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Bi ua R EN I N N Br k TYı Re EI e es “ nie Ende DR IE #1 Ei “ P * N LERNT Ü “ BERN R 4 “ Ku R' di DZ a SR Ko) M N NT A ala x N Kinn ‘8 ’ en A 1? gi 5 j Jenaische Zeitschrift für NATURWISSENSCHAFT herausgegeben medieinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Elfter Band. Neue H'olge, Vierter Band. Mit 36 Tafeln. Jena, Verlag von Hermann Dufft. 1617. Zn Er es a fe a Inhalt. Die Physemarien (Haliphysema und em , Gastraeaden der Gegenwart. Von Ernst Haeckel Nachträge zur Gastraea-Theorie. Von Ernst Ba aec e h ap Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde auf den an männ- licher Schmetterlinge. Von Fritz Müller Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. Voo 1 er th 0 si a Hatschek . Ueber den Bau und die ea der Spirochona er Non Richard Hertwig 3 . Zur Entwicklungsgeschichte der Dekan. Won Dr. Ba au N M ayer . Geographie der Laubmoose Thüringens. Von A. Röse Systematisch-statistische Uebersicht der ee en kueasen Yan A. Röse . Ueber Leptodiscus eionder, ‚ eine neue ar Noculkeon Germanhıe Flagellate. Von Richard Hertwig Studien über Rhizopoden. Von Richard Her 4 wig Bemerkungen über den Bau der Najadenkieme. Von Carl R a Bl Ueber das Nervensystem und die et der Medusen. Von Oscar und Richard Hertwig. s Mittheilungen über Cölenteraten. Won 6. v. K 0 sch & Die ost-thüringischen Encriniten. Von C. Dalmer . Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. Von Oscar s c h u ffn er Ueber Befruchtung und Zelltheilung. Von Dr. Eduard Strasburger Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen nebst Beiträgen zur ® _Kenntniss ihrer Entwicklung. Von Dr. H. A. Wildermuth Seite zalr Bl ihn and Han si a ° BNR LE RR us N N: er P 18 De Firie: ws N 23 ver ei Re, pe RER 2 ‚ltr ER ar Y Air Erg PT FR Far a RT ee DE, ey eo ER N OL? Zn iS Han Kr a N TDIOHEITEE KaV Amar gen Yan ae I; : i . ex, EL « r “ P F « ET HRS RR ae AIDAIBATE TERN er he a RT dt tut Tab BE er IR (a is a Wehr arg) 2,uch EVER Ar write Pt A H'hsaHa Ei 44 YF E A ze Boni ht ae er us 5 RER ECTE IT Bin wol) und sub ei a VL 4 Wh TORTE PR Hrn had: {2 faster ne . u - . +. Teer) BB 2 ; ydar] u h i audit er Nele) Ar FEAR TRUE Wash el BR mlndutas Eiice N ER EIRERT- Netter nr MIR A ale ah. un rat ” De RT SE Da ER 3 SG en &e ten He Rt a Die Physemarien (Haliphysema und Gasiro- physema), Gastraeaden der Gegenwart, Von Ernst Haeckel. (Hierzu Taf. I— VI.) (Fortsetzung der „Gastraea-Theorie“ u. s. w., Bd. VIII dieser Zeitschrift S.1—75, Taf. I; und Bd. IX derselben, S. 402—508, Taf. XIX—XXV.) 13. Bisherige Beobachtungen über Physemarien. Wenn wir das natürliche System des Thierreichs im Lichte der Entwicklungs- Fheorie betrachten und die morphologischen Verwandtschafts-Beziehungen der verschiedenen Formen phylo- genetisch deuten, so ergibt sich als eines der interessantesten Re- sultate die Erscheinung, dass fast alle hervorragenden Entwick- lungsformen der Vergangenheit noch in der Gegenwart durch einzelne uralte Ueberbleibsel vertreten sind. Wie uns die ver- gleichende Culturgeschichte in den verschiedenen Völker-Stämmen noch heute fast alle Entwicklungsstufen der menschlichen Cultur und der staatlichen Organisation vor Augen führt, so zeigt uns auch die vergleichende Zoologie in den verschiedenen Thierclassen noch heute fast alle Entwicklungsstufen des Zelleulebens und der thierischen Organisation neben einander. Die Moneren der Gegen- wart berichten uns von den ersten Anfängen des organischen Lebens vor Millionen von Jahren. Die Amoeben von heute geben uns eine klare Vorstellung davon, wie der indifferente einzellige Organismus beschaffen war, der in der „Morgenröthe der Schöpfung“ den Grundstein des Zellenlebens legte. Die niedersten Pflanzen- thiere der Gegenwart, Spongien und Hydroiden, erzählen uns von der Gründung des Metazoen-Reiches. Die Ascidien und Amphioxus Bd. XL. N. F. IV. 1. 1 2) Ernst Haeckel, ’ berichten uns, wie aus einem Zweige der Wirbellosen der grosse Stamm der Wirbelthiere entstand. Die Cycelostomen geben uns eine Ahnung von der Organisation der ältesten Schädelthiere; die Selachier zeigen uns, wie ungefähr die ältesten Gnathostomen beschaffen waren. Nicht minder berichten uns die heutigen Monotremen von der ältesten Geschichte der Säugethier-Classe und die Anthropoiden von den Anfängen der Anthropogenesig. So hat jeder grosse Fortschritt in der Thier-Geschichte seine heute noch sichtbaren Spuren hinterlassen; und von jeder charak- teristischen Hauptgruppe des Thierreichs leben noch heute einzelne uralte Epigonen, welche in zäher Vererbung die wich- tigsten Eigenthümlichkeiten ihrer längst ausgestorbenen Stamm- gruppe bis zur Gegenwart getreu übertragen haben. Das hervor- ragende Interesse, welches sich in dieser Beziehung z. B. an den Amphioxus und die Aseidie, an die Selachier und die Anthro- poiden knüpft, ist heutzutage so allgemein anerkannt, dass wir hier Nichts weiter darüber zu sagen brauchen. Ein gleiches Interesse aber möchten wir hier für einige kleine Thierformen in Anspruch nehmen, welche zwar nicht neu sind, aber bisher wenig bekannt und ganz irrthümlich gedeutet waren. Das sind die Physemarien, eine kleine Gruppe von niedersten Pflanzen- thieren, die der hypothetischen Stammform aller Metazoen, der Gastraea, näher stehen, als alle anderen bis jetzt bekannten Thiere. Bisher durften einerseits die niedersten Spongien, und namentlich der von mir beschriebene Olynthus !), andererseits die einfachsten Hydroiden, z. B. Hydra, als diejenigen Metazoen gelten, welche sich von der gemeinsamen Wurzel der ganzen Gruppe am wenigsten entfernt hatten. Noch näher aber dieser Wurzel, ja in nächstem, ganz unmittelbarem Zusammenhang mit derselben stehen unsere Physemarien: die Genera Hahphysema und Gastro- physema. Das erstere ist von seinem Entdecker Bowersank als eine Spongie ?), das letztere von Carter als eine Foraminitere be- schrieben worden. In der That sind beide Genera Gastraeaden, einfache schlauchförmige Thiere, deren Körper zeitlebens nur aus den beiden primären Keimblättern besteht. 1) Hazcxer, Monographie der Kalkschwämme, 1872, Bd. 1, S. 76: „Die Stammform der Kalkschwämme (Olynthus);“ Taf.1, Fig. 1; Taf. 11, Fig. 6—9; T.'afld, Fig. 9. ?) Bowerzank, Monograph of the British Spongiadae, 1864—1874; Bd. T, p. 179; Taf. XXX, Fig. 359. Bd, II, p. 76—80; Bd. III, Taf. XIII. Bisherige Beobachtungen über Physemarien. 3 Das Genus Haliphysema hat Bowersank im ersten Bande seiner „Monograph of the British Spongiadae“ (1864) mit folgenden Worten charakterisirt: ‚Sponge consisting of a hollow basal mass, from which emanates a single cloacal fistula. Skeleton: Spieula of the base disposed irregularly; spicula of the fistula disposed prineipally in lines parallel to the long axis of the sponge, without faseiculation.“ Im zweiten Bande derselben Monographie (1866) gibt er die Beschreibung von zwei britischen Arten: 1. Haliphysema Tumanowiezü und 2. H. ramulosa. Eine Abbildung der ersteren findet sich auf Taf XXX des ersten Bandes (Fig. 359); eine Ab- bildung der letzteren auf Taf. XIII des III. Bandes (1874). Von der ersteren Abbildung (Fig. 359) hat auch Oskar Schmumt eine Copie gegeben in seinem „zweiten Supplement der Spongien des adriatischen Meeres“ (1866, p. 13; Fig. 153). Haliphysema Tumanowiezü charakterisirt Bowersank folgender- maassen (Vol. II, p. 76): „Sponge pyriform, pedicelled; base ex- panded, thiek, turgid at the margin; pedicel gradually enlarging upwards, fistular, parietes very thin, surface smooth and even; distal extremity abundantly hispid. Oseula and pores inconspi- euous. Dermal membrane thin and translucent. Skeleton mem- branous, with an incorporation of fragments of spicula of various sizes and forms, and of minute grains of sand.“ In der ausführ- lichen Beschreibung, welche Bowerrank dieser Diagnose folgen lässt, bezeichnet er ZAaliphysema Tumanawiezü als die kleinste britische Spongie. Sie wird kaum eine Linie hoch und sitzt auf den Stämmcehen von kleinen Algen und Zoophyten. Die einfache Gestalt des gestielten birnförmigen Schlauchs variirt wenig; nur der Stiel ist bald länger, bald kürzer; bisweilen wird der birn- förmige Körper fast kugelig; die planconvexe scheibenförmige Basis des Stiels ist in der Mitte oft nabelförmig eingezogen. Die Höhle der Basis geht dnreh den hohlen röhrenförmigen Stiel un- mittelbar in die Körperhöhle über. Die Wand des hohlen Schlauchs ist überall sehr dünn und ohne Poren; sie besteht aus einer zarten durchsichtigen Membran, mit welcher Sandkörner, Spongien-Nadeln und andere fremde Körper verkittet sind. Merkwürdig ist, dass die Schwamm-Nadeln (wie auch bei den anderen Physemarien) eine regelmässige Lagerung haben. In der scheibenförmigen Basis finden sich fast immer nur Bruch- stücke von Nadeln, unregelmässig durch einander gewebt; im eylindrischen Stiel sind die Spieula meistens parallel seiner Längsaxe gelagert; die birnförmige Distalhälfte endlich (‚the head 1* 4 Ernst Haeckel, of the sponge“, wie Bowersank sagt) ist reichlich ‘mit Nadeln be- waffnet, die nach allen Richtungen ovalwärts abstehen (aber nie- mals rückwärts nach der aboralen Basis gerichtet). Trotz dieser constanten Lagerung der Spongien-Spieula unterliegt es keinem Zweifel, dass dieselben fremde Körper sind und dass Hal- physema selbst keine Spieula bildet; es geht das schon daraus hervor, dass die Nadeln verschiedenen Schwamm-Arten angehören und dass die geknöpften Nadeln mit ihrem stumpfen Ende bald oralwärts, bald aboralwärts vorragen; auch dreistrahlige Nadeln liegen einzeln dazwischen, und Sandkörner in wechselnder Menge. Ausdrücklich ist hervorzuheben, dass Bowersank weder Poren noch Oscula an dem vorgeblichen Schwamme entdecken konnte. Er sagt: „I have been unable even with a high mieroscopical power, to detect either oscula or pores. Nor have I succeeded in sepa- rating any portion of the dermal membrane from de sponge; but seen in situ it is evidently thin and translucent.“ (l. e. vol. I, p. 78). Im lebenden Zustande soll der dünnwandige Schlauch durchscheinend und bläulichweiss sein. Wenig von Haliphysema Tumanowiezü verschieden scheint nach Bowersank die zweite von ihm beschriebene Art, 7. ramulosum, zu sein. (Vergl. unten Nr.5.) Auch hier ist der rundliche Körper auf einem hohlen Stiele befestigt, ohne Poren, und in ähnlicher Weise wie dort mit einem Pseudoskelet von Spongien-Nadeln und anderen fremden Körpern ausgestattet. Jedoch ist der Stiel hier verästelt und mehrere Personen sind zu einem Stöckchen ver- einigt. Es ist nur ein einziges Exemplar dieser Art bekannt, ein gabelspaltiges Stöckchen von 5 Mm. Durchmesser, welches aus 8 Personen zusammengesetzt ist. Die nähere Beschreibung folgt unten (im 14. Abschnitt). Während Bowersank die beiden, von ihm zuerst beschriebenen Haliphysema-Arten für Spongien hält, ist dagegen ein anderer englischer Spongiolog, H. J. Carter, der Ansicht, dass dieselben Foraminiferen seien (!). Zwar hat Curter jene beiden Arten gar nicht vor Augen gehabt, aber er glaubt einen damit iden- tischen Organismus gefunden und sich von dessen Foraminiferen- Natur überzeugt zu haben. Nun ist aber dieser, von Carter sehr genau beschriebene und abgebildete Organismus.weder eine Fora- minifere, noch ist er mit Haliphysema identisch; vielmehr bildet er eine neue, mit letzterem nahe verwandte Gattung, der wir den Namen Gastrophysema beilegen wollen. Carter kam auf den sonderbaren Gedanken, dass derselbe zu dem Monothalamien-Genus Bisherige Beobachtungen über Physemarien. ) Squamulina gehöre, und hat auch unter diesem Namen eine sehr genaue Beschreibung davon gegeben.!) Nun ist aber das Rhizopoden-Genus Squamulina 1854 von Max SchuLtzE in seinem Polythalamien-Werke mit folgender Diagnose aufgestellt worden: „Schale einer planconvexen, flachen Linse gleichend, mit der planen Seite festgeheftet, kalkig, eine einfache, ungetheilte Höhlung umschliessend; eine grössere Oeffnung auf der convexen Seite; feine Poren fehlen.“?) Hiernach ist Squamulina ein kalk- schaliges Monothalamium; hingegen würde der merk- würdige Organismus, den Carter als Squamulina scopula beschreibt, und den wir Gastrophysema scopula nennen, ein nicht kalk- schaliges Polythalamium sein, wenn es überhaupt ein Rhizopod wäre; und es bleibt geradezu unbegreiflich, wie CarTEr darauf verfiel, gerade die Gattung Squamuwina dafür auszusuchen; zumal auch die äussere Gestalt gänzlich verschieden ist.?) Squamulina scopula (1. e., p. 310; Pl. IV, Fig. 1—1i) — unser Gastrophysema scopula — bildet nach der Darstellung von Carter einen kolbenförmigen dünnwandigen Schlauch von einer Linie Länge. Auf einer scheibenförmigen, planconvexen Basis erhebt sich ein schlanker umgekehrt konischer Stiel, der ungefähr die Hälfte der Körperlänge erreicht und durch eine seichte Einschnü- rung von der anderen birnförmig erweiterten Hälfte geschieden ist. Die letztere zerfällt durch zwei seichte Einschnürungen wieder in drei Abtheilungen, so dass also der ganze Schlauch eigentlich aus fünf hintereinander liegenden und durch engere Thüren ver- bundenen Kammern besteht. Diese bezeichnet Carter als 1. Fuss- scheibe (pedestal) ; 2. Säulenstiel (column); 3. Hals (neck); 4. Körper (body) und 5. Kopf (head). Am Ende des letzteren öffnet sich der !) Carter (On two new species of the foraminiferous Genus Squamulina, and one new species of Difflugia. Ann. and Mag. of nat hist. May 1870, Vol. V, p. 309, Pl. IV, V). ®) Max Scaurrze, Ueber den Organismus der Polythalamien. Leipzig 1854. 3) Ausser Squamulina scopula beschreibt Carter noch eine zweite an- gebliche Art derselben Gattung unter dem Namen Squamulina varians (l. c., p- 321, Pl. V, Fig. 1-5). Auch dies ist keine wahre Squamulina, sondern wahrscheinlich eine Difflugia ; ihre halbkugelige einkammerige Schale ist aus fremden Körpern gebildet. Hingegen ist wahrscheinlich die angebliche „‚neue Art von Difflugia“, welche Carter in unmittelbarem Anschluss daran als D. bipes beschreibt, keine Difflugia, sondern eine Cyphoderia oder verwandte Gattung! Wie ausserordentlich willkührlich, unlogisch und kritiklos CArrer in seinen Arbeiten verfährt, habe ich schon in meiner Monographie der Kalk- schwämme gezeigt (Bd, I, S. 27-31). b Ernst Haeckel, hohle Schlauch durch eine kleine kreisrunde Mündung. Die Höhlung der Fussscheibe ist unregelmässig in radiale Kammern geschieden, indem mehrere Falten der Wand, gleich unvollstän- digen radialen Scheidewänden, gegen das Centrum vorspringen. Die dünne Wand des schlauchförmigen Körpers soll aus einer chitinartigen Grundsubstanz bestehen, welche mit Sandkörnchen, Schwamm-Nadeln, Anneliden-Borsten und anderen fremden Kör- perchen verkittet ist. In der grösseren, aboralen Hälfte, in den vier proximalen Abtheilungen, besteht dieses Pseudo - Skelet grösstentheils aus kleinen farblosen Quarz-Körnchen, gemengt mit kleinen Bruchstückehen von Spongien-Nadeln. Dagegen ist die fünfte, distale Abtheilung, der „Kopf“, mit einem dichten Busche von längeren Schwammnadeln bewaffnet, welche nach allen Seiten, oralwärts gerichtet, abstehen. Carter vergleicht deshalb die ganze Form mit einem kleinen Besen oder Borstenpinsel (,„scopula“). Die Spieula rühren von Spongien der verschiedensten Gruppen her, Kalkschwämmen (Sycandra), Kieselschwämmen (Pachymatısma) u. s. w. Die geknöpften Nadeln sind häufig mit dem stumpfen Knopfende auswärts gekehrt. Durch starken Druck (!) entleerte Carter aus der Mündung des Schlauches eine organische Masse, welche aus „halbdurch- sichtiger gelblicher Sareode“ bestehen soll, enthaltend Körnchen, Oelkugeln, Diatomeen, Fucus-Beeren und „reproductive cells.“ Letztere sollen besonders in der unteren (proximalen) Hälfte sich finden und werden beschrieben als „kugelige, durchsichtige, kern- haltige Kapseln, erfüllt mit einer homogenen, schleimigen, eiweiss- artigen Substanz. Als Fundort der ‚Squamulina scopula“ wird angegeben: Beach at Budleigh-Salterton, Devonshire; Laminarien- Zone; auf Wurzeln von Laminaria, Phyllophora etc. In der breiten Erörterung, welche Carrer an diese Beschreibung knüpft, erklärt er seine Squamulina scopula für identisch mit Bowerzank’s Haliphysema Tumanowiezü, und macht Letzterem einen herben Vorwurf daraus, dass er diese „Foraminifere“ für eine Spongie gehalten habe, „as mental operations are seldom so correet as visual ones.“ (!) Wie wenig gerechtfertigt dieser Vorwurf ist, geht daraus hervor, dass erstens beide Organismen offenbar ver- schiedene Gattungen sind, zweitens weder dieser noch jener eine „Foraminifere‘“ ist, und drittens beide Gastraeaden viel näher den Spongien als den Foraminiferen stehen. Unbegreiflich ist es da- gegen, wie Carter dazu kommen konnte, dieselben kurzweg für eine Squamulina zu erklären; obgleich Max SenuLrze dieses Genus Bisherige Beobachtungen über Physemarien. 7 ‚ganz klar als eine einkammerige Monothalamie mit compacter Kalkschale von bestimmter Form bezeichnet. Noch unbegreiflicher freilich, als diese Vereinigung von Hali- physema mit Squamulina, einer einfachen, kalkschaligen Mono- thalamie, muss es erscheinen, wenn Carter dieselbe gleich- zeitig für eine nautiolide Polythalamie erklärt. Man wird vermuthen, dass derselbe die fünf Kammern des Schlauches, welche in einer Reihe hintereinander liegen, für Polythalamien- Kammern hält und demnach die ganze Kammerreihe einer Nodo- sarie oder Stichostegie vergleicht. Keineswegs! Vielmehr sollen die unregelmässigen und variablen Ausbuchtungen der engen Höhle in der Basalscheibe („pedestal“), welche durch rudimentäre Scheidewände unvollständig getrennt sind, den Kammern einer nautiloiden 'Polythalamie entsprechen; die enge Basalhöhle soll die Centralkammer und der ganze gestielte Schlauch soll nur eine Verlängerung dieser Centralkammer sein. Diese „comparative morphology“ (p. 319) von Carter ist so merkwürdig, dass ich den betreffenden Hauptsatz hier wörtlich wiedergebe: „Now this ra- diated disk undoubtly has very much the appearence of the radiated septa of an coral polype; but is has a still nearer affı- nity to the septal divisions of a nautiloid foraminiferous test; and when we compare the whole structure of the pedestal with the latter, we cannot help seeing that the septal divisions are homo- logous with the septa of a nautiloid foraminiferous test, and that the central area corresponds with the initial or primary cell of a nautiloid individual, which, on being prolonged upwards, in Squa- mulina scopula, developes a column at the expense of the spire.“ (!) Eine Kritik dieser „comparative morphology“ erscheint überflüssig; zumal wenn gleich darauf diese monothalamie Poly- thalamie (die kein Rhizopode ist!) für nahe verwandt mit den Myxomyceten (Aethalium) erklärt wird (l. e., p. 319); und wenn unmittelbar darnach aus diesen „Homologien“ gefolgert wird, dass die Foraminiferen Uebergangsformen zwischen Spongien und Corallen sind!! (p. 320). *) !) Die angeführten Ansichten Carrer’s über „Comparative Morpho- logie“ der Thiere erscheinen in noch merkwürdigerem Lichte, wenn wir a. a. O. von ihm erfahren, dass die nächsten Verwandten der Spongien die Tunicaten und zwar die Ascidien sind! On the ultimate structure of marine sponges. Ann. and mag. of nat. hist. 1870, Vol. V1, p. 335. (Wie die Foraminiferen die niedersten Formen der Corallen, so sollen die Spongien die Ss Ernst Haeckel, Was zunächst die angebliche Rhizopoden-Natur der Squamulina scopula anbetrifit, so ist diese von Carter in keiner Weise näher festgestellt. Denn dass er. beim Druck auf die Schläuche gelbliche halbdurehsichtige Sareode und zahlreiche Reproduetions-Zellen entleerte, wird Niemand als Beweis für jene Behauptung gelten lassen; so wenig als den Umstand, dass die herausgedrückte Masse unbestimmte Bewegungen zeigte. Die charakteristischen Pseudopodien der Rhizopoden und ihre Bewegungen hat Carter dagegen niemals zu sehen vermocht, ob- gleich er versichert, an vollkommen lebenden Exemplaren unter den günstigsten Umständen darnach gesucht zu haben. Er sucht das damit zu entschuldigen, dass man die Pseudopodien nur bei starken Vergrösserungen erkennen könne und diese bei dem orossen opaken Objeete nicht anwendbar seien. Das ist aber nicht richtig. Bei Gromien und anderen grossen Rhizopoden lassen sich die umfangreichen Pseudopodien-Netze schon bei schwacher Vergrösserung und häufig sogar mit blossem Auge deutlich erkennen. Die wahre Natur von Cirrer’s Squamulina scopula wurde mir klar, nachdem ich in Smyrna das nahe verwandte und nur spe- cifisch verschiedene Gastrophysema dithalamium beobachtet hatte. Aus der Anatomie und Ontogenie dieses merkwürdigen Organismus, und aus der Vergleichung desselben mit dem schon früher von mir in Norwegen beobachteten Haliphysema ergab sich, dass wir es hier mit einer neuen Gruppe von niedersten Pflanzenthieren zu thun haben, die in keine der heute bestehenden Thierelassen ohne Zwang sich einreihen lassen. Die Physemarien, wie wir diese Gruppe nennen wollen, sind weder echte Spongien, noch echte Hydroid-Polypen; noch weniger oder vielmehr gar nicht sind sie mit den Rhizopoden verwandt. Dagegen stehen sie der hypothetischen Gastraea, der zweiblätterigen Stammiorm aller Metazoen, näher als alle anderen uns bekannten Thiere, und können daher geradezu als „Gastraeaden der Gegenwart“ bezeichnet werden. Ich will nun zunächst die genaue Beschreibung der verschiedenen Arten geben, welche ich von den beiden Gattungen Haliphysema und Gastrophysema beobachtet habe, und daran einige allgemeine Betrachtungen über ihre Organisation, ihre Verwandtschafts- Beziehungen und ihre Bedeutung für das Thier-System anknüpfen. „initiative forms“ der Bryozoen und Tunicaten sein! Anderseits freilich hält Carver dieSchwämme wieder für „[lagellated infusoria“! (Ibid. 1871, Vol, VLLT, p.1--27). Vergl. meine Monographie der Kalkschwämme, Bd. I, $.27—31.) Das Genus Haliphysema. 4 14. Das Genus Haliphysema. Taf. I-III. Ein Organismus, welcher mit dem Haliphysema Tumanowiezii von Bowersank sehr nahe verwandt und wahrscheinlich sogar iden- tisch ist, wurde von mir zuerst im Jahre 1809 an der Küste von Norwegen beobachtet, als ich auf der Insel Gis-Oe unweit Bergen nach Kalkschwämmen suchte. Das kleine Wesen interessirte mich sehr wegen der auffallenden Aehnlichkeit, welche es mit der ein- fachsten Form der Kalkschwämme, mit Olynthus darbot, und ich glaubte zunächst in ihm eine einfachste Form der Sandschwämme oder Psammospongien gefunden zu haben, welche sich zu der ge- wöhnlichen Form der letzteren, zu Dysidea ebenso verhielte, wie Olynthus zu Dyssyeus, wie die Asconen zu den Leuconen. Aber vergeblich suchte ich an dem einfachen schlauchförmigen Körper des vermuthlichen Sandsehwammes nach Poren. Erst viel später, als ich in Smyrna mit der Anatomie und Ontogenie des Gastro- physema bekannt wurde, ging mir das Verständniss seiner Or- ganisation auf. Erst dadurch wurde ich in den Stand gesetzt, dasjenige, was ich vier Jahre früher in Norwegen darüber er- mittelt hatte, richtig zu deuten und zu Gunsten der Gastraea- Theorie zu verwerthen. Ich verschob damals die Mittheilung meiner Beobachtungen, weil ich die Hoffnung hegte, dieselben bei einem wiederholten Aufenthalte an der Meeresküste und bei genauerer Durchmusterung meiner Sammlung noch vervollständi- gen zu können. Wenn auch nicht in dem gehofften Maasse, ist das wenigstens theilweise jetzt der Fall gewesen. Als ich im vorigen Jahre Gorsica besuchte, gelang es mir, in der Bucht von Ajaccio ein kleines Haliphysema aufzufınden, welches dem H. Tumanowiezü der Nordsee sehr nahe steht und welches ich als H. primordiale bezeichnen will (Taf. I). Ferner fand ich eine andere Art derselben Gattung (ZH. echinoides) autsitzend auf dem Fusse einer Tiefsee-Spongie aus dem zoologischen Museum in Bergen, welche ich Herrn Dr. Koren verdanke. Diese Art ist wahrscheinlich identisch mit der Wyvillethomsonia Wallichü, welche 1870 E. Percevar-Wrisur beschrieben hat. (Taf. II). Eine dritte, sehr merkwürdige Art (ZH. globigerina) erhielt ich durch Herrn Ranpropr von den Far-Öer. (Taf. III). Nimmt man dazu die beiden von Bowersank beschriebenen Arten, so beläuft sich die Zahl der Species in dieser Gattung bereits auf fünf. Vier davon kommen auf den nördlichen Theil des atlantischen Oceans, eine auf das 10 Ernst Haeckel, Mittelmeer. Ich gebe hier nun zunächst die kurze Charakteristik des Genus Haliphysema und seiner fünf Species und schliessen daran die ausführliche Beschreibung der letzteren an. Charakteristik des Genus Haliphysema: Körper der Person einfach schlauchförmig, einaxig, ungegliedert; am aboralen Pole der Axe durch einen Stiel am Meeresboden be- festigt. Einfache Höhle des Schlauchgs (Magenhöhle) am oralen Pole der Axe durch einen Mund geöffnet. Körperwand aus zwei Schichten gebildet: innere Schicht ein einfaches Geissel-Epithel, in dem einzelne Eizellen zerstreut liegen; äussere Schicht ein kernhaltiges Syncytium, aus verschmolzenen Zellen gebildet, welche eine Masse fremder Körper aufgenommen und so ein festes Pseudo-Skelet gebildet haben. (Selten ist der Körper verästelt und bildet kleine Stöckchen). Uebersicht der Species von Haliphysema. Stiel einfach, kürzer als der spindel- förmige Körper. Sand-Skelet unten aus Sandkörnchen, oben aus Schwamm- nadeln gebildet . Pam . 1. H. primordiale, Stiel einfach, 2—3 mal aßeen al, ödn kugelige Körper. Sand-Skelet grössten- theils aus Schwammnadeln und Litha- sterisken gebildet . . . . . 2. H. echinoides. Stiel einfach 4—6mal länger bis die on förmige Körper. Sand-Skelet grössten- theils aus Rhizopoden-Schalen, nament- lich Globigerinen gebildet . . . . „3. M. globigerina. Stiel des einkam- merigen Körpers solid, keine Fort- setzung der Magen- höhle enthaltend. Stiel einfach, ungefähr so lang als der keulenförmige Körper. Sand -Skelet unten aus Sandkörnchen, oben ans Schwammnadeln gebildet . . . „. .4. 7. Tumanounezü. Stiel verästelt; Aeste 2—4mal länger als die kugeligen Körper. Sand-Skelet grösstentheils aus Fragmenten von Spongien - Nadeln gebildet. (Stock bildend) si.\Kus ll ab Kae daaieınTd. Zitamulomumı Stiel des einkam- merigen Körpers hohl, eine Fort- setzung der Magen- höhle enthaltend. EEE 1. Haliphysema primordialeH. Tarıl, Diagnose: Körper der Person spindelförmig, auf einem kurzen, dieken Stiel befestigt. Stiel solid, eylindrisch, kaum Das Genus Haliphysema. 14 halb so lang als der Körper, Magenhöhle spindelförmig; Mund- öffnung einfach. Die fremden Körper, welche das Exoderm in- erustiren, bestehen in der unteren (aboralen) Hälfte vorzugsweise aus Sandkörnchen, in der oberen (oralen) Hälfte vorzugsweise aus Nadeln verschiedener Spongien, sowohl Kiesel- als Kalk- schwämme; Nadeln oralwärts gerichtet. Beschreibung: Aaliphysema primordiale stellt in ausgebil- detem Zustande einen spindelförmigen Schlauch dar, dessen äussere Gestalt wenig zu variiren scheint (Fig. 121, 122). Die Gesammtlänge beträgt 1,6—1,5, höchstens 2 Mm. Das obere, orale Ende ist fast ellipsoid, 0,5—-0,6 Mm. dick; das untere, ab- orale Ende verdünnt sich in einen cylindrischen sehr kurzen Stiel von 0,2 Mm. Dicke. Dieser sitzt mit einer schmalen, schei- benförmigen, wenig verbreiterten Basis auf Algen auf, namentlich auf dem Thallus von Zonaria pavonina. Der Durchmesser der Basis beträgt !/o— '/;, höchstens !/; der Körperlänge. Die Aussenfläche des Körpers erscheint bei schwacher Ver- grösserung in der aboralen Hälfte glatt, in der oralen Hälfte stachelig. Bei starker Vergrösserung ergibt sich, dass die In- erustation des Exoderms in dem aboralen, eylindrisch-konischen Theile grösstentheils aus Sandkörnchen besteht, hingegen in dem ellipsoiden oralen Theile aus Spongien-Nadeln. Die Sandkörn- chen, welche das Skelet des ersteren bilden, erscheinen insofern mit Auswahl zusammengelesen, als sie von ziemlich gleichmäs- siger Grösse sind; die meisten haben 0,02—0,06 Mm. Dazwischen finden sich viele kleinere, aber nur sehr wenig grössere Steinchen. Mit den Sandkörnchen gemischt, finden sich kleine Fragmente von Spongien-Nadeln und von Echinodermen-Stacheln, hier und da auch Bruchstückchen von Mollusken-Schalen. In der Mitte des Körpers wird dieses Skelet-Material seltener und an seine Stelle treten die Spieula von Spongien, welche in dem oralen Körperdritttheile fast ausschliesslich die Bewaftnung bilden. Diese Schwammnadeln gehören sehr verschiedenen Gattungen und Arten von Spongien an. Ganz vorherrschend sind die einfachen, an beiden Enden zugespitzten Nadeln von Reniera; dazwischen finden sich aber anch häufig die stecknadelförmigen, am einen Ende spitzen, am andern Ende mit einem Knopfe versehenen Nadeln von Esperia; und zwar ist hier gewöhnlich das stumpfe oder geknöpfte Ende nach aussen gekehrt, das spitze Ende im Exo- derm verborgen; seltener ist das Umgekehrte der Fall. Zwischen den ganzen, wohlerhaltenen Nadeln der Kieselschwämme finden 12 Ernst Haeckel, sich verstümmelte und abgebrochene Nadeln, sowie Fragmente. Auch Spieula von Kalkschwämmen finden sich in geringer und wechselnder Zahl zwischen den Nadeln der Kieselschwämme, ins- besondere die characteristischen Dreistrahler von Ascetta blanca und die schlanken, an ihrer lanzenförmigen Spitze leicht kennt- lichen Stabnadeln von Ascandra Lieberkühnü: zwei Asconen die in grosser Menge und Formen-Mannigfaltigkeit an der nämlichen Loealität sich finden. Bei letzterem Kalkschwamme ist stets die einfache Spitze der langen defensiven Stabnadeln im Exoderm verborgen, die Lanzenspitze frei nach aussen gekehrt. Hingegen erscheinen dieselben Nadeln im Körper von Haliphsema primor- diale ohne Wahl gelagert, bald die einfache Lanzenspitze aboral im Exoderm versteckt, die Lanzenspitze oralwärts frei vorstehend, bald umgekehrt. Im Uebrigen sind bei H. prümordiale, ebenso wie bei HZ. Tumanowiezü, die Nadeln sämmtlich mehr oder weniger oralwärts gerichtet, die meisten parallel der Längsaxe des Körpers oder wenig davon abweichend; bald sind sie so dicht gedrängt; dass sie einen pinselartigen Busch oder Besen bilden, bald stehen sie lockerer vertheilt (Fig. 121). Ein Längsschnitt durch Aaliphysema primordiale oftenbart sofort die charakteristische Organisation dieses einfachen Gas- traeaden (Fig. 122). Der spindelförmige Körper enthält eine ge- räumige Höhle von gleicher Gestalt, deren dicke Wand aus zwei völlig verschiedenen Schichten besteht. Diese beiden Schichten sind diebeidenprimärenKeimblätter: Exoderm und Entoderm. Nur das Exoderm enthält die fremden Körperchen, welche das stützende und schützende Skelet der schlauchförmigen Person bilden. Das Entoderm hingegen besteht nur aus einer einzigen Schicht von Geisselzellen, zwischen denen einzelne Eier zerstreut liegen. Das Exoderma oder Hautblatt, das äussere primaere Keimblatt, zeigt bei genauerer Untersuchung folgende charak- teristische Verhältnisse. (Fig. i22e, 123e, 126). Die fremden Körper, welche das Skelet zusammensetzen und welche den gröss- ten Theil der Körperwand einnehmen, sind verkittet durch eine organische Substanz. Diese ist nicht etwa eine structurlose Aus- scheidung der inneren Zellenschicht, sondern besteht aus Proto- plasma mit eingestreuten Zellenkernen, bildet mithin ein Syn- cytium in demselben Sinne, in welchem ich dasselbe bei den Kalkschwämmen beschrieben habe (Monogr. Bd. I. S. 160— 170). Soweit ich die Beschaffenheit desselben habe ergründen können, stimmt es auch in chemischer und physikalischer Beziehung Das Genus Haliphysema. 185 wesentlich mit letzterem überein. Uebrigens ist die Untersuchung nicht leicht, denn die Sandkörner, die Schwammnadeln und die übrigen fremden Körper sind meist so dicht mit einander ver- webt und verkittet, dass es nur schwer gelingt, die verbindende Zwischensubstanz, die eigentliche Grundsubstanz des Exoderms, in einiger Menge zu isoliren (Fig. 126). Wo dies möglich ist, da zeigt sich dasselbe als eine homogene oder feinkörmige Masse, in welche zahlreiche rundliche Zellenkerne eingestreut sind. Die Nuclei sind meistens länglich-rund, ellipsoid oder eiförmig, bis- weilen fast stabförmig gestreckt, von 0,006—0,009 Mm. Durch- messer. Die Substanz der Kerne erscheint ziemlich hell oder fein- kömig. Ein Kernkörperchen ist meist sichtbar. Durch Einwir- kung von verdünnter Essigsäure treten sie sehr scharf hervor. Nach längerer Einwirkung von Carmin färben sie sich hellroth, deutlicher als die Grundsubstanz, doch viel schwächer als die Kerne der Entodermzellen. Um jeden Kern herum findet sich ein Hof von sehr kleinen, fettglänzenden, dunkeln Körnchen. Häufig strahlt dieser Körnchenhof sternförmig aus. Das Entoderma oder Darmblatt bietet bei H. vrimordiale folgende Verhältnisse dar (Fig. 122i, 1231, 125). Die gesammte Magenhöhle ist von einer einzigen Schicht von flimmernden Zellen ausgekleidet. Dieses Gastral-Epithelium besteht zum grössten Theile aus Geisselzellen (i), zwischen denen im aboralen und mittleren Theile der Darmhöhle amoeboide Eizellen zerstreut sind (0); am oralen Theile findet sich eine Zone von grösseren Geisselzellen, die eine unvollkommene Spirale bildet und als Strudel-Apparat zur Einführung von Wasser und Nahrung fungirt. (Fig. 124). Die Geisselzellen (Fig. 124), welche den grössten Theil des Gastral-Epitheliums bilden, zeigen in Grösse, Form, Structur und physiologischem Verhalten die grösste Aehnlichkeit mit den Geisselzellen der Kalkschwämme, welche ich in deren Mono- graphie ausführlich beschrieben und durch zahlreiche Abbildungen erläutert habe. (Bd. I, S. 132—144; Bd. III, Taf. 1, Fig. S; Taf. 25, Fig. 5, 6; Taf. 41, Fig. 7 etc... Wie bei den Calei- ‘ spongien, so ist auch bei unseren Gastraeaden das Protoplasma der eylindrischen Geisselzellen deutlich in ein hyalines Exoplasma und ein granuloeses Endoplasma geschieden. Das letztere enthält wechselnde Mengen von feinen fettglänzenden Körnchen und um- schliesst den kugeligen Kern (von 0,002—0,004 Mm. Durchmesser). Das hyaline Exoplasma enthält keine Körnchen, und ist von sehr geringer Dicke. Nur an dem freien Theil der Zelle, welcher der 14 Ernst Haeckel, Gastralfläche zugekehrt ist, erscheint dasselbe verdickt (,Zellhals, Collum“) und erhebt sich in Gestalt eines trichterförmigen Ringes („Zellkragen, Collare‘“). Innerhalb dieses Trichters erhebt sich die lange und sehr dünne fadenförmige Geissel, deren Basaltheil bis in das körnige Endoplasma hineinragt (Fig. 125). Ihre Schwingungen sind ziemlich lebhaft. Die Länge der Geissel beträgt 0,05—0,04 Mm. Die Länge der Cylinderzellen 0,007 —0,01 Mm., ihre Dieke 0,003 Mm. Ihre Form ist wechselnd, eylindrisch-prismatisch oder gegen die Basis konisch verdickt, bisweilen mehr glockenförmig. Wie bei den Spongien, so können auch hier die Geisselzellen ihre Gestalt verändern und isolirt amoeboide Bewegungen ausführen. Der Strudel-Apparat (Fig. 124), welcher die Mundöffnung von Haliphysema primordiale auskleidet, und welcher die beständige Einführung von Wasser und Nahrung vermittelt, ist vielleicht ein charakteristischer Theil in der Organisation der Physemarien. Er besteht aus einer Spirale von stärkeren Flimmerzellen, die sich sowohl durch ihre Grösse, wie durch ihre sonstige Be- schaffenheit von den übrigen Geisselzellen des Gastral-Epithels auszeichnen. Die Untersuchung dieses Apparates ist’ sowohl bei Haliphysema primordiale als bei Gastrophysema dithalamium, bei welchen beiden Arten ich denselben allein deutlich erkannt habe, äusserst schwierig und es werden sich vielleicht bei genauerer Untersuchung an günstigeren Arten noch mancherlei Verhältnisse ermitteln lassen, über die ich keine befriedigende Klarheit er- langen konnte. An Spiritus-Exemplaren, auch an gut conser- virten, lässt sich gerade hierüber sehr wenig ermitteln. Soviel ich bei Haliphysema primordiale, theils an Längsehnitten der lebenden Person, theils bei der zufälligen (selten gelingenden) Einsicht in die Mundöffnung beobachten konnte, stellt der Strudel-Apparat hier eine flache Spirale dar, welche viel Aehnlichkeit mit der adoralen Peristom-Spirale von mancherlei ciliaten Infusorien, namentlich Stentor und Vorticella, besitzt. Die Spirale beginnt an einem Punkte der Mundöffnung und geht in flacher Windung durch die innere Peripherie des kurzen Schlundrohres, wie wir den verengerten Oraltheil der Gastralhöhle bezeichnen können. Sie scheint nur eine vollständige Windung zu beschreiben und verliert sich unten ohne scharfe Grenze zwischen den gewöhnlichen Geisselzellen. Die grösseren Geisselzellen des Peristoms sind 2—3 Mal so diek, anderthalbmal bis doppelt so lang als die ge- wöhnliehen Geisselzellen und von mehr rundlicher Form. Ihre Länge beträgt 0,012—0,016 Mm., ihre Dicke 0,005 Mm. Ihr Kern Das Genus Haliphysema. 15 ist ebenso gross oder nur wenig grösser als derjenige der Gastral- zellen. Das Endoplasma ist dunklerkörnig und enthält einzelne Oelkügelchen. Das Exoplasma ist dieker und geht in einen dicken starken Hals über, aus dessen Rande sich nur ein niedriger Kragen erhebt. In der Axe des trichterförmigen Kragenhohlraums steht eine sehr starke und lange Geissel von 0,01—0,02 Mm. Länge. Die Eizellen von Haliphysema primordiale gleichen in Bezug auf Grösse, Beschaffenheit und Vertheilung im Gastralraum den- jenigen von ÖOlynthus (Monogr. der Kalkschwämme, Taf. 1, Fig.1g, 7g, 10—12; Taf. 11, Fig. 6g, 7g ete.). Die Eier sind nackte, ameoboide Zellen und liegen einzeln zerstreut zwischen den Geisselzellen des Gastral-Epithels. Ihre Grösse beträgt im Durch- messer 0,04—0,06 Mm. Das Protoplasma ist in ein ganz hyalines Exoplasma und ein sehr körnerreiches Endoplasma gesondert. Ersteres schiekt stumpfe amoeboide Fortsätze aus, durch deren active Ortsbewegungen die Eizelle im Stande ist, langsam umher- zukriechen. In die diekeren Fortsätze tritt auch ein Theil des körnigen Endoplasma ein. Dieses ist sehr trübe, reich an feinen dunkelglänzenden Körnehen und grösseren Oel-Kügelchen. In der Mitte schimmert ein helles Keimbläschen durch. Wenn man dieses durch Zerdrücken isolirt, erscheint es als ein klares kugeliges Bläschen von 0,02-—-0,03 Mm. Durchmesser. Dasselbe enthält einen dunkeln, stark lichtbrechenden Keimfleck, in welchem oft ein kleiner Keimpunkt sichtbar ist (Fig. 1220, 1230). Spermazellen war ich trotz vieler Bemühungen nicht im Stande nachzuweisen. Wenn sich dieselben im Exoderm ent- wickeln sollten, so würde der Nachweis sehr schwierig sein. Viel- leicht habe ich aber die Zoospermien übersehen oder mit gastralen Geisselzellen verwechselt. Vielleicht ist auch diese Art getrennten Geschlechts. Die Entwicklung der Eier konnte ich nicht beob- achten. Die Lebenserscheinungen, welche ich an dem lebenden Haliphysema primordiale beobachtete, beschränken sich auf die Flimmerbewegungen der Geisselzellen und die amoeboiden Be- wegungen der Eizellen. Am Exoderm vermochte ich weder im Ganzen, noch an einzelnen isolirten Stücken Bewegungen wahr- zunehmen, ebenso wenig als an der ganzen Person. Jedoch schien die Mundöffnung zu verschiedenen Zeiten einen verschiedenen Durchmesser zu besitzen. Die Farbe ist im Leben bräunlich, getrocknet weisslich. Fundort: Mittelmeer. Auf Felsen der Bucht von Ajaceio 16 Ernst Haeckel, (Corsiea), meistens aufsitzend auf dem Thallus von Zonaria pa- vonia, in Gesellschaft von Ascetta blanca. Harcker. 2. Haliphysema echinoides, H. Taf. II. Diagnose: Körper der Person kugelig oder subsphärisch, auf einem dünnen und langen Stiel befestigt. Stiel eylindrisch, oben konisch verdickt, solid, 2—3 mal so lang, aber kaum !/, so dick als der Durchmesser der Kugel. Magenhöhle rundlich oder subkonisch. Mundöffnung etwas trichterförmig erweitert. Die fremden Körper, welche das Exoderm incrustiren, bestehen an dem dünnen Stiel aus Sandkörnchen und longitudinal gelagerten Schwamm - Nadeln; an dem kugeligen Körper aus Nadeln verschiedener Spongien, welche allseitig abstehen, meistens radial in Beziehung auf die Mitte der Kugel. Specielle Beschreibung: Haliphysema echinoides bildet kleine, kugelige, einem Distelkopf ähnliche Bläschen, die auf einem dünnen und langen soliden Stiele befestigt sind. Ich fand vier Exemplare derselben aufsitzend auf der Basis eines Tiefsee- schwammes (einer Stelletta), welcher dem zoologischen Museum zu Bergen (Norwegen) gehörte und welche mir der Direetor des- selben, Herr Dr. Koren, gütigst zur Untersuchung überliess. Das Gläschen, in welchem sich das Präparat vorfand, war ohne nähere Bezeichnung des Fundortes; jedoch rührte sein Inhalt nach Dı Koren’s miindlicher Mittheilung von einer nordatlantischen Tiefsee- Sondirung her. Der Durchmesser des kugeligen Köpfchens be- trägt 0,8 Mm., den Stachelpanzer mitgerechnet 1,2—1,5 Mm.; die Länge des Stiels 1—2 Mm., die Dicke desselben 0,1—0,2 Mm.; die konische oder zwiebelförmige Basis, mit welcher der Stiel auf dem abgestorbenen Körper des Rindenschwammes befestigt ist, hat 0,6--0,8 Mm. Durchmesser. Der eigentliche sphärische Körper dieses Haliphysema ist so stachelig wie ein Echinus oder ein Distelköpfchen und starrt von zahlreichen dünnen und einzelnen diekeren Nadeln, die nach allen Richtungen dieht gedrängt abstehen. (Fig. 127). Die genauere Untersuchung ergibt, dass dieser Stachelpanzer fast ausschliess- lich durch die Spieula verschiedener Spongien gebildet wird, namentlich von Corticaten. Es finden sich darunter zahlreiche stärkere und feinere Ankernadeln, wie sie bei Geodia und Stel- Das Genus Halıphysema, AT letta vorkommen; dazwischen sehr viele dünne einfache Nadeln. Die vierstrahligen Ankernadeln sind meistens so gelagert, dass der lange Hauptstrahl radial absteht und die drei Ankerzähne an seinem freien Ende trägt, doch können die letzteren auch um- gekehrt im Exoderm eingekittet sein. In letzterem finden sich ausserdem noch sehr zahlreiche, kleinere und grössere, stern- förmige Spieula von Tethya oder Stelletta und Kieselkugeln von Geodia oder Caminus. Diese letzteren sind auch in grosser Zahl in den soliden Stiel eingekittet, dessen Oberfläche mit einer Schicht von einfachen und ankerförmigen Nadeln gepanzert ist. Letztere sind unregelmässig longitudinal neben einander gelagert, die drei gekrümmten Ankerzähne bald nach oben, bald nach unten geriehtet. Unten breitet sich der solide Stiel in eine un- regelmässige scheibenförmige Basis aus, welche zum grössten Theile aus dicht verkitteten Kieseltheilen von Corticaten, Tethya- Sternchen und Geodia-Kügelchen besteht (Fig. 127). Ein Längsschnitt durch den Körper von Haliphysema echi- noides (Fig. 128) zeigt uns eine ziemlich enge, rundliche, fast kegel- förmige Darmhöhle, die von einer dieken, zweischichtigen Wand umschlossen ist. Die äussere Schicht ist das Exoderm, wel- ches eine sehr feste mörtelartige Masse darstellt. Diese besteht aus einem kernreichen Syneytium, welches mit den fremden Körpern des Pseudo-Skelets sehr fest verkittet ist; sowohl mit den Basaltheilen der radial abstehenden Spongien-Nadeln, als auch mit sehr zahlreichen und dicht gedrängten Fragmenten von Spongien- Nadeln und Sandkörnchen, hauptsächlich aber Lithasterisken von Tethyen, Stelletten u. s. w. Alle diese Spongien-Skelettheile, zu denen sich auch noch Sandkörnchen, kleine Splitter von zerbrochenen Muschelschalen, Echinodermen-Stacheln u. s. w. gesellen, sind sehr dicht mit einander verkittet durch eine ausnehmend feste und zähe, fast knorpelartige Sarcode-Masse. Zahlreiche, in letztere eingestreute Zellenkerne beweisen, dass wir auch hier wieder ein Syneytium vor uns haben. Die Nuclei sind von unregelmässiger, länglichrunder Gestalt, 0,005—0,007 Mm. gross. Sie sind am zahl- reichsten und am leichtesten zu finden an der glatten Innenfläche des Exoderms, während die unebene, äussere Oberfläche des letzteren fast bloss von den fremden Körpern eingenommen wird. Im Grunde der Magenhöhle bildet das Exoderm in deren Axe einen zapfenartigen konischen Vorsprung (Fig. 128 ec). Der- selbe wird von einigen stärkern, als Fortsetzung des Stiels er- scheinenden Spongien-Nadeln gestützt und scheint wesentlich als Bd. XI. N. F. IV. 1. 2 18 Ernst Haeckel, Träger der gleich zu erwähnenden Eizellen zu dienen. Wir wollen diesen Zapfen als Columella bezeichnen. Das Entoderm befand sich an den vier, mir zu Gebote stehenden Spiritus-Exemplaren in einem so mittelmässigen Erhal- tungszustande, dass ich wenig mehr als die Anwesenheit eines einschichtigen Zellenlagers und im Grunde der Magenhöhle von Eizellen eonstatiren konnte. Die Epithelzellen der Darmhöhle er- schienen rundlich, polyedrisch, von 0,006—0,005 Mm. Durchmesser, mit einem ungefähr halb so grossen Kern. Von dem Hals und Halskragen der Geisselzellen, wie sie A. primordiale zeigte, war nichts zu bemerken, eben so wenig von einer Geissel. Auch die Spur einer adoralen Geisselspirale liess sich nicht auffinden. Dagegen lag im Grunde der Magenhöhle ein unregelmässiger Haufen von grossen, trübgranulirten, rundlichen Zellen, die man ihres hellen bläschenförmigen Kernes halber wohl für Eizellen zu halten berechtigt ist (Fig. 125 e, Fig. 131). Dieselben haben 0,08—0,12 Mm. Durchmesser, ihr Keimbläschen 0,02—0,04 Mm. Sie schienen an der Columella des Exoderms anzuhaften. Haliphysema echinoides besitzt sehr viel Aehnlichkeit mit dem kleinen Tiefsee-Bewohner, den E. PerckEvar-Wricut unter dem Namen Wywillethomsonia Wallichw als eine Zwerg-Spongie be- schrieben und abgebildet hat.!) Der fragliche Organismus wurde von Warricn im October 1860 in einer Tiefe von 1913 Faden (— 11,478 Fuss) im atlantischen Ocean zwischen Neufundland und Grönland gefischt (58°%,23' N. Br.; 48°50' W. L.). Der kugelige Körper hat 2 Mm. Durchmesser und sitzt auf einem 3 Mm. langen Stiele auf; das Skelet- besteht aus sehr verschieden geformten Spongien-Nadeln, insbesondere aus dreizähnigen Ankernadeln, ein- fachen, an beiden Enden zugespitzten, meist etwas gekrümmten Nadeln, und sehr zahlreichen Kieselsternchen. Die dreizähnigen Anker haben theils drei einfache, theils gabelspaltige Zähne und einen sehr langen, spitzen Stiel. Das sind Elemente, wie sie nur bei den Rindenschwämmen oder Corticaten vorkommen. Allein ihre Lagerung und Anordnung in der kleinen Wyvillethomsonia ist ganz verschieden von derjenigen der Corticaten, wie auch PERrcEvaAL-WerichT ganz richtig hervorhebt. Ausserdem fand derselbe bei einem seiner drei Exemplare zwischen jenen Corticaten-Nadeln sechsstrahlige Spieula, wie sie nur die ganz verschiedenen 1) E, Perervar Wricur, On a new genus and species of Sponge from the deep-sea. Quarterly Journ. of mier. sc. 1870; Vol. X, p. 7; PLU. Das Genus Haliphysema. 19 Hexactinellen besitzen. Aus alien diesen Gründen möchte ich glauben, dass Wyvilethomsonia Wallchi keine echte Spongie ist, sondern ein Haliphysema, welches sich sein Skelet aus den Spieula verschiedener Spongien, vorzugsweise Corticaten, aufgebaut hat. In der speciellen Zusammensetzung desselben, wie in der ge- sammten Körperform und Grösse gleicht sie unserem H. echinoides so sehr, dass mir ihre speeifische Identität wahrscheinlich ist. Eine Abweichung würde allerdings darin bestehen, dass sich der Stiel bei Wyvillethomsonia durch die Axe der ganzen Magenhöhle fortsetzt, wie eine lange Columella. Vielleicht bilden sich hier die Eier. Eine kürzere Columella besitzt aber auch unser Haliphysema. Von dem Geissel- Epithel des Entoderms sagt Percevar-WRricht, der nur conservirte Präparate untersuchen konnte, nichts; ebenso von Poren nichts. Spätere Beobachter derselben Art werden genau darauf zu achten haben. Fundort: Tiefsee des Nord-Atlantischen Oceans; Warnıch, Koren. 39. Haliphysema globigerina, H. Taf. III. Diagnose: Körper der Person birnförmig, auf einem sehr dünnen und langen Stiel befestigt. Stiel solid, eylindrisch, oben konisch verdickt und 4—bmal so lang, aber kaum !/,, so diek als der Körper. Magenhöhle birnförmig. Mundöffnung einfach. Die fremden Körper, welehe das Exoderm inerustiren, bestehen aus den Bestandtheilen des Tiefseeschlammes, in der Körperwand zum grössten Theil aus Rhizopoden-Schalen, im Stiele meistens aus Cocecolithen und Coccosphaeren. Specielle Beschreibung: Haliphysema globigerina zeichnet sich vor den übrigen bis jetzt bekannten Physemarien dadurch aus, dass die Bestandtheile des Skelets zum grössten Theile nicht Schwammnadeln und Sandkörnchen, sondern Rhizopoden-Schalen sind, vorzugsweise Globigerinen. Offenbar ist diese eigenthüm- liche Panzerbedeckung durch unmittelbare Anpassung an das Baumaterial des Wohnortes, an den Globigerinen-Schlamm gebildet, der die Tiefen des Oceans bedeckt. Ich erhielt diese merkwür- dige Physemarie von Herrn Ranprorp in Thorshavn (Far-Öer). Das mit Weingeist gefüllte Gläschen, in welehem ich dieselben fand, enthielt ausserdem mehrere Tiefsee-Spongien, aber keine nähere Bezeichnung über Fundort und Tiefe. In derselben Samm- 2* 20 Ernst Haeckel, lung befanden sich auch die Tiefgrundproben aus dem nordatlan- tischen Ocean, welehe ich meiner Untersuchung von Bathybius zu Grunde gelegt habe.!) Die Bestandtheile dieses Globigerinen- Schlammes sind ganz dieselben, welche das Pseudo-Skelet unsers Haliphysema zeigt, und daher erscheint die Vermuthung gerecht- fertigt, dass das letztere in denselben grossen Tiefen lebte. Der Körper zeigte bei allen drei mir vorliegenden Exemplaren ziemlich dieselbe birnförmige Gestalt und auch dieselben Grössen- Verhältnisse. Die Birnform ist sehr regelmässig. Die Länge beträgt 1—1,3 Mm., die Dicke 0,5-1 Mm. Der schlanke, S-förmig gebogene Stiel ist 2—4 Mm. lang, 0,1—0,12 Mm. dick. Unten war der Stiel bei allen drei Exemplaren abgebrochen, so dass er möglicherweise noch eine bedeutendere Länge er- reicht. Worauf die Thierchen befestigt waren, liess sich aus diesem Grunde nicht ermitteln. Das Exoderm besteht aus einer sehr zähen und festen, kernhaltigen Sarcode, welche mit den bekannten Bestandtheilen des Bathybius-Schlammes zu einem harten Mörtel verkittet ist. Die Hauptbestandtheile sind Rhizopoden-Schalen und unter diesen vor allen Globigerinen, diekschalige (K) und dünnschalige (6) ungefähr in gleichen Verhältnissen. Dazwischen finden sich einzelne Rotalien, Polystomellen, Textularien (T) und andere kalkschalige Polythalamien; ausserdem auch einzelne Radiolarien: Haliomma (H), Euchitonia (E), Trematodiseus (D) u. s. w. Zwischen den ganzen Schalen liegen allenthalben Fragmente von zerbrochenen Schalen, ferner Coccolithen und Coccosphaeren, kleine Sandkörnchen und Fragmente von Spongien-Nadeln, letztere in sehr geringer Quantität. Die flacheren Schalen sind sämmtlich in Tangential- Ebenen gelagert. In dem verkittenden Sarcode-Mörtel zwischen den Schalen sind nur hier und da einzelne Zellenkerne wahrzu- nehmen und diese sind nicht leicht aufzufinden. Dagegen liegt unter dem Pseudoskelet und nicht scharf von ihm zu trennen, eine dünne Sarcode-Schicht, welche reich an Zellenkernen ist und dur wenige fremde Körper, meist kleinste Fragmente und Cocco- lithen enthält. Die innere Oberfläche dieses Syneytium, auf !) Harexer, Bathybius und dasfreie Protoplasma der Meeres- tiefen. Studien über Moneren und andere Protisten, p. 86. Das von H. Rınororr erhaltene Gläschen mit Globigerinen-Schlamm trug die Auf- schrift: „Dredged of Professor Thomson und Dr. Carpenter with the steamer „Porcupine“ on 2435 Fathoms, 22. Juli 1869. Lat. 47038”; Long. 1204”. > Das Genus Haliphysema. 24 welcher das Entoderm aufsitzt, ist ganz glatt und unmittelbar unter derselben erscheinen die Nuclei in einer sehr regelmässigen Schicht, in gleichen Abständen vertheilt. Die Kerne sind länglich rund, 0,002—-0,004 Mm. gross, meistens von einem kleinen Körnchen- hofe umgeben. (Fig. 134.) Der lange dünne Stiel des Körpers ist sehr fest und zugleich sehr elastisch. Auf einem Querschnitt (Fig. 156) zeigt sich, dass derselbe solid ist und dass seine centrale Axensubstanz verschieden von der peripherischen Rindensubstanz und ziemlich scharf von dieser getrennt ist. Die Axensubstanz besteht fast blos aus Pro- toplasma, mit sehr zahlreichen Kernen, welche in regelmässigen Abständen und parallel der Längsaxe gelagert sind (Fig. 136n). Die Rindensubstanz hingegen besteht vorzugsweise aus Cocco- lithen (Discolithen und Cyatholithen).!) Die Menge des Proto- plasma, welches dieselben verbindet, ist sehr gering und ebenso die Zahl der Kerne, die dazwischen zertreut liegen. Ein Längsschnitt durch den Körper (Fig. 133) zeigt eine geräumige Magenhöhle von birnförmiger oder fast kugeliger Ge- stalt und 0,35 Mm. Durchmesser. Oben öffnet sich dieselbe durch einen kreisrunden Mund von 0,15 Mm. Durchmesser. Diese Mund- öffnung ist nabelförmig eingezogen. Auf einem gut gelungenen Längsschnitt durch die Mitte derselben zeigt sich, dass die Wand der Magenhöhle hier eine förmliche Einstülpung, eine Art Schlund bildet. Diesem gegenüber erhebt sich im Grunde der Magenhöhle ein kurzer konischer Zapfen, eine Columella, ähnlich wie bei 7. echinoides (Fig. 133 ce, 155 e). Das Verhalten des Entoderms liess sich leider an den wenigen Spiritusexemplaren nicht genau erkennen. Nur die An- wesenheit einer einfachen Epithelschicht liess sich constatiren (Fig. 1331). Dieses Gastral-Epithelium bestand aus einer einzigen Schicht polyedrischer, kernhaltiger Zellen von 0,004—0,006 Mm. Durchmesser und schien die ganze Innenfläche der Magenhöhle gleichmässig zu überziehen (Fig. 1341). An dem konischen Zapfen im Grunde der Magenhöhle waren diese Zellen etwas grösser, viel- leicht Mutterzellen von Eiern? (Fig. 1350). Ob sich das Entoderm- Epithel auch noch auf die schlundartige Einstülpung fortsetzte, liess sich nicht entscheiden. \ Fundort: Tiefsee des Nord-Atlantischen Oceans. Ranpropr. 1) Ueber Coceolithen (Discolithen und Cyatholithen) und Coccosphaeren, vergl. den citirten Aufsatz über Bathybius (S. 190 Anmerkung). 2) Ernst Haeckel, 3. Haliphysema Tumanowiczii, BoweRBAnk. (Bowerzank, Monograph of the British Spongiade Vol. I, p. 179, Taf. XXX, Fig. 359; Vol. II, p. 76). Diagnose: Körper der Person keulenförmig oder eiförmig, auf einem kurzen, dicken Stiel befestigt. Stiel hohl, eylindrisch, ungefähr so lang als der Körper und halb so diek, unten mit scheibenförmig verbreiterter hohler Basis aufsitzend. Magenhöhle keulenförmig, unten bis in die Basis fortgesetzt. Mundöffnung einfach. Die fremden Körper, welche das Exoderm incrustiren, bestehen zum grössten Theile aus Spongien-Nadeln und deren Fragmenten; dazwischen finden sich, namentlich im Stiel, zahl- reiche Sandkörnchen. Speeielle Beschreibung: Haliphysema Tumanowiezü ist das erste Physemarium, von dem eine Beschreibung und Abbildung gegeben wurde. Es geschah dies vor zwölf Jahren (1864) durch BoWERBANK (l. c.). Abgesehen davon, dass derselbe das Entoderm nicht erwähnt, welches die Innenfläche der Magenhöhle auskleidet, ist seine Beschreibung sehr genau; auch die Abbildung, von der Oskar Schuwr im zweiten Supplemente zu seinen adriatischen Spongien (Fig. 13) eine Copie gegeben hat, ist recht naturgetreu (Vergl. oben S. 175). Bowersank erhielt das Haliphysema Tumanowiezü, das er zu Ehren seines Entdeckers benannte, zuerst durch diesen vom Diamant- Grund bei Hasrınss, später auch noch von mehreren anderen Stellen der britischen Küste. Ich selbst beobachtete diese Art während meines Aufenthaites an der norwegischen Küste (1869), auf der Insel Gis-Oe, in der Nähe von Bergen. Das kleine Physemarium sass daselbst in einzelnen Exemplaren auf den Wurzeln von Laminarien, die ich mit dem Schleppnetz aus einer Tiefe von un- gefähr 60—S0 Fuss heraufgeholt hatte. In Grösse, Form und Skeletbildung stimmten diese norwegischen Exemplare so sehr mit den von Bowersank beschriebenen britischen überein, dass ich der genauen Darstellung des letzteren hier nur Wenig hinzuzu- fügen habe. Der eigentliche Körper ist oval oder birnförmig, 1—1,2 Mm. lang und halb so diek. Ebenso lang, aber nur ein Viertel so dick ist der hohle eylindrische Stiel, der sich unten in eine scheibenförmige con- vexe Basis ausbreitet. Letztere ist an den norwegischen Exemplaren kleiner als an den britischen. Durchschnitte durch den kleinen Das Genus Haliphysema. 93 Schlauch zeigen eine geräumige Höhle, die sich oben durch eine kreisrunde einfache Mündung öffnet, und deren dünne Wand deut- lich aus zwei verschiedenen Schichten besteht. Die innere Schicht, das Entoderm, ist ein einfaches Geissel-Epithel; die Geissel- zellen desselben schienen mir damals sehr ähnlich denjenigen der Kalkschwämme zu sein; eine genauere Untersuchung derselben habe ich nicht angestellt. Die äussere Schicht, das Exoderm, ist ein kernhaltiges Syncytium, gebildet aus verschmolzenen Zellen, welche eine Masse fremder Körper aufgenommen und zu einem Pseudo-Skelet verkittet haben. Die meisten dieser fremden Körper sind in der unteren Körperhälfte Sandkörnchen und Fragmente von Schwammnadeln; in der oberen Hälfte längere Spongien-Spieula (theils einfache spitzige, theils geknöpfte), welche oralwärts ge- richtet abstehen. Hierin stimmten die norwegischen Exemplare ganz mit Bowersank’s Darstellung überein. Eine genauere Untersuchung unterliess ich damals, weil ich eine kleine Psammopongie mit zu- fällig geschlossenen Poren vor mir zu haben glaubte. Fundort: Nord-Atlantischer Ocean: Britische Küsten: „Dia- monde ground of Hastings, Tumanowiez; Berwick Bay, Jounston; Callercoats (?) Aıner.“ Norwegische Küste: Gis-Oe bei Bergen, HaAEcKEL. 9. Haliphysema ramulosum, Bowensank. (Bowerzank, Monograph of the British Spongiadae, Vol. II, p. 79; Vol. IH, PL XI, Fig, 1.) Diagnose: Stockbildend. Stöckchen gabelspaltig verzweigt. Gabeläste (oder Personen des Stockes) cylindrisch, am Ende kolben- förmig oder fast kugelig angeschwollen. Die dünne Körperwand umschliesst eine geräumige Darmhöhle; diese öffnet sich am Ende jedes Astes durch einen Mund. Die fremden Körper, welche das Exoderm incerustiren, bestehen zum grössten Theile aus Frag- menten von Spongien-Nadeln, welche parallel der Längsaxe der Äeste gelagert sind. Von den angeschwollenen Enden stehen längere Spongien-Nadeln divergirend ab. Specielle Beschreibung: Haliphysema ramulosum , die zweite von Bowersrank beschriebene Art, wird von ihm mit fol- gender Diagnose bezeichnet: „Sponge pedicelled, ramose; bran- ehing dichotomously; branches eylindrical, smooth and even; distal termination subglobose, hispid; Oseula and pores incon- spicous. Dermal membrane thin and translucent, Skeleton mem- 24 Ernst Haeckel, branous, with an incorperation of spicula of various sizes and shapes, and of minute grains of sand.“ Von dieser Art ist nur ein Exemplar bekannt, welches Norman bei Guernsey auf einem Skeletbruchstück von Gorgonia aufsitzend fand. Dasselbe ist zwei Linien hoch und ebenso breit und zeigt acht eylindrische Gabeläste, die am Ende kolbig, fast kugelig angeschwollen sind. Die Röhren-Wände sind sehr dünn und bestehen aus organischer Substanz, welche mit feinen Sandkörnchen, Bruchstücken von kleinen Schwamm-Nadeln und anderen fremden Körpern verkittet ist. In der Auswahl und Einverleibung des fremden Skelet- Materials zeigt sich eine sehr bemerkenswerthe Methode. Die Sandkörnchen sind alle innerhalb einer gewissen Grössen-Stufe ausgesucht und alle grösseren sind verschmäht. Ebenso sind auch die Spieulafragmente alle so kurz gewählt, dass sie sich leicht neben einander symmetrisch ordneten, in einer Ebene und parallel der Längsaxe. Nur für die Bewaffnung des Endkolbens sind grössere und besser erhaltene Spieula verwendet. Auch hier, wie bei A. Tumanowiezii, gehören die Spieula verschiedenen Spongien-Arten an, und auch hier sind die allseitig abstehenden geknöpften Spieula bald mit dem stumpfen Knopf nach dem ab- oralen (proximalen), bald nach dem oralen (distalen) Ende ge- kehrt. Daraus allein schon geht deutlich hervor, dass auch hier die sämmtlichen Skelettheile fremde Körper und keine Produete des angeblichen Schwammes sind. Bowersank wirft daher schliess- lich die Frage auf, ob nicht Haliphysema richtiger zu den Sand- schwämmen oder Psammospongien (Hornschwämmen mit Sand- Skelet, Dysidea ete.), als zu den eigentlichen Kieselschwämmen zu stellen sei, eine Frage, welche (die Spongien-Natur dieses Organismus angenommen) bejaht werden müsste. Aber auch bei FH. ramulosum, wie bei 7. Tumanowizü, fand der englische Be- obachter weder Oscula noch Poren, und doch ist der Besitz von Poren für den Begriff der „Porifera“ unerlässlich. Fundort: Britische Küste: Guernsey, Nornan. 15. Das Genus Gastrophysema. Taf. IV—VI Die neue Gattung Gastrophusema gründe ich für solche Phy- semarien, deren schlauchförmiger Körper nicht einfach und ein- kammerig, wie bei Zaliphysema, sondern durch eine oder mehrere, Das Genus Gastrophysema. 5 ringförmige Einschnürungen in zwei oder mehrere hinter ein- ander gelegene Kammern abgetheilt ist. Bis jetzt erscheint dieses Genus nur durch zwei Species vertreten. Die eine Art (@. ditha- lamium) ist zweikammerig und lebt im Mittelmeer. Bau und Ent- wickelung derselben bis zur Gastrula- Bildung konnte ich in Smyrna eingehend untersuchen. Die andere Art (@. scopula) ist fünfkammerig und lebt an den britischen Küsten. Das ist der- selbe Organismus, welchen Carter unter dem Namen Squamulina scopula beschrieben und zu den Foraminiferen gestellt hat. Carrer’s ausführliche Darstellung ist sehr detaillirt bezüglich der äusseren Form-Verhältnisse. Dagegen sagt er nichts von dem zweischich- tigen Bau des schlauchförmigen Körpers und von dem charak- teristischen Geissel-Epithel der Magenhöhle. Es bleibt also immer- hin möglich, dass der von ihm beobachtete Organismus in eine andere Thiergruppe gehört. Aber die auffallende Aehnlichkeit mit unserem @. dithalamium in der gesammten Gestalt und Grösse, der Kammerbildung und Skeletbildung lässt es wohl gerecht- fertigt erscheinen, wenn ich auch @. scopula einstweilen in dieser Gattung aufführe. Charakteristik des Genus Gastrophysema: Kör- per der Person einfach schlauchförmig, einaxig, gegliedert, am aboralen Pole der Axe durch einen Stiel am Meeresboden be- festigt. Mehrere (2—5) Glieder von verschiedener Grösse und Form liegen hintereinander, durch quere Einschnürungen unvoll- ständig getrennt. Höhle des Schlauches (Magenhöhle) dem ent- sprechend in mehrere (2—5) eommunieirende Kammern getheilt; die letzte Kammer am oralen Pole der Axe durch einen Mund geöffnet. Körperwand aus zwei Schichten gebildet: innere Schicht ein einfaches Geissel-Epithel, im aboralen Theile Eizellen bildend; äussere Schicht ein kernhaltiges Syneytium, aus verschmolzenen Zellen gebildet, welche eine Masse fremder Körper aufgenommen und so ein festes Pseudo-Skelet gebildet haben. Uebersicht der Species von Gastrophysema. Körper der Person keulenförmig, zweikammerig; die aborale Kammer-kugelig, auf einem kurzen Stiel befestigt; die orale Kammer eiförmig, um ein Drittel grösser, mit einer trichterförmigen Mundöffnung. ern 22» 1 @. dühalamium. Körper der Person keulenförmig, fünfkammerig; die unterste Kammer eine convexe Fussscheibe; die folgenden von der zweiten bis vierten an Grösse zunehmend; die fünfte viel grösser als die vorhergehenden, mit einer ein- tachen Mundöffnunes! ol.m.. allen uno a ER GE, ı8copular. 26 Ernst Haeckel, 1. Gastrophysema dithalamium H. Taf. IV—VI. Diagnose: Körper der Person im Ganzen länglich keulen- förmig, durch eine mittlere Einschnürung in zwei über einander liegende Kammern eingetheilt, auf einem kurzen eylindrischen Stiel befestigt, der mit scheibenartig verbreiterter Basis aufsitzt. Am entgegengesetzten (oberen) Ende eine einfache kreisrunde Mundöffnung. Die obere (distale oder orale) Kammer ellipsoid oder eiförmig, um ein Drittel in jeder Dimension grösser als die untere (proximale oder aborale) kugelige Kammer. Stiel und Fussscheibe solid. Die Höhlen beider Kammern hängen durch einen engen Hals (Sipho) zusammen. In der aboralen Kammer entwickeln sich die Eier (Bruthöhle). In der oralen Kammer (Magenhöhle) findet sich nahe der Mundöffnung eine Geissel- Spirale. Die fremden Körper, welche das Exoderm incrustiren, bestehen in der unteren Hälfte zum grössten Theile aus Sand- körnchen und Bruchstücken von Schwammnadeln, in der oberen Hälfte (in der Wand» der zweiten, grösseren Kammer) aus längeren Spicula von verschiedenen Spongien-Arten. Diese sind allseitig abstehend, mit den Spitzen oralwärts gerichtet. Specielle Beschreibung: Gastrophysema dithalamium stellt in ausgebildetem Zustande einen länglichen kolbenförmigen Schlauch von bräunlichgrauer Farbe und von 2—3 Mm. Länge dar, welcher durch eine mittlere Einschnürung in zwei Hälften von nahezu gleicher Länge getheilt ist. (Fig. 137). Die obere Hälfte besteht aus einem eiförmigen oder ellipsoiden, stacheligen Schlauche, der dicht mit abstehenden Schwammnadeln bewaffnet ist. Die untere Hälfte besteht aus einem kleineren kugeligen Bläschen, das durch einen kurzen konischen Stiel auf einer scheibenförmig verbreiterten Fussscheibe aufsitzt. Mittelst der letzteren ist der schlauchförmige Körper auf verschiedenen Gegen- ständen des Meeresbodens befestigt, namentlich auf alten ab- gestorbenen Stöcken von Cladocora caespitosa, welche in grosser Menge den Boden des Hafens von Smyrna bedecken !). !) Ich erhielt dieselben beim Dredgen in dem mittleren Theile des Hafen- beckens von Smyrna, wobei ich mich der Dampfbarkasse der k. k. öster- reichischen Corvette „Zryni“ mit grossem Vortheile bedienen konnte. Ich benutze diese Gelegenheit, um dem Commandanten der letzteren, Herrn Cor- Das Genus Gastrophysema. ar Vielleicht ist unser Gastrophysema an diesem Orte nicht sel- ten. Trotzdem gelingt es nur schwer dasselbe zu entdecken, da eine Masse von Spongien, Hydroiden, Bryozoen u. s. w., gemengt mit Algen, in buntestem Gewirr den schlammigen Boden über- wuchern. Nur durch einen glücklichen Zufall wurde ich auf eine kleine Gruppe von drei Gastrophysemen aufmerksam, welche zwischen den basalen Aesten eines alten abgestorbenen Cladocora- Stockes versteckt sassen, der mit Bryozoen und Spongien bedeckt war. Bei anhaltendem Suchen fand ich noch einige andere Exem- plare theils auf Oladocora-Resten, theils auf Muschel-Fragmenten und Steinen, die mit Phallusia mammillata besetzt waren. Glück- licherweise waren die meisten Exemplare geschlechtsreif und enthielten Eier auf verschiedenen Stufen der Entwickelung, bis zur Gastrulabildung. Die Länge des vollkommen entwickelten Gastrophysema ditha- lamium beträgt 2—2, 5, höchstens gegen 3 Mm. (Fig. 137, 140). Davon kommt ungefähr die Hälfte auf die obere (orale) eiförmige Kammer, deren grösste Dicke 0,7 Mm. erreicht. Die untere (ab- orale) kugelige Kammer hat nur 0,5—0,6 Mm., die ringförmige Einschnürung zwischen beiden 0,5 Mm. Durchmesser. Die Dicke des Stiels beträgt in der Mitte seiner Länge (wo er gewöhnlich am dünnsten ist) 0,1 Mm. Der Durchmesser der flach kegel- förmigen, massiven Fussscheibe kommt ungefähr demjenigen der unteren Kammer gleich. Die Gestalt scheint bei Gastrophysema dithalamium ebenso wie bei @. scopula wenig zu vaiiren. Wie Carter bei letzerem con- stant fünf hinter einander liegende Kammern beobachtete und wie diese immer nahezu dieselben Form- und Grössen-Verhältnisse vetten-Capitain Lax«, meinen aufrichtigen Dank für die Liberalität auszu- sprechen, mit welcher derselbe mir den Gebrauch der Dampfbarkasse behufs der Schleppnetzfischerei in der Bai von Smyrna gestattete, Nicht minder bin ich meinem hochverehrten Freunde, Herrn Ritter Dr. Carr, von ScHerzer, dem verdienstvollen wissenschaftlichen Leiter der Novara-Expedition (damals k. k. Oesterr. General-Consul in Smyrna, jetzt in London) zum herzlichsten Danke für die zuvorkommende und mir höchst werthvolle Unterstützung verpflichtet, durch welche er meine zoologischen Untersuchungen während meines Aufent- halts in Smyrna förderte. Nur seiner lebendigen Theilnahme an denselben, seiner liebenswürdigen Gastfreundschaft und seiner Bekanntschaft mit den dortigen Verhältnissen verdanke ich es, dass es mir möglich war, eine Ueber- sicht der dortigen Verhältnisse zu gewinnen, die Fauna des Hafens kennen zu lernen und die vorliegenden Beobachtungen über Bau und Entwicklung von Gastrophysema anzustellen, 28 Ernst Haeckel, darboten, so zeigten auch alle Personen unseres G. dithalamium, die ich in Smyrna beobachtete, nur geringe Abweichungen in der Grösse und Form ihres zweikammerigen Körpers. Die Aussenfläche des Körpers ist allenthalben mit fremden Körpern bedeckt, die jedoch nicht etwa, gleich Sabella-Röhren, durch einen ausgeschiedenen und erhärteten Schleim verkittet, sondern wirklich in das Syneytium des Exoderms aufgenommen sind (wie bei den Sandschwämmen oder Psammospongien). Bei schwacher Vergrösserung erscheint die untere (aborale) Hälfte von aussen ziemlich glatt, dagegen die obere (orale) Hälfte stachelig, wie ein Distelköpfchen. Bei starker Vergrösserung zeigt sich, dass das Pseudo-Skelet des Exoderms im ersteren Theile gröstentheils aus Sandkörnchen und Fragmenten verschiedener Spongien-Nadeln zusammengesetzt ist, die regellos mit einander gemengt und ver- kittet sind. Dagegen besteht das Skelet der oralen Körperhälfte zum grössten Theile aus längeren Spicula verschiedener Spongien- Arten. Dieselben stehen allseitig ab und divergiren oralwärts gerichtet. Die Spicula sind theils vollständig, theils zerbrochen. Neben ganz einfachen, umspitzigen Nadeln finden sich zahlreiche geknöpfte Spieula und eine geringere Zahl von dreizähnigen Anker- nadeln. Die letzteren sind meist so gelagert, das die drei Anker- zähne auswärts gerichtet sind, die Spitze des Hauptstrahls im Exoderm befestigt (Fig. 137). Auch bei den geknöpften Nadeln ist wenigstens das stumpfe Ende auswärts, das spitze einwärts gekehrt. Dazwischen finden sich aber auch einzelne Spicula in umgekehrter Lagerung, ferner Fragmente von anders geformten Nadeln, welche ganz verschiedenen Arten angehören, und endlich feinste Sandkörnchen. Hieraus ergibt sich mit Sicherheit, dass die Spieula keine Producte des Organismus selbst, sondern fremde Körper sind, welche derselbe aus seiner nächsten Umgebung, aus dem Schlamme des Meeresbodens aufgenommen hat. In der That zeigten :die Schlamm-Reste, welche in den Ritzen und Löchern der alten Cladocora-Stöcke sich fanden, die gleiche Zusammen- setzung, wie das Skelet der Gastrophysemen, die auf ihnen be- festigt waren. Ein Längsschnitt durch Gastrophysema dithalamium öffnet uns einen befriedigenden Einblick in die interessante Organisation dieses merkwürdigen Gastraeaden (Fig. 140, 141). Wir sehen, dass beide Kammern eine geräumige Höhle enthalten und durch eine enge Thüre, einen „Sipho“, mit einander communieiren (Y). Die Höhle der aboralen Kammer (b) ist blind geschlossen. Die Das Genus Gastrophysema. 29 Höhle der oralen Kammer (v) öffnet sich oben durch eine Mün- dung (m). Die Dicke der Wand ist in der vorderen und hinteren Kammer fast gleich, 0,08—0,1 Mm. Nur in der Umgebung der Mundöffnung ist die Wand verdünnt. Ueberall besteht die Wand der Höhle deutlich aus zwei scharf getrennten Schichten: den beiden primären Keimblättern. Das Entoderm bildet ein einfaches Geissel-Epithel und entwickelt zugleich in der aboralen Kammer die Eier. Das Exoderm besteht aus einem Syneytium von ver- schmolzenen Zellen, welche die fremden Körper aufgenommen haben. Der solide Stiel und die Fussscheibe, die keine Fortsetzung der gastralen Höhlung enthalten, sind blos vom Exoderm und von fremden Skelettheilen gebildet. Das Exoderma oder Hautblatt (e) lässt bei genauerer Untersuchung ganz ähnliche Verhältnisse erkennen, wie wir sie bei Haliphysema primordiale geschildert haben. Auch hier über- zeugt man sich bald bei passender Behandlung, dass die ganze Dermalschicht der Körperwand von einem wahren Syneytium gebildet wird, welches aus völlig verschmolzenen Zellen zusammen- gesetzt ist, und in welches die fremden Körper eingebettet sind. Das beweisen deutlich die überall zerstreuten Zellkerne, welche nach Färbung mit 'Carmin, besonders wenn vorher verdünnte Osmiumsäure kurze Zeit eingewirkt hatte, sehr deutlich hervor- treten (Fig. 188n, 139n, 141n, 148n). Die Kerne sind theils kugelig, theils länglich rund, ellipsoid oder eiförmig, von 0,004—0,007 Mm. Durchmesser. Auch hier ist häufig jeder Kern von einem rundlichen oder sternförmig ausstrahlenden Körnchen- hofe umgeben (Fig. 148n). Doch ist dieser Hof niemals scharf gegen das internucleare Gewebe abgegrenzt und daher scheint es nicht gestattet, den ersteren als eigentlichen Zellenleib, das letztere als Intercellular-Substanz aufzufassen. Die Grundsubstanz des Syneytium erscheint hyalin oder fein- körnig, hier und da schwach faserig differenzirt. Schr bemerkens- werth ist, dass diese fibrilläre Differenzirung an zwei Stellen zu einem wirklichen Zerfall derselben in parallele Fibrillen zu führen scheint, die wahrscheinlich nach Art von Muskelfibrillen wirksam sind. Es zeigt sich nämlich erstens an der Pforte zwischen beiden Kammern (Fig. 140y, 141g) und zweitens an dem Rande der Mundöffnung (m) eine schwache ringförmige Verdickung des Exoderm-Syneytiums; und wenn es gelingt, sich diese von der inneren Fläche der Gastralhöhle her zur Anschauung zu bringen, so bemerkt man bei starker Vergrösserung eine Anzahl von sehr 30 Ernst Haeckel, feinen parallelen Ringstreifen, denen die gestreckten Kerne pa- rallel gelagert sind (Fig. 145). Wahrscheinlich dienen dieselben zur Verengerung und vielleicht selbst zum zeitweiligen Verschluss der Oeffnungen, welche sie umgeben. Wäre diese Vermuthung richtig, so würde Gastrophysema sein Oseulum in ähnlicher Weise dureh eine Mundhaut (oder Öseular-Membran) verschliessen können, wie ich dies von den Kalkschwämmen beschrieben habe (Monogr. Bd. I, 5. 266). In ähnlicher Weise wird vielleicht auch der Hohl- raum der oberen Kammer (der eigentlichen Magenhöhle, v) von demjenigen der unteren Kammer (der Bruthöhle, b) durch eine Sphineter-ähnliche Ringmembran zeitweilig ganz oder theilweise abgeschlossen werden können. Das Entoderma oder Darmblatt bietet bei Gastrophysema ähnliche, jedoch verwickeltere Verhältnisse dar, als wir bei Haliphysema gefunden haben. Allerdings ist auch dort wie hier die ganze gastrale Höhlung des Schlauches von einem zusammen- hängenden einschichtigen Geissel-Epithel ausgekleidet. Während aber dieses Epithelium bei Zaliphysema in der ganzen Magen- höhle ein einfaches Lager von gleichartigen Geisselzellen bildet, nur durch die eingestreuten Eizellen unterbrochen und oben an der Mundöffnung durch die adorale Wimperspirale begrenzt, zeigt das einschichtige Gastral-Epithelium von Gastrophysema dithalamium in beiden Abtheilungen des Körpers eine verschiedene Beschaffen- heit. In der grösseren oralen Kammer liegen zwischen den Geissel- zellen einzelne Drüsenzellen (d) zerstreut und eine sehr entwickelte Geisselspirale von mehreren Windungen (a) tritt stark hervor. In der kleineren aboralen Kammer hingegen bilden sich ausschliess- lich die Eier und entwickeln sich die befruchteten Eier zu Gastrula- Embryonen. Sie kann daher als Geschlechtskammer, Bruthöhle oder Uterus, bezeichnet werden (b). Die orale Kammer allein scheint hier als ernährende Darmhöhle zu fungiren und kann demnach auch in engerem Sinne als Magenhöhle unterschieden werden (v). Wir treffen also, wenn wir die einfacheren Verhältnisse von Haliphysema vergleichen, einen interessanten Fortschritt in der Gastraeaden-Organisation. Bei Haliphysema ist die einfache Ur- darmhöhle gleichzeitig ernährende Magenhöhle und eierbildende Geschlechtshöhle, wie bei den einfachsten Spongien. Bei unserem zweikammerigen Gastrophysema hingegen sind die beiden funda- mentalen Functionen des vegetativen Lebens, Ernährung und Fortpflanzung, bereits gesondert; die erstere ist auf die orale, Das Genus Gastrophysema. 31 die letztere auf die aborale Kammer beschränkt. Ausserdem aber finden wir auch noch weitere Differenzirungen im Epithelium, indem in der Magenhöhle zwischen den flimmernden Geisselzellen einzelne nicht flimmernde Drüsenzellen zerstreut sind und auch die adorale Geisselspirale eigenthümlich entwickelt ist. Das genauere Verhalten dieser verschiedenen Entoderm- Formationen ist folgendes: Das Geissel-Epithelium der Magenhöhle (Fig. 155 f, Fig. 145 £, 147 f) bildet ein einschichtiges Lager von eylindrisch- konischen Geisselzellen, welche nieht wesentlich von denjenigen des Haliphysema primordiale verschieden sind. Nur erscheint der Leib der Geisselzellen selbst etwas kleiner, hingegen der Hals und Kragen derselben etwas grösser und die Geissel länger als bei Haliphysema. Der Kern der Geisselzellen ist von derselben Grösse und Form. Hals und Kragen zeigen je nach den Con- tractions-Zuständen sehr verschiedene Formen (Fig. 139). Regelmässig zerstreut zwischen den Geisselzellen finden sich im grössten Theile der Magenhöhle einzelne grössere, nicht flim- mernde Zellen, welche wahrscheinlich als einzellige Drüsen zu betrachten sind (Fig. 138 d, 140 d, 145. d, 147 d). Es sind das birnförmige oder flaschenförmige Zellen, welche ungefähr doppelt so gross als die Geisselzellen und durch ein dunkel pigmentirtes Protoplasma ausgezeichnet sind. Sie fallen daher schon bei schwacher Vergrösserung als dunkle Punkte auf der helleren Gastralfläche in die Augen (Fig. 140 d). Auf Querschnitten durch die Magenwand (Fig. 145d) zeigt sich, dass diese birnfömigen Zellen nicht flach auf der Innenseite des Exoderm aufsitzen, wie die benachbarten Geisselzellen, sondern tiefer als diese, ein wenig in das stützende Gewebe des Exoderm eingesenkt, so dass etwa zwei Drittel ihres Körpers vom Syneytium umschlossen sind (Fig. 1358 d, 139 d). Der verdünnte flaschenförmige Hals der Zellen dagegen liegt zwischen den Geisselzellen und ragt bis- weilen etwas über deren Epithelfläche vor. Das Protoplasma dieser flimmerlosen Zellen ist sehr trübe und enthält eine Menge dunkler, brauner oder schwärzlicher, rundlicher Pigmentkörner und ausserdem stark lichtbreehende Fettkügelchen. Bisweilen scheint das Protoplasma etwas aus dem Flaschenhals vorzutreten. Das hyaline Exoplasma erscheint als eine besondere Haut- schieht der Zelle differenzirt oder bildet vielleicht wirklich eine Zellenmembran. Der Kern ist gewöhnlich nicht sichtbar, ganz durch die dunkle Umhüllung der Fettkörnchen und Pigment- körnchen verdeckt. Wenn es aber bei starkem Drucke auf die 32 Ernst Haeckel, isolirten Zellen gelingt sie zu zerdrücken, so tritt der Nucleus deutlich vor, als ein helles Kügelehen von 0,005 Mm. Durchmesser, mit einem dunklen Nucleolus (Fig. 147). Ich glaube demnach nicht irre zu gehen, wenn ich diesen pigmentirten birnförmigen Zellen eine secretorische Function zuschreibe und sie als einzellige Drüsen auffasse. Der adorale Strudel-Apparat von Gastrophysema ist viel stärker als derjenige von Haliphysema entwickelt. Während bei letzterem die stärkeren Geisselzellen, die denselben zusammen- setzen, nur eine fast ringförmige Spirale bilden, finden wir bei letzterem ein förmliches Schrauben-Gewinde, welches zwei bis drei, vielleicht vier und mehr Windungen innerhalb der Schlund- höhle beschreibt (Fig. 144). Als Schlundhöhle können wir den engeren, trichterförmigen Eingangstheil der Magenhöhle, un- mittelbar unter der Mundöffnung bezeichnen. Die letztere ist ein kreisrundes Loch von 0,12—0,3 Mm. Durchmesser. Der oberste Theil der Körperwand, welcher den Rand der Mundhöhle bildet, ist stark verdünnt, der Rand selbst zugeschärft und zugleich etwas nach aussen gekehrt und ausgeschweift, ähnlich dem Rande einer Urne oder Vase (Fig. 341 m). Die Schwammnadeln, welche den- selben unmittelbar umgeben, sind derartig divergirend gestellt, dass sie zusammen einen trichterförmigen oder konischen Kranz bilden, in dessen Tiefe (im Halse des Trichters) die Mundöffnung liegt (Fig. 140 m). An einer Stelle ist der Rand der letzteren etwas erhöht und hier beginnt die rechts gewundene Geissel- spirale, welche in der Schlundhöhle 3-4 Windungen macht. Dieselbe besteht aus einer einfachen Reihe von eolossalen Geisselzellen, deren Körper 2--3 mal so gross als derjenige der gastralen Geisselzellen ist, nämlich 0,02—0,03 Mm. lang und bis 0,01 Mm. dick. Das Protoplasma enthält dunkle, sehr feine Pismentkörner, wodurch der Gang der Spirale sehr deutlich her- vortritt. Auch die Form dieser Geisselzellen ist sehr eigenthüm- lich (Fig. 139). Auf dem eigentlichen glockenförmigen Zellenleibe erhebt sich ein 3—4mal so langer, schlanker Hals von eylindrischer Form, blos aus hyalinem Exoplasma gebildet. Auf dem freien Ende des biegsamen Halses sitzt ein glockenförmiger Kragen, ein tieferer oder flacherer Trichter, aus dessen Grunde sich die sehr lange und starke Geissel erhebt. Durch die Schwingungen dieser mächtigen Geisseln wird ein kräftiger Strudel im Wasser erzeugt, der Nahrung in die Magenhöhle einführt. Wenn man fein zerriebenes Carmin oder Indigo dem Wasser zusetzt, über Das Genus Gastrophysema. 39 zeugt man sich, mit welcher Gewalt der spirale Strudel durch die Mundöffnung eindringt. Die gastralen Geisselzellen, welche unmittelbar unter der adoralen Flimmerspirale sitzen, sind ebenfalls pigmentirt, wodurch der Gang der Spieula sehr auffällig vortritt. Die unteren Zellen der letzteren (in der dritten oder vierten Windung) werden all- mählich kleiner und gehen ohne scharfe Grenze in die gewöhn- lichen Geisselzellen über. Das Epithelium der Bruthöhle oder der aboralen Sexual-Kammer (b) ist von demjenigen der Magenhöhle nicht wesentlich verschieden (Fig. 146). Jedoch fehlen die grossen, nicht flimmernden Drüsenzellen, und zwischen den Geisselzellen liegen überall Eizellen auf verschiedenen Stufen der Ausbildung zerstreut. Die reifen Eizellen (Fig. 1460) sind nackte, kugelige oder sphäroidale Zellen von 0,04—0,05 Mm. Durchmesser. Die- selben gleichen vollkommen den amoeboiden Eizellen des Hal- physema und der Kalkschwämme und sind gleich den letzteren im Stande, amoebenartige Bewegungen auszuführen. Das Protoplasma besteht aus einer dicken hyalinen Rindenschicht (Exoplasma) und einer trübkörnigen Dottermasse oder Marksubstanz (Endoplasma). Das Exoplasma junger Eizellen streekt langsam sich bewegende fingerförmige Fortsätze von veränderlicher Gestalt und Grösse aus (Fig. 145). Der Kern der reifen Eizelle ist ein helles kugeliges Keimbläschen von 0,015—0,02 Mm. Durchmesser (Fig. 145). In demselben tritt der grosse Nucleolus als ein dunkler, stark glän- zender Keimfleck von 0,001 Mm. deutlich hervor, und in diesem ist ein feiner Keimpunkt sichtbar. Spermazellen habe ich nur an einem einzigen Exemplar von Gastrophysema dithalamium beobachtet, und zwar an einer Person, welche gleichzeitig reife Eier besass. Als ich dasselbe zerzupfte, zeigten sich zwischen den Eiern einzelne Haufen von feinen, lebhaft beweglichen Samenfäden (Fig. 142). Dieselben besassen einen äusserst feinen Geisselfaden (‚Schwanz‘) von 0,04 Mm. Länge, der erst bei sehr starker Vergrösserung (über 800) sichtbar wurde. Der Kopf dieser feinen Geisselzellen war spindelförmig, 0,0012 Mm. lang. Ob diese Zoospermien in die betreffende weibliche Person eingedrungen waren und von einer anderen Person herrührten, oder ob sie im Körper der ersteren. selbst gebildet waren, vermochte ich nicht zu ermitteln. AI® Versuche, jüngere Entwicklungszustände derselben aufzufinden, oder ihren Ursprung in einem der beiden Keimblätter nachzu- Bd. XI. N. F. IV. 1. 3 34 Ernst Haeckel, weisen, waren vergeblich. Möglicherweise entstehen die Zoo- spermien im Exoderm. Die Eizellen sind offenbar umgewandelte Epithelzellen des Entoderms. Die meisten Personen von Gastrophysema dithalamium, welche ich in Smyrna zu beobachten Gelegenheit hatte, enthielten reife oder befruchtete Eier auf verschiedenen Stufen der Entwicklung, bis zur vollständigen Ausbildung der Gastrula (Fig. 111—120). Die aborale Kammer war in einigen von diesen trächtigen Per- sonen dicht angefüllt mit gefurchten Eiern und Blastula-Keimen, während andere nur einzelne Gastrulae enthielten (Fig. 140, 141). Es gelang mir, eine vollständige Reihe der Keimformen herzu- stellen, von dem befruchteten Ei bis zur Gastrula. Das Ei ent- hält keinen Nahrungsdotter und die Form der Eifurchung ist die primordiale. Ich habe dieselbe in dem Abschnitt, welcher „die vier Hauptformen der Eifurchung und Gastrulabildung“ behandelt, bereits ausführlich beschrieben. (Vergl. oben S. 79—83.) Das befruchtete Ei (Fig. 111) erschien als eine homogene, trübe Protoplasma-Kugel von \U,U5 Mm. Durchmesser, in welcher zahlreiche sehr feine Fettkörnchen gleichmässig vertheilt waren. In dieser Archimonerula war weder von einem Kern, noch von den eingedrungenen Zoospermien irgend eine Spur mehr zu er- kennen. Das „Keimbläschen“ schien völlig verschwunden zu sein. Immerhin ist es möglich, dass ich einen noch vorhandenen Rest desselben, vielleicht den Keimfleck, übersehen habe, zumal ich meine Aufmerksamkeit damals nicht speciell auf diesen Punkt richtete. Im nächstfolgenden Stadium zeigt sich in der Dotterkugel wieder ein neu gebildeter Kern (Fig, 112). Derselbe ist kugelig, ziemlich hell, hat 0,016 Mm. Durchmesser und schliesst ein grosses Kernkörperchen von 0,005 Mm. ein. An dieser Archieytula liess sich deutlich eine feine radiäre Streifung wahrnehmen, indem die dunkleren Körnchen strahlig gegen den im Mittelpunkt der Zelle gelegenen Kern gerichtet waren. Die Eifurchung selbst verläuft durchaus regelmässig, nach dem Typus der ursprünglichen oder primordialen Theilung. Durch fortgesetzten regelmässigen Zerfall jeder Furchungszelle in zwei Hälften entstehen zuerst zwei, darauf 4, 8, 16, 32, 64 Furchungs- zellen (Fig. 113—115). Ich habe die Einzelheiten des Furchungs- processes und namentlich das Verhalten der Kerne nicht näher untersucht. Das Resultat desselben ist die Bildung eines regu- Das Genus Gastrophysema. 35 lären Maulbeerkeims, einen soliden kugeligen Archimorula, die aus 64 Zellen besteht (Fig. 115). Indem sich im Innern der Archimorula Flüssigkeit ansam- melt und sämmtliche Zellen an die Peripherie treten, entsteht eine Hohlkugel von 0,08 Mm. Durchmesser, deren Wand aus einer einzigen Schicht von gleichartigen Zellen besteht, die Archi- blastula (Fig. 116, 117). Die „Blastoderm-Zellen“ welche diese zusammensetzen, erscheinen durch gegenseitigen Druck regel- mässig abgeplattet, meist sechsseitig-prismatisch (Fig. 116). Jede dieser Zellen streckt einen geisselförmigen schwingenden Fortsatz aus (Fig. 117). Das Blastoderm gestaltet sich so zu einem Geissel- Epithel, und durch die Vibrationen desselben bewegt sich die Blastula langsam rotirend in der Gastralhöhle umher. Nun erfolgt die typische Einstülpung oder Invagination der Blastula, durch welche sich letztere zur Gastrula, und zwar zur Arehigastrula gestaltet. Indem an einer Stelle das Blastoderm grubenförmig eingestülpt wird (Fig. 118) und indem der innere eingestülpte Theil desselben sich dem äusseren nicht eingestülpten Theil bis zur Berührung nähert, verschwindet die Furchungshöhle (Blastocoeloma, Fig. 117). An ihre Stelle tritt die fertige Urdarmhöhle (Fig. 120). Die Finstülpungsöffnung wird zum Urmund. Die Gastrula von Gastrophysema ist eiförmig, 0,08 —0,1 Mm. lang, 0,06—0,07 Mm. diek. Die Exoderm-Zellen der Gastrula sind eylindrische Geisselzellen von 0,018 Mm. Länge und 0,005 Mm. Dicke, mit ovalem Kern und einem dicken hya- linen Saum, durch dessen Mitte die Geissel durchtritt (Fig. 150e) Die Entoderm-Zellen der Gastrula sind rundliche polyedrische oder fast kugelige Zellen von 0,01 Mm. Durchmesser, mit einem kugeligen Kern von 0,003 Mm. Jhr Protoplasma ist viel dunk- ler und grobkörniger als dasjenige der Exoderm-Zellen und ent- hält zahlreiche fettglänzende Körner (Fig. 150i). Die weitere Entwicklung von Gastrophysema dithalamium konnte ich leider nicht verfolgen. Wahrscheinlich wird dieselbe folgen- den Gang einschlagen: die Gastrula verlässt die Magenhöhle der Mutter durch die Mundöffnung, schwärmt eine Zeitlang im Meere umher und setzt sich dann mit dem aboralen Pole fest. Die Exoderm-Zellen verlieren ihre Geisseln, verschmelzen mit einander zum Syneytium und nehmen aus dem benachbarten Meeresschlamm die fremden Körper auf, aus denen sie das Skelet zusammen- setzen. Die rundlichen Entoderm -Zellen verwandeln sich in eylindrische Geisselzellen. Das jugendliche Gastrophysema wird 3# 36 Ernst Haeckel, in diesem Stadium einem Haliphysema gleichen. Später erst wird sich die mittlere Einschnürung bilden, durch welche die Urdarmhöhle in zwei verschiedene Kammern zerfällt. In der oralen Magenkammer wird sich die starke Geisselspirale aus- bilden, sowie die einzelligen Drüsen. In der aboralen Brutkam- mer werden sich einzelne Zellen zu Eizellen, andere zu Sperma- zellen umbilden. Ueber die Lebenserscheinungen von Gastrophysema ditha- lamium wird weiter unten (im folgenden Abschnitt) berichtet werden. Fundort: Mittelmeer, Smyrna. Hascker. 2. Gastrophysema scopula, H. (Squamulina scopula, Carter; Annals and Mag. of nat. hist. 1870, Vol. V, p- 809, Pl. IV.) Diagnose: Körper der Person im Ganzen länglich keulen- förmig, durch vier quere Einschnürungen in fünf verschiedene Kammern getheilt. Die erste Kammer eine planconvexe Fuss- scheibe („pedestal“), die zweite Kammer eine schlanke eylin- drische oder umgekehrt konische Säule („column“), die dritte Kammer fast kugelig, eng („body“), die vierte Kammer erweitert, fast eylindrisch („neck“), die fünfte Kammer 2—5 mal so gross als die vorhergehenden, eiförmig oder längliehrund („head“). Am oberen Ende der fünften Kammer eine einfache kreisrunde Mund- öffnung. Alle fünf Kammern sind hohl, mit einander communi- eirend. Die Höhle der ersten Kammer (der Fusscheibe) durch mehrere unvollständige Scheidewände mehrfach ausgebuehtet. Die fremden Körper, welche das Exoderm incrustiren, bestehen zum grössten Theile aus Sandkörnchen und kleinen Fragmenten von Schwammnadeln; in der fünften, letzten und grössten Kam- mer dagegen aus längeren Spieula von verschiedenen Spongien- Arten. Diese sind allseitig abstehend, mit den Spitzen oralwärts gerichtet. Specielle Beschreibung: Vergl. Carter, 1. e., p. 309 bis 320; sowie oben, p. D—8. ; Fundort: Britische Küste: Beach at Budleigh-Salterton, Devonshire; Laminarien-Zone. CARTER. Organisation und Lebenserscheinungen der Physemarien. 37 16. Organisation und Lebenserscheinungen der Physemarien. Aus der vorstehenden Beschreibung der beiden Genera Hal- physema und Gastrophysema, und namentlich der beiden von mir lebend beobachteten Arten, ergibt sich mit voller Klarheit, dass wir es hier mit Angehörigen einer eigenthümlichen Thiergruppe zu thun haben, die weder zu den echten Spongien gerechnet werden kann, wie Bowersank will, noch zu den Rhizopoden, wie Carter behauptet. Immerhin stehen sie den ersteren weit näher als den letzteren, zu denen sie gar keine directen Beziehungen besitzen. Dieallgemeine Charakteristik derPhysemarien- Gruppe, auf die vorstehenden Beobachtungen gestützt, würde folgendermassen lauten: Der Körper des entwickelten Thieres bildet eine einfache schlauchförmige Person, deren eines (aborales) Ende am Meeres- boden auf verschiedenen Gegenständen festgewachsen ist, während am anderen Ende sich die Mundöfinung befindet. Die Grundform der Person ist einaxig. Bisweilen treibt sie durch laterale Knos- pung Sprossen und bildet so kleine Stöckchen. Die innere Darm- höhle ist entweder einfach (Haliphysema) oder durch quere ring- förmige Einschnürungen in zwei oder mehrere zusammenhängende Kammern getheilt (Gastrophysema). Die Wand des schlauch- förmigen Körpers, die gleichzeitig Leibeswand und Darmwand ist, besteht blos aus zwei verschiedenen Schichten. Die innere Schicht, das Darmblatt oder Entoderma, bildet ein einfaches Geissel-Epithel, das nach dem Munde hin in ein Geissel-Peristom, eine Spirale von stärkeren Geisselzellen übergeht. Die äussere Schicht, das Darmblatt oder Exoderma, besteht aus verschmolzenen Zellen welche ein Syneytium zusammensetzen; durch Aufnahme fremder Körper, insbesondere Sandkörnehen und Schwammnadeln, - gestaltet sich dasselbe zu einem festen Hautskelet. Die Fort- pflanzung geschieht durch befruchtete Eier. Die amoeboiden nackten Eizellen (und die stecknadelförmigen Spermazellen ?) ent- wickeln sich aus einzelnen Geisselzellen des Entoderms. Wenn der Schlauch durch Einschnürungen in Kammern getheilt ist (Gastrophysema), tritt Arbeitstheilung derselben ein, indem die einen die Ernährung, die andern die Fortpflanzung vermitteln. 38 Ernst Haeckel, Wenn wir die wichtigsten Eigenschafieu der Organisation, in welchen alle bisher beobachteten Physemarien übereinstimmen, ihrer morphologischen Bedeutung entsprechend würdigen wollen, so würden folgende Punkte besonders hervorzuheben sein. Die Individualität der Physemarien ist die einfache, ein- axige oder monaxonie Person, ohne Antimeren, wie ich sie in der Monographie der Kalkschwämme definirt habe (Bd. I, S. 101). Im engeren Sinne ist diese Person ungegliedert, ohne Metameren. Im weiteren Sinne könnte man die Kammerbildung von Gastrophysema als Metamerenbildung betrachten; dadurch unterscheidet sich dieses gegliederte Genus wesentlich von dem ganz einfachen und ungegliederten Haliphysema. Doch hat die Meta- merenbildung bei ersterem eine andere Bedeutung, als bei anderen gegliederten Thieren. Die Grundform der Person ist die un- gleiehpolige Einaxige (Monawonia diplopola), dieselbe, welche auch bei den meisten Personen der Spongien sich findet. (Monogr. der Kalkschwämme, Bd. I, S. 129). Stockbildung ist bisher nur bei einer nicht näher untersuchten Art beobachtet, bei Hali- physema ramulosum, dessen Physemariennatur noch zweifelhaft ist. Die Organologie von Haliphysema ist vor Allem inter- essant, weil hier der ganze Thierkörper in vollkommen ent- wiekeltem Zustande eigentlich nur ein einziges Organ bildet, einen Urdarm mit Urmund; bei Gastrophysema hingegen sind be- reits zwei verschiedene Organe differenzirt, indem die orale Kammer des Urdarms nur als digestive Magenhöhle, die aborale Kammer nur als sexuelle Bruthöhle fungirt. Die Darmwand aber, die zu- gleich Leibeswand ist, besteht in beiden Gattungen einzig und allein aus den beiden primären Keimblättern: Exoderma und Entoderma. In Betreff des letzteren kann gar kein Zweifel entstehen, da bei allen hier beschriebenen Arten (welche ich selbst untersuchen konnte) ein einfaches einschichtiges Epithelium die gesammte Gastralfläche auskleidet. Dagegen könnte in Betreff des skeletbildenden Exoderms ein Zweifel auftauchen, ob dässelbe nicht eigentlich als Mesoderm zu betrachten und vielleicht auf der äusseren Oberfläche mit einem einfachen Epithelium, einem Exoderm im engeren Sinne, bedeckt sei. Die genaueste Unter- suchung der beiden Physemarien, welche ich lebend beobachtete, ergab aber in dieser Beziehung durchaus negative Resultate. Weder bei Haliphysema primordiale, noch bei Gastrophysema ditha- lamium war ich im Stande eine Spur eines äusseren Epitheliums nachzuweisen. Sowohl auf Schnitten durch den lebenden Organis- Organisation und Lebenserscheinungen der Physemarien. 39 mus, als auf Schnitten durch erhärtete Alkohol-Präparate, welche mit verdünnter Osmium-Säure und Carmin behandelt waren, zeigte das Exoderm in seiner ganzen Dicke wesentlich dieselbe Be- schaffenheit, ein Syneytium mit eingestreuten Zellenkernen, zwischen welche überall die fremden Körper des Pseudo-Skelets eingekittet waren. An der inneren, dem Entoderm zugekehrten Fläche lagen die Kerne des Syneytiums ziemlich regelmässig geordnet, während dieselben nach der äusseren Fläche hin mehr ungeordnet und zer- streut zwischen den dichtgedrängten Skelet-Theilen erschienen. Dasselbe Resultat ergab die Untersuchung der Spiritus-Exemplare von Haliphysema echinoides und H. globigerina, so dass ich alle diese Physemarien für echte zweiblätterige Thiere halten muss, für Zoophyten, deren Körper zeitlebens blos aus Darmblatt und Hautblatt besteht. Eine organologische Vergleichung der beiden Genera Hal- physema und Gastrophysema lässt das erstere in jeder Beziehung als das primitivere, ältere und niedere erscheinen, aus welchem das letztere durch Arbeitstheilung der Organe und Gewebe hervor- gegangen ist. Während bei ersterem die Eizellen regellos und vereinzelt zwischen den Geisselzellen des Entoderms zerstreut liegen, finden wir sie bei letzterem auf die aborale Bruthöhle be- schränkt; die orale Magenhöhle ist hier dureh die eigenthümlichen einzelligen Drüsen ausgezeichnet. Die Sonderung der verdauenden Magenhöhle und der eierbildenden Bruthöhle muss als eine erste Arbeitstheilung des Urdarms aufgefasst werden. Diese wird schon eingeleitet durch die Beschränkung der eibildenden Zellen auf die Columella im Grunde der Magenhöhle, welche wir bei 7. echinoides und wahrscheinlich auch bei /7. globigerina finden. Ferner zeigt sich die adorale Geisselspirale, welche bei Hal- physema primordiale kaum angedeutet ist, bei Gastrophysema ditha- lamium zu einem mächtigen, sehr eigenthümlichen Strudel-Apparat entwickelt. Da ich bei den Spiritus-Exemplaren der übrigen Arten, die ich untersuchte, nichts davon auffinden konnte, bleibt noch weiterhin zu ermitteln, wie weit diese adorale Geissel- Spirale überhaupt in der Physemarien-Gruppe verbreitet und ob sie als allgemeiner Charakter derselben zu betrachten ist. Die Histologie der Physemarien, soweit ich dieselbe an Haliphysema primordia/e und an Gastrophysema dihalamdum ge- nauer verfolgen konnte, ergibt eine auffallende Uebereinstimmung mit den Spongien. Insbesondere ist der charakteristische Bau der Geisselzellen des Entoderms mit ihrem langen Halse und ihrem 40 Ernst Haeckel, trichterförmigen Geisselkragen ganz derselbe, wie ich ihn bei den Kalkschwämmen eingehend beschrieben habe (Monographie, Bd. I, S. 132—144). Ganz ebenso wie hier verhalten sich auch dort die nackten amoeboiden Eizellen. Auch das Exoderm der Physe- marien scheint mir mit demjenigen der Psammospongien (Dysidea) wesentlich übereinzustimmen. Diejenigen Histologen, welche das Exoderm der letzteren als eine Bindegewebs-Formation auffassen, werden auch bei ersteren dazu berechtigt sein. Allein ich be- kenne, dass ich mich auch jetzt noch zu dieser Auffassung nicht entschliessen kann. So wenig bei den Psammospongien, wie bei den Physemarien, war ich im Stande, trotz besonders genauen Suchens, eine Spur von einer oberflächlichen Epithelial-Bedeckung aufzufinden. Uebrigens erscheint ja auch der Tunicaten-Mantel als eine Gewebsformation, welche histographisch als Bindegewebe imponirt und doch nicht genetisch als Mesoderm aufzufassen ist. Die Lebenserscheinungen der Physemarien erfordern noch eine viel genauere Untersuchung. Die wenigen und unvoll- kommenen Beobachtungen, welche ich darüber anstellen konnte, deuten darauf hin, dass ihre Physiologie im Grossen und Ganzen denselben Charakter trägt, wie diejenige der Spongien. Wie bei den letzteren, so ist auch bei den Physemarien die wichtigste physiologische Erscheinung die Wasserströmung, welche durch die Geisselzellen des Entoderms hervorgerufen wird. Auf diesem Wasserstrome, der ebenso wohl frisches, sauerstoffhaltiges Wasser, wie die in demselben enthaltenen Nahrungsbestandtheile dem Körper zuführt, beruht die Ernährung und der Stoff- wechsel dieser kleinen Organismen. Während aber bei den po- rösen Spongien das Wasser allenthalben durch die Poren der äusseren Hautfläche in die inneren Höhlungen aufgenommen wird und durch das Osculum wieder austritt, dient bei den Physemarien, gleich wie bei den Hydroiden, die Mundöffnung ebenso wohl zur Aufnahme, wie zur Abgabe des Wasserstroms, und die adorale Geissel-Spirale erscheint in dieser Beziehung als eine sehr wichtige und charakteristische Einrichtung. Die physiologische Be- deutung derselben ist gauz gleich derjenigen, welche die be- kannten Peristom-Spiralen der eiliaten Infusorien, Stentor, Vorti- cella u. s. w. besitzen. Ihre morphologische Bedeutung aber ist natürlich ganz verschieden. Denn die Wimperspirale der letzteren ist ein Theil eines einzelligen Organismus. Hingegen die Geissel-Spirale der Physemarien besteht aus einer Reihe von grossen und ausnehmend starken Geisselzellen. Mit welcher Kraft Organisation und Lebenserscheinungen der Physemarien. 41 dieselben einen triehterförmigen Wasserstrudel erzeugen, davon überzeugt man sich bei Gastrophysema leicht durch den Zusatz von fein pulverisirten Farbstoffen. Diese stürzen mit grosser Geschwindigkeit in die Mundöffnung auf einer Seite hinein, wäh- hrend gleichzeitig auf der anderen Seite derselben das Wasser mit gleicher Kraft wieder entfernt wird. Bei der Undurchsichtig- keit des Körpers war es mir nicht möglich, die Verhältnisse der Wasserströmung im Innern der Magenhöhle näher zu verfolgen; doch ist es sehr wahrscheinlich, dass ähnlich wie bei dem spi- raligen Doppelstrudel einer Stromschnelle, eine absteigende und eine aufsteigende Spiralströmung unmittelbar neben einander in den peripherischen Theilen der Magenhöhle existiren, während in der Axe derselben verhältnissmässige Ruhe oder vielmehr eine axiale Rotation herrscht. Eine so mächtige und ausgezeichnete Geissel-Spirale von mehreren Windungen, wie bei @astrophysema dithalamium, habe ich bei den übrigen Physemarien nicht gefunden und es ist möglich, dass hier die Anordnung der Geisselbewegung am Peristom genügt, um den ernährenden Wasserstrudel einzu- führen. Bei Haliphysema primordiale scheint der letztere theils durch die bedeutendere Grösse und Stärke der adoralen Geissel- zellen, theils durch ihre Anordnung in einer unvollkommenen flachen Spiralwindung bewirkt zu werden. Einen ähnlichen spiralen Wasserstrudel, wie er durch die Geisselspirale in die Mundöfinung eingeführt wird, erzeugt im Kleinen jede einzelne Geisselzelle innerhalb des trichterförmigen Kragens, der sich vom Halse der Geisselzelle erhebt. Auch hierin gleichen die Physemarien ganz den Kalkschwämmen, und die merkwürdigen Bewegungs-Erscheinungen der Geisselzellen, die ich von den letzteren beschrieben habe (l. c., Bd. I, S. 373), finden sich ganz ebenso auch bei den ersteren wieder. Hier wie dort dringen feinste Körnchen von Carmin und Indigo, die dem Wasser- strom beigemengt sind, in kürzester Zeit in den Leib der Geissel- zellen ein und sammeln sich rings um deren Kern an. In der Magenhöhle der meisten von mir untersuchten Physe- marien fanden sich Diatomeen, Polythalamien und verschiedene fremde Körper, welche als Bestandtheile des benachbarten See- grund-Schlammes zu betrachten sind. In wie weit dieselben zur Ernährung dienten oder zufällig — vielleicht erst theilweise post mortem — in die Magenhöhle gelangt waren, liess sich nicht er- mitteln. Ebenso liess sich nichts über die Bedeutung des Secretes 42 Ernst Haeckel, ermitteln, welches die einzelligen Drüsen in der Magenhöhle von Gastrophysema dithalamium liefern. Wahrscheinlich wird dasselbe die Ernährung in irgend einer Weise unterstützen, vielleicht ähn- lich dem Secrete der Nesselzellen tödtlich auf die kleinen Orga- nismen wirken, welche durch den Wasserstrudel in die Magenhöhle eingeführt sind. Die Fortpflanzung der Physemarien scheint in der Regel die geschlechtliche zu sein und durch nackte Eizellen zu geschehen, welche vermuthlich immer schon in der Magenhöhle selbst be- fruchtet werden. Doch habe ich, wie oben bemerkt, nur ein ein- ziges Mal Spermazellen angetroffen, und zwar beim Zergliedern einer Person von Gastrophysema dithalamium, welche gleichzeitig reife Eier in der Bruthöhle enthielt. Bewegungs-Erscheinungen des ganzen Körpers habe ich nur bei Gastrophysema dithalamium beobachtet, und zwar erstens eine abwechselnde Verengerung und Erweiterung der Mundöffnung, und zweitens eine Zusammenziehung und Verkür- zung des ganzen schlauchförmigen Körpers. Beide Bewegungen geschahen sehr langsam und waren nicht direct, sondern nur an den veränderten Dimensionen der betreffenden Körpertheile zu verschiedenen Zeiten wahrzunehmen. Der Durchmesser der Mund- öffnung varlirte bei einer und derselben Person zu verschiedenen Zeiten um das Doppelte. Im erweiterten Zustande erschien der verdünnte Rand der trichterförmigen Mundöffnung mehr flach aus- gebreitet (Fig. 141). Die Contraction des ganzen Körpers der Person bewirkte eine Verkürzung desselben um ungefähr !/, oder !/,, höchstens '/, der Längsaxe. Ausserdem schien es mir, dass auch die abstehenden Spongien-Nadeln des Skelets an einer und derselben Person bald mehr allseitig abstanden, bald mehr oral- wärts gerichtet waren. Alle diese Bewegungen, die noch genauer zu untersuchen sind, werden jedenfalls durch Contraetionen des Exoderms bewirkt. Vielleicht kann dadurch auch ein zeitweiliger Verschluss der Mundöffnung, sowie ein Abschluss der beiden Kammern von Gastrophysema dithalamium herbeigeführt werden. Ob Empfindungen die Personen der Physemarien in höherem Maasse beseelen, als dies bei den nächstverwandten Spongien der Fall ist, erscheint sehr zweifelhaft. Hier wie dort scheint das Empfindungs-Vermögen auf einer sehr niederen Stufe stehen zu bleiben. Mechanische und chemische Reizung der lebenden Personen vermochte nicht unmittelbar Bewegungen derselben her- vorzurufen; vielmehr erschienen sie so unempfindlich, wie die Organisation und Lebenserscheinungen der Physemarien, 45 meisten Schwämme. Dagegen ist eine psychische Thätigkeit anderer Art in den Physemarien offenbar sehr ausgebildet. Diese äussert sich in der sorgfältigen Auswahl der Skeletbestandtheile. In ähnlicher Weise, wie die verschiedenen Species der Phryganiden- Larven und Röhrenwürmer ihre schützenden Röhren aus ganz ver- schiedenen zusammengelesenen Körpern aufbauen, einige aus Sandkörnchen, andere aus Diatomeen-Schalen, noch andere aus kleinen Mollusken-Schalen, oder‘ aus Pflanzen-Theilen u. s. w. — in ähnlicher Weise sehen wir auch die verschiedenen Arten unserer Physemarien ihr Pseudo-Skelet aus ganz verschiedenen fremden Körpern zusammenlesen. Ja sogar die verschiedenen Theile der Person, aboraler und oraler Körpertheil, werden mit verschiedenem Bau-Material ausgestattet. Bei Haliphysema primordiale, H. Tu- manowiezü, Gastrophysema dithalamium und @. scopula wird die aborale Hälfte des Körpers zum grössten Theile mit kleinen Sand- körnchen und Spieula-Fragmenten gepanzert, hingegen die orale Hälfte mit langen Spongien-Nadeln, die als defensive Waffen oralwärts gerichtet abstehen. Bei Haliphysema echinoides und H. ramulosum sind es fast ausschliesslich die Spieula und Lithaste- risken verschiedenen Spongien, sowie die Fragmente solcher Spiceula, die das ganze Skelet zusammensetzen. Bei Haliphysema globigerina endlich sind es nur gewisse Bestandtheile des Tiefsee- schlammes, aus denen der ganze Panzer zusammengeklebt wird. Der Stiel dieser Art besteht grösstentheils aus einen: dichten Mörtel von Coceolithen; die Wand der Magenhöhle hingegen fast aus- schliesslich aus kalkigen und kieseligen Rhizopoden-Schalen, Polythalamien und Radiolarien, ganz vorwiegend Globigerinen. Schon Bowersank, der uns vor 12 Jahren die ersten Beobach- tungen über Physemarien gab, machte mit Recht darauf aufmerk- sam, mit welcher Sorgfalt die Skelettheile ausgelesen und an- geordnet sind, so dass er dieselben geradezu für Producte des Thieres selbst hielt. Später hob Carter richtig hervor, dass nicht allein die Auswahl der Skelettheile hinsichtlich ihrer physikalischen Beschaffenheit und Form, sondern auch hinsichtlich ihrer Grösse eine höchst sorgfältige sei. Ich kann die Angaben der beiden britischen Beobachter in dieser Beziehung nur bestätigen. Obwohl natürlich die Anpassung an die Bedingungen des Wohnortes zu- nächst die Wahl des Skelet-Materials bedingt, so erfolgt doch die Zusammensetzung des letzteren offenbar mit einer sorgfältigen Auswahl unter den vorhandenen Bestandtheilen. 44 Ernst Haeckel, 17. Phylogenetische Bedeutung der Physemarien. Der morphologische Charakter und die damit verknüpfte phylogenetische Bedeutung der Physemarien liegt offenbar vor- zugsweise darin, dass diese kleinen Thierchen in vollkommen ent- wickeltem und geschlechtsreifem: Zustande sich weniger von der Gastrula, der gemeinsamen Keimform aller Metazoen, entfernen, als es bei allen anderen bisher bekannten Thieren der Fall ist. Nach dem biogenetischen Grundgesetze ergibt sich daraus un- mittelbar der Schluss, dass sie auch der gemeinsamen Stamm- form aller Metazoen, der hypothetischen Gastraea, näher stehen, als alle anderen bekannten Metazoen. Diese Beziehung halte ich für so innig, dass ich nicht anstehe, die Physemarien geradezu mit der hypothetischen Gastraea in einer Klasse zu vereinigen und als lebende, wenig veränderte Epigonen jener längst ausge- storbenen uralten Stammform zu erklären, als „Gastraeaden der Gegenwart“. Die hypothetische Klasse der Gastraeaden hatte ich früher (1872) für das Genus Gastraea selbst und für diejenigen ältesten und einfachsten Metazoen-Formen gegründet, welche als nächst- verwandte und wenig veränderte Descendenten jener Gastraea zu betrachten -seien. Unsere Physemarien entsprechen diesem Be- griffe vollständig. Denn auch bei den Physemarien, wie bei der hypothetischen Gastraea selbst, besteht der Körper zeitlebens einzig und allein aus den beiden primaeren Keimblättern, welehe sich noch nicht in secundäre Keimblätter gespalten haben. Die wesentlichsten Unterschiede, welche unsere Physemarien gegenüber der Gastraea darbieten, bestehen erstens darin, dass die ersteren festsitzend sind, während die letzteren freischwimmend gedacht werden müssen ; und zweitens darin, dass die ursprüng- liche Gastraea sicher nicht das eigenthümliche Skelet von fremden Körpern besass, welches die Physemarien auszeichnet. Letztere werden daher im System der Gastraeaden-Klasse eine besondere Familie oder Ordnung zu bilden haben, welche der Familie oder Ordnung der ursprünglichen, frei schwimmenden (theils skeletlosen, theils schalenbildenden) Gastraeaden gegenüber steht. Diese letzteren wollen wir im Folgenden kurz als Gastremarien bezeichnen (Gastraea ganz nackt, Gastrema mit Schale). Phylogenetische Bedeutung der Physemarien. 45 Schon früher, als ich „die phylogenetische Bedeutung der fünf ersten ontogenetischen Entwickelungsstufen“ des Thierkörpers erörterte (im 12. Abschnitt), habe ich zu zeigen gesucht, dass wir aus der bedeutungsvollen ursprünglichen Keimform der Archi- gastrula nach dem biogenetischen Grundgesetze unmittelbar auf die einstmalige Beschaffenheit der unbekannten ausgestorbenen Gastraca-Stammform schliessen können. „Diese ältesten Gastraeaden werden der heutigen Archigastrula im Wesentlichen ganz gleich gebildet und wahrscheinlich nur darin wesentlich verschieden ge- wesen sein, dass sie bereits sexuelle Differenzirung besassen. Vermuthlich werden sich bei ihnen einzelne Zellen des Entoderms zu Eizellen, einzelne Zellen des Exoderms zu Spermazellen umge- bildet haben, wie es auch bei den niedersten Zoophyten (Spongien, Hydroiden) noch heute der Fall ist. Gleich den frei im Meere schwimmenden Formen der Archigastrula werden auch jene Ga- straeaden sich mittelst Flimmerhaaren, Geisseln oder Wimpern bewegt haben, welehe als Fortsätze der Exoderm-Zellen sich ent- wickelten.“ Die Berechtigung dieser phylogenetischen Hypothese liegt für Jeden, der das biogenetische Grundgesetz überhaupt an- erkennt, wohl klar vor Augen. Denn wenn irgend eine Thatsache in der vergleichenden Ontogenie der Metazoen eine weitreichende phylogenetische Bedeutung besitzt, so ist es sicher die feststehende Thatsache, dass bei Thieren der verschiedensten Stämme und Klassen (und zwar gerade bei den niedersten und ältesten Formen!) der Körper der Person sich aus derselben einfachen Keimform der Archigastrula entwickelt. Alle die mannigfaltigen Keim- formen, die in den verschiedenen Thierklassen als Modificationen der Amphigastrula, Discogastrula und Perigastrula auftreten, konnten wir als seeundaere, eenogenetische Keimformen er- klären, welche durch verschiedene embryonale Anpassungen aus jener primaeren, palingenetischen Keimform der Archi- gastrula im Laufe der Zeit entstanden waren. Diese primordiale Archigastrula aber zeigte uns überall denselben einfachen Bau: Ein einaxiger Schlauch, dessen Höhle („Urdarmhöhle“) sich an einem Ende der Axe durch eine Mündung öfinet („Urmund‘“), und dessen Wand einzig und allein aus den beiden primaeren Keim- blättern besteht: Hautblatt und Darmblatt. Dieselbe Organisation würden auch die Gastremarien besessen haben, die Gastraea und ihre nächsten Descendenten. Nur darin werden dieselben höchst wahrscheinlich von der heutigen Keimform der Archi- gastrula verschieden gewesen sein, dass sie geschlechtsreif wurden. 46 Ernst Haeckel, Einzelne Zeilen ihrer primaeren Keimblätter werden sich zu Ei- zellen, andere zu Spermazellen entwickelt haben; und aus den befruchteten Eiern wird durch primordiale Eifurchung eine Archi- blastula, aus dieser durch Invagination eine Archigastrula ent- standen sein. Durch Bildung von Geschlechts-Zellen wurde diese wieder zur Gastraea. Wenn somit die freischwimmenden Gastremarien in die- ser Form die direette Hauptlinie an der Wurzel des Metazoen- Stammbaums bilden, so dürfen wir die Physemarien als eine untergeordnete Nebenlinie betrachten, welche aus der ersteren durch Anpassung an festsitzende Lebensweise hervor- gegangen ist. Die Archigastrula gibt die freischwimmende ursprüngliche Lebensweise auf und setzt sich mit dem aboralen Körperpole fest. Um der festsitzenden schlauchförmigen Person reichlichere Nahrung zuzuführen, entwickeln sich die Geissel- zellen des Entoderms in der Umgebung der Mundöffnung zu stärkeren, kräftigeren Strudel-Organen und bilden so die eigen- thümliche adorale Geisselspirale. Hingegen geben die Geissel- zellen des Exoderms ihre locomotorische, nunmehr überflüssig ge- wordene Geisselbewegung auf und verschmelzen miteinander zur Bildung eines Syneytiums, welches durch Aufnahme fremder Körper sich zu einem stützenden und schützenden Hautskelet entwickelt. Die hohe phylogenetische Bedeutung, welche demgemäss unsere Physemarien als die nächsten Verwandten der Gastraea besitzen, wird auch einen entsprechenden Ausdruck durch ihre Stellung im „Natürlichen System“ des Thierreichs finden müssen. Unzweifelhaft finden sie ihren natürlichen Platz nur im Stamme der Pflanzenthiere oder Zoophyten; und innerhalb dieses Stammes repräsentiren sie die tiefste und älteste Bildungsstufe. Dadurch treten sie aber in die engste Berührung und in die nächsten Ver- wandtschaftsbeziehungen zu denjenigen Zoophyten oder Üoelen- teraten, welche wir bisher als die einfachsten und niedersten Formen dieses Stammes zu betrachten gewohnt waren. Einer- seits treten uns da die einfachsten Spongien, anderseits die nie- dersten IHydroiden entgegen. Unter den Spongien müssen wir vor allen anderen die Asconen in Betracht ziehen, jene einfachsten Formen der Calei- spongien, die bisher überhaupt den primitivsten Typus der Spongien- Klasse darstellen. Unter den Asconen aber muss wieder der ganz Phylogenetische Bedeutung der Physemarien. 47 einfache Olynthus als der wahre Prototypus gelten, wie ich in meiner Monographie der Kalkschwämme hinreichend dargethan zu haben glaube.') In der That ist eine echte Spongie von ein- facherer Organisation als der Olynthus nicht denkbar, — ab- gesehen von dem unwesentlichen Umstand, dass derselbe in seinem Exoderm ein Skelet von Kalknadeln bildet, während die hypothe- tische Stammform der Schwämme — unsere Archispongia?) — als skeletlos anzunehmen ist. Letztere würde sich zu den skelet- losen Schleimschwämmen oder Myxospongien (Halisarca) ganz ebenso verhalten, wie Olynthus zu den Leuconen. Wenn wir ‘durch Behandlung mit Säuren die Kalknadeln des Olynthus auf- lösen, so bleibt die hypothetische Archispongia übrig: ein ein- facher, schlauchförmiger, einaxiger Körper, der am aboralen Pole der Axe festgewachsen ist, und dessen einfache Darmhöhle sich am entgegengesetzten oralen Pole durch eine einfache Mündung öffnet; die Wand des Schlauches besteht aus den beiden primären Keimblättern: einem flimmernden Entoderm und einem flimmer- losen Exoderm; überall ist die Wand von vergänglichen Poren- eanälen durchbrochen, durch welche ernährende Wasserströme in die Darmhöhle eintreten, um dann durch die Mundöffnung aus- zutreten. Vergleichen wir mit dieser einfachsten Spongienform unser Haliphysema, so bleibt nur ein einziger wesentlicher Unterschied zwischen beiden übrig: die Anwesenheit der Hautporen bei ersterer, ihre Abwesenheit bei letzterem. Nun sind freilich die Poren des Spongien-Körpers vergängliche Canäle, und wenn die- selben zeitweise geschlossen sind, so besteht eigentlich (— vom Skelet abgesehen —) gar keine weitere Differenz in der Organi- sation von Archispongia (oder Olynthus) und Haliphysema ®). Ander- seits aber ist der Besitz der Poren für den Begriff des „Poriferen“- Körpers so wesentlich und diese Porencanäle bilden so sehr ge- rade den eigenthümlichsten Charakter der Spongien — besitzen !) Ueber Olynthus, die „Stammform der Kalkschwämme“, vergl. Bd. I, 8. 76; Taf. 1, Fig. 1; Taf. 11, Fig. 6-9; Taf. 13, Fig. 1. ?) Ueber Archispongia, die hypothetische Stammform der Spongien, vergl. meine Monogr. der Kalkschwämme, Bd. I, 8. 454, 465; Taf. 11, Fig. 6—9. ?) Vergl. die Abbildung, welche ich 1. c., Taf. 11, Fig. 6 von dem ent- kalkten Olynthus fragilis mit geschlossenen Poren gegeben habe. Dasselbe Bild gibt ein Haliphysema, aus welchem die fremden Körper des Skelets entfernt sind. 48 Ernst Haeckel, eine so hohe morphologische und physiologische Bedeutung für deren Organisation, — dass wir logischer Weise die Physemarien nicht in die Klasse der echten Poriferen aufnehmen können. Allerdings glaubte ich avpfänglich lange Zeit, dass Hali- physema nur ein einfacher Sandschwamm, eine Psammospongie mit zufällig geschlossenen Poren sei, und dass sie sich zu der gewöhnlichen Form dieser Gruppe (Dysidea) gerade ebenso ver- halte, wie Olynthus zu den Leuconen (Dyssycus), oder Archispongia zu Halisarca. Nachdem ich jedoch später die Peristom-Spirale bei Haliphysema entdeckt hatte und mit der Organisation von Gastro- physema genauer bekannt geworden war, kam ich allmählich zu der Ueberzeugung, dass beide Physemarien wegen des absoluten Porenmangels und wegen der eigenthümlichen Peristom-Spirale von den echten Poriferen ganz zu trennen seien. Immerhin bleibt die bedeutungsvolle Uebereinstimmung merk- würdig, welche zwischen jenen einfachsten Poriferen und unseren Physemarien nicht allein bezüglich der Gesammtbildung, sondern auch im Detail der Organisation besteht. In beiden Fällen ver- halten sich die primaeren Keimblätter nicht allein in organo- logischer, sondern auch in histologischer Beziehung höchst ähn- lich. In beiden Gruppen bildet das Entoderma ein einfaches Geissel-Epithel, und der vharakteristische Bau der Geisselzellen mit ihrem schlanken Hals und ihrem trichterförmigen Kragen ist bei Haliphysema und bei Gastrophysema ganz ebenso, wie ich ihn früher bei den Kalkschwämmen beschrieben habe. Auch sind dort ebenso wie hier sämmtliche Zellen des Exoderms zu einem Syneytium verschmolzen; und wie dieses bei den Caleispongien ein Skelet aus Kalknadeln bildet, so nimmt es bei den Physe- marien eine Masse von fremden Körpern auf und verarbeitet diese zu einem Pseudo-Skelet, gleich Dysidea. Fast ebenso innig und ebenso bedeutungsvoll, als die Ver- wandtschafts-Beziehungen der Physemarien zu den Poriferen, ge- stalten sich anderseits diejenigen zu den Hydroiden. Auch hier sind es die niedersten und einfachsten Vertreter der Hydro- medusen-Klasse, welche den unmittelbaren Anschluss vermitteln, Als bekannteste Form tritt uns hier der Prototyp der Klasse, Hydra entgegen, und sodann diejenigen Hydroiden, welche sich von der einfachen, typischen Hydra-Organisation am Wenigsten entfernen. Allerdings würde eine noch grössere Aehnlichkeit als die armtragende Hydra, die armlose Protohydra von GrtErF dar- Phylogenetische Bedeutung der Physemarien. 49 bieten.) Allein wir sind genöthigt, diese angebliche „Stamm- form der Coelenteraten“ so lange für eine jugendliche Ent- wickelungsform, für eine Larve oder Amme einer anderen Hydro- medusen-Form zu halten, als weder Geschlechts-Organe bei der- selben nachgewiesen, noch ihre Entwicklung vollständig bekannt ist. Wenn Grerrr annimmt, dass die von ihm beobachtete „Quer- theilung“ seiner Protohydra der einzige Fortpflanzungs-Modus derselben sei, so ist diese Annahme sicher nicht berechtigt; denn auch vorausgesetzt die Richtigkeit seiner Beobachtung und seiner Deutung, kennen wir bis jetzt keine einzige Art des Zoophyten- oder Coelenteraten-Stammes, die sich ausschliesslich auf ungeschlechtlichem Wege fortpflanzte.?) Vielmehr ist hier die sexuelle Differenzirung ganz allgemein vorhanden, und wenn wir sehen, dass die niedersten Schwämme und die niedersten Acalephen in derselben einfachsten Form ihre Geschlechtsproducte bilden, wie unsere Physemarien, so liegt darin gerade ein besonderer Hinweis auf deren Bedeutung. In allen Fällen sind es einzelne Zellen der primaeren Keimblätter, entweder des Entoderms oder des Exoderms, welche sich zu Sexual-Zellen umbilden; und wir halten es sogar für wahrscheinlich, dass auch bei unseren Physemarien das Verhältniss dasselbe ist, welches E. van BENEDEN und G. v. Kocn bei verschiedenen Hydroiden beobachtet haben ; dass sich auch hier die männlichen Spermazellen aus dem Exo- derm, die weiblichen Eizellen aus dem Entoderm hervorbilden. Bei der Vergleichung der Physemarien mit Hydra und den einfachsten Hydroidpolypen können wir von den Tentakeln der letzteren zunächst absehen. Denn wenn wir die problematische Protohydra auch ganz aus dem Spiele lassen, so sind doch aus anderen Gründen die physiologisch so wichtigen Tentakeln der Hydroiden als Organe von untergeordneter morphologischer Be- deutung anzusehen. Sie fehlen vielen Personen der Siphonophoren- Stöcke und entwickeln sich bei den jungen Thieren meistens erst, nachdem der wichtigste Theil des Körpers, der Magenschlauch !) R. Greerr, Protohydra Leuckarti, eine marine Stammform der Coe- lenteraten. Zeitschr. für wissensch. Zool. 1870, Bd. XX, 8. 37, Taf. IV, V. 2, Die Gründe, weshalb Protohydra vorläufig nicht als „Stammform der Coelenteraten“ betrachtet werden kann, habe ich in der Monographie der Kalkschwämme entwickelt (Bd. I, S. 459, Anm.). Wenn bewiesen würde, dass Protohydra in dem von Grexrr beobachteten Zustande geschlechtsreif würde und sich durch Eier fortpflanzte, so würde Grexrr’s Annahme gerechtfertigt sein. BIS N.E IV. 1. \ 50 Ernst Haeckel, mit Mundöffnung, bereits gebildet ist. Wenn wir also den Besitz der Tentakeln als nicht wesentlich betrachten, so bleibt zwischen den Hydroiden und den Physemarien wiederum nur ein einziger wesentlicher Unterschied übrig, der Besitz der Nesselkapseln bei den ersteren, ihr Mangel bei den letzteren. Die Nessel-Organe sind es, welche die porenlosen Acalephen vor den porenführenden Schwämmen am meisten auszeichnen. Da alle Zoophyten, die wir in der Hauptklasse der Acalephen zusammenfassen: alle Hydromedusen, Ctenophoren, Korallen constant Nesselzellen be- sitzen, und da diese ebenso constant allen Spongien fehlen, so haben wir bei der Gegenüberstellung dieser beiden Hauptgruppen von Zoophyten darauf das grösste Gewicht gelegt.!) Die Physe- marien verhalten sich in dieser Beziehung gleich den Poriferen. Dagegen stimmen sie wiederum in dem Porenmangel mit den Hydroiden überein. Mit diesen theilen sie auch den Mechanismus der Ernährung und unterscheiden sich dadurch wesentlich von den Poriferen. Der mit Nährstoffen beladene Wasserstrom tritt durch die Mundöfinung ein, während er bei den Poriferen durch die Hautporen eintritt und der Mund nur als After oder „Kloaken- Oeffnung“ fungirt. Das einfache Geissel-Epithel des Entoderms, welches die Physemarien mit den Poriferen theilen, besitzen in ganz ähnlicher Form auch viele Hydroiden. Dagegen sind freilich die Physemarien in Beziehung auf die histologische Differenzirung des Exoderms sehr verschieden von den Hydroiden und stimmen vielmehr mit den Spongien überein. Aus dieser Vergleichung ergiebt sich, das die Physemarien zwischen den einfachsten Formen der Poriferen einerseits und den einfachsten Formen der Hydroiden anderseits in der Mitte stehen und dass sie weder mit jenen noch mit diesen im Systeme vereinigt werden können, ohne die bestehenden festen Grenzen jener beiden Klassen zu durchbrechen. Es bleibt daher Nichts übrig, als eine besondere Klasse für dieselben zu gründen, und diese Klasse kann keine andere sein, als diejenige der Ga- straeaden, die wir als eine hypothetische Gruppe auf Grund der Gastraea- Theorie schon seit Jahren angenommen haben. Innerhalb dieser Klasse werden als zwei verschiedene Ordnungen oder Familien zu unterscheiden sein: 1) die freischwimmenden und vielleicht schon ausgestorbenen Gastremarien (Gastraea, ') „Die Spongien und die Acalephen“, Monogr. der Kalkschwämme, Bd, I, S. 458460. Phylogenetische Bedeutung der Physemarien. 51 Gastrema!) — wesentlich gleich einer geschlechtsreifen Archi- gastrula — und 2) die festsitzenden und skeletbackenden Physe- marien (Haliphysema, Gastrophysema). Wenn man die nessellosen Spongien und die nesselnden Acalephen als zwei Hauptklassen der Pflanzenthiere beibehalten will, so wird man die Gastraeaden zu den ersteren stellen müssen; und diese Anordnung wird sich um so mehr empfehlen, als doch die Physemarien im Ganzen näher noch den Spongien als den Hydroiden verwandt erscheinen. Man wird dann aber unter den Spongien zwei verschiedene Klassen unterscheiden müssen: I. Die Gastraeaden, ohne Hautporen (mit adoraler Wimper- spirale?); und II. die Poriferen, mit Hautporen (ohne adorale Wimperspirale). Das System der Zoophyten würde demnach folgende Form annehmen: Erste Hauptklasse: Spongiae. Klassen: 1. Gastraeada, . Porifera. Zweite Hauptklasse: Acalephae. Klassen: 1. Hydromedusae, . Ctenophora, 3. Calycozoa, 4. Coralla. Die Klasse der Gastraeaden würde durch folgende Cha- rakteristik zu bezeichnen sein: Charakter der Gastraeaden: Einfache, schlauchförmige Thiere ohne Anhänge, deren dünne Körperwand zeitlebens aus den beiden primaeren Keimblättern besteht, und deren einfache Darmhöhle sich durch einen Urmund öffnet. Fortpflanzung durch befruchtete Eier. Erste Ordnung: Gastremaria. (Hypothetische Stamm- gruppe der Metozoen). Körper freibeweglich, umherschwimmend mittelst der Flimmerhaare des Exoderms. Genera: Gastraea (nackt). Gastrema (beschaalt). Zweite Ordnung: Physemaria. Körper am aboralen Pole festgewachsen. Exoderm nicht flimmernd, durch Verschmel- zung der Zellen ein Syneytium darstellend, welches durch Auf- nahme von fremden Körpern ein Sand-Skelet bildet. Genera: Haliphysema (einkammerig). Gastrophysema (mehr- kammerig). ıD TOD t) Unter Gastraea wollen wir die nackten, vollkommen der Archigasirula gleichen Gastremarien verstehen; unter (Wasitrema dagegen diejenigen, welche sich eine schützende Hülle oder Schale bildeten. Dass letztere neben ersteren in der laurentischen Periode existirten, ist aus vielen Gründen wahrscheinlich. Erklärung der Tafeln. Dar Haliphysema primordiale. Fig. 121. Eine entwickelte Person, festsitzend auf einer Laminarien- Wurzel. Aeussere Ansicht. Vergrösserung 80. Fig. 122. Längsschnitt durch dieselbe Person. Die spindelförmige Magen- höhle (v) öffnet sich oben durch den Mund (m). e Exoderm Ento- derm. o Eizellen. s Spicula. 2 Steinchen. Vergr. 80. Fig. 123. Querschnitt durch die Mitte derselben Person. Buchstaben wie in Fig. 122. Die Eizellen (0) liegen zerstreut zwischen den Geissel- zellen des Entoderms (2). Vergr. 80. Fig. 124. Die adorale Geisselspirale in der Richtung von der Mundöffnung aus gesehen. Schematisch. Vergr. 250. Fi&. 125. Ein Stückchen Entoderm, mit fünf Geisselzellen, im Profil. Vergr. 800. Fig. 126. Ein Stückchen Exoderm, von der Fläche gesehen. n Zellenkerne. p Syneytium. 2 Kieselsteinchen. s Spicula. Vergr. 800. Rat all. Haliphysema echinoides. Fig. 127. Eine entwickelte Person, mit Spicula von Corticaten-Spongien bewaffnet; in der kugeligen Magenwand viele dreizähnige Ankernadeln; im Stiel und in der konischen Fussscheibe des Stiels viele Lithasterisken von Tethyen etc. Vergr. 80. Fig. 128. Längsschnitt durch den Körper derselben Person. Im Grunde der kugeligen Magenhöhle (v) sitzt ein Zapfen (Columella, c), der mit einem Haufen von Eizellen (0) bedeckt ist. =» Mundöffnung. e Exo- derm. Entoderm. Vergr. 80. Fig. 129. Ein Stückchen Exoderm. n Zellenkerne. p Protoplasma des Syneytium. Vergr. 600. Fig. 130. Ein Stückchen Entoderm, einfache Epithelschicht, von der Fläche gesehen. Vergr, 600. Fig. 131. Zwei Eizellen aus dem Grunde der Magenhöhle. Im körnchen- reichen Protoplasma ein helles Keimbläschen mit Keimfleck. Vergr. 400. Erklärung der Tafeln, 53 Taf. III Haliphysema globigerina. Fig. 132. Eine entwickelte Person, mit birnförmigem Körper und einem sehr langen, runden, in der Figur kurz abgebrochenen Stiele. Das Pseudo-Skelet des Exoderms besteht zum grössten Theile aus Rhizo- poden-Schalen, ganz überwiegend Globigerina; eine dünnschaligere Form (@) und eine dickschaligere (A), Orbulina (O), ferner einzelne Rotalien und Textilarien (7); dazwischen auch einzelne Radiolarien: Euchitonia (Z), Haliomma (77), Trematodiseus (D) u. s. w. Vergr. 100, Fig. 133. Längsschnitt durch dieselbe Person. Die birnförmige Magenhöhle (v) öffnet sich oben durch eine nabelförmig eingezogene Mündung (m). e Exoderm. ö Entoderm. c Säulchen (columella). o Eizellen. Vergr. 40. Fig. 134. Ein Stückchen des vorigen Längsschnittes, stärker vergrössert. i Entoderm. e Exoderm. n Kerne desselben. © Eine Orbulina. Z, K Globigerinen. Vergr. 600. Fig. 135. Längsschnitt durch die Columella (c). Der Entoderm-Ueberzug derselben besteht aus grösseren Zellen, wahrscheinlich jungen Eizellen (0). Im Exoderm-Protoplasma viele Kerne (n). Vergr. 400. Fig. 136. Querschnitt durch den runden Stiel. In der Mitte die aus Proto- plasma bestehende Axe des Stiels (p), welche keine fremden Körper, da- gegen zahlreiche longitudinal gelagerte Zellenkerne enthält (r); in der Peripherie Coccolithen, Coceosphaeren und andere fremde Körper (2). Vergr. 400. Tat. IV. Gastrophysema dithalamium. Fig. 137. Eine entwickelte Person, aufsitzend auf einem abgestorbenen Stock von Cladocora. Der Körper ist im unteren Theile mit Sand- körnchen und Nadelfragmenten, im oberen Theile mit abstehenden Spicula verschiedener Spongien bewaffnet. Vergr. 80. Fig. 138. Ein Stückchen eines Durchschnittes durch die Wand der Magen- höhle im unteren Theile. / Geisselzellen des Darm-Epithels, d Drüsen- zelle desselben. n Zellenkerne des Exoderms. p Protoplasma. Die fremden Körper des Pseudo-Skelets sind aus dem Syneytium entfernt. Vergr. 1500. Fig. 139. Ein Stückchen eines Durchschnittes durch die Wand der Magen- höhle im oberen Theile, wo die adorale Geisselspirale liegt. @ Geissel- zellen der letzteren, mit sehr verlängertem Halse. d Drüsenzelle. n Zellenkerne des Exoderms. p Protoplasma desselben. Vergr. 1500. bat. V, Gastrophysema dithalamium. Fig. 140. Eine entwickelte geschlechtsreife Person mit Eiern, mit ver- engertem Mundtrichter, im Längsschnitt. © Geissel-Epithel (Entoderm). vo Magenhöhle. d Bruthöhle. % Enge Einschnürung zwischen beiden. Fig, Fig. Fig. Erklärung der Tafeln. d Drüsenzellen des Magens. a adorale Geisselspirale. m Mundöffnung’ o Eizellen. e Exoderm, mit fremden Körpern (s) beladen (in der untern Hälfte grösstentheils Sandkörnchen, in der oberen Spieula von Spongien). n Kerne des Synceytium. Vergr. 80. 141. Eine entwickelte trächtige Person mit erweitertem Mundtrichter, zahlreiche ausgebildete Gastrulae (g) enthaltend; die Geschlechtshöhle (b) ist fast ganz von ihnen erfüllt; einzelne sind auch in die Magen- höhle (v) übergetreten. Puchstaben wie in voriger Figur. Vergr. 80. 142. Vier Spermazellen, beim Zerzupfen einer eierhaltigen Person in Menge isolirt. Vergr. 1200. 143. Eine unreife Eizelle, in drei verschiedeneu Zuständen der amoe- boiden Bewegung. Vergr. 600. Taf. VI. Gastrophysema dithalamium. . 144. Längsschnitt durch die Magenhöhle (vo), um die adorale Geissel- Spirale zu zeigen («). Schematisch. a die Spirale. m Mund. e Exo- derm. Entoderm. Vergr. 80. . 145. Hälfte eines Querschnitts durch den oberen Theil der Magen- höhle (v). / Geisselzellen des Entoderms. d Drüsenzellen. « Colossale Geisselzellen der Spirale. » Zellkerne des Exoderms. p Protoplasma desselben. s fremde Körper. Vergr. 200. Fig. 146. Hälfte eines Querschnitts durch die Geschlechtshöhle (2). '/ Geissel- zellen des Entoderms. o Eizellen. n Kerne des Exoderms (e). » Proto- plasma. s fremde Körper. Vergr. 200. Yig. 147. Ein Stückchen Entoderm aus dem adoralen (oberen) Theile der Fig. Fig Magenhöhle. f Geisselzellen. d Drüsenzelle. a drei grosse Geissel- zellen der Spirale. Von der Fläche gesehen. Vergr. 1200. . 148. Ein Stückchen Exoderm, von der innersten Schicht desselben, an der Einschnürungsstelle zwischen beiden Kammern. Die Grundsubstanz des Syneytium (p) erscheint faserig differenzirt, die Kerne (rn) den Fasern parallel gelagert. Vergr. 1200. 149. Zwei Blastoderm-Zellen der Blastula (vergl. Fig. 118). Vergr. 1500. . 150. Durchschnitt durch die Wand der Gastrula. e Vier Exoderm- Zellen. © Zwei Entoderm-Zellen der Gastrula (Fig. 119, 120). Vergr. 1500. Jena, den 18. August 1876. Nachträge zur Gastraea - Theorie. (Schluss der „Gastraea-Theorie“ u. s. w. Bd. VIII dieser Zeitschrift, S. 1-57, Taf. I; Bd. IX, S. 402-508, Taf. XIX—XXV; Bd. X, S. 1-10, Taf. I-VL) Ri 18. Histologische Bedeutung der 6astraea-Theorie. Der erfreuliche Aufschwung und die wachsende Theilnahme weiter Kreise, welche das Studium der Entwicklungsgeschichte im letzten Decennium gewonnen hat, ist auch unserer Gastraea- Theorie unmittelbar zu Gute gekommen. Zahlreiche vortreffliche Arbeiten aus der neuesten Zeit, unter denen ich hier nur die- jenigen von E. Rav-Lankester, F. M. BaLrour, Envarn van BENEDEN, A. Kowarewsky, A. Rauger und Oarı Rası hervorheben will, haben nicht nur unsere Kenntnisse in der Ontogenie der verschiedenen Metazoen ausserordentlich erweitert, sondern auch das causale Verständniss von deren phylogenetischer Bedeutung mächtig ge- fördert. Die meisten und zuverlässigsten von diesen neueren Arbeiten haben die Gastraea-Theorie mit ihren wichtigsten Fol- gerungen bestätigt und weiter ausgeführt. Die empirische Grund- lage unserer Theorie ist dadurch viel breiter und fester geworden, als ich vor vier Jahren bei ihrer ersten Publication hoffen konnte, und die wichtigsten Einwürfe, die damals dagegen erhoben wurden, können jetzt als beseitigt gelten. Aus diesem Grunde erscheint es auch überflüssig, auf die heftigen Angriffe zu antworten, welche sofort von Carr Cxaus, Car SempER, W. Sarensky, ALEXANDER Acassız' u. A. gegen die Gastraea-Theorie und ihre Consequenzen gerichtet wurden. Ich hatte anfangs die Absicht, am Schlusse dieser Studien zur Gastraea- Theorie wenigstens diejenigen von jenen Einwendungen zu wider- legen, welche am besten thatsächlich begründet erschienen. In- dessen haben die neueren Fortschritte in der vergleichenden 56 Ernst Haeckel, Ontogenie selbst diese Widerlegung thatsächlich übernommen. Auf einige der stärksten Angriffe, namentlich diejenigen von Wırsern Hıs und Arrxanper Görte, habe ich in meiner Schrift über „Ziele und Wege der heutigen Entwieklungsgeschichte“ (1875) geantwortet. Viele Einwendungen gegen die Gastraea-Theorie erinnern lebhaft an die Einwände, welche seiner Zeit gegen die Zellen-Theorie erhoben wurden. Als Scaremen 1838 die Zellen- Theorie für das Pflanzenreich begründete und Schwann sie un- mittelbar darauf für das Thierreich durchführte, da meinten viele, und unter diesen sehr angesehene Naturforscher, diese Theorie sei weder neu noch wichtig. Denn „Zellen“ habe man längst gekannt, dass alle Gewebe bloss aus Zellen zusammengesetzt seien, sei nicht bewiesen, ausserdem gebe es auch andere Elementartheile, und der Zellen-Begriff sei nicht auf die Bestandtheile aller Gewebe anwendbar. Geradeso erheben die Gegner der Gastraea-Theorie den Einwurf, die Keimformen vom Bau der Gastrula seien schon vorher bekannt gewesen, dass alle Metazoen sich aus Gastrula- Keimen entwickeln, sei nicht bewiesen, ausserdem gebe es auch noch andere Keimformen und der Gastrula-Begriff sei nicht auf die Embryonen aller Metazoen anwendbar. Diese Einwürfe werden aber das feste Fundament der Gastraea-Theorie so wenig er- schüttern, als jene gleichen Angriffe vor 38 Jahren die Zellen- Theorie widerlegt haben. Wie wir durch die letztere die einheit- liche Auffassung vom elementaren Bau aller Organismen gewonnen und durch den Zellen-Begriff die Zelle als das „Individuum erster Ordnung“ erkannt haben, so gelangen wir durch die erstere zu einer einheitlichen "Auffassung vom histologischen und organo- logischen Bau aller Metazoen und erkennen in der Gastraea das „Individuum dritter Ordnung“, die Person; in ihren beiden pri- mären Keimblättern die Individuen zweiter Ordnung, die „Idorgane“, aus denen sich die Organisation sämmtlicher Metazoen entwickelt hat. Die Einfachheit und Einheit der Auffassung, die Feststellung klarer morphologischer Elementar- Begriffe und die damit ver- knüpfte phylogenetische Erkenntniss verleihen der Gastraea-Theorie ihren Anspruch auf Geltung so lange, bis sie durch eine bessere morphologische Theorie ersetzt sein wird. Statt also hier auf die vielfachen Angriffe meiner Gegner zu antworten, halte ich es für zweckmässiger, in diesen „Nach- trägen zur Gastraea-Theorie“ noch einige Folgerungen derselben zu erläutern, die früher nicht die gehörige Betonung gefunden haben und zugleich mit Hülfe wichtiger Beobachtungen aus neuester Zeit Histologische Bedeutung der Gastraea-Theorie. 57 einige früher offen gebliebene Lücken auszufüllen. Zunächst scheint es da zweckmässig, einige Bemerkungen überdie histologische Bedeutung der Gastraea-Theorie vorauszuschicken. Vor Allem dürfte für die generelle Histologie der Grundsatz zu betonen sein, dass mit der Gastrulation und der Keimblätter- bildung überhaupt erst die Bildung eigentlicher Gewebe im Thierkörper beginnt. Daher besitzen nur die Metazoen wahre Gewebe, nicht die Protozoen. Zwar wird auch heute noch viel- fach bei den Protozoen von Geweben gesprochen; und den In- fusorien werden sogar höhere Gewebs-Differenzirungen zuge- schrieben. Im Interesse klarer und logischer Ordnung der Begriffe sollte dies aber niemals geschehen. Denn unter Geweben ver- stehen wir solche Gruppirungen bestimmter Zellenarten, welche eine bestimmte morphologische und physiologische Bedeutung für den vielzelligen Thier-Organismus besitzen. Da nun die grosse Mehrzahl der Protozoen einzellig ist, kann bei ihnen überhaupt nieht von Geweben in strengerem Sinne die Rede sein. Aber auch bei den vielzelligen Protozoen treffen wir die constituirenden Zellen niemals in der Weise zu bestimmten morphologischen Ein- heiten verbunden, wie sie die Keimblätter der Metazoen und die daraus abgeleiteten Gewebe vorstellen. Die beiden primären Keimblätter der Gastrula sind also die ersten und ältesten differenten Gewebe des Thierkörpers. Wollte man noch einen Schritt weiter zurückgehen, so könnte man das Blastoderma, die Keimhaut der Blastula, als das allerälteste Gewebe bezeichnen. In der That kann diese einfache Zellen- schicht, welche die Wand einer einfachen Hohlkugel bildet, ebenso gut auf den Charakter eines echten, einfachen Gewebes Anspruch machen, wie ‘die beiden primären Keimblätter, welche aus dem Blastoderm durch Invagination der Blastula hervorgehen. Das Entoderma ist ja eigentlich nur der eingestülpte, und das Exoderma der nicht eingestülpte Theil des Blastoderma. Vergleichen wir nun diese ältesten Gewebs-Formationen des Metazoen - Organismus mit den Geweben des vollkommen ent- wickelten Thierkörpers, so kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass dieselben sowohl in morphologischer als in physiolo- gischer Beziehung den Charakter eines einfachen echten Epi- theliums besitzen. Sowohl das ursprüngliche, ganz einfache Blastoderma, als die beiden daraus durch Invagination ent- stehenden primären Keimblätter, Exoderma und Entoderma, sind echte Epithelien. Die einfache Zellenschicht des 58 Ernst Haeckel, Exoderms ist ein primitives Dermal-Epithelium, eine ein- fachste „Hautdecke“; die ebenso einfache Zellenschicht des Ento- derms ist ein primitives Gastral-Epithelium, eine einfachste „Darmdecke“. Mit Bezug auf die Planaea und die Gastraea, jene ältesten hypothetischen Stammformen, welche den heutigen Keim- formen der Archiblastula und Archigastrula wesentlich gleich gewesen sein müssen, dürfen wir fernerhin die Vermuthung aufstellen, dass jene allerältesten, zuerst entstandenen Epithelien — sowohl das Blastoderma, als das Exoderma und Entoderma — Flimmer-Epithelien waren; und wenn wir den wichtigen Zeugnissen trauen dürfen, welche uns die histologische Beschaffen- heit des Entoderms bei den heute noch lebenden Gastraeaden, Spongien und Hydroiden liefert, so waren jene ersten Flimmer- Epithelien einschichtige Geissel-Epithelien, gebildet aus einer einfachen Lage von gleichartigen Geisselzellen, deren jede wit einem einzigen langen, schwingenden Geisselfaden aus- gerüstet war (Fig. 117, 118, 120). Wenn wir zunächst bloss die Archiblastula (Fig. 20, 29, 116, 117) und die Archigastrula (Fig. 23, 31, 44, 120) be- rücksichtigen, welche bei Thieren der verschiedensten Gruppen überall dieselbe einfache Beschaffenheit darbieten, so bedürfen die obigen Sätze keines weiteren Beweises. Denn bei allen palin- genetischen Thieren, bei allen Thieren, welche noch heute primordiale Eifurchung besitzen — von Gastrophysema und Olyn- thus bis zur Aseidie und zum Amphioxus hinauf — sind ja überall sowohl das Blastoderma der Blastula, als das Exoderma und Entoderma der Gastrula, ganz einfache, einschichtige Epithelien. Hingegen erscheint jene Auffassung nicht gerechtfertigt bei den meisten cenogenetischen Thieren, welche nicht die pri- mordiale Eifurchung besitzen, sondern eine der drei anderen Furchungsformen (inaequale, discoidale oder superficiale). Hier tritt erstens der Epithel-Charakter der beiden primären Keim- blätter oft nicht so klar und unzweideutig hervor, als bei jenen archiblastischen Thieren; und zweitens erscheinen schon die ersten Anlagen derselben oft nicht einschichtig, sondern mehrschichtig. Zwar wird sich der Epithel-Charakter des Exoderms in keinem Falle verleugnen lassen. Aber das Entoderm wird sehr oft diesen Charakter auf den ersten Bliek vermissen lassen, insbesondere dann, wenn ein mächtiger Nahrungsdotter entwickelt und die Ur- darmhöhle damit ausgefüllt ist. Hier müssen wir dann stets die Histologische Bedeutung der Gastraea-Theorie. 59 . secundäre Natur dieser ceenogenetischen Bildung im Auge behalten und uns erinnern, dass wir im Stande waren, sie auf jene primären palingenetischen Verhältnisse zurückzu- führen. In allen Fällen sind die ersteren aus den letzteren erst später, in Folge embryonaler Anpassungen, hervorgegangen. So sind die mannichfach verschiedenen, oft mehrschichtigen und nicht flimmernden Keimblätter der Fische, Amphibien und Amnioten alle ursprünglich aus den einschichtigen Flimmer-Epithelien ent- standen, welche die beiden primären Keimblätter der Acranier bilden (Amphioxus). Wir sind daher in allen Fällen zu der An- nahme berechtigt, dass die mehrschichtigen Keimblätter erst se- eundär aus einschichtigen entstanden sind, dass die nicht flim- mernden Keimblätter ursprünglich aus einem Flimmer-Epithel hervorgegangen sind, und dass das Entoderm stets eben so gut ein echtes Epithelium ist, wie das Exoderm. Unser Magen-Epithel bleibt ein echtes Epithel, gleichviel ob unsere Magenhöhle mit Speise erfüllt ist oder nicht; und ebenso bleibt das Entoderm der Gastrula überall ein Epithel, gleichviel ob ihre Urdarmhöhle von einem Nahrungsdotter ausgefüllt ist oder nicht. Der histologische Nachweis, dass die beiden primären Keim- blätter überall echte Epithelien sind, gestattet uns nun unmittelbar folgenden bedeutungsvollen Schluss: Das Epithelium allein ist das primäre Gewebe, ist das ursprüngliche und älteste Gewebe des Thierkörpers und bildete anfänglich den Metazoen- Organismus für sich allein. Alle anderen Gewebe sind se- ceundäre Gewebe, sind erst nachträglich aus jenem ersteren hervorgegangen, sind Descendenten des Epithelium. Wie wichtig und folgenreich dieser Schluss ist, leuchtet ein, sobald wir an die langwierigen und noch heute nicht beendigten Streitigkeiten über die Beziehungen der Epithelien zu anderen Geweben denken. Wie viele Seiten der histologischen Literatur sind mit den leb- haftesten Streitigkeiten darüber angefüllt, ob Nerven, Muskeln, Bindegewebe, Blut u. s. w. mit echten Epithelien in Continuität stehen können oder nicht! Und wie leer, wie müssig erscheinen alle diese endlosen Controversen angesichts der einfachen That- sache, dass alle diese Gewebe ursprünglich aus Epithelien hervor- gegangen sind. Blut- und Binde-Gewebe ebensowohl als Nerven- und Muskel-Gewebe sind ursprünglich stets aus Epithelial-Gewebe entstanden. Durch diese einfache histogenetische Reflexion, durch die Erwägung, dass die beiden primären Keimblätter echte Epithelien 60 Ernst Haeckel, sind, und dass alle Gewebe des Metazoen-Körpers einzig und allein aus diesen entstanden sind, werden eine Menge von histo- logischen Controversen gegenstandslos, mit denen eine Masse von Papier und Zeit nutzlos vergeudet worden ist. Vor allen gilt das von der vielbesprochenen Parablasten-Theorie von Hs, welche trotz ihrer Absurdität auch heute noch zahlreiche An- hänger besitzt. Der Kern dieser Theorie gipfelt bekanntlich in dem Satze, dass der Thierkeim aus zwei gänzlich verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzt sei, aus dem Hauptkeim und Nebenkeim. Der Hauptkeim oder Archiblast allein soll von den beiden primären Keimblättern abstammen und Nerven- Gewebe, Muskel-Gewebe, Epithelial- und Drüsen-Gewebe liefern. Hingegen sollen das Binde-Gewebe (nebst Knorpel- und Knochen- Gewebe), die Blutzellen und die sogenannten Endothelien !) (die Gefäss-Epithelien) abstammen von dem Nebenkeim oder Pa- rablast, d.h. von Bindegewebszellen des mütterlichen Körpers, welche in den „weissen Dotter“ des Eies eingewandert sind, und welche also gar nichts mit den primären Keimblättern zu thun haben. Die Aufstellung dieser ganz verkehrten, aber vielbewun- derten Parablasten-Theorie ?), die den einfachsten physiologischen und morphologischen Prineipien Hohn spricht, lässt sich nur durch die tiefe Unkenntniss der vergleichenden Anatomie und On- togenie entschuldigen, durch "welche Hıs sich auszeichnet. Denn alle palingenetischen Thiere besitzen gar keinen Nahrungsdotter, keine Spur von „weissem Dotter‘“; ihr Keim besteht einzig und allein aus den primären Keimblättern, also aus zwei einfachen Epithe- lial-Schiehten ; — und doch bilden diese Thiere ebenso gut Binde- Gewebe, Blut und „Endothelien“, als die cenogenetischen Thiere, bei denen letztere „ganz anderen Ursprungs“ sein sollen. Durch diese unleugbare Thatsache allein schon wird die ganze Parablasten- Theorie widerlegt. Blut, Endothelien und Binde-Gewebe entwickeln sich ursprünglich ebenso aus Epithelien, wie Nerven-, Muskel- und Drüsen- Gewebe. Alle Zellen der verschiedensten !) Der von Hıs eingeführte und jetzt vielfach gebrauchte Ausdruck Endo- thelium bedeutet wörtlich : „Innerhalb der Brustwarze“. ®) Köruiıker (Entwicklungsgeschichte, II. Aufl. 1876, p. 26) meint, dass „die von Hıs in geistreicher Weise ausführlich beleuchtete Parablasten- Theorie viel Bestechendes hat,“ und „bedauert, dieselbe nicht unterstützen zu können,“ Primäre und secundäre Keimblätter. 