemmt * Grenacher, ] c. p. 488. * Grenacher, I. c. p. 489. ”* Claparede,l. ce. — 316 — in den, meist trichterförmig sich vertiefenden Mund Nahrungs- stoffe, wobei die sich hackenförmig nach einwärts schlagenden „Wimperborsten* auch wesentlich behülflich sein müssen. Die Bewegung der letztern scheint dem Willen des Thieres unter- worfen zu sein, denn sie sind bald einzeln, bald insgesammt be- wegbar und bewirken rasche Ortsveränderung. Ob dieser Mechanismus sich so verhält, will ich dahinge- stellt sein lassen; bei einzelnen Arten mag er sich so verhalten, hingegen sehe ich mit Bestimmtheit, dass die langen, in einem Sinne wirbelnden Randcilien der Philodineen eine sehr rasche Ortsveränderung zur Folge haben, wenn die Klebdrüsen nicht antagonistisch wirken. Ausser den erwähnten zweierlei Wimpern, den automatisch sich bewegenden Cilien und den willkührlich bewegbaren Wim- perborsten, trifft man oft auf papillösen Erhöhungen oder in gru- benförmigen Vertiefungen stehende unbewegliche Borstenbüschel, welche mit dem Nervensystem in Verbindung stehen, daher dort noch kurz besprochen werden sollen. b. Der eigentliche Verdauungsapparat der Weibchen. besteht in seiner höchsten Entwickelung aus einem Kaumagen, Schlund, Magen, Darm und After. a) Der Kaumagen. Der oft sehr geräumige, und fast immer mit Flimmerhaaren ausgekleidete Mund führt meist direct in den Kaumagen, von dem er durch ein inneres Septum getrennt sein kann, das mitten eine Oefinung frei lässt, die mit hängenden Borsten fischreussen- artig geschlossen ist. Der freilich oft nicht erfüllte Zweck die- ses Gebildes ist offenbar der, die in den Schlundkopf gelangte Nahrung, welche aus lebenden Infusorien und schwärmenden Zel- len besteht, zurückzuhalten; nur bei Floscularia E. und Stepha- noceros E. ist eine Art Kropf oder Proventrikel eingeschoben. Die innere Wandung des Kaumagens chitinisirt immer und er- zeugt die höchst mannigfaltig geformten Kiefer. Eine einheitliche Auffassung derselben zu geben und ihre — 317 — Homologien im Thierreiche nachzuweisen, ist derzeit noch kaum möglich. Es liessen sich Homologa finden bei der Rüsselbildung der Anneliden, bei dem Kaumagen mancher Crustaceen, besonders aber bei den Bärthierchen (Arctiscoida C. A. S. Schultze), die Dujardin direct hieher gestellt hat; doch bedarf es hierüber noch speeieller, vergleichender Studien. Auf Grund der oben eitirten, sehr genauen Arbeit Gosse’s, will ich die Beschreibung eines allseitig ausgebildeten Kauapparates reproduciren, auch seine unglücklich gewählten Bezeichnungen beibehalten, und kurz den leitenden Gesichtspunkt angeben, nach dem sich die mannigfach- sten Formen in gegenseitige Wechselbeziehung bringen lassen. An einem entwickelten Kieferpaar (z. B. Brachionus E.) können wir leicht zwei Theile unterscheiden, einen mittleren, in- neren Theil, den „Ambos incus“ und zu beiden Seiten desselben einen äusseren, aus zwei hammerförmigen Stücken gebildeten Theil, das „Hammerpaar“ oder schlechtweg die „Hämmer“ (Mallei). Der mittlere Theil oder Ambos zerfällt in ein unteres, central gelegenes Stück, das „Fulecrum“ oder „Gabel* benannt wird, von dem an seinem oberen Ende nach rechts und links zwei „Hörner“ abgehen (rami — Aeste). An den beiden „Hämmern“ lässt sich ein unterer „Stiel“ — Manubrium — und eine obere „Spitze* — Uncus — beide durch ein Gelenk — Articulation — verbunden, unterscheiden. Der Uncus ist es, welcher einen oder mehrere zahnförmige Fortsätze trägt. Dieses Gebilde ist durch die feste Haut des Kaumagens umhüllt, welche Haut unten drei Ausbuchtungen bildet, entsprechend dem Fulcrum und den beiden Stielen. Die aufgezählten einzelnen Theile sind theils unter einander, theils mit der Wand des Kaumagens durch Mus- keln verbunden; so ist die Wand mit der Spitze und dem Stiele der Hämmer durch je einen Muskel verbunden; ferner sind die Stiele und das Fulcrum, — die Spitzen und die Hörner — die Spitzen und Stiele mit einander durch Muskeln verknüpft. Das Kauen geschieht so, dass sich die beiden gezähnten Spitzen öffnen und schliessen, und die durch die Cilienthätigkeit zwischen sie gelangende Nahrung zerquetschen. Auch werden die an die Spitzen mit Muscheln befestigten „Hörner“ mit ihnen BL ET regen zugleich auseinander gezogen, und diese heben die an ihnen hän- gende „Gabel“ in die Höhe, so dass sich dem Auge des Beob- achters mannigfache Bewegungen darbieten, als deren Resultante das Zerquetschen und Weiterbefördern der Nahrung hervorgehen. Von diesem complieirten Typus lassen sich alle vorkommen- den Modificationen leicht ableiten. Es kann die Form und Grösse der einzelnen Theile sehr variiren; es können sich einzelne Theile auf Kosten der andern bedeutend vergrössern; es kann die Sym- metrie durch stärkere Ausbildung einer Hälfte schwinden; es können die einzelnen Theile zu inarticulirten Stäben verschmel- zen und ein einfaches Kaugerüst darstellen u. s. w. Auf den Kaumagen folgt: ß) Der Schlund, dessen Länge sehr varlirt; bei einigen Arten ist er ziemlich lang (Not. centrura E.), bei manchen ganz kurz und ist, wie alle Theile des Tractus, sehr contractil. Im Innern ist er von der aus dem Kaumagen sich fortsetzenden Chitinhaut ausgekleidet, welche sich bei der Contraction der äusseren Schlundhaut in scharf contourirte Falten zusammenlegt (Not. vermicularis Duj., tardigrada Läg.). Der Schlund führt in den eigentlichen ») Magen, dessen Form sich, wie gewöhnlich, der ganzen Körperform an- bequemt, daher er bald rundlich oval, bald länglich gestreckt erscheint. Im Innern sieht man oft sehr deutlich grosse Zellen mit kleinem Kern, einer deutlich gelblich oder bräunlich gefärb- ten Masse und hie und da mit Fetttröpfchen, welche Zellen seit Dujardin von den meisten Forschern als Analoga der Leber der Crustaceen angesprochen werden. 6) Darm und After. Der Darm ist bei den Meisten vom Magen durch eine Ein- schnürung getrennt * und zeigt, wie der Magen, in den meisten * Eine Ausnahme macht Microdon clavus nach Grenacher.l.e. 490. — 319 — Fällen deutliche Flimmerung; er führt in die, auf der dorsalen Seite der Fussbasis gelegene Cloake *; nur bei einigen in Ge- häusen lebenden Arten — Melicerta, Floscularia, Conochylus — erscheint die Cloakenöffnung etwas nach vorn gerückt; auch werde ich von der erstgenannten Art zu melden haben, dass der Darm dort ausgestülpt werden kann. €) Accessorische Organe des Tractus. Nach dem Vorgange Huxley’s werden von Leydig am Kaumagen vieler Räderthiere Blasen-Röhren oder kapselförmige Organe, mit bräunlichem, schwärzlichem oder blassröthlichem In- halte abgebildet und hervorgehoben, welche der Einwirkung von KHO zu widerstehen scheinen, deren Inhalt wahrscheinlich mit der Chitinwand in Beziehung steht. Am Anfange des Magens finden sich bei allen Rotatorien rechts und links drüsige Gebilde von verschiedener Form. Wo die Drüsen ziemlich gross sind, ist ihre Structur — die übrigens nichts Besonderes zeigt — leicht zu erkennen. Eine helle Tu- nica propria umschiiesst Secretionszellen mit blass-hyaliner Masse und hellen Kernen mit Nucleolis. Nicht selten zeigen die Drü- sen mehrere kleine oder einen grossen Fetttropfen. Einige Arten, wie Asplanchna Brightwelli Gosse (= Not. anglica Dalr.), A. Sieboldii (= Not. Sieboldii Ldg.), Asco- morpha helvetica Perty, germanica Ldg., saltans sp. nov. ma- chen nach Dalrymple, Gosse, Leydig und nach meiner eige- nen Beobachtung, von den bisher geschilderten Verhältnissen in- sofern eine Ausnahme, als ihnen der Darm und After gänzlich mangelt; die unverdauten Nahrungsreste werden nach mehrfachen Beobachtungen durch den Schlund und Mund ausgeworfen, wobei die Kiefer behilflich zu sein scheinen. Eine noch auffallendere Ausnahme machen die männlichen Rotatorien. Bei diesen fand zuerst Dalrymple, dass der Kau- magen, Schlund, Magen und Darm zu einer rudimentären Zell- masse zurückgebildet sind, welche, wie alle Rückbildungen, indi- viduellen Schwankungen unterworfen ist. Die Beobachtung des * Bei Apsilus ventral, nach Meczn. 1. c. p. 346. — 2320 — englischen Forschers wurde zunächst von Leydig, dann auch von andern Beobachtern bestätigt. 5. Gefässsystem. Die Kreislaufsorgane stehen hier auf der niedrigsten Stufe; eigentliche Gefässe mangeln gänzlich. Die Ernährungsflüssigkeit gelangt aus dem Darm direct in die Leibeshöhle und wird in dieser durch die Contraction des ganzen Körpers und bei man- chen durch glockenförmiges Schwingen des Magens umhergetrie- ben. Diese Ernährungsflüssigkeit ist meistens hell und durch- sichtig, selten röthlich oder gelblich gefärbt und selten mit kör- nigen oder kugeligen, geformten Elementen. 6. Excretionsorgane. Unter diesen Begrifi werden nach dem Vorgange Leydig’s zwei Bildungen gebracht, deren Function zwar mit Bestimmtheit nicht nachgewiesen ist, die sich aber ohne Zwang, auf der einen Seite, den gleichnamigen Organen der Würmer, namentlich der Anneliden, anschliessen, auf der andern Seite mit den diesbezüg- lichen Erscheinungen bei Insekten mit vollkommener Metamor- phose, verglichen werden können; jene zeigen nach aussen mün- dende Kanäle, welche bei deutlich gesonderter Leibeshöhle auch mit inneren Mündungen versehen sind; diese häufen zur Zeit des Puppenschlafes den Harn im Dickdarm an, und entleeren ihn auf einmal nach aussen, wenn das ausgebildete Insekt hervor- geschlüpft ist. Beide Organe sind zuerst von dem zuletzt ge- nannten Beobachter in ihrem Bau und ihrer Beschaffenheit rich- tig erkannt und gedeutet worden, und ich will nach seinem Vor- gange das eine Gebilde als „excretorisches Kanalsystem“ , das andere als „Harnorgan“ ansprechen. a. Exceretorisches Kanalsystem. Es besteht der Hauptsache nach aus Kanälen, welche zu beiden Seiten des Körpers in seiner Längsrichtung verlaufen und entweder unmittelbar in die Cloake münden (Tubicolaria), oder sich zu einer Blase vereinigen, was in den meisten Fällen statt- findet. An den beiden Seiten des Körpers verläuft entweder ein — 321 — einziger Kanal, der sich schlängelt und Knäuel bildet (Stepha- noceros, Brachionaea, Apsilus), oder es sind deren zwei, die sich im Verlaufe theilen und wieder zusammentreten. Die Ka- näle haben eine dicke zellige Wand, bei Apsilus durch braune Körnchen ausgezeichnet *, sonst nicht selten mit Fettpünktchen oder mit blindsackartigen, mit Fetttröpfchen gefüllten Fortsätzen (Stephanoceros, Euchlanis, Pterodina). Mecznikow sah bei Apsilus die Kanäle der beiden Körperhälften durch Anastomosen mit einander verbunden. Diese Kanäle geben eine, nach den Arten verschiedene, Anzahl: „Flimmerorgane“ als Ausläufer ab; es sind dies Röhren- oder Trompeten-förmige Fortsätze, in ihrem freien, stets offenen Ende mit einwärts schlagenden Cilien besetzt. Die Zahl dieser Fortsätze kann nur 4, 6, 3 betragen, oder sehr gross werden. Die Anwesenheit dieser „Flimmerorgane* darf wohl ganz all- gemein angenommen werden, denn gehörige, auf diesen Punkt gerichtete Aufmerksamkeit lässt selbst bei den kleineren Arten wenigstens die „Flimmerung* deutlich erkennen. Die Flimmer- organe sitzen entweder unmittelbar auf den Kanälen, oder sie sind mit diesen durch dünnere Nebenröhren verbunden. Die Kanäle vereinigen sich nach hinten meist zu einer: Excretionsblase, die entweder klein und wenig contrac- til bleibt, oder sich stark vergrössern und rhythmisch contrahiren kann. b. Harnorgan. Bei vielen Embryonen, Larven und den männlichen Rotato- rien nimmt man in der Gegend der Cloake, in eine Blase ein- geschlossen, einen Haufen von körnigen oder krystallinischen Bildungen wahr, stets mit dem Darm in Verbindung. Dieses Ge- bilde muss man, trotz der Einsprache Cohn’s und Weisse’s mit Leydig als Primordial-Niere ansehen, und seine Function nach der oben referirten Vergleichung mit Insekten vollkomme- ner Verwandlung zu deuten suchen. Etwas ähnliches kann man an jeder jungen Üyclops-Larve sehen. * Mecznikow l. c. p. 349. Württ. