< IsT-V ;> • vi / *> Ä£ -****# r m >-i HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. m V\x^u^C^\ •^ v\ cv J 11 H JAHRESHEFTE . des Vereins für vaterländische Naturkunde Württemberg. Im Auftrag der Redaktionskommission: Prof. Dr. Eb. Fraas, Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert, Prof. Dr. A. Schmidt herausgegeben von Kustos J. Eichler. SECHSUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG. Mit 9 Tafeln. --M—J-- ' Stuttgart. Druck der Hof buchdruckerei Zu Gutenberg (Carl Grüninger). 1900. L =,— * „- JAHRESHEFTE des Vereins für vaterländische Naturkunde Württemberg. Im Auftrag der Redaktionskommission : Prof. Dr. Eb. Fraas, Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert, Prof. Dr. A. Schmidt herausgegeben von Kustos J. Eichler. SECHSUNDFUNFZIGSTER JAHRGANG. Mit 9 Tafeln. Stuttgart. Druck der Hofbuckdrnckerei Zu Ghitenberg (Carl Grüninger). 1900. AUG 2 9 1900 I n h a 1 1. I Geschäftliche Angelegenheiten des Vereins. Htricht über die 54. Generalversammlung am 24. Juni 1899 in Heidenheim. S. 1. Wahl des Vorstandes und des Ausschusses. S. II. Verzeichnis der Vorträge bei der Generalversammlung. S. IV. Verzeichnis der Zugäuge zu den Vereiussammlungen während des Jahres L899. A Zoologische Sammlung. S. VI. B. Botanische Sammlung. S. X. G Mineralogiscb-palaeontologische Sammlung. S. XI. D. Vereinsbibliothek. S. XIII. Rechnungsabschluss für das Vereinsjahr 1. Juli 3898/99. S. XX1I1. Antwort auf das Gesuch des Vereins an den Deutschen Reichstag um Abänderung des Reichsgesetzes über Vogelschutz vom 22. März 1888. S. XXVI Rettich, A.: Dr. Alfred Lenze. S. XXVII. II. Sitzungsberichte. I. Generalversammlung in Heidenheim. Kirchner: über die kernlose Mispel. S. XXXi. 2. Wissenschaftliche Abende des Vereines in Stuttgart. Sitzung am 18. Mai 1899. II opf: Eine neue morphologische Deutung der mehrzelligen Geschöpfe mit Einschluss des Menschen. S. XXXIII. Ausflug nach Hohenheim am 17. Juni 1899. Mack: Merkwürdig geformte Hagelwolken. S XXXV. Sitzung am 12. Oktober 1899. Klunzinger: Die physikalischen, chemischen und biologischen Ursachen der Farben unserer Gewässer und über den grünen Stuttgarter Feuersee insbesondere. S. XXXVII. Sitzung am 10. November 1899. Kauffmaun: Beziehungen zwischen strahlender Energie und chemische! Verwandtschaft. S. XXXIX. Sitzung am 14. Dezember 1899. Vosseier: Vorzeigung von Pilzen auf Insekten. S. XU. I\ Inhalt. Graner Der geologische Bau and die Bewaldung dea deutsche! Landes. (Titel. S. M.l. Sitzung am 1 1 . Januar 1900. Scheurlen: Vorzeigung einer Sasenlunge mil Strongylua comtnutatus nnd von Milzbrandkulturen. S, XLII. über Abwasserreinigung. S. Xl.ll. Gmelin: Über Digitaliswirkungen. S. X 1.1 II Sitzung am 8. Februar 1900. AI ack Die Bekämpfung des Hagels dnrcb 'las sogenannte Wetterscbessen. (Titel S. XI. IV. Fraas: Vorzeigung einiger neueren palaeontologiscben Funde ;tn^ den schwäbischen Formationen. S. XLIV. Sitzung am 21. März 1900. Schmidt, A.: Neuentdeckte Beziehungen des Mondes zum Wetter. S. XLV. M eyer, L. : Die Abschwächung der Hagelgefahr durch den Wald. Sj XI. VI I. :i. Ob er seh \\ räbi scher Zwe Lg verein fii r vaterländische Naturkunde. \ ersammlung zu Ulm am 26. April 1899. Hölzer; Anthropologische Probleme. S. XI. IX. Selber: Die Rassen Deutsch -Neu -Guineas und des Bismarckirchipels. S. L. Haas: Die Jungfraubahn. S. !.. Ausflug nach Ochsenhausen am 6. Juli L899. S. LI. Versammlung zu Schussenried am 30. November 1899. Beck: Hygieinische Winke beim Bau des Wohnhauses. 8. LI II. Hochstetter: Die v. Schwarz'sche Hypothese zur Erklärung der Sint- flutberichte. S. LIII. Hauptversammlung zu Aulendorf am 2. Februar 1900. Lampert: Die deutsche Tiefseeexpedition der .Valdivia". S. UV. 4. Schwarzwälder Zweigverein für vaterländische Naturkunde. Versammlung zu Nagold am 7. Mai 1899. Hesse: Über heimische Strudelwürmer. S. LV. Blochmann: Wanderungen der Blattläuse. 8. I.V. Grützner: Über stereoskopisches Sehen. S. LV. Koken: Die Entstehungsgeschichte des Schwarzwaldes. S. LVI. Versammlung zu Tübingen am 21. Dezember 1899. Blochmann: Über die Entstehung der Drohnen bei der Honigbiene, S. I.VII. Koken: Die Gliederung und Lagerung des Diluviums bei Kochendorf. S. LIX. G.rützner: Vorführung physiologischer Experimente. S. LX. III. Original-Abhandlungen und Mitteilungen. Wnlfing., E. A: Untersuchung des bunten Mergels der Keuperformatiön auf seine chemischen und mineralogischen Bestandteile. S. 1 — 46. Fraas, E.: l>er geologische Aufbau des Steinheimer Beckens. (Mit 2 Text- figuren.) S. 47—59. [nhalt. \ Bachner, 0.: Beiträge zur Formenkenntnis der einheimischen Anodonten, mit besonderer Berücksichtigung der württembergischen Vorkommnisse. Mil 1 Tafeln a. I Textfigur. S. 60 223. Büchner, 0.: Nachträge zur Revision der Varietäten von Helix pomatia I. (Mit, I Tafel.) S 224 237. Engel: Zwei wiedereröffnete Fundplätze liii die Grenzschichten der schwäbischen Trias-Lias-Formation. S. 238—244. Schäffer, »'.: Über württembergische Collembola. (.Mit, 1 Tafel.) S. 2-\^ 280 Geyer: Beiträge zur Bfollnskenfauna Württembergs. S. 281 — 301. Graner: Der geologische Bau and die Bewaldung des deutschen Landes S. 302 346. Kirchner, <•.: Mitteilungen über die Bestäubungseinrichtungen der Blüten. I S. 347-384. .Miller. Konrad: Die Schneckenfauna des Steinheimer Obermiocäns. (MitlTaf.) g< 385—406. Hüeber, Th.: Synopsis dir deutschen Blindwanzen (Hemiptera heteroptera, Kam. Capsidae). V. Teil. S. 407-469. Mark. K. : Die Bekämpfung des Hagels durch das sogenannte Wetterschiessen S. 47(1—48:5. Gugenhan: Beitrag zur Bestimmung der früheren Ausdehnung der Flussthäler der schwäbischen Alb. (Mit 11 Textfiguren.) S. 484—497. Holland, Fr.: Über alpine Formenreihen von Psiloceras aus Schwaben. (Mii 2 Tafeln u. 2 Textfiguren.) S. 498—509. Fr aas, E. : Zanclodon Schützii n. sp. Aus dem Trigonodusdolomil von Hall. Mit 2 Textligiiren.) 8. 510—513. Engel: Die Gartenflüchtlinge unserer heimischen Flora. 8. 514 — 518. Klunzinger, 0. B. : Über Zwergrassen bei Fischen und bei Felchen insbeson- dere. S. 519—532. Schmidt, A.: Bericht der Erdbeben-Kommission über die vom 1. März 1899 bis L. .März 1900 in Württemberg und Hohenzollern beobachteten Erdbeben. S. 533—536. Bericht der Kommission für die pflanzengeographische Durchforschung Württem- bergs und Hohenzollerns. 8. 537 541. I. Geschäftliche Angelegenheiten des Vereins. Bericht über die vierundfüiifzigste (ieneralversamnilung am 24. Juni 1899 in Heidenheim. Schon der Vorabend hatte eine grössere Anzahl der zur Ver- sammlung erschienenen Vereinsmitglieder, die tagsüber Exkursionen in der Umgebung von Wasserairingen, im Quellgebiet der Brenz und im Aalbuch ausgeführt hatten, zu gemütlicher Begrüssung und Be- sprechung mit den Heidenheimer Freunden im „Ochsen" vereint. Der Morgen des Johannistages lockte noch vor Beginn der Ver- sammlung viele hinauf auf den stattlichen Hellenstein zum Genuss des schönen Kundblickes, während andere die kurze Frist zur Be- sichtigung der Stadt und einiger grösseren gewerblichen Anlagen benützten. Nach 8 Uhr sammelten sich allmählich die Vereinsmitglieder und Gäste in der schön geschmückten Turnhalle, an deren Wänden reichhaltige und lehrreiche naturwissenschaftliche Sammlungen aus der weiteren Umgebung Heidenheims Aufstellung gefunden hatten. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein von Prof. Gaus im natür- lichen Massstab und aus dem Schichtenmaterial selbst ausgeführtes Profil durch die Steinheimer Schneckensande, während die geo- logischen und palaeontologischen Verhältnisse des Gebietes durch die z. T. reichhaltigen Sammlungen der Herren Schullehrer Wagner von Sontheim, Gipsermeister Hosp von Giengen a. Br., Schmiede- meister Zeih er von Bolheim , Mechaniker Lippert von Gmünd und Schultheiss Maier von Nattheim zur Anschauung gebracht wurden. Die Funde in der Charlottenhöhle bei Hürben waren von Schultheiss Kost und Gemeindepfleger Beutter von Hürben aus- gestellt worden, während die Stadtgemeinde Giengen a. Br. eine übersichtliche Zusammenstellung der Funde aus der Irpfelhöhle ge- liefert hatte. — Das Pflanzenreich war nach verschiedenen Richtungen Jahrcsheite U. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. ;i - II — hin vertreten. Oberförster Dr. Schinzingei von Bolheim hatte anter dem Titel „Die Hölzer eines Albreviers" 41 Holzarten des Reviers Bolheim in gefalliger Weise zusammengestellt. Schullehrer Wächter von Essingen hatte eine Sammlung von Moosen, Pilzen und Flechten neben einer Reihe von farbig ausgeführten Abbildungen einheimischer Schwämme ausgelegt. In origineller Weise hatte Gipsermeister Hosp von Giengen eine ganze Wandfläche mit Hunderten von Baumschwämmen verschiedener Art und Form dekoriert und eine Anzahl von ihm selbst ausgeführter hübscher Schnitzereien aus Wurzelkröpfen ausgestellt, während Oberpräzeptor Dr. Ziegler eine Anzahl lebender Pflanzen aus der Nachbarschaft aufgestellt hatte. - Von zoologischen Sammlungen war bemerkens- wert die des Herrn Schullehrers Löffler, welche die verschiedenen durch Temperaturerhöhung und Temperaturerniedrigung künstlich hervorgebrachten Aberrationen von Trauermantel, Schillerfalter und kleinem Fuchs zeigte ; ausserdem hatte derselbe# Herr einen Zwitter des Aurorafalters aufgestellt, der ebenso wie ein von Herrn Apotheker Riss -Giengen ausgestellter Halbzwitter derselben Art von den beiden Ausstellern in liebenswürdigster Weise der Vereinssammlung zum Geschenk gemacht wurde. Ferner hatte Herr Oberlehrer Müller-Heidenheim eine Sammlung teils einheimischer, teils exotischer Käfer, und im Verein mit Herrn Hilfspräparator Fischer- Stuttgart eine Anzahl lebender Wassertiere zur Aufstellung gebracht. Um 9^2 Uhr eröffnete der Vereinsvorstand Herr Prof. Dr. 0. Kirchner-Hohenheim die Versammlung, die zunächst von dem Geschäftsführer Prof. Gaus und sodann im Namen der Stadt Heiden- heim von Herrn Kommerzienrat Voith als Vertreter des erkrankten Stadtvorstandes mit warmen Worten begrüsst und willkommen ge- heissen wurde. Nachdem der Vorsitzende den Dank der Versamm- lung hierfür zum Ausdruck gebracht hatte, verlas der mit der Führung der Vereinsgeschäfte betraute zweite Vorstand Prof. Dr. K. Lampert den Rechenschaftsbericht für das Vereinsjahr 1898/99 und stattete den Personen, welche sich im abgelaufenen Vereinsjahr durch Schenkungen um die Vereinssammlungen verdient gemacht hatten, den besonderen Dank des Vereins ab. Sodann erfolgte die Wahl des Vorstandes und des Ausschusses. Der seitherige erste Vorstand Prof. Dr. Kirchner-Hohenheim legte nach dreijähriger Amtsführung, für die ihm der Verein seinen - 111 — lebhaften Dank bekundete, gemäss § 11 der Vereinsstatuten sein Amt nieder und es wurden nunmehr gewählt als erster Vorstand: Prof. Dr. Klunzinger-Stuttgart, als zweiter Vorstand (wie bisher): Prof. Dr. Lamp er t- Stuttgart. In den Ausschuss wurden gewählt die Herren: Bergratsdirektor Dr. K. v. B au r- Stuttgart, Prof. Dr. H. H e 1 1 - Stuttgart, Prof. Dr. 0. Kirchner-Hohenheim, Prof. Dr. A. Leuze -Stuttgart (t 6. September 1899), Geh. Hofrat Prof. Dr. 0. Schmidt- Stuttgart. Sanitätsrat Dr. W. S t e u d e 1 - Stuttgart, Dr. C. Beck-Stuttgart, Präsident A. v. D o r r e r - Stuttgart, Prof. Dr. A. Schmidt- Stuttgart, Prof. Dr. A. Si gel -Stuttgart. Als Kustoden der Sammlung fungieren (und sind als solche Mitglieder des Ausschusses) : an der zoologischen Sammlung: Prof. Dr. Lamp er t, „ „ mineralogisch-palaeontologischen Sammlung: Prof. Dr. E. Fr aas, „ „ botanischen Sammlung: Kustos J. Eich ler. Vom Ausschuss wurden statutengemäss später gewählt als S ekretär e: Prof. Dr. A. Schmidt, Prof. Dr. E. Fr aas: als Bibliothekar: Kustos J. Eichler; als Kassier: Dr. C. Beck: als Rechnungsprüfer: Hofrat Ch. C 1 es s ler- Stuttgart. Die Redaktionskommission besteht aus den Herren: Prof. Dr. E. Fr aas, Prof. Dr. C. Hell. Prof. Dr. 0. Kirchner, 1 'rof . Dr. K . La m p e r t , Prof. Dr. Aug. Schmidt. IV — Als Ort der nächstjährigen Generalversammlung wurde Gmünd bestimmt Nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten begannen die Vorträge, Mitteilungen und Demonstrationen. Zunächst sprach Prof. Dr. E. Fraas über den geologischen Aufbau des Steinheimer Beckens (vergl. S. 47 — 59). Daran an- schliessend besprach Prof. Dr. K. Miller die Schneckenfauna des Steinheimer Obermiocäns (vergl. S. 385 — 406). Sodann demon- strierte Prof. Dr. K. Lampert einige von Hilfspräparator Fischer und Oberlehrer Müller ausgestellte interessante Wassertiere aus der Umgegend von Heidenheim und besprach insbesondere die auch aus der Ulmer Gegend bekannte Wasserspinne, die sich unter Wasser an und zwischen Wasserpflanzen eine Luftglocke baut, die ihr zur Wohnung und zur Ablage ihrer Eier dient; ferner die in Württem- berg seltene, lebendig gebärende Sumpfschnecke (Paludina irivipara), die Hülsenwürmer (Phryganeen) und die Süsswasserschwämme. Prof. Dr. 0. Kirchner machte Mitteilungen über die kernlose Mispel (vergl. S. XXXI) und Stadtpfarrer Dr. R. Grad mann erstattete Be- richt über die seitherige Arbeit der vom Verein eingesetzten Kom- mission für planmässige pflanzengeographische Durchforschung Würt- tembergs (vergl. S. 537). Nach einer kurzen Pause sprachen: Prof. Dr. B. Klunzinger über Zwergformen bei Fischen i vergl. S. 519); Prof. Dr. A. Leuze über einige mineralogische Vorkomm- nisse Württembergs, nämlich 1. Anhydrit von Wilhelmsglück, und 2. eine Druse mit Piiesenkrystallen von Gips aus Untertürkln-im (vergl. Ber. ü. d. 32. Versammlung des Oberrhein, geolog. Vereins zu Marburg 1899); Pfarrer Dr. Engel über Grenzschichten von Trias und Lias (vergl. S. 238 — 244); Lehrer Löffle r über die von ihm seit einer Pieihe von Jahren beobachteten Aberrationen bei Schmetterlingen durch Temperaturabänderungen, die besonders über- raschend beim Schillerfalter waren, bei dem infolge der Einwirkung von Kälte die weissen Flecke und Bänder nicht zur Entwickelung kamen. Prof. Dr. Vosseier wies, an den Vorredner anknüpfend, auf die in neuerer Zeit vielfach und mit grosser Sorgfalt angestellten Versuche in der angegebenen Pachtung hin und demonstrierte einige bemerkenswerte in der Natur gefangene Varietäten und Zwitter au« der Vereinssammlung, und zum Schluss besprach noch Dr. Leube eine in Osterreich zum Verkauf kommende monatliche Wetter- prognose, die auf derselben Höhe steht, wie die Wetterprognose des - V 100 jährigen Kalenders. - Nach Erschöpfung dieser umfangreichen Tagesordnung schloss der Vorsitzende Prof. Dr. Klunzinger die Versammlung mit Worten des Dankes an alle, welche zum Gelingen der Tagung beigetragen hatten, in erster Linie an den Geschäfts- führer Prof. Gaus, der mit unermüdlichem Eifer alles aufs beste vorbereitet hatte, an die Stadtgemeinde, an die Aussteller und an die Redner. Bei dem gemeinsamen Mittagsmahl im Ochsen eröffnete der neugewählte erste Vorstand Prof. Dr. Klunzinger die Reihe der Trinksprüche mit einem Hoch auf Seine Majestät den König, den hohen Protektor des Vereins. Ihm folgte Prof. Dr. Lampert, welcher der Stadt Heidenheim sein Glas brachte; den besonderen Dank, den der Verein dem Geschäftsführer Prof. Gaus für seine grosse, aber auch mit. Erfolg gekrönte Mühewaltung schuldet, stattete Prof. Dr. Fr aas ab, worauf Prof. Gaus dankend erwiderte. In altgewohnter Weise ergriff sodann noch, freudigst begrüsst, Pfarrer Dr. Engel das Wort zur Verlesung eines Gedichtes; es war der neuesten Erwerbung des Naturalienkabinets aus den unerschöpflichen Schiefern von Holzmaden geweiht, einem Haifisch (Hybodus) , der nicht nur durch seinen prächtigen Erhaltungszustand einen hohen wissenschaftlichen Wert repräsentiert, dessen Mageninhalt (250 Belem- niten !) auch seine letzte Mahlzeit und wahrscheinliche Todesursache verrät. Scheffel's Geist klang aus den humoristischen, mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Strophen. Der Schluss des Essens, während dessen eine grössere Anzahl von Exemplaren der Wagner- Bors t' sehen Schrift über die Charlottenhöhle und über das Brenzthal zur Ver- teilung gelangt war, brachte noch eine liebenswürdige Überraschung: aus zarter Damenhand erhielt jeder Teilnehmer in einem Säcklein fein säuberlich verpackt eine Auswahl Steinheimer Schnecken, genau nach Schichten geordnet und etiquettiert. Prof. Gaus, Rektor Maiter und Kommerzienrat Hartmann waren die Spender dieser sinnigen Andenken. Hiermit war auch die Losung für den Nachmittag gegeben ; sie hiess Steinheim. Neue Beweise der Gastfreundschaft lieferten mehrere der Heidenheimer Herren, indem sie ihre Wagen den Gästen zur Verfügung stellten, welche die letzteren rasch an die berühmten Fundstätten brachten. Halb Steinheim gab den Gelehrten das Geleit, die sich zunächst in der Grube versammelten, um den von Prof. Dr. Fr aas und Prof. Dr. Miller, sowie Mittelschullehrer Geyer vorgetragenen Ansichten über die Entstehung, Ablagerung VI - und die Existenzbedingungen der einstigen Schneckenfauna Stein- heims zuzuhören. Prof. Fr aas benützte die Gelegenheit, um dem Besitzer der Grube, Gemeinderat Pharion, Dank zu sagen für die grosse Sorgfalt und für das lebhafte Interesse, mit welchem er die palaeontologischen Schätze seines Steinbruches seit Jahren gesammelt und besonders die vaterländische Sammlung des Naturalienkabinets in den Besitz einer einzigartigen Kollektion gebracht hat. Nach einem Vespertrunk in Steinheim war für einige Herren die Abschieds- stunde gekommen ; die Mehrzahl aber blieb noch und der Abend vereinigte die Gäste aufs neue mit den Heidenheimer Freunden in der Traube, wobei der Heidenheimer „Sängerbund" die Freundlichkeit hatte, die Anwesenden durch den gediegenen Vortrag mehrerer Lieder zu erfreuen. Der Umstand, dass dem Johannistag diesmal ein Sonntag folgte, ermöglichte es vielen Teilnehmern, an die Versammlung noch eine weitere Exkursion anzuschliessen, an welcher sich auch die Heidenheimer Gastgeber und Mitglieder des Albvereins beteiligten, so dass die Jahresversammlung des Vereins diesesmal eine ungewöhn- liche Ausdehnung annahm. Am Sonntag früh zog die Wander- gesellschaft über die Berge zunächst nach Mergelstetten. wo ein Frühschoppen eingenommen wurde; mit der Bahn ging es dann nach Herbrechtingen und von da in die Charlottenhöhle, deren in der elektrischen Beleuchtung erst recht zur Geltung kommende Schönheit auch diesmal ihren Rindruck nicht verfehlte. Der Verlauf der Versammlung wird allen Teilnehmern in freundlicher Erinnerung bleiben. Verzeichnis der Zugänge zu den Vereins-Samm lungen während des Jahres 1899. A. Zoologische Sammlung. (Konservator: Prof. Dr. K. Lampert.) Verzeichnis der Geber: Binder. Dr., Arzt in Neuffen. Bösenberg, Privatier in Stuttgart. B u c h n e r , Dr., Assistent in Stuttgart. Distler, Dr., Arzt in Stuttgart. Fischer, Hilfspräparator in Stuttgart. Fr aas, Prof. Dr., Konservator in Stuttgart. Geissei, Gärtner in Stuttgart. — Ml — Gerstner, Karl, in Stuttgart. Heck, Dr., Oberförster in Adelberg. Hofjagdamt, Kgl., in Stuttgart. Käst, Postrevisor in Stuttgart. Kopp, Assistent in Biberach. Kuli, Albert, Tiermaler in Stuttgart. Linck, Fabrikant in Heilbronn. Maier, stud. rer. nat. in Tübingen. M ähl, Friseur in Stuttgart. l'fizenmaier, Oberforstrat in Blaubeuren. riesbergen, Dr., Arzt in Stuttgart. Reinwald, Maler in Stuttgart. v. Seeger, Freiherr, Oberbaurat in Stuttgart. Specht, A., Tiermaler in Stuttgart. Sporer, Dr., Professor in Ehingen a. D. Sterkel, Fabrikant in Ravensburg. Steudel, Dr., Sanitätsrat in Stuttgart. Storz, Schullehrer in Horb. Trappen, von der, Photograph in Stuttgart. Vogler, Fabrikant in Ravensburg. Vosseier, Prof. Dr., Assistent in Stuttgart. Wagner, Schullehrer in Heidenheim. Weidenbach, Müller in Ehlenbogen bei Freudenstadt. Wetzel, Oberförster in Stuttgart. Wiedmayer, Lithograph in Stuttgart. Zell er, Dr., Medizinalrat in Winnenden. I. Säugetiere. Vesperitgo discolor K. Bl., Stuttgart (Vosseier). Embryonen von Canis vulpes L., Heilbronn (Linck). Embryo von Cervits elaphus L., Wildbad (Bösenberg). Talpa europaea L., gelbe Varietät, Reichenberg (K. Forstamt). Mus miixculns L., scheckige Varietät, Ehingen (Sporer). Arvicola terresfris L., Revier Adelberg (Heck). Lepus ciiniculus L.. juv., wild, Stuttgart (Kuli). IL Vögel. t Eier von Scolopax rusticola L., Stuttgarter Bürgerwald (Wetzel). Tetrao hybridus L., Allgäu (Kgl. Hofjagdamt). In Württemberg wurde dieser im Norden Europas nicht seltene Bastard zwischen Auerwild und Birkwild bisher nicht beobachtet; das seltene Stück ist ein ausgewachsener, sehr schön gefärbter Hahn („Rakelhahn"). III. Reptilien. Pelias berus L., Kreuzotter, Knie bis (Bösenberg). Anguis fragüis L., juv., Stuttgart (Distler). VIII IV. Amphibien. Neotenische Formen von Triton taeniatus Schneid., Triton cristatus Laub., Triton al/pestris Laub, vom Hohreusch bei Winnenden (Zeller). (S. hinzu diese Jahreshefte Bd. 55, 1899, S. 23—30.) V. Fische. Petromyeon Planen Bl., Ehlenbogen bei Freudenstadt ^Weidenbachj. Süurus glanis L., Weller, juv., Bodensee (Reinwald). Lebte eine Zeit lang im Aquarium des Schenkgebers. VI. Mollusken. Helia pomatia L. var. detrita Kg. v. Wbth. in mehreren Exemplaren aus den Waldgebieten des Bopsers oberhalb Wangen, des Hasen- bergs , der Solitude , von Buoch oberhalb Grunbach und von Teinach (Buchner). pomatia L., eigentümlich deformiert (deformatio suta Kg. v. Wrth.), von Hohenheim (Buchner). pomatia L. forma turrita, Solitude (Buchner). .. forma inflata, Rothenberg (Buchner). auffallende Zwergform (forma parva), Schütteturm bei Horb (Buchner). pomatia L., gewöhnliche Form, Friedrichshafen (Buchner). „ ., Riesenstück (forma grandis), Zwiefalten (Ffizenmaier). Buliminus detritus Müll. var. radiatus Brug., besonders schön von Buoch oberhalb Grunbach und vom Schütteturm bei Horb (Buchner). Helix arbustorum L., Schussenried (Buchner). Anodonta cygnea L. , namentlich in der Langschnabelform der var. cel- lensis Schrot. , vom Schwaigfurter Weiher bei Schussenried , aus der Schüssen unterhalb der Schwaigfurter Mühle, in der subvar. fragilissima Cless. vom Federsee und in p/scinafo-ähnlichen Formen vom Federseekanal gegen Buchau zu (Buchner). Anodonta cygnea L. var. cellensis Schrot., Bibersee (Vogler). „ „ ., var. piscinalis Nils., Schreckensee (Sterkel). „ .. - juv., Aalkistensee bei Maulbronn (Fischer). .. var. lacustrina-oviformis Cless. , Bodensee zwischen Friedrichshafen und Eriskirch (Buchner). Unio batavus Lk. var. ater Nils., Schüssen unterhalb der Schwaigfurter Mühle (Buchner). Pv},a doliwm Brug., Horb und Bouron (Storz). Planorbis maniiuatus Drp. in merkwürdigen Deformationen aus dem ehe- maligen Strässlesbach bei Cannstatt (Zeller). 25 Arten aus dem Neckargeniste bei Cannstatt in zahlreichen Exem- plaren, darunter Helix tenuiläbris Braun und Vertigo edentula Drp. (v. d. Trappen). 25 Arten aus dem Donaugeniste bei Ulm in zahlreichen Exemplaren, darunter Hyalina fulva Müll. , Helix sericea Drp. und eine neue Species von Vitrella Cless. (Haag). - IX VII. Insekten1. L e p i d o p t e r a. Vanessa Jo., Herbstgeneration, Cannstatt (Wiedniayer). , Stuttgart (Mühl). Arctia caja L., „ (Geissei). Ehodoeera rhamm L. und Vanessa polychloros L., beide abnorm, Württemberg (Gerstner). Apatura Iris L. . Raupen in drei verschiedenen Stadien , Württemberg (Gerstner). Eier von Pleretes matronula L., Württemberg (Gerstner). Dasychira pudibunda L. Lasiocampa potatoria L. Aglia tau L. Harpyia vintüa L. „ erminea Esp. Ptcrostoma palpina I,. Mikrolepidoptera. Verschiedene Arten {Tinea bisclliella Hüm., Hercyna scricalis Hb. u. a.), Stuttgart (Steudel). Coleoptera. Poecüonota rutUans, Hohenneuffen (Binder). Aromia moscliata L., Stuttgart (Fraas). Hammaticherus cerdo Fabr. ,, ,, Aneylochyra guttata L. „ (Maier). Cetonia speciosissima L., Exerzierplatz Degerloch (Specht). Anthonomus pomorim L., Ludwigsburg (Steudel). H ym enoptera. Ichneumoniden aus Gracilaria dongclla L., Gr. rufipenneüa Hb., Enychia albofascialis Tr. , Sarrot hripa degenerana Hb., Stuttgart (Steudel). Tenthrediniden von Salix alba und lappa ,, ,, Megachilc serrattdae mit Zelle und Blattabschnitten, Gärtringen (Kopp). Anthocopa papavaris mit Zelle „ ,, D i p t e r a. Drosophila funebris Stuttgart (Steudel). Dipteren aus Schinkenfett ,, ,, von Salix alba ,, ,, mit Minen von Mentha silvestris ,, Phytomyza vitalbae Kalt. ,, Ouliciden 2 Arten Zusammengestellt von Prof. I>v. Vosseler. — X — R li j 11 c b o ta. Licanium coiicltaeforme Gn., an Birnfrüchten, Stuttgart (Steudel). W itrize aus einem Ameisennest, Stuttgart (Piesbergen). Aleurodes von Aegopodium podagraria, Stuttgart (Steudel). Orthoptera, Odonata und Trichoptera. Phryganeengehäuse mit Larven, Heidenbeim (Wagner). ChryUus dömesticus L., Stuttgart (Vosseier). Lihrllula depressa, Stuttgart (Käst). P h a 1 a n g i i d a e. Trogulus spec. Stuttgart (v. Seeger). B. Botanische Sammlung. (Konservator: Kustos J. Eich ler.) I. Phanerogamen und Gefässkryptogamen. Dem Verein wurden auch im verflossenen Jahre von seiten mehrerer Mitglieder botanische Funde verschiedener Art zugesandt, die zum Teil dem Herbarium einverleibt werden konnten. Ausserdem erfuhr das letz- tere dadurch einen beträchtlichen Zuwachs , dass während der Jahre 1898 und 1899 den Verfassern der „Exkursionsflora von Württemberg und Hohenzollern* (Stuttgart 1900) in dankenswerter Weise eine grosse Anzahl von Belegexemplaren für Fundortsangaben zugesandt wurde mit der Erlaubnis , dieselben nachträglich dem Vereinsherbarium einzuver- leiben. Da alle diese Zusendungen bei den Fundortsangaben der „Ex- kursionsflora" bereits Berücksichtigung gefunden haben, so mag es mit Rücksicht auf den Raum gestattet sein , von einer nochmaligen Auf- zählung der Funde an dieser Stelle Abstand zu nehmen , den nach- benannten Gebern derselben aber für ihr Interesse an der Vereinssamm- lung den verbindlichsten Dank auszusprechen : Frl. 0. v. Adelung, Stuttgart. Herr Schullehrer Allmendinger, Niedernau. ,, Apotheker Bader, Lauffen a. N. ,, Apotheker Bauer, Buchau a. Federsee. ,, Pfarrer Baur, Mägerkingen. ,, Pfarrer Beer, Kolbingen. ,, Oberförster v. Biberstein, Rosenfeld. ,, Hofrat Blezinger, Crailsheim. ,, Schullehrer Bossler, Pfullingen. ,, Schullehrer B retzier, Mengen. ,, Schullehrer Fahr b ach, Eningen. Frl. E. Fe cht, Heidenheim. Herr Mittelschullehrer Geyer, Stuttgart. ,, Stadtpfarrer Dr. Gradmann, Forchtenberg. ,, Oberreallehrer Haug, Ulm. — XI — Herr Schullehrer Hermann, Murr. ,, -Pfarrer Hochstetter, Stainz in Steiermark. ,, Oberförster Koch, Ellwangen. ,, Seminaroberlehrer La uff er, Esslingen. ,, Professor L ö k 1 e , Stuttgart. ,, Pfarrer Dr. Losch, Hausen a. Z. ,, Kaufmann Luib, Mengen. ,, Schullehrer Pühler, Göppingen. ,, Professor Rieb er, Ehingen. ,, Apotheker Rentschier, Laupheim. ,, Seminarist Schaaf, Künzelsau. ,, Schullehrer Steck, Lauffen a. N. ,, Apotheker Stein, Gönningen. ., Schullehrer J. Stettner, Vaihingen a. E. ,, Schullehrer Stumpp, Gönningen. ,, Schullehrer Uhl, Gerungen. ,, Schullehrer Walde, Röthenbach-Alpirsbach. ,, Schullehrer Werner, Tübingen. IL Pilze. (Schullehrer W. Obermeyer. Gablenberg.) Amanita caesarea (Scopoli), Stuttgart Sjwrassis laminosa Fries, Kaisersbach Polyporus borealis Fries, Lorch Helvella crispa (Scopoli), Stuttgart Polyporus betulinus Bulliard (grosses Exemplar von 33,5 : 23 : 6,5 cm), Heimerdingen (Oberförster Holland, Heimerdingen). III. Flechten. Blastenia assigena Lahm., Ehingen (Prof. Rieb er, Ehingen). IV. Missbildungen. Senecio Jacobaea L., verbändert : 1,5 m hoch, 0,1 m breit (Dr. K. G. Lutz, Stuttgart). Carduus nutans L. , verbändert: 6 cm breit (Apotheker E. Krieg, Stuttgart). C. Mineralogisch-palaeontologische Sammlung. (Konservator: Prof. Dr. E. Fr aas.) Als Geschenke: a) Mineralien: Steinsalz, erste Förderung von Kochendorf, vom K. Bergrat, Stuttgart; Gipskrystalle von Hessenthal, Milchquarz von Crailsheim, von Herrn Hofrat Blezinger, Crailsheim; XII Brauneisenstein und Wad aus dem Stubensandstein von Wäldenbronn, von Prof. Fr aas, Stuttgart ; Kalksinterbildungen aus der Gussmannshöhle bei Gutenberg, vom S c !i w ü I» i s <; li cn 1 f ö h 1 e n v er e in ; verschiedene Salzarten aus dem Salzwerk lleilbronn, von Direktor Lieh te n b e rger , lleilbronn. b) Gesteine: Ilasalt und Basalttuffe aus der Kirchheimer Gegend, von Oberamtsstrassenbaumeister Beyer, Kirchheim; Basalttuff, neues Vorkommnis im Donthal bei Gutenberg, von Pfarrer K. Gussmann in Gutenberg. c) Petrefakten: Kranke Exemplare von Ammonites ■huticsoni Ammonites Gervillii, Hamites bifurcatus und Ammonites triplicatus; ferner Ammonites furticarinatus, Prachtstück von 0,35 m Durchmesser, ParJcinsoni mit Wohnkammer, coronalus (Riesenexemplar) und „ Gervillii aus dem braunen Jura von Eningen, von Herrn Pfarrer Gussmann, Eningen. Ursus aretos, Lepus timidus, Arvicola amphibius, Mus rattus, Vespert ilio murinus und pipistrcllus, Höhlenfund bei Kolbingen, von Herrn Pfarrer Beer in Kolbingen ; JElephas primigeniiis, Backzahn. Diluvium von Kirchheim, von Herrn R. F. Schub in Kirchheim u. T.; Knochen von Notliosaurus und Mastodonsaurus, Zähne von Ceratodus und Koprolithen aus der Lettenkohle von Beuerlbach, von Herrn Hofrat Blezinger in Crailsheim ; Ammonites Murchisonae und Wasseralfinger Schlacken, von Herrn Oberbergrat Wepfer in Stuttgart; Ichthyosaurus acutirostris aus dem Lias von Ohmden, von Herrn Oberförster Ruthardt in Kirchheim u. T. ; Jthinoceros tichorhinus, Unterkiefer, Diluvium von Neustadt, von Herrn Lehrer Simon in Stuttgart ; Ostrea nov. sp. aus dem Lias von Vaihingen a. d. F., von Herrn Oberlehrer Fritz in Stuttgart; Ancylus deperditus, Clandina inflata, Arcliaeozonitcs cosiatus, Helix involuta, H. carinidata, H. osculina, Limnaea düatata und Cyclostoma conicum aus dem Miocän vom Randecker Maar, von Prof. Dr. E. Fr aas, Stuttgart; Cerviden, Unterkiefer, Diluvium aus dem Heppenloch, vom Schwäbischen Höhlenverein; ( '/a/hropteris nov. sp. aus dem Rhät von Nürtingen, von Herrn Lehrer Wa idelich, Grossbettlingen ; Zanclodon Schützii E. Fr., Muschelkalk, Hall. Original zu diesen Jahres- heften, von Herrn Salinenverwalter Schütz in Hall; — Kill — Ammonites Sau/sei Opp. aus dem braunen Jura von Neuffen, von Herrn Dr. Binder, Neuffen ; Spirtfer fragüis und Ostrea subanomia aus dem Muschelkalk von Gerabronn, von Herrn Lehrer Botsch, Gerabronn; Honebed aus dem Muschelkalk von Vaihingen, von Herrn Oberförster Holland in Heimerdingen; Hybodus n. sp., Myophoria vulgaris, Pälaeobatus aus der Anhydritgruppe von Kocherstetten, von Herrn Lehrer Hermann in Kocherstetten; I.(ib//ri)ithodoH sp. aus dem Buntsandstein von Teinach (Beschreibung in dem nächsten Jahreshefte). von Herrn Hofrat Dr. Wurm, Teinach. D. Die Vereinsbibliothek. (Bibliothekar: Kustos J. Eich ler.) Zuwachs vom 1. Januar bis 31. Dezember 1899. a. Durch Geschenk und Kauf: Durch Schenkung von Büchern etc. haben sich folgende Mitglieder und Freunde des Vereins um denselben verdient gemacht: Endriss, Dr. K., Stuttgart. Finckh, Dr. L., Erlangen. Fr aas, Prof. Dr. E., Stuttgart- Hesse, Dr. 0., Feuerbach. Hoffmann, Dr. J., Stuttgart. Lampert, Prof. Dr. K., Stuttgart. Lutz, Dr. K. G., Stuttgart, v. Scheler, Graf S., Stuttgart. Schmidt, Prof. Dr. A., Stuttgart. Schwäbischer Albverein. Steudel, Sanitätsrat Dr. W., Stuttgart. K. württembergisches Ministerium des Innern, Ab- teilung für den Strassen- und Wasserbau. I. Zeitschriften, Gesellschaftsschriften etc. „Aus der Heimat." Organ des Deutschen Lehrervereins für Natur- kunde. Herausgegeben von Dr. K. G. Lutz. 12. Jahrg. 1899. (Lutz.) Oberrheinischer geologischer Verein. Bericht über die 32. Versammlung zu Marburg i. H. 1899 (0. g. Verein.) Der Zoologische Garten. Jahrg. 40 (1899). Diese Jahreshefte, Jahrg. 1894 — 1898. (v. Scheler.) IL Schriften allgemein naturwissenschaftlichen Inhalts. Gerland, Prof. Dr. G., Geographische Abhandlungen aus den Reichs- landen Elsass- Lothringen. Heft 1. 1892. (A. Schmidt.) XIV — lila. Entomologie. Berge 's, Fr., Schmetterlingsbuch , bearbeitet von II. v. Beinemann; durchgesehen und ergänzl von Dr. W. Steudel und Dr. Jul. Hoff- mann. 8. Auil. Lief. 6 — 12. (Hoffmann.) IV. Botanik. Kkart. Tob. Phil., Synopsis Jungermanniarum in Germania vicinisque terris hucusque cognitarum. Coburg 1832. (Steudel.) Gradmann, R. , Das Pflanzenleben der schwäbischen Alb. 2. Auil. Bd. I u. II. Tübingen 1900. 8°. (Schwab. Albverein.) Hesse. 0., Beitrag zur Kenntnis der Flechten und ihrer charakteri- stischen Bestandteile. 1., 2. u. 3. Mitteilung. 1898. (Hesse.) Obermeyer, W., Pilzbüchlein. Bd. II. Stuttgart 1899. (Lutz.) V. Mineralogie, Geologie, Palaeontologie. Credner, H., Die sächsischen Erdbeben während der Jahre 1889 — 1897, insbesondere das sächsisch-böhmische Erdbeben vom 24. Oktober bis 29. November 1897. Leipzig 1898. 8°. (Schmidt.) - Das vogtländische Erdbeben vom 26. Dezember 1888. 8°. (Schmidt.) Endriss, Dr. K. , Die Steinsalzformation im mittleren Muschelkalk Württembergs. Mit 5 Tafeln und 1 Karte. Stuttgart 1898. 8°. (Endriss.) Finckh, Ludw. , Beiträge zur Kenntnis der Gabbro- und Serpentin- gesteine von Nord-Syrien. Berlin 1898. 8°. (Finckh.) Früh, Dr. J., Die Erdbeben der Schweiz im Jahre 1894: do. im Jahre 1896; do. im Jahre 1897. 4°. (Schmidt.) Futterer, Dr. K., Das Erdbeben vom 22. Januar 1896, nach den aus Baden eingegangenen Berichten dargestellt. Karlsruhe 1896. 8°. (Schmidt.) v. Gümbel, C. W., Das Erdbeben vom 22. Februar 1889 in der Um- gegend von Neuburg a. D. München 1889. 8°. (Schmidt.) — Über die in den letzten Jahren in Bayern wahrgenommenen Erd- beben. München 1898. 8. (Schmidt.) Langenbeck, Dr. R. , Das Erdbeben vom 13. Januar 1895 im süd- lichen Schwarzwald und den benachbarten Gebieten des Elsass und der Schweiz. Karlsruhe 1895. (Schmidt.) Mojsisovics, E. v. , Mitteilungen der Erdbebenkommission der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien. No. 5. 1897. Wien 1898. 8°. (Schmidt.) Rauff, H. u. M., Sachregister zu dem chronologischen Verzeichnis der geologischen und mineralogischen Litteratur der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen. Bonn 1896. 8U. (Fraas.) VI. Chemie, Physik, Mathematik, Astronomie, Meteorologie. Schmidt, A., Das Wärmegleichgewicht der Atmosphäre nach den Vor- stellungen der kinetischen Gastheorie. Leipzig 1899. 8°. (Schmidt.) — XV — IX. Schriften verschiedenen Inhalts. Lampert, Prof. Di. K., Bin Gang durch das ethnographische Museum des Württ. Vereins für Handelsgeographie. »Stuttgart 1*98. >". (Lampert.) Verwaltungsbericht der K. Ministerialabteilung für den Strassen- und Wasserbau für die Rechnungsjahre vom 1. Februar 181)5/96 und L896/97. II. Abteilung : Wasserbauwesen. Mit 52 Beilagen. Stutt- gart 1899. 1°. (K. württ. Ministerium des Innern, Abt. für den Strassen- und Wasserbau.) Zur Erinnerung an die Übergabe der Büste des Direktors Dr. Oskar v. Fraas im K. Naturalienkabinet 7A\ Stuttgart am 17 .Januar 1899. Stuttgart L899. 8°. (Fraas.) b. Durch Austausch unserer Jahres hefte1: American association for the advancement of science: l'ro- ceedings of the 47 meeting held at Boston, Mass. 1898. American geographical society: Bulletins Vol. XXXI, 1899. Amiens. Societe Linneenne du nord de la France. Amsterdam. K. Akademie van wetenschappen: Jaarboek voor 1898. — Verhandelingen (Natuurkunde) 1. sectie : deel VI. No. 6 — 7; 2. sectie: deel VI. No. 3 — 8. — Verslagen der Zittingen (Natuur- kunde) deel VII. 1898/99. Augsburg. Naturwiss. Verein für Schwaben und Neuburg: Bericht 33 (1898). tladischer botanischer Verein (Freiburg) : Mitteilungen No. 148 — 159. Baltimore. Johns Hopkins University: University circularsNo. 130 — 132, 135 — 138, 140, 141. — Memoirs of the biological laboratory, vol. IV, 1—3. Bamberg. Naturforschender Verein. Basel. Naturforschende Gesellschaft. Bayerische botanische Ges. zur Erforschung der heimischen Flora (München): Berichte Bd. VI, 1899. Bayerisches K. Oberbergamt (München): Geognostische Jahreshefte Bd. 10, 1897. Belgique. Academie R. des sciences etc. (Brüssel): Bulletins annees 67—68 (ser. 3 tomes 34—36), 1897—1898. — Tables gen. du rec. des bull. 1 — 30. — Annuaires annes 64 u. 65 (1898 u. 1899). - Societe entomologique (Brüssel): Annales T. XLII (1898). — Societe geolugique (Lüttich): Annales T. XXIV, 3; XXV, 2; XXVI, 1—3. ■ — Societe R. malacologique (Brüssel): Annales T. XXXII. 1897; T. XXXIV: Mem. fasc. 1; Bull. fasc. 1 — (J. — Proces verbaux d. seances 1898 pag. 73 — 100. Bengal. Asiatic society of Bengal (Calcutta). 1 Von den Gesellschaften, lünter deren Namen sich keine Angaben Baden, sind dein Verein während des Jahres 1899 keine Tauschschriften zugegangen. XV] Bergen's Museum: Aarbog for 1898 u. L899, lieft 1. — Sars, G. 0 an account of the Crustacea of Norway. Vol. II, 13 — 11. Berlin. K. Akademie der Wissenschaften: Physika!. Abhandlungen a. d. Jahre 1898. — Sitzungsberichte 1898, No. 40—54 u. L899, No. 1—38. — Entomologischer Verein: Berliner entomolog. Zeitschr. Bd. \ 1,1 II H. 3—4; Bd. XLIV H. 1, 2. K. geolog. Landesanstalt und Bergakademie. - Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsber. 1898. Bern. Naturforschende Gesellschaft. Mitteilungen a. d. Jahre L897, No. 1436—1450. Bodensee. Verein für Geschichte des B. u. seiner Umgebung (Lindau): Schriften H. 27 (1898). Bologna. R. Accad. d. scienze dell' Istituto di Bologna. Bonn. Naturhistorischer Verein d. preuss. Rheinlande etc.: Verhand- lungen Jahrg. 55 u. ">6 11. 1. — Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde : Sitzungs- berichte Jahrg. 1898 u. 1899 H. 1. Bordeaux. Soc. des sciences physiques et naturelles: Memoires 5. Ser. T. IV. — Observations pluviometriques 1897/98. — Proces ver- baux des seances 1*97/98. Boston. American Academy of arts and sciences: Proceedings Vol. XXXIV, 1—23; XXXV, 1—3. — Society of natural history : Memoirs Vol. V, 4 — 5. — Proceedings Vol. XXVIII, Nos. 13—16. Brandenburg. Botanischer Verein für die Provinz B. (Berlin): Ver- handlungen Jahrg. 40 für 1898. Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft. Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen Bd. XVI, 1 — 2. Brunn. Naturforschender Verein: Verhandlungen Bd. XXXVI. 1897. — Ber. d. meteorolog. Komm. Bd. XVI, 1896. Buenos Aires. Museo nacional : Anales T. VI (ser. 2a T. IIb 1899. — Comunicaciones Vol. I, 2 — -4. Buffalo society of natural sciences. California. Academy of sciences (San Francisco): Proc. '■'< ser.: Botauj Vol. I, 3 — 9; Geology Vol. I, 4—6; Zoology Vol. I. 6 — 12; Math. a. Physic Vol. I, 1 — 4. — Occasional papers Vol. VI. Cambridge. Museum of comparative zoology at Harvard College: Annual reports for 1897/98 u. 1898/99. — Bulletins Vol. XXXII, 9 — 10; XXXIII; XXXIV; XXXV, 1—6. Canada. The Canadian Institute (Toronto): Proceedings, New series Vol. II, 1 — 2. - Geological and natural history survey (Ottawa). • — Geological survey (Ottawa). — Royal Society (Ottawa): Proc. and Trans, for 1898 (2 ser. Vol. IV). Cape of good hope. Geological commissiou : Annual report for 1897. Cassel. Verein für Naturkunde. Catania. AccademiaGioeniadisc. nat. : Bulletino, nuova ser. fasc. .">5 — 59. XVII — Cherbourg. Societe nationale des sc. nat. et inatli. Chicago. Field Columbian Museum: Publicationa No. li 9 — 39. Cory, Ch. B. , The birds of the Eastern North-Anierica part I u. II. 1899. 4°. Christ iania. K. Universität. Cincinnati. Soc. of natural history. Colmar. Naturhisiorische Gesellschaft: Mitteilungen, N. F. Bd. IV. 1897—98. Cordoba. Academia nacional de ciencias: Boletin Vol. XVI, 1 (1899). Costa Rica. Museo nacional: Infamie del primer semestre de 1898/99. Danzig. Naturforschende Gesellschaft: Schriften, N. F. Bd. IX, 3. Darmstadt. Grossh. Hess. Geolog. Landesanstalt: Abhandlungen Bd. III, 4. - Verein für Erdkunde etc.: Notizblatt 4 F. II. 19. Davenport (Iowa). Acad. of nat. sciences. Deutsche geologische Gesellschaft (Berlin): Zeitschrift Bd. L, 3 — 4; LI, 1. Dijon. Acad. des sciences etc.: Memoires ser. 4 Bd. VI, 1897 — 98. Donaueschingen. Verein für Gesch. und Naturgesch. der Baar. Dorpat. Naturforscher-Gesellschaft. — Naturforscher-Gesellschaft b. d. Universität: Sitzungsber. Bd. XII, 1. Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis: Sitzungsber. und Abhandl. Jahrg. 1898. Dublin. Royal Dublin Society: Proc. Vol. VIII, 6. Trans, ser. 2 Vol. VI, 14 — 16; Vol. VII, 1. Edinburgh. Geological society: Transactions Vol. VII, 4. - R. phy- sical society: Proceedings Vol. XIV, 1. — Royal Society. Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresberichte H. 9. Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsber. H. 30. 1898. France. Societe geologique (Paris). — Societe zoologique (Paris): Bulletin Tome XXIII, 1898. Frankfurt a. M. Senckenbergische naturforschende Gesellschaft: Be- richt von 1899. Freiburg i. Br. Naturforschende Gesellschaft: Berichte Bd. XI. 1. Geneve. Conservatoire et Jardin Botanique (Herbier Delessert). An- nuaire 1899. — Soc. de physique et d'hist. naturelle. Genova. Museo civico di storia nat.: Annali ser. 2 Vol. XVIII u. XIX (1897 — 1899). Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Be- richt 32 (1897—99). Glasgow. Natural history society: Transactions. N. S. Vol. V, 2. 1897—98. finrlitz. Naturforscn -nde Gesellschaft. Graubünden. Natu.- orschende Gesellschaft (Chur): Jahresbericht N. F. Bd. XLII. Greifswald. Naturw. Verein von Neu-Vorpomniern und Rügen: Mit- teilungen Bd. 29 u. 30 (1897 u. 1898). Jahreahefte d. Vereins f. vaterl. ^Naturkunde in Württ. 1900. li XV11J Halifax. Nova Scotian Institute of Science: Proc. and Trans., 2 ser. Vol. II, !. Halle. Naturforschende Gesellschaft. — Verein für Erdkunde: Mitteilungen Jahrg. 1899. — Kais. Leopoldinisch-Carolinische Akademie d. Naturforscher: Leopol- dina Bd. XXXV (1899). Naturw. Verein für Sachsen und Thüringen: Zeitschrift für Natur- wissenschafte i; Bd. l.XXI, 4 — 6. Hamburg. Naturw. Verein. — Verein für naturw. Unterhaltung. - Wissenschaftliche Anstalten: Jahrbuch Jahrg. XV, 1897; Beihefte 1—2. Hanau. Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde : Be- richt für 1895—1899. Hannover. Natui historische Gesellschaft. Harlem. Fondation de P. Teyler van der Hülst: xVrchives du Musee Teyler, Ser. 2. VI, 3-4. — Societe hollandaise des sciences : Archives neerlandaises des sciences exactes et naturelles, Ser. 2 Tome II, 2 — 5; III, 1—2. — Oeuvres completes de Christian Huygens Vol. VIII. (Correspondance 1676—1684). Heidelberg. Naturhist.-medizin. Verein: Verhandlungen N. F. Bd. VI, 1—2. Helsingfors. Societas pro fauna et fiora Fennica : Acta Vol. XII. II e r mannst ad t. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: Verhandlungen und Mitteilungen Bd. 48 Jahrg. 1898. Hohenheim. Kgl. Württ. landwirtschaftliche Akademie: Programm für 1899. Innsbruck. Naturw. -medizin. Verein : Berichte Bd. XXIV Jahrg. 1897/98 u. 1898/99. Italia. R. comitato geologico (Roma) : Bollettino, anno XXIX, 3 — -4; XXX, 1—2. — Societä entomologica (Firenze) : Bollettino, anno XXX (1898). Kansas. The Kansas University (Lawrence). K rii'lsru h e. Naturwissenschaftlicher Verein. K i e 1 - H elgol and. Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere: Wissenschaftl. Meeresuntersuchungen, N. F., Bd. III, Abteilung Helgoland H. 1 ; Bd. IV, Abteilung Kiel. Königsberg. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften Jahr- gang 39, 1898. Landshut. Botanischer Verein. Lausanne. Societe Vaudoise des sciences naturelles: Bulletins, 4 ser. Vol. XXXIV No. 130; XXXV Xo. 131 — 132. Leiden. Nederlandsche Dierkundige Vereeniging: Tijdschrift ser. 2 Deel VI, 2. Leipzig. Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsberichte Jahrg. 2-1 —25, 1897/98. > e. Societe royale des sciences: Memoires, 3 ser. Vol. I. (1899). XIX Linz. Museum Francisco-Carolinum : Bericht 57. — Beiträge zur Landeskunde 51. — Verein für Naturkunde : Jahresbericht No. 28. London. Geological Society: Quarterly Journal Vol. LV. - - Geolo- gical Literature added to the G. S. library during LS98. - Linnean Society: Journal, a) Botany No. 234 — 23!); h) Zoology No. 172—176. — Proceedings Jahrg. 1897/98, 1898/99. - Zoological Society :, Proceedings for 1898 No. 1: 1899 No. 1—3. — Transactions Vol. XV, 2 — 3. Lund. üniversitas; Acta Vol. XXXIV, 1898. Luxembourg. Institut R. grand-ducal. — Societe de Botanique du Grand-duche de LuxembouiLr. — Verein Luxemburger Naturfreunde „Fauna". Luzern. Naturforschende Gesellschaft. Lyon. Academie des sciences etc.: Memoires (sciences et lettres) 3 ser. Tome V. — Musee d'histoire naturelle. - Societe d'agriculture, d'histoire naturelle et des arts utiles: Annales 7 ser. Tome V. Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein. Mannheim. Verein für Naturkunde. Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissen- schaften. Marseille. Faculte des sciences: Annales Tome IX (1899). Mecklenburg. Verein der Freunde der Naturgeschichte (Rostock). Metz. Societe d'histoire naturelle: Bulletins No. 19 u. 20 (2 Ser. No. 7 u. 8) 1895—1898. Mexico. Sociedad Mexicana de historia natural. IM ilano. R. istituto Lombardo di scienze e lettere: Rendiconti, ser. 2a Vol. XXXI. Missouri. Botanical garden (St. Louis): 10th annual report 1899; Index for Vol. I — X. Montevideo. Museo nacional : Anales fasc. X u. XL Moskau. Societe imperiale des naturaiistes : Bulletins 1898, 2 — 4. Napoli. R. Accad. delle scienze fisiche e mat. : Atti ser. 2 Vol. IX. — Rendiconti Ser. 3 Vol. V. — Zoologische Station: Mitteilungen XIII. I. Nassauischer Verein für Naturkunde (Wiesbaden) : Jahrbücher Jahr- gang 52. Nederlandsch In die. Natuurkundige Yereeniging i. N. I. (Batavia) : Niituurkundige Tijdschrift deel LV1II. (10 Ser. Deel II). Neuchätel. Societe des sciences naturelles: Tomes XXI — XX V. 1893 — 1897. New Haven. Connecticut academy of arts and sciences: Trans. Vol. X, 1. New South Wales. Linnean Society of N. S. W. (Sydney): Pro- ceedings Jahrg. 1898 Vol. XXIII; Jahrg. L899 Vol. XXIV, 1—2. b* — XX X e v. So u \ li \Y ;i 1 es. R. Society : Journals and Proceedings Vol. WXII. L898. New York Academy of sciences: Annais Voll. X; XI, 3. — State museum : Annual report 48. New Zealand. Colonial Museum and laboratory of the survey. — Institute (Wellington); Kirk, Thomas, the students Flora of New Zealand and the outlying islands. Normandie. Societe Linneenne (Caen). — Societe geologique (Havre). Nürnberg. Naturhist. Gesellschaft: Jber. u. Abh. Bd. XII, 1898. Offenbach. Verein für Naturkunde. Padova. Societa Veneto-Trentina di scienze naturali: Atti ser. 2 Vol. III, 2. — Bulletino anno 1899 tomo VI, 4. Paris. Societe de speleologie : Spelunca. Tome IV, 15 — 16. Pas sau. Naturhistorischer Verein. Philadelphia. Academy of natural sciences: Proceedings Jahrg. 1898 No. 2—3; 1899 No. 1. — American philosophical society: Proceedings No. 158 — 159. — Wagner Free Institute. Pisa. Societa Toscana di scienze naturali: Memorie Vol. XVI i I — Processi verbali Vol. XI pag. 57 — 178. Portugal. Direction des travaux geologiques du Portugal (Lisboa): Communica^oes da sec?ao dos trabalhos geologicos T. III, 2. Prag. Deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Verein für Böhmen „Lotos". Pressburg. Verein für Natur- und Heilkunde: Verhandlungen X. 1 Heft 10, 1897/98. Regensburg. Kgl. bayerische botanische Gesellschaft: Denkschriften Bd. VII (N. F. Bd. I). 1898. — Naturw. Verein. Kheinpfalz. Naturw. Verein „Pollichia" (Dürkheim). Riga. Naturforscher-Verein: Schweder II., G. Die Bodentemperaturen bei Riga. 1899. 4°. Rio de Janeiro. Museu nacional. Rochester. Academy of science. Roma. Accademia Pontificia dei nuovi Lincei : Atti Jahrg. LH, 1 — 5. — R. Accademia dei Lincei : Atti Ser. 5, Rendiconti Vol. VIII, 1 sein. u. 2 sein. Rovereto. Museo civico: Publicazioni 34 — 35. Santiago de Chile. Deutscher wissenschaftlicher Verein: Verhand- lungen Bd. III, 5 — 6. St. Gallische naturwissenschaftl. Gesellschaft: Bericht über 1896/97. St. Louis. Academy of science : Trans. Vol. VII, 17—20; VIII, 1 — 12: IX, 1—5, 7. St. Petersburg. Comite geologique: Bulletins Vol. XVI, 3 — 9 u. suppl.; XVIII, 1—2. - Memoires Vol. VIII, 4; XII, 3. — Russisch-kaiserl. mineralogische Gesellschaft: Verh. 2 ser. Bd. 36 Lf. 1—2. -- Materialien zur Geologie Russlands. Bd. 19 (1899 . - XXI - St. Petersburg. Ka is. Akademie der Wissenschaften: Bulletins ser. 5 Bd. VIII, 5; IX, 1—5; X, 1—4. — Memoires Vol. V, 8, 12; vi i :; i 8 12' VII 2 :; Physikalisches Ceutral-Observatorium: Annalen Jahrg. 1897 Abt. 1 u. 2. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur : 75. Jber. 1897 u. Ergänzuugsheft 6. Schleswig-Holstein. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig- Holstein (Kiel). Schweiz. Allgemeine Schweizer Gesellschaft für die gesamten Natur- wissenschaften (Bern). Geologische Kommission der schw. natf. Ges. : Beiträge zur Geo- logischen Karte der Schweiz Lfg. 28 u. 38. - Schweizerische botanische Gesellschaft (Zürich): Berichte H. 9 (1899). - Schweizerische entomologische Gesellschaft: Mitteilungen Vol. X, 5. - Schweizerische geol. Gesellschaft (Bern): Eclogae geologicae Bd. V, 7. - Schweizerische naturforschende Gesellschaft (Bern) : Verhandlungen der 80. Jahresversammlung zu Engelberg 1897 und der 81. Jvers. zu Bern 1898. Sitten (Sion). La Murithienne, Soc. valaisanne des sc. nat. Steiermark. Naturw. Verein (Graz) : Mitteilungen Jahrg. 1897 u. 1898. Stockholm. K. Svenska Vetenskaps Akademie: Handlingar Bd. XXXI. — Bihänge Bd. XXIV. — Öfversigt Jahrg. 55. — Meteorol. Jakttagelser Bd. XXXV. — Accessionskatalog af Sveriges offentliga Bibliotek Stockholm, Upsala, Lund : No. 13. Stuttgart. Ärztlicher Verein: Jber. XXV, 1897 u. XXVI, 1898. Tokio. College of science, imperial university , Japan: Journal Voll. IX, 3; X, 3; XI, 1 — 3; XII, 1—3. — Calendar for 1897/98. Torino. R. Accademia delle scienze : Atti Vol. XXXIV. — Osservazioni meteor. 1898. Trieste. Societä Adriatica di scienze naturali. Tromsö Museum: Aarsberetning for 1895, 1896, 1897. — Aarshefter Vol. 19, Jg. 1896; Vol. 20, Jg. 1897. Tübingen. K. Universitätsbibliothek: Universitätsschriften a. d. J. 1898/99 ; — 20 Dissertationen der naturwissenschaftlichen Fa- kultät. Ulm. Verein für Mathematik und Naturwissenschaften. Ungarische geologische Gesellschaft (Budapest): Földtani Közlüny Bd. XXVIII, 7—12. — K. geologische Anstalt: Jahresbericht für 1897. — Böckh, J. und Gesell, A., Lagerstätten von Edelmetallen etc. der Länder der ungar. Krone. Mit 1 Karte. Budapest 1898. — Karpathen-Verein (Iglö) : Jahrbuch XXVI, 1899. United States (o. N. Am.). Commission of Fish and Fisheries (Washington): Commissioners report for 1898 (Vol. XXIV). — Bulletins Vol. XVII (1897). — Department of Agriculture (Washington): Yearbook 1898. — Report of the Secretary 1898. — North American Fauna No. 14 u. 15. XXII I ; ii i t e tl S t u t e s (o. N. km.). Department of the Interior (Geological survey) (Washington): Annual report XVIII for 1896 — 97; XIX for 1397 — 98 parts 1, 4, 6 and 6 conti nued. — Monographe Vol. XXIX; XXX; XXXI mit Atlas; XXXV. — Bulletins No. 88, 89 u. 149. Upsala. Geological Institution of the university: Bulletin No. 7 (Vol. IV, 1). — Regia Societas scientiarum : Nova Acta ser. '■'>. Vol. XVIII, 1. Victoria. Public library, Museums and National Gallery : Letters from Victorian pioneers (ed. by Thomas Francis Brids 1899). Washington. Smithsonian Institution: Annual report for 1890 — 97. — Bulletins of the U. S. National Museum No. 47 parts II u. III. — Proceedings of the U. S. National Museum Vol. 18, 20, 21. — Smithsonian miscellaneous Collections No. 1170, 1171. Wernigerode. Naturw. Verein des Harzes. Westfälischer Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst (Münster): Jahresbericht für 1897/98. Wien. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften, math. -naturw. Klasse: Sitzungsberichte Bd. CVII: 1. Abt. Heft 6 — 10; 2. Abt. a Heft 3—10; 2. Abt. b Heft 4—10; 3. Abt. Heft 1 — 10. — K. K. geologische Reichsanstalt: Jahrbuch 47 (1897) No. 2; 18 (1898) No. 2—4; 49 (1899) No. 1—2. - - Verhandlungen 1898 No. 14—18; 1899 No. 1 — 18. — Abhandlungen Bd. XVII Heft 4. (Koken: Die Gastropoden der Trias um Hallstatt.) — K. K. naturhistorisches Hofmuseum: Annalen XIII, 2 — 4; XIV, 1 — 2. — K. K. zoologisch-botanische Gesellschaft: Verhandlungen Bd. XLIX. — Verein zur Verbreitung naturw. Kenntnisse: Schriften Bd. 39. Winterthur. Naturwiss. Gesellschaft: Mitteilungen I Heft 1897 — 98. Württemberg. K. statistisches Landesamt (Stuttgart): Württ, Jahr- bücher für Statistik und Landeskunde Jahrg. 1898. — Schwarzwaldverein (Stuttgart): ,,Aus dem Schwarzwald" Jahrg. VII (1899). Würzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft: Sitzungsberichte Jahrg. 1898. — Verhandlungen Bd. XXXII (1898); Festschrift 1899. Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahresschrift Jahrg. 43 Heft 4; 44 Heft 1—2. — Neujahrsblatt auf das Jahr 1899 Zwickau. Verein für Naturkunde: Jahresberichte 1898. Ferner gingen dem Verein folgende Gesellschaftsschriften zu : Brunn. Club für Naturkunde: Bericht I für 1896—98. Chicago. Academy of sciences : 40 annual report for 1897. — Bull. of geol. and nat. hist. survey No. 2. — John Crerar Library: Annual report for 1898. Dresden. Genossenschaft ,, Flora", Gesellschaft für Botanik und Gartenbau: Sitzungsber. u. Abh. n. Folge 2. Jahrg. 1897 98; 3. Jahrg. 1898/99. \ XIII Lyon. Societe Linneenne de Lyon: Annales, annee 1898 (n. s. T. 15). Maryland. Geological survey (P.alf iniore ': Kejiorls 1899 (Vol. II). München. Ornithologischer Verein: Jahresbericht für 1897 u. 1898. Palo alto (Californien). Leland Stanford junior university: Contri- butions to Biology H. XV u. XXI. Posen. Naturwissenschaftlicher Verein der Provinz Posen: Zeitschrift der Botanischen Abteilung, V. Jg. H. 3. 1899. Rock Island, 111. Augustana College and theological Seminary : Publications No. 1 (1898). Sydney. Australasian association for the advancement of science : Report of the 7 meeting held at Sydney 1898. Wisconsin. Geological and natural history survey (Madisonj : Bull. No. 1 u. 2. — Academy of sciences, Arts and Letters (Madison) : Transactions Vol. XI, 1896/97. Zerbst. Naturwiss. Verein: Bericht von 1892 — 98. Der Rechnungs-Abschluss für das Vereinsjahr 1. Juli 1898/99 stellt sich folgendermassen : Einnahmen: Kassenstand am 1. Juli 1898 252 M. 40 Pf. Zinsen aus den Kapitalien 637 „ 82 „ Mitgliederbeiträge 4153 ,, — ,, Verkaufte Jahreshefte im Buchhandel 20 ., — ., Für gelieferte Separatabzüge 297 ,, 25 ., 5360 M. 47 Pf. Ausgaben: Vermehrung der Bibliothek 23 M. 20 Pf. Buchdrucker-, Buchbinder- und Zeichnerkosten . . . 3590 ,, 32 ,. Porti, Schreibmaterialien, Expedition der Jahreshefte 547 ,, 29 ,, Gehalte, Vorträge, Saalmiete, Inserate 795 ,, 64 ., Zweigvereine 78 ,, 82 ,, Steuer, Bankierkosten 46 .. 21 ,, 5081 M. 48 Pf Einnahmen 5360 M. 47 Pf. Ausgaben 5081 ., 48 ,, Kassenvorrat 278 M. 99 IM. V e r m ö g e n s b e r e c h n an g. Kapitalien nach ihrem Nennwert i7 600 M. — Pf. Kassenvorrat 278 .. 99 In Summa 17 878 M. 99 Pf. Dasselbe betrag am 1. Juli 1898 17852 .. 40 somit Zunahme gegen das letzte Jahr — ' • 26 M. 59 Pf. WIY Im Vereinsjahr 1897/98 betrug die Mitgliederzahl .... 782 Hierzu die 54 eingetretenen Mitglieder: Gussmann, Karl, Pfarrer in Gutenberg. Scheufeien, Adolf, Dr. phil. in Oberlenningen. Leuze, A., Fabrikant in Owen u. T. Frank, K., Dr. med. in Kirchheim u. T. Bernecker, Ad., Stud. math. in Tübingen. Müller, F., Kaplan in Seekirch OA. Riedlingen. Ehrhard, Dr. med., Assistenzarzt in Schussenried. Blochmann, F., Professor Dr. in Tübingen. Bösenberg, Fr. Wilh., Privatier in Stuttgart. Jakob, R., Oberst a. D., Cannstatt. Fritzweiler, Richard, Dr. phil. in Hohenheim. Schlenker, Karl, Pfarrer in Waldmannshofen. Gmelin, Gustav, Apotheker in Winnenden. Schmidt, Max, Dr., Chemiker in Blaubeuren. Grützner, P., Professor Dr. in Tübingen. H ähnle, H., Kommerzienrat in Stuttgart. Faber, Adolf, Landgerichtsrat in Stuttgart. v. Zell er, C. H., Direktor des Stat. Landesamts in Stuttgart. Frick, Lehrer in Mühlhausen b. Engen. Seh all er, Ludwig, Dr. med. in Stuttgart. Mühlschlegel, Albert, Dr. med., Stabsarzt in Weingarten. Drausnick, Friedr., Hauptmann in Weingarten. Kästle, Dr. med. in Wangen i. Allgäu. Nickel, Adolf, Regierungsrat in Cannstatt. Pfeiffer, Gustav, Dr. phil. in Stuttgart. Schmid, Apotheker in Nagold. Römer, Oberförster in Nagold. Schauwecker, Oberförster in Wildberg. Bürker, K., Dr. med. in Tübingen. Waibel, Finanzamtmann in Altensteig. Wetzel, Albert, Professor in Nagold. Schmitt, Ad., Hüttenchemiker in Gmünd. Schweizer. Chr., Professoratsverweser in Ehingen a. D. Haasis ji\, Dr. med. in Maulbronn. Bruder, Karl, Rektor in Biberach. Rapp, Max, Rektor in Biberach. Reiff, Karl, Professor in Biberach. Wunderlich, Rud., Intendanturrat in Stuttgart. Sachs, Robert, Gemeinderat in Heidenheim. Löffler, Elementarlehrer in Heidenheim. Hartmann, Albert, Kommerzienrat in Heidenheim. Knoll, Eugen, Betriebsbauinspektor in Heidenheim. Maiter, Rektor in Heidenheim. Voith, Kommerzienrat in Heidenheim. Braun, Paul, Baurat in Ehingen a. D. Wilma, August, in Giengen a. d. Brenz. XXV I bertrag . . 782 Bisen b ach, Oberförster in Königsbronn, v. lluene, F., Dr. phil. in Tübingen. Streich, Ivo , Kaiser], deutscher Konsul in Swatau, China. Bilfinger, Kameralverwalter in Gmünd, v. Bourdon, Chemiker in Ehingen a. I). Marin ein, Professor in Ulm a. I). Pfeiffer, Emil, Chemiker in Heidenheim. Mahler, Postsekretär in Waldsee. 54 ~836 Hiervon ab die 38 ausgetretenen und gestorbenen Mitglieder: Schanz, Dr., Landgerichtsrat in Tübingen. Ammermüller, Friedrich, Dr. in Stuttgart, f Bronner, Paul, Professor Dr. in Stuttgart, f Simon. Bans, Kaufmann in Stuttgart, f Rathgeb, Apotheker in Gmünd. F r ö h n e r , Oberförster in Göppingen. Knüpf er, Lehrer in Unterschwarzach. Gutscher, Professor in Crailsheim. Bauer, Max, Professor Dr. in Marburg. Stiefel, Oberamtsbaumeister in Waldsee. Schlipf, Oberförster in Geislingen. Schiele, Oberförster in Schönenberg. Bernecker, Adolf, Professor in Stuttgart, f Sigelen, Carl, Kaufmann in Stuttgart, f Lindenmayer, Ad., res. Apotheker in Cannstatt. Reuss, EL, Kanzleirat a. D. in Hall, v. Gültlingen, Lieutenant in Ulm a. D. St eliter, Kurt, Geh. Justizrat in Stuttgart. Forstlicher Leseverein in Beidenheim. Bopp, H., Dr. phil. in Stuttgart, v. Rümelin, Oberbürgermeister in Stuttgart, f v. Köstlin, Dr. Staatsrat in Stuttgart, f Keller, Apotheker in Tübingen, f Werkmann, Oberförster in Ehingen a. D. f Jackh, Eugen, Apotheker in Ulm. t Holdschuher, Lehrer in Buchau a. Federsee. Müller, Rektor in Esslingen, j Rheineck, Bildhauer in Stuttgart. Mayer, Karl, Dr. med. in Röthenbach. Steinheil, Salinenverwalter in Rottweil. Ander. Fritz, Kollaborator in Urach. Brügge mann, L., Fabrikant in Beilbronn. Dittmar, G., Fabrikant in Heilbronn. Seelig, Fabrikant in Heilbronn. Bopp, Carl, Professor in Stuttgart. — WV1 — Übertrag . . 8 36 v. Egle. Hofbaudirektor in Stuttgart, f Längst, Professor in Hall, f Binder. J., in Ehingen. 38 798 Es verbleiben daher am Ende des Rechnungsjahres . 7(.)s Mitglieder, gegenüber dem Vorjahre mit 782 eine Zunahme von 16 Auf das vorjährige Gesuch des Vereins an den Deutschen Reichs- tag um Abänderung des Reichsgesetzes über den Vogelschutz vom 22. März 1888 (vergl. diese Jahresh. 1899 S. XXVII) ging dem Verein folgende Antwort zu : Reichstag. Berlin NW., den 23. März 1900. Der Reichstag hat in seiner 175. Plenarsitzung auf Grund schriftlichen Berichts der Kommission für die Petitionen beschlossen : die Petitionen, betreffend Abänderung des Vogelschutz- gesetzes bezw. Anbahnung von Massregeln zur Unter- drückung des Massenfanges der Zugvögel in Süd- tirol und Italien, dem Herrn Reichskanzler zur Berück- sichtigung zu überweisen. Den geehrten Adressaten beehre ich mich von diesem Beschlüsse unter Bezugnahme auf die von demselben bei dem Reichstage ein- gereichte Petition ganz ergebenst zu benachrichtigen. Den Herren Mitunterzeichnern der Petition hiervon gefälligst Kenntnis geben zu wollen, stelle ich ergebenst anheim. Knack. Direktor. An den Verein für vaterländische Naturkunde, Stuttgart. Nekrolog. Dr. Alfred Leuze, Professor an der Friedrich- Lugen-Realschule in Stuttgart. Von Prof. A. Rettich. Am 6. September 1899 starb in Stuttgart Prof. Dr. Leuze. und die an seinem Grab gesprochenen Worte legten Zeugnis davon ab, dass mit ihm ein Mann dahingegangen war, der nicht nur als Lehrer, sondern auch als selbständiger Forscher auf dem Gebiete der Naturwissenschaft mehr als Gewöhnliches geleistet hatte. So möge es nun auch uns gestattet sein, treu den Gewohnheiten des vaterländischen naturwissenschaftlichen Vereins, dessen Mitglied Leuze lange Zeit war, sein Andenken durch einen kurzen Nachruf zu ehren ' A. Leuze wurde am 8. Dezember 1845 zu Stetten im Rems- tliil geboren, wo sein Vater Vorstand einer Privaterziehungsanstalt war: 1852 zog er mit den Eltern nach Kirchheim u. T. und besuchte die unter der Leitung des Vaters stehende Lateinschule, um 1859 durch die enge Pforte des Landexamens in das Seminar Maulbronn einzutreten. Nach vierjährigem wohlausgenützten Aufenthalt fand er 1863 Aufnahme im Stift in Tübingen. Eifrig mit theologischen Wissenschaften beschäftigt, wandte sich das Interesse des Jünglings auch jetzt schon den mathematisch- naturwissenschaftlichen Studien zu ; doch da die Dispensation der Lehramtskandidaten von der theologischen Abgangsprüfung erst im Jahre 1866 erfolgte, schloss Leuze 1867 mit der verlangten Prüfung seine theologische Thätigkeit, um sich nun auf das realistische Lehramt vorzubereiten. Obgleich er sich bisher schon ordentlich auf seinem neuen Gebiete umgesehen hatte, bedurfte es doch der Anspannung- aller Kräfte, um neben den Kollegien über höhere Mathematik etc. auch noch das für das Reallehrerexamen nötige Wissen zu erwerben. Im Jahre 1868 erstand Leuze den theoretischen Teil der Real- prüfung und fand sogleich Verwendung an der Realanstalt in Stutt- gart, wo er sich bald in hohem Masse die Anerkennung des Rektors Frisch zu erringen wusste, dem bei seinen Arbeiten über Kepler die gediegenen Kenntnisse des jungen Lehrers in den alten Sprachen sehr zu statten kamen. X.WIII Doch des Studierens war noch lange kein Ende: neben sorg- fältiger Vorbereitung für den Unterricht besuchte Leuze das chemi- sche Laboratorium des Polytechnikums, und 1871 gelang es ihm. auch noch die Professoratsprüfung zu erstehen, worauf er 1872 definitive Anstellung an der Realanstalt fand. Seine Lehrthätigkeit erstreckte sich mehrere Jahre so ziemlich auf alle Fächer, und erst nachdem 1875 die mathematischen Klassen am Polytechnikum auf- gehört hatten, und dafür Klasse IX und X an der eigenen Anstalt errichtet worden waren, konzentrierte sich der Lehrauftrag auf Natur- wissenschaften und deskriptive Geometrie an den oberen Klassen ler Anstalt. Damit war ein Schaffensgebiet gewonnen, das den Neigungen Leuze's vollständig entsprach, und wie ernst er es mit seiner Aufgabe nahm, beweist ein Programm über den Unterricht in Krystallographie, das schon im Jahre 1878 erschien. Ein grosses Mass von Arbeit legte sich auf die Schultern des jungen Lehrers: die von Frisch der Anstalt geschenkte Sammlung war in ziemlicher I nordnung, zudem auch vollständig ungenügend, und nur der energi- schen Thätigkeit Leuze's ist es zu danken, dass sie jetzt eine Stufe erreicht hat, die auch weitgehenden Ansprüchen genügen dürfte. War das Leben Leuze's bisher in emsiger Thätigkeit, wenig von aussen beachtet, dahingeflossen, so trat er von dieser Zeit an mehr in die Öffentlichkeit: im Jahre 1877 wurde er Mitglied der Kommission für das Realiehierexamen, wo er Naturwissenschaft und deskriptive Geometrie vertrat : auch noch in anderen Examina war er thätig und wurde dadurch eine in der Lehrerwelt sehr bekannte Persönlichkeit. Im Jahre 1881 wurde ihm der ehrenvolle Auftrag, den natur- wissenschaftlichen Unterricht am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium zu übernehmen, den er bis 1894 beibehielt, und eine wohlgeordnete .Sammlung und manche gute Note im Physicum zeugen von der «•ispriesslichen Arbeit. Auch an der städtischen Fortbildungsschule war er von 1881—98 thätig. Bis zum Jahre 1889 hatte Leuze den Lieblingsgedanken, der ihn schon als Jüngling beseelt, zurückdrängen müssen: die Erlangung des Doktorhutes ! 1889 legte er der Fakultät in Tübingen seine Abhandlung über die Mineralien und Pseudomorphosen Roseneggs vor. eine Arbeit, die Geheimrat Knop eine klassische nennen durfte, und erlangte hierauf die Doktorwürde. Bei der sorgfältigen Vorbereitung, die Leuze auf seine Lehr- studien verwendete, konnte es nicht fehlen, dass sein Unterricht ein sehr anregender war; sein ganzes Wesen aber brachte es mit sicli, dass der Schüler nicht bloss lernen konnte, sondern auch musste. In seiner wissenschaftlichen Thätigkeit beschränkte er sich auf ein- zelne Gebiete, besonders auf Mineralogie, wo er als Fachmann gelten konnte; in dankenswerter Weise stellte er besonders die Mineralien viu! Württemberg zusammen und hier hatten es ihm besonders die Kalkspate und Gipse angethan. Ein Buch hat Leuze nicht geschrieben; dagegen erschienen jedes Jahr kleinere oder grössere Originalabhand- lungen, die in den Heften des Vaterländischen Vereines, dem er viele Jahre hindurch als Mitglied, seit 1891 als Ausschussmitglied und von 18134 — 1896 auch als zweiter, bezw. erster Vorsitzender der wissenschaftlichen Abende in Stuttgart angehörte, sowie in denen des Oberrheinischen geologischen Vereines abgedruckt sind. Man staunt über die grosse Zahl der Arbeiten des durch das Lehramt so sehr in Anspruch genommenen Mannes, besonders wenn man be- denkt, dass es oft zeitraubende Messungen sind, die er veröffentlichte. An Material gebrach es ihm nicht, jedes Jahr machte er eine Reise in die Alpen oder in das deutsche Mittelgebirge, und eine Reihe von guten Funden, die in seiner Privatsammlung zu sehen sind, gaben Stoff zur wissenschaftlichen Arbeit. Ganz besonders fehlte er nie bei den Osterexkursionen des Oberrheinischen Vereines, wo sein heiteres, übrigens einer scharfen Kritik nicht ganz abholdes Wesen ihn zu einem gern gesehenen Gaste machte. Leuze verlebte seine freie Zeit meist im trauten Familienkreise ; seine nie besonders feste Gesundheit und ein glückliches Familien- leben fesselten ihn an die Wohnung, und seiner Thätigkeit in den Abendstunden verdanken wir besonders seine Arbeiten. In den letzten Jahren hatte sich seine Gesundheit bedeutend gefestigt, und eine tüch- tige Erholung in den Ferien schien ihn für den Winterdienst gestärkt zu haben. Am 8. September sammelten sich die Kollegen statt zum Schulanfang zum Begräbnis! Der Besten einer war aus unserer Mitte geschieden ; ein jäher Tod hatte Leuze im Mannesalter dahin gerafft ! Ehre seinem Andenken ! Wir geben nachstehend ein Verzeichnis der Arbeiten Leuze's. 1. 1876: Geographische Errungenschaften von 1875/76. (Programm Realanstalt Stuttgart.) 2. 1878: Unterricht in der Krystallographie. (Programm Realansialt Stuttgart.) VW :;. 1880: Kalkspat im Hasalttuff des Owener Bolle. (V. V.1) I. L882: Beitrag zur Kenntnis des Vorkommens von Kalkspat in Württemberg. (V. V.) 5. L883: Nekrolog des Dr. Gotthilf Werner. (V. V.) 6. 1883: Die chemische Beschaffenheit und die geologische Wirkung des Quellwassers. (Corresp. -Blatt f. Gelehrten- u. Realschulen.) 7. L884; (her das Vorkommen von Cölestin, wasserklarem Schwer- spat und Kalkspatzwilling nach oR in Württemberg. (V. V.) 8. 1884: Mineralische Vorkommen Württembergs, als Modelle für Aufgaben der deskriptiven Geometrie verwertet. (Math.-naturw. Mitteilg. I.) 9. 1886: Die Pseudomorphosen von Rosenegg bei Rielasingen im Hegau. (V. V.) 10. 1887: I'seudomorphose von Kalkspat nach Schwefel von Gir- genti. (0. V.) 11. 1887: Eisenspat vom Cavradi bei Tschamut an der Rhein- quelle. (0. V.) 12. 1887: Magnesit, und Dolomit von Dissentis. (0. V.) 13. 1888: Beiträge zur Mineralogie Württembergs. (V. V.) 14. 1888: Kalkspäte aus dem Tavetsch. (0. V.) 15. 1888: Kalkspäte aus dem Bündner Schiefer; insbesondere von Churwalden. (0. V.) 16. 1888: Pseudomorphosen von Kalkspat nach Aragonit von Burg- heim bei Lahr. (0. V.) 17. 1889: Mineralien und Pseudomorphosen des Roseneggs (Dr.- Dissert.). (V. V.) 18. 1889: Beiträge zur Mineralogie Württembergs, II. Folge. (V. V.) 19. 1890: Beiträge zur Mineralogie Württembergs, III. Folge. (V. V.) 20. 1891: Die Gipse von Iselshausen. (0. V.) 21. 1892: Mineralogische Notizen (Aragonit vom Hohenhöwen etc.). (0. V.) 22. 1893: Mineralogische Notizen (Dioptas etc.). (0. V.) 23. 1894: Mineralogische und palaeontologische Notizen. (0. V.) 24. 1894: Die mineralogischen und geologischen Fundstätten der Kirchheimer Gegend. (V. V.) 25. 1895: Die Kohlengrube von Mittelbronn. (V. V.) 26. 1886: Der Doppelspat von Auerbach. (0. V.) 27. 1897: Über die Anzahl der Bilder, die man durch einen Doppel- spat sieht, der Zwillingslamellen einschliesst. (0. V.) 28. 1898: Über optisch interessante Mineralien von Brasilien, sowie über neue Funde am Rosenegg. (0. V.) 29. 1899 : Mineralogische Notizen (Anhydrit v. Wilhelmsgl. etc.). (0. V.) 1 V. V. = Jahreshefte d. Vereins für vat. Natk. in Wttbg. — 0. Y. Berichte d. Oberrhein, geolotr. Vereine II. Sitzungsberichte. 1. Generalversammlung am 24. Juni 1899 in Heidenheim. (Vergl. S. IV; über die Vorträge der Herren Prof. Dr. E. Fraas, Prof. Dr. K. Miller, Stadtpfarrer Dr. R. Gradmann, Prof. Dr. B. Kluu- zinger, Pfarrer Dr. Engel vergl. Abt. III dieses Jahresheftes S. 47, 385, 537, 519, 238.) Prof. Dr. 0. Kirchner (Hohenheim) machte Mitteilungen „über die kernlose Mispel". Diese Form von Mespilus germanica L. ist schon seit langer Zeit bekannt und von K. Koch als var. apyrena bezeichnet worden. Ihre erste Erwähnung findet sich bei Duhamel (Traite des arbres fruitiers. Vol. VI) im Jahre 17G8; die eigentüm- lichen Blüten sind beschrieben von Poiteau in der neuen Ausgabe dieses Werkes von 1835, und auch bei J. G. Dittbich (Handbuch der Obstkunde, Bd. 3. 1841). Vortragender hatte schon 1886 die an- scheinend männlichen Blüten eines im Hohenheimer botanischen Garten stehenden alten grossen Strauches dieser Varietät beschrieben (Kirchheb, Neue Beobachtungen über die Bestäubungseinrichtungen einheimischer Pflanzen. 1886. S. 34), untersuchte dieselben aber neuerdings genauer aus Anlass einer Arbeit von Prof. Dr. MüLEEB-Thurgau (Abhängigkeit der Ausbildung der Traubenbeeren und einiger anderer Früchte von der Entwickelung der Samen. — Schweiz. Landwirtschaftl. Jahrbuch 1898), welcher auch die Blüten und Früchte des Hohenheimer Strauches ge- legentlich bespricht. Die Blüten der kernlosen Mispel sind kleiner als die der ge- wöhnlichen kultivierten Form ; ihre Unterschiede wurden vom Vor- tragenden an der Hand von Diagrammen auseinandergesetzt. Danach sind bei der kernlosen Varietät die Kelchblätter kronblattartig ent- wickelt, weiss, an der Spitze mehr oder weniger laubig grün gefärbt, meistens 15 mm lang und 14 — 17 mm breit, bei der normalen Form dagegen sind sie grün, laubblattähnlich, an ihrer Basis 5— 8 mm breit und 15 — 40 mm lang. Die Kronblätter der kernlosen Form sind weiss, in der Piegel 17 mm lang und etwa eben so breit, bisweilen auch kleiner, nämlich bis zu 10 mm Breite und 14 mm Länge herabgehend ; die normalen Kronblätter sind dagegen 20 — 27 mm lang und L8 bis 21 mm breit. Die Staubblätter der äusseren Kreise sind in den Blüten der kernlosen Mispel zahlreicher als in den normalen Blüten, meistens sind ihrer 45 vorhanden; dazu kommen in der Mitte der Blüte noch — XXXII — weitere 5 — 10 Staubblätter. Alle sind etwas kleiner als in den normalen Blüten , sonst aber gut entwickelt ; ihre eiförmigen Pollen- körner sehen gesund aus und haben (im Wasser liegend) einen Längen- durchmesser von 50 — 62, im Durchschnitt 54 /<, während bei der normalen Form der Längendurchmesser der Pollenkörner 5b- — 67, durchschnittlich 63 (x beträgt. Von weiblichen Organen ist in den Blüten unserer Varietät gar nichts aufzufinden : statt der Karpelle befindet sich im Innern der kreiseiförmigen Blütenachse eine kleine, mit Zellwucherungen ausgekleidete Höhlung ohne eine Spur von Samen- anlagen, von Griffeln und Narben ist nichts wahrzunehmen; an ihrer Stelle steht die oben erwähnte centrale Gruppe von Staubblättern. Ein Nektar absondernder Ring ist in den Blüten vorhanden und sie werden deshalb auch reichlich von Honigbienen besucht ; dagegen ist von dem mittleren haarigen Teile des Blütenbodens , wie er sich in den normalen Blüten findet, hier höchstens eine Andeutung zu bemerken. Das Sonderbare ist nun, dass diese Blüten Früchte ansetzen, und zwar nicht etwa nur ausnahmsweise, sondern in jedem Jahre eine reichliche Menge ; allerdings bestehen sie nur aus Fruchtfleisch ohne eine Spur von Samen. Die Häufigkeit des Fruchtansatzes spricht gegen die von MüLLER-Thurgau geäusserte Vermutung, dass sich in manchen Blüten rudimentäre Griffel und Narben ausbildeten , welche wenigstens eine Bestäubung und die Entwickelung von Pollenschläuchen gestatten würden. Denn in der Regel sind selbst Andeutungen von Griffeln in den Blüten nicht vorhanden ; nur in einzelnen Fällen waren zwischen den mittleren Staubblättern sehr kleine Höckerchen zu er- kennen, die man mit demselben Recht als verkümmerte Staubblätter, wie als rudimentäre Griffel deuten kann, die aber niemals eine Spur von einer narbenartigen Struktur aufwiesen. Da man nun aber auf Grund zahlreicher Beobachtungen anzunehmen pflegt, dass zur Bildung einer Frucht, selbst wenn ihre Samen fehlschlagen, das Eindringen von Pollenschläuchen in das Gynäceum erforderlich ist, so entsteht in unserem Falle die Frage, ob man es hier wirklich mit einer Frucht- bildung ohne Befruchtung, ja ohne Bestäubung zu thun hat. Zur Klärung dieser Frage leitete der Vortragende am 30. Mai 1899 eine Reihe von Versuchen an den Blüten der kernlosen Mispel ein, bei denen einzelne dem Aufgehen nahe Blütenknospen isoliert und bezeichnet wurden. Die Isolierung geschah durch Gläschen , deren Öffnung nach dem Einführen der Knospen mit Watte verschlossen wurde. 6 Blütenknospen wurden unverändert sich selbst und einer etwa eintretenden Autogamie überlassen , 1 2 andere wurden dadurch kastriert, dass ihnen mit einem Rasiermesser in der Höhe der Ansatz- stellen der Kelchblätter diese , die Kronblätter und sämtliche Staub- blätter mit den noch geschlossenen Antheren weggeschnitten wurden, also nur die kreiseiförmige Blütenachse mit der Nektarscheibe stehen blieb. Von diesen kastrierten Blüten wurden 6 sogleich isoliert, die 6 übrigen wurden künstlich mit dem von eben geöffneten Blüten ent- nommenen Pollen bestäubt und nachher isoliert. Endlich wurden, um die Wirkung der mit der Kastration verbundenen bedeutenden Ver- XXXIU letzung genauer beobachten zu können, noch 6 Blüten kastriert, aber frei an der Luft sich selbst überlassen. Am 20. Juni wurden alle zur Isolierung benützten Gläschen entfernt, und es zeigte sich, dass von den 24 Blüten 23 in derselben Weise die Anfänge einer Fruchtbildung zeigten, wie die übrigen Blüten des Strauches; nur eine von den kastrierten und ohne vorhergehende künstliche Bestäubung frei stehen gelassenen Blüten war abgefallen, ohne eine Anschwellung der Blüten- achse zu zeigen. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass auch von den unbehandelten Blüten des Strauches einzelne ohne anzusetzen abgefallen waren. Die kastrierten Blüten hatten im übrigen, mochten sie künstlich bestäubt worden sein oder nicht, abgesehen von ihrer Verstümmelung eben solche Fruchtansätze gebildet, wie die unversehrten. Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass bei der kernlosen Mispel die Bildung der Früchte ohne vorhergehende Bestäubung statt- findet, eine Erscheinung, die zum Teil wenigstens minder befremdlich erscheint, wenn man sich daran erinnert, dass dasjenige Organ, aus welchem die „Frucht" — richtiger gesagt: das Fruchtfleisch — sich bildet, nicht das Gynäceum, sondern die Achse der Blüte ist. Späterer Zusatz. Die weitere Beobachtung der markierten jungen Früchte ergab, dass nachträglich von den 23 angesetzten noch 7 abfielen, ohne ihre vollständige Ausbildung zu erreichen ; auch sonst wurde an dem Strauche ein ähnlicher Prozentsatz abgestossen. Am 9. September wurden die noch nicht ganz reifen Früchte geerntet und gewogen. Von der Serie I (nicht kastriert, isoliert) waren noch 4 Früchte vorhanden, welche 0,997 g, 1,534 g, 1,730 g, 2,007 g, durchschnittlich 1,567 g wogen. Serie II (kastriert, ohne Bestäubung isoliert) lieferte 5 Früchte, welche 0,996 g, 1,207 g, 1,416 g, 1,535 g, 1,617 g, durchschnittlich 1,394 g wogen. Von Serie III (kastriert, nach künstlicher Bestäubung isoliert) waren 4 Früchte vorhanden, deren Ge- wicht 0,785 g (stark angefressen), 1,291 g, 1,305 g, 1,555 g, im Durch- schnitt (mit Ausschluss der verletzten) 1,384 g betrug. Von Serie IV (kastriert, nicht isoliert) war 1 Blüte abgefallen ohne anzusetzen, von den 5 übrigen waren noch 3 Früchte vorhanden, welche 1,045 g, 1,138 g, 1,538 g, durchschnittlich 1,240 g wogen. Also zeigte auch die Aus- bildung der Früchte keine anderen bedeutenderen Unterschiede zwischen den einzelnen Serien, als dass die unverletzten Blüten durchschnittlich etwas schwerere Früchte lieferten als die durch Kastration verstümmelten. 2. Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart. Sitzung am 18. Mai 1899. Herr Dr. Hopf (Plochingen) sprach über ,,eine neue morpho- logische Deutung der mehrzelligen Geschöpfe mit Einschluss des Menschen". Angeregt durch den Aussprach von ViECHOVi L898, dass die mehrzelligen Organismen nicht eigentlich Individuen, sondern sociale Wesen seien, deren Klementarteile, die Zellen, jede ihr eigenes Jahreshefto d. Verelus f. y.iterl. Naturkunde in Wurtt. 1900. C XXXIV - Loben habe, gelangt der Vortragende zu der noch weitergehenden Hypo- these, dass die Metazoen aus zwei zusammengewachsenen Personen, je mit zwitter ig er Anlage, zusammengesetzte Zweiheiten seien. Bei der Untersuchung geht er aus von den Protozoen, welche zu be- trachten seien als einzellige doppelgeschlechtliche Geschöpfe, indem wenigstens die Wimperinfusorien mit ihren zweierlei Kernen (Grosskern weiblich, Kleinkern männlich) gewissermassen zweierlei Geschlechtsorgane besitzen, die übrigen einkernigen aber potentiell so angesehen werden können. Sie bleiben aber immer wieder einzellig, auch wenn sie vor- übergehend bei der Konjugation oder Kopulation zum Zweck der Auf- frischung sich vereinigt haben. — Bei den Metazoen aber tritt eine weitergehende Differenzierung in männliche und weibliche Elemente ein, und es bildet, sich ein geschlossener Organismus, der nicht wieder in Einzelzellen zerfällt : darin besteht die grosse rätselhafte Kluft zwischen Proto- und Metazoen. Eine Mittelstufe von zweizeiligen Wesen existiert nicht. — Die Beweise für die obige Hypothese entnimmt der Vortragende nun den verschiedenen Hauptzweigen der biologischen Wissenschaften: 1. Die Entwicklungsgeschichte lehrt, dass alle Metazoen als Larven und Embryonen mehr oder weniger bilateral symmetrisch an- gelegt sind, auch wenn später wesentliche Veränderungen eintreten, wie bei den Polypen und Echinodermen. Nach Hopf zeigt sich dies schon an den zwei ersten primitiven Furchungskugeln, welche zwei hermaphroditischen Infusorienzellen entsprechen sollen , da sie gleichviel männliche und weibliche Kernsubstanz enthalten. Weiterhin zeigt die Gastrula und bei den Wirbeltieren die Stufe mit der Primitiv- rinne und den Urwirbeln die bilaterale Anlage. 2. Die vergleichende Anatomie zeigt, dass das Zwittertum bei den niederen Gruppen der wirbellosen Metazoen vorherrschend ist, auch bei einigen Fischen noch vorkommt, und selbst die höheren Wirbel- tiere (Amnioten, auch Säugetiere) doppelte bilaterale Zwitter seien. Die meisten Organe sind überhaupt bilateral -symmetrisch, auch die scheinbar einheitlichen, wie Hirn und Rückenmark und der Bauchstrang der Arthropoden. 3. Aus der vergleichenden Physiologie ersehen wir, dass, je höher hinauf, desto inniger die Verbrückung der beiden Hirnhälften ist, mit Kreuzung der Nerven. Dabei finden sich aber mancherlei Anklänge an die ursprüngliche Selbständigkeit jeder Hälfte, z. B. das motorische Sprachcentrum liegt meist links, unter Umständen (Störungen) über- nimmt aber zuweilen der entsprechende Teil der rechten Hirnhälfte diese Verrichtung „funktionärer Stellvertretung''. 4. Beweise aus der Pathologie: Die abnormen Zwitter bei Tieren und Menschen, welche gewöhnlich als Hemmungsbildungen erklärt werden, betrachtet Vortragender als Rückschlag in die ursprünglich jederseits doppelte Geschlechtsanlage; bei „wahrem Zwittertum" mit Erstreckung auch auf die Keimdrüsen, bei Pseudo-Hermaphroditismus mit Beschränkung auf die Ausführungsgänge und äusseren Teile, bei den „Gynäkomasten" auf die Brüste. Auch sind hier aus der Psycho- pathologie die homosexualen und psychosexualen Zwitter anzuführen. \ \ X V Normal treten die Merkmale des latenten anderen Geschlechts im Alter zu Tage (Bart und tiefe Stimme alter Frauen). 5. Es giebt endlich auch noch einen direkten (experimentellen) Beweis. Roux und andere fanden, dass die erste Teilungsebene beim Froschei die Mittelebene des künftigen Embryos darstelle, ferner, dass nach Tötung (Anstechen) einer der beiden primitiven Furchungs- kugeln die andere unversehrt zu einem, sonst normalen, halben Embryo auswuchs. — Für Parthenogenesis und Polyspermie bringt Vortragender auch eigene Erklärungen vor. So befremdend diese Anschauungen erscheinen mögen, schliesst derselbe, so mag doch Wahres daran sein, und jede Hypothese, selbst eine, unvollständige und mit Irrtümern behaftete, kann der Wissenschaft, von Nutzen sein. In der nachfolgenden Erörterung vermisst Prof. Dr. Kirchner eine Bestätigung dieser Hypothese bei den Pflanzen, die doch denselben Grundgesetzen unterliegen. Prof. Dr. Klunzinger erinnert daran, dass ähnliche Gedanken schon ausgesprochen wurden von Häckel, der die Echinodermen für fünf zusammengewachsene Würmer ansah ; sonst sei die bilaterale Symmetrie der Tiere wohl durch das Gleichgewicht bei der Vorwärtsbewegung zu erklären, während festsitzende, und so auch die Pflanzen, mehr radiär gebaut seien. [Zur Kritik der ganzen Hypothese möchte Referent noch be- merken, dass das obige Experiment von Roux noch den plausibelsten Beweis für die Richtigkeit derselben bilden könnte, wenigstens für die Erklärung des Beginns der rätselhaften bilateralen Symmetrie. Die ganze Anschauung vom Zwittertum der Proto- und Metazoen aber hält er für verfehlt: bei den Wimperinfusorien ist nicht der Grosskern als weibliches, der Kleinkern als männliches Organ zu betrachten, sondern ersterer ist nicht sowohl bei der Fortpflanzung, als beim Stoffwechsel beteiligt; höchstens kann man den aus dem Kleinkern entstehenden ruhenden Kern als weibliches, den Wanderkern als männliches Analogon betrachten. Ferner kann man die zwei primitiven Furchungskugeln nicht als zwitterig deswegen ansehen, weil sie vom befruchteten Ei gleichviel Substanz übernommen (ererbt) haben ; ein seiner Mutter auf- fallend ähnlicher Mann ist noch lange kein Zwitter! Klunzinger.] Ausflug nach Hohenheim am 17. Juni 1899. Der wolkenbruchartige Gewitterregen, der sich gerade zur Zeit der Abfahrt über Stuttgart entlud, hielt leider viele von der Teilnahme an dem Ausflug ab. Diejenigen Stuttgarter Mitglieder, die sich trotzdem eingefunden hatten, durften es nicht bereuen, den Unbilden der Witte rung getrotzt zu haben. Zu besonderem Dank verpflichtete die An- wesenden Prof. Dr. Mack, durch einen im physikalischen Hörsaale der Akademie gehaltenen Vortrag über „Merkwürdig geformte II a g el wol ken". Der Vortragende ging davon aus, dass seit etwa einem Jahrzehnt — XXXVI — die wissenschaftliche Meteorologie angefangen hat, dem Studium der Wolken und ihrer Klassifikation, sowie der Messung der Höhen der verschiedenen Wolkengattungen erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dabei fand man nun, dass zuweilen, allerdings verhältnismässig sehr selten, Wolkenformen von überraschend regelmässiger Gestalt auftreten, die teils cylindrische (turmartige), teils pilzförmige, teils ringförmige Form besitzen und die vielfach als Hagelwolken sich erweisen. Eines der merkwürdigsten derartigen Wolkengebilde wurde 1895 von einem Wiener Baurat Streit bei Venedig beobachtet. Die von Streit, einem guten Zeichner, hergestellten Abbildungen der Wolken wurden seinerzeit in der Meteorologischen Zeitschrift veröffentlicht. Zwei grosse Tableaux, welche dieselben in vergrössertem Massstabe wiedergaben, wurden von dem Vortragenden vorgezeigt. Es handelte sich hier um ein kolossales kumulusartiges Wolkengebilde von grossartiger Regelmässigkeit, das im wesentlichen aus zwei vertikalen koaxialen Wolkencylindern bestand, einem äusseren von grösserem Durchmesser, der von einem inneren schmäleren überragt wurde. Aus der Achse des letzteren trat nach einiger Zeit noch eine kegelförmige, bornartige Kuppe hervor. Die Wolke gab Anlass zu einem sehr schweren Hagelwetter, das sich über Venedig entlud. — Von dem Vortragenden wurden Untersuchungen angestellt zu dem Zweck, über das Zustandekommen solcher und ähn- licher Wolkenformen näheres zu erfahren. Bekanntlich entstehen die Kumuluswolken dadurch, dass der Erdoberfläche anliegende Luftschichten an günstigen Stellen durch die Sonne so hoch erwärmt werden, dass aufsteigende Luftströme sich bilden, deren Wasserdampf in einer gewissen Höhe zur Kondensation gelangt. Nach Dove ist jede Kumuluswolke aufzufassen als das sichtbare Kapital einer aufsteigenden unsichtbaren Luftsäule. Aufsteigende Luftmassen geben nun, falls der Aufstieg in regelmässiger Weise erfolgt, im grossen Anlass zur Bildung von Wirbel- ringen ähnlicher Art, wie solche im kleinen von den Tabakrauchern hervorgebracht werden können. Auf Grund einer Experimentalunter- suchung, über welche der Vortragende einiges Nähere mitteilte, wurde von ihm gefunden, dass Wirbelringe, die in vertikaler Richtung eine horizontale Gas- oder Flüssigkeitsschichte durchsetzen, dieselbe in Ge- stalt eines vertikalen Cylindermantels mit sich in die Höhe ziehen, sowie, dass unter gewissen Umständen, falls nämlich in dem Wirbelring schwere Partikelchen (Hagelkörner) rotieren, durch Senkung des Rings, eine vertikale hornartige Kuppe über seiner Mitte sich erhebt. Es gelingt auf diese Weise, die Bildung der eingangs geschilderten cylindri- schen Wolken auf grosse Luftwirbelringe zurückzuführen, die eine schon vorher vorhandene horizontale Wolkenschicht durchdringen. Auch auf die bei Gewitterbildung verhältnismässig häufig auftretenden champignon- förmigen Kumulusgebilde und ihre Entstehungsweise wurde von dem Redner unter Vorzeigung zahlreicher Abbildungen näher eingegangen. Unter diesen waren besonders interessant neun grosse Wolkenphoto- gramme, hergestellt von dem bekannten Wolkenphotographen Prof. Dr. Riggenbach in Basel, die letzterer dem Vortragenden leihweise zur Ver- fügung gestellt hatte. Diese Bilder stellten die einzelnen Entwickelungs- — XXXVI] phasen eines prachtvollen pilzförmigen Gewitterkumulus dar. Schliesslich erwähnte der Redner, dass die durch Wirbelringe erzeugten Wolken- formen sich sehr schön auch an den Rauchwolken thätiger Vulkane beobachten lassen. Der Vortragende hatte während eines mehrwöchent- lichen Aufenthaltes in Neapel in diesem Frühjahr Gelegenheit, an der Rauchwolke des Vesuv darauf bezügliche Studien zu machen. Dass dieser Vulkan bei seinen Eruptionen sehr häufig deutliche Rauchwirbel- ringe nach Art der mit Cigarrenrauch hergestellten ausstösst, wurde von dem Vortragenden direkt beobachtet und auch nachträglich aus der Vesuvlitteratur in den Schilderungen früherer Beobachter entnommen. Diese Wirbelringe geben unter günstigen Umständen sowohl zu den oben erwähnten Cylinderbildungen als zu Hornbildungen Anlass, was an einigen Photogrammen nachgewiesen wurde, die der Vortragende zum Teil selber an Ort und Stelle aufgenommen hatte. Nach dem Vortrag versammelten sich die Hohenheimer Herren und ihre Gäste noch zu einem gemütlichen Trunk in der Speisemeisterei. Prof. Dr. Kirchner begrüsste die Stuttgarter Mitglieder, der bedauerns- werten Thatsache gedenkend, dass der Hohenheimer Ausflug stets unter schlechtem Wetter zu leiden habe ; es sei ein schlechtes Zeichen für das Verhältnis der Naturwissenschaften zum Wetter, wenn es nicht ein- mal einem ganzen naturwissenschaftlichen Verein gelinge, für diesen einen Tag für schönes Wetter zu sorgen. Den Dank der Gäste sprach Prof. Dr. Klunzinger aus, betonend, wie es trotz schlechten Wetters in Hohenheim immer etwas zu sehen und zu lernen gebe, und wie man sich, dank der Liebenswürdigkeit der Kollegen von Hohenheim, daselbst immer wohl fühle. Sitzung am 12. Oktober 1899. Nachdem Prof. Dr. Klunzinger dem jüngst verstorbenen rührigen Mitglied Prof. Dr. Leuze einen warmen Nachruf gewidmet hatte, wurden die Wahlen der Vorsitzenden und des Schriftführers für die Versamm- lungen vorgenommen. Zum ersten Vorsitzenden wurde Prof. Dr. Klun- zinger, zum zweiten Prof. Dr. Cranz, zum Schriftführer Prof. Dr. Vosseier gewählt. Letzterer gab sodann an Stelle von Herrn Prof. Dr. Fraas einige Erklärungen zu einem in jüngster Zeit vom K. Natu- ralienkabinet erworbenen, sehr gut erhaltenen Ei von Aepyomis maasi- mus, dessen Umfang 73 und 88 cm, und dessen Durchmesser 23 und 30 ein betragen. Darauf hielt Prof. Dr. Klunzinger einen Vortrag über ,,Die physikalischen, chemischen und biologischen Ursachen der Farben unserer Gewässer und über den grünen Stuttgarter Feuersee insbesondere". Die Eigenfarbe des Wassers ist, wie Buxsex mittels einer langen Röhre experimentell nachgewiesen hat, in grösserer Schicht die blaue Farbe. Alkohol ist nicht blau, wohl aber eine Lösung von Kochsalz oder von Kalk in Wasser. So erklärt sich das Blau des Meeres, des Garda- und Genfer Sees, des Blautopfs u. s. w., auch die — XX Will — bläuliche Farbe des Eises und der Gletscher. Selbst das Blau des Himmels ist wohl in letzter Linie als Wasserfarbe anzusprechen, da ja die Atmosphäre mit Wasserdampf erfüllt ist. Grün erscheint das Wasser an Untiefen durch Mischung gelblicher Bodenfarbe mit der blauen des Wassers, ebenso durch Lösung gelblicher Humusstoffe, wie Forel durch Versuche nachgewiesen hat. Durch Filtration konnte letzterer auch die längere Zeit verbreitet gewesene Ansicht von Spring widerlegen, als ob staubartige Niederschläge die Ursache des grünen Wassers wären. Alle Seen des Alpengebiets, deren Zuflüsse durch Moorgrund strömen, also Humussubstanzen aufnehmen können, sind grün (Bodensee, Tegern- see). Wird die Menge dieser Stoffe recht beträchtlich, so färben sich die Gewässer braun oder fast schwarz (Murg, Mummelsee). Beimischung von Schlamm und Kalk bedingt graue oder braune Färbung mit gleich- zeitiger Trübung. Durch Beimengung fein zerteilter Luft (Wellen, Sprudel, Schnee) erscheint das Wasser weiss. Spiegelungen beeinflussen die Färb Wirkung sehr, kommen aber bei der Beurteilung der eigent- lichen Wasserfarbe nicht in Betracht. Zur Feststellung des Tons der Gewässer bedient man sich einer Farbenskala. Die biologischen Ur- sachen beruhen meist in der Anwesenheit sogenannter Schwebewesen (Planktonorganismen). In grossen Seen üben diese kaum eine Wirkung aus, weil sie zu weit voneinander entfernt sind, wohl aber in Teichen. Gräben und Regenpfützen, in denen häufig eine Art (Volvox. Euglena) allein oder zusammen mit anderen Arten eine auffallende, meist grüne Färbung verursacht (sogenannte Vegetationsfarbe). Hiervon unterscheiden sich die Wasserblüten, die durch nur an der Oberfläche schwebende Wesen oder Blütenstaub von Pflanzen entstehen. Leuchten des Wassers beobachtet man nur im Meere. Rote Färbung ist selten, entsteht durch Euglena, Astasia oder Schwefelbakterien (Chromatium) und giebt dem Volke Anlass zu Schrecken und Aberglauben. In manchen Buchten des Roten Meeres fand Ehrenberg ein rotes Trichodesmium und im Nil eine ähnliche Art, die denselben bald rot, bald grün färbt. Auf diese Erscheinung ist der blutige Nil zurückzuführen , die erste der sieben Landplagen zu Zeiten von Moses. Die auffällige saftgrüne Farbe un- seres Feuersees ist auf eine winzige, aber in ungeheurer Masse vor- handene Doppelalge (Cosmarium süesiacum Gutw.) zurückzuführen. Die Desinfektion mit Eisenvitriol hat nichts genützt. Andere kleine Organismen fehlen beinahe ganz, deshalb gedeihen auch keine Fische. Eine von dem Vortragenden ausgeführte Untersuchung des den See speisenden Quell- und Seewassers am Hasenberg ergab, dass die Alge nur im Feuersee sich bildet und befindet. Die Alge ist ganz unschädlich, ja, weil fäulnishindernd, eher nützlich. Die grüne Farbe des Wassers ist (nach dem Geschmack des Redners) schön; eine Bekämpfung der Erscheinung zum mindesten überflüssig. In der Besprechung machte Prof. Dr. Krimmel darauf aufmerk- sam, dass auch der Wurm Saemiris variegatus in grösseren Wasserbecken rote Färbung verursachen könne. Dieselbe Wirkung entsteht nach Klun- zinger durch massenhaftes Auftreten von kleineren Krebsen (Daphnia pidexj, mehr gelbe Farbe durch Artemia sali na oder, wie Vo sseler er- — XXXIX wähnt, durch Diarptomus, also ebenfalls niedere Krebstieren. Lampert betont, dass die Armut an anderen Mikroorganismen im Feuersee nichi in dem Überwiegen von Cosmariwn ihre Ursache haben könne. Viel eher ist diese durch die Reinheit des vorher filtrierten Wassers und die vorgenommenen Reinigungsarbeiten im See bedingt. Wie Dr. Bujard mitteilte, üiessen dem See täglich 280 cbm Seewasser und als Übereich etwa 180 cbm Quellwasser zu. Dr. Hesse (Feuerbach) führte an, dass Prof. Spring in seiner neuesten Mitteilung über die Farbe der natür- lichen Wässer dieselbe auf das Zusammenwirken von in diesen Wässern suspendierten Partikelchen, welche für sich eine gelbe oder rötliche Fär- bung verursachten, und der blauen Grundfarbe des Wassers zurückführt. Hesse glaubt, dass dabei auch chemische Einflüsse ins Spiel kommen, und stützt sich unter anderem auf seine Beobachtungen über das normale Feuerbacher Grundwasser. Dasselbe sei farblos und enthalte viel schwefel- sauren Kalk ; würde der Kalk durch Natron beseitigt, so zeige es dann eine blaue Farbe. Die von Klunzinger besprochene grüne Farbe des Stuttgarter Feuersees könne wohl durch Entkalkung des Wassers durch Algen bedingt werden. Hesse führt noch einen andern Fall von Fär- bung an, nämlich die der wässerigen Lösung von neutralem Anirinsulfat ; diese Lösung sei farblos und bleibe auch farblos auf Zusatz von Salz- säure , während sie auf Zusatz von Schwefelsäure eine blaue Farbe annehme. Sanitätsrat Dr. Steudel und Prof. Dr. Bretschneider erinnerten an die mit dem Grund des Sees vorgenommenen Ver- änderungen, letzterer besonders daran, dass vor denselben Karpfen ganz. gut gediehen seien, während jetzt kein Fisch mehr fortkommt. Sitzung am 10. November 1899. Dr. Hugo Kauffmann sprach über „Beziehungen zwischen strahlender Energie und chemischer Verwandtschaft". Indem letzten Jahrzehnt hat sich ein Wechsel verschiedener chemischer An- schauungen vollzogen , wie er eingreifender und einschneidender kaum gedacht werden kann. Die Grundlage unserer chemischen Anschauungen, nämlich die Atomhypothese , ist zwar davon soviel wie gar nicht be- troffen worden; im Gegenteile, man kann ohne Anstand, wenn auch von gewisser Seite Einspruch erhoben wird, behaupten, dass die An- zeichen, die für die Richtigkeit dieser Hypothese sprechen, sich von Tag zu Tag häufen und dass umgekehrt Thatsachen , die zum Sturze derselben führen könnten, bis jetzt nicht auffindbar gewesen sind. Wesentlich anders steht es jedoch mit den Auffassungen, die man sich in früheren Jahren über die chemische Verwandtschaft zurechtgelegt hat. Da, wo man früher die innigste Verkettung und Verknüpfung der Atome annahm , sieht man heutzutage nur noch lose Vereinigungen, manchmal so lose, dass schon durch die geringsten Eingriffe die Mole- küle in Atome oder Atomgruppen auseinanderfallen. Und gerade die- jenigen chemischen Verbindungen , deren Moleküle am leichtesten in solch kleinere Bestandteile zerfallen , sind es, die die allergrösste Re- aktionsfähigkeit aufweisen. — XL Die Säuren, Basen und Salze gehören zu den reaktionsfähigsten Körpern. In wässeriger Lösung sind diese Verbindungen alle zerfallen. Die Salzsäure z. B., die aus Wasserstoff und Chlor besteht, spaltet sich leicht in Wasserstoff- und Chloratome. Diese Spaltungsprodukte sind stets elektrisch geladen, die eine Hälfte derselben positiv, wie in der Salzsäure die Wasserstoffatome, die andere negativ, wie in dem ange- führten Beispiele die Chloratome. Man nennt diese Spaltungsstücke Ionen, und zwar die positiv geladenen Kationen, die negativ geladenen Anionen. Körper, die Ionen enthalten, leiten den elektrischen Strom ; dabei wandern die Kationen in der Stromrichtung, die Anionen in der entgegengesetzten. Die Spaltung in Ionen ist in der Regel keine vollständige ; es kommt beispielsweise in einer etwa 7prozentigen Lösung von Chlor- kalium auf 3 gespaltene Moleküle des Chlorkaliums immer noch ein ungespaltenes. Nur bei starker Verdünnung sind praktisch genommen nur noch Ionen in Lösung. An chemischen Reaktionen beteiligen sich nur die Ionen, nicht die ganzen unzerrissenen Moleküle; diejenigen Substanzen sind daher die reaktionsfähigsten , die am leichtesten in Ionen zerfallen. Bei einer Säure z. B. kann demnach die Spaltbarkeit in Ionen als Mass derjenigen Eigenschaft angesehen werden, die man früher als Stärke der Säure bezeichnete und die mit dem Begriffe der chemischen Wahlverwandtschaft vielfach in engster Beziehung stand. Wahlverwandtschaft im früher gebrauchten Sinne giebt es wahrscheinlich gar nicht. Das treibende Prinzip bei den Reaktionen, wenigstens bei der Mehrzahl derjenigen der anorganischen Chemie, ist stets in der Gegen- wart von Ionen zu suchen. Versucht man die bei anorganischen Substanzen gewonnenen An- schauungen auf organische zu übertragen, so muss man, wie dies auch schon von v. Helmholtz geschehen ist, annehmen, dass nicht nur die Ionen, sondern auch die nicht abgespaltenen, noch dem Molekulverband angehörigen Atome elektrisch geladen sind. Man muss dann weiter schliessen , dass bei zwei direkt miteinander verketteten Atomen die Elektricität nicht ruht, sondern zwischen beiden Atomen pendelartig hin und her schwingt. Die Dauer dieser Schwingungen ist nach der Theorie um so grösser, je weniger innig die beiden Atome miteinander verkettet sind, je leichter das Molekül zwischen diesen beiden Atomen auseinanderreisst , oder, im Sinne der modernen Verwandtschaftslehre ausgedrückt, je reaktionsfähiger die in Frage kommende Substanz ist. Zur experimentellen Prüfung dieser Theorie sind Versuche mit HERTz'schen Schwingungen und mit Tesla-Strömen unternommen worden. Die Theorie hat sich bis jetzt gut bestätigt; es hat sich ziemlich all- gemein ergeben, dass die Reaktionsfähigkeit der Körper und deren Ab- sorptionsvermögen für elektrische Schwingungen Hand in Hand gehen. Die Versuche mit HERTz'schen Schwingungen wurden mit dem von Prof. Drude in Leipzig konstruierten Apparat ausgeführt. Bei den andern Versuchen werden die Dämpfe der zu untersuchenden Substanz der Einwirkung von Tesla-Strömen unterworfen. Tritt Absorption ein, so wird die verschluckte elektrische Energie zum Teil in Licht verwandelt ; — XL! -- die Dämpfe leuchten dann mit blauer oder violetter, in einigen wenigen Fällen auch mit gelber, oranger oder grüner Farbe. Ändert man den Druck, unter welchem die leuchtfähigen Dampfe stehen, so kann man dadurch sehr schöne Leuchtphänomene hervorrufen. Die Substanz, deren Dampf am kräftigsten absorbiert und das hellste Licht ausstrahlt, ist das Dimethvlparaphenylendiamin; ähnlich verhalten sich noch Naphtalin, llydrochinon, Phenacetin, Anilin und andere. Die angewandten elektrischen Schwingungen sind nur besondere Können der strahlenden Energie, wie dies auch die Licht- und Wärme- Strahlen sind. Die weiteren Formen der strahlenden Energie, nämlich die Kathodenstrahlen, Kanalstrahlen, Uran- und Thorstrahlen, die Röntgen- strahlen u. s. w. , sind uns ihrem Wesen nach noch ganz fremd. So- lange diese verhältnismässig einfachen Dinge noch der Aufklärung harren, solange das Wesen der strahlenden Energie und deren Einwirkung auf die tote Materie uns noch so rätselhaft erscheint, so lange stehen wir der noch weit grösseren Anforderung, den Einfluss der Strahlung auf die belebte Materie, die Wirkung der Licht-, der Wärme- und anderer Strahlen auf die Zelle aufzuklären, hilflos gegenüber, so lange sind wir nicht im stände, uns die Naturkräfte nach unserer Willkür zu nutze zu machen. Und das ist doch schliesslich eines der höchsten Ziele der Naturwissenschaft, dass wir das, was uns die Natur nach ihrem Gutdünken oder ihrer Laune bald in hohem, bald in bescheidenem Masse beschert, unabhängig von Zufälligkeiten, nur die schlummernden Naturkräfte benützend, so wie wir es für zweckmässig halten, im Labora- torium und in der Fabrik zu erzeugen vermögen. Sitzung am 14. Dezember 1899. Zunächst zeigte Prof. Dr. Vosseier eine Anzahl von Pilzen vor, welche auf und in verschiedenen Insekten vorkommen. Die meisten dieser Pilze durchsetzen das Innere des Insektenkörpers und führen eine Erkrankung und den Tod des befallenen Tieres herbei (verschiedene Krankheiten der Seidenraupe, Faulbrut der Bienen). In selteneren Fällen werden Raupen, Schmetterlinge oder Bienen von Pilzen befallen, welche aus dem Körper lange Fäden oder keulenförmige Gebilde hervortreiben, nachdem die inneren Organe vollständig zerstört und aufgebraucht wor- den sind. Einige besonders auffallende Beispiele dieser Art wurden aus Surinam und Java den Anwesenden vorgezeigt. Zum Schluss machte der Redner darauf aufmerksam, dass die Insektenpilze wohl die Seiden- raupen- und Bienenzucht schon schwer geschädigt haben, dafür aber auch unsere besten Gehilfen bei der Vernichtung der unsere Kulturen heimsuchenden Schädlinge (Salateule, Nonne etc.) bilden. Sodann hielt Oberforstrat Dr. Gran er einen Vortrag über den „Geologischen Bau und die Bewaldung des deutschen Landes". (Der Vortrag findet sich abgedruckt in Abt. III, S. 302—346.) XL11 Sitzung am 11. Januar 1900. Zunächst demonstrierte Med. -Rat Dr. Scheurlen eine dem Labo- ratorium des Medizinalkollegiums zugesandte Hasenlunge, die durch die nicht seltene Invasion von Strongylus commutatus, einem Rundwurm, erkrankt war und sich dadurch auszeichnete, dass die erkrankten Teile in ausgedehnter Weise verkalkt waren, so dass ganze Kalkabgüsse der grösseren und kleineren Bronchien entstanden. Diese sogenannte ver- minöse Pneumonie kommt auch bei Haustieren und anderem Wild vor. Die Art der Infektion ist noch unbekannt. Gewöhnlich sitzt ein, selten 2 — 3 verwachsene Weibchen des Strongylus in der Luftröhre, die Eier derselben gelangen in die Bronchien und Alveolen der Lunge, wo dann die Jungen gefunden werden. Das Fleisch der befallenen Tiere ist, vollends in gut gekochtem Zustand, geniessbar. Ferner zeigte er einige interessante Bakterienkulturen vor. Da nämlich durch die in die Gerbereien gelieferten Häute (aus Asien. Amerika u. s. w.) immer aufs neue der Milzbrand importiert wird, ver- suchte der Vortragende ein Milzbrandserum herzustellen. Die Immuni- sierung könnte durch abgetötete Milzbrandkulturen erzeugt werden, wenn dabei die Eiweissstoffe nicht zerstört werden. Bei 65° C. sterben nun die Bakterien ab , ohne dass letzteres einträte ; allein die Sporen lassen sich damit nicht abtöten. Unter Luftabschluss bilden die Bak- terien keine Sporen, allein das Wachstum geht zu langsam vor sich. Nun versuchte der Redner den Kulturen seien- und tellursaures Natrium zuzusetzen und hoffte damit ein rasches Wachstum ohne Sporenbildung zu erzielen. Das Ergebnis war aber dasselbe wie beim Luftabschluss. Die Bacillen spalteten die beigesetzten Chemikalien, so dass die Metalle frei wurden und die Kulturen färbten. Sodann hielt derselbe Redner einen Vortrag über „Abwasser- reinigung", ein Thema, das besonders für Stuttgart gegenwärtig von grossem Interesse ist. Der Redner knüpfte an einen im vorigen Jahre an gleicher Stelle gehaltenen Vortrag an, in dem er die bisherigen Ver- fahren der Abwasserreinigung und die ihnen anhaftenden Mängel erwähnt hatte. In neuerer Zeit haben hauptsächlich zwei Verfahren das Interesse der Hygieniker und der Techniker auf sich gezogen, das sogenannte biologische Reinigungsverfahren und das Kohlebreiverfahren. Von ersterem giebt es zwei Arten: die Abwasser werden entweder zuerst in Faulkammern der Selbstzersetzung unterworfen und dann auf Coaks- oder Sandfiltern gereinigt, oder es werden die frischen, ungefaulten Ab- wasser nach Durchlaufen eines Sandfangs sofort auf die Oxydations- und Absorptionsfilter geworfen. Bei dem Kohlebreiverfahren geschieht die Reinigung der Abwasser durch Zusatz von fein zermahlener, in wenig Wasser aufgeschwemmter Braunkohle oder Torf, wodurch die fäulnisfähigen , organischen Stoffe absorbiert werden ; Kohle oder Torf werden dann durch Fällung mit wenig Eisensulfat und Sedimentation in RoTHE7schen Klärtürmen wieder entfernt, getrocknet und verheizt. Nach kurzer geschichtlicher Darlegung der Entwickelung dieser beiden Methoden beschrieb der Vortragende einige im Betrieb befindliche An- \Llll stalten beider Systeme, die er im letzten Herbst im Auftrage des Mini- steriums des Innern besichtigt hatte. Es waren dies die Kläranlagen in Tempelhof, Hamburg, Tegel, Potsdam, Lichterfelde, Grabowsee und Charlottenburg; auf die vier erstgenannten Anlagen ging der Vortragende des Genaueren ein. Während die nach dem Faulkammerverfahren ein- gerichtete Tempelhofer Anlage noch einige Mängel erkennen Hess, ar- beitete die von Prof. Dunbar in Hamburg eingerichtete biologische Kläranlage in durchaus zufriedenstellender Weise ; sie reinigt pro Hektar Filterfläche das frische Abwasser von 30 000 Menschen, zu 100 1 Ab- wasser am Tag gerechnet, eine Leistungsfähigkeit, die durch verstärkten Retrieb auf das Doppelte gesteigert werden konnte. Die Anlage ist in dieser Weise seit einem Jahr in Betrieb ; das gereinigte Abwasser ist nicht mehr fäulnisfähig, geruchlos, auch Fischen vollkommen zuträglich. Gleich günstige Ergebnisse konnte der Vortragende von den beiden mit Kohlebrei arbeitenden Kläranlagen in Tegel und Potsdam berichten. Zur Zeit wird in beiden Anlagen der Klärschlamm, bestehend aus den im Abwasser enthaltenen organischen Substanzen und dem zugesetzten Kohlebrei, durch Pressen vom grössten Teil seines Wassers befreit und zu Tafeln oder guten Briketts, wovon Proben vorgezeigt wurden, ge- formt, die teils verkauft, teils zur Heizung der Dampfkessel verbraucht werden. Das gereinigte Abwasser ist vollständig klar, färb- und geruchlos. Das Kubikmeter Abwasser bedarf zur Reinigung 1 kg Braunkohle und 170 g Eisensulfat. Die Betriebskosten betragen zur Zeit noch 1,3.0 bis 1,50 Mk. pro Kopf und Jahr der Bevölkerung. Die biologischen Kläranlagen arbeiten billiger. Auch in Württemberg wird demnächst eine Kläranlage nach dem in Hamburg erprobten System errichtet werden An den Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Diskussion. Bergrat Wepfer machte darauf aufmerksam, dass nur eine voluminöse Kohle (Braunkohle oder Torf) die für die Absorption nötigen Eigenschaften besitze, etwa wie Holzkohle, dass aber Steinkohle viel zu dicht sei. Prof. Dr. Klunzinger bedauert, dass von den Vorzügen des Kohle- breiverfahrens die Landwirtschaft nicht auch Nutzen habe, da viele wert- volle Stoffe verloren gehen. Prof. Dr. Hell glaubt, dass wenigstens die Asche der Briketts Phosphate enthalte und gut als Dünger verwertet werden könne. Prof. Dr. Sieglin (Hohenheim) bemerkt dagegen, dass der Transport der Abfälle gewöhnlich viel zu teuer komme. Material, das mit Eisen, Torf oder Kohle gemischt sei, eigne sich für den Boden wenig oder gar nicht. Auch der landwirtschaftliche Wert der Rieselwiesen stehe weit hinter den gehegten Erwartungen zurück ; die Produktion daselbst sei beschränkt, das Vieh nehme Futter von Rieselwiesen nur ungern an, einige wenige Kohlarten für die menschliche Küche seien so ziemlich das wertvollste Produkt. Auch Dr. Hesse (Feuerbach) betont, dass selbst Rindenasche von den Bauern zur Düngung der Felder versehmäht werde. Sodann berichtete Prof. Dr. Gmelin von der K. tierärztlichen Hochschule über Digitaliswirkungen. Einleitend erklärte der Redner die Ursachen und Deutungen des Herzstosses, das Verhältnis der Herz- XLIV zur Pulsbewegung und die Hilfsmittel beide graphisch in Form von Kurven darzustellen. Im grossen Ganzen zeigen die Pulskurven das Sinken und Anschwellen des Blutstromes ; sowohl an der aufsteigenden, als auch an der absteigenden Linie der Kurve treten sekundäre Er- hebungen auf, deren Lage sich je nach den Druckverhältnissen in den Blutbahnen mehr dem Gipfel oder dem Fuss der Kurve zu verschiebt. Diese Verschiebungen allein geben uns zuverlässige Anhaltspunkte über die Druckverhältnisse in der arteriellen Blutbahn. Der Pulsschlag ist also kein einheitlicher Bewegungsvorgang. Zu seinen Untersuchungen über die Wirkungen des Giftes vom roten Fingerhut auf den Blutkreis- lauf benützte der Vortragende das Digitalinum verum, das erst in 1000 Teilen Wasser löslich ist. Er unterscheidet vier Phasen der Gift- wirkung. Zunächst wird der Blutdruck vermehrt, die Zahl der Puls- schläge vermindert, sodann erhöht sich diese, wobei immer noch ver- mehrter Blutdruck besteht. Im dritten Stadium wird die Pulsfrequenz bald stärker, bald schwächer, und endlich nimmt der Druck ab, es entsteht eine Art Herzdelirium, das mit dem Tode schliesst bei systoli- schem Stillstand des Herzens, der geradezu zum Erkennen einer Digitalis- vergiftung dienen kann. Als Nebenerscheinungen treten bei Digitalinum Temperaturerniedrigungen im Körper, Temperaturerhöhungen auf der Haut, vermehrte Peristaltik des Darms und Zuckerausscheidungen im Harn auf. Im einzelnen erklärte sodann der Redner die Ursachen dieser Wirkungen und Nebenerscheinungen und ihren physiologischen Zu- sammenhang. In der Besprechung erwähnt Dr. Rosenfeld, dass die mensch- liche Medizin stets das aus den Blättern von Digitalis gewonnene Digitoxin benütze. Seine Wirkungen sind in schon sehr kleinen Gaben (Viooo) prompt und ähnlich denen des Digitalinum verum. Er erinnert daran, dass auch andere Pflanzen (Spartium, Convallaria, Adonis, Cadus, Scilla) Gifte mit ähnlichen Wirkungen liefern, und dass Digitoxin schon einigemale zu gesetzeswidrigen Militärbefreiungen missbraucht worden sei. Hofrat Clessler hebt hervor, dass Digitoxin aus den Blättern, Digitalinum verum aber aus den Samen des roten Fingerhutes ge- wonnen werde. Sitzung am 8. Februar 1900. Prof. Dr. Mack besprach „die Bekämpfung des Hagels durch das sogenannte Wetterschiessen". (Vergl. Abt. III S. 470.) Als zweiter Redner besprach Prof. Dr. Fr aas einige der neueren palaeontologischen Funde aus den schwäbischen Forma- tionen. Das erste Stück stammt aus dem Buntsandstein von Tei- nach und wurde von Hofrat Dr. Wubm der Vereinssammlung über- geben. Das infolge seiner seltsamen Erhaltungsart ausserordentlich schwer zu deutende Fundstück wurde als der Abdruck eines Unter- kieferastes mit zahlreichen Zahngruben erkannt und einem jener grossen Labyrinthodonten (Riesenlurche) zugeschrieben, von dem wohl auch die im Buntsandstein schon öfters gefundenen Fährtenabdrücke herstammen. — XLV — Als eine neue Saurierform aus dem Muschelkalk wurde sodann Zanclodon Schiit eii vorgeführt, so genannt nach dem Finder des Stücks, Salinen- verwalter Schütz in Hall. Es ist dies der geologisch älteste bis jetzt bekannte Überrest eines Schreckensauriers (Dinosaurus) und ist zu ver- gleichen mit den ähnlich gestalteten „schwäbischen Lindwürmern" aus dem oberen Keuper. Von letzteren wurde gleichfalls ein neu gefundener Zahn vorgelegt, der an Grösse alles bis jetzt bekannte übertrifft. Aus der Juraformation ist das in einer Schieferplatte prachtvoll erhaltene Skelett eines 1 /a m langen Haifisches (Hybodus llatiffiaitus) zu erwähnen, das in den bekannten Schieferbrüchen von G. Hauff in Holzmaden ge- funden wurde. Abgesehen von dem interessanten Skelettbau dieses Tieres fesselt den Beschauer ein Klumpen von über 200 Belemniten, den Überresten von ebenso vielen Tintenfischen, welche in dem Magen steckten. Es ist wohl kein Zweifel, dass diese übermässige Mahlzeit den Haifisch das Leben gekostet hat, wie dies schon vor einiger Zeit in launiger Weise von Pfarrer Engel besungen worden ist. Auch die berühmte Fundstätte im Tertiär von Steinheim hat wieder manches interessante und schöne Stück geliefert. Noch viel mehr aber als der dort gefundene Stosszahn eines Mastodonten, jener Vorläufer der Ele- fanten, imponierte die Vorzeigung eines nicht weniger als 3, 08 m langen wunderbar schön erhaltenen Stosszahnes von Elephas antiquus aus dem Diluvium von Steinheim a. M., dessen gewaltige Dimensionen selbst die der grössten Elefanten Afrikas noch um reichlich ein Drittel über- troffen haben. Mit Freuden ist es im Interesse unserer vaterländischen Sammlung zu begrüssen, dass der historische Verein in Heilbronn in zuvorkommender Weise den Bruder zu diesem Zahne dem Naturalien- kabinet überwiesen hat. Sitzung am 11. März 1900. Nach Eröffnung der Sitzung widmete zunächst der Vorsitzende Prof. Dr. Klunzinger dem jüngst verstorbenen Senatspräsidenten a. D. v. Hufnagel einen warmen Nachruf. Der Verstorbene, ein langjähriges eifriges Vereinsmitglied und seit 187!) ein als juristischer Beirat sehr geschätztes Mitglied des Ausschusses, hat sich durch seine eingehende Beschäftigung mit der Landesüora (Moose) vielfach um unsere Kenntnis derselben verdient gemacht, wie er auch durch seine rege Teilnahme an den „wissenschaftlichen Abenden" seine Liebe und sein Interesse für die Naturwissenschaft stets bekundet hat. Die Versammlung ehrte sein Andenken durch Erhebung von den Sitzen. Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen sprach sodann Prof. Dr. A. Schmidt über „neu entdeckte Beziehungen des Mondes zum Wetter", und zwar auf Grund der in den letzten Jahren von den schwedischen Gelehrten Nils Eckholm und Svante Aebhenius ent- deckten Beziehungen zwischen dem Mond je nach seiner nördlichen oder südlichen Abweichung vom Aequator und den luftelektrischen Er- scheinungen. Die Flutwirkung von Sonne und Mond auf den Luft- ocean ist viel zu klein, um in ihr die Ursache erheblicher Veränderungen — XLYI — des Wetters suchen zu dürfen , denn sie wirkt nach Beobachtung und nach Berechnung in den täglichen Änderungen des Luftdrucks nur einen kleinen Bruchteil eines Millimeters im Barometerstand, in den monat- lichen Veränderungen nur Schwankungen von 1 — 2 mm. Solche kleine Einflüsse kommen gegenüber der auflockernden Wirkung der Sonnen- wärme und gegenüber den Druckgegensätzen in Cyklonen und Anti- zyklonen gar nicht in Betracht. Und doch zeigt z. B. die Regen- häufigkeit nach den Untersuchungen des um die Meteorologie hoch- verdienten Tübinger Professors Schübleb und Andkeeb im Lauf des synodischen Monats Änderungen, die im Durchschnitt vieler Jahre ein Maximum zwischen erstem Viertel und Vollmond und ein Minimum kurz vor Neumond bilden mit je etwa 12°/o Überschuss oder Abmangel über die durchschnittliche Häufigkeit. Noch deutlicher ist die Änderung der Gewitterneigung, wie sie die Statistik der Gewitter in Deutschland und besonders in Schweden ergab. Die Wahrscheinlichkeit für Gewitter zeigt hier vor dem Vollmond ein Maximum von 33°/o Überschuss und vor dem letzten Viertel ein Minimum von 19°/o Abmangel gegenüber der durchschnittlichen Gewitterhäufigkeit. Solch grosse Schwankungen müssen, statt aus der Massenanziehung von Mond und Sonne, aus elektrischen Einflüssen dieser Gestirne auf unsere Atmosphäre erklärt werden. Die Gruppierung der Beobachtungen nach der Zeit des tropischen Monats, des veränderlichen Stands des Monds gegen den Aequator (27,32 Tage) statt nach der Zeit des synodischen Monats, des Wechsels der Mondphasen (29,53 Tage), zeigt, dass die Einwirkung des Monds auf den elektrischen Zustand der Erde zwischen der einen und andern Halbkugel wandert. Auf der nördlichen Halbkugel ist das elektrische Potentialgefäll und ist die Menge der Polarlichter am grössten zur Zeit des südlichen Stands des Monds, auf der südlichen Halbkugel umgekehrt. Aus einer Zahl von über 40 000 Nordlichtern und über 1200 Südlichtern, die seit 1722 nachweisbar beobachtet wurden, ergab die Statistik, dass die Polarlichthäufigkeit in derjenigen Hälfte des tropischen Monats, in der der Mond jenseits des Aecpuators steht, doppelt so gross ist, als in der Zeit, in der er diesseits steht. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen, wenigstens für Schweden, die Gewitter. Es scheint, als ob man der Erde und dem Mond negativ elektrische Ladungen, unserer Atmosphäre aber positive Ladung zuschreiben müsste, während der elektrische Einfluss der Sonne wahrscheinlich ein mittel- barer ist, indem ihre Lichtstrahlen das elektrische Leitungsvermögen der Luft ändern und auf die negative Ladung zerstreuend einwirken. Der Vortragende entwarf noch eine graphische Darstellung der ver- bundenen dreierlei Gewitterperioden, der tropisch-monatlichen, der synodisch-monatlichen und einer von Liznab und Bezold entdeckten 25,9tägigen für den Verlauf des nächsten Sommers, eine Darstellung, die eine Art Gewitterprognose für diesen Sommer darstellt, der aber kein grosses Mass von Treffsicherheit zukommen dürfte. In der Besprechung macht Prof. Dr. G. Jäger darauf aufmerksam, dass nach einer Statistik über Paris im letzten Jahrhundert 27 Winter- gewitter niedergegangen seien, von denen 6 auf den Matthiastag XIAII (24. Februar) entfallen, also 60*> °/o mehr als der Wahrscheinlichkeit aacli diesem Tag zukämen. Jäger bezweifelt nicht, dass elektrische Verhältnisse mit dem Mond und dessen Einwirkung zusammenhängen. Das lasse sich vorweg auch bei Lebewesen beobachten (Mondsucht der Menschen und Tiere). Eine ebenfalls mit dem Monde zusammen- hängende Erscheinung ist der Palolo-Wurm der Samoa, Fidji- u. s. w. Inseln, der stets in genauem Verhältnis mit dem Mond im Oktober und November erscheint. Die Wetterbewegungen vergleicht Jage r mit Pendelbewegungen, die grossen Wetterperioden und Jahreszeiten sind vom Mond unabhängig, dessen Wirkung sich auf die kleinen lokalen Verschiebungen von Feuchtigkeit, Trockenheit u. s. w., welche bei uns nahezu in dreitägiger Regelmässigkeit eintreten, beschränkt. Eine Frage von ebenfalls allgemeiner Bedeutung, die Ab- schwäch u n g der Hagelgefahr durch den Wald, behandelte sodann der zweite Redner des Abends, Dr. L. Meyer: Viel umstritten ist der Einfluss des Waldes auf die Gewitter und vor allem auf die Hagelwetter. Früher galt der Wald als hagelsicher und als eine voll- kommene Schutzwehr. Von dieser übertriebenen Ansicht ist man zurück- gekommen. Ja, eine Reihe von Hagelfällen im Wald hat zur entgegen- gesetzten, in ihrer Art ebenso übertriebenen Ansicht geführt, dass von einem Schutz gegen Hagel bei und im Wald keine Rede sein könne. Indes sind die angeführten Beispiele bei den grossen Verschiedenheiten der einzelnen Hagelwetter nach Zugrichtung, Zuggeschwindigkeit u. s. w. nicht beweiskräftig. Diese grossen Verschiedenheiten haben in der Entstehungsweise der Hagelwetter ihren Grund. Allgemein durchgedrungen ist allerdings keine der zahlreichen bisher aufgestellten Erklärungen. Am meisten Wahrscheinlichkeit, weil am meisten befriedigend, hat die Anschauung, dass die unmittelbare Ursache des Hagels das Eindringen einer Dampfwolke in hohe, unter 0° stehende Luftschichten und das Ausfällen der überkälteten und deshalb plötzlich gefrierenden Wasser- massen sei. Da ein solches Eindringen in kalte Luftschichten durch ein Emporquellen der am Erdboden erhitzten Luft hervorgerufen wird, so ist die Beschaffenheit der Unterlage , d. h. die Bodenbeschaffenheit und die Bebauung von grossem Einfluss. Bei steigendem und fallendem Boden bewirke schon die verschiedene Erwärmung an der Sonnen- und der Schattenseite, sodann die Verstärkung des Auftriebs beim Luv (dem dem Wind zugekehrten Hang), die Abschwächung am Lee (dem dem Wind abgekehrten Hang) Veränderungen, die oft genug in Einzelfällen erkenntlich sind. Die verschiedene Erwärmung von Wald und Freiland verändert ebenfalls die emporquellende Luft. Die Temperatur im Wald bleibt erwiesenermassen hinter der des Freilands zurück ; es wird dem- nach tagsüber über dem Wald weniger leicht ein Gewitter entstehen, dagegen eher Nachts, wenn die Waldtemperatur ähnlich hoch ist wie die des Freilands. Bezeichnend ist, dass das schwere Hagelwetter, das am 16. Juli beim Ruhestein mitten im Schwarzwald vorgekommen ist, abends 3/i$ Uhr losbrach, zu einer Zeit also, in der die Disposition zu Gewittern im Wald sich der des Freilands stark genähert hatte. Da die Mehrzahl der Gewitter aus SW. — NW. zieht, so muss der Schutz - XLVIII — des Waldes sich am Ostnordostrand des Waldes zeigen, wenn auch nicht in allen Einzelfällen, so doch im Mittel aus den Hagelfällen der 72 Jahre alten württembergischen Statistik. Diese Statistik baut sich auf den Gewährungen von Steuernachlässen wegen erlittenen Hagel- schadens auf, die trotz der den bezüglichen Schätzungen anhaftenden kleinen Mängel gut benützt werden können. Setzt man die Anbau- fläche, selbstredend ohne Wald, Weiden und Üdungen in Beziehung zu den verhagelten Flächen, so lassen sich vergleichbare Ziffern der durch- schnittlichen Beschädigung pro Flächeneinheit und pro Jahr berechnen. Fasst man die Zahlen für alle Markungen eines Bezirks zu mittleren Schadenziffern der ganzen Bezirke zusammen und zieht Kurven, etwa von 0,50 °/o, 1,00 °/o, 1,50 °/o u. s. f., so zeigt sich der Einfluss des Waldes vereinigt mit dem der Bodenerhebung an der hohen Schaden- ziffer westlich der Löwenstein-Welzheimer Waldberge, an der schwachen östlich davon, und an der sehr schwachen Schadenziffer am Osthang des stark bewaldeten Schwarzwalds ; der Einfluss des Walds allein dagegen kommt am unverkennbarsten an den verhältnismässig hohen Schadenziffern 1,62 °/o und 1,66 °/o südwestlich und den verhältnis- mässig niedrigen 1,22 °/o und 1,09 °/o nordöstlich des Schönbuchs zur Geltung. Noch viel deutlicher aber verrät sich der Einfluss des Waldes an den Einzelziffern für die einzelnen Markungen, die, nicht zusammen- geworfen in eine Mittelzahl für den ganzen Bezirk, die stark abweichenden nicht verschwinden lassen durch Ausgleich mit den entgegengesetzt abweichenden. Es wurden vorgezeigt Karten der durchschnittlichen Hagelgefährdung, entworfen zum Zweck der klimatischen Beschreibungen der Bezirke Ulm und Heilbronn. Hervorzuheben ist im Bezirk Ulm die Abnahme der Hagelgefährdung von Ettlenschiess mit 4,32 °/o westlich von einem 3 km breiten Wald auf 0,48 % in Altheim und 0,67 °/o in Weidenstetten ostwärts, also mit der mittleren Windrichtung gehend, hinter diesem Wald und schliesslich auf 0,00°/o , d. h. völlige Hagel- freiheit seit 72 Jahren in Hausen ob Lonthal und Bissingen ob Lonthal hinter einem zweiten Wald. Im Heilbronner Bezirk tritt die Haupt- gefährdung in zwei waldarmen Streifen, einem südlich, einem nördlich des Waldstücks zwischen Grossgartach und Kirchhausen gelegen, auf. Je weiter östlich von dem Wald zwischen Fürfeld und Massenbach- hausen desto grösser die Hagelgefährdung. Kirchhausen weist 1,43 /o, Biberach (OA. Heilbronn) 2,55%, Neckarsulm 3,31 °/o auf. Eine gewisse Schutzwirkung ist also nicht abzustreiten, aber nur auf massige Entfernung und nicht bis zu vollständiger Sicherheit. Im Anschluss an die vom Redner ausgesprochene Vermutung über die Entstehung des Hagels, entwickelte Prof. Dr. G. Jäger in der Be- sprechung seine schon früher veröffentlichte Ansicht der Hagelbildung. Jäger nimmt ebenfalls an, dass auf- und absteigende Luftströmungen von verschiedener Temperatur die erste Bedingung seien. Durch einen Luftwirbel entstehe ein die kalte Luft der oberen Schichten ansaugender Lufttrichter. Über dessen obere Öffnung streichen lebhafte horizontale Luftströme, deren Wirkung im Trichter ebenfalls eine ansaugende ist, rlerart , dass die durch die Centrifugalkraft des Wirbels peripher sich — XLIX — drehende warme wasserhaltige Luft nach innen gezogen , ihr Wasser- dampf zu Eis kondensiert wird. Je stärker die Aspiration des Wirbel- winds, desto länger können die Eismassen in der Schwebe erhalten werden und desto mehr an Grösse zunehmen. — Oberforstrat Dr. Graner stimmt Dr. Meyer darin bei, dass für die Entstehung des Hagels die Bedingungen zu einem aufsteigenden Luftstrom gegeben sein müssen und dass dies sicher im Felde eher als im Walde der Fall sei. Das Volk glaube fest an eine hagelschützende Wirkung des Waldes ; so fest sei dieser Glaube, dass man bei Kahlhieben und anderen waldmindernden oder verändernden Massnahmen entschieden mit der Stimmung der Be- völkerung rechnen müsse, was jetzt auch viel mehr als früher geschehe. Lokale Wirkungen des Waldes sind nach Ansicht von Gran er sicher nicht zu bestreiten. Am 17. März folgte eine grössere Anzahl von Vereinsmitgliedern aus Stuttgart und Umgebung einer Einladung des Vorstandes zu einem gemeinsamen Besuch der ,,Wilhelma" bei Cannstatt, wo sie unter Füh- rung der Herren Eichler, Fünfstück, Kirchner, Schlenker die zum Teil in schönster Blüte stehenden Gewächshäuser besichtigten. 3. Oberschwäbischer Zweigverein für vaterländische Naturkunde. Versammlung zu Ulm am 26. April 1899. Die Versammlung, an der sich auch der Mathematisch-naturwissen- schaftliche Verein zu Ulm beteiligte, fand unter dem Vorsitz von Direktor Dr. Kreus e r-Schussenried im Museum statt und war von 39 Teil- nehmern besucht. Nach den Begrüssungsreden von Dr. Kreuser und Rektor Neuffer machte zunächst der Vorsitzende die erfreuliche Mitteilung , dass auf Anregung von Kämmerer Dr. Probst durch den Verein in Biberach eine naturwissenschaftliche Sammlung gegründet werden soll. Die Stadt Biberach ist den Wünschen des Vereins in dankenswerter Weise ent- gegengekommen, und die Verhandlungen mit der Stadtgemeinde sind so weit gediehen, dass der Vorsitzende schon eine Planskizze von den Räumlichkeiten des oberschwäbischen Museums vorzeigen konnte. Die Reihe der Vorträge eröffnete Prof. Holzer-Ulm; er sprach über „anthropologische Probleme", besonders über den sogen. Typus Höldkk's. Die anatomische Seite dieser anthropologisch-histo- rischen Probleme hält er für völlig gelöst und nimmt den Begriff der anthropologischen Rasse gegen die neuesten linguistischen Angriffe in Schutz. Dagegen bestreitet er die Annahme einer nahezu reinen dolicho- kephalen Rasse, die von Urzeiten bis zur historischen Zeit fast unver- mischt sich erhalten habe. In der neolithischen Zeit ist nach neueren Forschungen ein zweiter langköphger Typus nachgewiesen. Er hält dir Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Katurkuuiie iu Württ. 