61 Gewebe sind direct oder indireet Abkömmlinge von Epithelial-Zellen.') 19. Primäre und seeundäre Keimblätter. Exoderm, Mesoderm und Entoderm. Die Unterscheidung der primären und secundären Keimblätter, auf welche ich bereits in der Monographie der Kalkschwämme (1872) das grösste Gewicht gelegt habe, scheint mir nicht allein für das Verständniss der Gastraea-Theorie, sondern auch für die richtige Auffassung der wichtigsten Keimungs-Vorgänge überhaupt von solcher Bedeutung zu sein, dass ich nicht umhin kann, hier nochmals darauf zurückzukommen. Besondere Veranlassung dazu bieten die vielfachen Streitigkeiten über Ursprung und Bedeutung des Mittelblattes oder Mesoderma, welche bis in die neueste Zeit mit zunehmender Verwirrung der Begriffe und Steigerung der Widersprüche fortgedauert haben. In der That überzeugt uns ein Blick auf die umfangreiche embryologische Literatur der letzten Jahre, dass das Mesoderm-Problem ebenso zu den dunkelsten und schwierigsten, wie anderseits zu den wichtigsten und einfluss- reichsten Fragen der Keimblätter-Theorie gehört. Die Mehrzahl der heutigen Embryologen begnügt sich in dieser Beziehung gegenwärtig mit folgender Auffassung: Nach- dem Exoderm und Entoderm ausgebildet sind, entsteht zwischen diesen beiden Keimblättern ein drittes, das Mesoderm, und nun- mehr besteht der Keim aus drei übereinander liegenden Blättern: Exoderm, Mesoderm und Entoderm (oder: Epiblast, Mesoblast und Hypoblast). Schon dieser Satz, welcher fast überall ohne Bedenken wiederholt wird, enthält einen logischen Fehler, der sich zu einer Quelle verhängnissvoller Irrthümer gestaltet. Er verstösst näm- lich gegen die wichtige Thatsache, dass das Mesoderm in allen Fällen ein secundäres Product der primären Keimblätter ist, entweder beider, oder eines von beiden. Wenn das aber wirklich der Fall ist — und die vergleichende Ontogenie hat jetzt diese fundamentale Thatsache unumstösslich festgestellt! — dann ist das Mittelblatt ein Theil von einem der !) Trotzdem Hıs gegenwärtig mit der Archigastrula des Amphioxus bekannt ist, welche für sich allein schon die ganze Parablasten-Theorie wider- legt, hält er doch unbeirrt an letzterer fest. Vergl. meine Anthropogenie (III. Aufl., S. 657) und „Ziele und Wege der heutigen Entwicklungsgeschichte“ (1875, S. 32). 62 Ernst Haeckel, beiden primären Keimblätter oder von beiden. Da nun der Theil nie gleich dem Ganzen sein kann, so hört mit der Bildung des Mesoderms wenigstens eines der beiden primären Keimblätter — oder beide zugleich — auf, als solche zu existiren; eines oder beide sind dadurch in mehrere secündäre Keimblätter zer- fallen oder gespalten. Der Einfachheit halber wollen wir die primären und secun- dären Keimblätter mit folgenden Buchstaben bezeichnen: E — Exo- derma (äusseres primäres Blatt); J = Entoderma (inneres primäres Blatt); s —= Hautsinnesblatt (Sinnesblatt); f — Hautfaserblatt (Fleischblatt); g = Darmfaserblatt (Gefässblatt) ; d = Darmdrüsen- blatt (Drüsenblatt); m — Mesoderma (Mittelblatt oder Faserblatt). Das Mesoderm wird allgemein als die Summe von Hautfaserblatt und Darmfaserblatt aufgefasst, gleichviel auf welche Weise diese aus den primären Keimblättern entstanden sind; alsom=f--.8. Demnach gelten allgemein folgende Gleichungen: ))E+J=sH+tf+g-+td oderE+J=s+m-+d 2))E=-s+m+d—) oder J=s+m+d-E )m=E+JI —- (ss -+d) oerm=(E—s)+ (J — d) Alle verschiedenen Ansichten, welche über die Bedeutung und Entstehung des Mesoderms und überhaupt der secundären Keimblätter geitend gemacht werden könnten, lassen sich demnach auf folgende drei Möglichkeiten redueiren: 1)J=m-d, dann ist E = s; >; Bi m 1 5 dann isıal, U: 9)E=s +f (oder = s + m — g) und entsprechend J=g+d(oer=m — f+d); dan stm =J— d+E-—s. Fassen wir nun diese drei möglichen Fälle noch etwas näher in’s Auge, ganz abgeschen davon, dass der letzte derjenige ist, der in organologischer Hinsicht der verständlichste und daher in phylogenetischer Beziehung der wahrscheinlichste ist. 1. Das ganze Mesoderm entsteht aus dem Ento- derm und spaltet sich erst später in Darmfaserblatt und Haut- faserblatt. Dann ist J—= md und folgerichtig E=s. Das Exoderm liefert bloss das Hautsinnesblatt, das Entoderm alle übrigen drei seeundären Blätter. Diese Ansicht wird augenblick- lich von der grossen Mehrzahl der Embryologen für die richtige Primäre und seeundäre Keimblätter. 63 gehalten. Remar hat dieselbe zuerst für die Wirbelthiere aufge- stellt, und die meisten neueren Beobachter glauben dasselbe Ver- hältniss bei den verschiedensten Wirbellosen gefunden zu haben. Wenn dieses Verhältniss stattfindet, so hört mit der Bildung des Mesoderm die Existenz des Entoderms auf; denn J wäre dann = m -+ dund folglich m — J — d. Der dreiblätterige Keim besteht demnach aus folgenden Theilen: 1. Exoderm (= Haut- sinnesblatt); 2. Mesoderm oder Faserblatt (= Hautfaserblatt und Darmfaserblatt); 3. Darmdrüsenblatt. 2. Das ganze Mesodermentstehtausdem Exoderm und spaltet sich erst später in Hautfaserblatt und Darmfaserblatt. Dann ist E=s + m und folgerichtig J = d. Das Entoderm liefert blos das Darmdrüsenblatt, das Exoderm alle übrigen drei secundären Blätter. Diese Ansicht wird für eine Anzahl von sehr verschiedenen Wirbellosen auch noch in neuester Zeit von namhaften Beobachtern vertreten und kürzlich hat sie KörLniker auch für die Wirbelthiere mit aller Bestimmtheit geltend gemacht. ?) Wenn dieses Verhältniss stattfindet, so hört mit der Bildung des Mesoderms die Existenz des Exoderms auf; denn E ist dann —=s- m, und folglich m = E — s. Der dreiblätterige Keim besteht demnach aus folgenden Schichten: 1. Hautsinnesblatt ; 2. Me- soderm oder Faserblatt (= Hautfaserblatt und Darmfaserblatt) ; ». Entoderm (= Darmdrüsenblatt). 3. DasMesoderm entstehttheils ausdemExoderm, theils aus dem Entoderm; das Hautfaserblatt stammt vom äusseren, das Darmfaserblatt hingegen vom inneren primären Keim- blatte. Dom st E=s+fundJ=g-+dode,dam—=f-+g ist, so st aucuhE= sm — gudJ=d-+m- f. Das Exoderm zerfällt in Hautsinnesblatt und Hautfaserblait; ebenso spaltet sich das Entoderm in Darmfaserblatt und Darmdrüsenblatt. Diese Ansicht ist bekanntlich zuerst von Baer aufgesellt und mit dem grössten Erfolge für die Erklärung der Organogenese durch- geführt worden. Viele ausgezeichnete Beobachter haben dieselben Verhältnisse sowohl bei Wirbelthieren als bei Wirbellosen wieder- gefunden. Nach meiner eigenen Anschauung ist diese Auf- fassung unter allen drei möglichen Fällen diejenige, welche die Entstehung und weitere Verwerthung der secundären Keimblätter !) Köruızer, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere, II. Aufl. 1876, p. 96. „Das ganze Mesoderma stammt vom Exoderm. Das mittlere Keimblatt ist ganz und gar ein Erzeugniss des äusseren Keim- blattes.‘ 64 Ernst Haeckel, phylogenetisch am einfachsten erklärt, und ich habe sie daher in der Anthropogenie zur Grundlage der ganzen Darstellung ge- wählt.?) Nach dieser Auffassung ist das Mesoderm keine ur- sprünglich einheitliche Keimschicht, sondern eine secundäre Ver- bindung von zwei ursprünglich getrennten Schichten: m —=f +8, und ddf=E — s, und ebenso g —= J — d ist, so können wir auch sgen: m— E— s+J—dodrm = E + J — (s + d). Mit der Bildung des Mesoderm (durch secundäre Ver- bindung von Hautfaserblatt und Darmfaserhlatt) hört hier die Existenz beider primären Keimblätter auf; und der drei- blätterige Keim besteht demnach aus folgenden Schichten: 1. Hautsinnesblatt; 2. Mesoderm (= Hautfaserblatt und Darm- faserblatt); 3. Darmdrüsenblatt. Aus diesen einfachen Erwägungen ergibt sich klar, dass in allen drei möglichen Fällen wenigstens eins der beiden primären Keimblätter (— im dritten Fall beide! —) mit der Ausbildung des Mesoderms als geschlossene morphologische Einheit zu existiren aufhört. Es ist daher vollkommen unlogisch und kann nur Ver- wirrung stiften, wenn man noch immer den dreiblätterigen Keim beschreibt als bestehend aus: Exoderm, Mesoderm, Entoderm. Freilich ist diese allgemein beliebte Methode der Darstellung die bequemste. Denn sie lässt die schwierige Frage vom Ursprung des Mesoderm im Dunkeln und verschweigt damit die unverein- baren Widersprüche, welche in dieser Beziehung zwischen den angesehensten Beobachtern existiren. Damit wird aber der Weg zur weiteren Aufklärung dieser ebenso wichtigen als dunkeln Frage nicht geebnet, sondern abgeschnitten. Die vorstehenden Erwägungen sind rein logischer Natur und sollen nur die Ueberzeugung verbreiten, wie unlogisch fast all- gemein in einem der wichtigsten Punkte der Keimblätter-Lehre verfahren wird. Man darf hier nicht etwa entgegnen, das sei gleichgültig, weil das Mesoderm bei verschiedenen Thieren einen ganz verschiedenen Ursprung und demnach keine bestimmte morphologische Bedeutung habe. Ich kann darauf erwidern, dass die angeführten Unklarheiten und Widersprüche noch heute bei einem und demselben Öbjeete bestehen, und zwar bei demjenigen, welches am längsten und meisten untersucht ist. Unzweifelhaft ist das Hühner-Ei dasjenige Object, welches °®, Vergl. Anthropogenie, Grundzüge der menschlichen Keimes- und Stammes-Geschichte. III. Aufl. 1877, S. 189, 256. Primäre und secundäre Keimblätter. 65 von jeher weit mehr Zeit und Mühe, Arbeitskraft und Papier ab- sorbirt hat, als alle anderen Thier-Kierr. Am Hühner-Ei stellte ArıstoreLes die ältesten embryologischen Untersuchungen an; vom bebrüteten Hühnchen gab Faprıcıws ar Aguarenpense 1600 die ersten embryologischen Beschreibungen und Abbildungen; auf die Unter- suchung des Hühner-Eies gründete Caspar Frieprıcn WoLrr 1759 die grundlegende Thevrie der Epigenesis; am Hühner-Ei entdeckte Pınver zuerst 1817 die beiden primären Keimblätter, und an derselben Keimscheibe des Hühnchens unterschied Baer zuerst 1828 die vier secundären Keimblätter; am Hühner-Ei stellte Remax 1852 die histogenetische Bedeutung der Keimblätter fest — am Hühner-Ei entwickelte Hıs 1868 seine monströsen „mecha- nischen“ Keimungs-Theorien (die Briefeouvert- Theorie, die Gummischlauch-Theorie, die Höllenlappen-Theorie u. s. w.); vom Hühner-Ei endlich sind in neuester Zeit die glänzenden „Schnitt- Serien“ angefertigt worden, welche als ‚„Thatsachen sprechen“ sollen, und welche von den meisten Embryologen deshalb so hochgeschätzt sind, weil sie glauben, dass alles vergleichende Nachdenken und Urtheilen durch diese „exacten Präparate“ über- flüssig wird. Und was sagen uns denn nun alle diese zahllosen Beobachtungen und Untersuchungen des Hühner-Eies, alle diese Schnitt-Serien und Tinetions-Präparate, was sagen uns alle diese „sprechenden That- sachen“ über jene wichtigsten Grundfragen der Keimblätter-Lehre ? Nicht allein über die dunkle Entstehung des Mesoderms und der secundären Keimblätter, sondern sogar über die einfache und klare Entstehung der beiden primären Keimblätter — also über die ersten Grundfragen — gehen die Ansichten der verschiedenen Beobachter noch heute so weit auseinander als möglich; ja, neben den aufgeführten möglichen Ansichten sind auch noch eine Anzahl unmöglicher Hypothesen von Hıs und Anderen aufge- stellt worden.!) Wenn wir von den beiden primären Keimblättern hier ganz absehen, deren Entstehung durch Invagination des Blastoderms auch beim Hühnchen (durch Rauser und GörtE) jetzt sicher nachgewiesen ist, so treffen wir bezüglich der Mesoderm- Bildung des Hühnchens folgende vier Hauptgruppen von Ansichten: !) Viele Hühner-Embryologen lassen bekanntlich die Zellen, welche das Mesoderm bilden, „von aussen‘ zwischen die beiden primären Keimblätter einwandern. Woher diese heimathlosen Auswanderer kommen, wird aber leider meistens nicht gesagt. Ba. XL. N. F. IY. 1. 5 66 Ernst Haeckel, 1. Das Exoderm spaltet sich in Hautsinnesblatt und Hautfaser- blatt; das Entoderm zerfällt in Darmfaserblatt und Darmdrüsen- blatt (Baer, 1828); demnach entsteht das Mesoderm secundär durch (axiale) Verwachsung der beiden Faserblätter; 2. Das ganze Mesoderm stammt vom Entoderm (Remar); 3. Das ganze Mesoderm stammt vom Kxoderm (Körner); 4. Ein Theil des Mesoderms stammt von den primären Keimblättern (Archiblast: Nerven- und Muskelgewebe); ein anderer Theil desselben stammt direet von fremden Zellen, die „von aussen“ (aus dem mütterlichen Körper) eingewandert sind (Parablast: Blut, Endothel, Bindegewebe; Hiıs). Von dieser vierten Ansicht, der Parablasten-Theorie von Hıs, die wir nur ihrer Curiosität halber aufführen, können wir hier ganz absehen, denn sie wird durch die Thatsachen der vergleichenden Ontogenie auf das bestimmteste widerlegt. (S. oben, p. 61). Da- gegen bleibt immer noch die Frage offen, welche von den drei übrigen Ansichten wirklich wahr ist. Eine von allen dreien kann beim Hühner-Ei nur wahr sein), und jede der drei Hypo- thesen wird noch heute durch eine Anzahl hervorragender Beob- achter vertreten, die, gestützt auf ihre „exacten“ Untersuchungen, mit grösster Bestimmtheit behaupten, das ihre Auffassung die richtige, alle übrigen aber falsch seien! Soviel geht denn doch wohl aus dieser komischen Sachlage mit voller Klarheit hervor, dass 1. alle jene „sprechenden That- sachen“ ?) keine objeetiven Thatsachen, sondern subjective, ein- 1) Mrrschnixorr und ähnliche Embryologen werden bei dieser Sachlage zwar der Ansicht sein, dass das Mesoderm bei einigen Hühnern aus dem Exoderm, bei anderen nus dem Entoderm, und bisweilen auch aus beiden zugleich hervorgehe. Indessen erscheint mir diese Ansicht, für welche Merscnxixorr’s embryologische Ansichten viele Parallelen bieten, keiner Er- örterung bedürftig. 2) Körriker sagt in der kürzlich erschienenen II. Aufl. seiner Entwick- lungsgeschichte (p. 382): „Harcxen ist der Ansicht, dass für diese Geschöpfe (die Vögel) durch Görre und Rıuzer als Embryonalform eine Discogastrula, entstanden durch Invagination einer Discoblastula, erwiesen sei, und dass durch die Untersuchungen dieser beiden Forscher alle entgegenstehenden Angaben anderer Beobachter im Sinne der Gastraea-Theorie erledigt seien! Wie man aus Früherem weiss, bin ich durch meine Untersuchungen zu ganz anderen Ergebnissen gekommen als Görtz und Rauser, und wird es daher wohl für einmal das Zweckmässigste sein, nur die Thatsachen sprechen und die Gastraea-Theorie ganz ausser dem Spiele zu lassen.“ Darf nicht dasselbe jeder andere „exacte‘ Beobachter (z. B. Görtz oder Rauser) mit gleichem Rechte von Körzızer’s subjeetiven Ansichten sagen, welche dieser für „sprechende Thatsachen“ hält? Primäre und secundäre Keimblätter. 67 seitige Urtheile über unvollkommene (und nichts weniger als exacte) Beobachtungen sind; und 2. dass solehe und ähnliche schwierige Probleme niemals auf dem Wege der genauesten Unter- suchung eines einzigen Organismus, sondern stets nur durch ver- gleichende Ontogenie gelöst werden können. Und diese ver- gleichende Ontogenie, zu welcher unsere Gastraea-Theorie den Weg ebnen soll, lehrt uns zunächst wenigsten die Fragen richtig stellen, wenn auch deren Lösung noch in weiter Ferne liegt. Für die richtige Stellung und Beantwortung dieser Fragen liefert uns die Gastraea-Theorie zunächst folgende wichtige Voraus- setzungen als feste Grundlagen: 1) der Körper der Metazoen ent- wickelt sich überall ursprünglich aus zwei primären Keimblättern ; 2) Das Mesoderm entsteht immer erst secundär, entweder aus einem jener beiden primären Keimblätter oder aus beiden zugleich. Die Fragen, welche die Beobachter demnächst also zu beant- worten haben, sind folgende: 1) Aus welchem der beiden primären Keimblätter entsteht das Mesoderm, und wie verhalten sich die ersteren überhaupt bei der Bildung der secundären Keimblätter ? 2) Ist das Mesoderm stets aus Hautfaserblatt und Darmfaserblatt zusammengesetzt? 3) Welche Uebereinstimmung oder Verschieden- heit bieten in dieser Beziehung die verschiedenen Thierklassen ? 4) Sind demnach auch die vier secundären Keimblätter der ver- schiedenen Thierstämme homolog, und wie weit geht diese all- gemeine Homologie? (Vergl. oben die provisorische Tabelle 11.). Einige wichtige, diese Frage betreffenden Momente sind in neuester Zeit von Carı. Ragr in seinen ausgezeichneten Untersuchungen über die Ontogenie der Mollusken !) insbesondere über Unio?) klar her- vorgehoben worden. Raıer macht namentlich auf zwei sehr wichtige Erscheinungen bei der ersten Entstehung des Mesoderms aufmerk- sam, welche sämmtlichen Bilaterien — allen Metazoen mit Aus- schluss der Zoophyten — gemeinsam zu sein scheinen: 1) Das erste Auftreten der ersten Mesoderm-Zellen in der Umgebung des Properistoms, und 2) die dipleure oder bilateral-symmetrische erste Anlage des Mesoderms. Bei allen Bilaterien erscheinen die ersten selbständigen Mesoderm -Zellen zwischen den beiden primären t) Carr Raser, Die Ontogenie der Süsswasser-Pulmonaten. Jenaische Zeitschr. 1875, Bd. IX, S. 202, 236, Taf. VIII, Fig. 12, 13m. 2) Carr Rast, Entwickelungsgeschichte der Malermuschel. Eine Anwen- dung der Keimblätter- Theorie auf die Lamellibranchiaten. Jenaische Zeitschr. 1876, Bd. X, S. 350—360, Taf. XI, Fig. 24—32. 68 Ernst Haeckel, Keimblättern in der unmittelbaren Umgebung des Properistoms oder Urmundrandes, also in der Peripherie des Rusconi’schen Afters oder des Gastrula-Mundes, an der kritischen Stelle, wo das Exo- derm in das Entoderm unmittelbar übergeht. Gerade deshalb lässt sich auch so schwer entscheiden, ob sie von ersterem oder von letzterem oder von beiden zugleich abstammen. Ferner tritt bei allen Bilaterien die erste Anlage des Mesoderms nicht als voll- ständig zusammenhängende Schicht, sondern dipleurisch auf, in zwei getrennten seitlichen Parthien, welche die erste Andeutung von der bilateralen Symmetrie des Bilaterien-Körpers geben. Bei Unio besitzen schon die beiden ersten Mesoderm-Zellen diese charakteristische seitlich-symmetrische Lage in Bezug auf, die Körper-Axen des Embryo (Rısr, 1. ec. p. 350). Durch zahl- reiche unabhängige Beobachtungen aus neuester Zeit über die erste Mesoderm-Anlage sehr verschiedener Bilaterien wird dieses wichtige Verhältniss bestätigt. Durch diese, von Rasr zusammengestellten Thatsachen der vergleichenden Ontogenie wird es sehr wahrscheinlich, dass das Mesoderm bei sämmtlichen Bilaterien (—- Würmer, Echinodermen, Mollusken, Arthropoden, Vertebraten —) homolog ist (wirklich homophyletisch); dagegen nieht homolog (— oder vielmehr homo- morph — ) bei den Bilaterien und den Zoophyten (oder Coelen- teraten). Ueberhaupt ist noch sehr fraglich, ob das Mesoderm der letzteren nicht bloss Hautfaserblatt ist, und ein eigentliches Darmfaserblatt ganz fehlt (oder umgekehrt ?). Bei vielen Bilaterien scheint das Darmfaserblatt sich erst viel später aus dem Entoderm zu entwickeln, nachdem das Hautfaserblatt längst (aus dem Exo- derm) gebildet ist. Diese und andere Fragen über das Mesoderm lassen sich nur dann richtig beantworten, wenn man vor Allem sein Verhältniss zu den beiden primären Keimblättern klar ge- stellt hat. 20. Protozoen und Metazoen. Unter den verschiedenen Folgerungen, welche sich aus der Gastraea-Theorie für die systematische Zoologie ergeben, hat sich wenigstens eine rasch Bahn gebrochen. Das ist die scharfe Scheidung des ganzen Thierreichs in zwei grosse Hauptgruppen: Protozoen und Metazoen. GEGENBAUR, HuxLey, Ray-LAnkEsTER, Ev. van BeneDEen, F. E. Schurze und andere namhafte Forscher haben diese fundamentale Scheidung gebilligt und sie in ver- Protozoen und Metazoen. 69 schiedener Weise verwerthet. Die Vortheile, welche dieselbe für die naturgemässe Auffassung der thierischen Verwandtschafts- Verhältnisse gewährt, sind theils positiver, theils negativer Natur. In letzterer Beziehung dürfte es nicht gering anzuschlagen sein, dass damit endlich allen den verfehlten Versuchen ein Ende gemacht wird, Homologien zwischen den einzelnen Theilen des Metazoen- und des Protozoen-Organismus aufzustellen, und Organe der ersteren aus Körpertheilen der letzteren abzuleiten. Bekanntlich sind der- artige Versuche bei weitem am häufigsten und eingehendsten in der Klasse der Infusorien, und ganz besonders bei den Ciliaten unter- nommen worden. Indem man im einzelligen Ciliaten-Organismus einen Darmcanal mit Mund und After, eine wimpernde Epidermis und einen darunter gelegenen Hautmuskelschlauch zu finden glaubte, indem man ihre contractile Blase mit dem Herzen, ihren Nucleus mit der Zwitterdrüse von Würmern verglich, suchte man irrthüm- lich nach Homologien, die gar nicht vorhanden sind. Denn die einzellige Natur des Ciliaten-Organismus ist in neuester Zeit wohl allgemein anerkannt. Nimmermehr aber können einzelne Theile (oder physiologische „Organe“) einer einzigen Zelle in mor- phologische Vergleichung gestellt werden mit den morphologischen Organen eines vielzelligen Metazoen-Organismus, welche sich überall aus vielzelligen Keimblättern entwickelt haben. Alle solche Vergleichungen können nur Analogien, niemals wahre Homologien sein. Ich will dies hier ausdrücklich noch- mals hervorheben, weil jene vergeblichen Versuche, die nur Ver- wirrung, niemals Aufklärung bringen können, selbst jetzt noch immer fortgesetzt werden. So hat noch H. Iaerıns in seiner so eben erschienenen grossen „Phylogenie der Mollusken“ den künst- lichen Versuch gemacht, die wichtigsten Organe der Metazoen direet aus den angeblich homologen Organen der Protozoen abzu- leiten.) Die contractile Blase der Infusorien soll dem Wasser- D> !) H. Inerısc, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken. Leipzig 1877, p. 21: „So zeigt sich, dass die Parallelisirung der Ontogenie mit der Phylogenie vielfach zu irrigen Vorstellungen führt. Wahrscheinlich wird dies auch für die Bedeutung Geltung haben, welche Haecxer dem Furchungs - Processe beimisst. Nach Harcxer’s Darstellung wären die ersten Metazoen Colonien von einzelligen Protozoen gewesen. Die vergleichende Anatomie drängt dagegen, wie mir scheint. zu einem ganz anderen Ergebnisse. Danach würden nämlich die niedersten Metazoen viel- kernige Protozoen gewesen sein, in denen es erst später zur Differenzirung von Zellen um die einzelnen Kerne gekommen. Vergleichend anatomisch 70 Ernst Haeckel, gefäss-System der Turbellarien und der Niere der Schnecken homolog sein, ebenso der Mund der Infusorien und Würmer u. s. w, Dem ganzen Furchung-Process und der Bildung der Gastrula spricht Inerıns demgemäss jede phylogenetische Bedeutung ab. Damit wird aber natürlich die ganze Gastraea-Theorie mit allen ihren Folgerungen einfach negirt, und es klingt sonderbar, wenn die- selbe an andern Stellen desselben Werkes Anerkennung findet. !) Wenn wirklich die Eifurchung und die Gastrulabildung irgend eine phylogenetische Bedeutung haben und nicht von Anfang bis zu Ende bloss cenogenetischer Natur sind, dann ist auch jede morphologische Vergleichung, jede Homologie zwischen Organen der Protozoen und Metazoen völlig ausgeschlossen. Ebenso falsch wie die Vergleichung der Organe ist die- jenige der Gewebe zwischen Protozoen und Metazoen. Noch immer spricht man bei den Infusorien von „Muskeln“, nennt den contraetilen Myophan-Strang im Stiele der Vorticellen einen „Muskel“, ihre wimpernde Corticalschicht (das Exoplasma) ein „Flimmer-Epithel“ u. s. w. Auch diese histologischen Vergleiche können nur physiologische, keine morphologische Geltung bean- spruchen. Denn die wahren Gewebe der Metazoen (Binde- gewebe, Muskelgewebe, Nervengewebe), welche sämmtlich von dem primären Epithelialgewebe der Keimblätter abstammen (vergl. wäre damit die Möglichkeit gegeben, einige Organe der Metazoen und speciel der tiefststehenden Würmer in ihren Anfängen bis zu den Protozoen, nament- lich den Infusorien, zu verfolgen, so namentlich den Mund und das Wasser- gefässsystem, welches letztere also zurückzuführen wäre auf die contractile Vacuole, die bekanntlich bei zahlreichen Infusorien sich in verzweigte Gefäss- stämme fortsetzt. Sollte diese Vermuthung zutreffen, so ergäbe sich für die vergleichende Anatomie die Möglichkeit, ein und dasselbe Organ-System durch eine Reihe von Typen zu verfolgen, da das Wassergefässsystem der Turbel- larien der Niere der Platycochliden homolog ist.‘ !) Der Hauptfehler Inerıng’s liegt meines Erachtens darin, dass derselbe in einseitigster Weise die Bedeutung der vergleichenden Anatomie über- schätzt und ihr gegenüber der Ontogenie alle Bedeutung abspricht. Er bildet genau das extreme Gegenstück zu GörtE, der in seinem grossen Unken- Buche die ganze Morphologie allein durch die Ontogenie erklären will und die vergleichende Anatomie für völlig werthlos erklärt (Vergl. meine „Ziele und Wege der heutigen Entwicklungsgeschichte‘“, 1875, S. 52 f.). Beide Standpunkte sind gleich einseitig. Nur durch gleichmässige kritische Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie und ÖOnto- genie, welche sich gegenseitig ergänzen, werden wir in den Stand gesetzt, die Thatsachen der Morphologie richtig zu erklären und phylogenetisch zu deuten. Protozoen und Metazoen. 71 S. 60), sie sind sämmtlich Zellen-Aggregate und können also nimmermehr mit Theilen von einzelligen Organismen in morphologische Vergleichung gestellt werden. Auf der anderen Seite gewährt uns die Scheidung der Pro- tozoen und Metazoen den positiven Vortheil, jede dieser beiden Hauptgruppen des Thierreichs einheitlich charakterisiren und scharf von einander trennen zu können. Die Metazoen allein besitzen einen wahren Darm und Mund; sie allein besitzen zwei primäre Keimblätter, ein Exoderm und Entoderm; sie allein entwickeln aus diesen beiden einfachen epithelialen Zellenschichten wahre Ge- webe, und bauen aus diesen Geweben wahre Thier-Organe in morphologischem Sinne auf. Die Metazoen erheben sich somit, und zwar schon in ihrer Ausgangsform — ontogenetisch (rastrula, phylogenetisch Gastraea — auf die Individualitäts-Stufe der Person, welche den Protozoen ebenso allgemein fehlt.) Man könnte daher auch die Metazoen allein als echte Thiere bezeichnen, während die Protozoen sämmtlich den indifferenten und neutralen Pro- tisten-Charakter beibehalten. Im Grunde ist die prineipielle Scheidung von Protozoen und Metazoen ganz dieselbe, wie die Gegenüberstellung desProtisten- reichs und des Thierreichs, welche ich vor zehn Jahren in der generellen Morphologie vorgeschlagen habe. Nur war ich da- mals nicht im Stande, diese fundamentale Scheidung so fest zu begründen, wie das heute möglich und fast allgemein anerkannt ist. Denn damals fehlte die Grundlage der Gastraea-Theorie, die Homologie der beiden primären Keimblätter und der Nach- weis, dass diese letzteren bei allen Metazoen ursprünglich vor- handen sind, dass sie bei den verschiedensten Metazoen-Stämmen ursprünglich eine und dieselbe primordiale Keimform, die Archi- gastrula bilden. Dieser Nachweis ist inzwischen geliefert und damit eine einheitliche morphologische Auffassung des Thierreichs an- gebahnt. Natürlich ist es eine Frage von untergeordneter Bedeutung — und mir persönlich sehr gleichgültig, ob man die beiden Haupt- abtheilungen des Thierreichs als Protozoa und Metazoa gegenüber- stellt, wie ich in der Gastraea-Theorie gethan habe, oder als 1) Ueber den Begriff der Person, wie ich ihn gegenwärtig für das so- genannte „eigentliche Thier-Individuum‘ mit Hülfe der Gastraea- Theorie festgestellt habe, vergl. meine Monographie der Kalkschwämme, Bushs. 113, 2 Ernst Haeckel, Protista und Animalia, wie ich vor zehn Jahren in der generellen Morphologie vorschlug. Die tiefe Kluft, welche beide Hauptgruppen trennt und welche durch die mehrfach hervorgehobenen wichtigsten Organisations-Unterschiede klar bestimmt wird, bleibt in beiden Fällen dieselbe. Allerdings habe ich inzwischen (in mehreren Auflagen der „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ und der Anthro- pogenie) den Versuch gemacht, Protisten und Protozoen zu trennen, und neben dem ganz indifferenten und neutralen Protistenreiche (Rhizopoden, Myxomyceten, Flagellaten u. s. w.) auch noch eine Abtheilung von Protozoen aufrecht zu erhalten, welche die ältesten phylogenetischen Entwicklungsstufen des Thierreichs, vom Moner bis zur Gastraea, enthielt. Allein ich bekenne jetzt, dass ich diesen Versuch für verfehlt und für praktisch nicht durchführbar halte. Freilich wird man in der Theorie Protisten und Pro- tozoen phylogenetisch scharf auseinander halten können; auf der einen Seite wird man als echte Protisten (oder „Urorganismen“) diejenigen indifferenten und völlig neutralen Organismen niederster Stufe betrachten können, welche weder mit echten Thieren (Me- tazoen), noch mit echten Pflanzen in verwandtschaftlichem Zu- sammenhange stehen, und welche höchstwahrscheinlich polyphy- letischen, ganz unabhängigen Ursprungs sind (vor allen die formen- reiche Gruppe der Rhizopoden, Acyttarien, Radiolarien u. s. w.); auf der anderen Seite wird man als Protozoen (oder echte „Urthiere“) diejenigen einfachsten Organismen betrachten können, welche die Wurzel des Metazoen-Stammbaums (— „vom Moner bis zur Gastraea“ —) bilden (Moneren, Amoeben, Synamoebien, Pla- naeaden). Aber so berechtigt diese phylogenetische Trennung von Protozoen und Protisten in der Theorie, so werthlos erscheint sie in der Praxis. Denn es fehlen uns — und werden uns wahr- scheinlich immer fehlen — alle Anhaltspunkte, um mit Sicherheit eine scharfe Grenzlinie zwischen jenen beiden Gruppen festzu- stellen, obwohl wahrscheinlich beide einen verschiedenen polyphy- letischen Ursprung besitzen und von verschiedenen, autogon ent- standenen Moneren ursprünglich abstammen. Der indifferente und neutrale Charakter jener niedersten Lebensformen, die meistens einzellig sind, lässt keine Hoffnung aufkommen, jemals jene wichtige Ursprungs-Verschiedenheit aufzudecken. Solche ganz indifferente einzellige Organismen, wie die Amoeben und Euglenen, und solche charakterlose Zellen-Aggregate, wie die Catallacten und Volvo- einen, können ebenso wohl Protozoen als neutrale Protisten, als endlich auch Protophyten sein. Aus diesen Gründen wird es das Mesozoen, Gastraeaden, Dieyemiden, ra Zweckmässigste sein — vorläufig wenigstens — die Grenze zwischen Protozoen und Protisten fallen zu lassen, und die beiden Hauptgruppen des Thierreichs entweder als Protista und Ani- malia, oder als Protozoa und Metazoa gegenüber zu stellen. 21. Mesozoen. Gastraeaden. Dieyemiden. Unsere „hypothetische“ Gastraeaden-Klasse hat Glück. Kaum hat diese niederste Metazoen-Klasse, deren einstmalige Existenz ich rein theoretisch auf Grund der Gastrula-Beobachtungen mit Hülfe des biogenetischen Grundgesetzes behauptet hatte, einen realen Inhalt durch die Physemarien, diese wahren „Gastraeaden der Gegenwart‘, erhalten, so wird schon von anderer Seite eine neue interessante Gruppe von lebenden Gastraeaden hinzugefügt. Das sind die merkwürdigen Dieyemiden, über deren wahre Natur soeben Evovarn van Benepen eine höchst interessante Ab- handlung veröffentlicht hat. !) Dieser verdienstvolle Zoologe liefert den Nachweis, dass die Dieyemiden echte Gastraeaden im Sinne unserer hypo- thetischen Begriffs-Bestimmung sind. Bekanntlich wurden diese merkwürdigen kleinen Organismen, welche als Parasiten an den spongiösen Venen-Anhängen der Cephalopoden leben, und welche Kroun 1830 entdeckte, zuerst von Körrıer unter dem Namen Dieyema paradowum genau beschrieben und für Wurmlarven- er- klärt. Ebenso hielten sie Gumo Wacener und neuerdings Ray- Lankester für Entwicklungsformen von Würmern. Hingegen er- klärte sie Crarareve für bewimperte Infusorier, den Opalinen nächstverwandt. Nach der trefflichen und sehr genauen Darstellung von Enouann van BENEDEn müssen wir die Dieyemiden für echte Gastraeaden halten, welche durch Anpassung an parasitische Lebensweise ihren Urdarm und Urmund verloren haben. Der ein- fache, langgestreekte, eylindrische oder spindelförmige Körper des vollständig entwickelten Dieyema besteht aus einer einzigen, colossalen, centralen Entoderm-Zelle und aus einer einfachen Schicht von platten flimmernden Exoderm-Zellen, welche gleich einem Pflaster-Epithelium die erstere allseitig umschliesst. Am 1) Evovarn van Beneoen, Recherches sur les Dieyemides, survivants actuels d’un embranchement des Mesozoaires, (Extrait des Bulletins de l’Academie royale de Belgique, II. Ser., Tom. XLI No. 6, Tom. XLII, Nr. 7, Bruxelles 1876.) 1a Ernst Haeckel, einen Ende des langgestreckten Körpers sind die letzteren von eigenthümlicher Form und Beschaffenheit und lassen so die Un- gleichheit der beiden Pole des einaxigen Körpers deutlich hervor- treten. In der centralen Entoderm -Zelle bilden sich endogen zweierlei verschiedene Embryonen: Nematogene und Rhombogene. Jeder nematogene Keim besteht aus einer endogenen Zelle, welche eine inaequale Furchung erleidet und aus welcher sich (durch „Epibolie“ der Segmentellen) eine Amphigastrula ent- wickelt. Diese letztere besteht aus einer grossen Entoderm-Zelle, welche haubenförmig von einer einfachen Exodermzellen-Schicht umwachsen wird. Am oralen Pole der Axe ist anfangs eine Ur- mund-Oeffnung, an welcher die Entoderm-Zelle frei zu Tage liegt. Dieser Urmund wächst aber zu, indem die Exoderm-Zellen sich vermehren. Die Zahl der constituirenden Zellen beträgt bei der fertigen Gastrula von Dicyema typus und D. Koellikeriana 26. Diese Zahl wird nicht vermehrt; die Zellen nehmen während der weiteren Entwicklung bloss an Volumen zu. Endlich entstehen in der colossal vergrösserten Entoderm-Zelle wieder Embryonen. „Un Dieyemide est une Gastrula permanente dont Pentoderme est con- stitud par une seule cellule.“ }) Offenbar ist Dieyema nichts Anderes, als eine uralte Gastraeaden- Form, welche durch Anpassung an parasitische Lebensweise eigen- thümlich rückgebildet ist. Urdarm und Urmund sind verloren gegangen; bloss die beiden primären Keimblätter sind geblieben und diese bilden für sich allein den ganzen Körper: eine einzige colossale Entoderm-Zelle und eine einfache, diese rings umhüllende Schicht von wimpernden Exoderm-Zellen. Van Beneven beurtheilt auch demgemäss ihre Bedeutung ganz richtig und betrachtet sie als wahre „Gastraeaden“. Während ich diese Auffassung van Beneven’s für vollkommen naturgemäss halte, kann ich mich dagegen nicht den weiter- gehenden Vorschlägen anschliessen, welche derselbe in Bezug auf die Classification des Thierreichs daran knüpft. Er will nämlich das letztere in drei grosse, eoordinirte Hauptabtheilungen oder „Unterreiche“ zerlegen und zwischen Protozoen und Metazoen die !) Die Amphigastrula von Dieyema erinnert sehr an gewisse Amphi- gastrula-Formen höherer Metazoen, oder an jüngere, diesen vorausgehende Blastula-Zustände. Vergl. die schöne und vollkommen naturgetreue (— nicht, wie Einige meinen, schematische —) Darstellung der Amphiblastula von Unio in der ausgezeichneten „Entwicklungsgeschichte der Malermuschel“ von Carr Rası (Jenaische Zeitschr. 1870, Bd. X, S. 382, Taf. X, Fig. 16). Mesozoen, Gastraeaden, Dieyemiden. 75 dritte, in der Mitte stehende Abtheilung der Mesozoen ein- schalten; letztere soll aus den beiden Klassen der Gastraeaden und Planuladen !) bestehen und dadurch charakterisirt sein, dass der Körper zeitlebens nur aus den beiden primären Keimblättern, Entoderm und Exoderm besteht, während bei allen Metazoen sich zwischen beiden noch ein drittes Keimblatt, das Mesoderm, entwickelt. Diesem Vorschlag kann ich aus mehreren Gründen nicht bei- treten. Erstens kann ich dem Mesoderm nicht die hohe Bedeutung beilegen, welche die meisten neueren Embryologen ihm zuschreiben. Ich halte vielmehr, wie oben (S. 61) erörtert, das Mesoderm stets für ein seeundäres Product, welches an morphologischem und phylogenetischem, also auch systematischem Werthe weit hinter den beiden primären Keimblättern zurücksteht. Zweitens aber halte ich es nicht für möglich, die Ausbildung eines selbständigen Mesoderms in der vorgeschlagenen Weise als oberstes Qlassifications- Prineip zu verwerthen. Denn innerhalb der Zoophyten-Gruppe, ja sogar innerhalb der einen Hydromedusen-Klasse finden wir nebeneinander nächstverwandte Organismen, von denen die einen ein vollkommen selbständiges Mesoderm besitzen, die anderen nicht. Vor allen sind hier die Hydroid-Polypen zu nennen, welche grösstentheils (— wenn nieht sämmtlich —) zweiblättrig sind und kein wahres Mesoderm besitzen. Ich erinnere zu- nächst an Hydra, welche uns durch Kremensere’s ausgezeichnete Monographie (1872) so genau bekannt geworden ist. Wenn man hier von einem Mesoderm zwischem dem Entoderm und Exoderm sprechen wollte, so könnte man darunter nur die dünne Lage der Muskelfäden verstehen, welche zwischen beiden sieh ausbreitet. Diese Muskelfäden sind aber nur innere Fortsätze der äusserlich im Exoderm gelegenen Neuromuskel-Zellen, also unzweifelhaft nur Theile von Zellen und noch dazu kernlose Fortsätze der kernhaltigen Exoderm-Zellen. Nimmermehr aber kann ich da ein Mesoderm, d. h. ein secundäres Keimblatt anerkennen, wo dasselbe nicht einmal durch eine einzige selbständige Zellenschicht repräsentirt wird, sondern bloss durch kernlose Fortsätze von ı) Planuladen nennt vax Bexepex eine hypothetische Mesozoen-Gruppe, von der er annimmt, dass die beiden (persistirenden) primären Keimblätter nicht durch Invagination, sondern durch Delamination entstanden sind (wie bei der Gastrula von Geryonia nach For). Ich kann letzteren Unterschied nicht als wesentlich anerkennen, sondern nehme an, dass die Gastrula delaminata secundär (durch cenogenetische Veränderungen) aus der (rastrula invaginata entstanden ist. Vergl. den letzten Abschnitt (24). 6 Ernst Haeckel, kermhaltigen Zellen einer anderen Schicht. Ich halte daher Aydra noch heute für zweiblätterig und würde sie daher nach Van Beneven zu den Mesozoa stellen müssen; und dasselbe gilt wahrscheinlich auch von den meisten anderen Hydroid-Polypen. Die genauen Untersuchungen von Franz Eırnarnp SchuLzE über verschiedene Hydroid-Polypen, ebenso die neueste sorgfältige Dar- stellung des Baues von Podocoryne durch C. Grossen !) lassen keinen Zweifel, dass die meisten Hydroiden sich der Hydra im Wesentlichen gleich verhalten und kein Mesoderm besitzen. Ueberall erscheinen die Muskelfasern als kernlose fadenförmige Fortsätze der Neuromuskelzellen des Exoderms. Die von ihnen gebildete Schicht kann daher ebenso wenig als ein besonderes Keimblatt gelten, wie die innen daran liegende hyaline und structurlose Stützlamelle. Das Mindeste, was ich für den Be- griff eines Keimblattes verlange, ist eine selbständige Zellenschicht, welche sich von den anliegenden anderen Zellenschichten deutlich absetzt und eine morphologische Einheit bildet. Ebenso zweiblätterig, wie die Hydroid-Polypen, sind wahrscheinlich viele niedere Medusen, bei denen die structurlose Gallertscheibe keine Zellen enthält und auch nichts weiter ist, als eine sehr verdickte hyaline ‚‚Stützlamelle“. Bei den höheren Medusen hingegen, wo Zellen in die letztere eintreten und das „Gallert- gewebe“ des Medusen-Schirms, also eine selbständige Bindegewebs- Formation bilden, da wird unzweifelhaft diese letztere den Werth eines besonderen Keimblattes, eines wahren Mesoderms bean- spruchen können. Es handelt sich bei dieser Auffassung um eine histologische Prineipien-Frage, die keineswegs gleichgültig ist. Viele Histologen beschreiben Membranen, welche bloss structurlose Ausscheidungen von Zellen sind, als selbständige Gewebe und nehmen daher keinen Anstand, auch der strueturlosen, zwischen Entoderm und Exoderm gelegenen „Stützlamelle“ der Acalephen den Werth einer besondern Gewebsschicht, ja sogar eines Keimblattes zuzu- sprechen. ?) Dieser Auffassung kann ich eben so wenig bei- ') C. Grossen, Ueber Podocoryne carnea, Sitzungsber. der Wiener Ak., 1875. Nov. ®) Körriker vergleicht in seinen /cones histologicae (Il. Abth., I. Heft, 1865, p. 89) die strneturlose Gallertscheibe der niederen Medusen ganz richtig mit einer „colossalen Basement Substance“. Gleich darauf aber fasst er sie doch wieder als ein besonderes Gewebe, und zwar als eine „eigenthümliche Bindesubstanz‘* auf, hauptsächlich deshalb, weil sie oft „in Massenhaftigkeit‘‘ Mesozoen, Gastraeaden, Dieyemiden. 07 “ pflichten, als ich etwa die Chitin-Skelete der Gliederthiere (ohne die sie erzeugende Schicht von Chitinogen-Zellen) als ein be- sonderes „Gewebe“ anerkennen kann. Der Begriff des Gewebes. bezeichnet stets ein einheitliches Aggregat von Zellen von be- stimmter morphologischer (und meist auch physiologischer) Be- schaffenheit. Desshalb muss ich die Hydroiden und die niederen Medusen für zweiblätterig halten (ohne Mesoderm), hingegen die Corallen und die höheren Medusen für dreiblätterig (mit Mesoderm). Ganz ähnlich verhält es sich mit den Spongien. In meiner Monographie der Kalkschwämme hatte ich den Bau dieser Thier- klasse — in Uebereinstimmung mit der älteren Auffassung von LießBekUEHN und Oskar Schumr — als zweiblätterig beschrieben. Bei den einfachsten Kalkschwämmen, den Asconen, ist das Ento- derm ein einfaches Geissel-Epithel, das Exoderm eine dünne Schicht von verschmolzenen Zellen, welche Kalknadeln ausscheiden (Syn- cytium). Diese Auffassung bekämpfte später Franz Eırnarn Schurze, gestützt auf seine sehr sorgfältigen Untersuchungen eines Sycon. !) Er wies nach, dass ich bei den Syconen eine sehr dünne Schicht von Platten-Epithel übersehen hatte, welche die äussere Ober- fläche des Syneytium überkleidet. Dieses Epithel deutet er als Exoderm, das Syneytium als Mesoderm, und das Geissel-Epithel als Entoderm. Von der Existenz jenes äusseren Platten-Epithels bei den Syconen habe ich mich an ScuuLze’s eigenen, gütigst zur Ansicht übersandten Präparaten überzeugt. Dagegen ist es mir nicht möglich gewesen, dasselbe bei den niederen Kalk- schwämmen, den Asconen, wiederzufinden, trotzdem ich mir alle Mühe gegeben habe, mit Hülfe der von Schurzze angegebenen Methoden es wahrzunehmen. Auch der neueste Untersucher der Kalkschwämme, Kerrer ?2) (der meine Angaben in allen wesent- lichen Punkten bestätigt) hat dasselbe nicht wiederfinden können und hält die Körperwand für zweiblätterig. Schuzze’s Deutung kann ich namentlich deshalb nicht theilen, weil jenes Platten- auftritt, und „eine besondere Function als Stützsubstanz“ versieht. Aber weder diese physiologische Bedeutung noch jene Massenhaftigkeit können nach meiner Ansicht einer solchen structurlosen Ausscheidung den morpho- logischen Werth eines besonderen Gewebes verleihen. !) Franz Eınnarn Schunze, Ueber den Bau und die Entwicklung von Sycandra raphanus. Zeitschr. für wiss. Zool, XXV. Bd. Supplem., p. 247. 2) C. Kerrer, Untersuchungen über die Anatomie und Entwicklungs- geschichte einiger Spongien des Mittelmeeres. Ein Beitrag zur Lösung der Spongienfrage. Basel 1876. 75 Ernst Haeckel, Epithel gerade da am deutlichsten ist, wo man es am wenigsten erwarten dürfte, an der inneren Gastralfläche der Syconen. Diese ist bei dem jungen Sycon (im Olynthus-Stadium) mit dem Geissel- Epithel des Entoderms bedeckt. Erst später, wenn die Radial- Tuben durch strobiloide Knospung entstanden sind, verschwindet das Geissel-Epithel an der Gastralfläche und zieht sich in die Hohlräume der Radial-Tuben zurück. Man kann daher das später an der Gastralfläche zu findende Platten-Epithel entweder für das umgewandelte Entoderm oder für eine Oberflächen- Differenzirung des entblössten Exoderms halten. Jedenfalls würde Scaurze’s Deutung nur dann vollständig gesichert sein, wenn durch die Ontogenie gezeigt würde, dass jenes Platten-Epithel ursprünglich zuerst aus dem Exoderm der Gastrula entsteht und dass erst später zwischen ihm und dem Geissel-Epithel des Entoderms sich das Syneytium bildet. Dieser Beweis ist aber noch nicht geführt. So sicher jetzt durch die meisten neueren Beobachter die Existenz der Gastrula bei den Kalkschwämmen festgestellt ist, so sehr widersprechen sich ihre Annahmen darüber, wie dieselbe sich in den jungen Schwamm verwandelt. Hier fehlen sichere Beobachtungen. Vergleiche ich Alles, was die neueren Beobachtungen über Bau und Entwickelung der Spongien zu Tage gefördert haben, so komme ich zu der Vermuthung, dass dieselben sich ähnlich wie die Acalephen verhalten. Hier wie dort bestehen die niedern Formen in entwiekeltem Zustande bloss aus Entoderm und Exo- derm, während bei den höheren Formen zwischen beiden sich ein „Mesoderm“ ausbildet. Jedenfalls steht aber so viel schon jetzt fest, dass der Vorschlag van BEnepen’s, die zweiblätterigen Gastraeaden (und Planuladen?) als Mesozoa den dreiblätterigen Metazoa gegenüber zu stellen, nicht naturgemäss ist. Man würde dann die niederen Hydromedusen — ohne Mesoderm — zu den Mesozoa, die höheren Hydromedusen — mit Mesoderm — zu den Metazoa stellen müssen. Daher kann ich das Unterreich der Mesozoen überhaupt nieht anerkennen und muss bei meiner früheren Eintheilung des Thierreichs in Protozoen und Metazoen verharren. es 22. Gastrulation der Säugethiere. Zu den wichtigsten und interessantesten Ergebnissen, welche die ontogenetischen Untersuchungen des letzten Jahres herbeigeführt Gastrulation der Säugethiere. 719 haben, gehört jedenfalls die Entdeckung der wahren Gastrula der Säugethiere. Wir verdanken dieselbe Envarn van BENEDEN, der sich schon so viele und grosse Verdienste um die Förderung der Entwickelungslehre und um Aufhellung ihrer dunkelsten Punkte erworben hat. Zwar ist die ausführliche Abhandlung noch nicht erschienen, in weicher dieser ausgezeichnete Forscher seine Entdeckung eingehend beschreiben und durch Abbildungen er- läutern wird, sondern bloss eine vorläufige Mittheilung der wich- tigsten Resultate. !) Aber diese „Communication preliminaire“ ist so vortrefflich geschrieben und zeugt von so sorgfältigen und gründlichen Untersuchungen, dass man sich daraus ein voll- kommen klares Bild von der Eifurchung und Gastrulabildung der Säugethiere entwerfen kann. Dieses Bild entspricht vollständig den Voraussetzungen der Gastraea-Theorie und füllt die grosse, hier bisher bestandene Lücke in derjenigen Weise aus, welche man vom Standpunkte der vergleichenden Ontogenie und bei der selbstverständlichen Annahme eines monophyletischen Stamm- baums der Wirbelthiere @ priori erwarten musste. Ich habe daher auch kein Bedenken getragen, in der kürzlich erschienenen III. Auf- lage meiner Anthropogenie die Darstellung van Beneven’s voll- ständig zu adoptiren und durch schematische, nach seiner Be- schreibung entworfene Abbildungen zu erläutern ?). Bekanntlich sind die ersten Vorgänge bei der Keimung der Säugethiere bisher nur wenig Gegenstand ontogenetischer Unter- suchungen gewesen. Die sorgfältigen und für ihre Zeit ausge- zeichneten Beobachtungen, welche W. Biscnorr über die Ontogenie des Kaninchens (1840), des Hundes (1842), des Meerschweinchens (1852) und des Rehes (1854) veröffentlichte, bildeten eigentlich bis heute die einzige zusammenhängende Grundlage unserer Kennt- nisse von der Keimesgeschichte derjenigen Thierklasse, der wir selbst angehören. Zwar haben später Remar, Reichert, und Coste, und in neuester Zeit KörLıker, Hessen, Rauger, LießerkVEnn und einige andere Beobachter einzelne, und zum Theil werthvolle Bei- träge zu diesem wichtigsten Theile der Naturgeschichte der „ ') Evovarn van Benepen, La maturation de l’oeuf, la feeondation et les premieres phases du developpement embryonnaire des Mammiferes, d’apr&s des recherches faites chez le lapin. Communication preliminaire. Extrait des Bulletins de l!’Acad. royale Belgique, II. Ser, Tom. XL, No. 12. Bruxelles 1875. ®° Anthropogenie, III. Aufl. 1877. Fig. 36—41, S. 170—174; ferner Taf. II, Fig. 12-—-17, S. 193. so Ernst Haeckel, Säugethiere geliefert; aber gerade die frühesten und wichtigsten Vorgänge des Keimungs-Processes sind dabei theils gar nicht berücksichtigt, theils falsch gedeutet worden. Epuarp van BENEDEN ist bis jetzt der einzige Beobachter, der uns eine gründliche und vollständige Untersuchungsreihe über die ersten Vorgänge der Säugethier-Keimung bis zur Bildung der Gastrula und der Gastrocystis gegeben hat; und die von ihm entdeckten That- sachen harmoniren so schön mit der Gastraea-Theorie, dass ich nicht umhin kann, sie in ihrer Bedeutung für letztere hier kurz zu beleuchten. Als die wichtigste und interessanteste Thatsache, welche van BEnEDEN’s Untersuchungen über die Keimung des Kaninchens zu Tage gefördert haben, erscheint uns folgende: Die Ei- furehung der Säugethiere ist eine inaequale, und ihr Produet eine Amphigastrula. Bisher hatte man irr- thümlich angenommen, dass die Furchung des Säugethier-Eies eine „regelmässige totale“, d. h. eine primordiale sei, und dass ihre Morula aus lauter gleichartigen Zellen von gleicher Grösse und Beschaffenheit zusammengesetzt sei. Diese Annahme war aber grundfalsch. Schon mehrere Figuren auf Biscnorr’s Tafeln (z. B. Fig. 7, Tafel I vom Meerschweinchen) zeigen eine ungleiche Grösse der Furchungszellen, und da seine Figuren im Ganzen sehr genau gezeichnet und naturgetreu sind, so hätte man schon daraus schliessen können, dass die Eifurchung der Säugethiere keine echte primordiale, sondern eine inaequale sei. Ich hatte daher dieselbe auch schon früher als „pseudototale“ bezeiehnet und der „echten totalen“ oder primordialen Furchung des Amphioxus und vieler Wirbellosen gegenüber gestellt. Abgesehen von der verschiedenen Grösse der Furchungszellen berechtigte dazu auch das gänzlich verschiedene Verhalten der aus der Morula hervor- gehenden „Keimblase“. Nach van Beneven verhalten sich die Furchungszellen oder Segmentellen bei der Keimung des Kaninchens folgendermassen. Nachdem aus dem befruchteten kernlosen Ei (Monerula) sich die kernhaltige Stammzelle (Oytula) gebildet hat, zerfällt diese in die beiden ersten Furchungszellen. Schon diesebeidenersten Segmentellen haben verschiedene Beschaffenheit und Bedeutung. Die eine ist etwas grösser, heller und fester als die andere. Diese letztere aber, die kleinere, dunklere und weichere, wird durch Carmin, Osmiumsaeure u. s. w. viel inten- siver gefärbt als die erstere. Es zeigen also schon die beiden | | | | Gastrulation der Säugethiere. 81 ersten Furchungszellen des Säugethieres jene charakteristische Differenz, welche wir allgemein zwischen den animalen und vege- tativen Zellen der amphiblastischen Thiere antreffen. Das Proto- plasma der animalen Exoderm-Zelle ist fester, klarer, durch- sichtiger als das Protoplasma der vegetativen Entoderm-Zelle, welches reicher an Körnchen, trüber, weicher, undurehsichtiger ist und viel mehr Neigung zur Aufnahme von Farbstoffen besitzt. Wie sich aus der weiteren Entwickelung ergiebt, ist die hellere, grössere und festere von den beiden ersten Furchungszellen des Säugethieres die Mutterzelle des Exoderms oder des ani- malen Keimblattes; die trübere, kleinere und weichere hingegen ist die Mutterzelle des Entoderms oder des vegetativen Keim- blattes. Wir können daher schon jetzt die erstere als animale, die letztere als vegetative Zelle bezeichnen. Die Säugethiere bieten also ganz dasselbe Verhältniss dar, welches ich früher bei Fabricia beschrieben habe (Fig. 93) und welches auch viele andere amphiblastische Eier zeigen. Die beiden ersten Segmentellen des Säugethieres, welche der- gestalt die Mutterzellen der beiden primären Keim- blätter sind, zerfallen nunmehr durch gleichzeitige Theilung in je zwei Tochterzellen. Diese vier Furchungszellen liegen gewöhn- lich in zwei verschiedenen, auf einander senkrechten Ebenen (seltener in einer Ebene). Die zwei grösseren und helleren Zellen, die Tochterzellen der Exoderm-Mutterzelle, färben sich in Carmin viel weniger intensiv, als die beiden kleineren und dunkleren Zellen, die Töchter der Entoderm -Mutterzelle. Die Linie, welche die Mittelpunkte der beiden letzteren Furchungskugeln verbindet, steht gewöhnlich senkrecht auf der Linie, welche die beiden ersteren verbinde. Nunmehr zerfällt jede von diesen vier Zellen durch Theilung abermals in zwei gleiche Tochterzellen; wir bekommen acht Furchungszellen, die Urenkelinnen der Stammzelle. Vier grössere, festere und hellere Zellen liegen in einer Ebene: die Enkelinnen der Exoderm-Mutterzelle. Vier kleinere, weichere und dunklere Zellen liegen in einer zweiten, jener parallelen Ebene: die Enkelinnen der Entoderm-Mutterzelle.e Wenn wir die Mittel- punkte von je zwei entgegengesetzten Furchungszellen einer Ebene durch gerade Linien verbinden, so schneiden sich diese letzteren unter rechten Winkeln. Aber die vier Verbindungslinien beider parallelen Ebenen zusammen schneiden sich unter Winkeln von 45 Grad. Jetzt aber verändern die acht Furchungszellen ihre ursprüng- Bd XI N. m. IvT 6 89 Ernst Haeckel, liche Lage und ihre kugelige Gestalt. Eine von den vier Ento- derm-Zellen tritt in die Mitte des Zellenhaufens und bildet zu- sammen mit den drei anderen eine Pyramide (oder ein Tetraeder). Die vier Exoderm-Zellen legen sich über die Spitze dieser Pyramide haubenförmig herüber. Das ist der Anfang eines Keimungs- processes, den wir als abgekürzte und gefälschte Wiederholung der Einstülpung der Keimhautblase auffassen müssen und der zur Gastrula-Bildung führt. Von jetzt an folgt die weitere Furchung des Säugethier-Eies einem Rhythmus, der demjenigen des Frosch-Eies im Wesentlichen gleich ist. Während bei der ursprünglichen (oder primordialen) Eifurchung der Rhythmus in. regelmässiger geometrischer Progression fortschreitet (2, 4, 8, 16, 32, 64, 128 u. s. w.), so ist die Zahlenfolge der abgeänderten Progression beim Säugethier-Ei dieselbe wie beim Amphibien-Ei: 2,4, 8, 12, 16, 24, 32, 48, 64, 96, 160 u. s. w. Das rührt davon her, dass von jetzt an die lebhafteren Exoderm-Zellen sich rascher vermehren als die trägeren Entoderm-Zellen. Die letzteren bleiben immer etwas hinter den ersteren zurück und werden von ihnen umwachsen. Diese Umwachsung der inneren Darmblatt-Zellen ist aber im Grunde nichts Anderes, als die Einstülpung der vegetativen Halbkugel in die animale Hemisphäre der Keimhaut- blase; d. h. die Bildung einer Gastrula. Zunächst folgt also jetzt ein Stadium, in welchem der Säuge- thier-Keim aus zwölf Furchungs-Zellen besteht. Vier dunklere Entoderm-Zellen bilden eine dreiseitige Pyramide, die von einer Haube von zwölf helleren Exoderm-Zellen bedeckt ist. Das nächste Stadium, mit sechzehn Furchungs-Zellen, zeigt uns vier Entoderm- Zellen im Inneren, vier andere aussen und unten; während die acht Exoderm-Zellen in Gestalt einer halbkugeligen Haube die obere Hälfte des Keimes bedecken. Die letztere umwächst die innere Zellenmasse noch mehr, indem nun aus den acht Exo- derm-Zellen sechzehn werden; von den acht Entoderm-Zellen liegen drei, vier oder fünf im Innern, fünf oder entsprechend vier oder drei an der Basis des kugeligen Keims. Auf dieses Stadium von vierundzwanzig Zellen folgt eins mit zweiunddreissig, indem auch die acht Entoderm-Zellen sich verdoppeln. Weiterhin folgen nun Keimformen mit achtundvierzig Furchungs-Zellen (zweiund- dreissig Exoderm, sechzehn Entoderm); vierundsechzig Furchungs- Zellen (zweiunddreissig Hautblatt, zweiunddreissig Darmblatt) sechsundneunzig Furchungs-Zellen (vierundsechzig Exoderm, zwei- unddreissig Entoderm) u. 8. w. Wenn die Zahl der Furchungs- Gastrulation der Säugethiere. 83 Zellen beim Säugethier-Keim auf sechsundneunzig gestiegen ist (— beim Kaninchen ungefähr siebzig Stunden nach der Befruch- tung —) tritt die charakteristische Form der Hauben-Gastrula (Amphigastrula) deutlich hervor. Der kugelige Keim besteht aus einer centralen Masse von zweiunddreissig weichen, rundlichen, dunkel- körnigen Entoderm-Zellen, welche durch genseitigen Druck viel- eckig abgeplattet sind und sich mit Osmium-Säure dunkelbraun färben. Diese centrale dunkle Zellenmasse ist umgeben von einer helleren kugeligen Hülle, gebildet aus vierundsechzig würfel- förmigen, kleineren und feinkörnigen Exoderm-Zellen, die in einer einzigen Schicht nebeneinander liegen und sich durch Osmiumsäure nur sehr schwach färben. Nur an einer einzigen Stelle ist diese Exoderm-Hülle unterbrochen, indem ein, zwei oder drei Entoderm- Zellen hier frei zu Tage treten. Diese letzteren bilden den Dotter- pfropf und füllen den Urmund der Gastrula aus. Die centrale Urdarmhöhle ist von Entoderm-Zellen erfüllt. Die einaxige oder monaxonie Grundform der Säugethier-Gastrula ist dadurch deutlich ausgesprochen. (Vergl. die Figuren 36—41 in meiner Anthropogenie, III. Aufl., S. 170—174; sowie S. 113, Taf. II, Fig. 12—17.) Erst nachdem diese Amphigastrula der Säugethiere ausgebildet ist, entsteht jene charakteristische und vielbesprochene „Keim - blase“ der Säugethiere, welche zuerst Resner DE GRAAr, später Baer beobachtet und welche Biscnorr mit dem Namen Vesicula blastodermica belegt hat. Bekanntlich hielt man bis jetzt allgemein diese mit Flüssigkeit erfüllte Hohlkugel für gleich- bedeutend mit der Dlastula (oder Blastosphaera) des Amphioxus und vieler Wirbellosen, jener einfachen, mit Flüssigkeit erfüllten Hohlkugel, deren Wand eine einzige Zellenschicht bildet, die Keimhaut (DBlastoderma). Aber schon der Umstand, dass sich diese Hohlkugel bei der weiteren Entwicklung 'hier ganz anders verhält, als dort, musste gewichtige Bedenken erregen, und noch mehr jener vielgedeutete, biconvexe, linsenförmige „Haufen von dunkleren Furchungszellen“, welcher an einer Stelle der Innen- wand der Säugethier- Keimblase anliegt. Van Beneven’s Ent- deckungen haben auch in diese dunkle Frage volles Licht ge- bracht und zur Evidenz bewiesen, dass die sogenannte Keimblase der Säugethiere (Vesicula blastodermica) und die wahre Keimblase des Amphioxus und vieler Wirbel- losen (.blastula oder Blastosphaera) gänzlich verschiedene 6* 4 Ernst Haeckel, Bildungen sind. Letztere geht der Gastrula-Bildung voraus; erstere folgt ihr nach. Letztere verwandelt sich in den ganzen Keim; erstere bildet nur zum kleineren Theil den eigentlichen Keim, zum grösseren Theil die „Nabelblase“ oder den rück- gebildeten Dottersack des Säugethieres. Es ist daher durchaus nothwendig, jene beiden, bisher irrthümlich zusammengeworfenen Bildungen gänzlich zu trennen und mit verschiedenen Namen zu belegen. Ich habe in der Anthropogenie (III. Aufl., S. 235) die „Vesieula blastodermica“ der Säugethiere als Keimdarmblase (Gastrocystis), hingegen die echte Keimblase des Amphioxus und der Wirbellosen als Keimhautblase (Dlastula) bezeichnet. Die Wand der letzteren bildet die Keimhaut (Blastoderma), welche noch nicht invaginirt und noch nicht in die beiden primären Keimblätter gesondert ist. Die Wand der ersteren hingegen bildet nicht das Blastoderma, sondern das Entoderma und der „linsen- förmige Haufen von Furchungskugeln“, welcher an einer be- stimmten Stelle der Innenwand des letzteren anliegt, ist das Entoderma. Die übliche, von Bıscnorr eingeführte Bezeichnung Vesicula blastodermica ist daher grundfalsch. Die Gastrocystis oder die Keimdarmblase ist mithin ein ganz eigenthümlicher Keimzustand, welcher bloss bei den Säuge- thieren (vielleicht sogar bloss bei den Placentalien) vorkommt und allen anderen Thieren fehlt. Die Entstehung dieser Keim- darmblase aus der vorhergehenden Amphigastrula der Säuge- thiere ist nach van Beneven folgende: Der Urmund der Amphi- gastrula verschwindet, indem die Entodermzelle, welche den Dotter- pfropf bildete, in das Innere des kugeligen Keims, zu den anderen Zellen des Darmblattes tritt. Der Säugethier-Keim bildet jetzt eine solide Kugel, bestehend aus einem centralen Haufen dunkler polyedrischer, grösserer Entoderm-Zellen, und einer peripherischen Hülle, welche aus einer einzigen Schicht von helleren, rundlichen kleineren Entoderm-Zellen zusammengesetzt ist. Nun sammelt sich an einer Stelle zwischen beiden Keimblättern klare helle Flüssig- keit an; und diese wächst bald so bedeutend, dass sich die Exo- derm-Hülle zu einer grossen kugeligen Blase ausdehnt. Die Masse der dunkleren Entoderm-Zellen, welche eine Kugel von viel kleinerem Durchmesser bildete, bleibt an einer Stelle (nach van BEneven an der Stelle des Dotterpfropfes) mit dem Exoderm im Zusammenhange. Sie flacht sich hier erst halbkugelig, darauf linsenförmig, endlich scheibenförmig ab, indem sich die Entoderm- Zellen verschieben und in Gestalt einer kreisrunden Scheibe in Gastrulation der Säugethiere. 85 einer Schiekt ausbreiten. So entsteht an einer Stelle der Keim- darmblasen-Wand die bekannte kreisrunde ‚„Keimscheibe der Säugethiere“, welche man mit van Beneven als Keimdarm- scheibe (Gastrodiscus) bezeichnen kann. Diese allein besteht aus den beiden primären Keimblättern — einer äusseren Schicht heller Exoderm-Zellen, einer inneren Schicht trüber Entoderm- Zellen, — während die ganze übrige Wand der Keimdarmblase bloss aus einer Schicht Exoderm-Zellen besteht. Erst später wächst an deren Innenwand auch das Entoderm vollständig herum und nun besteht die Wand der Gastrocyste aus den beiden pri- mären Keimblättern, während im Bezirke des Gastrodiseus oder des „Fruchthofes“ sich zwischen beiden bereits das Mesoderm ge- bildet hat. Bekanntlich bildet nun später der Gastrodiscus allein den Leib des Säugethier-Embryo, während der übrige Theil der Gastro- eysten-Wand den vergänglichen Dottersack oder die Nabelblase darstellt. Letztere verhält sich homolog dem Dottersack der Vögel und Reptilien, und daraus geht klar hervor, was auch aus anderen Gründen der vergleichenden Ontogenie schon längst wahrschein- lich war, dass der kleine und unbedeutende Dottersack der Säugethiere stark rückgebildet ist, das Rudiment oder schwache Ueberbleibsel von einem viel grösseren und bedeuten- deren Dottersack, welchen die Vorfahren der Säugethiere besassen. Vielleicht ist dieser letztere bei den Monotremen noch heute vor- handen, vielleicht noch bei einem Theile der Marsupialien. Jeden- falls steht zu erwarten, dass die wichtige, leider fast noch ganz unbekannte Keimesgeschichte dieser beiden niederen Säugethier- Subelassen uns noch viele wichtige Aufschlüsse über die Ontogenie der Placentalien und ihre cenogenetische Entstehung aus älteren Keimungsformen geben wird. Das cenogenetische Anpassungs-Verhältniss, welches die Rück- bildung des rudimentären Dottersacks der Säugethiere veranlasst hat, liegt klar auf der Hand. Es ist die Anpassung an den lange dauernden Aufenthalt im Uterus der lebendig gebärenden Säugethiere, deren Vorfahren sicher eierlegend waren. Indem der Proviant-Vorrath des mächtigen Nahrungsdotters, wel- chen die oviparen Vorfahren dem gelegten Ei mit auf den Weg gaben, durch die Anpassung an den längeren Aufenthalt im Fruchtbehälter bei ihren viviparen Epigonen überflüssig wurde, und indem hier das mütterliche Blut in der Uterus-Wand sich zur wichtigsten Nahrungsquelle gestaltete, musste natürlich der 86 Ernst Haeckel, überflüssig gewordene Dottersack durch „embryonale Anpassung“ rückgebildet werden. Es ist also klar, dass die ersten Keimungs-Processe der Säugethiere — und vor allen ihre Eifurchung und Gastrulation — keineswegs, wie man bisher irrthümlich glaubte, in einer sehr einfachen und ursprünglichen Form verlaufen, sondern im Gegen- theil in einer sehr stark modifieirten, zusammengezogenen und abgekürzten Form, wie das nach der Gastraea-Theorie von vorn- herein zu erwarten war. Die Keimung der Säugethiere ist sehr stark cenogenetisch verändert, stärker als bei allen anderen Wirbelthieren. Ihre amphiblastische Keimungsform ist wahrscheinlich durch Rückbildung des Nahrungsdotters aus der discoblastischen Keimungsform ihrer Vorfahren entstanden. Diese letztere aber muss wieder von der amphiblastischen Kei- mungsform älterer Ahnen (Amphibien), wie diese letztere von der noch viel älteren archiblastischen Keimungsform der Acranier- Ahnen (Amphioxus) abgeleitet werden. Die Amphigastrula der Säugethiere (und des Menschen) hat demnach folgende Vorfahren- Kette: Amphigastrula, Discogastrula, Amphigastrula, Archi- gastrula. 23. Urdarm und Urmund. Primitiv-Organe. Die Lehre von den „Primitiv-Organen“ des Thierkörpers ge- hört zu den widerspruchreichsten Kapiteln der Ontogenie. Die meisten Autoren betrachten unbedenklich dasjenige Organ des Embryo als „Primitiv-Organ“, das ihnen zuerst im Laufe der Keimesgeschichte als deutlich erkennbares und selbständiges Or- gan entgegentritt. An die erste Vorbedingung der richtigen Er- kenntniss, an die scharfe Unterscheidung der palingenetischen und cenogenetischen Verhältnisse, wird dabei meistens gar nicht gedacht. Daher werden die verschiedensten Organe, Nerven- system, Sinnesorgane, Drüsen u. s. w., als Primitiv-Organe auf- gefasst, obwohl sie diese Bezeichnung durchaus nicht verdienen. Im Gegensatz hierzu erkennt die Gastraea-Theorie überall nur zwei wahre Primitiv-Organe des Metazoen-Organismus an: das Hautblatt (Eixoderma) und das Darmblatt (Entoderma), wel- ches letztere die Urdarmhöhle mit der Urmundöffnung umschliesst. Urdarm (Progaster oder Protogaster) hatte ich 1872 in der Monographie der Kalkschwämme (Bd. I, S. 468) die ursprüngliche Urdarm und Urmund. Primitiv-Organe. 87 Darmhöhle der Gastrula genannt, und deren einfache Mund- öffnung: Urmund (Prostoma oder Protostoma). E. Ray-Lankester, welcher sich grosse Verdienste um die Förderung der Gastraea- Theorie erworben hat, und welcher unabhängig von mir, von anderen Beobachtungen ausgehend, zu ganz ähnlichen Folgerungen gekommen war, hat drei Jahre später (1875) den Urdarm der Gastrula als Archenteron und deren Urmund als Blastoporus be- zeichnet. !) Die letztere Bezeichnung, welche von mehreren Autoren angenommen worden ist, hat vor der meinigen den Vorzug der Neutralität; sie präjudieirt Nichts über die ursprüngliche Be- deutung der Oeffnung, durch welche sich die Urdarmhöhle nach aussen öffnet. Meine Bezeichung hingegen schliesst die Vorstellung ein, dass jene Oeffnung ursprünglich und zuerst wirklich als Mund- öffnung der Gastraea und der nächstverwandten ältesten Meta- zoen fungirt habe; in derselben morphologischen Bedeutung des Begriffes, in welcher wir die einfache Darmöffnung der Hydroiden als ihren Mund bezeichnen, obwohl dieselbe eine doppelte phy- siologische Function als Mund und After ausübt. Aber gerade aus diesem Grunde gebe ich auch heute noch meiner Bezeichnung den Vorzug vor der neutralen von Ray-Lansester. Denn ich bin auch heute noch der Ansicht, dass der Urdarm mit seinem Ur- mund wirklich das älteste Primitiv-Organ der ersten Metazoen darstellte, und dass die einfache, am Oralpole nach aussen mün- dende Höhle der heutigen Archigastrula mit jener hypothetischen Urdarmhöhle identisch ist und von der ältesten Gastraea durch zähe Vererbung Jahrtausende hindurch unverändert übertragen wurde. Der Urdarm (Protogaster) und der Urmund (Proto- stoma) der heutigen Archigastrula sind diepalingenetische Wiederholung derselben Primitiv-Organe von der Stammform der Metazoen (Gastraes). Dabei kommt gar nicht in Betracht, welche verschiedene Bedeutung etwa diese Primitiv-Organe bei der weiteren Entwicklung der heutigen Meta- zoen erhalten. ?) 1) E. Raıy-Langester, On the invaginate Planula or diploblastic phase of Paludina vivapara. Quarterly Journ. of microsc. science 1875, Vol. XV, p. 163. ?2) Aus dem gleichen Grunde nennen wir auch noch heute die embryo- nalen Schlundspalten und Schlundbogen der höheren Wirbelthiere Kiemen- bogen und Kiemenspalten, obgleich sie ihre ursprüngliche physiologische Bedeutung, die sie bei den kiemenathmenden Vorfahren der ersteren besassen, längst verloren haben. 88 Ernst Haeckel, Zunächst wird dieser Satz nur bei denjenigen Keimformen der Metazoen unmittelbar einleuchten, bei welchen der Urdarm des Keimes wirklich von Anfang an eine einfache, leere Höhle und durch einen Urmund nach aussen geöffnet ist; also bei allen Modificationen der palingenetischen Archigastrula, und zwei- tens bei jenen Formen der cenogenetischen Amphigastrula und Perigastrula, welche in dieser Beziehung der Archigastrula gleichen. Wenn wir aber bei dieser die Gastrulahöhle wirklich als „Urdarmhöhle“ und ihre Oeffnung als „Urmundöffnung“ mit Sicherheit deuten können, so dürfen wir nach dem entsprechenden Primitiv-Organ auch bei allen anderen Gastrula-Formen suchen, wo dasselbe zu fehlen scheint. Hier ist es gewöhnlich der Nahrungsdotter, welcher die Urdarmhöhle ganz erfüllt, die Urmundhöhle verstopft und so deren Existenz verdeckt. Es ist aber nach meiner Ansicht für die morphologische Bedeutung dieser Primitiv-Organe ganz gleichgültig, ob dieselben mit Nahrungs- dotter erfüllt oder leer sind, gerade so wie Magen und Mund des entwickelten Thieres ihre morphologische Bedeutung behalten wenns»sie leer oder wenn sie mit Speise gefüllt sind. Ganz be- sonders lehrreich sind in dieser Beziehung die amphiblastischen Eier; denn sie bilden eine lange Reihe von verschiedenen Gastrula- Formen mit theils leerem, theils dottererfülltem Darm. Am einen Ende dieser Reihe treffen wir Amphigastrula-Formen mit leerem Urdarm und offenem Urmund, welche sich unmittelbar an die palingenetische Archigastrula anschliessen; am anderen Ende sehen wir Amphigastrula-Formen, deren Urdarm und Urmund grösstentheils oder ganz mit Dotterzellen erfüllt sind und die sich unmittelbar an die cenogenetische Discogastrula anschliessen. Zwischen jenen und diesen aber finden sich alle möglichen Ueber- gänge vor. Natürlich ist es nach unserer Auffassung auch ganz gleich- gültig, ob die Dottermasse, welche Urdarm und Urmund vieler cenogenetischen Gastrula-Keime erfüllt, aus wirklichen Dotter- zellen besteht, d. h. aus axialen Entodermzellen, welche nicht zur Bildung des bleibenden Entoderms verwendet werden (wie z. B. bei Cyelostomen und Amphibien, Fig. 53) oder aus einer structurlosen oder nicht zellig organisirten Masse von Nahrungs- dotter (wie bei vielen Knochenfischen, Fig. 55—75, Reptilien, Vögeln u. s. w.). Auch zwischen diesen beiden Fällen erkennen wir keinen scharfen Unterschied an und sind der Ansicht, dass die letzteren aus ersteren phylogenetisch erst später entstanden Urdarm und Urmund. Primitiv-Organe. 89 sind. Da ich in den Untersuchungen über „die Gastrula und die Eifurchung der Thiere“ hinreichend dargethan zu haben glaube, dass wir alle verschiedenen Formen der Segmentation und Gastru- lation ursprünglich von der primordialen Eifurchung und Archi- gastrula- Bildung ableiten können, vermag ich in jenen 'viel- besprochenen Differenzen wirklich keine Schwierigkeit zu erblicken und halte demnach auch heute noch an dem 1872 von mir auf- gestellten Satze fest: Urdarm und Urmund sind bei sämmtlichen Metazoen homologe Primitiv-Organe. Dasselbe gilt natürlich auch von den beiden primären Keimblättern, welche die Wand des Urdarms bilden. Ganz ohne Einfluss auf diesen Satz sind, wie gesagt, die späteren Schicksale dieser Primitiv-Organe, welche sich bei den verschiedenen Metazoen sehr verschieden gestalten können. Ueber diese späteren Schicksale des Urdarms und Urmundes bei den verschiedenen Metazoen gehen bekanntlich die Ansichten der verschiedenen Ontogenisten heutzutage noch so weit aus- einander, dass es nutzlos sein würde, dieselben hier sämmtlich aufzuführen und zu diseutiren. Offenbar bedarf es hier noch viel ausgedehnterer, vor Allem aber viel genauerer und mit mehr kri- tischem Urtheil angestellter Beobachtungen. Denn nicht allein bei verschiedenen (oft bei nahe verwandten) Thieren, sondern sogar bei einem und demselben Thiere lauten die Angaben der ver- schiedenen „exacten“ Beobachter völlig entgegengesetzt. Wir be- schränken uns daher auf folgende kurze Bemerkungen. Der Urmund (Protostoma, Blastoporus, Rusconi’scher After, Invaginations-Oeffnung der Gastrula) scheint zu persistiren und sich in den bleibenden Mund zu verwandeln bei den meisten (nicht bei allen!) Zoophyten (Gastraeaden, Spongien, Hydro- medusen). Dagegen scheint er frühzeitig im Laufe der Entwick- lung zu verschwinden bei den meisten (vielleicht allen?) Bila- terien, d.h. bei den Würmern und den vier höheren typischen Thierstämmen (Mollusken, Echinodermen, Arthropoden, Verte- braten). Sicher scheint es zu sein, dass der Urmund hier nirgends zum bleibenden secundären Munde, zum Nachmunde (Meta- stoma) sich gestaltet; dieser scheint stets durch Neubildung vom Exoderm aus zu entstehen. Dagegen ist es möglich, dass der Ur- mund der Bilaterien sich bisweilen zum bleibenden After gestaltet.!) !) Die Verwandlung des Urmundes in den bleibenden After wird z. B. in neuester Zeit mit grosser Bestimmtheit von Ray-Lankester bei Paludina be- hauptet. Quart. Journ. of microsc. Sc. 1876, Vol. XVI, p. 377. 90 Ernst Haeckel, Jedenfalls entsteht der letztere sehr oft an einer Stelle, welche der früheren Stelle des zugewachsenen Urmundes entspricht oder ihr wenigstens sehr nahe liegt. Für ganz unmöglich halte ich, was gegenwärtig viele Ontogenisten für wahrscheinlich und einige für sicher halten, dass bei verschiedenen Thieren einer natürlichen Klasse der Urmund bald zum bleibenden Munde, bald zum bleibenden After wird, bald verschwindet. So behauptet z. B. Merscunikorr, dass der Urmund bei einigen Seesternen zum bleibenden Munde, bei anderen zum After werde. Damit hören alle Homologien zwischen zwei nächst verwandten Thieren auf. Der Urdarm (Protogaster, Archenteron, Rusconi’sche Nahrungshöhle) scheint nur bei sehr wenigen Metazoen sich in den ganzen bleibenden Darmcanal, den Nachdarm (Meta- gaster) zu verwandeln. Das ist der Fall bei den Gastraeaden, Spongien, Hydromedusen, vielleicht auch bei den niedersten Würmern. Bei sämmtlichen übrigen Bilaterien (sowie bei den Korallen, Ctenophoren !) und vielleicht auch noch bei anderen Zoo- phyten) bildet der Urdarm nur einen Theil, und zwar meistens den mittleren Theil des Nachdarms. Hingegen entsteht der vordere Theil (Schlunddarm) hier wohl immer durch Einstülpung von aussen, aus dem Exoderm, und ebenso entsteht wohl bei den meisten (oder allen?) mit After versehenen der After. Wie weit aber diese beiden seeundären Einstülpungen gehen (— die natürlich gar nichts mit der Blastula-Einstülpung zu thun haben ?) —) ist bei den meisten Metazoen noch ganz unbekannt. Bei vielen dürften sie viel beträchtlicher sein, als man bisher annahm. Bei den Wirbelthieren ?) dürfte nicht allein die Schlundhöhle, sondern auch !) Bei den Korallen und Ctenophoren ist der sogenannte „Magen“ Sehlund (vom Exoderm ausgekleidet). Der wahre Magen (Urdarm) ist bei den Korallen die sogenannte „Leibeshöhle“, bei den Ctenophoren der „Trichter“. 2) Köruızer (Entwicklungsgeschichte, II. Aufl. 1876, p. 383) sagt: „Will man die Keimblase (der Säugethiere) mit den Harcker’schen Typen ver- gleichen, so kann man sie nur eine Blastula nennen; dagegen fehlt hier ebenso wie beim Hühnchen, eine invaginirte Blastula oder eine Gastrula ganz; und könnte man bei beiden Wirbelthierformen erst viel später in der Einstülpung, die bei der Mundbilduag statt Rat, vielleicht eine schwache An- deutung der Gastrula finden.“ Die Antwort auf diese Auffassung enthält der vorige Abschnitt (S. 80-86). ?) Bei den Wirbelthieren nimmt man gewöhnlich (seit Remax) an, dass die seeundäre Einstülpung des Munddarms nur bis zum Gaumenthor reicht und dass Schlund und Speiseröhre schon zum Urdarm gehören, Indessen sprechen viele neuere Beobachtungen dagegen. Urdarm und Urmund. Primitiv-Organe. 91 noch die Speiseröhre (— bei den Wiederkäuern vielleicht sogar die drei ersten Magen-Abtheilungen —) zur Exoderm-Einstülpung gehören. Bei den Gliederthieren hat kürzlich Paun Mayer ge- zeigt, dass wahrscheinlich meistens nur ein sehr kleiner Theil des Mitteldarms, nämlich der nicht von Chitin - Cuticula bedeckte „Chylus-Magen“ oder der „eigentliche Magen“ dem Urdarm ent- spricht. !) Alles Andere ist secundäre Einstülpung des Exoderms. Jedenfalls dürfte es künftighin für die klare morphologische Unterscheidung dieser genetisch so verschiedenen Darm-Abthei- lungen von Vortheil sein, dieselben durch bestimmtere Bezeich- nungen zu markiren, als die bisher üblichen und in sehr ver- schiedenem Sinne gebrauchten Ausdrücke: Vorderdarm, Mittel- darm und Hinterdarm (oder Munddarm, Magendarm und After- darm). Wir acceptiren dafür die von Ray-Lankester vorgeschlagenen Ausdrücke: Stomodaeum, Mesodaeum, Proctodaeum. Stomodaeum ist der Schlunddarm, vom Exoderm ausgekleidet, Meso- daeum der eigentliche Magendarm oder „Chylusdarm“, her- vorgegangen aus dem Urdarm, vom Entoderm gebildet; Procto- daeum der Afterdarm, ein Product des Exoderms. ?) Dass die beiden primären Keimblätter, die ursprünglich allein den ältesten Metazoen-Körper bildeten, wirklich Primitiv- Organe sind, wird noch vielfach bestritten. So preist es noch jetzt KörLımer 3) als ein Verdienst Görre’s, „Etwas ausgesprochen zu haben, das zwar seit Langem sich vorbereitet, aber doch noch nicht vollkommen zum Durchbruche gekommen war: dass die Keimblätter weder für die Organe, noch für die Gewebe eine be- sondere einheitliche Bedeutung haben, mit anderen Worten, dass dieselben weder histologische noch morphologische Primitiv-Organe sind.“ Dieser Satz lässt sich nur für die höheren Thiere vertheidigen, und auch hier nur in einem gewissen Sinne. Für die niederen Thiere und für die ursprünglichen Bildungs-Verhältnisse des thierischen Organismus ist derselbe entschieden unrichtig. Bei unseren Gastraeaden (bei den Physemarien und Dieyemiden), bei den Hydroiden und Spongien, und in weiterer Fassung überhaupt bei den niederen (wenn nicht bei allen) Pflanzenthieren sind die beiden primären Keimblätter noch heute wahre Primitiv-Organe; 1) Paur Mayer, Ueber Ontogenie und Phylogenie der Insecten. Jenaische Zeitschr. für Naturw. 1876, Bd. X, S. 141. 2) Ray-Lankester, An account of Haeckel’s recent additions to the Ga- straea-Theory. Quarterly Journ. of mier. sc. 1876, Vol. XVI, p. 64. 3) Körrıxer, Entwicklungsgeschichte, II. Aufl. 1876, p. 398. 92 Ernst Haeckel, und dasselbe gilt von der hypothetischen Gastraea, von welcher wir sämmtliche Metazoen (monophyletisch oder auch polyphyletisch) ableiten müssen. Ueberall ist bei diesen niedersten Metazoen das Exoderm das animale Primitiv-Organ, das Organ der Bewegung und Empfindung, der Deckung und Skeletbildung; ebenso ist hier überall das Entoderm (mit der von ihm um- schlossenen Urdarmhöhle) das vegetative Primitiv-Organ, das Organ der Nahrungs-Aufnahme, Verdauung, Ausscheidung und wahrscheinlich auch Fortpflanzung. Sowohl jenes animale als dieses vegetative Primitiv-Organ bildet bei allen jenen niedersten Metazoen eine geschlossene morphologische und physiologische Einheit und ist sowohl organologisch als histologisch scharf charakterisirt. Anders verhält es sich freilich bei den meisten höheren Thieren, wo im Laufe der historischen Entwicklung von Millionen Jahren die verwickeltsten Beziehungen zwischen den verschiedenen Producten der primären Keimblätter eingetreten sind. Nicht allein die Arbeitstheilung, sondern auch der Arbeitswechsel hat hier vielfach die Organe und Gewebe auf das Mannichfaltigste modifieirt. Namentlich ist aber der Umstand hier von grösster Bedeutung, dass die Keimblätter vielfach stellvertretend oder vicarlirend sich ersetzt und ihre Funetionen sich wechselseitig übertragen haben. Alle diese verwickelten Verhältnisse sind aber erst später entstanden, sind secundärer, abgeleiteter Natur. In den primären, ursprünglichen Verhältnissen, wie sie uns die Gastraeaden und Hydroiden bis auf den heutigen Tag be- wahrt haben, sind sowohl in physiologischer als in morphologischer Beziehung, sowohl in organologischer als histologischer Bedeutung die beiden primären Keimblätter die wahren Pri- mitiv-Organe des Metazoen-Organismus. 24. Heuristische Bedeutung der Gastraea-Theorie. Angesichts der verschiedenartigen Beurtheilung, welche die Gastraea-Theorie sowohl bei den Gegnern als bei den Anhängern der Entwicklungslehre gefunden hat, ist es mir hier am Schlusse dieser Studien wohl gestattet, noch einige Worte über die heuristische Bedeutung derselben hinzuzufügen. Unsere Theorie ist mehrfach als ein Complex von Theorien und Hypothesen beurtheilt werden, die sehr verschiedenen Werth und sehr ungleichen Anspruch auf Heuristische Bedeutung der Gastraea-Theorie. 93 Geltung haben. Ich lasse mir diesen Ausspruch gern gefallen, zumal ich wohl einsehe, dass ich im Eifer für die Begründung einer monistischen Entwicklungslehre und in dem Bestreben, der- selben durch die Gastraea-Theorie ein sicheres einheitliches Funda- ment zu geben, bisweilen zu weit gegangen bin. Ich lege selbst den mannichfaltigen Folgerungen, welche ich daraus für verschiedene Gebiete der thierischen Morphologie gezogen habe, einen sehr verschiedenen Werth bei, obgleich ich in der generellen Homologie der Gastrula und ihrer beiden primären Keim- blätter bei sämmtlichen Metazoen einen festen Kern der Theorie erblicke, der die meisten daraus entwickelten Folgerungen wohl zu verknüpfen und einheitlich zusammen zu halten im Stande ist. Die wichtigste Folgerung, welche ich aus jener Homologie der Keimblätter für das natürliche System, oder — was dasselbe ist — für die phylogenetische Classification des Thierreichs ab- geleitet habe, war die Annahme einer monophyletischen Descendenz aller Metazoen von einer gemeinsamen Stammform, der Gastraea. So wichtig und folgenreich aber auch diese monophyletische Hypothese erscheint, so möchte ich ihr doch zunächst mehr eine heuristische, als eine causale Bedeutung sichern. Denn der Gewinn einer einheitlichen Auffassung der wichtigsten ontogenetischen Pro- cesse scheint mir durch die Gastraea-Theorie auf alle Fälle gesichert zn sein, gleichviel ob man daraus die gemeinsame Abstammung sämmtlicher Metazoen von einer einzigen Gastraea folgert oder nicht. Allerdings besteht für diese monophyletische Descendenz-Hypothese jetzt keine theoretische Schwierigkeit mehr. Denn unerschütterlich fest steht die fundamentale - Thatsache, dass sich die niederen Thierformen sämmtlicher Stämme, und Thiere der verschiedensten Classen, aus einer und derselben Keimform, aus der palingenetischen Archigastrula entwickeln — und ebenso fest steht die ebenso wichtige Thatsache, dass sich die cenogenetischen Keimformen aller anderen Thiere, — alle verschiedenen Formen der Amphigastrula, Discogastrula und FPeri- gastrula, — auf jene ursprüngliche Archigastrula direet oder indirect zurückführen lassen. Wenn wir das biogenetische Grundgesetz anerkennen, dürfen wir daraus unmittelbar den Schluss ziehen, dass sämmtliche Metazoen von einer gemeinsamen Stammform, einer der Archigastrula gleichgebildeten Gastraea ursprüng- lich abstammen. Aber auch wenn man jenes Grundgesetz der organischen Entwieklung nicht anerkennt und wenn man dem 94 Ernst Haeckel, gemäss diesen monophyletischen Schluss nicht zulässt, auch dann wird man zugeben müssen, dass durch die Zurückführung aller der mannichfaltigen Keimformen der Metazoen auf die palinge- netische Keimform der Archigastrula ein einheitliches „Bildungs- gesetz“ für den Metazoen-Keim gefunden sei. Im letzteren Falle wird man die Homologie aller Gastrula-Formen, und die damit verknüpfte generelle Ho- mologie der beiden primären Keimblätter und des Urdarms, nur als Homomorphie (oder anatomische Homologie) auffassen, im ersteren Falle als Homophylie (oder genetische Homologie) !). Wenn die verschiedenen Gastrula-Formen wirklich nur homo- morphe wären, und wenn also die verschiedenen Metazoen- Gruppen von vielen ursprünglich verschiedenen und nicht zu- sammenhängenden Gastraea-Vorfahren abstammten, so würde man annehmen müssen, dass die Existenz-Bedingungen der Urzeit so gleichförmig waren, dass sie überall durch gleichartige An- passung die werdenden Metazoen-Ahnen in die gleiche Bildungs- Bahn der Gastraea drängten. Wenn man hingegen mit uns annimmt, dass sämmtliche Gastrula-Formen homophyletisch sind, so erklärt sich ihre genetische Homologie (— oder Homo- phylie —) sehr einfach durch Vererbung von einer gemein- samen Stammform. Beide Hypothesen lassen sich mit Gründen stützen; doch scheint mir die letztere einfacher und natürlicher als die erstere. Gegen die Homophylie — oder die wahre genetische Homo- logie — sämmtlicher Gastrula-Formen ist neuerdings wieder mehr- fach der Einwurf erhoben worden, dass dieselben auf ganz ver- schiedene Weise entstünden, bald durch Delamination, bald durch Invagination, und im letzteren Falle bald durch Entobolie, bald durch Epibolie. Dass die letzteren beiden Formen nur ver- schiedene Modificationen eines und desselben Processes sind, habe !) „Homophylie nenne ich die wirklich phylogenetisch begründete Ho- mologie, im Gegensatze zur Homomorphie, welcher die geneologische Begründung fehlt“. Monographie der Kalkschwämme, Bd. I, S. 462. Diese beiden verschiedenen Modi der Homologie, welche ich mit den angeführten Worten 1872 unterschieden habe, fallen nicht zusammen mit denjenigen Modalitäten der Homologie, welche Ray-Lanzester 1870 als Homogenie und Homoplasie, neuerdings aber H. Iurrına als Homogenie und Hlomoeogenie unterschieden hat. Ich werde darauf bei einer andern Ge- legenheit ausführlich zurückkommen. Vergl. Annals and Mag. of nat. hist. 1870, Vol, VI, p. 34, 113, 342; und Juerıne, Phylogenie der Mollusken. 1877 Heuristische Bedeutung der Gastraea-Theorie. 95 ich schon früher gezeigt. Wenn der Nahrungsdotter fehlt oder unbedeutend ist, so erscheint die Gastrulabildung in der ursprüng- lichen Form, als Einstülpung oder Invagination der Blastula (Entobolie); dieselbe tritt aber unter dem Bilde der „Umwachsung“ (Epibolie oder Cireumerescenz) auf, wenn der Nahrungsdotter sehr gross wird. Was aber ferner die Entstehung der Gastrula durch Delamination oder Abspaltung (Flächenspaltung des Blasto- derms in zwei Schichten) betrifft, so hat sich neuerdings immer klarer herausgestellt, dass dieser Vorgang äusserst selten — wenn überhaupt vorhanden ist.!) Und in diesen sehr wenigen Fällen dürfen wir annehmen, dass ein cenogenetischer Process vorliegt, der erst secundär aus dem palingenetischen Processe der Invagi- nation entstanden ist. Ray-Lankester hat diesen Punkt zu ver- schiedenen Malen so gründlich und umsichtig erörtert, dass ich hier einfach auf seine ausführliche, mehrfach eitirte Darstellung verweisen kann. Ich nehme daher mit Ray-Laxnkester an, dass die Gastrula ursprünglich überall durch Invagi- nation der Blastula entstanden ist, und schliesse nach dem biogenetischen Grundgesetze, dass ebenso ursprünglich die Stammform der Gastraea aus der vorhergehenden Ahnen-Stufe der Planaea (oder Blastaea) entstanden ist. Durch diese Auffassung gewinnt natürlich die monophyletische Gastraea-Hypothese wesentlich an Wahrscheinlichkeit, und wir können eigentlich keinen einzigen Grund mehr gegen die An- nahme finden, dass wirklich alle Metazoen ursprünglich von einer Gastraea abstammen. Aber selbst wenn diese monophyletische Hypothese der Wahrheit nicht entspräche, so würde sie zunächst schon bloss als heuristisches Princip von hohem Werthe sein. Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich hervorheben, welchen unschätzbaren Werth für unsere morphologische Erkennt- niss die phylogenetischen Hypothesen (ganz abgesehen von ihrer realen Sicherheit) als heuristische Principien besitzen. Bekanntlich hat man während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts überall in der vergleichenden Anatomie und Physio- logie mit grösstem Vortheil und Erfolge als heuristisches Prineip die Teleologie verwerthet, obwohl dieselbe bloss auf anthro- 1) Augenblicklich liegt eigentlich nur noch ein einziger Fall vor, in dem wirklich die Gastrula durch Delamination, nicht durch Invagination ent- stehen soll; das ist die Geryonia nach For; aber bei derselben Meduse be- hauptet Kowarezvsky, die Invagination gesehen zu haben! 96 Ernst Haeckel, pomorpher Imagination beruhte und jetzt als wirkliches Erklärungs- Prineip allgemein verlassen ist. Um wie viel mehr muss es ge- stattet sein, sich als heuristischer Prineipien der phylogenetischen Hypothesen zu bedienen, die in irgend einer Form jedenfalls richtig sind. Zunächst ist hier aber unter den verschiedenen möglichen und gleichberechtigten Hypothesen jedenfalls die ein- fachste die beste, und schon aus diesem Grunde ziehe ich die monophyletische Gastraea-Hypothese jeder polyphy- letischen Annahme vor. Welchen ausserordentlichen Werth als heuristisches Prineip die monophyletische Descendenz-Hypothese besitzt, zeigt vielleicht kein Thierstamm klarer, als derjenige der Wirbelthiere. Wenn es irgend eine grössere Thiergruppe gibt, deren monophyletische Abstammung wir schon heute mit voller Gewissheit behaupten können, so ist es sicher das Phylum der Vertebraten. Der reiche empirische Urkundenschatz, den uns hier vor allen die greifbaren Thatsachen der Palaeontologie, demnächst die zusammen- hängenden Argumente der vergleichenden Anatomie und endlich die nicht minder werthvollen Erscheinungen der ver- gleichenden Ontogenie zu Gebote stellen, spricht so laut und deutlich, dass wir mit voller Sicherheit die gemeinsame Abstammung aller Wirbelthiere von einer einzigen gemeinsamen Stammform, einem „Urwirbelthier“, annehmen dürfen. Wie ich nach meiner subjeetiven Auffassung mir diese monophyletische Descendenz der Vertrebraten vorstelle, habe ich in der Anthropogenie (IL. umgearbeitete Auflage 1877), gestützt vor allen auf GEsEnpaur’s elassische Untersuchungen, ausführlich dar- gethan. Mögen nun die dort entwickelten Descendenz-Hypothesen zum grösseren Theil richtig sein oder nicht, so habe ich damit doch jedenfalls auf diesem schwierigen und dunkeln Gebiete einen ersten Versuch gemacht, der als heuristische Hypothese die nach- folgenden besseren Versuche eine Zeit lang leiten wird. Jeden- falls stimmen die competentesten und urtheilsfähigsten Fachgenossen heute darin überein, dass die gemeinsame Abstammung aller Wirbelthiere, vom Amphioxus bis zum Menschen hinauf, auf irgend einem Wege gesucht werden muss. !) ‘) Die monophyletische Descendenz aller Vertrebraten ist so einleuchtend, dass (meines Wissens) noch kein einziger ernstlicher und nennenswerther Versuch gemacht worden ist, das Phylum der Wirbelthiere in mehrere verschiedene Phylen zu zerlegen und von gänzlich verschiedenen, Heuristische Bedeutung der Gastraea-Theorie. 97 Wenn das nun der Fall ist, so ergiebt sich für die ver- gleichende Ontogenie der Wirbelthiere sofort die bestimmte Aufgabe, alle verschiedenen Keimungs-Formen derselben auf eine und dieselbe ursprüngliche Keimungs-Form zurückzuführen. Nur eine Keimungsform kann die ursprüngliche, palingenetische sein; alle anderen müssen abgeleitete, cenogenetische sein. Und welche unter allen den zahlreichen und so weit divergirenden Keimungs-Formen der Vertebraten jene eine ursprüngliche Form ist, das liegt seit zehn Jahren, seit Kowarevskv’s epochemachender Entdeckung, klar auf der Hand. Der archiblastische Am- phioxus zeigt uns noch heute in der Bildung seiner palin- genetischen Archigastrula (entstanden durch Invagination der Arechiblastula) die ursprüngliche Art und Weise, in der sich die ältesten Wirbelthiere (gleich den niedersten wirbellosen Thieren) aus dem Ei entwickelt haben. Es ist also klar, dass wir alle übrigen heute existirenden Keimformen der Wirbelthiere in irgend einer Art auf jene Gastrula zurückzuführen und durch Invagination einer Blastula entstanden denken müssen. Damit ist aber für die vergleichende Keimesgeschichte der Wirbelthiere ein heuristisches Prineip von grösster Tragweite gefunden. Wie viel Mühe und Arbeit, wie viel Streit und Verwirrung wäre der vergleichenden Ontogenie der Vertebraten erspart worden, wenn man jene einfache Reflexion sich angeeignet und auf Grund der Gastraea-Theorie nach einem einheitlichen Zusammenhang der verschiedenen Keimungsformen der Wirbelthiere gesucht hätte, Statt aber diesen Zusammenhang zu suchen, haben sich die meisten Embryologen nur um das eine Wirbelthier bekümmert, dessen Ontogenie sie gerade „exact“ untersuchten, und sowohl wirbellosen Stammformen abzuleiten. Nur Carr Semper blieb es vorbehalten, in neuester Zeit die merkwürdige Entdeckung zu machen, dass das wichtigste (und nächst dem Menschen interessanteste) aller Wirbelthiere, dass der Am- phioxus kein Wirbelthier ist, sondern ein Descendent der „Proto- mollusken“, ein nächster Verwandter der Brachiopoden und Bryozoen! (SEMPER, Die Stammesverwandtschaft der Wirbelthiere und Wirbellosen, 1875, S. 59 ff.) Diese und ähnliche phylogenetische Speculationen von SEmPER sind so flacher und seichter Natur, dass sie nicht erwähnt zu werden verdienten, wenn sie nicht durch ihr anspruchsvolles und unfehlbares Auftreten eine ge- wisse Geltung erlangt hätten. Nur durch Semrer’s Mangel an gründlicher vergleichend-anatomischer Bildung und logischer Schulung lassen sich seine verkehrten Einfälle entschuldigen. Bd. XI. N. F. IV. 1. 7 98 Die Gastraea-Theorie. den Amphioxus, wie die übrigen Vertebraten ganz ausser Acht gelassen. Da ist es denn freilich kein Wunder, wenn nicht nur alle möglichen, sondern auch verschiedene unmögliche Hypothesen als „exacte Beobachtungen“ sich geltend machten, und schliess- lich zu dem Resultate führten, dass nicht nur die verschiedenen Wirbelthiere, sondern auch verschiedene Exemplare einer und der- selben Vertebraten-Species ganz verschiedene Keimungs-Formen besässen! Dieses eine Beispiel mag genügen, um die heuristische Be- deutung der Gastraea-Theorie zu erläutern. Weit entfernt, mit derselben unsere phylogenetischen Forschungen in eine dogmatische Richtung drängen zu wollen, wünschte ich zunächst nur für den Angriff ihrer höchst schwierigen und verwickelten Aufgaben eine feste einheitliche Basis zu gewinnen. Wie weit es gelingen wird, bei weiterem Ausbau unserer Theorie ihre Folgerungen zu be- stätigen und ihren heuristischen Werth in einen causalen zu ver- wandeln, das lässt sich heute natürlich weder in günstigem noch in ungünstigem Sinne vorhersagen. Wenn mir aber meine Gegner vorwerfen, dass die Gastraea-Theorie „zu philosophisch“ und „zu wenig empirisch“ sei, so darf ich mich gegen diesen Vorwurf wohl mit denselben Worten vertheidigen, mit denen vor 111 Jahren Caspar FrIEDRIcHh WoLFr seine grundlegende Theorie der Epigenesis in Schutz nahm: ‚Wer eine Sache nicht aus der Erfahrung un- mittelbar, sondern aus ihren Gründen und Ursachen erkennt, wer also dureh diese, nicht durch die Erfahrung, gezwungen wird, zu sagen: „„Die Sache muss so und sie kann nicht anders sein, sie muss sich nothwendig so verhalten, sie muss diese Eigenschaften haben, und andere kann sie nicht haben“ “ — der sieht die Sache nicht nur historisch, sondern wirklich philosophisch ein, und er hat eine philosophische Kenntniss von ihr. Eine solche philo- sophische Erkenntniss von einem organischen Körper, die von der bloss historischen sehr verschieden ist, wird unsere Theorie der Generation sein!“ Ueber Haarpinsel, Filzflecke und ähnliche Gebilde auf den Flügeln männlicher Schmetterlinge. Von Fritz Wüller. Die Männchen zahlreicher Arten von Tagfaltern sind ausge- zeichnet durch eigenthümliche Haar- oder Schuppenbildungen auf ihren Flügeln. Ich will hier zusammenstellen, was ich in den wenigen mir zugänglichen Schmetterlingsbüchern !) über diese Gebilde finde, und folge dabei der Anordnung der Gattungen in Kirby’s Verzeichniss der Tagfalter. ?) I. Nymphaliden. 4. Danainen. Danais. Die & haben einen Fleck eigenthümlich gebildeter Schuppen am ersten Aste der Mediana oder an der Submediana der Hinterflügel; bisweilen hat er die Gestalt einer Tasche, die t) Die reichste Ausbeute gab mir: Doubleday and Westwood, Genera of Diurnal Lepidoptera. Leider ist mein Exemplar unvollständig, Einzelne Angaben sind entnommen aus: Keferstein, Geschlechtsverschieden- heit der Schmetterlinge in Stett. entomol. Ztg. 1853, S. 354. — Butler, Catalogue of the Satyridae in the Brit. Mus. 1868 (Andriphlebia, Gno- phodes, Cyllogenes). — Butler, Catalogue of Fabrieian Diurnal Lepidopt. 1869 (Agrias). Herrich-Schäffer, Prodrom. system. Lepidopterorum (Myscelia, Hesperiden). — Felder, Species Lepidopterorum, 1864 (Papilio), — Hewitson, Description of one hundred Hesperidae, 1867 (Caecina). — Hewitson, Equatorial Lepidoptera collected by Mr. Buckley 1869 (Theela Bodora). — Boisduval Spee. gen. Lepidopt. 1836 (Le- ptalis, Callidryas). 2) Kirby, A synonymie Catalogue of diurnal Lepidoptera 1871. j 7* 100 Fritz Müller, sich auf der Oberseite der Flügel öffnet und (wenigstens bei trockenen Stücken) mit braunem Staube gefüllt ist. Amauris (= Danais sect. I, Doubl. gen. D.L.). Die & haben einen Fleck eigenthümlich gestalteter, dichtstehender Schuppen an der Submediana der Hinterflügel, nicht weit vom Afterwinkel. Euploea. Bei den & ist der Innenrand der Vorderflügel meist gerundet und springt so vor, dass er ein beträchtliches Stück der Hinterflügel deckt. Bisweilen haben die & einen oder mehrere kurze Streifen am Innenrand der Vorderflügel, aus blas- seren etwas abweichend gestalteten Schuppen, von mattem, etwas kreidigem Ansehen. Der von dem vorstehenden Innenrand der Vorderflügel bedeckte Theil der Hinterflügel ist oft mit Schuppen von sehr eigenthümlicher Gestalt bekleidet. Sie sind verlängert, haarähnlich, am Grunde etwas breiter, und enden in eine eiförmige Ausbreitung, die ihnen das Aussehen der Fühler von Pieris gibt. Bei anderen Arten unterscheiden sich die Schuppen dieser Stelle hauptsächlich durch ihre Grösse von den übrigen. Die & von Athesis, Thyridia, Olyras, Dircenna, Ceratinia, Sais, Mechanitis, Ithomia, Melinaea, Tithorea, also fast aller Gattungen, die man neuerdings von den Heliconinen zu den Danainen versetzt hat, haben „einen Haarpinsel auf der Oberseite der Hinterflügel vorne an der Sub- costalis“ (Herrich-Schäffer), oder richtiger, wie es Double- day bei Olyras beschreibt, „einen langen Fleck, der mit sehr langen zarten Haaren besetzt ist“ Den & von Lycorea, die auch in diesen Verwandtschaftskreis gehört, fehlt (nach Herrich- Schäffer) der Haarpinsel, dagegen haben sie (nachDoubleday) „einen ganzen Haarbusch jederseits am letzten Hinterleibsring, der grossentheils in den Hinterleib zurückgezogen werden kann“. — 2. Satyrinen. Bei den & von Antirrhaea Archaea (Anchiphlebia Butl.) ist der Innenrand der Vorderflügel wie bei Euploea ge- wölbt und stark gewölbt ist auch der Vorderrand der Hinter- flügel, auf der Unterseite des Vorderflügels findet sich ein kamm- törmig behaarter Fleck (plaga pectinatim cirrata). Bei Gnophodes Morpena besitzen die Hinterflügel der & einen grossen eirunden weissen Fleck nahe dem Vorderrande, wie bei Arten von Euploea. Die $ von Melanitis Suradeva (Cyllogenes Butl.) Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 101 haben einen grossen dunkeln seidenartigen Fleck auf den Vorder- tlügeln. BeiSatyrus Roxelana,Clymene, Maera, Megaera, Hiera, bei EpinephileLyecaon,Janira,Ida, Tithonus, bei Hipparchia Semele und Arethusa besitzen die 3 auf der Oberseite der Vorderflügel einen dunklen Haarbusch. Myealesis. „Das wichtigste Merkmal dieser Gattung be- steht im Vorhandensein eines Büschels langer Haare, entweder auf der Oberseite der Vorderflügel, wo sich ein schmaler Schlitz oder besser eine Tasche zu ihrer Aufnahme findet, oder auf den Hinterflügeln, wo sie durch den Innenrand der Vorderflügel be- deckt werden. Dieser Haarbüschel kommt, wie gewöhnlich, nur den & zu, und nach seiner Lage lässt sich. die Gattung in zwei Gruppen theilen“ (Westwood). Die & von Bia Actorion sind ausgezeichnet durch einen Büschel langer blass lederbrauner Haare nahe dem Innenrande der Hinterflügel, die willkürlich aufgerichtet und niedergelegt werden können und in der Ruhe in einer langen Tasche ein- geschlossen liegen, und ebenso durch einen Fleck mit langen schwarzen seidenartigen Haaren nahe dem Vorderrande der Hinter- tlügel. Letzterem liegt ein nackter Fleck auf der Unterseite der Vorderflügel, dicht am Innenrande, gegenüber. 3. Elymniinen. Elymnias (= Melanitis Westw. Gen. D. L.) Die Z haben Haarbüsche auf der Oberseite der Hinterflügel, nahe der Wurzel. h 4. Morphinen. Amathusia. Auf der Oberseite, nahe dem Innenrande der Hinterfiügel und gleichlaufend dem Ende des Hinterleibes findet sich beim & ein kleiner, schief aufsitzender Haarbusch; zwischen diesem Haarbusch und dem ersten Aste der Mediana ist eine lange Falte des Flügels, in der einige wenige lange blasse Haare verborgen liegen. Zeuxidia. Innenrand der Vorderflügel beim 2 fast gerade, beim & sehr stark erweitert und gerundet. Die Hinterflügel des & tragen auf der Oberseite, in dem Raume zwischen Costalis und Subeostalis, einen eirunden Fleck mit blass lederbraunen Haaren; ferner in der Mitte der Zelle einen lang eirunden Fleck von braunen, der Länge nach liegenden Haaren und zwischen diesem 102 Fritz Müller, Fleck und dem innern Winkel der Zelle eine Reihe schief nach dem Hinterleib zu liegender Haare. Das & von Discophora hat einen seidenartigen Fleck in der Mitte der Oberseite der Hinterflügel. Tenaris (— Drusilla Swains.). Innenrand der Vorder- flügel beim 2 fast gerade, beim & am Grunde verbreitert, in der Mitte ausgebuchtet. Auf dem Hinterflügel, nahe der Wurzel, ver- borgen unter der Erweiterung der Vorderflügel, ein Haarbusch; ein zweiter langer Haarbusch nahe dem Innenrande, dem Ende des Hinterleibes gegenüber. Clerome. Innenrand der Vorderflügel beim & schwach er- weitert. Hinterflügel oben, nahe dem Ende der Brust, beim & mit einem Büschel feiner Haare. Thaumantis. Auf der Oberseite der Hinterflügel, nahe der Wurzel, theilweise vom Innenrande der Vorderflügel bedeckt, beim d& ein Haarbusch. 5. Brassolinen. Opsiphanes. Ein langer Haarpinsel in der Mittelzelle der Hinterflügel, auf der Oberseite, nahe dem Ursprunge des ersten Astes der Mediana; ein zweiter Haarpinsel näher dem Innen- rande, dicht an der Submediana, etwa der Mitte des Hinterleibes gegenüber. Bei Opsiphanes Soranus ausserdem ein Bündel krummer, blass lederbrauner Haare zwischen Costalis und Sub- costalis. — Auch bei Opsiphanes Cassiae sche ich nahe der Flügelwurzel zwischen Costalis und Subeostalis ein Büschel zarter, aber gerader und dem Flügel gleichfarbiger Haare und ihnen gegenüber auf der Unterseite der Vorderflügel einen kleinen matten grauen Fleck zwischen Mediana und Submediana, letzterer anliegend. Caligo. Hinterflügel des $ mit einem kleinen Haarbusche nahe dem Innenrande, der Mitte des Hinterleibes gegenüber. Narope. „Die Submediana der Vorderflügel ist beim & ge- bogen, um Raum zu geben für einen Fleck mit langen orange- farbenen Haaren, die auf der Unterseite zwischen Mediana und Submediana entspringen. Ihm gegenüber eine geglättete Stelle auf der Oberseite der Hinterflügel.“ Dasyophthalma. Innenrand der Vorderflügel mehr gewölbt beim Z, als beim 9; auf der Oberseite der Hinterflügel des & ein eirunder sammetartiger Fleck, den die Subeostalis und ihr Ast durchschneiden; ein kleiner eirunder Fleck nahe der Wurzel der Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 103 Mittelzelle ist schuppenlos, aber trägt einen aufrechten schwarzen Haarbusch. 6. Aeraeinen und 7. Helieconinen. In den wenigen Gattungen dieser beiden Gruppen scheinen den & ähnliche Auszeichnungen zu fehlen. 8. Nymphalinen. Das & vonLachnoptera trägt auf der Oberseite der Hinter- flügel, nahe dem Vorderrande einen eigenthümlichen Fleck haar- ähnlicher Schuppen. Diese sind lang, fast linienförmig, am Grunde tief ausgerandet und schwach verbreitert, nach der Spitze in einen schlanken Stiel verjüngt und enden in eine fächerähn- liche, aussen gefranzte Platte. Bei Myscelia Orsis ist der „Hinterflügel des 3 von Zelle 5—7 mit einem Filzfleck“ versehen (Herrich-Schäffer). Bei den & von Didonis Biblis finde ich einen auf dem dunkeln Grunde leicht zu übersehenden ansehnlichen schwarzen Fleck von kohlenartigem Aussehen auf der Unterseite der Vorder- flügel nahe dem Innenrande zwischen Submediana und Mediana, an der Stelle, wo letztere ihren ersten Ast abgibt; ein kleinerer ähnlicher Fleck liegt nahe dabei, mehr wurzelwärts. Gegenüber liegt ein kleiner schwarzer Fleck auf der Oberseite der Hinter- flügel. Prepona. Ein Haarbusch steht auf dem Hinterflügel des & am Rande der Rinne, die den Hinterleib umschliesst, und ihm gegenüber am Hinterleibe ein eirunder, von einem nackten Saume umgebener Filzfleck. Agrias. „Einige, wenn nicht alle Arten haben Haarpinsel auf den Flügeln“ (Butler). II. Lemoniiden (= Eryciniden Swains). Aus dieser Familie ist mir kein Beispiel durch eigenthüm- liche Haar- oder Schuppenbildungen ausgezeichneter Männchen bekannt. III, Lycaeniden. Thecla. Bei sehr zahlreichen Arten sind die Vorderflügel der & bezeichnet mit einem rundlichen, sammet- oder filzartigen Fleck, nahe dem Ende der Mittelzelle, der nicht selten eine mehr 104 Fritz Müller, oder minder erhebliche Aenderung des Flügelgeäders veranlasst. Bisweilen ist die Verschiedenheit des Aderverlaufs zwischen 2 und & derselben Art so gross, wie sonst zwischen Arten ver- schiedener Gattungen. Grösse, Gestalt, Lage des Flecks wechseln ungemein. Meist ist er von dunkler Farbe und dann, wenn in gleichfarbiger Umgebung, oft erst nach der Entschuppung als dunkler Fleck der sonst farblosen Flügelhaut deutlich hervor- tretend. Seltener ist er hell (gelb oder weisslich) auf dunklem (schwarzem oder blauem) Grunde. So bei Theela Ambrax Westw. (Gener. D. L, Taf. LXXV, Fig. 7). Bei Thecla Bosora Hew. ist die Oberseite der Flügel mattblau, die Vorder- flügel mit breitem, braunem Vorderrande und Saum, der Fleck sehr gross und glänzend blau. IV, Papilioniden. 1. Pierinen. Bei den & von Leptalis sind nicht selten, wie bei Euploea, Innenrand der Vorder- und Vorderrand der Hinterflügel verbreitert, und es haben in diesem Falle die Hinterflügel oben, die Vorder- flüigel unten eine grosse glänzende Stelle mit sehr kleinen dicht angedrückten Schuppen, und inmitten derselben einen eirunden, matt kreideweissen oder aschgrauen Fleck. Wenn die Flügel ausgebreitet sind, liegen die Flecken beider Flügel genau auf- einander. Die & der meisten Callidryas haben nahe der Wurzel und dem Vorderrande der Hinterfligel einen Fleck von kreidigem Aussehen („sae glanduleux“ Boisduval), dessen Farbe, Grösse und Gestalt nach den Arten sehr wechselt. Bisweilen ist er bedeckt von einer Mähne langer Haare, die in der Mittelzelle wurzeln. In anderen Fällen findet sich ihm gegenüber ein auf der Unter- seite der Vorderflügel zwischen Mediana und Submediana liegen- der Fleck. Dieser Gegenfleek und die Mähne scheinen sich gegenseitig auszuschliessen; wo ich die Mähne finde (Argante, Trite), vermisse ich den Gegenfleck; wo dieser vorhanden ist (Philea, Statira), fehlt die Mähne. Einige Arten (wie die indische Pomana) tragen Haare auch am Innenrande der Vorder- flüge. In einigen Fällen endlich (Eubule) fehlen sowohl Haare als Flecken, wenn auch der Fleck der Hinterflügel nicht spurlos. Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 105 Bei den 4 einiger Arten von Nathalis, Gonepteryx und Colias kommen ähnliche Fleken vor. 2. Papilioninen. Die erste der von Felder unterschiedenen Abtheilungen der Gattung Papilio enthält den P. Priamus und die ihm nahe stehenden Arten der jetzt wieder eingezogenen Gattung Orni- thoptera. Bei den & dieser Abtheilung ist der Innenrand der Hinterflügel sehr verbreitert und nach innen geschlagen; die Aussenseite des umgeschlagenen Randes ist schwächer beschuppt, längs der Submediana mit einer Mähne bräunlicher abstehender Borsten besetzt; die Wurzelhälfte des Umschlags ist abermals nach innen geschlagen; die innere Fläche des ganzen Randes ist schwarz beschuppt, ohne Haare. Bei den & der zweiten Abtheilung, die ebenfalls aus Arten der früheren Gattung Ornithoptera besteht, ist der Innenrand der Hinterflügel in ähnlicher Weise nach innen umgeschlagen, jedoch an der Wurzel nicht abermals nach innen, sondern wieder nach aussen zurückgeschlagen; die innere Fläche des umge- schlagenen Randes und das von ihm bedeckte Stück des Flügels ist bräunlichweiss, etwas perlmutterglänzend und mit dichtem gleichfarbigen Pelz bedeckt. In der fünften Abtheilung, welche Felder mit den nächst- verwandten als amerikanische Ornithopteren bezeichnet !), ist die Bildung der männlichen Hinterflügel ähnlich, wie die der zweiten Abtheilung; dieselben sind am Afterwinkel tief ausgebuchtet, der stark verbreiterte Innenrand ist nach innen, der Wurzeltheil des Umschlags aber wieder nach aussen umgeschlagen, die überdeckte Fläche bräunlichweiss beschuppt und bis zur Submediana mit wunderbar dichtem seidenartigem weissen Pelz bekleidet. V, Hesperiden, In verschiedenen Gattungen ist bei den & der Vorderrand der Vorderflügel umgeschlagen (,„Costalumschlag“ Herrich-Schäffer), und die eingeschlossene Stelle dieht mit blassem Daun bedeckt. !) Die an Aristolochia lebende Raupe unseres Papilio Nephalion, welche derjenigen der Ornithoptera Heliacon (Boisduval, Spec. gen. Lepid. Pl. I, Fig. 1) ganz ähnlich ist, rechtfertigt diese Bezeichnung. 106 Fritz Müller, Bei anderen Arten (Ismene Oedipodea) haben die $ einen grossen sammetartigen Fleck nahe der Wurzel der Vorderflügel, bei anderen (Hesperilla) sind sie durch einen „Schuppenwulst“ der Vorderflügel ausgezeichnet, während bei Caecina „der Innen- rand der Vorderflügel nahe der Wurzel vorspringt, unten geglättet ist und einen Haarbusch der Hinterflügel bedeckt.“ Soweit die Tagfalter. Dass auch unter den Nachtschmetter- lingen ähnliche Gebilde nicht fehlen, beweist Calesia comosa Guen., deren Z einen mächtigen Haarbusch auf der Oberseite der Vorderflügel tragen. !) Wie entfernt auch von Vollständigkeit vorstehende Uebersicht sein möge, sie wird genügen, die weite Verbreitung der betreffen- den Gebilde unter den Tagfaltern, sowie nicht minder ihre über- raschende Mannichfaltigkeit zu zeigen. Welche Verschiedenheit zwischen dem unglaublich dichten, schneeweissen, seidenartigen Pelz in dem breiten Umschlage der Hinterflügel von Papilio Nephalion, dem von langer Mähne überdeckten unter dem Innenrande der Vorderflügel geborgenen grossen kreidigen Fleck der Hinterflügel von Callidryas Trite, dem zierlichen Haar- pinsel mitten auf dem Hinterflügel von Opsiphanes Cassiae, und dem kohlenartigen Fleck inmitten des glänzenden Morpho- blau des Vorderflügels einer Thecla! Und doch finden sich bei aller Verschiedenheit gewisse gemeinsame Züge. Gemeinsam ist zunächst der Mehrzahl dieser Bildungen, dass sie für gewöhnlich nicht offen liegen, sondern eingeschlossen siud, sei es, und das ist der häufigste Fall, zwischen Innenrand der Vorder-, und Vorderrand der Hinterflügel, sei es zwischen Innenrand der Hinter- flügel und Hinterleib, sei es in einem Umschlag am Vorderrande der Vorder-, oder am Innenrande der Hinterflügel, sei es endlich in besonderen Furchen, Schlitzen oder Taschen. Nicht selten liegt dem Haarbusch oder Fleck eine kahle Steile oder auch ein ähnlicher Fleck des anderen Flügels oder des Hinterleibes gegen- über. Wo Flecken oder Haarbüsche frei auf der Fläche der Flügel liegen, finden sie sich auf der Oberseite, so dass sie auch in diesem Falle, wenn der Falter mit emporgeschlagenen Flügeln ') Chenu, Encyclop. d’hist. nat. Lepidopt. II, pag. 132, Fig. 114. Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 407 ruht, zwischen den Flügeln eingeschlossen sind. Niemals scheinen sie auf der Unterseite der Hinterflügel und des vorderen, von den Hinterflügeln unbedeckt gelassenen Theiles der Vorderflügel vor- zukommen. Die Schuppen der Flecken pflegen sehr dicht gedrängt und daher fast aufrecht zu stehen und bei weitem fester zu haften als die übrigen Schuppen der Flügel. Nach dem Entschuppen bleiben die Flecken nicht nur an den dichtgedrängten Anheftungs- stellen der Schuppen kenntlich, es pflegt auch ihre Haut mehr oder weniger getrübt oder selbst dunkel gefärbt zu sein. Nicht selten sind sie von baumartig verästelten oder netzförmig ver- bundenen Luftröhren durchzogen. — Die zwischen den Flügeln oder zwischen Flügel und Hinterleib verborgenen Pinsel, Mähnen oder Haarbüsche pflegen sich zu sträuben, sobald die Flügel von einander oder vom Hinterleibe entfernt werden. Eines willkür- lichen Sträubens dürften auch alle frei auf der Fläche der Flügel liegende Pinsel fähig sein; bei Opsiphanis Cassiae kann der in der Mittelzelle der Hinterflügel liegende Haarpinsel zu einer vollständigen Halbkugel sich auseinanderspreizen. — Die bei weitem häufigste Bildung, Fleck oder Haarbusch am Vorderrande der Hinterflügel, zwischen Costalis und Subeostalis, bedeckt vom Innenrande der Vorderflügel, kommt bei so weit verschiedenen Faltern vor, bei Danainen (Euploea, Ithomia und Verwandte), bei Satyrinen (Mycalesis, Bia), bei Mor- phinen (Zeuxidia), bei Brassolinen (Opsiphanes), bei Nym- phalinen (Lachnoptera), bei Pierinen (Leptalis, Calli- dryas) und bei Hesperiden (Caecina), dass an Ererbung von gemeinsamen Vorfahren kaum zu denken ist, man müsste denn eine ähnliche Bildung schon dem & der Stammform aller Tagfalter zuschreiben und annehmen wollen, dass dieselbe der Mehrzahl seiner Nachkommen verloren gegangen sei. Aber mit fast gleichem Rechte würde man dann das 3 jenes Urtagfalters mit Fleck oder Haarbusch am Innenrande der Hinterflügel ausrüsten müssen, die bei Danainen, Satyrinen, Morphinen, Brassolinen und Nym- phalinen vorkommen und an welche sich die bei Papilionen auf- tretende Bildung anschliesst. Weit wahrscheinlicher ist es, dass diese Ausrüstung der Männchen mit eigenthümlichen Schuppen- flecken und Haarbüschen sich erst später und unabhängig in ver- schiedenen Gruppen gebildet hat. Dafür spricht auch ihre grosse Verschiedenheit innerhalb derselben Familie oder selbst derselben Gattung (Mycalesis). Was also in den entferntest stehenden Gruppen der Tagfalter diese Flecken und Haarbüsche Gemein- 108 Fritz Müller, sames haben, wird, da es sich kaum auf gemeinsamen Ursprung zurückführen lässt, als Anpassung an die gleiche Verrichtung auf- zufassen sein. Welches diese Verrichtung sei, darüber sind bis jetzt, soweit mir bekannt, nicht einmal Vermuthungen laut ge- worden. Zufällig lernte ich vor kurzem die Bedeutung der Flecken und Haare bei einer Art kennen und konnte seitdem die Ver- muthung, dass sie die gleiche Bedeutung auch in allen übrigen Fällen haben möchten, bei mehreren anderen Arten aus ver- schiedenen Familien bestätigen. Ich hatte ein jugendfrisches & von Callidryas Argante gefangen und bog, um einem Freunde die mähnenartige Be- haarung der Hinterflügel zu zeigen, Vorder- und Hinterflügel auseinander. Dabei kam mir ein deutlicher etwas moschusähn- licher Duft entgegen und ich überzeugte mich, dass derselbe von den beim Auseinanderbiegen der Flügel sich sträubenden Haaren ausging. Diese Beobachtung habe ich dann an zahlreichen Männchen derselben Art wiederholt und nur bei einigen alten abgeflatterten, zerschlissenen Stücken den Geruch nicht sicher wahrnehmen können. Von anderen ähnlich ausgestatteten Schmetter- lingsmännchen habe ich seitdem nur wenige zu beriechen Ge- legenheit gehaht. An einem $ von Prepona Laertes be- merkte ich einen nicht eben starken, doch unverkennbaren Geruch, der von dem Haarbusche der Hinterflügel ausging. Mehrere meiner Kinder bemerkten nicht nur denselben Geruch, den sie (ziemlich treffend, wie mir scheint) als Fledermausgeruch bezeichneten ; sie fanden auch dieselbe Stelle als Sitz des Geruches heraus. Einen ebenfalls nicht starken, angenehmen, etwas vanilleartigen Geruch verbreitete ein & von Dircenna Xantho; auch hier liess ich meine Kinder den Ausgangspunkt des Geruches aufsuchen, als welchen sie, wie ich selbst, den „Haarpinsel“ am Vorderrande der Hinterflügel erkannten. Weit kräftiger, als bei den drei eben genannten Arten ist der wie bei Prepona fledermausartige Ge- ruch, der von den grossen schwarzen Flecken auf den Vorder- flügeln einer der prächtigsten unserer Theela-Arten (Th. Atys Cr.) ausgeht. Noch mehrere Wochen nach dem Tode ist dieser Geruch deutlich wahrzunehmen. Die Oberseite der Vorderflügel ist bei den & dieser Theela nach innen blau, nach aussen schwarz; der schwarze Saum verbreitet sich von der Hinterecke, wo er etwa !/,, bis zur Flügelspitze, wo er etwa !/, der Länge einnimmt; auch der Vorderrand ist bis zur Costalis schwarz. In Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 109 dem blauen Theile liegen nun zwei grosse tiefschwarze Flecken, getrennt durch einen blauen Streifen, welcher die Lage der die Mittelzelle schliessenden Queradern bezeichnet. Es liegt also der eine Fleck, und zwar ist dieser kleiner, innerhalb, der andere grössere ausserhalb der Mittelzelle. Der innere Fleck ist fünfeckig mit gerundeten Ecken; er füllt das Ende der Zelle vollständig, reicht an der Subcostalis fast bis zum Ursprung ihres ersten Astes, am dritten Aste der Mediana etwa halb so weit und ist wurzelwärts begrenzt durch zwei am verkümmerten Wurzeltheil der Discoidalis im rechten Winkel zusammenstossende Linien. Der äussere Fleck, durch Queradern vom innern geschieden, stösst nach vorn an die obere Discoidalader, nach hinten an den zweiten Ast der Mediana, überragt also in dieser Richtung den innern um etwa ein Drittel; er bildet ein querliegendes Eirund, dessen Achsen sich etwa wie 5 zu 6 verhalten. Die untere Discoidalader und der dritte Ast der Mediana durchschneiden ihn; jenseit des Fleckes erstreckt sich von jedem der drei so gebildeten Stücke aus ein spitzer dreieckiger blauer Fleck in den schwarzen Saum des Flügels. Die Oberfläche beider Flecken mag zusammen fast Yo von der des ganzen Flügels betragen. Die dichtgedrängten Schuppen der Flecken haften sehr fest; nach der Entschuppung erscheint der äussere Fleck leicht gelblich getrübt, der innere stark gebräunt und fast undurchsichtig; die Haut des letzeren springt etwas über die untere Fläche des Flügels vor. Vergrössert zeigt der äussere Fleck ausser den dichtstehenden Anheftungs- stellen der Schuppen nur einzelne zarte, kaum verästelte Luit- röhren, die von den benachbarten Flügeladern her eintreten. Da- gegen sieht man in dem innern Fleck, (besonders deutlich, wenn man ihn von unten betrachtet), ein ziemlich dichtes Netz nicht sehr feiner Luftröhren und zwischen diesen rothbraune, durch- sichtige Punkte. Von reichlichen baumförmig verästelten Luftröhren ist auch der Fleck der Callidryas Argante durchzogen. Derselbe ist etwas: blässer als seine Umgebung, von der er sich nicht scharf abhebt; deutlicher tritt er nach dem Entschuppen als trübe Stelle hervor. Er liegt in dem stumpfen Winkel zwischen der Subcostalis und ihrem Aste, durch einen lichten Saum von beiden Adern ge- trennt, aus denen Luftröhren zu ihm gehen. Er ist etwa 3 Mm. lang bei 0,6 Mm. grösster Breite. Die den Fleck überdeckende Mähne aus etwa 5 Mm. langen Haaren entspringt von einem bis 140 Fritz Müller, 1,5 Mm. breiten Streifen, der sich in der Mittelzelle von der Wurzel her auf etwa 10 Mm. an der Subcostalis hinzieht. !) Was mich nun vermuthen lässt, dass dieselbe Verrichtung, die bei den g von Callidryas Argante, Thecla, Prepona Laertes und Dircenna Xantho, also Arten aus vier weit verschiedenen Familien, für die Fleeken und Haarbüschel ihrer Flügel durch Beobachtung festgestellt wurde, nämlich Gerüche auszuhauchen, die wahrscheinlich ihren Weibehen angenehm sind und sie zur Begattung reizen, — was mich vermuthen lässt, dass dieselbe Verrichtung allen ähnlichen Gebilden auf den Flügeln männlicher Tagfalter zukomme, ist nicht nur die bei aller Mannich- faltigkeit unverkennbare Aehnlichkeit derselben; es sind mehr noch die bereits hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten dieser Flecken, Pinsel u. s. w., welche dieselben für eine derartige Ver- richtung besonders tauglich erscheinen lassen. Dieselben sind für gewöhnlich nicht der Luft ausgesetzt, sondern zwischen Vorder- und Hinterflügel oder sonst wie eingeschlossen oder doch in der Ruhe zwischen den aufgerichteten, aneinanderliegenden Flügeln des Falters geborgen. So kann der Riechstoff nicht zur Unzeit verdunsten und kann sich zwischen den dicht gedrängten fast aufrechten Schuppen der Flecken, zwischen den Haaren der Pinsel, Büsche und Mähnen anhäufen. Kaum aber dürfte auf wirksamere Weise ein riechender Stoff zu voller Wirkung zu bringen sein, als wenn man mit ihm die Haare eines Pinsels tränkt und diese dann plötzlich nach allen Seiten auseinander- spreizend für die Verdunstung eine gewaltige Oberfläche schafft. Wie die Ageronien, die ich im letzten Sommer zahlreich in vier Arten zu beobachten Gelegenheit hatte, wie es scheint, nur während der Liebeswerbung das eigenthümliche knallende Geräusch beim Fliegen vernehmen lassen, so mögen die mit Haarbüschen, Pinseln u. dgl. ausgestatteten Schmetterlingsmännchen dieselben ebenfalls nur bei derselben Veranlassung ihren Duft verbreiten lassen. Kürzlich fing ich ein Pärchen von Hesperia Orcus Cr., das sich dicht umflatternd im Begriff schien, sich zu ver- !;, Neben Argante kommt hier eine sehr ähnliche blassere Art oder Ab- art vor, die ziemlich gut zu Boisduval’s Beschreibung von C. Agarithe stimmt und sich in Betreff des Geruchs, wie die ächte Argante verhält. Bei ihr ist der Fleck grösser, er reicht nicht nur bis an die Subecostalis und ihren Ast heran, sondern füllt auch den spitzen Winkel zwischen diesen beiden Adern. Unter den Stücken, die ich eben zur Hand habe, finde ich keine Uebergänge zwischen beiden Formen, Ueber Haarpinsel etc. auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 1411 einigen. Als ich das im Käscher todtgedrückte Männchen heraus- nahm, fand ich den Costalumschlag des einen Flügels aufgeklappt und in der Ebene des Flügels ausgebreitet. Es ist mir das bei den & dieses und anderer Diekköpfe sonst noch nicht begegnet und ich wüsste nicht, wie ich beim Zusammendrücken der Brust das Aufklappen hätte zu Wege bringen können. Wahrscheinlich war dasselbe schon vorher von dem brünstigen Männchen selbst bewirkt worden. Von vorn herein habe ich nicht erwartet, bei allen betreffenden Arten auffallende oder überhaupt für menschliche Nasen wahr- nehmbare Gerüche zu finden. Wie der Sinn des Geruchs bei uns ein selbst im Vergleich mit vielen Säugethieren höchst dürftig entwickelter ist, so dürfte er dies in noch höherem Grade sein, wenn wir uns mit gewissen Kerfen und namentlich Schmetter- lingen messen. Auf welche unglaubliche Entfernungen jungfräuliche Weibehen von Nachtschmetterlingen die Männchen herbeiziehen, ist bekannt. Für die Tagfalter genügt die Sicherheit, mit der sie die als Nahrung für ihre Larven tauglichen Pflanzen heraus- zufinden wissen, um die Schärfe ihres Geruchsinnes zu beweisen. So mag für Tagfalterweibchen als starker Duft erscheinen können, was für menschliche Nasen nicht zu erspüren ist. Ich war daher nicht überrascht, an den Filzflecken verschiedener Theclaarten, sowie an dem sehr ansehnlichen, von stattlicher Mähne pedeckten kreidigen Fleck von Callidryas Trite nichts riechen zu können, und vermag darin kein Bedenken gegen die Allgemein- giltigkeit meiner Deutung dieser Flecken zu finden, Es sei mir vergönnt, bei dieser Gelegenheit hinzuweisen auf noch einige andere Geruch verbreitende Gebilde bei Schmetter- lingen. Die Männchen der meisten Glaucopiden vermögen am Ende des Hinterleibes auf der Bauchseite zwei lange hohle Fäden vor- zustülpen. Bisweilen (Leucopsumis sp.) sind diese Fäden von mehr als Körperlänge und biegen sich dann beim Hervor- treten in Gestalt eines Widderhornes. In der Regel sind sie mit Haaren besetzt, die beim Vorstülpen sich aufrichten, und meist verbreiten sie einen mehr oder weniger starken, für uns widerlichen Geruch; besonders stark und nicht unangenehm, zugleich an Blausäure und Chloroform erinnernd, ist derselbe bei der präch- tigen Belemnia inaurata (Euchromia Eryx). Ganz ähnliche, stark riechende Fäden fand ich bei einer Motte, deren Namen ich 112 Fritz Müller, nicht kenne. !) — Bei aller äusseren Verschiedenheit sind auch bei diesen Fäden der Glaucopiden-Männchen dieselben beiden Erforder- nisse eines Räucherwerkzeugs ausgebildet, die wir bei den Haar- pinseln vieler Tagfalter trafen: Schutz vor Verdunstung zur Un- zeit und Entfaltung einer grossen Oberfläche, wenn der Geruch sich einstellen soll. Bemerkenswerth ist, dass in dem Verwandschaftskreise der Ithomien beiderlei Bildungen vorkommen und sich zu vertreten scheinen; bei Lycorea fehlen die „Haarpinsel“ am Vorderrande der Hinterflügel, die der Mehrzahl der Gattungen zukommen; dagegen besitzen hier die Männchen jederseits am Ende des Hinterleibes einen grossen theilweise einziehbaren Haarbusch. Aehnlich ist es unter den Pierinen. Auch hier giebt es Arten, eine wenigstens ist mir bekannt —, die Gerüche erzeugen nieht an den Flügeln, sondern am Ende des Hinterleibes.. Das & von Daptonoura llaire trägt dicht vor den Afterklappen auf der Bauchseite einen etwa 4 Mm. langen, nicht einziehbaren Pinsel grauer Haare, der sich in der Ruhe dieht an den Bauchrand der Afterklappen anlegt, sie ein wenig überragend. Er lässt sich, was man durch Drücken des Hinterleibes bewirken kann, nach allen Seiten auseinanderspreizen und verbreitet dann einen sehr deutlichen, wenn auch schwachen Geruch. Das 2 der Dapto- noura llaire habe ich noch nicht gefangen, doch zweifle ich nicht, dass der Haarpinsel nur dem & zukommt und dass dessen Geruch dem Anlocken der ® und nicht der Abwehr von Feinden dient. Gerüche, welche letzteres bewirken, pflegt der Schmetterling natürlich zu entwickeln, sobald er gefangen wird. So stülpen die Weibchen der verschiedenen Maracuja-Falter (Heliconius, Eueides, Colaenis?), Agraulis), wenn man sie ergreift, zwischen der 7. und 8. Rückenplatte des Hinter- leibes zwei in der Mittellinie zusammenstossende fleischige Wülste vor, die einen mehr oder weniger lebhaften Geruch verbreiten, während ihre Männchen bei gleicher Veranlassung die Afterklappen auseinanderspreizen, an deren Innenseite ähnliche riechende Wülste sitzen. — Fängt man das Männchen von Didonis Biblis, so läst es auf dem Rücken des Hinterleibes zwischen !, Dr. Straudinger bestimmte sie als Cryptolechia spec. ®, Obwohl ich die Raupen von Colaenis noch nicht keune, ist es mir kaum zweifelhaft, dass auch sie, wie die der drei nächstverwandten Gattungen, an Maracujä (Passiflora) leben. Ueber Haarpinsel etc, auf den Flügeln männl. Schmetterlinge. 113 dem 4. und 5. Ringe zwei rundliche, in der Mittellinie zusammen- stehende, mit kurzen grauen Haaren bedeckte riechende Wülste hervortreten; durch Drücken des Hinterleibes kann man noch zwei ähnliche Wülste zwischen dem 5. und 6. Ringe hervortreiben ; sie sind mit etwas längeren weissen Haaren besetzt, die sich beim Hervortreten nach allen Seiten auseinanderspreizen. Ich bedauere, nicht angeben zu können, wie sich die Weibehen von Didonis in dieser Beziehung verhalten. Die durch Bates so berühmt gewordenen Ithomien des Amazonas, die den dortigen Leptalis und manchen anderen nachahmenden Faltern als Vorbilder dienen, sollen durch unange- nehmen Geruch vor Verfolgung durch Vögel geschützt sein. Ob dies derselbe Geruch ist, den die Haarpinsel der Männchen vor- aussichtlich auch bei ihnen, wie bei der nächstverwandten Dir- cenna Xantho, verbreiten? In diesem Falle würde sowohl die nach Bates hundertfach überwiegende Zahl der Männchen, als die vollkommene Uebereinstimmung der beiden Geschlechter in Zeichnung und Färbung sich verstehen lassen. Wenn nur die Männchen den die Verfolger abstossenden Geruch besässen, so würden diese letzteren bei gleicher Zahl der Geschlechter eben so oft eine geniessbare, wie eine unschmackhafte Beute fangen; sie würden sich deshalb kaum der Jagd auf die Ithomien ent- wöhnen. Dies aber würde um so sicherer geschehen, je mehr die ungeniessbaren Männchen an Zahl überwögen, je seltener also die Jagd einen schmackhaften Bissen lieferte. Die Weibchen aber, selbst des schützenden Geruches entbehrend, würden nur durch ihre Ununterscheidbarkeit an der Sicherheit Theil haben, welche die Männchen in dem Geruche ihrer Haarpinsel fänden. So wäre in diesem Falle die gleiche Färbung der beiden Geschlechter für die Weibchen eine schützende Aehnlichkeit, auf dieselbe Weise durch natürliche Auslese hergestelltund erhalten, wie die der nach- ahmenden Leptalis. ' Ich schliesse mit dem Wunsche, dass Forscher, denen reiche Sammlungen zugänglich sind, über das Vorkommen und den feineren Bau, und dass Beobachter der lebenden Thiere über etwaige Gerüche der Haarpinsel, Filzlleeke und ähnlicher Ge- bilde auf den Flügeln männlicher Schmetterlinge bald weitere Auf- schlüsse geben mögen. Hierzu anzuregen ist der einzige Zweck dieser Zeilen, da, was ich selbst bieten konnte, kaum der Mitthei- lung werth gewesen wäre. Itajahy, Santa Catharina, Brazil im April 1876. Ba. XLN.F. W.1. N 8 114 Fritz Müller, Ueb. Haarpinsel etc. a. d. Flüg, männl. Schmetterlinge. Nachtrag. Von Didonis Biblis habe ich im Laufe des letzten Monats ausser einer Menge Männchen, die fast täglich in Mehrzahl ge- fangen wurden, auch eine ziemliche Anzahl Weibchen zu unter- suchen Gelegenheit gehabt, welche letzteren, wenigstens jetzt und hier, vielmal seltener sind, als die Männchen. Die Weibchen besitzen nur die vorderen beiden Wülste, das hintere Paar fehlt ihnen vollständig; die vorderen Wülste sind etwas kleiner, die Haare oder besser haarähnlichen, am Ende verbreiterten und abgerundeten Schuppen derselben spärlicher, als beim 3, doch ihr Geruch nicht minder kräftig. Dieser Geruch, wie der der entsprechenden vorderen Wülste des d, wurde von meinen Kindern fast einstimmig als unangenehm, widerlich, — dagegen der Geruch der hinteren Wülste des Männchens mit Ein- stimmigkeit als angenehm, blumenartig bezeichnet und mit dem von Heliotrop verglichen. Diese hinteren weissen, den Weibchen fehlenden Wülste heben sich so grell ab von dem schwarzen Hinterleibe, sie sehen so allerliebst aus, dass sie höchst wahr- scheinlich nicht nur durch ihren Duft, sondern auch als Zierrath das Wohlgefallen der Weibchen erwecken. Dasselbe wird auch gelten von den Flecken auf den Vorderflügeln der Thecla-Männchen in den Fällen, wo dieselben hell auf dunklem Grunde erscheinen oder, wie bei Thecla Bosora, in glänzendem Blau strahlen. Mai 1876. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. Von Berthold Haischek. Hierzu Tafel VII-—-IX. Vorliegende Untersuchung wurde im Herbst 1875 ausgeführt. Meine Angaben beziehen sich auf Bombyx chrysorrhoea, deren Eier durch Zerlegung in Schnittreihen untersucht wurden. Durch den eintretenden Mangel an Untersuchungsmaterial war ich ver- hindert, die Arbeit zum gewünschten Abschlusse zu bringen. Ich habe mich trotzdem zur Veröftentlichung meiner Resultate ent- schlossen, da mir dieselben einerseits nicht ohne Wichtigkeit zu sein scheinen, und ich auch andererseits eine Fortsetzung gerade dieser Untersuchung nicht mit Bestimmtheit voraussehen kann. Wenn in unserer biologischen Wissenschaft die unabweis- liche Nothwendigkeit theoretischer Betrachtungen immer dringen- der sich geltend macht, so ist es umsomehr geboten, nicht nur während der Untersuchung selbst den wechselseitigen Einfluss von Beobachtung und Reflexion in den Grenzen zu halten, welche je nach der individuellen Begabung des Forschers, der Unter- suchungsmethode und selbst dem Gegenstande der Forschung verschieden zu ziehen sind, sondern auch in der schriftlichen Mittheilung die Beobachtung, welche dem Ideale der Objeectivität möglichst nahe kommen möge, zu trennen von den theoretischen Betrachtungen, die doch immer nur den Ausdruck des wandel- baren Standpunktes unserer Wissenschaft bilden. Ich habe mich bemüht, nach dem Vorbilde unseres verehrten -Karl Ernst von Baer, Beobachtung und Reflexion in den zwei einander gegen- übergestellten Abschnitten dieser Schrift, nicht nur dem Titel, sondern auch dem Wesen nach, auseinanderzuhalten. 116 Berthold Hatschek, I. Descriptiver Theil, Die ersten Entwicklungsvorgänge im Insecteneie sind durch die bahnbrechenden Untersuchungen von Kowalevski!) in ihren wichtigsten Punkten bekannt geworden. Die Bildung des Blas- toderms, der zwei primären Keimblätter und der Embryonal- hüllen sind mit der beweisenden Klarheit der Querschnittmethode dargelegt worden, und unsere Kenntnisse hierüber weit über das Niveau der früheren phantasievollen Unklarheit erhoben. In Be- treff der weiteren Eutwicklungsstadien liessen aber auch die Unter- suchungen Kowalevski’s noch eine grosse Zahl von Fragen der späteren Forschung offen; und wenn ich auch, wie ich glaube, im Stande war, in vorliegender Untersuchung manchen Irrthum Kowalevski’s zu widerlegen, so ist doch durch eine Reihe neuer Thatsachen die Anzahl der Fragestellungen — nicht nur in Be- trefi der Insectenentwicklung, sondern auch derjenigen der Crus- taceen und Anneliden — nur noch vermehrt worden. Die Entstehung der zwei primären Keimblätter ist von Ko- walevski genau erforscht worden. In einem Embryo, an dessen Keimstreifen die Segmentirung eingetreten ist und die Extremi- tätenbildung begonnen hat, habe ich die drei secundären Keim- blätter gefunden; ihre Entstehung aus den primären Keimblättern habe ich nicht beobachtet. Die Untersuchung wurde von mir an sehr dürftigem Materiale ausgeführt. Nachdem ich an verschiedenen Insecteneiern ver- sucht hatte, die Schnittmethode in Anwendung zu bringen, ge- lang es mir endlich, an Eiern von Bombyx chrysaurea befriedi- sende Resultate zu erzielen. Die Eier wurden nach dem Vorgange Bobretzky’s in Wasser etwas erwärmt, sodann einige Tage in Chromsäurelösung und schliesslich in Alcohol gehärtet. Dann wurde die Eischale ent- fernt, der Embryo in einer Mischung von Wachs und Oel einge- schmolzen, in eine continuirliche Reihe dünner Schnitte zerlegt; 1) Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. Memoires de l’Academie Imperiale des sciences de S. Pötersbourg, VII. Serie. Tome XVI, Nr. 12, 1871. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 117 die Schnitte wurden auf dem Objectträger einer Karminfärbung unterzogen und schliesslich in Damarlack aufbewahrt. Als ich mit dieser Methode meine Untersuchung über die Entwicklung der Lepidopteren weiter ausdehnen wollte, konnte ich, der vorgeschrittenen Jahreszeit wegen, kein passendes Unter- suchungsmaterial mehr erlangen. Die ganze Arbeit trägt deshalb den Charakter eines Bruch- stückes. Doch hoffe ich, dass aus dem Nachfolgenden ersichtlich werden wird, dass eine genauere Untersuchung einzelner weniger Stadien uns einen besseren Einblick in viele Fragen verschaffen kann, als die oberflächliche Untersuchung ganzer Reihen. Ich will sogleich zur Beschreibung der untersuchten Stadien übergehen. Stadium A. Das jüngste von mir genauer untersuchte Stadium zeigt einen bereits segmentirten Keimstreifen, an dem eben Anlagen der Extremitäten auftreten. Ich muss dieses Stadium mit demjenigen identifieiren, welches Kowalevski vom Hydrophilus auf Taf. VII, Fig. 9 abgebildet hat, da es mit demselben in Bezug auf den äusseren Bau nahezu übereinstimmt, abgesehen von der verschie- denen Lagerung des Embryo im Eie.') Der Keimstreifen ist aus drei Keimblättern zusammengesetzt, von denen das Entoderm, als eine Zellmasse von ganz geringer Ausdehnung, auf den vordersten Theil des Keimstreifens be- schränkt ist. Die einzelnen Segmente, mit Ausnahme des ersten und letzten, stimmen im Typus ihres Baues mit einander überein. Diejenigen Segmente, welche Extremitäten tragen, zeigen schon die erste Anlage derselben als Ausstülpungen der Leibeswand. “Wir wollen den Bau eines Leibessegmentes durch Anschauung der Querschnitte desselben kennen lernen. Fig.5, Taf. VII. stellt einen Querschnitt aus der Gegend des späteren Thorax dar, welcher zwischen zwei Extremitätenanlagen geführt ist. Wir erkennen an demselben zwei deutlich gesonderte Keimblätter, Ektoderm und Mesoderm. Das Entoderm ist, wie !) In Bezug auf die Lagerungsverhältnisse des Embryo im Eie verweise ich auf die Darstellung Kowalevski’s, die ich durchaus bestätigen kann. (K., l. e., p- 53.) 118 Berthold Hatschek, schon erwähnt wurde, auf den vordersten Theil des Embryo be- schränkt. ‚ Das Ektoderm besteht in den seitlichen Theilen des Keim- streifens aus epithelartig angeordneten Cylinderzellen, die sich direet in die platten Zellen der Embryonalhüllen fortsetzen. In dem mittleren Theile des Keimstreifens zeigt das Ektoderm mehrfache Differenzirungen, die an und für sich geringfügig, erst bei Berücksichtigung der weiteren Entwicklungsstadien sich be- deutungsvoll erweisen, da sie die Bildung des Centralnerven- systems einleiten. In der Medianlinie befindet sich eine seichte Furche, die zu beiden Seiten von niedrigen Wülsten begrenzt wird (Fig. 5 und 6). Ich werde diese Furche Primitivfurche, die Wülste Primitivwülste benennen. In den Primitivwülsten sondert sich das Ektoderm, welches sonst überall einschichtig ist, in zwei Zellenlagen, eine oberflächliche und eine tiefe, welche letztere in den Primitivwülsten zwei Zellstränge bildet, die wir als Seitenstränge bezeichnen werden. Die Seitenstränge zeigen segmentweise Anschwellungen, wie aus der Vergleichung von Fig. D und 6, welche Schnitte aus ver- schiedenen Theilen desselben Segmentes darstellen, erhellt. Das Mesoderm nimmt in Fig. 5 nur die seitlichen Theile des Keimstreifens ein und lässt die Mittellinie frei. Es zerfällt jederseits in zwei von einander zu unterscheidende Theile, einen medialen, der aus platten, unterhalb des Ektoderm ausgebreiteten Zellen besteht, und einem lateralen, dessen hohe Cylinderzellen epithelartig eine spaltförmige Höhle (h) umgeben. Nicht alle Schnitte aber, die durch ein Segment des Embryo geführt werden, zeigen dieselben Verhältnisse; denn zwischen je zwei Körpersegmenten erhält man (bei eontinuirlicher Sehnitt- reihe) mindestens einen Querschnitt, wo das mittlere Keimblatt eine zusammenhängende Lage von platten Zellen darstellt, die auch die Mittellinie bedecken und bis in die seitlichen Theile des Keimstreifens reichen (Fig. 7). Daraus ergiebt sich, dass die Höhle h segmentweise auftritt — zwischen je zwei Segmenten unterbrochen ist. Die Extremitätenanlagen erweisen sich als taschenförmige Aussackungen des Keimstreifens, die durch eine von hinten und aussen eindringende Falte von demselben abgegliedert werden, wie bei Betrachtung der aufeinanderfolgenden Schnitte, Fig. 7, 8, 9, ersichtlich wird. An der Bildung derselben nehmen sowohl das Ektoderm als das Mesoderm Theil, und zwar von letzterem der Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 119 mediale einschichtige Theil, welcher sich auch als einschichtige Zelllage in die Extremitäten fortsetzt (Fig. 8). Die Extremität stellt eine aus zwei Keimblättern bestehende Röhre dar, deren Lu- men mit dem Dotterraum in unmittelbarer Communication steht. Ganz wie die übrigen Extremitäten verhält sich auch die Antenne (Fig. 2, 3, 4) in Bezug auf die Keimblätter und den Zusammenhang ihres Lumens mit dem Dotterraume, ebenso aber auch die paarig angelegte Oberlippe (Vorderkopf), von der jedoch in diesem Stadium nur erst die frühesten Spuren zu er- kennen sind (Fig. 1, Ob.). — Das erste Körpersegment, oder Kopfsegment im engeren Sinne, übertrifft die anderen Segmente an Grösse um ein Bedeutendes und zeigt auch einen viel compli- zirteren Bau. Wir können an demselben einen medialen Theil unterscheiden, dem die Anlage der Oberlippe, der Antennen des Oesophagus und der Seitenstränge angehört — und die seitlichen Theile oder Kopflappen, welche den grössten Theil des Ge- hirns zu liefern bestimmt sind. — Fig. 4 stellt einen Schnitt aus dem hintersten Theile des ersten Segmentes dar. Dieser Schnitt ist von besonderer Wichtigkeit, da uns derselbe sämmt- liche drei Keimblätter zeigt. Rechterseits hat der Schnitt die Grenze des ersten und zweiten Segmentes getroffen; Kopflappen und Antenne sind hier nur angeschnitten, und wir erkennen den Uebergang des breiten ersten Segmentes in das viel schmälere darauffolgende Man sieht in der Mittellinie als direete Fort- setzung der Primitivfurche die Oesophaguseinstülpung, die, hier noch eine seichte Rinne, sich nach vorne zu bedeutend vertieft (Fig, 2, vergl. Längsschnitt Fig. 10). Zu beiden Seiten des Oesophagus finden wir die Fortsetzung der Primitivwülste (W, Fig. 2, 3, 4), weiter nach aussen die Antennen (Fig. 2, 3, 4), und endlich die Seitentheile des Kopfsegmentes bildend, die Kopflappen. — Fig. 1, ein Schnitt aus der Gegend vor der Oesophaguseinstülpung, zeigt eine mediane Furche, zu beiden Seiten derselben die erste Anlage der Oberlippe (Ob.) und noch weiter nach aussen die Primativwülste (W.), hier wenig deutlich abgegrenzt. Weiter nach vorne gehen die Primitivwülste ohne deutliche Grenze in die seitlich gelegenen Kopflappen über. Das Mesoderm zeigt in dem Kopfsegmente mannigfache Ab- weichungen von dem Verhalten in anderen Segmenten, Fs ist auf den medialen Theil des Kopfsegmentes beschränkt und fehlt in den Kopflappen. Jenen charakteristischen, eine Höhle ein- 120 Berthold Hatschek, schliessenden Lateraltheil des Mesoderms, den wir in den anderen Segmenten gefunden haben, vermissen wir hier gänzlich. Auf Fig. 3 sehen wir eine auffallende Mesodermanhäufung, die be- stimmt ist, die Oesophagusmusculatur zu liefern. Am hinteren Ende des Embryo geht der Keimstreifen ver- mittelst einer Faltenbildung in die Embryonalhüllen über. Von dem später hier auftretenden Hinterdarm ist jetzt noch nichts zu bemerken. Das hintere Ende des Keimstreifens ist überdies in zwei seitliche Fortsätze ausgezogen !), die weiterhin Erwähnung finden werden. Stadium B. Ich will nun zur Beschreibung der wichtigsten stattgehabten Veränderungen im nächsten von mir untersuchten Stadium über- gehen. Die Seitenstränge haben bedeutend an Dieke zugenommen und sich vom übrigen Ektoderm losgelöst (Fig. 11 und 12); die Primitivfurche hat sich so sehr vertieft, dass ihre Wandungen jetzt einen faltenförmig eingestülpten Strang mit spaltförmigem Lumen darstellen, welcher zwischen den beiden Seitensträngen gelegen ist (M, Fig. 11 und 12). Wir wollen ihn als Mittelstrang be- zeichnen. — Die Seitenstränge sowohl, als auch der Mittelstrang repräsentiren die erste Anlage des Centralnervensystems. Das Nervensystem läst auf diesem Stadium noch nicht die charakte- ristische Gliederung der Bauchganglienkette erkennen, Es wird repräsentirt durch einen continuirlich alle Segmente durchsetzenden Bauchstrang, der sich vergleichen lässt einem in Einstülpung be- griffenen Medullarrohre mit verdiekten Seitentheilen, die hier freilich abweichend von dem Verhalten der Wirbelthiere eine gewisse Selbstständigkeit erlangt haben (Seitenstränge). Dem Mittelstrange wird vorn durch die Oesophaguseinstül- pung eine Grenze gesetzt. Die Seitenstränge erstrecken sich aber bis in den vorderen Theil des ersten Segmentes, wo sie mit dem seitlichen Anlagen des Gehirns in Verbindung stehen, welche als Verdiekungen der Kopflappen entstehend, jetzt noch ziemlich flächenhafte Ausbreitung zeigen, und sich auch noch nicht von den oberflächlichen Ektodermzellen losgelöst haben. ') Vergl, Kowalevski, I. c,, Entw. d, Lepidopteren, Fig. 8. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 121 Als wichtige Veränderungen sind in diesem Stadium noch zu nennen: Entwicklung der Tracheenanlagen und des Hinter- darmes, bedeutendes Wachsthum der Oesophaguseinstülpung, Aus- bildung der Oberlippe und Auftreten einer Kniekung des Kopf- segmentes in der Gegend der Oberlippe, wodurch diese, jetzt schon von bedeutender Grösse, als sogenannter Vorderkopf an das vorderste Ende des Körpers zu liegen kommt. Diese Veränderungen werden bei Besprechung des nächsten Stadiums eingehender berücksichtigt werden. Stadium (©. Dieses Stadium zeigt beim Vergleiche mit dem vorher be- schriebenen bedeutende Fortschritte und Veränderungen, die frei- lich erst bei genauerer Untersuchung erkannt werden. Was zunächst das Nervensystem betrifft, so ist dasselbe in seiner Differenzirung weiter vorgeschritten. Am Bauchstrange ist die Gliederung in Ganglien und Längscommissuren eingeleitet Wenn wir einen Querschnitt betrachten, der durch eine Gan- glienanlage geführt ist (Fig. 3, Taf. VII und Fig. 1, Taf. IX), sehen wir, dass der Mittelstrang mit den Seitensträngen ver- schmolzen und seine Verbindung mit dem Ektoderm gelöst ist. Das spaltförmige Einstülpungslumen ist an den Ganglienanlagen der vorderen Segmente noch deutlich zu erkennen. Zuweilen zeigen die dasselbe begrenzenden Zellen noch eine epithelartige Anordnung (Fig. 13 Taf. VII). An solchen Stellen, wo die Längsecommissuren der Ganglien- kette entstehen (Fig. 2 Taf. VIII und Fig. 2, Taf. IX), ist das Bild, welches uns ein Querschnitt darbietet, ein wesentlich ver- schiedenes. Wir sehen, wie hier der Mittelstrang mit dem Epithel der Oberfläche in Zusammenhang bleibt und nur die Seitenstränge in die Bildung des Nervensystems eingehen, um die Längscomis- suren zu bilden. Ueberdies verliert der Mittelstrang an diesen Stellen sein Lumen, indem dasselbe durch Höherwerden der Zellen des Bodens der Einstülpung gleichsam verdrängt wird. Auf diese Weise bildete sieh nun zwischen je zwei Ganglien eine zapfen- förmige Fortsetzung des oberflächlichen Epithels, durch welche die _Continuität im mittleren Theile des Bauchstranges unterbrochen ist, (Vergl. Längsschnitt Fig. 6, Taf. IX.) 199 Berthold Hatschek, Die so gebildeten Längseommissuren sind noch ganz kurz und die Ganglien liegen demnach sehr dicht beieinander. Die histologische Differenzirung des Nervensystems ist schon erkennbar und in den vorderen Segmenten des Bauchstrangs et- was weiter vorgeschritten als in den hinteren. Die Zellen des Nervensystems, insbesondere die der Seitenstränge, zeigen schon eine feinkörnige Beschaflenheit, die ihre Bestimmung zu Ganglien- zellen erkennen lässt; ihre Kerne, in welchen man meist deutlich das Kernkörperchen unterscheidet, sind rund, im Gegensatz zu den länglichen Kernen der übrigen Eetodermgebilde. Auch ein Faserverlauf im Nervensystem wird bereits sichtbar. So ist namentlich ein longitudinaler Faserstrang jederseits an den Seitensträngen auf allen Schnitten, besonders deutlich der vorderen Segmente zu erkennen (If. Taf. VIII, Fig. 2, 3, 4, Taf. IX, Fig. 1, 2). An manchen Querschnitten der Ganglienanlagen trifft man ausserdem noch einen queren Faserverlauf, der von einem Seiten- strang in den andern übergeht, den Mittelstrang oberhalb des noch persistirenden Einstülpungsspaltes durchsetzend (Fig. 3, Tat. VIII). Das Auftreten der Faserung in massigen, scharf abge- grenzten Fasersträngen scheint der Anschauung günstig zu sein, dass die Nervenfasern durch fibrillären Zerfall von Zellen ent- stehen. In Betrefl der Differenzirung des Bauchstranges zur Ganglien- kette mögen hier noch folgende Bemerkungen Platz finden. In dem zweiten Segmente, dem Segmente der Mandibeln, tritt der ganzen Länge nach eine Rückbildung des Mittelstranges ein. Auf diese Weise entstehen hier 2 Längseommissuren, welche die spätere Schlundeommissur bilden (Fig. 2, Taf. VI). Das dritte und vierte Segment (Segmente der ersten und „weiten Maxille) liefern das untere Schlundganglion. Allerdings tritt zwischen diesen beiden Segmenten anfänglich die oben be- schriebene interganglionäre Zapfenbildung ein, (welche die Bil- dung von Längseommissuren einleitet); doch der Zapfen wird hier schliesslich noch in die Bildung des Nervensystems einbe- zogen, indem er eine im Verhältniss zu den anderen Theilen des unteren Schlundganglion verspätete Loslösung vom Epithel erfährt (Fig. 4, Tafel VII). Die Entwicklung des Nervensystems bleibt in den hinteren Segmenten etwas zurück; während in den vorderen Segmenten die beschriebene Diflerenzirung des Dauchstranges zur Ganglien- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 193 kette schon eingetreten ist, besteht derselbe in den hinteren Seg- menten noch immer aus den 3 ursprünglichen Strängen. Nur zeichnen sich, im Vergleich zum Stad. B, die Seitenstränge durch auffallende segmentweise Anschwellungen aus, während am Mittel- strang, der noch mit dem oberflächlichen Exoderm im Zusammen- hange steht, das Einstülpungslumen verschwunden ist. Die Kopflappen, oder Seitenplatten, waren, wie wir sie im Stadium A. kennen lernten, von einer einfachen Schiehte hoher Cylinderzellen gebildet. Bald aber beginnt eine rege Zellver- mehrung in diesen Zellen, so dass die Koptlappen schon im Stadium B mächtig verdiekt und geschichtet erscheinen. Sie bestehen jetzt aus einer oberflächlichen Lage epithelartig angeordneter Zellen und einer tieferen, mehrfachen Schicht unregelmässig polygonaler Zellen. Die letzteren bilden den grössten Theil der Anlage des Gehirns, sind aber einstweilen nur unvollständig von der äusseren Zellenlage abgetrennt. — Zu gleicher Zeit tritt eine Umbiegung des Kopfsegmentes in der Gegend des vorderen Mundrandes auf, indem die vordere Hälfte des Segmentes gegen die Rücken- fläche sich krümmt, so dass die den Mund begrenzende Oberlippe (Vorderkopf) an das Vorderende des Körpers emporrückt (vergl. Fig. 13, Taf. VID). Im Stadium C hat sich die Umbiegung bis zur Knickung gesteigert, wodurch der vordere Theil des Keim- streifens bereits in die Ebene des Rückens zu liegen kommt (Fig. 6 und 9, Taf. IX). Zugleich biegen sich die Kopflappen auch von den Seiten her zusammen, so dass das Kopfsegment jetzt schmäler ist, als in dem frühen Stadium A (vergl. Fig. 4, Taf. VII mit Holzschnitt Fig. 2). Von allen diesen Biegungen wurden die Kopflappen mit be- troffen, und es ist dadurch das von denselben abgesonderte Ge- hirn, das noch im Stadium B eine mehr flächenhafte Ausbreitung "zeigte, zu einer compacten Masse zusammengeballt worden. Genauere Einsicht in die durch die eben beschriebenen Vor- gänge bedingten Gestaltungsverhältnisse gewähren uns die Quer- schnitte des Kopfsegmentes. An dem Querschnitte (Holzschnitt, Fig. 2), welcher mitten durch die Anlage des oberen Schlundganglion ge- führt ist, sehen wir, dass dieses aus zwei vollkommen von einander getrennten Hälften besteht. In die Bildung derselben gehen jederseits drei wesentlich von einander verschiedene Theile ein; wir unterscheiden einen Kopflappentheil (K) der durch Ver- diekung der Kopflappen entstanden ist, und einen Seitenstrang- theil (S), welcher sich direet in die Seitenstränge der nachfolgenden 124 Berthold Hatschek. Segmente fortsetzt und von den Zellen des Primitivwulstes (der Fig. 1,2, 3, 4, Taf. VII) abstammt. Zwischen dem Seitenstrangtheil und dem Kopflappentheil des Gehirns eingeschoben findet sich eine dritte Zellgruppe. Diese ist nichts Anderes als eine vom Eetoderm her eingestülpte und dann abgelöste Falte. Diese Falte ist im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Biegungen und Kniekungen des Kopf- segmentes entstanden und lässt sich zurückführen auf die Grenz- falte (f. Fig. 1, 2, 3, 4, Taf. VII) zwischen Kopflappen und Mittel- theil des Segmentes im Stadium A. — Diese Ectodermfalte geht in die Bildung des Nervensystems mit ein, indem sich ihre Zellen in Ganglienzellen verwandeln. Wir sehen ferner an diesem Querschnitte, dass die Median- linie des Keimstreifens zweimal getroffen ist, auf der ventralen Seite die Mundöfinung, auf der dorsalen eine tiefe Furche zwischen den beiden Hälften des Gehirns darstellend. Auch auf dem Schnitte (Holzschn., Fig. 1), weleher durch das vorderste Ende des Embryo, an der Umbiegungsstelle des Keim- streifens geführt ist, erkennen wir die vollkommene Trennung der beiden Gehirnhälften, ebenso auf einem Schnitte aus der Gegend hinter der Mundöffnung (Fig. 1, Tafel VIIN). An letzterem sehen wir den Seitenstrangtheil, von dem Kopflappentheile durch Elemente des mittleren Keimblattes getrennt, den vordersten Theil der Schlundeommissur repräsentiren. Der Kopflappentheil des Gehirns zeigt noch deutlich die Spuren der Zusammenrollung, denn die Spalte sp wird von den früher dem Dotter zugekehrten Flächen des Gehirns begrenzt. Die Trennung des Gehirns in zwei vollkommen von einander gesonderte Seitenhälften persistirt noch bis in die spätesten Sta- dien der Embryonalentwicklung. Die segmentweise auftretenden Einstülpungen, welche die Anlagen des Tracheensystems repräsentiren, treten nicht nur in den Segmenten des Thorax und des Abdomen auf, wie bisher angenommen wurde, sondern auch in den drei Segmenten der Mundtheile. Die Entstehungsweise der Tracheen am Thorax und Abdomens stimmt mit dem von Kowalevski bei Hydrophilus ') und dem von Kowalevski !) und Bütschli?2) bei der Biene beobachteten Modus !) Kowalevski, 1. c. *) Bütschli, Entwicklungsgeschichte der Biene, Zeitschr. f. w. Z., Bd. XX. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 125 Fig. 1. Fig. 2. Querschnitt von demselben Embryo, wie die auf Taf. II abgebildeten. Fig. 1. Querschnitt aus dem vordersten Theile des Kopfsegmentes. *°°/,. K, Gehirn. Ob, Oberlippe. At, Antenne (hier nur angeschnitten). Fig. 2. Querschnitt durch die Mitte des Kopfsegmentes. *°°/,. K, Kopflappentheil S, Seitenstrangtheil des Gehirns F, accessorische, eingestülpte Falte M, Mundöffnung m, Mesodermmasse. 126 Berthold Hatschek, vollkommen überein. Sie bilden sich als drüsenähnliche Ein- stülpungen des Ektoderms. Als solche werden sie schon im Stadium B gefunden. Anfänglich einfache Cylinder, beginnen die Einstülpungen später unterhalb des Ektoderms sich flächenhaft auszubreiten (Fig. 2, Taf. IX), so dass sie einander entgegen- wachsen und schliesslich zur Bildung der seitlichen Längsstämme des Tracheensystems zusammentreten. An den Körpersegmenten, welche die erste und zweite Maxille tragen, ist das Verhältniss ihrer Form abweichend, da die Tracheenanlagen hier in innigster Beziehung zu den Extremitäten stehen, indem sie aus Falten- bildungen an der äusseren Seite der Extremitäten entstehen. Fig. 3 und 4, Taf. VIII, und Fig. 1 Taf. IX zeigen uns drei aufeinanderfolgende Schnitte durch die Tracheenanlage des Seg- mentes der ersten Maxille. Wir sehen auf Fig. 3 das vordere bereits in der Abschnürung begriffene Ende der Tracheenfalte, auf Fig. 4 sehen wir die Tracheenfalte noch durch eine solide Zellbrücke im Zusammenhang mit dem Epithel, auf (Fig. 1, Taf. IX) sehen wir den hintersten Theil der Tracheenfalte, wo sie durch eine Oeffnung nach aussen communicirt. Diese Oeff- nung stellt uns eine embryonale Stigmenöffnung dar, die freilich an dieser Stelle später verschwindet. Ganz ähnlich verhält sich die Tracheenanlage im Segmente der zweiten Maxille. Wieder anders gestaltet sich die Tracheeneinstülpung an dem Mandibelsegmente, indem dieselbe hier (im Stad. C) eine taschen- förmige Einstülpung darstellt, welche nicht an der äusseren, sondern mehr an der hinteren Seite der Extremität gelegen ist (Taf. VIII, Fig. 2, vergl. Tafelerklärung), und deren ziemlich parallele Wände in die Ebene des Querschnittes fallen. Diese Einstülpung bildet später den vorderen Abschluss der seitlichen Längsstämme. Die Spinndrüsen werden im Stadium C schon als ziemlich lange, röhrenförmige Einstülpungen gefunden, die von dem Unter- lippensegmente bis in die mittleren Segmente des Abdomen reichen. Die Einstülpungsstelle ist am vorderen inneren Winkel der zweiten Maxille, also am vierten Körpersegmente gelegen. Wir sehen auf dem Querschnitte (Taf. IX, Fig. 5, vergl. Tafelerkl.) an der inneren Seite der Extremität die Spinndrüseneinstülpung, an der äusseren Seite die faltenförmige Tracheenanlage. Die Speicheldrüsen finden sich als ganz kurze Röhren von etwas bedeutenderem Durchmesser als die Spinndrüsen; sie stülpen sich im Segmente der Mandibeln, und zwar an ganz genau ent- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 4187 sprechender Stelle ein, wie die Spinndrüsen, das ist am vorderen inneren Rande der zugehörigen Extremität. Die Speicheldrüsen sind daher nicht als Differenzirungen des Vorderdarmes, sondern als Hautdrüsen im engeren Sinne aufzufassen. Der Darmkanal in seinen drei genetisch von einander ver- schiedenen Theilen ist in der Entwicklung vorgeschritten. Der Oesophagus (Vorderdarm) entstand als eine Einstülpung des Ektoderms. Wir haben ihn im Stadium A als eine seichte, zwischen den Antennen gelegene Vertiefung des Kopfsegmentes kennen gelernt. Im Stadium B hat sich der Oesophagus bedeutend vertieft und zeigt eine abgeplattete Form, dadurch dass seine vordere und hintere Wand sich einander bedeutend angenähert haben. Im weiteren Verlaufe der Entwicklung wächst der Oeso- phagus bedeutend in die Länge, indem er sich zugleich nach hinten krümmt; sein Querschnitt wird nun rundlich, sein Lumen zeigt sonderbare Complicationen. Zugleich entsteht eine Diffe- renzirung seines hinteren Endes. Dieses zeigt sich zuerst von hinten her abgeplattet und tellerförmig verbreitert. Die Ränder dieses verbreiterten Hinterendes schlagen sich sodann faltenartig nach vorne, während der mittlere Theil desselben, welcher das blinde Ende des Oesophagus darstellt, sich membranartig ver- dünnt, indem seine Zellen sich bedeutend abplatten und dadurch den Durchbruch des Oesophagus gegen den Mitteldarm vorbe- reiten (vergl. Längsschn. Fig. 6, Taf. IX, Querschnitte 1, 2, 3, 4, Taf. VIII u. 1, Taf. IX). Die Zellmasse, die wir im Stadium A als Entoderm bezeich- neten, repräsentirt die Anlage des Mitteldarms. Im Stadium B sind die früher kleinen und durch gegenseitigen Druck polygo- nalen Zellen durch Aufnahme von Nahrung aus dem Dotter, wie man annehmen muss, mächtig aufgebläht. Sie sind noch immer auf das Kopfsegment beschränkt, wo sie der Wand des Oesophagus anliegen. Im Stadium C hat sieh sowohl der Charakter, als auch der Verbreitungsbezirk dieser Zellen geändert. Zum grossen Theil sehen wir sie freilich noch als grosse Zellen mit zahlreichen Fett- tröpfehen im Innern der ventralen Seite des Oesophagus anliegen, mit welcher sie aber schon in die nächsten Segmente gerückt sind. (EZ auf Taf. VIII u. IX.) Zugleich finden wir aber etwas kleinere Zellen von unregelmässigen Umrissen mit äusserst durch- sichtigem Protoplasma (ez, Taf. VII u. IX); aber auch alle Ueber- gänge von einer Zellart zur anderen, so dass die kleineren Zellen für Abkömmlinge der grossen gehalten werden müssen. Sowohl 128 Berthold Hatschek, ihrem Aussehen als auch ihrer zusammenhanglosen Verbreituug nach halte ich die kleineren Zellen für amöboid; sie werden in grösster Menge im vorderen Theil des Embryo in der Nähe der grossen Entodermzellen gefunden, nach hinten werden sie immer spärlicher, kommen aber noch, dem Keimstreifen entlang, bis in die Gegend des Hinterdarms vor. Diese amöboiden Entoderm- zellen haben die grösste Aehnlichkeit mit den später die ganze Leibeshöhle und das Herz erfüllenden Blutzellen. In dem vorderen Theile des Embryo beginnen sich die Zellen des Entoderms zu- erst dort, wo der Oesophagus endet, zur Bildung des Mitteldarmes aneinanderzureihen. An dieser Stelle habe ich noch eines Gebildes zu gedenken, das aller Wahrscheinlichkeit nach von Zellen des Entoderms ge- bildet ist. Im Stadium © findet sich nämlich zu jeder Seite des Keimstreifens eine mächtige, röhrenförmige Drüse, mit spalt- förmigem Lumen, die am hinteren Ende des Oesophagus befestigt ist — (sie scheint an ihrer Anheftungsstelle sich in denselben zu öffnen) — und sieh nach hinten über die Mitte des Abdomen hinaus bis in die Gegend des Hinterdarmes erstreckt. Die Beschaffen- heit ihrer Zellen nach halte ich die Drüse für ein Entoderm- gebilde. Wir sehen sie auf dem Querschnitte Fig. 1 u. 2, Taf. IX; ihr Verhältniss zum Oesophagus lässt sich auf dem Frontalschnitte Fig. 8, Taf. IX und dem Sagittalschnitte Fig. 6b, Taf. IX er- kennen. Ueber den späteren Verbleib dieses provisorischen Ge- bildes habe ich nichts Sicheres gefunden; die Drüse scheint in wenig älteren Stadien schon rückgebildet zu werden, da ihr Lumen von hinten her allmählich schwindet, und ihre Zellen die regelmässige Anordnung verlieren. Vielleicht betheiligen sich dieselben am Aufbau des Mitteldarmes. Der Hinterdarm entsteht als eine Einstülpung des Ektoderm am hinteren Ende des Keimstreifens; diese Einstülpung ist von Anfang an mit einer continuirlichen Zellenlage des Mesoderm ver- sehen. Im Stadium B ist der Hinterdarm eine kurze, runde Röhre, mit vorderem kuppelförmig geschlossenem Ende. Im Stadium C zeigt der Hinterdarm mancherlei Verände- rungen. Seine Lumen bildet jetzt eine regelmässig sechseckige Figur; auch hat er an Länge bedeutend zugenommen. Die wich- tigste Veränderung aber ist die Bildung der Malpighi’schen Drüsen, die als Ausstülpungen des Hinterdarms ihren Ursprung nehmen. !) ') Die Malpighi’schen Drüsen wurden von Bütschli (l. ec.) mit Destimmt- Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 129 Wir finden im Stadium C schon 6 Malpighi’sche Drüsen, jeder- seits drei, die nach hinten zurückgebogen, rings um den Hinter- darm auf dem Querschnitte sich zeigen (M, Fig. 3und 4 Taf. IX). Die drei Malpighi’schen Drüsen jeder Seite münden durch ein gemeinschaftliches Anfangsstück in das blinde Ende des Hinter- darmes. Die Art dieser Einmündung zeigt uns ein Querschnitt aus dem vordersten Ende des Hinterdarms (Fig. 7, Taf. IX). Das mittlere Keimblatt hat im Stadium B zwar an Volumen zugenommen, zeigt aber noch immer dieselben Formverhältnisse, wie im Stadium A; die Höhle h ist nur noch klaffender und deut- licher geworden und es haben sich die Höhlen der benachbarten Segmente durch ihre Vergrösserung einander angenähert. Im Stadium C sind schon bedeutend veränderte Verhältnisse des Mesoderm! eingetreten. Die Zellen des Mesoderms sind über- all vermehrt und verkleinert; sie sind nirgends mehr plattenartig angeordnet, sondern bilden mehr massige Zellanhäufungen, die schon wieder in differente Zellgruppen zu zerfallen scheinen. Die für die früheren Stadien so charakteristische Höhle h ist fast vollständig geschwunden. Nur auf manchen Schnitten des Ab- domen habe ich noch Spuren derselben angetroffen (Fig. 2, Taf. IX). Auch die Höhle der Extremitäten ist rückgebildet, indem das Mesoderm auch in diesen eine massige Anordnung zeigt und hier und da einen Zerfall in Zellgruppen erkennen lässt. Die Spinndrüsen und die grossen Entodermdrüsen liegen im Stadium C noch frei nach innen vom Mesoderm in der Dotter- höhle (Fig. 2, Taf. IX); ebenso die Malpighi’schen Drüsen zwi- schen der Mesodermmasse der Segmente und dem Mesoderm des Hinterdarmes. Das Mesoderm des Oesophagus, welches von der paarigen Zellmasse im Stadium A (Fig. 3, Taf. VI) abstammt, bildet im Stadium C eine unpaare Auflagerung seiner dorsalen Fläche (Fig. 2, Taf. VIII). Im Inneren derselben kann man einen abge- heit für Ausstülpungen des Hinterdarmes erklärt. Diese Entstehung wurde neuerdings von Dohrn (Zeitschr. f. w. Z., Bd. XXV) für die Insecten be- stätigt und von Metschnikoff bei den Myriopoden nachgewiesen (Zeitschr. f. w. Z., Bd. XXIV u. XXV). Die Angabe Kowalevski’s, dass die Malpighr’- schen Drüsen als Ausstülpungen des Mitteldarmes entstehen (bei Hydrophilus), ist als irrthümlich anzusehen. — Mit dieser Entstehung stimmt auch das Ver- halten der Malpighi’schen Drüsen bei den Insectenlarven mit blindgeschlossenem Mitteldarm (Apis, Ichneumon, Melophagus, Myrmeleon u. a.) Bd. XI. N. F. IV. 1. 9 130 Berthold Hatschek, grenzten Zellstrang erkennen, dessen Bedeutung mir unbekannt ist (Fig. 1, 2, 3, Taf. VID. Die Mesodermzellen, die den Hinterdarm überziehen, bildeten im Stadium B eine einfache epithelartige Schichte. Jetzt (Stad. C) zeigen sie schon, mehrfach geschichtet, die concentrische Anord- nung der späteren Ringmusculatur; sie setzen sich nicht auf die Malpighi’schen Drüsen fort. Es bleibt mir noch übrig, einige Bemerkungen über die Seg- mentirung des Embryo hinzuzufügen. Wir unterscheiden ein Kopfsegment (im engeren Sinne), welches die Mundöffnung und die Antennen trägt, und 16 weitere Segmente, durch welche die Anlage des Centralnervensystems sich erstreckt. Von diesen 16 tragen die 14 vorderen Segmente Tracheeneinstülpungen; an den zwei letzten Segmenten entstehen keine Tracheenanlagen. Vom letzten Segmente gliedert sich überdies noch ein End- stück ab (Aftersegment), welches aber den anderen Segmenten nicht gleichwerthig ist, weil sich die Anlage des Nervensystems nicht in dasselbe hineinerstreckt; es zeichnet sich durch zwei end- ständige, zu den Seiten des Afters mehr ventral gelegene Fort- sätze aus (Fig. 4, Taf. IX). Der Schluss des Rückens beginnt zuerst am hinteren Ende des Embryo. Im Stadium C hat er sich ungefähr auf drei Seg- mente erstreckt. Ich habe die Dotterelemente in der bisherigen Beschreibung unerwähnt gelassen. In dem Stadium A und B liegt der Dotter dicht an dem Keimstreifen, während er im Stadium C von dem- selben zurückgezogen ist, so dass die nächste Umgebung des Keimstreifens frei von Dotterelementen ist; die Stelle derselben scheint von einer durch die Härtungsreagentien geronnenen Flüssig- keit eingenommen zu sein. Nur in dem Abschnitte zwischen Oesophagus und Hinterdarm liegen 3 Reihen Dotterballen, welche von der übrigen Dottermasse abgetrennt sind und später in den Mitteldarm eingeschlossen werden. Ueber die Natur der Dotterballen und Dotterelemente will ich mich nicht näher aussprechen, da ich die Fragen, die sich mir während der Untersuchung aufdrängten, an dem vorhandenen Materiale nicht zu lösen vermochte. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren, 431 II. Theoretische Betrachtungen. Die Verwandtschaftsbeziehungen der Anneliden, Crustaceen und Tracheaten werden uns — auch wenn wir die übrigen Or- ganisationsverhältnisse ausser Acht lassen — durch die Betrach- tung des Nervensystems allein als unzweifelhaft nahe erscheinen. Die Homologie der Bauchganglienkette in diesen drei Klassen muss unserer jetzigen Kenntniss gemäss festgehalten werden, und sie muss, wie ich glaube, jeder Speculation über den genetischen Zusammenhang der drei betreffenden Thierklassen als Grund- satz gelten. Eine genealogische Theorie, welche gegen dieses Prineip ver- stösst, scheint mir, mit den Thatsachen im Widerspruche stehend, unhaltbar zu sein. Die Naupliustheorie von Fritz Müller!) verstösst in ihren Consequenzen gegen dieses Prineip. Die Naupliusform, die uns nach diesem Forscher die Urtorm der Crustaceen vorstellen soll, kann keine Bauchganglienkette besessen haben; es müsste sich diese demnach bei den Crustaceen erst im Laufe der phylogene- tischen Entwicklung (bei Entstehung der Segmente) gebildet haben. ?) Da wir nicht annehmen können, dass die Anneliden von Crustaceen abstammen, so wäre nach der Naupliustheorie die Ganglienkette der Crustaceen unabhängig von derjenigen der An- neliden entstanden, daher derselben nicht homolog (in dem strengen Sinne der Homophylie). Da wir aber an der Homologie der Ganglienketten festhalten, müssen wir uns die Stammform der Crustaceen aus den Anneliden hervorgegangen denken. Zweifellos hatte die Stammform der jetzt lebenden Crustaceen die Naupliusform als ontogenetisches Stadium zu durchlaufen. Von dieser Stammform hat sich sodann der Nauplius als ontogenetisches Stadium auf die jetzt lebenden Crustaceen vererbt. °) ) Fritz Müller, Für Darwin, Leipzig 1864. 2) Vergl. Dohrn, Geschichte des Krebsstammes, Jen. Z. f. N., Bd. VII. 3) Dohrn, der in seiner Schrift „über die Stammesgeschichte der Krebse‘ sich der Naupliustheorie angeschlossen hat, lässt in seiner Ausführung sämmt- 9: 132 Berthold Hatschek, Die Abstammung der Tracheaten von Crustaceen scheint mir aus so vielen Gründen als die wahrscheinlichste, dass die Ein- wände, die neuerdings gegen den monophyletischen Ursprung der Arthropoden geltend gemacht wurden, dagegen kaum erheb- lich in’s Gewicht fallen. Wenn schon die typische Uebereinstimmung des Baues der Tracheaten und Crustaceen ihrenahe Verwandtschaft wahrscheinlich macht, und manche Organisationsverhältnisse, wie das zusammen- gesetzte Auge, der zweiästige Bau der Maxillen bei den Insecten, kaum anders als durch die Annahme eines monophyletischen Ur- sprungs erklärt werden können, so wächst die Anzahl der Be- weisgründe noch bedeutend, wenn wir die Entwicklungsgeschichte zu Rathe ziehen. Besonders die Entwicklung der höheren Cru- staceen zeigt auffallende Uebereinstimmung mit derjenigen der Insecten. Die superficiale Furchung, die charakteristische Art der Keimstreifenbildung, die übereinstimmende Entwicklung der Ex- tremitäten bieten die ersten Vergleichspunkte. Mit der Weiter- entwicklung des Embryo und der weiteren Differenzirung des Arthropodentypus mehren sich die Beziehungen. Das Auf- treten der Kopflappen ist hier von grösster Wichtigkeit. Vorder- und Hinterdarm zeigen in beiden Klassen während der embryo- nalen Entwicklung überraschende Aehnlichkeit; das späte Zu- sammentreten der Elemente des Entoderms zur Bildung des Mitteldarmes ist sowohl den Crustaceen, wie den Insecten eigen- thümlich (doch lassen sich hiermit schon die Verhältnisse bei Euaxes und anderen Anneliden vergleichen). Dabei dürfte auch vielleicht auf die embryonale Entodermdrüse der Lepidopteren auf- merksam gemacht werden, die ich der Leber der Crustaceen für homolog halte, mit welcher sie auch in ihrem frühen Auftreten (dem Mitteldarm gegenüber) übereinstimmt. !) Das abgegliederte Endstück des letzten Segmentes bei dem Inseetenembryo ist in zwei ventrale Fortsätze ausgezogen. Das frühe Auftreten und die Lagerungsverhältnisse dieser Anhänge be- rechtigen uns, sie den Furcalanhängen der Crustaceen zu ver- gleichen. liche bekannte Crustaceen von Phyllopoden abstammen. Die hypothetische Ahnenreihe vom Nauplius bis zu den Phyllopoden erweist sich als überflüssig, wenn man die phyllopodenähnliche Stammform der Crustaceen direct von den Anneliden ableitet. !) Vergl. Bobretzky, Entwicklung des Oniscus murarius, Zeitschr. f. w. Z., Bd. XXIV, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 133 Die Extremitäten der Arthropoden gehören sämmtlich der ventralen Seite an. Auch die Antennen entstehen an der ven- tralen Seite und rücken erst durch secundäre Vorgänge auf die Rückenfläche. !) Bei eingehender Vergleichung der Extremitäten der Crusta- ceen und Tracheaten ergeben sich Schwierigkeiten, die ich in Nachfolgendem erörtern will. Die weitgehendste und auffallendste Veränderung hat unter den als Mundtheile verwendeten Extremitäten die Mandibel erlangt. Ihr morphologisches Verhalten ist in der ganzen Gruppe der Ar- thropoden ein so übereinstimmendes, dass sie mit Recht schon durch den Namen als homolog bezeichnet wird. — Nun finden wir aber vor der Mandibel bei den Crustaceen 2 Antennen, wäh- rend den Tracheaten ?) nur eine zukommt. — Wenn wir nach einem festen morphologischen Anhaltspunkt bei Vergleichung der Antennen suchen, so werden wir ihn am besten in der Entwick- lungsgeschichte finden. Sowohl die Antenne der Insecten, als auch die erste Antenne der Crustaceen entwickelt sich am Embryo genau zu den Seiten der Oesophaguseinstülpung. Wir können demnach dieselben als die Extremitäten des Mundsegmentes für einander homolog halten. °) Schwieriger ist es, die Bedeutung der zweiten Antenne der Crustaceen und ihr Fehlen bei den Tracheaten zu erklären. Wir sehen am Embryo der Krebse (Rathke), nachdem die erste Antenne und die Mandibel angelegt ist, dazwischen die Anlage der zweiten Antenne auftreten. *) Es ist denkbar, dass das Körper- segment, welchem diese Extremität angehört, durch eine Knospung des ersten oder Mundsegmentes entstanden sei. Der Ausfall der zweiten Antenne bei den Tracheaten wäre vielleicht durch eine Rückbildung dieses Knospungsprocesses zu erklären. Bei den Arachnoiden ist auch die Extremität des Mundseg- 1) Strenggenommen könnten die Flügel der Insecten dorsale Extremitäten genannt werden, doch glaube ich, dass diese Ausdrucksweise besser vermieden wird, da sie eine Uebereinstimmung mit den uralten ventralen Extremitäten andeutet, welche durch Fritz Müller (Jen. Zeitschr. f. Naturwissensch, Bd. IX) in klarer Weise widerlegt wurde, 2) Die abweichenden Verhältnisse der Arachnoiden wollen wir weiter unten berücksichtigen. 3) Die spätere Lageverändernng des äusseren Mundes kommt hier nicht in Betracht. *) Rathke, Entw. d. Flusskrebses, Leipzig 1829, 134 Berthold Hatschek, mentes verloren gegangen, wie es die Entwicklungsgeschichte klar beweist. Man hat freilich die Kieferfühler der Arachnoiden mit den Antennen parallelisiren wollen und gegen die Homo- logisirung derselben mit den Mandibeln der anderen Tracheaten die Innervation vom oberen Schlundganglion geltend gemacht. Wie wenig dieser Umstand aber beweist, ergiebt sich aus der Ent- wicklungsgeschichte der Lepidopteren, die uns zeigt, dass die Mandibeln der Inseeten an einem Segmente entstehen, dessen Nervenanlage zur Schlundeommissur wird. So gut nun aber die Ursprungsstelle des Mandibelnerven bei den Inseeten in das Gang- lion des nächst folgenden Segmentes (unteres Schlundganglion) verlegt wurde, eben so gut kann sie auch bei den modifieirten Gestaltungsverhältnissen der Arachnoiden in das vorhergehende gerückt sein. Vielleicht wird sich beim Peripatus, dem wahrscheinlich ur- sprünglichsten der jetzt lebenden Tracheaten, eine von Moseley !) jüngst beschriebene Bildung als Rudiment der zweiten Antenne erweisen, ich meine die secundär entstehende Extremität, die später in die Bildung des Mundringes mit eingeht. Moseley deutete sie als Mandibel.e. Doch scheint mir, dass die darauf- folgende Extremität, die in den Mundring eingeschlossen wird, ihrem Bau und ihrer Lage nach für die Mandibel gehalten werden muss. Moseley deutete diese als erste Maxille. Die darauffolgende Extremität wollte er mit Rücksicht auf die an ihrer Basis mün- dende Drüse dem Kieferfuss der Scolopendern und zugleich der zweiten Maxille der Insecten vergleichen. Doch ist schon die Vor- aussetzung unrichtig, da doch der Kieferfuss der Scolopendern nicht der zweiten Maxille der Insecten, sondern dem ersten Beinpaare derselben homolog ist. Ueberdies wird durch die Entwicklungs- geschichte bewiesen, dass die Speicheldrüsen, die an der Basis der Mandibeln sich einstülpen, und die Spinndrüsen, die an der entsprechenden Stelle der zweiten Maxille bei der Raupe ent- stehen, als homodyname Organe zu betrachten sind, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei denjenigen Inseceten, welche 3 Paar Speicheldrüsen besitzen, auch an der ersten Maxille sich gleichwerthige Drüsen entwickeln. ?) !) Moseley, On the Structure and Development of Peripatus capensis. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Vol. 164. pt. 2, 1874. ?) In ähnlicher Weise münden auch die Schalendrüsen des Argulus; Claus, Zeitschr. f. w. Z., Bd. XXV, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 135 Bütschli!) hielt die Spinndrüsen den Tracheenanlagen der hinteren Segmente für homolog; doch ist diese Ansicht gewiss dadurch wiederlegt, dass ich auch an denjenigen Segmenten, an denen die Drüsen sich entwickeln, Tracheeneinstülpungen gefunden habe und zwar an der äusseren Seite der Extremität, — wie in den anderen Segmenten — während die Drüsenöffnung an der inneren Seite sich befindet. (Fig. 5, Taf. IX). Ihrer allgemeinen Bedeutung nach sind die Tracheen, wie es auch die Entwicklungsgeschichte wahrscheinlich macht, auf Oberflächenvergrösserung respiratorischer Hautstellen zurückzu- führen, die, den Verhältnissen der Luftathmung gemäss, als Ein- stülpungen in das Innere des Körpers verlegt wurden. Die An- nahme eines Functionswechsels von Hautdrüsen (Moseley) scheint mir gezwungen und überflüssig. Uebrigens hat die Theorie des Tracheensystems durch die Entdeckung Moseiey’s eine unerwartete Wendung genommen, derzufolge bei Peripatus ein Tracheensystem vorkommen soll, das aus einer grossen Anzahl von Büscheln besteht, die durch eine eben so grosse Anzahl von Stigmenöffnungen ziemlich regellos an der Körperoberfläche ausmünden. Sollte sich diese Angabe be- stätigen, dann müssen wir natürlich in Uebereinstimmung mit Moseley die bestimmte Gruppirung der Stigmenöffnungen und Hauptstämme und sogar die regelmässige Anordnung der Tracheen- einstülpungen am Embryo der Insecten für secundäre Differen- zirungen halten. Von diesem Gesichtspunkte müssen denn auch die Tracheen- falten, die bei den Lepidopteren an den beiden Segmenten der Maxillen entstehen, als secundäre Bildungen aufgefasst werden, obwohl ich anfangs geneigt war, sie für die ursprüngliche Form der Tracheenanlage zu halten. Nachdem ich im Vorangehenden meine Ansicht über den genetischen Zusammenhang der Anneliden, Crustaceen und Tra- cheaten dargelegt habe, mag es erlaubt sein, von diesem Stand- punkte aus die Verhältnisse des Mesoderms und der Leibeshöhle, so wie die Entwicklungsgeschichte des Nervensystems in Be- trachtung zu ziehen. ‘) Entwicklungsgeschichte der Biene, Zeitschr. f. w. Z., Bd. XX. 136 Berthold Hatschek, Die Uebereinstimmung der frühen Formverhältnisse des mitt- leren Keimblattes der Arthropoden mit denen der Anneliden ist schon von Metschnikoff erkannt worden. Metschnikoff äussert sich: „Bei Strongylosoma und wahrscheinlich bei den Chilognathen“ „(vielleicht auch bei Chilopoden) überhaupt theilt sich ein Theil“ „des zweiten Blattes in mehrere „,„urwirbelartige Segmente,“ ‚deren embryologische Bedeutung unverkennbar ist. Solche Körper“ „fand ich zuerst bei Scorpio (unter den Anneliden wurden sie“ „nachher von Kowalevski bei mehreren Oligochaeten nachge-“ „wiesen); später konnte ich sie bei den Araneiden, Phalangiden,“ „bei Mysis und einigen anderen Crustaceen beobachten. In seinem“ „neueren Werke beschreibt Kowalevski eine Spaltung des“ „zweiten Blattes, die er aber für etwas ganz Anderes hält, indem“ „er bei den von ihm untersuchten Inseeten (Hydrophilus, Apis)“ „keine urwirbelartigen Segmente nachweisen konnte. Ich kann“ „auf Grund eigener Beobachtungen angeben, dass diese Bestand-“ „theile des zweiten Blattes bei mehreren Inseceten, z. B. bei“ „Pteromalinen, fehlen; indessen habe ich die „urwirbelartigen‘“ „Körper“ ganz deutlich bei den Teremitenembryonen gesehen,“ „so dass die Existenz dieser provisorischen Gebilde in der Klasse“ „der Insecten ausser Zweifel gestellt werden muss.“ !) Neuerdings hat Metschnikoff auch bei den Chilopoden die- selben Anlagen nachgewiesen. Während die Höhlen der „urwirbelartigen Segmente“ bei den Anneliden in der segmentirten Leibeshöhle persistiren, re- präsentiren sie bei den Arthropoden nur einen Theil der defini- tiven Leibeshöhle Ueber die Umbildung dieser embryonalen An- lagen bei den Arthropoden verdanken wir Metschnikoff wichtige Angaben. Bei den Lepidopteren tritt nun nach meiner Beobachtung eine sehr frühzeitige Rückbildung der segmentirten Leibeshöhle ein. Dabei muss ich jedoch eine Abweichung meiner Dar- stellung von derjenigen Metschnikoff’s hervorheben. Metschni- koff stellt ‚die Höhlen der Extremitätenanlagen als Fortsetzungen der Höhlen der urwirbelartigen Segmente dar. Die von mir bei den Insecten beschriebenen Verhältnisse stimmen hiermit nicht überein. Ich glaube, dass diese Differenz auf einen Irrthum Metschnikoff’s zurückzuführen sein wird, der sich durch den !) Metschnikoff, Embryologie der doppeltfüssigen Myriapoden, Zeitschr. f. w. Z., Bd. XXIV, p. 277. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 137 Mangel der Schnittmethode bei seinen Untersuchungen erklären würde. Die Vorgänge der Entwicklung des Nervensystems, die ich bei den Lepidopteren schilderte, sind nicht etwa auf diese kleine Gruppe beschränkt, wie man vielleicht glauben könnte, wenn man die bisherigen Angaben über die Entwicklung des Nervensystems der Inseeten zu Rathe zieht. So hätte es z. B. nach der Darstellung, die Kowalevski von Apis mellifica !) gegeben hat, den Anschein, als wenn bei den Hymenoptern keine Spur einer Ektoderm-Einstülpung vorhanden sei; doch habe ich mich gerade hier vom Gegentheil überzeugen können, indem mir mein Freund, Herr Stud. Reichen- bach, Präparate von Embryonen der Vespa vulgaris vorgelegt hat, nach denen sich die Bildung des Centralnervensystems hier ebenso verhält, wie ich sie bei den Schmetterlingen gefunden habe, die Uebereinstimmung ist so vollständig, dass die Seitenstränge, der eingestülpte Mittelstrang und die Differenzirung der Gang- lienkette gerade so wie bei den Lepidopteren auftreten. Bei Hydrophilus kann man selbst an den Zeichnungen Kowalevski’s ähnliche Verhältnisse erkennen. Es hat sogar den Anschein, als wenn wesentlich dieselbe Entstehungsweise sämmtlichen Arthropoden zukomme; die Quer- schnitte des embryonalen Bauchstrangs höherer Crustaceen ?) zeigen wenigstens so ähnliche Umrisse und auch in Bezug auf die Lage der ersten Längsfaserstränge (feinkörnige Substanz, Bobretzky) so übereinstimmendes Verhalten mit den Inseeten, dass auch für sie die gleiche Entwicklung des Bauchstranges sehr wahrscheinlich wird. Für die Anneliden können wir aus den vorliegenden Beob- achtungen Kowalevski’s allerdings keinen sicheren Schluss ziehen; allein immerhin ist das Auftreten einer Primitivfurche und die anfangs aus zwei getrennten Strängen bestehende Anlage des Bauchmarks bedeutsam. An einer Zeichnung Kowalevski’s ist auch auf einem späteren Stadium eine Dreitheilung des Bauch- stranges zu erkennen (Mittelstrang, Seitenstränge), (ec Taf. VII, Fig. 27). Wenn man dann weiter auch den vollkommen homo- !) Kowalevski, 1. c. ?) Bobretzky, Beiträge zur Embryologie der Arthropoden, Kieff 1875 (Russisch und deshalb mir mit Ausnahme der Tafelerklärung unbenutzbar ge- blieben); und Ders., zur Embryologie des Oniscus murarius, Zeitschr. f.w. Z., Bd. XXIV, 138 Berthold Hatschek, 3 logen Bau der Bauchganglienkette der Anneliden und derjenigen der Arthropoden in Betracht zieht, dann dürfte, wie ich glaube, wohl zulässig sein, auch hier auf die gleiche Entstehungsweise zu schliessen. Diese Voraussetzungen, die hoffentlich bald durch Beobach- tungen bestätigt sein werden, liegen der nachfolgenden theore- tischen Betrachtung zu Grunde. Dass unsere bisherigen morphologischen Anschauungen vom Centralnervensystem der Arthropoden durch die Entwicklungs- geschichte nicht bestätigt werden, bedarf nach voranstehenden Beobachtungen keines weiteren Nachweises. Die neuen Erkennt- nisse zwingen zu einer neuen Auffassung. Ich will es versuchen, eine theoretische Erktärung dieser Entwicklungsvorgänge im Sinne der Descendenzlehre zu geben. lch gebe die nachfolgenden Betrachtungen mit dem vollen Bewusstsein, dass sie — wie dies ja bei der geringen Erfahrungsbasis, die unsere jetzigen ontogene- tischen Kenntnisse darbieten, nieht anders möglich ist — durchaus hypothetischer Natur, trotzdem aber, wie ich glaube, es verdienen, den bisherigen Anschauungen gegenübergestellt zu werden. Die erste Anlage des Nervensystems ist, wie früher nachge- wiesen wurde, von zwei in der ganzen Länge des schon ge- gliederten Embryo auftretenden Strängen gebildet. — Wir können uns diesem Stadium entsprechend eine Stammform der Artieulaten vorstellen, ein bilaterales, gegliedertes T'hier, das mit zwei durch die ganze Länge des Körpers verlaufenden Strängen des Central- nervensystems versehen ist. Die Stränge sind zu beiden Seiten der Mittellinie gelegen und charakterisiren die Körperseite, der sie angehören, als Neuralseite. Die Mundöffnung liegt auf der Neuralseite. — Eine vor dem Munde gelegene Commissur zwischen den beiden Seitensträngen ist anzunehmen. !) Wir könnten uns diese Urform der Artieulaten, deren sonstige Örganisationsverhältnisse wir hier unberücksichtigt lassen, viel- leicht von einer Nemertinen-ähnlichen Form abgeleitet denken. In dem nächsten ontogenetischen Stadium kommt zu den ur- sprünglichen Seitensträngen durch Einstülpung vom Ektoderm noch ein mittlerer Theil hinzu, der nach vorne bis zur Mundöffnung reicht (Mittelstrang). Das Üentralnervensystem stellt in diesem Stadium ein Medullarrohr mit seitlich verdickten Theilen (den ') Die Commissur zwischen den beiden Gehirnhälften tritt erst sehr spät bei den Insecten auf (vielleicht nach Art peripherischer Nerven). Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 139 Ur-Theilen oder Seitensträngen) dar; das Medullarrohr reicht bis zur Mundöffnung, die Seitenstränge setzen sich darüber hinaus bis in den vordersten Theil des Keimstreifens fort. Diesem ontogenetischen Stadium vollkommen entsprechend finden wir das Central-Nervensystem der Sipunculiden, deren Bauch- strang sogar einen Üentralcanal einschliesst. Die Sipuneuliden stehen demnach in Bezug auf den Bau ihres Nervensystems der Stammform der Articulaten am nächsten. Zugleich mit dem Mittelstrang tritt ontogenetisch der secun- däre Gehirntheil paarig in den Seitentheilen des vorderen Körper- endes auf, wie ein solcher schon bei Anneliden vorzukommen scheint. !) Aus dem continuirlichen Bauchstrange bildete sich dann durch weitere Differenzirung die Bauchganglienkette der Anneliden. Indem der Mittelstrang sich auf segementweise Anschwellungen beschränkt, während die dazwischenliesenden Theile desselben rückgebildet wurden, entstand die charakteristische Gliederung des Bauehstranges in Ganglien und Längscommissuren. Schlund- commissuren und secundäres Gehirn vervollständigen das Schema des Üentralnervensystems der Articulaten. Was das Nervensystem der hoch entwickelten tubicolen Anne- liden betrifft, deren Ganglienkette ein Auseinanderweichen der seitlichen Stränge des Nervensystems zeigt, so glaube ich, dass dieses Verhalten als eine secundäre Differenzirung anzusehen sei. Bei den Hirudineen, deren Abstammung von den Scoleinen mir bei Berücksichtigung von Branchiobdella kaum zweifelhaft er- scheint, zeigt das Centralnervensystem die gleichen Verhältnisse. Charakteristisch für die Hirudineen ist ein aus mehreren Ganglien des Bauchstranges hervorgegangenes unteres Schlundganglion und Schwanzganglion. Malacobdella muss meiner Ansicht nach aus der Gruppe der Hirudineen und wahrscheinlich der Anneliden überhaupt ausge- schieden werden. Das Nervensystem der Arthropoden wiederholt die typischen Verhältnisse der Anneliden. — Diejenigen Formen, welche die complieirte Metamorphose der niederen Crustaceen aufgegeben haben, Malacostracen (mit wenigen Ausnahmen) und Tracheaten, die einen grossen Nahrungsdotter besitzen und demgemäss ver- ?) Man müsste äber einen Unterschied machen zwischen einem secundären Gehirn und etwaigen Anschwellungen des primären Gehirns. 140 Berthold Hatschek, änderte Embryonalentwicklung zeigen, zeichnen sich durch mäch- tige embryonale Entwicklung der seitlichen Theile des vordersten Segmentes aus (Kopflappen), welche den secundären Gehirntheil liefern. Wir wollen nun das Nervensystem der Tracheaten specieller in Betracht ziehen. Das Nervensystem des Peripatus kann von unserem Stand- punkte aus nur als eine vom allgemeinen Typus der Articulaten abgeleitete Form aufgefasst werden. Alle Tracheaten zeichnen sich durch eine am Embryo auftre- tende, durch die Entwicklungsvorgänge des Gehirns bedingte Scheitelkrümmung aus, wodurch der Mund, nur von der Oberlippe überragt, an das Vorderende des Körpers rückt. Beim Seorpion ist diese Scheitelkrimmung von Metschnikoff beschrieben !) und an den bildlichen Darstellungen anderer Tracheatenembryonen meist nachzuweisen. Die seitlichen Einstülpungen des Ektoderm, die bei den In- seeten an der Bildung des Gehirns theilnehmen (Fig. 2, Taf. VIII), entstehen als Faltungen des Keimstreifens, die durch die mäch- tige Entwieklung des Gehirns bedingt sind. Ich halte sie für das Resultat einer jüngeren embryonalen Anpassung. Die Sehlundeommissur der Insecten entsteht aus demjenigen Theile der Seitenstränge, der dem postoralen Segment und dem hin- tersten Theile des oralen angehört. Dasselbe Verhalten möchte ich allen Tracheaten zuschreiben, da ihre Embryonen äusserlich eine grosse Uebereinstimmung im Baue der vorderen Segmente zeigen. Das untere Schlundganglion entsteht durch Verschmelzung der beiden Ganglien der Maxillensegmente. Die Verschmelzung dieser beiden Ganglien scheint durch eine sehr alte Vererbung den Inseeten überkommen zu sein, wie man aus einer merkwür- digen embryonalen Anpassung ersehen kann, welche bei der schon in einem frühen Stadium der Entwicklung erfolgenden Ver- schmelzung sich bemerkbar macht. Der zwischen den beiden constituirenden Ganglien gebildete interganglionäre Zapfen des Mittelstranges wird nämlich in die Masse des unteren Schlundganglion mit aufgenommen. Die Ver- schmelzung des unteren Schlundganglion hat hierdurch eine höhere morphologische Bedeutung erlangt, als die anderen postembryonalen !) Metschnikoff, Embryologie des Scorpions, Zeitschr, f. w. Z., Bd. XXL Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 1441 Verschmelzungen von Ganglien, zwischen welchen schon einzelne Theile des Mittelstranges fehlen. Bei den mannigfach complieirten Erscheinungen, die uns die Entwicklungsgeschichte des Nervensystems bei den Insecten dar- bietet, ist es von umso grösserer Wichtigkeit für die Theorie der Histiogenese, dass das Centralnervensystem in allen seinen Theilen vom äusseren Keimblatte abstammt. Ich bin weiterhin geneigt anzuehmen, dass von derselben Stammform, der Urform der Artieulaten, deren Nervensystem wir noch in der Gruppe der Sipuneuliden annährend erhalten finden, sich nach der einen Seite die Anneliden entwickelt haben, deren Bauchganglienkette sich durch Anpassung an die langgestreckte Form und hervorragende Gliederung des Körpers entwickelte, während nach einer anderen Richtung die Chordonier und als deren Nachkommen die Wirbelthiere sich abgezweigt haben. Schon mehrfach hat man in älterer und neuerer Zeit den Versuch gemacht, das Centralnervensystem der Anneliden mit dem der Wirbelthiere zu vergleichen und ihre Homologie nachzuweisen. So hat unter Anderen Leydig, der treffliche Kenner des Nerven- systems der Anneliden und Arthropoden, auf Grund vergleichend ana- tomischer Betrachtung nicht blos im Allgemeinen das centrale Ner- vensystem der Arthropoden dem der Wirbelthiere für homolog erklärt, sondern auch weiter die Vermuthung geäussert, dass das obere und untere Schlundganglion in seiner Gesammtheit als dem vom Schlunde durehbohrten Gehirn der Wirbelthiere an die Seite zu setzen sei. Er kommt dabei, zu einer Zeit, wo die Idee verzweigter Stammbäume noch nicht geläufig war, zu dem sonderbaren Satze: „Als hervorgegangen aus den Arthropoden oder als umgewan-“ „delte Arthropoden sind die Wirbelthiere, die höchststehende Form“ „der Jetztwelt zu betrachten“. !) Ebenso hat Semper ?) auf der Basis seiner Urnierentheorie „das gegliederte Bauchmark der Anneliden dem Rückenmark und Gehirn der Wirbelthiere identifieirt“, indem er die Ganglienkette für die ursprüngliche Bildung hält. Schliesslich hat Dohrn ’) diese Idee in seiner Schrift „über den Ursprung der Wirbelthiere“ verfochten. Dohrn hat hervorgehoben, dass der Mund der Wirbelthiere, !t) Leydig, Vom Bau des thierischen Körpers, Tübingen 1864, p. 114. 2) Die Stammesverwandtschaft der Wirbelthiere und Wirbellosen in: Ar- beiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut in Würzburg, Bd. Il, 1. Heft. ®) Dohrn, Der Ursprung der Wirbelthiere ete., Leipzig 1875. 149 Berthold Hatschek, auf der abneuralen Seite gelegen, auf eine umgewandelte Kiemenspalte zurückzuführen sei. Er kommt consequent zu dem Schlusse, dass die Wirbelthiere, bevor dieser Mund in Function getreten, einen anderen Mund gehabt haben müssten, der homolog dem Munde der Anneliden das Centralnervensystem durchbohrend auf der Neuralseite sich öffnete. Ich schliesse mich dieser An- schauung Dohrn’s an, wenn ich es auch für unzulässig halte, die Spuren dieser alten Oesophaguseinstülpung in der Fossa rhomboidalis constatiren zu wollen. Abgesehen davon, dass zu diesem kaum durch Gründe gestützten Vergleiche die Um- kehrung des Stammbaumes von den Selachiern bis zu den Chordoniern nöthig wird, ist zu beachten, dass der Mund der Articulaten dem ersten Segmente angehört, während die Fossa rhomboidalis gewiss viel weiter nach hinten liegt. Es ist also nicht der Mangel einer Schlundeommissur bei den Wirbelthieren zu betonen, sondern der Mangel einer auf der neuralen Seite gelegenen Mundöffnung; denn es ist leicht zu be- greifen, dass nach Rückbildung des ursprünglichen Oesophagus die früher durch denselben auseinandergehaltenen Seitenstränge sich zum vorderen Abschlusse des Medullarrohrs vereinigten. Von den genannten Forschern wurde das centrale Nerven- system der Wirbelthiere von dem der Anneliden abgeleitet. Die Entwicklungsgeschichte lehrt jedoch, dass dies nicht zulässig ist; vielmehr sind beide auf dieselbe Stammform zurückzuführen. Das Nervensystem der Anneliden entstand durch weiter differenzirte Gliederung und Hinzutreten einer secundären Ge- hirnmasse, das der Wirbelthiere ist dem ursprünglichen Typus viel ähnlicher geblieben und es ist die auffallendste Veränderung desselben auf Rückbildung der ursprünglichen Mundöffnung zu- rückzuführen. Denjenigen Autoren gegenüber, die sich gegen jede Ver- gleichung des Keimstreifens der Articulaten mit dem der Wirbel- thiere ausgesprochen haben !), mag Folgendes geltend gemacht werden. Bei denjenigen Thieren, deren Eier einer partiellen oder sehr ungleichmässigen Furchung unterliegen, sind in Folge der noth- wendig gewordenen Umwachsung des Nahrungsdotters Entwick- lunglungsvorgänge herbeigeführt, die uns, wie mir scheint, eine !) Am weitesten ist hierin Götte gegangen (Entw. d. Unke), dessen Aus- führungen zu einer ganz interessanten Axenverwirrung führen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren. 443 genauere Einsicht in manche Verhältnisse gestatten, als die ur- sprünglicheren an den total gefurchten Eiern. Vergleichen wir z. B. die Entwicklungsgeschichte von Salmo näch His!) und von Euaxes (Kowalevski l. e.) Bei beiden er- folgt die Vereinigung der Keimwülste (Schluss des Gastrula- mundes) in einer Linie, die der Mittellinie der späteren Neuralseite entspricht. Es lässt sich hieraus, wie ich glaube, die homologe Lagerung des Bauchstranges und des Medullarrohres erschliessen. Wenn sich die hier aufgestellten Hypothesen bewahrheiten sollten, worüber die entwicklungsgeschichtliche Forschung der nächsten Zeit entscheiden wird, so wäre eine grosse Gruppe bisher in unserem System auseinandergehaltener Formen monophyletisch erklärt, jene Gruppe nämlich, die aus den Anneliden, Arthropoden und Wirbelthieren sich zusammensetzt, und sich charakterisiren lässt als bilaterale, gegliederte Thiere mit Coelom, Blutgefäss- system und continuirlich durch alle Segmente sich erstreckender Anlage des Centralnervensystems. Sie zeigen ferner ihre Zu- sammengehörigkeit durch die Uebereinstimmung ihrer segmentalen Harnorgane, welche Semper zuerst bei den Wirbelthieren als homolog denen der Anneliden gedeutet hat. Am Schlusse dieser Betrachtungen fühle ich mich gedrängt, meinem verehrten Lehrer dem Herrn Professor Leuckart, für die vielfache Anregung, den Rath und die Unterstützung, die er mir während meines Aufenthaltes in Leipzig und in Bezug auf vor- liegende Arbeit gewährte, öffentlich meinen Dank auszusprechen. 1) His in Zeitschr. für Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. ]I., 1. Heft, 1875. Nachtrag. Durch eine Untersuchung über die Entwicklung des Central- nervensystems bei Lumbrieus, — die um 9 Monate später ange- stellt als vorliegende, dennoch dieser in der Veröffentlichung vorangegangen ist!) — habe ich meine hier ausgesprochenen Vermuthungen in Betreff der Entwicklung des Bauchstranges der Anneliden bestätigt gefunden. — Die Bildung des oberen Schlund- ganglion bei den Insecten wurde mir aber erst durch die Er- kenntniss der äusserst einfachen Verhältnisse bei Lumbricus ver- ständlich. Der älteste Theil des Nervensystems ist bei diesem das obere Schlundganglion, welches aus einer vor dem Munde ge- legenen Scheitelplatte besteht. Diese setzt sich später erst nach hinten in die Seitenstränge fort. — Morphologisch ist also dem oberen Schlundganglion der Anneliden derjenige Theil des oberen Schlundganglion der Insecten zu vergleichen, den ich Seitenstrang- theil benannt habe. Den Insecten fehlt aber lange Zeit die mitt- lere Verbindungsbrücke des oberen Schlundganglions; doch muss diese Trennung in Hinblick auf die einfachen Verhältnisse der Anneliden als ein secundäres Verhältniss aufgefasst werden. Der secundäre Gehirntheil, der bei den Insecten aus den Kopflappen seinen Ursprung nimmt, fehlt dem Lumbrieus gänz- lich, und wie er (bei den Insecten) ontogenetisch spät erscheint, trat er wahrscheinlich auch phylogenetisch erst zugleich mit der Entwicklung der grossen zusammengesetzten Augen der Arthro- !) B. Hatschek, Beitr. zur Morph. und Entw. der Anneliden, Sitzungsber, der Acad. d. Wiss., Wien 1876. Nachtrag. 145 poden auf.!) Meine frühere Anschauung, dass ein secundäres Gehirn schon den Anneliden zukomme, die ich mir durch Be- trachtung der complieirteren anatomischen Verhältnisse mancher Anneliden gebildet hatte, halte ich jetzt für irrthümlich. !) Man vergleiche die ontogenetischen Vorgänge bei Branchipus, wie sie Claus beschrieben hat. (Entwickl. v. Branchipus st. u. Apus caneriformis. Göttingen 1872.) Bd. XI. N. F. IV. 1. 10 Tafelerklärung. Die Figuren sind sämmtlich mit Camera lucida gezeichnet. Taf. VII. Die Dotterelemente sind auf diesen Figuren nicht berücksichtigt; die Dottermasse wurde durch einen gelben Farbenton bezeichnet. Fig. Fig. ec Ectoderm, m Mesoderm, en Entoderm. Stadium A. Fig. 1—10. 1—9 sind Querschnitte von ein und demselben Embryo. 1—4. Querschnitte durch das Kopfsegment. MO, W, Primitivwulst f, Grenzfurche zwischen Mitteltheil des Kopfsegmentes und den Kopflappen At, Antenne Oe, Oesophaguseinstülpung. Querschnitt aus der Gegend dicht vor dem Oesophagus. 2?0/,. Ob, Oberlippe. Querschnitt durch das Kopfsegment, der die vorderste, tiefste Stelle des Oesophagus getroffen hat. *°%/,. Querschnitt durch das Kopfsegment etwas weiter nach hinten (dieser Schnitt ist im Verhältniss zu den vorhergehenden spiegelbildlich zu nehmen). *°0/,, Querschnitt durch den hintersten Theil des Kopflappens, der rechter- seits nur angeschnitten erscheint. ?°°/,. en, Entoderm. 2 t F, Primitivfurche Querschnitt durch ein Segment des WW Primiiwolie 10 an A RÄR ES. u S, Seitenstrang Querschnitt durch dasselbe senezl) h, primitive Leibeshöhle 1* 8, 9. Drei aufeinanderfolgende Schnitte durch ein Segment des Thorax, um die Anlage der Extremitäten und die Verhältnisse des mittleren Keimblattes zu zeigen. "0. Sagittalschnitt durch die Medianlinie des Kopfsegmentes eines Embryo von ungefähr demselben Stadium. "0. oe, Öesophagus. Tafelerklärung. 147 . Stadium B. Fig. 11—13. Fig. 11. Querschnitt durch ein Segment des Thorax, Die Extremität ist voll getroffen. *°0/,. F, S, h, wie oben. M, Mittelstrang. Fig. 12. Querschnitt durch ein Segment des Abdomen von demselben Em- bryo. *°0).. Fig. 13. Sagittalschnitt durch die Medianebene des Kopfsegmentes, ungefähr desselben Stadiums. F, Boden der Primitivfurche. 1%/.. Stadium C. Taf. VIII, Fig. 1—6; Taf. IX, Fig. 1, 3 u.4 stellen sämmt- lich Querschnitte ein und desselben Embryo dar. Taf, VIII. Fig. 1. Querschnitt aus dem hintersten Theile des Kopfsegmentes. *°%,. sp, Spalte im Kopflappentheil des Gehirns S, Schlundeommissur oe, Oesophagus md, Rand der Mandibel angeschnitten ez, amöboide Entodermzellen. Fig. 2. Querschnitt aus dem hinteren Theile des Mandibel-Segmentes. *%,. Die Mandibeln sind nur angeschnitten. tr, vorderste Tracheeneinstülpung; auf der rechten Seite ist die vordere, auf der linken die hintere Wand der taschenförmigen Tracheeneinstülpung ge- getroffen. Ez u. ez Eintodermzellen, If Längsfaserstrang im Nervensystem, tr Trachee, md, oe wie früher. Fig. 3 u. 4, sowie auch Fig. 1 auf Taf. IX sind Querschnitte aus dem Segment der ersten Maxille. Fig. 3. Querschnitt aus dem vorderen Theile des Segmentes. ??0/,. tr, hintere Wand der ersten Tracheenanlage tr,, vorderster Theil der zweiten Tracheenanlage oe, Oesophagus Foe, Endfalte des Oesophagus moe, Mesodermmasse, die dem Oesophagus angehört mx, Maxille hier nur angeschnitten. Fig. 4. Querschnitt aus dem hintersten Theile desselben Segmentes, +/.. Die erste Maxille ist bier voll getroffen. Bezeichnungen wie früher. hat, IX Fig. 1. Querschnitt aus dem hintersten Theile desselben Segmentes. +9. Da die Grenze der Segmente nicht parallel dem Querschnitte fällt, so gehört der mittlere Theil des Schnittes (Nervensystem) schon dem folgenden Segmente an. mx, erste Maxille, hier noch angeschnitten Fig. Fig. Fig. Tafelerklärung. oe, membranartiges blindes Ende des Oesophagus L, provisorische Entodermdrüse (Leber) If, Längsfaserstrang im Nervensystem. 2. Querschnitt aus dem vorderen Theile des ersten Abdominalsegmentes. 450 ii | L, provisorische Entodermdrüse Sp, Spinndrüse tr, Tracheeneinstülpung P,;, Querschnitt durch die Extremität des vorhergehenden Seg- mentes, die hier hinüberragt D, Dotterballen, If, wie früher. . 3. Querschnitt aus dem vorderen Theile des letzten Segmentes, *°%/,. r, Hinterdarm Mdr, Malpighi’sche Drüsen. . 4. Querschnitt aus dem hintersten Theile des letzten Segmentes. *°/.. Bezeichnungen wie in Fig. 3. .5. Querschnitt aus dem Segmente der zweiten Maxille, Einstülpungs- stelle der Spinndrüse. *5%,. Sp, Spinndrüse, die sich nach hinten umbiegt und deshalb auch quer getroffen ist tr, Tracheenanlage Mx, zweite Maxille. 6a. Sagittalschnitt durch die Medianlinie des vorderen Theiles eines Embryo von ungefähr demselben Stadium (etwas jünger). "0. Ob, Oberlippe, streng genommen ausserhalb der Medianlinie liegend z, interganglionäre Zapfen G, Ganglion der Bauchganglienkette. . 6b. Dieselbe Figur mit Einzeichnung der Extremitäten der Leber und Spinndrüsen nach den Parallelschnitten. 1°0/,. 7. Querschnitt durch das vorderste Ende des Hinterdarmes, um die Ein- mündung der Malpighi’schen Drüsen zu zeigen. Dieser Schnitt ist ein wenig schief geführt, so dass er rechts eine mehr nach vorn gelegene Stelle des Hinterdarms getroffen hat. Rechts ist deshalb nur eine Malpishi’sche Drüse getroffen, während links drei zu sehen sind, wodurch uns die Lagerungsverhältnisse um so klarer werden. 450 h- m, Mesoderm. v, Ventralseite. . 8. Frontalschnitt des vorderen Körpertheils, um das Verhältniss der provisorischen Drüse (L) zum Oesophagus zu zeigen. !0/,. . 9. Ansicht des Kopfsegmentes von der Rückenseite (diese Figur stimmt vollkommen mit der von Bütschli, Entwickl. d. Biene, Taf. XXVI, Fig. 23). '°9.. At, Antenne der rechten Seite, sichtbar, weil die Ansicht etwas schief genommen wurde Ob, Oberlippe Oe, Oesophagus G, Kopflappen mit Gehirn. Ueber den Bau und die Entwicklung der Spirochona gemmipara. Von Richard Hertwig. Hierzu Tafel X<—XI. Auf den Kiemenblättern des an Parasiten so überreichen Gammarus pulex beobachtete Stein zum ersten Mal ein ausser- ordentlich zierlich gestaltetes Infusor, das er als Spirochona gemmipara bezeichnete. Die erste Schilderung des Organismus gab er in seiner im 9. Band der Zeitschrift f. wissensch. Zool. er- schienenen zweiten Infusorienarbeit, später erweiterte und ver- vollständigte er seine Angaben in seinem Werk: „Die Infusions- thiere auf ihre Entwicklungsgeschichte untersucht“. In beiden Publieationen führte Stein die Spirochona als ein den Vorti- eellinen nächstverwandtes peritriches Infusor auf, machte es jedoch wegen seines abweichenden Baues zum Vertreter einer besonderen Familie. — Seitdem ist, so viel ich weiss, die Spirochona gemmi- para nicht wieder untersucht worden, auch nicht von Stein, da er in keinem der beiden Bände seines grossen Infusorienwerks auf sie zurückkommt. Als ich mich im Laufe des Sommers mit der Entwicklungs- geschichte der Infusorien beschäftigte, richtete ich mein Augen- merk auch auf die Spirochona, die mir von früher her als ein in vielfacher Hinsicht geeignetes Object in Erinnerung war. Wo Gammarus pulex in den Bächen gemein und leicht zu erlangen ist, wie in der Umgend Jenas, kann man jederzeit während des Jahres über ein reiches Material verfügen. Die glasartige Durch- sichtigkeit des Körpers erlaubt bei der Spirochona schon im frischen Zustand Veränderungen des Kerns genau zu verfolgen, Bd, XI. N. F, IV. 2. 11 150 Richard Hertwig, die bei den meisten Infusorien nur durch Behandlung mit Rea- gentien erkannt werden können. Ausserdem wird die Unter- suchung noch durch den Umstand erleichtert, dass der Organismus festsitzt, was für die Anwendung von Zusatzflässigkeiten von grossem Werth ist, sowie dadurch, dass der Körper sich nicht zu- sammenziehen kann, was der Beobachtung im lebenden Zustande zu Statten kommt. Dank diesen günstigen Verhältnissen glaube ich zu einer genaueren Kenntniss des Baues und vornehmlich der Entwicklung der Spirochona gelangt zu sein, als es bei den meisten übrigen Infusorien bisher möglich gewesen ist; ich theile daher meine Beobachtungen hier in Form einer kleinen monographischen Schilderung mit. Dieselbe behandelt in einem ersten Abschnitt den Bau, in einem zweiten die Entwicklung der Spirochona. 1. Ueber das Vorkommen und den Bau der Spirochona gemmipara. Die Spirochona gemmipara scheint in ihrem Vorkommen auf Gammarus pulex auf die Kiemenblätter beschränkt zu sein, wenigstens habe ich sie ebenso wenig wie Stein an anderweitigen Theilen des Körpers vorgefunden. An den Kiemen wiederum sind es namentlich die den Befestigungsstellen gegenüberliegenden freien Spitzen, welche als Aufenthaltsort dienen. Hier siedeln sich die kleinen Organismen häufig in ganz ausserordentlicher Anzahl an, einer dicht neben dem anderen, während sie nach der Basis der Kiemen zu nur äusserst selten angetroffen werden. Offenbar suchen die Spirochonen Orte auf, wo sie möglichst frei in das umgebende Wasser hervorragen. Man findet sie daher auch nur ausnahmsweise auf den Flächen der Kiemenblätter. In allen diesen Beziehungen stehen die Spirochonen in einem ausgesprochenen Gegensatz zu dem Dendrocometes paradoxus, jener eigenthüm- lichen Acinetenform, die auf den Kiemen von Gammarus, wenn auch nicht stets, so doch immerhin so häufig gleichzeitig vor- handen ist, dass Stein eine Zeit lang an einen Generations- wechsel zwischen beiden Organismen hatte denken können. Der Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara.. 151 Dendrocometes sitzt vornehmlich an der Basis der Kieme und zwar ebenso wohl auf den Flächen wie auf den Kanten derselben. Unter allen peritrichen Infusorien besitzt die Spirochona die am meisten gestreckte Gestalt; sie übertrifft hierin sogar die zier- lichen Cothurnien und Opereularien. Der Körper, welcher eine Länge von 0,12 Mm. erreichen kann, beginnt mit einer 0,008 bis 0,01 Mm. im Durchmesser betragenden Basis und verbreitert sich nach dem freien Ende zu allmählich bauchig bis zu 0,05 Mm.; dann verschmälert er sich wieder zu einer halsartig eingeschnürten Stelle, um von hier aus abermals an Breite zuzunehmen und das blumenkelchartige Peristom zu bilden. Man kann somit an jeder Spirochona drei Abschnitte unterscheiden, das Peristom und den Körper im engeren Sinne, welche beide von einander durch den Hals getrennt werden. Hals und Peristom nehmen ungefähr ein Drittel der Länge des Thieres für sich in Anspruch, die beiden übrigen Drittel kommen auf den Körper. Die Gestalt der Spirochona lässt in allen ihren Theilen eine ausgesprochene bilaterale Symmetrie erkennen. Am Körper charakterisirt sich eine Seite, welche wir in Rücksicht auf ihre Lagerung zum Cytostom und im Anschluss an die Claparede- Lachmann’sche Benennungsweise !) als die ventrale bezeichnen wollen, durch ihre stärkere Hervorwölbung; letztere kann an gut entwickelten Exemplaren, namentlich an solchen, welche kurz vor der Fortpflanzung stehen, so bedeutend werden, dass sie wie ein Buckel aussieht, der sich gegen den Hals und die Seiten- theile mit einer deutlichen Furche absetzt. In den anderen Rich- tungen ist der Körper flacher gestaltet; er gewährt daher von verschiedenen Seiten gesehen einen wechselnden Anblick. Bei ventraler und dorsaler Ansicht sind die beiden seitlichen Con- touren gleichmässig geformt; bei der Ansicht von links oder rechts ist die ventrale Contour stärker gekrümmt als die dorsale. Noch deutlicher als der Körper lässt das Peristom eine rechte und linke, eine dorsale und ventrale Seite unterscheiden, indem es von rechts nach links beträchtlich breiter ist als von vorn nach hinten. Wer daher eine Spirochona in Seitenansicht vor sich hat, wird Stein darin Recht geben, dass das Peristom nicht breiter ist, als der Körper an der Stelle seines grössten Umfangs, wer dagegen den Organismus von der ventralen Fläche oder vom 1) Clapar&de und Lachmann bezeichnen bei den Vorticellinen die- jenige Seite, auf welcher die Mundöffnung liegt, als die ventrale. 11* 459 Richard Hertwig, Rücken aus betrachtet, wird das vordere Ende nahezu doppelt so breit finden. Das Peristom ist schwer zu schildern, da es einen compli- eirteren Bau besitzt als bei anderen Infusorien. Es umschliesst eine weite Mulde, an deren tiefster Stelle sich die Mundöffnung oder das Cytostom (in allen Figuren mit o bezeichnet) befindet. Die Mulde kommt dadurch zu Stande, dass eine Wimperscheibe, wie sie bei den Vorticellinen den Raum zwischen den Rändern des Peristoms bis auf einen schmalen Spalt ausfüllt, im vorliegenden Falle fehlt. Zum Ersatz für diesen Mangel bildet die rechte Seite der ventralen Peristomwand einen complieirten Apparat, dem Stein den passenden Namen Spiraltrichter gegeben hat (in allen Figuren mit s bezeichnet). Auf den ersten Blick erscheint der- selbe, wie Stein treffend bemerkt, aus einzelnen tutenförmigen Abschnitten zu bestehen, von denen jedesmal der kleinere in den grösseren nach Art eines Satzes Tassen gesteckt ist. Namentlich erweckt der Anblick des optischen Längsschnitts des Spiral- trichters diese Vorstellung, die jedoch der Wirklichkeit nicht völlig entspricht. Denn die Wandungen der einzelnen tutenförmigen Abschnitte sind nicht von einander getrennt, sondern hängen zu- sammen und bilden eine einzige in einer Spirale aufgerollte Lamelle. Die richtigste Auffassung vom Bau des Peristoms würde man gewinnen, wenn man sich die Wandung eines in einer Richtung zusammengedrückten Bechers auf einer Seite eingefaltet vorstellt, wenn man weiterhin diese Falte sich einrollen und gleichzeitig in aufsteigenden, stets enger und kleiner werdenden Windungen nach Art eines Schneckenhauses sich erheben lässt. Man würde so eine der Columella des Schneckenhauses ent- sprechende Axe erhalten, um welche die eingefaltete Lamelle sich spiralig aufwindet. Der ausgebildete Spiraltrichter unserer Spi- rochona bildet 2!/, derartige Windungen, deren Anordnung man am besten bei einem Vergleich der halb von oben gesehenen Figur 8 mit den theils seitlichen, theils ventralen und dorsalen Ansichten der Figuren 1—4 auf Tafel X verstehen wird. Die Spirale des triehterförmigen Aufsatzes fand ich stets von links nach rechts gewunden und hat Stein wahrscheinlich nicht genügend auf die Lagerung seiner Objecte (ob ventral oder dorsal?) geachtet, wenn er angibt, dass ab und zu auch das Um- gekehrte der Fall sein kann. Ebenso wenig kann ich Stein beistimmen, wenn er sagt, dass ‚die Spindel des Spiraltrichters bald nach dieser, bald nach jener Seite geneigt ist“, und wenn er Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 153 aus diesem Lagewechsel auf ein schwaches und träges Bewegungs- vermögen des Apparats schliesst. Bei einem unversehrten Thier ist die Axe des Spiraltrichters, wie man sich bei der Ansicht von ver- schiedenen Seiten leicht überzeugt, dorsalwärts und gleichzeitig etwas nach rechts übergeneigt. Nur bei halbseitlicher Ansicht scheint die Axe des Spiraltrichters gerade aufzusteigen, in allen anderen Lagen dagegen weicht sie bald nach der einen, bald nach der anderen Richtung ab. Die linke Seite des Peristoms (Taf. X, Fig. 2 u. 4) verhält sich einfacher; ihre Wandung legt sich ungefähr der Mitte der ventralen Seite entsprechend an die Basis des Spiraltrichters an und ist mit demselben, wie namentlich das Bild des optischen Durchschnitts lehrt, innig verwachsen (Taf. X, Fig. 9). Zuvor bildet sie jedoch constant eine Einkerbung, durch welche eine in das Innere der Peristommulde vorspringende Falte zu Stande kommt. Diese Falte (in allen Figuren mit f bezeichnet) ist insofern von Interesse, als sie den Ort bezeichnet, an dem die ersten die Knospung einleitenden Veränderungen erkennbar werden. Die Umschlagsstelle der Falte bildet eine scharfe Contour, die namentlich bei mittleren Vergrösserungen sehr in die Augen fällt. Dieselbe wurde von Stein für den Rand des Peristoms gehalten. Stein beschreibt und zeichnet in Folge dessen einen weiten Ausschnitt oder besser einen Spalt in der Wand des Peristoms, welcher als ein Zugang zur Peristommulde funetioniren soll. In Wahrheit existirt ein derartiger Spalt nicht, sondern der Raum der betreffenden Stelle wird durch die quere Lamelle völlig abgeschlossen, die sich von der Einfaltung bis zum Spiraltrichter erstreckt. Weder am Peristom noch am Spiraltrichter habe ich jemals Bewegungen wahrgenommen, es wurden sogar die Theile, wenn sie durch Zufall umgeknickt worden waren, nicht einmal in ihre natürliche Lage zurückgeführt. Trichter und Peristom sind daher wie der gesammte übrige Körper bewegungslos. Der Grund der Peristommulde wird bis zur halben Höhe der Wandung von zarten Wimpern bedeckt, welche alle eine gleich- mässige Beschaffenheit besitzen. Dieselben sind in queren Reihen eingeordnet und rufen hierdurch eine dem Rand des Peristoms parallel verlaufende Schraffirung hervor.!) Ihre Bewegung ist !) Die durch die Wimpern bedingte Streifung ist nur in den Fig. 1-4 dargestellt. 154 Richard Hertwig, eine unregelmässige, ähnlich dem Wogen eines Kornfeldes. — Von der Peristommulde aus setzen sich die Wimpern auch auf den Spiraltrichter fort, hören aber nach der Spitze desselben allmählich auf und fehlen am Grund der obersten halben Win- dung gänzlich. Die Bewegung, welche sie hervorrufen, ist ausser- ordentlich schwach und jedenfalls unfähig, grössere Körper her- beizuschaffen. Der Nutzen des Spiraltrichters für die -Nahrungs- aufnahme wird hierdurch beträchtlich geschmälert und wird durch ihn ein nur unvollkommener Ersatz für die Wimperscheibe der Vorticellinen geboten. Die Mundöflnung ist sehr klein und in Folge dessen schwer sichtbar; sie liegt auf der linken Seite des Peristoms am Fuss der Spindel des Spiraltrichters und etwas ventralwärts von demselben. Sie führt in eine kurze Speiseröhre, die schräg nach rechts und dorsal gewandt ist und zumeist nur eine schmale Spalte bildet. Die Bewimperung des Peristoms setzt sich nicht auf ihre Wan- dungen fort. Der ganze Körper der Spirochona wird von einer Cutieula überzogen, die schon im frischen Zustand als ein deutlich doppelt eontourirter Saum erkennbar ist. Bei Anwendung starker Systeme gewahrt man auf ihrer Oberfläche eine äusserst zarte Streifung, die der Länge des Thieres parallel verläuft und am deutlichsten in der Halsgegend hervortritt. Noch leichter kann man sich von der Gegenwart der Streifung an jungen Thieren überzeugen, namentlich an solehen, die sich eben erst festgesetzt haben und noch sehr durchsichtig sind (Taf. XII, Fig. 7). Ihre grösste Dieke besitzt die Cutieula an der Körperbasis, gleichzeitig bildet sie hier ein napfartiges Gebilde, das zur Be- festigung des Körpers auf den Kiemenblättern des Gammarus dient und eine eigenthümliche Beschaffenheit besitzt (Tat. X, Fig. 7). Die concave Fläche des Napfes setzt sich aus ungefähr 16 leistenförmigen Verdiekungen der Cutieula zusammen, die radienartig angeordnet sind und von oben gesehen eine zierliche sternförmige Figur erzeugen. Der Rand des Napfes bildet einen schmalen hervorragenden Saum, gegen den der Körper sich mit einer ringförmigen Einschnürung absetzt. Einen kleinen Stiel, welcher nach Stein’s Angaben dann und wann vorkommen und zur Befestigung der Spirochona dienen soll, habe ich in keinem Fall beobachtet. Die Cutieula bedeckt nicht allein den Körper der Spirochona, sondern setzt sich auch auf das Peristom fort und kleidet sogar Ueber den Bau u, die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 155 als eine sehr zarte Lamelle die nach innen gekehrte Fläche des- selben aus; dagegen dringt sie nicht in die Speiseröhre ein. Bei Zusatz von Alkohol hebt sieh die Cntieula stellenweise vom schrumpfenden Protoplasma ab und kann so auf grössere Strecken isolirt werden. Noch leichter erkennbar werden ihre Contouren bei Zusatz von Eisessig; es quillt dann das Protoplasma zu einer homogenen Masse auf, welche die rings geschlossene Cuticula wie einen Sack prall anfüllt. Eine Auflösung der letzteren findet auch bei langer Dauer der Einwirkung nicht Statt, nicht einmal die dünneren Partieen des Peristoms werden angegriffen, wie es Stein angibt. Dagegen zerstört verdünnte Natronlauge die Cutieula schnell und vollständig; am längsten erhält sich noch die basale zur Anheftung dienende Platte, aber auch diese zer- fliesst schliesslich, wenn man die Concentration des angewandten Reagenz mehrmals hinter einander wechselt. Der Inhalt der Cutieulahülle wird von einem völlig farblosen Protoplasma gebildet; dasselbe ist zumeist von glasheller Durch- siehtigkeit, so dass es dann leicht fällt, die Veränderungen des in ihm liegenden Kerns genau zu verfolgen; seltener ist es von feinen dunklen Körnchen durchsetzt, die namentlich im Umkreis des Kerns lagern. Niemals habe ich jedoch grössere Körper in ihm angetroffen, was, wie Stein schon hervorhebt, wohl daher rührt, dass die enge Mundöffnung nur kleinere Nahrungstheile eindringen lässt und dass die schwache Bewimperung keine grösseren Stücke zu bewältigen vermag. Die kleinen Nahrungsballen liegen ent- weder direct im Protoplasma oder in besonderen Nahrungs- vacuolen. Ausserdem wird häufig reines Wasser aufgenommen, so dass bei den meisten Exemplaren der Körper von grossen und kleinen Flüssigkeitsräumen ganz durchsetzt ist. Besondere con- tractile Blasen habe ich unter denselben nicht entdecken können. Im Protoplasma findet sich ein Kern von beträchtlicher Grösse, der im Grossen und Ganzen eine ovale Gestalt mit einem etwas zugespitzten und einem abgestumpften Ende besitzt; er lagert stets im ventralen Theile der Spirochona und zwar so, dass das spitze Ende ventralwärts und nach vorn gerichtet ist. Auf der dorsalen Seite von ihm verläuft die Speiseröhre, wie man dies besonders deutlich an Exemplaren in seitlicher Ansicht erkennen kann (Taf. X, Fig. 1 u. 3). Da der Kern in allen Fällen schon im frischen Zustand leicht wahrnehmbar ist, so kann man auch ohne Anwendung von Rea- gentien eine gute Vorstellung von seinem Bau gewinnen. Hierbei 156 Richard Hertwig, wird man mit einer Vielgestaltigkeit bekannt, wie sie kein anderes Infusor aufweist; gleichzeitig überzeugt man sich auch, dass alle die wechselnden Formen, welche der Kern annimmt, zu bestimmten Entwicklungsstadien des gesammten Organismus in Beziehung stehen. Ich werde daher die Veränderungen des Nucleus erst später, wenn ich die Entwicklungsgeschichte der Spirochona dar- stellen werde, näher besprechen und schildere hier zunächst die einfachste Form, die ich beobachtet habe. Der Kern (Taf. X, Fig. 1k) lässt stets zwei Abschnitte er- kennen, welche von einander durch eine quere scharfe Linie ge- trennt werden. Der vordere Abschnitt ist grösser und besteht aus einer feinkörnigen Masse, der hintere kleinere wird von einer homogenen Substanz gebildet. Dies Verhältniss tritt besonders deutlich bei Behandlung mit Osmiumsäure, namentlich wenn man derselben etwas Chromsäure zugesetzt hat, hervor; der vordere Theil des Kerns wird dann dunkelkörnig, der hintere bleibt ho- mogen und nimmt einen starken Glanz an, so dass er sich jetzt mit sehr scharfen Contouren gegen das Protoplasma absetzt. Die Trennungslinie beider Theile tritt hierbei so deutlich hervor, dass es aussieht, als ob zwei völlig von einander gesonderte, nicht zu- sammengehörige Körper nur äusserlich gegen einander gepresst wären. Behandelt man einen derartigen Kern mit Beale’schem Carmin, so kann man bei langsamer Färbung erkennen, dass die körnige Substanz sich schneller imbibirt; später verschwindet der Unterschied und man hat dann einen gleichmässig rubinrothen Körper vor sich. Ebenso wird auch die Verschiedenartigkeit der beiden, den Kern zusammensetzenden Abschnitte bei Anwendung von Chromsäure und Essigsäure aufgehoben oder doch wenigstens verwischt, da beide Substanzen in genannten Reagentien gleich- mässig grobkörnig gerinnen (Taf. XII, Fig. 11a). Dagegen tritt nunmehr entsprechend der Trennungslinie ein querer linsenförmiger Spalt auf, indem die beiden Abschnitte des Kerns sich in Folge der Schrumpfung von einander zurückziehen und nur in der Peri- pherie mit einander in Verbindung bleiben. Dasselbe Bild ent- steht auch ohne Anwendung von Reagentien beim Absterben der Spirochona. Aus obigen Angaben geht hervor, dass der linsenförmige Spalt im Innern des Kerns, den Stein schildert und abbildet, kein natür- liches Vorkommniss ist, sondern ein Kunstproduet, das durch die von ihm angewandte Essigsäure hervorgerufen wurde. Ferner irrt Stein, wenn er behauptet, dass die Differenzirung in zwei Ab- Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 157 schnitte fehlen und der Kern unter Umständen einen homogenen Körper bilden könne. Wie wir später sehen werden, tritt ein derartiges Stadium nur vorübergehend während der von Stein nicht beobachteten Kerntheilung auf; sonst ist die Trennung in zwei Abschnitte stets erkennbar und ist es nur der Bau der letzteren, welcher Veränderungen erleidet. Rücksichtlich der Frage, ob der Kern der Spirochona eine Membran besitzt oder nicht, kann ich mich ebenso wenig wie Stein mit Bestimmtheit aussprechen, doch halte ich ebenfalls die Existenz einer zarten Hülle für wahrscheinlich. Einmal spricht die Analogie mit den Kernen anderer Infusorien, bei denen eine Membran sich mit Sicherheit nachweisen lässt, für die Annahme; weiterhin spricht für dieselbe der Umstand, dass bei Anwendung von Essigsäure und Chromsäure oder beim Absterben in einiger Entfernung von der geronnenen Kernsubstanz eine doppelte Con- tour sich bildet, die allerdings ein durch die Gerinnung des um- gebenden Protoplasma hervorgerufenes Kunstproduct sein kann. Schliesslich wird mir die Existenz einer Kernmembran durch folgende Beobachtung wahrscheinlich gemacht. Wenn man auf die Oberfläche des homogenen Kernabschnitts einstellt, so gewahrt man zahlreiche, hellglänzende Körnchen, die namentlich bei Osmiumsäurebehandlung hervortreten (Taf. X, Fig. 1—4). Ich halte diese Körnehen für Bestandtheile einer Kernmembran und stütze mich hierbei auf Befunde, welche mir eine nicht näher be- stimmte Carchesiumart ergeben hat. Hier konnte ich wiederholt an Kernen, deren Inhalt sich’ von der Membran zurückgezogen und zu einem oder mehreren Nucleoli verdichtet hatte, dieselben glänzenden Körnehen beobachten. Sie lagen auf der Innenseite der Kernmembran und glaube ich nicht zu irren, wenn ich sie für Verdiekungen in derselben halte. Ausser dem Kerne sind noch Nebenkerne (in hile Figuren mit n bezeichnet) oder wie man sie früher und zum Theil auch jetzt noch mit einem .recht unpassenden Namen bezeichnet, Nucleoli vorhanden. ') Dieselben sind schwer nachzuweisen und 1) Die von meinem Bruder (O. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss des thie- rischen Eies. Morph. Jahrb. Bd. I) vorgeschlagenen Bezeichnungen Kern und Nebenkern für den „Nucleus“ und ‚Nucleolus‘“ der Infusorien halte ich für zweckmässige, da sie Nichts über die zur Zeit immer noch nicht aufgeklärte Bedeutung der Gebilde präjudieiren und nur ihr Lagerungsverhältniss in Rücksicht ziehen, im Uebrigen sich aber nur an das sicher Bewiesene, d.h. an ihre morphologische Bedeutung als Kerne halten, Denn die Kernnatur von 158 Richard Hertwig, daher von Stein übersehen worden. Im frischen Zustand be- kommt man sie nur unter aussergewöhnlich günstigen Verhält- nissen und auch dann nur unvollständig zu Gesicht. Vollkommene Sicherheit über ihre Anordnung gewinnt man nur durch Anwen- dung von Reagentien, unter denen Osmiumsäure mit nachfolgender Carminfärbung die besten Bilder liefert. Hierbei muss jedoch hervorgehoben werden, dass die Imbibition, wie in allen Fällen, in denen es sich um den Nachweis von schwer sichtbar zu machenden Structuren handelt, nieht das eine wie das andere Mal gelingt und die richtige Mitte zwischen zu heller und zu dunkler Färbung nicht immer eingehalten werden kann. Durch Untersuchung einer grossen Anzahl von Spirochonen in der beschriebenen Weise bin ich zu dem Resultat gelangt, dass stets drei Nebenkerne vorhanden sind und dass in den Fällen, in denen nur einer oder zwei (manchmal sogar gar keiner) haben nachgewiesen werden können, die Imbibition der übrigen durch irgend einen Zufall verhindert worden war. Die Nebenkerne sind ungefähr 0,002 Mm. gross und haben eine kreisrunde oder ovale Gestalt. Sie bestehen aus einer völlig homogenen, stark lichtbrechenden Substanz, ähnlich der Masse, welche den hinteren Abschnitt des Nucleus bildet. Ob sie eine Membran besitzen oder nicht, lässt sich bei ihrer ausserordent- lichen Kleinheit nicht entscheiden. — Ihre Lagerung ist eine sehr wechselnde, was ihren Nachweis ganz besonders erschwert; bald finden sie sich in unmittelbarer Nähe des Kerns, bald weit von ihm entfernt; häufig trifft man sie sogar im basalen Theil des Körpers. Hierbei können die einzelnen Nebenkerne ebenso wohl einander genähert sein, als auch weit auseinander liegen und nur zwei schienen mir constant durch einen kleinen Zwischenraum getrennt zu sein. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die Nebenkerne keinen bestimmten Platz im Körper einnehmen, sondern häufige Lageveränderungen erleiden. Nucleus und Nucleolus wird meiner Meinung nach schon durch ihr Aussehen, ihre Lagerung im Protoplasma und ihr microchemisches Verhalten dargethan, sie wird ferner durch die Beobachtungen Bütschli’s (Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien. Frankfurt 1876) über die streifige Differenzirung derselben vollends ausser Zweifel gestellt. Dagegen muss ich mich gegen die von Bütschli gewählten Namen primärer Kern für den Nucleolus und secundärer Kern für den Nucleus erklären, da sie auf der Annahme eines genetischen Zusammen- hangs beider Gebilde beruhen, den ich nicht für genügend erwiesen halte. Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 159 2. Ueber die Entwicklung der Spirochona. Wie schon der Name besagt, pflanzt sich die Spirochona gemmipara auf dem Wege der Knospung fort; es entsteht so eine Schwärmerform, die sich nach einiger Zeit festsetzt und unmittel- bar in eine Spirochona verwandelt. Ein anderweitiger Modus der Vermehrung scheint nicht zu existiren, namentlich scheinen — was besonders hervorgehoben zu werden verdient — weder Längs- theilungen, wie bei den Vorticellinen, noch Quertheilungen, wie bei den übrigen Infusorien, vorzukommen. Ebenso fehlen bis jetzt jede Beobachtungen über die Existenz der bei den Infusorien sonst so verbreiteten Conjugation. Die Bildung der Knospen wurde schon von Stein be- schrieben; die Angaben desselben sind jedoch so unvollständig, dass sie uns noch nicht einmal über das Verhalten der wichtigsten Bestandtheile, z. B. des Kerns, Aufschluss geben. Der genannte Forscher hat überhaupt nur die Endstadien des ganzen Processes gesehen und abgebildet. Bei der Lebhaftigkeit, mit welcher die Fortpflanzung während der ganzen warmen Jahreszeit erfolgt, war ich stets mit einem so reichen entwicklungsgeschichtlichen Material versehen, dass ich die einzelnen Stadien nicht allein im frischen Zustand, sondern auch mit Hilfe von Reagentien zu wiederholten Malen untersuchen konnte. Es ist mir so geglückt, die Knospung von der ersten Anlage des jungen Thieres bis zu seiner völligen Ausbildung Sehritt für Schritt zu verfolgen und den Antheil zu bestimmen, den die einzelnen Theile der Spirochona am Aufbau der Knospe nehmen. Von besonderem Interesse war es mir hierbei, dass ich von Anfang an die Theilung des Kerns ohne Anwendung von Reagentien im Zusammenhang beobachten konnte. Es existirt wohl kaum ein Infusor und sind wohl wenig Objecte in der thie- rischen und pflanzlichen Histologie bekannt, die wegen der Durch- sichtigkeit des Protoplasma und des langsamen Verlaufs des Processes so günstige Verhältnisse für das Studium der Kerntheilung bieten wie die Spirochona. Im Folgenden werde ich meine Beobachtungen über den Ent- wicklungsgang in zwei Abschnitten besprechen; im ersten werde ich die Entwicklung der Knospe bis zu ihrer Ablösung, im zweiten 160 Richard Hertwig, ihre Umbildung zum fertigen Thiere schildern; in einem dritten Abschnitt mögen einige allgemeine Bemerkungen Platz finden, die sich namentlich auf histologische Verhältnisse beziehen. % a) Die Entwicklung der Knospe. Bevor ich die Veränderungen schildere, welche direete Be- ziehungen zur Ausbildung der Knospe erkennen lassen, müssen wir zuvor einige wichtige Umgestaltungen des Kerns betrachten. Da dieselben nicht zur Bildung zweier gleichwerthiger Kernpole führen oder mit anderen Worten keine „Polarität“ des Kerns her- vorrufen, können wir sie nicht als Anfänge der Theilung selbst ansehen, sondern nur als Vorbereitungen, welche den Kern in einen theilungsfähigen Zustand überführen. Die Umgestaltungen habe ich nicht an einem und demselben Object verfolgen können, sondern durch Combination zahlreicher verschiedener Bilder erschlossen; ich kann daher auch keine An- gaben über die Dauer des Processes machen. Anfang und Ende der Umwandlungsreihe wurden einerseits durch den Kern der Knospe, andererseits durch den Kern der sich zur Theilung vor- bereitenden Spirochona bestimmt. Den Ausgangspunkt für unsere Betrachtung bildet die schon oben näher beschriebene Kernform, die für die Knospe charakte- ristisch ist und auch später noch lange Zeit über sich unverändert erhält. Wir konnten an ihr zwei Abschnitte unterscheiden, einen vorderen körnigen und hinteren homogenen. Beide Abschnitte er- leiden Veränderungen und zwar geben sich dieselben zuerst am vorderen Abschnitt zu erkennen. Wenn man zahlreiche Spirochonen durchmustert, so begegnet man Kernen, welche bis auf eine im frischen Zustand leicht zu übersehende homogene Stelle an der Kernspitze gar nicht verändert erscheinen. Wendet man in diesen Fällen 2 °,ige Essigsäure oder dünne Chromsäure an, so gerinnt die homogene Stelle stärker als die übrige Kernsubstanz zu einem dunklen die Kernspitze ein- nehmenden, rundlichen Körper (Taf. X, Fig. 11b); gleichzeitig zieht sie sich in Folge der Gerinnung von der Hauptmasse des Kerns zurück, so dass zwischen beiden Theilen ein schmaler Zwischenraum entsteht. Man kann so am Kern drei Abschnitte unterscheiden: einmal wird er durch einen linsenförmigen Spalt in die beiden schon oben näher charakterisirten Hauptabschnitte zerlegt, dann aber zerfällt der grössere dieser Abschnitte aber- Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 161 mals in zwei durch einen Zwischenraum von einander getrennte Theile. Bei anderen Exemplaren ist die geschilderte Differenzirung des vorderen Kernabschnittes schon im frischen Zustande erkenn- bar (Taf. XII, Fig. 12, Taf. X, Fig. 2 u. 3). Beide Theile bestehen hier aus einer feinkörnigen Substanz, werden aber durch einen schmalen homogenen Saum von einander geschieden ; was besonders deutlich an Osmiumsäurepräparaten zu sehen ist. Das Grössenver- hältniss beider Theile zu einander ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden; bei manchen Kernen ist der vordere Theil der kleinere (Fig. 12a), bei anderen sind beide nahezu gleich gross (Fig. 12b), endlich kann der hintere an Grösse nachstehen und auf ein schmales Band reducirt erscheinen (Fig. 12e). Aus allen diesen Bildern schliesse ich auf folgende Umge- staltung des vorderen Kernabschnitts, es findet eine Umlagerung der Kernmasse Statt, in Folge deren eine Verdichtung in der Kernspitze sich ausbildet. Die anfangs dichtere Stelle wächst auf Kosten des Restes der Kernsubstanz, welche zu einem schmalen Bande allmählich zusammenschrumpft. Schliesslich verschwindet auch dieses und der vordere Abschnitt besteht wiederum aus einer gleichmässigen Masse. Die Umwandlungen des hinteren Kernabschnittes verlaufen beträchtlich einfacher und beginnen zu einer Zeit, wo am vorderen die Sonderung der Kernsubstanz in zwei Theile schon vollkommen deutlich geworden ist. Die anfänglich homogene Masse wächst, wahrscheinlich indem sie sich mit Flüssigkeit imbibirt; in ihrem Innern wird ein kleines centrales Korn erkennbar (Taf. X, Fig. 5); dasselbe nimmt an Grösse zu und bildet schliesslich einen runden 0,002 Mm. grossen Körper, der durch sein stärkeres Lichtbrechungs- vermögen gegen seine Umgebung absticht (Fig. 2 u. 4). Ich werde denselben als Nucleolus bezeichnen, da er sich zu dem blasen- artig aufgetriebenen hinteren Kernende wie das Kernkörperchen zur Kernvacuole verhält; ich hebe hierbei besonders hervor, das ich den Ausdruck im Sinne der thierischen und pflanzlichen Histologie anwende und durch denselben keinerlei Beziehungen zu den Gebilden, die irriger Weise früher als Nucleoli bezeichnet wurden und für die ich den Namen Nebenkerne beibehalte, fest- stellen will. Durch alle diese Umwandlungen seiner Theile gewinnt schliesslich der Kern folgende Gestalt. In der Mitte einer Va- euole, deren Membran mit zahlreichen hellglänzenden Körnchen 162 Richard Hertwig, .besetzt ist, deren Inhalt von einer wasserklaren, in Essigsäure nur schwach gerinnenden Flüssigkeit gebildet wird, liegt ein scharf- umschriebener Nucleolus. Dem vorderen Ende der Vacuole sitzt ein deutlich gekörnelter Aufsatz auf, der sich wie eine beträcht- liche Verdiekung der Kernmembran ausnimmt (Taf. X, Fig. 4). Die geschilderte Kernform fällt durch die grosse Vaeuole, welche sie umschliesst, sehr in die Augen und ist daher auch von Stein beschrieben und abgebildet worden. In seiner Zeichnung ist jedoch nicht richtig, dass sie die nur einseitig entwickelte Kern- substanz die ganze Vacuole umgeben lässt. Auch was der ge- nannte Autor über die Entstehung der Kernform sagt, trifft nicht zu. Stein lässt die Vacuole sich durch eine Ausweitung des linsenförmigen Spalts, der sich nach seinen Angaben zwischen dem vorderen und hinteren Abschnitt befinden soll, bilden; in diesem Spalt soll der Nucleolus als ein feines, allmählich an Grösse zunehmendes Korn auftreten. Nach dem Mitgetheilten spielen sich an dem Kerne eine Summe von Veränderungen ab, von deren Bedeutung wir uns auch nicht einmal eine Vorstellung machen können. Immerhin sind dieselben von Interesse, da sie uns zeigen, dass die Zusammen- setzung des Kerns noch, bevor die Theilung beginnt, erhebliche Umwandlungen erleidet. Wenn der Kern die letztbeschriebene Form angenommen hat, beginnt der Knospungsprocess, und zwar ist das Erste, was den Anfang desselben anzeigt, die Anlage des Peristoms (Taf. X, Fig. 5 u. 6p). Letzteres bildet sich auf der ventralen Seite als eine Ausstülpung vom Peristom des Mutterthiers aus. Seine Ursprungs- stelle entspricht dem Punkt, an dem sich die Einfaltung der linken Peristomwand befindet. Hier erhebt sich ein Höcker, der nach oben bis zum Rand des Peristoms reicht, nach abwärts dagegen sich mit einer Furche gegen den Körper absetzt. In’s Innere des Höckers erstreckt sich eine Ausbuchtung der Peristommulde, welche gleich von ihrem ersten Auftreten eine euticulare Auskleidung und einen Ueberzug lebhaft sich bewegender Wimpern erhält. Ausser- dem setzen sich auch auf die Ausbuchtung die feinen Streifen fort, die wir schon oben bei der Schilderung des Peristoms kennen gelernt haben und die durch die Anordnung der Wimpern hervor- gerufen werden. Beim Wachsthum der Knospenanlage dehnt sich die Hervor- wölbung auch auf den Körper der Spirochona aus und es entsteht so ein Höcker, der in der Mitte der ventralen Fläche des Thieres Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 163 beginnt und sich nach dem linken Peristomrand hinzieht. Dass die mütterliche Cuticula auf denselben eontinuirlich sich fortsetzt, braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden. In demselben Maasse als die Knospenanlage wächst, schnürt sie sich von dem Mutterthier vom oberen Rand aus ab; hierbei bedingt sie Veränderungen am Peristom des letzteren. Schon bei der ersten Hervorwölbung der Knospe war die Einwärtsfaltung der Peristomwand verstrichen; jetzt bei der Abschnürung bildet sich sogar eine Falte, ‚die nach aussen hervorspringt und eine Verbindungsbrücke bis zu der sich abschnürenden Knospe bildet. An diesen Veränderungen des Peristoms kann man am leichtesten die Spirochonen herauserkennen, bei denen die Knospung be- gonnen hat, während sonst die ersten Anfänge leicht übersehen werden. So bald als die erste Anlage des Peristoms der Knospe sicht- bar geworden ist, beginnen eine Anzahl höchst eigenthümlicher Veränderungen der Kernsubstanz, welche schliesslich zu einer völligen Umordnung derselben führen (Taf. XII, Fig. 13a—d). Die Masse, welche dem vorderen Ende der Kernvaeuole wie eine Art Haube aufsitzt, geräth in lebhafte amoeboide Bewegungen. Wir können verfulgen, wie sie allmählich den Nucleolus umfliesst und im Umkreis desselben sich zu einem Ring ausbreitet, dann strömt die Masse weiter und bildet eine Anhäufung, wie wir sie vor Anbeginn der Bewegungen vorgefunden haben, nur mit dem Unterschied, dass sie jetzt an dem entgegengesetzten Pole lagert. Ist dieser Moment erreicht, so erfolgt nach einiger Zeit eine rück- läufige Bewegung; und so können wir beobachten, wie im Laufe einer Stunde die Kernsubstanz mehrfach ihre Anordnung wechselt. Bei allen diesen Bewegungen schickt die Kerusubstanz amoe- boide Fortsätze aus, welche bald als kleine Höcker auf der Oberfläche des Kerns hervorragen (Taf. XI, Fig. 7), bald in das - Lumen desselben einspringen, während der Nucleolus unverändert in der Mitte der von ihm eingenommenen Vacuole lagert. Schliess- lich wird ein Gleichgewichtszustand erreicht, indem die Kern- masse einen gleichmässig dieken Ring um den Nucleolus bildet (Taf. XII, Fig.'14). Auf diesem Stadium gibt der Kern, von ver- schiedenen Seiten aus gesehen, stets das gleiche Bild: ein scharf umschriebener Nucleolus, der in einiger Entfernung von einer Lage Kernsubstanz umschlossen wird. Die letztere hat während der Bewegungen ihr Aussehen verändert, die Körnelung ist ver- schwunden; die Masse, völlig homogen geworden, sticht mit 164 Richard Hertwig, scharfen Contouren gegen die Umgebung ab; oberflächlich tiefere und seichtere Furchen geben ihr ein leichtstreifiges Ansehen. Ist dieser Zustand erreicht, so fängt auch der Nucleolus an, sich zu verändern und amoeboide Fortsätze auszusenden (Taf. XI, Fig. 1 u. 2, Taf. XII, Fig. 15). In einigen Fällen bekam ich den Eindruck, als ob diese Fortsätze sich sogar ablösten und zu kleinen Körnchen würden, die nach der Peripherie der Kernvacuole wan- derten, bei Anwendung von Reagentien habe ich jedoch keine Bilder erhalten, welche diese Vorstellung bestätigt hätten. In Folge der amoeboiden Bewegungen, zum Theil wohl auch in Folge von Imbibition mit Kernsaft wird die Umgrenzung des Nucleolus mehr und mehr verschwommen, bis er schliesslich ganz zu verschwinden scheint. In der That hat er sich jedoch auf diesem Stadium noch nicht aufgelöst, vielmehr kann man ihn bei Behandlung mit Osmiumsäure und Carmin noch als einen dunkler gefärbten, wenn auch sehr undeutlich contourirten Körper sichtbar machen. Ueberhaupt sind die Bilder während dieser und der nächst folgenden Perioden im frischen Zustand sehr undeutlich, da die in beständiger Umlagerung begriffenen Kernmassen keine scharfen Contouren besitzen; selbst mit Hilfe von Reagentien ge- winnt man nur einen sehr unvollständigen Einblick in die Auf- einanderfolge und den Zusammenhang der einzelnen Form- zustände. Die Veränderungen des Nucleolus rufen eine tumultuarische Bewegung in der Kernrindenschicht hervor. Die Vacuole ver- schwindet vor den von allen Seiten andringenden Fortsätzen der- selben. Der ganze Kern zerfällt in grössere und kleinere Stücke, die eine undeutlich radiäre Anordnung annehmen (Taf. XI, Fig. 8). Durch fortschreitenden Zerfall werden die Stücke feiner und un- deutlicher, bis schliesslich der ganze Kern eine homogene Masse geworden ist. Behandelt man während dieser Stadien den Kern mit Reagentien, so bekommt man keinen Nucleolus mehr zu Ge- sicht, sondern das Centrum wird von einer undeutlichen hellen Stelle eingenommen. Die Oberfläche des Kerns ist höckerig und sieht wie cannellirt aus (Taf. XI, Fig. 2 u. 8). Das gleichförmige Aussehen, das der Kern in Folge aller der geschilderten Veränderungen angenommen hat, dauert eine kurze Zeit. Bald sehen wir ihn sich strecken und an seinen beiden Enden homogene Substanz sich anhäufen (Taf. XI, Fig. 9). Auf diese Weise entstehen beiderseits zwei halbkugelige, gegen den übrigen Kern scharf abgesetzte Aufsätze, die während der ge- Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 165 sammten Kerntheilung erhalten bleiben und die ich im Folgenden als Endplatten bezeichnen werde. Dieselben gleichen in ihrer Zusammensetzung völlig dem homogenen Abschnitt am hinteren Ende des jugendlichen Kerns; sogar die hellglänzenden Körnchen an der Oberfläche fehlen nicht. Wie wir später sehen werden, gehen auch aus den beiden Endplatten die hinteren Abschnitte der beiden aus der Theilung resultirenden Kerne hervor. Der zwischen den beiden Endplatten gelegene Theil bildet die Hauptmasse des Kerns; derselbe besitzt eine eiförmige, an beiden Enden quer abgestutzte Gestalt und ein anfänglich gleich- förmiges Aussehen; allmählich jedoch geht er in die streifige Differenzirung über, welche in der Neuzeit in zahlreichen Arbeiten von sich theilenden Kernen beschrieben worden ist. Die Streifung beginnt an den beiden Enden der mittleren Kernmasse, da wo dieselbe an die beiden Endplatten stösst (Taf. XII, Fig. 16); von hier aus dehnt sie sich nach den mittleren Partieen hin aus, durch- setzt dieselben jedoch nie ganz, sondern ist durch eine Anhäufung homogener Substanz, welche der breitesten Stelle des Kerns ent- spricht, in zwei Streifensysteme getrennt (Taf. XI, Fig. 3, Taf. XI, Fig. 17 a—c). Das eine derselben gehört dem Theil an, der sich in der Folge zum Kern der Knospe entwickelt und ist weniger ausgedehnt als das andere, aus dem sich der Kern des Mutter- thieres reconstruirt. Da man im vorliegenden Falle die streifige Differenzirung schon im frischen Zustand wahrnimmt, so bekommt man eine bessere Anschauung von ihrem Bau, als es sonst bei Thieren und Pflanzen möglich ist. Bei der Spirochona kann man mit aller Sicherheit erkennen, dass die Struetur durch feine Stäbchen be- dingt ist, welche einander parallel lagern, eins dicht neben dem anderen, ohne durch Zwischenräume getrennt zu sein, wie es sonst abgebildet wird. Namentlich bei Behandlung mit Osmiumsäure, die mit etwas Chromsäure versetzt ist, wird dies Verhältniss sehr deutlich; die Form des Kerns und seine Structur wird durch die combinirte Anwendung dieser Reagentien nicht im geringsten be- einträchtigt, nur sieht man bei länger andauernder Einwirkung die schon im frischen Zustand erkennbaren Verhältnisse schärfer hervortreten. Bei der genannten Behandlungsweise setzen sich die feinen Stäbchen, aus denen die gestreiften Partieen bestehen, nur un- deutlich gegen die in der aequatorialen Ebene angehäufte Sub- stanz ab, dagegen haarscharf mit Enden, die fast wie Fettkörnchen Bd. XI. N. F. IV. 2. 12 166 Richard Hertwig, glänzen, gegen die homogenen Endplatten. Diese Enden liegen für gewöhnlich in einer queren Ebene, in einem Falle bildeten sie jedoch in dem dem Mutterthier zugewandten Abschnitt eine Art Pyramide, indem die mittleren mehr in das Innere der End- platte einragten, als die seitlichen, so dass die ganze gestreifte Partie mit einer scharf hervortretenden Spitze endete (Taf. XI, Fig. 5). Ob dies ein zufälliges Vorkommniss war oder ein rasch vorübergehendes Stadium repräsentirte, lasse ich unentschieden. Durch die Ausbildung der Streifung ist der ganze Kern in fünf Abschnitte zerfallen, die beiden Endplatten, die zwei ge- streiften Partieen und die körnige Mittelplatte, die sich wahr- scheinlich der Kernplatte Strasburger’s und der mittleren Ver- dichtungszone O. Hertwig’s vergleichen lässt. Diese Sonderung in einzelne Abschnitte wird namentlich durch Essigsäure und Chromsäure deutlich gemacht. Genannte Reagentien rufen eine ungleichmässige Gerinnung hervor und bedingen, wie es Fig. 10a auf Taf. XI von einem etwas weiter vorgeschrittenen Theilungs- stadium darstellt, Spalten zwischen den einzelnen Abschnitten. Den Zeitraum, welchen die Processe, von der Auflösung des Nucleolus bis zum Auftreten der Streifung, für sich in Anspruch nehmen, bestimmte ich in einem Falle auf eine Stunde, die ge- sammte Dauer von Anbeginn der amoeboiden Bewegungen der die Kernhaube bildenden Masse — es ist dies der Moment, von dem ab ich die Entwieklung im Zusammenhang verfolgt habe — beträgt somit zwei Stunden. Diese Zeitangaben haben jedoch nur ungefähre Giltigkeit, da es mir schien, als ob die Entwick- lung je nach individuellen Verhältnissen rascher oder langsamer verlaufen könne. Von den Veränderungen, die während der weiteren Entwick- lung eintreten, bleiben die beiden homogenen Endplatten — ab- gesehen von einer unbedeutenden Grössenzunahme — unberührt; sie bilden somit die beiden Pole, zwischen denen der gesammte Process der Kerntheilung verläuft. Dagegen ist der zwischen beiden Endplatten liegende Theil in einer beständigen Umänderung begriffen. Zunächst prägt sich seine Gliederung in drei Abschnitte auch äusserlich in der Form aus, indem die mittlere ungestreifte Zone sich durch Einschnürungen gegen die streifigen Partieen ab- setzt (Taf. XII, Fig. 17b und ce). Bei der weiterhin erfolgenden Streekung betheiligt sich vorwiegend diese mittlere Zone. Die- selbe zieht sich in die Länge und bildet einen eylindrischen Strang, der die beiden kugelförmigen Enden des Kerns verbindet, an men _ UEEEE nn u LT Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 467 so dass der gesammte Kern nunmehr die Gestalt einer Hantel annimmt (Taf. XII, Fig, 17d—e). Während dieser Veränderungen setzt sich die Streifung auch auf das Verbindungsstück fort und nur in der Mitte desselben erhält sich eine dichtere ungestreifte Stelle, ein Rest der mittleren Kernzone. Dieselbe tritt bei Osmium- säurebehandlung und nachfolgender Imbibition in Carmin sehr deutlich hervor (Taf. XI, Fig. 4). Man kann nun verfolgen, wie das Verbindungsstück sich mehr und mehr zu einem Faden in die Länge zieht, und sich hierbei krümmt, als ob es für seine Verlängerung keinen genügen- den Platz finde. Endlich sieht man in der Mitte den Zusammen- hang sich lösen, wodurch die Kerntheilung vollendet ist. Einmal schien es mir hierbei, als ob kurz vor der Theilung sich die mitt- lere Verdichtungszone in zwei spalte; doch habe ich in anderen Fällen keine Andeutung einer derartigen Spaltung der Kernplatte erhalten. Der ganze Process vom Auftreten der Streifung bis zur voll- endeten Theilung dauert etwas mehr als eine Stunde; wir würden daher die Zeit, welche die gesammte Kerntheilung erfordert, auf o—4 Stunden bestimmen können. Nach beendeter Theilung nimmt jeder Tochterkern die Gestalt an, welche wir schon am Anfang bei der Schilderung des Kerns der ausgebildeten Spirochona kennen gelernt haben. Er besteht aus einem homogenen kleineren Abschnitt, der sich aus einer der Endplatten gebildet hat und einem grösseren feinkörnigen, der aus Umbildung der streifigen Partieen entstanden ist. Beim Mutter- thier ist letzterer nach vorn, ersterer nach hinten gewandt, bei der Knospe ist das Lageverhältniss umgekehrt. Am gekörnelten Ende kann man eine Zeit lang einen Rest des Verbindungsstrangs in Form eines feinen Fortsatzes nachweisen (Taf. XI, Fig. 5). Später wird auch dieser allmählich eingezogen. Während sich die Theilung des Kerns durch alle Phasen hindurch an einem und demselben Objeet mit grösster Genauig- keit verfolgen lässt, entzieht sich das Verhalten der Nebenkerne im frischen Zustand völlig der Beobachtung. Ich musste daher zur Behandlung mit Reagentien meine Zuflucht nehmen, hatte aber hierbei mit allen den Schwierigkeiten, die sich dem Nachweis der Nebenkerne überhaupt entgegenstellen, in erhöhtem Maasse zu kämpfen, da die Formveränderungen, welche die Nebenkerne während der Theilung erleiden, ihre Nachweisbarkeit beträchtlich beeinträchtigen. Wiewohl ich nun viel Mühe und Arbeit gerade 19 168 Richard Hertwig, auf diesen Punkt verwandt habe, so ist es mir doch nur in einer beschränkten Anzahl von Fällen geglückt, die Nebenkerne deut- lich zu machen. Immerhin genügen dieselben, um uns sichere Sehlüsse auf ihr Verhalten zur Zeit der Theilung zu erlauben. Während der ganzen Periode, in welcher sich im hinteren Kernabschnitte der Nucleolus ausbildet, sind die Nebenkerne unver- ändert. Auf allen Präparaten findet man sie stets in der Anzahl von drei, bald in der Nähe des Kerns, bald in grösserer Ent- fernung von demselben gelagert. Ihre Form ist wie früher eine rundliche oder ovale. — Die ersten Veränderungen zeigen die Neben- kerne bei Spirochonen, bei denen die Anlage des Peristoms sich erst seit Kurzem gebildet und die amoeboiden Veränderungen der Kernsubstanz soeben begonnen haben. Sie finden sich hier stets dem Kerne genähert und haben eine deutlich spindelförmige Ge- stalt angenommen (Taf. X, Fig. 5 u. 6). Eine feinere Structur liess sich in den Spindeln nicht nachweisen; dieselbe würde bei der Kleinheit des Objects auch wohl kaum erkennbar sein, wenn sie selbst vorhanden sein sollte. In einer Anzahl Präparate aus der Zeit, wo sich der Kern zur streifigen Differenzirung vorbereitet oder die erste Andeutung der Streifung sich bemerkbar gemacht hat, waren die Nebenkerne gestreckt und lagerten dem Hauptkern parallel. Sie besassen häufig eine mittlere spindelförmige Anschwellung und stets an beiden Enden stecknadelkopfartige Verdickungen (Taf. XI, Fig. 1 und 2n); sie zeigten somit ganz das Aussehen sich theilender Nebenkerne, wie wir es aus Bütschli’s Untersuchungen kennen. Ich muss nun hier gleich hervorheben, dass in keinem der be- schriebenen Fälle aile drei Nebenkerne haben nachgewiesen werden können, bald war nur ein einziger erkennbar, bald wareu zwei vorhanden. Ich zweifle jedoch nicht, dass der dritte Neben- kern hier nur verdeckt wurde, oder dass seine Imbibition durch irgend einen Zufall verhindert worden war. Bei Exemplaren, bei denen der Knospungsprocess weiter ge- diehen war und der zwischen den Endplatten gelegene Kern- abschnitt sich in die mittlere Zone und die zwei gestreiften Par- tieen differenzirt hatte, konnte ich sechs Nebenkerne nachweisen. Jedesmal drei derselben lagen einander genähert, und zwar drei am mütterlichen Ende des sich theilenden Kerns, drei an der Hälfte, die später zum Kern der Knospe wird (Taf. XI, Fig. 5). Auf allen späteren Entwicklungsstadien ist der Nachweis der Nebenkerne verhältnissmässig leicht. Es finden sich auch hier Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 169 wieder drei auf Seiten des Mutterthiers und drei auf Seiten der Knospe. Aus den hier mitgetheilten Beobachtungen können wir auf folgendes Verhalten der Nebenkerne schliessen. Beim ersten Be- sinn der Knospung rücken dieselben an den Hauptkern heran und nehmen eine spindelförmige Gestalt an, später strecken und theilen sie sich, so dass drei der Knospe und drei der Mutter an- gehörige Nebenkerne entstehen. Auffallend bei dem ganzen Vor- gang ist, dass die Theilung ausserordentlich frühzeitig Statt findet, zu einer Zeit, wo am Kern sich die Streifung erst seit Kurzem ausgebildet hat. Wir müssen nunmehr die Veränderungen nachtragen, welche mittlerweile die übrigen Theile der Knospenanlage erfahren haben. Wie wir gesehen hatten, wird die Knospe bei ihrer Entstehung von einem kleinen Höcker gebildet, der ventralwärts und etwas nach links vom Hals des Mutterthiers lagert und in seinem vor- deren Ende eine flimmernde Ausstülpung des Peristoms umschliesst (Taf. X, Fig. 5 u. 6). Je mehr der Höcker an Grösse zunimmt, um so mehr vertieft sich die Ausstülpung und schnürt sich vom Peristom ab. Es entsteht so ein sackförmiges Divertikel, dessen anfänglich breite Communication mit der Peristommulde sich mehr und mehr in einen langen dünnen Canal auszieht, bis auch dieser mit der Zeit verschwindet (Taf. XI, Fig. 1—3). Wir erblicken ‚dann in der Spitze der Knospe einen Hohlraum, der, soweit ich es erkennen konnte, allseitig geschlossen ist und in dessen Innerem die Wimpern sich in lebhafter Bewegung befinden. Der Hohlraum besitzt anfänglich eine oblonge Gestalt, später bildet er auf der dem Mutterthier zugewandten Seite eine Ausbuchtung, die sich beim Wachsthum der Knospe zu einem langen Spalt auszieht. — Dieser Zustand der Peristomanlage entspricht ungefähr dem Zeit- punkt, in dem am Kern die streifige Differenzirung begonnen hat. Während der Kern sich theilt, schnürt sich die Knospe ab; und zwar beginnt die Abschnürung am Peristomrand und schreitet nach abwärts fort. Die Folge hiervon ist, dass die Verbindungs- stelle von Mutterthier und Knospe sich mehr und mehr der Basis des ersteren nähert (Fig. 4 u. 5). Schliesslich seken wir, dass die Knospe nur noch wie eine Frucht auf einem dünnen Stielchen sitzt, das ungefähr auf halber Höhe vom Mutterthier entspringt (Taf. XI, Fig. 6). Auf diesem Zustand scheint die junge Spirochona lange Zeit zu beharren, bevor sie sich ablöst; währenddem bilden sich die 170 Richard Hertwig, einzelnen Theile, deren Anlagen wir kennen gelernt haben, weiter aus. Der wimpernde Spalt, welcher anfänglich geschlossen er- schien, öffnet sich nach aussen und bildet eine Furche, die an der vorderen Seite der Knospe beginnt und hier ihre grösste Breite besitzt, dann rechtwinkelig umbiegt und schmäler werdend der Längsseite folgt. An ihrem Ende verbreitert sich die Furche zu einer kleinen Anschwellung, die den Mittelpunkt einer eigenthüm- lichen radiären Figur bildet (Taf. XII, Fig. 1, 2 u. 6r). Dieselbe setzt sich aus stäbchenartigen Gebilden zusammen, die wie die Speichen eines Rades angeordnet sind. Jedes Stäbchen besteht aus einer feinkörnigen, wahrscheinlich protoplasmatischen Substanz, die sich scharf gegen die Umgebung absetzt und in Carmin sich stark imbibirt. Das Ganze halte ich für eine eigenthümliche Pro- toplasmastructur, die wahrscheinlich zur Bildung der eutieularen Streifen der Anheftungsplatte in Beziehung steht. Wir wir später sehen werden, setzt sich der Schwärmer mit der Stelle fest, an der sich die Protoplasmastructur befindet. Die Ablösung der Knospe erfolgt sehr langsam; es bildet sich an der Uebergangsstelle des Stiels in die Knospe eine Furche, die sich allmählich vertieft und schliesslich die Lostrennung bedingt. Der Stiel bleibt noch lange Zeit erhalten, so dass man der Spiro- chona anmerken kann, dass sie eine Knospe erzeugt hat. Erst allmählich verstreicht er, so dass nunmehr das Mutterthier, da Peristom und Kern ebenfalls ihr früheres Aussehen angenommen haben, sich nicht von einer gewöhnlichen Spirochona unterscheidet. Die meisten der von mir mitgetheilten Veränderungen, welche der Körper und der Kern der Spirochona bei der Knospung er- leiden, sind von Stein übersehen worden. Das erste Stadium, welches derselbe abbildet und schildert, entspricht dem schon weit vorgerückten Zeitpunkt, wo die Knospe einen ansehnlichen Höcker am Mutterthier bildet und die Theilstücke des Kerns sich schon völlig von einander getrennt haben, demnach ungefähr einem Zustand, wie ihn Figur 5 auf Tafel XI darstellt. Gerade die wich- tigsten Entwicklungsstufen, welche über das Verhalten des Kerns und über die Bildung des Peristoms Aufschluss geben, hat Stein somit nicht beobachtet. Es erklärt sich so seine Angabe, dass das Peristom sich als eine grubenförmige Vertiefung anlegen und der Kern durch Neubildung entstehen soll. Letztere Angabe steht in Zusammenhang mit der damals herrschenden, von ihm selbst wie von Claparede und Lachmann vertretenen Unterschei- dung von Theilung und Knospung. Nur bei der Theilung sollte | | | | | Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 4171 der Kern des jungen Organismus vom mütterlichen Kern aus entstehen, bei der Knospung dagegen sollte er sich völlig neu bilden. Der Knospungsprocess wiederholt sich mehr als einmal an demselben Individuum und verläuft zuweilen so lebhaft, dass eine zweite Knospe schon entsteht, bevor noch die ältere sich abgelöst hat. Die jüngere Knospe bildet sich dann in dem Zwischenraum zwischen der älteren und dem Peristom. Mit dem beschleunigten Verlauf der Fortpflanzung kann häufig das Wachsthum der Spiro- ehona nicht gleichen Schritt halten, was dann eine Verkleinerung des Körpers des Mutterthieres zur Folge hat. Namentlich scheint der Spiraltrichter durch die Substanzverluste, die das Peristom bei jeder Knospung erleidet, eine Reduction zu erfahren und schliesslich ganz zu schwinden. Ich bin zu dieser Auffassung durch die Beobachtung von in Knospung begrifienen Spirochonen gelangt, bei denen das Peristom eine einfache Mulde bildete, wie es Figur 10 auf TafelX darstellt. Eine Einkerbung des Randes bezeichnete noch die Stelle, an der sich früher der Spiraltrichter einfaltete. Durch rasche Wiederholung der Knospung kann das Mutter- thier so erschöpft werden, dass die Knospe schliesslich grösser ist als die Spirochona, an der sie entsteht. Einen derartigen Fall habe ich in Figur 10 auf Tafel XII abgebildet. Hier war das Peristom völlig geschrumpft und das ganze Thier nur noch ein unförmlicher Körper, an dem eine Knospe von beträchtlicher Grösse ansass. Von besonderem Interesse in diesem Fall war, dass der Kern völlig in die Knospe übergewandert war und hier seine Vorbereitungen zur Theilung getroffen hatte. Es wäre nun von Interesse gewesen, ob letztere zu Stande gekommen sein würde und in welcher Weise; leider bemerkte ich jedoch das be- treffende Exemplar erst, nachdem ich das Präparat mit Reagentien behandelt hatte. An den beschriebenen Fall schliessen sich einige andere an, in denen das ganze Mutterthier zu einem Rudiment herabgesunken war, welches sich wie ein Stiel der ansitzenden Knospe ausnahm (Taf. XII, Fig. 6). Nur ein ganz zur Seite gedrängter kleiner Höcker bildete noch eine Andeutung eines Körpers. Ein einziger Kern war vorhanden und dieser gehörte der Knospe an. Hier kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der vom Mutterthier übrig bleibende Rest zu keinem selbstständigen Leben mehr be- fähigt ist. 472 Richard Hertwig, Schon Stein hat die geschilderten Bilder beobachtet, die- selben jedoch in anderem Sinne gedeutet. Ursprünglich hat er das Verhältniss geradezu umgekehrt, den stummelartigen Rest für die Knospe und die Knospe für ein Mutterthier gehalten; es habe hier, so meinte er, ein Schwärmer noch vor seiner Umbildung zur Spirochona begonnen, Knospen zu erzeugen. Später corrigirte er seine Angaben und erklärte die eigenthümlichen Befunde durch die Annahme, dass in den genannten Fällen ein Körper des Mutter- thiers ursprünglich vorhanden gewesen sei, derselbe sei jedoch von irgend einem Thier abgebissen worden, während die Knospe verschont blieb. Diese Deutung ist indessen ganz unhaltbar. Wie wir gesehen haben, entstehen die Knospen so hoch oben in der Nähe des Peristoms, dass eine Verletzung, welche das Thier bis auf einen so unscheinbaren Rest vernichtete, nothwendigerweise auch die Knospe zerstören würde. b. Die Umbildung der Knospe zur Spirochona. Die abgelöste Knospe der Spirochona besitzt eine sehr charak- teristische Gestalt, so dass Jeder, der sie einmal gesehen hat, sie heraus erkennen würde, auch wenn er nicht die Ablösung vom Mutterthier verfolgt hätte (Taf. XII, Fig. 1a u. b). Am richtigsten würden wir noch dieselbe als eiförmig bezeichnen können, doch hätten wir dann einige ziemlich beträchtliche Abweichungen von der ovoiden Grundform zu berücksichtigen. Einmal ist der Körper in einer Richtung abgeplattet, dann ist sein vorderes Ende von einer muldenförmigen Vertiefung, dem späteren Peristom aus- gehöhlt; endlich setzt sich diese muldenförmige Vertiefung in Gestalt einer breiten, der Länge des Schwärmers folgenden Rinne bis an das hintere Ende desselben fort. Der Grund der Ver- tiefung ist in seiner ganzen Ausdehnung von feinen Cilien aus- gekleidet, die während des Schwärmerstadium noch die Bedeutung haben, die Fortbewegung der Knospe zu vermitteln und erst später nach Ausbildung des Mundes die Function von Nahrung zuleitenden Apparaten gewinnen. Besondere der Locomotion dienende Wimperringe, wie wir sie von den frei herumschwim- menden Vorticellinen kennen, sind nicht vorhanden. Die Cilien stehen in zahlreichen Längsreihen und bedingen durch ihre An- ordnung eine sehr zarte, den Rinnenrändern parallel verlaufende Streifung. Letztere haben wir, wenn auch nicht in der weiten Ausdehnung, schon an der Knospe kennen gelernt und konnten Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 1753 sie hier genetisch von der Streifung ableiten, welche beim Mutter- thier den Grund des Peristoms einnahm. Der Kern zeigt die Zusammensetzung aus den beiden schon früher geschilderten Abschnitten, von denen der homogene häufig noch nach vorn, der körnige nach hinten gewandt ist, während sie in anderen Fällen schon ihre bleibende Stelle eingenommen haben. Die drei Nebenkerne lagern bald in unmittelbarer Nähe des Kerns, bald haben sie sich von ihm entfernt. Vacuolen sind im Protoplasma nicht vorhanden. Im Gegensatz zu der Lebhaftigkeit der meisten Infusorien ist die Bewegung der schwimmenden Knospe träge und langsam; sie kommt zu Stande, indem der Körper sich gleichmässig um seine Lärgsaxe dreht. Hierbei ist das verbreiterte Peristomende nach vorn gewandt und scheint tastend dem Rand der Kieme des Gammarus entlang nach einem zur Fixation geeigneten Ort zu suchen. Ist derselbe gefunden, so wird das hintere Ende festge- stellt, während das vordere noch eine Zeit lang um dasselbe langsam rotirt. Schliesslich hört auch diese Bewegung auf und die Cilien kommen völlig zur Ruhe. Die Stelle, mit der sich die Knospe festsetzt, liegt nicht am spitzen Ende — dem Ende, welches früher auf dem Stiel fest- sass — sondern etwas nach vorn von demselben auf der Seite der rinnenförmigen Vertiefung und zwar, wie es mir schien, am Grunde des hintersten Abschnitts der Vertiefung selbst. Hier findet sich jene eigenthümliche, aus radiären Streifen bestehende Figur, die wir an der Knospe schon vor ihrer Ablösung wahrgenommen haben (Taf. XII, Fig. 2r). Die Figur verschwindet, sobald die Befestigung erfolgt ist, und es entsteht, nach dem was ich er- mitteln konnte, an der von ihr eingenommenen Stelle der cuti- eulare Anheftungsapparat, welcher die Basis der Spirochona bildet. Derselbe hat mit der Protoplasmastructur das Gemeinsame, dass er ebenfalls aus radiären Stäbchen besteht, unterscheidet sich da- gegen von ihr durch seinen beträchtlich geringeren Durchmesser. Das Verhältniss, in dem beide Structuren zu einander stehen, macht mir einen genetischen Zusammenhang zwischen ihnen wahr- scheinlich, und zwar glaube ich, wie ich schon hervorgehoben habe, dass das Protoplasma zum Zweck der Bildung der An- heftungsplatte die geschilderte eigenthümliche Anordnung ange- nommen hat. Der Ort der Anheftung bedingt anfänglich eine eigenthüm- liche Haltung der Knospe; sie steht nicht senkrecht zur Unterlage, 174 Richard Hertwig, wie es später der Fall ist, sondern bildet einen Winkel mit der- selben, indem die wimpernde Rinne der Kieme zugewandt ist. Erst allmählich richtet sich der Körper auf. Von der hier gegebenen Schilderung weicht Stein in seiner Darstellung in sofern ab, als er die Knospe sich direet mit ihrem hinteren Ende festsetzen und gleich von Anfang eine aufrechte Stellung einnehmen lässt. Diese Angaben scheinen mir indessen nur erschlossen zu sein und nicht auf Beobachtungen zu beruhen. Denn an einer anderen Stelle beschreibt Stein den Vorgang vollkommen richtig, bringt ihn jedoch in unrichtige Beziehungen. Wie bekannt, vertrat er damals die Ansicht, dass Ciliaten und Acineten in einem Generationswechsel mit einander ständen. So sollten denn auch die Spirochona und der gleichfalls auf den Kiemen des Gammarus lebende Dendrocometes demselben Fort- pflanzungseyelus angehören. Der Schwärmer der Spirochona sollte nicht in allen Fällen zur Form des Mutterthiers zurückkehren, sondern zu Zeiten sich in einen Dendrocometes verwandeln. Als daher Stein einige Male verfolgen konnte, dass sich die Knospe mit ihrer breiten Seite festsetzte und eine abgeflachte Gestalt an- nahm, dass sogar die Wimperbewegung aufhörte, so glaubte er hierin den Beginn eines Uebergangs in die Form des Dendro- cometes erblicken zu müssen, eine Idee, von der er selbst würde zurückgekommen sein, wenn er die weiteren Umänderungen ver- folgt hätte. Schon während der kreisenden Bewegung, welche der Be- festigung vorausgeht, hat der Knospensprössling seine Gestalt verändert (Taf. XII, Fig. 2 u. 3). Der Rand der wimpernden Ver- tiefung (des Peristoms und dessen rinnenförmiger Verlängerung) schlägt sich nach aussen um und bildet eine wulstige Lippe, die namentlich im Umkreis des Peristoms deutlich ist und sich hier mit einer halsartigen Einschnürung gegen den übrigen Körper absetzt. Nachdem die Knospe sich festgesetzt hat, krümmt sich ihr Körper über die Fläche, so dass die eine seiner Breitseiten eine deutliche, der Länge nach verlaufende Einbiegung erkennen lässt, während die Convexität der anderen in gleichem Maasse zunimmt (Taf. XII, Fig. 4). Hierbei treten wahrscheinlich in Folge der Contraction des Körpers mehrere Längsfurchen auf der convexen Seite auf, welche sich nach dem Rand des Peristoms zu vertiefen und hier 3—4 Einkerbungen hervorrufen. Die concave Seite wird, wie wir sogleich sehen werden, zur Bauchgegend, die convexe zum Rücken. Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 175 Nach den Angaben Stein’s soll sich nun die flimmernde Furche, in welche sich die Peristommulde verlängert, im hinteren Theile schliessen, während im vorderen Theil die eine Seite der Umrandung sich über die andere hinwegschiebt, um so den hier noch bestehenden Spalt zu überbrücken. Die überdeckte Seite soll sich dann nach innen einrollen und den Spiraltrichter bilden. — Diese Schilderung Stein’s habe ich nicht bestätigt gefunden, vielmehr bin ich ebenso wohl, was die Schliessung der wimpern- den Furche anlangt, als auch hinsichtlich der Bildung des Spiral- trichters zu einer wesentlich anderen Auffassung gelangt, wobei ich bemerke, dass ich den Verlauf der Umwandlung an einem und demselben Object habe verfolgen können. Während die Knospe sich streckt und eine aufrechte Stel- lung annimmt, bildet die ventrale Wand des Peristoms eine Ein- faltung, welche in das Innere der flimmernden Mulde vorspringt und in der wir die Anlage zum Spiraltrichter zu erblicken haben (Fig. 5s). Gleichzeitig schliesst sich die der Länge der Knospe folgende wimpernde Furche, und zwar in ganzer Ausdehnung und nieht in ihrem hinteren Abschnitt allein, wie es Stein schildert. Wir finden daher auf diesem Stadium die Peristommulde von einer wulstigen Wandung umgeben, und in das Innere der Mulde von der ventralen Fläche aus einragend eine breite Falte, die Anlage des Spiraltrichters. Ein seitlicher Zugang zum Peristom in Form einer unvollkommenen überdeckten Spalte, den Stein annimmt, existirt bei der jungen Spirochona ebenso wenig wie beim er- wachsenen Thier. Allmählich vertieft sich nun das Peristom, und zwar besonders auf der linken Seite der Einfaltung, während die am Grunde be- findlichen Cilien, die bisher geruht hatten, auf's Neue ihre Be- wegungen beginnen. Der ganze Peristomabschnitt setzt sich mit einer seichten ringförmigen Vertiefung, welche dem Hals der Spirochona entspricht, gegen den unteren Theil des Körpers ab (Taf. XII, Fig. 8). Was aber besonders eine Annäherung an den Habitus des erwachsenen Thiers herbeiführt, ist die allmähliche Verdünnung der Wandungen des Peristoms. Die anfangs breiten und wulstigen Lippen des letzteren wandeln sich so in die zarten, kaum doppelt contourirt erscheinenden Ränder um, welche wir bei der Schilderung der Spirochona kennen gelernt haben. Auch die Anlage des Spiraltrichters nimmt mehr und mehr die bleibende Form an. Die beiden Lamellen der Falte legen sich dicht aneinander und verschmelzen zu einer einzigen, so dass 176 Richard Hertwig, man nur noch an dem Ort der Einfaltung eine spaltartige Ein- kerbung bemerkt, welche die Verwachsungsstelle der beiden Lamellen andeutet (Taf. XII, Fig. 8). Gleichzeitig beginnt die spiralige Einrollung der Falte, welche die eigenthümliche Form des vorderen Endes des Spirochona bedingt. Bisher waren der rechte und linke Peristomrand gleich hoch, so dass das vordere Ende wie quer abgeschnitten erschien. Dies Verhältniss ändert sich von jetzt ab (Taf. XII, Fig. 9). Die rechte Seite des Peristoms wächst rascher und erhebt sich in kurzer Zeit um ein Beträchtliches über die linke. Indem auch die spi- ralig eingerollte Falte in die Höhe wächst, gewinnt es den An- schein, als würde dieselbe nur von der rechten Peristomwand gebildet und als füge sich die linke der eingerollten rechten nur äusserlich an. \ Zur Zeit, wo sich die erste halbe Windung des Spiraltrichters angelegt hat, entsteht am Grunde der linken Seite des Peristoms die Mundöffnung und die Speiseröhre. Ferner treten nunmehr in dem Protoplasma die ersten Vacuolen auf. Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass, sofern es nicht schon früher geschehen ist, der Kern im Lauf der geschilderten Entwicklungsstadien seine Lage verändert hat, indem sein ursprünglich nach vorn ge- wandtes homogenes Ende sich nach hinten gerichtet hat. Es bedarf von jetzt ab nur noch eines Wachsthums und einer Weiterbildung der einzelnen Anlagen, um das junge Thier, wie es in Fig. 9 auf Taf. XII abgebildet ist, in die bleibende Form überzuführen. c. Bemerkungen zur Entwicklungsgeschichte der Spirochona. Die Entwicklungsgeschichte der Spirochona ist von allge- meinem Interesse, erstens als ein Fall ächter Knospung bei eiliaten Infusorien und zweitens wegen der Veränderungen, die sich mit grosser Deutlichkeit an ihren Kernen, namentlich an dem Nucleus verfolgen lassen. In meiner Arbeit über die Podophrya gemmipara!) habe ich darauf hingewiesen, dass die Frage, ob eine Fortpflanzung durch Knospen bei den Ciliaten überhaupt existirt und wie weit die- selbe verbreitet ist, einer erneuten Prüfung bedarf; durch eine ‘) Morphol. Jahrb. Bd. I, p. 20. Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 477 Kritik der einschlägigen Literatur versuchte ich durchzuführen, dass die vorliegenden Angaben über die Existenz der Knospung keineswegs genügend sicher gestellt sind, da durch die Erkennt- niss, dass den Beobachtungen in den meisten Fällen die sogen. knospenförmige Conjugation zu Grunde lag, auch die übrigen Fälle wieder zweifelhaft geworden waren. Inzwischen ist die Bildung von Knospen von Engelmann!) bei der Vorticella mierostoma von Anfang an verfolgt und so zum ersten Mal der sichere Nachweis für die Existenz des Pro- cesses bei den Vorticellinen geführt worden. Diesen Beobachtungen schliessen sich meine Untersuchungen über die Spirochona als ein zweiter Fall an. In der genannten Arbeit hatte ich mich ferner gegen das alte Dogma, dass bei der Knospung der Infusorien die einzelnen Theile der Knospe, vor Allem der Kern durch Neubildung entstehen sollten, ausgesprochen. Ich that dies auf Grund meiner Beob- achtungen über die Fortpflanzung der Podophrya gemmipara, bei welcher der Kern der Knospe mit Sicherheit von dem des Mutter- thiers sich ableiten liess. Zu gleichen Resultaten ist Engel- mann bei der Vorticella mierostoma gelangt; auch äusserte der- selbe bei Mittheilung seiner Beobachtungen die Vermuthung, dass bei der Spirochona sich wahrscheinlich der Kern ebenfalls bei der Knospung betheilige. Mit Recht machte Engelmann geltend, wie unvollständig die Beobachtungen Stein’s hinsichtlich der ersten Stadien der Knospung seien, dass durch dieselben weder ein Hervorsprossen des Kerns in Abrede gestellt, noch selbst eine Täuschung durch die knospenförmige Conjugation ausgeschlossen würde. Die im Obigen mitgetheilten Untersuchungen haben nun in der That den Beweis geliefert, dass alle Theile des Knospen- körpers von den entsprechenden Theilen des Mutterthiers ab- stammen. Sogar das Peristom entsteht nicht selbständig, sondern als eine Ausstülpung vom mütterlichen Peristom aus, ein Bildungs- modus, der, so viel ich weiss, bis jetzt noch nicht einmal bei Theilungen beobachtet worden ist, wenn es auch wahrscheinlich erscheinen muss, dass bei den Längstheilungen der Vorticellinen das Peristom sich ähnlich verhalten werde. Was nun weiterhin das Verhalten des Kerns während der Knospung anlangt, so lassen sich hier eine Summe von Ver- 1) Morphol. Jahrb. Bd. I, p. 578. 178 Richard Hertwig, änderungen erkennen, deren Beziehungen zu den Kernveränderungen bei der Theilung anderweitiger Infusorien und thierischer und pflanzlicher Zellen eine kurze Besprechung verlangen. Wie namentlich durch die Untersuchungen Bütschli’s!) bekannt geworden ist, nimmt der Kern der Infusorien während der Theilung eine streifige Differenzirung an. Dieselbe ist zumeist nicht sehr regelmässig entwickelt, indem die einzelnen Fasern der Kernsubstanz eine verworrene Anordnung besitzen, in manchen Fällen sogar ist die Streifung gar nicht oder doch nur sehr un- deutlich erkennbar; andererseits kann sie sich aber auch ausser- ordentlich klar ausprägen, wie bei den Vorticellinen. Bei letzteren verlaufen, wie ich mehrfach beobachtet habe, scharf eontourirte Fasern in genau paralleler Lagerung von einem Ende des lang- gestreckten Kerns bis zum anderen; auf dem optischen Querschnitt erhält man daher den von thierischen und pflanzlichen Objeeten schon mehrfach geschilderten Körnerkreis, in dem jede einzelne Längsfaser auf ihrem Querschnitt als Kern erscheint. In allen diesen Fällen beschränkt sich die Aehnliehkeit mit der Kerntheilung thierischer und pflanzlicher Zellen auf die Aus- bildung der Längsstreifung. Dagegen fehlt die bei letzterer so auffallende Differenzirung in einzelne durch ihren Bau sich unter- scheidende Abschnitte. In dieser Hinsicht lässt der Kern unserer Spirochona eine nicht unbeträchtlich weiter gehende Ueberein- stimmung erkennen. Wir können bei demselben fünf Abschnitte während der Zeit der Kerntheilung nachweisen, eine mittlere nicht gestreifte Zone, zwei seitliche gestreifte Partieen und die zwei homogenen Endplatten. Dem entsprechend besteht auch der thierische und pflanzliche Zellkern auf einem bestimmten Stadium der Theilung aus fünf Stücken, der Kernplatte, den beiden Streifen- systemen und den Polspitzen. Wenn wir indessen die einzelnen Theile näher mit einander vergleichen, so ergeben sich beträchtliche Differenzen, na- mentlich in der Bildung und dem Verhalten des mittleren Kern- abschnitts. Derselbe besteht bei der Spirochona aus der Substanz, die sich noch nicht streifig differenzirt hat, und verschwindet daher in dem Maasse, als sich die Streifung ausbreitet. Die Kern- platte dagegen wird bei Pflanzen und Thieren durch Verdich- tungen in den feinen Fasern der Kermsubstanz gebildet und zer- fällt dureh einen eigenthümlichen Spaltungsprocess im späteren )Burschhgl c,,.p.168; Ueber den Bau u, die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 179 Verlauf in die beiden Plattensegmente. Dieses verschiedene Verhalten verhindert zunächst noch die in ihrer Lagerung ent- sprechenden Abschnitte einander gleich zu setzen, da es noch nicht entschieden ist, ob sie beide gleiche Bedeutung für den Verlauf der Kerntheilung besitzen. Zahlreichere Uebereinstimmungspunkte erhalten wir bei einer Vergleichung der Endplatten der Spirochona und der homogenen Spitzen der thierischen und pflanzlichen Zellkerne. In seiner Schilderung der Theilung des Seeigeleies wies mein Bruder darauf hin, dass an den Spitzen der Kernspindel sich eine Verdichtung der Kernsubstanz ausbilde, so dass sie wie glänzende Körner aus dem umgebenden Protoplasmahof hervor- leuchten. !) Auch Strasburger) gedenkt bei seiner allgemeinen Besprechung der Zelltheilung der eigenthümlichen Differenzirung der Kernenden. Nach seinen Angaben soll sich an denselben und zwar besonders auffallend bei thierischen Objecten eine von der übrigen Kernmasse deutlich verschiedene, durch stärkeres Licht- brechungsvermögen ausgezeichnete Substanz ansammeln. Stras- burger nennt dieselbe Polsubstanz und hält sie für den activen Kernstoff, der einestheils die Anordnung der Kernsubstanz, andern- theils die des Protoplasma bedinge. Bei der Reconstruction des Kerns soll sich die Polsubstanz lange Zeit, nachdem schon die streifige Differenzirung geschwunden ist, noch gesondert erhalten und erst allmählich mit den übrigen Kernbestandtheilen sich ver- mischen. Die Substanz der Endplatten des Kerns der Spirochona ver- hält sich nun ganz ebenso, wie es Strasburger von seiner Polsubstanz schildert. Wenn wir zunächst von den Vorgängen absehen, welche den mit einem Nucleolus versehenen Kern in einen homogenen Körper umwandeln, so ist die Ausbildung der Endplatten auch bei der Knospung der Spirochona der erste Act der Kerntheilung; nur ist die Anhäufung der sie zusammen- setzenden Masse viel beträchtlicher als die Ansammlung von Pol- substanz in den von Strasburger beschriebenen Fällen. Von ihrem ersten Auftreten an erhalten sich die Bestandtheile der Endplatten während der ganzen Dauer des Processes von dem !) OÖ. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies, Morphol. Jahrb. Bd. I, p. 409. 2) E. Strasburger, Ueber Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl. Jena 1876, p. 272. 180 Richard Hertwig, übrigen Kern getrennt; ja sogar nach beendeter Theilung bilden sie einen besondern, aus einer eigenartigen Substanz bestehenden Abschnitt des Kerns. Ferner bieten meine Beobachtungen Anhaltspunkte für die Auffassung, dass die Substanz der Endplatten die activen Bestand- theile des Kerns ausmacht und somit auch in ihrer funetionellen Bedeutung der Polsubstanz Strasburger’s entspricht. In dieser Hinsicht halte ich es für wichtig, dass die streifige Differenzirung des mittleren Kernabschnitts da beginnt, wo derselbe an die End- platten stösst, und dass sie von hier aus nach dem Aequator des Kerns fortschreitet. Ebenso lassen sich auch in früheren Stadien der Knospung Erscheinungen nachweisen, welche eine Einwirkung des genannten Bestandtheils auf die übrige Masse des Kerns wahrscheinlich machen. Ich habe hier die eigenthümlichen Um- lagerungen der Kernsubstanz im Auge, welche den Kern in einen homogenen theilungsfähigen Zustand überführen. Bei denselben spielt der Nucleolus, wie wir gesehen haben, eine bedeutsame Rolle, indem er anfänglich den Mittelpunkt bildet, um den die übrigen Bestandtheile sich in einem Ring anordnen und indem er später durch seine allmähliche Auflösung das Signal zum Zerfall des ganzen Kerns in kleinere Stücken gibt. Die Lagerung des Nucleolus im hinteren Kernabschnitt aber macht es sehr wahr- scheinlich, dass er aus einer Differenzirung der Polsubstanz ent- steht, welche, wie wir gesehen haben, diesen Kernabschnitt bildet. Wenn ich mich im Obigen der Ansicht Strasburger’s über die funetionelle Bedeutung, welche die Polsubstanz für die Kern- theilung besitzen soll, angeschlossen habe, so verhehle ich mir nicht, wie schwankend die Fundamente einer derartigen Er- klärungsweise sind. Handelt es sich doch um Vorgänge, deren bewegende Factoren unserer Erkenntniss völlig unzugänglich sind, deren Erscheinungen aber von uns noch nicht in dem Maasse ge- kannt werden, dass wir jetzt schon das typisch Wichtige von dem Unwesentlichen unterscheiden könnten. Immerhin lässt es sich als ein Phänomen von allgemeinerem Interesse bezeichnen, dass derselbe Process der Ansammlung einer homogenen, an der strei- figen Differenzirung nicht Antheil nehmenden Masse an den Kern- enden als eine weitverbreitete Eigenthümlichkeit hat nachgewiesen werden können. Ein zweiter Punkt im Verlauf der Kerntheilung der Spirochona, auf den ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, betrifft das eigen- thümliche Zerfallen der Kernsubstanz in kleinere Stückchen, Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 481 welches der streifigen Differenzirung vorausgeht. Ganz derselbe Vorgang wiederholt sich bei den Nebenkernen der Infusorien, wo ihn Bütschli von Euplotes Charon geschildert und auf Taf. X, Fig. 10 seiner „Studien über die ersten Entwieklungsvorgänge“ u. s. w. abgebildet hat. Der Nebenkern des genannten Infusors bildet ursprünglich eine helle Blase mit einem grossen centralen Nucleolus. Später zerfällt sein Inhalt in zahlreiche Körner, und diese sind es wahrscheinlich, welche sich zu den Kernfäden ent- wickeln. Aehnliche Beobachtungen hat mein Bruder am Ei der Hirudineen gemacht, bei dem ebenfalls der Nucleolus, bevor er die streifige Anordnung annimmt, in einzelne Körnchen zerfällt. !) Auch hierin scheint somit ein Vorgang von allgemeiner Bedeutung erkennbar zu sein. Dass die Art und Weise, in welcher aus dem Mutterkern die beiden Tochterkerne entstehen, als Kerntheilung bezeichnet werden muss, kann nach der Schilderung, welche ich oben gegeben habe, nicht beweifelt werden. Ich würde auch diesen Punkt nicht be- sonders hervorheben, wenn nicht Auerbach?) in zwei kleineren Arbeiten versucht hätte, die Deutung der Kerntheilung mittels Spindelbildung als Karyolyse aufrecht zu erhalten. Auerbach ist der Ansicht, dass der längsstreifige Körper nicht der Kern ist, ‚ sondern ein Product der Vermischung der Kernsubstanz mit dem umgebenden Protoplasma, dass ferner die Hauptmasse desselben gar nicht zur Bildung der Tochterkerne verwandt wird. Er führt für diese seine so abweichende Auffassung an, dass das Gebilde im frischen Zustand keine scharfe Begrenzung besitze, und dass dasselbe erst nach dem anscheinenden Verschwinden des alten Kerns entstehe. Die Kerntheilung der Spirochona ist ganz besonders geeignet, die einzelnen hier angeführten Behauptungen Punkt für Punkt zu widerlegen. Zu der Zeit, wo der Kern homogen wird, und später, wenn er sich zu strecken beginnt, ist er bei allen bisher unter- suchten Objeeten im frischen Zustand nicht erkennbar, weshalb denn Auerbach diese Umänderung auf eine Auflösung hat zurückführen können. Bei der Spirochona wird nun zwar auch 1) O. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies. II. Theil. Morphol. Jahrb. Bd. II. ?2) Auerbach, Zur Lehre der Vermehrung der Zellkerne. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1876, Nr. 1. Derselbe: Zelle und Zellkern; Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. II. Bd. XI. N. F. IV. 2, 13 182 Richard Hertwig, um diese Zeit der Kern undeutlicher, seine Grösse und die Durch- sichtigkeit des umgebenden Pıotoplasma erlaubt aber auch dann noch ihn als scharf umgrenzt zu erkennen. Ebenso bleiben die Contouren während der streifigen Differenzirung erhalten, was von anderen Infusorien übrigens schon länger bekannt ist, so dass man mit aller Bestimmtheit sagen kann, dass eine Vermischung von Kern- substanz und Protoplasma nicht Statt findet. Endlich kann man sich auch überzeugen, dass die Kernfasern zur Bildung der Tochterkerne verwandt werden. Für jedes der genannten Ver- hältnisse kann der Kern der Spirochona als ein vortreffliches Beobachtungsobjeet empfohlen werden. Während wir bei der Theilung der Zellen und der Knospung der Spirochona eine grosse Uebereinstimmung in der Umbildung der Kerne haben nachweisen können, so muss uns andererseits das verschiedene Verhalten des umgebenden Protoplasma in beiden Fällen überraschen. Bei der Zelltheilung erscheint das Protoplasma in beständiger Abhängigkeit von den Veränderungen des Kerns; bei der Knospung der Spirochona dagegen entsprechen zwar im Allgemeinen bestimmte Entwicklungsstadien des Kerns bestimmten Entwicklungsstadien der Knospe; indessen macht es den Eindruck, als ob hier zwei in keinem unmittelbaren Abhängigkeitsverhältniss zu einander stehende Processe nebeneinander verliefen. Man könnte sogar eher daran denken, dass der Ausbildungsgrad der Knospe die verschiedenen Kernzustände bedinge, als umgekehrt. In der That beginnen die ersten Knospungsvorgänge schon zu einer Zeit, in welcher der Kern noch keine mit Bestimmtheit auf eine Theilung hindeutende Merkmale erkennen lässt; namentlich kann man an ihm noch nicht zwei einander opponirte Pole nachweisen. Nachdem sich schon die Peristomanlage gebildet hat, verharrt der Kern noch immer auf dem Zustand einer Blase mit Nucleolus; die Auflösung des letzteren und die Ausbildung zweier Pole am Kern tritt erst ein, nachdem die Knospe schon einen bestimmt sich absetzenden Höcker mit einer deutlich gesonderten Peristomanlage besitzt. Aehnliche Beobachtungen über das Verhältniss der Kern- theilung zur Theilung der Infusorienkörper sind schon früher, namentlich von Stein, mitgetheilt worden. Ganz neuerdings hat Bütschli!) einen recht interessanten hierher gehörigen Fall in 1) O. Bütschli, Ueber die Entstehung des Schwärmsprösslings der Podo- phrya quadripartita. Habilitationsschrift (auch in dieser Zeitschrift Bd. X. N. F. III. 3. Heft erschienen). Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 183 der Bildung des Schwärmers der Podophrya quadripartita be- schrieben. Hier soll die Anlage des Schwärmsprösslings schon einen Wimperkranz und eigene centractile Vacuolen entwickelt haben, ehe noch ein Fortsatz des mütterlichen Kerns in sie hinein- wächst. Bütschli erblickt in dieser Beobachtung eine weitere Bestätigung für die von Auerbach begründete und von ihm selbst früher schon vertheidigte Auffassung, dass das Active bei der Theilung das Protoplasma selbst ist. Ich selbst habe vor einiger Zeit die Ansicht vertreten und an dem Beispiel der Podophrya gemmipara zu illustriren versucht, dass das Primäre bei der Knospung und Theilung der Infusorien die Theilung des Nucleus ist; ich muss gestehen, dass ich jetzt die Frage für eine wenig spruchreife halte. Ueber die Wechsel- wirkungen von Protoplasma und Kern sind unsere Kenntnisse so lückenhaft, dass wir uns über das Verhältniss derselben noch kein sicheres Urtheil bilden können. Denn wie sehr auch die von Bütschli an der Podophrya quadripartita und von mir an der Spirechona gemmipara gemachten Beobachtungen dafür sprechen, die Ursache der Knospung in den Umwandlungen des Protoplasma zu suchen, so liesse sich dagegen immer noch geltend machen, dass einflussreiche Structurveränderungen im Kern schon vordem eingetreten sein könnten; dass in der That der Nucleus derartige Veränderungen erleide, habe ich sogar bei unserer Spiro- chona auf’s Sicherste durch direete Beobachtung nachgewiesen. Man könnte hier die Bildung des Nucleolus als erste Vorbereitung zur Theilung auffassen und hierdurch das Prius in den Ver- änderungen dem Kern sichern. Im vorliegenden Falle müssten ferner die sehr frühe beginnenden Umwandlungen der Nebenkerne in Berücksichtigung gezogen werden. Da nun die Beobachtungen an thierischen und pflanzlichen Zellen mir ebenfalls dafür zu sprechen scheinen, dass der Anstoss zur Theilung vom Kern aus- geht, so möchte ich in einer so zweifelhaften Frage, die so wenig Anhaltspunkte zu einer förderlichen Beantwortung bietet, zur Zeit mich jedes Urtheils enthalten. Zum Schluss komme ich noch auf die Frage zu sprechen, in welchem Verhältniss bei der Theilung die Nebenkerne zum Kerne stehen. Es ist dies ein Punkt, der mich vornehmlich zur Unter- suchung der Spirochona veranlasst hat. Fast gleichzeitig haben Engelmann!) und mein Bru- ') Engelmann, Ueber Entwicklung und Fortpflanzung der Infusorien, Morphol. Jahrb, Bd. I, p. 630. 13* 184 Richard Hertwig, der!) die Hypothese aufgestellt, dass der bisher als Nucleus be- zeichnete Kern dem weiblichen Kern der Eizelle und der früher Nucleolus genannte Nebenkern dem männlichen Kern des Sperma- tozoum entspreche, dass die geschlechtliche Differenzirung der Zellkerne, die sich für gewöhnlich auf zwei Zellen vertheile, sich bei den Infusorien in einer einzigen Zelle vollzogen habe. Sollte sich diese Hypothese bewahrheiten, so müssten Beobachtungen beigebracht werden, dass zeitweilig von den Nebenkernen ein Ein- fluss auf den Hauptkern ausgeübt werde, der den letzteren zur Theilung veranlasse, ein Einfluss, wie ihn mein Bruder für den Spermakern nachgewiesen hat. Von genannten Gesichtspunkten geleitet, habe ich mir mög- lichste Gewissheit über den Verbleib der einzelnen Nebenkerne vor und während der Theilung zu verschaffen gesucht. Hierbei bin ich zu dem Resultat gelangt, dass jederzeit drei Nebenkerne vorhanden sind und dass diese sich ebenso theilen, wie der Kern selbst; dagegen habe ich keine Bilder erhalten, welche eine Ein- wirkung der Nebenkerne auf den Hauptkern auch nur wahrschein- lich gemacht hätten. Die Beobachtung hat somit bei der von mir beobachteten Kerntheilung der Spirochona keine Anhaltspunkte für die Auffassung gegeben, dass dieselbe durch den befruchtenden Einfluss der Nebenkerne hervorgerufen werde. Wir müssen daher die Knospung der Spirochona den auf ungeschlechtlichem Wege erfolgenden Vermehrungsweisen der Infusorien anschliessen und es zunächst als eine offene Frage behandeln, ob ausserdem noch eine durch Copulation vermittelte geschlechtliche Fortpflanzung vorkommt. 1) O. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies. Morphol. Jahrb. Bd. I, p. 387 Anm. Mühlhausen, September 1876. Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 185 Erklärung der Abbildungen auf Taf. X—XII. Buchstabenbezeichnungen. k Kern, s Spiraltrichter, e Endscheiben des sich theilenden c Cytostom, Kerns, f Einfaltung des Peristoms, m nicht gestreiftes Mittelstück des sich p Anlage des Peristoms der Knospe, theilenden Kerns, r radiäre Protoplasmafigur der Knospe, n Nebenkerne, b basale Anheftungsplatte, n’ Nebenkerne der Knospe, R L D V rechte, linke, dorsale, ven- n“ Nebenkerne des Mutterthiers, trale Seite, Taf. X. (Alle Bilder sind nach Osmium-Carminpräparaten entworfen und bei Zeiss Imm. 2 Oe 2 gezeichnet.) Fig. 1. Von der rechten Seite gesehene Spirochona; Kern von einem hin- teren homogenen und vorderen körnigen Ende gebildet. Fig. 2. Von der ventralen Seite gesehene Spirochona; Kern in der Umwand- lung zur theilungsfähigen Form begriffen. Fig. 3. Von der linken Seite gesehene Spirochona; Kern wie bei der vor- hergehenden. Fig. 4. Von der dorsalen Seite gesehene Spirochona; Kern im reifen thei- lungsfähigen Zustand. Fig. 5. Frühes Stadium der Knospenbildung; Kernmasse in Umlagerung be- griffen; Nebenkerne spindelförmig gestreckt; Peristom der Knospe als eine flache Ausstülpung des Peristoms des Mutterthiers erkennbar. Fig. 6. Ein wenig späteres Stadium; Peristomanlage beginnt sich abzu- schnüren; von den Nebenkernen waren nur zwei deutlich erkennbar, der dritte isolirt liegende undeutlich. Figuren 5 u. 6 von der ventralen Seite gesehen. Fig. 7. Basale Anheftungsplatte, a) in seitlicher Ansicht, b) in der Ansicht von oben. Fig. 8. Peristom und Spiraltrichter von oben gesehen. Fig. 9. Peristom und Spiraltrichter auf dem optischen Querschnitt gesehen, um das Verhältniss der linken Peristomwand zum Spiraltrichter zu zeigen. Fig. 10. Peristom einer durch häufige Wiederholung des Knospungsprocesses redueirten Spirochona. Der Spiraltrichter, unkenntlich geworden, bildet nur noch eine flache Einfaltung. 186 Richard Hertwig, Taf. XI. (Alle Figuren bei Zeiss Imm. 2 Oc. 2 gezeichnet.) Fig. 1-6. Verschiedene Stadien der Knospenbildung von der rechten Seite aus gesehen, nach Carmin-Osmiumpräparaten gezeichnet. Fig. 1. Peristomanlage in Abschnürung begriffen. Nucleolus und Kernrinden- schicht beginnen in Stücke zu zerfallen; zwei Nebenkerne gestreckt und in Theilung begriffen, der dritte nicht sichtbar. Fig. 2. Peristomanlage kurz vor der Abschnürung; die gesammte Masse des Kerns in Stücke zerfallen; Nebenkerne in Theilung begriffen. Fig. 3. Peristomanlage vollkommen abgeschnürt. Nebenkerne getheilt in 3 der Knospe und 3 dem Mutterthier zugehörige Theile; Kern in Theilung begriffen. Fig. 4. Peristomanlage bildet einen rechtwinkelig gebogenen wimpernden Spalt. Kern in Hantelform; auf jeder Seite 1 Paar Nebenkerne erkenn- bar; die dritten Nebenkerne waren nicht sichtbar. Fig. 5. Spirochona kurz nach beendigter Kerntheilung; jeder der aus der Theilung entstandenen Tochterkerne lässt noch einen Rest des Verbin- dungsfadens erkennen; neben jedem derselben 3 Nebenkerne. Fig. 6. Knospe in der Abschnürung begriffen, sitzt nur noch auf einem kleinen Stielchen fest. Fig. 7. Kern, dessen Masse sich gleichmässig in Form einer Rinde um den Nucleolus ausgebreitet hat und einzelne amoeboide Fortsätze bildet. Fig. 8. Kernmasse in radiäre Stücke zerfallen. Fig. 9. Nahezu homogen gewordener Kern, an dessen Enden sich die An- häufungen der Polsubstanz ausbilden. Fig. 10. In Theilung begriffener Kern, der deutlich eine Sonderung in 5 Abschnitte erkennen lässt; a) nach Chromsäurebehandlung, b) ein anderes Exemplar mit Osmiumsäure behandelt ungefähr auf gleichem Stadium. Taf. XII. (Die Figuren theils (1—10) bei Zeiss F. Oc. 2, theils (11—17) bei Imm. 2 Oc. 2 gezeichnet.) Fig. 1—5 und 7—9. Umbildung der abgelösten Knospe zur Spirochona, an lebenden Objecten im Zusammenhang verfolgt. Kerne und Nebenkerne nach entsprechenden mit Osmiumsäure und Carmin behandelten Entwick- lungszuständen eingezeichnet. Fig. 1. Abgelöste frei schwärmende Knospe von der Seite der wimpernden Furche aus gesehen; radiäre Protoplasmafigur und Kern weggelassen, um die Zeichnung nicht zu compliciren. Fig. 2. Eine Knospe zur Zeit, wo sie sich festsetzt. Peristomrand lippen- förmig nach aussen gewandt; a und b von verschiedenen Seiten gesehen. Fig. 3. Eine Knospe, kurz nachdem sie sich festgesetzt hat; die wimpernde Furche beginnt sich am hinteren Ende zu schliessen. Fig. 4. Eine Knospe, welche schon ihre aufrechte Stellung angenommen hat; Wimperfurche bis an den Rand des Peristoms geschlossen. Ueber den Bau u. die Entwicklung der Spirochona gemmipara. 