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft. 21 7. Nervensystem. Den andern Verhältnissen entsprechend, treffen wir hier ein Nervensystem von der denkbar einfachsten Form, aus dem sich bequem einerseits das Nervensystem der Würmer, andererseits das der Gliederthiere ableiten lässt. Eine kugelige, viereckig rundliche, oder keulenförmige Ganglienmasse bildet das Central- organ, von dem einzelne Ausstrahlungen gegen die Peripherie des Körpers verlaufen. Es bildet sich nie zu einer schlund- umfassenden Schlinge aus, wenigstens ist bis jezt noch keine Spur davon bemerkt worden. Seinem histologischen Bau nach besteht das Gehirn aus einer homogenen Grundsubstanz mit einfachen und in Fasern aus- laufenden, mit Nucleis versehenen Zellen, eingehüllt in Binde- substanz. Mit der grössten Bestimmtheit lassen sich zweierlei Sinnes- organe nachweisen: Sehorgane, welche dem Gehirn unmittelbar aufsitzen, und Tastorgane, durch Nervenstränge mit dem Cen- trum verbunden; ob die von mir am Gehirn der Hydatina senta E. aufgefundenen und im zweiten Theile näher besprochenen Bläschen auch bei den Sinnesorganen unterzubringen sein wer- den, ist an sich nicht unwahrscheinlich, aber vorläufig noch nicht zu entscheiden. a) Das Sehorgan besteht in seiner höchsten Entwickelung aus zwei gesonderten, scharf begrenzten Pigmentkugeln, aus denen deutlich ein weisser, lichtbrechender Körper hervorragt (Ptero- dina, Stephanops, Actinurus); oder die zwei Pigmentkugeln tre- ten zu einem Doppelfleck zusammen (Salpina mucronata E.); die zwei Krystallkegel vereinen sich zu einem (Kuchlanis uniseta Ldg.); er schwindet, der Pigmentfleck bleibt scharf contourirt (Brachionus); auch der Fleck wird rudimentär ohne bestimmte Gestalt und scharfe Grenze, löst sich auf in einzelne Klümpchen und kann ganz verschwinden. b) Cuticularbildungen, Keulen-, Walzen-, Cylinder-förmige Erhöhungen, am freien Ende mit unbeweglichen feinen Cilien be- setzt, und unter die an die Oberhaut des Körpers Abzweigungen der Centralnerven hintreten, um dort gewöhnlich gangliös anzu- —ı 823 — schwellen, müssen wir als Tastorgane ansprechen. Hieher gehört vor Allem das von Ehrenberg als Sipho oder Respira- tionsrohr bezeichnete Gebilde am Nacken vieler Rotatorien. Die- ses einzählige oder paarige Organ hat bei den meisten denselben Bau, wie man ihn am ausgeprägtesten bei den Philodineen E. findet, wo der „Nackentaster“ deutlich zwei Theile unterscheiden lässt: einen Handschuhfinger-förmig einstülpbaren Kopftheil, und einen durch eine leichte Einschnürung davon getrennten grösseren Basaltheil, der nicht eingestülpt, sondern nur mit den übrigen Organen zugleich eingezogen werden kann. Der Kopftheil trägt auf seinem freien, gewölbten, glatten oder zackigen Ende feine Seten, unter denen man im Innern ein lichteres, fein granuläres Kügelchen sieht, das mit einem ähnlich zarten Fortsatz mit dem unter dem Basaltheil befindlichen, gangliösen Knoten in Verbin- dung steht; die übrigen Theile des Tasters erscheinen viel dunk- ler und homogen. Schwindet der Basaltheil des Tasters, so kann der obere Theil als papillöser Höcker übrig bleiben oder die Gestalt einer wallförmig umgebenen Grube annehmen; natürlich können auch diese Gebilde ein- oder mehrzählig vorhanden sein und in ihrer Lage abändern. Auch die papillösen, mit unbeweglichen Seten besetzten Er- höhungen innerhalb des Ciliensaumes müssen hier ihre Stellung als Tastorgane finden. 8. Geschlechtsorgane. Dass die Rotatorien getrennten Geschlechtes sind, wurde bereits oben erwähnt. Schon in der Form und Grösse sehr verschieden, zeichnen sich die ausserordentlich seltenen Männchen ausser dem ganz ru- dimentären Verdauungsapparate durch Anwesenheit eines Harn- beutels und stattlich entwickelten Hodensackes aus. Die männ- lichen Geschlechtsorgane bestehen aus einer rundlichen oder birn- förmigen unpaaren Blase, dem eigentlichen Hoden, der in einen schmalen, am Hinterleibsende zugleich mit der Excretionsblase mündenden Gang ausgeht. Dieser Gang zeigt nach innen Flim- 3] * — 324 — merung, nach aussen einzelne, in einen Stiel verlängerte Zellen, einzellige Geschlechtsdrüsen. Der Hode ist mit specifischen Ele- mentartheilen, Spermatozoiden mehr oder minder prall gefüllt, welche nach Leydig und Mecznikow zweierlei Form haben: nächst dem Ausführungsgange finden sich radiär gelagerte, stäb- chenförmige Körper; im Innern des Hodens hingegen „längliche, sichelförmig gekrümmte Gebilde mit Nucleis und Nucleolis, an dem einen Rande in eine deutlich undulirende Membran aus- gehend. Sie bewegen sich und schwimmen wie tastend umher.“ Das weibliche Fortpflanzungsorgan besteht aus einem, den Magen hufeisenförmig umgebenden oder unpaar seitlich gelegenen, rundlichen oder platten Eierstock, dessen Ausführungsgang mit der Excretionsblase in die Cloake mündet. Er zeigt sehr deut- lich grosse, helle Nuclei von einem wasserklaren Hof umgeben, eingebettet in die granulär-homogene Grundsubstanz des Eier- stocks. Die Körnchen sammt ihrem homogenen Bindemittel wer- den zum Dotter, die hellen durchsichtigen Kerne zu den Keim- bläschen. Nicht selten tritt in demselben Eierstock eine lokale Sonderung ein, so dass sich die protoplasmatische Masse auf der einen Hälfte zu Keimbläschen, auf der andern zu Dotter um- wandelt. Ausser den feinkörnigen gewöhnlichen Dotterelementen finden sich auch Oeltropfen als farblose (Not. Sieboldü Ldg.), röthliche (Anuraea curvicornis E.) oder hochrothe, stark licht- brechende Fettkugeln (Microdon clavus E.). Aus diesen Bildungs- und Ernährungselementen formt sich das Ei, das entweder nur eine zarte Membran bildet und dann als Sommerei bezeichnet wird, oder es bildet sich noch eine zweite, derbe, mit höckerigen Vorsprüngen oder Fagettirungen ver- sehene Schale, ein Corion; der zwischen dem Corion und der Dotterhaut befindliche Hohlraum ist mit einer hellen Flüssigkeit gefüllt; diese Eier werden als „Wintereier* bezeichnet. Die Entwickelung der Sommereier geht in sehr vielen Fäl- len noch innerhalb des blasenförmig erweiterten Eileiters vor sich, so dass diese Thiere ovovivipar sind; die Dotterhülle wird bis- weilen noch im Mutterthiere gesprengt, so dass sie ganz vivipar sind; oder sie werden mit der Hülle geboren und sprengen diese —_ 325 — bald nach der Geburt. Oft werden die Sommereier gelegt, ihre Entwickelung geht dann im Freien vor sich. Die Entwickelung geschieht nach der gewöhnlichen Furchung, welche durch die Theilung des Keimbläschens eingeleitet wird. Die Winter- oder Dauereier werden ihrer Function halber so bezeichnet; denn sie bleiben längere Zeit, oft den Winter über, liegen, ehe sie sich entwickeln; bei ihrer Entwickelung bleiben Bildungs- und Ernährungselemente mehr getrennt, erstere im Centrum, letztere an der Peripherie. Manche Räderthiere durchlaufen ihre ganze Entwickelung im Uterus des Mutterthieres, andere im Ei, noch andere verlas- sen die Eihülle in einem Zustande, der mit dem Mutterthiere keine Aehnlichkeit besitzt; sie haben vorn und hinten einen ein- fachen, zarten Wimperkranz; der hintere geht meistens ein; der vordere durchläuft so manche langsame Metamorphose, bis das jugendliche Thier dem geschnürten elterlichen gleich wird. 9. Systematische Stellung der Rotatorien. Die Stellung dieser Thierklasse war lange Zeit ein Eris- apfel der Zoologen, und natürlich, denn erst im Lichte der De- scendenztheorie konnte ihr eigentliches Plätzchen gefunden werden. Ehrenberg stellte sie bekanntlich zu den Infusionsthier- chen; Burmeister und Leydig boten Alles auf, um ihnen eine Stelle unter den Crustaceen einzuräumen. Andere Zoologen ' und vielleicht die Mehrzahl erklärte sich dahin, dass die Räder- thiere unter die Classe der Würmer zu bringen seien. Unterdessen reiften Darwin’s grosse Forschungen und Ideen; ein neuer Horizont wurde eröffnet, und in diesem findet Häckel* nach meiner Ansicht die rechte Stelle für unsere Thier- klasse. Nach Baer’s und Cuvier’s Vorgange fasst Häckel die Würmer und Arthropoden als einen Stamm, den Stamm der Ar- ticulaten zusammen. Ob er die Infusorien mit Recht dazu zieht, muss hier dahingestellt bleiben; doch soviel ist gewiss, dass die * E. Häckel, Generelle Morphologie, 1866. Einl. p. 77. _— 326 — Räderthiere viele Charaktere der Würmer und Arthropoden thei- len, mithin am Stammbaume der Articulaten dahin gestellt wer- den müssen, von wo aus sich die Subphylen der Würmer und Arthropoden abzweigen, wie es auf Taf. V a.a. 0. richtig ge- zeichnet ist. Die Räderthiere erweisen sich somit als ein uralter Thierstamm, der seine lange erworbenen Charaktere ziemlich un- verändert beibehalten hat, wie es bei den Süsswasser-Thieren im Allgemeinen stattzufinden pflegt. Auch unter einander sind sie so nahe verwandt, dass es fast unmöglich ist, eine Stufenfolge in ihrer Entwickelung nachzuweisen. Die Familien, wie ich sie während der systematischen Aufzählung darzustellen bemüht bin, sind gleichwerthige, durch Uebergänge zusammenhängende Grup- pen, wie sie zum Theil schon von Leydig*, zum Theil auf Grund der Beobachtungen des letzteren von Carus **, mit an- derer Fassung oder unter andern Namen, aufgestellt wurden. Es sind meistens gleichwerthige Familien, bei welchen von einem Früher oder Später, Tiefer oder Höher keine Rede sein kann. Soviel scheint mir wahrscheinlich, dass die Philodineen den Mit- telpunkt bilden, von dem sich nach der einen Seite die festsitzen- den, nach der andern Seite die weichhäutigen, nach einer dritten die hartschaligen,, gepanzerten Formen, durch Uebergänge ver- mittelt, und ohne Zwang ableiten lassen, während sich die After- und Darmlosen an die zwei letztern Gruppen anlehnen. Zul cp. 4lo, * Gerstäcker und Carus: Handbuch der Zoologie. Leipzig 1863. II. Bd. p. 415—420. II. Specieller Theil. I Emterodela. Mit Magen, Darm und After. Fam. 1. Floscularinae (F. nory.). Körpergestalt keulenförmig, Fuss lang, geringelt; Ciliensaum ähnlich einer Blumenkrone; meist festsitzende, in einer Hülse steckende Thiere. Diese einheitliche, scharf begrenzte Familie, welche die Mo- notrocha und Schirotrocka Ehrenberg’s umfasst und von Carus* als Tubicolarinae bezeichnet wird, finde ich hier durch zwei Gat- tungen vertreten. a. Floscularia. Kopfsaum fünflappig, Lappen am Ende knopfförmig verdickt; Cilien so lang wie der eigentliche Körper, oder länger; leben in durchsichtiger Hülse. In den Pfützen des Spitzberges fand ich seit Ende April zu beliebig wiederholten Malen zwei Arten, die eine ist die Fl. ornata, E.; die andere muss ich als Fl. proboscidea, E. nach der Deutung Grenacher’s ** ansprechen; eine dritte Art im Weilheimer Tümpel ist die FT. cornuta, Dobie’s oder appendiculata, Leydig’s. Der Kopfsaum erhebt sich immer in fünf Tannen, die bei proboscidea seichter sind als bei den zwei andern Arten, doch nicht so seicht, wie auf der Zeichnung Grenacher’s; die an den Enden knopfförmig angeschwollenen Lappen tragen an die- * Gerstäcker und Carus, Handbuch der Zool. 1863. II, p. 418. * Grenacher]. c. p. 483. — 323 — sen Anschwellungen überaus lange und feine Cilien, strahlen- förmig nach allen Richtungen gestellt, was ich desshalb betone, weil es nach Grenacher’s Zeichnung scheinen könnte,’ als ob sie bei proboscidea wie in den meisten Fällen, reihenständig wären, was hier durchaus nicht der Fall ist; auch konnte ich mich von der Continuirlichkeit des Ciliensaumes nicht überzeugen, obwohl ich die von Grenacher aufgefundenen sehr feinen Tast- borsten in der Nackengegend mit Leichtigkeit sehe. Fl. ornata, E. ist nicht halb so gross, als die frühere, un- terscheidet sich auf den ersten Rlick durch die ziemlich gleich langen, am Ende kugelig verdickten Lappen. ak appendiculata, Ldg. durch den wurmförmigen, wellig gebogenen Fortsatz ausgezeichnet, traf ich am genannten Orte häufig auf Ranunculus aquaticus in Gesellschaft von Melicerta ringens E. Es wird allgemein angenommen, dass die Cilien der Flos- cularien unbeweglich sind, was nicht ganz der Fall zu sein scheint. Bei der Entfaltung der Lappen, oder wenn ein beweglicher Or- ganismus in ihre Nähe kommt, zeigen die Cilien lebhafte, Vi- brionen-ähnliche Bewegung, der die unverkennbare Absicht zu Grunde liegt, die Beute in die Mundhöhle zu treiben. Sind die Cilien ganz entfaltet, und ist das Thier ungestört, so ist die Mehrzahl der Cilien bewegungslos, doch hie und da bewegen sich einzelne, wie ein schlaffes, langsam geschwungenes Seil. Die Bewegungen der zweizahnigen Kiefer geschehen oft in gleichmässigen, secundenlangen Zeiträumen, so dass sie den Ein- druck einer automatischen Bewegung machen, was aber durchaus nicht der Fall ist. b. Melicerta. Kopfsaum schirmförmig vorragend, mit weniger als fünf Einbuchtungen ; wohnt in einer festen, selbstgebauten Hülse. Melicerta ringens E. Sie hat ein 4lappiges Cilienorgan und wohnt in einer braunen, aus einzelnen, ziemlich gleichgrossen Kugeln aufgebauten Hülse, die für’s freie Auge sehr gut sicht- bar ist. Im Weilheimer Tümpel habe ich diese interessante Art —. 