-»^h»^ "^'S!^***^»'^ W^^^ :,^^'^ 'im ,>j, 'Vfi ■1^ pi^: i n^^ MjBjl ':ilk% ülPili w 1 fc^7 &y i9\ Bi^n ' '^t^" fe ^^pS^^ ^ ^m^m ViJf*C5 mmm Kfcl^ liiS^ PÄ^SS»"«** ISl^'s? ■dM ':t^:"H,HH»^: . ■ !S^^-'«^'^ i^:'«««^* « „,»»?> «KV.,,.. .10. t.aw*«».;«», ..;.: i««<:."^'' ■,i^r;^o ißmff: SUMATRANISCHER URWALD. AUF JAVA UND SUMATRA, STREIFZÜGE UND FORSCHUNGSREISEN IM LANDE DER MALAIEN VON Dr. K. GIESENHAGEH A. O. PROFESSOR DER KOTANIK AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN. MIT i6 FARBIGEN TAFELN UND ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXTE SOWIE EINER KARTENBEILAGE. 'K< "^f^ ^ f^c^**<^^,^>iy^i. LEIPZIG, DRUCK UND VERLAG VON B. G. TKUBNER. 1902. ALLE RECHTE, tiNSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 619 MEINEN FREUNDEN DEM GENERALKONSUL DES DEUTSCHEN REICHES IN BATAVIA HERRN F. VON SYBURG UND DEM DIREKTOR DES HOSPITALS DER DELl-MAATSCHAPPIJ IN MEDAN HERRN Dr. med. G. MAURER GEWIDMET. 125S^G VORWORT. Meine kleine Vaterstadt liegt inmitten einer reichen, wechsel- vollen Natur. Niedere, breitrückige Hügehvellen umschliefsen ein nach Norden sich weitendes, grünes Wiesenthal. An der einen Thalseite sind die Hänge und Rücken in Parzellen zerschnitten dem Ackerbau dienstbar gemacht, an der andern Seite aber beginnt unfern dem von Gärten umrahmten Städtchen an den Lehnen der Hügelketten ein prächtiger Hochwald, der sich unterbrochen durch einzelne mit kurzrasigem Gras und mit Heidekraut bedeckte Kuppen breit über das wellige Terrain hinzieht und im Süden selbst bis zum Thalboden hinabsteigt. Durch die südliche Thalenge fliefst von fern her kommend ein klares Bächlein; es windet sich von einer Doppelzeile kropfiger Weidenbäume begleitet durch Weide- land und Wiesengrün, treibt vor der Stadt, zum Teich aufgestaut, eine klappernde Mühle und schäumt über das Wehr hinab in hastigerem Laufe dem schimmernden See entgegen, der die nördliche Thiil- weitung zum gröfsten Teil erfüllt. Neben dem von hohem Röhricht umsäumten See, aus dessen Spiegel als Insel ein sagenumwobener Burgwall aus vorgeschichtlicher Zeit emporragt, breitet ein weites Moor sich aus, mit schwarzen Gräben und Gruben, auf deren be- wegungslosem Gewässer Teich- und Wasserrosen ihre Pracht ent- falten und der seltsame Wasserschlauch seine gelben Spornblüten auf hohem Schaft über Froschbifs und Wasserlinsen emporstreckt. Acker- und Wiesenland, an Tier- und Pflanzenleben reiche Ge- wässer, schwankender Sumpf- und Moorboden, sonnige Haideflächen abwechselnd mit quellenreichen Brüchen, und vor allem der schöne Wald, in dessen kühlen Schatten zur Sommerzeit so zahlreiche Blütensterne den weichen Moosgrund schmücken, in dem es Erd- beeren und Himbeeren giebt, an dessen Rändern Haselsträucher und Brombeeren zu dichten Hecken verwoben sind: — das ist das Gebiet, in dem wir Buben unsere schulfreie Zeit verbringen, in dem VI Vorwort. wir ungehindert nach Herzenslust umherschweifen durften und den tausend Wundem nachspüren, welche die ewig junge Natur den offenen Sinnen darbietet. Wir haben die Gelegenheit n^ich Kräften ausgenutzt. Was konnte es für uns Schöneres geben als gleich den Entdeckern und Forschungsreisenden, deren abenteuerreiche Fahrten in den Ur- wäldern ferner Länder uns unsere Jugendlitteratur in leuchtenden Farben schilderte, umherzustreifen in Wald und Flur und alles, was da lebt und webt mit Forscherblick zu untersuchen, in fern ab- gelegenen Waldwinkeln unter schattigen Blätterkronen, zwischen hohem Farnkraut unsern Lagerplatz aufzuschlagen oder im Tannen- dickicht eine Mooshütte zu bauen. Welchen Zauber hatte es für uns, in dem versteinerungsreichen Schotter der Kies- und Stein- gruben Petrefakten aufzusuchen, oder in den mit dichtem Gestrüpp verwachsenen Quelllöchern herumzuklettern, um dem Geheimnis des kleinen Rinnsals auf den Grund zu kommen, das von der Hügellehne herabkommend, sein Wasser dem Bache zuführt. Ich geniefse noch heute in der Erinnerung die grofse Freude, die wir empfanden, als wir im Felde, unter Busch und Gestrüpp, eine verlassene, mit Wasser gefüllte Thongrube entdeckten, in der es grofse gelbrandige Wasser- käfer gab und in der von Zeit zu Zeit ein Salamander auftauchte, um Luft zu schöpfen, und dann wie träumend bewegungslos in die Tiefe des trüben Wassers zurückzusinken. Tausend Wunder! Die Eindrücke, die ich so in früher Jugend empfangen habe, sind für mich sehr nachhaltig gewesen. Sie haben bestimmend auf meinen Lebensweg eingewirkt, und mit der Lust und Freude am Untersuchen und Forschen ist mir auch aus jenen Kindertagen der Wunsch überkommen, einmal hinausziehen zu dürfen in die weite Welt und die Wunder zu schauen, w^elche die üppigere Natur der heifsen Erdstriche in unerschöpflicher Fülle gebiert. Freilich die Anschauungen, die man im engen Waldthal der Heimat von den Zielen und Aufgiiben des Lebens gewinnt, können später in der grofsen Welt nicht ungeändert bestehen bleiben, und ich darf wohl von einem grofsen Glück sagen, das nur Wenigen beschert ist, wenn mir von den Idealen meiner Jugendtage genug geblieben ist, um mir meinen Lebensberuf nach langer Erfahrung und trotz mancher Enttäuschungen, auch heute noch, als den schönsten erscheinen zu lassen, den ich mir hätte erwählen können. Als eine ganz besondere Gunst des Schicksals aber mufs ich es betrachten, dafs es mir vergönnt war, meinen Jugend wünsch erfüllt zu sehen, Vonvort. VII hinausziehen zu können in die Tropenländer und in abenteuerreichen Fahrten Dschungel und Urwald zu freier Forscherarbeit zu durch- streifen. Es war gegen den Schlufs des Jahres 1898, als an mich die Anfrage erging, ob ich als Erster, ausgerüstet mit den auf den Vor- schlag der kartellierten deutschen Akademieen von der deutschen Reichsregierung bewilligten Mitteln, eine neunmonatliche botanische Studienreise nach dem malaiischen Inselreiche unternehmen wolle. Was ich dort treiben würde, war ganz meinem Ermessen überlassen, nur sollte ich, falls sich Gelegenheit bot, auch den tropischen Nutz- pflanzen und der Methode ihres Anbaues meine Aufmerksamkeit widmen und bei der Heimkehr Samen und lebende Pflänzlinge von solchen tropischen Nutzpflanzen, welche für unsere deutschen Kolonieen idlenfcills Bedeutung gewinnen könnten, vor allen Dingen lebende Guttaperchabäumchen mit nach Hause bringen. Für mich selber sollte die Tropenreise eine Gelegenheit sein, Materialien für wissenschaftliche Arbeiten einzuheimsen, Studien zu machen über wissenschaftliche Fragen, die nur in der Heimat der Tropengewächse erledigt werden können und vor allen Dingen zu sehen und zu lernen, durch eigene Anschauung sichere Vorstellungen zu gewinnen von dem Pflanzenleben der heifsen Länder, Vorstellungen, welche heute in der Botanik bei wissenschaftlichen Arbeiten in gleicher Weise, wie bei dem Unterricht, die Grundlage jedes tieferen Ver- ständnisses bilden müssen. Im Sommer 1899 waren meine Reisevorbereitungen beendet. Mit Schlufs des Sommersemesters begann der mir bewilligte neun- monatliche Urlaub, und ich konnte, nachdem ich meine Familie in Marburg bei lieben Verwandten untergebracht hatte, am 25. Juli von Genua aus die weite Reise antreten. Es ist nicht meine Absicht, den Leser dieses Buches mit den wissenschaftlichen Ergebnissen meiner Tropenreise in strenger Form bekannt zu machen; aber wer Auge und Ohr off"en hält, sieht auf einer solchen Fahrt Mancherlei, was ein allgemeineres Interesse hat und deshalb wohl der Aufzeichnung wert ist. Ich mufs dabei Eines bemerken. Vor meiner Reise habe ich viele Reisebeschreibungen gelesen, die sich mit dem Gebiet der Erdoberfläche beschäftigen, welches ich zu besuchen gedachte. Die Vorstellungen, die ich mir nach diesen Büchern von den Verhältnissen dort draufsen gemacht, entsprachen in manchen Fällen der Wirklichkeit nicht. War das die Schuld der Autoren? Ich denke nicht. Ein anderes Auge sieht VIII Vorwort. eben etwas anderes. In der mitgeteilten Beobachtung steckt ein subjektiver Kern. Wer mit dem Auge des Malers sieht, findet selbst die ödeste Wüste Wechsel voll und voller Leben, Stanley spricht von totem Urwald. Die Furcht vor Schlangen, Skorpionen, Tigern hat manchen Reisenden wirkliche Abenteuer erleben lassen, bei denen aber weder Schlangen noch Skorpione oder Tiger in Wirk- lichkeit eine Rolle spielten. So können auch meine Darstellungen nicht den Anspruch auf volle Objektivität erheben. Ich schildere die Dinge, wie ich sie mit meinen Augen gesehen, wie ich sie ge- schätzt und beurteilt habe, die Ereignisse, wie ich sie erlebt und empfunden. Meine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen sollen den Gegenstand der Darstellung bilden. Durch das Entgegenkommen der Verlagsbuchhandlung bin ich in Stand gesetzt, meine Erzählungen und Schilderungen mit einer reichlichen Anzahl von Abbildungen zu illustrieren. Zum Teil sind dieselben nach photographischen Aufnahmen hergestellt, welche ich selbst auf meiner Reise oder Andere für mich gemacht haben. Wo ich aber gute Aufnahmen von den Gegenden, die ich bereiste, durch Kauf oder Schenkung erhalten konnte, da habe ich die eigenen Platten gespart. Es giebt in Holländisch-Indien einige künstlerisch gebildete Photographen, welche Vorzügliches leisten. Vor allen möchte ich dankbar des deutschen Landsmannes C. J. Kleingrothe in Medan, Deli gedenken, der mir einige Aufnahmen von Urwald- scenerieen zum Geschenk machte, die in ihrer künstlerischen Wir- kung zu dem Schönsten gehören, was ich in dieser Art gesehen. Auch der Herr Nieuwenhuis in Pademg und die Firma Woodbury und Page in Batavia liefern eine reiche Auswahl sehr schöner Landschaftsaufnahmen, von denen ich einige als Illustrationen ver- wenden konnte. Für die vortreffliche Ausstattung meines Buches mit gutem Papier und sorgfältigem Druck weifs ich der Verlagsbuchhandlung aufrichtigen Dank. Ihrer Anregung verdankt auch die originelle Einbanddecke ihre Entstehung, welche in Farbe und Muster einem Teile eines malaiischen Sarongs nachgebildet ist. Möge das Buch dem Leser einen Teil des Genusses bereiten, welchen es mir gewährte, bei der Niederschrift die Reise noch ein- mal im Geiste zu durchleben. München, den 15. August igoi. K. Giesenhagen. INHALTSÜBERSICHT. Seite Vorwort V Von Genua bis Batavia i Buitenzorg 23 Durch die Preanger-Residentschaft zum Vulkan Gcdc 51 Nach Middenjava in die Vorstenlande 89 Quer durch Sumatra 115 Die Padangsche Bovenlanden 209 Nach Atjeh und Penang 2^;^ Das Tabaksland Deli 246 Heimkehr 297 VERZEICHNIS DER VOLLBILDER. 1. Sumatianischer Urwald (Titelbild). 2. Kerbaueiiheide im Gebirgsbacli ., 24 3. Canarienallee im botanischen Gar- ten zu Buitenzorg 26 4. Reisfelder in einem Flul'stlial. Westjava S^ 5. Arbeiter bei der J'lrnte in einer Tbeepflanzung 59 6. Dorf der Eingebornen an der Poststrafsc im Preanger. West- java 66 7. Urwaldvegelation mit Jiaumfarnen in einem Flufsthal . 70 8. Borobudur lOO Seite, 9. Die drei westlichen Hau]ittcm])el von Prambanan. In der iMitte der Siwahtem])el 105 10. Flufsraweine in Sumatra. ... 16 1 11. Flufsraweine in Sumatra. ... 170 12. Schlucht bei Padang Pandjang . 216 13. Das Thal des Silungkang bei Sungei lassi 221 14. Die Kerbauenschlucht bei Fort de Kok 225 15. Blick von der Penajung- Brücke zu Kota Radja in Atjeh . . . 236 16. Tabakspflanzimg in Deli. Ust- küste von Sumatra 262 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN IM TEXT. Seite I Seit.^ T. Im Hafen von Genua: .,Die letzte 3. Strafse im Chinesischen Viertel Trosse los!" i von Batavia 20 2. Chinesischer Rikscliahlviili in Sin- gapore 17 4. Das deutsche Generalkonsulat in Batavia X Vci/eiclmis der Abliildungcn im Text. Seite I 5. Häuser der Eingebonien im Obst- 1 34. baumwalde. Westjava .... 24 j 6. Eingeborne Frauen von Westjava | 35. beim Spiel 31 7. Malaienhäuser in Wcstjava ... 32, 36. 8. Spielende javanische Kinder . . 37 9. Javanische Tänzerinnen .... 41 ! 37. 10. Der Gamelang. Javanische Musik- 38. kapelle 42 39. 1 1 . Wajang. Schattenspiel der Ja- 40. vanen '^^ \ 12. Javanische Weberin 46 | 41, 13. Mas Mario 55 ! 42. 14. Kerbaucn])flug aufdem Keist'ekle. 43. Westjava .'ly ' 44- 15. Theepilanzungin Westjava. Frische | 45, Theeernte zum Welken in flachen Körben ausgebreitet 60 46. 16. Kafleeernte in Westjava. ... 63 47. 17. Javanische Kakaoarbeiterinnen . 65 48, 18. Pafshöhc der Strafse im I'reanger. Westjava 68 49. 19. Im Urwalde von Tjibodas ... 75 50. 20. Die Schutzhütte auf Kandang badak, 2400 Meter ü. M. . . , 80 51, 21. Am Krater des Vulkans Gede . 83 l 22. Der Krater des Vulkans Bromo ! 52, in Ostjava '^7 23. VomehmerJavancausDjokjakarta 89 53, 24. Javanen aus den Vorstenlanden beim Kartenspiel 95 54. 25. Reliefbilder am Buddhatenipel Rorobudur Iü2 55. 26. Blick vom Tempel Bornl)udur aiit die Thalcbene und das Menorch- 56, gebirge 104 27. Gru])]5c tanzender Frauen von der 57. Mauerverzierung der westlichen Tempel zu Prambanan .... 106 28. Skulptur von der Innenfläche der 58. Aufsenmauer an dem gröfsten Tempel zu Prambanan .... 108 59. 29. Wishnubild aus dem nördlichen 60, Tempel der westlichen Reihe zu 61. Prambanan HO 30. Steinfigur eines Tem])elwächtcrs 62, von Tjandi Sewu 114 63. 3 1 . Der Musistrom bei Palembang . i 1 c 32. Eine Kanalstrafse in Palembang. 123 ; 64. 33. „AI Norie" 127 65. .Seite Holzträger, welche die „AI Norie" mit neuem Brennmaterial versorgen 1 3 1 Dorf der Eingebornen mit Missi- git am Unterlauf des Lematang 132 Landschaft zwischen Merajii und Lahat mit dem Bukit Serilo . . 138 Der Benteng in Lahat 140 Eine Fähre über den Lematang. 142 Eine Brücke über den Lematang 143 Rast im Bambushain y.wischen Taba Sebintur und Bandar. . . 147 Passangrahan in Bandar .... 148 Dorfstrafse in Bandar 151 Dorfstrafse in Lebuan 156 Haus des Dorfhauptes in Lebuan 157 Das Haus des Ausgestofsenen in Lebuan 158 Dorfhaus in Tandjong Agung . 182 Flufsübergang bei Kembangsiri . 188 Unfreiwillige Rast im Urwalde. Die Pferde streiken 200 Am Fufs des Gebirges .... 207 Ein Wohnhaus im Padangschen Oberlande 209 Büfl"elkarren in der Residentschalt Padang 213 Vorstadtstralse in l^adang Pand- jang 215 Malaiisches Wolnihaus in dem Padangschen Oberlande .... 218 Missigit (Moschee) im Padang- schen Oberlande 219 Landschaft am östlichen Ufer des Meeres von Singkara 220 Gebirgsbahn in dem Padangschen Oberlande 220 Baley , Versammlungshaus einer Dorfgemeinde im I'adangschen Oberlande 227 Obstverkäuferinnen vom Markt zu Pajakombo 228 P^ingang der Kloof van llarau . 230 Strand bei Oleh-leh in Atjeh . . 23s Altes Grabdenkmal in dem Kra- ton, Kota Radja in Atjeh . . . 23O Alte malaiische Grabmäler in Atjeh 239 Fermentierscheune einer Tabaks- pflanzung in Deli 255 Ein Battakerhaus in Deli ... 263 Battakcrfnui und Kinder. . . . 264 VON GENUA BIS BATAVIA. Am Morgen des 25. Juli i8gg betrat ich in Genua die Preufsen, das schmucke Schiff des Norddeutschen Lloyd, welches mich über das ]Meer tragen sollte zu den Wundern der Tropenwelt. Der Ab- schied von denen, die mir lieb sind in der alten Heimat, lag hinter mir, von nun an brachte mich jeder Tag dem frohen Wiedersehen nach wohl vollbrachter Fahrt näher. Also hiefs es, den Blick voraus gerichtet und frohen Mutes der verheifsungsvollen Zukunft entgegen. Gegen 10 Uhr am Vormittag Avurden die Vorbe- reitungen für die Abfahrt getroffen, und nachdem auch die letzte Trosse, die uns noch mit dem heimischen Festlande verbunden hatte, von den Hafenarbeitern losgeworfen worden war, begann die Schiffsschraube ihre Umdrehungen, und erst langsam, allmählich schneller glitt das stolze Schiff frei über die Wasserfläche dahin an den Molenköpfen vorbei ins Meer hinaus. Von dem ersten Tage der Seereise sind mir nicht viele be- stimmte Eindrücke geblieben. Wir kamen an felsigen Eilanden vorbei, sahen ein Vorgebirge von Korsika und Elba in der Ferne, ■die flache Insel Pianosa und der schroffe Granitblock von Monte Giesenhagen, Java und Sumatra. I Im IlaffH Toii Crinia: ,,Dic letzte Trosse los 2 Von Genua bis Bataviu. Cristo tauchen auf und versanken hinter uns am Horizont. Im übrigen nahm mich die nächste Umgebung in Anspruch, die zahlreichen neuen Gesichter der Fahrtgenossen, die Schiffseinrichtungen, das Leben und Treiben an Bord, die vielen und reichlichen Mahlzeiten. Kaum blieb mir bei alledem die Zeit zum Briefschreiben und zum Abschlufs eines Mimuscriptes, dessen Einsendung vor der Ausreise ich der Teubnerschen Verlagsbuchhandlung zugesagt hatte. In dem Drange der Ereignisse überwand ich leicht das Unbehagen, das mich zuerst bei dem Schaukeln des Schiffes in dem bewegten Meere überkam. Die eigentliche Seekrankheit habe ich nicht kennen gelernt. Ein unvergefslich schönes und lebensvolles Bild bot mir am. nächsten Tage der Aufenthalt im Hafen von Neapel. Kaum fest- gelegt war unser Schiff von zahlreichen Booten umringt. Gesang zu Guitarren- und Lautenklang mischte sich mit den Rufen der Händler, die von Booten aus Obst und Blumen und andere Handelsobjekte anpriesen, und mit dem Geschrei der Bootsleute, die für ein paar Centesimi die Passagiere vom Schiff ans Festland bringen. Unser Schiff blieb bis zum späten Abend im Hafen, so hatte ich ausreichend Gelegenheit das schöne und oft gepriesene Landschaftsbild von Bord des Schiffes aus in wechselnden Farben zu geniefsen, bis endlich der in Dämmerung gehüllte, lichterblitzende Golf und der Vesuv mit seiner Rauchwolke, hinter dem der Mond langsam heraufzog, den Blicken entschwand. Als ich in der Morgenfrühe des folgenden Tags nach dem Bad am Deck erschien, waren schon als Vorläufer der sicilianischen Küste der Vulkan Stromboli und die liparischen Inseln in Sicht. Gegen Mittag passierten wir die Strafse von Messina, in der uns ein von Australien heimkehrendes Lloydschiff, die Gera begegnete. Flaggengrufs und Tücherwehen auf beiden Seiten, die Schiffskapelle spielt eine lustige Weise, wie in einem Wandelpanorama gleitet Alles vorüber. Auch die kahlen, felsigen Ufer der Meeresenge verschwanden hinter uns, und wir kamen ins offene Meer hinaus. Im Abendnebel versank allmählich der letzte schmale Küstenstreifen, aber noch lange sahen wir schwaches Wetterleuchten am nördlichen Horizont, wie einen letzten Grufs des heimischen Kontinentes. Vor uns im offenen Meer stieg der Mond empor, derselbe alte IVIond, den wir von Kind auf kennen. Wie ein Beruhigungszeichen erhob er sich langsam und majestätisch in schönster Pracht über den glitzernden Wogen, als ob er uns darthun müfste, dafs wir trotz Das Leben an Bord. -i des Abschiedes von Europa, der wohl manchem unter den ]\Iit- fahrenden das Herz bewegte, immer noch in derselben alten, kleinen Welt seien, die seit dem ersten Lebenstage unsere Heimat ge- worden. — Der Freitag und der Samstag, die nun folgenden Tage, brachten rechte Oceanstimmung. Abgesehen davon, dafs am ersteren gegen Abend ein Dunststreifen im Norden uns die Südküste von der Insel Kreta andeutete, war nichts zu sehen als Himmel und Wasser. Man lebt auf einem grofsen Oceandampfer wie in einem Hotel im See- badeort. Ich nahm regelmäfsig frühmorgens vor 6 Uhr mein Bad. Dann folgte nach dem Morgenkaffee mit frischen Weifsbrödchen ein Morgenspaziergang auf dem Promenadendeck. Bis zum ersten Frühstück blieb daneben immer noch ein Stündchen für Tagebuch und Briefschreiben übrig. Manche Passagiere lieben es, bis in den hellen Tag hinein zu schlafen, allmählich während die Sonne höher steigt kommen mehr und mehr von ihnen zum Vorschein, die Meisten nach dem energischen Weckläuten, das der Steward um y^8 Uhr vor den Kabinen ertönen läfst. Um 8 Uhr ruft dieselbe Klingel zum ersten Frühstück. Die Reihen im Speisesaal weisen noch einige Lücken auf, aber die Meisten sind doch von Hunger ge- trieben bereits aus den Betten. Es ist schier unglaublich, wie das Nichtsthun und die frische Seeluft den Appetit befördern, und die Schiffsköche des Norddeutschen Lloyd wissen diesem Umstände in vorzüglicher Weise Rechnung zu tragen. Zu jeder Mahlzeit be- kommt man eine reiche Auswahl vortrefflich zubereiteter Speisen vorgesetzt. Schon zum ersten Frühstück giebt es aufser dem Gries- brei oder Milchreis gebackene Fische, Eierspeisen, irgend ein kon- sistentes Fleischgericht. Neben feinen Semmeln ist Schwarzbrot, Graubrot und Weifsbrot stets frisch zu haben. Als Getränk wird Kaffee, Thee, Kakao nach Wunsch serviert. Entsprechend reich- lich ist die Tafel um 12 Uhr zum Gabelfrühstück und abends %; Uhr zur Hauptmahlzeit besetzt. Als Getränk ist aufser den verschiedensten Weinmarken frisches auf Eis gekühltes Bier vom Fafs zur Verfügung. Und damit man in der Zeit zwischen den Meihlzeiten nicht aus der Übung kommt, werden kleine Zwischenmahlzeiten eingeschoben. Gegen 10 Uhr früh und spät präsentiert der Steward an Deck appetitliche Butterbrödchen mit Käse, Wurst, Schinken, Rauch- fleisch, Rauchzunge, Lachs, Sardinen oder ähnlichen Leckerbissen, und am Nachmittag um 4 Uhr wird ein Kaffeestündchen gehalten, zu dem der frische Zwieback oder Kuchen nicht fehlen darf. A Von Genua bis Bata^■ia. Eigentlich nehmen so die Mahlzeiten die grofste Zeit des Tages in Anspruch. Was übrig bleibt, ist leicht mit Spazierengehen, mit Plaudern ausgefüllt; wer lesen mag, findet in der Schiffsbibliothek genügend Unterhaltungslektüre; auch für allerlei Bewegungsspiele und Leibesübungen ist an Deck Gelegenheit geboten; und am Abend, wenn die elektrischen Lampen das Promenadendeck und die Salons erhellen, erscheint die Schiffskapelle, um lustige Weisen zu spielen. Es ist erstaunlich, welch hohen Komfort, welche Summe von Ver- lockungen zum Nichtsthun man auf den Schiffsplanken zu vereinigen gewufst hat. Für regelmäfsige Arbeit ist in der Tageseinteilung nur wenig Raum, das hatte ich besonders am ersten Tag der Reise gemerkt, als ich genötigt war, eine Schreibarbeit abzuschliefsen. Ich konnte aber doch immer die Morgenstunde ungestört für meine Zwecke verwenden, und auch den Tag über fand sich gelegentlich ein Stündchen, um einen Blick in die malaiische Grammatik zu werfen, die ich stets in der Tasche mit mir herum trug. Am Sonntag, den 30. Juli, erreichten wir wiederum Land. Bald nach 6 Uhr früh schon tauchte die flache, mit Häusern besetzte afrikanische Küste am Eingang des Suezkanals im Süden vor uns auf. Man sah bald die langarmigen Baggermaschinen, mit denen der stets nachrückende Wüstensand aus dem Kanalbett wieder entfernt wird. Zcihlreiche Segelboote belebten das Wasser vor dem Hafen. Gegen 8 Uhr legten wir im Hafen fest. Eine Schaar schwarzer, muskulöser Gestalten kletterte alsbald mit grofser Behendigkeit aus einem herangeruderten Kohlenprahm an Bord, um den Kohlenvor- rat unseres Schiffes zu ergänzen. Um dem Staub, den sie in dicken, schwarzen Wolken aufwirbelten, auszuweichen, ging ich mit andern Passagieren an Land. Die Stadt Port Said ist ziemlich regelmäfsig gebaut und besteht in dem Europäer-Viertel aus geraden Reihen stattlicher Häuser mit Veranden und Holzläden. Das Strafsenleben zeigt recht orientalisches Gepräge. Ernste, bärtige Araber mit turbanbedecktem Haupte ziehen würdevoll gemessen ihres Weges. Braune Jungen mit Fez und Kaftan und mit einem Blechschild am Arm bieten ihre Dienste als Schuhputzer an. Ein ägyptischer Polizeimann fährt zu Rad an uns vorüber. Neben den barfüfsigen Hafenarbeitern sitzen tiefverschleierte IMohamedanerinnen, Augen- kranke und bettelnde Krüppel. Eine Trambiihn mit den merk- würdigsten Passagieren überfüllt durcheilt die sonnige Strafse. Der Trambahnkutscher ist barfufs, er trägt als Uniform einen leinenen Port Said. c Kaftan von zweifelhaftem Weifs und auf dem Haupte einen roten Fez. Der Kondukteur ist ebenso kostümiert. Auch Droschken sind zu haben, und Eseltreiber empfehlen ihre Reittiere. Halb- wüchsige braune Burschen wollen sich als Führer aufdrängen und stellen uns allerlei Genüsse der zweifelhaftesten Art in Aussicht. Verkäufer bieten Fächer, Straufsenfedern, Streichhölzer, Photo- graphien, Ansichtspostkarten und sonstigen Kram in englischer, deutscher, französischer, italienischer Sprache zu hohen Preisen an. Vor jedem der zahlreichen Restaurants weifs ein dunkelfarbiger Kerl die verlockendsten Redensarten zu verschwenden, um uns zum Eintritt zu bewegen. Besonders häufig hört man im merkwürdigsten Deutsch die Aufforderung: „Kapitän, kommen Sie rein, anderes Kamerad ist auch schon da". Wir gingen unbekümmert um alles Geschrei mit der Ruhe und Würde, die uns an den Arabern impo- nierte, durch das farbige Gesindel und kehrten, nachdem wir einige Strafsen gesehen und in einem besseren Restaurant unsern Durst gestillt hatten, zum Schiff zurück. Trotz der unmittelbaren Nähe des Meeres ist hier das Land dürr und unfruchtbar. In einzelnen Strafsen waren Akazien als Alleebäume angepflanzt, im Vorhof eines Hauses stand ein Eibischstrauch mit leuchtend roten Blüten neben einer halbverdorrten Kasuarina. Rings um die Stadt an der vom Wasser abgew^endeten Seite dehnt sich die sandige Wüste. Der Aufenthalt von wenigen vStunden hatte genügt, um die Kohlenbunker des Schiffes neu zu füllen, noch zur Mittagzeit wurden die Anker gelichtet, und unter den Klängen eines von der Schiffskapelle gespielten Marsches ging es langsam an dem palast- artigen Gebäude der Kanaldirektion vorbei in das enge Fahrwasser des Suezkanals hinein. Die Strecke des Suezkanals, welche wir bis zum Abend durch- fuhren, ist nicht ohne Abwechselung und Reiz. Nach Westen hin sieht man über die Sanddünen des Kanalufers hinweg den grofsen Mensaleh-See, dessen flaches Gewässer von Booten mit eigentüm- lich geformten, mit einer dreieckigen Spitze hochaufragenden Segeln belebt ist und von zahllosen Wasservögeln, Reihern und Möven be- völkert wird. Gegen Osten erstreckt sich schier endlos die Ebene von Tineh, ehemaliger Meeresboden, deren gelbbrauner Sand an manchen Stellen mit einer schimmernden Salzkruste bedeckt ist. Von Zeit zu Zeit erhebt sich in der Ferne eine braune Wolke senk- recht empor, ein Sandwirbel. Diese sandgeformten Tromben stehen scheinbar still auf einem Fleck, bis sie sich auflösen. Über dem A Von Genua bis Batavia. Horizont erscheint wolkenähnlich die Yatu morgana meist in Gestalt von bewaldeten Inseln mitten im Meer. In scharfen Gegensatz zu der farbenarmen Umgebung des Kimals stehen die Stationsgebäude, die in grofsen Zwischenräumen an dem Ufer verteilt sind. Es sind die Wohnungen der europäischen Aufsichtsbeamten, freundliche Häuser mit rotem Ziegeldach und farbigen Läden, umgeben von einem grünen Gärtchen mit Akazienbäumen und blühenden Eibisch- büschen, zu denen sich manchmal noch graugrüne Kasuarinen und Bambushalme (Arundo) oder eine struppige Dattelpalme gesellen. Streckenweise begleitet den Kanal an seinem westlichen Ufer in nächster Nähe die Eisenbahn, welche nach Ismailia und Suez führt. Gegen Abend fuhren wir in ein seeartiges Becken ein. Die schnell hereinbrechende Dunkelheit verhinderte mich, den Wechsel der Scenerie weiter zu verfolgen. In Suez, das die „Preussen" am frühen Morgen des nächsten Tages erreichte, wurde nur die Post ausgewechselt, und unser Schiff fuhr ohne Aufenthalt in das Rote Meer hinaus. Zunächst ist das Fahrwasser noch schmal wie eine Meerenge, man sieht im Golf von Suez vom Schiff aus beide Küsten, die sich gegen das Flachland am Suezkanal durch hohe Bergzüge auszeichnen. An der afrika- nischen Küste erstrecken sich die wenig gegliederten Randgebirge der arabischen Wüste. Im Osten aber, auf der Halbinsel Sinai zeigt sich ein schönes Alpenland, das sich aus gewaltigen, zer- klüfteten Felsmassen hinter wallartigen Vorbergen aufbaut. Von Vegetation macht sich keine Spur bemerkbar. Die Farbe der Bergketten und Felsklippen hat einen eigenartig gelbrötlichen Ton, der zu dem leuchtenden Himmelsgewölbe und zu dem Tiefblau des Meerwassers einen starken Kontrast bildet und an Hildebrandtsche Aquarelle erinnert. Das Fahrwasser ist im südlichen Teil des Golfes von Suez, wenn man von Norden kommt, nicht ganz ungefährlich, weil keine Landmarken oder Leuchtfeuer den Schiffer vor den sub- marinen Klippen warnen, welche hier die freie Fahrt behindern. Auf einer solchen Klippe, die östlich von unserm Kurse lag, sahen wir das Wrak eines grofsen Oceandampfers, des „Alarkobrunner", der, wie man mir sagte, auf seiner ersten Reise hier verunglückte. Sobald die Südspitze der Halbinsel Sinai passiert war, nahm unser Schiff seinen Kurs mehr ostwärts, so dafs wir bald auch die afrikanische Küste eius den Augen verloren, und dafs unser Ge- sichtskreis bis zum Horizont von Himmel und Wasser gebildet war. Das Leben des Meeres wird in dem wärmeren Klima allmäh- Leben des Meeres. -7 lieh etwas lebhafter. Bisher hatte ich aufser den Fischen, die ge- braten oder gebacken auf unsern Tisch kamen, und aufser einigen Delphinen im Suezkanal nichts von den Meeresbewohnern bemerkt. Jetzt tauchten zahllose fliegende Fische auf. Die kleinen, weifsen Tierchen treten seitlich vom Schiff meist zu mehreren gleichzeitig aus einer Welle hervor und schiefsen eine lange Strecke weit gerad- linig und mit gleicher Geschwindigkeit neben einander über das Wasser diihin. Man kann nicht erkennen, ob sie die Flugflossen bewegen, oder ob sie nur schweben. Bisweilen scheint es, als ob sie sich im Fluge heben, um über einen Wellenkamm hinweg zu setzen. Wir passierten in dem roten Meer öfters einzelne Meeres- stellen, in denen das sonst tiefschwarzblaue Wasser ganz hellgrün aussah. Auf der „Back" unmittelbar über dem Bug des Schiffes stehend, konnte ich mit dem Glas konstatieren, dafs die grünen Wasserflächen von dichten, staubfeinen, gelblichen Massen, wahr- scheinlich Planktonalgen bedeckt sind. Die grüne Farbe der Meeresstellen entsteht also wohl durch Farbenmischung; oder sollte an diesen Stellen die natürliche Farbe des Meerwassers zum Vor- schein kommen, weil der Reflex des Himmels durch die Algen- decke aufgehoben w^rd? Während ich auf der Back die Erschei- nung zu ergründen suchte, kamen urplötzlich von allen Seiten Del- phine herbeigeschossen. Alle eilten auf den Bug des Schiffes zu, ordneten sich dort wie auf Kommando zu einer Reihe quer zur Fahrtrichtung und schwammen mit grofser Hast vor dem Schiff her. Von Zeit zu Zeit brach einer aus der Reihe hervor um seinen eleganten Luftsprung zu machen, ein prächtiges Bild von Kraft und Gewandtheit. Die muskulösen, fast walzenförmigen Körper der Tiere mochten gegen zwei Meter lang sein, ihre Färbung erschien mir im Wasser schwärzlich. Nach kurzer Weile verschwand der Schwärm, wie er gekommen war. Des Abends hatten wir bisweilen Gelegenheit, das Meeresleuchten zu beobachten. Ein wirkliches Leuchten der ganzen Meeresfläche habe ich kein einziges Mal ge- sehen, es soll, wie mir erfahrene Seeleute versicherten, eine sehr seltene Erscheinung sein. Dagegen sah ich mehrmals, die durch die Schiffsbewegung erzeugten Wellen in einen leuchtenden Streifen verwandelt, und ein partielles Meeresleuchten war in den indischen Meeren eigentlich allabendlich wahrnehmbar, wenn man das Wasser beobachtete, das von der Schiffspumpe als Kühlwasser gehoben an der Längsseite des Schiffes ununterbrochen aus dicken Röhren hervorströmt. Tausend grünlich oder bläulich funkelnde Lichtpunkte 3 Von Genua bis Batavia. oder leuchtende Scheiben blitzen in der Schaumwelle auf, um nach kurzem Glanz zu verschwinden und andern Sternen den Platz zu räumen. Vielleicht ist die stärkere Bewegung des Wassers, die dadurch veranlafste Berührung mit dem Sauerstoff der Luft eine Vorbedingung für das Zustandekommen der Erscheinung. Bei einer nächtlichen Bootfahrt an der Küste von Sumatra sah ich später einmal die Wasserstellen, an denen meine Ruderer ihre Ruder ein- getaucht hatten, für kurze Zeit in leuchtende Flächen verwandelt, während im' Übrigen die Meeresfläche schwarz und glanzlos mich umgab. Die viertägige Fahrt durch das rote Meer ist derjenige Teil der Ausreise, durch den der Europäer zuerst mit der echt tropischen Hitze bekannt gemacht wird, besonders, w^enn er, wie ich, im August diese Gegend durchfährt. Wir hatten, als wir Suez passierten, am Morgen gegen 6 Uhr schon 26" Celsius, und von da ab stieg die Temperatur Tag und Nacht continuirlich mit geringen Schwankungen im Lauf dreier Tage bis auf 34". Von der physiologischen Wirkung der Tropenhitze im Roten Meer sind vielfach übertriebene An- schauungen verbreitet. Zunächst schien mir die Temperatursteige- rung wenigstens auf die jüngeren Reisegenossen entschieden an- regend zu wirken; am ersten Abend wurden unter grofsem Gelächter allerlei fidele, gesellschaftliche Spiele betrieben, sogar geturnt und zur Abendmusik getanzt; an den folgenden Tagen war aber doch Jeder froh, wenn er keine besondern Anstrengungen zu machen hatte. Um den Aufenthalt im Salon während der Mahlzeiten er- träglicher zu machen, waren über den Speisetischen die Punkhas angebracht worden, kurze an langen Stangen aufgehängte Vorhänge, welche mittels eines Seiles von aufsen durch einen Schiffsjungen in pendelnde Bewegung versetzt werden und den am Tische Sitzen- den angenehme Kühlung zufächeln. Um auch in den Schlafkabinen eine Luftbewegung zu erzeugen, werden blecherne Windfänge aus den Fensteröffnungen herausgesteckt, welche den durch die Schiifs- bewegnng erzeugten Luftstrom ins Innere leiten. Wenn aber das südwärtsfahrende Schiff ungefähr die gleiche Geschwindigkeit be- sitzt, wie die schwache Luftströmung aus Norden, wenn, wie man zu sagen pflegt, das Schiff den Wind tot läuft, so ist diese Ein- richtung nutzlos und der nächtliche Aufenthalt in der Kabine hält dann so ziemlich die Mitte zwischen dem Aufenthalt in einem rö- mischen Trepidarium und einem russischen Dampfbad. Das dem Meere entnommene Badewasser hatte etwa 30", so dafs auch das Im roten ^leer. q IMorgenbad wenig Erfrischung bot. Zu allem klimatischen Ungemach kam noch ein Sandsturm, der am Mittag des 2. August unser Schiff erreichte und alles mit einer hohen Staubschicht belegte. Im süd- lichen Teil des roten Meeres machte sich eine Brise von vorne bemerkbar, welche die Temperatur angenehmer erscheinen liefs, obwohl zunächst noch das Thermometer ^^^ zeigte. Am 4. August passierte unser Schiff eine Reihe felsiger Eilande, die zum Teil fast senkrecht aus dem Wasser aufsteigen; so die Insel Djebel Tair, die bald mit einem Leuchtturm geschmückt sein und damit dem Fahrwasser einen Teil der Gefährlichkeit nehmen wird, das es jetzt für die Schiffahrt besitzt, — ferner die Felsengruppe der „zwölf Apostel", in deren Nähe der bei den Schiffern berüchtigte Avocetrock liegt, eine submarine Klippe, deren Oberfläche etwa 17 Fufs tief unter dem Wasser liegt, tief genug", um die Gefahr unsichtbar zu machen, aber nicht tief genug, um gröfseren Schiffen besonders bei bewegter See die Überfahrt zu ermöglichen. Die Lage des Felsen ist genau bekannt und in den Seekarten ein- gezeichnet, so dafs es bei klarem und ruhigen Wetter leicht ist, die gefahrdrohende Stelle im Bogen zu umschiffen. Es folgten noch weitere Inseln und Klippen, deren Gefährlichkeit auch für den Nichtseemann leicht aus der Zahl der Schiffswracks ersichtlich war, die wir mit dem Femglase, zum Teil auch mit unbewaffnetem Auge im Vorbeifahren an ihren Steilküsten erkennen konnten. Als ich am Freitag, den 4. August, früh nach dem Bad an Deck erschien, war die Luft merklich abgekühlt. Seitlich von der Fahrtrichtung des Schiffes war eine Küste mit bizarren Bergformen sichtbar, die südlichste Spitze der arabischen Halbinsel. Wir hatten in der Nacht die Strafse Bab el Mandeb passiert, und unser Schiff lief nun mit nordöstlichem Kurs auf Aden zu. Die Bergformen dieser Küste sind sehr wechselvoll. Neben massigen Blöcken er- heben sich steile Nadeln und scharf gespitzte Pyramiden. Die Phan- , . tasie der Seefahrer sieht in der Plastik dieser Berge allerlei Figuren. "^ ^ Ein schlafender Riese wurde mir gezeigt, und eine Hand mit zum Himmel gerichtetem Zeigefinger. Kurz nach dem Frühstück warf unser Schiff auf der Rhede vor Aden die Anker aus. Wir waren bald von den kleinen Booten der Negerbuben umschwärmt, welche mit Antilopenhörnern, Sägefisch- Sägen und anderen ähnlichen Raritäten handeln und um Bcikschisch betteln oder Taucherkünste produzieren wollten. Diese Somalijungen sehen recht hübsch aus. Ihre Haare sind bisweilen ganz blond. j Q Von Genua bis Batavia. ihre Hautfarbe ist ziemlich hellbraun, besonders fallen ihre grofsen, sanften Augen und die blitzend weifsen Zähne auf. Ihre Gesichts- züge haben nicht die abschreckende Häfslichkeit anderer afrika- nischer Negertypen, Übrigens waren in den Booten, die unser Schiff umdrängten, auch reichlich Neger mit dunklerer Hautfarbe und kohlschwarzem Kraushaar vertreten. Auch Araber und Juden kamen ans Schiff und schliefslich, nachdem die Passage freigegeben war, auch an Bord, um mit Straufsenfedern zu handeln oder Geld zu wechseln. Da das Schiff zur Ergänzung des Kohlenvorrates vier Stunden Aufenthalt machte, so konnte ich eine kurze Tour an Land unter- nehmen. Ich stieg mit mehreren Mitpassagieren in ein Somaliboot, das uns schnell und sicher an Land brachte. Dort begrüfste uns ein Polizeimann und hielt uns die schwarzen Rangen vom Hals, welche mit vielem Geschrei ihre Führerdienste anboten. Wir nahmen uns zu je vier eine Droschke, um nach den weltberühmten Cisternen hinauszufahren, die diesen öden Weltwinkel überhaupt erst zu einem längeren Aufenthalt für Menschen geeignet gemacht haben. Die kleinen Pferde vor unsern Wagen rannten im Galopp die sehr schön gehaltene Strafse entlang und brachten uns an Neger-, Araber- und Judenhäusern vorbei, an langen Zügen hoch- bepackter Kamele, an Karavansereien vorüber, in denen Hunderte von Kamelen und Treibern im Hofe lagerten, hinaus in das schlucht- artige Gebirgsthal, welches die Engländer mit ungeheuren Kosten und mit einem kolossalen Aufwand an Cement und Hausteinen in eine Reihe riesiger Bassins verwandelt haben. Unter der Führung eines dort postierten Polizisten konnten wir zu Fufs durch die grofs- artige Anlage schreiten. Jetzt waren die Cisternen fast alle leer. Man erwartete im nächsten Monat den Regen, der sie neu mit dem kostbaren Nafs füllen sollte. In der Umgebung der Tanks sind Sträucher und Bäume an- gepflanzt, welche sorgfältig gepflegt und begossen werden. Es wird aber wohl noch lange dauern, bis eine einigermafsen anstän- dige Vegetation zustande kommt. Nur ein einziger Feigenbaum tief im Innern der Schlucht machte den Eindruck eines selbstän- digen und natürlichen Gewächses, alles andere waren künstlich und kümmerlich am Leben erhaltene Pfleglinge der Menschen, Die freie Vegetation der felsigen Küste ist bei der Regenarmut selbst- verständlich sehr dürr und artenarm. Ich sah nur vereinzelte niedere Sträuchlein, eine dornige Akazie, eine Capparidee mit gelben Blüten Aden. I j und eine Euphorbiacee mit grofsen, etwas lederigen Blättern, welche in Form und Gröfse an die Blätter unserer Syringen erinnerten. Auf dem Rückwege fuhren unsere Wagen einen anderen Weg durch zwei lange, in den Fels gehauene Tunnels mit künstlicher Beleuchtung. Wir waren froh, als wir durch den Staub aus der relativen Finsternis wieder ins Tageslicht kamen, und kehrten nach einem kurzen Aufenthalt in einem Restaurant, in welchem uns Limonade mit Eis serviert wurde, zu unserm Schiff zurück. Unsere Somaliruderer sangen während der Arbeit des Ruderns einen Wechselgesang, von dem wir die eine Partie bald mitsingen konnten, weil sie nur darin bestand, in Zwischenräumen zur rechten Zeit einfallend „Höh" zu schreien. Das besorgten wir denn auch zur unbändigen Freude der braunen Jungen sehr prompt und kamen so zum Gaudium der übrigen Passagiere unter lautem „Hoh"-Geschrei gegen 12 Uhr rechtzeitig wieder an Bord. Während wir noch bei Tisch safsen, steuert unser Schiff schon in den Golf von Aden hinaus. Hier waren Wind und Wetter zuerst ganz angenehm. Die grofse Hitze, die uns im Rothen Meer be- lästigte, hatte nachgelassen. Alles freute sich der behaglichen Temperatur. Gegen Nachmittag aber fing die See an, etwas un- ruhiger zu werden. Wir befanden uns wohl vor der Meerenge, welche die Insel Sokotra von dem Kap Guardafui trennt und be- kamen durch dieselbe den vom Südwestmonsun verursachten vSee- gang. In der Nacht zum Sonntag passierten wir die Insel Sokotra und kamen nun in den offenen Ocean hinaus, in welchem der Monsun ganz gehörig pfiff. Mein Bad am Sonntag früh war die reine Wellen- badschaukel. Bei Tisch im Speisesaal blieb mancher Platz leer. Auf dem Tische lagen über dem Tafeltuch die „Tischrecks", feste Leisten, welche verhindern sollen, dafs Teller und Flaschen durch einander kollern. W^ie nötig diese Einrichtung war, merkte man an dem unausgesetzten Geklirr und Geklapper; ab und zu stürzte auch wohl einer der bedienenden Stewards mit einer Platte oder mit leeren Tellern. Es sind heitere Mahlzeiten, bald schwebt man hoch über dem Tisch, bald kommt einem die ganze Mahlzeit von oben her entgegengerutscht. Das Meer war während des kräftigsten Seeganges wirklich be- zaubernd schön. Ich habe kmge Stunden in meinen Gebirgswetter- mantel gehüllt an der Windseite des Schiffes gestanden und dem Spiel der Wogen zugeschaut. Alles ist Schaum und Gischt. Wie Berge wälzen sich die weifsgekrönten Wogen gegen das hochauf- I 2 Von Genua bis Batavia. bäumende Schiff heran. Ab und an spritzen die Wassermassen hoch empor und schlagen über Bord hinauf, jeden Unvorsichtigen ohne Gnade bis auf die Haut durchnässend. Und im Abenddunkel erst gewinnt die Erscheinung besonderen Reiz. Gespenstisch leuchtend in unsicheren Umrissen schleicht es in dem Getöse aus dem nächtlichen Dunkel heran, unaufhaltsam, ohne Aufhören, um im Lichtkreis der elektrischen Deckbeleuchtung aufwallend zu zer- stieben. Im bequemen Bordstuhl sitzend, vom Schaukeln des Schiffes in einen behaglichen Halbschlummer gewiegt, liefs ich gern diese gewaltigen Eindrücke bis in die Nacht hinein auf mich einwirken. Merkwürdig zahlreich zeigen sich bei diesem Wetter die fliegenden Fische. Schaaren zu Hunderten tauchen mit einem Male aus den Wogen auf und fliegen alle in derselben Richtung schräg rückwärts zur Fahrtrichtung des Schiffes davon, um nach kurzem Fluge wieder in den Wellen zu verschwinden. Am Montag erreichten Wind und Seegang ihren Höhepunkt. Von da ab trat allmählich eine Ab- nahme ein. Am fünften Tage nach der Abfahrt von Aden passierten wir nachmittags die zwischen den Lakkadiven und Maladiven ge- legene Insel Minikoi, die mit dem Fernglas als ein dicht bewaldetes Flachland erscheint und an der Südwestküste einen hohen weifsen Leuchtturm trägt. Am lo. August abends gegen g Uhr kam das intermittierende Leuchtfeuer von Colombo in Sicht. Wir näherten uns schnell dem Lande und fuhren unter Lotsenassistenz in völliger Dunkelheit in den Hafen ein, in dem die zahlreichen Lichtpunkte an allen Seiten erkennen liefsen, dafs eine gröfsere Anzahl von Schiffen um uns lag. Die meisten Passagiere gingen, sobald das Schiff fest lag, an Land, um wieder einmal auf festem Boden zu übernachten. Das Grand Oriental Hotel, welches nahe bei der Jetty (Landungsbrücke für Boote) liegt, bot für uns Alle Platz genug. Nachdem ich i6 Tage lang die enge Schiffskabine bewohnt, schien mir das hallenartige Hotelzimmer mit seinem Balkon und das indische Bett mit dem Moskitennetz von riesenhaften Dimen- sionen, was mir aber den behaglichen Genufs ungestörter Nacht- ruhe nicht im mindesten beeinträchtigte. Am Freitag Morgen gegen 6 Uhr erwachte ich von dem Geräusch der elektrischen Trambahn auf der Strafse vor der offenen Balkonthüre und von dem Gekrächze zahlreicher Dohlen, die überall in der Stadt in Schaaren anzutreffen und ebenso frech und zudringlich sind als daheim die Grofsstadt- spatzen. Ich nahm gerne die Gelegenheit, einmal zur Abwechslung Colombo. 13 in süfsem Wasser zu baden, und verzehrte mit Genufs das PVühstück, welches der singhalesische Diener mir auf dem Zimmer servierte. Es bestand aus Kaffee, geröstetem Brot mit Butter und süfsem Fruchtmufs und einigen Bananen, den ersten Tropenfrüchten, die mir vorgesetzt wurden. Die Stadt Colombo, zu deren Besichtigung mir noch einige Stunden blieben, besteht in dem Geschäftsviertel, in welchem das Grand Oriental Hotel liegt, aus geschlossenen Häuserreihen. Ver- kaufsläden mit allen möglichen Gebrauchsartikeln und Schmuck- und Spielwaren schliefsen sich an die Comptoir- und Lagerräume der Grofskauf leute , die den wichtigsten und einflufsreichsten Be- standteil der europäischen Einwohnerschaft bilden, und die weit draufsen in einem schönern Stadtteil oder vor der Stadt in villen- artigen Häusern ihre Wohnungen haben. In den von den Ein- gebornen bewohnten Vierteln ist das Strafsenbild weniger sauber und regelmäfsig, aber um so interessanter. Die kleinen Häuser sind statt mit einer Thür mit leicht verschiebbaren Vorhängen ver- schlossen, hinter denen man alle möglichen Familienscenen sich ab- spielen sieht. Die Eingebornen, Männer und Frauen, sind auf der Strafse alle ausreichend bekleidet, um in anständiger Gesellschaft erscheinen zu können, und besonders die letzteren machen den Ein- druck, als ob sie beim Anblick einer zum Hof ball geschmückten Europäerin verschämt die Augen niederschlagen würden. Wirk- liche Nacktheiten sieht man nur bei ganz kleinen Kindern, die häufig garnichts anhaben. Bisweilen tragen sie einen Bindfaden oder eine Perlenschnur um das braune Bäuchlein, an denen dann meistens die Stelle, wo die Figuren der Münchener Glyptothek mit einem blechernen Feigenblatt verunziert sind, durch eine angehängte Münze oder ein silbernes Schellchen oder einen ähnlichen Schmuckgegen- stand ausgezeichnet ist. Die Kastenabzeichen der Hindu, farbige Scheibchen inmitten der Stirn und das Goldplättchen seitlich am Nasenflügel der Klingfrauen sind für den Neuling ebenso auffallende Erscheinungen, als der hufeisenförmige Kamm auf dem Haupte der Singhalesen und das rückwärts zum Knoten geschlungene, lange Haar der ]\Iänner. Ich kam auf meiner Fahrt durch die Stadt auch an einem reichverzierten Hindutempel vorbei und sah mir das Innere eines bilderreichen Buddhatempels nn. Auch über Marktplätze führte mein Weg, auf denen die Eingebornen Früchte zum Verkauf feilboten, die auf hohen, zweiräderigen Ochsenkarren vom Lande hereingebracht waren. Bananen, Manga und Mangostanen, aber auch H Von Genua bis Bataviu. Ananas und melonenartige Früchte und eine ^lenge von andern Erzeugnissen des Land- und Gartenbaues spielten hier die wichtigste Rolle, Die Vegetation auf den gröfseren Strafsen und Plätzen und in den Gärten und Höfen machte mir keinen besonders günstigen Eindruck. Ich seih wohl ganze Wälder von Kokospalmen, zahlreiche tropische Bäume, unter andern auch riesige Exemplare des heiligen Feigenbaumes, dann allerlei Zierbäume und Sträucher und fremd- artige, mit Blüten geschmückte Gewächse, über deren Namen und Art ich mir nicht ohne Weiteres Aufschlufs geben konnte, aber alles war, da es seit Wochen nicht geregnet hatte, mit einer dicken Staubschicht belegt, die eher den Eindruck der Dürre als den der tropischen Üppigkeit hervorrief. Meine Zeit war zu kurz bemessen, als dafs ich näher auf die Eigenart der Vegetation hätte eingehen können, Aufserdem hatte ich die Aussicht, bei meiner Rückkehr in günstigerer Jahreszeit der Insel Ceylon einen längeren Besuch abzustatten. Ich kehrte also, als die Sonne höher stieg, zunächst ins Hotel und von dort nach der Mittagsmahlzeit an Bord der „Preufsen" zurück. Um das Schiff unci an Bord desselben hatte sich vom frühen jMorgen an ein rechtes Hafenleben entwickelt, das ich bis zu der auf den Nachmittag festgesetzten Abfahrt noch in allen Einzelheiten studieren konnte. Der weite Hafen von Colombo, ein rechter Welt- hafen, in dem die Schiffe aller Nationen verkehren, ist im Süden durch eine lange Steinmole gegen den Seegang geschützt, gegen Norden hin war eine ähnliche Mole im Bau begriffen. An grofsen eisernen Schwimmbojen, welche in regelmäfsigen Abständen in dem so ab- gegrenzten Bassin verankert sind, liegen grofse Dampfer und Segel- schiffe in bunter Reihe, Zwischen ihnen verkehren kleine Dampf- yachten und Ruderboote in allen Gröfsen. Am seltsamsten erscheinen die schmalen Auslegerboote der Eingebornen, welche den Verkehr einzelner Personen zwischen den Schiffen und der Landungsbrücke vermitteln. Sie sind aus einem ausgehöhlten Baumstamm hergestellt, auf dessen Ränder an den Seiten Bretter aufgesetzt sind, so dafs ein schmaler Kasten entsteht gerade so breit, dafs eine Person auf jeder der Querbänke Platz hat. Die Stabilität des schmalen Bootes wird dadurch erzielt, dafs dasselbe durch bogenförmige Stäbe mit einem Balken fest verbunden ist, welcher einige Meter entfernt parallel neben dem Boot auf dem Wasser schwimmt. Diese Boote werden mit langen Rudern bewegt, sie fahren sehr schnell und sind trotz ihres gefährlichen Aussehens ganz sicher. In nächster Nähe Nach Singapore. I = unseres Schiffes trieben sich auf einem unglaublichen Fahrzeug- schwarze Jungen herum, welche mit unendlichem Geschrei ihre Taucherkünste anboten, Ihr Boot bestand aus vier der Länge nach zusammengebundenen Pfählen, als Ruder benutzten sie halbierte Bambusstäbe. Sie lagen auf den Knieen auf ihrem Flofs und stürzten sich ohne Besinnen ins Wasser, sobald von Bord aus eine Münze hineingeworfen wurde. Ich habe nicht gesehen, dafs ihnen eine einzige Münze entgangen wäre. An Bord waren allerlei ein- geborene Handelsleute, welche Edelsteine verkaufen wollten, es war wohl auch viel buntes Glas und wertloses Gestein dabei; ferner wurden viele Holzschnitzereien angeboten und köstliche Früchte. Als wir am Nachmittag aus dem Hafen hinaus dampften, sahen wir noch lange Zeit die Palmengestade der Insel. jMehrere hell- blinkende Leuchtfeuer an der Südküste der Insel wiesen unsern Seeleuten im Abenddunkel den Weg hinaus in den freien Ocean. Zwei Tage lang sahen wir um unser Schiff nichts als Himmel und Wasser. Die See war ziemlich ruhig, die Temperatur an- genehm, an Bord ging alles seinen alten Gang. Erst am Montag Vormittag änderte sich die Scenerie, wir bekamen Land in wSicht, einige Inseln, welche am Eingang der Strafse von Malakka liegen. Mit dem Glas konnte ich deutlich sehen, dafs auf einer der Inseln, an der wir ziemlich nahe vorbeifuhren, gleich am Strande der üppigste Urwald anfängt und bis zu dem Gipfel der Höhen hinauf- zieht. Was mochte dort alles an botanischen Schätzen verborgen sein und in unberührter Ursprünglichkeit seinem Entdecker entgegen- harren. Gegen Nachmittag entschwand das Land wieder unsern Blicken. Nur aus der Wolkenbildung eines sich entwickelnden Ge- witters konnten wir auf die Nähe der Nordküste von Sumatra schliefsen, des gewaltigen Insellandes, dessen Durchquerung ich schon vor der Ausreise aus Europa geplant hatte. Das Meer ist in der Strafse zwischen Malakka und Sumatra viel weniger tief als im freien Ocean, seine Farbe geht oft in ein schmutziges Graugrün oder Gelb über, Tier- und Pflanzenleben treten auffälliger hervor. Ich sah von der Back aus zahlreiche spannen- bis meterlange Wasserschlangen, braun mit helleren Seiten- streifen auf der Meeresoberfläche, dann eine schwimmende Schild- kröte und ganze Schwärme grofser, prachtvoll gefärbter Quallen. Für Mittwoch den i6. August stand unsere Ankunft in Singa- pore bevor. Wir sahen schon am frühen Morgen einige bewaldete Inseln. Am Vormittag rückte das Land zu beiden Seiten näher j 5 Von Genua bis Batavia. zusammen, und endlich fuhren wir dicht unter Land zwischen den Palmengestaden dahin. Die Ufer waren zum Teil bis cui die Wasser- linie herab bewaldet oder bepflanzt, zwischen den Bäumen an den Abhängen wurden einzelne meist einstöckige Häuser im Veranden- stil sichtbar. Nahe vor dem mit Djunken und Prähmen und allerlei seltsam geformten Booten belebten Hafen lag an einem Inselufer eine wirkliche Pfahlbauansiedelung von malaiischen Fischern be- wohnt. Nun rückte uns auch allmählich die Bootflottille mit den unvermeidlichen, nackten Taucherbuben entgegen, und bald lag die „Preufsen" neben zahlreichen andern grofsen Oceanschifl"en an dem für sie bestimmten Platz unmittelbar am Hafenbau fest vertaut, so dafs wir von Bord aus direkt über die Laufbrücke ans Ufer gehen konnten. Nun hiefs es Abschied nehmen von dem schönen und be- quemen Schift', das mich so gut und sicher bis hierher gebracht und von denjenigen Fahrtgenossen, welche die Reise mit der Preufsen nach China oder Japan fortsetzten. Unter den Mitreisenden, welche mit mir in Singapore das Schiff verliefsen, befanden sich mehrere Beamte des deutschen Auswärtigen Amtes, der Vicegouverneur Dr. Hahl, die Landeshauptleute Dr. Senfft und Dr. Fritz, der Kolo- nialbotaniker Professor Volkens und der Regierungsarzt Dr. Girschner, welche beauftragt waren, die gerade damals von der Reichsregierung neu erworbenen Karolineninseln von den Spaniern zu übernehmen. Ich hatte das Vergnügen, mit diesen Herren, die mir schon während der Seereise angenehme Gesellschafter gewesen waren, noch während eines achttägigen Aufenthaltes in Singapore zusammen zu sein. Für freundliche Ratschläge und Unterstützungen, die der Dr. Hahl und mein Kollege Volkens mit ihrer Tropenerfahrung mir als dem Neuling gerne gewährten, bin ich ihnen zu grofsem Dank verpflichtet. Ich freue mich, dafs ich mit den in den Tageszeitungen jetzt so oft in rühmlicher Weise genannten Namen dieser Herren die Er- innerung an die angenehmen Persönlichkeiten verbinden kann. Die Stadt vSingapore liegt ein Stück weit von dem mit ge- waltigen Lagerhäusern umbauten Hafen entfernt. Ein leichter Pony- wagen, von einem schwarzen Kutscher gelenkt, brachte mich vom Schiff aus auf einer sehr gut gehaltenen Strafse an Mangrovesümpfen und an felsigen Partieen vorüber in die eigentliche Stadt, und ich hatte nun während der nächsten Tage Zeit und Gelegenheit mich mit der Eigenart des Ortes und seiner Umgebung bekannt zu machen. Die von Europäern bewohnten Stadtteile bestehen aus grofsen, meist von Balkons und Veranden umgebenen Gebäuden, die Singapore. nur im Geschäftsviertel in ununterbrochener Zeile aneiniinderschliefsen, sonst villenartig hinter Vorgärten von der Strafse abgerückt liegen. Einzelne öffentliche Gebäude, wie die schöne, gothische Andreas- kirche und das Stadthaus liegen, von dichten Baumalleen umgeben auf gröfseren, freien Plätzen. Um den sich weit am Strande hin erstreckenden Rafflesplain, auf dem nach Geschäftsschlufs die Eng- länder im Schweifse ihres Angesichts dem beliebten Spielsport huldigen, sind schattige, wohlgepflegte Promenadenwege angelegt, neben denen auf der wohlunterhaltenen Fahrbahn die eleganten Equipagen der reichen Europäer und Chinesen am Abend eine Korsofahrt unternehmen. Die Hauptmasse der Stadtbevölkerung bilden die Chinesen, die als Kauf leute, Handwerker und Lohnarbeiter oder Kulis an dem Geschäftsleben den regsten Anteil nehmen und auch als Köche und Diener in den Häusern der Europäer ihren Erwerb suchen. Ihre Häuser, die in nächster Nähe der europäischen Stadtteile lange Strafsen bilden, sind meist farbig bemalt und bilden mit ihren bunten Firmenschildern und Papierlaternen einen trefflichen Hintergrund für das Leben und Treiben auf der Strafse. Das untere Stockwerk des Hauses wird meist von Läden oder Werkstätten eingenommen, in denen die bezopften Verkäufer und Werkleute un- ermüdlich vom frühesten Morgen bis in die Nacht hinein an der Arbeit sind. In den Läden werden alle möglichen Industrie- artikel feilgehalten, unter den Efswaren, die aufser in den festen Ver- kaufsständen auch noch von herumziehenden Hausierern angeboten werden, sind aller- lei Tropenfrüchte, Ananas, Mangostanen, Manga, Ram- butans, Brotfrucht und Du- rian, ferner Zuckerrohrsten- gel und allerlei zer- hacktes Zeug, dessen Ur- sprung schwer zu er- Clniiiüficht r Rikscliahkuit in Singapore. jg Von Genua bis Batavia. kennen ist. Alles ist sauber und zierlich geschichtet und wird, so weit man sehen kann, ganz appetitlich gehandhabt. Der Verkehr in den Strafsen ist aufser in der heifsesten Tageszeit immer sehr lebhaft. Neben Fufsgängern und Wagen verkehren Hunderte von Rikschahs, leichten, zweiräderigen Federwagen mit Polstersitz und Lederver- deck, welche von einem fast nackten Kuli im Trabe gezogen werden. Die Rikschahkulis sind wohl die Ärmsten der Armen. Sie verdienen mit einem einstündigen Trablauf vor dem Wagen durch die sonnendurchglühte Strafse ganze 40 Pfennige, wovon sie sicher noch den gröfsten Teil an den Eigentümer des Wägelchens als Leihgebühr abzugeben haben. Dabei sehen die Meisten von ihnen ganz wohlgenährt aus, besonders fällt die kräftige Entwicklung der Bein- und Hüftmuskulatur auf. Manche Europäer haben ihre eigenen Rikschahs, im übrigen findet man an allen verkehrsreichen Strafsenecken die wie Droschken numerierten Wägelchen an Standplätzen aufgestellt. Sie werden von Weifsen und Farbigen viel benutzt, nur in denjenigen Kreisen der euro- päischen Bevölkerung, die auf äufseren Glanz und kostspielige Lebensführung den gröfsten Wert legen, gilt das Rikschahfahren nicht für ganz nobel. Wenn man Weg und Richtung kennt, so lenkt man durch kurzen Zuruf in malaiischer Sprache den Läufer. Schwieriger ist es zurecht- zukommen, wenn man den einzuschlagenden Weg nicht selber findet, meist sind dann lange und wiederholte Auseinandersetzungen mit dem das Malaiische nur radebrechenden Chinesen nötig. In zweifelhaften Fällen, wenn der Kuli den Auftrag nicht ganz ver- stand, so wird man ziemlich sicher zuerst in gewisse, berüchtigte Stadtgegenden verschleppt, in denen man sich als anständiger Mensch nicht gerne blicken läfst. Bei Fahrten aufserhalb der Stadt benutzte ich wegen dieser Schwierigkeit lieber einen Lohnwagen mit malaiischem Kutscher. Ich machte mehrere Ausflüge nach dem botanischen Garten, einem kmdschaftlich schönen Tropenpark, nach dem höchsten Punkt der Insel, dem Bukit Tima, einem Hügel, auf dem ein kleiner Bestand an Urwaldbäumen vor der Ausrottung durch die Bodenkultur bewahrt wird, und nach dem am Festlande von Malakka gelegenen Sultanat Johore. Ich hatte dabei Gelegenheit einen Blick auf den in hoher Kultur befindlichen Landbau zu werfen, die auf der Insel noch in ursprünglicher Bil- dung erhaltenen Vegetationsformationen der Mangrovensümpfe und des Djungel kennen zu lernen und auf der Insel, wie auch am Fest- Nach Batavia. jq lande der Halbinsel von Malakka, Notizen und Belegexemplare zu sammeln über das Vorkommen gewisser epiphytischer Farne, deren Verbreitung aus wissenschaftlichen Gründen, die ich erst später dem Leser verständlich machen kann, mich besonders interessierte. Am 24. August endlich, viel zu spät für meine Ungeduld, Buitenzorg, das Paradies der Botaniker kennen zu lernen, konnte ich mich von Singapore auf der „Stettin" des Norddeutschen Lloyd nach Batavia einschiffen. Die zweitägige Fahrt auf dem sauberen und komfortabeln Schiff ging unausgesetzt an bewaldeten Inseln vorüber durch die schmale Bankastrafse direkt nach Süden auf Batavia zu. Wir trafen am Sonntag Mittag in dem Aufsenhafen Tandjong Priok ein. Infolge der von den Holländern beobachteten Sonntagsruhe war es mit einigen Umständen verknüpft, mein um- fangreiches Reisegepäck vom Schiff zu dem am Hafen liegenden Zollamt und von dort bis auf die Handkoffer direkt nach Buiten- zorg zu spedieren. Es war bereits völlig finster, als ich endlich nach einer kurzen Bahn- und Wagenfahrt im Hotel Java eintraf und das mir angewiesene Zimmer beziehen konnte. Die Hoteleinrichtungen sind in holländisch Indien wesentlich andere als in den englischen Kolonien. Die Häuser sind, wenn man so sagen darf, im Pavillonstil erbaut. Im Hauptgebäude befinden sich die Speisesäle, Leseräume und Gesellschaftszimmer, Die Woh- nungen der Hotelgäste liegen in einstöckigen Seitenflügeln oder langgestreckten Nebenbauten, Jeder bewohnt ein einfach möbliertes Schlafzimmer und einen Verandenplatz mit Tisch, Schaukelstuhl und holländischem Langstuhl, Badekammern für das tägliche Bad stehen für Alle in gröfserer Anzahl zur Verfügung, Während man in englischen Hotels die Hotelinsassen immer nur voll gekleidet zu Gesicht bekommt, gilt es in den javanischen Hotels nicht für an- stöfsig, sich tags über in einem sehr bequemen Neglige auf der Veranda den Blicken Anderer zu präsentieren. Die Herren tragen dabei meist weite, leichte und bunte, japanische Hosen und weifse Jacken, an den blofsen Füfsen Pantoffeln oder Sandalen. Bei den verheiratheten Frauen ist die malaiische Tracht beliebt, ein bis auf die blofsen Füfse hinabreichendes, oft sehr kostbares Lendentuch, der Sarong, und eine leichte, weifse, mit Spitzen verzierte und durch eine Agraffe vorn zusammengehaltene Jacke. Die Damen erscheinen in diesem Kostüm auch zum ersten und zum zweiten Frühstück an der Hoteltafel, gehen selbst wohl darin auf die Strafse, zum Markt oder zu andern Besorgungen. Zum Diner aber, welches gegen 8 Uhr 20 Von GcniKi bis Batavia. Sfra/sf im Chincsiscltiii l ii-r/r/ von linrnvin. eingenommen wird, erscheinen sie in grofser Toilette. Die Be- dienung im Hotel wird ausschliefslich von Malaien besorgt. Am Montag früh benutzte ich die Gelegenheit, um mir die Stadt Batavia anzusehen und im deutschen Generalkonsulat meinen Be- such zu machen. Batavia ist eine sehr umfangreiche Stadt, eigent- lich aus zwei Städten zusammen gewachsen, welche die hollän- dischen Bewohner als „benedenstad", das eigentliche alte Batavia und „bovenstad", die Villenstadt Weltevreden unterscheiden. In der Benedenstad liegen die Geschäftsräume, in Weltevreden die Wohn- häuser, welche alle — meist einstöckig aber geräumig und weit — in Gartenanlagen versteckt liegen. Der Umfang der Stadt wird durch die weitläufige Bauart sehr vergröfsert, und man ist, falls man nicht einen besonderen Cberliufs an freier Zeit Ivat, genötigt, bei allen Besorgungen sich der Fahrgelegenheiten zu bedienen. Abgesehen davon, dafs Batavia benedenstad und Weltevreden an der Haupt- bahnstrecke besondere Bahnhöfe besitzen, zwischen denen regel- mäfsige Züge verkehren, sind elektrische und Dampfstrafsenbahnen vorhanden. Aufserdem bekommt man im Hotel zu fester Taxe ein- und zweispännige Wagen gestellt, und dem Strafsenverkehr dienen endlich die numerierten, zweiräderigen dos ä dos, allgemein nach dem Malaiischen „Sados" genannt, welche von malaiischen Kutschern geführt und von kleinen, flinken Ponies gefahren werden. Batavia. 