187 Fig. 5. Anlage des Spiraltrichters s. Fig. 7—9. Weitere Ausbildung des Spiraltrichters. In Figur 7 die zarte Längsstreifung der Cuticula erkennbar, welche an allen übrigen Figuren weggelassen wurde; in Figur 9 Anlage des Cytostoms, der Speiseröhre und der ersten Vacuolen (v). Fig. 6- 10. Zwei Knospen von Spirochonen, welche in verschiedenem Grade durch häufige Wiederholung der Knospungsprocesse zu kleinen Stümpfen redueirt sind. Fig. 11—17. Verschiedenartige Zustände des Nucleus. Fig. 11 u. 12. Verschiedene Stadien der Umwandlung des einfachen Nucleus in einen mit Nucleolus versehenen; Figur 11 nach Essigsäurepräparaten, Figur 12 nach Behandlung mit Carmin-Osmiumsäure gezeichnet. Fig. 13-17. Veränderungen des Kerns während der Knospung an lebenden Objeeten im Zusammenhang beobachtet. Fig. 13. Verschiedene Stadien aus der Zeit, in der die Kernsubstanz in beständigem amoeboiden Lage- wechsel begriffen ist. Fig. 14. Kernsubstanz bildet um den Nucleolus eine gleichmässige Rindenschicht. Fig. 15. Zerfall des gesammten Kern- inhalts in radiäre Stücke. Fig. 16. Erstes Auftreten der Endscheiben und Beginn der streifigen Differenzirung, Fig. 17a—g. Verschiedene aufeinander- folgende Stadien der Kerntheilung. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. Von Dr. Paul Mayer. Hierzu Tafel XIII—XV. Im Laufe der Monate Januar bis September 1876 habe ich in der zoologischen Station zu Neapel Untersuchungen über die Eutwicklungsgeschichte der Dekapoden angestellt und lege nun, da meine Rückkehr nach Deutschland einen vorläufigen Abschluss herbeiführt, die Ergebnisse meiner Arbeit den Fachgenossen vor. Als ich im Winter hierher kam, bot sich mir als erstes Objeet der kleine Einsiedlerkrebs Eupagurus Prideauxii Leach dar und ist auch deshalb von mir vorzugsweise berücksichtigt worden. Er besitzt im Gegensatze zu seinen nächsten hier lebenden Ver- wandten und überhaupt zu der Mehrzahl der höheren Krebse die dankenswerthe Eigenschaft, keine bestimmte Laichperiode inne zu halten; dieser Umstand ermöglicht es also, zu jeder Zeit im Jahre — im Hochsommer freilich äusserst schwierig — frische Eier auf allen Entwicklungsstufen zu bekommen. Zudem ist er hier einer der gemeinsten Krebse und wetteifert an Häufigkeit mit Careinus maenas und den Portunus-Arten, zeichnet sich aber vor ihnen durch seine bedeutend grösseren Eier aus. Ich habe nun, um nicht auf den genannten Anomuren beschränkt zu sein, nach und nach eine grosse Anzahl anderer Dekapoden, aus den verschie- densten Gruppen der Brachyuren und Makruren, mit zur Unter- suchung herangezogen und so nach mancher Richtung hin zu Vergleichen Gelegenheit gehabt. So ziemlich vollständig erschöpft babe ich die Reihe der Hauptvertreter von allen den Krebsen, welche als Zoöa das Ei verlassen; weniger glücklich bin ich in Betreff der übrigen gewesen. Homarus und Palinurus legen ihre Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, . 4189 Eier zumeist im November und December ab; somit habe ich nur wenige und späte Stadien von ihnen erhalten können und diese auch nicht ordentlich auszunutzen gewusst, weil ich im Beginne der mir fremden Arbeit noch zu wenig mit der Methode der Con- servirung vertraut war, um brauchbare Präparate zu gewinnen. Der grosse Seyllarus latus ferner ist in allen Exemplaren, die sich in den Becken des hiesigen Aquariums vorfinden, während meines ganzen Aufenthalts eierlos geblieben; die andere hier sehr häufige Art Seyllarus aretus wiederum hat so kleine Eier, dass mir eine Untersuchung derselben auf Schnitten zu zeitraubend sewesen wäre. Aus diesen Gründen kann ich über die Entwick- lungsgeschichte der Phyllosomen nichts beibringen. Leider ist es mir auch nicht gelungen, des Peneus, welcher nach F. Müller als Nauplius ausschlüpfen soll, habhaft zu werden. Die grosse Species P. caramote scheint die einzige hier häufiger vorkommende zu sein; sämmtliche Individuen, sowohl die, welche die Vorraths- sammlung der Stazione zoologica in Alkohol aufbewahrt, als auch die lebenden, welche ich erhielt, waren für meinen Zweck un- brauchbar. Ich bedauere dies besonders deswegen, weil ich mich gerne etwas eingehender mit ihnen beschäftigt hätte, als es Haeckel, der sich vor Kurzem mit ihnen befasste, thun konnte. Endlich habe ich noch einen Dekapoden ausser Acht gelassen, nämlich den Palaemon. Es geschah dies mit Vorsatz. Zu An- fang wollte ich mich durch die bekannte Arbeit von Bobretzky nicht mehr als nöthig beeinflussen lassen und nahm daher weder auf die Eier des Palaemon noch auf die Schrift ihres Biographen Rücksicht. Als es mir dann später die mancherlei Abweichungen, welche ich in der Entwicklung des Pagurus'!) von dem mir ge- läufigen Schema vorfand, wünschenswerth machten, mich durch den Augenschein von den entsprechenden Vorgängen bei Palaemon zu überzeugen, fehlte mir das Material völlig. Nun scheinen mir nicht wenige dieser Differenzen ihren Grund darin zu haben, dass Palaemon als dem Urdekapoden noch ziemlich nahestehend in seiner Entwicklung dem ursprünglichen Modus getreuer folgt, als es der Anomure vermöge der Rückwirkung, welche die Abänderung des verwachsenen Thieres auf den Embryo ausüben muss, noch zu thun vermag. In allen andern Fällen darf ich mich bei der Sorgfalt, mit welcher Bobretzky gearbeitet zu haben scheint, da- !) Ich verstehe unter Pagurus stets nur die von mir untersuchte Art Eupagurus Prideauxii Leach, 190 Paul Mayer, mit begnügen, die Einzelheiten, welche nach seiner Darstellung die Ontogenese von Palaemon aufweist, denen, welche ich bei Pagurus wahrnahm, gegenüberzustellen und die endgültige Ent- scheidung von einer erneuten Untersuchung abhängig zu machen. Ausser Haeckel und Bobretzky sind von früheren Autoren für den vorliegenden Gegenstand eigentlich nur Rathke und Lereboullet von Belang. Einer historischen Uebersicht, wie sie bei manchen Arbeiten ohne Zweifel höchst verdienstlich ist, bin ich also an- gesichts dieser Dürftigkeit in der Literatur enthoben, zumal ich mich, was die Bedeutung der in der Ontogenie der Krebse gegen- wärtig aufzuwerfenden Fragen angeht, ohne Weiteres auf Haeckel’s Werk über seine Gastraeatheorie beziehen darf. Im Speeiellen werde ich ohnehin oft genug Gelegenheit dazu finden, dessen, was meine Vorgänger geleistet, ausführlich zu gedenken. Die Untersuchungsmethoden, deren ich mich bediente, sind kurz die folgenden. Nach dem Vorgange von Bobretzky habe auch ich, da mich die gebräuchlichen Arten der Erhärtung im Stiche liessen, die Eier auf einige Augenblicke in heisses Wasser getaucht, um eine plötzliche Gerinnung des Zellinhaltes herbei- zuführen. Die eigentliche Härtung ist darauf durch Einlegen in eine zweiprocentige Lösung von Kaliumbichromat erfolgt, ohne dass ich es für nöthig gefunden hätte, vorher die Eihülle abzu- präpariren. Die stattfindende Schrumpfung ist äusserst gering und findet völlig gleichmässig statt, hat mir also auch zu keinen Bedenken Veranlassung gegeben. Die gut gehärteten Eier, welche sich von den aus irgend einer Ursache zu Grunde gegangenen in ihrem ganzen Aussehen leicht unterscheiden lassen, habe ich so- dann mit Seewasser vom Chromsalze möglichst vollständig befreit, später in Alkohol von den gebräuchlichen Stärkegraden gebracht, in Gummi eingebettet und geschnitten. Zur Tinetion der fertigen Schnitte diente entweder die Kleinenberg’sche alkoholische Häma- toxylinlösung oder ein Gemisch von Indigearmin und Pikrocarmin; das letztere verwendete ich, um recht prägnante Doppelfärbungen — roth und grün — zu erzielen. Bei vielen Stadien habe ich zum Vergleiche beide Mittel in Anwendung gebracht und dann die Präparate ebenso wohl in Harzen wie in Glycerin untersucht. Sehr belehrende Oberflächenansichten bei auffallendem Lichte liefern die geradezu in der angegebenen Chromlösung aufbe- wahrten Eier, da sich bei ihnen der Embryo von dem nach und nach tiefbraun werdenden Dotter scharf abhebt. In vielen Fällen habe ich auch die Methode der „Räucherung“ mit den Dämpfen Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 191 von Ueberosmiumsäure und der darauf folgenden Einlegung in Müller’sche Lösung oder Kaliumacetat äusserst brauchbar ge- funden; ihre Kenntniss verdanke ich der mündlichen Angabe von V. Hensen. Das Untersuchungsmaterial hat mir die hiesige zoologische Station mit anerkennenswerther Sorgfalt, so gut es zu haben war, stets zu verschaffen gesucht. Von ihren Beamten hat sich na- mentlich Herr Schmidtlein, der meinen Wünschen immer bereit- willigst entgegengekommen ist, um die vorliegende Arbeit verdient gemacht. Uebrigens ist mir seitens des ganzen Institutes — und ich will dies auszusprechen nicht unterlassen — in vollem Maasse das geleistet worden, was es nach der Absicht seines Begründers Jedem, der in ihm wissenschaftlich thätig ist, gewähren soll. Neapel, Anfang September 1876, I. Das Ei im Eierstocke. Ueber die Bildung der Eier bei den höheren Crustaceen, be- sonders bei den Dekapoden, liegen bis jetzt nur äusserst wenige Beobachtungen vor. Auch ich verfüge, da ich meine Aufmerk- samkeit in erster Linie dem fertigen Ei und seinen Schicksalen zugewendet habe, nicht über so viel neues Material, wie es im _ Interesse der Sache wohl zu wünschen wäre. Namentlich muss ich von vorne herein bemerken, dass sich meine Untersuchungen lediglich auf Pagurus beschränkt haben, der nicht gerade das günstigste Object dafür bildet; einige in der Neuzeit wichtig ge- wordene Punkte habe ich daher gar nicht erörtern können. Bekanntlich erstrecken sich bei den Paguriden die inneren weiblichen Geschlechtswerkzeuge von dem spitzen hinteren Ende des weichen Abdomens ab nach vorne zu durch den ganzen Hinterleib und münden, wie auch bei den anderen Dekapoden, an der Basis des dritten Fusspaares, also im Cephalothorax aus. Bei Pagurus selbst nimmt der als Ovarium zu bezeichende Theil etwa die hintere Hälfte des ganzen Organes ein; den Rest darf man Oviduet nennen. Er ist selbst dann, wenn das Ovarium von Eiern strotzt, in viele Längsfalten gelegt und markirt sich dadurch 199 Paul Mayer, hinlänglich. Im Ovarium lässt sich eine scharfe Grenze zwischen dem Orte, wo die Eier entstehen, und der Stelle, an der sie weiter wachsen, in keiner Weise ziehen. Im Gegensatze zu dem Eier- stocke der Insekten, in dem sich Keimlager und Dotterbildungs- fach deutlich von einander unterscheiden, ist bei Pagurus und auch vielleicht bei allen Dekapoden die Bildungsstätte der Eier über das ganze Ovarium ausgedehnt, so dass sich die unreifen und reifen Producte — erstere durch ihre weisse, letztere durch ihre gelbe Farbe leicht zu erkennen — an allen Punkten gemischt vorfinden. Indessen ist eine gewisse Regelmässigkeit in der An- ordnung vorhanden, tritt aber nur an den mässig ausgedehnten ÖOvarien mit jungen Eiern hervor. Hier läuft nämlich am ganzen Eierstocke eine weisse Linie entlang, welche den Ort des Keim- lagers andeutet. Auf dem Querschnitte sieht man, wie an der entsprechenden Stelle ein Fortsatz der Wandung nach innen tritt und den Hohlraum, falls man überhaupt von einem solchen reden darf, nierenförmig gestaltet. Dem Fortsatze zunächst liegen die Jüngsten Eier, während die älteren sich über den Rest der Peri- pherie erstrecken und auch das Centrum einnehmen. Bei ihrem Wachsthum drängen diese schliesslich, indem sie die Wandung buckelförmig auftreiben, jene scheinbar nach innen, und so sieht man auf dem Querschnitte eines prall gefüllten Ovariums die weissen (jungen) Eier in unregelmässigen Reihen dem Centrum nahe und fast überall von gelben (alten) Eiern umgeben. Die Oviducte beider Antimeren laufen eine Zeit lang dicht beisammen und durch ein gemeinsames Band, dessen Natur ich nicht näher bestimmt habe, vereinigt im Cephalothorax fort und trennen sich erst in der Höhe des vierten Fusspaares, um sich von da ab fast rechtwinkelig nach aussen zu wenden und an der bekannten Stelle zu münden. Sie sind jederzeit wegsam, ge- statten es auch meist, eine feine Borste einzuführen und mit ihr bis zu den Eiern zu gelangen. Dagegen wird das Eindringen des Meerwassers durch eine eigenthümliche Vorrichtung verhindert. Ein chitinisirter Fortsatz der äusseren Haut legt sich nämlich von innen wie ein Klappenventil vor die Oefinung und verschliesst sie völlig. Eine besondere Muskulatur zu seiner Hebung — sie ge- schieht übrigens nach innen zu — habe ich nicht auffinden können, _ glaube mich auch durch Versuche an todten Krebsen hinlänglich davon überzeugt zu haben, dass jedes Ei bei seinem Durchgange durch den Oviduct, indem es die Falten in dessen Wandungen verstreicht, damit zugleich die Klappe öffnet. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 193 Ueber den feineren Bau der inneren Geschlechtsorgane be- merke ich Folgendes. Bei den Insekten sieht man den ganzen Apparat des Receptaculum seminis, der Bursa copulatrix, der Vagina u. s. w. als eine Einstülpung des Ektodermes an und ist dazu schon aus dem einfachen Grunde berechtigt, weil diese Organe in ihrer Gesammtheit mit einer chitinisirten Intima aus- gekleidet sind. Bei Pagurus dagegen sicher und vielleicht bei den meisten, wenn nicht alle Dekapoden, kann von einer Be- theiligung des Ektodermes in irgendwie nennenswerthem Umfange nicht die Rede sein. Ein blosses Einlegen des betreffenden Körper- theiles in Kalilauge ohne alle mechanische Einwirkung genügt schon, den Eileiter dicht an seiner Mündung in den Fuss abfallen und seine Form gänzlich einbüssen zu lassen. Nur die erwähnte Klappe besteht aus Chitin und gehört hiernach dem Gebiete des äusseren Blattes an. Hingegen entbehrt die Wandung des Ovi- ductes und Ovariums einer Intima völlig. Zu innerst liegt in beiden Organen eine einfache Epithelschicht, welche besonders auf dem Eileiter deutlich wird. Die Grenzen der einzelnen Zellen sind im frischen Zustande nicht zu erkennen, wohl aber sieht man ihre Kerne von 12—18 u Grösse in regelmässigen Abständen von einander entfernt daliegen. An Chromsäurepräparaten be- merkt man auch die nur wenig grösseren Zellen ganz deutlich und erkennt, wie sie selbst an den durch ihren Inhalt sehr gedehnten Eierstöcken, wenn die Kerne weit auseinander gerückt sind, noch durch feine Ausläufer unter sich in Verbindung stehen. Nach aussen von dieser Zellschicht liegt zunächst eine Membrana propria und darüber eine Muskel- und Bindegewebsschicht, welche auf dem Eierstocke nur aus sehr zerstreuten unregelmässigen Zügen besteht, auf dem Oviducte aber sehr stark wird. In dem so gestalteten Ovarium besitzen die jüngsten deutlich als solehe erkennbaren Eier einen Durchmesser von etwa 40 u, sind also beiläufig doppelt so gross wie das Eierstocksepithel. Die Ablösung der ersteren vom letzteren habe ich direct nicht beobachtet; gleichwohl zweifle ich nicht daran, dass ein genetischer Zusammenhang zwischen diesen beiden zelligen Elementen besteht. Ich finde nämlich durchaus keine bestimmte Grenze zwischen der Wandung des Eierstockes und seinem Inhalte, denn, wie schon erwähnt, springt an einer auf dem Querschnitte als Einbuchtung erscheinenden Stelle das Epithel nach innen vor und hier liegen ihm unmittelbar die jüngsten Eier in einer Weise dicht an, dass sie geradezu eine mehrschichtige Zelllage zu bilden scheinen, 194 Paul Mayer, Nicht viel anders argumentirt auch Waldeyer, um den Satz, dass die Eier Abkömmlinge des Ovarialepithels seien, zu beweisen. Er sagt '): „Die Oviduete besitzen ein schönes Pflasterepithel, das continuirlich auf die Innenwandungen des Ovarialsackes sich fort- setzt, dort aber eine mehr rundliche Form seiner einzelnen Zellen zeigt. Ueberall in den Wandungen des Ovariums, eingebettet zwischen die mehr oder minder entwickelten Eier, zeigen sich kleine Zellengruppen ganz von der Beschaffenheit dieses Epithels, die auch stellenweise mit dem letzteren noch im Zusammenhang zu sehen sind, so dass sie wie kleine blindsackige Zellenschläuche sich ausnehmen. An der Uebergangsstelle gegen den Oviduct, wo man oft die jüngsten Eier antrifft, zeigt sich nun, dass eine oder mehrere Zellen dieser kleinen schlauchförmigen Gruppen sich vergrössern und durch die Grösse ihres Kernes und ihr dunkleres Protoplasma als Primordialeier sich erweisen.“ Die von Waldeyer bei Astacus fluviatilis gesehenen Schläuche finde ich nun zwar auch an solchen Ovarien, deren Inhalt beim Prä- pariren nicht die geringste Zerrung erlitten hat, nicht vor, im Uebrigen aber bin ich auch zu keinem andern Resultate ge- kommen, als dass wirklich die Tochtergeneration der Epithelzellen sich zu Eiern umgestaltet. Die jüngsten Eier bis zu einer Grösse von etwa 70 u sind noch völlig durchscheinend. Ihr Protoplasma ist gleichmässig ge- trübt und lässt das Licht besser durch als der Kern, welcher sehr gross ist und in seinem Innern ein Kernkörperchen sammt seinem Nucleolinus zeigt. Die amoeboide Bewegung, welche van Beneden?) an ganz jungen Eiern von Urangon vulgaris beobachtet haben will, konnte ich nieht wahrnehmen. Eine besondere Zellmembran ist aber sicher noch nicht vorhanden. An etwas älteren Eiern wird das Protoplasma undurchsichtig, ist bei auffallendem Lichte weiss, aber noch völlig homogen. Schon auf diesem Stadium wird es deutlich, dass das Ei selbst bedeutend rascher an Umfang zu- nimmt als der Kern, dessen Durchmesser nicht mehr wie früher über die Hälfte (z. B. 44 u bei 72 «), sondern nur noch ein reich- liches Drittel (z. B. 62 u bei 146 u) von demjenigen der Zelle beträgt. Dagegen tritt die allmähliche Abänderung der Farbe von reinem Weiss zu einem stets dunkler werdenden Orangegelb 1) Eierstock und Ei. 1870, S. 85. ?) Recherches sur la composition et la signifieation de P’oeuf. 1870. Pl.X. Fig. 22, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 195 erst bei Eiern, welche etwa 180—200 u messen, hervor. Gleich- zeitig erfolgt die Einlagerung der sogenannten Dotterkörnchen, die aber durchaus nicht als Träger des Farbstoffes auftreten, in den Zellenleib. Sie haben von Anfang an ihre volle und an allen Punkten im Ei dieselbe Grösse, nehmen also nicht, wie Waldeyer es bei Astacus gefunden hat, von der Peripherie nach dem Cen- trum hin an Ausdehnung zu. Doch zeichnet sich die äussere Zone des Eies vor seinem Innern durch den Mangel einer ra- diären Streifung aus, welche (vergl. Fig. 35) von einem Hofe um den Kern herum die Zelle in ihrem centralen Theile durchsetzt. An frischen Eiern ist sie nicht deutlich zu sehen, tritt aber auf Schnitten, die mit Carmin tingirt werden, hervor und erscheint dann sehr charakteristisch. Man sieht nämlich, wie sich um den stark mit Farbstoff beladenen Kern eine Schicht von hellerem Roth lagert und sich unmittelbar in die gleich intensiv gefärbten Strahlen fortsetzt. Indem sich diese wiederum verzweigen, er- streckt sich auf solchen Schnitten ein rothes Netzwerk durch die Zelle hindurch, deren übrige Theile ihr natürliches Gelb beibehalten haben. Da sich diese Anordnung in den Elementen der Zelle auch noch bei Eiern, die in der Theilung begriffen sind, in gleicher Weise kundgibt, so kann ich, um das eben Gesagte durch eine Zeichnung zu demonstriren, der Einfachheit halber auf Fig. 37, welche eine Furchungszelle vorführt, hinweisen. Der Unterschied zwischen beiden Objecten besteht für den vorliegenden Fall blos darin, dass in den jüngeren Eierstockseiern die Randschicht so- wohl von Dottertröpfehen als auch von dem Netzwerke frei ist. Was letzteres angeht, so betrachte ich es, da es im Gegensatze zu den übrigen Theilen des Eies Farbstoff in gleicher Weise auf- nimmt, wie die unmittelbar um den Kern gelegene Zone und wie dieser selbst, als das echte Zellprotoplasma, welches sich in dem Maasse, wie sich die Dottersubstanz einlagert, von der Peripherie zurückzieht und schliesslich nur noch ein vom Centrum aus- strahlendes Netz in der kolossal vergrösserten Eizelle vorstellt. Es ist mir sogar nicht unwahrsheinlich, dass, wenn.erst die Dotter- bildung beginnt, das ursprüngliche Protoplasma nicht mehr an Masse zunimmt; jedenfalls lässt sich so viel mit Sicherheit be- haupten, dass es zuletzt einen an Volum geringen Bruchtheil der Zelle ausmacht. Der ganze übrige Theil des Eies, welchen van Beneden mit Rücksicht auf die Zeit seines Auftretens unter dem passenden Namen „Deutoplasma“ dem Protoplasma entgegen- gestellt hat, besteht aus zweierlei Substanz: einer homogenen 196 Paul Mayer, Grundmasse und den in dieselbe eingebetteten „Dotterkörnchen“. Diese liegen meist an den Fäden des Protoplasmanetzes (Fig. 37). Bei Behandlung mit Osmium werden sie sehr rasch schwarz, nehmen aber auch, wie Schnitte zeigen, in starken Haematoxylin- lösungen eine blaue Färbung an und sind daher wohl nichts Anderes als eine sehr fettreiche Eiweisssubstanz. Von Essigsäure, welche die Grundmasse des Deutoplasma aufhellt, werden sie nicht angegriffen. Es fragt sich nun, woher stammt das Deutoplasma der Ei- zelle? Lereboullet !) führt an, im Eierstock des Flusskrebses be- fänden sich zwischen den jungen Eiern (ovules) „qui sont blancs et qui ont une vesieule germinative..... quelques oeufs de cou- leur orangee qui manquent de vesieule et qui ont une autre com- position“. Sie sollen lange vor der Eiablage verschwinden und vielleicht nichts Anderes sein, als die „cellules generatrices de la graisse“. Waldeyer sagt hierüber nichts und auch ich habe bei Pagurus keine ähnlichen Elemente gefunden; wahrscheinlich sind die vermeintlichen Fettbildungszellen nur weiter entwickelte Eier. Dagegen spricht Waldeyer ?) den jungen Eiern Follikel zu, deren Zellen mit den schon erwähnten Zellen aus den Blindschläuchen identisch sein sollen. „Anfangs sind die Follikelepithelzellen un- gemein glatt und blass..... Das Primordialei stösst dann mit seinem Protoplasma ohne alle Dottermembran nackt an die Fol- likelepithelzellen an, und es wird, wie ich annehmen darf, auch von diesen neue Dottermasse dem Ei apponirt. Bei grösseren Eiern, von 0,25— 0,5 Mm. Durchmesser, ist das Follikelepithel be- deutend gewachsen und besteht nunmehr aus gut gesonderten, fast kubischen Zellen.“ Allerdings sehe ich an den in der Ent- wicklung begriffenen Eiern von Pagurus ein Follikelepithel, dessen Zellen in Grösse und Gestalt denen der Eierstockswandung gleichen, aber von einem Wachsthum derselben kann ich nichts entdecken. Vielmehr liegen die Eier, sowie sie eine gewisse Grösse erreicht haben, lose im Ovarium und fallen beim Anschneiden desselben sofort heraus. Dass dieses Epithel aber dem Ei das Deutoplasma „apponire“, ist mir äusserst fraglich. Zwar scheint dafür der Umstand zu sprechen, dass sich bei jungen Eiern eine 1) Recherches d’embryologie comparde sur le developpement du Brochet, de la Perche et de l’Ecrevisse, Mem. Savans dtrangers XVII 1853. II. Embryologie de l’Ecrevisse, p. 650-768, pl. IV—VI. Citat auf S. 667. rar O0 DD: Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. „497 protoplasmafreie Randschicht vorfindet, die später nicht mehr zu sehen ist; dagegen ist aber die Verbindung der beiden Elemente im Ei eine so innige, dass eine 'Thätigkeit im Protoplasma zur Assimilirung der ihm von aussen zugeführten Stoffe unumgänglich sein wird und sicher von keiner blossen Anlagerung des Dotters die Rede sein kann. Richtiger erscheint mir überhaupt die Frage in der Weise gestellt werden zu müssen, ob gewisse das Ei um- gebende Zellen zu Grunde gehen, um mit ihrem Inhalte das ihnen morphologisch gleichwerthige Ei zu speisen und zu vergrössern. Dies ist wenigstens bei Pagurus offenbar nicht der Fall, weil das Follikelepithel so dünn ist, dass seine Masse der des Eies gegen- über vernachlässigt werden darf. Darum hat es für die Ansichten über die Eibildung auch wohl kaum irgend welchen Werth, wenn selbst zugegeben werden muss, dass alle vom Eiprotoplasma in Deutoplasma umzuwandelnde Substanz ihm durch Vermittelung des Follikelepithels in brauchbarer Form geliefert wird, statt direct aus dem Blute oder der im Eierstocke enthaltenen Flüssigkeit entnommen zu werden. Es bleibt mir nun noch übrig, Kern und Hülle der Eizelle zu besprechen. Zunächst, wie viel Hüllen hat das Krebsei? Erdl, Rathke und für einen bestimmten Fall auch A. Dohrn behaupten, es sind zwei vorhanden. Nämlich Erdl!) will am Hummerei ausser dem Chorion noch eine Dotterhaut unterschieden wissen; ebenso lässt Rathke?) das Ei von Astacus mit einer Dotterhaut umgeben und diese vom Chorion durch eine geringe Menge Flüs- sigkeit getrennt sein, welche in Alkohol „obwohl nur schwach“ gerinne und wohl als Eiweiss bezeichnet werden dürfe; Dohrn 3) endlich sagt sogar ausdrücklich von Palinurus: „Bezüglich der Eihäute ist das auffallende Ergebniss als fest anzusehen, dass innen vom Chorion noch eine besondere Dotterhaut sich findet, die dem Chorion aber so dicht anliegt, dass sie nur durch Prä- paration zu erkennen ist. Oeffnet man vorsichtig das Chorion.... so kann man es vom Aufhängeband abziehen. Dann bleibt die Larvenhaut allein zurück, aber an einer bestimmten Stelle ist sie mit dem Chorion scheinbar verwachsen. Indem man nun weiter 1) Entwicklung des Hummereies. 1843. 2, Untersuchungen über die Bildung und Entwicklung des Flusskrebses. 1829. Citat auf S. 7. 3) Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Arthropoden. Zeitschr. wiss. Zool. XX. 1870, S. 248—271, Taf. XVI. Citat auf S. 260. Bd. XI. N. F. IV. 2. 14 198 Paul Mayer, an dem Aufhängebande zieht, löst sich langsam aus dem Innern des Chorion noch eine Haut ab und bleibt schliesslich an der Larvenhaut trichterförmig mittelst jener kreisrunden Stelle haften, ungefähr über den letzten Segmenten des Pereion des darunter liegenden Embryo.“ Mir will aber aus diesen Angaben durchaus nicht hervorgehen, dass wirklich die innere Haut eine echte Zell- haut und nicht vielmehr die sog. Blastodermhaut sei. Ich komme später hierauf nochmals zurück und constatire daher einstweilen nur, dass die Mehrzahl der Forscher von nur einer Hülle redet. Ebenso steht für mich fest, dass bei Pagurus auch nur eine ein- zige solche vorkommt. Sie zeigt sich an Eiern, welche bereits die gelbe Farbe angenommen, aber das Ovarium noch nicht ver- lassen haben. Ein Produet der Wandungen des Eileiters ist sie also nicht, und so bleibt nur noch die Möglichkeit, dass sie vom Follikelepithel gebildet oder vom Ei selbst abgeschieden wird. Für den letzteren Fall stimmt Lereboullet'), der von einer „mem- brane vitelline propre‘“ redet, für den ersteren entscheiden sich Waldeyer („das Ei stösst ohne alle Dottermembran nackt an die Follikelepithelzellen an“) und van Beneden?) („les oeufs sont gene- ralement entoures d’une membrane unique qui est un vrai chorion“‘). Meinen eigenen Beobachtungen zufolge ist eine Entscheiduug dieser Frage wenigstens bei Pagurus nicht möglich. Die betreffende Haut, welehe zuerst noch von Kalilauge angegriffen wird, später aber sich als echtes Chitin herausstellt, entsteht schon frühzeitig. Im Anfang ist sie noch äusserst dehnbar und elastisch und er- laubt der von ihr umschlossenen Zelle den Durchgang durch den engen Oviduct. Bei Eiern, welche schon lose im Ovarium liegen, ist sie bereits vorhanden — ein Umstand, der für ihre Deutung als Chorion sprechen könnte. Sie zeigt indessen auch nach Be- handlung mit Reagentien keine Spur von Zellabdrücken, wie sie beim Chorion der Insekten so schön hervortreten. Dies würde Ita a. O2S.'668. 2) a. a. O. 8. 142. In Betreff der Namen „Chorion“ und „Dotterhaut“ schliesse ich mich der Definition, welche van Beneden in demselben Werke, S. 229 liefert, völlig an, weil sich nur auf diese Art eine Verwechslung der Blastodermhaut mit den genannten Gebilden verhüten lässt. Also „la mem- brane vitelline doit &tre considerde comme representant la membrane cellu- laire de la cellule-oeuf..... Je propose de reserver le nom de chorion A toute membrane anhiste, formee, par voie de sderdtion, par les cellules Epi- thelcales de l’ovaire ou de l’oviducte, et destinde A servir d’enveloppe A un oeuf arrive a maturite.“* Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 199 wiederum ein Zeugniss zu Gunsten der Dotterhaut sein, wenn ich nicht hinzufügen müsste, dass ich auch an der Blastodermhaut keine Structur wahrnehme — und diese ist doch unzweifelhaft von einer Menge einzelner Zellen abgesondert. Genug, ich habe an Pagurus keinen sichern Anhalt finden können, gestehe aber zu- gleich, dass ich diesen auch bei meinen Vorgängern vermisse. So lange daher nicht überzeugende Nachweise an einem andern hier- für geeigneteren Krebse geführt werden und sich nach einem Analogieschlusse auf sämmtliche Dekapoden ausdehnen lassen, erscheint es mir am Gerathensten, zur Bezeichnung des in der That noch fraglichen Gebildes statt der präjudieirenden Namen Chorion oder Dotterhaut den indifferenten Ausdruck: ',„Eihülle“ anzuwenden. Der Eikern ferner enthält während der ganzen Dauer seiner Existenz nur einen einzigen Nucleolus, unterscheidet sich also wesentlich von dem des Flusskrebseies, welcher nach Lereboullet und nach Waldeyer viele Keimflecke haben soll. An Grösse nimmt er, wie schon erwähnt, nicht in demselben Masse zu wie das Ei, sondern wächst, nachdem er eine gewisse Ausdehnung erlangt hat, nicht mehr. (So finde ich auf Schnitten nur eine ganz geringe Differenz in der Grösse des Kernes bei Eiern, deren Durchmesser zwischen 230 und 540 u beträgt.) Nach einiger Zeit, und zwar noch während das Ei im Ovarium befindlich, ver- schwindet — wie dies auch schon Rathke !) von Astacus angibt — das Keimbläschen, so dass die frisch gelegten Eier positiv kernlos sind. Ich glaube mich hiervon durch das Zerdrücken von Eiern genügend überzeugt zu haben und konnte auch das Auftreten des neuen Kerns öfters beobachten. Bevor es aber eingeht, habe ich es zuweilen nahe der Oberfläche des Eies erblickt — es liegt Anfangs stets im Centrum — und dann liess sich auch der Proto- plasmahof um dasselbe, wie er sich in die Strahlen fortsetzt, selbst aber homogen ist, am frischen Ei sehr deutlich wahrnehmen. Die Einzelheiten dieser „Kernwanderung“ habe ich aber nicht ver- folgen können, einmal weil die Pagurus-Eier zu undurchsichtig und zu gross sind, um ohne Compression in ihr Inneres blicken zu lassen, und dann auch, weil es mir an einer wirklich indiffe- renten Flüssigkeit für die normale Weiterentwicklung, wie sie im Eierstocke stattfindet, gemangelt hat. Ueberhaupt hat sich bei mir, je mehr ich mir die Thatsachen klar vorgelegt habe, desto ara. O. SUR: 14* 900 Paul Mayer, mehr die Ansicht festgesetzt, dass die excentrische Lage des Keimbläschens eine abnorme und nicht etwa als ein Uebergangs- stadium zur Bildung des neuen Kernes aufzufassen ist, sondern den baldigen Untergang des Eies andeutet. Beweisen lässt sich dies natürlich nicht, aber auch das Gegentheil scheint mir nicht erwiesen. Zwar hat Oscar Hertwig!), der neuerdings eingehende Studien an den Eiern von Toxopneustes anstellte und einer Wan- derung des Keimbläschens das Wort redet, es völlig plausibel gemacht, dass er keine Kunstproducte für normale Vorgänge angesehen hat; in seiner ganzen Darstellung findet sich aber, wie ich glaube, nichts, was unbedingt gegen die Annahme spräche, die wenigen Eier, welche das erwähnte Verhalten zeigten, seien entwicklungsunfähig gewesen. Aber selbst wenn Hertwig Recht behielte, so ist der Unterschied zwischen dem Ei von Toxopneustes und Pagurus in Bezug auf das Verhältniss von Proto- zu Deuto- plasma hinreichend gross, um die sofortige Verallgemeinerung der gewonnenen Resultate, zu welcher Hertwig gelangt, für un- statthaft zu halten. Mir kommt die Vorstellung, nach welcher das Keimbläschen durch Contraetionen des Protoplasmas an die Bioberfläche getrieben wird, blos damit der freigewordene Keim- fleck wieder in das Centrum als neuer Kern zurückwandern darf, allzu complieirt vor. Am Pagurus-Ei finde ich, wenn das Keim- bläschen verschwunden, keine weiteren Veränderungen vor, als dass der centrale Protoplasmahof gleichfalls nieht mehr existirt. Mir erscheint es daher als das Einfachste und, so lange keine zwingenden Gründe dagegen vorliegen, auch das Richtigste, eine direete Zerstreuung der Elemente des Keimbläschens und Auf- nahme derselben in das Protoplasma anzunehmen. Dieses selbst behält seine netzförmige Anordnung bei, durchsetzt also, ohne eine besondere Randschicht zu bilden, das ganze Ei und mag dann später direet in seinem Centrum den neuen Kern aus- scheiden. In etwas eigenthümlicher Weise äussert sich Lereboullet über alle diese Vorgänge beim Flusskrebse. Er sagt ?), das Keim- bläschen gelange noch vor der Eiablage an die Oberfläche des Eies, platze dort und bilde eine „vesicule vide, flasque et com- posee de granules brillants.“ Zugleich bedecke sich die bis dahin ') Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies., Gegenbaur’s morphologisches Jahrbuch I. 1876, S. 347—434, Taf. X—XIHL 2) a.2a O. S. 669. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 201 gleichförmig braune Oberfläche des Eies mit „eorpuscules !) hya- lins, brillants, semblables & ceux que la vesieule renfermait. Ces corpusceules forment autour de l’oeuf une enveloppe nuageuse ou faiblement retieulee, ..... se multiplient et forment bientöt une pellieule homogene.“ Dies ist nach ihm der Bildungsdotter (vi- tellus g@nerateur). Darauf heisst es: „les corpuseules plastiques, d’abord etal&s en membrane, se r&unissent en un amas discoide, blanchätre, qui constitue la tache blanche.“ Das Auftreten dieses weissen Fleckes zeige an, dass die Eier zum Ablegen reif seien. Wie mir aus dem späteren Schicksale dieser „tache blanche“ nach den allerdings nicht ganz klaren Beschreibungen Lereboullet’s her- vorzugehen scheint, ist sie der neue Kern, der sich also in noch ganz anderer Weise aus dem wanderungslustigen Keimbläschen hervorbilden muss, als es Hertwig will. Ich brauche aber wohl kaum ausdrücklich zu bemerken, dass ich bei Lereboullet, welcher den Gebrauch sog. indifferenter Flüssigkeiten noch nicht kannte nicht die mindeste Garantie gegen Einwürfe allerlei Art finde. i Im Anschlusse an die Frage nach dem Verbleib des Keim- bläschens steht die andere, ob und welchen Einfluss die Befruch- tung auf die Umwandlung der Eizelle in eine Cytode besitze. Bekanntlich hat gerade bei den Krebsen über diesen Punkt fast jeder Autor seine eigene Ansicht. Schon in Betreff der Begattung liegen nur wenige entscheidende Beobachtungen vor und diese liefern bis jetzt kein anderes Ergebniss, als dass bei den Deka- poden grosse Verschiedenheiten obwalten müssen und einen Schluss von der einen Gruppe auf die andere nicht erlauben. Speciell über die Paguriden fehlen meines Wissens in der Lite- ratur die zuverlässigen Angaben völlig. Was ich selbst mit Sicher- heit ermittelt habe, ist Folgendes. Zunächst lässt sich aus dem positiven Mangel der äusseren Genitalorgane beim Männchen schliessen, dass eine direete Einführung seiner Geschlechtsproducte in den Eileiter des Weibehens nicht statthaben kann. Darum wird auch der Samen, in die bekannten, von Kölliker ?) richtig gezeich- neten, Spermatophoren eingeschlossen, aussen am Weibchen be- festigt.?) Obwohl ich nun die Begattung nicht selbst mit ange- 1) a. a. ©. S. 69. ?2) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältnisse und der Samen- flüssigkeit wirbelloser Thiere. Uebersetzung in Annales des Sciences naturelles 2. ser. XIX 1843, p. 335—350, planch. IX B. ®) Beim Flusskrebs lässt Lereboullet (a. a. O0. S. 653) vermuthungsweise das Männchen „les longs tubes blanc de lait qui remplissent ses conduits 202 Paul Mayer, sehen habe, bin ich doch zu der Ansicht gelangt, dass sie nicht etwa dann erfolgt, wenn das Weibchen im Begriffe steht, sich seiner Eier zu entledigen, sondern bedeutend früher, zu einer Zeit also, wenn die Ovarialeier noch weit von der Reife entfernt sind. Alsdann trägt dieses nämlich die einer früheren Laichperiode an- gehörigen Eier mit sich am Hinterleibe umher, und gerade zwischen ihnen habe ich fast immer die Spermatophoren angebracht ge- funden. Viele unter ihnen hatten ihren Inhalt (durch einen Längs- riss, welcher das Spermatophor wie eine Erbsenhülse von der Spitze ab aufspringen lässt) noch nicht entleert. Wenn dann später die Jungen ausgeschlüpft sind, so entfernt die Mutter, um sich für die nächste Eiablage vorzubereiten, sorgfältig die Reste der alten Eihäute und zugleich mit ihnen die Spermatophoren. Der Austritt der neuen Eier aus dem Oviducte in’s Freie ist aber weder von einer vorherigen Begattung noch von einer Häutung!) abhängige, sondern erfolgt ganz kurze Zeit und ohne Weiteres nach dem Auskriechen der Zo&en. Ich konnte dies öfters an isolirten Paguren beobachten. Nun wäre aber der Fall denkbar, dass die frisch gelegten Bier noch unbefruchtet seien, mit andern Worten also die Wirkung der folgenden Begattung sich nicht auf die noch im Leibe der Mutter befindlichen, sondern eben erst ab- gesetzten Eier erstreckte. Diese Annahme macht beispielsweise Duvernoy für sämmtliche Krebse ohne Begattungsorgane, indem er sagt, die Befruchtung gehe ‚non pas apres, mais au moment de la ponte“ vor sich, weil alsdann das noch weiche „Chorion“ die Aufnahme des Sperma ermögliche.?) Bedenkt man aber, dass die Eihülle aus undurchlässigem, völlig homogenem Chitin besteht deferents“ in das Weibchen hineinbringen und sieht die eigentlichen Sperma- tophoren — die Arbeit von Kölliker scheint er nicht gekannt zu haben — als „debris de ses tubes‘ an, welche sich unter der Form kleiner, weisser Pakete an der Eingangsöflnung der weiblichen Genitalien anhäufen sollen. !) Vielfach wird die Behauptung aufgestellt, es müsse eine Häutung vor- ausgehen, weil sie während der Periode, in welcher das Weibchen seine ab- gelegten Eier mit sich umherträgt, nicht stattfinden könne. Bei Krebsen, welche zu bestimmter Zeit und nur einmal im Jahre laichen, mag dies der Fall sein, bei Pagurus aber sicherlich nicht. Uebrigens ist mir von Palinurus bekannt, dass ein im hiesigen Aquarium befindliches Exemplar sich häutete und mit der Schale zugleich die daran befestigten Eier verlor, die nun na- türlich zu Grunde gingen. Vielleicht kommt dies auch bei freilebenden Thieren nicht selten vor, wird aber gemäss der natural selection als Ausnahme betrachtet werden müssen. ?) Comptes rendus 1850, XXXI, p. 347. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 203 und nirgendwo eine Mikropyle besitzt, so kommt man zu dem genau entgegengesetzten Schlusse, dass nämlich die Befruchtung vor der Bildung der Hülle statthaben muss und dass aus diesem Grunde die Begattung oder, was dasselbe heisst, die Anklebung der Spermatophoren an das Weibchen nicht den schon am Abdomen, sondern den noch im Ovarium befindlichen Eiern gilt. Mir scheint diese Folgerung durchaus gerechtfertigt, obwohl sie sich auf keine direete Beobachtung stützt. Gerne möchte ich noch hinzufügen können, ich hätte im Eierstocke wirklich Sperma vorgefunden. Eine Zeit lang habe ich auch fest geglaubt, es mitten zwischen den Eiern entdeckt zu haben, aber nur so lange ich es noch unter der Gestalt suchte, welche ihm Kölliker in der schon eitirten Ar- beit zuschreibt. Es liess sich nämlich alsdann leicht mit den Zellen des Follikelepithels verwechseln, als welche ich späterhin die vermeintlichen Samenfäden auch jedes Mal erkannt habe. Kölliker’s Abbildungen sind aber nur dann richtig, wenn man sie auf unreifes Sperma bezieht; das völlig ausgebildete hingegen, wie man es dem äussersten Ende des Vas deferens oder den ab- gelegten Spermatophoren entnimmt, besitzt die von mir in Fig. 36 wiedergegebene Form. (Ich schalte bei dieser Gelegenheit noch einige Notizen über die Spermatozoiden von Pagurus ein. Sie gleichen in ihrem Jugendzustande völlig denen, welche Kölliker von Homarus zeichnet!) und bestehen aus einem Körper mit drei von ihm ausgehenden langen, starren Fäden. Der Schwanz, dessen scheinbares Fehlen das Sperma der Krebse von dem der Wirbelthiere so scharf unterschied, bildet sich erst viel später. Er besitzt etwa die Hälfte der Breite des Kopfes — 6 « — und die Länge der Fäden — 18 u — ist aber sehr blass und konnte so der Aufmerksamkeit der früheren Forscher bei ihren unvoll- kommenen optischen Hülfsmitteln wohl entgehen. Im Kopfe er- kenne ich einen centralen Körper, den ich als den Kern der um- oewandelten Samenzelle anspreche, während ich Schwanz und Fäden nur als Verlängerungen des Protoplasma betrachte. Das Sperma entsteht, wie ich aus einer demnächst in einer Italienischen Zeitschrift erscheinenden Arbeit von A. Zincone mit Bewilligung des Verfassers heraushebe, aus den Tochterzellen des Hodenepithels. Bei einzelnen Gruppen der Dekapoden scheint es mir zu seiner völligen Reife sehr langer Zeit, vielleicht sogar des Aufenthaltes in den Geschlechtsorganen des Weibchens zu bedürfen. Da über- 1) a. a. ©. Fig. 1 von Pagurus Bernhardus, 3 von Homarus. 204 Paul Mayer, haupt, so weit ich aus meinen gelegentlichen Beobachtungen er- sehe, mancherlei interessante Verschiedenheiten obwalten, so wäre eine Wiederaufnahme der Kölliker’schen Arbeit auf Grund ver- gleichender Anatomie der männlichen Genitalien eine dankbare Aufgabe.) Natürlich bleibt auch dann, wenn man sich von dem Gesagten überzeugen und die Befruchtung bei Pagurus eine innere sein lässt, noch Manches in den Einzelheiten der besprochenen Vor- gänge unbekannt. So bedarf vor Allem der Erklärung die Art und Weise, wie das Sperma in das Ovarium gelangt und wie hierbei der Widerstand, welchen die am Eingange des Oviductes befindliche Klappe entgegenstellt, überwunden wird, ob von Seiten des Männchens mit Hülfe seiner Beine, ob durch den Willen des Weibchens u. s. w. Auch über das Agens, welches die Sperma- tophoren zum Platzen bringt, weiss ich nur zu sagen, dass das Seewasser es nicht sein kann, während mir jede positive Angabe fehlt. !) Dagegen lässt sich, wenn man einmal daran festhält, dass das Eindringen des Samens nur vor Bildung der Eihülle statt- finden kann, wenigstens über das zeitliche Verhältniss desselben zum Verschwinden des Keimbläschens eine Angabe machen. Die- jenigen Eier, deren Hülle durch Kalilauge nicht mehr angegriffen wird und sich scharf vom Inhalte absetzt, haben fast stets kein solches mehr, während andererseits die Anwesenheit desselben mit dem Fehlen der Hülle zusammenfällt. Auf Grund dieser That- sachen kann ich es darum als ziemlich sicher hinstellen, dass das Keimbläschen nach der Befruchtung schwindet. Ob auch in Folge derselben, muss ich unerörtert lassen. Fasse ich alles bisher Besprochene kurz zusammen, so ge- lange ich zu folgeuden Sätzen, mit denen ich die Betrachtung des Eies im Eierstocke abschliessen will: 1) Das Eierstocksei von Pagurus ist in der ersten Zeit seines Bestehens eine echte Zelle mit Protoplasma, Kern und Kern- körperchen. Später findet eine Einlagerung von Deutoplasma und !) Zu Beobachtungen und Versuchen, um über die Begattung der Krebse in's Reine zu kommen, habe ich weder Zeit noch Gelegenheit gefunden. Die Einrichtungen der zoologischen Station waren bisher nach dieser Richtung hin noch nicht so weit gediehen, dass man mit Sicherheit hätte operiren können, sollen aber noch im Laufe des nächsten Winters vollendet werden. Alsdann stehen hoffentlich bald wichtige Aufschlüsse über Häutung, Begattung, Einfluss der Parasiten auf ihren Wirth u. s. w. zu erwarten, wie sie sich bis jetzt entweder gar nieht oder nur mit grosser Mühe haben erzielen lassen. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 905 die Bildung einer Hülle aus Chitin statt. Endlich wird der Kern unsichtbar; das Ei stellt dann eine Cytode vor. 2) Im Ovarium sind ausser den Eiern nur noch Follikelzellen anzutreffen. Jene und diese leiten ihren Ursprung höchst wahr- scheinlich von dem Epithel der Eierstockswandung her. Besondere Zellen zur Bereitung des Deutoplasma, welche mit ihrer und durch ihre Thätigkeit zu Grunde gehen, sind nicht vorhanden. Ob die Eihülle vom Follikelepithel abgeschieden wird oder ein Product des Eies selbst ist, konnte nicht festgestellt und daher auch nicht der bezeiehnende Name: Chorion oder: Dotterhaut auf sie an- gewendet werden. 3) Das Protoplasma umgibt den Kern als Hof und strahlt von ihm in radiären Zügen, welche unter sich zu einem Netz- werke zusammentreten, aus. Das Deutoplasma besteht aus einer Grundsubstanz und kleinen darin eingebetteten Kügelchen, welche viel Fett neben Eiweiss zu enthalten scheinen. Im Ei ohne Keim- bläschen erleidet das Deutoplasma keine Aenderung. 4) Die Begattung ist eine äusserliche; die Befruchtung durch Spermatophoren findet höchst wahrscheinlich im Inneren des Ovariums statt und hat das Verschwinden des Keimbläschens zur zeitlichen Folge. 5) Das fertige Ei verlässt den Leib des Krebses ohne Kern und nur mit Einer Hülle versehen. 6) Das reife Sperma besitzt einen vom Kopf deutlich abge- setzten Schwanz und drei starre Fäden. Il, Die Furchung. Die Eiablage habe ich weder bei Pagurus noch bei irgend einem anderen Dekapoden zu beobachten vermocht. Ich muss mich daher in Bezug auf diesen nicht unwichtigen Vorgang darauf beschränken, aus der mir zugänglichen Literatur die nöthigen Angaben hier in Kürze vorzuführen. Die genaueste Schilderung liefert Lereboullet.!) Er weist nach, wie der Fluss- !) Recherches sur le mode de fixation des oeufs aux fausses pattes ab- dominales dans les ecrevisses. Annales Sc. natur. 4, ser. XIV. 1860, p. 359 378, pl. XVII. 206 Paul Mayer, krebs, wenn er sich zum Laichen anschickt, sein Abdomen krümmt und aus den Seitenwänden der Segmente desselben und dem Schwanzfächer eine Art von Tasche '!) bildet, in welche die Eier einzeln hineinfallen und zwischen die Haare der Abdominalfüsse zu liegen kommen. Zu gleicher Zeit schwitzt aus den weichen Häuten zwischen den Leibesringen eine Flüssigkeit aus und sammelt sich ebenfalls in der Tasche an. Bei der Berührung mit Wasser coagulirt aber dieser Saft sehr rasch und umgibt so jedes Ei mit einer neuen Hülle, verbindet es aber auch dadurch mit dem ihm zunächst befindlichen Haare. Oeffnet sich darauf die Tasche, so zieht das Ei durch sein Gewicht den noch dehnbaren Mantel zu einem Stiele aus und hängt nun an demselben frei im Wasser. Das Verdienst Lereboullet’s liegt darin, nachgewiesen zu haben, dass besondere Drüsen abseits von den Geschlechts- organen existiren, um den Kitt für die Eier zu liefern. Im Uebrigen ist seine Behauptung ?): „les zoologistes qui se sont oceupes de l’histoire naturelle des Crustaces sont & peu pr&s muets sur cette question“ nicht richtig. Zum Beweise diene eine Stelle aus Cavolini, dersich durch sehr genaue Beobachtung auszeichnet. Er sagt): „Die Eier gelangen in’s Freie bestrichen mit einem Leime, den sie aus der Gebärmutter mit sich bringen. Dieser Kitt zieht im Wasser Fäden und windet sich beim Fadenziehen um die Haare an dem innern Theil der Bärte am Schwanze, und so bilden die Eier, indem sie sich zusammenhäufen, eine Masse, von der jeder 1) Erdl ta. a. O. $. 13) veröffentlicht eine seltsame Bemerkung von H.Koch: „In Bezug auf das Eierlegen bietet Cancer spinifrons Merkwürdiges dar. Die Tasche, in welcher diese Thiere ihre Eier tragen, kann ich bei manchen Weibchen durchaus nicht finden, während sie bei andern gross und mit Eiern gefüllt vorkommt. Darüber gab mir ein sonst sehr verständiger und zuverlässiger Fischer folgende Auskunft: Die Tasche entsteht erst zur Zeit, wo die Eier schon zum Austreten kommen, nimmt diese auf und lässt sie sich zur Reife entwickeln. Ist dies geschehen, so platzt sie, die Eier fallen heraus und sie selber fault ab.“ Ich habe an Cancer (Eriphia) spini- frons nie etwas Aehnliches gesehen und weiss auch gar nicht, was es mit dieser ‚Tasche‘ eigentlich auf sich hat. Da aber Koch seine Behauptung, nicht aus der Luft gegriffen haben wird, so wäre es interessant zu erfahren, welche Thatsache ihr zu Grunde liegt. FAN 0). DS. 809, ?) Memoria sulla generazione dei pesci e dei granchi. Napoli 1787, p. 161: „Queste uova impaniate escono da un glutine che portano fin dalle ma- trier Questa pania nell’ acqua fila, e filando s’intortiecia intorno i peli delle interiori rami delle barbe della coda, e cosi aggrovigliate le uova for- mano un masso, di cui ogni porzioncella rappresenta un grappolo“, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 207 kleine Theil ein Träubehen vorstellt.“ Rathke gibt nichts Sicheres an und weiss sich auch nieht von der Ansicht frei zu machen, der Kitt rühre von den drüsigen Wandungen der Genitalorgane selbst her. Dagegen finde ich bei Erdl') Folgendes: „Wenn die Eier gelegt werden, müssen sie bei solchen Krebsen, bei welchen der Bileiter sehr kurz ist (Maja), noch ehe sie die äusseren Geschlechts- öffnungen erreichen, an der Mündung eines in den untern Theil des Oviductes sich öffnenden, diekhäutigen Sackes vorbeigehen, welcher um die Zeit des Eierlegens sich stark vergrössert und mit einer zähen schleimigen Flüssigkeit gefüllt ist. In dem Augen- blicke, in welchem die Eier dureh den Eileiter hindurchgetrieben werden, wird auch der Schleim aus dem Sacke herausgepresst und über die Eier gegossen, welche so von dem Schleime über- zogen aus der Geschlechtsöffnung hervorkommen.“ Wenn also dieser diekhäutige Sack nicht derselbe ist, der heut zu Tage als Bursa copulatrix aufgefasst wird, so muss man Erdl als den Ersten bezeichnen, der eine richtige Vorstellung von der Anheftung der Krebseier gehabt hat. Bei Pagurus liegen die Verhältnisse wieder anders, als es bei den Brachyuren der Fall zu sein scheint. So weit ich sehen konnte, ist für ihn bei der eigenthümlichen Ge- staltung seines Hinterleibes die Schneckenschale, in welcher er haust, zur Eiablage unbedingt erforderlich, da sie ihm die Eier beisammen und im Bereiche der falschen Füsse hält. Wenn ich einen im Laichen begriffenen Pagurus aus seiner Conchylie heraus- nahm, habe ich ihn entweder nicht zur Fortsetzung seines Ge- schäftes zu bringen vermocht oder die Eier einzeln, wie sie aus dem Oviduete hervorkamen, zu Boden fallen sehen. Auch mit der Kittdrüse mag es besondere Bewandtniss haben. Ich habe am ganzen Abdomen des Krebses keine andere Stelle finden können, welche zur Absonderung des Saftes geeignet wäre, als einen meist ziemlich weit hervorragenden Lappen am Anfange des Bauches, in der Nähe der falschen Füsse. Auf Schnitten durch diesen Fortsatz habe ich auch constatirt, dass bei Weib- chen, welche dem Eierlegen nahe waren, direet unter der Epi- dermis eine krümelige Masse vorkommt, welehe nur wenige freie Kerne enthält und ganz den Eindruck macht, als sei sie ein durch die Erhärtungsflüssigkeiten gerounenes Secret mit Zelldetritus. Sonst liegt in dem Lappen, welcher übrigens auch beim Männchen auftritt, nichts als Muskulatur und ein eigenartiges Gewebe, wel- 1) 4.2.0.8 11. 208 Paul Mayer, ches vielleicht der Kittdrüse angehört, vielleicht aber auch eine besondere Art Bindesubstanz ist. Einen Ausführgang habe ich nicht gefunden, doch sind meine Untersuchungen lange nicht eingehend genug gewesen, um seine Existenz leugnen und überhaupt die Frage nach der Drüse selbst für erledigt halten zu dürfen. Im Gegentheil glaube ich, da mir das Durchschwitzen des Secretes durch die nicht dünne Chitinschicht wenig plausibel ist, dass auch für Astacus eine speciell auf diesen Punkt gerichtete Arbeit nicht überflüssig wäre. Wie schon oben auseinandergesetzt, ist das Oviduct gemäss seiner histologischen Beschaffenheit nicht im Stande, die Kittmasse zu produciren. Kommen also die Eier aus ihm hervor, so sind sie noch jedes für sich und werden erst später von dem Secrete eingeschlossen. Nun ist keineswegs jedes Ei an einem Haare der falschen Füsse befestigt, vielmehr hangen oft genug Eier an Eiern. Immer aber ist die äussere, neu gefertigte Hülle zu einem förmlichen Stiele ausgezogen. Während dies nun unter Anderem für den Flusskrebs von Rathke ausdrücklich angegeben wird, sollen nach demselben Autor „bei Crangon !) und Palaemon immer mehrere Eier zugleich in eine Haut eingeschlossen sein, die um sie herum einen mit ihnen verklebten Sack bildet, welcher an eines der Afterbeine angeheftet ist“. Etwas Aehnliches will Joly ?) bei Caridina Desmarestii beobachtet haben, denn es sind, wie er behauptet, sämmtliche Eier von einer gemeinsamen Mem- bran umhüllt, die sich von einem Eie zum andern zieht und nicht stieförmig ausgezogen ist. Die Angaben Rathke’s kann ich wenigstens für Crangon nicht bestätigen, sondern sehe in der Anheftungsweise bei diesem Krebse durchaus nichts, was mir nicht auch Pagurus zeigte. Wie die eigentliche Eihülle, ist auch die Secretschicht ganz structurlos; beide Membranen liegen so fest einander an, dass eine Trennung fast unmöglich ist. Zu Anfang ist die so zu Stande gekommene einheitliche Hülle noch weich, so dass die Eier bei Druck alle möglichen Gestalten annehmen, bald aber erhärtet sie durch die Einwirkung des Wassers auf den Kitt, und wird sehr elastisch. Dies ist von den schon öfter erwähnten Autoren meist ganz richtig !) Rathke, Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien 1837. Be- handelt Crangon und Palaemon, Eriphia und Careinus. Citat auf S. 100. ?) Sur les moeurs, le developpement et les metamorphoses d’une petite salicoque d’eau douce. Annal. Sc. natur, 2. ser. XIX 1843, p. 34— 86. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 209 angegeben, unter Anderen bereits von Cavolini.!) Dass übrigens auch später noch die Haut in hohem Maasse dehnbar sein muss, geht aus dem Umstande hervor, dass die Eier während der Ent- wicklung des Embryos wachsen. Natürlich hat auch Rathke diese Wahrnehmung gemacht und berichtet, dass bei Crangon und Palaemon die Zunahme über die Hälfte des ursprünglichen Volumens beträgt. Seine Deutung für diesen Vorgang ist aller- dings eine höchst seltsame und unhaltbare. Er meint ?), es könne wohl durch die Afterbeine eine „mit organischen Stoffen ge- schwängerte Flüssigkeit“ in die von ihm gesehenen „Säcke“ aus- geschieden werden und aus diesen in die Eier übergehen. Bei Pagurus wachsen die Eier ebenfalls ganz unzweifelhaft. Während sie in den Furchungsstadien auf dem optischen Längsschnitte eine Ellipse mit Axen von etwa 600 und 560 « bilden, nehmen sie bereits bei der Nauplius-Anlage zu und geben bei fast reifem Embryo die Maasse von S50 und 700 «u. Zur Erklärung der Ver- grösserung muss man aber unbedenklich eine allmähliche Auf- nahme von Seewasser durch die gegen Ende der Embryonalent- wicklung nur noch wenig resistente Hülle annehmen. Die Gestalt der Eier bei Pagurus ist im Allgemeinen eine ellipsoidische und geht nur selten in die kugelige über. Eine ausnahmslos feststehende Beziehung der Anlage des Embryo zu den Axen des Eies habe ich nicht auffinden können, glaube je- doch, dass in den meisten Fällen die Gastrula sich an einem der beiden Längepole bildet. Gänzlich ohne ursächlichen Zusammen- hang aber sind die Lagerung des Jungen und der Punkt, mit welchem sich das Ei an die Haare des Mutterthieres anheftet; eine Einwirkung der Schwere auf die Orientirung des Embryo er- scheint also gänzlich ausgeschlossen. Ich würde dies nicht erst ausdrücklich erwähnen, fände ich nicht bei Rathke ?) angegeben: „Die Stelle übrigens, wo sich der Keimstoff auf der Oberfläche des Dotters anhäuft [sie entspricht der Gastrula] befindet sich ent- weder unter dem Anheftungspunkte des Eies oder, was gewöhn- licher der Fall ist, in der Nähe desselben, niemals dagegen an 1) a.a. 0. $. 161 heisst es: „‚Escono dalle vulve queste uova molli come erano nelle matrici..... e mano mano non sola la pania che le involge si assoda, ma ancora la buccia di quelle si fa dura, rimanendo perö traspa- rente.‘* 2) a. a. 0. Bu: °) Flusskrebs, S. 11. 210 Paul Mayer, der jenem Punkte gegenüberliegenden Seite des Dotters. Es strebt also der Keimstoff, sich immer an derjenigen Stelle des Eies wieder anzuhäufen, die derjenigen Stelle des Schwanzes der Mutter, an welehe sich das Ei befestigt hat, zugekehrt ist. In denjenigen Eiern also, die sich am vorderen Ende des Schwanzes befinden, kommt die Keimscheibe an der nach oben gekehrten Seite des Eies zu liegen, in denjenigen dagegen, die am hinteren Theile des Schwanzes befestigt sind, an der beinahe nach unten gekehrten Seite des Eies. Es scheint demnach, als sei es eine gewisse Wechselwirkung zwischen Mutter und Ei, von welcher die Ablagerung der Keimscheibe bedingt wird.“ Ich habe im Gegentheil oft bei dicht neben einander befindlichen Eiern, welche frei im Wasser flottirten, die grösstmögliche Verschiedenheit in der Lage des Embryos bemerkt. Von der Farbe der Pagurus-Eier habe ich schon oben an- geführt, dass sie ein gesättigtes Orangegelb sei. Es bestehen aber in der Intensität der Farbe individuelle Abweichungen, wie dies auch schon vor mir andere Autoren beobachtet und mit sel- tener Uebereinstimmung auch stets (ob mit Recht?) auf Ver- schiedenheiten in der Färbung des Mutterthieres zurückgeführt haben. !) Hellere Weibchen würden also auch hellere Eier liefern. Eine andere Kategorie von Unterschieden im Colorite bilden die- jenigen Abänderungen, welche durch die Entwicklung des Jungen hervorgerufen werden. Hier lässt sich im Allgemeinen so viel sagen, dass während der Furchung die Farbe eine tiefere wird ?), später hingegen in dem Masse, wie der farblose Körper des Embryo zur Ausbildung gelangt, einer lichteren Platz macht. So lässt sich bei einiger Aufmerksamkeit das Stadium, in welchem sich das Ei befindet. meist schon an der Farbe erkennen.°) 1) So sagt z. B. Erdl (a. a. O. S. 13): „Auch bei Maja haben die hell- gefärbten Mutterthiere mehr gelbrothe, die dunkleren mehr feurigrothe Eier.“ 2) Besonders auffällig bei Portunus arcuatus, wo das ursprüngliche Dunkel- gelb in Roth übergeht. 3) Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die Eipigmente bei sämmt- lichen Krebsen, die ich darauf untersucht haben, durch Kochen roth werden. Dies gilt eben so wohl von den purpurnen Eiern der Ilia und den hellgelben des Sceyllarus als von den graubraunen des Eupagurus metieulosus und den dunkelrothen der Maja oder den grünlichen der Nika. Mir hat es dabei ge- schienen, als würde ein Farbstoff durch das heisse Wasser zerstört oder auch nur ausgelaugt, so dass alsdann der rothe zum Vorschein komme. Die Eier von Pagurus ändern übrigens die Farbe kaum, während diejenigen der nächst- verwandten Art, des Eupagurus meticulosus, ihr Graubraun beim Kochen so Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 2344 Von den Eiern, deren Anzahl auch bei den kleinsten Paguren- weibcehen einige Hundert, bei den grossen mehrere Tausend be- trägt, kommen bei Weitem nicht alle zur völligen Entwieklung. Doch ist gerade bei diesem Krebse die Summe der zu Grunde gehenden nur gering im Vergleiche zu andern Anomuren, z. B. dem Pagurus calidus. Dieser hat bei seinem bedeutend ansehn- licheren Körper keineswegs grössere, dafür aber viel zahlreichere Eier. Ich habe nun durch öftere Beobachtung gefunden, dass nur ein kleiner Theil der anscheinend normalen Eier lebenskräftige Junge lieferte, während ich bei Pagurus stets sehr viele völlig ausgebildete Zo&en erhielt. Aehnlich erging es mir mit Maja verrucosa, Ilia Nucleus und anderen Brachyuren, deren Eier in grossen Massen dicht aufeinander gepackt dem Wasserstrome wohl nicht so zugänglich sind, wie die nicht so zahlreichen vieler Makruren. Von letzteren zeigte mir Seyllarus auch sehr grosse Sterblichkeit unter den Embryonen, obwohl alle Krebse, deren Entwicklung ich (zum Zwecke des Fanges der Zoöen) beobachtete, in meinen Versuchsaquarien unter den nämlichen Verhältnissen lebten. Bei Maja verrucosa und squinado habe ich nicht selten bemerkt, wie die Weibchen — auch ohne, wie es mir schien, be- sonderen Hunger zu haben — alle Eier, die nach dem Aus- schlüpfen der Jungen mit noch wenig entwickelten Embryonen zurückgeblieben waren, mit ihren Scheeren abrissen und zum Munde führten. ?) Nach Erledigung aller dieser Einzelheiten, die ich, obwohl sie mir nicht gerade von Bedeutung scheinen, der Vollständigkeit halber nicht habe unterdrücken wollen, gehe ich zur Beschreibung der Furchungsvorgänge über. Ich werde zunächst eine zusammen- hängende Darstellung derselben, so wie ich sie bei Pagurus ver- folgt habe, liefern und dann erst eine Besprechung der Literatur vornehmen. vollständig einbüssen, dass sie nicht mehr von denen des Pagurus zu unter- scheiden sind. 1) Auf diesen Umstand lässt sich die von Erdl (a. a.0. S. 12, 13) eitirte Fischersage zurückführen, dass die Maja „ihre Eier, nachdem sie schon eine Zeit lang am Schwanze getragen worden waren, mit den Brustfüssen wieder losreissen und verschlingen, dass die Eier dann einige Zeit im Magen ver- weilen, durch den After abgehen, sich neuerdings an die Eihälter befestigen und nun erst sich entwickeln“. Erdl selbst hat es nicht gewagt, diese Er- zählung einfach für ein Märchen zu erklären, dagegen verweist H. Koch, in- dem er das Factum des Eierfressens bestätigt, die aus ihr gezogenen Schlüsse in das Reich der Fabel. 212 Paul Mayer, Das frisch gelegte, noch weiche Ei, an welchem sich trotz Druckes mit dem Deckglase und durch die gebräuchlichen Rea- gentien kein kernähnliches Gebilde nachweisen lässt, zeigt nach Verlauf weniger Stunden, während derer auch die Erhärtung der Hüllen vor sich geht, einen deutlichen Kern. Die einzelnen Eier in dem Haufen, welchen. der Krebs mit sich herumträgt, halten von vornherein durchaus nicht gleichen Schritt.) In den späteren Entwicklungsperioden macht ein solcher, nicht eben bedeutender Zeitunterschied gewöhnlich nicht viel aus, für den Anfang ist er aber doch so gross, dass man unter Umständen an einem und demselben Eihaufen ohne Weiteres die ganze Furchung studiren kann. Bei normalem Verlaufe nun folgt dem schon erwähnten Stadium mit Einem Kerne ein anderes mit zwei, darauf eines mit vier und zum Schlusse eines mit acht Kernen; erst dann tritt die eigentliche Furchung ein, und zwar bilden sich nicht etwa auf Ein Mal acht Zellen, sondern erst ganz regelmässig zwei Halbkugeln, dann vier Quadranten und zuletzt acht Octanten, welche bis zum Mittelpunkte des Eies von einander getrennt sind und nach Erhärtung sich leicht und völlig isoliren lassen. Da mit der vollendeten Achttheilung ein vorläufiger Abschluss gegeben ist, so will ich die kurz geschilderten Vorgänge, die ich als der ersten Furchungsperiode angehörig bezeichne, zu- nächst in ihren histologischen Einzelheiten durchgehen. Wie schon bemerkt, ist das Ei zu undurchsichtig, um im frischen Zustande ohne Druck untersucht werden zu können. Hiermit ist also eine stetige Beobachtung der Kern- und Zelltheilung unter dem Mikro- skope ausgeschlossen; ich bringe aus diesem Grunde auch über die Entstehung des ersten Kernes nichts bei und brauche also auf die Ansicht Strasburger’s ?), derzufolge die Kernsubstanz aus der Rundschieht der Zelle herstammen soll, nicht einzugehen. Hat !) Ich habe mir beispielsweise notirt, dass in einem Falle zwei Stunden nach der ersten Beobachtung, welche noch die Kernlosigkeit bei allen Eiern darthat, in manchen von ihnen bereits zwei Kerne existirten, während andere erst einen Kern zeigten und die meisten noch Cytoden waren. Selbstverständ- lich ist der Grund für diese zeitliche Verschiedenheit nur darin zu suchen, dass die Eier im Ovarium nicht genau zu derselben Stunde befruchtet werden, Auf die wirklichen Unregelmässigkeiten in der Furchung komme ich noch zurück. 2) Zellbildung und Zelltheilung. 1875, S. 210. „Es wird nach alledem eine stoffliche Uebereinstimmung zwischen Zellkern und Hautschicht sehr nahe gelegt.“ Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 243 sich nun der Kern gebildet, so ist sofort wieder die sirahlige An- ordnung des Protoplasmas, wie sie im Eierstocksei zu bemerken war, vorhanden. Die Consequenz der Auffassung, dass diese Strahlen das active Protoplasma der Zelle sind, führt natürlich dazu, in der Bildung der zwei, vier und acht Kerne mehr zu er- blicken, als eine blosse Kernvermehrung. Es entstehen eben in dem mit Deutoplasma gefüllten Ei erst zwei, dann vier, zuletzt acht getrennte in bekannter Weise um die Kerne als Attractions- centren gruppirte Protoplasma-Anhäufungen, ohne dass vorläufig das Deutoplasma in Mitleidenschaft gezogen würde. Dass bei allen diesen Theilungsvorgängen die Auerbach’schen sogenannten karyolytischen Figuren auftreten, bedarf wohl kaum der Fır- wähnung. Dabei aber löst sich, so weit meine — allerdings dis- eontinuirlichen — Beobachtungen reichen, der ursprüngliche Kern durchaus nicht auf, sondern theilt sich direct. Ich habe nicht nur an manchen Schnitten sehr langgezogene Kerne gesehen, sondern auch, wie in Fig. 38 angedeutet, nicht gerade selten zwei Kerne in einer und derselben Protoplasmamasse, welche selbst erst eben sich zur Theilung anschickte. Letzteren Befund aber mit O. Hertwig als einen pathologischen anzusehen, scheint mir nicht unbedingt geboten zu sein. !) Von Ungleichmässigkeiten habe ich nur eine wahrgenommen. Zuweilen bemerkte ich, dass, wenn erst zwei Kerne vorhanden waren, der eine seine Theilung bereits fast vollendet hatte, indess der andere sich erst dazu vorbereitete. Hiernach würde man bei einem solchen Ei von einem Stadium mit drei Kernen reden können. Eine Entscheidung aber darüber zu geben, ob dieses Verhalten Regel oder Ausnahme ist, und ferner, welche Folgen es nach sich zieht, dazu sind meine Beobachtungen nicht zahlreich genug gewesen und konnten es bei dem hierfür ungünstigen Ma- teriale auch nicht sein. Es ist mir nicht gelungen, einzelne vom Mutterthiere losgelöste und genau controlirbare Eier sich hin- reichend weit entwickeln zu lassen. Ich begnüge mich also da- mit, überhaupt darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass wichtige, tiefgreifende Unterschiede selbst dann, wenn die Fur- chungskugeln späterhin völlig gleich aussehen, schon recht früh vorhanden sein mögen. In dem vorliegenden Falle kann ich, wie ich vorgreifend einschalten will, durchaus nicht angeben, welche Umstände eigentlich den Punkt an der Eioberfläche bestimmen, 2a: a. 0.8: 47. Bd. XI. N. F. IV. 2. 15 944 Paul Mayer, an welchem die Gastrula auftritt. Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass diese erste und wichtigste Differenzirung an dem bis dahin scheinbar gleichmässigen Blastoderme sich mit Bezug auf ihren Ort schon von den allerersten Furchungsstadien aus herleiten lassen wird. Natürlich kann es sich bei den hierauf bezüglichen Unter- suchungen, für die sich die geeigneten Methoden finden lassen müssen, immer nur um das „Wie“ handeln. In das Gebiet des „Warum“ hingegen würde die Frage gehören, ob sich bei der er- wähnten Ungleichmässigkeit lediglich Einwirkungen der Aussen- welt dem Ei gegenüber geltend machen oder wie weit auch hier die Vererbung in’s Spiel kommt. So lange wir indessen die Thatsachen noch nicht kennen, ist eine Erörterung der Gründe gewiss überflüssig. Wiehtig erscheint mir der Hinweis auf den Umstand, dass erst acht getrennte Protoplasma-Anhäufungen um acht völlig von einander getrennte Kerne entstehen müssen, ehe sich eine Theilung des ganzen Eies bemerklich macht. Eine ausreichende Erklärung dafür finde ich nicht, da mich der vielleicht völlig richtige Ge- danke, das träge Deutoplasma gehorche erst allmählich den Ein- flüssen des Protoplasmas, nicht befriedigt. Eine Zurückführung auf phylogenetische Thatsachen gelingt mir eben so wenig. Was das Auftreten der ersten Theilungsebene anlangt, so habe ich es mitunter beobachten können und mich sicher davon überzeugt, dass vorher schon die acht Kerne existirten. Diese liegen übrigens, wie Fig. 1 zeigt, regelmässig angeordnet nicht weit von der Peri- pherie des Eies ab. In welcher Richtung aber geht nun die erste Theilung vor sich? Bei Eiern, deren sehr in die Länge gezogene Gestalt die Wahrnehmung dieser Verhältnisse erleichterte, habe ich öfters gesehen, dass die längste Axe sowohl in der ersten als auch in der darauf folgenden Theilungsebene liegt, dagegen auf der dritten senkrecht steht. Ich füge aber ausdrücklich hinzu, dass ich nicht die genügende Anzahl von Fällen anführen kann, um daraus eine Regel abzuleiten. Nur so viel steht mir fest, dass, wenn erst acht Zellen vorhanden sind, unter ihnen irgend welche Grössenunterschiede, die constant wären und sichere Schlüsse erlaubten, nicht zu bemerken sind. Die geschilderten Vorgänge habe ich nicht nur an Pagurus, sondern an verschiedenen anderen Krebsen aus allen drei grossen Abtheilungen der Dekapoden zu beobachten Gelegenheit gehabt (z. B. an Dorippe, Crangon, Calianassa und manchen anderen) und glaube daher, ihr Auftreten wird bei sämmtlichen Dekapoden, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, 9315 welche als Zo&a das Ei verlassen, wohl nicht in Frage gestellt werden dürfen. Die Schnelligkeit übrigens, mit welcher sie sich vollziehen, scheint bei den einzelnen Arten eine sehr verschiedene zu sein; immerhin erlauben mir die Vergleiche, welche ich an- gestellt habe, den Ausspruch, dass die Entstehung der Protoplasma- haufen bedeutend mehr Zeit erfordert, als die nachfolgende Thei- lung der ganzen Eizelle. Zu Ende der ersten Furchungsperiode besteht das Ei aus acht unter sich gleichen Zellen, von denen jede in der Art wie das Eierstocksei gebaut ist, nur mit dem Unterschiede, dass sie keine separate Hülle besitzt. In manchen Zellen macht sich schon die Einleitung zu der darauf folgenden Theilung geltend und findet in den „karyolytischen Figuren“ ihren Ausdruck. Das Charakteristische der nun folgenden, der zweiten Furchungs- periode besteht darin, dass eine eigenthümliche Trennung des Proto- und Deutoplasma eintritt. Ersteres wandert nämlich all- mählich der Peripherie des Eies zu, letzteres gruppirt sich im Centrum. Schon bei 16 Zellen ist auf Schnitten keine bis zum Mittelpunkte reichende Grenze zwischen den einzelnen Zellen mehr zu sehen; zugleich sind die Kerne mit ihrem Protoplasma- hofe viel weiter nach aussen gerückt. Dies ist noch mehr in den folgenden Theilungsstadien, welche 32 bis 64 Zellen um- fassen, der Fall, denn wie Fig. 38 zeigt, ist das Protoplasma bereits dieht am Zellrande angekommen und strahlt von da in das Innere aus. Natürlich liegt nun auch der Kern un- mittelbar unter der Oberfläche. Nach innen zu enden die Zellen, wie aus Schnitten hervorgeht und auch beim Zerdrücken ge- härteter Fier deutlich wird, ziemlich scharf und gleichmässig etwa in halber Entfernung vom Centrum; die von ihnen einge- schlossene Masse zeigt noch immer ein Gemisch von Deuto- und Protoplasma. Indem aber die Theilung fortschreitet, wird die Trennung beider Substanzen deutlicher bemerkbar. Während nämlich im sechsten Furchungsacte jede Zelle diese noch in der bekannten Weise angeordnet vorführte, ist im siebenten schon fast das gesammte Protoplasma nicht mehr strahlig ausgebreitet, son- dern zugleich mit dem Kerne an die Peripherie des Eies getreten und durch eine auf Schnitten leicht wahrnehmbare Linie von der Innenschicht gesondert (vergl. Fig. 6). So entsteht eine Anzahl linsenförmiger Zellen, welche einen sehr geringen Theil des Ei- volumens ausmachen und, während sie sich an der Oberfläche polyedrisch eng aneinander schliessen, in der darauf senkrechten 15* 216 Paul Mayer, Riehtung nicht mehr völlig berühren. Diese Morula dauert aber nur kurze Zeit, denn ohne sich nochmals zu theilen, verflachen sich die Zellen ganz bedeutend und bleiben nun, indem sie von aussen betrachtet noch denselben Anblick gewähren, in der Tiefe seitlich nur noch durch ganz feine Ausläufer mit einander in Ver- bindung (vergl. Fig. 12). Mit anderen Worten: um das Ei herum hat sich eine Art von Haut gebildet, welche in frischem Zustande bei ihrer grossen Durchsichtigkeit Zellgrenzen kaum erkennen lässt und nur in ihren gleichmässig vertheilten Verdickungsstellen Kerne zeigt. Mit dem Auftreten dieser „Keimhaut“ oder des Blastodermes schliesst die zweite Furchungsperiode. Von den Vorgängen, welche sich im Inneren der einzelnen Zellen abspielen, habe ich noch Folgendes nachzutragen. Be- handelt man Eier, welche sich zum sechsten Male theilen, also etwa vierundsechzig Zellen haben, mit Osmiumsäure in Dampf- form, um die Kügelehen im Deutoplasma schärfer hervortreten zu lassen, so sieht man, wie sie völlig gleichmässig in der Zelle vertheilt sind und nur an der Stelle um den Kern, an welcher sich Protoplasma befindet, fehlen. Man erhält den Anblick, wel- chen Fig. 39 wiedergibt. Nimmt man hingegen Eier, welche die doppelte Anzahl Zellen besitzen, so wird man finden, wie sich die Kügelchen von der Peripherie zurückgezogen haben und sich dieht um das Protoplasma lagern (vergl. Fig. 40). Ueber die Ur- sache dieser eigenthümlichen Lageveränderungen, welche ohne Zweifel seitens der Körnchen nur passiv ausgeführt werden, bin ich völlig im Unklaren geblieben und weiss eben so wenig etwas über ihre Bedeutung für das Leben der Zelle mitzutheilen. Um nun die Besprechung der Literatur vorzunehmen, so glaube ich, wird es nicht ohne Interesse sein, zu sehen, wie in den älteren Arbeiten, welehe vor der Aufstellung der Zellentheorie erschienen sind, die Vorgänge der Furchung dargelegt werden. Bei ihnen kommt, da eine richtige Deutung des Gesehenen noch nicht möglich war, alles auf die Genauigkeit der Zeichnung und Beschreibung an, und diese ist denn auch — allerdings nur bei Rathke — zu gross, als dass wir nicht von ihr Notiz zu nehmen hätten. Rathke gibt auf seiner Taf. I, Fig. 1 eine Abbildung der Morula beim Flusskrebs, welche unter Hinzufügung von Zellgrenzen meiner Fig. 11 so ziemlich entsprechen würde. Er nennt die einzelnen Zellen schlechthin Flecke und bemerkt!) über sie, dass unter Aare). 18210, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 947 Umständen „von ihnen immer je zwei, ähnlich den Doppelsternen, sehr nahe bei einander bleiben“, ein Verhalten, das ganz deutlich auf eine unvollständige Beobachtung der Zelltheilung hinweist. Die eigentliche Furchung hat er allerdings völlig übersehen und ist sich ebenso wenig auch über das Blastoderm klar geworden. Höchstens kann man aus den Worten '): „Endlich verschwinden die Flecken ganz und gar, indem der Keimstoff sich wieder bei- nahe gleichförmig über die Oberfläche des Dotters ausbreitet und dieselbe als ein höchst zarter Nebel umgibt“ entnehmen, dass Rathke die Anhäufung des farblosen Protoplasmas auf der Ober- fläche der vom Deutoplasma braunen Astacus-Eier wohl bemerkt hat. Was er aber „Blastoderma, Keimhaut oder Keimscheibe“ nennt, ist, wie ich noch zu zeigen haben werde, ganz etwas Anderes und nicht einmal in den verschiedenen Entwicklungs- perioden ein und dasselbe Gebilde. In seiner späteren Arbeit be- handelt derselbe Autor vorzugsweise die Embryologie von Crangon und Palaemon. Seine Methode, die Eier mit Alkohol oder ver- dünnter Salpetersäure zu tödten und darnach bei auffallendem Lichte zu untersuchen, verschafft ihm von der Beschaffenheit des Eies zur Zeit der Furchung folgende Kenntniss ?): „Der ganze Dotter aber hat, was das Aussehen seiner Oberfläche anlangt, einige Aehnlichkeit mit den fast reifen Zapfen der Fichte oder Ceder, deren Schuppen ...... noch dicht bei einander liegen. Noch später...) verschwindet wieder das soeben beschriebene Aus- sehen des Dotters und es erlangt die Oberfläche dieses Eitheiles dann wieder eine allenthalben gleichartige..... Beschaffenheit“. Hierauf beschränkt sich aber auch Alles, was die bisher behandelten Stadien angeht. Die Arbeit von Erdl liefert für unsern Zweck absolut nichts, und so ist erst in dem im Jahre 1853 erschienenen Werke von Lereboullet einiges Neue zu finden. Dass Lereboullet schon mehr auf Einzelheiten einging, lag in der Natur der Sache und hat sich auch schon oben bei der Besprechung des Eierstocks- eies gezeigt. Es muss aber hervorgehoben werden, dass auch er die Furchung noch nicht bemerkt hat, sondern nur ihr Endproduct, das Blastoderm, kennt. Welche Ideen er sich gemacht hat, um seine Beobachtungen, die sich meist auf der Oberfläche hielten, logisch mit einander zu verknüpfen, mag aus folgender Darstellung ersichtlich werden. Lereboullet lässt, wie schon früher (S. 200) 372.10 N 2) Reisebemerkungen aus Taurien, S. 83. 918 Paul Mayer, auseinandergesetzt wurde, das Keimbläschen, noch während das Ei im Ovarium verweilt, platzen und aus seinen Elementen schliesslich die „tache blanche“ hervorgehen, die ich als den neu- gebildeten Kern anspreche. Es heisst dann weiter!): „Peu de temps apres la ponte la tache blanche se morcelle e’est-a-dire se partage en fragments de plus en plus petits qui..... finissent par couvrir l’oeuf de petites taches blanches irregulieres.....“ Das würden offenbar die Furchungskerne sein, käme nicht der Zusatz: „elles ne sont pas bornees a la surface, mais on en rencontre aussi quelques-unes dans la profondeur“. Alsdann ist die Oberfläche des Eies wieder mit einer „couche homogene d’el&ments plastiques“ umgeben, der sogenannten membrane generatrice. Diese „Bildungs- elemente“ ordnen sich in sternförmigen Gruppen auf dem Ei an und werden auch in dieser Gestalt als „taches stelliformes“ auf Taf. IV, Fig. 9, welche der oben eitirten Figur bei Rathke genau entspricht, wiedergegeben. Im Centrum jedes Sternflecks entsteht eine „lacune eirculaire“; darauf heben sich die Theile, in welchen solehe Höhlungen entstanden sind, von der übrigen Masse ab, runden sich zu Kugeln und heissen als solche „globes generateurs“. Sie besitzen eine Membran, auch scheint ihr „espace central trans- parent“, welchen ich mir als den Kern mit seinem Protoplasma- hofe deute, von einer Hülle umgeben zu sein. „Ces globes con- stituent autant de germes partiels röpandus autour de l’oeuf.“ Aus diesen Worten und noch mehr aus der Fig. 14, welche zwei dieser globes generateurs abbildet, lässt sich entnehmen, dass hier eine Morula vorliegt, deren Zellen sich zum Blastoderme abzu- flachen im Begriffe stehen. Das Merkwürdigste hierbei ist, dass Lereboullet zwischen den „Kugeln“ auf einmal ein „reseau parti- eulier“ entdeckt, von dessen Ursprung er nichts weiss, und das offenbar nur von den Trennungslinien der einzelnen Zellen ge- bildet ist. Später soll das Netz mit polygonalen Maschen, welches natürlich auch den Namen „generateur“ erhält, wieder verschwinden, weil die Zahl der „globes“ so lange zunimmt, bis sie sich un- mittelbar berühren. So weit Lereboullet, der trotz der Zellentheorie unser Wissen nicht viel mehr gefördert hat, als es Rathke gethan. Einen ge- waltigen Schritt weiter gelangen wir durch die Arbeit von van Beneden und Bessels ?), welche sich unmittelbar nur mit den 2) 2.3, 028.696 u. fl. ?) Memoire sur la formation du blastoderme chez les Amphipodes, les Lerndens et les Copepodes. 1868. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 919 niederen Krebsen beschäftigten, ihre Folgerungen aber ohne Be- denken auf sämmtliche Crustaceen ausdehnten. Hier tritt uns zum ersten Male der Begriff des Blastodermes in seiner heutigen Fassung entgegen, und zugleich sehen wir, wie die Autoren sich auch über die Rolle, welche Bildungs- und Nahrungsdotter spielen, Rechenschaft gegeben haben. Wenn es daher heisst !), die Blasto- dermbildung „provient de ce que le deutoplasma se separe du protoplasma de loeuf et s’accumule au centre pour y former un depöt de substances nutritives tandisque le protoplasma, entrai- nant les noyaux des globes, se porte & la peripherie pour y former des cellules blastodermiques“, so lässt dieser Satz an Schärfe nichts zu wünschen übrig. Den direeten Nachweis aber dafür, dass wirklich auch den Dekapoden diese Art der Blastoderm- bildung zukomme, lieferte van Beneden erst einige Jahre später, nämlich 1870. Die Beobachtungen an Crangon vulgaris ergaben ihm folgendes Resultat?): „Chez les Crangons, il se produit un fraetionnement total du vitellus...... ‘et les cellules du blasto- derme resultent de ce que, dans chacun des segments, il s’opere une separation complete entre les El&ments protoplasmatiques et les elements nutritifs du vitellus“ Auch wird in Fig. 20 der Tafel X ein Ei von Crangon im optischen Querschnitt abgebildet, welches zehn Zellen und von ihnen eingeschlossen das Deuto- plasma zeigt. Ungefähr gleichzeitig mit diesem bedeutenden Werke erschien eine Arbeit von A. Dohm) über die Panzer- krebse; in ihr ist auf die Furchung selbst gar keine Rücksicht genommen und nur in Fig. 1 sieht man eine nicht besonders ge- lungene Wiedergabe des Blastodermes von Seyllarus aretus, in welcher die Zellgrenzen gar nicht, die Kerne nur als eine Anhäu- fung von dunkeln Punkten gezeichnet sind. Es bleibt mir nun noch die Aufgabe, der beiden jüngsten und wichtigsten Abhandlungen zu gedenken, nämlich der von Bobretzky und von Haeckel. Wäre leider die erstere nicht dadurch für weitaus die Mehrzahl aller Forscher ungeniessbar und unverwerth- bar, dass sie in Russischer Sprache erschienen ist, so würde ich mich wahrscheinlich in manchen Erörterungen haben kürzer fassen 21 ,8.1.3.: 0.8.94 %) L’oeuf, S. 142. ?) Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Arthropoden. Zeitschr. wiss Zool. XX. 1870, 8. 248—271, Taf. XVI, 6, Theil, Zur Entwicklungs- geschichte der Panzerkrebse. 20 Paul Mayer, können; da sie uns aber nur in ihren Abbildungen und dem Referate von Hoyer !) zugänglich ist, so blieb mir keine andere Wahl, als Alles, was sich nicht mit Sicherheit mittels dieser beiden Nothbehelfe ausfindig machen liess, einstweilen als nicht publieirt anzusehen. ?) Bobretzky’s Arbeit befasst sich mit Astacus und Palaemon. Von beiden Krebsen ist die Entstehung der Eier im Ovarium, von ersterem auch die Furchung und Blastodermbildung nicht besprochen, wenigstens nicht durch Zeichnungen veranschau- licht. Dagegen liefert Bobretzky auf Taf. IV u. V von Palaemon- Eiern einige Abbildungen, die hierher gehören. Es gibt da eine Ansicht des Eies mit zwei vielleicht Kerne vorstellenden kleinen Kreisen im Centrum, ferner je eine Zeichnung von 4, 8, 16 und 32 Furehungszellen, ohne dass aber auf die Darstellung der histo- logischen Beschaffenheit Gewicht gelegt wäre. Bei Hoyer heisst es: „Das Keimbläschen ist anfangs nicht wahrnehmbar, später schimmert es mit dem Keimfleck durch den gelblich grünlichen Dotter hindurch. Der Furchungsprocess verläuft regelmässig ; jeder neuen Furchenbildung geht die Theilung des Kernes vor- aus; die Furchen aber durchschneiden nicht den ganzen Dotter, vielmehr ist die Dottersonderung nur oberflächlich.“ Dies stimmt insofern nicht mit meinen Beobachtungen überein, als ich zunächst acht, zwar dicht an einander stossende, aber scharf gesonderte Zellen gefunden habe. Auch vermisse ich den Hinweis auf die Bildung der acht Kerne vor der Theilung der Eizelle. Weiter heisst es dann: „Auf Querschnitten von Eiern mit 125 oberfläch- lichen Segmenten überzeugte sich der Verfasser von der pyra- midenförmigen Gestaltung der Segmente, deren Scheitel in der Mitte mit dem körnigen Dotter zu einer gleichförmigen Masse sich vereinigten, während helles die Kerne einschliessendes Protoplasma die an der Peripherie sich ausbreitenden Basen der Pyramiden bildete.“ In der That zeichnet auch Bobretzky in Fig. 18 ein solches Ei im wirklichen, nicht optischen Schnitte und lässt die f !) Jahresbericht über die Fortschritte der Anatomie und Physiologie von Hofmann und Schwalbe. II. 1875, S. 312—318. ?®) Ich hoffe in dieser Auffassung von Seiten der weutschen Zoologen keinen Widerspruch zu erfahren. Es ist sehr zu bedauern, dass, wenn auch die Arbeit selbst Russisch geschrieben werden muss, nicht wenigstens eine vom Verfasser gegebene Uebersicht der wichtigsten Resultate in einer der Weltsprachen entweder dem Werke selbst angehängt oder sonst wie ver- öftentlicht wird. In dieser Hinsicht dürften die Skandinavier als Muster gelten. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 391 Spitzen der Zellen sich bis ziemlich nahe der Mitte erstrecken, aber nicht zusammenstossen. In den folgenden Figuren, welche die Gastrulabildung behandeln, sind aber die Grenzen dieser Pyramiden ') immer undeutlicher geworden und gehen zuletzt ganz verloren, so dass die Fig. 20 von Bobretzky, wenn man von der Gastrula-Einstülpung absieht, meiner Fig. 6 gleichkommt. Ich will nun zwar durchaus keinen Zweifel in die Richtigkeit der Angaben von Bobretzky setzen, muss aber bemerken, dass es mir bei Pagurus in keiner Weise hat gelingen wollen, mir diese Pyramiden zur Anschauung zu bringen. Es besteht demnach, immer die Genauigkeit der Beobachtungen vorausgesetzt, ein Unterschied in der Entwicklung der genannten Krebse in der Art, dass der letztere die Zellbegrenzungen nach dem Inneren des Kies zu schon in einem früheren Stadium aufgibt, als Palaemon. Von prineipieller Bedeutung ist dies nicht, vielmehr zeigt es sich, wie in beiden Fällen zu einer gewissen Zeit das Ei aus einer ober- flächlichen Schicht echter Zellen und einer von ihr eingeschlossenen Masse „Nahrungsdotter“ zusammengesetzt ist. Haeckel seinerseits schildert?) die ersten Entwicklungsvor- gänge an den Eiern eines Peneus. Das früheste von ihm beob- achtete Stadium ist eines mit 4 Zellen, in Betreff derer es heisst: „Auf Querschnitten zeigt sich deutlich, dass die Trennungsebenen der vier Zellen (die „Furchen“ der Oberfläche) nicht durch die ganze Eimasse hindurchgehen, sondern blos die helle, äussere, feinkörnige Rindenschicht, den „Bildungsdotter“ in vier Portionen theilen, während die centrale Markmasse, der dunkle, grobkörnige, an kleinen Fettkugeln reiche, undurchsichtige „Nahrungsdotter“ eine völlig ungetheilte ellipsoide Centralmasse darstellt.“ Es hat sich hiernach bei Peneus die Sonderung von Proto- und Deuto- plasma bereits sehr frühzeitig vollzogen. Später, wenn 32 Zellen gebildet sind, constatirt Haeckel nochmals: „Die Furchen..... lassen die centrale Markmasse ?) des Nahrungsdotters unberührt,“ 1) Entdecker dieser Pyramiden ist übrigens Lereboullet, der sie in Fig. 16 und 17 abbildet. Auch für ihn sind sie nur zeitweilig vorhanden, denn wenn „le travail de segmentation est termine, on ne trouve plus dans l’oeuf les longues pyramides dont il vient d’etre question‘ (a. a. O. S. 686). 2) Die Gastrula und Eifurchung der Thiere. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. 1876, S. 61—167, Taf. II—VII. Citate auf S. 107. 3), Dieser Ausdruck scheint mir nicht glücklich gewählt. Haeckel wendet ihn an, weil er der Meinung ist, bei dem Ei mit dem neugebildeten Kerne liege das Protoplasma peripherisch, das Deutoplasma central. „Beide ver- 222 Paul Mayer, hat also ebenso wenig wie ich die pyramidenförmigen Zellen auf- finden können. Von der Morula wird sodann gesagt: ‚eine scharfe Grenze zwischen den hellen..... Zellen derselben und der..... Centralmasse des Nahrungsdotters ist nicht wahrnehmbar.“ Wich- tiger übrigens, als diese immerhin ganz dankenswerthen Nach- weise, dass auch das Peneus-Ei (in der untersuchten Art) sich bei seiner Furchung denen der übrigen Dekapoden anschliesst, er- scheint mir in Haeckel’s Arbeit die generelle Auffassung der Furchung selbst und die Zurückführung ihrer einzelnen Modi- ficationen auf eine Grundform. Auch die von ihm gewählte Be- zeichnung „Perimorula“ oder „Periblastula“ für das mit dem Blastoderme versehene Ei der Dekapoden halte ich für sehr zweck- mässig, da sich in ihr eine Reihe von Erscheinungen durch ein kurzes Wort ausgedrückt finden. Es fragt sich aber, gilt die Perimorula wirklich für alle Dekapoden ohne Ausnahme? In Betreff der wenigen, welche vielleicht noch als Nauplius das Ei verlassen und von denen, falls F. Müller’s allerdings durch starke Gründe gestützten Muthmassungen sich bestätigen, Peneus einer wäre, lässt sich dies nicht ohne Weiteres behaupten, vielmehr ist mir gerade bei solchen Arten eine echte „Archimorula“ wahr- scheinlicher. Für die Zo&a hingegen dürfte ausnahmslos diese Weise der Furchung feststehen, wenigstens ist sie von mir ausser bei Pagurus auch bei Crangon, Calianassa, Nika, Dromia, Inachus, Dorippe und Homola, also Vertretern der verschiedensten Gruppen, beobachtet worden. Auch bei Seyllarus (aretus), welcher doch als Phyllosoma ausschlüpft, konnte ich die Perimorula auffinden. Bleiben also nur nur noch diejenigen Krebse, welche entweder gar keine oder nur eine geringe Metamorphose ausserhalb des Eies zu bestehen haben, wie Astacus und Homarus. Von letzterem habe ich leider die jüngsten Stadien nicht in Händen gehabt, von ersterem dürfte aus der Darstellung von Lereboullet und aus den Abbildungen Rathke’s hervorgehen, dass auch sie eine Morula mit Nahrungsdotter besitzen. Diese könnte nun freilich ebenso wohl von discoidaler wie von peripherischer Furchung herrühren, da sich ja Disco- und Perimorula im fertigen Zustande nicht von einander unterscheiden. Will man Lereboullet’s nicht übermässig halten sich zu einander, wie die hyaline Rindenschicht und die granulöse Markmasse bei vielen anderen Zellen“ (a. a. O. S. 106). In der „Pericy- tula‘“ der Dekapoden ist aber die Anordnung eher umgekehrt; wahrscheinlich wird es auch bei den übrigen Krebsen nicht anders sein, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 2» klare Beschreibung so auslegen, dass sie möglichst gut zu unserer heutigen Auffassung passt, so würde eine discoidale Furchung anzunehmen sein; man thut also am besten, diesen Punkt noch in der Schwebe zu lassen. Dass übrigens beide Furchungsarten nicht so gar sehr verschieden sind, habe ich in einzelnen Fällen beobachten können. Es sind mir nämlich bei Pagurus zuweilen ganze Eihaufen, zuweilen aber auch nur einzelne Eier aus ihnen vorgekommen, . welche die allmähliche Ausdehnung einer aus kleinen Zellen bestehenden Scheibe über eine grosse, mit einem einzigen Kerne versehene Zelle in den verschiedensten Graden vorführten. Im Anfange habe ich solchen Abweichungen mehr Gewicht beigelegt, als sie verdienten, indessen sie nachher doch als das erkannt, was sie waren: Erscheinurgen einer unregel- mässigen Furchung. Als solehe Ausnahmezustände documentirten sie sich auch durch den Umstand, dass sie meist deutliche ') Spuren des Zerfalles an sich trugen. Künstlich hervorrufen konnte ich diese Missbildungen, wenn ich ungefurchte Eier, die vom Mutterthier losgelöst waren, bei nicht genügender Cireulation des umgebenden Wassers sich weiter entwickeln liess. Was schliesslich noch die Anzahl der Zellen, welche durch die Furchung entstehen, betrifft, so habe ich constatiren können, dass bis zur dritten Theilung, welche ihrer 8 hervorbringt, völlige Gleichmässigkeit herrscht. Bei der weiteren Entwicklung finde ich aber ebenso häufig Eier mit 12 wie mit 16 Zellen vor, so dass recht wohl ein ähnliches Verhältniss obwalten könnte, wie es van Beneden und Bessels für Gammarus loeusta?) ermittelt zu haben angeben und demzufolge die Zellvermehrung nicht in einfacher geometrischer Progression statthaben soll. Bei Gammarus macht sich aber schon zur Zeit der dritten Theilung eine Verschiedenheit bemerkbar, indem 4 grosse und 4 kleine Zellen gebildet werden. Dies ist indessen bei Pagurus 1) Die Richtigkeit der Auffassung dieser Eier als kranker, nur bis zu einem gewissen Maasse entwicklungsfähiger ist mir gar nicht mehr zweifel- haft. Ich habe ferner hier und da bemerkt, wie an frisch gelegten Eiern eine Art von „Richtungsbläschen“ sich loszuschnüren im Begriffe stand und halte auch diese vereinzelten Fälle für abnorme. Vielleicht wäre es gar nicht so gewagt, ihr Auftreten mit der excentrischen Lage des Keimbläschens, welche ich ja ebenfalls nicht als normal betrachte, in Verbindung zu bringen und in allen drei Gruppen von Erscheinungen nur die Wirkungen einer und derselben Ursache zu sehen, 2%) a. 3. 0, 8.26: 224 Paul Mayer, ganz bestimmt nicht der Fall, und ebenso gewiss ist es, dass die Furchungskugeln der 6. Generation annähernd gleich gross sind. Immerhin ist es mir nicht geglückt, den Theilungsmodus für Pagurus festzustellen, d. h. herauszubringen, was Regel und was Ausnahme ist. Es ist ja auch ganz gut möglich, dass äussere Einflüsse die Verzögerung der Furchung in der einen Eihälfte und die Beschleunigung in der andern hervorrufen, ohne dass aber zu- letzt das Resultat verschieden von dem ausfällt, wie es bei nor- malem Verlaufe sein wird. Das Blastoderm entspricht, wie sich mir aus Zählungen und Berechnung aus der mittleren Grösse der einzelnen Zelle ergibt, dem 8. Theilungsacte, müsste also in thesi aus 256 Zellen zusammengesetzt sein. Die erste Lebensthätigkeit der Periblastula besteht darin, dass sie eine Cuticula an ihrer Oberfläche abscheidet. Ich habe schon früher bemerkt, dass es mir nicht gelingen will, die Ab- drücke der einzelnen Blastodermzellen an dieser völlig structur- losen Membran zu sehen; hier muss ich noch hinzufügen, dass es eine echte, aus Chitin gebildete und völlig durchsichtige Cuticula und nichts Anderes ist. Dass ich dies hervorhebe, hat seinen guten Grund. Schon die frühesten Beobachter der Krebsentwick- lung haben die in Rede stehende Membran gekannt, aber falsch gedeutet. So unterscheidet beispielsweise Erdl am Krebsei drei verschiedene Hüllen, die er Schleimschicht, Chorio® und Dotter- haut nennt. Da er aber nur Eier in weit vorgerückten Stadien untersucht hat, so wird man nicht fehl gehen, wenn man die letzt- genannte Haut als das Product des Blastodermes ansieht. Auch die von Rathke als Dotterhaut bezeichnete Hülle!) ist, da sie bis zum Ende der Embryonalperiode bestehen bleibt, lediglich diese Cutieula.. Merkwürdigerweise thut ihrer Rathke späterhin nie wieder Erwähnung, obwohl er doch das Ausschlüpfen der Zo&en bei Eriphia ?) und bei Pagurus Bernhardus ?) bemerkt hat. Ebenso bestimmt Lereboullet *) nur den Zeitpunkt ihres Auftretens genauer, hat aber noch eine unhaltbare Ansicht über ihren Ursprung. Er sagt: „Je n’ai plus trouv& de membrane propre autour du vitellus lui-meme, dans les oeufs examines immediatement apres la !) Vergl. oben S. 197. ?) Reisebemerkungen aus Taurien, S. 97. ») Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig III. 4. 1842, S. 29. +) 2.8, 0,8, BIT. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 225 ponte...... A une epoque plus avancde de l’oeuf, au contraire, on distingue une mince pellicule amorphe tout autour de l’oeuf, appliquee immediatement contre le vitellus: c’est une membrane vitelline de seconde formation.“ Erst van Beneden und Bessels fassen die Cutieula oder „Larvenhaut“ lediglich als ein Secret der Blastodermzellen auf und setzen ganz richtig hinzu, dass sie sich nieht an allen Punkten der Eioberfläche zu gleicher Zeit vom Blastoderme abhebe, sondern zuerst an der Stelle, wo sich der Embryo bilde. Weniger klar erscheinen mir zwei Angaben Dohrn’s. Die eine ist schon oben S. 197 mitgetheilt; ich lese aus ihr weiter nichts heraus, als dass, was Dohrn Aufhängeband nennt, zusammen mit seinem „Chorion“ nur die Kittschicht ist, so dass also die von ihm als neu beschriebene Haut nichts Anderes wäre, als die eigentliche Eihülle (Chorion oder Dotterhaut). Diese Auslegung scheint mir ungezwungen und würde die Uebereinstimmung des Palinurus mit den übrigen Krebsen in diesem Punkte wiederher- . stellen. Bei Seyllarus (aretus), weleher doch auch ein Phyllosoma zur Jugendform hat, konnte ich nichts Aehnliches finden; es ist daher auch nicht wahrscheinlich, wenn auch nicht geradezu von der Hand zu weisen, dass Palinurus im Ei eine Häutung mehr bestehen sollte, als die ihm auch in der Entwicklung so nahe stehende Gattung. Für eine echte Dotterhaut scheint mir aber nichts zu sprechen. Ebenso wenig habe ich das bestätigen können, was Dohrn !) von Portunus sagt: „Auf diesem Stadium |Nauplius] erkennt man sehr deutlich eine feine Membran, welche durch Aus- läufer mit dem Dotter oder vielmehr mit den auf ihm liegenden Blastodermzellen verbunden zu sein scheint. Diese Membran ist höchst wahrscheinlich die Blastodermhaut van Beneden’s.“ Da aber diese Haut nach van Beneden’s eigenen Worten ?) eine Cutieula ist, die von Dohrn erwähnte hingegen aus (in seiner Fig. 15 etwas undeutlich gezeichneten) Zellen besteht, so würde ein Vergleich gar nicht einmal durehführbar sein, wenn nicht in Wirklichkeit auch bei Portunus sich nur eine Chitinmembran ab- schiede. In Betreff des Palaemon finde ich bei Bobretzky-Hoyer 1) Untersuchungen über Bau und Entwicklung der Arthropoden. 10. Bei- träge zur Kenntniss der Malakostraken und ihrer Larven, Zeitschr. wiss. Zool. 1870 XX, S. 607—626. Taf. NXX—XXXIU. Citat auf 8. 618. 2) Blastoderm S. 52: „Nous croyons ne pas nous tromper en &mettant l’opinion que, dans les differents groupes des crustaces, les cellules du blasto- derme donnent naissance A une membrane anhiste probablement formee par seeretion qui constitue la premiere membrane embryonnaire.“ 296 Paul Mayer, Folgendes angeführt: „Ausser der homogenen durchsichtigen äusseren Membran [also der eigentlichen Hülle] erkannte Ver- fasser noch das Vorhandensein einer zweiten inneren, durch zahl- reiche Erhabenheiten an der äusseren Oberfläche chagrinirt aus- sehenden Membran, die er indessen erst genauer im Verlaufe der Furchung beobachtete, wo sie dem Dotter noch dicht anliegt; später hebt sie sich zuerst vom Keimstreif ab, und diese Trennung schreitet fort in dem Maasse, als der Keimstreif sich ausbreitet, bis der Embryo schliesslich frei in dieser Hülle liegt.“ Ich habe ‚bei Pagurus und auch anderen Krebsarten eine Körnelung der Blastodermhaut nicht wahrnehmen können, und begreife auch nicht, wie auf die äussere Seite derselben solche Hervorragungen kommen. Abgesehen aber von dieser sicherlich unbedeutenden Differenz bin ich mit Bobretzky und auch mit van Beneden darin eines Sinnes, dass von einer zelligen Structur keine Rede sein kann. Auch die allmähliche 'Abhebung vom Embryo habe ich genau in derselben Weise beobachtet, wie die beiden Autoren es beschreiben.) Um also hiermit abzuschliessen, so lässt sich mit aller Bestimmtheit behaupten, dass die „Blastodermhaut“ oder „Larvenhaut“ nicht etwa ein abgeworfenes Ectoderm vorstellt, sondern lediglich das Product einer ersten Häutung ist, wie sie der junge Krebs auch ausserhalb des Eies noch viele zu bestehen hat. Im Verlaufe dieser Arbeit gedenke ich darzulegen, dass sich an diese Häutung auch der Verlust provisorischer Organe knüpft, welche in nicht misszuverstehender Weise frühere Stadien in der Phylogenese bezeichnen. Die allgemeinen Resultate, welche sich mir in Betreff der Furchungsvorgänge ergeben haben, lassen sich kurz folgender- maassen aussprechen. 1) Das aus dem Ovarium in’s Freie gelangende Ei wird mittels einer Kittmasse, die einer nicht zu den eigentlichen Ge- nitalien gehörenden Drüse (von nicht genau bekannter Form) ent- stammt, an den Leib des Krebses angeheftet. 2) Das Ei erhält nach einander 1, 2, 4 und S Kerne, denen ebenso viele Protoplasmahöfe zugehören. Darauf erfolgt die Thei- !) Ueberhaupt liegt dem Blastoderme die Cuticula noch so dicht an, dass sie nur auf Schnitten, wenn sie durch die Einwirkung der Reagentien auf- gerollt wird, zu erkennen ist. In späteren Stadien tritt sie schon am lebenden Ei deutlich hervor, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, 397 lung in 2, 4 und 8 unter sich anscheinend völlig gleiche Zellen. Ein „Richtungsbläschen“ kommt nicht vor. 3) Eine Trennung des Deuto- vom Protoplasma beginnt, wenn das Ei sich zum 4. Male furcht, hat unter Verschwinden der Zellgrenzen in der Nähe des Eicentrums eine immer mehr hervortretende Localisirung des Protoplasmas an der Peripherie zur Folge und führt nach beendetem 8. Furchungsacte zur Bildung des Blastodermes, welches wie eine dünne Haut den „Nahrungs- dotter“, d. h. das gesammte, von nur wenig Protoplasma durch- setzte Deutoplasma einschliesst. 4) Die Perimorula, wie sie sich bei Pagurus findet, kommt sämmtlichen Dekapoden, welche als Zoda das Ei verlassen, wahr- scheinlich auch allen mit Phyllosoma zu. Bei andern tritt viel- leicht die Archi- resp. Discomorula auf. 5) Das Blastoderm scheidet eine Chitinhaut ab, welche als Product der ersten Häutung des jungen Krebses im Ei anzusehen ist und bis zum Ausschlüpfen persistirt. 6) Bei allen Dekapoden scheint eine nicht unbeträchtliche Grössenzunahme des Eies während der Entwicklung des Embryo stattzufinden. ll. Gastrula und Keimblätter. Die Bildung der Keimblätter wird eingeleitet durch die Ent- stehung der Gastrula, welche sich als aus der Perimorula hervor- gehend mit Haeckel füglich als Perigastrula bezeichnen lässt. Wie man aus Fig. 12 ersieht, bildet sich an einem vorerst nicht näher bestimmbaren Punkte der Eioberfläche !) eine an gehärteten Eiern bei auffallendem Lichte weiss erscheinende und ziemlich scharf umschriebene Stelle. Diese wird, wie es scheint, dadurch hervor- gebracht, dass einige Blastodermzellen näher zusammenrücken und sich zu einem Cylinderepithel umgestalten (vergl. Fig. 19). Die Möglichkeit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass jene sieh nicht blos modifieiren, sondern geradezu theilen, um das Epithel zu ', Vergl. oben S. 209. 398 Paul Mayer, 27 bilden; da aber im Laufe der Weiterentwicklung eine immer be- deutendere Contraction des Blastodermes auf der Bauchseite und eine Expansion auf der Rückenseite ohne Zweifel stattfindet, so wird wahrscheinlich schon dieser erste Vorgang auf dieselbe Quelle zurückzuführen sein. Ich werde später hierauf noch näher eingehen und verfolge hier lieber direet die Gastrulabildung. Der bezeichnete weisse Fleck ist schon früher bekannt gewesen und sowohl von Rathke als auch von Lereboullet beim Flusskrebse beschrieben worden. Ersterer bildet ihn unter dem Namen „Keim- scheibe“ auf Taf. I, Fig. 2 ab, letzterer nennt ihn „tache embryon- naire“, lässt ihn dem Blastoderm der höheren Thiere entsprechen und aus einer Anhäufung von Zellen bestehen. Von diesem Flecke aus verbreiten sich nach ihm denn auch die Zellen weiter _ auf die übrigen Theile des Eies. Lereboullet hat nämlich das eigentliche Blastoderm, wie schon oben dargethan, zwar gekannt, aber anders gedeutet und seine Zusammensetzung aus Zellen völlig übersehen. Darum soll eben von der tache embryonnaire aus eine „pellicule excessivement mince“!) sich über das ganze Ei ausbreiten, aber wegen ihrer Dünne erst bei Coagulation her- vortreten. Allmählich nun vertieft sich, wie aus den Figg. 13 und 20 ersichtlich, der Fleck in seiner Mitte und versenkt sich in den Dotter. Dabei ist bemerkenswerth, dass die Zellen selbst sich verlängern und ihren Kern der inneren Wand nahegerückt haben. Der Raum für sie wird also wahrscheinlich dadurch ge- wonnen werden, dass ihre Vergrösserung geradezu auf Kosten des Dotters vor sich geht, den sie in sich aufnehmen. Scharfe Grenzen zwischen den einzelnen Zellen habe ich nieht wahrnehmen können, doch heben sich die Kerne stets sehr deutlich ab. Von dem inneren Rande der so verschmolzenen Zellen erstrecken sich dieke Protoplasmastränge in den Dotter hinein und treten mit dem von Hause aus vorhandenen Netze in Verbindung. In dem Maasse, wie die ursprünglich trichterförmige Vertiefung zunimmt, nähern sich auch ihre oberen Ränder einander und bilden zuletzt einen engen Zugang zur Gastrulahöhle (Fig. 21). Dass diese Oeffnung momentan gänzlich schwindet, ist wohl möglich; meine Präparate lassen zum Theil wenigstens eine solche Annahme zu, gewähren mir indessen nicht völlige Sicherheit. Ich lasse also diesen Um- stand dahingestellt sein. Auch aus Bobretzky’s Arbeit geht nicht genau hervor, ob ein völliger Verschluss zu Stande kommt. Jeden- 2a, 3. OIESH9R, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 229 falls scheint er nicht von langer Dauer, weil sich nämlich aus dem Gastrulamunde kurze Zeit nachher der spätere After bildet oder, präciser ausgedrückt, weil ich nichts sehe, was mir die Entstehung des Afters in der Nähe, aber nicht genau an derselben Stelle wahrscheinlich machte. Anfänglich nun hängt der Gastrulasack gerade in den Dotter hinein, bald aber krümmt er sich und scheint in seiner Form manchen kleinen Abänderungen unterworfen zu sein, welche ich mir auf Schnitten nicht recht habe klar legen können und darum auch einer näheren Besprechung nicht unter- ziehe. Nur so viel steht mir. fest, dass er eine Zeit lang sich in der Mitte stark ausbaucht; nahher aber, wenn er sich zum End- darme umbildet, die Form eines engen Canales annimmt. Von grosser Ausdehnung ist übrigens die Gastrula zu keiner Periode ihres Bestehens; in die Tiefe erstreckt sie sich bis etwa zu '/, des Eies, der Durchmesser ihrer oberen Oeffnung beträgt etwa '/,, von dem des Eies. Mit dem Auftreten der Gastrula ist nun auch die Möglich- keit gegeben, zwei Keimblätter zu unterscheiden. Verweilen wir zunächst bei den Schicksalen des oberen, oder, um genauer zu reden, bei denen des Hautsinnesblattes, um die Frage nach der Herkunft des Mesodermes einstweilen nicht zu berühren. Wenn man gehärtete Eier bei auffallendem Lichte betrachtet, so sieht man, wie der weisse Fleck nur kurze Zeit unverändert bleibt, um dann in der Mitte eine Einbuchtung zu erhalten, welche auf die Bildung der Gastrula hindeutet (Fig. 15). Nicht lange nachher ist er aber wieder gänzlich weiss geworden und zeigt also die total oder nahezu geschlossene Gastrula an. Gleichzeitig hat er sich in einer Richtung, welche auf der späteren Längsaxe des Embryos senkrecht steht, zu beiden Seiten flügelförmig ausgedehnt und stellt nun eine Art von Halbmond vor (Fig. 14). Ein weiteres Stadium zeigt auf der Oberfläche des Eies in ziemlichem Abstande von dem Orte der Gastrula und von ihr völlig getrennt zwei längliche weisse Flecke (Fig. 15); es sind dies die Anlagen des Vorderkopfes und der Augen. Sie befinden sich so weit von einander und von der Gastrula entfernt, dass sie nicht alle drei zugleich in ihrer ganzen Ausdehnung gesehen werden können (vergl. Figg. 15 u.16). Von den früheren Autoren erwähnt dieses Stadiums Rathke, der alle einschlägigen Verhältnisse genau be- achtet hat. Er lässt die Verbindungslinien der beiden am spätesten auftretenden Flecke von dem „längsten Durchmesser des ellip- tischen Einganges in die Keimhaut“, d.h. von dem Gastrulamunde, Ba: ZLN.F.IV. 2 16 230 Paul Mayer, welcher beim Flusskrebse in der Richtung der Hauptaxe des Embryos in die Länge gezogen ist, rechtwinkelig getroffen werden und gibt in Fig. 5 der Taf. I eine recht brauchbare Abbildung davon. Eine ziemlich ähnliche Darstellung hat auch Lereboullet in seiner Fig. 42, doch gehört sie wohl einem etwas späteren Stadium an. Im Texte!) finde ich die flügelförmigen Fortsätze des weissen Fleckes mit den Worten bezeichnet, es existire eine „petite portion allongee en forme de languette..... tenant au bord de la fossette‘“, d. h. der Gastrula. Bobretzky hingegen scheint sämmtliche hierher gehörige Vorgänge nicht berücksichtigt zu haben. Ihrer histologischen Bedeutung nach sind die paarigen weissen Flecke zunächst wiederum nichts Anderes, als Theile des Hautsinnesblattes, welches sich als solches vom Reste des Blasto- dermes durch seine höheren und undurchsichtigeren Zellen unter- scheidet (vergl. Fig. 26). Allmählich geschieht nun diese Um- wandlung des letzteren auch in der Richtung der Verbindungs- linien zwischen den sämmtlichen drei Flecken, und so bildet sich die Gestalt heraus, welche Fig. 17 wiedergibt. Es ist aber zu bemerken, dass sich die Verbindung’der beiden Augenanlagen unter einander später vollzieht, als diejenige der Gastrula mit ihnen. An dieser selbst hat sich bereits früher der centrale Theil von den flügelförmigen Fortsätzen durch grössere Weisse unterschieden (Fig. 16); es hat sich nämlich durch die Bildung der Schwanz- furche vor dem After der hintere Theil des weissen Fleckes über den vorderen hingeschoben, so dass an dieser Stelle mehrere Zell- schichten über einander ruhen. Nun wächst der Schwanz sehr rasch heraus, gleichzeitig heben sich auch die Augen von der zwischen ihnen gelegenen Partie durch grössere Weisse ab, und so ist bereits (in Fig. 17) der Krebs in seinen Grundformen zu erkennen. Bald wandelt sich auch der eingeschlossene Theil des ursprünglichen Blastodermes um, so dass nur noch eine kleine Stelle desselben zwischen den seitlichen Streifen des Embryo un- geändert bleibt; in diesen bilden sich Einkerbungen, welche den Beinen ihren Ursprung geben; der Schwanz ist unterdessen deut- lich zweitheilig geworden — kurz, es entsteht das Stadium, welches dem Nauplius unmittelbar vorhergeht und welches auch in Bobretzky’s Fig. S unschwer zu erkennen ist (vergl. Fig. 18). Die späteren Veränderungen des Eetodermes brauche ich nicht näher zu schildern, da sie schon in den Arbeiten meiner Vor- a LO SKIZIBICR Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 231 gänger, namentlich Bobretzky’s, zur Genüge erörtert sind. Nach und nach wird das gesammte Blastoderm zum Cylinderepithel der Epidermis umgeformt und verliert ganz zuletzt auch auf dem Rücken seine anfängliche Gestalt. Ebenso geht es als continuir- liche Zellschicht vom Rumpfe des Krebses auf die Körper- anhänge über. Zweierlei nun ist meiner Ansicht nach an den dargelegten Thatsachen bedeutungsvoll. Einmal der eigenthümliche Umstand, dass sich der Krebs scheinbar nicht von einem Öentrum, sondern von drei getrennten Punkten aus entwickelt; dann aber, dass starke Veränderungen in der Lage der Blastodermzellen statt- finden. Dass ersteres Curiosum zum grossen Theile nur auf Schein beruht, ergibt sich ohne Weiteres, wenn man bedenkt, dass das Blastoderm, nachdem in der weiter unten zu besprechenden Weise ein echtes Entoderm und ein Mesoderm entstanden sind, nur noch dem Hautsinnesblatte gleich zu setzen ist. Dies hebt die Haupt- schwierigkeit; man dürfte nämlich von einer Entwicklung des Embryo aus getrennten Anlagen nur dann reden, wenn wirklich auch die sämmtlichen Keimblätter sich nicht einheitlich bildeten, sondern von verschiedenen Seiten her zusammenträten. Dies ist aber, wie ich bald zeigen werde, nicht der Fall, vielmehr be- schränkt sich die ganze Erscheinung auf eine Umformung der Bestandtheile eines und desselben in continuo vorhandenen Blattes. Will man eine Art von Erklärung, die von einer völlig befriedigen- den allerdings noch weit entfernt ist, so darf man nur auf die „Heterochronien“ hinweisen und den Satz Haeckel’s'): „im Laufe der Zeit werden immer auffallender diejenigen Organe in den Vordergrund der Ontogenie gedrängt werden, welche für die be- treffenden Hauptgruppen vorzugsweise charakteristisch und wichtig sind —“ auch hier anwenden. Es liesse sich so einigermassen begreifen, warum gerade die Augen, welche bei der Zo&a einen so hervorragenden Theil ausmachen, so früh angelegt werden (bedeutend eher als das unpaare Naupliusauge, welches phylo- genetisch älter ist). Anders steht es mit dem Factum, dass der Bauch der Dekapoden sich keineswegs von der Mittellinie aus nach den Seiten zu entwickelt. Man scheint dies allerdings bis- her vielfach geglaubt zu haben und redet darum auch immer von „dem Primitivstreifen“ der Krebse. In Wirklichkeit aber werden gerade diejenigen Seitentheile der Bauchhaut, welche dem Nerven- 1) a. a. 0.8.74, 16° 939 Paul Mayer, 6 systeme den Ursprung geben, viel rascher dem Auge leicht kennt- lich, als die Brücke zwischen ihnen; daher müsste man zwei „Primitivstreifen“, welche sich später vereinigen, als bezeichnend für die Ontogenese der Dekapoden ansehen. Uebrigens liegt der Grund für diese Thatsache eben auch nur darin, dass sich die Bauchganglien schon sehr früh bilden. Um endlich auf die Ver- schiebung der Blastodermzellen !) einzugehen, so habe ich schon oben angedeutet, dass sich mit einiger Wahrscheinlichkeit die Bildung der Keimscheibe auf sie zurückführen lässt. Was aber gar nicht bezweifelt werden kann, ist die Ortsveränderung, welche im Lauf der Entwicklung die Augenanlagen mit Bezug auf die Gastrula erleiden. Man braucht nur Fig. 16 mit Fig. 18 zu ver- gleichen, um sich hiervon zu überzeugen. Im ersteren Falle ist es nicht möglich, alle drei Flecken zu gleicher Zeit gänzlich zu über- sehen, während im letzteren der Nauplius nur einen geringen Theil der Halbkugel bedeckt. Offenbar kommt eine solche Näherung aller einzelnen Partien auf der Bauchseite des Embryo nur da- durch zu Stande, dass sich die zwischen ihnen liegenden Blasto- dermzellen contrahiren und sich hiermit zugleich in ein Cylinder- epithel umwandeln. Was also auf dem Schnitte durch das ganze Ei jede Zelle an Breite verliert, gewinnt sie an Ausdehnung in die Tiefe. Man darf hieraus mit ziemlicher Sicherheit den Schluss ziehen, dass die Bildung des Hautsinnesblattes im Bereiche des späteren Bauches nicht auf Kosten des Dotters erfolgt. Dagegen . ist nun, soll das Blastoderm nicht reissen, eine Ausdehnung des- selben auf der Rückenseite erforderlich. In der That sieht man auch auf Schnitten, wie dort der Zwischenraum zwischen den ein- zelnen Zellen (genauer: zwischen den Kernen als deren Centren) bedeutend grösser ist als zur Zeit der Gastrulabildung. Diese ge- waltige Verflachung der Rückenzellen geht in späteren Stadien so weit, dass man bei nicht genauer Betrachtung wohl auf den Ge- danken eines Risses im Blastoderme kommen konnte.?) So äussert Rathke die Meinung, beim Flusskrebse ziehe sich der Keimstoff, also das heutige Blastoderm, zur Bildung der Keimscheibe zu- 1!) Ich werde im Folgenden nur dann vom Blastoderm sprechen, wenn ich seinen unveränderten Theil im Auge habe, während ich den Ausdruck „Haut- sinnesblatt“ jedesmal anwende, wo es sich um die bereits umgeformte Partie des ersteren handelt. Beide Benennungen sollen demnach nur zur Bezeich- nung histologischer Unterschiede dienen. ?2) Ich erinnere hier an die in vieler Beziehung ähnlichen und gleichfalls zuerst verkannten 'Tliatsachen bei der Ontogenese der Insekten. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, 233 sammen und bedecke einen grossen Theil des Dotters nicht mehr. Erst viel später, ungefähr bei dem Ablauf der 2. Entwick- lungsperiode, welche mit der Entstehung des Herzens abschliesst, habe sich !) „das Randstück der Keimhaut..... über den ganzen Dotter ausgebreitet..... und erscheint mit sich selbst verwach- sen..... So umschliesst die Keimhaut den Dotter ringsum und bildet nunmehro eine neue Hülle um denselben.“ Doch bleibe dieser peripherische Theil der Keimhaut so durchsichtig und dünn, dass er erst nach Einwirkung von Alkohol oder Salpetersäure sich als besondere Membran erkennen und abziehen lasse. ?) Bei Lereboullet finde ich nichts; auch Bobretzky scheint im Texte auf diese Verhältnisse nicht näher eingegangen zu sein. Die Abbildungen zu Palaemon zeigen allerdings keine Aenderung des Blastodermes in den verschiedenen Wachsthumsperioden an, machen aber gerade in diesem Punkte in etwa den Eindruck des Schematischen. Mir scheint nach alledem die Verflachung der Blastodermzellen am Rücken sichergestellt zu sein. Nun kann zwar ihre Erhöhung und Umformung zu den Elementen des Haut- sinnesblattes nicht wie auf der Bauchseite ohne Zellvermehrung zu Stande kommen; sie geht aber erst ganz am Ende der Em- bryonalentwicklung vor sich, und alsdann entnehmen die einzelnen Zellen nicht dem Dotter direet das Material, sondern lassen es sich von dem bereits funetionirenden (s. unten) embryonalen Darme und Herzen zuführen. Ich komme auf Grund aller dieser Beob- achtungen zum Schlusse, dass das Blastoderm sich nach dem Auf- treten der Gastrula zum äussersten der vier Keimblätter gestaltet und vom Nahrungsdotter unabhängig macht. Die oben erwähnten Einzelheiten in Bezug auf den „Keim- streif“ habe ich keineswegs blos an Pagurus, sondern an sämmt- lichen von mir untersuchten Dekapoden gefunden und kann sie daher als ganz allgemein vorkommend bezeichnen. Die Gestalt und Grösse der Augenanlagen variirt bei den verschiedenen Arten nicht unbeträchtlich; ich habe indessen keine weitere Rücksicht 1) a.'a. 0.8.16 ?) Hiernach ist die Keimhaut oder das Blastoderma Rathke’s dasjenige Stück des Hautsinnesblattes, welches noch kein Mesoderm unter sich liegen hat und daher nur schwer zu bemerken ist. Die Keimscheibe hingegen ist der lebhaft hervortretende Theil des Embryo, welcher z. B. als Nauplius „erst den vierten Theil des Dotters umwachsen hat‘. Von einer genetischen Be- ziehung unseres heutigen Blastodermes zu der „Keimhaut‘“ weiss natürlich Rathke noch nichts. 234 Paul Mayer, darauf genommen und kann also nicht angeben, wie weit sie in direeter Abhängigkeit von der Form der Augen in der Zoöa stehen oder ob nicht auch Wiederholungen aus der Stammesgeschichte Platz greifen. Ausser den erwähnten Veränderungen im Bereiche des Haut- sinnesblattes während der frühesten Stadien sind noch die fol- genden wahrzunehmen. Die Bildung der Schwanzfalte geschieht sehr zeitig, macht aber zu Anfang nur langsame Fortschritte. Auf Schnitten habe ich bemerkt, dass diejenigen Zellen, in deren Bereich die Einbuchtung des Schwanzes fällt, durch besondere Grösse vor den nächst gelegenen ausgezeichnet sind (s. Fig. 25). Da nun gerade die Zellvermehrung, welche zur Krümmung des Schwanzes Veranlassung gibt, hier ihren Sitz hat, so wird man diese grossen Zellen mit ihren gleichfalls grossen Kernen als sich zur Theilung anschickend zu betrachten haben. Die Mundöffnung bildet sich erst viel später, nämlich kurz vor dem Naupliusstadium (vergl. Fig. 18) und ist auch in diesem, wenn der Hinterdarm zugleich mit dem Schwanze schon eine ziemliche Länge erreicht hat, erst wenig tief. Mit Bezug auf diese Verhältnisse verweise ich einfach auf die Abbildungen von Bobretzky, die ich auch ohne den Text verständlich !) finde. Namentlich kann ich seine Figuren 24, 26 und 28, soweit es sich um das Hautsinnesblatt handelt, nach meinen Untersuchungen lediglich bestätigen. Dies gilt auch in Betreff der Entstehung des Nervensystems. Die An- lage der Bauchganglien geschieht kurz vor dem Naupliusstadium, ehe noch die Blastodermzellen in der Mittellinie zum Cylinder- epithel geworden sind, und scheint sehr rasch vor sich zu gehen. Wenigstens hat es mir nicht glücken wollen, sie in ihren ersten Anfängen zu sehen. Indessen ist es mir darum nicht im Geringsten zweifelhaft, dass die Ganglien ein Product des Hautsinnesblattes sind; ich sehe nämlich an den betreffenden Stellen nicht die grossen Zellen des letzteren, sondern mehrere Schichten kleinerer Elemente, welche sich zugleich so wesentlich von den leicht kennt- lichen Mesodermzellen unterscheiden, dass für ihre Entstehung keine andere Möglichkeit, als die eben erwähnte, übrig bleibt. Späterhin tritt die histologische Sonderung der Epidermis und der Ganglienzellen stark hervor. Die Bildung des Gehirnes und der !) Hierzu trägt nicht wenig der Umstand bei, dass die Bezeichnungen in den Figuren meist Abkürzungen nicht etwa der Russischen, sondern der Deutschen resp. Lateinischen Benennungen der Organe sind, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, 235 Sehganglien habe ich, da dies nicht in dem Plane meiner Arbeit lag, ebenso wenig näher verfolgt, wie die der Augen, aber auch nichts gesehen, was mich an der Richtigkeit der Zeichnungen von Bobretzky zweifeln liesse. Hiermit wäre denn Alles, was ich über Entstehung und Differenzirung des äusseren Keimblattes bei- zubringen weiss, erschöpft, so dass ich zur Besprechung des mitt- leren übergehen darf. In Betreff der Bildung des Mesodermes kann ich mich kurz fassen. Es sind hier hauptsächlich zwei Fragen zu beant- worten: aus welchem Keimblatte nimmt es seinen Ursprung, und: ist seine Anlage einheitlich? Was die erstere angeht, so schliesse ich mich dem Ausspruche Haeckel’s!) an: „Das Properistom, der Umschlagsrand des Blastoderms, an welchem das Exoderm in das Entoderm übergeht, und welcher den Mundrand der Peri- gastrula darstellt, ist auch hier der erste Ausgangspunkt für die Bildung des Mesoderms. Hier erscheinen schon kurz nach Beginn der Darmeinstülpung die ersten Spuren eines mittleren Keimblattes in Gestalt von wenigen grossen Zellen, von denen sich nament- lich die unmittelbar in dem Falze des Umschlagsrandes gelegenen durch besondere Grösse auszeichnen.“ Sonach entsteht das Meso- derm nach Haeckel weder aus dem Entoderm noch dem Eetoderm, sondern aus einer Zellschicht, welehe den Uebergang dieser beiden Blätter in einander bildet. Ich kann dieser letzteren Anschauung für Pagurus nicht unbedingt beistimmen, sondern muss, da ich fast die ganze Gastrula als Ectoderm anspreche, auch das mittlere Blatt aus dem äusseren ableiten. (Die Gründe hierfür finden sich weiter unten bei Besprechung des Entodermes.) Ob nun eine ein- zige besonders grosse Zelle den Anstoss zur Bildung des Meso- dermes gibt, oder ob sich nicht eine ganze Reihe von Zellen gleichzeitig zur Abtrennung anschicken, habe ich nicht entscheiden können. Sicher weiss ich nur sc viel, dass sich der Umschlags- rand der Gastrula nicht in seiner ganzen Ausdehnung daran be- theiligt, sondern nur der (mit Bezug auf den Embryo) vordere Theil desselben. In Folge davon erhält man Schnitte, wie Fig. 23 einen zeigt, in denen das Mesoderm an der hinteren Gastrula- hälfte noch gänzlich fehlt. Die Zellen selbst sind, wie es scheint, von Hause aus völlig rund. Mir hat es zwar nicht gelingen wollen, sie von Anfang an scharf begrenzt zu sehen, vielmehr fand ich nur ihre Kerne deutlich von denen der Gastrulazellen 1), a. a. 0. 5 109. 236 Paul Mayer, getrennt, das beiderseitige Protoplasma aber zu einer Masse ver- einigt. Dagegen zeichnet Bobretzky sowohl bei Palaemon wie bei Astacus die einzelnen Zellen hin, ohne dass sich freilich in dem Hoyer’schen Referate etwas darüber angegeben fände, was denn eigentlich, da sie sich nicht überall berühren, die Räume zwischen ihnen ausfülle. In späteren Stadien werden die Zellen sammt ihren Kernen sehr flach und liegen der Oberfläche des Dotters dieht an; sie lassen sich also in ihrer tangentialen Anordnung von den radiär stehenden Elementen des Hautsinnesblattes ohne Mühe unterscheiden (s. Fig. 27). Bis zum Nauplius und auch noch darüber hinaus bilden sie auch nur eine einzige Schicht. Auf die zweite Frage, ob nämlich die Bildung (des Meso- dermes nur von Einem Punkte aus erfolge, lässt sich mit Be- stimmtheit eine bejahende Antwort ertheilen. Die von mir als Anlagen der Augen angesprochenenen weissen Flecke im Blasto- derm bestehen, wie die Schnitte zeigen (vergl. Fig. 26), lediglich aus Zellen des Hautsinnesblattes, geben also dem Mesoderm keineswegs den Ursprung. Später, wenn sich die oben erwähnten Verbindungslinien ausbilden, und in dem Masse, wie dies vor sich geht, zieht sich das mittlere Blatt von der Gastrula aus nach vorne hin, und erst dann zeigt der entsprechende Schnitt (s. Fig. 27) auch die charakteristischen flachen Zellen. Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass sich das Mesoderm nur am Um- schlagsrande der Gastrula bildet. Das Entoderm macht ein längeres Verweilen nöthig. Sind doch bis in die neueste Zeit die Ansichten über seine Bildung im Bereiche der meisten Thierstämme weit auseinander gegangen und hat sich auch jetzt noch lange nicht überall die nothwendige Einigung erzielen lassen. Ich deute hier, um mich nicht allzu- weit von meinen Krebsen zu entfernen, nur auf die Insekten hin, bei denen die wichtige Frage von der Herkunft des Entoderms selbst von Haeckel mit einer gewissen Scheu behandelt wird und seitens der bedeutendsten Beobachter noch nicht ihre Lösung ge- funden hat. Wenn bei den Dekapoden hingegen sich bereits ein Verständniss hat erreichen lassen, so verdanken wir dies in erster Linie der Arbeit Bobretzky’s. Ihr Verdienst wird auch von Haeckel, welcher seine Untersuchungen an den Eiern des Peneus wesentlich nach der Methode Bobretzky’s angestellt hat, in jeder Beziehung gewürdigt. Im Grossen und Ganzen habe ich daher nur zu bestätigen, was Jene schon vor mir ermittelten; indessen bleiben mir doch auch nicht wenige und nicht unwesentliche Ab- Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 287 weichungen zu verzeichnen, welche theils die Thatsachen, theils meine Auffassung derselben betreffen. Ueber die Gastrula habe ich mich schon oben verbreitet; ich hebe hier nochmals hervor, dass ich mit ziemlicher Gewissheit behaupten darf, ihr invaginirter Theil werde in seiner ganzen Ausdehnung zum Hinterdarme. Steht dies einmal fest, so ist die Einstülpung nicht als echtes Entoderm anzusehen, vielmehr als eine Zellgruppe, welche zwar das innere Keimblatt von sich ausgehen lässt, selbst aber nachher wieder zum äusseren Blatte gehört. Hierdurch käme den ge- nannten Zellen zeitweilig ein unentschiedener Charakter zu, d.h. sie würden die Eigenschaften der Eetoderm- und Entodermzellen in sich vereinigen. Erstere wären sie nach ihrer Herkunft von den Zellen der Keimscheibe; die Eigenschaften der letzteren würden sie durch Aufnahme von Dotterelementen erlangen. Erst die aus ihnen hervorgehende Generation wäre echtes Entoderm. Ich stehe mit dieser Auffassung in Widerspruch zunächst mit Haeckel und dann auch mit Bobretzky. Jener sagt von der Perigastrula, sie unterscheide sich von der ursprünglichen Gastrula „eigentlich nur durch die ansehnliche Masse des die Furchungs- höhle erfüllenden Nahrungsdotters, welche zwischen den beiden primären Keimblättern liegen bleibt und welche die vollständige Annäherung des eingestülpten Entoderms an das nicht eingestülpte Exoderm verhindert.“ Ferner heisst es 2): „Die Anlage des Vorder- darms wächst dem blinden Ende des Urdarms entgegen ..... Später communieirt der Vorderdarm frei mit dem Urdarm. Aus letzterem geht blos der Mitteldarm hervor, und vielleicht auch der Enddarm, falls sieh (was noch unentschieden ist) der Urmund hier in den bleibenden After verwandelt.“ Demnach würde bei Peneus die Bildung des Magens’) aus der Gastrula direet zu Dr Or 108; 2). 8.10. SYMO. 3) Es wäre wohl an der Zeit, die gegenwärtig beliebten Namen „Krebs- magen, Krebsdarm u. s. w.“, welche lediglich physiologischen Merkmalen ihren Ursprung verdanken, zu Gunsten der rein morphologischen Auffassung abzuändern und als Magen denjenigen Theil des Tractus zu bezeichnen, welcher aus dem Entoderm hervorgeht und nicht wie der „Krebsmagen“ eine Einstülpung des Ectodermes ist. Das Wort Darm hingegen sollte nur auf die invaginirten Theile Anwendung finden und deshalb nur in den Zusammen- setzungen: Vorder- resp. Hinterdarm, nicht aber: Mitteldarm gebraucht wer- den, Man könnte alsdann den „Krebsmagen‘ als einen untergeordneten Theil des Vorderdarmes etwa ‚„Kaudarm‘ nennen und ihn dem Munddarm gegen- über stellen. Am Hinterdarm würde das Rectum als Enddarm aufzuführen sein. 238 Paul Mayer, Stande kommen, und insofern wäre die Perigastrula des Pagurus, wo dies (wie auch bei Palaemon) indireet geschieht, nicht der von Peneus gleichzusetzen, sondern im Verhältniss zu dieser ebenso gut eine abgeleitete und bedeutend abgeänderte Form, wie es die typische Perigastrula gegenüber der Archigastrula ist. Dass hier wie dort das Auftreten des Nahrungsdotters diese seeundären Ab- weichungen hervorgerufen hat, ist mir nicht zweifelhaft, nur fehlt mir, da ich keine vermittelnden Uebergänge kenne, der Einblick in die Art und Weise, wie dies geschehen ist. In dem einen Falle zehren die Entodermzellen den Dotter von aussen her auf, so dass sich in der Magenhöhle nur die Verdauungsproducte an- sammeln ; im andern Falle geschieht es von innen, weil der Dotter von vorne herein in den Magen zu liegen kommt. Die Folge davon ist, dass sich der Charakter der Furehungshöhle, die schon bei Peneus nicht mehr hohl ist, bei Palaemon und Pagurus noch mehr verwischt. Wie man sieht, stimmen die beiden letztgenannten Krebse mehr mit einander überein, als mit dem Peneus. Gleichwohl sind — und ich komme hier wieder auf die Gastrula zurück — noch erhebliche Differenzen zwischen ihnen vorhanden. Bobretzky zeichnet in Fig. 18 eine Morula von Palaemon, bei welcher sämmtliche Zellen helles Protoplasma besitzen. Darauf lässt er das Ei an einer Stelle seiner Peripherie eine bedeutende Einbuch- tung erleiden und zugleich die in der Tiefe derselben gelegenen Zellen sich mit Dotter wiederum so anfüllen, dass sie sich von diesem nur durch die Anwesenheit des Kernes unterscheiden. Hiernach sind sie ihm direct Entodermzellen, insofern sie nämlich in den Dotter hineinwandern und nichts mehr mit /der Bildung des Hinterdarmes zu thun haben. Diese aus den Abbildungen gewonnene Deutung stimmt auch mit dem überein, was der Autor selbst hierüber an einer anderen Stelle!) sagt: „Es bildet sich am Ei eine kleine Einstülpung, welche sich später schliesst und dem mittleren so wie dem unteren Keimblatte den Ursprung gibt. Dabei bilden die Zellen der Seitenwände dieser Einstülpung, in- dem sie sich vermehren und die Höhle der letzteren ausfüllen, die Anlage des mittleren Keimblattes, während die Zellen des Bodens der Einstülpung, welche in den Dotter hinabsinken und sich dort vermehren, zuletzt den compacten Darmdrüsenkeim aus- !) Zur Embryologie des Oniscus murarius. Zeitschr. wiss. Zool. 1874. XXIV, S. 179-203. Citat auf 8. 187. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 239 machen.“ Der Hauptunterschied liegt also darin, dass ich die Zellen der Gastrula sich gar nicht in Entodermzellen verwandeln lasse, während Bobretzky einen Theil derselben zum Mesoderm, einen Theil zum Entoderm umgebildet wissen will. Ob nun diese Differenzen in der Bildung des inneren Blattes, da sie nur leichte Modifieationen eines und desselben Vorganges zu sein scheinen, auch in den Thatsachen ihre Begründung finden oder auf unvoll- ständige Beobachtung zurückzuführen sind, muss ich unerörtert lassen, da ich eben an Palaemon keine Untersuchungen angestellt habe. Die am tiefsten gelegenen !) Zellen der Einstülpung geben den Anlass zur Bildung des Entoderms. Dieses tritt nun aller- dings zunächst gar nicht als Blatt auf, sondern bleibt lange Zeit in einem Zustande, welcher sein Verständniss wesentlich erschwert. Ich erwähnte schon, dass sich von den Zellen am Boden der Gastrula dicke Protoplasmafortsätze in den Dotter hineinbegeben und sich mit dem bekannten Netze in demselben verbinden. Kurz darauf sieht man, während die Einstülpung tiefer geworden ist (und noch ehe die Mesodermzellen sichtbar werden), wie dieht in ihrer Nähe und sonst nirgends im ganzen Ei, einzelne kernförmige Gebilde im Dotter auftreten und zum Theile noch mit den zu- nächst gelegenen Zellen zusammenhangen (vergl. Fig. 22). Der Dotter unterscheidet sich in den meisten Tinktionsmitteln von dem Protoplasma der Blastoderm- und Gastrulazellen wesentlich dadurch, dass er nur äusserst schwierig Farbe annimmt. Die fraglichen Bildungen hingegen sind stets ebenso lebhaft gefärbt wie die Kerne der Gastrula, und immer bedeutend dunkler als deren Protoplasma. Darum halte ich sie auch für echte Kerne und finde auch bei Betrachtung mit starken Vergrösserungen (s. Fig. 41) nichts, was dieser Annahme widerspräche. Auch sie stehen mit dem Protoplasmanetze im Dotter in Zusammenhang, und zwar in der Weise, dass sich unmittelbar um sie herum mehr davon anhäuft, als in den übrigen Partien des Dotters. Sie lassen sich in allen Theilungszuständen beobachten, ohne freilich» so weit ich sehen konnte, die „karyolytischen Figuren“ vorzu- führen. Allmählich verbreiten sie sich von der Gastrula aus durch 1) Ich betone dies im Hinblicke auf das Mesoderm, welches sich weiter nach oben zu bildet, dort wo von einem Entodermcharakter der Einstülpung nicht die Rede sein kann. Aus diesem Grunde leite ich es auch vom Ecto- derm ab. 340 Paul Mayer, den ganzen Dotter hindurch und sind im Naupliusstadium bereits überall darin vorhanden, lassen aber eine bestimmte Anordnung durchaus vermissen (s. Fig. 28). Mit ihrem Erscheinen nimmt der Dotter nach und nach eine andere Beschaffenheit an. Das Netzwerk bleibt zwar noch ziemlich lange dasselbe und hängt auch noch unverändert mit den Blastodermzellen zusammen. Zur Naupliuszeit aber, wenn sich also die Entodermkerne im ganzen Dotter zeigen, wird es sehr grobmaschig und so unregelmässig, dass sich zuletzt nicht mehr sagen lässt, ob es überhaupt als solches noch existirt oder ob es nicht bis auf vereinzelte Stränge aufgelöst ist. Zugleich treten an Stelle der Dotterkörnchen grössere und ebenfalls durchaus regellose Blasen auf, welche vielleicht aus einer Verschmelzung jener hervorgehen, vielleicht aber auch nur die gänzliche chemische Veränderung des Dotters anzeigen. Vergleiche ich das eben Gesagte mit dem, was Haeckel und Bobretzky mittheilen, so sind auch hier die Verschiedenheiten nicht gering. Ersterer redet, da er bei Peneus es stets mit einem zusammenhangenden Darmdrüsenblatte zu thun hat, natürlich bei diesem gar nicht von Kernen im Dotter und meint nur!): „Der Nahrungsdotter wird von den Entodermzellen des wachsenden Urdarms resorbirt; theilweise scheint derselbe auch noch später einer secundären Zerklüftung zu unterliegen.“ An einer anderen Stelle ?2) heisst es dann: „Die aus der secundären Zerklüftung ent- stehenden wirklichen „Dotterzellen“ spielen nur eine untergeordnete und passive Rolle gegenüber den formbildenden activen „Bildungs- zellen“ der Keimblätter.“ Bobretzky — und auf seine Beschrei- bung scheint sich das Wörtchen „theilweise“ bei Haeckel beziehen zu sollen — lässt bei Palaemon von dem Boden der Gastrula aus nicht Kerne, sondern Zellen in den Dotter hineinsinken, und schreibt ihnen die Fähigkeit zu, denselben allmählich in sich auf- zunehmen und ihn in eine Anzahl „Dotterschollen“ zu zerlegen. Dann ist?) „der in die Schollen zerfallende Dotter als Darm- drüsenkeim, die Dotterschollen selbst aber als Darmdrüsenzellen zu betrachten.“ Dem gegenüber muss ich für Pagurus betonen, dass selbst wenn ih den späteren Perioden des Eilebens der Dotter in unregelmässige und sehr ungleiche Stücke zerfällt, die von mir gesehenen Kerne nie im Innern dieser „Schollen“, sondern stets 1) a. a. 0. S. 109. 2). KOST. ®) Oniscus S. 188. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 241 ausserhalb, d.h. zwischen ihnen liegen. Ich betrachte demgemäss diese Bruchstücke nicht im Geringsten als Zellen. Auch die Art und Weise, wie sich aus dem „Darmdrüsenkeime“ der wirkliche Magen bildet, ist für Palaemon und Pagurus nicht dieselbe. Nach den Zeichnungen von Bobretzky zu urtheilen, gehen die „Zellen“ in der Mitte des Dotters sammt ihren Kernen zu Grunde und werden wieder zu einer gleichförmigen Masse; die an den Rändern befindlichen hingegen heben sich immer schärfer vom Dotter ab, zehren ihn nach und nach auf und gestalten sich dabei zu einem zusammenhangenden Epithel. Indem sich darauf das Mesoderm von der äusseren Seite anlagert, ist der Magen in seinen beiden Blättern fertig. Aehnlich referirt Hoyer !): „Die kernhaltige peri- pherische Schicht der den Darmdrüsenkeim bildenden Pyramiden hebt sich als gesonderte Zellschicht von der centralen Dottermasse ab, die durch Einschnürung in zwei vordere und zwei hintere Ballen zerfällt und bis zum Ausschlüpfen der Larve völlig ver- braucht wird. Der eigentliche Mitteldarm schnürt sich durch einfache Faltenbildung von der oberen Wand des Darmkeimes ab, während der Rest des letzteren allmählich in Lebercanälchen sich zerklüftet.“ Bei Pagurus spielen sich diese Vorgänge wohl in ähnlicher, aber durchaus nicht gleicher Art ab. Die Entoderm- kerne sind weder so regelmässig noch in so bedeutender Anzahl im Dotter verbreitet, als wie sie bei Palaemon gezeichnet werden. In der Mitte des Dotters sind sie mir stets nur in geringer Menge vorgekommen. Nun zeigt es sich, dass gerade wie die Bildung des Entodermes an der Gastrula ihren Anfang nahm, so auch die Anlage des Darmdrüsenblattes von dem Enddarme, also der ver- längerten Gastrula vor sich geht.?) Dort finden sich in einem sehr frühen Stadium, das nur wenig von dem des Nauplius diffe- rirt, einige der ehemaligen Dotterkerne sammt ihrem Protoplasma zu regelrechten Epithelzellen umgewandelt vor, deren ich manch- mal auf einem Längsschnitte nur fünf oder sechs gezählt habe. An der Stelle, wo sie liegen, ist der Dotter verschwunden und hat einer krümeligen Masse Platz gemacht, welche sich mit Tinetionsmitteln lebhaft, aber diffus färbt und füglich als Detritus bezeichnet werden darf (vergl. Figg. 29—31). Von diesem, also dem Hinterdarm zunächst gelegenen, Punkte verbreitet sich die 2,53. 2. ONS2BL8 2) Aus Fig. 26 von Bobretzky lässt sich entnehmen, dass es bei Palaemon nicht anders ist, 942 Paul Mayer, zellige Schicht über den ganzen Dotter hin, mit der Massgabe je- doch, dass sie an seiner Rückenfläche erst ganz zuletzt auftritt. ') So lange aber der Magen noch nicht geschlossen ist, sind stets Kerne mitten im Dotter zu bemerken. Dies Verhalten steht, wie man sieht, im Gegensatz zu dem Befunde bei Palaemon und führt mich zugleich zu der Annahme, dass die einzelnen Zellen des Magenepitheles ihre Kerne sämmtlich im Dotter antrefien und sich vorerst nicht durch Theilung vermehren. Es gewinnt somit den Anschein, als wenn die Verbreitung der Kerne im Dotter so vor sich geht, dass die ersten bereits ihre Bestimmung erfüllt haben, ehe noch die letzten auf ihrer Wanderung am Rückentheile an- sekommen sind. Ein fernerer Unterschied zwischen Palaemon und Pagurus gibt sich in der ungleichen Zeit kund, welehe zum gänzlichen Schlusse des Darmdrüsenblattes erforderlich ist. Während dort nach den Worten Hoyer’s „die Dottermasse bis zum Ausschlüpfen der Larve völlig verbraucht wird“, sehe ich in der Zoea von Pagurus, auch wenn sie schon einige Stunden frei im Wasser gelebt hat, noch deutliche und nicht unbeträchtliche Dotterreste, welche sich durch ihre Farbe selbst dem unbewaffneten Auge ver- rathen. Aehnliches hat schon Cavolini?) an Pachygrapsus be- merkt; ebenso sagt Rathke über Eriphia°): „Bei dem Zersprengen des Chorion nimmt der Embryo wahrscheinlich noch einen Rest des Dotters mit“, während er allerdings von Pagurus Bernbardus behauptet®): „ich habe Embryonen untersucht, die gar keinen Dotter mehr enthielten“. Dagegen redet nun wieder A. Philippi 5) bei Pagurus hungarus Herbst ausdrücklich von „rothen Ueber- ersten des Eidotters“. Joly‘) findet den Magen der Zo&a von 1) Hiernach wird ganz allgemein der Rücken des Embryo zuletzt gebildet, da ja auch im Gebiete der äusseren Haut dort das Blastoderm am längsten aushält. Man wird die im Dotter zerstreuten Kerne, welche das unfertige Entoderm vorstellen, den provisorischen Zellen des Blastodermes an die Seite setzen können und darf dann sagen, dass der Bauchtheil des Krebses, da sich an ihm die wichtigsten Organe vorfinden, heterochronisch in einer Weise be- vorzugt erscheint, dass sogar der Magen davon beeinflusst wird und in seiner Bildung mit der des Hautsinnesblattes und Mesodermes gleichen Schritt hält, statt viel früher als Ganzes zu entstehen. 2) a.a. O. 8. 163: „il corpo di sopra porta ancora il colore del tuorlo. 3, Taurien S. 97. ') Entwicklungsgeschichte der Dekapoden 8. 29. 5) Zoologische Bemerkungen. Wiegmann’s Archiv 1840, 5. 184—186. ON ar ta. RS, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 943 Caridina „ou eomplötement vide ou & peine rempli dans sa moitie superieure d’une substance verdätre“, die er mit einiger Reserve als „Algues, Protococeus“ anspricht. Weil er aber den Nahrungs- dotter als „vert-fonee&“ bezeichnet, so wird man auch hier Ueber- bleibsel desselben anzunehmen haben. Da ich selbst diese Er- scheinung auch noch bei einigen andern Zo&en beobachtet habe, so ist es mir nicht unwahrscheinlich, dass Palaemon geradezu eine Ausnahme vorstellt. Man sieht aber bei näherer Betrachtung, dass ein Theil der vorderen Leberschläuche, dort wo sie dem Oesophagus anliegen, noch keineswegs sein Epithel besitzt (vergl. Fig. 32), sondern unterhalb der Mesodermschicht unmittelbar den Dotter liegen hat. Es ist also nicht zu bezweifeln, dass in vielen Fällen die Zo&a noch Dotterreste mit sich führt und ihre Ver- dauungsorgane erst unvollständig ausgebildet hat. Wenn dies bei Palaemon nicht zutrifft, so mag der Grund wohl der sein, dass er als nur wenig umgewandelter Makrure dem Urkrebse näher steht, als die Anomuren und darum den ursprünglichen Modus, als wirklich fertige Zoea das Ei zu verlassen, leichter beibehalten konnte. Leider habe ich bei Pagurus nicht ermitteln können, wie lange der Nahrungsdotter noch vorhält, da ich die Zo&en nicht weiter zu züchten vermochte. !) Wohl aber weiss ich, dass die Verdauungsthätigkeit schon während des Eilebens beginnt. Ab- gesehen nämlich von dem Detritus (welchen ich bereits oben er- wähnte) im unfertigen Magen, finde ich im Hinterdarme (der wohl zu keiner Zeit?) vom Magen gänzlich abgeschlossen ist, wenig- stens schon sehr früh mit ihm communicirt), wenn das Darm- drüsenblatt noch lange nicht ausgebildet ist, Concretionen liegen, welche sein Lumen ausweiten (vergl. Fig. 31). Ich bemerkte sie zuerst auf Schnitten, welche ich durch ein spätes Stadium des Hummereies machte, und fand sie hinterher auch bei Pagurus auf, Sie sind braun von Farbe und zeigen concentrische Schichtung (vergl. Fig. 33). Offenbar beweist ihr Vorkommen, dass die !) Squilla gehört streng genommen nicht hierher. Gleichwohl mag ich die Bemerkung nicht unterlassen, dass ich aus einem Eihaufen, welchen die Fischer im Sande gefunden hatten, Zoden erhielt, welche nach vielen Merk- malen einer allerdings nicht näher bestimmbaren Squilla angehören müssen. Diese sehlüpften mit einem riesigen Quantum Dotter aus, blieben (ob in Folge davon?) stets unten am Boden des Glases und lebten noch 3—4 Tage, ohne sich inzwischen zu häuten. ®) Aus Bobretzky’s Zeichnung Fig. 26 entnehme ich für Palaemon das Gegentheil. 244 Paul Mayer, wenigen Magenzellen schon die unverdaulichen Theile des Dotters nach aussen zu befördern beginnen !); denn sie für Erzeugnisse der Leber zu halten, geht deswegen nicht an, weil zu dieser Periode noch keine vorhanden ist. Bisher scheint man diese Con- eretionen völlig übersehen zu haben. Ueber das Verhältniss des Magens zur Leber habe ich schon oben nach Hoyer’s Referate das Nöthige angeführt. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass ich, wenn ich den mir nicht ganz verständlichen Passus von der „Zerklüftung in Lebercanäl- chen‘ ausnehme, diesen Angaben nichts entgegenzusetzen habe, Sagt doch schon Erdl?) ganz richtig: „Nur auf der Dorsalseite des Eies bleibt der Dotter..... in jeder Hinsicht unverändert und erscheint in späteren Stadien als Rest der Dotterkugel, welcher sich zur Leber gestaltet.“ „Die Leber ist bei Careinus Moenas in vier Lappen gespalten, zwei hintere, gegen den Schwanz hin verlaufende und zwei vordere, hinter dem Auge etwas seitlich hervortretende.“ Die Gestalt der Leberlappen ist übrigens bei den einzelnen Arten der Zo&en nicht geringen Verschiedenheiten unterworfen. Mitunter ist jeder Lappen wieder in Unterabtheilungen zerlegt, und so stellt sich eine Annäherung an den Aufbau dieses Organes bei den Phyllosomen heraus. Bei Pagurus striatus, wo man ohne Zwang jederseits fünf Lappen unterscheiden kann, habe ich auch noch die Bemerkung gemacht, dass, während in den vordersten, am Oesophagus gelegenen und offenbar noch unfertigen Blasen der rothe Nahrungsdotter sich befand, die übrigen einen intensiv gelben Inhalt zeigten, welcher wohl als Verdauungs- product aufzufassen ist. Denn als wirkliche Leber scheint mir in der Zoöa das so benannte Organ nie zu fungiren. An dieser Stelle will ich auch noch der befremdenden Aeusserung gedenken, welche Gerbe3) über den „Magen“ der Zo&a macht. Er sagt: „LWestomae ..\..- est simplement muni & sa face interne..... de eils vibratiles semblables ä ceux que l’on trouve dans l’estomaec d’une foule d’animaux inferieurs. Ces eils impriment aux mol6- cules organiques dont animal se nourrit des mouvements inces- sants de rotation.“ Ich glaube, es ist nicht nöthig, über dieses 1) Dies ist wohl mit mehr Recht der „Koth des Eies‘‘ zu nennen, als das tichtungsbläschen so bezeichnet zu werden verdient. 2) a.a. OÖ. S. 17 und 23. 3, Mötamorphoses des Crustacds marins. Comptes rendus 1866 XII, p. 1025, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 245 gänzlich unerhörte Vorkommen von Flimmerepithel bei Krebsen noch ein Wort zu verlieren. !) Was zum Schlusse noch das sogenannte Naupliusauge der Zo&a betrifft, so ist es bei Palaemon, nach Bobretzky’s Figur 14 zu urtheilen, gut entwickelt. Bei anderen Formen, z. B. Calappa granulata, vermisse ich es gänzlich; es bedarf daher die Angabe, welche Claus in der neuesten Auflage seines Lehrbuches ?) macht, der Berichtigung. Bei Pagurus zeigt es keine Spur eines licht- brechenden Körpers und ist weiter nichts, als ein unregelmässig ausgebuchteter Pigmentfleck (s. Fig. 34), den als rudimentäres Auge zu deuten nur seine Lage am Kopfe genau in der Mittellinie desselben berechtigt. Um auch von diesem Abschnitte die wichtigeren Resultate übersichtlich mitzutheilen, bringe ich sie unter folgende Ru- briken:: 1) An einem nicht bestimmbaren Punkte des Blastodermes findet eine Erhöhung der flachen Zellen zu Cylinderepithel statt, welches als „weisser Fleck“ oder „Keimscheibe“ erscheint. Aus der Einstülpung in der Mitte desselben in den Dotter geht die nur wenig tiefe Gastrula hervor. 2) Die paarigen Anlagen des Vorderkopfes entstehen unab- hängig von der Keimscheibe und vereinigen sich erst später unter einander und mit ihr. In der Mittellinie der Bauchseite des Em- bryo bleibt das Blastoderm noch geraume Zeit bestehen. Nach Anlage der beiden inneren Blätter darf es als oberes Blatt be- trachtet werden und scheint jede Beziehung zum Dotter aufzu- geben. 3) Der Gastrulamund wird zum After, die gesammte Gastrula — eine Perigastrula in sehr abgeänderter Form -— zum Hinter- darme. Vor dem After tritt die Schwanzfaite auf. Mund und Vorderdarm bilden sich erst spät und communieiren vorerst nicht mit dem Magen. 4) Das Mesoderm geht, nachdem die Entodermanlage ge- schehen, aus den oberen Zellen (der vorderen Hälfte) der Gastrula !) In dem Referate Gerstäcker’s (Wiegmann’s Archiv 1867, S. 476) ist die Behauptung von Gerbe mit Stillschweigen übergangen, obwohl sie doch wegen ihrer Auffälligkeit hätte notirt werden dürfen. ?) 3. Auflage von 1874, S. 534 heisst es: „zwischen beiden [zusammen- gesetzten Augen] stets ein unpaares einfaches Auge als Erbtheil der Entomo- straken.“* Bd. Xi. N. F. iV.2. 17 946 Paul Mayer, hervor und ist darum vom Eetoderm abzuleiten. Es verbreitet sich von dort zum Vorderkopfe hin. 5) Das Entoderm wird in seiner Anlage von den Zellen des Gastrulabodens abgeschieden und findet sich zunächst in Form von Kernen im Dotter vor. ‘Als zusammenhangendes Blatt ent- steht es, wenn das Mesoderm schon als ein solches vorhanden ist, wiederum vom Hinterdarm aus, mit dem es vielleicht von Anfang an in offener Verbindung steht. Allmählich dehnt es sich über den ganzen Bereich des Embryo aus, ist aber auch in der ausgeschlüpften Zo&a noch nicht gänzlich geschlossen. Der Dotter liegt von vorneherein im Magen und wird hier geradezu verdaut. 