1900. d — L — Schlüsse aus den spärlichen vorrömischen Funden auf prozentuales Vor- kommen der verschiedenen Rassen für verfrüht, auch die Verlegung der Mischung mit brachykephalen Elementen erst in die historische für un- wahrscheinlich. Wie wenig man im stände ist, auf Grund rein anthropo- logischer Daten ohne Linguistik und Archäologie die Urgeschichte der Menschen zu ergründen, dafür führt er Penka, Wilser und Sergi an, deren Theorien er bekämpft. Auch die Erklärung der Gründe für den Rückgang der Dolichokephalen hält er für ein Problem, das nicht vom Anthropologen und Historiker getrennt, sondern nur durch beiderseitiges Verstehen und Zusammenarbeiten zu lösen ist. Die Annahme von der absoluten Superiorität des einen Typus (vergl. de Lapouge) bezeichnet er als ,,dolichokephale Romantik". Assistenzarzt Dr. Kelber-Schussenried sprach nun über „die Rassen Deutsch-Neu-Guineas und des Bismarckarchi- pels". Der Redner führte aus, dass noch Unklarheit und Irrtümer bezüglich der anthropologischen Stellung des Neuguinea-Menschen oder Papuas herrschen , und tritt zunächst der Anschauung entgegen , dass die Papuas eine selbständige Rasse, und zwar die allerniedrigste, bilden, ebenso der Ansicht, dass sie mit den afrikanischen Negern verwandt seien, wobei er namentlich anführte, dass nach neueren Forschungen der Begriff des Dolichokephalen entgegen anderen Ansichten sich durchaus nicht mit dem des Negro-Papuas decke. Der Redner schilderte nun auf Grund eigener Messungen und Untersuchungen , die er vor zwei Jahren auf Neuguinea angestellt hat, ausführlich den Typus des Papua. Die Papuas sind wohl proportioniert gebaut; nie zeigen sie jenes bei Vollblutnegern so häufige Missverhältnis zwischen Rumpf und Extremi- täten oder abnorm dünne Beine. Die verschiedenartigsten Physiogno- mien, typische Negergesichter neben malayischen und semitischen Typen finden sich bunt durcheinander. Die Schädelform ist nach Dr. Wend- dand teils dolichokephal , teils brachykephal , meist aber mesokephal. Besonders tritt der Redner der verbreiteten Ansicht entgegen, dass die Papuas nach der Friede. MüLLER'schen Einteilung der Menschen zu den büschelhaarigen gehören ; er hat einigen Papuas den Kopf rasieren lassen und gefunden, dass die Haarwurzeln genau wie bei den Europäern, also nicht bürstenartig , d. h. in ungleichen Abständen , auf der Kopfhaut verteilt sind, Beobachtungen, die sich mit denen von Finsch u. a. decken. Der Redner beschrieb noch eine Reihe charakteristischer Merk- male der Papuas, die alle mehr oder weniger dafür sprechen, dass die Papuas nicht eine selbständige Rasse, sondern wahrscheinlich eine Misch- rasse bilden , ein Ergebnis , das auch nicht im Widerspruch mit den geologischen Forschungen (einstiger Zusammenhang von Neuguinea mit anderen Festländern) stehen dürfte. — An den Vortrag schloss sich eine kurze Erörterung an, an der sich Dr. Kreuser, Rektor Neuffer und Dr. Kelber beteiligten. Als dritter Redner folgte Baurat Haas mit einem Vortrag über „die Jungfraubahn". Diese Bahn ist die erste wirkliche Hoch- gebirgsbahn und deshalb ist es begreiflich, dass schon ihre Vorgeschichte lesenswert ist. Küchlin und Trautwein haben 1889, Locher 1890 u Plane zu einer Jungfraubahn dem schweizerischen Bundesrat vorgelegt, der in technischer Einsicht nichts einzuwenden hatte, dagegen bei Höhen über 3000 in nachteilige Kolgen für die Gesundheit der Jungfraufahrer fürchtete. Es musste nun zunächst der Nachweis erbracht werden, dase die Bedenken des Bundesrats hinfällig seien. Dieser Nachweis wurde von dem kürzlich verstorbenen Unternehmer der Jungfraubahn, Guteb- Zeller, geliefert. Die günstigen Erfahrungen der Luftschiffer, insbe- sondere Speltekini's , sowie zahlreiche Versuche, besonders die des Dr. KnoNKCKEK, der 7 Menschen von Zermatt aus auf das 4171 m hohe Ureithorn in möglichst kurzer Zeit tragen Hess, sprechen zu gunsten des Projekts. Redner besprach nun das zur Ausführung gelangende Projekt und schilderte anschaulich die technischen Schwierigkeiten aller Art, die bei dem Riesenwerk zu überwinden sind. Von geologischem Interesse ist , dass die Bahn mit ihren riesigen Tunnelbauten von der Station Kleine-Scheidegg aus zunächst durch Thonschiefer (unterer brauner Jura), dann durch Hochgebirgskalk (weisser Jura) und schliess- lich durch Gneiss zum Gipfel führt. Nach Berechnungen bleibt die Temperatur in den Tunnels fast durchweg unter 0°, in den unteren auf — 2° bis — 6° C., gegen den Gipfel hin sinkt sie auf — 10° C. Präch- tige Ansichten vom Jungfraumassiv , sowie Karten und Plane unter- stützten den Vortrag. Pfarrer Dr. Engel zeigte sodann Wellingtonienzapfen mit reifen Samen und Chemiker Kraus Asphalt vor, der sich in Spalten des Ehinger Cementmergel findet. — Den Vorträgen ging ein Besuch der Stadtbibliothek voran. Der Bibliothekar hatte eine Reihe wertvoller älterer naturwissenschaftlicher Werke zur Besichtigung bereit gelegt : leider war die Zeit zu einer eingehenden Einsichtnahme der herrlichen Schätze der Ulmer Bibliothek zu kurz. Auf dem Museum hatte Lehrer Mangold eine recht sehenswerte Sammlung von Tertiärversteinerungen aus der Ulmer Gegend (besonders aus Oberkirchberg, Ermingen), sowie aus dem Wiener und dem Mainzer Becken, ferner eine grössere Anzahl lebender Mollusken ausgestellt. Ausflug nach Ochsenhausen am 6. Juli 1899. Trotz nebliger, teilweise regnerischer Witterung fanden sich am ti. Juli morgens 83/4 Uhr in Warthausen 15 Mitglieder, darunter der Südsee- und Sibirienreisende Dr. 0. Finsch (Leiden), derzeit auf Schloss Warthausen, zu dem Zwecke ein, die im Bau befindliche Schmalspur- bahn Biber ach — Ochsenhausen und deren Aufschlüsse zu besich- tigen. Bald nach der in östlicher Richtung erfolgenden Abzweigung in Warthausen kommt man in dem Einschnitt bei Herrlishofen in den Terrassenschotter der zweiten Vergletscherung; im Liegenden zeigt sich in Probegruben gelber Sand der oberen Süsswassermolasse. Hier waren verschiedene groteske Zapfensandsteinbildungen aufgestellt, die aus der Nähe aus Grenzschichten herstammten. Bei der folgenden Haltestelle Apfingen sind die Untergrundsverhältnisse ähnliche. Nicht weit davon — lii — steht Meeresmolasse an. Nun wurde im Dürnachthal bei Sulmingen die Bahnlinie verlassen, um dem durch Pfarrer Dr. Peobst bekannt gewordenen Fundort der oberen Süsswassermolasse einen Besuch ab- zustatten. Ausser der Blätterkohle Hessen sich jedoch bei der Kürze des Aufenthaltes nur Bruchstücke von Pflanzenabdrücken, von Helix syl/oana etc., finden. Zur Bahnlinie zurückgekehrt, boten sich in den kleineren zwischen Maselheim und Reinstetten befindlichen Einschnitten in tieferen Lagen die blauen und gelben Mergel der oberen Süsswasser- molasse, darüber die angelagerten, nicht verfestigten Gerolle der Mo- räne II und noch höher die stark verwitterten rostfarbigen Ablagerungen der Moräne IL Mit 1 : 40 fällt die Bahn Reinstetten zu, von wo sie sich auf dem linksseitigen, zum Teil moorigen Thalgrunde nach Ochen- hausen zieht. Der Bahnhof konnte mitten in den Ort gelegt werden. Nach Einnahme eines Mittagessens, wobei der Vorstand Dr. Kreuser einen Rückblick auf das Ergebnis des Ausfluges gab und dem als Führer sich dabei befindenden Erbauer der Bahn, Bauinspektor Lupfee, dankte, begab sich der Verein in das vormalige Benediktinerkloster und Reichs- stift Ochsenhausen in Begleitung mehrerer Herren von dort, wobei die gesamte grossartige Anlage sowohl in ihrer äusseren Ansicht, als auch die Innenräume, wie die Refektorien, der Bibliotheksaal, das Treppen- haus, mit ihren Fresken von Bebgmüllee, ferner die mit Stuccator- arbeiten reich geschmückte Kirche mit ihrem mächtigen Mittelschiff eingehend besichtigt und gewürdigt wurden. Leider war der Ausblick durch das trübe Wetter gestört. Die Heimfahrt über Ringschnait führte über das charakteristische Plateau der dort sehr ausgedehnten Moräne der IL Vergletscherung, welche sich in mehreren Aufschlüssen in stark verfestigter Form zeigte, ins Bad Jordan, wo Stadtschultheiss Müller von Biberach zum Abschied den Verein zu der nächstes Jahr erfolgenden Eröffnung des neuen Museums für Naturkunde einlud. Versammlung zu Schussenried am 30. November 1899. Die berühmte prähistorische Fundstelle an der Schussenquelle übte am diesjährigen Andreastag ihre alte Anziehungskraft umsomehr aus, als in unmittelbarer Nähe ein ungewöhnlich grosser erratischer Block von 60 cbm oder 3000 Centner Gewicht blossgelegt zu sehen war und zur Überraschung der Besucher das nunmehr fertiggestellte Erinnerungsdenkmal an die Schussenfunde entgegenwinkte. Auf kleineren Blöcken erratischen Ursprungs erhebt sich ein grosser 2 m hoher Block aus Augengranit, der die Widmungstafel und eine Rentierstange in prähistorischer Form, beides in Bronze ausgeführt, trägt. Die Anlagen in dem angrenzenden Wäldchen verleihen dem weihevollen Platze eine idyllische Stimmung. Vom schmalspurigen Dampfwagen nach Schussen- ried zurückgeführt, wurden die Mitglieder wieder überrascht durch zwei neuangelegte Gletschergärten mit zum Teil prächtigen Findlingen in allen Gesteinssorten, welche aber leider nur bei Fackelbeleuchtung be- sichtigt werden konnten. Nach kurzer Wanderung in den Gasthof zur — Uli - Krone wurde die Sitzung durch den Vorstand eröffnet, und es sprach nun zunächst Dr. Deck (Mengen) über „Hygieinische Winke beim Bau des Wohnhauses". Redner schilderte zunächst die Entwickelung der llygieine als Wissenschaft, deren Wesen und Fortschritte, unter Betonung der grossen Erfolge und Verdienste von Pettenkofeb (München). Im einzelnen wurde dann die Bedeutung der porösen Baumaterialien für das Wohn- haus, der hohlen Steine, der Wände mit hohlen Räumen und die Aus- füllung der letzteren mit Kieselgur als sehr zweckmässig besprochen. Namentlich wurde die am meisten gebräuchliche Herstellung der Fuss- böden aus weichem Holz und die Ausfüllung der Zwischendecken mit ungeeignetem Material, wie Bauschutt, Spreuer, scharf getadelt als Brut- stätte der Keime für epidemische Krankheiten, während die Ausfüllung mit reinem Sand oder aber mit leichterem Kalktorf, Infusorienerde, Korkabfällen u. dergl. empfohlen wurde. Im neuen Krankenhaus in Mengen wurden Gipsdielen mit magerem Beton angewendet. Nach Angabe verschiedener Ventilationsarten und nachdem die weiteren Teile des Hauses, wie Untergrund, Lage, Dach, Thüren, Fenster etc. kurz berührt wurden, schloss der zweistündige Vortrag. Sodann sprach Stadtpfarrverweser Hochstetter (Waldsee), jetzt Pfarrer in Stainz (Steiermark), über ,,die v. Schwarz 's che Hypo- these zur Erklärung der Sintflutberichte", die 1894 in einem dickbändigen Werke veröffentlicht wurde und vielfach Glauben in Laien- kreisen gefunden hat. Der Verfasser erklärt auf Grund seiner Unter- suchungen als Vermessungsbeamter in Centralasien die Sintflut als den plötzlichen Ausbruch eines in der Wüste Gobi 7000' hoch gelegenen Meeres, an welches alle dorther stammenden alten Völker die Erinnerung bewahrt haben. Hiergegen ist einzuwenden, dass bei näherer Betrach- tung diese Erinnerung doch vielfach im einzelnen abweicht, und dass ein Meer zu seiner Entstehung und zu seinem Fortbestand ein die eigene Fläche um das Fünffache übertreffendes Sammelgebiet für Flüsse haben muss, während die Wüste Gobi gar kein Sammelgebiet besitzt und ein Meer ohne Flüsse wegen der Verdunstung nicht existieren kann. Auch in geologischer Beziehung ist einzuwenden, dass das Randgebirge der Wüste Gobi den älteren Formationen angehört und somit das Gobi- meer, das im Jahre 2200 v. Chr. ausgebrochen sein soll, nicht erst um diese Zeit durch Gebirgserhebungen oder Abtragungen entstanden sein kann. Die von v. Schwarz im Captagaigebirge gefundenen hoch ge- legenen Strandlinien, sowie glattgeschliffenen Wände in Schluchten rühren nicht von einem Meere und den ausbrechenden tosenden Fluten, sondern von der damaligen Vereisung her. Die von v. Schwarz aufgestellten Hypothesen über die Eiszeit als notwendige Folge der Austrocknung der Wüste Gobi und der Sahara sind unhaltbar. Für die Sintflut passt am besten die von Scess (Wien) gefundene Erklärung, wonach ein See- beben und ein Cyklon im Persischen Meerbusen die Ursache ist. - LIV — II aup tve rsam mlung zu Aulendorf am 2. Februar 1!>0(>. Nach Begrüssung der zahlreichen (58) Anwesenden durch den Vorsitzenden, Dir. Dr. Kreuser, folgten Vereinsmitteilungen und Ge- schäftsbericht. Aus diesem ist zu entnehmen, dass an die Errichtung des Vereinsmusenms in Biberach in 3 — 4 Monaten, nach Auflösung der Bahnbausektion Ochsenhausen, gedacht werden kann. Ausser den früher gestifteten Sammlungen von dem Ehrenmitglied Pfarrer Dr. Probst und von Prälat Dr. Hofele wird das Museum beträchtlichen und wert- vollen Zuwachs erhalten durch die Sammlung des verstorbenen Sibirien- und Polarforschers Graf Karl v. Waldburg-Syrgenstejn, welche die Gräfin Waldburg- Syrgenstein dem Museum als Geschenk übermachen will. Die Versammlung nimmt hiervon mit Dank Kenntnis. — Die Pieihe der Vorträge eröffnete Prof. Lampert aus Stuttgart mit einem Bericht über „Die deutsche Tiefseeexpedition der ,Valdivia'". Der Vortragende behandelte zuerst die geschichtliche Entwickelung der Meer- expeditionen von den sagenhaften Seefahrten der Normannen bis auf Columbus und die neueren Expeditionen verschiedener Länder, unter denen besonders England und Amerika vorangingen und durch Kabel- legungen die wissenschaftlichen Tiefseeforschungen vorbereiteten. Sehr wichtige und mannigfaltige Ergebnisse erzielte die vom 1. August 1898 bis 1. Mai 1899 ausgeführte Expedition der „Valdivia" unter Leitung von Prof. Chux, Dr. Schotte u. a. , die dank den von der Humboldt- stiftung und vom deutschen Kaiser aus dem Dispositionsfonds zur Ver- fügung gestellten Mitteln sehr reich ausgestattet werden konnte. Der Redner beschrieb in ausführlicher und anschaulicher Weise die Arbeiten und die Forschungen, sowie die erzielten wissenschaftlichen Ergebnisse der Expedition und schilderte das Meer, seine Beschaffenheit und seinen Untergrund samt seinen so vielfältigen tierischen und pflanzlichen Organismen. Alsdann besprach Hofrat Dr. Leube (Ulm) ein vor kurzem er- schienenes Werk über ,,Die Alpenpflanzen" von Erich Wodke, und berichtete einiges über die neuerdings entdeckten Gase : Xenon, Heiion, Neon, Krypton, Argon. Nun folgten noch Fundbesprechungen, wobei zuerst Pfarrer Beer von Kolbingen, OA. Tuttlingen, über auf genannter Markung ge- fundene, offenbar dem Rheingletscher angehörige Gesteine wie Julier- granit, Verrucano, Meeresmolassesandstein berichtete, die wahrscheinlich durch einen vom Höhgau ausgehenden Strang auf die abnorme Höhe von 870 m gebracht worden sind. Dekan Knapp (Ravensburg) zeigte erratische Fundstücke aus der Meeresmolasse mit Pecten und Cardien, sowie knolligen, rot und grau gefärbten Hornstein, vielleicht aus dem alpinen Lias stammend. Prälat Dr. Hofele erzählte in humoristischer Weise von geognostischen und anderen Streifzügen im Occident und Orient, und Dekan Knapp berichtete von kleinen auf dem Schnee gefundenen Insekten, die Prof. Lampert als Springschwänze bezeich- nete, wobei er zugleich auf die derzeit vielfach auf Schnee vorkommenden kleinen Schnaken ohne Haare aufmerksam machte. - LV - 4. Schwarzwälder Zweigverein für vaterländische Naturkunde. Versammlung zu Nagold am 7. Mai L899. Nachdem der Vorsitzende, Prof. Dr. K o k e n - Tübingen, die zahl- ceiche Versammlung willkommen geheissen, sprach Dr. Hesse-Tübingen über „Heimische Strudelwürmer"; er schilderte kurz den Bau und die Lebensweise dieser in unseren stehenden und fliessenden Ge- wässern häuligen Tiere und deren Vermehrung durch Teilung und ging dann näher auf die eigentümliche Verbreitung einer Art, der Planaria alpina, ein: diese rindet sich in den äussersten Enden der Quellbäche, wahrend die llauptläufe durch eine andere Form, Planaria lionocephala . eingenommen werden, die jener vermöge ihrer grösseren Stärke im Nahrungserwerb überlegen ist. Diese Weise des Vorkommens lässt sich nur durch die Annahme erklären, dass die erstgenannte Planarie früher, zur Kiszeit, den ganzen Bachlauf bevölkerte und dann durch die allmählich vordringende Verwandte mehr und mehr zurückgedrängt wurde: Planaria alpina wäre demnach ein Eiszeitrelikt. Diese zunächst für das Siebengebirge, die Rhön u. a. nachgewiesene Verbreitung dürfte >ich ebenso in der Alb und im Schwarzwald feststellen lassen. Es folgte hiernach der Vortrag von l'rof. Dr. Blochmann-Tü- bingen über „Wanderungen der Blattläuse"'. Aus einem über- winterten Ei schlüpft im Frühjahr die Ulmenblattlaus und erzeugt an den Blättern der Ulme eine hohle Galle, in der ihre Nachkommenschaft zunächst lebt; alle diese Jungen sind Weibchen. Sie verlassen die Galle, bekommen Flügel und wandern auf Gräser; an deren Wurzelhals setzen sie lebende Junge ab, die im September ebenfalls zu geflügelten Weibchen entwickelt sind und auf die Ulme zurückkehren ; ihre lebendig- geborenen Nachkommen sind teils Männchen, teils Weibchen; die Weib- chen legen 3 — 4 befruchtete Eier in Rindenritzen der Ulme ab, aus denen im Frühjahr die Stammmütter schlüpfen, welche wiederum die Blattgallen erzeugen. Komplizierter ist die Generationenfolge bei der Tannenlaus (Kermes) ; im Spätjahr findet man an der Unterseite von Fichtenknospen einige unscheinbare Läuse, die im Frühjahr ananas- ähnliche Gallen durch ihren Stich erzeugen : alle sind sie Weibchen, und aus den Eiern, die sie ablegen, kriechen im August weibliche Junge aus, welche Flügel bekommen und auf die Lärche wandern ; aus deren Eiern entwickeln sich flügellose Weibchen, die in Rindenritzen über- wintern. Im nächsten Frühjahr legen sie Eier ab; die daraus aus- kommenden Jungen wandern auf die Nadeln, werden geflügelt und kehren im Juli oder August auf die Fichte zurück. Aus ihren Eiern entstehen männliche und weibliche Läuse, und die befruchteten Eier der letzteren lassen die gallenerzeugenden „Gründerinnen" aus sich hervorgehen, von denen im folgenden Frühjahr wiederum eine Generation abstammt, die zur Lärche wandert. Eine befriedigende Erklärung für diese Wände- rungen hat man bisher nicht gefunden. l'rof. Grützner-Tübingen machte darauf einige Mitteilungen über „Stereoskopisches Sehen". Blickt man mit einer Brille, — LVI — die ein rotes und ein blaues Glas hat, auf ein Bild, in dem zwei stereo- skopische Aufnahmen, die eine rot, die andere blau, mit geringer Ver- schiebung gegeneinander aufgedruckt sind, so sieht das eine Auge nur das rote , das andere nur das blaue Bild und es kommt dadurch ein körperliches Sehen zu stände , wie bei Anwendung der gewöhnlichen Stereoskope. Wenn man durch die gleichen Brillen zwei gegeneinander verschobene Kreise in den entsprechenden Farben ansieht, so wird die Richtung der Sehachsen weniger oder mehr konvergent sein, je nach- dem die farbigen Kreise im gleichen Sinne nebeneinander stehen wie die entsprechend gefärbten Brillengläser oder im umgekehrten Sinne. Da von der Konvergenz der Sehachsen unser Urteil über die Entfernung der gesehenen Gegenstände beeinflusst wird , glauben wir die gleich grossen Kreise das eine Mal ferner, das andere Mal näher zu sehen, und sie erscheinen uns im ersteren Falle grösser als im letzteren. Der Vor- tragende knüpfte diese interessanten Ausführungen an die überraschen- den Versuche, die er vorführte. Schliesslich erörterte Prof. Dr. K o k en - Tübingen die „Ent- stehungsgeschichte des Schwarzwaldes". Diese ist mit der- jenigen anderer Gebirge, vor allem der Vogesen , eng verknüpft; von den letzteren ist der Schwarzwald erst später durch die Entstehung der Rheinebene getrennt. Wir unterscheiden in beiden Grundgebirge und Deckgebirge, zwischen die sich noch einige weitere Schichten einschieben. Das Grundgebirge besteht aus gefalteten Gneissen, und in Verbindung mit diesen tritt Granit auf, der, jünger als der Gneiss , diesem im Schwarzwald in vier Komplexen aufgelagert ist und seine Spalten durch- setzt. In den Vogesen sind die zwischen Grund- und Deckgebirge ein- geschaltenen Schichten (Schiefer, devonische Gesteine und unteres Kohlen- gebirge) durch die durchbrechenden Granitmassen vielfach metamorpho- siert; der Granit muss also jünger sein als sie. Das Deckgebirge schiebt sich von Westen her allmählich über das Grundgebirge : zunächst Rot- liegendes, über die höheren Teile Buntsandstein, und dann die folgenden Schichten, wahrscheinlich bis zum weissen Jura. Die Erosion hat die oberen Schichten später wieder abgetragen und den Zusammenhang der tieferen Teile des Deckgebirges durch Thäler getrennt, so dass nur noch getrennte Schollen von den ursprünglich zusammenhängenden Lagen übrig sind. In der Tertiärzeit (Oligocän) wurde dann der Schwarzwald von den Vogesen durch die muldenförmige Senkung des Rheinthals ge- trennt; von Nordwesten her drang das Meer in diese Senke, und an dessen Küste wurden die von den Randgebirgen heruntergeschlagenen Gesteine zu den sogen. Küstenkonglomeraten zusammengesetzt, die vor- wiegend aus jurassischen Bestandteilen gebildet sind. Wahrscheinlich waren aber bei der Abgrenzung des Schwarzwaldes auch wirkliche Hebungen beteiligt ; auf solche weist der Umstand hin, dass im Oligocän das Rheinthal vom Meere bedeckt war, während Oberschwaben trocken lag, dass dagegen später das Meer sich aus dem Rheinthal zurückzog und im Miocän Oberschwaben vom Meere bedeckt wurde. Die Ab- grenzung des Schwarzwaldes nach Osten durch Spalten scheint jünger zu sein, da hier selbst Diluvialgebilde von Spalten durchsetzt werden. LVII — Die erodierende Thätigkeit der Eiszeitgletscher hat dann noch das Ihrige beigetragen, die Konfiguration des Schwarzwaldes zu ändern, und manche tiefe Thäler sind erst in der Diluvialzeit ausgefurcht. Nachdem Prof. K lunzinger- Stuttgart noch für den Beitritt zum Vogelschutzverein ein Wort eingelegt und Prof. Fraas- Stuttgart über ein kürzlich geöffnetes Grab am Krautbühl bei Nagold einige Bemer- kungen gemacht hatte, wurde die Sitzung geschlossen. Dem Mittagessen folgte ein Ausflug zu jener Grabstätte und auf die Ruine Hohen-Nagold. — Die Versammlung hatte den erfreulichen Erfolg, dass sich fünf neue Mitglieder für den Verein für vaterländische Naturkunde meldeten. Versammlung zu Tübingen am 21. Dezember 1899. Die Reihe der Vorträge eröffnete Dr. Camerer (Urach) mit einer kurzen Bemerkung über Basalttuff von Grabenstetten bei Urach, der bei Brunnenbohrungen dort zu Tage gefördert wurde. Dann folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Blochman n (Tübingen ) über ;,die Entstehung der Drohnen bei der Honigbiene". Die Frage, in welcher Weise das Geschlecht bei den Bienen bestimmt, wird, ist in neuester Zeit dadurch wieder der Erörterung näher gerückt, dass gegen die allgemein angenommene und von der Wissenschaft anerkannte Theorie Dzieezon's im Jahre 1897 Diukel, der Redakteur der Nördlinger Bienenzeitung, eine neue Ansicht aufgestellt und für dieselbe in Wort und Schrift sehr lebhafte Propaganda gemacht hat. Die Wissenschaft kann über Dickel's unbegründeten Ansichten zwar ruhig zur Tagesordnung übergehen; aber in den Kreisen der Bienen- züchter ist durch dieselben eine Unsicherheit hervorgerufen, die dem Redner die Hauptveranlassung ist, das Thema hier zu erörtern. Dzierzon stellte in der Mitte der vierziger Jahre folgende Sätze aut : Die Königin ist das einzige entwickelte Weibchen im Stock ; die Arbeiter sind Weibchen , deren Eierstöcke rudimentär sind und nur ausnahms- weise (Drohnenmütterchen) funktionieren ; die Drohnen sind Männchen und kommen nur in geringerer Zahl, 100 — 300, im Stock vor. Im normalen Bienenstock legt nur die Königin Eier, die sie teils befruchtet, teils nicht; aus den befruchteten Eiern gehen Königinnen und Arbeiter, aus den unbefruchteten Eiern Drohnen hervor; in abnormen Fällen, wenn entweder die Königin unbefruchtet geblieben ist, oder wenn sie zu alt ist und somit alle bei der einmaligen Begattung empfangenen Samenfäden verbraucht hat, oder endlich, wenn ein Stock seine Königin verloren hat. und nun Arbeiter, sogenannte Drohnenmütterchen, Eier in die Zellen legen, in allen diesen Fällen entstehen nur Drohnen. It/.iKiixox"* Lehre wurde in den fünfziger Jahren durch die Unter- suchungen v. Sikhold's und Leuckart's völlig bestätigt, die in den Drohneneiern Samenfäden vermissten, in den Arbeitereiern sie jedoch stets fanden. Später (1867) behauptete zwar Lanüois, dass alle Bienen- eier befruchtet seien, und dass die Geschlechtsbestimmung nur durch die Verschiedenheit des Futters, das den Larven zugetragen wird, d* - LYIII bewirkt werde ; seine Ansicht wurde aber durch Bessels widerlegt. Einige spätere Einwürfe sind nicht ernst zu nehmen , und neuerdings hat Dickel seine Sätze aufgestellt ; er sagt etwa folgendes : im Bienen- stock haben wir dreierlei Formen, die sich in zwei Gruppen verteilen, grundlegende: Männchen und Weibchen, und bestimmende: Arbeiter. Der Zeugungsbeitrag der Mutterbiene (Ei) enthält den Keim für das' männliche Geschlecht, derjenige der Drohne (Samenfaden) den Keim für das weibliche Geschlecht. Am befruchteten Ei, das also die Anlagen für beide Geschlechter enthält, wird das Geschlecht dadurch ausgelöst, dass die Arbeiter ein Sekret darauf spritzen, das in zwei Drüsenpaaren des Mundes sich entwickelt ; werden die Eier mit dem Sekret der einen Drüse benetzt, so entstehen Männchen, mit dem der anderen Weibchen, wird aus beiden Drüsen Sekret auf sie entleert, so entstehen Arbeiter. In unbefruchteten Eiern ist nur der Keim des männlichen Geschlechts vorhanden, es kann also auch nur dieses ausgelöst werden und es ent- stehen stets Männchen; solche Männchen aus unbefruchteten Eiern nennt Dickel falsche Drohnen und meint, dass sie nicht begatten können. Die Methode, durch die Dickel den Beweis hierfür zu führen unternimmt, besteht darin, dass er Drohneneier aus den besonders gestalteten Drohnenzellen des Stockes in Arbeiterzellen einsetzt; wenn sich dann aus solchen Eiern Arbeiter entwickeln, so wäre allerdings Dzierzon's Theorie widerlegt. Aber bei solchen Versuchen sind viele Fehlerquellen vorhanden : erstens entfernen die Bienen gewöhnlich solche künstlich versetzten Eier oder Larven ; zweitens legen junge Königinnen nicht nur in Arbeiter-, sondern auch in Drohnenzellen befruchtete Eier; drittens ist beim Übertragen ganzer Waben das Übersehen randständiger, noch unfertiger Drohnenzellen, die aber schon ein Ei enthalten, leicht möglich; endlich legt eine Königin, wenn ihr nur Drohnenzellen zur Verfügung stehen, auch in diese (befruchtete) Arbeitereier. Ferner aber ist es nie gelungen, aus nachweislich unbefruchteten Eiern Arbeiter oder Königinnen zu erzielen. Die Drohnen, die aus solchen Eiern kommen, und die Dickel als falsche Drohnen bezeichnet, unterscheiden sich äusserlich nicht von den normalen Drohnen und entwickeln normale Samenfäden (Tönjjiges), wie denn auch Freiherr v. Ambeosi mitteilt, dass sie eine Königin völlig normal begatten. Das Fehlen eines Samenfadens in den Drohneneiern lässt sich mit der modernen mikroskopischen Technik zweifellos sicher nachweisen ; v. Siebold's Untersuchungen in dieser Beziehung wurden vor 10 Jahren vom Vortragenden und neuer- dings von Paulcke (dem Dickel selbst das Material lieferte) völlig bestätigt. Eine weitere Bestätigung der Verhältnisse bei den Bienen bieten v. Siebold's Untersuchungen an der Papierwespe, wo die Dinge einfacher liegen : hier überwintert ein befruchtetes Weibchen und beginnt im Frühjahr mit dem Bau eines Nestes, das aus wenigen Zellen besteht; aus den ersten Eiern, die es hineinlegt und als Larven selbst gross- füttert, schlüpfen sogenannte „kleine Weibchen" aus mit geringer ent- wickelten Geschlechtsorganen (wie die Bienenarbeiter) ; diese helfen bei der Vergrösserung des Nestes und der Pflege der Larven ; später ent- stehen dann entwickelte Weibchen und vom Juli an auch Männchen - LIX — aus den Eiern, v. Sn;i:<>u> entfernte nun nach dem Ausschlüpfen der ersten „kleinen Weibchen" die befruchtete Mutterwespe; es blieben also nur unbefruchtete Weibchen: dieselben legten jetzt (natürlich unbefruchtete) Eier ab, und aus diesen schlüpften nur Männchen. Solche mit grösster Sorgfalt ausgeführte Untersuchungen zeigen also dieselben Verhältnisse, wie bei den Bienen. — Was schliesslich die Bestimmung des Geschlechtes durch ein Drüsensekret betrifft, so ist das eitel Phantasterei; dass die Arbeiter keine Zwitter sind, wie es Diokel behauptet, lehrt die anatomische Untersuchung. Somit fällt diese neue Lehre in allen Punkten in Nichts zusammen. Darauf sprach Prof. Koken (Tübingen) über „die Gliederung und Lagerung des Diluviums bei Kochendorf". Das ganze Gebiet ist mit Diluvium eingedeckt, so dass die darunterliegenden Schichten, Muschelkalk und Keuper, nur in den tieferen Abschnitten des Thaies zu Tage liegen. Die letzteren zeigen verschiedentlich Ver- werfungen (für die Zukunft Kochendorfs übrigens ohne Bedeutung), an denen zum Teil auch die diluvialen Ablagerungen beteiligt sind. Im grossen und ganzen ist die Gegend als Mulde gebaut, in deren Mitte etwa Heilbronn liegt. Diese Depression war aber nicht etwa schon zur Triaszeit vorhanden und gab Anlass zur Bildung des Salzlagers, sondern sie beruht auf jugendlichen Lagerungsstörungen, die noch in die Diluvial- zeit hineinreichen. — Das Diluvium wird, abgesehen vom Löss, von Schottern, Flussabsätzen gebildet, die in verschiedener Höhe auftreten und verschiedene Beschaffenheit haben. Der tiefste Teil desselben, die Niederterrasse, besteht aus groben Kiesmassen, in die jetzt der Neckar sein Bett eingegraben hat ; ihre diluviale Herkunft wird durch die Ver- steinerungen (Mammutreste) bewiesen, die sie bergen. An den Abhängen des Thaies treten dann Kiesmassen auf, deutliche Terrassen bildend, die Redner als Hochterrasse bezeichnet; sie deuten auf einen viel höheren Wasserstand zur Zeit ihrer Entstehung hin. Noch höher finden sich diluviale Ablagerungen , die sich durch eine anders zusammen- gesetzte Gesteinsführung auszeichnen; Redner nennt sie Höhenschotter. Sie liegen bis etwa 150 m über dem Spiegel des Neckars und sind merkwürdig dadurch, dass sie gar keinen Kalk enthalten. Man findet in ihnen Buntsandstein , Hornstein und andere , wenig verwitternde Gesteine. Die hierauf begründete frühere Ansicht, dass sie aus dem Odenwald stammen sollen, ist jedoch unhaltbar: es sind echte Neckar- schotter, wie die Spuren von weissem Jura in ihnen zweifellos machen; auch stimmt sonst ihre Zusammensetzuno' völli»; mit der Herkunft aus dem Schwarzwalde. Diese Höhenschotter sind nicht in gleicher Höhe gelagert, sondern senken sich von Norden wie von Süden her gegen Heilbronn zu, entsprechend der Heilbrunner Mulde. Sie müssen also vor Entstehung jener Depression abgelagert sein, und diese kann somit eist in der Diluvialzeit stattgefunden haben. — Die Hochterrassen ent- halten im Gegensatz zum Höhenschotter reichlich Kalkgerölle. Sie weisen im Böllinger Bachthal und Frankenbach eine reiche Mollusken- fauna auf, besonders aber sind Reste diluvialer Säugetiere häutig in ihnen zu finden: hervorzuheben ist ein Zahn von Elephas antiqttus, der — LX — zur Diluvialzeit südlichere Gegenden bewohnte und dessen Reste im Rheingebiete, sowie auch im Elsenzthale bei Mauer gefunden wurden. Wahrscheinlich ging früher durch das Elsenzthal eine Schlinge des Neckars, ebenso wie durch das Böllinger Bachthal, in das man die Hochterrassen hineinverfolgen kann, und durch das Leinthal. In der Nähe von Wimpfen ist auch die Hochterrasse, welche nochmals in zwei wohl unterscheidbare Stufen geteilt ist, von Verwerfungen betroffen. Überall finden sich in jener Gegend Lössablagerungen, die offenbar früher das ganze Gebiet überdeckten, jetzt aber an der Wetterseite der Hügel häufig abgewaschen sind. Mehrfach findet man, dass sich Löss, Lehm, Sand mit Lehm und zu unterst Schotter ohne deutliche Grenze folgen, und die im Löss vorkommenden Schnecken sind auch im Schotter vorhanden ; auch kommen lössartige Einschaltungen in den Schottern vor. Daraus muss man schliessen, dass der Löss hier nicht durch die Thätigkeit des Windes gebildet wurde, sondern ein Produkt der Abschwemmung ist. Die hochgelegenen Schotter tragen bei Kochen- dorf und Offenau Spuren des Windschliffes, aber nur an exponierten Stellen , wo sie von der Lössdecke befreit sind ; im Lager , von Löss eingedeckt, fehlt jedes Anzeichen für Windwirkung. Man kann also hieraus kein Argument für die äolische Bildung des Lösses machen. Nirgends lässt sich in diesem Lössgebiet ein unzweideutiges Zeichen auffinden für eine zweimalige Lössbildung, d. i. eine wiederholte Steppen- zeit, wie sie jetzt auch die Botaniker glauben annehmen zu müssen. Die Lössbildung ist an die Zeit der Hochterrasse geknüpft. Der sogenannte ältere Lehm ist kein entkalkter Löss, sondern im untersuchten Gebiete ein zusammengeschwemmtes Gebilde, das niemals Löss gewesen sein kann. Der Löss auf der Niederterrasse ist sekundär verschwemmt. Hieran schloss sich eine Anzahl interessanter Experimente von Frof. Grützner (Tübingen), die derselbe mit Erläuterungen begleitete : in unseren Muskeln und Nerven finden sich stets elektrische Ströme; in einem ausgeschnittenen Muskel verläuft der Strom vom Längsschnitt zum Querschnitt; bei Thätigkeit dieses Muskels verringert sich der Strom. Jener ersterwähnte Strom ist eine Folge der Präparation; der ruhende unverletzte Muskel ist stromlos, bei Thätigkeit jedoch entsteht in ihm sofort ein Strom. Verbindet man beim Menschen beide Hände mit ableitenden Drähten, die zu einer Bussole führen, und kontrahiert die Muskeln des einen Arms, so entsteht ein elektrischer Strom, der in diesem Arme aufsteigt; die Bussole wird entsprechend abgelenkt. Noch deutlicher sind solche geringe Ströme durch ein Elektrometer wahrnehmbar, wie es der Vortragende anwandte. Es ist hier nicht die Muskelkontraktion, sondern die damit zusammenhängende gesteigerte Schweisssekretion, die den Strom hervorruft. — Die Reizung eines Muskels teilt sich einem zweiten Muskel mit, dessen Nerv auf jenem aufliegt; erzeugt man durch schnell aufeinanderfolgende Reize Dauer- kontraktion des ersten Muskels, so tritt diese auch beim zweiten ein. Legt man den Nerven eines Froschschenkels auf das noch schlagende Herz einer eben getöteten Ratte, so erfolgt mit jedem Herzschlag eine Zuckung im Schenkel. - LXI — Weiterliin zeigte Dr. Lange (Tübingen) das Photogramm eine Hexenringes, d. i. eines Ringes von Hutpilzen, der dadurch zu stände kommt, dass von einem Centrum aus das Mycel dieser Pilze sich nach allen Seiten gleichmässig ausbreitet, in der Mitte aber abstirbt. Prof. Koken demonstrierte einen mit den häutigen Flossen erhaltenen TcMhyosawrus von Bolzmaden, welcher der Tübinger palaeontologischen Sammlung gehört. Ausserdem waren neue zoologische Präparate aus der zoologischen Sammlung und eine Anzahl optischer Apparate aus dem physiologischen Institut aufgestellt. — An die wissenschaftliche Sitzung schloss sich ein Mittagessen im Lamm, worauf man noch in bester Stimmung zusammenblieb, bis die auswärtigen Gäste an dit- Heimfahrt denken mussten. .1 III. Original-Abhandlungen und Mitteilungen. Untersuchung des bunten Mergels der Keuper- formation auf seine ehemisehen und mineralogischen Bestandteile. Von E. A. Wülfing in Tübingen. Inhalt. Seite I. Einleitung und historischer Rückblick 2 II. Makroskopische und mikroskopische Beschreibung. Bauschanalysen von vier Mergeln 6 III. Durch Salzsäure zersetzbarer Teil. a) Karbonate 14 b) Chloritisches Mineral 22 c) Thoniges Mineral 25 d) Löslicher Teil in seiner Gesamtheit 29 e) Leicht lösliche Thonerde. Bodenzeolithe oder Geolyte 30 IV. Durch Salzsäure nicht zersetzbarer Teil. a) Kaolin 36 b) Berechnung des unlöslichen Teils auf Quarz, Orthoklas, Kaolin and Muskovit 39 V. Zusammenfassung der wichtigsten Resultate 41 Anhang. Analytische Belege 45 Jahre3hefte d. Vereins i. vaterl. Naturkuudo in Württ. 1900. I. Einleitung und historischer Rückblick. Im Februar vergangenen Jahres gelangte an den Vorstand des hiesigen mineralogisch-geologischen Instituts, Herrn Prof. Dr. Koken, seitens des Besitzers von Schloss Roseck, Herrn Güoth, die Anfrage, ob zur Verbesserung seines Ackerbodens der verwitterte oder der unverwitterte Keupermergel sich besser eigne. Die Beantwortung dieser Frage war insofern schwierig, als eine auch nur einigermassen exakte Kenntnis der Zusammensetzung der Schichten des bunten Keupers fehlte , und es daher zweifelhaft war, ob das Material durch die Verwitterung eine Verbesserung oder eine Verschlechterung der zur Ernährung der Pflanze wichtigen Stoffe erfahren hatte. Durch jene Mergeldüngung sollten die auf Stubensandstein liegenden Acker hauptsächlich in ihrem Kalkgehalt aufgebessert werden. Da nun einige analytische Versuche , welche ich mit Zustimmung des Herrn Prof. Dr. Koken an den eingesandten Proben ausführte, nur einen sehr geringen Unterschied im Karbonat- gehalt des frischen und des verwitterten Keupers erkennen Hessen, war die Frage wohl zu gunsten des letzteren zu beantworten. Das als verwittert bezeichnete Gestein war in chemischer Hinsicht über- haupt nur sehr wenig verändert; es befand sich offenbar im ersten Stadium des Zerfalls und verdiente schon deshalb den Vorzug, weil es leichter gebrochen werden konnte und den Atmosphärilien auch etwas leichter zugänglich war. Als ich diese Versuche anstellte, wollte ich auch die Mineralien, welche die Hauptmasse des Mergels zusammensetzen, mittelst des Mikroskops bestimmen. Hierbei stiess ich aber infolge des ausser- ordentlich feinen Korns auf unerwartete Hindernisse , die zu be- seitigen mir aus mehrfachen Gründen wünschenswert schienen. Zu- nächst sind die Mergel des bunten Keupers von grosser agronomischer Bedeutung und daher kann ihre mineralogische und chemische Unter- suchung schon von diesem rein praktischen Gesichtspunkt aus einiges 3 Interesse beanspruchen. Ferner aber dürften die politischen Sedimente überhaupt nur selten auf ihre mineralogische Zusammensetzung ein- gehender untersucht worden sein, obgleich man längst weiss, dass unter Bezeichnungen wie Thon, Mergel, Letten u. s. w. ausserordent- lich mannigfaltig zusammengesetzte Dinge verstanden werden. Meine hier mitgeteilten Beobachtungen und Experimente ent- halten einige Angaben über die Zusammensetzung des bunten Keuper- mergels, wobei ich ausdrücklich hervorheben will, dass diese Unter- suchungen keineswegs zum Abschluss gelangt sind. Besonders habe ich Bestimmungen nach der agrikulturchemischen Seite aus Mangel an geeigneten Apparaten nicht anstellen können. Bevor ich nun auf meine eigenen Beobachtungen eingehe, möge eine kurze Besprechung der bisherigen Untersuchungen der bunten Keupermergel Württembergs eingeschaltet werden. Auffallenderweise ist der in Württemberg so verbreitete Keuper- boden nie auf seine mineralogischen Bestandteile geprüft worden, wie auch eine genauere chemische Analyse von frischem, anstehendem Material nicht vorhanden zu sein scheint. 1826 sind die ersten Analysen von Mergeln des schwäbischen Keupers durch Chr. G. Gmelin1 ausgeführt worden. Er analysierte 1. „harte Mergel (Sandmergel)" aus der Gegend von Tübingen und von der Steige bei Unterroth , zwischen Gschwend und Gaildorf. Sie entsprechen wohl den harten Steinmergeln, die sich ebenso wie die krystallisierten Sandsteine in den oberen Schichten der bunten Mergel eingelagert finden2; 2. „weiche Mergel (Thonmergel, Leber- kies)" vom Spitzberg bei Tübingen und von der Weinsteige bei Stuttgart, welche den Schichten der eigentlichen bunten Mergel, also genau dem von mir untersuchten Horizont entstammen. Gmelin hat seine Analysen in der Weise ausgeführt, dass er den in Salz- säure löslichen von dem in Salzsäure unlöslichen Teil trennte und den letzteren einfach als Thon oder Quarzsand ansprach. In der Lösung wurden Kalk, Magnesia, Thonerde und Eisenoxyd direkt und der Kohlensäuregehalt in den meisten Fällen indirekt bestimmt, indem man ihn aus den für Kalk und Magnesia gefundenen Zahlen 1 Chr. G. Gmelin, Chemische Untersuchungen über die verschiedenen Kalkformationen Schwabens mit besonderer Rücksicht auf die darin vorkommenden Bitterkalke und die Verbreitung der Bittererde überhaupt. Naturwissensch. Abhandlungen, herausgegeben von einer Gesellschaft in Württemberg. Bd. 1 Heft 1. L826. S. 153—210. Darin Untersuchung der Keupermergel, S. 176—181. 2 Vergl. Quenstedt, Begleitworte zu Blatt Tübingen. 1865. s. I. 1* — 4 — berechnete. Da aber die Analysen nach dieser Berechnung zu- weilen einen erheblichen Überschuss über 100 °/0, nämlich bis zu 103,92 °/o ergaben — ein Überschuss, der noch weit bedeutender ausgefallen wäre, wenn Gmelin die ganze Menge des hygroskopisch und chemisch gebundenen Wassers berücksichtigt hätte — , so weist Gmelin schon darauf hin, dass ein Teil der Magnesia dem Thon an- gehöre und nicht in Form eines Karbonats vorhanden sei. In der That ist ein erheblicher Teil der Magnesia in einem Silikat und zwar in einem leicht löslichen Silikat vorhanden. In einigen Fällen prüfte Gmelin auch auf Alkalien, von denen er aber keine Spur auffinden konnte. 1851 hat Gräger1 verschiedene Keupermergel analysiert; seine Fundortsangaben sind aber so unbestimmt gehalten — es finden sich nur die Namen Weidensee, Rottelsen Graben, Pfaffenroder Grund, Schützenberg, Johannisthai, Thanberg und St. Daniel ohne weitere Bezeichnung — , dass man nicht ersehen kann , woher die Stücke stammen. Zirkel (1. c. S. 778) verlegt den Rottelser (Gräger schreibt' Rottelsen) Graben nach Württemberg, indessen scheint hier im Lande eine solche Lokalität nicht bekannt zu sein. 1851 wurden von Fehling und Kurr 2 zahlreiche, von A. Faisst ausgeführte Analysen verschiedener Keupermergel veröffentlicht. Der Gang der Analyse ist genau beschrieben; auch hier wird das nach der Digestion mit verdünnter Salzsäure auf dem Wasserbade unlös- lich bleibende Pulver als Thon angesprochen und nur der in Lösung gegangene Teil genauer analysiert. Es handelte sich bei dieser Arbeit darum, unter den Kalksteinen und Mergeln diejenigen herauszufinden, welche sich zu hydraulischen Mörteln besonders eignen. Obgleich aber die Herausgeber den französischen Forscher Vicat angreifen, indem sie hervorheben, dass für Mörtel die Zusammensetzung des im Kalkstein enthaltenen Thones wichtig sei, ist der eben als Thon angesprochene unlösliche Teil nur insofern zuweilen noch weiter unter- sucht worden, als man durch wiederholtes Kochen mit konzentrierter Schwefelsäure und Natronlauge seinen Gehalt an Sand ermittelte. Hier zeigt also die Arbeit keine wesentlichen Fortschritte gegenüber 1 Gräger, Chemische Untersuchung einiger Gesteine aus der unteren Gruppe der Keuperformation. Ber. d. naturw. Ver. d. Harzes zu Blankenburg (Wernigerode 1851). S. 17—24. 2 Fehling und Kurr, Untersuchung verschiedener württemb. Kalksteine (diese Jahresh. Bd. 7. 1851. S. 107—110). — o — der GMKux'schen Untersuchung. Dagegen .urlang es Faisst zum ersten Male in den Mergeln einen Gehalt an Alkalien nachzuweisen, wenn auch die Zahlen, welche er hierfür mitteilt, ausserordentlich klein sind: er fand nur etwa V10 %• Die von inm angewandte Methode war freilich keineswegs dazu geeignet, den ganzen Alkaliengehalt zu bestimmen ; sie bestand nämlich darin , dass er 50 g von dem ge- brannten und feingepulverten Gestein längere Zeit und wiederholt mit Wasser erhitzte, die Lösung filtrierte und dann in dieser Lösung nach Abscheidung von Kalk und Magnesia die Alkalien als kohlen- saure Salze bestimmte. Durch das Brennen der Mergel, welches wohl nicht bei sehr hoher Temperatur erfolgte, hat nur ein teil- weises Aufschliessen stattgefunden l. Auch hätte die Masse, um wenig- stens die im zersetzten Teil enthaltenen Alkalien in Lösung zu bringen, mit Säuren und nicht nur mit Wasser behandelt werden sollen ; immerhin bleibt es von Interesse, dass Faisst überhaupt Kali (kein Natron) nachweisen konnte. Fehling und Kurr haben schon damals in diesem Kaligehalt des Keupers seine Bedeutung für die Verbesserung der Weinberge gefunden. In ihrem Schlusswort (S. 126) zu dem Text der FAissT1schen Analysen äussern sie sich folgendermassen : „Überblickt man die Analysen, so ist es zunächst „auffallend, dass in den Alkalien überall vorwaltend Kali und immer „weniger Natron gefunden wurde. Der Alkaligehalt steigt in der „Regel mit dem Thongehalt der Kalksteine und ist am beträcht- lichsten in den thonreichen Zwischenschichten" (eine Beobachtung, welche sich hier besonders auf die Mergel des Muschelkalks bezieht, sich aber nach meinen Untersuchungen auch auf die Mergel des bunten Keupers ausdehnen lässt). „Unter allen analysierten Ge- steinen nehmen die thonigen Dolomite des Muschelkalks, die überall „in weit verbreiteten regelmässigen Bänken anstehen, sodann die „zwischen den einzelnen Bänken des Hauptmuschelkalks befind- lichen thonigen Zwischenschichten und die Thonmergel der Keuper- „und Juraformation am meisten Teil an der Bildung des Acker- bodens und liefern auch durchschnittlich einen sehr fruchtbaren „Boden. Die Keupermergel werden häufig zur Verbesserung sandiger „Bodenarten und zur Düngung der Weinberge benutzt und liefern „bei ihrer allmählichen Verwitterung eine reichhaltige Quelle von „Kalisalzen für die Pflanzenwelt." 1 Vergl. die Devillc' sehe Methode der Anfschliessung von Silikaten z. B. in Rose-Fink ener, Handbach der analytischen Chemie, Bd. 2. 1871. S. 656. — 6 — Fehling und Kurr stützen sich also bei dieser letzten Be- hauptung nur auf den Nachweis von etwa Vjo% Kali. Wie viel mehr muss die Wichtigkeit der Keupermergel für die Landwirtschaft betont werden, wenn sich nachweisen lässt, dass diese Schichten bis nahezu 5°/0 Kali und zwar zum grösseren Teil in leicht löslicher Verbindung enthalten, wie das aus den später mitgeteilten Analysen zu ersehen ist. E. Wolff veröffentlichte 1863 seine Untersuchungen über sechs Hohenheimer Bodenarten, unter denen sich auch die Analyse eines Keupermergels befindet. Wenn auch das Gestein nach den Ana- lysen Wolff's mancherlei Ähnlichkeit mit meinen bunten Mergeln zu haben scheint , so muss ich diese WoLFFschen Untersuchungen hier unberücksichtigt lassen, da dieselben sich auf Gesteine aus einem andern Horizont, nämlich auf die über dem Stubensandstein liegenden Knollenmergel beziehen. Wolff hebt übrigens (ebenso wie Thürach in seinen Erläuterungen zu Blatt Sinsheim, 1895) auch den Kali- reichtum besonders hervor. Er fand 2,55 ü/o Kali und 0,20 °/0 Natron in einem etwa 12°/0 Karbonat enthaltenden Gestein. II. Makroskopische und mikroskopische Beschreibung. Bauschanalyse von vier Mergeln. Die untersuchten Gesteinsproben stammen von Schloss Roseck, Gem. Unter-Jesingen, 2 Stunden nordwestlich von Tübingen, wo sie an einer steilen aus sehr frischem Material sich aufbauenden Halde gesammelt worden sind. Probe IV, welche von Herrn Gutsbesitzer Guoth eingeschickt wurde , enthält wenig Karbonate und baut sich hauptsächlich aus rotem Mergel , der von kleineren Lagen grünen Mergels durchsetzt ist, auf. Die übrigen drei Proben habe ich im Herbst 1898 selbst gesammelt und darauf geachtet, möglichst ein- heitliches Material aus den in Härte und Farbe am stärksten von- einander abweichenden Mergelbänken zu erhalten. Probe I stellt einen ausgesprochen schieferigen, dunkelbraunroten Mergel dar, der sich leicht in einzelne Platten von einigen Millimetern Dicke spalten lässt. Er tritt an der erwähnten Halde in mehreren Schichten von 10 — 20 cm Mächtigkeit auf. Probe II ist infolge des. viel höheren Karbonatgehaltes (siehe Analyse S. 13) wesentlich härter; die schiefe- rige Struktur ist vollständig verschwunden. Diese Bänke von hartem hellbraunroten Mergel wechsellagern vielfach mit dem Gestein von Probe I ; ihre Mächtigkeit ist etwas grösser, als die der schieferigen Mergel. Das Ausgangsmaterial für die dritte Gesteinsprobe (III) bilden die grünen Mergelbänke, welche ebenfalls mit den beiden ersten wechsellagern, aber an der Fundstelle und wohl auch ander- wärts nie die Ausdehnung der roten Mergel erreichen , indem sie meistens schon nach ein oder zwei Metern Verlauf auszukeilen pflegen. Diese grünen Mergel schliessen sich in Bezug auf ihre Festigkeit mehr an die harten, als an die thonig-schieferigen Varie- täten an , was sich hauptsächlich aus ihrem Karbonatreichtum er- klären lässt (siehe Analyse III, S. 13); indessen werden sie gelegent- lich recht karbonatarm , wobei sie dann auch mehr schieferigen Charakter annehmen. Bei der Beobachtung mit blossem Auge oder mit der Lupe lassen sich in allen vier Proben kaum irgendwelche Mineralien mit Sicherheit erkennen, es sei denn, dass man hier und da ein Korn von etwa Vio mm Grösse als Quarz ansprechen wollte. Nur auf den frisch hergestellten Teilungsflächen des schieferigen Mergels erkennt man zuweilen ein in sehr dünnen Lagen auftretendes glimmerndes Mineral, welches vielleicht Glimmer, möglicherweise aber auch Kaolin ist. Nach der mikroskopischen Untersuchung der Dünnschliffe be- stehen die grössten Gesteinsgemengteile von etwa 0,1 mm Aus- dehnung aus unregelmässig begrenzten Quarzbruchstücken, die durch- aus den Charakter der Tiefengesteinsquarze besitzen und gelegentlich auch Einschlüsse mit spontan beweglichen Libellen zeigen. Neu- bildungen von Quarz scheinen nicht stattgefunden zu haben, wenig- stens lassen die eckigen Bruchstücke dieses Minerals keine Anwachs- zonen erkennen. Orthoklas ist ebenfalls mit Sicherheit nachzuweisen. Hier und da wurde ein nach dem Albitgesetz verzwillingter, recht- basischer Plagioklas beobachtet. Farblose, ausgefaserte Blättchen können nach ihrem optischen Verhalten Muskovit sein. Der ausser- ordentlich wechselnde Karbonatgehalt tritt auch bei Untersuchung der Dünnschliffe deutlich hervor, obgleich man von vornherein nicht erwarten darf, dass die relativen Mengen der Bestandteile, wie sie in den analysierten Durchschnittsproben vorhanden sind, auch in dem einen oder andern Dünnschliff in genau der gleichen Verteilung auf- treten. Die Analyse giebt die Durchschnittszusammensetzung von etwa 6 bis 10 kg Gestein einer mehr oder weniger homogen aus- sehenden Schicht wieder, wobei man nicht vergessen darf, dass diese Homogenität rein äusserlich sein kann und sich also auf den inneren Bau nicht zu erstrecken braucht. Die Karbonate, welche, wie hier vorausgeschickt werden möge, aus sehr magnesiareichen isomorphen Mischungen von CaC03 und MgC03 bestehen, treten in zwei verschiedenen Formen auf. Die eine Form besteht aus Grundrhomboedern R, welche in den schiefe- rigen Mergeln 0,04 mm, in den karbonatreicheren Gesteinen etwa die doppelte Ausdehnung erreichen. Die andere Form stellt sich in Gestalt äusserst feiner und feinster Schüppchen und Pünktchen von höchstens 0,01 mm Grösse dar, welche bei ihren lebhaften Polarisationsfarben erster bis dritter Ordnung auf den ersten Blick wohl mit Glimmer verwechselt werden könnten, wenn man ihre ausser- ordentlich geringe Ausdehnung oder die angewandte Vergrösserung nicht kennt. Beide Ausbildungsformen finden sich in relativ grossen Mengen in den karbonatarmen Schichten , während die karbonat- reicheren Gesteine fast nur Grundrhomboeder R erkennen lassen. Die weiter unten folgenden Analysen werden zeigen , dass die Kar- bonate in den schieferigen und harten Mergeln verschieden zusammen- gesetzt sind, woraus man wohl schliessen darf, dass die Karbonate jener beiden Ausbildungsformen verschiedene chemische Zusammen- setzung haben. Von Zwillingsstreifung der Karbonatkrystalle ist in keinem der neun von allen vier Proben hergestellten Dünnschliffen auch nur die geringste Spur zu bemerken. Es fragt sich, wie weit man aus dieser Thatsache auf die Abwesenheit von reinem kohlensauren Kalk schliessen darf. v. Inostranzeff x hat zuerst darauf aufmerksam ge- macht, „dass beim reinen Kalksteine lauter Körner mit ausgezeich- neter Zwillingsstreifung, beim reinen Dolomit lauter Körner ohne „eine solche zu beobachten sind und dass in den Präparaten der „zwischenliegenden Kalksteine die Anzahl der Körner ohne Zwillings- „ streifung im Verhältnisse der durch die Analyse konstatierten Zu- nahme des Gehaltes an Dolomit wächst." Aber diese Schluss- folgerung giebt nur in grossen Zügen die Resultate seiner Beobach- tung wieder. An dem körnigen Dolomit von Tiodia (Gouv. Olonetz) fand er in der ganzen Menge der untersuchten Präparate nirgends eine Zwillingsstreifung und doch giebt die Analyse von A. Stucken- eerg neben 97,78 % Dolomit 2,22 °/0 Calcit an. Inostranzeff nennt dieses Gestein einen reinen Dolomit, als was er aber doch wohl nur annäherungsweise angesehen werden kann. Das Gestein scheint nach der Skizze eines Dünnschliffes sehr grobkörnig zu sein, so dass die 1 v. Inostranzeff, Tscheraak's Mineralog. Mitteilungen. 1872. S. 49 und Taf. III Fig. 8. — 9 — Einschränkung Doelter's1, wonach die Zwillingastreifung nur bei ausnahmsweise grobkörnigen Gesteinen auftritt, liier kaum als stich- haltiger Einwand gilt. Ein einfaches Übersehen von 2,22 °/0 Calcit ist wohl nur dann möglich, wenn dieser Kalk in äusserst fein ver- teilirr Form im Schliff auftritt, wovon man sich leicht überzeugen kann, wenn man bedenkt, dass bei einem Gesichtsfeld mit dem scheinbaren Durchmesser von 10 cm der Calcit in einer Fläche zusammengehäuft gedacht einen Kreis von 172 cm Durchmesser bilden würde. Mein karbonatreichstes Gestein (Keuper II) könnte, wenn es nicht aus einer isomorphen Mischung von Ca C 03 und Mg C 03 be- steht, neben 60°/0 Normaldolomit 4x/2 °/0 Calcit enthalten. Diese Calcitmenge hätte, falls sie in grösseren Kryställchen aufträte und Zwillingsstreifung besässe, noch viel weniger als die von Inostranzeff im Dolomit von Tiodia nachgewiesene übersehen werden können ; denn auf ein Gesichtsfeld von 10 cm scheinbarem Durchmesser würde für den Calcit ein Kreis von über 2 cm Durchmesser kommen. Da aber Hibsch2 gezeigt hat, dass in der That reiner Kalk auch frei von Zwillingsstreifung sein kann, so ist dieses so charak- teristische Merkmal eben leider in Bezug auf die Gegenwart oder Ab- wesenheit von Calcit nicht mehr zu verwerten. Es ist also diese Frage nicht auf mikroskopischem, sondern nur auf chemischem Wege s. w. u. Abschnitt III a S. 14 zu entscheiden. Neben den Karbonaten und dem Quarz treten zwei weitere Mineralien in den Gesteinen in erheblicher Menge auf; ein Chlorit und ein thonartiges Mineral. Diese beiden Silikate finden sich natür- lich am reichlichsten in den karbonatärmeren Gesteinsproben. Auf den ersten Blick hat es allerdings den Anschein, als wenn der Chlorit besonders häufig in dem grünen Mergel III auftrete, was aber wohl nur daran liegt, dass er hier in dem lichtgefärbten Gestein viel leichter erkannt wird. Das Mineral zeigt im frischen Zustand die charakteristi- schen Axenfarben in gelblichen, grünlichen und bläulichen Tönen, von denen die Strahlen, welche parallel der Spaltbarkeit schwingen, immer am stärksten absorbiert werden. Die Zersetzung des Chlorits scheint dadurch eingeleitet zu werden , dass in dem homogenen grünlichen Durchschnitt einige winzige dunkle Pünktchen entstehen (Vergrösse- rung 1000 — 1500) , die bei grösserer Ausdehnung rot gefärbt sind 1 Doelter, Verhandlungen der K. K. geol. Reichsanstalt. 1878. S. 1G7. 2 J. E. Hibsch. Jahresher. K. K. Staatsrealschule Pilsen. 1880. S. 7. — 10 — und schliesslich das ganze Blättchen zusammenhängend erfüllen. Aus dem grünlichen Mineral ist dann ein dunkelrotbraunes geworden, welches häufig noch lebhaften Pleochroismus erkennen lässt und schon aus diesem Grunde , ferner aber auch wegen der grösseren Durchsichtigkeit, nicht mit Eisenglanz verwechselt werden kann. Da- neben findet sich allerdings ein anderes rotbraunes Mineral, welches höchst wahrscheinlich aus Eisenglanz besteht. Für die genetischen Beziehungen der roten und grünen Schichten würde es wichtig sein zu erfahren, ob der Eisenglanz ein weiteres Zersetzungsstadium des Chlorites oder ob er ein ursprünglicher Bestandteil des Sedi- mentes ist. Nach dem mikroskopischen Verhalten der grünen Keuper- schichten bin ich geneigt, das erstere anzunehmen, denn in diesen grünen Mergeln findet sich nicht das erste rote Zersetzungsprodukt des Chlorits und wie ich nun schliessen möchte , infolgedessen auch kein Eisenglanz. Wenn der Chlorit hier überhaupt eine Um- wandlung erfahren hat, so macht diese sich nur in einem etwas stärkeren Pleochroismus, in welchem braune Töne hervortreten, be- merkbar. Über die Entstehung des Eisenglanzes in den roten Schichten würde man nicht mehr im Zweifel sein, wenn man sich ein Urteil über die Entstehung der Karbonate gebildet hätte. Wenn man nämlich annehmen will, dass die Karbonate in der jetzt vorliegenden Form primäre Bildungen sind, so folgt daraus notwendig die nicht- primäre Natur des Eisenoxyds , da bei einem gleichzeitigen Ab- satz von Dolomit und Eisenoxyd aus der gleichen Lösung der Dolomit notwendigerweise Eisenglanzblättchen hätte umschliessen müssen, wovon aber nichts beobachtet wurde. Ist der Dolomit aber kein primäres Absatzgebilde , sondern vielleicht durch Umkrystallisieren entstanden, so lässt sich die Frage nach der primären oder sekun- dären Natur des Eisenoxyds nicht sicher entscheiden. Nach den Zersetzungserscheinungen der Chlorite spricht, wie gesagt, die grössere Wahrscheinlichkeit für seine sekundäre Entstehung, frei- lich komme ich dann in Bezug auf die genetischen Beziehungen zwischen grünem und rotem Mergel zu dem umgekehrten Resultat wie Quenstedt. Er sagt bei Besprechung des bunten Mergels 1 : „Rot ist die allgemein vorherrschende Eisenoxydfarbe, durch dessen „Zerstörung das Berggrün an die Stelle tritt. Die Entfärbung geht „gewöhnlich von Fugen oder heterogenen Beimischungen aus. Da- 1 Quenstedt, Begleitworte zu Atlas-Blatt Tübingen. Stuttgart. 1865. S. 4. — 11 — „her pflegt oben, wo der krystallisierte Sandstein und die harten „Steinmergel sich einlagern, das Grün ansehnlichere Ausbreitung zu „gewinnen, als unten, wo der rote Thon wohl 40' mächtig in ge- schlossenen Massen über dem Schilfsandstein auftritt." Nach Qüen- STEDt's Auffassung sind also die grünen Mergel die ersten Umwand- lungsprodukte, nach meiner Vermutung die letzten Reste des ursprüng- lichen Sediments. Eine sichere Entscheidung zu treffen, bin ich zur Zeit nicht in der Lage. Die Menge des als Eisenoxyd angesprochenen rotbraunen Minerals ist nicht gross, wenn dies auch beim Vergleich der roten und grünen Schichten auf den ersten Blick anders scheinen könnte. Bei Anwendung sehr starker Vergrösserungen x überzeugt man sich bald von den ausserordentlich geringen Dimensionen der den ganzen Schliff staubartig bedeckenden Einzelblättchen und -Schüpp- chen. Ihre Gesamtmenge beträgt vielleicht nicht einmal ein Prozent des ganzen Gesteins , dessen rote Farbe mehr durch das Zer- setzungsprodukt des Chlorits hervorgerufen sein mag als durch den Eisenglanz. Ausser Dolomit, Quarz und Chlorit bildet die Hauptmasse der Gesteine ein farbloses Mineral ohne krystallographische Begrenzung. Seine Lichtbrechung entspricht ziemlich genau der des Kanada- Balsams oder ist wohl auch ein wenig höher: seine Doppelbrechung ist sehr gering und lässt sich fast immer erst bei Anwendung eines Gipsblattes vom Rot I. Ord. wahrnehmen. Bei der Beobachtung zwischen gekreuzten NicoLschen Prismen hat es zuerst den Anschein, als wenn ein grosser Teil der Schliffe isotrop wäre; genauere Be- obachtungen lassen aber starke Zweifel auftauchen , ob überhaupt ein isotropes Mineral in solchen Mengen oder in solcher Verteilung vorhanden ist, dass es im Dünnschliff auffällt. Wo immer bei etwa 250facher Vergrösserung eine scheinbar isotrope Stelle zum Vor- schein kam, wurde bei stärkerer (bis löOOfacher) Vergrösserung und bei Anwendung des Gipsblattes schwache Doppelbrechung wahr- genommen. Wahrscheinlich haben wir in diesem reichlich vorhan- denen , in sehr fein verteilter Form auftretenden Mineral jenes aus den analytischen Untersuchungen folgende wasserhaltige Thonerde- silikat zu suchen (cfr. S. 25). Echter Kaolin konnte in den Schliffen nur gelegentlich in nesterförmigen Anhäufungen beobachtet werden. 1 Herr Prof. Bloch mann war so liebenswürdig, mir zu diesen recht schwierigen Untersuchungen ein Zeiss'sches Mikroskop mit Apochromat-Objektiv zu leihen. Der Hauptvorteil dieses Instrumentes liegt in der Anwendung des sehr grossen und sehr lichtstarken Abbe sehen Beleuchtungsapparates. — 12 — Seine schuppigen Aggregate zeigen über eine grössere Strecke hin gleiche optische Orientierung, woraus man wohl auf sekundäre Ent- stehung schliessen darf. Nächst den besprochenen Mineralien tritt farbloser Glimmer häufiger, dunkler Glimmer mit starkem Pleochroismus dagegen sel- tener auf. Schliesslich finden sich gelegentlich viele Mineralien — unter denen auch Zirkon-Kryställchen und Rutil in Form der so- genannten Thonschiefernädelchen bestimmt werden konnten — die aber alle nur einen sehr kleinen Bruchteil des Gesteins ausmachen. Bei der ausserordentlichen Feinkörnigkeit des Gesteins hat die mikroskopische Untersuchung mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, so dass die oben mitgeteilten Resultate erst durch analytische Be- lege grössere Sicherheit gewinnen können. Eine Trennung der einzelnen Mineralien mittelst schwerer Lösungen lässt sich höchst wahrscheinlich nur für Quarz und Feldspat mit Erfolg durchführen. Man muss daher in diesem Fall wieder auf die von Gmelin ein- geführte Partialanalyse zurückgreifen , um einige weitere Anhalts- punkte für die Natur der Mineralien und ihre relativen Mengen im Gestein zu erhalten. Es ist hinlänglich bekannt, dass bei diesen Partialanalysen und der daraus folgenden Berechnung der Mineralien kleine Fehler der Analysen, wie sie sonst ohne Bedeutung sind, grosse Fehler der Resultate verursachen können; um nun meine eigenen analytischen Arbeiten zu kontrollieren, sandte ich an Herrn Privatdocenten Dr. Dittrich in Heidelberg einen Teil der bereits von mir fein gepulverten und zur Analyse fertig hergerichteten Durch- schnittsproben mit der Bitte, je eine Bauschanalyse auszuführen. Dittrich's Analysen sind im folgenden mit D, die meinigen mit W bezeichnet. Je zwei dieser Analysen beziehen sich also auf das ab- solut gleiche lufttrockene Pulver. Das Material der Analysen von I, II und III ist aus je 6 bis 10 kg Gestein gewonnen, indem diese Mengen systematisch zerkleinert, gemischt, ausgebreitet und geteilt wurden, bis schliesslich 50 bis 100 g übrig blieben, die nun genau der Durchschnittszusammensetzung jener Mergelbänke entsprechen dürften. Analysenmaterial IV entstammt einer etwas kleineren Menge. Auf Baryum , Strontium , Lithium und Fluor wurde mit nega- tivem Ergebnis geprüft. Schwefelsäure, Salzsäure und organische Substanz waren in sehr geringen Mengen vorhanden. Titansäure ist nach dem mikroskopischen Befund im Gestein enthalten, ihr 13 Gewicht ist aber zu gering , um analytisch bestimmt zu werden. Die Zusammensetzung der lufttrockenen Mergel, wie dieselbe von Dr. Dittricii (D) und mir (W) gefunden wurde, ist in der folgenden Tabelle mitgeteilt. Viele dieser Zahlen sind Mittelwerte aus mehreren Bestimmungen. Einzelheiten und Diskussion der Analysen siehe Ber. d. d. ehem. Ges. Bd. 32. 1899. Septemberheft. Keuper ! W D ELeuper IV W I) Keuper III W D Keuper II W li Sit)., Al.,o, Fe908 FeO MnO CaO MgO Iv,<» NagO H20 über 108°. H20 unter 108° CO, PoO, 47,93 17,39 7.08 1.45 Spuren 2,05 6,94 4,58 0,68 5,42 4,28 2,07 0,18 47,59 16,94 7,74 1,20 2,06 6,86 4,19 1,40 5,84 4,06 1.85 0,08 Spec. Gew. 3 . 100,05 2.556 99,81 46,72 46,57 15,56 13,97 5,00 5,50 1,30 0,96 4.82 (i.i).-) 4,49 0,58 4,10 3,56 7.31 (0,06) ' 5,13 7.06 4,52 0,92 (4,22) 3,42 (7,43)5 43,46 8,73 1,35 0,66 0,06 11,48 10,15 1,87 0.62 2,40 1,33 17,21 0,09 43,48 8,07 1.79 0,80 11,34 10,64 2,75 1,01 2,39 1,14 17.37 0,06 100.45 99,70 99.41 100,84 2,686 — L9,37 5,66 2,11 0,66 0,06 20,67 15,88 1,27 0,40 2,47 1,22 30,55 0,07 19,35 4.1)5 2,65 0,48 20.18 15,77 1,26 i i.s | 1,75 1,19 31,00 0,10 100,39 2,753 99,52 Ich will nun den weiteren Betrachtungen meine Analysenzahlen und nicht die Mittelwerte aus je zwei Analysen zu Grunde legen, nicht etwa weil ich erstere für richtiger halte, sondern weil die später mitgeteilten nur von mir ausgeführten Teilanalysen mit diesen Bausch- analysen in vielfache Beziehungen gesetzt werden und es wohl besser ist, hierbei die Zahlen ein und desselben Analytikers zu verwenden. In der folgenden Tabelle sind meine Analysen auf 100 °/0 umgerechnet, nachdem vorher das unter 108° fortgehende Wasser, sowie auch die kleine Menge Phosphorsäure abgezogen und ferner die kleinen Mengen 1 Winde nur an etwa 1 g Substanz bestimmt und ist daher wenig zu- verlässig; zu meinen anderen Bestimmungen diente die vier- bis fünffache Menge. 2 Kohlensäure und Phosphorsäure sind hier nicht bestimmt würden ; erstere wurde aus dem Glühverlust und anlehnend an meine Bestimmungen berechnet. 3 Das specilische Gewicht wurde mittels Jodmethylen gefunden. Die Zahlen Bind Mittelwerte aus mehreren Bestimmungen, welche bis zur Einheit der zweiten Decimale voneinander abweichen. — 14 Mangan * und Magnesia vereinigt worden sind. Die ganze Menge des über 108° entweichenden Wassers wurde je nach der Temperatur bei der es entwich in vier Teile getrennt, was in der vorigen Tabelle wegen des Vergleichs mit den DiTTRiCH'schen Analysen nicht geschah, I IV III II .Sit»., . . . 50,14 48,25 44,37 19,55 A12Ö3 18,19 16,07 8,91 5.71 Fe203 7,41 5,16 1,38 2,13 FeO . 1,52 1,34 0,67 0,67 CaO . 2,14 4,98 11,72 20,87 MgO 7,26 7,18 10,39 16,06 KaO. 4,79 4,64 1,91 1,28 Nao0 0,71 0,60 0,63 0,40 C02 . 2,17 7,55 17,57 30,84 H2 0 über 51 10 > 3,74 | 1,45 1,89 H2 0 350°— 5 H2 0 250°-c 0( 51 0 1,13 )° 0,17 1 i 4.23 ) 0,64 0,09 0,33 0,07 H^O 10* 3°— 2 5C 1° 0,63 0,27 0,20 100.00 100,00 100,00 100,00 Meine fernere Aufgabe soll nun darin bestehen, die Mineralien, welche nach der mikroskopischen Untersuchung mit einiger Wahr- scheinlichkeit oder nur in allgemeinen Umrissen erkannt werden konnten, etwas sicherer zu charakterisieren. Auch will ich die relativen Mengen der sich am Aufbau der Mergel beteiligenden Mineralien wenigstens an einer und zwar der silikatreichsten Probe zu berechnen versuchen, und die andern Proben nur gelegentlich für die Ermittelung des einen oder andern Minerals weiteren Reaktionen unterwerfen. III. Durch Salzsäure zersetzbarer Teil. a) Karbonate. Zunächst entsteht die Frage, in welcher Weise die Kohlensäure gebunden ist. Es zeigt sich, dass bei allen Proben die Kohlensäure nicht hinreicht, um Kalk und Magnesia zu binden und zwar um so weniger, je weniger Karbonate oder umgekehrt, je mehr Silikate das Gestein enthält. Es muss daher unter diesen Silikaten ein solches mit erheblichem Kalk- oder Magnesiagehalt vorhanden sein. Die Frage hat sich dahin beantworten lassen, dass aller Kalk und demnach nicht alle Magnesia an Kohlensäure gebunden ist. 1 Mangan ist möglicherweise als Karbonat vorhanden, da der ans der salz- sauren Lösung erhaltene Kalk ebenso bräunlich gefärbt war, wie der aus dem aufgeschlossenen Gestein gewonnene. Eisenoxydul ist höchst wahrscheinlich nicht als Karbonat vorhanden oder nur zu einem sehr kleinen Teil. 15 Ich habe diese Untersuchung nur an Keuper I und TU aus geführt und halte mich für berechtigt, anzunehmen, dass Keuper IV und II sich nicht wesentlich anders verhalten. Durch Erwärmung entweder des ursprünglichen lufttrockenen oder des vorher auf 500° erhitzten Pulvers mit etwa zehnprozentiger Salzsäure , soweit dies bei der Kohlensäurebestimmung im GEissLER'schen Apparat ge- schieht — also nicht etwa durch intensives und längeres Kochen — , gingen folgende Mengen CaO, Mg 0 und Fe2 03 (auf Fe 0 umgerechnet) in Lösung : Keuper I Keuper III ÖaO MgO Ken CaO MgO FeO Gesteinspulver nicht erhitzt .... 2,12 1,85 0,28 Gesteinspulver vorher auf. 500° erhitzt 2,05 4.94 1,84 11,52 9.26 0.80 Vergleicht man diese Zahlen mit denen auf voriger Seite , so sieht man, dass in der That die ganze Menge des Kalks gelöst wurde, während das für Magnesia besonders bei der ursprünglichen nicht auf 500° erwärmten Substanz keineswegs der Fall ist. Eisen scheint nicht als Eisenkarbonat vorzukommen , denn die aus dem nicht er- hitzten Keuper I gelösten 0,28 °/o machen nur etwa den fünften Teil des im ganzen Gestein vorkommenden Eisenoxyduls aus. Ich lasse es dahingestellt, ob diese kleine Menge FeO in Form des kohlensauren Eisens oder in Form einer leicht löslichen Eisen- silikatverbindung auftritt. Berechnet man die der ganzen Menge Kalk entsprechende Kohlensäure und eine zu dem alsdann übrig blei- benden Rest Kohlensäure gehörende Meng Magnesia, so erhält man aus den Analysen auf voriger Seite für die Karbonate folgende Zahlen : I IV III II CaO coa C02 MgO 2,i-t7„ 1,68% 0,49% 0.44" „ 3,82% 0,93% 4,98% 3,91% 3,64 % 3,31 % 8,89% 6,95% 11,72°/. 9.21"/,, 8,367 7,60% 20,93 % 15,96 % 20,87% 16,40% 14,44% 13,13%, 37,27% 27,57% Karbonate . . 4,75 o/0 15,84% 36,89% 64,84 o/0 Verhältnis der Moleküle von CaC08 zu MgC08 IV Ml II CaCOs MgCO„ 100 29,0 lim 93,1 Kit) 90,8 100 88,1 — 16 — Hieran schliesst sich nun die weitere Frage, ob diese Karbonate als solche oder in isomorpher Mischung im Gestein vorhanden sind, oder ob ein Gemenge von Normaldolomit und Kalk vorliegt. Schon die drei letzten Verhältniszahlen lassen wenigstens bei den karbonat- reicheren Schichten vermuten, dass es sich um isomorphe Mischungen handeln kann, in welchen 10 Moleküle Ca C 03 mit etwa 9 Molekülen Mg C 03 verbunden sind, und dass man es hier nicht mit einem Ge- menge von reinem Kalkspat mit reinem Magnesitspat oder von Normal- dolomit mit Kalkspat zu thun hat. Es wäre sonst schwer verständ- lich, dass in Gesteinen mit einem zwischen 16°/0 und 65°/0 schwan- kenden Karbonatgehalt jedesmal annähernd das gleiche Verhältnis der beiden Karbonate vorhanden sein sollte. Gegen das Auftreten der reinen Verbindungen sprechen aber auch noch andere Be- obachtungen. Zunächst lässt sich durch Erhitzungsversuche nachweisen, dass im Gestein kein freies MgC03 und FeC03 in irgend erheblichen Mengen auftritt, da diese Verbindungen beim Erhitzen auf 500° ent- weder einen grossen Teil oder auch alle Kohlensäure verlieren, während bei unserem Keuper kein Verlust an Kohlensäure eintritt. Diese Erhitzungsversuche, deren Resultate sich in der folgenden Tabelle übersichtlich zusammengestellt finden, sind an den Keuperproben I, II und III und an folgenden Karbonaten ausgeführt worden ] : 1. Isländer Doppelspat. 2. Magnesitspat von St. Michael, Steiermark, durch Blatz in Heidelberg erhalten. Spaltungsrhomboeder etwa 6 cm Durch- messer; besteht fast nur aus kohlensaurer Magnesia. 3. Eisenspat von Haueisen. Kleine Krystallgruppe von etwa 2 cm grossen Rhomboedern von brauner Farbe. Enthält ausser Eisen- karbonat äusserst geringe Mengen an Kalk und etwas mehr Magnesia. 1 Die Pulver der letzteren waren vorher alle bei 108° bis zur Gewichts- konstanz getrocknet worden; der Gewichtsverlust bis dahin war unbedeutend. Das von mir benutzte Luftbad ist von Herrn Dr. C. Gilbert nach dem von Lothar Meyer angegebenen Prinzip (Bei*, d. d. ehem. Ges. 1883, S. 1087 — 1092) konstruiert worden. Eine Beschreibung mit Abbildung findet sich in der 1899 bei F. Pietzcker, Tübingen, erschienenen Broschüre: Dr. C. Gilbert, Methoden zur Bestimmung des Perchlorats im Chile-Salpeter etc. Die Temperatur wurde mittelst eines der aus Borosilikat hergestellten Thermometer, welche ganz neuer- dings bis zu Temperaturen von 570° brauchbar sein sollen, abgelesen. Aus Sorge für mein Instrument habe ich die Temperatur nicht über 500° treiben wollen. Der Apparat wird von E d m. B ü h 1 e r , Mechaniker in Tübingen, angefertigt. — 17 — 9. Normaldolomit vom Zillerthal mit der Bezeichnung „Derber Bitterspat" in der hiesigen Sammlung. Enthält viel Kalk. viel Magnesia und Spuren von Eisen. Der Spaltungswinkel wurde zu 73° 44' + 3' gefunden und stimmt also mit Normal- dolomit überein. Braunspat von Schemnitz in Ungarn aus der hiesigen Samm- lung. Sattelförmige Krystalle, auf welche die Beschreibung von Zepharovich passt l. Enthält viel Kalk , viel Magnesia, deutliche Mengen von Eisen und auch etwas Mangan. Dolomit von Blaubeuren aus Weiss-Jura e. Handstück von gelblichweisser Farbe. Enthält viel Kalk, viel Magnesia, kein Eisen oder nur geringe Spuren , dagegen deutliche Mengen Thonerde und vermutlich auch Kieselsäure, worauf nicht ge- achtet wurde. Keuper I. „ III. . II. Gewichtsverlust _. bei Erhitzung auf 500« Bemerkungen 1. Isländer Dop- Bleibt nach dreistündiger Er- pelspat UaC03 | hitznng absolut konstant. 2. Magnesitspat 1 Nach 2 St. 4 St. 6 St. von St. Michael 23,34 °/fl 34,47 °/0 37,31 °/0 MgC03 8 St. 12 St. 45,56 % 49,12 °/0 Gewichtsverlust nach 10 Mi- nuten Glühen auf Gebläse 51,39 °/0. Theorie verlangt für reines Mg C03 52,38%. 3. Eisenspat von Haneisen FeC08 Nach 2 St. 31,71%, G cwichtsverlust nach 10 Mi- nuten Glühen auf Gebläse 32,61 %. Theorie verlangt für Übergang vonFeC03 in Fe., 03 31,03 °/n. 4. Normaldolomit vom Zillerthal CaCOg.MgCOj Nach 2 St. 4 St. 0,36 % 0,67 o/0 Gewichtsverlust nach 10 Mi- nuten Glühen auf Bunsen- brenner 45,75 °/0 , nach weiteren 10 Min. auf Ge- bläse 45,93%- Theorie verlangt für reines Mg C< 1 .. ( !a ( ' ( >8 -17,82 %. Material enthielt wohl etwas Braun- eisenerz. 1 Mineralog. Lexikon für das Kaisertum Österreich. Bd. 1. 1859. S. 134. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wurtt. 1000. 2 — 18 — Gewichtsverlust bei Erhitzung: auf 500° Bemerkungen 5. Braunspat von Schemnitz Nach 2 St. 4 St. 0,14 % 0,18 % Gewichtsverlust nach 10 Mi- nuten Glühen auf Bunsen- brenner 43,72 °/0 , nach weiteren 10 Min. auf Ge- bläse 43,99 °/0. 6. Dolomit von Blaubeuren Nach 2 St. 4 St. 0,52% 1,17% Gewichtsverlust nach 10 Mi- nuten Glühen auf Bunsen- brenner 36,76 °/0 , nach weiteren 10 Min. auf Ge- bläse 36,87%. Material ist also stark verunreinigt, vermutlich durch „Thon". 7. Keuper I 8. Keuper III 9. Keuper II -^ 1,96% C02 'S o ü 17,07°/fl CO, a ■£ 30,47% C02 CO 2,07% COs 17,21% COs 30,55% CO, Die erhitzten Gesteinspulver zeigen eine kleine Ab- nahme des Kohlensäure- gehaltes , welche durch- aus innerhalb der Ver- suchsfehler liegt, so dass also nach dem Verhalten bei höherer Temperatur kein freier Magnesitspat und Eisenspat in diesen Keupermergeln anzuneh- men ist. Die Erhitzungsversuche haben also dahin geführt, kein freies Magnesiumkarbonat im Keupermergel anzunehmen, so dass jetzt noch zu entscheiden bleibt, ob ein Gemenge von Normaldolomit und Kalk- spat oder ob eine isomorphe Mischung von MgC03 und CaC03, also nicht eine Verbindung nach dem Verhältnis 1 : 1 vorhanden ist. Bei der ersteren Annahme berechnen sich aus den Analysen folgende Mengen für Kalkspat und Normaldolomit: I IV III II CaC03 2,71 0,62 1,93 4.45 MgC03.CaC03 2,04 15,22 34,96 60,39 Wenn wirklich solche Gemenge vorlägen, so würde also von den beiden Keupern I und III, um diese zunächst einmal heraus- zugreifen, der letztere weniger reinen kohlensauren Kalk enthalten, als der erstere. Die Gasentwickelung bei der Einwirkung von Essig- säure spricht dagegen, da Keuper III eine etwas lebhaftere Ent- wicklung von kleinen Kohlensäurebläschen erkennen lässt, als Keuper I. Dieser Versuch kann indessen wohl nicht als ausschlag- - 19 — gebend angesehen werden, denn die unterschiede in dem vielleicht vorhandenen Kalkgehalt sind auf alle Fälle sehr gering, in dem Dolomitgehalt aber sehr gross, und die etwas lebhaftere Gasentwicke- lung bei III lässt sich leicht durch diesen grösseren Dolomitgehalt, erklären. Echte Xormaldolomite von verschiedenen Fundorten des Zillerthals werden von kalter Essigsäure ebenfalls langsam angegriffen, und die Gasentwickelung war hier sogar deutlicher als bei den drei Keuperproben. Bei diesen hielt sie gleichen Schritt mit der Kon- zentration der Karbonate im Gestein, so dass also II am lebhaftesten, I am wenigsten lebhaft Gasbläschen zur Entwickelung kommen liess. Um nun weitere Stützpunkte für die Auffassung einer iso- morphen Mischung oder eines Gemenges von Normaldolomit und Kalkspat zu erhalten, habe ich Keuper I, II und III je mit 2 °/0 fein gepulvertem Isländer Doppelspat gemischt und das Verhalten dieser Mischungen gegen Salzsäure, Essigsäure und Aluminium chloridlösung mit dem Verhalten der reinen Keuperpulver gegen die gleichen Re- agentien verglichen. Die LEMBERG'sche Färbemethode1 im Dünn- schliff ist hier nicht gut anzuwenden, weil wegen der leichten Zer- setzlichkeit anderer Mineralien wohl ein grosser Teil des Dünn- schliffs gefärbt würde. Bei Anwendung von 1 bis 5 g Pulver, wie es hier geschah, stellt man ausserdem die Beobachtung an der 20 — lOOfachen Menge an, da ein grosser Dünnschliff höchstens 50 mg wiegt. Die Salzsäure wurde in einer öprozentigen, die Essig- säure in einer 30prozentigen, das Aluminiumchlorid in einer lOpro- zentigen Lösung (auf krystallisiertes Aluminiumchlorid berechnet) angewandt. Die Versuchsanordnung war in allen Fällen genau die gleiche2. Die Einwirkung von Salzsäure auf Keuper I rein und auf Keuper I mit 2 °/o Kalkspat gemischt , war bei dem letzten Pulver eine sehr viel lebhaftere gegenüber dem ersten, als dies bei einer Anreicherung des kohlensauren Kalks um nahezu das Doppelte erwartet werden konnte. Essigsäure und Aluminiumchloridlösung Hessen den Unter- schied noch deutlicher hervortreten. Bei Keuper II war mittelst Salz- säure kein Unterschied in der Kohlensäureentwickelung zu sehen, was sich sehr wohl dadurch erklärt, dass zwei Drittel der Pulver aus 1 J. Lemberg, Zeitschr. d. d. geol. (ies. Bd. 40. 1888. S. 357. 2 Beiläufig möge liier erwähnt werden, dass bei meinen zahlreichen Lösungs- versuchen die vielleicht nicht uninteressante Beobachtung gemacht wurde, dass Kalkspat von absoluter Essigsäure, sogenanntem Eisessig, auch bei Siede- temperatur nicht im geringsten angegriffen wird. 2* — 20 — Karbonaten bestehen. Dieselben werden, von welcher Zusammen- setzung sie auch sein mögen, so kräftig durch Salzsäure angegriffen, dass die Beimengung von 2°/0 Kalkspat sich in der Gasentwicke- lung nicht bemerkbar machen kann. Dagegen Hess die Verwendung von Essigsäure die Kohlensäureentwickelung infolge jener Beimengung viel deutlicher hervortreten , als man es erwarten sollte , wenn in diesem Pulver der kohlensaure Kalk von etwa 41/2% nur auf etwa 61/2 % angereichert worden wäre. Bei der Anwendung von Aluminium- chloridlösung wurde für beide karbonatreiche Proben, also für Keuperll und für Keuper III, eine Entscheidung in dem gleichen Sinne wie oben herbeigeführt. Die schwache Gasentwickelung, welche auch durch dieses Reagens bei den reinen Gesteinspulvern stattfindet, steht nicht im Widerspruch mit der Annahme, dass kein freier kohlensaurer Kalk vorhanden sei. Selbst reiner Normaldolomit wird langsam angegriffen, wie dies schon Lemberg erwähnte und wie auch ich mich durch meine Methode der Bläschenbeobachtung wiederholt überzeugt habe. Alle diese Beobachtungen würden sich nur gezwungen erklären lassen, wenn man in den Mergeln neben Normaldolomit reinen kohlen- sauren Kalk annehmen wollte. Die grössere Wahrscheinlichkeit spricht überall für isomorphe Mischungen von CaC03 und MgC03, die in den drei karbonatreicheren Gesteinen etwa folgende Zusammen- setzung haben : lOCaCO, . 9MgC03. PiETGERS hat sich gegen derartige isomorphe Mischungen aus- gesprochen, indem er sagt *, dass die zahlreichen Analysen der Cal- cium- und Magnesiumkarbonate fast alle auf folgende drei Gruppen zurückzubringen sind : 1. Schwach Mg-haltige Kalkspate. 2. „ Ca-haltige Magnesite. 3. Dolomite, welche konstant aus gleichen Molekülen der beiden einfachen Karbonate bestehen. Man darf aber nicht vergessen , dass Retgers zu dieser Auf- fassung durch theoretische Betrachtungen und Analogieschlüsse ge- langte und dass einige Dolomite, bei welchen das Verhältnis Ca : Mg stark von 1 : 1 abweicht, noch nicht als Gemenge von Normal- dolomit und Kalkspat erwiesen sind. Solche Gemenge kommen ja unzweifelhaft sehr häufig in der Natur vor. Zu ihnen scheint z. B. 1 R e t g e r s , Beiträge zur Kenntnis des Isomorphismus. III. Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 6. 1890. S. 228, vergl. auch Retgers und Brauns, Neues Jahrb. f. Min. etc. 1892. I. S. 210. - 21 der von Piiiliph 1 untersuchte Conchodon-Doloimt zu gehören, sowie auch unter den oben untersuchten Karbonaten der Dolomit von Blaubeuren (nach seinem Verhalten bei 500° und gegen Essigsäure). Dieses häufige Auftreten solcher Gemenge erklärt sich aber nach Brauns sehr wohl dadurch, „dass aus einer Mg C 0:i-reicheren Lösung „von CaC03 oder einer Ca C 03-reicheren Lösung von MgC03, „neben einem der fast reinen Endglieder, das Doppelsalz Dolomit „sich bildet, das ja viel schwerer löslich ist, als eines der beiden „Glieder." Das Auffinden reiner isomorpher Mischungen wird da- durch natürlich sehr erschwert, aber ihre Existenz von vornherein zu leugnen, dazu scheint mir das vorhandene Material nicht ge- nügende Stützpunkte zu bieten ; es sind doch wohl nur sehr wenige Karbonate chemisch und mineralogisch geprüft worden. A. Cathrein" untersuchte einen Dolomit von Schwaz von mittlerer Korngrösse, welcher der Formel 5CaC03, 4MgC03 entsprach und von ihm als frei von Calcit angesehen wurde. Bei der Annahme eines Gemenges von Normaldolomit und Calcit sollte dieses Gestein zu etwa 7io aus Calcit bestehen. Es war keine Spur von Zwillingsstreifung zu be- obachten. Auch ich habe mich wenigstens an einem von zwei mir gütigst von Herrn Cathrein übersandten Stücken Schwazer Dolomits von dem gänzlichen Mangel an Zwillingsstreifung überzeugen können. Wenn nun auch nach den Beobachtungen von Hibsch (s. oben S. 9) dieser Mangel nicht entscheidend für die Abwesenheit von Calcit ist, so bedarf es doch weiterer Untersuchung, die ich baldigst anzu- stellen hoffe, ehe man den Schwazer Dolomit als ein Gemenge von Normaldolomit und Calcit anspricht3. 1 Die Schlussbemerkung Philipp i's, dass das Gemenge von Dolomit und Kalk, wie er es in dem Conchodon-TxAom.it nachwies, auch mit den Forderungen der neueren krystallographischen Forschung übereinstimme, weil Dolomit und Kalkspat nicht isomorph sind , trifft wohl nicht den Kern dieser Frage. Wenn wirklich noch viele Forscher an der vermittelnden Ansicht einer Isomorphie zwischen Doppelsalzen und einfachen Salzen festgehalten haben sollten, wie das Rotgers 1892 annimmt, so herrscht jetzt wohl darüber kein Zweifel mehr, dass Dolomit und Kalkspat sich nicht in jedem Verhältnis mischen können. Die Frage dreht sich schliesslich darum , ob neben dem eigentlichen Normaldolomit eine isomorphe Mischung von der gleichen Zusammensetzung existenzfähig ist. Isomorphe Mischungen von CaC()3 und MgC08, mögen sie nun nach molekularen Mengen oder nach anderen Verhältnissen aufgebaut sein, würden natürlich nicht rhomboedrisch-tetartoedrisch krystallisieren. 2 A. Cathrein, Jahrb. .1. K. K. geol. Reichsanstalt. Bd. 30. 1880. S. 611. 3 Über weitere Arbeiten auf diesem Gebiet vergl. Zirkel, Lehrbuch der Petrographie. Bd. 3. 1894. S. 492. — 22 — b) Chloritisches Mineral. Die mikroskopische Untersuchung hat ergeben, dass diejenigen Silikate, welche in erheblicher Menge die Gesteine aufbauen, in ge- ringer Zahl auftreten. Auch hat diese Untersuchung gezeigt, dass im grossen und ganzen in allen vier Gesteinsproben die gleichen Mineralien vorkommen. Der im grünen Mergel Keuper III fehlende Eisenglanz möge hier nicht zu hoch angeschlagen werden. Unter der Annahme einer beschränkten Zahl von Silikaten und ihres mehr oder weniger gleichzeitigen Auftretens in allen vier Gesteinsproben lässt sich aus dem Vergleich der Zusammensetzung der karbonat- freien Teile vielleicht schon eine Schlussfolgerung auf die Zusammen- setzung eines der vorhandenen Silikate ziehen. In der folgenden Tabelle sind von den Bauschanalysen die Karbonate in Abzug ge- bracht und die Reste auf 100 °/0 umgerechnet worden: I IV III II SiO, . . . 52,64 57,33 70,31 55,60 AU>3 . . 19,10 19,10 14,12 16,24 Fe203 . . 7,78 6,13 2,19 6,06 FeO 1,60 7,16 1.59 1,06 1,91 MgO . . 4,60 4,42 8,33 K20 . . . 5,03 5,51 3,03 3,64 Na20. . . 0,74 0,71 1,00 1,14 H2 0 über 500° 3,92 2,30 5,37 H20 350»- -500° 1,19 5,03 1,01 0,94 H^O 250°- -350° 0.18 0,14 0,20 H20 108°- -250° 0,66 0,42 0,57 100,00 100,00 100,00 100,00 Es zeigt sich hier deutlich der Parallelismus in den Zahlen für Wasser und Magnesia. Mit diesen beiden Gemengteilen scheint auch der Gehalt an Eisen und Thonerde wenigstens ungefähr gleichen Schritt zu halten, so dass man hiernach geneigt sein kann, auf ein wasserhaltiges Magnesia-Alumo-Silikat, in welchem ein Teil der Thon- erde durch Eisenoxyd vertreten ist, zu schliessen. Vielfach tastende Versuche haben dahin geführt, dass man aus Keuper I und III (Keuper IV und II wurden nicht näher geprüft) ein derartiges Silikat durch nur schwach erwärmte Salzsäure in Lösung bringen kann, während durch kochende Salzsäure mindestens noch ein zweites Silikat von anderer Zusammensetzung gelöst wird. Man erhält nämlich in- folge dieses verschieden starken Säureeingriffs Lösungen, in denen die Oxyde in ausserordentlich stark voneinander abweichenden Verhält- nissen auftreten. Mögen nun zwei oder mehr lösliche Silikate vor- 23 banden sein, jedenfalls lassen sich dieselben ziemlich scharf und schnell von dem in Salzsäure nicht löslichen Teil trennen. Nach »•inständigem Kochen gingen von Keuper I 53,70% — ^02 und 11, <) nicht mitgerechnet — in Lösung; weiteres 14stündiges Er- hitzen mit Salzsäure auf dem Wasserbad vermochte nur noch 2,28 °/0 in Lösung zu bringen. Für die folgenden Berechnungen vereinige ich diese zweite kleine Portion mit der ersten, schon weil die bei dem unlöslichen Pulver verbleibende Kieselsäure nur einmal, also nach einstündigem Kochen und 14 stündigem Erhitzen bestimmt wurde, und diese Kieselsäure zum Teil auch der kleinen Portion angehört. In der folgenden Tabelle ist unter c der ganze durch kochende Salzsäure in Lösung gegangene Teil von Keuper I angegeben. Unter a rindet sich die Zusammensetzung des in nur massig erwärmter Salz- säure löslichen Teils, wie derselbe sich aus dem ursprünglichen Pulver ausziehen Hess, während die Zahlen unter b und d an einem vorher auf 500° erhitzten Pulver erhalten wurden. Der Vergleich der Zahlen unter a und b lässt wiederum er- kennen, dass in dem Gestein ein wasserhaltiges Magnesia- Alumo- Silikat vorhanden sein muss. Ich schliesse dies eben daraus , dass das auf 500° erhitzte Gestein bei genau der gleichen Behandlung viel kräftiger angegriffen wurde als das nicht erhitzte Gestein ; es gingen — abgesehen von den Karbonaten — 18,43 °/0 gegenüber 4,35 °/0 in Lösung. Keuper I Keuper III Ursprüngliches Pulver, lauwarme Salzsäure Auf 500° er- wärmtes Pulver, lauwarme Salz- säure Ursprüngliches Pulver, kochende Salzsäure Auf 500° er- wärmtes Pulver, lauwarme Salz- säure a h c d Si02 . . i,2i°/; 6,55 % 24,44% 2 77°/ Al,<», • • 1,06 4,34 11,85 2,10 FeaOs. . 0.31 2,04 7,77 0,89 CaO • • 2.12 2,05 2,09 11,52 MgO . . 1,85 4,94 6,81 9,26 K,<) . . 0.34 0,82 2,72 0,42 Na20 . . 0,04 0,25 0,30 0,30 6,93% 20,99% 55,98% 27,26% Zieht man von den obigen Zahlen die ganze Menge CaO und eine der überschüssigen Kohlensäure (cf. S. 14) entsprechende Menge 24 MgO üb, berechnet den Rest auf 100 °/0 und auf Molekularpropor- tionen, so erhält man folgende Verhältnisse. Unter A sind die Pro- zentzahlen , unter B die Molekularproportionen mitgeteilt ; unter C sind die Molekularproportionen für die Sesquioxyde und die Alka- lien je vereinigt. A b c C b c Si02 AI9 03 Fe203 MgO K20 Na, 0 27,8 35,5 45,76 34,7 0,463 0,592 0,763 0,578 24,4 23,6 22,19 26,3 0,239 0,231 0,217 0,258 7,1 11,1 14,55 11,1 32,0 24,0 11,85 19,0 7,8 4,5 5,09 5,2 0,9 1,3 0,56 3,7 0,044 0,069 0,091 0,069 0,800 0,600 0,296 0,475 0,083 0,048 0,054 0,055 0,014 0,021 0,009 0,060 0,463 0,592 0,763 0.578 0,283 0,300 0.308 0,327 0,800 0,600 0,296 0,475 0,097 0,069 0,063 0,115 100,0100,0100,00100,0 Bei der Diskussion dieser Zahlen muss man bedenken, dass zu ihrer Ermittelung teilweise nur sehr geringe Mengen Substanz analysiert worden sind. So dienten zu den Analysen unter a und d schliesslich nur 76 mg und 96 mg, zu denen unter b und c etwa 1I3 g und 1 g. Wenn man überhaupt die Annahme für berechtigt hält, dass die Säure die Silikate vollständig und nicht etwa in Bezug auf die verschiedenen Bestandteile verschieden gelöst habe, so darf man nur dort den gelösten Teil nach stöchiometrischen Gesetzen aufgebaut erwarten , wo der Angriff möglichst gelinde er- folgte, weil hier die Chancen für eine fraktionierte Lösung ver- schiedener Mineralien am günstigsten liegen. Hiernach darf man also von den Zahlen unter c — ganz abgesehen von den Alkalien — nicht erwarten, dass sie einfache Verhältnisse ausdrücken. Denn der leicht lösliche Teil der Silikate hat eine ganz andere Zu- sammensetzung als der durch kochende Säure m Lösung gehende. Wenn die Zahlen unter a und b nicht unbedeutend voneinander ab- weichen, so erklärt sich dieses recht wohl durch die zur Analyse bei a verwandte geringe Substanzmenge ; und es ist wohl kein Zufall, dass die Zahlen unter b, die bei der Analyse von etwa 1/3 g Substanz gewonnen wurden , auf folgende einfache Verhält- nisse hinweisen : MgO:Al203:Si02 = 2:1:2. Dagegen muss es als Zufall bezeichnet werden, dass die Zahl für die Summe der Sesquioxyde genau halb so gross gefunden wurde, — 2f> — wie diejenige für MgO, da höchst wahrscheinlich ein geringer Teil des Eisenoxyds als Eisenoxydul zu verrechnen ist, wodurch jenes Verhältnis eine kleine Störung erfährt. Ferner enthält dieses Silikat Alkalien und sicherlich auch chemisch gebundenes Wasser, so dass seine Formel lauten kann : \ EK)20.2MgO. A]908.2Si02, worin ein kleiner Teil von Thonerde und Magnesia durch Eisenoxyd oder Eisenoxydul ersetzt ist. Ein Mineral von dieser Zusammen- setzung ist nicht bekannt. Wenn man sich nun erinnert, dass der Silikatteil aller dieser Gesteine reich an Chlorit ist und dass Tschermak bei seinen Lepto- chloriten ein Molekül annahm , welches mit dem obigen bis auf dessen unbekannten Wassergehalt übereinstimmt; wenn man ferner die später (S. 29) noch zu besprechende Ähnlichkeit der Zusammen- setzung des löslichen Teils mit Gieseckit, also einem sich zum Teil wenigstens aus Chlorit aufbauenden Mineralgemenge berücksichtigt, so wird man wohl schliessen dürfen, jenes durch massig erwärmte Salzsäure in Lösung gegangene Mineral sei ein Chlorit. Um die ganze Formel dieses Chlorites zu erhalten, müsste man noch seinen Gehalt an chemisch gebundenem Wasser kennen, worüber sich aber keine andern als die bereits oben mitgeteilten Angaben machen lassen. Wegen der sonstigen Ähnlichkeit mit der Formel des Strigovit will ich annehmen , dass der im Keuper auftretende Chlorit die Formel habe : 2 (H K)2 0 . 2 Mg 0 . Al2 03 . 2 Si 0,. Der wichtigste Einwand, der gegen diese Auffassung gemacht werden kann, betrifft den hohen Alkaliengehalt, doch hat man schon in manchen Chloriten zwischen 1 °/0 und 2 °/0 Alkalien nachgewiesen. c) Thoniges Mineral. Ausser dem Chlorit enthält der lösliche Teil von Keuper I mindestens noch ein zweites Silikat in erheblicher Menge, über dessen Zusammensetzung ein Vergleich der Zahlen unter b und c S. 24 ver- muten lässt, dass es ein magnesiafreies, aber wohl alkalihaltiges Thonerdesilikat von wesentlich saurerem Charakter als der Chlorit ist. Zu einer weiteren Vorstellung der Zusammensetzung kann man gelangen, wenn man von den Zahlen, die sich auf den ganzen löslichen Teil beziehen, die chloritische Substanz nach der eben er- mittelten Formel in Abzug bringt. Der Wassergehalt jenes löslichen — 26 — Teils lässt sich aus dem Wassergehalt des ganzen Gesteins und des unlöslichen Teils berechnen. In Bezug auf die Oxydationsstufe des Eisens ist noch eine Korrektur anzubringen. Im löslichen Teil sind auf getrocknete und karbonatfreie Substanz berechnet 8,16 °/0 Fe203 bestimmt worden, während das ganze Gestein überhaupt nur 7,78 °/0 Fe203, daneben aber 1,60 °/o FeO enthält (cfr. S. 22). Es muss also notwendig ein Teil des durch Salzsäure gelösten Eisens aus einer Eisenoxydulverbindung hervorgegangen sein. Sicherlich ist man be- rechtigt, diesen Teil auf die gefundene Differenz zu veranschlagen, also in dem löslichen Teil 0,38 % Fe 0 anzunehmen. Wenn man das thut, so ergeben weitere Rechnungen ein vollständiges Manko an Glimmer im unlöslichen Teil. Dieser unlösliche Teil enthält aber, wenn auch nicht erhebliche, so doch immerhin deutlich wahrnehm- bare Mengen dieses Minerals und baut sich ausserdem aus Feldspat, Quarz und Kaolin, also aus lauter eisenoxydulfreien Mineralien auf. Man wird daher wohl der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man den ganzen Eisenoxydulgehalt dem löslichen Teil zuspricht. Diese Korrektur ist in der Tabelle S. 27 angebracht, die unter I die Zusammensetzung von Keuper I auf getrocknete und karbonat- freie Substanz berechnet, unter Ia und Ib die Zusammensetzung dieser Teile ebenfalls auf getrocknetes und karbonatfreies Material berechnet enthält. Die nicht eingeklammerten Zahlen sind bestimmt, die andern durch Differenz gefunden worden. Berechnet man den löslichen Teil auf Molekularproportionen (lc), und bringt eine den Monoxyden entsprechende Menge Chlorit in Abzug (1 d) , so bleibt ein sehr saures wasserhaltiges Alumo- Silikat übrig , dessen Zusammensetzung etwa der Formel H2 0 . Al2 03 . 4Si 0, oder 2 H2 0 . AI, 03 . 4 Si 02 (1 e) entspricht. Die erstere Formel passt auf den Pyrophyllit, gegen dessen Vorkommen hier aber seine Schwerlöslichkeit in Säuren geltend zu machen ist. Schwefelsäure soll ihn nur unvollkommen zersetzen, Salzsäure wird ihn also vermutlich gar nicht angreifen. Man könnte nun daran denken, dass hier ein Mineral auftrete, welches sich zum Pyrophyllit so verhält, wie der Halloysit zum Kaolin, welches sich also vom Pyrophyllit durch einen Gehalt an hygroskopischem Wasser unter- scheidet. Eine derartige Verbindung ist der Montmorillonit, dem Le Chatelier1 die Formel giebt : H2 0 . Al2 03 .4Si02 + aqu. Über 1 Le Chatelier. Über die Konstitution der Thone. Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 1. 1887. S. 399. - 27 „ o o © o e o o o © o — •«* co l^ X 5 in ""1. 00, Lc = 3 ctT co" -m' CO cc co Ol tH © _ m _ Ol :r .o T-* — X - o, — o 1—1 © o , O ,-, >n X C5 — co d 1 T— 1 ~„ ä' = r ©~ l> co o .0 m ' ~ iO — X) co 1 K o — " cT O I m co ~ !- 2^ ea «r OS — 03 O cm S 5 .c co CO o J — CO ©" co* iß Q O »n © o o" c co in 00^ $ o CO o w »o CM~ & | b£ s '.-: §* ! i co o S t>~ CO £- °"" o of r^ CM CM fe OJ CM cp 1 o ©. fc 1-1 T— ' i © X CN X X o © CM "^ r-^ CO -*_ TjH CO tH pH r-~ CO i-T o" o^ + o" . - -* CO* Ph cd X -5 0 na ■<* 03 p( cd r^ bl • (0 W a <= s fcd e 2 . OJ C 9S -2 s g o So* < o •r -o ,_, ■r o WS ~ O ;_ CD r^ o i— i Ol _ M H Uc St. — 1 | EH Si j CM o 0) CO 3 s F3 :Z »03 o cn 03 Ph H-i ce .r «-" -r 0) >—* — rH — ^ »— . - 28 — die Lüslichkeitsverhältnisse des Montmorillonit habe ich keine An- gaben finden können, vermute aber, dass bei den Mineralien Mont- morillonit und Pyrophyllit ähnliche Unterschiede herrschen wie bei Halloysit und Kaolin, von welchen der eine durch Säuren leicht zer- setzt, der andere nur sehr schwer angegriffen wird1. Der Annahme von Montmorillonit in den Mergeln stellt sich indessen die That- sache entgegen , dass in diesen Gesteinen nach mikroskopischer Untersuchung keine amorphen Verbindungen in erheblichen Mengen vorkommen, während von dem Montmorillonit gerade der amorphe Charakter hervorgehoben wird. Ein Mineral aber, welches im wesent- lichen aus Wasser, Thonerde und Kieselsäure besteht2," ferner in Säuren löslich und nicht amorph ist, scheint im GüMBEi/schen Pilolith vorzuliegen, auf welchen Herr Landesgeologe Dr. Thürach3 die Freund- lichkeit hatte, mich aufmerksam zu machen. Dieser Pilolith Gümbel's4, der sich von dem auch als Pilolith bezeichneten Bergleder weniger nach seinem Habitus, als nach seiner chemischen Zusammensetzung unterscheidet, wurde in den Lehrberg- schichten des Fränkischen Keupers, also in genau dem gleichen geologischen Horizont angetroffen, in welchem die von mir unter- suchten Mergel auftreten. Seine Zusammensetzung nach Gümbel ist unter 1 mitgeteilt, während unter 2 die Zusammensetzung meines nach Abzug des Chlorites vom löslichen Teil übrigbleibenden Restes auf 100 °/0 berechnet angegeben ist. Eine Verbindung von der Formel H2 0 . A1203 . 4Si02 hat die unter 3, eine solche von der Formel 2 H2 0 . Al2 0:3 . 4 Si 02 die unter 4 angegebene Zusammensetzung. 1. 2. 3. 4. Si02 62,0 62,0 66,7 63,5 Al2 Os 26,3 29,9 28,3 27,0 H20 11,7 8,1 5,0 9,5 Wenn der Thon im Mergel wirklich die Zusammensetzung 2 H2 0 . AI 2 03 . 4 Si 02 haben sollte, so ist der Überschuss an Sesqui- oxyd (vergl. die Zahlen unter 2 und 4) ganz in der Ordnung, da der gelöste Teil noch den Eisenglanz des Gesteins, sowie auch eine 1 Sh. Kasai, Die wasserhaltigen Aluminiumsilikate. Inaug.-Pissert. München 1896. S. 19. 2 In meinem errechneten Mineral ist sicherlich ein Teil des Wassers durch Alkalien vertreten, was aber hei manchen Thonen vorkommen dürfte. Schi ö sing fand Thone mit 2%— 4°/0 Alkalien. C. E. Bd. 78. 1874. S. 1439. 3 Thürach, Übersicht über die Gliederung des Keupers etc. Geognostische Jahreshefte. Bd. 1. 1888. S. 158. 4 Gümbel, Geologie von Bayern, in zwei Teilen. Bd. 2. 1894. S. 756. Anm. — 29 — äusserst leicht lösliche, wahrscheinlich kieselsäurefreie Thonerdever- bindung (s. Abschnitt e S. 30) enthalten muss. Eine Probe des GüMBELschen Minerals verdanke ich der Güte des Herrn Oberbergamtsassessors Dr. v. Ammon. Nach der Unter- suchung im Dünnschliff besteht es aus ungeheuer fein verfilzten, doppelbrechenden Nadeln und ausgefransten Blättchen mit gerader Auslöschung, soweit sich das an diesen wenig scharf begrenzten Ge- bilden ermitteln Hess. Die Richtung der grössten Ausdehnung läuft parallel der kleinsten optischen Elasticität. Das Mineral wird durch Salzsäure stark angegriffen. Nimmt man an, dass der lösliche Teil der Silikate von Keuper I sich im wesentlichen aus einem Chlorit und einem „Thon" von den angegebenen Zusammensetzungen aufbaut , so berechnen sich auf getrocknetes und karbonatfreies Gestein bezogen die Mengen dieser beiden Mineralien zu etwa 37 °/0 und 23°/0. Es fehlt dann nur an V3 °/o ^2^, während etwas mehr als l°/0 Fe2 03 übrig bleibt (s. Tabelle S. 27). Das mikroskopische Bild enthält in Bezug auf die Menge des Thons nichts Widerspruchsvolles, doch hätte man weniger Chlorit erwartet, wenn man das noch unzersetzte also in grünen Farben auftretende Mineral berücksichtigt. Meine oben (S. 11) mitgeteilte Beobachtung, dass die rote Farbe des Mergels mehr durch ein Umwandlungsprodukt des Chlorites, als durch reines Eisen- oxyd hervorgerufen zu sein scheine, mag in dieser Abweichung eine Bestätigung finden. Die Untersuchung des kieselsäurereichen „Thons" halte ich ebensowenig für abgeschlossen, als diejenige der chloritischen Sub- stanz. Um sie wirksam zu fördern, bedarf es ausgedehnter Partial- analysen der Thone im weitesten Sinne des Wortes, die um so mehr geboten sein werden, je mehr man in Zukunft auf die petrographische Untersuchung der Sedimente eingeht. d) Löslicher Teil in seiner Gesamtheit. Es ist schon oben (S. 25) einmal darauf hingewiesen worden, dass der in Salzsäure lösliche Teil der Silikate in seiner Gesamtheit eine auffallende Ähnlichkeit mit der Zusammensetzung jener Mineral- gemenge besitzt, die man als Pinit, Gieseckit, Liebenerit u. s. w, bezeichnet. Diese Gemenge werden zum Teil als dichter Muskovit, zum Teil als ein Gemenge von Muskovit und Chlorit oder Chlorit und Talk beschrieben. Die Bestimmung des Chlorits wird wohl die relativ sicherste sein, während dichter Muskovit und Talk von thon- - 30 — artigen Silikaten x unter dem Mikroskop nicht ganz leicht zu unter- scheiden sind. In der Ähnlichkeit der nachfolgenden Zahlen wird man also einen neuen Anhalt für die Richtigkeit der Berechnung des löslichen Teils erblicken können. Die folgende Tabelle ent- hält unter I die Zusammensetzung der durch Salzsäure zersetzbaren Sili- kate von Keuper I, aus den Zahlen der Tabelle S. 27 auf 100% berechnet; II eine Analyse des Gieseckit von Grönland. Hauer, Jahrb. geol. Reichsanst. Bd. 5. 1854. S. 56; nach Dana, System, 6. Aufl. 1892. S. 622; Ia und IIa die gleichen Analysen wie I und II nach Zusammen- fassung der Sesquioxyde, Monoxyde und Alkalien, sowie neue Berechnung auf 100 °/0. I II Ia IIa Si02 42,39 45,88 44,70 47,87 A1203 20,55 26,93 28,75 28,10 Fe, 0, 10,54 — — FeO 2,64 6,30 MgO 10,98 7,87 13,13 11,86 K20 4,71 4,84 5.32 5,05 Na20 0,51 — — — H20 7,68 6,82 8,10 7,12 100,00 98,64 100,00 100,00 e) Leichtlösliche Thonerde. Bodenzeolithe oder Geolyte. Je nachdem man das lufttrockene Pulver von Keuper I mit verdünnter oder konzentrierter Salzsäure kürzere oder längere Zeit behandelt, ändert sich in dem zersetzten Teil das Verhältnis von Kieselsäure und Thonerde. In der folgenden Tabelle sind die Mengen angegeben, welche nach halbstündiger Einwirkung von kalter (Ia), nach vierstündiger Einwirkung von warmer (Ib) und nach 15 stün- diger Einwirkung von heisser Salzsäure (Ic) in Lösung gingen. Die Behandlung mit kalter Salzsäure erfolgte so gelinde, dass die Kar- 1 Thugutt sagt (Neues Jahrb. für Min. etc. Beil.-Bd. IX. 1895. S. 623), dass Lemberg in den Zersetzungsprodukten des Phonoliths von Marienfels bei Aussig und des Liebeneritporphyrs von Boscampo bei Predazzo einen sauren Thon, wie z. B. H20 . A1203 . 3Si02 + aQu- nachgewiesen habe. Von diesem Beweis konnte ich zwar an den angeführten Stellen (Zeitschr. d. d. geol. Ges. 1877, S. 492 und 1883, S. 559) nichts linden, aber die Bemerkung ist wichtig genug, um sie hier zn erwähnen. — 31 — bonate noch nicht einmal vollständig zersetzt waren, und dass nur Spuren von Eisenoxyd in Lösung gingen. In allen drei Fällen ist die Kieselsäure, welche sich aus dem unveränderten, lufttrockenen Gestein durch Na K C 0a ausziehen lässt, in Abzug gebracht worden, denn von dieser Kieselsäure wird man wohl annehmen dürfen, dass sie nicht in Form eines Thonerdesilikates auftritt. T ii Ja Ih ic Molekularproporuonen Si02 . . . 0,14 1,08 24,31 1 1 1 Al,ö:1 . . 0,38 L,06 L1.85 1,6 0,6 0,3 Man sieht, dass das Verhältnis von Kieselsäure zu Thonerde sich um so mehr zu gunsten der letzteren verschiebt, je weniger ener- gisch die Säure eingewirkt hat. Eine der leichtlöslichsten Ver- bindungen des Keuper I ist also ausserordentlich reich an Thonerde, ist vielleicht sogar eine kieselsäurefreie Thonerdeverbindung. Wenn dieses der Fall sein sollte, so fragt es sich, ob man die Verbindung als ein krystallisiertes, wasserhaltiges Aluminiumoxyd ansprechen darf, oder ob es sich um eine amorphe, vielleicht gar kolloidale Thonerde handelt. Die Thatsache , dass man aus dem intensiv rot gefärbten Ge- stein eine so gut wie eisenfreie Thonerde ausziehen kann, hatte beim Beginn der Untersuchungen etwas um so überraschenderes, als ich damals noch in der irrtümlichen Meinung befangen war, das Gestein enthalte wasserhaltige, also sehr leicht lösliche Eisenoxyde, wie z. B. Hydrohämatit (Turjit) oder Goethit *. Dass aber Verbindungen in der Natur vorkommen, welche in der Hauptsache aus Thonerde be- stehen und leichter löslich sind, als selbst das wasserreichste Eisen- oxyd, der Xanthosiderit, zeigen die Untersuchungen von Henatsch2 und Liebrich3 über Beauxite. Nun ist es allgemein bekannt, dass 1 Dass in dem Gestein kein Brauneisenerz vorkommt, zeigt schon seine Farbe. Erhitzungsversuche beweisen die Abwesenheit von Brauneisenerz sowohl wie von Goethit. Brauneisenerz von Neuenbürg verliert von 108°— 250° 81 ,",,, also etwa - ., seines Wassers, Goethit von Lostwithiel, Cornwall, erleidet bis 250° keinen, von 250l)— 350° etwa 9 °/0 Gewichtsverlust, verliert also beinahe den ganzen Wassergehalt. Auch das Verhalten gegen Essigsäure zeigt deutlich die Abwesenheit von Brauneisenerz. Es wird kein Eisen gelöst und die Flüssigkeit bleibt vollständig klar. Brauneisenerz von Neuenbürg mit Essigsäure gekocht, giebt eine trübe, gelblich braun gefärbte Flüssigkeit, welche durch kein Filter geklärt wird. 2 Hcnatsch, Über Beauxite und ihre Verarbeitung. Inaug.-Dissert. Bres- lau 1879. 3 Liebrich, Beitrag zur Kenntnis des Beauxits vom Vogelsberge, Inaug.- Dissert. Zürich 1891. — 32 — die Thonerde und ihre Verbindungen erheblich schwerer löslich sind, als die entsprechenden Verbindungen des Eisens. Dieser Unter- schied zeigt sich z. B. sehr deutlich bei der Analyse der beiden Oxyde. Thonerde wird vor dem Eisenoxyd gefällt und umgekehrt nach dem Eisenoxyd wieder aufgelöst. Geglühte Thonerde ist über- haupt kaum durch Säuren in Lösung zu bringen, wovon sich jeder Analytiker zu seinem Leidwesen überzeugt haben wird, während die Lösung auch des geglühten Eisenoxyds keine allzugrossen Schwierig- keiten bietet. Ferner ist : Korund AI, 03 schwerer löslich als Eisenglanz Fe2 03, Diaspor H2 0 . Al2 03 schwerer löslich als Goetkit H2 0 . Fe2 03, Hydrargillit 3H20.A1203 schwerer löslich als Brauneisenerz 3H20. 2Fe2031, Kaolin 2H2 0 . Al2 03 . 2 Si 02 schwerer löslich als Nontronit 2H2 0 . Fe2 03 . 2 Si 02 -. Wenn also aus dem sehr wasserreichen Beauxit eine so gut wie eisenfreie Thonerde sich ausziehen lässt, wie ich mich durch eigene Versuche überzeugen konnte, so ist es wahrscheinlich, dass man es nicht nur mit einer amorphen, sondern mit einer kolloidalen Thonerde zu thun hat. Die Gegenwart eines solchen kolloidalen Körpers in dem Beauxit scheint auch aus einer auffallenden physikalischen Eigenschaft dieses Gesteins hervorzugehen. Zerreibt man ein etwa erbsengrosses Stück des Vorkommens von Vallon de TEscaubre bei Aubagne und Camoins les Bains, Bouches du Rhone in einer Achatschale mit Wasser zu einer breiigen Masse, so ist es nachher nicht möglich, die Schale mittelst eines feuchten Tuchs oder Schwamms vom anhaftenden Beauxit zu reinigen, da dieser eine schmierige Beschaffenheit angenommen hat, die erst 1 Hydrargillit und Brauneisenerz lassen sich eigentlich nicht direkt mit- einander vergleichen und mögen nur insofern hier angeführt werden , als die wasserreichere Thonerdeverbindung die wasserärmere Eisenverhindung an Schwer- löslichkeit erhehlich übertrifft. 2 Nach Weinschenk (Zeitschr. f. Krystallogr. Bd. 28. 1897. S. 156) soll der Nontronit von der Kropfmühle im Passauer Graphitdistrikt ein Eisenkaolin sein. Zirkel sagt (Elemente 13. Aufl. 1898. S. 755): „Ckem. Zus. der ganz reinen Suhstanz nach "Weinschenk H4Fe2 Si2 09a. Das trifft jedoch nicht ganz zu, denn selbst nach öfterem Schlämmen enthielt das Material noch etwa 20°/0 Horn- blende. Wenn auch eine einzige auf ein sehr unreines Vorkommen sich be- ziehende Analyse meines Erachtens nicht hinreicht, um die Formel eines Minerals von 5H2 0 . Fe2 Os . 3 Si 02 in 2H2 0 . Fe2 03 . 2Si 02 umzuwandeln , so ist doch die Leichtlöslichkeit dieses Eisensilikats, wie sie von Weinschenk beobachtet wurde, bemerkenswert. — 33 — nach Zusatz einiger Tropfen Salzsäure verschwindet. Vergleicht man diese sehr auffallende Eigenschaft des feuchten Beauxit mit dem Zu- stand unserer im Keupergebiet liegenden Strassen bei feuchtem Wetter, so kann man in der Ansicht nur bestärkt werden, dass im Keuper ebenfalls eine kolloidale Verbindung vorkommt. Die obigen Partialanalysen deuten auf ein Thonerdehydrat hin, doch mag es nicht ausgeschlossen sein, dass in diesem Körper auch etwas kolloidale Kieselsäure enthalten ist und wir also hier lockere Verbindungen antreffen, wie sie auch Groth in seiner tabellarischen Übersicht etc. 4. Aufl. 1898. S. 112 erwähnt1. Verfolgt man die Untersuchungen der Agrikulturchemiker und Agronomen in Bezug auf die im Boden vorhandenen leicht löslichen Stoffe, so begegnet man hier gar nicht selten der Vorstellung, dass in der Natur kolloidale Verbindungen auftreten , denen sogar eine ausserordentlich wichtige Rolle bei der Ernährung der Pflanzen zu- geschrieben wird. Diese eigentümlichen Körper scheinen einen Teil dessen auszumachen, was man unter Bodenzeolithen versteht, und es möge mir daher hier gestattet sein, über diesen Begriff, der nach meiner flüchtigen Orientierung in agronomischen Schriften sehr häufig gebraucht wird , einige Worte einzuschalten. Die eben berührten Verbindungen können natürlich nicht als Zeolithe im gewöhnlichen mineralogischen Sinn bezeichnet werden. Ob aber überhaupt unter diesen sogenannten Bodenzeolithen echte Zeolithe vorkommen, ist höchst zweifelhaft. Die Definition, welche Grüner in seinem Grund- riss der Gesteins- und Bodenkunde (Berlin 1896, S. 208) giebt, lautet folgendermassen : „Die bei der Behandlung der Ackererden mittelst Salzsäure und r kohlensäurehaltigem Wasser in Lösung übergeführten Silikate dürften „Zeolithen angehören, welche den Pflanzen die Nährstoffe in leicht 1 Der Ansicht Schloesing' s, dass die Plasticität der Thone auf die Bei- mengung eines kolloidalen Thonerdehydrats zurückzuführen sei (C. R. Bd. 78 1874. S. 1440) hat Kasai widersprochen (Dissert. München 1896. S. 20), indem er sagt, dass der Nakrit von Freiberg , der unter dem Polarisationsmikroskop sich als vollständig kristallinisch erwiesen habe, um so plastischer werde, je feiner man ihn pulverisiere. Diese Beobachtung ist aber vielleicht doch nicht ganz stichhaltig, denn die vermutlich in sehr feinen Häuten die Krystalle um- gebende kolloidale Thonerde kann bei der mikroskopischen Untersuchung sehr wohl übersehen worden sein. Kasai hat selbst in dem plastischen Kaolin von Zettlitz das Auftreten einer derartigen Thonerde nachgewiesen, ihre Menge be- trägt nur wenige Prozent und daher kann zur Hervorruf ung der Plasticität wohl ein feines Korn erforderlich sein. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in W'ürtt. 1900. 3 — 34 — „aufnahmefähiger Form zu bieten im stände sind; ihre Entstehung „ist auf die Zersetzung von Silikaten unter Wasseraufnahme zurück- zuführen." Wenn hiernach die Zeolithe den Pflanzen die Nährstoffe zu- führen sollen, so kann das für einen wichtigen Stoff nämlich für die Magnesia nicht zutreffen, weil wir keinen Magnesiazeolith kennen. Um zu begreifen, wie eine derartige Definition überhaupt auftauchen konnte, muss man auf den Schöpfer dieses Begriffs, nämlich auf G. J. Mulder — wie ich Ad. Mayers Lehrbuch der Agrikulturchemie Bd. IL 1. S. 98 entnehme — zurückgehen. Er widmet diesen merk- würdigen Verbindungen , die , wie es scheint , mehr vermutet als sicher erkannt worden sind , in seiner Chemie der Ackerkrume (Deutsche Übersetzung Bd. I. 1861. S. 384) ein längeres Kapitel, in welchem die Zeolithe nächst dem Quarz und anderen unlöslichen Mineralien als Hauptbestandteile des Bodens genannt werden ; es heisst dort : „Unter diesem Namen verstehen wir hier und in der Folge „die Kieselsäure-Hydrat-Verbindungen des Bodens, in Wasser sehr „wenig auflöslich und durch Salzsäure aus dem Boden in Auflösung „zu bringen. Gesetzt, eine Ackererde ist mit Wasser ausgezogen, „dann sind Salze der Alkalien und Erden, die durch diese Flüssig- keit entfernt werden, ausgetrieben. Wenn nun darauf diese Acker- „erde mit verdünnter Salzsäure digeriert wird, wird eine ansehnliche „Menge Thonerde, Kieselsäure und auch Kalk, Magnesia, Eisenoxyd „entfernt und löst man zugleich Alkalien auf. Diese Substanzen zu- sammen — das Eisenoxyd teilweise, auch teilweise nicht, der Kalk „und die Magnesia ebenfalls teilweise oder zum Teil nicht, da diese „auch mit Kohlensäure und Phosphorsäure oder Schwefelsäure ge- bunden waren — bilden ein oder mehr Zeolithen, in jeder Erdart „anders, aber immer sogenannte in Wasser unauflösliche Körper von „der Formel mSiO3 . nRO + oSiO3 . pR203 und von der Formel „mSi03.nRO. Die Zeolithen sind die vorzüglich wichtigen Be- standteile des Bodens, welche im Chemismus eine Hauptrolle spielen, „im Hydratzustande nicht allein, sondern im gallertartigen Zustande „sich befindend, für leichte Zerlegung, Umbildung und Bildung „empfänglich sind. Die erste der beiden genannten Verbindungen „kommt vorzüglich im Thonerde-reichen Boden, die letztere vorzüg- lich im Thonerde-armen vor, aber in jedem guten Ackerboden beide; „darin liegt das wesentliche der Tauglichkeit eines Bodens, denn in „ihnen wird aufgenommen und durch sie abgegeben und da sie 35 - „gelatinös, sind es gerade die Substanzen, wodurch der Boden eine „solch ansehnliche Flächenanziehung auf alles ausüben kann, was „mit ihm in Berührung kommt. Wo die Menge gallertartige Kiesel- säure in einem Boden geringe ist, füllt die Thonerde die Stelle der „Kieselsäure aus und bildet ein Aluminat, welches unauflöslich in „Wasser ist, wie die genannten Silikate." Die MuLDER'schen Zeolithe sind, wie man hieraus sieht, ein Sammelbegriff, welcher mit den eigentlichen Zeolithen nichts weiter gemein hat, als dass er sich auf wasserhaltige, in Säuren leicht lösliche Verbindungen bezieht. Diese Verbindungen können aus Silikaten und Aluminaten bestehen, sie können in krystallisierter oder amorpher oder gar kolloidaler Form auftreten. Man sieht hieraus, dass der Unterschied doch wohl grösser ist, als ihn Ad. Mayer und mit ihm vielleicht mancher Agrikulturchemiker auffasst, wenn er (1. c. S. 98) nur von einem etwas abweichenden Sprachgebrauch bei Mulder redet. Die MuLDER'schen Bodenzeolithe unterscheiden sich grundsätzlich von den Zeolithen der Mineralogen und der Autor jener Bezeichnung ist bei der Wahl des Namens wohl deswegen nicht glücklich gewesen , weil er eine Gruppe von wenig be- kannten Verbindungen mit dem Sammelnamen wohl definierter Mineralien belegte und weil dabei leicht die Vorstellung Raum ge- winnt, man wisse nun wirklich, was eigentlich unter Bodenzeolithen zu verstehen sei. Da es sich aber bei diesen merkwürdigen Körpern um Dinge von grosser Wichtigkeit für die Ernährung der Pflanzen handelt, wo- von sich auch der Laie bei der Lektüre agronomischer Schriften bald überzeugen wird, so ist eine eigene Bezeichnung wohl wünschenswert. Ich schlage daher vor, in Zukunft nicht mehr von Bodenzeolithen, sondern von Geolyten (ytj Erde , Xveiv lösen) zu reden , welcher Name auf die Leichtlöslichkeit der Erdbestandteile anspielen soll. Der Name wäre meines Erachtens nur auf jene Verbindungen anzu- wenden , welche mineralogisch nicht zu identifizieren sind. Glaubt man also z. B. nach den vorangegangenen Mitteilungen nicht an die Natur des Chlorites 2 H2 0 . 2 Mg 0 . Al2 03 . 2 Si 02 oder des Thones 2H20 . Al2 03 . 4Si02 oder des kolloidalen Thonerdehydrats, so wären diese Mineralien einzeln oder in ihrer Gesamtheit als Geolyt zu bezeichnen. Hält man sich von der Existenz der einen oder andern dieser Verbindungen überzeugt, so fällt für sie der Name Geolyt fort. Das Wort soll also in genau dem gleichen Umfang wie Bodenzeolith gebraucht werden. Möchten unsere Kenntnisse über 3* — 36 - die Bestandteile des Bodens solche Fortschritte machen, dass dieses neue Wort ebenso wie sein altes Synonym bald als überflüssig zu bezeichnen ist. IV. Durch Salzsäure nicht zersetzbarer Teil. a) Kaolin. Da es sich um die Untersuchung von Mergel handelt, so wird es von Interesse sein, zu erfahren, ob wirklich echter Kaolin von der Zusammensetzung 2 H2 0 . Al2 03 . 2 Si 02 vorhanden ist. Dieses Mineral hat sich zwar mit einiger Sicherheit unter dem Mikroskop erkennen lassen , doch ist es gerade bei solchen kryptokrystallinen Aggregaten immer erwünscht, ihre Gegenwart durch analytische An- gaben stützen zu können. Die Methode des Herauslösens durch kochende Schwefelsäure halte ich für sehr mangelhaft, weil einer- seits echter Kaolin ausserordentlich schwer zersetzt wird , ander- seits viele Mineralien bei diesem energischen Eingriff in Lösung ge- bracht werden können, so dass man also hiernach weder sichere Maximal- noch Minimalzahlen für den Kaolin erhält. Ich habe nun gefunden, dass der Kaolin bei der Erhitzung von 350° — 500° von seinen zwei Molekülen Wasser anderthalb Moleküle verliert und benutze daher den innerhalb jener Temperatur beobachteten Gewichtsverlust des ursprünglichen oder des von seinen löslichen Teilen befreiten Gesteins zur Berechnung der Kaolinmenge. Auf diese Weise erhalte ich wenigstens eine nach oben sicher ab- gegrenzte Zahl und kann also angeben, dass unmöglich mehr als die berechnete Menge Kaolin in dem Gestein vorkommt l. Diese Maximalzahlen fallen aber für die vorliegenden Mergel ausserordent- lich niedrig aus und sind von grösserem Interesse, weil sie zeigen, dass es typische Mergel mit einem sehr geringen Gehalt an echtem Kaolin giebt. Die Resultate der an vier Kaolinen ausgeführten Erhitzungs- versuche sind in der untenstehenden Tabelle mitgeteilt und beziehen sich auf folgende Vorkommen : 1 Unterhalb 350° ist der Gewichtsverlust beim Kaolin unbedeutend, was mit den Beobachtungen Frenze l's und Hillebrand's übereinstimmt. Ersterer sagt (Journ. f. prakt. Chem. Bd. 5. 1872. S. 401—404. Ref. Neues Jahrb. f. Min. etc. 1872. S. 949), dass bei der Erhitzung von 100° bis zu einer dem Siede- punkt des Quecksilbers nahekommenden Temperatur kein Gewichtsverlust ein- trete. Letzterer (Bull. U. S. Geol. Surv. No. 20. 1885. S. 98) setzt die Grenz- temperatur auf 330°. — 37 - 1. Kaolin von Znaym bei Brenditz in Mähren. Eine bereits ge- schlämmt vorliegende Probe dieses Vorkommens befindet sich in der hiesigen Sammlang. Schneeweisses Pulver. Herr Prof. Koken gestattete mir, einen Teil zu benutzen. 2. Kaolin von „China", geschlämmt: von Krantz in Bonn bezogen. Pulver weiss mit einem gelben Stich, nach dem Brennen schneeweiss. 3. Kaolin von Passau, Bayern ; in der ursprünglichen Form des Vorkommens von Krantz erhalten. Durch Schlämmen von den reichlichen Beimengungen, die aus Quarz bestehen, getrennt. Schneeweisses Pulver. 4. Steinmark von Rochlitz, Sachsen; von Krantz erhalten. Zu den Versuchen diente ein zart rosa bis weiss gefärbtes, durch- aus homogenes Stück von Nussgrösse. Nach dem Brennen wurde das Pulver schneeweiss. Gewichtsverlust Kaolin von Mittel- Znaym China Passau Eochlitz werte bis 108° 0,93 o/0 0,47% 1.30% 0.85% 0.89% von 108°— 250° „ 250°—350° , 350°—5O0° über 500° 0,22 o/0 0,24% 9,75% 1,97°/, 0,21% 0.27% 11,19% 1,70% 1,01% 0.850/, 9,92% 1,74°/, 0,28% 0,34% 12,07% 1,59' .. 0,430/, 0,43% 10,73% 1,75% von 108° bis zum Glühen 12,18°/, 13,370/, 13,52 o/. 14,28 13,34% Nach der Formel 2H20 . A1203 . 2Si02 entsprechen: 1H20 6,98% 1V2H20 10.46 °0 2H20 13,95% Benutzt man nun die Gewichtsverluste, welche die Keuper bei der Erhitzung von 350°— 500° erleiden (cf. S. 14 und 22) zur Be- rechnung der vielleicht vorhandenen Kaolinmfingen im getrockneten oder im karbonatfreien Gestein, so erhält man für die Keuper- proben I, II und III folgende Zahlen als erstes Maximum: I ITI II Im getrockneten Gestein . . „ karbonatfreien .. . . So gering diese Zahlen ausfallen, so wüsste ich doch nicht, wie man sie vergrössern könnte, ohne den Boden begründeter Thatsachen 11% 11 °L 6% 10°/ 3% 9 — 38 - zu verlassen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass der Gehalt an Kaolin nicht einmal jene Zahlen erreicht, denn neben diesem Silikat ist ein anderes stark wasserhaltiges vorhanden, welches einen Teil seines Wassers erst bei Erhitzung über 500° verliert. Dieses Silikat mag sehr wohl einige Zehntel Prozent Wasser schon unterhalb 500° ent- weichen lassen, wodurch dann die Kaolinzahlen um etwa das Zehn- fache dieses Betrages erhöht würden, so dass die obigen Werte sehr wohl um einige Prozent zu hoch gefunden sein können. Diese Ver- mutung ist sogar höchst wahrscheinlich richtig, wenn man Erhitzungs- versuche berücksichtigt, welche an dem durch kochende Salzsäure nicht zersetzten Teil von Keuper I ausgeführt wurden. Dieser also in kochender Salzsäure und kohlensaurem Natronkali unlösliche Teil von Keuper I zeigt bei der Erhitzung folgende Gewichtsverluste. Die Zahlen unter Ia beziehen sich auf getrocknetes, die unter Ib auf ausserdem karbonatfreies Pulver. Gewichtsverlust von . . r. » * ' » * • „ über . . Man sieht nämlich aus diesen Zahlen, dass die unlöslichen Silikate, welche unzweifelhaft allen echten Kaolin enthalten 1 , bei der Er- hitzung von 350° — 500° einen etwa dreimal geringeren Gewichts- verlust erlitten haben, als dies bei dem noch nicht von den lös- lichen Silikaten befreiten Pulver der Fall war. Der Kaolingehalt wird also in Keuper I vielleicht noch dreimal geringer sein, als dies vorher angegeben wurde und nur etwa 4°/0 betragen. Die Berech- nung aus der Analyse des unlöslichen Teils ergiebt, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, etwa 7 °/0 Kaolin. Diese Zahl steht mit der vor- her erwähnten in nicht allzu grossem Widerspruch, da bei derartigen Bestimmungen die Fehlergrenzen nicht zu klein angenommen werden dürfen. In Keuper II und III sind die obigen Zahlen möglicherweise ähnlich zu verkleinern ; ich habe dies nicht weiter untersucht. Man könnte schliesslich glauben, dass bei so kleinen, grössten- Ia Ib 108°— 250° 0,14 % 0,15« 0 250°— 350° 0,09 •/. 0,09 <>/0 350°- 500° 0,35 o/0 0,37% 500° 0,66 °/0 0,69 °/n 1 Kontrollversuche zeigten , dass auch nach längerer Erhitzung auf 500° Kaolin nur sehr wenig von heisser Salzsäure angegriffen wird. Nach 36stün- digem Erhitzen mit lOprozentiger Salzsäure gingen bei dem Kaolin von Eochlitz neben Spuren von Kieselsäure nur l1/2°/o Thonerde in Lösung; bei dem Kaolin von China war die nach einstündigem Kochen mit lOprozentiger Salzsäure in Lösung gegangene Menge viel geringer. - 39 - teils errechneten Mengen in diesen Mergeln überhaupt kein Kaolin vorkomme, dagegen aber spricht die mikroskopische Untersuchung der Dünnschliffe, in denen sich doch gelegentlich Kaolin, allerdings in geringen Mengen, hat nachweisen lassen. I>) Berechnung des unlöslichen Teils auf Quarz, Orthoklas, Kaolin und Muskovit. Die Zusammensetzung der unlöslichen Silikate von Keuper I ist bereits S. 27 mitgeteilt. In Bezug auf den als Wasser angenom- menen Gewichtsverlust bei der Erhitzung über 500° möge bemerkt werden, dass 0,69% vielleicht etwas zu niedrig sind. Der Rück- stand enthält Quarz, Feldspat, Kaolin und Glimmer und konnte nicht geschmolzen werden; es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ein Teil des im Glimmer vorhandenen Wassers zurückgehalten wurde. Da es sich aber, wie die folgende Rechnung und auch die mikro- skopische Untersuchung ergiebt, nur um wenig Glimmer handelt, so kann der Fehler nicht sehr ins Gewicht fallen. Angenommen, dieser unlösliche Teil bestehe aus jenen eben ge- nannten Mineralien , so lassen sich die relativen Mengen derselben berechnen, vorausgesetzt, dass man von dieser Rechnung nicht mehr als eine näherungsweise Orientierung über die Verteilung dieser Mineralien erwartet. Es seien vorhanden : a Moleküle Kaolin . . . . 2H20 . A1203 . 2Si02 b „ Muskovit . . . 2H2 0 . K, 0 . 3 (AI, Fe)2 0S . 6Si< )2 c Orthoklas. . . (Na, K)20. A1203 . 6Si02 d „ Quarz . . . . Si02 Man erhält dann aus den Molekularproportionen (s. nachstehende Tabelle) folgendes System von Gleichungen : a + 3b + c = 0,074 (AI, Fe), ( l. b 4- c = 0,030 (Na, K)."o 2a + 2b = 0,072 H20 2a-j-6b + 6c-|-d = 0,450 Si02, woraus folgt a = 0,028 b = 0,008 c = 0,022 d = 0,214 Diese Werte sind im nachfolgenden Schema zur Ermittelung der relativen Mengen jener vier Mineralien verwendet worden. Die rechts angegebenen Zahlen beziehen sich wie diejenigen für Chlorit und Thon in der Tabelle S. 27 auf getrocknetes und karbonatfreies Gestein. 40 e o © o ^ o CD ■3J l>- tH CO H lO i— i CM O o o o" © o — O — lO CO Sc o" iO cc ,— J-t o OS ^ o) C cc , ^'•2 o ©~ O CO t^ r^ ^* o O oT o O 1 O £; o" ©" o 00 CO 00 lO o CM O -i— i bE «' cm" ©„ o © ©" o" § O o tH CO 1—1 >Q T— 1 iO o" o o" 1 1 o" 4- o° o £35 CS i -t © PR O B CO lO 00 i(0 1= c p CD a o ■" '-3 'S o Eh o a o :0 'S 'a Sc V s -1-2 PS 's rt 'S ^ Ja ^ ~ Q 3 ? — 41 — V. Zusammenfassung der wichtigsten Resultate. Die vorstehende Untersuchung bezieht sich auf einige typisch ausgebildete Mergel des bunten Keupers von Schloss Roseck bei Tübingen. Ihr Zweck war, nicht nur über die chemische, sondern auch über die mineralogische Zusammensetzung dieser pelitischen Sedimente einigen Aufschluss zu erhalten. Die Gesteine unseres Keuperhorizontes pflegen gewöhnlich als dolomitische Mergel bezeichnet zu werden ; wie wenig sie aber auf die landläufige Definition eines Mergels als eines Gemenges von Kar- bonat und Thon — letzterer gar nicht selten als Kaolin aufgefasst — passen, zeigten gleich die ersten analytischen Versuche. Die Ge- steine sind nämlich ausserordentlich reich an Alkali und enthalten chemisch gebundenes Wasser, welches zum grösseren Teil erst ober- halb 500° entweicht, während echter Kaolin wenigstens dreiviertel seines Wassers unterhalb dieser Temperatur verliert. Weitere Unter- suchungen haben nachgewiesen, dass diese Mergel in der That nur sehr wenig Kaolin enthalten. Mikroskopische Studien führen bei so feinkörnigen Gesteinen, wie es die vorliegenden sind, meistens zu wenig befriedigenden Re- sultaten ; doch haben sie hier wenigstens erkennen lassen, dass alle Gesteinsproben, mögen sie nun 5°/0 oder 65°/0 Karbonate enthalten, sich im wesentlichen aus den gleichen Mineralien aufbauen \ Da aber die Mischung dieser Mineralien, ganz abgesehen von den Kar- bonaten, in den verschiedenen Proben eine verschiedene ist, so war es möglich, aus dem Verlauf der Veränderungen in den analytischen Zahlen der auf karbonatfreie Substanz umgerechneten Gesteine auf die Zusammensetzung eines Gemengteiles unter den Silikaten zu schliessen. Eine solche vergleichende Betrachtung der Analysen (S. 22) hat zuerst dahin geführt, in den Mergeln ein wasserhaltiges Magnesia-Alumo-Silikat anzunehmen, welches dann auch durch frak- tionierte Lösung aus dem Gestein isoliert worden ist. Die Formel dieses Silikats Hess sich für MgO, A1203 und Si02 nicht aber für H2 0 und K2 0 ermitteln. In Bezug auf die ersten drei Be- standteile erhielt ich Verhältnisse, wie sie im Strigovit vorkommen, wobei nur an Stelle des Eisenoxyduls Magnesia zu setzen ist; aber auch in Bezug auf H2 0 und K2 0 wage ich diese Strigovitformel 1 Eine Ausnahme macht für den grünen Mergel der Eisenglanz, doch scheint dieser in allen < iesteinsproben, auch in den intensiv rot gefärbten, nicht sehr reichlich vertreten zu sein. — 42 — hier anzuwenden , weil die darauf basierende weitere Rechnung zu durchaus wahrscheinlichen Resultaten führt. Der im Mergel vor- kommende Chlorit hat alsdann die Zusammensetzung des von Tschermak zur Erklärung der Leptochlorite angenommenen Moleküls 2H20 . 