21 Das dtnitsclie Ceiieralkoiisiiiat in liaiaTna. Die Züge der Hauptstrafsen werden in beiden Stadtteilen von breiten, mit Steinmauern eingefafsten Kanälen begleitet, auf deren trüben Wassern grofse Lastkähne unter den Brücken hindurch ver- kehren. Zu jeder Tageszeit trifft man in diesen Kanälen, welche meistens die Mitte der Strafse einhalten und stellenweise beider- seits von schattigen Baumalleen eingefafst sind, badende Malaien beiderlei Geschlechts. Die Wohnungen der Malaien liegen abseits von den Htiuptverkehrswegen in besonderen Stadtvierteln. In der Nähe der Hauptgeschäftsgegend, die beiden Stadtteile mit einander verbindend, liegt das Chinesenviertel. Bau und Schmuck der Häuser gleicht einigermafsen dem, was ich davon in Singapore gesehen, und verleiht hier in der andersartigen Umgebung der vom Kanal durchzogenen Strafse einen besonderen Reiz. Öffentliche Gebäude von hervorragender Schönheit sind in Ba- tavia nicht gerade sehr zahlreich, was damit zusammenhängen mag, dafs man wegen der öfters merkbaren Erdbewegungen von hohen Bauten absehen mufs. Immerhin sind das Palais des Generalgouver- neurs, das Museum am Koningsplain, einige Kirchen und die Gebäude der grofsen Klubs „Harmonie" und „Concordia" von beachtenswerten architektonischen Formen, Die letzteren sind besonders in ihrem Innern palastartig, prunkhaft ausgestattet. Sie enthalten grofse Lesesäle mit reicher Litteratur und elegiinte Concert- und Gesellschaftsräume. 2 -) Von Genua bis Batavia. Was Batavia vor ähnlichen Städten in andern Kolonien be- deutsam auszeichnet, das ist der Umstand, dafs hier im häuslichen wie im öffentlichen Leben der Bewohner alles für den dauernden Aufenthalt berechnet ist. Das rastlose Hasten nach dem reichen Gewinn, der in einigen Jahren für alle Entbehrungen, die das Tropen- leben mit sich bringt, entschädigen soll, drückt den grofsen tropischen Handelsemporen wie Colombo und Singapore einen besonderen Stempel auf. Der Holländer geht nicht nach Batavia, um nach kurzer Frist in die alte Heimat zurückzukehren, er richtet sich draufsen häuslich ein und gründet sich eine neue Heimat. Man trifft nicht selten Leute, die mit ihrer Familie seit dreifsig und mehr Jahre dort draufsen leben. Sie lassen ihre Kinder, wenn sie er- wachsen sind, wohl in Europa ihre Ausbildung vollenden, aber diese kehren dann in ihr Geburtsland zurück und helfen, indem sie den Connex mit dem Mutterlande aufrecht halten, die neue Heimat ge- deihlicher Entwicklung entgegenzuführen. Von dem in Batavia ge- borenen Sohn einer der ersten europäischen Familien Batavias, der im Semester vorher in München meine Vorlesungen besucht hatte, waren mir Grüfse an die Eltern aufgetragen worden. Ich gewann dadurch Gelegenheit, gleich am ersten Tage meines Aufenthalts in holländisch Indien in dem mit feinsinnigem Geschmack ausgestatteten Hause einer hochgebildeten Familie eine angenehme Stunde zu verleben. Auf dem Programm dieses ersten Tages stand iiufserdem noch der Besuch des deutschen Konsulates, welches aufserhalb der Stadt in Tanah abang auf einem niedern Hügel, der frischen See- brise zugänglich, gelegen ist. Es wurde mir recht heimatlich zu Sinn, als ich an dem grofsen Hause die deutsche Fahne über dem Wappenschild erblickte, und meine warme Empfindung wurde noch wesentlich verstärkt, als ich bei dem deutschen General- konsul, Herrn von Syburg, einen nach meinen Erfahrungen in Singapore gänzlich unerwarteten, freundlichen Empfang fand, als ich statt des zugeknöpften Beamten einen liebenswürdigen Lands- mann kennen lernte, der bereit war, mir mit seinen reichen und vieljährigen Erfahrungen in jeder Hinsicht Beistand zu leisten. Ich bin während des folgenden Halbjahres noch gar oft und gar gern in dem grofsen, schönen Hause zu Gast gewesen, und ich verehre heute noch und für alle Zeit in dem Herrn von Syburg einen lieben Freund, dem ich für die Güte und Herzlichkeit, die er dem fremden Welt- reisenden entgegenbrachte, zu tiefem Dank verbunden bleibe. BUITENZORG. Wenn man mit der Eisenbahn von Weltevreden nach Buitenzorg reist, was mit dem Schnellzuge etwas mehr als eine Stunde, mit einem gewöhnlichen Zuge etwa die doppelte Zeit in Anspruch nimmt, so hat man zunächst den Eindruck, als ob man fast ununter- brochen im Walde fährt. Laubbäume mit reichverästelter Krone und dichtem Blätterschmuck, untermischt mit den breiten Blatt- büscheln der Bananen und überragt von den schöngeformten Kugel- kronen der schlanken Kokospalmen, begleiten die Bahn zu beiden Seiten. An dem Damme und in den ihn begleitenden Gräben drängen sich allerlei Gras und Kraut empor, auffallend häufig eine blaublühende Verbanacee und eine Cassia mit gelben Blüten. Mancherlei Farne, vor allen Dingen Gleichenien bilden mit den im Schmuck bunter Blütendolden stehenden Lantanabüschen am Saum des vermeintlichen Waldes mehr oder minder dichte Hecken. Mit- unter sind Gruppen von Bambushalmen eingesprengt, welche mit ihrer schön geschwungenen, fast wedelartig regelmäfsigen, zarten Beblätterung an heimische Weidenbüsche erinnern. Bisweilen ge- winnt man im Vorbeifahren einen tieferen Einblick in das bunt zu- sammengesetzte Dickicht und gewahrt dann unter den Laubkronen, zwischen den schlanken Stämmen die von einem Bambusg-ehege umgebenen Häuser der Eingebornen, bei denen sich Erwachsene und Kinder bei der Arbeit oder im Spiel auf dem von Vegetation freigehaltenen Hofraum herumtummeln. Es dauert einige Wochen, bis sich das Auge so weit an die ungewohnten Formen der tropischen Vegetation gewöhnt hat, dafs man in dem Baumschlag, welcher die Hütten umgiebt, neben den Kokospalmen, Bananen und Bambus die mancherlei nutzbaren Bäume erkennt, von denen die Eingebornen ihren Lebensunterhalt gewinnen, bis man im schnellen Vorbeifahren unterscheiden lernt, ob sich hinter dem vermeintlichen Walde eine von Schattenbäumen überragte Kaffeepflanzung oder ein Kakao- 24 Buitenzorg. Häuser der Etngebtntieii im Ohsibauni'Walde ■ Westjava. garten oder der Obstgarten eines Eingebornendorfes verbirgt. In Wirklichkeit ist es ausnahmlos Kulturgelände, welches den Schienen- strang begleitet. Dafs die Bäume vorwiegen, ist eine Eigenart der Vegetation in dem regenreichen Tropenlande, in dem die Zahl der krautartigen Gewächse überhaupt gewaltig gegen die Baum- und Strauchflora zurückbleibt. Nur eine Form des Landbaues ermnert an unsere heimischen Verhältnisse, an wirkliches Ackerland: das sind die Reisfelder, welche in Thalsenkungen, an Flufsufern zwischen den ausgedehnten, waldigen Komplexen eingeschaltet sind, Männer und Frauen bei der Feld^irbeit, badende Kinder, und auf den Landstrafsen Fufsgänger, Ochsenkarren und Pferdewagen, bilden die wirkungsvolle Staffage des wechselreichen Bildes, das im Fluge an uns vorüberzieht. Bisweilen sieht man auch wohl eine Herde der gewaltigen, schwarzgriiuen Büffel oder Kerbauen mit ihren weit ausliegenden Hörnern im Flusse oder in einem Wasser- tümpel umher waten. Die Eingebornen halten diese kolossalen, un- Ankunft im Hotel. 2 S beholfenen Wiederkäuer als Haustiere, benutzen ihre gewaltige Kraft bei der Feldarbeit und zum Ziehen von Last- und Reisewagen. An den kleinen Stationsgebäuden, deren man zwischen Batavia und Buitenzorg fast ein Dutzend passiert, erwarten Eingeborne und wohl auch Europäer den Zug, mit ihnen teilen Verkäufer und Ver- käuferinnen von Obst und allerlei Erfrischungen den Raum vor dem kleinen, weifsgetünchten Gebäude, das den Beamten zum Aufent- halt dient. Nach kurzem Anhalten geht es weiter, vorbei an Reis- feldern und Baumpflanzungen, über denen in der Ferne das blaue Gebirge mit seinen Vulkankegeln auftaucht, bis endlich der Zug in die stattliche Halle des Buitenzorger Bahnhofes einläuft. Da Buiten- zorg der Sitz des Generalgouverneurs und der Kolonialregierung ist, da es aufserdem bei einer Höhenlage von 265 m als eine Art Sommerfrische für die Beamten und Kaufleute im heifseren Batavia gilt, so ist der Personenverkehr auf dieser Strecke nicht unbedeutend. Auch die Eingebornen von Nah und Fern benutzen mit Weib und Kind gerne das moderne Verkehrsmittel. In dem stattlichen Bahn- hofe sind alle Vorkehrungen zur Bequemlichkeit der Reisenden ge- troffen. Hotelwagen und Sados halten vor dem Portal. Ich fuhr, als ich am Vormittag des 27. August i8gg dieses Ziel erreicht hatte, mit einem Sado nach dem Hotel Bellevue, das mir als eines der besten genannt worden war. Die Fahrt dahin führte mich über die Hauptstrafse der Europäerstadt, den Djalan besar, welche strecken- weise längs des botanischen Gartens hinläuft. An der andern Strafsenseite liegen in Vorgärten die Wohnhäuser der Europäer in gleicher Bauart wie in Batavia. Das Hotel Bellevue ist Eigentum eines alten, etwas mürrischen, deutschen Herrn, der sich um seine Gäste garnicht kümmert. Seine Frau, eine energische Holländerin führt die Oberleitung, im Übrigen ist alles den javanischen Dienern überlassen, von denen der älteste, der Mandur, gewissermafsen das Amt des Oberkellners verwaltet. Alan lebt in dem Hotel Bellevue nicht wesentlich besser oder schlechter als in andern javanischen und sumatranischen Hotels gleichen Ranges, trotzdem wird es von Erholungs- oder Vergnügungs- reisenden und von fremden Botanikern mit Vorliebe aufgesucht. Es besitzt nämlich Vorzüge, deren sich die anderen Hotels in Buiten- zorg nicht in gleicher Weise rühmen können. Von der Veranda der nach rückwärts gelegenen Hotelzimmer aus geniefst man von oben einen entzückenden Blick auf die Thalschlucht des Tjidani, auf die Palmen- und Obstbaumwälder der an den Ufern dieses 20 Buitenzorg. Flusses sich ausdehnenden Malaienstadt und auf den imponierenden Bergkegel des bis zum Gipfel mit Urwald bedeckten Vulkans Salak im Hintergrunde. Ein weiterer Vorzug des Hotels, der besonders den Botanikern zu gute kommt, ist seine Lage in nächster Nähe des grofsen, botanischen Gartens und der zahlreichen, mit demselben verbundenen Laboratorien und Institute. Nachdem ich mich in meinem Hotelzimmer für längere Dauer häuslich eingerichtet und auch mein inzwischen eingetroffenes, gröfseres Reisegepäck untergebracht hatte, galt natürlich mein erstes Unternehmen dem botanischen Garten. Ich liefs mich durch einen Hotelbediensteten bei dem Direktor der botanischen Anstalten, Professor Treub, für den Abend zum offiziellen Besuche anmelden und bekam als Antwort eine freundliche Einladung zum Diner. Es ging mir wie allen andern Fachgenossen, die mit diesem seltenen und bedeutenden Mann in Berührung gekommen sind. Jeder weifs seine Liebenswürdigkeit zu rühmen, die ihn trotz der grofsen Arbeits- last, welche in der Verwaltung des umfangreichen, zum gröfsten Teil von ihm geschaffenen Institutes auf seinen Schultern ruht, Zeit linden läfst, die Gäste des Gartens als seine persönlichen Gäste auf- zunehmen, sie in die neuen Verhältnisse einzuführen und ihnen zu jeder Zeit mit Rat und Hülfe zur Verfügung zu stehen. Gleich am nächsten Tage nach dem in Professor Treubs Ge- sellschaft aufs angenehmste verbrachten Abend, führte er mich durch den botanischen G^irten, diesen reichhaltig-sten und wissenschaftlich einzigen Tropengarten mit seinen reichen Plianzenschätzen, die in der Übersichtlichkeit und Schönheit ihrer Anordnung, in der Üppig- keit ihres Gedeihens immer aufs neue den Beobachter in Staunen und Bewunderung versetzen. Die wundervolle Allee von gigan- tischen Canariumbäumen, in der jeder Stamm eine andere Kletter- pflanze trägt, die ausgedehnten Palmenalleen, die riesigen Bambus- gebüsche, die artenreiche Farnabteilung, das Lianenquartier, die Orchideensammlung, ausgedehnte Teiche mit wunderbaren Wasser- pflanzen bedeckt, umgeben von kolossalen schattenspendenden Fikus- bäumen und hundert andere nicht minder auffällige und interessante Dinge vereinigen sich hier zu einem gewaltigen Tropenpark der an Schönheit seines Gleichen sucht, an wissenschaftlicher Bedeutung von keinem andern Garten der Welt erreicht wird. Es ist nicht meine Absicht in diesem Buche eine eingehende Schilderung der botanischen Schätze zu geben, welche der Buiten- zorger Garten birgt. Sie würde Bände füllen müssen. Einen grofsen Tageseinteilung. 2 7 Teil des Schönsten und Interessantesten hat vor wenigen Jahren der Grazer Botaniker Haberlandt in einer nach Form und Inhalt v^ollendeten Darstellung seinem Buche „botanische Tropenreise" eingefügt, welches für Laien und Fachmänner eine gleich genufs- reiche Lektüre bildet. Nachdem mich der Direktor Treub auch mit seinem wissen- schaftlichen Stabe, der aus mehr als zwanzig Gelehrten oder technisch- fachmännisch geschulten Beamten besteht, bekannt gemacht und mich in die mit dem Garten verbundenen Institute und Laboratorien eingeführt hatte, konnte ich ungesäumt meine wissenschaftlichen Arbeiten beginnen. Ich bekam in dem für die fremden Besucher bestimmten Laboratorium einen Arbeitsplatz zum Mikroskopieren und zum Präparieren des Untersuchungsmaterials, welches der Garten in schier unerschöpflicher Fülle darbietet. Der tropische Tag beginnt um 6 Uhr, wenn die Sonne sich über den Horizont erhebt. Da in Buitenzorg während der Nacht eine angenehme Abkühlung der Luft stattfindet, so empfindet man, an die gröfsere Hitze des Tages gewöhnt, die Morgenkühle köst- lich erfrischend, das Sonnenlicht glitzert auf den Palmwedeln und auf dem meist lederigen, glänzenden Laube der Bäume wie in tausend Tautropfen; es ist nicht viel anders als bei uns an dem schönen Morgen eines klaren Hochsommertages. Der malaiische Hoteldiener, dessen Fürsorge mein leibliches Wohl anempfohlen war, gewöhnte sich bald an meine Regelmäfsigkeit. und wenn ich im ersten Morgenstrahl mein Schlafgemach verliefs, so fand ich bereits auf meiner Veranda den Morgentrunk vor, den man sich aus starkem Kaffee extrakt, heifsem Wasser und Zucker nach Be- lieben mischt. Bald nach 6 Uhr ging ich in den botanischen Garten hinüber, in dem ich nun während der nächsten Stunden, manchmal bis gegen g Uhr hin Beobachtungen machte und IMaterialien ein- sammelte für die Tagesarbeit, oder zur Konservierung für spätere Verarbeitung. A^on 8 Uhr an bis 9 Uhr wird im Speisesaal des Hotels das erste Frühstück serviert: Eier, Schinken, allerlei Wurst und Fischdelikatessen zu frischem Brot mit Butter. Inzwischen ist mit der steigenden Sonne die Temperatur schon beträchtlich ge- stiegen. Wenn der diiuernde Aufenthcdt im Freien dann auch gerade nicht unerträglich oder gar gefährlich gewesen wäre, so zog ich es doch gewöhnlich vor, die Zeit bis gegen i Uhr in dem gegen die Sonnenstrahlen geschützten Laboratorium zu ver- bringen. Mikroskopieren, Präparieren, Zeichnen und gelegentlich 2 3 Buitenzorg. auch photographische Arbeiten nahmen mich während dieser Stunden vollauf in Anspruch, i Uhr ist im Hotel die Zeit der Reistafel, einer eigenartigen, spezifisch holländisch-indischen Mahlzeit. Die Grund- lage bildet gut gekochter Reis, dessen Körner einzeln ihre Form behalten und nicht kleisterig sind. Man überschüttet ihn auf einem tiefen Teller mit einer scharfen Currytunke, in welcher allerlei Grünzeug schwimmt und nimmt dazu allerlei Fleisch, Fisch und Eierspeisen, welche gleichzeitig präsentiert werden und welche man auf den Rand des reisgefüllten Tellers oder auf einem kleinen, da- neben stehenden Dessertteller legt. Im Hotel gab es als Beigerichte regelmäfsig .Spiegeleier, gebackenes Huhn, Frikadellen und Fische. Damit noch nicht genug, bekommt man eine bunte Schüssel ge- reicht, auf der in kleinen Schälchen allerlei besondere, meist sehr gewürzhafte Leckerbissen liegen, die in ihrer Gesamtheit als Sambal bezeichnet werden, Garnelen, getrocknete Fischchen, Herzen, Leber und Magen vom Huhn fein zerhackt, getrocknetes Fleisch, zer- mahlene Kokoskerne und diverses andere, dessen Art und Ursprung mir häufig unergründlich blieb. Von diesen Dingen nimmt man ge- wissermafsen als Gewürz kleine Mengen auf den bereits überladenen Teller und beginnt dann mit Löffel und Gabel das abwechslungs- reiche Vertilgungswerk. Ich mufs gestehen, dafs mir das Gericht nach Brauch und Sitte mit allen Finessen bereitet zu scharf ge- würzt und zu bunt zusammengesetzt war; ich zog es deshalb vor, zu dem mit der Fleischsauce übergossenen Reis ein Spiegelei und ein Stück Fleisch zu essen, den Sambal aber zurückzuweisen. Da nach der Reistafel gewöhnlich noch ein Beefsteak mit Salat gereicht wurde, so fand ich immer genügende Gelegenheit, mich satt zu essen. Nach der Reistafel, in der heifsesten Zeit des Tages ist ein Ruhestündchen sehr angenehm. Fast alltäglich bricht während des- selben in Buitenzorg ein heftiges Gewitter mit kolossaler Regen- menge los und kühlt die Temperatur soweit ab, dafs man nach der Ruhe und dem sich anschliefsenden Bad noch einige Stunden ohne Belästigung arbeiten kann. Das Bad hat in Holländisch-Indien auch seine Eigenart. Aus- nahmsweise ist bei dem Flotel Bellevue in Buitenzorg ein kleines, von einer frischen Quelle gespeistes, überdachtes Schwimmbassin, das ich mit Vorliebe aufsuchte. Sonst aber kennt man als Bad dort nur eine Kammer mit Stein- oder Cementboden, in welcher in einem gemauerten Bassin oder auch in aufgestellten Steingut- krügen Wasser zum Übergiefsen des Körpers bereit steht, seltener Die Eingebornen. 2Q trifft man diineben eine Brausedouche. Man bezeichnet das Über- giefsen des Körpers mit Hülfe eines kleinen Eimerchens als Mandien, den Baderaum als Kamer mandi. Die Stmiden nach dem Bad bis zur Dunkelheit benutzte ich häufig, um im Laboratorium die neu eingetroffene Fachlitteratur zu studieren oder um Arbeiten, die ich am jMorgen hatte liegen lassen müssen, fortzusetzen. Nach Beginn der Dunkelheit, die um 6 Uhr mit Sonnenuntergang sehr schnell hereinbricht, pflegte ich auf der Veranda meines Hotelzimmers bei Lampenlicht zu schreiben oder zu lesen oder die malaiische Sprache zu studieren, was ja für meine späteren Reiseabsichten dringend nötig war. Zum Abstatten und Empfangen von Höflichkeitsbesuchen ist in Holländisch -Indien die Stunde von 7 bis 8 Uhr reserviert. Bald nach 8 Uhr beginnt das aus mehreren Gängen in europäischer Weise zusammengesetzte Diner. Die Abendstunden bleiben dann der Geselligkeit, Besuch der Societät mit Billard und Lesezimmer oder Unterhaltung mit den Hotelnachbarn, und wenn der iSIond scheint und der Gewitterregen rechtzeitig aufgehört hat, auch wohl ein gemeinsamer Mondscheinspaziergang auf dem Djalan besar durch den schönen Abend. Dieses regelmäfsige Tagesprogramm wurde nicht selten dadurch angenehm unterbrochen, dafs ich bei dem Direktor Treub oder bei einem der andern Europäer zu Gast war und am Freitag Abend reiste ich immer gern nach Batavia, um als Gast im Hause des Generalkonsul zu weilen und abends im deutschen Klub mit lieben Landsleuten dem edlen Kegelspiel zu huldigen. Die Sonntage, an denen ich nur die Vormittagsstunden der Arbeit in Garten und Laboratorium widmete, gaben mir Zeit, auch die Gebräuche und Ein- richtungen der Eingebornen näher kennen zu lernen, deren Leben und Treiben ich alltäglich und stündlich vor meiner Veranda und auf dem Wege zum Garten zu beobachten Gelegenheit hatte. Unter den nicht europäischen Bewohnern von Buitenzorg bilden die Chinesen nur einen sehr geringen Bruchteil. Sie sind meist Handelsleute, zum Teil Besitzer grofser Kaufläden, sogenannter Tokos, in denen alle möglichen Gebrauchsartikel wie in einem modernen Grofsstadtwarenhause neben einander aufgestapelt und zu kaufen sind. Arme chinesische Kulis, welche sich als Lohn- arbeiter verdingen, giebt es in Java nicht. Man sagte mir, dafs die Chinesen selbst, um eine dominierende Stellung gegenüber den Malaien zu behalten, die Einwanderung ärmerer, auf den Broterwerb durch körperliche Arbeit angewiesener Landsleute verhindern. Die ^O Buitenzorg. Hauptmasse der farbigen Bevölkerung gehört der malaiischen Race an. Man kann aber im allgemeinen drei Typen in der malaiischen Bevölkerung unterscheiden, die sich durch die Kleidung äufserlich unterscheiden und eine verschiedene Muttersprache haben. West- java ist der eigentliche Stammsitz der Sundanesen, d^meben aber sind zahlreiche Javaner vorhanden, die ich später in ihrem eigent- lichen Wohnsitze, den Vorstenlanden von Middenjava näher kennen lernte, und ein nicht geringer Bruchteil besteht aus den Küsten- malaien, einem Wandervolke, welches ursprünglich in Malakka und auf Sumatra heimisch ist, jetzt aber an allen Küsten des Archipels und weit darüber hinaus zu finden ist, und seine Sprache als ein Verständigungsmittel eingebürgert hat für alle die verschiedenen Völker, welche Handel und Wandel in dem vielgestaltigen schätze- reichen Insellande zusammen führt. Die Racencharaktere der drei Stämme sind selbstverständlich in den Gebieten, in denen alle drei gemeinsam auftreten, vielfach verwischt, so dafs nur scharfe Beob- achtung die feinen Unterschiede in Körperbau und Gesichts- schnitt, in Tracht und Sitte erkennt. Die Hautfarbe ist ein warmer, brauner Ton in wechselnden Nuancen. Der Gesichtsausdruck wird durch grofse, dunkle Augen mit sanftgeschwungenen Brauen, etwas vorstehende Backenknochen, volle Wangen, volle aber nicht über- mäfsig gewulstete Lippen und ein rundes Kinn beherrscht. Der Europäer findet wohl immer anfangs die kleine, tiefgesattelte Stumpf- nase am auffälligsten; sie giebt dem Gesicht einen offenen, kind- lichen Zug. Die Männer haben spärlichen Bartwuchs, aber langes straffes Haar, das unter einem Kopftuch verhüllt getragen wird. Die Frauen tragen das Haar glatt nach hinten gekämmt und zum Knoten geschlungen. Die Tracht besteht bei den Männern aufser einem Baumwollhemd aus einer kurzen, engen Kniehose, einem mehr oder minder lang herabreichenden Hüfttuch, dem Sarong, und aus einer dunklen Jacke. Die Frauen tragen den Sarong bis über die Brust hinaufgezogen, hinten und seitlich gkitt anliegend, ferner eine lange Ärmeljacke, die Kabaja, welche vorne durch eine Spange zusammengehalten wird, und beim Ausgang ein dem Sarong in der Färbung ähnliches Tuch, den Slendang, wie eine gefaltete Schärpe schräg über Brust und Schulter. In der Umgebung von Buitenzorg und tiefer im Lande sah ich übrigens die Frauen gelegentlich bei der Arbeit mit blofsem Oberkörper, den Sarong um die Hüften be- festigt, sie zogen aber stets den Sarong sofort bis unter die Arme hinauf, sobald sie die Nähe des Europäers bemerkten. Auf meine Die Häuser der ^[alaien. 31 Frage, warum sie diese Kostümveränderung für nöthig hielte, be- kam ich von einer jungen Frau die Antwort „Orang blanda tida boleh tanggung". Ein rätselhaftes Wort! Es kann heifsen „der Europäer kann es nicht ertragen", oder „dem Europäer ist nicht zu trauen", es bedeutet aber auch „er will es nicht dulden". Nach dem Ton- fall und dem etwas schnippischen Ausdruck des hübschen Ge- sichtchens schien es hier im erstem Sinne verstanden zu sein. Die Häuser der Malaien sind in Buitenzorg und im Hinter- lande ordentlich und sorgfältig gebaut, einstöckig mit einem grofsen Binnenraum, dessen Eingang durch einen Vorhang verschlossen ist, und einer breiten Veranda unter dem weit vorspringenden, in seinem untern Teil etwas verflachten Walmdach. Die Veranda, welche durch Rollvorhänge gegen die Sonne geschützt werden ktmn, bildet während des Tages den Aufenthaltsort der Familienglieder. Der Bau eines solchen Hauses geht leicht und schnell von statten. Zu- erst wird das Balkengerüst aus Bambus mit dem Dachstuhl auf- gestellt, dann wird das Dach gedeckt, wozu entweder Hohlziegel verwendet werden oder Atap. Das Letztere besteht aus den Fiedern eines Palmblattes, welche an einem Stab neben einander fest- gebunden lange Flächen bilden, die auf dem Dachstuhl schindel- artig befestigt werden. Ein Atapdach hat vor dem Steindach, wie ein europäisches Strohdach, den Vorzug, dafs es die Hitze besser abwehrt. Es hält aber dem derben Platzregen, der die tropischen Gewitter begleitet, nicht so lange Widerstand als gut gebrannte Ziegel; aufserdem nistet sich in ihm leicht das Un- geziefer, vor allem die Ratten, ein. Die Wände des Hauses werden von ge- flochtenen Bambusmatten ge- bildet. Indem abwechselnd dunklere und hellere Strei- fen verwendet werden, entstehen einfache, re- gelmäfsige Flechtmu- ster, welche das Haus äufserlich schmücken und im dämmerigen Innern die bunte Ta- pete ersetzen. Der Fufsboden desHauses ist ganz allgemein Eiiigehoriie Frauen von IVestJava beim Spiel. 2>2 ßuitcnzor(/ufa. Frische T/u-ccniü zum Wdi/ceii in ßaclun Kjrben aus^elirei/ci. ein beständig-er Kampf geführt werden. Erst im zweiten oder selbst erst im dritten Jahr kann mit der Ernte begonnen werden. Eingeborene Pflücker, darunter auch Frauen und ältere Kinder, gehen von Busch zu Busch die Reihen entlang und zwicken alle Zweigspitzen bis zu dem dritten Blatt ab. Diese Zweigspitzen mit der Endknospe und den jüngsten, zarten Blättchen werden in Kör- ben gesammelt und in die Faktorei gebracht, wo nach der ]\Ienge des Eingesammelten der Lohn der Pflücker berechnet wird. Die frisch gepflückten Theeblätter werden zuerst zum Welken in flachen Körben ausgebreitet. In mitnchen Faktoreien werden statt der Körbe feststehende Bambushürden, welche mit Tuch be- spannt sind, verwendet. Die gewelkten Blätter werden zunächst gerollt, was in manchen Produktionsländern Handarbeit der Ein- gebornen ist, in modernen Faktoreien auf Java und auf Ceylon durch grofse, mit Dampf betriebene Rollmaschinen bewirkt wird. Durch das Rollen, welches unter gelindem Druck in der Wärme vorgenommen wird, verlieren die Blätter einen Teil ihres Saftes, und zugleich werden sie in kleine Klümpchen oder unregelmäfsige Kügelchen zusammengedreht. In manchen Faktoreien werden die gerollten Kügelchen für kurze Zeit aufgehäuft und zugedeckt einem Fermentierungsprozefs überlassen, bei dem sich die Temperatur der halbfeuchten Masse nicht über ein gewisses Mafs steigern darf. Durch dieses Fermentieren soll das Arom des erzielten Produktes KafTeebau. 6 1 wesentlich gesteigert werden.^ Später kommen die schwarzbraunen Massen in den Trockenapparat, in dem sie mit einem erhitzten, trockenen Luftstrom in Berührung gebracht und ihrer letzten Feuch- tigkeit beraubt werden. Das so gewonnene Produkt ist schwarzer Thee. Bei Herstellung des grünen Thees wird das Verfahren in- sofern abgeändert, als die frisch eingesammelten Blätter sofort ge- dämpft und bei gröfserer Hitze gerollt und geröstet werden. Ich habe diesen Prozefs nicht aus eigener Anschauung kennen gelernt, da in allen den grofsen Faktoreien, die ich besuchte, ausschliefslich schwarzer Thee produziert wurde. Der gewonnene Thee wird gleich in der Faktorei durch Siebe sortiert, und nachdem er, wenig- stens in sorgfältig geleiteten Betrieben, noch einer Geschmacks- probe unterworfen wurde, in grofse, mit Blech ausgeschlagene Kisten verpackt. Die Theesträucher können, wenn sie sorgfältig behandelt wer- den, wenn besonders das Beschneiden nach der Ernte sachgemäfs ausgeführt wird, wohl bis zum Alter von einem Jahrzehnt guten Ertrag liefern, dann aber nimmt die Erntemenge stark ab. Man verjüngt dann den Stamm durch gänzliches Zurückschneiden der alten Krone. Auf diese Weise wird die Bildung einer neuen Krone veranlafst, welche wiederum noch einige Jahre eine ergiebige Ernte bringt. Wenn endlich die Fruchtbarkeit nachläfst, wird der Stamm durch eine junge, im Saatbeet gezogene Pflanze ersetzt. Unter den tropischen Produktionsländern des Kaifees nimmt Java seit langer Zeit eine der ersten Stellen ein, und die als Java- kaffee bezeichneten Handelsmarken gehören mit zu dem Besten, was auf den Markt kommt. Trotzdem ist die Zahl der von Euro- päern betriebenen Kaffeeplantagen auf Java nur gering. Es exi- stiert nämlich ein Regierungsmonopol, wonach der Anbau des Kaffees den Eingebornen als eine Art Steuerleistung übertragen bleibt. Jede Familie in den für Kaffeebau ausersehenen Gegenden ist gehalten, 650 Kaifeebäumchen zu pflanzen und zu pflegen, und den Ertrag zu einem bestimmten, niederen Preise an die Kolonial- regierung abzuliefern. Die letztere verkauft das Produkt in öftent- lichen Auktionen zu Batavia, Padang und Amsterdam. Auf diese Weise erwächst dem Gouvernement eine sehr bedeutende Einnahme, während zugleich die eingebornen Kaffeepflanzer ihren Erwerb finden. Nur wo schon vor dem Jahre 1840 gröfsere, von Europäern geleitete Plantagen bestanden, sind dieselben auch heute noch in den Händen von Privatbesitzern, und aufserdem sind auch auf den 52 Durcli die Preanger-ResidentscLaft zum Vulkan Ged^. von der Regierung nicht direkt abhängigen Territorien einiger eingeborner Sultane nachträglich gröfsere Plantagen angelegt wor- den, sodafs etwa der sechste Teil der Gesamtproduktion auf die grofsen Privatplantagen europäischer Pflanzer entfällt. Der Kaffeebaum gedeiht am besten an den Abhängen der vulkanischen Bergkegel, und die Pflanzungen steigen oft bis weit über looo Meter hinauf. Die pyramidenförmigen, über mannshohen Bäumchen mit ihrem dunkelgrünen, glänzenden Laube, sind w4e die Theesträucher in gleichen Abständen zu geraden Reihen an- geordnet. Um ihnen Schutz gegen vSonnenbrand und Wind zu geben, werden zwischen den Reihen schnellwüchsige Schattenbäume angepflanzt. Man benutzt dazu meistens Leguminosen, deren von zarten Fiederblättern gebildete Schirmkrone einen lichten Halb- schatten über die Kaffeebäumchen ausbreitet. Zum Anbau werden gegenwärtig auf Java hauptsächlich zwei Kaffeearten verwendet, der arabische Kaffeebaum und der Liberia- Kaffeebaum. Von jeder dieser beiden Arten existieren Spielarten, welche sich durch gewisse Merkmale, besonders durch Gröfse und Form der Blätter und der Früchte und durch gröfsere oder ge- ringere Widerstandskraft gegen die Einflüsse des Klimas und des Bodens, sowie auch gegen schädliche Pilze von einander unter- scheiden. Die Pflanzen für den Betrieb der Pflanzung werden aus Samen erzogen, und im Alter von einigen Wochen auf dem Felde ausgepflanzt. Man erwartet von einem gesunden Baum im dritten oder vierten Jahre die erste Ernte. Der Kaffeebaum hat nicht, wie etwa unsere einheimischen Obstbäume, eine auf wenige Tage be- schränkte Blütezeit, sondern unausgesetzt das ganze Jahr hindurch brechen neue Blüten aus den durch Zuwachs entstandenen Zweig- enden hervor. Besonders gilt das für den Liberia-Kaffeebaum, bei dem arabischen Kaffeebaum ist zwischen der letzten Blüte und der Erntereife eine Pause, sodafs man hier eher von einer Blütezeit und einer Zeit der Fruchtreife reden kann. Die aus den grofsen, weifsen Blüten hervorgehenden, beerenartigen Früchte sind anfangs grün gefärbt, später geht ihre Farbe in ein leuchtendes Rot über. Die völlig reifen Beeren werden von Arbeitern mit der Hand gepflückt. Um das Geschäft des Einsammelns zu erleichtern, sucht man die Bäume in den Pflanzungen durch rechtzeitiges Einspitzen des Gipfeltriebes niedrig zu erhalten. Der arabische Kaffeebaum erträgt auch das Beschneiden ganz gut, bei dem Liberiabaum da- gegen, der ohne Unterbrechung blüht und fruchtet, wird mit dem Kaffeeernte. 63 Kaffeeernte tu Westjava. Beschneiden jedesmal ein Teil der Ernteaussicht vernichtet, weshalb man ihn besser in seiner natürlichen Gröfse aufwachsen läfst, und die zum Pflücken ausgesandten Arbeiter mit leichten Bambusleitern ausrüstet, übrigens hat man auch versucht, durch Züchtung Libe- ria-Kafl"eebäume zu erzielen, welche mehr buschartig wachsen und kaum meterhoch werden. Ich sah ein mit solchen Büschen be- pflanztes Stück in dem Kulturgarten von Tjikeumeu. Wie mir indes der Herr Dr. van Romburgh, der in der Wissenschaft und Praxis bezüglich aller Fragen der tropischen Agrikultur gleich wohl erfahrene Leiter dieses Institutes, versicherte, ist das Ernteergebnis dieser Neuzüchtung vorderhand bezüglich der Quantität und Qualität noch nicht auf der gewünschten Höhe, sodafs an eine Verwendung' der strauchartigen Liberia -Kaffeepflanzen in plantagenartigen Be- trieben vorerst noch nicht gedacht werden kann. Die bei der Ernte eingebrachten Kaffeefrüchte werden von Trägern oder auf Karren zur Faktorei befördert. Wo die Verhält- nisse dafür günstig sind, schwemmt man die Kaffeefrüchte auch wohl durch Metallröhren oder in offenen Rinnen mit Wasser über den Berghang zur Faktorei hinab. Bezüglich der weiteren Behandlung der Früchte bei der Ernte- bereitung unterscheidet man das trockne und das nasse Verfahren. Die Eingebomen verwenden bei der Emtebereitung in ihren Gou- (fA Durch die Preanger- Residentschaft zum Vulkan Ged6. vernements- Kaffeegärten, die erstere Methode, welche wohl die ursprüngliche und ältere ist. Sie schütten die gesammelten Beeren auf Haufen und lassen sie liegen, bis die Fruchtschalen aufspringen, dann werden die Früchte auf eigenen, gegen Regen geschützten Trockentennen getrocknet, und nun die hartgewordene Umhüllung durch Stampfen zersprengt. Im nassen Verfahren wird die ein- geweichte Kaffeefrucht in einer Maschine von dem fleischigen l^il der Fruchtwand befreit. Die „Kaffeebohnen" bleiben dabei zu- nächst noch von einer pergamentartigen Schale umhüllt, welche von einer schleimig breiigen Masse bedeckt ist. Durch drei bis fünftägiges Liegen in ausgemauerten Bassins wird der schleimige Brei gelöst. Darauf folgt eine energische Wäsche, aus der die nunmehr als Pergamentkafifee bezeichneten Bohnen glatt und rein hervorgehen. Zum Trocknen der so gewonnenen, noch von der Pergament- haut eingeschlossenen Bohnen sind gemauerte Tennen vorhanden. Auf ihnen werden die gewaschenen Bohnen ausgebreitet und der Sonne ausgesetzt. Sobald Regen droht, mufs der Kaffee auf den Tennen- bedeckt werden, da durch wiederholtes Benetzen und Trocknen die Güte der Bohnen sehr stark leidet. Man hat, um dem durch den Regen drohenden Mifsgeschick zu entgehen, allerlei Einrichtungen ersonnen, um die Trockentennen in wenigen Augen- blicken überdachen zu können. Auf manchen Pflanzungen ver- zichtet man wegen der Gefahr überhaupt auf das Trocknen in der Sonne und verwendet Trockenscheunen oder gar Trockenhäuser, in denen die Trocknung unter Anwendung von künstlicher Wärme schneller und gründlicher vorgenommen werden kann. Der getrocknete Pergamentkaffee wird durch Maschinen ent- hülst, dann durch Siebe sortiert, in einer eigenen Maschine poliert, und endlich noch zur Ausscheidung der unansehnlichen und mifsfar- bigen Bohnen von Arbeitern mit der Hand verlesen. Eine viel geringere Bedeutung als die Kaffeeproduktion hat für Java die Kultur des Kakaobaumes. Immerhin begegnet man hin und wieder Pflanzgärten, in denen der kräftige, grofsblättrige Baum in gröfserer Anzahl unter den lichten Kronen der Schattenbäume gepflegt wird. Der Kakaobaum ist gegen direkte Sonne und besonders gegen Wind sehr empfindlich, weshalb windgeschützte Abhänge in gebirgigen Gegenden oder durch Wald geschützte Thalgründe die günstigsten Stellen für seinen Anbau abgeben. Der aus Samen (Erzogene Baum kann eine Höhe von 6 Metern und Kakao. 65 darüber erreichen. Er wird gewöhnlich im vierten oder fünften Jahre trag-fähig. Die Blüten und nach ihnen die P>üchte erscheinen nicht, wie wir es bei unsern einheimischen Fruchtbäumen gewöhnt sind, an den äufsersten Trieben der dünneren Zweige, sondern direkt an dem dicken Stamm und an den stärkeren Asten. Blüten und Früchte in allen Entwicklungszuständen findet man zu jeder Zeit im dem erwachsenen Biiume vor, dessen Entwicklung in dem ihm zusagenden, feuchtwarmen Tropenklima keine Unterbrechung erfährt. Die kurzstieligen Früchte haben etwa die Gestalt und Gröfse einer gedrungenen Gurke. Sie sind aber grobwarzig und mit fünf stumpfen Eängskanten versehen und auf grünweifsem Grunde rötlich braun gefärbt. Zur Zeit der Fruchtreife schlottern die im Innern aus- gebildeten 20 oder mehr Samen. Die beim Einsammeln verwendeten Arbeiter wissen nach diesem Merkniiü die reifen von den unreifen Früchten zu unterscheiden. Die geernteten Früchte werden durch einen Schlag mit dem Messer oder mit einem Knüppel geöffnet, und nunmehr die in einem rötlichen Fruchtbrei eingebetteten und von einer harten Schale umhüllten Samen herausgeklaubt, wobei die Hinken und geschickten Hände jugendlicher Arbeiterinnen gute Dienste leisten. Die in Körben oder auf Tischen, auch wohl auf untergebreiteten fjananenblättern am Boden eines gedeckten Raumes aufgehäuften Kakaosamen werden nun einige Tage lang sich selber überlassen. Eine eintretende Gärung macht dabei den noch schleimigklebrigen Fruchtbrei löslich, mildert Geschmack der Samen und läfst die helle Farbe der Schalen in ein rötliches Braun übergehen. Nach der Gärung werden die Kakaobohnen gewiischen und in den Trockenraum gebriicht, welcher geheizt und ventiliert ist. Nachdem der Kakao dort unter fortwährendem Umschaufeln ge- trocknet ist, wird er zum Versandt nach Europa verpackt. Reisfelder, Thee- und Kaffeeptlanzungen und Kcikao- gärten, sind zwcir nicht die einzigen landwirtschaftlichen betriebe, welche; neben dem anhaftenden den bitteren Javaiitscln' Kiikaoarbt:iicriiiiifii. 56 Durch die Preanger-Residentscliaft zum Vulkan Ged6. Obst- und Gemüsebau der Eingebornen diis Land in der Preanger- Residentschaft in Anspruch nehmen; aber sie sind diejenigen, Avelche auf der von mir bereisten Strecke am auffälligsten her- vortraten. Ich will mich deshalb hier mit den gegebenen Dar- stellungen begnügen. Die Schilderung eines Besuches in Midden- java, den ich später unternahm, wird mir wohl Gelegenheit geben, den Leser auch mit den für Java wichtigen Kulturen des Zucker- rohrs und des Indigos bekannt zu machen, und den Tabaksbau habe ich am eingehendsten in dem für Welthandel und Weltkonsum so überaus wichtigen Tabakslande .Sumatra- Ostküste studiert, so dafs ich seine Beschreibung erst an späterer Stelle meinem Reise- bericht einfügen kann. Als ich am Vormittag des lo. Oktobers 1899 mit der Eisenbahn von Buitenzorg in Tjiandjur eintraf, standen dort die vorausbestellten Wagen zur Personen- und Gepäckbeförderung bereit. Es waren zweiräderige Karren mit je drei kleinen, javanischen Ponys quer be- spannt. jVIit Marios Unterstützung war der Barang-barang (das Ge- päck) bald ordnungsmäfsig verstaut und die Reise konnte ohne Aufenthalt weitergehen, mit lustigem Peitschenknall die gut fahr- bare Bergstrafse entlang. Es ist erstaunlich, was die kleinen Pferde zu leisten vermögen. Im Trabe geht es bergauf und bergiib über »Steigungen, die bei uns ein Kutscher kaum seinen Pferden zumuten würde. Dabei haben die Wagen nicht einmal eine Bremsvorrichtung, so dafs die Pferde beim Bergabfahren die ganze Last zu hidten haben. Tjiandjur liegt etwa 600 Meter über dem Meer. JSo war denn die Gegend in der ersten Strecke unseres Weges kaum anders als wir sie von der Eisenbahn aus gesehen hatten. Überall Reisfelder in allen »Stadien, von der Feldbestellung bis zur reifen Ernte neben einander, ferner Thee- und Kaffeepflanzungen und dazwischen hin und wieder die Gebäude einer gröfseren Pflanzung und Europäer- wohnungen mit wohlgepflegten Blumengärten. Ab und an passierten wir ein Dorf der Eingebornen, dessen Häuser ganz versteckt im Schatten grofser Manga- und anderer Eruchtbäume liegen. Die Woh- nungen sind hier etwas sorgloser gebaut als in Buitenzorg und sehen manchmal arg vernachläfsigt und halb verfallen aus. Im übrigen aber sind sie nach demselben Biiuplan errichtet, wie die früher beschriebenen. Am Ilauseingang befindet sich eine Veranda, dahinter durch eine Thür getrennt der eigentliche Tnnenraum des Hauses, die Schlafstätte der Bewohner. Gegen die Strafse hin sind die Häuser und die sie umgebenden VVagenfaiirt. 6/ Grundstücke häufig durch einen Z^iun aus Bambusstäben abgeschieden, oder auch wohl durch eine aufgeschichtete Steinmauer. Neben dem Hause stehen breitblättrige Bananen, unter denen, auf dem von Unkraut freigehaltenen Boden, die Kinder herumspielen, und gackernde Hühner im vSande scharren. Die Bewohner dieser Gegend sind, von den Europäern abgesehen, fast ausschliefslich Sundanesen. Auf der Strafse begegnen uns vereinzelte, breitschultrige Gestalten, die an einer an beiden Enden aufgekrümmten, auf der Schulter ruhenden Tragstange, Körbe mit Früchten oder Reisbündel tragen. Sobald sie die Wagen kommen sehen, gehen sie an den Wegrand und drehen uns den Rücken zu. Frauen und Kinder, die uns ent- gegen kommen, hocken in ganzen Reihen am Wegrande hin mit abgewendetem Gesicht. Das ist die hier übliche Weise, den Europäer zu grüfsen. Es scheint mir fast, als ob diese Form des Grufses als ein Zeichen der Unterwürfigkeit eine Überlieferung ist aus längst vergangenen Zeiten der Knechtung und gewaltsamen Unterdrückung. Die freimütige Art, mit dem Europäer zu ver- kehren, die ich später bei den malaiischen Stämmen .Sumatras kennen lernte, steht damit in einem scharfen Kontrast. Die Leute sehen übrigens gesund und kräftig aus und ihre Kleidung zeugt von einem gewissen Wohlstand. Halbwüchsige Kinder und junge Mädchen haben nicht selten schwach durch- scheinend rotgefärbte Wangen, was bei dem warmen, hellbraunen Grundton der Hautfarbe allerliebst aussieht. Die Station vSindanglaja, welche wir von Tjiandjur aus mit dem Wagen erreichen wollten, liegt etwa iioo Meter über dem Meeres- spiegel am Fufse des Vulkankegels, also etwa nur 500 Meter höher als die Bahnstation Tjiandjur. Die Gesamtsteigung des Weges auf der nahezu zweistündigen Wagenfahrt ist also durchaus nicht über- mäfsig grofs. Wir hatten indes unterwegs eine Pafshöhe zu über- winden, an welcher die vSteilheit der Strafse, diejenige, welche ich an den fahrbiiren Kunststnifsen in den europäischen Alpenländern kennen gelernt, recht beträchtlich übertraf, obwohl die natürliche vSteilheit des Terrains durch einen Durchstich bedeutend abgemindert war. Das war eine tolle Fahrt. Im Galopp liefen die zähen Pferdchen auf die steile Anhöhe hinauf, und dann nach kurzem Ver- schnaufen ebenso den jenseitigen Abhang hinunter. Der Wagen flog über vStock und St(Mn dahin, so dafs man sich am Sitz fest- halten mufste, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Wir näherten uns nach Überwindung des P^isses mehr und mehr •5* 68 Durch die rre;in"er-Residcntschafl zum Vulkan Gedc. Pa/s/iö/i,- der Slrajs, nn P dem eigentlichen Ijcri^kes^el des Gede, an dessen Fuis die Strafse herumläuft. Am Gipfel über dem Krater schwebte eine unbewegliche Rauchwolke. Die Hänge des Kegels waren ebenso wie die des Zwillinggipfels Pangeriingo bis oben hin mit Wald bedeckt. Unter- halb der Grenze des eigentlichen Urwaldes aber liegt noch Kultur- land. In den durch die Bergwasser ausgetieften Rinnen, welche die vom Berg iiusstrahlenden Rücken trennen, waren an manchen Stellen Reisterrassen erkennbiir, die vom Obstw£ilde vcirhüllten Dörfer der l^^ingebornen sind wie kleine Waldkomplexe ^luf den Hochflächen verteilt. Nach einiger Zeit passierten wir eine gröfsere Ortschaft, Tji- pannas, in welcher mehrere T^uropäerwohnungen zwischen den Hütten der Eingebornen liegen. Der Generalgouverneur von Holländisch- Indien hat hier ein Landhaus. Eine warme Quelle, welche hier dem vulkiuiischen Boden entsteigt, wird zu Bädern verwendet. Gegen i Uhr erreichten wir Sindanglaja. Der Ort besteht der Hauptsache nach aus einem grofsen Hotel, welches Kranken und Siiidan<,rlaja. 6g Rekonvalescenten, die in dem gesunden Höhenklima Erholung suchen, comfortable Unterkunft bietet. Ich hatte die Absicht, hier zu über- nachten und am nächsten Morgen zu Fufs zu dem Berggarten von Tjibodas hinaufzusteigen. Nach den Strapazen der ungestümen Wagenfahrt genofs ich mit Behagen die Ruhe in dem wohl aus- gestatteten Hotel, das rings von schattigen Gartenanlagen umgeben ist, und selbst zu Billard-, Kegel- und Croquetspiel Gelegenheit bietet. Der Nachmittag brachte mir noch eine sehr angenehme Über- raschung. In einer Dependance des Hotels wohnte ein Fachgenosse, der Dr. Lotsy, ein holländischer Gelehrter, der sich durch eine An- zahl gediegener Arbeiten in der Litteratur bekannt gemacht hat. Er gehört zum wissenschaftlichen Stabe des Professor Treub und führte damals in dem Laboratorium des Berggartens von Tjibodas wissenschaftliche Untersuchungen über die Cinchona- Arten aus, welche kekanntlich in ihrer Rinde ein für die moderne, ärztliche Praxis eminent wichtiges Heilmittel, das Chinin liefern, und welche seit vielen Jahrzehnten auf Java plantiigenmäfsig angebaut werden. Dr. Lotsy lud mich zugleich im Namen seiner Gemahlin zum Abend zu Tisch. So gew^mn ich ganz unerwcirtet die grofse Freude, einige Stunden in einem angenehmen Familienkreise verbringen zu können. Ich kann nicht stigen, was mir dabei das gröfste Ver- gnügen bereitete, die Unterhciltung über wissenschaftliche Dinge mit dem welterfahrenen und wohlbelesenen Fachmann, oder die Be- antwortung der Fragen, durch welche die liebenswürdige Wirtin das Gespräch auf mein eigenes Heim und auf meine lieben daheim zu lenken wufste, oder endlich das Scherzen mit den herzigen Kindern des Hauses, einem prächtigen Knaben von sechs Jahren und einem um zwei Jahre jüngeren Mädelchen, denen ich mich in einem aus holländischen Brocken und Plattdeutsch gemischten Kauderwelsch verständlich zu machen suchte. Am späten Abend wurde ich von einem sundanesischen Diener bei Laternenschein ins Hotel zurückgeleitet. Noch vor Sonnenaufgiing am nächsten Morg-en weckte mich Marios Stimme aus angenehmen Träumen. Der Koffer war schnell gepackt und wurde nebst den übrigen Gepäckstücken den bestellten Kulis übergeben, die alles an Bambusstäben tiuf den Schultern davontrugen. Nach dem Frühstück war auch ich schnell zum Ab- marsch gerüstet, und nun ging's in der Morgenfrische fröhlich den Bergpfad hinan. jMan kann auf \crschiedenen Wegen von Sindan- glaja aus nach Tjibodas gekmgen. Der Weg, den ich nach Marios -Q Duicb die Pre;iiij,'cr-Rt'si(lentscluift zum Viilk;in Ciedc. Vorschlag wählte, war ein schmaler FuFsweg-, der uns über einen Hügelrücken an allerlei Kulturen vorbei und durch einige kleine Dörfer führte. Der Weg war stellenweise von blütentragenden Lantanahecken begleitet, dazwischen standen hin und wieder grofse Daturastauden, die über und über mit handlangen, schneeweifsen Blütentrichtern behängt waren. Ein gänzlich ungewohnter und un- erwarteter Anblick waren für mich die ausgedehnten Kartoffel- felder, welche sich über den Rücken eines Bergausläufers hinzogen. Als wir höher hinauf kamen, lagen die sanften, von tiefen Furchen durchzogenen und mit Urwald bedeckten Hänge des Gede und Pangerango frei vor uns, an denen in halber Höhe noch der Morgen- nebel in leichten Wolken über der grünen Wildnis schwebte. Unser Fufspfad führte uns schliefslich auf einen breiten Reitweg, der sich in Windungen den Berg hinanzieht. Das Gelände wird allmählich steiler, die Kulturpflanzen hören auf, und allerlei Busch- und vStrauch- werk bedeckt den Boden zur Seite der Strafse. Rückblickend ge- niefst man eine herrliche Aussicht in die schöne Gebirgslandschaft mit den tiefen, im saftigen grün prangenden Thälern und den herrlich geformten Bergketten in der Ferne. Wir hatten, bevor wir den Berggarten erreichten, £iuf unsern Wege eine der Thalfurchen zu durchschreiten, welche den Fufs des Bergkegels in radial ausstrahlende Höhenzüge zerteilen. Der Weg führt an der einen Böschung der Schlucht ziemlich steil abwärts. Unten ist das, im Grunde der Furche, in Kaskaden abwärts eilende, Gebirgsbächlein durch eine Holzbrücke überspannt, und jenseits führt der Weg wieder schräg aufwärts an der Thahvand empor. Alan bezeichnet solche, den Weg querenden Schluchten als Raweinen (ravijnen). Sie sind mir auf meinen Uberlandreisen in Sumiitra oft recht lästige Reisehindernisse gewesen. Gewöhnlich aber siedelt sich in den feuchteren Schluchten, die iiufserdem der Bodenkultur keinen Platz bieten, eine üppige Vegetation an, welche durch ihre ]\Iannigfaltigkeit und Schönheit für die Mühe des Bergab- und Berg- aufklimmens reichlich entschädigt. In der Raweine am Gede bot sich mir zum ersten Mal ein herrlicher Blick auf eine üppige Ur- waldvegetation, in der besonders die Schatten und Feuchtigkeit lieben- den Baumfarne, die zierlichsten aller tropischen Bäume, auffällig hervortraten. Die Stämme waren mit Fpiphyten bedeckt, und zwischen ihnen woben allerlei Kletterpflanzen ein undurchdringliches Dickicht unter und zwischen den hellgrünen Kronen der zierlich gefiederten Wedel. Es schien nicht riitsam, bei dem schönen Bilde Tjibüdas. 7 1 allzulange zu verweilen, oder gar in das Dickicht hinabzuklettern, um die Herrlichkeit aus der Nähe zu betrachten, und aus der Fülle des Neuen, das dort für mich wuchs, auch nur das Allerinteressanteste zu sammeln. Wie leicht wäre mein Rucksack mit nie gesehenen Schätzen gefüllt gewesen. Aber ich hcitte zu fürchten, dafs sich mein !Mcirsch dann allzulang in die heifse Zeit des Tages hinein ausdehnen würde, und ich durfte iiufserdem Mario Gkiuben schenken, welcher sagte, dafs alle diese Dinge oben im Urwalde viel bequemer und in noch viel reicherer Fülle zu haben seien. So kletterten wir dann wieder aus der Raweine empor und verfolgten unsern Weg bergan. Es dauerte nicht mehr lange, so sahen wir bei einer Biegung des Weges eine weilse Tafel mit der Aufschrift S'Lands plantentuin vor uns, ein Zeichen, dafs wir wieder in das spezielle Wirkungs- gebiet des für seine europäischen Gäste so fürsorglichen Professors Treub einzogen. Unser Ziel lag nach kaum zw^eistündiger Wan- derung vor uns. Der Platz, wo die Tafel steht, bezeichnet aller- dings nur den Anfang des ziemlich ausgedehnten Berggartens, in dessen oberstem Abschnitt das Urwaldlabor^itorium liegt. Wir mufsten noch ein gutes Stück steigen, und ich hatte dabei genü- gende Gelegenheit, mich von der musterhaften Ordnung zu über- zeugen, mit welcher selbst hier oben, 1400 Meter über dem Meer, die unter Treubs Direktion stehenden Gartenanlagen gepflegt werden. Der Berggarten ist seiner Anlage nach ein schöner Park. Grofse Rasenflächen wechseln mit herrlichen Baumgruppen ab, in- mitten liegt ein schöner Teich, in dessen stillem Wasser sich die Bäume und die Berggipfel des Hintergrundes spiegeln. Eine schöne Allee aus dunklen Koniferen bezeichnet den ansteigenden Hauptweg, welcher zu dem oberen Teil des Gartens emporführt, wo von Rosenlauben, Eibischgebüschen und Blumenbeeten umgeben das gastliche Wohn- und Arbeitsgebäude für die Gäste aus Europa sich freundlich von dem dunkeln Hintergrund der Urwaldbäume abhebt. Wenn man dieses Ziel erreicht hat, so lohnt es sich, von der Veranda des Hauses aus den Blick nach rückwärts zu richten. Über die Blumenbeete im Vordergrunde, über Teich und Rasen- flächen und über die Baumgruppen im unteren Teil des Parkes hinweg schweift er weit, weit hinaus in das grüne Land mit den blinkenden Reisfeldern, mit seinen Hügelketten und Thalrinnen, mit den dunkel bewaldeten Vulkankegeln und den steil aufragenden Kiükbergen am Horizont in bUiuer Ferne. Fürwahr, das ist ein >r , Durch lue Prc;ui<,^cr-Residcntscli;ift zum VuH^an Gede. Landschaftsbild, wie es nur wenige giebt, und mich wundert es nicht, dafs ein deutscher Landsmann, Max Fleischer, ein fein- sinniger Landschaftsmaler, der in seinen Mufsestunden Moosstudien treibt, hier oben seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, wo dem Be- dürfnisse des Künstlers wie dem des Botanikers durch die Natur in gleich ausgezeichneter Weise Rechnung getragen ist. Ich danke es diesem Umstände, dafs mir hier oben in diesem fernen Welt- winkel ein deutscher Willkommengrufs entgegenschallte. Bidd nach meinem Eintreffen in dem Stationshause erschien zu meiner Begrüfsung Herr Wouters, der junge holländische Gcirten- beamte, unter dessen Leitung die Urwaldstation nebst Park und Versuchsgarten von eingeborenen Arbeitern in Ordnung gehalten werden. An den parkartigen Teil des Berggartens, den wir beim Aufstiege kennen gelernt, schliefsen sich nämlich seitwärts aus- gedehnte Versuchsfelder an, auf denen zu wissenschaftlichen oder praktischen Zwecken nach Mafsgabe der wissenschaftlichen Leiter allerlei Kulturversuche angestellt werden. An diese Versuchsfelder grenzt das kleine Dorf der malaiischen Arbeiter. Das Wohnhaus des Gärtners liegt in Baumgruppen und Gebüsch versteckt neben dem Laboratoriumgebäude. Dieses letztere ist nur für die Gelehrten bestimmt, welche hier oben vorübergehend arbeiten. Es ist einstöckig auf niedern Stein- pfeilern erbaut und enthält vier Schlafzimmer, ein Speisezimmer, ein behaglich ausgestattetes Gesellschaftszimmer, in dem zugleich in Glasschränken die kleine wissenschaftliche und belletristische Bibliothek untergebracht ist, und ein geräumiges Laboratorium mit Arbeitsplätzen für mikroskopische und chemisch - ph3^siologische Arbeiten. Küche und Bad sind in Nebengebäuden untergebracht. Unmittelbar hinter dem von diesen umgebenen Hofe aber beginnt der wirkliche Urwald mit seinen Baumriesen, in deren Gipfeln sich die Affen schaukeln, mit den Lianen und Riesenkräutern, mit Baum- farnen und Moosschleiern und den tausend und tausend anderen Ge- wächsen, die im verworrenen Durcheinander um Licht und Luft ringen. Man darf den Urwald nicht mit einem europäischen Buchen- oder Tannenwald vergleichen wollen, der Vergleich pafst so wenig, wie, wenn man, um eine blumenreiche Alpenmtitte zu schildern, von einem Kornfeld ausgehen wollte. Wir sind es gewohnt, in unsern Wäldern eine einzige Baumart vorherrschend zu sehen oder doch höchstens deren drei oder vier in gemischtem Bestände. Im Ur- wald auf Java mufs man suchen, um zwei Bäume derselben Art Der Urwald. - ^ herauszufinden zwischen hunderten, die anderen Arten angehören. Zu dem Vorstellungsbilde, welches wir in Europa mit dem Worte Wald verknüpfen, gehört die g"leichmä(sig geschlossene Liiubmasse der Baumkronen, die auf schlanken Stämmen über dem moosigen Grund emporgetragen werden. Für den Urwald der Tropen trifft diese Vorstellung nicht zu. Neben einzelnen, zu gewaltiger Höhe emporstrebenden Baumriesen, steigen niedere, nicht minder laub- reiche Pflanzen auf. Zwischen ihnen klettern die Litmen empor und verweben Hoch und Nieder mit einamder; so kommen ungleich- mäfsige, zerrissene Konturen zustande, kein einheitliches Laubdach. Der kurze Marsch am Morgen hatte mich so wenig ermüdet, dafs ich es mir nicht versagen konnte, gleich nach eingenommenem INIahle in der Begleitung des deutschen Landsmannes einen Spazier- gang in den ^Urwald_zu unternehmen, um den gewaltigen Eindruck der überwuchernden Fülle pflanzlichen Lebens unmittelbar auf mich einwirken zu lassen. Im Anfang war ich wirklich überrtischt und erstaunt, wufste nicht, was ich zuerst anschauen oder zu genauerer Untersuchung einsammeln sollte. Alles drängte und streckte sich mir entgegen. Jeder Schritt brachte neue Wunder. Von den Riesenbäumen, die gewissermafsen das Gerippe des Urwaldes bilden, sieht man im Walde nur die gigantischen Stämme. Die Kronen hoch oben entziehen sich den Blicken. Sie sind von unten her von dem grünen Gewirre der Kletterpflanzen umwoben, deren Stämme wie Tciue herabhängen oder in Guirlanden von Baum zu Baum ziehen. In dem Geäst, an den Lianentauen, selbst an den seihirtigen Luftwurzeln, die aus manchen Baumkronen hertibhängen, sind allerlei Epiphyten angesiedelt, die durch besondere Baueinrichtungen instand gesetzt sind, sich, auch wenn sie nicht mit dem Erdreich in Ver- bindung stehen, ihren Nahrungsbedarf zu verschaffen und die nötige Wassermenge festzuhalten. Zwischen den Baumstämmen aber ist jeder fufsbreit Raum des Erdbodens von kleineren Gewächsen ein- genommen; Bambusgebüsche, Farnbäume, koloss^lle Gewürzlilien mit doppelt daumdicken Krcmtstämmen und bodenständigen Blüten- ähren, Arongc wachse, Begonien, Farnkräuter in allen Gröfsen, tiiusenderlei Sträucher und Kräuter drängen sich im wirren Durch- eintmder. Dazwischen liegen die Reste umgestürzter Bäume im modernden L^iubwerk. Und jeden freien Raum nehmen die Moose und Kleinfarne ein; nicht nur ^mi Boden wachsen sie, nein, auf den Asten und selbst den Blättern der Kräuter luid Gesträuche inid an den Stämmen der AV'aldbäume bis hoch hinauf in den Gipfel, 74 Durch die Prcanj,'cr-Resiclentschaft /um Vulkan Gede. selbst an den Luftwurzeln und an den Lianensträngen, welche sich in dem grünen Dickicht emporwinden, sind sie festgesiedelt, und in grünen Schleiern wallen sie von oben herab, — überall Moose und Farne, triefend von Nässe und in (iiner Üppigkeit, die jeder Beschreibung spottet. Zuerst scheut man sich wohl, durch den Tritt des schwer beschuhten Fufses, durch Abreifsen und Zerschneiden einen Teil der grünen Herrlichkeit zu zerstören, von der jeder fufsbreit, wenn er unverändert in ein europäisches Gewächshaus übertragen werden könnte, vStaunen und Bewunderung erregen würde. Aber bald wird man dreister; man bahnt sich mit dem Golok, dem Buschmesser, seinen Weg, Rechts und links fallen die riesigen Kräuter, die Äste und selbst Stämme klemerer Bäume unter wuchtigen Hieben, die Wurzeltaue und Lianen werden durchschnitten, w^as am Boden wächst, wird achtlos zertreten. So dringt man allmählich zu immer neuen Wundern vor; und wenn man zurückschaut auf den Pfad, den man gekommen, so merkt man nicht einmal, dafs in dem grünen Dickicht etwas fehlt. Nach einigen Tagen findet man, auch w^enn man sucht, kaum noch die Stelle, cm welcher der Golok so gründ- lich gearbeitet hat. Es ist nicht leicht, in dem Innern des Urwaldes eine photo- graphische Aufniihme zu machen. Die ungleiche Lichtverteilung, die gedrängten Raumverhältnisse in dem grünen Dickicht bereiten die gröfsten Schwierigkeiten, so dafs in der That keine einzige meiner Urwaldaufnahmen zur Reproduktion und zur Illustration der Vegetationsschilderung geeignet ist. Ich will deshalb hier die Reproduktion eines Urwaldbildes einschalten, welches von dem Kunstmaler Fleischer in unmittelbarer Nähe des Unterkunfthauses am Eingange des Urwaldes mit der Momentcamera genommen wurde in dem Augenblick, als ich mit gefülltem Rucksack von einer Tour zurückkehrte. Es war leider nicht möglich, mein Konterfei durch Retouche oder Beschneiden aus dem Urwaldbilde zu ent- fernen, ohne zugleich einen Teil des Laubgewirres zu zerstören, dessen Mannigfaltigkeit gerade dem Leser eine Vorstellung von dem w-echselvollen Vegetationsbilde vermitteln soll. Ich mufs also Leser und Leserinnen wegen der störenden Anwesenheit meines Porträts in dem Bilde höflichst um Entschuldigung bitten. Wie in Buitenzorg hatte ich auch bei meinen Arbeiten in Tjibodas eine feste Tageseinteilung. Früh 6 Uhr mit der Sonne stand ich auf. Wenn ich dann im Drellanzug, mit Bergschuhen und Im Urwalde. 