6) Am Rücken des Embryo bleibt der Dotter lange Zeit hin- durch nur von dem sehr verflachten Blastoderm bedeckt. Ueber- haupt gewinnt der Embryo dort in allen seinen Blättern zuletzt seine definitive Gestalt. Heterochronisch begünstigt sind!dagegen in der Entwicklung Augen, Beine und Ganglien. IV. Zur Kenntniss der Zo&a-Gestalt. Wenn ich den nachfolgenden Zeilen, um sie ihrem Inhalte nach zu charakterisiren, dieselbe Aufschrift gebe, welche A. Dohrn bei einer von seinen vielen Publieationen über die Entwicklungs- geschichte der Arthropoden angewendet hat, so geschieht es, weil ich gleich wie Dohrn durchaus nicht die Absicht habe, durch eine blosse Beschreibung verschiedener Zo&en den Leser zu ermüden, sondern auf Grund ihrer genaueren Kenntniss Betrachtungen über den genealogischen Zusammenhang aller Dekapoden unter sich anzustellen. Ich glaube nämlich in gewissen, bisher wenig be- achteten Eigenthümlichkeiten der Zo&a ein Mittel gefunden zu haben, welches uns, sobald wir von ihm den richtigen und aus- giebigen Gebrauch zu machen im Stande sind, eine gute Hand- habe zur Herstellung einer Stammtafel der höheren Krebse sein wird. Zunächst nun will ich, um nicht mehr zu versprechen, als ich hinterher erfüllen kann, die Thatsachen, so wie ich sie beob- achtet, vorführen; es bleibt dann, während diese unter allen Um- Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. DAT ständen ihren Werth behalten, Jedem unbenommen, sich später meinen Folgerungen anzuschliessen oder nicht. So viel aber soll man mir auf alle Fälle zugeben müssen, dass in dem Wenigen, was ich bringe, ein kleines, aber merkwürdiges Beispiel von der Macht der Vererbung enthalten ist. Um, wie es sich gehört, mit der Zo&a von Pagurus zu be- sinnen, die mich auch zur Behandlung dieser Materie veranlasst hat, so werfe ich die einfache Frage auf: wie viele Borsten be- finden sich an ihrem Schwanzblatte, oder, etwas allgemeiner ge- sagt, an dem der Paguriden-Zo&en überhaupt ? Zwei für ihre Ge- nauigkeit bekannte Forscher mögen antworten. Rathke!) sagt von Pagurus Bernhardus?): „Jeder Lappen (des Schwanzes) hat an seinem hinteren Rande sechs steife grosse Borsten“ und zeich- net auch in Fig. 3 der Tafel III nicht mehr; Fritz Müller ?) gibt von den Paguriden an: „Der Schwanz trägt 5 Paar Borsten“, hat aber, wie ich aus dem Zusammenhange ersehe, die äussersten Borsten, welche er direet als die zugespitzten Enden des Schwan- zes ansieht, nicht mitgerechnet und meint also auch 6 Paare. Nichtsdestoweniger sind, wie ein Blick auf Fig. 42 lehrt, jederseits 7 vorhanden, und zwar ist, wenn man von der Mittel- linie ab zu zählen anfängt, die 6. sehr dünn und fein, auch nur wenig befiedert. Sie konnte also dem Auge Rathke’s leicht ent- gehen. Die Zeichnung, welche Müller mit der Unterschrift: „Zo&a eines kleinen Einsiedlerkrebses“ in Fig. 26 liefert, zeigt rechts alle sieben Borsten (auch die 6. dünne); links nur sechs. Wäre ich nun nicht durch andere Wahrnehmungen veranlasst worden, diesem anscheinend so unbedeutenden Gebilde ein grosses Gewicht beizulegen, so würde ich es weder für lohnend gehalten haben, diesen kleinen Irrthum bei Männern wie Rathke und Müller so eingehend zu berichtigen, noch auch dazu übergegangen sein, mich näher mit den Schieksalen dieser einen Borste bekannt zu machen. Ich fand aber, als ich Embryonen von Pagurus zergliederte, dass an ihnen ein Grössenunterschied, wie er bei der Zoea zwi- schen Borste 6 und 7 so lebhaft besteht, noch kaum hervortritt (vergl. Fig. 43), so dass also an eine Rückbildung gedacht wer- den musste. Bei Pagurus striatus lagen die Verhältnisse nur in 1) Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, S. 32. 2) Der Einfachheit halber werde ich immer, wenn ich die Zoda meine, nur den Namen des Krebses nennen, bezeichne aber dafür die jüngeren und älteren Stadien jedesmal ausdrücklich. 3, Für Darwin 1864 S. 36. 17% 248 Paul Mayer, w sofern anders, als auch in der Zo&a die 6. Borste nicht so winzig geworden ist. Indem ich nun einen Schritt weiter ging, fasste ich die Brachyuren in’s Auge, zog aber ausser der 6. Borste auch die übrigen mit in die Betrachtung hinein. Wiederum heisst es bei F. Müller !) ganz allgemein von ihnen: „Der Schwanz, von sehr wechselnder Form, trägt immer drei Paar Borsten an sei- nem Hinterrande“, wiederum ist die Endspitze nicht mitgezählt worden, so dass also 4 Paar da sind, und wiederum finde ich, einmal auf diese Verhältnisse aufmerksam geworden, eine grössere Zahl. Da ist z. B. Pilumnus hirtellus?) mit den schon bekannten 7 Borstenpaaren (Fig. 47). Freilich ist bei ihm das Uebergewicht der 4. Borste so gross geworden, dass die beiden Nachbarn 5 und 6 von aussen auf sie herauf gerückt sind und nur noch als kleine Seitendorne erscheinen; aber selbst hier ist die charakteristische Gestalt der 6. Borste gegenüber der 5. und 7. deutlich erhalten geblieben. Da ist ferner Maja verrucosa (Fig. 44); auch bei ihr ist die 4. Borste, welche bei Pagurus die ande- ren nur in geringerem Grade überragt, viel grösser und die 6. kleiner, als die übrigen, nur nicht in dem Masse, wie bei Pilum- nus, Dafür ist Maja nach einer andern Seite interessant. Die Borsten 1-3 sind befiedert, 4—7 nicht. Vergleichen wir mit diesem Befunde jenen, den uns ein Embryo derselben Art liefert, so sehen wir (vergl. Fig. 45) sämmtliche Borsten noch annähernd gleich gross und auch alle, mit Ausnahme der 4., befiedert. Wir bemerken aber auch, dass sich unter der Cuticula, welche beim Ausschlüpfen aus dem Ei abgeworfen wird, die Borsten zu ihrer demnächstigen Gestalt ausbilden. Suchen wir bei den Brachyuren weiter, so begegnen wir Gestalten, wie z. B. Lambrus angulifrons (Fig. 48), bei denen an der Zo&a in der That von den Borsten 5—7 nur noch eine einzige geblieben ist, indessen sich die übrigen rückgebildet haben. Es kann eben im Hinblicke auf Maja durch- aus nicht zweifelhaft sein, dass sie sich am Embryo zu irgend einer Periode noch vorfinden werden. Solche extreme Fälle, wo ausser den 3 inneren Borsten nur noch die vierte gut erhalten ge- blieben ist, aber wegen ihrer Grösse dem Schwanze das Ansehen 1) a. a. ONS. 35. ®) Da ich die von mir untersuchten Zo@en sämmtlich aus Eiern erhalten habe, so kann an der Richtigkeit ihrer Namen kein Zweifel sein. Im Auf- triebe des Napoletaner Golfes sind viele interessante Formen zu finden, doch habe ich mich auf sie nicht eingelassen, weil ich ihre Zugehörigkeit nicht feststellen konnte, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 249 einer Gabel verleiht und darum ebenso wenig den übrigen gleich- werthig erscheint wie das winzige Dörnchen, welches sie trägt — solche Fälle haben F. Müller zu seinem Ausspruche veranlasst, der nicht haltbar ist. Wir haben hier aber eine zusammenhan- gende Reihe vor uns, welche uns vom Pagurus-Embryo aus die immer zunehmende Verkümmerung der Borsten 5, 6 und 7 zu Gunsten von Borste 4 darthut. Bis hierher war eine solche Ableitung aller Formen, welche die Beborstung des Schwanzes annimmt, von einer Grundform leicht möglich. Ich werde nun an einem andern Beispiel zeigen, dass wir mitunter ohne direet hierauf gerichtete Untersuchung im Unklaren über die Beziehungen bleiben müssen, welche der fertige Zustand zu dem Schema haben mag. Betrachten wir den Schwanz von Dorippe lanata (Fig. 50), so ist es nicht möglich zu errathen, welchen Borsten bei Pagurus das äussere und innere Borstenpaar entsprechen. Auf den ersten Blick können wir nur vermuthen, dass die kolossal in die Länge gezogene mittlere Borste bei ihrer charakteristischen Bedornung (vergl. Fig. 47) keine andere sein wird, als die vierte. Auch wenn wir Fig. 51, welche ein sehr frühes Embryonalstadium wiedergibt, mit zur Hülfe neh- men, ist noch nicht Alles gethan. Wir sehen zwar die heilige Zahl auch hier vertreten und in der Cuticula der 4. zeigt sich die bedeutende Länge der neuen Borste durch ihre vielfach gekrümmte Lage angedeutet, indessen bleiben wir über die anderen Borsten im Unklaren. Erst Fig. 52 gibt den gewünschten Aufschluss. Noch während ich mit der Zeichnung derselben beschäftigt war, schob sich wahrscheinlich durch das Gewicht des Deckglases auf der einen Seite die grosse Borste völlig heraus und bewies, dass ihre sämmtlichen Colleginnen mit Ausnahme der ersten nicht auf das Glück rechnen durften, auch bei der Zo@a noch zu fungiren. Da- gegen zeigte sich weiter nach vorne ein Borstenpaar, das bisher noch seines Gleichen — ich vermeide absichtlich die Ausdrücke: Analogon oder Homologon — nicht gefunden hat, und so darf als festgestellt angesehen werden, dass von den ursprünglichen 7 Borstenpaaren bei Dorippe nicht weniger als 5 abgeworfen wer- den, dagegen ein neugebildetes hinzutritt. Ehe ich fortfahre, erscheint mir eine Besprechung der Lite- ratur nothwendig, weil sich Angaben über Arten, welche ich nicht zu untersuchen Gelegenheit hatte, darin antreffen lassen. Es wird zugleich daraus hervorgehen, dass eine zusammenhangende Dar- stellung der von mir angegebenen Data noch nicht geliefert wor- 250 Paul Mayer, den ist, sondern dass sich Alle, nur F. Müller ausgenommen, auf gelegentliche und vielfach auch falsche Bemerkungen beschränkt haben. Ein Theil der älteren Literatur hat mir leider nicht im Originale vorgelegen; die Referate aber, welche sich mit der ihnen gleichgültigen Kleinigkeit nicht beschäftigt haben, lassen mich fast immer im Stich und können, selbst wenn sie brauchbar sind, die Abbildungen doch nicht ersetzen. Ich habe schon an den Bei- spielen Rathke’s und Müller’s gezeigt, dass bei Weitem nicht alle Angaben zuverlässig sind. Eine ziemlich durchgreifende Erschei- nung ist eben die, dass man die 6. Borste wegen ihrer Feinheit nicht beachtet und bei den Brachyuren auch die übrigen rückge- bildeten als Anhängsel der 4. Borste einfach nicht mitgerechnet hat. Lediglich historisches Interesse flösst Cavolini!) ein, der, so viel ich zu sehen vermag, die Zoea zuerst gekannt hat. Merkwürdiger Weise hat man auf ihn wenig Rücksicht genommen, und doch sind Zeichnung und Beschreibung durchaus nicht übel. Die erste Arbeit von Thompson , dem Entdecker der Krebsmetamorphose, kenne ich nur auszugsweise, doch scheint sie mir keine für meinen Zweck brauchbaren Abbildungen zu haben. Dagegen sehen wir in seiner späteren Schrift ?2) in Fig. 1 eine Wiedergabe von Car- einus Maenas mit 5 Borsten jederseits, was freilich der Wirklich- keit nicht entspricht. Du Cane°) aber, dessen Zeichnungen in Wiegmann’s Archiv Rohheit vorgeworfen wurde, bildet — ich ver- weise hier nothgedrungen auf Froriep’s Notizen — nicht nur in Fig. 5. Palaemon mit 7 Borstenpaaren ab, sondern führt auch in Fig. 11 und 15 Careinus ganz richtig vor und gibt, was mir be- sonders werthvoll erscheint, in den Fig. 10 und 14 Abbildungen derselben Zo&a, wie sie gleich nach dem Verlassen des Eies noch mit der Larvenhaut bekleidet ist. Ich entnehme aus ihnen, dass bei Careinus genau dieselben Vorgänge statthaben, wie bei Maja. Spence Bate *) sodann zeichnet dieselbe Zo&a im Wesentlichen !) a. a. O. Taf. II, Fig. 9. Zo&a von Pachygrapsus (granchio depresso). ®2) J. V. Thompson, on the double metamorphosis in the Decapodous Crustacea, exemplified in Cancer Maenas. Philosoph. Transact. 1835, p. 359 — 362, tab. V. ?) Ueber die Metamorphose der Krustenthiere. Nach den Annals and Mag. for nat. hist. von 1838 u. 1839 in Froriep’s Neuen Notizen XIII 1840, S. 3-7 (mit Tafel). Fig.5 zeigt übrigens 15 Borsten bei Palaemon variabilis. *) On the development of Decapod Crustacea. Philos. Trans. 1858, S. 589—605, Taf. 40—46. Auf S. 593 heisst es: „The telson forms a pro- minently forked appendage, consisting of two long processes [4. Borstenpaar], Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 251 ebenso, ohne aber seines Vorgängers zu erwähnen. Bei Fritz Müller finde ich einen Holzschnitt!) von Xantho, demzufolge bei ihr gleichfalls die 6. Borste entweder fehlt oder einfach über- sehen worden ist. Ferner macht er die kurze, aber wichtige Notiz °): „Bei Achaeus habe ich mir angemerkt, dass der Schwanz der jüngsten Larvenhülle an die Garneelenlarve erinnert, und dasselbe scheint bei Maja der Fall zu sein (S. Bell, British Stalk-eyed Crustacea p. 44)“. In Betreff der Porcellanen heisst es: „Der Schwanz trägt 5 Paar Borsten.“ Auch Dujardin ?) macht diese Angabe. Da aber Müller an einer andern Stelle®) eine „ältere Zo&aform der in Santa Catharina gemeinen Porcellana“ mit 6 Paaren gefiederter Borsten und je einem äusseren kleinen Stachel abbildet, so ist es mir wahrscheinlich, dass diese Art wenigstens das Ei mit den gebräuchlichen 7 Paaren verlassen wird. Ueber die Zeichnung, welehe Müller von Pagurus gibt, habe ich schon oben gesprochen. Auch Philippi) ist in einen Ähnlichen Fehler verfallen, indem er ausdrücklich angibt: „Sc hwanzanhang mit 12 Dornen, von denen die äussersten die kürzesten sind.“ Von dem nämlichen Gegenstande sehen wir bei Spence Bate 6), dessen Zeich- nungen bei Careinus so schön ausgeführt sind, einige überaus schleehte Abbildungen, die ich nicht ausnutzen kann. Bei Kröyer, einem wie bekannt äusserst genauen Forscher, findet sich die An- gabe”), Cymopolia Caronii habe 6 Paar Borsten. Nach Joly ?) soll dies bei Caridina Desmarestii ebenfalls zutreffen. Um endlich armed upon the external margin with two or three teeth.“ Sollte hier die 6. Borste blos übersehen sein oder mitunter fehlen, mitunter vorkommen ? 1) a. a. O. Fig. 21. Die Fig. 19 von Pinnotheres und 20 von Sesarma zeigen Aehnlichkeit mit meiner Fig. 48 von Lambrus. 2) a.a. O.$S. 35. Das Werk von Bell babe ich nicht in Händen gehabt. 3) Sur les metamorphoses de la Porcellana longicornis. Comptes rendus 1843 XVI, p. 1204—1206. 4) Verwandlung der Porcellanen. Troschel’s Archiv 1862 XXVIII, S. 194 —199, Taf. VII, Fig. 6 und 7. 5), 2:0; S5L86. 6) Careinological (Gleanings IV. Ann. Mag. Nat. Hist. 1868. Taf. 1X, Fig. 1 soll einen Embryo von Pagurus darstellen, lässt aber nichts erkennen. Fig. 2 ist „second stage“ und zugleich dem Auftrieb entnommen. Im Uebrigen ist es wegen der vielen Beine wenigstens schon third stage, also keine Zo&a mehr. ?) Monografisk fremstilling af slägten Hippolyte’s nordiske arter. Kjöben- havn 1842, Cymopolia Caronii S. 50—54. Taf. V, Fig. 111-119, 8) a. a. O. Fig. 6b. 952 Paul Mayer, auch die neuesten Schriften anzuführen, so zeiehnet Dohrn !) die Schwanzgabel eines schon weit entwickelten Embryo von Portu- nus puber. Die Figur passt in allen ihren Einzelheiten zu der meinigen von Maja. Die im Uebrigen so gehaltvolle Schrift von Bobretzky lässt mich hier in sofern im Stiche, als ich aus be- kannten Gründen nicht wissen kann, ob ihr Verfasser seine Auf- merksamkeit überhaupt den Borsten zugewendet hat. In seiner Fig. 15 sind mit einiger Mühe jederseits deren 7 zu erkennen, was der Wirklichkeit entspricht 2. Zuletzt nenne ich Anton Stux- berg ®), welcher mit der seinen Landsleuten eigenen Sorgfalt ver- schiedene Zo&en (namentlich die von Palaemon squilla) so ein- gehend behandelt, dass seine Beschreibungen, auch trotzdem Zeichnungen fehlen, verständlich sind. Für Stenorhynchus rostra- tus ist bei den Embryonen genau dasselbe Verhalten angegeben, wie ich es für Maja finde, während die Zoöa der von Lambrus gleicht. Dagegen muss Portunus depurator, nach den Worten Stux- bergs zu schliessen, mehr Aehnlichkeit mit Pilumnus haben. Die Be- hauptung aber, bei dem Embryo von Galathea intermedia seien nur 6 Borstenpaare vorhanden, ist sicherlich unrichtig, da ich bei Ga- lathea squamifera die 6. feine Borste deutlich sehen kann. Es wird, denke ich, aus den Arbeiten meiner Vorgänger und aus meinen eigenen Beiträgen so viel ersichtlich geworden sein, dass eine grosse Anzahl von Brachyuren- und einige Anomuren- Zoeen ein Schwanzblatt besitzen, dessen Form sich von einer früheren, vielfach nur noch im Embryo vorkommenden, herleiten lässt. Die Zahl 7 tritt hierbei mit ganz besonderer Hartnäckig- keit auf und findet sich auch in den Zo&en gewisser Makruren (Palaemon) unverändert vor. Nur in einem einzigen Falle, dem von Dorippe, konnte nachgewiesen werden, dass unter Umständen auch Neubildungen vorkommen, welche also die Summe der vor- handenen und abgeworfenen Borstenpaare vermehren. Man begegnet nun in der Literatur einer Reihe von Angaben, in denen entweder von mehr als !4 Borsten oder, wenn es weniger sind, von einer ungeraden Zahl derselben die Rede ist; es wird also zu unter- suchen sein, wie weit solche Behauptungen berechtigt sind, und 1) Zeitschr. wiss. Zool. 1870 XX, Taf. XXX, Fig. 23. ?) Ich gebe, weil mir an Palaemon viel liegt, eine genaue Abbildung da- von in Fig. 49. Die Art ist serratus. Aehnlich sind Crangon vulgaris und Pontonia flavomaculata gebaut. 3) Karcinologiska iakttagelser. Öfversigt af kongl. vetensk. akad. för- handl. 1873 Nr. 9. Stockholm 1874. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 253 ferner, auf welche Art sich die verzeichneten Facta mit unserer Normalziffer in Verbindung setzen lassen. Zu prüfen sind folgende Fälle. Kröyer!) sagt, bei einer frei lebenden Jugendform von Hippolyte borealis seien 16 Borsten vorhanden; da aber ausser den gewöhnlichen Füssen der Zoea schon 5 Paar Fussstummeln am Hinterleibe auftreten, so wird man das Thierchen als ein dem Zo&astadium bereits entwachsenes zu bezeichnen haben. Gleich- wohl scheint mir die Mögliehkeit nicht ausgeschlossen, dass die Zahl der Borsten in der Zoöa dieselbe gewesen sei. Gibt doch auch Stuxberg der Hippolyte varians an jeder Schwanzhälfte „ungefähr“ (omkring) 10 Borsten, so dass also die 3 nicht zu hoch gegriffen scheint. Ebenso zeichnet Dohrn?) bei Pandalus Narval jederseits ihrer 8 Zwei anderen Zo&en kommen nach den Abbildungen, welche der letztgenannte Autor?) bringt, 19 resp. 15 Borsten, nämlich ausser 6 resp. 7 Paaren noch eine mediane unpaare zu. Dohrn nimmt sie nun zwar als Jugend- zustände von Porcellana und Peneus in Anspruch, stellt aber diese Bestimmung selbst als nicht sicher hin. Da überdies F. Müller in beiden Fällen *) von 14, nicht von 13 oder 15 Borsten spricht, so darf man annehmen, dass sich Dohrn in Betreff der Zugehörig- keit geirrt hat. Bei ihm so wenig wie bei allen Anderen ist aber ein Embryonalstadium abgebildet, welches uns den Schlüssel für die Abweichungen von dem Schema 7 +7 gäbe. Ich habe mich daher bemüht, ein derartiges Auftreten genau zu beobachten und bin zu folgendem Resultate gekommen. Bei Calianassa subter- ranea, wo recht interessante Verhältnisse vorliegen, hat die Schwanzplatte ausser einem unpaaren fiederlosen Stachel jederseits 13 Borsten, alle mit Ausnahme der äussersten gefiedert (vergl. Fig. 53). Während aber bei sämmtlichen bis jetzt besprochenen Zo&en die Zahl der Borsten eine völlig constante war — ich habe es nie unterlassen, mich durch Vergleichung mehrerer Exemplare von jeder Art davon zu überzeugen — tritt uns hier zum ersten Male eine Unregelmässigkeit in der Art entgegen, dass ausser der Norm 15-+1-+ I2 auch die Abweichungen 13 + 1 + 14, 12 + !) a. a. ©. Hippolyte S. 37 - 43, Taf. Vl, Fig. 120 132. ®) a. a. O. Taf. XXXL, Fig. 2. 3) Zur Kenntniss der Zo&a-Gestalt. Zeitschr. wiss. Zool. XXI 1871, S. 3856 379, Taf. XXVII- XXX. Citirte Abbildungen Fig. 50 und 54. +) Verwandlung der Garneelen. Troschel’s Archiv 1863 XXIX, S. 8—23, Taf. II. Fig. 4 Abbildung der Zoda von Peneus Wegen Porcellana vergl. oben. 254 Paul Mayer, 1+13, 12-+1+ 12 und vielleicht noch andere vorliegen. !) Wie sich aber diese 25—25 Borsten zu den ursprünglichen verhalten, lehren die Figg. 54—56, welche sich auf Embryonen sehr ver- schiedenen Alters beziehen. Die Abbildung des jüngsten Stadiums gibt nur Bekanntes wieder. Darauf verbreitert sich der Schwanz und sein tiefer Einschnitt schwindet, ohne dass sich aber die Zahl der Borsten änderte. Dann schiebt sich mit einem Male eine neue, unpaare Borste in der Mitte ein und befindet sich mit einer der ihr zunächst gelegenen unter demselben Stücke der Cutieula. Beide Zustände, welche sich nur durch diesen Eindringling von einander unterscheiden lassen (und darum auch nicht beide ge- zeichnet sind), finden sich ausserhalb des Eies durch Pagurus und die von Dohrn nicht richtig bestimmten Zo&en repräsentirt vor. In Fig. 56 erkennt man die 7 alten Borstenpaare und den Median- stachel wieder, sieht aber zugleich, wie eine Anzahl neuer Borsten — auf der einen Seite 6, auf der andern 7 — entstanden sind, ohne in der Cutieula vorgebildet zu sein. Auch sie müssen in kurzer und wahrscheinlich alle zu gleicher Zeit hervorkommen, da ich keine Zwischenstadien beobachtet habe. Zum besseren Verständniss dieser Neubildungen bei Calianassa habe ich noch die nächst verwandten Gattungen heranziehen wollen ; leider stand mir indessen nur Gebia littoralis zu Gebote, und diese leistet nicht so viel, wie ich wohl möchte. Im Ei befinden sich bei ihr in allen mir bekannt gewordenen Stadien nur die 7 Borstenpaare wieder; an der Zoea (Fig. 57) zeigen sich ausserdem noch ein unpaarer grosser Stachel weit nach vorne auf der Ventralseite und je 5 Börstehen in eigenthümlicher Gruppirung auf der Dorsalseite. Alle diese Zugaben, welche ich bei keiner andern Zo&a bemerkt habe, sind constant. Betrachtet man nun die Form des Schwanzblattes, welches bei Gebia noch eine kleine Einbuchtung besitzt, bei Calianassa aber an derselben Stelle weit nach hinten verlängert ist, so leuchtet ein, dass in beiden Fällen der Medianstachel der- selbe sein wird. Auch lässt sich zur Noth begreifen, wie bei einer solchen Verschiebung der einzelnen Theile des Schwanzes gegen- einander die 5 kleinen Haare der Gebia an den Hinterrand zu stehen kommen müssen, also gleichfalls den jungen Borsten der Calianassa entsprechen dürften. Vielleicht finden sich diese ver- schiedenen Stadien beim Embryo und der Zo&a eines verwandten !) Von 10 Exemplaren bildeten 6 die Regel und 2 die zuerst genannte Ausnahme. Zur Entwieklungsgeschichte der Dekapoden. 255 Krebses noch vor und gewähren so an Stelle der wahrscheinlichen eine sichere Lösung des Problems. !) Aus den mitgetheilten Thatsachen, denen ich vor der Hand keine weiteren hinzuzufügen habe, lassen sich folgende Schlüsse ableiten. Zunächst finde ich, dass die Constanz ?), mit welcher die Borsten am Zo®aschwanze auftreten, entweder allein oder in Verbindung mit anderen Eigenthümlichkeiten dazu geeignet ist, die Wiedererkennung der Gattungen und Arten zu sichern, also mit anderen Worten als Hülfsmittel zur Bestimmung verwendet werden kann. Dies wird praktisch von um so grösserem Werthe sein, als man nicht erst nöthig hat, mühsame Zergliederungen vorzu- nehmen, sondern weil ein einfaches Hinlegen der Zo&a dazu ge- nügt, alle Einzelheiten erkennen zu lassen. Da nun auch die Befiederung der einzelnen Borsten bei den verschiedenen Arten nicht die nämliche ist, so bieten sich hierin weitere gute Charaktere, welche noch genauere Unterscheidungen erlauben. Indessen ist diese Verwendbarkeit der Borsten in meinen Augen nicht so wichtig, vielmehr erscheint mir eine zweite Folgerung, zu der ich gelangt bin, schon bedeutungsvoller. In dem Umstande, dass sich bei den verschiedenartigsten Zoden im Ei eine oft weit in’s Einzelne getriebene Ausbildung an einem Organe zeigt, das in dieser Ge- stalt nie gebraucht wird, sehe ich ein schlagendes Beispiel für die Lehre von der Macht der Vererbung. Dies tritt besonders an Dorippe hervor, bei welcher die späterhin, noch ehe sie Dienste geleistet haben, völlig weggeworfenen Borsten sogar eine Be- fiederung in reichlichster Weise erhalten, zeigt sich aber nicht weniger deutlich an Maja und anderen Brachyuren. Auch Calia- 1, Im Anschlusse hieran darf ich wohl darauf hinweisen, dass auch bei Squilla Aehnliches vorzukommen scheint. Die schon oben erwähnten Squilla- Embryonen zeigen (vergl. Fig. 58), was die Beborstung des Schwanzes betrifft, analoge Verhältnisse: innerhalb der äusseren Cuticula liegt eine zweite, welche eine doppelte Häutung anzeigt, und deutlich jederseits 7 Borsten als ältere den mittleren, jüngeren gegenüber kennzeichnet. Auch die Inconstanz in der Zahl der Borsten ist nicht minder gross wie bei Calianassa, indem Schwan- kungen zwischen 22 und 27 auftreten. Uebrigens zeichnet auch Fritz Müller (Troschel’s Archiv 1863 Taf. I, Fig. 1) eine Stomatopodenlarve mit 747 Borsten. Beim Hummer findet wahrscheinlich mehr als Eine Häutung während des Eilebens statt. Ich glaube auch bei ihm die 7 Urborsten vorzufinden, habe aber, da ich mir das Material ausschliesslich zu Schnitten conservirte, nicht volle Sicherheit erlangen können. 2) Die zwischen den Borsten befindlichen Härchen sind, so weit ich sehen kann, nicht constant an Zahl. 956 Paul Mayer, nassa gehört in gewisser Beziehung hierher. Man würde nämlich, wenn man die Borsten der Zo&a betrachtet, ohne ihre Entwick- lung zu kennen, nie auf den Gedanken kommen, dass sie im Ei zu getrennten Zeiten entstehen und noch dazu einen so prägnanten Unterschied, wie er in der Constanz der Zahl der alten Borsten gegenüber der Inconstanz bei den jungen begründet ist, hervor- treten lassen. Das dritte Resultat endlich, zu welchem ich ge- kommen bin, lässt sich in die Worte kleiden: „Die Borsten am Schwanze der Zo&a sind phylogenetisch verwendbar.“ Diesen Satz betone ich am meisten, will ihn daher auch gleich erörtern und dann so gut ich vermag zur Anwendung bringen. Ehe wir aus dem Vorkommen irgend welcher Organe die Zusammengehörigkeit einer Reihe mit ihnen ausgerüsteter Thiere abzuleiten berechtigt sind, müssen wir uns davon überzeugt ha- ben, dass sie für das Leben nicht so unentbehrlich sind, um von den verschiedensten Wesen getrennt erworben und aus heteroge- ner Grundform in Folge gleichgerichteter Anpassung bei allen zur Uebereinstimmung in Bau und Function gebracht zu werden. Ein Beispiel solcher physiologisch wichtigen Organe bieten die Mund- werkzeuge, welche daher bei phylogenetischen Untersuchungen nur mit grosser Vorsicht in Betracht gezogen werden dürfen, am besten sogar völlig davon ausgeschlossen würden oder nur die Bestätigung der schon auf anderem Wege gewonnenen Sätze zu liefern hätten. Bei den Zoöen wird man nun wohl nicht leicht in Versuchung kommen, sie in der angedeuteten Weise zu benutzen, wohl aber bietet sich eine andere Eigenthümlichkeit dar, welche auf den ersten Blick viel zu versprechen scheint, nämlich die Stacheln. Diese fallen bei manchen Arten so sehr in’s Auge, dass man nur zu geneigt sein wird, ihnen grossen Werth beizulegen und wohl gar eine Gruppirung der Zo&en nach ihnen vorzuneh- men. So beschreibt beispielsweise F. Müller die „stachelförmigen Fortsätze des Panzers“ bei verschiedenen Brachyurenarten !) und bringt, da „eine ähnliche Uebereinstimmung in der Zahl so un- wichtig scheinender Gebilde nur aus gemeinsamer Ererbung er- klärbar“ ist, die mit ihnen versehenen Zo&en unter Ein Rubrum 2). !) Für Darwin, S. 33. Müller gibt richtig an, dass einige Krabbenzoöen mit 2, andere mit 4 über’s Kreuz gestellten Stacheln versehen seien. „Alle diese Fortsätze fehlen jedoch nach Couch bei Maja.“ Dies ist entschieden nicht der Fall, vielmehr trägt Maja ebenso gut ihr Kreuz, wie Lupa, Lambrus, Calappa und andere Zo&en. 2),8:08, 0.8.87, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden, 357 Dabei sind aber die Stacheln ganz sicher von nicht geringer Be- deutung für das Thier, sei es dass man sie mit Rathke!) als Ba- laneirstangen oder mit Müller als Schutzwaffen ansieht. Dies hat Müller übrigens selbst gefühlt, indem er sagt”): Der Nutzen der Fortsätze „für die Larven ist augenscheinlich... Somit können diese Fortsätze des Panzers als von der Zo&a selbst im Kampfe um’s Dasein erworben angesehen werden“. Sobald man aber diese Ansicht theilt, muss man auch zugeben, dass man eine Zo&a nicht etwa deswegen, weil sie ein Stachelkreuz besitzt, zu den Brachyuren rechnen darf, sondern bessere Mittel für ihre syste- matische Stellung aufsuchen muss. Hier wird nun den Schwanz- borsten ihr Recht. Da wir sehen, dass in allen bis jetzt genauer bekannt gewordenen Fällen, sowohl wenn nur wenige als auch wenn viele Borsten vorhanden sind, stets 14 als die ursprüng- lichen hervortreten, so sind wir zu der Folgerung berechtigt, dass die Urdecapoden, noch ehe von einer Spaltung derselben in Bra- ehyuren, Maeruren u. s. w. die Rede sein konnte, als Zoöen auch gerade 14 Borsten besassen. Nun macht ferner die völlige Ueber- einstimmung in der Zahl der Körperanhänge u. s. w. bei den ge- nannten Gruppen den Schluss unabweisbar, dass die Trennung derselben erst dann vor sich ging, als der Urdekapode das Zo&a- stadium bereits längst überwunden hatte. Darum aber ist auch viel weniger Grund zu der Annahme vorhanden, die Zo&a habe ihre Aenderungen in Zahl und Grösse der Borsten sich selbständig erworben, als zu der andern, die allmähliche Umwandlung des Sehwanzes beim Urdekapoden in den Schwanz der Brachyuren, Macruren u. s. w. habe bestimmend auf dasselbe Organ bei der Zoea eingewirkt. Sonach ist der Schwanz der Zo&a mitsammt den Borsten der direeten Anpassung wenn auch nicht völlig, so doch zum grössten Theile entrückt und in Abhängigkeit von dem Sehwanze des Krebses selbst getreten. Es soll natürlich nicht geleugnet werden, dass die Borsten ursprünglich, zu einer Periode also, in welcher die Zo&a noch die geschlechtsreife Form dar- stellte — wenn dies überhaupt je der Fall gewesen sein sollte — oder sich doch nur wenig von dieser unterschied, ihre grosse Be- deutung als Schwimmapparat besassen und als solcher lange !) Entwicklungsgeschichte u. s. w. S. 52: „welche Fortsätze des Rücken- schildes von den Larven bei ihren Schwimmbewegungen möglicherweise zum Balaneiren gebraucht werden.“ 28, O0, SS 958 Paul Mayer, 27 Zeit hindurch unverändert fortbestanden haben. Da aber nicht die Zo&a den Anstoss zur Bildung neuer Krebsarten gab, sondern in ihrer Gestaltung von den Abänderungen am ausgebildeten Thiere beeinflusst wurde, so darf man unbedenklich für alle die Fälle, in welehen Zahl und Configuration der Borsten in gleicher Weise von der Urform abweichen, die Blutsverwandtschaft geltend machen. Ich sage aber ausdrücklich: in gleicher Weise; es wird also, wenn z. B. nur 10 Borsten vorhanden sind, erst nachzu- forschen sein, welchen der 14 sie entsprechen, oder ob nicht gar Neubildungen vorliegen, welche sich in ihrer phylogenetischen Bedeutung noch nicht abschätzen lassen. Mit dieser Vorsicht aber wird manch brauchbares Resultat zu erzielen sein. Den Stammbaum der Dekapoden ausschliesslich nach den entwickelten Formen construiren zu wollen, erscheint mir unthun- lieh. Wir müssten ein ganz anderes, im vollen Sinne des Wortes erschöpfendes Wissen auch vom inneren Baue derselben besitzen und hierbei unsere Aufmerksamkeit in erster Linie den physio- logisch bedeutungslosen Organen zuwenden — zwei Forderungen, von deren Erfüllung wir noch weit entfernt sind. Die bisher ge- bräuchliche Weise aber, nach der Form des Mundes und der ihn umgebenden Beine zu classitieiren, hätte man aufzugeben und auch auf andere, sog. entscheidende Charaktere, wie Lage der Geschlechtsöffnungen u. $. w. entweder ganz Verzicht zu leisten oderssie nur als bedenkliche Hülfsmittel in Anwendung zu brin- gen. Auf der andern Seite bin ich aber weit davon entfernt zu glauben, dass man auch bei der genauesten Kenntniss des Kör- perbaues sämmtlicher Zoden ohne Weiteres einen Stammbaum, welcher alle Dekapoden in sich begriffe, errichten könnte. Dazu würde erforderlich sein, dass die Abänderungen, welche bei dem erwachsenen Thiere die Aufstellung einer besonderen Art zum Zwecke der Unterscheidung von anderen Krebsen nöthig machen, schon in der Zo&a sich so weit angedeutet vorfänden, dass sie für unser Auge wahrnehmbar würden. Mir ist aber das Gegen- theil viel einleuchtender, dass nämlich nahe verwandte Arten, welche auch im ausgebildeten Zustande nur wenig differiren, in dem Zo&astadium bei unseren optischen Hülfsmitteln absolut gleich erscheinen. Indessen ist eine solche Detailkentniss auch gar nicht nöthig. Vor der Hand genügt es, scheint mir, völlig, wenn sich die zwei wichtigsten Fragen beantworten lassen: 1) sind die von den Systematikern bis jetzt aufgestellten Hauptgruppen, sie heissen nun Tribus oder Familie u. s. w., richtig und auch richtig Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 2359 mw abgegrenzt? 2) in welchem Verhältnisse stehen sie zu einander? Ist hierin Klarheit erzielt, so ergibt sich die Einreihung der Gattun- gen und Arten in den meisten Fällen leicht. Ich behaupte aber, dass uns solches die Zo&a eher leisten wird, als der Dekapode selber, und fordere aus diesem Grunde für die Zoöa mehr Aufmerk- samkeit, als ihr bislang geschenkt wurde. !) | Ehe ich nun dazu übergehe, auf Grund der Beborstung des Zo&aschwanzes einige phylogenetische Betrachtungen vorzunehmen, muss ich die von mir vorgeführten Beispiele übersichtlich zusam- menstellen. Es lassen sich folgende Fälle unterscheiden: A. 1) Die ursprüngliche Borstenzahl 7+7 ist unverändert er- halten bei Palaemon, Crangon, Pontonia, Porcellana (?); 2) Nur die 6. Borste ist verkleinert bei Pagurus; 3) Auch die 7. Borste ist rückgebildet bei Galathea, Dromia;; 4) Statt ihrer ist die 5. Borste demselben Schicksale verfallen bei Maja, Pilumnus, Xantho (?), Portunus (?); 5) Alle drei genannten Borsten sind sehr klein geworden bei Careinus; 6) Die 6. Borste 2) ist gänzlich eingegangen bei Cymopolia (?), Caridina (?); 7) Zwei von den drei äussersten Borsten (welche?) sind völlig geschwunden bei Lambrus, Stenorhynchus, Pinnotheres (?), Sesarma (?)°); 8) Fünf Borsten werden abgeworfen bei Dorippe. B. 9) Zwischen den 7 Borstenpaaren tritt eine Neubildung in Gestalt eines Medianstachels auf bei Dohrn’s Zo&en; 40) Ausserdem sind noch 5 Haare jederseits hinzugetreten bei Gebia; 1) Eines rein äusserlichen Grundes, der die Wichtigkeit der Zo&a noch mehr hervortreten lässt, erwähne ich nur nebenbei. Es ist durchaus nicht schwierig, die Eier eines Krebses, so lange sie noch am Mutterthiere be- findlich sind, sich weiterentwickeln zu lassen; eine Züchtung der Zoda aber, um alle aus ihr hervorgehenden Formen bis zum jungen Krebse hin studiren zu können, ist noch Niemandem gelungen. Selbst Spence Bate, dem wir die einzige vollständige Kenntniss aller Metamorphosen an einem und demselben Thiere verdanken, hat die meisten Glieder seiner Careinus-Serie aus Funden der Fischerei einschalten müssen. Bei weitaus der grössten Zahl aller Arten bleibt also die Zo&a das älteste Jugendstadium und steigt hierdurch im Werth. 2) Es liegt nahe, an den Ausfall gerade dieser Borste zu glauben; viel- leicht gehört auch hierher die eine Zo&a von vohrn, welche den Median- stachel besitzt. 3, Ob Porcellana hierher gehört, lässt sich nicht bestimmen, 360 Paul Mayer, 11) Statt ihrer sind 5, 6 oder 7 Borsten nahe der Mediane eingeschoben bei Calianassa, Squilla (?). C. 12) Statt 7+7 sind S+8 Borsten vorhanden bei Hippolyte, Pandalus. Wenn man auf den beigegebenen Tafeln die Form des Schwanzes bei den einzelnen Zo&een vergleicht und namentlich die Embryonalstadien betrachtet, so gewahrt man, dass die ursprüng- liche Form desselben die einer Gabel ist. Hierauf weist mit grosser Bestimmtheit vor allen Calianassa, nicht minder aber auch Maja hin. Für Palaemon bestätigt es die Abbildung, welche Bo- bretzky gibt. Man darf hieraus schliessen, dass die Zo&a des Urkrebses mit einem Gabelschwanze versehen war und dass sich der Blattschwanz, wie er bei Palaemon und noch ausgeprägter bei Porcellana oder Calianassa vorkommt, erst später gebildet hat, indem die beiden inneren Seiten der Zinken allmählich heraus- wuchsen. Hätte dagegen die Zo&a des Urkrebses bereits einen Blattschwanz besessen, so wäre nicht einzusehen, warum nicht auch bei den Brachyuren eine Andeutung desselben im Ei sich zeigen sollte. Da also bei den letzteren ‚die Urform besser ge- wahrt ist, als bei den Macruren und Anomuren, so ist die Tren- nung der Brachyuren von den übrigen Krebsen sehr früh, jeden- falls zu einer Zeit erfolgt, als sich Macruren und Anomuren noch nicht unterscheiden liessen. Die Zoea des Urdekapoden war also mit einem Gabelschwanze versehen, und höchst wahrscheinlich der Krebs auch. Man darf sich dann die im Laufe der Zeit er- folgten Umbildungen des Schwanzes so vorstellen, dass je mehr der Krebs zum eifrigen Schwimmer wurde, desto mehr auch die Schwanzplatte wuchs, je mehr aber die Füsse zum Gehen einge- richtet wurden und der Körper sich in die Breite dehnte, desto mehr abnahm. Der erstere Fall hatte auch bei der Zoea die Entstehung eines Blattschwanzes zur Folge, während im letzteren das Organ, auf welches beim Krebse stets weniger Gewicht ge- legt wurde, in der ihrer ursprünglichen Bewegungsweise treu bleibenden Jugendform seine Gestalt reiner erhalten konnte. Gehen wir nun zur Betrachtung der Borsten über und berück- sichtigen dabei besonders die wichtige sechste, so finden wir, dass sie rückgebildet ist bei allen sicher bekannten Arten mit Ausnahme von Palaemon, Crangon, Pontonia, Hippolyte und Pan- dalus. Hieraus folgt mit so viel Gewissheit, wie sie überhaupt für phylogenetische Untersuchungen beansprucht werden kann, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 961 dass die Caridae!) sich vom Dekapodenstamme als besonderer Zweig abtrennten, ehe noch die unbekannten Einflüsse, welche das charakteristische Schwinden der 6. Borste bewirkten, zur Geltung kamen. Wir dürfen also zwei Gruppen unterscheiden: in der einen stehen die Caridae, in der andern der Rest der Dekapoden. Bei den ersteren entstand ausnahmslos ein Blattschwanz, während dies bei den letzteren nur zum kleinsten Theile der Fall war. Die Tribus der Maeruren aber wird, da sich die Caridae in einen so scharfen Gegensatz zu den anderen Familien derselben begeben, am besten entweder aufgelöst oder auf die Caridae — die eigentlichen Schwimmer — beschränkt. Die Loricata?), Astaci- dae), Thalassinidae und Anomura würden unter sich gleichwer- thige Gruppen bilden und in ihrer Gesammtheit den Brachyuren — den eigentlichen Läufern — entgegenzustellen sein. Die Tha- lassinidae gewinnen durch Calianassa eine solche Aehnlichkeit mit den Squillen, dass man wohl an eine genetische Beziehung derselben zu einander denken möchte; indessen ist, da mir Neu- bildungen nicht beweiskräftig scheinen, einstweilen nichts Sicheres darüber zu sagen. Unter den Caridae treffen wir in Hippolyte und Pandalus zwei Arten an, welche sich durch den Besitz von 8-+ 8 Borsten auszeichnen. Bei ihnen wird ohne Zweifel das Stadium mit 7-+7 Borsten noch im Ei vorkommen. Ein Analogon dazu liefert Peneus. Nach F. Müller 1) nämlich trägt der Nauplius am Hinter- rande „jederseits eine starke, gerade Borste von halber Körper- länge und daneben einen kurzen Dorn.... Bei einer wenig grös- seren Larve hat sich das Hinterende in zwei kegelförmige Zapfen ausgezogen, an deren Spitze jetzt die beiden langen Schwanz- borsten stehen, begleitet nach innen von je zwei, nach aussen von je drei kürzeren, zum Theil noch dornartigen Borsten“. Bei der Zoea „erhalten die beiden inneren Aeste des Schwanzes [es ist also ein Gabelschwanz wie bei den Brachyuren vorhanden] am inne- 1) Caridina schliesse ich aus, weil mir die Zeichnungen von Joly nicht viel Vertrauen einflössen, 2) Ist die Systematik, welche auch Seyllarus und Palinurus zu den Lori- cata zählt, im Recht, so wird sich bei diesen beiden zu irgend einer Zeit des Eilebens noch die rudimentäre 6. Borste finden lassen, da sie bei Galathea vorhanden ist. ?%) Ueber diese Familie habe ich kein bestimmtes Urtheil, da mir aus der Ontogenese keine hierher gehörige Thatsache bekannt ist. *%) Garneelen S. 9 u. fi, Fig. 1 Nauplius, Fig. 4 Zoea. Bd. XI. N. F. IV. 2. 18 262 Paul Mayer, ren Rande zweimal eine neue Borste, so dass deren Zahl erst auf 7, dann auf 3 an jedem Aste steigt. Die älteste Borste bleibt durch grössere Länge kenntlich“. In dem Stadium mit 7-H7 Borsten, welches der Zo&a entspricht — in dem folgenden sind bereits 13 Paar Körperanhänge zu zählen — ist nun die erwähnte „älteste“ Borste gerade die vierte, welche auch bei den Brachyuren weit- aus die grösste ist, während sie bei den Zo&en mit Blattschwanz entweder nur unbedeutend länger ist, als die anderen (Palaemon), oder sie gar nicht mehr überragt (Gebia, Calianassa). Hierin liegt — falls die von F. Müller zusammengestellte Entwicklungsreihe überhaupt richtig ist — eine neue Stütze für meine Ansicht über die Brachyuren. = Auf weitere Speculationen möchte ich mich nicht einlassen ; es genügt mir, wenn ich dargethan habe, dass die Borsten des Zo&aschwanzes vielleicht grösseren Werth für den Zoologen als für die Zoea besitzen. Erscheinen nun die Resultate unbedeutend und wird namentlich darauf hingewiesen, dass schon die ältere Systematik nahezu dasselbe erreicht hat, so möge man bedenken, dass gerade die phylogenetische Betrachtungsweise nicht weniger, sondern mehr empirisches Material verlangt, als jede frühere, soll man ihr nicht, wie es gerne und oft nicht mit Unrecht geschieht, auf Schritt und Tritt in ihren Sätzen Willkürlichkeit vorwerfen. Nun aber liegen wirklich zuverlässige Angaben erst bei einem reichlichen Dutzend von Zoden vor, und noch dazu fehlen sie bei den interessantesten, den sog. Uebergangsformen gänzlich. Man wird also eine Vermehrung unserer Kenntnisse im Bereiche der lebenden Krebse abzuwarten haben, ehe man sich von der For- schung nach ihren Vorfahren Grösseres zu versprechen hat. Zum Glücke darf man sich der Hoffnung hingeben, dass schon in aller- nächster Zeit dieser Wunsch in etwas erfüllt werde. Nach einer vorläufigen Mittheilung ') nämlich beabsichtigt Spence Bate eine Beschreibung „in minute detail“ von 38 verschiedenen Zo&en zu veröffentlichen, bei welchen mit wenigen Ausnahmen die Gat- tung und in einzelnen Fällen auch die Art festgestellt sind. Wenn also Spence Bate sein Vorhaben zur Ausführung bringt und die Abbildungen denen über Careinus maenas gleichen, so darf man sich eine wesentliche Bereicherung unseres Wissens für die Ontogenie und Phylogenie versprechen. form exhibited in the Larvae of 38 Genera of Podophthalmia. From the Proceedings of the Royal Society 1876, Nr, 168, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 263 Nachschrift. Auf einige mir nicht eher zugänglich gewesene Arbeiten habe ich an dieser Stelle Rücksicht zu nehmen. Die erste ist die von Chantran !) über die Befruchtungsvorgänge beim Flusskrebse. Im Wesentlichen bestätigt sie die Angaben Lereboullet’s, liefert aber ausserdem noch Einzelheiten von Bedeutung. Die Befruchtung soll ausserhalb des mütterlichen Körpers vor sich gehen, und zwar in folgender Weise. Die Spermatophoren sind befestigt „sur les lames de l’eventail caudal et sur le plastron de la femelle“. Dann scheiden während der Eiablage die „appendices abdominaux“ einige Stunden hindurch einen „mucus grisätre assez visqueux‘ aus, welcher sich in der schon von Lereboullet beschriebenen und etwas Wasser enthaltenden „Tasche“ ansammelt. ‚Immediatement apres la ponte, on constate dans ce mucus et dans cette eau la presence de spermatozoides tout A fait semblables a ceux qui sont contenus dans les spermatophores“. Hiernach würden sich die Sper- matophoren durch den Einfluss des Schleimes öffnen; nach ihrer Entleerung sollen sie dann noch am Abdomen des Weibchens verbleiben. In welcher Weise übrigens die Samenfäden in Berüh- rung mit den Eiern gelangen, wird nicht angegeben. Dagegen findet sich noch die Bemerkung vor, die Eier seien „toujours tournes de maniere A presenter leur täche blanchätre ou eicatri- eule en haut, comme pour recevoir plus facilement l’influence de la fecondation.“ Es scheint also der Einfluss der Schwere auf die Orientirung des Embryo doch nicht gänzlich ausgeschlossen zu sein (vergl. oben p. 209), insofern wenigstens die ersten Fur- chungsstadien schon, während die Eier noch in dem Schleime schwimmen, eingeleitet werden mögen. Sind die letzteren aber einmal am Schwanze der Mutter befestigt, so ist bei der steten Bewegung desselben alle Einwirkung der Gravitation aufgehoben. 1) Chantran, sur la f&condation des Eerevisses. Compt. rendus LXX1V (1872), p. 201, 202. 18* 264 Paul Mayer, Zu einigen Bemerkungen gibt mir ferner das neueste Werk von Claus!) Veranlassung. In Beziehung zunächst auf die Ge- stalt des Zoßaschwanzes vermehrt es das empirische Material nicht erheblich. Die von mir als typisch hingestellten sieben Dorn- paare zeigen die „Zoeen“ von Euphausia (Tab. I. Fig. 4) und Pe- naeus (Tab. III. Fig. 2), sowie die Porcellana-Larve von Nizza und Neapel (Tab. VII. Fig. 9) und eine unbestimmt gebliebene Krab- benzo&a (Tab. XII. Fig 13). Das Bild der Schwanzplatte eines Maja-Embryos findet sich, ganz ebenso wie es Dohrn von Por- tunus zeichnet, vor (Tab. X. Fig. 9); im Texte ist durchaus nicht näher darauf eingegangen. Blos 6 Dornpaare sollen nach den Abbildungen besitzen die Protozo&en von Euphausia (Tab. I. Fig 2) von Penaeus (Tab. II. Fig. 1) und von Sergestes (Tab. V. Fig. 1), so wie zwei Brachyurenzoden unbekannter Herkunft, genannt Fissocaris (Tab. XI. Fig 12) und Pterocaris (Tab. XII. Fig. 14). DieZoöa von Thia polita trägt nach der Zeichnung (Tab. X. Fig. 2) deren auch nicht mehr; hier aber habe ich constatiren können, dass doch jederseits sieben Borsten vorhanden sind. Claus hat eben die 6., welche wieder äusserst klein ist, übersehen, während er ihre beiden Nachbarn hinzeichnet. ?) Gleicherweise hat Claus an der Zoda von Calianassa (Tab. VIII. Fig. 1 und 7) die 6. Borste nicht beachtet, da er auch im Texte (p. 55) nur von „je eilf Borsten“ redet. Eine Krabbenzo&a Pluteocaris wird mit acht Borstenpaaren versehen abgebildet (Tab. XII. Fig. 7). Ein wei- terer Irrthum von Claus ist der, dass er den „kurzen hakenför- migen Fortsatz“ bei den Zoden von Galathea und den Paguriden, d. h. die 7. oder Endborste dem „seitlichen Dorne der Krabben- zo6&a entsprechen“ lässt (p. 58), obwohl dieser, wie aus Claus’ Dar- stellung der letzteren hervorgeht, der 4. Borste gleichkommt. Den Stirnstachel bei Maja (vergl. oben p. 256) hat Claus ebenfalls ge- funden und hiernach die Angabe von F. Müller bereits verbessert. Die Stacheln überhaupt sind als „secundär erworbene Larven- charäktere zu betrachten, welche .... als passive Schutzwaffen, verschieden nach Zahl und Anordnung, zur Entwicklung gelangt sein mögen (p. 72)“; eben darum erscheint mir die Verwendbar- keit des Stachelkreuzes bei Brachyuren für die Systematik (p. 61) 1) Untersuchungen zur Erforschung der genealogischen Grundlage des Crustaceensystemes. Ein Beitrag zur Descendenzlehre. Wien 1876, ?2) Bei Inachus scorpio dagegen habe ich mich davon überzeugt, dass bei der Embryonalhäutung die Borsten 5 und 6 gänzlich wegfallen, so dass bei der Zo&a auf 4 gleich 7 folgt. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 265 nicht ohne Bedenken. Die von Claus für eine Dromienzoea an- gesprochene (p. 68) Larve hat nach den Abbildungen (Tab. XIV. Fig. 6 und 12) eine wesentlich andere Gestalt, als ich sie bei den frisch ausgeschlüpften Zo&en der Dromia vulgaris beobachtete. Vom Schwanze der Palaemonzoa heisst es (p. 44), er hat die „primäre, an den Phyllopodenschwanz erinnernde Form längst verloren und stellt eine verbreiterte, am bedornten Hinterrande wenig ausgebuchtete Platte dar“. Man sieht, wie Claus auf einem ganz andern Wege zu ebendemselben Resultate gelangt ist: Er fasste die Stammform der Dekapoden selber in’s Auge, ich habe mich auf die Zo&en beschränken müssen. Diese Ueberein- stimmung spricht zu Gunsten der angewendeten Methoden. Auch der Umstand dürfte in’s Gewicht fallen, dass meine lediglich auf Form und Bedornung des Zo&enschwanzes getroffene Anordnung der Dekapoden von derjenigen, zu welcher Claus auf Grund seiner umfassenden Untersuchungen gekommen ist, nirgends abweicht. Denn dass Jener die Anomuren als „systematische Einheit unhalt- bar“ nennt (p. 61), indess ich die Makruren aufgelöst haben möchte, läuft bei näherer Betrachtung auf eins hinaus. In beiden Fällen wird der grosse Abstand der Cariden von denjenigen Deka- poden, welche nicht entschiedene Brachyuren sind, in den Vorder- grund gestellt. Von besonderem Interesse ist mir schliesslich noch der Nachweis, dass die Zo&a nie als geschlechtsreife Form existirt hat, wie ich es nur vermuthungsweise hinstellen konnte. Die gehaltvolle Arbeit von Brocchi!) bringt einige Angaben über die Form des Spermas bei den Dekapoden. Die Samenfäden von Pagurus striatus werden in Fig. 39 und die von Eupagurus Prideauxii in Fig. 42 wiedergegeben. Erstere sind offenbar im unreifen Zustande gezeichnet; in Betreff der letzteren heisst es pag. 39 ausdrücklich: „Ces corpusceules spermatiques se presen- tent sous diverses formes suivant leur plus ou moins de develop- pement. Complets, ils sont formes d’un corps allong& presentant un renflement en haut et deux eils ä la base de ce renflement.“ Dies ist nun mit Bezug auf die Anzahl der ersteren Fäden nicht richtig, dafür aber entspricht die Abbildung des Spermas von Galathea strigosa ziemlich genau meiner Fig. 36 von Pagurus. Was ich oben 8. 203 andeutete, dass die Samenfäden vielleicht erst im oder am Körper des Weibchens ihre völlige Reife erreichen 1) Brocechi, recherches sur les organes genitaux mäles des Crustacds de- capodes. Annal. Science. nat. 6. ser. II. Zool. 1875 art. Nr. 2, tab. XIII—- XIX, 966 Paul Mayer, dürften, hat übrigens für die Brachyuren schon der von Brocchi eitirte Hallez !) ausgesprochen. Die Begattung hat Brocchi nicht beobachtet. Nicht besser ist es auch Hesse?) ergangen, der über- haupt in seinen biologischen Notizen über Paguriden nicht viel Neues bringt. Seine Darstellung der Ontogenese von Clibanarius misanthropus enthält Nichts von Werth; die Zo6a dieses Krebses hat nach der Zeichnung (Tab. V. Fig. 2) einen Gabelschwanz, weicht also von ihren nächsten Verwandten ab. Bei der Zählung der Borsten ist natürlich die 6. übersehen worden. Die schon oben p. 208 erwähnte Lücke in unserer Kenntniss von den Kittdrüsen hat M. Braun 3) erfolgreich ausgefüllt. Er weist nach, dass bei Astacus jederzeit, nicht nur während der Periode der Eiablage, am Schwanze gut entwickelte Kittdrüsen vorhanden sind, deren Ausführungsgänge ein Durchschwitzen des Safles durch das Chitin überflüssig machen. Ganz vor Kurzem hat .er in einer zweiten Arbeit) denselben Gegenstand eingehender behandelt und gezeigt, wie die Kittdrüsen ebensowohl am Ab- domen selber wie an den falschen Füssen vorkommen. Bei Pagu- rus maculatus findet sich an den letzteren „ein ganzer Strang von rundlichen Drüsen..... Zu jeder Drüse lässt sich leicht der lange, die Chitinhaut durchbohrende Ausführungsgang entdecken“. Berlin, 12. April 1877. ') Hallez, note sur le developpement des spermatozoides des Decapodes brachyures. Comptes rendus Nr. 4, 27 juillet 1874, p. 243. ?) Hesse, description des Crustacds rares ou nouveaux des cötes de France. 25. article. Annal, Scienc. nat. 6. ser. Ill, 1876 art. Nr. 5, pl. V, VI. ®) M. Braun, über die histologischen Vorgänge bei der Häutung von Astacus fluviatilis. Arb. d. zool. zootom. Instit. zu Würzburg Il, 1875, p. 121 —163, tab. VIII, IX. *) Zur Kenntniss des Vorkommens der Speichel- und Kittdrüsen bei den Dekapoden. Arb. d. zool. zootom. Instit. zu Würzburg III, 1876, p. 472— 479, tab. XXI. Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 267 Erklärung der Abbildungen. Die Figg. 1—43 betreffen Eupagurus Prideauxii. Mar XI. Figg. 1—12 sind bei 40facher Vergrösserung gezeichnet. Figg. 1- 6 und 12 Schnitte und zwar: Fig. 1 durch das Ei im Stadium mit 8 Kernen. Fig. 2 durch das Ei im ersten Hig»3an,; ey dritten Fig. 4 „ » » » Vierten > Furchungsstadium. Hie..an or aussekunften Eis; Gnnil,, »„ » » Siebenten Fig. 12 durch das Ei mit Keimscheibe nach Ablauf der Furchung. Figg. 7-11 sind Oberflächenansichten von frischen Eiern, Fig. 7. Stadium mit 8 Kernen, die zu je zwei und zwei gruppirt sind. Fig. 8. Zweites Fig. 9. Drittes f Fig. 10. Fünftes Furchungsstadium. Fig. 11. Sechstes Figg. 13—18 bei 57facher Vergrösserung gezeichnet, sind Oberflächenansichten von gehärteten Biern. Auf die Blastodermzellen, welche den Dotter be- decken, ist keine Rücksicht genommen worden, so dass sich der Embryo scharf abhebt. Fig. 13. Anlage der Gastrula. Fig. 14 und 15 stellen dasselbe Ei in zwei verschiedenen Lagen dar. Stadium der Kopfanlagen, Fig. 16. Ein etwas weiter vorgerücktes Stadium, in welchem die Verbindung zwischen Gastrula und Kopf im Entstehen ist. Fig. 17. Stadium, in welchem sich die Verbindung schon vollzogen hat, Fig. 18, Stadium, welches dem Nauplius nahe kommt. Die vorderste, halb- mondförmige Oeffnung ist der Mund. Figg. 19—32 in 120facher Vergrösserung nach Schnitten. In Figg. 20—28 ist der Dotter hell gelassen. Fig. 19. Keimscheibe (entsprechend Fig. 12), Im Dotter ist das Protoplasma- netz gezeichnet. Fig. 20. Gastrula (entsprechend Fig. 13). Fig. 21. Halbgeschlossene Gastrula. Fig. 22. Anlage des Entodermes. Fig. 23. Anlage des Mesodermes und der Schwanzfalte (entsprechend Fig, 16), 268 Paul Mayer, Fig. 24. Gastrula in der Tiefe quer durchschnitten, Man sieht in der Nähe der Gastrula die Entodermkerne. Fig. 25. Gastrula von oben mit den sie umgebenden Blastodermzellen. Taf. XIV, Figg. 26 u. 27. Schnitte durch die Anlagen des Vorderkopfes in den Stadien, welche die Figg. 16 u. 17 darstellen. Fig. 28. Schnitt durch das ganze Ei im Naupliusstadium. Man sieht den Schwanz und die Bauchseite des Embryo quer durchschnitten. Fig. 29. Stadium, in welchem sich das Hautsinnesblatt am Rücken zu bilden beginnt. Der Schnitt hat den Schwanz und drei Beinpaare, das Rücken- schild, das Nervensystem und die Anlage des Darmdrüsenblattes getroffen. Der Dotter ist im Zustande der Auflösung, was sich durch die grossen Blasen verräth. Nahe den Zellen des Entoderms körniger, in der Figur dunkel gehaltener Detritus, Die Mesodermzellen sind der Dentlichkeit halber nicht so flach gezeichnet, wie es der Wirklichkeit entsprechen würde, Fig. 30. Ein Ei in einem weiter vorgerückten Stadium ebenfalls im Quer- schnitt, welcher oben die Augen, unten die Fortsätze des Rückenschildes getroffen hat. Das Entoderm ist noch nicht geschlossen, aber schon in Leberblasen und Magen geschieden. Der Rest des Dotters ist schrafhirt, der Detritus dunkel gehalten. Wegen des Mesoderms vergl. Fig. 29. Fig. 31. Längsschnitt durch das Ei in ungefähr dem nämlichen Stadium wie Fig. 29 es zeigt. Die Communication zwischen dem unfertigen Magen und dem Hinterdarme ist bereits vorhanden. In letzterem liegen drei Concretionen. Wegen des Uebrigen vergl. Fig. 30. Fig. 32. Schnitt durch eine Zoda in der Höhe des hinteren Theiles der Augen. (Der Schnitt ist etwas schräg ausgefallen.) Die zwei seitlichen Leberblasen zeigen nur noch einen kleinen Dotterrest, die beiden oberen, dicht am Oesophagus gelegenen sind erst zum Theil ausgebildet und noch mit Detritus und vielem Dotter erfüllt. Im Oesophagus sieht man die Auskleidung mit Chitinhaaren. Fig. 33. Ein Theil des Hinterdarmes mit Concretionen (vergl. Fig. 31) in 360facher Vergrösserung. Fig. 34. Das „Naupliusauge‘ einer Zo&a in frischem Zustande bei 360facher Vergrösserung. Fig. 35. Schnitt durch einen Theil eines Ovarium mit halbreifen Eiern. Bei zwei Eiern ist die Streifung des Protoplasma und das Follikelepithel ge- zeichnet. Vergrösserung 57fach. Fig. 36. Zwei Samenfüden in frischem Zustande bei 500facher Vergrösserung (Zeiss Immersion II). Fig. 37. Oberflächenansicht einer Zelle von einem gehärteten Ei im 6. Fur- ehungsstadium. Vergrösserung 360fach. Fig. 38. Eine ähnliche Zelle durchschnitten. Fig. 39 und 40 stellen Eier dar, welche sich im 6. resp. 7. Furchungsstadium befinden. Durch die Behandlung mit dampfförmiger Ueberosmiumsäure haben sich_die Zellen schärfer abgehoben und die Dotterkörnchen dunkel gefärbt. Diese lassen in Fig. 39 nur den mittleren Theil der Zelle frei, bilden dagegen in Fig. 40 einen Ring in jeder Zelle. Vergrösserung 57fach, Zur Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. 269 Fig. 41. Einige Gruppen von Entodermkernen, welche in einem Schnitte wie Fig. 28 zu sehen sind. Vergrösserung 306fach. Taf. XV. Figg. 42-59 sind Abbildungen der Schwanzplatten bei verschiedenen Em- bryonen und Zoden. Die Vergrösserung ist, wo nicht anders angegeben, eine 57fache. Figg. 42 und 43. Eupagurus Prideauzii. Fig. 42. Zo&a. Borsten 6 und 7 ohne Fiedern, Fig. 43. Embryo ("?%/,). Borste 7 fiederlos. Figg. 44 und 45. Maja verrucosa. Fig. 44. Zoea. Nur Borsten 1—3 befiedert. Fig. 45. Embryo. Nur Cuticula von Borste 4 nackt. Fig. 46. Zo&a von Dromia vulgaris. Nur Borste 7 nackt. Fig. 47. Zo&a von Pilumnus hirtellus (!?0/,). Borsten 1—3 befiedert, 4 mit Dörnchen. Fig. 48. Zo&a von Lambrus angulifrons ("?°/,). Borsten 1-3 befiedert. Fig. 49. Zo&a von Palaemon serratus Borsten 6 und 7 nur innen befiedert. Figg. 50—52. Dorippe lanata. Fig. 50. Zo&a. Borste 4 stark bedornt. Fig. 51. Junger Embryo (?%/,). Cuticula von Borste 1 und 4 ohne Fiedern. Fig. 52. Embryo nahe dem Ausschlüpfen. Rechts hat sich Borste 4 ausge- stülpt. Figg. 53—56. Calianassa subterranea. Fig. 53. Zo&a. Befiederung nur rechts gezeichnet. Nur der Medianstachel und Borste 7 nackt. Fig. 54. Junger Embryo (?°%/,). Gabel deutlich ausgeprägt. Befiederung fehlt. fig. 55. Aelterer Embryo ('?/,). Links ist neben Borste 1 der Medianstachel zu sehen. Fig. 56. Embryo dem Ausschlüpfen nahe ('?%/,). Die Borsten noch sämmtlich eingestülpt. Fig. 57. Zo@a von Gebia littoralis (*?/,). Mit Börstehen auf der Platte. Fig. 58. Embryo einer Squilla mit der Jugendform Alima (?%/,). Die dop- pelte Cuticula ist zu sehen. Fig. 59. Erichthus einer Squilla. Alle Borsten nackt. Bd} XI. N: F. IV: 2. 19 Geographie der Laubmoose Thüringens. Von A. Röse. Hierzu Tafel X uw [xe) »-oouSnoarm HR 1 Purovor%» 284 A. Röse, Transp. 248 Museci schizocarpi: Andreaeac. 2 (2) Sphagna: Sphagnae. 11 (11) Sa. 261 Species. Charaktermoose der Ill. Region (32): Weisia dentieulata (Annathal b. Eisenach, unter dem Inselsberg, Dietharz). „ eirrhata (Felsenthal, Ruhla). Dichodontium pellueidum]| 5 graiclese. Dieranella subulata (Felsenthal b. Taberz). 3, fulrum (Drusenthal). Campylopus fragilis (Meissenstein b. Ruhla). .. turfaceus Mülleri (Felsenthal). Blindia acuta (Landgrafenschlucht, Dietharzer Grund). Eueladium vertieillatum (Altenstein, Wartberg). Barbula vinealis (Wartburgfelsen). Grimmia montana (Felsenthal, Ungeheurer Grund). Racomitrium patens (Desgl.) he heterostich. alopecur. (Landgrafenschlucht). Cosiinodon pulvinatus (Ilmenau). Zygodon viridissimus (Schlotstein b. Winterstein). Webera elong. macrocarp. (Annathal, Felsenthal). Bryum argenteum julaceum (Drusengrund). „ turbinatum (Tanzbuche, Strenge). Bartramia Oederi (Hohesonne und Wilhelmsthal). Neckera Menziesii (Dietharzer Grund). Pseudoleskea ceatenulata (Wartberg, Thal). Pterigyn. graeile (Schwarzathal, Landgrafenschlucht). Orthotheeium intrieat. (Annathal). Brachythee. saleb. brevipil. (Wartberg, Zimmerberg). r plumos. hornomall. (Johannisthal b. Eisenach). Eurhynchium velutinoides (Zimmerberg). crassinerv. (Wartberg, Wartburg). Vaucheri (Wartburg). „ Be, Ka Annathah): (Landgrafenschlucht b. Eisenach). ” Geographie der l.aubmoose Thüringens. 285 Hypnum ochraceum (Silbergrund, Schwarzathal). Andreaea rupestris (Felsenthal, Ungeheurergrund, Dietharz). IV. Region, Unterlage im Wesentlichen wie in voriger Region (Porphyr, Rothliegendes, Melaphyr, Grauwacke), nur kommen ausgedehnte Hochmoore mit eigenthümlicher Vegetation hinzu. Diese Region beginnt etwa mit der mittleren Erhebung des Rennstiegs und umfasst die höchsten Kuppen des Gebirgs- kammes in drei getrennten Gruppen: 1) Inselsberg (2820), 2) Beer- berg (3028°), Schneekopf (3010°), Finsterberg (2912') und Sommer- bachskopf (2910') als Hauptstock des ganzen Gebirges, und 5) Wurzelberg (2675'), Sandberg (2575); Hoheschoss (2532) im süd- östlichen Theile. Die Vegetation zeigt im Allgemeinen den Uebergang zum subalpinen Charakter; Fagus, Pinus und Sorbus in freien Lagen nur mit verkrüppeltem Baumwuchse. Die Mooswelt repräsentiren 175 Species, unter welchen 22, theilweis als die grössten Selten- heiten, nur in diesen Höhen auftreten und als die letzten, dürf- tigen Reste der vorzeitlichen Gletscherperiode anzusehen sind. Hierher gehören: Weisia crispula (Beerberg). Dieranum Schraderi (Hochmoore auf dem Beerberg und Schnee- kopf). Grimmia Schultzii \ (Inselsberg). contorta n Doniana (Beerberg). Racomitrium sudeticum (Schneekopf). Payloria serrata E } (Beerberg, Sommerbach). Splaehnum sphaericum Oligotrichum hereynieum (Oberhof). Pogonatum alpin um (Beerberg). Leskea nervosa } (Inselsberg). Lescuraea striata Amblystigium fluviatile (Oberhof, Schmücke). Hypnum fluit. purpurascens (Hochmoore). „ uneinatum plumulosum (Beerberg, Inselsberg, Sandberg.) pallescens (Beerberg, Wurzelberg, Hoheschoss.) „ reptile (Schneekopf). „ molle (Hölle am Schneekopf, Quelle der wilden Gera). 0 Bd. xI. N. F. IV. 2, 2 286 A. Röse, Andreaea falcata (Inselsberg). Sphagnum laxifolium rubellum tenellum Es kommen in der IV. Region überhaupt vor: Musei acrocarpi: Phascaceae — (99) Bruchiaceae — Weisiaceae 17 Leueobryac. 1 Fissidentac. 1 Seligeriac. 2 (Hochmoore auf dem Beerberg und Schneekopf.) Pottiaceae 9 Grummiac. 31 Schistostegae. — Splachnaec. 2 Funariac. 1 Bryaceae 25 Polytrichiae. 9 Buxbaumiae. 1 Musei pleurocarpi: Fontinalac. 1 (61) Neckeraceae 5 Hookeriac. — Leskeae. 7 Fabroniac. — Hypnae. 48 Muse. schizocarpi: Andreaeac. 2 (2) Sphagna Sphagnaceae 15 (13) Summa 175 Species. Vergleichen wir schliesslich die I. und II. Region (Thüring. Mulde) mit der III. und IV. (Thüring. Wald) als zwei in sich ab- geschlossene Glieder des Gebietes, so zeigen dieselben, wie be- reits oben angedeutet, auch in ihrer Moosvegetation scharfe Gegen- sätze. In dem weit kleineren Areal des Thür. Waldes (47UM.) treten mehr ausschliessende Charakterformen auf, als in dem un- gleich grösseren der Thür. Mulde (195 DIM.), und der Grund dieser Erscheinung liegt offenbar einestheils in der raschen, schmalen, verticalen Erhebung, anderntheils in dem mannigfachen Gesteins- wechsel des Gebirges gegenüber der weitausgebreiteten, niederen Hügellandschaft mit den einförmigeren Triasformationen. Geographie der Laubmoose Thüringens. In der Thüring. Mulde kommen ausser den bereits aufge- führten Charakterformen der I. (12) und II. (44) Region, bei- den gemeinschaftlich, nachfolgende (34), also in Sa. 90 Species vor: Ephemerum serratum Mierobryum Floerkean. Sphaerangium muticum 5 triquetrum Phascum cuspidatum eurvicollum bryoides Pleuridium nitid. subulat. Systegium erispum Gymnostom. microstom. Dieranella Schreberi varia rufescens Pharomitrium subsess. Pottia cavifolia minutula Heimii Dahingegen erscheinen im Thür. Walde ausser den in III. (32) und IV. (22) Region ausschliesslich auftretenden Moosen noch Anacalypta lanceolata Trichostom. tophaceum Barbula rigida unguigulata papillosa Orthotrich. obtusifol. pumilum fallax diaphan. Physcomitr. sphaerie. pyriform, Webera carnea Bryum atropurp. Leskea polye. palud. Brachythee. albie. Hypnum palustre. folgende gemeinsam (42), also in Sa. 96: Weisia fugax Cynodont. polycarp. strumifer. Dieranella squarros. Dieranum longifol. fuscese. Dieranodont. longirost. Campylop. flexuos. Brachyodes trichodes Campylostel. saxicol. Didymod. eylindrie. Leptotrich. vaginans Grimmia Hartmani ovata Racomitrium protens. Racomitrium fascieul. ericoides Amphorid. Mougeotii Ulota Hutschin. Orthotrich. Sturmii Tetrodontium Browian. Webera elongata Bryum Duvalii turbin. latifol. Bartramia pom. erispa Halleriana Pseudolescea atrovir. Heteroclad. heteropter. Pterygynandr. filiform. Brachythee. reflexum 20* 288 A. Röse, Brachythee. Starkii Hylocomium brevirostre Eurhynehium myosuroid. Andreaea petrophila Plagisthee. Schimperi Sphagnum acutifolium sylvatic. Var tenell. Hypn. uncinatum purpur. Hylocom. umbratum fuscum Der Gegensatz zwischen diesen beiden Gebieten zeigt sich ferner noch in dem Umstande, dass nur verhältnissmässig wenige Formen aus ]J. und IL. auch zugleich in der untern Bergregion (III.) vorkommen, nämlich: (20) Fissidens bryoides Thuidium delicatulum incurvus abietinum faxifolius Pylaesia polyantha Barbula fallax Camptothee. lutescens subalata Brachythee. glareosum Grimmia pulvinata Eurhyngium praelong. Bryum pendulum Amblysteg. serpens argenteum riparium Pogonatum nanum Hypnum chrysophyllum Leskea polycarpa cordifolium. Mehr Formen treten dagegen aus den Gebirgsregionen (III und IV) in die Hügelregion (II) zurück. Es sind dies meisten- theils solche, deren Existenz weniger von der Meereshöhe mit entsprechendem Klima, als vielmehr von der chemischen Zusam- ımensetzung der Unterlagen (Kalk, Kiesel, Moor) abhängig erscheint, und die also hier wie dort gleiche Lebensbedingungen finden, oder überhaupt sich gegen alle diese Einflüsse indifferent ver- halten. Hierher gehören (68): Cynodontium Bruntoni Ulota Ludwigii Dieranum cerviculat. Bruchii montan. crispa palustre erispula Distichum eapillaceum Orthotrich. stramin. . Leptotrich. tortile Tetraphis pellue. homomallum Encalypt. eiliata Grummia commutatum streptoc. Racomitr. heterost. Leptobryum pyrifor. lanuginos. Webera nutans canescens eruda Hedwig. eiliata Bryum intermed. Geographie der Laubmoose Thüringens. 289 Bryum erythrocarp. capillare Mnium affıne rostrat. horneum stellare punctatum Aulacomn. androgyn. palustre Bartramia ityphylla pomiformis Philonotis fontana Pogonat. aloides urnigerum Polytrich. formosum pilifer. strietum Diphyse. foliosum Neckera crispa Neckera complan. Antitrich. eurtipend. Anomod. longifol. Thuidium tamarise. Brachythee. rivulare populeum plumos. Plagisthee. silesiac. Roeseanum undulatum Amblysteg. irriguum ß fallax Hyp. exannul., molluse. Crista-castr., purum, stramin., loreum Sphagnum acutifol., Girgensohn. cuspidat., teres rigidum, subsecund. cymbifolium. Werfen wir endlich noch einen Blick auf diejenigen Moose, welche sich durch alle vier Regionen des Gebietes erstrecken, so sind es theils solche, die überhaupt und allenthalben einen indiffe- renten kosmopolitischen Charakter zeigen, theils solche, die als No- maden von wechselndem Aufenthalte, wie die Ruderalpflanzen und Culturunkräuter, wie Schwalbe und Sperling, den Menschen treu be- gleiten, wohin er sich auch wende, und die allerwärts die Bedin- gungen ihres meist ephemeren Daseins finden, wo menschliche Cultur ihnen eine Stätte bereitet. Weisia viridula Dieran. heteromall. scoparium Leucobryum glauc. Fissid. adianth. Pottia truncata Ceratodon purpur. Barbula muralis ruralis Grimmia apocarpa Orthotrich. affıne specios. Encalypt. vulgaris Es sind folgende (43): Funaria hygrometr. Bryum bimum caepitic. pseudotrig. Mnium undulat. Atrichum undulat. Polytrich. commune Fontinalis antipyretiec. Homalia trichom. Leucodon seiuroid. Anomod. attenuat. vitieulos. Climaecium dendroid. 290 A. Röse, Geographie der Laubmoose Thüringens. Isotheeium myurum Homalothec. sericeum Camptoth. nitens Brachythec. velutin. rutabulum Eurhynch. striatum Rhynchosteg. ruseiform. Plagiothee. dentiecul. Amblysteg. subtile Hypn. stellatum filiein. cupressiform. euspidat. Schreberi Hylocom. splendens squarrosum triquetrum. Systematisch - statistische Uebersicht der Thüringischen Laubmoose. I. Systematische Uebersicht der Thüringischen Laubmoose. Mit Angabe ihres Vorkommens in den aufgestellten IV Moosregionen (nach Schimper’s Sinopsis muscor. europaeum). Von A. Röse. | IIE.} EV. Musci acrocarpi. Ordo I. Cleistocarpi. Trib. L-Phaseaceae. Fam. Ephemereae Ephemerum serratum Ephemerella recurvifolia Physcomitrella patens Fam. Phasceae Microbryum Floerkean. Sphaerangium muticum triquetrum Phascum ceuspidatum e. Var. bryoides eurvicollum Trib. IL. Bruchiaceae Fam. Pleuridieae Pleuridium nitidum subulatum alternifolium Sporledera palustris ++ ++4++ +44+4+4+ +++ 1 ++4++++ 292 A. Röse, [REM] ae Ve Ordo II. Stegocarpi. Trib. I. Weisiaceae. Fam. Weisieae Systegium erispum Gymnostom. rostellatum microstom. squarrosum tenue Weisia viridula e. Var. mucronata Weisia fugax c. Var. dentieulata erispula eirrhata | Var. saxicola | Fam. Dieraneae Cynodontium Bruntoni palycarpum ß. strumifer. Dichodontium pellueidum ß. gracilese. Dieranella cerispa Schreberi squarrosa cervieulata e. Var. varia rufescens subulata eurvata ? heteromalla Var. sericea Dieranum montanum flagellare longifolium fulvum fuscescens fragilifol. scoparium ce. Var. | palustre | een rn I+++++++ “ I++ + ++ + I+ | | +++++ ee Ts er 4 ee + | | ++ I++ II I4+++ 8 Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens. Schraderi spurium undulatum Dieranodontium longirostre Campylopus flexuosus ß. Mülleri fragilis turfaceus Trib. H. Leucobryaceae. Leucobryum glaucum Trib. III. Fissidentaceae. Fissidens bryoides exilis ineurvus ß. pusillus (Fissidens) crassipes osmundioides taxifolius adianthoides Trib. IV. Seligeriaceae. Fam. Seligerieae. Anodus Donianus Seligeria pusilla tristicha recurvata Brachyodus trichodes Campylostelium saxicola Blindia acuta Trib. V. Pottiaceae. Fam. Pottieae. Pharomitrium subsessilis Pottia cavifolia e. Var. minutula ce. Var. truncata e. Var. Heimii Anacalypta Starkeana caespitosa +++ ++ + | ++++++ 293 | 2. EB Nav. 1 | + ++ — +|+1- —-— | +/+ ++ —|+|1— —|ı+|'—- | — | — ++! + ++ ı+/|+1- +'+|1— +!1+|— er eirglgrre|ete SE ++ en +/+|— I+|I-+|-— BE ee ns '—|+J+ ee Hefe Be a a re | + eis | — | — = I+1—-|1— A. Röse, (Triehost. pallidi- setum H. M.) lanceolata Didymodon rubellus cordatus Jur. cuspid. Schim. eylindrieus Eueladium vertieillatum Fam. Distichieae Distichum capillaceum Fam. Ceratodonteae. Ceratodon purpureus Triehodon eylindricus Fam. Triehostomeae. Leptotrichum tortile 8 ß. pusillum homomallum vaginans flexicaule pallidum Triehostomum rigidulum tophoceum Barbula rigida brevirostris ambigua aloides unguigulata c. Var. fallax ec. Var. vinealis p. campest. gracilis Hornschuchian. revoluta convoluta inelinata tortuosa squarrosa muralis c. Var. subulata | I+++t++H+ | | a ee +++ | It+t+t++l+ ++ + ++ CE | III. Al Be ++ l4+4+++ | IV. Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens, TI |: Te Barbula papillosa Fam. Cinclidoteae latifolia ruralis Trib. VI. Grimmiaceae. Cinelidotus fontinalis Fam. Grimmieae Grimmia conferta apocarpa c- Var. plagiopodia obrieularis pulvinata c. Var. Sehultzii contorta Hartmanni Doniana ovata ec. Var. leucophaea commutata montana Racomitrium patens Fam. Hedwigieae aciculare ß. rivularis protensum sudeticum heterostich. ß. alopecur. fascieulare lanuginosum canescens ß. ericoides Hedwigia eiliata Fam. Ptychomitrieae Coseinodon pulvinatus Fam. Zygodonteae Amphoridium Mougeotii Zygodon viridissimus - -- I+++++ +! HI +++++ | Ei | IRrle-F| ern een Be + I + +4+4++ 44H 14 | E=E 296 A, Röse, |. ne na any Fam. Orthotrichieae Ulota Ludwigii Hutschinsiae Bruchii crispa erispula Orthotrichum eupulatum Sturmii obtusifolium pumilum fallax affıne patens speciosum rupestre stramineum diaphanum leiocarpum Lyelii (i+ E£IE TER IE EHE Le ee III FI FI + I IF I +++ ++ Fam. Tetraphideae Tetraphis pellueida - Tetrodontium Brownian. | — Fam. Enealypteae | | Encalypta vulgaris + eiliata — | streptocarpa — Trib. VOL. Schistostegeaceae Schistostega osmundacea — Trib. VIH Splachnaceae Tayloria serrata — Splachnum sphaericum — ji ampullaceum Ma BI a Trib. IX. Funariaceae | Fam. Physeomitrieae | Pyramidula 'tetragona — Physcomitrium sphaericum r pyriforme + Entosthodon faseiculare En Funaria hygrometrica + +++ ++ t +44 44 22 442 De ee + +++ | | ++ al — Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens 297 7 | De AIR IeENE Trib. X. Bryaceae | | | Fam. Bryeae | | Leptobryum pyriforme | | ++ | _ Webera elongata 2 | ze ß. macrocampa | — | — | + | — nutans ce. Var. acer, ee cruda Ze enge annotina un Ze) Aus carnea Zen au albicans ee une Bryum pendulum Se inelinatum rn intermedium eurer bimum SE ee pallescens zur erythrocarp. ae AL atropurpur. | -F | — | — argenteum l+| + | ß. julacum a ee alpinum ha caespiticium A capillare en pseudotriquetr. ea | pallens ang Duvalii zen tere turbinatum —|— | +| — ß. latifol. gr 2) roseum Te Fam. Cylindrotheceae Lescuraea striata —- | —- | —-| + Platygyrium repens —|+|[—- | — Cylindrotheeium econeinnum | — | + | — | — Climacium dendroides +|+|/+|J+ Fam. Pylaesieae Pylaesia polyantha +/|+1+1- Fam. Hypneae Isotheeium myurum +|+|I+!'+ Orthotheeium intrieatum m Homalotheeium sericeum Ii+1+1+|J+ 298 A. Röse, Fam. Hypneae Camptothecium lutescens Brachytheeium salebrosum | Eurbynchium Rhynehostegium tenellum Teesdalii depressum confertum rotundifolium murale megapolitanum ruseiforme Thamnium alopecurum Plagiotheeium latebricola | nitens ß. brevipilum glareosum Mildeanum albicans velutinum reflexum Starkii rutabulum rivulare | populeum plumosum Var. homomall. | myosuroides strigosum striatum velutinoides erassinervium Vaucheri piliferum praelongum Var.atrovirens Swartzii Stockesii silesiacum dentieulatum Pas ++ I +++ + I ++ ++ I +44 | een) I++++4 | IH I FI ++H+t+HHH I I Siystematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens. 299 | 2 |.IE. 20. Plagiotheeium Roeseanum Schimperi sylvaticum undulatum Amblystegium subtile confervoides serpens irriguum Var. fallax fluviatile riparium Juratzkanum Hypnum Sommerfelti ehrysophyllum stellatum Wilsoni Sendtneri exannulatum fluitans Var. purpuras. uneinatum Var. plumulosum commutatum filieinum rugosum incurvatum pallescens reptile curpressiforme e. Var. pratense arcuatum Mnitm euspidatum affine P. elatum undulatum rostratum hornum serratum spinosum - IH HH tt HH Hl HH HH HH | I+++H+ 1 | ItF++H+ I + I ++ HH+tt+tHtHtHr+ + I +++ I HI +++ +++ +44 | ++44+4++++ | +++++ I+++ 1 ale | als IH +++ +++ | I++++ | 300 A. Röse, It a: Mnium spinulosum ni punctatum — stellare = ++ | ++ Fam. Meesieae Meesia uliginosa _ tristicha — Paludella squarrosa = Fam. Aulacomnieae Aulacomnium androgyn. — palustre == Fam. Bartramieae Bartramia ityphylla _ pomiformis — ß. erispa — Halleriana — Oederi -- Philonotis fontana — calcarea _ Trib. XI. Poytrichiaceae Atrichum undulatum + angustatum — tenellum = Oligotrichum hereynicum — Pogonatum nanum -H aloides — urnigerum alpinum — | Polytrichum graeile _ formosum _ piliferum _n Juniperinum E— strietum — commune —- I+++4+4++ 44 +1 | IH I++++ ++ Trib. Buxbaumiaceae Diphyscium foliosum = Buxbaumia aphylla — indusiata — a ee ee ee een, - II+ ++ I +41 +++ + 14 +++ +H+t+H+H I HH + I I 4 Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens. 301 Teer Ord. II. Musci pleurocarpa. | | Trib. I. Fontinalaceae | Fontinalis antipyretica == | +++ Trib. Il. Neckeraceae Fam. Neckereae Neckera pennata —/+|1 +1 — crispa - | +++ complanata -|+!+|J+ Menziesii a a a Homalia trichomanoides Ei Eee Fam. Leucodonteae Leucodon seiuroides I | ee Antitrichia eurtipendula — rg Trib. II. Hookeriaceae Hookeria lucens — lei Trib. IV. Leskeaceae Fam. Leskeeae Leskea polycarpa ++! +1|1—- ß. paludosa a ey nervosa — ae Anomodon longifolius use attenuatus +|+ +) + viticulosus +| + ++ Fam. Pseudoleskeeae Pseudoleskea atrovirens al ee catenulata — N A Fam. Thuidieae Heterocladium dimorphum a N SM heteropterum | — | — | + | + Thuidium tamariseinum — 4 | delicatulum en abietinum ee Trib. V. Fabroniaceae Anisodon Bertrami — +|_|—- Trib. VI Hypnaceae Fam. Pterogonieae Pterogonantrum filiforme — | —-ı+j + Pterogonium gracile — 1 —- | + | = Hypnum molluscum —/+[ + | —- Ba, XT N. F,TV. 2 21 rn \ın. | ie Hypnum Crista-castrensis palustre molle ochraceum cordifolium giganteum cuspidatum Schreberi purum stramineum Hylocomium splendens umbratum brevirostrum squarrosum triquetrum loreum Ordo III. Musci schizocarpi. Trib. Andreaceae Andreaea petrophila rupestris faleata Sphagnaceae. Sphagnum acutifolium Var. tenellum purpur. fuscum timbriatum (Girgensohnii) cuspidatum Var. plumos. recurvum teres rigidum subseecundum rubellum tenellum (molluscum) eymbifolium Sa. 374 der Thüring. Laubmoose | 110 2681261 |1 ll Pu en ea it +++] - - I|+|-|— +l+|+1# +/+/+1+ -—|+/+|+ Sea SPOT Ma = | = sl = 2er ++) # + +/+!+/+ = jlapıl FEN BE a a — |-|+| — Al — bu le- 2 | —alze gez — =|+|+1|+ —|+|+|+ 2 || —|+)+|#% -/+/+|/+ 4\+/ ++ 2 eh EIER Te een [6 Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens. 30) Zusammenstellung nach Trib., Famil. und Regionen. Musci acrocarpi. | | | Phascaceae WER Zn) Ephemereae | 3 ee Phasceae 6 | bı | — Auarng- Bruchiaceae | | | Pleuridieae ZA en: Bruchieae pr a ı 21 4l— | — Weisiaceae | Weisieae | 3 "32 le 58 Dieraneae 5 | 17 | 20 | 14 8.12 24 | 17 Leubryaceae | | Leucobryeae Fl 1 1 1 Fissidentaceae | | Fissident. | 6 6 AB 6° 756 br Seligeriaceae Fee | | Seligerieae —| 4| 4| — Blindieae u | 1| — Brachyodonteae | — | — Ware | = Ta rlL2 772 Pottiaceae | | | Pottieae 10: 06 janA: 52 Distichieae [— |: 4,1474 Ceratodont. BT 2282 Triehostom. 9235 7.43.19 20 | 34 | 20 | 9 Grimmiaceae | | Cinelidoteae ı11-|—-| — Grimmieae 2 | 10 | 16 | 15 Hedwigieae Ze Ptychmitrieae I-|1-1|I1]|- Esser tt IE TS 304 A. Röse, IT IE. Transport | | Grimmiaceae 3 | eb Lei. Zygodonteae me: PB | Orthotrich. 6 | 16 | 13 | 3) Tetraph. —) 141 272 Encalypt. KEmer: | 3 101 31708 | 31 Schistostegaceae | | Schistosteg. — | 1]1 | _ sr] | 1 | 2 Splachnaceae | | Splachneae — 11—1!1141 Taylorieae —|—|— | 1 En 1 = | ® Funariaceae Physcomitr. 4: 4 | d 4) Ar er Bryaceae | | Bryeae 9.) 32 San Meesieae u | Aulacom. — 1.24 2a Bartram. 2 ee 97 4114713 Polytrichiaceae 3 Polytrich. 3...12 1 So DuRZENENErTIG. - Buxbaumiae. Buxbaum — Bl 1 A = | 3.] Ser Musei pleurocarpi: | Fontinalaceae | Fontinal. u IE RE I: | 1 | 1] UI Neckeraceae | | Neckereae 1 1 A Ne Leucodont. 1 | 2| 212 “= 2:1 Systematisch-statistische Uebersicht der Laubmoose Thüringens. 305 [| 2] EP mE Hookeriaceae | | | | Hooker. | — | 1.6.1 re | — | A | 1 or Leskeaceae | | Leskeeae 4 e 4, 4 Pseudolesk. —_ deaihlung | 1 Thuidieae 2.1084 | 4 | 2 6 | >90]720 | 7 Fabroniaceae | | Habrodont. ı— 11 — | — ee | Kor Hypnaceae | Pterogon. —I1—-| 2] Cylindroth. np» au]orral (2 Pylaesieae 4 | erg & Hypneae 27 | 4 | 7 b Museci schizocarpi: | | Andreaeaceae | | Andreaeae i—-|I-| 2 | 2 _|— | 2 (2 Sphagna: | | Sphagnaceae | Sphagneae | — PIE] 23 T zeRegor 1DT 18 Sa. Musci acrocarpi | 72 |173| 1531| 99 „ pleurocarpi | 38 | 86 | 95 | 61 „ sehizocarpi | —|ı— | DT \R Sphagna , 18°] 18 1101268 261 175 306 4A. Röse, System.-statist. Uebersicht der Laubmoose Thüringens. II. Uebersicht nach Familie, Gattung und Species. Familie, 7 | Sat. | Avekı | oof are 33 f | Gatt. | Spec. 1) Ephemereae 3 g| Transport | 611213 2) Phasceae 3 .6|30) Aulacomnieae 1) 28 3) Pleuridieae 1 3 |31) Bartramieae 2.) 7 4) Bruchieae 1| 1.182) Polytrichieae | 4| 14 5) Weisieae 3| 11133) Buxbaumieae | 2). 8 6) Dieraneae 7 30 Museci acrocarpi 701239 2 Leucebryene” | \_ 1 JnobeiylnHyontinalioae 1 1 8) Fissidenteae RO 35) Neckereae 9178 9) Seligerieae 2, *|36) Leueodonteae Pa - 10) Blindieae Al. d 37) Hookerieae 1.100 11) Brachyodont. 2 09 38) Leskeeae - ee > 12 139) Pseudolesk. 1 15) Distichieae 1| ad 40) Thuidieae DA: 14) Cerotodonteae PA a 41) Habrodont. Be. 15) Trichostomeae 3,28 49) Pterogon. | 9 16) Cinelidoteae 1 1 43) Cylindroth. A A 17) Pelunneae 2| 8 44) Pylaesieae 11. 19 Heise | 1 Ali nme. Lil 5 : Musci pleuroc. | 31] 118 20) Zygodonteae 202 21) Orthotricheae 3. 49 |46) Andreaeae 113 92) Tetraphideae DER Muse. schizoe. 11298 23) Encalypteae 1 on dj47),Sphagneae | 1] 44 24) Schistostegeae Drand Sphagna 1094 25) Splachneae Tone Summa: 26) Taylorieae krunddrnsl Muse. acrocarp. 70 1239 27) Funarieae Kehle „ pleuroe. 31!118 28) Bryeae | 4| 36 „ sehizoc. 1 | ie) 29) Meesieae | Zug Sphagna Brain. | 14 Latus 6112131 | 1031374 Ueber Leptodiscus medusoides, eine neue den Noctilucen verwandte Flagellate. Von Richard Hertwig. Hierzu Tafel XVII u. XVIM. Die kleine Familie der Noctilucen nimmt zur Zeit eine völlig isolirte Stellung in der Classe der Flagellaten ein. Am meisten nähert sie sich noch den mit einer Mundöffnung versehenen Arten, unterscheidet sich von ihnen jedoch durch zahlreiche Charaktere, so namentlich durch die Anwesenheit einer den Körper umhüllen- den Membran, welche die blasige Gestalt des Organismus bedingt, durch die Anordnung des Protoplasma in verzweigten und zu Netzen verschmelzenden Strängen, durch den Besitz des quer- gestreiften Flagellum und durch den eigenthümlichen Apparat des stabförmigen Körpers, dessen morphologische und physio- logische Bedeutung bis jetzt völlig unerklärt ist. Die ganze Familie wird nur von einem Genus gebildet, in dem zwar mehrere Arten unterschieden werden, jedoch mit sehr ungenügender Be- sründung. — Es war mir daher von grossem Interesse während eines Aufenthaltes am Meer, den ich im Winter 1876/7 in Messina genommen hatte, einen Organismus zu entdecken, der zweifellos zur Familie der Noctilueen verwandtschaftliche Beziehungen er- kennen lässt, sich von der bekannten Noctiluca miliaris aber so wesentlich unterscheidet, dass wir ihn zum Repräsentanten einer besonderen Gattung und Familie machen müssen. Ich nenne die neue Art wegen ihres scheibenförmigen, zarten Körpers Lepto- Bd, XI. N. F. IV. 3, 22 308 Richard Hertwig, discus medusoides; wie wir später sehen werden, vermittelt die- selbe in vielfacher Hinsicht den Uebergang von den Noctilucen zu den Flagellaten. Auf den L. medusoides wurde ich bei der Untersuchung der Radiolarien aufmerksam; ich fand ihn in Meerwasser, welches ich von der Oberfläche in grossen Gläsern geschöpft hatte, um unversehrte Acanthometren auf den Bau ihrer Gallerteilien zu untersuchen. In jedem Glas konnte ich sicher sein, ein oder mehrere Exemplare anzutreffen, so verbreitet war der Organismus während der ganzen Dauer des Winters im Hafen von Messina. In seiner gesammten Erscheinung gleicht der Leptodiseus so auf- fallend kleinen Medusen, dass die meisten Beobachter ihn wohl auch auf den ersten Blick hierfür halten würden. Wie manche Eucopiden und Trachynemiden, besitzt er einen sehr zarten, regel- mässig kreisrunden scheibenförmigen Körper, dessen Durchmesser im Mittel 1,2 Mm. beträgt (Fig. 1). Die kleinsten Formen, die ich aufgefunden habe, maassen nicht unter 0,6 Mm., während die grössten bis zu 1,5 heranwuchsen. Am dicksten ist die Scheibe in der Mitte, wo sie etwas buckelförmig hervorgewölbt ist, von hier aus verdünnt sie sich allmählich bis zu dem fein zugeschärften Rand (Fig. 2). Im Zustand der Ruhe ist sie wie ein flaches Uhr- glas gekrümmt und mit der concaven Fläche nach abwärts ge- wandt. Bis auf einen weisslichen Punkt in dem Centrum der Scheibe ist der Körper völlig wasserklar und durchsichtig; von der convexen Seite aus betrachtet zeigt er einen schwach irisirenden Schimmer. Noch überraschender wird die Aehnlichkeit mit kleinen Me- dusen, wenn unser Leptodiscus sich in Bewegung setzt. Wie bei den Medusen wird eine Ortsveränderung dadurch herbeigeführt, dass mittels kräftiger Contractionen die Wölbung des schirm- förmigen Körpers erhöht und somit Wasser aus der Schirmhöhle ausgepresst wird. In der Energie und Schnelligkeit, mit der die einzelnen Bewegungen erfolgen, steht der Leptodiseus keiner ein- zigen Meduse nach; wenn man ihn mit dem Glasstab berührt, schiesst er pfeilschnell wie ein Rhopalonema unter rasch auf- einanderfolgenden Stössen durch das Wasser, um, zur Ruhe ge- langt, dann wieder für längere Zeit mit weit ausgebreitetem Schirm zu flottiren. Die hierbei angewandte Schnellkraft ist so be- deutend, dass es dem Thiere zuweilen gelingt, aus der Glasröhre, in die es eingefangen wurde, zu entrinnen. Die stärkste Con- traction wird durch WUebergiessen mit Osmiumsäure hervor- Ueber Leptodiscus medusoides. 309 gerufen !) (Fig. 9); der Körper nimmt hierbei vollkommen die Gestalt einer Glocke an, die ungefähr anderthalbmal so hoch ist als breit und auf halber Höhe eine deutlich ringförmige Ein- schnürung zeigt. Wie bei den Medusen können auch kleinere Theile des Schirms eingeschlagen werden, oder die beiden Hälften des Kör- pers klappen wie die Schalen einer Muschel gegen einander. Sehr häufig werden die Ränder tütenförmig in querer Richtung etwas eingerollt und erzeugen so die Form einer unvollkommen geschlossenen Rinne (Fig. 14). Beim Absterben werden die Contractionen des Körpers un- regelmässig; es nimmt die Dieke der Scheibe auf Kosten ihres Durchmessers zu; an verschiedenen Stellen entstehen ringförmige Einschnürungen, während die dazwischen liegenden Partieen sich in blasige Hervorwölbungen erheben. Der Inhalt zerfällt zu einem Körnchenhaufen, so dass schliesslich der Körper eine uuregel- mässig höckerige, trübe Masse bildet, die keine Aehnlichkeit mehr mit der zarten durchsichtigen Scheibe des lebenden Thieres besitzt. Leider tritt der Tod bei den zur Untersuchung dienenden Exemplaren sehr rasch ein. Selbst im hohlgeschliffenen Object- träger beobachtet, stirbt der zarte Organismus schon nach wenigen Minuten ab. In kleinen Uhrschälchen, in denen ich Acantho- metren bei Verhinderung der Wasserverdunstung Tage lang lebend erhielt, fand ich isolirte Leptodiscen schon nach Verlauf einer halben Stunde todt. Wahrscheinlich gebrauchen sie bei ihren un- gestümen Bewegungen viel Platz, und ist es wohl weniger die Verderbniss des Wassers, welche den Tod herbeiführt, als die zahlreichen Stösse, welche die Thiere an den Wandungen des Gefässes erleiden. Dies macht es verständlich, dass ich trotz ihrer Häufigkeit keine lebenden Leptodiscen auf dem Wege der pelagischen Fischerei mit dem feinen Netz erhielt, sondern stets nur die kaum noch erkennbaren geschrumpften Körper derselben im Mulder nachweisen konnte. Die so ausserordentliche Empfindlichkeit des zarten Orga- nismus ist bei der Untersuchung sehr störend. Die Beschaffung 1) Osmiumsäure ist das einzige Reagens, welches den Leptodiscus in einer erkennbaren Gestalt conservirt; bei Behandlung mit Alkohol, Essigsäure, Goldehlorid dagegen schrumpft die Scheibe zu einem unkenntlichen runzeligen Körper, II Aw 310 Richard Hertwig, des Materials wird eine mühsame, da man nur beim Schöpfen des Wassers darauf rechnen kann, lebende Exemplare zu erhalten, vor Allem aber werden Celturen zum Studium der Entwicklungs- geschichte unmöglich gemacht. Da es mir auch sonst nicht gelang, in Fortpflanzung begriffene Individuen aufzufinden, muss ich mich auf eine Schilderung der Organisation beschränken. Am Körper des Leptodiscus haben wir folgende Bestandtheile zu unterscheiden: 1) eine Membran, welche den gesammten von einer hyalinen Grundsubstanz gebildeten Körper umhüllt und nur an zwei Punkten entsprechend dem Cytostom und der Aus- trittsstelle der Geissel unterbrochen ist; 2) ein in der Grundsub- stanz sich verbreitendes Protoplasmanetz, das ausser min- der wichtigen Bestandtheilen den Kern umschliesst; 3) ein Cytostom; 4) eine die systematische Stellung des Organismus bestimmende Geissel. Die Membran ist dünn und da, wo sie die concave Seite des Körpers überzieht, so weit ich erkennen konnte, structurlos; auf der convexen Oberfläche dagegen verdickt sie sich und wird auf dem optischen Querschnitt deutlich doppelt contourirt; ebenso besitzt sie hier eine feinere Structur. Von der Fläche gesehen, erscheint dieselbe als eine chagrinartige Zeichnung, indem helle Kreise dicht nebeneinander lagern (Fig. 7); die Kreise sind matt contourirt und enthalten im Centrum ein jeder eine dunkle scharf umschriebene Stelle; von der Seite betrachtet ist die Oberfläche der Membran leicht höckerig. Es scheint mir daher folgende Erklärung der Structur berechtigt: die Membran wird von dichtgestellten hügeligen Erhabenheiten bedeckt, welche centrale Vertiefungen besitzen. Letztere führen vielleicht in feine Canäl- chen, welche die Dicke der Membran druchbohren und durch die möglicherweise Protoplasmafädchen hervortreten können. Einige Male schien es mir nämlich, als ob derartige pseudopodienartige Fädchen der convexen Seite des Körpers aufsässen; doch konnte ich in keinem Fall mit Sicherheit die Täuschung ausschliessen, dass es sich um fremde auflagernde Bestandtheile handele. Auf der inneren Seite der Membran der convexen Fläche und senkrecht zu ihr stehen zahlreiche stäbehenförmige Körper, die von oben betrachtet als kleine hellleuchtende Kreise erscheinen. Sie beginnen mit einer breiteren Basis und spitzen sich central- wärts zu. Die Spitzen dienen den Sarkodesträngen, welche, wie wir später sehen werden, die Dieke der Scheibe quer durchsetzen, zur Insertion. Ueber Leptodiscus medusoides. 311 Der Protoplasmakörper des Leptodiscus bildet eine centrale Anhäufung, die schon mit blossem Auge als ein weiss- licher Fleck in der durchsichtigen Scheibe zu erkennen ist. Die- selbe lagert der dünnen Membran der Schirmhöhle unmittelbar auf und entsendet nach der convexen Seite zu starke Stränge, die sich verästeln und mit ihren Endzweigen an die dorsale Um- hüllungshaut treten (Fig. 2). Das Protoplasma ist arm an Körn- chen und zeichnet sich durch starken Glanz aus. Es umschliesst spärliche kleine Fettkügelchen und zeitweilig auch Vacuolen, die mir nicht contractil zu sein schienen. Häufig fand ich ausserdem in seinem Innern Fremdkörper, in einigen Fällen Körner von braunem und rothem Pigment, in anderen Algensporen. Wir haben es hier mit Nahrungsbestandtheilen zu thun, die von aussen auf- genommen wurden. In der Protoplasmaanhäufung lagert etwas excentrisch der Kern. Derselbe besitzt eine eiförmige, ab und zu in die Länge gestreckte Gestalt und liegt mit seinem grössten Durchmesser in einem Radius der Scheibe. Er besteht aus zwei Bestandtheilen, einem feinkörnigen und einem homogenen (Fig. 4). Letzterer nimmt die spitze Seite des Ovals ein und steht an Masse hinter dem feinkörnigen reichlicher vorhandenen zurück. Beide Substanzen dunkeln in Osmiumsäure und nehmen hierbei schärfere Contouren an, beide färben sich intensiv bei nachfolgender Carminbehand- lung, doch kann man beobachten, dass bei langsamer Einwirkung die homogene Masse sich schneller mit Farbe imbibirt als die körnige und dass erst später der Unterschied schwindet und eine Gleichförmigkeit im Aussehen des Kernes eintritt. In starker Essigsäure quillt die Kernsubstanz nur wenig, in dünnen Lösungen gerinnt sie und schrumpft gleichzeitig. Dabei hebt sich allseitig eine deutlich doppelt contourirte Membran ab (Fig. 4b). Beide Bestandtheile des Kerns sind von einander durch eine Trennungslinie geschieden, die bald einen geraden, bald einen etwas gebogenen Verlauf einhält. Die scharfe Abgrenzung ist einzig und allein eine Folge der Verschiedenartigkeit der Zusam- mensetzung und wird nicht, wie man wohl vermuthen könnte, durch das Dazwischentreten einer Membran erzeugt. Der Kern des Leptodiscus stimmt somit vollkommen mit dem der Spirochona gemmipara überein. Wie ich in einer früheren Arbeit gezeigt habe, besteht der Nucleus dieses Infusors ebenfalls aus einer fein- königen und einer homogenen Substanz, die sich beide gegen einander mit einer glatten Contour absetzen und gemeinsam von 312 Richard Hertwig, einer zarten Kernmembran umhüllt werden. Wenn neuerdings Bütschli!) die Angabe Stein’s bestätigt, dass beide Theile des Kerns durch einen linsenförmigen Spalt von einander getrennt werden, so erblicke ich hierin einen Irrthum, der durch die Be- handlung des Präparats mit Essigsäure entstanden und durch Be- obachtung im frischen Zustand oder Anwendung von Osmiumsäure leicht nachzuweisen ist. — Weitere Vergleichspunkte ergeben sich mit der Zusammensetzung des Nucleolus der thierischen Ei- zelle.?2) Derselbe besteht auf einem bestimmten Stadium der Ent- wicklung ebenfalls aus zwei räumlich gesonderten Bestandtheilen, einer körnigen Substanz und einer homogenen. Von Interesse ist hierbei, dass beide Substanzen die gleichen Reaetionen ergeben wie beim Leptodiseus, indem die homogene sich schneller und stärker färbt als die körnige. . Da bei der Spirochona der Bau des Kerns sich im Laufe der Entwicklung in sehr auffälliger Weise verändert, habe ich mich bemüht, ähnliche Verhältnisse bei dem Leptodiseus nachzuweisen; es glückte mir jedoch nur in zwei Fällen bemerkenswerthe Ab- weichungen von der oben geschilderten Struetur (Fig. 5) zu be- obachten. In dem einen Falle war die homogene Kernsubstanz unverändert, dagegen fanden sich in der feinkörnigen grössere und kleinere Körperchen, die sich in Carmin dunkler färbten und offenbar eine bedeutendere Dichtigkeit besassen. Im anderen Falle liess sich die Differenzirung in zwei Substanzen nicht nachweisen. Der Kern war eine ovale helle Blase, in deren einem Ende ein runder Körper lag. Letzterer besass für sich allein sehon völlig das Aussehen eines Kerns. Er bestand aus einer Rindenschicht und einem flüssigen Inhalt, in dem dann weiterhin noch ein Kügelchen schwebte, wie der Nucleolus im Binnenraum des Nucleus. Ausser- dem umschloss die Kernmembran einen grösseren und zwei kleinere Ballen von Kernsubstanz. Da bis auf die Anwesenheit letzt- genannter Bestandtheile eine Aehnlichkeit mit dem zur Theilung sich anschickenden Kern der Spirochona unverkennbar war, suchte ich den Leptodiseus zu züchten, ohne jedoch in der kurzen Zeit, die der Beobachtung bis zum Absterben des Thieres vergönnt war, Veränderungen nachweisen zu können. ') Bütschli: Ueber den Dendrocometes paradoxus. Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. XXVIIL, p. 49. ?) Vergl. ©. Hertwig, Weitere Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies. Morph. Jahrb. Bd. III, p. 271. Ueber Leptodiscus medusoides. 313 4 Von der centralen Anhäufung aus verbreitet sich das Proto- plasma in Form eines Netzwerkes auf der unteren Fläche des Schirms. Die Maschen des Netzes sind in radiärer Richtung lang gestreckt und verkürzen sich nach der Peripherie zu mehr und mehr, indem sie gleichzeitig breiter werden. Sie bestehen wie die centrale Anhäufung aus körnchenarmem, nahezu homogenem Protoplasma, dem dann und wann Fettkügelchen eingesprengt sind. Bewegungen der Körnchen oder eine Veränderung in der Form der Maschen, kurz irgend welche Aeusserungen des Lebens und der Contraetilität konnte ich nicht beobachten. Das Netzwerk machte einen durchaus starren und unbeweglichen Eindruck. — Im Innern der grösseren Maschen finden sich noch feinere Proto- plasmaverzweigungen, die zartere und schwerer erkennbare Netze bilden. Von den auf der unteren Schirmfläche sich ausbreitenden Sarkodesträngen entspringen feine Fäden, welche die Dicke der Gallerte durchsetzen und sich auf der convexen Seite an der Innenfläche der Membran befestigen. Dieselben beginnen mit einer verbreiterten Basis, die bei der Betrachtung von oben als eine kleine kegelförmige Erhebung erscheint (Fig. Sx). In den peripheren Theilen des Schirms sind sie unverästelt und durch- bohren geraden Wegs die Grundsubstanz, an anderen Stellen geben sie Seitenäste ab, deren Zahl nach der Scheibenmitte hin zunimmt. Sie sind völlig homogen und erscheinen von oben be- trachtet auf dem optischen Querschnitt als hell leuchtende Punkte. Beim Absterben eontrahiren sie sich unregelmässig und rufen zu- nächst an umschriebenen Stellen sternförmige Faltungen der con- vexen Seite hervor, späterhin Einschnürungen der blasig aufquel- lenden Scheibe. Bei der Lebhaftigkeit, mit der sich der Leptodisceus zu con- trahiren vermag, lag die Frage nahe, ob vielleicht ähnlich wie bei den Infusorien und Gresarimen ceontractile Elemente in der Form von Muskelfibrillen vorhanden sein möchten. Trotz mannigfacher Versuche, diese Frage zu lösen, bin ich zu keinem bestimmten Resultat gelangt. Meine Beobachtungen sind folgende: Schon im frischen Zustand fällt bei aufmerksamer Beobach- tung eine ringförmige Linie auf, die zwischen dem Umkreis und dem Centrum der Scheibe die Mitte hält und auf der unteren Fläche verläuft (Fig. 1r). Dieselbe giebt sich bei Anwendung von starken Vergrösserungen als eine Reihe von Körnchen zu er- kennen, die in geringen Abständen von einander lagern. Beim 914 Richard Hertwig, % Abtödten in Osmiumsäure — ich wandte, um eine unmittelbare Einwirkung zu erzielen, eine 2%,ige Lösung an — wird diese Linie deutlicher (Fig. 9). Sie springt in das Lumen der Glocke vor, die durch den stark contrahirten Körper des Thieres gebildet wird, und verursacht die Einschnürung, von der ich oben schon gesprochen habe. Ausserdem treten die Körnchen schärfer hervor, indem sie sich etwas dunkler färben. In einigen Fällen konnte ich nun von der Körnchenlinie aus Fasern verfolgen, die eine streng parallele Anordnung einhielten und nach dem Centrum der Scheibe zu verliefen, um hier allmählich undeutlicher zu werden (Fig. 10). Eine gewisse Aehnlichkeit mit den Muskelfibrillen anderer einzelliger Organismen ist nicht zu verkennen und nahm ich daher an, dass auf der inneren Fläche der Scheibe Muskel- fibrillen in radialer Richtung verliefen, welche sich an die Körnchenlinie inserirten und durch ihre Contraetion die Wölbung des Schirmes bedingten. In dieser Auffassung wurde ich jedoch wieder schwankend, da ich mich vergeblich bemühte, den Nach- weis zu führen, dass die Fasern deutlich von dem Protoplasma- netze gesonderte Gebilde sind, und ich somit nicht die Möglichkeit ausschliessen konnte, dass sie den Längszügen der Maschen ent- sprechen, welche durch die Contraction der Scheibe einander sehr genähert sind. Wäre letztere Deutung die richtige, so würde im vorliegenden Falle das einfache Protoplasma einen Grad von Contractilität besitzen, wie er sonst nur besonders differenzirten contractilen Elementen eigen ist. Im Körper des Leptodiscus finden sich stets homogene matt- glänzende Kugeln, die ungefähr 0,003 Mm. gross sind (k in allen Figuren). Sie schwärzen sich schwach in Osmiumsäure, färben sich weder in Carmin, noch gerinnen sie in Essigsäure; sie sind somit keine Zellkerne, sondern wahrscheinlich Eiweisskugeln, die geringe Quantitäten von Fett enthalten und sich den Dotter- plättehen vergleichen lassen. Bei grossen Exemplaren habe ich nur wenige getroffen, dagegen beträchtliche Massen bei jungen Thieren. Die Kugeln gehören der convexen Körperseite an und liegen hier unmittelbar unter der Membran, wie es mir schien, im Innern einer hier befindlichen dünnen Protoplasmaschicht. In den peripheren Partieen sind sie zahlreicher als nach der Mitte zu; namentlich häufen sie sich in der Nähe des Scheibenrandes an, nächstdem an der zum Cytostom führenden Einbuchtung. Das Oytostom liegt in der dem Kern abgewandten Körper- hälfte und wird von einer sackförmigen Einstülpung gebildet, Ueber Leptodiscus medusoides. 315 welche ungefähr 0,05 Mm. tief und 0,015 Mm. breit ist. Die Ein- stülpung beginnt in grösserer Entfernung vom Mittelpunkt an der Oberfläche der convexen Seite und dringt von hier aus in die Gallerte ein, indem sie der unteren Fläche und der Mitte des Schirms zustrebt. Von oben gesehen fällt sie nur wenig in die Augen; man erblickt nur eine schwache Vertiefung, von der eine breite feinkörnige Strasse ausgeht (Fig. 1). Deutlichere Bilder gibt die Seitenansicht. Dieselbe erhält man im frischen Zustand nur selten, und auch dann bei der Lebhaftigkeit des Thieres nur vorübergehend. Dagegen gelingt es leicht, die Einstülpung zu erkennen, wenn sich das in Osmiumsäure getödtete Thier con- trahirt hat (Fig. 9). Die Wandungen des Sacks werden von der Oberflächen- membran gebildet, an die sich wie auch sonst perforirende Proto- plasmafäden ansetzen. Unter der Membran liegt eine feine Proto- plasmaschicht und in dieser meist zahlreiche homogene Kugeln, wie wir sie oben kennen gelernt haben. An das der unteren Schirmfläche auflagernde centrale Ende der sackförmigen Einstülpung begibt sich ein eigenthümlicher platter Strang homogener Fasern (Fig. 1st). Dieselben sind wahr- scheinlich protoplasmatischer Natur und eine dicht neben der anderen gelagert; sie beginnen in der Nähe des Centrums der Scheibe und divergiren ein wenig nach aussen, so dass die Faser- platte nach ihrem Ende zu breiter (0,03 Mm.) wird als an ihrem Anfang; die einzelnen Fasern enden scharf wie abgeschnitten in einer geraden Linie, die am Grund der Einstülpung liegt. In Carmin färben sich die Fasern stark; im frischen Zustand lassen sie keine Bewegungserscheinungen erkennen. Eine Mundöffnung habe ich am Grund der Einstülpung nicht wahrgenommen. Wenn ich annehme, dass dieselbe hier vorhanden ist, und wenn ich demgemäss die ganze Einstülpung als Cytostom bezeichne, so stütze ich mich somit nicht auf direete Beobach- tungen, sondern vielmehr auf die Erwägung, dass im Inneren des Körpers von aussen aufgenommene Nahrungsbestandtheile nachgewiesen werden können, dass demnach an irgend einer Stelle eine Durchbohrung der Membran vorhanden sein muss. Wenn wir nun darauf hin die einzelnen Theile der Scheibe prüfen, so besitzt kein Punkt eine so auffällige Aehnlichkeit mit einer Mundöffnung wie die geschilderte Einstülpung. Um grössere Sicherheit für meine Auffassung zu erlangen, habe ich Fütterungs- 316 Richard Hertwig, versuche mit Carmin angestellt, bin aber, da die Thiere abstarben, zu keinem Resultate gelangt. Während das Cytostom die eine Hälfte des Körpers ein- nimmt, lagert die Geissel (Fig. 1 u. 3f) in der anderen und zwar gleichfalls auf der Rückenfläche. Sie findet sich hier in der Nähe des Kerns, etwas seitlich und peripher von demselben, und kann wegen ihrer Feinheit leicht übersehen werden; beim lebenden Thier ist sie in beständig schlängelnden Bewegungen begriffen, so dass man ihre Länge und Form nicht beurtheilen kaun. Um sie mit Ruhe betrachten zu können, muss man seine Zuflucht zum Uebergiessen mit zweiprocentiger Osmiumsäure nehmen; allein auch hiermit gelangt man nur selten zum Ziel, da meist die Geissel in eine an ihrer Basis befindliche Scheide zurück- gezogen wird. Die Geissel ist ungefähr zweimal so lang als die grösste Dicke des Schirms beträgt, und zeigt nicht die für die Noctilucen charakteristische Querstreifung; ihr peripheres Ende ist stumpf und ebenso dick als die Basis. An der Körperoberfläche tritt sie in einen 0,0035 Mm. breiten Canal ein, der 0,1 Mm. lang die Grund- substanz des Schirms in radialer Richtung durchsetzt. Der Canal verläuft nach dem Centrum und der unteren Fläche der Scheibe zu und lässt sich bis zur centralen Protoplasmaanhäufung verfolgen, um hier zu verschwinden. Seine Wandungen werden von der eingestülpten Membran der convexen Oberfläche gebildet; an der- selben inseriren sich wie bei dem Cytostom die feinen Proto- plasmafäden, die aus dem Netzwerk der unteren Fläche ent- springen. In den beschriebenen Canal kann die Geissel völlig zurückgezogen werden, ob sie aber am Grund desselben oder an seinen Wandungen entspringt, ist eine Frage, die sich mit Sicher- heit nicht entscheiden liess. Welche funetionelle Bedeutung der Geissel zukommt, ist mir nicht klar geworden. Auf die Fortbewegung kann sie wohl kaum einen Einfluss ausüben, da ihre Wirksamkeit neben den kräftigen Contractionen des gesammten Körpers vollkommen verschwindet. Mit der Annahme dagegen, dass sie als Nahrung zuleitender Apparat fungirt, lässt sich ihre Lagerung nicht vereinbaren; wir würden ihren Insertionspunkt dann mehr in der Nähe des Cytostoms erwarten und nicht in der entgegengesetzten 'Körper- hälfte; dem gegenüber könnte man nun die Vermuthung aus- sprechen, dass der Geisseleanal selbst die Function eines Oyto- stoms besitzt, doch würde hiermit nicht übereinstimmen, dass der Ueber Leptodiscus medusoides. 317 Canal ein so enges Lumen hat. — Dem Gesagten zufolge halte ich die Geissel für einen in seiner Wirkungsweise ebenso un- klaren Körpertheil als die Wimper der Noetilucen, die ebenfalls zu sehr abseits von der Mundöffnung liegt, als dass ihre Schwin- gungen einen nach derselben hinführenden Strudel erzeugen könnten. Ausser entwickelten Exemplaren von Leptodiseus habe ich einige Male Organismen beobachtet, die mit jenen eine so be- trächtliche Aehnlichkeit besassen, dass ich geneigt bin, sie für Entwieklungsformen zu halten. Ich lasse ihre Beschreibung daher hier folgen. Einer der in Rede stehenden Organismen hatte einen im Grossen und Ganzen oval gestalteten blasenförmigen Körper (Fig. 11a), der von einer doppelt contourirten Membran umgeben wurde und seine Form in mannichfachster Weise ändern konnte. Durch eine stundenglasförmige Einschnürung war er in zwei Hälften getheilt. In der Mitte der Einschnürung lag der Kern, der eine Membran und einen feinkörnigen Inhalt besass und von einer Protoplasmaschicht umhüllt wurde. Letztere sandte nach allen Richtungen reichliche Aeste aus, die sich verzweigten, Anastomosen eingingen und mit ihren Enden sich an die Membran des Körpers anhefteten. Ausser feinen Körnchen lagerten in dem Protoplasma rundliche und ovale Körperchen, deren Farbe von dem eigenthümlichen Gemisch von gelb, grün und braun gebildet wurde, das bei vielen Diatomeen vorkommt. Weiterhin fanden sich jene charakteristischen homogenen Körperchen vor, die wir oben geschildert haben; sie lagerten in einer Hälfte des Körper unmittelbar unter der Membran und bildeten einen aus zwei pa- rallelen Reihen bestehenden Ring. Ganz eigenthümlich waren nun die Bewegungen dieses Orga- nismus. Es verkürzten sich die Protoplasmafäden, welche, von der Umgebung des Kerns entspringend, die eine Seite der Blase versorgten. Die Oberfläche der letzteren bekam in Folge dessen Faltungen und der Inhalt strömte in die andere Hälfte über. Diese wurde durch den Zufluss aufgetrieben und schwoll schliess- lich zu einem prallgefüllten Sack an, dem der Rest des Körpers wie eine zusammengeknitterte und collabirte Blase aufsass (Fig. 11b). Nunmehr begann eine rückläufige Bewegung; es ver- kleinerte sich die geblähte Seite, während der geschrumpfte Ab- schnitt sieh von Neuem füllte. Die geschilderten Gestaltverände- 318 Richard Hertwig, rungen wiederholten sich mehrfach hintereinander, dabei behauptete der Kern beständig seine centrale Lage; eine Weiterentwicklung trat nicht ein. Dem besprochenen war ein zweiter Organismus sehr ähnlich; es liessen sich hier dieselben homogenen Kugeln, die gleiche Be- schaffenheit des Zellkerns, endlich dieselben grünlich-braunen Pigmentkörper nachweisen, wie wir sie soeben kennen gelernt haben. Dagegen war die Bewegungsfähigkeit eine beschränktere, indem ein Theil des Körpers schon begann eine scheibenförmige Gestalt anzunehmen. In diesem Punkt gab sich eine beträcht- liche Annäherung an den Leptodiscus zu erkennen, so dass wir den Organismus bereits mit grösserer Sicherheit als eine Ueber- gangsform ansehen können. Eine dritte Form zeichnete sich durch den Besitz zahlreicher schwefelgelber Kugeln aus, die den gelben Zellen der Radio- larien oder den gelben Pigmentkörpern der Acanthometren in ihrem Aussehen ähnelten. Die Gestalt war eine unregelmässig walzige (Fig. 12). Durch eine seichte Ringfurche zerfiel der Körper in einen kleineren und grösseren Abschnitt, welche beide von einer am Grund der Furche verdünnten Membran umgeben wurden. Ungefähr im Centrum des Körpers lagerte ein blasen- förmiger Kern, der ganz von gleichmässig feinen Körnchen erfüllt wurde. Vom Umkreis des Kerns entsprangen dicke Protoplas- mabalken, die sich verästelten, anastomosirten und schliesslich sich in ein feines Netzwerk auflösten. Ausser den gelben Kugeln, diekeine Kerne besassen und somit auch nicht für Zellen gehalten werden können, waren noch homogene fettglänzende Körperchen anwe- send, besonders reichlich zu beiden Seiten der seichten Furche. Endlich rechne ich noch einen vierten von mir gelegentlich beobachteten Organismus hierher. Der von einer Membran um- schlossene Körper desselben war bisquitfürmig eingeschnürt und bestand aus zwei vollkommen gleich grossen Theilen, von denen ein jeder sehr regelmässig kugelig abgerundet war bis auf die Stelle, wo beide in breiter Ausdehnung mit einander zusammen- hingen. Die Hauptmasse des Protoplasma lagerte an der Grenze beider Theile in Form eines eylindrischen Strangs, der von einer Seite der Einschnürung zur anderen sich erstreckte uud von dem aus körnehenarme Protoplasmanetze in beide Kugelhälften hinüber- traten. In Figur 15b sehen wir den Protoplasmastrang von der Seite, in Figur 13a sehen wir gerade auf eins seiner Enden, Der Protoplasmastrang sowohl als seine Verästelungen bestehen Ueber Leptodiscus medusoides. 19 aus einer körnchenarmen starr aussehenden Masse; ersterer hat ein undeutlich längsfaseriges Aussehen und umschliesst da, wo er auf einer Seite die Membran erreicht, zahlreiche homogene Kugeln. In seinem Verlauf ist ein ovaler Kern eingebettet, derart, dass der längste Durchmesser des Ovals mit der Streifung des Strangs gleich gerichtet ist. Die Substanz des Kerns besteht aus feinen Körnchen, die, wie es Figur 13c darstellt, in Gruppen und Reihen angeordnet sind; dazwischen liegen einige grössere Nucleoli; das Ganze ist von einer deutlichen Membran umgeben. In wie weit die geschilderten Organismen in den Formen- kreis des Leptodiscus gehören, lasse ich unentschieden; nur möchte ich hervorheben, dass ähnliche Entwicklungszustände bei der Noctiluca miliaris vorkommen und mit der Fortpflanzung in Zusammenhang stehen. Schon seit langem ist hier bekannt, dass die Noctiluca Geissel und Mundöffnung verlieren und eine ringsum von einer Membran umschlossene Kugel bilden kann. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass Körper, wie wir sie in Figur 11—13 abgebildet haben, auf Theilungszustände des Leptodiseus zurückzuführen sind. Aus der Darstellung, welche ich vom Bau des Leptodiscus gegeben habe, erhellt, dass wir es mit einem sehr eigenartig differenzirten Organismus zu thun haben. Wir müssen daher noch mit wenigen Worten auf die Frage nach seiner systematischen Stellung eingehen. Da der Leptodiscus im ausgebildeten Zustand eine Geissel besitzt, muss er der grossen Classe der Flagellaten eingereiht werden. Innerhalb der bunten Schaar, die unter diesem Namen zusammengefasst wird, steht er allen denjenigen Formen sehr fremd, die man in der Neuzeit gewöhnlich zu den Pflanzen rechnet, wie die Volvocinen, Euglenen ete.; dagegen nähert er sich den Arten, die mit einem Cytostom versehen sind. Dieselben sind leider in der Neuzeit sehr vernachlässigt worden und noch ungenügend bekannt; es gehören zu ihnen die von F. E. Schulze!) be- schriebene Mastigamoeba und die zahlreichen Arten, deren Bau 1) F. E. Schulze: Rhizopodenstudien. Archiv f. mikr, Anat. Bd, XI, p- 583, 320 Richard Hertwig, James Clark'!)in den Annals and Magazin genauer dargestellt hat. Auch die Heteronemen Dujardin’s werden wohl hierher zu zählen sein. Von den genannten Arten unterscheidet sich der Leptodiseus durch die Anwesenheit der den Körper umhüllenden Membran, durch die Ausbildung einer Grundsubstanz und die hierdurch bedingte Anordnung des Protoplasma in einem Netzwerk von feinen Fäden. Die drei zuletzt genannten Charaktere vermitteln eine An- näherung an die Noctilucen, deren Körper ja ebenfalls eine Mem- bran besitzt und einen homogenen Inhalt und in demselben verästelte Sarkodestränge erkennen lässt; indessen beschränkt sich die Aehnlichkeit auf die hervorgehobenen Punkte. Wenn wir weiterhin vergleichen, so ergibt sich, dass die Noctilucen Mancherlei vor den Leptodiscen voraus haben; es ist hierbei namentlich das quergestreifte Flagellum zu nennen. Dasselbe entspricht nicht, wie man aus der Gleichheit der Benennung wohl folgern könnte, der Geissel des Leptodiseus, vielmehr findet letztere ihr Gegenstück in dem feinen schwingenden Faden, der den wenig passenden Namen „Wimper“ erhalten hat. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, nimmt der Leptodiscus eine Mittel- stellung zwischen den Noctilucen und den übrigen Flagellaten ein, er ist eine Zwischenform von so abweichendem Bau, dass wir ihn zum Vertreter einer besonderen Familie machen müssen. Dieselben können wir in folgender Weise charakterisiren: die Leptodiseiden sind mit einem Cytostom versehene Flagellaten, die wie die Noctilucen von einer Membran umgeben sind, deren Körper ein protoplasmatisches in eine Grundsubstanz eingebettetes Netzwerk besitzt. Sie unterscheiden sich von den Noctilucen durch den Mangel der quergestreiften Geissel und des stabförmigen Körpers. Die Charaktere für das Genus scheinen mir am zweckmässigsten der eigenthümlichen Gestalt des Organismus entlehnt zu werden. Wir würden somit als Merkmale des Genus hervorzuheben haben, dass der Körper scheibenförmig ist und in seinem Bau und der Art seiner Bewegung den Habitus kleiner Medusen nachahmt. Auf den zuletzt berührten Punkt, die ausserordentliche Medusen- ähnlichkeit, gehe ich zum Schluss noch etwas näher ein. Der ') James Clark: On the Spongiae ciliatae as Infusoria flagellata. Ann. and Mag. of Nat. bist IV. Vol. I, p. 133. ee Ueber Leptodiscus medusoides. 321 Leptodiseus ist ein Beispiel convergenter Züchtung, das uns um so interessanter erscheinen muss, je grösser einerseits die Kluft ist, welche die beiderlei Organismen trennt, und je tiefgreifender andererseits die Aehnlichkeiten sind, die sieh unter dem Einfluss gleicher Existenzbedingungen entwickelt haben. Wenn wir die Medusen und Leptodiscen mit einander vergleichen, so finden wir die Aehnliehkeit nicht auf die schon besprochene Uebereinstim- mung in der Form und der Bewegungsweise beschränkt, sondern können dieselbe auch in dem feineren Bau erkennen und gewisser- massen einen übereinstimmenden Bauplan nachweisen. In beiden Fällen finden wir den bewegenden Apparat auf der unteren Seite der Scheibe angebracht. Bei den Medusen ist es die Musku- latur der Subumbrella, bei den Leptodiscen das Protoplasmanetz, welches eine aus Protoplasmafäden bestehende Subumbrella bildet, wenn nicht sogar eine einschichtige Lage von Muskelfibrillen vor- handen ist. Der Contraction des Bewegungsapparats wirkt die Elastieität der Scheibe entgegen, deren Sitz bei Medusen und Leptodiscen in der gallertigen Grundsubstanz, bei den letzteren auserdem noch in der verdiekten dorsalen Membran zu suchen ist. Einen weiteren Vergleichspunkt finde ich darin, dass der die Verdauung besorgende Theil im Centrum der Scheibe lagert und dass von hier aus die Nahrung auf radial angeordneten Bahnen an die einzelnen Theile des Körpers vertheilt wird. Es lassen sich so der Magen der Meduse mit der centralen Proto- plasmaanhäufung des Leptodiscus, die Radialeanäle der ersteren mit den Protoplasmasträngen des letzteren vergleichen. Innerhalb der Protisten kennen wir noch einen zweiten Fall von überraschender Aehnlichkeit des Habitus und der Körper- form mit höher organisirten Thieren. Es sind dies die ciliaten Infusorien, die den rhabdocoelen Turbellarien so ausserordentlich gleichen, dass es bei oberflächlicher Betrachtung manchmal schwer fällt, sie zu unterscheiden. Auf Grund dieser Aehnlichkeit wurden früher Turbellarien und Infusorien für nächstverwandte gehalten; auch heute noch, obwohl wir wissen, dass jene vielzellige metazoe Thiere sind und diese stets nur den Formwerth einer einzigen differenzirten Zelle besitzen, wiederholen sich die Versuche, beide Gruppen einander zu nähern: es sollen die Infusorien die Vor- läufer der Turbellarien sein, diese sollen sich aus jenen durch fortschreitende histologische Differenzirung entwickelt haben. Diese Auifassungsweise besitzt keine grössere Berechtigung, als die Annahme, dass die Medusen aus den Leptodiscen entstanden 339 Richard Hertwig, sind. In beiden Fällen ist es zweifellos klar, wenn es auch beim Leptodiseus mehr in die Augen springt als bei den Infusorien, dass es sich bei den bestehenden Aehnlichkeiten im Bau nur um Analogieen handeln kann und dass es die gleichartigen Lebens- bedingungen sind, welche beidesmal zwei ganz verschiedenen Organisationstypen eine überraschende Gleichförmigkeit des Aus- sehens aufgeprägt haben. ‚Ueber Leptodisceus medusoides, 3933 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII u. XVII. Buchstabenbezeichnung. e zum Cytostom führende Einstülpung, f Geissel mit Geisselscheide, k fettglänzende Kugeln, n Kern, p Protoplasmastrang, der zum Cytostom führt, r Körnchenring, s Stäbehenförmige Verdickungen der dorsalen Körpermembran. Fig. 1. Leptodiseus medusoides im frischen Zustand von oben gesehen. Fig. 2. Optischer Querschnitt durch den Leptodiscus. Fig. 3. Der Theil des optischen Querschnitts, in dem der Geisselcanal ver- läuft, bei starker Vergrösserung. Zeiss F. Oe II. Fig. 4. Kernform, wie sie sich meistens findet. a im frischen Zustand, b bei Behandlung mit Essigsäure; im letzteren Falle hat sich die Kern- membran abgehoben. F. Oe Il. Fig. 5. Aussergewöhnliche Kernformen. F. Oc II, Fig. 6 u. 7. Die dorsale Fläche des Schirms bei stärkerer Vergrösserung. Fig. 6 bei tieferer Einstellung, bei der die fettglänzenden Kugeln und stäbehenförmigen Verdiekungen der Membran, letztere auf dem optischen Querschnitt sichtbar werden; Fig. 7 bei oberflächlicher Einstellung, welche die eigenthümliche Structur der Membran erkennen lässt. F. Oc II. Fig. 8. Untere Fläche des Schirms mit dem protoplasmatischen Netz nach Osmiumsäurebehandlung. Die von dem Netzwerk aus entspringenden Protoplasmafäden als kleine Höcker (x) erkennbar. F. Oe II. Fig. 9. Ein mit Osmiumsäure behandelter Leptodiseus. Fig. 10. Muskelfibrillen (?) der unteren Schirmfläche, welche an dem Körnchen- kreis aufhören, F. Oe Il. Fig. 11—13. Hypothetische Entwicklungsformen des Leptodiscus. Fig. 11a u. b dasselbe Thier in verschiedenen Contractionszuständen. Fig. 13a u. b eine andere Form, das eine Mal von oben, das andere Mal von der Seite gesehen. 13c ein Stückchen des zugehörigen Kerns bei stärkerer Ver- 5 grösserung, Fig. 14. Leptodiscen in verschiedenen Contractionszuständen beı Loupen- vergrösserung,. Bd, XI. N, F. IV. 3, 23 Studien über Rhizopoden. Von Richard Hertwig. Hierzu Taf. XIX u. XX. Im Laufe der letzten Jahre habe ich meine Untersuchungen über die Süsswasserrhizopoden, sowie sich mir hierzu Gelegen- heit bot, fortgesetzt und auf diese Weise zerstreute Beobachtungen über die verschiedensten Formen gesammelt. Eine Veröffent- lichung derselben habe ich bisher hinausgeschoben in der Hoffnung, sie weiterhin vervollständigen und die einzelnen Lücken aus- füllen zu können. Dies ist nicht in Erfüllung gegangen, auch werde ich wohl in der nächsten Zeit schwerlich auf das Unter- suchungsgebiet zurückkommen. Da ich nun im verflossenen Winter eine sehr interessante Rhizopodenart in Messina genauer untersucht habe, so benutze ich die Gelegenheit und reihe der Schilderung derselben meine früheren Beobachtungen über den Bau und die Entwicklung der Heliozoen an, sowie einige eben- falls in Messina gemachte Erfahrungen über pelagische Thalamo- phoren. I. Sticholonche Zanclea. Hierzu Taf. XIX. In dem Auftrieb, den die pelagische Fischerei iım Hafen von Messina während der Wintermonate 1576/7 ergab, fand ich zu wiederholten Malen einen Organismus auf, der zwar zu den thizopoden gerechnet werden muss, von den typischen Formen Studien über Rhizopoden, 325 aber sich sowohl in seinem Bau als auch in seinen Lebenser- scheinungen mehr als irgend eine andere Art entfernt. Ich werde denselben wegen seiner lanzenartigen starren, in Reihen aufge- pflanzten Pseudopodien als Sticholonche Zanclea bezeichnen und im Folgenden eine Schilderung seiner Organisation geben. Ueber die Fortpflanzung gelang es mir ebenso wenig wie beim En diseus Beobachtungen zu sammeln. Die Sticholonche besitzt einen im Grossen und Ganzen ovalen Körper, dessen grösster Durchmesser bis zu 0,15 mm. beträgt, und kann im Wasser suspendirt eben noch als ein kleines weiss- liches Pünktchen erkannt werden. Es ist daher möglich, durch Schöpfen von der Meeresoberfläche völlig unversehrte Exemplare zu erhalten. Da jedoch die Sticholonche seltener ist als der Leptodiscus und dazu leichter übersehen wird, so empfahl es sich, das Untersuchungsmaterial sich auf dem Weg der pelagischen Fischerei mit dem Mullnetz zu verschaffen. Im Mulder bleibt der Organismus längere Zeit leben; auch verändert sich sein Bau hierbei nicht im geringsten, wie der Vergleich mit geschöpften Individuen lehrt. Meine Beobachtungen wurden vornehmlich an Muldermaterial gewonnen. Der Körper der Sticholonche wird von einem Protoplasma gebildet, das viel Aehnlichkeit mit dem der Acineten besitzt. Es besteht aus einer feinkörnigen Grundlage und in dieselbe einge- streuten kleineren und grösseren, rundlichen oder ovalen Körper- chen, die sich durch schwachen Fettglanz auszeichnen und hierin an die Eiweisskugeln erinnern, wie sie bei den Acineten vor- kommen. Vacuolen sind nicht vorhanden, ebenso fehlt eine Membran auf der Körperoberfläche, welche meist gar nicht scharf begrenzt erscheint. Im Centrum findet sich ein ganz eigenthüm- liches Gebilde, welches bei keinem anderen Rhizopoden ein Ana- logon besitzt: eine allseitig geschlossene Kapsel von etwa bohnen- förmiger Gestalt. Dieselbe ist in der Längsrichtung des Thieres gestreckt und besitzt ihre grösste Breite in der Mitte zwischen beiden Enden. Der Längendurchmesser beträgt 0,05 Mm., der Breitendurchmesser 0,04 Mm, Nach beiden Enden hin verjüngt sich die Kapsel, um hier abgestumpft zu enden; ferner ist sie über eine ihrer Längsseiten gebogen, so dass man auf dem optischen Längsschnitt eine längere stärkere und eine kürzere schwächer gekrümmte Begrenzungslinie unterscheiden kann (Fig. 3). Der optische Querschnitt gibt keine kreisförmige Figur, sondern be- sitzt eine Gestalt, wie sie die Abbildung 2 auf Tafel XIX ver- 23% 326 Richard Hertwig, anschaulicht. Aus dieser Zeichnung geht hervor, dass die Kapsel auf der Seite, nach welcher hin sie gekrümmt ist, zwei dellen- förmige, der Länge nach verlaufende Eindrücke besitzt. Von dem Bau der Kapselwand erhält man am besten eine Vorstellung, wenn man isolirte Kapseln von abgestorbenen Thieren untersucht. Man erblickt dann eine Zeichnung ähnlich der einer Pleurosigmaschale. Dunkle Fleeke sind so angeordnet, dass sie nach 3 Richtungen hin in Reihen stehen, in der Längsrichtung und in sich recehtwinkelig schneidenden Schräglinien. Da sich die Kapsel nach beiden Enden hin verjüngt, treten die Reihen hier enger an einander und werden die Flecke demgemäss kleiner. Es hat dies zur Folge, dass auch die Linien, welche die reihen- artige Anordnung bestimmen, einen etwas gekrümmten Verlauf annehmen. (Fig. 4.) Die fleckige Zeichnung der Oberfläche wird durch kleine ringförmige Erhebungen hervorgerufen, welche der Membran der Kapsel aufsitzen. Man sieht dies besonders deutlich am optischen Querschnitt (Fig. 2) oder Längsschnitt (Fig. 3). Auch lässt sich hier das allmähliche Kleinerwerden der Vorsprünge am besten verfolgen, welches vom höchsten Punkt der Convexität der Kapsel aus nach allen Richtungen hin Statt findet. Auf den ringförmigen Erhebungen sitzen längere eylindrische Fortsätze wie Säulen auf ihrem Postament (Fig. 2 u. 5). Die- selben erscheinen zwar vollkommen homogen, doch macht ihr Verhältniss zu den Pseudopodien, auf das ich später näher ein- gehen werde, wahrscheinlich, dass sie von einem der Länge nach verlaufenden Canal durehbohrt werden. Sie sind am längsten da, wo die ringförmigen Erhebungen am entwickeltsten sind, d.h. auf der Höhe der Oonvexität der Kapsel. Von da aus nehmen sie namentlich in der Richtung der Breite schnell an Länge ab. Auf der econcaven Seite der Kapsel fehlen sie vollkommen und auch an den Enden sind sie so klein, dass sie kaum bemerkt werden. So kommt es, dass relativ wenige Längsreihen der Röhrehen gut ausgebildet sind. — Da die Grössenabnahme eine sehr gleich- mässige ist, so bilden die Enden der Röhrchen in ihrer Gesammt- heit auf dem optischen Längsschnitt eine Linie, die den Eindruck einer zweiten äusseren Contour der Kapsel hervorruft. Dieselbe convergirt allmählich mit der Contour der eonvexen Kapselwand, um an den Enden schliesslich mit ihr zusammen zu fallen. Die geschilderte Kapsel sammt ihren Anhängen ist ein Ge- bilde von grosser Festigkeit. Sie isolirt sich daher leicht aus Studien über Rhizopoden. 327 dem Weichkörper der Sticholonche, nur dass hierbei meist ein Theil der aufsitzenden Röhrchen abfällt. In Kalilauge ist sie völlig unlöslich, mag man die Concentration verändern wie man will. Ebenso wenig wird die Kapsel von Säuren angegriffen. Im frischen Zustand hat sie eine etwas bräunliche Farbe und fällt hierdurch sowie durch ihre scharfe Contourirung schon bei ober- flächlicher Betrachtung in die Augen. Der Inhalt der Kapsel besteht aus einer homogenen Masse, die sich bei Behandlung von Osmiumsäure und Carmin intensiv färbt. In ihr liegt ein rundlicher, undeutlich eontourirter Körper mit einem scharf hervortretenden Korn, das eine etwas excen- trische Stellung einnimmt (Fig. 1, 2 u. 3n). Der genannte Körper ist schwer zu sehen und tritt auch bei Anwendung von Reagen- tien nicht deutlicher hervor. Er ist stets einem der Kapselenden etwas genähert. Die Pseudopodien der Sticholonche sind starre mit feiner Spitze endende Fäden, an denen ich niemals eine Körnchen- strömung erkennen konnte. Sie stehen in mehreren sehr regel- mässigen Längsreihen, ein jedes von seinem Nachbar durch einen nahezu gleichen Zwischenraum getrennt. Hierbei divergiren sie nach der Peripherie zu radienartig. Ein einziges Mal gelang es mir, die Verschmelzung zweier aus ihrer Anordnung gebrachten Pseudopodien zu beobachten. Wenn wir die Pseudopodien centralwärts verfolgen, so sehen wir sie mit grosser Deutlichkeit den körnigen Protoplasmatheil des Körpers durchsetzen, ohne irgend welche Veränderungen zu erfahren. Im Inneren des Körpers treten sie an die Röhrchen der central gelegenen Kapsel heran und dringen höchst wahr- scheinlich durch das Innere derselben in die Kapsel ein. Dem- gemäss bin ich der Ansicht, dass die Pseudopodien nichts Anderes sind, als Verlängerungen der intracapsularen Sarkode. Der Körper der Sticholonche wird von einem Skelet umhüllt, das aus zwei Theilen besteht: 1) einer aus einzelnen Stücken sich zusammensetzenden membranartigen Umhüllung und 2) aus einer grösseren Anzahl von Stachelgruppen, die ersterer in grösseren oder geringeren Abständen aufsitzen. Die membranartige Umhüllung liegt der Körperoberfläche nicht unmittelbar auf, sondern wird von ihr durch einen Zwischen- raum getrennt; sie wird von einzelnen Spangen gebildet, die einander bald parallel gelagert sind, bald einander kreuzen. Ihren feineren Bau sowie die genauere Anordnungsweise habe ich nicht 325 Richard Hertwig, eingehender untersucht und kann ich nur so viel hervorheben, dass durch die Stellung der Spangen buckelförmige Hervorwölbungen der Skeletthülle bedingt sind, wie sie Figur 1 auf Tafel XIX veranschaulicht. Auf jeder Hervorwölbung erhebt sich eine Gruppe von Stacheln, die einen sehr charakteristischen Bau besitzen. Ein jeder Stachel ist in ganzer Ausdehnung drehrund. Er beginnt mit einen abgerundeten Ende, dann verbreitert er sich rasch bis zu einer von der Basis nicht gar weit entfernten Stelle, von hier aus verjüngt er sich allmählig, um schiesslich kurz vor dem peripheren Ende nahezu parallel verlaufende Contouren zu erhalten. Das Ende selbst ist sehr fein, ohne jedoch in eine Spitze auszu- laufen, vielmehr ist es abgestumpft. In ganzer Ausdehnung zeigt der Stachel eine feine Querstreifung, die wohl eine Folge zarter ringförmiger Einschnürungen ist. Das Stachelinnere wird von einem Hohlraume eingenommen. — Derartige Stacheln sind in der Zahl von ungefähr zwanzig in einer Gruppe vereint. Sie strahlen von. einem gemeinsamen Centrum aus. Sieht man von oben auf eine Stachelgruppe, so bietet dieselbe ein *zierliches rosetten- artiges Bild. In den meisten Gruppen findet sich ein Hauptstachel, der die übrigen an Länge und Breite überragt und sich von ihnen auch sonst durch seine abweichende Gestalt unterscheidet. Während die kleineren Stacheln ungefähr 0,06 mm. lang und 0,003 mm. breit sind, betragen dieselben Dimensionen bei den grösseren 0,08 Mm. und 0,004 mm. Während die kleineren Stacheln von der basalen Anschwellung aus sich continuirlich verjüngen, besitzt der grössere kurz vor seinem peripheren Ende noch eine zweite, stärkere Auf- treibung. Diese Auftreibung hat ausserdem noch das Eigenthüm- liche, dass sie nicht allseitig gleichmässig entwickelt ist, sondern auf einer Seite früher beginnt als auf der anderen. Im Uebrigen ist die feinere Structur dieselbe. Die Oberfläche besitzt die zarte Ringelung, das Innere ist hohl. Von letzterer Eigenschaft über- zeugte mich ein Exemplar, bei dem durch irgend einen Zufall Luft in das Stachelinnere eingedrungen war und so die lehrreiche Injection ergab, die man nach Häckel’s Vorgang künstlich durch successive Behandlung mit Soda und Säure erhalten kann. Ebenso eigenthümlich wie der Bau, ist die Bewegung der Sticholonche. Dieselbe erfolgt stossweis; ganz plötzlich und gleich- zeitig legt sich die Phalanx der Pseudopodien um, als ob Reihen aufgepflanzter Lanzen auf Commando zu Boden gesenkt würden. Studien über Rhizopoden, 329 Hierbei wird der Körper vorwärts gestossen. Die Pseudopodien scheinen somit nicht durch Verkürzen den Ortswechsel des Thiers herbei zu führen, sondern scheinen in ihrer Gesammtheit wie Ruder zu wirken. Besonders energische Contractionen traten kurz vor dem Absterben des Thieres ein, dann zuckte der Körper aufs heftigste bald nach der einen, bald nach der anderen Seite. Gleichzeitig hob sich die Skelethülle blasenartig vom Körper ab und zerfiel schliesslich, indem sie sich mehr und mehr ent- fernte, in einzelne Stücke. — — Die Nahrungsaufnahme, sowie die Fortpflanzung habe ich nicht beobachten können. Wenn wir uns nunmehr zu einer Beurtheilung der geschilder- ten Organisation wenden, so verlangen namentlich zwei Fragen eingehendere Besprechung. 1. In welchem Verhältniss steht der Bau der Sticholonche zur Zelltheorie? 2. In welchem Verhältniss steht die Sticholonche zu anderen Rhizopoden ? Bei einer histologischen Beurtheilung handelt es sich vor Allem um die Entscheidung, ob ein Kern in Ein- oder Mehrzahl vorhanden ist, oder ob derselbe fehlt. — Beim Beginn meiner Untersuchungen glaubte ich einen Kern in der die Kapsel umgebenden Sarkode gefunden zu haben. In einem Fall bemerkte ich hier einen in Carmin sich rothfärbenden rundlichen Körper, der Aehnlichkeit mit einem Kern besass. In später untersuchten Exemplaren vermisste ich ihn jedoch und glaube ich den Körper als etwas von aussen Aufgenommenes betrachten zu müssen. Ferner habe ich daran gedacht, ob nicht die ganze innere Kapsel als Kern aufgefasst werden könne. Obwohl nun Anhalts- punkte für diese Vermuthung in dem micerochemischen Verhalten gegeben wären, so habe ich mich gleichwohl nicht mit derselben befreunden können, da die Kapsel so vielerlei Eigenthümliches besitzt, was gar nicht zum Wesen des Kerns stimmt. Die auf- fallende Differenzirung der Kernwand würde ganz ohne Ana- logon sein. Noch mehr würde das Verhalten der Pseudopodien der Deutung widersprechen, da bisher noch nirgends Beziehungen derselben zum Kerninhalt haben nachgewiesen werden können. Es bleibt somit nur noch die dritte Möglichkeit übrig, den in der Kapsel gelegenen rundlichen Körper für das Homologon eines Kernes anzusehen. Gegen eine derartige Annahme lassen sich zwar keine Bedenken aus den vorliegenden Beobachtungen ent- nehmen, aber es lassen sich auch keine entscheidenden Beobach- tungen für sie geltend machen. Wenn ich das Gebilde als Kern 330 Richard Hertwig, deute und die Sticholonche somit nicht zu den kernlosen Organismen, den Monoren, rechne, so hebe ich ausdrücklich dabei hervor, dass die Frage erst durch weitere Untersuchungen sicher gestellt werden muss. Völlig unklar endlich ist die systematische Stellung der Sticholonche. Schon ihre Zugehörigkeit zu den Rhizopoden kann bei oberflächlicher Betrachtung angezweifelt werden. Ich selber war anfänglich unsicher, ob ich nicht einen acinetenartigen Organismus vor mir hatte, da die starren, körnchenlosen, in das Körperinnere eindringenden Fortsätze an die Tentakeln mancher Acineten, z. B. der Podophrya gemmipara erinnerten. Durch die Beobachtung des Verschmelzens zweier benachbarter Fortsätze wurde ich jedoch von dieser Auffassung zurückgebracht. Wenn wir somit die Rhizopodennatur der Sticholonche für erwiesen halten, so werden wir uns weiter nach verwandten Formen umzusehen haben. Als den systematisch bedeutsamsten Charakter müssen wir ohne Zweifel den central gelegenen kapsel- artigen Körper betrachten. Bildungen, die sich mit demselben vergleichen lassen, treten nur bei 2 Rhizopodenclassen, den Heliozoen und Radiolarien, auf. In beiden Abtheilungen finden wir vom Protoplasma umschlossen einen scharf umschriebenen Körper vor, bei den Heliozoen die Marksubstanz, bei den Radi- olarien die Centralkapsel. Beiderlei Gebilde unterscheiden sich aber wesentlich von dem der Sticholonche. Besonders gilt dies von der Markmasse der Heliozoen. Dieselbe besteht zwar eben- falls aus homogenem Plasma, das den Kern umschliesst und in dem die Pseudopodien enden, dagegen fehlt jede membranöse Umhüllung, geschweige dass eine so complieirte Bildung wie die chitinöse Kapsel der Sticholonche sich nachweisen liesse. Grösser ist die Uebereinstimmung mit der Centralkapsel der Radiolarien: Dieselbe besitzt ebenfalls eine feste Hülle, die von Porencanälen durchsetzt wird; wie ich in einer monographischen Bearbeitung der Radiolarien später zeigen werde, finden sich sogar bei manchen Arten an bestimmten Stellen der Kapselober- fläche röhrenförmige Aufsätze, die dem Protoplasma zum Durch- tritt dienen. Dagegen unterscheidet sich der Inhalt der Radi- olariencentralkapsel bedeutend von dem Inhalt der Kapsel der Sticholonche. Ersterer ist im Wesentlichen gleichbeschaffen mit der extracapsularen Sarkode, mit der er communieirt; wie diese, ist er feinkörnig, kann in seinem Inneren Vacuolen, Oeltropfen, Coneretionen ete. umschliessen; dagegen trennt bei Stieholonche Studien über Rhizopoden. 231 die Kapselmembran zwei in ihrem Aussehen völlig verschiedene Substanzen, die homogene innere und die körnchen- und körner- reiche äussere. Auf die eigenthümliche Beschaffenheit des Skelets lege ich keinen grossen Werth. Wenn ich das Schwammwerk einer Sponguride und die hohlen baumartigen Verästelungen eines Dendrocoelum unter den Radiolarien, die Kieselkugeln einer Hyalolampe und die mit Fussblättchen versehenen Stacheln einer Acanthocystis unter den Heliozoen vergleiche, so liegen hier Unterschiede vor, die sicherlich nicht geringer sind, als diejenigen, die zwischen genannten Skeletformen und dem Skelet der Sticho- lonche bestehen. Aus den Betrachtungen über die verwandschaftlichen Bezieh- ungen der Sticholonche scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass sie weder zu den Heliozoen noch zu den Radiolarien gerechnet werden kann. Sie bildet eine zur Zeit noch isolirt stehende Form, die in manchen Beziehungen zwischen Heliozoen und Radiolarien eine Mittelstellung einnimmt. Es könnte somit in Frage kommen, sie zum Repraesentanten einer eigenen Ülasse zu machen. Ich halte dies jedoch aus praktischen Gründen für nicht empfehlenswerth. Wollten wir für jeden eigenartigen Orga- nismus unter den Protisten eine selbständige Classe schaffen, so würde die Uebersichtlichkeit des Systems sehr leiden. Bei den Rhizopoden aber haben wir um so mehr auf die praktische Ver- werthbarkeit der Classification Rücksicht zu nehmen, je mehr die genetische Begründung eines natürlichen Systems auf schwachen Füssen steht. Aus diesen Gründen habe ich mich früher für Beibehaltung der bunten Gesellschaft der Amoebinen ausgesprochen, und sehe mich auch heute durch dieselbe veranlasst, die Sticho- lonche den Amoebinen einzureihen. I. Ueber den Bau und die Entwicklung der Heliozoen. Tafel XX, Fig. 1—6. Im Centrum des Körpers von Acanthoeystis turfacea Carter (A. viridis Ehrb. Gren.) beschrieb Grenacher!) im Jahre 1869 „eine sternförmige, eine wässerige Flüssigkeit enthaltende Höhlung“ !) Grenacher: Bemerkungen über Acanthocystis viridis. Zeitschr. für wissensch. Zool. Bd. XIX, p. 289. 333 Richard Hertwig, und im Mittelpunkt derselben „ein winziges blasses Körperchen, von dem aus zahlreiche ebenfalls blasse feine Fäden wie Strahlen nach allen Richtungen hin verliefen“; weiterhin begründete er die Annahme, dass die feinen Fäden in die Pseudopodien hinein sich verlängern und die Axenfäden derselben bilden. Dieselbe Structur wurde kurze Zeit später von Greeff?) beobachtet und in zwei Arbeiten, von denen die eine im Jahre 1869, die andere 1875 erschien, in einer nicht unwesentlich ab- weichenden Weise geschildert. Nach Greeff liegt im Centrum der A. turfacea eine Blase, die „Centralkapsel“, und in dieser ein „dunkleres Gebilde, aus dessen Mitte ein punktförmiges helles Bläschen hervorleuchtet“. Von dem Bläschen (dem Körperchen Grenacher’s) treten feine Strahlen aus, die bis zur äusseren Peripherie vorzudringen und als Axenfäden in die Pseudopodien einzutreten scheinen. Vor dem Erscheinen der zweiten Greeff’schen Arbeit ver- öffentlichte F. E. Schulze?) Beobachtungen über eine der Acan- thoeystis nahestehende Heliozoe, die Raphidiophrys pallida. Schulze gibt an, dass von einem eentralen Körperchen Stacheln ausstrahlen, die sich mit aller Sicherheit als Axenfäden bis in die Pseudopodien verfolgen lassen; ferner wies Schulze einen Kern nach, der durch die radienartigen Stacheln nach der Peri- pherie des Körpers verdrängt war. Gleichzeitig mit der letzterwähnten Arbeit erschienen die von E. Lesser und mir herausgegebenen Studien über die Rhizopoden des süssen Wassers. 3) In denselben machten wir darauf auf- merksam, dass der Körper aller Heliozoen einen oder mehrere Kerne erkennen lässt und dass er bei einem grossen Theil (Acan- thoeystis, Heterophrys, Pinacoeystis) aus zwei deutlich gesonderten Lagen, einer Mark- und einer Rindensubstanz besteht. Die erstere wird von einem homogenen Protoplasma gebildet und enthält den Kern, die letztere ist feinkörnig und umschliesst die Nahrungs- ballen und die eontractilen Vaeuolen. Die scharfe Abgrenzung beider Substanzen ist allein durch die Verschiedenheit ihrer Zu- sammensetzung bedingt und kann nicht auf die Anwesenheit !) Greeff: Ueber Radiolarien und Radiolarienartige Rhizopoden des süssen Wassers. I. Artikel. Archiv f. mikr. Anat. Bd. V, p. 464. II. Artikel ibid. Bd. Bd. XI, p. 1. ®) F. E. Schulze: Rhizopodenstudien. II. Arch. f. mikr. Anat. Bd. X, p. 377. °) Archiv f. mikr. Anat. Bd. X, Suppl. Studien über Rhizopoden. 333 einer trennenden Membran zurückgeführt werden. Das von den übrigen Autoren beschriebene Korn und das von ihm ausgehende Strahlensystem hatten wir nicht auffinden können. Dem Gesagten zu Folge hatten die hier kurz referirten Unter- suchungen zu keinen übereinstimmenden Resultaten geführt. In der morphologischen Beurtheilung der Heliozoen näherten sich einander am meisten die Befunde, zu denen F. E. Schulze und wir gelangt sind, da von beiden Seiten der Kern in gleicher Weise beobachtet und gedeutet worden war; dagegen ergaben sich darin Unterschiede, dass F. E. Schulze nichts von der Differenzirung in Rinden- und Marksubstanz, wir dagegen nichts über die Axen- fäden der Pseudopodien berichteten. Rücksichtlich der letzt- erwähnten Punkte harmonirten die Angaben Schulze’s mehr mit denjenigen Greeff’s und Grenacher’s. — Da ein Vergleich der einzelnen Arbeiten mir anzudeuten schien, dass keine der- selben eine erschöpfende Darstellung der Heliozoenorganisation geliefert habe, so hielt ich neue Beobachtungen für nöthig, vor- nehmlich um Gewissheit zu erhalten, in welchem Verhältniss die Differenzirung in Rinden- und Marksubstanz und die centrale Ver- einigung der Axenfäden zu einander stehen. Zu dem Zwecke habe ich die Acanthoeystis aculeata und A. turfacea untersucht und bin dabei zu Resultaten gelangt, welche die Beobachtungen Sehulze’s und die von Lesser und mir stammenden unter einander vereinbaren. Bei Acanthoeystis turfaeea, von der ich leider nur wenige Exemplare erhielt, habe ich mich auf's Neue überzeugt, dass eine deutlich geschiedene Rinden- und Marksubstanz vorhanden ist. Ferner gelang es mir, schon im frischen Zustand mit Hilfe von Zeiss Imm. 2 das centrale Korn und die von demselben ent- springenden feinen Fäden aufzufinden. Letztere sind am leichtesten zu erkennen, so lange sie in der Marksubstanz verlaufen !), wer- den dagegen undeutlicher, sowie sie in die körnige Rinde über- treten. Bis in letztere hinein konnte ich nur wenige Fäden ver- folgen und auch diese entzogen sich den Blicken, noch bevor sie mit den Pseudopodien in Verbindung getreten waren. Gleichwohl zweifele ich nicht an der Richtigkeit der Darstellung, die Schulze hierüber gegeben hat. 1) Es ist mir wahrscheinlich, dass das, wasG@renacher als eine „stern- förmige, eine wässerige Flüssigkeit enthaltende Höhlung“ beschrieben hat, mit dem von mir als Marksubstanz bezeichneten Körpertheil identisch ist, 334 Richard Hertwig, Die Acanthoeystis aculeata stand mir zu wiederholten Malen in grossen Mengen zur Disposition; leider ist sie zur Beobachtung im frischen Zustand wegen ihrer Kleinheit und wegen ihres dieken undurchsichtigen Skeletmantels ungeeignet. Dieser Uebelstand machte sich dagegen nicht fühlbar bei der Behandlung mit Osmium- säure und Beale’scher Carminlösung. Ueberträgt man die gefärbten Präparate in Glycerin, so wird das Skelet völlig durchsichtig und es tritt deutlich der Unterschied von Rinden- und Marksubstanz hervor, da letztere sich viel intensiver färbt als die erstere. Beide lagern so zu einander, dass die Marksubstanz zwar im Allgemeinen die inneren Partieen einnimmt, dass sie aber constant an einer Stelle die Oberfläche des Körpers mit bilden hilft. In diesem peripheren Theil befindet sich der Kern. Derselbe besitzt meist eine conische Gestalt, worauf F. E. Schulze zuerst aufmerksam gemacht hat, und ist mit seinem breiteren Ende der Peripherie, mit seiner Spitze dem Centrum zugewandt. Die beobachteten Acanthocystiden sassen an Algenfäden fest und zwar in der Weise, dass die Stelle, an der die Marksubstanz hervortrat, dem Faden zugekehrt war (Fig. 3). Das Strahlensystem der Axenfäden ist in den meisten Fällen leicht zu erkennen; besonders deutlich ist das centrale Korn; dasselbe ist durch Osmiumsäure geschwärzt und hat sich auch in Carmin ein wenig gefärbt; es liegt im Mittelpunkt des Körpers und demgemäss im Inneren der Marksubstanz. Die von dem Korn ausgehenden Axenfäden sind ebenfalls in Folge der Osmium- Carmin-Behandlung etwas gedunkelt, sind aber nur unvollständig erhalten. Manchmal sind sie auf kleine Zacken und Spitzchen redueirt; bei anderen kann man sie bis zur Grenze der Rinden- substanz verfolgen und nur selten in’s Innere derselben hinein. Zweimal schien es mir, als ob ein Faden bis an den stehen- gebliebenen Rest eines Pseudopodium herantrat, doch waren die Bilder nicht beweisend. Aehnliche Resultate wie bei den Acanthocystiden ergab die Untersuchung beim Actinolophus pedunculatus. Diese von F. E. Schulze entdeckte Heliozoe fand ich auf Hydroidenstöckchen, welche ich aus den Wassergräben der Citadelle von Messina er- halten hatte. Da ich keine Zeit zur Untersuchung der Organismen im lebenden Zustand hatte, legte ich einige Zweige in Osmium- säure ein und färbte dieselben dann mit Beale’schem Carmin. Die auf diese Weise erhaltenen Präparate zeigen sehr deut- lieh die Zusammensetzung aus Mark- und Rindensubstanz, deren Studien über Rhizopoden. 335 Anwesenheit übrigens schon durch die Zeichnung Sehulze’s mir wahrscheinlich geworden war (Fig. 6). Der Kern liegt in ersterer und zwar in dem Theil derselben, welcher bis an die Oberfläche des Körpers heranreicht. Wie es F.E. Schulze abbildet, zeichnet sich das Ausstrahlungskorn durch seine bedeutende Grösse aus und nimmt das Centrum des Actinolophus ein. Bei keinem Exemplar lassen sich Axenfäden von ihm aus nach der Peripherie verfolgen, doch ist mir die Existenz derselben, wiewohl auch Schulze sie beim lebenden Thier nicht beobachten konnte, aus doppeltem Grunde wahrscheinlich. Einmal zeigt die Marksubstanz eine radiäre Anordnung, dann habe ich auch mehrfach die Ober- fläche des Korns mit feinen Spitzchen bedeckt gesehen, die dem Gebilde eine sternförmige Gestalt verliehen und als Reste der Radienfigur gedeutet werden können. Von den übrigen Heliozoen stimmt ein Theil mit dem Actino- lophus nnd den Acanthocystiden im Bau überein, während ein anderer sich mehr oder minder von ihnen entfernt. Den Acantho- eystiden gleichen die Gattungen Raphidiophrys, Pinacoeystis, Heterophrys und Pinaciophora. Der Habitus ist bei allen diesen Formen derselbe, namentlich kehren überall dieselben starren, unverästelten und anastomosenlosen, körnchenreichen Pseudopodien wieder. Bei einem Theile haben Lesser und ich die Differen- zivung in Rinden- und Marksubstanz nachgewiesen — es sind dies die Heterophryen und Pinacoeystis —, bei der Gattung Pina- eiophora ist dies durch Greeff!) geschehen; denn die von letzterem beschriebene „verhältnissmässig grosse, hyaline, kapsel- artige Kugel, die im Centrum des Körpers liegt, und ein zweites ebenfalls kugeliges und central gelegenes Gebilde von feinkörnigem Inhalt umschliesst,“ ist zweifellos die von der Markmasse gebildete Kugel mit dem Kern. Bei den Raphidiophryen endlich sind die Axenfäden der Pseudopodien durch Schulze beobachtet worden. Bei allen Gattungen ist somit ein Theil der bei den Acantho- cystiden nachweisbaren Eigenthümlichkeiten vorhanden. Der Theil der Heliozoen, dessen Bau vom Acanthoeystistypus abweicht, lässt sich abermals in zwei Gruppen sondern. Die eine dieser Gruppen, die Familie der Actinophryen, nähert sich den Acanthoeystiden darin, dass Axenfäden gleichfalls vorhanden sind, unterscheidet sich aber von ihnen vornehmlich durch den Mangel einer centralen Verschmelzung der Fäden. Von Actinosphaerium !) Greeff, Radiolarien II, ]. e., p. 26, 936 Richard Hertwig, ist dies Verhältniss mit voller Sicherheit durch die übereinstim- menden Untersuchungen Greeff’s !), Schulze’s?) und Lesser’s bewiesen, und wissen wir durch dieselben, dass hier die Axen- fäden in der Marksubstanz keilförmig — ein jedes getrennt für sich — enden. Bei Actinophrys dagegen fehlen sichere Angaben; obwohl ich selbst dasselbe wiederholt untersucht habe, bin ich gleichwohl nicht zu bestimmten Resultaten gekommen. An Osmium- präparaten machte es mir den Eindruck, als ob die Fäden in einiger Entfernung vom Kern?) in der homogenen, protoplasma- tischen Umhüllung desselben mit kleinen Anschwellungen auf- hörten. Eine centrale Vereinigung halte ich jedenfalls für un- möglich, da die Mitte von dem Kern eingenommen wird. Bei dem Rest der Heliozoen scheinen die Axenfäden zu fehlen und scheint der Körper von einem gleichförmigen Proto- plasma gebildet zu werden. Zu dieser Gruppe würden zur Zeit Clathrulina, Hedrioeystis und Hyalolampe zu rechnen sein. Hierbei müssen wir jedoch im Auge behalten, dass die vorliegenden Unter- suchungen uns noch nicht die genügende Sicherheit geben, um definitiv eine complieirtere Structur in Abrede zu stellen, wenn auch die Abwesenheit derselben bei einem Theil, z. B. bei Hyalo- lampe, höchst wahrscheinlich erscheinen muss. — Meine entwicklungsgeschichtlichen Beobach- tungen haben mich mit 3 verschiedenen Arten der Fortpflanzung bei den Acanthocystiden bekannt gemacht. Die einfachste Art ist die Zweitheilung, welche ich wie Greeff an lebenden Orga- nismen habe verfolgen können. Zeitweilig scheint dieselbe ver- hältnissmässig häufig aufzutreten, was ich daraus entnehme, dass ich beim Abtödten von Acanthocystiden mit Osmiumsäure und darauf folgender Färbung in Carmin wiederholt zahlreiche Exem- plare mit zwei Kernen angetroffen habe. Beide Kerne lagen in einer gemeinsamen Marksubstanz, so dass wohl an eine Copulation ') Greeff: Ueber die Actinophryen als echte Radiolarien. Sitzungsber. der niederrheinischen Gesellschaft. 1871 Januar. ?2) Schulze: Rhizopodenstudien I. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. X. p-. 