323 °— an Ranunculus aquaticus immer getroffen. Sie ist von Wil- liamson und Gosse näher studirt worden, aber leider kann ich ihre Arbeiten nicht zu Gesicht bekommen. Leydig beobachtete sie bei Würzburg und gibt Einiges über ihre anatomischen Ver- hältnisse an, was ich bestätigen und zum Theil erweitern kann *. Der nach oben trichterförmig erweiterte Mund steht unmit- telbar neben dem Ciliensaum, etwas hervorragend und ist an sei- nem freien Rande mit solchen Cilien besetzt, wie der innere Wimpernkreis der Lappen; die Cilien schlagen nicht nach ein- wärts, sondern in der Richtung des Randes, und zwar auf den beiden lateralen Hälften in entgegengesetztem Sinne. Im Innern ist der Mund und der verengerte Schlund mit lebhaft einwärts schlagenden Cilien dicht besetzt. Der Kaumagen hat die gewöhnliche, unten dreibuchtige Form und dreizahnige Kiefern. Die Magendrüsen zeigen sehr schön die drüsige Natur; Zel- len mit hyaliner Masse, hellen Kernen und Nucleolis, in zarte Tunica propria eingeschlossen. Vom Magen schnürt sich der Darm scharf ab, bildet nach unten eine Magen-ähnliche Erweiterung, kehrt nach aufwärts um und mündet dorsal mit wulstigem Ende, wie es Ehrenberg richtig abbildet **. Erklärt finde ich diesen Wulst nirgends; er wird vom beträchtlich verlängerten und eingestülpten Enddarm gebildet, der, wenn die Hülse viel höher: reicht als der After, was sehr oft der Fall ist — beim Excrementiren aus dem Kör- per mit seinem Ende bis über den Rand des Gehäuses hervor- geschoben und wieder eingezogen werden kann. Denn, Ehren- berg’s Behauptung, die Hülse werde mit dem After gebaut, reiche daher nie über diesen, ist, wie wir sehen werden, durch- aus nicht stichhaltig. Excretionsblase und Kanäle sind leicht sichtbar; letztere bilden an der Brustseite zwischen den beiden Tastern eine nach Aussen wulstförmig hervortretende Verdickung. Die Augen junger Individuen lassen deutlich einen weissen, ZN ** 1, c. T. XLVL lichtbrechenden Körper erkennen. Die Taster haben den im all- gemeinen Theile geschilderten Bau, der mit dem der Philodineen- taster im Wesentlichen ganz übereinstimmt; der einstülpbare Kopftheil ist hier sehr klein. An der Dorsalseite sehe ich am Grunde der Lappen eine röthlich schimmernde Blase, die an ein ähnliches, aber viel grös- seres Organ bei Not. collaris E. erinnert. Der Eierstock zeigt in der obern, kleinern Hälfte grosse Nuclei mit hellem Hofe — Bildungselemente, im unteren grossen Theile den granulären Ernährungsdotter. Höchst merkwürdig ist die Art und Weise, wie die Meli- certa ihr hübsches Häuschen baut, und weil meine Beobachtungen von den, in der mir zugänglichen Literatur verzeichneten, wesent- lich abweichen, will ich sie etwas ausführlicher mittheilen. Das Gehäuse wird aus linsenförmigen oder kugeligen Kör- pern gebaut, welche das Thierchen in einem, zu diesem Zwecke angepassten Organe selbst bereitet. Das „Pillenorgan“ be- findet sich zwischen dem Mundtrichter und dem früher erwähn- ten, zwischen den beiden Tastern gelegenen Wulste, also an der Stelle, die Ehrenberg T. XLVI als Mund bezeichnet. Die zwei Cilienreihen der grossen Lappen schwingen auf den zwei Körperhälften, wie gewöhnlich, in entgegengesetzter Richtung und führen die in ihrer Nähe befindlichen leichten Kör- perchen an den Mundtrichter und zum grossen Theil in diesen hinein. Ein Theil dieser Körperchen wird durch den am Rande des Mundtrichters befindlichen, mit seinen beiden lateralen Hälf- ten entgegengesetzt schwingenden Ciliensaum, in eine unmittelbar unterhalb des Mundtrichters befindliche, nach aussen offene Aus- höhlung gebracht, in welcher sich eine dichte, in gleichem Sinne schwingende Cilienauskleidung befindet. Die in diese Aushöhlung, „das Pillenorgan* gelangten Körn- chen werden rasch und Mühlstein-förmig gedreht; rasch, wenn noch wenig Material vorhanden ist, langsamer, je grösser die sich bildende Kugel wird; ist sie gross genug, d.h. füllt sie fast das Pillenorgan aus, so führt das Thier mit sicherer und rascher Be- wegung des oberen Körpertheiles, die Oeffnung des Pillenorganes a el. an den Rand des Gehäuses und schlägt behende die fertige Pille an, welche unter günstigen Umständen gewöhnlich hängen bleibt; dann beginnt die Arbeit von Neuem. Das Material, aus dem Melicerta die Pillen bereitet, be- steht aus_allerhand Körnchen und Körperchen, wie sie sich eben in der Umgebung finden; nun gelangen auf die oben angegebene Weise hauptsächlich die eigenen Exceremente in die Nähe der Cilien, somit liefern diese den Haupttheil des Materiales, woraus sich die einförmige und bestimmte Farbe erklärt. Der ursprüng- lich helle, gelbliche Darminhalt wird als solcher zu Pillen ver- arbeitet und an Ort und Stelle gebracht, erst später nimmt er, nach und nach, die charakteristische dunkle Farbe an und scheint zugleich zu verhärten; auch scheinen die klebrigen Elemente aus den Excrementen zu stammen. Von dem Gesagten kann man sich sehr leicht: durch Indigo- zusatz überzeugen. Wird sehr viel Indigo zugesetzt, sieht man die Körnchen theils durch den Mundtrichter in den Magen und Darm gelangen, theils mittelst des am Mundtrichter befindlichen Ciliensaumes in das Pillenorgan geführt werden. Die Pillen wer- den wie gewöhnlich gedreht, bestehen, wie es ihre Farbe zeigt, fast aus blosen Indigokörnchen, aber es gelingt dem geschickten Arbeiter trotz aller Mühe nicht, sie an Ort und Stelle zu befe- stigen; und wenn es auch gelingt, fallen die Körnchen bald aus- einander. Setzte ich sehr wenig Indigo zu, so beeinflusste er die Arbeit nur in sofern, als sich die Pillen schön blau färbten; solche blaue Pillen sah ich zwölf und mehr an den Rand des Gehäuses anheften. Auch bemerkte ich bei dieser Gelegenheit, dass die Pillen trotz der grossen Regelmässigkeit des Gehäuses nicht successive an einander gelegt werden, sondern in gewissen, aber so bestimmten Abständen, dass zwischen je 2 immer andere 2—3 genau Platz finden. | Fam. 2. Hydatinaea E. (s., str.) Körperhülle schlauchartig, weich, ihre Form zwischen cylin- drischer und kegelförmiger in allen Abstufungen wechselnd. Fuss und Fusszangen kurz, zum Theil nicht einziehbar. — 332 — 1. Hydatina E. Körper sackförmig, verengt sich in einen kurzen Fuss, mit kurzen Fusszangen. Kiefergerüst vielgliedrig ausgebildet. Keine Augen. Hydatina senta, E. habe ich zu wiederholten Malen und an verschiedenen Orten ziemlich häufig getroffen; die meisten fand ich im vordersten und den hintern Spitzbergtümpeln, Anfang Mai; doch auch von andern Orten kamen mir welche zu Gesicht, z.B. aus einem kleinen, steinernen Wassertrog im Gärtchen der alten Aula. Aus einer kleinen Pfütze hinter dem Dorfe Nehren bekam ich Mitte Mai ein einziges Männchen; überhaupt das einzige männliche Räderthier, das ich trotz der grössten, auf diesen Punkt gerichteten Aufmerksamkeit, gesehen habe. Hwydatina ist schon von Ehrenberg * vielfach studirt und abgebildet worden. Dujardin ** fand sie auch an vielen Orten und gab auch eine Abbildung. Leydig *** schloss aus Ehren- berg’s Abbildungen und anderweitigen Erfahrungen, dass En- teroplea E. das Männchen von Aydatina senta E. sei, was zu- erst von Cohn f bestätigt wurde, der zugleich Aydatina senta und das Männchen einer detaillirten Untersuchung unterzog und mehrere Abbildungen lieferte; seine Mittheilungen wurden zum Theil von Leydig ff berichtigt, der zugleich eine genauere Ab- bildung und Erläuterung der Cilien und des Gehirns, und der Gesammtstructur des Männchens brachte. An einer so vielfach besprochenen Art etwas weiteres sehen zu wollen, hielt ich von vorne herein für unmöglich, und doch habe ich mich, zu meiner Freude, getäuscht. Das Nervensystem der Aydatina, vom letztgenannten Be- obachter seiner Form nach richtig dargestellt und erörtert, ist bei dieser Art, vielleicht unter allen Räderthieren am schönsten zu sehen, wesshalb es meine Aufmerksamkeit besonders auf sich * Ehb. T. 47. ** Duj. 1.c. p. 644, pl. 19. EHER D. 98. rl. ce. VI, p. 431. tr M. A. 857, p. 404. — 333. — zog; freilich ist seine genaue Beobachtung, theils wegen der Be- weglichkeit des Thieres und seiner einzelnen Theile, theils wegen der vielen Fäden, die rund herum sichtbar sind, und über deren muskulöse oder nervöse Natur in’s Reine zu kommen vorläufig unmöglich ist, wie schon Cohn * klagt — sehr schwierig, und doch kann eine genaue Beobachtung nur am lebenden Thiere an- gestellt werden. Das Deckglas muss, um das Thier nicht zu drücken, durch untergelegte Glasstückchen in bestimmter Höhe gehalten werden; am ruhigsten fand ich das Thier, wenn es reichliche Nahrung hatte; ich sorgte also dafür, dass es weder an Wasser, noch an grünen, einzelligen Algen Mangel leide, und erhielt es so in der gewünschten Verfassung. Ueber die einzel- nen, um’s Gehirn befindlichen Fäden konnte ich trotzdem nicht in’s Reine kommen, die Anwendung des Polarisationsapparates leistete nicht die gewünschten Dienste. Eine interessante Beob- achtung habe ich indessen doch gemacht. Wenn das Thier den Rücken aufwärts kehrt, was nebenbei bemerkt, sehr selten der Fall ist, so repräsentirt sich das Gehirn, wie es Leydig dar- stell. Wo die zwei Nervenstränge zum Nackentaster (Borsten- grube Cohn’s) vom Gehirn abgehen, finde ich an allen, auf die- sen Punkt untersuchten Individuen zwei gestielte Bläschen. Der Stiel hängt mit dem Gehirn unmittelbar zusammen und er- weitert sich zu einem zarten Bläschen. Eine sehr dünne Hülle schliesst einen fein granulären Inhalt ein, darin etwa ein Halb- dutzend orangeröthliche Kügelchen suspendirt sind. Bei den Be- wegungen des Thieres schwingen die Bläschen hin und her; ist bei seitlicher Lage das 'Thier durch’s Deckglas festgehalten und ist das Gehirn überhaupt gut sichtbar, so sieht man das eine Bläschen höher, das andere tiefer und etwas einwärts an der hintern Hirnseite, bei scharfem Zusehen selbst mit schwacher Vergrösserung. Sollten die Organe nicht die Gehörblase vor- stellen? Bei jungen und kleineren Exemplaren kommt man leich- ter zum Ziele, als bei alten, wo der Tractus und der Eierstock sich sehr ausgedehnt haben. *]. c. p. 445. — 334 — Betrefis der übrigen Körpertheile kann ich mich kurz fassen. Das Cilienorgan finde ich so gebaut, wie es Leydig ab- bildet und deutet, doch sehe ich noch weit mehr Cilien im In- nern des Organes, die sich bis zum Kaumagen erstrecken. Die Kiefer haben den Bau der complicirtesten Formen, alle unterscheidbaren Theile lassen sich auffinden; die Spitze hat vier Zähne. Die Flimmerorgane stehen, wie Cohn richtig bemerkte und zum Theil abbildete, nicht auf den eigentlichen Exeretionskanä- len, sondern auf Nebenröhren, die sich davon abgezweigt haben, und auch dem Bau nach wesentlich abweichen, wie es selbst auf der Zeichnung Leydig’s (bei Not. Sieboldii) und Cohn’s gra- phisch dargestellt, aber nicht speciell hervorgehoben ist. Die eigentlichen Exeretionskanäle sind viel dicker, haben dicke, zel- lige Wandungen, mit granulärem Inhalte und Fettpünktchen, schlängeln sich und bilden Knäuel; die Röhrchen der Flimmer- organe sind dünn und zart und bestehen blos aus einer homo- genen Haut. Die Mündungen der Klebdrüsen in den Fussspitzen sehe ich deutlich; am entgegengesetzten auch zugespitzten Ende ‚der Drüse hängt ihre Tunica propria mit Muskeln zusammen, wie es Ley- dig beim Männchen abbildet; die Muskelvertheilung und Ver- zweigung ist viel reichlicher als auf den gelieferten Zeichnungen. Im Leibe sah ich oft granuläre Kugeln flottiren. Die Farbe der Cuticula ist bei Jungen weiss, bei Alten röth- lich schimmernd; überhaupt sind es stattliche, für’s freie Auge sichtbare schöne Thiere. 2. Pleurotrocha E. Unterscheidet sich von Hydatina durch den einfachen Bau der Kiefer. Ich fand blos eine Art im vorderen Goldersbachthal hinter Bebenhausen, Ende April, in wenig Exemplaren; es ist Pl. gibba, E. Der continuirliche Ciliensaum setzt sich in die Mundhöhlefort. Die einzelnen Kiefertheile sind zu vier bogenförmigen Stücken verschmolzen; aus dem kugeligen Kaumagen führt ein — 335 — kurzer Schlund in den Magen, der grosse, runde Drüsen besitzt. Magen und Darm sind zwar conisch, wie Ehrenberg angibt, aber nicht continuirlich, sondern der, der Farbe nach dunklere Magen, ist auch durch eine Einschnürung von dem, in einen dor- salen After mündenden Darme getrennt. Die Excretionsblase und mehrere Flimmerorgane sah ich deutlich. Der Eierstock ist von gewöhnlicher Form und Beschaffenheit. 