75 hohen Ledergamaschen bekleidet, den Golok umgegürtet und den Rucksack auf dem Rücken aus meinem Zimmer trat, hatte Ma- rio den Kaffee bereit, und draufsen wartete bereits Sapihin auf mich, der malaiische Pflanzenkenner, wel- cher vom Direktor Treub eigens für die fremden Botaniker als Begleiter im Urwalde angestellt ist. Dann ging es frisch und fröh- lich in den kühlen, thau- frischen Morgen hinein, auf kürzestem Wege in den Wald. Will man eine weitere Tour unter- nehmen, so benutzt man zunächst einen der durch die Gartenarbeiter von Vegetation freigehaltenen Pfade, die bis hoch an den Bergkegel emporführen. Von ihnen aus kann man dann leicht seitwärts in das Dickicht vordringen, indem man sich mit dem Golok seinen eigenen Weg bahnt. Eine eigentüm- liche Einrichtung gestattet jederzeit, sobald man bei weiterem Vor- dringen wieder auf einen dieser Pfade gelangt, die Orientierung und die Auffindung des kürzesten Heimweges. An den Pfaden sind nämlich die grofsen Urwaldstämme mit einer Numerierung ver- sehen, Avelche von dem Unterkunftshause ihren Anfang nimmt. Man braucht nur von der zuerst aufgefundenen Nummer in der Richtung zu der nächst niedrigeren den Weg zu verfolgen, um wieder zum Hause zu gelangen. ^lan kann also ganz gut den orts- kundigen Führer entbehren, ohne fürchten zu müssen, dafs man sich in der Wildnis verirrt, und oft genug habe ich auch ohne jede Begleitung stundenlange Streifzüge unternommen. Sapihin bildet aber nicht blofs den Pfadfinder, er kennt auch eine grofse Zahl der Urwaldgewächse, Wcirnt den Neuling vor der Berührung der mit y5 Duixli die Prc;nij,'er-Rcsidcntscbaft zum Vulkan Gede. starken Brennborsten versehnen Laportea, befreit ihn aus den Um- schlingunt^en der langen, mit Widerhaken versehenen Rottmgpeit- schen, sammelt die beilsenden Ameisen £ib, die unversehens den Urwaldwanderer überfallen, führt zu den Standplätzen gewisser Raritäten und holt als gewandter Kletterer die gewünschten Epi- phyten oder Blüten und Früchte von den Bäumen herab, die man ohne solche Hülfe schwerlich erlangen könnte. So war er mir auf meinen Streifzügen immer ein erwünschter Genosse, auf dessen Be- gleitung ich nur dann verzichtete, wenn ich sie nicht ohne Aufenthalt und Zeitverlust haben konnte. Gewöhnlich war auf meinen INIorgenspaziergängen schon nach zwei Stunden mein Rucksack mit Schätzen überfüllt, so dafs ich um 8 Uhr zum Frühstück nach Hause zurückkehren konnte. Die übrige Zeit des Tages, so lange es hell war, hatte ich dann mit der Verarbeitung des Gesammelten im Laboratorium vollauf zu thun. Seltener, wenn ich weitere Ausflüge vorhatte, nahm ich mir etwiis zum Frühstück mit in den Widd und kehrte erst gegen lo Uhr oder gar erst zum Mittag nach Htmse zurück. Die Mittags- mahlzeit um I Uhr imd das Abendessen um 8 Uhr wurde von Mario aus den Konservenvorräten und von dem im Dorf gekauften Gemüse für mich in befriedigender Weise hergerichtet. Bisweilen wufste er durch ein frisch gekauftes Huhn oder durch Fische das Menü abwechslungsvoller zu gestalten. Früchte zum Nachtisch waren immer in guter Qualität vorhanden. Bei Sonnenuntergang und in der Abenddämmerung vor der letzten Mahlzeit machte ich gerne mit dem Maler einen Spaziergang durch Park und Garten. Er hatte mit seinen Künstleraugen überall Aussichtspunkte und stimmungsvolle Bilder entdeckt, die mich immer auf's neue den grofs- artigen Reiz tropischer Naturschönheit empfinden liefsen. Es mag den Leser gewundert hjiben, dafs ich bei der Schilde- rung des Urwaldes des Tierlebens kaum gedacht habe. In Wirk- lichkeit ist aber der Urwald am Gede auffällig arm an gröfseren Tieren. Tiger giebt es nicht mehr, ebensowenig Rhinocerosse, von deren ehemaliger Anwesenheit manche geographische Benennungen Kunde geben. Die Lebensäufserungen eines Panthers, den man kurz vor meiner Ankunft in rjiljodas im Widde gesehen haben wollte, dürften ihre Lebhaftigkeit wohl zum gröfsten Teil der Furchtsamkeit der Malaien verdanken. Die Tiere gehen erfahrungs- gemäfs dem IMenschen scheu aus dem Wege. Unangenehm bemerk- b^ir machen sich in den Kulturen des Berggartens bisweilen die Tierlebeti. 77 Wildschweine. Die einzigen gröfseren Tiere, welche man hier oben häufiger zu Gesicht bekommt, sind die Affen einer grofsen grauen Art, welche die Zoologen als Cercopithecus cynomolgus bezeichnen. Sie klettern in den höchsten Baumkronen umher, fliehen aber auch gern die Nähe des Menschen. An einem Morgen, als ich zufällig allein ohne vSapihins Begleitung war, hörte ich im Walde in meiner Nähe ein Geräusch, lils ob jemand niese, so natürlich, dafs ich es mir nicht versagen konnte, mit einem fröhlichen „Prosit" zu ant- worten. Da gab es mit einem Mal in der Baumkrone über mir einen Mordsspektakel. Kin trockener Zweig kam herabgesaust und unter kläglichem Angstgeschrei flüchtete ein grofser Afl"e vor mir von Baum zu Baum. Der Versuch, ihn durch freundliches Zureden zu beruhigen, mifslang vollständig. Er turnte eilfertig davon, und ich konnte in der Ferne noch lange seine Schreckenslaute hören. Bisweilen sahen und hörten wir von dem Unterkunftshause aus die Affen in den Wipfeln der nächsten Urwaldbäume. In der Abend- dämmerung sahen wir manchmal einzelne Kalongs, fliegende Hunde, in schwerem Fluge in grofser Höhe über den Gtirten hinziehen. Auch Eichhörnchen machten sich bisweilen bemerkbtir. Auch an Vögeln hat der Urwald cim Gede keinen grofsen Reichtum aufzuweisen, selbst am frühen Morgen, wo in unsern einheimischen Wäldern die kleinen Sänger von nah und fern ihr Lied erschallen lassen, hört man kaum mehr, als ab und an das Girren der wilden Tauben, höchstens zwitschern vereinzelte, kleinere Vögel verloren hoch oben in den Zweigen. Fast scheint es, als ob für die Entfaltung einer Fauna von gröfseren Tieren die übergrofse Üppigkeit der Vegetation hier keinen Raum läfst. An Leben und Bewegung" und an Stimmen aus der Tierwelt fehlt es aber dennoch nirgends. Man bekommt recht häufig Schmetterlinge zu sehen. Fliegen und Stechmücken durchschwirren die Luft und können dem Wanderer zu Zeiten recht lästig werden; überall wimmelt es von Ameisen in verschie- dener Gestalt und Gröfse, und am Nachmittiig erhebt sich das schrille Gezirp der grofsen Grillen. Von dem Reichtum an Insekten kann man sich dort oben leicht eine Vorstellung verschaften, wenn man am Abend die brennende Lampe auf die Veranda hinausstellt. Sofort kommen hunderte von kleinen Fliegern und umtanzen die Flamme oder ruhen auf der hellen Tischfläche und an den Wänden aus. Wenn gerade ein Termitenschwarm in der Nähe seinen Flug- tag hat, so kann man es erleben, dafs der Tisch unter der ]>ampe bu(^hstäblich zollhoch mit Tieren bedeckt wird. Einmal sah ich. lyg Durch die Preanger-Rcsidentscliaft zum Vulkan Gede, wie bei hellem Tage unmittelbar vor dem Fenster des von mir bewohnten Zimmers ein Termitenschwarm aus dem Boden hervor- schwärmte. Alsbald versammelten sich vor dem Flugloch des unter- irdischen Bcmes jMänner, Frauen und Kinder aus dem Arbeiter- dörfchen, fingen die Tiere und sammelten die Feiber, nachdem sie die sehr hinfälligen, langen Flügel abgenommen hatten, in Kesseln und Töpfen. Selbst ein Dorfhund war mitgekommen und schnappte eifrig nach den Insekten, welche den Menschen entwischt waren. Auf meine Frage erfuhr ich, dafs diese Tiere in verschiedener Zu- bereitungsweise einen Feckerbissen für den Gaumen der Malaien liefern. Schlangen und ^mdere Kriechtiere, vor denen man sich in Acht zu nehmen hätte, sind mir in Tjibodas weder innerhalb noch aufser- halb des Urwaldes begegnet. Frwähnenswert scheint mir dagegen noch das Vorkommen der Patjets, einer Art Blutegel, welche auf die wunderbarste Weise durch die Kleidung hindurch an den menschlichen Körper zu gelangen weifs und sich dort unbemerkt und deswegen auch ungestört vollsaugt. Nachdem das prall gefüllte Tier abgefallen ist, beginnt die kleine Wunde zu jucken und blutet noch einige Zeit lang fort. Gefährlich ist diese Blutentziehung wohl nicht, besonders wenn die Zahl der Patjets, die man auf einer Tour aufliest, so gering ist, wie im Urwalde von Tjibodas. Da ich feste Stiefel und Ledergamaschen trug, so bin ich die meisten Tage überhaupt ganz ohne Patjet davongekommen. Ich entsinne mich anderer Urwaldtouren am Vulkan Salak und in sumatranischen Urwäldern, nach denen ich beim Bade die Patjets dutzendweise von meinem Körper ablesen konnte. Unter den gröfseren Ausflügen, welche ich von Tjibodas aus unternahm, gehört eine Besteigung des Vulkanes zu meinen cm- genehmsten Reiseerinnerungen. Es hatte sich nämlich der deutsche Generalkonsul von vSyburg zur Teilnahme an dieser Tour bei uns in Tjibodas angemeldet. Am Freitag, den 20. Oktober, erwarteten wir unsern Besuch. Ich hiitte zu seiner Abholung von dem Bahn- hof Tjiandjur einen Wagen bestellt, der gegen Mittag in Tjipannas eintreffen mufste. Dort erwartete ich selbst den Herrn von Syburg, der denn auch zur rechten Zeit eintraf. Sapihin, der mit mir von Tjibodas herabgekommen war, übernahm mit einigen Kulis die Besorgung des Reisegepäcks, während wir beiden Europäer uns ohne Aufenthalt auf die gesattelt bereitstehenden Pferde schwangen und zum Berggarten emporritten. Wir trafen um Nachmittag gegen Aufstieg nach Kandang badak. jq 2 Uhr oben ein. An dem Unterkunftshause Wcir die Flagge ge- hifst. Herr Fleischer hatte den Speisesaal mit Farn- und Palm- wedeln künstlerisch ausgeschmückt und hiefs den Gast vor dem Hause Willkommen, Dann ging's zu Tisch, wofür Mario diesmal aufsergewöhnliche Vorbereitungen getroffen hatte. Am vSamstag früh um 7 Uhr traten wir unsere Bergtour an. Es schlofs sich uns dabei noch ein europäischer Vergnügungsreisen- der an, so dafs wir mit den Herrn von Syburg und Fleischer zu viert die Expedition unternahmen. Der Bergstock, an dem in 1400 Meter Höhe der Berggarten von Tjibodas liegt, hat zwei Gipfel, den Gede, 2962 Meter hoch und den Pangerango, 3022 Meter hoch. Zwischen beiden liegt bei 2400 j\Ieter Meereshöhe ein Sattel, welcher Kandang badak, Rhi- nozeros-Stall, heifst. Dort war für uns an den Tagen vorher eine Unterkunftshütte errichtet worden, in der wir übernachten konnten. Unser Gepäck, Schlafdecken, Getränk, Efswaren und das nötige Efsgeschirr wurde von einer Trägerkarawane an Bambusstangen bergauf getragen. In unserer Begleitung waren aufserdem Mario und Sapihin. Der Weg ist, obwohl er ohne Unterbrechung im Walde berg- auf führt, nicht ohne Abwechselungen. Einen Ausblick in die Land- schaft, über die Schluchten und Höhenrücken geniefst man aller- dings nur selten. Aber die wechselnde Terraingestaltung läfst auch im Walde selbst nicht den Eindruck der Einförmigkeit aufkommen, Dafs im Regenwalde das rieselnde Wasser nicht fehlt ist wohl selbst- verständlich. Hunderte von kleinen Rinnsalen winden sich durch das Pflanzengewirre hindurch zu Thal, um sich weiter unten zu stattlichen Waldbächen zu vereinigen, welche in den Schluchten abwärts niuschen, oft in Schnellen und Kaskaden über Felsbänken und Gebirgsstufen zerstäubend. An einigen vStellen waren riesen- hafte Urwaldbäume über unsern Weg gefallen. Die vorausziehen- den Kulis hatten die Hindernisse mit dem Waldmesser so gut cds möglich beseitigt, oder doch wenigstens in dem Astgewirre eine Bresche gemacht, so dafs man unter der gewaltigen Holzmasse des gestürzten vStammes hindurchschlüpfen konnte. In gröfserer Höhe, etwa bei 2000 Meter, kamen wir an eine Quelle, die unmittelbar an dem Wege £ius dem Felsgestein hervorsprudelt und den Weg kreuzend abwärts rinnt. Das Wasser dieser Quelle ist so warm, dafs man kaum die Hand hinein halten kann. In der kühleren Berg- luft ist die Umgebung der warmen Quelle immer in dichten Nebel 8o Durch die Pre;inotaniker aller Welt zugäng- lich gemacht und auch mir den Aufenthalt dort oben ermöglicht hat, — des Professors Dr. M. Treub in Buitenzorg. Vornehmer Javane aus DJukjakarta. NACH MIDDENJAVA IN DIE VORSTENLANDE. INIeine Reise nach den Vorstenlanden von Middenjava fällt in eine viel spätere Zeit, als der Aufenthalt in Tjibodas; sie wurde erst unternommen, iils ich bereits glücklich von meinen Kreuz- und Querzügen auf Sumatra zurückgekehrt war. Ich glaube aber doch die Schilderung dessen, was ich dabei erlebt und gesehen, schon an dieser Stelle einfügen zu sollen, weil es sich unmittelbar ergänzend an dasjenige anschliefst, was ich bisher über die Insel Java, über ihre Bewohner und ihre Vegetation berichtet habe. Bei der Reise nach Middenjava lag es mir einmal daran, die Kulturen des Zuckerrohrs und des Indigos, die auf Java eine grofse Bedeutung besitzen, aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Zugleich wollte ich die Gelegenheit benutzen, einigen mir als sehr sehenswert bezeichneten, uralten Tempelruinen, die für das Alter der Kultur auf Java Zeugnis ablegen, einen Be- such abzustatten. Ich benutzte für die Reise an Ort und Stelle wiederum die Bahnlinie, welche die ganze Insel der Länge nach durchzieht. In dem geräumigen Salonwagen, der mir als einzigem Passagier der ersten Klasse während der ganzen Reise zur Verfügung stand, war die lange Fcihrt trotz der Hitze des Reisetages ganz erträglich. Ich richtete mich, so gut es die Umstände erlaubten, behaglich ein. Einer der vier Lehnsessel, die der Wagen enthielt, wurde heruntergeklappt, so erschien an seiner Stelle ein gepolstertes Ruhe- bett. Am Fenster gegenüber befestigte ich vor dem Lehnsitz den Wandtisch, um mein Tagebuch nebst Feder und Tintenfafs darauf unterzubringen. Der übrige Raum, aus dem ich die überflüssigen Stühle zur Seite stellte, reichte aus, um ein wenig ^luf und ab gehen qO Nach Middcnjava in die N'orsU'ulandc. ZU k()nnon; und wenn ich Lust hatte, konnte ich mich auch auf die ringsum abgeschlossene Plattform des Wtigens hiniiussetzen. So reiste ich wenigstens ebenso bequem eils bei uns in einem D-Zuge und konnte die bunten Bilder der Tropenlandschaft wie in einem Wandelpanorama an mir vorüberziehen lassen. Da das Schreiben während des Fahrens wegen der Erschüt- terung des Wagens nicht gut ausführbar war, so benutzte ich jedes- mid den kurzen Aufentluilt auf den Stationen, um Notizen über die Besonderheiten der soeben durchfahrenen Strecke in mein Tage- buch einzutragen. Indem ich diese kurzen Aufzeichnungen über die unmittelbaren Reiseeindrücke durchsehe, gewinnen die herr- lichen Bilder in meiner Erinnerung neues Leben, und ich kann es mir nicht versagen, wenigstens einige dieser Tagebuchnotizen mit erklärenden Zusätzen hier einzufügen. Der Schnellzug verläfst Buitenzorg in der Frühe bald nach 7 Uhr. Zunächst hatte ich bis Tjiandjur dieselbe Strecke zu passieren, die ich bei der Fahrt nach Tjibodas, wie im vorigen Kapitel bereits geschildert worden ist, schon einmal durchfahren hatte. Über Tjiandjur hinaus behält die Gegend zuerst denselben Charakter bei. Die Thalebenen sind von Reisfeldern eingenommen, in denen Frauen im braunen Sarong, mit roten Jacken und weifsen Kopftüchern bei der Ernte sind oder Imlbnackte Männer die Feldbestellung vor- nehmen. Über ihnen erheben sich Kuppen und Hügel, die zum Teil mit Wald bestanden sind. Li den Schluchten strecken sich die zierlichen Wedelkronen der Baumfarne und breitblättrige Scita- mineen aus dem Gewirre der von Gleichenien überwucherten nie- deren Sträucher, Kräuter und Gräser empor. Bambusen und andere grofse Grasstauden bilden schöne Gruppen un den Ufern der Flüsse und Bäche, über die der Zug auf festen Eisenbrücken dahindonnert. Die Ränder des Schienenweges werden hier und da von Limtemii- hecken begleitet, über denen sich gelegentlich Bixa, Hibiscus tilia- ceus und andere niedere Baumformen erheben. Am Grabenrain wachsen blaublütige Verbenaceen und Melastoma mit roten Blumen neben zierlichen Farnwedeln. Recht zahlreich sind in der stark be- völkerten Gegend die Dörfer der Eingebornen, deren Obstwälder wie Liseln zwischen den Reisfeldern liegen. Kokospalmen, Mangii- bäume, Brotfruchtbäume, Bananen, Melonenbäume und Wollbäume (Eriodendron anfractuosum) im bunten Wechsel umstehen die mit Atap gedeckten, niederen Flutten. An den Rändern der Besitzungen bilden wohl Ananaspflemzen eine lebendige Hecke. Auch Felder Bahnfahrt nach Afiildcnjava. qj mit Tapiokka- und anderen Gemüsepflanzen sind hier und da zwischen den Obstbäumen eingeschaltet. An der Station Tjipatat sah ich eine Reihe grofser Gummibäume, die an den umfangreichen Stäm- men deuthche Zapfnarben trugen, ein Zeichen, dafs die Bäume hier zur Kautschukgewinnung ausgenutzt werden. Die Lokomotive eines dort haltenden Arbeitszuges stammte, wie eine Aufschrift ergab, aus einer Chemnitzer Maschinenfabrik, auf einer eisernen Schaufel, die für die Benutzung der Bahnarbeiter bereit stand, fand ich den Stempel einer Gufsstahlfabrik in Remscheid. Es machte mir Freude, zu sehen, dafs hier in der Ferne die heimische Industrie erfolgreich mit denen anderer Länder konkurriert. Die Bahnlinie übersteigt zwischen Tjiandjur und Bandung eine Pafshöhe zwischen dem Bukit vSusuru und dem Bukit IMissigit und steigt dann in das Thal von Bandung hinab, welches ca. 700 Meter über dem Meer gelegen ist. Nach Norden zu erhebt sich über den weiten Thalkessel eine Berg- wand, aus der eine Reihe von Vulkankegeln aufsteigt, unter denen sich der Tankuban Prahu, welcher eine Höhe von 2000 Aletern er- reicht, durch seine eigenartige Form auszeichnet, die einem um- gestürzten Kahne verglichen wird. Auch im Süden und Osten streben hohe Kegel in den blauen Himmel empor, alle vulkanischen Ursprungs, manche durch eine Rauchwolke am Gipfel als thätige Vulkane gekennzeichnet. Bei der Station Tjimahi erregte ein grofses Gebäude in europäischem Stil meine Aufmerksamkeit. Es ist ein grofses Militärhospital für klimakranke Soldaten der hollän- dischen Kolonialarmee. In Bandung, welches der Zug gegen ^j^i Uhr erreichte, wurde mir ein vorausbestelltes Mittagmahl im Zuge serviert. Ein ]\Ialaie begleitete mich bis zur nächsten Station, um mich bei Tisch zu bedienen und um das Geschirr und Besteck nach Bandung zurück- zubringen. Ich konnte dann, behaglich tiuf dem gepolsterten Ruhe- bett ausgestreckt, bei der Zigarre Siesta halten, während der Zug unaufhaltsam weiter brauste über Brücken und Viadukte, durch Thaleinschnitte und an wilden Schluchten vorüber. Man sieht, das Reisen in den Tropen ist auf solchen Strecken durchaus nicht un- bequemer, als w^enn man von NorddeutschUmd aus ins bayerische Gebirge oder umgekehrt vom Süden zur Nord- oder Ostseeküste fährt. Ja, man kann im Zweifel sein, wo sich der gröfsere Komfort findet. Ich konnte, als ich ein Jahr später mit dem Schnellzuge von München nach Norden fuhr und mittags Würzburg passierte, für mich und die Meinigen nichts Besseres zu essen bekommen, ids Q -) Nach jNIiddcnjava in die Vorstcnlaiulc. einige in der Hast am Büffet des Bahnhofs erst^lndene kalte Kote- letts nebst trockenen Brötchen. Die Erinnerung an mein opulentes IVIahl im Zuge auf der Fahrt nach Middenjava kam mir damals recht lebhaft ins Gedächtnis zurück. Nachdem die Bahn die Ebene von Bandung durch eine Thal- enge verlassen hat, gelangt man in die fruchtbare Ebene von Tasik- malaja, welche von manchen als die schönste Strecke der ganzen Preangerbahn bezeichnet wird. wSie wurde in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts durch einen Ausbruch des Vulkanes Galung- gung verwüstet, welcher im Westen des Thaies sich erhebt. Die ganze Ebene bildet ein einziges grofses Reisfeld, das sich mir gerade im schönsten Schmuck des frischen Grüns präsentierte. Nur ganz vereinzelt sah ich in der Nähe der Bahnlinie abgeerntete Stoppelfelder, auf denen eine Schafherde weidete. Weiter im Osten wurde die Landschaft wilder. Die Bahn verfolgt direkt in östlicher Richtung das Thal des Flusses Tjitandui, welches sich zeitweilig schluchtartig verengert und herrliche Landschaftsbilder mit üppig- ster Vegetation bietet. Bei der Station Langgen wendet der Flufs sich nach .Süden, direkt dem Meere zu. Auch die Bahnlinie ändert hier die Richtung, indem sie südwestlich in eine früher für un- passierbar gehiiltene Morastlandschaft einbiegt, die zum g'rofsen Teil mit undurchdringlichem Urwalde bedeckt ist. Der Wald ist hier stellenweise besonders reich an Kletterpalmen, den Rotangs, deren tauartige Stämme das spanische Rohr des Handels bilden. Die grofsen Fiederblätter dieser Palmen laufen in eine lange, peitschenschnurförmige Spitze aus, welche mit harten Widerhaken besetzt ist. Mit Hilfe dieser Geissein hängen sich die Blätter zwischen dem Geäst der benachbarten Bäume fest und verankern so den schlanken Stamm, der sein eigenes Gewicht nicht aufrecht zu tragen vermag. Von den Blattruten gehalten, klimmt der Sprofsgipfel immer höher hinauf, bis er über den höchsten Baumkronen seine Blätter im Lichte entfalten und Blüten und Früchte hervorbringen kann. Wo aber im Urwald diese Kletterpalmen in gröfserer Zahl auftreten, da ist dem Menschen der Durchweg gründlich versperrt. Tagelange Arbeit mit dem Golok ist nötig, um cmch nur eine kleine Strecke Weges zurücklegen zu können. Streckenweise herrschte in dem Walddickicht Bambusgebüsch vor. Auch Teakholzbäume sah ich an mehreren Stellen. vSie sind an ihren grofsen Blättern leicht von anderen Urwaldbäumen zu unterscheiden. Eine Mussaenda verriet sich hin und wieder durch die porzellanweifsen Kelchblätter, Maos. 93 welche in ihren Blütenständen die Rolle eines Schauapparates zur Anlockung von Insekten übernehmen. An freieren Stellen war der sumpfige Boden mit übermannshohen Stauden eines Sumpffarns, Acrostichum aureum bedeckt. In Gräben wuchs Pistia stratiotes, eine Schwimmpflanze mit hellgrünen Blattrosetten. Mehr konnte ich über die Zusammensetzung der Vegetation dieses interessanten, aber sehr ungesunden Gebietes in der schnellen Fahrt und in der Dunkelheit des hereinbrechenden Abends nicht erkennen. Es war fast völlig finster, als der Zug nach nahezu zwölf- stündiger Fahrt in den Bahnhof von j\Iaos einlief. Da die Eisen- bahnzüge auf Java nur am Tage fahren, so müssen natürlich an der Nachtstation der durchgehenden Schnellzüge stattliche Hotels für die Reisenden unterhalten werden. Das Gouvernementshotel in Maos, dessen hell erleuchtete Gesellschaftsräume ich beim Heraus- treten aus dem Bahnhofsgebäude unmittelbar vor mir sah, hat aufser den Wohnräumen des europäischen Inhabers, dem Speisesaal und den Gesellschaftszimmern 2g Schlafzimmer und ist also, da es im Pavillonsystem erbaut ist, ein ziemlich ausgedehntes Gebäude, in dem der Wirtschaftsbetrieb ähnlich wie in allen anderen jiivanischen Hotels unterhalten wird. Zunächst war ich in dem grofsen Hause der einzige Tagesgast, es wurde aber in einer halben Stunde der Schnellzug aus Surabaja erwartet, der noch weitere Gäste bringen konnte. Ich richtete mich zunächst in dem mir zugewiesenen Zimmer ein, nahm bei Lampenschein das gew^ohnte Bad und kehrte dann auf die grofse Veranda des Vorderhauses zurück, um mich bis zum Beginn der Miihlzeit in eine dort liegende, javanische Zeitung zu vertiefen. Inzwischen waren in der That mit dem Schnellzug von Osten her einige weitere Passagiere eingetroffen, die nach und nach ebenfalls auf der Veranda erschienen. Einer unter ihnen kam geradeswegs auf mich los, streckte mir die Rechte hin und sagte: „Ich habe d^is Vergnügen, Herrn Dr. Giesenheigen aus München zu begrüfsen." Es war ein amerikanischer Fachgenosse, Herr David G. Fairchild aus Washington, der meinen Namen in dem Fremden- buch des Hotels entdeckt hatte. Ich kannte seinen Namen ebenso wie er den meinen aus der Eitteratur. Da wir mancherlei gemein- same, wissenschaftliche Interessen hatten, so waren wir bald im eifrigsten Gespräch, das mir den langen Abend angenehm ver- kürzte. Vor dem Abschiede veriibredeten wir noch, dafs wir uns in Biitavia wiedertreffen und auf dem gleichen Schiff die Reise nach Singapore antreten wollten, und am nächsten jMorgen in Q4 Nach Middenjava in die Vorstenlandc. der Frühe fuhren wir wieder nach entgegengesetzten Richtungen davon. Es war noch Dämmerung, iüs der Zug aus der Biihnhofshalle von ISIaos herausfuhr, AHmählich wurde es heller, und nach einer halben Stunde Fahrt blitzte vor uns im Osten der erste Sonnen- strahl auf und übergofs die schöne Gegend mit rosigem Licht. Eine echt javanische Landschaft. Dörfer mit Kokospalmen wie Inseln in dem grünen Meer der wogenden Reisfelder, in der Ferne eine Bergkette und hoch hertiusrcigend ein Vulkan mit einer leichten Wolke am Gipfel. Der Boden ist hier überall in hoher Kultur. Grofse, weite Ebenen sind ganz mit Reisfeldern bedeckt, soweit das Auge reicht. Dazwischen liegen Dörfer mit zierlichen Stacketenzäunen um den sauber gehaltenen, mit Obstbäumen bepflanzten Hof. Die First der Walmdächer ist hier etwas höher hinauf gebaut, die oberen Dach- flächen sind steiler als im Preanger, sonst bleibt die Hausform im grofsen gcmzen dieselbe. Weiterhin sah ich grofse Zuckerfabriken mit hohen Kaminen, Zuckerrohrfelder und Indigopfianzungen in grofser Ausdehnung. Auch Djattiwälder w^aren von der Bahn aus sichtbar, staatliche Forstbetriebe, in denen der Djattibaum, Tectona grandis, der das für den Schiffsbau wertvolle Teakholz liefert, im Grofsen angebaut wird. In der Nähe eines Dorfes war ein kleiner Pfeffergarten angelegt. Dann folgen wieder Gemüsefelder der Ein- gebornen und grüne Reisebenen mit Dorfinseln. Noch am Vormittage traf ich aut dem grofsen Bahnhofe von Djokjakarta, dem vorläufigen Ziel meines Ausfluges, ein. Djokja- karta ist die Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Vasallen- staates. In einem eigenen, von einer hohen Mauer umgebenen Stadtteil, dem Kraton, residiert der Sultan von Djokja mit seinem Hofstaat und allem Zubehör, im ganzen etwa 15000 Eingebornen. Dieser Fürst ist nur noch nominell ein Beherrscher des Landes. Er bezieht von den Holländern ein hohes Jahresgehalt und hat da- für, dem Zwange weichend, alle Regentenrechte, selbst die Rechts- pflege und die Polizeigewalt, an die Holländer abgetreten. Die wirkliche Regierungsgewalt wird von dem holländischen Residenten ausgeübt, der jederzeit seinen Wünschen durch die starke Garnison Nachdruck verleihen kann, welche in dem inmitten der Stiidt ge- legenen Fort Vredenburg untergebracht ist. Die Stadt Djokjakarta macht mit ihren breiten Strafsen, welche zum Teil mit Alleen be- pflanzt sind, einen schönen Eindruck. Als besondere Sehenswürdig- Djokjakarta. 95 iT-, L 1^ ^ - "'iiiitfütr'^' 1 Javaiien ans dem Vorsteiilaiide beim Kartenspiel. keit wird das sogenannte W^iterkasteel bezeichnet, das ist die ausgedehnte Ruine eines ehemaligen Sultanspalastes. Grofse Por- tale aus reich mit Arabesken verzierten Hausteinen, halbverfallene Prunkgemächer, von Pflanzen überwucherte Wachhäuschen zwischen den mit allerlei Nutzpflanzen angebauten Flächen ehemaliger Zier- gärten, halbverwachsene Fischweiher und Kanäle, finstere Gänge, halb eingestürzte hohe Mauern, über deren Kronen sich die Wipfel der Kokospalmen emporstrecken, selbst ein baufälliger Turm, aus dessen Mauerwerk überall frisches Grün sich hervordrängt, — eine fremdartige Romantik, welche an die Pracht einer längstvergangenen Epoche in der Geschichte dieses einst unabhängigen Reiches er- innert. Die eingebornen Bewohner von Djokjakarta gehören wie ihre Fürsten dem javanischen Zweig der makdischen Rasse an. Sie sind im ganzen zierlicher gebaut als die Sundanesen Westjavas. Ihre Gesichtszüge sind feiner und oft geradezu von edlem Schnitt, dii die lange, feine Nase am Sattel nicht so weit eingedrückt ist, als dcis Stumpfnäschen der Küstenm^üaien. Die Tracht besteht der Hauptsache nach aus einem Sarong, der lang auf die nacktcMi Füfse hercib fallend getragen wird. Im Gürtel, der über den Hüften den Sarong zusammenhält, steckt rückwärts der Kris, das javanische Kurzschwert. Der Oberkörper wird von einer Armeljacke bedeckt, welche hinten kaum bis zum Kreuz hinabreicht, vorne aber in zwei spitze Zipfel ausgeht, die fast bis zum Knie herabhängen. Das Kopf- tuch wird so gebunden, dafs die .Stirn in ihrc^r Mitte hochhinauf frei bleibt. Aufser den Javanern beherbergt die Stadt auch einig'e q5 Nach !N[icldciijava in die Vorstenlande. Chinesen, welche als Xaufleute hierherg-ekommen sind, und zahl- reiche Europäer. Es giebt mehrere Hotels, in denen mein in der in Holländisch -Indien gewohnten Weise gut aufgehoben ist; ich hatte für die Zeit meines dortigen Aufenthaltes das Hotel Mataram als vStandquartier gewählt. Auf den Ausflügen, welche ich von Djokjakarta aus unternahm, hatte ich reichlich Gelegenheit, nach meinen Wünschen Zuckerrohr- und Indigofelder im Plantagenbetriebe zu sehen. Das Zuckerrohr ist eine riesige (xrasart, welche in der äufseren Beschaffenheit des bis zu fünf und mehr Centimeter dicken Hcümes an die Bambus- halme erinnert. Aber das Innere der Zwischenglieder ist nicht hohl wie bei diesen, sondern mit einem saftigen, zuckerreichen Mark gefüllt. Aufserdem bleibt der Htüm des Zuckerrohrs, ab- weichend von dem des Bambus, bis zur Blütezeit unverzweigt. Die kmgen, breit band^irtigen Blätter bilden am oberen Ende des Halmes einen Schopf, der an die Krone einer Yucca oder Dracaena erinnert, wie wir sie in unsern Gärten oder Zimmern als Zierpflanzen pflegen. Man zieht das Zuckerrohr aus Stecklingen, indem man die mit Seitenknospen versehenen Sprofsspitzen der vorhergehenden Ernte in r'urchen des sorgfältig vorbereiteten und gedüngten Bodens aus- legt. Die hervorwachsenden .Sprosse stehen, den Furchen folgend, in langen, schnurgeraden Reihen, zwischen je zwei Reihen ist ein breiter Zwischenraum gelassen, auf dem die Feldarbeiter in das Feld hineingehen können, um das Unkraut auszurotten, um den Boden gegen die heranwachsenden Halme aufzuhäufen und um die von unten her welk und trocken werdenden, älteren Blätter von den Halmen zu entfernen. Die Halme des Zuckerrohrs werden weit über mannshoch, bevor sich an dem Gipfel die grofse pyra- midenförmige Blütenrispe entwickelt. In den Plantagen wartet mtm diesen Zeitpunkt iiber nicht ab, da bei dem Wachstum des Blüten- standes viel von dem als Reservenahrung im Saft aufgespeicherten Zucker verbraucht werden würde. Sobald die Blätter des Halmes bis auf den obersten Schopf welk geworden sind, wird die lernte vorgenommen. Die Flalme werden nahe über dem Boden ab- gehauen, von den noch anhängenden Blättern befreit und entgipfelt und nun in Bündeln zur Fiibrik geschiiftt, wo durch Auspressen und lündicken des Saftes der Zucker gewonnen wird. Aus den im Boden liegenden Wurzelstöcken schlägt das Feld nach der Ernte von selber wieder aus und liefert nach entsprechender Zeit eine neue Ernte. Nach mehreren Ernten aber macht sich eine Abnahme Zuckerrohr und Indigo. q-^ der Triebkrcift und des Zuckergehaltes bemerkbar. ISliin legt dann das Feld brach und bestellt es aufs neue. In neuerer Zeit ist den Zuckerrohrpfianzern durch den Zuckerrübenbau in Europa eine drohende Konkurrenz erwachsen, welche zu einer Verbesserung des früher sehr einfachen Pflanzungs- und Fabrikbetriebes geführt hat. Statt der früheren Zuckermühlen, bei deren Betrieb ein Teil des Zuckergehaltes der Ernte verloren ging, findet man jetzt überall grofse Fabriken mit den modernsten maschinellen Einrichtungen. Auch die Arbeit auf dem Felde ist jetzt nicht mehr nur auf der rohen Empirie, sondern auf wissenschaftlicher Grundlage basiert. Besonders hat man sich angelegen sein lassen, Rohrvarietäten zu züchten, welche einen möglichst hohen Zuckergehalt besitzen, wo- bei wiederum die Thätigkeit der Botaniker von s'lands plantentuin in Buitenzorg unter Treubs Leitung den Pflanzern hervorragende Dienste geleistet hat. Das Rohr, welches die Stecklinge liefert, wird vielfach nicht mehr auf der eigenen Plantage gewonnen, son- dern auf besondern „Bibif'feldern in anderen Gegenden angebaut. Ich sah solche Bibitfelder, die besonders geschätzte Stecklinge liefern, im Preanger am Vulkan Salak. Durch rationellen Betrieb der Pflanzung und der Fabrikation haben die javanischen Zucker- pflanzer es erreicht, dafs sie trotz der europäischen Konkurrenz nunmehr mit Gewinn arbeiten können, wenn auch ihre Jahres- einkünfte wohl nicht mehr die fabelhafte Höhe aufweisen, die sie früher in manchen guten Jahren besafsen. Auch den Indigopflanzern auf Java und in den übrigen tropischen Produktionsländern ist in Europa eine mehr und mehr drückende Konkurrenz erwachsen in der Fabrikation künstlichen Indigos, dessen Darstellung auf chemischem Wege von dem Geheimrat Baeyer, Professor der Chemie an der Universität München, gefunden wurde. Immerhin aber mufs wohl auch jetzt noch der Anbau der Indigo- pflanze einen lohnenden Ertrag bringen. Ich sah ausgedehnte Felder zu dieser Kultur verwendet. Die Indigopflanze ist ein zu den Legu- minosen gehöriger, reichverzweigter Halbstrauch, der über i Meter hoch wird und dicht mit zart gefiederten Blättern besetzt ist. Seine blafsrötlichen vSchmetterlingsblüten stehen in den Blattwinkeln. In der Plantage wird die Indigopflanze auf dem sorgfältig bestellten Felde aus vSamen gezogen. Um den Kampf gegen das Unkraut zu erleichtern, werden die Samen in Reihen gedrillt und flach mit Erde bedeckt. Nachdem die Keimpflänzchen erschienen sind, mufs mehrmals das Feld sorgfältig gegätet werden, bis die heran- Giesenhascn, Jav.i und Sum.itr.i. -j n§ Nacli Middenjava in die Vorstenlande. wachsenden Pflanzen den Boden beschatten und dadurch das Un- kraut unterdrücken. Unmittelbar vor dem Beginn der Blütezeit ist der Färb stofFg ehalt der Pflanzen am gröfsten. Bevor noch die ersten Blütenknospen sich öffnen, wird deshalb das Feld mit Sensen oder mit Mähmaschinen geschnitten. Die Pflanzen werden zu Bündeln vereinigt in die Fabrik gebracht. Dort wird durch einen halbtägigen Gärprozefs im Wasser der Farbstoff" aus den Pflanzen ausgelaugt. Dieser Farbstoff ist zunächst nicht blau, sondern gelb mit einem rötlichen Ton. Erst in Berührung mit der Luft nimmt er die schön blaue, dauerhafte Farbe an, die den Indigo für die Färbetechnik so wertvoll macht. Durch Rühren und Schlagen wird dieser Farbenumschlag in dem aus dem Gärbottig abfliefsenden Wasser hervorgebracht, wobei zugleich die Farbstoffkügelchen sich zu Flocken vereinigen und am Boden des Gefäfses absetzen. Der Niederschlag wird dann noch gekocht, geprefst, in Würfel zer- schnitten, getrocknet und zum Versandt gepackt. Die Stoppeln auf dem Felde schlagen wieder aus und liefern im gleichen Jahr noch eine oder zwei weitere Ernten. Wenn endlich der Ertrag nachläfst, wird das Feld vorübergehend mit andern Kulturgewächsen angebaut. Wenn ein Zuckerrohrfeld, von ferne gesehen, eine gewisse Ähn- lichkeit mit einem Getreidefelde, am ersten mit einem Maisfelde aufweist, so kann man das Indigofeld etwa mit einem Wicken- oder Linsenfeld vergleichen, das dunkle Grün der fein zerteilten Blatt- flächen erweckt bei beiden einen ähnlichen Eindruck. Wir werden aber in Europa kaum ein Wickenfeld antreffen, dafs eine ähnliche Ausdehnung besitzt, wie die Indigofelder in Middenjava, welche sich ebenso wie die Zuckerrohrfelder weit über die Ebene ausbreiten. Zwischen ihnen erheben sich durch gutgehaltene Wege mit den Landstrafsen verbunden die umfangreichen Fiiktoreien und die Woh- nungen der Pflanzer, ferner die Dörfer der eingebornen Arbeiter, meist von Reisfeldern umgeben. An den Ilauptstralsen, die das Land nach allen Richtungen durchschneiden, liegen gröfsere Dorf- schaften mit ihren Obst- und Gemüsegärten, mit regem Leben und Treiben auf den Strafsen und dem MarktpUitz, auf dem das Volk die einheimischen Produkte verkauft und den Erlös für ausländische Waren an den fremden Kaufm^mn abgiebt. Auf den Landwegen ver- kehren neben den Ochsenkarren der Eingebornen elegante Wagen der Europäer oder vornehmen Javanen. Telephon und Telegraphen- drähte verbinden Stadt und Land, und zur Erreichung der von der Hauptbahnlinie entfernteren Orte des Landes dienen breite Chausseen Jorobuduri 99^ und eine i3ampftrambahn, welche von Djokjakarta aus nach Nord und Süd den Verkehr vermittelt. So giebt das ganze Gebiet den Ein- druck einer aus ursprünglicher Wildnis neuaufblühenden modernen Kultur. Und doch ist die Kultur des Landes uralt, ihre Spur reicht zurück bis in jene Zeiten, in denen unser deutsches Vaterland zum grofsen Teil noch in heidnischer Barbarei befangen war. Zwar hat kein Geschichtsschreiber uns Aufzeichnungen hinter- lassen über die Geschehnisse im Lande zu jener Zeit, aber mächtige Tempel, deren Erbauung nach übereinstimmender Schätzung der Gelehrten in das achte Jahrhundert nach Beginn unserer Zeitrech- nung fällt, sind in Ruinen erhalten geblieben und geben nicht nur von der Macht und dem Reichtum, sondern auch von der Gesittung und dem Kunstverständnis Zeugnis, das zu jener entlegenen Zeit bei den Bewohnern von Aliddenjava zu finden war. Ein altes hindo- stanisches Reich, von dem man kaum mehr kennt als den Namen Mataram, hat in diesen grofsartigen Tempelruinen seine Spuren hinterlassen. Ich verwendete einige Tage darauf, um die berühmtesten und schönsten unter diesen Tempelruinen kennen zu lernen. Der gröfste, noch verhältnismäfsig gut erh^dtene Tempel des alten Buddhistenreiches führt den Namen Borobudur und liegt etwa vier deutsche Meilen nordwestlich von Djokjakarta an dem rechten Ufer des Flüfschens Progo. Um den Tempel zu besuchen, kann man streckenweise die Dampftrambahn benutzen, welche von Djokja- karta aus nach der Stadt Magelang führt. Ich fuhr am Vormittag von Djokjakarta ab und erreichte ein viertel vor zwölf Uhr die Trambahnstation ]\Iuntilan, von der aus ich mit einem Wagen die Fahrt fortzusetzen hatte. Ein Eingeborner erbot sich gegen eine kleine Belohnung, mir einen Wagen von dem Pferdehalter im Ort nach dem Bahnhof zu senden. Die Sprache der Eingebornen ist hier wohl überall die javanische; ich konnte sie nicht verstehen, kam aber mit meinem Malaiisch auch hier ganz gut durch, da immer einzelne Leute, besonders diejenigen, welche mit den Fremden zu thun haben, die malaiische vSprache verstehen. Das Einspannen vor dem zweirädrigen Sado ging ziemlich schnell von statten. Um i 2 Uhr safs ich schon im Wagen, und um y^i Uhr war ich schon wieder heraus, das heifst unfreiwillig. Auf der Landstrafse, gerade im schnellsten Fahren, stürzte nämlich das eine der beiden Pferde, und zwar gerade dasjenige, welches die Deichsel trug. Bei einem zweirädrigen Karren hat das natürlich 7* l oo Nach Middenjava in die Vorstenlande. zur Folge, dals dcis Hinterende nach oben fliegt, und man muls nolens volens mitfliegen, zumal, wenn man auf ein solches Ereignis nicht im geringsten gefafst ist. Ich ktmi unbeschädigt davon und konnte das Pferd am Zügel halten bis auch der Kutscher sich unter dem Sonnenverdeck des Wägelchens herausgerappelt hatte. Wir milchten die Stränge los, schoben den Wagen zurück, so dafs das Tier aufstehen konnte. Dann wurde wieder eingespannt, und die Reise nahm nunmehr ohne weitern Unfall ihren Fortgang. Nach einstündiger Fahrt langte ich am Fufs des Hügels an, dessen Gipfel mit dem Riesenbau des Buddhatempels Borobudur gekrönt ist. Fs ist schwer, den Eindruck wiederzugeben, den das gigimtische Bauwerk £iuf den Beschauer macht. Wenn die Sonne im Mittag steht, wenn Licht und Schatten gleichmäfsig über den Terrassen und Galerien verteilt sind, so erscheint das Ganze von weitem wie eine flache, ungegliederte Kuppel, die oben in der Mitte durch einen massiven glockenförmigen Aufsatz gekrönt ist. Wenn aber die Sonne tiefer sinkt, so heben sich die hellbeleuchteten Yorsprünge und Verzierungen von den im tiefen Schatten liegenden Winkeln und Nischen ab und hissen die Gliederung des Ganzen auch in der Ge- samtwirkung hervortreten. Die eigenartige vSchönheit des Bau- werkes aber kommt auch diinn erst voll zur (xeltung, wenn m:in sich demselben so weit nähert, dafs die Details der Bauausführung erkennbar werden; und je mehr man sich der Beobachtung der Einzelheiten widmet, je länger man in den (rängen und Giderien umherwandert, desto mehr wächst das Staunen über die Kunst des Meisters, der den Plan des Bauwerkes erdacht und bis ins Einzelne durchgeführt hat. Wenn die Kunstgeschichte lehrt, dafs die Kunst aller Völker und Zeiten von der Gesamtwirkung ihren Ausgang genommen und zum Detail fortgeschritten ist, so mag es immerhin auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, dafs dieses Bauwerk, dessen Einzelheiten so hohe Blüte der bildenden Kunst verraten, in seinem die Gesamtwirkung bedingenden Grundplan so massig und für unseren Geschmack plump erscheint. Es ist aber wohl nicht schwer, diese Eigenart zu erklären, wenn mein bedenkt, dafs der Boden Javas zu allen Zeiten und in früheren Epochen vielleicht noch mehr iils heute eine unsichere Grundkige für Hochbauten ge- bildet hat. Ein Bauwerk, das bestimmt war, Jahrhunderte zu über- dauern konnte dort nicht zierlich gegliedert sein. Wuchtig und massig ahmt es in seiner Anlage den Bau der vulkanischen Berg- pyraniiden nach. Aufserdeni mag auch wohl das vom Erbauer an- Der Tempelbau. jqj gestrebte Ebenmafs des Gesamtbildes dadurch l^eeinträchtigt sein, dafs der ursprüngliche Fufs des Gebäudes nicht mehr frei liegt, sondern durch eine nachträgliche Verschüttung verdeckt ist. Den Unterbau des Tempels, so wie er sich jetzt präsentiert, bildet eine quadratische Terrasse, deren ca. 150 Meter lange Seiten zwei Mal rechteckig nach aufsen vorspringen. Auf dieser 36 eckigen Grundfläche baut sich mit gleichem Grundrifs der Tempel nach Art einer Stufenpyramide auf. Steigen wir über eine der vier Treppen, die je in der Mitte der Quadratseiten in der Tempelmauer hinauf- führen, auf die erste etwa drei Meter über der Terrasse liegende Stufe empor, so befinden wir uns auf einer zwei Meter breiten, rings umlaufenden Galerie, die nach aufsen von einer i^^ Aleter hohen Aufsenmauer umgeben ist. Von dieser Galerie führen die vier Treppen in gleicher Weise zu einer zweiten ähnlichen u. s. w. zu der dritten und vierten Galerie, die je um drei Meter über der vorhergehenden liegen. Von der vierten Galerie gelangt man über die Treppen zu der oberen Fläche des Tempelbaues. Ihre Aufsen- mauer umschliefst drei sich je um iVg Meter überhöhende Terrassen. Auf der äufseren derselben stehen auf einem kreisrunden Unterbim ^2 durchbrochene i^'^ IMeter hohe Kuppeln, welche je ein Buddha- bild einschliefsen und mit einem Obelisk gekrönt sind. Die zweite Terrasse trägt 24 und die oberste 16 gleiche Kuppeln, die aber nur noch zum geringsten Teil in ihrer ursprünglichen Gestalt er- halten sind. Der durchbrochene Bau vermochte nicht in gleicher Weise wie das massive Mauerwerk den Erschütterungen und den Angriffen vandalischer Zerstörer standzuhalten. Die Mitte der obersten Terrasse nimmt endlich ein acht Meter hoher massiver Kuppelbiiu ein, der wohl ehemals auch nach oben hin mit einem Obelisken abschlofs. Das ist in grofsen Zügen der Grundplan des Bauwerkes. Das Baumaterial ist ein grauer Trachyt, der in gut behauenen Blöcken ohne Bindemittel zu den IMauern zusammen- gefügt ist. Die Sockel und die Krönungen aller I\üiuern weisen reichen architektonischen .Schmuck iiuf, idle ebenen Flächen sowohl an der inneren wie an der äufseren Seite der Galerien sind mit sorgfältig gearbeiteten Reliefs bedeckt. An der Aufsenmauer des Tempels über der Grundterrasse finden sich zwei Reliefdarstellungen in mehr als halber Lebensgröfse: ein Mann in sitzender Stellung an einem Räucheraltar oder einer Blumenvase und ein von zwei Dienerinnen begleiteter aufrechter ]\Iann. Zwischen die beiden immer wiederkehrenden Bilder ist eine stehende Fr^iuenfigur ein- I02 Nach ^liddcnjava in die Voistcnlandc. qfeschaltet. Die einzelnen von den 1 iguren eingenommenen Mauerfelder sind durch säulenartige Vorsprünge getrennt. Über dem schweren Ge- sims, welches diese Bildwerke nach ' iben begrenzt, stehen in regelmäfsigen Zwischenräumen kleine Tempelchen in reicher Gliederung, welche eine tiefe Nische mit einem Buddhabild einschliefsen, und damit abwechselnd altarförmige Steinblöcke, welche mit einer glockenförmigen, oben einen Obelisk tragenden Kuppel ge- krönt sind. Interessanter als diese, mehr nur architektonisch wirksamen Aufsen- verzierungen der Tempelmauern, sind die Reliefbilder, welche die Mauer- flächen der Galerien ohne Unter- brechung bekleiden. Im Ganzen waren früher mehr als 2000 solcher Bildwerke vorhanden, die in halb- erhabener Arbeit aus dem Stein herausgemeifselt sind. Eine gröfsere Anzahl von ihnen ist stark be- schädigt oder gänzlich vernichtet. Andere sind noch in allen Teilen deutlich erkennbar und einer Deu- tung ihrer Darstellung zugänglich. Man hat festgestellt, dafs eine '^anze Serie dieser Bilder sich auf den Lebensgang Buddhas von der Rmpfängnis bis zu seinem Ende be- zieht; bei den meisten Bildern ist aber eine genauere Deutung nicht mehr möglich, sie sollen höchstwahr- scheinlich Buddhaverehrungen dar- stellen. Auf einigen Bildern sind r^arstellungen der Ilindugottheiten Brama, Wishnu erkennbar, die bei Die Skulpturen. I03 den Buddhisten des nördlichen Indien als Buddha -Vorläufer ver- ehrt wurden. Man hat aus dem Vorkommen dieser Hindugottheiten an dem Tempel und aus verschiedenen andern Anzeichen wohl mit Recht den Schlufs gezogen, dafs die Ausbreitung des Buddhismus nach Java von dem nördlichen Indien ausgegangen ist. Die Einzelheiten der Darstellung der Reliefs geben manche Aufschlüsse über die Sitten und Lebensgewohnheiten der Tempel- erbauer und lassen uns ebenso gut, wie etwa die Tempelbilder und Wandgemälde im alten Ägypten, einen Blick thun auf den Kultur- zustand des Landes in jener Zeit. So zeigt z, B. die nebenstehende Wiedergabe eines der Reliefbilder ein Schiff mit vollen Segeln, welches durch ähnliche Ausleger seetüchtig gemacht ist, wie sie heute noch an den Einbäumen im Hafen von Colombo in Gebrauch sind. Auch ein Haus ist dargestellt, das wie heute noch in malaiischen Ländern auf Pfählen erbaut ist und dessen Satteldach am Giebelende oben weit vorspringt. Auch über die Kleidung und Bewaffnung, über Haartracht und Schmuck lassen sich Andeutungen finden. Nachdem ich stundenlang in den Gängen und auf den Terrassen herum gewandert war, mufste ich zu dem Schlufs kommen, dafs diese Sehenswürdigkeit zu denjenigen gehört, mit denen man bei einem einmaligen, kurzen Besuch überhaupt nicht fertig wird. Wie viele kultur- und kunstgeschichtliche Fragen harren hier noch der Lösung. Bevor ich mich zur Rückkehr wendete, bestieg ich die grofse Mittelkuppel, welche das ganze Bauwerk krönt, um von diesem Standpunkt aus, welcher 40 Meter hoch über der Kuppe des Hügels sich erhebt, die Aussicht auf das herrliche Landschaftsbild zu ge- niefsen. Man sieht über die meist in Trümmern liegenden Kuppel- bauten der Tempelterrassen hinweg weit in die schöne, fruchtbare Ebene hinaus, die sich mit ihren spiegelnden Reisfeldern, mit den Palmwäldern und Bambushainen, welche die Dorfschaften umgeben, im Westen bis an den Fufs des schroffen Menorehgebirges erstreckt. Im Osten steigen gewaltige Vulkankegel auf, unter ihnen im Vorder- grunde der Merapi mit der Rauchwolke am Gipfel. Von besonderer Schönheit soll der Ausblick von den Ruinen bei Sonnenaufgang sein. Mir blieb für diesen Genufs nicht die Zeit, Nach kurzer Rast in dem Unterkunftshause, welches mit der Woh- nung des von dem Gouvernement bestellten Tempelaufsehers ver- bunden ist, kehrte ich mit meinem Wagen nach Muntilan und von dort mit der Dampftrambahn nach Djokjakarta zurück. Ein zweiter Ausflug, den ich von Djokjcikarta iius unternahm, I04 Nach Middciii;iv.i in die Voistciilunde. Blick vom Tempel Borobudiir auf die Thalebciic iiiid ä'cii Meiioreligebiri;e. galt den Tempelruinen von Prambanan. Der Ort Prambanan liegt etwa 2}l^ IMeilen von Djokjakarta entfernt nach Osten zu an der Ilauptbahnstrecke. Ich fuhr mit dem Frühzug bald nach Sonnen- aufgang aus Djokjakarta und traf bald nach 7 Uhr auf der kleinen Station Pramb^man ein. Dort boten sich mir am Bahnhof ver- schiedene Leute als Führer an;' ich nahm gegen verabredeten Föhn einen 12 jährigen Jungen mit, der mich zu den etwa y^ Stunde Wegs entfernten Tempelresten führen sollte. Wir mufsten auf unserm.Weg durch den Ort wandern, der nur von Eingebornen bewohnt ist. Ich machte, trotz des Protestes meines kleinen Führers, der meine auf Malaiisch angegebene Absicht nicht verstand, einen Umweg über den Wochenmarkt, um zu sehen, was die sirihkauenden Miirktweiber in ihren Körben feilboten. Es war aber nicht viel besonderes diibei: allerlei Gemüse, Reis, Kokosnüsse, Arekanüsse, l^abak, ^Maiskolben roh und frisch an Ort und Stelle über offenem Feuer geröstet, Zucker, also nur allerlei Artikel für den Tagesbedarf des javanischen Haus- haltes. An eine Unterhaltung mit den Marktleuten, die nicht 'Malaiisch verstanden, war leider nicht zu denken. Auch mein kleiner Führer verstand nur wenige Brocken; wir konnten uns aber wenigstens über Weg und Richtung verständigen. Pranibanan. lO^ Die Ruinen von Prambanan sind die Überreste einer grofsen Anzahl von Tempeln, welche durch ihre regelmäfsige Anordnung und durch einen einheitlichen Unterbau zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt werden. Die ganze Tempelgruppe war ursprüng- lich von drei Mauern umgeben, von denen iiber fast nur noch die Fundamente übriggeblieben sind. Zwischen der zweiten und dritten Mauer finden sich Überreste von 157 kleinen Tempelchen, welche in drei einander umschlielsenden Quadraten angeordnet waren. In- mitten dieser Ankige, von der innersten der Mauern umschlossen, befindet sich eine quadratische Terrasse, welche die acht Haupt- tempel der ganzen Gruppe trägt. Von diesen acht Tempeln liegen drei in einer Reihe längs der westlichen vSeite der Terrasse, drei andere gegenüber an der Ostseite, die beiden letzten Tempel sind auf der Nord- und Südseite des Unterbaues zwischen den beiden Reihen der andern eingeschoben. Die acht Haupttempel sind in ihrem Bau ähnlich, aber von verschiedener Gröfse. Auf einer quadratischen Grundfläche, die bei den gröfseren Tempeln der westlichen Reihe an jeder Seite einmal rechteckig nach aufsen vorspringt, erhebt sich der pyramidenförmige Bau, dessen Terrassen mit Mauern wie mit einer Brustwehr umgeben sind. Eine breite Treppe, welche von ferrasse zu Terrasse führt, leitet oben in das Innengemach des Tempels hinein, in dem ein Götterbild aufgestellt war. Die Treppen sind alle so angelegt, dafs sie in der Mitte der- jenigen Tempelseite, welche nach dem Mittelpunkt der ganzen An- lage gekehrt ist, aufsteigen. Die Tempel der westlichen Reihe haben die Treppe und den Eingang also an ihrer Ostseite und umgekehrt. Bei dem gröfsten Tempel, dem mittleren der Avest- lichen Reihe, sind aufser der Haupttreppe an der Ostseite auch an den übrigen drei Seiten noch Treppen vorhanden, welche in kleine Seitengemächer des Tempelbaues hinaufführen. Die architekto- nischen Verzierungen, Sockel, Kehlleisten und Gesimse an Mauer- fufs und -kröne sind hier fast noch reicher und mannigfaltiger, als bei dem Tempel von Borobudur. Auch die (xesamtform der ein- zelnen Tempel, welche im Verhältnis zu ihrer Grundfläche höher emporsteigen als der riesige Buddhatempel, macht einen gefälligeren Eindruck. Da die regelmäfsige Gruppierung der verschieden grofsen Bauwerke die Gliederung des einzelnen Gebäudes ersetzt, so ist der Eindruck, den die Tempelgruppe von Prambanan als Ganzes auf den Beschauer macht, nicht blofs wie der von Borobudur massig und iibsonderlich, sondern wirklich schcMi auch trotz der Spuren io6 Nach !MicIdciij:iva in die Vorstcnlniule. des Verfalles, die überall bemerkbar sind. Bei näherer Betrachtung gewinnen die Skulpturen, welche die Tempelwände schmücken, vor der Gesamtform das Interesse des Beschauers. Der Baustein ist eine jungvulkanische Andesitlava von angenehmem, grauem Farben- ton. Die Steinmetzarbeiten sind mit aufserordentlicher Sorgfalt gemacht und von hoher Kraft und Schönheit, Die Figuren sind nicht flach erhtiben, wie bei Borobudur, sondern zum Teil fast ganz frei £ius dem .Stein herausgearbeitet. Von ganz besonderer Schön- heit sind die Überreste einer Reihe von Bildwerken, welche die Brustwehr der ersten Galerie an den drei Tempeln der westlichen Reihe aufsen schmückte. Am besten ist diese Bilderreihe noch an dem mittleren Tempel der westlichen Reihe erhalten. Sie wird von vorspringenden Nischen gebildet, welche seitlich von schön g-eformten Pilastern begrenzt und durch arabeskenartig verzierte Kranzbügen mit allerlei Tiergestalten gedeckt sind. In diesen Nischen sind drei stehende oder tanzende Frauen in wechselnden Stellungen dargestellt. Die Gesichtszüge dieser Frauengestidten, das Fbenmafs der ^_ Körper und die Gruppierung sind von edler Schönheit, und die Sorgfalt in i ^ in ^- ^. ^ J." '^^B£r^ der Ausführung zeugt von hoher Ent- wickelung der Technik. Die Felder zwischen .den vorspringenden Nischen sind ebenfalls mit Bildwerken geschmückt; soweit noch erkennbar, stellen dieselben tanzende Figuren mit Musik- instrumenten dar, welche von einer einfacheren Zier- leiste umrahmt sind. Unter und über der eben ge- schilderten Bilderreihe sind bei dem mittleren Tempel der Westseite noch andere Bilderreihen erhtdten ge- blieben. Den Fufs des ganzen Baues, unmittelbar über dem Sockel, schmückt eine Reihe von Nischen, in denen kleine Löwen mit Gruppe tanzender Frauen von der Atauerverzierung der westlichen Tempel zu Prarnbanan. Bildwerke an den Tempeln. I07 regelmäfsig gelockter Alähne liegen. Pfeiler und Krönung dieser Nischen sind wiederum mit schönen Arabesken verziert. Die Felder rechts und links neben jeder Nische zeigen in halb er- habener Arbeit einen stilisierten Baum, neben dem zu beiden Seiten mythische Tiergestalten, Vögel mit IMenschenköpfen und ähnliches zu sehen sind. Durch zierlich bearbeitete Pilaster werden die Nischengruppen mit ihrer Umgebung abgeschlossen und gegen einander abgegrenzt. Die dritte, oberste Bilderreihe dieses Tempels zeigt in halb erhabener Arbeit sitzende Hindugottheiten, neben denen rechts und links auf besondern Feldern Gruppen von zwei oder drei sitzenden Männern als Gottesverehrem dargestellt sind. Den kleineren Tem- peln der östlichen Reihe fehlen die oberen Bilderreihen, nur die Löwennischen und die dazugehörigen mythischen Tiergestalten unter dem Baume schmücken auch bei ihnen den Sockel. Zu den Bilderreihen, welche mit ihren in gleichen Abständen wiederkehrenden Darstellungen derselben ]\lotive gewissermafsen nur einen äufseren architektonischen Schmuck der Bauwerke bilden, kommt nun bei den drei Haupttempeln noch eine Reihe von bild- lichen Darstellungen auf der Innenwand der Brustwehr der Terrasse. Bei dem mittleren Tempel, wo diese Bilderreihe fast noch voll- ständig erhalten ist, erweist sich dieselbe als eine bildliche Dar- stellung eines Teiles der Rämalegende. Wahrscheinlich bildeten die entsprechenden Skulpturen an den beiden Nachbcirtempeln die Fortsetzung dieser Darstellung, es sind aber nur noch unbedeutende Reste übrig geblieben. Von der Art der künstlerischen Auffassung, von der Lebendig- keit der Darstellung und der Schönheit der Ausführung mag das umstehende Bild eine Vorstellung geben, welches ein einziges der 24 mit Skulpturen bedeckten Mauerfelder wiedergiebt. Es ent- hält von links nach rechts drei aufeinander folgende Scenen des indischen Romans. Die erste Scene zeigt den Kampf der Zwillings- brüder Sugriwa und Wali. Räma, der Held des Epos, welcher ge- kommen ist, um dem Sugriwa zu helfen, sitzt mit seinem Bruder und seinem Gefolge im Vordergründe. Er kcmn aber nicht in den Kampf eingreifen, weil die Zwillingsbrüder einander so ähnlich sind, dals er fürchten mufs, den Sugriwa statt des Wali zu töten. Sugriwa umgürtet deshalb seine Lenden zum l^rkemmngszeichen für Räma mit einer Blätterschürze. Die mittlere Partie der Skulptur zeigt nun, wie Räma, durch dieses Merkmal geleitet, den bösen io8 Nach Middenjava in die Vorstenlande. Wall erschiefst. In dem dritten Teil des Bildes ist dann der von dem feindlichen Bruder befreite Sugriwa dargestellt. Neben ihm sitzt seine Ge- mahlin, die ihm von Wali ge- raubt worden war. Vor ihm erscheint sein Volk, das aus Affenmenschen besteht, um ihm als seinem rechtmäfsigen König zu huldigen. ]\Ian hat in dem Aon Sugriwa be- herrschten Affenvolk, das Räma sich durch seine That zu Bundesgenossen gewann, die Vedda, die angeblichen Ur- einwohner von Ce3don, sehen wollen, von denen die letzten Reste noch heute in den ent- legenen Wäldern der Insel ein kaum menschenwürdiges Da- sein fristen. Die Innenräume der Tempel Prambanan, zu denen man über die Treppen gelangt, sind in neuerer Zeit vom Schutt der eingestürzten Oberbauten befreit und wieder zugänglich gemacht worden. ^lan fand unter dem Schutt die Trümmer von grofsen, £ius Stein gehauenen Götterbildern. Einige derselben waren so gut erhalten, dafs die Bildsäulen wie- der zusammengefügt und auf dem noch vorhandenen Sockel wieder aufgestellt werden konnten. Aus der Deutung dieser Bild- werke ergiebt sich, dafs die drei Tempel der westlichen Reihe I den drei Hauptgottheiten der Die Götterbilder. Iqq Ilindureligion geweiht waren. Der grölste Tempel, der die Alitte dieser Reihe einnimmt, birgt in seiner Hauptktmimer ein Siwah- bild, welches fast drei [Nieter hoch ist. Dasselbe ist jetzt, so gut es ging, aus den Bruchstücken wieder hergestellt. Die auf- rechte Statue mit dem Lotoskissen, auf dem ihre Füfse ruhen, war aus einem einzigen Stein gehauen. Der dreiäugige Gott trägt eine Krone mit Totenkopf und Mondsichel. Die vier Arme, von denen jederseits der eine nach oben, der andere nach unten ge- bogen ist, tragen in der Hand verschiedene Abzeichen, die als Attribute dieses Hauptgottes auch auf dem indischen Festlande in allen Darstellungen wiederkehren. Eine gekrönte Brillenschlange ist über die Schulter und um den Oberkörper geschlungen. Die Wand der Tempelkammer ist mit stilisiertem Laubwerk und Lotos- rosetten behauen. Wie schon erwähnt, führen an dem wSiwahtempel auch an den übrigen drei Seiten Treppen empor. Sie bringen uns in kleinere Seitenzellen hinauf, welche gleichfalls Götterbilder enthalten. Die Zelle an der Xordseite des Tempels schliefst ein Steinbild ein, welches eine Fr^iu auf einem getöteten Stier stehend darstellt. Die Archäologen deuten diese Figur nach den Attributen als Durga, die Frau des Siwah, welche über den in Gestalt eines Stieres auf- tretenden bösen Geist Mahishasura triumphiert. Die Javanen sehen dagegen in dem Bild eine Darstellung der Loro Djonggrang, der Tochter eines sagenhaften, javanischen Fürsten, und ihr Moha- medanismus hindert sie nicht, diesem Götzenbild auch in der Gegenwart eine gewisse Verehrung zu zollen, vor ihm Gelübde abzulegen oder von ihm Hilfe in allerlei Not zu erbitten. Selbst die eingewanderten Chinesen sollen an die Wunderthätigkeit dieses Bildes glauben, ja es wird sogar erzählt, dafs gelegentlich junge Damen europäischer Abstammung aus Djokjtikarta zu der Loro Djonggrang einen Bittgang unternehmen, um ihre Unterstützung in idlerlei Herzensangelegenheiten zu erflehen. Li der Zelle an der Westseite des Tempels thront Genesja, der vSohn des vSiwiih, mit Elefantenhaupt, auf einem Lotoskissen, und in dem südlichen Innenraum endlich ist Siwah iils Lehrer dar- gestellt. Der Tempel, welcher nördlich neben dem Siwahtempel in der westlichen Reihe steht, enthält nur einen einzigen Innenraum, dessen Wandflächen keine Verzierungen aufweisen. Aus den Trümmern, welche die mit Schutt erfüllte Zelle barg, hat man ein mehr als I lO Nach Middenjava in die Vorstenlandc. zwei Meter hohes Standbild des Gottes Wishnu wieder zusammen- setzen können, welches wie das Siwahbild aus einem Stein gehauen war. Auch dieser Gott ist vier- armig dargestellt. Die obere rechte Hand hält ein flammendes Rad, das Symbol der strahlenden vSonne. In der linken oberen Hand er- kennt man die geflügelte Muschel, welche als Attribut des Gottes häufiger in den Darstellungen an Hindutempeln wiederkehrt. Die untere, rechte Hand, welche stark beschädigt ist, stützt sich auf den Schwertknauf, die linke hält einen dreieckigen Körper, dessen Deu- tung nicht ganz sicher ist. Viel- leicht soll es eine Vase oder eine umgekehrte Pyramide, das Symbol des Wassers, sein. Der Tempel, welcher nach Süden hin die westliche Reihe abschliefst, ist dem Brahma ge- weiht. Er gleicht in Gröfse und Bauausführung dem Wishnutem- pel, ist iiber nicht mehr so gut erhalten ids dieser. Das Brahma- bild, welches in seiner Zelle stand, war, wie das Wishnubild, über zwei Meter hoch. Die in den Trümmern gefundenen Bruch- stücke sind nicht wieder zusammen- gesetzt worden, sie liegen vom Schutt befreit und gesäubert am Boden der Tempelzelle. Man er- kennt, dafs das Bild vier Gesichter hatte und ebenso wie die beiden andern Götterbilder vier Hände, w^elche die für diese Gottheit Wishnubüd aus dem nördlichen Tempel der "westlichen Reihe zu Pramhanan, Waren die Tempelerbauer Buddhisten? jjl charakteristischen Beigaben halten. Drei weitere, viel kleinere Brahmabilder, die in den Trümmern gefunden wurden, sind eben- falls in dieser Tempelkammer untergebracht. Von den drei östlichen Tempeln enthalten nur noch zwei die Überbleibsel des ehemaligen Inhaltes. Der nördliche Tempel um- fafste ein kleineres Siwahbild, von dem nur noch Bruchstücke er- halten geblieben sind. In dem Alitteltempel nimmt eine lebensgrofse und formenschöne Darstellung des heiligen Höckerstieres des Siwah den Mittelraum der Zelle ein. Dahinter stehen zwei kleinere Bild- werke. Die eine der Figuren auf einem mit sieben Pferden be- spannten Wagen ist nach der Deutung der Archäologen Suja, die Sonne, die andere, deren Wagen von einem Zehngespann ge- zogen wird, ist Tjanda, der Mond. Die übrigen drei Tempel der Hauptgruppe sind soweit zerstört, dafs von ihren Tempelkammem und deren Inhalt nichts mehr erkennbar geblieben ist. Man schätzt das Alter der Tempelbauten von Prambanan auf etwa iioo Jahre. Die Erbauung derselben wird also nicht viel später erfolgt sein, als diejenige des Riesentempels von Borobudur. Es hiit nun den Altertumsforschern der Umstand Schwierigkeiten bereitet, dafs von den zwei Altertümern, welche aus der gleichen Zeit stammen und nur wenige Meilen von einander entfernt liegen, das eine zweifellos eine Kultstätte des Buddhismus darstellt, während das andere die Hindugottheiten Brahma, Wishnu und Siwah ver- herrlicht. Der um die Erforschung der javanischen Altertümer hochverdiente Dr. Gronemann zu Djokjakarta, aus dessen Schriften ich reiche Belehrung über die Tempelruinen geschöpft habe, ist der Ansicht, dafs auch die Tempelstadt von Prambanan ein bud- dhistisches Heiligtum war. Die ganze iVnlage war nach der Meinung dieses Gelehrten eine Totenstadt, die einzelnen Tempel- bauten sind die Grabstätten der Fürsten des buddhistischen Reiches und ihrer Grofsen. Die Darstellung der Hindugottheiten ist nichts Unerhörtes, wenn man bedenkt, dafs diese alten Götter bei den Buddhisten des nördlichen Indien, von denen Buddhas Lehre nach Java gebracht worden ist, als Vorläufer Buddhas göttliche Ver- ehrung genossen. Auch unter den Skulpturen an dem Tempel von Borobudur sind einige Darstellungen von 1 lindugöttern zu finden. An den Grabmälern zu Prambanan würde also die Aufstellung der Götterbilder mutatis mutandis denselben Sinn haben, wie die An- bringung von Heiligenbildern in den Gruftkapellen moderner katho- lischer Friedhöfe, und das Fehlen von eigentlichen Buddhabildern 112 Nach Middcnjava in die Vorstenlande. würde kiium auffällig erscheinen. Eine Stütze für seine Auffassung sieht der Dr. Gronemann darin, dafs an den Tempelwänden zu Prambanan überall gewisse Ornamente wiederkehren, deren Dar- stellungen mit dem Buddhakult in Zustimmenhang stehen; vor allen Dingen weisen die stilisierten Bäume mit den mythischen Tier- gestalten, den Vögeln mit Menschenköpfen, welche die Sockel aller Haupttempel in ununterbrochener Reihe schmücken, dtirauf hin, dafs die Tempelerbauer Buddhaverehrer waren. Dafs es sich bei den Tempeln von Prambanan um Grabmäler handelt, ergiebt sich aus Funden, welche bei den Aufräumungs- arbeiten im Innern einiger Tempel gemacht wurden. Unter den Fufsstücken der Götterbilder waren tiefe Grüfte vorhanden, welche bei der Eröffnung mit Steinstücken und allerlei Schutt bis oben hin angefüllt waren. Unter den Trümmern aber fand man in der Gruft des grofsen Siwahtempels einen \ ierkantigen, steinernen Be- hälter, welcher mit einer Steinplatte bedeckt war. Der Inhalt dieses Behälters bestand aus einem Gemenge von Erde und un- vollkommen verbrannten Überresten eines menschlichen Körpers. Daneben fanden sich goldene, silberne und kupferne Zierraten, eine Anzahl Hindumünzen und einige Halbedelsteine. Auch einige Kupferbleche mit eingeritzten altjavanischen Schriftzeichen wurden mit ausgegraben; die Schrift war leider unlesbtir geworden. Die Gruft des Brahmatempels enthielt unter anderm eine Urne und Zierraten, und in einem der kleineren Tempel war wiederum ein Gemenge von Erde und Leichenasche eingeschlossen. Bei den meisten Tempeln aber wird der Inhalt der Grüfte schon frühzeitig durch Schatzgräber geraubt oder zerstreut worden sein. Man mufs dem archäologischen Verein von Djokjakarta, dessen Ehrenpräsident der Dr. Gronemann ist. Dank wissen dafür, dafs er die systematische Aufräumung und Freilegung der Tempel von Pram- banan unternommen hat und die herrlichen Ruinen nach Kräften vor weiterem Verfall schützt. Der Verein hat einen javanischen Aufseher bei dem Tempelfelde angestellt, bei dessen Wohngebäude noch eine grofse Anzahl von Bildwerken aufgestellt worden ist, die unter den Trümmern und in der nächsten Umgebung der Ruinen gefunden wurden. An dem Hiiuse ist aufserdem eine luftige Veranda angebaut, in der man sich von der nachdrücklichen Wirkung der javanischen Sonne erholen kann, welche alle Gänge und Terrassen durchglüht und durch den eingestürzten Oberbau selbst in die tief- sten Winkel der inneren Tempelkammern hineinleuchtet. Tjandi Scw«. 