328. ?) Ich benutze die Gelegenheit zu der Bemerkung, dass sich bei Behand- lung mit Osmiumsäure kein Nucleolus im Nucleus von Aectinophrys sol nach- weissen lässt und dass somit Grenacher im Recht ist, wenn er die Existenz eines Nucleolus in Abrede stellt. (Verhandl. der Würzburger Gesellsch. N. F. Bd. I, p. 166.) An der Deutung des Gebildes wird hierdurch nichts ge- ändert, Studien über Rhizopoden. 337 zweier Individuen nicht gedacht werden kann. Zweikernige Exemplare fanden sich auch unter den zur Beobachtung gelangten Actinolophusformen vor, wo sie schon von F. E. Schulze ab- gebildet worden sind. Ueber die Entstehung des zweikernigen Zustandes stehen mir nur sehr lückenhafte Beobachtungen zu Gebote (Taf. XX, Fig. 4); ich fand Kerne, deren Kernkörper langgestreckt war, während die Kernblase eine ringförmige Einschnürung zeigte. In anderen Fällen hatte der Nucleolus die Gestalt einer gekrümmten Hantel angenommen, desgleichen der ihn umhüllende Kernraum. Diese Bilder machen es mir wahrscheinlich, dass die in Zweizahl vor- handenen Kerne durch bisquitförmige Einschnürung und Theilung eines Mutterkerns entstanden sind, zumal da sie völlig zu der Schilderung passen, die Schulze von der Theilung des Actino- lophus gibt. Bei demselben leitet sich die Zweitheilung „regel- mässig mit einer Streckung, nachfolgender Bisquitformbildung und schliesslichem Zerfall des Kernkörperchen in zwei Stücke ein“; jedes der Kernkörperchen umgibt sich mit einem besondern hellen Hot und die beiden neugebildeten Kerne rücken auseinander. Eine zweite sehr eigenthümliche Vermehrungsweise der Acan- thoeystis aculeata habe ich leider nur einmal verfolgen können. Die Beobachtungen über dieselbe stammen noch aus dem Früh- jahr 1874, konnten aber in den damals erscheinenden Studien über Rhizopoden keinen Platz mehr finden, da der Druck ab- geschlossen war. Unter den zahlreichen Acanthocystiden, die ich eultivirte, um sie auf ihre Entwicklung hin zu untersuchen, fiel mir ein Exemplar auf, mit dem eine ganz wie ein zweites Individuum aussehende Kugel zusammenhing (Fig. 5a). Diese Kugel bestand aus einem körnigen, von Fremdkörpern freien Protoplasma und liess in ihrem Inneren weder einen Kern noch eine besondere Marksubstanz er- kennen. Sie lagerte in einem Divertikel der Schale der Acantho- eystis, welches vorwiegend von Tangentialstücken !) gebildet wurde; im Verlauf der Beobachtung schnürte sich das Divertikel ab und bildete nunmehr eine Skeletkugel, die durch wenige Tangen- tialstücke mit dem Skelet der Acanthocystis sich verband. Während 1) Das Skelet der Acanthoeystis aculeata besteht aus zweierlei Bestandtheilen, 1) tangential gelagerten Stäbchen, welche einen dicken Mantel zusammen- setzen, 2) mit einem Fussblättchen versehenen Stacheln, welche radial diesem Mantel aufsitzen, 338 Richard Hertwig, letztere zahlreiche Pseudopodien aussandte, fehlten dieselben dem kugeligen Körper vollkommen. Ich behielt nun den geschilderten Organismus mehrere Tage im Auge. Um ihn unter dem Deckgläschen am Leben zu erhalten, richtete ich mir eine Durchströmungsvorrichtung ein, indem ich auf der einen Seite mittels eines Wollfädchens und eines Streifens Filtrirpapier aus einer höher gestellten Schale Wasser zuleitete und auf der anderen Seite den Ueberschuss in entsprechender Weise entfernte. Die ersten 458 Stunden verliefen ohne Veränderung; nur schien mir der pseudopodienlose Körper an Grösse zuzu- nehmen; da trat plötzlich Theilung ein und es zerfiel binnen Kurzem das Protoplasma in 6 Theilstücke. Diese verweilten einige Zeit im mütterlichen Schalenraum, um nach Ablauf einer Stunde denselben eins nach dem anderen zu verlassen (Fig. Db). Beim Auswandern bildete sich zunächst ein die Schalenwand durehbohrender Protoplasmafortsatz, derselbe schwoll ausserhalb kugelförmig an, so dass das in Auswanderung begriffene Theil- stück die Gestalt einer Hantel annahm ; weiterhin wuchs der äussere Abschnitt, bis endlich das ganze Körperchen nach aussen gelangt war. So verliess ein Theilstück nach dem anderen den Schalenraum und zwar alle an derselben Stelle. Die frei ge- wordenen Keimlinge sandten unter beständigen amoeboiden Form- veränderungenu zahlreiche spitze, lange Pseudopodien aus und bildeten sich so zu lebhaft beweglichen actinophrysartigen Körpern von ungefähr 0,006 Mm. Grösse um (Fig. De). In denselben schienen mir eontractile Vacuolen und ein Kern vorhanden zu sein, doch bekam ich bei der Kleinheit der Objeete und der grossen Beweg- lichkeit keine sicheren Bilder; Reagentien,. aber wollte ich nicht anwenden, um Mutterthier und Tochterorganismen noch weiter verfolgen zu können. Letztere entschwanden leider bald meiner Beobachtung, ohne dass ich Veränderungen an ihnen hätte wahr- nehmen können. Die Acanthocystis hatte inzwischen unter lebhaften Orts- bewegungen die entleerte Brutkapsel abgestossen, ohne dass die einzelnen Stücke derselben dabei zerfallen wären, dann schnürte sie eine neue Kapsel ab. Leider verlief die Bildung dieser letzten in der Nachtzeit, so dass ich die Art und Weise derselben nicht habe verfolgen können; am nächsten Morgen fand ich ein Bild vor, ähnlich dem am Anfang beschriebenen. Gern hätte ich nun noch einmal die Bildungsweise der Jungen Acanthocystiden beobachtet, doch trat noch vor Ablauf der Studien über Rhizopoden. 339 Entwicklung der Tod ein, nachdem ich 80 Stunden lang die Acanthocystis unter dem Deckgläschen eultivirt hatte. Diese an lebenden Organismen gewonnenen Beobachtungen bedürfen in hohem Maasse der Vervollständigung durch die Unter- suchung der einzelnen Stadien mittels Reagentien. Denn über das Verhalten des Kerns in der Brutknospe vor und während des Zerfalls derselben in Theilstücke habe ich nichts ermitteln können, obwohl es wohl keinem Zweifel unterliegen kann, dass auf jedem Stadium der Entwicklung ein Kern vorhanden ist. Ich habe mir daher viel Mühe gegeben, die gleiche Art der Fortpflanzung bei den Acanthoeystiden wieder aufzufinden, allein ohne Erfolg; leider ist es mir nicht geglückt, unsere so unvollständigen Erfahrungen über die Rolle, welche der Kern der Rhizopoden bei der Fort- pflanzung spielt, zu bereichern. Bei diesen Bemühungen wurde ich auf einen dritten Ent- wieklungsmodus der Acanthoeystis aufmerksam (Fig. 1 u. 2). Bei einer Anzahl von Individuen beobachtete ich innerhalb der Schale rundliche und ovale Körperchen, welche in Vertiefungen der Ober- fläche des Weichkörpers lagerten. Dieselben besassen einen Durchmesser von 0,01 Mm. und bestanden aus einem körnchen- armen, an Vacuolen reichen Protoplasma, in dem ich einige Male mit Deutlichkeit einen Kern mit Kernkörper nachweisen konnte. In einigen Fällen fanden sich bis zu 6 derartige Körper, meisten- theils aber waren nur zwei vorhanden, die dann constant von einander durch eine Protoplasmabrücke getrennt wurden. Unter Gestaltveränderungen der Acanthoeystis passirten die Körper lang- sam die sich vor ihnen ausbuchtende Schale; nicht selten traten hierbei rückgängige Bewegungen ein, so dass die schon geöffnete Schale sich wieder schloss. In’s Freie gelangt, bildeten die Körper einen rundlichen, von Vacuolen durchsetzten Protoplasmaklumpen, welcher sich meist nicht weiter veränderte. Nur in wenigen Fällen entwickelte er zwei Geisseln, deren träge Action ihn jedoch nur hin- und herrollte und nicht fort zu bewegen vermochte (Fig. 1a). Niemals ist es mir gelungen, die Umbildung in einen Actinophrys- ähnlichen Keimling zu verfolgen. So lange dieselbe nicht nachge- wiesen ist, muss die Bedeutung der geschilderten Vorgänge: ob Parasitismus oder Fortpflanzung ? noch zweifelhaft bleiben. Während der schleppende Verlauf und der Mangel ausgeprägter Formen einen Parasitismus vermuthen lassen, so macht andererseits die Häufigkeit des Vorkommens der ovoiden Körper in lebenden Acan- thoeystiden und ihre constante Grösse einen Zusammenhang mit Bd. XI. N. F. IV. 3. 24 340 Richard Hertwig, der Fortpflanzung wahrscheinlich. Zu Gunsten der letzteren Deutung muss ich hier noch anführen, dass die Mutterorganismen zwar so lange, als sie die fraglichen Körper in ihrer Schale bargen, keine oder nur wenige Pseudopodien hesassen, dieselben aber gleich nach der Entleerung reichlich aussandten. Dies so wie der Umstand, dass ich sie noch mehrere Tage am Leben erhalten konnte, liess jedenfalls erkennen, dass sie ausserordentlich lebensfrische Exemplare waren. An die Mittheilungen über Acanthocystis schliesse ich einige bei Actinophrys sol gemachte Beobachtungen an. Bei der Unter- suchung der Art und Weise, in welcher die Axenfäden der Pseudo- podien im Körperinnern enden, wurde ich auf ein besonders grosses Exemplar aufmerksam (von 0,065 Mm. Durchmesser), dessen Inhalt von kleinen, in äusserst lebhafter wimmelnder Be- wegung befindlichen Organismen gebildet wurde. Dieselben waren in zahllosen Mengen vorhanden und hatten das alveoläre Paren- chym fast vollkommen verdrängt, so dass nur Reste desselben in Form von Brücken, welche die äusserste membranartig verdünnte Rinde mit der Protoplasmaumhüllung des Kerns verbanden, vor- handen waren. Der Kern war unverändert, die Pseudopodien spärlich und kurz und ohne Körnchenüberzug, somit nackte Axen- fäden. Nach längerer Beobachtung platzte die Rinde an ver- schiedenen Stellen und es entleerten sich in kurzen Zwischen- räumen mehrere Schwärme kleinster Flagellaten-ähnlicher Orga- nismen. Jeder derselben besass eine Länge von noch nicht 0,004 Mm. und eine Breite von ungefähr 0,002 Mm. An dem seine Formen amoeboid ändernden Körper konnte ich zwei tumul- tuarisch das Wasser peitschende Geisseln erkennen, vermochte aber nicht zu entscheiden, ob ein Kern und contractile Blasen vorhanden waren. Die kleinen Organismen zerstreuten sich schnell, so dass ich nicht verfolgen konnte, was aus ihnen wurde. In dem Maasse, als die Schwärmer sich entleerten, collabirte die Actinophrys und bildete zuletzt einen beträchtlich kleineren von einem gewöhnlichen Sonnenthierchen sich nicht mehr unter- scheidenden Körper. Die hier geschilderten Verhältnisse erinnern an Angaben, welche Greeff') über Actinosphaerium Eichhorni gemacht hat. Aus dem Körper eines abgestorbenen Exemplares sah der ge- nannte Forscher zahlreiche kleine mit einem Kern und einer con- 1) Sitzungsberichte der Niederrh. Gesellsch. 1871 Januar. Studien über Rhizopoden. 41 tractilen Vacuole versehene Amoeben auskriechen und sich binnen Kurzem in Schwärmer umwandeln. Greeff hält den Vorgang für eine „aus den zahlreichen Kernen der Centralkapsel ihren Ursprung nehmende Embryonenbildung“. Ich meinerseits bin eher der Ansicht, dass in beiden Fällen, sowohl in dem von Greeff als in dem von mir beobachteten, ein Parasitismus vor- liegt und scheint mir diese Deutung namentlich bei ersterem durch das Absterben des (durch Parasitismus entkräfteten ?) Actino- sphaerium und durch die amoeboide Form der jungen Brut nahe gelegt zu sein. Denn ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein Organismus, der im ausgebildeten Zustand spitze Pseudopodien besitzt, in der Jugend amoeboide Fortsätze bilden sollte. Wir müssen ferner berücksichtigen, dass die Gefahr einer Verwechselung parasitischer Vorgänge mit Fortpflanzungszuständen bei den Pro- tisten weit grösser ist als bei den echten metazoen Thieren, da die Einfachheit der Organisation die genaue Unterscheidung von Formen, welche nicht in den Entwicklungseyelus gehören, er- schwert. III. Ueber den Bau der Thalamophoren. Hierzu Taf. XX. Fig. 7—10. Vor einiger Zeit veröffentlichte ich Untersuchungen über den Weichkörper der Foraminiferen, welche den Nachweis führten, dass bei diesen bisher für kernlos gehaltenen Organismen in der That deutliche Kerne vorhanden sind.!) Meine Beobachtungen wurden an jungen Formen der Gattungen Spiroloculina und Ro- talia, ausserdem an einigen Textilarien gewonnen. Bei ersteren fand ich, dass junge Individuen einkernig sind, dass sich aber die Zahl der Kerne im Laufe des Wachsthums vermehrt; bei den zwei untersuchten Textilarien dagegen, von denen die eine 5, die andere 13 Kanımern besass, konnte ich beidesmal nur einen Kern entdecken. Einige Monate später erschien eine Abhandlung F. E. Scehulze’s?), in welcher derselbe unabhängig von mir zu ähn- ) R. Hertwig: Bemerkungen zur Organisation und systematischen Stellung der Foraminiferen. Jen. Zeitsch. Bd. X, p. 41. ®) F. E. Schulze: Rhizopodenstudien VI. Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. XIII, p. 9. 24* 349 Richard Nertwig, lichen Resultaten gelangte. F. E. Schulze beobachtete Kerne vornehmlich bei zwei Formen: der Entosolenia globosa und der Polystomella striatopunetata. Bei beiden war nur ein Kern vor- handen und nur ausnahmsweise bei einigen Exemplaren der letzteren zwei bis drei Kerne. Nach diesem spärlichen Untersuchungsmaterial, welches zur Zeit vorliegt, können wir zwei Arten unterscheiden, in denen die Kerne bei den Foraminiferen auftreten. In einem Falle vermehren sich die Kerne schon frühzeitig, so dass wir sie im ausgebildeten Thier in beträchtlicher Zahl aber von geringer Grösse antreffen (Miliola, Rotalia); im anderen Fall wächst der von Anfang an vorhandene Kern und wird zu einem differenzirteren Gebilde, das dann für gewöhnlich in Einzahl vorhanden ist (Polystomella). Es wiederholt sich somit dasselbe Verhalten, welches wir auch bei anderen Rhizopoden nachweisen können. Bei den Arcellen unter den Süsswassermonothalamien finden sich zahlreiche kleinere Kerne, bei den Difflugien dagegen ein einziger grösserer; bei den Sphaerozoen unter den Radiolarien ist die ganze Centralkapsel von kleinen homogenen Nuclei erfüllt, ebenso bei den Acantho- metriden und den sich letzteren anschliessenden Dorataspiden (Müller’s Acanthometrae cataphractae), bei allen übrigen Radiolarien repräsentirt das sogenannte Binnenbläschen allein den Kern. Es ist nun von Interesse zu erfahren, in welcher Weise die Ein- und Vielkernigkeit bei den Foraminiferen oder, wie ich die- selben gemeinsam mit den Monothalamien des süssen Wassers nenne, bei den Thalamophoren verbreitet ist; ob sich hier Unter- schiede ergeben, welche mit den Verschiedenheiten in der Bildung des Skelets zusammentreffen oder nicht. Dies bestimmt mich, Beobachtungen, die ich gelegentlich der Untersuchung der Radio- larien und zum Theil auch früher gemacht habe und die sich auf den Weichkörper einiger Thalamophoren (Globigerina, Rotalina, Difflugia) beziehen, hier mitzutheilen. In der pelagischen Organismenwelt von Messina waren die Thalamophoren durch drei Arten vertreten. Die erste ist die Globigerina echinoides. Dieselbe war die ganze Zeit über selten und ist deswegen von mir nicht näher auf ihren Kern hin unter- sucht worden. Dagegen habe ich hier die interessante Beobach- tung gemacht, dass der Körper ähnlich dem der Radiolarien von Alveolen umgeben ist. Bei dem Exemplar, bei dem ich auf dies Verhältniss aufmerksam wurde, waren die Alveolen nur wenig Studien über Rhizopoden. 343 entwickelt und bildeten eine ein- bis zweischichtige Lage. Die Art war auch sonst durch den Bau ihrer Stacheln bemerkenswerth (Fig. 7). Dieselben bestehen aus 3 schmalen, sehr langen Blät- tern, die sich unter gleichen Winkeln mit einander vereinigen. Jedes Blatt ist auf seiner freien Kante fein gezähnelt und zwar so, dass die Zähne durch verhältnissmässig weite Zwischenräume ge- trennt werden. An dem peripheren Ende sind die Blätter schräg abgestutzt und bilden in ihrer Vereinigung eine dreikantige lanzen- artige Spitze. Nach der Basis zu verflachen sie sich zu einem drehrunden Stiel, der sich durch eine halsartige Einschnürung von dem zu einer dieken Basalplatte verbreiterten proximalen Ende absetzt. Letzteres ist in einer besonderen Vertiefung der Schale beweglich eingefügt, wie der Gelenkkopf in der Pfanne. Die von mir untersuchte Art ist zweifellos identisch mit der auf der Challengerexpedition aufgefundenen Thalamophore, welche von W. Thomson den Namen Hastigerina Murrayi erhalten hat und von Murray in den Preliminary Reports!) der Expedition beschrieben worden ist. Die englischen Zoologen haben zwar nur Abbildungen des ganzen Organismus bei verhältnissmässig schwacher Vergrösserung gegeben, allein es lässt sich an denselben schon erkennen, dass die Stacheln den oben geschilderten Bau besitzen. Da ich keinen Exemplaren mit so prächtig entwickeltem Alveolenlager, wie es die Tafel XXIII der Reports darstellt, be- gegnet bin, habe ich keine Zeichnung des ganzen Thieres gegeben und mich auf eine Abbildung der Stacheln beschränkt. Die Be- zeichnung Hastigerina Murrayi nehme ich an anstatt des alten Namens Globigerina echinoides, da aus den Angaben der britischen Autoren hervorgeht, dass unter diesem Namen veschiedene Formen — es werden 11 Arten unterschieden — zusammengefasst wor- den sind. Von den beiden anderen Arten ist die eine die weitverbreitete Globigerina bulloides, die andere scheint mir mit Williamson’s) Rotalina inflata übereinzustimmen. Die Globigerina bulloides gilt gewöhnlich für ein Tiefsee- foraminifer. Parker und Jones?) bezeichnen als ihren Lieb- lingsaufenthalt die Tiefe von 1000--2500 Faden. Indessen hebt !) Proceedings of the Royal Society Nr. 170, 1876, p. 534. ®) Williamson: On the Recent Foraminifera of Great Britain. London 1858, p. 50, Fig. 93 u. 9. °) Parker and Jones: On some Foraminifera from the North Atlantic, Transactions of the Roy. Soc. Vol. 155 P. I. London 1865, p. 368, 914 Richard Hertwig, Murray ') in den Challenger-reports ausdrücklich hervor, dass er keinem lebenden Exemplar von Globigerina begegnet sei, welches zweifellos vom Meeresgrund stamme, dass die Gattung dagegen neben Hastigerinen, Orbulinen und. Pulvinulinen im pelagischen Auftrieb sehr häufig gewesen sei. Die eine Spirale bildenden Kammern der von mir untersuchten Exemplare (Taf. XX. Fig. 5) zeigen die bekannte Anordnung, dass die neu entstandenen die älteren von unten her zum Theil verdecken. Ihre Grössenzu- nahme ist hierbei so bedeutend, dass stets nur die drei letzten Kammern von unten vollständig sichtbar sind, von der vorher- gehenden viertletzten nur ein Stück. Die terminale halbmond- förmige Oeffnung der Schale lagert da, wo die Wandung der letzten Kammer auf die darunterliegende viertletzte stösst, in der Nähe des Mittelpunkts der Schale. Direecte Communicationen zwischen den einzelnen aufeinander folgenden Schalenräumen werden gewöhnlich in Abrede gestellt; zwar ist ihre Existenz von mir nicht durch direete Beobachtung erkannt worden, da ich nur mit Protoplasma erfüllte Schalen untersucht habe, aber sie ist mir durch das Verhalten des Weichkörpers wahrscheinlich gemacht, wie ich sogleich zeigen werde. Die Schalenoberfläche ist rauh und zumeist mit zahlreichen kleinen Höckern besetzt. Diese werden von feinen Canälchen, die aus dem Schalenraum kommen, durchbohrt und scheinen nach ihrem stärkeren Glanz zu urtheilen von einer dichteren Substanz gebildet zu werden, die sich auch in das Innere der Canälchen fortsetzt. Ausserdem lässt die Schalenwand eine deutliche Son- derung in zwei Schichten erkennen, eine äussere dickere und eine innere membranartig dünne; letztere entspricht wohl „der zarten organischen Haut,“ welche nach Scehultze?) die Kammern der Polythalamien gleichmässig auskleidet; sie tritt besonders deutlich bei der Lösung des Kalks in Säuren hervor. Der gleichen Schiehtung der Schalenwand begegnen wir bei der Rotalina inflata (Taf. XX. Fig. 9 und 10); auch der rauhe körnige Anblick der Schale ist derselbe. Dagegen fehlen die von den Pseudopodiencanälen durchbohrten Höcker; auf dem optischen Querschnitt zeigt die Schale eine senkrechte Streifung, als wäre sie aus einzelnen Prismen zusammengesetzt. Die streifige Struetur macht die Canälchen undeutlich, deren Mündungen bei 1) Murray: 1. c,, p. 535. ®) Schultze: Ueber den Organismus der Polythalamien, p. 15. Studien über Rhizopoden. 345 Einstellung auf der Oberfläche jedoch leicht erkannt werden. Die Grössenzunahme der einzelnen Kammern ist eine allmäh- lichere als bei Globigerina, sodass beim Anblick von unten 4—5 vollständige Kammern sichtbar sind. Die Form derselben ist nicht die kugelige, wie sie für die Globigerinen charakteristisch ist; vielmehr platten sich die einzelnen Abschnitte gegen einander ab. Wenn man die Kalkbestandtheile mit Säuren löst, so gelingt es öfters nachzuweisen, dass die Protoplasmafüllungen der Kam- mern unter einander durch schmale Brücken zusammenhängen. Die beiden beschriebenen Arten stimmen ir der Bildung des Kerns mit einander überein. Mit Ausnahme von zwei Rotalinen besassen alle untersuchten Individuen nur einen Kern. Die Grösse desselben nimmt zu mit der Grösse des Thiers und schwankt zwischen 0,005 Mm. bis 0,025 Mm.; ebenso ist seine Lage eine wechselnde. Beim Wachsthum der Schale wandert der Kern aus den hinteren Kammern mehr nach den vorderen über. Um einige extreme Fälle anzuführen, so fand ich den Kern bei einer 6kam- merigen in der zweiten (fünftletzten) Kammer, bei zahlreichen 15- oder l4kammerigen dagegen in der drittletzten, bei einer Skammerigen Globigerina sogar in der vorletzten. Das Gleiche hat F. E. Schulze bei der Polystomella hervorgehoben. Wie dieser, so habe auch ich in einigen Fällen den Kern beim Ab- tödten mit Osmiumsäure gerade beim Ueberwandern aus einer Kammer in die nächstfolgende angetroffen; zweimal konnte ich bei Globigerina nachweisen, dass der Kern noch zur Hälfte in der einen, zur Hälfte in der andern Kammer lag. Diese Fälle scheinen mir zu beweisen, dass eine directe Communication zwischen zwei auleinanderfolgenden Schalenabschnitten besteht, dass letztere somit nicht völlig gegeneinander abgeschlossen sind, wie es Carpenter, Parker und Jones darstellen. Mit grosser Regelmässigkeit zeigt der Kern überall den- selben Bau; er bildet einen kugeligen Körper, der von einer Membran umschlossen ist und aus zwei Theilen sich zusammen- setzt. Der eine Theil färbt sich dunkler in Carmin und ist meist feinkörnig, der andere hellere ist homogen; meist überwiegt der Masse nach der erstere, seltener ist das umgekehrte Verhältniss erkennbar. Beide Substanzen setzen sich gegen einander scharf mittels einer queren Linie ab.— Der Kern wurde in allen Fällen dadurch sichtbar gemacht, dass die Globigerina 2—3 Minuten mit 1%, Osmiumsäure behandelt und dann eine Viertelstunde in Beales’s Carmin gefärbt wurde. Diese Behandlungsweise gibt nach 346 Richard Hertwig, meinen vielfältigen Erfahrungen Garantieen, dass wir es in den vorliegenden Bildern mit normalen Structurverhältnissen des Kerns zu thun haben. Sie empfiehlt sich ausserdem dadurch, dass das Skelet unversehrt bleibt, was bei der früher von mir verwandten Chromsäure oder dem Holzessig nicht der Fall ist. Bei den zwei Exemplaren der Rotalina inflata, in denen zwei Kerne sich vorfanden, war der eine kleiner und ein einfacher homogener Körper, uud nur der grössere zeigte die Differenzirung in zwei Substanzen; in einem der beiden Fälle war noch die Abweichung im Bau des grossen Kerns zu bemerken, dass der sich dunkler färbende Kerntheil in zwei Stücke zerfallen war (Fig. 9). Was die Lagerung anlangt, so fand sich der kleinere um eine Kammer der Schalenmündung näher als der grössere. Wenn dem Gesagten zu Folge bei den Globigerinen und zahlreichen anderen Thalamophoren lange Zeit über ein einkerniger Zustand besteht, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass derselbe zur Zeit der Fortpflanzung schliesslich einem viel- kernigen Platz macht. Wir kennen hierüber zwar keine Be- obaehtungen bei kalkschaligen Formen, dagegen von einigen ein- kammerigen Arten mit membranöser Schalen. Nach M. Schultze!') besitzen die Gromien zumeist nur einen Kern von beträchtlicher Grösse; nicht selten aber finden sich auch Exemplare mit zahlreichen kleinen Kernen; in einem Falle zählte Schultze über 50. Durchschnittlich waren es, wie man von vornherein erwarten konnte, die grösseren Exemplare, welche viele Kerne enthielten. Aehnliches gilt von den Difflugien. Für gewöhnlich ist in diesen in unserm Süsswasser so häufigen Monothalamien nur ein Kern vorhanden; bei Individuen der D. proteiformis jedoch, welche alle von demselben Fundort stammten, fand ich deren sehr zahl- reiche — wohl an 40 — vor, von denen ein jeder mit vielen kleinen Nucleoli versehen war. Gleiche Beobachtungen hat Schultze angestellt. Mit Recht bringt Schultze diese Vermehrung der Kerne mit der Fortpflanzung in Zusammenhang; doch bedarf diese Annahme noch der Bestätigung durch direete Beobachtung. Noch wichtiger scheint es mir zu sein zu entscheiden, in weleher Weise die vielen ') M. Sehultze: Der Organismus der Polythalamien, p. 21 u. Reichert und die Gromien. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. II, p. 140. Studien über Rhizopoden. 347 Kerne aus dem ursprünglich vorhandenen entstehen. Bei der Grösse des Mutterkerns und bei der Festigkeit, welche die ihn umhüllende Membran annimmt, ist eine einfache Theilung nicht wahrscheinlich; vielmehr scheinen auch hier eigenthümliche, noch nicht bekannte Umbildungen einzutreten, wie sie für die Radio- larien von mir wahrscheinlich gemacht worden sind. 348 Richard Hertwig, Studien über Rhizopoden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX u. XX. Tafel XIX, Sticholonche Zanclea. Fig. 1. Lebendes Exemplar mit ausgestreckten Pseudopodien; k Binnen- kapsel; n der in derselben gelegene Kern. Zeiss Im. Oc. 1. Fig. 2. Optischer Querschnitt einer isolirten Binnenkapsel; r ringförmige Erhebungen auf der Kapselmembran; s Röhrchen, welche den Erhebungen aufsitzen und zum Durchtritt der Pseudopodien dienen (zum Theil ab- gefallen); n der Kern. Fig. 3. Optischer Längsschnitt einer Binnenkapsel. Fig. 4. ÖOberflächenbild einer isolirten Binnenkapsel; a eine Stelle, an der die ringförmigen Erhebungen fehlen. Fig. 5 und 6. Die beiden an der Skeletoberfläche vorkommenden Stachel- formen. (Fig. 2—6 bei F. Oc 21,.) Tafel XX. Fig. 1-6. Acanthocystis aculeata. (F. Oc 2.) n — Kern; m = Marksubstanz; e v= contractile Vacuolen, Fig. 1. Acanthocystis mit zwei Fortpflanzungskörpern, von denen der eine im Ausschlüpfen begriffen ist; Fig. 1a derselbe nach dem Ausschlüpfen. Fig. 2. Ein anderes Exemplar mit 3 Fortpflanzungskörpern. Fig. 3. Acanthocystis nach Behandlung mit Osmiumsäure und Carmin. Das Exemplar zeigt deutlich die Marksubstanz, den peripher lagernden Kern und das centrale Korn mit den ausstrahlenden Axenfäden. Fig. 4. Theilungsstadien der Kerne nach Carmin-Osmiumpräparaten. Fig. 5. Brutkapselbildung der Acanthocystis aculeata. Fig. 5a der Schalen- raum der Brutkapsel hängt noch mit dem des Mutterthieres zusammen. Fig. 5b der Inhalt der völlig abgeschnürten Brutkapsel ist in 6 'Theil- stücke zerfallen, von denen eins im Ausschlüpfen begriffen ist. Fig. 5ec. Die nach aussen getretenen Theilstücke als actinophrysähnliche Keimlinge. Fig. 6. Actinolophus pedunculatus. Carmin-Osmiumpräparat. Fig. 7—10. Thalamophoren. Fig. 7. Basis und Spitze eines Stachels von Hastigerina Murrayı. Fig. 8. Eine achtkammerige Globigerina bulloides von unten gesehen; ein Kern vorhanden, der in der 7. und 8. Kammer lagert. Osmium-Carmin- präparat. Fig. 9. Eine elfkammerige Rotalina inflata von oben gesehen, ein grosser Kern in der 7., ein kleiner in der 8. Kammer. Osmium-Carminpräparat. Fig. 10. Eine dreizehnkammerige Rotalina von unten gesehen; ein aus zwei Theilen bestehender Kern in der 10. Kammer; Osmium-Carminpräparat; Schale mit Essigsäure gelöst. Fig. 10a optischer Durchschnitt durch die mit Essigsäure behandelte Schale. Bemerkungen über den Bau der Najadenkieme. Von Carl RBRabl. Hierzu Taf. XXI. Bei meinen Beobachtungen über die Entwicklungsgeschichte der Malermuschel, die ich vor Kurzem in dieser Zeitschrift ver- öffentlicht habe, war mir willkommene Gelegenheit geboten, auch dem histologischen Bau der Najadenkieme meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dabei stellte sich heraus, dass die Resultate, zu denen ich gelangte, wenn sie auch im Grossen und Ganzen mit denen Carl Posner’s!) übereinstimmten, dennoch in manchen Punkten nicht unerheblich von denselben abwichen. Wenn ich nun im Folgenden einige dieser Punkte kurz auseinandersetze, so geschieht dies nur in dem Wunsche, unsere Kenntnisse der histologischen Verhältnisse der Muschelkiemen, die durch Pos- ner’s Arbeit um ein so Gewaltiges gewachsen sind, etwas fördern zu helfen. Irgend eine weitere Bedeutung können diese Bemerkungen natürlich so lange nicht in Anspruch nehmen, als die genaueren histologischen Verhältnisse der Kiemen anderer Muscheln noch unbekannt sind. Bevor ich jedoch auf eine Auseinandersetzung meiner Unter- suchungen eingehe, muss ich ein paar Worte über die Wahl des Objectes, sowie über die Behandlungsweise desselben voraus- schicken. Was für’s erste die Wahl des Objectes betrifit, so muss ich bemerken, dass sich meine Angaben zunächst nur auf die !) Garl Posner, Ueber den Bau der Najadenkieme. Ein Beitrag zur vergleichenden Histiologie und Morphologie der Lamellibranchiaten, Archiv für mikr. Anat. 11. Band, 1874. 350 Carl Rabl, Kiemen von Unio pietorum beziehen und dass sie ferners nur für solche Kiemen Gültigkeit haben, die während der Schwanger- schaft mit Eiern vollgepfropft sind. Solche Kiemen aber bieten, wie Posner hervorgehoben hat, ein ganz anderes Bild dar, als Kiemen ohne Eier; sie zeigen Verhältnisse, welche, wie dieser Forscher selbst zugibt, ihm unverständlich geblieben sind. Den- noch glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich behaupte, dass die Differenzen zwischen den Beobachtungen Posner’s und meinen eigenen nur zum geringsten Theil aus diesen, während der Schwangerschaft eintretenden Veränderungen hergeleitet werden müssen. Was für’s zweite die Behandlungsweise meines Objectes be- trifit, so war dieselbe folgende: Zuerst wurden die mit Eiern ge- füllten Kiemen in einprocentige Chromsäurelösung gebracht, hier vierundzwanzig Stunden gelassen, sodann für weitere vierund- zwanzig Stunden in dreiprocentige Lösung gelegt, darauf in siebzigprocentigen und sodann endlich in absoluten Alcohol ge- bracht. Nachdem sie hier einige Tage gelegen hatten, wurden sie mit Carmin gefärbt, um sodann wieder in absoluten Alcohol zu wandern. Die in dieser Weise gehärteten und gefärbten Kie- men wurden, nachdem sie zuvor noch kurze Zeit in Terpentinöl gelegen hatten, in ein Gemisch von Wachs und Oel eingebettet, sodann geschnitten und die Schnitte in der bekannten Weise be- handelt und aufbewahrt. Diese Methode besitzt vor vielen ande- ren den Vortheil, dass sowohl die Kiemen, als die in denselben enthaltenen Embryonen vollkommen gleichmässig gehärtet werden und alle Gewebe ausserordentlich schön erhalten bleiben. Auch muss ich bemerken, dass ich nur solche Präparate gezeichnet habe, welche von Kiemen stammen, in denen die Embryonen nicht die geringste Schrumpfung, oder sonstige Deformität, welche man der Behandlungsweise zuschieben könnte, aufwiesen. Die Verschieden- heit der Resultate kann daher, vorausgesetzt dass die von Pos- ner mit besonderer Vorliebe angewendete Ueberosmiumsäure in ähnlich günstiger Weise auf die Gewebe wirkt, auch nicht in der Verschiedenheit der Methoden ihren Grund haben. — Die Punkte nun, über welche ich kurz berichten will, sind drei: 1. Die Anordnung des Flimmerepithels an den Kiemenleisten, 2. dieehitinähnlichen Verdiekungen in und zwischen den einzelnen Kiemenleisten, und D. das Bindegewebsnetz der Kiemensepten. Was den ersten Punkt betrifft, so muss ich hervorheben, dass Bemerkungen über den Bau der Najadenkieme. 351 das Flimmerepithel der Kiemenleisten auf allen meinen Präpa- raten in drei Reihen angeordnet erscheint. Die mittlere dieser Reihen, welche die Höhe der Kiemenleiste einnimmt und gegen die Oberfläche der Kieme zu sieht, ist ungefähr acht bis zehn Zellen breit und wird an ihren Rändern von Zellen eingesäumt, die durch ihre bedeutende Grösse, sowie überhaupt durch ihr gan- zes Aussehen, sofort in die Augen springen. Diese Zellen, welche von Posner als „einfach durchbohrte“ beschrieben werden und von denen er angibt, dass sie nicht blos durch ihre Grösse und durch die Länge ihrer Wimpern, sondern auch dadurch vor den übrigen Zellen ausgezeichnet sind, dass ihre Wimpern die Cutieula nur an einer einzigen Stelle durchbohren, — diese Zellen nun finde ich durehgehends von folgender Beschaffenheit. Abgesehen von ihrer viel beträchtlicheren Grösse, die ja auch Posnern auf- gefallen ist, erscheint ihr Protoplasma viel homogener und färbt sich mit Carmin viel intensiver, als das Protoplasma der übrigen Flimmerzellen; ihre Cutieula ist viel dieker und mächtiger und wird allenthalben von langen Wimperhaaren durchbohrt; die Bezeichnung der Zellen als „einfach durchbohrte“ hat daher, we- nigstens für Unio, keine Gültigkeit (Taf. XXI, Fig. 1, ez). Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass solche „einfach durchbohrte“ Zellen an der Najadenkieme überhaupt nieht vorkommen; nur weiss ich nicht, wo ich sie zu suchen habe. Von dieser mittleren, auf der Höhe jeder Kiemenleiste befind- lichen Reihe von Flimmerzellen gelangt man, wenn man das Epi- thel auf beiden Seiten gegen die zwischen den einzelnen Kiemen- leisten verlaufenden Flimmerrinnen hin verfolgt (Fig. 1 und 2, FR), jederseits auf eine bedeutend schmälere Flimmerzellen-Reihe, welche gegen die Flimmerrinne zu sieht und die von der mittleren durch eine Breite von einer, höchstens von zwei, niehtflimmernden Zellen getrennt ist. Jede dieser beiden seitlichen Reihen besitzt die Breite von vier Zellen und zeichnet sich durch die Länge der Wimpern aus. Diese erscheinen nicht selten, namentlich an sehr dünnen Schnitten, büschelweise angeordnet; jedes einzelne Büschel besteht aus den einer Zelle angehörenden Wimpern. — Bemerkens- werth ist noch, dass diese beiden seitlichen Reihen sehr häufig gegen ihre Umgebung etwas vorspringen. Von da an verflacht sich das Epithel immer mehr und mehr, um endlich in der Tiefe der Flimmerrinne in ein einschichtiges Pflasterepithel überzugehen (Fig. 1. pz). An diesem sind an keinem meiner Präparate Wim- perhaare zu bemerken, obwohl doch sonst überall, wo solche vor- 359 Carl Rabl, kommen, also auch an den Wänden der Kiemenfächer, dieselben sehr klar und deutlich zu sehen sind. Ich muss daher im Gegen- satz zu Posner hervorheben, dass das Flimmerepithel nicht die oanzen Kiemenleisten überzieht, sondern dass es, wie gesagt, nur in Form von drei, von einander getrennten Strängen oder Reihen angeordnet ist. Es kann sich daher auch nicht ununterbrochen in die sogenannten Wassercanäle hinein fortsetzen, sondern diese beginnen vielmehr erst in einer gewissen Entfernung von der Oberfläche der Kieme zu flimmern. Was den zweiten Punkt, die chitinähnlichen Verdiekungen in und zwischen den Kiemenleisten, betrifft, so muss ich vor Allem hervorheben, dass ich in Beziehung auf die Deutung der Chitin- stäbehen als „localer Verdickungen des Leistengewebes, hervor- gerufen durch Anpassung an die Skeletfunetionen“ vollständig mit Posner übereinstimme. Die Chitinstäbehen zeigen bei Unio auf Quersehnitten sehr häufig eine mehr oder weniger sichelförmige Gestalt (Fig. 1. C). Seltener erscheinen sie halbmondförmig, wie sie Posner von Anodonta beschreibt und abbildet. Das Leisten- gewebe selbst ist, wie Posner angibt, „eine homogene, structur- lose Masse, mit sehr spärlichen Zellenresten“ und muss wohl den Geweben der Bindesubstanz zugezählt werden. Gegen Carmin verhält sich dasselbe, wie ich finde, durchaus nicht „ziemlich in- different‘‘, sondern färbt sich ganz entschieden roth, wenngleich nicht so intensiv, wie die Stäbchen. Von den sonstigen localen Verdiekungen des Leistengewebes ist besonders eine in der Mitte zwischen den beiden Chitinstäb- chen zuweilen auftretende und auf dem Querschnitte nicht selten wellig geschwungene, chitinähnliche Verdiekung zu erwähnen (Fig. 2, md). Ferner verdienen noch diejenigen Verdiekungen erwähnt zu werden, welche sich zwischen den, einander zugekehrten Chitin- stäbchen je zweier, aufeinanderfoigender Kiemenleisten ausspannen ; sie zeigen stets einen mehr oder weniger faserigen Bau, färben sich mit Carmin viel intensiver als das übrige Leistengewebe, mit Aus- nahme der Chitinstäbehen und der erwähnten medianen Verdiekung desselben, und lassen nicht selten Reste von Zellkernen zwischen den einzelnen Fasern erkennen. Wenn ich nicht irre, sind das dieselben Faserbündel, welche Posner als glatte Muskelfasern und v. Hessling als fibrilläres Bindegewebe beschrieben haben. Ich muss jedoch gegen beide Ansichten Einwand erheben; denn diese Faserbündel färben sich mit Carmin viel intensiver, als das Bemerkungen über den Bau der Najadenkieme. 353 Protoplasma glatter Muskelfasern oder die Intercellularsubstanz des fibrillären Bindegewebes (Fig. 2, fz). Selbst hinsichtlich der, an gleicher Stelle auftretenden und sich unter rechtem Winkel kreuzenden Faserbündel, die man noch am ersten für glatte Mus- kelfasern in Anspruch nehmen könnte, kann ich mich nicht zu der Ansicht Posner’s bekennen. Endlich muss ich noch erwähnen, dass zuweilen sehr aus- gedehnte Chitinisirungen des Bindegewebes, wenn dieser Ausdruck überhaupt erlaubt ist, vorkommen, dass jedoch bei allen erwähnten Bildungen der sogenannte „Langer’sche Stäbchencanal“, der nichts weiter ist, als eine in der Kiemenleiste verlaufende Vene, vollkommen erhalten bleibt (vergl. Fig. 1 und 2LC). In Beziehung auf den dritten der eingangs erwähnten Punkte habe ich nur zu bemerken, dass sich ein schön aus- gesprochenes Bindegewebsnetz namentlich an jenen Stellen findet, wo die Züge des fibrösen Bindegewebes der Septa, welche die Kiemenlamellen mit einander verbinden, auseinanderweichen (Fig. 5). Zwischen den Maschen dieses Reticulums sind zahl- reiche Blutkörperchen (bz), die an ihrer mehr oder weniger rund- lichen Form, an ihrer nicht unbeträchtlichen Grösse, an ihrem körnchenhaltigen Protoplasma und ihrem grossen runden Kerne sofort zu erkennen sind, eingestreut. !) Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass die Septa, welche die einzelnen Kiemenfächer von einander scheiden, bei den mit Eiern vollgepfropften Kiemen auf dem Querschnitte seitlich com- primirt erscheinen und in der Mitte eine grosse Auftreibung be- sitzen (Fig. 4,6), welche in ihren blasig erweiterten Räumen Blutkörperchen in ausserordentlich grosser Zahl enthält. Aus dieser massenhaften Ansammlung von Blutkörperchen glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass hier die Gefässe verlaufen; freilich, was Vene und was Arterie sei, lässt sich dabei uicht entscheiden. Iım Ganzen aber glaube ich herverheben zu müssen, dass — wie es ja auch in der Natur der Sache liegt — der histologische Bau der mit Eiern erfüllten Najadenkiemen sich ohne allen Zwang auf die normalen Verhältnisse einer leeren Kieme zurückführen 1) Daraus geht wohi mit Entschiedenheit hervor, dass die von Kollmann aufgestellte Vermuthung, es könnten die erweiterten Blutbalmen, welche Posner durch Injection nachgewiesen und Kollmann bestätigt hat, noch „den Charakter der Gefässe“ an sich tragen, unrichtig ist. (Kollmann „Die Bindesubstanz der Acephalen‘, Arch. f. mikr. Anat. 1876.) 354 Carl Rabl, Bemerk. üb. d. Bau d. Najadenkieme. lässt; man denke sich nur an der, von Posner gegebenen halb- schematischen Abbildung eines Querschnittes durch eine Najaden- kieme die einzelnen Kiemenfächer durch die in ihnen befindlichen Eier nach allen Richtungen hin gleichmässig ausgedehnt, — und man wird ein Bild erhalten, welches im Grossen und Ganzen die Verhältnisse einer trächtigen Najadenkieme vor Augen führt. — Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Fig. 1. Querschnitt durch zwei Kiemenleisten von Unio pietorum. Vergr. eirca 900. Contouren mit Hülfe der Camera lucida gezeichnet. ez Eck- zellen, sf seitliche Flimmerzellen, pz Pflasterzellen, bz Blutkörperchen, C Chitinstäbchen, Ig Leistengewebe, LC „Langer’scher Stäbchencanal“, FR Flimmerrinne, S Septum, KF Kiemenfach. Fig. 2. Querschnitt durch vier Kiemenleisten (KL), um die chitinähnlichen Verdiekungen in und zwischen denselben zu zeigen. Die Flimmerzellen der Kiemenleisten sind schematisch eingezeichnet. Vergr. circa 480. C Chitinstäbehen, md mediane Verdickung, fz Faserzüge zwischen zwei Kiemenleisten, bz Blutkörperchen, FR Flimmerrinne, KF Kiemenfach. Fig. 3. Reticuläres Bindegewebe. Vergr. 400. bk Bindegewebskörperchen, bz Blutkörperchen, KL Kiemenleisten, KF Kiemenfächer, S Septum zwi- schen denselben. Fig. 4. Ein Septum. Vergr. 100. Blasige Auftreibung in der Mitte, die Gefässe enthaltend. KF Kiemenfächer, Kll Kiemenlamelle der einen Seite, Kll, Kiemenlamelle der andern Seite. Ueber das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. Von Oscar und Richard Hertwig. Die Phylogenese des Nervensystems und der Sinnesorgane ist ein Capitel in der vergleichenden Anatomie, das bisher noch wenig Beachtung gefunden hat. Es besteht daher hier in unseren Kenntnissen eine Lücke, welche man, einmal aufmerksam ge- worden, um so schwerer empfinden wird, je mehr die Fragen, um die es sich handelt, von grosser morphologischer und physio- logischer Bedeutung sind. So kann es wohl keinem Zweifel unter- liegen, dass die Thatsachen, welche entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an höheren Organismen über die erste Bildung des Nervensystems und der Sinnesorgane festgestellt haben, unserem Verständniss erst dann näher gerückt werden, wenn diese Organ- systeme in ihren ersten Anfängen in der Thierreihe erkannt worden sind, wenn wir wissen, wie und wodurch eine einfache Zelle zu einer Ganglienzelle und zu einer Sinneszelle wird. Diese und ähnliche Erwägungen lenkten unser Augenmerk auf die Coelenteraten, als die einfachst gebauten metazoen Orga- nismen, Unter diesen schienen uns die Medusen die geeignetesten Untersuchungsobjeete zu sein, weil bei ihnen schon von anderer Seite ein Nervensystem von primitiver Beschaffenheit beobachtet und Sinnesorgane verschiedener Art beschrieben worden sind. Bei Anwendung von histologischen Methoden, wie sie hauptsächlich durch die Bemühungen von Max Schultze im letzten Jahrzehnt vervollkommnet worden sind, konnten wir hoffen, in die Organi- Bd. XI. N. F, IV. 3. 25 356 Öscar u. Richard Hertwig, sation dieser niederen Thiere noch weiter einzudringen und auf die oben aufgeworfenen Fragen eine Antwort zu gewinnen. Messina mit seiner reichen pelagischen Fauna setzte uns während eines Winteraufenthaltes in den Stand, unsere Beobach- tungen über fast alle Familien der eraspedoten und acraspeden Medusen auszudehnen. Aus der Gruppe der Ocellaten untersuchten wir Oceania conieca, und Lizzia Köllikeri, von Trachymedusen — mehrere Aeginiden: Aeginopsis mediterranea, Cunina lativentris und C. sol maris — zwei Trachynemiden: Rhopalonema velatum und Aglaura hemistoma — zwei Geryoniden: Glossocodon mucronatum und Carmarina hastata. Von vesiculaten Medusen fanden wir bei der pelagischen Fischerei sowohl Eucopiden, als Aequoriden und Thaumantiaden. Die Eucopiden waren repräsentirt durch Eucope polystyla und thaumantioides, die Aequoriden durch Aequorea Forskalea und die bunt zusammengesetzte Familie der Thauman- tiaden durch Mitrocoma Annae, Eucheilota und Octorchis Gegen- bauri. Die acraspeden Medusen stellten sich in geringerer Anzahl von Arten im Hafen von Messina ein. Von diesen konnten im frischen Zustand nur Pelagia noctiluca, Nausitho& albida, Aurelia aurita und Phacellophora eamtchatiea untersucht werden. Da wir unseren Aufenthalt am Mittelmeer auch zur weiteren Fortsetzung angefangener Studien über Eibildung und Bau der Radiolarien benutzten und hierdurch unsere Zeit beschränkt war, so entschlossen wir uns, beide gemeinsam das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen zu bearbeiten, um das sich uns darbietende Material möglichst vollständig ausnutzen zu können. Unsere an den verschiedensten Medusen angestellten Unter- suchungen werden wir demnächst in einem Band von Denk- schriften veröffentlichen, welcher von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena herausgegeben wird. Der ausführlichen Darstellung lassen wir im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der hauptsächlichsten Ergebnisse vorausgehen. Auf die Arbeiten unserer Vorgänger nehmen wir hierbei keinen Bezug, da dies später geschehen wird. In erster Linie besprechen wir die eras- pedoten und im Anschluss an sie die acraspeden Medusen. I. Craspedote Medusen. Der morphologisch interessanteste Theil des Medusenkörpers ist der Schirmrand. Die meisten und wichtigsten Organe, das Ueber das Nervensystem ete. der Medusen, 357 Gastrovasceularsystem, das Velum und die Subumbrella, die Ten- takeln, der Nervenring und die Sinnesorgane, treten hier in Be- ziehung zu einander. Es wird daher zwecekmässiger Weise eine kurze Skizze vom Bau dieser Gegend der Besprechung des Nerven- ringes und der Sinnesorgane vorausgehen. Bei allen eraspedoten Medusen bildet das Gastrovaseularsystem unmittelbar am Schirmrand einen Ringeanal, in den Radiärcanäle je nach den einzelnen Arten in verschiedener Anzahl einmünden. Derselbe wird von einer einfachen Epithelschicht ausgekleidet, die auf seiner unteren Seite aus hohen Cylinderzellen, nach der Schirmoberfläche zu aus platten Elementen sich zusammensetzt. Bei einigen Cuninen hat der Ringeanal dadurch, dass sein Lumen sich geschlossen hat, eine Rückbildung erfahren. Er ist daher jetzt nur noch auf dem Querschnitt als ein dünner Zellstrang nachzuweisen, welcher mit den trichterförmigen Aussackungen des Gastrovascularsystems durch rudimentäre Radialcanäle zusammen- hängt. An den Schirmrand und zwar unmittelbar in der Nähe des Ringeanales setzt sich das Velum an. Es geht dasselbe einzig und allein aus der Eetodermschicht des Körpers durch Falten- bildung hervor und wird von zwei Zellenlagen gebildet, die durch eine homogene oft ziemlich dicke Stützmembran von einander getrennt sind. Die letztere spaltet sich am Schirmrand und setzt sich einerseits in eine zarte Membran fort, welche von den Eeto- dermzellen der Schirmoberfläche ausgeschieden ist, andernseits hänst sie mit der derben Stützlamelle der Subumbrella zusammen. Unmittelbar in dem Spaltungswinkel liegt der Ringeanal. — Das Epithel des Velum ist einschichtig und auf beiden Seiten ver- schieden beschaffen. Auf der oberen Seite besteht es bald aus mehr cubischen, bald aus mehr platten Elementen, die Zellen der unteren Seite dagegen haben an ihrer Basis eine einfache Schicht von quergestreiften Muskeltibrillen ausgeschieden. Dieselben liegen. unmittelbar der Stützlamelle auf in der Weise, dass ihre Richtung dem Schirmrand parallel ist. Radial gerichtete Muskelfasern kommen gar nicht im Velum, selten in der Subumbrella vor. Bei einigen Arten (Geryonia) wird eine Vermehrung der muskulösen Elemente des Velum dadurch herbeigeführt, dass die Stützlamelle in parallel zum Schirmrand gerichtete Falten sich erhoben hat und dadurch eine grössere Fläche zur Anbildung von Muskel- fibrillen darbietet. Auch an der Subumbrella lässt sich bei Thaumantias und Aequorea diese Oberflächenvergrösserung durch 25* 358 Oscar u. Richard Hertwig, Faltenbildung beobachten. Dieselbe führt bei der letztgenannten Meduse dann weiter zu der interessanten Erscheinung, dass die muskelbildenden Epithelzellen von der Oberfläche der Subumbrella ganz ausgeschieden sind, dass sie noch von einer besondern Lage von Deekepithelien überzogen und von diesen sogar durch eine zarte Membran getrennt werden. So lässt sich hier die Bildung eines Mesoderms in ihren ersten Anfängen beobachten. Ganz besonders hervorzuheben ist bei der Besprechung des Velım und der Subumbrella, dass ihre Muskellagen nicht un- mittelbar in einander übergehen. Vielmehr werden dieselben an der Stelle, wo das Velum an den Schirmrand sich anheftet, von einander durch eine breite Epithelschicht getrennt, in deren Bereich eine Ausscheidung von Muskelfibrillen nicht statt- gefunden hat. An der Zusammensetzung des Schirmrandes nehmen ferner auch die Tentakeln Theil, welehe in ihrer Zahl nach den einzelnen Medusenarten in weiten Grenzen variiren. Meist sind dieselben unmittelbar über dem Velum angebracht, nur in seltenen Fällen rücken sie an der Schirmwölbung weiter empor, ein Verhalten, welches als secundäres zu beurtheilen ist. Die Tentakeln ent- stehen durch eine Wucherung von Zellen, sowohl des Entoderms, als auch des Eetoderms. Die ersteren bilden den Axentheil, die letzteren das ihn einhüllende ein- oder mehrschichtige Epithel. Beide Bestandtheile sind von einander durch eine oft beträchtlich dicke Stützlamelle abgegrenzt. In der Axe des Tentakels sind die Entodermzellen bei vielen Medusen in pflanzenzellähnliche Gebilde, wie bei den Hydren, umgewandelt (solide Tentakel), bei andern dagegen setzt sich die Höhlung des Ringeanals selbst in das Innere des Tentakels hinein fort und es behalten in diesem Fall die Entodermzellen ihren epithelialen Charakter bei (schlauch- förmige Tentakel). Einen ähnlichen Bau wie die soliden Ten- takeln lassen die sogenannten Mantelspangen erkennen, welche eine der Geryonidenfamilie eigenthümliche Bildung sind. Auch sie bestehen aus einem knorpelartig umgewandelten Zellstrang, der aus dem Epithel des Ringeanals abstammt und mit ihm stets in Zusammenhang bleibt. Der Zellstrang ist von einer dieken Stützmembran umhüllt, liest in der Manteloberfläche eingebettet und wird auf seiner freien Seite von einer Epithellage überzogen. An den Tentakeln sowohl als an der Mantelspange hat ein Theil der Eetodermzellen Muskelfibrillen gebildet, welche zur Längsaxe dieser Gebilde parallel verlaufen. Ueber das Nervensystem etc. der Medusen. 359 Wenn durch das Zusammentreffen der angeführten Theile der Schirmrand schon in mehrfacher Beziehung eine besondere morphologische Bedeutung erhält, so wird dieselbe noch dadurch weiter erhöht, dass sich hier auch das Nervensystem und die Sinnesorgane localisirt haben. 1. Das Nervensystem. Obwohl das Nervensystem der eraspedoten Medusen auf einer sehr niederen Entwicklungsstufe steht, so lassen sich an ihm gleichwohl ein centraler und ein peripherer Theil unterscheiden. Das centrale Nervensystem bildet am Schirmrand einen dop- pelten Faserstrang, von welchen der eine auf der obern, der andere auf der untern Seite des Velum und zwar unmittelbar an der Insertion desselben liegt. Wir werden den einen als den obern, den andern als den untern Ringnerven bezeichnen. Beide liegen unmittelbar der Stützlamelle des Velum auf und werden auf ihrer Oberfläche von Eetodermzellen überzogen. Dureh Anwendung macerirender Reagentien, wobei uns die besten Dienste ein Gemisch von Osmiumsäure mit Essigsäure leistete, und durch das Studium feiner Querschnitte durch den in Osmiumsäure erhärteten Schirmrand haben wir uns einen ge- nauen Einblick in den feineren Bau der genannten Theile ver- schaffen können. Der obere Ringnerv übertrifft den unteren an Stärke bedeutend. An Macerationspräparaten lässt er sich mit den ihn bedeekenden Epithelzellen leicht isoliren und durch Zer- zupfen in seine einzelnen Elemente zerlegen. Seiner Hauptmasse nach besteht er aus feinen Nervenfibrillen, die zum Theil in grösseren und kleineren Bündeln angeordnet sind, zum Theil sich in unregelmässiger Weise durchflechten. Die Fibrillen, welche auf grosse Strecken isolirt werden können, besitzen auch bei den stärksten Vergrösserungen eine kaum messbare Dicke. Bei Osmium-Essigsäurebehandlung nehmen sie ein graugrünes Colorit an, in dünner Essigsäure allein macerirt zeigen sie von Stelle zu Stelle kleine varicöse Ansehwellungen. In ihren Verlauf sind in nicht geringer Anzahl Ganglienzellen eingeschaltet. Die meisten sind klein und von spindelförmiger Gestalt, sie gehen an ihren beiden zugespitzten Enden in je eine Nervenfibrille über, die sich dem Zug der übrigen anschliesst. Seltener findet man grössere, protoplasmareiche Ganglienzellen, die in hohem Grade die Os- miumsäure reduciren und durch ein dunkles, graugrünes Colorit 360 Oscar u. Richard Hertwig, sich auszeichnen. Von ihrer Oberfläche entspringen grössere Fasern von oft beträchtlicher Länge, die sich allmählich in feinere Fibrillen auflösen. Namentlich finden sich diese grossen Ganglienzellen am Rande des Ringnerven an der Stelle, wo das Sinnesepithel desselben in die Eetodermschicht des Velum über- geht. Sie sind hier nur durch einen dünnen Ueberzug von platten Epithelien von der Oberflächenbegrenzung des Körpers ausge- schlossen. Das den Ringnerven überziehende Sinnesepithel ist ein- schichtig und auf seiner Oberfläche mit langen Flimmerhaaren bedeckt. Die einzelnen Zellen besitzen zum Theil eine eylinder- förmige, zum Theil eine mehr spindelförmige Gestalt. An ihren freien Enden sind sie unter einander durch eine zarte Cuticula verbunden, an ihrer Basis verlängern sie sich bald in einfache, bald in zahlreichere Protoplasmafortsätze. Dieselben biegen sich unterhalb der Epithelschicht unter rechten Winkeln um und lassen sich an gelungenen Macerationspräparaten in die Fibrillen des Ringnerven weiter verfolgen. Unter den Epithelzellen zeichnen sich einzelne in Lage und Bau von den übrigen in auffallender Weise aus. Sie grenzen an die Oberfläche des Körpers nur mit einem dünnen peripheren Fortsatz, auf dem zuweilen auch ein Flimmerhaar aufsitzt. Ihr eigentlicher Körper aber liegt tiefer an der Stelle, wo die übrigen Epithelzellen sich verdünnen und in die centralen Fortsätze über- gehen. Von diesen tief gelagerten Gebilden nehmen besonders zahlreiche Fasern und Fibrillen ihren Ursprung. Sie sind daher oftenbar Elemente des einschichtigen Sinnesepithels, die im Begriff stehen, aus der Oberflächenschicht des Körpers auszuscheiden und sich den Ganglienzellen des Ringnerven zuzugesellen. Von der unteren Fläche des Faserstranges, dessen feinere Zusammensetzung soeben besprochen wurde, lösen sich Bündelchen von Nervenfibrillen ab und treten durch kleinste Oeffnungen in der Stützlamelle des Velum auf die entgegengesetzte Seite über. Die Oefinungen sind in einer Reihe parallel zum Schirmrand an- geordnet. Die durchtretenden Fibrillenbündel bilden den unteren Ringnerven, der ungleich schwächer als der obere ist. Auch er liegt unmittelbar der Stützlamelle des Velum auf und wird von jener einschichtigen Epithellage überzogen, die wie oben be- merkt, die Muskelzellen der Subumbrella von denen des Velum trennt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich das sonst unver- ständliche Fehlen der Muskulatur an der Insertionsstelle des Ueber das Nervensystem etc. der Medusen. 361 Velum. Der untere Ringnery enthält eine geringe Anzahl von theils feinen, theils stärkeren Nervenfasern. In ihren Verlauf sind zahlreiche Ganglienzellen eingeschaltet, die durchschnittlich grösser als im oberen Ringnerven sind. Dieselben erreichen namentlich längs der beiden Ränder, wo die Muskulatur beginnt, eine nicht unbedeutende Grösse und entsenden hier lange Nervenfasern von ganz beträchtlicher Dicke. Eine Ergänzung erhalten die an Macerationspräparaten ge- wonnenen Resultate an Durchschnitten, die senkrecht zum Mantel- rand geführt sind. Man erkennt hier an Osmiumpräparaten die durehschnittenen Nervenbündel als eine feinkörnige gebräunte Masse, in welche hier und da eine Zelle eingeschlossen ist. Auch die feinen Faserzüge, welche die Stützlamelle durchbohren, sind nachzuweisen. So verleiht die Combination beider Methoden den mitgetheilten Ergebnissen eine grössere Sicherheit. In seiner Ausbildung zeigt der Nervenring in den einzelnen Abtheilungen der eraspedoten Medusen geringere und grössere Verschiedenheiten. Bei den Aequoriden z. B. ist er auf eine breite Epithelstrecke ausgedehnt und imponirt daher weniger als ein stärkerer Faserzug. Bei den Aeginiden wiederum ist die Schei- dung in einen oberen und unteren Theil wenig ausgesprochen, da die Stützlamelle des Velum an ihrer Insertion am Schirmrand sehr fein wird und stellenweise ganz zu fehlen scheint. Den an- sehnlichsten und am besten entwickelten Nervenring besitzt die Familie der Geryoniden, an denen daher auch hauptsächlich die oben mitgetheilten Untersuchungen über den feineren Bau der einzelnen Theile des Nervensystems angestellt worden sind. Bei den Geryoniden ist zugleich auch das Eetoderm des Mantelrandes in der Umgebung des Sinnesepithels in eigenthüm- licher Weise umgestaltet. _An Stelle einer einfachen Epithelsehieht ist eine ansehnliche Zellenwucherung getreten, die einen dicken, von drei Flächen begrenzten Wulst hervorruft. Derselbe besteht aus zwei Arten von Zellen, die sich leicht isolirt darstellen lassen. Die Hauptmasse sind grosse ovale Zellen, die eine deutlich eon- centrische Schichtung aufweisen und im Innern einen Kern und eine Nesselkapsel bergen. Die Lücken zwischen ihnen werden von fadenförmigen Zellen ausgefüllt, die zu Stützfasern umge- wandelt sind. Dureh die mächtige Entwicklung dieses Nessel- zellenwulstes ist der Nervenring aus seiner Lage verdrängt und weiter auf das Velum hinausgeschoben worden. Ferner hat sich bei ausgewachsenen Thieren ein Theil des dickeren Nervenstrangs 362 Oscar u. Richard Ilertwig, von seiner Ursprungsstätte unter dem Sinnesepithel abgeschnürt und ist tiefer in das Nesselzellengewebe hineingerückt. Ueber die Beschaffenheit des peripheren Nervensystems haben wir uns hauptsächlich durch das Studium von Carmarina Klarheit zu verschaffen gesucht und sind hierbei zu folgenden Ergebnissen gelangt. Mit dem oberen Nervenring verbinden sich eine grössere Anzahl von Fibrillenbündeln, die paarweise aus den 8 oder 12 Gehörbläschen (Glossocodon und Carmarina) entspringen und bei Besprechung der Sinnesorgane weitere Berücksichtigung finden werden. Hiervon abgesehen haben wir uns vergebens bemüht, an dem oberen Nervenring stärkere Seitenäste nachzuweisen, die für besondere Regionen des Körpers bestimmt sein könnten. Nur feinere Bündel sahen wir am Ursprung der Tentakel auf Schnitt- präparaten unter rechtem Winkel sich ablösen und erblicken wir in ihnen Zweige, deren Fibrillen sich an der Muskulatur der Tentakel verbreiten. Dagegen ist ein starker Faserzug, der vom Ringeanai bis zum Magenstiel an der unteren Seite der Radial- canäle verläuft und die Mitte der Genitalblätter wie eine Blatt- rippe durchzieht, nicht nervöser Natur; vielmehr besteht derselbe aus parallel verlaufenden Fasern, die glatt, glänzend und gewellt sind. Sie enthalten keine Zellen eingeschaltet und sind wohl als radial verlaufende Muskelfibrillen zu deuten. Um ihre Endigung in Muskelzellen zu finden, treten die Fibrillen des oberen Nervenrings auf die untere Seite des Schirm- randes. Es geschieht dies durch die Reihe der oben beschriebenen feinen Oeffnungen in der Stützlamelle des Velum. Die Bedeutung des unteren Ringnerven ist daher darin zu suchen, dass er zwischen dem oberen centralen und dem peripheren Nervensystem die Vermittlung übernimmt. Es gehen von ihm und den hier liegenden grossen Ganglienzellen feine Fibrillenzüge aus, die sich an der unteren Seite des Velum und der Subumbrella verbreiten. Von diesen sind namentlich Faserzüge leicht nachzuweisen, die zur Seite der Genitalblätter verlaufen. Mit den einzelnen Nerven- fibrillen stehen Ganglienzellen in Verbindung, die mit zahlreichen und langen Ausläufern versehen sind. Namentlich in der Sub- umbrella sind sie leicht zu beobachten und sind hier überall als ein subepithelialer Plexus verbreitet. Wahrscheinlich hängen sie durch ihre einzelnen Ausläufer mit den Muskelzellen zusammen. Obwohl dieser Zusammenhang bis jetzt von uns noch nicht hat nachgewiesen werden können, so ist derselbe vom physiologischen Standpunkte aus gewiss ein unbedingtes Erforderniss. Für einen Ueber das Nervensystem ete. der Medusen. 363 solchen spricht auch die Lage der genannten Theile. Denn Fibrillenzüge und Ganglienzellen mit ihren Ausläufern, mit einem Worte das ganze periphere Nerven -Endnetz liegt unmittelbar zwischen der Muskelfaserschicht und den Matrixzellen derselben. Wie aus den mitgetheilten Untersuchungen hervorgeht, haben wir bei den eraspedoten Medusen eine sehr primitive Form des Nervensystems vor uns. Insofern dasselbe gleich den Muskel- zellen einen Theil des Ectoderms bildet, repräsentirt es gewisser- maassen einen embryonalen Zustand höherer Thiere. Dasselbe gewinnt auch noch dadurch eine hohe morphologische Bedeutung, dass es zu Betrachtungen über die Genese des Nervensystems überhaupt eine Grundlage darbietet. 2. Die Sinnesorgane. Der primitive Zustand, der im Bau des Nervensystems der Medusen zu Tage tritt, spricht sich naturgemäss auch in der Beschaffenheit ihrer Sinnesorgane aus. Unter diesen haben wir Tast-, Seh- und Gehörorgane unterscheiden können. Tastorgane erblicken wir in Epithelzellen, die mit längeren und steiferen Haaren oder Borsten ausgerüstet sind. Derartige Gebilde finden sich namentlich in der Familie der Trachynemiden. Bei Rhopalonema velatum ist die Tentakelbasis etwas angeschwollen und mit Zellen bedeckt, die lange steife Haare tragen. Auch die Spitze der keulenförmig endenden Ten- takeln ist mit langen Borsten versehen, die hier in einem Kranz um dieselbe angeordnet sind. Endlich verlaufen 3 Reihen von Zellen, die mit längeren Haaren bedeckt sind, dem Tentakel ent- lang. Aehnliche, aber mit kürzeren Haaren ausgestattete und in der Zweizahl vorhandene Zellreihen wurden von uns bei Cunina beobachtet. Ferner entdeckten wir noch eigenartig gestaltete Tastapparate am Mantelrande von Rhopalonema velatum und Aglaura hemistoma. An der Basis der Tentakeln sowie zwischen ihnen verlängert sich das Sinnesepithel des Nervenrings in je ein Paar kleiner zelliger Fortsätze, die auf das Velum übergreifen. Dieselben tragen auf ihrer Oberfläche 15--20 starre Borsten, die in einer Linie kammartig angeordnet sind. Von ihnen schien ein Faser- zug zum Nervenring zu verlaufen. Wir werden dieselben als Tastkämme bezeichnen. Die Borsten von je einem zusammen- 364 Oscar u. Richard Hertwig, gehörigen Paar sind immer nach entgegengesetzten Richtungen gestellt. In den übrigen Familien sind uns derartige Einrichtungen nicht zur Wahrnehmung gekommen, wohl hauptsächlich desshalb, weil wir nach ihnen nicht besonders suchten. Die Sehorgane fehlen auffälliger Weise unter den craspe- doten Medusen den mit Gehörorganen versehenen. Sie sind daher auf die Abtheilung der Ocellaten beschränkt und kommen auch hier nicht allen Arten zu. Die Lage der Ocelli ist eine wechselnde. Entweder haben sie sich an der verdickten Basis der Tentakeln (Oceania) oder in einiger Entfernung von derselben entwickelt (Lizzia). Ent- weder nehmen sie hier die ventrale (Lizzia) oder die dorsale Seite ein (Oceania). Die Sehorgane treten uns bei den ÖOcellaten in zwei Ent- wicklungszuständen entgegen. Den einfachsten Zustand zeigt uns Oceania, wo das Sehorgan von einer kleinen umschriebenen pigmentirten Stelle des Epithels gebildet wird. Au Macerations- präparaten lässt sich der Pigmentfleck aus dem übrigen Epithel gewissermaassen herausschälen und durch Zerzupfen in seine histo- logischen Bestandtheile zerlegen. Hierbei ergibt sich, dass das Sehorgan aus fadenförmigen Zellen von zweierlei Art zusammen- gesetzt wird. Die eine Art enthält braune Pigmentkörnchen; die zweite dagegen ist pigmentfrei, beide sind so angeordnet, dass letztere von ersteren umschlossen werden. Beide gehen an ihrem basalen Ende in feine Fibrillen über. Ein höherer Entwicklungs- zustand dieses primitivsten Sehorgans wird bei Lizzia dadurch herbeigeführt, dass die dünne Cutieula, welche das freie Ende der Epithelzellen überzieht, in der Mitte des Pigmentflecks be- trächtlich verdiekt ist und einen kleinen lichtbrechenden Körper, eine Linse, darstellt. Bei diesen primitiven Sehorganen betrachten wir als die allein Licht empfindenden Elemente die pigmentfreien Fadenzellen. Die Pigmentzellen und die Linse dagegen sind accessorische Theile, welche zur Erhöhung des Lichteindrucks auf die pereipirenden Elemente beitragen. — Die in morphologischer Hinsicht interessantesten Sinnesorgane der Medusen sind die Gehörorgane, deren Studium uns daher auch besonders angezogen und beschäftigt hat. Wir haben hier zwei nach Bau und Genese ganz abweichende Typen zu unter- scheiden. Ueber das Nervensystem etc. der Medusen. 365 Den einen Typus bilden die Gehörorgane der Aeginiden, der Trachynemiden und der Geryoniden. Dieselben lassen eine con- tinuirliche Entwicklungsreihe erkennen, an deren Anfang die Gehörorgane der Aeginiden zu stellen sind. Bei den Aeginiden kommen Gehörorgane meist in beträcht- lieher Anzahl am Mantelrand zur Entwicklung, wo sie unmittelbar dem Nervenring aufsitzen. Die denselben überziehenden Sinnes- zellen sind an einer umgrenzten Stelle beträchtlich verlängert und verursachen hierdurch eine Hervorwölbung, welche wir als Gehör- polster benennen wollen. Dasselbe besteht aus langen cylin- drischen Hörzellen, die an ihrer Basis ın Nervenfibrillen übergehen und an ihrem freien Ende jede ein ungemein langes Hörhaar tragen. Auf der Mitte des Polsters ist ein frei in das umgebende Wasser hervorstehendes Gehörkölbehen befestigt, das allseitig bis zu seiner Spitze von den Hörhaaren umgeben wird. Am Gehör- kölbehen haben wir einen Axentheil und eine denselben umhül- lende einfache Epithelschicht zu unterscheiden. Von letzterer ent- springen bei Cunina lativentris und Aeginopsis gleichfalls einige lange Hörhaare. Der Axentheil des Hörkölbehens ist bei den einzelnen Arten der Aeginiden in verschiedenem Maasse, am stärksten bei Cunina lativentris entwickelt, wo er aus einer Reihe grosser Zellen besteht, wie sie in ähnlicher Weise in den soliden Tentakeln der Medusen vorkommen. Die am Ende des Kölbehens gelegenen Axenzellen sind dadurch ausgezeichnet, dass sich in ihnen je nach den einzelnen Arten ein oder mehrere runde oder ovale Otolithen entwickelt haben. Dieselben lösen sich schon in dünnen Säuren (Essigsäure, Osmiumsäure etc.) auf. Die beiden Bestandtlieile des Gehörkolbens sind von einander durch eine homogene Membran getrennt. An der Stelle, wo das Kölbchen dem Gehörpolster aufsitzt, tritt sein Axentheil durch die Mitte des letzteren hindurch und seine Membran geht, wie sich an Macerationspräparaten feststellen lässt, in die Basalmembran des Eetoderms über. Hierdurch ist der Nachweis geführt, dass der Axentheil des Kölbehens dem Entoderm angehört und genetisch vom Epithel des Ringeanals abzuleiten ist. Die Otolithenzellen werden mithin vom Entoderm geliefert. Bei Gehörkölbehen, die in Entwicklung begriffen sind, lässt sich auch in der That er- kennen, dass der Axentheil durch eine Wucherung der Zellen des Ringeanals angelegt wird. In dem geschilderten Bau, sowie in ihrer Lage stimmen die Gehörkölbchen, wie sich bei einem Vergleich leicht ergibt, voll- 366 Oscar u. Richard Hertwig, kommen mit den soliden Tentakelbildungen des Mantelrandes überein. Diese Uebereinstimmung tritt sogar bei Cunina lativentris auch in ihrer äusseren Form hervor. Es kann daher wohl keinem Zweifel unterliegen, dass Tentakel und Gehörkölbehen der Me- dusen morphologisch verwandte Bildungen sind. An die Gehörorgane der Aeginiden schliessen sich diejenigen der Trachynemiden unmittelbar an. Bei Aglaura hängen 8 sehr kleine Gehörkölbehen vom Polster des Ringnerven frei in das Wasser hinab. Sie enthalten nur 2 Entodermzellen, von welchen die an der Spitze gelegene einen runden Otolithen einschliesst. Dasselbe ist bei Jugendformen von Rhopalonema velatum der Fall. Bei älteren Thieren tritt indessen hier eine Weiterentwick- lung ein, die sich in allen einzelnen Stadien an einem reichen Material von Entwicklungszuständen genau feststellen liess. Es werden nämlich die ursprünglich freien Gehörkölbehen in Gehör- bläschen eingeschlossen und zwar in folgender Weise. Im Um- kreis des Kölbehens erhebt sich durch Wucherung der einfachen Epithelschicht der Velumoberfläche eine kleine ringförmige Falte. Indem dieselbe sich vergrössert, entsteht ein Grübchen, in dessen Grund das Kölbehen liegt, und indem die freien Ränder des Grüb- chens sich nähern, geht dasselbe in ein Bläschen über. Ob dieses nun vollkommen abgeschlossen wird, können wir nicht angeben, da auch bei grossen, fast völlig geschlechtsreifen Exemplaren noch ein sehr kleines Loch an der freien Fläche des Bläschens wahr- zunehmen war. Zur Pereeption der Schallwellen dienen bei Rho- palonema allein die vom Epithel des Kölbehens entspringenden Haare. Indem sie mit ihren peripheren Enden an die Wandung des Bläschens anstossen, sind sie in dem mit Flüssigkeit erfüllten Raum gleichsam wie Saiten ausgespannt. Die Wand des Gehör- bläschens zeigt eine doppelte Schicht flimmernder platter Epithel- zellen, die von einander durch eine zarte Membran getrennt sind. Durch die bläschenförmigen Gehörorgane der Rhopalonemen wird uns für die bei den Geryoniden noch weiter abgeänderten Verhältnisse das Verständniss ermöglicht. Auch bei Glossocodon und Carmarina finden wir Gehörbläschen vor, von deren Wand ein mit langen Hörhaaren besetztes und mit einem runden Oto- lithen versehenes Kölbehen entspringt. Aber die Lage des Bläs- chens ist eine vollkommen veränderte, indem es hier nicht mehr dem Nervenring frei aufsitzt, sondern in die Tiefe gerückt ist und fast allseitig von der Mantelgallerte umschlossen wird. In Folge dessen müssen die Nervenfibrillen, in welche die Hörzellen über- Ueber das Nervensystem etc, der Medusen, 367 gehen, einen weiten Weg zurücklegen, um bis zum Nervenring zu gelangen. Sie lassen sich mit Deutlichkeit als zwei Faser- bündel verfolgen, die von der Insertion des Klöppels ausgehend an der Innenwand des mit sehr platten Epithelzellen ausgekleideten Bläschens nach dem entgegengesetzten Pol desselben verlaufen und hier in den Nesselzellenwulst eintretend mit dem Nervenring sich verbinden. Zwischen den Gehörbläschen von Rhopalonema und denen der Geryoniden besteht daher der Unterschied, dass die einen durch Umwachsung, die andern durch Einsenkung ge- bildet sind. Nach dem zweiten Typus sind die Gehörapparate der Euco- piden, Aequoriden und Thaumantiaden gebaut. Dieselben unter- scheiden sich von denen der Aeginidengruppe sowohl durch ihren Bau als auch den Ort ihrer Entstehung. Während letztere von Eetoderm- und Entodermzellen gebildet werden und wie die ihnen homologen Tentakeln stets oberhalb des Nervenrings lagern, stammen erstere allein von dem Eetoderm ab und zwar von jenem schmalen Streifen Sinneszellen, welcher sich auf der unteren Seite des Velum unmittelbar unter dem Nervenring hinzieht und die Muskelzellen der Subumbrella von denen des Velum trennt. Innerhalb der genannten 3 Familien ist der Grad der Ausbildung der Sinnesorgane ein verschiedener, indem dieselben bei einem Theil ihre ursprüngliche Lagerung auf der Oberfläche des Inte- guments beibehalten haben, bei einem anderen Theil dagegen in ein Bläschen eingeschlossen sind. Freie Gehörorgane besitzt unter den von uns untersuchten Arten allein die zu den Thaumantiaden gehörige Mitrocoma Annae. Bei derselben lagern die Gehörorgane auf der unteren Seite des Velum, genau an der Stelle, wo dasselbe vom Schirmrand ent- springt. Hier finden sich ungefähr SO muldenförmige Vertiefungen, welche auf der oberen Seite des Velum als ebenso viele Erhebungen hervorragen. Die Epithelzellen, welche die tiefste Stelle der Mulde auskleiden, sind — ungefähr zwanzig an der Zahl — blasig aufgetrieben und umschliessen jedesmal eine Coneretion, die den Raum der Blase nur zum Theil ausfüllt. Sie bilden 2—3 Reihen; an die dem Schirmrand zunächst liegende Reihe treten Sinnes- zellen heran, von denen jedesmal 3—5 auf ein Conerementbläschen kommen. Die Sinneszellen besitzen eine gedrungene ceylindrische Gestalt; centralwärts verlängern sie sich in einen feinen nervösen Fortsatz, an ihrem peripheren Ende tragen sie ein starres Haar, welches, wie ein Bügel gebogen, von der Seite und von unten die 368 Öscar u. Richard Hertwig, Conerementzelle umfasst und ihrer Oberfläche sich innig an- schmiegt. Jede der Conerementzellen ruht auf 3—5 derartigen Hörhaaren. Das Epithel der oberen Seiten des Velum ist über den Hügeln, welche durch die muldenförmigen Vertiefungen hervorgerufen werden, eigenthümlich modifieirt und besteht aus blasigen Ge- bilden, die sich gegeneinander abplatten und gemeinsam einen bienenwabenartigen Ueberzug bilden. Während der Hohlraum, an dessen Grund die für das Zu- standekommen der Gehörempfindungen wichtigen Elemente lagern, bei Mitrocoma Annae nach unten weit geöffnet ist, hat sich der- selbe bei allen anderen von uns untersuchten Medusen geschlossen. Es entstehen so Gehörbläschen, welche unterhalb des Nervenrings und auf die dorsale Seite des Velum zu liegen kommen. Das hier befindliche Epithel setzt sich auf dieselben fort und bildet einen einschichtigen Ueberzug von platten Zellen, der durch eine dünne Stützlamelle von den Elementen des Gehörbläschens ge- trennt wird. Letzteres enthält entweder eine bei jeder Art con- stante Zahl von ÖOtolithen, so z. B. bei Oetorchis Gegenbauri und Eucheilota 4, bei den Eucopiden einen einzigen, oder die Zahl der Otolithen ist eine schwankende (1—5) wie bei den Aequoriden. Bei diesen ist auch die Vertheilung der Sinnesorgane auf den Schirmrand eine regellose, während sie bei den übrigen durch die Ursprungsverhältnisse der Tentakeln mehr oder minder genau bestimmt wird. In seinen Grundzügen stimmt der Bau der Gehör- bläschen bei allen genannten Arten überein, so dass wir uns hier darauf beschränken können, ihn von einer Eucope zu schildern. Wenn wir von dem Ueberzug absehen, der von dem Epithel der oberen Velumseite geliefert wird, so können wir bei den Eucopiden drei verschiedene Zellelemente unterscheiden, welche die Wandung des Gehörbläschens bilden: 1) eine Conerement- zelle; 2) 3—D5 Sinneszellen; 3) eine grössere Zahl platter Epithelien. Die Conerementzelle sitzt mit breiter Basis an der Wölbung des Bläschens fest und ragt mit ihrem freien Ende weit in den Binnenraum desselben hinein. Die Sinneszellen liegen an der dem Nervenring zugekehrten Wand; sie sind langgestreckte feine Gebilde, die mit ihrem peripheren Ende an die Basis der Conere- mentzeile reichen und jedesmal mit einem gekrümmten Hörhaar dieselbe umgreifen. Die platten Epithelien kleiden das Sinnes- bläschen nach rechts und links und nach der Seite des freien Velumrands aus. — Bei den Medusen, wo viele Otolithenzellen in Ueber das Nervensystem ete, der Medusen. 369 einem Bläschen vorhanden sind, ist eine jede derselben von einer Gruppe von Hörzellen umgeben. II. Acraspede Medusen. Bei der Untersuchung der Acraspeden waren wir auf Nau- sithoe albida, Pelagia noctiluca, Phacellophora kamtschatiea und Aurelia aurita beschränkt. Von denselben standen uns die beiden erstgenannten in hinreichender Menge zur Verfügung, während wir von den letzten nur je 1 Exemplar haben erhalten können. In der folgenden Schilderung werden wir uns somit an die bei Nausithoe und Pelagia gewonnenen Resultate halten und die zwei anderen Arten nur anhangsweise besprechen. Der Schirmrand von Nausitho& und Pelagia zerfällt in 16 Lappen; jedesmal zwei derselben bilden gemeinsam einen grösseren Lappen, indem der Schirmrand zwischen benachbarten Paaren tiefer eingekerbt ist. Am Grund einer jeden tieferen Einkerbung lagert ein Tentakel. Ein Velum fehlt, desgleichen ist die Musku- latur der Subumbrella nieht in ganzer Ausdehnung wie bei den Craspedoten entwickelt, sondern beschränkt sich auf einen breiten Strang, der quer von einer tieferen Einkerbung zur anderen ver- läuft. Die äussere Begrenzung der Muskulatur bildet daher ein Sseitiges Polygon, dessen Ecken den Ursprungsstellen der Ten- takeln entsprechen, dessen Seiten den tentakellosen Einkerbungen gegenüber liegen. Das Gastrovascularsystem bildet 5 Ausstülpungen, von denen sich eine jede am Schirmrand gabelt und in zwei be- nachbarten Lappen blind geschlossen endigt. Die abweichende Organisation macht es verständlich, dass auch das Nervensystem sich von dem der Craspedoten- unter- scheidet. Da die für die Ausbildung des Centralorgans wichtige Partie des Schirmrands in Lappen zerfallen ist, wird ein zusam- menhängender Nervenring wie bei den Craspedoten unmöglich gemacht; an Stelle desselben finden wir 8 getrennte Anlagen, welche mit den Sinnesorganen vereint auf besonderen Erhebungen des Schirmrands sitzen, die wir im Folgenden als Sinnesträger bezeichnen wollen. Die 3 Sinnesträger alterniren mit den 8 Ten- takeln und liegen am Grund der flachen Einkerbungen, wie diese am Grund der tieferen. Beide Bildungen stimmen im Allgemeinen in ihrem Bau überein und müssen deswegen sowie auf Grund ihrer gleichen Lagerung als homolog angesehen werden, 370 Ösear u. Richard Hertwig, Der Sinnesträger wird bei Nausithoe und Pelagia von Zellen des Eetoderms und des Entoderms gebildet. Während erstere den epithelialen Ueberzug liefern, gehören letztere dem Axentheil an; an diesem können wir einen oberen und einen unteren Abschnitt unterscheiden: der untere erhält eine hohle flimmernde Ausstül- pung des Gastrovascularsystems, der obere dagegen einige wenige Zellen, die von dem Epithel der Ausstülpung abstammen und mit den als Otolithen fungirenden Coneretionen erfüllt sind. Von der geschilderten Axe des Sinnesträgers wird der dem Eetoderm angehörende Ueberzug durch eine homogene Stütz- lamelle getrennt. Im basalen Abschnitt besteht derselbe aus einem hohen flimmernden Cylinderepithel, dessen einzelne Zellen dünn und fadenförmig sind, so dass ihre Kerne eine beträchtliche An- schwellung in ihrem Körper verursachen und, um eine dichte An- einanderfügung zu ermöglichen, auf verschiedene Höhe zu liegen kommen. Das freie Ende jeder Zelle trägt stets nur ein sehr zartes Haar, das centrale verlängert sich in ein oder mehrere Fäserchen. Letztere durchflechten sich mit anderen von benach- barten Zellen entspringenden und bilden so ein dichtes beträcht- lich diekes Gewirr, das in Osmiumsäurepräparaten als eine fein- körnige Masse zwischen dem Epithel und der Stützlamelle lagert. — Das Epithel und das von ihm ausgehende Fasergewirr repräsen- tiren bei den Acraspeden allein das Nervensystem, das somit hier noch auf einem primitiveren Zustand verharrt als selbst bei den craspedoten Medusen. Im Einzelnen zeigen die Sinnesträger von Pelagia und Nausithoe sehr wesentliche Unterschiede, auf welche wir noch näher einzugehen haben. Bei Nausithoe entspringen die Sinneskörper etwas unterhalb und nach innen von dem Rand, der zwei zusammengehörige Schirmlappen ‚verbindet; sie sind schon durch ihre Form deutlich in zwei Abschnitte gesondert. Der untere, von der Gestalt eines abgestumpften Kegels, ist nur auf seiner unteren und seiner freien, der Ursprungsstelle abgewandten Seite von Sinnesepithel bedeckt, sonst von gewöhnlichen nicht flimmernden Epithelzellen. In seiner Mitte erhebt sich das Sinnesepithel zu einem kleinen Hügelchen, auf dessen Spitze ein Ocellus liegt. Derselbe ist braun pigmentirt und besteht aus Zellen, welche sich von den Sinnesepithelien nur durch ihre Pigmentirung unterscheiden. Die Zellen des Ocellus hängen mit einander inniger zusammen als mit der Umgebung Pe Ueber das Nervensystem etc, der Medusen. 371 und grenzen sich daher gegen dieselbe als ein rundlicher Körper ab, der sich beim Zerzupfen leicht isoliren lässt. Das die Conerementzellen umschliessende freie Ende des Sinnesträgers ist ein klöppelförmiger Körper, der sich mit dem basalen Abschnitt durch einen dieken Stiel verbindet. Es sind zwei Concrementzellen vorhanden und diese hängen mit den Ele- menten der gastrovascularen Ausstülpung mittels eines feinen, den Stiel des Klöppels durchbohrenden Ausläufers zusammen. Das Epithel der Oberfläche ist auf der ventralen Seite dünn und plattenartig, auf der dorsalen Seite dagegen geht es in hohe und feine Cylinderzellen über. Letztere sind dicht mit langen und starren Haaren besetzt, während dieselben an anderen Stellen der Klöppeloberfläche spärlieber sind. Von der Rückenfläche des basalen Abschnitts des Sinnes- trägers erhebt sich eine baldachinartige Falte, welche den klöppel- förmigen Körper seitlich und rückwärts umfasst. Der letztere kommt so in eine nach unten offene Nische zu stehen, aus der er allein nach abwärts herausgedrängt werden kann. Die um- hüllende Falte besteht aus Gallerte und wird von einem dünnen Plattenepithel überzogen. Es ist klar, dass für das Zustandekommen von Tonempfin- dungen hier ähnliche Bedingungen vorliegen wie bei den Geryoniden und Trachynemiden. Die vom Klöppel entspringenden Haare spannen sich zwischen diesem und der Innenseite der Falte aus, wie dort zwischen dem Klöppel und der Bläschenwand; sie können somit wohl mit Recht als Hörhaare bezeichnet werden. Nur darin besteht ein Unterschied, dass der Hörraum sehr unvollständig abgeschlossen ist. Der Sinnesträger von Pelagia noctiluca lässt in seiner Form die Zusammensetzung aus zwei verschiedenen Abschnitten nicht erkennen; er bildet einen walzenförmigen, am freien Ende ab- gerundeten Körper, der auf der ventralen Seite des Schirms in einiger Entfernung vom Rand entspringt. Dicht an seiner Basis biegt er rechtwinkelig um und verläuft der unteren Fläche des Schirms parallel. Beiderseits von ihm bilden die Lappen faltige Erhebungen, die sich unter ihm zusammenlegen und ihn von unten bedecken. Der Sinnesträger kommt so in einen Canal zu liegen, der nach oben von der unteren Schirmfläche, nach nnten von den gekreuzten Falten gebildet wird und durch Rückschlagen der letzteren in ganzer Ausdehnung geöffnet werden kann. Die gastrovasculare Ausstülpung reicht nur wenig über die Ba. XI. N. F. IV. 3, 26 372 Oscar u. Richard Hertwig, Hälfte des Sinneskörpers hinaus, während der mit ihr breit zu- sammenhängende Ooncrementzellentheil stark entwickelt ist und in der Spitze das sogenannte Krystallsäckchen bildet. Ueber dem letzteren besteht das Epithel aus platten Elementen, im unteren Abschnitt dagegen aus hohen Cylinderzellen, die in der früher geschilderten Weise sich in Fäserchen verlängern und mit Haaren bedeckt sind. Ein Ocellus ist nicht vorhanden. Wie aus dieser Schilderung hervorgeht, ist der Sinnesträger von Pelagia in physiologischer Hinsicht viel unvollkommener ge- staltet als der von Nausithoe; es spricht sich dies besonders darin aus, dass der als Gehörorgan zu deutende Abschnitt sich nicht von dem unteren das Nervensystem darstellenden abgegliedert hat. Wir könnten sogar in Zweifel sein, ob wir hier überhaupt noch an ein schallempfindendes Organ denken dürfen, wenn dies nicht durch Zweierlei wahrscheinlich gemacht würde, einmal durch die ähnliche Beschaffenheit des Gehörapparats verwandter Medusen (Nausithoe), zweitens durch die Umhüllung des Sinnesträgers, welche eine wenn auch noch so unvollkommen gebildete Art von Hörbläschen zu Stande kommen lässt. Die Sinnesträger von Phacellophora und Aurelia sind denen der Pelagia zum Verwechseln ähnlich. Sie werden ebenfalls, wenn auch in abweichender Weise, von den umliegenden Theilen des Gallertschirmes in einen Canal eingeschlossen. Aurelia aurita zeichnet sich durch einen grossen Ocellus aus, der dieht hinter dem Krystallsäckehen auf der dorsalen Seite des Sinnesträgers lagert und in seinem Bau mit dem Ocellus der Nausithoe über- einstimmt. Eine ceutieulare Linse, wie sie einigen ocellaten Medusen zukommt, fehlt, dagegen verdickt sich der über dem Ocellus liegende Theil der Gallerte zu einem nach oben stark vorspringenden convexen Wulst, der möglicher Weise wie eine Linse wirkt. Bemerkungen zur Systematik der Medusen. Schon früher ist bei der Eintheilung der Medusen den Sinnes- organen eine grössere Bedeutung beigemessen worden, wenn auch die Kenntnisse von ihrem Bau damals noch sehr ungenaue waren. Die voranstehenden Resultate, welche durch eine eingehende ver- gleichend anatomische und histologische Untersuchung erhalten Ueber das Nervensystem etc. der Medusen. 373 wurden, scheinen uns nun in der That hinsichtlich der Gehör- organe den sicheren Beweis für ihre hervorragende systematische Verwerthbarkeit zu führen. Denn es hat sich herausgestellt, dass dieseiben einen so eigenartigen, wenn auch mannigfach modifizirten Bau besitzen, dass die Uebereinstimmung wohl nur als eine Folge gleicher Abstammung angesehen werden kann. Anders verhält es sich mit den Ocellen. Dieselben zeigen eine sehr indifferente Beschaffenheit; ihre Lagerung wechselt er- heblich selbst bei naheverwandten Arten, so dass ihnen bei der Beurtheilung verwandtschaftlicher Beziehungen nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zukommt. So können wir denn auch verfolgen, dass Augenflecken bei sonst weit auseinanderstehenden Arten, wie bei Nausithoe und Aurelia einerseits und den Lizzien und Oceanien andererseits, auftreten und beidesmal dieselben Ver- schiedenheiten der Lagerung erkennen lassen, indem sie bei Lizzia und Nausithoe auf der unteren, bei Aurelia und Oceania auf der oberen Seite der Tentakeln oder der diesen entsprechenden Sinnes- träger sich entwickeln. ; Innerhalb der eraspedoten Medusen zeigen die Gehörorgane, wie wir oben schon hervorgehoben haben, zwei völlig verschiedene Typen, welche sich nicht auf einander zurückführen lassen. Nach ihrer Beschaffenheit können wir zwei scharf umschriebene Gruppen aufstellen. Die eine derselben besitzt Gehörorgane, deren Sinnes- zellen dem Eetoderm, deren Otolithen dem Entoderm entstammen und die sich als modifieirte Tentakeln betrachten lassen. Diese Gruppe umfasst die Aeginiden, Trachynemiden und Geryoniden und fällt mit den Trachymedusen Haeckel’s zusammen, die sich auch sonst durch ihren Entwicklungsgang nahe stehen. Die Gehörorgane der zweiten Gruppe sind allein Differen- zirungen des Eetoderms und knüpfen an keine früher vorhandenen Bildungen an. Welche Medusen alle hierher gehören, lässt sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Die versteckte Lagerung auf der unteren Seite des Velum, welche bei einigen Arten, z. B. Mitroeoma Annae, die Gehörorgane einnehmen, macht es wahrscheinlich, dass dieselben vielfach übersehen worden sind. Diese Vermuthung wird uns um so näher gelegt, als die bei den Eucopiden bestehenden Verhältnisse Grund zur Annahme geben, dass auch aus vereinzelten Zellen bestehende freie Gehörorgane vorkommen mögen, wie wir Gehörbläschen mit nur einer Conere- mentzelle kennen. Wir neigen der Ansicht zu, dass alle Eucopiden und Aequoriden und ausser den aufgeführten Arten auch alle 26* 374 Ose. u. Rich. Hertwig, Ueb. das Nervensystem ete. d. Medusen. übrigen Thaumantiaden, welche jenen häufig zum Verwechseln ähnlich sehen, durch den geschilderten Typus der Sinnesorgane charakterisirt werden. Wir würden dann die von Haeckel auf- gestellte Gruppe der Vesiculaten erhalten, deren systematische Zusammengehörigkeit höchst wahrscheinlich noch durch die über- einstimmende Abstammung von Campanularien als Ammen ge- stützt werden wird. Es bleibt nun noch ein Rest eraspedoter Medusen übrig, die sich durch den Mangel der Gehörbläschen charakterisiren und für diesen Mangel meist durch Augenflecke entschädigt sind, es sind dies die Ocellaten, die wohl ausnahmslos ihre Ammen unter den Tubulariden finden. Von allen Craspedoten unterscheiden sich "die Acraspeden durch die Sonderung ihres Nervensystems in getrennte Anlagen, eine Eigenthümlichkeit, die wir auf die veränderte Beschaffenheit des Schirmrandes haben zurückführen können, dagegen schliessen sie sich in der Bildung der Sinnesorgane an die Trachymedusen an und zwar unter diesen wieder am nächsten an die Cuninen. In wie weit wir hierbei an verwandtschaftliche Beziehungen denken dürfen, lässt sich noch nicht mit Sicherheit entscheiden; Beachtung verdient aber, dass Arten existiren, welche bald der einen, bald der anderen Gruppe zugerechnet werden, wie Cha- rybdaea etc. und die vielleicht als vermittelnde Formen angesehen werden können. Jena, den 14, Juli 1877. Mittheilungen über Cölenteraten. Von @. v. Koch. Hierzu Tafel XXII. Anatomie von Stylophora digitata Pallas. Vorwort. Diese Koralle, welche in Savigny’s!) Werk über Egypten abgebildet ist, erhielt der Unterzeichnete in gut conservirten Alkoholexemplaren von Professor Dr. E. Haeckel in Jena, welchem er hiermit seinen Dank ausspricht. Ueber die Technik der Unter- suchung erscheinen genauere Mittheilungen überflüssig, da die- selbe schon bei der Beschreibung von Tubipora Hemprichii ?) Ehrenbg. und bei der von Isis Neapolitana G. v. Koch eingehend besprochen wurde. Darmstadt, den 20/3. 77. G. v. Koch. !) Description de ’Egypte. Hist. nat. I. pl. 4. Unter dem Namen Pocillo- pora Andreossyi. Paris 1809. ?) Anatomie der Orgelkoralle (Tubipora Hemprichii Ehrenbg.) von Dr. G. v. Koch, Jena 1874. 376 G. v. Koch, Einleitung. Die Stylophora digitata bildet ziemlich grosse, auf einer festen Unterlage aufsitzende, unregelmässig verzweigte Büsche. Die Zweige sind gewöhnlich eylindrisch, die älteren häufig etwas abgeplattet und in verschiedener Richtung gekrümmt. Nach den Enden zu erscheinen sie etwas verdünnt und schliessen mit einer abgerundeten Spitze ab. Der Durchmesser der jüngsten Zweige geht nicht unter 6 Mm. herab, der der älteren ist viel bedeutender, doch lässt sich keine Maximalgrösse desselben angeben, da gerade die stärksten Aeste durch vielfache Knospung meistens eine sehr unregelmässige, knollige Gestalt besitzen. Die Polypen sind un- regelmässig über die ganze Oberfläche des Busches vertheilt, doch stehen sie überall in ziemlich gleicher Entfernung von einander. Der Rand derselben steht in der Regel etwas über die Oberfläche der Zweige hervor. Das innere, kalkige Skelett der Stylophora ist stark ent- wickelt, so dass die Höhlungen der Polypen nur als kleine Ein- senkungen von ca. 1 Mm. Weite und ca. 1 Mm. Tiefe erscheinen. Die Oberfläche ist ganz von kleinen konischen Hervorragungen bedeckt, welche etwas breitere Thäler von nahezu halbkreis- förmigem Querschnitt zwischen sich lassen. In den letzteren ver- breitet sich das Cönenchym mit seinen Canälen und dieses wird von dem Eetoderm bekleidet. Das Skelett ist dicht und fest und nur im Axentheil und an den Zweig-Enden porös. Das Skelett. Das Skelett enthält nur minimale Mengen von organischer Substanz, welche durch die Analyse kaum nachzuweisen ist. Dagegen kann man dieselbe durch das Mikroskop sichtbar machen. Man entkalkt nämlich einen Schliff durch das Skelett, wäscht diesen dann gut aus und behandelt ihn mit Goldehlorid oder mit Carmin. Die organische Substanz erscheint dann als ein dünnes Häutchen, welches in der Regel von Pilzfäden durchzogen ist. — Die anorganische Substanz ist, nach einer mir, von Herrn Dr. Schridde in Heidelberg mitgetheilten Analyse, aus folgenden Stoffen zusammengesetzt: Mittheilungen über Gelenteraten. 3717 53,7 0% Caleiumoxyd 41,7 ,„ Kohlensäure 38 ,„ Wasser 0,6 : „ Eisen 0,005 „ Magnesium 0,003 „ Rückstand 0,012 „ Verlust 100,000 9), In morphologischer Hinsicht stimmt das Skelett mit dem der von mir untersuchten Steinkorallen überein. Es wird gebildet aus mehr oder weniger regelmässigen, oft sehr lang gestreekten Ellipsoiden !), welche durch radiale Linien, die von einem meist etwas undurchsichtigen Centrum ausgehen, ein erystallinisches Aussehen erhalten. Die einzelnen Ellipsoiden sind durch unregel- mässig zackige, meist sehr deutlich hervortretende Contouren von einander getrennt. Die Oberfläche des Skelettes zeigt nach Hin- wegnahme der weichen Bindesubstanz eine körnelige Oberfläche und es scheinen diese kleinen, unregelmässig begrenzten Hervor- ragungen die Enden der unvollkommen ausgebildeten Krystalle zu sein, welche die einzelnen Ellipsoiden zusammensetzen. — Die grösseren, konischen, ziemlich weit über die äussere Oberfläche hervorragenden Fortsätze dagegen werden von den zugespitzten freien Enden der oberflächlichen Ellipsoide gebildet. — Ganz ähnlich wie das übrige Skelett sind die Sternleisten der Polypen gebildet, nur treten an diesen häufig noch kleine dornförmige Hervorragungen auf. Die poröse Beschaffenheit des Skeletts in dessen Centrum und an den Zweigenden lässt sich auf das verschieden schnelle Wachs- thum der Polypen zurückführen. Entsteht nämlich an irgend einer Stelle eines älteren Astes ein junger Zweig, in Form eines Höckers, so müssen die an der Spitze stehenden Polypen schneller wachsen als die seitlichen, wenn sie nicht von Knospen überholt werden sollen. Dadurch können sie ihre Kelche nicht vollständig mit solider Kalkmasse ausfüllen, sondern sie werden gezwungen, den aboralen Theil des Körpers durch Bildung dünner Platten von Zeit zu Zeit abzukapseln, und dadurch entstehen die auf Fig. 6 abgebildeten Hohlräume, die durch die Sternleisten in 1) Köllicker in seinen Icones histiologicae gibt eine ganz ähnliche Schil- derung und auch eine Abbildung von diesen Bestandtheilen des Skelettes, 318 G. v. Koch, 6 Theile getheilt sind. Dass diese Hohlräume niemals durch spätere Ablagerungen von Kalk ausgefüllt werden, erklärt sich aus dem baldigen Verschwinden der organischen Substanz nach der Abkapselung. — Aus der angegebenen Art der Entstehung der porösen Axe des Skeletts erklärt sich leicht, warum dieselbe auch bei den dieksten Aesten keinen grösseren Durchmesser hat als bei ganz dünnen. — Sehr häufig findet man das ganze Skelett von Pilzfäden durchzogen, welche oft sehr dicht mit einander verflochten sind. Nur wenige non meinen Exemplaren waren ganz frei davon. (Wegen dieser Pilzfäden vergleiche man Köllicker.) Die Polypen. Die Polypen konnte ich nur im contrahirten Zustand unter- suchen, welcher sich durch vollständiges Zürückziehen der Ten- takel und die Einstülpung des ganzen weichen Polypenleibes kund gibt. Dabei bildet der eingestülpte Theil eine ringförmige Falte, welche die Tentakel schützt (s. Fig. 1). Die Form der Polypen ist die eines kurzen Cylinders von ca. 1 Mm. Durchmesser und 1—1,5 Mm. Höhe. Scheidewände sind bei den meisten Exem- plaren 12 vorhanden, Tentakel in der Regel 6 grössere und 6 kleinere, welche letztere bei grossen Thieren den ersteren wenig nachstehen. Ziemlich häufig finden sich auch verkümmerte Polypen, welche nur 3 oder 10 Scheidewände und dann natürlich auch nur diese Anzahl Tentakel besitzen. In diejenigen Kammern der Darmhöhle, welche die grösseren Tentakel tragen, ragen leisten- artige Vorsprünge des Skelettes, die sogenannten Sternleisten, welche an der Basis des Polypen immer mehr sich vergrössern und sich endlich im Centrum vereinigen. Von dem Vereinigungs- punkt erhebt sich ein kegel- oder griffelförmiger Fortsatz, das Säulchen oder die Columella. Bei grösseren Polypen kommen auch in den 6 übrigen Kammern Sternleisten vor, doch stossen die- selben nie im Centrum zusammen, sind auch nur bei ganz einzeln vorkommenden Individuen in allen Kammern gleich stark ent- wickelt. — Während des Wachsthums der Polypen füllt sich entweder der Boden derselben durch fortschreitende Verkalkung des Binde- gewebes mit fester Kalkmasse nach und nach aus, oder es werden, wahrscheinlich durch weiche Querscheidewände präformirte, kalkige Dissepimente gebildet, welche den basalen Theil der Magenhöhle Mittheilungen über Cölenteraten. 379 abschnüren. Leider konnte ich den letzteren Vorgang nicht durch die Beobachtung von verschiedenen Stadien in der Entwicklung der Dissepimente genauer verfolgen und selbst die Auffindung eines Restes vom ursprünglichen Epithel (Entoderm) des abgeschnürten Theiles wollte mir nicht gelingen. Wahrscheinlich rührt dies daher, dass das letztere nach der Abschnürung, oder theilweise auch schon während derselben sehr schnell resorbirt wird. — Das Eetoderm der Polypen besteht überall aus Cylinderzellen von ca. 0,004 Mm. Dieke und ca. 0,01 Mm. Höhe, nur an den Ten- takeln sind sehr hohe Zellen mit Nesselkapseln vorhanden. Das Entoderm besteht bei Spiritusexemplaren aus kugeligen, und in mehreren Schichten, wohl in Folge der Contraetion, über einander liegenden Zellen. Am Grunde der Tentakel sind sie oft zu ganzen Haufen zusammengeschoben. — Die Zwischensubstanz zeigt keine Spur von Zellen, sondern ist ganz hyalin. Die Tentakel sind keulenförmige Ausstülpungen, welche durch die Einwirkung des Alkohols meist so verkürzt sind, dass sie nur noch als kleine knollenförmige Hervorragungen erscheinen. Sie sind auf ihrer ganzen Oberfläche mit dicht stehenden Nessel- kapseln bewaffnet, welche 0,02 bis 0,04 Mm. lang und 0,004 bis 0,008 Mm. dick sind. Die dünneren und kürzeren enthalten meist einen dünnen sehr regelmässig spiralig aufgewundenen Faden, während der letztere bei der grösseren Form dicker ist und seine Windungen weniger regelmässig angeordnet sind. Die Scheidewände besitzen starke Längsmuskelwülste, welche nach meiner, allerdings nicht jeden Zweifels ausschliessenden, Beobachtung immer so angeordnet erscheinen, dass dieselben den Sternleisten zugewendet sind. Durch die Contraction dieser Muskeln wird der ganze Polyp in seine Höhle zurückgestülpt. Andere contraetile Elemente als diese konnte ich in den Polypen nicht finden. — Die sogenannten Mesenterialfilamente sind wie bei den anderen Korallen gebaut, liegen auf der freien Kante der Scheidewände und sind mässig entwickelt. Die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sind ein- ander sehr ähnlich, sowohl Eier als Hodensäckchen liegen am freien Rand der Scheidewände und sind mit einer dünnen hyalinen Membran, die vom Entoderm überzogen wird, umgeben. Näheres über Eier und Sperma kann ich mit Hülfe des mir zu Gebote stehenden Materials nicht angeben, die ersteren stimmen voll- ständig mit den von anderen Korallen bekannten überein. 380 G. v. Koch, Das Cönenchym. Unter Cönenchym verstehe ich die äussere weiche Schicht von noch unverkalkter Bindesubstanz, welche das Skelett umhüillt. Dasselbe ist hyalin, besitzt keine Zellen und ist von Canälen durchzogen, welche die einzelnen Polypen mit einander verbinden. Diese Canäle sind von Entodermzellen ausgekleidet und bilden ein engmaschiges Netzwerk, welches zwischen den konischen Er- hebungen des Kalkskelettes sich ausbreitet. — Die Oberfläche des Cönenchyms ist von einer Schicht Cylinderepithel, welche ganz dem Eetoderm der Polypen gleicht und in dasselbe ohne Grenze übergeht, überzogen. Aus den Röhren des Cönenchyms gehen die jungen Polypen hervor, doch ist es mir, wegen der Schwierigkeit der Unter- suchung, nicht gelungen, über diesen Vorgang mir vollständige Klarheit zu verschaffen. Mittheilungen über Cölenteraten. 381 Erklärung der Tafel XXIII. Fig. 1. Schliff’in der Richtung der Hauptaxe eines stark contrahirten Polypen. Fig Fig. Fig. Fig. a ist die durch die Zurückziehung des Polypen gebildete Ringfalte, welche das Innere desselben mehr oder weniger nach aussen abschliesst. t sind die contrahirten Tentakel, nicht ganz in der Mittellinie durchschnitten, Il sind die Scheidewände (Mesentrialfalten), welche zum Theil Muskeln, zum Theil Epithel zeigen, links oben ist ein Stück weggeschliffen. f ist ein Stück Mesentrialfilament, ce die Columella, s eine vom Epithel über- kleidete Samenkapsel, h ein, früher zu dem Polypen gehöriger, jetzt von demselben durch eine Kalkplatte abgeschlossener und der Weichtheile verlustig gegangener Raum. k die Canäle des Cönenchyms. Vergr. 30fach. . 2. Schliff durch einen Polypen, senkrecht zur Hauptaxe und durch das obere Viertheil. Die Lage der 12 Scheidewände und der 6 Sternleisten ist deutlich. Vergr. dieselbe. 3. Schliff etwas schief zu der Hauptaxe eines ganzen und einiger Stücke von benachbarten Polypen. Bei a sieht man die Muskelwülste, bei b Geschlechtsorgane, bei e die Columella, bei f Filamente, bei T Tentakel- querschnitt. Die verkalkte Substanz zeigt sehr schön die oben beschriebene Structur. Vergr. dieselbe. 4. Schliff senkrecht zu den Hauptaxen mehrerer Polypen, durch den Theil eines Astes, der keine organischen Bildungen mehr enthält. Vergr. 20fach. 5. Theil eines Längsschliffes, 150fach vergrössert, um den Bau der Canäle des Cönenchyms zu zeigen. g. 6. Schliff durch die Spitze eines Zweiges in der Richtung von dessen Axe, welche das Verhältniss der Rindenschicht des Skeletts zu der porösen Centralmasse zeigt. Die organische Substanz ist durch Maceration ent- fernt. g. 7. Schliff parallel zu dem Boden eines Polypen, an dem man die körnige Structur der Skelettoberfläche deutlich sieht. Vergr. 200fach. . 8. Längsschnitt durch einen Tentakel. Am Grunde desselben finden sich die durch die Contraetion gebildeten Anhäufungen von Entoderm- zellen. Vergr. 150fach. ig. 9. Querschnitt durch ein Stückchen Leibeswand mit Eetoderm und Entoderm. Vergr. 300fach. . 10. Ein Stückchen von dem vorigen, von der Fläche gesehen. . 11. Grosse Nesselkapsel aus den Tentakeln. Vergr. 600fach. Fig. 12. Eine gleiche, in Ausstülpung begriffen. Fig. 13. Eine kleinere mit dünneren unregelmässig aufgewundenen Fäden. Dieselbe Vergrösserung. Die ost-thüringischen Encriniten, Von ©. Dalmer. Mit einem Vorworte vonE. E. Schmid. Hierzu Tafel XXIII. Vorwort. Die Encriniten kommen im Muschelkalk so häufig vor, sie sind in ihm so allgemein verbreitet und gehören ihm so aus- schliesslich an, d. h. ihm allein mit Ausschluss anderer Forma- tionen und sie allein mit Ausschluss anderer Crinoideen, dass ihre Kenntniss einen wesentlichen Theil ausmacht von der Kenntniss des Muschelkalks überhaupt. Das östliche Thüringen, besonders die Umgebung Jenas, ist für die Beantwortung der an die Eneriniten sich anknüpfenden Fragen besonders günstig und bequem ; diese vollständig und knapp zusammen zu fassen, dürfte gerade jetzt thunlich und erspriesslich sein. Enerinus liliiformis ist die am längsten bekannte, in einer Un- zahl guter Exemplare vorhandene, in keiner grösseren, nicht nur öffentlichen, sondern auch privaten, Sammlung fehlende Crinoideen- Form. Ueber ihn dürften die Acten geschlossen sein. Er gehört in Thüringen dem oberen Muschelkalk ausschliesslich und allein an. Die obersten Muschelkalkschichten zwar enthalten ihn noch nicht, wie sie überhaupt frei oder wenigstens arm sind an orga- nischen Resten; in den mittleren aber stellt er sich mitunter be- reits als wesentlicher Einschluss ein, wie z. B. in den Schichten mit Spiriferina fragilis bei Jena, welche sich zu unterst an die Terebratula-Schichten anschliessen; in den untersten liegen seine Die ost-thüringischen Encriniten. 383 Stielglieder oft dicht neben einander, während längere Stiel-Stücke und zusammenhängende Kronen-Theile oder ganze Kronen zu den grossen Seltenheiten gehören. Diese untersten etwa 0,3 Meter starken Schichten bilden mit einer Gesammt-Mächtigkeit von etwa 5 Meter einen der bestimmtesten Horizonte des thüringischen Muschelkalks, dem ich den Namen „Striata-Kalk“ beigelegt habe, wegen der ausserordentlichen Häufigkeit von Lima striata. Er ist ein unzweifelhaftes Aequivalent des norddeutschen Trochiten- Kalks, aber ebenso unzweifelhaft würde man den Namen „Trochiten- Kalk“ für dieses thüringische Aequivalent von sich aus nicht ge- wählt haben, da erstens Enerinus-Reste ihm viel häufiger fehlen, als dass sie vorwalten, und zweitens dieselben in einigen tieferen Horizonten mindestens ebenso reichlich eingeschlossen sind. Die wichtigsten unter diesen tieferen Horizonten, weil sie selbständige Glieder des unteren Muschelkalkes darstellen, sind der Schaumkalk und der Terebratula-Kalk. Die weite Ausbreitung des Schaumkalkes durch den ausser- alpinischen, deutschen Muschelkalk ist längst anerkannt. Er ist das obere Grenzglied des unteren Muschelkalks und in die geo- logische Speeialkarte von Preussen und den thüringischen Staaten als obere Werksteinbank des unteren Muschelkalks eingetragen. Wenn ihm auch Encriniten-Reste häufig ganz fehlen, wenn sie gewöhnlich weit auseinander rücken, so ist er doch vielorts als eigentlicher Trochiten-Kalk entwickelt. Ein Grund, die Stiel- glieder des Schaum-Kalks von E. liliiformis zu trennen, lag nicht vor, bis längere Stiel-Stücke einen Unterschied nicht mehr ver- kennen liessen; aber erst 1565 fand ich bei Gutendorf nahe Berka a. I. Kronen-Stücke, durch welche die Art-Bestimmung E. Brahli begründet zu sein schien. In vollkommener Ueberein- stimmung mit meinen paläontologischen Freunden führte ich die Eneriniten des Gutendorfer Steins unter dem obigen Namen in den Erläuterungen zur geologischen Specialkarte von Preussen und den thüringischen Staaten, welche 1873 veröffentlicht wurden, auf. Allein das beste damals vorliegende Exemplar liess wohl den Bau der Arme deutlich erkennen, aber nicht ihre Zahl. Durch sorg- fältige Präparation älterer, schon von mir aufgehobener Stücke und durch Auffindung neuer gelang es Herrn Dalmer nachzu- weisen, dass die Zahl der Arme zwanzig sei. Danach kann von E. Brahli nicht mehr die Rede sein und ich ziehe diese Bezeich- nung als hinfällig zurück. Die Selbständigkeit des Terebratula-Kalks als eines Gliedes 384 C. Dalmer, vom unteren thüringischen Muschelkalk wird jetzt auch nieht mehr bestritten. Derselbe ist in die geologische Specialkarte von Preussen u. s. w. als untere Werksteinbank des unteren Muschel- kalks eingezeichnet. Er entwickelt sich verhältnissmässig seltener zu einem Trochiten-Kalke, als diess beim Schaum-Kalke der Fall ist. Die einzelnen Encriniten-Stielglieder auch aus dem Terebra- tula-Kalke wurden ohne besondere Rechtfertigung und eingehende Untersuchung ebenfalls zu E. liliiformis gestellt, bis ein Fund im Frühling 1876 aus dem Nordthale, einem Seitenthale des Mühl- thales, welches bei Jena in das Saalthal mündet, ein gesteigertes Interesse in Anspruch nahm. Dieser Fund bot eine gut erhaltene, auf einem längeren Stiel-Stücke aufsitzende Krone dar. Er stammte von der oberen Grenzfläche der unteren Bank; der Terebratula- Kalk wird nämlich durch eine 1,3—1,5 Meter mächtige Zwischen- lage von Kalk- und Kalkmergel-Schiefern in zwei Bänke getheilt. Wie sich diese Krone für die erste Anschauung eigenartig her- ausstellte, so schien sie sich auch einer eingehenderen Untersuchung als eigenartig zu bewähren. Ich nehme keinen Anstand, ihr den Namen „E. terebratularum“ beizulegen und diesen Namen in dem der Versammlung der deutschen geologischen Gesellschaft im August 1876 gewidmeten Schriftchen „der Muschelkalk des öst- lichen Thüringen“ aufzuführen. Der Fund war in der That be- deutsam genug, um weitere Nachsuchung auf der neuen Fundstätte und neue Prüfung älterer Fundstätten und Funde zu veranlassen und das Interesse auf die bereits in meiner ersten Abhandlung über den thüringischen Muschelkalk ‚die geognostischen Verhält- nisse des Saalthals bei Jena (Leipzig 1846), S. 21, $ 35“ ange- deuteten Trochiten-Kalke des unteren Muschelkalks zurück zu leiten. Dieselben sind denjenigen Haserigen bis bröckeligen Kalk- schiefern untergeordnet, welche den unteren Wellenkalk aus- machen, der durch den Terebratula-Kalk vom oberen Wellenkalke geschieden. wird. Zu Rechten der Saale bei Jena an den Abhängen der Kern- berge, des Hansbergs und des Jenzigs wurden zu den bereits bekannten Trochiten-Kalken des unteren Wellenkalks in etwa 6 und 36 Meter Tiefe unter dem Terebratula-Kalke keine weiteren hinzu gefunden. Zur Linken der Saale wurde die frühere Kennt- niss wesentlich ergänzt. In nächster Nähe Jenas östlich dem Apoldaischen Steiger und an den Abhängen des Landgrafen streichen drei ausgezeichnete Trochiten-Kalke aus in Tiefen von etwa 135, 30 und 46 Meter unter dem Terebratula-Kalke. Die Die ost-thüringischen Enceriniten. 38 stets kahi ausgefegte Erosions-Furche des Rosenthals bei Zwätzen, eine Stunde unterhalb Jena, durchsehneidet sieben Trochiten- Kalke, von denen jedoch die unteren drei einander sehr nahe liegen, und ebenso die mittleren zwei, während die oberste dem Terebratula-Kalke sehr nahe angenähert ist. Die Stärke der ein- zelnen Trochiten- Kaike des unteren Wellenkalks bemisst sich nur nach wenigen Centimetern. Die oben aufgeführten Angaben genügen zu dem Beweise, dass von diesen Trochiten-Kalken als weit durchstreichenden Horizonten nicht die Rede sein könne, dass vielmehr die Einstreichung der Encriniten-Glieder nach Zeit und Ort wechselt, wie der Absatz stärkerer, reinerer und härterer Kalk-Schichten zwischen den Schiefern. Die Trochiten - Kalke verhalten sich ganz ähnlich den übrigen versteinerungsreichen Schichten des unteren Wellenkalks, sie sind örtliche Anschwel- lungen, nur dass diejenigen, welche Dentalium, Nabica, Lima, Myophoria u. A. reichlich einschliessen, deutlicher und häufiger linsenförmige Einlagerungen darstellen von leicht messbarer, mit- unter mit einem Blicke übersehbarer, zuweilen sogar nur Bruch- theile eines Meters betragender Breite. Im letzten Falle nehmen sie den Schein fremdartiger Einschlüsse an, und können leicht missverständlich als Geschiebe gedeutet werden. Wenn man auf Grund einzelner gut aufgeschlossener Profile von Dentalium-, Nabica-, Lima- u. A.-Schichten als von bestimmten Horizonten des unteren Muschelkalks reden will, die sich über weite Strecken wiederfinden lassen sollen, so erzeugt man damit blos Ver- wirrung. Im mittleren Muschelkalke Thüringens ist bis jetzt noch keine Spur von Encriniten wahrgenommen worden, und ebenso wenig im oberen Wellenkalke, d. i. in den flaserigen bis bröckeligen Kalkschiefern zwischen dem Schaumkalke und dem Terebratula- Kalke. Unter den vielen und mannichfaltigen organischen Ueber- resten der untersten ebenen Kaikschiefer, die früher von mir als Cölestin-Schichten bezeichnet wurden, aber diese Bezeichnung nur für die Umgebung von Jena verdienen, ist bisher bei Rabis, eine Meile ostsüdöstlich Jena, nur einmal ein nicht einmal ganz un- zweifelhafter Crinoideen-Rest gefunden worden. Damit schliesse ich meinen stratigraphischen Beitrag zu einer Uebersicht der ostthüringischen Encriniten, dem Grundsatze der Arbeitstheilung gemäss die paläontologische Ausführung von mir abweisend. Dieser Grundsatz ist massgebender für die Geologie, als für andere angewandte Naturwissenschaften. Es gereicht mir 386 C. Dalmer, zu ganz besonderer Freude, dass Herr Dalıner, mein ehemaliger Schüler und Assistent, eine ausführliche paläontologische Bear- beitung übernommen hat. BE. E::Schmit Beschreibung. I. Crinoideen des untern Wellenkalks. Am Landgrafen bei Jena lässt sich circa 6 Meter über der Grenze zwischen untern ebenen Kalkschiefern und unterm Wellen- kalk eine Bank verfolgen, die ganz erfüllt ist von schmalen und zierlichen Encrinusstielgliedern. Dieselben besitzen meist einen Durchmesser von 1 Mm., sehr selten von 2 Mm., und ähneln voll- ständig denen von E. gracilis. — Ferner kommen ziemlich häufig pentagonale Glieder vor, von etwa 2 Mm. Durchmesser, theils mit ebenen, theils mit etwas eingebogenen Seitenflächen. Nicht wenige besitzen auf der Gelenkfläche fünf blattartige, vertiefte Felder, deren Spitzen nach den Ecken des Pentagons gerichtet sind; andere zeigen auf der Gelenkfläche grobe Randkerben, die sich in der Mitte jeder der 5 Seiten etwas weiter in’s Innere der Gelenkfläche hineinziehen. Ueber die Deutung dieser Glieder, ob sie zu Penta- crinus oder Encrinus zu rechnen seien, herrscht bekanntlich noch Unsicherheit. — Etwa 17 bis 19 Meter über dieser ersten Bank fand ich am Landgrafen eine zweite, die ebenfalls einen grossen Reichthum an Trochiten aufweist. Hier wiegen entschieden die kleinen, runden gracilis-ähnlichen Stielglieder vor, die fünfeckigen treten etwas zurück, und es finden sich hie und da schon Glieder, die denen von liliiformis in Bezug auf Grösse näher kommen. — Letztere treten in grösserer Anzahl auf in einer dritten, etwa 1 Meter höher gelegenen Bank !); die Glieder haben hier meist einen Durchmesser von 5—4 Mm,, fünfeckige sind selten und die kleinen runden Glieder sind ganz verschwunden. — Ebenso konnten auch im Rosenthal bei Zwätzen mehrere Enerinitenhorizonte nach- !) Ungefähr ebenfalls 13 Meter unter dem Terebratulakalk, Die ost-thüringischen Eneriniten. 397 gewiesen werden, und zwar war auch hier das Vorkommen der kleinen Encrinusglieder auf die beiden unteren Bänke beschränkt. — An den Kernbergen bei Jena zieht sich etwa 4—5 Meter unter dem Terebratulakalk eine Bank hin, die ganz mit Trochiten und vereinzelten Kronengliedern übersäet ist. Sehr wahrscheinlich stammt aus derselben eine, im Gerölle der Kernberge bei Ziegenhain gefundene, wohl erhaltene Patina. Diese gleicht vollständig, auch in Bezug auf Grösse, der in Beyrich’s Abhandlung beschriebenen und abgebildeten oberschlesischen Patina, die Beyrich dem E. aculeatus zuschreibt. Der sternförmige innere Basalkreis ist deut- lich sichtbar, die äussern Basalglieder überragen das erste Stengel- glied wenig und sie schärfen sich nach aussen flach-dachförmig zu, in der Weise, dass die Grenze des ersten Stengelglieds den First des Daches bildet und also die Mitte der Basis flach-mulden- förmig vertieft ist. — Sonst habe ich von Kronenresten im untern Wellenkalk nur noch ein kleines Stück von einem Arm gefunden und zwar stammt dasselbe aus der zweit-untersten Bank des Rosenthals. Die Breite des Arms beträgt kaum 0,5 Mm., er ist einzeilig gegliedert und besitzt eine gerundete Form; es würde dies auf Enerinus graeilis hindeuten. II. Eneriniten des Terebratulakalks. Das Auftreten von Crinoidenresten im Terebratulakalk ist ein sehr sporadisches. Oft fehlen sie vollständig; wenn sie jedoch irgendwo vorkommen, so geschieht dies dann auch meist in grosser Zahl. Der Hauptfundort, an dem bis jetzt die einzigen Kronen gefunden worden sind, war bis jetzt das sogenannte Nord- thal bei Jena; man bezeichnet mit diesem Namen ein Seitenthal des Mühlthals, das sich oberhalb der Papiermühle von letzterem abzweigt und nach dem Dorfe Cospeda hinaufführt. Das aus diesem Steinbruch stammende Material besteht aus folgenden Stücken: 1) Eine Krone mit dem oberen Theil des Stiels (Fig. 1). 2) Die obere Hälfte einer Krone (also ohne Kelch) (Fig. 2a u. b). 3) Eine Platte mit Stielstüicken und drei Kronen; von jeder sind jedoch nur noch eine Anzahl Arme in leidlien erhal- tenem Zustand. m 4) Ein nur in den oberen Theilen etwas unvollständiger Kelch (Fig. 3). 5) Der obere Theil von einem Kelch. Bd. XI. N. F. IV. 3, 27 388 C. Dalmer, 6) Ein Bruchstück von zwei Armen. Ferner eine Anzahl vereinzelter Armstücke und Stielglieder. Beiläufig sei bemerkt, dass die Fauna dieses Steinbruchs auch noch in anderer Hinsicht Eigenthümlichkeiten zeigt. Es kommt hier nämlich meist in Gesellschaft mit den Eneri- niten der kleine Spirifer hirsutus in ziemlicher Häufigkeit vor, während derselbe sonst im Terebratulakalk von Jena selten ist. Dieses Fossil scheint überhaupt ein treuer Begleiter der Encriniten gewesen zu sein. Ich fand es wenigstens auch mehrfach in den Trochiten-reichen Bänken des untern Wellenkalks. Beschreibung. Stiel. — Bei dem Exemplar Nr. 1 (Fig. 1) ist nur der obere Theil des Stengels erhalten. Derselbe scheint hinsichtlich der Gliederung sich von dem des E. liliiformis nicht wesentlich zu unterscheiden. Durch sechs wulstig hervorspringende Glieder wird er in sieben Abschnitte getheilt. Das erste System, das sich an die Krone anschliesst, ist von Gesteinsmasse zum grossen Theil bedeckt und nur unvollständig sichtbar. Das zweite Sysiem be- steht aus sieben unter einander ungleichen Gliedern, von denen das 4. dieker als das 2. und 6., diese wieder etwas stärker ent- wickelt sind als das 1., 3., 5. und 7. Es ist also dieselbe Anordnung der Glieder, wie sie bei E. liliiformis häufig vorkommt. Ebenso ist die Anordnung im dritten System, nur dass hier neben dem wulstig verdiekten Glied, von dem dasselbe nach oben hin begrenzt wird, ein schmales achtes und neuntes Glied sich einschiebt. Im vierten System nimmt die Ungleichheit der einzelnen Glieder ab und im fünften, sechsten und siebenten Absehnitt sind sie vollständig unter einander gleich. Ebenso werden auch die wulstig hervorragenden Glieder, welche die einzelnen Systeme von einander trennen, mit ihrer Entfernung von der Krone immer dünner und das siebente lässt sich kaum noch von den benachbarten Stielgliedern unterscheiden. Was die Dimensionen anlangt, so sind die Glieder der untern Systeme etwa ebenso hoch als diek. Nach oben nimmt jedoch die Höh@® im Verhältniss zur Dieke bedeutend ab und die Glieder bekommen eine mehr flach scheibenförmige Gestalt. Die Grösse des Durchmessers schwankt bei den verschiedenen Individuen zwischen 2,5 und 4 Mm. Die ost-thüringischen Eneriniten. 389 Bemerkenswerth ist das Vorkommen von Cirren. Sehr deut- lich und unverkennbar sind die Ansatzstellen an dem waulstig verdickten Glied eines Stielfragments. Es sind fünf kleine Fort- sätze, die an ihrem Ende mit einem Grübchen versehen sind. Von dem untern Theil des Stiels ist ein Fragment vorhanden, aus 15 vollständig gleichen Gliedern bestehend. An einem andern Bruchstück ist das von Goldfuss und Hermann v. Meier be- schriebene kuppelförmige Stielende zu sehen, das nach Beyrich einem Jugendzustand des Enerinus eigenthümlich ist und aus dem sich später erst die voluminösen Wurzeln entwickelt hatten. Uebereinstimmend mit dieser Ansicht ist dies Stielstück ziemlich schwach entwickelt, so dass es wohl nur einem jungen Exemplar angehört haben kann. An einem Wurzelstock, der fünf Individuen gemeinsam war, fand ich die Ansatzflächen der Stiele noch über einmal so breit, als die Glieder des erwähnten Stielstücks. Kelch. — Der Kelch ist an dem Exemplar Nr. 1 nur zum Theil sichtbar. Namentlich waren die unteren Partieen, die ersten Radialglieder und Basalglieder, fast ganz in fester Gesteinsmasse verborgen. Doch gelang es durch sorgfältige Präparation, wenigstens festzustellen, dass die ersten Radialglieder fast senkrecht zu den beiden andern und zur Längsaxe des Stiels stehen, und dass die ersten Basalglieder jedenfalls nur wenig oder vielleicht gar nicht das erste Stielglied überragen. Besser sind die unteren Theile an dem Kelchstück Nr. 4 (Fig. 3) zu beobachten. Die Basalia liegen auch hier vollständig horizontal (senkrecht zur Stielaxe) und sind ein wenig in den Kelch eingesenkt. Die äusseren Basalglieder stehen nur wenig über das sie zum Theil bedeckende erste Stengelglied hervor, das zugleich die inneren Basalglieder der Beobachtung entzieht. — Die ersten Radialglieder dieser Patina sind aussen verdickt, doch besitzt die Verdiekung nicht jene gerundete Form, wie sie meist die ersten Radialglieder von E. liliiformis zeigen, vielmehr ist sie mehr sackförmig, sie schärft sich vorn fast zu einer Kante zu. — An dem obern Theil des Kelches ist bemerkenswerth das Vorkommen von secundären Radialgliedern. An dem einzigen ganz frei liegenden Schulterradial von Nr. 1 sieht man nämlich an je einer Fläche der dachförmig gestalteten Oberseite anstatt eines Armes, wie dies bei E. liliiformis der Fall ist, noch zwei auf einander folgende Kelchglieder sich ansetzen, von denen das zweite eine ebenfalls dachförmig gestaltete Oberseite besitzt und 27* 390 C. Dalmer, zwei Arme trägt. Ebenso finden sich diese beiden secundären Radialglieder an der einen Seite eines Schulterradials des Kelch- fragments Nr. 4 An der andern Seite und bei den andern pri- mären Schulterradialen fehlen dieselben. Ob sie hier wirklich niemals vorhanden waren oder ob sie erst nachträglich verloren gegangen, z. B. durch Verwitterung zerstört worden sind, liess sich nicht ermitteln. Desgleichen sind die secundären Radial- glieder wahrnehmbar an dem Kelchfragment Nr. 5. An den übrigen Kroner fehlt der Kelch. Arme. — Aus dem Vorkommen von secundären Radial- gliedern lässt sich schliessen, dass die Zahl der Arme mehr als zehn betragen haben muss. Dass es zwanzig waren, kann man, so lange nicht an jedem primären Schulterradial die zwei Paar seeundären Radialglieder nachgewiesen sind, nicht behaupten. Es ist nämlich keineswegs nothwendig, dass, wenn sich an eine Seite eines primären Schulterradials jene ansetzen, dies auch an der andern Seite stattfinden und sich bei den übrigen vier Radien wiederholen müsse ; dies beweisen die von Strombeck in Palaeontogr. Bd. IV, S. 172 geschilderten elfarmigen und zwölfarmigen Exem- plare von E. liliiformis. Zählen wir nun die an Nr. 1 wirklich vorhandenen Arme, so beträgt die Zahl allerdings blos zehn, wovon ein Aım nur als Abdruck in dem Gestein erhalten ist. Doch überzeugt man sich leicht, dass dies nicht die ursprüngliche Zahl der Arme des Crinoids ist, dass vielmehr z. B. die Arme, die dem vorderen, secundären Axillarglied aufsassen, bis auf die untersten zwei Glieder nicht mehr vorhanden sind. Wahrscheinlich waren dieselben und noch andere in dem Gestein, welches die Platte mit dem Fossil be- deckte, eingebettet und sind mit diesem abgebrochen oder auf andere Weise zerstört worden. An einem andern Exemplar (Nr. 2) Fig. 2a u. b ist nur die obere Hälfte der Krone erhalten. Leider ist auch diese zum grossen Theil von festem Gestein umschlossen. Ich musste daher, um hier die Zahl der Arme zu ermitteln, die Bruchfläche an- schleifen lassen. Es zeigten sich in der dunkelgrauen Gesteins- masse zehn grössere weisse Durchschnitte von Armgliedern und fünf kleinere Durchschnitte (Fig. 2b). Ob letztere von Armen herrühren, lässt sich nicht sicher entscheiden. Doch sind sie für Durchsehnitte von Pinnulen etwas zu gross. Nimmt man sie für Armglieder, so kann man die Kleinheit derselben dadurch er- klären, dass diese fünf Arme etwas verkümmert seien, oder da- Die ost-thüringischen Encriniten. 391 durch, dass der Schliff die Arme in einer höheren Region treffe, als die zehn andern, wo die Arme schmäler sind. Dies letztere ist ja denkbar, indem diese Arme im untern, nicht vorhandenen Theil stark verdrückt gewesen sein und bedeutende Biegungen gemacht haben können. Unwahrscheinlich ist es jedenfalls, dass die Zahl der Arme 20 beträgt; sie wird vielleicht zwischen 10 und 20 liegen. Von Wichtigkeit ist die Gliederung der Arme. Dieselbe ist nämlich nicht, wie z. B. bei E. liliiformis, zweizeilig, sondern durchgängig einzeilig. Die Glieder durchsetzen immer die ganze Breite des Armes, so dass nie ein Glied mit dem von ihm aus in der Reihe drittfolgenden Glied eine Streeke lang auf einander zu ruhen kommt. Bei Nr. 2 (Fig. 2) und bei zwei Kronen der Platte 3 eonvergiren die Gelenkflächen der Glieder so, dass die- selben scharf keilförmige Gestalt bekommen und die Schärfe der Keile abwechselnd in der einen oder der andern Seitenfläche des Arms ruht. Bei Nr. 1, ferner bei einer Krone von Nr. 5 und ver- schiedenen vereinzelten Armbruchstücken haben die Glieder die Gestalt eines abgestumpften Keils. Bieten daher die Arme die Seitenfläche der Beobachtung dar, was bei Nr. 1 meistens der Fall ist, so erscheinen sie in abwechselnd grössere und kleinere Recht- ecke gegliedert. Die grösseren stellen die Basis der Keile, die kleineren die abgestumpfte Schärfe dar. An dem Arm-Bruchstück Nr. 6 (Fig. 4), sind die Gelenk- flächen einander vollständig parallel. Es ist möglich, dass das- selbe den untern, dem Kelch zunächst liegenden Theil von zwei Armen darstellt, welcher ja gewöhnlich diese Art der Gliederung zeigt. — Die Aussenfläche der Arme ist bei den Exemplaren mit scharf- keilförmigen Gliedern und bei Nr. 6 eben oder nur ein klein wenig gewölbt und bildet, wie die Fig. 2b zeigt, mit den Seitenflächen scharfe Kanten; ein Querschnitt hat die Form eines geraden Trapez. Die Arme konnten daher fest aneinander gelegt werden. Nur bei den Armen von Nr. 1 und den übrigen Exemplaren mit stumpfkeilförmigen Gliedern scheint eine mehr gerundete Form vorzuherrschen, womit vielleicht der nicht geschlossene, ausge- breitete Zustand der Krone in Verbindung zu bringen ist, Uebrigens besitzen die untern dem Kelch benachbarten Armglieder bei Nr, 1 einen mehr eckigen Durchschnitt, 392 C. Dalmer, III. Eneriniten des Schaumkalks. Dasselbe, was von dem Vorkommen der Eneriniten im Tere- bratulakalk gesagt wurde, gilt auch in Bezug auf ihr Vorkommen im Schaumkalk. Während sie an vielen Stellen vollständig fehlen, treten an einigen Orten, z. B. in einem Steinbruch in der Nähe von Gutendorf (5), St. von Berka an der Ilm), die Trochiten fast gesteinsbildend auf. Bei Jena kommen dieselben nur am Schnecken- berg im Mühlthal etwas häufiger vor. Bemerkenswerth von den hier gefundenen Stücken ist nur der untere Theil eines Stengels, bestehend aus 167 Gliedern, die von oben nach unten allmählich ein wenig an Dieke zunehmen, und von denen das oberste einen Durchmesser von 7 Mm. und das unterste einen von 1,2 Cm. besitzt. Von Kronen sind bis jetzt im Schaumkalk des östlichen Thüringens nur bei Gutendorf fünf zum Theil sehr fragmentarisch erhaltene Exemplare, ferner eins bei Sulza gefunden worden. Die ersteren zeigen folgende Merkmale: Der Keleh ist nur an dem einen Fig. 6a, b, ce abgebildeten Exemplar (Nr. I) fast vollständig erhalten. Man sieht hier zunächst, dass die äussern Basalglieder verhältnissmässig stark entwickelt sind und auch, dass sie nicht horizontal liegen, sondern etwas ansteigen, so dass sie einen Winkel von etwa (0 Grad mit der Längsaxe des Stengels bilden. An der, Fig. 6e, abgebildeten Seite der Krone sind dieselben noch steiler aufgerichtet, hier jedoch offenbar in Folge von Verdrückung, Die ersten Radialglieder sind vollständig eben, zeigen keine wulstige Verdiekung und bilden mit den beiden andern einen stumpfen Winkel. Sehr gut kann man an drei Radien die zwei Paar seeundären Radialglieder beobachten, die an je eine Seite des dachförmigen primären Sehulterradials ansetzen. An den beiden andern Radien sind die oberen Partieen des Kelchs von Gesteinsmasse bedeckt. Bei den übrigen vier Kronen sind die untern Theile des Kelehs nicht mehr erhalten. Der obere Theil ist nur an zweien vorhanden und auch dies nur theilweise. Das eine von diesen beiden letzteren (Nr. Il) wurde 1861 der deutschen geologischen Gesellschaft vorgelegt und als E. Brahlii bestimmt. Indessen gelang es durch sorgfältige Präparation, secundäre Radialglieder nachzuweisen. Dieselben sind auch an dem andern Exemplar (Nr. III) vorhanden. Bei diesen drei besprochenen Kronen weist also schon das Auftreten von secundären Radialgliedern darauf hin, dass die- Die ost-thüringischen Encriniten. 393 selben mehr als zehn Arme besessen haben. Direet gezählt konnte letztere werden an einem Exemplar, von dem nur der obere Theil der Krone erhalten ist (Nr. IV); ich konnte neunzehn Arme deutlich unterscheiden. Indessen ist auch diese Zahl nicht sicher, da die Krone zur Hälfte noch im Gestein sitzt, und daher nur die Armdurchschnitte auf der Bruchfläche gezählt werden konnten. An dem fünften Kronenfragment (Nr. V) liess sich hin- sichtlich der Zahl der Arme nichts feststellen, da dasselbe nur aus einigen Armen besteht. Die Gliederung der Arme von Nr. III, IV und V ist ganz so wie die von Nr. 2 (Fig. 2); die Glieder sind also scharf- keil- förmig. Bei Nr. II sind sie abgestumpft-keilförmig, und bei Nr. I sind die Gelenkflächen unter einander fast parallel. (Allerdings ist bei letzterem Exemplar nur der untere Theil der Arme der Beobachtung zugänglich.) — Die Arme von allen Kronen haben wohlentwickelte Seitenflächen und zeigen als Querschnittsfigur ein gerades Trapez. Die Breite der Arme von I und II ist 2 Mm., von V 5 Mm,, von III und IV—4 Mm. Ferner ist in dem Schaumkalk von Sulza eine Krone ge- funden worden, welche sich derzeit in der Göttinger Universitäts- sammlung befindet. Durch die Güte des Herrn Prof. C. v. Seebach erhielt ich das Exemplar zur Ansicht; dasselbe ist zwar nur schlecht erhalten, doch kann man sich über die wichtigeren Ver- hältnisse noch leidlich orientiren. Von der Patina sind nur zwei von den ersten Radialgliedern sichtbar, welche aussen etwas an- seschwollen sind und senkrecht zur Axe des Stengels stehen. Die äussern Basalglieder werden vollständig von dem ersten Stengel- glied verdeckt. Ein paar secundäre Radialglieder sind nur als Abdruck in dem Gestein wahrzunehmen. Die Beschaffenheit der Arme lässt sich nur an dem untern Theil eines Arms studiren, indem die andern theils mit dem Deekstück weggebrochen worden, theils nur als undeutliche Abdrücke noch vorhanden sind. Das erwähnte Armstück besteht aus eirca 20 Gliedern, die alle im Ver- hältniss zur Höhe ziemlich breit sind (Höhe: Breite = 1 Mm. : 4 Mm.) und merkwürdiger Weise alle mit vollständig parallelen Gelenk- flächen auf einander liegen. Es wäre möglich, dass die Glieder in dem oberen, nicht vorhandenen Theil des Arms keilförmig ge- 394 C. Dalmer, wesen wären oder sich alternirend verkürzt hätten; indessen pflegt dies, wenn es überhaupt eintritt, mit dem zehnten, meist schon mit dem fünften oder sechsten zu beginnen. Es ist noch eine Krone zu erwähnen, die sich in der Samm- lung der naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Altenburg befindet und deren Geinitz im Neuen Jahrb. f. Min. 18358, S. 530 kurz Erwähnung thut. Dieselbe stammt von den Kernbergen bei Jena und zwar wahrscheinlich aus der Nähe des Terebratulakalks, also aus dem untern Muschelkalk. Sie besitzt nach Geinitz secundäre Radialglieder und einen gerundet füntseitigen Stiel, ähnlich dem, des von Bronn beschriebenen E. pentactinus!) (E. Schlotheimii Beyrich). Geinitz stellte daher das Exemplar zu dieser Art. Es wäre jedoch leicht möglich, dass in Bezug auf Gliederung der Arme Differenzen beständen, indem ja alle bisher im untern Muschelkalk Thüringens gefundenen Reste nicht zweizeilig ge- gliederte Arme, wie das von Bronn beschriebene Exemplar, sondern einzeilig gegliederte aufweisen. Gewissheit hierüber honnte ich mir nicht verschaffen, da Geinitz auf die Beschaffenheit der Arme nicht eingeht und es mir nicht gelang, das Exemplar zu Gesicht zu bekommen. Vergleiehung mit den bisher bekannten Arten. Von den Formen des Genus Enerinus, die von dem typischen und verbreitetsten Vertreter desselben, dem E. liliiformis als speeifisch verschieden getrennt worden sind, kommen die einen in demselben geognostischen Horizont wie diese Art, im obern Muschelkalke vor und sie unterscheiden sich von derselben nur dureh die grössere Zahl der Arme und das hiermit in Verbindung stehende Auftreten von secundären Radialgliedern. Beyrich hat sie unter dem Namen E. Schlotheimii ) zusammen gefasst. Die !) Jahrb. 1837, p. 32. 2) An diese Art schliesst sich an eine 40armige Form des alpinen Keupers. Die ost-thüringischen Encriniten. 395 übrigen Formen gehören fast sämmtlich dem untern Muschelkalk an. Die älteste Species, der E. gracilis, welcher in der untern Abtheilung dieses Horizonts, in Schlesien und bei Recoaro ziem- lich häufig vorkommt, entfernt sich am weitesten von E. liliiformis und Schlotheimii, und zwar bestehen hauptsächlich in viererlei Beziehungen Unterschiede: 1) in Grösse und 2) Stellung der äussern Basalglieder, 3) in Form und 4) Gliederung der Arme. Diese Unterschiede nun werden durch eine Gruppe von theils zehn-, theils zwanzigarmigen Formen vermittelt, die in der oberen Abtheilung des untern Muschelkalks vornehmlich auftreten. Diese Verhältnisse möge die nachfolgende Tabelle erläutern, welche in- sofern nicht überflüssig sein dürfte, als sich die Zahl der Zwischen- formen seit Veröffentlichung der Beyrich’schen Abhandlung nicht unbeträchtlich vermehrt hat. In der Spalte 1 der Tabelle ist das Verhältniss des Durch- messers vom ersten Stengelglied zu der Länge desjenigen Stückes der äussern Basalglieder angegeben, welches über das erste Stiel- glied hinausragt. Um eine directe Vergleichung zu ermöglichen, habe ich den Durchmesser des Stiels für alle Formen = 10 ge- setzt. In der Spalte 2 findet sich der Winkel angeführt, den die äussern Basalglieder mit der Längsaxe des Stengels bilden. Diese Angaben von Messungen machen, da sie zum grossen Theil an Zeichnungen ausgeführt wurden, keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit, die ja auch für den vorliegenden Zweck durchaus nicht erforderlich ist. Die Figuren der Spalte 3 stellen schema- tische Längsschnitte durch die Arme dar, parallel der Aussen- fläche, welche die Gliederung der Arme veranschaulichen sollen. Bei allen sind die natürlichen Grössenverhältnisse wiedergegeben worden. In Spalte 4 wird die Zahl der Arme, in Spalte 5 die äussere Form und in der 6. der geognostische Horizont an- gegeben. 396 C. Dalmer, 1 2 3 4 5 6 A) E, gracilis 12:10. | 00-109 | * 10 | gerundet, untere, selten obere I ohne aus- Abtheilung des un- geprägte teren Muschelkalks | Seiten- | (Recoaro, Ober- ' flächen. | schlesien, Braun- | schweig). B)E.cff. gracilisi 6:10 | 50°—60° i ‚10| _dtt. oberer Muschelkalk, Quenstedt. En- 'Gaismühle in Wür- eriniten und temberg. Asteriden. Taf. 106, Fig. 178. S C) E. Brahlii 9:10 |c.40°—50° 10 dtt. Schaumkalk, Rü- E dersdorf. D) E. Carnallı 4:10 | 600—70° 20 | scharf- | Schaumkalk, Rü- | kantig. dersdorf. Aussenfl. eben, von Seitenfl. durch ‚Kante ge- schieden, E)E.cff.Carnalli) 6,5: 10 2 ? ? Recoaro, Brachio- Benecke. Ei- podenschichten. nige Muschel- kalkablag. der Alpen, S. 39. F)E.sp.(Patina)) 7:10 90° Lade ? ebendaher. Benecke, 1. c. S. 39. Taf. IV, Fig. 4. G) E. aculeatus | 1:10 90° EI 10 |wie bei D. Oberschlesien, obere Glieder ‚Abtheilung des un- mit tern Muschelkalks. | | Stacheln. | H)E. cff. acu- dtt.? dit. | dtt.? 110] det. Braunschweig, leatus | Schaumkalk. I) E. sp. % dtt. E 10) dtt. oberer Muschelkalk, Quenstedt. aber ohne Gaismühle in Wür- Hab. d.Petref.- | Stacheln. temberg. Kunde,Tab.68, | Fig. 8. K) E. sp. 1:10 dtt. 2 10 | dtt. ohne | Reeoaro, Brachio- Benecke, 1. c. Stacheln. | podenschichten, $. 40. L) E. liliiformis | 1-3: 10 dtt. 10 | Aussenfl., | sehr verbreitet im theils |obern Muschelkalk. eben, theils gewölbt. M) E. Schlot- dtt. dtt. 3 0- oberer Muschelkalk. heimii. 25 *) vergrössert. Die ost-thüringischen Encriniten. 397 Anmerkungen. ad C) E. Brahlii wurde bisher ausser bei Rüdersdorf noch am grossen Todtenberg bei Sondershausen durch den Rechtsanwalt Chop, ferner durch Professor Platz bei Grünsfeld getunden. Nähere Beschreibungen dieser Exemplare, die sehr erwünscht wären, sind bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden. ad E) Diese von Recoaro stammende Patina wurde von Benecke zu E. Carnalli gestellt. Indessen ist zu bedenken, dass Patina und Arme, wie die Tabelle beweist und die nach- folgenden Erörterungen zeigen werden, in keiner Correlation stehen, dass bei gleicher Beschaffenheit der Patina zwischen zwei Formen doch erhebliche Differenzen in Bezug auf Zahl und Gliederung der Arme stattfinden können. Es ist also die Patina allein wohl kaum zu einer sicheren speeifischen Bestimmung hin- reichend. ad H) Ueber diese Form macht Griepenkerl, Zeitschrift der deutsch. geol. Gesellsch., Jahrg. 1860, S. 162, folgende Mittheilung: Es sei ein Enerinus „mit unentwickelter Distichie der Arm-“ „glieder, der gleich Beyrich’s Patinen zu E. aculeatus gehören“ „wird, aber nicht in dem Maasse stachelig ist, wie die Abbildung“ „in Palaeontographica I, Tab. 32.“ ad I) Benecke sagt über dieses, der Münchener Sammlung angehörige Exemplar: „Es war mir nicht möglich, wesentliche Unterschiede gegen E. liiformis heraus zu finden.“ Indessen glaube ich doch, für einen solehen die einzeilige Gliederung der Arme erklären zu müssen, von der ich mich bei meinem Aufenthalt in München zu überzeugen Gelegenheit hatte. ad L) Das Vorkommen von E. liliiformis ist auf den obern Muschelkalk beschränkt. Eck erwähnt zwar in dem Nachtrag zu seiner Abhandlung über den Buntsandstein und Muschelkalk von Oberschlesien, dass in dem gleichen Horizont, wie E. aculeatus, auch ein Exemplar von E. liliiformis gefunden worden sei; jedoch wird bei der kurzen Beschreibung nichts über die Beschaffenheit der Arme gesagt und aus dem Umstand, dass Eck diese Form nur wegen des Fehlens der Stacheln nicht mit E. aculeatus ver- einigen will, könnte vielleicht hervorgehen, dass die Arme der- selben wie die von E. aeuleatus, also verschieden von denen des 395 C. Dalmer, E. liliiformis gegliedert sind. Jedenfalls wäre diese Bestimmung noch einmal zu revidiren. Sehen wir also vorläufig von diesem Exemplar ab, so sind bis jetzt noch nirgends im untern Muschel- kalk. Formen mit vollständig entwickelter Distichie der Armglieder gefunden worden, d. h. Formen, bei denen die Zuschärfungsflächen der Armglieder grösser sind, als die Flächen, mit denen je zwei alternirende Glieder auf einander liegen; vielmehr zeigen von den eirca 20, aus diesem Horizont näher beschriebenen Formen (die des thüringischen Muschelkalks mit eingerechnet) nur 4 überhaupt Distichie (1 Krone von E. Carnalli und 3 von E. Brahlii) und diese ist noch sehr unentwickelt, während die übrigen alle ein- zeilig gegliederte Arme besitzen. Dieser Umstand nun, dass dieses Merkmal zu einer bestimmten Zeitperiode den Enerinusformen eigenthümlich ist, und die Erwägung, dass dieses Merkmal ent- schieden ein Unterschied von höherem morphologischen Werth ist, als viele Merkmale, auf welche hin man namentlich innerhalb der Gruppe der Moliusken Species unterschieden hat, rechtfertigen meiner Ansicht nach vollständig die specifische Trennung der Formen des untern Muschelkalks von denen des obern und ich kann der Ansicht Quenstedt’s nicht beipflichten, welcher dieselben in seinem neuen Werk über „Asteriden und Eneriniten“ nur für Spielarten oder als Entwicklungszustände jugendlicher Formen erklärt. Unterzieht man nun die in der Tabelle angeführten Species und einzelnen Exemplare einer vergleichenden Betrachtung, so sieht man leicht, dass dieselben eine Formenreihe bilden, inner- halb deren die Unterschiede zwischen E. gracilis und E. liliiformis sich abstufen und vermittelt werden. So z. B. zeigen die Formen in nachstehender Reihenfolge angeordnet A, B, H, I, K,C,D, L einen Uebergang von der einzeiligen zur zweizeiligen Anordnung der Armglieder, ferner bemerkt man in der Reihe A,C, F, E,B, I, D,G,K, L das allmähliche Kleinerwerden der äusseren Basal- glieder, in der Reihe A, C, E, B, D, L die schrittweise Ver- änderung der Lage der äusseren Basalglieder. Diese morpho- logische Verwandtschaft der Formen des Genus Enerinus wird nun in mehr als einer Hinsicht durch die im Vorhergehenden beschriebenen thüringischen Exemplare vervollständigt und es werden verschiedene bisher noch vorhandene Lücken ausgefüllt. Die ost-thüringischen Encriniteni 399 So z. B. steht Nr. 1 (Fig. 1), I, I in Rücksicht auf Gliederung der Arme zwischen E. graeilis und E. aculeatus, ferner steht das Gutendorfer Exemplar Nr. I zwischen E. Brahlii und Carnalli. Die Arme von Nr. 1 bilden einen Uebergang von den gerundeten Armen des E. gracilis und Brahlii zu den scharfkantigen der übrigen Arten und Nr. 3 einen Uebergang von den zehnarmigen zu den zwanzigarmigen Formen. Zu bemerken ist, dass das Genus Enerinus nicht in der Art eine Formenreihe darstellt, dass jede Form in Bezug auf alle Ver- hältnisse die gleiche Stellung zwischen den beiden Endgliedern E. gracilis und E. liliiformis einnimmt. Nur bei E. Brahlii und vielleicht bei E. Carnalli hält die Entwicklung der Distichie un- gefähr Schritt mit dem Kleinerwerden der Basalglieder und deren Uebergang aus der verticalen in die horizontale Lage. Bei E. aculeatus dagegen und den mit ihm verwandten Formen H, I,K, sowie bei den Eneriniten des untern Muschelkalks von Thüringen (mit Ausnahme von dem Gutendorfer Exemplar Nr. I) ist die Basis in Rücksicht auf Annäherung an E. liliifoımis den Armen voraus- geeilt. Die Basalglieder sind klein und liegen horizontal, sind also gerade so beschaffen wie die von liliiformis. Dagegen sind Arme einzeilig gegliedert, was diese Formen wieder in die un- mittelbare Nähe des andern Endgliedes der Reihe des E. gracilis verweist. Ebenso verhält es sich mit E. Brahlii und den Exem- plaren Nr. I und II in Bezug auf Gliederung und Form der Arme. Nr. I und II steht dem E. gracilis sehr nahe durch die einzeilig gegliederten Arme, dagegen sind dieselben scharfkantig und mit wohl ausgebildeten Seitenflächen versehen, während die von E. gracilis gerundet sind. Bei E. Brahlii ist schon Distichie vor- handen, doch sind die Arme noch gerundet. Versuchen wir nun, etwas näher das Verhältniss der thü- ringischen Eneriniten zu den bisher aufgestellten Arten festzu- stellen. Es wurde schon kurz vorher darauf aufmerksam gemacht, dass in Bezug auf einzeilige Gliederung der Arme verbunden mit geringer Grösse und horizontaler Lage der äussern Basalglieder Aehnlichkeit mit E aculeatus und den verwandten drei Formen H, I, K bestehe. Sie unterscheiden sich jedoch durch die Zahl der Arme, indem letztere 10, erstere mehr als 10 bis zu 20 Arme besitzen. Dieses letztere Merkmal allein in’s Auge gefasst, bringt die in Rede stehenden Formen wieder in die Nähe von E. Carnalli, der ja ebenfalls zwanzigarmig ist, jedoch aber eine andere Be- schaffenheit von Armen und Basis aufweist. 400 C. Dalmer, Die Arme des E. Carnalli zeigen schon, wenn auch noch un- entwickelte distiche Gliederung und die äussern Basalglieder der thüringischen Formen sind meist kleiner und flacher liegend, oder in einem Falle etwas grösser und steiler aufgerichtet, als es bei dem Exemplar der Fall ist, welches der Beyrich’schen Artbe- grenzung zu Grunde liegt. Es stimmen also die beschriebenen Encriniten mit keiner der bisher bekannten Arten überein und es ist nın zu entscheiden, ob die Unterschiede gegen E. Carnalli oder gegen aculeatus oder gegen alle beide hinreichend sind für eine specifische Trennung, Im letzteren Falle würde die Errichtung einer neuen Species, in den beiden ersteren Fällen die Vereinigung mit je einer von den älteren Species nöthig sein. Es scheinen mir nun die Verschieden- heiten gegen E. Carnalli nicht derartig zu sein. Dieselben be- ziehen sich auf Gliederung der Arme und Beschaffenheit der Basalglieder. Wenn diese Merkmale auch bei der Scheidung von E. liliiformis und graecilis in den Vordergrund gerückt wurden, so lassen sie sich doch nicht in gleicher Weise bei den Zwischen- formen als Eintheilungsprineip benutzen, da eben bei consequenter Durchführung desselben man eine ganze Anzahl neuer Arten zu errichten gezwungen wäre. So würde man z. B. das eine Guten- dorfer Exemplar wegen seiner abweichenden Beschaffenheit der Basis, ferner wo möglich auch das Sulzaer Exemplar wegen seiner abweichenden Gliederung der Arme von E. Carnalli einerseits und von den Eneriniten des Terebratulakalks von Jena andererseits trennen müssen, kurz es wäre fast für jedes Exemplar eine be- sondere Art aufzustellen. Dagegen kann man wohl die Unterschiede gegen E. aculeatus, d. h. also die grössere Zahl der Arme, als ausreichend erachten für eine specifische Trennung. Wenn auch das Exemplar Nr. 2 eine vermittelnde Stellung zwischen den zehn- und zwanzigarmigen Formen einnimmt, so sind doch bis jetzt noch nicht so zahlreiche Uebergänge constatirt, wie dies in Bezug auf Gliederung der Arme und Beschaffenheit der Basis der Fall ist. Zudem ist ja auch auf die Zahl der Arme hin E. Schlotheimii von E. liliiformis geschieden worden. Ich halte es daher aus diesen Gründen für das Beste, die Formen mit mehr als zehn Armen zu einer Art zu vereinen und dieser den Namen E. Carnalli zu belassen. Die Verschiedenheiten in Bezug auf Gliederung der Arme und Beschaffenheit der Basis können ja durch Errichtung von Subspecies oder Varietäten mar- Die ost-thüringischen Encriniten. 401 kirt werden. Freilich bleibt es ein Uebelstand, dass, wenn man die extremen Fälle in’s Auge fasst, z. B. die Arme von dem Rüdersdorfer Exemplar und die von Nr. 1 (Fig. 1), der Unterschied grösser ist als zwischen ersteren und denen von E. Schlotheimii, also einer anderen Art. Indessen ist dies ein Missstand, "der häufig genug vorkommt und, weil er in der Natur der Sache be- gründet ist, oft kaum vermieden werden kann. Es würde also die Charakteristik der Species E. Carnalli gemäss der weiteren Fassung ihrer Grenzen folgendermaassen lauten : Enerinus Carnalli. — Beyrich. Stengel: von dem des E. liliiformis nicht verschieden. Aeussere Basalglieder: entweder klein wie bei E. lilii- formis oder das erste Stengelglied etwas überragend, im ersteren Falle bilden sie mit der Stielaxe einen Winkel von 90°, in letzterem einen von eirca 60%-—-70°. Erstes Radialglied: theils eben, theils wulstig verdickt. Arme: mehr als i0. In Verbindung hiermit treten secundäre Radialglieder auf, meist sind die Arme einzeilig gegliedert, nur das Rüdersdorfer Exemplar zeigt Anfänge von Distichie. Die Aussenfläche der Arme ist meist eben und von den Seitenflächen durch scharfe Kanten geschieden. Vorkommen: in der obern Abtheilung des untern Muschel- kalks von Thüringen und Rüdersdorf. Will man weiterhin eine Gliederung der Art in Varietäten vornehmen, so liessen sich vielleicht folgende Gruppen bilden: 4) E. Carnalli distichus (mit zweizeilig gegliederten Armen); hierzu gehört das Rüdersdorfer Exemplar. 2) E. Carnalli monostichus (mit einzeilig gegliederten Armen); hierzu gehören die thüringischen Exemplare, a) poterobasales: mit becherförmiger Basis (die Becher- form in Folge der aufgerichteten Stellung der äussern Basalglieder), b) pinakobasales: mit tellerförmiger Basis (die Teller- form in Folge davon, dass die äussern Basalglieder sich flach anlegen. 402 C. Dalmer, Die ost-thüringischen Eneriniten. Die Anregung zu der vorliegenden. Arbeit verdanke ich dem Herrn Hofrath E. E. Schmid. Ich kann nicht umhin, ihm hierfür sowohl, als auch für die vielfache Unterstützung, die er mir bei Anfertigung dieser Arbeit zu Theil werden liess, hier meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich den Herren Professoren Beyrich und C, v. Seebach, welche die Freundlichkeit hatten, Exemplare von E. Carnalli zur Vergleichung zu senden, zu warmem Danke verpflichtet. Nachschrift. Kurz nach Druck dieser Bogen gelang es mir, in den Stein- brüchen von Gutendorf noch Bruchstücke von Armen dreier verschie- dener Kronen aufzufinden. Auch diese sind alle einzeilig gegliedert. — Ferner fand ich daselbst eine interessante kleine Krone, welche dem von Quenstedt abgebildeten E. eff. gracilis (B der Tabelle von 8. 396) sehr ähnelt. Der Durchmesser des zierlichen Stiels, der aus diekeren und schmaleren Gliedern, in der bekannten Reihenfolge angeordnet, besteht, beträgt im Maximum 1,3 Mm. Die äusseren Basalglieder sind bei weitem nicht so gross, wie bei dem typischen E. graeilis. Secundäre Radialglieder liessen sich nicht beobachten. Die Arme sind sämmtlich verwittert bis auf den oberen Theil von einem, welcher einzeilige Gliederung und eine gerundete Form zeigt und etwa 0,4 Mm. breit ist. Die Ge- lenkflächen der Glieder laufen einander parallel. Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. Von Oscar Schuffner, stud. rer, nat. Hierzu Tafel XXIV—XXVI. Durch die Güte des Herrn Professor Karl Moebius in Kiel erhielt vor einiger Zeit Herr Professor Haeckel eine Anzahl Kalk- spongien, die meistens im indischen Ocean oder an der Küste von Norwegen gesammelt waren. Herr Professor Haeckel hatte die Freundlichkeit, mir die ganze Collection zur Bestimmung und Untersuchung zu übergeben. Beiden Herren spreche ich meinen besten Dank aus. — Im Ganzen untersuchte ich fünfzehn Species, von diesen stellte sich aber im Laufe der Untersuchung eine Form als eine Varietät der schon beschriebenen Arten heraus. Auf die einzelnen Genera vertheilte sich die Zahl in folgender Weise. Zu den Asconen gehörten zwei Exemplare, davon war das eine Exemplar eine Ascaltis, das andere eine Ascandra; Ascaltis wurde bei Mauritius gefunden und sass auf dem Rücken einer kleinen Crustacee auf; Ascandra war bei Norwegen im Strandrayon ge- sammelt worden. Ascaltis compacta ist in der Gestalt und in der Skeletbildung eine Mittelform zwischen Ascaltis canariensis und Ascaltis Darwinii, die Ascandraform nimmt dagegen eine Stelle in der Nähe von Ascandra botrys ein. Die Leuconen sind am zahlreichsten vertreten, und zwar vertheilen sich die- selben auf das Genus Leucaltis mit zwei, auf das Genus Leucandra mit vier Exemplaren. Leucaltis Nausicaae, dessen Beschreibung gleichfalls weiter unten folgt, wurde von Herrn Professor Haeckel im letzten Frühling auf Corfu gesammelt; merk- würdiger Weise jedoch hat ein Exemplar der aus Mauritius stammenden Schwämme ganz genau die Nadelbilüung jener Bd, XI. N. F. IV. 3, 238 404 Oscar Schuffner, coreyrensischen Art, während das äussere Ansehen vollständig verschieden ist. Unter den Leucandraformen ist ferner eine Species, Leucandra elongata, zu erwähnen, welche den Ueber- gang von der schon bekannten Leucandra aleicornis zu Leucandra cataphracta bildet. Dieser Umstand ist ebenso eigenthümlich, wie der bei der vorigen Art, wenn man bedenkt, dass jene beiden schon bekannten Formen blos auf der südlichen Hemisphaere bis jetzt gefunden wurden, Leucandra elongata dagegen aus dem norwegischen Meere stammt. Die Syeonen sind in fünf Exem- plaren vertreten, unter welchen besonders eine Syeortioform mir bemerkenswerth erscheint; Sycortis syeilloides nämlich schliesst sich dureh ihren Bau an keine der bekannten Syeortisformen, sondern vielmehr ganz eng an die Sycilla- oder Sycaltisformen an. Syeandraspecies sind vier vorhanden; eine derselben gehört dem Subgenus Syeoeubus an, dessen einzige Species bisher Sycandra Sehmidtii bildete. Die anderen drei gehören in das Subgenus Sycostrobus. Die Namen derselben sind Sycandra tabulata, welche an Sycandra elegans erinnert, Sycandra borealis und Sycandra Barbadensis an Sycandra arborea sich anschliessend. Ascaltis compacta, nov. spec. Taf. XXV, Fig, 9. Specieseharakter: Dreistrahler und Vierstrahler regulär und von gleicher Grösse. Strahlen 7—9 mal so lang als dick. Der Apicalstrahl der Vierstrahler ist glatt mit hakenförmig ge- krümmter Spitze, sein Durchmesser ist geringer, als der der facialen Strahlen. Specielle Beschreibung: Ein Stock ohne Mundöfinung, die innere Darmwand ohne papillöse Wucherungen des Entoderms. Die Farbe des Schwammes ist bräunlichgrau. Ascaltis compaecta wurde im Grand Bay der Insel Mauritius gefunden und zwar auf einer Brachyure, Actaea fossulata, aufsitzend. Der Schwamm bildet ein lappiges Polster von verschiedener Stärke, an einigen Stellen sind blos einige Lagen des anastomosirenden Netzwerkes über ein- ander gelegt, an anderen Stellen, besonders an den beiden Enden, liegen die Sehichten in grösserer Menge. Die Maschen des Netz- werks sind nicht regelmässig und von wechselnder Form und Grösse. Die einzelnen Aeste des Netzwerks haben keine eylindrische Ge- stalt, sondern sind flachgedrückt und ihre Anastomosen erfolgen in Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 405 kleinen Abständen, wodurch die grosse Anzahl der Maschen be- dingt wird. Die Grösse derselben beträgt gewöhnlich 0,5—1 Mm., nur einzelne erreichen eine Grösse von 2 Mm. Skelet: Die apicalen Strahlen der Vierstrahler treten blos auf der gastrocanalen Fläche hervor, die Dermalfläche ist völlig glatt. Die Grösse der Dreistrahler stimmt mit der der Vierstrahler völlig überein (0,12 Mm. Länge und 0,012 Mm. Dicke, Max.). Die Vierstrahler liegen in Gemeinschaft der Dreistrahler in einer diehten ungeordneten Schicht. Der hakenförmig gekrümmte api- cale Strahl bleibt sich nicht gleich in seiner Form, denn öfter sind die Enden mehr oder weniger scharf umgebogen. Die Länge des apicalen Strahls beträgt 0,084 Mm., die Breite 0,009 Mm. Das Verhältniss des apicalen Strahls zu den facialen Strahlen ist ferner, abgesehen ven der geringeren Grösse und der Krümmung desselben, dadurch schärfer hervorgehoben, dass seine Spitze langgezogen und allmählich dünner werdend ausläuft, während die facialen Strahlen sich durch ziemlich stumpfe Spitzen aus- zeichnen. Ascaltis compacta steht in der Gestalt der Nadeln und in der Zusammensetzung des Gerüstes sehr nahe der Ascaltis eanariensis, auch die äussere Form und Gestalt, so weit diese überhaupt bei den Kalkschwämmen in Betracht kommen kann, weist auf diese Form hin; doch ist zu bemerken, dass die papillösen Wucherungen des Entoderms bei Ascaltis compacta ganz fehlen, während diese doch fast immer, wenn auch öfter in geringerer Zahl, bei Ascaltis canariensis vorhanden sind. Auch die beiderseitigen Apicalstrahlen sind von verschiedener Gestalt: Bei Ascaltis canariensis ist der apicale Strahl stumpf spitzig und ganz gerade, bei Ascaltis compacta dagegen erleidet der apicale Strahl eine Krümmung, die bei allen apicalen Strahlen deutlich, wenn auch in verschiedenem Maasse, sichtbar ist. Durch diesen sekrümmten Apicalstrahl nähert sich Ascaltis compacta sehr der Form Ascaltis Darwinii, von der jedoch wieder die Spitzen und die Form der Spieula eine Abweichung zeigt. Bei Asc. Dar- winii sind die Spitzen der Spieula scharf, bei Ase. compacta da- gegen mehr abgerundet, ferner ist die Gestalt der Nadeln selbst abweichend, da Ascaltis Darwinii plump spindelförmige Spieuiä be- sitzt, Ascaltis compacta dagegen mit schlankeren Nadeln verschen ist, die ausserdem noch durch ihre Grösse sich von den Nadeln der erwähnten Art unterscheiden. 28* 406 Oscar Schuffner, Ascandra tenuis, noy. spec. Taf. XXV, Fig. 8. Ascandra tenuis bildet einen baumförmig verzweigten Stock mit nacktmündigen und geschlossenen Personen von gelblicher Farbe. Er wurde bei Hoidingsoe in Norwegen innerhalb des Strandrayons gefunden. Specielle Beschreibung: Dreistrahler und Vierstrahler sagittal und parallel geordnet, die lateralen Schenkel der Vier- strahler und der Dreistrahler sind schwach verbogen, ebenso der kürzere Apicalstrahl. Der basale Strahl verhält sich zu den lateralen Strahlen wie 2:3. Die Strahlen sind bis 13 mal so lang als diek. Stabnadeln schwach gekrümmt, mit Ansatz zu Lanzenspitzen und !/;, mal so dick als die Vierstrahler und Drei- strahler. Die Maximalgrösse der Stabnadeln ist 0,136 Mm., die Breite 0,006 Mm. Die Dreistrahler liegen in der Schicht, welche diese Stabnadeln bilden, ziemlich regelmässig; unter den Dreistrahlern kommen in geringer Menge Vierstrahler vor, diese entsenden aber blos in die Gastralfläche den Apicalstrahl, sonst gleicht ihre Gestalt der der Dreistrahler. Der Basalstrahl derselben ist gerade und nach abwärts gerichtet; die etwas stärkeren lateralen Schenkel (Länge 0,131 Mm. Max., 0,0113 Mm. Breite) sind gekrümmt und schliessen einen stumpfen Winkel von 140° ein, die late- ralen Strahlen mit dem Pasalstrahl (Max. 0,09 Mm. L. und 0,006 Mm. Br.) dagegen einen Winkel von 110°. Die Strahlen laufen alle in eine scharfe Spitze aus, indem sich der ganze Strabl von der Basis an verjüngt; ihre Lagerung ist in der Weise, dass der Basalstrahl abwärts gerichtet ist und alle parallel liegen. Der apicale Strahl der Vierstrahler ist weniger scharf zugespitzt als die facialen Schenkel, und oralwärts gekrümmt, bei gleicher Dicke besitzt er jedoch nicht die gleiche Länge, wie die facialen Strahlen, seine Länge beträgt blos 0,045 Mm. Ascandra tenuis schliesst sich im Allgemeinen ziemlich eng an Ascandra botrys an, doch sind einige grössere Ab- weichungen zu erwähnen: Bei Ascandıa botrys sind die Stäbchen- nadeln an beiden Enden gleichmässig zugespitzt, während hier bei Ascandra tenuis blos ein Ende nadelförmig gebildet ist, das andere Ende besitzt hier eine schwache Abschnürung, an der sich Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 407 eine ganz winzige Lanzenspitze ansetzt. Dies tritt bei allen Stab- nadeln gleichmässig hervor. Die Gestalt und Form der Nadeln "ist übrigens ebenfalls sehr verschieden, Ascandra botrys besitzt viel dickere, plumpe und eingenthümlich knotige Nadeln, die Nadeln dieser Form hingegen zeichnen sich durch schlanke und gefällige Formen aus. Leucaltis Nausicaae, nov. spec. Taf. XXIV, Fig. 1 und 3. Speciescharakter: Dermalfläche kahl oder etwas rauh, Gastralfläche kurz stachelig; Hauptmasse des Skelets aus grossen sagittalen Dreistrahlern gebildet, die eine 3—D mal so grosse Dicke besitzen, als die dermalen irregulären Dreistrahler. Gastral- fläche mit sagittalen Vierstrahlern ausgekleidet, etwas grösser, ‘wie die dermalen Dreistrahler. Der apieale Strahl der Vierstrahler springt schwach gekrümmt in die Gastralhöhle vor. Farbe (in Spiritus): gelblichweiss; getrocknet: weiss, Paren- chym gelblichgrau. Fundort: Corfu, auf Mauern sitzend (Haeckel). Speeifische Varietät: Leucaltis Mauritiana (Fig. 3). Specielle Beschreibung: Im Laufe dieses Frühjahrs wurde dieser Schwamm in grosser Anzahl von Herrn Professor Haeckel an der Küste Corfus gesammelt. Der Schwamm stellt einen aus vielen Personen zusammengesetzten Stock von massigem Aeusseren mit einfachen und geschlossenen Mundöffnungen dar (Höhe, Breite, Durchmesser, 3 Cm,). Ausser dieser Form kommen noch Einzelpersonen vor, niemals aber ist ein Kranz um die Mundöffnung vorhanden. Bei den Stöcke bildenden Exemplaren ist die Gastralhöhle gemeinschaftlich. Die Mundöffnung ist etwas seitlich zusammengedrückt, ihre Länge beträgt 4 Mm., die Breite nur 1,5 Mm. Die Gastralhöhle ist ziemlich geräumig (3,5 Mm. breit) und wird von einem dichten Wandparenchym von 2,5 Mm. Dicke umschlossen. Die Dermalfläche ist gewöhnlich kahl und glatt. Die Gastralporen sind gross, häufig und unregelmässig vertheilt, auf der Dermalfläche sind die Oeffnungen der Gastrocanäle nicht sichtbar. Ihre Grösse auf der Gastralfläche wechselt zwischen 0,1—1,2 Mm. Durchmesser. Skelet: Die Hauptmasse des Skelets besteht aus meistens sagittalen Dreistrahlern, die das Wandparenchym bilden. Der 408 Oscar Schuffner, basale Strahl misst im Maximum 0,583 Mm., die lateralen Strahlen 0,75 Mm. Die gewöhnliche Grösse beträgt jedoch, da Nadeln mit den oben erwähnten Grössenverhältnissen ziemlich selten sich finden, 0,58 Mm. für den Basalstrahl und für die lateralen Strahlen 0,5 Mm. Die Dicke ist bei beiden gleich, im Maximum messen dieselben der Dicke nach 0,06 Mm., im Durchschnitt kann man jedoch 0,05 Mm. annehmen, da diese Zahl bei weitem an den meisten Nadeln bei dem Messen gefunden wird. Die grössere Mehrzahl dieser Dreistrahler ist sagittal, doch kommen untermischt mit ihnen einige irreguläre Formen vor, welche dadurch ent- stehen, dass ein Schenkel eine Biegung erleidet, oder dass ein Winkel sich vergrössert. Der Winkel, den die lateralen Strahlen einschliessen, beträgt bei den normalen Strahlen 130°. Der Winkel, der von einem lateralen Strahl und dem Basalstrahl gebildet wird, hat eine Grösse von 115°. Die Strahlen sind bei allen Nadeln scharf und schlank zugespitzt. Die Dermalfläche wird blos von kleinen irregulären Drei- strahlern bekleidet, welche ohne Ordnung durcheinander liegen und einen dichten, aber dünnen Filz über das Parenchym bilden. Dieser Filz bildet im trockenen Zustand eine glänzend weisse, glatte Decke, die ziemlich fest aufliegt. Diese Dreistrahler be- sitzen meist eine charakteristische Form: Die Enden sind schlank zugespitzt, zwei Schenkel sind mit Krümmung versehen, ein Sehenkel von diesen ist auch wieder öfter kleiner als der andere und der dritte Schenkel ist entweder verbogen oder gerade. Die Grössenverhältnisse der irregulären Dreistrahler bleiben sich meistens gleich, die verbogenen Schenkel messen 0,15 Mm., der basale 0,11 Mm, Die Breite beträgt bei beiden Schenkeln 0,016 Mm. Die Gastralfläche und die Porencanäle sind von feinen Vierstrahlern ausgekleidet, deren Grösse ebenfalls wenig Abstufungen erleidet. Der Apicalstrahl steht frei aus der Gastralfläche hervor und ist schwach oralwärts gebogen (0,11 Mm. Länge, 0,03 Mm. Breite), die lateralen Strahlen schliessen den grössten Winkel ein (142), der basale Schenkel misst 0,13 Mm., ist also kürzer, als die lateralen Schenkel, die 0,2 Mm. messen. Gleich unter der Schicht der Vierstrahler liegt eine dünne Lage Dreistrahler von der Gestalt und Form der Vierstrahler, und nach dieser Schicht beginnt das dichtere und gröber gebaute Wandparenchym, an welches nach aussen hin sich dann die Der- malschicht der irregulären Dreistrahler anschliesst. Vergleichen wir Leucaltis Nausicaae mit den bis jetzt Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 409 beschriebenen Leucaltisformen, so wird am besten sich dieselbe in die Nähe von Leucaltis solida stellen lassen, doch sind dort die Kalknadeln von mehr als der doppelten Grösse und ausserdem die grossen Dreistrahler von plumper Gestalt und mit Anschwellungen versehen, die dieser Form fehlen. Bei Leucaltis solida ist ferner das Gerüst der grossen Dreistrahler mit einer Füllungsmasse von kleinen Dreistrahlern versehen; diese fehlen bei Leucaltis Naucicaae und sind blos in der dermalen und sub- gastralen Schieht zu finden, das Wandparenchym ist frei davon. Sonst ist noch zu bemerken, dass Leucaltis solida öfters mit rüsselförmiger Mundöffnung gefunden wurde, Leucaltis Nau- sieaae dagegen, obwohl über 100 Exemplare hier vorliegen, niemals anders als mit nackter Mundöffnung oder mundlos. Leuealtis eurva, nov. spec. Taf. XXIV, Fig. 2. Speciescharakter: Dermalfläche kahl oder etwas rauh. Gastralfläche dornig, der apieale Strahl frei hervorspringend, oralwärts gekrümmt. Hauptmasse des Skelets aus Vierstrahlern bestehend. Die Vierstrahler der Gastralfläche sind '/, kleiner und schmäler, als die Vierstrahler des Wandparenchyms; die letzteren besitzen eine subreguläre Gestalt und haben verkrümmte Schenkel, laufen aber in schlanke Spitzen aus. Die Dreistrahler, die im Wandparenchym vorkommen, sind meist sagittal. Ihre Grösse ist variabel, von der Grösse der gastralen Vierstrahler an bis zu derjenigen der parenchymatischen Vierstrahler. Ausserdem kommen noch Dreistrahler vor, die die Grösse der parenchymatischen Vier- strahler besitzen, jedoch nur die Hälfte ihrer Dicke. Specielle Beschreibung: Leucaltis curva, eine Person mit nackter Mundöffnung. Farbe: grau (in Spiritus). Fundort: Barbados (Moebius). Die Länge des Schwammes, der in einem Exemplar mir vor- liegt, beträgt 6 Mm., die Breite am unteren Ende 2 Mm., an der Mundöffnung 3 Mm. Die Mundöffnung ist ohne Peristomkranz und 1 Mm. weit. Die Gastralporen sind klein und unregelmässig in der Gastralfläche vertheilt. Die Gastralhöhle ist sehr eng, das Wandparenchym ziemlich dick und fest. Skelet. Das Skelet wird aus mittelgrossen Vierstrahlern 410 Oscar Schuffner, hauptsächlich zusammengesetzt, diese sind nicht regulär, sondern sagittal und besitzen fast immer gekrümmte laterale Schenkel. Die lateralen Strahlen und der apicale Strahl werden durch diese Verkrümmung so gelegt, dass sie nach dem sagittalen Strahl hin sewendet werden. Diese Nadeln machen den grössten Theil des Skelets aus, der basale Strahl derselben ist centripetal nach innen gerichtet. Die lateralen Strahlen umfassen die Mundöffnung oder die Oeffnung der Poren und der apicale Strahl legt sich über die unter ihm liegenden facialen Schenkel der Nachbarnadeln fort. In dieser Schicht Vierstrahler, die die Dermalfläche bilden, — die lateralen Schenkel haben eine Länge von 0,6 Mm. und eine Dicke von 0,055 Mm., der sagittale Strahl misst 0,45 Mm. und ebenso viel der apicale Strahl — finden sich Dreistrahler von derselben Gestalt und Grösse. Etwas weiter nach Innen finden wir sagittale und daneben irreguläre, die kleiner, als die eben erwähnten, eine Schieht bilden, welche den Raum zwischen den grossen Vier- strahlern und den kleinen Vierstrahlern ausfüllt. Bei den sagittalen Dreistrahlern ist der basale Strahl oft länger als die lateralen, auch ist die Verkrümmung niemals so hervortretend wie bei den grossen Vierstrahlern; der basale Strahl bleibt gerade bis zur Spitze, welche eine kleine seitliche Biegung annimmt und sehr dünn ausläuft. Die lateralen Strahlen messen 0,5 Mm. in die Länge, 0,025 Mm. im Durchmesser, der Basalstrahl 0,41 Mm. Die irregulären Dreistrahler sind nicht häufig; dieselben finden sich auch, jedoch ebenfalls einzeln, unter den kleinen Vierstrahlern, welche die Gastralfläche und die Innenseite der Canäle bedecken. Diese Vierstrahler sind sagittal, der Basalstrahl oralabwärts ge- kehrt, und der apicale Strahl ragt frei und nach oben gekrümmt hervor. Der basale Strahl ist gerade und hat verschiedene Länge (von 0,2—0,25 Mm.) und ist bald länger, bald kürzer als die lateralen Strahlen, welche eine Länge bis zu 0,33 Mm. erreichen. Der Durchmesser ist bei allen gleich, er beträgt 0,016 Mm. Der apicale Strahl ist scharf spitzig und misst gegen 0,15 Mm. Die lateralen Strahlen sind gerade oder lassen eine schwache Ver- krümmung erkennen, die jedoch nicht so stark hervortritt, wie bei den grossen Vierstrahlern des Parenchyms, ferner sich dadurch von jener unterscheidet, dass die lateralen Schenkel sich nach dem Winkel zu biegen, welchen sie einschliessen, während doch die parenchymatischen Vierstrahler sich abwärts nach dem Basal- strahl biegen. Dadurch, dass bei Leucaltis curva die Hauptmasse des Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. Aut Skelets aus Vierstrahlern gebildet wird, lässt sich dieselbe mit Leucaltis bathybia vergleichen, denn diese war bis jetzt die einzige Leucaltis-Art, die mit einer überwiegenden Masse von Vierstrahlern versehen war. Von eben genannter Form weicht jedoch Leuealtis eurva iin so fern bedeutend ab, als bei der- selben die Vierstrahler die äussere Decke bilden, während bei Leucaltis bathybia die Dermalfläche mit feinen Dreistrahlern versehen ist, die einen dünnen Uebergang bilden. Dreistrahler kommen bei Leucaltis curva hauptsächlich nur als Füllungs- masse vor. Betrachten wir ferner dann die Zusammensetzung des Gerüstes überhaupt, so werden wir leicht erkennen, dass eine dünne Schicht Dreistrahler in der Mitte des Parenchyms gelagert ist. Um diese dünne Schicht Dreistrahler ist nach innen und aussen eine Schicht Vierstrahler gelagert, die in Gestalt und Grösse verschieden sind. BeiLeucaltisbathybia hingegen ist die Parenehymschicht mit einem scheidenartigen Ueberzug von dreistrahligen Nadeln belegt, während die Vierstrahler den Kern ausmachen, der an Masse den Mantel übertrifft, gerade umgekehrt, wie bei Leucaltis curva, wo der Kern von der Umhüllung an Masse bei weitem übertroffen wird. Leucandra echinata, nov. spec. Taf. XXIV, Fig. 4. Speciescharakter: Dermalfläche borstig, Gastralfläche dornig; Hauptmasse des Skelets aus sagittalen Dreistrahlern ge- bildet, die von verschiedener Dicke sind. Die Gastralfläche ist dornig durch den hervortretenden Apicalstrahl der sagittalen Vierstrahler, die ebenfalls in verschiedenen Grössen vorkommen. Mundöffnung mit aufrecht stehendem Peristomkranz versehen, dessen Grundlage eine Schicht Stabnadeln ausmacht; auf dieser Lage Stabnadeln ruhen auf der Innenfläche Vierstrahler mit fast horizontalen lateralen Schenkeln. Die Dermalfläche ist mit her- vortretenden Stabnadeln von der Dicke der grössten Dreistrahler und von, der dabei viermal so grossen Dicke der mittelkleinen Dreistrahler des Parenchyms bedeckt. Dieselben sind von spindel- förmiger Gestalt, ungleich an beiden Enden zugespitzt. Speecielle Beschreibung: Eine Person mit aufrecht stehendem Peristomkranz. Farbe (in Spiritus): graubraun. Fundort: Mauritius (Moebius). 412 Öscar Schuffner, Leucandra echinata liegt mir in drei Eyemplaren vor, die bei Mauritius gefunden wurden. Dieselben sind mit einem auf- rechtstehenden Mundkranz versehen und auch sonst an Gestalt und Grösse gleich. Die Stabnadeln, welche aus der Dermal- fläche hervorragen, sind mit blossem Auge sichtbar, wenn man den Schwamm gegen das Licht hält, und verleihen dadurch dem- selben ein borstiges Aeussere. Diese Stabnadeln jedoch sind sehr zerbrechlich, so dass es selten gelingt, eine einzelne unversehrt zu erhalten. Leucandra echinata erreicht eine Grösse von 5—10 Mm. und eine Breite von 5—06 Mm. Die Mundöffnung ist schr eng, ebenso die Gastralhöhle, kaum 0,5—1 Mm. im Durchmesser ; die Wände dagegen sind ausnehmend dick für die geringe Grösse des Schwammes, nämlich 1,5 Mm.; dieselben sind durchzogen von den feinen Gastrocanälen. Die äussere Gestalt bietet kein be- sonderes Merkmal dar; es ist dieselbe ein unregelmässiges, nach oben sich etwas verschmälerndes Oval, auf welches oben der Rüssel sich aufsetzt. Die Gastralfläche ist mit feinen und groben Vierstrahlern ausgekleidet, welche einen dornförmigen, nach auf- wärts gekrümmten apicalen Strahl in das Lumen der Gastral- höhle entsenden. Skelet: Die Hauptmasse des Skelets wird durch mittel- grosse Dreistrahler gebildet, welche sich durch ihre etwas ver- krümmten Schenkel auszeichnen. Die Schenkel der mittleren Dreistrahler sind 0,02 Mm. diek und 0,509 Mm. lang, also durch- schnittlich 13—14 mal so lang als diek; der basale Strahl ist dagegen bei derselben Dieke nur 0,18—0,227 Mm. lang. Mitten unter diesen sagittalen Dreistrahlern, die etwas verkrümmte laterale Schenkel haben, liegt eine Anzahl grösserer Dreistrahler in der Wand, die ebenfalls sagittal sind und weniger verkrümmte Schenkel zeigen, und bei denen die Winkel zwischen den einzelnen Strahlen 120° betragen. Es messen dieselben 0,4 Mm. in die Länge und 0,04 Mm. im Durchmesser. Die Länge des basalen Schenkels ist übrigens nicht constant, dieselbe schwankt zwischen 0,22 Mm. und 0,355 Mm. Bald sind die lateralen Strahlen länger als der Basalstrahl, bald ist das umgekehrte Verhältniss der Fall. Das Geflecht der Dreistrahler ist ziemlich fest, meist liegen dieselben flach auf oder mit den basalen Strahlen etwas nach der Innen- fläche gerichtet. Der Winkel, den die lateralen Strahlen der ver- schiedenen Nadeln einschliessen, misst bei den grösseren Nadeln, wie schon oben gesagt, 120°, doch kann derselbe bis auf 145° steigen. Bei den kleineren Nadeln mit etwas mehr gebogenen Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 413 Schenkeln beträgt derselbe fast immer 135°. Reguläre Formen der Dreistrahler konnten nicht bemerkt werden, dagegen liessen einige irreguläre Dreistrahler sich unschwer aus den grossen Massen der eben erwähnten herausfinden. Die Dreistrahler sind messerförmig zugespitzt und die Schenkel etwas verkrümmt. Die Innenfläche des Magens ist von den sagittalen Vierstrahlern aus- gekleidet, die ebenso wie die Dreistrahler in verschiedenen Grössen vorkommen, auch in ihrer Gestalt bis auf den apicalen vierten Strahl den Dreistrahlern gleichen. Mehr jedoch als die grösseren Vierstrahler sind die kleineren in der Gastralfläche vor- herrschend, diese besonders legen sich um die Gastralporen in diehter ungeordneter Weise. Die Grösse ihrer lateralen Strahlen beträgt 0,11 Mm., ihre Breite 0,0154 Mm. Der apicale Strahl misst 0,04 Mm. und bei den grössten Nadeln 0,09 Mm.; an der Basis breit, spitzt er sich dann sehr dünn und schaıf zu, seine Krümmung ist nach der Mundöffnung hingewendet. Ebenso nehmen die lateralen Strahlen eine Krümmung nach der Mund- öffnung zu an, der Basalstrahl bleibt gerade. Der Rüssel ist aus Dreistrahlern und Vierstrahlern zusammengesetzt, die letzteren jJeuoch vorherrschend, und es liegen die lateralen Schenkel der- selben horizontal. Unter dieser Schicht befindet sich eine Schicht von Stabnadeln, die an beiden Enden ungleich zugespitzt sind, und welche den Stützpunkt für die oben erwähnte Schicht ab- geben. Ausser den grossen Stabnadeln befinden sich noch eine Unzahl kleinerer, besonders an dem oberen Ende des Rüssels, die eine dichte Masse bilden. Die Aussenfläche des Schwammes ist ebenfalls von grossen Stabnadeln durchsetzt, dieselben stehen in dem Wandparenchym mit dem unteren Ende und ragen mit bei Weitem dem grössten Theil ihres Körpers hervor. Ihre Länge beträgt bei 0,05—0,08 Mm. Durchmesser 1—2 Mm. Vergleichen lässt sich Leueandra echinata am besten mit Leucandra fistulosa, denn bei beiden sind die Drei- strahler im Skelet vorherrschend und die Stabnadeln frei aus dem Parenchym hervorragend, weshalb die Oberfläche borstig oder stachelig erscheint. Ebenso fehlt bei beiden Arten der Stäbchen- mörtel, der bei einigen Schwämmen die Kalkspicula verbindet. Die Stabnadeln sind bei Leucandra fistulosa drei bis vier- mal so diek als die Dreistrahler, auch dies trifft wenigstens bei einem Theile der Nadeln von Leucandra echinata zu, während anderntheils sich viele Dreistrahler finden, die dieselbe Dicke wie die Stabnadeln erreichen. 414 Oscar Schuffner, Die speciellen Unterschiede sind hauptsächlich in der Dicke und in der Gestalt der Nadeln sehr hervortretend. Leucandra fistulosa ist ausgezeichnet durch mittelgrosse Dreistrahler, welche ausserordentlich schlanke und dünne Schenkel besitzen, die 50 mal so lang als diek sind. Leucandra echinata be- sitzt dagegen mehr diekere Nadeln, blos 13—14 mal so lang als dick. Die Vierstrahler endlich sind bei beiden Arten vollständig durch die Form der apicalen Strahlen verschieden, welch letzterer bei Leucandra fistulosa ausgezeichnet lang und dünn, borsten- förmig, mehr oder minder verbogen und schwach oralwärts ge- krümmt, über hundert mal so lang als dick ist, bei Leucandra echinata dagegen eine dem Stachel einer Rose ähnliche Form besitzt. Die Stabnadeln sind bei beiden Arten eylindrisch, bei Leucandra fistulosa gleichmässig an beiden Enden, bei Leucanda echinata dagegen an dem im Parenchym haften- den Theile mehr spindelförmig zugespitzt. Leucandra celaviformis, nov. spec. Taf. XXIV, Fig. 5. Allgemeine Charakteristik: Hauptmasse des Skelets aus Dreistrahlern gebildet. Stabnadeln im Parenchym und an der Mundöffnung in zwei Formen; dieselben sind 3 mal so dick als die Dreistrahler. Die Stabnadeln besitzen eine keulenförmige Form und das diekere Ende ragt frei hervor. Dermalfläche kurz stachelig, ebenso die Gastralfläche. Die Dreistrahler sind meistens sagittal. Die Gastralfläche ist mit sagittalen vierstrahligen Nadeln ausgekleidet. Individuelle Beschreibung: Eine Person mit rüssel- förmiger Mundöffnung. Farbe (in Spiritus): weiss. Fundort: Mauritius (Moebius), auf einer Aseidie auf- sitzend. Von diesem Schwamm liegt mir blos ein kleines Exemplar vor; es sitzt dasselbe auf einer kleinen Ascidie auf und wurde von Moebius im Grand-Bay bei Mauritius gefunden. Die Länge desselben beträgt 4'/);, Mm., der Durchmesser ?!/, Mm. Die Ge- stalt bietet nichts Auffallendes dar; die äussere Form ist eylin- drisch, nicht verkrümmt, die Gastralfläche ziemlich weit (1 Mm.), die Mundöffnung jedoch auf die Hälfte verengt. Die Oberfläche Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 415 des Schwammes ist feinstachelig, dureh die gekrümmten keulen- förmigen Stabnadeln. Die Gastralfläche ist sehr feinstachelig durch den apicalen Strahl der Vierstrahler, welcher frei in die Gastralhöhle hervorragt. Die Mundöffnung ist von-einem auf- recht stehenden, nicht sehr grossen Peristomkranz umgeben. Skelet: Die Hauptmasse des Skelets wird aus Dreistrahlern und Vierstrahlern, die letzteren erst in zweiter Linie kommend, ge- bildet. Diese Nadeln sind meist sagittal differenzirt und lassen eine Biegung der lateralen Schenkel erkennen. Es zeichnen sich die- selben ferner aus durch die ausserordentlich schlanke Form ihrer Schenkel; es sind nämlich dieselben durchschnittlich 0,159 Mm. lang und dabei nur 0,009 Mm. dick, also ungefähr 17 mal so lang als diek. Der basale Strahl besitzt bei derselben Dicke eine wechselnde Länge; bald sind die lateralen Strahlen kürzer als der Basalstrahl, bald ist das Verhältniss umgekehrt. Der api- cale Strahl der Vierstrahler ist schwach oralwärts gebogen und scharf zugespitzt. Derselbe misst bei einem Durchmesser von 0,009 Mm. 0,04 Mm. der Länge nach. Das Geflecht der Nadeln ist ziemlich fest. Die oben erwähnten Vierstrahler kommen in dem ganzen Parenchym mit Ausnahme der Dermalschicht vor. Manche Nadeln haben einen schwach entwickelten oder kaum bemerkbaren Apiealstrahl. Die Dreistrahler zeigen einen geraden Basalstrahl, die lateralen Schenkel sind symmetrisch verbogen und schliessen einen Winkel von 130° ein. Die Länge der einzelnen Nadeln ist sehr verschieden, meistens beträgt dieselbe 0,15 Mm. Bei den Dreistrahlern ist der Basalstrahl regelmässig kürzer oder höch- stens ebenso lang als die lateralen Strahlen, ein Verhältniss, welches bei den Vierstrahlern nicht so constant sich zeigt. Re- guläre Formen der Nadeln finden wir gar nicht, doch lassen sich leicht Dreistrahler zusammen bringen, die irreguläre Formen zeigen. Bei einigen Nadeln ist ein lateraler Schenkel und der basale zu einem Winkel zusammengetreten, der grösser wird als derjenige, den die lateralen Strahlen einschliessen. Die irregulären Formen werden dadurch gebildet, dass der basale Strahl an der Basis eine Krümmung erleidet, oder dass einer der lateralen Strahlen schwächer entwickelt ist; ferner hat der basale Strahl gewöhnlich einen grösseren Durchmesser als die lateralen Strahlen. Die Dreistrahler liegen auf der Dermalfläche in dichteren Schichten, es entsteht dadurch eine diekere Wand, welche von den dazwischen- liegenden Stabnadeln durchsetzt wird. Diese Stabnadeln, welche das Parenchym durchbohren, haben eine Länge von 0,27—0,4 Mm. 416 Öscar Schuflner, und eine Breite von 0,031 Mm. Das zugespitzte Ende steckt im Parenchym, das abgestumpfte obere Ende ragt frei hervor; die Stabnadeln sind ausserdem noch gekrümmt und besitzen kleine Anschwellungen, die jedoch ziemlich unbedeutend sind. An der Mundöffnung sind diese Stabnadeln in einen Kranz gestellt, der noch überdies von ganz dünnen, langen Stabnadeln von 0,1 Mm. Länge und 0,002 Mm. Breite gestützt wird. Leueandra elaviformis schliesst sich in ihrem Bau, wie Leucandra echinata, an Leucandra fistulosa an. Es ist kein Stäbehenmörtel vorhanden, die Gastralfläche ist stachelig und die Stabnadeln der Dermalfläche sind 3—4 mal so dick als die Drei- und Vierstrahler: Eigenschaften, die alle mit denen der Leu- candra fistulosa übereinstimmen. Während sodann aber bei Leueandra fistulosa die Hauptmasse des Skelets aus Drei- strahlern gebildet wird, werden dieselben bei Leucandra clavi- formis mit Vierstrahlern vermischt, die, von der Gastralfläche ausgehend, das ganze Parenchym mit Ausnahme der Dermaltläche durchsetzen. Diese grosse Anzahl Vierstrahler würde Leueandra claviformis in die dritte Cohorte, Leucandrita des Subgenus Leucogypsa stellen, und dieselbe würde dort eine neue Species bilden, da die einzige bis jetzt bekannte Form von Leucandrita, Leueandra eucumis mit glatter Dermalfläche und Gastral- fläche versehen ist, auch dort die Stabnadeln nicht hervorragen und die Vierstrahler blos die innere parenchymatische Schicht zwischen den Dreistrahlern der Gastralfläche und Dermalfläche bilden. Leucandra falcigera, nov. spec. Taf. XXV, Fig. 6. Speciescharakter: Dermalfläche glatt, Gastralfläche feinstachelig, Hauptmasse des Skelets aus sagittalen Dreistrahlern gebildet. An der Gastralfläche und in den Canälen kleine Vier- strahler mit schwach entwickeltem Apiecalstrahl. Im Parenchym zerstreut und blos an der Mundöffnung ein wenig hervorragend gekrümmte Stabnadeln von der Dicke der grossen Dreistrahler und von der dreifachen Dicke der Vierstrahler. Specielle Beschreibung: Eine einzelne Person mit schwachem verticalen Mundkranz. Farbe: Graubraun. Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme, 417 Fundort: Mauritius (Moebius). Das mir vorliegende Exemplar ist klein und ziemlich locker gebaut; es misst dasselbe bei einer Breite von 2 Mm. der Länge nach blos 3 Mm. Leider.war es mir bei der geringen Grösse des Schwammes unmöglich, die Gastralfläche loszulösen, doch konnte ich in den Resten derselben, die beim Zerzupfen hervor- traten, die Vierstrahler erkennen. Die Hauptmasse des Skelets wird aus Dreistrahlern gebildet, die meist sagittal differenzirt sind. Es sind dieselben meist gleichwinkelig, die lateralen Strahlen jedoch länger als der Basal- strahl; die Dicke bleibt sich gleich. Die lateralen Schenkel sind öfter gebogen, doch tritt diese Biegung nicht scharf hervor; die Strahlen laufen in starke Spitzen aus. Die Maximalgrösse der lateralen Schenkel jener Dreistrahler ist 0,409 Mm., die Dicke 0,04 Mm., ungefähr 10 mal so lang als dick, die Länge des basalen Strahls dagegen beträgt nur 0,22 Mm. Unter und zwischen diesen grösseren Dreistrahlern, die das Skeletgerüst bilden, liegen kleinere sagittale und irreguläre Dreistrahler, die letzteren in ge- ringer Anzahl blos vertreten. Die Schenkel sind meist schwach verbogen und der eine weniger entwickelt, während der Basal- strahl gerade bleibt. Die durchschnittliche Grösse dieser kleinen Dreistrahler beträgt 0,054—0,09 Mm. In dem Parenchym zerstreut liegen, nahe der Dermalfläche, die Stabnadeln, die eine sichel- förmige Krümmung besitzen und nicht über die Dermalfläche, mit Ausnahme der Mundöffnung, hervorragen. Die Dieke der Stabnadeln ist dieselbe, wie die der grösseren Dreistrahler, ihre Länge 0,9 Mm, An der Mundöffnung sind die Spitzen der einzelnen Nadeln her- vorstehend, wodurch ein kleiner Rüssel gebildet wird. Das eine Ende ist gewöhnlich scharf zugespitzt, während das andere eine mehr runde Spitze trägt. Neben diesen Stabnadeln liegt an der Mundöffnung eine dichte Masse von langen, aber sehr dünnen strieknadelförmigen Nadeln, die die Zwischenräume zwischen den srösseren Stabnadeln ausfüllen. Die Innenwand des Magens und der Canäle ist mit dünnen und schwachen Vierstrahlern belegt, deren Basalstrahl gerade und länger, aber ebenso dick als die lateralen Strahlen ist Die letzteren sind gebogen und bilden einen ziemlich stumpfen Winkel. Der basale Strahl ist 0,227 Mm. lang, die lateralen dagegen nur 0,136 Mm. bei einer Dieke von 0,013 Mm. Der apicale Strahl ist scharf zugespitzt, um die Hälfte schwächer und blos 0,04 Mm. lang. 418 Oscar Schuffner, Diese Leucandraform ist deshalb, weil die Stabnadeln mit den parenchymatischen Dreistrahlern gleiche Dicke haben und kein Stäbchenmörtel vorhanden ist, zunächst in das Subgenus Leucogypsa einzureihen, und dort muss man sie in die Nähe von Leucandra ceaminus stellen, da man dieselbe als Varietät nicht ansehen kann, weil die Unterschiede doch zu bedeutend sind. Während nämlich Leueandra caminus hauptsächlich reguläre parenchymatische Dreistrahler besitzt, sind diese Nadeln bei Leucandra faleigera sagittal. Der basale Strahl der Vier- strahler ist sodann bei der ersteren Form kürzer als die lateralen Strahlen, während bei Leucandra faleigera gerade das um- gekehrte Verhältniss stattfindet. Einen ferneren Unterschied bieten sodann die Stabnadeln der beiden Formen. Leucandra falei- gera besitzt ganz charakteristisch sichelförmig gebogene Nadeln, Leucandra caminus dagegen zeigt keine bestimmte Gestalt der- selben, da gerade Nadeln mit spindelförmigen und schwach ge- krümmten abwechseln. Leucandra elongata, nov. spec. Taf. XXV, Fig. 7. Speciescharakter: Dermalfläche glatt, Gastralfläche dornig. Hauptmasse des Skelets aus colossalen spindelförmigen Stabnadeln gebildet, die der Längsaxe des Schwammes parallel laufen. Zwischen diesen Stabnadeln liegen sehr feine sagittale Dreistrahler, deren Basalstrahl parallel den Stabnadeln läuft. An der Gastralfläche sagittale Vierstrahler mit etwas diekerem, aber kurzem Apicalstrahl. Die Stabnadeln sind 6—7 mal so dick, als die Dreistrahler und Vierstrahler. Generische Individualität. Uebergangsform von Leucandra alecicornis zu Leucandra cataphracta. Eine Person mit nackter Mundöffnung. Specielle Beschreibung: Leucandra elongata liegt mir in drei Exemplaren vor, die alle an der Küste Nor- wegens gefunden wurden. Die äussere Gestalt dieser Exemplare ähnelt einem langen dünnen, oben sich erweiternden Schlauche, der schon die Streifung, welche durch die parallel liegenden Stab- nadeln hervorgerufen wird, mit dem blossen Auge erkennen lässt. Die Personen erreichen eine Länge bis zu 20 Mm., die Breite an dem oben sich erweiternden Ende beträgt 3 Mm,, am unteren 3eschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 419 schmalen Ende 1 Mm. Die Farbe ist (in Spiritus) graugelb und weiss. Die longitudinal verlaufenden Stabnadeln verleihen dem Schwamm im getrokneten Zustand eine ziemlich grosse Elastieität und ein silberglänzendes Ansehen. Die Lagerung der Stabnadeln geschieht in der Weise, dass die unteren Nadeln mit ihren oral- wärts verlaufenden Enden der aboralen Enden der nächsten Nadel- schicht dachziegelförmig decken. Skelet: Die Hauptmasse des Skelets wird bei Leucandra elongata durch die grossen Stabnadeln gebildet, die parallel der Längsaxe des Thieres laufen. Dieselben sind von spindel- förmiger Gestalt, an beiden Enden zugespitzt und bis 1,5 Mm. lang und 0,06 Mm. dick. Verbreitert sich das Parenchym des Körpers, so vermehren sich auch diese Nadeln, und es liegen die- selben dann öfter in vielen Schichten über einander. Die wenigen Zwischenräume, welche diese dicht gedrängt liegenden Nadeln übrig lassen, werden durch Dreistrahler und Vierstrahler ange- füllt; dieselben sind sagittal und laufen mit dem basalen Strahle parallel den Stabnadeln. Der basale Strahl ist immer länger als die lateralen Strahlen, meistens erreicht er die doppelte Länge (0,29 Mm., die lateralen Strahlen nur 0,13 Mm.), sein Durchmesser jedoch ist geringer, er misst blos 0,009 Mm., während die anderen einen Durchmesser von 0,013 Mm. erreichen. Der Winkel, den die lateralen Strahlen einschliessen, bleibt sich immer gleich, der- selbe beträgt 120°. Die sagittalen Vierstrahler, die die Magenhöhle und die Innenwand der grösseren Canäle auskleiden, haben die Gestalt und Grösse der Dreistrahler, sind aber ausserdem mit einem schwach entwickelten Apicalstrahl versehen. Derselbe ist nicht dicker, als die lateralen Strahlen, ist schwach gebogen und misst gegen 0,06 Mm. Ausser diesen Vierstrahlern kommen auf der Gastralfläche noch irreguläre Dreistrahler vor, welche die Poren der Gastralfläche umgeben; meist sind die Schenkel der- selben paarweise gebogen. Leucandra elongata bildet den Uebergang von Leu- eandra alecicornis zu Leucandra eataphracta. Das Skelet ist bei den erwähnten Formen auf gleiche Weise zusammen- gesetzt, blos die Gestalt und Grösse der Nadeln ist abweichend: Leucandra elongata besitzt nicht die keulenförmigen Anschwel- lungen an den Enden der sagittalen Drei- und Vierstrahler, welche ein charakteristisches Merkmal für Leucandra alei- cornis abgeben. Der apicale Strahl der Vierstrahler stimmt Bd. XILN. F. IV, 3, 29 420 Oscar Schuffner, allerdings mit derselben überein, während die facialen Strahlen ganz denen von Leueandra cataphracta gleichen. Die Stabnadeln haben gleiche Form bei allen drei Arten, die Dicke derselben im Verhältniss zu den Dreistrahlern nähert sich der von Leucandra aleicornis; es sind nämlich die Stab- nadeln 7—8 mal so diek als die Dreistrahler und Vierstrahler, während Leucandra cataphracta Stabnadeln besitzt, welche 20-40 mal so diek als die sagittalen Strahlen sind. Syeortis syeilloides, nov. spec. Taf. XXV, Fig. 10. Speciescharakter: Radialtuben irregulär prismatisch, mit den Seitenflächen ihrer ganzen Länge nach verwachsen. Keine Intercanäle und kein Distaleconus. Dermalfläche glatt. Gastralfläche glatt, aus sagittalen oder subregulären Strahlen ge- bildet. Die dermalen Nadeln 3—4 mal so diek als die gastralen Dreistrahler. Das Skelet der Tuben aus zwei Schichten irregulärer Dreistrahler gebildet; die lateralen Strahlen der äusseren Schicht liegen unter der Dermalfläche, diejenigen der inneren unter der Gastralschicht. Die Basalstrahlen der ersteren springen centripetal nach innen, die der subgastralen Schicht centrifugal nach der Dermalfläche vor. Die Radialschenkel sind doppelt so lang, als die lateralen. Gastralskelet aus einer Schicht feiner sagittaler Dreistrahler gebildet; der basale Strahl wenig kürzer als die lateralen. Specielle Beschreibung: Ein aus zwei Personen zu- sammengesetzter Stock mit zwei Mundöffnungen. Farbe (in Spiritus und getrocknet): braun. Fundort: Mauritius, Grand-Bay (Moebius). Der Schwamm, der mir in einem Exemplar aus dem indischen Ocean vorliegt, hat ein blasenförmiges höckeriges Ansehen. Die Magenhöhle ist ziemlich weit und von gleichem Durchmesser wie die Mundöffnung (2 Mm. in der Länge und 1 Mm. in der Breite). Die beiden Personen, die den Schwamm zusammensetzen, sind ziemlich weit unten verwachsen, eine jegliche Person ist mit Mundöffnung und gering entwickeltem Peristomkranz versehen. Die Wand des Körpers misst fast überall 1,5 Mm. Die Dermal- fläche ist glatt, grob porös. Die Radialtuben sind unregelmässig polyedrische Säulen, welche in ihrer ganzen Länge mit den sich Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 4291 berührenden Seitenlinien verwachsen sind, Interecanäle und Distal- conus fehlen daher vollständig. Die zusammenstossenden äusseren Grundflächen bilden die dermale Fläche, die zusammenstossenden inneren die gastrale Fläche. Die Gastralporen sind rund und liegen regelmässig dicht neben einander, ihr Durchmesser ist un- gefähr 0,16 Mm., die Verbindung der Gastralfläche zwischen zwei Poren 0,1 Mm. Die Radialtuben erreichen durchschnittlich eine Länge von 1 Mm. und eine Breite von 0,25 Mm. Skelet: A. Skelet der Gastralfläche. Das Skelet der Gastralfläche besteht aus einer dünnen Schicht Dreistrahler, die entweder sagittal oder irregulär differenzirt sind. Es liegen die- selben mit den lateralen Schenkeln den Gastralporen zugewendet und umfassen dieselben. Die Strahlen sind meist nur wenig ge- bogen und sehr scharf zugespitzt. Die Länge der Schenkel variirt zwischen 0,1 und 0,25 Mm. In der Breite ist der Unterschied derselben, sie beträgt 0,01—0,025 Mm. Der basale Strahl er- reicht die Länge der lateralen. B. Skelet der Radialtuben: Das Skelet der Radial- tuben besteht aus zwei Schichten, welche einen Unterschied hin- sichtlich der Grösse der Nadeln aufzeigen. Die subgastrale Schicht ist mit grösseren irregulären Nadeln ausgestattet, als die sub- dermale. Dicht unter der Gastralfläche liegen die lateralen Strahlen der erwähnten Nadeln, der Winkel, den dieselben ein- schliessen, beträgt 120°, Der basale Strahl, der centrifugal gerichtet ist, schliesst mit einem der lateralen Strahlen einen Winkel von 110°, mit dem anderen einen solchen von 130° ein. Die lateralen Strahlen der äusseren Schicht liegen unmittelbar unter der der- malen Decke, während der Basalstrahl in centripetaler Richtung vorspringt und sich an den Basalstrahl der subgastralen Schicht anlegt. Der basale Strahl der subdermalen Schicht reicht nicht bis zur Ansatzstelle des basalen Strahls der subgastralen Nadeln: es messen nämlich die Basalstrahlen der subgastralen Nadeln 0,6-1 Mm. in der Länge und 0,08 Mm. in der Dicke, die late- ralen blos 0,4 und 0,3 Mm. Die Nadeln der subdermalen Schicht sind jedoch höchstens 0,5 Mm. lang und 0,04 Mm. dick, die lateralen Strahlen, die in der Dermalfläche liegen, sind ebenso wie die der subgastralen Schicht ungleich lang. Alle drei Schenkel der tubaren Dreistrahler sind schlank zugespitzt und nur wenig verbogen. C. Skelet der Dermalfläche. Die Dermaliläche wird aus einer lockeren porösen Schicht von subregulären Dreistrahlern, 29* 499 Oscar Schuffner, die ganz unregelmässig durcheinanderliegen, gebildet. Die Strahlen sind gleich lang und gleich diek (0,5 Mm. und 0,05 Mm.). Die lateralen Schenkel zeichnen sich vor dem Basalstrahl nur dadurch aus, dass sie eine ganz schwache Krümmung an der Basis zeigen. Alle drei Strahlen sind schlank eylindrisch und gegen die conische Spitze hin etwas verdünnt. An der Mundöffnung kommen die Stabnadeln vor; dieselben sind spindelförmig und etwas gekrümmt, an beiden Enden zugespitzt; es erreichen dieselben eine Länge von 0,83 Mm. bei einer Dieke von 0,05 Mm. Neben diesen Stab- nadeln finden sich strieknadelförmige Stäbchen, die noch nicht ein- mal einen Durchmesser von 0,008 Mm. besitzen. In die bis jetzt bekannten Sycortisformen passt Sycortis syeilloides nicht gut herein, es schliesst sich dieselbe in ihrer Zusammensetzung und in dem Bau des Skelets der Radialtuben vielmehr an eine Syeilla- oder Sycaltisform an, unterscheidet sich aber natürlich von diesen durch den Mangel der Vierstrahler. Syeandra tabulata, nov. spec. Taf. XXV, Fie. 11. Speeiescharakter. Radialtuben prismatisch, achtseitig, mit ihren Kanten bis zum Distaleonus verwachsen. Zwischen den Tuben liegen engere vierseitige, prismatische Intercanäle. Die Gastraltafel ist derb und dieht mit Stacheln besetzt. Die Dermal- fläche wird aus Tafeln zusammengesetzt, welche wiederum aus einem Complex der grossen Dreistrahler des Distaleonus bestehen. Stabnadeln kommen ausser an den Peristomkränzen nur an den distalen Enden der Radialtuben vor. Es bilden dieselben einen umgekehrt conischen Busch, dessen Basis eine polyedrische Der- maltafel ist. Die Stabnadeln der Radialtuben haben dieselbe Grösse wie die Dreistrahler am Distalconus. Die tubaren proxi- malen Dreistrahler sind beinahe rechtwinkelig, während die distalen einen mehr veränderten Winkel zeigen, ohne jedoch mehr als die ersteren differenzirt zu sein. Die gastralen Vierstrahler sind meist sagittal mit geraden facialen Strahlen, ie an Dicke den tubaren Dreistrahlern nicht nachstehen. Der Apicalstrahl ist sehr regelmässig gebogen, pfriemenförmig zugespitzt und ebenso dick als die facialen Strahlen. Ausser den Vierstrahlern befinden sich auch Dreistrahler auf der Gastralfläche; dieselben haben die Grösse, aber eine geringere Dicke als die Vierstrahler. Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 423 Specielle Beschreibung: Eine Person mit doppeltem Peristomkranz. Farbe (in Weingeist): braun. Fundort: Mauritius (Moebius). Die Längsaxe des Schwammes, welcher mir in zwei Exem- plaren vorlag, beträgt 12 Mm., die Breite 7 Mm., es bildet der- selbe ein längliches Oval, dessen dünneres Ende den Anheftungs- punkt bildet. Die Magenhöhle ist eylindrisch und mit vielen Stacheln besetzt, die Krümmung der Stacheln ist nach der Mund- fläche zu gerichtet, die Wand ist 1,5 Mm. dick, sehr fest und starr. Die Radialtuben sind achtseitige Prismen, zwischen denen vierseitige Intercanäle von 0,08—0,06 Mm. Breite sich befinden. Die Radialtuben haben eine Weite von 0,1—0,143 Mm. A. Skelet der Gastralfläche: Die Gastralfläche wird durch eine Schicht von Dreistrahlern und Vierstrahlern gebildet. Die Vierstrahler sind sagittal, die lateralen Schenkel meistentheils 0,09 Mm. lang, der sagittale Strahl 0,145—0,1 Mm. Der apicale Strahl hat eine Länge bis zu 0,08 Mm., die Dicke beträgt ebenso viel, als die Dicke der facialen Strahlen. Der apicale pfriemen- förmige Strahl ist sehr constant in seiner Form, auch die Grösse bleibt sich meistens gleich. Die Biegung ist oralwärts gerichtet. Die Dreistrahler, die ausserdem das Skelet der Gastralfläche bilden, sind dünner und bisweilen kleiner als die Vierstrahler, es besitzen dieselben eine Dicke von 0,004 Mm., und eine Länge von 0,08—0,09 Mm. B. Skelet der Radialtuben. Das Skelet der Radial- tuben besteht aus sagittalen Dreistrahlern, die am proximalen Theil der Tube bis zu dem Conus fast rechtwinkelig sind. Die lateralen Strahlen sind ganz schwach gebogen und der basale Strahl länger als die lateralen Schenkel. Es misst derselbe 0,1 Mm., während die lateralen Schenkel 0,08 Mm. messen. Am Distaleonus der Radialtuben nehmen sodann die Basalstrahlen an Grösse zu; sie erreichen dort eine Länge bis zu 0,16 Mm., die lateralen Strahlen dagegen eine solche bis zu 0,12 Mm. Die Dieke beträgt 0,016 Mm. und 0,012 Mm. Die Strahlen selbst sind gerade, der Winkel jedoch, den die beiden lateralen Strahlen ein- schliessen, ist kleiner geworden als derjenige, welchen die tubaren proximalen Dreistrahler einschlossen. C. Skelet der Dermalfläche: Die grösseren Drei- strahler bilden am distalen Ende der Tuben eine pyramiden- förmige Erhebung, und in dieser Erhebung stecken die Stabnadeln, 494 Oscar Schuffner, “ die sehr dünn sind, und bilden einen umgekehrt eonischen Busch. Die Dermalfläche erscheint durch diesen Umstand getäfelt. Die Tafeln haben eine polyedrische Gestalt und nehmen die Stab- nadeln auf. Die letzteren finden sich in zwei verschiedenen Formen in dem Ende der Radialtuben vor. a) Strieknadeln, ein- fache eylindrische, an beiden Enden zugespitzte Stäbehennadeln, von denen einige eine schwache Krümmung zeigen. Diese Stäb- chen befinden sich meist in der Peripherie des umgekehrt eonischen Bündels, während im Innern des Büschels b) die spindelförmigen oder keulenförmigen Stabnadeln zu finden sind. Ihre Anzahl ist bei weitem grösser als die der stäbehenförmigen, die Länge und Dicke jedoch ist bei beiden Arten gleich. Ihre Länge beträgt 0,14 Mm., die Breite 0,004 Mm. Die spindelförmige Anschwellung befindet sich am distalen Ende. D. Das Skelet desPeristoms. Der horizontale Peristom- kranz besteht aus Strieknadeln von 2,5 Mm. Länge und 0,004 Mm. Dicke. Der verticale Kranz besteht dagegen aus einem Halsring (Collar) und aus der frei hervorragenden Ciliarkrone. Der Hals- ring besteht aus dicht aneinander liegenden rechtwinkeligen Drei- strahlern, deren abwärts gerichteter Basalstrahl 0,068 Mm. misst, während die Messung der lateralen Strahlen die Länge von 0,1 Mm. ergiebt. Die Krone besteht aus ebensolchen Stäbehennadeln, wie der horizontale Kranz, welche sich in die Schicht des Halstheiles einlagern und gegen 1,5 Mm. hervorragen. Die Stelle, die Syeandra tabulata im natürlichen System der Kalkschwämme einnehmen würde, ist ihr unbedingt neben oder dicht in der Nähe von Syceandra elegans anzuweisen. Es unterscheidet sich nämlich diese Form nur in folgenden Stücken von Sycandra tabulata: Die apicalen Strahlen der Vier- strahler sind blos einfach gekrümmt, ohne jegliche Verdickung, während Sycandra elegans sich durch apicale Strahlen der Gastral- fläche auszeichnet, die durch varicöse Anschwellungen knotig er- scheinen. Die Radialtuben der beiden Species sind ansserdem durch die Anordnung und Lagerung der einzelnen Nadeln unter- scheiden, besonders an dem distalen Ende sind die Nadeln durch ihre Form von einander abweichend, da Syeandra elegans sehr difierenzirte distale Dreistrahler besitzt mit gebogenen Basal- strahlen, Eigenschaften, die den distalen Nadeln der anderen Form fehlen. Der Halsring wird ferner durch gekrümmte sagittale Dreistrahler bei Syeandra elegans gebildet, bei der vor- Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 425 liegenden Form sind die Schenkel ganz gerade und bilden bei- nahe einen gestreckten Winkel. Syeandra quadrata, nov. spec. Taf. XXVI, Fig. 12. Speciescharakter: Prismatisch vierseitige Radialtuben, die mit ihren Kanten in der ganzen Länge bis zu den niedrigen, aber freien Distalconus verwachsen sind; dazwischen enge vier- seitige, prismatische Intercanäle. Dermalfläche quadratisch ge- täfelt, stachelig. Gastralfläche kurzdornig. Stabnadeln nur am distalen Ende eines jeden Tubus; einen ziemlich lockeren dünnen Busch bildend, '/, mal länger und !/; mal so dünn als die Schenkel der Dreistrahler. Die tubaren Dreistrahler sagittal mit gleich langen Schenkeln. Gastrale Vierstrahler sagittal mit 1'/), mal so langen Basalstrahl als die lateralen Strahlen, der apicale Strahl schwach gekrümmt, messerförmig, öfters mit schwachen Aus- buchtungen versehen; !/; mal so gross und 1!/, mal so dick als der basale Strahl. Specielle Beschreibung: Eine Person mit rüsselförmiger Mundöffnung. Farbe: weisslich oder gelb. Fundort: Norwegen, Mandal (Moebius). Sycandra quadrata ist von ziemlicher Länge und Breite, eylindrisch und schwach gekrümmt. Es misst dieselbe in der Länge 20 Mm. und 4 Mm im Durchmesser. Ihre Farbe ist ein schmutziges Weiss, welches sich jedoch bei einem Exemplar in ein gelbliches Braun umändert. Von 3 mir vorliegenden Exem- plaren sind alle mit einem rüsselförmigen Peristomkranz versehen. Die Dermalfläche ist bröckelig und stachelig, jedoch bei den ver- schiedenen Exemplaren in verschiedenem Grade, und quadratisch getäfelt. Die innere Fläche der eylindrischen Magenhöhle ist fein- stachelig durch die von den Vierstrahlern in das Gastrallumen entsendeten apicalen Strahlen, die Gastralostien der Radialtuben (0,016 Mm.) stehen sehr eng und durchbrechen in regelmässigen Zwischenräumen die Gastralfläche. Die Trennungsstücke der ein- zelnen Gastralostien sind blos 0,05 Mm. stark. Die Radialtuben sind eylindrisch vierseitig und bis zum Distalconus mit einander verwachsen. Die Intercanäle, die dadurch gebildet werden, sind 426 Ösear Schuffner, regelmässige, vierseitige Prismen, selten etwas an den Kanten abgerundet, von demselben Durchmesser, wie die Radialtuben. Das distale Ende der Radialtuben beträgt im Durchschnitt 1,25 Mm., der Durchmesser 0,25 Mm. Skelet. A. Skelet der Gastralfläche. Das Skelet der Gastralfläche besteht aus einer dieken Schicht regelmässig gelagerter Dreistrahler und Vierstrahler. Die Vierstrahler sind sagittal mit längerem Basalstrahl (0,25 Mm.) und kürzeren late- ralen Strahlen (0,204 Mm.), die einen Winkel von 115° ein- schliessen, der Winkel, den der basale Strahl und je ein lateraler begrenzen, misst 122°—123°% Doch kommen auch Oralwinkel von 95° vor; und die Winkel, die von dem lateralen und basalen Strahl gebildet werden, sind sodann dem entsprechend vergrössert. Die lateralen Strahlen der Vierstrahler sind sehr variabel in ihrer Länge. Oefter verkümmert einer derselben, so dass durch diese Atrophie der Vierstrahler irregulär erscheint. Die Dicke der Strahlen ist meistens 0,009 Mm., der Basalstrahl bei einigen Nadeln ein wenig dicker. — Die Dreistrahler haben dieselbe Form und Grösse wie die Vierstrahler, jedoch bei ihnen ist die Atrophie eines Strahles fast regelmässig, so dass man die Drei- strahler der Gastralfläche im Allgemeinen als irregulär bezeichnen kann. Die Nadeln sind meistens 27 mal so lang als dick. B. Das Skelet der Radialtuben. Das Skelet der Radialtuben wird von sagittalen Dreistrahlern mit sehr ver- längertem Basalstrahl gebildet. Der unpaare Winkel, der von den lateralen Strahlen eingeschlossen wird, misst gewöhnlich 150°. Die Nadeln sind alle schlank zugespitzt, der Basalstrahl gerade und die lateralen Strahlen selten ein wenig verbogen; im ersten Gliede von der Gastralfläche an gerechnet, ist der Basalstrahl meistens 0,15 Mm. lang. Diese Länge behält er auch bei den Dreistrahlern am distalen Ende der Tuben bei. Am distalen Ende wird eine grössere Anzahl jener Dreistrahler emporge- hoben und bildet die flache Erhöhung des Distaleonus, diese Dreistrahler differenziren sich jedoch nicht, sondern behalten die frühere Länge der Schenkel bei. Die Länge der lateralen Strahlen beträgt meistens 0,13 Mm., doch kommen auch grössere Formen vor. Skelet der Dermalfläche: Um den Distaleonus der Radialtuben herum erheben sich wenig zahlreiche Stäbehennadeln, die an beiden Enden nadelförmig zugespitzt sind. Dieselben messen bei einer Dicke von kaum 0,004 Mm. 0,22 Mm. in der Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 427 Länge. Diese Stabnadeln sind ferner von einer grösseren Menge kleiner Stäbchen umgeben, die vielleicht !/;, der Dicke der ersteren besitzen. Die Mitte des Distaleonus bleibt von den Stäbchen- nadeln frei und wird blos durch die basalen Strahlen der distalen Dreistrahler geschützt. Das Peristom wird von sagittalen Vierstrahlern gebildet, die die Stütze für eine Lage sehr feiner und langer Stäbchennadeln abgeben. Die lateralen Schenkel der Vierstrahler liegen fast hori- zontal, ihr basaler Strahl ist länger als die lateralen, und der apicale Strahl ragt oralwärts gekrümmt frei hervor. Syeandra quadrata ist zu dem III. Subgenus von Sycandra, Sycocobus zu stellen, da die Radialtuben prismatisch vierseitig bis zu den Distalconus verwachsen sind und vierseitige, prismatische Intercanäle einschliessen. In dieses Genus gehört bis jetzt nur eine Species, Sycandra Schmidtii, doch unter- scheidet sich dieselbe sowohl in der Gestalt und Form der Nadeln, als auch sind die Distalkegel bei beiden Arten in verschiedenem Grade ausgebildet. Syeandra borealis, nov. spec. Taf. XXVI, Fig. 18. Speciescharakter: Radialtuben prismatisch achtseitig, mit ihren Kanten der ganzen Länge nach verwachsen bis zu dem hohen Distaleonus. Dazwischen enge vierseitige, prismatische Intereanäle. Dermalfläche getäfelt. Alle Nadeln von gleicher Dicke, Stabnadeln nur am distalen Conus jeder Radialtube. Stab- nadeln spindelförmig, an beiden Enden zugespitzt. Tubare Drei- strahler nahezu rechtwinkelig, die proximalen und distalen gleich dick, wenig oder nicht differenzirt. Gastrale Vierstrahler sagittal mit gebogenem kurzen und etwas diekerem apicalen Strahl als die lateralen Strahlen. Generische Individualität: Eine Person mit aufrecht- stehendem Peristomkranz. Farbe: gelblichweiss. Fundort: Norwegen, Hougesund (Moebius). Sycandra borealis ist ziemlich gross, mit rauher poröser Ober- fläche von gelbliehweisser Farbe. Die Mundöffnung ist mit einem Peristomkranz versehen und hat einen Durchmesser von 4 Mm. Der ganze Schwamm hat eine Länge von 25 Mm. und einen ars Oscar Schuflner, Durchmesser von 5 Mm. Die oben ceylindrische Gastralhöhle ver- engert sich nach unten, wo dieselbe ganz flach gedrückt endigt. Die Magenwand ist 1—2 Mm. dick, die Gastralporen stehen: sehr dicht und sind 0,25 Mm. gross. Die Mundöffnung ist kreisrund und mit einem sich nach aussen biegenden Peristomkranz ver- sehen. Das Wandparenchym ist sehr zart und bröckelt leicht ab. Die Radialtuben sind regelmässig achtseitig prismatisch mit ihrer ganzen Länge bis zum Distaleonus verwachsen, zwischen ihnen bleiben enge, vierseitig prismatische Intereanäle von 0,13 Mm. Durchmesser. Der ziemlich hohe Distaleonus trägt ein Stäbchen- bündel mit zweispitzigen Stabnadeln, dessen vierseitige Grundfläche eine Dermaltafel bildet. Skelet: A. Das Skelet der Gastralfläche besteht aus dichtgelagerten Dreistrahlern und Vierstrahlern, die meistens sagittal oder irregulär sind. Der basale Strahl ist meist länger als die lateralen; die Nadeln selbst liegen unregelmässig in der Gastral- fläche und besitzen wenig oder gar nicht gekrümmte Schenkel, sie sind meist 0,18 Mm. lang und 0,0068 Mm. dick. Alle Schenkel sind sehr schlank und conisch von Anfang an zugespitzt. Der Apicalstrahl ist schwach gebogen, messerförmig und misst 0,05 Mm. in der Länge bei 0,013 Mm. Dicke. B. Die tubaren Dreistrahler sind sämmtlich sagittal und im Verlauf der Tube wenig an Gestalt verschieden. Die beiden lateralen Schenkel messen 0,5 Mm., der basale 0,18 Mm. Gewöhnlich sind die proximalen Nadeln mit stärker verbogenen lateralen Schenkeln versehen als die in der Mitte der Tuben oder am distalen Ende. Der Winkel, den diese lateralen Schenkel ein- schliessen, misst gewöhnlich 9U—100°; der basale Schenkel ist meist gerade und in allen Theilen der Radialtuben länger als einer der beiden lateralen Strahlen. Am distalen Ende der Radial- tuben bildet sich ein schlanker, frei hervorragender Distaleonus, der aus den basalen Strahlen der distalen Dreistrahler gebildet wird, und welcher sich in das von den Stabnadeln gebildete Bündel hineinschiebt. ©. Die Dermalfläche, die durch die Distalkegel getäfelt erscheint, ist durch die Stabnadeln fein stachelig. Diese Stabnadeln erheben sich über den Distaleonus der Tuben und bilden einen kegelförmigen Busch. Sie sind an beiden Seiten zugespitzt und in ihrem ganzen Verlauf ohne Anschwellung (0,5 Mm lang und 0,009 Mm. diek). Gewöhnlich sind dieselben vollständig gerade, Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 429 seltener schwach gebogen, sehr zahlreich sind überhaupt die Stab- nadeln nicht vorhanden. D. Skelet des Peristoms. Der Peristomkranz ist 5 Mm. lang und von glänzend weisser Farbe. Es besteht derselbe aus einem Collartheil von 2 Mm. Höhe und aus einem 3 Mm. langen Ciliartheil. Der Collartheil wird von fast horizontalen Vierstrahlern gebildet, die dicht gedrängt stehen, und deren laterale Schenkel um ein Geringes dieker und länger als der basale Strahl sind. Die lateralen Strahlen messen 0,5 Mm., der basale 0,4 Mm., die Dicke der ersteren beträgt 0,01 Mm. Der äussere Theil des Peristomkranzes besteht aus sehr feinen und langen Stabnadeln, die mit dem einen Ende frei hervorragen. Dieselben sind höchstens 0,001 Mm. dick, dabei aber gegen 2 Mm. lang und endigen in eine feine Spitze aus. Sycandra Barbadensis, nov. spec. Taf. XXVI, Fig. 14. Speciescharakter: Radialtuben prismatisch achtseitig mit vierseitigen Intercanälen, bis zu dem Distaleonus verwachsen. Dermalfläche getäfelt. Gastralfläche stachelig. Alle Nadeln von gleicher Dieke. Stabnadeln nur am Distalconus' jeder Radialtube, dessen Basis eine vierseitige Dermaltafel ist, einen conischen Busch bildend. Dieselben sind spindelförmig und an beiden Enden zugespitzt. Tubare Dreistrahler sich nur wenig verändernd. Gastrale Vierstrahler mit geraden und dünnen facialen Strahlen. Der Apicalstrahl ist etwas dicker, aber kürzer als die facialen Strahlen, oralwärts gekrümmt und messerförmig zugespitzt. Specielle Beschreibung: Eine Person mit rüsselförmiger Mundöffnung. i Farbe: grauweiss. Fundort: Barbados (Moebius). Sycandra Barbadensis ist eine einzelne Person, deren Längs- axe 20 Mm. misst, der Durchmesser 7—8 Mm. Die Magenwand ist dünn, höchstens 1,5 Mm. Einen Stiel besitzt diese Form nicht, sondern sie sitzt mit einer breiten Basis auf. Die Dermalfläche ist durch die Distalkegel getäfelt. Diese Tafeln sind meist vierseitig, oft an den Ecken abgerundet von 0,16 Mm. Durchmesser, und nehmen die Stabnadeln auf. Die Gastralfläche ist dicht mit Poren von demselben Durchmesser wie die Inter- 430 Oscar Schuffner, canäle besetzt. Die Magenwand ist 1 Mm. dick, die Gastralporen stehen sehr dicht und sind nicht grösser als 0,16 Mm. Die Mund- öffnung ist ziemlich weit seitlich comprimirt, und hat eine Länge von 3 Mm. und eine Breite von 0,9 Mm. Die Radialtuben sind regelmässig achtseitig prismatisch, 1 Mm. lang und 0,11 Mm. dick, mit ihren Kanten bis zu dem Distalconus verwachsen. Zwischen denselben liegen ebenso weite viereckige, prismatische Intercanäle. Der Distaleonus trägt ein umgekehrt kegelförmiges oder pyramidales Stäbchenbündel, dessen Grundfläche eine Dermaltafel bildet. Skelet: A. Skelet der Gastralfläche. Dasselbe be- steht aus mehreren Schichten von dicht gelagerten Drei- und Vierstrahlern, die meist subregulär oder sagittal sind. Es misst der basale Strahl bis zu 0,2 Mm., die Dicke beträgt 0,009 Mm. Die lateralen Strahlen sind etwas kleiner, doch ist die Differenz sehr gering; es haben dieselben eine Dicke von 0,009 Mm. und eine Länge von 0,15 Mm. Die Dreistrahler sind von verschiedener Grösse, es kommen dieselben in regulärer sowohl, als auch in sagittaler Form vor; die sagittalen-in überwiegender Zahl. Oefter kann man erkennen, dass ein Schenkel atrophisch ist, auf diese Weise erklärt sich das Vorkommen der irregulären gastralen Drei- strahler. Der basale Strahl ist von gleicher Dicke wie die late- ralen, überhaupt schliessen sich dieselben in Form und Grösse an die Vierstrahler an. Der freie Apicalstrahl ist scharf gebogen, etwas kürzer und dicker als die facialen Strahlen (an der Basis misst er 0,013 Mm., seine Länge beträgt blos 0,08 Mm.), und messerförmig zugespitzt, während die facialen Strahlen alle in eine feine schlanke Spitze verlaufen. B. Skelet der Radialtuben: Die tubaren Dreistrahler sind sämmtlich sagittal oder irregulär und mit sehr grossem proximalen Winkel versehen. Die beiden lateralen Strahlen sind meistens 0,08 Mm. lang. Oefter nimmt auch der Basalstrahl eine schiefe Stellung ein, so dass die Winkel dadurch verändert und die Dreistrahler selbst irregulär werden. Das Letztere geschieht auch durch die Atrophie eines Schenkels. Der basale Strahl ist gerade und bleibt auch im proximalen Theil immer länger als die lateralen Strahlen, er misst bis zu 0,15 Mm. in der Länge. Da- gegen sind die lateralen Schenkel in proximaler Richtung ge- krümmt. Die basalen Strahlen der am distalen Ende liegenden Dreistrahler bilden zusammen eine pyramidenförmige Erhebung, die sich in das conische Bündel Stabnadeln der Dermalfläche Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. * 431 eindrängt. Unter diesen Dreistrahlern finden sich hauptsächlich die oben erwähnten iıregulären Nadeln. C. Skelet der Dermalfläche: Jede Tafel der Dermal- fläche ist die Basis der vierseitigen Pyramide oder des Kegels, welcher durch ein Bündel von radialen Stabnadeln gebildet wird. Diese sind durchschnittlich 0,4 Mm. lang und nur 0,009 Mm. dick, an beiden Enden zugespitzt, wie die Stabnadeln der beiden vor- her erwähnten Arten. Dieselben sind schwach gebogen und ohne Anschwellungen an dem cylindrischen Mitteltheil. D. Das Peristom: Der Peristomkranz ist 1—2 Mm. lang und besteht aus einer Schicht basaler dicht gedrängter Drei- und Vierstrahler, die mit dem basaler Strahl aboralwärts gerichtet sind, mit dazwischen gelagerten äusserst feinen Stäbehennadeln. An dem oralen Ende des Peristoms sind die Basalstrahlen dieser Nadeln ebenso lang oder kürzer als die etwas gekrümmten late- ralen, die Länge der letzteren beträgt 0,15 Mm., die Dicke 0,008 Mm. An dem unteren Theil des Peristomkranzes ist der hasale Strahl länger als die fast horizontal liegenden, lateralen Schenkel. Die Stäbehennadeln sind bis 0,9 Mm. lang und im höchsten Fall 0,004 Mm. dick. Die Form Sycandra borealis und Sycandra Barba- densis stehen der Sycandra arborea im allgemeinen Bau sehr nahe. Hier wie dort achtseitige Radialtuben mit prisma- tischen, vierseitigen Intercanälen, ferner bei allen drei Species die eylindrische an beiden Seiten zugespitzte Form der Stäbchen- nadeln, ohne alle Anschwellung. Die Gestalt und die Lagerung der einzelnen Nadeln ist jedoch bei diesen 3 Species eine sehr verschiedene. Sycandra arborea hat gedrungene Nadeln mit bei- nahe horizontalen lateralen Schenkeln. Sycandra borealis und Sycandra Barbadensis sind dagegen mit schlanken feinen Nadeln versehen, deren laterale Schenkel bei ersterer Form nahezu einen rechten Winkel (90 — 100°) einschliessen; Sycandra Barbadensis dagegen besitzt verkrümmte, laterale Schenkel mit einem weiteren Winkel, der jedoch 1°0° noch lange nicht erreicht. Die äussere Gestalt ist bei Sycandra Barbadensis und Sycandra borealis nicht verschieden, aber nicht mit Syeandra arborea zu vergleichen, welche aus vielen Personen zusammengesetzte Stöcke hildet. 432 a Öscar Schuffner, Erklärung der Tafeln XXIV—XXVlI. Taf. XXIV. Fig. 1. Spieula von Leucaltis Nausicaae. m—n ein Stückchen der Gastralfläche von der Seite, der apicale Strahl frei hervortretend, a Vier- strahler der Gastralfläche von oben gesehen, c irreguläre Dreistrahler der Dermalfläche, b parenchymatische sagittale Dreistrahler, b, irreguläre Dreistrahler des Parenchyms. Vergr. 60. Fig. 2. Leucaltis curva. a Vierstrahler der Gastralfläche, b parenchy- matische Dreistrahler, e Vierstrahler der Dermalfläche. Vergr. 60. Fig. 3. Leucaltis Mauritiana, Varietät von Leucaltis Nausicaae. a gastrale Vierstrahler, b parenchymatische Dreistrahler, e Dreistrahler der Dermalfläche. Vergr. 60. Fig. 4 Leucandra echinata. g 3 gastrale Vierstrahler in ihrer Lage, der apicale Strahl nach oben und nach vorne gerichtet, mit einem Stern- chen bezeichnet, b parenchymatische Dreistrahler, d Dreistrahler der Dermalfläche, s Stabnadeln, PK Vierstrahler aus dem Peristomkranz. Vergr. 85. Fig. 5. Leucandra claviformis. g gastrale Vierstrahler, b parenchy- matische Dreistrahler, s keulenförmige Stabnadeln des Parenchyms, s, dünne, aber lange Stabnadeln aus dem Peristom. Vergr. 220. Taf. XXV. Fig. 6. Leucandra falcigera. g Vierstrahler der Gastralfläche, b pa- renchymatische Dreistrahler, b, noch unausgebildete Dreistrahler, s ge- krümmte Stabnadeln. Fig. 7. Leucandra elongata. s unteres und oberes Ende colossaler Stabnadeln, b Vierstrahler der Gastralfläche, b dünne Dreistrahler des Parenchyms. Fig. 8 Ascandra tenuis. a ein Stückchen des Schwammes in natür- licher Grösse, g die Vierstrahler von oben gesehen, b Dreistrahler, s Stäbchennadeln. Fig. 9. Ascaltis compacta. m-.n die Vierstrahler von der Seite gesehen, dass der apicale Strahl hervortritt, a, Vierstrahler von oben, b Drei- strahler. Vergr. 330. a der Schwamm in natürlicher Grösse. Fig. 10. Sycortis sycilloides. a, b, ce der Schwamm von verschiedenen Seiten betrachtet in natürlicher Grösse. RT eine Radialtube, s Stab- nadeln, d Dreistrahler der Dermalfläche, e sagittale und irreguläre Drei- strahler der subgastralen und subdermalen (e,) Schicht, g gastrale Drei- strahler, Vergr. 60, Beschreibung einiger neuer Kalkschwämme. 433 Fig. 11. Sycandra tabulata. m-—n die apicalen Strahlen der Vier- strahler, RT eine Radialtube, um die Lagerung der Dreistrahler zu zeigen, DK der Distalkegel auf dem Tubusende, s Stäbchennadeln, Vergr. 220, g Dreistrahler aus der Gastralfläche und e sagittale Vierstrahler von oben gesehen. Vergr. 330. Taf. XXVI. Fig. 12. Sycandraquadrata. m—n Gastralfläche mit den hervortretenden apicalen Strahlen, a unterster tubarer Dreistrahler, g gastraler Vierstrahler, gı gastraler irregulärer Dreistrahler, s eine Stabnadel. Vergr. 220. Fig. 13. Sycandra borealis. m—n die apicalen Strahlen, b tubarer Dreistrahler, At 4 Dreistrahler in ihrer natürlichen Lagerung. g gastrale Vierstrahler, g, gastrale Dreistrahler, s Stabnadeln. Vergr. 220. Fig. 14. Sycandra Barbadensis. RT ein Stück einer Radialtube, b tu- barer Dreistrahler, i irregulärer Dreistrahler am Distaleonus, s Stabnadeln, g gastrale Vierstrahler und g, gastrale Dreistrahler. Vergr. 220. { j Anl us 4 at i ch En ve ee er Er aldaenteiait alrnianı 2" er eh aha m | Be nr: 5 i AL a 3 zT >35 een dh eG yo on le al ae | pr RE ia 7 A 37 DET DE Nr. ER ana 5 TO RENT 1 y a Do # Bay an e Erz HER NUR 4 Ueber Befruchtung und Zelltheilung. Von Dr. Eduard Strasburger. Professor an der U’niversität Jena. Hierzu Tafel XXVII—-XXXV. Vorwort. Durch meine Untersuchungen über Zellbildung und Zell- teilung wurde ich auf das Gebiet der Befruchtungsvorgänge geführt und behandelte dieselben daher schon in der zweiten Auflage meines Zellen-Buches. Freilich war ich dabei genöthigt, mich zum grössten Theil auf fremde Untersuchungen zu stützen. Namentlich für die Metaspermen fehlte mir jede eigene Er- fahrung, so dass ich mir vornahm, eingehende Untersuchungen auf diesem Gebiete anzustellen. Dieses that ich nun im Lauf‘ der letzten Monate und gelangte zu theilweise ganz neuen, oft sehr überraschenden Resultaten, wie ich solche auf Grund der vorhandenen Arbeiten jedenfalls nicht erwartet hatte. Der Kreis meiner Untersuchungen dehnte sich jetzt aber mehr denn beab- sichtigt wurde aus. Statt mich an den Befruchtungsvorgang allein zu halten, musste ich auch die vorausgehenden Zustände einem eingehenden Studium unterwerfen. Die allgemeinen Gesichtspunkte welche mich zu der Unter- suchung der Metaspermen veranlasst hatten, führten dann weiter dazu, meine Beobachtungen auch auf einige andere Abtheilungen des Pflanzenreichs auszudehnen und von diesen die Beantwortung ganz bestimmter Fragen zu verlangen. Da es sich aber um Vorgänge handelte, welche Thieren und Pflanzen gemeinsam sind, so mussten auch wieder die neuesten Bd. XI, N. F. IV, &, 30 4536 Vorwort. Arbeiten der Zoologen berücksichtigt und einer kritischen Durch« sicht unterworfen werden. Die allgemeinen Vorstellungen zu denen ich auf diesem Wege gelangte, wird man in den letzten Abschnitten dieser Ab- handlung zusammengestellt finden. Die vorgenommenen Untersuchungen zwangen mir aber wiederholt erneuerte Beobachtungen über Zelltheilung auf. Ich habe dieselben im Anhange zusammengestellt. Ich bitte dort nach besonders neuen Ergebnissen nicht zu suchen, wohl aber nach solchen, die das früher von mir Veröffentlichte ergänzen oder besser illustriren können. Jena, Anfang August 1877. Eduard Strasburger. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 437 Die Copulationsvorgänge bei Spirogyra. Zur Untersuchung sehr geeignet erschien mir eine Form, die ich als Spirogyra quinina bestimmt habe. Zwar liegt der Zell- kern, auf den es mir besonders ankam, bei jener Art excentrisch, meist der Innenseite eines Chlorophylibandes an, ist aber doch leicht zu beobachten, während das einzige Chlorophyliband auch sonst die übrigen Verhältnisse des Zellinhaltes nur wenig deckt. Die Vorgänge der Copulation bei Spirogyren sind hinlänglich bekannt; brauche ich doch nur an die Untersuchungen de Bary’s an dieser Stelle zu erinnern. Das Verhalten des Zellkernes blieb aber auch de Bary ungewiss und dies veranlasste mich, die Untersuchung nochmals aufzunehmen. Die rein vegetativen Zellen (Taf. XXVIL, Fig. 1) der von mir untersuchten Spirogyra waren im Durchschnitt 0,06 Mm. lang und 0,03 Mm. breit. Das Chlorophyllband machte 3 bis 4 Umgänge in jeder Zelle. Die eopulirenden Zellen (Fig. 2—8) zeigten sich oft etwas kürzer und, wenn dem weiblichen Faden zugehörig, auch aufgedunsen.!) Die triehterförmige Verbindung der copulirenden Zellen, die Verflüssigung der sie trennenden Scheidewände, der Uebertritt des Inhaltes erfolgt so, wie er schon vielfach geschildert wurde; ich bitte, das Nähere bei de Bary nachzulesen. Um die betreffenden Vorgänge zu verfolgen, bediente ich mich einer feuchten Kammer, d. h. eines kleinen, mit Wasser getränkten Papprahmens, dem das Deckglas aufgelegt wurde. In dem suspendirten Tropfen auf der Innenseite des Deckglases haben sich die Spirogyren oft Tage lang gesund erhalten und liessen ihre Copulation leicht verfolgen. Wenn ich hingegen copulirende Zellen direct auf dem Objectträger mit ?) Conjugaten 1858, p. 3. Vergl. dort auch die Literatur. 30° 438 Eduard Strasburger, einem Deckglas überdeckte, so wurde der weitere Verlauf ihrer Entwicklung regelmässig sistirt und die Pflänzchen gingen rasch zu Grunde. Die zur Copulation sich anschickenden, bereits durch ihre Fortsätze verbundenen Zellen, zeigen, noch vor jeder Contraetion ihres Inhaltes, minder deutliche Contouren an ihrem Chlorophyli- bande und reicheren Stärkeeinschluss in demselben. Zunächst contrahirt sich meist die männliche Zelle, die weib- liche erwartet sie oft fast unverändert; oder es contrahiren sich gleichmässig beide Zellen vor der Vereinigung; nur ganz selten contrahirt sich die weibliche früher als die männliche. Der Vorgang wird eingeleitet durch das Auftreten von Va- cuolen veränderlicher Grösse im Wandbeleg aus Protoplasma; fast gleichzeitig beginnt dieser Wandbeleg sich an den Ecken von seiner Cellulosehülle zurückzuziehen. Der Zellkern und dessen Kernkörperchen werden inzwischen blasser und entschwinden schliesslich der Beobachtung. Am besten lässt sich dieses Schwin- den des Zellkernes während des Copulationsactes selbst verfolgen, wenn man für die Beobachtung desselben Fälle wählt, wo die . männliche Zelle, bereits kernlos und contrahirt, einer fast noch unveränderten weiblichen Zelle gegenüber steht (Fig. 4). In dem Augenblicke nun, wo die übertretende männliche Zelle die weib- liche erreicht (Fig. 5) und mit ihr verschmilzt, treten in dem Wandbeleg letzterer, von der Verschmelzungsstelle aus beginnend, zahlreiche, ihre Grösse ununterbrochen verändernde Vaeuolen auf; sie erfüllen alsbald das ganze Protoplasma. Der Zellkern der weiblichen Zelle wird gleichzeitig durchsichtig und man sieht kleine Körner in dessen Umkreis sich lebhaft bewegen; in dem Augenblicke aber, wo er von den Vacuolen des Wandplasma er- reicht wird, sieht man ihn sammt seinem Kernkörperchen zer- fliessen (Fig. 6). Die Vereinigung der beiden Zellen ist meist in wenigen Mi- nuten vollendet. Die Hautschicht der einen Zelle verschmilzt mit der Hautschicht der andern, ebenso das Körnerplasma beider Zellen; auch haben sich, wie de Bary bereits bemerkte), die beiden Chlorophylibänder an ihren Enden vereinigt. Die Zell- kerne beider Zellen sind aber aufgelöst worden: das Copulations- product ist kernlos. Dieses Copulationsproduct will ich hier als Zygote bezeichnen, I RIea DD. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 439 um so die Zusammensetzung des Wortes mit „Spore“ zu ver- meiden. — Die Zygote entspricht einem Product aus Ei und Spermatozoid und darf daher nicht länger die Bezeichnung Spore tragen, die auf ungeschlechtlich erzeugte Reproductionszellen an- gewandt wird und auf diese beschränkt werden müsste.!) Die sich mit einander vereinigenden Protoplasmamassen will ich aber Gameten nennen. Gleich nach vollendeter Vereinigung beider Gameten beginnt sich die Zygote stark zu eontrahiren und zwar bis zu völligem Schwinden ihres ursprünglichen Lumens. Diese Contraetion ist in einer halben bis einer Stunde vollendet. Die Chlorophylimassen werden hierbei mehr nach dem Innern zu gedrängt, während die Peripherie von farblosem, schaumigem Protoplasma eingenommen erscheint. Die Zygote ist mehr oder weniger kugelig (Fig. 7). Nach etwa 24 Stunden war die Zygote wiederum vergrössert, sie hatte ellipsoidische Gestalt angenommen und zeigte auch wieder ein mit Zellsaft erfülltes Lumen im Innern (Fig. 5). Die Chloro- phylimassen waren von Neuem bis an die Peripherie gerückt und zeigte sich letztere von einer zarten, doch deutlich doppelteontourirten Cellulosemembran umgeben. Bei der von mir untersuchten Art erfolgte die Copulation stets ohne Rest, d. h. der Gesammtinhalt beider copulirenden Zellen wurde in die Zygote aufgenommen. De Bary hat hingege:: auch Fälle beobachtet und zwar vornehmlich bei Spirogyra Heeriana, wo ein kleiner, blasenförmiger Inhaltstheil der übertretenden Zelle, jenseits der Querwand, in dem Copulationskanale zurückblieb und somit von der Copulation ausgeschlossen wurde. ?) Bei der Keimung tritt der Zellkern alsbald wieder auf; de Bary konnte denselben in einzelligen Keimpflänzchen zuweilen, doch nicht in allen Fällen, auffinden. In zweizelligen Keimlingen war er stets vertreten. °) Es ist grosse Neigung vorhanden, auch die Vereinigung der amoeboiden Schwärmer bei den Myxomyceten als einen Geschlechts- act aufzufassen; hierfür könnte freilich nunmehr auch das Ver- halten ihrer Zellkerne angeführt werden. Cienkowski gibt nämlich 1) Das Weitere hierüber in einem demnächst in der botan, Zeitung er- scheinenden Aufsatze. aP1Ye..P: 6- de 440 Eduard Strasburger, an, dass man bei den amoeboiden Schwärmern von Physarum album u. A. m. vor dem Zusammenfliessen deutlich den Nucleus und die eontractile Vacuole wahrnehmen könne, dass aber, sobald die Vereinigung in einem Körper erfolgte, an letzterem der Nucleus nieht mehr sichtbar zu machen sei. !) Die amoeboiden Schwärmer von Dietyostelium mucoroides verhalten sich, der Brefeld’schen Schilderung zufolge, nicht wesent- lich anders; ihre Substanz wird homogener, feinkörniger, ihr Zell- kern unsichtbar, wenn sie in den copulationsfähigen Zustand übergehen. 2) Bei Dyetiostelium geht also das Schwinden des Kermes der Vereinigung voraus, wie übrigens auch bei Spirogyra die übertretende männliche Zelle für alle Fälle kernlos ist, und auch die weibliche ihren Kern nicht mehr aufzuweisen hat, falls sie sich vor Antritt der männlichen Zelle contrahirte. 1) Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. III, p. 419. ?) Abhandl. der Senkenberg. Natur, Gesell. Bd. VII 1869; des Separat- abdruckes p. 4. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 441 Die Copulationsvorgänge bei Acetabularia. Diese Pflanze hatte ich Gelegenheit im verflossenen Herbst und Winter in la Spezia und in Nizza zu beobachten. Die Resultate meiner Untersuchungen sollen demnächst in der botan. Zeitung publieirt werden, hier sei nur der Copulation zwischen den schwärmenden Gameten !) dieser Pflanze erwähnt. Die Gameten werden in grösserer Anzahl aus dem Inhalte der Dauersporen er- zeugt und copuliren nur dann, wenn sie verschiedenen Dauersporen entstammen. Die Gameten zeigen im Allgemeinen eiförmige Gestalt; ihr vorderes Ende ist zugespitzt und farblos und trägt zwei lange Cilien. Der Körper des Schwärmers führt mehrere Chlorophyli- körner mit Stärkeeinschlüssen und zeigt seitwärts in grösserer oder geringerer Entfernung vom farblosen Ende einen rothen Strich. Die Copulation erfolgt normaler Weise in der Art, dass zwei Gameten mit ihren farblosen Enden auf einander stossen, dann aber sich rasch gegen einander umlegen und nun mit ihren Längsseiten in Berührung kommen. Bei jetzt erfolgender Copulation ver- schmelzen die gleichwerthigen Theile beider Schwärmer mit ein- ander. Die Cilieninsertionen liegen dann neben einander und längere Zeit hindurch sieht man die Zygote noch mit ihren vier Cilien schwärmen. Endlich kommt sie zur Ruhe, die farblose Stelle wird eingezogen, die Cilien schwinden, eine Cellulosemem- bran wird auf der Oberfläche der Zygote kenntlich. Der eben geschilderte Vorgang der Copulation ist, wie gesagt, der normale; die vorkommenden Ausnahmen wird man seiner 1) Die Bezeichnung ‚‚Sporen‘“‘ wünschte auch H. Prof. de Bary, mit dessen Aufsatz über Acetabularia der meinige gleichzeitig in der botan. Zeitung er- scheinen soll, nach brieflichen Mittheilungen aufgegeben zu wissen. 442 Eduard Strasburger, Zeit beschrieben finden; letztere können die Vereinigung der gleichwerthigen Theile erschweren, ich zweifle aber nicht daran, dass sich diese Theile in der Zygote zusammenfinden. Der Vorgang, wie ich ihn hier als normal geschildert. schliesst sich aber allen anderen, bei den Chlorosporeen beobach- teten an. Auch in Pringsheim’s Abbildungen der Pandorina Morum !) sehe ich die Gameten in der Zygote so vereinigt, dass die Cilien neben einander zu liegen kommen. Dasselbe findet bei Chlamydomonas multifiliis nach Rostafinski ?), bei Chlamydomonas rostrata nach Garazankin 3), bei Chlamydomonas Pulvisculus nach Reinhard ’), bei Urospora penicilliformis, Chladophora sericea und Enteromorpha compressa nach Areschoug), bei Ulothrix zonota nach Cramer 6) und Dodel-Port?) statt. Für Botrydium granu- latum sind mir die Angaben von Rostafinski®) besonders inter- essant gewesen, denn er fand, dass die Gameten hier nur mit denjenigen Seiten sich an einander legen, an denen sie je eine farblose Vacuole führen. Ausser der Verschmelzung aller der übrigen gleichwerthigen Theile findet dann auch die Verbindung beider Vacuolen zur Bildung des gemeinsamen Lumens der Zygote statt. Nur die rothen Striche an den Gameten zeigen keine nähere Beziehung zu der Copulation; weder suchten noch mieden sie sich während der Vereinigung der Gameten, so kommt es denn, dass sie in der Zygote beliebige Lage zu einander einnehmen können, um übrigens für alle Fälle alsbald zu schwinden. In den Gameten von Acetabularia war nicht die Spur eines Zellkernes nachzuweisen, der übrigens auch der einzelligen Pflanze und ihren Sporen fehlt. Ebenso wenig konnte ich einen Zell- kern bei den ungeschlechtlichen Schwärmsporen von Ulothrix finden, wobei mir aber dort wahrscheinlich wurde, dass die Sub- stanz des Zellkernes, der die Sporen erzeugenden Mutterzelle, an der Bildung der farblosen Mundstellen der Schwärmer sich be- 1!) Monatsber. d. Ak. d. Wiss. in Berlin, 1869. ?) Bot. Zeitung, 1871, p. 786. ?) Ges. d. Freunde der Naturf. ete. Bd. XVI, 2, 1874. *) Arbeiten der russ. Gesell. d. Naturf. Bd. X, 1876. 5) Acta Reg. soc. scient. Ser, III, Vol. IX, Upsaliae 1874. °) Vierteljahrsschrift der naturf. Gesellsch. zu Zürich. Bd. XV, Heft 2, 1870. ®) Zuletzt Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. X, p. 498, 1876. ®) Denkschriften der krakauer Ac. d. Wiss. IlI. Abth., II. Bd. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 4453 theilige.!) In den keimenden Schwärmsporen von Ulothrix sah ich denn auch diese farblose Protoplasmamasse den Zellkern er- zeugen. Bei der Uebereinstimmung, die im Bau der Schwärm- sporen und Gameten bei Ulothrix herrscht, glaube ich annehmen zu dürfen, dass auch bei letzteren an der Bildung der farblosen Mundstelle Kernsubstanz sich betheilige. Diese Substanz könnte dann von der Zygote zur Bildung der farblosen Mundstellen der aus ihr hervorgehenden Schwärmer ?) verwendet werden und bei der Keimung letzterer schliesslich wieder den Kern des Keimlings erzeugen. Durch die Beobachtung von Reinke?) an der den Cutlerien nahestehenden Zanardina collaris wird der Uebergang von der Paarung der Gameten zur Paarung von Spermatozoid und Ei vermittelt. Bei Cutleria unterscheiden sich bereits die schwärmen- den Gameten durch ihre Grösse und werden auch in verschieden- artigen Behältern erzeugt. Der grössere weibliche Schwärmer, sehr wohl schon als Fizu bezeichnen, kommt zur Ruhe, setzt sich seitlich fest, rundet sich ab und zieht seine zwei Cilien ein, wobei seine Mundstelle sich als typischer Empfängnissfleck ausbildet. An diesem dringt alsbald der kleinere, männliche Schwärmer in das Ei; worauf der Empfängnissfleck schwindet und das befruchtete Ei sich mit einer Cellulosehaut umgibt. !) Ueber Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 167. 2) Dodel-Port, 1. c., p. 533. ®) Monatsb. d. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Gesammtsitz. v. 16. Oct. 1876. 444 Eduard Strasburger, Die Befruchtungsvorgänge bei Marchantia polymorpha. Die Entwicklungsgeschichte des Archegoniums, die ich bei dieser Gelegenheit nochmals verfolgte !), zeigte sich völlig über- einstimmend mit den Angaben E. v. Janezewski’s für Preissia commutata. Statt weiterer Beschreibung kann ich daher auf den Aufsatz Janezewski’s verweisen ?), bitte ausserdem meine Figuren 9—17 nebst Tafelerklärung zu vergleichen. Bei der ersten Thei- lung der Centralzelle zerfällt dieselbe in zwei gleiche Hälften (Taf. XXVII, Fig. 11): in die obere Halskanalzelle und die untere Eizelle. Bei der zweiten Theilung zur Bildung der Bauchkanal- zelle rückt der Kern hingegen in das halssichtige Ende der Eizelle und wird von letzterer nur ein kleiner Theil abgetrennt (Fig. 14b). Um den Befruchtungsact direet verfolgen zu können, führte ich durch die weiblichen Receptacula rasch dünne Schnitte und legte dieselben, ohne sie zunächst anzufeuchten, auf ein Deckglas. Dann wurde ein Tropfen Wasser, in das ich zuvor Antheridien sich hatte entleeren lassen, auf die Schnitte gebracht. Jetzt drehte ich das Deckglas um und legte es mit den Rändern auf einen angefeuchteten Papprahmen. Die reifen Archegonien, soweit sie durch das Messer nicht beschädigt worden sind, öffnen sich im Wasser sofort. Den Vor- gang habe ich schon früher beschrieben. ?) Zunächst treten die verschleimten Halskanalzellen, dann die verschleimte Bauchkanal- zelle nach aussen. Die homogenen Theile des Schleimes vertheilen sich im umgebenden Wasser, dienen zum Einfangen der Spermato- !) Vergl. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. VII, 1869—70. ®) Bot. Zeitung 1872, p. 386. SICH pr N: Ueber Befruchtung und Zelltheiluug. 445 zoiden, die körnigen gehen ohne weitere Function langsam zu Grunde. !) Gleich nach Entleerung der Bauchkanalzelle hat sich das Ei abgerundet. Es zeigt einen centralen, homogenen Zellkern, dessen Contouren durch Auflagerung vereinzelter, kleiner Körner noch sichtbarer gemacht werden. Der Empfängnissfleck trat bei den diesmaligen Exemplaren weniger scharf als bei den früher unter- suchten hervor. Die Spermatozoiden (Fig. 19), die, durch den Schleim geleitet, zahlreich in den Hals des Archegoniums eintreten, sind ihrer Klein- heit wegen in demselben nicht zu verfolgen und es lässt sich somit auch ihr Eindringen in das Ei nicht sehen. Die ganze Untersuchung der Marchantia wäre somit ohne Werth für mich gewesen, hätte ich bei derselben nicht so schön das Verhalten des Zellkernes während der Befruchtung studiren können. Der Kern bleibt während der ganzen möglichen Befruchtungszeit erhalten, er wird nicht auf- gelöst. Um sicher zu gehen, beobachtete ich die Eier ununter- brochen von dem Augenblick an, wo sich das Archegonium ge- öffnet hatte, bis zu demjenigen, wo kein bewegliches Spermatozoid mehr in dem Tropfen zu finden war. Stunden lang wurde das Präparat dann weiter unter fortwährender Controle gehalten. Die Schnitte gelang es mir, wie ich sagen kann, zu meiner Ueberraschung, bis zu 14 Tagen lang lebend in der feuchten Kammer zu erhalten. Wurden den Schnitten die Spermatozoiden nicht zugesetzt, so harrte das Ei unverändert viele Stunden lang der Befruchtung. Nach 24 Stunden fand ich es aber für alle Fälle schon alterirt, vor- nehmlich getrübt; der Halskanal über demselben war seiner ganzen Länge nach offen geblieben und man konnte ihn auch so zu Grunde gehen sehen, während bei befruchteten Archegonien als- bald die Schliessung des Kanals erfolgt. Diese Schliessung be- ginnt nach wenigen Stunden; sie trifft zunächst die obere Hälfte des Halses und schreitet von dieser langsam nach dessen Grunde fort (Fig. 20). Nach 10 bis 14 Tagen erscheint aber der obere Theil des Halses desorganisirt und verschrumpft (Fig. 21). Das befruchtete Ei füllt alsbald den ganzen Bauchtheil des Archegoniums aus und es lässt sich an demselben der Beginn der Celluloseausscheidung bemerken. Die gebildete Zellhaut hat nach einigen Tagen eine nicht unbedeutende Mächtigkeit erreicht, ‘) Vergl. auch Zellbildung und Zelltheilung, Il. Aufl., p. 296. 446 Eduard Strasburger, besonders in den dem Halse zugekehrten Theilen; sie zeigt eine bräunliche Färbung. Um den Zellkern treten in den der Befruchtung folgenden Tagen immer zahlreicher werdende kleine Stärkekörner (Fig. 20) auf; sie trüben den Inhalt des Eies. Nach S-10 Tagen sah ich in den Eiern, deren Befruchtung ich direet verfolgt hatte, die erste Theilung. Die meisten Schnitte waren um diese Zeit noch gesund, ihr Chlorophyll lebhaft gefärbt; die das Chlorophyll führenden Zellen hatten zum Theil kurze, seitliche Auswüchse getrieben; der Bauch- theil des befruchteten Archegoniums erschien etwa bis zur halben Höhe von dem heranwachsenden Perianthium umgeben. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 447 Die Pollenkörner der Phanerogamen. Wie im Allgemeinen bekannt, treten kurz vor dem Verstäuben Theilungen in den Pollenkörnern der Archispermen: Cycadeen, Coniferen und Gnetaceen auf. Es wird von jedem Pollenkorn eine kleine Zelle abgeschnitten, die entweder einfach bleibt, oder auch durch fortgesetzte Theilungen sich in einen kleinen Zellkörper verwandelt. Man hat diese Zellen „vegetative‘“ genannt, mit den ähnlich erzeugten in den Mikrosporen der Selaginellen und Isoöten verglichen und als Prothallium-Rudimente gedeutet. Diese Deutung wurde gestützt durch den gleichzeitig von Juranyi für Cycadeen !) und von mir?) für Coniferen geführten Beweis, dass sich, entgegen einer älteren Angabe von Schacht 3), jene vegetativen Zellen an der Pollenschlauchbildung nicht betheiligen. Juranyi eultivirte die Pollenkörner von Ceratozamia longifolia auf ziemlich saftigen Birnstücken, ich diejenige von Pinus Pumilio in Zuckerwasser, und in beiden Fällen zeigte es sich, dass die grosse Pollenzelle es ist, die zum Schlauche auswächst. Die vom Pollenkorn abgeschiedenen Zellen werden aber allmählich inhalts- ärmer und verschrumpfen zuletzt. Juranyi gibt an, dass der Kern der grossen Pollenzelle zu- nächst in seiner Stellung bleibe, wenn der Schlauch aber eine bestimmte Länge erreicht habe, dort verschwinde, um am Ende des Schlauches wieder aufzutreten, respective sich dort auch zu verdoppeln. Bei Zamia integrifolia Ait. gelang es mir zwar nicht, die Culturen so weit zu bringen, dass sich der Zellkern der Pollen- zelle etwa verdoppelt hätte, wohl aber dafür mit voller Sicherheit 1) Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. VIII, p. 39%. ?2) Coniferen und Gnetaceen, p. 126, 1872. 3) Schacht, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. II, p. 144, 448 Eduard Strasburger, festzustellen, dass dieser Zellkern selbst es ist, der in die Schlauch- spitze wandert. Entschwindet er eine Zeit lang der Beobachtung, so ist er nur von Stärkekörnern des Schlauches verdeckt. Der sicherste Nachweis des Gesagten gelingt leicht, wenn man in (am besten fünfprocentiger) Zuckerlösung eultivirte Pollenzellen, mit 1%, Osmiumsäure behandelt und dann mit Beale’schem Car- min färbt. Die Stärkekörner werden dabei zerstört, die Zellkerne färben sich intensiv roth und sind auf ihrer ganzen Wanderung leicht zu verfolgen. Die Figuren 22 und 23, Taf. XXVI sollen zwei bereits vorgeschrittene Zustände dieser Wanderung darstellen. Auch die vegetativen Zellen haben Farbstoff aufgespeichert, sie sind auf diesem Zustande bereits in Rückbildung begriffen. Die Cultur des Zamia-Pollens gelingt nur ganz ausnahms- weise, da die Schläuche relativ nur sehr langsam gebildet werden und somit den niederen Organismen Zeit lassen, sie in ihrer Ent- wicklung zu unterdrücken. Bei Pinus Pumilio, deren Pollenkörner ich auch jetzt wieder in Zucekerwasser eultivirte, geht der Zellkern sofort in den Schlauch hinein und bleibt in demselben so lange erhalten, als überhaupt nur die Pollenkörner am Leben bleiben (Taf. XXVII, Fig. 25). Durch Ueberhandnehmen von Bacterien, von Hefezellen und Schimmel- pilzen gehen aber die Culturen auch hier nach spätestens 8 bis 10 Tagen zu Grunde. Am längsten erhielt ich sie, wenn ich Thymol in tausendfacher Verdünnung der 10—30 %, Zuckerlösung zusetzte. Dieser Zusatz verhindert zunächst auch die Schlauch- bildung ; nach etwa 2 Tagen, wenn ein Theil des Thymols verflüchtigt war, pflegte diese jedoch einzutreten !), während die Vermehrung der zugleich mit den Pollenkörnern eingeführten niederen Orga- nismen noch für mehrere Tage aufgehalten wurde. In reiner Zuckerlösung trieben die Pollenkörner meist zwei unverzweigt fortwachsende Schläuche. Der Thymolzusatz influirte meist aber die Entwicklung in der Art, dass wenige Stärke gebildet wurde und die Schläuche sich sofort nach der Anlage wiederholt gabelten (Fig. 26, Taf. XXVII). Die in Zuckerwasser austreibenden Pollenkörner bilden zahl- reiche, grosse Stärkekörner, die jedoch stets in einer gewissen Entfernung von den fortwachsenden Schlauchenden gehalten wer- den. Letztere zeigen zu äusserst nur homogenes, weiter nach *) Salieylsäure in tausendfacher Verdünnung tödtete die Pollenkörner, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 449 innen feinkörniges Protoplasma, in dem eine langsame Strömung festzustellen ist. Den Angaben Hofmeister’s!) zu Folge, bilden sich häufig im erwähnten unteren Ende der Pollenschläuche der Coniferen, beim Herannahen des Zeitpunktes der Befruchtung, freie sphärische Zellen. Auch ich konnte mich von dem Vorhandensein solcher Zellen schon bei wiederholter Gelegenheit überzeugen. 2) Jetzt wurden meine Untersuchungen nochmals speciell auf diesen Punkt gerichtet. Das günstigste Object schien mir eine Cupressinee abzugeben, wegen ihrer relativ nur kurzen und weiten Schläuche, auch ihres völligen Mangels an Stärkekörnern: ich wählte Juni- perus virginiana. Führt man zarte Schnitte durch den Eichenkern der zu ver- schiedenen Entwicklungszeiten mit absolutem Alkohol fixirten Eichen, so kann man leicht den ganzen Zusammenhang der Vor- gänge im Pollenschlauch überblicken. Der Zellkern der grossen Pollenzelle wandert in den Schlauch und hält sich nah an dessen Ende. Hier theilt er sich in zwei und mit diesem Vorgang ist eine gleichzeitige Theilung des im Schlauchende angesammelten Protoplasma verbunden. Beide mit ihren respectiven Kernen ver- sehenen nackten Plasmamassen runden sich gegen einander ab (Taf. XXVL, Fig. 28). Die obere Zelle theilt sich nicht mehr, die untere hingegen führt noch weitere Theilungen aus. Diese pflegen einzutreten zu der Zeit, wo das Wachsthum des Pollenschlauches, nach längerer Ruhe, von Neuem anhebt. Da drückt sich die untere Zelle meist der Schlauchsspitze dicht an und ihr Zellkern zerfällt in zwei (Fig. 29), dann die beiden häufig noch in je zwei Kerne. Die Plasmatheile um die neuen Kerne pflegen sich aber nicht mehr scharf gegen einander zu sondern (Fig. 50). Cryptomeria japonica zeigt ganz die gleichen Entwicklungs- zustände; ebenso fand ich aber auch bei Picea vulgaris und Pinus Pumilio je zwei Kerne im Pollenschlauche, so dass ich meine, es handle sich hier um eine ganz allgemeine Erscheinung bei den Coniferen. °?) War die Verdoppelung der Kerne, die Juranyi bei Cerato- zamia gesehen, auch die Vorbereitung zu einem ähnlichen Vor- !) Vergl. Unters., p. 132 und Jahrb. f. wiss. Bot. I, p. 174 und 176. ?®) Coniferen und Gnetaceen, p. 281. 3) In diesem Sinne bitte ich meine Angaben in den Coniferen und Gne- taceen, p. 281 zu verbessern, 450 Eduard Strasburger, gange, so würde derselbe sich vielleicht über sämmtliche Archi- spermen erstrecken. In den stärkereichen Pollenschläuchen von Pinus und Picea halten sich die plasmatischen Zellen ebenfalls in dem Schlauch- ende (Fig. 27). Zu der Zeit aber, wo die beschriebenen Vorgänge sich in den Schläuchen abspielen, sind die vegetativen Zellen im Pollenkorn schon vollständig resorbirt (vergl. die Figuren). Die eigenthümlichen Vorstellungen, welche sich Tschistiakoff von den Anlagen der vegetativen Zellen im Inneren der Pollenkörner bei den Coniferen und von dem „Keimungsprozess“ dieser Pollen- körner bildete !), kann ich hier füglich übergehen. Erwähnt sei nur, dass er die vegetativen Zellen durch wiederholte Theilung der Pollen- zellen und weiter auch frei sich bilden liess und dann schilderte: wie bei der „Keimung von Pinus und Abies im Schlauche eine grosse Zelle durch freie Zellbildung entsteht und durch Auflösung des Schlauches befreit wird, oder der ganze Inhalt des Pollenkorns in eine grosse Zahl Zellen zerfällt.“ Im Gegensatz zu den Archispermen sollen die Pollenkörner der Metaspermen: Monocotyledonen- und Dicotyledonen - Pflanzen, nie Zellbildung im Inneren zeigen. Diese Behauptung ist auf so zahlreiche Untersuchungen gestützt, dass ich in der That nieht wenig überrascht war, gleich in den ersten Pollenkörnern, die ich kurz vor der Reife untersuchte, vegetative Zellen aufzu- finden. Freilich waren es nicht diejenigen Zellen, welche Karsten ?) und Pollender ?) den Pollenkörnern vindieirt haben, vielmehr in jedem Pollenkorn je eine Zelle, die ihrer Gestalt und Anlage nach durchaus der einen vegetativen Zelle im Pollen von Pinus Pumilio entsprach. Jedem, der sich reife Pollenmassen der Orchideen ansieht, muss es auffallen, dass die einzelnen Pollenkörner je zwei Zell- kerne führen; die Einwirkung des umgebenden Wassers lässt sie alsbald scharf hervortreten und es ist in der That auffallend, wie so diese Verhältuisse bis jetzt unbemerkt geblieben sind. Ich fand sie bei sämmtlichen untersuchten Orchideen. Die beiden 1) Vergl. Bot. Zeitung 1875, Sp. 99—103 und Actes du Congres Botan. Internat. de Florence, 1875. ®) Das Geschlechtsleben der Pflanzen und die Parthenogenesis, p. 26. Berlin 1860. ®) Ueber das Entstehen und die Bildung der kreisrunden Oeffnungen in der äusseren Haut des Blüthenstaubes ete. Bonn 1867, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 451 Kerne werden, sobald das Wasser auf sie einwirkt, stark licht- brechend und sind von einander nieht zu unterscheiden, es sei denn, dass das umgebende Protoplasma von einem der beiden zurücktritt und dieser nun gleichsam in einer Blase zu liegen kommt (Taf. XXVII, Fig. 43—45). Diese Erscheinung tritt sehr häufig ein. Durch eingehende Untersuchung kann man feststellen, dass das Kernkörperchen des einen Zellkernes im Allgemeinen kleiner als dasjenige des anderen ist. Das Vorhandensein je zweier Zellkerne im reifen Pollenkorn ist auch für die anderen Monocotylen nicht schwer zu constatiren, wenn nicht direet, so mit Hülfe chemischer Reagentien, oder ein- facher noch durch Zerdrücken des Pollenkornes, wobei die beiden Zellkerne mit dem übrigen Inhalte meist hervortreten. Der eine oder die beiden Kerne lassen dabei oft eigenthümliche Gestaltung erkennen. Bei Nareissus poeticus ist der eine Kern mehr oder weniger kugelig, mit einem Kernkörperchen versehen, der andere spindel- förmig, ohne Kernkörperchen, doch mit gelblich gefärbten Körnchen an seinen beiden Polen (Taf. XX VIII, Fig. 51). Hat man einen solchen Zellkern herausgedrückt, so quillt er im umgebenden Wasser, wo- bei seine beiden scheibenförmigen, durch die gelben Körnchen markirten Pole scharf hervortreten. Die Entwicklungsgeschiehte lehrt, dass dieser spindelförmige Zellkern durch Metamorphose aus einem mit Kernkörperchen versehenen kugeligen hervorgeht. Bei Allium-Arten sind beide Zellkerne wurstförmig gestaltet (Fig.36) und gekrümmt, im reifen Zustande von homogenem Pro- toplasma ohne Kernkörperchen gebildet. Bei Dicotyledonen ist es meist schwer, in unversehrten Pollenkörnern die beiden Zellkerne zur Anschauung zu bringen; in dem herausgedrückten Inhalte habe ich sie aber bis jetzt nie vermisst. In seltenen Fällen treten sie auch schon im Pollenkorn scharf hervor, so bei Monotropa Hypopitys, wo der eine Zellkern vorwiegend oval, der andere spindelförmig erscheint. Rheum (Taf. XXVIL, Fig. 62) lässt die beiden Zellkerne auch wohl noch er- kennen, bei Gloxinien (Fig. 65a u. 65b) zeigen sie sich niemals. Untersucht man den Inhalt der Pollensäcke bei Allium fiıstulosum in Blumenknospen von 4—5 Mm. Höhe, also nachdem sich die Pollenkörner schon längst gegen einander befreit haben und ihrem Reifezustand entgegengehen, so findet man in einzelnen Körnern den Zellkern der einen flachen Wand des Kornes ge- nähert (Taf. XXVIL, Fig, 32), in anderen an dieser Stelle zwei nahe Bd. XI. N. F. IV, 4, sl 452 Eduard Strasburger, an einander gelagerte Kerne (Fig. 33). Die weitere Beobachtung lehrt, dass der eine der beiden Zellkerne, der der Pollenhaut an- lagernde, von dem anderen durch eine uhrglasförmig gekrümmte, der Pollenhaut aufsitzende Wand getrennt ist. Wir sehen also, dass hier, ähnlich wie bei den Coniferen, und auf dem gleichen Entwicklungszustande, das ursprüngliche Pollenkorn in eine grosse und in eine kleine Schwesterzelle zerfällt.!) Die trennende Wand wird aber nur von protoplasmatischer Hautschicht gebildet; zur Ausscheidung von Cellulose kommt es hier nicht, und wenn wir auch noch die kleine Zelle auf dem Stadium der Fig. 34, Taf. XXV1I erblicken können, so ist die trennende Hautschicht doch schon auf dem nachfolgenden Entwicklungszustande aufgelöst und die beiden Zellkerne gegen einander befreit. In Fig. 35 haben die beiden befreiten Zellkerne noch ihr Kernkörperchen, der eine beginnt aber bereits sich spindelförmig zu strecken; bis schliesslich im fertigen Zustande beide, wie das schon erwähnt wurde, homogen und wurstförmig werden. Bei den Orchideen geht die Abgrenzung der vegetativen Zellen an den oberen Knospen vor sich, während die unteren sich schon in Blüthe befinden. Der Vorgang ist für Platanthera bifolia durch meine Figuren 41 und 42, Taf. XXVII dargestellt. Die Zellkerne rücken hier meist in die Ecken der jungen Pollenzellen, um sich zu theilen, daher auch für gewöhnlich die vegetativen Zellen je eine Ecke der Pollenkörner einnehmen. Sie werden hier relativ gross angelegt (Fig. 42). In nächstälteren Knospen findet man bereits beide Zellkerne in gemeinsamem Protoplasma eingebettet. Die Figur 48, Taf. XX VII gibt den Theilungszustand bei Nar- eissus wieder. Der Kern der grossen Zelle liegt der Peripherie der kleinen an und beginnt bereits spindelförmig zu werden. Er ist es hier allein, der diese Gestalt annimmt. Am schönsten ist vielleicht der Theilungsvorgang bei Rheum- Arten zu verfolgen. Bei Rheum hibridum unseres Gartens fehlen die sonst öfters die Untersuchung störenden Stärkekörner in den sich theilenden Pollenzellen. Das feinkörnige Protoplasma erfüllt auch nur das 1) Nach einer Abbildung Tschistiakofl’s zu urtheilen, scheint derselbe ein- mal eine solche vegetative Zelle bei Epilobium angustifolium erblickt zu haben, — er gab ihr eine ganz abenteuerliche Deutung. Die Figuren-Erklärung lautet: „Neuer Nucleus (?) n‘ ist bei Anwesenheit der Ueberreste des älteren Pronucleus n ausgebildet.“ Jahrb, f. wiss. Bot. Bd. X, Taf. IV, Fig. 33 und p. 47, 1875. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 453 Korn als dieker Wandbeleg. In letzterem liegt der Zellkern. Wenige Tage vor dem Verstäuben der Blüthen sieht man das Wandplasma um den Zellkern sich sammeln (Taf. XXVIIL, Fig. 53 und 54); dieser theilt sich alsbald. Um die Einzelheiten des Vorgangs verfolgen zu können, entleerte ich die Pollensäcke rasch in 3%, Zuckerwasser und fügte dann einen Tropfen 1°), Osmium- säure hinzu. Alle Verhältnisse treten nach einigen Minuten scharf hervor. Der Zellkern lässt öfters vor der Theilung eine radiale Anordnung kömiger Elemente in seiner Peripherie erkennen (Fig. 54), dann geht er in die Spindelform über (Fig. 55). Auf dem nachfolgenden Stadium erscheint er getheilt, seine beiden Hälften durch Kernfäden verbunden (Fig. 56). Innerhalb der Kernfäden wird die Hautschiehtwand ausgebildet, die ich früher als Zellplatte bezeichnet habe und trennt die vegetative Zelle von ihrer grösseren Schwesterzelle. Die Lage des Kerns der grösseren Zelle wird meist bald verändert, er kann seitlich neben der vege- tativen Zelle sich lagern (Fig. 59), auch auf die entgegenge- setzte Seite des Pollenkornes rücken (Fig. 60). Das Lumen des Pollenkornes verkleinert sich jetzt, bis es endlich schwindet und das ganze Pollenkorn gleichmässig mit Protoplasma angefüllt erscheint. Dann treten grosse Stärkekörner auf. Alsbald wird die Haut- schicht zwischen beiden Zellen wieder resorbirt (Fig. 62). Für die grossblüthige Gloxinia hibrida der Gärten gilt die gleiche Entwicklung (Taf. XXVIIL, Fig. 63 und 64), doch erfolgt sie in den mit Protoplasma und Stärke reich erfüllten Zellen, ist daher weniger leicht zu verfolgen. Die Antheren sind fast fertig ge- bildet in Blüthen, deren Blumenkrone noch weit in ihrer Ent- wicklung zurücksteht. Die Theilung der Pollenzellen geht in Knospen von eirca 22 Mm. Höhe vor sich, während diese Knospen vor dem Oeffnen eine Höhe von circa 40 Mm. zu erreichen haben. Auf Grund zahlreicher Untersuchungen bin ich zu der Ueber- zeugung gekommen, dass die dem Verstäuben vorausgehende transitorische Theilung wohl allen Metaspermen eigen ist. Ich habe dieselbe, um noch ein Beispiel zusammengesetzter Pollen- körner anzuführen, auch bei Pyrola rotundifolia (Taf. XX VIII, Fig. 68) beobachtet. Der Einzige, der zwei Zellkerne in Pollenkörnern bereits ge- schen hatte, ist Hartig. Er lässt bei Tradescantia virginica den Zellkern in zwei Tochterkerne sich theilen. Der eine Zellkern nimmt dann „Trichinenform“, der andere „Handschuhform“ an. 3l* ADA Eduard Strasburger, „Diese Metamorphose der beiden Zellkerne ist,“ schreibt Hartig’), „eine sehr eigenthümliche und beachtenswerthe, da sie sich bei den Pollenkörnern der meisten Pflanzen vorfindet. Wenn auch nicht so ausgebildet als bei Tradescantia, fand ich sie bei Campanula, Oenothera, Lilium, Clematis, Allium. Um sie zu sehen, muss man die fast reifen Pollenkörner unter Deckglas in Carmin- glycerin zerdrücken und das Präparat 12— 24 Stunden stehen lassen. In dieser Zeit haben sich die Zellkerne tiefer roth gefärbt als alle übrigen Pollentheile und finden sich nach Verschiedenheit der Druckstärke theils noch im Innern der Pollenkörner in ihrer normalen Lage, theils in der herausgepressten Fovilla.“ Diese Angaben Hartig’s waren mir und, wie es scheint, auch den meisten andern Botanikern bisher entgangen; ich freue mich, noch in letzter Stunde, nach Abschluss meines Manuscripts, auf dieselben aufmerksam geworden zu sein und sie hier einfügen zu können. Ich habe bei vielen Metaspermen auch das Austreiben der Pollenkörner in künstlicher Nährstofflösung verfolgt. Nachdem ich es mit verschiedenen Flüssigkeiten versucht hatte, bediente ich mich schliesslich nur noch Zuckerlösungen. Rohr- und Traubenzucker sind den Pollenkörmern gleich zuträglich; doch muss man nach der Pollenart die Concentration der Lösung ver- ändern. Da die Pollenschläuche sehr rasch wachsen, so bilden die in den Zuckerlösungen alsbald Oberhand nehmenden niederen Organismen weiter kein störendes Moment für die Unter- suchung. Dass viele Pollenkörner auch in reinem Wasser Schläuche treiben können, dass diese Schläuche dann so lange fortwachsen, bis alle Reservestoffe des Pollenkorns verbraucht sind, hat schon Van Tieghem gezeigt. ?) Ich eultivirte die Pollenkörner in den schon erwähnten feuchten Kammern. Die Schlauchbildung beginnt fast sofort, und ich habe bei Gloxinia hibrida in 3%, Zuckerlösung bei einer mittleren Zimmertemperatur von eirca + 24° 6., in verdunkeltem !) Botanische Untersuchungen aus dem phys. Labor. der landw. Lehranst. in Berlin, herausgeg. von Karsten, 1866, 3. Heft, p. 294 und Fig. 2x, y, z, Taf. XVII. ®2) Ann. d. sc, nat. Bot. 5. Ser. T. XII, p. 314, 1869. In einigen ganz wenigen Fällen beobachtete sie schon v. Mohl. Beiträge zur Anat. u, Phys. Erstes Heft, p. 97, 1834, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 455 Raum, in den günstigsten Fällen einen stündlichen Partialzuwachs bis zu 0,1 Mm. beobachten können. Das Wachsthum hatte dann die gleiche Intensität wie innerhalb des Griffels erreicht. Die Länge des Griffels beträgt eirca 40 Mm., der Weg von der Narbe bis zu dem Eichen wird aber von den Schläuchen in etwa 36 Stunden zurückgelegt, was ebenfalls annähernd ein Wachsthum von 0,1 Mm. pro Stunde ergibt. !) Das Licht retardirt das Wachs- thum; nichtsdestoweniger konnte ich wiederholt unter dem Mikro- skop bei 900facher Vergrösserung die Schlauchspitze fast unmittel- bar fortrücken sehen. Alle Pollenschläuche der Metaspermen zeigen die wunder- schönste Protoplasmaströmung und bei der Leichtigkeit, mit der solche Schläuche in den Culturen zu erlangen sind, dürften sie als besonders günstige Objecte zu Demonstrationen empfohlen werden. Ueber Strömung in den Schläuchen existiren zahlreiche Lite- raturangaben von Amici an bis auf die neueste Zeit.?) Häufig sah ich in diekeren Schläuchen zahlreiche Ströme neben einander, oft in entgegengesetzter Richtung, verlaufen. Die Strömung be- ginnt im Inneren des austreibenden Kornes, sobald sich der proto- plasmatische Inhalt desselben gegen einzelne Vacuolen gesondert hat. Das Fortrücken einer wachsenden Schlauchspitze erinnert auffallend an das Vordringen eines Plasmodiumzweiges. Die Schlauchspitze ist, wie dort das Zweigende, von farblosem, körner- freiem Plasma gebildet, und die körnchenführende, strömende Masse folgt erst in einiger Entfernung. Freilich ist hier die Schlauchspitze von einer Cellulosemembran umgeben, doch diese, ungeachtet ihrer nicht unbedeutenden Stärke, ist in ihrem Brechungsvermögen so wenig von der anstossenden farblosen Protoplasmamasse verschieden, dass die Grenze zwischen beiden in frischem Zustande nicht zu erkennen ist. Erst durch Anwen- dung chemischer Reagentien, die einen Rücktritt von der Cellu- losewand veranlassen, wird deren innere Contour deutlich sichtbar. Die beiden Zellkerne des Pollenkorns werden mit in den ‘) Andere Pollenschläuche scheinen noch viel rascher zu wachsen. Vergl. Hofmeister’s Abhandl. der mat.-phys. Cl. der S. Gesellsch. d. Wiss. Bd. V, p- 682. ?) Vergl. unter Anderen: Amici, Ann. d. sc. nat. Bot. I. Ser. 21, p. 329, 1830. — Fritsche, Mem. de l’Ac, de St. Petersb. 1837, p. 57. — Schacht, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. II, p. 148, 1860. — Hofmeister, Lehre von der Pflanzen- zelle, p. 39, 1867. — Van Tieghem, Ann. d. sc. nat. 5. Ser. T. XII, 1869. 456 Eduard Strasburger, Schlauch geführt und mit dieser ihrer Bestimmung hängt ihre frühzeitige, bereits besprochene Gestaltsveränderung zusammen. Bei den Orchideen tritt constant der Kern mit grösserem Kernkörperchen, also derjenige, welcher der grösseren Pollenzelle angehörte, zuerst in den Schlauch, dann erst folgt der Kern mit kleinerem Kernkörperchen, der in der vegetativen Zelle lag (Taf. XXVI, Fig.46, 47). Die Kerne hatten sich auf späteren Zuständen der Schlauchbildung meist stärker gestreckt; zuletzt gelang es mir oft nur noch den vorderen Kern nachzuweisen ; der hintere war dann, selbst bei Anwendung von Osmiumsäure und färbenden Mitteln, nicht mehr aufzufinden. Bei Allium-Arten können die Kerne nur schwer in den Schlauch hinein und folgen in ihrem Eintritt fast erst allem übrigen Plasma. Oft sieht man sie längere Zeit im Schlaucheingange stehen und denselben vollständig versperren (Taf. XXVI, Fig. 57), bis sich endlich einer hinter dem anderen in denselben drängt. Wie schon erwähnt, sind die beiden Kerne hier nicht gegen einander zu unterscheiden. Sie halten sich meist in grösserer Eee vom Schlauchende als bei Orchideen. Der spindelförmige Kern von Nareissus scheint ebenfalls dem anderen, aus der vegetativen Zelle stammenden, im Schlauche vor- auszuwandern. Bei Monotropa ist es auch der längere Kern der grösseren Zelle, der vorangeht (Taf. XXVIII, Fig. 67); nur äusserst selten sah ich einen längeren Zellkern hinten und möchte fast vermuthen, dass in solchen Fällen ausnahmsweise der Kem der grösseren Pollenzelle sich weniger als derjenige der kleineren vegetativen gestreckt hatte. In dem Schlauche der Gloxinia hibrida war es sehr schwer, sich von dem Vorhandensein der Kerne zu überzeugen, doch ge- lang mir dies wiederholt, wenn ich die Schläuche mit 1%, Osmium- säure getödtet und dann mit Beale’schem Carmin gefärbt hatte. In dem Maasse als die Schläuche wachsen, entleeren sich ihre hinteren Partieen und werden durch ausgeschiedene Cellulose- pfropfen abgeschlossen (Taf. XXVIIL, Fig. 40 und 48). Manchmal entstehen statt vollkommener Propfen seitliche Auswüchse der Zell- wand, welche auf einander stossen (Fig. 40). Nur äusserst selten wird ein Theil des Protoplasma durch einen solchen Propfen ab- geschnitten und fährt dann fort, für sich zu strömen, bis er abstirbt. In den Pollensehläuchen der Orchideen, die man in so be- deutender Länge aus den Ovarien herausnehmen kann, sind die Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 457 genannten Verschlüsse am schönsten zu beobachten, sie finden sich in grosser Zahl und grösseren oder geringeren Abständen in jedem Schlauche. Ich beobachtete ihr Auftreten übrigens auch in allen meinen Culturen, sobald die Schläuche nur die erforderliche Länge erreicht hatten. Nach 12—24 Stunden pflegten die Schläuche in den Culturen am Scheitel zu platzen und einen Theil ihres Inhalts zu entleeren, hin und wieder zuvor keulenförmig anzuschwellen. Besonders zahlreiche Rupturen sah ich erfolgen, sobald die Präparate dem intensiven Lichte unter dem Mikroskop ausgesetzt wurden. Verzweigungen an den Pollenschläuchen der Metaspermen habe ich in den Culturen nur sehr selten beobachten können. 458 Eduard Strasburger, Die Embryosäcke der Phanerogamen. Bei den Archispermen werden die Embryosäcke in Mehrzahl oder Einzahl angelegt, doch kommt, seltene Ausnahmen abge- rechnet, nur einer zur Entwicklung. Den neuesten Angaben Warming’s zu Folge wird im Centrum des Eichenkerns bei Cycadeen eine Gruppe ellipsoider Zellen sichtbar, die sich durch ihren Charakter besonders auszeichnet und die Mutterzellen der Makrosporen oder Embryosäcke darstellt. Eine mehr oder weniger centrale Zelle aus dieser Gruppe entwickelt sich allein weiter. !) Bei den Coniferen wird, so weit die Angaben Hofmeister’s reichen, eine Zelle des mittelsten Zellstranges im Eichenkern zum Embryosack. Als seltene Ausnahme, und nur bei Taxineen als Regel, soll die Zahl der Anlagen grösser sein, auch da kommt meist nur eine zur Entwiekelung. ?) Der primäre Zellkern des Embryosackes wird bei den Coni- feren bald aufgelöst und freie Zellen bilden sich im Wandbeleg; sie füllen, sich seitlich vereinigend und weiter durch Theilung vermehrend, alsbald den ganzen sich rasch vergrössernden Embryo- sack aus.®) Bei Coniferen mit zweijähriger Samenreife sollen nach Hofmeister diese Zellen wieder gelöst und dann nochmals dureh freie Zellbildung regenerirt werden; für alle Fälle schreitet dann die Entwickelung für Coniferen mit einjähriger, wie mit zweijähriger Samenreife gleichartig fort. Wie mich meine Untersuchungen an Abies canadensis zunächst lehrten, nehmen einzelne der im Embryosack erzeugten, an dessen 1) Mittheilungen vom internat. bot. Congress in Amsterdam (10.—17. April 1877), in der Revue scientif. de France et de l’Etranger, vom 26. Mai 1877. ?®) Vergl. Untersuch., p. 127, 1851. 3) Hofmeister, 1. e., p. 127 u. ff. und meine Befruchtung bei den Coniferen, p- 5, 1869. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 459 Scheitel gelegenen Zellen, an der Theilung der übrigen nicht Theil und zeichnen sich auch sonst durch ihre Grösse aus. Aus ihnen gehen die s. g. Corpuseula hervor. Der Uebereinstimmung wegen, welche das innere Gewebe im Embryosack und die Corpuseula mit den Prothallien und Archegonien der höheren Kryptogamen zeigen, habe ich auch erstere hier mit den gleichen Namen belegt. Das Archegonium der Coniferen und, wie ich auch hinzufügen kann, der Cycadeen entwickelt sich durchaus ähnlich der Central- zelle des Archegoniums der höheren Kryptogamen.!) Zunächst zerfällt die einzellige Anlage in eine äussere kleine und in eine innere grössere Zelle. Die äussere an die Embryosackwand an- stossende Zelle ist die Halskanalzelle, die entweder einfach bleibt oder auch alsbald in mehrere über und neben einander liegende Zellen zerfällt. Die innere grosse Zelle ist die Embryonalzelle; sie füllt sich langsam mit schaumigem Protoplasma und bildet das Ei. So lange dieses Ei noch jung ist, führt es den Zellkern in seinem organisch unteren, d. h. an die Halskanalzelle anstossenden Ende; dann, kurz vor der Befruchtungszeit, sieht man den Kern sich dort theilen und von dem Ei durch Hautschicht eine kleine Zelle abgetrennt werden, welche durchaus der Bauchkanalzelle der höheren Kryptogamen entspricht. Der dem Ei bei der Theilung zugefallene Kern wandert jetzt langsam, sich bedeutend ver- grössernd, nach der Eimitte. 2) In diesem Zustande harret das Ei der Befruchtung. Für die Anlage und Weiterentwickelung der Embryosäcke bei den Metaspermen besitzen die Hofmeister’schen Angaben ®) jetzt fast allgemeine Geltung und stützt sich auch Sachs auf die- selben in seinem Lehrbuch. *) Nach Hofmeister soll nun der Embryosack bei den Orchideen mit sehr einfach-gebauten Eichen?) aus der vordersten Zelle der 1) Vergl. auch meine Coniferen und Gnetaceen, p. 274 u. ff, 1872 und Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 293 u. ff. 1876. Auch die Mit- theilung Warming's, 1. c., p. 1140. ?) Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 294. ®) Abhandl. der mat.-phys. Cl. der K. S. Ges. der Wiss. Bd. IV, 1859 und V, 1861. +) Vergl. Anmerkung 2, p. 558 in der IV. Aufl. °) Da die morphol. Deutung dieser Gebilde noch immer eine Streitfrage bildet, ziehe ich es vor, sie hier Eichen und nicht „Samenknospen‘“ zu nennen; 460 Eduard Strasburger, axilen Zellreihe hervorgehen und sonst auch immer, auch wo er tiefer liegt, einer axilen Zellreihe seinen Ursprung verdanken. Sachs macht darauf aufmerksam, dass der Nachweis einer solchen axilen Zellreihe bei kleinzelligen Eichen, besonders der Dieotylen, sehr schwierig wird und dass auch Fälle vorkommen, wo mehrere Embryosäcke angelegt werden. Ja das Hofmeister'sche Schema der Orchideen scheint ihm selbst unter den Monoeotylen nicht überall zu passen. !) Nach Hofmeister werden die „Keimbläschen“ und „Gegen- füsslerinnen der Keimbläschen“, insofern solche vorkommen, durch freie Zellbildung angelegt. Der primäre Zellkern des Embryo- sackes betheiligt sich nieht an ihrer Bildung, vielmehr treten im oberen und unteren Ende des Embryosackes, wo der protoplas- matische Wandbeleg von besonderer Mächtigkeit ist, freie Zell- kerne auf, um welche sich je ein Ballen Protoplasma ansammelt. Keimbläschen sollen zwei?) bis drei, in seltenen Ausnahmefällen eine grosse Anzahl gebildet werden; sie bleiben für gewöhnlich nackt. Die Gegenfüsslerinnen können fehlen, meist sind sie in Dreizahl vorhanden; bei den monopetalen Dieotyledonen ist in der Regel nur eine ausgebildet und häufig von einer Cellulose- Membran umgeben. So weit Hofmeister’s Beobachtungen reichen, nimmt stets nur eines der „Keimbläschen“ den Scheitelpunkt der oberen Wölbung des Embryosackes ein. Das zweite oder das zweite und dritte sind zwar dieht neben diesem, aber doch etwas tiefer mit ihrem oberen Ende der Innenwand des Sackes angeschmiegt. Sachs gibt in seinem Lehrbuch nur ein Keimbläschen für Rheum undulatum an und nimmt auch noch einige von den Schacht’schen Angaben in seinen Text auf, welche weiter unten berücksichtitg werden sollen. Es lag ursprünglich gar nieht in meiner Absicht, die Ent- stehung des Embryosackes oder der „Keimbläschen“ und der Gegenfüsslerinnen in demselben zu verfolgen, vielmehr beabsich- tigte ich, meine Beobachtungen auf den Vorgang der Befruchtung zu beschränken. Bald musste ich aber zu der Ueberzeugung ge- langen, dass die meisten Hofmeister'schen Angaben nicht richtig da ich andererseits die „Keimbläschen“ als Eier bezeichne, so wird man „Eichen“ mit Ei und „Ovulum“ mit „Ovum“ nicht zu verwechseln haben. 1) ], c., p. 558. ®) Die Zweizahl soll der häufigere Fall sein. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 461 sind, und so galt es denn, die betreffenden Beobachtungen von Neuem aufzunehmen. Von den Orchideen mit durchsichtigen Kichen hatte ich die besten Resultate zu erwarten und nahm dieselben zunächst auch vor. Es galt mir, die ganze Continuität der Entwicklung zu gewinnen, und das schien mir nur durch Vergleiche un- zähliger Präparate möglich, wie sie mir eben die Orchideen liefern konnten. Die an Orchideen gewonnenen Ergebnisse sollten mit den- jenigen bei Monotropa, die ebenfalls durchsichtige Eichen besitzt verglichen werden und eventuell dann noch an anderen Objecten auf Schnitten geprüft werden. Die Entwicklungsgeschichte der Orchideen-Eichen ist bis zum Beginn der Embryosackbildung hinlänglich bekannt !), ich hielt mich also mit solchen Zuständen nicht auf, um sofort meine ganze Aufmerksamkeit dem Embryosack zuwenden zu können. Ich wählte vornehmlich Orchis pallens für die Untersuchung. Wie bekannt, wird die Weiterentwicklung der mit zwei Inte- gumentanlagen versehenen Eichen erst durch die Bestäubung an- geregt. Bei Orchis pallens hebt dieselbe ungefähr 10 Tage nach dem Verblühen an und erst dann, wenn sich die Pollenschläuche bereits in der Fruchtknotenhöhlung befinden. Um die eintretenden Veränderungen zu studiren, untersuchte ich die Eichenanlagen in dreiprocentiger Zuckerlösung, und wenn es galt, auch die Kern- theilungen zu verfolgen, setzte ich dieser einen Tropfen einpro- centiger Osmiumsäure hinzu. Wiederholt fixirte ich auch einzelne Entwicklungszustände mit absolutem Alcohol, um sie für spätere Untersuchungen zu erhalten, da es sich zeigte, dass, so vorzüglich die Osmium-Präparate in den ersten Stunden nach der Behand- lung waren, dieselben sich von da an stärker als die Alcohol- Präparate veränderten. Die Untersuchung zeigte zunächst, dass sich die vordere, grosse Zelle der centralen Reihe (Taf. XX VIII, Fig. 72), die auf einem be- stimmten Entwieklungsstadium unmittelbar an die einfache Zell- lage des Eichenkerns stösst, nicht unmittelbar in den Embryo- sack verwandelt. Vielmehr sieht man diese Zelle zunächst sich theilen und nach vorn eine kleinere Zelle abgeben (Fig. 75). Diese kleine Zelle verdoppelt sich bald (Fig. 74). Ist dies aber ge- schehen, so beginnt die Embryosackanlage gegen die beiden Zellen ') Vergl. die Abbildungen bei Sachs; Lehrbuch, IV, Aufl., p. 554. 462 Eduard Strasburger, zu wachsen und dieselben zu erdrücken. Gleichzeitig geht der Embryosackkern eine Theilung ein (Fig. 75) und seine Hälften rücken in die beiden Enden des Embryosackes ein. In den Kern- fäden, die sie ausgespannt, wird eine Zellplatte angedeutet (Fig. 76), doch kommt es nicht zur vollendeten Zelltheilung, viel- mehr werden die Fäden eingezogen und eine Vacuole in der Mitte des Embryosackes gebildet (Fig. 77). Die an den Embryosack stossenden vorderen Zellen sind inzwischen fast vollständig ver- drängt worden, sie sitzen wie eine stark lichtbrechende Kappe dem Embryosackscheitel auf. Gewöhnlich beginnt jetzt auch schon die Desorganisation der den Embryosack umgebenden Zellschicht des Eichenkernes. Manchmal treten auch die beiden Vorgänge später ein (Fig. 78). Auf dem nächsten Entwicklungszustande sehen wir die beiden Kerne des Embryosackes sich wieder theilen (Fig. 78, 79, 80). Die Theilung wird auch hier nicht durch Scheidewandbildung perfect und so finden wir denn als an- schliessendes Stadium je zwei Zellkerne vorn und hinten frei im Embryosack (Fig. 81). Fast das ganze Protoplasma hat sich jetzt dahin gezogen und hängt in der Mitte nur durch eine dünne Wand- schicht zusammen. Die Theilung der beiden Kerne war gleich- zeitig erfolgt und auch jetzt sehen wir wieder beide Kernpaare völlig gleichzeitig in Action treten. Die Theilungen gehen aber nicht mehr in der gleichen Ebene, vielmehr für jedes Paar in mehr oder weniger sich kreuzenden Ebenen von statten, wie das Fig. 52 zeigt. Je drei Kerne sind übrigens in dieser Figur nur zu sehen, weil vorn der linke, unten der rechte Kern den hinter ihm befindlichen deckt. Diesmal wurden Trennungsschichten aus Hautplasma zwischen den Kernen ausgebildet, wodurch wir drei Zellen im vorderen, drei im hinteren Ende des Embryosackes er- halten. Die Vorderspitze wird von den zwei Zellen erfüllt, welehe ihren Ursprung der parallel zu der Längsaxe des Embryosackes erfolgten Theilung verdanken; etwas tiefer an die Seitenwandung des Embryosackes setzt die Zelle an, die den Kern führt, der durch Theilung senkrecht zur Längsaxe des Embryosackes ent- stand. In dem hinteren Ende des Embryosackes liegen die drei Zellen fast in gleicher Höhe, da der Kern, der aus der senk- rechten Theilung zur Längsaxe des Embryosackes hervorging, sich in gleicher Ebene mit den anderen, durch zur Längsaxe parallele Theilung entstandenen, stellte. — Sowohl am vorderen wie am hinteren Ende des Embryosackes fällt der vierte, restirende Kern dem Innenraum des Embryosackes zu Gute (Fig. 52). Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 463 Auf diesem Wege also, nicht durch freie Zellbildung, wird der aus je drei Zellen bestehende Ei- und Gegenfüsslerinnen- Complex bei Orchis und, wie ich hinzufügen kann, auch bei den anderen Orchideen erzeugt. Der Angabe Schacht’s !), die er auf eine Beobachtung an Phormium stützte, dass die „beiden Keimbläschen“ als Tochter- zellen innerhalb einer Mutterzelle entstehen, liegt aber, wie seine Figur 8 (l. e.) zeigt, ein Irrthum zu Grunde. Das, was er als Mutterzelle der „beiden Keimbläschen“ schildert, ist die Contour der dritten Zelle des Eiapparates, die von den „beiden Keimbläs- chen“ verdeckt ward. Auf dem Stadium der Fig. 79 kann bereits die dem Embryo- sack aufsitzende Kappe und der Eichenkern bis auf Spuren re- sorbirt sein; manchmal erhält sich auch der Eichenkern länger, wie Fig. 81 zeigt. Oft bleibt bis zur Reife eine glänzende An- sammlung aus stark lichtbreehender Substanz in Schnabelform am Embryosackscheitel erhalten. Die fertigen Zellen des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen sind fast ausnahmslos in Dreizahl vorhanden. 2) Anderslautende Angaben beruhen auf Irrthum. Die Gegenfüsslerinnen sind in frischem Zustande meist sehr schwer zu sehen, Cellulosewände erhalten sie hier nicht, ihr Inhalt ist aber stark lichtbrechend und man meint nur eine homogene Ansammlung von protoplasmatischem Wandbeleg vor sich zu haben. Daher auch die Behauptung Hofmeister’s, dass die Gegenfüsslerinnen bei Orchideen häufig fehlen. °) Nicht alle drei Zellen des Biapparates sind in verschiedener Höhe inserirt *), vielmehr theilen sich, wie schon erwähnt wurde, zwei völlig gleichmässig in den Scheitel des Embryosackes, die dritte liegt etwas tiefer. Die drei Zellen unterscheiden sich auch in ihrer Gestalt und der Vertheilung ihres Inhaltes. Die beiden vorderen sind mehr zugespitzt und führen ihre Zellkerne in ihrer vorderen Hälfte, während sie nach hinten von je einer grossen Vacuole eingenommen werden. Die hintere Zelle des Eiapparates sitzt vorn mit breiterer Fläche der Embryosackwand an und wird t) Monatsb. d, Ak. d. Wiss. zu Berlin vom Jahrg, 1857, p. 579 und Bot, Zeitung 1858, p. 21. ®) Die Zweizahl soll nach Hofmeister vorwalten, ]. e., p. 672. Dil. 0500: 047 a ea TEE 464 Eduard Strasburger, hier von einer grossen Vacuole erfüllt, während der Kern in der Protoplasmaansammlung ihres hinteren Theiles liegt (Fig. 85). Da sich die angeführten zwei und eine Zelle auch in der Folge verschieden verhalten, so will ich gleich die hintere Zelle als Ei, die beiden vorderen als Ei- Gehülfinnen, auch kurz Ge- hülfinnen oder Synergiden ') bezeichnen, wodurch über ihre mor- phologische Natur noch nichts ausgesagt wird. Da aber das Ei, wie seine spätere Entwicklung lehrt, so im Embryosack orientirt ist, dass es seine organische Basis der Mikropyle zukehrt, seinen organischen Scheitel von derselben abkehrt, so soll auch jetzt schon in dem gleichen Sinne zwischen Basis und Scheitel des Eies unterschieden werden. Ebenso wie das Ei denke ich mir die Gehülfinnen orientirt und bezeichne daher ihre Theile in der- selben Weise. Hingegen werden die Ausdrücke „vorn“ und „hinten“ am Ei oder den Gehülfinnen sich einfach auf die Ver- hältnisse des Embryosackes beziehen, an dem ich „vorn“ das Mikropyl-Ende, „hinten“ das Chalaza-Ende nenne. Fbenso sollen die Ausdrücke „innen“ und „aussen“ nur im Verhältniss zum Em- bryosack gedacht werden. Bekommt man ein Präparat von Orchis pallens um 90° gegen die zunächst besprochene Lage gedreht zu sehen, so deckt die eine Gehülfin die andere (Fig. 57), wodurch der Anschein ent- steht, als seien überhaupt nur zwei Zellen an dieser Stelle vor- handen. Faktisch kommen aber die Fälle mit nur 2 Zellen im Eiapparat äusserst selten vor und dann trifft immer die Reduction die Gehülfinnen. Entweder ist eine derselben frühzeitig resorbirt wordeır oder es ist überhaupt die Theilung des primären Gehülfinnen- Kernes unterblieben. Gleich auf Zuständen, welche der Anlage des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen folgen, sieht man die, von beiden Enden her, an das Embryosackinnere abgegebenen, mit je einem Kern- körperehen versehenen Kerne (Fig. 83) sich in Bewegung setzen. Beide Kerne begegnen sich in der Mitte; oder der vordere erwartet den hinteren; oder umgekehrt (Fig. 85). Sobald aber beide Kerne auf einander gestossen sind, verschmelzen sie mit einander und nur noch ein Kern ist nunmehr im Embryosack vorhanden. Er ist es, der bis jetzt als primärer Embryosackkern bezeichnet wurde. Die Verschmelzung der äusseren Kernmasse scheint leichter zu erfolgen als diejenige der Kernkörperchen, denn wir sehen ‘, Zu ovveoyös helfend, mitwirkend. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 465 dieselben sich oft längere Zeit in Zweizahl erhalten (Fig. 56). Es ist aber, als wenn durch die Verschmelzung der von beiden Enden des Embryosaekes stammenden Kerne, nach erfolgter Abgrenzung des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen, ein Gegensatz, der sich zu Anfang der Entwicklung ausgebildet, wieder ausgeglichen werden sollte. Durch diese Verschmelzung wird der gemeinschaft- liehe Embryosackkern erst wieder zu einem neutralen Gebilde. Ich habe innerhalb eines Fruchtknotens einer etwas ver- späteten Gipfelblüthe viele Eichen vorgefunden, deren Integumente unvollkommen geblieben, deren Embryosäcke aber ganz normal gebildet waren. Die Integumente deckten nur wenig die Embryo- sackspitze und erlaubten ein besonders eingehendes Studium der- selben. Diesen Eichen habe ich einige meiner Bilder entnommen (Taf. XXVII, Fig. 85, 87, 88, Taf. XXIX, Fig. 95). An jenen Eichen nun, doch mehr oder weniger auch an allen anderen normal gebauten, war festzustellen, dass die Basis der Gehülfinnen von einem homogenen Plasma gebildet werde, dem die Körncheneinlagerungen (Taf. XXIX, Fig. 99 und 100) fehlen. Doch zeichnen sich diese Basen hier kaum durch besondere Licht- brechung oder Streifung aus, so dass man sie nicht wohl Faden- apparate nennen kann, wenn sie auch diesen von Schacht zuerst beschriebenen Gebilden entsprechen. Ich werde daher auch in der Folge die Schacht’sche Bezeichnung nicht gebrauchen, son- dern die jedesmalige Differenzirung besonders schildern (Tat. XXVIU, Fig. 85, 86, 8). Die Membran des Embryosackscheitels ist über der Basis der Gehülfinnen besonders zart, oft wie grumös, oft schwer nachzu- weisen. Häufig sitzen ihr, wie schon erwähnt, noch Reste der an dieser Stelle resorbirten Gewebetheile in Gestalt stark licht- brechender Kappen auf. Bis in die Einzelheiten hinein stimmen die Vorgänge im Embryosack von Monotropa mit denjenigen von Orchis überein. Da nun beide Pflanzue nicht nur verschiedenen Familien, sondern auch verschiedenen Abtheilungen der Metaspermen angehören, so war aus ihrer Uebereinstimmung schon einigermaassen auf all- gemeine Bedeutung der bei Orchis gewonnenen Resultate zu schliessen. Monotropa zeigt aber alle Entwicklungszustände noch schöner und deutlicher als Orchis und dürfte zur Prüfung meiner Angaben besonders zu empfehlen sein. Frisch lassen sich die Pflanzen Stunden lang in Zuckerwasser unverändert erhalten. Will man 466 Eduard Strasburger, Theilungsvorgänge der Kerne sehen, so fügt man dem Präparate, gleich nach dessen Anfertigung, einen Tropfen 1%, Osmiumsäure bei und wartet eine Viertelstunde, bis die Wirkung sich vollkommen geltend gemacht. Ich will hier kurz meine Figuren der Monotropa erklären. Taf. XXIX, Fig. 105 stellt die vorderste, nur von einer einfachen Zellschicht des Eichenkerns überzogene Zelle der centralen Reihe in dem Augenblick dar, wo sich ihr Kern zur Theilung anschickt. In Fig. 106 hat sich die von der vorerwähnten abgegebene Zelle durch Theilung verdoppelt, so dass zwei Zellen dem Embryosackscheitel aufsitzen. Der Eichenkern ist bis auf seinen oberen Theil resorbirt. In Fig. 107 theilt sich der Embryosackkern und hat in Fig. 108 seine Theilung vollendet. Fig. 109 zeigt uns wieder beide Kerne in der Spindelform ; Fig. 110 in vorgeschrittener, Fig. 112 und 113 nach vollzogener Theilung. Schon auf dem Zustande der Fig. 108 waren die beiden kurz zuvor erzeugten vorderen Zellen und der Eichenkern resorbirt worden; ihre Reste bilden noch eine kleine, stark lichtbrechende Kappe auf dem Embryosackscheitel. Die je zwei Kerne in dem vorderen und hinteren Ende des Embryosackes sehen wir in Fig. 114 sich nochmals verdoppeln und zwar sind hier besonders schön die sich in jedem Ende kreu- zenden Theilungen zu verfolgen. Fig. 115 zeigt uns den Augenblick, wo die Scheidewände am Eiapparat und an den Gegenfüsslerinnen innerhalb der Kern- fäden zur Ausbildung kommen. In Fig. 116 und 117 haben sich die Anlagen noch nicht gegen einander abgerundet, so dass sie besonders schön ihr gegen- seitiges Verhältniss zeigen. In Fig. 118 und 119 haben sie ihre definitive Gestaltung er- langt und beginnt nun die Wanderung der beiden Embryosack- kerne gegen einander, die alsbald (Taf. XXX, Fig. 120) zu deren Begegnung und Verschmelzung führt (Fig. 121). Ich bin bei Monotropa einer Reduction der Gehülfinnen auf eine kaum jemals begegnet; doch hat es hier auch bei einer Lage des Embryosackes wie in Fig. 121 oft den Anschein, als wenn nur eine vorhanden wäre. Zufälliger Weise kann ein Mal auch das Ei abortiren, wodurch der Embryosack funetions- unfähig wird. Das Ei ist bei Monotropa tiefer als bei Orchis inserirt, daher Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 467 auch die Uebersichtlichkeit der in Fig. 114 und 115, Taf. XXIX dargestellten Theilungen. Wie bei den Orchideen führen die Ge- hülfinnen hier den Kern in ihrer vorderen, die Vacuole in ihrer hinteren Hälfte; das Ei umgekehrt: die Vacuole in der vorderen, den Kern in der hinteren. Die Gegenfüsslerinnen zeigen ganz ähnliche Lagerungsverhältnisse wie die Zelle des Eiapparates. Eine besondere Differenzirung der Basis der Gehülfinnen ist kaum nachzuweisen. Die Embryosackhaut ist sehr dünn über denselben, wird meist liehtbrechender und grumös. Der fertige Zustand von Pyrola rotundifolia wäre von dem- Jenigen bei Monotropa nicht zu unterscheiden, wenn nicht alle Theile hier kleiner wären (Taf. XXX, Fig. 141, 142, 143). In Fig. 144 war eine der beiden Gehülfinnen fast vollständig resor- birt, weshalb ich auf diese Figur besonders aufmerksam mache. Völlig mit Monotropa und den Orchideen übereinstimmende Resultate ergaben mir die Cruciferen. Ich untersuchte Capsella Bursa pastoris und Aubrietia spatulata und zum Theil auch Chei- ranthus Cheiri. Die Eichen der genannten Pflanzen sind so klein, dass sie, zuvor mit absolutem Alcohol fixirt, annähernd mit Kalilauge durchsichtig gemacht werden können. Freilich wären es nicht Objeete, die man zum Ausgangspunkte seiner Unter- suchungen hätte wählen können; wohl aber genügte ihre Durch- sichtigkeit, um sich über eventuelle Uebereinstimmungen mit schon bekannten Resultaten zu orientiren. Ob auch hier Zellen nach vorn von der Embryosackanlage abgegeben werden, bevor diese in ihre specielleren Functionen eintritt, weiss ich nicht sicher, doch ist mir dies wahrscheinlich. Im Uebrigen konnte ich aber im Embryosack ganz die näm- lichen Theilungen verfolgen, wie ich sie für die früheren Fälle geschildert habe, und das Resultat war die Bildung von drei Zellen im Eiapparat und von drei Gegenfüsslerinnen. Die Verschmelzung der beiden Embryosackkerne erfolgte hier weniger rasch als bei Monotropa oder bei den Orchideen, so dass man häufig beide neben einander liegend antreffen konnte. Die Gegenfüsslerinnen sind bei den Cruciferen ähnlich wie bei den Orchideen sehr schwer sichtbar zu machen, daher die Angaben Hofmeister’s, dass sie auch hier fehlen.!) Auf jüngeren Zuständen kann man sich von ihrer Existenz stets überzeugen. Bei Cheiranthus Cheiri (Taf. XXXII, Fig. 77) sowohl, als 1) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd, I, p. 87. Ba, XI N. F. IV. 4, 32 468 Eduard Strasburger, * auch bei Capsella und Aubrietia sah ich die Embryosackwand an der Stelle, wo die Hautschicht der Gehülfinnen und des Eies ansetzt, einen ringförmigen Vorsprung bilden. Die reifen Gehülfinnen werden bei den Cruciferen in ihrem vorderen Theile, bis auf ein Drittheil etwa ihrer ganzen Länge, von einer farblosen, homogenen, stärker das Licht brechenden Substanz gebildet. Eine Streifung ist aber an derselben auch hier nicht nachzuweisen. Sobald die Gehülfinnen die genannte Differenzirung erfahren haben, erscheint die Embryosackwand an ihrer Ansatzstelle resorbirt. Bei Berteroa incana sah ich den Embryosack öfters frei auf eine kurze Strecke hin aus der Mikropyle hervorwachsen. Bei Cheiranthus Cheiri fand ich an zwei untersuchten Stöcken fast ausnahmslos nur je einen Embryosack im Eichen. Dieser Embryosack vergrössert sich rasch nach Anlage des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen und verdrängt nach vorn und nach hinten das angrenzende Gewebe. Vorn sah ich ihn meist bis an die Integumente vordringen, hinten bis an die Basis des Eichen- kernes, dessen äussere Zellenlagen ihn zunächst noch scheidenartig umfassen, später aber ebenfalls zerstört werden. Um mich aus eigener Anschauung über die Anlage mehrerer Embryosäcke in einem Eichen zu orientiren, untersuchte ich Rosa livida. Nach Hofmeister 2) enthält bei den Rosen der fleischige Eichen- kern stets mehrere Embryosäcke. Hiervon konnte ich mich auch für Rosa livida überzeugen. Im fertigen Zustande sah ich die Embryosäcke stets in Mehrzahl den Eichenkern durchsetzen, sich nach hinten und im grössten Theile ihres Verlaufs unmittelbar an einander haltend, um erst mit den vorderen Enden zu diver- giren. Hier aus einander weichend wachsen sie in das umgebende Gewebe hinein (Taf. XXXIII, Fig. 72), meist dringteiner bis zu den Integumenten vor und dieser führt dann auch allein den aus drei Zellen bestehenden Eiapparat, während es in den anderen bei einer Ansammlung formlosen Protoplasmas im vorderen Ende bleibt. Alle die vorhandenen Embryosäcke zeigen sich an ihrem vorderen Ende mehr oder weniger keulenförmig angeschwollen. 1) Tulasne hat bei der von ihm untersuchten Pflanze meist 5—6 Embryo- säcke gesehen (Ann. d. sc. nat. 3, S. T. XII, p. 82, 1849). Auch Schacht scheint mehrere Embryosäcke beobachtet zu haben. (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. I, p- 202.) *) Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. I, p. 100. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 469 Auf Schnitten durch junge Eichen, die übrigens ihr Integument schon lange ausgebildet haben, findet man im Grunde des Nu- cellus '), ein Nest von Zellen, die durch ihren reicheren protoplas- matischen Inhalt ausgezeichnet sind. Die eingehende Untersuchung zeigt, dass dieses Nest im Inneren von längeren Zellen gebildet wird, die mehreren axilen Zellreihen des Eichenkerns zugehören, im Umkreis von kleinen Zellen, welche concentrischen Theilungen des umgebenden Gewebes ihre Entstehung verdanken (Taf. XXXIL, Fig. 73). Die meisten der langen, inneren Zellen werden zu Embryosackanlagen, einige lassen sich frühzeitig von den rascher anwachsenden verdrängen. Jede Embryosackanlage scheidet zu- nächst nach hinten eine oder zwei sich weiter vermehrende Zellen ab; diese Zellen scheinen denjenigen zu entsprechen, die bei Orchis und Monotropa nach vorne gebildet werden. Dies vordere Ende des Embryosackes beginnt aber gleich, sich dabei öfters zuspitzend, in das benachbarte Gewebe einzudringen. Von den hinteren Zellen ist die definitive Embryosackanlage nicht nur durch ihre grössere Länge, sondern auf diesem Zustande bereits durch das Vorhandensein eines vorderen und hinteren Zellkernes zu unterscheiden (Taf. XXXIH, Fig. 74 und 75). Die weiteren Entwicklungszustände habe ich bei Rosa nicht verfolgt; das Material hierzu ist nicht günstig; wohl kann ich aber noch angeben, dass auch hier der definitive Embryosackkern aus der Verschmelzung eines vorn und eines hinten gebildeten her- vorgeht. Wir haben so die beiden Endglieder der Entwicklungs- reihe gewonnen, und da Rosa ausserdem auch drei Zellen im Ei- apparat und, wie ich noch hinzufüge, auch drei Gegenfüsslerinnen besitzt, so ist es wohl zweifellos, dass sich ihre ganze Entwick- lung wie bei den Orchideen, Monotropa und den Cruciferen ab- wickelt. Nach der Befruchtung, das sei nur noch hinzugefügt, nimmt der fertile Embryosack weiter an Grösse zu und hat bald alle anderen verdrängt. Eine Anzahl Schnitte, die ich durch junge Saamenknospen von Omithogalum nutans ausführte, gaben mir Bilder wie die in Fig. 1 und 2, Taf. XXXI dargestellten. Hervorgehoben sei hier gleich, dass, so weit es sich an den bereits genannten und an den noch folgenden Objeeten um Schnitte handelt, diese, wenn nicht ausdrücklich anders bemerkt, stets an 1) Besser statt des vieldeutigen „Nucleus“ zu brauchen. 32 470 Eduard Strasburger, mit absolutem Alcohol erhärtetem Material ausgeführt wurden. Dieses Material legte ich vor der Untersuchung, auf eirca 24 Stunden, in ein Gemisch von absolutem Alcohol und Glycerin, was die Ausführung der Schnitte besonders erleichterte. Der In- halt des Embryosackes lag auf diese Weise fixirt und bei günstigen Schnitten unversehrt erhalten vor meinen Augen. So konnten auch stets an einem und demselben Objecte überein- stimmende Resultate erzielt werden, während die Widersprüche älterer Angaben sich eben aus dem Umstande ergeben, dass durch die beliebten Präparationsmethoden frischer Objeete der Embryo- sackinhalt stets in mehr oder weniger alterirter Form der Beob- achtung vorlag. Die für Ornithogalum erhaltenen Bilder sprachen wiederum für eine Identität der im Embryosack dieser Pflanze sich ab- spielenden Vorgänge mit den uns bereits bekannten. Die Zellen des Fiapparates waren in Fig. 1, Taf. XXXI in Dreizahl, in Fig. 2 in Zweizahl vertreten. Die Dreizahl wiegt, na- mentlich auf jungen Zuständen, bei Omithogalum bei weitem vor (Fig. 3 und 5); im fertigen Zustande findet man nicht selten nur eine Gehülfin. Es mag die Theilung des primären Gehülfinnen- kernes manchmal unterbleiben, auch die eine von 'beiden Gehül- finnen später obliteriren können. Das Erstere war der Fall in Fig. 2. Stets fand ich hier drei Gegenfüsslerinnen, nie weniger, nur ein Mal eine auffallende Vermehrung derselben (Fig. 7).') Ei wie Gehülfinnen führen hier ihre Kerne im hinteren Theile; besondere Vaeuolen markiren sich nicht in ihnen. Das Ei ist nur wenig tiefer als die Gehülfinnen inserirt, namentlich ist die Differenz in der Höheninsertion gering, wenn nur die Gehülfin vorhanden ist. Das vordere Ende der Gehülfinnen ist stärker lichtbrechend. Die Embryosackwand ist stark gequollen über deren Ansatzstellen (Taf. XXXI, Fig. 5). In einem jungen Eichen von Delphinium villosum fand ich die Zellen des Eiapparates noch in einer Anordnung erhalten, die auf ihren Ursprung, wie in den bisher besprochenen Fällen, hin- deutete (Taf. XXXIIL, Fig. 78). Das Ei ist bei Delphinium nur um ein Weniges tiefer inserirt als die beiden Gehülfinnen, wie das Fig. 79 und 80 für den fertigen Zustand zeigen. Die Gegenfüss- lerinnen wachsen hier zu ungewöhnlicher Grösse (Fig. S51b) an !) Nach Hofmeister sollen die Triticeen, normaler Weise, 6—12 Gegen- füsslerinnen führen, 1. c., p. 677. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 471 und umgeben sich gleichzeitig mit festen Cellulosewänden. Wie klein hier die Zellen des Eiapparates im Verhältniss zu den Gegenfüsslerinnen sind, zeigt der Vergleich der Fig. 81a u. 81b, welche beide demselben Embryosack entnommen und bei der- selben Vergrösserung gezeichnet worden sind. Besondere Diffe- renzirungen am vorderen Ende der Gehülfinnen sind hier kaum zu bemerken; die Embryosackwand erschien stark gequollen an diesen Stellen. Die Eichen anderer Metaspermen habe ich vorwiegend nur im fertigen Zustande untersucht; ich wählte sie aus möglichst verschiedenen Familien, doch vorwiegend auch solehe, die mir auf Grund früherer Untersuchungen ein besonderes Interesse zu bieten schienen. Von Monoeotylen studirte ich eingehender noch: Crocus vernus, Gladiolus communis, Allium odorum, Nothoscordum striatum, Notho- scordum fragrans und Funkia ovata. Von Dicotyledonen: Rieinus communis, Rheum crassinervium, Scabiosa mierantha und atropurpurea, Gaura biennis, Oenothera Drumondii, Agrostemma Githago, Viola tricolor, Helianthemum serpyllifolium, Bartonia aurea, Gloxinia hibrida, Sinnen Lind- leyana und Torenia asiatica. In allen diesen Fällen fand ich je drei Zellen im Eiapparat: ein Ei und zwei Gehülfinnen, nur ganz ausnahmsweise zwei Zellen: ein Ei und eine Gehülfin und fast ausnahmsweise je drei Gegen- füsslerinnen, so dass ich annehmen muss, dass diese Verhältnisse für die meisten Metaspermen Geltung haben. Bei Crocus vernus (Taf. XXXI, Fig. 23 und 24) und Gladiolus (Taf. XXXI, Fig. 15--16) sind die Gehülfinnen in ihren vorderen Theilen stark verjüngt und ragen mit denselben in die Mikropyle des Eichens hinein. Schacht hat zuerst eine bestimmte Streifung an diesen Gebilden nachgewiesen !) und sie daher eben als Faden- apparate bezeichnet. Er gibt an, sie mit Chlorzinkjod gefärbt zu haben, bis auf die Streifen ?), die eine braune Färbung an- nahmen. Hofmeister hat hingegen den Schacht’schen „Faden- apparat“ für eine eigenthümliche Verdickung der Embryosackwand erklärt. °) t) Monatsb. d. A. d. W. zu Berlin, p. 267, 1856. ?) Zunächst für Watsonia, Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. I, p. 194, 1858. Für Crocus zuletzt im Lehrbuch d. Anat. u. Phys. Bd. II, p. 386, 1859. s;]. cp. 679. 