3. Synchaeta, E. Körper kurz, kegelförmig, mit kurzem Fuss und Fussgabeln. Am Cilienorgan einige längere Borsten. Von dieser Gattung beobachtete Leydig bei Würzburg zwei Arten. S. pectinata, RB. und tremula, E.; Perty sah in der Schweiz pectinata, E. „sehr selten“ und odlonga, E. „selten“, es wundert mich daher, dass ich hier nur eine Art S. oblonga, E. angetroffen habe. Anfang Mai fand ich sie in einem mit Lemneen bedeckten Deichen-Tümpel hinter der Sophienpflege bei Lustnau in sehr vielen Exemplaren, in Gemein- schaft mit dem viel selteneren Actinurus. In jedem von der Lichtseite genommenen Tropfen wirbelten einige Synchaeten um- her; Ende Mai finde ich den Actinurus viel häufiger, hingegen von Synchaeta keine Spur. Zwischen den Cilien sieht man einige feine Borsten und auf dem Nacken eine kurze, aber deutliche Crista. Der Kaumagen ist sehr eigenthümlich gebaut und hat eine unregelmässig pyramidale Form. Die zwei Seitentheile sind un- gleich lang und länger als das Mittelstück; der Kaumagen springt somit seitlich, gegen den Magen zu, vor, und lässt deutlich quer- gestreifte Muskulatur erkennen. Das Nervencentrum ist dem von Aydatina ähnlich, ob es auch die „Hirnbläschen* dieser hat, konnte ich der geringen Grösse und lebhaften Beweglichkeit halber, nicht unterscheiden; doch der Nackentaster ist dem der Hydatina ganz analog ge- baut. Er besteht aus einer, von einem zarten Walle umgebenen Grube, in der mehrere zarte Borsten stehen, und unter welcher — 336 — sich zwei, vom Nervencentrum direct kommende Stränge mit gang- liöser Anschwellung vereinigen. Auf dem Gehirn lagert ein grosser, scheibenförmiger Augen- fleck, mit unbestimmten Contouren, von violetter Farbe. Bei jun- gen Individuen sind die Contouren schärfer. Die Bewegungen des Thieres sind eigenthümlich; wenn es mit den Fussspitzen angeheftet ist, oder wenn es schwimmt, was ziemlich rasch geschieht, rotirt es, gewöhnlich ziemlich schnell, um seine Längsaxe. 4. Notommata. Körpergestalt innerhalb der Familiengrenze schwankend; ein Nackenauge; das Cilienorgan besteht aus gleichförmigen Wim- pern; der Fuss ist kurz und hat kurze Spitzen. Zu meinem grössten Bedauern muss ich bemerken, dass mir von dieser interessanten, die grössten Arten umfassenden Gattung, sehr wenige zu Gesicht kamen. Sie ist von Ehrenberg ur- sprünglich mit 27 Arten aufgestellt *, hat aber im Laufe der Zeit, wie vieles andere, so manche Veränderung erfahren müssen. Um diesen Veränderungen und wesentlichen Verbesserungen Rech- nung zu tragen, musste ich — trotzdem ich nur über ein ge- ringes Material verfüge — das Genus anders fassen, Hergehö- riges dazuziehen und Abweichendes ausscheiden, wie es sich aus der Behandlung ergeben wird. Alle bekannten, von mir nicht gefundenen, ächten, herge- hörigen Arten liessen sich leicht und naturgemäss unter die fol- genden drei Gruppen einreihen: a. Körper schlauchförmig, vorn und hinten verengt. N. collaris, E. und centrura, E. Es sind die zwei grössten Arten, die mir zu Gesicht kamen; erstere Ende April und Mitte Mai aus dem Birkensee im Schönbuch und vom Spitzberg in wenigen, letztere vom Spitzberg in nur zwei Exemplaren. Diese ist von Leydig ** eingehend behandelt und genau abgebildet; *]. c. 424. u ieap: 38! N BE Bee sie unterscheidet sich von der erstern auf den ersten Blick durch die Gallerthülle, welche die Cuticula überzieht. Ich habe an ihnen nichts gefunden, das von der Darstellung des letztgenann- ten Forschers abweichen würde und will das dort Gesagte hier nicht wiederholen. Nur bezüglich der, bei beiden Arten überein- stimmenden Bauchtaster habe ich Einiges zu bemerken. Ehrenberg zeichnet bei N. collaris * keine Bauchtaster, bei N. centaura ** hingegen zeichnet und erklärt er sie als „Stigmata oder markirte Stellen, an welche sich nach innen ein dreispaltiger Faden anschliesst.“ Leydig zeichnet sie als kegel- förmige Hauterhebungen mit langen Seten, unter welche Erhe- bungen ein gangliös anschwellender Nerv endigt, und rechnet sie mit Entschiedenheit zu den Tastorganen ***. Mit vollem Rechte! Selbst im Bau finde ich keine wesentliche Abweichung von den Tastern anderer Räderthiere. Ein feines cylindrisches Röhrchen erhebt sich aus der Haut, trägt oben sehr lange feine Seten und lässt unter diesen ein feines, lichtes Kügelchen be- merken. Dass dieses lichte Kügelchen mit dem unter der Cu- ticula befindlichen Ganglion in Verbindung steht, ist zwar nicht sichtbar, aber wenigstens wahrscheinlich. Der Unterschied zwi- schen diesem Bauchtaster und dem Nackentaster der Philodineen besteht demnach blos darin, dass hier der Taster klein, die Se- ten sehr lang und nicht einziehbar sind, während dort das Ge- gentheil stattfindet. b. Körper sackförmig, das vordere Körperende breiter als das hintere. N. aurita, BE. Diese an dem ohrenförmig ausgebreiteten vorderen Kopfende und dem „gestielten Kalkbeutel“ leicht kennt- liche Art kam mir von verschiedenen Lokalitäten, aber immer vereinzelt zu Gesicht (Ende April aus dem Goldersbacher Thal, Mitte Mai vom Spitzberg, Ende Mai aus dem Weilheimer Tüm- pel), wesshalb ich sie auch nicht eingehender studiren konnte. 227252) * T, 51, p. 435. #n:.36. Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. Stes Heft. 22 — 3383 — Die Kiefer sind stark entwickelt, die Spitzen tragen fünf Zähne, was ich desshalb bemerke, weil Ehrenberg sie zu den ein- zahnigen stellt. N. lacinulata, E. Ist die kleinste hergehörige, aber eine interessante Art, die ich aus den Spitzbergsümpfen häufig erhielt und genauer besehen konnte. Vor Allem fallen ihre von Ehrenberg und Leydig her- vorgehobenen, rasch dahin schiessenden Bewegungen in die Au- gen. Der Körper ist am Nacken etwas eingeschnürt, so dass man deutlich Kopf, Nacken, Leib und Fuss unterscheiden kann. Auf dem Kopfe ragen zwischen den Cilien die Kiefern des gros- sen Kaumagens hervor, welche hier etwas eigenthümlich gebaut sind. Wie ich in Uebereinstimmung mit @osse * sehe, ist das Mittelstück, die Gabel nach hinten stark verlängert, während die übrigen Theile ein kugelförmiges hervorgeschobenes Gebilde zu- sammensetzen, das zum Ergreifen der Nahrung dient. Seitlich gesehen erinnert der Kopf lebhaft an einen Vogelkopf. Die Magendrüsen erscheinen röthlich gefärbt, mit orange- farbenen Kügelchen gefüllt. Der vom Magen deutlich getrennte Darm mündet ober der Fussbasis in den After. Excretionsblase und Kanäle habe ich deutlich wahrgenom- men, doch keine Flimmerorgane. Das Nackenauge ist Bisquite-förmig; am Nacken ist eine mit Borsten dicht besetzte Tastgrube. Eosphora, E. Leydig hat die Gattung Eosphora E. als solche gestrichen ** und mit Recht. Ehrenberg ** will sie durch zwei Stirnaugen und ein Nackenauge charakterisirt wissen, während die zwei Stirnaugen blos etwas dunkler gefärbte Stellen des farbigen Cilienorganes sind. Abgesehen von diesen „Stirn- augen“, die „nimmermehr diese Geltung haben können“, stimmt Eosphora sowohl im Habitus, als auch in ihrem Bau mit den ächten Notommata-Arten vollkommen überein, was ich an einer zweiten Art bestätigen kann. Es ist dies *].c. p. 432. ern. AO: wer]. c. p. 451, T. 56. — 333 — E. digitata, E., die ich Ende April im ersten Spitzberg- tümpel in einigen Exemplaren angetroffen habe. Der continuirliche Ciliensaum setzt sich durch den Mund bis zum Kaumagen fort und ist an seiner Basis gelb-röthlich gefärbt. Der Kaumagen ist mit starken, aber einfacher als bei 4y- datina gebauten Kiefern bewafinet. Der bei seiner Contraction runzlige Falten zeigende Schlund führt in den Magen von gewöhnlicher Struetur, mit zwei kuge- ligen Magendrüsen, die in ihrer Mitte je einen grossen, oelfar- big-gelben Tropfen sehen lassen. Die Excretionsblase ist starkwandig, sehr contractil; auf beiden Seiten mündet ein Excretionskanal in sie ein; jeder Kanal trägt auf kurzen, dünnen Stielen drei Trompeten-förmige Flim- merorgane. Von den zum Nervensystem gehörigen Organen sehe ich ein aus zwei Hälften zusammengesetztes Nackenauge und weiter hin- ten eine Tastgrube. Die in einer Anschwellung des Hinterleibs- endes liegenden grossen, granulären Klebdrüsen lassen ihre Aus- flusskanälchen bis an die Fussspitzen verfolgen. Die zwei von Leydig und mir beobachteten Zophora-Arten stimmen somit mit den Notommata-Arten vollkommen überein und müssen hier, bei der sackförmigen Gruppe Platz finden; wahrscheinlich wird sich auch die dritte Art dieser Modification fügen. Damit die Namen nicht störend wirken, könnte dann Eosphora najas, E. gleichbedeutend sein mit Nofommata Eosphora; Eosph. digitata, E. mit Notommata digitata, und Eospk. elongata, E. mit Notommata elongata. c. Körper wurmförmig gestreckt, Als Repräsentanten dieser Abtheilung betrachte ich die von Dujardin * in der Seine gefundene und als N. vermicularis aufgestellte Art. Der Körper ist wurmförmig, stark contractil, der Kopf nur an der untern Seite; der Mundspalte, bis weit nach innen be- wimpert. *].c. p. 648. 22 * — 340 — Der Kaumagen ist ziemlich gross, hinten in drei Buchten sich erhebend; die Kieferspitzen sind doppelt. Der sehr lange, fast Schwanenhals-ähnlich biegsame Schlund zeigt im Innern deut- liche Querstreifung, — Runzeln der chitinösen Wandung. Im Magen sieht man sehr schöne, grosse polygonale Zellen mit bräunlichen Fettkugeln. Excretionsblase, Kanäle und vier Paar Flimmerorgane deut- lich zu unterscheiden. Der Gründer dieser Art sah an seinen Exemplaren im Auge einen deutlich weissen, kugeligen, lichtbrechenden Körper, den ich vermisse. Das Auge ist zwar stattlich gross, liegt frei auf dem Gehirn, aber statt eines lichtbrechenden Körpers sehe ich das Auge vorn nicht scharf begrenzt, mit einem rothen zapfen- förmigen, schief stehenden Vorsprung. An diese Art schliesst sich an, im Bau wesentlich überein- stimmend N. tardigrada, Ldg., welche ich, mit der ersteren gemein- schaftlich im Schlamm der Spitzbergpfützen, allein auch an an- deren Orten gefunden habe. Anfangs schwankte ich, ob es wirklich das von Leydig * beschriebene Thier wäre, da sich manche Differenzen herausstell- ten, allein ich will diese Differenzen lieber den Mikroskopen, als den Thieren zuschreiben. Der an der Ventralseite gelegene, dicht mit kurzen Cilien besetzte Mund, darin sich die Flimmerung weit nach innen ver- folgen lässt, führt in den nach hinten dreibuchtigen Kaumagen, in dem’ sich ein Kauapparat von etwas abweichender Form be- findet, der nach dem ersten Beschreiber dieser Art „scheinbar aus vier bogenförmigen Gräthen und einer mittleren Platte zu- sammengesetzt ist und eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Zahn- gerüst eines Echinus" hat. Im Grunde genommen ist es so. Die zwei oberen Theile des Mittelstücks, die Rami in der Sprache Gosse’s, haben nach unten lange Fortsätze; diese zwei Fortsätze und die zwei Seitenstücke — Manubria — sind die vier bogen- #21 7C5p739. 7.21 E81: — 341. — förmigen Gräthen, während sich zwischen ihnen eine mittlere Platte, das Fulerum, befinde. Auch die obern Glieder der Sei- tentheile haben nach aussen hackenförmige Fortsätze, die aber kurz sind. Im Magen sehe ich, wie Leydig, weder hier, noch bei der früheren Art Flimmerung; hingegen bemerke ich ganz leicht vier Paar Flimmerorgane, ausser den von genanntem Beobachter eine Strecke weit verfolgten Kanälen und der Excretionsblase. Die grössten Differenzen obwalten zwischen der Schilderung Leydig’s und meiner eigenen Beobachtung in Bezug auf das Auge. Während er im „schwarzen Sacculus cerebralis“ ‚nichts wahrnehmen konnte, und nur nach dessen Aufhellung mit KHO ein schwarzes Auge sah, sehe ich das mehr oder weniger dunkel rothe Auge fast bei jeder Stellung des Thieres als eine, mit der gewölbten Fläche in das „Kalksäckchen* vorn eingestülpte Halb- kugel. Obwohl ich überzeugt bin, dass geringe Differenzen zwischen dem bei Würzburg gefundenen und dem hier beobachteten Thiere obwalten, so sehe ich doch keinen hinreichenden Grund, diese „Uebergangs“-Form zu einer neuen Art zu erheben. N. decipiens, BE. Ein kleines, von dem Untersucher der Würz- burger Fauna nicht aufgezeichnetes, von Perty an vielen Orten aufgefundenes Thierchen, der es vermuthungsweise für „den Ju- gendzustand einer andern Gattung“ (!?) erklärt *, ohne, durch den Namen gewarnt, seine gelehrte Vermuthung zu begründen. Ich fand dieses Thierchen seit Ende April zu wiederholten Malen und an verschiedenen Orten, und halte es für eine so gute Art, wie nur überhaupt Arten gut sein können, Seine Bewegungen sind träge, kriechend, der Körper weiss, ziemlich durchsichtig; die Oberhaut ist zart und dünn, stark con- tractil; Cilienbesatz an der vordern untern Kopfhälfte ziemlich dieht und leicht in die Mundhöhle zu verfolgen. Der kugelige Kaumagen umschliesst ein etwas eigenthüm- lich entwickeltes Kauorgan; die, äusseren Theile sind