2MgO . Al2 03 . 2Si02. Ein kleiner Teil der Magnesia ist durch Eisenoxydul , ein grösserer Teil der Thonerde durch Eisenoxyd und ein nicht unerheblicher Teil des Wassers besonders durch Kali, weniger durch Natron vertreten. Bei diesem stark alkalihaltigen Chlorit könnte man an Glau- konit erinnert werden, auf welchen früher einmal Qüenstedt die Farbe des grünen Keupermergels zurückgeführt hat1. Wenn man freilich den Glaukonit nicht anders als einen erdigen, durch Beimengungen verunreinigten Chlorit auffasst, so lässt sich jene Äusserung Qden- stedt's allenfalls verteidigen. Da aber die Zusammensetzung des chloritischen Teils recht erheblich von typischen Glaukonitanalysen abweicht und sich auch in keiner meiner Gesteinsproben irgend eine Andeutung jener dem Glaukonit eigentümlichen Ausbildungsform ge- zeigt hat2, so wird man wohl besser thun, den unbestimmten Be- griff Glaukonit hier nicht anzuwenden , sondern einfach von Chlorit zu sprechen, für dessen Gegenwart ausser der mikroskopischen Dia- gnose auch einige analytische Angaben sprechen. Nächst dem Chlorit, welcher in der silikatreichsten Probe etwa ein Drittel des Gesteins ausmacht, findet sich in dem durch kochende Salzsäure leicht in Lösung zu bringenden Teil des Mergels, ausser Eisenglanz und etwas kolloidaler Thonerde noch ein wasserhaltiges Thonerdesilikat, dem vielleicht die Formel 2H2 0 . A1203 . 4Si02 zu- kommt. Dieses etwa den fünften Teil der silikatreichsten Mergel bil- dende Mineral gehört also zur grossen Gruppe der Thone ; es unter- scheidet sich vom eigentlichen Kaolin durch seine viel höhere Acidität und seine Löslichkeit in Salzsäure. Die auf indirektem Wege er- mittelte Formel findet eine Stütze in der Zusammensetzung des GüMBEL/schen Pilolith, welcher in einem den Rosecker Mergeln genau entsprechenden geologischen Horizont des fränkischen Keuper vor- kommt. Der in Salzsäure unlösliche , etwa zwei Fünftel der karbonat- ärmsten Schichten ausmachende Teil der Mergel lässt sich ohne 1 Qüenstedt, Handbuch der Mineralogie. 3. Aufl. 1877. S. 295. 2 Herr Geh. Bergrat Rosenbusch hatte die Freundlichkeit, mir einige typische Glaukonitschliffe zum Vergleich mit meinen Gesteinen zu zeigen. Auch hat er selbst die Abwesenheit von Glaukonit in meinen Schliffen bestätigt. — 43 - Widerspruch mit der mikroskopischen Untersuchung auf Quarz, Ortho- klas, Kaolin und Muskovit deuten. Hervorgehoben mag hier noch- mals werden, dass echter Kaolin nur einen kleinen Teil der Mergel und zwar sicherlich nicht 11%, vielleicht 7 °/0, möglicherweise aber auch noch weniger von der Durchschnittszusammensetzung beträgt. Die Kohlensäure reicht in keinem der Gesteine aus, um Kalk und Magnesia zu binden. Die ganze Menge des im Gestein vor- kommenden Calciumoxyds und infolgedessen nicht die ganze Menge der Magnesia ist an Kohlensäure gebunden. Alle Gesteinsproben ent- halten auf ein Molekül kohlensauren Kalk etwas weniger als ein Molekül kohlensaure Magnesia. Nach diesen drei Beobachtungen kann es sich bei' der Frage, wie die Karbonate im Gestein auftreten, um folgende Möglichkeiten handeln : 1. Es tritt reiner kohlensaurer Kalk neben reiner kohlensaurer Magnesia auf; 2. es tritt Normaldolomit neben reinem kohlensauren Kalk auf; o. die beiden Karbonate von Calcium und Magnesium bilden eine isomorphe Mischung, in welcher die beiden Komponenten nicht im Verhältnis 1 : 1 enthalten sind. Zunächst hat sich mit Sicherheit auf quantitativem Wege nach- weisen lassen, dass keine reine kohlensaure Magnesia vorhanden ist; denn nach zweimal achtstündigem Erhitzen des Gesteins auf 500° blieb dessen Kohlensäuregehalt konstant, während reiner Magnesit- spat schon nach 4 Stunden mehr als die Hälfte seiner Kohlensäure verliert. Die erste Möglichkeit ist also hiermit ausgeschlossen. Nicht mit der gleichen Sicherheit ist der Nachweis geführt worden , dass kein reiner kohlensaurer Kalk in den Mergeln vorkommt. Immerhin ist nach vergleichenden Beobachtungen der Kohlensäureentwickelung, welche verdünnte Salzsäure oder Essigsäure oder Aluminiumchlorid an den ursprünglichen oder den mit etwas Kalkspat künstlich gemischten Gesteinspulvern hervorruft, die Abwesenheit des reinen kohlensauren Kalks wahrscheinlicher als seine Anwesenheit. Hiernach bleibt für die Form, in welcher die Karbonate auftreten, nur die dritte Mög- lichkeit , nämlich die einer isomorphen Mischung von Ca C 03 und Mg C 03 abweichend von dem Verhältnis 1:1, übrig. In den kar- bonatreicheren Proben enthält diese Mischung auf 10 Moleküle Ca C 03 etwa 9 Moleküle MgC03, in dem karbonatärmsten Gestein verschiebt sich das Verhältnis noch mehr zu gunsten des kohlensauren Kalks, der aber selbst hier nicht als solcher im Mergel vorhanden zu sein scheint. Die Zusammensetzung der silikatreichsten Gesteinsprobe, also — 44 — des braunroten, schiefrigen Mergels, lässt sich etwa folgendermassen angeben : Chlorit 33,7% Pilolith, Ctümbel 20,7 °/0 Eisenglanz 1)2% Kaolin 6,6% Muskovit 6,3% Orthoklas 10,9% Quarz 11,6% Karbonate 4,7 % Wasser unter 108° 4,3% 100,0 o/0 Was die Bedeutung der Mergel für die Ernährung der Pflanzen betrifft, so ist an erster Stelle der aussergewöhnliche Reichtum an Kali hervorzuheben, steigt doch der Gehalt an diesem wertvollen Gemengteil in den karbonatärmeren Gesteinen auf nicht weniger als 4^2 % K20. Die Fruchtbarkeit dieser Keuperböden wird aber nicht so sehr durch diesen hohen Gehalt, als vielmehr durch die Form, in welcher das Kali auftritt, verursacht. Nur etwa 2°/0 Kali sind an schwer aufschliessbare Mineralien wie Feldspat und Glimmer ge- bunden , und der Rest, also mehr als die Hälfte der Gesamtmenge, befindet sich in leicht löslichen chloritischen und thonigen Verbin- dungen. Welch enormen Vorrat der Keuperböden in Bezug auf diesen wichtigen Pflanzennährstoff enthält, ergiebt sich aus einer Berechnung, wonach ein Acker, der nur zum fünften Teil aus den silikatreicheren Mergelschichten gebildet wird, bis zur Tiefe von 30 cm auf ein Hektar nicht weniger als 400 Doppelcentner Kali in leicht löslicher Form enthält. Der Gehalt an Phosphorsäure berechnet sich nach den besseren d. h. an reichlicherem Material ausgeführten Bestimmungen im karbonatfreien Gestein auf 0,17 + 0,03 °/0 P2 05. Je nach den Karbonatbeimengungen schwankt der Gehalt zwischen 0,07 °/0 und 0,18 °/0. Diese Zahlen sind nach M. Märcker als massig bis sehr hoch zu bezeichnen, wobei allerdings hinzugefügt werden muss, dass es noch nicht feststeht, ob der ganze Gehalt an Phosphorsäure in leicht löslicher Form auftritt, also etwa durch Citronensäure in Lösung zu bringen ist. Weitere Untersuchungen der Mergel in Bezug auf ihre agronomische Bedeutung insbesondere ein Studium ihrer physi- kalischen Eigenschaften musste wegen Mangel an geeigneten Appa- raten unterbleiben. Tübingen, den 5. Juli 1899. — 45 Anhang. Analytische Belege1. li Analyse des in warmer (nicht kochender) lOprozentiger Salzsäure lös- lichen Teils von Keuper J. 1,8198 g Substanz (entsprechend 1,7419 g getrocknete Substanz) gaben 0,0073 g sin.,, 0,0184 g ,U,o3. 0,0054 g Fe.,03, 0,0369g CaO, 0,0323 g MgO, 0,0110 g Chloralkalien. Die Alkalien wurden wegen der geringen Menge nicht weiter getrennt; die oben S. 23 mitgeteilten Zahlen sind Schätzungswerte, welche sich innerhalb zulässiger Fehlergrenzen nicht von der Wahrheit entfernen. Aus dem angelösten Rückstand wurden durch Soda-Pottaschelösung 0.0138 g Si02 aus- gezogen. 2) Analyse des in warmer (nicht kochender) lOprozentiger Salzsäure gelüsten Teils von Keuper 1, welch letzterer vor der Lösung auf 500° erhitzt worden war. 1.8104 g Substanz (entsprechend 1,7329 g getrocknete Substanz) gaben 0,0156 g Si02, 0,0753 g A1203, 0,0354 g Fe2 03, 0,0356 g CaO, 0,0857 g MgO, 0.0308 g Chloralkalien, 0,0741 g K2PtCl6. Aus dem ungelösten Rückstand wurden durch Soda-Pottaschelüsung 0,0980 g Si02 ausgezogen. 3) Analyse des in kochender lOprozentiger Salzsäure löslichen Teils von Keuper I. 2,1139 g Substanz (entsprechend 2,0234 g getrocknete Substanz, ent- sprechend 1,9273 g getrocknete und karbonatfreie Substanz) gaben nach ein- stündigem Kochen in Lösung: 0,0041 g Si02, 0,2121 g A1203 (und P205), 0,1572 g Fe2Os, 0,0423 g CaO, 0.1326 g MgO, 0,0863 g Chloralkalien, 0,2415 g K2PtCl,.. Die Alkalien enthielten noch 0,0025 g MgCl2. Nach weiterem 14stündigen Er- hitzen auf dem Wasserbad ebenfalls mit lOprozentiger Salzsäure gingen in Lösung: 0,0012 g Si02, 0,0315 g Al2 0, (mit sehr wenig F2Os), 0,0043 g MgO, 0,0150 g Chloralkalien. Letztere wurden proportional den in der ersten Lösung gefundenen Mengen der Einzclalkalien verteilt. Aus dem ungelösten Rückstand wurden durch Soda-Pottaschelösung 0,4892 g Si02 ausgezogen. Gewicht des unzersetzten Teils nach Erhitzung auf 108° 0,7554 g. Gewichtsverlust nach 2stünd. Erhitzen von 108—250" 0.0026 g „ „ weiterem 2 „ „ 108—250 0,0003 r 2 , „ 250-350 0,0018 „ „ „ weiterem 2 t „ „ 250—350 0,0000 ,. 2 „ „ „ 350—500 0,0065 „ „ „ weiterem 2 „ „ „ 350—500 0,0006 „ „ „ 20 Minuten Glühen auf Gebläse 0,0131 „ „ weiteren 10 Minuten Glühen auf Gebläse 0,0000 „ 4i Analyse des in warmer (nicht kochender) lOprozentiger Salzsäure löslichen Teils von Keuper III, welch letzterer vor der Lösung auf 500° erhitzt wurden war. 1,1842 g Substanz (entsprechend 1,1685 g getrocknete Substanz) gaben 0,0062 g Si02) 0,0246 g A1,,09, 0,0104 g Fe,Os, 0.1346 g CaO (die erste Fällung ergab 0,1394 g, die zweite verunglückte und ist analog einer anderen ganz ähn- 1 Die analytischen Relege zu den vier Rauschanalysen sind in den Rerieht en d. d. ehem. Ges. Rd. 32. 1899, Sept.-Heft abgedruckt. — 46 — liehen Bestimmung aus der ersten berechnet worden), 0,0144 g Chloralkalien, 0,0256 g K0PtCl6. Aus dem ungelösten Rückstand wurden durch Soda-Pott- aschelösung 0,0262 g Si02 ausgezogen. 5) Leichtlösliche Thonerde in Keuper I. 8,8512 g Substanz eine halbe Stunde lang mit kalter Oprozentiger Salz- säure behandelt, gaben in Lösung 0,0128 g SiÜ2 und 0,0340 g A1203, welche auch nach dem Glühen nur gelblich gefärbt war und daher nur Spuren von Eisen enthielt. Aus dem Rückstand 0,0087 g Kieselsäure (0,10%) durch NaKCOs- Lösung ausgezogen. Diese letztere Kieselsäure war wohl nicht als Silikat vor- handen, weil sich aus dem ursprünglichen Keuperpulver durch Na K C ( >3 etwa die gleiche Menge Kieselsäure ausziehen lässt. 1,2638 g Substanz gaben auf diese Weise 0,0016 g Si02 oder 0,13%. Die erste Zahl 0,10% halte ich für die rich- tigere, wegen der grösseren angewandten Menge (die kleinen Verunreinigungen der Soda-Pottasche waren berücksichtigt). Der geologische Aufbau des Steinheimer Beckens. Von Professor Dr. E. Fraas '. Es giebt keinen Fleck Erde auf deutschem Boden, der für den Geologen und Palaeontologen eine solche Fülle des Interessanten bieten könnte, als die kleine scharf begrenzte tertiäre Oase im Jura- plateau unserer Alb, die als Steinheimer Becken in der ganzen Gelehrtenwelt bekannt ist. Vor allem hat der geradezu fabelhafte Reichtum an Fossilien die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. Hier finden sich in weissen tertiären Sanden eingebettet Milliarden zierlicher Land- und Süsswasserschnecken, deren schon vor bald 200 Jahren von dem Arzte Rosinüs Lentiliüs (Eteodromus Medico-practicus, Stuttgart 1711) Erwähnung gethan wird. Diese Schnecken bilden dann später wiederum den Gegenstand eingehendster Untersuchungen, an welchen sich unter anderen besonders Klein, Hilgendorf, Sandberger und Hyatt be- teiligt haben, während die Wirbeltierfauna von 0. Fraas in mehreren Arbeiten auf das eingehendste behandelt wurde, ebenso wie wir bei Qüenstedt in verschiedenen Werken verteilt eine Fülle von Beobach- tungen finden. Wie es bei uns in Schwaben schon so häufig der Fall war, ist aber leider unter dem Eindruck der Überfülle palaeontologischer Schätze eine andere nicht minder wichtige Seite der Untersuchung, nämlich die geologische, in den Hintergrund gedrängt, ja sogar ver- nachlässigt worden. Wohl giebt die von Hildenbrantd aufgenommene Kartenskizze2 ein recht gutes Bild der bunt zusammengewürfelten 1 Vortrag bei der Generalversammlung in Heidenheim am 24. Juni 1899. 2 Geognostische Karte des Klosterberges im Steinheimer Tertiärbecken unter Anleitung und Kontrolle des Prof. v. Qüenstedt und Hauptmann Bach geognostisch untersucht von J. Hildenbrandt in den „Begleitworten zu Atlas- blatt Heidenheim", 1868. — 48 - Schichten des Klosterberges, aber 0. Fraas geht auf dieselben in den Begleitworten zu Atlasblatt Heidenheim nur wenig ein und ver- tröstet uns auf spätere Zeiten, „da eine Deutung erst möglich sei, wenn wir im benachbarten Ries Klarheit hätten". Auch Qüenstedt x weiss nicht viel mehr zu sagen , als dass Steinheim ein „Ries im kleinen" sei und dass wohl dieselben Kräfte hier wie dort thätig ge- wesen sein mögen. Da aber für die Bildung des Rieses keine ge- nügende Deutung gefunden wurde, da es, wie Deffner sich treffend ausdrückte2, „eine im Schlamm und Sand versunkene Sphinx" blieb, so gerieten auch die geologischen Untersuchungen im Steinheimer Becken ins Stocken. Branco hat zuerst wieder in neuerer Zeit die geologischen Studien unserer vulkanischen Erscheinungen auf der Alb aufgenommen und eine Erklärung unserer so eigenartigen Tuffmaare gegeben. Un- sere gemeinsamen, im Sommer und Herbst 1898 ausgeführten Arbeiten im Ries sind leider durch seine Berufung nach Berlin unterbrochen worden, doch hoffe ich, das Begonnene in Bälde zu einem gewissen Abschluss zu bringen und werde auch schon in dieser Arbeit viel- fach auf unsere gemeinsamen Studien Bezug nehmen. Inzwischen hat nun E. Koken3 die Sphinx zu entschleiern versucht und eine Reihe wichtiger und interessanter Beobachtungen zu einem Bild über die Vorgänge, welche bei der Bildung des Rieses thätig waren, zu- sammengefasst. Was für uns in Frage kommt, ist die Annahme einer zu Anfang der Miocänzeit erfolgten gewaltigen Hebung und späteren Zusammensackung im jetzigen Rieskessel, mit welcher An- schauung er sich sowohl im Einklang mit Gümbel4, wie mit der von Branco und mir gebildeten Ansicht befindet. Wenden wir uns nun den geologischen Verhältnissen des Stein- heimer Beckens zu, so haben wir uns zunächst ein Bild von der Topographie dieses interessanten Gebietes zu machen. Inmitten der vollständig ungestörten Schichten des oberen Weissen Jura, welche das Hochplateau des Aalbuches zusammensetzen, erscheint 1 F. v. Qüenstedt, Das Steinheimer Becken, diese Jahresh. XXII, 1866. S. 116 ff. 2 Diese Jahresh. XXVI , 1870. S. 141 (Der Buchberg bei Bopfingen von C. Deffner). 3 E. Koken, Geologische Studien im fränkischen Ries. Neues Jahrb. für Min. etc. Beil.-Bd. XII. 1899. S. 477—534. 4 C. W. Gümbel, Über den Riesvulkan und über vulkanische Erschei- nungen im Rieskessel. Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wiss. München 1870. I. S. 153-201. 49 — CO o 03 ;: .- ^C --} o s JS "E _i r- CO O „■ i -ii ~ o 1 q5 o lH CO 'S S "3 ^5 s CO ™ s N -O fc> CO QJ oä P" ■r. -)^> *(H ■4J CO CO fe s j. ■C. — C Qj CO CO _i: — ^ 1 g 'co S 1 — CO 93 — Sl CS a ^s CO CD S-l '-3 <72 O 'S cu &*^3 "c WKC G o +3 c <2 n -= = T, cd «» ~ ^ 1-5 l-J H Eh C -< "X3 CO 9 .5 ÖD -_, ir tu 'S Q 3 S»o s- * -5 ^ 9 -3 Ö « £ p c s -' c I! II 2 o c c Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. — 50 — eine annähernd kreisrunde Mulde von nur 2x/2 km Durchmesser ein- gesenkt. Der Eindruck eines ringsum geschlossenen Beckens ist frei- lich jetzt durch die spätere Erosion etwas beeinträchtigt, doch keineswegs so sehr, dass es nicht leicht fallen würde, das ursprüng- liche Bild sich klar vorzustellen. Inmitten dieses Kessels erhebt sich ein kleiner Berg, der Klosterberg, auf dessen östlicher Höhe sich der Klosterhof befindet, während sich der Ort Steinheim an seinen nördlichen Abfall anlehnt. Untersuchen wir das Gesteinsmaterial im Steinheimer Becken, so fällt uns zunächst auf dem normalen oberen Weiss-Jura aufgelagert am Rande ein Trümmermaterial auf, das aus vollständig zertrümmertem und zersplittertem Weiss-Jura besteht und als Weiss- Jura-Breccie oder Griesfels zu bezeichnen ist, jedem Besucher und Kenner des Rieses ein bekanntes und vertrautes Gestein. 0. Fraas (Begleitworte S. 13) giebt eine treffliche Charakte- ristik der eigenartigen Bildung dieses „Schuttwalles eines zer- trümmerten Jura" , welcher das Ries umgiebt. Es ist das Produkt von rüttelnden und jeglichen Verband in den Schichten lösenden Kräften, welche hier in der Umgebung des Steinheimer Kessels das Juragestein in Schuttfels verwandelt haben. Interessant und für die Altersbestimmung des Griesfels von Wichtigkeit ist die Beobachtung, dass in der Nähe des Beckens die Jurastücke zu fester Breccie verkittet sind und zwar durch einen Kalk, der sich durch seine Schneckenfauna als zweifellos miocäner Landschneckenkalk (oberer Süsswasserkalk der Donaugegend) bestimmen lässt. Je näher wir dem Rande des Beckens kommen, desto mehr häuft sich der tertiäre Süsswasserkalk , der anfangs in Knauern und plumpen Felsenkalken auftritt , gegen das Becken hin aber in plattige Kalke übergeht. Diese Süsswasserkalke sind , wie schon erwähnt, nach ihrer Fauna mit den oberen Süsswasserkalken der Ulm — Ehinger Gegend in Einklang zu bringen, haben aber mit den typischen Schneckensanden am Klosterberg wenig gemein1. Die 1 Vergl. hierüber 0. Fraas in den Begleitworten S. 13 und 14 und die Ausführungen von C. Miller in diesem Band unserer Jahreshefte. Wenn Quenstedt (diese Jahresh. S. 121) angieht, dass diese Kalke „von den Stein- kernen der Valvata multiformis wimmeln", so kann er wohl kaum darunter die Carinif ex-Arten verstehen , mir ist wenigstens weder aus der Natur noch un- serem Sammlungsmaterial ein derartiges Vorkommnis bekannt. Es dürfte wohl die flache Planorbis Hügendorfi Fe. gemeint sein, deren Vorkommen im „Schnecken- sand" aber nicht nachgewiesen ist. — 51 — Niederung des Beckens selbst ist mit alluvialen und diluvialen Schottergebilden, z. T. mit Torfbedeckung erfüllt und lässt uns be- züglich des Untergrundes im Unklaren. Wenden wir uns nun dem Klosterberge, etwa von Norden her, zu , so haben Grabungen von Brunnen im Ort Steinheim steil auf- gerichtetes Weiss- Jura ß ergeben, dessen stark gestörte Bänke wir zuweilen auch anstehend finden ; an das ß schliesst sich nach Süden Weiss- Jura a an , und erst am Südabhang finden wir wiederum /y-Kalke. Dies hätte an sich nichts Befremdendes und würde sich ungezwungen durch eine, wenn auch vielfach gestörte, sattelförmige Aufwölbung erklären lassen, wie ich es auch in meinem Profil dar- gestellt habe. Ganz eigenartig und merkwürdig ist nun aber, dass wir im weiteren Anstieg des Berges unverkennbare Opalinus-Thone und Eisenerze der Murchisonae-Schichten (Braun- Jura a und ß) vorfinden; an diese anschliessend im Norden Fetzen von Lias (Lias d, e und C), im Süden ebenso wie am Klosterhof verworrene Ablagerungen von höheren Braun- Jura-Schichten (Braun- Jura y — C). Alle diese Schichten des Lias und Dogger sind ganz ausserordentlich gestört und zer- rüttet, so sehr, dass die einzelnen Petrefakten zersplittert und zer- presst erscheinen und z. B. die Belemniten jenes aus dem Ries be- kannte zersplitterte und wieder verkittete Gefüge aufweisen. Trotz- dem lässt sich aber ein gewisser Zusammenhang der Schichten nicht verkennen, indem sich im Norden der Lias normal an den Opalimts- Thon anreiht und auch am Steinhirn im Süden die Schichten nor- mal nach oben fortsetzen, ja, dort sogar einen gewissen Anschluss an den unteren Weiss- Jura erkennen lassen1. Dagegen fehlt im nördlichen Teile des Klosterberges jeglicher Zusammenhang zwischen der aus Lias und Dogger bestehenden Decke und den Weiss- Jura a- und /^-Schichten, welche gleichsam die Basis des Berges bilden. Um diese Lagerung zu erklären , können wir, wie dies Koken im Kies annimmt , eine Aufpressung und Durch- brechung des Weiss- Jura durch die Schichten des Dogger voraussetzen. Wir würden dann in dem, wie wir sehen werden, schon stark empor- getriebenen unteren Weiss-Jura-Pfropfen einen centralen, noch stärker aufgepressten Teil bekommen, in welchem selbst noch die Schichten des Lias zu Tasre treten. 1 Nicht geklärt sind die Lagerungsvoihältnisse am Klosterhof und im Ge- lände südlich desselben. 4* - 52 — Wie ich jedoch schon andeutete, machen die Lagerungsverhält- nisse viel mehr den Eindruck, als ob der Lias und Dogger dem weissen Jura aufgelagert wäre, gleichsam auf ihm eine Decke bilden würde. Ganz besonders deutlich spricht sich diese Art der Lagerung in der Thalmulde aus, welche sich vom Ort Steinheim her nach dem Kloster- berg hinaufzieht. Diese Thalmulde greift tief in das Doggergebiet hinein, entblösst aber allenthalben unter den Opaliniis-Thonen den unteren Weiss-Jura, so dass kaum ein Zweifel übrig bleibt, dass der Weiss-Jura unter dem Dogger durchsetzt. In diesem Falle sind die Lagerungsverhältnisse nur durch eine Überschiebung zu erklären, welche derart zu denken ist, dass eine randlich aufgepresste Scholle über den centralen Teil herübergelegt und über ihn weggeschoben wurde. Nach allen Beobachtungen ist anzunehmen, dass diese Überschiebung von Süd nach Norden sich bewegte, wodurch es sich erklärt, dass im Norden der mittlere Lias auf Weiss-Jura ß aufliegt, während im Süden noch ein gewisser Verband zwischen dem über- schobenen Dogger und dem darunter liegenden Weiss-Jura erkannt werden kann (vergl. das Profil). So wahrscheinlich aber hier am Klosterberg die Lösung der Lagerungsverhältnisse durch Annahme einer Überschiebung gemacht ist, so fehlt doch der sichere Beweis dafür; dieser aber kann nur durch einen künstlichen Aufschluss er- bracht werden, nämlich durch eine Durchteufung der oberen Scholle: wenn man unter dem Opalinus-Thon des Klosterberges wiederum auf Weiss-Jura a oder ß stösst, so wird wohl kaum jemand an der Richtigkeit meiner Annahme zweifeln können. Ich wünsche und hoffe, dass sich bald Mittel und Wege finden lassen werden, welche zur Ausführung dieses wissenschaftlich so interessanten Versuches führen werden. Der Versuch darf um so wichtiger für die Auf- fassung unserer Lagerungsverhältnisse angesehen werden , als er jedenfalls auch aufklärend auf die ganz analogen Verhältnisse am Rande des Rieses wirken muss. Auch dort haben wir es meiner Überzeugung nach mit grossartigen, weitgehenden Überschiebungen zu thun , welche mit der Aufpressung des Rieses im Zusammen- hang stehen. Von der überschobenen Decke sind freilich nur noch wenige Überreste, sogen. „Klippen", erhalten, welche in ganz ab- normer Lagerung Schichten ganz verschiedenen Alters übereinander gelagert zeigen, sei es nun Dogger oder die sogen, „bunte Breccie" Gümbei/s auf Weiss-Jura oder Jura-Gries auf Granit u. dergl. ; sie alle sind Zeugen von mehr oder minder starken horizontalen Verschiebungen. Deffner hat mit seinem Schacht am Buchberg I 53 - (diese Jahresh. KXVI, 1870) erwiesen, dass dort unter dem Braun .Iura ß der normale Weisse Jura lagert und Koken hat meiner An- sicht nach diesen Befund nicht entkräftet, wenn er auch die be- wegende Kraft in glacialen Erscheinungen sucht. Dass sowohl bei einem Horizontalschub tektonischer Art, wie bei einem Gletscher- schub ganz ähnliche Erscheinungen (geschrammte und geglättet»! Flächen des Untergrundes, gekritzte Geschiebe und ein buntes Ge- menge von Gesteinsmaterial) entstehen können, wird wohl niemand leugnen , dass aber nicht ganze Schollen in toto durch lokale Gletscher bewegt werden, wird wohl auch zugegeben werden müssen. Pharion'sche Sandgrube. Fig. 2. Profil durch die tertiäre Anlagerung an der Westseite des Klosterberges. .1 « = Weisser Jura «. J ß — Weisser Jura ß. ()« = Opalinus-Thone (überschoben). Oß — Personaten-Sandstein (überschoben). Tk = Tertiärer Sprudelkalk mit Landschnecken. Ts = Tertiäre Schneckensande und zwar I. untere Zone mit Planorbiden (Fischschichten), IL mittlere Zone mit Carinifex midtiformis, III. obere Zone mit Planorbis Kraussii und Carinifex oxystoma. 1 » = Diluvium und Alluvium. Hier kann, wie bereits gesagt, nur das Experiment eine endgültige Entscheidung bringen 1. Kehren wir wieder zu unserem Profil am Klosterberg von Stein- heim zurück , so sehen wir , dass auf diesen so stark gestörten 1 Dabei möchte ich übrigens betont haben, dass ich keineswegs gegen die Annahme von Vereisungen und Gletscherbildungen auf unserer Alb und selbst im Unterland auftreten will, ebenso wie ich das oben Gesagte nicht auf die ganz eigenartige Anhäufung am Lauchheimer Tunnel bezogen wissen möchte. — 54 - Schichten des Klosterberges jüngere tertiäre Ablagerungen gleich- sam einen Mantel bilden, der nur auf der Nordseite unterbrochen ist1. Zunächst sehen wir wiederum obermiocäne Süsswasser- kalke in Gestalt typischer Sprudelkalke entwickelt. Es kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass es warme Quellen waren, welche hier die massenhaften Absätze von Kalk herbeiführten, ganz analog den Sprudelkalken vom Goldberg und Wallerstein im Ries. Noch vor wenig Jahrzehnten bildeten die Felsennadeln dieser Kalke einen förmlichen Kranz auf dem „Steinhirn" des Klosterberges, heute sind sie bis auf einen einzigen der Gewinnsucht zum Opfer gefallen und als geschätztes Strassenmaterial verkauft worden. An der West- und an der Ostseite finden sich nun angelagert an die Süsswasser- kalke und abgestürzte Blöcke desselben umschliessend die be- rühmten Schneckensande , in welchen zwei Sandgruben, die von A. Phaeion im Westen und die von Kopp im Nordosten des Berges, angelegt sind. Aus der PHARiON'schen Grube, und zwar in erster Linie dank der unermüdlichen Aufmerksamkeit des Besitzers, stammen fast alle die prächtigen Fundstücke fossiler Wirbeltiere , welche die Zierde unserer vaterländischen Sammlung bilden. Wie schon zu Anfang erwähnt, sind diese Schneckensande und ihre Fauna Gegenstand zahlreicher Untersuchungen geworden , auf welche näher einzugehen jedoch hier nicht der Platz ist. Bezüglich der Lagerung ist zu beachten, dass dieselbe wohl kaum mehr die ursprüngliche ist, sondern dass das starke Einfallen der Schichten vom Klosterberg gegen die Thalniederung nicht ausschliesslich auf Anlagerung, sondern zum grössten Teil auf spätere Senkungen zurück- zuführen ist. Was die Stratigraphie der Schneckensande anbelangt, so sei nur erwähnt, dass man sowohl petrographisch wie faunistisch einzelne Horizonte unterscheiden kann. Zu unterst lagern schmierige Kalkmergel mit zahlreichen Lymnaeen und flachen Planorbiden. In den höheren mehr kalkigen Lagen finden sich die Platten häufig bedeckt mit Fischen ; zugleich stellen sich hier auch die typischen Schneckensande mit den vielumstrittenen Carinifex-Arten ein , von welchen die flachen scheibenförmigen Arten unten, die turmförmigen oben liegen. Neben Garinifex treten jedoch auch in Menge kleine Planorbiden, sowie Lymnaeen, Heliciden, Pupen, Clausilien etc. auf, während gleichsam die Grundmasse des Sandes aus Characeen und 1 Die Annahme von 0. Fr aas (Begleitworte S. 14), dass „das ältere Ge- birge im tertiären Sand und Kalk drinstecke", ist sicher nicht richtig, das Tertiär ist dem älteren Gebirge an- und aufgelagert. Gryllia utriculosa besteht. Nach oben werden die Sande wieder schleimiger und von Kalkmergeln durchsetzt, die leitenden Schnecken sind die gerundeten flachen Carinif 'ex- Arten (C. revertens und supremus) , sowie der schöne Planorbis Kraussii Kr,. Die Bildung der Sprudelkalke und der Absatz der Schneckensande scheint zeit- lich annähernd zusammenzufallen, dagegen sind diese beiden jünger als die Süsswasserkalke am Rande des Beckens. Aus diesen so eigenartigen Lagerungsverhältnissen haben wir uns nun ein Bild über die Entstehungsgeschichte und Bildung des Steinheimer Beckens mit seinem Klosterberg zu machen, und zu untersuchen, welche Kräfte dabei mitgespielt haben. Lassen wir zunächst die Scholle von Braun- Jura unberück- sichtigt, so sehen wir, dass am Klosterberg Weiss-Jura a und ß in derselben Höhenlage mit dem angrenzenden Weiss-Jura « und L an- stehen; die umliegenden Juraschichten (s und £) sind, abgesehen von der nächsten Umgebung des Beckens, nicht gestört, folglich müssen die Schichten des Klosterberges gehoben sein und zwar um rund 150 m, denn so tief müsste man etwa hinuntergehen, um unter dem Epsilon die a — /^-Schichten zu erreichen \ Nun stellt das Stein- heimer Becken einen kreisrunden Ausschnitt im Gebirge dar, der gleich- sam wie ein mächtiger Pfropfen 150 m hoch herausgetrieben wurde. Die Kräfte, welche etwas Derartiges bewerkstelligen, können nur vulkanischer Natur gewesen sein, denn wir können uns keinen doch immer seitlich wirkenden Schichtendruck vorstellen, der einen runden Pfropfen aus der Tiefe nach oben treibt. Unwillkürlich werden wir sofort an die Maare unserer Alb erinnert, welche uns Branco so trefflich als die Schusskanäle vulkanischer Explosionen vorgeführt hat. Während hier aber ein Überschuss von Kraft das gesamte Material aus dem Schlot herauswarf und das Loch bis zur Oberfläche durchschlug, blieb in Steinheim wie im Ries der Vulkan- embryo, wenn ich mich etwas drastisch ausdrücken darf, im Schosse der Mutter Erde stecken und blieb ungeboren. Es war nur ein Rütteln und Schütteln, ein Drängen nach oben und ein misslungener Versuch, die Decke zu sprengen und explosiv zu werden. Die Ursache, dass es nicht zur Explosion kam, ist wohl darin zu suchen, dass es in der Tiefe an den nötigen explosiven Kräften , also vor allem an Wasserdampf gefehlt hat, wie anderseits die Grösse des Störungs- 1 Es sind hierbei die mittleren Mächtigkeiten der Weiss-Jura-Schichten an- genommen, wie wir sie im benachbarten Koeherthale und bei Weissenstein finden. - 56 — gebietes selbst hier in Steinheim, noch viel mehr aber im Ries auf eine ganz gewaltige Ausdehnung der nach oben pressenden Massen hindeutet. Vulkanische Massen , welche in der Tiefe stecken ge- blieben sind und dort erstarrten, sind vielfach bekannt und werden als Lakkolithen bezeichnet. Wir wissen auch, dass dieselben im stände sind, die darüberliegende Decke emporzupressen und auf- zuwölben, wenn auch die im Ries and dem Steinheimer Becken vor- liegenden Verhältnisse ganz einzig in ihrer Art sind. War die auftreibende Kraft auch keine explosive , so genügte sie doch , um eine fürchterliche Zerrüttung und Zerstörung in der gehobenen Decke hervorzurufen. Die spröden Kalke des oberen Weiss-Jura wurden nicht nur im Herde selbst , sondern auch noch in weiter Umgebung zu Gries zertrümmert , die mehr plastischen Thone des mittleren und unteren Weiss-Jura wurden förmlich durch- knetet, so dass selbst die Belemniten in zahllose Bruchstücke zer- sprengt sind. Kein Wunder, wenn dabei zuweilen das untere zu oberst gedreht und eine Scholle von Braun-Jura über den Weiss-Jura ge- schoben wurde, wie wir dies bei den Lias- und Doggerschichten des Klosterberges finden. Die nächste Folge der vulkanischen Thätigkeit war demnach, dass das heutige Becken einen hoch aufgetriebenen Berg auf dem Juraplateau darstellte , aber einen Berg , der durch und durch zer- trümmert war und deshalb gar schnell der Erosion zum Opfer fiel und zwar viel schneller als das feste ungestörte Gestein der Um- gebung. An den Rändern war die Zertrümmerung am grössten und deshalb ging dort die Abwaschung am raschesten vor sich, während der innere Kern etwas mehr Widerstand leistete. Die zweite Phase unseres Vulkans ist dadurch gekennzeichnet, dass der Lakkolith in der Tiefe erstarrte und dabei sein Volumen verkleinerte ; infolge- dessen erfolgt ein Nachsacken der darüber liegenden Decke, so dass an Stelle des Berges allmählich ein runder maarartiger Kessel tritt, in welchem nur der mittlere Teil noch aufragte , da er ein festeres Gefüge hatte und deshalb der Abtragung durch die Tagvvasser besser widerstand. Auch die Randzone wurde teilweise in Mitleidenschaft gezogen, wie wir an den zuweilen steil gegen das Becken geneigten Schichten des oberen weissen Jura erkennen. Der Kessel selbst wandelte sich allmählich in einen See um, an dessen Ufern sich die für jene Zeit charakteristische Schneckenfauna einnistete, während das gelockerte Schuttmaterial durch die Absätze von kohlensaurem Kalk zu fester Breccie verkittet wurde. — 57 Gleichsam als Nachwehen der verfehlten Geburt sehen wir nun in diesem Kessel Kohlensäuregase und heisse Sprudelquellen auf- steigen, welche mit ihren Kalksintern einen schützenden Mantel über die gehobenen Schollen breiten. Das mächtige Anschwellen der Sprudelkalke und die steile Anlagerung der Sande ist wohl darauf zurückzuführen, dass die Senkung und Bewegung des Bodens noch keineswegs abgeschlossen hatte, sondern stetig anhielt. Durch den Zufiuss der warmen Quellen in das Seebecken erhielt diese Gegend ein eigenartiges Gepräge, insbesonders bezüglich ihrer Fauna, und vergebens sucht man landauf landab nach einem ähn- lichen Reichtum der fossilen Tierwelt. Ein überaus belebtes Bild entwickelt sich vor unserem geistigen Auge, wenn wir uns das da- malige Leben und Treiben der Tierwelt vergegenwärtigen und nicht mit Unrecht, spricht 0. Fraas von der tertiären Oase des Stein- heimer Becken. Das mit Characeen und Schilfen bewachsene Seebecken und Ufer war der Tummelplatz einer sowohl bezüglich der Massenhaftig- keit wie des Formenreichtums ganz einzig dastehenden Schnecken- fauna, unter welchen die Garinifex und Planorbiden die erste Stelle einnehmen. Ausserdem war das Wasser belebt von zahlreichen Barben, Hechten und Weissfischen neben grossen tropischen Sumpf- schildkröten. Zugleich aber bildete diese Oase in der wahrschein- lich auch damals schon wasserarmen Gegend des Albplateaus eine Tränke, nach welcher von nah und fern die Tiere zogen. Es waren jene eigenartigen Bewohner aus der jüngeren Tertiärzeit, deren Nach- kommen , soweit wir überhaupt von solchen reden können , wir in der Tierwelt des südlichen Asien und in den Sunda-Inseln wieder- finden. Da sehen wir zierliche Muntjak-Hirsche (Trox furcaitus) in Rudeln daherziehen, gemischt mit dem stattlichen Palaeomeryx eminens, einem wahrscheinlich geweihlosen Hirsche von der Grösse des Elches, dem schlanken Moschustier und dem kaum l/2 m hohen Zwerghirsch (Micromeryx Flourensianus) \ hier stellt sich auch das dreizehige Pferd, Anchitherwm, ein. An dem sumpfigen Ufer wälzen sich Wasserschweine aller Art und vor allem weiden hier in Menge die gewaltigen Nashörner oder Rhinoceroten. Freilich gilt der Name nicht für alle Steinheimer Arten , denn ein grosser Teil ent- behrte noch der Waffe auf der Nase und gehört zur ausgestorbenen Gruppe der hornlosen Aceratherien. Der Riese in der Tierwelt war der Zitzenzahn-Elefant (Mastodon angustidens) , von welchem ein grosser Teil des Skelettes in der PHARiON'schen Grube gefunden 58 — wurde, dessen Dimensionen denjenigen des Mammuts kaum nach- stehen. So wenig wie heute an den Oasen, herrschte auch da- mals nur Friede und Ruhe , sondern Kampf und Verderben brin- gend stellten sich die Räuber in der Tierwelt ein ; hier lauerte auf sichere Beute der bärenartige Amphicyon , die tigerartige Katze mit dem fürchterlichen Gebiss , Machen roäns , der schlanke Ailurus , ferner Zibetkatzen , Fischottern und ein seltsames dachs- ähnliches Wesen , das Trochotherium , dessen Skelettreste bis jetzt überhaupt nur von Steinheim bekannt sind. Zahlreiche Nagetiere und Insektenfresser, ferner Vögel wie Ibis, Pelikan, Gänse und Sumpfhühner, sowie Eidechsen, Varanus, Pseudopus, Schlangen, Landschildkröten und Frösche vervollkommnen das Bild der da- maligen Tierwelt. Diese Glanzperiode des Steinheimer Beckens fällt in den Ab- schluss der Miocänzeit, wie wir aus dem Vergleich der Fauna mit derjenigen anderer Ablagerungen mit Sicherheit bestimmen können. Die späteren Zeiten haben uns weniger deutliche Spuren hinter- lassen, denn mit dem Versiegen der Quellen hörte die Gesteins- bildung im Steinheimer Becken auf. Wohl scheinen die Nach- sackungen um den Klosterberg herum noch längere Zeit angehalten zu haben, denn auch die jüngsten Bänke des Tertiärs weisen noch Veränderungen in der Lagerung auf, ob sie aber bis in die Diluvial- zeit gereicht haben , wage ich nicht zu entscheiden. In dieser Periode war offenbar die Barre gegen das Stubenthal schon ge- brochen und wurde durch Gletscher oder Wasser erweitert, während die Niederung des einstigen Sees mit jurassischen Schuttmassen und Lehm 1 erfüllt wurden , bis sich allmählich das landschaftliche Bild herausgestaltete, welches heute das Becken von Steinheim bietet. Zum Schluss möge nur nochmals kurz auf die grosse Analogie zwischen Steinheim und dem Ries hingewiesen werden. Hier wie dort dieselben Vorgänge bei der Entstehungsgeschichte, erst ein ge- waltiges Emporpressen, das freilich im Ries ganz andere Dimensionen annahm und sich viel grossartiger in der Erschütterung und Um- wälzung des Randgebietes kundgiebt, ebenso wie im centralen Teil der Granit bis in das Niveau des weissen Jura gepresst wurde. Dann eine lang anhaltende Phase des Zusammensinkens , im Ries verbunden mit Explosionen vulkanischer Massen auf den randlichen 1 Im Lehme fanden sich an der Ziegelei Reste von Elephas primigenius. — 59 — Spalten \ im centralen festeren Gebiete aber, wie bei Steinheim, ge- kennzeichnet durch Ausströmen warmer Kohlensüuerlinge, welche zu gewaltigen Sprudelkalkbildungen führen und die umliegende Niederung in Sümpfe und Seen umwandeln. Ob aber unser Steinheimer Becken im direkten Zusammenhang mit dem Ries steht oder ob es einen, wenn auch nahezu gleichaltrigen , selbständigen Eruptionsherd dar- stellt, das wage ich zur Zeit noch nicht zu entscheiden. 1 Es ist mir wahrscheinlicher, dass die Eruptionen erst in die Phase des ruhigen Zusammcnsinkens fallen , da sie keine Spuren der vorangegangenen in- tensiven Störungen aufweisen. Manuskript abgeschlossen 7. Oktober 1899. Beiträge zur Formenkenntnis der einheimischen Anodonten mit besonderer Berücksichtigung der württembergischen Vorkommnisse. Von Dr. Otto Buchner, Assistent am Kgl. Naturalienkabinet in Stuttgart. Mit 4 Tafeln. Inhaltsverzeichnis. Seite Litte ratur Verzeichnis 62 Vorwort 66 I. Einleitende Betrachtungen 73 Die hauptsächlichsten früher aufgestellten Species der einheimischen Anodonten 75 Lea's Vereinigung der europäischen Species unter Anodonta cygnea L. 7(S Clessen's Darstellungen und sein System der fünf Variationscentren 77 Die Nouvelle Ecole 78 Notwendigkeit der Festlegung mehrerer individueller und örtlicher Nebenmodifikationen als Zwischentypen und Kobelt's Aufruf . . 80 Notwendigkeit einer Begriffsbezeichnung, unter welcher neue Zwischen- formen zu beschreiben sind und Stellungnahme zum Artbegriff . 82 Anodonta „mutabilis" Clessin 89 Notwendigkeit der diagnostischen Beschreibung auf Grund ganzer Formenserien und Hervorhebnng der allen Individuen zukommenden specifischen Merkmale 96 Die dreierlei Hauptformenkreise unserer Anodonten 98 Die Langschnabelformen 99 II. Welche Ausbildungsstufe unserer grossen Teichmuschel ist als die typische zu betrachten und mit dem Namen d er A rt, A nodonta cy gnea L., zu belegen? 100 Frage der Herkunft (Ableitung) der Anodonten 101 Frage nach der Bildungsstätte derselben 102 Sind (he Fluss- und Seeformen ursprünglicher Natur oder sekundäre Rückbildungen? 105 Die typische Anodonta cygnea L. kann als Artrepräsentant gelten 105 Betrachtungen über die mutmassliche Umbildung des e^nea-Typus in piscinalis Nils 108 cellensis Schrot 109 anatina L • 112 - 61 — Seite lacustriiui Cless 113 Einteilung der Formenkreise 115 III. Welche Form repräsentiert den Typus der Varietät cellensis Schrot.? 116 Die verschiedenen Auffassungen 117 Die Geschlechtsunterschiede der Anodonten in den Schaleniuerkmalen 117 Die alte „Art" Anodonta cellensis Schrot 11K Was ist Ha/.ay's cellensis-FoTm? 121 Was ist die I'keikkkk'scIk' Anodonta ventricosa? 124 IV. Wie ist die var. piscinalis Nils, aufzufassen? 125 Hat var. piscinalis Nils, eine besondere Jugendform? 128 Was ist unter der Altersform der var. piscinalis Nils, zu verstehen? 128 V. Einige Bemerkungen über die Anwendung der Begriffe „varietas", „sub varietas", „forma" etc 131 VI. Specialbetrachtung der einzelnen Variationscentren und ihrer Nebenmodifikatio n en 133 1. Anodonta cygnea L. Typus 133 forma compressa m 141 ventricosa Pfr 141 reniformis m 142 acutirostris m 142 ,, longirostris m 143 ,. recurvirostris Küst 143 decurvata m 144 „ cellensoidea m 144 subvarietas tenuissima m 148 ,, cordata Rossm 150 Brot's varietas rostrata 150 2. var. cellensis Schrot 153 forma ventricosa Pfk 161 subvarietas fragilissima Cless 162 ,, longirostris m 166 forma a) orthorhyncha m 167 b) recurvirostris Küst. 168 „ c) decurvata m 170 3. var. piscinalis Nils 173 forma longirostris m. (formae longirostres) 180 „ a) orthorhyncha m 180 ,, b) recurvirostris m 180 ,, c) decurvata m 180 subvarietas diminuata Cless 181 forma a) orthorhyncha m 182 ,. b) decurvata m . 182 subvarietas ponderosa Pkr 184 4. var. OHflh'wa L 185 forma longirostris m. 189 subvarietas suevica Kobelt 191 — 62 - Seite forma a) elliptica m 191 ,, b) decurvata m 191 5. var. lacustrina Cless 191 subvarietas oviformis Cless 199 forma longirostris m 199 VII. Kurze, übersichtliche Zusammenstellung der 5 Varia- tionscentren von Anodonta cygnea L. nebst den be- achtenswertesten Nebenmodifikationen 200 VIII. Anodonta complanata Zglr 204 IX. Übersicht der Verbreitung der Anodonten in Württem- berg • 207 X. Anhang. Vergleich einer Anzahl ausländischer Anodontenformen mit den einheimischen Variationstypen der Anodonta cygnea L. . . 215 Literaturverzeichnis. 1. De Betta e Martinati: Catalogo dei Molluschi terrestri e fluviatili viventi nelle Provincie Venete. Verona 1855. 2. 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X. 1890. S. 205 ff. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wilrtt. l:'00. 66 — Vorwort. Die grossen Schwierigkeiten , welche einer klaren und über- sichtlichen Einteilung und Zusammenfassung der unendlich wechsel- vollen Formen unserer einheimischen Anodonten nach wie vor noch immer entgegentreten, veranlassten den Verfasser dieser Abhandlung bei Gelegenheit der Neuaufstellung des ausserordentlich reichen Materials der Sammlung des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg im Kgl. Naturalienkabinet zu Stuttgart, durch eine eingehende Revision der Varietäten unserer Teichmuscheln auch ein- mal wieder einen kleinen Ansturm gegen das so schwer zu be- kämpfende Heer dieser Kreaturen zu versuchen. Ich kam bald zu der Überzeugung, dass diese Schwierigkeiten zum Teil wohl darin ihre Ursache haben dürften, dass zunächst in der Auffassung der von Clessin (11) festgestellten und bis heute meiner Ansicht nach mit voller Berechtigung aufrecht erhaltenen „Standortvarietäten" unter den neueren Malakologen noch immer keine völlige Übereinstimmung herrscht, infolgedessen die Beschrei- bungen einiger gleichbenannter Formen in verschiedenen darauf sich beziehenden Abhandlungen in manchen, teilweise sogar entscheiden- den Punkten auseinanderweichen. Weiterhin aber möchte ich den Grund für den oben erwähnten Übelstand , insbesondere für die Schwierigkeit der Bestimmung der verschiedenen Formen, auch darin erblicken, dass die bezüglichen Diagnosen für die als Variations- centren zu betrachtenden Standortvarietäten, anstatt alle zu be- obachtenden Formenschwankungen derselben nach Möglichkeit zu umfassen, einerseits den Schwerpunkt vielfach auf Merkmale legen, welche nur den normalen oder Durchschnittsformen zukommen, während sie anderseits das eigentliche, bei allen Individuen ins Auge fallende Charakteristikum für die jeweilig vorliegende Standort- varietät noch nicht scharf genug hervorheben. Wenn Miller (69) in seiner Schrift über die Schaltiere des Bodensees schreibt: „bis vor kurzem zählte man bei uns etwa ein halbes Dutzend Arten von Teichmuscheln ; aber so oft man eine bestimmen wollte , war man in Verlegenheit, wo sie unterzubringen sei, denn sie passte in der Regel auf keine Beschreibung ganz und auf jede ein wenig", so möchte ich fast zu behaupten wagen , dass dieser Satz trotz der segenbringenden Umwälzung, welche Clessin's (11) vortreffliche Untersuchungen und Darlegungen in die Formenkenntnis unserer — 67 — Teichmusclieln hineinbrachten, auch heute noch bis zu einem ge- wissen Grade Geltung hat. Da liegt doch die Frage nahe, ob dem nicht noch etwas weiter abzuhelfen sei, und ich meine, dass es sich ganz entschieden lohnt, die Sache nach dieser Richtung einmal wieder zu verfolgen. Nach längerem Studium der meistenteils prächtigen Serien unseres Anodontenmaterials aus ganz Deutschland, insbesondere aber aus unserem engeren Vaterlande Württemberg, kam ich zur Erkenntnis, dass jede dieser Standortvarietäten in der Ausbildungsstufe als Reprä- sentant des betreffenden Formenkreises in ihrer vollendeten Altersform neben einigen anderen, mehr untergeord- neten Eigentümli chkeiten thatsächlich mindestens ein speeifisches Hauptmerkmal hat, an welchem sie so weit erkennbar ist, dass man sie auch bei weitgehendsten individuellen Formenschwankungen nicht leicht mit einer andern verwechseln kann. Wenn einmal dieses speeiiische Merkmal bei dem jeweiligen Variationscentrum in durchaus klarer und unzweideutiger Wreise festgelegt ist, dann wird auch schliesslich die Beurteilung der Nebenmodifikationen und Übergangsformen zwischen den einzelnen Variationscentren, wenngleich noch immer schwierig , so doch nicht mehr so fast ganz unmöglich sein, wie das heutzutage noch viel- fach der Fall ist, namentlich betreffs der Kümmerformen und Lang- schnabelformen. Aus diesem Umstand eben, dass die Charakteristika der Cles- siN'schen Standorttypen noch nicht scharf genug fixiert sind, resultiert meiner Meinung nach ganz besonders die absolut unklare Be- grenz u n g d e s c e 1 1 e ns i s - B e g r i f f e s ; es figurieren hierunter eine Menge von Anodonten, die grossenteils zu den anderen Formenkreisen zu zählen sind. Das zeigt sich sehr deutlich in den verschiedenen Sammlungen, indem man einerseits sehr oft etwas kleinere längliche, meist weibliche cy<7wea-]ndividuen und grössere Langschnabelmodifi- kationen der var. piscinalis Nils, in den cellensis-Senen, ein anderes Mal wieder kürzere und grössere cellensis- und piscmalis-lndiiidaen in der cv/#nea-Gesellschaft liegen sieht. Dieser unklare cellensis-Begiiff kommt aber auch davon her, dass neuere Autoren, insbesondere Clessin (18. 19. 25) und Hazay (50), von der Auffassung, welche die älteren, wie Pfeiffer (71), KüSTEB (59), Schröter (75), Kossmässler (73), von der ursprünglichen „Species" eelhnsis hatten, abgewichen sind. Clessin (19) fasst die Anodonta cellensis Schrot, im weitesten Sinne auf, indem er alle jene zum — 68 — Teil in der Grösse stark reduzierten , höchst merkwürdigen , meist aufwärtsgekrümmten Langschnabelformen der stagnierenden Altwasser und schlammigen Flussbuchten in den Rahmen des Typus mit herein- zieht, während die ursprüngliche „Species" ceUensis lediglich eine grosse, schön ausgebildete Teichmuschel ohne auffallende Schnabel- bildung repräsentierte. Hazay (50) seinerseits erklärt die Aaoäonta ceUensis Schrot, als die weibliche Form der typischen cygnea L. und amalgamiert sie vollständig mit diesem Typus. Auf solche Weise jedoch wächst das Wirrsal immer mehr, und darin liegt umgekehrt wiederum die Ursache des Mangels in der Präcisierung und Einheit- lichkeit der Diagnosen. Fernerhin scheitert ein genaueres Auseinanderhalten der cen- tralen Ausbildungsstufen für die Standortvarietäten auch an der Folge des eben erwähnten verwirrten ceUensis- Begriffes, nämlich an einer teils unrichtigen, teils zu einseitigen Auffassung der „rostrata"- Modifikation, indem dieselbe vielfach ausschliesslich als ein Produkt besonderer Beschaffenheit des Wohnplatzes und teilweise als eine besondere Varietät angesehen, vom grösseren Teile der neueren Kon- chyliologen nur dem ctUensis-Typxxs , von einigen anderen aber nur der piscinaHs-Form untergeordnet wird. Auf letzterem Standpunkt stehen z. B. Hazay (50) und namentlich v. Gallenstein (40). Freilich spielen die Verhältnisse des Wohnortes nachgewiesener- massen eine sehr bedeutende Rolle betreffs der Schnabelverlängerung bei unseren Teichmuscheln ; die Modifikation aber ausnahmslos nur auf diesen Faktor zurückzuführen, ist nach meinen neuesten Beob- achtungsresultaten entschieden zu einseitig. Ich werde im Verlauf meiner Abhandlung mittels Beispielen darauf hinweisen, dass die rostrat a-Modifikation unserer Teichmuscheln in ver- schiedenen Fällen auch rein individueller Natur sein kann und ausserdem so sehr variabel ist, dass sie in der Beschreibung noch obendrein eine weit genauere Detaillierung erheischt. Es hat nämlich , streng genommen , überhaupt keinen Sinn, schlechthin von einer Anodoida „rostrata" zu sprechen, denn „ro- strat" ist schon von Hause aus jede Najade, indem man ja den End- abschnitt des mehr oder minder verlängerten Abdomens der Schale den „Schnabel" nennt. Allerdings gebraucht man die Bezeichnung „rostrata" bei den Anodonten üblicherweise nur für diejenigen Formen, deren beträchtlich verlängertes schnabelförmiges Ende des Hinterteils besonders breit und vornehmlich nach abwärts gebogen ist, allein ich frage , warum die geradschnäbligen und aufwärtsgekrümmten - 69 — Formen hierbei ausgeschlossen sein sollen? Das einzig richtige Ver- fahren ist in diesem Punkte meiner Meinung nach, wie vorhin er- wähnt, eine genaue Detaillierung, in welcher Weise die be- treffende Form „rostrat" ist, d. h. ob das schnabelartig ver- längerte Abdomen der Schale spitz oder breit, gerade verlaufend, nach oben oder nach unten abgebogen ist. In diesem Sinne gedenke ich den "Versuch zu machen , di(; Schnabelformen einzuteilen und zu präcisieren und je nach der Be- schaffenheit des Schnabels in entsprechender Weise zu benennen, z. B. „longirostris" , „acutirostris", „recurvirostris", „orthorhyncha", „decurvata" u. s. w. Damit ist dann aber die gänzlich mangelhafte Bezeichnung „rostrata" nicht mehr zu gebrauchen. Gegenüber der Thatsache endlich, dass die Langschnabel-Modifi- kationen irrtümlicherweise fast allgemein nur der Anodonta cellensis Schrot., von Hazay und v. Gallenstein nur der Anodonta piscinalis Nils. untergeordnet werden, möchte ich nachdrücklichst betonen, dass ein in bedeutenderem Masse verschiedenartig schnabelförmig verlängertes Hinterteil der Schale unter besonderen Um- ständen allen Standortvarietäten unserer Anodonten. in individueller Beziehung nicht zum mindesten namentlich der typischen cygnea-Foxxn. zukommt, und möchte hier noch besonders anfügen, dass wir diese Erscheinung gerade am allerwenigsten bei der grossen typischen cellensis -Form, vielmehr erst bei deren weitgehenden, meistenteils degene- rierten Nebenmodifikationen zu suchen haben. Glücklicher- weise stehe ich mit dieser Ansicht, d. h. mit dem ersten Punkt der- selben, nicht vereinzelt da, indem schon Brot (8) gelegentlich seiner Studien der Najaden des Genfer Sees darauf hingewiesen hat. Es hapert aber auch in Betreff der einheitlichen Auffassung der var. piscinalis Nils. Gewöhnlich wird sie als ausschliessliche Flussvarietät, in meist nur rundlichem Formenumriss , angesehen, anderseits hinwiederum gilt sie als die weitverbreitetste Form unserer Anodonten, die allen denkbaren Umwandlungen je nach den Ver- hältnissen ihres Wohnortes ausgesetzt sein kann, v. Gallenstein (40). Darin liegt aber die Ursache, dass namentlich cellensis- und piscinalis- Formen in den Sammlungen durcheinanderwimmeln, weil im Banne der ersteren Auffassung alle langgestreckten piscinalis- Formen grösseren Kalibers vorschriftsmässig dem cettensü-Tyipus unterstellt werden. Was die neuerdings geübte genauere Beschreibung aller, auch — 70 — nur wenig abweichender Formen betrifft, so bin ich im Prinzip voll- ständig damit einverstanden, nur möchte ich davor warnen, dieselben ohne weitere Erklärung wie Arten und selbständige Varietäten zu behandeln. Clessin (18) spricht sich — übrigens im Widerspruch zu dem in seiner Monographie des Genus Anodonta (16) vertretenen Stand- punkt — überhaupt gegen die besondere und detaillierte Beschreibung der nur wenig vom Typus abweichenden Formen aus. Ich teile vollkommen diese Ansicht, sofern sie im allgemeinen davor warnen will, sich ins Kleinliche zu verlieren und die Systematik mit un- nötigen Namen zu überbürden, halte es jedoch angesichts der Fälle, in welchen man es , wie ganz besonders hier bei den Anodonten, mit einem ganz ungewöhnlichen Formenwechsel innerhalb der Art zu thun hat, für dringend nötig, namentlich die bemerkenswerten individuellen Modifikationen zu berücksichtigen und unter dem Begriff „forma" zu beschreiben. Nur auf diese Weise beugen wir der Gefahr vor, dass dieselben fortgesetzt unter dem Begriffe der „Varietät" oder gar unter dem ganz nebelhaften Begriffe der „nicht guten Art" namhaft gemacht werden. In demselben Sinne, wie Clessin in der Vorrede zu seiner deutschen Exkursionsmollusken- fauna, spricht sich auch Geyer (45) aus, indem er sagt, dass die Autoren mit der Benennung der zahllosen Varietäten nicht gerade dazu beitragen, sie dem Dilettanten geniessbarer zu machen. Auch diesem Forscher gebe ich hierin vollkommen Recht, wenn sich sein Satz auf die unbestimmte Art und Weise bezieht, in welcher diese Benennung gewöhnlich geschieht. Der betreffende Autor muss eben genau erklären , in welchen Formenkreis er die neu beschriebene Varietät, sei sie lokaler oder individueller Natur, einbezogen haben will und als was sie aufzufassen ist, dann wird im Gegenteil die Beschreibung und Benennung solcher Formen für die Übersicht des eminenten Gestaltwechsels unserer Anodonten eher förderlich sein. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend möchte ich das Festhalten an den fünf von Clessin aufgestellten Variations- centren dringend empfehlen, weil dieselben Repräsenta- tionsausbildungsstufen der Formenkreise unserer Teich- muscheln darstellen, die sich aus den Lebensbedingungen nach der Beschaffenheit des Wohnortes ergeben. Einzig von diesem Gesichtspunkt, nicht als feststehende Typen, sind sie aufzufassen, wiewohl man diese Bezeichnung fort- gesetzt dafür gebraucht; es sind Centren, um welche sich — - 71 — die gemäss der jeweiligen Verhältnisse des Aufenthalts- ortes und der individuellen Formenschwankungen ins un- endliche variierenden Modifikationen centrifugal grup- pieren. Sie bilden deshalb den Grundstock für unsere Beurteilung der Formen, und auf sie sind daher die neu zu beschreibenden Varie- täten. Subvarietäten u. dergl. zu beziehen. Andernfalls verlieren wir die so ausserordentlich schwer zu erlangende Übersicht über das Formenchaos unserer Anodonten immer mehr und die neu be- schriebenen Formen werden eine Last, insofern man absolut nicht weiss, welchen Rang sie einnehmen und in welchem Formenkreis sie unterzubringen sind. In Betreff meines Standpunktes zum Artbegriff, worüber ich mich in der Abhandlung eingehender äussern werde, halte ich daran fest, dass die Art der Ausdruck einer konservativen Kraft ist, dass also bestimmte Erscheinungen, wie die Zähigkeit charakteristischer Merk- male in relativ dauernder Vererbung nicht ignoriert werden dürfen. Bei den Mollusken sollten dieselben vorwiegend im feineren anato- mischen Bau des Tieres und erst in zweiter Linie in den Gehäuse- verhältnissen, welche gar oft in mannigfachster Weise durch den Einfluss der Umgebung verändert werden, ohne dass das Tier davon berührt wird und dann höchstens für Varietäten in Betracht kommen können, erblickt werden. Selbst die äusserlichen morphologischen Proportionen des Tieres, denen sich die Form der Schale, namentlich bei den Bivalven, anschmiegt, sind mit Vorsicht zu verwenden, wie bei allen unsegmentierten Wirbellosen. Wenn wir aber eine fort- schreitende Dehnung des Artbegriffes oder ein gänzliches Fallenlassen desselben befürworten oder ihn vollends der Willkür des Einzelnen preisgeben, kommen wir schliesslich an den Punkt, wo wir jedes Individuum als besondere Art oder Varietät beschreiben können. Dann aber wird jede, auch nur einigermassen zuverlässige Bestim- mung einer Tierform ein Ding der Unmöglichkeit. Solange es weiterhin Museen giebt, in welchen naturwissen- schaftliche Sammlungen aufgestellt werden, hat man auch für eine sinngemässe Ordnung des Materials Sorge zu tragen. In früheren Zeiten gaben ästhetische Momente den Ausschlag, heutzutage aber soll die Anordnung einer Sammlung ebenso, wie die litterarischen Arbeiten, Zeugnis ablegen vom Stande der wissenschaftlichen For- schung. Deshalb ist es nicht allein damit gethan, die Objekte nach den neuesten Bezeichnungen zu etikettieren , es muss vielmehr die Aufstellung eine übersichtliche Gruppierung erhalten, auf der anderen — 72 — Seite aber eine zergliedernde Einteilung, jedoch nicht willkürlicher Art, sondern nach den Gesichtspunkten, welche sich aus dem Studium des Baues und der natürlichen Lebensverhältnisse der Ge- schöpfe ergeben. In dieser Hinsicht aber müssen wir nach mög- lichster Einheitlichkeit streben, alle Systeme prüfen und das beste behalten. In Bezug auf unseren Gegenstand muss ich auf Grund meiner diesjährigen Exkursionen an verschiedene Fundplätze der Anodonten die Grundlage, welche unser verehrter Lehrmeister Cles- sin (11) gelegt hat, nach wie vor als die den natürlichen Verhält- nissen am meisten entsprechende und deshalb als die beste erklären. Es sind ja demgemäss im grossen und ganzen auch nur einige Verschiebungen des Schwerpunkts in den Darstellungen einzelner wichtiger Punkte auf Grund anderer Anschauung und verschiedene Hinzufügungen, die ich mir bescheidentlichst vorzunehmen erlaube und nach meinen eigenen neuesten Studien für notwendig erachte. Zugleich trage ich dabei dem Wunsche Kobelt's (55) und Clessin's (16) nach Mitteilung bemerkenswerter Formenspiele unserer Muscheln wenigstens einigermassen Rechnung. Durch diese im bisherigen erörterten Punkte möge mein Be- streben , zur Förderung der Formenkenntnis unserer einheimischen Anodonten einen kleinen Beitrag zu liefern, hauptsächlich motiviert sein, und ich darf dabei wohl noch einmal hervorheben, dass ich mich zugleich im Interesse der Erleichterung für die Bestimmung und Aufstellung des einheimischen Anodontenmateriales in den Samm- lungen entschlossen habe, eine Erweiterung der Diagnosen der ein- zelnen Standortvarietäten angesichts ihrer individuellen Formen- schwankungen und eine Präcisierung derselben bei der Beschreibung besonders beachtenswerter Modifikationen vorzunehmen und bei dieser Gelegenheit noch eine Anzahl auffallender Formen besonders zu be- nennen. Selbstverständlich ist das vorgenommene Problem nur ein Versuch, welcher uns dem vorgesteckten Ziele bezüglich einer leichteren Übersicht des grossen Formenwechsels unserer Anodonten und der Möglichkeit einer leichteren Beurteilung der individuellen Vorkommnisse näher führen soll. Ob und wie weit wir diesem Ziele dadurch näher gekommen, das zu beurteilen überlasse ich den be- rufenen Meistern der Malakologie und Konchyliologie , welche ich hiermit um gütige Nachsicht und milde Kritik bitte. Freiherr Dr. Richard König- Warthausen hatte die Güte, mir gelegentlich meines Besuches auf seinem Schloss im letzten Winter seine reichhaltigen Serien von Anodontenvarietäten zu zeigen und 73 mir dabei manchen beachtenswerten Gesichtspunkt zu eröffnen, wofür ich auch hierorts meinen verbindlichsten Dank sage , und für die vorzügliche Herstellung der photographischen Aufnahmen zum Zweck der Verfertigung der Abbildungstafeln darf ich, wie bei meiner vor- jährigen Publikation, wiederum meinem Freund und Kollegen Herrn Prof. Dr. Vosseler gegenüber auch an dieser Stelle meine Dankes- pflicht erfüllen. Stuttgart, im November 1899. I. Einleitende Betrachtungen. In den Rahmen der für unsere einheimische Fauna neuerdings wieder nur in der Zweizahl1 beschriebenen Arten der Gattung Ano- donta fällt bekanntlich das ganze Heer unserer grösseren Teich- muscheln in geradezu unbegrenzter örtlicher und individueller Formen- verschiedenheit. Die Weichteile der Tiere sind indes längst be- kannt und erschöpfend beschrieben, und es können ihre anatomischen Verhältnisse für die bei der ersten Art in üblicher Weise aufzu- stellenden Variations- und Formenreihen nicht weiter in Betracht kommen, vielmehr liegen die bezüglichen Anhaltspunkte für diesen Zweck ausschliesslich in den morphologischen Verhältnissen der Schale2 gemäss der Einwirkung der Wohnortsbeschaffenheit. Zwar hatte schon Rossmässler (73) darauf hingewiesen, dass 1 Linne hatte bekanntlich auch schon 2 Arten für unsere einheimische Anodontenfauna aufgestellt, nämlich: Mytilus cygneus und Mytilus anatinus. welche Draparnaud vorübergehend in Anodonta „variabilis", vereinigt hatte. 2 E. v. M'artens (66) berichtet a. a. 0. mit der Überschrift „Unter- scheidung der Anodonten" folgendes: R. M. Lloyd glaubt betreffs der Artunter- scheidung Gewichl darauf legen zu dürfen, dass bei A. anatina die Atemspalte sowohl verhältnismässig als absolut grösser sei und zahlreichere, feinere Fühl- fäden trage als bei A. cygnea. Zugleich ergeben seine Beobachtungen, dass allerdings unter normalen Verhältnissen immer die "Wasserströmung durch die untere Öffnung, die Atemspalte, ein- und durch die obere, das Analloch, austritt, dass aber unter ungewöhnlichen Umständen, z. B. wenn die Atemspalte mit Schlamm verstopft ist, auch das Analloch zum Einziehen des Wassers dienen und die Atemspalte durch heftiges Austreiben desselben frei gemacht werden kann. (Annais and Magazin, fourth series, vol. V. 1870. S. 65, 66.) Es dürfte immerhin der Aufmerksamkeit wert sein, ob ein solcher Unterschied in der Atem- spalte sich auch anderswo als zur Artunterseheidung benutzbar zeige, oder ob er etwa ebenso allmählich sich abstufe wie der Formunterschied der Schale. — 74 die Form der Schalen nicht der ausschlaggebende Anhaltspunkt für die Stellung der Tiere im System ist , und hebt die Bedeutung der Farbe des Tieres, sowie die innere und äussere Färbung der Schalen für die Beurteilung der Species oder Varietäten hervor; allein es hat späterhin wiederum Brot (8) nachgewiesen, dass auf diese Merkmale kein Verlass ist, indem dabei vielfach individuelle Erscheinungen mitspielen. Clessin (18) betont hinsichtlich der Schalenfärbung die Einwirkung der chemischen Beschaffenheit des Wassers, ferner hat Hazay (40) darauf aufmerksam gemacht, dass die Farbe des Tieres bei allen Anodonten in der Jugend heller ist und mit zunehmendem Alter dunkler wird. Meiner Ansicht nach spielen aber die Wasser- verhältnisse auch hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie man sich vielfach in den Moorgründen unserer oberschwäbischen Ebene überzeugen kann, indem man dort meist weit dunkler, namentlich schmutziggelb und bräunlich gefärbte Tiere antreffen kann, während sie in reinem Wasser namentlich in Bezug auf die Farbe der Kiemen fast immer heller sind1. Wie bei vielen anderen Wassermollusken, mehrenteils auch bei den Meerbewohnern, die Beschaffenheit des Gehäuses gleichsam einen Spiegel ihrer biologischen Verhältnisse darstellt, so ist dies in er- höhtem Grade bei unseren Najaden der Fall, bei denen man aus der Qualität der Schale hinsichtlich der Form, Festigkeit, Farbe u. s. w. unschwer schliessen kann, ob sie in fliessenden oder stagnierenden, ob sie in seichteren oder tieferen, in kalkarmen oder kalkreichen Gewässern, in sandigem oder schlammigem Grund u. s. w. leben. Jeder Sammler weiss jedoch, wie unendlich schwierig es trotz alledem ist, eine Suite von Anodontenschalen in einer Sammlung so zu ordnen , dass man auch in dieser Beziehung ein klares Bild der so unendlich wechselvollen Erscheinungen in ihren Variationen und Übergängen erhält, wie schwer es namentlich ist, die Zwischen- formen, bei welchen die charakteristischen Eigenschaften sich mehr und mehr verwischen , richtig zu beurteilen und eine zuverlässige Bestimmung derselben zu erwirken. Jede solche Muschel passt dann auf keine Beschreibung ganz und auf jede ein wenig. Noch sind unsere einheimischen Unionen in ihren Schalen- 1 Ich kann deshalb den Ausführungen Schlichters (74). wonach im Federsee drei Varietäten unserer grossen Anodonta, nämlich cygnea , cellensis und piscinalis, nach der Färbung der Kiemen zu unterscheiden seien, nicht bei- pflichten. Ich habe im vergangenen Sommer selbst im Federsee gesammelt und werde auf diesen Punkt bei späterer Gelegenheit nochmals zurückkommen. 75 charakteren relativ constant und deshalb hiernach seihst in Bezug auf die Beurteilung der Art verhältnismässig leicht zu unter- scheiden, nur Unio pictom/m L. und ühio tumidus Hetz, machen zuweilen Schwierigkeiten, weil es Fundorte giebt, wo sie zusammen vorkommen und ineinander übergehen. Ganz anders die Anodonten. .Man könnte glauben, diese seien dazu da, um den Systematiker zu chikanieren ; in jeder Art und Weise wurde schon gegen sie in dieser Beziehung angekämpft, aber so richtig gründlich besiegt sind sie noch immer nicht und werden auch so bald noch nicht unter- liegen. „II est certain — sagt Godet (47) — que le genre Anodonte fera le desespoir de tout naturaliste systematique qui voudra ä tout prix faire rentrer les formes naturelles dans les cadres artificiels qu'il leur a prepares ; mais pour celui qui veut prendre la nature sur le fait . qui , disciple scrupuleux et ami de la verite , enregistre avant tout ce qui est et ne generalise qu;avec une extreme pre- caution. L;etude du genre Anodonte presente un attrait particulier." In früheren Zeiten war es insofern eine gar einfache Sache mit unseren Anodonten, als man jeder kleinen Abweichung in dem Formenumriss , der Farbe des Tieres oder der Schale, in der Dicke der letzteren, in Farbe und Glanz des Perlmutters u. s. w. den Wert eines Artunterschiedes zuerkannte. Selbst die Karies der Schalen und Ligamentverrenkungen mussten dazu herhalten. Man zählte eine stattliche Anzahl von Species, von denen als hauptsäch- lichste die folgenden genannt sein sollen: Anodonta cygnea L. , cel- lensis Schrot. , ventricosa Pfr. , ponderosa Pfr. , intermedia Pfr., rostrata Held u. Kok., recurvirostris Küst. , plafyrhyncha Kok., etenorhyncha Küst., anserirostris Küst., cariosa Küst.. luxata Held., subluxatü Küst., piscinalis Nils., callosa Held., lingbyana Mörch., Forchthammeri Mörch.. lingua Yoldi, assimüis Ziegl., grossa Ziegl., psemmita Rourg., Pidetianä Mort., Charpentieri Küst., tumida Küst., urealis Küst., glabrata Ziegl., inomata Küst.. Sondermannii Küst., opdlina Küst., Nilssonii Küst., tenella Held, anatina L., pölymorpha Küst., euneata Küst. u. a. m. Aber gerade infolge dieser reichhaltigen Artenliste war es fin- den Systematiker eine relativ leichtere Sache , für jede ihm durch die Hände gehende Form ein Unterkunftsplätzchen zu finden, und der Sammler konnte sich an der stattlichen Anzahl seiner Najaden- species erfreuen , ja mancher fühlte sich vielleicht noch veranlasst, nach berühmten Mustern die Liste nach Kräften zu bereichern. Auf 76 — eine sachliche, unanfechtbare Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit kam es indessen hierbei in der Regel sehr wenig an , und der be- treffende Autor legte sich ruhigen Gewissens auf sein Ruhekissen in dem angenehmen Bewusstsein seiner neuen „mihi"-Arten. Schon Rossmässler, der berühmte Altmeister der Malakologie und Konchyliologie, erkannte jedoch, dass in der ganzen Mollusken- welt sich nirgends der Einfluss der Umgebung in so abändernder Weise geltend macht wie bei den Najaden und dass dieser Einfluss hier ganz besonders innerhalb der Grenzen einer und derselben Art zu Tage tritt. Wie Heynemann (51) in seinem im Jahre 1870 ge- haltenen Vortrag in Frankfurt a. M. über die Veränderlichkeit der Molluskenschalen erwähnt, beschwerte sich einmal Rossmässler dar- über, aus sogar gewichtigem Munde beim Anblick seiner Unionen- Sammlung den sehr charakteristischen Ausspruch gehört zu haben : „Solche Wandelformen sammle ich nicht!" Rossmässler selbst aber hatte diese Wandelformen nicht allein gesammelt, sondern uns auch das Ergebnis vieler einschlägigen Beobachtungen überliefert, die uns vortreffliche Fingerzeige geben. „Jeder Bach, jeder Fluss, sagte der Meister, „ändert etwas im Habitus der Art" ; ein andermal: „So hat jeder Bach seine Grillen, die er an den Formen der in ihm lebenden Muscheln auslässt", und nach Rossmässler's Ansicht werden die Muscheln desto grösser, je grösser der Fluss ist, in welchem sie leben. Das stimmt auch im allgemeinen. Aber trotz alledem hatte der scharfblickende Forscher dem feindlichen Heere der Najadenspecies, selbst ihrer Garde, den „Arten" der Anodonten, noch nicht den Krieg erklärt. Aber bereits in den 60er Jahren unseres Jahrhunderts griff die Erkenntnis Platz, dass man so, wie bisher, nicht weiter verfahren könne, das beweist am klarsten ein Satz Godet's (46) gelegentlich seiner schon früher vorgenommenen Studien der Anodonten des Neu- chateller Sees, den ich hier citieren möchte: „Aussi rien de plus ardu que l'etude du genre Anodonte; c'est un veritable labyrinthe dans lequel on ne peut presque plus s'avancer, si Ton est muni dun pied ä mesurer; chaque auteur se donne carriere et cree de nou- velles especes, mais lorsqu'on cherche ä appliquer les caracteres qui leur sont assignes, on ne tarde pas ä desesperer d'y reussir et l'on est tente d'adopter sans restriction l'idee d'IsAAC Lea (A Synopsis of the Family of Naiades. Philadelphia 1852) , qui reunit comme ne formant que des varietes d'une meme espece, et sous le nom d'Ano- donta cygnea (Mytiliis cygneus L.) nos 60 especes d'Anodontes europeennes. — Cependant, une semblable maniere de voir ne resout 77 qu'en partie la difficulte, car si on laisse de cöte la distinction des especes, la meme question se jiose de nouveau quant aux vari<'t«'s de l'espece, sartont si, comme cela a lieu souvent, ces varn'ti's out quelque chose de constant et de carac t eristique. Diese letzten Worte sind sehr beachtenswert. Da kamen nun in den 70er Jahren die durchgreifenden , auf der ausgezeichneten Grundlage eingehender biologischer Beobach- tungen unter Verfügung über sehr zahlreiches Sammlungsmaterial sich aufbauenden kritischen Untersuchungen Clessin's (11) und bald darauf Braun's (1) lehrreiche Untersuchungen über die postembryonale Entwickelung der Süsswassermuscheln und weiterhin noch die in mancher Beziehung ergänzenden, in ihrem wissenschaftlichen Wert in vieler Hinsicht einzig dastehenden, mehrere bislang dunkle Punkte plötzlich aufklärenden Darstellungen Hazay"s (40). Daraus ging her- vor, dass unsere grossen Anodonten in der That ein wahres Chaos von Veränderlichkeit in individueller, sexueller und standörtlicher Beziehung vor Augen führen und dass die unzähligen Formen- schwankungen sich neben individueller Variabilität namentlich als das Produkt der Einwirkungen der verschiedenartigen Gewässer und deren speciellen Verhältnisse erweisen. Clessin (11) gab denn auch den früheren „Arten" unserer Fauna die sehr zutreffende Bezeichnung „Standortformen" , weil thatsäch- lich fast jeder einzelne Fundort dieser Muscheln Formen mit speci- fischen Merkmalen aufweist. Dieser CLESsra'sche Begriff „Standort- formen" deckt sich übrigens mit dem von Hazay (40) gegebenen Begriff der „bedingten Varietät", welche er der „ständigen Varietät" gegenüberstellt. Unter einer solchen versteht der letztgenannte Autor ein Produkt „aus den Bedingnissen des Eies in den Entwickelungs- modalitäten des Embryo", während er die „bedingte Varietät" her- leitet „aus den Bedingnissen, welche Orts- und Wasserbeschaffenheit darbieten". Das Charakteristische dieser bedingten Varietäten liegt demnach in der Erscheinung, dass die Merkmale derselben sich nur so lange behaupten , als die betreffenden formenden Einflüsse ob- walten, dass also vor allen Dingen eine Vererbung der Variations- momente, wie bei der ständigen Varietät, nicht eintritt und dieselben vielmehr stets von neuem durch die betreffenden äusseren Ein- wirkungen gebildet werden müssen. Transplantationsversuche mit unseren Anodonten beweisen dies auf das glänzendste. Damit hatte die grosse Artenfreudigkeit auf einmal ein jähes — 78 — Ende gefunden , indem nunmehr bloss noch zwei echte und wahr- haftige Arten für unsere deutschen Lande anerkannt werden1. Zwar sind unsere Nachbarn jenseits der Vogesen , welche in ihrer bekannten grande-nationalen Eitelkeit auch in den kleinsten Dingen stets etwas Besonderes haben müssen, neuerdings unter An- wendung einer kleinlich peinlichen Messmethode , deren Schöpfer Bourguignat und deren Fahnenträger Servain ist, hinsichtlich der europäischen Najaden wieder in das Laster der Speciesfabrikation verfallen2, die sich aber, wie Clessin (19) ausdrücklich hervorhebt, 1 Hierbei ist nochmals zu bemerken, dass schon von Draparnand in seinem früheren Werke: „Tableau d. moll. terr. et fluv. de France an. IX. 1801" eine Zusammenziehung der Linne'schen Anodonta cygnea und anatina in A. varia- bilis stattfand, später aber wieder aufgegeben wurde. Dann folgten Forbes und Hanley, die unter dem Namen A. cygnea alle aus England ihnen bekannten Formen zusammenfassten und dazu auch Rossm äs sler's cellensis, rostratan. s. w. citieren. 2 Damit man sich einen Begriff machen kann, wie die „Nouvelle Ecole" bisher gearbeitet hat, verweise ich auf die Schrift von E. v. Martens (Litte- raturverzeichnis No. 67), wo diese Sache besprochen wird. Der genannte Autor berichtet dort folgendes: Locard nimmt 27 „ Arten" von „Fseudanodonta" und 350 „Arten" von Anodonta für Frankreich an und glaubt, dass damit dessen Reichtum noch nicht erschöpft sei! Ferner mache ich auf die wunderbare Einteilung aufmerksam, mit Avelcher uns die Herren, besonders Bourguignat, beglückt haben: 1. Genus Pseudano- donta Boürg., Gruppe A. Complanatiana Bourg. AA. Bossmässleriana Bgt. B. Gruppe der Fseudanodonta imperialis Serv. C. der Ps. rayi. D. der Ps. elongata. Zu Gruppe A gehört unsere Anodonta complanata Zglr. 2. Genus Anodonta Cuv. Gruppe A. Pammegaliana Bgt. B. Ventricosiana Bgt., hier- unter die Standortformen Anodonta cordata (Rossm.) Bourgt., ventricosa C. Pfr., fragilissivia Clessin. C. Cygnaeana Bgt., hierunter A. cygnea L., cariosa Küst. D. EUipsopsiana Bgt. E. Pseudoglyciana Bgt. F. Gastrodiana Bgt. G. Macilen- tana Bgt. H. Ponderosiana Bgt., hierunter Anodonta ponderosa C. Pfr. I. Macrosteniana Bgt. K. Eigene Gruppe. L. Spondaeana Boürgt. M. Meret- riciana Bgt. N. Intermediana Bgt., hierunter Anodonta intermedia Lam. 0. Boss- mässleriana Bgt. P. Brotiana Bgt. Q. Sturmiana Bgt. R. Depressiana Bourgt., S. Bostratiniana Bgt., hierunter Anodonta rostrata Kok. T. Jourdheuüiana Bgt. U. Anatiniana Bgt., hierunter Anodonta anatina L. V. Camuriana Bgt. W. Ovu- liana Bgt. X. Collobiana Bgt. Y. Wester lundiana Bgt. Z. Illuviosiana Bgt. Das Alphabet ist zu Ende, die Gruppen gehen aber noch weiter, also: A1. -46- breviatiuna Bgt. B1. Briandiana Bgt. C1. Milletiana But. D1. Tricassiniana Bgt. E1. Ficardiana Bgt. F1. Piscinaliana Bgt., hierunter Anodonta piscinalis Nils. G1. Arnouldiana Bot. Mir wird von alle dem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum! v. Martens bemerkt in seiner Besprechung auch sehr treffend: Es ist 7lJ — nur aus oberflächlicher Untersuchung und Beobachtung und aus gänzlichem Mangel in der Kenntnis der Entwickelung und des Wachstums der Muscheln erklären lässt und schon auf diese Weise als durchaus haltlos herausstellt. Kurz, die zwei nunmehr aner- kannten Anodontenarten sind und bleiben nach wie vor nur Äno- donta mutabilis Cless., an deren Stelle ich übrigens wieder Anodonta cygnea L. setzen werde, und Anodonta complcmata Ziegl. Clessin (11) hatte anfänglich das ganze Formenheer der ein- heimischen Anodonten unter die einzige Species mutabilis ver- einigt, jedoch zur leichteren Übersicht aus den früher angeführten Arten vier Variationscentren herausgehoben und eine neue Form hinzugefügt, um welche sich dann weiter eine Reihe geringerer, meist noch besonders benannter Varietäten und Subvarietäten gruppieren. Diese vier Variationscentren sind: var. cygnea L., cellensis Schrot., piscmalis Nils., anatina L., die neu hinzugefügte Form ist die var. laciistrina. Erst später erkannte Clessin die kleine Anodonta com- planata Zglr. angesichts ihrer wenn auch nur wenig abweichenden anatomischen Verhältnisse wiederum als vollgültige Art an (30). Nachdem nun der genannte Autor diese siegreiche, nach wie vor sehr schätzenswerte Artenschlacht geschlagen hatte , war man längere Zeit mit den fünf Variationscentren seiner Anodoida mutabüis zufrieden und die Sammler suchten bei der Bestimmung ihre Aus- beute, so gut es eben ging, den also beschriebenen Formen anzu- passen. Allein es wollte dies eben nur selten in befriedigender Weise gelingen, weil eben nur verhältnismässig wenige Formen in die viel zu speciell gehaltenen, viel zu sehr bloss den Normalformen ent- sprechenden Beschreibungen hineinpassen, und so machte sich all- mählich die Empfindung geltend , dass mit den fünf CLESSiN'schen Variationscentren als Typen eben doch zu wenig Anhaltspunkte für eine genauere Bestimmung der einzelnen Formen gegeben sind. Freilich, solange man sich mit dem Formenumriss allein begnügte, Hess sich die Sache schon noch machen ; grosse runde Muscheln waren cygnea-Foimeii , längliche und solche mit aufgebogenen Schnäbeln nicht zu bezweifeln, dass nach gleichen Grundsätzen noch viel mehr Lokalformen beschrieben und mit eigenem Namen belegt werden können, aber zweifelhaft, ob damit der Wissenschaft ein wesentlicher Dienst geleistet wird, der das Unbe- queme der Überlastung mit Namen überwiegt. Wo die äussere Form in zahl- loser Kombination sich in so evidenter Abhängigkeit von den Lokalbedingungen erweist, wie bei TAmnaea und Anodonta, da dürfte das Unterordnen unter wenige Hauptformen vorzuziehen sein. 80 legte man zu cellensis, solche mit abwärts gekrümmten schied man noch besonders als var. rostrata Kok. aus, was man nicht recht definieren konnte, kam zu piscinalis , ganz kleine, dünnschalige Anodonten wies man der anatina, alle Funde aus grösseren Seen ohne Bedenken der lacustrina-Form. zu. Wenn man aber die Ge- schichte genauer nahm, insbesondere massenhaft sammelte, den Fund- ort und die individuellen Formenschwankungen bis zu den Extremen berücksichtigte, dann hingegen musste man seine Phantasie oft ge- waltig anstrengen , wollte man die verschiedenen Formen in irgend eine der für die fünf Variationscentren gegebenen Diagnosen ein- zwängen. Aus diesem Grunde machte sich namentlich Ende der 80er Jahre eine neue Strömung geltend, welcher sich hauptsächlich Kobelt (55) anschloss. Dieser Autor betont ausdrücklich, dass die Zu- sammenziehung aller bekannten Formen in wenige Arten, wie sie seit Rossmässler üblich geworden, für die Erforschung der Süss- wassermuscheln entschieden von dem nachteiligsten Einfluss gewesen sei, verwahrt sich jedoch mit Bestimmtheit dagegen, der Methode der Zersplitterung das Wort zu reden, wie sie von der „Nouvelle Ecole", namentlich von Servain geübt wird, welcher in allen Alters- stufen der Muscheln , in unbedeutenden Abänderungen und indivi- duellen Abnormitäten gute Arten sieht und damit die Wissenschaft zu einem vollständigen Chaos macht. Kobelt betont des weiteren, dass man sich nicht damit begnügen dürfe, aus jedem Faunengebiete die drei bekannten Unionen (pictorum, tumidus und batavus) und etwa noch Anodonta mutabüis und complanata aufzuführen, sondern dass man diese Arten als Formen kr eise zu betrachten habe, innerhalb deren es gilt, Varietäten und Lokal- formen zu unterscheiden und deren Abhängigkeit von den Lokalverhältnissen zu erforschen. Wenn man sich demnach diesem sehr wohl begründeten Stand- punkt Kobelt:s anschliesst, so gilt es also, von unserem Gesichts- punkt ausgehend, die um die fünf ÜLESSiN'schen Variationscentren sich centrifugal gruppierenden, besonders bemerkenswerten Formen in ihren charakteristischen Merkmalen festzulegen. Clessin selbst hatte sich übrigens schon etwa 10 Jahre früher auf den KoBELT'schen Standpunkt gestellt, offenbar in der längst ge- wonnenen Empfindung, dass die Festlegung von fünf Variationscentren allein nicht zur Beurteilung des Formenheeres unserer Anodonten ge- nügt, und hatte bereits in seiner Monographie des Genus Anodonta Cuv. — 81 — im „Konchylienkabinet" von Martini und Chemnitz in ähnlicher Weise, wie Kobelt in seiner Fortsetzung von Rossmässler;s „Ikonographie", eine kleine Anzahl neuer Formen eingehend beschrieben nach dem selbst ausgesprochenen Grundsatz: „Während der beschreibende Naturforscher früher die nicht in seinen eingebildeten Normaltypus passenden Formen missachtete, muss es jetzt unsere Aufgabe sein, jede Form, jede geringfügige Abänderung durch ge- naue Beschreibung festzuhalten, damit dieselbe beobachtet und damit die sie bedingenden Ursachen erforscht werden können." Nun kommt aber ein Punkt, der der Besprechung resp. der Verständigung bedarf. Derselbe bezieht sich nämlich auf die Frage, ob solche zwischen den fünf Variationscentren, sei es als örtliche Nebenmodifikationen , sei es als individuelle Formenschwankungen gelegenen Schalenformen ohne weitere Erklärung mit der herkömm- lichen binären Nomenklatur in die Monographien etc. aufzunehmen sind oder nicht, mit anderen Worten, ob man es ganz einfach jedem einzelnen überlassen will, ob er die betreffende Form als „gute Art", „Varietät" , „Standortform" , „Nebenmodifikation" oder „individuelle Varietät" oder sonst wie ansehen will. Ich erwähne diesen Punkt hauptsächlich deshalb, weil schon eine grössere Anzahl von Lokal- formen in dieser Art und Weise beschrieben wurde, so ist z. B. die Bodenseeform Anodonta mutabilis Cless. var. lacustris-oviformis Cless. in der Anodontenmonographie des Autors ganz einfach als „Ano- donta oviformis" aufgenommen, ebenso wie in Kobelt's Fortsetzung der RossMÄssLER'schen „Ikonographie" schlechthin von einer für Württemberg neu zu verzeichnenden „Anodonta suevica" die Rede ist. Die blosse Andeutung, dass sie nicht für eine „gute" Species anzusehen sei, genügt nicht, denn man weiss damit noch lange nicht, ob man es mit einer ständigen, örtlichen oder individuellen Varietät etc. zu thun hat. Es ist doch zu bedenken , dass solche Werke , wie die eben angeführten, mehr als jede andere bezügliche Schrift, dazu da sind, dass sich der Ungeübtere in die richtige Kenntnis der behandelten Objekte einarbeiten kann. Dann ist es aber doch sehr notwendig, dass der Autor selbst in ganz bestimmter Weise klarlegt, unter welchem Begriff und in welcher Beziehung zu den Variationscentren die eine oder andere Form aufzufassen sei. Nur auf diese Art und Weise kann meiner Ansicht nach die Beschreibung und Benennung neuer Specialformen von Wert und Nutzen sein und die Formen- kenntnis fördern, nur so wird es möglich sein, den Formenwechsel Jahreshefte d. Vereins f. vateTl. Naturkunde in Württ. 1900. 6 - 82 — kritisch zu beherrschen. Wenn wir aber fortgesetzt neue Formen beschreiben, ohne bestimmt zu bezeichnen, ob man es dabei mit einer guten Art, selbständigen Varietät als Repräsentant eines neuen Formenkreises, einer speciellen Lokalform eines der fünf Variations- centren oder nur einem individuellen Formenspiel u. s. w. zu thun hat, verschleiern wir uns selbst die Übersicht über das riesige Formen- heer unserer Anodonten nur immer mehr. Wir kommen damit auf den Artbegriff selbst zu sprechen. Im Vorwort zum vierten Band der RossMÄssLER'schen Ikonographie sagt Kobelt gegen den Schluss : „ebenso werde ich mich in der Art- auffassung der Rossmässler's anschliessen , welche mir die natur- gemässeste scheint. Man kann sich über den Artbegriff in wissen- schaftlicher Beziehung streiten, wie man will, in praktischer Beziehung habe ich ein äusserst einfaches Kriterium : was ich zu jeder Zeit leicht von allen anderen Formen unterscheiden kann, ist eine gute Art, wo ich aber erst eine vergleichende Messung notwendig habe oder einer zuverlässigen Fundortsangabe bedarf, um zwei Arten aus- einanderzuhalten, da sind es eben keine Arten". Im Vorwort zum zweiten Bande der neuen Folge des genannten Werkes äussert sich derselbe Autor folgendermassen : „Über meine Stellung zu den beschriebenen , Arten' einige Worte. Die ,Artl ist für mich kein Concretum , sondern ein Abstractum , das der Sammler sich macht, um sich in dem Formenchaos zurechtzufinden und das er deshalb ganz seinen Bedürfnissen gemäss umgrenzt. Das eine Extrem bildet die Auffassung Rossmässler's und der meisten deutschen Konchyliologen, welche als eine Art alles betrachten, was durch Übergänge verbunden ist. Für das Studium der geographischen Verbreitung ist diese Auffassungsweise jedenfalls die richtigere, und sie deckt sich fast überall auch genau mit den geographischen Verbreitungsbezirken ; sie birgt aber in sich die Ge- fahr, dass man sehr leicht nur auf die Ähnlichkeiten, die gemein- samen Kennzeichen achtet und die unbedeutenderen Unterschiede vernachlässigt, und es ist nicht zu leugnen, dass gerade infolge des Vorherrschens der RossMÄssLER'schen Anschauungsweise die Kenntnis der deutschen Najadeen in den letzten Dezennien nicht ebenso fort- geschritten ist wie bei den anderen Molluskengruppen. Diametral gegenüber steht dieser Auffassung die der Nouvelle Ecole, welche unter völliger Vernachlässigung der gemeinsamen Kennzeichen nur die Unterschiede berücksichtigt und jede Lokal- form als neue Art beschreibt, sobald sie in drei Punkten von anderen — 83 — abweicht. Ich würde dagegen nicht allzuviel einzuwenden haben, wenn nicht Herr Bourguionat und Genossen über die Unterscheidung den natürlichen Zusammenhang der Formen ganz vergässen. Es er- geht aber Herrn Hörnern, \.\t bei den Najadeen ganz ebenso wie bei den Limnaeen : „die Gruppen, in welche er seine Arten zusammen- fasst, entsprechen durchaus nicht den Forraenkreisen, welche Ross- mässler als Arten anerkennt, sondern sie fassen viel eher das zusammen, was ich seiner Zeit als korrespondierende Varietäten be- zeichnet habe, die Formen, welche sich unter gleichen Bedingungen aus allen Grundformen herausbilden." Die Auffassung, welche als eine Art alles betrachtet, was durch Übergänge verbunden ist, ist wohl bezüglich der Gehäuse- mollusken so zu erklären , dass , wenn ein grösserer Komplex von Schalenformen, deren Träger jedoch im artlichen Charakter ihrer Organisationsverhältnisse durchaus übereinstimmen , zwischen zwei Extremen in lauter allmählichen Übergangsstufen sich bewegt, dieser sodann als ein und derselben Species angehörig erachtet werden muss. Gut, das ist allerdings bei unseren Najaden der Fall und findet sich in der grossen Klasse der Mollusken in vielen Fällen, namentlich bei den Süsswasser- und Landmollusken wieder, sofern man bei der Artbestimmung dem Gehäuse eine grössere Bedeutung einräumt. Aber trotzdem dürften diese Fälle in der Minderzahl sein, denn unter der riesigen Menge aller bekannten Mollusken, besonders unter den Meeresbewohnern, tragen doch sehr viele auch im Ge- häuse artlich festliegende Charaktere, durch die sich alle Individuen der betreffenden Species in gleicher Weise deutlich kennzeichnen. Was nun aber die in Bezug auf die Form oder Farbe der Schale in bedeutenderer Weise variierenden Arten anbelangt, so darf man ja nicht glauben , dass diese auch in ihren wirklichen artlichen Charakteren schwankend seien und etwa in dieser Hinsicht in andere Arten übergingen. Das ist durchaus nicht der Fall. So sind ja doch zum Beispiel Helix nemoralis , hortensis, sylvatica, splendens, wrbustorum etc. weitverbreitete, teils in der Farbe, teils in der Form ihrer Gehäuse stark variierende Arten, die zum Teil gemeinsame Gebiete bewohnen. Dass diese aber durch Übergänge miteinander verbunden seien, wird niemand behaupten wollen, jede vererbt trotz der Veränderlichkeit des Gehäuses ihre artlichen Charaktere auf die Nachkommenschaft in den einzelnen Individuen weiter, so dass die- selben erhalten bleiben. Vermischung durch Verbastardierungen sind da grosse Ausnahmen. Man spricht allerdings von naheverwandten 6* — 84 — und nächstverwandten, dann wieder von entferntverwandten Arten, unterscheidet demnach eine ganze Anzahl von Stufen, bringt nahe- verwandte Arten oftmals unter eine Gruppe oder Sektion, wie das z. B. in Bezug auf das Genus Helix geschah. So sind also Helix nemoralis, hortensis, sylvatica, splendens nächstverwandte Arten, zu- sammengefasst unter die Gruppe TacJiea. Dagegen sind z. B. Helix nemoralis und Helix pomatia fernverwandte Arten. Naheverwandte Arten gehen zwar in seltenen Fällen durch Varietäten ineinander über, aber doch nur in solchen Gegenden, wo sich die Grenz- bezirke ihres Verbreitungsgebietes berühren. Diese Fälle sind daher Ausnahmen von nicht allzugrossem Belang, deren Ursache in den auf den Habitus der betreffenden Arten in eingleichender Weise wirkenden klimatischen Verhältnissen und in der Bodenbeschaffenheit des Wohngebietes liegen dürfte, alles Verhältnisse, die ihren Einfluss zumeist nur an der Schale, weniger am Tiere selbst äussern. Ich glaube deshalb, dass das „Abstractum" , welches der Sammler sich macht, um sich in dem Formenchaos zurechtzufinden, doch nicht von jedem einzelnen nach seinen Bedürfnissen umgrenzt werden sollte, sondern dass vielmehr ganz bestimmt zu fixierende Gesichtspunkte dabei in Betracht kommen, wie z. B. die Vererbung der Eigenschaften. Der Begriff „Art" resultiert meiner Ansicht nach auch heute noch aus der Wahrnehmung eines Teiles der lebendigen Natur kraft, welcher im Organismus einen konservativen, einen erhaltenden Charakter annimmt, welcher sich den in so sehr verschiedener Art mit mehr oder minder starker Energie teils verändernd, teils zerstörend einwirkenden Ver- hältnissen der Aussenwelt entgegenstellt, um möglichst dauernd zu halten , was hier vereinigt wurde. Und so zeigt sich diese konser- vative Kraft dadurch, dass sie in einer Summe von Einzelwesen gleichgestaltete Charaktere von Generation zu Generation in der Vererbung fortführt. Als einzelner Fall sei die vorhin schon ange- deutete Erscheinung nochmals hervorgehoben, dass diese konserva- tive Kraft hauptsächlich auch der Vermischung der artlichen Charak- tere durch Verbastardierung entgegenarbeitet, das können wir an einer ganzen Anzahl naheverwandter, eng zusammenlebender Arten beobachten. Nur deshalb erscheint uns der Artcharakter in der Mollusken- welt weniger konservativ, weil wir immer noch nach alter Gewohn- heit die Artmerkmale gar gerne zuallererst in der Schale suchen, die doch nur ein mechanisch schützendes Skelett repräsentiert, das — 85 — nach seiner Vollendung nicht mehr in organischem Zusammenhange mit dem Tiere steht. Es ist allerdings eine all- und altbekannte Thatsache, dass sich die Eigenschaften der Schale in vielen Fällen sehr eng an die Charakteristika des Tieres anschmiegen, anderseits aber ist es eben so allbekannt, dass die Schale von den Verhältnissen der Umgebung in vielen Fällen in ausserordentlich mannigfacher Weise beeintlusst und verändert werden kann, ohne dass das Tier auch nur im geringsten davon in Mitleidenschaft gezogen wird. Darin, dass viele Naturforscher neuerdings nur die verändernden Kräfte beachten und den Einfluss derselben auf die Organismenwelt feststellen, die er- haltenden, die konservativen dagegen ignorieren, liegt die Ursache zur Neigung, diesen Artbegriff fallen zu lassen. Freilich sind die verändernden Kräfte schliesslich die ob- siegenden, denn sonst wäre das Sprichwort: „alles hat seine Zeit" hinfällig, allein die Widerstandskraft der konservativen ist doch eine sehr grosse und in der Molluskenwelt tritt sie vielfach auch in den Schalencharakteren deutlich hervor , wie so viele palaeontologische Befunde darthun. Auch darin liegt der Beweis des konservativen Elementes, dass die „bedingten" Schalenvarietäten unserer Süss- wassermollusken sofort wieder die Charaktere des Grundtypus der Art annehmen , sobald die zeitlich verändernden Einflüsse der Um- gebung verschwinden. Kobelt (57) bespricht am angeführten Orte einen Aufsatz des Mitgliedes der deutschen malakozoologischen Gesellschaft Herrn F. Gmelch in München über die „natürlichen Systeme", dessen Kern- punkt in der Verneinung irgend eines natürlichen oder künstlichen Systems liegt, indem er hervorhebt, dass es nur Einzelwesen giebt, die wir nach bestimmten gemeinsamen oder verschiedenen Eigenschaften in Arten, Gattungen, Familien bis endlich in die drei Naturreiche spalten , um uns eine Übersicht zu ermöglichen. Ein auch von Kobelt citierter Satz des genannten Autors möge hier ge- geben sein, welcher lautet: „Wie einstens den Chemikern die Er- findung des Steines der Weisen, den Mechanikern die Konstruktion des Perpetuum mobile als Krönung ihrer Werke im Geiste vor- schwebte, so bildet bis in die neueste Zeit und in der alten Schule noch heutzutage die Aufstellung eines natürlichen Systems der ge- samten Naturkörper den vermeintlichen Glanzpunkt in der Forschung, ihr Endresultat." Der Verfasser betont auch, dass vom Standpunkt der Dar- — 86 - winianer aus der Begriff der Art ganz aufhören müsse , eine be- stimmt umgrenzte, etwa von einem geschaffenen Elternpaare ab- stammende Individuenmenge zu bezeichnen. „Von bestimmten Arten bei Limnaeen — fährt der Autor fort — den Unionen und Ano- donten u. dergl. spricht jetzt wohl niemand mehr im Ernst; man begnügt sich, Typen oder Grundformen, oder, wenn man so will, auch Arten aufzustellen , aber den alten Artbegriff , wie er früher unbestritten galt, hat man fallen lassen." Gewiss, wir stimmen darin vollständig überein, dass die Art nichts Bestimmtumgrenztes, Festes ist, aber als den Ausdruck einer konservativen, er- haltenden Kraft darf man sie doch wohl ansehen, und in diesem Sinne zum Zweck der Übe rsichtser leich- terung der Tier formen gebrauchen. Eine in dieser Rich- tung mehr einheitliche Anschauung und Darstellung wäre im Interesse einer übereinstimmenden Beschreibung neuer Tierformen gewiss zu wünschen. Wie Kobelt weiter berichtet, hält der oben genannte Verfasser des bezüglichen Aufsatzes ein natürliches System für möglich, das auf der Feststellung der genealogischen Folge der Arten, ihrer Kreuzungen und Veränderungen beruht, also etwa in Form eines unendlich viel verzweigten Stammbaumes, der über das Eozoon cana- dense noch weit zurückragen müsse. Kobelt erklärt dies für ein zwar kaum je erreichbares , aber dennoch schönes Ziel , nach dem zu streben schon einmal der Mühe lohnte und bemerkt dabei, dass dann aber vor allem die Schranke zwischen Palaeontologie und Zoologie und Botanik fallen und der Forscher die Gattungen, mit denen er sich beschäftigt, zurückverfolgen müsse durch die Gesteins- schichten, soweit sein Material reicht. Endlich citiert er noch den Schlusssatz des angeführten Aufsatzes, in welchem die eben erwähnte Anschauung den Konservatoren der verschiedenen naturhistorischen Museen ans Herz gelegt wird, damit die fossilen Urtypen und unsere jetzt lebenden Formen nebeneinander Platz nehmen können, wodurch auch dem minder geübten Auge deutlich und klar der Zusammen- hang und der Übergang von ausgestorbenen und noch lebenden Wesen erkenntlich werde. Weiter will ich mich nicht in dieses unendlich schwierige Kapitel versteigen, denn man kommt gar leicht darin in Situationen, wie der allzu kühne Hochgebirgstourist, indem man schliesslich weder vor- noch rückwärts kann. Ich habe es nur deshalb für notwendig erachtet, die Aufmerksamkeit auf diesen heiklen Punkt zu lenken, - 87 — um den Artbegriff in der oben angegebenen Weise , dass nämlicb jede Species als der Ausdruck einer konservativen Kraft aufzufassen sei, als eine Notwendigkeit zur Gewinnung der Übersicht über die Tierformen zu rechtfertigen. Im übrigen halte ich es mit Heyne- mann (51), der da sagt: „Man wird sich noch lange über das Arten- recht , über die sogenannten Schöpfungscentren und die Ursachen streiten, welche neue Species hervorrufen, bis noch mehr Klarheit in die Gesetze kommt, welche die Abweichungen in den Formen bedingen. Halten wir dabei fest im Auge, dass auch für dieses Gebiet die Wahrheit gilt : Nur der Wechsel ist beständig." Ich hatte schon in meinem Vorwort zu dieser Abhandlung und auch vorhin wiederholt darauf hingewiesen, dass wir Artmerkmale bei den Mollusken vorwiegend in den Verhältnissen des anatomischen Baues des Tieres und erst in zweiter Linie in Schalencharakteren erblicken müssen , weil die letzteren in oftmals weitgehender Art und Weise durch die Einflüsse der Umgebung verändert weiden Es hat dies natürlich in erster Linie auf die Land- und Süsswassermollusken Bezug. Im Meere treten etwaige Gegensätze lange nicht in so greller Weise auf, wie auf dem Lande und dem hierbei einzu- begreifenden Gebiete des Süsswassers. Das Meer ist das Gebiet der Gleichheit. Insofern werden die Schalencharaktere der Meeres- mollusken mehr gleichen Schritt halten können mit den artlichen Charakteren der Tiere , als dies bei den Land- und Süsswasser- mollusken der Fall ist. Wenn nun bei den letzteren in ebenso weitem Umfang , wie bei den ersteren , die Speciesbenennung nach Merkmalen des Gehäuses erfolgte , so dürfen wir dies eben damit entschuldigen , dass man bei der ersten Betrachtung dieser Tiere eben zunächst auf das Gehäuse aufmerksam wird, welches die Weich- teile bei den meisten Schalenträgern zum grössten Teile verdeckt. Es kann indessen, das wollen wir gewiss nicht leugnen, die Art in den meisten Fällen auch bei den Land- und Süsswassermollusken nach dem Gehäuse erkannt, beschrieben und bestimmt werden, nur muss man stets scharf darauf achten , inwieweit dasselbe von der umgebenden Natur in abändernder Weise beeinflusst wird. Der Mangel dieser Beobachtung hat denn auch besonders bei unseren Süsswasserbivalven in der kritiklosen Artenfabrikation älterer Kon- chyliologen seine Früchte gezeitigt, wie er neuerdings wieder in der Methode der „Nouvelle Ecole" zum Ausdruck gekommen ist. Das muss uns jetzt absolut klar sein, dass die Schalen unserer Anodonten höchstens zur Beurteilung der Varietät und zwar nur im engeren - 88 — Sinne der „bedingten Varietät" in Betracht kommen können, denn darüber sind die Akten längst geschlossen, dass die grösseren Ohnzahn- muscheln unseres engeren und weiteren Vaterlandes im Baue ihres Organismus, in seiner Gesamtheit wie in dessen einzelnen Teilen wesentlich übereinstimmen. Solange dies aber der Fall ist , behält Clessin (18. 19) mit seiner Behauptung recht, dass diesseits der Alpen nur zwei „Arten" der Gattung Anodonta vor- kommen. Unter welchem Begriff oder welcher Bezeichnung sind nun aber die auch für Deutschland namhaft gemachten neuen „nicht guten Arten" zu beschreiben? „Varietäten" im ursprünglichen Sinne dieses Wortes sind es auch nicht, denn dieser Begriff deckt sich bei Darwin (34) so ziemlich mit dem Artbegriff, indem infolge von Neu- anpassung einige besondere, der „reinen" Art noch nicht zukommende Eigenschaften durch Vererbung in relativem Dauerzustand bleiben. Eine richtige Varietät ist die Brücke zur Bildung einer neuen Art. Nun hat Hazay (40) den sehr geschickt gewählten Begriff der „be- dingten Varietät" geschaffen und unserem Gewissen damit eine grosse Erleichterung geboten. Diese bedingten Varietäten sind so zu sagen vorübergehende Varietäten , Produkte der Beschaffenheit der einzelnen Wohnplätze, also veränderlich je nach diesen, ohne Vererbungsfähigkeit. In diese Kategorie dürfen wir schliesslich, selbstredend abgesehen von den individuellen Modifikationen, ohne Gewissensbisse alle die mehr oder weniger stark ins Auge fallenden Mutationen unserer Anodonten rechnen, findet man ja doch neben den unzähligen Variationen in den Verhältnissen der Schale bei ge- nauem Zusehen auch manchmal kleinere Schwankungen in dem Baue des Fusses nach Länge und Dicke , in der Färbung der Kiemen, je nach der Schalendicke auch in der Masse der Bindemuskeln und ähnliches mehr, kurz, irgendwelche rein äusserliche Verschieden- heiten geringerer Art in den peripherischen Organen des Tieres gehen in der Regel Hand in Hand mit den oft so weitgehenden Mutationen der Schale. So wäre also hier die Benennung der Form unter der Bezeichnung „varietas" zulässig. Immerhin aber bedarf der jeweilige Befund stets noch besonderer Prüfung dahin gehend, ob die betreffende Neuform wirklich auch örtlicher Natur ist, mit anderen Worten, ob sie sich an dem be- treffenden Fundorte an allen Individuen wahrnehmen lässt, oder ob sich ihre charakteristischen Merkmale nur dann und wann an einigen Exemplaren zeigen. Das letztere wäre der Beweis für die — 89 - rein individuelle Natur der Erscheinung und dafür würde die Be- zeichnung „varietas" ganz und gar nicht am Platze sein. In diesem Falle darf dann nur die Bezeichnung „forma" in Verwendung kommen. Ich halte deshalb nach den eben durchgeführten Erörterungen die Hinzufügung solcher Bezeichnungen, wie „varietas", „forma" bei der Benennung der neu be- schriebenen „nicht guten Arten" für uner lässli ch, weil dadurch in klarer Weise der Grad oder die Stufe der betreffenden Veränderungserscheinung und ihre Be- ziehung zu dem Formen kr eise, in dessen Bereich sie gehört, festgestellt ist. Ich habe es übrigens für notwendig erachtet, bei meinen späteren Darstellungen auch noch die Bezeich- nung „sub varietas" zu verwenden und werde Gelegenheit nehmen, mich in einem nachherigen Kapitel in erklärender Weise darüber zu äussern. Vater Linne hatte seiner Zeit nur die beiden extremen Aus- bildungsstufen unserer Teichmuscheln als Species herausgegriffen, hatte dieselben Mytilus cygneus und anatinus benannt und damit in sehr sinniger Weise die Grössenverhältnisse der Muscheln mit denen zwischen Schwan und Ente verglichen. Wir dürfen jedoch so gut wie sicher annehmen, dass zu Mytilus cygneus auch die grosse typische cellensis-F orm von Linne mit eingerechnet wurde (nach Hanley : ipsa Linnaei conchylia , ist Linne's Originalexemplar that- sächlich unsere cellensis), ebenso dürfte er alle kleineren Schnabel- modifikationen von cellensis und wahrscheinlich alle kleineren piscl- nalis-F örmen unter der anatina-Species vereinigt haben. Wenn man auf dem erwähnten Standpunkt hinsichtlich des Artbegriffes bei den Mollusken steht, so muss es doppelt sympathisch berühren, dass Linne die Benennung unserer Muscheln nicht auf Schalencharaktere basierte. Letzteres ist jedoch der Fall bei der CLESsiN'schen Anodonta „mutabilis" , indem der Autor durch diese Bezeichnung in erster Linie die endlose Veränderlichkeit der Schale hervorheben wollte l. Allein dies würde an und für sich durchaus 1 Draparnaud hatte bekanntlich, wie schon erwähnt, in diesem Sinne die Bezeichnung ,,1-ariabilis" gebraucht, die vielleicht insofern zutreffender war, als dies im Deutschen eigentlich veränderbar heisst, während mutdbüis mehr die Bedeutung von veränderlich hat. Letztens Wort bezeichnet demnach mehr die aktive Veränderlichkeit des Individuums, während ersteres die passive Veränderlichkeit der Art zum Ausdruck bringt. Noch einige andere Bezeich- nungen, wie polymorpha, multiformis , instdbilis wären eventuell geeignet ge- — 90 — nicht zu beanstanden sein , da ja die blosse Benennung einer Art als solche schliesslich erfolgen kann, in welcher Weise sie will. Ge- brauchen wir ja bekanntlich im Interesse besonderer Ehrung mancher Autoren und sonstiger Personen auch die, mir speciell zwar wegen der oft geradezu komischen Wirkung der Latinisierung sehr unsym- pathische Bezeichnung der Species durch Eigennamen, Rossmässleri, Sondermanni u. s. w. Die Hauptsache ist und bleibt der wissen- schaftliche Gesichtspunkt, unter welchem man das Wesen der Art betrachtet und gerade in dieser Beziehung lehrt uns ja Clessin das Richtige. Der Anlass, der mich bestimmt, zur ,, Anodonta mutabilis11 des genannten Autors Stellung zu nehmen, liegt vielmehr darin, dass diese Artbezeichnung nicht an Stelle der einen oder anderen der früheren LiNNKsehe n Species getreten ist, sondern ausserhalb des ganzen Formenheeres liegend, sämtliche Variationscentren desselben, sowie deren teilweise mannigfach degenerierte Nebenmodifika- tionen umfasst. Anknüpfend an die soeben durchgeführten Betrachtungen hin- sichtlich des Artbegriffes, der sich, wie wir gesehen haben, auf das Vorhandensein specifischer Merkmale unter dem Schutze einer kon- servativen Erhaltungskraft in den einzelnen Individuen, also einer Vererbungskraft, stützen muss, möchte ich nicht unterlassen zu be- tonen, dass sich derselbe zugleich auf eine bestimmte, unter normalen Lebensbedingungen ausgebildete Form irgend eines Organismus beziehen muss, und zwar auf eine Form, welche man in der Natur findet. Hieraus aber dürfte einleuchten, dass man unter Anodonta mutabilis im Clessin'- schen Sinne eigentlich keine „Species" verstehen kann, es ist dies vielmehr ein Sammelbegriff, gleichsam eine um fünf Varietäten- gruppen gelegte Hülle , innerhalb welcher das ganze Formenheer unserer grösseren Teichmuscheln sich in proteusartiger Veränderlich- keit bewegt. Es ist deshalb auch streng genommen nicht möglich, unter dem Begriff Anodonta mutabilis ohne Beziehung desselben auf eine bestimmte und reelle Form in derselben Weise, wie bei irgend einer anderen Molluskenspecies eine Diagnose für die Schale zu geben, wie es von Seiten des Autors in seiner „deutschen wesen; Rossmässler hatte scherzweise den Namen „chamaeleontica" vor- geschlagen. Ich für meine Person halte jedoch die Wiederaufnahme des Species- namens cygnea für das Beste, üherlasse es jedoch selbstverständlich jedem einzelnen, wie er sich in diesem Punkt verhalten will. — Ol — Exkursionsmolluskenfauna" 11. Aufl. S. 513 geschah. Es müsste denn diese Diagnose sich in so weitem Rahmen bewegen , dass man selbst die extremsten Formen darin unterbringen kann, nament- lich in Bezug auf die metrischen Angaben. Das thut sie aber nicht, denn sie lautet folgendermassen : „Muschel dünnschalig, läng- lich eiförmig, mit sehr verkürztem Vorderteil und sehr verlängertem Hinterteil, mehr oder weniger stark zusammengedrückten Schildchen, mit gewöhnlich sehr eckig hervortretendem Schilde , unter dem die seichte, rundliche Ligamentalbucht liegt ; Wirbel mehr oder weniger aufgeblasen, mit feiner Skulptur, die aus zahlreichen sehr enge- stehenden Lamellen besteht; Ligament lang und stark, nicht über- baut ; Schlossleiste schmal, Perlmutter weissbläulich : Muskelnarben sehr seicht; Epidermis olivengrün bis braun. Jahresringe 8 — 10, Länge 110 mm, Breite 51 mm, Dicke 30 mm." Welche Form aus dem ganzen Formenheere sollen wir uns nun hierunter vorstellen? Und warum hat Clessin so genaue metrische Angaben gemacht, wo er doch unmittelbar darauf sagt: „Grössen- unterschiede sehr beträchtlich ; die grössten Varietäten erreichen mehr als die doppelte Grösse der kleinsten" '? So allgemein obige Beschreibung in den übrigen Punkten auch gehalten ist, so ist sie doch noch lange nicht umfassend genug, um das ganze Formenheer zu beherrschen, d. h. um alle in der Natur vorkommenden Formen unserer grossen Teichmuschel einzubegreifen, auf der anderen Seite aber wieder zu allgemein, als dass man irgend eine Repräsentations- form eines der fünf Variationscentren damit festlegen könnte. Es ist meiner Ansicht nach verfehlt, bei einem so horrend aus- gedehnten Formenwechsel der Schale , wie ihn unsere Anodonten zeigen, in den Artbegriff das ganze Formenchaos mit hereinzuziehen, denn wir müssen bedenken, dass wir es in dieser Beziehung nicht nur mit Formenschwankungen allein , sondern grösstenteils mit Degenerationserscheinungen zu thun haben, mit mangel- haften Ausbildungsstufen unserer Muschel, deren Ursache in un- günstigen Lebensbedingungen liegt. Soweit ich es zu beurteilen vermag, ist es nirgends in der beschreibenden Naturgeschichte Usus gewesen, degenerative Erscheinungen bei der Artbetrachtung an und für sich zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist es zu schwer, ja fast ein Ding der Unmöglichkeit, eine umfassende Diagnose zu stellen. Dieselbe wird zu sehr kautschukartig, als dass man sich noch etwas wirklich Positives dabei vorstellen könnte. Es empfiehlt sich vielmehr in solchen Fällen, wie bei unseren Anodonten, eine so- — 92 — fortige Gliederung, indem man den Artbegriff nur auf die normale, unter günstigen Lebensbedingungen erfolgte Ausbildungsstufe basiert, um so mehr, als schon diese zahlreichen individuellen Formen- schwankungen unterworfen ist und das ganze Gefolge der mehr oder minder degenerierten Formen zunächst ausser acht lässt und erst in einigen besonderen Ausbildungsstufen als Repräsentanten weiterer Formenkreise wiederum für sich behandelt. Dieses Bedürfnis ist ja in der That sofort auch bei dem CLESSiN'schen System zu Tage ge- treten, indem der Autor die Gliederung in fünf Formenkreise vor- nahm, allein man weiss nicht, welcher den eigentlichen Vorrang, respektive welcher derselben die normale Ausbildungsstufe und da- mit die Art zu repräsentieren hat. Unter dem umfassenden Begriff „Anodonta mutdbüis" aber kann man sich das enorme Formenchaos nur als wimmelndes Durcheinander vorstellen. Es könnten diese Erörterungen übrigens den Anschein erwecken, als stünde ich selbst mit dem in meinem Vorwort ausgesprochenen Satze im Widerspruch, der sich darüber aufhält, dass die Diagnosen für die als Variationscentren zu betrachtenden Standortvarietäten, anstatt alle zu beobachtenden Formenschwankungen derselben nach Möglichkeit zu umfassen , den Schwerpunkt vielfach auf nur den normalen Formen zukommende Merkmale legen. Dem ist aber durch- aus nicht so. Mein Standpunkt bleibt vielmehr der gleiche. Bei der Beschreibung der einzelnen Variationscentren muss die Diagnose unter Hervorhebung des allgemeinen Charaktermerkmals so umfassend gehalten werden, dass sie den natürlichen Formenschwankungen innerhalb des Formenkreises, welche schon stark kontrastieren, ent- spricht, und kann erst bei der Festlegung einzelner bemerkenswerter Modifikationen für die Details besonders präzisiert werden, nur für alle Variationscentren zusammen, wie sie der Begriff der CLESSiN'schen Anodonta mutabilis umfasst, kann meiner Meinung nach keine Generaldiagnose gegeben werden, denn diese Kontraste gehen zu weit, als das sie durch das fortgesetzte „mehr oder weniger so und so" auch nur annähernd geschildert werden könnten. Es müssten nach diesem Beispiel Clessin's auch verschiedene andere Molluskenspecies, welche sich durch stärkere Variabilität in ihren Schalenformen auszeichnen, ähnlich behandelt werden, namentlich TJnio p ictorum L., aus dessen Formenschwankungen, wenn sie auch entfernt nicht mit denen unserer grossen Anodonten verglichen werden können, ebenfalls eine ganze Anzahl von „Species" hervorgegangen waren. Soviel mir bekannt ist, sind es ungefähr — 93 — ein Dutzend Arten: Unio concinnus Rossm., ventrosus Ki st., laevigatus Küst., graniger Zglr., limosm Nils., rostratus Retz., platyrhynchm Kok., '/rra Held, decoUatm Held, Deshayesii Moll., latwostris Küst., l(/)i;/in>stris Zi;i,u. Ich für meine Person bin sogar der Ansicht, dass auch JTJno hnunlas Held und dessen verschiedene Modifikationen mit hereinzuziehen sind. Warum hat kein Autor diese ganze Gesell- schaft etwa unter Unio mutalnlis oder variabilis vereinigt und dann in „varietas" pictorum, limosus, platyrhynchus u. s. w. eingeteilt? Man sollte daher meinen, dass, wenn wir mit Unio pictorum L. als Artrepräsentant fernerhin auskommen, dies auch mit Anoäonta cygnea L. möglich sein dürfte. Hiervon ausgehend war es in Anbetracht dieses Punktes von jeher meine unmassgebliche Ansicht, dass Clessin viel besser die frühere Anoäonta cygnea L. für den Artbegriff hätte beibehalten, respektive seine „varietas" cygnea als die Artrepräsentantin aufstellen können, selbstverständlich mit Hinweis auf die grosse Mannigfaltig- keit der von ihr abzuleitenden Varietäten. Es wäre dies nament- lich späterhin für den Autor , meiner Ansicht nach , um so nahe- liegender gewesen , als er ja selbst in seinen Studien über die deutschen Species des Genus Anoäonta den Nachweis geliefert hatte, dass die Formen cygnea L. , ceüensis Schrot., piscinalis Nils., anati/na L. , rostrata Kok. etc. auseinander hervorgehen und ich glaube daraus entnehmen zu dürfen , dass er entweder die forma cygnea L. oder die forma anati/na L. als den Grundtypus betrachtet, von welchem die übrigen Modifikationen als Produkte verschieden- artiger Wasserverhältnisse abgewichen sind. Ich werde bei späterer Gelegenheit auf diesen Punkt in der CLESsra'schen Arbeit noch etwas eingehender zurückkommen. Bei einer Species mit grosser Veränderlichkeit betreffs der Form — ich erinnere nur an Helix pomatia L. — muss sich, um es nochmals zu betonen, der Artbegriff auf eine festgesetzte Normalform stützen, sei es nun die vollendetste Aus- bildungsstufe oder die am häufigsten vorkommende Form, auf welche dann die verschiedenen Modifikationen bezogen werden können. Aber ausserhalb des Formenbereiches sollte er eigentlich nicht liegen. Anoäonta mutabUis im ÜLESSiN'schen Sinne ist jedoch, wenn ich mich so ausdrücken darf, eine imaginäre Species und zwar aus zweierlei Gründen ; einmal , weil sie eben in einem den Formenreichtum der Schale unserer Muschel mit Einschluss der Degenerationen vollständig umfassenden Sinne sich auf keine be- — 94 — stimmte , in der Natur vorkommende Ausbildungsstufe derselben stützt, auf welche, als Normalform betrachtet, die übrigen Formen- bildungen in ihren degenerativen Abweichungen bezogen und danach in klarer Charakterisierung beschrieben werden können, dann aber zweitens im Hinblick auf die oben erwähnte Diagnose, welche ihrer- seits wieder mit dem ursprünglichen, das ganze Formenheer unserer grösseren Anodonten umfassenden mutabilis- Begriff in direktem Wider- spruch steht, indem sie sich hinsichtlich der metrischen Angaben auf eine einzelne, ideale, aus dem Formenwechsel künstlich heraus- konstruierte Durchschnittsform bezieht, die höchstens einmal zufällig mit irgend einem Individuum kongruieren kann. Hierin liegen, wie gesagt, hauptsächlich die Gründe, weshalb ich mich mit dieser Anoäonta mutabilis nicht zu befreunden vermag. Die ÜLESSiNsche „varietas" cygnea L. kann als grösste und schönste Ausbildungsstufe ganz gut den Normaltypus oder die Grund- form der Art repräsentieren, auf welche sodann die übrigen früheren „Arten" als veränderte Formen unter der Bezeichnung „varietas", „subvarietas" und „forma" mit der gebräuchlichen Nomenklatur bezogen werden können. Die Berechtigung dieses Standpunktes dürfte aus unseren späteren diesbezüglich eingehenden Darstellungen hervorgehen. Einmal ist damit die seit so langer Zeit übliche Anoäonta cygnea L. beibehalten , zweitens eine „Varietät" erspart. In einem Teil der neueren Litteratur, so z. B. in einigen grösseren Handbüchern, wie Fischers „Manuel de conchyliologie", hat die Anoäonta mutabilis Cless. nicht immer gleiche Sympathie ge- funden und so figuriert sie vorwiegend in specielleren Abhandlungen, Lokalfaunen u. dergl. Aber auf diese Weise haben wir eine Zer- splitterung, in der sich namentlich der Laie schwer zurecht findet und deshalb möchte ich im Interesse der einheitlichen Artauffassung mit Entschiedenheit dafür plädieren, dass wir die Anoäonta cygnea L. in ihre alten Rechte wieder einsetzen. Wie sich die „Nouvelle Ecole" dazu verhält, dürfte uns gleichgültig sein, diese geht ihre eigenen, allein selig machenden Wege. Es hat mich, offen gestanden, sehr angenehm berührt, als ich beim Studium des oben genannten HAZAY'schen Werkes dieselbe Empfindung und dasselbe Bestreben auch bei diesem ausgezeichneten Malakologen bemerkte und dass ich damit in der glücklichen Lage bin, in überzeugter Beipflichtung mich auf denselben und seine be- züglichen Darstellungen zu berufen. Hazay (40) schreibt dort im allgemeinen Teil seiner „Molluskenfauna von Budapest" : „Auch für — 95 — unsere Fauna kann ich nur zwei Arten, jedoch mit einer Varietät, anführen. Für die eine Art möchte ich den Namen Anodonta cygnea L. statt mutaMUs Cless. beibehalten, nachdem es an Namen ohnehin nicht mangelt, jener aber alther eingebürgert und bekannt ist; besonders aber, weil er diejenige Form repräsentiert, die, im mittleren Europa überall einheimisch, die grösste Entwickelung zeigt und sozusagen die vollkommenste Gestaltausprägung erlangt, der alle übrigen nachstehen und daher unterzuordnen sind. Ihr bei- geordnet untersteht die immer auch geschlechtlichen Unterschied bietende weibliche Form cellensis Gml." Dieser letztere Punkt hat mich überrascht, da ich dieser etwas flüchtig hingeworfenen Auffassung der cellensis-Form. hier zum ersten- mal begegnet bin. In der früheren Litteratur konnte ich Bezüg- liches nicht finden , anderseits aber fällt es mir auf, dass in der neuesten Litteratur kein Autor sich in irgendwelcher Weise klar darüber äussert. Man weiss infolgedessen jetzt weniger als je, welche Formen man eigentlich nunmehr unter Anodonta cellensis Schrot. verstehen soll. Ich werde später in eingehender Weise darauf zurück- kommen. Zunächst jedoch ist für mich die Hauptsache , dass die alt- ehrwürdige, ich möchte fast sagen, poetische Anodonta cygnea L. als Art sich wieder hervorwagen darf. Ich bin der Ansicht , dass auch die grösste Veränderlichkeit in Bezug auf die Form der Schale das Verlassen des üblichen ArtbegrifTes absolut nicht notwendig er- scheinen lässt, wenn man ihn auf die normale Ausbildungsstufe der Muschel stützt, und deshalb wage ich es, ermutigt durch den Stand- punkt Hazay's, das Clessin sehe System in diesem einen Punkt dahin zu modifizieren, dass ich, anstatt der imaginären Species „mutabilis" die reelle cygnea L. wieder in ihre Vollrechte einsetze , wobei sich dieselbe auf einen bestimmten, als Haupt- und Normalform zu be- trachtenden Formentypus bezieht. Die unzähligen Übergangsformen , welche nun aber zwischen den CLESSiN'schen Variationscentren als verschiedene Übergangsstufen liegen , bieten indes bei der systematischen Aufstellung erst wieder recht bedeutende Schwierigkeiten und wenn man zahlreiches Material vor sich liegen hat, sitzt man gar manchmal in wahrer Verzweiflung da, soll man durch eine rationelle Ordnung ein klares Bild einer übersichtlichen Variationsreihe geben. So ging es auch mir wieder, als ich bei der Neuaufstellung unserer reichhaltigen Sammlung an die formen wendischen Anodonten kam. — 96 - Angesichts der Aufgabe, eine Mustersammlung aufzustellen, lag mir daher der Gedanke nahe, auf welche Weise ich mir selbst und damit auch andern , welche vor eine ähnliche Aufgabe gestellt sind, diese Arbeit zu erleichtern vermöchte. Ich trug mir die Be- schreibungen unserer Anodonten zusammen und da kam ich, wie ich dies schon in meinem Vorwort andeutete, bei dem Studium der verschiedenen Formen an der Hand der etwas verschieden gehaltenen Special-Diagnosen zunächst zur Überzeugung, dass dieselben bei aller Sachlichkeit der Willkür des einzelnen in der Beurteilung der ver- schiedenen Formen insgesamt einen zu grossen Spielraum lassen, indem sie noch nicht genügend positive Anhaltspunkte geben trotz grosser Detaillierung, so dass man immer und immer wieder mit dem leidigen „es stimmt nicht ganz" zu kämpfen hat. Das mag wohl daher kommen, dass sich diese Diagnosen, be- sonders diejenigen aus früherer Zeit, meistens nur auf bestimmte Formen einzelner Individuen stützen, die der betreffende Autor gerade unter den Händen hatte und so kommt es weiter, dass man die verschiedensten Formen gewissermassen in den gegebenen dia- gnostischen Rahmen einzwängen muss. Das kann aber meiner An- sicht nach vermieden werden, wenn sich die Diagnose auf der Be- trachtung ganzer Formen Serien des jeweiligen Fundortes aufbaut, indem dadurch einerseits die zu grosse Detaillierung wegfällt, während anderseits die sämtlichen Individuen zukommenden specifischen Merk- male schärfer hervorgehoben werden können. Es sei mir zu weiterer Verdeutlichung des eben Gesagten ein kleines spasshaftes Phantasie- bildchen gestattet. Man nehme sämtliche Anodonten gleichartiger Ge- wässer, sammle alle ihre Merkmale, die deutlicheren und undeutlicheren und bringe diese in ein grosses groblöcheriges Sieb. Diejenigen, welche nach kräftigem Durchsieben zurückbleiben , sind dann die für die betreffende Form charakteristischen, an welchen man sie richtig er- kennen und von den anderen Formen zu unterscheiden vermag. Die Diagnose wird auf solche Weise klarer und relativ einfacher werden, an wissenschaftlichem Wert aber gewinnen. Bei manchen modernen Forschern stehen die Diagnosen für die Anodonten und andere Molluskenschalen überhaupt schon in Misskredit und werden von denselben , von einem gewissen Stand- punkt aus vielleicht mit Recht, mehr oder weniger ganz bei Seite geschoben. Vortrefflich sagt beispielsweise Hazay in seinem angeführten Werke (50): „In erster Zeit, als ich mit dem Sammeln hiesiger Mol- — 97 — lusken begonnen, glaubte ich mich festhalten zu müssen an alle haar- kleinen Einzelheiten einer Bestimmung der konchyliologischen Arbeiten, indem ich, die Gehäuse den aufgestellten Typen gemäss vergleichend, die gegebenen Diagnosen von Wort zu Wort verfolgend, sortierte und vignettierte. Oft wusste ich nicht, was mit dieser und jener Form anzufangen , und kaum , dass ich mit einer so gearteten Be- stimmung der Vorkommnisse eines und des andern Fundortes fertig geworden, fand ich zu einer andern Jahreszeit im nächsten Früh- jahr an denselben Fundorten wieder andere Formen vor. Ja, wie ist das möglich? fragte ich und suchte weiter nach passenden Dia- gnosen, die ich natürlich zutreffend höchst selten aufgefunden. Die nähere Vergleichung endlich der Gehäuse und der Tiere brachte mich zu dem Entschluss, die Studierstube anderswohin zu verlegen, ich schob die unerbittlichen Diagnosen beiseite und suchte mir durch Veranschaulichung des individuellen freien Lebens bei den Tierchen selbst den besten Rat und Belehrung. Das Studium in der freien Natur ist zwar schwieriger, aber immer sicherer und erfolgreicher, und wenn auch so manche Theorie und Diagnose demselben zum Opfer fällt, wie dies bereits in mancher Hinsicht geschehen, so reinigt es das Sehfeld und unsere Wissenschaft von einem ihr auf- octroyierten unnatürlichen Ballast." Der wissenschaftliche Standpunkt , der hierin ausgesprochen ist, steht selbstredend unanfechtbar da, allein ganz über Bord werfen können wir die Diagnosen nicht, denn Beschreibungen sind einmal notwendig und ein Sammlungsmaterial muss nach einem bestimmten Prinzip geordnet sein, und zwar in der Weise, dass man, wie Ross- mässler so treffend sagt, „erkennen kann, wie die differenten Formen dennoch in einem verwandten Zusammenhange miteinander stehen." Andernfalls hätte ja die Aufstellung einer Gehäusesammlung für die Wissenschaft überhaupt keinen Wert. Diese Aufgabe uns zu er- leichtern , beziehungsweise die Erfüllung derselben zu ermöglichen, ist aber Sache der Autoren , indem sie uns die Verwandtschaft der verschiedenen Formen erklären und uns dieselben beschreiben , so dass wir unsere Funde * damit vergleichen und danach bestimmen können. Die von Hazay trefflich hervorgehobene „Unerbittlichkeit" der Diagnosen erblicke ich in Bezug auf die vorliegenden Fälle immer wieder in der auf der einen Seite zu weitgehenden durch die Be- trachtung von bestimmten Individuen verursachten Detaillierung, während sie auf der anderen Seite die scharfe Hervorhebung der allgemeinen, zur Erkenntnis wichtigsten Merkmale vermissen lassen. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. 