11^ Meinem kleinen Führer mochte wohl die Zeit, die ich in dem umfangreichen Ruinenfelde zugebracht hatte, recht lang geworden sein. Er marschierte aber, nachdem wir am Hause des Aufsehers kurze Rast gemacht und uns durch einen Trunk erfrischt hatten, in Erwartung des verheifsenen Lohnes tapfer weiter mit, als ich ihm bedeutete, dafs ich auch noch die Ruinen von Tjandi Sewu besuchen wolle, welche ungefähr einen Kilometer weiter nördlich von Prambanan gelegen sind. Tjandi Sewu ist die Bezeichnung einer Tempelstadt, die in ihrer ganzen Anlage einige Ähnlichkeit mit dem Tempelfeld von Prambanan aufweist. Die Mitte nimmt ein gröfserer Haupttempel ein, der leider durch einen Erdstofs im Jahre 1867 starke Zer- störungen erlitten hat. Der Oberbau stürzt3 zusammen und be- schädigte im Falle auch einen Teil der reichen Verzierungen, welche die Aufsenwände des Bauwerkes schmückten. Immerhin giebt das, was übrig geblieben ist, noch eine Vorstellung von der künstlerischen Architektur und von den herrlichen Bildhauerarbeiten. Rings um den Haupttempel her waren 240 kleinere Tempel, die jetzt alle in Trümmern liegen, in vier einander umschliefsenden Quadraten angeordnet. In diesen kleineren Tempeln waren Buddha- bilder aufgestellt, von denen noch mehr als zwanzig erhalten ge- blieben sind. Sie sind zum Teil von ihrem ursprünglichen Stand- platz herabgestürzt, einige der fast lebensgrofsen Figuren liegen mit dem Gesicht im Grase, ein rechtes Bild der Verwüstung, das nicht sowohl von der Unsicherheit des vulkanischen Bodens, tds von der fanatischen Zerstörungswut des später eingedrungenen Mo- hamedanismus zeugt, der mit dem Glauben an die Macht der alten Götter selbst die Scheu vor der Heiligkeit des Ortes, wo die Vor- fahren ihre Toten begruben, aus den Herzen des Volkes verwischte. Gegen die Gewalten, welche damit entfesselt wurden, konnten die weit über lebensgrofsen, steinernen Wächter, die zu zweit an jedem der vier Zugänge zu der Tempelstadt knieen, das Heiligtum nicht beschützen. Nur sie jülein haben die Jahrhunderte unversehrt über- dauert. Die Steinkolosse trotzten der Wut der mohamedanischen Bilderstürmer, denen glücklicherweise Pulver und Dynamit noch nicht zur Verfügung standen. In der weiteren Umgebung von Prambanan und auch sonst in Middenjava zerstreut sind noch eine grofse Zahl von buddhistischen Altertümern aufgefunden worden, so die Tjandi Eumbung, Tjandi Plaosan, Tjandi Kalongan und andere mehr. Meine hauptsächlich Giesenhagcn, Java und Sumatra. 8 114 Nach Middenjuvu in die Vorstculandc. anderen Zwecken gewidmete Zeit erlaubte mir nicht, ihnen allen einen auch nur kurzen Besuch abzustatten. Ich mufste mich damit begnügen, das gesehen zu haben, was man mir als das Grofs- artigste und Schönste bezeichnet hatte. Mein Weg führte mich von diesem östlichsten Punkt, den ich auf meiner Tropenreise er- reichte, nach Djokjakarta und bald auch von dort nach Westjava zurück. Sieinfigur eines Tempeliuäclders von Tjandt Seviu. Der JJusisirom bei PaletnbaJi^. QUER DURCH SUMATRA. Wie mannigfaltig ist doch die Einwirkung des Windes auf die Oberfläche der Erde und auf alles Lebende, das auf ihr wohnt! Die Geologen sprechen von einer erodierenden Wirkung des Windes. Der Aufbau und die Abtragung der Sanddünen am Meer und in der Wüste sind sein Werk. Er thürmt die Meeres wogen und treibt sie zur Erosionsarbeit an die umbrandete Küste. Er führt die regenspendenden Wolken vom Meer über die durstige Erde und schafft so den Quellen, den Bächen und Flüssen neue Nahrung, die fort und fort an dem Relief der festen Erdrinde modellieren. Und wie wir in der leblosen Natur überall der Wirkung des Windes begegnen, so stehen auch die Lebewesen, vor allen Dingen die Pflanzen, unter seiner machtvollen Herrschaft. Ein Sturm vermag auch in unseren Breiten ganze Waldbestände zu zerstören. Ein Palmenwald, über den ein Tornado hinweggegangen ist, sieht aus, als ob er vom Feuer versengt sei, wenn auch die schlanken, bieg- samen Stämme dem gewaltigen Ansturm standgehalten haben; so berichtete der Professor Volkens, der während der Ausreise von Genua bis Batavia mein Reisegenosse war. Aber es sind nicht nur Bilder der Zerstörung, die uns die Wirkung des Windes auf das Pflanzenleben vor Augen führen, wenn schon diese sich am meisten der Beobachtung aufdrängen. Wie der Wind an Berg- pässen und Gipfeln modellierend auf die Konturen des Urwaldes einwirkt, das habe ich bereits an anderer Stelle geschildert, und für viele Gewächse ist der Wind gar ein treuer und zuverlässiger I j 5 Quci- durch Sumatra. Arbeiter, der das Gedeihen fördert und für das Fortkommen sorgt. Der Wind trägt den Blütenstaub von Halm zu Halm, von Baum zu Baum; er trägt die geflügelten Früchte und Samen über das Land und schafft der Pflanzenart neue Standorte. Die Insel Kra- katau an der Meeresstrafse zwischen Java und Sumatra, welche nach der gewaltigen, vulkanischen Umwälzung im Jahre 1883 als ein ödes und nacktes Felseneiland übrig blieb, trägt heute bis zum höchsten Gipfel hinauf ein grünes Pflanzenkleid, Die Samen und Sporen, aus denen es erwuchs, h^it der Wind aus weiten Fernen herbeigetr^igen. Wie es im Eichen walde keine zwei Eichenblätter giebt, welche bei sorgfältigster Prüfung an Gröfse, Gestalt und Bau völlig gleich erscheinen, so giebt es auch nicht zwei Pflanzen derselben Art, welche bis in alle Einzelheiten mit einander übereinstimmen. In diesem oder jenem Punkte weichen selbst die Schwesterpflanzen, welche aus derselben Samenkapsel entstammen und neben einander erwachsen sind, von einander ab. Würden die Pfl^mzen gänzlich von einander getrennt, so könnten die kleinen Abweichungen in den Nachkommenreihen, durch Generationen summiert, zu einer weitgehenden Verschiedenheit in Bau und Bildung führen. Indem aber die Pflanzen derselben Art in ihrem natürlichen Verbreitungs- gebiet immer wieder durcheinander gewürfelt werden, und indem sich so bei der geschlechtlichen Fortpflanzung die Eigenschaften der Individuen immer und immer wieder mischen, bleibt die Pflanzen- art in ihrem Bestände erhalten. Wo der Wind die Verbreitung der Samen einer Pflanzenart übernimmt, dort tritt er also auch auf als ein Erhalter der Art; er führt die Individuen aus einem Teil des Verbreitungsgebietes zum andern und sorgt so für die zum Ausgleich nötige Vermischung. Und welches Verbreitungsagens könnte dafür geeigneter sein als gerade der Wind, der heute in dieser, morgen in jener Richtung weht und Kraft genug besitzt, um Millionen von Sporen, von Samen mit Federkrone oder Haar- schopf oder von geflügelten Früchten gleichzeitig durcheinander zu wirbeln und über weite Strecken davonzuführen. Könnten wir diese Wirkung des Windes im Pflanzenleben ausschalten, indem wir ihn etwa imtiier in der gleichen Richtung blasen liefsen, und hätten wir Jahrtausende Zeit, den Erfolg des Experimentes abzuwarten, so müfsten wir eine völlige Umwandlung der Pflanzendecke unserer Erde vor sich gehen sehen. Das Experiment, zu dem menschliche Macht nicht ausreicht, Nach Sumatni. 117 hat die Natur selbst an einigen Stellen unserer Erdoberfläche an- gestellt, die Passate und Monsune wehen seit Jahrtausenden in der gleichen Richtung. Sollte das auf die Ausgestaltung der Vegetation in ihrem Wirkungsgebiete ohne Einflufs geblieben sein? Und wenn nicht, welche Beziehungen lassen sich erkennen zwischen der Rich- tung der Monsune und den durch den Wind verbreiteten Pflanzen im Monsungebiet? Sind etwa aus der Arealbildung verwandter Formen Andeutungen zu gewinnen über die Wanderungswege und über die Entstehungsgeschichte der Arten? Das alles waren Fragen, die mich beschäftigten, als mir die Reise ins Gebiet der ostindischen Monsune und Passate in Aus- sicht stand, und der Wunsch, zu der Lösung dieser Fragen bei- tragen zu können, war es, der mich veranlafste, von Java aus die beschwerlichen Kreuz- und Querzüge durch das grofse Eiland Su- matra zu unternehmen, in dessen nördlichem Teile Monsun und Passat um die Herrschaft streiten. Mir lag daran, das Verhalten einer kleinen Gruppe nahe verwandter Farne, die alle auf die Ver- breitung durch den Wind angewiesen sind, an den verschiedensten Punkten des Monsungebietes aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Sollte das, was ich auf Singapore und in Johore gesehen, was ich in West- und Middenjava darüber an Beobachtungen ge- sammelt, sich zu einem einheitlichen Ganzen verbinden, so mufste ich auch an verschiedenen Punkten Sumatras die Frage genauer studieren. So war also für mich schon vor meiner Ausreise aus Europa ein Streifzug durch Sumatra beschlossene Sache, wenn- schon ich nicht wufste, wie eine solche Reise in die Wildnis sich im einzelnen gestalten würde. Die langgestreckte Insel Sumatra ist ihrem Flächenraum nach wenig kleiner als das Deutsche Reich. Fast der ganzen Länge nach zieht sich der südwestlichen Küste genähert ein bergiges Rückgrat hin, das Barisangebirge, dessen Hochflächen mit einer Reihe gewaltiger Vulkankegel besetzt sind. Im Osten nimmt ein breiter Saum flachen Landes, gegen den Gebirgszug hin allmählich ansteigend, den Raum vom Fufs der Berge bis zu der Küste des Meeres ein. Nur im nördlichen, schmäleren Teil der Insel reicht das Gebirgssystem in den Atjeher Bergen und in dem Bateik- gebirge näher an die Ostküste heran, nur durch einen verhältnis- mäfsig schmalen Streifen eines flacheren Küstenlandes vom Meere getrennt. Der Verteilung von Gebirge und Flachland entspricht die Entwickelung der Ströme. Die westlichen Küsten und der j j p, Quer durcli Sumatra. Nordosten haben wenig entwickelte Flufsläufe, die mit starkem Gefälle aus dem Gebirge in den schmalen Küstensaum hinab- stürzen und nach kurzem Laufe das Meer erreichen. Im Osten der südlichen Hälfte der Insel gestattet dagegen das ausgedehnte Flachland eine mächtige Entwickelung des Unterlaufes der Ströme. Der mächtigste dieser Flüsse ist der Musi, welcher vom Barisan- gebirge in zahlreichen Quellflüssen sein Wasser empfängt und in breitem, vielgewundenem Bette das Vorkmd und die Ebene durch- ziehend, mit vielarmigem Delta in die Bangkastrafse einmündet. Dieser Strom hat von altersher in seinem Unterlauf eine Verkehrs- strafse der Bevölkerung gebildet und zur Entwickelung der Strom- schiffahrt bei den Eingebornen die Veranlassung gegeben. Am Anfange des Deltas liegt die grofse Stadt Palembang als Handels- empore, welche den Verkehr des Binnenlandes mit der Schiffahrt des Meeres schon vor Jahrhunderten vermittelte, bevor noch die Europäer einen Teil des Handels an sich rissen. Durch das Strom- gebiet zieht sich von Ost nach West mit vielen Krümmungen eine alte Handelsstrafse der Eingebornen hin, welche von Markt zu Markt bis an die östlichen Vorberge des Barisangebirges hinaufsteigt und zwischen dem Markt Kepahiang und dem Hafenplatz Benkulen an der Südwestküste der Insel selbst die Pafshöhe des Gebirges über- windet, so die östliche Küste an dem verkehrsreichen Inselmeer mit dem vom Indischen Ocean bespülten westlichen Küstensaum verbindend. Auf das Vorhandensein dieses Verkehrsweges hatte ich meinen Plan zur Durchquerung der gewaltigen Insel aufgebaut. Von Palem- bang aus, zu dem durch die Mündungsarme des Flusses selbst noch gnifsere Seeschiffe gelangen können, wollte ich soweit als möglich stromauf fahren und dann, der Strafse folgend, bei Kepahiang das Gebirge überschreiten und nach Benkulen hinabsteigen. Die in den holländischen Kolonieen nötige Regierungserlaubnis zum Reisen auf Sumatra bekam ich mühelos durch die liebenswürdige Ver- mittelung von Professor Treub. Ihm verdanke ich auch eine wirk- same Empfehlung an Herrn Monod de Froideville, den Residenten von Palembang, unter dessen Regierung das ganze Flachland von der Ostküste an bis zu dem Kamm des Gebirges im Südwesten steht. Die Unsicherheit darüber, wie sich die Reise über Land im einzelnen gestalten würde, liefs es mir wünschenswert erscheinen, dafs ich europäische Reisegesellschaft bekam, und es gelang mir auch, den Kunstmeder Fleischer, den ich in Tjibodas kennen gelernt Reisegesellschaft. j I q hatte, und einen jungen Belgier, Herrn Pynaert, welcher Studien über tropische Pflanzenkulturen machen wollte, zur Mitreise zu be- wegen. Als Vierter schlofs sich uns derselbe europäische Ver- gnügungsreisende an, der schon bei der Besteigung des Gede mit von der Partie gewesen war. Ich war wirklich froh darüber, dafs ich den Weg in das Ungewisse nicht allein anzutreten brauchte. Leider hatte ich nicht bedacht, dafs bei einer Reise, bei welcher die Hauptschwierigkeit in der Beschaffung der Reisegelegenheit und der Unterkunft besteht, ein einzelner Mann viel leichter voran kommt, als wenn deren viere zusammen reisen. Auch insofern kann die Reisegesellschaft für den Einzelnen ein Hemmnis werden, als ein Unfall, der den Einen trifft, alle Andern in Mitleidenschaft ziehen mufs. Da die drei Herren in der Annahme, dafs auch in Sumatra überall leicht eingeborne Arbeiter zu haben seien, keine besonderen Diener tiuf die Reise mitnahmen, so hatte zunächst mein treuer Mario die Arbeit für Alle zu übernehmen, was auf die Dauer, da die beabsichtigte Anwerbung von Dienern in Palembang nicht zustande kam, zu Unzuträglichkeiten und Reisehemmnissen führen mufste. Zum Glück war aber der Verband der Reise- genossen kein so fester, dafs wir uns nicht, sobald wir die Nach- teile des gemeinsamen Reisens bemerkten und sobald unsere Inter- essen auseinandergingen, hätten in Frieden von einander trennen können, um die Reise in getrennten Gruppen oder einzeln fort- zusetzen. Zur Vervollständigung meiner Ausrüstung war ich die letzten Tage vor der Abreise nach Batavia übergesiedelt und wohnte wie immer bei meinem liebenswürdigen Gastfreund im deutschen General- konsulat. Meine Reiseausrüstung war soweit als thunlich in den aus Petroleumtins hergerichteten Blechkästen untergebracht, ein handlicher Blechkoffer enthielt meine Kleider, unter denen ciuch der schwarze Anzug für die Besuche bei den holländischen Beamten nicht fehlen durfte. Das Feldbett bildete ein besonderes Packet, ebenso die gemeinsame Medizinkiste, die von Herrn Fleischer mit allen m()glichen Pillen und Mixturen angefüllt war und auf meinen Vorschlag auch ein wenig VerbcUidzeug enthielt, das zum Glück nicht zur Verwendung kam. Am 4. November war alles zur Ab- fahrt bereit, und Sonntag den 5. in der Morgenfrühe begleitete mich der Herr von Syburg nach Tandjong Priok, dem Hafen von Batavia, wo die „Van Diemen", ein Dampfschiff der Koninglijke Paketvaart Maatschappij , zur Abfahrt nach Palembang bereit lag. l 20 Quer duich Sumatra. Auch die übrigen drei Herren waren zur Stelle, und Mario hatte den umfangreichen barang-barang (das Gepäck) für uns alle bereits an Bord gebracht. Die Fahrt durch die Javasee nach Norden verlief ruhig und ohne Zwischenfall. Am Montag fuhren wir mit nordwestlichem Kurs in die Bankastrafse ein und schon gegen Mittag dieses Tages bog das Schiff gegen Südwesten hin in einen der breiten Arme der Flufsmündung des Musi ein. Fast wie ein Meeresarm dehnt sich die gelbe Wasserfläche zu beiden Seiten des ruhig dahin- gleitenden Schiffes. Auf der Oberfläche schwimmen hin und wieder allerlei Baumfrüchte, besonders häufig die kantigen Früchte der Nipapalme. Näher am Ufer sieht man zahlreiche, freudig -grüne, sammetartig schimmernde Blattrosetten von der Gröfse eines Kohl- kopfes auf dem Wasser schaukeln (Pistia stratiotes). Auch Baum- stämme, grofse Palm- und Pisangblätter führt der Strom mit ins Meer hinab. Die beiden Ufer sind mit dichter Strauchvegetation bedeckt. Es sind charakteristische Strandpflanzen, MangToven, welche hier in dem Schlickboden die günstigsten Bedingungen für ihr Ge- deihen finden. Sie stehen meist auf stelzenartig gespreizten Luft- wurzeln im Schlamme. Bei dem niedern Wasserstande während der Ebbezeit liegen die Stelzwurzeln frei, zur Zeit der Flut sind sie vom Wasser bedeckt, so dcifs die Stämme der tiefstehenden Sträucher und Bäume direkt aus dem Wasser aufragen. Hinter dem Ufer- gebüsch erheben sich Bäume von gröfserer Stammhöhe; ein eigent- licher Hochwald ist aber nicht vorhanden. Wenn das Meer zur Zeit der Flut das Wasser zurückstaut, so wird der Boden weit ins Land hinein überschwemmt. Hin und her tritt unter den Strand- piLmzen auf gröfsere Strecken eine niedere Palme besonders her- vor, eben die Nipapalme, deren Früchte so zahlreich durch das Wasser von Ufer zu Ufer geführt werden. Von Bewohnern des Landes ist wenig zu sehen: gelegentlich unterbrechen ganz vereinzelte Boote und einige auf Pfählen am Strande erbaute, zwischen den Mangroven halb versteckte Atap- hütten die Einförmigkeit des Buschwaldes, der die Ufer umsäumt. Am Nachmittag gegen 5 Uhr näherten wir uns der Einmündung eines kleinen Seitenflusses, des Peladju, und der cm der Flufs- mündung liegenden Ortschaft gleichen N^miens. Dieser Ort hat in neuerer Zeit eine gröfsere Bedeutung gewonnen. Hier hat näm- lich die Petroleum-Gesellschaft Muarah-Enim eine kleine Europäer- stadt mit grofsen, luftigen Wohngebäuden und Bureaus entstehen Ankunft in Palembnng, I 2 i lassen, Petroleumtiinks gebaut und Hafenanlagen gemacht. Die Seele des Unternehmens ist der holländische Ingenieur Ijzerman, der in Holländisch-Indien durch geniale Entwürfe sowohl, als durch energ^ische Mitarbeit so vielfach beigetragen hat zur Erschliefsung- der Schätze des Landes mit Hilfe der modernen Technik, und der auch in der holländischen Litteratur durch seine interessanten Reise- beschreibungen und Schilderungen einen wohlverdienten Ruf besitzt. Ich hatte Herrn Ijzerman gelegentlich bei Professor Treub in Buitenzorg kennen gelernt und wufste, dafs er sich gegenwärtig in Peladju aufhielt und bereit sein würde, mir über die Gelegenheit zur Reise ins BinnenUmd seinen Rat zu geben. So war es mir ganz erwünscht, dafs die „Van Diemen", w^elche allerlei Maschinen- teile und Baumaterialien für die Petroleum -Gesellschaft geladen hatte, an dem Hafenbolwerk in Peladju anlegte. Herr Ijzerman, der die Ankunft des Schiffes am Ufer erwartet hatte, kam so- gleich an Bord und teilte mir mit, dafs am Mittwoch ein kleiner malaiischer Plufsdampfer stromauf fahren werde, und dafs wir alle vier auf diesem Schiff die Reise machen könnten. Wir hatten also für Palembang, da die Abgangszeit des Flufsdampfers auf den Nach- mittag 5 Uhr festgesetzt war, anderthalb Tage Zeit. Zunächst aber waren wir ja noch in Peladju und nicht in Palem- bang, und die Übersiedelung dahin ging nicht ganz ohne Trubel ab. Wir wurden nämlich von der „Van Diemen" aus in Peladju £iuf ein kleines Motorboot gebracht; unser Gepäck sollte in einer angehängten Praue mitbefördert werden. Da aufser uns noch andere Passagiere, besonders iiuch eingeborne Deck- und Zwischen- deckreisende die Fahrt mitmachten, so waren Boot und Praue bald gefüllt, während noch die Hälfte unseres Gepäcks an Bord war. Ich konnte gerade noch im letzten Moment dem Mario zurufen, er solle an Bord bleiben und für das zurückgebliebene Gepäck sorgen, so ging auch schon die Fahrt los. Da die Dunkelheit allmählich hereinbrach, so konnten wir nicht mehr viel von der Gegend erkennen. Etwa um 7 Uhr, also in völliger Dunkelheit, legte das kleine Boot an einer kurzen Landungsbrücke fest. Ich bat die drei Herren, welche mit mir reisten, an der Landungsstelle zurückzubleiben und das Ausladen unserer Gepäckstücke zu beaufsichtigen. Ich selber fuhr mit dem einzigen in der Nähe vorhandenen Sado nach dem Hotel Nieuw- kerk, welches mir von Herrn Ijzerman empfohlen worden war, um Leute zu holen, die das Gepäck unter Dach und Fach brächten. 122 Oucr durcli Sumatra. Zunächst wurde mir in dem Hotel, dem einzigen des Platzes, er- klärt, dafs alle Zimmer vergeben seien, und dafs an eine Unter- bringung von vier Herren gar nicht zu denken sei. Höchstens ein Zimmer mit einem Bett sei frei zu machen, da der Herr, welcher es bisher bewohnte, am Abend jiusziehen wolle. Nachdem ich lange genug mit dem mtilaiischen Mtmdur resultatlos verhandelt hatte, suchte ich mir den Hotelbesitzer, Herrn Nieuwkerk auf, einen würdigen, iilten Herrn mit schneeweifsem Haar, der schon ein Menschenalter hindurch in diesem ungesunden Lande den Unbilden des Klimas standhält. Ich sprach ihm von der Empfehlung des Herrn Ijzerman und setzte ihm auseinander, dafs wir nichts weiter gebrauchten, als einen gedeckten Raum, in dem wir unsere eigenen Feldbetten aufschlagen könnten. Das veränderte dann die Scene. Wir wurden in Gnaden angenommen. Nun aber hatte ich die gröfste Mühe, jemand zu bewegen, sich unseres Gepäcks anzu- nehmen. Endlich hatte ich einen Mann erwischt, der sich erbot, die Sachen mit einer Praue zu Wasser ans Hotel zu bringen. Ich setzte mich also wieder in den Wagen, um zu dem Landungsplatz zurückzufahren. Unterwegs kamen mir aber schon meine drei Reise- gefährten mit einer Kulikarawane entgegen. Zum Glück hatten sich nach und nach einige Arbeiter an der Landungsstelle ein- gefunden, so dafs wir jetzt in kurzer Zeit alle Gepäckstücke, welche mitgekommen waren, unter Dach und Fach hatten. Wir hatten zwei Räume in dem Hotel zur Verfügung, das eben leer gewordene Zimmer mit einem Bett und einei> vertmda- artigen Vorraum, der durch Segeltuch an den Seiten und vorne dicht gemacht worden war. Herr Fleischer und ich nahmen von dem Zimmer Besitz, während die beiden andern Herren in dem luftigen Vorraum ihre Wohnung aufschlugen. In wenigen Minuten waren die nötigen drei Feldbetten aufgestellt, und wir konnten nun endlich in Ruhe zum Abendessen die letzten Plätze an der langen Hoteltafel einnehmen. Die Tischgesellschaft war sehr bunt zusammengesetzt: In- genieure und Bauaufsichtsbeamte der Petroleum-Gesellschaft, Kauf- leute, Gold- und Petroleumsucher nahmen hier vorübergehend ein Absteigequartier. Mein Tischnachbar war ein deutscher Lands- mann aus Baden, der ins Binnenland reisen wollte, um zu er- forschen, ob dort Ländereien für Kautschukplantagen zu finden und zu erwerben seien. Er hatte sich schon länger mit den ein- schlägigen Fragen beschäftigt, und es war mir deshalb sehr Das malaiische Vcncdij^. 123 Eine Kanahtrafse in Palembang. interessant, nach Tisch noch ein Stündchen mit ihm über Gewin- nung und Handel von Kautschuk und Guttapercha zu phiudern. Inzwischen war Miirio mit unserm übrigen Reisegepäck in das Hotel gekommen, nur mein Blechkoffer und eine Konservenkiste fehlten, sie hatten bei der zweiten, überstürzt eiligen Abfahrt des kleinen Motorbootes noch an Bord der „Van Diemen" zurückbleiben müssen. Da ich Marios Umsicht vertraute, so beunruhigte mich das Fehlen der beiden Stücke nicht weiter, ich schlief die Nacht sehr ruhig und angenehm zum ersten Mal in meinem Feldbett. Am Dienstag Morgen gings früh mit der Sonne heraus. Erst jetzt im Tageslicht konnte ich die verzwickte Bauart unseres Hotels verstehen. Das ganze Hotel besteht aus einzelnen Piivillons mit je vier bis sechs Zimmern. Alles steht auf hohen Pfählen. Die Verbindung ist durch Taufbrücken hergestellt. Zur Flutzeit steht der gröfsere Teil des Gebäudes direkt im Weisser, bei der Ebbe tritt das Wasser ganz zurück, so dafs selbst in dem Kanal oder J24 Qiicr (lurcli Sumatra. P'lufsarm hinter dem Hotel nur eine schmiile Wasserrinne in einem breiten Schlammbett übrig bleibt. Am Weisser rückwärts gegen- über dem Hotel stehen die Ataphäuser der Eingebornen, alle iiuf hohen Pfählen. Zu dem Wasser führen Treppen hinab, an denen die Kähne und Prauen anlegen und von denen aus die Familien- mitglieder ihr Bad im Flufs nehmen, die Frauen Geschirr und Wäsche spülen. Diese Kanäle und Flufsiirme ziehen sich zusammen- hängend wie ein Strafsennetz durch die ganze grofse Stadt hin. Bei mittlerem und hohem Wasserstande entwickelt sich nvd allen diesen unzähligen Wasserläufen ein reges Getriebe. Gemüse- und Fruchthändler und Kaufleute aller Art kommen mit ihren Prauen oder mit den gedeckten Kähnen an die Fläuser und bieten ihre Waren an. Boote, welche Personen befördern, schiefsen her und hin. Man gewinnt den Eindruck, als ob nur das Wasser das Leben imd den Verkehr der Stadtbewohner ermöglicht. Palembang ist das malaiische Venedig. Wie in Venedig, so liegen auch in Palembang die öffentlichen Gebäude, die Post, die Festung, das Gesellschaftsgebäude der So- cietät, das Palais des Residenten mit den dazugehörigen Bureaus auf einer inselartigen Erhebung, deren Fläche über dem Hoch- wasserspiegel gelegen ist. Die eigentliche Stadt aber ist auf Pfählen im Sumpf erbaut. Die Häuser der Eingebornen kehren ihre Vorderseite dem Wasser zu, sie liegen dicht gedrängt zu beiden Seiten des breiten Musistromes und an den Kanälen und Flufsarmen, welche das niedere Sumpfland durchziehen. Zum Ver- kehr zur Zeit des niedern Wasserstandes dienen einzelne Strafsen- züge, welche die Kcmäle auf Brücken überschreiten. Das Hotel liegt mit der Rückseite an einem Kanal, die Vorderseite ist dem Wiesenplan zugekehrt, an dessen anderer Seite das Fort liegt. Der feste Grund vor dem Hotel ist gartenartig angelegt. Blumenbeete giebts allerdings nicht, der Boden ist fast ganz kahl; das hoch- steigende Wasser überschwemmt ihn dann und wann und verhindert die Entwickelung von Gras und Kraut; es ist also nur ein Baum- garten, der durch hölzerne Lauf brücken in einzelne Quadrate ge- teilt ist. An den Bäumen wachsen hier, wie iiuch sonst in der Stadt und ihrer Umgebung, reichlich epiphy tische Farne, unter denen ich zu meiner Freude auch einige Niphobolusarten entdeckte, Vertreter derjenigen Gruppe, auf deren Verbreitung über die grofse Insel ich mein Augenmerk ganz besonders zu richten hatte. Mario, der schon am frühen Morgen tiusgezogen war, traf Der Transport- Annclimcr. I 2 '^ noch am Vormittag mit den vermifsten Gepäckstücken ein. Mir blieb nun für diesen Tag noch die Aufgabe, die Reisegelegenheit für uns zu gewinnen, d. h. Plätze auf dem Flufsdampfer zu belegen und für die anschliefsende Überlandreise Wagen und Karren zu mieten. Der letztere Teil dieser Aufgabe war ohne grofse Mühe zu erledigen. Der Resident, Herr Monod de Froideville, mit dem ich bei meinem Besuche von dieser Angelegenheit sprach, über- nahm es in liebenswürdigster Weise, selbst mit dem Annehmer zu verhandeln. Die Annehmer, deren es in jeder Residentschaft giebt, sind privilegierte Pferdehalter, etwa wie ehemals bei uns die Post- halter. Sie müssen die Reisegelegenheit für die Beamten des Gou- vernements immer bereithalten und können auch Privatpersonen gegen Bezahlung befördern. Der Herr Resident verabredete also mit diesem malaiischen Posthalter, dafs er uns aus seinen Filialen im Binnenlande die nötige i\nzahl von Wagen und Karren stellen sollte, die Reiseroute von Muara Enim bis Kepahiang, die Tages- touren wurden besprochen und der Preis festgesetzt. Ich hatte dann nur noch nach Landessitte die Hälfte des bedungenen Preises im Voraus zu bezahlen und konnte schon am Mittag den Reise- genossen die frohe Mitteilung machen, dafs dasjenige, wovon ich die gröfsten Schwierigkeiten erwartet hatte, dank der Liebens- würdigkeit des Herrn Residenten glatt erledigt sei. Weniger leicht gelang es mir, die Plätze für die Schififsreise zu belegen. Ich versuchte, den Annehmer, der auch der Besitzer des Schiffes ist, in seinem Bureau zu treffen. Er war nicht an- wesend, und um seiner habhaft zu werden, liefs ich meine Karte und Hoteladresse dort und begab mich zur Reistafel ins Hotel. Um 4 Uhr, nach dem Bade, machte ich mich wieder auf den Weg, um den Annehmer zu treffen. Er war wieder nicht zu Hause, und als ich ins Hotel zurückkehrte, hörte ich, dafs er inzwischen da- gewesen sei. Meine Reisegefährten hatten aber die Wichtigkeit und Bedeutung dieses Mannes, der Dampfschiffe besitzt und in jeder gröfseren Stadt des Bezirks seine Agenten und seine Pferde hat, nicht erkannt. Sie hatten ihn wie einen gewöhnlichen Kuli behandelt und ihm gesagt, er solle in einer halben Stunde wieder- kommen. Wenn ich auch wohl nicht erwarten durfte, dafs der Mann daraufhin noch einmal kommen werde, so mufste ich nun doch im Hotel bleiben, und weitere Unternehmungen bis zum nächsten Morgen verschieben. Am Mittwoch früh versuchte ich noch zweimal d(Mi 1 Fadji An- J26 Quer durch Sumatra. nehmer zu treffen, aber ohne Erfolg. Kurz entschlossen setzte ich mich deshalb y.,Q Uhr in das kleine Motorboot, welches regelmäfsige Fahrten zwischen Palembang und Peladju macht, und fuhr zu dem Herrn Ijzerman. Zu meinem Glück war gerade der chinesische Geschäftsführer des Annehmer in Peladju anwesend, mit dem so- gleich an Ort und Stelle alles abgemacht werden konnte. Ich hatte dann vor der Rückfahrt nach Palembang noch Gelegenheit, mich in der neuentstandenen Stadt der Petroleum-Matschappij umzusehen. Die Wohnungen der Europäer liegen alle in Gärten an einer breiten Strafse, der Ijzermanstrafse, welche am Abend elektrisch erleuchtet ist. Alle Häuser sind in dem gleichen Villenstil auf Pfählen erbaut, geräumig und sauber und im Innern mit allem Komfort ausgestattet. Ein Arzt wohnt ständig im Ort, ein Krankenhaus war im Bau be- griffen. Vor dem Ort liegen die grofsen Petroleumtanks, welche aus Eisenblech hergestellt sind und etwa das Aussehen haben, wie die Gasometer einer europäischen Gasanstalt. Das Petroleum wird von dem Fundort Muara Enim aus, welcher etwa i8o Kilometer weiter landeinwärts liegt, in Eisenröhren nach Peladju geleitet, von wo es aus den Tanks direkt auf die Seeschiffe verladen werden kann. Als ich nach Palembang zurückgekehrt war, besuchte ich zu- nächst die „AI Norie", das Dampf boot, welches uns stromauf bringen sollte, begrüfste den Kapitän oder richtiger Obermaschinisten, der nach gesetzlichen Bestimmungen immer ein Europäer sein mufs, und seih mir die Fahrgelegenheit etwas näher an. Aufser uns vieren waren noch zwei weitere Passagiere der ersten Klasse angemeldet. Da aber das Schiff sechs Kabinen besafs, so konnten wir trotzdem alle ganz gut unterkommen. Der Kapitän sagte, dafs er uns spätestens um y^S Uhr an Bord erwarte. So hatte ich noch Zeit genug, die Gefährten zu benachrichten und zu packen. Das Gepäck wurde dann wieder der Obhut des Mario anvertraut, der es mittelst einer Praue vom Hotel weg zum Schiff brachte. Wir übrigen machten uns mit Sados auf den Weg zur AI Norie, die uns für die nächsten drei Tage eine ganz komfortabale Unterkunft gewährte. Das Schiff ist ein Raddampfer, die kleine Maschine wurde mit Knüppelholz geheizt, von dem ein ganzer Vorrat auf dem Verdeck und neben dem Heizraum mittschiffs aufgestapelt war. Aufser dem eigentlichen Verdeck ist ein Oberdeck vorhanden, welches durch ein Dach aus Piilmenblättem gegen Sonne und Regen geschützt ist und auch seitlich durch Vorhänge von Segeltuch abgeschlossen werden kann. Der Flufsdampfer. 12' Der von der ]Maschme aus nach rückwärts gelegene Teil des Schiffes ist für die eingebornen Passagiere bestimmt. Dort herrschte ein buntes Gedränge von Männern, Frauen und Kindern. Auch einige Soldaten waren darunter. Der vordere Teil des Schiffes war fast ganz für uns Passagiere der ersten Klasse reserviert. Vier Kabinen sind auf dem Hauptdeck vorhanden, zwei weitere, nebst der für den europäischen Kapitän bestimmten, auf dem oberen Deck. Daneben bleibt oben noch ein freier Raum, das sogenannte Prome- nadendeck; derselbe wird von dem in der Mitte stehenden Tisch und den herumstehenden Sitzgelegenheiten so ziemlich ausgefüllt. Sehr angenehm empfanden wir es, dafs in der Schiffsmitte neben der Maschine eine kleine Badekammer vorhanden war. Die Kom- mandobrücke mit dem Steuerruder befindet sich ganz vorne im Schiff auf dem Oberdeck. Damit der Steuermann sehen kann, wo- hin das Schiff geht, ist oben am Dach eine Stange in der Ver- längerung der Längsachse des Schiffes ausgesteckt, von deren Spitze ein Knüppel herabhängt. Zur festgesetzten Zeit, um 5 Uhr, setzte sich das Schiff strom- auf in Bewegung. Die Führung des Schiffes liegt ganz in den Händen zweier malaiischer Manduren, die sich von Wache zu \Vache 128 Q"*^''' "liii"''!! Sumatra. ablösen. Ein malaiischer Matrose steht am Ruder. Der Mandur steht ernst und vornehm daneben und giebt durch ein kurzes Kommandowort oder durch eine kaum merkliche Handbewegung die Anweisung für die auszuführende Bewegung. Das Steuern des kleinen Fahrzeugs erfordert deshalb besondere Aufmerksam- keit, weil sich in dem Flufsbett häufig Sandbänke bilden, die um- gangen werden müssen, und weil man dem schweren Treibholz aus- weichen mufs. Wir fuhren langsam den breiten Strom hinauf. Zu beiden wSeiten der weiten Wasserfläche liegen die schmucken Häuser der Malaien und Chinesen. Toko (chinesisches Kaufhaus) reiht sich an Toko, Einbäume und gedeckte Boote, die malaiischen Gondeln, vermitteln den Verkehr. Hochbeladene Frauen und Fischerboote gleiten langsam vorüber. In der Nähe der Ufer baden Kinder und Erwachsene. Von Zeit zu Zeit kommen wir an den Einmün- dungen von Flufsarmen und Seitenkanälen vorbei, man sieht dann weit ins Land hinein dieselbe Scenerie. Alle Häuser öffnen sich nach der Wasserseite hin. Die braunen und gelben Bewohner stehen vor den Häusern oder in ihren Booten und sehen unser Schiff vorüberfahren. Allmählich bricht die Dämmerung herein, nach einstündiger Fahrt sehen wir die letzten einzelnen Häuser der grofsen Stadt, im Abenddunkel blitzen die Lichter aus den Wohnungen herüber. Dimn folgt auf beiden Ufern dunkler Busch- wald. Auf unserm Schiffe brannten längst die Lichter, als ich mich endlich von dem schönen Bilde losrifs, welches zeitweilig durch die vor uns untergehende Sonne mit besonderem Glänze verschönt war und welches neuen Reiz gewann, als die Schatten der Däm- merung sich über die Ufer herabsenkten und als die letzten Licht- reflexe auf den kurzen Wellen des gewaltigen Stromes zitterten. Über dem Tisch auf unserm Oberdeck war eine Hängelampe an- gezündet worden. Nach vorne hin wurde der Raum durch eine Segelleinwand gegen den Luftzug abgesperrt, so konnten wir uns behaglich um das Licht versammeln. Die beiden Europäer, welche aufser meinen Reisegenossen mit mir als Passagiere der ersten Klasse die Stromfahrt mitmachten, waren zwei holländische Offi- ziere, die sich als sehr angenehme Gesellschafter erwiesen. Der eine derselben, Oberst Christan, der Höchstkommandierende der Residentschaft, befand sich auf einer Inspektionsreise, um die ein- zelnen kleinen, über das weite Land zerstreuten MiUtärlager der Die Falirtgetiosseti. t2Q Kolonialarmee zu revidieren. Der zweite, Kapitän Nolthenius, ging im Auftrage des Bureaus für die Landesvermessung zu Batavia hinaus, um die Lage eines neu angelegten Fixpunktes auf einem Gipfel des Gumehgebirges geometrisch zu bestimmen. Ich ver- danke den Herren, welche das Land, das ich durchziehen wollte, zum Teil aus langjähriger Erfahrung kannten, manche wertvolle Aufklärung und manchen guten Rat. Sehr wichtig war es mir, von ihnen zu hören, dafs ich viel leichter den Urwald erreichen könne und viel interessanteres Terrain durchreisen werde, wenn ich, statt der Marktstrafse über Tebing Tinggi zu folgen, von Lahat aus in südlicher Richtung an dem Lematangflusse stromaufwärts gehe bis Bandar und von dort in nordwestlicher Richtung an dem Fufs des gewaltigen Vulkans Dempo vorüber an den Musi zurück- kehre, um das in seinem Oberlauf gelegene Kepahiang zu er- reichen. Da die Herren mir versprachen, bei dem Agenten des Annehmers diese Änderung der Reiseroute trotz des abgeschlossenen Vertrages durchzusetzen, so war ich schnell entschlossen, dem Rate der Kundigen zu folgen. Wir mufsten auf dem neuen Wege an dem Gumehgebirge vorbeikommen, auf dessen höchstem Gipfel, dem Bukit besar, der Kapitän Nolthenius einige Tage lang mit Vermessungsarbeiten zu thun hatte, und der Kapitän lud uns schon jetzt ein, ihn dort oben zu besuchen. Die Aussicht, diesen vom Fufs bis zum Gipfel mit Urwald bedeckten Berg auf den für den Kapitän und für den Transport seines Universalinstrumentes her- gerichteten Pfaden ohne grofse Mühe besteigen zu können, war für mich besonders verlockend und ein Hauptgrund zur Änderung der ursprünglichen Reiseroute. Um 8 Uhr wurde auf unserm Schiff zu Abend gespeist. Frisches Fleisch und Getränk auf Eis war zur Genüge vorhanden. Es ist lächerlich, wie bequem das Reisen selbst hier in dieser kultur- fernen Gegend gemacht wird. Nach Tisch wurde die übliche Cigarre geraucht und in der Abendkühle behaglich geplaudert. Gegen 1 1 Uhr zog ich mich zu angenehmer Ruhe in meine Kcibine zurück, die etwa die Gröfse der Kabinen in einem Eisenbahnschlafwagen hatte. Die Landschaft, welche die Morgensonne des nächsten Tages um uns beleuchtete, war wenig verändert. Die Flufsufer schienen etwas näher an einander gerückt als am Tage vorher. vSie waren stellenweise mit einem schmalen Saum von Röhricht bestanden, dahinter stieg das Land einige Meter hoch über dem Wasserspiegel empor, so dafs hier der Boden dem Einflufs der Gezeiten des Meeres (t icsc n lia }^oii , J.iv.i iinil Sumatra. 9 no Oucr durch Siinialfa. entzogen ist. Die Vegetation des Uferrandes wird von Waldbäumen gebildet oder von Bambusgebüschen. Auch Palmenhaine und Kapok- pflanzungen werden sichtbar, zwischen denen vereinzelte Häuser der lüngebornen liegen. Seltener sind Pisanganpflanzungen zu sehen und Reisfelder. Die letzteren sind nicht Sawahfelder, die unter Wasser gesetzt werden können, sondern Ladangs, d. h. trockene Felder, auf denen eine besondere Reisvarietät angebaut wird, welche mit geringerer Feuchtigkeit sich begnügt. Finen eigen- artigen Stempel drücken die Kapokwäldchen der Landschaft auf. Die Kapok- oder Wollbäume (Friodendron) haben einen geraden Stamm, aus dem in gleichmäfsigen Abständen drei oder vier Quirle von hmgen, genau wagerechten Ästen entspringen. Alle Bäume haben annähernd gleiche Höhe. Da diese Bäume damals fast kahl oder doch nur spärlich belaubt waren, so sahen die Anpflanzungen einem Walde von Schiffsmasten ähnlich. Die wolligen, seidig- glänzenden Samenhaare aus den Früchten dieses seltsamen Baumes werden von den Eingebornen als Polstermaterial verwendet. Noch vor 7 Uhr am Morgen fuhr unser Schiff" aus dem Haupt- strom des Musi in einen rechtseitigen Nebenflufs, den Lematang, ein. Das Landschaftsbild blieb im allgemeinen unverändert. Von Zeit zu Zeit trafen wir an den Ufern zwischen Bananen, Kapok und Kokospalmen kleine Dussuns (Dörfer der Eingebornen), deren Ein- wohner neugierig ans Ufer kamen, um uns zu sehen. In der Nähe der Dörfer belebten meist kleine Kähne und Boote und badende Männer, Frauen und Kinder das Wasser. An einigen Dussuns hielten wir an, um Holz einzunehmen. Die Eingebomen erwarteten am Ufer stehend das Schiff. Sobald es festgemacht war, ergriff jeder von ihnen zehn Stück der aufgeschichteten Holzknüppel, um sie an Bord zu bringen. Ein Mandur zählte laut im singenden Ton die beladen am Bord kommenden Holzträger, die, wenn sie ihre Last abgelegt hatten, zurückkehrten, um eine neue zu holen. Ich kletterte jedesmal, wenn das Schiff um Holz einzunehmen anhielt, sofort ans Land, um zu botanisieren, und kam mit Moosen, Farnen und blühenden Pflanzen beladen wieder an Bord zurück, sobald die Dampfpfeife des Schiff leins das Zeichen gab, dafs die nötige An- zahl von Holzknüppeln eingeladen sei. Zwischen den Dorfschaften am Ufer war die Scenerie häufig ganz urwaldartig. Rotangs wanden sich am Ufer empor durch das Dickicht, andere Lianen hingen wie grüne Vorhänge von den hohen Bäumen heriib, zwischen denen sich hier und da ein W^ddbaum Ufcrbildei'. t3t Holzträger, xve/c/ie dte „AI Norie" mit nettem ürciinmaterial versorgen. ganz mit violetten Blüthen überdeckt auffällig von dem tiefen Grün abhob. Affen huschten in gröfseren Scharen durch die Bambus- gebüsche oder schauten neugierig von den hohen Ästen auf uns herab. Am späten Abend gegen 1 1 Uhr hatten wir noch ein kleines Schiffsunglück; wir safsen plötzlich auf einer Sandbank mitten im Strome fest. Die Maschine ging mit idler Kraft rück- wärts. Einige Kulis sprangen über Bord in das flache Wasser, um das Schiff rückwärts zu schieben, von oben aus schoben andere mit langen Bambusstangen. Aber alles war umsonst, wir safsen gründ- lich fest. Schliefslich wurden die Anker nach rückwärts ausge- bracht und mit der Ankerwinde das vSchiff nach rückwärts gezogen. Das mufs dann wohl schliefslich geholfen haben: ich habe den Er- folg nicht abgewartet, sondern bin ruhig zu Bett gegangen. Als ich aber am Freitag Morgen aufwachte, war bereits alles wieder in schönster Ordnung und das Schiff schon meilenweit über die Un- fallsstätte hinaus. Der Freitag brachte wenig Abwechselung. Die Landschaft be- hielt denselben Charakter wie am Tage vorher. In der Frühe passierten wir das grofse Dorf Dangku. Am Ufer standen zahl- reiche Eingeborne. Der Zugang zum Flufs war mit Guirlanden und Flaggen geschmückt. Man erwartete den Residenten, der seinen 9* 132 Quer durch Sumatra. Dorf der Eiiigeboriien fm'i Missigti (Moschee) am Uttierlmif des Lemaiang. Besuch in Muara Enim für diesen oder den folgenden Tag ange- kündigt hatte. Weiterhin folgten ähnliche geschmückte Dörfer zum Teil von stattlicher Gröfse. Die Häuser stehen ausnahmslos auf Pfählen hoch über dem Boden, selbst die Missigit, das mohameda- nische Gotteshcius, mit seinem in Absätzen unterbrochenen Dach ist auf Pfählen erbaut und nur durch eine leiterartige Stiege zugäng- lich. Obst- und Reiskultur, Fischfang, Schiffahrt und Handel bilden offenbar die Erwerbsquellen der Bewohner, Auch Urwaldpartieen mit Lianen und Epiphyten fehlten an diesem Tage nicht. Wir sahen einmal eine ganze Herde schwarzer Affen von der Gröfse eines Schäferhundes im Bambusgebüsch des Ufers und einige Nashorn- vögel, die schwerfällig über den Baumkronen dtihinzogen. Mit Samstag, den ii. November, war der letzte Tag unserer .Schiffsreise angebrochen. Schon bei Sonnenaufgang sah ich den Strom vor uns von Booten belebt. Wir näherten uns der Ein- mündung des Zuflusses Enim in den Lematang. Die Einfahrt in diesen Seitenflufs, welche nur bei hohem Wasserstande möglich ist, ging glatt von statten, und gegen "2 7 Uhr legten wir an der Lan- dungsbrücke von Muara Enim fest. In Muara Enim befindet sich ein Passangrahan d. i. ein dem Gouvernement gehöriges Unterkunftshaus, welches von einem malaiischen Aufseher verwtdtet wird. .Solche Passangrahans hat die holländische Kolonialregierung in .Sumatra überall dort ein- gerichtet, wo gelegentlich die Beamten der Regierung auf ihren Muara Enim. ^33 Reisen einer Unterkunft bedürfen. Sie sind meist immer eine Tcige- reise weit von einander entfernt über das ganze Ltmd zerstreut. Gewöhnlich enthält das geräumige, vorne mit einer gedeckten Veranda versehene Haus zwei oder drei Zimmer mit Bettstellen; die dazu gehörigen Matratzen, Betttücher und Moskitennetze be- wahrt der Aufseher gegen Beschädigung. In einem als Speise- zimmer zu benutzenden Vorraum sind aufser den nötigen Tischen und Stühlen in einem Schrank Teller, Tassen, Gläser, Schüsseln, Kannen und Efsbestecke zur Verfügung der Einkehrenden. Eine Badekammer und Raum für Pferde sind gewöhnlich in einem Neben- gebäude untergebracht. Ich hatte mir vor der Abreise aus Palem- bang von dem Herrn Monod de Froideville die Erlaubnis erwirkt, in den Passengrahans in seiner Residentschaft mit meinen Be- gleitern gegen die übliche Bezahlung- an die Aufseher Wohnung nehmen zu dürfen. Selbstverständlich hielt ich es für meine Pflicht, auch den an Ort und Stelle residierenden Beamten, Herrn Kon- troleur Veenstra von meiner Absicht, im Passangrahan einzukehren, in Kenntnis zu setzen. Ich begab mich deshalb von Bord der „AI Norie" direkt zur Wohnung des Herrn Kontroleurs und wurde sehr freundlich empfangen und zum Frühstück eingeladen. Während der Mahlzeit, zu der auch der K^ipitän Nolthenius gebeten worden war, wurde dem Herrn Veenstra ein mit der „AI Norie" eingetroffener Brief des Herrn Monod de Froideville überbracht, worin der Herr Resident mich und meine Reisegefährten dem Wohlwollen der Re- g'ierungsbeamten in seiner Residentschaft empfahl. Die Empfehlung, welche Professor Treub mir von Buitenzorg so freundlich mitgegeben hatte, wirkte also weiter und ebnete mir, wohin ich kam, die Wege. Als ich von dem Besuch bei dem Herrn Veenstra zum Schiff zurückkehrte, waren die drei Herrn schon in den nahebei ge- legenen Passangrahan übergesiedelt, und Mario war beschäftigt, mit Hülfe einiger Kulis das Gepäck ebenfalls dahin zu schaften. Eine Schwierigkeit ergab sich bei der Verabredung unserer Weiterreise mit dem Agenten des Annehmers. Da für den erwarteten Besuch des Residenten Pferde reserviert werden mufsten, da ferner für den Oberst Christan und für den Kapitän Nolthenius Wagen und Pferde bereit gestellt werden sollten, so hatte der Mann nicht genug Pferde und Wagen, um auch für uns die ausbedungene Fahrgelegenheit zu schaffen. Wir mufsten entweder warten oder uns mit Ochsenkarren begnügen. Wir kamen endlich dahin überein, dais der Annehmer uns am t :: I Oucr duicli Sumatra. Sonntagmorgen früh zwei gewöhnliche Ochsenkiirren (Grobak) für unser Gepäck und zwei bessere Karren (Pir) zur Personenbeförde- rung stellen sollte. Wir wollten dann früh zu Fufs ausrücken und die Karren nebenher fahren lassen, um sie benutzen zu können, wenn wir ermüdet seien. Herrn Fleischer, der sich nicht ganz wohl fühlte, wollte der Herr Nolthenius, der ebenfalls am Sonntag früh nach der gleichen Richtung aufbrach, in seinem Wagen bis zu unserer nächsten Station, dem Dorf Merapi, mitnehmen. Eine zweite Tagereise hatten wir noch in derselben Weise bis nach Lahat zurückzulegen, wo uns dann der Agent des Annehmers Pferde und Wagen bereit stellen sollte. Die Änderung der in Palembang ver- abredeten Reiseroute von Lah^it ab machte keine Schwierigkeiten weiter, als dafs wir die Mehrkosten der um einig'e T£igereisen weiteren Strecke nachzuzahlen hatten. Am Samstag Nachmittag machte ich von dem Passangrahan aus einen Spaziergang in die Umgebung des Ortes. Im Dorfe selbst herrschte reges Leben und Treiben, besonders iin der Landungs- stelle des Schiffes und vor dem Hause des Annehmers, was wohl mit der Ankunft der „AI Norie" und mit dem erwarteten Eintreffen des Residenten zusammenhängen mochte. Die Dorfbewohner sind zum Teil handeltreibende Chinesen. Die Malaien treiben Ackerbau. Vor dem Orte sah ich viele trockene Reisfelder (Ladangs), die zur Zeit in Stoppeln standen. Auf den Feldern vergnügten sich Kinder und Erwachsene dtimit, Papierdrachen steigen zu lassen, eine Spielerei, die ich früher schon in Java kennen gelernt hatte und die in den malaiischen Ländern weit verbreitet zu sein scheint. Das Sirih- kauen scheint in dieser Gegend nur von den verheirateten Frauen geübt zu werden, während die Männer ihre Palmblattcigaretten rauchen. Selbstverständlich benutzte ich den Spaziergang, um mich über das Vorkommen epiphytischer Farne zu orientieren, und hatte auch die Genugthuung, eine Art von Niphobolus iiufzufinden, welche iiuf Jciva das Flachkmd oder richtiger die Nähe der Küste meidet. Ich durfte also hoffen, dafs mir hier in der Ebene in den nächsten Tagen auch andere seltenere Binnenkmdformen begegnen würden. Der Platz für unser Nachtqueirtier war in dem Passangrahan zu Muara Enim nur knapp bemessen. Der Oberst Christan war am gleichen Tage weiter gereist, aber für den Kapitän Nolthenius mufste eines der drei Zimmer reserviert bleiben. So waren für uns Vier nur zwei Zimmer übrig. Das eine derselben nahm Herr Fleischer, der wie erwähnt, nicht giinz wohl war, ich überliefs diis Doppelbett Nach Äleiiipi. j 7 e des zweiten Zimmers gerne den beiden jüngeren Herrn zur gemein- samen Benutzmig und stellte mir mein Feldbett auf. Am Sonntagmorgen früh wurde eifrig gepackt, von 6 Uhr an standen schon unsere Ochsenkarren bereit. Herr Fleischer, der sich nach einer ziemlich guten Nachtruhe etwas wohler fühlte, fuhr gegen Yg; Uhr mit dem Kapitän Nolthenius davon. Eine halbe Stunde später war endlich unser Gepäck verladen, und wir traten unsere Reise an. Der Weg war gut gehalten, und es war ein Vergnügen in dem schönen Morgen zu marschieren. Ich war so frisch und fröhlich in meinem Gemüt, dafs ich sehr zur Verwunderung der braunen Begleiter ein fröhliches Marschlied anstimmte. Hier und da gab es am Wege etwas Interessantes zu sehen, auch einige Niphobolus und andere interessante Farne traf ich an, die Mario als geschickter Kletterer von den Baumästen herabholte. Die Ochsenkarren fuhren langsam voran oder hinten nach. Die beiden jüngeren Gefährten, welche unterwegs weniger zu sehen fanden, gingen ohne Aufenthalt schnell voran, so dafs ich meistens mit meinem alten Mario allein war. Es war entzückend, so im frischen Morgen durch die sonnig schöne Welt zu ziehen mit keiner andern Aufgabe, als nur an allem Schönen und Interessanten sich zu freuen, das sich dem offenen Auge und Ohr von selber darbietet. Waldige Partieen wechselten mit offenen Feldern und Dörfern im Palmen- hain, an den Bachläufen, die den Weg kreuzten, waren Bambus- gebüsche und Urwalddickicht. Allerlei Vögel, darunter auch Wald- tauben und grüne Papageien, belebten die Zweige oder wiegten sich im Sonnenschein. Kurz und gut, es war ein herrlicher Spaziergang. Auf halbem Wege nach einigen Wegstunden war Halteplatz für die Ochsen der Gepäckkarren. Ich kaufte in einem Malaien- hcius Lim Wege einige Bananen, gab Miirio die Hälfte, liefs ihn zum Ausruhen und zur Aufsicht bei den Gepäckkarren zurück und wanderte cülein fröhlich weiter. Da die Personenkarren vorauf waren, so glaubte ich, die beiden voraus geoilten Flerren würden, sobald es ihnen zum Gehen zu wiirm würde, die Wagen erwarten und halten lassen, bis ich auch herankam. Es kam aber anders. Die beiden Herren hatten nicht gewartet, sondern waren bis nach Merapi zum Passangrahan voraus gegangen; die Karrenführer waren irgendwo seitwärts vom Wege im Schatten sitzen geblieben, so dafs ich vorbei zog, ohne sie zu bemerken. So blieb mir denn nichts anders übrig, als auch den ganzen Weg zu Fufs zurückzu- 136 Oucr diucli Sumatra. legen. Der Weg von Muara Enim n^ich Merapi ist nicht sehr weit, es handelt sich im ganzen nur um etwa drei deutsche Meilen, die man, wenn man nicht durch Sammeln und Beobachten auf- gehalten wird, bequem in vier Stunden zurücklegen kann. Aber da ich unterwegs fleifsig botanisiert hatte und eüso nur langsam voran gekommen war, so hatte ich die letzte Wegstrecke bei senk- rechtstehender Sonne zu marschieren, was manchen Schweifstropfen kostete. Erst um i Uhr traf ich im Passangrahan zu Marapi ein. Da die Gepäckkarren noch weit zurück waren, so hatte ich nichts zu essen als einige Kakes und Bananen, und als Getränk Thee, den mir der Aufseher des Passangrahans bereitete. Das war für meinen Appetit nur eine schwache Vertröstung. Ich ruhte nun eine Stunde eius und erfrischte mich dann durch ein Bad, wodurch die kaum beschwichtigte Efslust Avieder lebhaft angeregt wurde. Von unsern Gepäckkarren war aber immer noch nichts zu sehen. So ging ich denn barfufs, nur mit Hemd und Hose bekleidet, — den Ersatz für die vom Schweils durchnäfste Oberkleidung mufste gleichfalls erst der Gepäckkarren bringen — zu dem malaiischen Aufseher auf die Veranda seines Hauses, um mich mit ihm ein wenig zu unterhalten und zu sehen, ob ich nicht doch etwas zu essen haben könnte. Durch mein Erzählen über Woher und Wohin hatte ich bald die Scheu der braunen Leute vor der andern Rasse überwunden. Als ich mich gar nach dem Alter und den Tugenden ihrer Kinder er- kundigte und auch sonst Interesse für ihre Lebensverhältnisse zeigte, als ich von Zweck und Ziel meiner Reise sprach und von der fernen Heimat, in der ich mein Weib und Kind fast dreiviertel Jahr lang allein zurückgelassen hatte, da hatte ich leicht ihre Herzen gewonnen. Ein brauner Frauenarm erschien hinter dem Vorhang, der den Eingang des Hauses verdeckt, und reichte für den Fremd- ling eine Schüssel heraus voll brauner Duriansuppe, in der einige Termiten schwammen. Ein Teller mit Reis folgte auf demselben Wege, auch zwei hartgesottene Eier, einige Bananen und eine Tasse Thee wurden mir gebracht. Ich habe alles redlich und mit Appetit verspeist, auch die Duriansuppe, welche nichts mehr von dem unangenehmen Geruch der Fruchtschale an sich hatte und etwa wie eine norddeutsche Apfelsuppe schmeckte. Nur die dicken Leiber der Termiten, welche dem malaiischen Gaumen ein beson- derer Leckerbissen sind, habe ich sorgfältig vermieden, ohne sie auch nur probiert zu haben. Von einer Bezahlung der genossenen Zu FuJs iiiicli Lahat. ^il Mahlzeit wollte der braune Gastfreund nichts wissen, ich konnte mich aber bei meinem Weggange dadurch erkenntlich zeigen, dafs ich dem Liebling des Vaters, einem halbwüchsigen braunen Bürsch- chen, ein Geschenk in die Hand drückte. Am späten Nachmittag kamen unsere Karren, und wir hatten zum Abend vollauf zu essen. ]Meine drei Reisegefährten beschlossen nun, gleich am Abend noch mit den Ochsenkarren nach dem etwa drei Meilen entfernten Lahat weiterzufahren. Da es mir wider- strebte, mich im Trauerschritt bei Nachtzeit durch das schöne Land schleppen zu lassen, und da ich ja auch meine Aufgabe, die Vege- tation zu studieren, nur bei Tageslicht erfüllen konnte, so ver- zichtete ich gern auf die liebliche Fahrgelegenheit und liefs die Drei mitsamt dem Gepäck in dunkler Nacht allein von dannen ziehen. Als ich mich am Montag früh Yö Uhr aus dem bequemen Bett des Passangrahans erhob, war es driiufsen noch stockfinster. Einige Reste vom Abendessen, gebratenes Huhn und Brot, bildeten mein Frühstück. Dann schob ich einige Bananen in meinen Ruck- sack, und Punkt 5 Uhr war ich zum Aufbruch bereit. Ich bezahlte mein Nachtquartier nach der Taxe, tauschte mit dem malaiischen Hausvater unter herzlichem Händedruck die freundschaftlichsten Wünsche aus und machte mich auf den Weg nach Lahat. Im Osten begann es zu dämmern, das Dorf lag noch still und stumm, aber draufsen vor dem Orte sang und zwitscherte es schon in den Büschen am Wege. Ich war in meinem Herzen recht fröh- lich und wohlgemut; all die schönen idten Wanderlieder fielen mir ein: Wer recht mit Freuden wandern will, der geh' der Sonn' ent- gegen; Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt. Allmählich wurde es heller und heller, und als ich eine Stunde lang gewandert war, da ging die goldene Sonne am Firmamente auf und alles blitzte und funkelte in neuem Glänze. Die Gegend war zuerst ziemlich einförmig. Zwischen Busch und Baum lief die Stnifse dahin ohne merkliche Steigung und Senkung, so dafs eben von der Landschaft nicht viel mehr zu sehen war, als was direkt am Wege lag. Bald nach Sonnenaufgang fand ich mitten auf der Strafse einen grofsen schweirzen Skorpion. Da ich meine schwer benagelten Bergschuhe trug, so brauchte ich mich vor ihm nicht zu fürchten. Ich kitzelte ihn ein wenig mit dem Golok, wodurch er veranlafst wurde, seine Verteidigungsbewegungen zu machen. 