halbkreis- *)1.46.1p.1 38. — 342 — förmig gebogen, die Spitze hat unten einen über den Stiel ragenden, nach einwärts gebogenen Fortsatz. Die Gabel ist kurz, die darauf ruhenden Theile sind stark entwickelt. Ein kurzer Schlund führt in den Magen, der vorn zwei kugelige Magen- drüsen trägt und hinten vom Darm scharf abgeschnürt ist, was ich desshalb hervorhebe, weil Ehrenberg diesem Thierchen einfach einen langen conischen Darm zuschreibt. Der Darm macht sich hingegen ausser der Abschnürung auch dadurch deut- lich erkennbar, dass er bei geringen Contractionen (— vielleicht normal?) Dickdarm-förmige Einschnürungen und Ausbuchtungen zeigt, die man am Magen vergeblich sucht. Eine contractile Exeretionsblase, Kanäle und mehrere Paar Flimmerorgane sind leicht zu beobachten. Der Eierstock zeigt nichts Besonderes. db, Diglena, E. Durch zwei Stirnaugen und einen kurzen Fuss mit längeren Fussspitzen von den andern Gattungen unterschieden. D. catellina, E. ist ein sehr gemeines Räderthier, das ich besonders Mitte April in einem Laufgraben bei der alten Ammer in der Nähe der Stadt massenhaft angetroffen habe. In Gesell- schaft damit lebte D. capitata, E., dessen vorderes Körperende etwas verdickt und schief zur Längsaxe abgeschnitten erscheint. Hinten verengt sich der Körper, hat einen kurzen Fuss und etwas längere Fuss- spitzen. D. caudata, E., besitzt einen etwas längeren cylindrischen Körper, einen kurzen Fuss und noch längere Fussspitzen als die frühere Art und spreitzt die Fussspitzen gern stark auseinander. Mitte Mai im Neckarschlamm. D. conurus, E. hat einen länglich-ovalen, vorn grad abge- schnittenen, hinten in einen kurzen Fuss, mit .etwas längeren Fussspitzen ausgehenden, stark contractilen Körper. Der Magen zeichnet sich durch dunkelblaue Flecke in dunkelgrüner Umge- bung deutlich vom fleckenlosen, lichtgrünen Darm aus. In der vordern Magengegend sah ich ein Paar Flimmerorgane deutlich. — 343 — Anfang April zwischen Spirogyren im „Altwasser am Fusse des Steinriegel hinter Bebenhausen.* Fam. 3. Longisetae F. nov. Unter diesem Familiennamen fasse ich die Gattungen Di- stemma E., Ratulus E., Furcularia E., Monocerca E. und zwei Notommata-Arten (N. Tigris, E. und longiseta E.) zusammen, Sie lassen sich zwar schwer gemeinschaftlich charakterisiren, wie es in einer natürlichen Anordnung sehr oft geht, stören aber ausserordentlich die Einheit der Hydatinaeen, wohin sie von Ehrenberg eingeschaltet wurden, und bilden eine natürliche Ue- bergangsfamilie zwischen den mit weicher Körperhülle bedeckten Familien einerseits und den hartschaligen Familien andrerseits. Denn: Die Oberhaut schwankt zwischen weicher und fester Consi- stenz; die Körperform zwischen cylindrisch-länglicher und oval- kürzerer. Alle haben einen fast ganz reducirten Fuss und 1—2 lange, borstenförmige Fussspitzen, was der Familien- name ausdrücken will. 1. Distemma, E. Körper gestreckt, Oberhaut weich; durch zwei Stirnaugen und zwei Fussspitzen ausgezeichnet. D. forficula, E. Ende Mai im Detritus von Neckarsteinen gefunden, leicht kenntlich an den gebogenen, dicken, an der Basis zweizahnigen Fussspitzen. 2. Rattulus, E. Körper eylindrisch, kurz, gebogen, an beiden Enden abge- rundet. Zwei Stirnaugen; Fuss einfach borstenförmig. R. lunaris, E. Die einzige von Ehrenberg aufgestellte Art, kam mir ziemlich häufig zu Gesicht. Wie Perty *, der das Thier sehr häufig gefunden, bemerkte, schlägt es den Fuss oft an die Bauchseite zurück, und schwimmt, scheinbar fusslos, um- her, ohne sich um die Längsaxe zu drehen oder es dreht sich #170.2p.,40. a al zugleich um seine Längsaxe. Nicht selten schwimmt es so, dass sein gebogener Körper einen Kreis beschreibt. 3. Furcularia, E. Körper gestreckt, Oberhaut weich, zwei Fussspitzen, wie bei Distemma, von der sie sich durch den Besitz eines einzigen Stirn- auges unterscheidet. F. forficula, E. hat dicke und so beschaffene Fussspitzen, wie Distemma forficula E. Abschnürung des Magens und Dar- mes deutlich zu erkennen. Das grosse Stirnauge zeigt deutlich einen lichtbrechenden Körper. Mitte April in Steinbruchlöchern auf der Waldhäuser Höhe. F. gracilis, BE. Auge kleiner, hat auch einen lichtbrechen- den Körper; die Fussspitzen sind grad und etwas kürzer als die halbe Körperlänge. An mehreren Orten. 4. Monommata. So bezeichne ich die aus der Notommata- E. Art auszu- scheidenden N. Tigris, E. und N. longiseta, E., welche beiläufig hier an ihrer rechten Stelle sein dürften. Der cylindrische Körper ist durch eine zum Theil erhär- tende Cuticula bedeckt und geht in zwei lange Fussspitzen aus. Ein Nackenauge. M. Tigris—= Not. Tigris, E. Weicht von den ächten No- tommata-Arten sehr ab. Die Cuticula wird hier zum Theil fest, was schon Ehrenberg bemerkte *, und verlängert sich vorn in eine hervorragende Stirnspitze; — bei allen ächten Notommata- Arten ist die Körperhülle weich; ferner sind hier, und nach der Zeichnung genannten Forschers besonders bei N. longiseta E., die Fussspitzen sehr lang — bei den eigentlichen Notommata- Arten sehr kurz. Von Furcularia unterscheidet sich M. Tigris dadurch, dass hier das Auge nackenständig, dort oceipital ist; von der folgenden Gattung Monocerea hingegen dadurch, dass sich dort bei nackenständigem Auge nur eine lange Fussspitze findet. *]. c. p. 431. — 345 -- Der bogenförmig gekrümmte Körper ist ausser der besonders vorn erhärtenden und in eine Spitze auslaufenden Cuticula auch dadurch ausgezeichnet, dass er auf den beiden Seiten der Rücken- fläche zwei niedere, leistenförmige Erhebungen hat. Sehr auffallend ist die Grösse und der Bau des Kaumagens. Im Ganzen hat er eine lang gestreckte, cylindrische Form und erstreckt sich auf der Ventralseite liegend fast bis zur Mitte des Leibes, was daher kommt, dass die Stiele der Hämmer und die Gabel des Mittelstücks enorm verlängert sind, während die oberen Theile kurz bleiben und aus dem Munde vorschiebbar sind. Der Magen und die Speicheldrüsen kommen zum Theil über den Kau- magen zu liegen und reichen fast bis zum grossen Auge. Excretionsblase und Kanäle sind deutlich zu verfolgen; doch von Flimmerorganen bemerkte ich nur ein einziges. (Deichentümpel gegen Lustnau, Anfang Juni.) 5. Monocerca, E. Körperhülle hart, fest, ein Nackenauge und eine lange Fuss- spitze. M. rattus, E., vereinzelt an mehreren Orten gefunden; aber immer in kleinen Exemplaren. M. bicornis, E., der ovale, vorn abgestutzte Körper ist vorn durch zwei ungleichlange, spitze Fortsätze des festen Panzers geziert. In der Nähe des Auges und am Anfange des Magens sah ich deutliche Flimmerorgane, und konnte die Kanäle bis zur Excretionsblase verfolgen. Ausser der langen Fussspitze sah ich keine weiteren Seten. Anfang Mai, Weilheimer Tümpel, in mehreren Exemplaren. Fam, 4. Scaridina, Carus. Als eine, der früheren Familie ganz gleichwerthig zur Seite stehende, betrachte ich die von Carus aufgestellte* Familie der Scaridineen, wohin nur Scaridium, E. und Dinocharis, E. ge- hören. Sie unterscheidet sich von der früheren durch die Fuss- bildung. 218er p.Alg — 346 — Der Fuss ist lang gegliedert, häufig mit langen Spitzen und Stacheln, nicht einziehbar. Haut des schlauchförmigen oder ey- lindrischen Körpers weich oder erhärtet. Mir ist nur die Gattung @. Dinocharis, E. zu Gesicht gekommen. Körper cylindrisch, mit scharfem Seitenrand, sehr hart. Fuss lang, mit langen End- und Seitenspitzen. Ein Nackenauge. D. pocillum, E.E Ehrenberg schreibt dieser Art einen dornenlosen Körper mit drei Fussspitzen zu * und Leydig nennt die Cuticula „fein granulirt“ **. Ersterer musste etwas Aehn- liches wahrgenommen haben, weil er den negativen Charakter „dornenlos* gebraucht. Bei genauer Besichtigung sieht man auf den ersten Blick, dass die Oberfläche der festen, gegen KHO resistenten Cuticula nicht eben ist. Wir haben schon einige Fälle gesehen, wo die Unebenheit von Gruben herrührte, — hier scheint es mir, als ob Gruben und kleine Höcker zugleich vorhanden wären, wie wir es auf dem Chitinpanzer mancher Crustaceen treffen. Die drei Fussspitzen jenes Forschers dürfen nicht streng genommen werden; etwa wie bei Ackinurus, wo alle 3 Spitzen gleichwerthig erscheinen; hier ist die mittlere Spitze blos ein kleiner Fortsatz der chitinösen Fussbedeckung, welche bis zur äussersten Spitze starr und hart bleibt. Fam. 5. Philodinaea, E. Körper spindelförmig; Fuss fernrohrartig einziehbar, am Ende gabelig getheilt; am Nacken ein entwickelter Taster. Obwohl diese Familie die gemeinsten Arten umfasst, ist sie weniger genau bekannt als manche andere. Die mikroskopische Untersuchung lebender Thiere bringt schon an sich so manche Schwierigkeiten mit sich; sind die zu untersuchenden Thiere noch obendrein höchst beweglich, ich möchte fast sagen launisch, so stösst man mitunter an unbesiegbare Hindernisse. Gestreckt sind diese keinen Augenblick ruhig, bei manchen scheint es, als ob * p. 473, Z. 59 digitis tribus. Sep 19: — 347 — sie unwillkührlich dem erzeugten Strudel folgen müssten, sobald sie ihr Cilienorgan entfaltet haben; als wäre die Schwere des Körpers und die Kraft der Klebdrüsen nicht hinreichend, sie an einem bestimmten Orte zu erhalten; wollen sie an einem Orte bleiben, müssen sie ihr Cilienorgan einschlagen (Rotifer vulgaris, E.); und wenn auch andere an einem Orte anhaftend ihr Cilien- organ entfalten, so schwingen sie im Kreise oder Pendel-förmig umher (Philodina megalotrocha E.). Bleiben sie auf einem Fleck, so ziehen sie Kopf und Fuss ein, sind kugelrund oder länglich- oval, höchstens ihre durchschimmernden Zähne zeigend. Der Körperform und dem Bau nach haben wir es hier mit einer höchst einheitlichen Familie zu thun; alle Arten sind im gestreckten Zustande, bevor sie ihr Cilienorgan entfalten, rein spindelförmig, bei allen verjüngt sich der längsgefaltete Körper zu einem, hinten gegabelten, Fernrohr-artig einziehbaren Fusse. Das Cilienorgan ist zweilappig; auf der Dorsalseite erscheint der Randciliensaum meist unterbrochen, während er sich auf der Ven- tralseite bis in den Mund und hinab bis zum Kaumagen fort- setzt; ausser dem äussern, aus längeren Cilien bestehenden Saume finden sich innerhalb dieses noch kürzere und feinere Cilien. Die Mundhöhle erweitert sich zuweilen vor dem Kaumagen zu einem kropfförmigen Organe mit lebhafter Flimmerung — Callidina, E., Actinurus, E. — und führt in den Kaumagen, der ein einförmig, aber eigenthümlich gebildetes Gebiss trägt; es sind hier, um in der Sprache Gosse’s zu reden, die Hämmer und der Ambos zu zwei quadrantischen Gebilden verschmolzen, welche seitlich gesehen viertel-, von oben betrachtet halbkreis- förmig erscheinen. Von der Peripherie gehen zu den Durch- messern der Halbkreise zwei, selten mehr Zähne und zahlreiche feine Leistchen, welche gegen Kalilauge auch resistent sind. Magen und Darm haben den gewöhnlichen Bau; die Bauch- speicheldrüsen lassen oft sehr deutlich ihren zellig-drüsigen Bau erkennen (Ph. erythrophthalma, E.). Die Excretionsblase ist meist leicht aufzufinden; schwieriger die Kanäle und die an verschiedene Orte vertheilten Flimmer- organe. — 348 — Klebdrüsen bei den meisten stark entwickelt und deutlich sichtbar. Der Eierstock, mit gewöhnlichem Bau, richtet sich nach der lang gestreckten Form des Körpers; ein und mehr Junge im Mutterthier, mit starken Kiefern und hellen Augen sind gar nicht selten. Das Nervensystem ist ausserordentlich schwierig wahrzu- nehmen, doch seine vorhandenen accessorischen Organe desto leichter. Der Taster hat den im allgemeinen Theile vorausge- schickten typischen Bau, der bei den einzelnen Arten höchstens in der Grösse und im Verhältnisse seiner Theile — Kopf und Basaltheil — Unterschiede erkennen lässt. Aus dieser einheitlichen Familie gelang es mir vier Gat- tungen aufzutreiben. a. Ohne Augen: Callidina, E. Ehrenberg bekam nur eine Art zu Gesicht, die er C. ele- gans, E. benannte; Dujardin * stellt eine zweite als CO. con- stricta Duj. auf; allem Anscheine nach mit der ersteren iden- tisch, wie auch die von Perty ** als CO. cornuta, Perty be- schriebene mit elegans, E. identisch zu sein scheint. Seine zum Unterschied angeführten Hörner sehe ich auch, doch ist der eine der Taster, der andere der zur Seite geschobene bewimperte Kopf. Gosse *** stellt eine wirklich neue Art auf: C. bidens, Gosse und Giglioli f eine andere: C. parasitica, Gig]l., die sich durch unregelmässig trichterförmig erweiterten Kopftheil des Tasters, und dadurch auszeichnen soll, dass die Klebdrüsen nicht in die Fusszangen, sondern in eigene, kürzere, am Fussende gelegene Röhrchen münden. Hier finde ich hauptsächlich parasitische Callidinen auf Gam- marus und Asellus aquaticus; sie fehlten kaum an einem dieser, auf diesen Punkt untersuchten Individuen, und waren meist in “Dan. 1.07, pr 658, 2.217. * Pertyl.c.p. 43. *e Gosse, Phil. trans. 