7 - 98 — Da man aber, und das trifft mehr als anderswo bei unseren Ano- donten zu, an der Schale der Mollusken vielfach einen Spiegel der Lebens- und Anpassungsverhältnisse des Tieres hat, müssen nach Feststellung der allgemeinen artlichen Merkmale besonders die dies- bezüglichen Eigenschaften in der Diagnose hervorgehoben und aller unnütze Ballast beiseite gelassen werden. Das Wichtigste ist freilich nach Möglichkeit der Hinweis auf die Ursache, durch welche gerade die vorliegende Form erzeugt werden musste, damit der Sammler und Forscher stets auf das lebendige Wirken der Natur aufmerksam werde. Da durch die Darstellungen Clessin's die Beurteilung der mannigfachen Formenabänderungen unserer Teichmuscheln längst in das richtige Geleise dirigiert worden ist und die Ursachen dieser Erscheinungen sowohl durch die Beobachtungen dieses Autors selbst, wie auch noch durch die entwickelungsgeschichtlichen und bio- logischen Untersuchungen Braun's und Hazay's (4, 40) in ergänzender und ziemlich erschöpfender Weise ihre Erklärung fanden , so bleibt mir nunmehr als meine specielle Aufgabe übrig, einmal, die ver- schiedenen Auffassungen des piscinalis- insbesondere aber des cellensis- Kreises auf eine einheitliche zurückzuführen, um festeren Grund und Boden für die Beurteilung und Begrenzung der von Clessin aufgeführten Variationscentren und damit eine bessere Über- sicht über das Formenchaos zu gewinnen, zweitens die für letztere gegebenen Beschreibungen im Hinblick auf die individuellen und örtlichen Formenschwankungen, namentlich auf die Langschnabel- formen bei gleichzeitig scharfer Hervorhebung des allgemeinen charakteristischen Merkmales für den betreffenden Formenkreis zu erweitern und dann erst bei Berücksichtigung besonders merkwürdiger Modifikationen in detaillierender Weise zu präcisieren. Von diesem Standpunkt ausgehend möchte ich noch innerhalb des Kahmens unserer einleitenden Betrachtungen darauf hinweisen, dass wir es, wie Hazay sehr richtig bemerkt, bei unserer grossen Teichmuschel mit dreierlei Hauptformenkreisen zu thun haben, d. h. einmal mit den Formen der kleineren stagnierenden Gewässer, dann mit den in fliessendem Wasser lebenden und endlich solchen , welche sich in den grösseren Seen , hauptsächlich in den Gebirgsseen aufhalten. Hierbei zeigen sich die schon von Clessin längst endgültig klargelegten Thatsachen, dass in kleineren Wasser- becken, namentlich in Weihern mit nicht zu tiefem erdigen Schlamme die grössten und schönsten Formen sich ausbilden , nämlich die — 99 — typische Normalform cygnea L. und die ihr nächststehende Form cellensis Schrot, die erstere namentlich in ihren zahlreichen indi- viduellen Variationen , während in den fliessenden Gewässern die betreffs des Grössenwachstums im allgemeinen mehr oder weniger zurückgebliebenen Formen piscinalis Nils, und anatina L., in den grösseren Seen endlich die ebenfalls in der Grösse ziemlich ver- kümmerte Form lacustrina Cless. , auch diese in verschiedenen und zahlreichen mehr oder minder von der Durchschnittsform ab- weichenden Modifikationen vorgefunden werden. Diese Modifikationen äussern sich hauptsächlich in der Langschnabelform, welche wir bei allen Formenkreisen antreffen. Ich komme deshalb bei dieser Gelegenheit noch einmal auf den Punkt zurück, den ich schon in meinem Vorwort zu besprechen Gelegen- heit hatte, nämlich auf die Anodonta rostrata Kok., und wieder- hole, dass im Zustand der vollkommenen Altersausbil- dung in der Regel alle Teichmuscheln ein mehr oder weniger schnabelartig verlängertes Abdomen zeigen und dass diese Erscheinung fast ausnahmslos ganz besonders bei den im Gesamtwachstum in verschie- denem Grade verkümmerten Exemplaren zum Ausdruck kommt. Die früher als Art hervorgehobene Anodonta rostrata Kok. bezog sich mehr nur auf solche Individuen, welche durch auffallend verlängertes und dabei noch verbreitertes Hinterteil das Aussehen eines grossen Entenschnabels gewinnen ; die Erscheinung bringt zu gleicher Zeit ein Missverhältnis zwischen Vorder- und Hinterteil mit sich, wodurch eben die Formverzerrung zu stände kommt, die der Normalform der Anodonta cygnea L. gegenüber manchmal geradezu als Karikatur erscheint. Diese Abdominalverlängerung kann ver- schiedene Ursachen haben, sie kann einmal rein individueller Natur sein, wie wir das bei der typischen cygnea-Yoim. sehen werden, in anderen Fällen aber sich als ein Produkt der besonderen Eigen- tümlichkeiten des Wohnortes erweisen. Clessin (11) hatte die Beob- achtung gemacht, dass sich Formen mit schnabelartig verlängertem Abdomen auch überall in jenen Wassern bilden, welche tiefschlam- migen Grund haben. Dort müssen sich die Muscheln strecken, um im Interesse der Atmung ihr Hinterteil aus der Schlammschichte hervortretend zu erhalten. Die Art und Weise, in welcher sich diese Formverzerrung durch übermässige Verlängerung des Abdomens der Schale äussert, ist aber so sehr variabel, dass, wie ich auch schon in meinem Vorwort hervorgehoben habe, es durchaus unmöglich ist. - 100 — die Grenze zu ziehen , innerhalb welcher man für die Muschel die bisher übliche Bezeichnung „rostrata" anwenden soll. Deshalb ist bei der Beschreibung eine genauere Detaillierung nötig, ob das ver- längerte Hinterende gerade verläuft, spitz oder breit, aufwärts oder abwärts gebogen ist, wie ich das bei der speciellen Beschreibung solcher Formen nachher durchführen werde. Die Anodonta „rostrata" Kok. wolle also im Sinne einer besonderen Varietät oder Untervarietät der eellensis-Fovm von jetzt an verschwinden zu gunsten einer je- weilig genauer zu bezeichnenden Form. Betrachtet man die Langschnabelformen der verschiedenen Variationscentren, so kann man sich davon überzeugen, dass sie in ihrer Ausbildungsstufe von dem Habitus der be- treffenden Normalform abhängig sind. So wird demnach der cellensis-Typus folgerichtigerweise die längsten Schnabelformen in allen Modifikationen aufweisen, weil hier schon die typische Form länger gestreckt ist, als die Normalformen der anderen Variationscentren. Es ist wohl nicht zu bestreiten, dass gerade bei den mehr oder minder degenerierten Langschnabelmodifikationen des cellensis- Kreises die Schlammverhältnisse des Wohnortes eine hervorragende Rolle spielen, allein man darfauch die individuelle Anlage nicht verkennen, welche, wie schon öfters erwähnt, namentlich bei der typischen cygnea-Fovm und ihrer Kümmerform piscivialis Nils. besonders scharf hervortritt. An der von mir in Fig. 1 auf Taf. II gegebenen Abbildung einer prächtigen Langschnabelform des cygnea- Typus kann man an den Jahresringen und Anwachsstreifen die von Hause aus langgestreckte Anlage der Muschel erkennen, die mit absoluter Sicherheit ohne irgendwelche äussere Einwirkungen zu dieser hohen Ausbildungsstufe einer Langschnabelform führen musste. Wenn es sich jetzt nach unseren einleitenden Betrachtungen vor allen Dingen um die Revision der Standortvarietäten der grossen Teichmuschel, welcher wir nunmehr den Namen Anodonta cygnea L. anstatt A. mutabilis Clessin geben wollen, handelt, so ergiebt sich von selbst zunächst als zweiter Abschnitt unserer Darstellungen folgende Frage : II. Welche Ausbildungsstufe unserer grossen Teichmuschel ist als die typische zu betrachten und mit dem Namen der Art, Anodonta cygnea L., zu belegen? Diese Frage lässt sich am besten beantworten, wenn wir uns vorher eine andere stellen , nämlich die Frage : Wie müssen wir — 101 — unsere Anodonten ableiten oder wie ist ihre Entstehung und \u bildung in ihren jetzigen Habitus zu denken? Die Süsswasserfauna dürfen wir im grossen und ganzen als eine Tochter der Meeresfauna betrachten und deshalb die Najaden als Nachkommen von Meeresmuscheln ansehen, welche im Larven- zustand mit Überwindung der Strömung allmählich in die Flüsse aufwärts gewandert sind. Diese Annahme rindet ihre Be- stätigung durch das Studium des Baues und der Entwickelung des Schalenschlosses, wie es neuerdings von Neumayr (70) und v. WöHR- maw (84) durchgeführt wurde. Wir ersehen aus den Darstellungen des erstgenannten Autors, dass unsere Najaden oder Unioniden sich in genannter Beziehung an die Trigonien, jene alten, besonders in der Falaeontologie eine grosse Rolle spielenden Meermuschel- formen, anschliessen. In allgemein morphologischer Beziehung er- weisen sich die südamerikanischen Flussmuschelgattungen Gastalia und Hyria als Beispiele, welche in ihren wenigen Arten, haupt- sächlich Gastalia ambigua Lam. , schon äusserlich auf den ersten Blick die grosse Ähnlichkeit mit den Trigonien verraten. Nicht minder ist dies auch der Fall bei einer grösseren Anzahl nord- amerikanischer und chinesischer Unionen , von welchen ich haupt- sächlich die Species Unio clavus Lam., mytiloides Raf., gibbosus Raf., cyphius Raf., cuneatus Raf., scriptus Heude, pölystictus Heude, Koche- chouartii Heude, Leai Gray, nodosus Lea, Languilati Heude u. a. m. hervorheben möchte. Anderer Ansicht ist jedoch der zweitgenannte Autor; denn während Neumayr die Najaden von Trigonia ableitet, sieht v. Wöhr- maxn nach den Schlossverhältnissen die Stammform in Trigonodus und kommt zum Schluss, dass Unio als die älteste Gattung der recenten Najaden zu betrachten ist. Es ist selbstredend nicht unsere Aufgabe , diese Verhältnisse hierorts näher zu erörtern , die Haupt- sache für uns bleibt der Nachweis, dass unsere ältesten Süsswasser- muscheln zunächst als Zahnschaler, gleichviel ob in taxodontem oder heterodontem Typus, aufgetreten sind, die offenbar erst durch lang- zeitige Anpassung in kleineren, stillen Wassern diese Eigenschaften verloren hatten und in den anodonten Typus übergegangen waren. Das geologische Alter der Unioniden, um dies hier einzufügen, ist übrigens relativ kein hohes, sie rinden sich im allgemeinen auch noch in den Tertiärschichten selten, doch führt Heynemann (51) diese Thatsache darauf zurück , dass sie wegen ihres blätterigen Gefüges den Elementen viel weniger Widerstand leisten konnten und deshalb — 102 — nur der kleinste Teil dieser so häufigen Muscheln der Nachwelt er- halten bleibt. Man dürfe daraus aber nicht schliessen , dass diese Typen in der Tertiärperiode einen geringeren Anteil an der Bevölke- rung der Binnengewässer gehabt hätten als heutzutage. Nach Sim- roth (78) legen die Unioniden einen anderen Gedanken nahe, die Schwierigkeit der Süsswasseranpassung betreffend. Es scheint im Süsswasser bedeutend schwerer, Kalk in die Gewebe aufzunehmen und abzuscheiden, als im Seewasser, und dieses Hindernis, dem man bisher nur vereinzelte Beachtung geschenkt hat, scheint beinahe so stark, wie die Überwindung des Wechsels im Salzgehalt. Wie dem nun auch sein möge, wir müssen uns mit der That- sache abfinden, dass es zunächst dickschalige, mit starkem Schalenschloss bewehrte Unio -ähnliche Formen waren, welche den Weg in die Süsswasser, selbstredend anfangs nur in die Flüsse, gefunden hatten. Die zahnlosen Anodonten konnten sonach erst in den ruhigen Buchten der Seebecken und in ihrer schönsten Ausbildung hauptsächlich nur in den grösseren Teichen und Weihern, also in relativ kleinen und stillen Gewässern mit massiger Schlamm- ablagerung, zur Vollendung gelangen. Diese letzteren ruhigen Gewässer sind jedoch wohl kaum auf dem Wege der Überschwemmung ent- standen wie die abgetrennten Altwasser der Flüsse, sondern dürften vielmehr offenbar als Sammelbecken kleinerer Flüsse und Bäche zu betrachten sein. Eben dadurch , dass sie einen Durchfluss besitzen und damit einer Stagnierung im strengen Sinne des Wortes nicht anheimfallen, gestalten sich die Bedingungen für die Ausbildung ihrer Fauna günstig. Die mehr kleinen und gedrungenen, dabei dick- schaligen und schlossbewehrten Unio-Foi'men konnten sich nach ihrer Einwanderung in diese stillen Becken allmählich in die leichtschaligeren und zahnlosen Anodonten umbilden und vor allen Dingen jene relativ gewaltige Grösse erlangen, welche wir bei der typischen Anoäontn cygnea L. bewundern. Die Gattungen Leila, Mutela, Spatha, Myce- topns, Monocondylaea, Cohimba, M'wroconäylaea und Di2)sas repräsen- tieren ebenfalls solche Umbildungsformen. Eine weitaus massenhaftere Einwanderung in die grösseren und kleineren Becken der Flüsse und Bäche, also in die Seen, Weiher und Teiche, wurde dann, nachdem einmal die Meermuschel durch das Brackwasser in den Fluss vor- gedrungen war, hauptsächlich dadurch leicht möglich, dass die Muschellarven sich nach Möglichkeit des bequemen Mittels des Wanderparasitismus bedienten, indem sie sich also an Fische fest- setzten und von diesen wreiterbefördern liessen. Seit Erlangung ihrer - iü:>» — vollständigen Süsswassernatur scheinen sich die Unioniden in aus- giebiger Weise dieses einfachen Wandermittels zu bedienen. So fand IIa/ay beispielsweise Muschellarven als Parasiten auf dem Flussbarsch. Kaulbarsch, Schnitzer, auf dem Rotauge, dem Bitterling, auf der Schleihe und Karausche, auf dem Karpfen und Alet, auf dem Uopsel und Frauenfisch. Der genannte Autor erwähnt dabei, dass sich die Ansiedelung der Muschellarven auf die Fische als am wahr- scheinlichsten dadurch bewerkstelligt denken lässt, dass die Muscheln in der Wellenbewegung den über ihnen schwebenden oder schwim- menden Fisch wahrnehmen müssen und aus diesem Anlass, wie auch bei der geringsten Störung des Wassers in einem abgestossenen Wasserstrahl reife Larvenmassen herausbefördern, welche sich dann mit ihren Byssusfäden an dem schleimigen Fisch verfangen und mit den Schalenhaken auf denselben festsetzen. Wenn wir nun diesen durchaus naturgemässen Weg der generellen Entwickelung unserer grossen Teichmuschel als wahrscheinlich anerkennen wollen, so dürfte die oben gestellte Frage : welche Form als die typische zu betrachten und mit dem Namen der Art, Anodonta cygnea L., zu belegen sei, unschwer zu beantworten sein. Eben die Form, welche durch die Einwanderung in die stillen Becken der kleineren Flüsse und Bäche, d. h. in die grösseren Weiher und Teiche, zur schönsten Ausbildung gelangte. Das ist aber keine andere als die alte LiNNE'sche Anodonta cygnea, welche identisch ist mit der ersten Varietät der CLESsix'schen Anodonta mutabilis. Es dürfte vielleicht befremden, dass ich mit dieser Ansicht gewissermassen wie mit der Thüre in das Haus falle, ich werde mich jedoch bemühen, die Erklärung dafür nicht schuldig zu bleiben. Ich hatte vorhin als eventuelle Bildungsstätte für die zahn- losen Najadenformen absichtlich auch die stillen Buchten der grösseren Seen erwähnt und wollte damit schon andeuten, dass es eine irrtümliche Ansicht ist, in den grösseren Seen komme nur eine einzige Teichmuschelform vor, nämlich die von Clessix auf- geführte lacustrina-Modifikation, Es hat namentlich Brot in seiner angeführten Schrift über die Najaden des Genfer Sees eine ganze Anzahl zum Teil wohlausgebildeter grosser Anodontenformen aus diesem mächtigen See namhaft gemacht und dabei besonders eine nur in geringem Grade modifizierte typische ce(le)isis-Fovm — die typische cygnca-Yoim scheint nach den eigenen Angaben des Autors nicht aus dem See selbst, sondern aus Uferweihern zu stammen — von dorther beschrieben. Auch der grosse schweizer Grenzbruder des - 104 - Genfer Sees, der Bodensee, das allbekannte schwäbische Meer, beher- bergt durchaus nicht bloss seine charakteristische lacustrina-F 'orm, man rindet vielmehr in der Lagune von Lindau, d. h. in dem Gebiet zwischen der Inselstadt und dem Ufer, grosse und tadellos ausge- bildete cettensis-Fovmeii. Ich ziehe aus diesen Thatsachen den Schluss, dass die fiuss- aufwärts in solche grosse Seebecken eingewanderten C/mo-ähnlichen Stammformen sich nur dann möglicherweise den Anodonta-Habitas erwerben konnten, wenn sie in die stillen Buchten dieser grossen Seen zu gelangen Gelegenheit hatten. Das übrige, bei stürmischem Wetter bedeutendem Wellenschlag ausgesetzte Gebiet in geringerer Tiefe des Gewässers bot meiner Ansicht nach keinen Anlass zur Umbildung der ursprünglichen kleineren, dickschaligen und gezähnten Formen, indem dieselben an solchen Orten vielmehr dem fliessenden Wasser ähnliche Verhältnisse vorfanden und deshalb den alten unio- niden Habitus beibehalten konnten. Wenn wir nun an den beiden oben genannten Orten neben den typisch besser ausgebildeten Anodonta - Formen grösstenteils eine dimensional reduzierte und dickschaligere Form, eben die lacustrina- Modifikation antreffen , so glaube ich mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, dass diese keine primäre, sondern eine sekundär rückgebildete, an das bewegtere Wasser neu angepasste Anodontenform ist. Clessin betont (Deutsche Exkursionsmolluskenfauna II. Aufl. S. 524) , dass alle diese Seeanodonten , wie ich sie kurz nennen möchte, sich durch feste Schale, helle Epidermis und das sehr ver- kürzte Vorderteil auszeichnen. Dabei sind sie alle von geringer Grösse , haben engestehende zahlreiche Jahresringe , zeigen jedoch auch wieder verschiedene Formverhältnisse, welche ihnen durch die Eigentümlichkeiten des jeweiligen Aufenthaltsortes aufgeprägt werden. Diejenigen Muscheln, betont der Autor, welche in jenen Teilen der Seen wohnen , in denen die Wasserfläche in fast beständiger Be- wegung erhalten wird, nehmen allein die eigentümliche Seeform an, die sich in Kleinheit und Verkürzung charakterisiert. Sie haben sich hier im Kampfe mit den Wogen fest in den Boden einzuklammern, und wie schwer ihnen das wird, beweist die grosse Anzahl lebender Muscheln, die selbst bei wenig bewegtem Wasser ans Ufer geworfen wird. In stillen schlämm- und pflanzenreichen Buchten nehmen die Muscheln mehr und mehr den Charakter der Schnabelformen in den Altwassern der Flüsse an. — 105 — Aber auch in den trügen Flüssen und Bächen, wo wir heut- zutage zahlreiche verkümmerte Anodonten finden, dürfen wir den Entstehungsherd der zahnlosen Najaden nicht suchen; dies wird meiner Ansicht nach durch die Thatsache bewiesen, dass wir nach wie vor zugleich charakteristische Unionen an solchen Orten antreffen. Erst dort, wo die letzteren nicht mehr auftreten, liegt die Wiege der Anodonten, also in den kleineren, stehenden Gewässern oder eventuell gleichzeitig auch in den ganz stillen und geschützten Buchten der grösseren Seen. Aus diesem Grunde müssen wir auch die Kümmerformen piscinalis Nils, und anatina L. als sekundäre Rückanpassungen an neue fin- den Typus ungünstige Lebensbedingungen betrachten. Hazay scheint anderer Ansicht. Der Autor erklärt in seinem angeführten Werke, dass während im stehenden Wasser sich die Formen cygnea-cellensis ausbildeten , die piscinalis-Foim von dem fliessenden Wasser sozusagen bedingt war, und hier erscheint sie eben auch den Ortsverhältnissen und anderen Umständen gemäss vielgestaltig, ein und derselbe Jugendzustand aber lässt über die Formenverschiedenheiten — ich gebrauche hier grösstenteils die eigenen Worte Hazay's — keinen Zweifel übrig. Der Autor be- trachtet daher Änodonta piscinalis Nils, als eine bedingte Varietät der Änodonta cygnea L. von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass die grösste vollkommenste Form die Art zu repräsentieren hat. „Wenn ich aber den natürlichen Gang in Betracht ziehe — fährt Hazay fort — , demgemäss die stehenden Gewässer von den fliessenden gebildet erscheinen und somit die Tiere derselben auf- genommen haben, welche durch Anpassung an die gegebenen anderen Verhältnisse sich jetzt auch in abweichender Form veranschaulichen, müsste sich das Artverhältnis umgekehrt ergeben." Der Autor er- wähnt dabei übrigens noch, dass dies nebensächlich sei und es be- sonders darauf ankomme, Beweise solcher Umgestaltungen und die Ursachen der Formverschiedenheiten zu eruieren und klarzulegen. An einer andern Stelle des oft citierten Werkes sagt Hazay in Bezug auf das ganze Donauflussgebiet: „Als Stammform aller noch so in ihren äusseren Umrissen abgeänderten und in der Sculptur verschiedenen Anodonten, mit Ausnahme von Anoä. complanata, kann meiner Ansicht nach nur jene angesehen werden, welche das fliessende Wasser beherrscht, welche in unseren Bächen, kleineren und grösseren Flüssen überall, mehr oder minder den Ortsverhältnissen angepasst, auftritt. In den Flüssen* und Bächen Ober-Ungarns waren es mehr 106 — oder minder übereinstimmende Formen, welche den Typus von Ano- donta piscinalis Nils, entweder getreu veranschaulichen oder ihm am nächsten stehen. Auch finden sich daselbst vereinzelt beigeordnet ihre verkümmerten anatina-F oimen und ihre ausgewach- senen rostraten Altersformen1. In der Donau ist ebenfalls die typische piscinalis überall die herrschende Form bis auf ruhige, schlammige Buchten, wo Mittelformen anzutreffen sind, welche Merk- male von piscinalis und cygnea an sich vereinigen. Ob man nun diese oder jene als Art erklärt, bleibt sich gleich, nur möge man auf die eine oder die andere dieser lebenden herrschenden Formen, welche sich als Stammform mit Sicherheit nachweisen lässt, zurück- greifen : möge man in den mannigfachen Gestaltungen nicht Varie- täten (d. h. ständige, Anm. d. Verf.), sondern das, was sie sind: Jugend-, Alters-, Geschlechts-, Zwergformen etc. der Art, erkennen." Hierzu habe ich zu bemerken, was ich vorhin schon aussprach, dass wir in Gewässern derart, wo heutzutage noch immer Unionen ge- funden werden, doch kaum den Entstehungsherd für Anodonten er- blicken dürften. Bei der Festigkeit der Erhaltungskraft, über welche jede Tierform in Bezug auf ihre erblich artlichen , generellen und Familiencharaktere verfügt , kann ich nicht annehmen , dass auch selbst in nur sehr geringmässig bewegtem Wasser der Unioniden- typus hatte vollständig verschwinden können bezw\ müssen , um so weniger, als in solchen Gewässern bekanntermassen sich nur stellen- weise solche Orte finden, welche den Lebensbedingungen der Ano- donten entsprechen, nämlich in stillen Buchten mit tieferem Wasser und bedeutender Schlammschichte. Nur dort finden wir solche Muscheln wieder in grösserer Menge vereinigt, während solche, die im übrigen Flussgrund einzeln umherliegen , als verirrte Schaf lein anzusehen sind. Wenn demnach in den Zeiten der Einwanderung von Meeresformen in die süssen Gewässer die Larven der Unio-SLvtigen Muscheln an derartige, wie die oben erwähnten Stellen, kamen, so werden gewiss nicht sofort anodontenähnliche Muscheln daraus ge- worden sein. Die nächste Generation fand dann wohl wieder grossen- teils die gewohnten Lebensbedingungen, die ihre normale Ausbildung sicherten. Nur lang andauernde , viele Generationen umfassende Zeiträume können in der Natur charakteristische und erbliche Eigen- schaften verschwinden machen. Unio-artige Muscheln konnten daher 1 Hazay leitet demnach die anatina-Fovm direkt von der var. jnscinalis Nils, ab und erklärt erst die Langschnabelformen der letzteren für die typischen Altersformen. 1()7 - erst bei der Unmöglichkeit der Rückkehr aus stehenden Gewässern in die fliessenden durch ihre Larven eine generelle Umwandlung erfahren, dann aber vollzog sie sich durch die Neuanpassung offen- bar eminent energisch, ja sogar sprungweise im Interesse der Er- haltung der neuerworbenen Charaktere. Wenn nun die Larven der ausgebildeten Neuform einmal wieder in die alten Verhältnisse zurück- zukommen Gelegenheit hatten, dann trat die konservative Kraft in der Arterhaltung erst wieder energisch in ihre Rechte ein, die Ano- donta blieb, was sie in langer Zeiten Lauf wurde, nämlich eine relativ dünnschalige Ohnzahnmuschel, konzentrierte sich an die ihren Lebens- bedingungen am meisten entsprechenden Orte des wiederum für sie neuen Gebietes , das sind eben die vorhin erwähnten stillen , ver- tieften, schlammigen Buchten der Flüsse und Bäche, wo die Muschel dann unter Verkümmerungserscheinungen weiter vegetierte. Die Rückbildungserscheinungen erreichen, sofern sie nicht physiologischer Art sind und in den Dienst besonderer biologischer Verhältnisse treten, meist nur den Grad, den man Verkümmerung nennt, welche sofort wieder verschwindet, wenn dem Tier wieder normale Lebensbedingungen geboten werden. Anpassung verwischt im Laufe langer Zeiten wohl die ursprünglichen vererblichen Charaktere eines Tieres, besiegt also die konservative Kraft der Vererbung, letztere stellt sich aber dann wieder in den Dienst der ersteren und vererbt, was die Anpassung neu erwarb. Hiernach verbleibe ich auf meinem Standpunkt in Bezug auf die für die Artrepräsentation anzusehende Form unserer Teich- muscheln und kann höchstens der Vermutung Raum geben, däss sich die cellensis-Foim vielleicht in ihrem Typus gleichzeitig mit dem cygnea-Typus unter etwas veränderten Bedingungen ausgebildet haben mag. Ich werde mich gelegentlich später noch einmal hierüber äussern. Von diesem Standpunkt aus kann ich aber auch der Ansicht Clessin"s, dass die grossen Formen von der Anodowta anatina L. abstammen, nicht beipflichten, sondern glaube, wie gesagt, den ersteren den Rang der Stammform unbedingt einräumen zu müssen. Die typische Form der Anodonta cygnea L. wird sich überall in solchen Weihern und Teichen oder stillen Seebuchten finden , wo massige Schlammschicht den Boden des Wassers bedeckt, was nachgewiesener- massen die günstigste Bedingung für ihre Entwickelung ist. Von dieser Form haben wir nunmehr die übrigen Variationscentren ab- zuleiten, ihr haben wir die letzteren als „bedingte Varietäten" unter- zuordnen. 108 — Gehen wir nun von diesem Standpunkt in unseren Betrach- tungen weiter, so ergeben sich für die fernere Verbreitung der in den Teichen und Weihern ausgebildeten Anodonta cygnea L. ver- schiedene Möglichkeiten. Einmal die Rückwanderung der Muschel- embryonen auf dem Wege des Wanderparasitismus mittels der Fische in den durchfliessenden Bach des Weihers und damit in das übrige Flussgebiet. Ferner können in der Nähe des Weiherabflusses ge- legene junge Muscheln bei höherem Wasserstand und dadurch be- schleunigtem Abfiuss leicht weggetrieben und bachabwärts geführt werden. Findet dann etwa infolge anhaltenden längeren Regenwetters oder wolkenbruchartiger Gewitterregen ein Austreten des Baches oder Flusses und damit eine Überschwemmung des Nachbargebietes statt, so kommen die Muscheln , sei es als solche oder noch im Larven- zustand mit oder ohne den Transport durch Fische, in die durch die wiederholten Überschwemmungen gebildeten grösseren Wiesenlachen und Altwasser der Flüsse. Solche Veränderungen des Wohn- ortes sind nun aber erfahrungsgemäss von tiefgreifendem Einfluss auf die Muscheln. Das fliessende Wasser wirkt im allgemeinen reduzierend auf alle organischen Gebilde in Bezug auf die Form und Grösse. Die Grösse der Organismen, namentlich sofern sie sessil oder nur schwer beweglich sind wie unsere Muscheln, vermindert sich fast regelmässig in mehr oder weniger bedeutendem Grade, damit das Objekt einer- seits möglichst wenig vom Drucke des fliessenden Wassers zu leiden hat, anderseits an Widerstandsfähigkeit gewinnt. Aus demselben Grunde verschwinden hinsichtlich der Form alle einseitigen Dimen- sionen ; die Muschel wird wieder kleiner, rundlicher und eben damit widerstandsfähiger. So weit freilich geht die dadurch bewirkte retro- grade Schalenbildung nicht, dass die in langer Zeiten Lauf aus einer tuiio-axtigen im Teich oder Weiher von Generation zu Generation allmählich zur Anodonta gewordene Muschel sogleich wieder in das Stammgebilde zurückschlägt, dass sie also wieder zur ursprünglichen dickschaligen und gezahnten Form wird, sie bleibt vielmehr, wie schon früher erwähnt, eine Anodonta mit allen charakteristischen Eigenschaften , muss aber infolge der weit ungünstigeren Lebens- bedingungen im fliessenden Wasser bis zu einem gewissen Grade verkümmern. Aus der typischen schönen und grossen Anodonta cygnea L. wird eine andere, in Grösse und Länge mehr oder minder reduzierte Form, und wir erhalten als „bedingte Varietät" die Ano- donta cygnea L. var. piscinalis Nils. L09 — Kommen anderseits die Larven der normalen and vollkommen ausgebildeten Anodonta cygnea L. auf dem oben geschilderten Wege aus dem stillen Weiher in das Flussgebiet zurück und dann infolge von Überschwemmungen in grössere Wiesenlachen und Altwasser der Flüsse, so finden sich dort wiederum für die Tiere vom ursprüng- lichen günstigen Standort mehr oder minder bedeutend abweichende Verhältnisse. Und zwar werden diese Verhältnisse um so ungünstiger, je mehr der neue Wohnort von der Kommunikation mit dem Flusse oder Bache abgeschnitten ist. Clessin hat durch seine eingehenden Studien der Anodonten im Zusammthale in bayrisch Schwaben be- obachtet, dass die Altwasser, die mit dem fliessenden Wasser nicht mehr in Verbindung stehen, sehr rasch mit Wasserpflanzen durch- wachsen werden, welche auf dem Grunde derselben eine immer höher werdende Schichte von Pflanzenhumus absetzen, wodurch die ur- sprünglich erdige Schlammschichte gänzlich bedeckt wird. Solange nun die durch die Überschwemmung neu entstandenen Teiche , Altwasser und grösseren Wiesenlachen in irgendwelcher Weise, sei es durch kleine Nebenarme des Flusses oder Baches, sei es durch künstlich angelegte Wassergräben zu gunsten der WTiesen- benetzung, mit dem Hauptabfluss noch in Kommunikation stehen, werden sich dort noch annähernd ähnliche Verhältnisse wiederfinden oder wiederbilden wie im alten Wohnort, und die Muscheln werden der typischen Hauptform gegenüber relativ nur geringen Verände- rungen unterworfen sein. Aus der typischen Anodonta isis-Formen, welche wir bei der speciellen Beschreibung genauer ins Auge fassen wollen. Es sind dies zugleich, wie der genannte Forscher sehr richtig be- merkt, unzweifelhaft im Aussterben begriffene Muscheln, da junger Nachwuchs nicht mehr unter denselben zu treffen ist, während sich unter der typischen cellensis-F ovm derselbe immer noch reichlich rindet. Bei Clessin (11) heisst es übrigens in Bezug auf die in den von der Kommunikation mit dem Fluss noch nicht abgeschnittenen Altwassern lebenden Formen , unter welchen er wohl teilweise die typische cellensis versteht , wörtlich : während sich unter der Form cellensis „immer noch welcher" (junger Nachwuchs) findet. Diese letztere Bemerkung Clessin's beweist mir ebenfalls, dass der Autor unter der typischen cettensis-Form. eine viel weiter degenerierte Modi- fikation begreift, als die älteren Autoren unter der „Species" cellensis Schlot, verstanden hatten. Die oberschwäbischen Seen und Weiher liefern schöne, absolut charakteristische cc/hiisis-Fonnen, die jedoch bezüglich der Quantität ihrer Nachkommenschaft in keiner Weise — 112 - hinter der typischen cygnea-Fovm zurückstehen. Auch hierin erblicke ich die immer noch bestehende Unklarheit und Ungleichheit in der cdlensis- Auffassung. Um nun zu den degenerierten und deformierten Altwasserformen zurückzukehren , möchte ich noch hinzufügen , dass sich ähnliche Muscheln auch in kleinen, träge dahinfliessenden Bächen finden und zwar an tiefen Stellen, wo sich reichlicher Schlamm abgesetzt hat. Ein Beispiel hierfür bietet im württemberger Oberland die Schüssen unterhalb der Schweigfurter Mühle, kurz nachdem sie aus dem grossen Schweigfurter Weiher austritt. Dieser letztere birgt Prachtexemplare der typischen cellensis-Form, während in der noch sehr kleinen, träge abfliessenden und an dortiger Stelle sehr schlammhaltigen Schüssen stets viel kleinere, sehr verlängerte Formen gefunden werden. Sollen nun solche in den älteren, vom Abfluss völlig ab- geschlossenen Altwassern lebende Muscheln sich regenerieren, so müssen sie durch einen glücklichen Zufall wieder in die alten Ver- hältnisse zurückkommen, was freilich ein seltener Fall sein dürfte. In Bezug auf die eben erwähnten Muscheln aus der Schüssen unter- halb der Schweigfurter Mühle dürfte dies, wenn nicht ein Mensch sie aus irgendwelchem Grunde in den Weiher zurückbringt, gänzlich ausgeschlossen sein, weil die Fische unmöglich durch die Mühle in denselben zurückkehren können. Da nun die Lokalitäten, in welchen sich die normal aus- gebildete ceUensis-Fovm befindet, in der Regel nicht gerade be- sonders von den Wohnplätzen der typischen cygnea-Fovm in ihrer Beschaffenheit abweichen, und fast immer, wie dies unsere ober- schwäbischen Fundorte darbieten, eine permanente Auffrischung ihrer Wasserverhältnisse durch kleine Durchflüsse , und wenn es nur Wiesengräben sind, erfahren, so ist eine Auswanderung und Rück- wanderung in das Flussgebiet von Seiten der Larven mit Hilfe der Fische in ähnlicher Weise möglich , wie bei der cygnea-Fovm. Bei dieser letzteren konnten wir eine Umwandlung, respektive Verküm- merung in die piscinälis-Form konstatieren und dürfen daraus ent- nehmen, dass unter ähnlichen Verhältnissen auch die der normal ausgebildeten typischen cygnea-Form gegenüber schon etwas degene- rierte cellensis-Modifik&tion in ähnlicher Weise weiter verkümmern wird. So ist es auch , denn wir finden an tieferen , schlammigen Stellen der kleineren Flüsse und Bäche eine ganz besonders un- scheinbare, dünnschalige Muschel, die Linne als die Entenmuschel, Anodonta anatina L. (Mytilus anatinus), beschrieben hatte. Auch — 113 — diese Kümmerform repräsentiert sich noch obendrein individuell und standörtlich in verschiedenen Formenmodifikationen, von denen eine unseres engeren Vaterlandes, wie schon hei früherer Gelegenheit er- wähnt, neuerdings den namhaften Malakologen und Konchyliologen Kobelt wieder zur Schöpfung einer neuen „Species", der Anodonta SUi uica Kob. veranlasst hat. Ich werde auch auf diesen Punkt bei der speciellen Beschreibung später näher eingehen. Kommt nun diese anatina-Form durch Hochwasser oder mittels Fischtransport wieder in das alte oder ein neues ähnliches Wohn- gebiet, wie es die Eltern und Grosseltern inne hatten, so sehen wir zum mindesten eine der cellensis-Form sehr ähnliche Modifikation wieder und der Prozess geht parallel der unter analogen Verhält- nissen erfolgenden Umwandlung der piscinalis-F 'orm in die typische cygnea vor sich. Ob jedoch eine direkte Rückkehr der degenerierten Langschnabelmuscheln, die man früher Anodonta rostrata Kok. nannte, in die typische cygnca-Form mit Übergehung der normal ausgebil- deten cellens ^-Modifikation möglich ist, scheint mir bei dem aus- gesprochenen Prinzip des allmählichen Übergangs in der Natur kaum denkbar. Zu erwähnen ist übrigens auch bei dieser Gelegenheit noch, dass sowohl die piscinalis- wie die anatina-Form Langschnabelformen aufweisen, welche teils rein individueller Natur, teils auch Produkte des Wohnortes sind. Der erstere Fall zeigt sich vornehmlich bei der var. piscinalis Nils, und beweist dadurch ihre unmittelbare Her- kunft von der typischen cygnea als Kümmerform. Ausserdem sind diese Langschnabelformen verschiedener Natur, wir treffen gerade verlaufende, auf- und abwärtsgebogene Schnäbel an. Nicht minder ist dies der Fall bei der noch viel mehr verkümmerten anatina-Fqim , nur mit dem Unterschied, dass die Erscheinung bei dieser Muschel mehr als Ursache örtlicher Ver- hältnisse, denn als individuelles Formenspiel aufzutreten scheint. Hierdurch wiederum bekundet die anatina-Form ihre mutmass- liche Herkunft von der var. cellensis Schrot, als weitgehende Ver- kümmerung. Wie übrigens verschiedene Fundorte ergeben, lässt sich die anatinarFoim zum Teil auch wiederum aus der var. piscinalis Nils, ableiten. Betrachten wir weiterhin noch die mutmassliche Entstehungs- geschichte der lacustr ma-Formen und ihrer Nebenmodifikationen. Ich hatte bei früherer Gelegenheit Veranlassung genommen, darauf hinzuweisen, dass wir diese Form wohl nicht als eine direkt aus dem unioniden Typus abzuleitende, sondern als eine sekundär Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wiirtt. 1900. 8 — 114 - aus der normal ausgebildeten cygnea-Fovm rückgebildete Modifikation aufzufassen haben und begründe diese Ansicht im folgenden : Wie schon an dortiger Stelle angedeutet wurde, dürften Unio- artige Muscheln durch den Aufenthalt auf dem sandigen oder kiesigen Grunde eines grösseren Sees, dessen Wasser bei stürmischem Wetter in heftige Unruhe kommen kann, wohl kaum Veranlassung nehmen, ihren für solche Verhältnisse besonders günstigen Habitus zu ver- ändern und zu einer Anodont a-ähnlichen Muschel zu werden. Höch- stens ist eine solche durch Generationen hindurch sich vollziehende Umwandlung denkbar, wenn jene Larven der ursprünglichen Formen in etwa vorhandene stille Schilfbuchten solcher grosser Seen mit Hilfe von Fischen verschleppt wurden. Solche Schilfbuchten haben meist kalkreichen, feinschlammigen Grund und je dichter der Schilf wächst, um so mehr hält er sogar heftigen Wellenschlag ab und so zeigt es sich, dass an derartigen Teilen selbst in grossen Seen, wie der Bodensee und der Genfer See, der typischen cygnea-Fovm. oder der var. cellensis Schrot, mindestens sehr nahekommende Anodonten gefunden werden , während die charakteristischen lacustrma - Formen weiter seeeinwärts oder in weniger vor dem Gewell geschützten Buchten sich vorfinden. Ich habe in dieser Beziehung im vergangenen Sommer eingehende Studien am Bodensee gemacht, deren Resultate ich bei Gelegenheit der speciellen Beschreibung der Form vorlegen werde. Es lässt sich aber noch ein zweiter Modus für die Entstehung der lactistrina-Moäiüksitionen denken und zwar noch ein einfacherer. An tieferen Stellen oder in stilleren, schlammigen Buchten unserer Flüsse und Bäche finden sich nachgewiesenermassen die piscinalis- und anatina-, zuweilen sogar degenerierte und langschnäblig defor- mierte cellensis-F ormen. Nehmen wir für unsere speciellen Verhält- nisse in Württemberg etwa die Flüsschen Argen und Schüssen mit ihren zufliessenden Bächen. Die Larven der darin wohnenden Muscheln wandern mit den Fischen in den gewaltigen Bodensee und es ward die Anodonta lacustrina Cless. Analoge Verhält- nisse dürfen wir wohl auch bei andern grösseren Seen annehmen. In der That hat ja die lacustrina-Form mit piscinalis Nils, und anatina L. eine grosse Ähnlichkeit, sie ist gleichsam nur eine dick- schaligere Zwischenmodifikation dieser verkümmerten Formen. Ich vermute deshalb, dass die von Brot für den Genfer See beschriebene Anodonta anatina L. mit der lacustrina-Form zu identifizieren ist. Der Autor schreibt in der angeführten Schrift S. 20: „L' Anodonta and- — 115 — tina habite tout le littoral da lac et le lac de Bret. Dans le voisinage de Geneve, le rivage est constitue par du galet qui forme une zone dune largeur variable : le milieu du lac offre un fond de sable assez pure: ces deux natures de fond, n'etant pas favorables au developpement des Anodontes, n'en renferment point. Mais ä l'endroit oü le galet cesse pour faire place au sable, le sol est con- BÜtue par une vase argileuse assez compacte, c'est lä que se trouve VAnodonta anatina en grand nombre. En outre, on la rencontre dans tous les port du littoral, les endroits abrites de la vague, partout, en un mot, oü il y a un peu de vase." Das sind ganz ähnliche Bedingungen, wie jene, unter welchen die lacustrina-oviformis im Bodensee lebt. In Anbetracht derartiger Verhältnisse können wir aber in dieser Modifikation keine ursprüng- liche Anodontenform erblicken , sondern müssen sie vielmehr , wie schon vorhin erwähnt, als eine sekundäre Rückanpassungsmodalität auffassen und können nach wie vor als Resultat dieser Betrachtungen die Anschauung für berechtigt erklären, dass eben die vollendet ausgebildete typische cygnea-Form. als die Vertreterin der Art in Anspruch zu nehmen ist, welcher die übrigen als Variationscentren im Sinne von bedingten Varietäten an- erkannten Standortformen mit allen ihren Nebenmodifika- tionen unterzuorden sind. Hiernach erhalten wir in vollständiger Anlehnung an das CLESSiN'sche System unter vorläufigem Ausserachtlassen der Detail- lierung der verschiedenen Nebenmodifikationen folgende Einteilung für die Variationscentren der Formenkreise : Anodonta cygnea L. 1. Typische Form in individullen, sexuellen und örtlichen Modifikationen. In stehendem Wasser mit erdigem Schlammgrunde. 2. var. cellensis Schrot. in normaler Ausbildung, nebst örtlichen Modifikationen und in ver- schiedenen Degenerationen. In stehendem Wasser mit wenigem bis reichlichem Pflanzen- humus und mit erdigem Schlammgrund bis reichlicher Humus- schlammschichte. 3. var. p isc inalis Nils. in rundlichen und länglicheren Formen. 8* — 116 - In ruhigeren Buchten grösserer, kalkreicher Flüsse mit erdigem Bodenschlamme , vielfach auch in Altwassern, Teichen und grossen Wiesenlachen. 4. var. anatina L. in rundlichen und länglicheren Formen. In Bächen und kleineren Flüssen mit erdig-schlammigem Grunde. 5. var. lacustrina Cless. in rundlichen und länglicheren Formen. An flacheren, schilfreichen Ufern grösserer Seen mit feinem, kalkreichem Sand- bis Schlammgrunde. III. Welche Form repräsentiert den Typus der Varietät cellensis Schrot.? Bevor wir zur Specialbetrachtung der einzelnen Variations- centren und ihrer Nebenmodifikationen übergehen, bedarf einmal noch der Punkt hinsichtlich der sexuellen Unterschiede der Muscheln in ihrem Schalenhabitus und besonders die darauf sich beziehende Dar- stellung Hazay's, wonach die Formen cygnea L., cellensis Schrot. und vcntricosa Pfr. in sexueller Hinsicht zusammengehören , einer eingehenden Erörterung. Weiterhin aber gilt es hauptsächlich, eine Verständigung in Betreff des cellensis-~Begriffes zu erzielen, denn hier herrscht viel Unklarheit und Zersplitterung und unser verehrter Meister Clessin scheint mir in diesem Punkt mit sich selbst nicht ganz einig zu sein. In seinen „Studien über die deutschen Species des Genus Ano- dontau bezeichnet der Autor die cellensis-F ovm in Bezug auf den Wohnort als eine Muschel, welche in stehendem Wasser mit erdigem Schlamme und wenig Pflanzenhumus lebt. In der „deutschen Ex- kursionsmolluskenfauna", IL Auflage, heisst es in gleicher Beziehung: „Wohnort in Teichen und Weihern auf mit Pflanzenhumus gemischtem Boden, in Altwassern." Dagegen schreibt der Autor in seiner „Ex- kursionsmolluskenfauna Österreich-Ungarns und der Schweiz" : „Die vorstehende Varietät (Anodonta cellensis Schrot.) stellt den Typus der Muschel dar, wie ihn das langsam fliessende Wasser mit schlammigem Grunde erzeugt." Die alten Autoren, so namentlich Schröter (75) und Rossmässler (73), erklären die Form als eine Muschel der stehenden Gewässer. Was ist nun richtig? So viel ist sicher, dass sich in Anbetracht der verschiedenen Auffassungen im cellensis-Begviff ein ganzes Sammelsurium merk- — 117 — würdiger Formenverschiedenheiten vereinigt, schon dadurch, dass der nicht minder unklare Begriff der „Anodonta rostrata KoK.tf auch noch hier untergebracht wird, aber man sollte doch glauben, dass es mög- lich wäre, in morphologischer und biologischer Beziehung einen Typus festzustellen, durch welchen ein sicherer Anhaltspunkt geboten wäre. Deshalb möchte ich nunmehr den Versuch machen, die Frage : Welche Form repräsentiert den Typus der Varietät cellensis Schrot., mit den folgenden Ausführungen zu beantworten. Dass unsere Anodonten zweierlei-geschlechtlich sind, darf wohl kaum bezweifelt werden, denn zur Zeit der Kiementrächtigkeit findet man nur immer einen Teil, ungefähr die Hälfte derselben an einem und demselben Fundplatze in diesem Zustand. Die kiementrächtigen Exemplare zeigen sich nun in der Regel, also nicht immer, durch stärker bauchige und länglichere Schalen aus als die anderen. Hazay bezieht sich darauf ganz richtig, indem er erklärt, dass die weibliche Muschel, welcher die Sorge des Brutgeschäftes an- vertraut ist, welche durch ihre Kiemen nicht nur sich zu versorgen hat, sondern in denselben auch unzählbare Massen ihrer Art zum Leben entwickeln und aufbewahren muss, den Bau ihrer Schale diesem Umstände gemäss auszuführen bemüssigt ist und deshalb mit dem fortschreitenden Alter besonders als ventricosa-Fovm zum Ausdruck kommt, wobei sie sich gleichzeitig stark verlängert (cellensis- Typus). Dabei betont jedoch der genannte Autor ausdrücklich, dass bei der allgemeinen Beurteilung solcher weiblicher Schalen aber stets nur die Vorkommnisse eines jeweiligen Fundortes in Berücksichtigung zu ziehen sind, sowie auch das Alter in Anschlag gebracht werden muss, denn mittelgrosse männliche Muscheln aus stehendem Wasser sind noch immer gebauchter, als mittelgrosse weibliche Muscheln aus fliessendem Wasser; ausgewachsene Männchen sind ebenfalls dicker, als junge Weibchen desselben Aufenthaltsortes. Deshalb könnten also, und das beweisen unsere württembergischen Fundorte in Mehrzahl, an einem und demselben Platze nach Hazay dicke gebauchte männ- liche cygnca-Fovmen und flachere gestreckte cr//r^.s/.v-Formen ge- funden werden. Eine seltsame Sache ! Es handelt sich jetzt aber zunächst vor allen Dingen erst noch darum, was war unter der alten „Art" Anodonta cellensis Schrot. verstanden und was für eine Form ist die „Anodonta mutabilis Cless. var. cellensis Schrot.?" Die Species Anodonta cellensis Schrot. repräsentierte eine der LiNNE'schen Anodonta cygnea an Grösse so gut wie nicht nachstehende Form von länglichem Schalenbau in der — 118 — Art, dass man die Muschel nahezu in ein geometrisches längliches Rechteck einlegen konnte. Eine specielle und besonders auffallende Schnabelbildung kam dabei nicht in Betracht. Dies geht schon aus der RossiiÄssLER'schen Bemerkung hervor (Ikonographie der Land- und Süsswassermollusken Heft IV S. 23) : „jedoch ist diese Art eine der am leichtesten kenntlichen durch die überwiegende Längen- ausdehnung , wodurch sie sich besonders von Anodonta cygnea L. unterscheidet. Ich besitze eine sehr grosse Varietät aus dem Klagen- furter See mit etwas länger ausgezogenem Schnabel, ohne deshalb in die Anodonta rostrata Kok. überzugehen." Wohl betont Ross- mässler, dass der Unterrand bei dieser Form etwas aufgebogener sein kann, aber den Unterschied zwischen der alten Species cellensis Schrot, und der alten Species rostrata Kok. betont der Konchylien- meister in der Grösse. Bei cellensis beginnt seine Diagnose mit „Muschel gross, länglich-eiförmig", bei rostrata dagegen „Muschel von mittlerer Grösse, verlängert, fast rhomboidisch". Aber mehr als diese Worte beweisen mir die in unserer allgemeinen Sammlung aus stehenden Gewässern bei Leipzig und Altenburg in Sachsen stammenden Originalexemplare des Altmeisters Rossmässler, mächtige, zwar ziemlich dünnschalige, jedoch schön ausgebildete Muscheln von oblonger Form, aber ohne jede nennenswert auffallende Schnabel- bildung. Aus dem Altenburger Gewässer besitzt unsere Sammlung überdies noch prachtvolle Originalexemplare Rossmässler's von der forma ventricosa Pfr. Die alte „Species" cellensis Schrot, war demnach , was schon aus dem eben Angeführten hervorgeht, eine Teichmuschel im wahren Sinne des Wortes, also eine grosse, schön ausgebildete Muschel der stehenden Ge- wässer, wie die LiNNEsche Anodonta cygnea. Jetzt kommt aber ein wesentlicher Punkt an die Reihe. Es fragt sich nämlich, sind die Formen ventricosa Pfr. und cellensis Schrot, zusammenzufassen oder nicht? Oder mit andern Worten: ist die HAZAY'sche cellensis-Foim, welche er als die weib- liche der typischen cygnea-FoTm ansieht, mit der Anodonta cellensis Schrot, sowohl, als auch mit der Anodonta ventri- cosa Pfr. im Rossmässler' sehen Sinne zu identifizieren oder nicht? Diese Frage muss ich nach der negativen Seite beantworten und den Grund dafür will ich mit folgendem darzulegen versuchen. Hazay schreibt in seiner Budapester Molluskenfauna S. 26 : „Anodonta cygnea, wie auch das Weibchen cellensis erreichen auch hier in stehenden Gewässern mit schlammigem Grunde ihre grösste in» — and reinste Formentwickelung. Bemerken muss ich hier, dass sich unsere Anodonten durch enorme Dickschaligen auszeichnen; so eigentümlich dünne Schalen , wie sie cellensis aber auch cygnea aus .Mühlwehren und Weihern Deutschlands charakterisieren, sind — ausser im Stadtwaldteiche — hier sonst nur bei zarten Jugend- formen anzutreffen." Hieran anschliessend möchte ich bemerken, dass cygnea in Deutschland — ich kenne verschiedene Fundorte — wenn auch nicht immer dickschalig und ponderos, doch in weitaus über- wiegender Weise festschalig gefunden wird, wobei aber selbstverständ- lich nur die ausgewachsenen Altersformen in Betracht kommen können, denn die Jugendformen sind immer dünnschalig. Anders ist es mit der cellensis-F oim. In Bezug auf diese haben wir be- sonders in Württemberg verschiedene Fundorte, mit äusserst charakte- ristischen, wunderschönen und grossen Formen in auffallender Dünn- schaligkeit. Dabei ist aber besonders hervorzuheben, dass an solchen Wohnorten nur crflcnsis- und niemals cygnea-Foim&D gefunden werden. Solche Fundplätze sind z. B. der Schweigfurter Weiher, der Feder- see, der Neu-Ravensburger Weiher u. a. in Oberschwaben, eine prachtvolle cellensis-F oim hatten wir in einem stagnierenden Kanal ■des Stuttgarter Kgl. Schlossgartens (jetzt leider nicht mehr vor- handen). Lehmann (61) schreibt bezüglich der Teichmuscheln der Um- gebung Stettins, dass er alle die langen Formen, die in einigen Modifikationen dort gefunden werden, zu ceUensis zähle, da sie zu- sammenlebend an denselben Orten vorkommen und die anatomischen Verhältnisse aller konstant übereinstimmen. Für alle diese Modi- fikationen betont die Diagnose teils den parallel gestreckten Ober- und Unterrand, teils die starke Abdominalwölbung. Er erwähnt da- bei eine Form, welche eine Annäherung an cygnea zeigt, betont jedoch, dass die RossMÄssLERsche , wie die KüSTER'sche Abbildung noch einen so überwiegenden Höhendurchmesser zur Länge gewährt, dass dieselben für seine dortigen Stücke nicht passen, welche nie- driger und verhältnismässig länger erscheinen. Er sagt dann zum Schluss : „Sind nun jene Zeichnungen Typus für Anodonta cygneat so ist diese bisher hier nicht gefunden." Diese Beispiele dürften wohl genügen, um es auffallend er- scheinen zu lassen , dass die cclhusis-Foim vollständig lokalisiert sein kann, dass also keine andere Form an den betreffenden Wohn- plätzen neben ihr gefunden wird. — 120 — Sollen diese cellensis-F ormen mithin lauter alte Jungfern sein? das wäre zum mindesten sehr merkwürdig. Gehen wir aber z. B. an den Aalkistensee nach Maulbronn oder an den Weiher des Schlosses Monrepos bei Ludwigsburg, so finden wir gar bald unter den grossen alten Muscheln, namentlich an letzterem Ort, vielerlei Formen. Die einen sind sehr rund, mit kurzem Hinterteil und stark gewölbtem und ausgebuchtetem Vorder- teil, so dass der grösste Höhendurchmesser in auffallender Weise direkt senkrecht unter den Wirbel zu liegen kommt, die anderen sind mehr oder minder langgestreckt, bauchig, mit langem Abdomen und etwas weniger stark ausgebuchtetem Vorderrand, wenngleich der grösste Höhendurchmesser doch immer senkrecht unter dem Wirbel liegt. Die Schalen sind an beiden Wohnorten , wenn auch nicht immer ponderos, so doch ordentlich festschalig. Viele Schalen des Monrepos-Weihers sind auffallend langschnäbelig, manche sogar auf- wärts und abwärts rostrat. Wenn ich die 80 Exemplare unserer Sammlung aus diesem Waiher an einen Specialisten zur Bestimmung schicke , ohne ihm zu verraten , dass sie alle von demselben Orte stammen, so bin ich, falls er sie nach den üblichen Diagnosen be- stimmt, überzeugt, dass ich ungefähr die Hälfte als Anodonta cygnea L., die anderen aber als A. cellensis Schrot, und darunter vielleicht einige sogar als rostrata Kok. zurückerhalte. Also kommen an diesen Wohn- plätzen cygnea- und ceUeiisis-Fovmen miteinander vor? Gott bewahre! Das sind lauter cygnea-Foimen, und jetzt lassen wir Herrn Hazay sprechen und uns sagen, dass die kurzen rundlichen Formen die Männchen, während die langgestreckten die Weibchen sind, und meine Antwort lautet : auch dieses ist nicht für alle Fälle wahrT denn ich habe ausserordentlich langabdominale Muscheln im März des vergangenen Jahres auf Kiementrächtigkeit untersucht und nichts darauf Hindeutendes gefunden, während ich bei mancher sehr rund- lichen Form die Kiemen von Embryonen strotzend angetroffen habe. Allerdings waren bei diesen kiementrächtigen Muscheln die Schalen fast durchweg unverkennbar bauchiger als bei den anderen. Mithin können wir die stärkere Aufgeblasenheit der Schale wohl als Merk- mal der weiblichen Muschel betrachten, wenn auch nicht als absolut untrügliches, dagegen kommt die mitunter sehr auffallend starke schnabelartige Verlängerung des Hinterteiles beiden Geschlechtern zu, und man kann höchstens behaupten, dass sie sich bei den weib- lichen Individuen häufiger zeigt als bei den männlichen. Was ist nun aber der Unterschied zwischen den cellensis-Fovmen - 121 - der angeführten oberschwäbischen Wohnorte und des ehemaligen Stuttgarter Schlossgartenkanals und den langgestreckten cygnea- Formen des Aalkistensees und des Monrepos-Weihers ? Jene sind dünnschalig, mit glatter, meist tief dunkelgrüner Epidermis, zeigen bei aller Grösse und vollendeter Ausbildung des Alters noch einen zwar sehr niedrigen, aber deutlich erhaltenen Schild, was den Oberrand meist schön gerade erscheinen lässt. Ober- und Unterrand sind vorwiegend ganz oder nahezu parallel laufend, so dass sich die Muschel leicht in ein geometrisches Oblongum ein- legen lässt. Das Hinterteil geht, ohne einen auffallenden Schnabel zu bilden, mit dem Ober- und Unterrand gleichmässig in eine stumpfe Spitze aus. Der Vorderrand, und das möchte ich besonders hervor- heben, buchtet sich nicht, auch bei den grössten und ältesten Indi- viduen nicht, vielleicht nur in den seltensten Fällen kaum merklich nach dem Unterrand hin aus, so dass der grösste Höhendurchmesser niemals senkrecht unter den Wirbel, sondern meistens erst in die Abdominalgegend zu liegen kommt. Eine wirklich ventricose Form rindet sich allerdings auch unter diesen Muscheln, und zwar ebenfalls als individuelle Modifikation. Hingegen zeigen die länglichen c?/(///e«-Formen des Aalkisten- sees und des Weihers von Monrepos in der Altersausbildung in den meisten Fällen einen völlig abgerundeten Schild und einen leicht ge- bogenen Oberrand, einen fast immer noch auffallend nach dem Unter- rand ausgebuchteten Vorderrand, wenn auch nicht so stark wie die kürzeren und gedrungeneren Formen, die feste Schale mit den tiefer gefurchten Jahresringen und Anwachsstreifen, die mehr lebhaft gefärbte hellere Epidermis und den eingebuchteten Unterrand, der erst gegen das verlängerte Abdomenende in rascher Krümmung aufsteigt. Ausser- dem sind diese Schalen in überwiegender Mehrheit stark aufgeblasen. Das sind die Pseudo-ce/Ze^sw-Formen im HAZAY'schen Sinne, welche dieser Autor als die weiblichen Individuen des öygnectrEyjms erklärt. Der Hauptunterschied gegenüber der wirklichen cellensis-F orm , an den man sich — vorausgesetzt, dass man es nur mit Altersformen zu thun hat — zuverlässig halten kann, ist die nur in ver- schwindend geringen Ausnahmen als Merkmal fehlende, mehr oder weniger stark nach dem Unterrand in weiter Rundung ausholende Umrisskontur des Vorderrandes bei der cygnea-Fovm, wodurch der grösste Höhendurchmesser senkrecht unter den Wirbel verlegt wird. Solange dieses Charakteristikum vorhanden ist, haben wir es mit einer — 122 — typischen cygnea-Fovm zu thun, mag auch das Abdomen noch so lang und selbst auffallend geschnäbelt sein. Wohl ist die lange Form ein — wenn ich so sagen darf — „cellensoides" Merkmal, aber alle Muscheln, die diesen „cygnoiden" Vorderrand haben, sind bei aller ihrer Länge nur „ipsexido-cettensis" , d. h. nur individuelle Langschnabel-Modifikationen der typischen cygnea. Jene leichtschaligen, grossen, mehr flachen und meist dunkelgrünen länglich-oblongen Teich- muscheln mit den nur wenig erhobenen Wirbeln und dem gleichmässig gebogenen, ohne die senkrecht unter den Wirbel fallende besondere Ausbuchtung in den beinahe gerade verlaufenden Unter r and übergehenden Vorderrand dagegen repräsentieren die alte „Species", demnach den Typus von Anodonta cellensis Schrot., wie sie den früheren Malakologen bekannt war. Diese ist eben offenbar auch eine specielle Standortform oder bedingte Varietät von Anodonta cygnea L. , aber eine echte Teichmuschel, für deren charakteristische, dabei sehr schöne oblonge Schalenausbildung die Ursachen offenbar noch der endgültigen Erklärung und Erforschung bedürfen. Mithin dürfte die HAZAY'sche Auffassung der cellensis-Form als Weibchen der cygnea , die den Begriff nur noch mehr verschleiert hat, hinfällig erscheinen. Anderseits aber kann ich auch der Clessin'- schen Anschauung, namentlich seit sie die frühere Ansicht verlassen hat und die cellensis-Fovm auch als Typus der langsam messenden Gewässer ansieht, nicht beipflichten. Jene langschnäbeligen , in der Grösse reduzierten , mehr oder minder bis zur Karikatur modifizierten Formen sind wohl zum Teil der cellensis-F 'orm als Sondermodifikationen anzureihen, dürfen aber meiner Ansicht nach im Hinblick auf die früheren Beschreibungen der Anodonta cellensis Scheöt. als Art nie in den Rahmen der typischen Form mit hereingezogen werden, denn es sind Kümmer- formen infolge ungünstigerer Lebensbedingungen1. Den Grund der Grössenreduzierung erläutert wiederum Hazay folgendermassen : „Im fliessenden Wasser verlassen die jungen Muscheln selten, nur bei ruhigem Wellengang, den einmal errungenen Aufent- haltsort, von der Strömung genötigt, und um nicht so leicht davon- 1 Eine solche extrem deformierte Modifikation bildet Cl essin in „Zacha- rias. Tier- und Pflanzenleben des Süsswassers" als cellensis Schrot, ab. - l-':; — geschleift zu werden, nehmen vorzüglich die Anodonten im Sand und Schlamme desselben eine mehr horizontale Lage ein; sie stecken mit dem Vorderrand und dem grössten Teil des Unterrandes im Boden. Bei dieser, den Umständen angepassten Lage sind dieselben genötigt, die Atemöffnung höher heraufzustrecken , welcher Zustand an der Schale den aufgekrümmten Unterrand, die Bildung des be- deutende]! Schnabels als Folge ergiebt. Die ungünstigeren Boden- verhältnisse, der Wellengang ermöglichen kein so rasches und be- deutendes jährliches Wachstum, um so mehr, als die Muscheln, um grössere Widerstandsfähigkeit zu erlangen, ihre Schalen bedeutender verdicken müssen; wir finden die Jahresringe vorne und unten enger, dagegen nach hinten in fernerstehenden, breiteren Absätzen angelegt; es ergeben sich längliche, geschnabelte Schalenformen1 als Anpassungsmodalität an das fliessende W as s er. " Zu diesen Ausführungen möchte ich indessen noch beifügen, dass die auffallende Schnabelbildung in verschiedener Art und Weise vor sich geht, je nachdem die Vorderteils in den Boden eingesenkte Muschel mit dem Abdomen gegen oder mit der Stromrichtung liegt. Liegt sie mit ihrem Hinterteil schief gegen die Richtung der Strömung, so muss sich der Schnabel aufbiegen, liegt sie jedoch schräg mit dem Fluss, so leuchtet es ein, dass ein fusswärts ab- gebogener Schnabel entstehen' muss2. Mit dem letzteren Fall ist meistenteils eine bedeutende Verbreiterung des Endes verbunden, die so weit gehen kann, dass es sich nach unten noch besonders aus- buchtet3. Aber auch der aufwärts gebogene Schnabel kann sich auffallend verlängern und verbreitern, so dass die Muschel ein ganz 1 Diese Angabe wäre übrigens noch dahin zu präcisieren, dass das fliessende Wasser nur als 1 a n g s a in f 1 i e s s e n d e s gedacht werden darf. Rascher fliessende Gewässer verkürzen wieder die Muschelform in ähnlicher Weise wie die Wellen- bewegung grösserer Seen und erzeugen daher wiederum mehr rhombische und kurzschnäbelige Formen, als welche wir z. B. einen Teil der piscinalis Nils, und die lacustrina Cless. kennen. Bei den Flussrostraten, die ja doch nur meist in den stilleren Buchten, also in sehr langsam bewegtem Wasser leben, spielt Sand- ablagernng und Schlamm für die Schnabelbildung jedenfalls immer eine bedeutende Rolle mit, nach meiner Meinung die wirklich ausschlaggebende. - Als einen solchen Fprmungsfaktor erklärt H. v. Gallenstein (42) die traubigen Scblammanhäufungen an dem frei hervorragenden Schalenhinterteile, da sie schon von Rossmässler als charakteristische Begleiterscheinung der platyrhynchus-Bildxmg bei den Unionen erklärt wurden. 3 Das Hinterende der Muschel wird dadurch „ramsnasenartig". wie Lam- pert (GO) vortrefflich sagt. 'Wir haben die K okeil'sche Anodonta platyrhyncha. — 124 — fremdartiges Aussehen erhält. Bei der Specialbetrachtung der einzelnen Formen sollen diese Verhältnisse noch eingehender besprochen werden. Die sexuellen Unterschiede können wohl beim Männchen in dem breiteren Vorderteil und spitzigeren Schnabel, beim Weibchen in dem kürzeren und schmäleren Vorderteil und dem längeren und breiteren Schnabel erblickt werden. Diese geschnäbelten Muschelformen wurden nun in früherer Zeit als verschiedene Arten in Anspruch genommen und z. B. als Anoäonta rostrata Kok., recurvirostris Küst. , anserirostris Küst., platyrhyncha Kok. , cariosa Held u. s. w. beschrieben. In neuerer Zeit wurden sie teils dem cellensis-Typas, teils dem piscinalis-Kreise einverleibt, teils als Subvarietät rostrata Kok. zusammengefasst. Wir sind jetzt darüber klar, dass es zum Teil degenerierte Formen sind, die infolge ungünstiger Lebensbedingung in beträcht- licher Weise vom Typus der Anodonta cygnea L. , wie auch von der typischen Form der var. cellensis Schrot, abweichen. Ob sie nun direkt vom ersteren oder erst von der schon durch die Standortsverhältnisse , wenn man so annehmen will , modifizierten Schwesterform cellensis Schrot, abzuleiten sind, lässt sich freilich nicht mit Bestimmtheit feststellen , um so mehr , als sich ähnliche Gebilde auch im Gefolge der var. piscinalis Nils, zeigen. Ich für meine Person glaube indes, dass die typische cygnea-Form so viel, wenn ich so sagen darf, „Charakterfestigkeit" besitzt, dass sie selbst unter obigen Verhältnissen nicht sofort in den degenerierten rostrata- Typus im HELü'schen und KoKEiL'schen Sinne umschlägt , sondern immer zuvor erst den Charakter der typischen cellensis-Form an- nimmt, wenn sie durch die Wohnortsverhältnisse diesen Weg ein- zuschlagen bemüssigt ist. Erst von hier aus, nachdem gewisser- massen die Festigkeit des Artcharakters der Anodonta cygnea L. schon erschüttert wurde, ging die Degeneration desselben unter weiter- schreitenden ungünstigen Lebensbedingungen in progressiver Weise vor sich und bildete jene manchmal ganz eigentümlichen Formen, welche fast in nichts mehr an die schöne Stammmutter, die typische ryynea-Form, erinnern. Wohin gehört nun aber Anodonta ventricosa Pfr. V In der allgemeinen Molluskensammlung des Kgl. Naturalien- kabinets in Stuttgart befinden sich zwei grosse und schöne Exem- plare von Altenburg i. S. als Geschenk des Altmeisters Rossmässler. Dieselben stimmen vollkommen mit der Beschreibung überein, welche C. Pfeiffer in seiner Naturgeschichte der deutschen Land- und Süss- 125 — wassermolluskcn giebt. In Württemberg kommt indessen eine voll- ständig kongruente Form nicht vor, insofern alle unsere langen und ventricosen c##wea-Modifikationerj wohl in der Form so ziemlich mit jener übereinstimmen, aber stets die charakteristisch helle Epidermis ihrer Wohnkameraden zeigen, während die PFBTFFER'sche uentricosa sich in letzterer Beziehung weit mehr an die typische cellensis-F orm anlehnt, indem sie , wie diese , eine dunkelgrüne Epidermis besitzt. Nun kommt aber trotz der auffallenden, von der normalen cellensis- Form abweichenden Festschaligkeit ein Merkmal in Betracht, was ausser Zweifel setzt, wo wir sie hinzubringen haben, das ist der Mangel des stark ausgebildeten und weit gerundeten Vorderrandes, so dass die grösste Schalenhöhe nicht senkrecht unter den Wirbel fällt wie bei der cyyiica-Fovm, sondern mehr gleichmässig auf den Hauptabschnitt der Schale verteilt wird. Dieses Merkmal ist aber die charakteristische Eigenschaft für die cellensis-Fovm , und des- halb müssen wir sie als eine Nebenmodifikation des cellensis-Tyyas betrachten und von der cyynea-Form trennen. Es fragt sich jetzt bloss noch, ob sie als Nebenmodifi- kation in individueller resp. sexueller Ausbildung oder als Standorts- subvarietät von Anodonta ceUensis Schrot, zu betrachten ist. In unserer allgemeinen Sammlung befinden sich solche ventricosa-Form&n aus einem Teich bei Altenburg i. S. , ebenso aber vom gleichen Fundort typische cettensis-Foimen. In der Sammlung des vater- ländischen Vereins haben wir die gleiche Erscheinung in Bezug auf den Schweigfurter Weiher bei Schussenried, nur dass diese „ventri- cosen" Formen nicht so sehr vom Typus abstechen wie jene Alten- burger, die wir der Güte des Altmeisters Rossmässler verdanken. Diese beiden Fälle dürften genügen , um die richtige Antwort auf obige Frage zu geben. Die Anodonta ventricosa Pfr. ist nichts anderes als eine individuelle Nebenmodifikation der Anodonta cellensis Schrot, und repräsentiert meist be- sonders dicke Weiber. Wir haben damit eine interessante Parallele zu den Verhältnissen bei der typischen Anodonta cygnea L. IV. Wie ist die var. piscinalis Nils, aufzufassen? Es ist des weiteren eine bekannte Thatsache, dass die Ano- donten in ihren Jugendzuständen ausserordentliche Über- einstimmung zeigen, während mit zunehmendem Alter eine ebenso ausserordentliche Mannigfaltigkeit der Formen zum Ausdruck gelangt. Über die Ursache der letzteren Erscheinung sind wir im grossen und — 126 ganzen längst gut orientiert, und es sind immer wieder die glänzenden Resultate der Untersuchungen Hazay's , welche anschliessend an die Beobachtungen Clessin"s über manchen dunklen Punkt weiteres Licht verbreitet haben. Besonders hervorzuheben ist noch der Hinweis des ersteren Autors, dass für das Trennen der Altersformen unter verschiedenen Namen ausser der Form ihr oft sehr verschiedener Fundort beigetragen haben dürfte. „In kleinen Bächen und Flüssen," so schreibt er, „besonders in solchen mit starkem Gefälle, finden wir im seichten, rasch fliessenden Wasser nur wenige jüngere Muscheln vor, die mittelgrossen werden von plötzlichen Flutungen wegge- schwemmt, in Tümpel und Buchten abgelagert oder bis in grössere Flüsse vertragen." Dies aber erklärt vieles. Nun kommt jedoch ein zweiter Punkt, bezüglich dessen ich mich den HAZAY'schen Darstellungen nicht völlig anzuschliessen ver- mag, das ist der Unterschied zwischen der Jugendform der grossen cygnea- und cellensis-Foimen und derjenigen der var. piscinalis Nils. Der Autor betont für die typische cygnea und für die piscinalis-F 'orm nicht zu verwechselnde Jugendmerkmale , indem bei den Formen cygnea und cellensis die jungen Muscheln bei rhomboidaler Form einen geraden Oberrand besitzen, während derselbe bei den jungen rhombischen piscinalis-F oxm&n hochaufsteigend ist. Das stimmt so- gleich nicht, wenn wir die jungen Muscheln unseres Monrepos- Weihers bei Ludwigsburg betrachten. In diesem kommen, wie schon mehrfach erwähnt, die cygnea-Fovmen in allen Modifikationen zur schönsten Ausbildung, allein bei den Jugendformen derselben treffen wir allerdings manchmal gerade verlaufende, weitaus öfter jedoch ziemlich steil ansteigende Oberränder. Vollständig den HAZAY'schen Jugendformen der A. piscinalis entsprechen ferner diejenigen der sehr schönen cellensis-F orm aus dem Federsee in Oberschwaben. Diese Form ist aber eine vollkommene Teichmuschel, zwar äusserst dünnschalig (forma fragüissima Cless.) , aber mit ausser- ordentlich schöner und dem cettensis-Typus durchaus entsprechender Ausbildung der Schalen. Die weitaus grössere Anzahl der jungen Anodontenschalen, die ich zu sammeln und in Sammlungen zu sehen Gelegenheit hatte, haben mir den auffallend rhombischen Umriss gezeigt, der einmal daher kommt, dass bei allen jungen Muscheln das Vorderteil der Höhe nach in weit geringerem Masse ausgebildet ist, als das Ab- domen, zweitens aber seine Ursache auch darin hat, dass der Schild relativ sehr hoch ist und schiffskielartig vom Wirbel aus gegen den - 127 Hinterrand ansteigt. Ausnahmen hiervon machen, das ist allerdings nicht zu leugnen, besonders die Langschnabelmodifikationen der typischen cygnea-FoTm. Dieser Formenkreis neigt in seiner normalen Ausbildungsstufe überhaupt schon in den ersten Wachstumsjahren dazu hin, das Vorderteil stärker, namentlich der Höhe nach, aus- zubilden, und so kommt es, dass namentlich bei den langgestreckten Muscheln , welche gerade bei der cyytiea-Form immer auf eine rein individuelle Anlage zurückzuführen sind, die Höhe des Schildes nicht so sehr in den Vordergrund tritt, besonders wenn sie je nach dem Masse der Formenstreckung mehr oder minder bedeutend abnimmt. Daraus erklärt es sich wiederum, dass der Oberrand in Bezug auf die Längsachse der Schale in weit mehr horizontaler Richtung ver-. läuft, als bei den Jugendformen der kürzeren Individuen und gegen- über fast allen Jugendformen der anderen Variationskreise. Das ändert aber nichts an der Thatsache, dass im allgemeinen bei den jungen Anodonten die vordere Schalen partie im Vergleich zum Abdomen in weit geringeren Dimensionen, namentlich nach der Breite, respektive Höhe, aus- gebildet ist. Dadurch erhalten wir aber in Verbindung mit dem stark ausgeprägten Schilde den in Bezug auf die Längsachse der Schale in mehr oder minder be- deutendem Grade von vorne nach hinten aufsteigenden Oberrand. Die Erscheinung, dass bei der piscinalis-F orm dieser auf- steigende Oberrand der Schale bei einem weit grösseren Prozentsatze junger Individuen in den Vordergrund tritt, als dies bei der typischen cygnea-Foim und auch bei der var. cellensis Schrot, der Fall ist, hat also nach den soeben durchgeführten Betrachtungen ihre Ursache darin , dass die individuell angelegten Langschnabelformen bei dem ersteren Variationskreise weniger häufig sind, als namentlich bei der typischen cygnea-Form , während zugleich das Vorderteil der Schale in weit geringerem Grade zur Ausbildung gelangt und dadurch die Höhe des Schildes bei der jungen Muschel mehr in das Auge fällt. Meiner unmassgeblichen Ansicht nach dient dieser wohl entwickelte Schild für die papierleichte kleine Muschel als Halt im Untergrund, sei derselbe Schlamm oder feiner Sand. Das kleine Muschelchen muss möglichst tief darin stecken können, so tief, dass nur noch die Atemöffnung herausschaut, dann aber hält der hohe Schild die leichte Schale in vortrefflicher Weise im Gleichgewicht. Die un- endlichen Formverschiedenheiten der Anodontenschalen sind jedoch. — 128 — und das dürfen wir nie vergessen , neben der individuellen Anlage vorzugsweise specielle Anpassungserscheinungen und werden deshalb wohl kaum jemals schon im ganz jugendlichen Zustand des Indi- viduums, vielmehr erst bei der Altersform zum vollendeten Ausdruck gelangen. Unter solchen Umständen kann nach meiner Beurteilung die var. piscindlis Nils, keinen Anspruch auf Zuerkennung einer besonders charakteristischen Jugendform machen. Man kann höchstens sagen , dass der ansteigende Oberrand bei dieser Varietät noch weniger Ausnahmen erleidet und noch mehr allgemeine Er- scheinung ist als bei cygnea und cellensis. Ich habe dementsprechend auf Taf. II Fig. 3 und Fig. 4 eine Abbildung gegeben. Letztere stellt . eine Jugendform der typischen cygnea aus dem Elfinger Weiher bei Maulbronn, erstere eine solche von der cellensis-fragilissima des Federsees dar. Beide Formen zeigen den ansteigenden Oberrand, während die auf Taf. IV in Fig. 7 dargestellte junge piscinalis aus dem Neckar bei Heilbronn diese Eigenschaft gerade viel weniger zum Ausdruck bringt. Ich erwähne nur noch ganz nebenbei, dass namentlich die Seeformen (var. lacustrina Cless.) den von vorne nach hinten ansteigenden Oberrand im Jugendstadium fast noch prägnanter zeigen, als die piscinalis-Foi-m. Was ist nun aber unter der Altersform von Anodonta piscinalis Nils, zu verstehen? Meine Antwort lautet: Eine überall zerstreut und häufig vorkommende charakteristische Kümmerform der Änodonta cygnea L. Es herrscht jedoch in Anbelang der Entstehung und des Aufenthaltsortes dieser Form noch sehr viel Unklarheit. Durch Bossmässler (73) hat dieselbe eine der Original- beschreibung des Autors entsprechende Charakterisierung gefunden, sowohl ihrem Habitus nach, als auch in Bezug auf ihren Aufenthalts- ort. Den letzteren bilden nach der Angabe dieses Autors stille Alt- wasser grösserer Flüsse und solche Lachen, welche durch das Aus- treten der Flüsse entstanden sind und bei hohem Wasserstande zeit- weilig mit denselben wieder in Verbindung treten ; am schönsten und lebhaftesten gefärbt in solchen Lachen, welche ganz nahe an den Flüssen liegen, durch deren Austreten sie entstanden und mit denen sie alljährlich einmal in Verbindung kommen; am dunkelsten und schmutzigsten in solchen Lachen, welche entweder für immer von dem Nachbarflusse getrennt oder nur bei sehr hohem Wasserstande von ihm erreicht werden. In der Form charakterisiert Rossmässler die Muschel als von mittlerer Grösse, rauten-eirund , ziemlich dick- schalig, bauchig, nicht stark gefurcht, sondern meist nur gestreift, — 129 — .also mit ziemlich ebener Oberfläche, bratmgelb oder grünlich, um die Wirbel fast stets rostrot, und bis zum ersten starken Wachstums- streifen fast stets dunkelbraungrau oder schiefergrau, meist mit feinen hellgrünen Strahlen bedeckt, Vorderrand gerundet, Hinterrand in gerader oder konkaver Linie schräg herablaufend und mit herauf- gekrümmtem Ende des schwach gerundeten Unterrandes einen kurzen stumpf abgerundeten oder abgestutzten Schnabel bildend; Oberrand schwach gekrümmt, aufsteigend oder zuweilen auch ziemlich hori- zontal ; Schild sehr zusammengedrückt, erhaben, Wirbel aufgetrieben, mehr mittelständig, wenig abgerieben, Perlmutter meist ziemlich rein und bläulichweiss. Diesen Angaben entsprechen bis aufs kleinste einige württem- bergische "Vorkommnisse, am schönsten die Muscheln des Neckars bei Heilbronn und des Aiweihers bei Stafflangen OA. Biberach. Der von Rossmässler (73) für die Anodonta piscinalis Nils. gegebene Wohnort entspricht indessen genau dem von Clessi\ in seinen „Studien über die deutschen Species des Genus Anodonta" für die cellensis-F oim angeführten Aufenthaltsort, während der letztere Autor der piscinalis-F oxm „ruhigere Buchten grösserer kalkreicher Flüsse mit erdigem Bodenschlamme" als Wohnplatz anweist. In seiner „Exkursionsmolluskenfauna Österreich-Ungarns und der Schweiz" betont Clessin noch besonders, dass sich diese Muschel jedoch nur im schlammigen Grunde finde, über welchem das Wasser weniger bewegt ist. Die vorhin von mir angegebenen beiden württembergischen Fundorte — es giebt deren indessen noch weit mehrere — geben sowohl Rossmässler's als auch Clessin's Angaben recht, und ich glaube für meine Person, dass sich diese entschieden direkte Kümmerform der typischen Anodonta cygnea L. sowohl in stehendem Wasser, nament- lich in solchen Altwassern und Lachen, wie sie IIossm assler charakte- risiert, als auch in den stillen schlammigen Buchten der Flüsse findet, selbsredend aber in jeweilig besonders charakterisiertem Habitus. Offenbar kommt es auf die Grösse, den Pflanzenwuchs und den Kalk- gehalt solcher Gewässer an, ob sich die typische cygnea-Fovm in die var. ceUensis Schrot, oder piscinalis Nils, aus- resp. rückbildet. Grössere, ganz stille, aber kalkarme und etwas pflanzenreiche Alt- wasser dürften die normale cellensis-Foim , kleinere, kalkreiche da- gegen die piscinälis-Foim bilden, die kalkschlammigen Flussbuchten endlich aber mutmasslich nur die letztere. Clessin hatte anfangs beabsichtigt, diese Form als Varietät fallen zu lassen (Deutsche Ex- kursionsmolluskenfauna, II. Aufl., S. 521), pflichtet aber in seiner JaUreshefte d. Vereine f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. 9 — 130 — Molluskenfauna Österreich-Ungarns und der Schweiz den HAZAY'schen Darstellungen bis zu einem gewissen Grade bei. Ferner bemerkt Clessin, dass die Umrissform der A. piscinalis Nils, der Jugendform der übrigen Varietäten entspricht. Ich glaube indessen, in dieser Beziehung sie eher den Mittelformen der cygnea gleichstellen zu müssen, wodurch sie noch mehr ihre Natur als Kümmerform der- selben verrät. Wenn man die piscinaUs-Form von diesem Gesichts- punkt aus betrachtet, wird es nicht mehr wundernehmen, wenn auch sie sich in ähnlichen individuellen , sexuellen und örtlichen Neben- modifikationen zeigt wie ihre Stammmutter. Ein Hinweis darauf fehlt fast in allen älteren Darstellungen. Es liegen mir denn auch aus verschiedenen Fundorten Württembergs, meist aus Flussbuchten, weniger aus Altwassern langgestreckte und langschnäbelige Exemplare der var. piscinalis Nils, vor, ebenso bauchig aufgeblasene neben flacheren Formen. Es dürfte einleuchten, dass es im Hinblick auf den ganzen Habitus dieser Muschel besonders schwer ist, dieselbe in einer Beschreibung klar zu begrenzen. Gerade weil sie als Kümmerform der typischen Anodonta cygnea L. auftritt, welche einige Eigenschaften der letzteren mehr als die anderen Standortvarietäten, wenn auch manchmal sehr schwer erkenntlich, beizubehalten scheint, werden sich zahllose Zwischenformen finden, bei denen man absolut nicht mehr feststellen kann, ob sie noch zur typischen cygnea einzufügen oder bereits als die verkümmerte Form piscinalis Nils, zu betrachten sind. In solchen Fällen ist eben die persönliche Ansicht des Einzelnen frei, und ich kann nur noch auf einen bezüglich dieses Punktes sehr instruktiven Satz Hazay's in seinem vielgenannten Werke hinweisen, der also lautet: „In den schlammigen Buchten mit halb stagnierendem Wasser entwickeln sich der Wasserbeschaffenheit gemäss Gestaltungen, welche an sich die Merkmale fliessenden und stehenden Wassers vereinen. Muscheln, welche sich von früher Jugend in demselben entwickelt haben, sind oft von cygnea und cellensis nicht mehr der Form nach, sondern in ihrer Dickschaligkeit und glatten Schale zu unterscheiden." Das ist aber eines der charakteristischen Merk- male für den piscinalis-Typus. „Diejenigen — fährt Hazay fort — , welche im mittleren Alter in die Buchten zusammengetragen werden, ergeben später jene rostraten Altersformen von piscinalis, welche sich durch besondere Ponderosität auszeichnen." Man kann immer nur den Rat geben, die Muscheln in der - 131 — Natur zu beobachten und sich nicht krampfhaft an die gegebenen Diagnosen zu klammern. Der Fundort erklärt oft vieles, was man in jenen vermisst und weist der betreffenden Muschel den richtigen Platz in dem grossen Formenheere an. Vortrefflich sagt in dieser Hinsicht wiederum Hazay : „Sehr im Irrtum befangen ist derjenige, der da meint, alles, was nicht voll- kommen den Formentypus wiedergiebt, sei schon etwas Anderes. In diesem Irrtum werden aber lange noch jene begriffen sein, die, wie Rossmässler sagt: die Muscheln statt im Wasser und Schlamme im Lehnstuhl studieren." V. Einige Bemerkungen über die Anwendung der Begriffe „varietas", „subvarietas", „forma" etc. In Vorausschickung zur Specialbetrachtung der einzelnen Varia- tionscentren und ihrer Nebenmodifikation bei unserer grossen Teich- muschel möchte ich in obiger Beziehung erwähnen , dass man bei der Wahl solcher Begriffe, namentlich in betreff der Nebenmodifika- tionen, in sachgemässer und rationeller Weise zu verfahren hat1. Der Begriff „varietas" dürfte für die von Hazay (40) aufge- stellten „bedingten Varietäten", als welche sich die Standortformen unserer Anodonta cygnea L. erweisen, ebenso anwendbar sein wie für die „ständigen Varietäten". Dagegen handelt es sich bei den Nebenmodifikationen darum, ob wir es mit individuellen und sexuellen Formenspielen zu thun haben oder ob die weiteren, das Charakte- ristikum für den Typus der jeweiligen Form aber noch beibehalten- den Abweichungen abermals durch die besonderen Verhältnisse des Wohnortes erzeugt wurden. Im ersteren Fall würde nach den in meiner angeführten Schrift gegebenen Darstellung die Bezeichnung „forma" , im letzteren da- gegen „subvarietas" zu verwenden sein. Wie wir sogleich nachher sehen werden, handelt es sich, um auch dies kurz vorauszuschicken, bei den württembergischen Vorkommnissen der typischen Form der Anodonta cygnea L. fast ausschliesslich nur um individuelle und sexuelle Formenschwankungen — einige wirkliche Lokalsubvarietäten derselben kommen anscheinend nur in Mitteldeutschland und eine ganz specifische, bei späterer Ge- 1 Ich habe mich bei Gelegenheit der Revision der Varietäten und Formen- ahündcrungen von Helix pomatia L. (diese Jahresh. 55. Jahrg. S. 233 ff.) in eingehender Weise über die falsche Verwendung des Begriffes der Varietät aus- gesprochen und möchte in dieser Beziehung auf die angeführte Schrift verweisen. 9* — 132 — legenheit namhaft zu machende in einem Weiher in Klingenbad bei Burgau in bayrisch Schwaben vor — , dagegen sind beispielsweise alle die merkwürdigen, deformierten, mehr oder minder verkümmerten Nebenmodifikationen der var. cellensis Schrot, lediglich als Produkte der Wohnortsverhältnisse anzusehen und ist für jene demgemäss die Bezeichnung „forma", für diese hingegen „subvarietas" in Anwendung zu bringen. Um übrigens noch besonders auf den Unterschied der Bedeu- tung zwischen den Bezeichnungen „varietas" und „subvarietas" auf- merksam zu machen, bemerke ich, dass die mit ersterem Begriff markierten Standortformen als die Variationscentren betrachtet werden, um die sich nun eine grosse Zahl von Nebenmodifikationen gruppiert. Wir haben in unseren Ausführungen diese fünf Variations- centren oder Variationsstufen in der Weise charakterisiert, dass jede derselben, die typische normale Ausbildung vorausgesetzt, sich min- destens durch ein specifisches Merkmal kennzeichnet. So kann also beispielsweise die cellensis-F orm in ihrer normalen Ausbildung als „bedingte Varietät" , als die nächste Hauptvariationsstufe nach der typischen Anodonta cygnea L. aufgefasst werden und wird demgemäss als „varietas" cellensis Schrot, bezeichnet. Ihre normale Ausbildung erhält sie unter gleichen oder mindestens sehr ähnlichen Verhält- nissen des Wohnortes durch das ganze Verbreitungsgebiet der grossen Teichmuschel. Um diese varietas cellensis Schrot, nun gruppieren sich eine Menge von Nebenmodifikationen, welche, wie wir bei der Specialbeschreibung sehen werden, nicht wie bei der typischen cygnea- Form fast nur individueller oder sexueller Natur sind, sondern sich vielmehr als besondere Anpassungsprodukte an jeweilige aparte Ver- hältnisse des Wohnplatzes erweisen. Diese Nebenmodifika- tionen aber behalten bei aller sonstigen Veränderung das charakteristische Merkmal der Hauptvariations- stufe noch immer in bemerkbarer Weise bei, und das ist das Wesentliche. Alle diese möglichen Nebenmodifikationen jedoch einzeln herauszugreifen und zu beschreiben, würde schliess- lich ins Unendliche führen, und es sollen deshalb nur die wich- tigsten und beachtenswertesten in Betracht gezogen werden. Diese werden dann mit der Bezeichnung „subvarietas" belegt, während für individuelle Modalitäten selbstredend nur der Begriff „forma", wie oben erwähnt, in Anwendung kommen kann. Die Haupt- variationsstufen oder Variationscentren finden wir durchweg, wenn auch in ungleicher Weise, im ganzen Gebiete der Species verbreitet, — 133 — die Nebenmodifikationen oder Subvarietäten dagegen sind teilweise eng lokalisiert, es giebt sogar, wie wir später sehen werden, solche, die man bislang nur von einem einzigen Wohnplatz kennt. Aus diesem Grunde dürften auch die unter die Repräsentations- stufe der Art, Anodonta cygrwea-Typus , fallenden, eng lokalisierten Nebenmodifikationen nicht unter dem Begriff „varietas" , sondern unter „subvarietas" aufzunehmen sein, eben zum Unterschied gegen die unter „varietas" angeführten Formenkreise. VI. Specialbetrachtung der einzelnen Variationscentren und ihrer Nebenmodifikationen. Anodonta cygnea L., die grosse Teichmuschel. Mytiln* cygneus Lixxk. Anodonta cygnea Rossm. Ikon. Fig. 67 und 342. „ „ Nori>. und Nyl. Finnl. Moll. S. 90, t. 79. „ „ Wksterl. Exp. crit. S. 1(>8. „ Chemn. Conch. cab. 2. ed. p. 58, t. 15. „ „ 0. Pfeife. Xaturg. I. S. 111, t. (5 fig. 4. ,, mutdbilis Clessin (cfr. Literaturverzeichnis No. 11). 1. Anodonta cygnea L., typische Form {Anodonta mutabilis Clessin, var. cygnea L.) einschliesslich ihrer individuellen sexuellen und örtlichen Modifikationen. Anodonta cygnea L. in ihrer vollendeten typischen Ausbildung ist eine der grössten Arten des Geschlechts, in Europa die grösste, wird überhaupt nur von der aus Sibirien bekannten, gewaltigen Anodonta herculea v. Midd. übertroffen und wenn es neuerdings fest- gestellt ist, dass diese letztere nicht zu den Anodonten sensu stricto, sondern mit den riesigen Ifijjsa s-Fovmen der chinesischen und japanischen Gewässer vereinigt werden müsse, ist unsere grosse Teichmuschel die thatsächlich grösste der echten Ohnzahnmuscheln, denn sie wird selbst weder von ihrer grossen chinesischen Verwandten, der mächtigen Anodonta trapezialis Lk., noch von ihrer brasilianischen Vertreterin Ano dient mit Recht die Bezeichnung „See". Sein Umfang beträgt rund 10 km, seine Fläche 250 ha. Die grösste Tiefe dagegen übersteigt kaum 5 m. Den Namen hat er von den Feder- oder Wollgräsern, die an und im See wachsen. Er gehört zum Gebiet des Donauzuflusses Kanzach , liegt aber beinahe in der grossen Wasserscheide, rund 500 m über dem Meere, etwa ebenso hoch wie die nur 8 km entfernten Schussenquellen. Das Becken besteht lediglich in einer riachen Ver- tiefung ohne bestimmte Uferbegrenzung, die Ufer sind überaus sumpfig und un- zugänglich, der Grund schlammig im höchsten Grade. Noch gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts war der See viel grösser (nach den früheren Angaben 3500 Morgen . jetzt die sogenannte Seemarkung) , in welchem Buchau eine voll- ständige Insel bildete. Auf den gegenwärtigen Stand ist er durch zwei Füllungen in den Jahren 1787 und 1809 zurückgeführt worden, und mau erkennl noch die alten Gestade, die sogenannte „Seemauer". Der besonders gegen Buchau hin sich erstreckende Turfyrund des Geländes schwimmt gewissennassen auf dem Wasser und federt während des Begehen« desselben bei jedem Schritt. 11* — 164 — benen Muschel übereinstimmen, kann ich natürlicherweise nicht kontrollieren. Jedenfalls aber fallen diese äusserst dünnschaligen erftom.s-Modifikationen Württembergs in den Rahmen dieser Sub- varietät, ja, sie stellen sogar vielleicht die Ausbildungsstufe dieser Nebenmodifikation noch prägnanter dar als jene Muschel aus dem Regen, die mir eine schon weiter gegen die Flusstypen hin ver- kümmerte Form zu sein scheint, ausgezeichnet durch manche Sonder- heit, wie z. B. die von Clessin erwähnte eigentümliche Wirbelskulptur, welche selbst an der Innenseite der Muschel sichtbar ist. Diese Eigentümlichkeit fehlt unseren württembergischen Exemplaren der Anodonta fragilissima l. 1 Diese fragilissima-Fovm findet sich ausschliesslich nur im Federsee selbst, wie ich mich bei einer Exkursion im vergangenen Sommer zu überzeugen Ge- legenheit hatte ; man kann sie in Masse an den unendlich schlammigen Ufern des Sees ausheben und hat dabei öfter das Vergnügen, mit den schubladenartigen kleinen Fahrzeugen gründlich auf- und festzusitzen, so dass man nur mit Auf- bietung aller Kraft wieder flott werden kann. Wenn man von Buchau aus an einem kleinen Wassergraben entlang auf dem schaukelnden Grunde gegen den Federsee hin geht , kommt man zuerst an einen breiteren Kanal , welchen man mit der Nachenkiste entlang fahren muss. In diesem Kanal nun trifft man eben- falls eine Masse von Muscheln, doch sind diese von ganz anderer Beschaffenheit als diejenigen, welche den See bewohnen. Sie sind in erster Linie dickschaliger, zweitens aber Schnabelformen mit meist etwas aufgekrümmtem Kostrum , haben eine schmutzig dunkelbraune , zuweilen sogar schwarzbraune , aber glänzende Epidermis und stechen in dieser Beziehung sehr ab gegen die schön grünen, seltener dunkel binsengrünen Muscheln des Sees ; zuweilen sind auch die Wirbel korrodiert. Die Tiere der Kanalform haben nun thatsächlich eine schmutzig bräunliche Färbung. Leider habe ich von den Seeanodonten keine lebenden Exemplare gefunden, da ich meinem Sammeleifer infolge eines mit wolkenbruch- artigem Regen niedergehenden Gewitters jählings Einhalt thun musste. Es war dies für mich sehr bedauerlich , da ich die Tiere hauptsächlich auf Grund der Schi ich ter'schen Darstellung (74) untersuchen wollte. Der genannte Autor findet nämlich in der Färbung der Kiemen ein gutes Unterschei- dungsmerkmal für die Varietäten unserer Anodonten, und es sind nach seinen Angaben die Kiemen von var. ceUensis braunrot, braun oder schwarzbraun, die von var. piscinalis stets graubraun und die von cygnea blass- gelb. Da der Autor die Fundplätze der Muscheln nicht im Detail angiebt, so kann ich natürlich nicht mit Sicherheit angeben, welche er für cygnea, cellensis und piscinalis hält. Mir scheint es sehr wahrscheinlich, dass er die grösseren Seeanodonten . die wir nunmehr als var. cellensis Schrot. , subvar. fragilissima Cless. kennen gelernt haben, für die cygnea, die Schnabelformen des Kanals dagegen für cellensis und deren kürzere, bauchigere Formen für piscinalis hält. Es ist aber doch kaum anzunehmen, dass bei der einheitlichen Beschaffenheit des Federseegeländes und -Wassers typisch verschiedene Anodonten dort wohnen sollten. Die Schnabelformen des Kanals resultieren vielleicht aus der langsamen — 165 — Die von Brot unter der Bezeichnung var. minor aufgeführte Modifikation scheint mir zweifelsohne hierher zu gehören, wenigstens spricht die Beschreibung des genannten Autors sehr dafür. Er sagt dort: „Cette varietr. qu'un grand nombre d'auteurs considerent comme une espece distincte, differe du type par ses dimensions moindres el quelquefois par un paralleUisme moins parfait des bords superieur et inferieur atlssi bien dans le je une age que dans Tadulte. La coquille est en general plus mince , quelquefois un peu plus com- primee.u Ausserdem führt derselbe Autor noch eine var. dilatata aus den Sümpfen von Villeneuve aufwärts gegen Saint Maurice an: „remarquee par la forme un peu raccourcie et dilatee en arriere". Allein es ist dies ein Merkmal, das sich gar oft einerseits bei noch nicht ganz ausgewachsenen , anderseits bei etwas verkümmerten Exemplaren des ceZ/ewsis-Typus sowohl wie auch bei der subvar. fragilissima häutig beobachten lässt. Ich glaube kaum, dass es zur Aufstellung einer Nebenmodifikation berechtigen dürfte, und vermute, dass die „nombreux individus, que Mr. Brot a peche" , unter die etwas verkümmerten Sumpfformen zu zählen sind , was schon aus den metrischen Angaben hervorgeht, welche bei der grössten unter den Schalen 120 mm als Länge, 63 mm als Höhe und 39 mm als Dicke angeben. Derartige Formen finden sich in Württemberg z. B. im Aiweiher bei StafFlangen OA. Biberach, die ich ihrer dünnen Schale wegen auch zur subvar. fragilissima gestellt habe !. Bewegung des Wassers, hauptsächlich aber aus der übermässigen Anhäufung der Schlammmassen dortselbst — es ist in der That eine fürchterliche Schweinerei. Von letzterer dürfte wohl auch bei der torfmoorigen Natur der ganzen Umgebung die graubraune Färbung des Tieres und die dunkle, schmutzige Farbe der Schale klimmen. Ich will zwar nicht leugnen, dass viele Individuen aus dem genannten K a nal einen sehr piscinalis -artigen Habitus infolge des spitzen Schnabels und konkav absteigenden Öberrandes zur Schau tragen und recht wohl als Zwischenformen beider Formenkreise betrachtet werden können , erachte es jedoch für unrichtig, dieselben gänzlich von ihren durchaus ceUcnsis-avügen Mit- bewohnern auszuscheiden. Es sind cellensis-Vormen, welche allerdings zum Teil stark nach der var. piscinalis hin modifiziert sind. Der spitze Schnabel und die bedeutendere Festigkeit der Schale, die weniger stark markierten .Jahresringe und Anwachsstreifen sind piscinaHs-Eigenschalten, während die dunkle Epidermis und das bläuliche, mattglänzende Perlmutter ceKensis-Merkmale sind. Ganz deutlich ausgesprochene piscinalis-Foimeii treffen wir dorl niemals an. Ich werde mich bei späterer Gelegenheit nochmals eingehend über die dortigen Anodonten- verhältnisse unterrichten, kann aber zunächst den Darstellungen Schlichter's in betreff dieser dreierlei Varietäten nicht beistimmen. 1 Anodonla intermedia ('. Pfr. dürfte ihrem Habitus nach auch hierher zu stellen sein. Unsere allgemeine Sammlung besitzt ein altes Exemplar \ n - 166 — Eine zweite, weit verbreitete und in eminentem Formenreichtum sich äussernde örtliche Nebenmodifikation unserer Anodonta cellcnsis Schrot, repräsentiert sich nun in mehr oder weniger stark auffallender Grössenreduktion und dabei meist starker Verlängerung des Abdomens, welche sich bis zur Karikatur steigern kann. In diesen Rahmen fallen einmal, wie schon des öfteren erwähnt, meist jene Muscheln, die in den stagnierenden Gewässern mit viel Pflanzenwuchs und reichlichem Humusschlamm leben , aber zum Teil auch jene, die in stark schlammigen Buchten und Vertiefungen langsam fliessender Flüsse vorkommen. Es handelt sich demnach hier grösstenteils, ja fast ausschliesslich um Degenerationserscheinungen. Es wäre ein eitles Beginnen , bei der Betrachtung dieses Formenheeres in alle Details einzugehen, denn es ist nicht möglich, die Formen in ihren jeweiligen kleinsten Specificis erschöpfend zu illustrieren, ohne selbst der Erschöpfung anheimzufallen. Es dürfte zur Feststellung der Zu- sammengehörigkeit aller dieser Formen genügen, einige besonders auffällige Ausbildungsstufen herauszugreifen , zwischen welchen das ganze Formenchaos herumwimmelt. Das Generalmerkmal ist die in verschiedenem Grade ins übertriebene gehende Verlängerung der Muschel, welche Erscheinung in ihren unendlichen Variationen die „ Langschnabelformen" erzeugt. Es sei mir demnach gestattet, diese zunächst zusammenzufassen unter der Bezeichnung : subvarietas longirostris. Das erste Merkmal, was uns bei diesen Muscheln ins Auge fällt, ist die mehr oder minder bedeutende Reduktion der Grösse gegenüber den Exemplaren des Typus, ferner die bei manchen Orts- formen bis zur Karikatur reichende Verlängerung des Hinterteiles. Das Hauptmerkmal der typischen Form, der oblonge Umriss infolge der annähernden Parallelität des Ober- und Unterrandes wird durch die Formverzerrung nach der Länge mehr oder minder verwischt. Dies ist hauptsächlich der Grund, warum wir die vorliegenden Muscheln aus dem Rahmen des Typus für die var. ceUensis Schrot, auszu- scheiden haben. Die weite Verbreitung dieser Muschelformen, die eminente Ver- schiedenheit der einzelnen Wohnortsverhältnisse , denen sie unter- worfen sind, variiert sie in endloser Weise. Bald ist die Schale sehr I»r. Küster nur mit der Bezeichnung „Baiern*. Das Stück gleicht auffallend den zartschaligen cellensis-FoTmen einiger oberschwäbischer Gewässer. L67 — dünn, fast wie bei der subvar. fragüissima, bald etwas stärker, mit- unter zeigen sich in dieser Beziehung Formen, welche sich eng an die langgezogenen Modalitäten der pisci/ndlis-F orm anreihen, so dass nur noch der Fundort oder die Nähe des Vorkommens der typischen Form die Einreihung in den weiteren cellensis-R&hmen berechtigt erscheinen lässt. Wenn z. B. der Schweigfurter Weiher bei Schussen- ried die typische c< Uensis-Foim beherbergt und sich unmittelbar in dem schlammigen Grund der träge fortfiiessenden Schüssen, welche dort erst die Ausdehnung eines grösseren Baches erreicht, in der Grösse stark reduzierte , verlängerte, dickschaligere, meist nach ab- wärts geschnäbelte Muscheln vorfinden, so werden wir diese wohl nicht etwa zur piscinalis-Foim zählen, sondern selbstredend der var. cellensis Schrot, unterordnen. Wir haben hier ein Beispiel, wo der Fundort den Ausschlag für die Bestimmung der Form giebt, denn wir dürfen nie vergessen, dass sich die um das jeweilige Variations- centrum centrifugal gruppierenden Nebenmodifikationen begegnen und zwar bis zu einem Grade fast vollständiger Kongruenz, wo sich das dem Centrum zukommende charakteristische Merkmal so gut wie ganz verloren hat. Selbstredend finden wir unter der Masse dieser Formen sowohl gerade als auch auf- und abwärts gebogene Schnäbel , je nach der Lage der Muschel im Dreck, ferner treffen wir ziemlich häufig be- deutend zerfressene Wirbel, wahrscheinlich als Folge der Humussäure an dem betreffenden Wohnplatz. Die Farbe der Epidermis trägt im allgemeinen den dunklen Charakter der ceUensis-Sch&leii, ist aber auch zuweilen hell, so dass in solchen Fällen auch nur der Fundort ent- scheidet, ob die betreffende Muschel noch zur cellensis-Griip^e zu rechnen ist oder nicht. Mehr dürfte bei der allgemeinen Betrachtung dieser Schnabel- formen kaum zu sagen sein und ich wende mich deshalb sofort zur Detailbeschreibung der hauptsächlich in Betracht zu ziehenden Aus- bildungsstufen. Wir haben da zunächst diejenigen Formen , deren Hinterende in einen geraden Schnabel ausläuft, zusammenzufassen als a) forma orthorhynclia (Taf. IV Fig. 3). Muschel mittelgross, dünn- bis mittelfestschalig, sehr lang ge- zogen, ziemlich flach, Wirbel sehr vorderständig, nicht hervortretend, Schild und Schildchen manchmal deutlich, in vielen Fällen aber sehr abgerundet, Vorderteil relativ eminent kurz, Hinterteil dagegen sehr — 168 verlängert in einen bald spitzigeren, bald etwas breiteren geraden oder nahezu geraden langen Schnabel auslaufend. Die Muschel er- reicht mitunter in der Länge das vierfache Mass ihrer Höhe. Als Massverhältnisse gebe ich einige von württembergischen Vorkommnissen. 1) Zwei Muscheln aus einem Altwasser der Donau bei Ulm : Länge : 140, Höhe : 60, Dicke : 40 mm. Diese sind sehr dünnschalig, mit dunkel schmutziggrüner Epi- dermis, endigen in einen ziemlich spitzen Schnabel, die Wirbel sind noch gut erhalten. 2) Zwei Muscheln aus der Schüssen unterhalb der Schweig- furter Mühle, unmittelbar am Ausfluss aus dem grossen Schweig- furter Weiher bei Schussenried : Länge: 130, Höhe: 62, Dicke: 40 mm. Die Muscheln sind ziemlich festschalig, die Epidermis sehr dunkel, gegen die Wirbel tief rostbraun, letztere gut erhalten. Der Schnabel ist meist sehr breit, sein Ende stumpf, zeigt besonders Neigung zu klaffen. Krümmt sich der Schnabel jedoch aufwärts, so haben wir eine zweite Ausbildungsstufe, nämlich die b) forma reeurvirostris (Anodonta recurvirostris Küst.). Diese Form kann sich zuweilen verallgemeinern , so dass sie- aus dem Grade strenger Individualität heraustritt und zur örtlichen Nebenmodifikation wird. Für diesen Fall braucht man nur die Be- zeichnung „forma" durch „subvarietas" zu ersetzen. Muschel mittelgross, dünn- bis mittelfestschalig, sehr lang ge- zogen, ziemlich flach, Wirbel sehr mundständig, nicht hervortretend, Schild und Schildchen zuweilen deutlich, zuweilen etwas abgerundet, Vorderteil sehr kurz, Hinterteil stark verlängert und in einen langen, auffallend nach oben gekrümmten Schnabel endigend. Massverhältnisse einer Muschel aus dem Altsee bei Altshausen :. Länge : 125, Höhe : 57, Dicke : 37 mm. Die vorliegende Form wurde schon von Küster als eine be- sondere Species benannt, neuerdings aber von Kobelt wiederum als gute Lokalform herausgegriffen und genau geschildert. Ich verweise auf die ausführliche Beschreibung des genannten Autors im 6. Band der neuen Folge von Rossmässler's „Ikonographie", ebenso auf die vorzügliche Abbildung daselbst auf Taf. 49. Der Autor sagt dabei zum Schluss: „Auch diese Form spukt schon lang in Katalogen und L69 — Sammlungen, ohne beschrieben und abgebildet zu sein. Sie gehört unzweifelhaft zur rostrata-Grwppe, ist aber als eine durch die Empor- krümmung des Schnabels und die viel stärkere Wölbung gut charakte- risierte Lokalform anzuerkennen." P'ür Württemberg sind als Fundorte der schon gerade vorhin genannte Altsee bei Altshausen, sowie ein Teich bei Ebenweiler OA. Saulgau zu erwähnen, wobei jedoch zu bemerken ist, dass an beiden Orten typische cellensis-Foimeii, in der Grösse allerdings teil- weise ziemlich reduziert, vorkommen1. Auch in dem vom Federsee gegen Buchau hin führenden Kanal neigen die modifizierten, wiederum dickschaligeren cellensis - Muscheln zur Aufstülpung des Schnabels, jedoch noch nicht in so hohem Grade, dass sie zu der forma recurvi- rostris zu rechnen wären. H. v. Gallenstein (40) unterstellt diese merkwürdige Form nur der var. piscinalis Nils. Wir werden sie allerdings dort wiederum antreffen, wie wir sie auch schon bei der typischen Form von Ano- äonta cygnea L. angetroffen haben, jedoch nicht in dieser frappanten Ausbildung, die sie hier ihrer cellcnsis-Natur verdankt, welche von Hause aus zur verlängerten Form hinneigt2. 1 Doch fand Miller (69) ein Exemplar von 196 mm Länge. 2 Dass v. Gallenstein (42) Langschnabelformen nur der var. piscinalis Nils. unterordnet und anderseits mit H a z a y (50) an der streng zu unterscheidenden .lugendform dieser Muschel gegenüber der von A. cygnea L. Typus und var. cellensis Schrot, festhält, erklärt seine Darstellung von dem stellenweisen Zu- sammenleben typischer cellensis-Formeii mit verlängerten piscinalis Nils, im Wörther See in Kärnten. Allein wenn ich unsere württembergischen Vor- kommnisse zum Vergleich heranziehe , wie z. B. im Schweigfurtcr Weiher bei Schussenried die typische cellensis-Fovm ganz unmerklich gegen den AbHuss der Schüssen aus dem Weiher in die kleinere Schnabelform, wenn selbst die wunder- schöne fragilissima-Yorm des Federsees allmählich in die dickschaligere Schnabel- form des südlichen Federseekanals übergeht, wenn im Altweiher bei Altshausen mächtige cellensis-Typen und kleinere recurvirosiris-Fovmen nebeneinander^ igen, ebenfalls durch Übergänge verbunden, so kann ich mich mit dem besten Willen nicht entschliessen, diese Schnabelformen auf einmal für var. piscinalis Nils, zu halten. Ich möchte auch hier wiederholen , dass die Jugendformen von A. pis- cinalis allerdings stets den ansteigenden Oberrand zeigen, welchen Hazay und v. Gallenstein für ein Charakteristikum des Typus halten, dass aber dieselbe Erscheinung, nur nicht bei allen Individuen, auch bei dem cygnea- und cellensis- Typus nachgewiesen ist, ganz besonders auffallend zeigt die fragilissima-Foim der Feäersee-cellensis diesen Charakter bei den jugendlichen Muscheln, während diese dann im Alter geradezu den idealen cellensis-Umxiss verkörpern. Ausserdem betont aber v. (i allen stein noch einen Unterschied in der Färbung des Tieres, indem dasjenige von A. rostrat a Kok., in diesem Fall also von piscinalis Nils.. 170 — Biegt sich aber endlich der Schnabel in auffallender Weise nach abwärts, so bekommen wir die forma decurvata1 {Anodonta platyrhyncha Kok.). (Taf. IV Fig. 4.) Diese Muschel ist wegen ihrer abnormen Form früher ebenfalls als besondere Species betrachtet und beschrieben worden und zwar unter diesem Namen von Kokeil als Anodonta platyrhyncha. Sie dürfte jedoch unbedingt als individuelle Nebenmodifikation der subvar. longirostris unseres ceUensis-Tjpns zu betrachten sein. Zuweilen scheint sie sich in ähnlicher Weise wie die recurvirostris-Fovm zu lokalisieren, doch kann man dies nirgends mit Bestimmtheit nach- weisen, da fast an jedem Fundort auch wieder darunter hinein gerade und aufwärts geschnäbelte Individuen vorkommen. Es ist aber demnach unter Umständen auch hier die Bezeichnung „subvarietas" an Stelle von „forma" zulässig. Eine Specialdiagnose dürfte kurz also lauten : Muschel mittelgross , zuweilen sogar klein , dünn- bis mittel- festschalig, lang gezogen, ziemlich flach, Wirbel sehr mundständig, nicht hervortretend, Schild und Schildchen meist abgerundet, Vorder- stets heller gefärbt sei (der Fuss fahl hautfarben), während das Tier der A. cel- lensis Schrot, dunkler in Mantel- und Kiemenfärbung, mit rotgelbem Fuss aus- gestattet sei. Dies alles bringt ihn zu dem Schlusssatz: ,.Dieses schon in den ersten Jugendgestalten , wie späterhin streng formgeschiedene Nebeneinander- vorkommen von A. piscinalis Nils, und A. cellensis Schrot, beobachtete ich nicht nur im Wörther-, sondern auch im Ossiacher- und Keutschachersee in Kärnten. Es lässt wohl nicht leicht die beiden Bivalven als bedingte Varietäten einer Art annehmen." Da ich die Verhältnisse des Wörther und der anderen Kärntner Seen nicht kenne , bin ich selbstverständlich nicht in der Lage . diese Darstellungen v. Galle nstein's etwa als absolut richtig oder unrichtig zu er- klären, ich kann nur wiederholen, dass unsere württembergischen Vorkommnisse diese Anschauungen nicht zulassen, dagegen der Überzeugung Baum geben, dass sich die beiden Variationscentren cellensis und piscinalis ebenso wie die anderen in ihren Über gangsformen begegnen und deshalb ebenso wenig klar begrenz bar sind wie diese. 1 Ich hatte anfänglich den Namen „platyrhyncha" beibehalten . um die Identität mit der Kokeil'schen Species näher zu führen, habe mich aber später deshalb zu der Bezeichnung „decurvata" entschlossen, weil diese Formenmodifi- kation auch sowohl bei dem cygnca-Tyims vorkam, wie wir sie anderseits auch wieder beim anatina-Kveise antreffen werden. Da sie aber bei diesen beiden extremen Variationskreisen nicht so ausgesprochen ist wie hier und wie sie wieder- um bei der var. piscinalis Nils, vorkommt, aus welcher ebenfalls die Anodonta platyrhyncha Kokeil hervorgeht, so konnte ich für cygnea und anatina die Be- zeichnung „platyrhyncha1' nicht gebrauchen. Um nun zweierlei Bezeichnungen für die herabgekrümmte Sehnabelmodifikation zu vermeiden, habe ich der Einheit- lichkeit halber durchweg den Namen „decurvata" in Anwendung gebracht. 171 — teil 'sehr kurz, Hinterteil verlängert und in einen breiten, auffallend abwärts gebogenen Schnabel endigend. Massverhältnisse von Muscheln aus der Schüssen unterhalb der Schweigfurter Mühle : Länge: L25, Höhe: 60, Dicke: 40 mm. Auch diese Formausbildung haben wir schon bei der typischen Anodonta cygnea L. angetroffen und werden sie wiederum bei der var. piscinalis Nils, begrüssen können. Der Geschlechtsunterschied kann bei den Schalen dieser eben durchgesprochenen Schnabelformen auch darin erblickt werden, dass die Weibchen in der Regel aufgeblasener und noch niedriger sind und der Schnabel fast immer breiter ist als bei den Männchen. Die Jugend formen aller dieser Langschnabelmuscheln zeigen meist noch keine Spur von dieser Form Verzerrung, sondern gleichen ganz und gar denen der typischen var. rcllensis Schrot. Aus diesem Grunde müssen wir die Lang- schnabelformen des cellensis-Kreises in ihrer Gesamtheit nur mit Zubilligung von Ausnahmen als örtliche und nicht, wie bei der typischen eygnea-Foim, als individuelle Nebenmodifikation betrachten, bei welch letzterer, wie wir gesehen haben, die abdominal ver- längerte Form schon bei den jugendlichen Muscheln zu erkennen ist. Erst in der Auf- und Abbiegung des Schnabels, je nach der Lage der Muschel im Schlamme, kommt auch hier das individuelle Moment zur Geltung. Zu erwähnen ist noch, dass sich ganz speciell unter diesen Degenerationsformen jene Muscheln mit zer- fressenen Wirbeln finden, ein Merkmal, das man früher ebenfalls als genügend zur Aufstellung einer besonderen Species erachtete {Ano- donta ca/riosa Küst.). Es ist keine leichte Sache , ohne weiteres alle jene alten, namentlich KüSTERschen Species aufzuzählen, welche in den Formen- kreis der Anodonta cellensis Schrot. , d. h. hauptsächlich in den ihrer mehr oder minder degenerierten Schnabelmodifikationen einzu- rechnen sind, insofern als auch die var. piscinalis Nils, über eine Langschnabelgarde verfügt. Doch ist ziemlich sicher anzunehmen, dass die meisten von denjenigen, welche Küster nach jeweilig be- sonderer Beschaffenheit des Schnabels, nach Korrosionen der Wirbel, nach Verschiebungen des Ligaments u. s. w. beschrieben hat. hier- her einzureihen sind. Zunächst fällt einmal die Sammelspecies „rostrata" Held und Kokeil in diese Kategorie, und ich glaube nichts mehr über diese — 172 — unklar bezeichnete frühere „Art" und bisherige Varietät bemerken zu müssen. Weiterhin haben wir hier die Anodonta cariosa Küst., die nach Clessin's Untersuchungen nichts anderes ist, als eine durch die Wohnortsbeschaffenheit degenerierte Form der A. cellensis. Die Zerfressenheit der Wirbel ist nicht im entferntesten ein Merkmal zur Aufstellung einer Species. Andere haltlose Arten sind A. luxata Held und A. subluxata Küst., die auf dem Merkmal einer mehr oder weniger starken Verdrehung oder Verrenkung des Schlossbandes be- ruhen. Ich will in Bezug hierauf nur eine Bemerkung Hazay's (40) eitleren, welche lautet: „Während des Fortschwemmens ergiebt es sich öfters , dass der verwachsene Rückenrand , das hohe Schild junger Anodonten, gänzlich zertrümmert und abgebröckelt wird, welcher Umstand beim neueren Einbohren in den Boden eine Ver- schiebung der Schalen ermöglicht, welche selbst das nun stärker angelegte Schlossband nicht mehr richtig stellen kann ; solche Ano- donta luxata! Held finden sich häufig vor." Wir haben es also in diesem Falle lediglich mit einer Verkrüppelung zu thun. Auch Ano- donta anserirostris Küst. kann in diesen Formenkreis eingereiht werden, sie stellt, wie Clessin angiebt, nichts anderes dar als eine kleinere, in langsam fliessendem Wasser lebende Muschel, eine Kümmerform der A. cellensis Schrot., die zum Formenkreise der anatina L. hinüber- führt. Anodonta euneata Küst. erachte ich für nichts anderes als die männliche Form einer etwas verkümmerten cellcnsis-Modifik&tion, bei den Weibchen wäre der etwas herabgebogene Schnabel länger und breiter und würde dann einfach die decurvata-Foim darstellen. Schliesslich stellt Clessin auch noch die BROT'sche Anodonta Pkte- tiana hierher, ich möchte jedoch hervorheben, dass sie in vieler Be- ziehung an piscinalis in ihren längeren Formen gemahnt, namentlich in Bezug auf das hohe Schild und den konkav absteigenden Ober- rand. Dagegen möchte ich noch andere Anodonten hierher verweisen, so vor allen Dingen die Anodonta stenorhyncha Küst., welche nichts anderes repräsentiert als eine etwas längere Schnabelform mit auf- fallend spitz endigendem Schnabel, ebenso die Anodonta longirostris Drt., deren Specifikum auf dem gegensätzlichen Extrem, dem breiten, abwärts gekrümmten Schnabel beruht , Formen , die wir übrigens, wenn auch nicht in so auffallender Ausbildung, später selbst wieder bei den Nebenmodifikationen der piscinalis-Fovra antreffen werden1. 1 Anodonta stenorhyncha Küst. als frühere „Species'' betrachtet, trägt bei ihrer Dünnschaligkeit mehr den Charakter des cellensis-Kreises, weniger die Merkmale der var. piscinalis Nils, trotz der Konkavität des Oberrandes. — 173 Vielleicht dürften auch noch die Species A. exülcerata Villa, und polymorpha KüST. füglich hier Unterkunft finden. Die erstere halte ich für eine noch nicht ausgewachsene decwrvat a-Foim, während ich die zweite für eine stark verkümmerte Flussform erachte, die aller- dings sehr „polymorph" sein kann. Eine merkwürdige und schöne Form ist die von Kobelt (58) als Anodonta rostrata Kok. var. Gallensteinii beschriebene Muschel vom Gosselsdorfer See in Kärnten; sie erinnert besonders an die forma ventricosa des cellexsis-Typus und, wie der Autor selbst er- wähnt, auch an die RossMÄssLER'sche cygnea-coräata. Wir dürfen sie deshalb ganz wohl in diesen Förmenkreis einreihen. Damit wäre auch der zweite Formenkreis erledigt, und wir schreiten weiter zur Betrachtung des dritten, welcher seine Reprä- sentation findet in der 3. Anodonta cygnea L. var. piscinalis Nils. Anodonta mutabilis Cless. var. piscinalis Nils. Anodonta piscinalis Nils. Diese Muschel giebt zur Festlegung typischer Merkmale viel weniger sichere Anhaltspunkte als die Typen cygnea und cellensis, und zwar aus dem Grunde, weil sie eine Kümmerform1 repräsentiert. Es verwischen sich daher am ehesten gerade die charakteristischen Merkmale der Stammform und lassen in den wenigsten Fällen die Herkunft mit Sicherheit erraten. Über die Berechtigung der An- sicht, dass wir sie als Kümmerform der typischen Anodonta cygnea L. ansehen dürfen, habe ich mich bei der Erörterung der mut- masslichen Entwicklung der Anodonten aus Unio-avtigen Muscheln verschiedentlich geäussert. Dass eine solche Berechtigung vor- liegt, lehren wohl am besten die Fundorte, wenngleich der Habitus der Schale auch ohne Kenntnis derselben stets auf die Eigen- schaften der cyynea-Form hindeutet. Flussgebiete, in welchen die j>iscinalis-Form vorherrscht, bergen in den innerhalb ihres Be- reiches liegenden Teichen und Weihern fast stets die typische cygnea- 1 Das heisst soviel als eine Form , bei welcher die charakteristischen Merkmale des Typus infolge der Anpassung an andere Wasserverhältnisse ver- kümmert sind. Man darf daher nicht etwa ein kleines Exemplar von der typischen cygnea für die piscinalis-Form halten. Es giebl mitunter weit grössere 2>iscinalis als cygnea, nämlich in dem Falle, wenn man es bei ersterer mit einer Riesin. bei letzterer mit einer Zwergin zu thun hat. So liegen mir z. B. piscinalis- Exemplare von 14U mm Länge vor, während ich zugleich mit ausgewachsenen c^7«eu-Exemplaren von nur 95 mm Länge aufwarten kann. — 174 Form. Diese Thatsache wird in Bezug auf Württemberg vorzüglich durch das Neckargebiet — die Zuflüsse sind dabei einzubegreifen — zwischen Stuttgart und Heifbronn bewiesen. Hierherein fallen unsere hauptsächlichen cygnea-W einer, die Schlossgartenweiher der kgl. An- lagen, der schöne Monrepos-Weiher bei Ludwigsburg, der Aalkisten- see bei Maulbronn (Gebiet des Zuflusses Enz) und der ehemalige Elfinger Weiher ebendaselbst. Der Neckar selbst birgt gleich seinen Nebenflüssen innerhalb der oben genannten Grenzen in seinen stillen Buchten und kommunizierenden Altwassern prächtige piscinalis- Muscheln, so z. B. bei Lauffen und bei Heilbronn selbst, die Neben- flüsse Enz, Kocher und Jagst liefern an verschiedenen Orten die- selben Muscheln von schöner Ausbildung. In den Hafenbassins von Heilbronn trifft man die Übergangsformen zwischen cygnea und pis- cinalis, die erstere im Winterhafen in der cellensoiden Form. Ich erwähne diese Verhältnisse in aller Kürze auch hier, um nochmals auf die enge Zusammengehörigkeit der Anodonta piscinalis Nils, mit der Stammform cygnea hinzuweisen. Die Hauptwohnplätze sind langsam fliessende Gewässer mit reichlichem erdigen Schlamme , aber das Wasser muss rein sein ; in solchen manchmal durch Torf ganz braun gefärbten Drecklachen, die oft noch von den Schnabelformen der celle >ms-Gruppe in Torfmooren bewohnt werden, findet man diese in der Regel ziemlich kompaktschalige Muschel nicht. Reinheit des Wassers, ein Begriff, der nicht absolut mit Klarheit identifiziert werden muss , und massiger Schlammabsatz sind aber in grösseren Teichen und Weihern auch das Eldorado für schöne q/fjrnea-Muscheln1. Aus diesem Grunde findet man piscinalis-Formen auch in solchen kleinen Teichen und grösseren Lachen, welche von Quellen gespeist werden, das beweist z. B. der Lindenweiher bei Essendorf in Ober- schwaben, der neben einer merkwürdigen Lokalform ziemlich dick- schalige typische piscinalis-Y oxm^n beherbergt, während die anderen derartigen Wässer des weit ausgedehnten Torfgebietes in Ober- schwaben meist nur die cellensis-Form und zwar in der Regel ihre degenerierten Schnabelmodifikationen bergen. Die Muschel ähnelt also der c^wm-Stammform vor allen Dingen durch die Gediegenheit der Schale und die lebhaft helle Farbe der Epidermis. Nur in seltenen Fällen , z. B. in stillen , schlammigen Flussbuchten mit reichlichem Pflanzenwuchs, finden wir auch pis- 1 Deswegen verkümmern die cygnea-Muscheln im Karpfenwasser der unteren Weiher des kgl. Schlossgartens in Stuttgart und zeigen statt der üblichen leb- haft hellgrünen eine dunkel schmutziggrüne Epidermis. 175 cinafos-Exemplare mit dunkler Epidermis, Individuen, welche mehr und mehr den Charakter annehmen , welchen wir bei den lang- schnäbeligen Nebenmoditikationen der Anodonta cellensis Schböt. angetroffen hatten, wenngleich sie stets dickschaliger bleiben. Die Jahresringe sind meist viel weniger stark markiert als bei A. ryynea L., und ich glaube, dass hierin die Beobachtungen Clessin's (29) sich bewahrheiten , wonach Muscheln fliessender Gewässer im ganzen weniger scharf markierte Jahresringe haben ata solche stehender Gewässer. Was den Formenumriss anbelangt, so zeigt die typische Form der var. piscinalis Nils, ungefähr dieselben Verhältnisse, welche wir bei der typischen cyynca-Foim zu konstatieren Gelegenheit hatten, nur sind die metrischen Dimensionen mehr oder minder stark redu- ziert, in erster Linie aber vermissen wir, von Ausnahmen natürlich abgesehen ' , das Charakteristikum des cygnea-Typus , die gewaltige Ausbildung des Vorderteiles, welche den grössten Höhendurchmesser der Schale senkrecht unter den Wirbel verlegt und bemerken dafür ein anderes, diesen Formenkreis speciell auszeichnendes Charakte- ristikum, nämlich den bessererhaltenen, eckigeren Schild, infolgedessen der Oberrand in starker konkaver Biegung nach dem meist auffallend spitzschnäblig auslaufenden Hinterende absteigt. Die piscinalis -Form gleicht hierdurch einer mittleren oder jugendlichen c^weo-Form; man müsste sie vielfach für eine solche in Anspruch nehmen , wenn die Zahl der Jahresringe und dichte Stellung der AnwTachsstreifen nicht mit Sicher- heit auf eine Altersform schliessen liesse. Das hebt auch Clessin (18) hervor, indem er sagt: „Die Umrissform der Anodonta piscinalis entspricht nämlich der Jugendform fast aller übrigen Varietäten, die sich hauptsächlich durch ihre verhältnismässig grosse Breite und den sehr hervortretenden Schild charakterisiert." Dieser Satz gilt in- dessen lediglich nur im Hinblick auf die typische Form unserer Muschel. Es geht daraus hervor, dass Clessin die vorliegende Form nur in sehr eng gefasstem Sinne auffasst, ebenso wie durch den Satz in seiner „deutschen Exkursionsmolluskenfauna" : „Die Form der 1 Solche Ausnahmen repräsentieren die Individuen der var. piscinalis Nils. aus dem Schreckensee in Oberschwaben in weitaus überwiegender Anzahl und zwar die Normalformen wie auch die meist gerade endigenden, zuweilen aber auch aufwärts gebogenen Langschn;ibel1't»nnen. Piese Muscheln wurden erst kürzlich (November 1899) von Herrn Professor Dr. Lampert unter gütiger Unterstützung des Berrn Fabrikanten Sterkel von Ravensburg am angeführten Fundplatze gesammelt. — 176 Anodonta piscinalis ist eine verhältnismässig selten vorkommende, die übrigens auch am wenigsten Anspruch auf Ausscheidung als Varietät der Anodonta mutabilis haben dürfte. Ich würde sie gänz- lich haben fallen lassen, wenn eine in der Weser (32) vorkommende Form, die Rossmässler in Fig. 416 abbildet, sich in einen anderen Formenkreis hätte einreihen lassen." Durch Hazay's Untersuchungen und Darstellungen scheint Clessin (19) dann anderer Ansicht ge- worden zu sein, indem er sie als eine Form des fliessenden Wassers anerkennt, die sich jedoch nur im schlammigen Grunde findet, über welchem das Wasser weniger bewegt ist. Hazay unterscheidet die var. piscinalis Nils, von der typischen cygnea-Yoxm , wie schon bei früherer Gelegenheit erwähnt wurde, auch noch durch die Jugend- stadien ; er erklärt die rhombische und rhomboidale Form mit ge- radem Oberrand als den Jugendzustand der cygnea (und der ccl- lensis , da er diese bekanntlich für die weibliche cygnea ansieht), während er der var. piscinalis Nils, eine andere Jugendform zu- schreibt, nämlich eine rhombische Form mit hoch aufsteigendem Rückenrand und verschmälertem Vorderrand, auch etwas stärker ge- bauchten Seitenteilen. Ich habe in einem vorhergehenden Kapitel schon Veranlassung genommen, mich über diesen Punkt auszusprechen, und kann hier nur wiederholen, dass ich mich den Darstellungen Hazay's nicht recht anzuschliessen vermag, da ich bei den Jugend- formen der cygnea ebenfalls mitunter sehr stark ansteigende Ober- ränder beobachtet habe, desgleichen insbesondere bei den Jugend- formen der var. cellensis Schrot, subvar. fragilissima Cless. ; ich will zugeben, dass man bei cygnea auch manchmal horizontal ver- laufende Oberränder an jungen Muscheln trifft, während dies bei der piscinalis- Form allerdings fast gänzlich ausgeschlossen erscheint. Diese Erscheinung erklärt sich, wie ich auch an dieser Stelle noch- mals erwähnen muss, dadurch , dass bei der typischen cygnea-F orm schon von aller Anfang an die Neigung vorhanden ist, das Vorderteil stärker auszubilden, als bei den anderen Variationscentren und so kommt es, dass namentlich bei den langgestreckten Muscheln, welche fast immer auf eine rein individuelle Anlage zurückzuführen sind, der Oberrand in Bezug auf die Längsachse der Schale in weit mehr horizontaler Richtung verläuft. Im übrigen ist bei allen jungen Muscheln die mundständige Partie im Vergleich zum Abdomen in sehr geringer Breite, beziehungsweise Höhe, ausgebildet und dadurch erhalten wir in Verbindung mit dem stark ausgeprägten Schild den in Bezug auf die Längsachse der Schale in mehr oder minder be- — 177 — deutendem Grade von vorne nach hinten ansteigenden Oberrand. Dieses Merkmal kann jedoch um so weniger als Charakteristikum für die jungen j/iscinaf is-Musche\n in Anspruch genommen werden, als die mangelhafte Ausbildung des Vorderteiles nicht nur bei den meisten jungen Muscheln der übrigen Formenkreise, sondern, wie wir später sehen werden, manchmal noch viel augenfälliger namentlich bei der var. lacustrina Cless. zum Ausdruck gelangt. H. v. Gallenstein (40) erklärt die vorliegende Muschel für die häufigste Form Kärntens, weil er alle die bislang unter dem Begriff „rostrata" zusammengefassten Streckformen , die ja überall häufig sind, der Anodonta piscinalis Nils, unterordnet. Die alten Meister der Konchyliologie betrachteten die Muschel bekanntermassen als selbständige Species und sprachen ihr jede be- deutendere Neigung zum Variieren ab. Das ist aber durchaus un- richtig. Schon Lehmann (61) machte auf drei Schalenvarietäten aufmerksam {Anodonta sitbcompressa Moq. Tand., Anodonta ponderosa C. Pfb. und eine dritte, rhombische, Anodonta ventricosa A. Schm.) und hebt namentlich die dritte hervor als eine so sonderbare Form, dass sie Artlustigen leicht zur Aufstellung einer neuen Anodontenart Gelegenheit geben möchte. Der Autor betont jedoch dabei die Gleichheit im anatomischen Verhalten. Hazay kennt der var. piscinalis Nils, „rostrate Altersformen " zu, v. Gallenstein stellt sich, wie schon vorhin erwähnt, Clessin und den älteren Autoren gegenüber an das andere Extrem, in dem er die Schnabelformen in ihren weitesten Graden ausschliesslich der vorliegenden Varietät zuteilt. Der goldene Mittelweg ist hier auch wieder einmal der richtige. Bei der ganzen Natur der Anodonta piscinalis Nils, als Kümmer- form von der Stammform cygnea L. darf ein Variieren der Gestalt wohl in ganz ähnlicher Weise vorausgesetzt werden wie bei jener, und das beweisen in der That die Fundorte. Verschiedene stille Buchten des Neckars bei Heilbronn liefern uns beispielsweise prächtige jriscinalis-F ormen, und zwar bekommt man von einem und demselben Fundplatz kurze , rauteneirunde und lange , meist geradschnäbelige Individuen. Auch die sexuellen Unterschiede treten in ganz gleicher Weise vor Augen wie bei der typischen cygnea-Fovm, indem die weiblichen Schalen fast immer weit bauchiger als die männlichen, ausserdem meist lang gezogen sind. Weitere Fundorte, so das Flüsschen Kocher bei Hall, der Lindenweiher bei Essendorf in Ober- schwaben, der Olzreuter Teich bei Schussenried ebendortselbst und Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. 12 — 178 — die Donau bei Ehingen liefern neben der typischen Form Lang- schnabelformen aller Art , die drei ersteren Fundplätze namentlich die abwärts gekrümmte decurvata-F oim, der Olzreuter Teich ausser- dem noch das entgegengesetzte Extrem, die forma recurvirostris. In diesen individuellen Modifikationen dürfen wir weitere Parallelen zwischen der Anodonta piscinalis und cygnea und daher ihre enge, ja unmittelbare Zusammengehörigkeit erkennen. Interessant sind einige Exemplare in unserer allgemeinen Kon- chyliensammlung aus einem Altwasser der Donau bei Weichs in der Nähe von Regensburg und an der „Villa" , die wir der Güte des Herrn Clessin verdanken. Die Exemplare von Weichs sind gross, doch nicht gerade dickschalig, mit ziemlich markierten Jahresringen und Anwachsstreifen, also nicht auffallend durch die beim Typus sonst hervorzuhebende glatte Oberfläche. Die Epidermis ist lebhaft dunkel grasgrün gefärbt1. Das Exemplar von der „Villa" dagegen ist viel kleiner bei der gleichen Anzahl von Jahresringen, dabei dünn- schaliger, und während die Weichser der typischen Form entsprechen, ist diese von der Villa ausserordentlich abdominal verlängert und endigt in einen langen und breiten Schnabel. Die Fundorte aber beweisen mir, dass die beiden Formen hierher gehören. In individueller Beziehung ist die piscinalis-Form nicht in so ausgedehnter Weise der Variation unterworfen wie die Stammform cygnea und erweist sich auch in dieser Beziehung als Kümmerform. Vor allem vermissen wir die merkwürdigen nierenartigen Schalen, die wir bei der cygnea-Form als forma reniformis kennen gelernt hatten, und ebenso die Keilschnabelform acutirostris ; die Ursache liegt wiederum darin, dass die Anodonta piscinalis Nils, das Hauptcharakteristikum des cygnea-Ty^-as , das stark entwickelte Vorderteil nicht, zuweilen nur etwas angedeutet zeigt. Dadurch aber entstand dort bei gleich- zeitig mangelhafter Ausbildung des Hinterteils jene interessante Nierenmuschel und keilförmige Kurzschnabelform. Die Korrespondenz zwischen Anodonta cygnea-Typus und der piscinalis-F orm tritt jedoch eben dadurch deutlich hervor, dass die Langschnabelformen hier wie dort in erster Linie als individuelle Formenschwankungen anzusehen sind, denen gegenüber die durch die Beschaffenheit des Wohnorts bedingten verschwinden. Bemerkens- wert sind noch einige Sätze Brot's in der Darstellung der piscinalis- 1 Es sind allem Anschein nach Mittelformen zwischen Anodonta cygnea L.- Typus und var. piscinalis Nils. — 179 Form des Genfer Sees, in welcher er zugleich die Unterschiede zwischen ihr und der Stammform cygnea , sowie der var. cellcnsis Schrot, hervorhebt. Der genannte Autor schreibt: „Elle se distingue de \'A. cygnea par sa surface unie, non sillonnee, son epi- derme abondamment feuillete sur les bords. Elle est plus allongee, moins renflee en avant, son rostre est plus ascendant, enfin sa nacre est blanche, mate, peu irisee. Elle differe de A. ceUensis par sa forme moins allongee (es giebt noch längere piscmalis als typische cellensis, Anm. d. Verf.), la courbure de son bord superieur, le renflement des sommets , Tepaisseur des valves , enfin et surtout par la forme du jeune age qui presente un corselet comprime eleve (der HAZAY'schen Darstellung entsprechend, Anm. d. Verf.). Les vieux echantillons sont assez fonces de coloration , mais les jeunes sont d'une couleur olive-jaunätre , ornes de rayons verts souvent assez elegants ä la partie posterieure et quelque fois meme sur le disque." Brot erwähnt weiterhin noch, dass die Muschel sehr viel Ähn- lichkeit habe mit der Anodonta ponderosa C. Pfr. in Rossmässler, Icon. fig. 282 mit den Worten : „la phrase caracteristique qui l'ac- compagne lui convient assez bien". Ich erwähne dies, um auf die gleich nachher zu besprechende subvarietas ponderosa bereits hin- zuweisen. Demnach würde die diagnostische Fixierung für unsere Muschel mit Einschluss ihrer individuellen, sexuellen und örtlichen Modifi- kationen folgende sein : Muschel von mittlerer Grösse, rundlich bis lang eiförmig, vor- wiegend festschalig mit glatter Schalenoberfläche und ziemlich leb- haft gefärbter Epidermis; Wirbel nicht hervortretend, aber etwas aufgeblasen, Schild breit und zusammengedrückt, bei den rundlichen Formen gut erhalten, bei den länglichen in der Regel etwas mehr abgerundet, Schildchen klein. Vorderteil kurz, schön gerundet, der Vorderrand gleichmässig in den Unterrand übergehend, nur zuweilen in ähnlicher Weise wie bei dem c^nm-Typus ausgebuchtet. Unter- rand in gleichmässig flacher Kurve verlaufend, erst gegen das Hinter- ende rasch ansteigend, mit dem von der Schildecke in konkaver Kurve absteigenden Oberrand einen kurzen und spitzen, seltener langen und stumpfen, meist gerade verlaufenden, zuweilen aber auch auf- oder abwärts gekrümmten, im letzteren Falle breiter abgestutzten Schnabel bildend. Perlmutter rein, ziemlich weiss, aber nicht sehr glänzend. Die charakteristischen Merkmale liegen in der reduzierten Grösse, dem meist wohlerhaltenen 12* — 180 — Schild und dem in konkaver Kurve nach dem Schnabel- ende absteigenden Oberrand, der meist schönen glatten Schalenoberfläche und lebhaft gefärbten Epidermis. Länge: 90 — 140 mm, Höhe: 50 — 80 mm, Dicke: je nach dem Geschlecht zwischen 25 und 45 mm schwankend. Wohnort: In Teichen, grösseren, oft unterirdisch gespeisten Lachen in der Nähe von Flüssen und in stillen Buchten der letzteren. Derartig abnorm bauchige Muscheln wie bei der typischen Form der Anodonta cygnea L. finden sich bei der vorliegenden Varietät nicht, ebensowenig inkliniert sie in solchem Masse nach dem andern Extrem , so dass kein Grund vorliegt , nach dortigem Beispiel eine ganze Anzahl extravaganter Formen besonders herauszugreifen und zu beschreiben. Es möge der nähere Hinweis auf folgende genügen. A. Typische Form : Rundlich bis rauteneirund, Schild zusammengedrückt, mittel- hoch , gut erhalten , Oberrand in ziemlich starker Konkavität nach dem Hinterende absteigend. Schnabel meist spitz. Vorderrand in seltenen Fällen cygnea-ariig nach dem Unterrand hin ausgebuchtet, im allgemeinen aber gleichmässig in den letzteren übergehend. Zu- meist bei männlichen Individuen zu beobachten. B. forma lonyirostris (formae longirostres). Der typischen Form gegenüber sehr verlängert, Schild weniger hoch, wodurch der Oberrand weniger konkav nach dem Hinterende absteigt. Der Wirbel kommt infolge des verlängerten Hinterteils relativ oft sehr mundwärts zu stehen. Vorwiegend bei weiblichen Individuen anzutreffen. a) forma orthorhyncha: Schnabel gerade verlaufend. b) forma recurvirostris (Taf. IV Fig. 6): Der Schnabel ist auffallend nach oben gekrümmt und meist etwas mehr zugespitzt als bei der geradschnäbeligen Form. Bei männlichen und weiblichen Individuen anzutreffen. c) forma decurvata (Anodonta platyrhyncha Kok.) (Taf. IV Fig. 5): Der Schnabel ist verbreitert und abwärts gekrümmt, das Ende oft durch eine fast gerade laufende Linie stumpf abgestutzt. Bei männlichen und weiblichen Individuen anzutreffen. 