1.^,8 Oucr (Uircli Sumatra. Landschaft zwischen Merapi und Lahai mit de?n Bukit Serilo. Er griff mit seinen Scheeren über sich, um das Eisen zu halten, und hackte dann wütend mit dem nach oben gekrümmten Schwanz- stachel darauf herum. Für einen barfüfsigen Eingebornen mufs ein solcher Bursche wohl gefährlich sein. Als die Sonne allmählich höher stieg, wurde auch die Gegend wechselvoller und schöner. In der Ferne tauchte über den Bäumen am Wegrande ein eigen- tümlich geformter Berg auf, der Bukit Serilo, der mit seiner steil iiufragenden Spitze einer Pickelhtiube gleicht und, nach allen Seiten weithin sichtbar, geradezu eine Landmarke für diesen Teil von Sumatra bildet. Der Weg, welcher bisher ziemlich geradeaus durch die Ebene geUiufen war, neigte sich abwärts und machte Biegungen, um die Steigung zu verringern. Ich kam an einer Bananenpfltmzung vor- bei hinab in das seichte Thal des Lematangllusses, der hier etwa noch die Breite der Lahn bei Marburg hat. Eine ziemlich neue Holzbrücke führt den Weg ans andere Ufer. Jenseits lag im Kokoswalde ein grofses Dorf, dessen Bewohner von ihren Häusern £ius mir neugierig nachschauten. Hinter dem Dorfe stieg die Strafse wieder ein wenig und führte mich so aus dem Plufsthiü wieder ciuf die Tabelle. Zeitweilig hatte ich nach links einen freien Blick auf den Flufs und den allmählich hinter mir zurückbleibenden Serilo, Weiterhin nahm die- Gegend wieder den vorigen Charakter an, der Malaiischi.' Weggenossen. I^g Weg Wcir von Ikisch und Baum gesäumt, welche die Aussicht in die Ferne verdeckten. Da auch die Vegetation hier nicht sehr iibwechselungsreich war, so war es mir ganz angenehm, dafs ich ab und an indische Reisegesellschaft fand. Die braunen Leute, welche mir entgegen- kamen, fragten allemal, woher und wohin, worauf ich immer gerne Antwort erteilte, um dann die gleiche Frage zu stellen. Oft wurde ich auch nach dem Zweck meiner Reise gefragt, ich pflegte dann zu antworten: Ich bin ein Doktor daun dan binatang, ein Pflanzen- und Tierdoktor; oder ich untersuche die Pflanzen, ob ein Obat, ein Pleilmittel darin ist. Da das Obat im Leben des Malaien eine grofse Rolle spielt, so war diese Erklärung der Auffassung der Leute besonders zugänglich und man gab sich meist damit zu- frieden. Die bei jeder Begegnung wiederkehrende Frage piggi mana tuan =^ wo gehst Du hin, Herr? ist, wie man mir sagte, ein Überbleibsel aus früherer Zeit, wo die Eingebornen durch das Ge- setz für Gut und Leben jedes Europäers, dem sie begegneten, ver- antwortlich gemacht waren. Stiefs dem Europäer ein Unfall zu, wurde er beraubt oder bestohlen oder verschwand er gar gänzlich, so war allemal derjenige Eingeborne haftbar, der ihm zuletzt be- gegnet war. Es hatte also für jeden Eingebornen grofse Wichtig- keit, zu wissen, wohin der Europäer sich begab, den er unterwegs antraf. Jetzt reist der Europäer dort ebenso sicher, als in den civilisierten Ländern, so dafs man auf ein derartiges Gesetz ver- zichten konnte. Das piggi mana ist aber geblieben und hat fast die Bedeutung eines Grufses gewonnen. Zeitweilig hatte ich auf der Tour am Montiig die Gesellschaft eines Karrenführers, der irgend w^ohin zu Markt fuhr und mir über die Landessitten und Lebensgewohnheiten mancherlei Aufschlüsse gab. Auc^ ein w^andernder Kuli, ein reisender Himdwerksbursche ins Indische übersetzt, zog eine Strecke weit mit mir desselben Weges; er bat mich, nachdem \v\r mit einander bekannt geworden waren, ganz nach europäischem Muster um ein paar abgelegter Hosen, die er in meinem Rucksack vermutete. Ich mufste ihn leider abschlägig bescheiden, da ich nur das Allernötigste bei mir trug. Ich hatte noch einmal ein gröfseres Dorf im Palmenwcilde zu passieren und traf schon gegen lo Uhr in Lahat ein. Ein Chi- nese, den ich am Eingang des Ortes traf, führte mich liebenswürdig zum Passangrahan, wo ich meine Reisegefährten und aufserdem auch den Oberst Christan und den Kapitän Nolthenius wieder antraf. j^o Qu^r durch Sumatra. Der Benieng in Lahat. Lahat ist der Sitz eines Assistent-Residenten und hat eine kleine Garnison, die in einem besonderen Gebäudekomplex, dem Benteng, untergebracht ist. Die luftigen und sehr zweckmäfsig angelegten Häuser dieses Militärlagers sind von einem hohen Drahtgitter um- geben und aufsen noch durch Drahtverhaue gesichert, so dafs das Ganze ein Befestigungswerk bildet, welches wohl gegen die nicht mit weittragenden Schufswaffen versehenen Eingebornen ausreichend stark ist. Meine Reisegenossen waren, von der nächtlichen Fahrt in den federlosen Karren tüchtig durchgeschüttelt — eine Stunde nach IVIitternacht in Lahat eingetroffen und hatten dort den Passangrahan von den beiden Offizieren bewohnt gefunden. Bis sie dann in das von innen verschlossene Haus gelangt waren und sich mit ihren Feldbetten notdürftig eingerichtet hatten, waren weitere Stunden vergangen, so dafs sie von der Nachtruhe nicht viel gehabt hatten. Es war kein Wunder, dafs Herr Fleischer sich wieder schlechter befand, als am Tage vorher. Durch die Vermittelung der Herren Christan und Nolthenius bekamen wir von dem Herrn Assistent- Residenten einen Empfehlungsbrief für den Kontroleur in Bandar. Auch bei der Verabredung mit dem x\genten des Annehmers be- züglich der Fortsetzung unserer Reise mit Pferdewagen waren die Herren uns in liebenswürdiger Weise behilflich. Wir beschlossen noch am gleichen Tage, die Reise bis zum nächsten Passangrahan fortzusetzen. Ausschlaggebend war dabei der Umstand, dafs Herr Fleischer so bald als möglich gebirgiges Terrain erreichen wollte, weil er von dem kühleren Klima die Besserung seiner Gesundheit erwartete. Unser Gepäck mufste allerdings bis auf einzelne Stücke, die wir mit in den Wagen nehmen konnten, hinter uns zurück- Lahat. 141 bleiben, da die Ochsenkarren, die wir zu seiner Beförderung be- nutzen mufsten, viel langsamer voran kamen als die Pferdewagen. Mario blieb bei dem Gepäck zurück, und wir beschlossen, in dem hochgelegenen Bandar, das wir in zwei Tagen erreichen konnten, so lange zu verweilen, bis auch Mario mit dem Ochsenkarren dort eingetroffen sein würde. Um 2 Uhr am Nachmittag ging die Reise weiter. Wir hatten zwei zweiräderige Wagen mit je drei Pferden breit bespannt, in denen wir je zu zweien ganz bequem Platz fanden. Die Land- strafse, welche sich von Lahat ab in ihrer Hauptrichtung nach Süden wendet, läuft oberhalb des Lematangflusses durch waldiges Terrain, meist durch Bambusgebüsch. Bisweilen hatten wir nach der Flufsseite hin freien Ausblick. Unten blinkte die breite Wasser- fläche durch das Ufergebüsch, dahinter dehnten sich weite Gras- flächen bis an die Hügel im Hintergrunde. Auch sie tragen nur stellenweise Wald und erinnern durch die mit Gras bewachsenen grünen Hänge und Kuppen an die Allgäuer Berge. Unsere Pferde trabten munter durch den lichten Uferwald, von Zeit zu Zeit über- holten wir Ochsenkarren, welche aus dem eingeleisigen Fahrwege ausbogen und zur Seite hielten, sobald sie den Peitschenknall unserer Kutscher hörten. So kamen wir schnell vorwärts und all- mählich immer mehr bergab an das Ufer eines Seitenflusses, den wir in einer Furt zu überschreiten hatten. Die Fähreinrichtung an dieser Furt ist äufserst primitiv. Das Flufsbett ist sehr steinig. An einer Stelle, welche von gröfseren Steinen frei ist, hat man die Trajektfähre angelegt. Ein Bambusflofs liegt an einem quer über den Flufs gespannten Seile fest. Auf dieses Flofs wurden nun zuerst drei von unsern Pferden gebracht. Ein brauner Mann, der auf dem Flofs hockte, zog dasselbe an dem Seil hinüber ans andere Ufer, ein zweiter Mann, der bis zu den Hüften im Wasser stand, schob nach und verhinderte, dafs das Flofs durch die Strö- mung seitwärts gedrängt wurde. Als das Flofs am andern Ufer festlag, wurden die Pferde ans Land geführt und durften dort frei im Grase herumlaufen, bis auch die übrigen Pferde und die Wagen samt den Personen in gleicher Weise herübergeführt waren. Dann wurde wieder eingespannt, und die Führt ging weiter, immer direkt nach Süden am linken Ufer des nach Norden strömenden Lematang hin. Die runden Bergkuppen der Uferlandschaft erheben sich ziem- lich hoch über den Flufs. Zum Teil sind sie hier mit Bäumen be- wachsen, so dafs unsere Fahrt meistens durch waldige Gegend 142 (Hier durch Sumatra. Führe über den ZiißuJ's des Letnataii^. führte. Zwischendrin lag malerisch am Berghange ein Dorf, von einem Walde stattlicher Kokospalmen überragt. Weiter südwärts macht der Lematang eine Biegung. Der ziemlich geradeaus laufende Weg ist hier über das Flufsbett ans andere Ufer geführt. Das Übersetzen an die andere Seite des Flusses war uns hier etwas bequemer gemacht. Eine wohlerhaltene Brücke mit ziemlich grofser Spcinnweite führt über das Wasser hinw^eg. Dieselbe ist fast ganz aus Eisen erbaut. Auf festen Fundamenten sind an den Ufern und im Wasser vier Brückenjoche aufgestellt, über welche starke Drahtseile gespannt sind, die an hängenden Seilen die eigentliche Fahrbahn der Brücke tragen. Die letztere ist aus Holzbalken hergestellt und mit halbierten Bambusknüppeln belegt. Wir waren von den Wagen gestiegen, um die Brücke zu Fufs zu überschreiten und uns an dem male- rischen Anblick der Flufslandschaft zu erfreuen. Das breite, rauschende Wasser ist auf beiden Seiten von schön bewaldeten, ziemlich steil ansteigenden Ufern eingefafst. Unten am Wasser wachsen Bambusgebüsche mit ihren zierlich gefiederten, über- hängenden Halmen, dazwischen grofsblättrige Sträucher, deren Blätter in der Jugend rot gefärbt sind und dadurch, wie die Herbst- färbung im europäischen I>aubwalde, das Vegetationsbild wechsel- voller machen. Weiter oben an den Hängen hinauf stehen gröfsere FlufsübergänjTe. 143 Eine Brücke über den Lemataiig. Bäume, zwischen ihnen sind auch vereinzelte Palmen oder Pandanus- schöpfe zu sehen. Auch die Fiederblattzipfel der Kletterpalmen zeigen sich hier und da über dem Laubdache, unter dem sich zahl- reiche epiphy tische Orchideen, Farne und Moose auf den Asten zusammendrängen, in dem Vögel und Affen erwünschte Zuflucht finden. Wir wurden in dem Genufs des schönen Landschaftsbildes leider durch einen Gewitterregen gestört, der uns zwang, eiligst wieder das schützende Dach unserer am andern Ufer wartenden Wagen aufzusuchen. Nun ging es aus der Flufsraweine heraus steil bergan. Die kleinen Pferde hcitten in dem strömenden Regen, der den Weg schlüpfrig machte, harte Arbeit, und es dauerte nicht lange, so versagten sie gänzlich den Dienst. Wäre es trockenes Wetter ge- wesen, so hätten wir aussteigen können, um ihnen die Last zu er- leichtern; so aber blieb uns nichts übrig, als ruhig zu warten, bis die Pferde wieder frischen Mut fassen würden. Zum Glück kamen bald Leute aus einem benachbarten Dorfe herbei, welche uns gegen ein in Aussicht gestelltes Trinkgeld aus unserer Lage befreiten, in- dem sie kräftig in die Radspeichen griffen und den Pferden die Arbeit erleichterten. So kamen wir mit ihrer Hilfe trotz des Un- wetters den steilen Serpentinenweg hinan bis auf die Weghöhe. 144 Ouer durch Sumatra. Sobald die Pferde wieder allein vorwärts konnten, zogen die Leute mit dem wohlverdienten Lohn im strömenden Regen davon. Nach- dem der Weg eine kurze Strecke weit über eine Hochfläche hin- geführt hatte, ging es wieder bergab in ein weites Thal hinein. Merkwürdigerweise war es dort ganz trocken, der Gewitterregen war auf das Flufsthal des Lematang beschränkt geblieben. Wir kamen auf dem gleichmäfsig sich senkenden Wege schnell vor- wärts und lenkten noch vor Sonnenuntergang in die Bambus- umzäunung des Passangrahans von Taba sebintur ein. Der Passangrahan hatte zwei Betten. Das eine derselben mufste für den Herrn Fleischer reserviert bleiben, bei dem all- mählich eine ernstliche Erkrankung zum vollen Ausbruch kam. Das zweite Bett bekamen die beiden andern Herren. Da unsere Feldbetten als gröfsere Gepäckstücke nicht mitgenommen werden konnten, so mufste ich mich nach einer andern Schlafgelegenheit umsehen. Zum Glück hatte der Aufseher des Passangrahans noch eine alte Matratze. Zwei zusammengeschobene Tische mufsten die Bettstelle bilden, über der an quer über das Zimmer gespannten Rotangschnüren ein Moskitennetz befestigt wurde. Zur Decke nahm ich meinen Wettermantel, der Rucksack war das Kopfkissen. Am Abend wurden auf Geheifs des Aufsehers vor und hinter dem Hause Wächter postiert, die für unsere persönliche Sicherheit sorgen sollten. Ich würde auch ohne diese vSchildwachen ruhig geschlafen haben, wenn nur nicht die Erkrankung des Reise- gefährten mir Sorge bereitet hätte. Am nächsten Morgen in der Frühe liefs ich den einen von unsern Wagen mit Bambusstäben auslegen; darüber wurden alle Kissen und Decken, welche wir zur Verfügung hatten, ausgebreitet zum weichen Lager für den Kranken. Wir andern hockten zu dritt auf den der Polster beraubten Holzbänken des zweiten Wagens, und so ging es wieder fort über Berg und Thal. Wir kamen heute meistens durch offenes Land. Über weite Strecken dehnt sich dort eine eigentümliche Grasflur, welche von einem über mannshohen, harten Grase (Imperatoria imperatrix) gebildet wird. Das ist der Alang- Alang der Mahden, ein Feind des Waldes und der Kultur- gärten. Das hohe Gras breitet sich überall, wo durch Feuer oder durch vorübergehende Kultur Waldblöfsen entstanden sind, über- raschend schnell aus und verhindert jede andere Vegetation. Über Thal und Höhen zieht sich die gleichmäfsige grüne Decke hin. ]^ie Eingebornen brennen von Zeit zu Zeit gröfsere Strecken der Raweinen. ^45 Alang- Alang-Felder ab; dann schiefst schon nach wenigen Tagen das frische Grün hervor. Die jungen, zarten Blätter werden von dem Vieh, den karrenziehenden Sappi und Kerbauen, gefressen. Wenn das Gras älter Tvird, sind seine Blätter dagegen für die Tiere zu hart und ungeniefsbar. Hin und wieder ragen aus dem weiten Graslande einzelne Baumgruppen, Kokospalmen und Bambus- gebüsche auf. Sie markieren die Dörfer der Eingebornen, welche untereinander und mit der Landstrafse nur durch schmale, durch den steten Verkehr offen gehaltene Fufspfade im Alangfelde ver- bunden sind. In der Feme hinter der Graslandschaft bauen sich die blauen Berge auf, denen wir entgegenstrebten, der hochauf- ragende Vulkankegel des Dempo, das waldreiche Gumehgebirge im Westen, und hinter uns sahen wir über dem waldigen Berg- rücken, den wir gestern passiert hatten, die eigentümliche Spitze des Bukit Serilo in den blauen Himmel emporragen. Die kleinen Bäche, welche von dem fernen Gebirge her durch das Grasland der Hochebene dem Lematang zueilen, sind alle tief eingeschnitten, wir hatten mehrmals solche Flufsraweinen zu über- queren. Der Weg führt dann an der einen Thalböschung in Serpen- tinen steil abwärts, unten ist eine Brücke über den Bach gelegt, meist eine hölzerne Brücke, welche durch ein Dach gegen die schädliche Einwirkung von Sonne und Regen beschützt wird, und jenseits führt der Weg wieder in Windungen ziemlich steil nach oben. x\n manchen Stellen hat man in früherer Zeit versucht, den Weg auf Drahtseilbrücken durch die Raweinen zu führen. Es scheint aber, als ob diese modernen Bauwerke die alten gedeckten Holzbrücken nicht zu ersetzen vermögen. Ich habe in dieser Gegend und später eine ganze Anzahl von Brückenruinen getroffen. Ein hoher Aufbau mit Wellblechdach trägt an beiden Ufern die kräf- tigen Drahtkabel, welche in schönen Bogen über dem Wasser schweben. Von den Kabeln hängen die Tragstangen von Eisen herab mit Schrauben und Bolzen, welche bestimmt waren, das Holzwerk der Brücke zu tragen. Von dem letzteren fehlt aber oft jede .Spur oder es sind nur morsche Reste vorhanden. Die Zu- gänge der Brücke sind mit Bambusstäben versperrt und eine Ver- ordnung in malaiischer Schrift verbietet die Benutzung. Neben den traurigen Resten des stolzen Baues ist dann meist eine Bambus- brücke improvisiert oder ein Bambusflofs mufs Rofs und Wagen ans andere Ufer befördern. Auch wenn keine derartige Komplikationen vorliegen, bilden Giesenhagen, Java und Sumatra. 10 ja() Q"cr durch Sumatra. die Raweinen ein arges Reisehemmnis, indem sie die Pferde er- müden und dadurch zu unerwartetem Aufenthalt führen. Anderer- seits aber bieten sie dadurch, dafs ihre Steilufer mit Urwaldvege- tation bedeckt sind, in der Grasflur eine angenehme Abwechselung. Gewöhnlich gab es dort allerlei Interessantes für mich zu sammeln. Teils aus diesem Grunde, aber auch um die Pferde bei der starken Steigung des Weges zu entlasten, pflegte ich die Raweinen zu Fufs zu durchschreiten. In der ersten gröfseren Raweine, die wir nach Taba Sebintur passierten, waren beide Ufer urwaldartig bewachsen. Wir trafen dort Herden von Siamangs, grofsen schwarzen Affen, deren Ge- schrei uns von nun an Tag für Tag begleitete. Der Lärm, den diese Tiere bei sonnigem Wetter unausgesetzt vollführen, ist für die Art sehr charakteristisch, aber nicht eben leicht zu beschreiben. Es ist eine Art Wechselgesang, an dem sich die ganze Herde be- teiligt, ]\Ian hört zuerst einen grunzenden Bafston, auf den un- mittelbar ein Diskantschrei folgt, und so geht es dann weiter, immer Bafs und Diskant im regelmäfsigen Wechsel. Allmählich wird aber das Tempo, in dem die Töne auf einander folgen, immer schneller, und der Diskant geht so schliefslich in ein gellendes Ge- lächter über, welches, von mehreren Stimmen vollführt, weit durch den Wald schallt und den Bafston ganz verschwinden läfst. Während das Gelächter so recht im Gange ist, hört man plötzlich, offenbar aus jugendlichen Kehlen, einen hellen Juchzer, der in höchster Ton- lage alles übertönt und so fidel klingt, so übermütig lustig, dafs ich oft genug hell mitlachen mufste, wenn ich ihn hörte. Damit schliefst dann der Wechselgesang, um nach kurzer Pause wieder mit dem Bafston zu beginnen. Nach dem Passieren der Raweine, die unsern Pferden viele ^lühe machte, kamen wir wieder auf das Alangfeld der Hochfläche und gelangten nach einiger Zeit an ein Bambus wäldchen, bei dem wir unserer Pferde wegen kurze Rast machten. Der Bambushain liegt etwa auf halbem Wege zwischen Taba Sebintur und Bandar und wird deshalb auch von den eingebornen Ochsenkärrnern als Rastplatz benutzt. Wir fanden dort eine ganze Kolonne von Karren vor. Die Zugtiere waren ausgespannt und grasten, wo sie etwas Geniefsbares fanden. Die Karrenführer aber safsen im Bambus- schatten beim Reis oder rauchten ihre Palmblattcigaretten. Auch Inifs Wanderer waren dort eingekehrt, ein Malaie mit einer Anzahl junger Trauen, welche je ein ein- bis zweijähriges Kind trugen. Bandar. 147 Rasi im Bambushain zwischen Taba Sebi/ifiir und Bandar. Ich unterhielt mich ein wenig mit den Männern, und da ich mich zu ihnen stellte, hatten sie schliefslich nichts dagegen, dafs Herr Pynaert eine Momentaufnahme von der Gesellschaft machte. Herr Fleischer _\yar an der Raststelle im Wagen geblieben; nach kurzem Aufenthalt stiegen auch wir übrigen drei wieder ein, um den Rest der Tagereise zu überwinden. In dem hügeligen Terrain der Graslandschaft wechselten oftmals Neigungen und Steigungen des Weges mit einander ab. Wenn auch hin und wieder die Pferde zu Beginn einer Wegsteigung einen unliebsamen Aufenthalt machten, so kamen wir doch im ganzen schnell genug vorwärts, und endlich fuhren die Wagen über die Hochfläche in eine breite Thalmulde hinab, in welcher unser heutiges Reiseziel Bandar gelegen war. In Bandar wohnen mehrere Europäer. Der Kontroleur, der Arzt und die Offiziere der kleinen Garnison von 60 Mann, welche in einem sauberen Benteng untergebracht ist. Der Benteng liegt vor dem Ort auf einer Anhöhe. Aufserhalb der Umzäunung und des Drahtverhaues liegt vor dem Haupteingang ein einzelnes Ge- bäude, das als Kantine für die Soldaten benutzt wird, und daneben ist eine mit Atap gedeckte Kegelbahn erbaut. Diese Kegelbahn war das erste Anzeichen einer höheren Kultur, das wir bei der Abfahrt in die Thalmulde vor uns erblickten. Das edle Spiel findet selbst im innersten und weltfernsten Sumatra noch seine Verehrer. 148 Quer durch Sumatra. Passangrahan in Bandar. Wir fuhren dann weiter am Benteng vorüber in eine Dorfstrafse ein und machten inmitten des Ortes vor dem Passangrahan Halt, Dieser Passangrahan war der schönste, den ich auf meiner ganzen Reise getroffen habe. Er lag wie ein sauberes Landhaus in einem Garten, der von einer lebenden Hecke gegen die Landstrafse ab- gegrenzt, vor dem Hause grofse Rasenflächen mit einzelnen Gebüsch- gruppen umschlofs. Hinter dem Hause schlössen sich als wirksamer Hintergrund die Obstgärten des Aufsehers und einiger Nachbar- grundstücke mit ihren hohen Baumkronen im vollen Blätterschmucke an. Eine überdachte Freitreppe führte zu der geräumigen, mit Tischen und bequemen Stühlen ausgestatteten Veranda des Hauses empor. Vom Mittelraum aus, das als Speisezimmer möbliert war, führten rechts und links die Thüren in die beiden Schlafkammem, die je ein Bett mit Moskitennetz enthielten. Seitlich rückwärts führte ein verdeckter Gang zum Pferdestall und zur Badekammer. Während die beiden jüngeren Herrn dem Kranken halfen aus dem Wagen und ins Bett zu kommen, ging ich zu dem Kontroleur Herrn De Kat, um ihm den Empfehlungsbrief des Assistent -Residenten von Lahat zu übergeben, und um seine Einwilligung zum Absteigen im Passangrahan zu erbitten. Ich wurde sehr freundlich empfangen und meldete mich gerne bei dem liebenswürdigen Herrn nach Arztliche Hülfe und indische Gastfreundschaft. jj^n hoUändiscli- indischer Sitte für den nächsten Tilg- zum offiziellen Vorabendbesuch an. Zu meinen Reisegenossen zurückgekehrt, sandte ich durch einen ma.laiischen Boten meine Visitenkarte an den Arzt im Benteng, den ich für den Kranken um ärztlichen Rat bitten wollte. Bevor die Antwort kam, bereiteten wir mit Hülfe des Aufsehers unser Konservenmiihl und dann wanderte ich in den Benteng zur Wohnung des Herrn Dr. Scharenberg. Auch hier wurde ich aufs Freundlichste aufgenommen. Bald nachdem ich mein Anliegen mit dem Herrn Doktor besprochen und durch seine sachverständige Aufklärung über das voraussichtliche Schicksal meines erkrankten Gefährten einigermafsen beruhigt war, erschien auch die Frau Dr. Scharenberg, eine sehr liebenswürdige junge Dame, die mich samt meinen gesunden Reisekollegen zum Abend- essen einlud. Mein Einwand, dafs wir, da unser Gepäck noch nicht eingetroffen sei, nicht die erforderliche Toilette zur Verfügung hätten, um mit dem der Achtung vor so liebenswürdigen Wirten entsprechenden äufsern Glanz auftreten zu können, wurde als nichtig zurückgewiesen, so gab ich denn mit Freuden meine Zusage. Herr Dr. Scharenberg begleitete mich dann in den Passangrahan, konstatierte bei den Patienten die Dysenterie und gab seine Ver- ordnungen. Ich kehrte dann nochmals mit ihm in den Benteng zurück, um die verordnete Medizin zu holen, die er uns aus seinem Vorrat überliefs. Als ich wieder im Passangrahan eintraf, fand ich dort den Kapitän Xolthenius vor, der uns von Lahat aus nach- gereist war. Er beabsichtigte einen Tag in Bandar zu bleiben und dann die Tour nach dem Bukit besar fortzusetzen. Zwei Betten waren in dem Unterkunftshause vorhanden, im einen lag der Kranke, das zweite mufste selbstverständlich dem Kapitän als Beamten, der im Auftrage des Gouvernements reiste, überlassen bleiben. Unsere Feldbetten waren bei dem übrig-en Gepäck in den Ochsenkarren, die wir frühestens am nächsten Tage erwarten konnten. So sah es mit unserer Unterkunft für die Nacht recht betrübend aus. Aber in Holländisch -Indien kommt alles zurecht. Dr. Scharenberg lud den Kapitän, mit dem er von früher her bekannt war, zu sich in sein Haus, so wurde das zweite Bett für meine beiden gesunden Reisegefährten frei. Ich bekam aus dem Benteng einen neuge- stopften Strohsack geborgt, mit dem ich mir auf dem Fufsboden der einen Kammer eine Schlafstelle improvisierte, die ich sogar noch mit einem zufällig vorhandenen, übrigen Moskitennetz ver- hängen konnte. I50 r)uer (liirih Sumatra. Der Einladung zum Abend im Hause des Doktors folgte aufser mir Herr Pynaert. Wir fanden dort, als weitere Gäste, die beiden Offiziere des Benteng, den Kommandanten, Leutenant Permey Mejan und den Leutenant van Linden Toi vor und verlebten einen sehr angenehmen Abend. Da die Daine des Hauses nicht Deutsch sprach, so mufste ich mir wieder mit meinem, mit einzelnen hollän- dischen Brocken vermengten, mecklenburgischen Platt helfen, und erzielte damit den grofsartigen Erfolg, dafs die Frau Doktor sich im Lauf der Unterhaltung erkundigte, wo ich gelernt habe „Hol- landsch te praaten", da ich doch erst so kurze Zeit in Indien sei. Die Lebhaftigkeit unserer Unterhaltung wurde jedenfalls durch mein sprachliches Gebrechen nicht wesentlich beeinträchtigt. Wir hatten ja viel zu fragen über allerlei für uns wichtige Dinge und anderer- seits konnten wir aus der weiten Welt da draufsen, aus der wir kamen, manches berichten, was für unsere Wirte und für die Herrn Offiziere von Interesse war. Das Diner; welches uns vor- gesetzt wurde, lieferte den Beweis, dafs die liebenswürdige Haus- frau nicht nur in der Unterhaltungs- , sondern auch in der Ilaus- haltungskunst sehr wohl beschlagen ist. Die Stunden flogen schnell dahin. Der Abend ist mir in der angenehmsten Erinnerung ge- blieben, mehr als einmal hatte ich den Wunsch, dafs doch meine Lieben diiheim, die mich jetzt sicher inmitten einer gänzlich kultur- losen Wildnis wähnten, von Tiger- und Schlangengefahr umringt und mit allerlei Ungemach kämpfend, — dafs sie einen Blick in unsere Abendgesellschaft hätten werfen können, in der vornehme Geistes- und Herzensbildung mit gesellschaftlichem Takt und häus- licher Behaglichkeit vereinigt uns den Aufenthalt so angenehm machten. Die Mafsnahmen des Arztes und die Ruhe hatten bewirkt, dafs Herr Fleischer sich cim Morgen des nächsten Tages viel besser befand. Ich erwartete, dafs an diesem Tage, Mittwoch, den i8. Sep- tember, Mario mit dem Gepäck von Lahat her eintreffen werde; wir konnten, wenn Herrn Fleischers Zustand sich weiter zum Bessern wimdte, dann bald an den Aufbruch denken. Den Tag benutzte ich, um mich im Dorf und seiner Umgebung umzusehen und etwas zu botanisieren. Die Ortschaft ist nicht sehr grofs, sie besteht der Hauptsache nach aus einer einzigen langen Strafse, deren Häuser- reihen mit Unterbrechungen zu beiden Seiten der Landstrafse hin- ziehen. Ziemlich in der Mitte liegt der Passangrahan und ihm gegenüber in einem grofsen Garten die Wohnung des Kontroleurs Spaziergang; im Dorfe. 151 Dorfstrafsc in Baiidar. mit ihren Nebengebäuden. Die Häuser der Eingebornen sind sehr einfach gebtiut, meist ganz aus Biimbus. Zum Dachdecken benutzen die Leute hier mit Vorliebe Blechplatten, welche dadurch gewonnen werden, dafs man leere Petroleumtins iiufschneidet und das Blech durch Biegen oder Klopfen gerade streckt. Einige besser gebaute Häuser gehörten chinesischen Händlern, welche in ihren Tokos konservierte Efs- und Trinkwaren, Tuchstoffe und allerlei Gebrauchs- artikel feilhalten. In den Dorfgärten, unmittelbar hinter und neben den Häusern, standen wie gewöhnlich Bananen-, Manga- und Durian- bäume, auch Pinang- und Kokospalmen. Die letzteren waren aber ausnahmslos ohne Blüten und Früchte. Der Ort liegt, wie es scheint, zu hoch und zu weit von der Küste für diese Palme, welche wohl noch üppig wächst, aber nicht mehr fruchtet, ähnlich wie die Dattel- palme in Italien. Aufsen um die Dorfgärten liegen die Reisfelder, deren Ertrag die Hauptnahrung der Eingebornen und ihres Viehes bildet; weiter aufsen schliefst sich das hügelige Grasland an, durch l C2 Q^ft" finrch Sumatra. welches schmale Pfade zu den weit entfernten Nachbardörfern führen. Von überall aus sieht man am westlichen Horizont den Vulkan Dempo aufragen, der die Gegend beherrscht; iiuf erhöhten Standpunkten, vor dem Ort, sieht man auch das Gumeh-Gebirge mit dem Bukit besar als blaue Bergkette. Das Land, welches uns von dem Fufs dieses Gebirgszuges trennte, war ein von zahlreichen Raweinen durchfurchtes Alang-Alangfeld mit vereinzelten waldigen Komplexen in der Nähe der Dörfer. Man bezeichnet die ganze Gegend als Lematang ulu weil sie das Flufsgebiet des Lematang-Oberlaufes bildet. Die Eingebornen werden danach als Ulunesen bezeichnet. Sie sind mit geringen Ausnahmen Heiden ohne eigentliche Religion, sie wohnen in zer- streuten Dörfern, die unter sich in keinem engeren Verbände stehen. Im allgemeinen leben die Ulunesen vom Ackerbau, in Bandar konnte ich aber auch die Spuren einer häuslichen Handarbeit entdecken, die nicht blofs für den eigenen Bedarf thätig ist. In einem Hause sah ich eine Singer-Nähmaschine stehen, vor der Thür eines anderen Hauses war eine alte Frau beschäftigt, ein feines Battisttuch in eigenartiger Weise zu verzieren. Sie zog und schnitt bestimmte Fäden aus dem Gewebe heraus, wobei sie sich einer Nähnadel und eines scharfrandigen Bambusspahnes bediente. In dem zurück- bleibenden lockeren Maschenwerk wufste sie durch Zusammen- ziehung einzelner Fäden und Einfügung neuer Verbindungen ein zierliches IMuster herzustellen. Allerlei Blatt- und Rankenwerk oder auch regelmäfsige Sternmuster in durchbrochener Arbeit kommen auf diese Art zu stände, die weit feiner als gehäckelte Spitzen, an Klöppelarbeit erinnern. Ich habe für den billigen Preis von 50 Cents pro Stück eine Anzahl dieser von Mario als stangan krawangan bezeichneten reich verzierten Tüchlein erworben, die bei allen europäischen Damen, denen sie vorgelegt wurden, Staunen und Bewunderung erregten. Zu unserem Mittagsmahl sandte die Frau Dr. Scharenberg eine Krankensuppe in den Passangrahan. Wir übrigen wurden durch ein delikates Gemüse und eine duftende Ananas überrascht, welche unsere Konservengerichte, die unter Herrn Pynaerts Leitung von dem Aufseher gewärmt und angerichtet wurden, ganz erheblich verbesserten. Ich hatte an diesem Tage noch Gelegenheit, auf bequeme Weise einige wertvolle Naturalien zu erwerben. Einen prachtvollen Tiger- schädel erhielt ich von den Offizieren des Benteng zum Geschenk. Ein offizieller Besuch. 153 Ein Schädel des braunen vSumatrabären wurde mir von einem Sol- daten, der das Tier vor einigen Wochen in der Umgebung von Bandar erlegt hatte, zu Kauf angeboten. Auch eine Schmetter- lingssammlung kiiufte ich von einem Soldaten, einem Unteroffizier deutscher Abstammung, der in seinen Mufsestunden eine Menge hübscher, zum Teil recht seltener Sachen zusammengebracht hatte. Besonders angenehm war es mir, dafs der Herr Kommandant Permey Mejan, den ich auf dem Nachmittags -Spaziergange unterwegs traf, mich mit meinen beiden gesunden Gefährten für den nächsten Morgen zu ehier Fufstour durch das Alang -Alangfeld zu einigen der be- nachbarten Dörfer einlud. Meine Hoffnung, dafs Mario mit den Gepäckkarren, an diesem Tage in Bandar eintreffen werde, erfüllte sich leider nicht. Ich w^ar also gezwungen, meinen offiziellen Abendbesuch im Hause des Kontroleurs im Reisekostüm, d. h. im w^eifsen Tropenanzug und mit schwer genagelten Schuhen zu machen. Ich wurde trotzdem sehr freundlich aufgenommen, selbst die kleine pausbäckige Marie, das allerliebste dreijährige Töchterlein des Hauses, brachte mir ohne Scheu seine Puppe, um doch auch etwas zur Unterhaltung des Gastes beizutragen; den um einige Jahre altern Bruder Jan bekam ich leider nicht zu sehen, da er seit einigen Tagen krank zu Bett lag. Die liebenswürdige Hausfrau ist die Tochter eines deutschen Missionars. Der Herr De Kat ist als Verwaltungsbeamter in den Buitenbezittingen der holländischen Kolonie weit herum gekommen und gab mir gerne aus seiner reichen Erfahrung alle erwünschten Aufschlüsse. Er konnte mir auch eine Anzahl von selbstgemachten Photographieen vorlegen, die fast ausnahmslos wohlgelungen, seine Berichte und Erzählungen in bester Weise illustrierten. Er machte mir mehrere seiner Aufnahmen zum Geschenk, von denen einige, wie z. B. die Photographie des Passangrahan in Bandar, als Vor- lagen für die Abbildungen in diesem Buche dienten. In der inter- essanten Unterhaltung mit dem erfahrenen Manne und im fröhlichen Geplauder mit der freundlichen Hausfrau und dem niedlichen Töchterchen ging mir die Zeit schnell hin; alles war dort so freund- lich und anheimelnd, dafs ich den offiziellen Charakter meines Be- suches ganz vergafs. Die übliche Besuchsstunde war schon hmge verstrichen, als ich mich aus dem trauten Familienkreise losmachte, und beim Abschied bekam ich noch eine sehr freundliche Einladung zum nächsten Abend für mich und meine Reisegenossen mit auf den Weg. 154 Ouci" durch Siiniatra, Als ich am nächsten Morgen iiuf meinem Strohsack erwachte, glaubte ich dmufsen Marios Stimme zu hören, und als ich schnell angekleidet nach draufsen kam, hielt richtig der Ochsenkarren mit unserm Gepäck vor der Thür. Alles war wohlbehalten und voll- zählig; aber Mario erzählte, dafs unterwegens banjak orang djakat, viele .schlechte Menschen gewesen seien, die ihn hätten bestehlen wollen, er habe deshalb nur langsam und vorsichtig reisen können. Ich suchte mir nun vor allen Dingen saubere Anzüge heraus, um endlich einmal meinen Stand einigermafsen mit äufserer Würde vertreten zu können. Meine nächste Sorge war, mir den Reise- plan unter den veränderten Umständen zurechtzulegen. Herrn Fleischer ging es wieder etwas besser, so dafs wir ihn ganz gut einige Tage lang der Pflege des Aufsehers überlassen konnten, zu- mal da Herr Dr. Scharenberg sich so freundlich um ihn bemühte. Ich dachte mir also, wir könnten heute gleich unser Gepäck voraus- schicken und am folgenden Morgen dem Kapitän Nolthenius, der heute weiterfuhr, nachreisen, um in den Urwald des Gumehgebirges und auf den Bukit besar zu kommen. Sobald wir wieder von dem Berg herunterkamen, konnte ich im schlimmsten Falle wieder zu dem Kranken zurückkehren und bis zu seiner Genesung bei ihm bleiben, während die beiden andern Herren allein weiterreisten, um in Benkulen das nächste Dampfschiff" nach Batavia zu erreichen. Hatte aber Herr Fleischer sich inzwischen erholt, so konnte er uns nachreisen und in der Station am Fufse des Bukit besar wieder mit uns zusammentreffen. Diese Station Kalangan Djarei liegt von Bandar nur eine Tagereise weit entfernt. In Kalangan Djarei giebt es keinen Passangrahem. Die Gast- freundschaft eines dort wohnenden europäischen Kaffeepflanzers, Kiipitän Nales, in Anspruch zu nehmen, schien nicht angängig, da, wie man uns sagte, die Frau Nales seit einiger Zeit nicht ganz wohl war. So riet Kapitän Nolthenius, der am frühen Morgen bei uns vorkam, um sich zu verabschieden, wir sollten uns in dem Dorfe dort ein Malaienhaus mieten und dort unsere Feldbetten aufschlagen. Er erbot sich, uns diese Wohngelegenheit zu ver- schaffen und uns durch den Herrn Nales die Nachricht zu über- mitteln, was der Erfolg seiner Bemühungen gewesen sei. Herr Nolthenius hatte schon in anderer Weise für uns vorgesorgt, in- dem er uns von dem Herrn Kontroleur einen Brief an das malai- ische Dorfhaupt in Kalangan Djarei erwirkte, worin der braune Dorfherr ersucht wurde, uns für den Weg auf den Bukit besar I.ebiian. DO fünf Dorfleute als Träger gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Ohne solche Aufforderung durch den Regierungsbeamten arbeiten die Ulunesen auch um schweres Geld nicht für den Fremden. Zugleich mit dem Kapitän Nolthenius, der nach der Besprechung von dannen fuhr, war der Herr Kommandant Permey Mejan in den Passangrahan gekommen, um uns für den beabsichtigten Spazier- gang abzuholen. Nachdem ich Mario für die Weiterbeförderung des Gepäcks instruiert hatte, machten wir uns auf den Weg. Zu- erst gings ein Stück weit durch den Ort, dann auf schmalem Fufs- ,steige durch das Alang-Alangfeld über die Hügelwellen zu einem grofsen Dorfe, welches den Namen T.ebuan führt. Ich hiitte vor dem Orte zwischen den Reisfeldern in einem Bambusgebüsch einige Vögel geschossen, was zur Folge hatte, dafs uns die männliche Dorfbewohnerschaft schon eine Strecke weit entgegenkam, um sich freimütig eingehend nach Zweck und Ziel unseres Spazier- ganges zu erkundigen. Das Dorf Lebuan liegt auf tülen Seiten von terrassenförmig' angelegten Reisfeldern umgeben, bei denen einzelne auf Pfählen erbaute Wachthäuser liegen, welche nur zur Zeit, Avenn der Reis auf dem Felde steht, von Wächtern bewohnt sind. Die Wächter haben dann die Aufgabe, das Wild, vor allen Dingen die hier sehr zahlreichen Wildschweine, von den Feldern abzuhalten und die Ernte gegen menschliche Diebe aus ben^ichbarten Orten zu schützen. Zur Zeit, als wir dort waren, stimden die Reisfelder und also auch die Wachtstätten leer. Durch die Reisfelder gelangten wir auf schmalem Steige in den Schatten des Bambusgebüsches, in welchem der Ort selber versteckt liegt. Im äufsersten Umkreise der Ortschaft sind zwischen den Bambusstauden grofse, viereckige Fischteiche und neben denselben die Badegruben für die Dorf- bewohner cmgelegt. Diese Badegruben haben wenige Fufs im Ge- viert und sind etwa metertief. Im Grunde der Grube ist ein Abflufsgraben, der das Badewasser in den nächsten Fischteich führt. Über den Graben ist ein Bambussteg gelegt, auf den sich der Badende stellt, um sich das frische Wasser, welches von oben aus einem Bambusrohr im Bogen in die Grube strömt, als Sturz- bad über den Körper fliefsen zu lassen. Im Schatten der Bambus- stauden gelangten wir nun zunächst an die Reisscheunen, kleine, auf Pfählen stehende fensterlose Häuschen, in denen der Ernte- segen untergebracht wird. Diese Vorratshäuschen liegen einzeln, aber in regelmäfsigen Reihen rings um das Dorf herum, sie bilden 156 Ouer durch Sumatra. Dorfstrafse in Lebtiu... ein ziemlich regelmäfsiges Viereck, welches die menschlichen Wohn- stätten einschliefst. Die letzteren sind um einen viereckigen Platz in geschlossenen Reihen erbaut, doch so, dafs an den Ecken des Platzes Ausgänge frei bleiben. Alle Häuser sind auf Pfählen über dem Erdboden erhoben und also nur durch Leitern oder Treppen zugänglich. Als Baumaterial spielt natürlich der Bambus eine grofse Rolle, manche Häuser sind ganz aus Bambusstäben hergestellt, nur das Dach ist mit Atap gedeckt. Die Leiter führt zu einem verandci- artigen Vorplatz; von dort führt eine Thüre in den einzigen Innen- raum des Gebäudes, der durch offene Luken unter dem weit über- hängenden Dach spärliches Licht erhält. Der Raum zwischen den Pfählen unter dem Hause ist häufig durch Wände aus Bambusgeflecht abgeschlossen und als Viehstall benutzt. Neben dem Bambus wird zum Hausbau hier gelegentlich ein hartes rötliches Holz, vermut- lich Djattiholz, in Form von Balken und Brettern verwendet. Die Balken an der Hausfront und den Giebelseiten sind dann meist mit tiefen, äufserst zierlichen Kerbschnittmustern versehen, welche durch- aus an die Kerbschnittarbeiten unserer jungen Damen erinnern. Das Haus des Dorfhauptes von Lebuan, welches inmitten des von den übrigen Wohnhäusern umschlossenen Platzes stand, war in dieser Weise erbaut und verziert, und auch in den Häuserreihen Stellung der Frau bei den Ulunesen. 157 Haus des Dorfhaziptes tit Lehian. rings um den Platz war hin und wieder ein solches Holzhaus zu sehen. Wir sahen vor einem in Bau begriffenen Hause einen Handwerker bei der Schnitziirbeit zur Verzierung der Hausbalken beschäftigt. Dieser Handwerker war nicht aus der Gegend ge- bürtig, er war als Bauarbeiter aus Palembang herbeigekommen. Es kostet also sicher dem Bauherrn eine Menge Geld, wenn er sein Haus in solcher Weise schmücken will, und je reicher der Schmuck, desto reicher mufs auch der Hauseigentümer sein. Dafs das Dorf, in das unser liebenswürdiger Führer uns ge- bracht hatte, ein reiches Dorf sei, ersahen wir aufserdem auch aus der Menge des Viehes, das sich im Dorf und auf den Reisstoppeln herumtrieb: Kerbauen (Büffel), Sappi (Kühe), Ziegen und zahllose Hühner. Die männlichen Dorfbewohner, Kinder und Erwachsene, begleiteten uns bei unserm Rundgange durch den Ort. Von Frauen und Mädchen war nichts zu sehen, höchstens einige ganz alte Grofs- mütterchen wagten es, sich unsern Blicken auszusetzen. Bei den Ulunesen bildet die Frau einen Hauptreichtum des Mannes. Die Frauen allein arbeiten, die Frau mufs also ihren Mann, der nichts thut, ernähren. Das Heiraten ist bei diesen Leuten nicht der Ab- schlufs eines Liebesromans, sondern ein Kaufhandel. Der Bräutigam 158 Oucr durch Sumatra. zahlt dem Brautvater 200 bis 600 Gulden, je nach Aussehen, Alter, Arbeitskraft, Geschicklichkeit der umworbenen Maid. Damit gehen alle Rechte an das Mädchen auf den Mann über. Obwohl die Ulunesen, wie oben erwähnt, keine eigentliche Religion haben, giebt es doch bei ihnen allerlei Dämonenglauben und Spuk- geschichten, Man erzählte mir von einem kleinen Dussun (Dorf), in dem nur zwei Menschen, ein altes Ehepaar, leben. Die Dorf- leute in den Nachbardussuns glauben ganz fest, dafs der Mann sich abends in einen Tiger, die Frau sich in eine Kerbau verwandelt, um nächtlicherweile den andern Menschen Schaden zuzufügen. Der Tiger, der sich wohl manches Mal an dem Viehstande der einsam im Alang-Alang-Gefilde liegenden Orte vergreifen mag, heifst hier Tuah, d. i. der Alte; die Leute vermuten in ihm die Seele eines Vorfahren. Auf einem andern Wege, als wir gekommen, gingen wir schliefs- lich wieder aus dem Dorfe hinaus durch die Sawahfelder in das Gebiet des Alang-Alang. Ganz am Rande der Dorffeldmark liegt noch ein einsames, ärmliches Wohngebäude: es ist das Haus eines Verbannten, der in dem Verdacht steht, das vorige Dorfhaupt er- mordet zu haben. Der Mörder hatte sich in einer finstern Nacht unter das Haus des ihm verhafsten Dorfregenten geschlichen und von unten aus mit der Lanze die Hausdiele, die Schlafmatte und den unglücklichen Schläfer durchbohrt. Ob wohl der Ausgestofserie wirklich der Mörder war? Wer kann das wissen. Welch schreck- liche Strafe aber, am Rande der Wildnis, von allem Ver- kehr i, mit Menschen abgeschlossen, sein Leben verbringen müssen, allein mit dem schlechten Gewissen und ohne Aussicht auf eine tröstliche Zukunft! Unser Weg führte als schmaler Fufsweg bergauf und bergab durch das hohe Gras. An nicmchen Stellen sahen wir die Spuren von Wildschweinen, die Tiere selber aber versteckten sich vor unsern spä- henden Blicken und blieben so vor unsern Kugeln verschont. Wir gelangten schliefs- lich auf den oberen Rand einer sehr stattlichen Raweine, welche tief in die hügelige Graslandschaft einge- schnitten war. Im Grunde fliefst der Endikat, ein Gebirgsflufs, wel- Das Haus des Ausgesiofsetien in Leluan. Hausschmuck in Karang Ajer. I 5Q eher in den Passumah mündet, an dem Bandar liegt. Der Passu- mah aber ist ein Zuflufs des Lematang, den wir zwischen Lahat und Taba Sebintur auf einer langen Brücke überschritten hatten. In der Raweine des Endikat wuchs schöner, undurchdringlicher Urwald, von Siamangherden bewohnt, deren gellendes Gelächter und Jauchzen unaufhörlich zu uns herauf schallte. Wir schritten auf der Höhe weiter und kamen nach einiger Zeit in ein zweites Dorf Namens Karang Ajer. Es war etwas kleiner und ärmlicher als Lebuan, zeigte im übrigen aber die gleiche innere Einrich- tung. An einem der Häuser waren merkwürdige, unbeholfene Malereien aufsen als Wandschmuck angebracht. Ein Hirsch w^eit über lebensgrofs, ein Dampfschiff nach dem IMuster unserer „AI Norie", zwei Offiziere zu Pferd waren in der Manier an die Wand gemalt, Avie etwa die alten Marburger Töpfer ihre glasierten Ge- schirre verzierten. In den Ecken safsen riesige Schmetterlinge als Ornamente, alles in den lebhaftesten Farben hübsch grün, rot, blau und gelb neben einander. Wie unser liebenswürdiger Führer zu erzählen wufste, stammten diese Malereien von einem chinesischen Künstler. Merkwürdig, dafs neben der geschmackvollen Verzierungs- weise durch die Schnitzereien eine solche Geschmacklosigkeit Platz finden konnte. Vielleicht ist es nur das Ungewohnte, Seltsame, das diesen Malereien in den Augen der Ulunesen Wert verleiht. Das- selbe Motiv war es wohl auch, welches einen der malaiischen Dorf- herren veranlafst hatte, an der altersgebräunten Holz wand seines Hauses drei ganz moderne Oldruckbilder festzuheften, von denen das eine unsern deutschen Kaiser, die andern den Kaiser von Öster- reich und den König von Italien darstellten. Wohl nur die Freude an den bunten Farben verschaffte den Bildern einen Platz hier in der Wildnis, zu der sie, w^er weifs durch welchen Zufall, den Weg gefunden hatten. Zum Verständnis dessen, was die Bilder vor- stellen, reicht das geographische und historische Wissen der Ulu- nesen nicht aus, und die tiefere Bedeutung, welche die Bilder für mich ids guten Patrioten hatten, und welche den Anblick der ein- fachen Farbendrucke für mich zur freudigen Überraschung machte, war dem braunen Hausbesitzer völlig unverständlich. Nachdem wir noch ein drittes, ähnliches Dorf besucht hatten, kehrten wir nach Bandar zurück, zunächst auf die freundliche Ein- ladung des Herrn Kommandanten Permey Mejan in den Benteng, um in seinem Hause den Durst zu stillen, den der mehrstündige Spaziergang durch die schattenlose Graslandschaft uns verursacht l6o Qu^r (lurch Sumatra. hatte. Wir verplauderten beim kühlen Trunk gerne noch ein Stündchen in der liebenswürdigen Gesellschaft, zu der sich nun auch Herr van Linden Toi einstellte, den die Dienstpflicht bisher in Anspruch genommen hatte. Der Herr Leutnant brachte mir noch den Schnabel eines grofsen Nashornvogels, ein hübsches Sammlungsstück, zum Geschenk mit. Mit herzlichem Dank für die interessanten und genufsreichen Stunden verabschiedeten wir uns endlich von unserm freundlichen Wirt und seinem jüngeren Kame- raden und verliefsen die gastliche Feste, um im Passangrahan unser Mittagsmahl einzunehmen, zu dem wiederum die Frau Dr. Scharen- berg eine dankenswerte Beisteuer geliefert hatte: eine Krankenkost für Herrn Fleischer und eine Obstsuppe für die Gesunden, die, um mich eines speziell holländisch- indischen Ausdrucks zu bedienen, wirklich „lecker" war und der Kochkunst der liebenswürdigen Spenderin alle Ehre machte. Am Abend gingen wir zu dritt zur Familie De Kat, wo uns, wie ich es nach meinen Erfahrungen vom Abend vorher nicht anders erwarten konnte, angenehmste Stunden bereitet wurden. Nach Tisch erschien die ganze europäische Kolonie von Bandar, das Ehepaar Dr. Scharenberg und die beiden Offiziere. Wir ver- abschiedeten uns erst spät aus dem angenehmen Kreise, in dem man uns so viel Freundlichkeit entgegengebracht hatte, wir dankten herzlich und gerührt und sprachen die Hoffnung aus, dafs wir uns in Europa wiedersehen möchten. Am Morgen des 1 7. November stand verabredetermafsen unsere Abreise aus dem gastlichen Bandar bevor. Unsere beiden Wagen, je mit drei Pferden breit bespannt, waren zu 6 Uhr beordert. Da hiefs es also früh heraus. Eilig wurde das selbstbereitete Früh- stück eingenommen und das Flandgepäck hergerichtet. Aber be- vor wir zur Abfahrt kamen, hatten wir noch allerlei angenehme Überraschungen, die mich wie ein Weihnachtskind erfreuten, be- sonders weil sie mir aufs neue zeigten, wie freundlich uns die liebenswürdigen Damen und Herren in Bandar gesinnt waren. Frau Kontroleur De Kat sandte delikate Butterbrote als Proviant für die Reise, Frau Dr. Scharenberg schickte einen schön ge- schnitzten Elfenbeinfächer, den ich meiner lieben Frau mit nach Europa bringen sollte, und von Herrn van Linden Toi bekam ich zur Ergänzung der Naturaliensammlung einen vollständigen Satz von Wildeberzähnen. Gern hätte ich noch für die neuen Freund- lichkeiten mündlich gedankt; aber dafür war jetzt nicht mehr die Abschied von Bandar. I 5 i Zeit. Ich sandte Visitenkarten mit kurzen Dankes- und Abschieds- worten, beorderte auch den von mir als Nachtlager benutzten Strohsack in den Benteng zurück, indem ich auch für die Her- leihung dieses bequemen Gegenstandes nochmals meinen Dank ausdrückte. Herr Fleischer befand sich an diesem Morgen dank der Sorg- falt des Arztes bedeutend besser als vorher. Wir verabredeten, dafs ich ihm von Kalangan Djarei aus den einen von unsern Wagen zurücksenden sollte. Erholte er sich schnell, so konnte er nach zwei Tagen zu uns nach Kalangan Djarei kommen und mit uns Weiterreisen; war es ihm aber unmöglich, dann schon zu fahren, so sollte er mir den Wagen wieder leer nach Kcilangan Djarei schicken, dartiit ich zu ihm zurückkehren konnte. So war denn alles nach unserm Ermessen wohl vorbereitet, als wir uns gegen Ygj Uhr auf den Weg machten. Die Landschaft, die wir durchzogen, war im ganzen nicht anders beschaffen als diejenige, welche wir an den Reisetagen vorher passierten. Über die Alang-Alanghügel mit ihren Dussuninseln schweifte der Blick in die Ferne bis zu den blauen Bergen. Der Dempo mit seiner Rauchfahne am Gipfel trat vor uns immer mächtiger imponierend hervor, und auch die Gumeh-Berge, eine langgestreckte Reihe be- waldeter Gipfel und Kämme zu unserer Rechten, präsentierten sich mehr und mehr als ein majestätisches Waldgebirge. Die Raweinen, die wir zu passieren hatten, machten wieder unsern Pferden viele Mühe, aber sie boten mir auch viel Gelegenheit zum Sammeln und Beobachten. Nach längerer Fahrt kamen wir durch Pager ahmi, einen Markt, der sich längs des Weges ausdehnte. Seine Bauart, die einfachen Häuser vielfach mit Verkaufsläden für Früchte und andere Landesprodukte an der Vorderseite, seine braune Be- wohnerschaft, die müfsig herumstehenden Männer, die arbeitenden Frciuen, die zum Teil ganz nackten Kinder boten den gewohnten Anblick, der sich bei allen Dörfern an der Landstrafse wiederholt. Hinter Pager aUim änderte die Gegend ihren Charakter insofern, als Baum- und Buschwald im die Stelle der Alang-Alanghügel trat. Unsere Aussicht wurde dadurch mehr auf die nächste Um- gebung beschränkt, wenn sich auch hin und wieder ein Ausblick auf die hohen Gipfel vor und neben uns öffnete. Gegen 1 1 Uhr vormittags kamen wir in Kalangan Djarei an und fuhren bei dem niihe an der Strafse gelegenen Wohnhause des Plantagenbesitzers Nales vor, um uns die vom Kapitän Nol- GiesenhagiMi, Java iiud Sumatra II j52 Q^c tlurcli Sumatra. thenius hinterlassene Instruktion über unsere Unterkunft zu holen. Herr Nales, ein Mann in den besten Jahren, mit wetterfesten Zügen von freundlich-wohlwollendem Ansehen, kam uns von der breiten Veranda uns entgegen. Ich war schnell aus dem Wagen ge- sprungen und es entspann sich nun nach dem Grufs zwischen uns der folgende Dialog: „Is U mynheer Nales?" — „Jawohl, der bin ich." — „Ich bin Doktor Giesenhagen. Herr Kapitän Nolthenius hat mir versprochen, für mich hier bei Ihnen Nachricht zu hinter- lassen." — „Jawohl, der Herr Nolthenius ist gestern hier gewesen." — „Und hat er für uns ein Haus im Dussun gemietet?" — „Nein, es giebt kein Haus für Sie." - — „Da werden wir uns wohl eine Hütte bauen lassen müssen, in der wir unsere Feldbetten aufstellen können." — • „Nein, das geht hier auch nicht." — „Aber was solien wir denn da machen?" — „Sie müssen halt in Ihren Wagen über- nachten." — Dabei sah der Mann so vertrauenerweckend freund- lich aus, dafs ich wohl allmählich merken mufste, wie die Sache stand. Ich sagte also: „Aber, Kapitän, das kann doch Ihr Ernst nicht sein?" — Und nun brach auf dem freundlichen Gesicht die helle Fröhlichkeit aus. — „Nein, Doktor, da haben Sie Recht, das kann mein Ernst nicht sein. Wie konnten Sie aber ^luch nur die verschrobene Idee haben, in einem Dussunhause wohnen zu wollen, wenn mein Haus am Wege liegt! Seien Sie bei mir herzlich will- kommen!" — Es war also die indische Gastfreundschaft, mit der wir bei unserer Verabredung nicht gerechnet hatten, die Gast- freundschaft in ihrer allerliebenswürdigsten Form, die den gänzlich unbekannten Fremden, auch wenn er nicht zu bitten wagt, ins Haus nimmt, als ob er ein lieber Verwandter oder Bekannter sei. Und wir waren nicht nur einer, wir waren gleich drei unbekannte Gäste auf einmal. Schon nach der ersten halben Stunde, als wir, nachdem auch Frau Nales uns freundlich willkommen geheifsen, behaglich beim Glase Bier auf der luftigen Vorgalerie safsen, kam ich mir nicht mehr als ein fremder Gast vor, ich war wie zu Hause bei guten Freunden. Es sind prächtige Menschen, diese Indo- Europäer, die so allein auf sich angewiesen, gewissermafsen als Pioniere der europäischen Kultur in dem weiten Limde zerstreut wohnen, keine Durchschnittsmenschen, „ein jeder rund für sich ein ganzer Mann". Das Mafs von Lebenserüihrungen, durch welche sie für ihren eigenartigen Beruf und ihre Lebensweise vorgebildet sind, ihr Wirken unter den eigenartigsten Verhältnissen, die stete engste Berührung mit einer grofs^irtigen Natur, die gebotene Rück- Kalaiigan Djarei. I 5 ^ sichtnahme auf die grundverschiedenen Anschauungen der einfachen Menschen, welche sie umgeben, verleihen ihrer Lebensauffassung eine Bestimmtheit und Tiefe, die man bei dem Durchschnittseuro- päer oft vergeblich sucht. Das Haus, welches Kapitän Nales bewohnt, ist ganz aus Holz erbaut, nur das Dach besteht aus Wellblechplatten. Alles ist luftig, geräumig, bequem. Den Plan für den Bau hat der Besitzer selber gemacht, wie er auch die Bauausführung leitete und über- wachte. Vor wenigen Jahren hatte das Ehepaar noch in einem Bambushause gewohnt, und noch früher, als sie ihre Wirksamkeit in Kalangan Djarei mit der Anlegung der Kaffeeplantage be- gannen, war überhaupt nichts dagewesen, und sie hatten wirklich im Wagen auf der Strafse übernachten müssen, bis eine notdürftige Unterkunft hergestellt war. Alles, was wir um uns sahen, Haus, Hof und Garten, Kaffeewäsche, Kaflfeespeicher und alle die Neben- gebäude, die im weiten Umkreise das Haus umgaben, alles ist die Schöpfung dieser Leute, ist gewissermafsen eine Stätte der Kultur, dem Urwalde abgerungen. Denn man darf nicht denken, dafs es so ein richtiges Hinterwäldlerleben ist, das diese Leute führen, ohne jeden höhern Lebensgenufs, einzig erfüllt durch die Freude am Erwerb und Besitz; im Gegenteil, sie haben ihre europäische Bildung und Kultur mit in den Wald gebracht und gepflegt. Dafs sie auch ohne tägliche Anregung, jahrelang einzig angewiesen auf die spärliche Kost europäischer Bücher und Zeitschriften, die auf langem Wege in ihre Einsamkeit gelangen, trotzdem auf der Höhe bleiben, ist gewifs ein Zeichen einer besonderen, in sich ab- geschlossenen Geistes- und Herzensbildung. Am Samstag den i8. November begannen wir unsere Bergtour auf den Bukit besar. Unser Gepäck wurde von fünf Malaien be- fördert, denen sich Mario zur Beaufsichtigung anschlofs. Wir Euro- päer gingen etwa um 7 Uhr der Trägerkarawane voran. Herr Nales begleitete uns, er hatte einen malaiischen Führer mitgenommen, der den Urwaldpfad genau kannte. Wir hatten, bevor wir an den Fufs des Gebirges kamen, noch in der Ebene durch Bambusdickicht und an einigen Dörfern vorbei einen ziemlich langen Weg zurückzu- legen. Dann ging es in den eigentlichen Urwald hinein und zuerst langsam, dann ^dlmählich steiler bergan. Der Urwald erschien mir in seinem unteren Teil wesentlich trockner, als der Urwald am Gedeh. Es waren wenig Moose zu sehen, und die gegen Feuchtig- keitsmangel so empfindlichen Hautfarne fehlten fast gänzlich, während l^A Quer ampen an, und Mario, der Nachtzeug und Schlafdecke gebracht hatte, schlug mir vor, nunmehr in das Innere des Hauses überzusiedeln. Ich betrat durch die Thür eine weite Halle, welche die ganze Breite des Hauses einnahm. Die Decke wurde durch zwei Holzsäulen getragen, welche wie ein hessischer Wegweiser mit roten und weifsen vSchrägstreifen beniidt waren. In der linken Hälfte des Ihiuses hielten sich mehrere jüngere und ältere Männer auf, das Ingesinde Im Hause des Dorf häuptlings. j q r des Hauses. Sie kauerten meist rauchend und schwatzend in Gruppen um kleine, flackernde Lämpchen am Boden; der eine oder andere lag schon schlafend auf seiner Schilfmatte. Die rechte Hälfte der Halle war für mich bestimmt. Vorne hing eine grofse Petroleumlampe von der Decke und verbreitete auf dem von der Veranda wieder hereingebrachten Tisch helles Licht. Um den Tisch waren grofse Rohrlehnstühle gestellt. Im Hintergrunde an der Wand stand ein umfangreiches indo- europäisches Bett mit Moskitennetz. Kopfkissen und Schlummerrolle lagen auf der frisch weifsbezogenen Matratze. Ich setzte mich an den Tisch und schrieb einige