1856. t Gigl., Mikrosc. soc. 863. 38) grösserer Anzahl vertreten; auf einem aus dem „Elisium* geholten Gammarus zählte ich 35 grosse Callidinen, welche nicht die ein- zigen Schmarotzer waren, sondern das Terrain mit mancherlei hübschen Infusorien theilen mussten. Die beobachteten Exemplare lassen sich auf CO. elegans, E- und bidens, Gosse, beziehen; erstere ist kleiner, hat kurze Fuss- zangen, scheinbar gleichförmige kammartige Zähne, als wären nur die Leistchen vorhanden, während die eigentlichen Zähne fehlten, letztere ist grösser, hat lange Fusszangen und ober den kamm- förmigen Leisten zwei scharf hervortretende Zähne. Auch will es mir scheinen, als ob die grossen Klebdrüsen hier nicht in die Spitzen der Fusszangen, sondern in das eigentliche Fussende in kleine Wülstchen münden würden, was eine Uebergangsform zu Giglioli’s parasitica vorstellen würde. In der erstern sah ich Flimmerorgane, und bei günstiger Lage, aber nur momentan, einen Theil der Kanäle; in der letz- tern traf ich einigemal ein sehr ausgebildetes Junges mit aus- gebreiteten und bewegten Cilien, und heftig kauendem Magen — eine höchst eigenthümliche Erscheinung. b. Mit Augen. a) Augen nackenständig hinter dem Taster: @. Philodina E. Mitte April fand ich zwischen Oscillarien des Schwärzlocher Sumpfes Ph. erythrophthalma, E. in ziemlicher Menge und spä- ter kam sie mir hie und da zu Gesicht; sie zeigt bei ihrer weis- sen, durchsichtigen Beschaffenheit unter Andern sehr deutlich die zellige Structur der Magendrüsen, fimmernden Magen und Darm, Excretionsblase und Flimmerorgane. Ph, roseola, E. und cifrina, E. scheinen durch Zwischen- formen verbunden zu sein. Roseola aus dem Birkensee im Schön- buch und aus dem Katzenbach, hinter Niedernau, waren von äch- ter, rosenrother Farbe; PA. citrina, E. aus dem Weilheimer Tüm- pel zeigte ein schönes, sammtartiges dunkles Gelb — die schönste Farbe, die ich im Allgemeinen bei diesen Thieren angetroffen habe; hingegen fand ich im Dachrinnensand und an den meisten Orten Philodinen, über deren Stellung ich nicht in’s Reine kommen — 550 — konnte; die Farbe schien ein Gemisch von roth und gelb — orange — wo bald das Roth, bald das Gelb vorherrschte und ihre Träger der einen oder der andern Art näher brachten, wenn man überhaupt von Arten reden darf. - Dem Habitus und der Lebensweise nach gut zu unterschei- den ist Ph. megalotrocha, E. mit gedrungenem dickem Körper, der sich auf einmal in den kurzen Fuss verjüngt. Dem dickeren Körper entspricht ein grösseres Cilienorgan. Das mannigfache Verhalten dieses Thierchens soll nicht unerwähnt bleiben: man trifft es gewöhnlich mit den gabeligen Fussspitzen angeklebt an Wasserpflanzen (sehr häufig fand ich es im Weilheimer Tümpel an Banunculus aquaticus); es entfaltet das grosse Cilienorgan und schwingt umher nach allen Richtungen; bald zieht es die Endspitzen ein und schwimmt rasch davon, um sich an einem andern Orte niederzulassen. Ein Thierchen dieser Art interessirte mich sehr; aus einem grossen, leeren Melicerta-Gehäuse sah ich ein verhältnissmässig winziges Thierchen den Kopf herausstrecken, und glaubte anfangs, eine junge Melicerta mit unentwickelten Lappen vor mir zu haben; genauere Besichtigung liess gleich Ph. megalotrocha, E. erkennen; ich beobachtete sie zwei Tage hindurch, und immer blieb sie an derselben Stelle; mit den Fuss- spitzen im Innern des Gehäuses angeheftet, streckte sie den Kopf hervor, liess die Cilien eifrig spielen und zog sich wieder zurück. 6) Augen kopfständig, vor dem Taster. aa) Fuss kürzer als der Körper: @. Rotifer, E. Rotifer vulgaris, E. ist wohl das gemeinste aller Räder- thiere, das an allen Orten und zu jeder Zeit getroffen wurde; frei lebend und parasitisch an Gammarus und Asellus; in stehen- den und fliessenden Gewässern, im Dachrinnensande wie im Neckarschlamme. R. citrinus, E. hat ein minder schönes Gelb als PA. citrina, E. Taster mit dreizackiger Spitze und zarten Borsten. Kriecht gern spannend. Goldersbacher Thal. R. macrurus, E. Hier sah ich mit Bestimmtheit 3 Paar Flimmerorgane, womit übrigens nicht gesagt sein will, als ob _ 351 — dies die einzigen wären, vielmehr glaube ich, dass noch weitere Paare vom Magen und Eierstock verdeckt gewesen sein konnten. Weilheimer Tümpel, parasitisch auf Asellus. Ausser diesen drei Arten habe ich noch zwei weitere zu melden, die ich auf die Ehrenberg’schen nicht beziehen kann, und die ich in der mir zugänglichen Literatur auch nicht ver- zeichnet finde. Die eine traf ich häufig im Weilheimer Tümpel in Gesell- schaft von Floscularia und Melicerta; sie besitzt die Grösse von Ph. megalotrocha, ist aber schlanker und gegen den Kopf zu flaschenförmig ausgeschweift, während sich der Kopf wieder er- weitert; der enorm lange Taster kommt fast der halben Körper- länge gleich; der ganzen Länge des Tasters entspricht auch sein einstülpbarer Kopftheil, der etwa 1/a der ganzen Länge misst. Am auffallendsten ist das Verhalten dieses Thieres. Ich habe es, wie angegeben, immer in Gesellschaft festsitzender Formen, mit kurzem Fusse an Ranunculus aquaticus festsitzend ange- troffen, schwimmen oder kriechen sah ich es nicht. Bevor es das Cilienorgan entfaltet, streckt es den langen Taster weit her- vor und wippt damit, wie eine Bachstelze mit dem Schwanze; dieser höchst auffallenden Eigenthümlichkeit wegen mag das be- sprochene Thier Rotifer Motacilla Sp. nov. heissen. Eine andere Art traf ich zuerst am 20. Mai in einer aus Weiler gebrachten Wasserprobe, wo es im Ganzen wenig Rota- torien gab. Ein Rotifer schon für’s unbewafinete Auge sichtbar, . machte sich durch enorme Grösse bemerklich, die das der andern um’s Doppelte übersteigt. Er hatte ein entwickeltes Junges im Leibe und ich fütterte ihn zwei Tage hindurch. Unterdessen brachte ich aus einer höchst übelriechenden Pfütze Lustnau’s eine Portion Wasser und begegnete im jedem’ Tropfen einigen Rotiferen, darunter auch meinem eben gefundenen grossen Thierchen. Ausser der Grösse fällt zunächst die Beschaffenheit der Haut in die Augen. Diese ist bei allen Philodineen längsgefaltet, doch nirgends in dem Maasse, wie hier; die Seiten zeigen nach Innen eine scharfe, ganz bestimmte Contour, so dass sie den Eindruck — 352 — nach Innen vorspringender Leisten machen; nach Aussen erscheint die Cuticula chagrin-artig höckerig, was aber nicht in höckerigen Vorsprüngen, sondern in dicht stehenden, grubigen Vertiefungen seinen Grund hat; wovon man sich durch verschiedene Focus- einstellungen sehr leicht überzeugen kann. Die Cuticula ist nicht so weich, wie bei den Philodineen im Allgemeinen, auch nicht so hart und fest wie z. B. bei Brachionus, sondern hält zwischen beiden die Mitte. Die Oberhaut ist braun gefärbt und bildet, wenn das Thier halb gestreckt ist, Dickdarm-ähnliche Einschnü- rungen und Verdickungen, ähnlich denen bei R. tardus, E.* ge- zeichneten. Der Halstheil verschmälert sich auch hier stark, es ist also Kopf, Hals und Rumpf deutlich unterscheidbar. Das Innere und die Kiefer stimmen mit den andern überein; auffal- lend zahlreiche kleine Kügelchen flottiren im Leibe. Das neugeborne, stark entwickelte Junge bewegt oft Cilien und Kiefer, streckt sich und zieht sich zusammen. Am nächsten steht unser Thier zu R. tardus, E. Da aber E. als Artcharacter besonders die weisse Farbe, und die länglichen Augen hervor- hebt, und ich hier eine braune Farbe und runde Augen mit deut- lichem lichtbrechendem Körper finde, da die Cuticula durch scharf eingeprägte Gruben wie schraffirt erscheint und die Grösse sehr verschieden ist, so schlage ich als Feind jeglicher kleinlicher Speciesmacherei, falls sich unser Thier noch keines Namens er- freuen sollte, für es den Namen Rotifer maximus, Sp. nov. vor. Die erstere neue Species verknüpft gewissermassen’ die eben behandelte Familie mit den festsitzenden Floscularinen; die letz- tere und die folgende Gattung bilden einen naturgemässen Ue- bergang zu den hartschaligen Formen. ®ß) Fuss länger als der Körper; Fussgabel dreizinckig. Actinurus, E. Obwohl im Bau mit den Rotiferen ganz verwandt, nament- lich an Rot. marimus anschliessend, so dass ihn Ehrenberg schlechtweg einen „Rotifer pedis apieulis 5.“ nennt, ist Actinurus doch das auffallendste aller von mir gesehenen Räderthiere, und * T. LX, VII. — 353 — scheint seit genanntem Forscher nur von Perty * beobachtet worden zu sein, dessen kurze und einzige Bemerkung: „dass die drei Spitzen am letzten Schwanzglied viel kürzer sind, als Ehren- berg sie zeichnet“ grundfalsch ist. Ich habe dieses Thierchen hinter der Sophienpflege mit Lem- naceen mehrmals und immer in mehreren Exemplaren gefunden und beiläufig Folgendes zu berichten: Dass die Ehrenberg’sche Zeichnung auf T. 61 richtig sei, will ich nicht behaupten, aber wenn sie nur den Fehler hätte, dass die drei Fussspitzen zu lang wären, wäre sie ganz gut, denn selbige sind auf der Zeichnung zu kurz, und nicht wie der Schweizer Untersucher will, zu lang; er scheint überhaupt einen Actinurus nie gesehen zu haben, trotzdem er, und ich kann sagen, eben weil er gegen die Verwechslung mit R. macrurus, E. warnt. Der Habitus ist viel schlanker als auf der citirten Zeich- nung; die Form rein spindelförmig; das dünne Hintertheil ver- schmälert sich nach und nach in einen enorm langen Fuss, der 11a —2mal so lang ist wie der Körper, die Körperlänge wie es gebührt und wie es Ehrenberg ausdrücklich verlangt, vom Kopf bis zum After gerechnet. Der Fuss theilt sich hinten in drei gleichwerthige und gleich- lange Gabelspitzen, die nicht in einer Ebene liegen, wie auf der Zeichnung; es liegen nur zwei in einer Ebene eng beisammen, und die dritte befindet sich unterhalb der beiden andern in der Mitte; alle drei biegen ihre Enden bogenförmig nach auswärts; wo alle drei zusammentreffen, sieht man eine scharfe dunkle Linie bis an’s Fussende gerade verlaufen. Ganz anders verhält es sich mit den „zwei Hörnchen“, welche etwas weiter nach vorn an der untern Seite des Fusses rechts und links abgehen. Sie bestehen dem Haupttheile nach aus einem cylindrischen Stück, auf das eine dünne Spitze auf- gesetzt ist, wie es auf der citirten Tafel nur in Fig. I, 1 an- nähernd richtig gezeichnet ist. Unter der scharf abgesetzten * Perty 1. c. p.,44. 'Württemb. naturw. Jahreshefte. 1870. 2tes u. 3tes Heft, 23 — 354 — Spitze sieht man ein fein granuläres Kügelchen, das eine gleiche Fortsetzung an die Basis des Hörnchens sendet, wo sich ein ähnliches grösseres Kügelchen befindet; der übrige Inhalt des Hörnchens ist dunkler, homogen, die Oberhaut zart und weich, das ganze Hörnchen in allen Richtungen beweglich. Diese Hörn- chen sind also von den drei Fussspitzen wesentlich verschieden, und ich trage kein Bedenken, sie als Tastorgane im Wesentlichen dem „Nackentaster“ gleich gebaut, anzusprechen. Ob die Spitzen der Hörnchen, wie der oft citirte Forscher sagt, einziehbar sind habe ich nicht beobachtet. Dass das fragliche Organ ein Tastorgan sein könne, scheint auch aus dem Verhalten des Thieres hervorzugehen. Schon Ehrenberg erfreute sich an dem „höchst auffallenden und er- götzlichen Ein- und Ausschieben des über alle Erwartung langen Fusses“, das etwa mit dem Hervorpressen eines Wasserstrahles verglichen werden könnte. Nun dient dieses Ein- und Ausschie- ben des Fusses nicht blos zur Ergötzung des Zuschauers, sondern zur Locomotion des Thieres, indem es die drei Spitzen des weit ausgestreckten Fusses anheftet und den Körper nachzieht und so rückwärts schreitet, oder es streckt die drei Fussspitzen nur so weit aus, um sie ausserhalb des Körpers zu befestigen und schiebt den Körper weit vor; in beiden Fällen kommt es rasch vom Flecke, und scheint sich der Tasthörnchen zur Orientirung zu bedienen. Eine dritte Art der Bewegung, die schwimmende, hat nichts Besonderes und geschieht wie bei den übrigen Philo- dineen mit eingezogenem Fusse. Die Oberhaut des eigentlichen Körpers ist bei jungen In- dividuen weiss, weich und contractil, — auf der Bauchseite tritt zuerst Verhärtung und Längsfaltung auf, was sich später auch auf den Rücken erstreckt. Bei alten Thieren erscheint die röth- liche Cuticula schraffirt oder chagrinirt, was von grubiger Be- schaffenheit der Oberfläche herrührt, wie bei dem letztbesproche- nen Rotifer maximus Sp. nov. Letztgenannter Forscher glaubte am Kopfende einmal zwei lippenförmige Fortsätze gesehen zu haben, ich sehe daran immer zwei Lippen, aber nur, wenn das Thier eine seitliche Lage einnimmt; die Lippen sind horizontal — 3555 — gestellte Lappen- oder Zungen-förmige, kurze, im Innern mit Wimpern besetzte Kopffortsätze Eigenthümlich sind auch die Kopfbewegungen des Thieres; es kann den Kopf nach allen Rich- tungen bewegen, als ob der Nacken eingelenkt wäre, und macht wirklich mitunter den Eindruck, als ob es leckend um sich grei- fen würde, wie schon Eichhorn bemerkte. Der Tractus ist von gewöhnlicher Form und Beschaffenheit; besonders merkwürdig scheint es Ehrenbery, dass die paarigen Zähne an ihrer Spitze convergiren; die feinen Leistchen sind sehr klar sichtbar, die Structur der Kiefer stimmt mit den übri- gen Philodineen überein. Excretionsblase, Kanäle und zahlreiche Flimmerorgane be- sonders an jungen Individuen deutlich zu sehen. Der Nackentaster ist von gewöhnlicher Form und Beschaf- fenheit; die Augen sind gross, kugelig, dunkelroth und lassen unter allen selbstbeobachteten Fällen die hervorstehenden weis- sen lichtbrechenden Körper am schönsten und deutlichsten er- kennen. Fam. 6. Loricata (F. nor.). Unter diesen Familiennamen stelle ich Ehrenberg’s Zuch- lanidota und Brachionaea, mit Ausnahme von Dinocharis, das schon früher eine Stelle gefunden hat. Schon Leydig fasste sie als zusammengehörig in eine Gruppe zusammen * mit der Ueberschrift: „Räderthiere mit zusammengedrückter Gestalt“. Auf Grund dieser Auffassung stellt Carus ** die Fam. Brachionea auf; ich wähle den von Ehrenberg zur Kennzeichnung ge- brauchten Namen „Loricata.