181 — Nun aber hat unsere vorliegende Muschel auch zwei merk- würdige Lokalnebenmodifikationen im Gefolge. Zunächst eine sonder- bare, vom Typus insofern weiter abweichende Form, als dieselbe sehr zartschalig ist. Clessin (16) hat sich nicht mit Unrecht ver- anlasst gefühlt, dieselbe als besondere Varietät seiner Anodonta muta- f>ilis aufzuführen. Der Fundort resp. das gemeinsame Vorkommen mit der typischen Form im Lindenweiher bei Essendorf in Ober- schwaben weist sie jedoch von selbst zur var. pischudis Nils., wäh- rend Clessin sie zum engeren Formenkreise der bis jetzt anerkannt gewesenen Anodonta „rostrata" Kok. rechnet und sie als dessen extremste Modifikation ansieht. Er nennt sie var. d i m inuata. Ich behalte diese Bezeichnung bei 1, jedoch mit Unterordnung als Subvarietät unter Anodonta piscinalis Nils. , und gebe hier wort- getreu die ausführliche Beschreibung Clessin's : subvarietas diminuata Clessin. (Abbildung: Clessin in „Chemnitz" Taf. 87 Fig. 1.) Muschel gross (besser gesagt, mittelgross, Anm. d. Verf.), sehr schmal und verlängert, ziemlich bauchig, dünnschalig, mit glatter, glänzender Oberfläche ; Vorderteil sehr verkürzt, gerundet; Hinterteil breit, sehr verschmälert (besser gesagt, zusammengedrückt, um die scheinbare Gegensätzlichkeit zu vermeiden, Anm. d. Verf.), schnabel- förmig abgestutzt ; Wirbel wenig hervortretend, abgerieben, aber doch die feine wellige Skulptur erkennen lassend; Vorderrand kurz, von der Ecke des Schildchens fast senkrecht abfallend, ohne Grenze in den Unterrand übergehend (nicht bei allen Individuen, man trifft solche mit etwas „cygnoidem" Vorderteil, Anm. d. Verf.); Oberrand ziemlich lang, bis zum Wirbel steil ansteigend, dann fast gerade; Unterrand sehr lang, bis zur unteren Schnabelecke, die in dessen Verlängerung fällt, gerade, dem Oberrand parallel ; Hinterrand lang, von der wenig hervortretenden Ecke des Schildes langsam abfallend, dann einen breiten, scharf abgestutzten Schnabel bildend ; Schildchen klein, wenig zusammengedrückt; Schild lang, schmal, zusammen- gedrückt; Ligament ziemlich stark, hellbraun, Ligamentbucht seicht, 1 Die Bezeichnung „diminuata" bedeutet im allgemeinen „verkleinert" oder .vermindert-', in weiterem Sinne auch „verschmälert" und „verdünnt". Nun ist zwar die vorliegende Muschel eigentlich nicht kleiner, als die gewöhnliche Form der var. 2Jiscinalis Xils., jedoch durch die enger stehenden Jahresringe und Anwachsstreifen merklich verschmälert und überdies in der Schalendicke ziemlich bedeutend reduziert. Aus diesem Grunde ist die obige Benennung wohl gerecht- fertigt und ich nehme deshalb keine Veranlassung, eine andere zu wählen. — 182 rundlich, unter der abgerundeten, wenig hervortretenden Schildecke gelegen; Innenseite matt; Perlmutter weiss; gegen die Ränder mit vielen kleinen Perlansätzen (nicht bei allen Individuen, Anm. d. Verf.) ; Schlossleiste sehr schmal, Muskelnarben : die vorderen etwas vertieft, die hinteren undeutlich, die Epidermis hellbraun. Länge: 118 mm, Breite resp. Höhe: 51 mm, Dicke: 35 mm. Es liegen mir hierorts Muscheln von dem genannten Fundort vor1 (Lindenweiher bei Essendorf in Oberschwaben), welche bezeugen, dass die Muschel hauptsächlich in zwei Formen vorkommt, nämlich in einer gerade und einer abwärts geschnäbelten. Ich trenne sie deshalb abermals noch in a) forma orthorliyncha und b) forma decurvata. Clessin (31) giebt übrigens noch sehr richtig den Grund der hellen Epidermisfarbe der Muschel an , indem er dieselbe von der Beschaffenheit des Wassers abhängig macht. Er schreibt dort am angeführten Orte: „Die Molluskenfauna der Torfmoore trägt wie keine andere den Stempel der Eigentümlichkeit ihres Wohnortes aufgeprägt und stimmt in allen Torfmooren so sehr überein, dass es unmöglich wird, die gleiche Species aus verschiedenen noch so entfernten Torf- mooren zu unterscheiden. Die Fauna der Torfmoore ist im allge- meinen weder an Species noch an Individuen eine arme zu nennen, einzelne Species sind oft in zahlloser Menge vorhanden. Fast alle zeichnen sich durch dunkle Färbung, kleine Form und dünne, durchsichtige Schalen aus. Um so mehr war ich erstaunt, im Linden- riede und Lindenweiher bei Essendorf einige von der eigentlichen Moorfauna ziemlich abweichende Molluskenformen zu finden." Der genannte Autor zählt eine Anzahl der dortigen Species auf und fährt dann fort: „So unvollständig durch diese wenigen Species die Fauna des Lindenriedes auch gegeben ist, so ist sie dennoch hin- reichend, um sichere Schlüsse auf die Ursachen der Verschiedenheit seiner Molluskenfauna gegenüber jener anderen Moore zu ziehen. Die Verhältnisse des genannten Moores oder Riedes sind nämlich derart, dass sie sofort jedem Besucher auffallen werden. Im Linden- riede entspringen eine grosse Anzahl von Quellen, welche aus 1 bis 5 m tiefen trichterförmigen Löchern kommen und die beständig den Sand (Tertiärsand) aufwirbeln, der die wasserleitende Lehmschichte Von diesen sind die Masse : Länge : 125, Höhe : 57, Dicke : 40 mm. I — 183 — bedeckt. Die Quelltrichter, welche 1 bis 3 m oberen Durchmesser haben, durchdringen demnach die Torfschichten und reichen bis auf die obersten Tertiärschichten hinab. Die Quellen, welche vor be- ginnender Torf bildung unmittelbar an der Oberfläche zu Tage traten, haben sich je nach der Stärke ihres Wasserstromes bei fortschreiten- der Torfbildung Trichter frei gehalten, welche senkrechte, oft sogar überhängende Ufer besitzen. Durch das stets sich erneuernde Quell- wasser, welches aus den Trichtern in mehreren Abzugsgräben ab- fliesst, geht zwar die Torf bildung des Riedes in derselben Weise wie in anderen Torfmooren vor sich, weil in demselben die Torfpflanzen ebenso die Bedingungen ihrer Existenz zu finden scheinen wie in letzteren. Die Mollusken , welche das Lindenried bewohnen , sind dagegen nicht wie die anderer Moore gezwungen, in stagnierenden Gräben und Pfützen, die oft mit kaffeebraunem Wasser gefüllt sind, zu leben, sondern halten sich ständig im frischen reinen Quellwasser auf, welches aus kalkreichem Tertiärboden kommt. Ich zweifle nicht daran, dass dieses Verhältnis allein die Ursache der Verschiedenheit der Mollusken des Lindenriedes gegenüber anderer Riede ist." Dies macht begreiflich, warum der Lindenweiher gleichsam eine Oase für die piscinalis-Form darstellt, weshalb eben diese subvar. (liminuata Cless. hierher und nicht, wie es der Autor that, in das Degenerationsgefolge des cellensis - Kreises einzureihen ist. Diese merkwürdige Spielart weicht vom Typus hauptsächlich durch die breite Schnabelbildung ab und nähert sich dadurch ganz bedeutend den Langschnabelmodifikationen des cellensis-Kveises, allein der Fund- ort, d. h. in diesem Falle das gemeinschaftliche Vorkommen mit der typischen piscinalis-¥ orm entscheidet, wie gesagt, für die Unter- ordnung unter den letzteren Variationskreis. Die zweite Lokalnebenmodifikation ist eine gerade entgegen- gesetzte, eine kurze, sehr dick- und schwerschalige Form, welcher durch C. Pfeiffer (71) früher ebenfalls der Rang einer selbständigen Species eingeräumt wurde. Nach unseren heutigen Anschauungen jedoch ist sie eine lokalisierte Form, bedingt durch besondere Wohn- ortsverhältnisse, wie so und so viel andere Formen und einzureihen in den Kreis der xriscinalis-Y oxm. Für Württemberg kommt diese Form bis jetzt nicht in Betracht, da sie noch nirgends gefunden wurde. In unserer allgemeinen Konchyliensammlung befinden sich jedoch einige Exemplare aus der Elbe bei Dresden, die an Schalenstärke geradezu den Unionen gleichkommen. Ihre Epidermis ist tief dunkelgrün bis dunkelbraun gefärbt. So hätten wir denn hier die — 184 subvarietas ponderosa Pfr. Anodonta ponderosa Pkr. (Abbild. C. Pfeiffer (71) Abt. II Taf. III Fig. 1—6.) Ich gebe im folgenden wortgetreu die Beschreibung des Au- tors selbst: „Muschel elliptisch eiförmig, bauchig, ungewöhnlich schwer. Die Wirbel niedergedrückt, abgerieben. Der Rückenrand etwas zusammen- gedrückt, gerundet. Oberhaut dunkelbraun, einfarbig, rauh, schieferig, zum Teil verwittert; inwendig ist die Schale weiss, wenig opalisie- rend , mit tiefen Muskeleindrücken. Schlossband breit , stark und unbedeckt vorliegend. Die Schlossleisten nähern sich einander hinter den Wirbeln, weichen alsdann auseinander und verlieren sich in einer ziemlich grossen Bucht." Die Massverhältnisse der Muscheln unserer Sammlung betragen : Länge : 130, Höhe : 70, Dicke : 50 mm. Das hauptsächlichste Unterschiedsmerkmal dieser schwerschali- gen Spielart gegenüber der typischen piscinalis-Form. besteht dem- nach, abgesehen von der besonderen Dicke, in der dunkeln, ein- farbigen, rauhen und schieferigen Oberhaut der Schale. Die Muschel erscheint als eine wohlangepasste Flussform, was schon daraus hervorgeht, dass sie, soweit Exemplare bekannt sind, nicht zur Langschnabelform hinneigt. Ferner spricht dafür ihre relativ enorm dicke Schale, und es muss deshalb wundernehmen, dass C. Pfeiffer auch Teiche als Wohnort derselben bezeichnet, denn in solchen dürfte selbst bei bedeutendem Kalkgehalt des Wassers das Tier wohl kaum Veranlassung nehmen, seine Schalen so schwer zu bauen. Als besonderen Fundort bezeichnet C. Pfeiffer den Wörntebach, den Ausfluss des Radsieker Teiches bei Pyrmont. Ross- mässler fand sie in der Elbe und im Ausflusse des Mockritzer Teiches bei Dresden, Küster fand sie bei Erlangen einige Male am Ausflusse eines Sees in die Regnitz. Ich hatte vorhin die Darstellung Brots bezüglich der Anodonta piscinalis Nils, in einigen Sätzen erwähnt und ergänze sie jetzt dahin, dass der genannte Autor eine besondere Form als var. „major11 auf- führt und andeutet, wie sehr diese mit der Anodonta ponderosa Pfr. Ähnlichkeit habe. Nach der Beschreibung dürfen wir sie unbedenk- lich an dieser Stelle einreihen. Interessant ist noch die Mitteilung desselben Autors in Bezug auf den Wohnort , aus der in der That hervorgehen würde , dass diese schwerschalige Muschel unter be- sonderen Verhältnissen doch auch in ruhigen Gewässern vorkommen - 185 — kann. Ich citiere deshalb diese Angaben: „Je ne connais qü'une seule localite pour cette Anodonte, qui est bien distincte de toutes Celles que nous trouvons dans notre bassin. Elle vit ä Fernex, pres de la tuilerie Grobet, dans des mares formees par d'anciennes ex- cavations faites pour l'exploitation de la terre ä pot. Ces mares, qui ont öte" dernierement reunies en une seule, ne presentent point decoulement ni d'affluent, et paraissent alimentees ex- clusivement par les eaux pluviales, ou par des filtrations du terrain avoisinant qui est marecageux. L'eau qui les remplit est jaune et constamment trouble." Die eben geschilderten Verhältnisse erinnern entfernt an diejenigen unseres Lindenweihers bei Essendorf mit seinen Quelltrichtern. Zu dem Formenkreise der var. piscindlis Nils, dürfen wir die Anodonta Pictetiana Mort. zählen, welche sich namentlich durch den hohen Schild und die Schnabelform für diesen Platz legitimiert. Wir gehen hiernach über zum nächsten Formenkreis, zu der 4. Anodonta cygnea L. var. anatina L. Mytilus anatinus L. Syst. nat. ed. X. I. p. 706. Anodonta anatina Rossm. Icon. fig. 417—419 (non fig. 420). Diese Muschel bietet in den meisten Fällen das Bild der Klein- heit, des Hungers, der Erbärmlichkeit gegenüber der üppigen, kraft- strotzenden Stammform cygnea oder der var. cellensis. Kein Wunder, was will sie auch als Anodonta in den kleineren fliessenden Gewässern, in den oft armseligen Bächen? Verschiedene Fundorte lassen stark vermuten, dass man sie als eine direkte Kümmerform der schönen var. cellensis Schrot, anzusehen habe. Schon Clessin (11) hat den Zusammenhang bei den Darstellungen der Anodontenverhältnisse des Zusammthales in bayrisch Schwaben als wahrscheinlich bezeichnet, stellt dort sogar dieses kleine Waisenkind von Teichmuschel als die Stammmutter für erstere auf1. Dass Hazäy (50) diese Muschel lediglich von der piscinalis- Form als Kümmerform ableitet, wird seinen Grund wohl darin haben, dass in seinem Untersuchungsgebiet der eigentliche ccllcnsis-Tyipas überhaupt fehlt, dagegen besonders die piscinalis-Fovm eine sehr bedeutende Rolle zu spielen scheint. Während in Oberschwaben bei 1 Württemberg hat zwei Fundorte, an denen man typische, in der Grösse allerdings reduzierte cellensts-Fovmen und zugleich stark verkümmerte anatina- Exemplare linden kann: Die Schwippe bei Darmsheim (Geyer) und der Stadt- weiher in Leutkirch (Dr. Schwarz). — 186 — dem Vorherrschen des cellensis-Ty\ms die dortigen Vorkommnisse der anatina-Form wohl ausschliesslich von jener abzuleiten sein dürften, berechtigen die Befunde im württembergischen Unterland auch ihre Ableitung von var. piscinalis Nils. Kurz, diese am meisten nach der negativen Seite entwickelte Muschel kann schliesslich als ein Derivat beider Formenkreise betrachtet werden, in ihr schliesst sich gleichsam der Formenkreislauf für unsere Anodonten, der vom Typus der Anodonta cygnea L. ausging. Auf diese Weise kommen wir gewissermassen wieder auf die Grundlage des Gross- meisters Linne zurück, der die beiden Extreme der Aus- bildungsstufen, Mytilus cygneus und Mytilus anatinus, als artliche Typen aufgestellt hatte. Wenn wir nun die anatina-Fovm als Variationscentrum für einen Formenkreis, wie die drei Vorgängerinnen, würdigen, so dürfte dies daran liegen, dass sie sich eben nicht bloss von der cettensis-F orm, sondern zuweilen mit Sicherheit auch von der schon ziemlich ver- kümmerten piscinah is-Form ableiten lässt, anderseits daran, dass wir dem nunmehr so viel anerkannten CLESsra'schen Grundsystem treu bleiben und keine Veränderung ohne sichere Basis vornehmen wollen. Bei dieser Form hat Clessin das Hauptcharakteristikum am meisten bezw. am klarsten hervorgehoben, so dass ich kaum etwas hinzu- zusetzen brauche, sondern die eigenen WTorte des Autors verwenden kann, welche lauten: „Anodonta anatina stellt die Form der lang- sam fliessenden Bäche dar, die übrigens nicht minder variabel ist als die bisher beschriebenen Varietäten. Die eiförmige Gestalt, die engestehenden Jahresringe und die dünne Schale bei glänzendem Perlmutter mögen als Hauptcharakteristikum derselben gelten." Hier möchte ich nur hinzufügen, dass auch die glatte Schalenoberfläche und die ziemlich überwiegende zart schilfgrüne Färbung der Epidermis erwähnenswerte Merkmale für den Typus derselben sein können. Auch bei dieser Muschel treffen wir nicht nur bedeutende Formenschwankungen in individueller Beziehung, wir werden sogar eine höchst merkwürdige Subvarietät zu verzeichnen haben, welche erst vor verhältnismässig kurzer Zeit durch Kobelt (58) genügende Würdigung gefunden hat, indem er sie als Anodonta suevica be- schrieb. Freilich wäre es nötig gewesen, dass der Autor deutlich erklärt hätte , unter welchem Gesichtspunkt er diese Muschel ver- standen haben will, ob als „gute Art" oder nur als Varietät u. s. w. und welchem Formenkreis sie demnach zuzuteilen sei. Dass sie — 187 — hierher gehört, beweist, die Thatsache ihres Zusammenvorkommens mit typischen Formen , ihr massenhaftes Auftreten an einem be- stimmten Platze, wie z. B. in der Aich bei Grötzingen, in der Riss bei Warthausen , im Lindenweiherbach bei Essendorf, vindiziert ihr das Anrecht auf Anspruch der Bezeichnung „subvarietas" als be- dingte Untervarietät. Was die individuellen Formenschwankungen des Typus nach der Langschnäbeligkeit anbelangt, so tritt die letztere bei der all- gemeinen starken Verkümmerung der Muschel bezüglich Auf- und Abwärtskrümmung des Schnabels nicht in so sehr auffälliger Weise vor Augen wie bei den grossen Formen. Ich habe infolgedessen auch von einer detaillierten Bezeichnung in dieser Hinsicht Abstand genommen und werde nur eine „forma longirostris" ausscheiden. Diese kann mit der von Brot aufgestellten var. rostrata identifiziert werden. Übrigens weist der genannte Autor sehr richtig auf die Eigenschaften der vorliegenden Muschel hin, welche eine Begrenzung ihres Typus scheinbar unendlich schwierig machen. Er sagt in seiner oft angeführten Schrift: „L'Anodonta anatina est extremement vari- able pour la grandeur, la forme, la coloration, non seulement d'une localite ä l'autre , mais aussi dans la meme localite, et on trouve rarement deux individus parfaitement identiques. Cependant il est a remarquer que toutes ces varietes ou variations individuelles, souvent si embarrassantes , ne se prononcent guere qua un certain äge de la coquille, car si on examine les jeunes individus, ou si on compare les zones d'accroissement appartenant au jeune äge, c'est-ä-dire les plus rapprochees des sommets, on retrouve assez aisement un type commun, beaucoup plus constant qu?on ne pourrait le supposer d'abord. C'est donc dans le jeune äge qu'il faut etudier la forme de Tespece, avant que les circonstances exterieures n'aient eu le temps d'exercer leur influence modificatrice , et d'imprimer ä la coquille le cachet de la localite dans laquelle eile vit." Der citierte Autor hat ausser der schon vorhin erwähnten var. rostrata noch eine var. abhreviata, eine var. major und eine var. elongata namhaft gemacht und beschrieben1. Die var. rostrata schildert er als ziemlich bauchig und dickschaliger gegenüber der typischen Form, die Wirbel sehr vorderständig, das Vorderteil kurz, den Oberrand ansteigend und ziemlich gebogen, mit dem Hinterrand 1 Cl essin (18) weist mit viel Berechtigung daraufhin, dass diese Muscheln sehr wahrscheinlich nur Jugendformen der grösseren Varietäten sind, indem man bei den Brot'schen Abliildunjjrcn nur wenige .lahresrin»e zählen kann. — 188 - eine regelmässige Kurve bildend, die Schildecke bei den erwach- senen Individuen abgerundet , das Hinterende zuweilen abgestutzt, bei ganz alten Exemplaren aber abgerundet. Ich erwähne diese von Brot gegebenen Merkmale deshalb, weil wir sie in auffallender Ähn- lichkeit nachher bei der KoBEi/r'schen Anodonta suevica antreffen werden. Seine var. abbreviata ist in der That eine interessante Form, die vielleicht als Missbildung eigener Art anzusehen sein dürfte, doch will ich mir hierüber kein Urteil erlauben, um so weniger als Brot mehrere Fundorte dieser Form des Genfer Sees angiebt, nämlich Päquis bei Genf, Pully bei Lausanne und Annecy. Ich will nur ver- raten, dass ich stark vermute, es könnte hinter dieser Form so- wohl wie hinter seiner var. rostrata eine lacustrina -Modifikation ähnlich der forma oder subvarietas ovoidea Cless. stecken , ebenso wie ich die var. major und elongata für eventuell dem piscinalis- Kreise zuzuzählende Formen erachte. Dieselben kommen mir dem anatina-Typus gegenüber zu gross und kräftig vor, und die Schild- bildung und der konkav nach dem Hinterende absteigende Ober- rand deutet stark nach der piscinalis-Form. hin, wenn dies eben nicht, wie Clessin vermutet, junge Individuen von cygnea oder cellensis sind. Brot selbst sagt an einer Stelle bezüglich der forma major: „Certains individus ä bord basal arrondi me paraissaient etre des A. piscinalis." Schon Rossmässler hat bei der Beurteilung der Anodonta ana- tina L. grosse Vorsicht anempfohlen, indem er darauf hinweist, dass die Varietäten dieser Muschel nicht weniger zahlreich sind als bei den übrigen Anodonten. Um sie zu bestimmen, bedarf die Art, wie die verwandten, vorerst einer genauen, kritischen Revision. Er macht ferner darauf aufmerksam, dass diese Muschel eine der am schlech- testen gekannten ist, indem gemeiniglich jede kleine Anodonta für anatina genommen wird und sagt bereits — und das ist schon charakteristisch für die damalige Zeit — , dass wir noch weit ent- fernt sind, behaupten zu dürfen, dass Anodonta anatina eine fest- stehende Art sei, indem es zur Zeit leider noch an konstanten Merk- malen zur Unterscheidung dieser auf einer so niederen Stufe der Organisation stehenden Wesen gar sehr fehlt. Schon die Erfahrung, dass Anodonta anatina fast nur in Bächen gefunden wird, muss uns misstrauisch machen, da wir wissen, welchen Einfluss die Beschaffen- heit der Gewässer auf die Formen der Muscheln ausübt. Wir sehen daraus, dass nur durch genaue Informierung über — 189 — die Zahl der Jahresringe an der Schale eine richtige Deutung der vorliegenden Muschel erzielt wird. So viel ist jedenfalls anzunehmen, dass bei der weitgehenden Verkümmerung des anat in« -Typus bedeu- tendere Grösse, Festschaligkeit und Erhaltung des Schildes aus- geschlossen sind. Nach diesen Betrachtungen aber glaube ich es unterlassen zu müssen, die BROT'schen Varietäten als Subvarietäten der vorliegenden Muschel besonders aufzuführen, und gebe deshalb die Diagnose für die Anodonta anatmet L., wie folgt: Muschel klein, vorwiegend dünnschalig, wenig aufgeblasen, meist etwas dunkelgrün (binsengrün) gefärbt, Jahresringe engestehend, Vorderteil kurz, Hinterteil meist kurz, zuweilen auch sehr verlängert, in einen abgerundeten gerade verlaufenden, selten nach unten ge- krümmten Schnabel endigend, Schild und Schildchen meist ab- gerundet und wenig hervortretend. Wirbel sehr klein , kaum über den Oberrand hervorragend, meist etwas abgerieben, aber doch die wellige Skulptur erkennen lassend. Muskeleindrücke deutlich, doch kaum vertieft. Perlmutter bläulich weiss, irisierend, selten fettfleckig. Länge: 60—80, Höhe: 30—40, Dicke: 20—30 mm. Wohnort: in langsam fliessenden Bächen. Als besondere und auffallende individuelle Modifikation wäre herauszugreifen : forma longirostris, ausgezeichnet durch die längliche Form infolge starker Verlängerung des Hinterteils und den langen, meist gerade verlaufenden Schnabel. Aus diesen „longirostren" Formen hat sich nun eine interessante Spielart ausgeschieden, vielleicht eine der merkwürdigsten Anodonten, indem dieselbe — es ist dies nicht zu viel gesagt — mit Unio batavus Lk. scheinbar Mimicry treibt. Diese Unionenähnlichkeit ist selbstredend keine willkürliche, zweckmässige; ich habe obiges Wort nur gebraucht, um hervorzuheben, dass man bei der Betrachtung dieser bescheidenen Anodontenform auf den ersten Anblick einen Unio und zwar die Species batavus in etwas länglicher Form vor sich zu haben glaubt, so sehr täuscht rein äusserlich die unregelmässige enge Rippenstreifung der Epidermis, verbunden mit der schmutziggrünen Olivenfarbe. Kobelt hat die Muschel ohne weitere Bezeichnung unter dem Namen Anodonta suevica beschrieben und die Diagnose in folgender Weise gegeben : Muschel auffallend lang eiförmig, gestreckt, wenig bauchig, sehr ungleichseitig, vorne ganz verkürzt, nach hinten lang geschnäbelt, — 190 — ziemlich dünnschalig, unregelmässig rippenstreifig, schmutzig oliven- farben, an den Wirbeln heller, nach hinten mit zwei kastanienbraunen Strahlen. Der Oberrand steigt etwas konvex empor, vor den Wirbeln fällt er etwas stärker ab, der Vorderrand ist ganz kurz gerundet oder abgestutzt, der Bauchrand flach gerundet, der Hinterrand bildet einen langen geraden zusammengedrückten Schnabel. Die Wirbel liegen vor einem Fünftel der Länge ; sie sind flach , quer gerunzelt, mit kleinen scharfen Spitzen ; das Band ist mittellang und ziemlich schmal; die Innenseite ist vorne verdickt, weiss, hinten bläulich, der vordere Muskeleindruck ist gross und berührt beinahe den Schalenrand. Länge: 72, Höhe: 30, Dicke: 20 mm. Der Autor hat die Muschel von Herrn Lehrer Geyer in Neckar- thailfingen, nunmehr in Stuttgart, erhalten und bemerkt dazu: „Man würde diese Anodonte unbedingt für eine Seeform nehmen und mit der kärntnerischen Anoclonta rostrata in Beziehung bringen müssen, wenn man nicht sicher wüsste, dass sie aus einem sumpfigen Bach des oberen Neckargebietes stamme." Übrigens war die Muschel schon früher von dem Finder an Clessin gesandt worden, der sie als var. „novo," dem Formenkreis der Anoclonta anatina L. unter- geordnet hatte. Geyer hatte sie darauf in seiner Schrift über „die Schaltiere zwischen dem Schönbuch und der Alb" (43) als Anoclonta mutabilis Cless. var. novo, aufgeführt1. Ich möchte hier anknüpfen, dass wir eine ganze Anzahl dieser Muscheln aus demselben Fundort, nämlich aus der Aich, einem kleinen Zufluss des Neckars bei Grötzingen, besitzen und zwar sämt- liche Exemplare der Güte des Herrn Geyer verdanken. Aber nicht alle Individuen entsprechen ganz der Diagnose Kobelt's, sondern sind meist kürzer und zeigen teilweise nach unten gekrümmte Schnäbel. Ausserdem befinden sich in unserer Sammlung Muscheln von ganz gleichem Habitus aus der Murr bei Murr (Hermann), aus der Floss- gasse des Neckars bei Berg (Kraüss) , aus dem Neckar bei Lauffen (Bühler), aus dem Neckar bei Aldingen (Graf G. v. Scheler), aus der Schwippe bei Darmsheim (Geyer), aus der Donau bei Munder- kingen (Grellet), aus der Riss bei Warthausen und endlich aus dem Lindenweiherbach bei Essendorf (Baron König). Die Muscheln der 1 Ich vermute sehr stark, dass die von W e i n 1 a n d in seiner Mollusken- fauna von württembergisch Franken (81) angeführten Anodonten aus der Jagst, sowohl die unter complanata wie auch die unter A. mutabilis Cl. var. anatina beschriebenen, ebenfalls hierher gehören. — 1*11 — beiden letztgenannten Fundorte zeigen stark abwärts gebogene, ab- gestutzte Schnäbel, so dass ich diese subvarietas suevica Kob. unserer var. «mithin L. noch weiter trenne in a) forma elliptica, Muscheln mit gerade verlaufendem und sehr abgerundetem Schnabel, und b) forma de cur v ata (Taf. IV Fig. 8), Individuen mit abwärts gekrümmtem und etwas abgestutztem Schnabel. Das gemeinsame Vorkommen dieser merkwürdigen, Unionen vortäuschenden kleinen Anodonta mit typischen Individuen der ana- tina-Yoxm. an einigen von den aufgezählten Fundorten bezeugt mir, dass sie als besondere, in der Ursache noch zu ergründende Neben- modifikation dieses Formenkreises anzusehen ist , weshalb ich sie unter der schon vorhin gegebenen Bezeichnung, subvar. suevica Kob. an betreffender Stelle in unserer Sammlung eingereiht habe. Ich vermute, dass sie ziemlich weit verbreitet ist und ihre Fundorte mit den oben angeführten noch lange nicht erschöpft sind. Dem Formenkreise der var. anatina L. dürften nach Clessin's (18) Angaben noch folgende frühere Species zuzuteilen sein: Anodonta Mörchiana Clessin in „Chemnitz" ed. 2 t. 77 flg. 1 und 2. Es ist dies eine in den nordischen Seen lebende Form mit dickerer Schale, lebhaft gefärbter, hellerer Epidermis und an den Ecken stark abgerundetem Schnabel. Ferner Anodonta tenella Held in „Chemnitz" ed. 2 p. 63 t. 9 fig. 5 mit stark markiertem Schnabel, dann noch Anodonta Nilsonii Küster, „Chemnitz" ed. 2 p. 61 t. 18 fig. 2, welche im allgemeinen den Umrissformen des anatin a-Typus entspricht. Nach meiner Ansicht dürfte aber auch noch Anodonta anseri- rostris Küst. (Litt.-Verz. No. 59) hierher unterzubringen sein. Allem Anschein nach ist diese Muschel nichts anderes als eine langschnä- belige anatina-Form, also eine forma longirostris mit ziemlich gerade verlaufendem Schnabel. Es erübrigt nunmehr, noch den Typus des fünften Formen- kreises zu besprechen, die Seeform 5. Anodonta cygnea L. var. lacustrina CLESS. In einem früheren Kapitel dieser Abhandlung haben wir uns darüber verständigt, dass sich die vorliegende Muschel in ihrer - 192 — typischen Ausbildungsstufe am besten an die piscinalis-Foim , zu- weilen auch an die anatina-Form anschliessen lässt, dass ihre mut- massliche Herkunft von diesen beiden Formenkreisen näher liegend erscheint als direkt von der typischen Form der Anoäonta cygnea L. oder der derselben zunächststehenden cellensi s-Form. Auf diesem Standpunkt steht auch Hazay (50). Ebenso spricht sich Clessin (14) in überzeugender Weise durch folgenden Satz aus: „denn es unterliegt doch keinem Zweifel, dass die jetzt in den Seen lebenden Mol- lusken ursprünglich nur aus den Zuflüssen in die Seen selbst hineingekommen sind und sich hier umgebildet haben." Dies rechtfertigt zugleich unsere frühere Behauptung, dass die lacustrina-F oxm. nicht als eine ursprüngliche Anoäonta, sondern als eine sekundär rückgebildete Form anzusehen sei. Clessin (18) fasst unter dem Eahmen der vorstehenden Varietät alle jene Anodonten zusammen , welche sich in den grösseren vor dem Nordabhange der Alpen gelegenen Seen finden. Die Muscheln zeichnen sich vorwiegend durch ihre dicke , feste Schale , die helle Epidermis und das sehr verkürzte Vorderteil aus, sind im allgemeinen von geringer Grösse, haben engestehende zahlreiche Jahresringe, zeigen aber eine sehr verschiedene Form, die sich jeweilig an die Eigentümlichkeiten jedes Sees, ja an verschiedene Fundplätze des- selben Sees angeschmiegt hat. „Die Wogen" — sagt der genannte Autor (14) — „sind für die Seemollusken die gefährlichsten Feinde, und wir glauben daher nicht irre zu gehen, wenn wir diesen den meisten Einfluss auf die Umbildung der Gehäuse zuschreiben." Diesen Verhältnissen entsprechend werden sich Tiere mit festem , dickem Gehäuse und hauptsächlich in der Grösse reduziert vorfinden. Das Merkwürdige aber, was man bei der Gesamtbetrachtung des lacustrina- Kreises wahrnehmen kann, ist die Erscheinung, dass sich in ihm die sämtlichen an d eren Formenkreise bis zu einem ge- wissen Grade widerspiegeln. Diese Überzeugung kann man schon aus den Studien Clessin's über die Anodontenfauna der ober- bayrischen Seen gewinnen. Es ist deshalb, wie ich schon vorhin erwähnte, sehr schwer zu sagen, ob die lacKstrina-Fovm aus irgend einem bestimmten Typus abzuleiten sei oder nicht, es lässt sich eben nur am ehesten ihre Herkunft von der piscinalis-Grupipe vermuten, weil der ganze Charakter dieses Formenkreises dem lacustr in a-Typus von Hause aus am nächsten steht. Ganz vortrefflich schildert Clessin die Ursache der Verkürzung des Vorderteils bei dem vorliegenden Muscheltypus speciell vom Chiemsee. „Die Grösse der Wasserfläche" — — 193 — schreibt der genannte Autor — „veranlasst schon bei schwachem Winde einen lebhaften Wellenschlag, und es werden die meist nur seichte Sti llen bewohnenden Anodonten vielfach schon bei schwachem Winde ans Ufer geworfen. Die Tiere sind daher gezwungen, fast be- ständig mit aller Kraft durch Ausstrecken des Fusses sich am Boden festzuhalten. Dies hat zur Folge, dass das Vorderteil der Muschel sich sehr verkürzt und dass am Innern der Schale sich eine dicke weisse Perlmutterwulst ansetzt, welche zwischen den ausgestreckten Fuss und den Schultermuskel zu liegen kommt." Wenn wir an den oben ausgesprochenen Satz Clessin's an- knüpfen , dass die Seeformen insofern eine ausserordentliche Ver- schiedenheit des Umrisses aufweisen, als sich die Muschel nicht nur jeweilig an die Eigentümlichkeiten eines jeden Sees, sondern sogar an verschiedene Orte ein und desselben Sees angepasst hat, so ist es klar, dass man in keinem der grösseren Seen ausschliesslich die typische laciistrina-Fovm erwarten darf, es werden vielmehr fast alle anderen Typen, wenn auch nur in mehr oder weniger reduzierter Ausbildung, am einen oder andern Fundplatz zum Vorschein kommen. Es haben demnach, wie Clessin (18) hervorhebt, nur diejenigen Muscheln, welche in jenen Teilen der Seen wohnen, in denen die Wasserfläche in fast beständiger Bewegung erhalten wird, die eigen- tümliche Seeform angenommen , die als Hauptcharakteristikum die auffallende Verkürzung des Vorderteils zeigt und zu welcher der ge- nannte Autor die Ursache in so klarer Weise dargelegt hat. In den stillen Buchten dagegen, namentlich wenn sie noch obendrein mit Wasserpflanzen bewachsen sind, ebenso in den Abflüssen der Seen, wo sich oft reichlicher Schlamm ablagert, verlieren die Muscheln mehr und mehr ihren Seecharakter und nehmen Formen an, welche sich an die anderen Typen anschliessen. Dabei nehmen sie an Grösse oft in solchem Grade zu, dass sie kaum mehr von den Formen der stehenden Gewässer zu unterscheiden sind. In der Bodenseelagune bei Lindau (d. h. der zwischen der Inselstadt und dem Lande ge- legene, durch den massiven Eisenbahnsteindamm gegen die West- winde geschützte, ziemlich seichte, reichlich mit Seekraut und Wasser- pest durchwachsene und stellenweise sehr schlammgrundige Teil des Sees) kommt sogar eine typische cellensis-Form vor1, die an Grösse denen der Binnenteiche sehr wenig nachgiebt. 1 Clessin (14) reiht diese Muschel merkwürdigerweise zu Anodunta ,rostrata" Kok. ein. •lahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde iu Württ. 1900. 13 — 194 — Angesichts dieser grossen Formveränderlichkeit der Muscheln unserer grösseren Seen hat denn auch Clessin längst schon eine An- zahl verschiedener Formen aus den oberbayrischen Seen beschrieben1, die nach unseren Darstellungen unter der Bezeichnung „subvarietas" als örtlich vereinzelte Lokalvarietäten oder, besser gesagt, örtliche Nebenmodifikationen dem einen oder andern der fünf Formenkreise, zumeist aber der lacustrina-FoYm, je nach ihrem Charakter unter- zuordnen sein würden. Da ich die betreffenden Muscheln selbst nicht kenne, muss ich natürlicherweise davon Abstand nehmen, mich da- mit eingehender zu befassen. Ich beschränke mich darauf, einige von dem genannten Autor gegebene wichtige Gesichtspunkte zu erwähnen. Er sagt in der angeführten Schrift: „Die Mollusken der Seen halten sich nur an den Ufern oder in der Nähe derselben in seichterem Wasser. Die grösseren Muscheln halten sich innerhalb einer Wasser- tiefe von 1 — 3 m. Sie ziehen aber das seichtere Wasser den tieferen Stellen vor, ich habe unter 4 m noch keine lebenden Muscheltiere getroffen. Haben die Ufer der Seen mit Schilf oder anderen Wasserpflanzen durchwachsene Stellen mit ruhigerem Wasser, welche in ihren Ver- hältnissen mit jenen kleinerer Weiher ziemlich übereinstimmen, so findet sich an solchen Orten eine Molluskenfauna, welche mit der- jenigen solcher Wasserbehälter mehr oder weniger übereinstimmt. Ebenso nehmen Unionen und Anodonten, welche in die Abflüsse der Seen geraten, sogleich wieder andere Formen an, welche mit der 1 Besondere Beachtung scheinen die Muscheln des Starnberger Sees zu verdienen, welcher nach Clessin's (24) Beschreibung sehr kalkhaltig ist, wo- durch die Muscheln ganz wesentliche Modifikationen erfahren haben. Sie er- reichen mir eine mittlere Grösse, sind sehr starkschalig und zeigen für die ersten 4—5 Jahre auffallend rasches Wachstum, das dann plötzlich abnimmt und nur in sehr geringem Masse fortgesetzt wird. Gerade diese Erscheinung führt der ge- nannte Autor auf das stark kalkhaltige Wasser zurück, welches bei den im ganzen geringen Zuflüssen nur wenig pflanzliche Nahrungsstoffe aufgelöst enthalten kann, wodurch dann das Tier gezwungen ist, sehr viel Kalk auszuscheiden, um die eigentliche Nahrung zu erhalten , und infolgedessen schon nach wenigen Jahren nicht mehr fähig ist, grössere Nahrungsüberschüsse zum eigenen Wachstum zu verwenden. Clessin hat aus diesen Muscheln zwei besonders bemerkenswerte Formen als subvar. rostrellata Cless. und subvar. subcallosa Held herausgegriffen und dem lacustrina- Typus untergeordnet, da dieselben ganz ausgesprochenen See- charakter tragen. Die Detailbeschreibungen sind in der angeführten Schrift ge- geben. Ich verweise auf diese Darstellungen, weil mir selbst die genannten Formen niemals durch die Hände gegangen sind. — 195 — geänderten Beschaffenheit des Wassers und des Grundes im Einklänge stehen. Diese Verhältnisse lassen wohl mit Sicherheit darauf schliessen, dass die eigentümlichen Formen der Seemollusken sich aus den Molluskenformen ihrer Umgebung umgebildet haben und dass diese umgebildete Fauna wieder im stände ist, ihre früheren Formen an- zunehmen, wenn sie wieder in ihre alten Verhältnisse gerät. Nach Darwin's Lehre ist es aber auch nicht unmöglich, dass im Laufe der Zeit, veranlasst durch die lange Dauer, innerhalb welcher der See keine Änderung erfahren hat, feste Formen gebildet werden, welche keiner Veränderung mehr fähig sind, wenn sie auch in andere als die lang gewohnten Verhältnisse geraten." Fast jeder der von Clessin durchsuchten oberbayrischen Seen hat seine specifische Anodontenform, in vielen jedoch macht sich die oben erwähnte Erscheinung geltend, dass nämlich andere, den Muscheln kleinerer stehender Gewässer und der Flussaltwasser ähn- liche Formen gefunden werden und zwar immer in den ruhigen schilfigen und vielleicht noch von anderen Wasserpflanzen durch- wachsenen Buchten. In Anbetracht der Anodonten des Bodensees, die ich im ver- gangenen Sommer eingehender in Augenschein genommen habe, kann ich mich der CLESSiNschen Darstellung fast völlig anschliessen. Ab- gesehen von der oben erwähnten Thatsache des Vorkommens der typischen cellensis-Form in der Lindauer Lagune , stimme ich der Auffassung des genannten Autors von der Monotonie der Bodensee- lacustrinen bei. Er schreibt: „Die Muscheln des Bodensees haben im ganzen sehr wenig jene Charaktere angenommen, welche die Muscheln der übrigen oberbayrischen Seen auszeichnen. Sie er- reichen auch nur eine geringe Grösse und sind überhaupt so eigen- tümlich, dass ich es für gerechtfertigt halte, sie als eigene Varietät zu benennen und zu beschreiben." Clessin nannte diese Muscheln Anodonta mutabilis, var. oviformis (KüSTER-Chemnitz, gen. Anodonta, p. 88 Taf. 26 Fig. 5). Da er sie aber immerhin noch unter die Seeformen einreiht, was ich überdies für durchaus berechtigt erachte , glaube ich meinerseits berechtigt zu sein , diese Muschel, da sie eine örtlich vereinzelte Standortform ist, als var. lacustrnia Cless., „subvarietas" oviformis Cless. in Anspruch nehmen zu dürfen. Clessin hat im allgemeinen die Verhältnisse unseres schwäbischen Meeres in Bezug auf seine Muscheln sehr richtig erkannt und dar- gestellt, so dass mir kaum etwas hinzuzufügen erübrigt. Zunächst macht der genannte Autor darauf aufmerksam, dass die Bodensee- 13* — 196 - ufer gewöhnlich sandig und kiesig sind und dass selbst da, wo Schilf im Wasser wächst, sich keine eigentlichen Wasserpflanzen finden. Diese Angaben habe ich um ein weniges dahin zu rektifizieren, dass man am ganzen Nordufer entlang, namentlich aber zwischen Fried- richshafen und Lindau, Gelegenheit hat, zuweilen Buchten mit Schlammgrund zu finden. Ich fuhr z. B. Mitte Juli des vergangenen Sommers mit einem Nachen das schilfige Gestade von Friedrichs- hafen gegen Eriskirch zu und kam sogleich etwa 800 m vom Hafen entfernt, ganz nahe am Einfluss der Rothach, in eine solche kleine in das Land einspringende seichte Bucht. Als ich dort, verlockt durch Gott Helios' wonnige Strahlen, meine Kleider mit einem primi- tiven Badekostüm vertauschte und aus meinem Kahn ausstieg, sank ich sofort in einen reichlich 20 — 25 cm tiefen Schlammgrund ein. Das Merkwürdigste ist aber das, dass es an solchen Stellen keine Muscheln giebt, nur am Strande fand ich leere, ausgeworfene Schalen, die aber zum Teil derjenigen Form gleichen, welche schon Miller (69) sammelte und welche Clessin var. elongata nannte. Nun, von einer Varietät kann hier nach meiner Überzeugung absolut keine Rede sein, denn man findet überall solche mehr oder weniger „elongate" Muscheln , was beweist , dass wir es hier lediglich , wie so oft bei den Anodonten. wieder mit einem individuellen Formenspiel zu thun haben. Ich möchte die Form deshalb und im Interesse der Gleich- mässigkeit auch hier einfach forma longirostris nennen. Wo leben nun aber die Bodensee-Lacustrinen? Im vergangenen Monat Juli habe ich nirgends eine lebende Muschel gefunden und vermutete daher, da der See damals noch normalen Wasserstand hatte, dass sich die Tiere in grösserer Tiefe befinden. Meine zweite Exkursion und Kahnfahrt zwischen Lindau und Bregenz im Monat August des vergangenen Sommers, als der See infolge der anhalten- den Trockenheit um nahezu 1,5 m zurückgegangen war, bestätigte diese Vermutung, und ich fand massenhaft lebende Muscheln an Stellen, wo feinsandiger Grund war. Somit hat Clessin vollkommen recht, wenn er sagt, dass die Muschel die sandigen, seichteren Stellen des Sees bewohnt, immer aber nicht hart ans Ufer reichend, so dass sie bei hohem Wasserstand während der Sommermonate verhältnis- mässig tief unter dem Wasserspiegel lebt. 4 — 5 m jedoch, wie Clessin angiebt, dürfte zu viel geschätzt sein, und man kann sagen, dass sie von einer Tiefe von 2 m an bei normalem Wasserstand lebend angetroffen werden kann. So fand ich denn die Muscheln teilweise schon tot im Trockenen hegend, sehr viele aber noch etwa L97 — 10 — 30 cm unter dem Wasserspiegel, wieder andere weiter in der Tiefe. Da infolge des anhaltend schönen Wetters im Sommer 1890 die • nicht herrlich genug zu preisende Sonne tagtäglich fast ohne jede Störung auf Land und See scheinen konnte, der Wellenschlag infolge der vorherrschend nur sehr sanften Luftbewegung ein kaum beachtenswerter war, erwärmten sich jene seichten Stellen von etwa 10 — 15 cm nachmittags bis auf eine Temperatur von 32° Celsius. Es war eine Wonne, stundenlang so warme Fussbäder im Bodensee zu nehmen und sich endlich in grösserer Tiefe ein kühlendes Voll- bad zu leisten. Ob diese hohe Temperatur aber für die dort leben- den Anodonten auch eine Wonne war, ist eine zweite Frage und wird von der Muschel jedenfalls negativ beantwortet. So viel jedoch ist sicher, dass die Tiere eine derartig abnorme Wärme des Wassers tagtäglich längere Zeit zu ertragen vermögen, denn ich fand einige Tage später bei einer dritten Muschelsuche die Tiere an der gleichen Stelle noch sämtlich am Leben. Diese Stelle ist bei dem Lindauer Rangierbahnhof, der ungefähr 1 km weiter gegen Bregenz zu liegt, an einer beträchtlichen Grunderhebung, etwa 200 m vom Ufer ent- fernt. Der Schilf reicht jedoch dortselbst lange nicht so weit in den See hinein. Ahnliche Verhältnisse bezüglich des Aufenthaltsortes unserer Muschel fand ich noch bei Wasserburg, ferner bei dem Kloster Meererau und in der Gegend von Hard-Fussach. Ich muss Clessin weiterhin beistimmen, dass die Muscheln bei normalem Wasserstand so gut wie gar nicht von der Wellenbewegung des Sees zu leiden haben und viel seltener lebend ans Ufer geworfen werden, als zur Zeit des niedrigen Wasserstandes, und ebenso, wenn er hierin die Ursache erblicken will, dass die Muscheln des Boden- sees im ganzen so wenig den echten Seecharakter tragen, weil eben die relative Wassertiefe ihrer Wohnorte sie vor der heftigen Wellen- bewegung, die mit zunehmender Wassertiefe rasch abnimmt, schützt. Andernteils mag aber die beträchtlichere W'assertiefe auch die Schuld tragen, dass die Muscheln so klein bleiben. In der That kann man nur in seltenen Fällen Exemplare antreffen, die etwa 80 mm in der Länge übertreffen, die weitaus meisten bleiben hinter diesem Masse zurück. Interessant wäre mir, zu wissen, ob jene Formen, die Clessin am Einflüsse eines kleinen Baches bei Friedrichshafen (wahrschein- lich die Friedrichshafener Ach) fand und welche er als in ihrer Horizontalkontur der Anodonta piscinalis Nils, sehr nahe kommend bezeichnet, dieselben sind, welche ich nahe am Einflüsse der Leib- lach zwischen Lindau und Bregenz fand. Ich stimme darin mit dem — 198 — genannten Autor überein, dass diese Exemplare immer die grössten sind, welche man finden kann. Die Muscheln zeichnen sich der eigentlichen subvar. oviformis gegenüber durch grössere Höhe, besser erhaltenen Schild, kurzen, in der Regel etwas aufgebogenen Schnabel, endlich durch Flachheit und Dünnschaligkeit aus. Bezüglich weiterer Einzelheiten erschöpft Clessin alles Sagenswerte mit folgendem: „Da die Muscheln nur ganz nahe vor der Einmündungsstelle des Baches sich finden, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sie aus diesem in den See gekommen sind und sich dort angesiedelt haben. Die ersten Jahresansätze der Muscheln sind sehr breit, nehmen aber rasch ab und sind vom vierten oder fünften an auffallend schmal geworden. Dieses Verhältnis würde es sogar wahrscheinlich machen, dass die Muscheln ihre ersten Jahre nicht im See gelebt haben, sondern dass sie im jugendlichen Alter etwa durch Hochwasser in den See geschwemmt wurden, wo sie fortleben." Ich habe die sämtlichen derartigen Exemplare in unserer Vereinssammlung ganz einfach zu anatina gesteckt. Wenn ich endlich noch erwähne, dass Miller (69) einige Ab- normitäten der vorliegenden Muschel aus dem Bodensee bekannt gemacht hat, dürfte angesichts der detaillierten, alle Verhältnisse sehr treffend schildernden Darstellungen Clessin's nichts mehr zu sagen bleiben, und damit wären wir an der Aufgabe angelangt, für diesen letzten Typus der Formenkreise unserer grossen Teichmuschel noch die übliche Diagnose zu geben. Für die a) typische Form, welche für Württemberg nicht in Betracht kommt, gebe ich einfach die in Clessin's deutscher Exkursionsmolluskenfauna gegebene kurze Beschreibung : Muschel eiförmig, sehr wenig aufgeblasen, festschalig, mit sehr heller Epidermis ; Vorderteil sehr verkürzt, gerundet, Hinterteil wenig verlängert, meist geschnäbelt, Wirbel nicht hervortretend; Jahres- ringe engestehend, deutlich markiert. Perlmutter weiss, sehr stark, glänzend. Länge: 70, Höhe: 40, Dicke: 20 mm. Wohnort : In den oberbayrischen grossen Seen. Für die im Bodensee lebende und speciell für diesen Wohn- ort charakteristische Form glaube ich am richtigsten zu handeln, wenn ich ebenfalls die Beschreibung des Autors verbis ipsissimis »ebe : — 199 — b) subvarietas ovifortnis Clessin. Muschel klein, dünnschalig, sehr wenig aufgeblasen, mit rauher, ■wenig glänzender Oberfläche, die aus feinen Zuwachsstreifen und stärker hervortretenden Jahresringen besteht , am Hinterteil und in der Schildgegend stark schieferig-häutig; Vorderteil sehr verkürzt, Hinterteil verlängert; Vorderrand gerundet, ohne Grenze an die Nebenränder anschliessend, Unterrand fast gerade, manchmal sogar in der Mitte etwas einwärts gebogen ; Oberrand ziemlich gebogen ; Hinterrand lang, von der kaum markierten Schildecke in starker Wölbung zu einem ziemlich breiten, an den Ecken abgerundeten Schnabel abfallend ; senkrechter Längsdurchschnitt schmal lanzett- förmig, Horizontalkontur fast rein eiförmig; Ligament ziemlich lang und stark, Ligamentbucht kurz, seicht; Schildchen kaum angedeutet, Schild lang und schmal, wenig zusammengedrückt, Wirbel wenig hervortretend und den Oberrand überragend, ziemlich spitz mit feiner, vielwelliger Skulptur, Innenseite mit weisslichem Perlmutter, das häufig kleine Perlansätze hat; Schlossleiste schmal; Hüftmuskel- eindruck tief, dem Vorderrande sehr genähert, Schultermuskeleindruck kaum vertieft. Epidermis schmutzig graugelblich mit etwas dunkleren Jahresringen, gegen den Wirbel rötlichbraun. Länge : 68, Höhe : 40, Dicke : 23 mm. Wohnort: Die Ufer des Bodensees. Was ich dem soeben Gesagten noch beizufügen habe, ist, dass ich ausserdem eine individuelle Nebenmodifikation mit langem, meist geradem, manchmal etwas nach oben gebogenem Schnabel als forma longirostris noch besonders herausgreife, dieselbe Form, welche mit der Clessin'- schen var. elongata zu identifizieren sein dürfte. Der Formenkreis der var. lacustrina Cless. ist begreiflicher- weise ein sehr grosser, insofern er eben alle in den grösseren, nament- lich den Gebirgsseen, wohnenden Teichmuschelformen umfasst. Man darf indes ja nicht erwarten, dass jeder grosse See lacustrina-Foimen beherbergen müsse, denn es kommt dies ganz auf die Wasserverhält- nisse an. Der Balaton- oder Plattensee in Ungarn z. B. über- trifft an Ausdehnung und Wasserfläche den Genfer See und das Schwäbische Meer, aber er ist durchweg nur wenige Meter tief und sehr schlammig. Es bieten sich also dort für die Anodonten ganz ähnliche, ja, fast gleiche Verhältnisse wie in kleineren stagnierenden Wässern, und so sehen wir denn auch, dass der — 200 Plattensee durchaus keine Sae- Anodonta aufweist, (cfr. Daday, Litt.- Verz. No. 33.) Clessin (19) zählt in diesen Formenkreis zunächst alle die Muscheln der oberbayrischen Seen, weiterhin noch folgende Arten: Anodonta glabra Zglr. aus dem Gardasee, A. Charpentieri Küst. (Litt.-Verz. No. 59), eine länglich eiförmige Muschel mit ziemlich langem und schief abgestutztem Schnabel und geringer Grösse aus dem Murtensee. Ferner Anodonta tumida Küst. etwas breiter als die vorhergehend erwähnte mit sehr hervortretendem Schild und kaum geschmälertem Hinterteil aus dem Genfer See und endlich Anodonta arealis Küst. mit deutlichem, ziemlich hervortretendem Schnabel , mit breitem , nur massig hohem Schild , starker Lippen- wulst, heller Epidermis und verkürztem Vorderteil aus dem Murtensee. So wären wir nunmehr mit der Revision der Varietäten und anderen Modifikationen unserer grossen Teichmuschel , Anodonta cygnea L. , zu Ende, und ich glaube nichts Überflüssiges zu thun, wenn ich allen diesen Erörterungen über die fast endlosen Varia- tionen eine kurze übersichtliche Zusammenstellung folgen lasse und zwar nur mit besonderer Hervorhebung des oder der charakteristischen Merkmale für die typische Ausbildungsstufe eines jeglichen der be- handelten Formenkreise. Ich glaube allen denen , welchen es um eine möglichst rasche Übersicht über das Formenheer unserer grossen Teichmuschel zu thun ist, vielleicht einen kleinen Dienst damit leisten zu können. Ich mache dabei nochmals besonders darauf aufmerk- sam, dass sich die Hervorhebung der jeweilig charakte- ristischen Merkmale nur auf vollständig ausgebildete Altersformen bezieht. VII. Kurze, übersichtliche Zusammenstellung der 5 Variations- centren von Anodonta cygnea L. nebst den beachtenswertesten Nebenmodifikationen. 1. Anodonta cygnea L., typische Form. Hauptcharaktermerkmale : Grösse, Festschaligkeit, starke Aus- bildung des Vorderteils , grösste Höhe fast immer senkrecht unter dem Wirbel. Epidermis vorwiegend hellgrün und lebhaft gefärbt, Perlmutter weiss, glänzend. Individuelle (sexuelle) und örtliche Nebenmodifikationen: forma compressa : abnorm flach ; ,, ventricosa : „ aufgeblasen ; — 201 — forma reniformis: abnorm grosses Vorderteil, stark eingebogener Unterrand, kurzes, abwärts gebogenes Hinterteil; ,, acutirostris ; abnorm spitzer (meist kurzer) Schnabel; „ longirostris : ., langer (meist breiter) Schnabel; ,, recurvirostris : .. nach oben gekrümmter Schnabel; ,, decurvata: ., nach unten gekrümmter abgestutzter Schnabel ; ., cellensoidea : lange Form , Vorderteil ziemlich kurz, grösste Höhe unter dem Schild ; subvarietas tenuissima: flach, dünnschalig, glatte Oberfläche, hellgrüne, glänzende Epidermis ; subvarietas cor data : dickschalig , sehr verlängert , sehr auf- geblasen, Querdurchschnitt herzförmig. 2. Anoclonta cygnea L. var. cellensis Schrot. Hauptcharaktermerkmale : Grösse , Dünnschaligkeit , oblonge Form infolge Parallelverlaufs des Ober- und Unterrandes. Dunkel- grüne Epidermis, rostrote Wirbel, Perlmutter bläulich weiss. Individuelle (sexuelle) und örtliche Nebenmodifikationen: forma ventricosa : abnorm aufgeblasen ; subvarietas fragilissima: um 1j3 kleiner als der Typus, sehr dünnschalig, lebhaft grüne Epidermis, tief markierte, auf der Innenfläche sichtbare Anwachsstreifen, kurzer, meist spitzer Schnabel; subvarietas lotig irostris: in der Grösse verkümmert, Hinterteil sehr verlängert, Vorderteil sehr kurz, Schnabel meist breit, Wirbel manchmal zerfressen; a) forma orthorhyncha : Schnabel gerade verlaufend, ,, recurvirostris : „ auffallend nach oben, ,, decurvata: „ ,, ,, unten ge- krümmt und abgestutzt. 3. Anodonta cygnea L. var. piscinalis NILS. Hauptcharaktermerkmale: Mittlere Grösse, Festschaligkeit, glatte Oberfläche, glänzende, meist lebhaft gefärbte Epidermis, deut- licher Schild, in konkaver Kurve nach dem Schnabelende absteigender Oberrand. Schnabel vorwiegend spitz. Individuelle (sexuelle) und örtliche Nebenmodifikationen: forma longirostris: abnorm verlängert mit breiterem Schnabel ; a) orthorhyncha: Schnabel gerade verlaufend; 202 — b) recurvirostris : Schnabel nach oben gekrümmt, c) decurvata: ,, ,, unten gekrümmt und ab- gestutzt ; subvarietas diminuata: sehr schmal und abdominal verlängert, dünnschalig , glatte , glänzende Oberfläche , hellbraune Epidermis, breiter Schnabel ; a) forma orthorhyncha : Schnabel gerade verlaufend, ,, decurvata : ,, nach unten gekrümmt und abgestutzt ; subvarietas ponderosd: elliptisch eiförmig, bauchig, sehr dick- schalig , dunkelbraun einfarbige , rauhschieferige Epi- dermis. 4. Anodonta cygnea L. var. anatina L. Hauptcharaktermerkmale: Kleinheit, Dünnschaligkeit, glänzen- des Perlmutter, eiförmige Gestalt, engestehende Jahresringe. Individuelle (sexuelle) und örtliche Nebenmodifikationen: forma longirostris: abnorm verlängert, meist breiter Schnabel; subvarietas suevica : langeiförmig, ziemlich dünnschalig, unregel- mässig rippenstreifig, Schild und Schildchen abgerundet, Epidermis schmutzig olivenfarben. a) forma elliptica : Schnabel gerade verlaufend und sehr ab- gerundet ; b) forma decurvata: Schnabel abwärts gekrümmt, etwas ab- gestutzt. 5. Anodonta cygnea L. var. lacustrina CLESS. Hauptcharaktermerkmale: Kleinheit, eiförmige Gestalt, ziem- liche Flachheit, Festschaligkeit, sehr helle Epidermis, sehr verkürztes Vorderteil, engestehende Jahresringe. Individuelle (sexuelle) und örtliche Nebenmodifikationen. subvarietas oviformis : langeiförmig, Schildecke kaum markiert, breiter, abgerundeter Schnabel, rauhe, matte Ober- fläche ; forma longirostris: auffallend langer, manchmal etwas nach oben gebogener Schnabel. im»:; 5 03 V j: h — 204 — Bezüglich des genetischen Zusammenhanges der vor- liegenden Var i at ions cen tr en Hesse sich vielleicht folgende Darstellung geben: Zwischen- A. cygnea L. formen A. cellensis S( N g. 0) e 3 o -Ö, o a a> CT 03 M 3 05 3 i '£ «2 tS3 Zwischen- A. piscinalis Nils. formen A. anatina L Y«>- **/ 4%£ ^V j< m r gelben, sandigen (Kalk-) Steinbank an dieser Stelle entnommen, die einer genaueren Beschreibung und Veröffentlichung harren. 16* — 244 — Angulaten- oder Thalassitenhorizont (am Tunnel) 1 m. Psilonotenbank, in sandiger Facies, als hartes, kieseliges Gestein mit Ammon. x>silonotus und Cardinien. Rhätischer Sandstein mit Avicula contorta, Modiola, fossilem Holz etc. 2 m. Knollenmergel des oberen Keuper (am Steineberg). Die Grenzschichten von Trias-Lias tragen also in Schwaben und insbesondere im Gebiet von Esslingen und Nürtingen im all- gemeinen so ziemlich dasselbe Gepräge : überall liegt auf einem harten, kieseligen Sandstein („Kieselsandstein" , „rhätischer Sand- stein", „Silbersandstein", „Bonebedsandstein"), der sich durch seine Einschlüsse von gerollten Fischzähnen, Schuppen, Koprolithen, von gagatartigen Holzstücken und Strandmuscheln {Modiola, Mytilus etc.) als Uferbildung ausweist und als Hangendes des Keuper zu betrachten ist, eine echte Meeresformation mit den ersten Ammoniten (Psilo- ceras), die in der Regel als Kalk- und Thonfacies sich darstellt und eben damit als unterster Jura (Lias) angesehen werden muss. Nur unterscheiden sich die beiden oben beschriebenen Plätze, der Stein- bruch an der Nellinger Mühle einer- und die Aufschlüsse am Tunnel und am Steineberg bei Nürtingen anderseits, wieder dadurch, dass dort im Rhätsandstein Bonebed vorkommt und die Psilonotenbank (mit vielen Ammoniten) als Kalkbank erscheint, während hier das eigentliche Bonebed fehlt und das Psilonotenlager (mit kaum ver- einzelten Ammoniten) als kieseliger Sandstein erscheint, der von dem darunter liegenden Rhätsandstein sich nicht wesentlich abhebt. Da- mit seien diese beiden, geologisch wie palaeontologisch gleich wich- tigen Fundstellen unseres Landes wenigstens schriftlich fixiert für eine Zeit, da sie — wohl bald genug — der Untersuchung mit Hammer und Meissel nicht mehr zugänglich sein werden. Ueber württembergisehe Collembola. Von Dr. C. Schäffer in Hamburg. Im August des Jahres 1890 habe ich etwa zehn Tage einer Ferienreise benutzt, um in Gemeinschaft mit meiner Frau in der Umgebung von Urach (schwäbische Alb) und Ludwigsburg Collem- bolen (Poduriden s. 1., Springschwänze) zu sammeln. Das Resultat war der Nachweis von 43 Arten und 10 Varie- täten, wovon 5 Arten und 2 Varietäten als neu zu bezeichnen sind. Nach Bearbeitung dieser Sammlung wandte ich mich an den Vorstand des Kgl. Naturalienkabinets, Herrn Prof. Dr. Lampert, und erhielt auf meine Bitte das im Naturalienkabinet verwahrte, im Laufe der Jahre gesammelte Collembolenmaterial zur Bearbeitung. Durch die Untersuchung desselben ist die Zahl der mir aus Württem- berg bekannt gewordenen Arten nunmehr auf 59 angewachsen, ein- gerechnet 9 neue Arten. Wenn das nun auch wahrscheinlich erst wenig mehr als die Hälfte der auf württembergischem Gebiete auffindbaren Formen ist, so glaubte ich doch, nicht nur die Beschreibungen der neuen Arten und Varietäten, sondern eine Bearbeitung des ganzen Materials ver- öffentlichen zu sollen, da Arbeiten über württembergische (resp. süd- deutsche) Collembola bisher noch ganz fehlen und zu hoffen ist, dass nun um so eher sich Forscher finden werden, welche das von mir Begonnene fortsetzen. Es kommt hinzu, dass die Untersuchung des vorliegenden Materials bei zahlreichen Arten Anlass bot zu teilweise recht wichtigen Bemerkungen, zu deren Veröffentlichung auf diese Weise eine passende Gelegenheit geschaffen war. Bezüglich der von mir angewandten Nomenklatur, der Ab- kürzungen etc. verweise ich auf meine Arbeit [20] über „die Collem- bola der Umgebung von Hamburg und benachbarter Gebiete" (S. 154 — 157), bezüglich der Fangmethoden auf [22] „die Collem- bola des Bismarck-Archipels" (S. 395—396). Hinzuzufügen habe ich — 246 — nur 1. dass ich das, was ich früher als „Kopflänge" bezeichnete, nunmehr (wie ich glaube, korrekter) „Kopf diagonale" nenne, nämlich die gerade Entfernung des oberen Kopfhinterrandes vom Ende der Mundwerkzeuge ; 2. dass alle Messungen, auf welche ich Bezug nehme, mit dem Okularmikrometer ausgeführt wurden; 3. dass bei der Feststellung der Länge der oberen Kralle stets die gerade Entfernung der Spitze von dem am weitesten entfernten Punkte der Aussenseite (Konvexseite) gemessen wurde. Die im Text citierte Litteratur ist durch Nummern (in eckigen Klammern) bezeichnet, welche denen des angehängten Litteraturverzeichnisses entsprechen. Hinsichtlich der Fundnotizen, welche den einzelnen Arten bei- gefügt sind, ist noch zu bemerken, dass in den Fällen, in denen ein Sammler nicht erwähnt ist, das Material von mir resp. meiner Frau gesammelt wurde. Diese Funde habe ich dem Naturhistorischen Museum in Hamburg überwiesen. Das übrige Material befindet sich im Kgl. Naturalienkabinet in Stuttgart, abgesehen von einigen dem Hamburger Museum einverleibten Dubletten. 1. Farn.: Aphoruridae A. D. MacG. 1. Gen. : Neanura A. D. Mac G. (= Anura Gerv.) N. muscorum (Templ.). Urach, Moos. August 1896, 2 Exemplare. 2. Gen.: Aphorura A. D. MacG. (= Lipura Burm.) A. armata (Tullb.). Urach, Moos. August 1896, 9 Exemplare. Ludwigsburg, unter einem Blumentopf 1890, viele Exemplare. A. paradoxa n. sp. (Fig. 1—3). Diagnose: Postantennalorgan lang und schmal, aus 25 — 30 ovalen Höckern gebildet. Längsachse der mittleren Höcker quer zur Längsachse des Postantennalorgans. Antennalorgan aus 5 kurzen, dicken, kegelförmigen Sinneshaaren bestehend, deren jedes von einem dünnen gebogenen Haare geschützt ist. Pseud-Ocellen nur auf der Antennenbasis vorhanden, jederseits 2. Obere Kralle unbezahnt. Un- tere Kralle schmal, borstenförmig, an der Basis innen mit schwacher lappenförmiger Verbreiterung, mit ihrem Ende das Ende der oberen bei weitem nicht erreichend. Tibien ohne Keulenhaare. 2 grosse gebogene Analdornen vorhanden, welche wenig kürzer als die obere — 247 — Kralle des ersten Beinpaares sind. Behaarung kurz, spärlich, Ahd. VI mit einigen längeren Haaren. Hautkörner des Rückens gross, am Kopfe (bei einem Tiere von 3 mm Länge) bis zu ü Mikromillimetern breit (Fig. 2). Hautkörner auf jedem Thorakal- und Abdominal- segment (Fig. 1) von vorn nach hinten an Grösse zunehmend. Jede Intersegmentalfalte mit einer breiten Zone kleinerer, aber besonders dicht stehender Hautkörner (Fig. 1). Hautkörner an der Oberseite von Ant. I, IV und der distalen Hälfte von Ant. III grösser als an der Unterseite ; an der Oberseite von Ant. II nur ein kurzer Streifen oder kleiner Fleck mit grösseren Körnern. Farbe weiss. Länge bis 3 mm. Fundnotizen: Nebelhöhle, 26. VII. 1885. Prof. Lampert und Rettich leg., 15 Exemplare. Tottsburghühle bei Wiesensteig I schwäbische Alb) ; im hinteren Teile der Höhle am Fledermauskot, 14. VI. 1895. Prof. Lampert, Prof. Fraas, Dr. Büchner, H. Fischer leg.. 2 Exemplare, zusammen mit Sira lamperti n. sp. Verwandtschaft: Die Art fällt, abgesehen davon, dass Pseud-Ocellen nur auf der Antennenbasis vorkommen, besonders durch die grossen Hautkörner auf. Die bedeutende Grösse derselben tritt sehr gut bei einem Vergleich mit A. armata (Tüllb.) hervor. Während die Hautkörner bei A. paradoxa am Rücken eines Tieres von 3 mm Länge bis zu 6 Mikromillimetern breit sind , haben sie bei IV2 — 2 mm langen Tieren der A. armata höchstens 1 Mikro- millimeter Durchmesser. Auffallend sind auch die Verschiedenheiten an den Hautkörnern der Antennen. In dieser Weise sind mir solche nur noch von A. trisctosa Schäffer [21] bekannt. Nach Moniez [13] hat A. tubercidata (Mz.) ebenfalls sehr grosse Hautkörner, so dass man an eine Identität mit A. paraäoxa denken könnte. Dem widerspricht jedoch, dass A. tubercidata nur 22 Höcker im Postantennalorgan haben soll , ein Unterschied , der zwar nicht so bedeutend ist, um unter allen Umständen die Trennung der Arten zu begründen. Es ist jedoch möglich, dass auch in der Stellung der Längsachse der Höcker im Postantennalorgan sowie in der Zahl der Pseud-Ocellen noch Unterschiede zu finden sind. Moniez giebt in dieser Beziehung nur an, dass hinter den Antennen je 2 Pseud-Ocellen liegen , ohne von denjenigen des Kopfhinterrandes und Rumpfes zu sprechen. Eine andere Art mit grossen Hautkörnern ist A. burmeisteri (Lübb.). Lubbock [12] sagt jedoch , dass bei dieser die vordersten Hautkörner auf jedem Segment die grössten sind. Daher ist eine — 248 — Identifizierung unmöglich, ganz abgesehen davon, dass Lubbock's Diagnose zu unvollständig ist. Von besonderem Interesse ist sodann der Vergleich mit anderen Höhlenformen. Unter diesen weicht A. cirrigera Moniez [14] so sehr von A. paradoxa ab, dass an eine Identität beider gar nicht zu denken ist. Anders steht es mit der A. gracilis (Jul. Müller). Müller [15] spricht von „4 Punktaugen" zwischen den beiden „glo- merierten Augen". Letztere sind jedenfalls die Postantennalorgane, erstere 2 Paare von Pseud-Ocellen auf der Antennenbasis. Da aber die Diagnose sehr unvollständig ist, kann auch hiermit A. paradoxa nicht identificiert werden. Als zweite Höhlenform mit Analdornen könnten die von Schiödte [23] irrtümlich als Jugendformen der unbewaffneten A. stillicidii (Schiödte) betrachteten Tiere der Adelsberger Höhlen ange- führt werden. Aber diese sind weder ausreichend beschrieben noch (weil sie als Jugendform betrachtet wurden) benannt. So bliebe dann noch die Art übrig, welche Hamann [8] Lipura stülicidii nannte, für welche ich jedoch , da sie sich von Schiödte's Art durch das Vorhandensein von 2 Analdornen unterscheidet, einen neuen Namen, A. hamanni n. sp., einführen muss. Hamann macht über dieselbe folgende Angaben : Weiss. Antennalorgan aus etwa 8 im Halbkreise geordneten fingerförmigen Erhebungen bestehend , von denen die mittleren am längsten sind. Postantennalorgan aus 10 Höckern (Hamann's Fig. 16 zeigt allerdings 11). 2 Analdornen. Bis 4 mm. — Dazu kommt, dass aus Fig. 16 hervorgeht, dass die Postantennalorganhöcker fast kreisrund sind und dass Carpenter [4] an HAMANN'schen Exemplaren 3 Pseud-Ocellen hinter jeder Antenne fand. Hieraus ergeben sich aber Unterschiede zwischen der A. para- doxa und A. hamanni im Antennalorgan, im Postantennalorgan und in den Pseud-Ocellen, sowie noch ein weiterer Unterschied von A. stillicidii (Schiödte) und A. hamanni, nämlich die Höckerzahl im Postantennalorgan, insofern als Schiödte von 28 (2 X 14) „Augen" spricht. Was die A. stillicidii (Schiödte) betrifft, so kann dieselbe iden- tisch sein mit der ebenfalls unbewaffneten Höhlenform A. wrightii (Carpenter) und letztere1 halte ich für nichts anderes als A. inermis 1 Diese Ansicht fand ich nach Niederschrift dieser Arbeit durch Unter- suchungen an Tieren, welche Prof. Carpenter freundlichst sandte, bestätigt. 249 - (Tullb.) oder A.ßmetaria (Ldbb.). Erwähnl sei noch, dass dieAphorura- Art mit nur 8 — 9 Höckern im Postantennalorgan, welche FoLSOM [6] A. inermis nennt, wohl von A. inermis (Tullb.) getrennt werden muss. Ich schlage für diese den Namen \. folsomi n. sp. vor. Ich muss es dahingestellt sein lassen, ob sie vielleicht dieselbe ist, auf welche Nicolet [16 1 im Jahre 1847 (nicht 1842) den Namen Anurophnws fimetarius anwandte. Die Resultate dieser Betrachtungen über die Synonymie stelle ich in folgendem noch einmal zusammen : 1. A. paradoxa n. sp. = ?IApura tuberculata Mz. = VZ. gra- cilis Jul. Müller, verwandt mit L. burmeisteri Ldbb. 2. A. hamanni n. sp. = L. stillicidii Hamann, nee Schichte. 3. A. inermis Tullb. = L. ivrightii Carpenter = L. ßmetaria Lubb., nee Nie. = ? L. stillicidii (Schiödte). 4. A. folsomi n. sp. = A. inermis Folsom = ? Anurophorus fimetarius Nie. 1847, nee 1842. 2. Fam.: Poduridae Tom. 3. Gen.: Xenylla Tullb. X. maritima Tullb. Ludwigsburg, unter Moos und Rinde im Osterholz, August 1896, 5 Exemplare. Unter dem Material des Stuttgarter Naturalienkabinets befindet sich noch ein Exemplar einer Xeiiyllit, welches wegen der Form der Mucrones mit keiner bekannten Art identifiziert werden kann. Zur Aufstellung einer neuen Art war mir der Fund jedoch nicht aus- reichend. 4. Gen.: Achorutes Templ., Sciiäffer. A. purpurascens Lubb. Urach, an einem Baumstumpf beim Uracher Wasserfall, August 1896, 9 Exemplare. A. armatus Nie. Sehr viele junge, hell gefärbte Exemplare mit kleinen, deutlich getrennten Pigmentflecken wurden im August 1896 bei Urach an einem Pilz beobachtet. Sie entsprechen der var. pallens KbaüSBäi er. Ein ebenfalls helles Exemplar wurde von Herrn Oberförster Spohn im November 1894 an einem Pilz in Heiligenkreuzthal (Schwarz- wald) gefunden. - Ausserdem besitzt das Naturalienkabinet sehr viele Exemplare, welche vom Baumeister Leibrandt in Sigmaringen gesammelt sind. Diese „zu Tausenden" dort gefundenen Tiere weichen dadurch ab , dass das dunkelviolette bis schwarzblaue Pigment am - 250 Rücken nicht auf getrennte Flecken verteilt ist, sondern nur von kleinen weisslichen Flecken unterbrochen ist. An der Bauchseite rindet sich wenig auf getrennte Flecke beschränktes Pigment oder gar keines. A. affinis n. sp. Diagnose: Postantennalorgan aus 5 etwas verschieden grossen Höckern, welche um eine ovale Grube gruppiert sind. Obere Kralle mit einem keinen, borstenförmigen Innenzahn nahe der Mitte , am 3. Beinpaar fast 31/2mal so lang wie die Analdornen oder 21/2mal so lang wie die Mucrones. Untere Kralle den Zahn der oberen über- ragend , in der Mitte plötzlich abgestutzt und zu einer Borste ver- schmälert, deren Ende das Ende der oberen Kralle lange nicht er- reicht. Tibien mit 1 Keulenhaar. Dentes allmählich verschmälert, etwa 3mal so lang wie die Mucrones. Mucrones schmal , rinnen- förmig *, wenig länger als die Analdornen. Analpapillen gross, kegel- förmig. Analdornen nicht länger als die Papillen, schwach gekrümmt. Behaarung spärlich, mittellang, auch am Hinterende des Abdomen nur wenig dichter und länger. Farbe dunkelblau ; junge Tiere grau- blau, da das Pigment auf mehr oder weniger getrennte Flecke be- schränkt ist. Länge bis 2Vä mm. Fundnotizen: Kriegsberg bei Stuttgart 1882, E. Hoffmann leg., 2 Exemplare. Kriegsberg bei Stuttgart 1882, an Weintrester, E. Hoffmann leg., 10 junge Exemplare. Verwandtschaft: Die Art steht im Bau der Mucrones und Analpapillen A. purpurascens Lubb. nahe, unterscheidet sich davon aber durch: 1. die Zahl der Keulenhaare (bei A. purpurascens 2—3); 2. die Länge der oberen Kralle des 3. Beinpaares (bei A. pur- purascens nur l1j2Tc\d\ so lang wie die Mucrones oder 2 1/s mal so lang wie die Analdornen) ; 3. das Längenverhältnis von Mucro und Analdorn (bei A. pur- purascens fast 2:1). A. carolinäe n. sp. 2 (Fig. 4 — 7). Diagnose: Postantennalorgan aus 5 Höckern bestehend (Fig. 6). Das ganze Postantennalorgan nur so gross wie die grösste 1 Bei jungen Tieren ist der sonst gerade Rand der scbmalen Lamellen der Mucrones etwas vorgewölbt. 2 Benannt nach meiner eifrigen Gehilfin im Sammeln der württembergischen Collembola, meiner Frau Karoline, welche auch diese Art erbeutete. 251 — Ocelle (Fig. 6). Obere Kralle (Fig. 7) mit einem kleinen borsten- förmigen Innenzahn nahe der Mitte, am 3. Beinpaar etwas mehr als doppelt so lang wie die Mucrones oder 47* mal so lang wie die hinteren Analdornen. Untere Kralle (Fig. 7) an der Basis lappen- förmig verbreitert, vor der Mitte plötzlich borstenförmig verschmälert, mit dem borstenförmigen Ende das Ende der oberen Kralle nicht ganz erreichend. Tibien mit 2 — 3 Keulenhaaren \ Bentes (Fig. 4) allmählich verschmälert, wenig mehr als .3 mal so lang wie die Mucrones, so lang wie das Manubrium. Mucrones schmal, rinnenförmig, ohne breite Lamellen, doppelt so lang wie die hinteren Analdornen. 4 gekrümmte Analdornen, zu 2 hintereinanderstehenden Paaren angeordnet (Fig. 5). Bie am Ende des Abdomen stehenden Bornen etwa Vi so lang Wi& die obere Kralle, wenig grösser als die beiden andern, aber auf grossen Papillen, deren Höhe die Länge der darauf stehenden Bornen etwas übertrifft. Bie beiden anderen Bornen auf sehr kleinen Papillen. Behaarung spärlich, kurz, nur am Ende des Abdomen etwas dichter, aber kaum länger. Grauviolettes Pigment auf gelblichem Grunde in getrennten Flecken. Länge 1V4 mm. Fundnotiz: Urach, unter Holz. August 1896. 1 Exemplar. Verwandtschaft: Burch die 2 Paare von Analdornen er- innert die Art an Tetracanthella coerulea (Haller) 2. Sie ist aber von derselben durch das Postantennalorgan, die Befestigungsstelle der Furca (an Abd. IV), die Behaarung und anderes sehr deutlich unter- schieden. Vielmehr besitzt sie alle Merkmale der Gattung Achorutes s. str., ausgenommen allein die Zahl der Analdornen, welche bisher 1 Thatsächlich gefunden am 1. und 3. Beinpaar 2, am 2. Beinpaar 3. 2 Bei der so ausserordentlich guten Übereinstimmung der Beschreibung von Tetracanthella püosa Schott und Lubbockia coerulea Haller kann ich dem einzigen Unterschiede, welcher sich beim Vergleich zu ergeben scheint, näm- lich der Fünfgliedrigkeit der Antennen bei Lubbocläa keinen Wert beilegen, um so mehr als Haller's [7] Beschreibung der Ant. II bis V von Lubbockia coerulea g< nau Schott' s [24] Abbildung der Ant. 1— IV von Tetracanthella pilosa (Taf. 7 Fig. 5) entspricht. Ich glaube, dass Haller sich getäuscht hat, als er auss< r den erwähnten 4 Gliedern noch ein Grundglied (Ant. I) zu sehen glaubte. Es werden das die niedrigen Vorsprünge des Kopfes gewesen sein, auf welchen die Antennen stehen (wie ich an Exemplaren sehe, die ich Herrn Dr. Schott ver- danke). — Da der Name Lubbockia präokkupiert ist, muss die Gattung Tetra- canthella Schott (1891; heissen. Dieser Name hat die Priorität vor Deutero- lubbockia Dalla Torre (1895). — 252 — in der Gattungsdiagnose gleich 0 oder 2 angesetzt wurde. Es kann das aber keinen Grund abgeben für die Aufstellung einer neuen Gattung, ebensowenig wie man sich gescheut hat, auch die von Lie-Pettersen [10] beschriebene Aphorura quadrispina unter die bis dahin höchstens mit 2 Analdornen bekannten Aphorura- Arten auf- zunehmen. Sieht man von der Zahl der Analdornen ab, so muss man A. Carolin ae wegen des Baues der Krallen und Mucrones, sowie der Zahl der Keulenhaare als nahe verwandt mit A. purpurascens Lubb. bezeichnen. Unterscheidungsmerkmale liefern, abgesehen immer von den Analdornen, besonders die Farbe und die Behaarung. Zur Aufnahme des A. carolinae in die Gattung Achorutes Templ. , Schäffer muss die Gattungsdiagnose nunmehr folgenden Inhalt erhalten : Hinterleibsende nicht gezähnt mit 0, 1 oder 2 Paaren von Analdornen. Untere Kralle vorhanden. Furca nicht bis zum Ventral- tubus reichend. Postantennalorgan klein, aus 4 — 61 Höckern be- stehend. 16 Ocellen. 5. Gen. : Schöttella Schäffer. S. poppei Schäffer (Fig. 8, 9). Diagnose: Körper breit, plump. Antennen kurz und dick. Postantennalorgan (Fig. 9) aus 16—18 seitlich sehr stark abgeplatteten Höckern, welche annähernd im Kreise stehen und zwischen sich eine beträchtliche Fläche freilassen. Postantennalorgan deutlich grösser als die unter sich gleich grossen Ocellen. Tibien ohne Keulenhaare. Kralle ohne Zahn, fast doppelt so lang wie die Mucrones. Furca (Fig. 8) kurz und dick. Dentes nach dem Ende kaum verschmälert. Dens 21/4mal so lang wie Mucro. Mucro und Dens zusammen kürzer als das Manubrium. Mucrones mit breiter Lamelle und vorragender umgebogener Rippe. Analdornen fehlend. — Behaarung kurz und spärlich. Die grossen Hautkörner an den Dentes ziemlich weit von- einander entfernt. Farbe blauschwarz. Länge l1/2 mm. Fundnotiz: Urach, August 1896, 1 Exemplar. Bisher nur aus Nordwestdeutschland (Kuhstedt bei Osterholz) bekannt. Verwandtschaft: Die Auffindung eines zweiten Exemplares dieser offenbar seltenen Art ermöglichte die Vervollständigung meiner 1 Carl [2] schreibt dem A. sig Hiatus neuerdings 6 Höcker zu. - 253 — früher [20] gegebenen Diagnose, besonders bezüglich der Mucrones. Sehr nahe verwandt ist die Art mit S. rhaetica Carl. Doch liefern das Postantennalorgan und die Mucrones gute Unterschiede. Be- züglich der Mucrones steht die Art der 8. subcrassa SCHIFFER (aus Feuerland) nahe. S. uniunguiculata (Tüllb.) (Fig. 10—12). Syn.: Achorutes uniunguiculatus Tüllberg 1KG9. Diagnose: Postantennalorgan kleiner als eine Ocelle (Fig. 11). aus 5 Höckern, einem kreisrunden centralen und 4 kleineren, dem centralen dicht anliegenden peripheren, bestehend (Fig. 10). Kralle mit einem sehr kleinen Innenzahn in der Distalhälfte. Tibien mit 3 — 4 Keulenhaaren, welche deutlich länger sind als die Kralle. Furca ziemlich schlank, Dentes nicht ganz doppelt so lang wie die Mucrones, Manubrium so lang wie die Dentes. Mucrones schmal rinnenförmig, wenig länger als die Kralle des 1. Beinpaares. 2 kleine gebogene Analdornen auf deutlichen Papillen, welche grösser als die Analdornen sind (Fig. 12). Behaarung gleichmässig kurz. Farbe graublau. Länge fast 1 mm. Fundnotiz: Ludwigsburg, unter Moos und Rinde im Osterholz, August 1896, 2 Exemplare, zusammen mit Xenylla maritima. Die Art wurde bisher nur in Schweden (Tullberg), Südrussland (Scorikow, Stscherbakow) , Nordfrankreich (Moniez) und Grönland (Meixert) beobachtet. Bemerkung zur Diagnose: Tüllberg [26] giebt betreffs Achorutes uniunguiculatus an: „Dentes furculae acuminati et duplo vel triplo longiores quam mucrones." Herr Prof. Tullberg hat mir durch gütige Übersendung eines typischen Exemplares die Unter- suchung desselben ermöglicht. Dabei habe ich festgestellt, dass auch bei dem TuLLBERG'schen Exemplare die Dentes nicht ganz doppelt so lang sind wie die Mucrones. Auch sonst stimmt das Tier mit der obigen Beschreibung überein. 6. Gen. : Pseudachorutes Tullb. P. corticicola (Schäffer). Syn.: Schottella corticicola SCHÄFFER 1896. Urach, August 1896, 2 Exemplare. Diese Art war mir bisher nur in 1 Exemplar bekannt. Nach- dem ich dieselbe nunmehr noch einmal untersuchen konnte, stelle ich die Ähnlichkeit der Mundwerkzeuge mit denen von Pseudacho- - 254 - rutes fest und sehe mich veranlasst, dieselbe in die Gattung Pseucl- achorutes einzuordnen. Von P. subcrassus Tullb. ist sie gut unter- schieden durch das Vorhandensein des Keulenhaares. Herr Prof. Tüllberg hatte die Güte, mir seine Präparate von P. subcrassus zu senden. Daran konnte ich feststellen, dass ein aus etwa 10 Höckern bestehendes kreisrundes Postantennalorgan vor- handen ist, sowie, dass die Kralle einen deutlichen Innenzahn trägt. Von Herrn Krausbauer (Weilburg a. Lahn) erhielt ich ferner schon früher ein Exemplar von P. dubius Krausbauer mit 10 (statt 15, wie Krausbauer [9] angiebt) Höckern im Postantennalorgan. Da P. dubius auch sonst mit P. subcrassus übereinstimmt, so kann ich Krausbauer's Vermutung, dass beide Arten identisch sind, zur Ge- wissheit erheben. 7. Gen. : Podura L. P. aquatica L. Ulm, angeschwemmtes Genist der Donau, April 1895, Oberreallehrer Haug leg. 3. Farn.: Entomobryidae Tom. 8. Gen.: Isotoma Bourl. I. pusilla n. sp. (Fig. 13 — 15). Diagnose: Antennen (Fig. 15) kaum so lang wie die Kopf- diagonale. Ant. I am kürzesten, II so lang wie III, aber etwas länger als I, IV so lang wie II und III zusammen, d. h. doppelt so lang wie III. 7 Ocellen (Fig. 14) jederseits auf schwarzem Fleck. Vordere Proximalocelle fehlend , hintere ein wenig kleiner als die übrigen Ocellen. Postantennalorgan (Fig. 14) elliptisch , grösster Durchmesser etwa doppelt so gross wie derjenige der grössten Ocelle. Krallen unbezahnt (Fig. 13). Untere Kralle sehr schmal, weniger als halb so lang wie die obere, am 1. Beinpaar fast haaiförmig. Tibien mit 1 — 2 Keulenhaaren, welche etwas länger sind als die obere Kralle. Abd. IV (Fig. 15) l'/2mal so lang wie III. Furca (Fig. 15) an Abd. IV, den Ventraltubus nicht ganz erreichend. Dens und Mucro zusammen etwa so lang wie das Manubrium. Dens 3mal so lang wie Mucro. Dens gerade, nach dem distalen Ende wenig, aber deutlich verschmälert. Mucro (Fig. 13a) schmal, mit einem sehr kleinen dor- salen Zahn nahe dem distalen Ende. Behaarung sehr kurz und gleich- massig spärlich. Das blauschwarze Pigment von kleinen weisslichen Flecken unterbrochen. Segmentgrenzen weisslich. Länge 2/3 mm. Fundnotizen: Urach, Moos, August 1890, 2 Exemplare. Urach. Baumstumpf, August 1896, 1 Exemplar. 255 — Verwandtschaft: Verwandt ist /• pusüla nach der Form der Dentes und dem Längenverhältnis von Abd. III und IV am nächsten mit /. inaequcdis Schäpfeb [22]. Die Mucrones, die Ocellen- zahl und die Farbe liefern jedoch gute Unterschiede. — Der an beiden Arten auffallende starke Unterschied in der Länge von Abd. III und IV findet sich übrigens auch noch bei anderen Arten. So hat z. B. auch /. öbtusicauda Schäpfer [21] Abd. IV 1 '^mal so lang wie Abd. III und einen Übergang bildet das Verhältnis der Seg- mente bei den Arten /. sckötti I). T. (= /. litoralis Schott) und /. quadrioculata. während die mit /. quadrioculata sonst nahe ver- wandte /. sexocülata Abd. III und IV fast gleich lang hat. [. quadrioculata Ttjllb. Langenau bei Ulm, April 1895, Oberförster Bürger, 18 Exemplare. Ludwigsburg, Moos und Kinde, August 189G, 6 Exemplare. Urach, Moos. August 1896, 2 Exemplare. Die Ludwigsburger Exemplare haben dicht stehende dunkel- graublaue Flecken, die Uracher sind weiss mit zerstreuten graublauen Flecken. Bei allen obigen Tieren steht jede Ocelle auf einem kleinen schwarzen Fleck. I. minuta Tullb. Lehenweg bei Stuttgart. In einem Gemüsegarten beim Öffnen eines Mist- beets fand sich diese Art in 1— -17s cm dicken Massen vor. Das Kgl. Naturalien- kabinet besitzt zahllose von H. Fischer gesammelte Exemplare. — Junge Tiere weiss, bei grossen Tieren etwas graublaues Pigment vorhanden. I. muscorum n. sp. (Fig. 21—24). Diagnose: Antennen (Fig. 24) etwas länger als die Kopf- diagonale. Ant. I am kürzesten, II etwa so lang wie III, IV lV2mal so lang wie III. Ocellen fehlend. Postantennalorgan fehlend. Krallen unbezahnt. Untere Kralle des 3. Beinpaares breit (Fig. 23). Krallen des 1. Paares weit kleiner als die des dritten; untere Kralle des 1. Paares auch im Vergleich zur oberen Kralle kleiner und schwächer als die des dritten (Fig. 22). Tibien ohne Keulenhaare. Abd. III etwa so lang wie IV. Furca an Abd. IV, den Ventraltubus nicht erreichend. Dentes nur lx/3mal so lang wie das Manubrium. Dentes zugespitzt, nicht konvergent. Mucrones (Fig. 21) von den Dentes nicht deutlich getrennt, 2zähnig. Abdomen mit zahlreichen ab- stehenden, gefiederten Borsten (Fig. 24), besonders nahe dem Ende. Farbe weiss. Länge 1 mm. Fundnotiz: Urach, Moos, Augusl 1896, l Exemplar. — 256 Verwandtschaft: Besonders durch das Fehlen von Ocellen und Postantennalorgan steht 1. muscorum der /. minor Schäffer nahe , gute Unterschiede beider Arten liefern aber das Längenver- hältnis der Furca-Glieder und die Bezahnung der Mucrones. I. notabilis Schäffer (Fig. 16). Ludwigsburg, unter Moos und Rinde im ( Jsterholz, August 1896, 2 Exemplare Diese früher von mir nach 2 Hamburger Exemplaren beschrie- bene Art hat seitdem Stscherbakow [25] bei Kiew beobachtet und ich selbst habe im August 1896 10 Exemplare unter einem Blumen- topf in Hamburg sowie die obigen 2 Exemplare bei Ludwigsburg gesammelt. Zu der früher von mir gegebenen Diagnose füge ich folgendes nach meinen neueren Beobachtungen (zum Teil als Be- richtigung meiner früheren Angaben) hinzu: Postantennalorgan fast so lang wie der ganze Augenfleck (Fig. 16). Letzterer ziemlich klein. Die Ocellen dicht nebeneinander liegend, aber nicht deutlich erkenn- bar, da das Pigment der Augenflecken durch Kalilauge weit schwerer zerstört wird als bei den übrigen Isotoma-Arten. Wahrscheinlich weniger als 8 Ocellen jederseits. Die Art ähnelt der I. albella Packard (= I. nivea Schäffer) x, welche ebenfalls ein im Verhältnis zum Augenfleck auffallend grosses Postantennalorgan besitzt. Doch ist dasselbe bei I. albella immer noch bedeutend kleiner als der übrigens auch reduzierte Augenfleck. I. viridis Bourl., forma principalis. Wald bei Hohenbeim a. d. Fildern , unter Steinen , 9. August 1885, Prof. Dr. Lampert leg., 1 Exemplar. Ebenda, 15. April 1895, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Uracb, Moos und Rinde, August 1896, 2 Exemplare. Ludwigsburg, Moos und Rinde, August 1896. 1 Exemplar. I. palustris (Müller). a. forma principalis. Grunbacb (Remsthal), 14. Mai 1895, Prof. Lampert leg., 1 Exemplar. b. var. prasina Reuter. Urach, Moos, August 1896, 15 Exemplare. Urach, Rinde, August, 1896, 1 Exemplar. Wie ich schon früher [22] mitteilte, rechne ich zur var. prasina auch die früher von mir aufgestellte var. palliäa. — Unter den im 1 Wie ich durch Untersuchung von Exemplaren, welche Herr Prof. J. W. F o 1 s o m aus Nordamerika schickte , fand , ist I. nivea Schaffer = I. albella Packard. — 257 — Moos gefangenen Exemplaren befindet, sich 1 junges Tier, welches bis auf die schwarzen Augenflecke ganz weiss ist. I. grisescens Schäffeb (Fig. 18—20). Für diese Art gebe ich folgende, in einigen Punkten etwas erweiterte und berichtigte Diagnose: Antennen etwas länger als die Kopfdiagonale. Ant. II 1 1/2mal so lang wie I, III etwas kürzer als II, IV 2mal so lang wie III. 8 fast gleich grosse Oeellen jederseits auf schwarzem Fleck. Postantennalorgan (Fig. 19) sehr schmal elliptisch, etwa 3mal so lang wie eine Ocellenbreite. Obere Kralle mit einem sehr kleinen Innenzahn. Untere Kralle nahe der Basis mit lappenförmiger, eckiger Verbreiterung (Fig. 20). Tibien nahe dem distalen Ende mit einem längeren , nicht keuligen Haare. Abd. III etwas länger als IV. Furca an Abd. V, den Ventraltubus erreichend. Dentes all- mählich verschmälert, fast doppelt so lang wie das Manubrium. Mucro mit 3 hintereinander liegenden Zähnen und einem sehr winzigen Höcker an der Innenseite (Fig. 18). Behaarung gleichmässig kurz. Abd. VI mit einigen wenigen etwas längeren, abstehenden Borsten. Pigment graublau, vielfach von pigmentlosen Flecken unterbrochen. Länge bis 1 ,6 mm. Fundnotizen: Kriegsberg bei Stuttgart, aus Weintrester 1882. Prof. E. Hopfmann leg., 6 Exemplare. Urach, unter Holz, August 1896, 1 Exemplar. Verwandtschaft: /. grisescens steht der /. olivacea Tüllb. sehr nahe, unter anderem auch durch das sehr schmale Postantennal- organ, durch welches beide Arten sich gut von /. viölacea Tüllb. unterscheiden lassen. Die Ähnlichkeit von /. olivacea und I. gri- sescens ist so gross, dass man geneigt sein kann, letztere als Varietät von olivacea zu betrachten. Da ich jedoch bei 1. grisescens an der oberen Kralle einen allerdings bisweilen sehr undeutlichen Innenzahn nachweisen konnte, welcher bei 1. olivacea zu fehlen scheint, da ferner der eckige Vorsprung an der Basis der unteren Kralle bei /. grisescens schärfer eckig ist als bei /. olivacea1, so halte ich /. grisescens vorläufig als Art aufrecht. Auch die Farbe kann noch als gutes Unterscheidungsmittel dienen , solange keine Übergänge gefunden sind. - /. olivacea ist mir übrigens aus Deutschland noch gar nicht bekannt geworden, ich habe nur schwedische Exemplare gesehen. 1 Vergl. Uzel [27] Taf. 2 Fig. 14. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wurtt. 1900. 17 2f,s - I. violacca Tullb. Teinach. Moos, 1882 Dr. Wurm leg., 3 Exemplare. /. viölacea unterscheidet sich von /. olivacea und /. grisescens durch das breit elliptische Postantennalorgan, dessen Länge nur etwa gleich einer Ocellenbreite ist, sowie dadurch, dass die untere Kralle einen kleinen Zahn, jedoch keine scharf vorspringende Ecke besitzt. Die obere Kralle besitzt einen, allerdings nur sehr kleinen, Innenzahn. Das konnte ich auch an nordischen Exemplaren feststellen, welche Herr Prof. Parona von Herrn Dr. Schott erhalten hat. I. neglecta n. sp. Diagnose: Antennen I^mal so lang wie die Kopfdiagonale. Ant. II 1 1/2 mal so lang wie I, III deutlich kürzer als II, IV lYsinal so lang wie II. 8 Ocellen jederseits auf schwarzem Fleck. Proximal- ocellen weit kleiner als die übrigen. Postantennalorgan breit ellip- tisch, sein Längsdurchmesser wenig grösser als der Durchmesser der grössten Ocelle. Krallen ohne Zähne. Untere Kralle in der Basal- hälfte innen mit grosser abgerundeter Verbreiterung. Obere Kralle doppelt so lang wie die untere. Tibien .nahe dem distalen Ende mit einem die übrigen Haare etwas an Länge übertreffenden Haar ohne knopfförmige Verdickung. Abd. III etwas länger als IV. Furca an Abd. V. Dentes nach dem distalen Ende allmählich und stark ver- dünnt, nicht konvergent, etwa doppelt so lang wie das Manubrium. Mucro sehr klein, kürzer als die untere Kralle. Mucro mit 4 Dorsalzähnen, die beiden distalen gross und nacheinander, die proximalen klein und nebeneinander stehend. Behaarung kurz, an- liegend. Am Rücken an allen Körpersegmenten einige längere, etwas mehr abstehende Haare. Abd. IV bis VI mit einigen langen, ge- bogenen, abstehenden Haaren. Farbe dunkelblau. Fundnotiz: Ulm, aus angeschwemmtem (lenist der Donau, 1895, leg. Überreallehrer Haug, 2 Exemplare. Verwandtschaft: /. neglecta ist nahe verwandt mit 1. viölacea Tullb., aber von dieser Art gut unterschieden durch das Fehlen der Zähne an den Krallen. Vielleicht ist sie früher mit 1. viölacea ver- wechselt worden. Auch ihre Lebensweise ist jedoch möglicherweise eine andere. I. sensibilis Tullb. Syn. : I. longidens Schäffer 1896. I. monstrosa Schäffer 1896. Zur Ergänzung und Berichtigung der früher von mir gegebenen Beschreibungen folgt zunächst eine vollständig neue — 259 Diagnose: Antennen lV:,nial so lang wie die Kopfdiagonale. Ant. II 1 1/2 mal so lang wie I, III etwas kürzer als 11. IV fast so lang wie II und III zusammen. 8 Ocellen jederseits auf schwarzem Fleck, Proximalocellen sehr klein, oft undeutlich. Postantennalorgan breit elliptisch, seine Länge wenig kleiner bis wenig grösser als der Durchmesser einer grössten Ocelle. Obere Kralle in der distalen Hälfte mit einem kleinen Innenzahn. Untere Kralle innen an der proximalen Hälfte mit lappenartiger, eine ziemlich scharfe Ecke tragender Verbreiterung. Obere Kralle fast 3 mal so lang wie die untere. Tibien des 1. Beinpaares mit 2, des 2. und 3. Beinpaares mit 3 Keulenhaaren. Abd. III wenig länger als IV. Furca an Abd. V, den Ventraltubus nicht ganz erreichend, etwas länger als die An- tennen. Dens nach dem distalen Ende allmählich und stark ver- schmälert. Ein Endteil der Dentes, welcher wenigstens 21/2mal so lang ist wie die Mucrones, mit nicht gekerbter Dorsalseite. Dens fast l3/,mat so lang wie Abd. III, 21/2mal so lang wie das Manu- brium. Mucro deutlich kürzer als die untere Kralle des 3. Beinpaares. Mucro mit 3 nebeneinander angeordneten Dorsalzähnen von Grössen- verhältnissen, welche an beiden Mucrones nicht immer gleich sind. Behaarung kurz, anliegend, am Ende des Abdomen einige längere, abstehende, gewimperte Borsten, am Rücken eines jeden Körper- segments eine kurze abstehende einfache Borste. Farbe bläulich oder grünlichgrau bis hell- oder dunkel violett, junge Tiere oft fast weiss, bei hellgefärbten Tieren das violette Pigment in kleinen ge- trennten Flecken. Länge bis V/., mm. Fundnotizen: Urach, Moos, August 18%, 17 Exemplare. Teiiiach, Moos, 1882. Dr. Wurm leg., 1 Exemplar. Bemerkungen zur Synonymie- Dass ich meine /. movh- strosa früher [20] nicht mit /. sensibilis Tullb. identifiziert habe, lag zum Teil daran, dass Schott s [24] Abbildungen (Taf. 6 Fig. 31, 32) nicht ganz korrekt sind. So sind die Mucronalzähne schlanker als in seiner Figur und die untere Kralle lässt in der Figur die scharfe zahnähnliche Ecke vermissen, in welche die basale Verbreiterung der Kralle ausläuft. In letzterem Punkte ist auch Tüllberg's [26] Fig. 24 auf Taf. 9 nicht richtig, während der an der oberen Kralle vorhandene kleine Innenzahn dort wenigstens sichtbar ist. Auch ist Tüllberg's Abbildung des Mucro (Taf. 9 Fig. 25, 26) ziemlich genau. Der Hauptgrund für die Aufstellung von /. monstrosa aber war der, dass Tullberg und Schott beide die Variabilität des Grössenverhält- nisses der Mucronalzähne nicht erwähnen. Nachdem ich jedoch an 17* — 2GÜ — schwedischen, von Schott bestimmten Exemplaren eine ähnliche Variabilität der Zahngrösse festgestellt habe, wenn auch keine so durchgehende Verschiedenheit der linken und rechten Mucrones, und ferner auch in den übrigen Merkmalen gute Übereinstimmung herrscht, muss ich die früher als I. monstrosa bezeichneten Tiere als Jugendform von /. sensibilis Tullb. betrachten. — Was 1. loii(/i- deiis betrifft, so muss auch das eine Exemplar, welches zur Auf- stellung jener Art diente, zu I. sensibilis gerechnet werden, nachdem ich die früher vermisste eine Proximalocelle auch hier, wenn auch nur undeutlich, fand und der in der früheren Diagnose angegebene Längenunterschied von Dens und Manubrium sich als geringer heraus- gestellt hat. I. cinerea Nie. (Fig. 17). Urach, unter Baumrinde, August 1896, ß Exemplare. Für diese Stücke gedachte ich ursprünglich einen neuen Art- namen aufzustellen. Als ich jedoch ein von Herrn Dr. Harald Schott (Linköping) erhaltenes Exemplar der I. cinerea untersucht hatte, erkannte ich die Zugehörigkeit der Tiere zu obiger Art. Ich hatte bis dahin zu grossen Wert gelegt auf den auffallend geraden ventralen Rand der Mucrones in Schott Fig. 34 auf Taf. 6. That- sächlich ist er jedoch gekrümmt (Fig. 17), so dass die Mucrones ein wesentlich anderes Aussehen gewinnen. — Nahe verwandt mit I. cinerea ist I. denticulata Schäffer. Doch ist bei /. denticulata die Körperform gedrungener, die Farbe dunkler und die Furca weit länger. Zur sicheren Unterscheidung diene folgende Übersicht: I. cinerea : Dens etwa so lang wie Abd. III oder nur sehr wenig länger, etwa doppelt so lang wie das Manubrium. Furca deutlich kürzer als die Antennen. Graublau. 7. denticulata: Dens l'/2mal so lang wie Abd. III oder 21/4mal so lang wie das Manubrium. Furca etwas länger als die Antennen. Violett. I. schäfferi Krausbauer (Fig. 25 — 28). Da von dieser Art nur eine vorläufige Beschreibung existiert, gebe ich hier eine vollständige Diagnose: Antennen fast 1 1/2mal so lang wie die Kopf- diagonale (Fig. 28). Ant. II 1 1/2 mal so lang wie I, III wenig kürzer als II, IV fast so lang wie II. 8 Ocellen jederseits auf schwarzem Fleck. Proximalocellen wenig kleiner als die übrigen, die Ocelle vor der vorderen Proximalocelle sehr undeutlich. Postantennalorgan — 261 breit elliptisch, sein LiLngsdurchmesser wenig grösser als der Durch- messer der grössten Ocelle. Obere Kralle mit einem kaum sicht- baren Innenzahn in der Distalhälfte. Untere Kralle des 2. und '6. Bein- paares (Fig. 25) -'- so lang wie die obere, des 1. Beinpaares (Fig. 27) !/8 so lang wie die obere. Untere Kralle in der Basalhälfte mit abgerundeter hippenartiger Verbreiterung. Tibien nahe dem distalen Ende mit einem sehr langen Haar ohne knopfförmige Verdickung. Abd. III wenig länger als IV. Furca (Fig. 28) an Abd. V. Dens und Manubrium zusammen so lang wie die Antennen. Dens 41 2mal so lang wie Mucro. Mucro etwas länger als die obere Kralle des 3. Beinpaares. Dens (Fig. 28) nach dem distalen Ende nicht ver- schmälert, in der distalen Hälfte innen mit 6 — 7 sehr langen Haaren, sonst ganz kurzhaarig. Mucro (Fig. 26) mit in der Mitte eingekerbter Lamelle und 3 Dorsalzähnen, deren proximaler gross ist, während die beiden anderen klein sind und einander sehr nahe stehen. Be- haarung gleichmässig kurz (abgesehen von den langen Haaren der Dentes). Farbe grauviolett bis grünlich braun. Länge bis l1/2 mm. Fundnotiz: Kaltenthal bei Stuttgart, U. Oktober L895, !f. Fischer leg., 1(> Exemplare. Von Interesse ist es, dass diese zuerst von Weilburg a. d. Lahn und jetzt aus Württemberg bekannt gewordene Art sich auch (un- bestimmt) unter dem Material befand, welches mir Herr Professor J. W. Folsom aus Nordamerika (Massachusetts) schickte. Verwandtschaft: 1. schäfferi gehört in jene kleinere Iso- tomen-Gruppe mit plumpen Dentes, welche am distalen Ende fast so dick sind wie am proximalen. 10. Gen.: Entomobrya Rondani. E. nivalis (L.). Syn. : Degeeria annulata Lubb. Teinach, Moos, 18H2, Dr. Wurm leg.. 3 Exemplare (forma principalis). Wald bei Hohenhoim a. d. Fudern, unter Steinen, 9. August 1885. Prof. Lampert leii.. 7 Exemplare (forma principalis, var. pallida Schäffer und var. maculata Schäffer). Kochendorf, 24. August 1897, 11. Fischer leg.. 1 Exemplar (forma <*nn- cipalis). Urach, Moos, August 189(>, I Exemplar (forma principalis). Urach, an Gesträuch, August L896, viele Exemplare (forma principalis und var. pallida Schäffer). Urach, an Fichten, August 189(5. viele Exemplare (forma principalis und var. pallida Schäffer, sowie 2 Exemplare var. maculata Schäffer). Urach, Gras, August L896, !t Exemplare (forma principalis). — 262 — E. lannginosa (Nie). Urach, Gras, August 1896, 10 Exemplare. Ludwigsburg, an verschiedenen krautigen Pflanzen, August 1890, 15 Exem- plare, Unter den Ludwigsburger Exemplaren zeigen einige (besonders aber eines) an den Seiten und auf der hinteren Hälfte des Abdomen (besonders am Hinterrand von Abd. IV, sowie auf Abd. V und VI) das Auftreten von graubraunem Pigment. Die meisten Exemplare sind schön grünlich ohne jedes dunkle Pigment. E. marginata (Tullb.), forma principalis l. Urach, Baumrinde, August 189G, 1 Exemplar. E. arborca (Tullb.), var. obscura n. var. (Fig. 29). Diagnose: Grundfarbe gelblich, Zeichnung blauschwarz. Seg- mente oben mit sehr schmaler Hinterrandbinde. Vor den Hinter- randbinden Flecken , welche durch Fortsätze sowohl unter sich als auch mit den Hinterrandbinden, den Dorsal- und den Lateralflecken 2 verschmelzen. Th. III bleibt infolge dieser starken Pigmentierung manchmal nur zum geringsten Teile gelblich. Abd. IV mit einer deutlich breiten Querbinde. Fundnotizen: Teinach, Moos, 1882, Dr. Wurm leg., 1 Exemplar. Ludwigsburg. Apfelbaumrinde (sehr trocken!), 30. Juli 1890, 1 Exemplar. Die var. obscura ist mir auch von Blasewitz und Dresden be- kannt, wo sie von Herrn Prof. Schneider gesammelt wurde. Auch unter den früher [18, 20] von mir untersuchten Exemplaren der Kollektion des Herrn Poppe (Vegesack) fand ich nachträglich ein Exemplar, bei welchem die Flecke vor den Hinterrandbinden die oben geschilderten Verbindungen eingehen. Bemerkung zur Diagnose: Zum Vergleich füge ich die Diagnose hinzu, welche Tullberg [26] von E. arborea giebt. Die seiner Diagnose zu Grunde liegenden Tiere bezeichne ich nunmehr als forma principalis (Tullberg [26], Taf. 7 Fig. 7): „Flava, fascia angustissima subfusca in margine posteriore seg- mentorum, ante quam maculae inaequales non confluentes saepissime reperiuntur. In medio quarti segmenti abdominalis fascia undulata valde distineta. Interdum fere nullae signaturae fuscae. Long. lx/2 mm." Verwandtschaft: Dadurch, dass das Pigment von dicht stehenden, sehr kleinen, fast kreisrunden, pigmentlosen Flecken (den 1 Vergl. Seh äff er [22] S, 405. - Bezüglich der Nomenklatur vergl. Schaff er [20J S. 193 Anmerkung. 263 Ursprungsstellen der Haare) unterbrochen ist, was besonders bei der v;n\ öbscura hervortritt, erinnert E. arborea an E. marginata (Tüllb.). Man kann sich die var. obscura aus der letzteren durch teilweises Schwinden dos Pigments hervorgegangen denken. Doch scheint eine Verbindung beider heutzutage nicht mehr zu existieren. Wenigstens habe ich unter zahlreichen Exemplaren der B. marginata var. pallida Krausbauer keine solchen gefunden, welche zu K. <>rm gerechnet werden könnten. Die geschilderte unterbrochene Pigmentierung findet sieh übrigens auch bei der nahe verwandten /.'. intermedia Bbook, von welcher ich infolge der Güte des Herrn Prof. Parona Brook'scIic Exemplare untersuchen konnte, sowie die E. hexfasciata Habvey, welche mir Herr J. W. Folsom freundlichst zugänglich machte. Vor- handen sind die kreisrunden hellen Flecke endlich auch bei E. corti- cälis (Nie.) und E. pulchella Kidley, aber sie stehen dort weniger dicht. E. corticalis Nie. a. forma prineipal i s. Diagnose 1 : Gelb. Zeichnung blauschwarz. Lateralbinden von Th. II bis auf Abd. III reichend. Th. II und III mit schmaler Hinter- randbinde, Th. II ausserdem mit Vorderrandbinde. Diese Binden an die Lateralbinden stossend und mit ihnen eine schwarze Umrahmung von Th. II und III bildend. Abd. I und II ohne dunkles Pigment, abgesehen von den Lateralbinden. Abd. III mit breiter Hinterrand- binde, welche oft fast bis zum Vorderrand reicht. Abd. V und VI ganz oder grösstenteils schwarz. Fundnotiz: Urach, Moos, Holz und Rinde, August 1896. 28 Exemplare. Bemerkung zur Diagnose: TullberCt giebt an, dass Abd. III ganz schwarz ist. Doch zeigt schon die NicoLET'sche Figur (Taf. 8 Fig. 3) , dass es sich nur um eine , allerdings manchmal fast den ganzen Rückenteil des Segments erfüllende Hinterrandbinde handelt. Ferner soll nach Tullberg Abd. V und VI ganz schwarz sein. Ich fand jedoch immer nur grössere Teile schwarz. b. E. corticalis (Nie.), var. pallida n. var. (Fig. 30). Diagnose: Gelb. Zeichnung blauschwarz. Lateralbinden manch- mal in Flecke aufgelöst. Th. II mit Vorderrandbinde. Hinterrand- binden von Th. II und III fehlend oder in Flecke aufgelöst. Hinterrandbinde von Abd. 111 meistens schmal, zuweilen verwaschen. 1 Nur bezüglich der Zeichnung, d. h. soweit sie zur Abtrennung der var. pallida nötig ist. — 264 Querbinde von Abd. IV in Flecke aufgelöst. Abd. I und II zu- weilen mit undeutlichen, schwach pigmentierten Flecken. Fundnotizen: Urach, unter Holz, August 1896, 1 Exemplar. Ludwigsburg-, Apt'elbaumrinde (sehr trocken!), 30. Juli 1890, 1 Exemplar. Ludwigsburg, Moos und Rinde im Osterholz, August 1896, 1 Exemplar. Bemerkungen zur Diagnose: Alle 3 Exemplare stimmen darin überein, dass die Hinterrandbinden von Tb.. II und III fehlen oder in Flecke aufgelöst sind. Bezüglich der Hinterrandbinde von Abd. III sind alle 3 verschieden. Bei dem Uracher Exemplar erfüllt dieselbe die hintere Hälfte von Abd. III , bei dem einen Ludwigs- burger Stück ist sie nur ein sehr schmaler (aber vollständiger) Streifen, bei dem anderen Ludwigsburger Stück endlich ist sie schmal und in der Mitte verwaschen. Bei allen giebt das Vorhandensein dieser Hinter- randbinde den Grund für die Zuordnung derselben zu JE. corticalis ab. Die Querbinde von Abd. IV ist bei den 3 Exemplaren stets in einzelne Flecken (2 bis 4) aufgelöst. Die Lateralbinden, welche bei der f. prhicipalis auf Th. II bis Abd. III vorhanden sind, finden sich nur bei dem stärker pigmentierten Ludwigsburger Stück als Binden, sind bei den beiden anderen jedoch durch einzelne Flecke ersetzt. Die in der Diagnose erwähnten schwachen Pigmentflecken von Abd. I und II , welche bei E. corticalis f. principalis ganz fehlen , finden sich nur bei dem Uracher Stück, und zwar auf Abd. I in der hin- teren Hälfte, auf Abd. II in der vorderen Hälfte. Alle 3 Exemplare sind von ganz besonderem Interesse, weil E. corticalis bisher als eine wenig variierende Art angesehen werden konnte , ebenso wie ehedem auch die E. nivalis , auf deren Varia- bilität ich schon früher [20] hinwies. E. muscorum (Nie. 1841), nee Tullb. 1871. Syn. : E. intermedia var. elongata Brook 1883. E. orchesello'ides Schäffer 1896. Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen. August und September 1887, Prof. Lampert leg., viele Exemplare. Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen, 14. April 1893, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Neckarweihingen, Juli 1894, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Urach, Gebüsch, August 1896, 22 Exemplare. Ludwigsburg, Gebüsch im Osterholz, August 1896, 5 Exemplare. Ludwigsburg, unter Moos und Rinde im Osterholz, 12 Exemplare. Bemerkungen zur Synonymie: Schon bei Aufstellung des Namens E. orchesello'ides [20] habe ich darauf aufmerksam gemacht, — 265 dass 73. intermedia Brook var. elongata Brook |1| eine helle Varietät von ^. orchesello'ides sein könne. Ich habe seither von Herrn Prof. llii n i; zur Ansicht mehrere Tiere empfangen, welche von Wien, aus Ungarn und ans Lothringen stammen, welche alle helle Formen von /•,'. orchesello'ides sind und von Prof. Reuter als „E. intermedia var. elongata", ..!'. elongata" und „13. intermedia" bezeichnet sind. Der Umstand, dass ein so guter Kenner der Collembola wie Prof. Reuter •offenbar selbständig zu derselben Determination gekommen ist, wie ich sie früher als Vermutung aussprach , veranlasst mich , meine E. orcheseUoides nunmehr mit Bestimmtheit der BROOK'schen „Varie- tät" gleichzustellen. Anderseits weisen aber die langen Antennen und das lange Ant. IV jener BROOK'schen Form darauf hin, dass wir es nicht mit einer Varietät der E. intermedia , sondern mit einer selbständigen Art zu thun haben, welche danach /'.'. elongata Brook heissen könnte. Nun bildet aber Nicolet |16| unter dem Namen Dege&ria muscorum Nie. (Taf. 8 Fig. 10) eine Form ab, welche ich früher mit Ludbock [12] für eine junge Orchesella gehalten habe. Vergleiche ich Nicolet's Beschreibung und Figur jedoch mit meinen Beobachtungen über die oft sehr schwache Entwickelung der Zeich- nung von E. orcheseUoides und mit Brook's Abbildung der E. inter- media var. elongata . dann wüsste ich keinen stichhaltigen Grund für die Trennung von E. muscorum Nie. und E. elongata Brook zu rinden. Denn wenn auch in Nicolet's Figur Ant. IV zu kurz ist, so darf darauf kein Wert gelegt werden, da Ungenauigkeiten in der Wiedergabe der Antennengliederung bei Nicolet mehrfach vor- kommen. Bezeichnen wir nun aber E. orcheseUoides in Zukunft als E. muscorum (Nie.), so muss für E. muscorum (Tullr.) nun- mehr der Name E. nicoletii Lubb. gelten, der von Lubbock 1867 für die eine Form der Art aufgestellt wurde, während die von TullberCt neu bekannt gegebene, aber mit der Art E. muscorum Nie. fälschlich identifizierte Form als var. muscorum Tullr. bezeichnet werden muss. 11. Gen. : Orchesella Templ. Während bisher die Orchesella- Arten sich nur vermittelst der Unterschiede in der Zeichnung trennen Hessen, ist es mir gelungen, 3 andere recht konstante Unterscheidungsmittel aufzufinden, welche zwar nur schwierig zu verwenden sind, aber in Ermangelung son- stiger Differenzen mit Freuden zu begrüssen sind. Es sind folgende Längenverhältnisse : 266 — 1. das Verhältnis der Länge der unteren Kralle zu dem Ab- stand des Aussenzahnes dieser Kralle von dem distalen Ende; 2. das Verhältnis der Länge des Keulenhaares der Tibien zu der Länge der oberen Kralle ; 3. das Verhältnis der Mucrones zur Länge der unteren Krallen des 3. Beinpaares. Was das Hauptunterscheidungsmittel, den Aussenzahn der un- teren Kralle betrifft, so steht derselbe bei 0. aUicola, 0. hifasciata und 0. cincta in der Distalhälfte der Kralle, bei 0. villosa, 0. rufes- cens und 0. quinguefasciata l in der Proximalhälfte. Genauer lässt sich die Stellung bestimmen durch das unter 1. genannte Verhältnis, in welchem die Länge der unteren Kralle gleich 1 gesetzt wird. Es ist nicht meine Absicht, von den nachher anzuführenden Arten vervollständigte Diagnosen zu veröffentlichen. Das behalte ich mir für eine grössere, in nicht zu ferner Zeit erscheinende Arbeit vor. Ich begnüge mich daher damit, die genannten Unterschiede in der folgenden tabellarischen Übersicht vorläufig mitzuteilen. Länge der Mucrones zur Länge der unteren Kralle zur; u Lan*»e der Entfernung des I T°^eren .Kraile fur I Länge der unteren Aussenzahnes von I LaDSe des K®u .' i Kralle des 3. Bein- der Spitze. \ naars der Tlbla- \ paares. 0. alticola Uzel . . . 0. bifasciaia Nie. . . 0. cincta (L.) .... 0. villosa (Fabr.) . . . 0. rufescens (Wulfen) 0. quinquefasciata (Bourl. 1 : 0,38 (ca.) 1 : 0,38 (ca.) 1 : 0,46—0,49 1 : 0,53—0,57 1 : 0,59—0,68 1 : 0,66-0.70 1 : 0,9 (ca. | 1 : 0.8 (ca.) 1 : 0,65 (ca.) 1 : 0,50—0,60 1 : 0,80—0,85 1 : 0,65—0,75 1 : 3,4 (ca.) 1 : 2,5 (ca.) 1 : 2 -2,5 1:1,8 (ca.) 1 : 2,25-2,75 1 : 2,25-2.75 Hinzuzufügen ist nur noch : 1 . dass die betreffenden Verhält- nisse natürlich nur durch Rechnung aus genauen Messungen mit dem Mikrometer (Okularmikrometer) sich ergeben , 2. dass diese Messungen äusserst vorsichtig auszuführen sind, dass insbesondere das Mass der oberen Kralle stets in der in der Einleitung erwähnten Weise zu nehmen ist. Mir sind die obigen Merkmale für die Zuordnung gewisser Formen zu einer der genannten Arten bereits unentbehrlich ge- worden. So fand ich unter den Exemplaren von 0. alticola aus der Sybillenhöhle eines, bei welchem die Zeichnung so sehr reduziert 1 0. quinquefasciata (Bourx.) ist mir aus der Schweiz und von Heidelberg- bekannt, aus Württemberg noch nicht. Poch kommt sie zweifellos auch dort vor. 267 ist . dass man dasselbe auch zu 0. rufescens var. pallida hätte rechnen können. Die Stellung des Zahnes der unteren Kralle liisst aber nur eine Zuordnung zu 0. dlticola zu. — Ferner liegt mir ein Exemplar von 0. flavescens Boürl. vor (nach der Pigmentierung bestimmt). Da dieses in den o Tabellenmerkmalen ganz mit 0. ru- fescens (Wulfen) übereinstimmt, rechne ich das übrigens auch mit 0. rufescens var. pallida zusammen gefangene Tier als vor. flaves- cens zu 0. rufescens1. Schliesslich zeigen auch Exemplare von 0. spectabilis Tüllbebg, welche mir Herr Prof. Reuter gütigst sandte, so deutlich die obigen Tabellenmerkmale von 0. rufescens, dass ich dadurch in der Einordnung der 0. spectabilis in die Art 0. rufescens als var. spectabilis nur noch bestärkt wurde. (). alticola Uzel. Sybillenhöhle bei der Ruine Teck, an feuchten Wänden am Eingang der Höhle, Juli 1898, H. Fischeb leg., ö Exemplare. Von diesen Exemplaren unterscheiden sich 4 von der Uzel'- schen [27] Abbildung (Taf. 1 Fig. 4) durch deutliche Ausbildung von Querbinden. Das fünfte Exemplar hat nur auf Abd. III und am Kopfvorderrand zwischen den Augen deutliches violettes Pigment. - Eine eigentliche Höhlenform ist diese aus Böhmen (Uzel), dem Riesengebirge (Sciiäffer) und der Schweiz (Carl) bekannt gewordene Art nicht, jedenfalls ist sie im schwäbischen Jura auch ausserhalb der Höhlen aufzufinden. (). bifasciata Nie. Langenau bei Ulm, Oktober 1895, Oberförster Bürger leg., 4 Exemplare. Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen, 28. August 1887, Prof. Lampert leg., 1 Exemplar. Urach, unter abgefallenen Ficbtennadeln, August 1896, 16 Exemplare. Urach, Moos, August 1896, 13 Exemplare. Die Exemplare von Langenau sind offenbar Jugendformen. Bei ihnen ist Ant. I und Ant. III undeutlich abgegliedert. (). cineta (L.). Neckarweihingen, Juli 1K94, H. Fischer leg., 1 Exemplar (var. fastuosa Nie). Stuttgart, Mai 1897, H. Fischer leg., 1 Exemplar (var. fastuosa Nie). Ludwigsburg, Weidenrinde. August 1896, 1 Exemplar (forma princvpalis). Urach, unter Holz, August 1896, 9 Exemplare (forma principalis und var. silvatica Nie, 1 Exemplar var. vaga Fabr.). Urach, Kinde, August 1896, 6 Exemplare (forma principalis). 1 Dieses von Neu-Strelitz stammende Exemplar hatte ich in meiner früheren Arbeit [20] zu var. pallida gerechnet. — 268 — O. villosa (Fabr.). Urach, unter Steinen. August 1896, 1 Exemplar. 0. rufescens (Wulfen). Hasenberg bei Stuttgart, 30. Mai 1890, Graf Scheler leg., 1 Exemplar (var. pallida Reuter). Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen, 14. April 1893, H. Fischer leg., 2 Exemplare (var. pallida). Dachswald, 15. April 1897, H. Fischer leg., 1 Exemplar (forma principalis). Kaltenthai bei Stuttgart, April 1896, H. Fischer leg., 1 Exemplar (forma principalis), 1 Exemplar (var. pallida). Urach, unter Holz, Rinde und abgefallenen Fichtennadeln, im Gebüsch und zwischen Gras, August 1896, 12 Exemplare (forma principalis, var. melanocephala (Nie.) und var. pallida Reuter). Ludwigsburg, Moos und Rinde, August 1896, 6 Exemplare (forma prin- cipalis, var. melanocephala, var. pallida). 11. Gen. : Sira Lubb. a. Subg. S i r a s. str. S. pruni (Nie. 1841), var. buskii Lubb. 1869. Syn. : Sira buslcii Lubb. 1869. Lndwigsburg, Weidenrinde, August 1896. 2 Exemplare. Teinach, Moos 1882, Dr. Wurm leg., 2 Exemplare. S. nigromaculata Lubb. Syn. : S. mimica Harvey 1894. Schon früher habe ich darauf hingewiesen, dass S. buskii Lubb. beträchtlich in der Färbung variiert und schon damals war mir die Vermutung aufgestiegen, dass S. pruni Nie. wohl nichts anderes als eine helle Form von S. buslcii sei 1. Bei wiederholter Untersuchung der hellen Exemplare hat sich diese Ansicht befestigt. Ich glaube auch, dass dasjenige, was Lie-Pettersen als S. platani abbildet, eben- falls in den Formenkreis von S. buskii resp. pruni zu rechnen ist. Wenigstens habe ich Exemplare gesehen, welche dem von Lie- Pettersen abgebildeten Tier sehr ähnlich waren. Der Name buskii muss nach dem herrschenden Gebrauch nun- mehr als Varietätenname verwendet werden, während die Artbezeich- nung durch den älteren Namen S. pruni erfolgen muss. — Interessant 1 Die Abbildung i/raf. 2 Fig. 6) , welche Nicolet von der Schuppe der Degeeria pruni giebt, widerspricht dem allerdings. Doch halte ich dieselbe für irrtümlich, da solche Schuppen bisher bei Sira überhaupt nicht wiedergefunden sind, ebenso, wie ich glaube, dass die Fig. 7 auf Taf. 2 auf Verwechselung beruht (angebliche Schuppen von Orchesella villosa !). 269 ist es übrigens, dass bei der forma principalis die Segmenthinter- ränder manchmal sehr schmale dunkelblaue Streifen haben, sowie, dass das Pigment durch sehr kleine helle Flecke (örsprungsstellen der Haare) unterbrochen ist. Durch beide Eigentümlichkeiten er- innert 8. pruni an /•-. marginata. Fundnotizen: Cannstatt, tinter Rinde von Schwarzpappeln, 23. Februar L893, H. Fischeb le^., ö Exemplare. Sersheim bei Bietigheim, unter Pflaumenbaumrinde, I. August 181*0, l Exemplar. b. Subg. Pseudosinella Schäffer. S. alba (Packard). Syn .: Lepidocyrtus albus Packabd 1873. Tullbergia ocellata Lie-Pettkhskn 1896. Pettersenia ocellata Lie-Pettehsen 1898. Diagnose: Antennen wenig länger als die Kopfdiagonale. Ant. II doppelt so lang wie I, III deutlich kürzer als II, IV so lang wie I und II zusammen. Jederseits 2 Ocellen, beide auf einem gemeinsamen, undeutlich begrenzten, fast kreisrunden schwarzen Fleck (so dass die Ocellen nur nach Zerstörung des Pigments deut- lich gezählt werden können). Obere Kralle mit 2 einander sehr nahen Zähnen, deren proximaler den distalen an Grösse weit über- trifft (was bei Druck auf die Kralle hervortritt). Untere Kralle un- bezahnt, schmal, 2j.A so lang wie die obere, die Zähne der oberen überragend, Tibien am distalen Ende mit einer abstehenden, nicht geknöpften Borste, welche deutlich kürzer ist als die obere Kralle. Abd. IV 3 mal so lang wie III. Dens so lang wie das Manubrium. Mucro kaum halb so lang wie die obere Kralle, mit 2 dorsalen Zähnen und einem Basaldorn. Ungeringelter Teil der Dentes 6 — 7 mal so lang wie die Mucrones. Schuppen an beiden Enden breit, nicht zugespitzt. Farbe gelblich. Länge bis 1 mm. Fundnotiz: Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen, September 1887, Prof. Lampert leg., 1 Exemplar. Bemerkung zur Synonymie: Herr Prof. J. W. Folsom (\ellow Springs, Ohio) hatte die Güte, mir 3 Exemplare von Lepi- docyrtus albus Packard zu übersenden. An diesen stellte ich die Identität mit Tullbergia ocellata Lie-Pett. fest. — Da der Name Tull- bergia (Lie-Pett.) bereits für ein anderes Collembol vergeben ist, schlug Stsciierbakow [25] den Namen Vettersenia vor. Ich würde denselben gern annehmen. Aber nach den Regeln der Priorität muss doch wohl der von mir aufgestellte Name Pseudosinella [21] für die betreffende — 270 — Untergattung von Sira beibehalten werden. — In seiner zweiten Arbeit spricht Lie-Petterse\ |11] davon, dass die Ocellen auf 4 schwarzen Flecken stehen. Dem widerspricht aber sowohl die ältere Figur wie die neue (Fig. 4). Die Angabe ist also wohl irrtümlich. Oder es liegen doch wenigstens je 2 Pigmentflecke paarweise so bei einander, dass sie wie einer erscheinen. c. Subg. Sirode s n. subg. S. lamperti n. sp. (Fig. 31—33). Diagnose: Antennen l°/6mal so lang wie die Kopfdiagonale oder etwas mehr als halb so lang wie der Körper l. Kopf gross, seine Diagonale so lang wie Abd. IV. Ant. I : II : III : IV = 20 : 60 : 63 : 70. Ocellen und Ocellenflecke fehlend. Obere Kralle ohne eigentlichen Zahn , dagegen innen dicht an der Basis mit einem zahnähnlichen Anhang (Fig. 31 und 32). Untere Kralle ziemlich breit, zahnlos, 2/3 so lang wie die obere. Tibien am distalen Ende mit einer auf- fällig abstehenden, nicht geknöpften Borste, welche aber nur x/4 so lang ist wie die obere Kralle (Fig. 32). Abd. IV 4mal so lang wie III. Verhältnis der Manubriumlänge zur Länge der Dentes = 10 : 13. Mucro wenig länger als halb so lang wie die untere Kralle des 3. Beinpaares, mit 2 dorsalen Zähnen und einem Basal- dorn (Fig. 33). Oberseite von Kopf und Rumpf, besonders Mesonotum, mit langen Keulenborsten. Dentes oben behaart, unten mit Schuppen. Mucro von einer Anzahl langer Borsten überragt (Fig. 33). An- tennen und Beine dicht behaart, mit einer grösseren Anzahl besonders langer abstehender Haare. Schuppen oval, an beiden Enden stumpf, Farbe weiss. Länge (bei abwärts geneigtem Kopf) ohne Antennen und Furca bis Vj2 mm. Fundnotiz: Tottsburghühle bei Wiesensteig (schwäbische Alb). Im hin- teren Teile der Höhle an Fledermauskot. 14. Juni 1895, Prof. Lampert, Prof. Fkaas, Dr. Buchner, Fischer, 8 Exemplare, zusammen mit Aphorura paradoxa n. sp. Verwandtschaft: An Höhlenbewohnern aus der Gattung Sira ist bis jetzt nur S. cavernarum Moniez bekannt. Da jedoch nach Carpenter's Angabe Moniez selbst die Identität von Cyphoderus martelli Carpenter festgestellt hat und ich selbst endlich Exem- plare von Cyphoderits martelli, welche mir die Herren Evans (Edin- burgh) und Prof. Carpenter (Dublin) übersandten , als Pseudosinella 1 Da der Kopf abwärts geneigt ist, so kommt für die Körperlänge nicht seine volle Länge in Betracht. 271 immaculata (Lie-Pettersen) erkannt habe, so folgt daraus erstens, dass 8. cavernarum Mx. eine Pseudosinella ist, somit unter keinen Umständen mit S. lamperti identisch sein kann: zweitens, dass S. cavernarum keineswegs eine Höhlenform im strengen Sinne ist, da Lie-Pettersen seine Tullbergia Immaculata unter Steinen (ausser- halb von Höhlen) fand. Die Untergattung Pseudosinella Schäffer(= Tullbergia Lie-Pett.) ist bekanntlich ausgezeichnet durch das Fehlen einer knopfförmigen Verdickung an der langen Tibialspürborste , sowie durch die eigen- tümliche Bezahnung der oberen Kralle, welche mit derjenigen von Sinella (Untergattung von Entomöbrya) übereinstimmt. Das erste Merkmal hat nun auch S. lamperti, während der Bau der oberen Kralle ein durchaus anderer ist. Will man also die gut charakteri- sierte Untergattung Pseudosinella nicht erweitern, so kann S. lamperti in dieselbe nicht aufgenommen werden. Anderseits ist aber S. lam- perti wegen der nicht geknöpften Tibialborsten auch keine Sira s. str., und erst recht keine Pseudosira Schott , denn die Mucrones haben einen gut ausgebildeten Anteapicalzahn. Es bleibt mir somit nur übrig, für diese Art eine neue Untergattung zu errichten und ich schlage dafür den Namen Sirotles nov. subgen. vor. Die unterscheidenden Merkmale dieses Subgenus sind nach dem vorher Gesagten : Mucrones mit 1 Anteapicalzahn und 1 Basaldorn. Obere Kralle ohne eigentlichen Zahn (an der Basis innen mit zahnähnlichem Vor- sprung) 1. Tibialspürborsten nicht geknöpft. Die Gattung Sira Lubb. setzt sich nunmehr aus den folgenden 4 Untergattungen zusammen: 1. Sira Lubb. (s. str.), 2. Pseudosira Schott, 3. Pseudosinella Schäffer, 4. Sirodes nov. subgen. 12. Gen.: Templetonia Tullb. T. nitida (Templ.). Urach, unter Moos und Holzstücken, August 1896, 9 Exemplare. Neckarweihingen, am Neckar unter Steinen, August 189fi. 1 Exemplar. L3. Gen.: Lepidocyrtus Bourl. L. cyaneus Tüllb. Heiligkreuzthal (Schwarzwald), an Pilzen, November 1894. Oberförster Spohn leg., 6 Exemplare. 1 Dieses in Klammer gesetzte Merkmal, welches vielleicht diese Unter- gattung zu sehr beschränkt, ist möglicherweise später zu streichen. — 272 — Wald bei Hohenheim a. d. Fildern, 15. April 1895, H. Fischer leg., 2 Exemplare. Langenau bei Ulm , Moos . ( )ktober 1895 und Januar 1898 , Oberförster Bürger, 4 Exemplare. Urach, unter Moos, Holz und Baumrinde, August 1896, 8 Exemplare. L. assimilis Reuter muss ich nach meinen Erfahrungen immer noch zu L. cyaneus Tüllb. rechnen. Ich glaube jedoch, dass man bei genauer Nachprüfung dazu kommen wird, den Namen L. cyaneus durch einen älteren Namen zu ersetzen. L. lanuginosus (Gmel.) Tullb. Kriegsberg bei Stuttgart, an Weintrester, 1882, E. Hopmann leg., 1 Exem- plar, erwachsen. Wald bei Hohenheim a. d. Fildern, unter Steinen, 9. August 1885, Prof. Lampert leg., 5 Exemplare, verschieden gross. Bopserwald, unter Steinen, September 1887, Prof. Lampert leg., 1 Exem- plar, jung. Bopserwald, 22. April" 1897, H. Fischer leg., 1 Exemplar, erwachsen. Langenau bei Ulm, Moos, 1896, Oktober 1895 und Januar 1898, Ober- förster Bürger, 13 Exemplare, jung. Urach, Moos, August 1896, ca. 20 Exemplare, verschieden gross. Ludwigsburg, Moos und Rinde. August 1896, 10 Exemplare, jung. Auch Lepidocyrtus fucatus Uzel rechne ich hierher aus Gründen, welche denen analog sind, die mich zur Vereinigung von L. cyaneus Tullb. und L. assimilis Reuter veranlassen. Ja, ich gehe nach meinen Beobachtungen an den zahlreichen durch Übergänge mit den erwachsenen Tieren verknüpften jugend- lichen Individuen so weit, L. albicans Reuter für eine Jugendform von L. lanuginosus zu halten. Wenigstens stimmen die jüngsten mir vorliegenden Tiere mit L. albicans Reuter, wovon der Autor selbst mir Exemplare übersandte, völlig überein und von diesen zu typischen (erwachsenen) Tieren von L. lanuginosus habe ich zahl- reiche Übergänge gefunden. L. curvicollis Bourl. Sybillenhöhle bei der Ruine Teck (schwäbische Alb), an feuchten Wänden am Eingang der Höhle, Juli 1898, H. Fischer leg., 6 Exemplare. Diese Tiere entsprechen ziemlich genau solchen , wie ich sie neuerdings in Hamburg in einem Keller an Pilzen beobachtete. Nur besitzen die ersteren ausser an den Antennen, auch am Kopfe (be- sonders zwischen den Augen), sowie an den Coxen violettes Pigment. — Ausser den genannten Höhlentieren finde ich in der Sammlung des Stuttgarter Naturalienkabinets mit der Notiz „Degerloch bei - 273 Stattgart, 28. April 1895, H. Fischeb leg.u noch ein Lepidocyrtus- Exemplar, welches fast alle Merkmale von L. curvicöllis hat, nur die Dentes sind etwas mehr als doppelt so lang wie das Manubrium, während das Verhältnis bei L. curvicöllis 1 B .'., : 1 beträgt. Dass die Schuppen bei diesem Exemplar zum Teil ziemlich dunkelbraun ge- färbt sind, sei, obwohl nicht wesentlich, noch erwähnt. Ich halte das Exemplar für abnorm. L. paradoxus Uzel. Wald bei Bohenheim, unter Steinen, 9. August 1885, Prof. Lambert leg., 1 Exemplar. Kochendorf, 24. August 1897, H. Fischeb leg., 4 Exemplare. 14. Gen.: Cyphoderus Nie. C. albinus Nie. Weg hinter Heslach bei Stuttgart, März 1895. 11. Fischeb leg., 10 Exemplare. Teck (schwäbische Alb), unter Steinen. Juli 1898, H. Fischer leg., 5 Exem- plare, zusammen mit Ameisen lebend. 15. Gen.: Tomocerus Nie. T. pluinbeus (L.). Heiligkreuzthal (Schwarzwald), an Pilzen, 1874, EL Simon leg., ca. 20 Exempl. Bopserwald, unter Steinen, September 1887. Prof. Lampert leg., 5 Exempl. Urach, August 1896, 2 Exemplare. Ludwigsburg. August 1896. 1 Exemplar. Die von Carl [2] beobachtete Variabilität der Krallenbezahnung und Dentaldornen habe auch ich an den obigen und anderen von mir untersuchten Exemplaren der Art beobachtet. Doch bleiben die Charaktere: 2—3 Zähne an der oberen Kralle und 7 — 8 Dornen an den Dentes für die weit überwiegende Mehrheit der Tiere gültig. Ein Hauptmerkmal für T. plumbeus ist schliesslich die lange borsten- förmige Spitze, in welche die untere Kralle ausläuft. T. lubbocki n. sp. Diagnose: Antennen etwa so lang wie der Körper. Ant. III sehr lang, ganz geringelt. 6 fast gleich grosse Ocellen jederseite auf fast dreieckigem schwarzen Fleck. Obere Kralle am 1. und 2. Beinpaar mit 3, am 3. Beinpaar mit 2 oder 3 Innenzähnen. Untere Kralle schmal lanzettlich, ohne b orstenförmige Verlängerung, mit 1 deutlichen Innenzahn, proximalwärts von diesem bisweilen noch 1 — 2 kleinere. Spitze der unteren Kralle den distalen Zahn der oberen an allen Beinpaaren etwas überragend , am weitesten am Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. IS — 274 — 3. Beinpaar. Abd. III IV2 — l3/4mal so lang wie IV. Dentes l"V2ma] so lang wie das Manubrium und 7 — 8 mal so lang wie die Mucrones. Dens innen mit 9 — 11 einfachen Dornen , deren proximaler nicht grösser ist als der folgende ; die beiden distalen Dornen am grössten und nebeneinander stehend , die übrigen Dornen in einer geraden Längsreihe . angeordnet und wenig verschieden an Grösse. Mucro zwischen dem proximalen • Zahn und dem Anteapicalzahn mit etwa 9 deutlichen Dorsalzähnen. Farbe ohne Schuppen oder in Alkohol gelb. Länge bis 674 mm. Fundnotizen: Urach, unter Holz, August 1896, 1 Exemplar. Grunbach, 14. Mai 1896, Prof. Lampert leg., 1 Exemplar. Dachswald bei Stuttgart, 15. April 1897, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Verwandtschaft: T. lubbocki steht T. plumbeus (L.) sehr nahe, scheint mir aber durch das Fehlen der borstenförmigen Ver- längerung an der unteren Kralle gut von T. plumbeus verschieden zu sein. Die Zahl der Dentaldornen ist ferner bei allen drei mir vorliegenden Exemplaren grösser als die normale Zahl bei T. plum- beus. Bei den Exemplaren von Urach und vom Dachswald beträgt sie 9, bei demjenigen von Grunbach 11. Die Bezahnung der oberen Kralle unterliegt ähnlichen Schwankungen wie bei T. plumbeus. T. niger Bourl. 1839. Syn. : T. flavescens Tille. 1871. Bopserwald bei Stuttgart, unter Steinen, 14. April 1893, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Langenau bei Ulm, Moos, 1896 und Januar 1898, Oberförster Bürger leg., viele Exemplare. Urach, August 1896, 1 Exemplar. T. vulgaris Tille. (Fig. 34). Degerloch, unter Steinen, 9. April 1893, H. Fischer leg., 4 Exemplare. Bei Stuttgart, Weg zur Stelle, 1. Mai 1895, H. Fischer leg., 1 Exemplar. Neckarsulm, September 1896. H. Fischer leg., 2 Exemplare. Bopserwald. 22. April 1897, H. Fischer leg., 3 Exemplare. Urach, unter Moos, Holz und Bindenstücken, August 1896, viele Exemplare. Einige Exemplare besitzen , besonders am Mesonotum , viel dunkelviolettes, fast schwarzes Pigment. — Die untere Kralle ist nicht, wie Tullberg angiebt, unbewehrt, sondern trägt einen aller- dings nur sehr kleinen borstenförmigen Innenzahn. Die Uracher Exemplare dieser Art befinden sich in sehr ver- schiedenen Altersstadien. Sie boten mir ein geeignetes Material zur Untersuchung der Veränderungen, welche bei dieser Art im Ver- ■111 laufe des postembryonalen Wachstums erfolgen. Geringere Verände- rungen sind schon von einigen anderen Collembolen bekannt, bei '/'. vulgaris aber — und wahrscheinlich auch bei anderen Tomocerus- Arten — sind sie höchst auffallend. Die an b' ausgewählten Exem- plaren beobachteten Merkmale, welche von der Entwickelang ein gutes Bild geben können, stelle ich in folgender Tabelle zusammen. = ~ iß •3 ö ;- :cä — J > ^■3 I 0) . J. : Norges Collembola . In: Bergen's Mus. Aarbog 1896- 11. Derselbe : Apterygogenea in Sogn- und Nordfjord 1897 und 1898 eingesammelt. In: Bekgen's Mus. Aarbog 1898. 12. Lubbock, J. : Monograph of the Collembola and Thysanura. London 1873. 13. Moniez, R. : Notes sur les Thysanoures IV. In: Revue biol. Nord France. V. 3. 1890. 14. Derselbe: Especes nouvelles de Thysanoures trouvees dans la grotte de Durgilan. In: Revue biol. Nord France. V. 6. 1893. 15. Müller. J. : Beitrag zur Höhlenfauna Mährens. In: Lotos. Vol. 9. 1859. 16. N i c o 1 e t , H. : Recherches pour servir ä l'histoire des Podurelles. In : Nouv. Mein. Soc. Helv. Sc. Naturelles. 1842. - 279 - 17. Derselbe Essai sur one Classification des [nsectea Apteres de l'ordre des Thysanoures. In: Ann. Soc. Ent. France (2.) Vol. 5. 1847. 18. Pop pe . S. A. and S c b 8 ffe r, C: l »ie Collembola der Umgegend von Bremen. Abb. Nat. V. Bremen. Vol. l l. L897. 19. Reuter, 0. M.: Collembola och Thysanura etc. In: ftfedd, Soc. Fauna et Flora. Fennica. Vol. 6. 1881. 20. Schäffer, C: Die Collembola der Umgebung von Hamburg and benach- barter Gebiete. In: Mittli. Naturhist. Mus. Hamburg-. Jahrg. 13. 1896. 21. Derselbe«: Apterygoten. In: Ergebn. Hamb. Magalh. Sammelreise. 2. Liefg. 1897. 