Worte in mein Tagebuch. Dann aber kam bald mein Wirt zurück, um sich mit mir zu unterhalten. Er brachte mir eine neue Cigarre, erkundigte sich, ob ich genügend mit Thee versorgt sei oder ob ich sonst irgend welche Wünsche habe, und setzte sich, als ich mich mit meiner gegenwärtigen Lage zufrieden erklärte, mir gegenüber an den Tisch. Wir kamen noch einmal auf seine Familienverhältnisse zu sprechen. Er erzählte mir mit Stolz, wie angesehen sein Vater bei der Regierung gewesen sei. Man habe ihm wegen seiner Verdienste einen goldenen Kris verliehen, der noch als Familien- erbstück aufbewahrt Vv^erde. Einer von den Leuten mufste den Kris mit der goldbeschlagenen Scheide herbeiholen. Die Klinge dieser Zierwaffe war nicht besonders schön, ich hatte in Samm- lungen und bei Händlern auf Java bessere gesehen. Der Griif und die Scheide aber zeigten schöne, inländische Gold-Filigranarbeit welche einen hohen Wert repräsentieren mochte. Ein Dokument welches mit dem Kris zusammen aufbewahrt wurde, gab offizielle Urkunde von dem Akt der Verleihung durch das Gouvernement. Eine zweite ähnliche, holländisch und malaiisch ausgestellte Ur- kunde mit Siegel und Unterschrift bekundete die Erhebung des Passira Rekadi in den Stand eines Pangeran, was nach unseren europäischen Begriffen etwa der Verleihung des persönlichen Adels gleichkommt. Im Anschlufs an die Besichtigung dieser Dokumente spielte sich eine bemerkenswerte Scene ab. Das Ansehen und der Glanz des Hauses, die sich in den Urkunden und dem goldenen Kris vergegenwärtigten, mochte einem alten Diener der Familie das Herz bewegt haben. Während mein Wirt gegangen war, um aus seiner Schatzkiimmer einen anderen (Gegenstand herbeischaften zu lassen, von dem er zu mir mit einem mir unbekannten makiiischen 13* iq5 Quer clurch Suniutr;!. Worte gesprochen hatte, löste sich aus der Gruppe des Ingesindes, das sich, wie erwähnt, in demselben Räume aufhielt, ein alter Knabe ab, hockte neben meinem Stuhl nieder und sagte, nachdem er mich mit ans Haupt gelegter Hand ehrfurchtsvoll begrüfst hatte: „Ich wünsche mit Dir zu reden, Herr." Als ich meine Bereitwillig- keit, ihn anzuhören, kundgegeben, kkigte er mir, dafs sein junger Herr noch nicht Passira sei, obwohl er es so sehr verdiene und sicher ebensogut wie sein Vater, der verstorbene Pangeran, des Amtes walten würde. Der alte Herr sprach leider etwas leise und undeutlich, ich verstand seine lange Rede nicht ganz lückenlos. Es schien mir, als ob er die Ernennung seines Herrn zum Passira besonders deswegen wünschte, weil dadurch den Dorfbewohnern manche Mühe erleichtert werde. Vielleicht kann der Passira mancherlei Rechtsgeschäfte selbständig erledigen, um derenwillen die Parteien jetzt zum Kontroleur in die weit entfernte Stcidt müssen. Genug, der wSchlufs der Rede war die inständige Bitte in seinem und seiner Genossen Namen, ich möchte diifür sorgen, dafs sein junger Herr bald Passira werde. Ich erklärte natürlich wieder, dafs ich eigentlich gar nichts dazu thun könne, dafs ich aber bereits versprochen hätte, dem Herrn Ambtenaar in Kepahiang den Wunsch seines Herrn, Passira zu werden, mitzuteilen. Zufrieden mit dieser Erklärung erhob der Alte sich mit ehrfürchtigem Grufs. Ich kann mir nicht denken, dafs die Scene mit dem alten Knecht ein von seinem Herrn ins Werk gesetztes Manöver war, etwa um mich noch einmal an meine Zusage zu erinnern. Es war eigentlich den ganzen Nachmittag kaum Zeit zu einer Verabredung zwischen den beiden gewesen. Aber soviel steht wohl fest, dafs die Passira- Eriige in diesem Hause sehr oft den Gegenstand der Unterhaltung bildete und deshalb in aller Herzen und in aller Mund war. Zugleich mit der bald darauf erfolgenden Rückkehr meines Wirtes wurde eine grofse Spieluhr in den Saal gebracht. Dieselbe wurde auf einem kleineren Tisch inmitten der Halle aufgestellt und in Gang gesetzt. In einem höchst trübseligen Trauerm^irschtempo mit sekundenlangen Pausen zwischen den Tönen erklang eine Melodie, in der ich erst nach längerer Zeit das flotte Lied „Gigerl sein, das ist fein" erkennen konnte. Der Hausherr erklärte mir, das Instrument sei früher viel lebhafter gegangen; aber es ver- stehe niemand damit umzugehen, und in der letzten Zeit werde sein Gang immer langsamer. Ich sah mir diis Werk etwas näher an, es war eine Spieldose von einer Stuttgarter Eirma mit Stahl- DeiUsclie Musik im Doifliiiu.se. iqy kämm und Stiftenwiilze. Auf der Imienseite des Deckels standen aufser dem genannten Liede noch sieben andere verzeichnet, die ober vorläufig nicht zum Vorschein kamen, weil der Stellhebel iiuf „Wiederholen" sttmd. Ich liefs etwas Kokosöl bringen, wovon ich mittelst des Stummels einer Palmblattcigarrette einige Tropfen in die Öllöcher des Werkes brachte. Als ich den Windfang ölte, nahm die Spieluhr wie durch einen Zauber zu meiner eigenen gröfsten Überraschung fast augenblicklich ihre normale Gangart an, und da ich den Stellhebel herüberlegte, so erklangen nach einander die acht Melodien, auf die das Werk eingerichtet war. Cavalleria rusticana, Margarethe, Mädchen ohne Gleichen u. s. w. Mein Wirt und seine Leute äufserten natürlich in ihrem Gesichtsausdruck weder Überraschung noch Verwunderung, — das schickt sich nach ma- laiischen Begriffen nicht, — ciber ich merkte doch an ihren Blicken, dafs der Zufall mich in ihren Augen zu einem geschickten und kenntnisreichen Manne gemacht hatte, und mein Wirt dankte mir auch mit einfachen Worten für die Gefälligkeit, die ich ihm durch die Einrenkung der Musikkiste erwiesen hatte. Ich erzählte ihm dann, dafs dieses Musikwerk in meinem deutschen Heimatlande ge- macht worden sei, und dafs es deutsche Worte seien, die auf dem Deckel standen. Das gab dann wieder Anlafs zu einer längeren Unterhaltung über Lage, Gröfse und Bedeutung des negri deutsch- land, von dem der Pembarep wohl kaum den Namen kannte. Gegen g Uhr zog sich mein Wirt in die inneren Gemächer seines Hauses zurück. Von den Hausleuten in der Halle schliefen schon die meisten auf ihren Matten. Ich schrieb noch eine Notiz in mein Tagebuch; ich löschte dann die grofse Lampe aus und legte mich zur Ruhe. Da die Flackerlämpchen der Hausgenossen die ganze Nacht hindurch brennen blieben, so war ein dämmeriges Halbdunkel in dem grofsen R^iume; ich lag noch ein Weilchen mit offenen Augen und freute mich meines Abenteuers und all der bunten Bilder, die ich an diesem Tage in mich aufgenommen hatte. Am nächsten Morgen um fünf Uhr war ich wach; ich konnte mich aber nicht entschliefsen, gleich aufzustehen, ich mufste mich erst an dem Bilde seitt sehen, das ich, wie ein phantastisches Tnium- bild, in meinem Bett vor mir hatte. Zum Teil Ligen die briiunen Leute noch auf der Matte ausgestreckt; andere hockten um ein Lämpchen und ein junger Bursche war zum Ausgehen gerüstet, mit einem Hahn unter dem Arme und dem Klewang (Schwert) aut dem Rücken im Begriff, die Halle zu verlassen. Als Mario gegen j qg Q"er ilurch Siinialra. Y26 Uhr, wie verabredet war, mir mein Frühstück brachte, war ich schnell heraus und angekleidet. Waschgeschirr gab es in meinem Nachtquartier nicht, aber Mario machte mich mit der landesüblichen Waschgelegenheit bekannt. Seife und Handtuch führte ich bei mir; Waschwasser befand sich in einem dicken Bambusrohr draufsen auf der Veranda und wurde mir von Mario nach Bedarf auf die über die Brüstung der Veranda gehaltenen Hände geschüttet. Ein Glas reines Trinkwasser für Mund und Zähne war glücklicherweise auch zu haben. Bald nach 6 Uhr kam mein Wirt und brachte mir eine Cigarre, und ich benutzte die Gelegenheit, um ihm für seine Gastfreundschaft herzlich zu danken. Obwohl mir der Mann nicht den Eindruck machte, als ob er für seine Gastfreundschaft eine klingende Gegen- leistung erwarte, versuchte ich doch, ihm klar zu machen, dafs ich wohl niemals Gelegenheit haben würde, ihn oder einen seiner An- gehörigen in meinem eigenen Hause in gleicher Weise aufzunehmen, und dafs es mir angenehm sein würde, wenn ich ihm die direkten Unkosten erstatten dürfte, die mein Besuch ihm verursacht habe. Ich wurde aber abgewiesen; nicht einmal das Huhn, welches Mario von den Leuten des Pembarep gekauft hatte, noch bevor ich ein- geladen wurde, durfte bezahlt werden. So konnte ich mich für die echt indische Gastfreundschaft des braunen Mannes nur mit freund- lichen Worten revanchieren, so gut sie mir in meinem Gedächtnis aus dem Sprachschatz des Malaiischen zur Verfügung st£mden. Auf meinen Wunsch schrieb mir mein Wirt beim Abschied noch seinen Namen „Rekadi" auf ein Blatt Papier, das ich zum Andenken auf- bewahre. Bald nach 6 Uhr ncihm ich mit freundlichem Händedruck Ab- schied und ging meinem Wtigen voran, der eben von Mario und dem tukan kuda (Kutscher) mit dem barang barang (Gepäck) be- laden wurde, auf dem Wege nach Kapahi^mg in den prächtigen Urwald hinein. ]SIein Wagen kam mir bald nach, aber schon bei der ersten Steigung des Weges zogen die Pferde wieder schlecht, so dafs ich bald wieder weit voraus war. Ich hätte den Wagen auch nicht viel benutzen können, denn der Weg lief unausgesetzt durch den schönsten, üppigsten Urwald. Jeder Stein am Wege, jeder Baumstamm war mit Flechten, IMoosen, Farnen und Orchideen bedeckt, überall gab es zu sehen und zu sammeln. Ich war ja jetzt in demjenigen Teil des Musi- Gebietes, in dem der Strom und das ihn begleitende Gebirge in der Richtung Nordwest-Südost verläuft. Im Urwald. j qq Wenn meine Anschiiuung- über den Einflufs des ]\Ionsuns auf die Verbreitung der Farne sich bestätigte, so durfte ich hoffen, nun- mehr Formen von Niphobolus anzutreffen, die mir bisher noch nicht begegnet waren. Und diese Hoffnung wurde auch im weiteren Verlauf des Tages erfüllt. Neben dem Gewirre von Pflanzen, welches mich an manchen Stellen, trotz der geringeren Meereshöhe, ganz an den Urwald von Tjibodas erinnerte, zog auch das Tierleben gelegentlich meine Auf- merksamkeit auf sich. Affen waren in grofser Menge hörbar und auch sichtbar, und einmal, als zufällig mein Wagen in meine Nähe gekommen war, machte Mario mich auf einen sehr gTofsen Affen aufmerksam, der unmittelbar über unserem Wege in der Laubkrone eines riesigen Baumes herumturnte. Es war ein Orang utan. Ihn zu schiefsen, konnte ich mich trotz Marios dringenden Zuredens nicht entschliefsen; dazu sah das Tier zu menschenähnlich aus; ich scheute mich vor den menschlichen Kkigelauten, die ein verwundeter Affe ausstöfst, und meine Vorrichtungen zum Präparieren und Konser- vieren reichten für ein so grofses Tier nicht aus. Affen zu schiefsen, war ja auch nicht meine Aufgabe. So dachte ich: leben und leben lassen. Nicht die gleichen Empfindungen hatte ich bei einem andern Getier, das mir begegnete, als ich nach einiger Zeit meinem Wagen wieder weit voraus w^ar. Neben dem Wege lag ein grofser Fels- block, etwa lYg Meter hoch. Er war an allen Seiten und obenauf mit Moosen, Farnen, Gräsern und Kräutern bedeckt. Ich fand an ihm allerlei für mich Interessantes, unter anderm auch ein Bärlapp oder Schlangenmoos (Lycopodium) mit kleinfingerdicken, walzen- förmigen grünen Asten, welche dicht mit kleinen schuppigen Blättern bedeckt sind. Nach dem ^lufrecht stehenden, schuppig-ährenförmigen Fruchtstand, den ich bei dieser Art vermutete, suchte ich vergebens. Schliefslich sah ich aber oben auf der Fläche des Steines, etwa in Augenhöhe, zwischen dem Grase einen fingerdicken, grünen, schup- pigen Kolben auf Armlänge vor mir stehen. Ich war im Begriff denselben zu ergreifen, als ich bei näherem Hinsehen am obersten, etwas dünneren Ende des schuppigen Kolbens, zwei listige Auglein funkeln sah. Natürlich zog- ich die ausgestreckte Fland schnell zurück und sah mir die grüne Schlange, die unbeweglich in ihrer Stellung verharrte, etwas näher an. Giftig war sie wohl kaum. Dazu war der Kopf viel zu schmal. Der Schwanz lief in eine lange, feine Spitze aus. Die Ähnlichkeit des aufrecht stehenden Körper- 200 Ouer durch Sumatra. vi//i^e Rasi im Ufwalde. Die I'J'c endes mit einem Pflanzenteil war so überraschend, dafs ich gar zu gerne die Schlange als ein Beispiel von Mimikry zum Demon- strationsobjekt gemacht hätte. Am liebsten hätte ich sie photo- graphiert, und sie würde sicher still gehalten haben. Aber leider hatte ich die letzte Platte schon verwendet, um eine der vielen Streikscenen, welche die Pferde vor meinem Wagen mir mitten im Urwalde vorführten, im Bilde festzuhalten. Ein Schlag mit dem Golok würde die Schlange zu sehr verletzt haben; ich lud also das feinste Schrot, welches ich bei mir führte, in mein Gewehr, ging so weit als möglich zurück und schofs. Ein paar Körnchen hatten getroffen und genügt» um die vSchlange zu töten. Der wSchufs hatte einige an der Strafse arbeitende Eingeborne herbeigelockt, welche mir hülfbereit die Schlange in ein Blatt des wilden Pisang einpackten, so dafs ich sie in den Rucksack stecken konnte. Natürlich benutzten die Leute die Gelegenheit, um ihre Neugierde zu befriedigen. Einer von ihnen, ein junger Bursch mit intelligenten Zügen, war mit dem Anfangsstadium eines Kropfes be- haftet. Er fragte mich, als seine Kameraden sich eben entfernten, ob ich nicht ein Obat (Heilmittel) für sein Leiden kenne. Ich konnte ihm nur den Bescheid geben, dafs man bei uns zu Hause ein gutes Heilmittel habe, dafs ich aber nicht im Besitz desselben sei und ihm also leider nicht helfen könne. Er meinte, wenn jemand mit einem solchen Obat dorthin käme, so könnte er schnell ein reicher Mann werden, da es dort viele Menschen mit Kropf gäbe. Es scheint in der That das obere Musi- Gebiet eine rechte Kropf- gegend zu sein. Ich hatte schon an den Tagen vorher, eigentlich schon von Ktilangandjarei an, sehr viele Kröpfe gesehen. Besonders waren die Frauen damit behaftet, und ich hatte mehr als einmal Kcpahiang. 20I an das Singulf- Lied denken müssen: „Erbarm sich (xott, wie hat dies Land sich gar so schwer versündigt, dafs sich an seinem Jungfernstand des Himmels Zorn verkündigt," Ich habe später aus sicherer Quelle gehört, dafs auch in den Battaker-Bergen, im nördlichen Teil von Sumatra, der Kropf aufserordentlich häufig ist. Man erwirbt sich dort geradezu die Zuneigung und das Vertrauen der Bevölkerung, indem man durch einen dekorativen Anstrich mit Jodtinktur einige Kröpfe zum Schwinden bringt. Vielleicht werden Reisende, welche später in diese Kropfgegenden kommen, gut thun, sich mit einem Vorrat von Thyreoidin- Pillen zu versehen. Mein Ulunesenjüngling zog mit dem Bescheid, den ich ihm gegeben, be- trübt von dannen. Ich traf an diesem Tage unterwegs nicht viele ISIenschen. ISIeist wanderte ich allein durch den schönen Urwald oder ich fuhr eine Strecke weit im Wagen, um bei der nächsten Steigung des Weges wieder abzusteigen und den Pferden die Arbeit zu erleichtern. So kam ich nur langsam vorwärts und langte erst gegen yo3 Uhr in Kepahiang an. Der Passangrahan lag am entgegengesetzten Ende des Ortes. Aufser der Hauptstrafse, welche am Wege entlang ent- standen ist, sind mehrere Seitenstrafsen vorhanden. Die Häuser liegen in geschlossener Reihe; Tokos und andere Verkaufsläden sind ziemlich zahlreich. Nicht weit vom Passangrahan liegt das zur Zeit unbewohnte Haus des Assistent-Residenten in einem grofsen Giirten, daneben das Bureau der Beamten. Jenseits der Hauptstrafse an dem Wege, der über das Gebirge nach Benkulen führt, liegt der Benteng. Die Besatzung ist noch kleiner als diejenige in Bandar. Ein Arzt ist nicht vorhanden. Der Kommandant mufs zugleich den Arzt und den Apotheker vertreten. Mir kam der Ort, — dessen breite Hauptstrafse mit Alleebäumen bepflanzt ist, dessen Häuser viel zahlreicher und besser gebaut sind als in irgend 'einem der Orte, die ich seit Lahat gesehen, dessen Aussehen durch die Garten- anlagen vor dem Hause des Assistent-Residenten einen europäischen Anstrich gewinnt, — damals wie eine grofse Stadt vor und ich hatte das Gefühl, als ob ich mit Erreichung dieses Ortes eigent- lich die Durchquerung der grofsen Insel schon beendigt hätte, als ob ich nun aus der Wildnis wieder in kultiviertes Land zurück- gekehrt sei. Der Passangrahan war zum Teil von dem jungen Assistent- Kontroleur und seiner Familie bewohnt, welche erst vor wenigen Wochen nach Kepahiang gekommen waren. Ich nahm von einem 9(-)2 ü"^'' tliirch Sumatra. leerstehenden Zimmer Besitz und hatte aufserdem die ganze vordere Veranda zur Verfügung. Ich hatte bei meinem Eintreffen Gelegenheit gehabt, das junge Ehepaar, welches mit mir im Hause wohnte, zu begrüfsen. Zu längerer Unterhaltung- war keine Zeit, denn es war die Stunde der Nachmittagsruhe. Ich tr^mk meinen Thee, afs einige Kakes dazu und folgte bald dem Beispiel der jungen Leute, die sich inzwischen zum Mittagsschläfchen zurückgezogen hatten. Nach dem Bad verabschiedete ich zunächst meinen bisherigen Kutscher samt seinem Gespann und Wagen. Das Gebiet, für welches der Annehmer von Palembang verpflichtet ist, endet an der Grenze der Residentschaft. Die Beschaffung eines neuen Trimsportmittels machte einige Schwierigkeiten. Pferde waren in Kepahiang nicht zu haben. Ich mufste mich also entschliefsen, zwei Ochsenfuhrwerke zu mieten, einen Pir für den persönlichen Gebrauch und einen Grobak für die Beförderung Marios und des Gepäckes. Ich machte mit dem Fuhr- werkbesitzer aus, dafs der Grobak am nächsten Morgen um 4 Uhr auf- brechen sollte, ich selber wollte um 6 Uhr mit dem Pir nachfolgen. Den Nachmittag benutzte ich, so kmge es hell war, zum Ord- nen und Einlegen der reichen Tagesausbeute. Bei Eintritt der Dämmerung machte ich noch einen kurzen Abendspaziergang, dtmn afs ich meine Huhn- und Reismahlzeit und rauchte beim Thee auf der Veranda im bequemen Stuhl die Abendcig^arre. Die Luft weir angenehm kühl; die Meereshöhe und die Nähe der Berge machten sich wohl darin bemerkbar. Fern über dem dunklen Waldgebirge erhellte von Zeit zu Zeit ein Wetterleuchten die Abend wölken. Nachdem ich mit Mario noch das Gepäck für die Abreise vorbereitet hatte, gingen wir zur Ruhe. Am Mittwochmorgen (den 29. November 1899) gegen ^24 Uhr wurde ich wach, als Mario auf leisen Sohlen in mein Zimmer schlich, um das Gepäck nach aufsen zu holen und den Grob^ik zu beladen. Wir verabredeten, dafs Mario so schnell als möglich und ohne sich weiter um mich zu kümmern nach Benkulen gehen sollte. Wenn wir dieselben Stationen machten, so war zu befürchten, dafs der langsamer fahrende Grobak später als ich nach Benkulen kommen würde, und dafs ich imi Ende um seinetwillen den am i. Dezember fälligen Dampfer von Benkulen nach Padang verfehlen müfste. Wir verab- schiedeten uns dann, und während die treue Seele mit dem be- ladenen Karren in die Nacht hinein fuhr, leg-te ich mich noch einmal zu kurzer Ruhe ins Bett. Zum letzten Mal über den Musistrom. 20^ Als um 1/26 Uhr der malaiische Fuhrherr mit dem Pir vorfuhr, war ich schon reisefertig. Mein Frühstück, Thee nebst dem auf- gewärmten Rest von Huhn und Reis, hatte der Aufseher des Passangrahans nach Verabredung rechtzeitig bereit Der Malaie legte die Sachen, die ich für unterwegs bei mir behalten hatte, in den Karren; alles, was in Gefahr war, beim Rütteln des Karrens auf der Strafse herauszufallen, — mein Handköfferchen mit dem Tage- buch und andern Manuscripten, ein Blechbüchschen mit Bananen und Kakes und eine Flasche mit kaltem Thee, — wurde ordnungsmäfsig festgebunden. Da das junge Ehepaar im Passangrahan noch ruhte, so liefs ich zum Abschied meine Karte zurück; dann hing ich Ruck- sack und Waffen um und machte mich zu Fufs auf die Reise. Ein rüstiger Fufsgänger geht wohl schneller als ein Sappi mit dem Pir. Wenn man aber unterwegs sammeln und beobachten will, so kommt der Karren unter Umständen schneller voran. Ich machte also mit meinem Karrenführer aus, dafs er immer hinter mir bleiben und halten sollte, wenn ich stillstand, um zu sammeln. So blieben wir immer hübsch bei einander; ich konnte die ge- sammelten Pflanzen, wenn es mir für den Rucksack zu viel wurde, in den Karren legen und konnte selber einsteigen, wenn es mir beliebte. Diese Mafsregel erwies sich als ganz praktisch, denn der Weg ging immerfort durch Urwald und es gab so viel Aufenthalt für mich, dafs der Karren mir wohl sehr bald weit voraus gekommen wäre, wenn er nicht öfters Halt gemacht hätte. Kepahiang liegt noch in dem oberen Musi-Thal, das Wasser fliefst von dort zur Ostküste hinab. Jenseits des Bergrückens aber, über den heute mein Weg führte, liegt die Westküste von Sumatra. Der ganze Gebirgsrücken ist mit schönstem, unberührtem Urwald bedeckt. Wir hatten gleich bei Kepcihiang zunächst (Ins Musi-Thal zu durchqueren, um auf den waldigen Höhenzug zu gelangen, der den Oberlauf des Flusses nach Westen hin begrenzt. In einigen Win- dungen führt der Weg nach unten in die mit Buschwald bewachsene Raweine; der Flufs selbst, den ich hier zum letzten Mal überschritt, ist mit einer Brücke überspannt. Jenseits steigt der Weg unausgesetzt über eine Meile weit durch den Urwald hinan bis auf die Pafshöhe. Durch Sammeln und Beobachten oft aufgehalten, kam ich erst gegen 10 Uhr auf der Höhe an. In der Nähe der Grenze zwischen den Residentschaften Palembang und Benkulen ist oben neben der Strafse ein hölzernes Unterkunftshäuschen erbaut. Mein Karren- führer spannte sein Tier aus und liefs es das Gras am Wege ab- 204 ( )iier durch Sumatra. weiden, ich stieg auf schmalem Pfade zu der Holzhütte empor, um ciuf der Veranda derselben, welche Tisch und Bank enthielt, zu rasten und von dem mitgebrachten Vorrat zu frühstücken. Die materiellen Genüsse, die ich mir mit Kakes, Bananen und kaltem Thee bereiten wollte, mufsten aber noch eine Zeit lang zurück- stehen gegen einen Genufs anderer Art. Ich fand nämlich dort oben unerwartet eine entzückend schöne Aussicht, die mich lange Zeit gefesselt hielt. Von der kleinen Hütte ims inmitten der üppig- sten Urwaldvegetation sah ich rechts und links die kulissenartig vorspringenden, waldbedeckten Berge zu beträchtlicher Höhe empor- steigen. Inmitten des Landschaftsbildes aber senkte sich zwischen ihnen eine breite waldige Schlucht nach abwärts, durch welche über die Baumwipfel hinweg der Blick weit hinaus frei war bis abwärts zum grünen Landstrich der Ebene und darüber hinaus bis an das blaue IMeer, das in einem schmalen, glitzernden Streifen den Horizont begrenzte. Sumatras Westküste und der Indische Ocean sandten mir im hellen Sonnenglanze ihren ersten Grufs herauf in das einsame Waldgebirge. — Von der Pafshöhe ab senkte sich die Strafse in zahlreichen Windungen an dem Hange der Schlucht nach abwärts, zu beiden Seiten von Urwald begrenzt, dessen Riesenbäume nur selten einen Durchblick auf die Thalebene und das Aleer freigaben. Der Weg war gut gehalten, oft tief durch den roten, thonigen Boden ge- arbeitet. In der Erdböschung an solchen tief eingeschnittenen Weg- strecken waren massenhaft vulkanische Bomben eingebettet, runde Steinblöcke von Kopf- bis Wollsackgröfse, welche eine schalige Struktur aufweisen. Bisweilen zeigten sich in dem aufgeschlossenen Boden am Wege geschichtete Aschenlagen als ein Beweis für den vulkanischen Ursprung der oberen Erdschichte. Weiter unten war der Weg stellenweise durch basaltartiges Gestein geführt, welches wohl auch diis Material für die gute, an manchen Stellen eben er- neuerte Wegbeschotterung geliefert hatte. Dafs wir uns seit der Überschreitung der Pafshöhe in einer andern Residentschaft befanden, liefs sich iius der veränderten Be- zeichnung der Wegstrecken ersehen. Bisher hatten die weifsen Pfähle am Wege, je weiter ich kam, immer höhere Ziihlenwerte angegeben, weil sie ja die Entfernung von Pcüembang anzeigen sollten. Jetzt wurden die Z£ihlen von Pal zu Pal kleiner und zeigten an, dafs ich dem Küstenplatz Benkulen näher und näher rückte. Die weifsen, oben schwarz geteerten Pfähle folgten hier auch merklich Taba j)enandjun<^. 20S schneller auf einander, als im Palembangschen. An der Westküste von Sumatra werden die Wegstrecken nach Javapal gemessen, welche kleiner sind, als die in Palembang gebräuchlichen Sumatrcipal. Gegen Yg^ Uhr kam ich aus dem Urwalde heraus in das Dorf Taba penandjung, in dessen Passangrahan ich für die Nacht Quartier nahm. Der Passangrahan war ein ungewöhnlich grofses Haus mit breiter Veranda; es lag in Gartenanlagen, in denen schöne Rosen mit andern Ziersträuchern und Bäumen einen lieblichen Anblick gewährten. In einem Teil des Gartens steht, von einer lebenden Hecke umfriedigt, ein europäisches Grabdenkmal, aus dessen Auf- schrift ich ersehen konnte, dafs der Passangrahan früher die stän- dige Wohnung eines holländischen Beimiten gewesen war. Ich richtete mich in einem der Zimmer des Hauses behaglich ein. Der Aufseher des Passangrahans besorgte mir statt Marios den Thee und kochte nach meiner Angabe Huhn und Reis für die Hauptmahlzeit. Die Zeit am Nachmittag verwandte ich in ge- wohnter Weise für meine Pflanzenarbeiten und zum Schreiben. Bei Sonnenuntergang machte ich einen kurzen Sptiziergang durch das Dorf, dessen Häuser längs der Strafse in Gras- und Obst- gärten liegen. Unterwegs traf ich meinen Karrenführer, von dem ich erfuhr, dafs Mario mit dem Grobak bereits rechtzeitig vor uns den Ort passiert hatte. Wir machten aus, dafs wir die Tour nach Benkulen in einem Tage zurücklegen wollten. Dazu war nötig, dafs wir am nächsten Morgen sehr früh aufbrachen. Da der Weg gut und ohne erhebliche Steigungen zur Küste hinab verläuft, so konnte ich hoffen, dafs der Karren, selbst wenn einige Male Ruhe- pausen gemacht werden mufsten, am Nachmittag in Benkulen ein- treffen würde. Ich hatte dann den Vorzug, die ersehnten Nach- richten aus der Heimat einen Tag früher zu bekommen, und konnte so meine Abfahrt mit dem am nächsten Tage fälligen Dampfschiff in Ruhe vorbereiten. Da die Vegetation der Ebene voraussicht- lich in ihrer Zusammensetzung kein besonderes und von ähnlichen Strecken des Küstenlandes abweichendes Bild bot, so konnte ich hier die Fiihrt beschleunigen, ohne den wissenschaftlichen Zweck meiner Reise zu beeinträchtigen. Recht froh gestimmt wanderte ich in mein Quartier zurück. Ich trank meinen Abendthee und plauderte noch ein Stündchen mit dem Malaien, der ihn mir gebracht hatte. Wir schwatzten von diesem und jenem, von der Beschaffenheit des Weges nach Ben- kulen, von dem Erwerb und den Produkten des Ortes, von den ^q5 Quer durch Sumatra. Tieren des Waldes u. s. w. Als der Mann gegangen war und ich allein in dem einsamen Gebäude zurückblieb, kam meine Herzens- stimmung in fröhlichen Liedern zum Ausbruch, so dafs die Ratten, deren es in jVIenge gab, erstaunt aus ihren Schlupfwinkeln im Atapdach zum Vorschein kamen. Warum sollte ich auch nicht fröhlich sein? Hatte ich doch den schwierigsten Teil meiner Reise glücklich und erfolgreich zurückgelegt, blühte mir doch die Aussicht, am folgenden Tage nach langer, langer Pause wieder Nachrichten von meinen Lieben daheim zu bekommen, und durfte ich doch hoffen, durch einen tdlerdings etwas forcierten Tagesmiirsch in Benkulen sicher das Schiff zu erreichen, mit dem ich ohne Zeitverlust meine Reise fort- setzen konnte. Im Hinblick auf die bevorstehende Marschleistung zog ich es vor, den Liederabend nicht allzu lange auszudehnen. Früh ^1^2) Uhr pochte der Karrenführer an der Thür meiner Schlafkammer. Ich war schnell auf, und nachdem ich als Früh- stück den kalten Rest der Hühnersuppe genossen hatte, beluden wir gemeinsam beim Schein einer Liiterne den Karren. Den Ruck- sack schnallte ich ganz hinten im Kcirren fest, Wettermantel und ■Schlafdecke legte ich an den Boden, und als dimn der Sappi ein- gespannt war, legte* ich mich selber auf den Rücken im Karren hin, den Kopf auf den Rucksack, die Beine hoch auf den Rand des Karrens. Das ist nach meinen Erfahrungen diejenige Lage, in der man das Karrenfahren am besten ertragen kann. Unser Sappi ging im flotten Schritt beim Scheine des glänzenden Sternhimmels durch den dunkeln Wald, es ging immer alhnählich bergab in die Ebene hinaus. Der Wtdd verlor bald den Urwaldcharakter, es wurde lichter und freier, und bald nach 5 Uhr liefsen sich im Dämmerschein des erwachenden Tages schon entferntere Gegen- stände wahrnehmen. Wir befanden uns um diese Zeit in der Nähe einer kleinen bewaldeten Felsklippe, welche schroff und unvermittelt aus der Plbene aufragt. Als es heller wurde, litt es mich nicht mehr in dem Karren, und als endlich die Sonne hinter dem Gebirge hervor die Wolken am Himmel vergoldete, da war ich schon längst zu Fufs unterwegs. Wir kamen durch jungen Buschwald und ab und im auch ü.n Alang-Alang- flächen vorbei, die aber klein und von aufkommendem Buschwald viel- fach unterbrochen Wciren. Der Weg führte an einigen Dörfern vor- über, und einmal hatten wir auch wieder eine kurze Steigung zu über- winden, ids der Weg eine Bank von weifsem Korallenkalk überquerte. Beschleunigte Reise. Am Fufs des Gebirges. Ein halb neun'^Uhr tr^ifen wir bei dem Passangrahan von Tal- ampat ein, der für gewöhnlich den Reisenden zwischen Taba penandjung und Benkulen als Nachtquartier dient. Wir hatten ja noch fast den ganzen Tag vor uns und konnten also ruhig eine kurze Rast machen, die hauptsächlich dem Sappi zu gute kam. Nach halbstündiger Pause ging es wieder weiter wi(> bisher durch jungen Wald, durch Felder und Dörfer. Einmal kamen wir über einen Elufs, den Ajer Bengkulu, der von einer schönen, neuen Kabelbrücke überspannt war. Als wir gegen 1 1 Uhr bei Pal 6 angekommen und also etwa noch eine Meile von Benkulen entfernt waren, erklärte der Karren- führer, dafs sein vSappi nunmehr unweigerlich der Ruhe bedürfe, 2o8 Q'^'*^'' durch Sumatra. und dafs wir wenigstens eine Stunde lang Rast machen müfsten. Mir pafste das schlecht. Ich hatte mir schon ausgerechnet, dafs ich, da wir für den Pill 20 Minuten gebrauchten, noch zur Reis- tafel in Benkulen sein könnte. Ich hätte dann in aller Behaglich- keit im Hotel meine Nachmittagsruhe halten und baden können. Und nun sollte ich um des Ochsen willen eine Stunde lang auf der I.andstrafse Wcirten und dann gerade bis in die heifsesten Xachmittagsstunden hinein unterwegs sein. Da ich mich noch frisch genug fühlte, so beschlofs ich, den Ochsenkarren seinem Schicksal zu überlassen und allein zu Fufs voraufzugehen. Ich kam von jetzt an fast ohne Ausnahme durch bebautes Land. Sawahfelder in allen Stadien der Bearbeitung nahmen bei den Dorfschaften, soweit als ich sehen konnte, die Ebene ein. Gegen 1 Uhr ktmi ich vor Benkulen an. Durch breite, wohl- gepflegte vStrafsen ging ich im Schatten schöner Alleebäume, unter denen mir eine Gruppe wahrhaft riesiger Tjimarabäume (Casuarina) besonders lebhaft im Gedächtnis geblieben, in den Ort hinein und fragte mich zu dem Postkontor hin, wo, wie ich erwartet hatte, ein ganzes Packet Briefe und Karten aus der Heimat für mich bereit lagen. Der Brief, welcher den jüngsten Poststempel trug, wurde schnell durchflogen; er enthielt, Gott sei Dank, gute Nachrichten. So konnte ich denn beruhigt in das Gouvernementshotel wandern und mich wieder mit europäischem Komfort umgeben. Nachdem ich gespeist und geruht hatte, traf der Sappikarren mit meinen Sachen ein, und wenig später war auch Mario dort. \\r hatte meine Kisten und Ktisten im Lagerhaus an der Landungs- brücke untergebracht; den Blechkoffer brachte er mir ins Hotel, so dafs ich meine Kleider wechseln und mich als Ivulturmenschen den Blicken der Ortsbewohner aussetzen konnte. Am 6. November war ich iiuf der „Vcm Diemen" aus der Bankastrafse in das Musidelta hineingefahren. Am 30. November traf ich in Benkulen ein. Die Durchquerung der Insel an ihrer breitesten Stelle hatte 2,3, Tage in Anspruch genommen; eine kurze Zeit im gewöhnlichen Lebenslaufe, aber welche Fülle von Erleb- nissen, welche Summe von neuen Eindrücken und bunten Bildern hatte sie mir gebracht. Wenn ich auf die erweiterte Erfidirung, auf die Menge der gesammelten Beobachtungen blickte und auf diis Pflimzenmaterial, das ich zusammengebracht hatte, so konnte ich mit dem Ergebnisse dieser Reisewochen wohl zufrieden sein. DIE PADANGSCHE BOVENLANDEN. Jieüsc/teuer im PuJan^scIieu überlaiui. Zu den schönsten Gegen- den, welche ich auf meiner Tropenreise kennen lernte, ge- hört unstreitig die Resident- schaft Padangsche Bovenlan- den auf Sumatra, ein reiches, wechselvolles Alpenland, wel- ches ungefähr in der Mitte der langgestreckten Insel, der südwestlichen Küste genähert, sich durch mehrere Breiten- grade zu beiden Seiten des Äquators ausdehnt. Im Gegen- satz zu den menschenarmen Steppen- und Urwaldgegen- den, die ich zwischen Palem- bang und Benkulen zu pas- sieren hatte, ist das Padangsche Oberland stark bevölkert, sein Boden befindet sich von alters her in hoher Kultur, und fast wie auf Java ist hier durch den Fleifs der Bewohner der Urwald in die Schluchten und auf die Steilhänge der Berge zurückgedrängt. Der Wohl- stand der Bewohner giebt sich sowohl im Ansehen und in der Kleidung, als auch in der zierlichen Sorgfalt zu er- kennen, mit der sie ihre Bau- 14 2 10 Die Padangsclie Bovciihuuleii. werke: Scheuern, Wohnhäuser und öjffenüiche Gebäude errichten. Und nicht nur die Sorgfalt der Ausführung, auch die Eigenart in Gesamtform und Zierat zeichnen die Architektur dieses Landes vor allen übrigen aus und geben Zeugnis dafür, dafs auch in den Tropen der besondere geographische Charakter einer Landschaft dem Volkstume der Bewohner seinen Stempel aufprägt. Die Entdeckung eines umfangreichen Kohlenlagers hat den Bau einer Gebirgsbahn veranlafst, welche das nach hartem Kampfe von den Holländern eroberte Land der europäischen Kultur schnell geöffnet hat. Das herrliche Gebirgsklima erwies sich günstig für die Gesundung klimakranker Europäer. So wurden an verschie- denen Orten, besonders an den Wohnplätzen der holländischen Beamten, die meistens zugleich Garnisonsorte der Kolonialtruppen sind, europäische Hotels angelegt. Ich durfte mir also von der Reise in dieses Land aufser der Förderung meiner wissenschaft- lichen Aufgaben reichen Genufs versprechen, und bei den an- genehmen Verkehrsverhältnissen mit Hotels und Eisenbahnen auch Erholung von den Strapazen der Fufs- und Wagentouren im Lande der Ulunesen. Das holländische Schiff, welches mich von Benkulen nach Pa- dang bringen sollte, die „Ccirpentier", traf bereits am 30. November, also am gleichen Tage, an dem ich nach Benkulen gekommen war, vor der Stadt auf der Rhede ein. Ein Hafen ist nicht vorhanden. Die Verladung der Frachtgüter und die Einschiffung der Passa- giere mufs durch Prauen und Boote besorgt werden. Diese un- günstigen Verhältnisse mögen wohl die Schuld dartm tragen, dafs die Stadt Benkulen trotz des reichen Hinterlandes als Handelsstadt nur eine untergeordnete Rolle spielt. Vielleicht wird die Ent- wickelung des Goldlandes Redj^m Lebon, welches in Benkulen seinen natürlichen Hafen hat, einmal darin eine Änderung herbei- führen. Die Stadt selbst ist sehr weitläufig angelegt und macht mit ihren weiten Plätzen und schönen, breiten Alleen, mit dem Fort und dem vornehmen Wohnhause des Residenten einen grofs- artigen Eindruck. Die Europäer, kaum dreifsig Familien, wohnen in freundlichen Villen, die meist von der Strafse zurück in Gärten, hinter Bäumen und Gebüsch halbversteckt liegen. Auf der Ausreise von Genua nach Singapore hatte ich die Bekanntschaft eines holländischen Kaufmannes, des Herrn Kool- hoven, gemacht, der von einer Besuchsreise in Europa nach Ben- kulen zurückkehrte, wo er seit vielen Jahren ansässig ist. „Bevor Einschiffung vor Benkulen. 211 ich die Absicht ausführen konnte, den ehemaligen Reisegenossen aufzusuchen, war schon das Gerücht von meinem Eintreffen in dem stillen Orte zu ihm gelangt, und so hatte ich die Freude, den Be- such des freundlichen Herrn noch am Nachmittag in meinem Hotel zu empfangen. Mir war die Anwesenheit eines mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Bekannten besonders deswegen angenehm, weil ich noch in später Abendstunde, £ils schon alle Geschäfte ge- schlossen waren, meine Einschiffung auf das nach Sonnenuntergang eingetroffene Schiff zu bewerkstelligen hatte. Herr Koolhoven be- sorgte für mich in liebenswürdigster Weise die Einschreibung in die Passagierliste, veranlafste die Auslieferung meines Gepäcks aus dem Lagerhaus und besorgte mir ein Boot, mit dem ich nebst Mario und dem Gepäck an das draufsen auf der Rhede liegende Schiff gelangen konnte. Es war gegen Ygii Uhr, als ich am Ufer Abschied nahm und beim Schein einer Stalllaterne von dem Lan- dungssteg in das Boot kletterte, in welchem Mario bereits das Ge- päck verstaut hatte. Die vier malaiischen Ruderer legten kräftig aus und steuerten direkt dem Lichterglanz entgegen, mit dem die Deckbeleuchtung des Schiffes die Nacht durchdrang. Hinter uns versank der trübe Schimmer, der aus den Häusern der Stadt herüberstrahlte, bald in nächtliches Dunkel. Wir mufsten etwa eine halbe Stunde lang gegen die langen Wellen des Oceans an- kämpfen, welche hier gänzlich ungebrochen an die Küste rollen, bis wir die Nähe des Schiffes erreichten, und als wir endlich die herabgelassene Schiffstreppe vor uns sahen, war es nicht leicht, von diesem Verkehrswege Gebrauch zu machen. Das ankernde Schiff, welches bei seiner Länge zugleich auf mehreren Wellen ruht, war von dem Seegimg kaum bewegt; mein Boot aber war, \on den Wellen geschaukelt, bald unter, bald über dem Trittbrett am Grunde der Treppe, und die Bootsleute mufsten Haken und Stangen anstemmen, damit nicht das Boot durch die auftreibenden Wellen unter die Treppe gedrückt und voll Wasser geschlagen wurde. Ich liefs Mario zuerst hinüberklettern, reichte ihm dann die Gepäckstücke einzeln hinüber, die er Stück für Stück gleich an Bord hinauf trug, und endlich voltigierte ich selber im günstigen Moment auf die Treppe hinüber. An Bord schlief alles, und es dauerte geraume Weile, bis ich den malaiischen Hofmeister tiufgefunden und geweckt hatte, der mir meine Kiibine ^mweisen sollte. Endlich kam aber alles zu- recht, und ich fand nach dem tmstrengenden Tage die ersehnte 14* 2 12 I^ic l'adaiij^'sche Hovciilaiuli-ii. Jvvihe. Die „Carpentier" ging nicht, wie man mir am J.ande ge- sagt hatte, während der Nacht fort, sondern sie lag noch den Vor- mittag des 1. Dezember vor Benkulen fest, um IVüischinenteile zu löschen, welche für die Goldmine in Redjan Lebon bestimmt waren. Da das Wetter günstig war, so konnte ich mit Marios Hülfe den ganzen Tag an meinen Sammlungen arbeiten. Die Ergebnisse der letzten Reisetage waren noch zu präparieren und mit Notizen zu versehen, die älteren P£ickete wurden umgelegt und, dem Winde und Sonnenscheine zugänglich, über der Reeling zum Trocknen aufgehängt oder iiuf dem warmen Eisengitter über dem Maschinen- raum ausgebreitet. Die Fahrt längs der Küste, zu der das Schiff gegen 2 Uhr die Anker lichtete, war ziemlich ruhig. Wir sahen noch bis zur Dämmerung die schöne Küste, die blauen Bergzüge und darüber die Vulkankegel, unter ihnen den mächtigen Dempo, dessen Anblick mir die Itrinnerung an die Reisetage jenseits des Gebirges erneuerte. Am 2. Dezember bei Tagesanbruch fuhr das Schiff bereits im Schutze der der Küste vorgelagerten Inselgruppe. Wir fuhren dem Lande ziemlich nahe längs der Küste von Sumatra nach Norden, und die aufgehende Sonne beleuchtete uns ein herrliches Landschaftsbild. Im Vordergrunde riigen grün- bewaldete Felseneilande senkrecht iius den tiefblauen Wellen des Indischen Oceans auf. Hinter schmalen Meeresarmen steigt die wechselvolle Steilküste direkt in Bergzügen empor. Kettenweise lagern sich die schöngeformten Höhenzüge hinter einander, nach rückwärts immer höher emporsteigend bis in die blaue Ferne, wo einzelne gewaltige Gipfel den Horizont begrenzen. Über alles breitet die üppigste Tropenvegetation ihr sattes Grün. Der Strand trägt Kokospalmen, die Felseninseln, die Bergketten und die Höhen in der Ferne, soweit das Auge reicht, sind mit Urwald- dickicht bedeckt. Über das Ganze wölbt sich in lichtem Blau das strahlende Firmament. Gegen 8 Uhr schon fuhren wir in den durch eine Steinmole gegen den Seegang geschützten I^mmahcifen ein, der durch eine Eisenbahn mit Padang verbunden ist. So konnte ich, nachdem das Ausschiffen in dem praktisch angelegten ILifen ohne Umstände von statten gegangen war, noch iim Vormittiig in Padang auf dem Regierungsbureau mir die Erlaubnis zum Aufenthalt in der Resi- dentschaft erwirken und auf dem deutschen Konsulat um Nach- richten aus der 1 leimat Nachfrage hidten. Der deutsche Konsul in Padang, Herr Schild, war damals nach Batavia gereist. Er Die Schlucht des Aiieithisses. 2 I ^ wurde durch seinen Associe, Herrn C. G. Veth, vertreten, dem meine bevorstehende Ankunft bereits von Batavia aus angemeldet Avorden war. Ich kam also nicht als gänzlich Unbekannter, ich wurde sehr freundlich aufgenommen, und Herr Veth lud mich ein, während meines Aufenthaltes in Padang sein Gast zu sein. Gerne siedelte ich noch am Samstag aus dem Hotel in das grofse, schöne Haus des Herrn Veth über und verlebte in den behaglichen Räu- men und in der liebenswürdigen Gesellschaft des Hausherrn den Sonntag, der mir als ein rechter Ruhetag nach all der Unruhe in angenehmster Erinnerung geblieben ist. Da ich nach der Rückkehr aus dem Oberlande wieder von Padang aus zu Schiff gehen wollte, so konnte ich einen beträcht- lichen Teil meines Reisegepäcks in dem Hause des Herrn Veth zurücklassen, der in echt indischer Gastfreundschaft schon jetzt darauf bestand, dafs ich bei meiner Rückkehr wieder bei ihm ein- kehre. Am Montag, den 4, Dezember, vormittags gegen 10 Uhr trat ich mit Mario die Bahnfahrt in das Oberland an. Die Bahn führt zuerst etwa zwei Stunden lang durch die volkreiche Küsten- ebene nach Norden. Auf festen Eisenbrücken überschreitet sie die kleinen Küstenflüsse, über deren Mündungsdelta man bisweilen von der Brücke aus zwischen dem Baumschlag der Uferlandschaft einen flüchtigen Blick auf die blaue Meeresfläche geniefst. Zwischen Palmenwäldern und Sawahs reiht sich Ortschaft an Ortschaft neben der Bahn, längs der Landstrafse, welche von eingebornen Reisenden zu Fufs und im Büffelkarren belebt ist. Bei der Station Kaju tanam wendet sich die Bahnlinie gegen Nordosten in das Innere des Landes und führt in iVg stündiger Fahrt durch die herrliche Gebirgsschlucht des Aneiflusses als Zahn- radbahn nach oben auf die Hoch- ebene ~^^~ — -__:ziiii— -—--'-''■ 'A von Padang Pandjang. Da üüffelkarreit in der Residenischafi Padang. 211 Die I'adaiifjsche Boveiilanden. die Lokomotive bei Beginn der Steigung hinter den Wagenzug gesetzt wurde, so hatte ich von der Plattform des ersten AX'agens aus freien Ausblick auf die grofsartige Scenerie dieser hochroniim- tischen Gebirgsschlucht. Die nächste Umgebung des P)ahnkörpers ist wildester Urwald, mit Scitamineen und Gleicheniadickichten und zierlichen Baumfarnen zwischen den Stämmen der hohen Laub- bäume, an denen Rotangs und andere Lianen in dichtem Gewirre emporklettern. Die Aste und Zweige sind mit Orchideen und an- deren Epiphyten überladen. Moose und Farne drängen sich übendl hervor. Die Wipfel sind von allerlei Vögeln und von Eichhörnchen belebt, das Lachen der Siamangs tönt an manchen Stellen aus dem Dickicht hervor. Im Grunde der Schlucht aber rauscht in schäu- menden Kaskaden der Aneiflufs zu Thid, ein echter Gebirgsbach, der bei starkem Regenfall im Oberlande zu einem reifsenden Wild-' Wasser anschwillt, welches hausgrofse vSteinblöcke zu Thal wälzt, die Ufer überschäumend ganze Flächen aus dem Waldboden herausreifst und selbst dem festen Unterbau der Eisenbahn ver- hängnisvoll werden kann. Die Bahnstrecke ist ein Meisterstück der Technik. An vielen Stellen wird das gewundene Bachbett auf schlanken Brückenbauten überquert. Hohe Aufmauerungen tragen den Unterbau an steilen Abstürzen der Schluchtwand vor- über. Eigene Fangmauern schützen den Bau gegen drohenden Steinschlag von oben her. Auf einem Hange über dem Bahn- körper ist ein auf der Thalwanderung begriffener haushoher Fels- block durch eine Stützmauer stabil gemacht worden. Trotz aller aufgewendeten Sorgfalt und Mühe konnte der durch Wolkenbrüche geschwellte Flufs vor Jahren einen Teil der Strecke vernichten. Man sieht noch heute von einer der luftigen Eisenbrücken aus tief unten im Grunde der Schlucht den Eisenkörper einer ehemaligen Brücke liegen, den die Wucht des Wassers herabgeworfen und wie ein Spielzeug zusammengebogen hat. Gegen ■y^2 Uhr traf ich ■ in Padang Pandjang ein und fuhr, da es zu regnen anfing, im geschlossenen Wagen in das kleine Hotel Merapi, welches in der nördlichen Vorstadt des Ortes liegt. Padang Pandjemg ist ein rechtes Regennest, was wohl mit seiner eigen- tümlichen Lage in Zusammenhang steht. Es liegt iiuf einer Hoch- fläche, welche ringsum von hohen Bergen eingeschlossen wird. Gegen Westen erheben sich die vulkanischen Zwillingsgipfel Singa- lang und Tandikat, nach Norden zu liegt eine Gruppe von Vulkan- gipfeln, unter denen als höchster der noch wirksame Merapi fast Padaiig Pandjaiij^. 15 Vofsfadtsirafsp in Padang Pandjaiig. 3000 Meter hoch emporragt. Im Osten steigt in welligen Zügen das Gebirgsland von Tanah Datar an, und im Süden schliefst die Längskette des Barisangebirges mit dem Bukit Djarat gegen das Plateau von Padang Pandjang ab. Nach allen Seiten hin bieten also schöngeformte und hochhinauf bewaldete Berge einen grofs- artigen Hintergrund für das Landschaftsbild. Die Stadt selber besteht zum gröfsten Teil aus Malaienhäusern, welche sich um den grofsen, mit Markthallen besetzten Passar zusammendrängen. Manche von ihnen sind statt mit Atap mit glitzerndem Well- blech gedeckt, was besonders dann einen merkwürdigen Eindruck macht, wenn trotz des modernen Deckmaterials die alte Form des tief gesattelten Daches mit spitz aufragenden Giebeln beibehalten worden ist. Die Europäerwohnungen sind meist villenartig angelegt. Li dem kleinen Hotel ist man ausnahmsweise nicht ganz der Fürsorge des malaiischen Personals überlassen, da die Besitzerin, Mevrouw Alting Siberg, in Küche und Keller selbst um das Wohl ihrer Gäste besorgt ist. Reistafel und Diner haben mir in keinem andern indischen Plotel so gut gemundet, als gerade hier. Bei der ersteren Mahlzeit war ich der einzige Gast an der Hoteltafel, am Abend aber fand ich interessante Gesellschaft an dem Herrn Delprat, dem Chefingenieur der Eisenbahn, welcher von einer In- spektionsreise zurückkehrend auf dem Wege nach Padang hier für die Nacht Station machte. Ich hatte die Absicht, am nächsten Morgen eine Strecke weit mit der Bahn in die Schlucht des Anei- 2 \f) nie l':ulan<,'sclic l')()vcnl:iiuien. flusses hiiiiib/.ufaliren und zu Fuls wieder hinauf/u wandern, um die üppige Vegetation der Schlucht etwas näher zu studieren. Herr Delprat lud mich ein, die Fahrt mit dem Frühzuge in seiner Ge- sellschaft im Direktionswagen zu unternehmen. Leider war aber am nächsten Morgen das Wetter meinem Vorhaben nicht günstig. Es regnete aus grauen Nebelwolken, die das ganze Tlial erfüllten, in Strömen, und ich mufste befürchten, dafs ich auf der entlegenen Bahnstation eingeschlossen bleiben werde, ohne auch nur das Ge- ringste sammeln und beobachten zu können. So zog ich es vor, um den Tag auf alle Fälle nicht ganz zu verlieren, vorerst im Hotel zu bleiben, die Zeit mit Schreiben und Umlegen meiner Pflanzenpackete auszufüllen und auf gutes Wetter zu warten. Über- raschend schnell klärte sich am Vormittag der Himmel auf, die Wolkendecke zog sich wie ein Vorhang von dem blauen Himmel fort, und das herrliche Gebirgspanorama strahlte im hellsten Sonnen- glanze. Schnell waren auch die nötigen Vorbereitungen zum Aus- flug getroffen, und alsbald zog ich mit Miirio zum Ort hinaus durch die ausgedehnten Reisfelder bis in die bewaldete Schlucht eines Gebirgsbaches, die entzückende, wildromantische Urwaldbilder bot und auch eine reiche Ausbeute an Pflanzenschätzen für mich er- giib. Mit Befriedigung konnte ich konstatieren, dafs hier oben, wie ich erwartet hatte, dieselben Niphobolusarten anzutreffen seien, die ich 450 Kilometer weiter südlich im Zuge des Barisangebirges beobachtet hatte; meine Hoffnung, hier in dem Gebirgslande auch eine seltenere Art (Niphobolus angustatus) anzutreffen, die nach Litteraturangaben in Sumatra vorkommen sollte, blieb aber un- (jrfüUt. Nach theoretischen Erwägungen mufste diese Art, wenn überhaupt auf Sumatra, hier im Gebirgslande zu finden sein; ich beschlofs deshalb, bei den Streifzügen, die ich für die nächsten Tage vorhatte, mein besonderes Augenmerk iiuf sie zu richten. Den nächsten Streifzug trat ich gleich in der Morgenfrühe des folgenden Tages an. Bald nach 6 Uhr zog ich mit Mario zum Bahnhof, Der Himmel war auch heute trübe, und der Nebel wälzte sich in dicken Ballen durch das Hochthal, so dafs die Ansicht auf die Berge fast ganz verdeckt war. Nur der Merapi erhob sich in scharfen Umrissen, mit leichten Rauchw^ölkchen am Krater, über der weifsen Nebelschicht. Nach Süden zu, wohin unsere Fahrt ge- richtet war, zeigte sich der Himmel klarer, und bald brach die Sonne durch die Wolkenschicht und zerstreute mehr und mehr die wallenden Schleier, bis endlich die Nähe und die Ferne im goldenen Am Meer von Siii<,'k;ira. 2 l 7 Licht des junges Tages erstrahlte. Die Bahn senkt sich von der Hochebene zunächst in südöstlichem Verlaufe in sanfter Neigung in ein Thal hinab, dessen Wasserläufe bereits zum Flufssystem der fernen Ostküste gehören. Der Längszug des Barisangebirges und die Hochebene von Padang Pandjang, welche in seiner Verlänge- rung liegt, bilden hier die Wasserscheide zwischen dem Indischen Ocean und dem Inselmeer. Zu beiden Seiten der Bahnstrecke breiten sich blinkende Sawahfelder aus, zwischen ihnen liegen die Dorfschaften mit ihren spitzen Giebeldächern in Bambusgebüsch und Palmenhainen halbversteckt. Bald nach der ersten kleinen Haltestelle wird die Neigung des Schienenweges stärker, so dafs das Zahnrad der Lokomotive in Funktion treten mufs. Indem die Bahn eine mehr südöstliche Richtung einschlägt, wird der Blick nach Süden frei, und glitzernd erscheint zwischen den Palmen des Vordergrundes eine weite Wasserfläche, das Meer vom Singkara. In der Fortsetzung der Thalfahrt verschwindet die Wasserfläche wieder hinter einem niederen Höhenzuge, der die Bahn an der rechten Seite begleitet, im Vordergrunde aber weitet sich das Thal und bietet ein Landschaftsbild, das an Schönheit seines Gleichen sucht. Die Sonne blinkt und glitzert auf der regelmäfsigen Wasser- fläche der Reisfelder, zwischen denen in Palmengärten die male- rischen Häuser mit ihren tiefgesattelten Giebeldächern zu Gruppen vereinigt sind. Hier und dort taucht ein gröfseres Dorf auf, in dem neben den Wohngebäuden und Reisscheuern im lichten Palmenhain eine stattliche Missigit sich erhebt. Über den reich mit Schnitz- werk verzierten Ballustraden steigt in drei oder vier Absätzen das gut gehaltene Pyramidendach auf. Die sorgsame Anlage dieser mohammedanischen Kultstätte zeugt ebenso wie die reiche Verzierung der Wohn- und Vorratshäuser von dem Wohlstande des reich be- völkerten Landes. Überall sah ich die Leute im Felde und in den Dorfstrafsen wohlgekleidet. Viehherden grasten auf den Weide- flächen, Fufsgänger und Fuhrwerke belebten die Landstrafsen. Da- hinter erheben sich die Bergketten von Tanah Datar mit ihren frischgrünen Matten, zwischen denen, von dem mit Palmwald um- säumten Fufs an, in Rinnen und Schluchten der Buschwald nach oben steigt. Neuen Reiz gewinnt die Landschaft, wenn nun der Bahn- zug bis an das Seeufer des Singkara-Meeres hinabgestiegen ist und längs desselben hin nach Süden rollt. Das Meer von Singkara ist gröfser als der Starnbergersee in Oberbaiern, etwa drei geographische Meilen lang und eine Meile breit. In seiner Lage erinnert es an 2l8 Die Padangsclic BovenUinden. ^ 'H|.i Malaiisches Wohnhaus in dem Padaiigscheii Oberlande. die schönen Oberbaierischen Gebirgsseen, an den Tegernsee oder den Schliersee. Die Gestalt der Bergformen, die Wasserfärbung, ja ich möchte sagen, die ganze Landschaftsstimmung erinnerte mich an Ort und Stelle so direkt im den letzteren, dafs ich über diesen Eindruck eine Aufzeichnung in meinem Ttigebuch gemacht habe. An der Ostseite steigen die Berge bisweilen fast unmittelbar vom Ufer aus steil an; dort bereitet das würfelig abbröckelnde Gestein der Bahn manche Schwierigkeiten, ganze Strecken mufsten durch Vermauerung geschützt werden. Wo das Ufer eben ist, liegen Dorfhäuser zwischen Kokospalmen und Bananen. Auch Kapok- wäldchen mit ihren etagenweise horizont^il ausgebreiteten Astwirteln und allerlei Obstbäume begleiten die Dörfer und Höfe, in deren weiterer Umgebung neben den Reisterrassen auch kleine Tabakfelder undKaffeepflanzungen der Eingebornen die s^mft ansteigenden Hänge bedecken. Der See ist von Einbäumen und siiuber gearbeiteten Booten belebt, Fischer sind mit dem Aufziehen ihrer Netze be- schäftigt. Am Strande liegen eine Bootsbauerei und hin wieder kleine Bootshütten, in denen die Fahrzeuge zum Schutz gegen den Regen untergebracht werden können. Am gegenüberliegenden Ufer ragen Die Vegetation. 2ig Alissigii (Moschee) im Padaiigschen Oberlainh'. die schöngeformten, vielgipfeligen Ketten des Barisanzuges empor, und nach Süden zu erhebt sich in der Ferne der Vulkankegel des Gunung Talang. Im ersten Drittel des östlichen Seeufers überschreitet die Bahn auf einer Brücke den Umbilien, den Abflufs des Sees, der nach Osten hin das Bergland von Tanah Datar durchbricht und in seinem Unterlaufe unter dem Namen Indragiri einen der gröfsten Ströme der Insel bildet. Jenseits der Brücke läuft bis zum Ende des Sees die Landstrafse neben der Bahnlinie hin, auf welcher Scharen von Landleuten in farbigen Gewändern, Männer, Frauen und Kinder nach dem Markte Singkara ziehen, schöne, stattliche Gestalten. Sie tragen auf dem Haupte, was sie zum Verkauf bringen wollen: Packe oder Körbe mit Früchten, viele gelbe Manga, aber auch Maiskolben, Pisang, Durian. Die spontane Vegetation der Gegend ist auf die geringen Räume beschränkt, welche die Bodenkultur frei läfst. Im Graben neben dem Wege und der Bahn sieht man aufser Gräsern und Seggen breitblättrige Caladien, diis mannshohe Acrostichum aureum, ein grofses Aspidium, Verbena, einige Kompositen und die in der 2 20 ^^^ l'adangsclic P.ovciilandeii. T.aiidscJinfi am ihtlicheii Ufer des Aleeres 7'oit Si'/j^/cain. Nähe des Kulturlandes der Tropen nirgends fehlende, eingewanderte Mimosa pudica. Merkwürdig nahmen sich neben der üppigen Vege- tation, die in ihrer saftigen Fülle einen Überflufs an Wasser und Nahrung verrät, einige dickfleischige Formen aus, wie man sie sonst nur in wasserarmen Gegenden anzutreffen gewohnt ist. Ein dick- blättriges Brv^ophyllum bewohnt in stattlichen Exemplaren die Böschungen und lebende Hecken werden hier und da von einer succulenten Euphorbia gebildet. Die Durchlässigkeit des Bodens mag es wohl diesen Nopalpflanzen erleichtem, den Kampf um den Platz mit den übrigen zu bestehen. Im See sah ich nahe am Ufer ganze Flächen des Wassers mit einer weifsblühenden Wasserpflanze bedeckt, die in ihrer Tracht an Limnanthemum erinnerte. Am Südende des Sees liegt ganz im Baumschlag versteckt der freundliche Ort Singkara, der Sitz eines holländischen Kontroleurs. Weiterhin setzt sich das Thal in Sawahfeldern nach Süden fort, durchströmt von dem Flüfschen Sumani, welches von den Hängen des Gunung Talang herabkommend den Hauptzuflufs des Meeres von Singkara bildet. Die Bahn verläuft längs des Flufsbettes nach Süden durch das breite Thal, in welchem aus den Sawah- ebenen einzelne niedere Hügelwellen aufsteigen, auf denen mit Kokoshainen und Bambusgebüschen die Dörfer und einzelne Ge- höfte liegen. Bei der Stadt Solok wendet sich die Bahn im Bogen nach Osten und steigt über einen niederen Sattel, der durch nahe heran- tretende Felsenp£irtieen mit Urwaldvegetation überhöht wird, in das enge Gebirgsthal des Flüfschens Silungkang. Die Hänge der hoch- Sawuh lunlo. 