“ Alle hergehörigen Arten haben einen stark ausgeprägten, harten Panzer, der von dem weichen Kopf und Fuss — wenn einer vorhanden ist — scharf abgeschieden ist; die Weichtheile sind in den festen Panzer wie die Extremitäten einer Schildkröte einziehbar. Wo bei früheren Familien oder Gattungen von harter Ober- fläche die Rede war, war es immer nur ein Theil der Ober- *1. c. p. 116. *]. c. p. 420, — 356 — haut, welcher chitinisirte und steif wurde und unmerklich in die weich gebliebenen Theile überging; so dass die einziehbaren Theile eigentlich nur eingestülpt werden konnten. Den Uebergang ver- mittelt z.B. Dinocharis E., wo der vordere Rand des Panzers scharf abgesetzt ist, während er sich hinten unverändert in den lang gegliederten Fuss fortsetzt. Der Panzer ist bei allen zusammengedrückt; die meisten haben stark entwickelte Zähne. Nach der Art der Zusammendrückung lassen sich mit Ley- dig * zwei Gruppen aufstellen: a) solche, bei denen der Körper von oben nach unten comprimirt ist und b) seitlich comprimirte. Weitere Unterabtheilungen ergeben sich von selbst. a. Körper von oben nach unten comprimirt. a) Mit einem Fuss. aa) Fuss endständig. Euchlanis, E. Der glatte Panzer ist oval, der Fuss gegliedert, gabelför- mig; ein Auge. E. triquetra, E. Diese Art ist von Leydig ** so ausführ- lich besprochen worden, dass ich kaum etwas zufügen könnte. Der Panzer ist, wie ich ebenfalls wahrnehme, ausser der Kopf- und Fussöffnung geschlossen. Magen und Darm flimmern in- wendig sehr stark und bewegen sich glockenförmig hin und her. Bei günstiger Focalstellung übersehe ich mit einem Male ausser der Excretionsblase und den Kanälen alle vier auf einer Seite liegenden Flimmerorgane. Die drei Seten am Fussende sehe ich ebenfalls deutlich, doch scheinen sie zwischen dem letzten und vorletzten Gliede eingefügt zu sein. Die Klebdrüsen sind gross und deutlich; an den Fussspitzen zeigt sich eine feine Einkerbung, — die Mündung der Drüsen. Diese Art gehört zu denjenigen Räderthierchen, bei welchen die Muskeln sehr schön quergestreift sind, was überhaupt bei dieser Familie nicht selten der Fall ist. RER, * 1]. c. p. 56—60. — 357 — Ende April vom Spitzberg in wenig Exemplaren. Die von Leydig besprochene hyaline Form kam mir An- fang April aus dem Deichentümpel vor dem Gutleuthaus in einem Exemplar zu Gesicht; alles weitere Suchen nach dieser schönen Form blieb erfolglos; ich halte sie nur für eine hyaline Form der E. triquetra, E., weil solche Abänderungen hier nichts Sel- tenes sind. E. dilatata, E. Der Panzer ist rundlich-oval, die Fuss- spitzen sind lang. Im Bau stimmt sie mit der vorigen überein. Der Panzer ist auch hier geschlossen. Der Kaumagen ist unten dreibuchtig; _ das Mittelstück der Kiefer oder das „Fulerum“ ist unten knopf- förmig verdickt, oben in breite Platten ausgehend; die Spitzen sind vierzähnig. Der Magen hat deutliche Leberzellen mit grossen Fetttropfen, im Innern wie im Darm lebhafte Flimmerung. Das Auge hat einen deutlichen lichtbrechenden Körper. Ende Mai im Neckardetritus. E. luna, E. kam mir sehr oft zu Gesicht; unterscheidet sich von ‚Monostyla cornuta E. auf den ersten Blick durch die zwei Querlinien auf dem hintern Körperende, welche Ehrenberg * für Gefässe deutet; in Wirklichkeit sind sie nur leistenförmige Erhebungen der Cuticula. Lepadella, E. Durch den Mangel der Augen ausgezeichnet. L. ovalis, E. sehr gemein. Metopidia, E. Unterscheidet sich von der früheren durch den Besitz von zwei Augen. M. Lepadella, E. nicht selten. M. acuminata, E. Der Panzer geht hinten in eine Spitze aus. An der Stirn hat diese Art einen hackenförmigen Fortsatz, den es eigenthümlich gebraucht. Es biegt diesen Hacken und *1.c.p.463. T. 57. — 358 — den Fuss nach unten und kriecht so auf Wasserpflanzen umher, wie es Gosse * abbildet. Am Mund hat es zwei lippenförmige Läppchen und sammelt mit diesen seine Nahrung vom Substrat. Der Panzer dieses Thierchens zeigt ein hübsches Farben- spiel, was wahrscheinlich in der grossen Zartheit der Chitin- lamelle seinen Grund hat. Squamella, E. soll sich nach Ehrenberg von Lepadella durch den Besitz von vier Augenpunkten unterscheiden. S. dractea, E. kam an mehreren Orten vor, doch von der Anwesenheit von vier Augen habe ich mich nicht überzeugen können; vielmehr erhielt ich immer ein solches Bild, wie das vom eitirten Autor auf T. 59, 16 _2 abgebildete. Stephanops, BE. Der Panzer ragt über den Kopf als schirm- förmiger Fortsatz, etwa wie der „Glorienschein“ gezeichnet wird. 7wei Augen und ein gegliederter Gabelfuss. St. Tamellaris, E. habe ich nur einmal vom Spitzberg ge- sehen. Die Bewegung ist gleichförmig, sehr rasch. Die zwei _ Augen zeigen sehr deutlich einen weissen, lichtbrechenden Körper. Brachionus, E. Der platte Panzer ist vorn wappenförmig gezackt. Der Fuss ist lang, geringelt, endigt in zwei kurze Spitzen. Ein Nackenauge. Die hergehörigen Thiere sind von Leydig** und Cohn ** sehr eingehend besprochen. Hier habe ich blos drei Arten in sehr wenig Exemplaren gefunden. In einem Sumpf im Dorfe Weiler traf ich Ende Mai Brachionus rubens, E. und pala, E. und in Mössingen ebenfalls um diese. Zeit Br. Backeri, E. Monostyla, E. Panzer eiförmig flach, mit einfachem endständigem Griffel- fuss. Ein Nackenauge. Aus dem Birkenseewasser habe ich einige M. quadridentata, E. gesehen; M. cornuta, E. habe ich häufig gefunden, doch nichts Besonderes bemerkt. "ne. Bl. XVL fg. 11. ar): eg. 2.0. —.,399 — &ß) Fuss bauchständig. Pterodina,E. Der sehr platte Panzer ist von runder oder ovaler Form; auf der Bauchseite des Körpers ragt ein griffelförmiger Fuss her- vor, der am freien Ende eine mit Cilien besetzte kegelförmige Aushöhlung zeigt. Pt. patina, E. Ist auch hier sehr gemein, wie bei Würz- burg, wo sie der Untersucher jener Fauna oft beobachtet und ausführlich besprochen hat. Perty fand sie in der Schweiz an vielen Orten. Pt. clypeata, EB. Soviel mir bekannt ist, wurde diese Art seit ihrem Autor nicht besprochen; ich habe sie hier im Weil- heimer Tümpel an Asellus aquaticus schmarotzend getroffen, was mich umsomehr wundert, weil E. von dem parasitischen Vor- kommen dieser Art nichts bemerkt. Dass dieses Vorkommen nicht ein zufälliges „Hängenbleiben“ war, beweist der Umstand, dass ich auf einem Asellus vier bis fünf Individuen gezählt, und sie an jedem, auf diesen Punkt untersuchten Asellus gefunden habe, während ich sie frei nie sah. Sie stimmt mit der Zeichnung ihres Begründers ziemlich überein, nur der Fuss scheint etwas länger zu sein. Die andern Unterschiede erklären sich leicht aus der Zeit, welche zwischen unseren Beobachtungen liegt und aus der ver- schiedenen Auffassungsweise. Die Körperform ist hier länglich-oval. Der flache Panzer ist fest, nur an einem (wahrscheinlich sehr jungen) Exemplar bemerkte ich starke Contraction; an der Bauchseite scheint er offen zu sein, wenigstens sieht man sehr deutlich zwei eingerollte Kanten, die auch bei Ehrenberg durch Striche angegeben sind. Das Cilienorgan ist von der gewöhnlichen Bildung; im In- nern lassen sich Cilien bis zum Kaumagen verfolgen. Breite, sehr schön quergestreifte Längsmuskeln ziehen das Cilienorgan ein. Der Kaumagen hat eine eigenthümliche dreilappige Form und Zähne, welche denen der Philodineen ‘ganz gleich gebaut sind; auf den halbkreisförmigen „Spitzen“ stehen viele feine Leist- chen und zwei starke Zähne. — 360 — Im Magen lassen sich die einzelnen Epithelialzellen mit wünschenswerther Schärfe und Deutlichkeit erkennen; die Flim- merung ist hier und im Darm leicht zu sehen. Die Magendrüsen sind plattgedrückt, lang, bandförmig. Eine Exeretionsblase konnte ich auch hier nicht auffinden, doch sah ich an einer hyalinen Form die Exeretionskanäle mit der grössten Präcisität, und zwar neben den eingerollten Panzer- kanten, parallel mit diesen der Länge nach den Körper durch- ziehend.. Kurze trompetenförmige Flimmerorgane sehe ich vier Paar, längs des Körpers an die Kanäle vertheilt. Bei der früheren Art konnte ich die Organe selbst nicht sehen, doch die Flimme- rung sah ich auch an vier Stellen im Knäuel der Exeretions- kanäle; diess lässt sich gut beobachten, wenn das Thier den scheintodten Zustand annimmt. Die kugeligen Augen haben auch hier, wie bei der früheren Art, sehr grosse weisse lichtbrechende Körper. In den Fuss ziehen, ausser den starken Klebdrüsen, viele Muskelparthien. b. Ohne Fuss. Anuraea, E. Körper platt, länglich, vorn abgestutzt und zackig, hinten ver- engt, oder abgerundet, abgeplattet. EinNackenauge. Fussfehlt ganz. A. acuminata, E. wird von Ehrenberg * für die „ergie- bigste gehalten für die Kenntniss der Organisation“ und kam mir Ende April in Menge aus dem Deichentümpel gegen Lustnau zu Gesicht. Unter diesen fanden sich mitunter ganz hyaline Exemplare, wo ich den innern Bau mit wünschenswerther Klar- heit beobachten konnte. Der mit zweizahnigen Kiefern bewaffnete Kaumagen ist durch einen kurzen Schlund mit dem Magen verbunden, der nicht ein- fach ist, wie es genannter Beobachter will, sondern vom Darm durch eine Einschnürung sich sondert; der Darm mündet in den dorsal gelegenen After. Genannter Autor hat auch die Excretionsblase, Kanäle und * p. 506. a lol Flimmerorgane gesehen und nach seiner Weise gedeutet. Doch hat er nur vier „Kiemen“ bemerkt, während ich deren sechs sehe, womit nicht gesagt sein soll, dass es überhaupt nur sechs Flimmerorgane gebe. A. striata, E. Müller und Ehrenberg haben diese Art zuerst in Salzwasser entdeckt, und als sie von letzterem * bei Berlin wieder gefunden wurde, war es ihm „sehr auffallend*; bei Würzburg wurde sie nicht beobachtet, während sie Perty aus der Schweiz oft meldet; hier habe ich sie Ende April und Anfang Mai oft gesehen. Ehrenberg gibt an, dass die Form des Panzers sehr schwanke; hier habe ich ausser vielen, mit sei- ner Zeichnung übereinstimmenden Exemplaren einige gefunden (Waldhäuser Höhe), welche nur 2/3 der ursprünglichen Länge hatten und um vieles breiter waren, so dass sie im Ganzen ge- nommen fast halbkreisförmig aussahen; auch hatten sie am Pan- zer statt sechs Spitzen deren zwölf. Die innere Organisation war bei allen gleich und stimmt mit der früheren Art überein. Es finden sich auch hier hyaline Exemplare, wo man das Innere besonders deutlich sehen kann. Flimmerorgane habe ich hier mit Bestimmtheit nur, zwei Paar wahrgenommen. Auf dem Kopfe sehe ich einen mit feinen Ci- lien besetzten Taster. A. aculeata, E. valga, E. Die Form des Panzers ist läng- lich-viereckig mit sechs Spitzen am vorderen Ende, darunter die zwei mittleren länger sind; am hintern Ende sind zwei Spitzen, die bei der ersteren Art gleich-, bei der letztern ungleich lang sein sollen. Die Oberfläche ist auf dem Rücken rauh, gefeldert, auf dem Bauche glatt. Leydig ** beschreibt den oft gefundenen leeren Panzer einer Anuraea, die auf