22. Derselbe: Die Collembola des Bismarck- Archipels. In: A ich. f. Nat. Jahrg. 1898. Vol. 1. 1898. 23. Schiödte, .1. (i.: Specimen I'aunae subterraneae. In: AHi. Danske Vidensk Selsk. (5.) Vol. 2. 1849. 24. Schott. EL : Zur Systematik und Verbreitung der palaearktischen Collembola. In : Svenska Yet.-Akad. Handl. Vol. 25, n. 11. 1894. 25. Stscherbako w, A.: Einige Bemerkungen über Apterygogenea , die bei Kiew 1896—1897 gefunden wurden. In: Zool. Anz. Vol. 21. 1898. 26. Tullberg, T. : Sveriges Podurider. In: Svenska Vet.-Akad. Handl. X. F. Vol. 10, n. 10. 1872. 27. Dzel, H.: Thysanura Bohemiae. In: Sitz. Böhm. lies. Wiss. 1890. Tafel-Erklärung1. Aphorura paradoxa n. sp. Fig. 1. Ein Streiten des 2. Abdominaltergits, um die Verschiedenheit der Haut- kürner zu zeigen, v vorderer, h hinterer Rand des Segments. 2. Hautkörner des Kopfhinterrandes. 3. Ein Analdorn nebst benachbarten Hautkörnern. Achorut es carol/nae n. sp. 4. Furca von der Seite gesehen. 5. 6. Abdominaltergit mit den 4 Analdornen. 6. Ücellen nebst Postantennalorgan. 7. Fuss des 3. Beinpaares. Schott eil a poppei Schäffer. 8. Furca von der Seite gesehen. 9. Ocellen nebst Postantennalorgan. Schott eil a uniunguiculata (Tüllb.). .. 10. Postantennalorgan. stärker vergrössert. 11. Ocellen nebst Postantennalorgan. .. 12. Ende des 6. Abdominaltergits mit den Analdornen. 1 Alle Figuren einzelner Körperteile sind, wenn nicht das Gegen- teil angegeben ist. der guten Vergleichbarkeit halber bei gleicher Ver- grösser ung (Seibert: Objektiv V, okular 0) mit dem Prismen-Zeichenapparat einwarfen. Die Figuren, welche ganze Tiere darstellen, sind bei verschiedenen schwächeren Vergrösserungen gezeichnet. — Ein Pfeil bedeutet die Richtung und Lage der Medianebene des Körpers. — 280 — Isotom a pusilla n. sp. Fig. 13. Fuss des :-5. Beinpaares. „ 13 a. Mucro, stärker vergrössert. 14. Ocellen nebst Postantennalorgan. „ 15. Das ganze Tier von der Seite gesehen. Behaarung nicht dargestellt. Isotoma notabilis Schäffer. .. 16. Ocellenfleck im Umriss nehst Postantennalorgan. Isotoma cinerea Nie. 17. Mucro von aussen gesehen, stärker vergrössert. Isotoma grisescens Schäffer. .. 18. Mucro von innen gesehen. ., 19. Ocellen nebst Postantennalorgan. .. 20. Fuss des 3. Beinpaares. Isotoma muscorum n. sp. .. 21. Mucro von der Seite gesehen, stärker vergrössert. .. 22. Fuss des 1. Beinpaares. .. 23. Fuss des 3. Beinpaares. .. 24. Das ganze Tier von der Seite gesehen. Isotoma schaff er i Kralsbaikr. _ 25. Fuss des 3. Beinpaares. ,, 26. Mucro von der Seite. . 27. Fuss des 1. Beinpaares. B 28. Das ganze Tier von der Seite gesehen. Behaarung grösstenteils nicht dargestellt. Entomob r y a arborea (Tullb.) var. obscura nov. var. Fig. 29. Das ganze Tier von oben gesehen. Behaarung' nicht mit dargestellt. Entomob ry a corticalis (Sic.) var. paliida nov. var. „ 30. Das ganze Tier schräg von oben von der Seite gesehen. Behaarung nicht mit dargestellt. Sira (Sir od es n. subg.) lamper t i n. sp. ' ., 31. Obere Kralle von unten gesehen. „ 32. Fuss des 3. Beinpaares. ., 33. Ende der Furca von der Seite gesehen. To m ocerus r ulga r is (Tullb.). „ 34. Ganz junges Tier von der Seite gesehen. Behaarung nicht mit dargestellt. Sminthurus albus n. sp. „ 35. Antenne. .. 36. Furca von der Seite. ., 37. Fuss des 1. Beinpaares. _ 38. Fuss des 3. Beinpaares. Beiträge zur Molluskenfauna Württembergs. Von Mittelschullehrer Geyer in Stuttgart. Seit dem Jahre 1894, in welchem der Verfasser in diesen Jahresheften eine Zusammenstellung der aus Württemberg bis dahin bekannt gewordenen Weichtiere gegeben und ihre Verbreitung über die einzelnen Landesteile klarzulegen versucht hatte, haben einige Beobachter und Sammler sich bestrebt, neue, bisher nur oberfläch- lich bekannte Gebiete, in welche sie entweder durch ihren Beruf geführt wurden oder welche sie geflissentlich aufsuchten, nach Weich- tieren zu durchsuchen. So sind in den letzten 6 Jahren die Schal- tiere aus den Umgebungen von Vaihingen a. Enz , Marbach a. N., Backnang und Blaubeuren bekannt geworden. Wenn auch in keinem der Gebiete überraschende Entdeckungen gemacht wurden oder keiner der Sammler für sein Verzeichnis den Anspruch auf absolute Vollständigkeit erhebt, da jeder sich bewusst ist, welche Sorgfalt und Ausdauer und welcher Zeitaufwand erforder- lich ist, auch nur einen kleinen Bezirk mit einiger Gründlichkeit zu erforschen, so sind die Ergebnisse es doch wert, festgehalten zu werden , da sie uns dem Ziele einer gleichmässigen Kenntnis des ganzen Landes näher führen und insbesondere für eine künftige Neu- bearbeitung der Oberamtsbeschreibungen als Vorarbeiten in Betracht gezogen werden können. I. Aus der Umgebung von Vaihingen a. Enz. Alles, was wir aus dieser bisher nicht erforschten Gegend nun kennen, verdanken wir dem Eifer und den Bemühungen des Herrn Stettner, Lehrers in Vaihingen a. E., der im Frühjahr 1894 und 1895 die Anspülungen der Metter, Schmie, Enz und des Brünneles- bachs gesammelt und dem Verfasser zur Durchsicht und Bearbeitung überlassen hat. Ausserdem hat genannter Herr auch an einigen — 282 — Orten lebende Schnecken gesammelt und mich damit in die Möglich- keit versetzt, ein ungefähres Bild von der Molluskenwelt in der Um- gebung der unteren Enz zu gewinnen. Herr Stettner hat damit einen von mir einmal in einer öffent- lichen Versammlung ausgesprochenen Wunsch erfüllt, der dahin ging, es möchten diejenigen Mitarbeiter an der Erforschung unserer vater- ländischen Natur, die selbst nicht in der Lage sind, besondere Auf- merksamkeit dem von mir behandelten Gebiete zuzuwenden, doch wenigstens das hin und wieder im Frühjahr von den hochgehenden Flüssen zusammengeführte Material an Molluskenschalen sammeln und mir zusenden. Ich überschätze den Wert einer derartigen Natur- erforschung gewiss nicht (vergl. dies. Jahresh. 1894. S. 73 f.); aber sicherlich giebt sie uns, wenn auch eine lückenhafte, so doch eine zuverlässige Kenntnis von der Verbreitung derjenigen Arten, die von Hochwassern zusammengetragen werden können. Für manche Arten geben sie uns neue , fast nur auf diese Weise zu erlangende Auf- schlüsse. Ich möchte daher wünschen, das Beispiel des Herrn Stettner würde Nachahmung finden. Die grosse Mehrzahl der nachstehend aufgezählten Arten kam im Geniste mehrerer der oben genannten Flüsse vor; bei solchen, welche sich nur im Auswurf eines einzigen fanden, ist derselbe mit Namen aufgeführt. Das auffallende Fehlen mancher weitverbreiteten Art erklärt sich aus dem Moment der Zufälligkeit, das dem Material der An- spülungen mehr oder weniger anhängt, und aus den früher ange- gebenen Gründen (dies. Jahresh. 1894. S. 73). Es wurden gefunden : Hyalina cellaria Müll., nitens Mich., crystallina Müll. Zonitoides nitida Müll. Patula rotundata Müll., pygmaea Drp. (Brünnelesbach). Hcli x pulcliella Müll., costata Müll., obvolwta Müll., hispidah., incarnata Müll., lapicida L., arbustorum L., erieetorum Müll., candi- dula Stüd., nemoralis L., hortensis Müll., pomatia L. Buliminus dctritus Müll., tridens Müll. (Enz), montanus Drp., öbscurus Müll. Cochlicopa lubrica Müll, (aus der Schmie ein linksgewundenes Exemplar). Caecilianella acicula Müll. Pupa frumentum Drap., secale Drp. (nur 1 Stück aus der Enz), muscorum L., minutissima Hartm. (Brünnelesbach), antivertigo Drp. — 283 — (ebendaselbst), pygmaea Dep., pusilla Müll., angustior Jeffb. (Brün- nelesbach). Clausula biplicata Mont., parvüla Stud., ygwdHcosa Dbp., fäweo- A//a Held, pl'unixla Drp. (die drei letzten aus der Metter). Succmea putris L. Vfeifferi Rossm., oblonga Drp. Carychium minimum Müll. (Enz). Limnaea stagnaUs L. forma typica et forma uriiHirin Colbeac (Hungerform) in einem Weiher in den Weinbergen bei Vaihingen, auricularia L. gross (Enz), worta Drp. (Enz), pa/usfris Müll. (Sumpf zwischen Sersheim und Hohen-Haslach), truncatulq Müll. Planorbis carmatus Müll. (Enz), rolumloltis l'om. (Metter), oZöws Müll. (Enz). Bythinia tentaculata L. Calyculina lacustris Müll. (Enz). Pisidium fossarinum Cless. Neue Aufschlüsse giebt uns vorstehendes Verzeichnis bezüglich der P^, 0. 0. 0. 4. 5, 0. 0. 3. 0. 0, 1. 2. 3. 4. 5, 1. 2. 3. 4. 5, 0. 0. 3. 4. 5. An der Strasse von Bietigheim zur Kammgarnspinnerei sammelte Stokz 73 Exemplare, davon waren 32 ungebändert, 21 zeigten die Bänderung 0. U. 3. 0. 0, 20 die Formel 0. 0. 3. 4. 5 ; dieses Bei- spiel zeigt am deutlichsten das Verhältnis der Formen zu einander ". 1 E. v. Härtens giebt bei dieser Art auch ..Steinlieinr an. Ich war nun früher (diese Jahresh. 1894, S. 100 f.), als es mir noch an weiteren Nach- richten über das Vorkommen der candicans im Muschelkalk fehlte der Meinung, es handle sich hiebei um Steinheim bei Seidenheim, weil von dort diese Art schon 1866 in die Vereinssammlung kam: nachdem nun alter Sermann die candicans bei Steinheim a. Murr gefunden hat, bin ich nicht mehr im Zweifel darüber, dass v. Maitens auch das letztere Dorf gemeint hat, zumal in seinen Aufzeichnungen Klein-Ingersheim , Hessigheim, Steinheim und „Murr bei Stein- heim" des öfteren genannl sind. Er hat also in dieser Gegend mehrfach gesammelt. 2 Helix sävatica wurde von Hermann bei Muri angesiedelt; die Art hat sich bis jetzt gehalten. — 286 — 30. Hellx pomtttia L. Übereinstimmend machten beide Sammler die Beobachtung, dass die Art im Freiland etwas klein bleibe. 31. Bulimhius detritus Müll., häufig. 32. ,, Jridens Müll., bei Pleidelsheim an 2 Orten, auch im Murrgeniste. 33. Buliminus montanus Drp., sehr selten, Stokz fand die Schnecke gar nicht, Hermann wenige Stücke in einer Hecke. 34. Buliminus obscurus Müll., selten, an Grasbüschen. 35. Cochllcopa lubrlca Müll., gemein, im Ried auch Albinos. 36. Caeeillanella aelcula Müll., häufig im Geniste; am 4. Juli 1899 fand Stoez im Schulhausgarten in Pleidelsheim ein lebendes Exemplar an der Wurzel eines Johannisbeerstrauchs. 37. Pupa frumentum Drap., an Böschungen und dürren Abhängen ziem- lich häufig. 38. Pupa avenacea Beug., Felsengärten bei Hessigheim. 3 9. ,, secale Drap., zahlreich. 40. ., muscorumL., nirgends häufig, selbst nicht in den Anspülungen. 41. ,, minutissima Hartm., sparsam, auch im Geniste. 42. ,, pygmaea Drp., im Murrgeniste häufig, sonst nicht zahlreich. 43. ,, edenhda Drp., nur im Neckargeniste. 44. ,, antivertigo Drp., im Ried nicht häufig. 45. ,, pusilla Müll., im Geniste zahlreich, lebend seltener gefunden. 46. ,, angustlor Jeffr., im Ried zahlreich, häufiger als die kleinen Pupen alle. 47. Clausula lamlnata Mont., gewöhnlich. 48. ,, biplieata Mont., gemein. 49. ,, dubia Drp., an alten Weidenstämmen, nicht zahlreich. 50. ,, [Kirrula Stud. , nach biplieata die häufigste Clausilie, an Felsen, Mauern und Bäumen. 51. Clausllla ventricosa Drp.1, sowie 52. ,, lincolata Held und 53. ,, pllcatula Drp. 2, fanden sich nur im Neckarauswurf. 54. Succinea putris L., ferner 55. ,, Pfelfferi Rossm. und 56. ,, oblonga Drp., bei Murr, die letztere spärlich. 57. Caryclilum minlmum Müll., sehr häufig sowohl lebend als angespült. 58. Limnaea stagnalis L. , vor einigen Jahren noch die typische Form und die forma arenaria Colbeau — eine verkümmerte Hunger- form — bei Pleidelsheim, jetzt aber ausgestorben. Hermann setzte die Art 1898 in die alte Murr ein, wo sie vortrefflich gedeiht. 59. Limnaea auricularia Drp., im Neckar, unausgewachsen. 60. ,, ovata Drp., häufig. 61. ,, peregra Müll., häufig in der sogen. „Krautschüssel", einem Tümpel im „Forst" bei Bietigheim mit abgefressenen Wirbeln. 62. Limnaea palustris Müll., Höpfigheim. 1 E. v. Märten s, liarbach. 2 E. v. Härtens, Klein-Ingersheim. 287 63. Limnaea truncatula Müll., gewöhnlich. 64. Aplexa hypnorum I... sehr zahlreich in grossen und schönen Exem plaren in der alten Murr; im niessenden Wasser des Riedgrabens. 65. Planorbis marginatus Dbp., in einem Weiher bei Murr. iiii. ,, carinatus Müll., Bietigheim. 67. ,, rotundatus Pont., zahlreich in Altwassern. 68. ,, contortus L., in der Murr selten, im Seebach bei Mundels- heim, bei llüpfigheim und Bietigheim. 69. Planorbis albus Müll., sparsam in der Murr und im Neckargeniste. 70. ,, crista L., sowie 71. ,, complanatus L. und 72. ,, nitidus Müll., im Geniste. 73. Ancylus fluviatilis Müll., Murr, Neckar, Enz. 74. ,, hieltst ris L., selten bei Murr. 75. Acme pölita Hartm., selten im Neckar- und Murrgeniste. 76. Välvata piscinalis Müll., Neckargenist1. 77. ,, cristata Müll., spärlich lebend im Ried, ausserdem im Geniste. 78. Bythinia tentaculata L. , im Neckar, der Murr und der Enz an Steinen im fliessenden Wasser, im Riedgraben, in der alten Murr. 79. Vitrella päluckla Benz, im Geniste des Neckars und der Murr mit anderen, noch nicht untersuchten Vitrellen. 80. Neritina fluviatilis L., Enz, Mühlkanal bei Pleidelsheim, einzeln im Neckar. B. M u schein. 1. Anodonta mutabüis Clessin, in der sogen. Schleuse bei Pleidelsheim in Menge in glänzend bläulichgrünen, gestrahlten Exemplaren, zur forma piscinalis L. gehörend ; seltener und schmutzigbraun im offenen Neckar ; in der Murr zahlreich und zwar ebenfalls die forma piscinalis L. 2. Anodonta complanata Zgl., Enz bei Bietigheim. 3. Unio pictorum L. kommt je nach dem Standort in 2 verschiedenen Formen vor : a) in der Schleuse bei Pleidelsheim, in fliessendem, klarem Wasser mit tiefem Schlamm, welcher alle paar Jahre entfernt wird, ge- deiht eine langgestreckte , parallelrandige , hellgelbe Form in grosser Anzahl ; b) in einem stagnierenden Altwasser bei Geisingen, das mit Pflanzen reich durchsetzt und von den Blättern der Teichrose {Nuphar luteum Sm.) bedeckt ist, lebt eine ziemlich grosse, schmutzig- braungelbe, von dunklen Zuwachsstreifen durchzogene, nach hinten sich zuspitzende Form, welche den pictorum aus dem Main ähnlich ist. Die Exemplare der Enz sind denjenigen der Schleuse ähnlich, haben aber zerfressene Wirbel. 1 E, \. .Mar tcns und die Vereinssammlung geben für piscinalis auch Mundelsheim an; von diesem Fundort liegl auch Valv. antiqua Sow. in derVer- einssammlung, vergl, übrigens diese Jahresh. 1894, S. 130 f. — 288 4. Unio tumidus Phil., sehr spärlich im Altwasser bei Geisingen. Die Exemplare sind in Form und Farbe der dort lebenden •pictorum ähnlich, unterscheiden sich aber durch grössere Breite des Vorder- teils , durch die zuweilen auftretende deutliche , grüne Strahlung und vor allem durch die charakteristische Wirbelskulptur. 5. Unio batavus Lam., typische Formen im Neckar und in der Bottwar; daneben kommt in beiden Flüssen noch eine dickschalige Form vor, welche schon Rossmässleb aus der Bottwar erhielt und als U. consentäneus beschrieb und abbildete. In der Murr finden sich nur kleine Formen. (3. Sphaerium rivicölum Leach, im Neckar, selten und nicht in der vollkommenen Entwickelung wie bei Heilbronn. 7. Sphaerium corneum L., Neckar. 8. Cah/cidina lacustris Müll. , in Gräben bei Pleidelsheim , in der alten Murr. 9. Pisidium fossarinum Cless., Neckargenist. 10. ,, pallidum Jefeb., Neckargenist. 11. ,, pusillum Gmel., im Ried. Zum Schluss sei es gestattet, auf diejenigen Arten noch be- sonders aufmerksam zu machen, die durch die Art ihres Vorkommens oder durch ihr Fehlen und durch ihr Verhältnis zu den übrigen vor- kommenden Arten der Marbacher Fauna ein bestimmtes, charakte- ristisches Gepräge geben. Es soll der Versuch gemacht werden, dem voranstehenden Verzeichnis einige Linien zu entnehmen , aus welchen sich ein ungefähres Bild der Molluskenfauna des behandelten Gebiets zusammenstellen lässt. Es sind positive und negative Linien, eine Reihe von Arten , die hier besonders hervortreten und deren Erscheinen, wenn wir von den Durchschnittsverhältnissen des ganzen Landes ausgehen, uns sogleich in die Augen fällt, und eine Anzahl von Arten, die zurücktreten , gleichsam unter den Durchschnitt ge- sunken sind. Es herrschen vor oder überraschen durch die Art ihres Er- scheinens: Vitrina brevis, Hyalina radiatula, Patida ruderata, Helix candicans, hortensis und nemoralls, Buliminus tridens, Papa fru- mentum, avenacea, secale, angustior. Clausula parvula, Valvata pis- cinalls, Nerltina fluviatilis, Unio pictorum und tumidus, Sphaerium rivicölum. Es treten zurück oder fehlen : Vitrina pellucida und diaphana, Helix obvoluta, per Sonata, rufescens und lapieida, Buliminus mon- tanus und obscurus, Pupa pygmaea und muscorum, Clausula ventri- cosa, lineolata, pllcatula und cruciata und endlich bleibt H. pomatia im Freiland gerne klein. — 289 — Herbeigeführt sind diese Erscheinungen durch den Kalkreichtum des Geländes, durch den höheren Wärme- und Trockenheitsgrad des Bodens, durch d;i>. Vorhandensein eines grösseren, ruhigen Fluss- laufs und durch die schon eingangs erwähnte Zurückdrängung des Waldes im Gebiet. Der Muschelkalk bringt nicht nur die kalkliebenden Arten Pupa frumentum, avenacea und secalc und Clausula parvula gleichsam von selbst mit. sondern er ist auch neben der geringen vertikalen Er- hebung des ganzen Unterlandes die Ursache einer höheren Temperatur und grösseren Trockenheit. Daher sind unsere Wärme und Trocken- heit liebende Arten nahezu vollständig hier zu Hause: Helix strigella, ericetorum, candicans und candidula, Buliminus tridens und P/t/m frumentum (nur Helix striata Müll, fehlt), und ich vermute, dass deshalb auch Vitrina pellucida und noch mehr diaphana in den Hintergrund treten, weil sie niedere Temperaturen lieben, die letztere als Gebirgsschnecke in den Alpen bis zu 2000 m Höhe emporsteigt. Andererseits liebt Vitr. brevis mehr die Wärme. Ihr Hauptverbrei- tungsbezirk liegt am Südfuss der Alpen , und ihr Wohnkreis nörd- lich derselben bildet eine kleine Insel im wärmsten Teile Südwest- deutschlands. Der Neckar beherbergt, und zwar, wie es den Anschein hat, gerade in der Nähe von Marbach und Pleidelsheim zum erstenmale, diejenigen Arten, die einen ruhigen Flusslauf beanspruchen : Neritina ßuviatilis, Unio pictorum und tumidus und Sphaerium rivicolum. Zu diesen gesellt sich noch Valvata piscinalis, welche ebenfalls ruhiges Wasser liebt, aber auch mit solchem kleiner Gewässer sich begnügt. Einen weitgehenden Einfluss übt die Bebauung des Bodens, in unserem Fall die Zurückdrängung des Waldes auf die Gestaltung des Molluskenlebens. Die Waldschnecken, die es entweder lieben in feuchter Schattenluft an Bäumen aufzusteigen oder zwischen und unter Steinen und Geröll, unter totem Laube zu leben, sind in ihrer Entwickelung gehemmt und deshalb sparsam anzutreffen : Helix obvoluta. pcrsonafd. rufescens und lapicida, Buliminus montanus und -ih-scuras, Clausilia ventricosa, lineölata, plicatula und cruciata. Auch Helix pomatia ist ausserhalb des Waldes mehr als ihr zusagt der Wärme und Trockenheit ausgesetzt und bleibt in der Entwickelung zurück. Das Vorkommen von Patula ruderata ist, obwohl die Schnecke in den Alpen und im hohen Norden zu Hause ist, nicht auffallend, Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wttrtt. 1000. 1!) 290 da sie sich inselartig dem Neckar entlang von Rottenburg bis Heil- bronn ausbreitet. Ein besonderes Gepräge erhält die Marbacher Fauna durch das wechselnde Nebeneinander- und scheinbare Durcheinanderleben der beiden einheimischen Tacheen , H. hortensis und nemoralis. Sie bleiben zwar auch hier ihrer sonst beobachteten Gepflogenheit treu, dass in bestimmt zu begrenzenden Kreisen eine Art die Vorherrschaft führt, aber die Kreise sind klein und lassen auf den ersten Blick ein Gemischtsein beider Arten annehmen. Während ich beispielsweise in dem massenhaften Weidengebüsch im Neckarthal von Tübingen bis Plochingen unter vielen Tausenden der hortensis nur eine einzige nemoralis antraf, die ich sonst im Schönbuch und in den Wäldern der Albvorebene suchen musste, je Vl2 bis 2 Stunden vom Neckar entfernt, lebt unter der Marbacher Eisenbahnbrücke nemoralis an Büschen und Bäumen, bald aber verschwindet sie und an ihre Stelle tritt, dem WTeg nach Murr folgend, hortensis. Im ganzen ist hortensis in den einzelnen Kreisen zahlreicher an Individuen. Hervorgehoben soll endlich noch werden, dass zwei sonst nicht häufige Schneckchen bei Marbach in grösserer Anzahl auftreten, Hydlina radiatula und Pupa angustior, die letztere sogar die sonst gemeinen Pupa muscorum und pygmaea an Zahl übertrifft. III. Aus der Umgebung von Backnang. Meine Beobachtungen in der Backnanger Umgebung beziehen sich mit geringen Ausnahmen auf das Gebiet des Muschelkalks und der Lettenkohle. Die Murr betritt das Kalkgebiet in der Nähe des Bahnhofs Steinbach, wo plötzlich das bisher weite Thal sich verengt, und die sanft abfallenden, welligen Thalgehänge sich zu steilen Halden zu- sammenschliessen, welche von mehr oder weniger hohen und steilen Felswänden unterbrochen werden. Diese letzteren wechseln mit grosser Regelmässigkeit zwischen den beiden Ufern ; an ihnen bricht sich der Fluss und wird von der vorhergehenden immer der nächst- folgenden zugeworfen. Die leicht abbröckelnden Kalkwände sind ausnahmslos mit Buschwerk und kleinen Wäldchen besetzt und vornehmlich die Orte, wo die Weichtiere zu suchen sind, weil hier die Hauptbedingungen für deren Gedeihen, Wärme, Feuchtigkeit, Schatten und Kalk sich vereinigt finden. Dieselben Verhältnisse finden sich an den Zuflüssen. Diese ■2\n entspringen am Fuss der die Backnanger Muschelkalkebene iialb- kreisförmig im Osten abschliessenden Keuperhügelkette, fiiessen zuerst langsam durch weile. Sache Mulden (Oberweissach, Elietenau u. s. w.) und kommen ersi in regeren Lauf, wenn sie den Muschelkalk er- reichen, durch den sie sich, etwa lj2 Stunde vur ihrer Mündung be- ginnend, eine immer tiefer werdende Thalrinne gegraben haben. So- bald sie den Muschelkalk betreten, bekleiden sich die Thalgehänge mit Laubwald. So komm! von Süden her die Weissach und der Maubach, von Norden der Klöpferbach und Wüstenbach. Aus dem Gesagten lässt sich auch auf die Verbreitung der Wassermollusken schliessen. In den engen und rasch sich ver- tiefenden Muschelkalkthälern, wo die Bäche ein starkes Gefäll haben, können keine oder nur unbedeutende stehende Gewässer sich bilden, die den Wassermollusken als Aufenthaltsort dienen könnten. Lang- sam fliessende Gräben. Tümpel und Teiche sind nur im Gebiete der Lettenkohle und des Keupers zu suchen, in jenen flachen Mulden am Fusse der Eeuperhügel . im Murrthal von Oppenweiler an aufwärts, im Weissachthal von Unterweissach an, im Maubachthal bei Heiningen und dem Dorfe Maubach, im Klöpferbachthal bei Rietenau und ausser- dem in dem leicht eingesenkten Thale des Eckertbaches . der ge- mächlich über die Lettenkohle von Strümpfelbach nach Backnang rinnt und erst kurz vor der Stadt den Muschelkalk entblösst. Im Vergleich mit anderen , von mir früher durchsuchten Ge- bieten sind die Schaltiere um Backnang in ihrer räumlichen Aus- dehnung beschränkt, die Landschnecken auf kleine Waldgruppen und Felsgehänge, die Wassermollusken auf vereinzelte Gräben und Tümpel angewiesen . da grössere Flüsse oder Teiche fehlen. Die reichste Landfauna hat sich im Walde und an den Felsen zu beiden Seiten der Mündung des Klöpferbaches unterhalb der Neu-Schönthaler Mühle entwickelt, dann im untern Maubach- und Weissachthal : die meisten Wasserbewohner weist die an Wasserlöchern und Gräben reiche Um- gebung von Oberweissach und das Mnrrthal zwischen Sulzbach und Oppenweiler auf. Alier auch an diesen Orten ist ein Molluskenreichtum wie im obern Neckarthal oder gar am Albabhang, sowohl was die Arten- ais die Individuenzahl betrifft, nicht zu erwarten. Die Tiere müssen Heissiu gesucht werden, wenn man sich über ihr Vorkommen unter- richten will. Insbesondere gilt das von den Wassermollusken . und ich vermag keinen Grund dafür anzugeben, warum in so vielen Wassergräben . die auf den ersten Blick für den Aufenthalt der 19* 292 — Mollusken geeignet erscheinen, nichts zu finden ist. Ebenso rätsel- haft bleibt mir das beharrliche Fehlen einzelner Arten, wie z. B. der Valvata cristata Müll, und der Bythinia tentaculata L., die doch sonst eine ganz gewöhnliche Beute sind und auch in der Marbacher Umgebung vorkommen. Leider konnte ich meine Untersuchungen in der Umgebung der mittleren Murr nicht zu Ende führen, da sie ursprünglich auf eine längere Reihe von Jahren geplant war und mein Aufenthalt dort nach 4 Jahren ein Ende nahm. Es wäre also vielleicht möglich gewesen , die eine oder die andere Art noch nachzuweisen \ Dem Keuperland habe ich nur einige kurze Besuche abgestattet. Zusammenstellung der einzelnen Arten. I. Schnecke n. 1. Amalia marginata Dkp., Erbstetter Strasse, ü. Limax agrestis L., gewöhnlich. '■>. Arion empirkorum Fee., in Gemüsegärten oft in Menge, da ihnen die Kalkmauern Verstecke bieten. 4. Vitrina pellucida Müll., am Murrufer ziemlich häufig. 5. ,, brevis Fer. 2, spärlich bei Oppenweiler am Ufer eines trocken gelegten Sees , am Murrufer, im Maubachthal , nirgends so häutig wie an der untern Murr. V. diaphana Dkp. habe ich nicht zu Gesicht bekommen. 6. H/jalina cellaria Müll., vereinzelt. 7. ,, nüens Mich., gewöhnlich im Ufergebüsch. 8. ,, radiatnla Gkay, sehr sparsam bei Oppenweiler. 9. ., crystallina Müll., häufig in allen Anspülungen. 10. Zonitoides nitida Müll., nicht häufig. 11. Patida rotundata Müll., überall, aber nirgends zahlreich. 12. ,, pygmaea Dkp., in allen Anspülungen. 13. Hdix aailcata Müll., sehr sparsam im Maubachthal. 14. ,, pulchella Müll, und 15. „ costata Müll., in den Anspülungen, aber nicht in der Menge wie im Neckargenist. H. tenuildbris Br. nicht angetroffen. 16. Helix obvoluta Müll., häufig. 17. ,, personata Lam., zahlreich. 18. ., hispida L., gemein, auch auf Keuper bei Erlach. H. rufescens Penn., in der Oberamtsbeschreibung von 1871 als circinata auf- geführt, habe ich nirgends getroffen; ich vermute, es seien un- vollendete H. incarnata Müll., denen man allenthalben begegnet, irreführend gewesen. 1 Zu meinem Bedauern habe ich die Untersuchungen über die Nackt Schnecken von Anfang an hinausgeschoben, so dass diese nun zu kurz gekommen sind. 2 In der ( tberamtsbeschreibung als elongata aufgeführt. l!i. Jldi.i fruticum Müll., an Becken and sonnigen Waldrändern, nichl so zahlreich wie im Neckarthal. 20. //-/" incarnata Müll., gemein. 21. .. lapicida I... im Wald auf Kalk nicht selten. 22. arbustorum L., den Ufern entlang, seltener als im Neckar- gebüsch: bei Sulzbach auf einer feuchten, schattigen Wiese Exem- plare mit durchscheinender Schale. 2.\. lirli., ericetontm Müll., an trockenen Abhängen und auf Äckern. 24. ,, candidula Stüd., eine Kolonie /wischen dem Marbacher Bahn- damm and der Erbstetter Strasse. 25. H'li, hortensis Müll. a) an Hecken und Zäunen lebhaft gelb und frisch glänzend, fast nur mit gelber Grundfarbe, den Exemplaren vom Neckarthal ähnlich, meist einfarbig, selten gebändert; l>) zahlreich an Buchenstämmen im Wald auf Muschelkalk (unteres Muri- und Klöpferbachthal), hier aber mit allen Merkmalen des Waldaufenthaltes: auffallend kleine Exemplare, die den Eindruck des Veikümmertseins machen, nicht selten, ebenso dünne, durch- scheinende Schalen ; häufigste Grundfarbe lebhaft und glänzend- rot mit Abstufungen zu rosa und weisslichrot , auch mit Bei- mischung von oliv (Übergang zu gelb) ; Lippe meist reinweiss, aber auch Neigung zu rötlich , insbesondere dann , wenn die Grundfarbe einen Stich ins Olivgrüne hat; rote Gehäuse sind nie gebändert; einfarbig gelbe Gehäuse treten gegen die roten zurück, zahlreicher sind gebänderte mit tiefbraunen Bändern in folgender «iruppierung: 1. 2. 3. 4. 5, 1. 0. 3. 4. 5, 1. 2. 0. 4. 5 (1 Stück), 1. 2. 3. 1. 5, 1. 2. :;. 4. 5, 1. 2. 3. I. 5, 1. 2. 3. 4. 5, 1. 2. 3. 4. 5, 1. 2. 3. 4. ö; durchscheinende Bänder auffallend selten. //. Itorteitsis tritt im allgemeinen gegen nemoralis sehr zurück (im Neckarthal umgekehrt). 2tl. JSdix nemorcdds L., an Hecken, Zäunen und Obstbäumen, seltener im Wald ; häufigste Schnecke und charakteristisch für die Gegend ; die gelbe Grundfarbe überwiegt: Bänderung : 1. 2. 3. !. 5, 1. 2. 3. 1. 5 (1 St.), 1. 2. 3. 4. 5 (lSt.), 1. ^- 3. 4. 5, 1. 2. 3. 4. ."> (1 St.), 1- -'• 3. I. f> (1 St.), 0. 2. 3. 4. 5, 1. »>. 3. 4. 5, 1. 2. 0. 1. :> (3 St.), 0. 0. 3. 4. 5 (gewöhnliche Form), 0. 0. 0. 4. 5, 0. 0. 3. 0. 5 (häufig), 1. 0. 3. 0. 5, 0. 2. 0. 4. 5 (1 St.), 1. 0. 0. 0. 5 (1 St.), 0. 0. 3. 4. 0 (1 St.), 0. 0. 3. (t. (i (nicht selten), <>. 0. 0. 0. ". (2 St.), o. 0. 3. 4. 5, 0. 2. 3. 4. 5, 0. 2. 3. 1. ."> (1 St.); auch Exemplare mit einzelnen undeutlichen, unterbrochenen und aufgelösten Bän- dern kommen vor. 27. Hl/u pomatia L., überall; in Backnang besteht auch ein ..Sehnecken- garten'". 28. Bldiminiis detritus Müll., zahlreich an Rainen und Gebüschen in- mitten des bebauten Feldes ; 1 linksgewundenes Exemplar bei Bürg I Winnenden). 294 — 29. Bullmlnus tridens Müll., einzeln im Geniste der Weissach und des Maubachs. 30. Bullminus montanus Dkp., in den Muschelkalkwäldern häufig; auf dem Linderst bei Murrhardt und bei Erlach (Keuper). 31; Bidiminus obscurus Müll., spärlicher an denselben Orten. 32. CochMcopa lubrica Müll., überall, aber nicht so zahlreich wie im Neckarthal. 33. CaecUianella acicula Müll., in den Anspülungen in Menge, häufiger als im Neckargeniste. 34. Pupa secale Dkp., nicht häufig, an Felsen im unteren Murrthal in grossen, schön entwickelten, schlanken Exemplaren, 1 Albino ; bei Wolfsölden. P. frumentum Dep. und avenaeea Beug, werden beide von der Oberamtsbeschreibung angegeben, während secale dort fehlt : ich fand jedoch keine Spur der ersteren und bezweifle ihr Vor- kommen ; ihre Anwesenheit hätte sich doch in den Anspülungen verraten müssen. 35. Pupa muscorum L., in den Anspülungen, spärlich. 36. „ minutisslma Haktm., angespült. 37. ,, edentula Dep., selten im Maubachgeniste. 38. ,, antivertigo Dep., spärlich im Geniste. 39. ,. pygmaea Dep., häufig. 40. ,. pusilla Müll., nicht selten. 41. ., angustior Jeffe., sparsam im Geniste. Die beiden letzten Arten sind um Backnang häufiger als am oberen Neckar, hier wie dort herrscht pusilla vor. 42. Clausula laminata Mont., an alten Weiden, nicht selten, auch bei Erlach. 43. Clausüia Mplicata Mont., im Ufergebüsch. 44. ,, cruciata Stud., im Ufergebüsch des Weissach-, Klöpferbach- und Wüstenbachthales, bei der Bernhaldenmühle im Spiegelberger Thal und bei Erlach. Die Exemplare sind schlanker als diejenigen von der Alb, welche kürzer und bauchiger neben ihnen erscheinen ; auch bleiben sie in der Farbe frisch braun . weil ihre Epidermis nicht so spröde ist und sich auf dem Rücken der Rippen nicht ablöst und dadurch das Gehäuse grau erscheinen lässt wie bei den Albexemplaren. 45. Clausula parvula Stud., sparsam an Felsen im unteren Murrthal, bei Wolfsölden und auf alten Weiden bei Kirchberg a. M. 46. Clausula ventrlcosa Dkp., im Weissachthal, bei Sulzbach und Erlach (Keuper). 47. Clausilia llneölata Hlld, sparsam im Weissachthal. 48. ,, pllcatula Dep., an alten Weiden im Maubachthal zahlreich, bei Erlach. Gl. dubia Dm1. , die bei Marbach anzutreffen ist , bekam ich nicht zu sehen. Die Clausilien wollen gesucht sein ; sie drängen sich in den Buchenwäldern der Muschelkalkabhänge nicht auf, wie in denjenigen des Albabhangs. t9. Succinea }>»i>-i* L., nicht häufig. 295 50. Sucdnea Vfeifferi Rossm., am Wüstenbach auf Blättern der Pestwurz. 51. ,, oblonga Dbp., im Dfergebüsco vereinzelt. 52. Carychium minimum Müll., massenhaft in den Anspülungen. 53. TAmnaea ovata Dbp., in Bewässerungsgräben im Wüstenbachthal, in einem Wasserloch zwischen Unter- und Oberweissach. 54. TAmnaea peregra Mim... zahlreich in einem ßrunnentrog beim Sec- hof (Backnang), im obern Weissachthal; sehr grosse Exemplare, wie ich sie noch nirgends sah, in einem Teiche bei Bürg. i)ö. IAmnaea palustris Müll., Sulzbach, Oppenweiler. 56. ., truncatula Müll., in Menge in einem Strassengraben zwischen Backnang und Strümpfelbach. Die Oberamtsbeschreibung führt L. stagnalis auf. Ich kann mir kein Gewässer denken, in welchem sie leben könnte, als den Schlosssee in Oppenweiler, den ich nicht untersuchte. Dort müssten auch Planorbis contortus und CalycuUna laaustris Müll. (C/jclas caly- culata Dbp.) zu suchen sein, die ich nirgends fand und welche eben- falls von der Oberamtsbeschreibung aufgezählt werden. 57. Aplexa hypnorurn L. , Oppenweiler, Strümpfelbach, Oberweissach, kleine, unansehnliche Exemplare. 58. Planorbis marginatus Dbp., Oberweissach, sparsam. 59. ,, rotundatus Poib. , Oppenweiler, Strümpfelbach, Unter- weissach , Maubach ; von allen Wassermollusken am ehesten zu erhalten. 60. Planorbis albus Müll., Anspülungen der Murr und Weissach. 61. ,, crista L. v. nautüeus L., im Weissachgeniste , in einem Teich bei Bürg zahlreich. Ü2. Planorbis nitidus Müll. Im Maubach bestand 1896 und 1897 in der Nähe der Strasse von Erbstetten nach Backnang eine stattliche Kolonie, die durch ein Hochwasser im Frühjahr 1898 vernichtet wurde ; im ruhigen Eckertsbach konnte ich die Art 4 Jahre hin- durch beobachten. (i'i. Acme pölita Habtm. , spärlich im Geniste aller um Backnang zu- sammenlaufenden Bäche. 6 I . Viircüa. Vitrellen führt , mit Ausnahme des Eckertsbaches , das Geniste aller Backnanger Bäche und zwar sind sie nicht einmal so selten wie im Neckargeniste. Mit ihrer Bestimmung bin ich noch nicht im reinen. Es scheint, dass der zerklüftete Muschel- kalk ihnen die Höhlen bietet, die sie zu ihrem Aufenthaltsort be- anspruchen. Besonders geeignet ist hierzu das Maubachthal, da der Bach etwa 2 km lang, von der Strasse Erbstetten — Maubach bis zu derjenigen von Backnang nach Erbstetten, unterirdisch rliesst und nur nach Schneegängen und ausgiebigen Regenfällen, wenn der Kanal in der Tiefe zu enge wird, das Bett auf der Oberfläche be- tritt und dann die Schnecklein auswirft. iL M ii sc he In. 1. Anodonta mutabüis Cless. ist in der Murr nicht selten und zwar auch unterhalb der Stadt, nachdem das Wasser von den Fäulnis- 296 Stoffen , Giften und Laugen geschwängert ist , welche die Leder- fabriken dem Flusse zuführen. Einen wesentlichen Unterschied zwischen den Exemplaren oberhalb der Stadt im unverdorbenen Wasser und denjenigen aus der dunkelbraunen Flüssigkeit unter- halb der Stadt vermochte ich nicht herauszufinden. Der Form nach bewegen sich die Muscheln zwischen rostrata Kok und anatina L. mit grösserer Neigung zur ersteren. Im Frühjahr 1899 fand ich '1 Stück mit angewachsenen Perlen. 2. Unio batavus Lam., in der Murr sparsamer als die Anodonten, aber auch im Eckertsbach und in der Weissach, wo ich keine Anodonten fand. In der Weissach ist neben der typischen Form auch die dickschalige var. ater Nils., sonst trifft man die kleinen Formen, die man in steinigen und sandigen Bächen erwartet (var. amnicus ZlEGL.). 3. Sphaermm cornenm L. , nur im Oberlauf eines Wiesenbaches beim Ungeheuer-Hof gefunden; kleine Exemplare mit ziemlich flach ge- wölbter Schale. 4. Pisidium fossarinum Cless., da und dort in Tümpeln, auch im Geniste. 5. ,, pusillum Gmel., Oberweissach. <». ,, obtusale C. Pf., Wiesengräben bei Oppenweiler, im Weissach- geniste. 7. Pisidium pulchellum Jen., Wiesengraben bei Sulzbach. Zum Schluss habe ich hier auch eine Versündigung an der Backnanger Fauna zu bekennen. Ich habe nämlich Versuche ge- macht, 3 fremde Arten, die mir in grösserer Anzahl lebend zukamen, und mit denen ich , weil die Exemplare meist unvollendet waren, nichts anzufangen wusste, anzusiedeln. Von Helix austriaca Mühlf. setzte ich 170 aus Böhmen stam- mende Exemplare an der mit Buschwerk besetzten Böschung zwischen der Erbstetter Strasse und der Marbacher Eisenbahnlinie, !/4 Stunde westlich von Backnang, im September 1895 aus. Im folgenden Früh- jahr traf ich noch 1 Stück lebend an, von den anderen bekam ich nie wieder etwas zu sehen, auch keine leere Schale. Aus derselben Heimat und zur selben Zeit verpflanzte ich Helix candicans Ziegl. an die südliche Eisenbahnböschung hart am Wege beim Weissach-Viadukt in der Nähe des Hofes Sachsenweiler. Die Art fand sich in den beiden folgenden Jahren noch lebend dort vor, nahm aber ab; ob die Kolonie sich bis heute erhalten hat, vermag ich nicht zu sagen. Helix vermiculata Müll, aus Oberitalien, die ich 1897 an der warmen Kalkwand am Weissachufer, nur durch den Weg von candi- cans getrennt, da niederlegte, wo der Kanal der AooLFF'schen Spinnerei beginnt, zog sich sofort in ein unzugängliches Gebüsch zurück, Hess 297 sich noch im nämlichen Sommer, später aber nicht mehr sehen. Der Winter, obwohl milde, mag sie getötet haben. Um etwaigen Missverständnissen in der Zukunft vorzubeugen, wenn eine der verpflanzten Arten sich erhalten sollte, lege ich meinr- Angaben in diesen Heften nieder. IV. Aus der Umgebung von Blaub euren. Von der Absicht geleitet, die Molluskenfauna des Südrandes der Alb des näheren kennen zu lernen, nachdem ich über ein Jahr- zehnt meine Aufmerksamkeit fast ausschliesslich dem Nordrand und Albvorland zugewendet hatte, unternahm ich's im August 1894, die Umgebung von Blaubeuren nach Schaltieren zu durchstreifen. Seit- dem habe ich noch zweimal Ausflüge dorthin unternommen, die Aus- beute zu vervollständigen. Ich wählte diese Gegend deshalb, weil die mannigfaltige Ge- staltung des Geländes mir einen grösseren Reichtum an Weichtieren zu versprechen schien , sodann in der Hoffnung , im Wasser Beute zu finden, wenn die Abhänge, Felsen und Schluchten sie mir ver- sagen sollten. Dringt doch gerade in dieser Gegend die Moorfauna Oberschwabens tief in den Körper der Alb ein, und hier haben wir, was am Nordrand des Plateaus 3 — 4 Stunden weit und in einer Vertikaldifferenz von einigen hundert Metern auseinander liegt, in unmittelbarer Vereinigung: sonnigen Fels, feuchte Wiese , ruhigen Wasserlauf. Endlich gestehe ich auch gerne, dass Clessin's Mit- teilungen vom Vorkommen der Cochlicopa columna Cless. und der Valvata depressa C. Pf. in der Umgebung Blaubeurens für das Ziel meiner Exkursionen mitbestimmend waren. Wenn ich nun auch sagen darf, ich habe einzelne Punkte des Gebietes eingehend untersucht — die Abhänge an der Steige nach Seissen, das Rusenschloss , die Blau bei Gerhausen , einige Gräben bei Schelklingen — , so kann und will ich damit keineswegs be- haupten , ich kenne nun die Weichtierfauna Blaubeurens in ihrem ganzen Umfange. Das folgende Verzeichnis ist und bleibt das Er- gebnis von Ferien-Exkursionen. Es wurde gefunden : Vitrina pellucida Müll. II i/d Hu ii cellaria Müll., nitens Mich., fulva Müll. Patula rotundata Müll., rupestris Diu1. Helix obvoluta Müll., personata Lam. (alle. 8 bisher genannten Arten am Rusenschloss), rtifescciis Pkw. (an mehreren Orten), str 298 - an einer Stelle, wo ein Teil des Ermswassers sprudelnd nach unterirdischem Laufe aus einer Kalktuff- höhle hervorbricht und die Tiere genötigt sind, sich an Steinen und Pflanzen festzuklammern, um nicht fortgerissen zu werden. Der geologische Bau und die Bewaldung des deutsehen Landes. Von Oberforstrat Dr. Graner in Stuttgart. (Vortrag, gehalten im Verein für vaterländische Naturkunde am 14. Dez. 1899.! Wenn ich an die Aufgabe herantrete, ein Bild des geologischen Baues und der Bewaldung in dem weitgesteckten, mit den Grenzen unseres deutschen Vaterlandes zusammenfallenden Rahmen in all- gemeinen Zügen zu entwerfen, so darf ich wohl daran erinnern, dass es nur Betrachtungen eines Laien sind, die ich hier bieten kann. Es geschieht in dem Wunsche, einen Gegenstand, welcher vermöge seiner vielfachen Beziehungen zu den Grundlagen des Waldbaues mir selbst anziehend erschienen ist und bei dessen Ausarbeitung ich wachsende Freude empfunden habe, auch anderen näher zu bringen. Angeregt wurde ich zu meinen Studien durch ein neues karto- graphisches Werk, welches von deutschem Forscherfleiss ein glän- zendes Zeugnis ablegt. Es ist die „Geologische Karte des Deutschen Reichs" in 27 Blättern von R. Lepsius. Von demselben Verfasser steht eine umfassende Darstellung der „Geologie von Deutschland" in Aussicht; erschienen ist von dem auf drei Bände berechneten Specialwerk bis jetzt der erste Band, welcher das rheinische Schiefer- gebirge und das oberrheinische Gebirgssystem zum Gegenstand hat. Nicht unerwähnt darf ich eine weitere Quelle lassen, aus welcher ich für meinen Vortrag geschöpft habe. Dieselbe stellt übrigens meine eigene Arbeit dar. Ich habe nämlich in den drei letzten Heften des Jahrganges 1899 des „Forstwissenschaftlichen Centralblattes" unter der Aufschrift: „Der Boden des deutschen Waldes nach seiner geo- logischen Abstammung" eine Abhandlung veröffentlicht, worin ich den vorliegenden Gegenstand in einer dem forstlichen Standpunkte mehr angepassten Form und in grösserer Ausführlichkeit, welche den Rahmen des Vortrags überschreiten würde, besprochen habe. — 303 — Wenngleich ich der Anschauung huldige, dass die natürliche Beschaffenheit, des Verwitterungsbodens, des Trägers unserer Vege- tationsdecke, in inniger Beziehung zu der geologischen Abstammung stehe und deren Kenntnis somit ein unentbehrliches Hilfsmittel für oinen sachkundigen Betrieb der Bodenproduktion bilde, so möchte ich doch schon einleitend dem etwaigen Missverständnisse vorbeugen, als ob ich diesen Zusammenhang für einen so weitgehenden halten würde, dass der einzelnen geologischen Formation eine bestimmte Verteilung der Kulturarten und der Bestandesarten des Waldes ent- sprechen würde. Eine so unmittelbare Beziehung besteht keineswegs. Der mineralisch kräftige Urgebirgsboden trägt Fichte, Tanne und Buche. Tm Gebiet des bunten Sandsteins stehen im Schwarzwald und in den mittleren Vogesen die Nadelhölzer, im Odenwald und im Pfälzer Hardtgebirge, noch mehr im Spessart und im hessischen Waldgebirge, die Laubhölzer im Vordergrund. Auf der schwäbischen Alb ist die Buche die herrschende Holzart, während in dem geologisch ebenso beschaffenen fränkischen Jura, wenigstens in dessen östlichem Teil, die Fichte die Führung übernimmt. Noch bunter ist der Wechsel von Laub- und Nadelholz in der Keuperlandschaft. Wer der Ver- teilung unserer Bestandesarten näher auf den Grund geht, kann sich der Erkenntnis nicht verschliessen, dass dieselbe auf das Zusammen- wirken einer Reihe verschiedenartiger, nicht nur standörtlicher und klimatischer, sondern auch wirtschaftlicher Faktoren zurückzuführen ist, und dass namentlich auch der Einfluss der Umgebung, also benachbarter Waldgebiete, eine unverkennbare Rolle spielt. Ich habe an anderem Orte den Versuch gemacht, auf Grund der Statistik über die Bodenbenützung die Verteilung der Bestandesarten nach bestimmten geographischen Gruppen festzustellen, wobei freilich der Umstand erschwerend einwirkte, dass die Reichsstatistik das Material nur auf der Grundlage der politischen Einteilung enthält. Ohne auf Ziffern hier eingehen zu wollen, möchte ich nur folgendes kurz hervorheben. Im südwestlichen Deutschland nimmt das Laubholz, innerhalb dessen die Buche voransteht, etwas mehr als die Hälfte der Waldfläche ein. Ein ausgesprochenes Laubholzgebiet ist der westliche Teil von Mitteldeutschland. Nordwestdeutschland nimmt eine Mittelstellung ein. Im Osten Deutschlands dagegen treten die Nadelhölzer in die führende Rolle ein, und zwar sind im südöstlichen Deutschland und im östlichen Teil Mitteldeutschlands Fichte und Tanne die herrschenden Holzarten , während das nordostdeutsche Flachland die Heimat der Kiefer (Forche) ist. — 304 — Die Gliederung des Stoffes habe ich in der Weise getroffen, dass der Reihe nach zur Besprechung gelangen sollen : 1. die Alpen und das Alpenvorland; 2. die Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene; 3. die Stufenlandschaft in Lothringen und in Schwaben und Franken ; 4. der schwäbische und der fränkische Jura; 5. das rheinische Schiefergebirge : 6. der Spessart, die Rhön, der Yogelsberg und das hessische Waldgebirge ; 7. der Thüringerwald, der Frankenwald und das Fichtelgebirge; 8. die Gebirgsumwallung des böhmischen Beckens ; 9. der Harz und das subhercynische Hügelland; 10. das norddeutsche Flachland. Den ersten Gegenstand unserer Betrachtung bilden hiernach : 1. Die Alpen und das Alpenvorland. Obgleich ich weiterhin die Absicht habe, die Besprechung auf das räumliche Gebiet des Deutschen Reichs zu beschränken, so wird es doch beim Hochgebirge der Alpen nicht ganz zu umgehen sein, einige Worte allgemeiner Natur über dessen Aufbau hier folgen zu lassen. Wie bekannt, stellen sich die Alpen dar als ein noch jugend- liches, zu gewaltiger Höhe aufgetürmtes Kettengebirge. Die Auf- wölbung der Gebirgskette der Alpen scheint erst in der mittleren Tertiärzeit zum Abschlüsse gekommen zu sein. Dies ist daraus zu schliessen, dass ausser dem krystallinischen Grundgebirge nicht nur die sämtlichen Schichten der palaeozoischen und der mesozoischen Gruppe, sondern auch die älteren Glieder der Tertiärformation selbst in die Gebirgsfaltung einbezogen sind. Der in „Centralmassiven" angeordnete und am höchsten aufgerichtete krystallinische Kern ist teils einseitig, wie in dem grössten Teil der Westalpen, teils zu beiden Seiten, wie in den Ostalpen, von einer aus Sedimentgesteinen aufgebauten Nebenzone umrandet, für welche der vorwaltenden Gesteinsbeschaffenheit wegen die Bezeichnung „Kalkalpen" sich ein- gebürgert hat. Für die Westalpen ist ausser der schon erwähnten Besonderheit, dass dem krystallinischen Kern nur im Norden ein mit diesem enge verwachsener Kalkalpenzug vorgelagert ist, die weitaus vorwiegende Zusammensetzung dieses letzteren aus Gebilden der Jura- und Kreide- — 305 — Formation churakteristisch, während die Trias eine durchaus unter- geordnete Rolle spielt. Im Gegensatz hierzu ist für die Ostalpen ausser der beider- seitigen Umrandung des krystallinischen Kerns durch eine nördliche und eine südliche Kalknebenzone der überwiegende Aufbau dieser beiden Kalkzonen durch mächtige Ablagerungen der Triasgruppe kennzeichnend. Die in den Westalpen im Vordergrunde stehenden jurassischen und cretacischen Formen treten in den Ostalpen zurück. An ihrer Stelle bilden hier die Gesteine der Triasgruppe den Grund- stock der beiderseitigen Kalkzonen, und zwar sind es hauptsächlich Gebilde der Keuperformation , welche in den Ostalpen in ausser- ordentlicher Mächtigkeit, freilich aber in einer von den ausseralpinen Formen völlig abweichenden Facies entwickelt sind. Während in den ausseralpinen Gebieten, so in der schwäbisch-fränkischen Keuper- landschaft, vorherrschend Thone und Mergel mit Sandsteinen wechsel- lagern, tritt uns in den Keupergebilden der Ostalpen ein massiges Kalk- und Dolomitgebirge entgegen, und nur die organischen Ein- schlüsse, vor allem in der den oberen Abschluss bildenden „rhätischen Stufe" , von welcher aus zuerst die Abgrenzung der triassischen Formen der Ostalpen von den jurassischen und cretacischen der Westalpen gelungen ist, verraten das übereinstimmende geologische Alter der alpinen und der ausseralpinen Keuperfacies. Der Schleier über die Ursache dieser völlig abweichenden Gestaltung der alpinen Keuperformen, bei welchen es sich um Tiefseeablagerungen, zum Teil wohl auch um Riff bildungen zu handeln scheint, ist noch nicht genügend gelüftet. Die örtlich vorkommenden, einen Gegensatz zu den unwirtlichen Kalk- und Dolomitschroffen bildenden weicheren Formen, in welchen der Wald und die Weide in den Vordergrund treten, weisen zumeist auf die Mergel und Schiefer verschiedener Formationsglieder hin, so des auch in den Ostalpen noch in einiger Ausdehnung vertretenen Lias. Einen ähnlichen Charakter trägt die den Hochgebirgsrand zusammensetzende alttertiäre Flyschzone, in welcher schiefrige Mergel mit Sandsteinen wechseln ; dieselbe erzeugt die mehr abgerundeten Bergformen an der Grenze gegen das Alpen- vorland. Im nordwestlichen Teil der Allgäuer Alpen, zwischen dem Bodensee und der Hier, beteiligt sich auch die sonst erst das Vor- alpenland ausfüllende Molasse in einem breiten Gürtel am Gebirgs- aufbau selbst. In dem Hochgebirge der Alpen bildet, soweit die Baumregion überhaupt reicht, die Fichte (Rottanne) die weitaus vorherrschende Jahreaheftc d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wttrtt 1900. 20 — 306 — Holzart. Zu diesem für das Hochgebirge charakteristischen Baum gesellen sich unter den Laubhölzern die Buche, der Bergahorn, mehr vereinzelt die Birke, und in den höheren Lagen die Alpenerle. Unter den Nadelhölzern treten der Fichte zur Seite in den tieferen Lagen die Tanne und die Kiefer, in den Hochlagen die Lärche und die Arve (Zirbelkiefer). An der Grenze des Baumwuchses fristet noch die hier als Latsche bezeichnete Krummholzkiefer ihr Dasein. Wir betreten nunmehr das Alpenvorland. Die oberdeutsche, schwäbisch-bayrische Hochebene erstreckt sich vom Bodensee im Westen bis zur Salzach im Osten und füllt den Raum aus zwischen dem Hochgebirgsrand im Süden und dem Bruchrand des schwäbisch- fränkischen Juras und des bayrischen Walds im Norden. Unerachtet der nicht unbeträchtlichen Höhenlage kennzeichnet sich dieses Vor- alpenland geologisch als ein eingesunkenes Becken, in welchem die älteren Schollen in unbekannter Tiefe liegen und nur die jüngeren Gebilde der Tertiärformation, sowie diluviale Anschüttungen an die Oberfläche treten. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Tertiärgebilde der Voralpenlandschaft. Die den Hochgebirgsrand zusammensetzende alttertiäre Flyschzone greift nicht mehr in das Vorland über. Weitaus die Hauptmasse der Tertiärschichten des Alpenvorlands besteht aus Molasse, dem feinkörnigen, weichen, grünlichgrauen Sandstein im Wechsel mit Mergeln und Konglomeraten. Die untere, oligocäne Molasse, welche im schweizerischen Alpenvorland eine Rolle spielt, ist im oberdeutschen Gebiet nur untergeordnet entwickelt. Die Tertiärschichten der schwäbisch-bayrischen Voralpenlandschaft ge- hören vielmehr vorwiegend der miocänen oberen Süsswassermolasse an. Dieselbe ist übrigens in dem schwäbischen Teil des Alpen- vorlands zumeist unter der diluvialen Schuttdecke verborgen und wird nur örtlich von den Gewässern blossgelegt. Wesentlich be- deutender ist aber ihr Vorkommen in dem nördlichen Teil des bayrischen Voralpenlands, in dem Raum zwischen der Münchener Schotterzone und der Donauniederung, wo sie auf weite Erstreckung hin die dortige hügelige Landschaft zusammensetzt. Erwähnung möge hier die zur oberen Süsswassermolasse ge- hörige „Öninger Stufe" finden, welche ihren Namen von einem etwas oberhalb der Ausmündung des Rheins aus dem Bodensee gelegenen Orte erhalten hat. Diese Öninger Stufe gewinnt grosses Interesse durch das reichhaltige Lager fossiler Pflanzen, welche uns einen Ein- blick in die Waldvegetation der Tertiärzeit und in den vermut- - 307 liehen klimatischen Charakter in jener Periode der Erdgeschichte gewähren. Neben solchen Holzarten, welche, wie Eiche, Birke, Erle, Pappel, Weide, Ulme, Ahorn, auch unserem heutigen Waldbestande eigen sind , beginnen die Vertreter der wärmeren Striche mit dem Walnussbaum, um dann noch schärfer dieses Gepräge hervorzukehren in Lorbeer, Feige u. s. w. Vor allem wichtig ist das Vorkommen von Koniferen aus der Familie der Taxodiaceen , und zwar von Taxodium distichum und einer Art der Gattung Gh/ptostrobus ; erstere, die virginische Sumpf cypresse, hat ihre heutige Heimat in dem sub- tropischen Gürtel der Südstaaten von Nordamerika, letztere in dem subtropischen südlichen China. Selbst Palmen birgt diese Öninger Flora. Der Schweizer Geologe 0. Heer, welcher die Öninger Stufe mit ihren fossilen Einschlüssen beschrieben hat, berechnet für die- selbe eine mittlere Jahrestemperatur von etwa 18° C, während die heutige mittlere Jahrestemperatur der Bodenseegegend nur noch un- gefähr 8° C. beträgt. Ehe wir die Tertiärformation verlassen, möge noch kurz der vulkanischen Gebilde im Höhgäu Erwähnung geschehen. Da die Ausbrüche schon zur Tertiärzeit erfolgten, so sind die Kraterformen durch die Erosion längst verwischt und nur die inneren Kernstücke in den in mehreren Reihen angeordneten Kuppen stehen geblieben, von welchen die Phonolithkuppen des Hohentwiel und des Hohen- krähen und die Basaltkuppen des Hohenstoffeln und des Hohenhöwen hier genannt werden mögen. Noch grössere Bedeutung für die Oberrlächenformen und für die Bodenbeschaffenheit im Bereich des Alpenvorlands, als die weithin nur den Untergrund zusammensetzenden Tertiärschichten, erlangen die Gebilde der Diluvialzeit. Sie sind doppelter Art : erstlich Schutt- anhäufungen der Glacialzeit, vom Hochgebirgsrand weit in das Vor- land hinaustretend, und alsdann die nach Norden vorgelagerte , ein Produkt der fliessenden Gewässer darstellende diluviale Schotterzone. Das Hereinbrechen einer „Eiszeit" in der Diluvialperiode ist eine um so merkwürdigere Erscheinung, als wir soeben in der Öninger Stufe die fossilen Zeugen klimatischer Zustände kennen gelernt haben, welche auf einen subtropischen Charakter in der mittleren Tertiärzeit hindeuten. Gleichwohl ist die Annahme einer solchen Eiszeit heute völlig unbestritten. Die Vorstellung einer diluvialen Eiszeit, deren Spuren in noch grösserem Massstab im norddeutschen Flachland vorliegen , ging von den an den Gletschern der Alpen gemachten Beobachtungen aus. Von diesem engeren Rahmen ergaben sich 20* — 308 Schlüsse auf ähnliche Wirkungen in einer früheren Periode der Erd- geschichte, in welcher diese Gletscher eine weit bedeutendere Mächtig- keit und räumliche Erstreckung als in der Jetztzeit gehabt haben mussten. Neben dem Vorkommen zahlreicher, über das Alpenvorland zerstreuter erratischer Blöcke, als deren Herkunft unschwer der Herd der Gletscherbildung im Hochgebirge zu erkennen war, und neben den Spuren , welche die Gletscher weit ausserhalb ihres heutigen Verbreitungsbereichs an der Unterlage zurückgelassen haben , sind vor allem sprechend die Moränenzüge im heutigen Alpenvorland und die wirre Gestaltung der Oberflächenformen, welche diesem Alpen- vorland den unzweifelhaften Charakter der Moränenlandschaft auf- prägen. Von Wichtigkeit ist es, dass sich mit Sicherheit mindestens eine „Interglacialzeit" nachweisen lässt. Dem ersten Vorstoss der Gletscher folgte ein Rückzug des Eises und dann ein nochmaliger Vorstoss, welcher zwar nicht so weit, wie der erste, nach Norden reichte, aber seine Spuren in der Oberflächengestalt noch schärfer zurückliess. Auf diese Weise werden eine weiter nach Norden vorgeschobene „Altmoräne" als Rückstand der ersten Vereisung und eine näher im Umkreise des Hochgebirgsrands sich haltende „ Jungmoräne" als Zeuge der zweiten Eiszeit unterschieden. Eine mächtige Ausdehnung hatte der ehemalige Rheingletscher. Die Endmoräne der zweiten Vereisung folgt hier der heutigen Wasser- scheide zwischen den Bodenseezuflüssen und dem Donaugebiet; die Altmoräne aber reichte bis an den Jurarand bei Sigmaringen. Der Isargletscher umfasste noch den Starnberger See: von hier zieht sich aber die Endmoräne, ohne das Gebiet von München zu erreichen , in südöstlicher Richtung bis in die Gegend nördlich vom Tegernsee. Hier beginnt der Inngletscher, welcher mit der Jungmoräne bis Wasserburg sich erstreckte und noch den Chiemsee umfasste, mit der Altmoräne bis in die Gegend des Ebersberger Forsts reichte. Im Norden der durch wechselvolle Oberflächengestaltung ge- kennzeichneten glacialen Moränenlandschaft breitet sich eine ebene Schotterzone aus, welche im bayrischen Voralpenlande erst wieder weiter nördlich von der schon besprochenen tertiären Hügellandschaft abgelöst wird. Sie wird, weil München in ihrer Mitte liegt, auch als „Münchener Schotterzone" bezeichnet. Zeitlich mit den glacialen Anschüttungen entstanden, verdankt dieselbe ihre Entstehung den diluvialen Gewässern, welche ihre Schutt- und Geröllmassen erheb- lich über dem heutigen höchsten Hochwasserstande der Flüsse ab- — 309 lagerten und die Unebenheiten der den Untergrund bildenden Tertiär- schichten ausglichen. Endlich isl noch der alluvialen Gebilde Erwähnung zu thun, welche im Alpenvorlands hauptsächlich in der Form von Torfbil- dungen vertreten sind. Zur Entstehung von Torfmooren war hier durch die übertläehengestaltung, welche vielfach dem Wasserabzug Hindernisse in den Weg legte und so den Fortgang des vegetabi- lischen Verwesungsprozesses aufhielt, Veranlassung geboten. Die beiden Formen, welche nach der Art der Vegetationsdecke unter- schieden werden, rinden sich im Voralpenlande vor. Die hier im ist als „Riede" bezeichneten Wiesenmoore mit ihrer ans Scirpus, Carex u. s. w. bestehenden Decke sind im allgemeinen vorwiegend. Aber auch Hochmoore mit ihrer in der Hauptsache von Sphagnum ge- bildeten Vegetationsdecke sind zahlreich vertreten. Endlich fehlt es auch nicht an Übergangsformen. Die Beschaffenheit des Verwitterungsbodens im Bereich des Alpenvorlands ist entsprechend der verschiedenartigen Natur der tertiären , glacialen und sonstigen diluvialen , sowie der alluvialen Bildungen eine in hohem Grade wechselnde. Die vielfach ver- breitete Anschauung, als ob es sich um vorwiegend ungünstige Verhältnisse handeln würde , ist übrigens zu berichtigen. Vor allem zeichnet sich die der Flächenausdehnung nach vorwiegende Moränenlandschaft durch Bodenarten von grosser Lockerheit, Frische und Tiefgründigkeit aus ; die hier befindlichen Waldbestände weisen Zuwachs- und Ertragsverhältnisse auf, wie sie auf Bodenarten, die aus der Verwitterung des anstehenden Gesteins hervorgegangen sind, nur selten angetroffen werden. Auch die tertiäre Molasse, welche ebenfalls dem Alpenschutt ihre Entstehung verdankt, zeigt im allgemeinen eine hohe Ertragsfähigkeit. Minder günstig ist der Natur der Sache nach das Verhalten der Huviatilen Schotter- bildungen und vollends der alluvialen Moorflächen, welche übrigens in grossem Umfang im Wege der Torfgewinnung nutzbar gemacht werden. Wie im Hochgebirge der Alpen, so ist auch im Alpenvorlande die Fichte die herrschende Holzart , deren Gebiet zudem im Wege der Kultur noch fortwährend in Ausdehnung begriffen ist. Der Fichte treten in der Moränenlandschaft vielfach die Buche, örtlich, wir im Vorlande des Allgäu, auch die Tanne, auf den diluvialen Schotter- flächen die Kiefer und in den feuchteren Lagen die Erle, die Aspe und einige weitere Laubholzarten zur Seite. — 310 — 2. Die Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene. Nach dem orographischen und geologischen Aufbau tragen die Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene den Charakter von Glie- dern eines und desselben Systems. Diese Randgebirge sind : im Westen die Vogesen und das Hardtgebirge, im Osten der Schwarz- wald und der Odenwald. Die auf der linken Seite an das Pfälzer Hardtgebirge sich anschliessende Landschaft des Saar-Nahe-Gebiets trägt schon den Charakter einer Vorstufe des rheinischen Schiefer- gebirgs, welches späterhin einer Betrachtung unterzogen werden soll. Wir betreten zuerst die linke Seite der oberrheinischen Tief- ebene und beginnen mit dem Randgebirge der Vogesen. Die Vogesen tragen bei den römischen Schriftstellern die Be- zeichnung mons oder silva Vosagus oder Vosegus, so bei Cäsar, bei Plinius und auf der PEUTiNGER'schen Tafel. Hieraus ist das franzö- sische Wort les Vosges entstanden , während der deutsche Name „Vogesen" ein verderbtes Wort ist. Der Versuch, dasselbe durch „Wasgau" zu ersetzen, ist. keine Verbesserung, da ein Wasgau ge- schichtlich nie bestanden hat. Die richtige deutsche Bezeichnung, welche übrigens aus einem nicht mehr bekannten keltischen Wort hervorgegangen sein dürfte, ist die im Nibelungenlied sich findende, nämlich „Wasgenwald". In gleicher Weise, wie wir es im Schwarzwald finden werden, haben wir auch in den Vogesen ein krystallinisches Grundgebirge im südlichen und ein Sandsteingebirge im nördlichen Gebirgsteil zu unterscheiden. Die Grenze zwischen denselben bildet, wenn wir nur den zum deutschen Reichsgebiet gehörigen Anteil der Vogesen in das Auge fassen, annähernd das Breuschthal ; nur am Ostsaum greift das Sandsteingebirge auch noch auf dessen rechte Seite über, wie denn auch sonstige vereinzelte Sandsteinreste im Bereich des Grund- gebirgs sich erhalten haben. Dem krystallinischen Grundgebirge gehören an der Hauptkamm der Vogesen, welcher zugleich die Reichsgrenze enthält, vom Elsässer Belchen bis zum Climont, sodann der ihm nach Osten zu vorgelagerte Gebirgszug, welcher den Sulzer Belchen, die höchste Erhebung der Vogesen mit 1426 m Meereshöhe, in sich schliesst, und endlich der von jenem Hauptkamm in nordöstlicher Richtung nach dem Hoch- feld abzweigende Ausläufer. Im Gegensatze zum Schwarzwald, in welchem der Gneiss den Grundstock des krystallinischen Kerns bildet, baut sich letzterer in den Vogesen vorwiegend aus dem Massen- gestein des Granit auf, und zwar herrschen im allgemeinen grob- - 311 - und mittelkörnige Granite vor, deren Verwitterungsprodukt als ein der Vegetation in hohem Grade günstiges bezeichnet werden kann. Nun tritt aber nicht in dem gesamten Raum des südlichen Gebirgs- stocks der Vogesen das krystallinische Grundgebirge zu Tage; viel- mehr sind grosse Flächen, namentlich in der Umgebung des grossen und kleinen Belchen, von Grauwackensandsteinen und Thonschiefern des Untercarbons erfüllt, welche hier in der sogenannten Culmfacies entwickelt sind. Auch in den mittleren Vogesen, in der weiteren Umgebung des Granitstocks des Hochfeld , treten Thonschiefer und Grauwacken auf, welche aber für geologisch älter gehalten werden, indem sie zur devonischen Stufe gestellt werden. Von dem zuerst genannten krystallinischen Kamm geht die Wasserscheide über den Pass bei Saales hinüber nach dem aus den französischen Vogesen heranziehenden Sandsteinkamm und folgt diesem über den Donon und Schneeberg, um sich weiterhin nach der Ein- sattelung bei der Zaberner Steige herabzusenken , woselbst der Vogesenzug vom Zornfluss durchbrochen wird. Nördlich hiervon ver- engt sich der Vogesenkamm infolge des westlichen Vordringens der Zaberner Bucht, erweitert sich alsdann wiederum und geht schliess- lich unmerklich in das Pfälzer Hardtgebirge über. Dieses gesamte Sandsteingebirge der Vogesen gehört der Formation des Buntsand- steins an. Die untere Stufe desselben fehlt. Um so mächtiger ist die mittlere Stufe vertreten, welche hier schlechtweg als „Vogesen- sandstein" bezeichnet wird. Er besteht in der Hauptsache aus grob- körnigen Bänken eines glimmerarmen Sandsteins, dessen Korn zu- meist ein reines Quarzkorn ist mit vielfach verkieseltem Bindemittel ; doch fehlen auch thonige Zwischenlagen nicht. Gegen die obere Grenze tritt ein Horizont als „Hauptkonglomerat" auch landschaft- lich hervor. Das Verwitterungsprodukt des Vogesensandsteins ist im allgemeinen von geringer mineralischer Kraft. Die obere Stufe des Buntsandsteins trägt in den Vogesen die Bezeichnung „Voltzien- sandstein" nach einer fossilen Koniferenart aus der Familie der Taxaceen, Voltsia hcterophylla. Im Gegensatz zum Vogesensandstein ist dieser Voltziensandstein ein glimmerreicher Thonsandstein und sein Verwitterungsprodukt ein der Vegetation günstigeres. Der Waldbestand der Vogesen trägt nicht in dem weitgehenden Masse, wie vielfach angenommen wird, einen ausgesprochenen Nadel- holzcharakter: vielmehr nimmt das Laubholz, worunter Mittel- und Niederwaldungen in den Vorbergen sich befinden, mit über 40°/0 an der gesamten Waldiiäche Anteil. Es ist sowohl in dem südlichen — 312 — Gebirgsstock als auch in dem an das Hardtgebirge angrenzenden nördlichen Gebirgsteil in erheblicher Ausdehnung an der Zusammen- setzung des Waldbestands beteiligt. Die Nadelhölzer, unter welchen die Tanne vorwiegt, herrschen in den mittleren Vogesen vor; ins- besondere ist der Gebirgsteil zwischen Breusch und Saar ein Gebiet, in welchem die Tanne weitaus die erste Stelle einnimmt. Einen mit den Nordvogesen übereinstimmenden Bau zeigt das zweite der linksrheinischen Randgebirge, das die Vogesen unmerklich ablösende Pfälzer Hardtgebirge. „Hardt" ist eine althochdeutsche Bezeichnung für „Wald". Im Norden bricht das Hardtgebirge gegen das permische und Porphyrgebiet der nördlichen Pfalz ab, welches besonders im Anfangsteil, im Donnersberg, eine massige Entwickelung erlangt. Auch das in westlicher "Richtung von der Hardt abzweigende Pfälzer Hinterland, der Westrich, zeigt einen mit dem Hardtgebirge übereinstimmenden geologischen Bau. Abgesehen von dem Anstehen des krystallinischen Grundgebirgs in der Sohle einiger Thäler, haben wir es in der Hardt mit einem reinen Buntsandsteingebirge zu thun. Im Pfalzer Hardtgebirge giebt sich, ähnlich wie in den nördlichen Vogesen, nach dem natürlichen Vorkommen der Holzarten schon der dem westlichen Teil von Mitteldeutschland aufgeprägte vorwiegende Laubholzcharakter kund ; doch haben die Nadelhölzer, namentlich die Kiefer, im Laufe der Zeit nicht unerheblich Eingang gefunden. Die Reihe der rechtseitigen Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene eröffnet der Schwarzwald. Auch hier mögen einige Worte über den Namen des Gebirgs vorausgeschickt werden. Der Name Schwarzwald reicht nicht bis in die frühesten Zeiten zurück und findet sich bei den römischen Schriftstellern noch nicht. Die älteste Bezeichnung ist silva Hercynia. Sie wird zuerst von Cäsar gebraucht: es steht aber nicht fest, ob unter dem „60 Tage- märsche langen hercynischen Walde", wie ihn dieser Schriftsteller nennt, auch der Schwarzwald inbegriffen ist. Bestimmter lauten die Angaben des Geographen Strabo. Wenigstens deutet die Stelle, in welcher Strabo den Bodensee erwähnt, darauf hin, dass er unter dem hercynischen Wald den Schwarzwald verstanden habe. Er sagt nämlich dort, der See liege südlicher als die eine Tagereise von ihm entfernte Quelle des Ister und als der hercynische Wald. Bei Tacitus und Plinius findet sich die Bezeichnung mons Abnoba. Ein dritter Name, dessen Bedeutung nicht aufgeklärt ist, nämlich silva Marciana, ist auf der PEDTiNGER'schen Tafel eingetragen; dieselbe Bezeichnung findet sich bei Ammianus Marcellinus. Der Name Schwarzwald selbst 313 — kommt erst in nachrömischer Zeil vor, reicht aber schon in das frühe Mittelalter zurück. Er ist von Tschbrntng zuerst nachgewiesen worden in Urkunden des Klosters St. Gallen aus dem 8. Jahrhundert und findet sich dann wieder in dem Schenkungsbrief für das Kloster St. Blasien. Geologisch kennzeichne! sich der Schwarzwald ebenso, wie das Schwestergebirge der Yogesen, als ein stehen gebliebenes altes Horst- gebirge mit krystallinischem Kern, welcher im südlichen und in einem Teil des nordwestlichen Grebirgsteils zu Tage tritt, und mit einer am Ostsaum und im ganzen nordöstlichen Gebirgsteil aufgelagerten Buntsandsteindecke. Den Grundstock des krystallinischen Kerns bildet im Schwarz- wald der Gneiss. Dem mächtigen Gneissgebiet des südlichen Ge- birgsstocks gehören die höchsten Erhebungen an, vor allem der Feld- berg, welcher mit 1493 m die höchste Kuppe der süddeutschen Mittel- gebirge darstellt, sodann der Beleben, der Erzkasten, der Kandel u. a. Ausser dieser zusammenhängenden, noch über die Einzig hinüber bis in das obere Renchgebiet reichenden Gneissmasse finden sich einige Gneissinseln innerhalb der Granitstöcke. Das Massengestein des Granit, welcher in den für die Ertragsfälligkeit des Bodens günsti- geren grob- und mittelkörnigen Formen vorwiegt, ist im Schwarz- wald in 4 grossen und einigen kleineren Massiven entwickelt. Jene 4 grossen Granitmassive sind: das „Blauen-Massiv" im südwestlichen, das „Schluchsee-Massiv" im südöstlichen, das „Triberger Massiv" im mittleren Gebirgsteil und das „nördliche Massiv", welches die Bunt- sandsteinrücken des Kniebis, der Hornisgrinde und der Badener Höhe westlich umzieht und alsdann im Osten der beiden letzteren noch- mals eine mächtige Entwicklung im Murggebiet erlangt. Ausserdem steht das krystallinische Grundgebirge im württembergischen Schwarz- wald in den Thalsohlen örtlich an. Von palaeozoischen Gesteins- schichten finden sich im südlichen Schwarzwald einige untercarbo- nische Ablagerungen, aber bei weitem nicht in der Ausdehnung wie in den Vogesen, sowie im mittleren und nördlichen Gebirgsteil auch einige obercarbonische, übrigens längst abgebaute Kohlenflöze. Be- deutender ist die Entwickelung des Rotliegenden, welches, wie in den Vogesen, die tieferen Mulden über dem Grundgebirge ausfüllt. Ein grösseres Gebiet von Rotliegendem, begleitet von Porphyr, ist die Umgebung von Baden-Baden. Die Buntsandsteindecke bildet im südlichen Gebirgsteil nur einen schmalen Saum im Osten, erweitert sich aber dann in dem — 314 Centralstock des Kniebis und der Hornisgrinde und setzt weiterhin im Osten des Murgflusses den ganzen nordöstlichen Gebirgsteil im Enz- und Nagoldgebiet zusammen. Der Schwarzwald enthält die sämtlichen 3 Stufen des Buntsandsteins. Die untere Stufe ist von zurücktretender Bedeutung; um so mächtiger ist die Entwickelung der mittleren, dem „Vogesensandstein" entsprechenden Stufe, welche den Höhenzug Kniebis-Hornisgrinde und den grössten Teil des Enz- gebiets zusammensetzt; erst im nordöstlichen Gebirgsteil, hauptsäch- lich im Nagoldgebiet , erlangt die dem „Voltziensandstein" ent- sprechende obere Stufe grössere Verbreitung. Der mineralische Ge- halt des Buntsandsteinbodens ist namentlich im Bereich des vor- herrschenden mittleren Glieds ein geringer; günstigere Verhältnisse zeigt der aus der Verwitterung des thonreicheren oberen Buntsand- steins hervorgegangene Boden. Rücksichtlich des Anteils der Bestandesarten an der Zusammen- setzung des Waldbestands sind die an den Namen „Schwarzwald" sich knüpfenden landläufigen Vorstellungen nach manchen Richtungen einzuschränken. Namentlich kennzeichnet sich der südliche Gebirgs- stock des Schwarzwalds als ein Gebiet, in welchem die Laubhölzer, voran die Buche, V3 der Waldfläche einnehmen. Ganz besonders tritt in dem nach Westen vorliegenden Höhenzug des südlichen Ge- birgsstocks, so im Blauen, Erzkasten und Kandel, die Buche teils in Mischung mit der Tanne, teils mehr im reinen Stande auf. Erst im oberen Waldgürtel, im Gebiet des Feldbergs, beginnt die Herrschaft der Fichte. Ein etwas anderes, mit den gewöhnlichen Vorstellungen mehr im Einklang stehendes Bild zeigt der Waldbestand im nörd- lichen Schwarzwald. So erhebt sich im württembergischen Schwarz- wald der Anteil der Nadelhölzer, unter welchen die Tanne voran- steht, auf 95°/05 wonach nur 5°/0 für das Laubholz verbleiben. Eine etwas höhere Ziffer für das Laubholz erhält man im Enzgebiet, während dessen Anteil im Murggebiet noch unter jenen Durchschnitt herabsinkt. Vom Schwarz wald durch den Einbruch der „Kraichgauer Senke" getrennt, erhebt sich als nördliche Fortsetzung der rechtseitigen Randgebirge der Odenwald. Der Name soll in Urkunden des 9. Jahrhunderts als „Odonewald" und „Odenewald" vorkommen; ob hierin, wie schon vermutet worden ist, eine althochdeutsche Form für „öder Wald" zu erblicken sei, mag als offene Frage betrachtet werden. Geologisch zerfällt der Odenwald in zwei wesentlich ver- schiedene Bestandteile. Es sind dies der „vordere Odenwald", in 315 welchem das krystallinische Grundgebirge zu Tage tritt, and der „hintere Odenwald", ein Bnntsandsteingebirge. Zwar deckt sich der Gegensatz des krystallinischen Grundgebirge und des Sandsteingebirgs nicht völlig mit demjenigen des vorderen und des hinteren Oden- walds, indem die Umgebung von Heidelberg mit dem Königstuhl noch in den Sandsteinbereich fällt; doch beginnt die Grenze zwischen den beiden geologischen Gebieten in kurzer Entfernung nördlich von dieser Stadt auf der rechten Neckarseite. Von hier an gehört der nordwestliche Gebirgsteil längs der Bergstrasse, in welchem nament- lich der Melibokus in beherrschender Stellung an die Rheinthalebene hervortritt, dem krystallinischen Grundgebirge an. Nur in einem kleinen Teil dieses Gebiets tritt der Gneiss zu Tage; weitaus vor- herrschend sind der Granit und verwandte ältere Eruptivgesteine vertreten. Der ganze übrige, erheblich grössere Teil des Odenwalds von Heidelberg im Südwesten bis zum Erosionsthal des Mains im Nordosten ist ein Buntsandsteingebirge, welches in gleicher Weise auch auf der rechten Mainseite im Spessart sich fortsetzt. Auch das Durchbruchthal des Neckars fällt in den Buntsandsteinbereich, und erst kurz vor dem Austritt des Flusses in die Rheinthalebene tritt das krystallinisehe Grundgebirge in der Sohle zu Tage. An einzelnen, aber nur wenigen Stellen ist das Buntsandsteingebirge vom Basalt durchbrochen, so auf der die höchste Erhebung des Odenwalds bil- denden Kuppe des Katzenbuckel. Nach dem natürlichen Vorkommen der Holzarten trägt der Odenwald einen ganz überwiegenden Laubholzcharakter mit Vor- herrschen der Rotbuche im Hochwald ; neben letzterem ist auch der Niederwaldbetrieb in der Form des Eichenschälwalds in beträcht- licher Flächenausdehnung vertreten. Nach Betrachtung der Randgebirge ist noch ein Blick auf die oberrheinische Tiefebene selbst zu werfen. Wie schon jene Randgebirge als stehen gebliebene alte Horstgebirge bezeichnet wurden, so trägt die zwischen ihnen eingelagerte Tiefebene den Charakter der „Grabenversenkung". Der Einbruch der Rheinthal- spalte wird an das Ende der älteren Tertiärzeit verlegt. Zeugen dieser Entstehung sind die zahlreichen, am Westsaum des Schwarz- walds und am Ostsaum der Vogesen abgesunkenen und heute noch vorhandenen Schollen von Sedimentgesteinen, welche nicht nur der Trias, sondern selbst dem Jura angehören. Sie lassen keinen Zweifel darüber, dass die heutigen Randgebirge ehedem eine zu- sammenhängende Gebirgsmasse gebildet hatten und erst durch jenen — 316 Einbruch voneinander geschieden wurden. Ein Wahrzeichen der Erschütterungen, von welchen die Bildung der Rheinthalspalte be- gleitet gewesen sein mag, ist das im oberen Teil der Tiefebene aufgestiegene Basaltgebirge des Kaiserstuhls. Es wird vermutet, dass nach dem Einbruch der Rheinthalspalte zuerst ein Meeresarm in dieselbe eindrang, an dessen Stelle späterhin ein Süsswassersee trat. Wenigstens lässt sich der Übergang aus marinen in brackische und weiterhin in Süsswasserbildungen in den Tertiärbecken, welche sich einerseits im südlichen Teil der Tiefebene, im Sundgau, und anderseits im Mainzer Becken finden, verfolgen. Mit dem Rhein- strom selbst hat die Entstehung der Kluft der heutigen ober- rheinischen Tiefebene nichts zu thun. Während diese letztere in einem frühen Abschnitt der Tertiärepoche sich ausbildete, trat der Rheinstrom erst viel später, vermutlich zu Beginn der Diluvial- periode, nach Durchbrechung der oberhalb gelegenen Juraschranke in die jetzige Tiefebene ein. Nun aber beginnt die fluviatile Thätig- keit, indem der Rhein seine Schotter und Sande in der Tiefebene ablagerte. Hierbei sind im oberen Teil der letzteren die groben Schotter, Kiese und grobkörnigen Sande zur Ablagerung gelangt, während in dem unteren Teil, namentlich von Mannheim abwärts, die diluvialen Aufschüttungen bis in beträchtliche Tiefe hinab aus feinkörnigen Sanden bestehen. Ein neues Bild tritt uns in der späteren Diluvialzeit entgegen. Es sind dies die Dünenzüge, welche ihren Ursprung in der Aufschüttung durch Winde haben und auf ein in jener Gegend zeitweilig herrschendes Steppenklima hindeuten. Diese Dünen hatten ohne Zweifel ehedem eine weitere Verbreitung, als jetzt, und sind erst im Laufe der Zeit durch die fliessenden Gewässer auf ihren dermaligen Stand zurückgedrängt worden. Heute beginnt ein langgestreckter Dünenzug unterhalb Karlsruhe und zieht sich über Schwetzingen, Viernheim, Lorsch bis in die Gegend nördlich von Darmstadt, um sich alsdann in nordöstlicher Richtung umzu- biegen. Bemerkenswert ist, dass die obere Strecke dieses Dünen- zugs nicht bis an den Rand des Odenwalds reicht, sondern in einiger Entfernung mit der Bergstrasse parallel läuft. Dies hängt damit zusammen, dass der Neckar nach seinem Austritt aus dem Odenwald ehedem zuerst zwischen der Bergstrasse und jenem Dünenzug in nörd- licher Richtung floss, um erst bei Zwingenberg den Dünenwall zu durch- brechen und seine Richtung nach dem Rhein zu nehmen. Der Durch- bruch des Neckars durch den Dünenzug in der jetzigen Richtung gegen Mannheim scheint erst in verhältnismässig später Zeit erfolgt zu sein. — 317 Das Vegetationsbild, welches die oberrheinische Tiefebene bietet, ist ein wechselndes, wie dies die verschiedene Beschaffenheit der diluvialen und Huviatilen Bildungen mit sich bringt. Der obere Teil der Tiefebene, in welchem die gröberen Geschiebe zur Ablage- rung gelangten, ist der von der Natur weniger begünstigte; der Anteil des Waldes, welcher vorzugsweise in der Form des Aus- -chlagwalds vertreten ist. erhebt sich hier über lU der Gesamtfläche. Von noch geringerer Ertragsfähigkeit ist der Dünensand im nörd- lichen Teil der Tiefebene; er ist das natürliche Gebiet der genüg- samen Kiefer. Dagegen wirken in dem übrigen mittleren und unteren Teil der Tiefebene die Beschaffenheit des feinsandigen Bodens und die durch die tiefe Lage bedingte Milde des Klimas zusammen, um dem Vegetationsbilde den vorwiegenden Charakter des Baulands zu verleihen. 3. Die Stufenlandschaft in Lothringen und in Schwaben und Franken. An die äussere Seite der Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene lehnt sich ein durch ein unregelmässiges System von Verwerfungen in Schollen zerstückeltes Tafel- und Stufenland an, welches aus den beiden jüngeren Gliedern der Triasgruppe, dem Muschelkalk und dem Keuper, sich aufbaut. Auch die an die Keuperhöhenzüge örtlich sich anschmiegenden Liashochflächen bilden noch einen Bestandteil der Stufenlandschaft. Die Anordnung der letzteren zu beiden Seiten der Randgebirge ist eine symmetrische. Im Westen der linksseitigen Randgebirge breitet sich die Stufen- landschaft von Lothringen, im Osten der rechtsseitigen Randgebirge das schwäbisch-fränkische Stufenland aus. Beginnen wir mit einer Umschau auf dem ersteren Gebiet. Die Stufenlandschaft Lothringens beginnt an der Wostabdachung der Vogesen und längs des Südrands des noch zum Buntsandsteingebiet gehörigen Pfälzer Hinterlands, des Westrich. Unter den die Stufenlandschaft zusammensetzenden beiden Gliedern der Triasgruppe nimmt der Muschelkalk den kleineren Raum ein, wiewohl die Grenzlinie gegen das Keupergelände durch das Zwischen- glied der Lettenkohlenstufe etwas verwischt erscheint. Das nach Westen und Süden sich ausdehnende Gebiet ist Keuperhügelland. Es wird entwässert von den Saarzuflüssen Alb und Nied und von dem Moselzuftuss Seille. Auf die Keuperlandschaft sind ziemlich unmerklich die nach Westen sich anlehnenden Liasflächen aufgesetzt. Die Höhenzüge, welche den Moselfluss vor seinem Eintritt in das 318 — deutsche Reichsgebiet auf der rechten Seite begleiten, gehören dem Lias an. Die noch höhere Stufe des braunen Jura endlich setzt die Landschaft auf dem linken Ufer der Mosel bis in die Gegend von Diedenhofen zusammen. Die in den Augusttagen des Jahres 1870 so heiss umstrittenen Höhen im Westen von Metz werden schon von der Stufe des braunen Jura aufgebaut. Die Gebirgsmauer des weissen Jura beginnt erst weiter im Westen auf französischem Gebiet an der Maas. Das Waldbild des lothringischen Stufenlands trägt mit Aus- nahme der Grenzstriche gegen die Westabdachung der Vogesen und gegen den Südrand des Westrich, woselbst der Laubholzhochwald in Verbindung mit der Kiefer vertreten ist, das reine Gepräge des Ausschlagwalds. Wir betreten nunmehr das der Flächenausdehnung nach grössere, im Osten der rechtsseitigen Randgebirge der oberrheinischen Tiefebene sich ausbreitende schwäbisch -fränkische Stufenland. Die Umgrenzung dieses Stufenlands nach Westen und Norden bilden, abgesehen von der den Schwarzwald und Odenwald trennenden Senke, in welcher der Muschelkalk unmittelbar bis an die ober- rheinische Tiefebene hervortritt, die weitgedehnten Buntsandstein- landschaften, welche den Schwarzwald im Osten umsäumen und in seinem nördlichen Teil zusammensetzen, den hinteren Odenwald und den Spessart aufbauen, dem Rhöngebirge als Grundlage dienen und am Südfusse der mitteldeutschen Gebirgsschwelle sich hinziehen. Als Grenze des Stufenlands im Süden und Osten aber erhebt sich der langgezogene Wall des schwäbischen und des fränkischen Jura. In dem Raum übrigens, welcher zwischen der Nordostabdachung des Frankenjuras und dem Südrande der mitteldeutschen Gebirgs- schwelle offen gelassen ist, schiebt sich die Stufenlandschaft noch in das Gebiet von Oberfranken hinein. Die Muschelkalklandschaft trägt vorwiegend den Charakter welliger Plateauflächen, welche von den Flüssen in steilwandigen Erosionsthälern durchschnitten werden. Innerhalb Schwabens gehört ihr hauptsächlich die von der oberen Neckargegend bis zum Mittel- lauf des Enzflusses an den Schwarzwaldrand sich anlehnende Muschel- kalkfläche an. In Franken beginnt die Muschelkalklandschaft mit der Hohenloher Ebene und erstreckt sich weiterhin in die Gegend von Würzburg und in die bis an die fränkische Saale sich aus- dehnende Landschaft in Unterfranken. Das Vegetationsbild, welches an der Grenze des Buntsandsteins — 319 - im Bereich des unteren Formationsglieds, des Wellengebirgs, dem Auge sich darbietet, sobald mit dem Verschwinden der roten Farbe des Bodens der graue magere und bindige Verwitterungsboden des Wellendolomits sich einstellt, ist ein wenig erfreuliches, da solcher auf niedriger Stufe der Ertragsfähigkeit steht. Der Muschelkalk- landschaft wird jedoch ihr Gepräge vorwiegend durch das obere Glied, den Hauptmuschelkalk, aufgedrückt, welcher in ebenso be- deutender Mächtigkeit als einförmiger Entwicklung aus grauen dichten, nach oben mit dolomitischen Schichten abschliessenden Kalkbänken besteht. Die Beschaffenheit des Verwitterungsbodens ist übrigens eine wechselnde, je nachdem wir es mit einem un- mittelbar aus der Verwitterung des anstehenden Gesteins hervor- gegangenen Boden oder aber mit einer Lehmüberlagerung auf der Muschelkalkunterlage zu thun haben. Im ersteren Falle ist das Verwitterungsprodukt ein Kalkboden, welcher vielfach unter Flach- gründigkeit leidet und bei mangelnder Bodenpfiege leicht zur Ver- ödung neigt. Anders aber gestaltet sich das Vegetationsbild, wenn, was häufig und namentlich beim Übergang gegen die Keuperland- schaft der Fall ist, auf. dem Untergrund des Muschelkalks eine Lehmüberlagerung sich ausbreitet, deren Abstammung nicht auf letzteren zurückgeht, sondern entweder auf die dem Muschelkalk folgende Lettenkohlenstufe hinweist oder einen diluvialen Charakter trägt. Es ist nicht bloss die Beschaffenheit der Lehmdecke selbst, sondern vor allem deren Lagerung auf dem durchlassenden Kalk- untergrund, was die hohe Ertragsfähigkeit dieser Bodenklassen bedingt. Wenn solche auch vorwiegend dem Feldbau überwiesen sind, so finden sich hier doch auch treffliche Waldbilder, und zwar teils, wie am Saume des Schwarzwalds, der Tanne und Fichte angehörig, teils weiter im Innern des Stufenlands mit vorwiegender Laubholzbestockung, bei welcher zu der Buche auch die Eiche sich gesellt. Die Keuperlandschaft mit ihren weichen, wechselvollen Ober- flächenformen trägt das vorwiegende Gepräge der von zahlreichen Schluchten durchfurchten Berg- und Hügellandschaft. Dem süd- deutschen Forstmann ist der Keuper, welcher Name einen berg- männischen Ursprung hat und „bunt" bedeuten soll, ein guter Bekannter, da die Waldlandschaft im Bereich des weitgedehnten schwäbisch-fränkischen Stufenlands weitaus in der Hauptsache dem Keupergebiet angehört. Innerhalb Schwabens beginnen die Keuperhöhenzüge in Ver- — 320 — bindung mit Liashochflächen im Quellgebiet des Neckars in der Landschaft der Baar und weiterhin auf der rechten Seite des oberen Neckarlaufs im kleinen Heuberg, erbreitern sich aber dann von der Tübinger Gegend an. Hier dehnt sich auf der linken Seite des Neckars die Berg- und Waldlandschaft des Schönbuch aus ; ein Keuperhügelland, an welches sich die Liasebene der Filder anreiht. Dem Albrande zunächst folgen der Schurwald und weiterhin der Welzheimer und Ellwanger Wald. Auch hier lehnen sich an die Keuperhöhenzüge Liashochflächen an. Eine zweite, vom Albrand weiter entfernte, nach Norden vorliegende Reihe von Höhenzügen beginnt im Westen auf der linken Seite des Neckars mit den beiden Keuperlandschaften des Stromberg und Heuchelberg. Es folgen auf der rechten Neckarseite die Löwensteiner Berge, sodann zu beiden Seiten des Kocherflusses der Mainhardter Wald und die Limpurger Berge. In diesen gegen Norden gelegenen Keuperhöhenzügen finden sich nur noch vereinzelte Reste der Liasbedeckung. Auch in Franken nehmen die Keuperhöhenzüge den grösseren Raum im südlichen und östlichen Teile der Stufenlandschaft ein. Das Anfangsglied ist die Frankenhöhe, a» welche sich nach Osten die mittelfränkische Keuperlandschaft in der Gegend von Ansbach und Nürnberg anreiht. Weiter nach Norden folgen auf der linken Seite des Mains der Steigerwald und auf der rechten Seite dieses Flusses die Hassberge. Gegen Osten reihen sich an das Keuper- gelände bei Koburg und die oberfränkische Keuperlandschaft in der Gegend von Bayreuth. Die vorherrschenden Gesteine des Keupers sind bunte Mergel und graue Thone , zwischen welchen mehrere Sandsteinhorizonte wechsellagern. Die im Keuper vorherrschende Mergelstufe liefert ein Verwitterungsprodukt, welchem es nicht an mineralischem Ge- halt gebricht; doch zeigt der Boden in den zur Austrocknung ge- neigten südlichen und westlichen Lagen mitunter ungünstige physi- kalische Eigenschaften. Hiervon abgesehen, genügt der Boden, welcher aus der Verwitterung sowohl der „bunten Mergel" der mittleren Keuperstufe, als auch der „oberen Keupermergel" hervor- geht, auch den anspruchsvolleren Laubhölzern; namentlich ist dies der Fall, wenn die oberen Keupermergel in massig geneigter Lage mit dem Verwitterungsprodukt des unteren Lias sich mengen. Dürftiger ist das Vegetationsbild im Bereich der Keupersandsteine. Der auf der Grenze des unteren und mittleren Keupers stehende feinkörnige Schilfsandstein, welcher seinen Namen von den eingelagerten Pflanzen- 321 — nstni erhalten hat, liefert einen mageren, wenig fruchtbaren Ver- witterungsboden, wie denn die vom Schilfsandstein gebildeten, nicht von jüngeren Gliedern überlagerten Flachen in Schwaben mitunter den Namen „Heiden" führen. Noch wichtiger für die Waldland- schaft ist der auf der Grenze zum oberen Keuper stehende weisse grobkörnige Sandstein , welchem das häufig nur lockere Gefüge die Bezeichnung „Stubensandstein" eingetragen hat. Seine Entwicke- lung ist übrigens eine örtliche verschiedene. Während er im Schön- buch zu bedeutender Mächtigkeit anschwillt, tritt er in der nörd- lichen Keuperzone erheblich hinter der Mergelstufe zurück. Der Stubensandstein liefert zumeist einen leichten Sandboden von ge- ringem mineralischen Gehalt ; namentlich in den minder günstigen Expositionen ist er der natürliche Standort der Kiefer. Nur dann, wenn das aus Feldspat bestehende Bindemittel zu einer stärkeren Lehmbeimischung führt, ist das Vegetationsbild ein besseres. Eine besondere Stellung nimmt die schon früher erwähnte „rhätische Stufe" ein. Sie wird zwar noch zum Keuper gestellt, an welchen sie sich der Verbreitung nach eng anschliesst, nimmt aber nach der geologischen Bildung schon eine Mittelstellung zwischen dem Keuper und dem unteren Glied der Juraformation , dem Lias, ein. Die Entwicklung der rhätischen Stufe in Schwaben und Franken ist aber nur eine untergeordnete. Neben Schichten von dunkeln Thonen ist hier der Hauptbestandteil dieser rhätischen Stufe der als „Silbersandstein" bezeichnete feinkörnige glimmerreiche Sandstein, mitunter in Gesellschaft eines dünnen Knochenbetts, welches ihm auch den Namen „Bonebedsandstein" eingetragen hat. Für den Forstmann ist sein Auftreten eine wenig erfreuliche Erscheinung, da der sehr feldspatarme Sandstein einen mageren Verwitterungsboden liefert und die harten Bänke auch mechanisch dem Eindringen der I'flanzenwurzeln ein Hindernis bereiten. Das hauptsächlichste Gebiet des rhätischen Sandsteins ist der Schönbuch ; auch im Schurvvald tritt er auf, während er in der nördlichen Keuperzone Schwabens fehlt. Auch im grössten Teile Frankens scheint er nicht vertreten zu sein ; erst in Oberfranken , an der randlichen Keuperzone gegen die mitteldeutsche Gebirgsschwelle, soll er wieder grössere Mächtig- keit erlangen. Die an die Keuperhöhenzüge sich anlehnenden Liasflächen end- lich sind meist durch fruchtbaren Boden ausgezeichnet. Besonders trifft dies dann zu, wenn örtlich, wie auf der Filderebene in Schwaben, "ine Überlagerung mit einer diluvialen Lehmdecke hinzutritt. Nur, .Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde iu Württ. 1900. 21 — 322 wo die Sandsteine und Sandkalke des unteren Lias ohne Lehm- beimischung das Material des Verwitterungsbodens abgeben, ist die Bodenbeschaffenheit eine dürftige. Das Waldbild, welches die Keuperlandschaft bietet, lässt sich nur schwer in wenigen Zügen kennzeichnen. Es ist in hohem Grade wechselvoll, wie ja die Keuperlandschaft auch in der Bodenbeschaffen- heit und in der Oberfiächengestaltung den Stempel reicher Gliede- rung und des Wechsels auf kleinem Raum an sich trägt. Innerhalb Schwabens ist die Waldbestockung zunächst der oberen Neckargegend, so in der Baar und am Fusse des Heuberg, durch das Vorwiegen der Tanne und Fichte ausgezeichnet; die Einwirkung der Nachbar- schaft des Schwarzwalds ist hierin unverkennbar. Dagegen tritt in grösserer Entfernung von letzterem das Laubholz mehr in den Vorder- grund , und erst das Eingreifen der Forstkultur hat hier dem Vor- dringen der Nadelhölzer, namentlich der Kiefer, in den besseren Lagen auch der Fichte, Vorschub geleistet. So tritt uns im Schön- buch ein nach dem natürlichen Vorkommen reines Laubholzgebiet entgegen ; das Eindringen der Nadelhölzer lässt sich hier urkundlich auf mehrere Jahrhunderte zurück verfolgen und hat zumal in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. Ahnlich ist das Verhältnis in dem westlichen Teil der nördlichen Keuperzone Schwa- bens. Ein Übergangsglied hinsichtlich der Waldbestockung stellt der Schurwald dar. In seinem grösseren nordwestlichen Teil ist derselbe noch ein ausgesprochenes Laubholzgebiet. Im südöstlichen Teil des Schurwalds dagegen beginnt ein Nad-elholzgebiet mit Tanne und Fichte, welches sich dann weiterhin in den Welzheimer und Ell- wanger Wald fortsetzt. Nicht minder wechselvoll scheint das Wald- bild in der fränkischen Keuperlandschaft zu sein. In den näher gegen den Frankenjura zu gelegenen Gebieten, so in der mittel- fränkischen Keuperlandschaft bei Ansbach , wird die Fichte als die herrschende Holzart zu bezeichnen sein. Auch die Kiefer nimmt, wie im Nürnberger Reichswald und im Bamberger Hauptsmoor, be- trächtliche Flächen ein. Dagegen tritt im Steigerwald und in den weiter nördlich gelegenen Hassbergen das Laubholz in den Vorder- grund ; namentlich in ersterem Gebiet fällt der Buche und neben ihr der Eiche eine Hauptrolle zu. 4. Der schwäbische und der fränkische Jura. Wir erheben uns nunmehr zu dem das schwäbisch-fränkische Stufenland im Süden und Osten umsäumenden Jura-Gebirgswall. — 323 — Das unterste Glied, der Lias, nimmt noch nicht am Aufbau der eigentlichen Gobirgsmauer Anteil, sondern lehnt sich vorwiegend an die Keuperlandschaft in der Form von Hochebenen an. Dagegen bildet das mittlere Glied, der braune Jura, schon eine ausgesprochene Vorstufe des Gebirgswalls. Am schärfsten ausgeprägt ist aber das mächtigste obere Glied, der weisse Jura, welchem die weissen Kalk- bänke und Felsmauern den Namen gegeben haben. So ist es denn ganz wesentlich der weisse Jura mit seinem der Stufenlandschaft zugekehrten Steilrand und seinen wasserarmen Plateauflächen , an welchen das Bild des ganzen Gebirgszugs sich knüpft. Im Gegensatze zum schweizerischen Jura, welcher als „ein abgeirrter Zweig der Alpen" an deren Faltung teilgenommen hat und deshalb als „Kettenjura" bezeichnet wird, trägt der schwäbisch- fränkische Jura den Charakter des in ungestörter Lagerung aufge- bauten „Tafeljura'*. Immerhin ist es eine bemerkenswerte Erschei- nung, welche mit der vermuteten ehemaligen Erhebung des krystalli- nischen Kerns des Schwarzwalds in Zusammenhang gebracht wird, dass auf der schwäbischen Alb die Kammhöhe nahe dem gegen das Stufenland abfallenden Steilrand verläuft und die Schichten allmäh- lich gegen Süden bis zu dem Bruchrand einfallen, an welchem der Jura unter die Tertiärschichten hinabgesunken ist. Der erste Teil des Gebirgszugs trägt die Bezeichnung der „schwäbischen Alb". Der Name „Alb" steht aber nicht im Zusam- menhang mit dem lateinischen Beiwort albus = weiss, sondern ist, ebenso wie „Alpen", ein keltisches Wort für Gebirge. Die schwä- bische Alb beginnt nach dem Durchbruch des Rheins durch den Jura im „hohen Händen" und erstreckt sich in einzelnen Abschnitten, welche die Benennungen „Heuberg", „rauhe Alb," „Aalbuch" und „Härdtsfeld" tragen, in vorwiegend nordöstlicher Richtung bis zum Rieskessel bei Nördlingen. Eine merkwürdige Erscheinung ist es, dass in dieser Einsenkung das krystallinische Grundgebirge, von welchem sonst in dem weiten Raum zwischen dem Schwarzwald und dem bayrischen Wald nirgends eine Andeutung vorhanden ist, zu Tage tritt. Jenseits der Riesniederung beginnt der fränkische Jura. Er behält zunächst die westöstliche Richtung bei, um weiterhin in eine nördliche Richtung umzubiegen. Die einzelnen Gebirgsteile sind weniger scharf hervortretend als auf der schwäbischen Alb. Der Gebirgszug vom Rieskessel bis zur Biegung des Jura enthält den Hahnenkamm und das Eichstädter Gebiet mit dem Raitenbucher und Köschinger Forst. ^Im südöstlichen Gebirgsteil liegen der Pointner 21* — 324 - Forst und der Hirschwald, im nördlichen Teil der Veldensteiner Forst, das Muggendorfer Gebirge und die lange Meile. Es sind nunmehr einige Worte über den Aufbau des Jura aus den einzelnen Gliedern anzureihen, wobei übrigens der Lias ausser Betracht bleiben kann. Im braunen Jura herrschen dunkle Thone vor, zwischen welchen gelbe eisenschüssige Sandsteine und blaue Kalke wechsellagern. Das Verwitterungsprodukt der vorwiegenden Thone ist ein mineralisch kräftiger, der Vegetation günstiger, wenn auch etwas schwerer Boden. Im Anfangsglied des weissen Jura herrschen wie in der vorhergehenden Stufe noch Thone vor, welche für die Wasserführung von Bedeutung sind. Dann aber folgt ein mächtiges System von Kalkgesteinen, deren Gliederung freilich un- erachtet des grossen Reichtums an organischen Einschlüssen durch die örtliche Entwickelung der Schwammfacies etwas erschwert ist. Auf der Hochfläche selbst eröffnet sich in den jüngeren Gliedern ein wesentlich anderes Bild , und zwar in um so stärkerem Masse , als man sich dem südlichen Rande nähert. Hier treten massige Felsen- kalke und Dolomite auf, welche im Gegensatz zu den in den mitt- leren Gliedern vorkommenden Schwammbildungen ihre Entstehung vorzugsweise riffbauenden Korallen verdanken. Die jüngsten, übrigens nur örtlich auftretenden Bildungen sind die Plattenkalke. Der Ver- witterungsboden, welchen der weisse Jura liefert, ist im allgemeinen ein mineralisch kräftiger Kalkboden ; seine Ertragsfähigkeit ist aber doch unter dem Einflüsse der Verschiedenheiten der physikalischen Eigenschaften und der Lage eine wechselnde. Im Bereich der schwä- bischen Alb ist es ein vorteilhaftes Verhältnis, dass längs des Steil- rands gegen das Stufenland die dem Holzwuchse günstigen nördlichen Expositionen vorherrschen; es finden sich hier im unteren Teil der Hänge, wo der Boden genügende Tiefgründigkeit besitzt, die besten Bodenklassen und die wüchsigsten Bestände. Dagegen nimmt nach oben die Flachgründigkeit zu, und auch auf der Hochfläche der Alb, welche keine völlige Ebene darstellt, finden sich vielfach magere Rücken mit spärlicher Bodenkrume , während die muldenförmigen Einsenknngen günstigere Verhältnisse aufweisen. Im südlichen Teil der Alb wird die Bodenbeschaffenheit durch die dolomitischen Bil- dungen und die plumpen Felsenkalke des oberen weissen Jura in ungünstigem Sinne beeinflusst, wobei auch die Trocknis der Alb- hochfläche einwirkt. Namentlich machen sich diese Einflüsse an den Gehängen der nach Süden ausmündenden Thäler geltend. Nun haben aber an der Zusammensetzung des Bodens im Be- — 325 reich dos Gebirgszugs auch noch jüngere als jurassische Bildungen Anteil genommen. Nur in örtlich beschränkter Weise findet »lies Anwendung auf die Kreideformation. Ablagerungen dieser im süd- lichen Deutschland sonst nirgends vertretenen Formation linden sich in der Form von Sandsteinen in dem südöstlichen Teil des trän- kischen Jura in der weiteren Umgebung von Ilegensburg. Grössere und allgemeinere Verbreitung sowohl im schwäbischen als im frän- kischen Jura, und zwar hauptsächlich in den muldenförmigen Ein- senkungen des südlichen Gebirgsteils, haben tertiäre und diluviale Ablagerungen erlangt. Soweit tertiäre Bildungen und diluviale An- schüttungen vorhanden sind, wird die Bodenbeschaffenheit in gün- stigem Sinne beeinflusst. Nach dem natürlichen Vorkommen der Holzarten trägt die schwäbische Alb in so ausgesprochenem Grade, wie dies sonst kaum wieder im südlichen Deutschland anzutreffen ist, den Charakter des reinen Laubholzgebiets. Ausnahmen liegen nur vor an den beider- seitigen Enden : ganz im Westen und dann wiederum an der nörd- lichen Abdachung des östlichen Gebirgsteils. Dort ist es die Ein- wirkung des benachbarten Schwarzwalds, vermöge deren die Nadel- hölzer, Tanne und Fichte, namentlich die erstere, über die Zwischen- glieder des Keupers und Lias und über die Vorstufe des braunen .Iura hinweg bis auf das Plateau des weissen Jura gerade in dessen höchsten Erhebungen am Westrande des Heuberg ansteigen. Im Osten macht sich der Einfluss des benachbarten Nadelholzgebiets des Welzheimer und Ellwanger Walds geltend. Hier erreichen die Nadelhölzer in der Gegend des Hohenstaufen und des Rechberg zu- nächst die Vorstufe des braunen Jura, weiterhin aber am Nordrande des Aalbuch und noch mehr im nördlichen Teil des Härdtsfelds die Hochfläche des weissen Jura. Von diesen, der räumlichen Erstreckung nach nur untergeordneten Ausnahmen abgesehen, nimmt das Laub- holz, voran die Buche, den ganzen weiten Raum der schwäbischen Alb ein. Der Buche treten namentlich Ahorn und Esche, weniger die Birke, zur Seite, während die Eiche die rlachgründigeren Gebiete des eigentlichen weissen Jura meidet und erst auf den tertiären und diluvialen Auflagerungen der muldenförmigen Einsenkungen eine Heimstätte rindet. Übrigens ist dieses Bild des natürlichen Vor- kommens der Holzarten, wie anderwärts, so auch auf der schwä- bischen Alb, zu gunsten der Nadelhölzer im Laufe der Zeit etwas verändert worden. Dieses Vordringen des Nadelholzes in das ursprünglich vom 326 Laubholz beherrschte Gebiet ist in noch weitergehendem Masse im fränkischen Jura und zwar besonders in dessen östlichem, nach Nor- den gerichteten Teil, zu beobachten. Auch hier scheint nach dem natürlichen Vorkommen die Buche nebst den sonstigen Laubhölzern ehedem die grösste Verbreitung gehabt und diese Vorherrschaft erst im Laufe der Zeit an die Fichte abgegeben zu haben. Neben der Fichte nimmt auch die Kiefer, welche auf der schwäbischen Alb nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, im Frankenjura grössere Flächen ein, wobei die sandigen Bildungen der Kreideformation einen Anteil haben mögen. 5. Das rheinische Schiefergebirge. In den Westen zurückkehrend, betreten wir in Mitteldeutsch- land ein weitgedehntes, vom Rheinstrom durchschnittenes Gebiet, welches nach den Oberflächenformen und nach der geologischen Be- schaffenheit als ein einheitliches Ganzes sich darstellt. Es ist das rheinische Schiefe rgebirge. Der äusseren Gestalt nach trägt es den Charakter einer welligen Hochfläche, deren eintönige Formen nur durch die von den Flüssen tief eingegrabenen Erosionsthäler unterbrochen und belebt werden. Unerachtet dieses Vorwiegens des Plateaucharakters kennzeichnet es sich doch als ein wirkliches Ge- birge, welches sich nicht allein von den Tiefebenen, sondern auch von dem Hügelland der Umgebung deutlich abhebt. Nach der geo- logischen Beschaffenheit erscheint das rheinische Schiefergebirge als ein stehen gebliebenes altes Horstgebirge. Die Grundlage bilden die Thonschiefer und Grauwackensandsteine der devonischen Formation, von welchen die ersteren dem Gebirge den Namen gegeben haben. Im Saar-Nahe-Gebiet , welches als Vorstufe zu dem rheinischen Schiefergebirge zu stellen ist, erlangen die Schichten des Rotliegen- den, begleitet, von Porphyrausbrüchen, grössere Entwickelung. An den Rändern, einerseits im Südwesten im Saarbecken und ander- seits im Norden an der Grenze gegen die niederrheinische und west- fälische Tiefebene, treten carbonische Ablagerungen hinzu. Reste der ehemaligen Triasbedeckung haben sich an einzelnen Orten, namentlich in dem Senkungsfeld der Eifel nördlich von der Trierer Bucht, erhalten. Weitere Senkungsgebiete sind mit tertiären und diluvialen Anschüttungen erfüllt. An ihre Ausbildung haben sich zugleich vulkanische Ausbrüche angereiht, welche in der Eifel, im Westerwald und im Siebengebirge ihre Spuren zurückgelassen haben. Das rheinische Schiefergebirge wird zunächst durch den Rhein- strom in zwei Hauptabschnitte gegliedert. Der linksrheinische Ab- — 327 — schnitt zerfällt, abgesehen von der schon erwähnten Vorstufe dea Saar-Nahe-Gebiets, in den Elunsrück, die Eifel und das Hohe Venn, der rechtsrheinische Abschnitt in den Taunus, den Westerwald und das Sauerland. Der Hunsrück erscheint vorwiegend als Hochebene, aus welcher einzelne Höhenzüge, wie der Hochwald und der Idarwald, noch weiter aufragen. In seinem nordöstlichen Teil verflacht er sich. Der ganze Gebirgsabschnitt des Hunsrück baut sich in einförmiger AVeise aus Thonschiefern , Grauwacken und (juarziten auf. Sie ge- hören fast ganz der unterdevonischen Stufe noch ; nur örtlich treten die noch älteren Bildungen des cambrischen Systems auf. In dem gebirgigen südlichen Teil herrschen Thonschiefer mit Quarziten vor, während in der Abdachung gegen Nordosten die Koblenzer Grau- wackensandsteine die Oberhand gewinnen. Im Norden des Hunsrück, von diesem Gebirge durch den Unter- lauf der Mosel getrennt, breitet sich das weitgedehnte Plateau der Eifel aus. Nach Südwesten bricht die Eifel gegen die Triasland- schaft der Trierer Bucht ab, während im Westen die Eifel ohne natürliche Abscheidung in das völlig gleichartig gestaltete, in Belgien sich ausbreitende Ardennengebirge übergeht. Auch die Eifel ist in ihrer Grundlage ein devonisches Plateau. Die Schiefer des Unter- devon sind auch hier vorwaltend ; doch erlangt örtlich auch das Mitteldevon mit dem Eitler Kalk einige Entwicklung. Ein neuer Faktor der Formbildung tritt nun aber in den vulkanischen Er- hebungen hinzu, ganz besonders in der Umgebung des Laacher Sees und in der vorderen Eifel. Eine Besonderheit, durch welche die- selben von allen sonstigen vulkanischen Gebieten in Deutschland sich unterscheiden, liegt darin, dass die Ausbrüche in der Eifel nicht schon aus der Tertiärzeit, sondern erst aus der Diluvialzeit stammen. Die Folge dieses jüngeren Alters ist es, dass in der Eifel in zahl- reichen vulkanischen Kuppen die charakteristischen Kraterformen sich grossenteils noch erhalten haben und nicht, wie anderwärts, durch die Erosion schon völlig zerstört worden sind. An das Berg- und Plateauland der Eifel schliesst sich gegen Nordwesten das Hohe Venn an, welches seinen Steilabfall der Tief- ebene bei Aachen zuwendet ; es gehört in seinem grösseren Teil noch dem deutschen- Reichsgebiet an. Während die übrigen Ab- schnitte des rheinischen Schiefergebirgs von der devonischen For- mation aufgebaut sind, tritt uns im Hohen Venn die noch ältere cambrische Stufe entgegen , in welcher übrigens ebenfalls Thon- — 328 — schiefer und Quarzite vorwalten. Das unwirtliche Hochplateau des Hohen Venn ist auf weite Erstreckung mit Moor- und Torfgründen bedeckt; das Wort „Venn" soll denn auch eine althochdeutsche Be- zeichnung für „Sumpf" sein; ein Stamm, welcher auch in dem Wort ,, Ardennen" (Arduenna silva) wiederkehrt. Den Abschluss des linksrheinischen Schiefergebirgs am Nord- westfuss des Hohen Venn bilden die Aachener Kohlenreviere. Wir treten nunmehr auf die rechte Rheinseite über. Das erste Glied, welches am meisten den Gebirgscharakter an sich trägt, ist der Taunus. Er erhebt sich unmittelbar aus der oberrheinischen Tiefebene und deren Ausbuchtung, der Wetterau. In seinem südlichen Teil sind dem Gebirgssockel beträchtliche Höhen- rücken aufgesetzt, unter welchen der Feldberg mit 881 m die höchste Erhebung des ganzen rheinischen Schiefergebirgs darstellt. Der nördliche Teil dagegen nach dem Lahnflusse verflacht sich zu einer Hochebene. Die vorwaltende Gesteinsart bilden die Thonschiefer. Beträchtliche Entwicklung in dem südlichen Gebirgsrücken erlangen aber auch die Taunusquarzite. Solche vermitteln heute noch den Übergang vom Taunus zum Hunsrück in den Quarzitfelsen, an deren Durchsägung der Rheinstrom im Binger Loch arbeitet. An den Taunus schliesst sich nach Norden der Wester wald an. In dem auch hier den Grundstock bildenden devonischen Pla- teau befindet sich ein weites, mit tertiären Bildungen erfülltes Senkungsgebiet, welches durch die Erhebung zahlreicher Basalt- kuppen ausgezeichnet ist. Der Westerwald trägt das Gepräge eines unwirtlichen Hochlands, in dessen höheren Teilen Weiden und Torf- gründe sich ausbreiten. Im Nordwesten tritt uns nochmals ein kleineres vulkanisches Gebiet in dem Siebengebirge entgegen, welches in der Basaltkuppe des Ölberg seine höchste Erhebung erreicht und in dem Trachyt- klotz des Drachenfels unmittelbar an den Rheinstrom hervortritt. Es folgt nach Norden ein weitgedehntes eintöniges Plateau- land, welches den Gesamtnamen das S au er 1 and (von „Süderland" als dem südlichen Teile Westfalens) führt. Nur in seinem östlichen Teil zeigt es noch Gebirgscharakter in dem Höhenzug des Rothaar- gebirgs, während es im übrigen als eine gleichförmig sich aus- breitende rauhe Hochfläche gekennzeichnet ist. Auch dieses grosse Gebiet gehört der devonischen Stufe an. Doch baut sich nur noch der südliche Teil aus dem Unterdevon auf, während in dem weiten übrigen Gebiet das Mitteldevon vertreten ist. — 329 Den nördlichen A.bschluss bildet das Etuhrgebiet, in welchem die Carbonformation ansteht. Im östlichen Teil ist noch das Unter- carbon als Culm-Grauwacke vertreten. Dagegen schneidet, die Ruhi von der Mündung der Lenne an in das Obercarbon, die produktiv- Steinkohlenformation , ein. Aber auch noch weiter nördlich . w< letztere unter die Ablagerungen der Kreideformation hinabtaucht, wird die Steinkohle abgebaut. Das nach Norden sich anschliessende Münstersche Kreidebecken bildet schon eine Ausbuchtung des grossen nordwestdeutschen Flach- landes. Die Beschaffenheit des Verwitterungsbodens im weiten Bereich des rheinischen Schiefergebirgs wird durch die vorwaltenden Ge- steinsarten bestimmt, als welche wir Thonschiefer und Grauwacken kennen gelernt haben. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist eine wechselnde und wird durch die Zu- oder Abnahme des Gehalts an zersetzten Feldspaten bedingt. Im ersteren Falle entsteht aus dei Verwitterung ein mineralisch kräftiger Gebirgsboden. Mit Abnahme des thonigen Bindemittels gehen die Thonschiefer in Grauwacken über. Mit diesem Namen, welcher einen bergmännischen Ursprung hat, bezeichnet man die grau gefärbten Sandsteine der älteren For- mationen, hauptsächlich der devonischen und carbonischen Stufe, während in den späteren Formationen der Name Grauwacke nicht mehr gebraucht wird. Das Korn der Grauwackensandsteine ist meist ein Quarzkorn mit thonigem Bindemittel, auch hier hängt die Boden- güte von dem Gehalt an letzterem ab. Mitunter gewinnt aber auch ein kieseliges Bindemittel die Oberhand; mit dessen Zunahme gehen die Grauwacken in Quarzite über, in deren Bereich die Boden- beschaffenheit eine dürftige ist. Im Mitteldevon treten noch Kalk- bildungen hinzu, welche vielfach Korallen ihre Entstehung verdanken. Das hochgelegene Berg- und Plateauland des rheinischen Schiefer- gebirgs stellt eine Landschaft dar, in welcher der Wald mit einer ver- hältnismässig beträchtlichen, bis zu 40°/0 ansteigenden Prozentziffer vertreten ist. Der Waldbestand selbst trägt in so ausgesprochenem Masse , wie dies auf so weitem Raum sonst selten anzutreffen ist, das Gepräge der weitaus vorwiegenden Laubholzbestockung an sich. Der Hauptanteil fällt der Rotbuche zu ; doch ist auch die Eiche so- wohl im Hochwald, als namentlich im Niederwald vertreten. In letzterer Hinsicht bildet nämlich der beträchtliche Flächenanteil der Betriebsform des Eichenschälwalds eine Eigenart dieses Gebiets. Zum Schlüsse mögen noch einige Worte der an den Ränderi — 330 des Schiefergebirgs auftretenden Steinkohlenformation ge- widmet werden. Den reichen Kohlenschätzen, vor allem des Ruhr- gebiets, dann auch der Aachener Reviere und des Saarbeckens, ist es in erster Linie zu verdanken , dass Deutschland hinsichtlich der Förderung der fossilen Kohle unter den Ländern Europas die zweite Stelle, unmittelbar hinter Grossbritannien, einnimmt; freilich zugleich ein Gegenstand wachsender Sorge für den Forstmann. Das Material zu der Steinkohlenbildung haben weitaus vorwiegend baumartige Vertreter der Pteridophyten, der am höchsten entwickelten Krypto- gamen, geliefert. Unter ihnen sind die Sigillarien und Lepidodendren, welche zu den Lycopodiaceen gehören , die eigentlich charakte- ristischen Steinkohlenpflanzen; hierzu gesellen sich Calamiten, aus- gestorbene Vertreter der Equisetaceen , und baumartige Farne in grosser Fülle. Die Phanerogamen dagegen sind erst ganz unter- geordnet und nur mit Angehörigen der Gymnospermen aus den Ord- nungen der Cykadeen und Koniferen vertreten. Die Bildung so mächtiger Kohlenablagerungen, wie wir sie in den schwarzen Schätzen der Erde vor uns haben, setzt eine ausnehmend üppige Vegetation und ein auf den carbonischen Kontinenten über weite Räume ver- breitetes mehr als tropisches Klima voraus. Die Entstehung der Kohlenlager selbst bietet freilich viel Rätselhaftes. Die frühere An- schauung, dass die Ablagerungen in Binnengewässern erfolgt seien, ist jetzt verlassen; die marine Fauna der „ Zwischenmittel " weist viel- mehr auf eine entschiedene Meeresbildung hin. Da nun aber die Gewächse der carbonischen Kontinente unzweifelhafte Landpflanzen waren, so geht jetzt die Anschauung dahin, dass dieselben von den fliessenden Gewässern in das Meer hinabgeschwemmt wurden und an seichteren Stellen in der Nähe der Küste zur Ablagerung ge- langten, wie dieser Vorgang sich heute noch in den Deltas einiger grosser Ströme abspielt. Ob diese Auffassung eine durchaus zu- treffende sei, dies zu beurteilen, muss ich den Fachmännern überlassen. <1. Der Spessart, die Rhön . der Vogelsborg und das hessische Wald- gebirge. Im Osten des rheinischen Schiefergebirgs und im Norden der fränkischen Stufenlandschaft breitet sich in Mitteldeutschland eine Berglandschaft aus, in welcher das untere Glied der Triasgruppe, der bunte Sandstein, die vorwaltende Grundlage bildet. Dieselbe umfasst den Spessart, das Rhöngebirge, den Vogelsberg und das hessische Waldgebirge. Mit der weiten Verbreitung des Buntsand- — 33] — steine stehl der Vegetationscharakter als derjenige einer über- wiegenden Waldlandschaft im Zusammenhang. Dem Buntsandstein sind die beiden jüngeren Glieder der Trias, der Muschelkalk und Keuper , nur in beschränkter Ausdehnung aufgelagert. Auch die jüngeren Bildungen der Tertiärformation zeigen mehr nur örtliche Verbreitung. Vor allem aber sind für unser Gebiet mächtige vul- kanische Ausbrüche der Tertiärepoche kennzeichnend, welche be- sonders im Vogelsberg ein zusammenhängendes Basaltgebirge von grosser räumlicher Ausdehnung, sodann in der Rhön eine Reihe vul- kanischer Höhenzüge, endlich in dem nördlich sich anschliessenden hessischen Waldgebirge eine grössere Zahl kleiner vulkanischer Er- hebungen hinterlassen haben. Der Spessart, in welchem Namen wiederum das althoch- deutsche Wort „Hardt" = Wald enthalten ist, trägt noch das Gepräge des Ubergangsglieds zu den rechtsseitigen Randgebirgen der ober- rheinischen Tiefebene. Er ist im Grunde genommen eine einfache Fortsetzung des Odenwalds, von welchem er nur durch das Erosions- thal des Mains getrennt ist. Im „Vorspessart" , in der Umgebung von Aschaffenburg, tritt noch das krystallinische Grundgebirge mit Gnriss und Glimmerschiefer zu Tage. Der „Hochspessart" dagegen, dessen Hauptkamm innerhalb des vom Main umflossenen Raums zwischen Lohr und Aschaffenburg sich erstreckt, ist ein reines Buntsandsteingebirge. Dasselbe gilt von dem mehr einen plateau- artigen Charakter tragenden „hinteren Spessart". Erst an der Grenze gegen den Vogelsberg sind dem Sandsteinsockel einzelne Basaltkuppen aufgesetzt. Der Spessart gehört zu den waldreichsten Landstrichen Deutsch- lands. Er ist ein ausgesprochenes Laubholzgebiet mit Buche und Eiche als herrschenden Holzarten: die Eichenbestände des Hoch- spessart bilden eine in den forstlichen Kreisen allbekannte Zierde, des deutschen Waldes. Erst in dem dichter bevölkerten Vorspessart ist das Bild des durch Streunutzung erschöpften Waldes, in welchem der Laubwald mehr und mehr der Kiefer weicht, ein wenig erfreuliches. An den Spessart schliesst sich nach Nordosten das Rhön- gebirge an. Auch hier bildet der Buntsandstein die Grundlage: nur untergeordnet sind über demselben die beiden jüngeren Glieder der Trias erhalten geblieben. Nun erhebt sich aber über dieser Triasunterlage ein in eine Reihe von Stöcken zersprengtes vulkanisches Gebirge. Die hohe Rhön trägt hiernach den Charakter des die Umgebung weit überragenden Kuppengebirgs. Der grösste zusammen- — 332 — hängende Basaltrücken ist der über 900 m aufsteigende Höhenzug der „Langen Rhön'". Die aus der Tertiärzeit stammenden vul- kanischen Ausbrüche in der Rhön scheinen nur von kürzerer Dauer gewesen zu sein, da die Erosion die vulkanischen Gebilde in eine grössere Zahl von Höhenzügen und Rücken zerlegt hat. Auf der hohen Rhön macht sich das rauhe Klima, welches durch das be- trächtliche Aufragen der Kuppen über die Umgebung bedingt ist, in höherem Masse geltend, als der Lage in Mitteldeutschland an und für sich entsprechen würde. Auch die Rhön ist nach dem natürlichen Vorkommen der Holzarten ein vorherrschendes Laubholzgebiet; doch hatten in früherer Zeit vorgekommene Entwaldungen die Folge, dass bei den Auf- forstungen das Laubholz in erheblichem Umfang dem Nadelholz gewichen ist. Im Norden des Spessart und im Westen des Rhöngebirgs erhebt sich im Vogelsberg das räumlich ausgedehnteste und mächtigste vulkanische Gebiet in deutschen Landen. Im Gegensatz zu der aus zahlreichen einzelnen Höhenrücken aufgebauten Rhön tritt der Vogelsberg in flachem Anstieg aus der Sedimentunterlage hervor als eine in sich geschlossene einheitliche Basaltmasse. In der Mitte des Gebirgs befindet sich der „Oberwald" mit dem Tauf- stein, der höchsten Erhebung. Der heutige Vogelsberg mit seiner nicht ganz 800 m erreichenden Höhenziffer stellt nur noch einen unscheinbaren, von den Gewässern abgetragenen Rest des in der Tertiärepoche thätigen Vulkans dar. Man hat aus der räumlichen Ausdehnung der geschlossenen Basaltmasse des Vogelsberg, welche doppelt so gross ist, als diejenige der Lavaströme des Ätna, den Schluss gezogen, dass der Gipfel des ehemaligen Vogelsbergvulkans den 3300 m hohen Ätnagipfel noch überragt habe. Der mineralisch kräftige Basaltboden des Vogelsberg trägt aus- gedehnte Laubholzbestände, in welchen die Rotbuche die herrschende Holzart bildet. Noch weiter nach Norden breitet sich das hessische Wald- gebirge aus. Es trägt den vorwiegenden Charakter der Bunt- sandsteinlandschaft, aus welcher örtlich einzelne, aus Basalt auf- gebaute vulkanische Höhenzüge und Kuppen sich erheben. Die bedeutenderen vulkanischen Höhenzüge sind auf der linken Seite der Fulda das Knüllgebirge und weiter nördlich der Habichtswald, welcher in den Park von Wilhelmshöhe sich fortsetzt, auf der rechten Seite dieses Flusses der die höchste Erhebung darstellende hohe Meissner. Die beträchtlicheren Buntaandsteinlandschaften sind: der Kaufangerwald in dem Kaum zwischen Werra und Fulda vor ihrer Vereinigung bei Münden, sodann auf der linken Seite der Weser der Reinhardtswald und auf der rechten Seite der BramwaM Den Abschluss im Norden bildet der Solling, welcher zwar geo- graphisch nicht eigentlich mehr zum hessischen Bergland gerechnet wird, aber nach der geologischen Beschaffenheit als Buntsandstein- gebirge noch hierher zu stellen ist. Im hessischen Waldgebirge tritt, wie schon der Name andeutet. der Charakter der Waldlandschaft in den Vordergrund. Auch hier ist das Laubholz, voran die Buche, herrschend. 7. Der Thüringerwald, der Frankenwald und das Fichtelgebirge, Der Name der „mitteldeutschen Gebirgsschwelle" wird, wenigstens in einem engeren Sinne, dem Gebirgszuge beigelegt, welcher mit dem Thüringerwald beginnt und über den Frankenwald in den Central- stock des Fichtelgebirgs sich fortsetzt, um von hier nach der den böhmischen Kessel umrandenden Gebirgsumwallung auseinander- zutreten. Wie das rheinische Schiefergebirge, so stellt sich auch diese mitteldeutsche Gebirgsschwelle als eine Kette alter Horst- gebirge dar, welche sich teils aus den palaeozoischen Gesteins- schichten, teils aus dem krystallinischen Grundgebirge aufbauen und unerachtet dieser Zusammensetzung aus alten Gesteinen die aus jüngeren Bildungen bestehende, in die Tiefe gesunkene Umgebung überragen. Das erste Glied des Gebirgszugs ist der Thüringerwald. Er erstreckt sich von der Wartburg bei Eisenach bis zum Quell- gebiet des Mainzuflusses Rodach, von wo er alsdann ohne scharfe Grenze in den Frankenwald übergeht. Der Charakter des Plateaus tritt im Thüringerwald zurück und weicht demjenigen eines aus- gesprochenen Kammgebirgs mit kurzen, tief eingeschnittenen Seiten- thälern. Der Thüringerwald zerfällt in zwei, nach dem geologischen Bau verschiedene Bestandteile. Der grössere nordwestliche Gebirgs- tal baut sich ganz überwiegend aus den Schichten des Rotliegenden auf, welches von mächtigen Porphyrausbrüchen begleitet ist. Diesem Gebiet gehören die Wartburg, der Inselsberg, die Donnershauk und der Schneekopf an. Nur untergeordnet wird dieser Zug des Rot- liegenden vom krystallinischen Grundgebirge unterbrochen, so im Südwesten des Inselsberg in der Gegend von Ruhla und am Südfuss des Beerberg. Eintöniger ist der Aufbau des südöstlichen Gebirgs- 334 — teils, in welchem der Plateaucharakter etwas mehr hervortritt. Der- selbe setzt sich zusammen aus den Schiefern und Grauwacken- gesteinen des alten cambrischen und untercarbonischen Gebirgs. Die vorwaltenden Gesteine des Thüringerwalds liefern einen mineralisch kräftigen Verwitterungsboden. Das Vegetationsbild wird in den tieferen Lagen vom Laubholz, im höher ansteigenden Gebirge vom Nadelholz beherrscht. Die östliche Fortsetzung des Thüringerwalds ist der Franken- wal d. Auch dieser zerfällt in zwei verschiedene Bestandteile. Der westliche Teil des Frankenwalds ist ebenso, wie der östliche Teil des Thüringerwalds, ein eintöniges Plateauland, welches aus den Culmschichten des Untercarbon im Wechsel von Thonschiefern und Grauwacken sich aufbaut. Der zweite südöstliche Teil des Franken- walds dagegen ist ein Übergangsglied zum Fichtelgebirge und setzt sich aus einer mächtig entwickelten krystallinischen Masse zu- sammen, welche als „Münchberger Gneissstock u bezeichnet wird. Das ganze Gebiet des Frankenwalds trägt den ausgesprochenen Charakter der Waldlandschaft, in welcher Fichte und Tanne die Herr- schaft führen. Wir betreten nunmehr den Centralstock des Fichtelgebirgs. Diese Bezeichnung gebührt dem Fichtelgebirge schon vermöge seiner centralen Lage inmitten der auseinanderstrebenden Gebirgszüge des Franken- und Thüringerwalds, des Erzgebirgs und des ostbayrischen Grenzgebirgs. Hierzu kommt die beherrschende Stellung als Quell- gebiet von drei grossen Flusssystemen. Aber auch der geologische Aufbau verleiht dem Fichtelgebirge jene Eigenschaft. Den Grund- stock des Fichtelgebirgs bildet nämlich eine mächtige, weitaus vor- wiegend aus Granit, untergeordnet aus Gneiss und Glimmerschiefer sich aufbauende krystallinische Masse. Dem inneren grossen Granit- stock gehören der Schneeberg, welcher mit 1051 m die höchste Erhebung darstellt, und der Eckpfeiler des Ochsenkopf an. Gegen- über diesem krystallinischen Hauptstock des Fichtelgebirgs tritt die aus Schiefern und Grauwacken des alten cambrischen Gebirgs be- stehende Vorstufe an Bedeutung erheblich zurück. Der sehr fein- körnige Granit des Fichtelgebirgs neigt nicht nur zu kuppenförmigem Aufbau, sondern bietet auch an zahlreichen Orten, so am Schnee- berg, Ochsenkopf und an der Kössein, das Bild der Zerstörung ehedem höher aufragender Kuppen und des Zurückbleibens malerischer Felsgerüste infolge des Vemitterns der Unterlage. Wie schon der Name „Fichtelgebirge" andeutet, bildet die — 335 — Fichte die weitaus vorherrschende Holzart: in den tieferen Lagen treten auch Tanne und Kiefer hinzu. 8. Die Gebirgsum wallung . Mai L896), wurden [nsektenbesuche an den Blüten nicht bemerkt; Plateai sali sie in Belgien von Apis und Prosopis sp. besucht. 5. Gladiolus paluster G-aud. (Knuth II, 2, S. 164.) Die Blüteneinrichtung wurde am 2!). Juni 1895 im Wollmatinger Ried bei Konstanz untersucht, wo die Pflanze in grosser Menge vor- kommt. Die Blüten sind in fast horizontaler, ein wenig nach ab- wärts geneigter Lage zu einer einseitswendigen Ähre angeordnet und durch ihre leuchtend purpurrote Farbe sehr in die Augen fallend. Das symmetrische, glockenförmig-trichterige Perianth besteht aus 6 Blättern, welche an ihrem Grunde sämtlich in eine ca. 10 mm lange, am unteren Ende kaum 2 mm dicke, nach oben sich er- weiternde und bogig aufsteigende Röhre miteinander zusammen- gewachsen sind. Die 3 oberen Perianthblätter sind gleichmässig purpurrot gefärbt und (einschliesslich der Röhre) ungefähr 30 mm lang, die 3 unteren sind um 5 — 6 mm kürzer, etwas weniger breit, und auf ihrer Innenseite mit einem langen , weisslichen, dunkelrot eingefassten Längsfeld als Saftmal geziert. Das oberste Perianthblatt ist etwas buckelig gewölbt und bildet ein Dach für die unter ihm stehenden Geschlechtsorgane. Beim Beginn der Anthese liegt diesem Perianthblatt auf seiner Unterseite der Griffel, dessen 3 Narbenäste noch zusammengelegt sind , dicht an , während etwas tiefer die o Staubblätter verlaufen. Von diesen ist der mittlere unten in der Mitte des Grundes der Perianthröhre angewachsen, und sein Filament teilt, indem es sich aufwärts biegt, diese Röhre in 2 enge Zugänge zu dem in ihrem Grunde befindlichen Nektar. Auf diese Weise ent- stehen die beiden bereits von Delpino (Ulteriori osservazioni etc. II, 2, S. 103) für Gladiolus erwähnten Nektarlöcher („nettaropili"); auch die Protandrie dieser Gattung hat Delpino zuerst beobachtet. Die beiden andern Staubblätter sind zu beiden Seiten des Grundes des oberen Perianthblattes in der Perianthröhre eingefügt, und unter dem dachförmigen oberen Perianthblatt verlaufen alle 3 nebeneinander und etwas tiefer als der von der Spitze des Fruchtknotens entspringende Griffel. Die 3 langen bräunlichen Antheren stehen nebeneinander ca. 8 mm weit hinter dem Blüteneingange ; sie springen alsbald nach dem Aufgehen der Blüte mit Längsspalten an ihrer Unterseite auf und bieten den Pollen nach unten dar, um ihn auf dem Rücken besuchender Insekten (Hummeln) abzusetzen. Später biegt sich der Griffel, indem zugleich seine Narbenäste beginnen , sich auseinander zu legen, /wischen den Staubblättern hindurch etwas weiter nach unten, wo- J.ihrcslicftc d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. 28 — 354 — bei die Narben sich zwischen den Antheren hindurch bewegen und dabei mit Pollen behaften müssen, wenn derselbe nicht schon früher durch Insekten abgeholt worden ist. Im letzten Stadium der Blüte stehen die 3 völlig entfalteten Narben unterhalb der Antheren im Blüteneingange und müssen von besuchenden Hummeln immer eher berührt werden, als die Antheren. Die Blüten, welche in der prot- andrischen Einrichtung und in ihrem ganzen Bau an die Bestäubungs- verhältnisse bei den Labiaten erinnern , sind offenbar an die Be- stäubung durch Hummeln angepasst, und ebenso wie H. Müller den Besuch von Bornims hortorum L. an den Blüten von Westfalen an- giebt, so fand auch ich die Pflanzen im Wollmatinger Ried von Hummeln besucht, welche sich mit Übergehung aller dazwischen wachsenden Blumen an die Gladiolus-Blüten hielten und reichliche Fremdbestäubungen bewirkten. 