22 1 aufragenden Felsenberge sind hier fast ganz ohne Baumwuchs, nur in den tiefsten Falten klettert niederer Buschwald empor. Sonst sind die Höhen mit Graswuchs bedeckt. Die schmale Thalsohle neben dem Bache nehmen Sawahfelder ein, die iiuch an einzelnen Stellen, wie bei der Station Sungei lassi, in schmalen Terrassen an den Berghängen bis zu beträchtlicher Höhe emporsteigen. An interessanten, abwechslungsreichen Gebirgspartieen vorüber begleitet die Bahn den Bach. Die Vegetation erscheint, je weiter die Fahrt nach Osten geht, um so weniger üppig, woran wohl die Beschaffen- heit des Untergrundes, der zum Teil aus Sandstein besteht, und das Fehlen der die Feuchtigkeit regulierenden Bergwälder die Schuld tragen mag. Bei der Station Muara Kalaban treten an die Stelle der Sawahs vielfach Maisfelder, auf denen die Halme nur schmächtig und spärlich entwickelt sind. Bald hinter der Station wendet sich die Bahn von dem Bach ab nach Norden in eine enge Schlucht hinein. Ein vortretender Bergriegel wird durch einen ca. 800 Meter langen Tunnel durchbrochen. Jenseits erscheint nach kurzer Fahrt die Endstation Sawah lunto. Die Sonne hatte fast schon ihren höchsten Stand erreicht, als ich in Sawah lunto einfuhr, und ich mufste, wenn ich den Tag noch für die Suche nach dem Niphobolus angustatus ausnutzen wollte, meine Zeit sehr vorsichtig einteilen. Der Ort Sawah lunto, welcher seine Bedeutung den in seiner unmittelbaren Nähe ge- legenen Kohlengruben verdankt, hat ein wesentlich anderes Aus- sehen als die Dörfer, welche längs der Bahnstrecke die Thäler und Ebenen schmücken. Er ist ein richtiger Industrieplatz. Für die europäischen Beamten des Kohlenwerkes sind nette, villenartige Holzhäuschen am Bergeshange erbaut. Beim Bahnhof erhebt sich das aus Eisen konstruierte Fabrikgebäude, wo die Kohlen, die auf kleinen Wagen nach aufsen gefördert und über den Berghang herab transportiert werden, gesiebt und gewaschen werden. Ltmge Schuppen dienen zur Unterbringung der malaiischen Zwangsarbeiter, welche hier bei dem Bergbtiu Verwendung finden. Am Eingang des Thaies liegt auf einem plateauartigen Bergvorsprung, von Gartenanlagen umgeben, das Haus des Regierungsbeamten, eines Kontroleurs zweiter Klasse. Im Thalgrunde treten die einfachen Häuser der Malaien, der chinesischen Kaufleute um einen kleinen Marktplatz in Gruppen zusammen. In der Nähe liegt auch ein kleines Vergnügungsetablissement für die europäischen Bergleute mit Billard und Lesesaal. Em Hotel ist in dem Orte, weil kein 22 2 Die Padangsche Bovenlanden. Bedürfnis, nicht vorhanden. Ich fand aber im Hause eines dort wohnhiiften Holländers gegen Geld und gute Worte Unterkunft. Man triit mir ein Eckzimmer des Hauses ab mit besonderer Veranda, welches bis dahin vom Hausherrn als Schreibzimmer benutzt worden war. Ich bekam meine Reistafel und konnte mich dann ein Stündchen von der heifsen Bahnfahrt iiusruhen und er- holen. Um 3 Uhr ntihm ich mein Bad und brach dann mit IMario auf, um so lange, als es noch Tag war, tm den Thalhängen zu botanisieren. Unterwegs, wenn wir in die Nähe der Wohnung des Kontroleurs kamen, wollte ich mich durch Mario zum Vor- abendbesuch bei dem Herrn Westening anmelden. So gedachte ich den Tag voll auszunutzen und am nächsten Morgen die Rück- fahrt anzutreten. Das Thal von Sawah lünto ist verhältnismäfsig heifs und trocken, was n^itürlich auch in der Zusammensetzung der Vege- tation zum Ausdruck kommt. Feuchtigkeit liebende Moose fehlen fast gänzlich, die Erdfarne sind auf wenige resistente Arten be- schränkt. Da kein rechter Baumwuchs vorhanden ist, so sind auch epiphytische Farne äufserst selten. Wir mufsten lange suchen, um auch nur das Vorhandensein des auf Sumatra fast nirgends mangeln- den Xiphobolus adnascens zu konstatieren. So waren die Aussichten für die Auffindung des gesuchten Niphobolus angustatus sehr gering. Endlich aber entdeckte ich am Wegrande eine Arenpalme, deren mit den Resten der Blattscheiden bedeckter Stamm zahlreiche Epi- phyten trug, zwischen denen ich hoch oben die schneeweifs seidig glänzenden, langen Blätter der gesuchten Art zu erkennen glaubte. Der Baum stand an der Landstrafse aufserhalb des Bambuszaunes, der zu dem Garten eines malaiischen Wohnhauses gehörte. Um sicher niemandes Recht zu verletzen, sandte ich Mario in das Haus und liefs fragen, ob ich von dem Grün am Baumstamme etwas herabholen lassen dürfe. Die Erlaubnis wurde ohne Zögern erteilt, und Mario brachte zugleich eine Bambusstange mit heraus, die er an den Stamm lehnte, um sich das Emporklimmen zu er- leichtern. Als er eben seine Jacke abgelegt hatte und sich zum Klettern anschickte, geschah etwas gänzlich Unerwartetes. Ein uniformierter Malaie, ein sogenannter Uppas, der Polizist des Kon- troleurs, erschien und verbot uns das Botanisieren. Das war mir bisher auf meinen Reisen noch nicht passiert, und die Neuheit des Falles liefs mich zunächst vermuten, dafs es sich um ein Mifs- verständnis handele, aber der Uppas drückte sich mir gegenüber Seltsames Erlebnis. '2i SO bestimmt und unzweideutig aus, dafs kein Zweifel über den Stand der Sache bestehen bleiben konnte. So lernte ich hier den malaiischen Uppas von einer ganz neuen Seite kennen. Bisher hatte man ihn mir wohl geschickt, um mir eine freundliche Ein- ladung oder Gastgeschenke zu überbringen, man hatte ihn mir zum Geleit mitgegeben, wenn ich im Abenddunkel vom Gastmahl in mein Quartier zurückkehrte, man hatte mir unter seiner Führung Arbeiter zur Verfügung gestellt, die meinem Wagen über schlechte Wegstrecken hinweghalfen. Hier kam der Mann mit dem strikten Auftrag, mich an meiner Arbeit zu verhindern, und der Säbel an seiner wSeite gewann für mich die Bedeutung des Abzeichens einer mir gegenüberstehenden Amtsgewalt. Was den Herrn Kontroleur veranlafste, gegen mich, den ihm völlig Unbekannten, in dieser Weise aufzutreten, wurde mir nach- träglich klar, als ich im Gespräch mit einigen Ortseinwohnern un- befangen die Rede auf die Regententugenden des Herrn Westening brachte. Der kleine Gernegrofs hat, wie es scheint, einen unwider- stehlichen Drang in sich, wie ein neugebackener Unteroffizier das bifschen Amtsgewalt, das ihm in seiner untergeordneten Stellung zusteht, gegen Jedermann hervorzukehren. Man sagte mir, dafs in Sawah lunto keine Büffelkuh ein Kalb zur Welt bringen dürfe ohne die ganz spezielle Erlaubnis des Herrn Kontroleurs. Für die ausgezeichnete Liebenswürdigkeit, mit welcher ich bisher ausnahms- los von allen Beamten der holländischen Kolonialregierung bei meinen Reisen unterstützt worden war, bildete hier die Grofs- mannssucht einen trefflichen Hintergrund, die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Da ich es thunlichst vermeide, im Affekt zu handeln, so unterdrückte ich die Versuchung, das bekannte Citat aus Goethes Götz ins Malaiische zu übersetzen, wandte dem Uppiis den Rücken und ging mit Mario davon. Von dem beabsichtigten offiziellen Abendbesuch bei dem Herrn Kontroleur nahm ich Ab- stand. Am frühen Morgen des nächsten Tages aber, als am Kon- troleurhause die Läden noch geschlossen waren, stattete ich der Arenpalme einen Besuch ab und konstatierte, dafs an ihrem Stamme Drymoglossum, Diivallia, einige Polypodien, Niphobolus adnascens und schliefslich auch der grofse, weifsblättrige Nipho- bolus angustatus wachsen. In Sawiih lunto belehrte mich ein drolliges Erlebnis darüber, welchen Vorzug es hat, dafs die indo- malaiischen Häuser auf Pfählen über den Erdboden emporgehoben sind. Der Pavillon, in 2 24 ^^^ Pachuifjsche Rovciilaiuleii. dem ich übernachtete, stand nämlich ohne Unterbau eben iiuf dem Erdboden, und als ich in der Dämmerung mit der Cigarre auf der Veranda safs und Mario für den folgenden Tag instruierte, kamen nach einander sechs dicke, faustgrofse, graubraune, warzige Kröten aus der offenen Thür meines Zimmers hervorspaziert. Am nächsten Morgen erwachte ich vor Sonnenaufgang dadurch, dafs zart an meine Thür gepocht wurde, und als ich halb bekleidet den Kopf durch die Thürspalte steckte, sah ich in einer Reihe die sechs Kröten vor mir, die abwechselnd gegen die Holzthür hüpften und Einlafs begehrten. Sobcdd ich weiter öffnete, hüpften sie, ohne Notiz von mir zu nehmen, über meine Pantoffeln und zwischen meinen Füfsen hindurch hinein und verschwanden unter Bett und Schrank in den finstern Ecken. Mario, der die Tiere von seiner Lagerstätte aus auf der Veranda schon seit längerer Zeit beobachtet hatte, safs rauchend auf seiner Schlafmatte und erklärte schmun- zelnd: „Diese Tiere wohnen hier drinnen." Nach dem Frühstück um 8 Uhr ging ich zur Bahn und kehrte nach Padang Pandjang zurück, wobei mich der erneute Genufs der herrlichen Naturbilder während der Fahrt durch die Thäler und längs des Sees bald den Unmut über die Unverschämtheit des Beamten in Sawah lunto vergessen liefs. Noch am Nachmittag des gleichen Tages, des 7. Dezember, setzte ich von Padang Pandjang aus die Reise mit der Bahn in nördlicher Richtung fort und traf bald nach 5 Uhr in Fort de Kok, der Hauptstadt des Padangschen Oberlandes, ein. Die Stadt liegt wie Padang Pandjang auf einer regenreichen Hochebene, die auf drei Seiten von Bergzügen eingeschlossen ist und nach Norden hin in das weite Plateau von Agam übergeht. Das Gebirgsklima des Ortes, der nur wenige Meilen südlich vom Äquator liegt, ist an- genehm erfrischend und gilt als heilkräftig für Klimakranke. In dem kleinen Hotel, dessen Wirt ein Deutscher ist, war die Tafel beim Diner vollbesetzt, auch Damen und Kinder waren in der Ge- sellschaft vertreten. Man versicherte mich, dafs der gewaltige Regensturz, der bald nach meiner Ankunft einsetzte, hier ein täg- licher Gast sei, und den fördernden Einflufs der hohen Luftfeuchtig- keit iiuf die Vegetiition konnte ich, ohne einen Schritt vor die Thür zu thun, daraus ersehen, dafs sowohl an dem Hotel, ids auch an den umliegenden Häusern die unteren Ränder der Atapdächer mit einem üppigen, grünen Saum von epiphy tischen Orchideen, Famen und Moosen besetzt waren. Die Kerbauengat. 22K Für den nächsten Tag hatte ich eine Fufstour in der Um- gebung des Ortes in Aussicht genommen, zu der ich gleich nach dem ersten Frühstück mit Mario aufbrach. Wir durchstreiften die Ebene nach verschiedenen Richtungen. In Hecken und Baumgärten und zwischen den Sawahfeldern gab es allerlei zu sehen und zu sam- meln; besonders aber reicherten sich unsere Funde, als wir in die Kerbauengat hinabstiegen, eine breite Schlucht, die vom Wasser tief in den weichen, vulkanischen Tuffboden eingeschnitten ist. Im Grunde strömt ein Flüfschen mit g^elbem Wasser dahin. An seinen Ufern breiten sich im oberen Teil Reisfelder aus, zwischen denen hier und da, von Gebüschgruppen und Palmgärten umgeben, ein- zelne Höfe liegen. Die senkrechten, bis zu 120 Meter hohen Tuif- wände erscheinen aus der Ferne kahl, bei näherer Betrachtung findet man an ihnen eine Menge interessanter Lebermoosformen, Laubmoose und Kleinfarne. Die Kerbauenschlucht ist aufserordent- lich reich an malerischen P^irtieen, und in jeder Hinsicht von den Erlebnissen und Ergebnissen befriedigt konnte ich in das Hotel zurückkehren, um in den Nachmittagstunden die Verarbeitung des eingesammelten Materials vorzunehmen, wobei dem Mario die Auf- gabe zufiel, die fertigen Pflanzenpackete in der Sonne zum Trocknen auszubreiten. Gegen Abend bezog sich der Himmel wieder mit dichten Gewitterwolken, die unter unaufhörlichem Blitz und Donner ungeheure Regenmassen herabsandten. Ich hatte mich für den Abend zur offiziellen Visitenstunde bei deutschen Landsleuten zum Besuch angemeldet. Herr Dr. Preitner, der als Militärarzt im Range eines Kapitäns das grofse Militärhospital in Fort de Kok dirigiert, wohnte unweit des Hotels. Ich trotzte mit meinem Ge- birgswettermantel und einem Pajung (chinesischen Schirm) dem atmosphärischen Sturzbad, um eine Stunde des kmgen Abends in angenehmer Gesellschaft verphiudern zu können. Das Ehepaar Preitner stimmit aus München, und es stellte sich heraus, dafs Herr Dr. Preitner als Student zu Füfsen des berühmten Münchener Botanikers Nägeli vor demselben Kcitheder gesessen hatte, von dem aus ich seit einem Jahrzehnt meine Vorlesungen halte. Du gab es natürlich viel zu fragen und viel zu erzählen von der Münchener Stadt und ihrem Leben, von dem Stückchen Heimat, in dem sich unsere Interessen vereinigten. Am Samstag den q. Dezember setzte ich morgens meine Reise von Fort de Kok aus mit der Bahn fort nach Pajakombo, der End- station dieses Zweiges der Gebirgsbahn. Die Bahnfahrt, welche G ies enb .1 ge u, Java und Sumatra. IJ 226 Die Padangscte Bovenlanden. Gebir^sbaJin in dem Pada>igscheit Obirlaiide. anderthalb vStunden in Anspruch nimmt, führt durch die schöne Gebirgslandschaft wieder über eine Pafshöhe, welche hier die Wasserscheide zwischen West- und Ostküste bildet. So erreichte ich hier nochmals die östliche Abdachung des Alpenlandes und durfte hoffen, meine pflanzengeographischen Befunde ims Sawah lunto hier zu bestätigen und zu erweitern. Die Stadt Pajakombo .gewährt einen sehr freundlichen Anblick; ein breiter, schön ge- haltener Weg, von Alleebäumen beschattet, führt der Länge nach durch den ausgedehnten Ort, an ihn schliefsen sich breite Seiten- strafsen an, welche nicht minder gut gehalten sind. Die Häuser der Eingebornen sind zum grofsen Teil in der eigentümlichen Bau- art mit den spitz aufragenden Giebeldächern ausgeführt, und die Verwendung von sorgfältig bearbeiteten Hausteinen bei der An- lage des Fundamentes und der Treppen, sowie die reichen Holz- schnitzereien an den Seitenwänden und Giebelfeldern zeugen in vielen Fällen von dem Reichtum der Hausbesitzer. Unter den öffentlichen Gebäuden nehmen die Missigit und die Baley, das Versammlungshaus der Gemeinde, eine besondere Stelle ein. lun äufserst anziehendes Bild gewährte mir die Stadt Pajakombo am Sonntagmorgen, den lo. Dezember, als sich die Strafsen und der geräumige, mit festen Hallen umbaute Marktplatz mit Tausenden von festlich gekleideten Marktleuten füllten. Besonders die jungen Wochenmarkt in Pajakombo. 227 Baley, Versaiinn/iiiigshaiis einer Dorfgemeinde i>u Padangscheii Oberiande Frauen und Mädchen erscheinen bei dieser Gelegenheit in farbigen Gewändern, mit goldgestickten Sarongs, die oft wohl hundert und mehr Gulden wert sind. Ihre Hände sind mit goldenen Ringen geschmückt, in denen kostbare Steine funkeln. Halsketten und Armbänder fehlen nicht, und als Ohrschmuck werden von den jungen Mädchen drehrunde, gold- oder silberbeschlagene Holz- pflöcke von der Dicke einer Zwirnrolle im Ohrläppchen getragen. Bei den Frauen, denen, wie es scheint, dieser Ohrschmuck durch die Sitte nicht mehr erlaubt ist, hängt das tiusge weitete Ohrläpp- chen als offener Ring herab. Pajakombo und seine Umgebung sind wegen der Schönheit ihrer Frauen geradezu berühmt, beson- ders auffallend war mir die freie, aufrechte Haltung und die oft geradezu graziösen Bewegungen, welche selbst ältere Frauen zur Schau trugen. Gestalt und Gesichtsbildung der jüngeren strotzen von Kraft und Gesundheit, ein schwach durchscheinendes Wangen- rot verleiht der braunen Hautfarbe einen lieblichen Ton. Ich widmete dem Besuch des Wochenmarktes einigte Stunden und war erstaunt über die Menge und Mannigfaltigkeit der feil- gebotenen Waren. Tuchstolfe von den billigsten europäischen Druckkattunen bis zu den kostbarsten seidenen, golddurchwirkten Sarongs, Slendangs und Kopftüchern, Schmucksachen und allerlei Tand, Gebrauchsgegenstände aus Bambus, Holz und Metall, ferner 15* 228 Die Padangsche Bovenlanden. Nahrungsmittel, Obst, Gebäck, Eingemachtes und Zuckerwaren nebst allerlei Gewürzen. Gar manches war dort, dessen Namen und Verwendung ich erst von dem Verkäufer erfragen mufste, da auch Marios Wissen hier nicht immer ausreichte. Aufser den festen, aus Stein gemauerten Markthallen, die den Passar (Markt- platz) umgaben, waren auf dem freien Platze selbst Hallen und Buden aufgestellt, nur die ländlichen Verkäufer boten ihre Pro- dukte, Reis, Mais, Bananen und anderes Obst, unter freiem fiimmel feil. Ich handelte lange vergebens um einen seidenen Kinder- sarong, dessen goldgewirktes Muster mir durch die Eigenart der Kunstformen aufgefallen war. Der geforderte Preis war mir zu hoch. Mehr Erfolg hatte ich beim Einkauf einiger Messing- geschirre, die hier gearbeitet werden. Sie weisen an Kannen und Schalen bisweilen recht geschmackvolle Formen auf und sind in einfacher Weise mit Figuren und Blattwerk oder auch mit blofsen Linienornamenten verziert. Auch einige Waffen kaufte ich hier, darunter ein sehr eigentümliches, sichelförmiges Dolchmesser mit Horngriff und Holzscheide. Der Verkäufer gab mir gleich eine Erklärung über den üblichen Gebrauch dieser Waffe. Man nähert sich im gemeinsamen Bade mit dem im Sarong verborgenen Dolche seinem Feinde und schlitzt ihm un- versehen unter Wasser den Bauch auf. Mario hatte auf dem Markte einige in buntesten Farben gestickte Kindermützen entdeckt, wie sie auf Java nicht gearbeitet werden. Er ge- dachte dabei seiner Kinder daheim in Bogor, denen er gerne etwas Be- sonderes heimbringen wollte. Da der Preis der Mützen für seine Kasse zu hoch war, so erfreute ich sein Vaterherz, indem ich ihm die Kappen zum Geschenk machte. Da in Pajakombo ein Assistent - Resident seinen Sitz hat, so fehlt es in dem Orte nicht an europäischen Wohnhäusern, die meist, wie diejenigen der Eingebornen, Obstvt-ikaufe i-ii ViDH Maiki zu Pajakombo. Die Kloof van Harau. 229 hinter Vorgärten im Schatten der Kokospalmen oder anderer Fruchtbäume liegen. Es ist auch ein kleines Hotel vorhanden, in dem ich Absteigequartier genommen hatte und gegen die übliche Bezahlung iiusreichend gute Unterkunft und Verpflegung fand. Um die Vegetation der Umgebung zu studieren, unternahm ich von Pajakombo aus eine Wcigenfahrt in nördlicher Richtung. Der Wagen, ein zweirädriger Karren mit Lederverdeck, glich den- jenigen, die ich bei ähnlichen Gelegenheiten auf Java benutzt hatte, und war auch in gleicher Weise mit zw^ei kleinen Pferden bespannt, von denen das eine in der Scherendeichsel ging. Da der Weg ganz leidlich gehalten war, was gewifs bei den immer wiederkehrenden heftigen Regengüssen keine leichte Arbeit ist, so kamen wir schnell vorwärts an ausgedehnten Sawahfeldern vorüber, durch Kokoswälder und Dorfstrafsen und näherten uns in rascher Fahrt den steilen Felswänden, welche nach dieser Seite hin das weite Hochthal abschliefsen. Die Formation der Felsen ist hier sehr eigenartig; sie springen schroff und unvermittelt senkrecht aus der Ebene hervor, oben bilden sie ein Plateau, das, soviel man von unten sehen kann, ganz mit Urwald bewachsen ist. Das Wasser, welches der Regen dem Walde in grofsen Mengen zuführt, trieft an den steilen Fels"\vänden abwärts und zeichnet das Gestein mit helleren und dunkleren vertikalen Streifen. Hier und da hat sich die Wassermenge oben in einem Rinnsal gesammelt, bevor sie zum Absturz strömt, und stürzt nun als kräftiger Sprüh- regen oder in feinen Silberfäden zu Thal. Der Weg führt direkt auf die Felswände los und biegt bei einer einsamen Missigit in eine Schlucht hinein, die zu beiden Seiten von solchen senkrechten Felsmauern begrenzt ist. Das ist die Kloof van Harau, eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Padangschen Oberlandes. Vor dem Eingang der Schlucht verliefs ich den Wagen, um den interessanten Pfad, der längs eines Bächleins fast eine Stunde Wegs das Thal durchzieht, zu Fufs zu wandern. In einem wechselnden Abstand von 20 bis 200 Metern erheben sich rechts und links die senk- rechten Wände bis zur Höhe von 200 bis 300 Metern. Spalten und vorspringende Klippen unterbrechen vielfach die Einförmig- keit der wassertriefenden Mauern, und inmitten der Schlucht stürzt sich ein beträchtlicher Wasserfall, im Sturz zerstäubend, in ein Felsenbecken hinab. Man hat diese grofsartige Scenerie nicht mit Unrecht mit dem Staubbach bei Lauterbrunnen im Berner Ober- lande verglichen. Für mich gewann die Ortlichkeit noch einen ,^o Die Padangsche Bovenlanden. Eingang der Kloof van Harazt. besonderen Reiz durch die eigenartige Vegetation, die den Grund der feuchten Schlucht und die Felswände zu ihren Seiten bedeckte. Neben dem Bache, der das Thal durchfliefst, sind grofse Flächen mit dem schönblättrigen Polypodiuni Dipteris bestanden, dessen seltsam geformte Blattflächen hier besonders grofs und langgestielt sind. Dazwischen wachsen neben Gräsern und breitblättrigen Blüten- pflanzen üppig wuchernde Gleichenien, ein kletterndes Lygodium und als ein Allerweltsbürger der Adlerüirn, der ja auch in den deutschen Wäldern oft ganze Plätze mit seinen grofsen, zart ge- fiederten Wedeln beschattet. Wo das herabrinnende Wasser die Felsen feucht erhält, da gedeihen Laub- und Lebermoose oft in üppigen, saftiggrünen Polstern. Hinter einem herabstürzenden Wasserfaden im permanenten Sprühregen, der mich in wenig Augenblicken fast bis auf die Haut durchnäfste, sammelte ich eine kleine, gelbblütige Landutrikularia, eine jener zierlichen Infektivoren, die wie unsere einheimischen, viel robusteren Wasserschläuche (Utricularia) in blasenartig gestalteten Fallgruben an den Blättern kleine Wassertierchen fangen und verdauen. An trockenen Stellen Ein Hundelslnius in I'adany. 2 S 1 der P'elswände und Klippen haben sich allerlei Kpiphyten ange- siedelt, unter ihnen in Menge der seltene Niphobolus angustatus, den ich in Sawah lunto zu sammeln verhindert worden war. Mit der Kloof van Harau, die fast genau unter dem Äquator liegt, hatte ich den nördlichsten Punkt meiner Reise in dem herr- lichen Gebirgslande erreicht. Mein Weg führte nun zurück ans Meer. Ein Schiff der Paketvaart Maatschappij, welches am Dienstag, den 12. Dezember, in Emmahaven erwartet wurde, sollte mich durch den Ocean zur Nordspitze der Insel, nach Atjeh bringen. Am Montag, den ii. Dezember, traf ich mit der Bahn wieder in Padang ein. Ich fand meinen Gastfreund, Herrn Veth dort nicht mehr vor, er hatte inzwischen eine Reise angetreten. Herr Konsul Schild, der aus Batavia zurückgekehrt, die Konsulatsgeschäfte und die Eeitung des Handlungshauses wieder übernommen hatte, erklärte mir aber, dafs mein Quartier im Hause des Herrn Veth für mich bereit sei. So hatte ich für mich allein das ganze grofse Haus zur Ver- fügung und wurde nach den vom Hausherrn hinterlassenen Be- stimmungen fürstlich bedient und verpflegt. Die Zeit, die mir noch blieb, benutzte ich, um meine Sammlungen zu verpacken, und um mich etwas näher in dem umfangreichen Betriebe des Export- und Importhauses der Firma Gebrüder Veth umzusehen, wobei mir Herr Konsul Schild, als Chef der Firma, ein liebenswürdiger Führer war. In den luftigen Kontorräumen sitzen in langer Reihe die europäischen Angestellten, mit Korrespondenz und Rechnungs- führung beschäftigt. Chinesische Geschäftsträger und malaiische Manduren eilen geschäftig hin und her. Vor den umfangreichen Lagerhäusern halten Ochsenkarren und Pferdewagen, welche Landes- produkte bringen oder Einfuhrartikel abholen. Gegenüber am Ufer des Flusses liegen Prauen und Kähne, in denen Kisten und Ballen zur Ausfuhr nach dem Seehafen verfrachtet werden. In den Speicher- räumen sind gewaltige Mengen der verschiedensten Handelsobjekte aufgespeichert. Berge von Kopra, von Dammarharz, Kaffee in Säcken, Zimmtrinden zu hohen Stapeln aufgeschichtet, Rotang, ISIuskatnüsse zu Hunderten von Zentnern, getrocknete Felle und Kerbauenhorner. Dazwischen sind ganze Kolonnen malaiischer Arbeiter beschäftigt, die Landesprodukte zu sortieren und zum Ver- sand herzurichten und zu verpacken, in Säcke, in Ballen oder in Kisten, die in einer eigenen Werkstatt hergestellt werden. In der Importabteilung sind auf Böden und Regalen, in unübersehbtirer Menge, die tausend Dinge sorgsam gelagert, die Europa für den 2-12 r)ie Padangsche Bovenlanden. Bedarf der weifsen und der farbigen Tropenbewohner über das Weltmeer sendet. Auch hier wird gearbeitet und gepackt, notiert und gerechnet. Überall herrscht reges Leben und Treiben. Auf meine Bitte liefs Herr Schild für mich Proben von den verschiedenen Handelssorten der dort ausgeführten Drogen, Ge- würze und Genufsmittel für mich verpacken, die mir als Demon- strationsobjekte für den Unterricht der Nahrungsmittelchemiker er- wünscht waren. Ich bekam auf diese Weise eine umfängliche und für mich wertvolle Sammlung, die Herr Schild in liebenswürdiger Weise noch dadurch vergröfserte, dafs er mir eine ganze Reihe von ethnographischen Sammlungsobjekten zum Geschenk machte, welche er in seinem Verkehr mit den Eingebornen gelegentlich erworben hatte. Den Montag Abend verlebte ich in angenehmer Weise als Gast im Hause des Herrn Konsul Schild. Beim Diner waren aufser mir ein Tropenpflanzer, Herr Forstmann, der an den Hängen des Vulkans Merapi eine Kaffeepflanzung verwaltet, und die Damen einer dem Herrn Schild befreundeten Familie zugegen. Angeregte Unter- haltung, Vorträge auf dem Klavier und Harmonium verkürzten die Stunden, so dafs ich erst gegen Mitternacht in mein Quartier zurück- kehrte. Der Dienstag Vormittag verging mit Reisevorbereitungen und Abschiedsbesuchen. Bald nach Mittag fuhr ich im Wagen des Herrn Veth zum Bahnhof und von dort mit dem Zuge nach Emma- haven. Gegen 5 Uhr traf die „Reael" ein. Ich ging sogleich an Bord und richtete mich in der mir angewiesenen Kabine für die mehrtägige Seereise durch den Indischen Ocean ein. Schreibarbeit und das Präparieren und Trocknen der aus dem Oberlande mit- gebrachten Pflanzenschätze sollten die freie Zeit der Reisetage aus- füllen. Das Schift' blieb den Abend im Hafen liegen, und ich hatte so noch Gelegenheit, von Bord aus das schöne Bild der herrlichen Küstenlandschaft, den Palmenwald des Uferstreifens, die waldigen Bergketten, die dahinter aufragenden vielgipfeligen Züge des Barisan- gebirges und der Oberländer Berge im Glanz der ins Meer tauchen- den Abendsonne zu bewundern. NACH ATJEH UND PENANG. Die „Reael", auf der ich am Dienstag, den 12. Dezember, von Emmahaven aus die Seereise nach Atjeh antrat, ist ein mittelgrofses Schiff mit allem modernen Komfort. Die Zahl der Kajütspassagiere war nicht sehr grofs. Auf den Planken des Oberdecks aber und auf dem Hauptdeck, so weit Raum vorhanden war, hatten Hunderte von Deckpassagieren ihr Lager aufgeschlagen; malaiische Kolonial- soldaten mit Frau und Kindern, eine gröfsere Abteilung malaiischer Kettensträflinge und zahlreiche Mekkapilger stellten das Haupt- kontingent. Jedes Fleckchen und Eckchen war ausgenutzt, man konnte nicht von einem Ende des Schiffs zum andern gehen, ohne wenigstens ein halbdutzend Male über liegende Schläfer oder herum- krabbelnde Kindchen hinweg zu steigen. Zu den Mahlzeiten wurde ein gewaltiger Kessel mit Reis aus der Küche herbei gebracht und eine Tonne mit Fischen. Alle Deckpassagiere defilierten vor- bei und bekamen auf die bereitgehaltene Schale aufgekellt. Zu Anfang liefs sich die Reise recht gut an. Das Schiff fährt zu- erst ziemlich direkt nach Westen durch die Siberut-Strafse, zwischen der nördlichsten Mentavei-Insel und den Batu-Eilanden hindurch ins offene Meer hinaus. Dort richtet es seinen Kurs nach Nordwest, so dafs die langen Wellen des Oceans es von der Seite packen, wodurch auch bei verhältnismäfsig ruhiger See das Schiff zum Schlingern und Stampfen kommt. Hinzu kam nun noch, dafs schon vom Mittwoch Vormittag an eine Regenbö die andere ablöste. Die Kraft des Windes steigerte sich mehr und mehr, so dafs wir bald recht tüchtigen Seegang hatten, dessen schaumgekrönte Wogen das Schiff hoben und senkten, hinüber und herüber warfen und in weifsem Gischt über die regennassen Deckplanken stäubten. Von den Kajütspassagieren fehlten bei Tisch mehr als die Hälfte, und manchem, der mutig gekommen, war der Appetit vollständig ver- gangen. Noch schlimmer sah es bei den eng zusammenliegenden Deckpassagieren aus, dort war die Seekrankheit, wie mir schien, 2 2 1 Nach Atjeb und I'cnang. ansteckend geworden. Man wird es begreiflich finden, wenn ich es vermeide, die mancherlei vScenen, welche sich an den Sturm- tagen unter den malaiischen Deckpassagieren abspielten, eingehen- der zu schildern. Ich fürchte fast, dafs eine realistische Beschreibung all des grauen Elends noch jetzt bei sensiblen Naturen ansteckend wirken könnte. Mein alter Mario hatte sich früher als ziemlich see- fest erwiesen. Diesmal hatte es ihn auch erwischt. Die Krankheit kam bei ihm zwar nicht zum vollen Ausbruch, er war aber zu nichts zu gebrauchen und lag tagsüber in meiner Kabine zwischen Bett und Wand im Winkel zusammen gekauert. Wenn ich nach unten kam, um mich umzukleiden oder mir ein Buch oder Cigarren zu holen, so stöhnte er jedesmal: tuan, banjak orang sakit sini (Herr hier sind so viele Leute krank geworden). Es sollte wohl eine Ent- schuldigung sein für sein Nichtsthun. Ich liefs ihn mitleidig in Ruhe. An PÜanzentrocknen wtir bei dem strömenden Regen doch nicht zu denken, das Schreiben wollte ^luch nicht recht gehen. So setzte ich mich, in den Wettermantel gehüllt, an einen gegen das Spülwasser der überkommenden Seen geschützten Platz des Decks auf eine Bank und schaute durch die Spalte zwischen zwei Ab- schnitten des zum Regenschutz ringsherum ausgespannten Segel- leinens in die wildbewegten Wogen hinaus. Meine Gedanken gingen spazieren, rückwärts und voraus, in die Nähe und in die weite Ferne, zur lieben deutschen Heimat und zu all den Lieben, die ich bei meiner Heimkehr wieder zu finden hoffte und von denen ich erst wieder in Medan an vSumatras Ostküste Nachricht erwarten durfte. Ich ahnte noch nicht, dafs daheim im kleinen Vaterstädtchen zwei liebe, alte Augen, auf deren frohes Aufleuchten bei meiner Heim- kehr ich mich ganz besonders freute, sich schon vor Wochen für immer geschlossen hatten. Am Donnerstag Abend wurde der Wind und die See ruhiger, die Regenwolken verzogen sich mehr und mehr, und endlich glänzte mildes Mondlicht über den sich glättenden Wogen. Wir hatten in der Höhe der Insel Nias nördlichen Kurs genommen und waren an den Banjak-Eilanden vorbei in den Schutz der Insel Pulu Babi gelangt, die den Seegang des offenen Oceans bricht. Nach einer ruhigen Nacht hatten sich so ziemlich alle Kranken wieder erholt, und nach dem gründlichen Deckwaschen am Freitag Morgen war auf dem Schiff wieder alles in der gewohnten Ordnung. Die Sonne stieg am Freitag Morgen strahlend über der schönen, waldigen und gebirgigen Küste von Sumatra, der wir uns während der Nacht auf Kota Radja. 2^5 Strand ht'!. Oieh-leh lirAtjeh. Sehweite genähert hatten, am wolkenlosen Himmel empor. Gegen Mittag fuhren wir im Bogen durch die sogenannte Ceder-Passage zwischen kleinen, schön bewaldeten Felseneilanden hindurch und an dem Vorgebirge Atjeh-hooft vorüber in die weite Bucht hinein, in welcher der Hafenplatz Oleh-leh liegt. Das Meer der Bucht ist sehr ilach; es mufste unausgesetzt gelotet werden und endlich warfen wir weit draufsen auf der Rhede Anker aus. Der Hafenplatz Oleh-leh liegt in dem ausgedehnten Flufsdelta des Atjeh-Flusses, welches nach Ost und West von waldig-en Höhen- zügen eingefafst ist. Das Land in der nächsten Umgebung ist flach, vielfach sumpfig und in der Nähe der Küste ist eine umfangreiche Haff- und Lagunenbildung vorhanden. Über dem östlichen Höhen- zuge ragt landeinwärts der Vulkan Selawa Djanten, etwa 1800 Meter hoch, empor, der „Goldberg", welcher als Landmarke an der nörd- lichsten Spitze von Sumatra in Reisebeschreibungen sehr oft ge- nannt wird. Die „Reael" hatte in Oleh-leh Soldaten ans Land zu setzen und Ladung zu löschen. Sie blieb deshalb bis zum Samstag Abend auf der Rhede liegen, und ich hatte Zeit genug, um mich am Lande umzusehen. Ich liefs mich samt IMario und dem nötigsten Gepäck von einer Praue an den Landungssteg bringen und fuhr mit einem Sado, auf gut gehaltener Landstrafse, durch die Sumpfgegend nach dem etwa vier Kilometer entfernten Kota Radja, der Hauptstadt des Landes, wo ich in dem europäischen Hotel Unterkunft fand. Den Nachmittag benutzte ich zu Streifzügen durch die Stadt und ihre nächste Umgebung, in der manche Denkmäler von der ehe- maligen Macht und Gröfse der jetzt vertriebenen malaiischen Fürsten und von der früheren Bedeutung des Ortes als Residenz des Königs 236 Nach Atjeh und Penaiifj. zeugen. Die Stadt in ihrer gegenwärtigen Gestalt breitet sich zu beiden Seiten des Atjeh-Flusses aus. Einen malerischen Blick ge- niefst man von der neuen Brücke aus, welche den Verkehr zwischen beiden Stadtteilen vermittelt. An den beiden Flufsufern liegen Pfahlbauhütten der Eingebornen im Schatten der Baumkronen. Geradeaus, über dem Wasser des Stromes, liegt in einem besonderen Stadtteil die neue Moschee, ein schönes Gebäude, das mit seinen weifsen Säulen und Gesimsen und mit seinem breiten Kuppeldach über die Baumkronen der Umgebung hervorragt. Den wirkungs- vollen Hintergrund bildet der Höhenrücken in der Ferne. Die Stadtteile, welche von den Eingebornen bewohnt werden, bieten nicht viel Besonderes. Durch die Einfuhr von Javanen, Maduresen und Ambonesen, welche die jahrelange Kriegführung der Holländer mit den Atj ehern mit sich gebracht hat, durch die Einwanderung von Chinesen, Klings und anderen festländischen Volkstypen, ist die Eigenart der Landesbewohner hier in der Stadt so sehr ver- wischt worden, dafs man durch das Strafsenbild und durch den Ver- kehr bisweilen an einzelne Stadtteile von Singapore erinnert wird. Der europäische Teil der Stadt trägt ein durchaus militärisches Gepräge. Soldaten- und Offizierswohnungen, ein sehr ausgedehntes Militärlazarett von fester Mauer umgeben, ein militärisches Gesell- schaftshaus, Soldaten in Uniform, die in Trupps oder in Gruppen durch die Strafsen ziehen, alles erinnert daran, dafs das Land sich seit Jahren im Kriegszustande befindet. Meilenweit landeinwärts ist allerdings gegenwärtig das Flufsthal und seine nächste Um- gebung von bewaffneten Feinden gesäubert und mit Kolonial- truppen besetzt. In den schwer zugänglichen Wäldern aber und im Gebirge sammelt der vertriebene Atjeher Fürst immer und immer wieder brechend Tod im alten Groll seine Getreuen, um hervor-, und Unheil über das Land zu bringen. Und Jahr für Jahr müssen die Holländer grofse Aufwendungen an Geld und an Menschen- leben machen, um sich in dem Besitz des Landes zu erhalten und um diejenigen zu schützen, die ihre Oberherrschaft im Lande anerkennen. Seit einigen Jahren hat man, um den Verkehr in dem eroberten Lande zu heben und um leicht und schnell Truppentransporte an die bedrohte ';^~ Front bringen zu können, eine Eisen- j4^/es Grabdenkmal in dem Kraion, Kota Radja in Aijeh. J^:,. Bahnfahrt durch Atjeh. 237 bahn in Betrieb gesetzt, welche von Kota Radja aus, etwa fünf geographische Meilen weit, ins Binnenland bis zu der Station Selimun führt. Die Züge, welche in regehnäfsigen Zwischen- räumen auf dieser Strecke verkehren, befördern gegen Entgelt die Eingebornen, welche von und zur Stadt fahren, und selbstver- ständlich ist auch Gelegenheit zur Beförderung europäischer Passa- giere gegeben. Ich beschlofs am Samstag, von dieser Gelegen- heit Gebrauch zu machen, um auch das Innere des Landes aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Um eine Regierungs- erlaubnis zu dieser Reise hatte ich allerdings nicht nachgesucht; sie würde auch wohl kaum erteilt worden sein, da ja das Reisen in dem Lande , wo ab und pfi aus Verstecken auf die Weifsen ge- schossen wird, zu gefährlich ist, als dafs das Gouvernement für die Sicherheit eines fremden Reisenden die Verantwortung leichten Herzens übernehmen könnte. War ich aber erst einmal mit der Bahn bis nach Selimun gelangt, so konnte man mich höchstens mit dem nächsten Zuge zurückschicken. Ich hatte dann doch immer schon von der Bahn aus ein gutes Stück von der Vegetation, von dem Kulturzustande des Landes und von dem Leben seiner Be- völkerung gesehen. Der Samstag war ein schöner, klarer Tag. Als eben die Morgensonne das Küstengebirge vergoldete, war ich mit Mario am Bahnhof. Man gab uns, ohne nach einer Regierungserlaubnis zu fragen, die gewünschten Fahrkarten, die aus drei Etappenbillets zusammengesetzt waren. Die Einrichtung der Rückfahrkarten kannte man nicht. Um 6 Uhr 20 Minuten erfolgte die Abfahrt des kleinen Wagen- zuges, in dem ich als einziger Europäer fuhr, während Mario in der dritten Wagenklasse eine zahlreiche Gesellschaft von Malaien verschiedener Stämme antraf Ich konnte während der Fahrt kurze Notizen in mein Tagebuch einzeichnen, die vielleicht, da sie in die Verhältnisse eines so wenig bereisten Landes einen Einblick ge- währen, nicht ohne Interesse sind. Ich will sie deshalb hier un- verändert folgen lassen, erklärende Bemerkungen setze ich in Parenthese hinzu. „Zuerst durch die Stadt an Citadelle und Kampementen (= Militärquartieren) vorüber, dann nach draufsen. Wenig Bam- bus. Kapok mit zum Teil zerfressenen, herbstroten Blättern, Klapperbäume (= Kokospalmen) und einige andere Palmen. Al- bizzia und Hibiscus tiliaceus; wenige alte Bäume. Bananen sehen 2 ^8 Nach Atjeli und Penang. schlecht aus. Viel Busch und Grasflur, einzelne Zuckerrohrfelder, später Sawahs. — Wir kommen den Bergen näher. Grasige Hänge, in den Rinnen und nach oben hin mehr waldig. In der Ferne voraus erhebt sich ein Vulkankegel Namens Slimon (?). (Dieser Name wurde mir dort auf Befragen angegeben. Vielleicht war aber meine Frag'e nicht ganz verstanden worden, vielleicht ist avich dieser Name im Volk gebräuchlich. Gemeint ist der Goldberg", Selawa Djanten, an dessen Fufse der Ort Selimun liegt.) — Station Lam baru. Fandleute mit Früchten warten auf den Zug" nach Kota Radja. Atjehweiber sehr dunkel, mit grofsen Öffnungen in den Ohrläppchen, wie in den Padangschen Bovenlanden. Die Atjeh- männer haben krauses, schwarzes Haar, dunkle Hautfarbe. ]\Iilitär- station. — Gegend unverändert, Fächerpalme ohne Stamm (= junge Talipotpalme). Station Niroen auf freiem Felde. — Sawahs. Einige abgeblühte Fächerpalmen, Corypha umbraculifera. Der Stamm schliefst mit dem Blütenstand ab. Blätter etwa wie Livistona, meist schon blattlos. Kleinblättrige Dischidia (eine epiphytische Blütenpflanze aus der Familie der Asclepiadeen), ferner Drymo- glossum in beiderlei Form der Blätter. In den niederen, sumpfigen Strecken viel Typha, ferner Acrostichum aureum. — Alte Grab- stätte, flache Hügel mit Gruppen von schön behauenen Grabsteinen. I^s geht längs der Bergkette fort. Am Fufs derselben ein Pidmen- saum. Auch links eine allerdings niedere Hügelreihe sichtbar, hinter welcher voraus der Vulkan Slimon (= Selawa Djanten) mit schwerer Rauchwolke im vSonnenschein liegt. Voraus eine ganze Kette vulkanischer Kegel. Zeitweilig mehr Baumwuchs. Epiphyten: Asplenium Nidus und Davallia. Station Sibreh ohne Stations- gebäude. — Station Suahari (?), Passarbuden (= Verkaufszelte auf dem Markt) aus Atap. Landschaft: Sawah, Palmensaum, Bergkette, darüber der Vulkan. Wo Kampongs (= Dörfer) in der Nähe, mehr Bäume, Hühner, Enten. — Zug" hält iiuf freiem Felde, kein An- zeichen einer Station. Einige Arbeiter steigen aus. Kleine Ziegen- herde im Felde. Station Gle Kambing. Vor der Bergreihe rechts liegt eine lange Strecke weit ein hügeliges, fast dünenartig gebil- detes Terrain, darauf die Alilitärstation. Malaiin im roten Sammet- jacket im Zug nach Kota Radja (der hier mit unserm Zuge kreuzte). Militär steigt ein. Lokomotive deutsches Fabrikat aus Linden vor Hannover. Bahn längs des Flusses, drüben Missigit und Ortschaft. Erstere k la Bovenlande, nur flacher und auf uraltem Unterbau, letztere modern mit Wellblechdächern. — Terrain steigt. Auf Selimun. 239 Alte inahnische Grabmäler in Atjeli. Brücke über den Flufs. Boden wellig. Sawahterrassen. Station Keumiröe. — Station? Weiche auf freiem Felde. — Stcition T.am- paku, — Station Lam Pisang-. Arbeitstier: Höckerkuh. Brücke über den Flufs. Viel Amorphophallus (= eine riesige Aroidee mit breiten, gelappten Blattflächen auf armdicken, krautigen, braun- gefleckten, über meterhohen Stielen). Die Fr^luen tragen hier lange Hosen. Opuntia als Heckenpflimze. Weidenbäume längs der Bahn. Station Selimun." In dem Gesamteindruck von dem Kulturzustand des Landes machte sich doch die kriegerische Lage hervorragend bemerkbar. Überall sind Militärstationen gebaut, und die Uniformen der Trup- pen fehlen selten in der Staffage der Bahnstationen. Auch die Haltung der Eingebornen, die relative Beschränkung des wenige Sorgfalt verratenden Feldbaues, die offene Lage des Landes, in dem alte Bäume fast ganz fehlen, erinnern daran, dafs der unglück- 24.0 Nach Atjeh und Penang. selige, endlose Krieg die Greuel der Verwüstung vor wenig Jahren durch diese Gefilde gewälzt hat. Der Ort Selimun liegt unmittelbar an der Front des pacifi- zierten Gebietes. Das kleine, unbedeutende Dorf der Eingebornen, dem ursprünglich der Name Selimun zusteht, liegt abseits. In der Hauptsache besteht der Ort jetzt aus militärischen Gebäuden, die zur Seite des Bahnhofes auf einem Hügel gruppiert sind. Der ganze Platz ist mit Drahtumzäunung versehen, die Zugänge an den Strafsen und am Bahnkörper sind mit Wachposten besetzt. Als ich mit Mario auf einem der Wege, vom Bahnhof kommend, den Ort verlassen wollte, stellte sich mir ein maduresischer Soldat ent- gegen und erklärte mir, er habe den Befehl, niemand passieren zu lassen, der nicht eine Erlaubnis des Kommandanten aufweisen könne. Ich mufste also umkehren und wandte mich an den Kom- mandanten, der nicht weit davon die Platziibmessung für einen militärischen Neubau beaufsichtigte. Herr G. C. E. van Daalen, Kapitein van den Generalen Staf, der Oberbefehlshaber an diesem für die Kriegführung gewifs sehr wichtigen Platze, lud mich, als ich ihm mein Anliegen vorgetragen hatte, sehr freundlich ein, zu- nächst in seinem Hause eine Erfrischung zu nehmen. Beim frischen Trunk erklärte er mir, dafs ich mich, wenn ich allein in das Vor- gelände gehen und gar bis an den erst in einigen Stunden zu er- reichenden Bergwald vordringen wollte, direkter Lebensgefahr aussetzte. An dem Ernst dieser Mitteilung war nicht zu zweifeln, und so mufste ich es mir versagen, die Urwaldvegetation dieses Teiles von Sumatra aus eigener Anschauung- kennen zu lernen. Ganz unverrichteter Sache brauchte ich aber doch nicht zurückzu- kehren. Der Herr Kapitän verhalf mir dazu, dafs ich in dem freien Gelände botanisieren und an den Baumstämmen nach Epi- phyten suchen konnte. Während ich mit dem dreijährigen Töchter- chen des Hauses scherzte, das in Hemdhöschen auf der Veranda spielte und zutraulich den fremden Gast am Bart zupfte, gab Herr \an Daalen einer wartenden Ordonnanz einen Auftrag. Bald er- schien vor dem Hause eine Korporalschaft maduresischer Truppen unter Führung eines holländischen Unteroffiziers, der dahin in- struiert wurde, dafs er mich zu meiner Sicherheit auf einer Tour durch die Felder zu begleiten und wieder an eine Station der Bahn nach meinem Wunsch zurückzuführen habe. Nachdem ich mich mit herzlichem Dank von dem Kommandimten verabschiedet hatte, rückte ich mit meiner Truppenmacht zum Thor hinaus. Draufsen Ein Atjeb-Dorf. 24 1 wurde auf Kommando des Unteroffiziers scharf geladen, dann zogen wir weiter im heifsen Sonnenbrande durch die Sawahfelder und über unbebaute Flächen. Meine botanische Ausbeute war nicht sehr grofs, es wuchsen an den Feldrainen und Grabenrändern nur die gewöhnlichsten Gräser und Kräuter, die ich schon bei Kota Radja gesehen hatte. In flachen Tümpeln war eine grofse Marsilia auffällig häufig. Wo Baumgruppen waren, wurde nach Epiphyten gesucht. Auch davon war nicht viel zu finden. Die Verwüstung des ehemaligen Baumbestandes zu Kriegszwecken hat offenbar auch die baumbewohnenden Farne dezimiert. Ich fand nur einen einzigen Niphobolus, und auch diesen trotz alles Suchens nur in kümmer- lichen Exemplaren und ohne Fruktifikation. Die braunen Soldaten hatten mein Treiben anfänglich aufmerksam beobachtet, bald fing der eine und andere an, hier und dort etwas Grünes zu sammeln und mir zu überbringen, und schliefslich botanisierte die ganze Truppe. Dafs ich das allermeiste nach flüchtigem Anschauen wieder fortwarf, kränkte niemanden, es schien fast noch zu gröfserem Eifer anzuspornen. Wir kamen schliefslich am Ufer des Atjehflusses in die Nähe eines Dorfes. Da ich mich im Schutz der Patrouille sehr sicher fühlte, so sah ich mir das Dorf auch im Innern näher an. Die in der Anlage sehr ordentlichen und zum Teil mit geflochtenen Zieraten geschmückten Häuser sind alle alt und halb verfallen, ein Zeichen, dafs hier die Not des Krieges den ehemaligen Wohlstand vernichtet hat. Sie stehen auf Pfählen über dem Grund. Die Trag- pfeiler sind aber nicht in den Boden eingelassen, sondern sie ruhen auf scheibenförmig zugehauenen Steinen. Der Zugang zum Haus- innern wird durch eine breite Treppe erreicht. Die Thüröffnung ist nicht verschliefsbar. Um den Zugang zu versperren, wird ein Flechtwerk über die Treppe gelegt, so dafs die Stufen verdeckt sind. Neben jedem Hause ist ein Brunnen für Trinkwasser an- gelegt. Die Brunnenhöhlung verschmälert sich oben halsartig, die Mündung wird von Steinen gebildet, in manchen Fällen von einem einzigen, kreisförmig durchbohrten Stein, dessen Öffnung so eng ist, dafs nur eben das zum Wasserschöpfen dienende Bambusrohr hindurchgeht. Der Brunnenrand liegt wenig über der Bodenober- fläche, die nächste Umgebung ist mit Steinen abgedämmt. Im übrigen ist der Boden in den Dorfstrafsen schlammig weich und vom Vieh zertreten. Bei einzelnen Häusern standen Fischerei- geräte, Reusen und Bungen aus Rotanggeflecht. Menschen waren Giesenhagen, Java und Sumatra. I6 2 12 Nach Atjeh und Penang. wenige zu sehen. Einige alte Weiber gaben mürrisch Antwort, als wir nach dem Weg fragten. Vor einem Hause safs ein jilter Hadji, ein Mekkapilger, der mit lauter, singender Stimme im Koran las. Die Soldaten begrüfsten den Alten ehrfurchtsvoll, indem sie mit den gegen einander gekehrten Handflächen seine ausgestreckte Hand berührten und dann die Hände in gleicher Stellung gegen ihre Stirn hoben. Die Kokospalmen und Obstbäume, welche aufser den Bambusgebüschen in dem Dorf und um dasselbe wuchsen, trugen fast gar keine Epiphyten. Da es allmählich Zeit wurde, zur Bahn zu gehen, um einen gelegenen Zug nach Kota Radja zu erreichen, so kehrten wir dem Dorf den Rücken und gingen durch die Felder der nächsten Haltestelle zu, die durch eine weifse Holz- tafel mit aufgeschriebenem Stationsnamen bezeichnet war. Dort nahm ich Abschied von dem Patrouillenführer und den Soldaten und wartete mit Mario am Feldrain, bis der Zug von Selimun ein- traf, der uns in ungefähr zwei Stunden nach Kota Radja zurück- brachte. Am Nachmittag um 5 Uhr fuhr ich nach dem Hafenplatz Oleh-leh zurück und liefs mich von einer Praue an Bord der „Reael" übersetzen. Nachts 12 Uhr wurden die Anker zur Weiter- fahrt gelichtet. Ich freute mich von Herzen des gelungenen Tricks, der es mir ermöglicht hatte, auch einen Blick auf die Vegetationsverhältnisse des nördlichsten Teiles von Sumatra zu werfen. Dafs ich dabei ohne Regierungserlaubnis gewesen war, machte mir geringe Sorge. So ganz ungestraft sollte ich aber doch nicht davonkommen. Der forcierte Marsch in der Tropensonne, das Warten auf freiem Felde und die zweistündige Rückfahrt in den schweifsnassen Kleidern waren doch auch für meinen an Reisestrapazen gewöhnten Körper eine zu starke Zumutung gewesen. Schon am Sonntag spürte ich einen dumpfen Schmerz in der Gegend der plica sigmoidea, der mir anzeigte, dafs ein Dysenterieanfall in der Entwickelung be- griffen sei. Ich ging deshalb von der sehr kräftigen Schififskost zu einer leichteren Diät über und beschlofs, mich während der nächsten Reisetage möglichst ruhig zu halten, ohne dafs dadurch der Verlauf der unangenehmen Tropenkrankheit aufgehalten worden wäre. Das Schiff legte in den nächsten Tagen noch an drei Küsten- plätzen von Atjeh an. Am Sonntag Morgen waren wir in Segli, abends in Telok Semaweh und Montag früh in Edi. Da der Auf- enthalt des Schiffes vor diesen Plätzen nur kurz war, so mufste ich schon deshalb auf Touren am Lande verzichten. In Telok Durch die Strafse von Alalakka. 243 Semaweh sandte ich Mario ans Land, um im Toko (= chinesisches Warenhaus) Kakes für mich zu kaufen. Er brachte die Nachricht mit, dafs am Lande weit und breit an den Bäumen keine Spur von epiphytischen Farnen zu finden sei. Da wir während der ganzen Fahrt schönes Wetter hatten, so konnten wir die Tage in bester Weise zum Pflanzentrocknen ausnutzen. Ich fand aufserdem genügend Zeitvertreib in der Unterhaltung mit den Kolonial- soldaten, die das Schiff nach Edi bringen sollte. Es waren zum Teil Ambonesen, ein Malaientypus, der als besonders mutig und abenteuerlustig bezeichnet wird. Einer von diesen Leuten fragte mich, ob ich ihn nicht als Diener mit nach Europa nehmen wollte, er möchte so gerne das Land kennen lernen, wo das Wasser im Musim dingin (in der kalten Jahreszeit) wie Stein und der Regen wie Salz sei. Er hatte aber noch zwei Jahre in der Kolonialarmee zu dienen, bis die zwölfjährige Dienstzeit, zu der er sich verpflichtet hatte, beendet war. Mein nächstes Reiseziel war das Tabaksland Deli in der Resi- dentschaft Sumatra Ostküste. Dort weilte zur Zeit unter den deutschen Tabakspflanzern einer meiner Verwandten, in dessen Gesellschaft ich das Weihnachtsfest verleben wollte. Um die kleine Strecke von Edi nach Belawan-Deli zurückzulegen, die auf direktem Wege kaum einen halben Tag Seefahrt erfordern würde, mufste ich einen gewaltigen Umweg machen. Die Schiffe der Linie, mit der ich fuhr, gehen von Atjeh quer durch die Strafse von Malakka nach der Insel Penang und kehren von dort auf dem gleichen Wege über Atjeh und Padang nach Batavia zurück. Von Penang aus aber verkehren verschiedene Schiflfslinien nach Bela- wan, dem Hafenplatz der Provinz Deli. Am Montag den ig. Dezember nachmittags 4 Uhr traten wir von Edi aus die Fahrt über die Meeresstrafse an. Das Meer war ruhig. Ein schöner Sonnenuntergang zeigte uns den Abendhimmel und den am Horizont verschwindenden Küstenstrich in magischer Beleuchtung. Am Dienstag Morgen bei Sonnenaufgang war vor uns bereits die bergige Insel Penang aus dem Meere aufgetaucht. Einige kleinere waldige Felseneilande beschien die Morgensonne links von unserer Fahrtrichtung. Der Hauptort der Insel Penang, die Stadt Georgetown, liegt an der dem Festlande von Malakka zugewendeten Ostküste des Eilandes. Wir näherten uns schnell dem Lande und fuhren bald in die Meeresstrafse zwischen Insel und Festland hinein, wo ungeheure Schwärme von grofsen Quallen 16* 24.4 Nacli Atjeh und l'enung. das ]SIeerwasser belebten. Das Fahrwasser ist hier flach und schmal und erfordert unausgesetzte Lotung. Gröfsere Schiffe legen sich ziemlich weit draufsen auf der Rhede vor Anker. Mario hatte mein Gepäck und die Pflanzenpackete rechtzeitig für den Transport vorbereitet. So konnten wir uns bald nach 8 Uhr am ^Morgen, nachdem das Schiff festgemacht war, mit einer malaiischen Praue an Land setzen lassen. An der Landungsbrücke liefs ich zunächst Mario mit den Sachen zurück und fuhr mit einem Wagen in das Hotel de l'Europe, das mir empfohlen worden war. Leider wurde ich dort nicht angenommen, da die deutsche Wirtin, welche mich vor der Thür empfing, erklärte, es seien alle Zimmer vergeben. Ein schwarzer Kerl, der sich in der Erwartung, sich einen Führer- lohn zu verdienen, cui meinen Wagentritt hängte, schlug mir ein anderes Hotel vor, dessen Name, Grand Hotel, ganz verlockend klang. Das Haus war aber durchaus zweiten Ranges. Ich war indes froh, überhaupt ein Unterkommen zu finden, und fuhr, nach- dem ich dort ein Zimmer für mich belegt hatte, zum Landungssteg zurück, um Mario Anweisung zu geben, wohin er meine Sachen bringen sollte. Während der heifsen Zeit hielt ich mich zu Hause, und Mario konnte auf der Veranda Pflanzen trocknen. Am Nach- mittag fuhr ich zum deutschen Konsulat, wo ich einen Brief vor- fand von meinem Vetter Paul Friedrichsen, der sich zur Zeit in Medan aufhielt und mich zu Weihnacht erwartete. Aus der Heimat durfte ich die nächste Nachricht erst in jMedan erwarten, da der Umweg über Penang nicht in meinem ursprünglichen Reiseprogramm angegeben war. Lii Konsulat erfuhr ich zugleich, dafs ein Schiff des Norddeutschen Lloyd, die „Sumatra", am Abend eintreffen und am 2 1. Dezember nach Belawan Deli weiterfahren werde. Den Ge- nufs, einmal wieder auf einem deutschen Schiff mit seiner Eleganz, Ordnung und Sauberkeit zu fahren, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ich belegte also einen Platz auf der „Sumatra" und kehrte auf einem Umwege durch die Hauptstrafsen der vStadt in mein Hotel zurück. Georgetown ist in ähnlichem Sinne wie Singapore eine chinesische Stadt. Die Anlage der Häuser und Strafsen, das Strafsenleben ähneln in mancher Beziehung dem, was ich aus Singapore darüber berichtet habe. Nur ist Georgetown viel kleiner und im ganzen stiller. An das Europäerviertel in der Nähe der Landungsbrücke schliefsen sich Strafsen an, in denen vorwiegend chinesische Kaufleute und Handwerker wohnen. Daneben bilden Klings und Malaien einen wesentlichen Bestandteil der Bevölkerung. Penansr. 245 Leichte Wagen, mit Pferden bespannt, und Rikschahs dienen auch hier dem Personenverkehr. Den Besuch des Innenlandes mufste ich mir für den folgenden Tag aufsparen. Am Mittwoch Morgen lag die „Sumatra", ein schönes, weifsgestrichenes Schiff, auf der Rhede vor Anker. Ich liefs mich hinüber rudern, begrüfste den Kapitän, den ich schon bei meinem Aufenthalt in Singapore im August kennen gelernt hatte, und suchte mir eine Kabine aus. Dann kehrte ich an Land zurück und sandte ein Telegramm nach !Medan an meinen Vetter, um ihm meine Ankunft für Freitag den 22. Dezember in Aussicht zu stellen. Der Schonung dringend be- dürftig, verbrachte ich die heifseste Zeit des Tages wieder im Schutz des Hauses, mit Schreibarbeit und Pflanzenordnen beschäf- tigt. Vielleicht wäre es für meinen Gesundheits- oder richtiger Krankheitszustand besser gewesen, wenn ich überhaupt während der Tage in Penang mich vollständig ruhig gehalten hätte. Ich mochte aber nicht darauf verzichten, wenigstens einen Blick auf die Kulturpflanzungen und auf die ursprüngliche Vegetation der Insel zu werfen, deshalb bestellte ich mir für den Nachmittag einen Wagen und liefs mich landeinwärts fahren. Am liebsten wäre ich in das Gebirge hinauf gegangen und hätte mir dort an dem klassi- schen Standort den nach der Insel benannten Niphobolus penan- gianus aufgesucht, eine Art, die ich bereits im fernen Südwesten von Sumatra bei Kepahiang im Barisangebirge gesammelt hatte. Aber ich merkte, als ich an den Fufs der Berge gekommen war, dafs ich meinem Körper eine gröfsere Leistung nicht mehr ohne Schaden zumuten durfte. So ging ich langsam neben meinem Wagen her zur Stadt zurück und begnügte mich, das zu sammeln, was dort in einem wSteinbruch am Fufs der Berge, am Strafsenrain und zwischen den Palmengärten zu finden war. Ich fand dort die Vegetation nicht viel anders zusammengesetzt, als sie iiuf der Insel Singapore war. Am Donnerstag, den ich noch bis zum Mittag am Lande zubrachte, erlaubte mir mein Zustand noch weniger irgend welche mühevolle Unternehmung. So ging ich denn gleich nach dem Frühstück an Bord der „Sumatra", hoffend, dafs ich in Medim Gelegenheit finden werde, von den Anstrengungen des Reisens auszuruhen und mit ärztlicher Hülfe bei sachgemäfser Verpflegung die Krankheit zu überwinden, die sich allmählich immer un- angenehmer bemerkbar machte und mir zur Fortsetzung meiner Streifzüge nicht den Mut und die Lust, wohl aber die physische Kraft nahm. DAS TABAKSLAND DELL Wenn ich statt der geographischen Bezeichnung der bereisten Landstrecken eine allgemeine Inhaltsangabe als Überschrift der einzelnen Kapitel meines Buches gewählt hätte, so hätte ich vor allen anderen diesen Abschnitt überschreiben müssen: Indische Gastfreundschaft. Krank und abgespannt kam ich nach Deli mit keiner andern Aussicht, als tagelang in dem kahlen, unbehag- lichen Zimmer eines indischen Hotels meine Gesundheit pflegen zu müssen. Ich schätzte es als einen grofsen Vorzug, dafs mir dabei wenigstens ab und an die Gesellschaft meines Vetters, den ich jahrelang nicht gesehen hatte, die langen Stunden verkürzen würde. Im günstigsten Falle, wenn ich mich schnell genug erholte, konnte ich dann noch eine Tabakspflanzung in der Nähe der Eisenbahn besuchen, bevor ich nach Batavia zurückkehrte. Das war alles, was ich zu erwarten hatte, — und wie ganz anders hat sich mein Aufenthalt in dem gastlichen Lande gestaltet, wie behaglich habe ich dort gelebt, wie reiche Gelegenheit wurde mir geboten, Land und Leute kennen zu lernen. Als ich kam, wurde ich nur von Einem erwartet, als ich wieder fortzog, hatte ich von Vielen Ab- schied zu nehmen, die mir Freundlichkeit, ja Freundschaft entgegen- gebracht hatten und die mit Teilnahme meinen weiteren Weg ver- folgten. So sind mir an den Aufenthalt in Deli viele angenehme Erinnerungen geknüpft, aber es fehlt auch der Tropfen Wermut nicht, die wehmütige Erinnerung an einen Verlust, der, zeitlich lange zurückliegend, erst in Deli zu meiner Kenntnis kam. Am Morgen des 22. Dezember näherte sich die „Sumatra", mit der ich die Überfahrt von Penang nach Deli machte, der sumatra- nischen Küste. Das Wetter war grau und trüb wie meine Stim- mung. Der Anblick der Küste bot nicht das schöne Landschafts- bild, das ich an der Westküste und an den Hafenplätzen von Atjeh genossen hatte. Es fehlten die Bergketten mit den Vulkankegeln im Hintergrunde. Ein flacher Landstreif mit Mangrovevegetation Belawan Deli. 247 dehnte sich nach Nord und Süd, Weit in das Meer hinaus waren hürdenartige Pfahlreihen sichtbar, Fischereigeräte der Küsten- bewohner, ein Anzeichen dafür, dafs hier das Wasser geringe Tiefe besitzt. Langsam gleitet das Schiff über die Schlammbänke, seine Schraube wühlt den Grund auf und färbt das Wasser in der Kiel- linie schmutzig braun. Wir nähern uns dem festen Lande und fahren noch eine Strecke weit zwischen den sumpfigen Küstenstrecken auf der breiten Flufsmündung landeinwärts, bis der Hafenplatz Belawan erreicht ist, in dem das Schiff unmittelbar am Bollwerk festgelegt wird. Eine ganze Zahl kleinerer Seeschiffe, daneben Boote, Frauen und Djonken in den seltsamsten Formen beleben den Hafen. Am Lande sind grofse Schuppen und Speicher ge- baut. Ganz in der Nähe erhebt sich das stattliche Bahnhofs- gebäude, vor dem ein Zug zur Abfahrt nach Medan bereit steht. Da Hafenarbeiter zur Hand waren, welche unter Marios Leitung mein Gepäck an Land brachten, so ging die Übersiedelung zum Bahnhof leicht von statten. Nur an dem Zollbureau gab es einigen Aufenthalt, und man erlaubte mir nicht, mein Gewehr mit einzu- führen, da ich natürlich noch nicht im Besitz eines Waffenpasses für diese Residentschaft war. Die Eisenbahnfahrt von Belawan nach Medan nimmt etwas mehr als eine Stunde in Anspruch. Wir kamen zuerst noch längere Zeit durch Sumpf land, das offenbar unter dem Einfiufs von Flut und Ebbe steht. Zumeist war der Boden mit einem Buschwald der Mangrovenformation bedeckt. Eine über meterlange Eidechse, ein Leguan, kroch in einer Schlammpfütze neben dem Bahndamm herum. Bald nach dem Abgang von der Station überschreitet die Bahn auf einer 400 Meter langen Eisenbrücke, welche von 20 Bogen getragen wird, den Deliflufs. Der Zug fährt diese Strecke ganz langsam, nicht schneller, als dafs ein Fufsgänger bequem nebenher gehen könnte. Da der Untergrund bis tief hinab ein angeschwemmter Boden ist, so fürchtet man wohl, dafs allzu starke Erschütterung nachträgliche Senkungen der Pfeiler veranlassen und den sehr kost- baren Bau beschädigen könnten. Nachdem die Station Labuan passiert ist, wird der Ausblick zu Seiten der Bahn gelegentlich etwas freier. Grofse Grasflächen, hier und da von niedrigem Ge- strüpp unterbrochen, beherrschen die Landschaft. Dazwischen liegen hin und wieder die riesigen Gebäude einer Tabakspflanzung oder armselige Kampongs mit Bambusgebüsch, Kapok- und Obstbäumen. Hier und da ragen aus dem Graslande oder dem Gestrüpp ver- 2^8 Das Tabaksland Deli. einzelte hohe Bäume auf mit glatten Stämmen und gewaltigen Laubkronen, die Überreste eines ehemaligen Urwaldes, oder Palmen, darunter nicht selten die riesige Talipotpalme. Wenn der Tabak auf dem Felde steht, so mag an manchen Stellen die Gegend be- lebter und dadurch wechselvoller erscheinen. Im Dezember, wo auch die im gleichen Jahre abgeernteten Felder bereits wieder mit hohem Gras und Busch bedeckt sind, erscheint sie einförmig und öde. Reiche Abwechselung bietet dagegen während der Bahnfahrt der Aufenthalt auf den kleinen Stationen, wo neben vereinzelten europäischen Passagieren mancherlei Völkerrassen und -typen ver- treten sind: gelbe Chinesen, braune Küstenmalaien, Javanen und Battaker in verschiedenster Schattierung der Hautfarbe , ferner Bengalen und schwarze Klings sind in dem Gedränge am Bahn- steig zu unterscheiden und bilden die Passagiere der dritten Wagen- klasse. Der Verkehr war überall ziemlich rege, besonders natürlich auf dem Bahnhof der Hauptstadt Medan, w^o auch die mitfahrenden europäischen Passagiere den Zug verliefsen. Ich entdeckte leicht unter den Europäern, die am Bahnhof den einlaufenden Zug er- warteten, das wohlbekannte Gesicht meines lieben Verwandten. Die Freude des Wiedersehens wurde mir erhöht durch die Freude über das gesunde Aussehen des Vetters, der den mehrjährigen Aufenthalt in dem Tropenlande bis dahin gut überstanden hatte. Auf seiner Seite mufste wohl die Wiedersehensfreude bei aller Herzlichkeit des Empfanges durch mein gegenwärtiges Aussehen und durch die Sorge um mein körperliches Wohl beeinträchtigt werden. Wir fuhren, nachdem ich Mario über den Transport des Gepäcks instruiert hatte, zusammen nach dem nahe gelegenen Medanhotel. Unterwegs setzte ich meinem Vetter meine Pläne auseinander. Ich wollte heute noch ins Konsulat fahren, um zu sehen, ob Briefe aus der Heimat über Batavia für mich dort ein- getroffen seien, wollte dann einen Arzt aufsuchen, um mich für die nächsten Tage oder, wenn nötig, selbst Wochen ganz seinen An- ordnungen zu unterwerfen, bis ich einigermafsen wieder hergestellt war. Mein Vetter verriet mir mit einer gewissen Zurückhaltung, die mir erst später verständlich wurde, dafs er vor kurzem ein Schreiben von meiner Frau erhalten habe und einen Weihnachts- brief für mich mit guten Nachrichten, den er aber erst cim Weih- nachtstage iibgeben dürfe; ein anderer eingeschriebener Brief von zu Hause aber liege seit längerer Zeit für mich auf dem Postamte in Medan. Dieser direkte Brief mufste, das war mir kkir, eine be- Medan. 