keine der von Ehrenberg gekennzeichneten passen will, weil der Panzer glatt ist, und die zwei vordern mittleren Spitzen nach aufwärts gebogen sind. Ich habe hier alle drei besprochenen Formen von verschiedenen Lokalitäten auf’s SE2cı p.50B. 22 c2psb8 aba er Objectglas bekommen und ich halte es für wahrscheinlich, dass alle drei einer und derselben Art angehören. Der vom letzt- genannten Forscher beschriebene leere Panzer gehört der A. acu- leata, E. an, weil die Rauheit und die Felderung des Rückens nach dem Tode des Thieres nach und nach schwinden und der Panzer ganz glatt und durchsichtig wird, und weil sich bei die- ser Gelegenheit auch die Panzerspitzen bald nach ein- bald nach auswärts krümmen, wie man es direct beobachten kann. Ob zwischen den zwei oben genannten Formen ein specifi- scher Unterschied herrsche, ist mir nicht klar geworden, denn der Form und der Organisation nach stimmen sie vollkommen überein, ausgenommen das Varliren der hintern linken Panzer- spitze; ich habe auch solche Exemplare gesehen, wo sie ganz fehlte. Ob dies ein hinreichender Grund sei, beide Formen zu Arten zu stempeln, muss ich stark bezweifeln. Kiefer, Magen, Magendrüsen und Darm sind ganz gleich. Excretionsblase und Kanäle lassen sich an hyalinen Formen leicht beobachten; Flimmerorgane sehe ich auch hier nur zwei Paar. Beide haben einen gleichen Nackentaster und ein länglich- ovales Auge. c. Körper seitlich comprimirt. Salpina, E. Der prismatische, an den Seiten gewölbte Panzer hat auf dem Rücken eine bis zwei Längsleisten und endigt vorn und hin- ten in Spitzen. Gabelfuss, ein Auge. An $. mucronata, E., welche ich öfters zu Gesicht bekam, sah ich im Nackenauge deutlich zwei nebeneinander stehende, lichtbrechende weisse Körper. S. brevispina, E. aus dem Altwasser unter dem Steinriegel hinter Bebenhausen liess die Excretionsblase und drei Paar Flim- merorgane deutlich erkennen (vor dem Auge, neben dem Magen und hinten). “ Colurus E. Unterscheidet sich von der früheren Art hauptsächlich durch zwei Augen. Der seitlich comprimirte Panzer geht vorn in eine Spitze aus, EL An C. bicuspidatus, E. aus dem Ammerthale neben der Stadt her, habe ich ausser der deutlich sichtbaren Exceretionsblase nichts weiteres bemerkt. II. Gasterodela. Fam. 7. Ascomorpha Perty. Körper kurz, ceylindrisch, vorn abgestutzt, hinten abgerundet. Darm und After fehlen. Ein Nackenauge. Perty * beschrieb eine Art als Ascomorpha helvetica und Leydig ** eine zweite als A. germanica Ldg. Ich finde auf dem Spitzberg ein kleines Räderthierchen, das ich nur hier un- terbringen kann; freilich muss ich dabei annehmen, dass die Be- obachtung und Beschreibung des Autors dieses Genus höchst un- genau ist; denn wenn dies nicht der Fall wäre, hätten wir es hier mit einer neuen, eigenthümlichen Gattung zu thun. Die Form des Körpers ist länglich-oval, fast Feldflaschen- ähnlich; auf dem Rücken sieht man zwei scharfe, nach hinten etwas convergirende Längsleisten; bei seitlicher Lage erscheint auf jeder Seite noch eine Längsleiste, so dass der Panzer aus vier schildförmigen Platten zusammengesetzt ist; wo sich die Platten berühren, bilden sie eine hervorragende Längsleiste. Nach vorn zu ist ein kleiner Theil der festen Körperhülle etwas wei- cher und biegsam, zieht sich faltig, kragenförmig zusammen. Das hintere Körperende ist etwas abgeplattet. Der Kopf trägt ein einfaches farbloses Cilienorgan und hat auf der mittleren obern Seite einen lippenförmigen Fortsatz und hie und da längere Cilien. Die einzelnen Glieder des Kauapparates sind zu sehr zarten, aber langen Chitinstäben verschmolzen. Der Magen ist höchst auffallend gebaut; er ist nämlich aus einzelnen kugelförmigen Theilen lappig zusammengesetzt, so dass er das Aussehen einer acinösen Drüse hat; zeigt stellenweise deutlich eine zellige Structur und Flimmerung; vorn bemerkt man cp. 39: Zee D 44. 302 einen anders gefärbten, mehr granulären Lappen, die Bauch- speicheldrüse. Von einem Darm oder After ist nichts zu sehen; der verdaute Nahrungsstoff ballt sich mitten im lappigen Magen zu einer dunkeln Masse zusammen, aber das wahrscheinliche Aus- leeren desselben durch den Mund konnte ich nicht beobachten, trotz langer, darauf gerichteter Aufmerksamkeit. Die ganz hinten etwas dorsal gelegene Excretionsblase, welche sich pausenweise rhythmisch contrahirt, mündet hinten zwischen zwei wulstförmigen Verdickungen der Cuticula nach aussen. In der Nähe der Blase sah ich an zwei Stellen die Bewegung der Flimmerorgane, Der über dem Schlundkopf gelegene Augenfleck ist scharf contourirt und hellroth. Höchst auffallend sind die Bewegungen dieses kleinen Thier- chens. Bald bleibt es ruhig auf einem Fleck und lässt die Ci- lien spielen, bald ist das Cilienspiel so heftig, dass das ganze Thierchen zittert, plötzlich schiesst es schnell fort, ohne sonstige Nebenbewegung, oder es rotirt zugleich um seine Längsaxe; dann bleibt es wieder auf einem Fleck, rotirt aber um die Längsaxe oder um die horizontale oder vertikale Queraxe; auch sieht man es oft auf einen gewissen Ort mehrmal zurückkehren. Dieser mannigfaltigen Bewegungen halber mag dieses Thierchen den Namen Ascomorpha saltans Spec. nov. führen. Ueber das Vorkommen der Canthariden in Württemberg. Von Apoth. Finkh in Stuttgart. Die Illustrirten Monatshefte von Westermann (Jahrgang 1869, 4 und 5) enthalten einen grösseren Aufsatz über die Wan- derungen niederer Thiere, worunter auch mit einigen Worten die Canthariden Erwähnung finden. Bei dem bedeutenden Interesse und Werthe, den die Can- thariden im Handel und in medic. Beziehung haben, erlaube ich mir, einige Bemerkungen über das Vorkommen derselben in Würt- temberg zu veröffentlichen, und den Wunsch daran zu knüpfen, es möchten auch von andern Collegen, welchen Gelegenheit dazu geboten ist, ihre Beobachtungen über das Vorkommen derselben zur Mittheilung gebracht werden. Das Vorkommen von Canthariden im Neckarthale hatte ich häufig Gelegenheit zu beobachten; im Jahr 1842 waren dieselben in der nächsten Umgebung von Heilbronn in grosser, Menge er- schienen; die Syringen-Sträuche in den schönen Privatgärten der Stadt waren mehrere Tage zahlreich von denselben besetzt, und ich selbst habe in einem solchen im Zeitraum von einer Viertel- stunde durch Abklopfen auf unterlegte Tücher einige Pfund lebende Canthariden erhalten, wie denn damals sehr viele der- selben von Leuten der Umgegend in kleineren und grösseren Parthien in die Stadt zu Kauf gebracht wurden. Dergleichen Canthariden sind bei sorgfältigem Tödten und Trocknen schöner im Aussehen, als die im Handel vorkommende ungarische und russische, und werden desshalb auch immer etwas besser bezahlt. — 366 — Auch in den darauf folgenden Jahren zeigten sich dieselben in Heilbronns Umgebung, sowie bei Neckarsulm und insbesondere bei Gundelsheim, Wimpfen u. s. w. bald in grösserer, bald in ge- ringerer Anzahl. Seit meinem Aufenthalt in Stuttgart kamen dieselben in der Umgegend von Stuttgart sowohl als auf den Fildern fast jedes Jahr vor, insbesonders war es das Jahr 1853, in welchem die- selben sehr zahlreich erschienen sind; ich kaufte im Hause so- wohl als auf dem Wochen-Markte in wenigen Wochen über 20 Pfund getrocknete Canthariden. Nach einer von mir ange- ‚ stellten Wägung kamen auf das Pfund etwa 4000 Stück, was einer Gesammtzahl von etwa 80,000 Stücken entsprechen würde; da in den andern hiesigen Apotheken sowohl als in den Material- waarenhandlungen auch grössere Quantitäten gekauft wurden, so lässt sich daraus ein Schluss ziehen, in welcher Menge diese In- secten damals in hiesiger Umgebung sich eingefunden haben mögen, wovon zuverlässig nur der kleinste Theil gesammelt wurde, da sich nur wenige Leute mit dem Einsammeln derselben be- schäftigt haben. In den letzten zehn Jahren kam es einigemal vor, dass die Canthariden häufiger sich zeigten, so z. B. in den Jahren 1866, 1868 und 1869, wenn auch nicht in der Menge wie 1853, doch jedenfalls so viele, dass ich meinen Bedarf an solchen schon seit mehreren Jahren ganz oder theilweise mit inländischen deckte, und nur ausnahmsweise russische oder ungarische zu kaufen ver- anlasst war. Aber nicht blos im Unterlande beobachtete ich das Vor- kommen dieser Coleopteren; in dem Jahre 1837 fand ich eines Tags in der nächsten Nähe der Stadt Biberach ein Haag mit einer Unzahl derselben ganz überdeckt; den darauffolgenden Tag waren aber bis auf einige Nachzügler sämmtliche verschwunden. Hier wirft sich die Frage auf, kommen diese Insekten in unserem Lande zur Entwicklung, oder sind dergl. grosse Schwärme blos auf einer Wanderung begriffen; woher kommen und wohin ziehen solche? Ich habe während meines Aufenthalts in Strassburg in den — 367 — 30er Jahren unter Leitung des Prof. der Botanik Kirschleger daselbst mehrere Excursionen in der Gegend Strassburg’s mit- gemacht, und fiel mir besonders in der Nähe des sog. kleinen Rhein’s die Menge der auf Fraxinus und Ligustrum vorkommen- den Canthariden auf, wozu Herr Prof. Kirschleger die Bemer- kung machte, dass dies jedes Jahr im Elsass und der Pfalz der Fall sei. Es scheint mir nun nicht unwahrscheinlich zu sein, dass die bei uns vorkommenden Canthariden hauptsächlich von dort aus auf der Wanderung zu uns kommen, wobei sich freilich die wei- tere Frage aufwirft, wie viele Tage dauert dieselbe, und wo hört das Ziel derselben auf? Da sich unter den bei uns zur Beob- achtung kommenden Canthariden auch immer viele in der Be- gattung begriffene Exemplare befinden, so lässt sich allerdings annehmen, dass auch in Württemberg diese Insekten zur Aus- bildung kommen, gewiss aber nicht im der Menge, wie sie sich bei solchen Wanderungen zeigt, zumal deren Vorkommen bald bedeutend, bald sehr gering und, was ich beiläufig bemerke, nicht immer gerade mit heissen Jahrgängen verbunden ist. Ich schliesse mit der Bemerkung, dass ich im Remsthale Canthariden nie in grösserer Anzahl beobachtet habe, und mit dem Wunsche, weitere Beobachtungen über das Vorkommen der- selben möchten der verehrl. Redaction zur Zusammenstellung und Veröffentlichung mitgetheilt werden. Ausgegeben im Oktober 1870, Neu eingetretenen Mitgliedern, welche die Jahreshefte zu completiren wünschen, offerire ich, soweit der geringe Vorrath reicht, Jahrgang 1845—1852 af. 1.0308 R 1853— 1858, 1861—1869 af.2. — (die Jahrgänge 1859, 1860 sind bis auf wenige Exemplare vergriffen). Ein completes Exemplar 1845—1870 statt fl. 88. 36 zu fl. 40. — Bei Abnahme einer grösseren Reihe von Jahrgängen tritt ein billigerer Preis ein. Etwaige Anfragen bittet man an die unterzeichnete Ver- lagshandlung zu richten. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch). Württerab. Naturwiss. Jahreshefte, Jahrg, AROMEN. ıL- * . f Aa V m Y3 ae Druob r . Fereie; Seuzegareı Colobus grandävus Fig1. Parasorex none Fie2-10. Araphicpn zcajor #ig 1112. Trochotheruum eyamsides Pig 13,1% Iura duba HESS, Yalstoni Pig.18 Virerra Steinheimensis Fig16 17. M A A ” h > z [4 Zu a Württemb. Naturwiss, Jahreshefte, Jahrg. XXVI 1870. Tabıy. ge u Ich o Huzcker Druck o C Henker Seuagare Mastodon arvernensis Fig]. Myogalus Meyerı Fig 2-16, Griostodon minor Big 17. Whutterab. Naturwiss Jahreshefte, Jahrg YXVI, 1870 Taf. VI. per. u Ark. o, Hasche. Druck u € Herder Sauger, Rhinooeros minus Fig Lab. 10. Rlı sansaniensis Fig 2.49. Rh brachypus Fig 3.5.7. 8.11. Rh incisivus Fig 6. Nürttermb.Naturwiss Jahreshefte. Jahrg ZAVI, 1870 Taf. I gu Ei.o Hacke, Druck u L Honeler, Seuttgare Rhinoceros meistwus F3g.1.6.9. Rh brachypus Fig 2.4 5.8.1.12. Rh sansanıeneis Fig. 3. 7.10. Paloelodus steinheimensis Rg13 Ardea similis Fi614 en a > Württerno. Naturwiss. Jahreshefte, Jahrg. XXL 1870 Taf VII ger u ich » Aucckr Druck u ( inzler Suutzgare Choeropotamus Steinheimensis Fiß1-4.12.13. Tapirus suevious Big 5-7. Chalicothernum antiquum Fig 8-11. NE a Te Tat! IX. Drucke & Henze, Anchitherium aurelianense Fig 1-18, Taf.X. Druck v CHmzler, Stuüigart Hyaemoschus crassus. WUTLOMDONaTUrWISS Jahreshatte, Jahrg. XXVL 87V: Tat XL se—__ 1% ger u. fh.» Haecker. Druck ©. OHenzler, Stuttgart . Ceryus Palaeomeryx furcatus Fig. 1-14 21-23. 0. eminens. Fig. 15-17. 22. C (Mieromeryx) Flourensianus Fis. 18-20. 24. Württemb.Naturwiss.Jahreshefte, Jahrg XXVT 1870 Taf. XII. gezuldho Hacker DruckvCHenzler, Stuttgart: Cervus ‚(Falaeomeryx) eminens Fig. 1-7. O.fürcatus Fig 8.9. ger. ulithın Hascker Druck v CHenzler, Stuttgart Anas ataya Fig. 1. A oygniformis Fig 2. Pelecanus intermedius Fig, 3.4. Paloelodus gracilipes Fig 5-8. nn —Z=$ N N N NN N