6. Serapias longipetalaVoLL. Die zu armblütigen Trauben angeordneten Blüten sind trotz ihrer ansehnlichen Grösse zwischen dem Gras, in dem die Pflanze wächst, nicht sehr augenfällig, da sie von einer trüben, graubraunen Färbung sind. Auch haben sie weder Duft, noch enthalten sie, wie bereits Delpino (Ulteriori osservazioni etc. II, 2. S. 62) hervorgehoben hat, Nektar. Im aufgeblühten Zustande bildet die Blüte eine schräg aufwärts gerichtete , seitlich fest ver- schlossene Röhre mit einem weiten Eingange, von dessen unterem Rande der vordere Teil des Labellum herabhängt. Die Blüte, deren Fruchtknoten nicht gedreht ist, wird dadurch in ihre definitive Lage gebracht, dass im Knospenzustande sich der Fruchtknoten auf die entgegengesetzte Seite der Blütenstandachse hinüberbiegt, wobei die Blüte umgekehrt wird. Die Blütenröhre wird dadurch gebildet, dass der hintere Teil des Labellum sich der Länge nach so zusammen- rollt, dass seine Seitenränder einander oben berühren ; der an der Oberseite der Röhre noch offen gebliebene Längsschlitz ist dadurch fest verschlossen, dass alle übrigen 5 Perianthblätter miteinander ver- wachsen sind und sich dicht auf die oberen Ränder des Labellum legen. Die 3 äusseren Perianthblätter sind seitlich vollkommen mit- einander zusammengewachsen und bilden einen oben in der Blüte stehenden Helm von 22 mm Länge , welcher an seiner Insertions- stelle das ganze Labellum am Grunde umfasst, an seinem Ende aber in einen spitzen Zipfel ausläuft. Mit diesem Helm sind inwendig auch die 2 oberen Blätter des inneren Perianthkreises zusammen- gewachsen , doch sind sie ihrer Form nach noch erkennbar. Der Helm ist auf seiner Aussenseite von einer rötlichgrauen Färbung. — 355 — Der obere Verschluss der Blütenröhre wird noch dadurch weiter ver- stärkt, dass die 40 — 50 mm laugen Blütendeckblätter, welche die- selbe Farbe haben wie der Helm, sich mit ihrem unteren Teile fest auf denselben legen. Die Blütenröhre hat eine Länge von 17 mm. ihr Eingang ist 7 mm breit, 10 mm hoch. Der hintere zusammen- gebogene Teil des Labellum ist von einer dunkel purpurbraunen Färbung mit einer hell braunrötlichen Mittelpartie im Grunde, am Eingänge ist er in der unteren Hälfte mit Haaren besetzt, und eine ähnliche, aber weniger starke Behaarung ist auch auf der mittleren oberen Partie des Vorderteiles des Labellum vorhanden. Dieser Vorderteil ist 22 mm lang und etwas heller rotbraun gefärbt als der hintere Teil; er ist beim Beginn der Anthese ganz nach hinten zurückgeschlagen , später richtet er sich senkrecht nach unten. Delpino giebt (a. a. 0.) an, dass sich bei den Serajjias-Arten im Grunde des Labellum ein Auswuchs in Form einer dicken, lebhaft rot oder schwarzpurpurn gefärbten Geschwulst befinde , und diesen sieht er als essbar und den die Bestäubung vermittelnden Insekten angenehm an. Bei der hier beschriebenen Art ist mir ein solcher Auswuchs nicht aufgefallen. Die Säule (Gynostemium) liegt oben in der Blütenröhre und ist mit ihrem Rücken den Labellum-Rändern angedrückt; sie ist 14 mm lang, ihr hinterer Teil steigt bogig über die Narbenfläche auf, der vordere bildet einen 5 — 6 mm langen, l1/4 mm breiten, gerade vorgestreckten Konnektiv-Zipfel, auf dessen vorderer und unterer Seite sich die beiden Antherenfächer in Form von häutigen, der Länge nach geöffneten Taschen befinden. Die darin enthaltenen Pollinien sind grüngrau mit gelbem Stiele, welcher unten in eine plattenförmig verbreiterte, rotbraune, beiden Antheren- fächern gemeinsame Klebdrüse übergeht. Zwischen den Antheren- fächern befindet sich eine kleine Längsfalte und unten ein kleines Rostellum von konsolförmiger Gestalt , welches über der sehr stark klebrigen, glänzenden Narbe steht. Spontane Selbstbestäubung kann in den Blüten nicht stattfinden, da die Pollinien nicht von selbst aus den Antherenfächern herausfallen. Auch wird den Blüten In- sektenbesuch zu teil ; so fand Ricca nach Delpinos Mitteilung im westlichen Ligurien auf den Blüten eine am Rücken mit Pollen- massen beladene Bienenart, und bei Gordola am Lago Maggiore, wo ich am 12. Mai 1894 die oben beschriebenen blühenden Exemplare untersuchte, sah ich nicht nur, dass in mehreren Blüten die Pol- linien weggeholt waren, sondern ich fing auch einen Käfer (Oxy- tkyrea stictica L.) und eine kleine Biene {Osntia aenea i.i. welche 23* 356 sich ganz in die Blütenröhre verkrochen hatten. Hiernach und nach dem Fehlen von Nektar in den Blüten halte ich es für wahrschein- lich, dass die Blüten von manchen Insekten als zeitweises Obdach benützt und hierbei bestäubt werden. 7. Limodorum abortivtim Sw. (Knuth II, 2, S. 447.) Die ganze Pflanze ist dadurch, dass sie violett überlaufen ist, recht augenfällig, doch schimmert an Blättern und Stengeln nicht selten eine grünliche Färbung durch. Die Blüten bilden eine ziemlich reichblütige Traube, sind schräg nach aufwärts gerichtet und haben nur einen sehr wenig geöffneten Eingang. Das Perianth ist auf einem (mit seinem Stiele) ca. 25 mm langen Fruchtknoten eingefügt, seine 3 äusseren Blätter sind ca. 17 mm lang, hellbläulich, auf der Innenseite in ihrem mittleren Teil gelblich gefärbt, während die 2 oberen Blätter des inneren Perianthkreises etwa 15 mm lang und etwas schmäler als die des äusseren sind. Das Labellum trägt an seiner Basis einen langen Sporn und misst vom Eingang in diesen bis zur Spitze 17 mm in die Länge ; es besteht aus zwei Teilen, von denen der hintere 5 mm lang und mit seinen Seitenrändern so nach aufwärts gebogen ist, dass er eine "d1l2 mm breite Rinne dar- stellt. Der Vorderteil des Labellum, der ebenfalls durch Herauf- biegung seiner Ränder eine rinnenförmige Gestalt hat, ist 12 mm lang, 8 mm breit, in seiner mittleren Partie hell ockergelb, im übrigen rosenrot gefärbt und mit dunkleren Längsadern versehen. Der Sporn ist 18 mm lang, aussen 2 mm dick, mit einem l:/4 nim weiten Eingange versehen, und enthält in seinem Innern frei ab- gesonderten Nektar. Unter dem obersten , helmartig gekrümmten Perianthblatt liegt, die Richtung des Fruchtknotens fortsetzend, die Geschlechtssäule (Gynostemium). Sie hat eine Länge von 15 mm, an ihrem unteren Ende eine Breite von 2J/2 mm, und verbreitert sich nach oben löffeiförmig bis auf 4'/2 mm; ihr oberstes olj2 mm langes Ende wird durch die Anthere gebildet, welche reichlich 2 mm breit ist, sich mit 2 Längsrissen nach der unteren Seite hin öffnet und eine beträchtliche Menge von hellgelbem, locker zusammen- geballtem und keine bestimmt geformten Pollinien bildendem Pollen hervortreten lässt, welche von selbst allmählich herabsinkt. Dabei wird er zunächst von dem kleinen, unterhalb der Anthere konsol- artig vorspringenden Rostellum aufgehalten, quillt aber nach und nach über dasselbe hinaus und gelangt so auf den oberen Teil der dicht unter dem Rostellum stehenden, 4 mm langen und 3 mm breiten, sehr stark klebrigen, hellgelblich gefärbten Narbenfläche. 357 Es tritt also unfehlbar spontane Selbstbestäubung ein, wie dies schon von Pedicino angegeben worden ist. Auch v. FßEYHOLD be- obachtete eine solche an Blüten, welche normal gebildet und gefärbl waren, sich aber gar nicht öffneten. Die von mir (am 26. Mai 1896 in Bellaggio) beobachteten zahlreichen Exemplare zeigten geöffnete Blüten, deren Eingang aber allerdings so niedrig war, dass die dicht unter dem obersten Perianthblatt stehende Anthere, die sich ungefähr über der Mitte des Vorderteiles des Labellum befindet, von der Innenseite des letzteren nur ca. 3 mm weit entfernt war. Nichts- destoweniger beweist das Offnen der Blüte, sowie die Nektar- absonderung im Sporn, dass die Blüten auf Insektenbesuch und durch denselben etwa eintretende Fremdbestäubung nicht völlig ver- zichtet haben. 8. Phytolacca decandra L. Da über die Blüteneinrichtung dieser in Südtirol und der italienischen Schweiz eingebürgerten Pflanze noch gar nichts bekannt ist, so untersuchte ich sowohl die im Hohenheimer botanischen Garten kultivierten Exemplare, wie auch am 22. September 1899 verwilderte Pflanzen an der Via Appia bei Rom ; an beiden Orten stimmten die Blüten in Bau und Einrichtung untereinander vollkommen überein. Sie stehen in grossen, traubigen, rosenrot angelaufenen Blütenständen auf senk- recht von der Hauptachse abstehenden Stielen, sind bald ausgeprägt, bald schwächer protandrisch und enthalten keinen Nektar. Ihr Perigon besteht aus 5 eiförmigen, hell rosenrot gefärbten Blättchen von 3 mm Länge, die sich ziemlich flach auf einen Blütendurch- messer von 6 — 8 mm ausbreiten. Sofort beim Aufgehen der Blüte spreizen sich die Filamente der 10 Staubblätter, welche ungefähr die Länge der Perigonblätter haben, nach aussen ab, und ihre röt- lichen oder weissen Antheren springen an der nach innen gewendeten Seite auf, um den weisslichen Pollen zu entlassen. In der Mitte der Blüte steht ein dunkelgrüner, niedergedrückt-kugeliger, meist lOfurchiger Fruchtknoten von 2 — 2'/2 mm Durchmesser, auf dessen Spitze sich 10, bisweilen auch weniger, kurz-fadenförmige Griffel befinden. Beim Beginn der Anthese haben letztere noch nicht ihre volle Länge erreicht und sind aufrecht dicht aneinander gelegt : allmählich wachsen sie heran, legen sich bogig auseinander und bieten an ihrer inneren, nun nach oben gewendeten Seite die Narbenpapillen dar. Das Ausbreiten der Narben erfolgt bisweilen noch während des Stäubens der Antheren, meistens aber erst, wenn diese zu welken beginnen, oder sogar nachdem sie von den Filamenten — 358 — abgefallen sind. Die antherenlosen Filamente richten sich schliesslich auf, die Narben sehen noch längere Zeit frisch aus. Spontane Selbstbestäubung kann nur während des zwitterigen Stadiums in solchen Blüten durch Pollenfall eintreten, die sich auf ihren Stielen schräg oder senkrecht ausbreiten, und das ist die Mehrzahl von allen. Insektenbesuch konnte weder in Hohenheim noch bei Rom an den Blüten wahrgenommen werden, aber es muss ihnen solcher doch trotz der Nektarlosigkeit zu teil werden, da sonst kein so reichlicher Fruchtansatz, wie man ihn überall wahrnehmen kann, stattfinden würde. 9. Montia rivularis Gmel. Von Montia minor Gmel. berichtet J. Urran (Berichte der deutschen bot. Ges. 1885. Bd. 3. S. 407), dass sich die Blütenstiele zu der Zeit, wo die Kronblätter aus der Spitze der Knospen eben erst weisslich hervorschimmern, oft schon früher, bogenförmig nach abwärts krümmen, sich beim vollständigen Aufblühen aufrichten und sich kurz nach dem Abblühen wieder nach abwärts krümmen. Montia fontana L. (= M. minor Gmel. -j- M. ri- vularis Gmel.) wird von Axell (Om anordningarna etc. 1869. S. 13) als ausnahmslos kleistogam, jedoch reichliche Früchte ausbildend geschildert, eine Angabe, die sich allerdings auf im Zimmer gehaltene Pflanzen bezieht; nach Kerner (Pflanzenleben. 2. Aufl. II. S. 350) öffnen sich die Blüten bei ungünstiger Witterung nicht, sondern befruchten sich pseudokleistogam. Ich beobachtete an Pflanzen von Freudenstadt im Schwarzwald am 31. Juli bis 4. August 1898, dass die Blüten von M. rivularis Gmel. bei sonnigem Wetter sich öffnen, aber trotzdem sehr häufig sich autogam befruchten. Die Blüten sind klein und unscheinbar und blühen einzeln nacheinander auf. Sie haben 2 grüne, ca. 1 mm lange und etwas breitere Kelchblätter, welche an der Blüte nach vorn und hinten stehen und während der Anthese sich auseinander spreizen. Die weisse Krone ist vor dem hinteren Kelchblatt durch einen tiefen Einschnitt bis auf den Grund gespalten, so dass ihr 5zipfeliger Saum an dieser Stelle eine ver- hältnismässig grosse Lücke frei lässt: von dieser Spaltung abgesehen sind die 5 Kronabschnitte am Grunde etwa iji mm weit miteinander verwachsen und im ganzen 1V4 mm lang. Der mittlere Kronzipfel, welcher vor der Mitte des vorderen Kelchblattes steht, ist schmäler als alle übrigen, die beiden äussersten sind auch etwas schmäler als die zwischen ihnen und dem Mittelzipfel stehenden. Die Krone breitet sich ausserhalb des Kelches so weit aus, dass ihr oberer Durchmesser der Quere nach 2 — 2x/2 mm , von vorn nach hinten — 359 — gemessen etwa die Hälfte davon beträgt. Der fast kugelige. ' ... nun hohe Fruchtknoten ba1 eine dunkelgrüne Farbe und glänzt im Sonnen- schein wie lackiert: er trägt 3 weisse, nach oben in pinselförmige Narben übergehende Griffel, welche sogleich beim Aufgehen der Blüte empfängnisfähig sind. Von den 3 weissen Staubblättern, deren Filamente am Grunde der 3 schmäleren Kronzipfel eingefügt sind, steht eines vom. die beiden andern rechts und links in der Blüte; ihre weissen Antheren öffnen sich entweder beim Auseinanderbreiten der Krone oder kurz nachher an ihrer Innenseite. Die Blüten sind also homogam bis schwach protogynisch. Da die Antheren in gleicher Höhe mit den Narben und in geringer Entfernung von ihnen stehen, bisweilen sie direkt berühren , so muss in den Blüten ohne Zweifel spontane Selbstbestäubung regelmässig eintreten. Die Möglichkeit von Fremdbestäubung ist durch das Aufgehen der Blüten zwar gewahrt, aber der dazu erforderliche Insektenbesuch dürfte bei ihrer grossen Unscheinbarkeit und ihrem Mangel an Nektar nur sehr selten stattfinden: beobachtet wurden keine die Blüte besuchenden Insekten. In der Ausbildung der Staubblätter kommen nicht selten Ab- weichungen von dem soeben geschilderten Verhalten vor. Bisweilen verkümmert eines der normalen 3 Staubblätter und bleibt ganz klein und rudimentär: umgekehrt hatte sich manchmal ein viertes ent- wickelt, das aber nicht so kräftig ausgebildet war wie die übrigen. 10. Silene Elisabethae Jan. (Knuth II, 1, S. 170.) Die Blüten, deren Protandrie bereits von E. Loew beobachtet worden ist, wurden von mir im Juni 1898 an Exemplaren untersucht, die aus der Alpenpflanzenhandlung von Sündermann in Lindau bezogen worden waren. Sie sind zu armblütigen Trauben vereinigt und wegen ihrer Grösse und tief rosenroten Färbung sehr ansehnlich. Der Kelch ist auf seiner Aussenseite hellrötlich gefärbt, von schmutzig- grünen Längsnerven durchzogen und dicht mit dunkelroten, drüsen- tragenden Borstenhaaren besetzt. Er besteht aus einer cylindrischen, 14 mm langen und 6 mm weiten Röhre, die am Grunde gerade abgestutzt ist und oben in 5 Zipfel ausläuft, die eine Länge von 10 mm haben und sich wenig nach aussen spreizen. Die Kron- blätter besitzen 20 mm lange Nägel von hellroter Farbe, welche am oberen Ende 4 mm breit sind und sich nach unten allmählich ver- schmälern : an die Nägel schliessen sich Platten von tief rosenroter Farbe an, die sich ziemlich eben ausbreiten und dadurch eine unter- brochene Fläche von 40 — 50 mm Durchmesser darstellen. An ihrer Ansatzstelle an den Nagel ist die Platte auf eine Breite von 3 mm 360 — zusammengezogen und von hier aus an ihrem 7 mm langen Grunde allmählich auf 6 — 7 mm verbreitert, dann aber plötzlich bis zu 22 — 25 'mm Breite erweitert; an der Spitze ist sie eingeschnitten, an den Bändern unregelmässig gezähnt. Am Schlünde tragen die Kronblätter ein Krönchen, welches aus je 4, ungefähr 5 mm langen dunkelroten, borstenförmigen Abschnitten besteht, und der Grund der Kronblattplatten trägt dunkler gefärbte Längslinien. Durch die Kelchzähne und den oberen Teil der dem Kelche inwendig sich an- legenden Kronblattnägel wird ein kreisförmiger Eingang in die Blüte begrenzt, dessen Durchmesser ca. 10 mm beträgt und innerhalb dessen nacheinander die Geschlechtsorgane zur Entwicklung kommen. Im ersten Stadium entlassen die gelben Antheren der 5 äusseren. Staubblätter ihren gelben Pollen, wobei sie aber nicht aus dem Blüteneingang hervortreten, sondern sich in einer Höhe von 2 — 3 mm unterhalb des Krönchens infolge des Gegeneinanderneigens der Fila- mente berühren. Nach dem Stäuben biegen sich diese Staubblätter auseinander und legen sich an die Innenseite der Kelchzipfel an ; es entwickeln sich nun die 5 inneren Staubblätter zur völligen Ge- schlechtsreife, indem sie sich ebenfalls gegen die Blütenmitte biegen und die Antheren öffnen. Da diese Gruppe von Staubblättern aber eine um etwa 3 mm geringere Länge hat, als die äusseren, so stehen ihre Antheren nicht weit oberhalb der 3 Griffel, welche schon wäh- rend des Stäubens der inneren Staubblätter sich etwas auseinander breiten und ihre Narben entwickeln. In diesem Zustande muss bei der aufrechten Stellung der Blüten fast unvermeidlich spontane Selbstbestäubung durch Herabfallen von Pollen eintreten. Nachdem auch die inneren Staubblätter verstäubt haben, legen sie sich an die Nägel der Kronblätter zurück und hierdurch wird nun der Weg zu den Narben und zum Nektar für besuchende Insekten vollkommen frei gemacht. Im Grunde des Kelches stehen auf einem 3 mm langen Stiel der Fruchtknoten, die Staubblätter und die Kronblätter. Der Fruchtknoten ist grün, 7 mm lang, die auf ihm befindlichen weissen Griffel erreichen eine Länge von 4 mm. Die Filamente sind weiss- lich, an ihrer Basis etwas flaumhaarig, und die 5 äusseren tragen an der Innenseite ihres Grundes je ein gelbes wulstiges Nektarium, von welchem reichlicher Nektar abgesondert wird. An ihrem natür- lichen Standort werden die augenfälligen und nektarreichen Blüten ohne Zweifel Besuch von Insekten erhalten ; indessen erwähnt Kerner nur, dass die Blüten von Hummeln erbrochen würden und selten keimfähige Samen entwickelten. — :;r>i 11. Saponaria lutea L. Auch diese Pflanzen, deren Bifiten von mir am 7. Juni L898 beobachtet wurden, waren von SüNDEBMANN in Lindau bezogen: über ihre Bestäubungseinrichtung ist bisher noch nichts bekannt geworden. Die gelblich weissen Blüten stehen am Knde der einfachen Stengel in kopfig zusammengezogenen Dichasien beisammen, und sind von einer so stark ausgeprägten Protandrie. dass spontane Selbstbestäubung nicht stattfinden kann. Der hell- grüne, oft rötlich überlaufene Kelch ist . Fraas , kennt nur 7 richtige Arten) ; 2. Aufl. 1896. p. 407 (25 Arten nach Miller's Angaben]. Kraus, 0. : Vor der Sündflut. 1866. p. 30 u. 57 (2 Holzschnitte nach Quen- stedt); Geogn. Atlasbl. Heidenheim 1868. p. 14 u. 15; Fauna von Stein- heim, in diesen Jahresh. 1870. p. .1 45 ff. (über die Schnecken p. 392 — 394) ; Geogn. Beschr. Württemb. 1882. p. 174 (nur 7 Arten aufgeführt). 11 i l|gen d or f , F.: Planorbis multiformis im Steinheimer Süsswasserkalk , in Monatsberichte der Berliner Akademie 1866. p. 474 — 504. Mit 1 Tafel; Zur Streitfrage des Planorbis multiformis (gegen Sandberger) im Kosmos 1879. April- und Maiheft (auf Grund neuer Untersuchungen an Ort und Stelle). Hyatt. Alpheus, of Boston: Transformations of Planorbis at Steinheim, in Pro- ceedings of the American Association for the advancements of Science. Vol. XXIX. Boston Meeting, August 1880. Mit 1 Tafel. — — The Genesis of the Tertiary species of Planorbis at Steinheim . in Anni- versary Memoirs of the Boston Soc. of Nat. Hist. 1880. 4°. 114 p. Mit 9 Tafeln in Lichtdruck. Key ssler: Neueste Reise durch Teutschland. Hannover 1740. p. 135 (bei Heiden- heim werden 5 Sorten kleiner weisser und reiner Schnecken gegraben; dieselben seien von Camerariüs und Lentilius beschrieben worden: sie werden von den Einwohnern zum Scheuern des Zinns benutzt und gleichen den vor 20 Jahren in Mainz bei Festungsbauten gefundenen). Jahreshefto d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. 25 — 386 — Klein: Die Konchylien ■./-Schichten direkt Jura zu folgen (siehe Sandberger S. 631 u. 634 unter Berufung auf 0. Fraas und Hyatt). Letzterer (Hyatt) dagegen nimmt die Unterlagerung des SyhanarKaXkea mit dem Stammvater Laevis ohne weiteres an. Sicherheit kann hierüber nur Grabung oder Bohrung bringen. Die Schneckenfauna der Carinifex-Bildmigen weist auf einen kleinen abgeschlossenen See hin. Neritinen und Melanien, welche in fliessend em Wasser leben, fehlen; ebenso Bivalven. An Wasser- schnecken haben wir 1 Gillia, ."> Gari/nifex, 4 Planorbis, 'A Lim- hiicks (wovon 2 sehr selten), 1 Bythinella. Diese 12 bezw. 10 Arten bilden die grosse Masse der Individuen, denen gegenüber alle anderen (die Landschnecken) Seltenheiten sind. Nur Limnaeus socialis und Planorbis Zietenii werden noch von einem anderen Fundort an- gegeben, die übrigen 8 sind eigentümlich. Die Erklärung dafür finden wir in den Eigentümlichkeiten des Steinheimer Beckens. Wir haben hier einen kleinen abgeschlossenen Tümpel, und in solchen pflegen andere Arten zu leben, als in grossen weiten Becken. Alles weist sodann auf ausserordentlichen Kalkreichtum hin. Man denke an die dickschaligen (iüliu und Cari)iif<:c, welche an massenhaftem Vorkommen alle anderen Schnecken weit über- treffen, ferner an die Massenhaftigkeit der Schnecken überhaupt, aus deren Schalen ganze Bänke fast ausschliesslich bestehen, ferner an die kalkausscheidenden Algen, welche Felsen, und Armleuchter (Characeae), welche Bänke bilden. Dieser Kalkreichtum ist die natürliche Folge der Abgeschlossenheit des Sees mitten in einer reinen Kalkformation. Wir dürfen aber als Folge der vulkanischen Tbätigkeit auch einen mehr als gewöhnlichen Kohlensäuregehalt des Wassers voraussetzen, wodurch die Fähigkeit des Wassers, Kalk aufzulösen, erhöht war. Bei den N////vo/a-Kalkbildungen haben wir wohl auch keinen Mangel an Kalk, aber es sind Ausscheidungen an den Rändern und Ufern eines grossen weiten, zwischen Jura und Alpen sich erstreckenden Beckens, und darum ist die Ver- schiedenheit der Wasserschnecken nicht befremdend. Das Stein- heimer Becken hatte ferner warme Quellen, als deren Beweis 392 die Aragonit- und Opalbildungen gelten können, erstere gegen den Klosterberg hin sehr verbreitet, letztere 10 — 20 cm starke Bänder, Streifen und Schichten bildend. Auch die Dickschaligkeit, welche sonst auf warmes Klima bezogen wird, dürfen wir mit auf Rechnung der warmen Quellen schreiben. Die Gattung Bythinella ist auf Quellen beschränkt: Gillia und Carinifex sind in den ungeschichteten Quellbildungen wie in den Schichten zu treffen. Mehrere klotzige Felsen, ein paar in der PHARiON'schen Sandgrube, andere gegen die Höhe des Klosterberges, sind allem Anschein nach ganz aus kalk- bildenden Algen (Rivularien) gebildet, ungeschichtet, von teils hori- zontalen, teils abfallenden Schichten umgeben, so dass wir dieselben als Quellabsätze betrachten können. Endlich ist als Eigentümlichkeit des Steinheimer Beckens reiche Pflanzenwucherung anzu- nehmen. Auf die felsbildenden Algen und die bänkebildenden Arm- leuchter haben wir schon hingewiesen ; ferner sind die Carinifex und andere Wasserschnecken nicht selten von Algenniederschlägen mumien- artig umhüllt. Sandberger glaubt auch viele Wasserlinsen annehmen zu dürfen. Nach Beobachtungen an lebenden Planorben ist die Skala- ridenbildung besonders häufig in sumpfigen Wassern und in solchen, welche dicht mit Linsen und Fall-Laub überzogen sind (Sandb., S. 642). Gerade die Häufigkeit der Skala ridenbildung ist aber eine Eigentümlichkeit der Steinheimer Schneckenfauna; am auffälligsten ist sie, wie bekannt, bei Carinifex multiformis (siehe unsere Abbildungen : es kommen selbst Exemplare mit ganz freiem Gewinde vor), dann sehe man die Skalariden bei No. 30, 31 und 32. In den Alpenseen wird die Bildung des verlängerten Gewindes der Valvaten auf den kräftigen Wellenschlag zurückgeführt, welcher bei den Limnaeen umgekehrt die Verkürzung des Gewindes zur Folge hat. Wellen- schlag ist in Steinheim ausgeschlossen , höchstens könnte man an durch Quellen bewegtes Wasser denken ; auch sind die Limnaeen in der Regel nicht verkürzt, sondern relativ langgewunden und weisen auf ruhiges Wasser hin ; die var. striatus freilich erinnert an tiimidus des Bodensees, ebenso wie Planorbis Zietenii an albus-deformis des Bodensees. Nicht ausgeschlossen ist in Steinheim wechselnder Wasserstand und zeitweiliges Austrocknen, und es können Miss- bildungen und Variationen auch damit in Beziehung stehen. Von den 21 Arten von Landschnecken, welche alle mehr oder weniger selten sind, sind fast alle Feuchtigkeit liebend. Die 8 grösseren (5 Helices, 1 Glandula, 1 Clausilia, Pupa Schübler i) lebten wohl an Gebüsch und Bäumen : die der Schübleri nahe- — 393 stehende Pupa frumentum lebt nur auf Kalk, an trockenen kurz- rasigen steinigen Abhängen; Glantlntu kommt in Deutschland niclii mehr vor, sondern nur in wärmeren Ländern. Die 12 kleineren Arten ( Pallonia, Patula, Titrina, Hyalinia, Strobilus, 6 kleine Pupa- Arten. Garychium) lebten in Mulm, Moos, unter Steinen, z. T. an feuchten Felswänden. Caecilianella, welche nur durch Schlämmen in einer grösseren Anzahl von Exemplaren gefunden wurde, lebt, so- weit man weiss, fast nur unterirdisch (wird öfters und in Menge mit Kadavern in der Erde gefunden). Von diesen 21 Landschnecken sind 12 Arten auch von anderer» obermiocänen Fundorten bekannt, nur 9 Arten neu; unter den letzteren sind 6 (1 Garychium und 5 Pupa) so klein, dass ihre Auf- findung in Steinheim nur dem Schlämmen massenhaften Materials, wie es in den letzten Jahren besonders durch Prof. Eberhard Fraas für das Naturalienkabinet erfolgte, zu verdanken ist. Die 3 übrigen haben im Obermiocän wenigstens ihre nahen Verwandten; Helix silvestrina in den nahestehenden subvermiculata, Lartetii und silvanä, letztere mit derselben Variation: Clausilia suturalis hat ebenfalls drei nahestehende Formen im Obermiocän ; Pupa Schübleri ist viel- leicht mit subfusiformis und nördtingensis identisch, man kennt nur von letzteren die Bezähmung nicht. Somit haben die Schnecken von Steinheim nichts so Befremdendes mehr wie man lange Zeit geglaubt hat, sie reihen sich vielmehr ganz natürlich in unser Ober- miocän ein \ 1 Man vergleiche, dass der Sylvana-KaXk von Undorf bei ßegensburg unter 51 Species 22 neue. bezw. nach der neuesten Zusammenstellung unter 63 Species 2(5 neue darbot, also ein ähnliches Verhältnis wie Steinheim. Ferner sei darauf hingewiesen, dass Melantho varicosa, die Herrenschnecke von Ober- und Unterkirchberg an der Hier, welche dort zu Millionen vorkommt, lange Zeil nur von da bekannt war. später auch in den Bohnerzen von Heudorf bei Messkirch, und neuerdings auch am Landauhof bei Riedlingen wieder gefunden wurde. Audi dem Carinifex kann eines Tags das gleiche Schicksal werden. ' — 394 Aufzählung der einzelnen Arten nebst Bemerkungen zu denselben. Bemerkung zu Taf. VII siehe am Schluss, S. 406. 1. Helix (Campylaea) insignis Schübl. bei Ziet., Taf. 29, 1 ; Klein, diese Jahresh. II, Taf. I, 2; Sandb., Taf. 28, 9 (var. steinh.). Sie ist verwandt mit den beiden obermioeänen Campylaea-Art&n inflcxa und Zcllii. Klein hat die kleineren und flachen Individuen als Helix steinheimensis unterschieden. Sandberger hat beide vereinigt, weil eine Grenze in der That nicht zu ziehen ist. Die Variation ist aller- dings eine sehr grosse, von Exemplaren, wo das Gewinde seitlich gesehen kaum hervorragt, bis zu solchen, wo es fast die Hälfte der Höhe einnimmt. Das Naturalienkabinet besitzt ein Individuum mit vollen 6 Windungen, wo bei 40 mm Durchmesser die Höhe ebenfalls 40 mm erreicht. Man unterscheidet var. maior m., 5 (selten bis 6) Windungen, mit halbbedecktem Nabel ; lat. 33 — 37, selten 40 und sogar 43 (Zieten bildet ein Exem- plar mit 44 ab), alt. 28—33 (ein abnormes Exemplar hat 40, s. o.) ; var. steinheimensis Klein, Taf. I, 10; Sandb., Taf. 28, 9, bei kleineren Exemplaren nur 472, meist aber 5 Windungen, ge- nabelt, letzte Windung 3/5 der Höhe, neben ganz flachen Exemplaren, wo das Gewinde kaum hervorragt, lat. 25 — 30, alt. 18 — 25 mm. H. insignis kommt im Gyps vom Hohenhöwen häufig in Stein- kernen vor (Sandb., S. 528 und 650); ferner im Obermiocän von Delsberg ebenfalls häufig (nach Heer, Urwelt der Schweiz, 2. Aufl., S. 250). 2. Helix (Macularia) silvestrina Ziet., Taf. 29, 2; Sandb., Taf. 28, 10; non Klein. Der Name ist schon von Schlot- hf.im (Petrefaktenkunde 1820) gegeben, doch sind dort mehrere Arten (von Buxweiler u. s. w.) vermengt, und es kann nicht mehr fest- gestellt werden, welche er gemeint hat. Zieten bildet die Art von Steinheim ab. Klein hat die Art mit der verwandten obermioeänen silvana vermischt. Auch H. loxostoma und subvermiculata, welche mit silvana vorkommen, stehen ihr nahe, wie die lebende nemoralis. Die Steinheimer Art hat drei, oft sehr deutliche Farbenbänder (Sandb. giebt als Seltenheit auch 5 an, was ich nicht beobachtet habe). Auf dem letzten Umgang ist feine deutliche spirale Streifung wahrzunehmen, was mit den Anwachsrippchen eine zarte Gitterung giebt. Var. maior m. Anfr. 5-51/,, lat. 26(— 27), alt. 20(— 22). Var. minor m. Anfr. 472 — 5, ultimus 3J5, lat. 18, alt. 1472- — 395 Man vergleiche, dass die verwandte Helia silva/na ganz ähnlich variiert, von anfr. 4l/2 — 5, ult. */8, lat. 17—27, alt. 11—19. .">. Helix (Zenobia) carinulata Klein, diese Jahresh. IX. Tat. 5, 5; Sandb., Taf. 29, 7 und Taf. 28, 8 (var. subcarvnulata). SäNDBERGER hat die Steinheimer Form wegen des Mangels der Papillen als subcarinulata unterschieden (S. 649). In Steinheim nicht gerade selten. Sonst im Obermiocän von Morsingen, Emeringen, Hausen, Altheim, Leisacker. 4. Helia (Zenobia) sparsipustulata Sandb., 588 und 650. Der vorigen nahestehend; mit runzlich- gablichen Anwachs- rippchen, zwischen welchen grobe Papillen sind: etwas gekielt; Nabel- ritz vielleicht vorhanden. Je 1 Exemplar Wetzler und Sandberger; ein Bruchstück Miller (5 anfr.. lat. 7'/2, alt. 5. ult. 3, unvollendet). Sonst im Obermiocän von Mammern, Schönbrunn bei Eichstätt, Leis- acker; wahrscheinlich gehören Steinkerne von Hausen ob Allmen- dingen in meiner Sammlung hierher. 5. Helix (ZcHoh/a) coarctnta Klein, diese Jahresh. IX, 206, Taf. 5, 3; Sandb. 586, Taf. 29, 5. In Steinheim eine Varietät mit unbedeutenden Unterschieden (spini conica; anfr. 5'/4, ult. eearina- tus ~ ... diam. 11,3, alt. 6, apert. 4 alt., 6 lat.). Die Mündung ist hufeisenförmig; die Schale ist unter dem Mikroskop beinahe glatt. Nur 1 trefflich erhaltenes Exemplar im Naturalienkabinet : 1 unvollständiges Böttger. Sonst im Obermiocän von Morsingen, wo der letzte Umgang 1/2 der Höhe einnimmt und oben eine sehr schwache Kante zeigt. 6. Helix (Vallonia) subpulehella Sandb., S. 544 Taf. 29, 3 var. (abgebildet nach Sandb. 29, 3). Von Böttger aufgefunden (N. Jahrb. f. Min. etc. 1877, 79); ein Bruchstück Miller. Dagegen erwähnt Böttger brieflich ein Bruchstück, welches mit subpulcheUa nichts zu thnn habe, sondern der lebenden costata Müll, am nächsten stehe, etwas grösser (2,6 diam. ohne Mündung). Bessere Exemplare sind abzuwarten. Sonst nicht selten am Neuselhalderhof und im Mittelmiocän von Sansan (Sandb., S. 545 u. 584). 7. Patida euglyphoides Sandb., S. 649 u. 583, Taf. 29, 1 und 28, 7. In Steinheim von Wetzler. Sandberger, Miller (4 Exem- plare) und En. Fraas (Nat.-Kab.) gefunden. Sonst im Obermiocän von Emeringen, Hausen. Altheim. Leis- acker; im oberen Mittelmiocän (Brackwasserschichten) von Kingingen am Hochsträss (Miller). 396 — 8. Strobilus co Status Sandb. in litt.; Olessin im Reg. Korr.-Bl. 1877, S. 37, und in Mal. Bl. N. F. VII, 1885, S. 79, Taf. 7, 10. — Anfr. 5, diam. 2, alt. 1,4. Die 3 eisten Windungen sind glatt, die letzte grobgerippt. Unsere 2 Exemplare sind kaum gekielt, eng- und tiefgenabelt (Clessin : gekielt, mit engem, teilweise verdecktem Nabel). Von den 2 Falten ist die untere schwächer. In Steinheim 2 vorzügliche Exemplare dieses niedlichen Schneck- chens (Miller). Sonst im Obermiocän von Undorf, auch selten. 9. Vitium suevica Sandb., S. 602, Taf. 29, 27. Anfr. 21/2— 3, diam. 472, alt. 3. Eb. Fraas fand 4 Exemplare in dem Oxystoma-Hoiizont (Nat.-Kab.). Sonst im Obermiocän vom Neuselhalderhof und von Undorf, sehr selten. 10. Htjalitiia or bicul ar is Klein, diese Jahresh. II, Taf. 1, 13; Sandb., Taf. 29, 28 u. 29. Von Steinheim in einigen Exemplaren bekannt (Böttger, Miller 4 Stück, Nat.-Kab.), aber nur unaus- gewachsen, bei 41/2 Windungen 7 mm diam. Sonst im Obermiocän von Mörsingen, Hepsisau, Undorf. 11. ClausiZia (Trlptyclila) suturalis Sandb., S. 652. Taf. 28, 11; Böttger, Clausilienstudien 1877, S. 20. Klein hat diese Art mit der untermiocänen antiqua Ziet. vermengt; er giebt zwar Steinheim als Fundort an, hat aber Ulmer Exemplare abgebildet. 1373— 14V2 anfr., alt. 26 (bei 1373 anfr.) bis 3072 (bei 1372 anfr.), nach Böttger bis 32 mm, diam. 772 — 872, apert. 7 — 8 alt., 5 lat. Das schlankste Exemplar misst bei 1472 anfr. alt. 29, diam. 772. Die Rippen sind bald gröber, bald feiner. Diese Art ist von Steinheim in Hunderten von Exemplaren bekannt, wird jedoch in neuerer Zeit weit seltener gefunden als früher. Böttger hat an dieser Species zuerst die Beobachtung ge- macht, dass bei der von Sandberger aufgestellten Untergattung Triptychia das Clausilium fehlt. Böttger führt aus der Tertiär- zeit 19 Arten von Triptychien auf, während dieselbe jetzt aus- gestorben ist. 12. JPupa (Torquilla) Schübler i Klein, Taf. 1, 18; antiqua Schübl., bei Ziet., Taf. 29, 7; Sandb., S. 653, Taf. 27, 12. Böttger, Entwickelung der Pupa-Avten, S. 224 ; pachygastra 0. Fraas, Geogn. Beschr. v. Württ. 1882, S. 174 (ohne Beschreibung). Diese Art unterscheidet sich durch die ganz flachen Umgänge, weniger tiefe Nähte, fast glatte Schale von den verwandten Arten. Die Masse sind für den Typus: anfr. 8 — 9, alt. 7—8, lat, 3— 3'/2, apert. — 397 2,3 X 2, alt. 77. Das kleinste Exemplar misst •','., 3 bei 8 Win- dungen, ein anderes 7 'A bei 9 Windungen. Var. pachygastra Fi;., anfr. 8V8, alt. 9,5, lat. 4. Die Variabilität ist also doch eine recht beträchtliche, sofern sie von 6,5 — 9,5 in der Höhe, von 2,5 — 4 in der Breite, und die Umgänge von 8 — 9 schwanken. Pupa SchÜbleri hat 2 Parietalfalten (rechts oben ein Angular- höckerchen und noch eine starke eintretende Parietalfalte), 2 meist gleich starke Columellarfalten und eine lange, tiefgehende Gaumen- falte , über welcher an manchen Exemplaren noch eine 2. , viel schwächere, kürzere erkennbar ist. Klein nennt nur eine Gaumen- falte, entsprechend ist seine Zeichnung, Sandberger giebt 2 an, die untere stärker, die obere schwächer. Nach Böttger dagegen sollen es wie bei der lebenden frumcntum gewöhnlich 4 Gaumenfalten sein, selten 3 und noch seltener nur 2; die 2 unteren seien regelmässig da, statt der 2 oberen manchmal nur eine. Ich fand auch bei meinen besterhaltenen Exemplaren nie mehr als 2 Gaumenfalten, habe mich aber an 2 vortrefflich erhaltenen Exemplaren des Na- turalienkabinets überzeugt, dass in der That alle 4 Gaumenfalten vorhanden sein können : die unterste ganz nahe an der gekielten Basis, tief beginnend und deshalb leicht zu übersehen, die 2. starke, welche stets vorhanden ist, und dann noch 2 schwächere. Auf der Aussenseite machen sich diese Falten durch farbige (gelbe oder weisse) Spiralbänder nicht selten bemerklich, auch dann, wenn die Falten innen nicht sichtbar sind. Man kann von diesen Farben- bändern 2 oder 3 oder sogar alle 4 beobachten. Auch in dieser Hinsicht lässt also Vupa SchÜbleri an Variabilität nichts zu wün- schen übrig. In einzelnen Schichten nicht selten. Diese Art steht jedenfalls der obermiocänen Pupa nördlingensis Klein vom Ries sehr nahe, und letztere ist wieder identisch mit subfusiformis Sandb. aus dem Obermiocän von Mörsingen, Hausen, Kipfenberg, Adelegg, aber die Schlundzähne der letzteren sind nicht bekannt, und so kann vorerst nicht sicher beurteilt werden, ob diese Formen identisch oder nur nahestehend sind. P/ipa a-Arten, S. 278 (von diesem als var. mit der unter- miocänen quadr /plicata vereinigt). Die Höhe schwankt von 2,5 — 3, lat. 1.7, anfr. (5 — )51/2, ultimus 2/5 — l/a der Höhe. Es sind gewöhn- lich 5 Zähne vorhanden, nämlich ein gegabelter Parietalzahn auf der Mündungswand, eine starke horizontale Spindelfalte, 2 Gaumen- zähne und ein Basalzahn (Klein giebt nur die 2 GaumenzähneT Sandberger einen Gaumenzahn und einen Basalzahn an). Wir sehen mit Klein die 2 Gaumenzähne als wesentlich an , von welchen der untere der stärker entwickelte ist. Der Basalzahn ist gewöhnlich kräftig entwickelt, kann aber auch fehlen oder schwach entwickelt sein. Zwischen den beiden Palatalzähnen sieht man mitunter noch ein ganz schwaches Höckerchen. Vor der Mündung aussen 2 oder 3 mal eingeschnürt ; der Mundsaum sehr breit umgeschlagen , huf- eisenförmig : der letzte Drittelsumgang unten mehr oder weniger deutlich gekielt, rechtwinklig nach aussen tretend. Sehr schief- gestellte Anwachsstreifen bei der Vergrösserung. Das Naturalienkabinet besitzt von Steinheim 16 Exemplare, Miller 4, Böttger 1. Sonst sicher nur im Obermiocän von Mör- singen. Hausen, Altheim, Mundingen, Schönbrunn, Vermes, Undorf; im Ries von Spitzberg und Wenneberg. Doch steht sie der unter- miocänen qüadriplicata jedenfalls sehr nahe l. 18. Caecilianella aciculella Sandb., S. 595, Taf. 29. 15. Achatina acicula Klein, diese Jahresh. IX. 215 ohne Abbildung. Anfr. 5, alt. 3. lat. 1 mm. In Steinheim durch Schlämmen in einer grösseren Anzahl Exem- plaren erhalten. Nat.-Kab., Miller. Sonst nur ein Exemplar im Ober- miocän von der Birk bei Zwiefaltendorf. 19. Ldmnaeus (Limnophysa) socialis Schübler bei Zieten, 1 Eine weitere kleine Papa siehe am Schluss. 100 1 ;it. 30, 4 und 5, als zwei Arten (Limnaea socialis und striata) unter- schieden. Klein, diese Jahresh. II, Taf. II, 8—10. Sandb. Taf. 28, 6. Stets ungenabelt, dickschalig, massenhaft. Sehr veränderlich; die grössten Exemplare erreichen 25 alt. , 17 lat. Man unterscheidet 3 Varietäten : a) var. elongata Klein, anfr. 5, alt. 17 — 20, lat. 9 — 10; apert, 11 — 12 alt., 6 — 7 lat. Die häufigste Form, ganze Bänke bildend. b) var. intermedia Kl., anfr. 4 — 472, a^- 20—23, lat. 1372 — 16; apert. alt. 13, lat. 872: mit umgeschlagener Lippe. c) var. striata Kl., anfr. 4 — 473, alt. 14 — 16, lat. 10: apert. alt, 1372 , lat. 8. Diese Form erinnert einigermassen an Limn. auricularius var. tumida des Bodensees, obwohl sonst auricidarius sehr verschieden ist (nach Sandb.). Alle 3 Varietäten sind häufig. Sonst aus dem Obermiocän von Hinterried angegeben (Schalch 1878 nach Sandbergers Bestimmung, von diesem in seinem Werke aber noch nicht angegeben) in der Sammlung Donaueschingen. 20. Limnaeus dilatatus Noulet, ellipticus Klein, diese Jahresh. II, Taf. II, 5. Sandb. S. 580/1, Taf. 28, 24. Das ab- gebildete Exemplar aus den C/wra-Kalken Miller ; dasselbe misst bei 51/. Windungen alt. 30, lat. 19 (die Art erreicht sonst 6 Windungen). Ich glaube bestimmt zu wissen, dass in Sandberger's Begleitung in den 70 er Jahren oben am Klosterberge grosse und bauchige Limnaeen gefunden worden sind, welche zu dieser oder der folgenden Art gehören können. Aber das Naturalienkabinet besitzt keine solche und Sandberger giebt aus den Cormi/e^-Schichten nur socialis an. Ich bin deshalb vorerst auf das einzige sichere Exemplar, meiner Sammlung angewiesen. Sonst weit verbreitet im Obermiocän der Schweiz, Hinterried, Mörsingen, Mundingen, Neuselhalderhof, Undorf, Günzburg, Öningen. Ferner in der obern Abteilung des Mittelmiocäns (Brackwasserbildung) vom Höhgäu (Schalch 1895). 21. Limnaeus (Gulnaria) bullatus Klein, diese Jahresh. II, Taf. II, 3; identisch Kurrii Klein, ib. Taf. II, 7. Sandb. S. 581. Beide Formen werden von Klein von Steinheim angegeben, bullatus ausdrücklich vom Klosterberge; die Originale scheinen nicht mehr vorhanden zu sein. Sandberger nennt sie auffallenderweise nicht von Steinheim. Das abgebildete Bruchstück meiner Sammlung hat die spirale Rippung und weist auf ca. 30 mm Höhe hin, wie Klein's Exemplar. — 401 — Sonst im Obermiocän von llinterried, Neuselhalderhof , Mün- singen und der Schweiz, überall in mangelhafter Erhaltung. 22. GUlia utriculosa Sandb. 635, Taf. 28, 1. Paluäina glo- hidiis Deshayes bei Zieten , Taf. 80, 1 1 ; Klein , diese Jahresh. II. Taf. II. 18 a — (1. Tal. globulus ist der Name einer eocänen Schnecke des Pariser Beckens, weshalb Sandberger einen neuen Namen geben musste. Anfr. 5. alt. 3 — 3'/2, lat. 2 — 2lj2. Sandberger's Angabe, die Windungen seien konvex, muss in „abgeplattet" geändert werden. Deutlicher Nabelritz, die Mündung immer über die halbe Höhe (nach Sam.b. V2— 8/5). Var. elougata m. - Alt. 3 — 373, lat. 1,7 — 2. In unzählbaren Mengen, ganze Bänke bildend. Aber ein Deckel dieser Schnecke ist nicht bekannt. 23. Bythimella steinheimensis Miller. Diese Art ist bisher offenbar mit der vorigen vermengt worden, da sie mit schlanken Formen derselben entfernte Ähnlichkeit hat. Anfr. 4, rotundati; alt. 1.6, lat. 1,0—1,2; apert. 0,6—0,8 alt., 0,4—0,5 lat. Nabel deut- lich, geritzt. Die Mündung Yg — Ys der Höhe (bei Gillia über die Hälfte). Feine Streifung quer zu den Windungen (bei Gillia stark schiefj; die Windungen stark gewölbt (bei Gillia flach, abgeplattet). Die Mündung rund, zusammenhängend (bei Gillia eiförmig). Die Bythinetta ist zart gebaut, selten etwas verdickt, Gillia stets auf- fallend dickschalig. Bei Gillia sind schon die Embryonalwindungen schneller wachsend und die Mündung auffallend grösser. Ein Exemplar hat 5 Windungen und misst alt. 2,5, lat. 1,5. Mit den kleinen Planorben in manchen Schichten in Menge vorkommend. 24. (aif/c/iiiuit suevicum Böttg., N. Jahrb. f. Min. etc. 1877, S. 79; labiosiim Sandb. in litt. — Anfr. 5, alt. 1,5, lat. 0,5 — 0,6. Mit 3 Zähnen, einem an der Mündungswand, einem an der Spindel und einem an der Aussenwand. Schiefe Anwachsrippchen. Zur Gruppe des lebenden C. minimwm, nahe dem Wiesbadener G. antiquum A. Br., etwas grösser, mehr tonnenförmig, die Mündung kleiner, dem letzten Umgang mehr angedrückt, '/3 der Höhe einnehmend. Böttger hat 2 , das Nat.-Kab. 1 Exemplar . letzteres an der Mündung verletzt. 25. Glandina porrecta Gobanz (var. zu inflata Keuss) Sand-b. 605, Taf. 29, 32. Das abgebildete Exemplar mit 4 Windungen und 33 Höhe von mir gefunden 1897. Sonst verbreitet im Obermiocän (Mörsingen , Altheim, Georgs- Jalireshtfte d. Voreins f. vuteil. Naturkunde in Wurtt. 1900. 26 — 402 gmünd. Günzburg etc.)- Sandberger nimmt, die wenig verschiedene Glandina inflata Reüss im Untermiocän als identisch an. 26. Carinifex multif ormis Bronn sp. Zuerst abgebildet von Schröter 1779, tab. VI fig. 10 („die Kräuselschnecke mit er- höhtem Wulst"). Zieten (Paluäina) Taf. 30, 7 — 10. Klein (Val- vata) , diese Jahresh. II, Taf. II, 14 — 17. Hilgendorf (Planorbis). s. o. Sandberger (Carinifex), S. 637, Taf. 28, 2 — 2h. Hyatt s. o. Ein Deckel ist nie beobachtet worden. Man unterscheidet fol- gende Varietäten : a) var. planorbif ormis Schübl. Anfr. 4 — 4J/2, alt. 4 — 5, lat. 8 — 9. Hierher var. discoideus Hilg. f. 5 und sulcatns Hilg. f. 6 mit lat. 6 — 7; b) var. trochif ormis Schübl.1 Anfr. 5 — 6, alt. 81(2 — 9 (nach Hilg. 6 — 8), lat. 8 — 9. Hierher intermedia Schübl. und Klein: alt. 6-7, lat. 10(— 12); c) var. elegans Hilg.1 f. 11. Anfr. 4 — 5, alt. 5, lat. 5 — 6. Dünnschalig, zart, mit feinsten Anwachs- und Spiral streifen; d) rotundatus Klein f. 15. Hilg. f. 10. Eine kleine Varietät mit weit offenem Nabel (Hilg. sagt enggenabelt, aber seine Figur zeigt deutlich den ziemlich weiten Nabel). Anfr. 4, alt. 3 — 4, lat. 3 — 4. Ob nicht als eigene Species zu trennen? e) var. turbiniformis Schübl. Anfr. 572 — Q1^, alt. 8 — 10, lat. 6—9; f) var. scalaris, eigentlich mehr eine Abnormität. Anfr. 6 1J3. alt. 8 — 8V2, lat. 4 — 5. Ein Skalaride misst bei 372 ganz freien Windungen alt. 6, lat. 3. Die Zahl der Windungen pflegt bei Skala- riden grösser zu sein als bei flachen Individuen ; wenn aber die Los- lösung der Windungen zu früh geschieht, pflegen die Individuen kleiner zu bleiben, zu verkümmern und selten auszuwachsen. 27. Carinifex oxy stoma Klein sp. (Planorbis ox.), diese Jahresh. II, Taf. 1, 27 (Bild schlecht); Sandb. Taf. 28, 3— 3d. Plan- orbis oxystomus Hilg. f. 7. — Anfr. 4— 41/2, alt. 1,7, lat. 5. Oben flach, unten leicht gekielt, weitgenabelt ; Mundsaum innen verdickt, umgeschlagen ; quergestreift durch feine zahlreiche Anwachsrippchen, manchmal mit feinen Längsfurchen. Auf der Oberseite manchmal ein seichter, der Naht parallel verlaufender Kanal. Neigung zur Dickschaligkeit. Sandberger sagt testa solida, mehr oder weniger dickwandig, Hilgendorf dagegen giebt an dünnwandig, was nur bei 1 Auf unserer Tafel sind die 2 Namen . bezw. Figuren var. elegans und trochiformis verwechselt worden. — 403 — einzelnen Exemplaren zutrifft. Was Hvatt oxystomus nennt f. 9, isl Planorbis Kraussii. Klein's Originale sind nicht mehr vorhanden oder wenigstens nicht gefunden worden, weshalb sich über dieselben Ihm den mangelhaften Angaben ein sicheres Urteil nicht fällen lässt. C. oxystoma nähert sich wegen des Mangels eigentlicher Kanten (eine Andeutuim solcher oder spiralige Streifung fehlt jedoch nie ganz) in manchen Formen einem Planorbis, während gut ausgeprägte Exemplare den Garinifex leicht erkennen lassen, so insbesondere die von dem Typus nicht zu trennende var. supremus, Arn nächsten liegt die Verwechselung mit Planorbis Kraussii. Häufig, in manchen Schichten in Menge. Var. supremus Hilg. f. 9. die grösste und dickschaligste Varietät, mit einer der Naht parallelen Furche auf der Oberseite. Ob Hilgendorf's var. revertens f. 8 hierher gehört, wie Sand- herger annimmt, ist mir nicht sicher ; der Mundsaum ist hier nicht umgeschlagen und innen nicht verdickt. 28. Garinifex tenuis Hilg. f. 3; Hyatt f. 3; Sandb. S. 636. Anfr. 4, alt. 1—1,2, lat. 4—5 (nach Sandb. anfr. 3—4, diam. 2—4). Die Windungen sind breiter als hoch. Die geringe Höhe neben der Kleinheit lässt diesen echten kantigen Garinifex leicht unterscheiden. In einzelnen Schichten nicht selten, aber im ganzen gegen die zwei anderen Arten sehr zurücktretend. Var. pseudotenuis Hilg. f. 13 (Bild schlecht). Anfr. 3, diam. 2 (junge Exemplare); von linsenförmiger Gestalt. Sehr hübsche Form. 29. Planorbis (Gyraulus) steinheimensis Hilg. f. 2. Sandb. 644. — Anfr. 474(— 4!/2 ?), diam. 6—6,2 (bei 4 Windungen diam. 5). Rasch zunehmends Windungen, ziemlich bauchig, unten flach. Oberseite abgeplattet, in der Mitte eingesenkt, bei anderen Individuen aber auch gewölbt; ziemlich dickschalig; Mündung huf- eisenförmig, scharf. Der letzte Umgang 2l/2 — 3mal so breit als der vorletzte. Hierher wohl var. revertens Hilg. f. 8, anfr. 4. diam. 4—5. Ferner aequeumbilicatus Hilg. f. 1. In den unteren Lagen häufiger, im ganzen selten. 30. Planorbis (Gyraulus) Zietenii A. Br. Sandr. 645. Taf. 28, 4. Klein (PI. lu-ntistonut — non Sow.. non Zieten), diese Jahresh. II. Taf. I. 25. PL crescens Hilg. f. 16 (anfr. 3ll2— 4, diam. 3 — 4, alt. 1,3) und triquetrus Hilg. f. 17 (3 anfr., klein, junges Kxomplar). 26 — 404 — Diese in Steinheim sehr häufige Art ist ausserordentlich variabel, und man ist sehr versucht, verschiedene Arten abzutrennen, welche aber bei grossem Material sich stets als unhaltbar erweisen. Die Schale ist oben gewölbt oder flach oder eingesenkt; die Windungen fast kreisrund bis quer elliptisch und aussen leicht zweikantig. Namentlich aber machen die Altersunterschiede sich sehr bemerklich. Ausgewachsene Exemplare haben bei 4 anfr. 4,3 diam., jüngere bei 3*/2 anfr. 3,6 diam., 1,3 alt; bei 3 anfr. 2 oder auch nur Vl2 diam.; bei 2V2 ai]fr- IV3 diam. Der Zusammenhang dieser Altersstufen ist nicht abzuweisen. In PL crescens Hilg. sehen wir den Typus, zu welchem wir auch den triquetrns Hilg. nehmen. Man mag unter- scheiden var. teres Sandb., identisch minutiös Hilg. f. 15: anfr. 21/2 — 3, diam. l*/2; glänzend, enger genabelt, unten gerundet. Doch ist zu bemerken, dass die ersten Windungen stets runder sind als die spä- teren und eine Grenze nirgends zu ziehen ist; var. denud atus Hilg. f. 19 (anfr. S1^ — 4, alt. 2); distortus Hyatt. Nicht selten ; die abgebildeten Exemplare unserer Samm- lung haben 3 anfr., alt. 1,3, lat. 0,8. Man trifft Individuen, welche von Anfang, neben solchen, welche erst nach 1 oder 2 Windungen sich loslösten. Die freien Windungen sind kreisrund, ohne jede Rippchen, völlig glatt. Es war ein grober Verstoss von Hiigendorf, diese Ab- normität von PL costatus abzuleiten ; Sandberger hat (S. 648) die Zusammengehörigkeit mit costatus wegen der völlig glatten Win- dungen mit Recht bezweifelt. Schon die Häufigkeit des denudafats (ich besitze etwa 25 dieser Korkzieher) musste auf eine häufig vor- kommende Normalform hinführen. Nach dem jetzt vorliegenden Material kann an der Zugehörigkeit zu Zietenii und der Ableitung von der var. teres kaum mehr gezweifelt werden. Sonst wird diese Art noch von Hinterried im Obermiocän an- gegeben (Schalch 1878). Der im Obermiocän weitverbreitete VI. laevis Klein steht dieser Art sehr nahe; Hyatt hat ihn direkt zum Stammvater gemacht. 31. Planorbis (D Hat ata) Kraussii Miller (Klein pars, non Sandb., non Hilg.). Anfr. 4, diam. 6, alt. 3; ult. 2 lat., 3 alt. Dieser in Steinheim sehr häufige Planorhis, dessen rasch wachsende Windungen vom Embryo an höher als breit sind, und welcher daran stets leicht zu unterscheiden ist, wurde in der Litteratur viel ver- wechselt. Am veränderlichsten ist sein Gewinde, so dass Klein sagen konnte: „testa glabra supra convexa", Hilgendorf aber „oben deutlich genabelt"; beides kommt nicht selten vor. ersterea ist (läufiger. Klein hatte nur junge unausgewachsene Individuen vor sich (er giebt an anfr. 3, alt. 1, lat. 2 min; die Abbildung ist schlecht); von seinen 5 aufgeklebten Originalexemplaren imNaturalien- kabinet sind '■> oder 4 sicher junge Kraussii, 1 gehört zu Zietenii. Hilgendorf's Fig. 12 ist 3 mal breiter als hoch, deshalb nicht hierher- zuzählen. Sandberger giebt 3 anfr. , diam. 21/a , testa solidula an und zieht die Art zu Gyraulus, was zu Klein nicht stimmt: Sand- berger giebt keine Höhe und keine Abbildung. Dagegen gehört "PI. laevis des HYA'ir'schen Stammbaumes (Fig. 8) hierher. Aus- gewachsene Exemplare sind wohl meist zu Cari/nifex oxystoma untergebracht worden, welchem manche Formen sich nähern. Doch bleiben die Gattungsunterschiede stets massgebend: bei Garinifex Neigung zur Kantenbildung, mindestens Längsstreifung, die; Mündung mehr in die Breite als Höhe gezogen, Neigung zur Dickschaligkeit, Mündung umgeschlagen, verdickt, besonders innen. Hier ein echter Planorbis, dünnschalig, feinquergestreift, unten weit- und tiefgenabelt ; die Mündung höher als breit, nicht verdickt, nicht umgeschlagen. Var. scalaris nach einem ausgezeichneten Skalariden des Naturalienkabinets mit 5 vollen Windungen. Am nächsten steht der obermioeäne Planorbis Albertanus Clessin, Mal. B. N. F. VII. S. 92, Taf. 7, 1, von Undorf, welcher dort zu Hunderten gefunden wurde. Clessin hat für diese ober- mioeäne und 2 untermioeäne Arten (Sandb. Taf. 25, 11 u. 12) die Sectio JDilattita geschaffen, welcher wir hier eine 4. Art zuweisen. 32. Planorbis (Armiger) co Status Klein, Taf. 1, 24. PI. imbricatus Ziet. Taf. 29, 9. Sandb. 647, Taf. 28, 5. Hilg. f. 18. Treffliche photographische Abbildungen bei Hyatt. Durch Schlämmen kann man diese prächtigen Formen in Stein- heim in Menge erhalten und auch die Skalariden sind nicht selten ; sie setzen sich beim Schlämmen als Schaum am Rande des Gefässes ab. Wir betrachten als Typus anfr. 2 — 3, diam. 1 — 2, und unterscheiden: a) var. maior Hilg. (puUhellus A. Br. ms.), anfr. 3— 33/4, diam. 3, mit 30 — 45 Rippen auf dem letzten Umgang. Ich muss jedoch bemerken, dass unter meinen circa 500 Exemplaren des costatus keines mehr als 373 Windungen und 2,7 diam. hat; b) var. platystomus Hilg., Sandb. 647 (pygmaeus A. Br. ms.). Anfr. 2 — 272, diam. 1,2 — 1,3. Die Windungen mehr flachgedrückt und gegen die Mündung zu erbreitert. Mundsaum schief: wenige (10 — 14) grobe Rippen auf dem letzten Umgang; — 406 - c) var. distortus mihi, denudatus Hyatt. Anfr. 2—272, d. 1,2. Die Loslösung der Windungen und Skalaridenbildung ist bei Planorbis costatus häufiger als bei irgend einer andern Art. Auf 400 normale Exemplare meiner Sammlung kommen etwa 100 mit mehr oder weniger freiem Gewinde. Wenn die Loslösung erst nach der 2. Windung erfolgt, so erreichen die Individuen ihre normale Grösse und Ausbildung, insbesondere auch die Dicke der letzten Windung. Erfolgt aber die Loslösung schon auf dem ersten oder beginnenden 2. Umgang, so bleiben sie schlank und bringen es nicht leicht über die 2. Windung hinaus in ihrem Wachstum, wie die abgebildeten Exemplare zeigen. Die Rippen können fein oder grob sein , eng- gestellt oder weit auseinander, aber sie fehlen niemals und von einem Übergang zu den glatten Pfropfziehern des Planorbis Zietenii kann keine Rede sein. Nachträglich fand sich noch eine kleine Pupa, welche nicht abgebildet ist, nämlich : 33. Pupa (Isthmia) Lcntilii Miller. Anfr. 6, alt. 1,6, lat. 0,7. Cylindrisch; glänzende Schale; eine Gaumenfalte und eine Spindelfalte sind erkennbar. Der rechte Mundsaum ist verletzt, deshalb über etwaige Gaumenzähne nichts bekannt. Nur 1 Exemplar (Miller). Ich widme sie dem Andenken des Lentilius, welcher schon vor bald 200 Jahren an den winzigen Schneckchen Steinheims sich erfreute. Von Isthmia sind 2 Arten aus dem Untermiocän, mehrere aus dem Pleistocän und lebend bekannt, aber noch keine aus Mittel- und Obermiocän und Pliocän. Zu unserer Tafel : Die Abbildungen der Tafel entsprechen in allweg den Nummern des Verzeichnisses . so dass die Verweisung bei den einzelnen Arten nicht wiederholt zu werden brauchte. Sämtliche Arten, mit Ausnahme einer erst nachträglich entdeckten winzig kleinen Pupa (No. 33), sind abgebildet, und zwar nach Stein- heimer Originalen, ausgenommen No. 6, wo kein gutes Exemplar zur Verfügung stand. Alle Arten sind in natürlicher Grösse an- gegeben, die kleineren aber ausserdem auch in geringerer oder stärkerer Vergrösserung, wie man leicht erkennt, wo zweierlei Grössen (kleine und grosse Schnecken) nebeneinander sind. Bei No. 26 sind die Namen elegans und trochiformis zu vertauschen. Synopsis der deutsehen Blindwanzen (Hemiptera heteroptera, Farn. Capsidae). Von Dr. Th. Hüeber, Oberstabsarzt in Ulm. V. Teil. Div. Capsaria (Fortsetzung). Megacoelii m Fieb . Männchen wie Weibchen von länglicher Form, glänzend, oben ziemlich kahl, mitunter auch behaart, jedoch nie mit metallisch glänzendem, leicht abgehendem Seidenflaum bedeckt. Der senkrecht stehende Kopf ist etwa halb so schmal als der anstossende Vorder- rücken breit, kurz pentagonal, von oben gesehen etwas in die Quere gezogen, seine Stirne ziemlich gewölbt und vom Kopfschild durch einen stumpfen Eindruck geschieden ; der schmale Scheitel zeigt in der Mitte eine deutliche Längsfurche. — Der Schnabel reicht meist bis zu den Hinterhüften. — Die unbehaarten Fühler entspringen in der Mitte des Kopfes aus einer Einbuchtung der Augen ; ihr erstes Glied hat mindestens Kopfeslänge ; ihr zweites ist etwas länger als das Pronotum am Grunde breit und gegen sein Ende zu leicht ver- dickt ; die beiden letzten Glieder sind so dick wie das zweite , das vierte etwa halb so lang wie das dritte. — Das trapezförmige , in die Quere gezogene Pronotum ist meist etwa 1/3 kürzer als .am Grunde breit ; es hat gerade oder nur leicht geschweifte Seiten : seine Fläche ist nach vorne massig geneigt, nach hinten zu stark gewölbt, dabei glatt oder fein quergestrichelt, jedoch ohne vertiefte Punkte: sein unbehaarter vorderer Einschnitt ist schmäler als das zweite Fühler- glied. Die Spitze des Schildchens ist gewölbt. Die Vorderbrust hat einen gerandeten Fortsatz. Die Halbdecken zeigen bei beiden Geschlechtern parallellaufende Seiten ; ihr Corium hat nur zwei deut- liche Adern ; der Keil ist länglich dreieckig ; die grössere Membran- zelle am Ende ziemlich gerundet. — Die Hinterschenkel sind dicker 408 — und länger als . August 1888 an der Böfinger Halde, determ. Horv.) - - gefunden. Capsus infusus Herrich-Schäffer, Wanz. Ins. 1839, IV, p. .')<». fig. 381. — Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 53, 14. — Kirsch- baum, Rhynchot. Wiesbad. 1855, 55. 49. -- Thomson. Opusc. entom IV. 1871. 421. 14. — 410 Phytocoris validicornis Boheman, Nya Svenska Hemipt. 1852, 14, 19. Calocoris Lethierryi Fieber, Dodekas neuer Gattungen in Ver- handl. d. k. k. zool.-bot. Ges. in Wien. 1870, 7, p. 260. Calocoris rubidus Garbiglietti, Cat. des Het. de l'Italie. 1869, p. 75. Calocoris (Megacoelum) Inf usus Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, 40, 10. — Berlin, entom. Zeitschr. 1881, XXV, p. 176. — Saunders, Synops. of Brit. Hemipt. Het. 1875, 270, 9. — Hemipt. Het. of the Brit. Islands 1892, p. 244, plate 22, Fig. 5. Deraeocoris infusus Douglas and Scott, Brit. Hemipt. 1865, 331, 13. Megacoelum infusum Fieber, Europ. Hemipt. 1861, 249, 1. — Puton, Cat. 1886, p. 49, 1. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 80. - Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 233, 3, tab. VI, fig. 1. Bayern : Bei Nürnberg im Herbste an Lindenstämmen , nicht selten ; bei Augsburg , nach Gscheidlen. Kittel. — Bei Bamberg- ziemlich selten auf Kiefern. Funk. - — Württemberg. Roser. - - Bei Ulm selten , von Laubbäumen , 8 , geklopft ; die schwarze Varietät einmal, 8, an der Böfinger Halde gefunden. Hüeber. — Elsass- Lothringen: Vosges: Sur le pin sylvestre et le chene. Metz: Sur le chene et le tilleul. Reiber-Puton. - Nassau : Bei Wiesbaden auf Eichen, Birken, und auf Kiefern bei Mombach und Gonzenheim, nicht selten; 8 — 10. Kirschbaum. — Westfalen: Einzeln auf Nadelholz, mehrfach auf Eichen gesammelt; bei Münster nicht selten, besonders 9 und 10 . . . Westhoff. — Thüringen : Bei Erfurt. Frank. — Bei Georgenthal, selten. Kellner-Breddin. — Schleswig-Holstein: Zwei weibliche Stücke bei Elmshorn am 17. 8. 72 gefunden. Wüstnei. Mecklenburg: Im August und September auf Kiefern selten. Raddatz. — Provinz Preussen. Brischke. Eine nicht leicht zu verkennende, doch, wie es scheint, wegen ihrer Seltenheit und ihres einzelnen Vorkommens übersehene, auch bei Regensburg einheimische Art. H.-Schäffer. Im mittleren Europa auf Pinus- Arten. Fieber. Habitat in Quercu (Kirschbaum, Douglas, Saunders, Puton, Frey- Gessner, Westhoff, Frank!), Betula (Kirschbaum, Duda), Tilia (Puton. Kittel), Pino silvestri (Kirschbaum, Fieber, Frey- Gessner , Raddatz, Westhoff, Spitzner) et maritima (Dubois): Suecia media (Stockholm!, D. Prof. Boheman), Dania, Schlesvigia-Holsatia, Mecklenburgia, Borussia, Guestphalia, Batavia, Belgium, Anglia, Gallia!, Nassovia, Thueringia, III Bavaria, Bohemia, Moravia, Helvetia, \ustna inferior, Romania!, Dobroudja! Reütbb (1896). j Schweiz: Sehr selten: an heissen , gegen Mittag gelegenen, verwilderten Abhängen. Meyer. Auf verschiedenen Bäumen, nie- deren Eichengebüschen, hauptsächlich auf Pinus sylvestris an sonnigen Stellen, im August und September, doch immer selten und einzeln: variiert sehr, von lehmgelb mit schwarz bis zu einfarbig hellrot, diese letzteren Exemplare sind besonders hübsch. Frey-Gessner. — Nieder-Üsterreich : Bei Giessen auf Fichten , selten. Schleicher. Böhmen: An sonnigen Waldrändern auf Kiefern, überall nicht gemein; bei Teplitz habe ich (Anfang 8) mehrere Stücke von Birken ab- geklopft, bei Neuhaus auch von Eichen, in Königgrätz (noch 12. X.) ein Exemplar auf Populüs pyramidalis. Duda.) ? 50 (446) Becken Fieb. Länglich, rot- oder gelbbraun mit wechselnder dunkler Zeich- nung (selten ganz schwarz mit Ausnahme des Kopfes), und auf der Oberseite mit sehr langen aufrechtstehenden schwarzen Haaren be- setzt. Manchmal, aber nicht regelmässig, finden sich zwei blutrote Längsstreifen auf dem Scheitel, die sich noch etwas auf das Pronotuni fortsetzen , sowie eine gleichfarbene Linie zu beiden Seiten des Pronotum. Der glatte, kahle Kopf ist etwa halb so breit als das Pronotum an seinem Grunde. Der bis zu den Hinterfüssen reichende Schnabel ist lehmfarben mit schwarzer Spitze. Die ziegelfarbenen Fühler sind gegen ihr Ende rostrot oder braunrot, ihre beiden letzten Glieder am Grunde manchmal schmal blass; das erste Glied ist so lang wie der von vorne gesehene Kopf; das zweite etwa zweieinhalb- mal länger als das erste und gegen sein Ende zu ganz leicht ver- dickt: das dritte ist etwa ein Drittel kürzer als das zweite (oder so lang wie der Grundrand des Pronotum) ; das vierte etwa halb so lang als das dritte. — An den glatten Halbdecken ist die Membran rauchbraun, die Zelle und ein sie umgebender Hof (Bogen) durch- scheinend hell, die Adern rostrot bis schwärzlich. — Die Hinter- schenkel sind an ihrem Ende, und die Hinterschienen besonders auf ihrer Innenseite mit sehr langen und sehr feinen aufgerichteten Haaren besetzt; die blassziegelfarbenen Hinterschienen zeigen häufig 1 bis 3 blutrote durchlaufende Streifen, seltener sind sie ganz pechschwarz: die langen Dorne am oberen Rande der Schienen sind länger als die Schienen dick; die blassen Fussglieder haben eine schwarze Spitze. — Länge 6ll2 — 8 mm. — 412 — Diese Art unterscheidet sich von der vorhergehenden besonders durch ihre etwas grössere und mehr längliche Gestalt, sowie durch die geschilderte Behaarung. Reuter unterscheidet (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 234 ff.) sieben Spielarten , Var. a — ?; , deren nähere Aufführung ich unterlasse , da das Vorkommen dieser Art innerhalb des deutschen Reichsgebiets ohnehin bis jetzt nicht sicher erwiesen ist. Calocoris rubidus Garbiglietti , Bull. Soc. Entom. Ital. 1869, T, p. 185, vielleicht! Calocoris Beckeri Fieber, Verhandl. d. Wien, zool.-bot. Ges. 1870, XX, 259, 6. Calocoris Lethierryi Fieber. Verhandl. d. Wien, zool.-bot. Ges. 1870, XX, 260, 7. Calocoris fasciatus Jakovleff, Bull. Soc. Nat. Mose. XLIX, (3), 167, wahrscheinlich! Megacoelum strigipes Reuter, Deutsch. Entom. Zeitschr. 1877, XXI, 31, 1, wahrscheinlich! — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 81. — Püton, Cat. 1886, p. 49, 2. Megacoelum rufieeps Reuter. Öfvers. Finska Soc. Förh. 1880, XX, 17, 16. Megacoelum infusum, var. rufieeps Reuter, Berlin. Entom. Zeitschr. 1881, XXV, 176, 26. - Puton, Cat. 1886, p. 49, 1. Megacoelum Beckeri Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 234, 4. H abitat in Ulmo (Horvath) etc. : Gallia (Lille, Alsacia!, Marne!, Hyeres!, Landes!, Bagnules sur Mer!), Italia (Genova!, Stazzano!, Villa Doria!), Austria inferior (Feldsberg!) D. P. Low, Ulyria (Görz!), D. Dr. Hensch, Hungaria (Farkasd!, Peczel!), D. Dr. Horvath, Romania (Bukarest!), D. Montandon, Graecia (Peloponnesos!, Attica!, D. Dr. Wrueper , Aegina!, D. v. Oertzen) , Rossia meridionalis (Sarepta!), comm. D. Dr. Horvath. Reuter (1896). Ho modern us Fieb. Reut. Länglich-eiförmig, oben ziemlich glatt. - Kopf geneigt, von vorne gesehen länger als breit, von oben gesehen fast so lang wie breit, von vorne gesehen fünfeckig und deutlich länger als breit. Scheitel ohne Rand und ohne Längsfurche. Stirne leicht geneint und gewölbt , der Kopfschild nur schwach durch einen verschwom- — 413 — meinen Eindruck geschieden. Augen massig vorstellend und fast bis zum Vorderrand des Pronotuni reichend. Der Schnabel reicht bis zu den mittleren Hütten, sein erstes Glied bis zum Grunde des Kopfes. Die Fühler sind am inneren Ende der Augen eingefügt: ihr erstes und Grundglied ist kurz, nur halb so lang als der von vorne ge- sehene Kopf und kaum dicker als das zweite Glied : letzteres ist stäbchenartig gerade, fast viermal so lang als das erste oder länger als das Pronotum an seinem Grunde breit; die beiden letzten, schlanken Glieder sind zusammen länger als das zweite. Das Pronotum ist etwas kürzer als an seinem Grunde breit ; sein vorderer Einschnitt ist so breit, wie das erste Fühlerglied dick ; seine Seitenränder sind gerade, sein hinterer Piand gebogen, seine hinteren Winkel leicht erhöht, seine Fläche gewölbt und dabei stark und tief punktiert; die zwei grossen gewölbten Schwielen hinter dem Hals nehmen mindestens das vordere Drittel ein , fliessen auf der Innenseite zusammen und reichen bis an die Seitenränder. Die Halbdecken sind beim Weib- chen fast so lang wie der Hinterleib, beim Männchen noch ein Ge- ringes länger ; das Coriurn hat nur eine Brachial- und eine Cubital- ader; der Keil ist länglich dreieckig, die grössere Membranzelle schmal und spitzwinklig. - An den Beinen springen die Seitenränder der Pfannen etwas vor und sind von oben sichtbar; die kurzen Vorder- hüften reichen etwas über die Mittelbrust hinaus ; die Schenkel sind schmal, stäbchenförmig, die hinteren die längsten und dicksten, beim Weibchen so lang wie der Hinterleib , beim Männchen noch etwas länger; die Schienen sind mit kurzen und kleinen Dornen besetzt; die Tarsen unterseits dicht behaart, ihr drittes Glied länger als das zweite; die leicht gekrümmten Klauen sind lehmfarben; bei den an ihrem oberen Ende tief ausgeschnittenen hinteren Tarsen ist das erste Glied etwas dicker als das zweite. Diese Gattung (deren bis jetzt bekannte einzige Art auf Pflanzen lebt), ist durch den Bau des Vorderrückens mit seinen nach aussen gewölbten und bis zu den Seitenrändern reichenden schwieligen Buckeln wohl charakterisiert; von der, ähnliche Tarsen besitzenden Gattung Pycnopterna unterscheidet sie sich durch die andere Form von Kopf. Schnabel und Fühlern; von der Gattung Calocoris durch den Bau von Tarsen und Pronotum. (Nach Reuter.) 51 (447) M-flawtm Goeze. M. nigei thorace lineis tribus elytris margine omni albis punc- toque apicis coccineo. Fabriciüs. — 414 — Niger, pronoti margine antico, vittis tribus longitudinalibus elytrommque margine linea diagonali appendiceque sanguineis. Long. 4///. BüRMEISTER. Von Gestalt etwas länglich, oben und unten schwarz mit gelber Zeichnung, dabei leicht glänzend und mit äusserst feinem gelblichen Flaumhaar besetzt. Auf dem schwarzen Kopf und dem seitlich ge- schweiften Pronotum ist die gelbe Zeichnung derart verteilt, dass an jedem Auge innseits sich ein gelber Strich findet, und dass das vorne (Hals) weisslich gerandete Pronotum in seiner Mitte drei gelb- liche Längsflecken oder Striche! aufweist, deren äussere von der Aussenseite der Schwielen sich nach dem hinteren Rande hinziehen; die Hinterwinkel sind gleichfalls gelb. Das Schildchen ist schwarz. Der Brustrand, die Pfannenränder und die Öffnungen (Stigmata) sind weisslich. Der Bauch des Weibchens ist an Grund und Seiten gelb- lich gefleckt. — Die schwarzen Halbdecken zeigen innen wie aussen einen sich nach hinten verbreiternden gelben Rand, jedoch hellt sich auch der innere schwarze Teil häufig mehr oder weniger auf und besteht mitunter nur aus zwei zusammenfliessenden , mehr oder weniger scharf ausgeprägten schwarzen Strichen, gleichsam auf gelbem Untergrund. Der Keil ist einfarbig gelb oder gelbrot (orange). Die innere Hälfte des gelben Clavus ist schwarz. Die Membran ist dunkel- braun bis schwarz mit weissgelblicher Verbindungsader. Der Schnabel ist hell- oder dunkelbraun mit schwarzer Spitze. An den dunkeln (schwarzen oder schwarzbraunen) Fühlern ist das kurze erste Glied bisweilen rötlich (dabei nicht viel stärker als das zweite) : das zweite Glied ist 3 — 4 mal so lang wie das erste: das dritte Glied ist am Grunde blassgelb und um ein Drittel kürzer als das zweite; das vierte Glied ist kürzer als das dritte. Die Beine sind rötlich oder pech- braun bis schwarz und mit ganz kurzem schwarzen Flaumhaar be- setzt, die Schienen mit feinen schwarzen Dornen. Die an den Spitzen dunkleren Schenkel zeigen auf ihrer Unterseite häufig eine Reihe dunkler Punkte. Die vielfach rotbraunen Schienen sind an ihrem Ende heller, an der Spitze dunkler. Die Tarsen sind dunkel. Länge 7 — 8 mm. Reuter unterscheidet (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 146) eine Var. ß, Weibchen, bei dem die Brachial- und Cubitalader des Corium mehr oder weniger breit gelblich ist, — sowie eine, ihm selbst unbekannte (in Gredler's Tiroler Rhynchoten, p. 92, aufgeführte): Var. y. bei der die vordere Einschnürung des Pronotum schwarz ist. — 415 — Cimex M-flavum Goeze, Kntom. Beytr. 1778, 11. 279, 27. Cimex margmellus Fabriciüs, Spec. Ins. 1781, II, 374, 216 Petägna, Institut, entomolog. 1792, I, 642, 71. Gvmex striatus Geopfroi in Fourcroy, Entom. Paris. 1785, 2<)7. 38, nee Linn. Miris margmellus Fabriciüs, Entom. Syst. 1794, IV, 180. 13. — Syst. Rhyng. 1803, 255, 14.-- Latreille. Hist. Nat. 1804, XII, 228, 38. Lygaeus scriptus Fabriciüs, Entom. Syst. 1794, IV, 182. 171. — Coqüebert, Ulustr. Icon. Insect. 1799, 41, tab. X fig. 13. Capsus scriptus Fabriciüs, Syst. Rhyngot. 1803, 247, 32. — Latreille, Hist. Nat. 1804. XII, 234, 27. Miris scriptus Le Peletier et Serville, Encyclop. method. 1825, \, 325, 4. Vhytocoris scriptus Hahn, Wanz. Ins. 1834, 11, 120, fig. 202. Capsus marginellus Herrich-Schäffer , Nomencl. entom. 1835T p. 48. — Meyer, Schweiz. Rhynchot, 1843, 93, 79. - - Kirschbaum. Rhynchot. Wiesbad. 1855, 50, 38. Vhytocoris marginellus Burmeister, Handb. d. Entomolog. II. 1835, 269, 13. Hadrodemus margmellus Fieber, Criter. z. gener. Theilg. d. Phytocor. 1859, 17. Homodemus marginellus Fieber, ibidem in Wien. Entom. Monats- schr. 1859, II, No. 11, Separ. 15, 22. - - Europ. Hemipt. 1861, 250. 2. — Baerensprung, Cat. 1860, p. 14. Deraeocoris •margmellus Douglas and Scott, Brit. Hemipt. 1865, 328, 10. Calocorls iiKirgineUus Saunders, Synops. of Brit. Hemipt. Het. 1875, 269, 6. - Hemipt. Het. of the Brit. Islands 1892, p. 245. - Puton, Cat. 1886, p. 49, 54. Calocorls M-flavum Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 74. Honxxl onus M-flavum Reuter, Rev. synon. 1888, 263, 237. Hemipt. Gymnoc Europ. 1896, V, p. 145, 1 und tab. II fig. 5 (caput, pronotum, tarsus). Bayern: Bei Nürnberg, Freising, auf Verbascum Lychnitis, Schrank. Kittel. — Württemberg. Roser. — Bei Ulm von Ende Juni bis Mitte August auf verschiedenen Pflanzen nicht selten. Hüeber. — Elsass-Lothringen: Commun partout, Reiber- Puton. — Nassau: Bei Wiesbaden und Mombach von verschiedenen Pflanzen gestreift ; - 416 - häufig 6—7. Kirschbaum. — Thüringen: Bei Gotha überall nicht selten. Kellner-Breddin. - Westfalen : Von Cornelius bei Elberfeld erbeutet. Westhoff. (Scheint demnach mehr eine süddeutsche Art! H.) Nach Fäbricius in Frankreich ; ich fand sie aber im Grase unter Eichbäumen hiesiger - (Nürnberger) - Umgebung. Hahn. Auf Hügeln, Wiesen, bis 3000' oft häufig, in der Schweiz. Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland. Fieber. Habitat in Compositis (P. Low) , in Bryonia alba (Robineau- Desvoidy) , Medicagine sativa (Dubois, Agam. Carpentier) : Anglia i^Kent) , Guestphalia (Elberfeld) , Batavia (Limburg, Nuth) , Belgium, Gallia!, Nassovia, Thueringia, Bavaria, Bohemia, Silesia!, Helvetia usque ad 4000' s. m., Tirolia usque ad 5000' s. m., Styria, Austria inferior usque ad 4500' s. m. , Lusitania , Hispania , Liguria , Italia tota, Sicilia. Reuter (1896). [Schweiz : Von der Mitte Juni hinweg, fast den ganzen Sommer durch, auf allen Wiesen, Hügeln und Feldrainen in unsäglicher Menge, bis 3000' ü. M.; nicht zu verwechseln mit einem zweiten Lygaeus scriptus F., H.- Schaff. W. J. f. 294, mir in der Schweiz noch nirgends vorgekommen. Meyer. — Variiert mit roten und schwarzen Beinen, und mit der Verteilung des Schwarz und Gelb auf Brust- schild und Flügeldecken. Auf allen trockenen Wiesen, Hügeln und Feldrainen oft in unsäglicher Menge, bis zu 4000' s. m., von Ende Mai hinweg bis Ende September, am zahlreichsten bei uns im Juni . . . Frey-Gessner. — Graubünden : Auf trockenen Grasplätzen : Tamina- thal, Mayenfeld, Sedrun, Schiers, Chur, Flims, Tarasp. Killias. — Tirol: Bei Vils; um Telfs bis an den Strassberg, 5000'; Innsbruck. da wie dort mit der Varietät ; Brixen : nicht selten ist an unseren Exemplaren auch der Vorderrandkiel des Pronotum schwarz. Gredler. — Steiermark: Allenthalben auf Wiesen. Eberstaller. — Nieder- österreich: Bei Gresten auf Wiesen, nicht selten, bei den Ötscher- höhlen bis zu 4500' ü. M. Schleicher. Böhmen : Bisher nur bei Chodau von Herrn Dr. v. Stein gefunden; 30. 7. Duda.] Pycnopterna Fieb. Reut. Leib etwas in die Länge gezogen, aber parallel-seitig und auf der Oberseite ziemlich glatt. — Kopf merklich geneigt, von oben gesehen fast so lang als breit, von vorne gesehen erheblich länger als breit, ungefähr nur halb so breit wie das Pronotum am Grunde. Scheitel nicht gerandet und ohne Furche. Augen leicht vorspringend, nach hinten nur wenig vom Pronotum entfernt. Der Schnabel über- — 417 ragt deutlich die Mitte der Mittelbrust, sein erstes Glied erreicht kaum den Grund des Kopfes. B'w Fühler sind am inneren Augen- ende eingefügt; ihr erstes Glied ist lang und schlank; das zweite ist länger als der Grundrand des Pronotum und nach vorne zu all- mählich leicht verdickt : die beiden letzten sind zart und zusammen länger als das zweite. Das nach vorne zu stark verschmälerte Pro- notum ist kaum kürzer als am Grunde breit und vorne, hinter der Einschnürung nur etwa halb so breit, wie an seinem Grunde ; seine Schwielen sind ziemlich gross, wagerecht und leicht rechtwinklig; seine Fläche ist gegen die Schwielen zu leicht geneigt ; seine Seiten sind ziemlich gerade, hinten abgestumpft und vorne spitz gerandet: gegen den hinteren Winkel zu findet sich beiderseits ein länglicher Eindruck. Das Schildchen liegt am Grunde frei. Am Corium finden sich drei deutliche Längsadern ; die Cubitalader ist vorne gegabelt. Der Keil ist stark länglich dreieckig, die grössere Membranzelle vorne ziemlich rechtwinklig. Die Seitenränder der vorderen Pfannen springen vor und sind von oben sichtbar. Die Ränder der Öffnungen an der Hinterbrust sind erhaben. Die vorderen Hüften sind kurz und überragen nur wenig die Mitte der Mittelbrust. Von den stäbchen- förmigen Schenkeln sind die hinteren länger, aber nicht dicker als die anderen ; die Schienen sind mit kurzen Dornen besetzt ; die Tarsen unterseits dicht behaart; an den Hintertarsen ist das erste Glied dicker als das zweite und das dritte Glied länger als das zweite : das erste Glied ist überdies an seinem Ende oberseits tief aus- geschnitten, während sein unterer Rand deutlich länger ist als jener des zweiten. Der männliche Geschlechtsabschnitt hat auf der linken Seite einen Höcker oder Zahn, sein Endlappen ist lang vorgezogen und zeigt unterseits einen langen feinen Kiel. (Nach Reuter.) Diese Gattung ist durch den Bau von Kopf und Schnabel, so- wie durch das länglich-trapezförmige Pronotum, dessen Seiten vorne gerandet u. s. w., deutlich charakterisiert. Der Gattung Aetmotus Reut, nähert sie sich durch das dreiadrige Corium und den Bau der Tarsen, unterscheidet sich aber von ihr durch den weit längeren Kopf, durch das Verschmelzen von Kopfschild und Stirne, durch die längeren Fühler, durch den kürzeren Schnabel, durch die längeren Beine, und durch den erheblich längeren Körperbau. (Reutek.) 52 (448) striata L. Niger, elytris flavo fuscoque striatis , apice pedibusque rufis. Linne. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in W'ürtt. 1900. 2« — 418 — Fusco-niger , flavo-variegatus , pedibus rufis , elytris fermatis, flavo-lineatis, pronoto plaga media flava. Long. 6'". Burmeister. Niger , nitidus , glaber ; antennis nigro-fuscis , basi ferrugineis, articulo 2 apice paulo crassiore , 3 basi albo-annulato ; pronoto et scutello flayo-notatis ; hemielytris fuscis , flavo-lineatis , macula ante cuneum ferrugineum membranaque nigro-fuscis, nervis ferrugineis, pedibus rufis, tibiis spinulosis, tarsis nigris. Long. 6 lin. F. Sahlberg. Schwarz mit mehr oder weniger gelber Zeichnung, oben leicht glänzend und mit ganz kurzem schwarzen Flaumhaar bedeckt. Am Scheitel, zu beiden Seiten des Auges, ein gelber Strich, und in der Mitte des Pronotum ein an Grösse bezvv. Ausdehnung wechselnder, eiförmiger gelber Fleck; manchmal finden sich noch am Seitenrand zwei gelbe Längsflecken, die zuweilen mit dem Mittelfleck zusammen- hängen. Die glänzenden Schwielen des Pronotum fliessen in der Mitte zusammen. Das Schildchen ist wechselnd gefärbt: schwarz, vorne mit zwei zusammenfliessenden gelben Flecken oder gelb mit schwarzem Grunde und schwarzer Mittellinie. Der pechbraune Schnabel reicht bis zu den Mittelhüften. Die Unterseite ist, gleich dem Rücken, schwarz oder dunkelbraun, während die Öffnungen der Mittelbrust und die Ränder der Bauchabschnitte gelb sind. An den dunkeln Halbdecken sind die Adern und feine Längsstreifen dazwischen, der innere Rand des Clavus, der Keil sowie die Adern der schwarzbraunen Membran gelb oder orange. An den schlanken schwarzen Fühlern ist das erste Glied nur wenig kürzer als der von vorne gesehene Kopf, dabei häufig teilweise oder selbst ganz rötlich; das schwarze zweite Glied ist etwa 21/2mal so lang wie das erste; das dritte gut halb so lang wie das zweite, schwarz mit gelblichem Grunde; das schwarze vierte so lang wie das dritte ; Fühlerglied 3 und 4 zu- sammen viel länger als 2. Die Beine sind mit ganz kurzem schwarzen Flaumhaar besetzt, Hüften und Schenkelringe schwarz, die Beine gelbrötlich, mit Ausnahme von Schenkelspitze und Schienenende, die Hinterschenkel mit einer Punktreihe, die Schienen mit kurzen kleinen Dornen besetzt, die Tarsen schwarz. Länge 9 — 10 mm. Cimex striata* Linke, Syst. Nat. Ed. X, 1758, 449, 76. - Faun. Suec. 1761, 255, 960. — Scopoli, Entom. Carniol. 1763. p. 133. -- Hoüttüin, Nat. Hist. 1765, I, X, 569, 70. — De Geer, Mem. 1773, III, 290, 29, tab. XV fig. 13-15. - - P. Müller, Linn. Nat. 1774, V, 502, 105. — Fabricius, Syst. Entom. 1775, 727, 153. — Sulzer, Abgek. Gesch. d. Ins. 1776, 98, tab. X fig. 15. — Roemer, U9 jGen. Ins. 17S(.», p. 80. Villers, Linn. Entom. L789, tab. 111 fig. 24. Schrank, Faun, Hole. L801, II, 90, 1147. Gvmex euonymi Gmelin, Syst. Nat. 1788, XIII, 2183, 480. Cimex scriptus Divigubsky, Primit. Faun. Mosqu. 1802, 126, 357. Miris striatus Fabricius, Entom. Syst. 1794, IV, 186. 14. - Syst. Rhyng. 1803, 255, 15. - - Wolff, Icon. Cimic. 1800, I, p. 37, tab. IV fig. 37. - Walkenaer, Faun. Paris. 1802, 349, 3. Latreille, Hist. Nat 1804, XII. 228, 39. Panzer, Faun. Germ. 1805, 93, fig. 22. Le Pelletier et Serville, 1825, Encyclop. möth. 1825, 324, 3. Lygaeus striatus Fallen, Monogr. Cim. 1807, 78, 37. Phytocoris striatus Zetterstedt, Faun. Läpp. 1828, 488, 6. Ins. Läpp. 1840, 272. 7. - - Fallen, Hemipt. Suec. 1829, 83, 14. Haiin, Wanz. Ins. II. 1834, 134, fig. 219. - - Burmeister, Handh. d. Entom. 1835, II, 267, 4. — Blanchard, Hist. nat. des Ins. 1840, 137, tab. 5 fig. 6. — Amyot et Serville, Hist. nat. des Ins. Hemipt. 1843, 279. 1. — Costa, Cimic. Regn. Neapolit. Cent, 1852, III, 4o. 11. Capsus striatus Herrich-Schäffer, Nora, entom. 1835, p. 48. - Wanz. Ins. IX, 1853, Index 40. — Meyer, Schweiz. Rhynchot. 1843, 94, 80. - - F. Sahlberg, Monogr. Geoc. Fenn. 1848, 97, 11. - Kirschbaum, Rhynchot. Wiesbad. 1855, 49, 37. — Flor, Rhynchot, Livlands I, 1860, 490, 13. — Thomson, Opusc. entom. 1871, 421, 16. Pölymerus striatus Kolenati, Mel. entom. 1845, II. 103, 76. Placoderes Amyot, Entom. franc. Rhynchot. 1848, p. 183, No. 199. Deraeocoris striatus Douglas and Scott, Brit, Hemipt. 1865, 320, 4. Calocoris striatus Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, p. 39, 9. - Saunders , Syn. of Brit. Hemipt. Het. 1876 , p. 268 , 5. - - Hemipt. het. of the Brit. Islands 1892, p. 245. Lygus striatus Snellen v. Vollenhoven, Hemipt. Het. Neerland. L878, 184. Pycnopterna striata Fieber, Criter. z. gener. Theilg. d. Phytocor. 1859, i». 19. -- Europ. Hemipt. 1861, 263. — Puton, Cat. 1886, p. 49, 1. — Reuter, Rev. synon. 1888, p. 264, No. 238. — Hemipt. Gymnoc. Europ. 1896, V, p. 138, 1. — Atkinson, Cat. of Caps. L889, p. 82. Bayern: Bei Augsburg: bei Bamberg nach Prof. Hoitmaxn; auf Wiesenpflanzen nach Schrank; bei Dinkelsbühl nach Pfarrer Wolff. 420 Kittel. — Bei Bamberg häufig auf Acer. Funk. - Württemberg. Koser. — Bei Ulm 6 und 7 , einzeln auf Sträuchern , nicht häufig. Hüeber. — Elsass- Lothringen: Sur le chene, le prunellier, etc. Schlucht (epilobes), Soultzbach, Metz; assez rare. Reiber- Pdton. — Nassau : Bei Wiesbaden auf Acer campestre L. gefangen ; nicht häufig ; ß. Kirschbaum. — Thüringen: Bei Gotha überall ziemlich selten. Kellner-Breddin. — ■ Westfalen : Bei Münster sehr selten ; nach Cor- nelius bei Elberfeld. Westhoff. — Schleswig-Holstein: Auf Eichen nicht selten. Wüstnei. — Mecklenburg: Im Juni und zu Anfang Juli einzeln auf Sträuchern im Rostocker Wald .... Raddatz. - Schlesien: An gebüschreichen, sonnigen Abhängen, Ende Mai; einige- mal von Schilling gefangen. Scholtz. — Wie es scheint, nur in gebirgigen Gegenden; Ende Mai . . . Assmann. — Provinz Preussen. Brischke. Diese Wanze hält sich vorzüglich auf den Blättern der Rüster (Ulmus campestris L.) auf. Wolff. Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Schweden, hier (Nürn- berg) auf Ulmen, nicht sehr selten. Hahn. Auf Doldenpflanzen, aber nicht häufig, gehört zu den grössten Arten und schliesst sich zunächst an PL dolobratus. Bürmeister. Durch ganz Europa, aufBibes rubrum, Acer campestre und anderem Gesträuch. Fieber. Habitat in Alno glutinosa, Salice caprea, cinerea et aurita, Pyro malo, Sorbo fennica, Ribe rubro (ipse), Pruno (Püton), Queren (Puton, d'Antessanty), Acere (Kirschbaum, Novicki), Corylo (Spitzner), Ulmo (Divigubski, Hahn), Betula (Siebke) : Europa tota usque in Fennia meridionali! (61°), Suecia media (Stockholm!) et Norvegia meri- dionali. — Anatolia, D. Erber. Reuter (1896). [Schweiz : Erscheint gewöhnlich um den 20. Mai, bald einzeln, bald auch in kleinen Gruppen von 10 — 20 Individuen, meistens an gebüschreichen, sonnigen Waldsäumen, an wilden Abhängen und Feldrainen, in der ganzen Schweiz. Meyer. Frey-Gessner. — Grau- bünden: Churer Au, Tarasp. Killias. — Tirol: An gebüschreichen Waldsäumen, nur stellenweise und in kleinen Gruppen, von Mai an . . . Unsere Exemplare sind stets sehr licht und nur der Fleck auf dem Pronotum oft verschwindend klein. Gredler. — Steier- mark: Auf Weiden und anderem Gesträuch; nicht häufig und sehr flüchtig. Eberstaller. — Nieder-Osterreich : Bei Gresten auf Ge- sträuch, selten. Schleicher. — Böhmen: Auf verschiedenen Sträu- chern in Wäldern, selten; in der Umgebung von Prag, auch aus 421 — Jungfer- Teinitz. Duda. — Livland : Ein Männchen in der Gimmer- niAi.'schen Sammlung. Flor.| Act in ot us IIkut. Leib oberseits ziemlich breit eiförmig, dabei leicht abgeflacht, sowie an Pronotum und Halbdecken leicht verschwommen punktiert. Kopf stark geneigt, von vorne gesehen fünfeckig und so lang wie breit, von der Seite gesehen fast so lang wie breit; Scheitel ohne Randung und ohne Furche; Stirne stark abschüssig; Kopfschild von der Stirne durch einen deutlichen Eindruck geschieden und von Grund aus stark vorspringend ; Wangen erhaben : Kehle schräg. Augen stark vorragend und hinten an das Pronotum stossend. Schnabel die mittleren Hüften etwas überragend und mit seinem ersten Glied bis zur Mitte des Xyphus der Vorderbrust reichend. Fühler gleich oberhalb des inneren Augenendes eingefügt ; ihr erstes Glied kürzer als der Kopf; das zweite Glied fast so lang wie der Grundrand des Pronotum und gegen seine Spitze zu allmählich leicht verdickt. Pronotum nach vorne zu ziemlich stark verschmälert, etwa ein Drittel kürzer als am Grunde breit, sein vorderer Einschnitt ziemlich breit, seine Schwielen klein und nach hinten breit gerundet, seine Seiten nach hinten zu ziemlich abgestumpft, nach vorne zu- gescharrt. Corium mit 3 deutlichen Längsadern, die Cubitalader am Ende gegabelt; Keil länglich dreieckig: die grössere Membranzelle mit gerundetem Winkel an der Spitze. Seitenränder der vorderen Pfannen von oben kaum wahrzunehmen. Vorderhüften kurz, die Mitte der Mittelbrust kaum überragend. Schenkel nur an der Spitze verschmälert, die hinteren länger und dicker als die übrigen. Schienen mit ganz kurzen Dornen besetzt. Tarsen unten dicht behaart; an den Hintertarsen ist das erste Glied dicker als das zweite, an seinem Ende tief ausgeschnitten und mit seinem unteren Rande etwas länger als jener des zweiten ; das dritte Glied länger als das erste. Die Klauen stark gekrümmt. Die bisher einzig bekannte Art dieser Gattung lebt in Mittel- europa. Die Gattung Actinottis Reut, hat mit der Gattung Tycno- ptema Firn;.. Reut, die gegen die Spitze zu geschärften Pronotum- seiten, das mit 3 Adern besetzte, ('orium, die mit kurzen kleinen Dornen besetzten Schienen und den Bau der Tarsen gemeinsam, unterscheidet sich aber von ihr scharf durch die weit breitere, oben leicht abgeflachte Körperform, sowie durch den Bau von Kopf, Schnabel, Fühlern und Pronotum. (Nach Reuter.) 422 53 (449) pulcher H.-Sch. C. niger, punctulatus, pilis decurabentibus brevibus nigris; sub- tus, pedibus, maculis duabus occipitalibus, vittis quinque thoracis, maculis duabus scutelli, striisque hemelytrorum viridibus, purpureo- mixtis ; appendice rubro basi flavo, apice nigro. H.-S. Oberseits hellgrünlich und rot, mit zartem schwarzen Flauni- haar besetzt und schwach , verschwommen punktiert , unterseits gelblichgrün, mit ganz feinem gelben Flaumhaar besetzt, am Bauch ein grösserer schwarzer Grundfleck und eine beiderseitige Reihe schwarzbrauner Punkte. Kopf schwarz mit 3 grünen Flecken, der mittlere am Kopfschild, die queren seitlichen am Scheitel, rechts und links (Backen). Das grüne Pronotum ist auf seiner Fläche sparsam verschwommen punktiert und zeigt vier rötliche oder braun- rote Streifen bei schwarzem Rand ; vorn fliessen diese Flecke zu- sammen, die mittleren verlaufen parallel zu einander, die seitlichen, weichen gegen den Grund zu stark auseinander und verlaufen parallel zum Seitenrand. Das glatte grüne Schildchen hat braunen Grund, auch der Seitenrand ist häufig, bis über die Mitte hinaus, dunkel. Die roten Halbdecken sind sparsam verschwommen punktiert, wäh- rend Adern und Aussenrand hellgrün sind. Keil rot mit dunkler Spitze und grünlichem Grund. Die bräunliche Membran hat gelb- rothe Adern und einen hellen durchscheinenden Fleck zwischen Keil- ende und grösserer Zelle. An den schwarzen Fühlern ist das erste Glied dicker als der vordere Einschnitt des Pronotum; das zweite 2x/2mal länger als das erste; das dritte am Grunde weisslich. Die grünlichen Beine sind mit schwarzem Flaumhaar besetzt ; die Schenkel sind an ihrem Ende rot, gleich dem Grund der Schienen, welche letztere mit kleinen schwarzen Dornen besetzt sind. Die Tarsen sind dunkel. Länge 8 — 9 mm. (Nach Fieber und Reuter.) Reuter unterscheidet (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 136) noch eine Var. ß, welche am Schildchen eine schwarze Längslinie, sowie einen rötlichen Keil mit schwarzer Spitze hat. im übrigen aber der Stammform gleicht. ( 'apsus pulcher Herrich-Schäffer, Wanz. Ins. 111, 1835. p. 75. Fig. 293. — Nomencl. entom. 1835, p. 51. Pycnopterna pulcher Fieber, Europ. Hemipt. 1861, p. 263, 2. - Püton, Cat. 1886, p. 49, 2. - Ätkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 82. Actinotus pulcher Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. 1896, V, p. 136, 1 und tab. V fig. 6. 123 Elsass: (Remiremont), Val de Ville" ; tres rare. Reiber-Pdton. Schlesien: Von Lktxnkk bisher nur allein and zwar in 2 Exemplaren am breiten Berge bei Striegau gefangen. Snioi/rx. \ss\iw\. Thüringen: Um Gotha sehr .selten. Kellner-Bbeddi». Eine ausgezeichnete, sehr seltene Art, welche ich erst zweimal in hiesiger (Regensburger) Gegend fand. Herrich-Schäffer. In Deutschland, selten. Fieber. Habitat in Gallia (mons Pilat, sec. D. Dr. Horvath. Remire- mont, Val de Ville, D. Dr. Puton), Thueringia (Gotha, D. Kellnkk), Bavaria (Nuernberg, D. Herrich-Schäffer), Silesia (Striegau, D. Letz- ner) ; Styria !, Carpathes (Sinaia, D. Montandon), Hungaria orientalis (Toplitza, D. Chyzer) ; Graecia (Parnassos!, D. P. LüEW). Reuter (1896)^ B r a ch y c o l e h s Fieb. Leib länglich oder länglich-eiförmig und oberseits behaart (an den Halbdecken mehr liegend). Kopf klein, nicht einmal halb so breit als das Pronotum am Grunde, senkrecht gestellt, Scheitel ohne Rand, die Stirne gewölbt und an der Spitze höckerig vorspringend; der senkrechte Kopfschild gleichfalls vorspringend, zwischen ihm und der Stirne ein tiefer Eindruck. Kehle schräg. Wangen beim Weibchen höher als beim Männchen. Die massig langen, an ihrem inneren Rande leicht gebuchteten und nach vorne kaum auseinander ^ei- chenden Augen stossen an das Pronotum. Der sehr kurze Schnabel ragt kaum über die Vorderhüften oder die Mitte der Mittelbrust hinaus, sein zweites Glied ist wenig länger als das erste, sein viertes nur wenig länger als das dritte. An den Fühlern ist das erste Glied ziemlich kurz, die Spitze des Kopfschilds kaum zur Hälfte über- ragend; das zweite ist beim Männchen am Grunde etwas verschmälert, beim Weibchen gegen das Ende zu leicht allmählich verdickt, dabei 2 — 3 mal länger als das erste oder etwa so lang als das Pronotum an seinem Grunde breit; die beiden letzten Glieder sind zusammen kürzer als das zweite. Das trapezförmige, in die Quere gezogene Pronotum ist nicht punktiert, seine Fläche fällt nach vorne zu mit starker Krümmung ab; am abgerundeten Grunde ist es dreimal breiter als an der Spitze, die Seiten sind gerade, der vordere Ein- schnitt so breit wie das Ende des zweiten Fühlergliedes, die quer- stehenden Schwielen sind gut ausgebildet. Das Schildchen ist meist ganz fein quergerunzelt. Der Xyphus der Vorderbrust ist gerandet ; die Mittelbrust ist hinten abgestumpft, die Hinterbrust gewölbt: die Öffnungen der Mittelbrust, bilden eine Querspalte mit erhabenen 424 — Rändern. Die ziemlich glatten Halbdecken sind beim Männchen parallelseitig und weit länger als der Hinterleib, während sie beim Weibchen seitlich breit gerundet sind und das Hinterleibsende nicht oder kaum überragen. Am Corium sind Brachial- und Cubitalader gut ausgebildet ; der Keil ist länger als am Grunde breit, die grössere Membranzelle ist an der Spitze fast rechtwinklig. Die Vorderhüften erreichen kaum die Mitte der Mittelbrust ; die Beine sind mit zartem Flaum besetzt; die Hinterschenkel sind länger und dicker als die übrigen, ohne jedoch das Hinterleibsende zu überragen ; unmittelbar an der Spitze sind sie etwas verengt ; die Schienen sind mit kleinen Dornen besetzt, welche kürzer sind als die Schienen dick. An den hinteren Tarsen ist das erste Glied kürzer als das zweite, das dritte so lang wie das zweite; die Klauen sind einfach und stumpf ge- krümmt. Der Geschlechtsabschnitt des Männchens ist rund ab- gestutzt. Diese Art ist durch den Bau des Kopfes, besonders durch die an ihrem Ende, über dem Grunde des Kopfschilds, kräftig höckerig vorspringende Stirn, sowie durch ihren kürzeren Schnabel wohl gekennzeichnet. (Nach Reuter.) Disposition der 2 deutschen Arten (nach Reuter). Beine vollständig schwarz oder nur die vorderen Schienen in ihrer Mitte rostbraun. Pronotum und Halbdecken rot mit schwarzer Zeichnung. Schildchen vollständig schwarz : 1 . triangidaris Goeze. Beine hell; Schildchen gelb, nur seine Seiten und oft noch ein dreieckiger Fleck am Grunde schwarz. Am Pronotum ist der ganze Saum und drei Flecke auf seiner Fläche gelb ; manchmal überwiegt die gelbe Färbung vollständig : 2. scriptus Fabr. * triangidaris Goeze. Unterseite, sowie Fühler, Schnabel und Beine schwarz und mit schwarzem Flaumhaar bedeckt, während die Oberseite gelblich be- haart ist. Kopf schwarz mit gelbem Fleck beiderseits um die Augen. Schnabel die Vorderhüften nicht überragend. Das schwarze Schild- chen ist fein quer gerunzelt. Das rote Pronotum hat eine schwarze Spitze und am vorderen Einschnitt manchmal 2 rote Streifen; es ist ein Drittel kürzer als am Grunde breit; seine glatte Fläche neigt stark nach vorne. Die beim Männchen den Hinterleib stark über- ragenden Halbdecken sind gleichfalls rot, doch ist die Kommissur des Clavus und ein dreieckiger Fleck am Ende des Corium, sowie die Spitze des Keils schwarz. Die dunkle Membran hat schwarz- — 1 25 braune oder gelbrote Adern; die Zellen sind an ihrem Grunde bis- weilen aufgehellt. An den schwarzen Fühlern ist das zweite Glied 21/., mal länger als das erste, das dritte etwa halb so lang wie das /weite, das vierte halb so lang wie das dritte, die beiden letzten zusammen kürzer als das zweite. Die Pfannenränder sind schmal und das Ende der Epipleuren des Prothorax breit rotgelb, während die Öffnungen stets schwarz sind. Die Vorderschienen sind bisweilen in ihrer Mitte rostbraun. Länge 7*/2 — 81/» mm, die Männchen länger als die Weibehen. — Diese Art ist von allen anderen der Gattung Brachycöleus durch ihre schwarze Behaarung und durch die schwarze Färbung von Unterseite und Schildchen wohl zu unterscheiden. (Nach Reuter.) C.imex triangularis Goe/e, Entom. Beytr. 1778, II, 264, 58. Cimex eryngii Geoffroy in Fourcroy, Entom. Paris, 1785, 197. 10. Cimex trigonus Gmelin, Syst. Nat. 1789, XIII, 2184, 48b\ Phytocoris bimaculatus Rambur, Faun. And. 1842, 160. 3. Capsus maculipes Stal, Öfv. Vet. Akad. Förh. 1855. 186, 3. Brachycöleus bimaculatis Fieber, Europ. Hemipt. 1861, 251, 1. — Püton, Cat. 1886, p. 49, 1. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 83. Capsus cruentatus Perris, Ann. Soc. Linn. Lyon. 1857, IV, 167. Brachycöleus triangularis Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896. p. 129. 1 und tab. V fig. 7. llabitat in Carduis (Meyer-Dür) , in Cirsio ;uvense (Dübois), Eryngio campestri (Geoffroy, d"Antessanty, Charpextier et Dübois): Gallia (Somme, Aube, Yonne. Loire-Inferieure, Oise etc.), Bavaria ', Hispanin. Reuteb (1S96). 54 (450) scriptus Fabr. L. viridis thorace lineis quatuor. elytris vittis duabus : inferiore abbreviata nigris. Fabricius. C. citrinus, capite vittis duabus, thorace quatuor, elytris duabus nigris. Herr.-Schäffer. Schwefelgelb mit schwarzer Zeichnung (seltener vollständig gelb), dabei sehr fein schwarz behaart: Oberfläche glänzend, fein lederartig gerunzelt aber nicht punktiert. Die schwarze Zeichnung 1 Di«1 Fandortsangabe „Bavaria" für dieses in Spanien und im südlichen Frankreich heimische Tier (von welchem Reuter 4 Var. anführt), dürfte wohl auf einein Irrtum beruhen. II. — 420 — betrifft: 1. zwei gekrümmte Flecke am Kopf, einschliesslich Nacken; 2. vier nach hinten etwas auseinander weichende Längsstreifen am Pronotum ; 3. am fein quergerunzelten Schildchen die Seiten und einen verbreiterten abgekürzten Grundfleck, so dass das Gelbe „herz- förmig" erscheint; 4. die Innenseite des Clavus; 5. zwei, oft zu einem zusammenfliessende , verschieden breite Längsstreifen am Co- rium; 6. einen Fleck am Innenwinkel des Keils. — Das nach hinten gewölbte Pronotum fällt nach vorne zu stark ab. Die Brust ist gelb. Die Halbdecken sind beim Männchen länger als beim Weibchen ; ihre Membran ist bräunlich, deren Adern gelb. Der Hinterleib ist oben schwarz, unten beim Weibchen gelb, beim Männchen gelb mit schwarzen Flecken (Mitte) und Punkten (Seiten). Der lehmgelbe, an seiner Spitze schwarze Schnabel überragt kaum die Vorderhüften. Die rötlichen Fühler sind mit schwarzem Flaumhaar besetzt, ihr erstes Glied ist von wechselnder Färbung, rostrot bis dunkel; das an seinem Grunde hellere zweite Glied ist 272irial länger als das erste, seine äussere Hälfte ist schwarz, das dritte und vierte Glied schwarz. Die gelblichen Beine sind mit schwarzem Flaumhaar be- setzt ; die Schenkelringe des Männchens sind schwarz, die Schenkel selbst mehr oder weniger rostfarben. Die schmutzfarbenen Schienen sind an ihrem Ende schwärzlich, beim Männchen mehr als beim Weibchen; die Tarsen sind schwarz. Länge 7 — 10 mm, die Männ- chen länger als die Weibchen. Reuter unterscheidet neuerdings (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, p. 132) 4 Spielarten: Var. a: Corium schwarz, sein Seitenrand bis zur Spitze und oin länglicher spitzwinkliger Fleck am innern Winkel schwefelgelb oder goldgelb ; die mittleren Flecke des Pronotum fliessen (beim Männchen) bisweilen am Grunde zusammen. 6 <{>. Var. ß: Wie die vorige, nur dass sich am Corium noch ein schmaler, schiefer, schwefelgelber Fleck findet, der sich vom Grunde oder doch vom Grunddrittel zum Fleck am inneren Coriumwinkel hinzieht. $ . Var. y: Ganz gelb, während von brauner Farbe sind: am Kopf nur 2 kleine Punkte am Ende der Stirne, 2 kleine Strichel am Kopfschild, der Rand des Scheitels, am Pronotum die Ränder der Schwielen und 4 Flecke auf seiner hinteren Hälfte, die nach vorne erheblich abgebrochen sind, am Corium ein Fleck neben dem Clavus und ein zweiter in seiner Mitte, der sich gegen sein Ende zu ver- breitert. Die Fühler sind rostfarben, das zweite Glied am Ende, — 427 — sowie die beulen letzten schwarz; die Tarsen schmutziggelb and nui am Ende dunkelbraun; die Unterseite vollständig gelb. Var. <$, decolor Reut. : Vollständig gelb, ganz einfarbig odei (beim Männchen) nur der Scheitelrand und die Bänder der Pronotum- srliw ielen schwarz. 6* 5. Lygaeus scriptus Fabricius, Syst. Rhyng. ISO.'}. 234, L53 (ne< />////. script. Kntom. Syst. IV, 182, 171, qui est species Capsi Fabr. generis, vide Fahr. Syst. Rhyng. 1803, p. 247, 32. Reuter). Capsus scriptus Herrich-Schäffer, Nom. entom. L835, p. 50. — Wanz. Ins. 111, 1835, p. 7(i, fig. 294. - - IX, Index, L853, 40. Kirschbaum, Rhynchot. Wiesbadens, 1855, 59, 57. Sopherus Amyot, Entom. Franc. Rhynchot. 184.S, p. 191, \<>. 21i>in. - Westfalen : Von Cornelius bei Elberfeld gesammelt. Westhoff. — Mecklenburg : Auf Fichten und Kiefern von Mitte Juni bis An- fang August, selten. Raddatz. - Schlesien: Nur im Gebirge, auf Nadelholz und Birkengesträuch, im Juli und August, selten. Assmaxn. Ein Exemplar von Herrn Dr. v. Siebold aus der Danziger Gegend. Herrich-Schäffee. Auf Kiefern, im Juni, Juli durch ganz Kuropa verbreitet. Fieber. Habitat in Pino sylvestri !, Abiete excelsa (Horvath) et Junipero (Reiber et Puton), sec. D. Frey-Gessner etiam in Queren et sec. D. Assmann in Betula: Lapponia (Muonioniska, 68°, D. Prof. Zetter- stedt), Norvegia, Suecia!, Fennia!, Livonia. Germania (Gruestphalia), Batavia, Belgium (Boitsfort), Iria, Scotia!, Anglia, Gallia!, Nassovia, Thueringia, Bohemia, Silesia!, Helvetia. Carinthia. Austria!, Hungaria, Halicia. — Italia borealis. — America borealis (Uiiler). Hirn i; 1 1896). [Schweiz: Auf Föhren und Kichengebüsch an lichten Wald- steilen im Juni und Juli, selten; . . . eine wunderschöne Art. Frey- Gessner. Tirol: bei Mitterbad in l'lten von Fichten geklopft- Gredleb. — Nieder-Osterreich : auf Föhren, selten. Schleicher. — Böhmen: auf Kiefern. 7 8 ziemlich selten: um Prag, Wartenberg, Chodau. Düda. Livland: im Juni. Flor.] — 438 57 (458) intermedius Reut. Blassgelbgrün oder auch grünlich . oberseits sparsam mit kurzem schwarzen Flaumhaar besetzt, zwischen welchem sich noch zartere blasse Haare zerstreut vorfinden. Kopf von vorne gesehen etwas länger als das Pronotum. Scheitel lichtgelbrot ; zu beiden Seiten am Auge ein vertiefter , gleich Kopfschild und Zügel , blass- behaarter Punkt ; der Scheitel , vom Rücken aus gesehen , beim Weibchen von doppelter Augenbreite, beim Männchen etwas schmäler. Der an seiner Spitze schwarze Schnabel überragt noch etwas die hinteren Hüften. Das besonders auf der hinteren Hälfte quer ge- runzelte Pronotum ist zweimal breiter als am Grunde lang, vorne so lang wie breit, sein vorderer Einschnitt so breit wie das zweite Fühlerglied an seinem Ende dick ; die Schwielen gut abgegrenzt und innseits durch eine vertiefte Linie verbunden. Das glatte Schildchen ist entweder vollständig gelbrot oder an seinem Ende häufig weiss- grünlich. Der Rücken des Hinterleibs ist schwarz. Die Halbdeckeu sind gleichfarbig orangerot oder orangegelb, häufig auch mit grün- lichem Seitenrand an Corium und Keil. Die leicht rauchbraune Membran hat rote Adern, nur eine schmale Linie neben der Spitze des Keils ist hyalin. An den mit äusserst zartem schwarzen Haar- flaum besetzten Fühlern ist das zweite Glied beim Weibchen so lang wie das Pronotum an seinem Grunde breit, beim Männchen noch etwas länger ; die beiden letzten Glieder sind zusammen so lang wie das zweite. Die mit schwarzem Flaum besetzten Beine haben leicht gelbrötliche. Schenkel und grünliche Schienen, die mit kleinen braunen Dornen besetzt sind : das letzte Tarsalglied ist an seiner Spitze dunkelbraun ; die hinteren Tarsen sind beim Weibchen kaum um 3/5 kürzer als die Schienen und um 1/4 kürzer als der Kopf an seinem Grunde breit ; das dritte Glied ist kaum länger als die beiden ersten zusammen. Länge 472 — 5 mm, Männchen wie Weibchen. — Diese Art ist dem rußpennis Fall, an Färbung und Behaarung ähn- lich, aber weit kleiner und kürzer, mit breiterem Scheitel und kürzeren Fühlern und Schienen (Zwergform?! H.). — Von valesianus Mey. unterscheidet sich diese Art durch die anders gefärbten Halb- decken, durch die grössere Körperform, welche oben (besonders am Pronotum und Schildchen) weit sparsamer und kürzer behaart ist, durch den breiteren Kopf und das stärker quer gerunzelte Pronotum. (Nach Reuter.) — 439 — Vichrooscytus intermedius Reuter, Compt. Elend. Soc. Entom. Belg. L885, KL 11. - Hemipt. Gymnoc. Europ. V. L896, p. L20, 2. — Pdton, Cat. 1886, p. 50. 2. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889. p. 84. Habitat in Abiete excelsa (Horvath, ipse); Saxonia (Leipzig!, ipse), Helvetia (Spluegen), D. Dr. Horvath; Bohemia!, D. Prof. Düda; Austria (Schönbrunn!), Hungaria (Tatra!. Lueski! , Czernakleva !), Herzegovina (Trebinje), J). Dr. Horvath; Moldavia (Carpathes! D. Montandon. Reuter (1896). [Böhmen: Diese unlängst beschriebene Art agnoscierte Herr Prof. Dr. Eeuter in einem ziemlich defekten Exemplare . welches ich vor einigen Jahren bei Sobieslau gefangen habe ; nach demselben Autor lebt sie auf Weiden. Düda.] *valesianus Mey. et Fieb. Vollständig gelbgrünlich und oben wie unten mit zartem gelben Haarflaum besetzt, zwischen dem sich oberseits noch schwarze Härchen rinden. Kopf von vorne gesehen fast noch länger als das Pronotum; Scheitel gleichmässig dreieckig, von der Seite gesehen deutlich kürzer als hoch; von oben gesehen beim Männchen um beim Weibchen ums Doppelte breiter als das Auge. Der grünliche Schnabel mit schwarzer Spitze überragt kaum die hinteren Hüften. Das blassgelbgrüne Pronotum ist fast glatt , nur äusserst fein quer gerunzelt , am Grunde zweimal breiter als lang : sein vorderer Ein- schnitt ist so breit, wie das zweite Fühlerglied am Grunde dick ist. Das glatte . gelbgrünliche Schildchen ist manchmal rötlich tingiert. Der Hinterleibsrücken ist schwärzlich. An den glatten , gelbgrünen Halbdecken findet sich an Grund und Ende des Clavus und be- sonders am Ende des Corium ein karminroter, am Ende des Keils ein dreieckiger rotbrauner Fleck ; die rauchbraune Membran hat rote Adern und am Ende kleinere weisse Flecken. An den gelblichen Fühlern ist das zweite Glied beim Weibchen so lang als das Pronotum am Grunde breit , beim Männchen noch etwas länger : die beiden letzten Glieder sind länger als das zweite, das dritte um '/8 kürzer als das zweite, das vierte um 1/3 kürzer als das dritte. An den langen, schmutziggelben Beinen sind die Hinterschenkel kräftig ver- dickt, die Schienen mit kleinen braunen Dornen besetzt, das letzte Fussglied an seinem Ende schwarzbraun. Die hinteren Tarsen sind mehr als 7-, kürzer denn die Schienen, etwa '/.., kürzer als der Kopf 440 am Grunde breit ; ihr letztes Glied ist so lang wie die beiden ersten zusammen. Länge: 32/:> — -4 mm. — Diese Art ist durch ihre kleinere Figur, durch die andere Färbung von Halbdecken und Membran, durch den etwas schmaleren Scheitel, sowie durch ihre dichtere und weniger feine schwarze Behaarung gut zu unterscheiden. (Nach Reuter.) Capsus valesianus Meyer, Mitteilungen d. Schweiz. Entom. Ges. I, 151. Bichrooscytus valesianus Meyer et Fieber, Europ. Hemipt. 1861 . 270, 2. — Puton, Cat. 1886. p. 50, 3. -- Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 84. — Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896. p. 121, 4 und tab. V fig. 4. Einzeln in Oberwallis auf Junipcr/ts-Gebüschen. Fieber. Habitat in Junipero (Meyer-Duer, Pierrot) : Hispania (Pyreneae), Gallia (Var, Haute-Vienne. Gerbamont, St. Antonin!, Landes), Hel- vetia (Vallis!, Lugano, St. Gothard), Graecia (Corfu, Attica!), Algeria (Teniet el Haadf), D. Desbrochers des Loges, Tunisia (Djebel sened), D. Valery-Mayet. Reuter (1896). [Französ. Vogesen : Gerbamont ; sur le genevrier (Pierrot). Reiber-Püton. — Schweiz: auf Juniperus communis an heissen, trocknen Berglehnen von Meyer entdeckt, im Mai und Juni bei Viesch im Wallis, bei Lugano am St. Salvadore, Meyer, Mitt. d. Schweiz. Entom. Ges. p. 151. Frey-Gessner.J — Nach Vorstehendem zählt diese Art zur Mittelmeer-Fauna! H. Lygus Hahn, Reut. Körperform länglich bis eiförmig ; Färbung meist grünlich oder rötlich mit wenig ausgeprägter Zeichnung. Die Oberseite meist mit feinem zarten Flaumhaar besetzt, die Unterseite stets ohne ab- schuppende, metallisch glänzende Härchen. Der mehr oder weniger in die Quere gezogene, senkrechte oder doch stark geneigte Kopf ist so lang wie an seinem Grunde breit und von der Seite gesehen weit kürzer als hoch ; der nicht breite Scheitel ist ge- rundet, die Wangen sind niedrig, die Stirne ist stark geneigt und der Kopfschild springt wenig oder gar nicht vor. Die Kehle ist von wechselnder Ausdehnung, oft ganz kurz, höchstens aber die Hälfte des Kopfes einnehmend. Die mehr oder weniger vorstehenden Augen stossen an das Pronotum, erstrecken sich meist weit über die Wangen und sind innen, unter der Mitte, mehr oder weniger stark ausgerandet. Die Schnabellänge wechselt. Das mehr 441 oder weniger quere Pronotum ist trapezförmig, fein punktiert, vorne, gleich hinter dem schmalen Einschnitt, kaum halb so breit als am Grande; seine Seiten sind gerade oder höchstens leicht gerundet, die Schwielen (Buckel) gut ausgebildet. Der Xyphus der Vorder- brust ist dreieckig, ausgehöhlt und gerandet : die Mittelbrust ist vor- springend . ihre Luftöffnungen sind wohl sichtbar , die Spalte ist eiförmig und nach vorne leicht schief. Die Halbdecken sind länger als der Hinterleib, ihre Seiten gerade oder leicht geschweift; der Keil ist länger als am Grunde breit, sein Seitenrand ziemlich gerade, der Bruch nicht tief; die grössere Zelle ist gegen ihr Ende zu ver- schmälert. Die Brachialader verläuft (mit Ausnahme ihres Grundes) gerade. Die Fühler sind in der Bucht der Augen, innen unten, ein- gefügt; ihr zweites Glied ist, besonders beim Männchen, gegen sein Ende zu allmählich leicht verdickt. An den Beinen sind die Hinter- schenkel etwas länger und etwas dicker als die anderen : von den Schienen sind mindestens die hinteren mit kleinen Dornen besetzt: an den Hintertarsen ist das erste Glied erheblich kürzer als das zweite : das dritte so lang wie das zweite. Die Klauen sind lang, einfach, leicht gekrümmt. Der männliche Geschlechtsabschnitt ist linkerseits breit und tief ausgerandet und trägt in seinem Ausschnitt die Zange. — Die Arten dieser Gattung leben auf Bäumen und Pflanzen ; sie unterscheiden sich von den hier nächst folgenden Gattungen durch den weniger breiten Scheitel, durch die sich mehr über die Wangen ausdehnenden Augen , welche meist am oberen Teil des inneren Randes etwas auseinander weichen und weiterhin plötzlich ausgerandet sind, durch die tiefer liegenden Wangen, durch die wenig oder gar nicht gehöhlten Zügel, sowie durch den Bau der Fussglieder (Tarsen). Nach Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V. 71. Schlüssel zu den Arten der Gattung Lygus Hahn, Reut. (Nach Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, p. 362 ff.) 1. iL'.) Zweites Fühlerglied beim Weibchen kürzer als der Kopf an seinem Grunde breit, beim Männchen gerade so lang. Scheitel in seiner Mitte ganz fein gerandet. Kopfschild an seinem Grunde mit der Stirne zusammenfliessend. Vorderschienen abgestutzt (Unterart Agnocoris Heut.). 1. rubicundus Fall. -'. (1.) Zweites Fühlerglied meist länger als der Kopf breit, nur sehr selten so lang wie dieser, in welchem Falle der Scheitel einen gleichmässig gekielten Rand zeigt. 3. (64.) Scheitel mit vollständig erhabenem Rande. 442 — 4. (25.) Der Schnabel reicht höchstens bis zum Ende der Mittel- hüften. Vorderschienen mehr oder weniger abgestutzt. Kopf ziemlich stark in die Quere gezogen. Unterart Orthops Fieb. Reut. 5. (8.) Halbdecken rötlichbraun oder gelblichbraun, Clavus und Corium gleichmässig dicht rauchbraun; Flaumhaar kurz, nicht besonders dünn, mit leichtem Silberglanz, (i. (7.) [Scheitel beim Männchen von Augenbreite, beim Weibchen etwa 1/s breiter. Zweites Fühlerglied beim Männchen der sibirische 2. distinguendus Reut.] 7. (G.) [Scheitel beim Männchen der madeirensische 3. hisalaris Reut.] 8. (5.) An den Halbdecken ist der Clavus grossenteils, sowie das Corium in Form einer Binde oder eines Flecks an seinem Ende blutrot, rostrot, braun oder schwarz (wenn auch diese Zeichnung bisweilen etwas verschwommen ist). 9. (20.) Scheitel mit geradem gekielten Rande. Das zweite Fühler- glied ist mindestens um 1ji, meist jedoch um 1/9 — 2/5 kürzer als der Grundrand des Pronotum und dabei meist schwarz oder doch an Grund und Ende schwarz oder pechbraun. 10. (13.) Schienen mit nicht besonders feinen pechbraunen oder schwarzen kleinen Dornen besetzt. Schildchen nur verschwommen oder kaum wahrnehmbar leicht getüpfelt, ziemlich glatt oder leicht ver- schwommen gerunzelt. 11. (12.) Scheitel beim Männchen von Augenbreite, beim Weibchen noch um ] /3- — -2/5 breiter, Augen des Männchens innseits ziemlich stark ausgerandet. Leib mehr in die Länge gezogen und dabei ziegelfarben, ockerfarben oder gelblich mit schwarzer oder rost- brauner Zeichnung. Corium mit schwarzem Seitenrand. 4. Kalmi Ltnn. 12. (11.) Scheitel in beiden Geschlechtern etwa um die Hälfte breiter als das Auge. Augen des Männchens nicht besonders vorstehend, von mittlerer Grösse, innseits nur leicht gebuchtet. Leib meist dunkelgrünlich, mit dunkler oder pechbrauner Zeichnung. Corium mit gleichfarbenem Seitenrand. 5. campestris Linn. 13. (10.) Schienen mit zarten, blassen, kleinen Dornen besetzt. Schildchen deutlich punktiert. 14. (15.) [Zweites Fühlerglied so lang wie der Kopf an seinem Grunde breit. Leib klein, kurz . . . der sibirische 6. mutans Stal. j 15. (14.) Zweites Fühlerglied mindestens um 1L länger als der Kopf am Grunde breit. Leib gelblichgraubraun, ockergelb oder rötlich- graubraun, mit blutroter, rostroter oder rostbrauner Zeichnung. l(i. (17.) Zweites Fühlerglied deutlich länger als die beiden letzten zusammen, das dritte nur halb so lang als das zweite. Halb- decken mit rostbrauner Zeichnung. Scheitel des Männchens etwas breiter als das Auge. 7. Foreli Mey. 17. (16.) Zweites Fühlerglied so lang als die beiden letzten zusammen- genommen, drittes Fühlerglied um etwa 2/5 kürzer als das zweite. Halbdecken mit rostfarbener oder leicht blutroter Zeichnung. — -i i:; 18. (li'.j [Scheitel beim Männchen um ' '... beim Weibchen um ' , breitei als das mittelgrosse Auge der tarkestanische 8! sanguinolentus Reut.] 1!». (18.) Scheitel beim Männchen so breit wie das grosse Auge, bein Weibchen noch um l/a breiter als dieses. Halbdecken dichl punktiert. Von grösserer Figur (als No. 8). Zweites Fühlerglied beim Männchen nur 1l:i kürzer als das Pronotum an seinen Grunde breit. 9. montanus Schill. 20. (9.) Scheitel in der Mitte weit zarter gerandet, der erhobene Rand ist beim Männchen in der Mitte breit stumpfwinkelig aus- geschnitten, an den Seiten verdickt. Zweites Fühlerglied beim Männchen so lang als das Pronotum hinten breit, beim Weibchen hingegen meist 1/3 — 2/5 kürzer, das dritte nur halb so lang als das zweite. Augen beim Männchen gross. Schildchen stark gewölbt, mit 2 pechschwarzen Flecken und blasser Spitze. 21. (22.) [Augen beim Männchen ungewöhnlich gross. Scheitel . . . der spanische 10. conspurcabus Redt.] 22. (21.) Scheitel beim Männchen so breit wie das grosse Auge, beim Weibchen noch 1/4 — ■1i3 breiter als jenes (von mittlerer Grösse). Der Schnabel reicht bis zum Ende der Mittelhüften. 23. (24.) [Kleiner und breiter (als der folgende); zweites Fühlerglied . . . der algerische 11. parviüus Reut.] 24. (23.) Grösser und mehr in die Länge gezogen. Uas in beiden, Geschlechtern gleichlange (= dem Grundrand des Pronotum) zweite Fühlerglied ist nur an seinem Ende pechschwarz. Der Kopfschild ist gleichfarbig. Das fein punktierte Schildchen ist ziemlich stark quer gefurcht. 12. viscicölq Put. 25. (4.) Der Schnabel reicht mindestens bis zum Ende der llinterhüften, selten, dass er nur die Mittelhüften etwas überragt, in welch letzterem Falle jedoch auch die Vorderschienen mit kleinen schwarzen Dornen besetzt sind. Unterart Lygus Fieb. Reut. 26. (45.) Leib niemals grünlich, selten weissgrün, in welchem Falle jedoch das Pronotum stark vertieft punktiert ist. 27. (44.) Schienen ohne drei bräunliche Ringe. 28. (39.) Schienen vollständig blass, nur selten an ihrem Grunde etwas dunkler, in welchem Falle sie mit kleinen, zarten, gleichfarbenen Dornen besetzt sind oder der Schnabel die llinterhüften weit überragt. Pronotum dicht fein punktiert. Fühler meist länger als der halbe Leib (einschliesslich Halbdecken). Oberseite meisl rötlichgraubraun oder blassgraubraun, bisweilen rostrot. 29. (36.) Schienen mit zarten kleinen Dornen besetzt, welche entweder die gleiche Farbe zeigen oder schwach bräunlich sind. Zweites Fühlerglied weit länger als der Kopf breit. 30. (31.) Die beiden letzten Fühlerglieder zusammen kürzer als das zweite, dabei von schwarzer Farbe; das dritte, das etwa um 1 .'., kürzer ist als der Kopf samt Augen breit, ist an seinem Grunde graubraun; das zweite ist an seinem Ende schwarz. Der 444 — Schnabel reicht bis zum Ende der hinteren Hüften. Der Körper ist mit zartem blassen Flaum besetzt. 13. cervinus H.-Sch. 31. (30.) Drittes Fühlerglied so lang oder noch länger als der Kopf samt Augen breit. 32. (35.) Oberseite des Leibes mit ziemlich langem gelblichen Flaum besetzt. Die beiden letzten Fühlerglieder dunkelbraun. Der Schnabel überragt die hinteren Hüften ziemlich weit. 33. (34.) [Fühler und Beine schmutzig graubraun; an ersteren ist das zweite Glied gegen sein Ende zu bräunlich , das dritte nur halb so lang wie das zweite. Der Scheitel des Männchens ist deutlich schmäler als ein Auge. Schnabel reicht bis zur Bauchmitte. Pronotum fein punktiert. Der sibirische 14. approximatus Stal.] 34. (33.) Fühler und Beine blassgelblich; an ersteren ist das zweite Glied an seinem Ende nur ganz leicht oder gar nicht bräunlich, das dritte etwa um 2/5 kürzer als das zweite. Der Scheitel ist beim Männchen von Augenbreite. Das Pronotum ist weniger zart punktiert (als bei No. 14). 15. rubricatus Fall. 35. (32.) [Oberseite des Leibes mit ziemlich langem weisslichen Haar- flaum besetzt, dabei leichtrosa oder schwach fleischfarben. An den Fühlern ist nur das dritte Glied der algerische 16. rufinervis Reut.] 36. (29.) Schienen mit ziemlich langen schwarzen Dornen besetzt. Der Schnabel ragt nur wenig über die hinteren Hüften hinaus. Zweites Fühlerglied an seinem Ende dunkelbraun oder schwarz. 37. (38.) Die hinteren Schienen dreimal so lang als die Tarsen. Zweites Fühlerglied ungefähr um die Hälfte (beim Männchen) oder um 1I4 länger als der Kopf an seinem Grunde breit ist. 17. atomari us Mey. 38. (37.) | Hinterschienen höchstens 21/0mal länger als die Tarsen (Weibchen). Zweites Fühlerglied der algerische 18. brachi/cnemis Reut.] 39. (28.) Schienen wenigstens aussen am Grunde rostfarben, dunkel- braun oder schwarz gezeichnet. Fühler nicht länger als der halbe Körper samt Halbdecken, ihr zweites Glied kürzer als das Pronotum am Grunde breit. Pronotum kräftig, weniger dicht vertieft punktiert. 40. (41.) [Clavus und Corium innseits mit silberglänzenden Flecken. Schienen mit gleichfarbenen Dornen, am Grunde mit 2 schwarzen Ringen. Ziemlich klein. Der amurische 19. Saundersi Reut.] 41. (40.) Halbdecken ohne silberglänzende Flecke. Schienen mit kleinen schwarzen Dornen. Corium mit schwarzem Seitenrand. 42. (43.) Schienen zwar mit kleinen schwarzen Dornen besetzt, aber ohne schwarze Punkte. 20. pratensis Linn. 43. (42.) [Schienen dick, mit schwarzen Dornen besetzt, die aus ziemlich grossen schwarzen Punkten herauswachsen der turkestanische 21. pachycnemis Reut.] 44. (27.) [Schienen mit 3 bräunlichen Ringen, ohne schwarze Punkte . . . der ägyptische 22. fuscus Reut.] 445 45. (26.) Oberseite des Leibes grünlich, nur äusserst selten (wie bei L. rhamnicola) fahl olivfarben und meist mehr oder wenig» i schwarz gezeichnet. Pronotum dicht fein, bisweilen verschwommen punktiert. Schiene nur höchst selten am Grund«; dunkelbraun oder rostfarben ( L. Umbatus). 46. (59.) Zweites Fühlerglied nicht oder kaum länger als das Pronotnm an seinem Grunde breit. 47. (58.) Schienen mit kleinen schwarzen Dornen besetzt. Leib bei beiden Geschlechtern eiförmig. Der Schnabel reicht bis zum Ende der mittleren Hüften. 55.) Schienen mit ziemlich kräftigen schwarzen Dornen besetzt, welche aus ziemlich grossen schwarzen Punkten herauswachsen. •1!». (50.) [Hinterleib und Brust grösstenteils schwarz der sibirische 2;i. achtstus Jakovl.] 50. (49.) Hinterleib mit grünlichem Bauch, während der Rücken jedoch grösstenteils schwarz ist. 51. (52.) [Keil am Ende ziemlich breit, schwarz. Leib grün. Schenkel an ihrem Ende nicht rötlich. Der sibirische 24. nigronasutus Stal.] 52. (51.) Keil an seinem Ende gleichfarben oder nur ganz schmal schwärzlich. •r>:>. (54.) Schenkel gegen ihr Ende zu breit rot. Schienen nur am Grunde pechbraun oder rostfarben. Leib blassgrünlich, oberseits mehr (Männchen) oder weniger (Weibchen) schwarz gezeichnet. Die Membranzellen an ihrem Ende ziemlich breit rauchbraun. 25. Umbatus Fall. 54. (53.) Schenkel gegen ihr Ende nicht im geringsten rötlich. Ober- seite des Körpers fahl-olivfarben mit fahlbrauner Zeichnung. Keil nur an seinem Ende ganz schmal schwärzlich. Membranzellen vollständig gleichfarben und durchsichtig. 26. rhamnicola Reut. 55. (48.) Schienen zwar mit schwarzen Dornen, jedoch ohne schwarze Punkte. Hinterleib grünlich, auch am Rücken. 56. (57.) Keil mit gleichfarbenem Ende, am innern Winkel meist schwarzbraun. Pronotum fein punktiert. 27. lucorum Met. 57. (56.) Keil an seinem Ende deutlich, wenn auch nur schmal schwarz, am innern Winkel hingegen gleichfarben. Pronotum obendrein ziemlich fein punktiert. 28. Spinolae Mm . 58. (47.) [Schienen mit graubraunen Dornen, ohne schwarze Punkte. Männchen mit länglichem, Weibchen mit eiförmigem Körper. Der Schnabel überragt noch etwas das Ende der Hinterhüften. Augen gross. Pronotum der mittelmeerländische 2ü. apicälis Fieb.] 59. (46.) Zweites Fühlerglied mindestens J/4 länger als das Pronotum am Grunde breit. Leib des Männchens länglich, des Weibchens länglich-oval. Schienen mit graubraunen oder dunkelbraunen Dornen, welche aus kleinen schwarzen oder dunkelbraunen Punkten herauswachsen. Rücken des Hinterleibs schwarz. 44(5 — 60. (63.) Zweites Fühlerglied gleichfarben oder höchstens an seinem äussersten Ende schwarzbraun. Clavus gleichfarben. 61. (62.) [Halbdecken samt Membran ohne Zeichnung. Der finnländische 30. innotatus Reut.] 62. (61.) Halbdecken am inneren Winkel des Keils mit querem dunkel- braunen Fleck. Membranzellen gegen ihr Ende dunkelbraun, ebenso ein Fleck am Ende des Keils. Scheitel beim Männchen nur halb so breit wie das sehr grosse Auge. 31. contaminatus Fall. 63. (60.) Zweites Fühlerglied gegen sein Ende ziemlich breit gebräunt. Scheitel beim Männchen kaum 1/3 schmäler als das grosse Auge. Clavus zum grössten Teil schwarzbraun, beim Weibchen bisweilen gleichfarben. 32. viridis Fall. 4)4. (3.) Scheitel mit nicht gekieltem Rande, nur zu beiden Seiten des Auges ein vom Rande entfernter vertiefter querer kleiner Strich. Leib samt Halbdecken vollständig grünlich. Schenkel ohne dunkel- braune Ringe. Schienen mit kleinen blassen Dornen, ohne Punkte (Tüpfel), die vorderen aussen abgestutzt, die hinteren gerade. Unterart Lygocoris Reut. 33. pabulinus Lin*t. 58 (454) rubicundus Fall. Ph. rub. virescens : abdomine supra et macula ventrali nigris ; elytris testaceis subpubescentibus immaculatis. Fallen. Länglich-eiförmig in beiden Geschlechtern , von gelblichroter bis braunroter Farbe, manchmal auch mehr oder weniger dunkel- braun gezeichnet, mattglänzend und mit gelben seidenglänzenden Härchen bedeckt, welche auf der Unterseite noch etwas länger sind als oben : die ganze Oberseite (Pronotum . Schildchen und Halb- ilecken) sehr fein und dicht punktiert. Der erdfarbene, wenig ge- wölbte, stark abschüssige Kopf ist nur halb so breit, als das Pro- notum am Grunde und von der Seite gesehen nicht halb so lang wie hoch: der Scheitel (d. h. der Raum zwischen den Augen) ist beim Männchen so breit wie der quere Augendurchmesser, beim Weibchen noch etwas breiter, in der Mitte ziemlich fein gerandet, an den Seiten dicker. Der erdfarbene, an der Spitze schwarze Schnabel reicht etwas über die Mittelhüften hinaus. Die rostfarbenen, gegen ihr Ende dunkleren Fühler haben kaum halbe Körperlänge ; ihr erstes Glied ist etwas kürzer als der Kopf; das zweite Glied ist 21/2mal länger als das erste oder so lang wie Glied 3 und 4 zu- sammen : das dritte Glied ist so lang wie das vierte. Das wenig gewölbte, stark geneigte, nach vorne stark verschmälerte und dicht punktierte Pronotum ist doppelt so breit wie lang ; sein Vorderrand 117 ist schmal abgeschnürt; kurz vor der Mitte findet sich eine leichte quere Vertiefung. Das rötlich-graubraune, behaarte Schildchen hat keine dunkle Zeichnung und ist dicht quer gestreift. Der Rücken {\es Hinterleibs ist schwarz mit gelbrötlichen Rändern, die hello Unterseite wechselnd schwarz gerleckt. Die rötlichen, wenig durch- scheinenden . zierlich punktierten und dicht behaarten Halbdecken sind an den Seiten leicht gerundet; am Ende des Keils sowie am Aussenrande . unter ihm , ein glasheller Fleck ; die dunkle , rauch- braune Membran hat weissgelbe oder rötliche Nerven ; die blassen Zellen sind an ihrem Ende schwärzlich. Die schmutzig hellgelben Beine haben dunkel gefleckte Schenkel , welche Flecke gegen das Ende, besonders an den Hinterschenkeln. 2 dunkle Ringel bilden; die Schienen sind fein hell gedornt, die vorderen abgestutzt. Das letzte Fussglied hat eine schwarze Spitze. Länge 5 — 5*/2 mm, die Weibchen eher länger als die Männchen. Recter unterscheidet neuerdings (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 72 1 4 Spielarten : Var. a : Weibchen, die oberseits gelbrötlich, unterseits einfarbig gelblich sind und an den Schenkeln verschwommene rostfarbene Ringe besitzen. Var. ß : Oberseits ziemlich dunkel rötlich oder rostrot, während der Kopf, am Pronotum das Ende, eine mittlere Längslinie und der Grundrand, sowie am Schildchen eine Mittellinie oder wenigstens die Spitze gelblich sind. Die Unterseite ist gelblich mit roter Fleckung. die Mittelbrust schwarz. An den Fühlern ist Grund und Spitze des 2. und 3. Gliedes , sowie das ganze 4. Glied von schwarzer Farbe. An den Schenkeln finden sich vor der Spitze dunkel rostrote Ringe ; an den Schienen am oberen Rande , gleich hinter dem Grunde ein dunkel-rostfarbener Fleck , der an den Vorderschienen mehr in die Länge gezogen, an den hinteren kurz ist; das Ende der Schienen und Fussglieder schwarzbraun. Var. y: Wie /?, nur dass der gelbliche Kopf gegen das Ende zu rostfarben und schwarz gefleckt ist, das Pronotum an seinen vorderen und hinteren Winkeln rostbraun oder schwarz ist, das Schildchen an seinem Grunde 2 schwarze Binden hat, die 1 falbdecken mehr oder weniger dunkelbraun gezeichnet sind, der Clavus immer an seinem Ende und die Brust auch an den Seiten schwarz-, dunkelbraun- und rostfarben gefleckt ist: der Bauch ist in der Mitte dunkelbraun ; die beiden letzten Fühlerglieder sind vollständig schwarz- braun ; die Schenkel auch gegen den Grund zu rostbraun mit dunkel- — 448 — braunen Hingein vor ihrem Ende ; die Schienen zeigen oben . vom Grunde weg, eine lange rostbraune Binde, c? $>. Var. d: Wie var. y, nur dass das Pronotum beiderseits hinter dem Buckel (Schwiele) noch einen dunkelbraunen Fleck (auch Binde) aufweist; das Schildchen ist dunkelbraun, nur sein Ende, sowie eine zarte mittlere Längslinie und einige Flecken am Grunde sind gelb- lich ; der Clavus in seiner Grundhälfte und an der Spitze und das Corium grossenteils ist dunkelbraun oder rötlichbraun, d $. Reuter beschreibt im Anschluss auch noch des Näheren eine (in einem einzigen Männchen) in Lusitanien (Felgueira) gefundene, nur 3'/2 mm lange Zwergform dieser Art. Phytocorls rubkundus Fallen, Hemipt. Suec. 1829, 92, 30. — Zetterstedt, Ins. Läpp. 1840, p. 273, 15. — Kolenäti, Melet. entom. 1845, II, 124, 106. Capsus rubicundus F. Sahlberg, Mon. Geoc. Fenn. 1848, 111, 45. — Kirschbaum, Rhynchot. Wiesbad. 1855, p. 68, 72 und p. 113. — Flor, Rhynchot. Livlds. 1860, I, 534, 36. — Thomson, Opusc. entom. 1871, VI, 426, 31. Lyyus rubricatus Hahn, Wanz. Ins. I, 1831, p. 156, fig. 80 (nicht 18!), nee Fallen! Capsus rubricatus Meyer, Schweiz. Rhynchot. 1843, p. 73, 45. Miltemma Amyot, Ent. franc. Rhynchot. 1848, p. 203, No. 237. Jiadrodema rubieunda Fieber , Europ. Hemipt. 1861 , p. 278 und 392. Cyphodema rubkunduni Reuter, Rev. crit. Caps. 1878, p. 63, 1. — Puton, Cat. 1886, p. 50, 1. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 94. Lygus rubkundus Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V. 1896, p. 72, 1 und tab. IV fig. 8 (var.). Bayern : Bei Regensburg gemein. Kittel. — Bei Bamberg auf Weiden. Funk. — Württemberg. Roser. — In der Umgebung Ulms, 4 — 7, besonders auf Weiden, keineswegs selten. Hüeber. — Elsass- Lothringen : Sur les saules et les aulnes. Strassbourg : Saules du Rhin , au premier printemps et en ete ; souvent commun. Reiber- Puton. — Nassau: Bei Wiesbaden und Mombach : auf Weiden; nicht selten ; 8 — 9. Kirschbaum. — Westfalen : Zweimal von mir bei Münster erbeutet, 10, im zoolog. Garten auf Prunus Padus. West- hoff. — Thüringen : Bei Gotha überall ziemlich selten. Kellner- Breddin. — Mecklenburg : Auf Weidengebüsch fing ich einige Exem- plare in der Nähe der Stadt Rostock im Juli. Raddatz. — Schlesien : M'.t — Von Juni bis Anfang September hier und da auf Nadelholz , doch, wie es seheint, mehr im Gebirge. Schultz. - Bisher nur im Ge- birge, vom Juni bis in den September, auf Nadelholz, nach SCHILLING auch auf Weiden im April. Assmann. - - Provinz Preussen. Brischki.. Deutschland und Schweden. Auf Föhrengebüschen ; in hie- siger (Nürnberger) Gegend kommt sie sehr sparsam vor. Haiin. Auf Weiden und Erlen in Europa nicht selten. Fieih .;;. Habitat in Salice ! , raro in Alno (Fieber , Spitzner , Pdton (, Quercu (ipse), Pruno pado (Westhoff) , Corylo (Gkedler) ; rarissime (tempore vernali) in Coniferis (Horvath), in Pino m. angusti (P. Low) : Europa tota usque in Fennia media (63° 40')- Caucasus. — Mon- golia borealis ! , Sibiria occidentalis et orientalis (Irkutsk !) , Amuria (Chabarofka!). -- Algeria!, D. Pic. Reuter (1896). [Schweiz : Von Ende Mai bis Mitte August auf Weidengebüschen an Flüssen und Bächen ; an manchen Orten in der Schweiz gemein, und vielfach in der Färbung vom hellsten Rotgelb bis ins Braunrote abändernd. Meyer. — Erscheint in Schächen und auf Beigen, auf Weiden schon mit den ersten sonnigen Apriltagen zahlreich, wohl über die ganze Schweiz verbreitet, meist gesellschaftlich. Frey- Gessner. - Graubünden : Von der Ebene bis zur montanen Region ; Chur und Unterengadin. Killias. — Tirol : Auf Weiden, vom ersten Frühjahre an . . . noch Ende September in Auen. Gredler. — Nieder- Österreich : Bei Gresten auf Salices. Schleicher. — Böhmen : An Flussufern, auf Weiden und Erlen, ziemlich selten, 6 — 8. Düda. — Livland : Vereinzelt, aber nicht besonders selten, auf trockenen Wiesen und Heidekrautflächen, auf Weidengebüsch, 5 — 7. Flor.] 59 (455) Kalmi Linn. Cimex Kalmii oblongus viridis, scutello macula cordata flava, elytris maculis duabus nigris. Linne. Viridi-flavescens, elytris angulo scutellari, fascia media, appen- dicisque apice nigris ; antennis fuscis, femoribus posticis fusco-annu- latis. Long. V/2'". Bdrmeister. Länglich-eiförmig, fein, hell, nicht glänzend behaart, obeiseits leicht punktiert und in Färbung wie Zeichnung ganz ausserordent- lich wechselnd, vom Hellgelb bis ins Schwärzliche. Im allgemeinen ist gelbgrün die Grundfarbe und braun bis schwarz (aber auch lack- rot) die Zeichnung; manchmal überwiegt die gelbe Farbe, das Tier ist fast ganz lehmgelb und nur die Schwielen des Pronotum und die letzten Fühlerglieder sind noch schwärzlich. Die schwarze Zeicli- Jakreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wurtt. 1900. 