249 sondere Nachricht enthalten. Was mochte er mir bringen, Freud' oder Leid? — So änderte ich meine Dispositionen und fuhr, nach- dem ich ein Hotelzimmer gemietet und meine Koffer und Packete untergebracht hatte, zuerst zum Postkontor, um mich als Empfänger des lagernden Briefes zu legitimieren. Es war eine rechte Trauer- botschaft, die ich vor dem Postschalter in Händen hielt; mein Vater war am 2. November in seinem zweiundachtzigsten Lebens- jahre sanft entschlafen. Schmerzlich, mit tausend Fäden zerrte die Erinnerung an all die Liebe, die ich während meines ganzen Lebens von dem Heimgegangenen genossen, an meinem Herzen und zog meine Gedanken und Empfindungen von der Gegenwart ab in die ferne Heimat und in vergangene Zeiten. — — Medan ist eine ziemlich grofse Stadt. Sie ist der Sitz des Sultans von Deli, des holländischen Residenten von Sumatra-Ost- küste und der Hauptadministration der Deli-Maatschappij. Ihre Bedeutung hat sie eigentlich erst in der letzten Hälfte des neun- zehnten Jahrhunderts erlangt, hauptsächlich durch die genannte Pflanzer-Gesellschaft, welche ohne Zuthun der holländischen Regie- rung das Land erschlofs, Wege und Brücken baute, Eisenbahnen anlegte und in das schwachbevölkerte Land Tausende von auslän- dischen, besonders chinesischen Arbeitern einführte. Im Jahre 187 1 nahm der erste Arzt in Medan seinen Wohnsitz, Gegenwärtig praktizieren dort für die weifse und farbige Bewohnerschaft der Stadt und ihrer Umgebung mehrere Arzte holländischer und eng- lischer Nationalität. Ein deutscher Arzt, der offene Praxis aus- übte, ist nicht vorhanden, wohl aber hat die Deli-Maatschappij die Direktion ihres in Medan gelegenen, umfänglichen Hospitals in die Hände eines deutschen Arztes, des Dr. G, Maurer aus München, gelegt. Ich beschlofs, zuerst den deutschen Landsmann aufzusuchen; wies er mich als Patienten ab, so konnte er mir wenigstens sach- verständig raten, an wen ich mich wenden sollte, um sachgemäfse Behandlung zu finden. Eine kurze Wagenfahrt durch schöne, breite Strafsen und herrliche Alleen brachte mich zu dem Hospital. Während ein brauner Diener meine Karte zu dem Hospitaldirektor brachte, wurde ich in das geräumige Arbeitszimmer des Direktors geführt, in dem eine medizinische Bibliothek, Glaschränke mit einem sehr vollständigen Instrumentarium, ein Schreibtisch, Arbeits- tische mit einem Mikroskop, mit Chemikalien und Reagenzgestellen und bakteriologischen Apparaten den Raum einnahmen. Nach kurzer 250 Das Tabaksland Deli. Wartezeit erschien der Doktor, und wenn ein volles Vertrauen zum Arzt dem Patienten den Weg zur Genesung verkürzt, so hatte ich gleich in der ersten Minute unseres Zusammenseins einen wesent- lichen Schritt zur Besserung meines Gesundheitszustandes gemacht. Mit dem durch hundertfältige Erfahrung geschärften Blick wufste mein Arzt die Diagnose zu stellen und etwaige Komplikationen zu erwägen. Die Entnahme eines Blutstropfens aus meinem Ohr- läppchen zur mikroskopischen Konstatierung des Vorhandenseins oder Fehlens von Malariaparasiten in meinem Körper vervollstän- digte die direkte Untersuchung. Eine adstringierende Medizin, strenge Diät nach besonderer Vorschrift und absolute Ruhe, das waren die Verordnungen, mit denen ich in mein Hotel zurück- kehrte, wohin mir Dr. Maurer für den nächsten Tag seinen Besuch zusagte. Es war mir nicht leicht, so ganz den Verordnungen des Arztes nachzuleben. Die Medizin nahm ich regelmäfsig, aber mit der Diät und der Ruhe hatte es seine Schwierigkeiten. Der fran- zösische Koch des Hotels konnte es nicht übers Herz bringen, die reizlosen Speisen, deren ich bedurfte, ungewürzt zu lassen, und in dem grofsen, leichtgebauten Hotel, das von vielen Europäern be- wohnt war, ging es allezeit laut her. Ich wurde selbst in der Nacht oft genug durch die Unterhaltung oder das Gepolter der Zimmernachbarn geweckt. Am Tage hörte ich von meiner Veranda aus beinahe unausgesetzt die schnarrende Stimme eines Phono- graphen, der die Lieder einer Chansonettensängerin reproduzierte, die recht wenig zu meiner Stimmung pafsten. Das Unbehagen, das diese Umstände mir verursachten, konnte meiner Genesung nicht förderlich sein. Meinem sorgsamen Arzte war es bei seinen wiederholten Be- suchen wohl nicht entgangen, woran es fehlte, obwohl ich alles als unvermeidlich ohne Beschwerde hinnahm. Am Christabend kam er zu mir und lud mich zugleich im Namen seiner Frau ein, ich möchte am nächsten Morgen cils sein Gast in sein Haus über- siedeln; er habe die Einladung nur deswegen nicht früher gebracht^ weil erst jetzt eines der Besuchszimmer in seinem Hause frei ge- worden. Die Güte und Freundlichkeit, mit der ich durch diese Einladung überschüttet wurde, kam mir so gänzlich unerwartet, dafs ich einiger Zeit bedurfte, meiner Empfindungen soweit Herr zu werden, um meinen Dank in Worte fassen zu können. Das war ein rechtes Weihnachtsgeschenk für mich. Die Welt kam mir mit einem Mal nicht mehr so trüb und traurig vor, als meine Weihnacht 1899. 2 '^ I Gemütsstimmung sie mir die Stunden vorher gemalt hatte. In meinem Herzen wurde Platz für frohere Bilder. Die Vorstellung, dafs in wenigen Stunden daheim im Familienkreise mein Kind mit hellem Jubel den strahlenden Christbaum begrüfsen würde, war mir nicht mehr wie vorher etwas Fremdes, Unpersönliches. Und als bald darauf mein Vetter für ein Stündchen zu mir kam und mir den Weihnachtsbrief brachte, der ein Bild von meinen Lieben enthielt, da war auch bei mir still die Weihnachtsfreude eingekehrt. Am Montag Morgen hielt der Wagen des Doktors vor der Thür und brachte mich in das gastliche Haus, das vor der Stadt in der unmittelbaren Nähe des Hospitals am Ufer des Flusses liegt. Die liebenswürdige deutsche Hausfrau machte es mir leicht, bei der ersten Begrüfsung der Verlegenheit Herr zu werden, die sich meiner in dem Gefühl überquellender Dankbarkeit bemächtigen wollte; ich wurde wie ein längst erwarteter Besuch empfangen. Wie wohlthuend war die Ruhe in dem weiten Hause, in dem mir ein grofses, luftiges Zimmer mit einer breiten, freien Veranda zur Verfügung stand; wie behaglich konnte ich mich jetzt während des Tages auf dem gepolsterten Langstuhl strecken und den Blick ins Weite schw^eifen lassen, über grüne Rasenflächen, auf die Kokos- palmen und Bananen und das zarte Laub der Bambusstauden am Flufsufer. Meine Sorge um die vorschriftsmäfsige Diät hatte auf- gehört, da Frau Dr. Maurer als tüchtige Hausfrau selber den Koch instruierte und beaufsichtigte. Mit dem Eintritt in diese Umgebung begann auch meine Ge- nesung. Wie durch Zauber verschwanden die Symptome der un- angenehmen Krankheit. Die Farbe kehrte in mein Gesicht zurück, das Vertrauen auf die Widerstandsfähigkeit meines Körpers wuchs und mit ihm mein Appetit. Nur einen einzigen Tag brachte ich ganz zurückgezogen in meinem Zimmer zu, dann konnte ich wieder zu den Mahlzeiten bei Tisch erscheinen und am Nachmittag auf der Vorgalerie an der Unterhaltung teilnehmen. Bald wurden mir kurze Ausfahrten und Spaziergänge in den Nachmittagstunden er- laubt, und die liebenswürdige Frau Dr. Maurer übernahm es selbst, mich in der Nähe zu allerlei interessanten Punkten zu führen, wenn ihr vielbeschäftigter Mann bis zum Abend im Hospital festgehalten war. Ein altmalaiisches Grabmal, das bei den Eingebornen reli- giöse Verehrung geniefst, einige Ziegelgruben, ganz erfüllt von herrlichen Lotosblumen (Nelumbium) in üppigster Entwickelung, einen Baum, in dessen Krone eine Kolonie von Webervögeln Hun- 2^2 I^'^s Tabaksland Deli. derte der seltsamen Nester aufgehängt hatte, das Asyl, welches die Tabaks-!Maatschappijen für altersschwache oder sonstwie arbeits- unfähig gewordene Kulis errichtet haben, besuchte ich in ihrer Gesellschaft in den letzten Tagen des Jahres. Am Sylvesterabend war ich bereits soweit hergestellt, dafs mir die Teilnahme an der häuslichen Feier des Jahreswechsels erlaubt wurde. Es war zu dieser Feier Besuch von auswärts eingetroffen, Herr Dr. Schüffner, der deutsche Arzt einer benachbarten Tabaksunternehmung, und Herr Krüger, ein junger Beamter von einer Tabakspflanzung. An- geregte Unterhaltung und Musikvorträge der beiden Herren, Soli und Duette, zu Klavierbegleitung gesungen, verkürzten uns die Stunden bis zum Jahresanfang, der mit Gläserklang und Glück- wünschen nach deutscher Weise begrüfst wurde. In den ersten Tagen des neuen Jahres benutzte ich die Zeit zwischen den Mahlzeiten, bei denen ich einen unglaublichen Appetit entwickelte, zu Ausflügen in die Stadt. Ich sah mir das im modernen Stil gebaute Palais des Sultans von Medan an und den aufsen und innen mit Schmuck überladenen Tempel, den die bezopften Söhne des himmlischen Reiches hier ihren Göttern errichtet haben. Ich sprach im deutschen Konsulat vor, besuchte Herrn Schirmacher, einen jungen Kaufmann, der mit mir die Ausreise auf der „Preufsen" gemacht hatte. Auch dem Künstler-Photographen, Herrn Klein- grothe stattete ich einen Besuch ab, um mir seine Arbeiten anzu- sehen, und um in der Dunkelkammer seines Ateliers die Kassetten meines photographischen Apparates mit neuen Platten zu füllen. Die wissenschaftlichen Zwecke meiner Reise hatten während dieser Tage zurücktreten müssen. Ich hatte wohl hier und da, in der Nähe etwas gesammelt, hatte meine Sammlungen mit Marios Hülfe weiter geordnet und hergerichtet und über einzelne Befunde Aufzeichnungen gemacht, wollte ich aber wirklich die Aufgaben lösen, die ich mir für diesen Teil meiner Reise gestellt hatte, so mufste ich einige Tabakspflanzungen aus eigener Anschauung kennen lernen und bis in die Vorberge des Gebirgslandes , womöglich bis in den Urwald vordringen. Ich sprach mit Herrn Dr. Maurer dar- über; sein Rat lautete, ich solle bis zum 4. Januar warten; wenn bis dahin meine Rekonvalescenz regelmäfsig fortgeschritten sei, so könne ich einen ersten Ausflug wagen. Er versprach, mich selber bei einem bekannten Administrateur einer Pflanzung für den Tag anzumelden. Es war wohl ein Zeichen meiner schnell fortschreiten- den Genesung, dafs ich den Tag mit Ungeduld erwartete. Am Die Tabakspflanzung Bindjei. ■DO frühen IMorgen war ich zur Abfahrt gerüstet. Der Wagen des Herrn Dr. Maurer brachte mich zum Bahnhof, bald nach 8 Uhr fuhr der Zug ab, den ich bis zur Station Bindjei benutzte. Mein Be- such galt dem Administrateur der Tabakspflanzung Bindjei, dem Herrn Maschmeyer. Ein Wagen, der mich zu der Wohnung dieses Herrn bringen sollte, harrte meiner bei Ankunft des Zuges am Bahnhof Ich kam nicht ganz als Wildfremder in das gastliche Haus. Bei einem Abendbesuch im Hause des Professors Zimmer- mann in Buitenzorg hatte ich die Schwägerin des Herrn Masch- meyer, eine geborne ]\Iünchenerin, deren Mann Tabakspflanzer in den Lampongschen Distrikten auf Sumatra ist, als Tischnachbarin gehabt. Ich kannte also die Familienverhältnisse, wufste, dafs auch Frau Maschmeyer in Bindjei eine Münchenerin ist und hatte Grüfse von der Schwägerin auszurichten. Ich wurde aufs Freundlichste empfangen und mein Wunsch, einen Blick in den Betrieb einer Tabakspflanzung zu werfen, fand seine Rechnung. In einem leichten Wagen, den Herr Maschmeyer selber lenkte, fuhren wir auf das Feld hinaus, das nach allen Richtungen hin durch gute Wege zu- gänglich gemacht ist. Das Land, welches von den Pflanzergesellschaften für den Tabaksbau verwendet wird, ist Eigentum des Sultans von Deli, von dem es auf hundert Jahre gepachtet worden ist. Jede Pflanzung wird von einem Administrateur verwaltet, sie umfafst vier bis sechs Abteilungen, deren jeder ein europäischer Assistent vorsteht. Von der einzelnen Abteilung, deren Ausdehnung immerhin noch die Gröfse eines mecklenburgischen Rittergutes übersteigt, wird alljährig meist nur der zehnte Teil für den Anbau des Tabakes verwendet. Das Übrige liegt brach und bedeckt sich sehr bald wieder mit Gras wuchs oder mit Urwaldbusch. Nur einen Teil des vorjährigen Tabakslandes bekommen kontraktmäfsig die Eingebornen des be- treffenden Landstriches zum Reisbau angewiesen. Um das Feld für den Tabtiksbau herzurichten, wird das Grasland mit Ochsen- pflügen gestürzt. Wo Busch Vegetation vorhanden ist, oder wo un- berührter Urwald zum ersten Mal urbar gemacht werden mufs, da sind schwierigere Arbeiten zu verrichten. Die Bäume und Sträucher, welche auch auf dem schon einmal benutzten Felde in der neun- jährigen Ruhepause bereits wieder riesige Dimensionen angenommen haben, werden abgehauen und an Ort und Stelle verbrannt. Trotz der gröfseren Mühe, welche dabei die Feldbestellung verursacht, suchen doch die Pflanzer auf den abgeernteten Feldern das Auf- 254 Das Tabaksland Deli. kommen des Buschwaldes zu befördern, den Gras wuchs aber zu unterdrücken. Das Gras nämlich, welches hier auf den brachliegen- den Ackern emporschiefst, ist nichts anderes als der gefährliche, schwer ausrottbare Alang-Alang, in Deli Lalang genannt, dessen uneingeschränkte Wucherung in kurzer Zeit auf dem kultivierten Lande die gröfste Verwüstung unter den Kulturpflanzen a,nzurichten vermag. Aufserdem bedrohen die häufigen Brände der Lalang- felder allen Baumwuchs auf den Pflanzungen und können selbst den Gebäuden verhängnisvoll werden. Nachdem im Laufe der ersten Monate des Jahres der von der natürlichen Vegetation befreite Boden mit Hackspaten durchgearbeitet und hergerichtet ist, werden auf ihm im Monat April die jungen Tabakspflanzen ausgesetzt, welche in besonderen Saatbeeten gezogen wurden. In Bindjei waren zur Zeit meines Besuches bereits Saatbeete für das kommende Jahr angelegt. Dieselben sind wie Gartenbeete hergerichtet, und werden zum Schutz gegen Sonne und Regen mit einem schmalen, langen Schirm überdacht. Die junge Saat erfordert sehr aufmerk- same Behandlung, die Auswahl des Bodens, die Regulierung der Feuchtigkeit erfordern grofse Sorgfalt, nicht selten zerstören an- steckende Pilzkrankheiten die jungen Keimpflanzen. Wenn die Tabakspflanzen im Felde ausgesetzt sind, so beginnen die Vorarbeiten für die Erntebereitung. In immittelbarer Nähe der Tabaksfelder werden die riesigen Trockenscheunen gebaut, lange Gebäude mit hohem Satteldach. Die Holzstangen für das Gerüst liefert der Wald, die Wände, in denen sich zahlreiche Luken öffnen, und die Dachflächen werden aus Atap hergestellt. Man legt die Trockenscheunen an derjenigen Seite des Tabaksfeldes an, welche an das nächstjährige Feld grenzt. Auf diese Weise können die- selben zu zwei Ernten benutzt werden. Im Juli sind die Tabaks- pflanzen zu mannshohen Krautstämmen herangewachsen. Dann be- ginnt die Ernte. Die einzelnen Blätter werden von unten nach oben, nach dem Zustande ihres Ausgereiftseins von dem Stamm abgeschnitten und in Bündel gebunden zur Trockenscheune trans- portiert, wo sie zum Trocknen aufgehängt werden. Früher hängte man die ganzen Pflanzen mit Stamm und Blättern in die Trocken- scheunen. Es hat sich aber gezeigt, dafs dann die Blätter sehr ungleich wurden, da noch während des Trocknens in den jüngsten Blättern, wenn sie mit dem Sprofs in Verbindung bleiben, Ent- wicklungsprozesse vor sich gehen, welche die Qualität des Tabaks wesentlich vermindern. Deshalb zieht man heute auf den meisten Die ErntebereituEg des Tabaks. :55 Fermcnticrsclieiiiic einer Tabakspflaiizuiig in Deh, Pflanzungen das mühsamere mid deswegen kostspieligere Abernten der einzelnen Blätter vor, das sich später durch den höheren Preis des Produktes bezahlt macht. Wenn die Tabaksblätter in dem hohen luftigen Gebäude den erwünschten Grad der Trockenheit erlangt haben, so werden sie von allen Abteilungen der Pflanzung nach der Hauptabteilung, dem Sitz des Administrateurs, zusammengeführt, wo allein die weitere Erntebereitung vorgenommen werden kann. Um mich mit der weiteren Behandlung des Tabaks bekannt zu machen, führte Herr Maschmeyer mich, nachdem wir vom Felde zurückgekehrt waren, in die Fermentierscheune, Dieselbe ist viel dauerhafter und sorgfältiger gebaut als die Trockenscheunen im Felde. Die Wände und das flache Dach sind aus Brettern herge- stellt, das letztere ist mit Wellblech belegt. Rings in den Wänden sind, aufser grofsen Fenstern an der Giebelseite und in einem Vor- bau an der Längsseite, zahlreiche Luken angebracht, die sich wie Fensterflügel seitlich öffnen. Der Innenraum erscheint infolge- dessen hell und luftig, eine Unterbrechung des Daches an der First befördert die Ventilation des weiten Raumes. Den gröfsten Teil des im Innern der Fermentierscheune verfügbiiren Platzes nimmt ein bühnenartiger Aufbau ein, der sich etwa meterhoch über die Bodenfläche erhebt. Rings um dieses Podium bleibt längs der Aufsenwände ein mehrere Meter breiter Gang frei, auf dem die Tabakssortierer ihre Arbeitsplätze haben. Die Blätter- bündel des eingebrachten Tabaks werden zunächst auf dem Podium auf untergelegte Schilfmatten in hohen, sorgsam gepackten Haufen 256 Das Tabaksland Deli. aufgesetzt. Ab und an wird zwischen die Schichten des aufge- häuften Tabaks ein langes Bambusrohr eingelegt, in dem ein Thermometer bis in die Mitte des ganzen Haufens eingeschoben werden kann. Die Tabakshaufen werden oben mit IMatten bedeckt und nun eine Zeit lang unter beständiger Kontrole des Temperatur- ganges im Innern einem Gährungsprozesse überlassen. Sobald die Wärme in dem fermentierenden Tabak über eine gewisse Grenze steigt, wird der Haufen auseinander genommen und umgesetzt, so dafs diejenigen Blattbündel, welche bisher aufsen lagen, nach innen kommen. Bisweilen läfst man dann statt eines grofsen mehrere kleine Tabakshaufen aufbauen. Überhaupt läfst der Fermentier- prozefs eine Menge von Viiriationen zu, die auf die Qualität des Tabaks, auf Festigkeit, Farbe, Geruch und Geschm^lck Einflufs haben können, und es ist eine Hauptaufgabe des Administrateurs und seiner Beamten, zu ermessen und zu bestimmen, welches Ver- fahren für eine Tabaksernte oder für jeden Teil derselben je nach der Beschaffenheit der Blätter einzuschlagen ist. Eine beständige Überwachung des Prozesses in allen seinen Einzelheiten ist eine unerläfsliche Vorbedingung für die Erzeugung eines vollwertigen Produktes. Nach der Fermentation geht der Tabak in die Hände der Sortierer über. Längs der Seitengänge in der Fermentierscheune sitzen Hunderte von chinesischen Arbeitern paarweise einander gegenüber. Zwischen den beiden Arbeiterreihen bleibt noch ein Gang frei, auf dem die europäischen Beamten hin und her gehen können, um die Arbeit der Chinesen zu überwachen. Diejenigen Arbeiter, welche mit dem Rücken zur Aufsenwand gekehrt sitzen, haben den Tabak nach Festigkeit und Farbe zu sortieren. Vor ihnen liegt ein Haufen fermentierter Tabaksblätter. Auf Armlänge Abstand sind rings um jeden Sortierer 18 oder 20 Stäbe senkrecht aufgestellt. Die Zwischenräume zwischen den Stäben bilden die Fächer, in denen die gleichartigen Tabaksblätter zusammengelegt werden. Gefleckte, zerrissene oder durchlöcherte Blätter, besonders zarte oder dicke Blätter in ihren verschiedenen Farbennüancen, helle und dunkle Blätter in den wechselnden Schattierungen, jede Art wird für sich gelegt. Das helle Licht, w^elches von rückwärts her durch die Wandluken auf die Arbeit fällt, erleichtert die Unter- scheidung der Sorten. IDer gegenüber sitzende Arbeiter, welcher den Rücken gegen das Podium kehrt, hat die Blätter der einzelnen Sorten nach der Länge zu scheiden und in Bündel zu binden. Die Erntebereitung des Tabaks. 257 Diese Bündel müssen eine bestimmte Anzahl von Blättern ent- halten. Ihre Zahl bildet die Grundlage für die Berechnung des akkordierten Lohnes. Die Ablieferung der fertigen Bündel erfolgt in dem rechteckigen Vorbau an der einen Längsseite der Scheune, der durch hohe Fenster besonders helles Licht empfängt. Dort sitzen chinesische Manduren, welche die Arbeit der Sortierer revi- dieren und flüchtige Arbeit zurückweisen. Nach dieser Kontrole werden die Blattbündel der gleichen Sorten vereinigt. Malaiische Frauen legen nun die Bündel jeder Sorte noch nach ihrer Länge, die sie mit einem gekerbten Brett abmessen, in vier Haufen aus- einander, die dann zum Verpacken in einen an die Fermentier- scheune anstofsenden Packraum transportiert werden. Dort werden die Blattbündel in einer Kastenpresse zu Packeten zusammengeprefst und in Schilfmatten eingenäht. So entstehen handliche Kolli, die mit dem Zeichen der Pflanzung versehen und gemerkt mit Zahl und Buchstaben, aus denen Sorte und Länge ersichtlich ist, auf den europäischen Markt wandern. Da die Ernte des Vorjahres noch nicht ganz verarbeitet war, so hatte ich in der Fermentierscheune zu Bindjei genügend Gelegenheit, alle Manipulationen, die das ein- zelne Tabaksblatt durchzumachen hat, mit anzusehen. Die Vor- mittagsstunden waren mit der Besichtigung herumgegangen. Nach dem Mittagsmahl mufste ich mich nach ärztlicher Vorschrift ein Stündchen ausruhen. Nach dem Bad aber konnte ich noch einen Blick in die interessante ethnographische Sammlung des Herrn Maschmeyer werfen, die er durch Kauf und Tausch von den Ein- gebornen zusammengebracht hat. Auch sonst gab es in Bindjei noch allerlei Interessantes zu sehen. Auf dem Hofe turnten in einem eigens für sie hergerichteten Räume zwei junge Orang utans herum. Einige Hirsche wurden in einem Gehege gehalten. Ein weiter Stall barg neben den Gebrauchspferden des Administrateurs eine Anzahl wertvoller Rennpferde, die dem Besitzer schon manchen Preis eingebracht haben. So ging die Zeit schnell herum, bis ich dankend Abschied nahm, um mit der Bahn die kurze Strecke nach Medan zurückzufahren. Bald nach Sonnenuntergang traf ich wohl- behalten wieder in meinem Asyl ein. Für den nächsten Tag war mir Ruhe anempfohlen, damit ich am 6. Januar mit frischen Kräften eine mehrtägige Reise antreten könnte, die mich bis in den Urwald in den Vorbergen des Battak- landes führen sollte. Durch die freundliche Vermittelung des Herrn Dr. Schüfl"ner, den ich am Sylvesterabend in Maurers Hause kennen Gi esenli a );en , Java und Sumatra 17 258 Das Tabaksland Deli. und schätzen gelernt, hatte ich eine Einladung von Herrn Tweer, dem Hauptadministrateur einer gröfseren Tabaks-Maatschappij , er- halten. Der Verwaltungsbezirk des Herrn Tweer umfafst eine ganze Reihe von Pflanzungen, deren jede ihren besonderen Administrateur und in den einzelnen Abteilungen europäische Assistenten hat. Das Liuid, über welches diese Pflanzungen sich ausdehnen, erstreckt sich über viele Meilen; die äufsersten Abteilungen liegen oben im Gebirge. Der Sitz des Hauptadministrateurs und die Bureaus der ausgedehnten Verwaltung befinden sich in Tandjong Morawa, wo auch das grofse Hospital der Gesellschaft liegt, dessen Direktor Herr Dr. Schüifner ist. Da ich auf den Wunsch meiner liebenswürdigen Gastfreunde mein Standquartier in Medan beibehielt, so waren die Vorberei- tungen für die Reise schnell erledigt. Mario legte die nötigen Kleider für mich in meinen Koft'er und packte einen Stofs leeres Pflanzenpapier nebst einigen Sammelgläsern in den Rucksack; alles übrige blieb bis zur Rückkehr in meinem Zimmer. Am Samstag den 6. Januar früh ^j^"] Uhr safs ich in Dr. Maurers Wagen zur Ab- fahrt bereit, und Mario stieg zum Kutscher auf den Bock. Wir fuhren ein Stück weit durch die Stadt, dann auf der Landstrafse durch Wälder und Felder, an Tabakspflanzungen vorbei und durch die Dörfer der farbigen Arbeiter. In der Ortschaft Ampela stand der Verabredung gemäfs ein leichter Wagen des Herrn Dr. Schüfifner für mich bereit. Ich überliefs Mario, für den ich einen Mietswagen genommen hatte, die Sorge für das Gepäck und sandte den Kutscher mit Dr. Maurers Gefährt nach Medan zurück. Dann stieg ich in den neuen Wagen, ergriff die Zügel, und wieder ging es im flotten Trab durch Lalangfelder und jungen Buschwald auf der guten Strafse dahin. Dr. Schüffners Diener, der den Einspänner nach Ampela geführt hatte, safs auf dem Rücksitz und gab mir bei Weggabelungen die einzuschlagende Richtung an. In Tandjong Morawa bewillkommneten mich die Herren Tweer und Dr. Schüfi'ner auf das freundlichste. Sie hatten schon einen wohldurchdachten Plan für meine Zeiteinteilung gemacht, der darauf hinauslief, dafs ich bei möglichst geringer Anstrengung in der kurzen Zeit, die ich zur Verfügung hatte, möglichst viel von dem zu sehen bekam, was für mich interessant und sehenswert war. Während des Frühstücks, für das bei meiner Ankunft der Tisch schon gedeckt stand, traf Mario mit dem Barang ein; ich konnte mich gleich nach Tisch zum Ausgang umziehen und noch am Vormittag in Begleitung der Tandjong Morawa. 2^Q beiden freundlichen Herren eine Tour in den Urwald unternehmen, der sich unweit von Tandjong Morawa zu beiden Seiten des Flusses Sungei Serdang ausbreitet. Es ist ein echter, rechter Urwald, der hier inmitten der Tabaksländereien von dem Beil und Feuer ver- schont geblieben ist, mit einzelnen Riesenstämmen und dichtem Buschwald und Gestrüpp unter den gigantischen Kronen, mit Lianen und Epiphyten. Von nah und fern schallte das Geschrei der Affen im Geäst. Bei der niederen Höhenlage ist die Zusammen- setzung des Waldes hier aber doch wesentlich anders als im Ge- birge. Die höhere Lufttemperatur und die damit zusammenhängende geringere relative Feuchtigkeit der Luft mufs wohl dabei eine grofse Rolle spielen. Der Boden war überall feucht, und an Regen, der das Laub und die Stämme zeitweilig triefen läfst, fehlt es hier sicher nicht. Trotzdem war ein auffälliger Mangel an Moosen und wasserliebenden Kleinfarnen vorhanden. Diese zarten Pflanzen nehmen ihr Wasser direkt mit der Oberfläche auf, die Wasser- leitung im Innern der Stämmchen und Blattrippen ist nur sehr minimal. Die zarten Blattflächen können deshalb nur dort sich er- halten, wo die Wasserabgabe von der Oberfläche durch einen hohen relativen Feuchtigkeitsgehalt der Luft verzögert wird. Die warme Luft der Ebene vermag mehr Wasser zu fassen, gröfsere Mengen Wasser müssen verdunsten bis sie gesättigt ist, und der See- und Landwind, der über die Küstenebene streicht, befördert den Aus- gleich der Binnenluft des Waldes mit der trockneren Atmosphäre benachbarter off'ener Flächen. Dem Hochwalde im Gebirge aber bringt der aufsteigende Luftstrom die warme Luft der Ebene, welche, indem sie emporgehoben wird, sich abkühlt und dadurch ihren Feuchtigkeitsgehalt erhöht, so dafs Nebel und Wolkenbildung ein- treten und jedenfalls die Verdunstungsgröfse der Oberfläche der Pflanzen herabgedrückt wird. So mag sich die Moosarmut der Mangrove- Vegetation und des Küstendjungels, der Moosreichtum des Gebirgswaldes erklären. Nachdem wir das Dickicht nach verschiedenen Richtungen durchstreift hatten und selbst bis an das mit Bambus und Röhricht verwachsene Ufer des Flusses vorgedrungen waren, zwang der be- ginnende Regen uns zur Heimkehr. So blieb mir vor dem Mittag- essen noch Zeit ein Bad zu nehmen und dabei die Patjets (Blutegel) zu entfernen, die sich im Urwald an meinem Körper festgesaugt hatten. Nach Tisch und der sich anschliefsenden, ärztlich empfohlenen Ruhepause führte Herr Tweer mich in die riesige Fermentierscheune 17* 2 5o D'^s Tabaksland Deli. und zu den übrigen Betriebsgebäuden, und schliefslich auch in das Hospital. Ich erfuhr hier Vieles über die eigenartigen Arbeiterver- hältnisse auf den Tabakspflanzungen. Jede Rasse hat ihre be- sonderen Arbeiten und Verrichtungen. Die malaiischen Arbeiter be- sorgen das Urbarmachen des Waldbodens, das Anlegen von Wegen, die Javanen sind gute Gärtner und zuverlässige Boten, die Bengalen werden als Polizisten verwendet und sehen in ihren Kakidrelluni- formen mit dem riesigem Turban recht stattlich und achtung- erweckend aus. Die Klings sind Ochsenknechte und Karrenführer. Den Hauptstamm der Arbeiterschaft auf dem Felde und in der Fermentierscheune aber bilden die Chinesen. Auf jeder Abteilung der Pflimzung werden bei der Feldarbeit etwa hundert Arbeiter beschäftigt. Zur Unterbringung der Chinesen dienen grofse Quatier- häuser sogenannte Kongsi, für die Malaien und sonstigen Farbigen sind besondere Kampongs angelegt. Die fremden Arbeiter müssen sich bei ihrer Annahme für eine Anzahl von Jahren verpflichten. Ihre Leistungen werden im Akkord bezahlt. Für kranke Arbeiter h^it jede Maatschiippij ein eigenes Krankenhaus, das meist aus mehreren Kongsi (Gebäuden) besteht. Das grofse Hospital der Delimaatschappij in Medan hat für die farbigen Leute sieben riesige Kongsi, in denen jederzeit mehrere Hundert von Kranken verpflegt und ärztlich versorgt werden. Es liegt im Interesse der Tabaks- unternehmungen, eine gesunde Arbeiterschaft zu haben, deshalb ist man überall bemüht gewesen, tüchtige Ärzte als Leiter der Hospi- täler herbeizuziehen und in den Fällen, die ich aus eigener Er- fahrung kennen gelernt habe, hat man sich auch nicht gescheut, nach den Angaben der Arzte die Hospitäler mit grofsen Kosten zu hygienischen Muster^mstalten zu machen. In den hohen, luftigen, gut ventilierten Sälen liegen die Kranken nach ihrer Gewohnheit auf hölzernen Pritschen, welche leicht zu reinigen und zu desinfi- zieren sind. Die Wände der Säle sind weifs getüncht, der Fufs- boden ist cementiert. Peinliche Sauberkeit wird in den Räumen und bei jedem einzelnen Kranken beobachtet. Für gutes Trink- wasser wird Sorge getragen, ebenso für die Gelegenheit zum Baden. Die Arzneien werden in einer eigenen Apotheke dispensiert. Die Verpflegung der Kranken geschieht nach Angabe und unter Auf- sicht des Arztes von einer eigenen Hospitalküche. So ist alles ge- schehen, was nach menschlichen Ermessen das Loos der Kranken er- leichtern kann. Unter den Krankheiten spielen Dysenterie, Malaria, Typhus die Hauptrolle und leider auch die unheimliche Sumatra- Zu den Battakberjjen. 26 1 krankheit Beri-beri. Mit innigem Alitleid habe ich eine Anzahl Beri- beri-kranker Chinesen angesehen, die nach dem Urteil des Arztes unvermeidlich frühem Tode verfallen waren; die böse Krankheit trotzt jedem Heilverfahren. Bevor man nicht den Feind näher kennen lernt, der unter dem Namen Beri-beri heimtückisch die jungen Leben dahinrafft, mufs die Krankheit für unheilbar gelten. Mit dem Einbruch der Dunkelheit hatten wir unsern Rundgang beendet. Nach dem Abendessen vereinigten wir uns auf der luftigen Veranda des im englischen Bungalowstil erbauten Hauses des Herrn Tweer zu einem gemütlichen Skat. Wir vermieden es, die Sitzung zu lange auszudehnen, da für den Sonntag eine Unter- nehmung gröfseren Stils auf unserem Programm stand. Herr Tweer wollte mich an diesem Tage in die höchstgelegene Abteilung seines Gebietes führen und hatte dazu umfassende Vorkehrungen getroffen. Telephonisch und durch Boten waren nach verschiedenen Stellen Relaispferde voraus bestellt, die Wegstrecke, die wir zurückzulegen hatten, war recht beträchtlich. Früh um 5 Uhr, in völliger Finsternis, safsen w^ir im Wagen, Herr Tweer führte die Leine, ich safs neben ihm auf dem Vordersitz. Rückwärts safs der Tukan kuda, ein ge- wandter Javane, der an steilen Stellen neben dem Wagen herläuft, auf schmalen Brücken und sonst an gefährlichen Passagen das Pferd am Kopf führt und beim Anhalten die Fürsorge für Pferd und Wagen übernimmt. Mario mufste zu Hause bleiben weil er ent- behrlich war und unser Wägelchen unnötig belastet haben würde. Er hiitte die am Tage vorher gefüllten Pflanzenpackete in die Sonne zu bringen. Die Fahrt durch den Buschwald in der ersten Stunde, während noch die Finsternis der Nacht mit dem anbrechen- den Tage kämpfte, war phantastisch. Zuerst war in dem finstem Walde wenig mehr zu hören als das Rauschen des Morgenwindes in den Wipfeln, hin und wieder ein Affenschrei in der Ferne. Je näher wir dem Sonnenaufgang kamen, desto häufiger vernahmen wir das Krähen der wilden Hähne im Busch, ein deutliches Kikeriki, bei dem aber die letzte Silbe gegen die Gewohnheit unserer Haus- hähne kurz abgebissen ist. Die Tiere sind sehr scheu und schwer zu fangen. Ich sah später auf einer Pflanzung ein schönes Exemplar in der Gefangenschaft, es sah einen kleinen Bauernhahn in Gröfse und Gestalt ähnlich. Die Färbung ist sehr lebhaft und bunt, be- sonders fällt ein goldbrauner Halskragen auf und die dunklen, schwarzgrünlich schillernden, gebogenen Schwanzfedern, Als die Sonne aufging, sahen wir bei einer Wegbiegung, mitten 2 02 I^^s Tabaksland Deli. im Buschwalde, vor uns einige Malaien, die ein frisches Pferd für uns bereit hielten. Das Umspannen wurde schnell erledigt, und nachdem Herr Tweer noch bestimmt hatte, dafs und wann das Pferd am Abend für die Rückfahrt zum Auswechseln bereit stehen sollte, ging's wieder im Trabe weiter. Wir blieben fast immer im Walde, dessen Höhe wechselte je nach der Zahl der Jahre, die verflossen waren, seit sein Boden Tabak getragen h^itte. Gröfsere Lalangfelder waren nirgends zu sehen, wo das Gras in den abgeernteten Feldern aufschlägt, da wird es durch Arbeiter niedergetreten und mit Brettern niedergedrückt, bis die zerquetschten Halme sich nicht mehr er- heben und vermodernd eine Decke auf dem Erdboden bilden, die dem schnell emporschiefsenden Buschwalde kein Hindernis bietet. Im Schatten des aufkommenden Waldes kann das Gras später nicht mehr verhängnisvoll werden. An einzelnen Stellen waren auf den abgeernteten Feldern Anpflanzungen von Djattibäumen (Tectona grandis) gemacht, deren Holz als Balken und Bretter beim Bau der Häuser auf den Pflanzungen wegen seiner Festigkeit und Farbe anderem Werkholz vorgezogen wird. Im Übrigen zeigt der junge Buschwald die gewöhnlichen Komponenten, darunter viel Hibiscus und hier und da wilden Pisang. Auch Lantana ist nicht selten. Weiter oben sah ich häufig die grofsen Stengelblätter und die auf- fällig bilateralen Fruchtzweige der Abroma fastuosa zwischen anderem Gesträuch. Nach der zweiten Wegstunde kamen wir zu der Pflanzung Patomba. Wir hielten nur so lange als nötig war, um das Pferd gegen ein frisches auszutauschen. Eine weitere Stunde Fahrt brachte uns nach der Hauptabteilung der Pflanzung Gunnung Rinte, wo abermals das Pferd gewechselt wurde. Von da ab stieg der Weg meist ziemlich gleichmäfsig. Wir kamen ganze Strecken weit durch ursprünglichen Urwald längs des Flusses, der in einer tief ausge- waschenen Schlucht, ganz versteckt in dem undurchdringlichen grünen Gewirr zu Thal rauscht. Hin und wieder passierten wir auf Holzbrücken schmale Bächlein, die von den Berghängen herab ihr Wasser zum Flusse senden. Der Weg war überall gut fahrbar, oft war er als Hohlweg tief in den rötlichen Boden eingeschnitten. Nachdem wir unterwegs im Widd noch einmal Pferdewechsel ge- habt hatten, kamen wir endlich zu unserm Ziel, der obersten Ab- teilung der Pflanzung Gunnung Rinte. Diese Abteilung liegt eigent- lich mitten im Urwalde und an manchen Stellen, wo die Steilheit des Terrains die Anlegung von Tabaksfeldern erschweren würde. ** V Im Urwald bei Gunnung Rinte. 263 hat man inmitten der Gemarkung grofse Urwaldkomplexe unberührt gelassen. In der Nähe eines solchen Komplexes an dem unser Weg nahe vorbeiführte, stiegen wir vom Wagen, Der tukan kuda bekam den Auftrag, Pferd und Wagen zur Wohnung des Assistenten zu führen und uns für nachher anzumelden. Wir hatten eine kurze Strecke weit das vorjährige Tabaksland zu durchschreiten, dort war aber bereits so viel Krautwerk und Gesträuch aufgekommen, dafs es gar nicht leicht war, hindurchzudringen. Ein Pfad, der früher einmal in das Urwaldterrain hineingeführt worden, war soweit ver- wachsen, dafs wir seine Spur nicht mehr fanden. So mufsten wir uns selber mit dem Golok (Waldmesser) einen Durchweg durch das Randdickicht bahnen, was dem Herrn Tweer, der es sich nicht nehmen lassen wollte, mir den Weg zu ebnen, manchen Schweifs- tropfen kostete. Endlich kamen wir hindurch und am Rande eines kiesigen Bachbettes in leichter passierbare Waldstrecken. Hier sah es ganz anders aus als in dem Walde bei Tandjong Morawa, alle Stämme waren mit Moosen und Kleinfarnen geschmückt und von den Asten herab wallten die langen grünen Schleier der Meteoriumarten. Den Boden bedeckten über dem Moder der ge- stürzten Bäume und auf dem kiesigen Grunde allerlei seltene Kräuter, so wuchs z. B. im Bach- bette eine jener selt- samen Streptocarpus- arten, die der Haupt- sache nach aus einem einzigen grofsen Blatt bestehen, das an der Ba- sis Wurzeln und Blüten- sprosse treibt. Auch einige Niphobolusarten fand ich, darunter den seltsamen Niphobolus nummulariaefolius, was mir besondere Freude bereitete. Obwohl ich Ein ßaiiakcrhaus in Deli. 264 Das Tabaksland Deli. meinen Rucksack bald gefüllt hatte, wurde es mir doch schwer von dem herrlichen Urwald- dickicht Abschied zu nehmen, als Herr Tweer zum Auf- bruch mahnte. Wir hatten auf dem Wege zur Woh- nung des Assistenten, wo unser Wagen uns erwartete, noch ein Battakerdorf zu passieren, was mir zu man- cherlei Beobachtungen Ge- legenheit gab. Die Hausform ist hier derjenigen in Atjeh ähnlich, nur ist der Rumpf des auf Pfählen stehenden Gebäudes noch stärker nach unten verjüngt und das Dach noch höher hinauf gebaut und mit den Giebelenden etwas überhängend. Die Leiter, welche den Zugang zu der Veranda des Hauses bildet, war viel primitiver als die Treppe der Atjeher, sie bestand einfach aus einem gekerbten Baum- stamm, Die Battaker sind Heiden und ihr Appetit zu Menschen- fleisch ist wenigstens in den entlegeneren Gegenden trotz aller Strafendrohungen des Gouvernements immer noch nicht ganz unter- drückt, Sie treiben Reis- und Obstbau und Schweinezucht. Die letztere mag mit ein triftiger Grund sein, weshalb der Islam, der sich fast das ganze Inselreich eroberte, bei ihnen nicht Fufs fassen konnte, Sie hätten eben um des Glaubens willen eine ergiebige Erwerbsquelle aufgeben und einer beliebten Nahrung entsagen müssen. Die Kleidung der Dorfbewohner war nicht besonders reichlich, reinlich und zierlich. Die Frauen tragen als Schmuck grofse gewundene Silberstangen durch beide Ohren, so schwer, dafs sie um nicht durch ihr Gewicht das Ohr zu zerreifsen am Kopftuch befestigt werden müssen. Baiiakerfrau und Kinder Sungei hahasa. 265 Nach kurzer Rast im Hause des Assistenten, der uns mit Speise und Trank erfrischte, traten wir die Heimreise an, wobei der Pferde- wechsel an den gleichen Stellen wie am Morgen vorgenommen wurde. Noch bevor wir die Hauptabteilung von Gunnung Rinte er- reichten, überraschte uns der Regen, der uns trotz des schützenden Wagendaches und trotz der Mäntel in kurzer Zeit bis auf die Haut durchnäfste. Wir kehrten deshalb in Gunnung Rinte ein. Der Administrateur, Herr Heike, borgte uns trockene Kleider und setzte uns eine ISIahlzeit vor, die wir uns wohlschmecken liefsen, nachdem wir im Bade uns der zahllosen Patjets entledigt und die Kleider ausgewechselt hatten. Sobald das Wetter es zuliefs, setzten wir unsere Fahrt fort. In Patomba wechselten wir kurz Grufs und Handschlag mit dem dortigen Administrateur, Herrn Klein. Bald nach Einbruch der Dunkelheit hielten wir mit dampfendem Pferd vor dem Wohnhause des Herrn Tweer in Tandjong Morawa, Am Abend wurde mir noch eine besondere Überraschung bereitet, in- dem Herr Tweer und Herr Dr. Schüffner mich zu der Kegelbahn hinüber begleiteten, in der eine gröfsere Anzahl von Herren, Beamte der Maatschappij und meistens deutsche Landsleute, nach heimischer Weise dem edlen Spiel huldigte. Für den Montag Morgen hatte Herr Dr. Schüffner einen Aus- flug mit mir in Aussicht genommen. Ich hatte den Wunsch ge- äufsert, einen zum Zweck der Urbarmachung umgeschlagenen Ur- wald zu sehen. Einmal interessierte es mich, zu sehen, in welcher Weise die Verbrennung der ungeheuren Holzmasse vorgenommen wird, andererseits hoffte ich in dem Geäst der umgeschlagenen Waldriesen allerlei seltene und sonst gänzlich unzugängliche Orchi- deen und epiphytische Farne finden zu können. Ein solcher ge- schlagener oder, wie der technische Ausdruck in Deli lautet, getopafster Urwald war in einer Abteilung der Pflanzung Sungei bahasa. Dorthin ging in der Morgenfrühe unsere Fahrt. Auf der Hauptabteilung der Pflanzung, die wir mit einmaligem Pferdewechsel erreichten, schlofs sich uns der Administrateur der Pflanzung, Herr Wiedemann, an und führte uns zu der betreffenden Abteilung. Dort verliefsen wir den Wagen und wanderten zunächst ein Stück weit durch einen schönen, noch stehenden Urwald, in welchem die hohen, grauen Stämme zahlreicher Twalangbäume durch das Dickicht des Unterholzes leuchteten. Moose und Farne waren hier wieder selten. In dem getopafsten Teil des Waldes, den wir cdsbald erreichten, war ein wirres Drunter und Drüber von riesigen Stämmen, Asten 2 06 ^^^ Tabaksland Deli. und Zweigen, Die Verbrennung des Holzes geschieht in sehr eigentümlicher Weise. An der Stirnseite des umgeschlagenen Baumriesen wird Feuer angelegt, dasselbe bringt das Holz zum Glimmen. Durch den Luftstrom, welchen die entwickelte Wärme erzeugt, wird das Glimmen unausgesetzt erhalten, so dafs allmählich der ganze Stamm von zwanzig und mehr Metern Länge verzehrt wird, ohne dafs jemals die Glut zur hellen Flamme emporlodert. Das Herumklettern in dem Gewirre ermüdet schnell, und da ich auch bald genügend gesammelt hatte, so brachen wir von dort zur Wohnung des Assistenten der Abteilung auf, von wo uns unser Wagen zur Hciuptabteilung und von dort nach kurzem Aufenthalt mit Pferdewechsel nach Tandjong Morawa zurückbrachte. Wir kamen noch rechtzeitig zum Mittagessen dort an, zur letzten Mahl- zeit, die ich bei dem liebenswürdigen, gastfreundlichen Herrn Tweer und in Gesellschaft des Herrn Dr. Schüffner einnehmen konnte, dessen Güte ich so viel verdankte. Am Nachmittag fuhr ich mit Mario nach Medan zurück. Einen Tag verweilte ich noch unter dem gastlichen Dach des Ehepaars Maurer. Dann mufste ich auch hier von den lieben Freunden Abschied nehmen. Am Mittwoch den lo. Januar ent- führte mich das holländische Schiff aus dem Lande, in dem ich in der kurzen Zeit so Vieles erlebt. Trauriges und Freudiges, Böses und Gutes. HEIMKEHR. Die Wochen, die ich nach meiner Rückkehr aus Sumatra noch auf Java zubrachte, waren hauptsächhch ausgefüllt mit dem Ab- schlufs meiner Untersuchungen im Laboratorium zu Buitenzorg und mit den Arbeiten zur Herrichtung meiner Sammlungen für die See- reise. Einen Teil des Materials sandte ich mit einem Frachtdampfer, der um das Kap der guten Hoffnung fuhr, nach Europa, einen andern Teil nahm ich in grofse, schwere Kisten verpackt mit mir als Passagiergut. Die lebenden Nutzpflanzen, welche ich für die botanische Centralstelle für unsere deutschen Kolonieen bestimmt hatte, liefs ich mir erst einige Wochen nach meiner Abreise nach Ceylon nachsenden. Sie waren in zwei grofsen Wardschen Kästen verpackt, die wie kleine Gewächshäuser gebaut sind. Am 24. Februar begleitete mich Herr von Syburg zum Abschied nach Tandjong Priok auf das Schiff. Dort hatte sich auch Herr Busch, ein junger Landsmann, den ich in Batavia kennen gelernt, eingefunden, um mir ein letztes Lebewohl zu sagen. Mario, der mir mein umfang- reiches Gepäck dorthin besorgt hatte, nahm an Bord von mir Ab- schied mit treuherzigen Wünschen für eine glückliche Fahrt und ein frohes Wiedersehen mit meiner Nonja (Gemahlin) und dem Sinjo (jungen Herrn). Seine Züge blieben dabei unbeweglich, aber an dem warmen Ausdruck seines Auges und an dem Klang der Stimme merkte ich wohl, dafs er nicht ohne innere Bewegung den weifsen Mann davonziehen sah, der allezeit in guten und bösen Tagen sein Gefühl und seine Menschenwürde respektiert hatte und ihm immer freundlich begegnet war. Solange das Schiff noch am Lande festlag, blieb Herr von Syburg bei mir an Bord; erst als die Laufplanke, die das Schiff mit dem Lande verband, eingezogen werden sollte, kam der letzte Abschied. Der Dank für erwiesene Freundschaft läfst sich nicht in wenige und auch nicht in viele Worte fassen, ein Händedruck, ein letzter Blick ins Auge sagt 2 68 Heimkehr. vielleicht mehr, als eine lange Rede. Die Fäden, welche sich von Herz zu Herzen gesponnen, dauern aus, wenn auch die Wege aus- einandergehen. Ich fuhr nun zum vierten Mal zu Schiff durch die Javasee, durch die Bankastrafse und über den Äquator. In Singapore lag bei unserm Eintreffen schon die „Oldenburg" des Norddeutschen Lloyd im Hafen. Ich siedelte in der ersten Stunde gleich auf das deutsche Schiff über, wo mir die plattdeutschen Worte der See- leute und die deutsche Reisegesellschaft das Heimatgefühl mit Macht im Herzen weckten. Der Indische Ocean bescherte uns Meeresstille und glückliche Fahrt; am Sonntag den 4. März lag die „Oldenburg" im Hafen von Colombo. Zum Besuch der Insel Ceylon hatte ich mir vier Wochen reserviert. Ich reiste gleich in den nächsten Tagen mit der Bahn nach der alten Königsstadt Kandy, von wo aus ich alltäglich nach dem schönen botanischen Garten von Peradeniya hinausfuhr, um dort in dem neuerbauten Labora- torium, dessen Benutzung der Direktor, Herr John C. Willis mir freundlich gestattete, einige Untersuchungen über das Verhalten ge- wisser Farne beim Übergang von der trocknen Jahreszeit zur Regen- periode auszuführen. Von Kandy aus besuchte ich Thee- und Kakaopflanzungen und manche botanisch interessante Plätze der Umgebung. Nach zwei Wochen trat ich eine Reise in das Central- gebirge an zu den Urwäldern und Patanas (Grassteppen) bis hinauf nach Nuwara Eliya und Hakgalla, nach dem Hochplateau von Horton plains und den Steilabstürzen von World's-End und nach Osten ab- wärts bis nach Bandarawela. Als ich über Kandy und nach einem kurzen Besuch des Kulturgartens von Henaratgoda an die Küste zurückkehrte, waren dort bereits die beiden Wardschen Kästen eingetroffen mit ihrem wertvollen Inhalt, der den ersten Teil der Reise ohne Nachteil überstanden hatte. Kautschuk- und Gutta- perchabäumchen und manche andere, wichtige Kulturpflanzen, deren schnellkeimende Samen keinen längeren Transport ertr^igen, waren dichtgedrängt in die Erde der Kästen gepflanzt. Dazwischen waren noch Samen einer Guttaperchapflanze ausgesäet, die zum Teil schon gekeimt waren und das freudige Grün ihrer jungen Blätter dem Licht entgegenstreckten. Am I. April traf, von Australien kommend, die „Barbarossa", einer der gröfsten Oceandampfer des Norddeutschen Lloyd, in Co- lombo ein. Durch die Vermittelung unseres Konsuls in Colombo, des Herrn Philipp Freudenberg, dem ich auch sonst für freundliche Heimkehr. 2ÖQ Hülfe zu grofsem Dank verpflichtet bin, gelang es leicht, die schweren Pflanzenkästen ohne Beschädigung an Bord zu bringen, wo sie auf dem Sonnendeck im Schatten eines Leinwandzeltes, das ich mit Hülfe des Segelmachers ausspannte, einen passenden Platz fanden. Auf mein Betreiben wurde den deckwaschenden Matrosen besondere Sorgfalt anempfohlen, damit kein Seewasser über die Kästen gespritzt würde. Süfswasser zum Begiefsen bekam ich nach Bedarf in der Schiifsküche. Die Seereise ging ohne stören- den Zwischenfall von statten. Der Ocean war ziemlich ruhig. Im Roten Meer wehte ein kräftiger Südwind, die Temperaturen waren nicht übermäfsig heifs. Am Charfreitag fuhren wir durch den Suez- kanal und hinaus in das Mittelmeer. Am Ostermontag begrüfste uns der schneeige Gipfel des Aetna, hoch aufragend über einer Nebelbank, als erstes Zeichen von Europa, am Nachmittag durch- fuhren wir die Strafse von Messina und bald nach Sonnenunter- gang sahen wir das Feuerspiel des Stromboli. Im Hafen von Neapel wurde am folgenden Morgen nur kurzer Aufenthalt ge- nommen. Am Mittwoch den i8. April stieg ich in Genua ans Land und liefs die Pflanzenkästen nach sorgfältig überwachter Ausschiffung mit meinem übrigen Gepäck zur Douana bringen. Ich war durch Vermittelung des Auswärtigen Amtes in den Besitz eines Erlasses des Ministero degli Affari Esteri gelangt, wonach meine Sachen <'en franchise et sans visite» durch Italien passieren durften, und glaubte damit idler .Schwierigkeit enthoben zu sein. Ich hatte aber meine Rechnung ohne die italienischen Subalternbeamten ge- macht. Niemand wollte den Erlafs respektieren, ich mufste von Instanz zu Instanz gehen, und als ich so endlich bei der Douana die Passage freigemacht hatte, fing der Tanz bei den Eisenbahn- behörden wieder von vorne an. So verlor ich einen vollen Tag, bis ich endlich mit Unterstützung des Konsulates die Wardschen Kästen spedieren konnte. Sie gingen nun ohne Aufenthalt im ge- heizten Wagen über den Brenner und direkt nach Berlin, von wo mir bald darauf die erfreuliche Mitteilung wurde, dafs alles wohl- behalten eingetroff'en sei. Am Donnerstag den 19. April nachmittags reiste ich selber von Genua ab und mit mehrstündigem Aufenthalt in Mailand nach Verona. Von dort geht früh um 5 Uhr der Zug zur Brennerbahn weiter. Das Frührot liefs das schneebedeckte Haupt des Monte Baldo in rötlichem Schimmer erstrahlen, bald sah ich „die Alpen wieder glüh'n hell in der Morgensonne". Nun ging's ohne Aufent- 270 Heimkehr. halt durch die wohlbekannten Fluren von Tirol, auf denen noch der Winter mit dem Frühling im Streit lag. In Bozen sah ich die ersten bekannten Gesichter, einige Münchener Kollegen, die in der Zeit der Osterferien dem Frühling bis dahin entgegengereist waren. Am Brenner lag noch der Schnee, der erste, den ich in diesem Winter aus der Nähe zu Gesicht bekam. An den waldigen Hängen neben der weifs aufschäumenden Sill braust der Schnellzug bergab in das winterkahle Thal von Innsbruck, dann über Kufstein auf die Hochebene hinaus. Im Abendnebel tauchen die Frauentürme von München auf. Viel zu langsam für mein Empfinden umfährt der Zug im Bogen die Stadt, endlich rollt er in die wohlbekannte Halle ein. Dort drinnen ist für mich nichts wahrzunehmen von dem Rollen der ein- und ausfahrenden Züge, von dem Gedränge der Reisenden, von den Gepäckkarren und dem Zuruf der Beamten; ich sehe nur zwei liebe Gestalten, die in freudigster Erregung meiner harren, — Weib und Kind. Marios Abschiedswünsche waren in Erfüllung gegangen. Karlt \on JAVA UND SUMATRA Maßstab l 10 000 000 1^ r .^^"l «^ i^^^4^» ciftlid^es unb VOeWWd^es a. b. türfifd)=gri^d)ifd7e!i € V/ /(I^ril?Tlt ^rlbltcrlcbtcs unb ^clbfl^cfcbcncs. ron (5cI->.=Kat prof. DDr. £i. (?cljcr. ^^— ^ mitportratunb (2 5cidinungcn. (^ci'dimarfi'oU gclv .«. 5.— , ijch. j;. 6.— I>as öudi rticbt bic Sinbrürfc lüicbcr, bic bcr bcfatmtc , feit langem mit bcn griedjifd;: türtifd)cn Dcrbältniffcn ucrtnnttc l^v3cintinift bei feinem letzten Zlufentbalt im ©rient von £anb unb Ceuteit gewonnen l>it. €5 irenbct fid^ burdnnis nid;t nur an »iffenfdiuftlidic £cfer, fonbern «n bcn gvofcn Kreis bcr (?cbilbeten , bei bcnen bur* bas geniale UPcrf bcutfdier (EedMiif, bie anatolifd^en i^abncn , unb burd^ ben itnmer fteigcnben j'^ufiub- von reifenben Canbsleufcn bas ^ntereffc f ur biefe Cünber uralter Kultur in bcftanbigem U\idiitum begriffen ift. Per Derfaffer bat feine >£rlebniffc teils crnftcr, teils beitcrer Tiatur bcn einzelnen 2lbfdinitten einaeflod7tcn ; vot allem bat er audi bie initteilungcn, bie er im melirmonatlid;en Umgang mit einer Hcihe febr funbigcr Cinbeimifdyr trie aud; lang anfäffigcr €uropäer bat erlangen fönncn, jroerf; entfpredynb verwertet. Das i^udi ift feinem ilbaraftcr enlfpredjenb ausgeftatlet; es cntbält Sabireidie fünftlerifd; ausgefübrtc Vignetten, bic orientalifd^c Tolfstypcn unb £anbfd>aftsbil'ber barftellen. ine 2luftralien= un^ Sübfeefal^rt von Dr. 21. Daiber. init 5ablreid)cn 2lbbilbungcn. Dornebm geb. J/. 7. — »*f»t»f»«f*^»»^»*^*r*s»f llbcr bic füblid'e Palbfugel beginnt ^hiftralicn immer mebr als Königin ju bcrrfdicn. «Es ift ftaunensaicrt, in wcld^ furjcr ,-icit fi* bicfcr ferne Kontinent ju einem aroßeii ITiittel: punft bcr ilirilifation cntporgerungen bat. irierfmürbinerweifc ift bicfcr jüngftc irelttcil in €uropa, fpcjieU audi in Dcuifd^lanb , nod; nid7t fo gcwürbigt, mie es ibm'fcincr beutigen i5cbcutung nn&: 3ufommt. 2luftralicn bcm bcutfdjcn piiblifum 'näbcr ju brinacn, ift bcr §t»ccf bes rorliegenbcn 0."'crfcs. ^ludi bic bcuifd^en Kolonien bcr fernen, palmenrcidjcn fübfec, uicnn audi nur in ffijjcn, bcr licimat pcrtrautcr ju mad^cn, bat bcr Derfaffer iicrfud->t. fdMid^t unb watfr, babci aber lebcnbig unb anfdiaulid) treip er £anb unb geute ju fdiilbern unb bic aefdndjts lidie (Entiritfclung iicrftänblidi ju madicn; befonbcrcs 3ntcrcffc toibmet er bcm fojialcn £cbcn unb bcr anrtfdiaf'tlid^en i5ebcutung bcr burd^reiften £änbcr. rieimatf länge aus ^elltfd]en (Bauen, ^iiv juncj unb alt 47;ausgett)äl?It von Dr. 0sfar Däl^nl^arM. Hi'ife"r?'l"üf cTs" l 3n fünftlcrifdicm Umfdilag gcl^cftct je Ji.2.—, gebunbcn je Ji. 2.60. •^«•««f»^«-»«. I. Bus IDaii'dj UUt» 5äei&e. nicbcrbcutfdic ©cbi^te unb «rjäblungcn. 11. HUSBellCnÄurUntlH>altlCS4Xninlt. inittclbeutfd7c(Sebid:tcunbi£r3abrungcn. III. Bxia 1^0djIaUi9 Xtn^ ÖdjnCBßEbirp. ©berbcutfdjc ©cbidjte mt) Crjälilungen. ,,.... So tt'ünfd^en a'ir aud^ bicfcr f ammlung , beren crfter i?anb iticbcrbcuffdilanb umfa§t, unb "ben noA) folgcnbcn ininben eine fröblidie unb gcfcgncte Ilusfabrt in bic bcutfd;cn £anbc unb Sdiulcn. Die Jlusftattung ift gan.j rortrcfflid), 'unb bcr öudifdMnud pon Kobert €ngcls mit bcn priiditigcn Cbaraftcrfopfcn unb ftilgcrc*tcn Canbfdniftcn paßt aanj ausacjcid-inet 3U bcm 3nbalt." ' (Sitcrarifdjes ileniralblatt \^)0\, ta. 2\.) ,,€incs ber liebcnswürbigftcn yüdjcr, bas \A) feit 3''t;rcn in ber i)anb gcbabt liabe. (Ein ausge3ei*nctcr Kenner bcr bcutfdicn Dialeftbidjtung , ein fül^ncr dicffceforfdicr im bcutfdjen Polfsgcmütc, ein aiarmbcr3igcr piibagog, bcr feinen 3""«'"« ^if öbe Sdiulftube 3ur bcbaalidjen Stätte traulid>ftcr 3"-'icff rad^c unb cditcftcr lllärd^cnftimmung um3ufd>iffcn rcrftcbt, nuidit bier 'i>in überaus gut gelungenen Terfu* , Sdiülcrn unb Ccbrcrn eine ^lusirabl bcs i'cftcn i'or3U= legen, tt'as bic beimifdi'e Dialcftbid^tung in l^crs unb profa barbictct. Der rorlieacnbc i?anb unifa^t in (2 (Sruppcn bic norbbcutfdien Dialcftc. Die forrcbc djarafterifiert aber aud; bereits bie mittel; unb fübbcutf*cn, bcnen fpütcrc ininbd^en gcii'ibmct ircrbcn foUcn. lllit l)cllcm 3ubcl begrüb-e id^ es , bafi audi unfere berrlid^c öftcrreid;if*c Dialcftbiditung , um bercn 2hi= crfcnnung in nieitcrcn Kreifcn id; feit Dielen 3abrcn eifrig bcmübt bin, unb bcfonbcrs Stcl3bamer, iion Diibnbarbt in tbrcm rollen IVcrt crfannt ii'orbcn ift. . . . IVir rufen bcm portrcfiflid^en Sammler 3ur ^ortfcßung feiner Sd^ürfarbeit ein bcrjlidics ,,(?lücf auf" 3u." (2t. Sauer im fupborion.j ,,IV\ behbcn bicr irft bcn irften i?anb, in ben bc plattbütfdien llTunbortcn to lUurt famcn, vor uns, un trat bier ut bcn plattbütfdien Did'tcrfdiai^ tofambraaen is, bat fonn uns ii->oU Don bm nurbbütfdicn Tolfsdiaraftcr cn flor Specgdbilb geben, fic un-et, unit bc Illunbortcn för bc Tolfsort bcbübcu, un be Fennt of bcn IViit, bcn fc for bc bod;bütfd)C Sdjriftfpraf bcbben, un borüm möt bc 3"t5cnb be bütfd^e niunboitbiditung fcnnen librcn , bormit bat fc to weetcn friggt, luat för uns got is un unU uns iiot belt. Dat unub t^ai^, bi uns; (J^ott aew , bat't ümmcr licUcr inarb. 2l"iie fönncn jcbe plattbütfdie .'^amilic raben', fif bit i^of to'föpcn; olt un jung Riarb fm belle .^reub boran bcbben." (De lEfbom 1<)01, Hr. \.) ,,Dtc iiorlicgcnbc Sammlung cntbält in J3anb 111 munbartlid'c proben aus bcm flfaß, bcr Sd7a>ci3, Süb;i>abcn, Süb=irürttemberg, Süb=iniycrn , Vorarlberg, (Tirol, Saljbura , ("bcr; öftcrrcidi , nicbcröftcrrcid; , Steiermarf, Kärnten unb bcn Spradnufcln in Unaaru. Der XOtxi bes i^udics bcftcbt aber nidit nur barin, ti<.\% es Dialcftpcrlcn in poefie unb profa bietet, fonbern es verlangt bas ücimatsrcdit in jcbcm bcutfd^cn Tviiifc unb in bcr Sdnile 3ur i'c= icbung bcs llntcrridits ; beim es gilt, nid^t nur ben Kopf 3U füllen, fonbern audj bas iicrj 5U erfreuen; bcnn € Sdnil obnc Spafi , obiie Sd;cr3? Die Kinncrd;cn bauern midi bicf nein ins ficrj." (St.) 21 rbeit nnb ^\I]Ytl]miis. Don Prof. Karl ^üd^er. ^lurilf, ilurf uerniplirtp Jlufliiijc. ®eliffift "!(■ 6- — ; gcjdjinacfuoU gebunöen J(6.S0. ,,. . . Vie übrige (Sfiiioiiiöe aUijetnciii (Sfbil&etpt, tucK+ip nidjt blof; bifje oSi-r jene Sinjels t)eit bex in ber 8üd''ericbrn Jlvbeit entlialtenen luiffettfciniftlid^rn ^irutigcnidjnftrn iuteieii'icrt, l'.^iibcrn bie fid) fiir bie (Sejanitl^eit bei f^lbftänbigen unö roeit (jrcifenben ilbfrblid's über ben oifl per ) d; lungenen §u io ni nien b a noi von 2lrbeit unö Hlfvlbmus aufrtditig freuen barf, tvir^ incines ^Erciilitens bcin beiuabrlen ,5oru+cr nudf bnfür bi'ionbcrs biinfbar U"in, biifi er ibr einen irertuollrn ö^itrng ju einer Cohre «eliefert Ijiit, tt'eld7e bie ebelftcn (Senüffe in unfcrm armen lllrnid7enleben oerniittelt, nänilidi jurCelire i'on ber benfenben 8eobnd)fung, nidjt blop ii'plterid'ütteinbrr €rpiüiTiihe, Ion!- bern audi allfäglidier, auf f-d?ritt unb Criti ans begetjnenber (?pidiel)nilje" ((S. o. mayr in ber i'rilnge 3. JlUqeni. ,Stci.) ,,. . . r>iis (Ppiiigtp ti'irb genügen, jebcn Cicbl^nbcr ber Kulturs unb If irtf d^af tss gefdudite, tvic g et ftu oller Setradjtung ber großen guf am ni en Ijänge alles nicnfdilid-'en €pbpns auf bie feine unb intercffantc Unterfudiung l^in3ua'ciien." ((S>. 5d:m oller im 3''l)rf'"fl? f- ©cfe^gebung u. f. w.) ^ intmelsbilö unb tPeltanfd^amuu^ iin IPanbel ber Reiten. Von prof. Croels-'Cunb. :,'rSd?''Ä' 3n ficinivanb gefdjniacfi'oU gcbunbcn ^If. 5. — •«-•^•^«■•^•«»^«^»•s«'»^»'»«-»«-*^«"'««- ,,T>as Bud} Viat in walirliaft fpanncnbcr Ifcife bie i£podjcn ber mcnfdilidjcn (Sciftes= gefdiidiie in ibreni Fortgang gcfdiilbert, unter einem gan3 neuen (?cfid]tspunfte , i'on bcffen entfdipibcnbcr Bpbcutiing es aber ein (Pefübl ber llberseugung 3U erwerfen uerniag." cm. 5dinctbctvin t. b. Doffifdicn ,t>tg.) ,,i£s iftfduDung unb U''ärnic in ber !• arftel 1 ung , unb man ift erftaunt über bie gl üd li die K übn li ei t fo ineler IVenbungcn, um fo melir, als bas fo eigenartig (Pefagtc bodj ben ünbrutf bes mübclos (Pcfunbciien unb ganj natürlidi Jlusgcbrürften madit. IHan fielet, ba^ ber gelehrte Uerfaffer ftarf unb tuarm empfinbet unb anfdiauenb bcnft. Ilas mad]t feine Hebe übcr3eugungsfräftig. . . . ^cinc ilaturfdjilberungen , burd; tiicldic er um abgc= blatte Hamen ein frifd^es unb 3auberifdics Cid^t 3U gießen uerftebt, finb bei ihm fein aufge= fester Sd^mud', fonbern bie (Prunblage feiner fulturbiftorifdien lErörterungen." (Cn. IPci^cnfcIs i. b. l^odicnfdjrift für flaffifdie pbilologie.) (5 ejunM]eit unb Kranfl]cit in ber 2lnfd)auung alter .Reiten. Don prof. Croels^Cunb. :'TT%IlX^'^mü einem öilbnis bes ferfaffers. (Seheftct M. ^. — , gcfdimad'üoU geb. J^. 5. — »«?»-»•«»:«.-«■ öer burdi fein glänjcnb gcfdiriebenes Sudi ,, £i i m m c I s b i I b unb IP e 1 1 a n f d; a u u n g " in Jcutfdilanb beFanntc bänifd)C ©elelirte lentt in biefem feinem ncueftcn IPerfc, bas bem frühem an (?cift, (Pcbait f cnf ül le unb Originalität ber ^luffaffung gleid; = fommt, bie 2Iufmcrffatnfcit tpcitcrcr Kreifc auf ein bisber wenig bcad?tetcs fulturgcfdiidjtlidies Problem. «£r bcbanbelt bie Begriffe (Pefunbbeit unb l(ranft>eit im luibmen ber vergangenen Kultnirf'od-'cn unb rerftebt es, fidi ganj in jene früheren .rieiten t^inciniierfetjenb , ron ihrem StanbfniuFte aus bie tlafcinsbered^tigung ber uns ntcrfiinirbig , ja oft lädierlidi crfdieinenben JInfiditen ju cru'eifcn , fic aus bem (Pcift ber ,?icit heraus 3U erflärcn unb fo für uns U'irflidi uerftänblidi 5U madien. Pem It^erfe barf ein hoher fuIturgefdMditlidier lUert jugcff'rodicn tt'erben. i£s u'irb baher nidjt nur bcin -Irjtc unb iiiftoviFcr, fonbern jebcm eine ^üUe bes 3ntercffanten unb IPcrtiiollen bieten. er Stäbtebau nad) fünftlerifd^en (Brunbfät^en. ^Ä # Uon Kegienmgsrat iamillo ^ittc. i£in Beitrag 3ur €öfung moberner .fragen ber "^^^ UrdiiteFtur unb monumentalen plaftif. lUit 4 tieliogramiren unb (()') 3""flr'i''i'ncn unb ?etailplänen. 2. ^luflagc. (Peh. Ji. .t 40 , in iilbfr. geb. J/. 7. — . (t^erlag v. darl «Sracfcr Ä: £0. in IPicn.j *<-»s^»--»«e«:»<«r««^i^»»f«t«t»t»»e»^«t»r«t»r»<«r*<-«-»«^»<«^»'»^ 3n biefem IV>crfe , ireld^es überall bie größte 3lufmerffamfeit erregt unb allfeitig bie günftigftc Beurteilung gefunben hat, unternimmt es ber befannte Perfaffer, bei einer J\eihe alter platj; unb 5 tabtanlagcn bie llrfad^e ber fduinen IPirfung 3U ergrunben , babei i'on ber Jtnfichi ausgchenb , i -««"*l! - -«w^ön »^^ 1 ^st^Z m-^^ k^^mm 'yi»(m 9^EMa| Hp j^^^ |^j[| ^ji^sff'^-^lit^^l •^^jo;- iKft;