21' - 450 nung wechselt gleichfalls an Ausdehnung und Tiefe, manchmal wird sie lichter, bis rot. — Der wenig gewölbte, stark geneigte Kopf ist in die Quere gezogen, von der Seite gesehen, nur halb so lang wie hoch, der Scheitel mit gekieltem Rand; meist ist er schwarz bis auf einen gelben Querstreif auf dem scharfen aufgebogenen Hinter- rand des Scheitels : bei anderen Exemplaren überwiegt die gelbe Farbe, so dass nur die Mitte des Kopfes dunkel bleibt. Der gelbe Schnabel hat dunkle Spitze und reicht bis zu den Mittelhüften. Die beim Männchen grossen Augen sind an ihrem inneren Rande stark gebuchtet. Die dunklen Fühler haben etwa halbe Körperlänge (einschl. Halbdecken) und sind sehr fein behaart; ihr erstes Glied ist blass mit dunklen Flecken , besonders an der Unterseite ; das zweite Glied ist nach der Spitze zu allmählich leicht verdickt und so lang wie 3 und 4 zusammen : das vierte Glied ist kürzer als das dritte. Das (mit Ausnahme eines glatten Querstreifens am Vorder- rand) dicht punktierte Pronotum ist fast doppelt so breit wie lang, gewölbt, stark geneigt und nach vorne zu stark verschmälert. Seine Färbung wechselt : oft ist es ganz schwarz bis auf eine blasse quere Rückenlinie, anderwärts ganz hell und nur die Schwielen und Hinter- ecken (Schulterflecke) schwarz. Das unpunktierte, fein quer ge- furchte Schildchen ist bald dunkel, bald hell; meist findet sich ein kurzer, breiter, dunkler Strich in der Mitte seines Grundes, so dass das Gelb dann eine Herzform annimmt. Die Unterseite des Leibs ist vielfach schwarz mit gelber Zeichnung (in Form eines breiten Streifs auf jeder Seite) ; öfters aber auch herrscht die gelbe Farbe vor, so dass im äussersten Falle nur noch die Mittelbrust schwarz bleibt. Die punktierten Halbdecken wechseln gleichfalls in Färbung und Zeichnung : manchmal sind sie ganz blass bis auf die rote Spitze des Keils ; meist jedoch ist der Clavus (mit Ausnahme seiner Spitze), ein breites Band am Ende des Corium (das dessen äusseren Rand nicht erreicht) und die Spitze des Keils breit schwarz (bezw. dunkel bis rot). Die dunkle Membran hat gelbliche Nerven (Adern). An den gelbgrünen Beinen besitzen mindestens die Hinterschenkel vor ihrem Ende 2 pechfarbene Ringe, während diese auf den Mittel- schenkeln meist nur auf der Unterseite, als Halbringe, angedeutet sind. Die Schienen sind mit kleinen dunklen Dornen besetzt , und haben überdies aussen, am Grunde, einen mehr oder weniger langen pechbraunen Fleck, sowie eine dunkle Spitze; die Vorderschienen sind aussen abgestutzt. An den Tarsen ist wenigstens das letzte Glied schwarz. Länge 4 — 42/3, Männchen wie Weibchen. 451 Um ter unterscheidet neuerdings (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, t)7 —78) 11 Spielarten! Wenn ich auch ohnehin schon den Vorwurf der „Breite" zu gewärtigen habe, so erübrigt mir gleichwohl die Aufgabe, solche hier wieder zu lieben : Var. ct. picea Reut. (— - Lygus Kalmi var. picea Redt. Rev. d'Entora. XIII, 135, 14): Oben schwarz, nur der Rand des Scheitels, ein Fleck in der Mitte des Pronotum und seine vordere Einschnürung, ein verschwommener Fleck vor der Mitte des Corium und ein Bogen am Grunde des Keils sind pechgrau ; Schildchen an der Spitze schwefelgelb ; unterseits pechschwarz, während die Ränder der Vorder- brust, die Öffnungen und die Mitte des Bauchs schwefelgelb sind; Fühler, Schienen und Tarsen sind vollständig pechschwarz, die Schenkel schwefelgelb, die vorderen mit 2 schwärzlichen Ringen am Ende, die hinteren in der Endhälfte pechschwarz, während die Spitze selbst und ein Ring vor ihr gelblich sind. Var. p', flavovaria Fabr. (= Capsus flavovarius Fab., Syst. lihyng. 243, 10: Phytocoris flavovarius Fall., Hemipt. Suec. 93, 34; Ortho/is flavovarius Fieb., Europ. Hemipt. 280, 6; Lygus Kahm var. a. Redt. ; Sadnders, Hemipt. Het. Brit. Islands, t. XXIII flg. 7) : Oberseits pechschwarz, während der Kopf oder nur der hintere Teil des Scheitels und ein verschwommenes Tüpfel beiderseits am Grunde des Kopfschilds, am Pronotum ein Fleck zu beiden Seiten und häufig noch eine schmale Binde in der Mitte sowie der Grundrand, am Clavus ein Fleck vor seinem Ende, das Corium am Grunde mehr oder weniger breit und schliesslich ein Bogen am Grunde des Keils gelblich graubraun, schwach rostfarben oder schmutzig strohgelb ist; die vordere Einschnürung des Pronotum und die Spitze des Schild- chens ist blassgelblich, am Schildchen sind häufig noch die Seiten graubraun, nur äusserst selten ist es fast ganz gelblich bis auf einen kleinen dreieckigen Fleck am Grunde. Die Unterseite ist pech- schwarz, während die Ränder der Brust, die Öffnungen und ein Fleck zu beiden Seiten des Bauches blass schwefelgelb ist: selten ist der Bauch grossenteils , mit Ausnahme seiner Seiten , von schwefel- gelber Farbe. Var. /, thoracica Westhoff (= Ort//<>j>s flavovarius var. ß Fieb. ; Lygus {Orthops) Kahm var. b Redt.; Lygus Kalmi var. thora- cicus Westhoff, IX. Jahresb. d. Westfäl. Prov.-Ver. f. Wissensch. u. Kunst, p. 68): Wie var. fi , nur mehr rötlichbraun, während am Pronotum ein grosser Fleck zu beiden Seiten und eine kleine mittlere Binde ziegelfarben sind; die gleiche Farbe hat der Clavus und das 29* 452 - Corium neben der Clavusnaht, sowie häufig der ganze Aussenrand des Corium; am Keil ist die Grundhälfte gleichfalls ziegelfarben, während der innere Winkel pechfarben ist; das Schildchen ist ent- weder ziegelfarben mit gelblicher Spitze oder ganz gelb, jedoch immer mit pechschwarzem dreieckigen Grundfleck. Var. d (= Lygus (Ortliops) Kalmi var. c Reut. Hemipt. Gymnoc. Sc. et Fenn.): Wie var. y, nur dass das Pronotum in seiner End- hälfte mit Ausnahme der ringförmigen Einschnürung oder eine Binde, die vorne durch die Schwielen geht, und ein beiderseitiger Fleck am Grundwinkel pechschwarz sind. Var. £ Fieberi Westhoff (= Ortliops flavovarius var. y Fieb. :. Lygus Kalmi var. Fieberi Westhoff, IX. Jahresb. d. Westfäl. Prov.- Ver. f. Wissensch. u. Kunst, p. 69) : Pronotum gelbbraun, vorne mit grossem schwarzen Fleck, der nach rückwärts zweilappig wird, hinter diesem in der Mitte mit weisslicher Binde, und schliesslich mit schwarzen Grundwinkeln ; das Schildchen ist schwarz, seine Grund- winkel , sowie die Spitze breit gelblich ; der Clavus ist schmutzig weissgelb, während eine schiefe Binde nach dem Schildwinkel zu gleich der Kommissur schwarzbraun ist ; der blassgelbe Kopf zeigt 2 schwärzliche Binden. Var. 'C pauperata H. - Sch. (— Gapsus pauperatus Herrich- Schäffer, Wanz. Ins. IV, 31, fig. 382, mala! — Orthops Kalmi var. ß' Fieb.) : Kopf schwarz, nur hinten ziegelfarben, Pronotum und Halb- decken schmutzig blass fahlgraubraun, ersteres mit schwarzer, durch die Schwielen gehender Binde, manchmal auch noch mit beider- seitigem schwarzen Fleck am Grundwinkel ; an den Halbdecken hin- gegen ist der Schildrand und die Kommissur des Clavus dunkel- braun, während ein verschwommener Fleck am Ende des Corium und die Spitze des Keils vermischt rostfarben oder bräunlich ist. Das gelbe Schildchen hat am Grunde einen ziemlich grossen dunkel- braunen Fleck. Var. ?] pelluciäa Fieb. (= Ortliops pellucidus Fieber, Europ. Hemipt. 279, 4; Lygus pellucidus Reuter, Rev. crit. Caps. 59, 14): Kopf schwarz und nur hinten ziegelfarben oder ganz ziegelfarben, wobei dann Flecke auf der Stirne und der Kopfschild schwarz oder pechfarben ist. Pronotum und Halbdecken schmutzig bräunlichgrün, während an ersterem die Schwielen in ihrem hinteren Teil oder auch ganz, bei diesen der Schildrand und die Kommissur des Keils pech- farben sind ; am Ende des Corium findet sich ein häufig ganz ver- schwommener Fleck, ebenso ist der Keil an seinem Ende ziemlich — 453 — verwischt dunkelbraun. Das gelbe Schiklclien hat einen kleinen oder mittelgrossen pechfarbenen Fleck. Var. .7 typica Reut. (= Gimex Kalmi Linn., Faun. Suec. 253, 948. — Orthops Kalmi Fieb. , Europ. Hemipt, 280, 7. Lygus (Orthops) Kalmi var. d Reut., Rev. crit. Caps. 58, 13. - ■ Phytocoris flavovarius Haiin, Wanz. Ins. I, 211, fig. 109. — Lygus Kalmi var. Kalmi Westhoff, IX. Jahresb. d. Westfäl. Prov.-Ver. f. Wissensch. u. Kunst p. 69): Der schwarze Kopf ist hinten ziegelfarben. Pro- notum und Schildchen sind schwefelgelb; an ersterem ist eine durch 4 Caps/is pauperatus Herrich-Schäffer , Wanz. Ins. IV, 1839, p. 31, fig. 382. Capsus Kalmii Meyer, Schweiz. Rhynchot. 1843, 105, 95. — F. Sahlberg, Mon. Geoc. Fenn. 1848, 112, 47. — Herrich-Schäffer, Wanz. Ins. IX, 1853, Ind. p. 36. — Kirschbaum, Rhynchot. Wiesbad. 1855, 66, 68. - - Flor, Rhynchot. Livlds. 1860, 521, 29. — Thomson, Opusc. entom. 1871, 427, 33. Chloraspida Amyot, Entom. franc. Rhynchot. 1848. p. 209, No. 247. Capsus basalis Costa, Cimic. Regn. Neapolit. Cent. 1852, p. 38 (— Var. flavovarius, vide Puton, Revue d"Ent. 1884, p. 149). Orthops Kalmii Fieber, Criter. z. gener. Theilg. d. Phytocor. 1859, 23 (ut typus). — Europ. Hemipt. 1861, p. 280, 7. - - Douglas and Scott, Brit. Hemipt. 1865, 452, 1. Orthops flavovarius Fieber, Europ. Hemipt. 1861. 280, 6. Stahl. Hemipt. Fabr. 1868, I, 88, 1. Orthops pellucidus Fieber, Europ. Hemipt. 1861, 279, 4. Lygus pellucidus Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, p. 59, 14. Lygus Kalmii Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, p. 58, 13. — Revis. synon. 1888, p. 272, No. 246. - - Hemipt. Gymnoc. Europ. V. 1896, p. 76, 4. — Puton, Cat. 1886, p. 50, 30. — Saunders, Synops. of Brit. Hemipt. Het. 1875. p. 276, 7. - - Hemipt. Het. of the Brit. Islands 1892, p. 253, tab. 23 fig. 7. Snellen v. Vollenhoven, Hemipt. Neerland. 1878, p. 197. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 88. Möglicherweise zählen noch hierher: Cimex varius Fabriciüs, Maut. Ins. 1787, 306, 273. — Cimex Daldorfii Gmelin, Syst. Nat. 1788; XIII, 2178, 432. Lygaeus oarius Fabriciüs, Entom. Syst. 1794, IV, 182, 173. Lygaeus gramineus Fabriciüs, Suppl. Entom. Syst. 1798, 542, 153 — 4. — Cimex ribis Schrank, Faun. Boic. 1801, 91, 1151. - - Capsus varius Fabriciüs, Syst. Rhynchot. 1803, 247, 34. Bayern: Kalmi L. überall gemein: flavovarius bei Nürnberg, Freising, nach Prof. Hoffmann auch bei Bamberg. Kittel. — j>rl/u- cidus\ 1 Exemplar bei Bamberg, von Fieber determiniert. Funk. — Württemberg: Kalmii L. Roser. — Kalmii L., auch flavovar. und pauperat. 4, 6, 7, 8, in der Umgebung Ulms, nicht selten. Hüeber. — Elsass-Lothringen: Commun partout sur les ombelliferes. La variete ßavovarius se rencontre d'une facon constante dans les bois rhenans. 6 — 12. Reiber-Puton. Nassau: Bei Wiesbaden und Mombach, I.K) — überall, wo campestris L. : die schwarz gefleckte und die rot gefleckte Varietät untereinander, sehr häufig; 6 9, auch im Frühjahr. Kibsch- hadm. — Westfalen: L. Kdlmi L. (flavovarius Fab. Fieb.)üi Gebüsche^ an Flussufern, auf Wiesen und auf Feldern von Frühling bis Herbst auf Spiraeen und Umbelliferen, auf Chrysanthemum, Senecio Jacobaea, Galium u. s. w. verbreitet: bei Münster bis tief in diu Herbst. Var. thoracicus | ß Fieb., Var. b Reut.) wohl ebenso häufig, wie die Stammart, sowohl im Frühling als im Herbst. - - Var. Fiebert (= y Fieb., var. c Heut.) desgleichen um Münster verbreitet und von mir noch zu Anfang Oktober beobachtet. — Var. Kalmi Fieb. (= Yar. d Heut.) wie es scheint bedeutend seltener. — Var. luridus („pro- thorace ut var. Fieberi notato, hemelytris luridis coriique fascia apicali obsoleta, cunei apice nigro vel brunneo") auf dürrem Boden, auf sandigen Stoppelfeldern im Herbste selten. — Var. pauperatus Herr.-Sciiit. desgleichen selten: 11. 9. 80 an der „Haskenau' auf Chrysanthemum und Lupinus Intens häufig. Westhofk. — Thüringen: Orthops flavovarius überall nicht selten. Orthops Kalmi L. bei Georgen- thal, selten. Kellner-Breddin. — Schleswig-Holstein: Kalmi L. nebst der var. flavovarius F. überall häufig, im Winter auch unter ab- gefallenem Laube. Wüstnei. — Mecklenburg: Kalmi L. ( flavo- varius Fab. Hahn) in Gärten und Laubwäldern auf Schirmblüten überall sehr gemein den ganzen Sommer hindurch. Raddatz. — Schlesien: Den ganzen Sommer über auf allerhand Pflanzen gemein; überwintert auch unter Steinen und Baumrinden. — - C. gramineus Fabr., eine jedenfalls schon ihrer beständig hellgrünen Färbung wegen gute Art: ich fand ihn im Winter fast stets nur auf den Blüten der wilden und kultivierten Möhre, seltener auf anderen Doldenpflanzen. Schultz. — In der Ebene und im Gebirge, in Gemüsegärten, fast ausschliesslich nur in den Dolden der wilden und angebauten Möhre \Baucns Carota) im September und später, nicht selten. Assmann. — Provinz Preussen. Brischke. Ph. flavovarius: Deutschland und Schweden; allenthalben ge- mein auf den Blüten des gemeinen Pastinaks | Pastinaca satten Linn.) in den Monaten Juli und August. Hahn. Gemein auf Wiesen : ändert ab in der Zeichnung, Vorderrücken bisweilen am Rande mit 2 schwarzen Punkten, hinten schwarz, bis- weilen alle Zeichnung bräunlich und verloschen. Solche Abänderungen scheinen Capsus gramineus Fabr. und Capsus bifasciatus Schrank zu sein. Burmeister. 0. flavovarius Fabr. (mit var. ß uud y) gemein in Gärten, auf 456 - Wiesen, an blühenden Doldenpflanzen, durch ganz Europa. Desgleichen auch 0. Kalmi L. und var. ß (= pawperatus H.-S.) in Gärten, auf Wiesen, in Holzschlägen, an Doldenpflanzen. Fieber. Habitat in plantis praecipue umbelliferis per totam regionem (usque ad 63°). Var. picea in Germania (Schmalkalden!), D. Frank. Varr. orientalis m. et frenata Horv. in parte orientali territorii (Trans- caucasia!, Turkestan!). — In Helvetia uscpie ad 3000' s. m. , in Tirolia ad 5000' s. m. Reuter (1896). [Schweiz : Gemein den ganzen Sommer hindurch auf allen Wiesen, doch stets nur einzeln. Ändert sehr ab in dunklerer oder verloschener Zeichnung und in grasgrüner oder bräunlicher Grund- farbe; und zu einer dieser Varietäten gehört wahrscheinlich Capsus gramineus Fabr. Meyer. — O. flavovarius Fab. gemein den ganzen Sommer hindurch auf allen Wiesen bis zu 5000' s. M. , doch stets nur einzeln. 0. Kalmii L., dieses zierliche, schwefelgelbe, schwarz- gezeichnete Hemipteron ist ziemlich selten, doch an den Fandorten auf üppigen Gras- und Blumenplätzen trockener Berghänge gesell- schaftlich. 0. pellucidus Fieb. an den nämlichen Orten wie pastinacae Fall. , doch mehr im August und September , ebenfalls nicht sehr selten. Frey-Gessner. Graubünden: Ebene bis montane Region: um Chur, öfters bei Schills ; var. flavovarius F. mit der Stammart, noch häufiger, bei Chur noch bis in den Spätherbst überall an Mauern beobachtet. Killias. — Tirol : O. flavovarius Fab. auf Wiesen und in Gärten, den ganzen Sommer, in mehreren Abänderungen . . . O. Kalmi L. wohl nur Varietät von flavovarius?] im „Alyl" am Mundergebirge bei Telfs, bis 5000' s. m. : bei Seefeld auf Torfwiesen im Juli; Eggern im September, ß pauperatus H.-S. nach Graber in Welschtirol vorherrschend. Gredler. -- Steiermark: O. Kalmi],. häufig auf Wiesen, besonders auf Umbelliferen. Eberstaller. — Nieder- Österreich: Bei Gresten O. flavovarius F. gemein aufwiesen und Feldern. O. Kalmi L. gemein auf Wiesen, vorzüglich auf Um- belliferen. Schleicher. — Böhmen: L. Kalmi L. schon im April auf blühendem Bibes Grossularia, später auf verschiedenen Wiesen- pflanzen, besonders Umbelliferen, überall gemein; im Winter öfters mit einigen Anthocoriden unter Flechten und in Rissen alter Baum- stämme. Ebenso die dunklere Varietät var. flavovarius (Fab. sp.). — O. pellncidus Fieb. ein Exemplar bei Neuhaus, 28. 4., von einem blühenden Birnbaum abgeklopft. Duda. — Livland : C. Kalmi Linn. an schattigen Plätzen im Grase häufig, 6—8. Flor.] i;»7 — i'ii i (456) campestris Linn. ' Cimex campestris oblongus viridis, scutello macula cordata viridi, elytris macula ferruginea. Linnk. Kurz eiförmig, vorwiegend grün oder auch gelblichgrün mit mehr oder weniger dunkler Zeichnung, dabei glänzend und sparsam hell behaart, auf der Oberseite auch leicht punktiert. Der dunkle, in die Quere gezogene Kopf ist nur halb so breit als das Pronotum am Grunde und erscheint von der Seite gesehen nur halb so lang als hoch. Der gleichmässig gerandete Scheitel (zwischen den Augen) ist in beiden Geschlechtern fast zweimal so breit wie der A u g e n d u r c h m e s s e r. Der wenig vorragende Kopfschild ist an seinem Grunde nur leicht von der Stirne geschieden. Die Kehle ist kaum zu unterscheiden. Der gelbgrüne, schwarz- gespitzte Schnabel reicht kaum bis zum Ende der Mittelhüften. Die Augen sind beim Männchen von mittlerer Grösse und innseits nur leicht gebuchtet. Das Pronotum ist wechselnd gefärbt, ziemlich dicht und grob punktiert, gewölbt, gegen das Ende zu stark geneigt, an seinem Ende nur halb so breit als am Grunde , sein vorderer Einschnitt so breit, wie das zweite Fühlerglied am Grunde dick: seine vorne gerundeten Seiten neigen plötzlich zum vorderen Hals zusammen. Das Schildchen ist fein quer nadelrissig und entweder ganz grün (bezw. gelb) oder es zeigt in der Mitte des Grundes ein schwarzes Dreieck. Hinterleib grün und dabei mehr oder weniger schwarz gefleckt. Halbdecken grünlich, deutlich punktiert, Corium mit gleichfarbenem Seitenrand , der Keil grün und nur selten am Ende dunkel bezw. schwärzlich, welch letztere Farbe auch der Clavus (oft nur an seinem inneren Rande) und ein Fleck am Ende des Corium hat; manchmal sind die Halbdecken vollständig grün; nur äusserst selten ist der Piand des Corium, gleich dem Ende des Keils, dunkel : die glasartige Membran hat grüne Adern ; manchmal ist sie jedoch auch mehr weniger angeraucht. Die dunklen Fühler haben etwa halbe Körperlänge; ihr erstes grünliches Glied überragt kaum das Ende des Kopfschilds und hat zwei pechbraune Ringe : das zweite Glied ist entweder ganz oder nur an seinen beiden Enden schwarz; die beiden letzten Glieder sind dunkelbraun und zusammen so lang wie das zweite; das vierte Glied ist etwas kürzer als das 1 Was LinnG und 100 Jahre später wieder 0. M. Konter als 9cam- 'pestris" bezeichnen, lief inzwischen bei fasl allen Autoren unter den Namen „pastinacae" (was bei den Fundortsangaben a.s. w. in Betrachl zuziehen ist). II. — 458 dritte. Die Beine sind grünlich oder gelblich , die Schenkel meist gleich- und einfarbig, nur bei den dunkleren Spielarten rinden sich am Ende der Hinterschenkel zwei dunkelbraune Ringe ; die Schienen sind mit dunklen Dornen besetzt und haben oberseits, am Grunde, häufig einen dunkeln Strich ; die Vorderschienen sind aussen ab- gestutzt; die Tarsen sind an ihrem Ende schwarz. Länge oli\ — 4 mm, die Weibchen im allgemeinen etwas länger als die Männchen. Diese Art hat mit der vorher beschriebenen in verschiedener Beziehung grosse Ähnlichkeit; sie ist um ein Geringes kleiner, von meist grünlicher Färbung, auch ist der Seitenrand des Corium gleichfarbig; der Hauptunterschied jedoch liegt in dem deutlich breiteren Scheitel (d. h. dem Raum zwischen den Augen) und in den kleineren, am inneren Rande weniger ausgeschnittenen Augen (so dass die Nierenform undeutlich wird), was auch für die Varietät mit pechschwarzem Keilende gilt. Reuter unterscheidet neuerdings (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 80) P> Spielarten : Var. a : Kopf, Pronotum und Halbdecken blass ockergelb oder fahlgelb mit etwas Stich ins Grünliche, während von dunkelbrauner Farbe sind : am Kopf nur ein Strich am Scheitel oder auch das Ende des Kopfschilds; am Pronotum eine durch die Schwielen (Buckel) streichende Binde oder nur die hinteren Ränder der Schwielen und eine unregelmässige Binde am Grunde, welche bisweilen durch zwei längliche Streifen mit den Schwielen verbunden ist; an den Halb- decken der Schildrand und die Kommissur des Clavus, ein Mittelfleck am Ende des Corium und das schmale Ende des Keils, welch letz- terer jedoch auch fast ganz gleichfarben sein kann. Das Schildchen ist schwefelgelb ; der Rand des Corium gleichfarben ; die Unterseite ist gleichfalls schwefelgelb und nur die Mittelbrust pechfarben. Var. ß : Grün, der Kopf ziemlich blass, während schwarzbraun sind : der Rand des Scheitels vor dem Kiel , ein annähernd kreuz- förmiger Fleck am oberen Teile der Stirne, das Ende des Kopf- schilds, am Pronotum die Ränder der Schwielen mehr oder weniger breit, oft auch noch ein beiderseitiger Grundfleck gegen die hinteren Ecken zu, die Innenseite des Clavus, ein Fleck am Ende des Corium, sowie das Ende des Keils. Die Unterseite ist schwarzbraun, während die Ränder der Brust, die Öffnungen, die Mitte und ein schmaler Rand des Bauchs schwefelgelb sind. Der Seitenrand des Corium ist bisweilen etwas dunkler und gesättigt grün, jedoch nicht schwarz. — 459 — Var. y typica: Grünlich, während die Mitte des Kopfes, sowie Kopfschild und Pronotum pechschwarz sind; an letzterem ist die vordere Einschnürung schwefelgelb, während die Seiten, ein Fleck in der Mitte, sowie der Grundrand bräunlichgrün sind: am Schild- ehen ist die Mitte des Grundsaums (in Form eines Dreiecks) schwarz Der Clavus ist grünlichbraun, während Schildrand und Kommissui pechfarben sind. Am Corium ist ein Fleck in der Mitte der End- hälfte dunkelbraun; der Keil ist vollständig grün, die Membran voll- ständig glasartig mit grünen Adern, nur am Ende der Brachialadei rindet sich ein pechfarbener Strich ; die Brust ist schwarz , ihre Ränder schmutziggrünlich, die Öffnungen schwach schwefelgelb ; der grünliche oder leicht schwefelgelbe Bauch hat beiderseits einen dunkelbraunen Fleck; die gleiche Farbe hat der männliche Ge- schlechtsabschnitt, c^ $. Var. d: Wie var. y, nur dass am Kopf ein Strich am Scheitel und das Ende des Kopfschilds, sowie am Pronotum nur die hinteren Ränder der Schwielen pechfarben sind. Brust und Bauch sind voll- ständig grünlich, nur die Mittelbrust ist pechfarben. $. Var. f (= 0. pastinacae var. ß Fieb.) : Vollständig grünlich, die braune Farbe nur ganz verwischt; der grünliche Hinterleibs- rücken hat an seinem Grunde drei schwärzliche Binden. Var. 'C (algirica Reut.) kommt für Deutschland nicht in Betracht. Cimex campestris Linne (nee autorum!), Syst. Nat. Ed. X. 1758, 448, 60. — Faun. Suec. 1761, 254, 950. — Houttuin, Nat. Hist. 1765, 1, X, 366, 60. - - P. Müller, Linn. Nat. 1774, V. 498. 87. Fabricius, Syst. Entom. 1775, 724, 136 vielleicht! — Geoffroy in Foürcroy, Entom. Paris. 1785, 205, 34. — Rossi, Faun. Etrusc. 1790, 247, 1336. Cimex transversdlis Fabricius, Mant. Ins. 1787, 304, 256. Lygaeus campestris Fabricius, Entom. Syst. 1794, IV, 171, 125 vielleicht! -- Cederiiielm, Faun. Ingric. Prodr. 1798, 275, 864. — Walkenaer, Faun. Paris. 1802, 347, 7. — Fabricius, Syst. Rhyng. 1803, 234, 154, non Fallen! Lygaeus transversdlis Fabricius, Entom. Syst. 1794, IV, 175. 142. — Syst. Rhyng. 1803, 238, 175. Miris campestris Latreille, Hist. Nat. 1804, XII, 221, 1. Mwis transversal is Latreille, Hist. Nat. 1804, XII, 225, 2<> Lygaeus pastinacae Fallen, Monogr. Cimic. Suec. 1807, 86, 57. Phytocoris Pastinacae Fallen, Hemipt. Suec. 1829, 94, 35. 460 — Capsus Pastmacae F. Sahlberg, Monogr. Geoc. Fenn. 1848, 113, 48. — Flor, Rhynchot. Livlds. 1860, I, 528, 30. Capsus lucidus Kirschbaum, Rhynchot. Wiesbadens 1855, 68., 71 und 131, 8. Orthops pastinacue Fieber, Criter. z. gener. Theilg. d. Phytocor. 1859, 23 (nt typus). — Europ. Hemipt. 1861, 279, 3. — Douglas ;ind Scott, Brit. Hemipt. 1865, 455, 3 und plate XV fig. 5. Capsus transversus Thomson, Opusc. entora. IV, 1871, 427, 34. Lygus transversalls Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, 59, 15. Lygus pastmacae Puton, Cat. 1875, 36, 20 und 1886, 50, 27. Saunders, Synops. of Brit. Hemipt. Het. 1875, 276, 6. — Hemipt. Het. of the Brit. Islands 1892, 253. — Snellen van Vollenhoven, Hemipt. Neerl. 1878, 198. Lygus campestris (Linne nee auetorum) Reuter, Revis. synon. 1888, p. 271, No. 245. — Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 79, 5. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, 86. Bayern : Bei Nürnberg und Augsburg gemein. Kittel. - - Bei Bamberg. Funk. — Württemberg. Roser. — Elsass-Lothringen : Remiremont ; Metz : sur les ombelliferes ; commun. Reiber-Puton. — Nassau : Bei Wiesbaden und Mombach, 7 und 8, selten ; auf Pasti- naca sativa L. gefangen. Kirschbaum. — Westfalen : Bei Rheine und Münster, 7 und 8 gesammelt. Westhoff. — Thüringen: O. pastinacae Fall, in der MATHEs'schen Sammlung aus der Umgegend von Gotha. Breddin. — Schleswig-Holstein : Im Juli und August namentlich auf den Blüten von Angelica sylvestris in Laubwäldern. Wüstnei. — Mecklenburg : Von Mitte Mai bis Mitte September in Gärten der Vor- stadt (Rostocks) und an Grabenufern auf niederen Pflanzen, aber nicht häufig. Raddatz. - - Provinz Preussen : Var. ftavescens (? ! H.). Brischke. Auf Wiesen und Gartenpflanzen, namentlich an Pastinaca sativa, Anethum grareolens und anderen Doldenpflanzen, auch in Waldblössen; in Schweden und Deutschland. Fieber. Habitat in plantis umbelliferis ; praeeipue in Pastinaca sativa, Anetho graveolente (Fieber), Angelica (ipse), Athamante (Siebke): etiam in Tamarice (Frey-Gessner), in Urtica cannabina (Jakovleff) : Per totam Europam (usque ad 63° 40'). In Helvetia usque ad 2500' s. m. — Sibiria occidentalis et orientalis (Martagan, D. Dr. Horvath ; Irkutsk!, D. Dr. F. Sahlberg). — Algeria!, D. Montandon. Reuter 1896). [Schweiz: Ziemlich häufig auf verschiedenen Doldenblüten aui Wiesen und Waldblössen 6 und 7: in den Schächen auf Tamarix und auf dem Jura um Aarau bis 2500' s. M. FreY-GessNER. Graubänden: Ebene bis Montane-Region; Chur, Tarasp, Disentis. Killias. — Tirol: Auf Doldenblüten; am Strassberg auf Wald- blössen . . .: bei Telfs auf Dolden in Baumgärten, eine durch leb- haftere Zeichnung, rote Cuneusspitze und ganz schwarzes zweites Fühlerglied, eine vom Typus abweichende Art. Gredler. — Nieder- Österreich: Bei Gresten 0. jpastmacae Fall, auf Gesträuch, nicht häufig. Schleicher. Livland: Häufig im Grase an schattigen, feuchten Stellen, vom Mai bis Ende September. Flor.] *Foreli Mey. et Fieb. Ockergelblich oder ziegelfarben und auf der Oberseite mit äusserst zartem Haarflaum besetzt. Der deutlich in die Quere ge- zogene Kopf ist nur halb so breit als der Grundrand des Pronotum, und von der Seite gesehen nur halb so lang als hoch ; der Scheitel hat kaum die Breite des Augendurchmessers und ist gleichmässig gerandet; der Kopfschild springt ziemlich vor; die Wangen, meist auch der Kopfschild (Stirnschwiele), ein Strich auf der Stirne und 4 Punkte am Scheitel (nach Fieber: 4 — 6 Punkte) sind schwarz. Die Augen sind ziemlich breit und innseits stark ausgeschweift. Der ziegelfarbene Schnabel hat eine schwarze Spitze und reicht bis zum Ende der Mittelhüften. Das gewölbte, nach vorne stark geneigte Pronotum ist auf seiner Fläche grösstenteils dunkelbraun punktiert ; der Hinterrand der Schwielen (oder, wie Fieber sagt, 2 Bogen an den Buckeln), zwei Tupfen an den Grundwinkeln (Schulterpunkte) und 2 Striche am blassen Hinterrand sind rostfarben oder dunkel- braun. Das gelbe, etwas weniger punktierte Schildchen hat einen dunkeln dreieckigen Grundfleck. Die Unterseite des Leibs ist pech- schwarz, während die Ränder der Brust und die Seitenränder des Bauchs ockergelb sind. An den punktierten Halbdecken hat das C'orium gleichfarbene Seitenränder und eine dunkle, nach aussen sich verbreiternde Binde an seinem Ende ; auch der Clavus ist am Schild- winkel dunkel gefärbt; der gelbe Keil ist am Grunde heller; die helle Membran hat ockergelbe Adern. Die Fühler sind ockergelb, während das erste Glied am Grunde, das zweite oben und unten, das dritte und vierte ganz schwärzlich ist; das zweite Glied ist länger als die beiden letzten zusammen : das dritte nur halb so lang als der Kopf breit. Alle Schenkel haben am Ende 2 braune Ringe : — 462 die ockergelben Schienen haben gleichfarbene Dorne ; das Ende des letzten Fussglieds ist dunkel. Länge 6 42/5, £ 4V3 mm. — Diese Art ist dem L. Kalmi und einzelnen Spielarten desselben sehr ähn- lich, unterscheidet sich jedoch von demselben leicht durch die Fär- bung der Fühler, durch die stärkere Tüpfelung des Pronotum und auch des Schildchens, durch den gleichfarbenen Seitenrand des Corium, sowie durch die blassen Dornen an den Schienen. (Nach Reuter.) Capsus Foreli Meyer, Catalog. Orthops Foreli Fieber, Beitrg. z. Kenntn. d. Schnablkrf. in Weitenweber, Beitr. z. Natw. u. Heilkd. 1836, sp. 9. — Europ. Memipt. 1861, 279, 2. Lygus Foreli Puton, Cat. 1886, p. 50, 26. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 88. — Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. 1896, V, p. 82, 7. Zahlreich an Föhren auf dem Kamme des Jura, 4000', nach Meyer. Fieber. H abitat in Pino (Meyer-Duer), in pratis (P. Loew) : Helvetia in jugo alpis Jura! ad 4000', Meyer-Duer; Austria inferior, D. P. Loew; Hungaria (Orsova!, Salänk!), D. Dr. Horväth. Reuter (1896). [Schweiz: An Föhren auf der Röthi bei Solothurn, 4000' s. M., einmal zahlreich erbeutet (M.); Mitte Juni ein Exemplar am Engel- berg bei Aarburg. Frey-Gessner.] 61 (457) monbanus Schill. C. ovalis, ochraceus, capitis lobo medio, tuberculis thoracis et antennis nigris; capitis picturis, thoracis margine postico, elytrorum clavo et fascia ante appendicem purpureis. Herrich-Schäffer. Steht in Ansehen und Gestalt dem Phytocoris pratensis am nächsten, unterscheidet sich aber von ihm durch eine schwärzliche Wulst an der Spitze des Thorax, durch den Mangel des schwarzen Punktes an der Spitze des häutigen Flügelanhanges und durch die beständig geringere Grösse, denn er ist nur halb so gross als PJi. pratensis. Schilling. Von länglicher Form, oben blass-ockergelb oder rötlichgelb und mit äusserst zartem Haarflaum besetzt; pechschwarz sind: die Wangen, der Kopfschild, die inneren Augenränder, ein feiner Strich am Scheitel vor dem gleichmässig gekielten Rand, der Rand der 163 Pronotumschwielen oder die ganzen Schwielen ; rostfarben (braunrot, rostrot) Bind: die Mitte des Scheitels, das Pronotum vorne, sowie eine Binde an seinem Grunde, ein Fleck am Grunde des Schildchens, der Clavus (wenigstens innseits) , eine breite Binde am Ende des Corium, die Spitze des Keils. — Der in die Quere gezogene Kopf ist nur halb so breit wie das Pronotum am Grunde und von der Seite gesehen nicht halb so lang als hoch ; der Kopfschild ist ziemlich vorspringend. Der Scheitel ist beim Männchen so breit wie das grosse Auge, beim Weibchen noch l/a breiter. Die grossen Augen sind am inneren Rande kräftig ausgeschweift. Der Schnabel reicht kaum bis zum Ende der Mittelhüften. An den Fühlern ist das erste Glied am Grunde oder innen schwarz; das zweite beim Männchen vollständig, beim Weibchen an beiden Enden schwarz und um die Hälfte länger als der Kopf hinten breit; die beiden letzten Glieder sind ganz schwarz, das dritte um 2/5 kürzer als das zweite und nur um */., kürzer als der Kopf breit; das vierte um \':. kürzer als das dritte. Das dicht und kräftig punktierte Pronotum ist um 3/8 kürzer als am Grunde breit, an seinem Ende nicht halb so breit wie am Grunde; dabei ist es gewölbt, gegen sein Ende zu stark geneigt und hat quer ausgezogene Schwielen (Buckel). Das Schildchen ist weniger dicht und weniger- kräftig punktiert als das Pronotum (bei beiden sind die Punkte teilweise braun) , quer gestreift und am Grunde häufig rostbraun. Die Halbdecken sind dicht und ziemlich stark gleichfarben punktiert, der Rand des Corium gleichfarbig. Die Membran ist mehr oder weniger rauchbraun, einfarbig, mit ocker- gelben oder rostfarbenen Adern. Der Rücken ist schwarz, die Unter- seite dunkel oder auch rötlichgelb mit schwarzem Grundstreif. An den Beinen sind die Hinterschenkel gegen das Ende zu leicht rost- farben, die Schienen einfarbig und mit kurzen, gleichfarbenen, zarten Dornen besetzt, das letzte Tarsalglied ist an seinem Ende schwarz. Länge f)1/.., — 52/5 mm. — Diese Art ist grösser als die bisher be- schriebenen und hat längere Fühler, welche beim Männchen, mit Ausnahme des ersten Glieds, von schwarzer Farbe sind. Nach I! El "TER. Capsus montanus Schilling in Arb. u. Verändrg. d. schles. Ges. f. v. K 1836. - - Scholtz, ebendaselbst, 184G, p. 137. Capsus fasciatus Meyer, Stettin. Entom. Zeitschi'. 1841, 86, 6. — Schweiz. Rhynchot. 1843, p. 101, 89 und tab. V fig. 5. - Herrich-Schäffek, Wanz. Ins. VI, 1S42, p. 90, fig. 671. — 404 — Orthops niontanus Fieber, Europ. Hemipt. 1861, p. 279, 1. Capsus cervinus Thomson, Opusc. Entom. IV, 1871, 426, 32. Lygus niontanus Puton, Cat. 1886, p. 50, 24. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 89. — Reuter, Berlin. Entom. Zeitschr. XXV, 1881, p. 176. — Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 85, 9 und tab. V fig. 2. Württemberg: 7. 87 ein Stück in der Umgebung Ulms ge- funden (determiniert von H. Konserv. Frey-Gessner in Genf). Hüeber. — Schlesien: Im Mai, Juni und Juli in Gemeinschaft mit pratensis an lichten sonnigen Plätzen, in lichten Hauen der Nadelvvaldungen gebirgiger Gegenden, und zwar fast ausschliesslich auf Rumex Aceto- sclla; von Schilling auf dem Glätzer Schneeberge auf Rumex ari- folius entdeckt. Schultz. — In den Vorbergen und im Gebirge, an sonnigen Abhängen, vom Mai bis in den August, besonders auf Rumex- Arten, nicht selten. Assmann. Auf Rumex- Alten (Rumex acetosella) , in lichten Holzschlägen der Nadelwälder gebirgiger Gegenden (Rumex arifolius). In Deutsch- land, Spanien. Fieber. Habitat in Rumice (Gredler), R. acetosella et arifolio (Schultz) in silvis coniferis (Horvath) locis montosis. Suecia ! (Mus. Berol.) ; Germania, Gallia (Auvergne, Allier, Hautes Pyrenees), Helvetia in alpi- bus (Jura !) ; Tirolia in alpibus ; Bohemia (Prag !), Austria ! : Moravia (Altvater), Carpathes (Tatra, Prosteni). — Lusitania (Coimbra), Hispania (Madrid), Ager Tridentinus, Italia borealis, Sicilia!, Dal- matia! Reuter (1896). [Schweiz : Im Mai, Juni und Juli gesellschaftlich mit ticinensis mihi (pratensis L.) an sonnigen, grasreichen Feldrainen im Hügel- lande, nie auf Ebenen oder Wiesen ; ändert bloss in der mehr oder weniger deutlichen karminroten Färbung etwas ab, und ist bei viel geringerer Individuenzahl auch nicht so allgemein verbreitet wie pratensis. Meyer. — An sonnigen, grasreichen Feldrainen im Hügel- lande und Jura, nie auf Ebenen oder Wiesen, 5 — 7, stellenweise hier und da ... . Frey-Gessner. — Graubünden : Von F.-G. um Sedrun von Weisstannen geklopft. Killiar. — Tirol : Bei Innsbruck , nach Hell; lebt jedoch nie auf der Ebene, sondern im Hügelland auf Rumex in Nadelholzschlägen. Greller. — Böhmen : Von Herrn Dr. v. Stein bei Chodau, 23. 7. gefunden; auch habe ich 1 Stück aus der Umgebung von Prag. Duda.] 165 riscico/a Pot. Kurz eiförmig und von gelbgrüner Farbe mit mehr oder weniger ausgedehnter brauner oder roter Zeichnung. Der senkrecht gestellte Kopf ist leicht in die Quere gezogen und von der Seite gesehen nur halb so breit als hoch: der Kopfschild wenig vorspringend und ;iu seinem Grunde mit der Stirne zusammenfliessend ; die Kehle äusserst kurz. Scheitel in der Mitte ziemlich fein gerandet, beim Männchen von Augenbreite, beim Weibchen noch etwas breiter. Augen beim Männchen gross, beim Weibchen von mittlerer Ausdehnung. Der ziegelfarbene Schnabel mit schwarzer Spitze reicht bis zum Ende der Mittelhüften. An den ockergelben Fühlern ist das zweite Glied an seinem Ende schwarz und so lang wie das Pronotum am Grunde breit, beim Männchen etwas verdickt, beim Weibchen schlanker; das dritte Glied ist um ljs kürzer als der Kopf breit und an seinem Grunde schmal gelblich ; die beiden schwarzen letzten Glieder sind zusammen beträchtlich kürzer als das zweite ; das vierte Glied ist kürzer als das dritte. Das ziemlich dicht und kräftig punktierte Pronotum ist zweimal breiter als lang und von gelber oder rotbrauner Farbe. Das stark gewölbte Schildchen ist fein quer gestrichelt und leicht sparsam punktiert, seine Seiten und die Spitze mehr oder weniger blass und häufig, gleich den punktierten Halbdecken, mir einem Stich ins Rötliche ; beide sind dicht mit ziemlich langen asch- grauen oder schwach goldenen glänzenden Härchen besetzt; der Seitenrand des Corium ist schwarz, manchmal (d) auch blutrot, während der Grundteil des Clavus, der angrenzende Teil des Corium, das Ende des Clavus und eine Binde am Ende des Corium braunrot oder schwarzbraun ist, so dass oft nur in der Mitte ein schmaler, beiden Halbdecken gemeinsamer Fleck in Form einer undeutlichen hellen Binde übrig bleibt. Der Keil ist blass, sein innerer Rand und die Spitze blutrot. Die dunkle Membran hat blutrote Adern, die Zellen sind heller. Der Hinterleib ist grün, die Brust schwarzbraun, ihre Ränder und die Öffnungen gelb. Die Beine sind gelblich, die Schenkel rötlich mit 2 dunklen Ringen am Ende ; die Schienen sind mit zarten, blassen Dornen besetzt ; das letzte Fussglied ist an seinem Ende schwarz. Länge 4 mm (die Weibchen noch etwas mehr). — Diese Art ist durch die längere, weniger feine, goldglänzende Be- haarung der Halbdecken, durch den kürzeren Schnabel und anderes * Diese in England und Frankreich (sogar in den westlichen Vogesen) heimische Art könnte sich möglicherweise auch noch auf deutschem Boden linden. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wttltt. 1900. 30 — 46« mehr von L. cervinus (dessen dunkeln Spielarten sie auf den ersten Blick ähnelt) wohl zu unterscheiden. (Nach Reuter und Saunders.) Reuter unterscheidet (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 89) noch eine Var. ß : bei welcher der Scheitel und das Pronotum vorne, so- wie eine Binde am hinteren Saum gelbbraun ist. während die Punkte auf dem Scheitel, das Ende des Kopfschilds und die Ränder der Pronotumbuckel pechfarben sind. Der Bauch ist an den Seiten rot- braun gefleckt, c? Lygus viscicöla Puton, Revue d'Entom. VII, 1888, p. 365. - Saunders, Hemipt. Het. of the brit. isl. 1892, p. 252 und plate 23 fig. 6. - Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 93. — Reuter, Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 89, 12. Habitat in Visco albo : Anglia (Hereford, Norwich !, Dorsetshire, Devonshire) ; Gallia (Paris, D. Dr. Marmottan, Remiremont, D. Dr. Horvath et Puton . Loire inferieur , P. Dominique . Aube ! , P. d'An- tessanty). Reuter (1896). 62 (458) cervinus H.-Sch. C. testaceus, pallide pilosus, fusco-signatus, scutelli vittis dua- bus, umbra ante appendicem, annulhs duobus ante apicem femorum, lunulisque tribus membranae obscurioribus; appendice hyalino. Herr- Schäffer. Länglicheiförmig , heller oder dunkler erdfarben (horngelb), glänzend , anliegend hell und fein behaart und dabei mehr oder weniger bräunlich (bindenartig) gezeichnet. Kopf stark nach unten gerichtet, beim Weibchen mehr in die Quere gezogen als beim Männ- chen , von der Seite gesehen nur halb so lang als hoch. Scheitel (zwischen den Augen) beim Männchen sehr schmal, beim Weibchen breiter als das Auge, sein Hinterrand scharf kantig. Der kaum vor- springende Kopfschild ist öfters gebräunt. Augen gross, breit, seit- wärts stehend, tiefschwarz, nierenförmig, am inneren Rande tief aus- geschnitten und die Wurzel der Fühler umfassend. Der helle, schwarz- gespitzte Schnabel reicht bis zu den Hintehüften. Die schlanken, gelblichen oder grünlichen Fühler sind beim Männchen von Körper- länge, beim Weibchen etwas kürzer. Glied 1 hat ungefähr Kopfes- länge ; das zweite, an der Spitze dunkle Glied ist etwa so lang wie das Pronotum am Grunde breit; das dritte und vierte Glied ist dunkel, beide zusammen sind deutlich kürzer als das zweite Glied ; Glied 3 ist überdies am Grunde schmal gelblich. Das rötliche, dicht und fein punktierte Pronotum ist l3/4mal so breit wie lang, gewölbt, 467 stark geneigt, nach vorne stark verschmälert, der Vorderrand deut- lich abgeschnürt, in den Hinterecken mit dunkeln Streifen, welche sich manchmal dem Grundsaum entlang zusammenziehen. Das ge- wölbte, quer gestrichelte und nur äusserst fein und sparsam punk- tierte Schildchen zeigt 2 dunkle, breite, einander genäherte Längs- streifen. Die graugrünlichen Halbdecken sind sehr dicht, und fein punktiert und wechselnd gezeichnet, meist mit einem mehr oder weniger deutlichen, breiten Band an der inneren Spitze des Corium von bräunlicher oder rötlicher Färbung, die sich noch mehr oder weniger nach dem Aussenrand hin ausdehnt; der fast glashelle Keil ist an seinem Ende purpurrot oder braun ; der Innenrand des Clavus ist dunkel ; die helle (gleich den Flügeln etwas irisierende) Membran hat gelbliche oder rötliche Adern, die Spitze der Zellen ist grau, ebenso wie zwei schmale, bogige, nicht immer regelmässige Querbinden. Die schwarze Brust zeigt helle Ränder und Öffnungen, oder sie ist gelblich mit brauner Zeichnung; der oben schwarze Hinterleib hat hellgelbe Seitenränder. Die langen, schlanken, blassgrünen oder gelblichen Beine haben an den Schenkeln meist zwei braune oder rötliche Ringe vor der Spitze ; die Dornen an den Schienen sind gleichfarben und sehr kurz: das letzte Tarsalglied hat eine s'chwarze Spitze. Länge B1/^ — 4 mm. — Dem L. viscicola in der Zeichnung ziemlich ähnelnd, unterscheidet sich cervinus von demselben durch seine mehr gelbbraune Färbung , durch die grösseren Augen , den schmaleren Scheitel, den längeren Schnabel, das dichter punktierte Pronotum und die zarter und feiner behaarten Halbdecken. Von Jj. Kalmi unterscheidet sich cervinus durch seine trübere und dichtere Punktierung und die blassere Zeichnung; von L. rubricatus durch die grössere Breite, durch den verhältnismässig kürzeren, breiteren und mehr geneigten Kopf, durch die grösseren, an ihrem Innenrand stärker ausgeschnittenen, nierenförmigen Augen (welcher Ausschnitt die Fühler aufnimmt), durch den kürzeren Schnabel und durch sein Vorkommen. Reuter unterscheidet neuerdings (Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 90) folgende 4 Spielarten: Var. a : Schwarzbraun oder braun sind : das Pmde des Kopf- schilds, die Buckel und der Grundsaum des Pronotum mit Ausnahme des äussersten hellen Randes, zwei Binden am Schildchen, die Mitte des Clavus (mehr oder weniger breit) , sowie dessen Spitze und schliesslich ein breites Band am Ende des Corium; das Ende des Keils (in ziemlicher Ausdehnung) sowie dessen innerer Rand (ziem- lich schmal) ist rotbraun. 30" 468 — Var. ß : wie var. a, nur dass die Pronotumbuckel und der Clavus von gleicher Farbe sind und letzterer nur am Schildrand und an der Spitze dunkelbraun ist. Var. y (= 0. cervinus var. jucunda Fieb.): Pronotum voll- ständig gleichfarben oder mit dunkelbraunem Punkte beiderseits an den Grundecken ; Zeichnungen der Halbdecken schwach rötlich. Var. d: Oberseite blassgelblich, Schildchen und Ende des Keils ziegelfarben, ersteres ohne Binde, mit bleicher Spitze. Capsus cervinus Herrich-Schäffer, Wanz. Ins. VI, 1842, p. 57,, fig. 617. — Meyer, Schweiz. Rhynchot. 1843, p. 103, 91. — Kirsch- baum, Rhynchot. Wiesbd. 1855, p. 62, sp. 60. Orthops cervinus Fieber, Europ. Hemipt. 1861, p. 279, 5. — Douglas and Scott, Brit. Hemipt. 1865, 454, 2. Phytocoris lucorum Boheman, Nya Svenska Hemipt. 1852, p. 67, 20. Capsus lucorum Flor, Rhynchot. Livlds. 1860, p. 524, 31. — ? Thomson, Opusc. Entom. IV, 425, 28. Lygus cervinus Reuter, Revis. crit. Caps. 1875, p. 48, sp. 4. — Hemipt. Gymnoc. Europ. V, 1896, p. 90, 13. — Saunders, Synops. of brit. Hemipt. Het. 1876, p. 277, 8. - - Hemipt. Het. of the brit. isl. 1892, p. 254. — Snell. v. Vollenhoven, Inl. Hemipt. VI, 20, 28. — Püton, Cat. 1886, p. 50, 29. — Atkinson, Cat. of Caps. 1889, p. 86. Elsass : Pris un exemplaire, en mai, sur Taubepine ; foret dTU- kirch. Reiber-Puton. — Nassau : Bei Wiesbaden ; scheint selten, ich habe nur ein Weibchen in hiesiger Gegend gefangen. Kirschbaum. — Westfalen : Von mir 3. X. 76 bei Paderborn am Ziegenberg, 9. IX. 80 bei Münster beim „Kump" gesammelt; 2. VIII. 77 erbeutete Kolbe ein Exemplar in der Stadtpromenade ; scheint hauptsächlich im Herbst aufzutreten. Westhoff. — Thüringen: Von Herrn Franke aus der Erfurter Gegend. Hüeber. — Schleswig-Holstein : Einige Stücke auf einer Linde im Suderholze bei Sonderburg am 25. VIII. 90. Wüstnei. — Mecklenburg : Von Ende Juli bis Anfang September in den Gärten der Vorstadt (Rostock) und in Bramom vorzugsweise auf Linden- blättern gefangen, doch nicht häufig. Raddatz. Auf Corylus und Onobrychis sativa , in Deutschland , der Schweiz. Fieber. Habitat in Tilia (Flor, Saunders, Wüstnei, Lethierry, ipse), Fraxino (Saunders), Corylo et Onobrychi sativa (Fieber), Lonicera xylosteo et Althea officinali (Meyer-Duer) , Salice cinerea et Sorbu — 469 — aueuparia (Düda), Queren et Hedera (Hensch), Buxo (Azäm), Crataego (Pdton, ipse), Pruno (ipse) ; raro in Coniferis (Horvatu), Abiete pec- tinata (ipse): Fennia meridionalis (St. Karins!, Piikis! 60°), Livonia, Suecia media (Stockholm!), Dania!, Scotia!, Anglial, Iria, Gallia!, Germania, Batavia!, Helvetia, Bohemia!, Halicia. Iberia. Liguria (Toseana!), Corsica, Sardinia, Italia centralis, Sicilia : Illyria (Görz!); Dalmatia (Lesina); Graecia! — Teneriffa; Algeria!, D. Dr. Puton et Pic. Reuter (1896). [Schweiz : Um den 20. Mai bis Ende August in ganz schattigen, feuchten Thalgründen im Gehölze; an gleichen Stellen mit Gapsus nubilus. Manche Jahre in ausserordentlicher Menge auf Lonicera xylosteum L. ; an den Ruinen von Attinghausen auf Althaea officinalis. Meyer. Frey-Gessner. — Tirol : Nach Graber. Gredler. — Böhmen : Bei Eger auf Scabiosa columbaria, 7 , nach D. T. ; mir noch nicht vorgekommen. Duda. — ■ Livland : Ziemlich selten, auf Linden, von 7—10. Flor.] (Wird fortgesetzt.) Die Bekämpfung des Hagels durch das sogenannte Wettersehiessen. Von Prof. Dr. K. Mack in Hohenheim. Mehr und mehr hat in letzter Zeit das sogenannte Wetter- schiessen von sich reden gemacht, seitdem im Jahre 1896 der Bürger- meister Stiger von Windisch-Feistritz in Steiermark dieses Verfahren in der dortigen Gegend zur Abwendung von Hagelschlägen in syste- matischer Weise eingeführt und seitdem sein Vorgang vielerorts, insbesondere auch in Italien, Nachahmung gefunden hat. Der Glaube an die Wirksamkeit des Wetterschiessens, das lediglich in der Ab- feuerung von Schüssen aus geeignet konstruierten Böllern gegen die Wetterwolken besteht, ist übrigens ein alter * : schon im vorletzten, d. h. im 18. Jahrhundert wurde es in den österreichischen Kron- ländern ausgeübt und dann durch ein Hofdekret der Kaiserin Maria Theresia verboten. Die Resultate, die mittels des neuen STiGER"schen Verfahrens in des Wortes voller Bedeutung erzielt wurden, erfuhren in den betreffenden Gegenden eine ganz vorwiegend günstige, zum Teil sogar eine enthusiastische Beurteilung, so dass auch anderwärts, wo Hagelwetter häufig auftreten und durch ihre Verheerungen die Landwirtschaft und den ganzen Volkswohlstand schädigen, der höchst gerechtfertigte Wunsch rege wurde , dass , sobald der Erfolg des 1 Vergl. den zahlreiche interessante Einzelheiten enthaltenden Aufsatz von R. v. Strele üher „Wetterläuten und Wetterschiessen* in der Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, Jahrg. 1898, S. 123. Es findet sich dort u. a. die Angabe, dass die philosophische Klasse der Münchner Akademie im Jahre 1785 die Preisfrage aufwarf: .,Was für Wirkung hat das Abfeuern des Geschützes auf Wetterwolken? Was lehrt die Erfahrung in Hinsicht auf die verschiedenen Lagen? Ist es als ein Mittel gegen die Wetter- und Hagelschäden einzuführen , oder als den eigenen und nachbarlichen Fluren gefährlich zu ver- bieten?" Ob und von wem die Preisaufgabe behandelt wurde, ist v. Strele nicht bekannt. 171 Wetterschiessens als ein unzweifelhafter erkannt sei, man sich das neue Verfahren ebenfalls zu eigen machen möge. Da auch bei uns in Württemberg fast alljährlich sehr empfindliche Schädigungen durch Hagelschlag dem Land und der Landwirtschaft erwachsen, ist es gewiss angezeigt, die Nachrichten über die Erfolge des Wetter- schiessens - positive wie negative — , sowie über die Fortschritte in der Technik desselben aufmerksam zu verfolgen. Wenn ich mir heute erlaube, in unserem Verein die Aufmerksamkeit auf das Wetter- schiessen zu lenken, so geschieht es deshalb, weil ich glaube, dass nunmehr die Angelegenheit in ein Stadium getreten ist, das die Bil- dung eines zutreffenden Urteils über Wert oder Unwert des Verfahrens zu ermöglichen beginnt. Zwei neue Momente liegen nämlich jetzt vor, die für die Beurteilung der Angelegenheit von hoher Bedeu- tung sind. — Das eine dieser Momente liegt in der Anstellung systematisch durchgeführter Versuche mit Böllern, wie sie nach Stiger zum Wetter- schiessen verwendet, werden ; diese Versuche haben gelehrt , dass durch solche Böller Luftbewegungen von so ausserordentlich grosser Energie erzeugt werden, dass man berechtigt ist, in ihnen wenigstens einen zureichenden Grund für eine auf die Wetterwolken auszuübende Wirkung zu erkennen. Diese Versuche wurden in St. Kathrein bei Brück an der Mur in Steiermark vor einigen Wochen, gegen Mitte Januar ds. Js., ausgeführt, unter Anwesenheit eines Vertreters der österreichischen Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus ; und der Direktor dieses Instituts, Dr. Pernter, hat am 20. Januar in Wien der österreichischen meteorologischen Gesellschaft einen hochinteressanten Vortrag über die Ergebnisse der Schiessversuche sowie über die Frage des Wetterschiessens überhaupt gehalten 1. Das zweite der oben genannten Momente besteht darin , dass nunmehr genauere Nachrichten vorliegen über den Verlauf eines „Wetterschiesskongresses", der im November v. Js. in Casale-Mon- ferrato in Piemont abgehalten wurde und den Zweck hattft, die bis- herigen Erfahrungen auf dem Gebiet des Wetterschiessens in den verschiedenen Ländern zusammenzustellen und zu diskutieren. Dieser Kongress war sehr zahlreich, auch von der gelehrten Welt Italiens, besucht und es wurde auf ihm konstatiert, dass die bisherigen Wetter- schiessversuche über alle Erwartungen günstige Resultate geliefert haben. 1 her Wortlaut dieses Vortrages wurde von Berrn Pernter in den .Num- mern 1'.) unbene wohl noch Seitenthäler und mannigfache Verästelungen gehabt haben müssen. Es ergiebt sich dies auch aus den an den heutigen obersten Enden dieser Ruinen früherer Erosionsthäler in unmittelbare] Nähe der heutigen Wasserscheide abgelagerten Schottermassen, die ohne jeglichen Zweifel nur von Wassern beigeführt worden sein können, die früher in bedeutend höherer Lage der Donau zuflössen, heute dagegen in klaffender Tiefe dem Rheine zueilen. Als Beispiele hierzu sind alle Albflüsse und Trockenthäler der beschriebenen Art, von der Beera im Südwesten bis zum Wolferts- thal zwischen Oberkochen und Essingen im Nordosten der württem- bergischen Alb zu betrachten. . m * » «aKfcfiägejj Den überzeugendsten Beweis dafür, dass die fraglichen Thaler die letzten Überreste alter ausgedehnter Erosionsthäler sind, liefert das Riedbachthal zwischen Ehingen und Lautlingen, in das die Eisenbahn von Ehingen bis zur Wasserscheide gelegt wurde. Über 11 m tief hat hier die Bahnlinie den Kies, dem Stücke von Epsilonmarmor und Felsenkalke (Delta) beigemengt sind, ange- schnitten , während die anstossenden Hänge diese Schichten nicht zeigen. Aus diesem Umstände wurde im Jahre 1880 bei der Ab- fassung der Oberamtsbeschreibung Balingen (S. 19) angenommen, dass der dortige Kies durch Schmiecha aufwärts geschobenes Gletscher- eis abgelagert worden sei. Schon aus dem Angeführten ist zu folger n, und die nachstehenden Zeilen werden es bestimmter darthun, dass diese Riedbachthal Verstümmelung als Hauptthal des heute als Schmiecha — 488 - bezeichneten Flusses aufzufassen ist, dass die Quellgebiete jenes 70 bis 100 m höher als gegenwärtig fliessenden Baches bis über Balingen hinaus gingen, dass jene Wasser dem heutigen Eyachlauf entgegen, von Balingen und Margrethausen her der Donau zuflössen, dass die von der Eisenbahn angeschnittenen Geschiebe von Umgebung von Burgfelden und Messstetten stammen und dass sie auf dem alten, heute nicht mehr vorhandenen Thalgrund als reine Flussgeschiebe nach ihrer heutigen Fundstätte gebracht worden sind. Die Vorstellung des Erosionsvorgangs kann dadurch noch mehr verdeutlicht werden, dass man sich die Frage beantwortet : Wie würde sich das Niederschlagsgebiet der heutigen oberen Eyach gestalten, wenn die Erosion, ohne Behinderung durch künstliche Einrichtungen, einige Jahrtausende länger wirken würde? In diesem Fall wäre wohl die Erosion von Lautlingen bis Ehingen vorgeschritten, das obere Schmiechathal, von Onstmettingen und Truchtelfingen abwärts, würde zum oberen Eyachthal geworden sein, die beinahe senkrechte Thalknickung, die wir heute bei Lautlingen beobachten, würde sich bei Ehingen wiederholen , die Wasser würden von Truchtelfingen über Ehingen nach Balingen fliessen und das Ende der Riedbach- (Schmiecha)thalruine, das heute oberhalb Ehingen liegt, würde sich unterhalb Ehingen befinden. Diese scheinbare Hypothese lässt sich auf Grund hydrotech- nischer Betrachtungen gut beweisen. Die Hydrotechnik giebt nämlich zwei bis zu einem gewissen Grad voneinander unabhängige Hilfsmittel an die Hand, um von der messbaren, thatsächlichen Wirkung der langjährigen Arbeitsleistung der langsam , aber stätig wirkenden Erosionskraft Schlüsse auf die Grösse der einzelnen Faktoren dieser Kraft zu ziehen. Zu den messbaren Wirkungen der Erosionskraft gehört die Auswaschung einer Thalmulde und zwar nach Querschnitt und Gefäll. Bekanntlich nagen sich fliessende Wasser mit der Zeit und mit Hilfe ihrer Bundesgenossen Frost und Hitze in die Erd- und Gesteins- schichten tiefer und tiefer ein. Abgesehen von Verwerfungsspalten und Schollenbruchlinien , die ja wohl in annähernd gleicher Weise bei den meisten Albquerthälern den Anlass zur ursprünglichen Thal- bildung gegeben haben mögen, ist als einer der Massstäbe für den Vergleich der Erosionskraftwirkungen in zwei Thälern die Grösse des laufenden Meters erodierten Thalquerschnitts in einer bestimmten Formationsschichte, d. h. das Produkt aus der verglichenen Thal- breite und der Tiefe der Thalmulde, zu bezeichnen. Anderseits steht — 489 — der Kraftwirkung als Äquivalent gegenüber die Grösse der Kraft und ihre Wirkungsdauer auf die verschiedenartigen Gesteinsschichten. Hei einem Vergleich von zwei Albthälern, deren Wasser der Donau zu- fliessen, kann nun zunächst selbstverständlich die Erosionsdauer als gleich angenommen werden. Ferner können in beiden Thälern gleiche Verhältnisse in Hinsicht auf Schichtenbau , Schichtenneigung, Ver- witterbarkeit und Klima vorausgesetzt werden. Es folgt daher aus dem Vorstehenden, dass die Quadratfläche der erodierten Thalmulde proportional der Grösse der Kraft ist. Diese ist aber gleich dem Produkt aus der sekundlichen Wassermenge und der Wassergeschwindigkeit. Die sekundliche Wassermenge steht im direkten Verhältnis zu der Grösse des Einzugsgebiets und der jähr- lichen Abflusshöhe. Die jährliche Abflusshöhe von zwei Albflüssen, deren Gebiete gleiche Meereshöhe, daher gleiche Niederschlags-, an- nähernd gleiche Durchlässigkeits- und Bewaldungsverhältnisse zeigen, wird daher ebenfalls als gleich zu setzen sein. Man erhält somit nunmehr nachstehenden Hauptsatz : Die Quadratfläche einer erodierten Thalmulde ist pro- portional dem Produkt aus der Grösse des Einzugsgebietes und der Wassergeschwindigkeit in der Mulde. An der Mündungsstelle zweier in Vergleich zu stellender Thäler, wie z. B. im angeregten Fall des Riedbach- und Schmiechathales, kann nun auch noch, ohne einen grossen Fehler zu begehen, die Geschwindigkeit der grösseren Wassermenge im grösseren Thal, das bekanntlich kleineres Längengefäll zeigen wird, gleich derjenigen der kleineren Wassermenge im kleinen Thal mit stärkerem Fall angenom- men werden , so dass der Quadratgehalt der erodierten Thalmulde im direkten Verhältnis zu dem des Hinterlandes ist. Die erodierte Mulde des Riedbachthaies hat nun reichlich den anderthalbfachen Querschnitt des Schmiechathales zwischen Ehingen und Truchtelfingen. Da letzteres heute etwa 37 qkm Niederschlags- gebiet aufweist, so berechnet sich das fehlende Hinterland des Ried- bachthales zu mindestens 55 ([km. Dies ergiebt ungefähr eine Fläche gleich dem Einzugsgebiet der Eyach bei Frommem. Nun sind aber in den in Vergleich gestellten Thälern die oben genannten Faktoren sich thatsächlich nicht gleichgeblieben. Die Grösse des Niederschlagsgebietes des heute ganz abgetragenen alten Riedbachthaies ist, entsprechend der fortschreitenden Abbröckelang, vom ursprünglichen Maximum mehr und mehr zurückgegangen und ist heute gleich Null. Da hierbei das höher gelegene Hinterland — 490 — zuerst verloren ging, hat auch die Niederschlagshöhe, die sich im Verhältnis zur Abnahme der Höhenlage über dem Meer vermindert, stätig und damit die Abflussmenge, als Produkt von Einzugsfläche und Niederschlagshöhe in um so grösserem Masse abgenommen. Mit der Abnahme der sekundlichen Wassermenge ist aber auch eine Verminderung der Abflussgeschwindigkeit verbunden, so dass mit Sicherheit festzustellen ist, dass die vorstehend berechneten Zurluss- gebiete thatsächlich ganz erheblich grösser waren. Selbst unter den ungünstigsten Annahmen kommt man bei Berücksichtigung der oben genannten Faktoren zu dem Ergebnis, dass jenes Gebiet min- destens 4 — 8 mal grösser als das oben berechnete ge- wesen sein muss, und dass die einst über der Stelle des heutigen Erzingen, Ostdorf, Balingen niedergefallenen M e t e o r w a s s e r früher durch das Riedbachthal derDonan z ueilten. Durch das bereits erwähnte zweite Hilfsmittel, das uns die Hydrotechnik an die Hand giebt, um in zwei gleichartigen Thälern die Wirkungen der Erosionskraft zu vergleichen, wird man in den Stand gesetzt, die vorstehende Rechnung zu prüfen. Es ist dies die stätige Abnahme der Grösse des prozentualen Längengefälls eines Flusses in der Richtung von oben nach unten. Von zwei Flüssen, die sich in einem Punkte vereinigen, wird der unbedeutendere ein grösseres Längengefäll haben, als der mächtigere. Aus der Höhenlage des Bahnhofes Ehingen und aus den Höhen- zahlen des oberen Schmiecha- und des Riedbachthaies berechnet sich das Gefäll des Riedbachthaies und des Schmiechathales unterhalb Ehingen je zu etwa 7,5 °/0o 5 dasjenige des Schmiechathales oberhalb Ehingen dagegen zu rund 10°/00. Es ergiebt sich daher auch aus dieser Betrachtung, dass das Riedbachthal das ursprüngliche Hauptthal, das bedeutendere und längere war ; wenn daher die Entfernung von Ehingen zur Schmiecha- quelle rund 12 km beträgt, so musste die Quelle des obersten Ried- baches jedenfalls in grösserer Entfernung liegen. Da Ehingen — Frommern rund 15 km voneinander entfernt sind, stimmen die beiden Rechnungsarten miteinander überein. Es ist hierzu noch anzufügen, dass auch in dieser Rechnung aus der Gefällslinie die stätige Ab- nahme des Hinterlandes nicht berücksichtigt ist, und daher die Er- gebnisse als entschieden zu klein erklärt werden müssen. Nun ist das Riedbachthal bei Ehingen wohl dasjenige württem- bergische Albthal, an dem am augenfälligsten die fortschreitende — 491 - Thalkürzung gezeigt werden kann, es ist aber durchaus nicht die bedeutendste Thalruine der württembergischen Albquerthälor über- haupt. Als solche sind vielmehr die zwei sogenannten natürlichen „Durchbrüche durch die Albu, die heutigen Doppelthäler der Brenz und des Kochers zwischen Heidenheim und Aalen und des Faulen- baches und der Prim zwischen Tuttlingen und Spaichingen zu be- zeichnen. Für diese zwei sehr tief erodierten Thalverstümmelungen wurden ähnliche Betrachtungen und Berechnungen, wie die oben für das Riedbachthal angestellten, gemacht. Die Thalmulde an der heutigen Brenz-Kocher Wasserscheide hat mindestens 2,/2mal so grossen Querschnitt als das durchgehend.- ähnliche Verhältnisse zeigende Nebenthal, das Stubenthal. Letzteres, ohne Ugenthal, hat etwa 170 qkm Niederschlagsgebiet, so dass sich die Grösse des abgetragenen alten Brenzgebiets zu etwa 420 qkm berechnet, was einer Fläche gleich dem Einzugsgebiet des Kochers unter der Leinmündung bei Abtsgmünd gleichkommt. Für den Faulenbach erhält man in ähnlicher Weise, der Ver- gleich mag mit dem Stuben-, Lone-, Riedbach-, Laudiert- oder Beerathal angestellt werden, ein allermindestens 4 — 600 qkm messen- des Hinterland, das etwa gleich gross mit demjenigen des oberen Neckars samt Eschach, Prim und Schlichem ist. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten stätigen Abbröcke- lung von dem ursprünglichen Zuflussgebiet dieser Flüsse während der pliocänen und diluvialen Zeit und der dadurch immer kleiner werdenden Wasserabfuhr und Erosionsstärke, die ja thatsächlich nach und nach ganz aufhörte, vervielfacht sich die Grösse des ursprüng- lichen Einzugsgebiets dieser zwei Flüsse. Wenn man die Gebietsgrösse, wie oben, nur im vierfachen Werte annimmt, gelangt man zu dem Ergebnis, dass die über dem heutigen Gaildorf, Hall, Crailsheim, bezw. Fluorn, Freudenstadt. Horb niedergefallenen Meteorwasser durch die zwei alten Thäler der Brenz und des Faulenbaches dem Meere, der Donau zugingen. Auch für dieses Rechnungsergebnis erhalten wir eine Kontrolle für die Richtigkeit durch folgende Betrachtungen über die Längen- gefällsverhältnisse. Bekanntermassen nähert sich die Gefällslinie eines Flusses in normalen Fällen der Parabelform. Wenn man sich nun die Längenprofile z. B. der Beera, der — 492 — Laudiert, der Lauter, der Lone im nämlichen Längen- und Höhen- massstab aufzeichnet, so kann man daraus gewissermassen die nor- male Flussgefällsparabel AB dieser zur Donau entwässernden Alb- flüsse konstruieren (vergl. untenstehende Skizze). Das Gefäll all dieser genannten, etwa 20 — 35 km langen Flüsse ist nun an der Mündung in die Donau wesentlich grösser als dasjenige des oberen Brenzthales zwischen Heidenheim und Königsbronn und als das des Faulenbaches. Es kann nun mit Leichtigkeit derjenige Punkt C der Normalparabel bestimmt werden, in dem sie das im Brenz- und Faulenbachthale beobachtete Gefäll zeigt, d. h. in dem die Tangente an die zu verlängernde Normalparabel eine gegebene Richtung hat. Auf diese Weise wurde die frühere Länge der zwei genannten Thal- G^Fäll dar Donß'J *Sg*!!**j G"i,,d- ruinen zu mindestens 50 km ermittelt, so dass die beiden Thal- enden ungefähr nördlich von Horb und Crailsheim anzunehmen wären. Auch in diesem Falle stimmen die Ergebnisse beider Rech- nungsarten ziemlich genau überein, wodurch die Richtigkeit des Vor- getragenen wohl unwiderlegbar nachgewiesen ist. Vom hydrotechnischen Standpunkt aus muss noch auf einen weiteren Umstand hingewiesen werden, der zur Erforschung der Ge- schichte der Flussläufe von hervorragender Bedeutung ist, nämlich auf die, bei dem Fehlen von Schichtenmulden teilweise unerklärlich schei- nenden, plötzlichen Richtungsänderungen der Flüsse und auf das vielfach beobachtete Gegeneinanderfli essen von zwei Flüssen ohne wahrnehmbare Störung in der Schichtenlagerung. In den seitherigen Fällen einer Thalverkürzung wurde an- genommen , dass sie von irgend einem Punkt des alten Oberthaies an, abwärts in der Richtung desselben weiter geschritten sei bis zu dem heute beobachteten Ende. Dies ist aber nur eine sekundäre Er- scheinung. Bevor diese beobachtet werden konnte, musste die Wasser- — 493 — scheide zwischen dem neuen, tief- und dem alten, hochgelegenen Flussgebiet, sei es in senkrechter, sei es in schiefer Richtung durch- nagt und durchbrochen sein. Ein derartiger Vorgang soll an der Hand einiger Skizzen im nachstehenden geschildert werden. Ein Fluss ABC laufe ungefähr parallel der Hauptwasserscheide DD, die steil abfällt und früher weiter entfernt von dem Flusse lag. Mit dem Fortschreiten der Erosion wird die Möglichkeit immer wahr- scheinlicher, dass Sickerwasser den Weg DE finden. Spalten und Klüfte sind hierbei nicht vorauszusetzen, würden aber den Erfolg erleichtern. Mit der Zeit bildet sich ein offener Durchbruch und gleichzeitig eine mehr oder weniger scharf ausgesprochene Richtungs- änderung des Flussthaies. Da die Wasser aus der alten Flusslauf- strecke A B entlang des neuen Flussbettes DK mit sehr grossem Gefäll fliessen, vertieft sich dort die Sohle rasch und die Erosion pflanzt sich in dem angeschnittenen alten Thale nach auf- und nach abwärts fort; nach aufwärts schneller und intensiver, weil die Be- 494 - wegung der Wasserteile keine Richtungsänderung erfährt; nach ab- wärts langsamer; ja, es würde hier nach Eintritt stabilen Gleich- gewichts Ruhe eintreten, wenn sich nicht nach dem alten Thale alle Wasseradern hinziehen , in kurzen Entfernungen wohl auch Quellen an dessen Thalfuss hervorbrechen und Nebenbäche einmünden würden, so dass die auf stätigem Wasserabfluss nach tief gelegenen Punkten beruhende Erosion ihren Fortgang im alten Thal auch nach abwärts nehmen kann und zwar um so wirkungsvoller, je näher die einzelnen Wasserspender gelegen waren und je nachhaltiger ihre Summe ge- wesen ist. Dass dieses Fortschreiten der Erosion in der Richtung des alten Thaies nach abwärts thatsächlich beinahe die Regel ist, beweisen die vielen Albthäler ohne Thalabschluss. Die Erosion er- reicht dort in bemerkenswerter Weise meist ihr Ende, nachdem sie eine stärkere Quelle erobert und der folgende Teil des oberen Thaies auf eine grössere Länge zum Trockenthal geworden ist. Die Lage des neuen und alten Thaies in horizontalem Sinne wird daher wohl während des Erosionsvorganges in der Haupt- sache, von kleinen Verschiebungen in der Richtung des Durch- bruchs abgesehen , dieselbe bleiben , aber es wird ein entgegen- gesetztes Fliessen bis zu dem Punkt beobachtet werden, an dem die Erosion ansetzte. In vertikalem Sinne hatten die beiden Thäler grosse Höhen abstände von 50 — 200 m an der Alb und bis 800 m am Schwarzwald. Das Längenprofil des alten und neuen Thaies ABC ist vor- stehend skizziert; der Arm AB wird kräftiger erodiert sein als der Arm BC. Bei dem Punkt G werden sich als charakteristisches Merkmal Schotterablagerungen finden, die von A oder 5, oder von einem Seitenthal zwischen A und B stammen ; solche Schotter des alten Thaies können aber auch oben an den Hängen des neuen Thaies heute noch vorhanden sein, wenn z. B. das alte Thal eine solche Lage hatte, wie sie in der letzten Figur der vorhergehenden Seite am rechtsseitigen Hang gezeichnet ist, und gerade diese Hang- seite vor weiter gehender Erosion geschützt war. 495 Als ein bekanntes Beispiel für eine solche hervorstehende Rich- tungsänderung des Flussthaies und für das entgegengesetzte Fliessen in den beiden alten Flussarmen ist die Wutach (Aitrach) anzuführen (Schalch) ; auch steht die Donau selbst, bei Tmmendingen, im Begriff, den geschilderten Prozess darzulegen. Wenn das ursprüngliche Hinterland des Faulenbachs und Brenz- '3t, Ka'.dL Grenze duJErnzuySieiietes derfiertau. Vermutlicher Lauf früherer ßtnmu Seienflussc. thales von den letzt geschilderten Gesichtspunkten aus betrachtet wird, so erscheinen der Oberlauf der heutigen Eschach, der Schlichen! und der Glatt mit Heimbach einerseits, und der Lein, der Adelmanns- felder Rot und der Biber anderseits, als Teile der ursprünglichen, in horizontaler Richtung wenig verrückten, aber wesentlich aus- getieften Oberthäler der Donaunebenflüsse, deren Wasser einst nach dem tief erodierten Neckar bezw. Kocher mit scharfer Thal- — 496 knickung ausbrachen bezw. heute das charakteristische Gegeneinander- fliessen zeigen '. Aus der vorstellenden Skizze ist des weiteren ersichtlich, dass der Kampf um den Abtrag der jurassischen Schichten durch den Neckar und den Main mit derselben Hartnäckigkeit geführt worden ist. Wie der Main und sein Nebenfluss die Regnitz eine tiefe Einbuchtung in das fränkische alte Donaugebiet auf Kosten der Altmühl und Nab auserodiert hat, so hat der Neckar im Zu- sammenwirken mit Kocher und Jagst den Kampf gegen Faulenbach und Brenz aufgenommen und gebietserobernd weiter geführt. Die Einzeichnung der nordwestlichen Grenze des ursprünglichen Donaugebiets ist, weil sie zu verschiedenen Zeiten verschieden war, nicht möglich. Ob sie ursprünglich, etwa zu Ende der Jurazeit nicht gar bis an den Oden- und Thüringerwald reichte , ist wohl nicht ausgeschlossen. Zum Schluss komme ich nochmals auf die eingangs erwähnte BRANCo'sche Abhandlung zurück, in der folgender Satz aufgestellt ist: 1 Dass derartige Fälle nicht nur auf die zwei fraglichen Flussgebiete be- schränkt sein werden, sondern sich entlang der ganzen Jurakette zeigen müssen ist einleuchtend. Werden die geschilderten Erosionsvorgänge und die heutige Lage und Richtungsverhältnisse der Thäler der linksseitigen Nebenflüsse der Donau an der Hand von Karten vom hydrotechnischen Standpunkt aus in Ein- klang zu bringen versucht, so gelangt man zu nachstehenden Ergebnissen (vergl. vorstehende Skizze). Am heutigen Schwarzwald, wo z. B. die Einzig und die Murg dessen höchsten Gebirgskamm durchbrochen und östlich davon ihre mäch- tigen Erosionsthäler ausgenagt haben . fliessen heute die Wolfach und Gutach, die obere Einzig und die Schiltach, sowie die obere Murg und der Forbach ein- ander entgegen und bilden bei Wolfach. Schiltach und Baiersbronn jene charakte- ristischen Ecken, an denen die Erosion das alte Hochthal angriff. Vom hydro- technischen Standpunkt aus ist die Annahme, dass Rippoldsau — Wolfach — Triberg ein altes Nebenthal der Breg, Alpirsbach— Schiltach — Sehramberg ein altes Nebenthal der Brigach, Oberthal— Baiersbronn— Freudenstadt ein altes Nebenthal des Faulenbachs darstellt, sehr wahrscheinlich. Die Thalbiegungen der Nagold bei Nagold, des Neckars bei Plochingen , der Fils bei Geislingen können wohl auf dieselben Ur- sachen zurückgeführt werden. Aber auch entlang des fränkischen Jura liegen die Verhältnisse ähnlich. Der Donau-Main-Kanal ist von der Altmühl aus durch eine ähnliche Thalruine wie das Riedbachthal nach der Schwarzach-Regnitz geleitet ; die fränkische Rezat bildete zweifelsohne früher einen Nebenfluss der Altmühl und die Altmühl selbst würde sich nach einigen tausend Jahren andauernder Erosion durch das Thal der schwäbischen Rezat dem Main zuwenden und dadurch das untere Altmühl- thal zu einer Thalruine machen, die derjenigen des Brenzthales vollständig ähn- lich wäre. 4< in Wähner. lt. . . . \H2 mm — 1 Nw. . . 85 „ = 0,64 Wh. . . . 28 „ = 0,22 Wd. . . 21 . = 161 WuiNER giebt an: 1 0,50 0,28 0,18 Auf dem äusseren Umgang sehen wir bei dieser Form auf dem Rücken eine Einschaltung von Nebenrippen. Wähner hat als diplo- ptychum eine hochmündigere Form (Nw. 0,50 statt 0,64) ; bei ihr sollen sich die primären Rippen von den sekundären auf dem Rücken nicht mehr unterscheiden, was hier nicht ganz zutrifft. Eine Loben- linie ist nicht zu sehen. Die nicht sehr scharfen Hauptrippen schwingen leicht nach vorn und werden auf dem Rücken schwächer. Wähner : diploptychum gleicht megastoma an Form und Windungshöhe, unterscheidet sich aber von diesem durch oben genannte kurz eingeschaltete Rippen. Pst loceras nicarium n. sp. Taf. IX Fig. 3. n 180 mm — 1 82 ., = 0,62 117 mm 72 . j Nw. = 0,61 Wh. 26 .. = 0,20 24 . = 0,20 Wd. ! 3 vm-lif 20 . = 0,15 »crprirlpri Rvpmnln Umgang gut erhalten. Es sind Formen mit geraden, mehr wulst- förmigen Rippen , welche sich erst auf dem runden Rücken etwas nach vorwärts krümmen und dabei sich beinahe verlieren. Auf dem äusseren Umgang sind sehr feine, auf der Abbildung nicht zur Dar- stellung gebrachte Zwischenrippen eingeschaltet. Die Umgänge sind wenig umfassend. Nabelweite und Windungsdurchmesser ähnlich dem nürtingense, dagegen Windungshöhe kleiner. Die Lobenlinie ist weniger reich entwickelt als bei nürtingense , sie zeigt weit mehr den eigentlichen Typus der Loben von Psiloceras ; die Sättel und Loben sind nur wenig verzweigt. Der erste Lateralsattel ist fast so breit als hoch und ist wenig entwickelt; der zweite Lateralsattel, welcher von dem ersten durch einen seichten Seitenlobus getrennt ist, ist nur noch */, so hoch als der erste und bildet einen ein- 502 - fachen Lappen; an ihn schliessen sich noch zwei einfache Auxiliare an. Die Wohnkammer ist 6,3 cm grösser als der letzte Umgang. Ps Uoceras cf. Berchta Wähner. D. . . . . 23 mm = 1 30 mm = 1 Nw. ... 10 „ = 0,43 19 „ = 0,47 Wh. ... 8 „ = 0,35 11 „ = 0,37 Wd. . . . 6 „ = 0,26 7.5 . = 0,25 Rz. d. 1. Umg. H2 28 Es liegen zwei Exemplare vor, eines ist vollständig, das andere nur in der Wohnkammer erhalten. Die Rippen verlaufen über die ebenen Flanken mit ganz unbedeutender Krümmung und verflachen sich, ehe sie den runden Rücken erreichen, vollkommen. Von plica- tulum unterscheidet sich diese Form dadurch, dass hier nicht falten- artige , sondern scharfe Rippen vorliegen. Der Lobenbau ist nicht so einfach wie bei planorbe und den meisten Exemplaren von plica- tulum, doch auch nicht so kompliziert wie bei Berchta. Wähner giebt für Berchta an: Involubilität = 1/4. Er unterscheidet ihn von megastoma durch niedrigere Windungen und weiteren Nabel, geringere Dicke, viel schwächere Involubilität, bedeutend schwächere und zahlreichere Rippen. Die Rippen verlaufen leicht rückwärts gekrümmt und verschwinden vor Erreichung der Aussenseite fast vollständig; nur eine Andeutung einer Vorwärtsbeugung der Rippen ist da. Ps Uoceras cf. stenoptychum Wähner. Taf. IX Fig. 2. Wh. = 16 mm 12 mm. Zwei nicht vollständige äussere Umgänge liegen vor. Der Quer- schnitt ist fast (länglich) rechtwinklig, die deutlichen, eng stehenden Rippen verlaufen über die ebene Seite fast radial, auf dem nur wenig gekrümmten Rücken stossen sie etwas abgeschwächt in einem flachen Bogen zusammen. Psiloceras subangulare Opp. Taf. IX Fig. 5. 7. Von dieser Species liegen uns eine Reihe von Exemplaren vor; wir führen an : Durchmesser 35 = 1. Nabelweite 15 = 0.43. Windungshöhe 11 = 0.31. Rippenzahl des letzten Umgangs = 30; ferner D. 29 = 1, Nw. 13 = 0,45, Wh. 9 = 0,31, Wd. 7 = 0,24, Rz. = 30. Hier finden wir : flache Seite , Querschnitt ein Rechteck , die Rippen gehen (ganz wie bei dem Exemplar von Pomp., diese Jahresh. - 503 1898, S. 210) verbreitert und etwas abgescli wacht über den Kücken. Der gut sichtbare Lobenbau ist einfach. Ein anderes Exemplar mit D. 48 sb 1. Wh. L6 = 0,31, Wd. 9 = 19 hat denselben Querschnitt und weiter gestellte Rippen ; letztere er- höhen sich beim Erreichen der Externseite und gehen noch stärker verbreitert und mehr abgeschwächt wie oben über den Rücken. D. 41 = 1. Xw. 18 = o,44. Wh. 13 = 0,31, Wd. 8,5 = 0,21, Rz. 29. Die von Pomp., 1. c. S. 121, als capraibex beschriebene Form gleicht der vorliegenden sehr, doch ist die Rippenzahl grösser; die Rippen verstärken sich beim Umbiegen und gehen dann in gleicher Dicke über den Rücken. Loben sehr einfach. 1). 36 mm = 1, Nw. 16 = 0,44, Wh. 11,5 = 0,32 Wd. 7 = 0,20, Rz. = 27. Auch diese Form stimmt vollkommen mit capraibex überein, doch stehen die Rippen auch hier noch etwas dichter. ]). 25 mm = 1, Nw. 10 ~ 0,40, Wh. 7 = 0,28, Wd. 5.5 = 0.22. Dieses Exemplar zeigt dieselben Rippen auf dem Rücken, Rippen sehr zahlreich ; die Windungshöhe wird geringer, die Dicke wächst. Ferner liegen zwei Wohnkammerbruchstücke vor, welche mit Psiloceras species Pomp. 1. c. S. 220 {Amin, angulatus hircinus Qu.) in jeder Weise übereinstimmen; der Umgang ist fast kreisrund, die kräf- tigen, weit stehenden Rippen gehen etwas verstärkt über den Rücken. Die uns vorliegenden Exemplare dieser Formen lassen sich un- schwer so nebeneinander legen, dass eine Form stets von der andern abgeleitet werden kann ; unseres Erachtens sind deshalb alle diese Formen unter einem Namen aufzuführen, wobei allerdings verschie- dene Varietäten ausgeschieden werden können. Anfügen wollen wir noch, dass die Brutformen von Schlotheimia angulata unserem subangulare sehr gleichen , gleich wie wir schon angulatu aus dem „Vaihinger Nest" beobachtet haben, welche bei einer Grösse von 3 — 4 cm zuweilen nicht unterbrochene zwischen unterbrochenen Rippen tragen ; so liegt uns auch ein Exemplar vor, welches unterbrochene Rippen zeigt und doch aus dem Nürtinger Psilonotenkalk stammt; wir rechnen dasselbe auch noch zu subangulare; spätere Funde mögen weitere Unterscheidungen begründen ; eine Ver- gleichung mit dem Original von pseudalpinum Pomp, zeigte, dass unsere Exemplar nicht zu pseudalpinum zu zählen ist, da pseudalpinum keine entschiedene Rippenunterbrechung hat. (Vergl. Taf. IX Fig. 7.) 504 — Es ist hier auch Aegoceras catenatum Sow. (Wright XIX, 5 — 7) zu erwähnen ; derselbe habe : zu xj% involute Umgänge , einfache Rippen, die 2fach gebogen, verbreitert und erhöht werden bei der Annäherung an den Rücken ; sie sind daselbst entweder unterbrochen (ganz wie Schlotheimia angulata) oder verflacht (Rücken sei „smooth"): das abgebildete Exemplar hat 5,5 cm Durchmesser,^Nabelweite 2,4 cm, Windungshöhe 1,9 cm, Windungsdurchmesser 1,3 cm. Wright will diesen Ammoniten nicht zu Aegoceras angulatum stellen wegen des schmalen Rückens und da sich die Rippen nicht teilen und die Loben- linie ,,different" (d. h. unseres Erachtens einfacher) sei: über das Lager giebt er nur an „unterer Lias von Barron on Soar" ; er bezieht sich ferner auf d'Orbigny, der diesen Ammoniten von mehreren Lokalitäten (Pont-Auber, Semur und Spezia) als unter dem Lager von G-ryphaea arcuata gefunden angiebt : d'Orbigny hebt (wie oben gesagt) les crenulures de son dos hervor (voisine de Moreanus). Unseres Erachtens haben wir es hier mit Übergängen von subangulare zu Schlotheimia zu thun. Wir geben in Taf. IX Fig. 5 noch die Abbildung eines ausser- ordentlich gut erhaltenen Bruchstücks; die kräftigen Rippen gehen wesentlich verstärkt über den ovalen Rücken ; die Rippen sind auf der Flanke zuerst etwas nach rückwärts gekrümmt , bei der An- näherung an den Rücken wenden sie sich rasch nach vorne ; die Lobenentwickelung gehört zu den allereinfachsten : die Form erinnert (abgesehen von den Loben) am meisten an Aegoceras extracostatum Wähner, doch dürfte dieselbe auch noch zu Psiloceras subangulare Oppel in dem angegebenen erweiterten Sinne zu rechnen sein. Psiloceras cf. di st in et um Pomp. Taf. IX Fig. 8. Wh. 2,2; 2.1; 2.1. Wd. 1,5; 1,3; 1,3. Es liegen uns mehrere Bruchstücke vor, welche sich von distinetum Pomp, durch die weiter ge- stellten, weniger scharfen Rippen, welche teilweise gerade, teilweise leicht geschwungen sind, unter- scheiden. Das Verhältnis von Höhe zu Breite des Umgangs ist 1 : 0,62 — 0,68 (bei distinetum 1 : 0,71). Die Involubilität ist etwas geringer als bei dis- tinetum. Die Loben des einen Exemplars sind fast. p,. ., symmetrisch (Verrückung des Sipho um ca. 2 mm). 7Jsil. cf. distinetum. Hier ist der breite Siphonallobus weniger tief als — 505 — der 1. Seitenlobus, der II. Seitenlobus ist so tief als der Aussenlobus; auch die Hilfsloben sind wie bei distinctum; ebenso verhalten sich die Sättel; dagegen ist die ganze Lobenlinie viel reicher entwickelt (gezackter), Psilocer a s cf. Fr ig g a Wahn er. Tat'. IX Fig. 10. D. f).1 cm, Nw. 2,6. Wh. 6,6, Wd. 0.8. Hier treffen die Angaben Wäiiner's zu. Rippen schief nach rückwärts über die ebene Flanke , krümmen sich in der Nähe der Aussenseite nach vorn und vereinigen sich in der Mitte derselben - wenig abgeschwächt, aber verbreitert - in einem nach vorn konvexen Bogen. Sipho auf der Seite, zweiter Lobus so tief als der Siphonal- lobus, der zweite Sattel höher als der erste. Psiloceras cf. laqueus Qu. Taf. IX Fig. 4. Wir möchten unsere Form einen hochmündigen laqueus Qu. nennen. Wir sehen genau wie bei Qu., Amm. d. Jura I, 14, innen grobe Rippchen und aussen sehr feine sichelförmige Streifen, welche über den Rücken hinübergehen ; zwischen den feinen Streifen stellen sich auf dem äusseren Umgang plötzlich wieder gröbere ein, ganz ähnlich wie bei dem genannten Exemplare (krankhaft). Die Invo- lubilität ist allerdings grösser als bei laqueus Qu. Wähner's Aeg. sublagueus gehört ohne Zweifel auch hierher. Der Siphonallobus liegt in der Mitte, die Loben sind reicher entwickelt als bei laqueus Qu. Ferner liegen uns von dem Nürtinger Fundorte mehrere gut bestimmbare Johnstoni (wir geben die Abbildung eines kleinen, aber sehr gut erhaltenen Exemplars, Taf. IX Fig. (i; der Umgang ist breiter als hoch) und distinctum vor; ferner 2 Exemplare, welche wir mit Wähner's Psiloceras haploptychum identifizieren. Nicht gefunden wurde der früher schon zweimal bei Nürtingen konstatierte Amm. sironotus (Qu., Amm. d. Jura, Taf. I, 21). Die grosse Menge der vorgeführten Formen mag befremdend erscheinen; wer aber die Litteratur über diese ersten Ammoniten des Jura kennt, wird wissen, dass häufig auf einen einzigen Fund ein neuer Namen begründet wurde; wir haben, um allzuviele neue Namen zu vermeiden, auf die in der Litteratur bereits bekannte — 506 — Nomenklatur Wähner's zurückgegriffen; wir glauben hiermit zugleich gezeigt zu haben, dass unser Fundort an Mannigfaltigkeit der Arten sich mit manchem alpinen messen kann; aber weiter auch, dass unsere Formen nicht so sehr verschieden von den alpinen sind, übereinstimmend mit der alpinen Facies des Rhätes bei Nürtingen, des einzigen Punktes in Württemberg, wo wir von alpinem Rhät reden können. Freilich unsere Psilonotenformen von Nürtingen sind durchschnittlich flacher, die Loben sind weniger reich entwickelt. Eine Vergleichung mit den bekannten Formen von Wright und d"Or- bigny zeigt, dass die Nürtinger Lokalität weit artenreicher ist, als die englischen und französischen. Vergleichen wir diesen Fundort mit anderen schwäbischen, so ist zu konstatieren, dass, wie schon eingangs erwähnt, planorbe und plicatulum ganz zurücktritt; John- stoni, distinctum und subangutare finden sich an anderen Orten auch, dagegen ist von harpoptychum nur ein, allerdings sehr gutes Exem- plar von Trossingen (im K. Nat.-Kab. in Stuttgart) bekannt. Ein weiteres, 3 cm grosses Exemplar (in der Tüb. Samml.) stammt aus Neilingen. Reicher an Exemplaren sind weitaus die Orte bei Nel- lingen und Bebenhausen; es ist, wie wenn sich diese Tiere an den genannten zwei Orten als abgeschlossenen Meeresbuchten eines un- gestörten Daseins erfreut hätten. Die wenigen Funde aus der Rottweiler und Balinger Gegend lassen uns vermuten, dass unser Fundort mit den zwei obengenannten mehr in Verbindung stand — sie lagen alle drei an einem offenen Meere. Freilich sollten, ehe weitere Schlüsse -- auch in Bezug auf Zusammengehörigkeit der aufgeführten Formen — gemacht werden, die zwei anderen Fundorte mit ihren bedeutenden Aufschlüssen in diesem Horizonte noch weit gründlicher durchforscht werden, als dies bisher geschehen ist. Einen Hinweis auf die Abstammung der späteren Ammoniten- formen unterlassen wir zunächst, wir erachten diese Frage noch nicht für spruchreif. Wenn der Sipho auf die Seite gerückt ist, so entwickelt sich der erste Sattel (Externsattel) meist sehr breit und er kann sich zuweilen so symmetrisch um den Rücken herumlegen, dass die Deutung der Lobenlinie, falls dieselbe nicht gut sichtbar ist, unsicher und schwierig wird. Anaptychus konnte an allen diesen Formen nicht nachgewiesen werden ; dagegen liegt uns ein schönes Belegstück von Psüoceras — 507 planorbe von Nellingen vor: hiernach folgt auf den Anaptychus wenig- stens noch ein Umgang; zwischen dem Anaptychus und den letzten Loben ist nur ein Abstand von ca. 1 cm (Taf. IX Fig. 9). Der Anaptychus ist ohne Zweifel nach dem Tode des Tieres in den inneren Teil der Wohnkammer hineingeraten ; vielleicht sind die Fleischteile eingetrocknet (freilich müsste dann die Schale aufs Festland geraten sein) oder dieselben sind im Wasser verwest und von letzterem ausgewaschen worden, wobei der sich <[uer zum Um- gang stellende Anaptychus zurückgeblieben wäre. So viel ist jeden- falls sicher, dass der Anaptychus nicht stets so tief in der Wohn- kammer sitzt, wie wir an einem weiteren Exemplar sehr deutlich beobachtet haben. Noch erübrigt es uns, eine angenehme Dankespflicht gegen die- jenigen Herren abzustatten, welche uns durch Überlassung von Material zur Vergleichung (namentlich aus den Staatssammlungen von Tübingen und Stuttgart) und Litteratur und Vornahme der erforderlichen Mes- sungen gütigst unterstützt haben : die Herren Prof. Dr. Koken, Prof. Dr. Eb. Fraas, Dr. Wähner, Dr. Beck, Dr. Engel, K. Raü und der Eigentümer dieser Ammoniten, Lehrer Waidelich in Grossbettlingen bei Nürtingen. Herrn Pfarrer Gussmann verdanken wir die wohl- gelungenen Zeichnungen. Li 1 1 e r a t u r : 1. Diese Jahreshefte 1893. S. 206. — Beiträge zur Revision der Ammoniten des schwäh. Jura v. J)r. J. F. Pompeckj. 2. Wähner. Beiträge zur Kenntnis der tieferen Zonen des unteren Lias in den nordöstlichen Alpen. 3. Wright. Lias Ammonites 1879. 4. d'Orbigny, Palaeontologie von Frankreich. , 5. Qtknstedt, Ammoniten des schwäb. Jura. Das Profil betreffend ist zu sagen, dass wir keine wesentliche Differenz gegenüber anderen schwäbischen Profilen aus diesem Hori- zont beobachten konnten : Auf den rhätischen Sandstein folgt die ca. 60 cm harte dunkle Kalksteinbank; an einigen Stellen ist nach Waidelich zwischen Rhät und Kalk eine handhohe graue sandige mergelige Bank zwischengelagert; die Petrefakten stecken jedoch fast alle in dem bekannten harten Kalk, nur wenige derselben zeigen ein etwas verwittertes Aussehen; dieses letztere konnten wir jedoch auch bei Nellingen ab und zu beobachten. Über dem Kalke folgt der dunkle Thon. 508 Vergleichende Tafel über das Vorkommen der bekannten Species von Psiloceras. Psilo c e r a s ~i 3 r" Ol V, PQ ns a c - b£ 5 c bD p ■u jl Ä £ d Vai c cö — ÖD fit S H Ph phiuorbe . . . . Johnstoni ■ ■ ■ plieaiulum . . . brevicellatum . . calliphyllum . . distinctum . . . pseudalpinum . . uff circacostato . angulatum = /«'»•■ cinum . . . . capraibex . . . sübangulare . . harpoptychum nürtingense . . anisophyllum . . B erchtd . . . . stenoptychum . Frigga . . . . faqueus ... sironotus . . . diploptychum ■ , Das von der Juraversenkung bei Langenbrücken (Baden) be- kannte Psiloceras longipontinum Opp. wurde nach Dr. Hug (Abhand- lungen d. Schweiz, palaeont. Gesellsch. 1899, S. 10) auch in den Freiburger Alpen (Blumenstein Ahmend) und im Aargau (Mülligen) gefunden; die Abbildung Taf. VII 1. c. lässt allerdings das Auftreten der feinen Zwischenrippen, wie wir sie an dem Original im K. Nat.- Kab. in Stuttgart beobachten, vermissen. 1 resp. calliphylloides. - Horizont der Schloth. angulüta. 3 wohl zu der grobrippigen sübangulare zu zählen. 4 resp. sublaqueus Wähn. 509 Tafelerklärung. Tal. VIII. Psiloceras harpoptychum n. sp. Fig. 1. la. Es ist dies «las im Texte unter l mit Beinen Massen angegebene Exemplar, a Rückenansicht bei Beginn der Wohnkammer. , 2. Ein kleineres Exemplar mit ganz denselben Formen (Fr. Holland. Heimerdingen). „ :?. Dieses Exemplar zeigt auf dem äusseren Umgang eine wechselnde (krank- hafte! Richtung der Rippen. T 4. Der Beginn der Wohnkammer ist ersichtlich gemacht. . 5. Ein Exemplar mit etwas weiter gestellten Rippen; die Wohnkammer nimmt einen vollen Umgang ein. Taf. IX. Fig. 1. Psiloceras nurlingense n. sp. 2. „ cf. stenoptychum Wähner. . 2a. Rückenansicht, aus derselben ist die viereckige Mündung nicht deutlich ersichtlich, daher wurde unter „ 2h. noch ein Querschnitt abgebildet. „ 3. Psiloceras nicarium n. sp. „ 3a. Querschnitt hierzu. T 4. Psiloceras cf. laqueus Qu. .j. „ subangulare Opp. T 6. . Johnstoni Sow. T 7. . subangulare Opp. Bei diesem Exemplar gehen die Rippen nur so weit auf den Rücken, als es die Abbildung erkennen lässt; sie hören fast plötzlich auf. der Rücken ist als glatt zu bezeichnen; der Quer- schnitt des Umgangs ist länglich eiförmig. „ 8. Psiloceras cf. distinetum Pomp. „ 9. Anaptychus von Psiloceras planorbis Sow., von Nellingen (Fr. Holland. Heimerdingen). „ 10. Psiloceras cf. Frigga Wähn. Sämtliche Exemplare wurden, so weit nichts anderes bemerkt ist. bei Nür- tingen gefunden und sind im Besitze von Lehrer Waidelich in (irossbettliimen Zanelodon Sehützii n. sp. aus dem Trigonodusdolomit von Hall. Von Prof. Dr. E. Fraas. Mit 2 Figuren. Bei der Durchsicht der schönen und reichhaltigen Triassamm- lung von Herrn Salinenverwalter F. Schütz in Hall wurde ieh auf ein höchst eigenartiges Fundstück aufmerksam, dass ich als Zahn eines grossen Dinosauriers ansprechen musste. Auf die Bedeutung dieses Fundstückes aufmerksam gemacht, hatte Herr Schütz die an- erkennenswerte Freundlichkeit, mir dasselbe für unsere Vereins- sammlung zu überlassen , wofür ich ihm hiermit den gebührenden Dank ausspreche. Das Fundstück stammt aus dem Trigonodus-Dolomit der näch- sten Umgebung von Hall und wurde Herrn Schütz von einem Arbeiter übergeben, der es zusammen mit noch einigen anderen gleichen Zähnen , die aber leider nicht mehr zu erhalten waren , im Stein- bruch gefunden hatte. Da der Zahn noch im Gesteine eingebettet ist (auf der beigefügten Textfigur wurde das Gesteinsstück nicht ge- zeichnet), so ist kein Zweifel über das Lager, aus welchem er stammt und ein Irrtum ausgeschlossen. Auf den ersten Blick ist das Fossil als ein prachtvoll erhaltener Zahn zu erkennen mit wohl ausgeprägter Zahnkrone und einer langen Zahnwurzel (vergl. die beistehende Textfigur). Die Gesamtlänge be- trägt genau 9 cm, wovon 3 cm auf die mit Schmelz bedeckte Krone, 6 cm auf die Wurzel entfallen. Die Breite schwillt an der Krone auf 1,5 cm an und bleibt dann annähernd gleich an der Wurzel, welche sich nach unten nur wenig (1,3 cm) verjüngt. Die Zahnkrone lässt sich in ihrer Form nicht besser, als mit einem gekrümmten zweischneidigen Messer vergleichen. Der Durchschnitt zeigt eine seitliche Zusammenpressung, so dass der Zahn etwa l/2 so dick als breit ist. Die Spitze ist abgerundet spitz, die Seitenkanten sind ausserordentlich scharf und in charakteristischer Weise gekörnelt, so — 511 . Sytnphoricarpus rac&mosus Paksh, in Hecken. 7. Ijycium barbarwn L., an Mauern. 8. Oytisus Laburmtm L., in Wäldern. i'!>. Mespikts germanica L., in Baden verwildert, flu. Buxus scm/irrritrns 1... in der Nähe von Gärten. 11. Staphylea pinnata L. (?). 12. Vüis vimfera L., Eislingen. 13. Tamurix germanica L., Hall a. Kocher. fl4. Pinus montana Mill, Fachensool auf dem Aalbuch. ir>. Colutea arborescens L., in Wäldern, flu. Higpopliae rhamnoides L., an Eisenbabnbüschungen. 17. Spirant saUcifolia L., Wildbad, an der Strasse. 18. „ ttlmifolia Scop., ebendaselbst. 19. Berberis vulgaris L. (V). C. Halbst rauche r. 1. Hyssopus officinalis L., Neuffen. 2. Lavendiüa vera Dec, in Weinbergen. 3. Salvia officinalis L., ebendaselbst. II. Krautartige Gewächse. A. Perennierende (und zweijährige) Kräuter. a) Liliaceen. 1. Galanthus nivalis L., Wildbad (?). 2. Scilla amoena L., Weinberge im Tauberthal. 3. Ornithogalum nutans L., alte Schloss- und Klostergärten. 4. Muscari comosum L., Weinberge bei Künzelsau. 5. „ racemoswn L., Michelsberg bei Ulm. <>. yarcissKS poeticus L., Hörnle bei Balingen. 7. ;, jiseudonarcissus L., in Grasgärten. 8. Grocus vemus L., Zavelstein (?). 9. Tulipa sylvestris L., Grasgärten und Weinberge (?). 10. Lilium bulbifcrum L.. Michelsberg bei Ulm, Lüwenstein. 11. Gladiolus communis L., in Grasgärten. 12. Asparagus officinalis, ebendaselbst (?). b) Cr assu laceen. 1. Seditm reflexum L., an Weinbergsmauern. 2. „ dasyphyllum L., ebendaselbst. 3. „ Fabaria Koch, Fuchseck, Eybach. 1. Scmpervivum tcctorum L., Schalksburgfels. c) Kompositen. 1. Artcmisia Absinihiam L., Brenzthal. 2. ,, pontica Lr, Weinbergsmauern. 3. Tanacetnm Balsamita L., ebendaselbst. 33* 516 4. AchiUea nobilis L., Hohenasperg. .">. Echinops sphaerocephalus L., Esslingen. 6. Doronicum Pardalianches L., Ulm (?). 7. Hieracium aurantiacum L., Creglingen. 8. Helianthus tuberosus L., Eislingen, Ottenbach, Mösselhof. 9. G-naphalimn margaritaceum L., Tauberthal. 10. Chrysanthemum coronarium L., ebendaselbst. 11. Inula Helcnium L., Rechenberg, Gaildorf. 12. Scorzonera hispanica L., in Grasgärten. d) Ranun eulaeeon. 1. HelJeborus viridis L., Ulm, Bibei'ach (?). '2. „ niger L., Creglingen, in Weinbergen. 3. Eranthis hiemalis L., Ulm, Michelsberg. 4. Aconitum Störkianum Rchb. (Napellus L.), Wendthal (?). e) Labiaten. 1. Melissa officinalis L., in der Nähe von Gärten. 2. Origanum Majorana L., ebendaselbst. 3. Stachys Janata L., ebendaselbst. 4. Mentha piperita L., Oberbaden (?). f) Cruciferen. 1. Hvsperis matronalis L., auf Schutt etc. 2. Cheiranthus Cheiri L.,. Hohenasperg. 3. Lepidium latifolium L., Rottweil, Zollern. 4. Armoracia rusticana Gäktn., auf Schutt, z. B. Geislingen. 5. Cochlearia officinalis L., Ochsenhausen, Wolfegg. g) Papilionaceen. 1. Galcga officinalis L., Geislingen, am Bahndamm. 2. Onobrychis sativa L., auf Bergwiesen (?). 3. Medicago sativa L., ebendaselbst (?). h) Umbcllif eren. 1. Levisticum officinale L., Grasgärten. 2. Foenkulimi officinale L., ebendaselbst. 3. Apium graveolens L., Cannstatt. 4. Pctroselinum sativum Hoffat., in Weinbergen. i) Aus verschiedenen Familien. 1. Althaea officinalis L., Ulm, Tübingen. 2. Omphälodes venia Mönch, Badenweiler (?). f3. Oenofhera biennis L., Flussufer der Hier etc. 4. Antirrhinum majus L., Mauern in Esslingen etc. 5. Phytolacca decandra- L., Weinberge bei Marbach. ."»IT <>. Acorus CdUtmus L., Adelberg etc. 7. I'aiirhui« erecta Mkiit. u. Korn, Höfen bei Cannstatt, Staufeneck. s. Uuim c >(■/(/«/ /ix L., Neuffen, Eybach (?). !'. Zris germanica L., Teck, Rosenstein (?). 10. /•'/(/. Pölemoniv/m caendeum L., Dürnau (?). B. Einjährige Kräuter. a) Kompositen. 1. Calendula officinalis L., auf Schutt. 2. Carduus Marianus L., ebendaselbst. • !. Carthamus tinctorius L., Grafenberg, in Weinbergen. bi Umbel uferen. 1. Anethum graveölens L., Weinberge. ü. An/Iiri^ci. Zwergrassfen bei F e 1 c h e n. Das oben am Schluss des Kapitels über Artbildung Gesagte gilt ganz besonders für die Felchen (bayrisch: Renken) oder Gore" gonus, den „Heringen des süssen Wassers". Fatio 1 hat in seinem grossen Werk über die Wirbeltiere der Schweiz, wovon die Fische zwei Bände einnehmen, 7 — 8 Arten schweizerischer Felchen (incl. Bodensee und See le Bourget in Savoyen) beschrieben und von jeder wieder 3 — 5 Unterarten (subspecies) , die alle ihre Namen haben. Diese Arten und Unterarten sind im Text auf das genaueste in allen Einzelheiten beschrieben, letztere, besonders die Oberkiefer, auf Taf. II des 2. Bandes auch abgebildet, und S. 522 und 523 ist in einer synoptischen Tabelle auch eine kurze differentielle Diagnose gegeben. Und doch glaube ich kaum , dass man ohne nähere Angaben , wie der Herkunft mit Lokalnamen, danach etwa wirr durcheinander ge- mischte Exemplare wird bestimmen können2. Heinke in seiner vortrefflichen Naturgeschichte der Fische, 1882 (Illustrierte Naturgeschichte der Tiere, von Ph. L. Martin heraus- gegeben), beschreibt von europäischen bezw. deutschen Felchen nur 5 als Arten, die anderen als Lokalrassen. Jene sind: 1. Coreg. oxy- rhynchus L. = Schnäpel, leicht kenntlich an der weit über den Unter- kiefer vorragenden Schnauze. Oberkiefer bis unter den vorderen Augenrand reichend. Reusenzähne? Ost- und Nordsee. 2. Coreg* lavaretus L. = Maräne oder Bodenrenke (Sandfelchen). Schnauze ebenfalls vorragend, aber viel weniger als beim Schnäpel, Oberkiefer bis oder nicht ganz bis unter den vorderen Augenrand reichend. Dazu gehört noch als sehr wesentliches Merkmal : Reusenzähne (Branchiospinae) kurz und wenig zahlreich (im Verhältnis zur fol- genden Art) ; endlich : Schwanzstiel gedrungen (so hoch als lang oder etwas höher als lang). Flossen, besonders die Rückenflosse, etwas höher als bei der 3. Art. Weit verbreitet in vielen Lokalformen, im Meere (Ostsee), tiefen Seen Norddeutschlands und der Alpen. 3. Coreg. Wminianni Bl. = Blaufelchen = gemeine Renke. Schnauze 1 Fatio. Histoirc naturelle des poissons de la Suisse, 1882 und 1890 (eine Übersicht daraus habe ich gegeben: Klunzinger, Die Fischfauna der Schweiz nach Fatio in der Naturwissenschaftlichen Wochenschrift 1891, 20. De- zember, No. 51). '-' Im August 1899 untersuchte ich die Fati o' sehen Exemplare des Genfer Museums; es gelang mir aber nicht, scharfe Merkmale zu finden, um so weniger, als fast überall die Kiemen fehlten. In der Zoologischen Sammlung in Hern be- findet sich eine zweite, unversehrte Sammlung der Schweizer Fische vmi Fatio, die ich aber nicht mehr näher ansehen konnte. 528 nicht vorragend (Mund endständig oder nahezu). Oberkiefer reicht gut bis unter den vorderen Augenrand (da er etwas länger als bei No. 2 ist). Reusenzähne (nicht von Heinke hervorgehoben, aber das wichtigste Merkmal) im Verhältnis lang, zahlreich, gedrängt. Schwanz- stiel schlank, dünn (niederer als lang). In den grösseren Seen der Alpen und Voralpen. 4. Coreg. tabula L. == kleine Maräne, Marenke. Mund oberständig, Kinn vorstehend. Oberkiefer reicht bis unter den vorderen Augenrand. Körper gestreckt, 6mal länger als hoch. Kopf zugespitzt. Reusenzähne'? In den tieferen Seen des baltischen Höhen- zuges, auch in Skandinavien und Finnland. Über die 5. Art Heinke's : Coreg. Mentalis = Kilch werde ich unten nähere Angaben machen und sie als Zwergrasse zu der 2. Art bringen. Diese 4 Formen sind in Anbetracht ihrer zahlreichen und leicht erkennbaren Merkmale als „gute Arten" zu bezeichnen, was auch von anderen Autoren anerkannt wurde, die sie aber nicht als Arten, sondern als Gruppen oder Typen bezeichnen. Fatio unterscheidet unter den Schweizer Coregonen 3 „Typen": 1. Typus Ballens, der Art 2 entsprechend, Nüsslin's /era-Typus; 2. Typus Dispersus, der Art 3 entsprechend. Dazu kommen nach Fatio aber noch Felchen, wo die Merkmale des 1. und 2. Typus sich mischen, wie beim „Baichen" vom Sempacher See: etwas schräge, vorragende Schnauze mit zahlreichen Reusenzähnen, längerer Oberkiefer, kürzere Flossen, von Fatio Coreg. Suidteri genannt. Es ist dies aber die einzige Ausnahme, und die Form wohl als Bastard anzusehen. Alle übrigen als Arten unterschiedenen und benannten Core- gonen Europas lassen sich als gute Arten bestreiten und sind besser als Lokalrassen zu bezeichnen; bei einigen derselben ist die Grösse das Haupt- und einzig sichere Merkmal; sie sind Zwergrassen der Felchen, und dazu rechne ich jetzt den Küchen einer- und den Gangfisch anderseits. a) Coreg. hicmalis Jim., Küchen, Kropffelchen. Wie ich schon in meiner Abhandlung 1884 * gezeigt habe, ist dieser, z. B. in Langenargen im Bodensee häufig vorkommende Küchen dem Sandfelchen sehr nahestehend, die Unterschiede keineswegs scharf: die Zahl der Schuppen der Linea transversa (meist 872 + 1 + 8, beim Sandfelchen 872 — 9 + 1 + 9) ist nicht immer verschieden, ebenso die Körperhöhe, wenn sie auch meistens etwas grösser ist und die Gestalt daher gedrungener. Die von den 1 Klunzinger, „Über die Feichenarten des Bodensees" in diesen Jahres- heften 1884. 529 Autoren, auch Heinke b. o., als charakteristisch hervorgehobenen Merk- male: stark gewölbter Vorderrücken, sind Folge von Muskelkontrak- tion und von Auftreibung des Bauches. Letztere, woher der Name „Kropf? eichen", ist wieder nur Folge der „Trommelsucht''. Ausdehnung der Schwimmblase durch die Verminderung des Drucks beim Herauf- ziehen aus grosser Tiefe. Küchen ohne solche Auftreibung, wie solche auch oft zum Vorschein kommen, oder wo die Luft durch „Stupfen" entwichen ist, oder jüngere Exemplare, wo die Eier noch nicht ent- wickelt sind, erscheinen kaum weniger schlank als Sandfelchen und haben keinen gewölbten Vorderrücken. Solche unterscheiden sich dann überhaupt nur durch geringere Grösse (selten über 30 — 40 cm), sehwache Pigmentierung von Körper und Flossen, und Aufenthalt in grosser Tiefe, die sie auch beim Laichen nicht verlassen. Fatio glaubt, die kleinen Tiefefelchen des ßodensees und des Genfer Sees als besondere Subspecies unterscheiden zu müssen, ersteren als Coreg. aeronius Rapp = Küchen ; letzteren als Coreg. hiemaUs Jub. = Gravenche: ersterer habe kürzere und weniger zahl- reiche Reusenzähne, 17 — 21 auf dem 1. Bogen, letzterer 25 — 33. Beide aber gehören zu der Gruppe mit kurzen und wenig zahlreichen Reusenzähnen. Ferner: Zahl der Wirbel bei ersterem 61 — 63, bei letzterem 59 — 60, Form des Oberkiefers bei ersterem gedrungen, bei letzterem länglich (vergl. Abbildung Fig. 24 u. 16 auf Taf. 11 Bd. 2). Diese Frage kann ich bei Mangel an Material nicht entscheiden. Bei den grösseren Formen dieser Gruppe: Typus Ballens Fatio = Coreg. lavaretus (L.) Heinke unterscheidet Fatio als Arten: a) Coreg. Asperi mit 3 Unterarten ; b) Coreg. Schinzii mit 4 Unter- arten. Auch hier kann ich kein Urteil abgeben. Anhang : Sand- und Silber- oder Weissfelchen. Dagegen kann ich nicht unerwähnt lassen, dass von den im Bodensee bezw. Untersee vorkommenden Formen dieser grösseren Rassen der iW/e^s-Gruppe die Fischer im Untersee 2 Arten bezw. Lokalrassen unterscheiden, wie ich schon in meinem Buche über „Bodenseefische" 1892, S. 16, angeführt habe. Die von den Fischern angegebenen morphologischen Unterschiede zwischen diesen sogen. Arten: dem „Weiss- oder Süberfelchen" und «lein Sandfelchen, kann ich bei genauester und oft wiederholter Untersuchung ' nicht finden, 1 Ich erhielt durch Fischhändler Welt lin 1892 2 Sendungen: am 18. und 28. November. Diese Fische wurden in Weingeist aufbewahrt. Eine andere ♦ rhielt ich am 2. Dezember 1899, die in Formalin konserviert wurde. Jahreshefte d. Vereins t. vatcrl. Naturkunde in Wurtt. 1900. .! I 530 wie es auch Fatio gegangen ist (1. c. S. 230 oben), der sie beide als Coreg. Schinsii Helvetica var. bodensis aufführt. a) Der Weiss- oder Silberfelchen bleibt kleiner, 38 bis 40 bis 45 cm lang, wird nur 1 kg schwer, hält sich immer in der Tiefe auf, wo er auch, meist der Halde entlang, im „Müs", d. h. an Wasserpflanzen (Cham) laicht, und zwar erst Ende November. Er ist das ganze Jahr über häufig und im Untersee, wo es keine Blaufelchen giebt, versteht man unter Felchen hauptsächlich diese Form. Farbe weiss. Dies die Angaben der Fischer, Fischmeister und Fischhändler in Ermatingen und Reichenau, die ich nicht be- streiten will. Dagegen kann ich deren Angaben über die Unter- schiede in der Gestalt nicht bestätigen: „Kopf, von oben gesehen schmäler, von elliptischem Umriss, die Schnauze erscheine daher schlanker, Körper etwas höher, gedrungener." ß) Sandfelchen wird grösser, 45 — 55 cm, und schwerer: 2 kg, lebt im Sommer auf der „weissen Fläche" (sandigem Boden). wo er auch laicht und zwar schon anfangs (1. — 15.) November. Vorkommen spärlich, nie in Massen. Farbe aschgrau. Gestalt nach Angabe der Fischer: „Kopf von oben gesehen breiter, von ovalem Umriss, die Schnauze erscheine daher stumpfer. Körper schlanker." Diese angeblichen Gestaltsunterschiede beruhen meiner Ansicht nach auf Täuschung, hervorgerufen durch die verschiedene Grösse, der man bei beiden Formen fast immer begegnet. Gleich grosse Exemplare beider Formen erhält man nicht leicht. Messungen be-* stätigen diese Angaben keineswegs, und sind zudem selbst unzuver- lässig, da der zu Grunde gelegte Massstab, wie Augengrösse, Kopf- und Schnauzenlänge, Kopf- und Körperhöhe bei grösseren und klei- neren Exemplaren sich nicht immer gleich bleiben, besonders bei den Felchen. Die Schuppen- und Flossenstrahlenzahl ergiebt, wie bei den Felchen überhaupt, nichts. Alle etwa gefundenen Unterschiede sind nicht konstant. Nichtsdestoweniger kann man der verschiedenen Lebensweise wegen doch beide Formen als Rassen unterscheiden, als subspec. major und minor, oder, da auch andere Rassen zu den grösseren gehören, als alba und grisea. Der Sandfelchen des Ober- sees scheint der subspec. grisea anzugehören. b) Coreg. Wartmanni subspec. exigua = Gangfisch. Der Gangfisch ist nach meiner jetzigen Anschauung ebenso als Zwerg rasse des Blaufelchen zu betrachten, wie der Küchen als Zwergrasse des Sand- oder Silberfelchen oder die Art Coreg. 531 lavaretus L So kommt man am besten über die Schwierigkeiten hinüber, welche die Charakterisierung als besondere Art ergiebt. Über die Ursache des Kleinerbleibens des Gangfisches hat man keine guten Anhaltspunkte. Beim Küchen kann man wenigstens das Tiefen- leben anfühlen. Der Ganglisch lebt aber eher oberflächlicher, als der Blanfelchen. In meiner Abhandlung über die Feichenarten des Bodensees in unseren Jahresheften 1884 habe ich die artliche Unter- scheidung, welche zuerst Nüsslin 1882, Zool. Anzeiger S. 104 — 113. aufstellte, kritisch durchgeführt und die von Nüsslin angeführten Merkmale teils bestätigt, teils bestritten. Meine neueren wiederholten Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, dass alle angegebenen Unterschiede, auch die damals von mir anerkannten, zu gering und unsicher sind, um darauf eine Trennung obiger Fische in 2 „gute Arten" zu begründen. Blaufelchen und Gangfisch gehören beide zu der Gruppe Dispersus Fatio = Goreg. Wartmanni (L.) Heinke, mit den Hauptmerkmalen gegenüber von C. lavaretus: Mund endständig, Reusenzähne lang und zahlreich, Oberkiefer etwas lang, bis zum Vorderrand des Auges reichend, Schwanzstiel schlank. Der sicherste Unterschied zwischen Blaufelchen und Gangfisch besteht in der Grösse: Gangfisch 26—28—30 cm, Blaufelchen 30—40 cm, in dem Vorkommen: Gangfisch hauptsächlich im Unter- see und bei Konstanz im Obersee \ Blaufelchen nur im Obersee, wie auch in den meisten Alpenseen, in letzteren als mancherlei Lokal- rassen (s. Fatio), endlich in der Lebensweise2: andere Zeit und anderer Ort beim Laichen, Aufenthalt des Gangfisches mit Vorliebe mehr oberflächlich, des Blaufelchens in der Tiefe. Der beachtenswerteste angegebene morphologische Unterschied betrifft die Reusenzähne. Diese sind im Verhältnis zu Coreij. lavaretus bei Blaufelchen und Gangfisch zahlreich und lang. Bei Vergleichung dieser beiden miteinander findet man allerdings, dass die Reusenzähne beim Gangfisch etwas zahlreicher sind und daher bei der geringeren Grösse der Bögen beim kleineren Gangfisch noch gedrängter stehen : Fatio zählt beim Blaufelchen 33 — 39 am 1. Bogen, beim Gangfisch 36 — 44. Nach meiner Zählung (1. c. S. 115) 1 oh der Gangfisch, der in Bregenz and Lindau und Langenargen, wenig- stens früher, zur Fastenzeit in Menge gefangen werden soll (s. meine , Feichen- arten" S. 122), mit dem Konstanzer Gangfiseh identisch ist, erscheint mir in Anbetracht der ganz verschiedenei] Fangzeit sehr zweifelhaft. 2 Klunzinger, „(her die Feichenarten des IJodensees" 1884, S. 121 — 124 and „Bodenseefische8 1892, S. 12-15. — Ö32 — sind es je 31 und 43, nach Nüsslin 35 und 41. Abgesehen von der Schwierigkeit der Zählung, die man am herausgenommenen und womöglich skelettierten Kiemenbogen machen muss, zeigen obige Angaben der verschiedenen Autoren doch beträchtliche Differenzen und Schwankungen, so dass man das Vertrauen auf die Sicherheit dieses Merkmals verliert. Man kann es als werdendes, korrelatives oder durch die besondere Nahrung (?) entstandenes, noch nicht genügend befestigtes Merkmal auffassen. Als ein anderer Unterschied wird die grössere Schlau klieit des Gangfisches und die grössere Stumpfheit der Schnauze desselben angegeben. In den meisten Fällen mag dies seine Richtig- keit haben, aber, wie beim Sand- und Silberfelchen erwähnt, ist die Bemessung dieser Verhältnisse schwierig und bei Vergleichung kleiner und grosser Exemplare, wie man sie fast immer vor sich hat, ist man zu leicht Täuschungen ausgesetzt. Zur Beurteilung der Schnauze muss man entweder frische Exemplare haben, oder solche in For- malin, in Weingeist tritt meist eine Schrumpfung ein, in Formalin im Gegenteil zuweilen eine Schwellung. So sind auch diese Merk- male unzuverlässig und treffen nicht bei allen Individuen zu. Danach könnte man auch verschiedene Süsswasseraale unterscheiden. Noch weniger Wert haben, wie ich eingehend gezeigt, andere an- gegebene Merkmale : etwas kleinere Wirbelzahl, Vorragen der Ober- kinnlade, höherer Kopf, grösseres Auge, längerer Oberkiefer, breiterer kantiger Bauch, weitere Entfernung der konzentrischen Schuppen- streifen, stärkere Schuppen, festeres Aufsitzen derselben, festere Haut, grössere Eier beim Gangfisch. Einen besseren Anhaltspunkt hat man an der Färbung: der Blaufelchen hat Flossen und den Schnauzen- rücken etwas dunkler als beim Gangfisch. Zu einer Artunterscheidung kann ein solcher immerhin geringer und unbeständiger Farbunter- schied, der auch nach dem Alter wechselt, nicht dienen. Fatio beschreibt und benennt von solchen Zwergformen der Dis2)ersus-Gmp\)e, die er als Art Coreg. exiguus zusammenfasst, nicht weniger als 5 lokale Unterarten der Schweizer Fische. Durch diese Auffassung als Zwergform bekommen die alten Autoren, wie Rapp und Siebold, die keine morphologischen Artunter- schiede zwischen Blaufelchen und Gangfisch anerkennen wollen, recht, anderseits ist auch der praktischen Erfahrung der Fischer, welche zwischen beiden unterscheiden, Genüge gethan und die alte Gangfischfrage wenigstens sehr vereinfacht. Bericht der Erdbeben-Kommission über die vom 1. März 1899 bis 1. März 1900 in Würt- temberg und Hohenzollern beobachteten Erdbeben. Von Prof. Dr. A. Schmidt in Stuttgart. 1. 19. September 1899. Zeit eines Erdbebens bei Aschaffen- burg. Herr Pfarrer Bassler aus Zaisersweiher OA. Maulbronn be- richtet an die meteorologische Centralstation : Heute Dienstag früh 3<4(i Ihr (ob meine Uhr ganz genau geht, weiss ich freilich nicht) wurde ein kurzer plötzlicher Erdstoss beobachtet, das Haus zitterte. Die im Zimmer befindlichen Pflanzen schwankten hin und her. Irgend ein Geräusch habe ich nicht wahrgenommen. 2. 27. Januar 1900. An diesem Tage sind 2 bis 3 verschiedene Beben zu unterscheiden. Das stärkste derselben fand statt um 23 ( Uhr vormittags. Aus Bitz berichtet Herr Pfarrer Schäfer vom 27. Januar an die meteorologische Centralstation: Zeit J/23 bis 3/43 Uhr. Beobachter fuhr, erschreckt durch einen sehr vernehmlichen dumpfen Schlag aus dem Bette, das ganze Haus erbebte und es war sehr deutlich zu verspüren, wie die Bewegung von unten nach oben im Hause sich fortpflanzte. Der Schlag wurde im ganzen Dorfe vernommen. Ein Berichterstatter aus Pf ef fingen OA. Balingen berichtet der ..Deutschen Reichspost": „In Pfeffingen wurde am Samstag Morg-n früh 2 Ihr 45 Min. ein so starker Erdstoss verspürt, wie er noch nie erlebt wurde. Die Bettladen zitterten, überhaupt die Häuser, so dass man glaubte, es sei etwas Besonderes vorgegangen. Viele Leute der Einwohnerschaft haben diesen Erdstoss verspürt." Aus Balingen berichtet die „Schwab. Kronik" No. 45 Mittags- blatt: Heute (27. Jan.) früh 3jß Uhr wurde in hiesiger Stadt an verschiedenen Plätzen ein Erdstoss bemerkt, der die Wirkung hatte, dass die aufgestellten Gegenstände, Laternenscheiben u. dergl. klirrten. 534 — Der Stoss machte sich in der Weise bemerkbar, dass es einem vor- kam, wie wenn ein grosser Holzklotz mit Heftigkeit aufgestossen würde. Dasselbe Blatt berichtet aus Ehingen, 27. Januar. „Heute Morgen 2h 43' wurde hier ein ziemlich heftiger und nachhaltiger Erdstoss verspürt, dessen Richtung vermutlich westöstlich ging. Nach Aussage anderer soll kurz vor 2 Uhr eine allerdings leichtere Er- schütterung vorausgegangen sein." Durch die freundliche Vermittelung von Herrn Oberamtmann Filser in Balingen erhielt die Erdbebenkommission weitere Berichte aus Balingen von Herrn Stadtschultheiss Eisele: Zeit morgens 2h 44', übereinstimmend mit der Telegraphenuhr. In Betreff der Art der Bewegung gehen die Berichte auseinander, nach einem Beobachter war es ein Schlag von unten, nach einem andern ein Auffallen eines schweren Gegenstandes, übereinstimmend war ein Zittern der Häuser ohne Erdbebengeräusch. — Aus Erzingen be- richtet Herr Schultheiss Haller nach den Angaben des Bienenzüchters Amann : Zeit 3/4ß Uhr nach der Postuhr. Etwa 3 — 4 Stösse inner- halb weniger Sekunden . aber ganz zusammenhängend. Hin- und Herrütteln der Bettstelle, Zug des Erdbebens OW, gleichzeitiges donnerähnliches Geräusch, weder vorausgehend, noch nachfolgend. — Aus Frommem berichtet Herr Schultheiss Jetter : Zeit 2h 34', Uhr nach der nächsten Telegraphenuhr richtig gehend. Stossdauer 6 — 8 Sekunden, wellenförmiges Schwanken und Zittern, Richtung OW. Thüren und Fenster zitterten, kein Geräusch. Aus Winterlingen berichtet Herr Schultheiss Blickle: Zeit 2h 48' morgens, Uhr ge- wöhnlich recht gehend nach der Bahn, ein wellenförmiger Stoss, Richtung NO. — S W. — Aus Truchtelfingen berichtet Herr Schult- heiss Müller: Zeit 26. Jan. morgens 2h 45' (Tag wohl verwechselt), Beobachtung nach der mit der Bahnhofuhr Ehingen übereinstimmen- den Taschenuhr gemacht. Starker Stoss von der Seite und von unten mit darauffolgendem unterirdischen Donner, der Stoss selbst wie ein dumpfer Schuss vernehmbar, Beobachter wurde im Bette (Parterre- zimmer) von der Wand gegen die Mitte des Bettes geworfen, Er- zittern der Thüren, Gefühl, als ob die Bettstelle und das ganze Haus von S. nach N. verschoben würden. — Auch Herr Schultheiss Lohmer aus Heselwangen giebt als Zeit 26. Jan. kurz vor 3 Uhr morgens an. Die Erschütterung wurde wahrgenommen von Personen, die im Bett zur Ruhe waren, aber im Moment aufgestanden sind, wellenförmiges Zittern während 2 — 3 Sekunden , so dass die Zahl der Stösse nicht angegeben werden kann. 535 Auf dasselbe Beben bezieht sich wohl auch der Bericht von Herrn Schultheisa Schdleb aus Därrwangen mit der Zeitangabe 27. Jan. 21 , Ihr naehmitternachts. Ein Stoss mit nachfolgendem Zittern. Es ist wohl auch eine Verwechselung des Datums um gerade eine Woche in dem am 6. Febr. eingesandten Bericht von Herrn Stadtschultheiss Hartmann aus Ehingen. Zeit: 3. Febr. morgens 23l4 Uhr. Ein Stoss, alle, welche das Beben verspürt haben, lagen im Bett. Die einen empfanden einen Schlag, wie wenn ein schwerer Gegenstand zu Boden fällt, andere einen kurzen Seitendruck, wieder andere ein blosses Zittern, Richtung von W. — Ü., Schwanken von Flüssigkeiten in Gefässen. Nicht aber dürfte der Bericht von Herrn Schultheisa Scilmii» aus Engstlatt sich auf das Beben der obigen Berichte beziehen, sondern eher auf das oben nach der „Schwäbischen Kronik" aus Ehingen berichtete vorausgehende schwächere Beben. Indessen giebt der am 3. Februar abgesandte Bericht auch das Datum um einen Tag abweichend durch die Zeitangabe : Nacht vom Donnerstag den 25. auf Freitag den 26. Jan. d. J. etwa V/2 Uhr. Die Beobachtung wurde vom Berichterstatter selbst gemacht gelegentlich einer Kranken- wacht. Zwei Stösse mit ca. 10 Minuten Zwischenzeit. Wahrnehmung beim ersten Stoss. wie wenn ein heftiger Windstoss das Eck des Hauses wegnehmen wollte, beim zweiten Stoss ein gewaltiges Krachen im Getäfer der Stube. Die Stubenthüre sprang aus der Klinke. Die Erdstösse wurden noch von einzelnen Personen bemerkt. Zu einem solchen um etwa \}j2 Uhr vorausgehenden Erdstoss stimmt auch eine, aus Win n enden (80 Kilometer vom Balinger Bezirk entfernt) der Erd- beben-Kommission zugegangene Notiz, wonach daselbst am 27. Jan. in der Zeit zwischen 1 und 2 Uhr nachts ein Stoss wahrgenommen wurde, „wie wenn ein Sack im oberen Stock umgefallen wäre". Im Balinger Bezirk haben andere Orte nach Berichten von Herrn Schultheiss Sieber aus Geislingen und Herrn Schultheiss Golderied aus Eriahe im keine Wahrnehmungen gemacht, während anderseits eine Beobachtung aus Reutlingen vorliegt. Herr Sekretär Herr- mann Jager von da machte die Mitteilung, dass er am 27. Jan. morgens bald nach V83 Uhr einen starken Erdstoss verspürt habe. Das Bett schwankte einen Augenblick hin und her, Richtung nicht angebbar. Beobachter teilte seine Wahrnehmung gleich beim Früh- stück seiner Familie mit. Ein drittes Beben des 27. Jan. berichtet folgende Korrespon- denz der ..Schwab. Kronik", 30. Jan., Abendblatt: - 536 — Ravensburg. Am Samstag den 27. ds. nachm. kurz nach 3 Ihr wurde hier an verschiedenen Orten ein ziemlich starker Erd- stoss wahrgenommen. Es wurde darüber sofort von Fabrikant Krauss, in dessen Hause sich das Seismometer des Naturkundevereins be- findet, festgestellt, dass von den 3 an dem Instrument befindlichen Horizontalpendeln 2 in Bewegung gesetzt waren, und zwar zeigte das Pendel rechts eine Bewegung (Ausschlag) nach rechts von 11 mm. nach links 5 mm. Das mittlere Pendel nach rechts 6 mm, links 2 mm. Das linke zeigte keine Bewegung. Daraus geht hervor, dass der Stoss von WNW., der Richtung des linken Pendels, erfolgt ist. Es wurden im vergangenen Spätjahr mehrmals weit stärkere Pendel- bewegungen festgestellt, die bei Nacht erfolgten, weshalb die be- treffenden Erdstösse der Beobachtung entgingen. (Im Oberamt Balingen wurden, wie schon gemeldet, an demselben Tag, morgens 23/4 Uhr, Erdstösse verspürt. S. Montag M.-Bl.) Um dieselbe Zeit wurde auch in Stuttgart im Hause Kasernen- strasse 28, „etwa um 3 Uhr nachmittags", von Herrn Direktor v. Schleicher eine Erschütterung des Zimmers, verbunden mit stärkerem Stoss wahrgenommen, wie wenn ein schwerer Gegenstand umgefallen wäre. Beobachter vermutete sogleich ein Erdbeben. Folgendes ist die Liste der an den Seismometern und dem Zeitbestimmungsapparat der Seismometerstation Hohenheim im Be- richtsjahre gemachten Beobachtungen. Auffallenderweise wurden die oben beschriebenen Erdbeben nicht wahrgenommen. 1899 5. April 12h 04' 44" p., 6. April 4h 09' 00" a., 16. April lh 55' 03" p., 16. Mai 5h 38' 35" p., 18. Mai 3h 33' 40" p., 9. Juni 6h 04' 40" p., 13. Juli 4h 26' 32" a., 2. Aug. 5h 41' 02" p., 4. Aug. 3h 13' 21" p.. 5. Sept. 3h 15' 13" p., 10. Sept. 7h 34' 06" a. 1900 11. Jan. 3h 27' 32" p. Bericht der Kommission für die pflanzengeographisehe Durchforschung Württembergs und Hohenzollerns. Nachdem die Unterzeichneten durch Beschluss des Vereins- ausschusses vom 15. Februar 1899 mit der Durchführung des in den Jahresheften 1899 S. XXTX ff. mitgeteilten Planes zur pflanzen- geographischen Durchforschung Württembergs beauftragt worden, war es ihre nächste Aufgabe, eine geeignete Auswahl von Pflanzen- arten zu treffen, die zum Gegenstand der Erhebungen gemacht werden sollten. Es wurde folgende Liste aufgestellt : Amelanchier miliaris ( = Aronia Digitalis purpurea. rotundifolia P.). Anthemis tinctoria. Anthericus ramosus. Am iiii montana. . I runcus Silvester {= Spiraeaarun- cus L.). Aster amellus. Astrantia major. Bellidiastrum Michelii. Buphthalmum salicifolium. Bupleurum falcatwm. Carduus t/r/lorah/s Carlina acaulis. Gentuurea montana. Cephälanthera rubra. CoroniUa »wntana. ,, varia. Corydalis cava. Diantlnis ( 'arthnsianorum. Euphorbia cyparissias. Gentiana ciliata. ,, cruciata. ,, lutea. ,, verna. Geranmm sanguineum. Helleborus foetidus. Hippocrepis comosa. Hex aquifolium. hu da salicina. Laserpicinm latifolium. Libanotis montana. Peucedanum cervaria. Phyteuma orbiculare. Polygonatum ofßcinale (= Con- vallaria Polygonatum L.). Polygonatum verticillatum l = ( 'on- vallaria verticillata L.). l'ohjyonum bistorta. — 538 — Pr&nanthes purpurea. Teucrium montanum. Pulsatüla vulgaris. Thlaspi montanum. Rosa Gallica. Trifolium montanum. Rubus saxatilis. „ ruhens. Sarothamnus scoparius. Trollius Europaeus. Saxifraga aisoon. Vacclnlum oxycoccos. Scilla bifolia. ,, vitis Idaea. Stachys rectus. Valeriana tripteris. Tanacetum corymbosum. Veronica teucrium. Teucrium botrys. Vincetoxicum officinale. ,, chamaedrys. Bei der Auswahl war der bereits l eingehend erläuterte Ge- sichtspunkt der pflanzengeographischen Genossenschaften in erster Linie massgebend. Der Hauptzweck des ganzen Unternehmens liegt ja darin , von der Verbreitung derjenigen Pflanzengenossen- schaften, die für die Gliederung des mitteleuropäischen Florengebiets überhaupt die wesentlichsten Züge liefern (montane , alpine . atlan- tische , pontische Genossenschaften u. s. f.) , ein möglichst klares, auch kartographisch festzulegendes Bild zu erhalten. Zahlreiche her- vorragend charakteristische Bestandteile dieser Genossenschaften sind aus der Liste weggeblieben nur aus dem Grunde, weil von ihnen genaue Fundortsverzeichnisse bereits in den Florenwerken nieder- gelegt sind und fortwährend vervollkommnet werden, ohne dass es hierzu eines erneuten Anstosses bedürfte. Bei der Darstellung der Verbreitungsverhältnisse der einzelnen Genossenschaften werden diese letzteren Arten selbstverständlich mit berücksichtigt werden. Sodann galt es, eine genügende Anzahl von zuverlässigen Mit- arbeitern womöglich aus allen Landesteilen zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurden ausser einem gedruckten Rundschreiben auch viele briefliche Aufforderungen an die uns bekannten oder empfohlenen Herren hinausgesandt, und es hat sich uns daraufhin im Laufe des verflossenen Jahres eine recht ansehnliche Zahl naturkundiger Mit- arbeiter in dankenswertester Weise zur Verfügung gestellt, Die Sammlung der Beobachtungen wurde in der Art eingerichtet, dass womöglich für jeden Oberamtsbezirk ein besonderer Vertrauensmann aufgestellt wird, der seinerseits mit den daselbst vorhandenen Kräften in Verbindung tritt und die Beobachtungen auf besonderen, zu diesem Zweck hergestellten und verteilten Formularen zusammenstellt. 1 Diese .lahreshefte 1899, S. XXXVI11 ff. 539 Die Namon der Herren, die wir bisher als Vertrauensmänner gewonnen, sind folgende (der Wohnsitz ist, wo nichts anderes an- gegeben, die Oberamtsstadt): Aalen: früher Lehrer Wächter in Essingen: jetzt Apotheker Dr. Gaupp. Backnang: Lehrer Hermann in Murr. Balingen: Lehrer Link in Ehingen. Besigheim: Apotheker Bader in Lauffen. Biberach: Lehrer Steiner in Birkenhart (mit Unterstützung von Kämmerer Dr. Probst in Biberach). Blaubeuren: Apotheker Bauer. Böblingen: Forstwart Metzger. Bracken heim: Pfarrer Dr. Losch in Hausen a. d. Zaber. Calw: Stud. rer. nat. Theodor Schick von Gültlingen (zum Teil). Cannstatt: Oberlehrer Schlenker. Crailsheim: Hofrat Blezinger. Ehingen: Prof. Rieber. Ellwangen: Prof. Dr. Kurtz. Esslingen: Seminaroberlehrer Lauffer. Freudenstadt: Lehrer Walde in Röthenbach (für einen Teil des Bezirks Dr. Mahler in Dornstetten). Geislingen: Prof. Fetscher. Gmünd: Oberlehrer Straub. Göppingen: Pfarrer Dr. Engel in Eislingen. Hall: früher Rektor Sauer; jetzt Rektor Dr. Diez. Heidenheim: Oberlehrer Müller. Herrenberg: Apotheker Müller. Horb: Lehrer Braun in Rexingen. K i r c h h e i m : Apotheker Hölzle. Künzelsau: Apotheker Huss. Laupheim: Apotheker Rentschler. Leonberg: Lehrer Uhl in Gerlingen. Leutkirch: Oberreallehrer Seefried. M a u 1 b r o n n : Apotheker Honold in Dürrmenz-Mühlacker. Mergentheim: Pfarrer Schlenker in Waldmannshof en. M ü Usingen: (Pfarrer Baumeister in Eglingen, nur für seine nächste Umgebung). Nagold: Stud. rer. nat. Schick in Gültlingen. Neuenbürg: Lehrer Stettner. Öhringen: Stadtpfarrer Dr. Gradmann in Fonhtenberg. 54Ü Ravensburg: früher Oberpräzeptor Maag ; jetzt Oberreallehrer Haug. Reutlingen: Oberreallehrer Offner. Riedlingen: Oberpräzeptor Wiedmann in Riedlingen und Apotheker Bauer in Buchau. Rottenburg: Lehrer Bizer in Thalheim. Rottweil: Prof. Eggler. Saulgau: Hilfslehrer Bertsch (zum Teil). Spaichingen: Pfarrer Sautermeister in Schörzingen . Stuttgart: Kustos Eichler. Sulz: Oberförster v. Biberstein in Rosenfeld. Tettnang: Kaplan Geiger in Tannau. Tübingen: Hofrat Mayer unter Mitwirkung von Lehrer Werner. Tuttlingen: Lehrer a. D. T. Scheüerle in Frittlingen. Ulm: Oberreallehrer Haug. Urach: Pfarrer Dieterich in Wittlingen. Vaihingen: Lehrer Stettner in Neuenbürg. Waiblingen: Präzeptor Riethmüller in Winnenden (zum Teil). Waldsee: früher Stadtpfarrverweser Hociistetter in W. ; jetzt Oberarzt Dr. Gross in Schussenried. Wangen: Kaplan Geiger in Tannau (zum Teil). Weinsberg: Seminarlehrer Wittmann in Lichtenstein. Hohenzollern : Hechingen: Reallehrer Lörch. Noch ganz unbesetzt sind die Bezirke : Gaildorf, Gera- bronn, Heilbronn, Ludwigsburg, Marbach, Neckarsulm. Neresheim, Nürtingen, Oberndorf, Schorndorf, Welz- heim, ferner sämtliche Bezirke Hohenzollerns mit Ausnahme von Hechingen. Die Herren Vertrauensmänner haben schon im verflossenen Jahr eine rührige Thätigkeit entfaltet und teils durch persönliche An- knüpfung, teils durch öffentliche Aufrufe in Lokal- und Fachblättern, sowie durch Vorträge in Vereinen für Beiziehung und Anleitung weiterer Mitarbeiter Sorge getragen ; in einem Bezirk (Blaubeuren) wurde eine besondere gedruckte Anweisung auf Kosten des dortigen Vereins für Naturkunde herausgegeben. Ausserdem haben sich auch noch weitere Kräfte , so namentlich der ehrwürdige Kämmerer Dr. Probst, jetzt in Biberach das otium cum dignitate geniessend, des Unternehmens mit eindringendem Verständnis und bestem Erfolg angenommen. Allen diesen Herren sei für ihre hingebende Thätig- keit schon jetzt der wärmste Dank gesagt. 54 1 — Mit den botanischen Vereinen von Bayern und Baden sind wir ebenfalls in Verbindung getreten und können nunmehr die er- freuliche Mitteilung machen, dass sowohl die Bayerische Bota- nische Gesellschaft zur Erforschung der heimischen Flora in München als auch der Badische Botanische Verein in Frei- burg beschlossen hat, entsprechende Unternehmen nach denselben Grundsätzen für Bayern und für Baden durchzuführen, hier unter Leitung des Herrn Prof. Dr. Scheid in Freiburg, dort unter Leitung von Herrn Dr. Neger in München. Wir dürfen uns daher wohl darauf Hoffnung machen, dass in den nächsten Jahren die botanische Kartierung des ganzen südlichen Deutschlands nach einheitlichen Grundsätzen zur Ausführung gelangt. Zur weiteren Orientierung für unsere Herren Mitarbeiter er- lauben wir uns noch folgende Bemerkungen beizufügen : 1 . Für den Abschluss der Erhebungen ist der Herbst dieses Jahres in Aussicht genommen ; die ausgefüllten Listen wollen thunlichst noch vor 1. Dezember 1900 eingesandt werden. '2. Es wäre besonders dankenswert, wenn die Herren Vertrauens- männer nicht allein ihrerseits Belegexemplare einfordern (An- weisung Ziff. 2), sondern solche auch an uns einsenden wollten. Wie uns von besonders hochgeschätzter Seite nahe gelegt wird, würden dadurch unsere Ergebnisse an wissenschaftlichem Gewicht wesentlich gewinnen. Pflanzensendungen können (auch unfrankiert) an jeden der beiden Unterzeichneten gerichtet und auf Wunsch zurück- gegeben werden. 3. Berichte über den Stand der Angelegenheit in den einzelnen Bezirken sind jederzeit willkommen. 4. Wir bitten eindringlich, unsere bisjetzt vergeb- lichen Bemühungen um eine geeignete Vertretung der noch unbesetzten Bezirke thatkräftig unterstützen zu wollen. Die pflanzengeographische Kommission : Kustos J. Eichler in Stuttgart, Stadtpfarrer Dr. Gradmann in Forchtenberg. Erklärung zu Tafel I. Abbildung in natürlicher Grösse. Anodonta cygnea L. subvarietas tenuissima m. Diese Übergangsform vom cygnea-Tyyus zu var. cellensis Schrot, zeichnet sich hauptsächlich aus durch Flachheit und abnorme Dünnschaligkeit, sehr hell- grüne glänzende Epidermis und glatte Oberfläche, sehr wenig markierte An- wachsstreifen , die ganz flachen , fein wellig skulptierten Wirbel und das wohl- erhaltene Schild. Das Vorderteil ist in seiner Entwickelung , wie bei der forma cellensoidea etwas zurückgeblieben und dadurch das charakteristische Merkmal für den cygnea-Tyyxis (der grösste Höhendurchmesser senkrecht unter dem Wirbel) nahezu verschwunden. Fundort: Weiher in Klingenbad bei Burgau in bayrisch Schwaben. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1900. Taf. I. Erklärung zu Tafel II. Abbildungen in natürlicher Grösse. Fig. 1. Anodonta cygneah. forma longirostris m. (extreme Form mit aussergewölmlich verlängertem Abdomen und etwas enge stellenden Jahres- ringen und Anwachsstreifen , jedoch unter Beibehaltung des charakte- ristischen Merkmals für den- cyv ' IT * ^ *:>£ ^W - , '.^-v *Ä.?4F * t. &! ■"*:*: -* ■ e-. f ' / v • > .v< v*w*- \* « .'** ; j*