472 Eduard Strasburger, Wie aus meinen Abbildungen zu ersehen, zeigen die vorderen verjüngten Hälften der Gehülfinnen in der That eine longitudinale Streifung. Diese Streifung fehlte nur ihrer vordersten, homo- genen Spitze. Bei Anwendung von Chlorzinkjod färbte sich an meinen Präparaten nur die erwähnte homogene Spitze schön blau; sie scheint aus einem celluloseähnlichen Stoffe zu bestehen. Die Streifen, sowie der hintere, körnige Körper der Gehülfinnen färbten sich braun, die von den Streifen durchzogene homogene Substanz schwach bräunlich. Jüngere Zustände lehrten mich, dass der Embryosackscheitel zunächst nach Anlage des Eiapparates, der Streekung der in der Richtung der Mikropyle lang auswachsen- den Gehülfinnen folgt, dass aber, kurz vor der Reife, diese den Embryosackscheitel mit ihren Enden, durchbrechen. Auch in dieser Beziehung hat also Schacht gegen Hofmeister Recht, der hier und in allen Fällen eine Durehbrechung des Embryosack- scheitels durch die „Keimbläsehen“ in Abrede stellt.) — In ihrem hinteren Theile führen die Gehülfinnen eine Vacuole und dieht nach vorn auf diese folgend, den Zellkern (Taf. XXXI, Fig. 13, 14, 15, 23, 24). Die Eizelle ist tiefer inserirt, annähernd oval, sie führt ihren Kern im hinteren Ende, die Vaeuole im vorderen und selbstver- ständlich keine Spur des an den Gehülfinnen beschriebenen Ge- bildes. Um die gegenseitige Selbständigkeit der einzelnen Zellen im Eiapparat zu beweisen, diene die Fig. 16, die einen Fall dar- stellt, in dem es mir gelungen ist, Ei und Gehülfinnen von ein- ander zu trennen. Es ist merkwürdig, dass Schacht, der so viele Bilder von Grocus, Gladiolus und Watsonia geliefert hat, die Eizelle stets übersehen, oder sie doch in Zusammenhang mit einer der Ge- hülfinnen bringen konnte. 2) Von Hofmeister’s Bildern für Crocus entspricht die Figur eines noch unbefruchteten Zustandes (Fig. 26 b, Taf. XXI) und eine Anzahl Figuren der befruchteten Zustände fast vollständig der Wirklichkeit.3) Hofmeister hat auch richtig an- gegeben, dass von den vorhandenen „Keimbläschen“, die er sich freilich meist in Zweizahl denkt, das untere befruchtet werde. Von dem Vorhandensein einer Zellstoffhaut um die unbefruchteten DL IEP6BL. 2) Monatsb. d. A. d. Wiss. zu Berlin 1856, p. 266 u. ff. Taf. I u, II. Bot. Zeit. 1858, Taf. II u. a. a. O. Ebenso bei Watsonia, Jahrb. für wiss. Bot. Bd. I. Taf, XI ete. 3) Abh. d. math.-phys. Cl. d. K. $. Ges. d. W. V. Bd. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 473 „Keimbläschen“, wie dieselbe von Hofmeister !) behauptet wird, habe ich mich weder bei Crocus noch in anderen Fällen über- zeugen können.) Es war wenigstens nie eine Haut da, von der sich, wie dies sofort nach der Befruchtung geschieht, der proto- plasmatische Inhalt bei Aleoholbehandlung zurückgezogen hätte, Wohl aber kann die Hautschieht um Eier wie Gehülfinnen oft eine sonst ungewohnte Consistenz erlangen. Gladiolus (Taf. XXXI, Fig. 17) und Crocus besitzen sehr schön entwickelte grosse Gegen- füsslerinnen, die sich mit Zellhaut umhüllen. Allium odorum fand ich durchaus dem Ornithogalum ähnlich, doch stets mit drei Zellen im Eiapparat. Nothoseordum striatum (Taf. XXXII, Fig. 31, 32) ist auch nicht viel verschieden, doch die Differenzirung der vorderen Hälfte der Gehülfinnen viel auffallender. Diese ist stärker lichtbrecbend, homogen und gestreift. Die übrigen Verhältnisse zeigen die Figuren, nur will ich bemerken, dass hier wieder in Fig. 31 die eine Gehülfin die andere deckt. Von Nothoscordum fragrans und von Funkia ovata soll später die Rede sein. Die Gehülfinnen bei Rieinus communis werden vorn bis auf ein Dritttheil von homogener, stark lichtbrechender Substanz — ohne sichtbare Streifung — gebildet. Der homogene Theil zeigt durchaus dieselbe Breite wie der übrige Körper der Gehülfinnen. Die Embryosackwand wird an den entsprechenden Stellen resor- birt. Das Ei ist nur wenig tiefer inserirt als die Gehülfinnen (in Taf. XXXV, Fig. 6, links), zeigt trotzdem nicht die Spur einer besonderen Differenzirung an seiner Ansatzstelle. Zur Untersuchung von Rheum crassinervium, das zu meiner Verfügung stand, veranlasste mich die Angabe von Sachs, dass bei Rleum undulatum nur ein Keimbläschen vorhanden sei. Wie ich nunmehr wohl erwarten konnte, fanden sich ein Ei und zwei Gehülfinnen auch hier vor, letztere sind aber relativ flach und da- her leicht zu übersehen. Bei Scabiosa micrantha (Taf. XXXV, Fig. 3 und 4) wird der Embryosack von einer besonderen Schicht kleiner, inhaltsreicher Zellen umrahmt. Das Ei und die Gehülfinnen sind hier verhält- nissmässig sehr gross, die Gegenfüsslerinnen (Fig. 4) weniger YUlacHp2. 0: ?) Ebenso wenig fand dieselbe Schacht. Vergleiche Botanische Zeitung, S. 23, 1858. 474 Eduard Strasburger, auffallend. Eigenthümlich ist die vordere Vifferenzirung der Ge- hülfinnen; ihr zugespitztes Ende erscheint von einem Biüschel nach vorn convergirender Fäden durchzogen; jeder Faden endet aber nach hinten in einem kleinen Knötchen. Scabiosa atropurpurea müsste nach Hofmeister !) bis D „Keim- bläschen“ haben; in Wirklichkeit fand ich hier die Verhältnisse nie anders als bei Scabiosa micrantha, nur dass die Streifung im vorderen Ende der Gehülfinnen weniger ausgeprägt war (Taf. XXXV, Fig. 5). Bei Gaura biennis tritt ein vorderer, homogener Theil an den Gehülfinnen deutlich in die Erscheinung (Taf. XXXIV, Fig. 29, 30). Die Gegenfüsslerinnen liegen im unteren, stark verjüngten Ende des Embryosackes (Taf. XXX IV, Fig. 31). Dieses scheint auf den ersten Blick nur von stark lichtbrechendem Protoplasma erfüllt zu sein. Oenothera Drumondii verhält sich wie Gaura. Auch bei Agrostemma Githago fand ich im vorderen Embryo- sackende ein Ei und zwei Gehülfinnen, während Hofmeister an- gibt 2), dass bei dieser Pflanze zwar zwei bis drei kugelige Zell- kerne im Mikropylende des Embryosackes sichtbar werden, aber bis auf einen, um den sich eine Zelle bilde, fehlschlagen. Für Viola tricolor sind von verschiedenen Seiten je zwei „Keimbläschen“ angegeben worden, thatsächlich führt aber auch der Embryosack dieser Pflanze normaler Weise zwei lange Be- gleiterinnen und ein grosses Ei (Taf. XXXV, Fig. 1 und 2). Die Gehülfinnen sind lang gestreckt, vorn scharf abgeschnitten, nach hinten mit je einem Zellkern und weiter je einer Vacuole versehen. Die vorderen Enden sind homogen, die homogenen Stellen setzen scharf von der anstossenden, körnigen Substanz ab (Fig. 1); ganz zu äusserst ist eine kleine, stark lichtbrechende, linsenförmige Partie an der homogenen Substanz besonders differenzirt, sie scheint den beiden Gehülfinnen gemeinsam zu sein (Fig. 1). Das grosse Ei hat ansehnliche Breite, relativ aber nur geringe Tiefe, wie dessen Seitenansicht (Fig. 2) zeigt, in der es krugförmig er- scheint. Der Kern des Embryosackes verräth hier lange seinen zweitheiligen Ursprung. Helianthemum serpyllifolium, das ich auch untersuchte, zeigte ebenfalls ein und zwei Gehülfinnen unter ähnlichen Verhältnissen wie Gaura. !) Jahrb. f, wiss. Bot. Bd. I, p. 122. 2) Entstehung des Embryo, p. 5l, 1849. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. AD Ein besonderes Interesse schien mir Bartonia aurea zu bieten, der vorderen Aussackung wegen, die sich am Embryosack findet. Nach Hofmeister wird diese Aussackung nach vollendeter Aus- bildung der „Keimbläschen“ angelegt und durch eine Querwand vom übrigen Raum des Embryosackes geschieden. An dieser Querwand haftet eines oder beide Keimbläschen, die Dreizahl soll selten sein. In der Aussackung des Embryosackes entsteht ein freier, kugeliger Zellkern; unter Umständen findet man einen dicken Strang körnigen Schleimes in derselben, der von der Basis bis zum Mikropyl-Ende der Aussackung in deren Axe ver- läuft. !) Meine Untersuchungen lehrten mich, dass die vordere Aus- sackung des Embryosackes von Bartonia sich gleichzeitig mit der Anlage des Eiapparates zu bilden beginnt. Ihre Entstehung wird veranlasst durch ein starkes Wachsthum der vorderen Theile der beiden Gehülfinnen, die die Embryosackwand über ihnen zu gleichem Wachsthum veranlassen (Taf. XXXV, Fig. S, 9, 10). Jede Gehülfin führt in ihrem hinteren Theile eine grosse und sich stets noch vergrössernde Vacuole; über dieser Vacuole liegt stets noch ihr Zellkern, so dass Hofmeister für alle Fälle zwei Zellkerne und nicht einen in dieser vorderen Aussackung hätte sehen sollen. Die Gehülfinnen beginnen alsbald dieht vor ihrem hintersten Rande anzuschwellen, wodurch auch die Anschwellung der ganzen Aus- sackung, respective die verjüngte Stelle unter der Aussackung entsteht. — In Fig. 8 und 10 sind beide Gehülfinnen zu sehen in Fig. 9 deckt die eine die andere. Sind beide völlig ausge- wachsen, wie in Fig. 11, so hat die vordere Aussackung meist die Länge des übrigen Embryosacktheils erreicht. Fast die ganze, über der Einschnürung liegende Partie der Gehülfinnen wird von je einer langgezogenen Vacuole eingenommen. Das Protoplasma bildet nur noch einen dünnen Wandbeleg um dieselbe, ausserdem aber auch noch die vorderen, soliden Spitzen an den Gehülfinnen, welche zum Theil körnig, weiter nach vorn schwach gestreift er- scheinen und endlich in je einer ganz homogenen Stelle enden. Im fertigen Zustande haben diese beiden verjüngten Enden der Gehülfinnen die Haut des Embryosackscheitels durchbrochen und ragen an dieser Stelle ein wenig über dieselbe hervor (Fig. 11). In dem Wandbeleg und zwar in der unteren Hälfte der Aus- !) Vergl. Entstehung des Embryo, p. 39. Jahrb. für wiss. Bot. Bd. I, p. 145; Abhandl. etc,, p. 643. 476 Eduard Strasburger, sackung sind die Zellkerne der Gehülfinnen zu finden. Die Proto- plasmawände, die sie hier trennen, mögen die Veranlassung zu dem axilen Strange körnigen Protoplasmas gegeben haben, von dem Hofmeister spricht. Das fast kegelförmige Ei ist einseitig, dieht unterhalb der Verengung an der Embryosackwand inserirt und führt seinen Zell- kern in der hinteren Ansammlung aus Protoplasma. Dass die Entwicklungsvorgänge bei Anlage des Eiapparates und der drei Gegenfüsslerinnen, welche letzteren Hofmeister nicht abbildet, hier dieselben sind, wie wir sie anderwärts gefunden, das zeigt wohl noch der Zustand (Fig. 8, Taf. XXXV), in welchem die beiden Em- bryosackkerne noch nicht zu einem einzigen verschmolzen sind. Ein schönes Demonstrationsobjeet sind die Eichen von Gloxinia hibrida, Sinningia Lindleyana und vornehmlich Torenia asiatica, Alle drei Pflanzen sind aber im Sommer leicht zu beschaffen. Die Eichen der zuerst genannten Gloxinia und vornehmlich der Sinningia sind in der Gegend des Embryosackscheitels durchaus durchsichtig, so dass man Eier und Gehülfinnen klar durchscheinen sieht. Diese Durchsichtigkeit tritt hier übrigens erst zur Zeit der Reife ein, auf jüngeren Zuständen führen die Zellen des Integu- mentes Stärke, die den Einblick in das Innere des Eichens ver- wehrt. Die nahverwandten Achimenes-Arten, die ich untersuchte, behalten ihre Stärke auch im ausgewachsenen Zustande und sind somit auf keinem Entwicklungszustand für die unmittelbare Be- obachtung zu verwerthen.!) Da die Eichen bei den Gesneraceen in so grosser Anzahl auf den Placenten gebildet werden, so kann man sie auch in jedem Präparat von Gloxinia und Sinningia in grossen Mengen erhalten und habe ich viele Hunderte derselben unter Zuckerwasser durchmustert. Fast ausnahmslos sah ich bei Gloxinia und Sinningia zwei den Scheitel einnehmende Gehülfinnen und das etwas tiefer inserirte Ei (Taf. XXXIV, Fig. 23, 24) und zwar ganz ähnlich ausgebildet, wie bei den Orchideen. Der Embryo- sack ist bei Gloxinia und Sinningia in der vorderen Hälfte an- geschwollen, in der hinteren gleichmässig verengt (Fig. 23). Das Eichen ist aber in seinem hinteren Theile bei Sinningia durch- sichtiger als bei Gloxinia, so dass man sich bei ersterer von dem 1) Nach Hofmeister scheinen übrigens auch einige Achimenes-Arten ganz durchsichtig zu sein, wenig günstig fand er Gloxinia superba. Entst. des Embryo, p. 37, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. ATT Vorhandensein der Gegenfüsslerinnen überzeugen kann (Fig. 25), was bei der letzteren nicht gut gelingt. Bei Torenia asiatica (Taf. XXXIV, Fig. 1—9) wächst bekanntlich die Embryosackspitze aus der Mikropyle hervor, und bilden diese Pflanzen wohl das günstigste Object, um sich über den Bau des Eiapparates rasch zu orientiren. Ich habe hier ohne Ausnahme drei Zellen im Eiapparat gefunden !) und zwar im ähnlichen gegenseitigen Verhältniss wie bei Gloxinia und Sinningia. Während aber bei Gloxinia und Sinningia das vordere Ende der Gehülfinnen im Wesentlichen dieselben Verhältnisse zeigt wie bei Orchideen, ist dasselbe hier in markirter Weise differenzirt. Es trägt eine scharf gegen den hinteren, körnigen Theil abgegrenzte, homogene, stark lichtbrechende Kappe (Taf. XXXIV, Fig. 6,7, 8,9). Diese Kappe zeigt hin und wieder eine ganz schwache Streifung. Es ist leicht, hier die Entwicklungsgeschichte dieser Differenzirung zu verfolgen. Wie Fig. 2 zeigt, ist auf diesem Zustande trotz völliger Ausbildung des Eiapparates noch nichts von den Kappen zu sehen. In Fig. 3 beginnt diese Bildung durch Ausscheidung oder vielleicht durch direete Substanzmetamorphose an der Tren- nungsfläche beider Gehülfinnen. So entsteht der in Fig. 3 ab- gebildete, stark lichtbrechende, linsenförmige Körper. Die Ver- orösserung desselben schreitet fort (Fig. 4), greift bald über die vordere Fläche der Gehülfinnen (Fig. 5) und wird endlich perfect. Gleichzeitig mit der Ausbildung der Kappen sieht man die Embryo- sackwand über denselben immer dünner werden und endlich ver- schwinden (Fig. 7, 8, 9), so dass die Kappen direet nach aussen stehen. Mit Chlorzinkjod lassen sie sich schön blau färben, während die übrigen Theile der Gehülfinnen und das etwas tiefer inserirte Ei braun werden. Bei Sinningia kommen hin und wieder instructive Ab- weichungen im Bau des Eiapparates vor. Manchmal, wenn auch nur selten, wird nur eine Gehülfin angelegt, oder es kommt nur eine zur Entwicklung. Ganz selten abortiren beide (Taf. XXXIV, Fig. 25) und nur das Ei, etwas abnorm gestaltet, ist geblieben. Ich glaube nicht, dass dasselbe in diesem Falle hätte befruchtet werden können. Oefters sah ich das Ei nicht an die Wand des Embryosackes, sondern an die hinteren Ränder der beiden Ge- hülfinnen ansetzen. Zwei solche Fälle sind in Fig. 26 und 27 !) Schacht bildet übrigens auch wieder nur zwei Zellen ab. Bot. Zeitung 1858, Taf. III, Fig. 16 und 17, 478 Eduard Strasburger, dargestellt. Endlich sind mir zwei Fälle vorgekonmen, wo zwei Eier statt eines einzigen vorhanden waren (Taf. XXXIV, Fig. 28) und jedes an einer der Gehülfinnen hing. Diese letzterwähnten abnormen Fälle bei Sinningia sind nun geeignet, uns die Deutung der Verhältnisse bei Santatum album einzuführen. Diese Pflanze ist wiederholt schon Gegenstand be- sonderer Untersuchung gewesen. Zuerst beobachtete sie Griffith frisch in Ostindien !), dann Henfrey 0 und zuletzt Schacht’) an Alcoholexemplaren. Dank der Güte des Herrn Prof. Alexandrowiez standen mir die Schacht’schen Präparate zur Verfügung; dann eine Anzahl Blüthen in Alcohol aus der Schacht’schen, heute in Warschau befindlichen Sammlung; endlich Blüthen in Alcohol aus der Sammlung des bot. Gartens zu Paris; diese letzteren hatte mir Herr Jules Poisson gefälligst gesandt. Ueber jüngere Blüthenanlagen verfügte ich nicht, so dass ich die Entwicklungsgeschichte der im Embryosack gebildeten Zellen nicht verfolgen konnte; nichtsdestoweniger glaube ich auf Grund der zahlreichen Präparate, die ich durchmusterte, eine richtige Deutung des Eiapparates geben zu können. Die herrschende Auffassung ist, dass hier der frei aus dem nackten Eichen zu bedeutender Länge herauswachsende Embryo- sack zwei „Keimbläschen“ in seinem Scheitel führe; diese „Keimbläschen“ besitzen, nach Schacht, einen sehr entwickelten „Fadenapparat“ und soll die Membran des Embryosackes über demselben resorbirt werden. Meine Untersuchungen lehrten mich, dass der Eiapparat hier wie in dem zuletzt erwähnten Ausnahmefalle bei Sinningia aus vier Zellen aufgebaut wird. Die vordere Spitze des schlauch- förmigen Embryosackes nehmen, dieselbe ganz ausfüllend, 2 Ge- hülfinnen ein, an diese aber schliessen sich nach hinten zwei Eier an. Die Grenzschichten aus Hautplasma zwischen Gehülfinnen und Eiern sind meist nur wenig markirt, und ihre Masse von den körnigen Stoffen, welche die beiden Eier und die Gehülfinnen führen, noch verdeckt. Ebenso verbergen diese Stoffe gewöhnlich die Zellkerne, welche Anhaltepunkte für die Deutung hätten geben können. !) The annals and magazine of natural history 1843 und Transact, of the Linn. Soc. Vol. XIX, p. 171, 1845. ?) Transact. Linn. Soc. Vol. XXI, p. 69. 1859. ° Jahrb. f. wiss, Bot. Bd. IV, p. 1. 1865—66, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 479 Ein günstiges Präparat, wie Fig. 12, Tafel XXXV (aus dem Pariser Material gewonnen) kann übrigens auf ein Mal das ganze Verhältniss klar legen. In dem noch jugendlichen, ausnehmend inhaltsarmen Eiapparate waren mit aller erforderlichen Klarheit nicht nur die Grenzlinien zwischen Gehülfinnen und Eiern, sondern auch alle vier Zellkerne zu sehen. Dieselben werden wir nun auch in allen anderen Präparaten zu suchen wissen (Fig. 13, 14, 15a). Die Gehülfinnen bestehen hier bis auf zwei Drittheile ihrer Länge aus homogener, lichtbrechender Substanz. Die Streifung dieser Substanz tritt hier aber besonders schön hervor; die Streifen sitzen an den hinteren, körnigen Inhaltsmassen und convergiren im bogenförmigen Verlauf nach dem vorderen und inneren Rande jeder Gehülfin, ohne diesen Rand jedoch zu erreichen; vielmehr erscheint die Substanz an jener Stelle ganz structurlos. Diese structurlosen Stellen sind es, die mit Chlor- zinkjod die schönste blaue Färbung annehmen, eine Färbung, die sich nach hinten zu allmählich verliert. Ich möchte fast vermuthen, dass die Streifen, wo sie auf- treten, die Richtung andeuten, in der die Sonderung der mit Chlorzinkjod sich färbenden Substanz, also wohl der Cellulose, vor sich ging. Der Kern der Gehülfin liegt immer in ihrem mit körnigem Protoplasma erfüllten hinteren Drittheil. Die Embryosackhaut überzieht auf jüngeren Zuständen gleich- mässig die Gehülfinnen (Taf. XXXV, Fig. 15, 14). Während sie aber am Scheitel zart und farblos bleibt, sieht man sie alsbald seitlich um die Gehülfinnen eine gelbliche Färbung annehmen, nämlich eutieularisiren. Endlich wird das Stück am Embryosackscheitel re- sorbirt und zwar entsteht ein einziges Loch, wenn die Spitzen der Gehülfinnen scharf zusammen neigen, oder je ein Loch über jeder Gehülfin, wenn ihre Spitzen etwas divergiren. Dieser Um- stand beweist wohl hinlänglich, dass die Auflösung der Embryo- sackwand von den Gehülfinnen besorgt wird; ja ich bin der An- sicht, dass auch da, wo die Embryosackwand über den Gehülfinnen nicht gelöst wird, sondern nur quillt, die Gehülfinnen die Quellung veranlassen. In Kali werden die Cellulosepfropfen sowohl bei Santalum als auch bei Torenia, d. h. so weit ich den Versuch überhaupt anstellte, aufgelöst. Schacht lässt (l. e.) nach der Befruchtung eine wagerechte 480 Eduard Strasburger, Wand im Embryosack sich bilden, die, vom Umkreise des letzteren ausgehend, zwischen „Fadenapparat und Protoplasmakugel“ ein- dringt und beide von einander trennt. In Wirklichkeit sieht man schon im unbefruchteten Zustande, annähernd an der Grenze zwischen Gehülfinnen und Eiern, die Embryosackwand einen Vor- sprung bilden, der um ein Weniges zwischen dieselben eindringt (Taf. XXXV, Fig. 12, 13, 14, 15a, 15b). Bis an diesen Vorsprung ist die vordere Embryosackwand eutieularisirt, jenseits desselben ist sie farblos und gequollen, das Letztere namentlich auch an der Stelle des Vorsprungs selbst. Die cuticularisirte Embryosackwand ist auch als Scheidewand zwischen den beiden Gehülfinnen meist zu verfolgen. Es muss also zwischen denselben frühzeitig eine Gellulosewand ausgebildet worden sein, die dann den Ver- änderungen der äusseren Embryosackwand folgte. An die quer eindringende Leiste setzen die äusseren Haut- schichtwände der Eier an. Mit der Innenfläche berühren sich beide Eier mehr oder weniger vollständig, doch ist die sie tren- nende Hautschichtwand bis hinauf an die Gehülfinnen zu ver- folgen. Fast genau kommt je ein Ei unter eine Gehülfin zu liegen. Nur in seltenen Fällen sind beide Eier völlig gleich ent- wickelt; gewöhnlich gewinnt frühzeitig das eine die Oberhand und verdrängt mehr oder weniger das andere (Fig. 13, 14), auf dessen Kosten sich vergrössernd. Ich nehme an, dass bei Santalum der für das Ei bestimmte Kern sich theilt, also ein Theilungsschritt mehr hier ausgeführt wird, als in den bisher betrachteten Fällen und dass auf diese Weise die für die zwei Eier erforderlichen Kerne geliefert werden. Ich habe, wie schon früher erwähnt, die Entwicklungsgeschichte hier nicht verfolgen können, doch schliesse ich auf das Gesagte aus zwei Umständen. Zunächst fand ich öfters am Grunde des Embryosackes zwei in Verschmelzung begriffene Kerne, zum Be- weis, dass auch hier ein Kern vom Eiapparat aus an den Embryo- sack abgegeben und nicht etwa dort als zweiter Eikern ver- braucht wird. Dann scheint hier die Bildung der beiden Eier etwas später als diejenigen der Gehülfinnen zu erfolgen, was ganz na- türlich wäre, wenn der Eikern noch eine weitere Theilung durch- zumachen hätte. Auf diese spätere Bildung ‘der Eier schliesse ich aber aus den relativ häufigen Missbildungen, wo nur die beiden Gehülfinnen vorhanden sind, die Eier aber fehlen. Fig. 16 stellt einen Fall vor, in dem nur etwas schaumiges Protoplasma Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 481 sich statt der Eier an der Hinterseite der Gehülfinnen angesammelt hatte. Dass aber der Eikern selbst, nicht etwa der zurückbleibende Embryosackkern, ein zweites Mal sich theilt, möchte ich aus dem Umstande folgern, dass beide Eier so völlig in gleicher Höhe inserirt und oft so völlig gleich entwickelt sind, wie ein Schwester- zellenpaar sich nur zeigen kann. Doch werden spätere Untersuchungen erst definitiv über diesen Punkt zu entscheiden haben. Ergänzende Beobachtungen, die ich an Thesium anzustellen versuchte, ergaben keine sicheren Resultate, Aristolochien aber zeigten drei Zellen im Eiapparate. Letzteres Verhältniss scheint auch für Loranthaceen zu gelten, an die ich mich nun mit meinen Fragen wenden wollte; wenigstens geht aus der Abbildung Hof- meister’s (l. ce, Taf. VII, Fig. V) für Viscum wohl sicher hervor, dass letzteres zwei Gehülfinnen und nur ein etwas tiefer, seitlich inserirtes Ei besitzt. So ist mir das Verhalten von Santalum, abgesehen etwa von den zwei bei Sinningia beobachteten abnormen Fällen, bis jetzt vereinzelt geblieben; möglich, dass spätere Unter- suchungen es aus seiner Isolirung befreien. 482 Eduard Strasburger, Die Befruchtung der Phanerogamen. Die Vorgänge der Befruchtung bei den Coniferen hatte ich wiederholt Gelegenheit in den letzten Jahren zu schildern. Den Angaben in der 2. Aufl. meines Zellenbuches (p. 295) kann ich nur in Betreff der Pollenschläuche Neues hinzufügen. Bei Juniperus virginiana (Taf. XXVII, Fig. 31) habe ich jetzt feststellen können, dass, sobald die Pollenschlauchspitze die Arche- gonien erreicht, die aus der vorderen Primordialzelle des Pollen- schlauches stammenden Zellkerne sammt entsprechenden Plasma- massen, wenn auch letztere nicht scharf gegen einander abgegrenzt, sich über die Halstheile der einzelnen Archegonien vertheilen- Gemeinschaftlich werden sie von der hinteren,. ungetheilt ge- bliebenen Primordialzelle gedeckt. Die vorderen Zellen werden nun rasch resorbirt (Fig. 31), die hintere Zelle bleibt hingegen längere Zeit erhalten, um schliesslich das gleiche Loos zu erfahren. Inzwischen hat sich der vom Pollenschlauch eingenommene Raum über den Archegonien verengt. Die Seitenwände desselben neigen sich zusammen und stossen endlich auf einander, wobei der Pollenschlauch völlig zerquetscht wird. Bei Picea vulgaris konnte ich mich ebenfalls überzeugen, dass zwei nackte Primordialzellen im Pollenschlauch vorangeführt werden und selbst bis in die Aussackung gelangen, welche der Pollenschlauch zwischen die Halskanalzellen des Archegonium treibt. Hat die Aussackung das Ei erreicht, so wird die vordere Zelle zunächst aufgelöst, dann folgt die hintere. Wiederholt habe ich seitdem im Ei von Picea zwei Zellkerne gefunden, den Eikern stets in der Mitte des Eies, den aus dem Pollenschlauchinhalt gebildeten Spermakern an der Pollenschlauch- spitze (Taf. XXVIII, Fig. 69), oder schon in einiger Entfernung Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 485 ° von derselben (Fig. 70), oder endlich in Verschmelzung mit dem Eikern begriffen (Fig. 71). Meine Auffassung des Befruchtungsvorganges habe ich aber auf Grund neuerer Erfahrungen in so fern modifieirt, als ich jetzt annehme, dass nicht aller Pollenschlauchinhalt in den Eikern auf- genommen wird, vielmehr ein Theil desselben sich direet mit dem Eiplasma vermengt. Ob der für den Eikern bestimmte Antheil des Befruchtungsstoffes auch, ohne erst Kernform anzunehmen formlos und in dem Maasse, als er eindringt, in den Eikern aufgenommen werden kann, ist mir jetzt zweifelhaft geworden. Ausser den beiden Primordialzellen führt der Pollenschlauch der Abietineen eine namhafte Menge Stärkekörner; diese werden auch zum Theil in das zu befruchtende Ei aufgenommen, müssen aber jedenfalls zuvor gelöst werden, um die Wand der nirgends durch- brochenen Pollenschlauchspitze zu passiren, treten als solche zu- nächst auch gar nicht in dem Eie auf. Bei den Öupressineen, wo hingegen keine Stärkekörner im Pollenschlauch vorhanden sind, findet man die Keimkerne ?) nach der Befruchtung mit Stärke- körnern erfüllt. °) Von dem protoplasmatischen Inhalt des Pollenschlauches nehme ich an, dass er direet und nicht auf diosmotischem Wege die Schlauchmembran passirt, diese Annahme ist aber vornehm- lich auf Beobachtungen an Metaspermen basirt, und ich komme daher nochmals auf dieselbe zu sprechen. Die umgebenden Zellen des Prothalliumgewebes werden unter der Einwirkung des Pollenschlauches zu einer ähnlichen Aus- dehnung veranlasst, wie die oberen Zellen des Archegoniumhalses von Marchantia nach Eintritt der Spermatozoiden. Kurzum, diese Zellen üben alsbald einen seitlichen Druck auf den Pollenschlauch aus und können ihn schliesslich, wie schon für Juniperus erwähnt, bis zum Schwinden des Lumens zerquetschen. *) Dieser Druck tritt aber erst, wie das von Hofmeister schon hervorgehoben wurde), nach erfolgter Befruchtung ein; der noch restirende auf diese Weise entleerte Inhalt des Pollenschlauches muss also wohl 1) Eine nochmalige Aufnahme der Fig. 11, Taf. VII der II, Aufl. meines Zellenbuches. ?2) So nannte ich den Eikern nach erfolgter Befruchtung. 3) Coniferen und Gnetaceen, p. 277 u. ff. 1872. 4) Diese Erscheinung ist schon von Hofmeister beobachtet. Vgl. Unters., p- 155. j 5) Vergl. Unters., p. 135. Bd, XI. N. F, IV, 4, 33 484 Eduard Strasburger, von den benachbarten Zellen resorbirt werden. Durch das Zu- sammentrefien der den Pollenschlauch umgebenden Zellen wird ein fester Verschluss über dem befruchteten Ei hergestellt. Das günstigste Objeet um den Befruchtungsvorgang bei Meta- spermen !) zu verfolgen ist wohl Torenia asiatiea. Nichts stört hier die Beobachtung, die man an Hunderten von Eichen mit Leichtigkeit machen kann. Ich stellte zunächst durch Versuche fest, dass die günstige Zeit für die Beobachtung eireca 36 Stunden nach erfolgter Be- stäubung beginnt. Wenn ich dann den Fruchtknoten öffnete und die Eichen in einem Tropfen 5%, Zuckerlösung von den Placenten abstreifte, konnte ich sicher rechnen, alle erwünschten Stadien des Befruch- tungsactes noch unverändert aufzufinden. An manchen Eichen fehlte dann noch der Pollenschlauch, andere hatte er augenschein- lich eben erreicht, bei anderen endlich war die ganze Befruch- tung vollzogen. Der Vorgang beginnt in dem Augenblick, wo der Pollen- schlauch auf die Basis der Gehülfinnen stösst. Er haftet sofort an denselben und zerreisst eher, als dass er sich von denselben sollte trennen lassen. Sein Inhalt ist stark liehtbrechend, von kleinen Stärkekörn- chen gleichmässig feinkörnig geworden, grössere geformte Inhalts- theile sind auch mit Hülfe von Osmiumsäure und der Färbungs- mittel nicht mehr nachzuweisen. Mit Antritt des Schlauches zeigt sich der protoplasmatische Inhalt einer der Gehülfinnen getrübt, ihr Zellkern und ihre Vacuole schwinden, sie contrahirt sich ein wenig und erscheint nun, abgesehen von ihrer Kappe, aus gleichmässig feinkörniger Substanz gebildet (Fig. 10, Taf. XXXIV. die Gehülfin rechts). Das- selbe Schicksal trifft alsbald auch die zweite Gehülfin (Fig. 11), oder diese wiedersteht noch länger, oder sie wird überhaupt nicht in den Befruchtungsakt hineingezogen. Die Pollenschlauehspitze ist inzwischen an der Basis der Gehiilfinnen verblieben oder sie hat zwischen dieselben, deren Cellulosepfropfen mehr oder weniger zerstörend, einen Fortsatz ') Ich beabsichtige im Folgenden die überaus zahlreiche Literatur über die Befruchtung der Metaspermen nur in so weit zu berücksichtigen, als es die behandelten Objeete direct verlangen werden, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 485 getrieben. Letzterer kann oft das Ei erreichen (Taf. XXXIV, Fig. 12, 14, 15, 17, 18, 19, 20), gleichmässige Weite besitzen (12, 18 ete.) oder sich auch am Grunde angeschwollen zeigen (Fig. 20). Der protoplasmatische Inhalt der einen oder, wie gewöhnlich, der beiden Gehülfinnen ist jetzt aber sehr stark lichtbrechend geworden, stimmt in der Dichte, Körnelung und Färbung durchaus mit dem Pollenschlauchinhalte überein (Fig. 11, 12, 13, 14). Nun geben die Gehülfinnen auch ihre Gestalt auf, indem sie zunächst unregel- mässige Contouren erhalten (Fig. 18). Einzelne Theile können sich von ihnen loslösen und haften hier und dort am Ei. Es ist, als grenzte an das Fi nur noch eine formlose, zähflüssige Masse. Das Ei muss einzelne Theile dieser Masse in sich aufnehmen, sein Inhalt ist reicher an körnigen Stoffen geworden, sein Zell- kern wird durch dieselben verdeckt. Eine Cellulosemembran lässt sich nun schon um das Ei nachweisen. Untersucht man die Eichen etwa 60 Stunden nach erfolgter Bestäubung, so findet man die Gehülfinnen zum Theil resorbirt (Fig. 21), zum Theil noch als lichtbrechende Klumpen erhalten. Gehülfinnen die bei der Befruchtung unthätig blieben, können auch jetzt in ursprünglicher, unversehrter Form erhalten sein. Endlich werden aber in den folgenden Tagen alle Gehülfinnen resorbirt, ihr Inhalt kommt der Ernährung der Embryonalanlage, wohl auch dem Embryosack zu Gute. Der Inhalt der Pollen- schläuche wird nicht vollständig bei der Befruchtung verbraucht, diese fahren aber fort sich langsam zu entleeren, wobei der Embryo- sack sicher von ihrem Inhalte aufnimmt, und fallen endlich zu- sammen. Die Cellulosepfropfen sind jetzt aber in ihrer Peripherie erhärtet, sie dienen dazu, den Verschluss des Embryosackes nach aussen herzustellen. Wenn sonst irgendwo, so hätte bei Torenia eine Verbindung der künstlich erzogenen Pollenschläuche mit den künstlich isolirten Eichen stattfinden und so die direete Beobachtung des ganzen Befruchtungs-Verlaufs gelingen sollen. Bekanntlich hat Van Tieghem solche Beobachtungen ange- strebt und behauptet, in Nährstofflösungen, das Eindringen des Pollenschlauches in die Mikropyle der Ovula wirklich gesehen zu haben, Ja, er giebt weiter an, die Eichen einige Stunden später anatomisch untersucht und sich überzeugt zu haben, dass die Pollenschlauchspitze dann an dem Embryosackscheitel haitete, an demselben sich blasenförmig erweitert hatte und dass im Embryo- 33* 486 Eduard Strasburger, sack, an Stelle der protoplasmatischen Bläschen, jetzt ein mehr- zelliger Körper gebildet war. !) Ohne einen günstigen Erfolg irgendwie zu erwarten, machte ich eine grössere Anzahl Versuche mit verschiedenen Pflanzen, vornehmlich mit Torenia. Ich brachte zahlreiche isolirte Ovula in Flüssigkeitstropfen, in denen Pollenkörner besonders schöne Schläuche gebildet hatten. Die Tropfen waren auf der Innenseite eines Deckglases in einer Kammer suspendirt. Ungeachtet sich die Ovula nun auch stundenlang oft unversehrt hielten, sah ich Pollenschläuche in keinem Falle mit dem freien Embryosackende der Torenia sich verbinden und noch viel weniger in die Mikropyle anderer Eichen dringen. Wo die Schläuche auf die Ovula trafen, wuchsen sie, sich denselben anschmiegend, über sie hinweg und trennten sich wieder von ihnen; ebenso konnten sie dicht an der Embryosackspitze passiren, ohne irgendwie von derselben beein- flusst zu werden. Es ist klar, dass es hier keine Nöthigung für die allseitig von einer Flüssigkeit umgebenen Schläuche geben kann, eben in jener und nicht in einer anderen Richtung zu wachsen; alle sonst diese Richtung indueirenden Einrichtungen fallen eben weg. Besonders interessant wäre es mir aber gewesen, zu erfahren, an welchen Objeeten in der Nährstofflösung denn eigentlich Van Tieghem, schon einige Stunden nach dem Eintritt des Pollen- schlauches in die Mikropyle, Theilungen des Eies beobachtet hat. Sehr günstige Objecte für die Beobachtung des Befruchtungs- vorganges geben auch Gloxinia hibrida und Sinningia Lindleyana ab. Bei Gloxinia pflegte die Befruchtung, ganz wie bei Torenia, etwa 36 Stunden nach erfolgter Bestäubung einzutreten. Eine der Gehülfinnen blieb hier sehr häufig von der Vermittelung des Vorgangs ausgeschlossen; sie war dann oft D—6 Tage noch unver- sehrt anzutreffen, musste aber schliesslich doch zu Grunde gehen. Torenia liess eine Lücke in der Beobachtung zurück, da ihr Kern während der Befruchtung verdeckt wird und somit die Ver- änderungen an demselben sich nicht verfolgen lassen. Die Lücke ist durch Untersuchungen an Orchideen, Monotropa und Pyrola vorzüglich auszufüllen. Die Pollenschlauchspitze dringt bei diesen Pflanzen nur höchst selten in den Embryosack ein (Taf. XXVIII, !) Ann. d. sc. nat. 5. Ser. Bot. T. XII, p. 323, 1869. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 487 Fig. 58, Taf. XXX, Fig. 125); für gewöhnlich legt sie sich nur flach der Embryosackspitze an. (Taf. XXIX, Fig. 101). Hofmeister !) lässt sie bei Orchis Morio ein Stück weit am Embryosacke hinabwachsen, doch ist das, was er als Pollen- schlauchspitze deutet, sicher nur eine der veränderten, stark licht- brechend gewordenen Gehülfinnen. Wie ich das früher erwähnte, lässt sich in den freien Pollen- schlauchspitzen von Orchis bis kurz vor der Befruchtung noch die Existenz des einen oder der beiden aus dem Pollenkorn stammenden Zellkerne nachweisen. Diese werden aber für alle Fälle gelöst, sobald die Pollenschlauchspitze den Embryosack erreicht. Der Inhalt der letzteren wird dann stark lichtbrechend wie bei Torenia und auch gleichmässig körnig von der vorhan- denen Stärke. Der Umstand aber, dass die Zellkerne hier bis zuletzt in den Pollenschlauchspitzen geführt werden, mag dazu dienen, die Kernsubstanz als solche bis zum Augenblick der Be- fruchtung zu erhalten. Da es aber der Zellkern der grösseren Pollenzelle war, der im Schlauche voranging, ja zuletzt oft nur noch allein erhalten blieb, so mag es mit auf dessen Substanz bei der Befruchtung besonders ankommen. Der Pollenschlauchinhalt der Monotropa und Pyrola verhält sich nicht anders als derjenige der Orchideen. Nach Antritt des Pollenschlauchendes am Embryosackscheitel wird die eine oder die beiden Gehülfinnen in derselben Weise wie bei Torenia verändert (Taf. XXVIIL, Fig. 85— 91, Taf. XXIX, Fig. 92—94, für Orchis pallens, Taf. XXIX, Fig. 101—104, für Gym- nadenia conopsea, Taf. XXX, Fig. 125—138 für Monotropa, Fig. 145 u. 146 für Pyrola rotundifolia). Der Inhalt der Gehülfinnen ist bald in Glanz, Färbung und Körnelung von demjenigen der Pollenschlauchspitzen nicht zu unterscheiden. Besonders instruc- tiv ist in dieser Beziehung Gymnadenia conopsea, bei der die Stärkekörner des Pollenschlauchinhaltes relativ grösser sind und ganz in derselben Grösse wieder in den Gehülfinnen auftreten (Taf. XXIX, Fig. 101— 104), ungeachtet auch hier an einen directen Uebergang dieser Stärkekörner nicht zu denken ist. Denn der Pollenschlauchinhalt ist durch die zarte Wand des Embryosackes von den Gehülfinnen getrennt. Bei Gymnadenia ist mir auch besonders aufgefallen, dass der stark lichtbrechende Inhalt der veränderten Gehülfinnen sich BA HTAT EV. 488 Eduard Strasburger, in einiger Entfernung von deren Basis hält (Fig. 101-104), den- jenigen Theil also tfreilässt, der vor der Befruchtung besonders homogen erschien. Bei Monotropa lässt sich schön verfolgen, wie das veränderte Plasma der Gehülfinnen sich über das Ei ergiesst. Hier und dort verlängern sich einzelne Fortsätze der Gehülfinnen unregelmässig bis auf das Ei, endlich haften isolirte Theile der stark liecht- brechenden Substanz an Stellen der Eioberfläche. Ich war be- sonders in den Figuren 126, 127, Taf. XXX bemüht, ‘diese Ver- hältnisse getreu wiederzugeben. Nun sieht man aber ein Phaenomen eintreten, das bei Torenia verborgen bleibt. In einem gegebenen Augenblicke, der besonders leicht bei Orchideen sich fixiren lässt, sind zwei nebeneinander liegende Zellkerne im Ei vorhanden. Dieser Zustand tritt erst geraume Zeit nach Beginn der Be- fruchtung ein, erst dann, wenn die beiden Gehülfinnen verändert worden sind und nun den Pollenschlauchinhalt auf das Ei über- tragen. Die beiden Zellkerne liegen dieht an einander und ich traf sie wiederholt bei Orchis in der gleichen Grösse an. Die Möglichkeit, dass der eine der beiden Kerne geformt, als solcher, aus dem Pollenschlauch stamme, wird durch die Beobach- tung ausgeschlossen, wohl aber muss es wahrscheinlich erscheinen, dass die Kernsubstanz aus dem Schlauche, und wie ich meine, vornehmlich vom vorderen Kerne desselben stammend, sich hier wieder zum geformten Zellkern sammle. 3ei Monotropa habe ich mit Zuhülfenahme der 1%, Osmium- säure festgestellt, dass der neue Zellkern sich in dem meist nach hinten angesammelten Wandplasma des Kies, dicht neben dem alten Zellkern, bildet (Taf. XXX, Fig. 126, 127). Beide Zellkerne verschmelzen mit einander (Fig. 90, Taf. II für Orchis pallens; 128, 129, Taf. XXX für Monotropa). Bei Monotropa sah ich, doch nur ein einziges Mal, den Keim- kern aus 3 Thheilen gebildet (Fig. 150). Bei Orchis sind, wie schon erwähnt, beide Kerne gleich gross (Fig. 89, Taf. XX VII), bei Monotropa finde ich hingegen stets den männlichen Kern, den Spermakern, kleiner als den Eikern (Taf. XXX, Fig. 126, 127, 125, 129). Auch das Kernkörperchen des Spermakerns ist kleiner als dasjenige des Fikernes, und da nach Verschmelzung der Zellkernmassen, die Kernkörperchen noch Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 489 längere Zeit getrennt bleiben, so sieht man dann bei Monotropa ein kleineres und ein grösseres Kerpkörperchen im Keimkern liegen. (Fig. 131, 132.) Die Verschmelzung der Kernkörperchen lässt, wie gesagt, auf sich warten, ähnlich wie dies auch in den aus zweı Kernen verschmolzenen Embryosackkernen häufig der Fall ist. Zunächst hatte ich das Vorhandensein zweier Kernkörperchen im Keimkern für etwas Zufälliges gehalten, wie ja auch sonst in ande- ren Kernen mit typisch einem Kernkörperchen, zwei vorkommen können. !) Schliesslich wurde mir bei Monotropa die Erscheinung doch zu auffällig, um so mehr, als mir auch nicht ein einziges Mal zwei Kernkörperchen im unbefruchteten Eikern bei dieser Pflanze vorgekommen waren. Das führte mich auf die Erforschung der hier geschilderten Vorgänge. Die zwei Kernkörperchen sind bei Monotropa öfters noch auf einem so vorgerückten Zustande wie. demjenigen der Fig. 138 Taf. XXX vorhanden, wo das befruchtete Ei bereits den schlauch- förmigen Auswuchs an seinem Scheitel getrieben hat. Zu der Zeit, wo die beiden Kerne im Ei auftauchen, ist stets schon eine zarte Cellulosemembran um letzteres vorhanden. Die Gehülfinnen erhalten hier ebenso wenig als bei Torenia oder den Gesneraceen Membranen aus Cellulose, auch in den Fällen nicht, wo sie ungewöhnlich lange erhalten bleiben. Bei Orchis, Monotropa, Pyrola folgt sehr bald auf den Augenblick, wo der Pollenschlauch den Embryosackscheitel er- reicht, die Verengung der Mikropyle. Diese schreitet, wie bei Marchantia, von aussen nach innen fort, so dass die restirenden Inhaltsmassen des Pollenschlauches nach dem Embryosacke zu entleert werden. Bei Gymnadenia conopsea- geht die Erschei- nung weniger rasch von statten, als bei den obengenannten Pflanzen, daher es hier viel leichter ist, Zustände aufzufinden, in denen der eingedrungene Pollenschlauch noch in seiner ganzen Länge die ursprüngliche Weite besitzt (Fig. 101 Taf. XXIX) und auch solche, wo er, von oben her, schon theilweise zerdrückt erscheint. (Fig. 102). Schliesslich wird der Pollenschlauch so zerquetscht, das man sich oft kaum mehr von dessen Existenz in der Mikropyle überzeugen kann. Vielleicht wird er auch wirklich resorbirt. Dass die Entleerung des Pollenschlauches übrigens auch ohne !) Wie beispielsweise auch in verschiedenen meiner Figuren zu sehen ist, 490 Eduard Strasburger, den vorerwähnten Druck erfolgen kann, sehen wir bei Torenia, wo ja der Druck der Mikropyle wegfällt. Aber auch bei Gymna- denia hat man Zeit, sich zu überzeugen, dass der Pollenschlauch noch unversehrt ist, während die Befruchtung schon vollzogen und dass hier erst nach erfolgter Befruchtung sein restirender Inhalt ausgepresst wird. Dieser kommt, wie ich für Gymnadenia sicher glaube gesehen zu haben, nicht mehr dem Ei, sondern dem Embryosack zu Gute. Entleert wird auf diese Weise nur das in der Mikropyle befindliche Stück des Schlauches. Die ausserhalb der Mikropyle befindlichen Schlauchtheile behalten noch ihren Inhalt, der aber alsbald desorganirt wird, in ölartige Tröpfehen zerfällt und vielleicht schliesslieh noch von den peri- pherischen Theilen der Eichen resorbirt wird. Während der Beobachtung des Befruchtungsvorganges bei Torenia, den Orchideen .und Monotropa entwickelte sich in mir die Ueberzeugung, dass das Protoplasma nicht auf diosmotischem Wege, sondern direct die Membran des Pollenschlauches und respective auch des Embryosackes passirt. Der Gedanke eines diosmotischen Substanzaustausches ist hier schlechterdings, wenn man den Vorgang an so vielen Objecten studirt hat, kaum noch zu fassen. Dieselbe Kraft aber, welche das ganze Protoplasma während des Wachsthums der Schläuche nach deren Spitze getrieben hat, wird nun auch das Fortschreiten des Proto- plasma in der Richtung des Embryosackes veranlassen. Geformte Inhaltskörper müssen freilich gelöst werden, bevor das Plasma die Membranen passirt, es dürfte als homogene zähflüssige Masse durch dieselbe gehen. Dabei ist nicht zu vergessen, dass es meist nur zarte und jedenfalls gequollene Zellwände sind, die durchsetzt werden sollen. Als Stütze dieser meiner Annahme lässt sich nun auch eine merkwürdige Beobachtung anführen, die Maxime Cornu bei der Makroconidienbildung einer Nectria kürzlich zu machen Gelegen- heit hatte. Derselbe führt an, dass die mehrzelligen, mit diehtem Protoplasma erfüllten Conidien der erwähnten Nectria an einer unbestimmten Stelle eine Anschwellung treiben können, die bald an Grösse zunimmt und durch eine Scheidewand abgetrennt wird. Die Anschwellung erreicht das doppelte Volumen der ursprünglichen Spore und füllt sich mit dichtem, körnigem Inhalte. Während dem wird das in den 5—6 Gliedern der Conidie enthaltene Plasma immer heller und blasser, es treten Vacuolen in dem- Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 491 selben auf, und wenn endlich die Makroconidie fertig ist, bleibt von den Muttersporen nur noch eine farblose, schlaffe, ein wenig gerunzelte Haut zurück. Das Plasma hatte hier aber vier bis fünf Wände zu durchsetzen, bevor es in die Makroconidie ge- langen konnte; die Untersuchung zeigte, dass diese Membranen weder gelöst noch irgendwie durchbrochen werden. Cornu sucht selbst diese Beobachtung mit den Vorgängen bei der Befruchtung der Phanerogamen in Zusammenhang zu bringen'); ich glaube sie im gleichen Sinne hier verwerthen zu können. Meine Annahme mag aber noch dazu beitragen, die Vorgänge der Befruchtung auch dort durchsichtiger zu machen, wo, wie bei Ascomyceten, Flechten, Florideen die befruchtende Substanz eine ganze Anzahl Zellen zu passiren hat. Auch da wird die Ueber- tragung wohl nicht auf diosmotischem Wege erfolgen, vielmehr das beiruchtende Protoplasma befähigt sein den Ort seiner Be- stimmung direct zu erreichen. Bei der Collemacee, Physma compactum, welche gegliederte, durchschnittlich achtzellige Trichogyne besitzt, hat Stahl ?), nach erfolgter Copulation des Trichogynendes mit einem Spermatium, die Querwände des Trichogyns in der Richtung von der Tricho- gynspitze nach dem Ascogon und zwar der Reihe nach auf- quellen sehen, wie ich meine, in dem Maasse als das befruchtende Protoplasma dieselben erreichte und zu durchschreiten hatte. Der Embryosackscheitel bei Orchis, Monotropa, Pyrola er- scheint nach erfolgter Befruchtung durch Verengung der Mikro- pyle gegen die Aussenwelt abgeschlossen. Auch dessen Wand sieht man wieder grössere Consistenz annehmen; die Basis der Gehülfinnen wird aber die Embryosackwand zu vertreten haben, wo diese durch den Pollenschlauch durchbrochen war. Bei Monotropa liegt dann auf dem Embryosackscheitel häufig noch etwas grumöse Substanz, welche jedenfalls von Resten des Pollenschlauchinhaltes abstammt. Bei Santalum album geht, wie die Alcoholpräparate lehren, die Befruchtung unter ganz ähnlichen Erscheinungen wie bei Torenia vor sich. Die Pollenschläuche dringen hier ebenfalls zwischen die Cellulosekappen der Gehülfinnen ein. So tief wie bei Torenia gelangen sie übrigens für gewöhnlich nicht; die !) Comptes rendus etc. 1877. Bd. LXXXIV, p. 134. ?) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Flechten, 1877, p. 83. 492 Eduard Strasburger, Eier sah ich sie mit ihrer Spitze nie erreichen (Fig. 18, Taf. XXXV). An ihrem Vordringen mag sie hier die Scheidewand hindern, welche die Gehülfinnen trennt. Oefters treten hier mehrere Pollenschläuche in denselben Embryosack herein. Die Gehülfinnen werden in der gewöhnlichen Weise verändert und erscheinen nun an den Alcoholpräparaten gelbbraun, wachs- artig, zäh. Aehnlich werden auf dem gleichen Zustande die Ge- hülfinnen der Orchideen durch Alcohol verändert. Wenn beide Eier normal entwickelt sind, können auch beide befruchtet werden und sich gleichmässig mit Cellulosemembran umhüllen (Taf. IX, Fig. 18); doch tritt dieser Fall relativ nur selten ein, da ja, wie schon erwähnt, meist vor der Befruchtung das eine der beiden Eier obliterirt. Sind aber beide befruchtet worden. so verdrängt doch schliesslich noch die eine Anlage die andere. Auf späteren Zuständen habe ich wenigstens immer nur eine einzige weiter entwickelt gefunden. Die Veränderungen am Kern werden hier durch den Inhalt verdeckt, doch sah ich einige Mal zwei Kernkörperchen in dem- selben. Die Cellulosemembran des befruchteten Eies setzt einerseits an die schon früher besprochene Ringleiste der Embryosackwand an, andererseits an die euticularisirte Scheidewand, welche die Gehülfinnen trennt. Zwischen den Gehülfinnen und dem Eie wird öfters (Taf. XXXV, Fig. 20), doch nicht immer, eine Cellulosewand gebildet (Fig. 19). Im Uebrigen richtet sich hier das Verhältniss nach dem besonderen Falle und kanu die Trennungswand zwischen Ei und Gehülfinnen oft den abenteuerlichsten Verlauf zeigen. Namentlich tritt dies ein, wenn das hintere Ende der Gehülfinnen sich in das Ei vorwölbt. Auch wo eine Scheidewand zwischen Ei und Gehülfinnen nicht gebildet worden, ist die Grenze zwischen beiden nach der Befruchtung leicht zu verfolgen, wegen der zähen Beschaffenheit und charakteristischen Färbung, welche die Ge- hülfinnen angenommen haben. Der nächste Verschluss des Embryosacks nach aussen wird bei Santalum wie bei Torenia durch die Cellulosepfropfen der Gehülfinnen, ausserdem hier aber noch durch deren veränderten Körper selbst hergestellt. !) ') So zu sehen an den älteren Zuständen, welche Henfrey abbildet, 1. c., Fig. 15, 28. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 4953 Meine Beobachtungen an anderen Pflanzen kann ich hier kurz zusammenfassen. Bei Gladiolus communis und Urocus vernus dringt der Pollenschlauch zwischen die verjüngten basalen Theile der Gehülfinnen ein und gelangt häufig bis zum Ei, an dessen Oberfläche er sich ausbreitet (Taf. XXXI, Fig. 19a, 19b, 22); oder er bleibt auch in unbestimmter Höhe zwischen den Gehülfinnen stehen (Fig. 18, 20, 21). Diese haben jedenfalls die Befruchtung zu vermitteln und werden hierauf resorbirt. Ihre gestreiften Basen, „die Fadenapparate“ erhalten sich länger, und werden dann an den Pollenschläuchen haftend vorgefunden. Letztere dringen oft in Mehrzahl in dasselbe Eichen und selbst zwischen die Gehülfinnen ein (Fig. 18, 19a, 19b, 22), doch meist bis zu verschiedener Tiefe. Nach vollzogener Befruchtung erscheint die Wand des Pollen- schlauches sehr stark gequollen, namentlich an dessen meist er- weitertem Scheitel. Die Quellung der Wand mag einerseits den Uebertritt des Inhalts erleichtert, andererseits zur definitiven Ent- leerung des Schlauches beigetragen haben. Bei Ornithogalum nutans stösst der Pollenschlauch auf die stark gequollene Wand des Embryosackes, um sich an derselben abzuflachen, oder dieselbe, wie gewöhnlich, zu durchbrechen. Dabei treibt der Schlauch oft eigenthümliche Auswüchse (Taf. XXXI, Fig. 9, 11). Die Schlauchspitze erscheint sehr stark gequollen. Bine Eigenthümlichkeit von Omithogalum ist die, dass häufig eine Gehülfin sich, so wie das befruchtete Ei, mit einer Öellulose- membran umgibt. Sie ist übrigens auf den ersten Blick von dem befruchteten Ei zu unterscheiden, denn während letzteres sein Protoplasma vornehmlich im hinteren Theile und hier auch seinen Kern führt, wird die Gehülfi von grumöser, schaumiger Substanz erfüllt und besitzt keinen Zellkern mehr. Unter den vielen Prä- paraten die ich durchmusterte, fand ich daher auch nicht ein einziges, in dem sich etwa die Gehülfin weiter entwickelt hätte sie konnte aber lange noch erhalten bleiben (Fig. 12, Taf. XXXI nach einem Präparate meines Schülers, des Herrn Stud. Pabst). Nach vollzogener Befruchtung erscheint die Wand am Embryo- scheitel wieder erhärtet, vom Pollenschlauch ist bald keine Spur mehr aufzufinden; er scheint vollständig resorbirt zu werden. Bei Bartonia aurea dringt der Pollenschlauch zwischen den beiden zugespitzten Fortsätzen der Gehülfinnen in die Aussackung des Embryosackes hinein und lässt sich in der Längsaxe der- selben meist bis an das Ei verfolgen. Von den beiden sich widersprechenden Angaben Hofmeister’s war also die erste die 494 Eduard Strasburger, richtige '), bis auf die Ausführung, dass die Pollenschlauchspitze sich der Scheidewand anlege, welche die obere Aussackung des Embryosackes von dessen ursprünglichem Raume trennt. Letzteres ist indess nicht möglich, da eine solche Scheidewand hier gar nicht existirt. Bei Oenothera Drumondii wo der Pollenschlauch eine be- deutende Weite erlangt, ist leicht nachzuweisen, dass dasselbe meist nur der Aussenwand des Embryosackes anliegt und in dessen Inneres nicht eindringt (Taf. XXXIV, Fig. 32). In dem Pollen- schlauch von Oenothera und auch von Gladiolus sah ich wieder- holt stark lichtbreehende Körper liegen (Fig. 33), die sich mit Chlorzinkjod nicht färbten und annähernd rechteckige Gestalt zeigten. Ich erwähne dasselbe nur, um zu sagen, dass dieselben nicht in irgend welcher Beziehung zur Befruchtung stehen und dass ich sie auch in der Basis eines älteren, unbefruchteten Em- bryosackes von Rosa fand. Bei Rieinus communis scheint die Möglichkeit der Befruchtung vorzuliegen, ohne dass der Pollenschlauch selbst bis an den Em- bryosack dringt, wenigstens habe ich einen Fall beobachtet, in welchem der Pollenschlauch durch zwei Zellen von dem Embryo- sackscheitel getrennt erschien und trotzdem das Ei sich schon mit einer festen Cellulosemembran umgeben hatte und zwei Kernkörperchen in seinem Kerne führte. Ich habe diesen Fall in meiner Fig. 6, Taf. XXXV abgebildet. Auch der Inhalt der Ge- hülfinnen zeigte sich sichtlich unter dem Einfluss des befruchtenden Stoffes verändert. Wie an der Zeichnung zu bemerken, waren die Wände des Pollenschlauches und auch der nach unten an denselben grenzenden Zellen stark gequollen. Hier hatte also in gewissem Sinne eine ähnliche Wanderung des befruchteten Plasmas wie etwa bei Florideen und Ascomyceten stattgefunden. Die sorgfältige Durchmusterung der zu demselben Eichen gehörigen Schnitte hatte mir aber die Ueberzeugung aufgezwungen, dass hier nicht etwa ein anderer Pollensehlauch, von anderer Seite kommend, bis an den Embryosack gedrungen war. Auch war ja augen- scheinlich der zur Beobachtung vorliegende Schlauch vollständig von seinem Inhalt entleert. !, Entstehung des Embryo, p. 39. Später gab Hofmeister an, der Pollen- o NM I ji o ) schlauch dränge sich seitlich an der Aussackung vorbei und lege unterhalb der Einschnürung der Seitenwandung des Embryosacks an (Abhandl., p. 644). IB Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 495 Durch den Nachweis von zwei Eiern in dem Embryosack von Santalum war eigentlich die Möglichkeit der Polyembryonie für diese Pflanze gegeben; dass aber stets nur ein Embryo dort zur Entwieklung kommt, konnte eine Folge der beschränkten Raumverhältnisse im engen Embryosacke sein. Jedenfalls erwar- tete ich, auf Grund der an Santalum gemachten Beobachtungen, in dem Embryosacke polyembryonischer Eichen eine grössere Anzahl Eier. Konnte doch die einmalige Theilung des Eikerns bei Santalum, sich bei andern Pflanzen noch mehrmals wieder- holen. In dieser Erwartung nahm ich Funkia ovata (coerulea) zur Hand, für welche Hofmeister eine grössere Zahl Eier angibt‘), und welche bekanntlich polyembryonisch ist. So viel Blüthen ich aber auch untersuchte, immer fand ich in den Eichen derselben nur je ein Ei und zwei Gehülfinnen. Ja der Vergleich mit der Tafel VII in Hofmeister’s „Entstehung des Embryo“ lehrte mich, dass Letzterer ‚sicher auch nichts Anderes beobachtet habe. Schon Alexander Braun war es aufgefallen ?), dass Hofmeister so wenig „Keimbläschen“ sah, bei der relativ grossen Zahl Keim- linge im reifen Samen. Unter den „Keimbläschen“, die Hofmeister angibt, sind aber auch noch die Gehülfinnen mit inbegriffen. Die Gehülfinnen erscheinen in ihrem vorderen Theile homogen und schwach gestreift, sie führen weiter nach hinten ihren Zell- kern und je eine grosse Vacuole (Taf. XXXII, Fig. 25). Das Ei ist etwas tiefer als die Gehülfinnen inserirt, die Embryosackwand ist am Scheitel stark gequollen. Das hintere zugespitzte Ende des Embryosackes wird von den drei Gegenfüsslerinnen eingenommen; der Kern des Embryo- sackes pflegt denseiben aufzuliegen. Ich fand dann Zustände gleich nach Antritt des Pollenschlauches, die ebenfalls alle nur ein befruchtetes Ei zeigten (Fig. 27, 25). Der Pollenschlauch dringt in den Embryosack zwischen die Gehülfinnen ein und quillt sehr stark (Fig. 27, 28). In einem der befruchteten Eier zeigte der Zellkern zwei Kernkörperchen (Fig. 28). Erst nach vollzogener Befruchtung pflegt ein merkwürdiger Vorgang sich hier abzuspielen, ein Vorgang, der ganz unglaublich scheint, von dessen Existenz man sich trotzdem leicht überzeugen kann. Einzelne Zellen des einschichtigen Eichenkerns beginnen !) Die Lehre von der Pflanzeuzelle, p. 114. ?®) Polyembryonie und Keimung von Caeiebogyne, p. 146. 1860, 496 Eduard Strasburger, sich in dievom Embryosacke eingenommene Höhlung hineinzuwölben: sie theilen sich durch geneigte Wände und bilden alsbald einen mehrzelligen Höcker, der in die Höhlung vorragt. In Fig. 29, Taf. XXXII sind zwei derartige Anlagen zu sehen. Dieselben haben die Embryosackwand etwas nach innen gedrängt und somit auch das an derselben befestigte, befruchtete Ei (o) vor sich her geschoben. Aus den Nucellarhöckern gehen hier also die Adventiv- Embryonen hervor, ihre Zahl ist demgemäss unbestimmt. Sie verdanken einer Art innerer Sprossung ihre Entstehung, und ich wüsste sie zunächst mit nichts Anderem, als etwa mit den Adventivsprossen zu vergleichen, die aus einzelnen Epidermis- zellen der Begonienblätter entstehen, nur dass die Sprossen hier, dem Orte ihrer Entstehung gewissermassen angepasst, den voll- ständigen Habitus der Embryonen annehmen. So weit meine Erfahrung reicht, scheinen solche Adventiv- Embryonen hier nur in den befruchteten Eichen, oder doch nur in solehen Fruchtknoten, deren Narbe bestäubt worden war, zu entstehen. Die Möglichkeit bleibt aber schlechterdings nicht aus- geschlossen, dass sie auch in unbefruchtet gebliebenen Eichen an- gelegt werden. Ob der Umstand, dass die Pflanze sich auf solchem Wege ver- mehren kann, es mit sich bringt, dass die Antheren in den meisten Blüthen mangelhaft stäuben, will ich dahingestellt sein lassen. Die Blüthen setzen aber auch nur sehr mangelhaft an, so dass man aus diesem Umstande wieder schliessen könnte, dass nur die befruchteten Eichen zur Bildung der Adventiv-Embryonen befähigt werden. Stets fand ich daher auch in solchen Eichen das Ei von einer ÖCellulosemembran umgeben. Das Ei selbst sah ich nirgends weiter entwickelt, doch mag dies nur Zufall gewesen sein; ich glaube nämlich, dass die Weiterentwicklung des Eies nicht aus- geschlossen ist, falls die Adventiv-Embryonen nicht zu nah am Ei entstehen und die Embryosackwand an dieser Stelle nicht zu- rückdrängen. Ich muss freilich gleich hinzufügen, dass ich in mehreren Eichen das Ei befruchtet, d. h. von einer Cellulosemembran. um- geben fand, und doch nicht weiter entwickelt, ungeachtet Adventiv- Embryonen nieht in Bildung waren. Solche Eichen zeigten sich aber in allen Fällen auch in ihrer übrigen Entwieklung gehemmt, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 497 sichtlich beeinträchtigt von den stark auwachsenden Eichen, welche die Adventiv-Embryonen enthielten. Funkia eueullata (Hort.) setzt ebenfalls schlecht an, und so scheint es bei uns überhaupt. die meisten Funkien, bildet aber trotz- dem nicht Adventiv-Embryonen. In den befruchteten Eichen war die normale Weiterentwicklung des einzigen Eies leicht festzustellen (Taf. XXXIJ, Fig. 30). Einen exquisiten Fall der Adventiv-Embryonen-Bildung bietet uns Nothoscordum fragrans, eine Pflanze von fabelhafter Fertili- tät, bei der fast jedes Eichen zum Samen wird und zwei bis drei Embryonen führt. !) Ich habe bei dieser Pflanze die ganze Entwicklungsgeschichte der in den Embryosäcken sich abspielenden Vorgänge verfolgt. Auf jüngsten Zuständen sah ich nur zwei Kerne im Embryo- sack, dann je zwei vorn und hinten, endlich die Anlage des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen in gewohnter Weise (Taf. XXXI, Fig. 33). ) Durch den sich vergrössernden Embryosack wird der obere Theil des Eichenkerns meist bis auf eine äussere Zelllage ver- drängt (Fig. 33 und 34). Sobald nun aber der Eiapparat angelegt ist, beginnen einzelne Zellen des Eichenkerns am Scheitel des Embryosacks sich durch tangentiale Theilungen zu vermehren (Fig. 34). So liegt der Eiapparat nun wie in einem Gewebepolster eingebettet (Fig. 35 und 36). Oft erfolgt auch eine tangentiale Theilung der an die Gehülfinnen-Basen anstossenden Nucellar- zelle, doch wird von den beiden entstandenen Schwesterzellen die innere meistens alsbald wieder von dem vordringenden Gehülfinnen- grunde verdrängt. So wie in Fig. 36 oder 35 sieht also, im Allgemeinen, der Embryosack von Nothoscordum fragrans zur Empfängnisszeit aus. Der Eiapparat wird von einem besonderen Polster inhaltsreicher Zellen umgeben; die Gehülfinnen zeigen sich in ihren vorderen Theilen homogen, schön gestreift und stossen an die hier einfache Zelllage des Eichenkerns an; das Ei ist etwas tiefer inseritt, doch noch innerhalb des Gewebepolsters. Die Embryosackkerne haben eben ihre Vereinigung vollzogen. !) Vergl. die Angabe Braun’s über die Fertilität dieser Pflanze: Poly- embryonie, p. 145. ®) Tulasne gibt hingegen bis 5 „Embryonal-Bläschen“ an, Ann, d. sc, nat. 4. ser. Bot. T. IV, p. 99, 1856, 498 Eduard Strasburger, In einigen Fällen gelang es mir, den Pollenschlauch bis in den Eiehenkern zu verfolgen, der Nachweis desselben ist schwer und kann es daher sehr leicht geschehen, dass man ihn übersieht, auch wo er vorhanden. An den Gehülfinnen waren häufig Ver- änderungen zu beobachten, die auf den Einfluss der Befruchtung hindeuteten. Das Ei erschien oft von Cellulosemembran umgeben, die übrigens dann auch um die Gehülfinnen zu finden war. Nun aber pflegten auch Theilungen in dem den Eiapparat um- gebenden Gewebepolster aufzutreten (Taf. XXXIL, Fig. 40). Diese, zunächst tangential, folgten sich bald in verschiedenen Richtungen, wodurch das Gewebepolster sich zur Gestalt eines unregelmässigen Walles zu erheben begann (Fig. 41). Die Gehülfinnen wurden jetzt resorbirt, das Ei zur Seite gedrängt oder empor gehoben, wie dies ohne Weiteres aus den Abbildungen zu ersehen ist (Fig. 41 bis 43). Desondere Stellen des Walles beginnen sich dann zu markiren und, auf folgenden Entwicklungszuständen, die einzelnen Adventiv-Embryosackanlagen gegen einander zu sondern. Fig. 44 zeigt uns dieselben von oben. Der mittlere freie Raum zwischen den Anlagen war zuvor von den Gehülfinnen eingenommen. — Manche Anlagen erfahren erst eine sehr späte Sonderung, wie z. B. diejenige rechts in Fig. 45, die sich jedenfalls in zwei zu zerlegen anschickte. Die äusseren Zellen des Eichenkerns werden in diesen Entwicklungsstadien resorbirt. Ob für alle Fälle hier Befruchtung zur Weiterentwicklung nothwendig ist, muss ich wiederum dahingestellt lassen, der ent- sprechende Nachweis würde schwer zu führen sein. In den meisten Fällen schien Befruchtung in der That der Anlage der Adventiv- Embryonen voraus zu gehen. Das Ei wird fast immer verdrängt, doch habe ich Fälle beobachtet, wo dasselbe sich auch weiter entwickelt hatte: so in Fig. 44, wo ich dasselbe in der Zeichnung besonders markirt habe. Von den vielen angelegten Adventiv-Embryonen kommen nur 2—3, selten mehr, zur definitiven Ausbildung. Einen solehen Adventiv-Keim wüsste ich aber von einem aus dem befruchteten Ei hervorgegangenen nicht zu unterscheiden. Im Uebrigen lag es mir hier zu fern, die Weiterentwicklung der Adventiv-Embryonen im Einzelnen zu verfolgen, und empfehle ich die Pflanze, nach dieser Richtung hin, zu weiterem Studium. Häufig, das sei noch anhangsweise bemerkt, führte der Kern des Eies hier vor der Befruchtung zwei Kernkörperchen; also darf aus dem Vorhandensein zweier Kernkörperchen allein noch nicht Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 499 auf stattgehabte Befruchtung geschlossen werden. Die zwei Kern- körperchen konnten uns nur da zu Anhaltspunkten werden, wo wir im unbefruchteten Ei constant nur ein Kernkörperchen im Zellkerne fanden, uns dagegen im befruchteten Ei häufig und unter-sonst ähnlichen Verhältnissen zwei Kernkörperchen entgegentraten. Von Citrus-Arten stand mir nur unvollständiges Material zur Verfügung, doch musste es mir auffallen, dass in den befruchteten Eichen lange Zeit hindurch nur je ein befruchtetes Ei, auf ein- zelligem Zustande, zu finden ist!), in älteren Eichen aber häufig, ausser der augenscheinlich aus dem befruchteten Ei hervor- gegangenen Embryonalanlage, noch eine Anzahl anderer, in grösserer oder geringerer Entfernung von derselben. Ich erlaube mir daher die Annahme, dass auch hier die seitlich, in einiger Entfernung von der Embryosackspitze, auftretenden Anlagen aus dem Nucellargewebe hervorgehen. Hier hätten wir aber einen Fall vor uns, wo ausser den Adventiv-Embryonen sich auch das Ei normalerweise weiter entwickelt. Auch würde hier die Be- fruchtung und Bildung der Adventiv-Embryonen weit auseinander- liegen. Bekanntlich hebt das befruchtete Ei mit seiner Weiter- entwicklung bei uns erst in der nächsten Vegetationsperiode an ?), mit dieser würde nun gleichzeitig auch die Bildung der Adventiv- Embryonen beginnen. Mit dem „Brei zartwandiger Zellen in der Embryosackspitze zur Befruchtungszeit“, von dem Hofmeister spricht ?), wird es hier aber wohl auch seine eigene Bewandniss haben. Wie nunmehr leicht zu vermuthen war, bildet auch Caele- bogyne ilieifolia ihre zahlreichen Keime durch adventive Sprossung aus dem Nucellargewebe. Man findet dieses Gewebe am Embryo- sackscheitel mit Inhalt dicht angefüllt.e In Fruchtknoten von etwa 1,5 Mm. Höhe beginnen aber einzelne Gruppen von Nucellar- zellen sich in die Embryosackhöhlung hineinzuwölben. Entweder nimmt der sich bildende Höcker die Embryosackspitze ein, oder er liegt auch seitlich etwas unterhalb derselben. Der Höcker drängt die beiden Gehülfinnen und das Ei vor sich hin. Letzteres ist ohne Cellulosemembran und wird mit sammt den Gehülfinnen alsbald resorbirt. Die drei Kerne des Eiapparats bleiben noch eine Zeit lang erhalten. Die Höcker sondern sich in die Adventiv- 1) So auch Schacht, Jahrb. f. wiss. Bot,, Bd. I, p. 211. ?) Vergl. Hofmeister, Jahrb. f, wiss, Bot., Bd, I, p. 9. 3-1. @,.n. 90: Bd. XI. N. F, IV, 4. 34 500 Eduärd Strasburger, Keime, unter ganz ähnlichen Entwicklungsverhältnissen, wie wir sie bei Nothoscordum beobachtet. Meine auf diesen Vorgang be- züglichen Zeichnungen will ich bei einer späteren Gelegenheit veröffentlichen, weil dieselben nicht vollständig genug sind. Es ist somit richtig, dass bei Caelebogyne die vorhandenen Keime ohne Befruchtung gebildet werden und doch liegt Partheno- genesis nicht vor, denn die genannten Keime gehen nicht, wie man das angenommen hatte, aus unbefruchteten Eiern hervor. In wie weit sonstige Fälle von Polyembryonie bei Meta- spermen auf adventiver Keimbildung beruhen, wird noch festzu- stellen sein; in manchen Fällen, wie z. B. bei Orchis latifolia %), die nicht selten zwei Keime im Eichen führt, mag immerhin eine ähnliche Verdopplung des Eies vorliegen können, wie wir ihr bei Sinningia begegnet sind. Der Nucellus wird ja bei Orchideen früh- zeitig resorbirt, es müssten denn gar Integumentszellen hier zur Bildung von Adventiv-Embryonen verwendet werden. 2) Braun, 1. c. p. 147. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 501 Weitere Folgen der Befruchtung im Embryosack der Phanerogamen. Wiederholt habe ich bereits die Veränderungen geschildert, die das Ei der Archispermen nach der Befruchtung erfährt. Wir stehen dort in allen Fällen einer mehr oder weniger verkürzten Entwicklung gegenüber. Der Keimkern geht selbst nicht in Theilung ein, vielmehr wird er aufgelöst und es treten an dessen Stelle, gleichzeitig in grösserer Anzahl, mit Zellkernen versehene Zellen auf. Bei Cupressineen annähernd drei hinter einander gestellte Zellen im Scheitel des Eies; bei Abietineen vier in gleiche Ebene gestellte Zellen an derselben Stelle; bei Ginkgo eine grosse Zahl Zellen in der ganzen Masse des Eies vertheilt; bei Ephedra eine wechselnde Zahl völlig gegen einander isolirter Zellen. Aus dem Zellencomplex im Cupressineen-Ei geht nur einer (Thuja), oder auch durch nachfolgende Spaltung, mehrere Embryo- nalanlagen hervor (Juniperus).. Bei Abietineen ein Embryo (Picea) oder ebenfalls durch nachträgliche Spaltung der Anlage mehrere (Pinus). Bei Taxineen stets nur ein Embryo. Bei Ephedra aus jeder der freien Zellen je eine Anlage. Trotz dieser, der Anlage nach, so zahlreichen Embryonen, deren Zahl in jedem Embryosack noch durch die Mehrzahl der vorhandenen Archegonien vermehrt wird, finden wir meist doch nur einen Embryo im reifen Samen, weil dieser alle anderen während seiner Entwicklung verdrängt hat.) Das Gewebe des Embryosackes selbst — das Prothallium- gewebe — zeigt sich nicht wesentlich beeinflusst durch die Be- fruchtung. !) Vergl. über alles das Gesagte meine Üoniferen und Gnetaceen und Zellbildung und Zelltheilung, 11. Aufl, 4 502 Eduard Strasburger, Anders sind nun die Vorgänge bei den Metaspermen. Nach erfolgter Befruchtung beginnt alsbald das Ei sich zu vergrössern und wächst entweder gleichmässig in die Länge (Orchideen), oder kann auch, wie beispielsweise bei Monotropa, nur einen schlauchartigen Auswuchs treiben, so dass die Basis des Eies bauchförmig angeschwollen erscheint. Nach kürzerer oder längerer Zeit — je nach der Art sehr verschieden — !) folgt die erste Theilung des Eies. Entgegen der Angabe Hofmeister’s ?) schwindet der Keimkern nie, vielmehr geht er direet in Theilung ein. Ich habe ihn wieder- holt bei Orchideen in Theilungsstadien fixirt (Taf. XXIX, Fig. 92), es ist das der Augenblick, wo er für die direete Beobachtung schwindet; man muss zu entsprechenden Reagentien seine Zuflucht nehmen, um ihn zur Anschauung zu bringen. Auf die erste Theilung folgen im Orchis-Keime bald andere, die es nicht in meiner Aufgabe lag, weiter zu verfolgen. Der junge Embryo nimmt rasch an Grösse zu. Der Embryosackkern pflegt zu schwinden, wenn der Keim die Grösse wie in Fig. 95 erreicht hat; manchmal bleibt er auch länger erhalten. Dem Schwinden des Kernes ist etwas früher die Verflüssigung der Gegenfüsslerinnen vorausgegangen. Auf nächstfolgenden Stadien erfüllt der Keim den ganzen Embryosack, womit zunächst seine Entwicklung sistirt ist. Bei Orchideen wird bekanntlich Endosperm nicht angelegt, in dem beschriebenen Falle auch nicht die Spur desselben. Bei Monotropa hingegen sehen wir die Endospermbildung frühzeitig eintreten. Ihr Beginn fällt etwa in den fünften Tag nach erfolgter Bestäubung. Ungefähr zu der Zeit, da das Ei sich zu strecken beginnt, geht der Embryosackkern die erste Theilung ein (Taf. XXXII, Fig. 152, 135, 156), dieser folgt alsbald die zweite (Fig. 138, 140) und die folgenden; zuerst nach der Quere, dann auch, und zwar zunächst in den mittleren Zellen, in zu dieser senk- rechten Richtung. Nach dem dritten oder vierten Theilungs- schritte schwinden im hinteren Ende des Embryosacks die Gegen- füsslerinnen. Interessant ist die Art, wie das schlauchartig aus- wachsende Ei, die bald zu erreichende Endospermwand durchbricht (Fig. 140): es stülpt dieselbe nicht etwa ein, sondern macht in derselben ein rundes, scharf contourirtes Loch; es wird also die ') Vergl. Hofmeister, Abhandl, V, p. 697. 2) Al 2eu0n.690, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 503 durchbrochene Wand nicht eingedrückt, sie muss an der betreffen- den Stelle gelöst worden sein. Sobald nach erfolgter Befruchtung das Ei von Capsella Bursa pastoris sich zu strecken beginnt, wird der Embryosackkern auf- gelöst und es treten neue Kerne frei im Wandplasma auf. Zu- nächst in geringer Anzahl, nimmt ihre Zahl bei gleichzeitiger, rascher Vergrösserung des Embryosacks, durch Einschaltung zwischen die vorhandenen zu (Fig. 76, Taf. XXXIID. Die Unter- suchung erhärteter Alcoholpräparate lehrt, dass die Kerne auch hier sofort von einer nach aussen mit Hautschicht umgrenzten Protoplasmamasse umgeben sind. Diese Plasmamasse ist, ent- sprechend den Raumverhältnissen in der Wandschicht in der sie entstand, von linsenförmiger Gestalt. Der Längsstreckung des Embryosackes folgend, werden die Zellen bald spindelförmig. Die hier gebildeten Kerne unterscheiden sich von den früher von mir bei Phaseolus beobachteten dadurch, dass sie von Anfang an eine Sonderung zeigen: ein solides Kernkörperchen in der Mitte, und in einiger Entfernung, concentrisch um dieses, die Kernhülle. Bei Phaseolus sind hingegen die angelegten Kerne völlig homogen, wie ich das durch Vergleich meiner Präparate nochmals bestätigen kann. Zum Unterschied von Phaseolus werden die Zellkerne hier auch nicht punktförmig angelegt, sondern treten anscheinend gleich, fast in ihrer definitiven Grösse in die Erscheinung. Bald stossen in den beiden Enden des Embryosacks von Capsella die frei gebildeten Zellen auf einander und werden so diese beiden Enden zuerst mit geschlossenem Gewebe erfüllt. So weit meine Beobachtungen bisher reichten, bin ich immer nur diesen beiden Arten der Endospermbildung begegnet, wie ich sie hier für Monotropa und Capsella geschildert, und möchte ich mir daher fast die Vermuthung erlauben, dass es überhaupt die einzigen beiden Arten der Endospermbildung sind, welche existiren. 504 Eduard Strasburger, Morphologische Deutung der Entwicklungsvorgange im Innern der Pollenkörner und der Embryosäcke der Phanerogamen. Durch die Theilung, welche wir im Pollenkorn der Meta- spermen, kurz vor der Anthese, nachgewiesen, ist eine neue Ueber- einstimmung zwischen Archispermen und Metaspermen gewonnen worden. Es könnte die Uebereinstimmung im Sinne einer An- näherung beider verwerthet werden, andererseits aber auch einer direeteren Annäherung der Metaspermen an diejenigen höheren Kryptogamen, denen eine gleiche Bildung in der Mikrospore zukommt. Dabei könnte aber noch erwogen werden, ob nicht diese Abgrenzung eines Theiles des Mikrosporen- resp. des Pollenkorn-Inhalts vor der Befruchtung, eine physiologische Be- deutung habe. Wäre Letzteres der Fall, so käme die „vegetative Zelle“ um ihre rudimentäre Bedeutung und somit zum grössten Theil auch um ihren Werth für Beurtheilung der Verwandtschafts- verhältnisse zwischen Phanerogamen und Kryptogamen Die Bildung der nackten Zellen in der Pollenschlauchspitze der Coniferen liegt es aber immer noch nahe, so wie dies von Hofmeister zuerst geschehen !'), mit der Bildung von Sperma- tozoidmutterzellen zu vergleichen. Die Deutung der Vorgänge im Embryosacke der Archispermen macht im Allgemeinen keine Schwierigkeit. Diese Vorgänge knüpfen zu überzeugend an diejenigen bei höheren Kryptogamen an. Das sg. Endosperm im Embıyosack entspricht dem Prothalliumge- webe, die sg. Corpuscula den innern Theilen eines Archegoniums. Ja die Uebereinstimmung erstreckt sich in vollem Maase bis auf das Ei, welches kurz vor seiner Reife die Bauchkanalzelle abgibt. !) Vergl. Unters., p. 132. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 505 Die herrschende Ansicht war jetzt auch, dass die Gegen- füsslerinnen im Embryosack der Metaspermen als Rudimente des Prothalliumgewebes der Archispermen zu deuten seien, dass wir in den „Keimbläschen“ der Metaspermen aber die bis auf die Eier reducirten „Corpuscula“ der Archispermen vor uns hätten. Der sg. „Fadenapparat‘ an den „Keimbläschen‘‘ wurde von mir vor Kurzem mit der Bauchkanalzelle am Ei der Archispermen verglichen. Die Vorstellungen, welche wir uns nach Hofmeister und Schacht von den innern Processen im Embryosack der Meta- spermen gebildet hatten, liessen solche Vergleiche zu. Heut ist die Sache wohl anders geworden. Die Vorgänge im Embryosack der Metaspermen haben sich als so verschieden von denjenigen im Innern des Embryosackes der Archispermen gezeigt, dass eine directe Anknüpfung an die letzteren kaum mehr möglich erscheint. Mir ist jetzt überhaupt die Ableitung der Metaspermen von den Gmnetaceen, welche ich nach dem früheren Stande meiner Kenntnisse versuchte, mehr denn zweifelhaft geworden. Aber auch mit der Anknüpfung der Vorgänge im Embryo- sack der Metaspermen an diejenigen in den Makrosporen der höheren Kryptogamen bisher beobachteten, dürfte es nicht besser gehen, es müssten denn, durch erneute Untersuchungen, auch da unerwarteter Thatsachen gefördert werden. Wir haben gesehen, dass im Embryosack der Metaspermen, sobald er in den bestimmten Entwicklungszustand eingetreten ist, eine Kerntheilung, von unvollständiger Zelltheilung begleitet, stattfindet, durch welche ein Gegensatz zwischen den beiden Enden des Embryosackes eutwickelt wird. Die zwei Kerne theilen sich bald und ebenso auch noch die beiden Kernpaare. Bei diesem letzten Theilungsschritt wird auch die Zelltheilung durch- seführt und wir erhalten im Allgemeinen drei obere und drei untere Zellen im Embryosacke: einerseits das Ei mit seinen beiden Gehülfinnen, andererseits die Gegenfüsslerinnen. Je ein Kern fällt bei der letzten Theilung, vorn und hinten, dem gemeinsamen Innenraume des Embryosackes zu, und wir haben gesehen, dass die beiden Kerne bald auf einander zuwandern und mit einander verschmelzen. So scheint im Embryosackkerne der Gegensatz wieder ausgeglichen zu werden, der zwischen dem Eiapparat und den Gegenfüsslerinnen definitiv bestehen bleibt. Können aber die unter solchen Umständen erzeugten Gegen- 506 Eduard Strasburger, füsslerinnen mit dem Prothalliumgewebe im Embryosack der Archispermen verglichen werden? Es müsste dieser Vergleich doch sehr künstlich erscheinen. Eher wird man sich nun wohl nach neuen Anknüpfungspunkten bei den Kryptogamen umzu- sehen haben. Der Eiapparat, wie er im Embryosack der Metaspermen beschaffen, kennt aber auch bisher nicht Seinesgleichen. Die Ge- hülfinnen vermitteln die Befruchtung in einer Weise, die nur an die Vorgänge in gewissen Geschlechtsapparaten niederer Krypto- gamen erinnern kann. Die Differenzirungen an der Basis der Gehülfinnen, „die Fadenapparate“ mit dem Empfängnissfleck zu parallelisiren dürfte kaum noch möglich sein. Als Kanalzellen können die Gehülfinnen aber auch nicht gedeutet werden, denn abgesehen von der ganz verschiedenen Function, sehen wir auch, dass dieselben nicht vom Ei abgegeben werden, vielmehr einem besonderen Theilungsschritte ihre Entstehung verdanken. Das Ei wird zugleich mit ihnen angelegt und der Schwesterkern des Eies geht nicht in die Bildung der Gehülfinnen ein, fällt viel- mehr dem gemeinsamen Innenraume des Embryosackes zu. Sollten die Gehülfinnen trotzdem metamorphosirte Eier sein? Diese Annahme bliebe zunächst nur eine billige Hypothese, da keine Beobachtung bis jetzt vorliegt, die sie stützen könnte, die „Fadenapparate“ würden aber auch dann nicht an Aehnlich- keit mit den Empfängnissflecken gewonnen haben, denn sie zeigen einen ganz anderen Bau, andre chemische Zusammen- setzung und andere Function. Der definitiven Bildung des Embryosackerns aus der Ver- schmelzung zweier, wüste ich aber auch keine bisher bekannten Thatsachen zur Seite zu stellen, es seien denn die Kernver- schmelzungen, denen wir bei der Befruchtung begegnet sind. So kommen denn eigentlich die Vorgänge im Embryosack der Metaspermen durch diese Untersuchung in eine isolirte Lage und es fragt sich, wie bald es gelingt, sie aus derselben zu be- freien. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 507 Allgemeines über den Vorgang der Befruchtung. Meine derzeitige Auffassung von dem Wesen der Befruchtung bildete sich aus während der Beobachtung der Copulationsvor- gänge der schwärmenden Gameten von Acetabularia. Es musste mir dort auffallen, dass es die gleichwerthigen Theile der copu- lirenden Zellen sind, die sich im Geschlechtsakte vereinigen. Diese Erscheinung geht nun, wie ich auf Grund bisheriger Erfahrungen glaube annehmen zu müssen, durch das ganze organische Reich. In der Weise wie sie sich äussert, gibt es aber Modifica- tionen. Bei den schwärmenden Gameten von Acetabularia und in andern ähnlichen Fällen verschmelzen die vorderen, farblosen Stellen und die andern sich entsprechenden Theile der Körper mit einander. Bei den nicht schwärmenden Gameten von Spirogyra trifft die Hautschicht der einen Zelle auf die Hautschicht der andern, das Körnerplasma beider Zellen durchdringt sich wechselseitig; selbst die Chlorophylimassen treten in Berührung. Die Zellkerne sind zuvor gelöst worden, doch mag die vereinte Substanz der- selben sich’ im Zellkerne des Keimlings wiederfinden. Bei Marchantia hat das Ei einen Kern, das Spermatozoid aber wird nur von einem homogenen Plasmabande gebildet. !) Die Entwicklungsgeschichte der Spermatozoiden lehrt uns aber, dass letztere aus der Substanz ihrer Mutterzelle nach Auflösung des Zellkernes gebildet werden, dass ihr Körper also auch Kernstoff enthält. Es mag nun bei der Befruchtung die Kern- substanz des Spermatozoiden dem Kerne des Eies zufallen, sein !) Den Beweis hierfür glaube ich an den Spermatozoiden der Farne und Equiseten geliefert zu haben in meinen Studien über Protoplasma, p. 11, 1876. 508 Eduard Strasburger, übriges Plasma sich entsprechend mit dem Plasma des Eies ver- einigen. Bei Coniferen sammelt sich die Kernsubstanz des Pollen- korninhalts meist in Kernform an der Befruchtungsstelle, um weiter gegen den Eikern vorzudringen und mit demselben zu ver- schmelzen. Dass anderweitige Substanz des Pollenschlauches mit dem Eiplasma sich vermengt, zeigt die Veränderung, welche letzteres gleichzeitig erfährt. Endlich sahen wir auch bei den Metaspermen Theile des be- fruchtenden Stoffes sich innerhalb des Eies in Kernform sammeln und mit dem Eikern vereinigen; andererseits war die Aufnahme befruchtender Substanz auch in das übrige Eiplasma zu augen- scheinlich, um übersehen werden zu können. Durch die Vorstellung, welche wir uns bei Phanerogamen von dem direeten Fortschreiten der befruchtenden Substanz bis zum Ei gebildet haben, wird aber die Uebereinstimmung dieser Befruchtungs- vorgänge mit denjenigen der Kryptogamen angebahnt. Da aber die Kernsubstanz der Pollenschläuche sich zertheilen muss, um mit dem übrigen Plasma die Membranen zu passiren, so gleicht der formlose, befruchtende Stoff hier durchaus einem geformten Spermatozoiden der höheren Kryptogamen. Erst wäh- rend der Befruchtung tritt wieder die Sonderung des befruchtenden Stoffes in seine Bestandtheile ein. Die Aufnahme befruchtender Substanz in den Eikern war mir früher besonders aufgefallen und veranlasste mich, die Ansicht auszusprechen, dass es vornehmlich um die Einführung der Kern- substanz sich bei der Befruchtung handele. ?) — Diese meine An- sicht ist nun jetzt dahin geändert: dass es die gleichwerthigen Theile beider Zellen sind, die sich bei der Befruchtung vereinigen. Diese Ansicht wird in besonders instructiver Weise durch die Metaspermen gestützt, bei denen der Eikern auch ein Kermn- körperchen führt, — und dem entsprechend auch ein solches im Spermakern auftritt, um gesondert mit dem Kernkörperchen des Eikerns zu verschmelzen. Für die Ansicht, die ich mir über den Vorgang der Befruch- tung gebildet, ist gleichgültig, ob der befruchtende Stoff direet zur Verwendung kommt, oder ob derselbe wiederholt übertragen werden muss, oder sich auch vertheilt. Letzteres wäre nun be- !) Jahrb. für wiss. Bot., Bd. VII, p. 405. ?) Zellbildung und Zelltheilung, II, Aufl., p. 309. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 509 sonders der Fall, wenn, wie es Pringsheim will, die Wirkung des befruchtenden Stoffes sich bei Florideen und gewissen Ascomy- ceten bis auf die in den Früchten erzeugten „Sporen“ fortzu- pflanzen hätte. !) Auch die Angaben auf zoologischem Gebiete stehen meiner Auffassung der Befruchtung nicht entgegen. O. Hertwig ist der Ansicht, dass die Befruchtung allgemein auf der Copulation zweier Kerne, des Kerns des Spermatozoiden und des Eikerns, beruht ?), in dieser Ansicht stimme ich mit ihm überein, erweitere sie aber darin, dass eine Copulation auch zwischen den übrigen gleichwerthigen Bestandtheilen des Sperma- tozoiden und des Eies vor sich geht. Noch mehr würde mit den von mir bei Phanerogamen ge- schilderten Vorgängen die Beschreibung übereinstimmen, welche Fol von dem Beiruchtungsvorgange bei einem Seestern gibt. °) Das Spermatozoid eopulirt dort mit dem Ei, indem es gleich- sam in dasselbe hineinfliesst. Die Aufnahmestelle des Spermato- zoids soll aber zum Centrum eines Sternes werden, in dessen Mitte sich der „männliche Pronucleus“ bildet, der auf den „weib- lichen Pronueleus“ zuwandert und mit demselben verschmilzt. Fol lässt nun freilich den „männlichen Pronueleus“ aus der Fusion der Spermatozoiden mit einer gewissen Menge des Dotter- plasma entstehen; wir hingegen halten den „männlichen Pro- nucleus“ für die Kernsubstanz des Spermatozoiden. Wie bekannt, ist die Vereinigung von mehr denn zwei gleich- geformten Elementen zu einem einzigen Copulationsproducte ausnahmsweise möglich (Chlorosporeen, Spirogyra). Mit eintreten- der Formverschiedenheit der Geschlechtsproducte scheint eine solche Möglichkeit aufzuhören. Nach den übereinstimmenden Angaben von O. Hertwig *) und Fol5) wird normaler Weise nur ein Spermatozoid bei der Be- fruchtung in das thierische Ei aufgenommen. Pringsheim 6) hat das- 1) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. XI, p. 45. 1877. 2) Morpholog. Jahrb., Bd. III, p. 278. 3) Comptes rendus 1877, T. LXXXIV, p. 359, und Archives des sciences phys. et nat. Geneve, 1877, T. LVII. 4) Morphol. Jahrb. III, p. 82. 5) Comptes rendus 1877, T. LXXXIV, p. 359. 6) Monatsber. der Berliner Akad. der Wissenschaften, Mai 1856. Von Pringsheim wurde auch der erste sichere Nachweis geführt, dass eine Mischung der zeugenden Elemente bei der Befruchtung stattfindet, 510 Eduard Strasburger, selbe schon vor vielen Jahren für Oedogonien nachgewiesen, neuerdings für die gleichen Pflanzen auch Juranyi.!) Ich selbst sah bei Farnen ?), dass nur ein einziges Spermatozoid in’s Ei ein- dringen kann, andere bleiben auf dem Ei liegen. Doch handelt es sich für Oedogonium und für Farne um, im Verhältniss zum Ei, relativ grosse Spermatozoiden; ob die sehr kleinen Spermato- zoiden von Vaucheria oder Marchantia in Mehrzahl die Befruch- tung des gleichen Eies bewirken, lässt sich nicht sagen, der Umstand, dass bei thierischen Eiern auch nur ein kleines Sper- matozoid in das verhältnissmässig sehr grosse Ei aufgenommen wird, lässt auch für die genannten Pflanzen die Befruchtung des Eies durch nur ein Spermatozoid möglich erscheinen. Warum aber im Allgemeinen nur ein Spermatozoid in das Ei eingelassen wird, muss dahingestellt bleiben. Man möchte zu- nächst bei Pflanzen an eine ausserordentlich rasch erfolgende Aus- scheidung vom Cellulose denken, doch können auch moleeulare Vorgänge ganz anderer Art hier im Spiele sein. Bei Asterias glacialis soll nach Fol die Differenzirung einer Dotterhaut mit dem Antritt eines Spermatozoiden beginnen und schon nach wenigen Secunden den Zugang einem jeden weiteren Spermatozoiden verwehren. Doch behauptet andererseits O. Hert- wig?), das Ei sei schon vor der Befruchtung von einer Dotter- haut umgeben. So wie ein Spermatozoid in das Ei eindringt, hebe sich die Dotterhaut von der Dotieroberfläche ab, indem durch Contraction des Protoplasma Flüssigkeit ausgepresst werde. Bei Marchantia, den Coniferen und in vornehmlich anschau- licher Weise bei den Metaspermen bleibt der morphologische Kern des Eies bis zum Augenblick der Befruchtung erhalten. Dass der Keimkern aber bei Marchantia und den Metaspermen nicht schwindet, sondern direet in die erste Theilung eingeht, war leicht zu beweisen. Nur bei verkürzier Entwicklung, wie solche bei Coniferen-Eiern erfolgt, wird der Keimkern aufgelöst und durch eine grössere Anzahl gleichzeitig erzeugter neuer Kerne ersetzt. Es ist das dann aber kein anderer Vorgang als derjenige, der sich sonst bei Vielzellbildung in kernhaltigen Zellen abspielen kann. Es war mir schon früher aufgefallen, dass so oft Theile der 1) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. IX, p. 17, 1873—74. 2) Jahrb, f. wiss. Bot., Bd. VII, p. 405, 186970. ?) Nach einem Vortrage O, Hertwig’s in der med. naturwiss, Gesell. zu Jena, mit Erlaubniss des Vortragenden hier angeführt. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 514 geschlechtlich sich differenzirenden Zellen frühzeitig abgetrennt werden und von dem späteren Geschlechtsakte ausgeschlossen bleiben. Ich fand somit bei Pflanzen eine ganze Anzahl von sebilden, die, so weit sie von weiblichen Zellen stammten, sich mit den Riehtungskörpern der thierischen Eier vergleichen liessen. Solche Bedeutung schienen mir die Protoplasmaballen, welche die Eier vieler Algen vor der Befruchtung ausstossen; weiter die Bauchkanalzellen der Eier bei höheren Kıyptogamen und bei Coniferen zu haben. !) O. Hertwig fand nun neuerdings, dass den Riehtungskörpern wohl eine allgemeine Verbreitung durch das ganze Thierreich zu- kommt. ?) Andererseits musste ich jetzt feststellen, dass das Aufgehen des Inhalts der geschlechtlich sich differenzirenden Zellen von Spirogyra in den Geschlechtsproducten ohne Rest erfolgt. Auch ein solcher Vorgang ist somit möglich; die etwaige Annahme, dass die Zelle der Spirogyra durch eine vorhergehende, von den sonstigen vegetativen nicht unterscheidbare Theilung zu der geschlechtlichen Function vorbereitet worden sei, wird durch die Thatsache ausgeschlossen, dass meist die sämmlichen Zellen des einen Fadens mit den sämmtlichen Zellen des anderen in Ver- bindung treten. Der ganze eine Faden ist dann entleert, sämmt- liche Zellen des anderen führen Zygoten. Uebrigens, und ich habe schon auf diese Angabe de Bary’s im Text aufmerksam ge- macht, kommt es bei der Spirogyra Heeriana bereits häufig vor, dass ein kleiner, blasenförmiger Inhaltstheil der übertreten- den Zelle von der Copulation ausgeschlossen bleibt. Bei weiter fortgeschrittener Differenzirung der Geschlechts- zellen scheint diese Abtrennung von Theilen derselben, meistens deren definitiver Ausbildung vorauszugehen. In einfachster Weise wird bei gewissen Algen ein Theil der Eisubstanz durch Aus- stossung beseitiot; bei denselben Pflanzen auch nicht die ge- sammte Substanz des Antheridiums zur Bildung der Spermatozoiden ver werthet. Bei den höheren Kryptogamen geht der definitiven Ausbildung des Eies eine Theilung voraus, durch welche die Bauchkanal- zelle angelegt wird. Die Spermatozoiden führen aber ein Bläschen !) Zellbildung und Zelltheilung, TI. Aufl., p. 293 u, ?®) Morph. Jahrb. III, p, 279 512 Eduard Strasburger, mit sich, das sich an der Befruchtung nicht betheiligt und einen Theil des Inhalts der Mutterzelle repräsentirt. Bei Marsilia bleibt ein Theil des Inhalts der Mutterzelle bei der Bildung der Sperma- tozoiden unbenutzt !); bei Salvinia wird ein bläschenförmiges Ge- bilde ausgeschieden, bevor die Mutterzellen der Spermatozoiden entstehen.?) Bei Archispermen gibt das Ei kurz vor der Befruchtung eine, der Bauchkanalzelle der höheren Kryptogamen ent- sprechende Zelle durch Theilung ab. O. Hertwig®) hat besonders darauf aufmerksam gemacht, wie im Ei der Hirudineen die Rich- tungskörper ganz ähnlich wie die Bauchkanalzelle am Coniferenei gebildet werden. In den Pollenkörnern der Archispermen wird vielleicht die Abtrennung des Inhalts der s. g. vegetativen Zelle, eine vorbereitende Bedeutung für die Bildung des Geschlechts- stoffes gewonnen haben; freilich ist diese vegetative Zelle schon bei Selaginellen und Isoöten vorhanden, wo ausserdem noch ein Theil des Inhalts der Spermatozoidmutterzellen in Bläschenform, als centrale Vacuole, beseitigt wird. Möglich, dass auch bei den Coniferen die Bildung der beiden primordialen Zellen in der Pollenschlauchspitze mit einer Substanzsonderung verbunden ist. In dem Embryosack der Metaspermen folgen sich ganze Reihen von Erscheinungen, die aber nicht ohne Weiteres mit den- jenigen bei anderen Pflanzen zu vergleichen sind. Die Anlage der Gehülfinnen entspricht nicht derjenigen der Kanalzellen, auch besitzen die Gehülfinnen hier eine ganz andere Funetion. Sie vermitteln einerseits die Uebertragung des’ befruchtenden Stoffes, andererseits hat ihre, mehr oder weniger differenzirte Basis wohl die Aufgabe, die Wand des Embryosackscheitels zu durchbrechen oder zu erweichen, resp. wohl auch später zu ersetzen. Das einzige Gebilde, welches hier, seiner Entstehung nach, gewissernıässen an die Kanalzelle erinnern würde, ist der Schwesterkern des Eies, der nach dem Embryosackinnern abgegeben wird — doch wie verschieden wäre dann sein weiteres Verhalten. Will man die Gehülfinnen als metamorphosirte Eier deuten, so könnten nur noch die Gegenfüsslerinnen mit den Kanalzellen verglichen werden; ich lasse es dahingestellt, wie viel Recht dieser letzte Vergleich noch auf Wahrscheinlichkeit hätte. Ein Gegensatz scheini in der ‘) Millardet, le prothallium mäle des Cryptogames vasculaires, 1869. °) Pringsheim, Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. III, p. 510, ») Morph. Jahrb. III, p. 29. Ueber Befruchtung und Zeiltheilung. 513 That sich zwischen den beiden Enden des Embryosacks auszu- bilden, welcher Art er aber ist, mag dahingestellt bleiben. Die vegetative Zelle die von den Pollenkörnern der Meta- spermen abgegrenzt wird, mag eine physiologische Bedeutung für die geschlechtliche Vorbereitung des Polleninhalts gewonnen haben. Es müsste aber freilich eine kurze Trennungszeit hier genügen, um diese Vorbereitung durchzuführen, da ja die Hautschichtwand die beide Zellen trennt, alsbald wieder gelöst wird. Man könnte aus diesem Grunde geneigt sein, diese Zelle für ein bedeutungsloses Rudiment zu halten, wenn nicht andererseits der Zellkern derselben erhalten bliebe und mit in den Pollenschlauch geführt würde. Die Conjugationsvorgänge der Infusorien habe ich in den vorhergehenden Betrachtungen unberücksicktigt gelassen, weil eine definitive Beurtheilung derselben, trotz der sorgfältigen Unter- suchungen von Bütschli und Engelmann, noch immer Schwierig- keiten bereitet. Im Allgemeinen trennen sich hier wieder die zuvor copulirten Thiere, nachdem sie sich gegenseitig durch ihren Inhalt beeinflusst haben und eine Anzahl complieirter Erscheinungen sich in jedem Thiere abspielte. Bei den Vorticellinen u. A. findet übrigens eine vollständige Verschmelzung der Thiere statt und es sind auch gewisse Fälle beobachtet worden, wo die Nuclei der zusammentretenden Thiere sich vereinigen, worauf ohne weitere Absonderlichkeiten aus dem Verschmelzungsproduct wieder ein normales, sich durch Theilung fortpflanzendes Thier hervor- geht. !) Unter den Baecillariaceen sind Arten bekannt, wo das einzeln Individuum seine Schale abwirft und, eine Gallerthülle aus- scheidend, zu einer „Auxospore“ auswächst. Individuen anderer Arten treten wieder zu zweien zusammen, scheiden eine gemein- same Gallerthülle aus, entledigen sich ihrer Schalen und bilden, ohne zu verschmelzen, ja selbst ohne in Berührung zu treten, jedenfalls doch aber unter gegenseitiger Beeinflussung, jedes für sich eine Auxospore. Endlich sieht man Individuen anderer Arten in ähnlicher Weise wie sonst copulirende Gameten verschmelzen. ?) Wie sich die Zellkerne in den letzteren Fällen verhalten, ist noch unbekannt. 1) Bütschli, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien, p. 239. 1876. ®) Sitzungsber. d, naturf. Ges. zu Halle v. 9. Juli 1877, 514 Eduard Strasburger, Dass bei Baeillariaceen, wo ein einzelnes Individuum zur Auxospore auswächst, ein geschlechtlicher Akt nicht mehr vor- liegen kann, ist klar; die Fälle bei Bacillariaceen aber, wo die zwei Individuen innerhalb der gemeinsamen Gallerthülle zu je einer Auxospore auswachsen, oder die Fälle bei Infusorien, wo die vereinigten Individuen sich von einander wieder trennen, sind schwieriger zu deuten. Bei Infusorien, wo sich ziemlich complieirte Vorgänge in den beiden Individuen während der Zeit ihrer Ver- einigung abspielen, mag immerhin ein Geschlechtsakt vorliegen. Bei den vorerwähnten Bacillariaceen dürfte aber eher an einen geschlechtlichen Rückbildungsprocess, der an Parthenogenesis streift, zu denken sein. Möglich, dass die aus ganz isolirten In- dividuen hervorgehenden Auxosporen die Endglieder dieses Pro- cesses repräsentiren. Wie dem übrigens auch sei, als Ausgangspunkt für die Deu- tung der Befruchtungsvorgänge können die Fälle, wie es Schmitz möchte ’), nicht dienen, und zwar um so weniger, als wir nun- mehr wissen, dass auch bei Phanerogamen die Befruchtung nicht ein Diffusionsvorgang ist, vielmehr auf einer Vermischung des In- halts der geschlechtlich differenzirten Zellen beruht, und ich an- nehmen muss, dass eine solche Vermischung der zeugenden Ele- mente auch bei Florideen und Ascomyceten sattfindet. Damit wäre aber die gegenseitige Beeinflussung auf Entfernung bei den vorerwähnten Bacillariaceen zu einem völlig eigenartigen und isolirten Vorgange geworden. Nicht alle Verschmelzungen die bei niederen Organismen, vornehmlich bei Rhizopoden, beobachtet worden sind, brauchen andererseits geschlechtlicher Art zu sein; doch mag es in der Zahl auch solche geben. So sollen auch bei der Copulation der Acineten nach Qlaparede und Lachmann ?) die Zellkerne ver- schmelzen, ebenso nach Schneider ?) bei Actinosphaerium Eichhorni, was in der That, nach Analogie, für einen geschlechtlichen Vor- gang in den genannten Fällen sprechen könnte. Polyembryonie und Parthenogenesis. Uebereinstimmende Resultate haben uns für Funkia ovata, Nothoscordum fragrans, Caelebogyne und wohl auch für Citrus 1) ]. e., Separatabdr., p. 11. 2) Etudes sur les Infusoires 3. partie. ®) Zeitschr. f, wiss. Zool., Bd, XXI, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 515 gelehrt, dass mit normalen Keimen sonst völlig übereinstimmende Gebilde, durch Sprossung in die Embryosaekhöhlung hinein, aus dem Nucellargewebe erzeugt werden können. Bei Caelebogyne werden diese Adventiv-Keime sicher ohne etwaigen vorhergehenden Einfluss des Pollenschlauchinhalts gebildet, trotzdem liegt Partheno- genesis nicht vor, da ja diese Adventiv-Keime nicht aus unbe- fruchteten Eiern hervorgehen. Es erscheint mir als wahrscheinlich, dass in den meisten Fällen von Polyembryonie bei Metaspermen, eine Bildung von Adventiv-Keimen aus dem Nucellargewebe vorliegt. Andererseits wird man auch alle Angaben über Parthenogenesis bei Meta- spermen nunmehr auf adventive Keimbildung hin zu prüfen haben. Bd, XI. N. F, IV, 4 39 516 Eduard Strasburger, Anhang über Zelltheilung. Es gibt kaum ein schöneres Object, um sich rasch über das Verhalten der Zellkerne bei der Theilung zu orientiren, als den Embryosack von Monotropa. Bringt man Ovula, die aus einer vor 5—8 Tagen bestäubten Blüthe stammen, in etwa 5%, Zucker- lösung und setzt nun rasch einen Tropfen 1°, Osmiumsäure hinzu, so ist man fast sicher, Theilungszustände der in Bildung begriffenen Endospermzellen zu fixiren. Ohne Osmiumsäure könnte man freilich oft glauben, dass der Zellkern hier bei der Theilung aufgelöst werde, die Osmiumsänre lässt ihn aber stets, schon nach wenigen Minuten, hervortreten und fixirt Theilungszustände von solcher Klarheit, dass sie in den Abbildungen für schematisch gehalten werden könnten. Der zur Theilung sich anschiekende Kern (Taf. XXX, Fig. 132) zeigt hier tonnenförmige Gestalt; die Kernplatte ist schwach ent- wickelt, die Streifen, scharf markirt, enden an den beiden scheiben- förmigen Polen mit punktförmiger Anschwellung. In schönster Weise gelang es mir in Fig. 135, Taf. XXX den beginnenden Theilungszustand zu fixiren, wo die Kernplatte sich eben gespalten hatte. Fig. 133 zeigt (unten) ein weiter vorge- rücktes Theilungsstadium. Das Protoplasma, in dem der Zellkern suspendirt ist, hat sich bis jetzt nicht an den Vorgängen im Kerne betheiligt. Seine Betheiligung bleibt hier überhaupt oft eine sehr geringe, denn wie wir in Fig. 158 (oben) sehen, können die Kern- fäden so bedeutend divergiren, dass die innerhalb derselben ge bildete Zellplatte fast den ganzen Querschnitt des Embryosackes durchsetzt. Freilich müssen wiederum in anderen Fällen, wie etwa in Fig. 159, auch grössere Theile der Zellplatte im angren- zenden Plasma entstehen. Nicht anders als in den Endospermzellen verhalten sich die Kerne in jungen Embryosäcken bei Anlage des Eiapparates und der Gegenfüsslerinnen. Die Figuren 105, 109, 110, 114, 115 Taf. XXIX Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 517 genügen, um dies zu zeigen. Auch der aus einer Integumentzelle entnommene Kern Fig. 111 zeigt kein wesentlich abweichendes Verhalten. In jungen Embryosäcken der Orchideen sehe ich die Kerne während der Theilung auch nieht anders gestaltet (Fig. 75, 78, 79, 82, Taf. XXVIID). So auch ie den Embryonen der gleichen Pflanzen (Fig. 92, Taf. XXIX). In den Pollenkörnern der Metaspermen waren die zur Theilung sich anschiekenden Kerne im Allgemeinen mehr spindelförmig, so z. B. bei Rheum (Taf. XXVIIL, Fig. 55); in solcher Gestalt waren wir denselben auch früher meist in den Mutterzellen bei Bildung der Pollenkörner begegnet. Die eigenthümlichsten Kerndifferenzirungen, die ich bisher im Pflanzenreich kannte, traten mir jetzt in den Integumentzellen von Nothoscordum fragrans entgegen. Schon hatte ich früher für die Staubfädenhaare von Trades- cantia, Kernspindeln mit besonders dieken Fasern und kaum vorhandener Platte geschildert). Solche Kerne treffen wir nun in exquisiter Ausbildung bei Nothoscordum fragrans. Die Kernspindel Fig. 48 Taf. XXXIL zeigt sich nur aus dicken Fasern aufgebaut, welche nach den Polen convergiren, in der vequatorialebene aufeinanderstossen. Die ganze Kernsubstanz ist zu deren Bildung aufgebraucht worden; eine Kernplatte fehlt. So stellen diese Spindeln das Extrem gegen solche dar, wie wir sie in manchen Pollenmutterzellen gesehen, wo die Kernfasern kaum sichtbar, die Kernplatte dagegen auffallend stark entwickelt ist (vergl. die Figuren 52, 55, 55 auf Taf. XXX der Zellbildung und Zelltheilung 2. Aufi.). Wenn die Kernspindel von Nothoseordum fragrans in zwei zerfallen soll, weichen ihre beiden Hälften in der Aequatorialebene auseinander. Jetzt sieht man die Fasern oder Stäbehen an derjenigen Seite, die sich beide Kernhälften zuwenden, noch etwas fächerförmig auseinanderweichen; gleichzeitig flachen sich die beiden Pole ab und die Stäbchen beginnen dort mit ein- ander zu verschmelzen (Fig.49). Weiterhin krümmen sich die freien Stäbehenenden nach einwärts (Fig. 50) und beginnen auch an dieser Seite alsbald zu verschmeizen. Die beiden neuen Kerne haben nun völlig abgeschlossene, glatte Contour erhalten (Fig. 52). Auch hier spinnen die auseinanderweichenden Kernhälften Kern- fäden aus, die aber sehr zart sind (Fig. 51). In diesen bildet ') Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 119, 35* 518 Eduard Strasburger, sich, in der für Pflanzenzellen gewohnten Weise, die Zellplatte aus (Fig. 52, 53). Früher (Fig. 50) oder später (Fig. 53) werden die Zellkerne homogen, doch können sie auch sehr lange die Zeichen ihrer Zusammensetzung an sich tragen. Ich begegnete auch öfters bei Nothoscordum fragrans einem markirten Zustande des Zellkernes, der seiner Differenzirung zur Spindel noch vorausgeht. Der grosse Embryosackkern in Fig. 46 zeigte ihn am schönsten. In der Kernsubstanz war bereits eine -Sonderung eingetreten, so dass dichtere unregelmässig contourirte Körner, doch in ziemlich regelmässiger Vertheilung, den ganzen Kern erfüllten. Auch das Kernkörperchen zeigte den Beginn einer gleichen Sonderung; sie scheint eine Trennung der dichten Substanz des Kerns vom wässrigen Kernsafte zu bedeuten. In einem andern, durch Fig. 47 dargestellten Kerne war das Kernkörperchen bereits geschwunden, völlig gleichmässig waren die stark lichtbrechenden Körnchen durch den ganzen Kernraum vertheilt. Die Andeutung zu solcher Sonderung war mir auch in einem Pollenkorne von Rheum aufgefallen; doch zeigte dort nur der Aussenrand des Kornes glänzende, radial gestellte, kurze Stäbchen. Dass ein solcher Zustand nicht in allen Kernen sich besonders markirt, kann ich, auf meine früheren Erfahrungen hin, besonders auf Spirogyren gestützt, sicher behaupten. Er mag bei sehr wasser- reichen Kernen am ausgeprägtesten sein, in dichten Kernen da- gegen nicht in Erscheinung treten. Unter den Kernen in den Integumenten der Eichen bei No- thoscordum fragrans kam mir auch einer vor, der ausnahmsweise, relativ zarte Fasern besass, dafür aber eine Kernplatte aus kurzen stäbehenförmigen Elementen aufzuweisen hatte. Die Elemente dieser Kernplatte zeigten sich aber theilweise innerhalb der Kern- fasern verschoben, theilweise lagen sie in einem aequatorialen Kranze um die Spindel angeordnet (Fig. 55). Diese Spindel’war sehr lehrreich, denn durch sie wurde der bestimmte Beweis geführt, dass die Elemente der Kernplatte nicht einfache Anschwellungen der Kernfasern sind, vielmehr von den beiden Polen abgestossene Substanztheile, welche entweder die Kernfasern verdieken, oder auch als unabhängige Elemente zwischen denselben liegen können. In diesem concreten Falle möchte ich aber annehmen, dass die Abstossung der Elemente der Kernplatte, von den Kernpolen aus, ausnahmsweise so stark. war, dass sie bis zu deren Ausstossung aus der Spindel führte. Für gewöhnlich dürfte aber, eben hier bei Nothoscordum fragrans, diese Abstossung der Kernplatten- Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 519 elemente so schwach sein, dass es gar nicht zu einer Sonderung derselben von den Kernfasern kommt. Beide bilden sie vereint, in der Gestalt mehr oder weniger gleichmässig verdickter Stränge, die Kernspindel. In manchen thierischen Zellen beobachtete Kernspindeln mit besonders langgezogenen Elementen, welche als Verdiekung der Kernfasern auftreten !) und oft unmerklich in die- selben beiderseits übergehen, dürften aber geeignet sein, die vor- handenen Extreme zu vermitteln. So war es mir also durch meine derzeitigen Untersuchungen vergönnt, auch den Kreis meiner Erfahrungen über Zelltheilung noch zu erweitern. Letzteres wurde mir auch noch zu Theil durch das Studium vorzüglicher Präparate thierischer Objecete, die mir Herr Dr. W. Mayzel in Warschau zu eingehendem Studium gü- tigst übermittelte. ?2) Ich schalte meinen Tafeln einige Abbildungen ein, die ich nach eben jenen Präparaten des Herrn Dr. Mayzel, und mit dessen Erlaubniss, ausgeführt habe. Die Figuren 56 — 61, Taf. XXXIIl stammen aus dem Endothel der Hornhaut des Frosches, deren Epithel acht Tage zuvor mit dem Messer entfernt worden war und sich bereits vollständig regenerirt hatte. Die Figuren 56—58 verhalten sich, was die Elemente der Kernplatte anbetrifft, wie meine schon besprochene Fig. 55. In Fig. 57 ist ausserdem theilweise ein Hof um die Spindel gezeichnet, in Fig. 58 ist dieser Hof besonders weit und deutlich; ich halte denselben für die vom umgebennden Protoplama aus markirte Grenze des ursprünglichen Zellkerns. Zwischen dieser Grenze und der Spindel befand sich wohl nur Kernsaft. Bei sehr wasserreichen Kernen wird eben die Bildung der Spindeln mit bedeutender Verdichtung des Kernplasma respective mit Wasser- ausstossung verbunden sein. Dieses bildet dann die hellen Höfe um die Spindeln. In thierischen Zellen scheint diese Erscheinung viel häufiger als in pflanzlichen zu sein, mir ist sie, im Pflanzen- reiche nur bei den vier Kernen im Scheitel des Abietineen-Eies begegnet (vergl. die Fig. 27 auf Taf. II in Zellbildung und Zell- theilung 2. Aufl.). Die Fig. 59—61 sind sehr instructiv, weil sie uns lehren, wie die Zelltheilung hier durch Einschnürung vor sich geht; dem ent- sprechend werden die Kernfäden in der Mitte zusammengedrückt 1) Zellb. u. Zellth. 2. Aufl., Taf. VIII, Fig, 14. ?) Vgl. die Aufsätze von W. Mayzel im Centralblatt f. med, Wiss. 20. Nov. 1875; 17. März 1877 und in der Gazeta lekarska, Nr. %7, 1876; Nr. 26, 1877. 520 Eduard Strasburger, und durchgeschnitten. Schöne Beispiele dieser Art hat Bütschli in seinem inhaltreichen Werke !) über Zelltheilung, so auf Taf. XXXI, abgebildet. In vielen Pflanzenzellen finden wir hingegen die Kernfäden auch nach vollendeter Bildung der Hautschichtplatte zunächst er- halten, wie es die hier gegebene Fig. 139 Taf. XXX lehrt und ganz überzeugend die Figuren 22, 23 und 25 auf Taf. XXXI meines Zellen- buches. Sollte in diesen Fällen Einschnürung der Zellen vor- liegen, so müssten die Kernfäden, ähnlich wie in den vorerwähnten thierischen Zellen, zusammengedrängt und durchschnitten werden; daher ich giaube, dass der Theilungsvorgang der pflanzlichen Zellen keine andere Deutung zulässt als die in meinem Zellen- buche gegebene, und nicht, wie Nägeli und Schwendener meinen, sich auch als ringförmige Einfaltung des Primordialschlauches auffassen liesse °). Die Hautschichtplatte wird in pflanzlichen Zellen als solche meist simultan zwischen den Kernfäden gebildet und tritt, wie ich an so vielen Stellen beobachten konnte, nicht ein- mal sofort als continuirliche Platte, vielmehr zuvor in Gestalt meist durch die Kernfäden isolirter Körper in die Erscheinung. Ja ich musste bei meinen früheren Untersuchungen zu der UVeberzeugung gelangen, dass auch da in pflanzlichen Zellen, wie etwa im Ex- trem bei Spirogyra, wo die Theilung von aussen nach innen fort- schreitet, nicht eine Einfaltung der peripheren Hautschicht, viel- mehr secundäre, von aussen nach innen fortschreitende Bildung einer neuen Hautschichtplatte vorliegt. Dass übrigens auch in thierischen Zellen Einialtung nicht der einzige Theilungsmodus ist, das lehrten mich schon früher meine Beobachtungen am Netzknorpel ?), das zeigte mir nun ebenfalls ein Präparat des Herrn Dr. W. Mayzel. In dem Epithel der Hornhaut des Sperlings gehen die Theilungen sicher durch si- multane Bildung einer Zeilplatte *), wie sonst in pflanzlichen Zellen vor sich (Fig. 63, Taf. XXXIH). Ebenso theilen sich, wie aus den Schilderungen und Abbil- dungen E. Van Beneden’s hervorgeht, die Zellen der Dieyemiden- keime?’). Die Zellplatte wird hier sehr schön in den Kernfäden 1!) Studien über die ersten Entwickelungsvorgänge der Eizelle, die Zell- theilung und die Conjugation der Infusorien, 1876. ®) Das Mikroscop, 2. Aufl. 1877, p. 553. ) Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 208. *) Vergl. des Weiteren bei Mayzel Gaz. Lek. Nr. 27. 1876. °) Bulletins de ’Ac, roy, de Belg. 2. ser. T. XLI, Nr, 6 et T. XL Nr. 7. 1876. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 521 entwickelt; das Zellplasma schnürt sich soweit ein, bis es den Rand der Zellplatte erreicht, und nun erfolgt die weitere Theilung durch Spaltung der letzteren. Die beiden Zellen bleiben verbunden mit eben dem Theile ihrer Oberfläche, der aus der Theilung der Zell- platte hervorging '). Wir sahen somit im Thierreich beide Fälle der Zelltheilung vertreten, durch Einfaltung der peripheren Haut- schicht und durch Bildung einer Hautschichtplatte. Das Froschei theilt sich, wie O. Hertwig zeigt), nach dem ersten Modus, dass dieser erste Theilungsmodus aber die Existenz des zweiten nicht ausschliesst, glaube ich hiermit gezeigt zu haben. Die Fig. 64—71 Taf. XXXIH stammen aus dem vorderen Epithel der Hornhaut des dunklen Triton ceristatus und sind einem mit Chromsäure (1:300) behandelten Präparate entnommen. Das Epithel war mit dem Messer abgehoben worden und hatte sich vollständig regenerirt. Wie der Vergleich dieser Figuren mit denjenigen von Nothos- cordum lehrt, herrscht eine grosse Uebereinstimmung zwischen denselben. Doch sind hier die Pole der Keruspindeln nicht wie dort zugespitzt, sondern sogar concav, was einigermassen an die Verhältnisse bei Spirogyra erinnert. Die Theilung der Spindel (Fig. 68) und die“ weitere Ausbildung der Kerne (Fig. 70, 71) geht hier ganz ebenso wie bei Nothoscordum vor sich, doch erfolgt die Zelltheilung nicht wie dort durch die Bildung einer Zellplatte, sondern durch Einschnürung (Fig. 70, 71). Besonders elegante Bilder geben die von oben gesehenen Kernspindeln (Fig. 6%) 3). Ein ähnlicher Vorgang der Kerndifferenzirung hat jedenfalls auch Balbiani in den Epithelialzellen des Eierstocks der Larve von Stenobothrus pratorum vorgelegen, seine Beschreibung passt fast vollständig auf den eben geschilderten Fall ?). Früher hatte denselben bereits Schneider in den Sommereiern und den Spermatozoidmutterzellen von Mesostomum Ehrenbergii gesehen >). Ganz auffallend war an dem Mayzel’schen Präparate von Triton eristatus der Zustand vor der Spindelbildung in den Kernen markirt. Es sondert sich in denselben die starklichtbrechende !) Des Separatabdruckes p. 65. ?2) Morph. Jahrb. 3, p. 48 und 49 Anm. ?) Vergl. auch Mayzel in Gazeta lekarska Nr. 26, T. XX1I. 1877. !) Gaz. medic. de Paris 1876, p. 565 und Gomptes rendus etc., 30. Oct. 1876. 5) Vierzehnter Bericht der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und: Heilkunde. Giessen 1873, p. 114 u. 117, Tafel V, Fig. 5 u. 8. 599 Eduard Strasburger, Substanz gegen die schwachlichtbrechende in Gestalt kleiner ge- wundener Stäbchen, die einen unregelmässigen Verlauf, doch regelmässige Vertheilung zeigen und charakteristische Bilder geben, die mit Scheitelansichten der Spindeln Aehnlichkeit haben (Fig. 65). Auf diese einleitende Differenzirung der Kernsubstanz „in hellen Saft und glänzende Körner und Faden“ in Hornhäuten hat neuerdings auch J. C. Eberth hingewiesen. !) Zu der gleichen Zeit wird die Kernmembran aufgelöst. Auch die Angaben Eberth’s über die weiteren Theilungsstadien lassen sich mit den unsrigen meist vereinigen; doch kann ich seiner Ansicht nicht beipflichten, dass der Zellkern sich gleichzeitig auch in mehr als zwei Stücke theilen könnte. Ausserdem hebe ich nochmals hervor, dass ich die ganze protoplasmatische Kernsubstanz in die Bildung der Theilungsspindel eingehen lasse, in den hellen Säumen, die sich um wasserreiche Kerne bilden (Fig. 58, Taf. XXXHI), aber nur ausgestossenen Kernsaft erblicke. Es hat eben in sol- chen Fällen eine Verdichtung der Kernsubstanz stattgefunden, die mit Wasserausscheidung verbunden ist. Diesen Kernsaft kann ich nicht als wesentlichen Rest des alten Kernes anerkennen. Die periphere Abgrenzung des hellen Saumes wird vom umgebenden Protoplasma besorgt, da ja, wie fast allgemein anerkannt, die Kernhülle zuvor gelöst wurde. Diese periphere Abgrenzung kann sehr unvollständig sein (Fig. 57) und auch ganz fehlen (Fig. 56), wenn das umgebende Protoplasma den Kernsaft aufgenommen, also in denselben vorgedrungen ist. Von grossem Interesse dürfte es sein, dass es W. Mayzel nunmehr gelang, die intimen Vorgänge der Kerntheilung an einem lebenden thierischen Objecte, wenn auch nur in vorgerückteren Stadien, direet zu verfolgen ?.. Er sah den Vorgang sich im Epithel des Schwänzchens einer Larve von Triton eristatus ab- spielen. Die zuerst beobachtete Zelle begann sich eben einzu- schnüren, die fortschreitende Einschnürung führte bald zur völligen Trennung in zwei Schwesterzellen. Während der Einschnürung ver- änderten die beiden Schwesterzellen unaufhörlich ihre gegenseitige Lage, und gleichzeitig drängten sich langsam die benachbarten Zellen in den Raum hinein, der durch die Einschnürung geschaffen wurde. Eine andere beobachtete Zelle wurde nicht eingeschnürt, vielmehr sah man Vacuolen in der Theilungsebene, von der Peri- 1) Virchow’s Archiv für pathologische Anat. u. Phys. ete., Bd. LXVII Taf, XVIH—XX. 2) Gazeta lekarska, Nr, 26, T. XXII. 1877. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 523 pherie nach dem Innern fortschreitend, langsam sich bilden und schliesslich die Theilung vollziehen. Die Zellkerne bleiben hier, so lange sie ruhen, in den lebenden Zellen unsichtbar, merkwürdiger Weise treten sie in die Erscheinung, wenn sie in den Theilungs- zustand übergehen '): also umgekehrt als wie in pflanzlichen Zellen. In den beiden zur Beobachtung gekommenen Fällen waren die Zellkerne sehon getheilt, sie bildeten, so wie es unsere Abbildungen (Fig. 68, 69, 70 Taf. XXX) für die Hornhaut desselben Triton zeigen, körbehenähnliche Gebilde aus mattglänzenden Stäbehen. Diese Stäbehen wurden merklich kürzer während der fortschreiten- den Zelltheilung, sie wurden dünner an den inneren Enden, dicker an den nach aussen gekehrten. Hier sah man sie alsbald unregel- mässig verschmelzen. Die verschmolzene Masse veränderte deut- lich ihre Gestalt und bildete sich schliesslich zu einem rundlichen Körper aus, der nach vollzogener Zelltheilung aus der Erscheinung schwand. Ich darf diesen Theil nicht abschliessen, ohne auf die Beob- achtungen hinzuweisen, die R. Hertwig an den sich theilenden Ker- nen von Spirochona gemmipara zu machen Gelegenheit hatte. ?) Diese Kerne zeigen während der Theilung fünf Abschnitte: eine mittlere nicht gestreifte Zone, zwei seitliche gestreifte Partien und zwei homogene Endplatten.°) Dem entsprechend, meint R. Hertwig, besteht auch der thierische und pflanzliche Zellkern auf einem bestimmten Stadium der Theilung aus fünf Stücken, der Kernplatte, den beiden Streifensystemen und den Polspitzen. Freilich weist R. Hertwig selbst sofort auf die Differenzen hin. Namentlich der mittlere nicht gestreifte Kernabschnitt unterscheidet sich von der Kernplatte dadurch, dass er schwindet in dem Maasse als sich die Streifung ausbreitet. Die Substanz der Endplatten bei Spirochona verhält sich aber ganz ähnlich wie sonst die Pol- substanz an den Zellkernen, nur dass hier die Ansammlung dieser Substanz viel beträchtlicher ist. Die mittlere ungestreifte Zone hebt sich dureh Einschnürung gegen die streifigen Partien ab; dann zieht sie sich in die Länge und bildet einen eylindrischen Strang, der die beiden kugelförmigen Enden des Kerns verbindet. Die Streifung setzt sich inzwischen auf das Verbindungsstück fort und nur in der Mitte desselben erhält sich eine diehtere, un- gestreifte Stelle, ein Rest der mittleren Kernzone. Das Verbindungs- ') Ueb. ähnliches Verhalten im Humor aqueus verg. Mayzel. Cbl. 17. Mr. 1877. 2) Jenaische Zeitschrift für Naturwiss., Bd. XI, p. 149. 1877, 5), 1.6, p. 166; p: Lie. 594 Eduard Strasburger, stück zieht sieh mehr und mehr zu einem Faden aus, bis sich iu der Mitte der Zusammenhang löst. Es liegt hier also, wie wir sehen, eine besondere Modifieation der Kerntheilung vor. Wichtig ist es, dass auch im Kern von Spirochona die Kern- substanz in kleinere Stückehen zerfällt, bevor sie in die streifige Differenzirung eingeht. Es ist das dieselbe vorbereitende Action, von der wir in anderen Kernen gesprochen. Ganz derselbe Vor- gang wiederholt sich bei Nebenkernen der Infusorien und ist da von Bütschli für Euplotes Charon geschildert worden '). ©. Hertwig?) hat ihn auch im Ei der Hirudineen, Schneider”) in den Sommer- eiern und den Spermatozoidmutterzellen von Mesostomum Ehren- bergii gesehen. R. Hertwig macht darauf aufmerksam, dass bei Spirochona die Theilungsstadien des Kerns in keinem unmittelbaren Ver- hältniss zu der Bildung der Knospe stehen, für welche der eine Schwesterkern bestimmt ist, in einem Worte, dass hier keine un- mittelbare Beziehung der Kerntheilung zu den Vorgängen im um- gebenden Protoplasma sich äussert. Ebenso hatte Bütschli schon gezeigt, dass bei Podophrya quadripartita der Schwärmsprössling bereits einen Wimperkranz und eine contractile Vacuole besitzt, da ein Fortsatz des mütterlichen Kerns noch gar nicht in den- selben eingewachsen ®). Es liegt hier, meine ich, ein ähnliches Verhältniss wie bei Spirogyra orthospira vor, wo Kerntheilung und Zelltheilung zu von einander unabhängigen Vorgängen geworden sind °). Neuerdings hat Mikosch 6) Beobachtungen über die Vermehrung der Chlorophylikörner veröffentlicht, welehe nach des Verfassers Ansicht zeigen, dass auch innerhalb des Chlorophylikerns bei der Theilung sich eine Art Polarität ausbildet. Die Chlorophylikörner des unter der Endodermis gelegenen parenchymatischen Gewebes der Luftwurzel von Hartwegia comosa haben linsenförmige Gestalt. Sobald sie eine bestimmte Grösse erreicht, beginnen sie sich zu theilen. Das anfangs gleichmässig gefärbte Korn wird an zwei gegenüberliegenden Polen stärker 2) LC, mr 122, ®) Morph. Jahrb., Bd. II, p. 11 u. ff. Blu sessp ld 4) Jenaische Zeitsch. f. Naturwiss., Bd. X, left 3 5) Zellbildung und Zelltheilung, II. Aufl., p. 50. 6) Oesterr. bot. Zeitschrift, Jahrg. 1877, Nr. 2. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 525 tingirt, während sich die Mittelzone allmählich entfärbt. An den grün gefärbten Stellen sammeln sich auch die zuvor gleichmässig im Korn vertheilten starklichtbrechenden Tröpfehen. Dann wächst das ganze Korn in die Länge, an den Polen stärker als in der Mitte, es wird biseuitförmig. Bald treten scharfe Grenzlinien an den gefärbten Theilen gegen den farblosen mittleren Theil hervor Die beiden polaren Partien rücken immer weiter von einander, die mittlere farblose Plasmazone wird immer schwächer, bis sie endlich ganz verschwindet, womit die Theilung beendet ist. Andere Körner derselben Pflanze, durch geringere Grösse und ‚schwache Contourirung von den ersteren unterschieden, bilden eine mittlere, farblose Zone nicht aus; die Theilung eriolgt durch Einschnürung der durchgehend grün gefärbten Masse. Wie im ersten Falle haben sich auch in diesem die troptenförmigen Ein- schlüsse des Chlorophyllkorns zuvor an zwei gegenüberliegenden Punkten angesammelt. Während meines Aufenthaltes in Nizza konnte ich mich über- zeugen, dass die Streifensysteme, die in den Chlorophylikörnern der Bryopsis sichtbar zu machen sind, mit etwaigen Theilungs- vorgängen nichts zu thun haben. Meine über die Bedeutung dieser Streifen im Zellenbuche !) ausgesprochene Vermuthung hat sich somit nicht bestätigt. Ueberhaupt bin ich auf Grund weiterer Erfahrungen jetzt zu der Ueberzeugung gekommen, dass sich solide, kernlose Plasma- massen bei der Theilung viel ähnlicher den Zellkernen als den ganzen kernhaltigen Zellen verhalten. Auf diesen Gegenstand hoffe ich bei einer späteren Gelegenheit zurückzukommen. Nachträgliche Anmerkung zu p. 454. Ich finde nunmehr, dass auch H. G. Reichenbach in seiner Abhandlung: de pollinis Orchidearum genesi ac structura etc. 1852, zwei Zellkerne in manchen Pollenzellen abbildet (Fig. 48, 72, 78, 93, 129). Er macht auch im Texte auf dieses Vorkommen aufmerksam (p. 13, 14, 17). Ebenso schildert er als häufig eine Theilung der Pollenzellen bei Lycaste aromatica (p. 13 u. Fig. 73) und bei den Cypripedien (p. 17 u. Fig. 1285—134); er hebt bei Cypripedium die Aehnlichkeit des so getheilten Pollenkorns mit demjenigen von Pinus Laricio hervor; er bemerkt auch, dass eine Cellulosemembran zwischen den beiden Schwesterzellen fehle. — Der Umstand, dass Reichenbach eine Deutung dieser Vorgänge nicht gab, und dass ihm deren Allgemeinheit auch bei den untersuchten Orchideen entging, mag es verschuldet haben, dass seine hier hervorgehobenen Angaben bisher unberücksichtigt blieben. 1) II. Aufl., p. 262. 526 Eduard Strasburger, Erklärung der Abbildungen. Taf, XXVII. Fig. 1-8. Spirogyra quinina. Vergr. 240 Mal. Fig. 1. Die vegetativen Zellen eines Fadens. Fig. 2 und 3. Je zwei leiterförmig verbundene Fäden, sich zur Copulation vorbereitend. Fig. 4-6. Vorgang der Copulation. Fig. 7. Die Zygote bald nach vollendeter Copulation. Fig. 8. Rechts die Zygote nach 24 Stunden. In der Mitte oben eine Zelle, die von der Copulation ausgeschlossen geblieben war, deren Inhalt sich zygotenähnlich umbildete, bald aber zu Grunde ging. Links ein sistirter Copulationsvorgang. Fig. 9—21. Marchantia polymorpha. Fig. 9. Junges Archegonium, bei a von der Seite, bei b von oben gesehen. Vergr. 600. Fig. 10. Durchschnittsansicht eines etwas älteren Entwickelungszustandes. Vergr. 600. Fig. 11. Seitenansicht des gleichen Entwickelungszustandes. Theilung der Centralzelle zur Bildung der Halskanalzelle. Fig. 12 und 13. Weitere Zustände. Vergr. 600. Fig. 14. Noch weiter vorgerückt; bei a 240 Mal vergrössert; bei b 600 Mal, um die Theilung des Eies zur Bildung der Bauchkanalzelle deutlicher zu zeigen. Fig. 15—17. Weitere Zustände bis zur Reife. Fig. 16 mit 1%, Osmiumsäure, dann mit Carmin behandelt. Vergr. 240. Fig. 18. Eben geöffnetes Archegonium, das Ei abgerundet. Vergr. 240. Fig. 19. Spermatozoiden mit 1%, Osmiumsäure fixirt. Fig. 20. Nach vollzogener Befruchtung; das Ei von einer Cellulosemembran umgeben; um den Zellkern zahlreiche Stärkekörnchen. Der Halskanal im oberen Theil geschlossen. Vergr. 240. Fig. 21. Das Ei getheilt, etwa 14 Tage nach der Befruchtung. Der obere Theil des Halses verschrumpft und abgestorben. Das Perigon im An- wachsen. Vergr. 240. Ueber Befruchtung und Zelltheilung; 5297 Fig. 22 und 23. Zamia integrifolia. Vergr. 240. Fig. 22 und 23. Schlauchbildende Pollenkörner. Der Zellkern der Pollen- zelle wandert in das Schlauchende, die vegetativen Zellen werden rück- gebildet. Mit 1%, Osmiumsäure und Carmin behandelt. Fig. 24—27. Picea vulgaris. Vergr. 240. Fig. 24, Ein reifes Pollenkorn. Fig. 25. Schlauchbildung in reinem Zuckerwasser; n, der Zellkern; v, die vegetative Zelle. Fig. 26. Schlauchbildung in Zuckerwasser nach Zusatz von Thymol; n, der Zellkern, Fig. 27. Schlauchbildung im Nucellus. Die Schlauchspitze hat bereits den Embryosack erreicht, zwei Zellen in derselben. Fig. 28—831. Juniperus virginiana. Vergr. 240. Nach Alcohol-Präparaten, Fig. 28. Zwei Zellen in der Pollenschlauchspitze. Fig. 29. Die vordere Zelle in Theilung. Fig. 30. Mehrere Kerne in der vorderen Zelle. Fig. 31. Die Zellen im Augenblicke der Befruchtung. Die vorderen Zellen in Auflösung begriffen, die hinteren noch erhalten. Fig. 33—40. Allium fistulosum. Fig. 352. Junges Pollenkorn vor der Theilung. Vergr. 600. Fig. 33 und 34. Nach der Theilung. Vergr. 600. Fig. 35. Metamorphose des einen Kerns. Vergr. 600. Fig. 36. Metamorphose beider Kerne. Vergr. 600. Fig. 37. Schlauchbildung; die beiden Kerne drängen sich eben in den Schlauch. Vergr. 240. Fig. 38. Schlauchspitze auf späterem Entwickelungszustande, beide Zellkerne in derselben. Vergr. 600. Fig. 39. Theil aus dem Schlauch mit den beiden Kernen. Vergr. 600. Fig. 40. Verschluss der Schläuche nach Rückwärts. Vergr. 600. Fig. 41—44. Platanthera bifolia. Versr. 600. Fig. 41. Junge Pollenzellen vor der Theilung. Fig. 42. Während der 'Theilung. Fig. 43 und 44. Nach vollendeter Theilung. 528 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Eduard Strasburger, Fig. 45—47. Orchis fusca. Vergr. 600. 45. Reife Pollenzellen mit je zwei Kernen. 46. Bildung des Pollenschlauches; Einwandern der Kerne in dieselben, 47. Spitze eines aus dem Fruchtknoten herauspräparirten Schlauches. a Taf. XXVII. Fig. 48-52. Nareissus poeticus. Vergr. 240. 48. Junge Pollenzellen während der Theilung. 49. Mit zwei noch unveränderten Zellkernen. 50. Der eine Zellkern nimmt die Spindelform an. 5l und 52. Die Spindel ausgebildet; in Fig, 51 von der Seite, in Fig. 52 von oben zu sehen. Fig. 55—62. Rheum hybridum. Vergr. 600. Fig: 53 und 54. Junge Pollenzellen vor der Theilung. Mit 1%, Osmiumsäure behandelt, Fig. 55—57. Theilungszustände. Mit 1°, Osmiumsäure behandelt. Fig. 58—61. Nach vollendeter Theilung. Fig. 62. Die beiden Zellkerne frei im reifen Pollenkorn. Fig. 63—65. Gloxinia hibrida. Vergr. 600. Fig. 63. Junges Pollenkorn vor der Theilung. Fig. 64. Nach der Theilung. Fig. 65a. Reifes Pollenkorn zerquetscht, die beiden Kerne zeigend. Fig. 65b. Die beiden Kerne herausgedrückt. Fig. 66--67. Monotropa Ilypopitys. Vergr. 600. . 66. Junges Pollenkorn eben getheilt. . 67. Schlauchbildung nach 6 Stunden; die beiden Zellkerne im Schlauche. Mit 1%, Osmiumsäure und Carmin behandelt, Fig. 68. Pyrola rotundifolia. Vergr. 600. Fig. 68. Eine Pollentetrade während der Theilung. Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 5929 Fig. 69—71. Picea vulgaris. Vergr. 100, Fig. 69—71. Eier während der Befruchtung. In Fig. 69 der Spermakern noch an der Pollenschlauchspitze; in Fig. 70 etwas von derselben entfernt; in Fig. 71 Eikern und Spermakern in Verschmelzung begriffen. Nach Alcohol-Präparaten. Fig. 72-91. Orchis pallens. Fig. 84 ist 240 Mal, die übrigen 600 Mal vergrössert. Fig. 72—82. Die auf einander folgenden Entwickelungsvorgänge am und im Embryosack. Nach Alcohol-Präparaten. Fig. 83 und 84. Nach erfolgter Anlage des Eiapparats und der Gegenfüss- lerinnen, noch vor Verschmelzung der beiden Embryosackkerne. Fig. 85—87. Der empfängnissfähige Zustand. In Fig. 86 noch zwei Kern- körperchen im Embryosackkern. Die drei Figuren in verschiedener Lage, um das Verhältniss des Eies zu den beiden Gehülfinnen deutlich zu machen. Fig. 88. Beginn der Befruchtung. Die eine Gehülfin bereits verändert. Der Pollenschlauch ausnahmsweise in den Embryosack eingedrungen. Fig. 89, Die Gehülfinnen völlig verändert. -Zwei Zellkerne im Ei. Aleohol- Präparat. Fig. 90. Verschmelzung der beiden Zellkerne im Ei. Alcohol-Präparat. Fig. 91. Die beiden Zellkerne verschmolzen. Alcohol-Präparat. Taf. XXIX. Fig. 92—98. Orchis pallens. Versr. 600. Fig. 92. Der Keimkern tritt in Theilung ein. Der Embryosackkern und die Gegenfüsslerinnen noch vorhanden. Fig. 9. Das Ei getheilt. Der Embryosackkern im Schwinden. Fig. 94. Die Kerne der zweizelligen Keimanlage und der Embryosackkern mit je zwei Kernkörperchen, Fig. 95. Zweizellige Keimanlage; der Embryosackkern und die Gegenfüss, lerinnen geschwunden. Trotz normaler Entwickelung des Embryosackes die Integumente unentwickelt geblieben. Fig. 96. Theilungszustand der unteren Keimzelle, zwei Kernkörperchen in der oberen Keimzelle. Der Embryosackkern erhalten. Fig. 97. Dreizellige Keimanlage. Fig. 98. Weiter vorgeschrittener Embryo. Fig. 99-104. Gymnadenia conopsea. Vergr. 600. Fig. 99 und 100. Vor der Befruchtung. Fig. 99 Frontansicht, Fig. 100 Seiten- ansicht, 530 kduard Strasburger, Fig. 101—104. Vorgang; der Befruchtung. In Fig. 101 der Pollenschlauch noch intact; in Fig. 102 im hinteren Theile zusammengedrückt. In der- selben Figur zwei Kernkörperchen im Keimkern. Fig. 105—119. Monotropa Hypopitys. Vergr. 600. Fig. 105-110, 112—115. Auf einander folgende Entwickelungszustände im Embryosack. Fig. 105 erste Theilung des Proembryosackkerns, Fig. 106 die zwei Zellen über dem Embryosack, Fig. 107 Theilung des Embryosack- kerns, Fig. 108 nach vollendeter 'Theilung, Fig. 109 und 110 Theilung der beiden Kerne, Fig. 112 und 113 zwei Kerne vorn, zwei hinten im Embryosack, Fig. 114 Theilung dieser Kerne, Fig. 115 Anlage der drei Zellen des Biapparates und der drei Gegenfüsslerinnen. Die Präparate kurz vor Beginn der Beobachtung mit 1%, Osmiumsäure behandelt. Fig. 111. Integumentzelle deren Kern sich zur Theilung vorbereitet, Fig. 116—119. Fertige Zustände noch vor Vereinigung der beiden Embryo- sackkerne. IIADSSE Fig. 120—140. Monotropa Hypopitys. Fig. 123 ist 240 Mal vergrössert, die übrigen 600 Mal. Fig. 120. Kurz vor Vereinigung der beiden Embryosackkerne. Fig. 121. Nach Vereinigung derselben, die Kernkörperchen noch getrennt. Fig. 122—124. Weitere Ansichten fertiger Zustände. In Fig. 123 das ganze Eichen bei schwächerer Vergrösserung, Fig. 125—129. Der Vorgang der Befruchtung. Verhalten der Gehülfinnen, Auftreten des Spermakerns im Ei und Verschmelzung desselben mit dem Eikern. Fig. 130. Ungewöhnlicher Fall der Verschmelzung zweier Spermakerne mit dem Eikern. Fig. 131—138. Die bald erfolgende oder längere Zeit noch ausbleibende Ver- schmelzung der Kernkörperchen zeigend, dann das schlauchförmige Aus- wachsen des Eischeitels und der Beginn der Endospermbildung. In Fig. 132, 135, 138 schöne Beispiele für den Vorgang der Kerntheilung. Fig. 139. Eine Endospermzelle in Theilung, Fig. 140. Die Keimanlage hat die Wand durchbrochen, welche die beiden vorderen Endospermzellen trennte. Fig. 141—146. Pyrola rotundifolia. Vergr. 600. Fig. 141—144. Fertige Zustände des Embryosacks in verschiedenen An- sichten. Fig. 145 und 146. Vorgang der Befruchtung, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 531 Taf. XXXI. Fig. 1—12, Ornithogalum nutans. Fig. 1. Junger Embryosack mit 3 Zellen im Eiapparat und 3 Gegenfüss- lerinnen. Noch 2 Zellkerne im Embryosack. Vergr. 240. Fig. 2. Eben solcher Embryosack mit 2 Zellen im Eiapparat. 3 Gegenfüss- lerinnen. Vergr. 240. Fig. 3. Der Eiapparat von zwei Gehülfinnen und einem Ei gebildet. Vergr. 240. Fig. 4 Die zu demselben Embryosack wie in 3 gehörigen Gegenfüsslerinnen. Vergr. 240. Fig. 5. Die 3 Zellen des Eipparats in anderer Lage. Vergr. 240. Fig. 6. Nur zwei Zellen im Eiapparat, die linke das Ei. Vergr. 240. Fig. 7. Ausnahmsweise gesteigerte Zahl der Gegenfüsslerinnen. Vergr. 240. Fig. 8. Das ganze Eichen im Längsschnitt; nur zwei Zellen im Eiapparat; eine der Gegenfüsslerinnen verdeckt. Der Funiculus durch das Messer von dem Körper des Eichens theilweise abgehoben. Vergr. 100. Fig. 9. Ein aus zwei Zellen bestehender Eiapparat nach vollzogener Be- fruchtung. Ei (links) und Gehülfin (rechts) von Cellulosemembran um- geben, Oben der Pollenschlauch. Vergr. 240. Fig. 10. Nach vollzogener Befruchtung. Nur das Ei von Cellulosemembran umgeben. Vergr. 240. Fig. 11. Der Pollenschlauch ist in den Embryosack eingedrungen und zeigt eigenthümliche Auswüchse. Vergr. 600. Fig. 12. Längere Zeit nach vollzogener Befruchtung. Das Ei in eine mehr- zellige Embryonalanlage verwandelt, die Gehülfin noch immer erhalten, von Cellulosemembran umgeben, doch ihr Inhalt verschrumpft, Nach einem Präparat meines Schülers, des Herrn Pabst. Vergr. 240, Fig. 13—22. Gladiolus communis. Vergr. 240. Fig. 13. Der Eiapparat aus einem Ei und zwei Gehülfinnen bestehend. Fig. 14 und 15. Derselbe in anderen Lagen. Fig. 16. Das Ei künstlich von den Gehülfinnen getrennt. Fig. 17. Die 3 Gegenfüsslerinnen. Fig. 18. Nach vollzogener Befruchtung durch zwei Pollenschläuche. Nur die Embryosackanlage vorhanden, die Gehülfinnen geschwunden, Fig. 19a und 19b. Dasselbe Präparat in zwei verschiedenen Lagen und zwar 19b um 90% gegen 19a gedreht. Zwei Pollenschläuche. Von den Ge- hülfinnen nur der vordere fadenförmig differenzirte Theil noch erhalten. Fig. 20. Aehnliches Objeet mit nur einem Pollenschlauche. Fig. 21. Das Ende des einzigen l’ollenschlauches in einiger Entfernung von dem befruchteten Ei geblieben, Fig. 22. Zwei Pollenschläuche. Das Ende des einen besonders stark ge- quollen, Bd. XI.N. FE, IV. a. 36 532 Eduard Strasburger, Fig. 23 und 24. Croecus vernus, Vergr. 240. Fig. 23 und 24. Zwei frei gelegte Eiapparate in verschiedener Lage. Taf. XXXII. Fig. 25>—29. Funkia ovata. Fig. 25. Der Eiapparat. Vergr. 600. Fig. 26. Die Gegenfüsslerinnen; über denselben der Embryosackkern. Vergr. 600. Fig. 27 und 28. Während der Befruchtung. Vergr. 600. Fig. 29. Bildung der Adventivembryonen aus dem Nucellargewebe. O das befruchtete, in die Embryosackhöhlung zurückgedrängte Bi. Vergr. 240 Fig. 30. Funkia cucullata. Fig. 30. Junge Embryonalanlage. Vergr. 240. Fig. 31 und 32. Nothoscordum striatum. Fig. 31. Längsschnitt durch den ganzen Nucellus; den Eiapparat, den Embryosackkern und die Gegenfüsslerinnen zeigend. Von den Gehülfinnen deckt die eine die andere. Vergr. 240. Fig. 32. Der Eiapparat so gestellt, dass beide Gehülfinnen zu sehen sind. Vergr. 240. Fig. 33—839. Nothoscordum fragrans. Vergr. 240. Fig. 33. Junger Zustand nach vollendeter Anlage des Eiapparats und der Gegenfüsslerinnen vor erfolgter Verschmelzung der beiden Embryosack- kerne. Die innere Lage des Nucellargewebes ist auch noch nicht re- sorbirt. Fig. 34. Etwas älterer Zustand, Die innere Lage des Nucellargewebes meist resorbirt, die Zellen der äusseren in tangentialer Theilung,. Fig. 35. Ein durch die Theilung der äusseren Nucellarschicht entstandenes Gewebepolster umfasst den Eiapparat. Die streifige Differenzirung der vorderen Hälfte der Gehülfinnen schön zu sehen, Fig. 36. Eben solcher Zustand, doch nach Verdrängung der an das vordere Ende der Gehülfinnen anstossenden Nucellarzelle. Fig. 37. Ein ähnlicher Zustand, doch bei höchster Einstellung, die Zellen des Nucellar-Gewebepolsters über der dem Beobachter zugekehrten Fläche des Eiapparates zeigend. Fig. 38. Der Eiapparat in der Lage, dass eine Gehülfin die andere deckt. Fig. 39. Bei höherer Einstellung, die dem Beobachter zugekehrten Zellen des Nucellar-Polsters zeigend. Die hinteren Theile des Eiapparates sind tiefer ebenfalls zu sehen, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 533 Taf. XXXIL Fig. 40—55. Nothoscordum fragrans. Fig. 40—45 240 Mal, Fig. 46—55 600 Mal vergrössert. Fig. 40. Die Gehülfin jedenfalls unter dem Einfluss der Befruchtung ver- ändert. Beginnende Theilung im Nucellarpolster. Fig. 41—43. Die 'Theilungen im Nucellarpolster bei verschiedener Einstellung und verschiedener Lage des Eiapparates. Fig. 44. Die aus dem Nucellarpolster hervorgegangenen Adventiv-Embryonen von der Embryosackhöhlung aus gesehen. Die mit O bezeichnete An- lage aus dem befruchteten Ei wahrscheinlich hervorgegangen. Die mit G bezeichnete, ungetheilte Zelle, wohl noch eine erhaltene Gehülfin. Der innere Raum, um welchen die Adventiv-Embryonen, so wie die Embryonal- Anlage gruppirt erscheinen, entspricht der von den vorderen Hälften der Gehülfinnen eingenommenen trichterförmigen Höhlung. Fig. 45. Noch weiter vorgerückter Zustand, im Längsschnitt. Fig. 46. Der Kern aus einem jungen Embryosack vor Eintritt in den Thei- lungszustand. Es hat sich die protoplasmatische Kernsubstanz vom Kern- saft getrennt. Dieselbe Differenzirung zeigt auch das Kernkörperchen. Fig. 47. Aehnlicher Zustand des Kerns in einer Integumentzelle. Fig. 48, Der Kern in den Spindelzustand eingetreten. Fig. 49. Trennung der beiden Spindelhälften. Fig. 50-53. Weitere Ausbildung der Schwesterkerne und Anlage der Zell- platte, Fig. 54. Nach vollendeter Theilung, Fig. 55. Ungewöhnliche Ausbildung einer Kernspindel. Eine Kernplatte wurde diesmal angelegt, die Elemente derselben aber grösstentheils aus der Spindel gedrängt. Fig. 56—61. Endothel des Frosches. Nach Präparaten von W. Mayzel. Vergr. 600. Fig. 56. Kernspindel. Die Kernplattenelemente ringförming im Aequator um die Spindel angeordnet. Fig. 57. Unvollständiger Hof um die Spindel vorhanden. Fig. 58. Vollständiger Hof um die Spindel. Fig. 59—61. Auf einander folgende Zustände der Zelltheilung durch Ein- schnürung; ausserdem die weitere Ausbildung der Schwesterkerne und das Verhalten der Kernfäden zeigend. Fig. 62 und 63. Epithel der Hornhaut des Sperlings. Nach Präparaten von W. Mayzel. Vergr. 600. Fig. 62. Kernplatte. Die Kernspindel deutlich, die Fasern kaum zu unter- * scheiden. Fig. 63. Zelltheilung dureh Einschaltung einer Zellplatte. 36* 534 Eduard Strasburger, Fig. 64—71. Epithel der Hornhaut des Triton. Nach Präparaten von W. Mayzel. Vergr. 600. Fig. 64. Zelle und Zellkern im Ruhezustand. Fig. 65. Der Zellkern in vorbereitende Differenzirung der dichten und wässerigen Bestandtheile eintretend. Fig. 66. Die Kernspindel von der Seite. Fig. 67. Die Kernspindel von oben. Fig. 68. Trennung der beiden Spindelhälften. Fig. 69, 70, 71. Auf einander folgende Zustände der Kerndifferenzirung und der Zelltheilung durch Einschnürung. Fig. 72-75. Rosa livida. Fig. 72. Längsschnitt durch das ganze Eichen bei schwacher Vergrösserung, die Lagerung und das gegenseitige Verhältniss der in Mehrzahl vor- handenen Embryosäcke zeigend. Fig. 73—75. Auf einander folgende Zustände der Embryosack - Anlagen. Vergr. 240. Fig. 76. Capsella Bursa pastoris, Fig. 76. Durch freie Zellbildung entstehendes Endosperm. Vergr. 600. Fig. 77. Cheiranthus Cheirı. Fig. 77. Eiapparat; 600 Mal vergrössert. Fig. 78—81. Delphinium villosum. Fig. 78. Junger Embryosack bald nach Anlage des Eiapparats und der Gegen- füsslerinnen. Vergr. 240. Fig. 79 und 80. Der Eiapparat, 600 Mal vergrössert. Fig. 81. Bei a der Eiapparat, bei b die Gegenfüsslerinnen aus demselben Embryosack, 240 Mal vergrössert, Taf. XXXIV. Fig. 1-21. Torenia asiatica. Fig. 1 ist 100 Mal, die anderen 600 Mal vergrössert. Fig. 1. Ein Eichen. Fig. 2. Der Eiapparat vor begonnener Bildung der Cellulosekappen an den Gehülfinnen. Fig. 3—7. Auf einander folgende Zustände der Kappenbildung bis zum fer- tigen Zustande. Fig. 8 und 9, Der Eiapparat in der Lage, wo eine Gehülfin die andere deckt. Die Embryosackwand über den Kappen resorbirt, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 535 Fig. 10, 11, 13, 16, 21. Während der Befruchtung. Der Pollenschlauch ist nicht zwischen die Gehülfinnen vorgedrungen. Fig. 12, 14, 15, 17, 18. Während der Befruchtung. Der Pollenschlauch ist zwischen die Gehülfinnen vorgedrungen. In Fig. 18 ein Theil des Funi- culus im optischen Längsschnitt abgebildet. Fig. 19, 20. Zwei ähnliche Objecte mit 1%, Osmiumsäure behandelt. Fig. 22. Gloxinia hibrida, Fig. 22. Während der Befruchtung. Vergr. 600. Fig. 23—28. Sinningia Lindleyana. Vergr. 600. Fig. 23. Der ganze Embryosack mit Eiapparat und Gegenfüsslerinnen. Fig. 24. Der Eiapparat in der Ansicht, wo eine Gehülfin die andere deckt. Fig. 25. Ein Ausnahmefall, wo beide Gehülfinnen noch vor der Befruchtung resorbirt worden sind. Fig. 26. Ein Ausnahmefall, wo das Ei den beiden Gehülfinnen hinten an- hängt. Fig. 27. Ein ähnlicher Fall, noch ausgeprägter. Fig. 28. Ein Ausnahmefall, wo zwei Eier vorhanden und den beiden Ge- hülfinnen anhängen. Fig. 29—31. Gaura biennis. Vergr. 600. Fig. 29 und 30. Der Eiapparat in zwei verschiedenen Ansichten. Fig. 31. Die Gegenfüsslerinnen. Fig. 32 und 33. Oenothera Drumondiı. Vergr. 240. Fig. 32 und 33. Vorgeschrittene Zustände nach der Befruchtung, um die Lage der Embryonalanlage im Verhältniss zur Pollenschlauchspitze und das Verhalten der letzteren zu zeigen. Taf. XXXV. Fig. 1 und 2. Viola tricolor. Fig. 1 und 2, Der Eiapparat in zwei Lagen, In Fig. 2 deckt die eine Ge- hülfin die andere. Vergr. 600. Fig. 3 und 4 Scabiosa micrantha. Fig. 3. Der Eiapparat. Die eine Gehülfin deckt zum Theil die andere. Vergr. 600, Fig. 4. Die Gegenfüsslerinnen. Vergr. 600. 536 Eduard Strasburger, Ueber Befruchtung und Zelltheilung. Fig. 5. Scabiosa atropurpurea. Fig. 5. Der Embryosack sammt dem ihn umgebenden Rahmen. Im Eiapparat deckt die eine Gehülfin die andere. Vergr. 240, Fig. 6. Ricinus communis. Fig. 6. Der Eiapparat kurz nach erfolgter Befruchtung; links das Ei. Der Pollenschlauch hatte den Embryosack gar nicht erreicht. Vergr. 600. Fig. 7—11. Bartonia aurea. Fig. 7 ist 24 Mal, die anderen 240 Mal vergrössert. Fig. 7. Das reife Eichen im Längsschnitt. Fig. 8-10. Auf einander folgende Wachsthumszustände der &bnlähnee! die gleichzeitige Ausstülpung des Embryosackscheitels veranlassend. In Fig. 8 und 10 liegen die beiden Gehülfinnen neben einander, in Fig. 8 deckt die eine die andere. Fig. 11. Der fertige Zustand. Fig. 12—20. Santalum album. Vergr. 600, Fig. 12. Die Gehülfinnen gegen die Eier besonders schön markirt, beide Eier gleich entwickelt. Fig. 13 und 14. Das eine Ei hat das andere zum Theil verdrängt. Fig. 15a und b, Derselbe Eiapparat in zwei Lagen, die um 90° differiren, Beide Eier gleich entwickelt. Der Embryosack am Scheitel resorbirt. Fig. 16. Nur die Gehülfinnen sind ausgebildet, statt der Eier nur etwas form- loses, schaumiges Protoplasma angesammelt. Fig. 17. Vorgang der Befruchtung; nur das eine Ei mit Cellulosehaut um- geben, das andere verdrängt. Fig. 18. Ausnahmsweise beide Eier mit Cellulosehüllen, doch das eine zum Theil schon verdrängt. Fig. 19. Das befruchtete Ei, scharf gegen die Gehülfinnen abgegrenzt. Fig. 20. Zwischen dem befruchteten Ei und der Gehülfin eine feste Cellulose- haut gebildet. Dieses Bild nach einem Schacht’schen Präparat gezeichnet, nach demselben hatte Schacht seine Fig. 47 (l. c.) entworfen. Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen nebst Beiträgen zur Kenntniss ihrer Entwicklung. Von Dr. H. A. Wildermuth. Assistent am anatomischen Institut zu Tübingen, Hierzu Taf. XXXVI. Zur Wahl des vorliegenden Themas bestimmte mich nament- lich der Wunsch, bei dem Studium über Bau und Entwicklung der lufthaltigen Vogelknochen neue Gesichtspunkte für das Ver- ständniss ähnlicher Räume beim Menschen zu gewinnen. Die unten citirten Arbeiten, welche sich mit den lufthaltigen Räumen der Vögel befassen, haben auf Histologie und Entwicklung gerade der pneumatischen Knochen so gut wie keine Rücksicht genommen, sondern richteten ihre Aufmerksamkeit in erster Linie auf die interessante Frage über die Function und den Nutzen der betreffenden Räume. Auch der neueste Bearbeiter des Gegen- standes, Strasser, hat in seiner Schrift über die Luftsäcke der Vögel (Morpholog. Jahrbuch III. Bd. S. 179 ff.) die Sache mehr vom Standpunkt der vergleichenden Anatomie aus behandelt, und die phylogenetischen und ontogenetischen Beziehungen haupt- sächlich hervorgehoben. Die einschlägigen Werke sind nun im einzelnen folgende: Rathke, H. Ueber die Entwicklung der Athemwerkzeuge bei den Vögeln und Säugethieren, 1825. Nova Acta t. XIV. p. 161— 216, Selenka, E. Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Luft- säcke des Huhnes. Sieb. u. Köll. 1866. pag. 179. Owen, R. Comp. Anatomy of Vertebrates V. II. p. 211 ff. Campana. Recherches d’Anatomie, de Physiologie et d’Or- ganogenie pour la determination des lois de la Genese. etc. 538 H. A. Wildermuth, I. M&moire. Physiologie de la Respiration chez les oiseaux. Ana- tomie de l’appareil pneumatique pulmonaise ete. Paris. Masson 1875. Sappey. Recherches sur l’appareil respiratoire des oiseaux Paris 1847. Cuvier. Lecons d’Anatomie comparece. Tome VI. Kohlrausch. De avium saccorum aäreorum utilitate (dissertat.) Götting. 1892. Hunter. Philosophie. transactions. LXIV. pag. 203 ft. Jaquemin. Il. M&moire. Sur la pneumatieite du squelette des oiseaux. — Nova Acta. A L. C. natur. cur. t. XIX. 1842. pag. 2 ff. Hans Strasser. Ueber die Luftsäcke der Vögel. Morpho- logisches Jahrbuch III. Bd. 8. 179 ft. 1877. F. Tourneux et G. Herrmann. Recherches sur quelques epitheliums plats dans la serie animale. Journal d’anat. et de physiologie, publ. p. Robin et Pouchet. 1870. p. 2IT—RRO. Meine Untersuchungen, die lediglich den feineren Bau und die Entwicklung der lufthaltigen Knochen zum Gegenstand haben, wurden ausschliesslich am humerus vorgenommen und zwar wesent- lich deshalb, weil dieser auch bei weniger guten Fliegern, wie z. B. dem Huhn, lufthaltig ist. Die untersuchten Vögel waren beinahe ausnahmslos Hühner und Tauben. Die Untersuchungen wurden unter der Leitung und im In- stitute des Herrn Professor Dr. Schwalbe in Jena ausgeführt. Dabei hatte ich mich seinerseits der liebenswürdigsten und zuvor- kommendsten Unterstützung zu erfreuen und ich ergreife mit Vergnügen die Gelegenheit, ihm hierfür an dieser Stelle meinen innigsten Dank zu sagen. I. Die Anatomie des vollständig pneumatisirten Knochens. Die Knochenbalken, welche die lufthaltige Höhle durchziehen, verbinden sich nach der oberen und unteren Epiphyse hin zu dem mehr oder weniger complieirten Gerüstwerk des spongiösen Ge- webes, wobei namentlich im oberen Ende des Knochens die spongiosa eine gewisse Gesetzmässigkeit zeigt, die sich auf das Vorhanden- sein bestimmter architektonischer Linien zurückführen lässt. In der Diaphyse finden sich nur an einzelnen Stellen eomplieirtere Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen. 539 Anordnungen der Knochenbälkchen, die meist als Streben, senk- recht zur Längsachse des Knochens, den pneumatischen Raum durchziehen. Doch finden in den genannten Beziehungen vielfache Ver- schiedenheiten statt. So ist z. B. bei dem schon vollständig pneu- matisirten humerus des Huhnes das spongiöse Gerüste viel besser ausgebildet als bei der Taube und andern besseren Fliegern. Den Eingang in den pneumatischen Knochen bildet eine an- nähernd längsovale Oeffnung, d. h. in den meisten Fällen eine unregelmässig siebförmig durchbrochene Platte und nur selten ein eigentlicher Canal. Von der häutigen Auskleidung des Knochens ist mit unbe- waffnetem Auge nur wenig wahrzunehmen. Je vollständiger das Mark verdrängt ist, um so rascher vertrocknet der Knochen, wenn er der Luft ausgesetzt wird, samt seinem häutigen Ueberzuge (ein Umstand, auf den schon Hunter ') hinweist). Die innere Ober- fläche des Knochens sieht dann wie gefirnisst aus. Die Schleimhaut lässt sich nur in kleinen Fetzen abziehen. Am leichtesten erhält man noch an den Stellen Stücke der mucosa, wo sie auf Bälkehen der spongiosa übergeht, oder noch Reste anderer Gewebstheile bedeckt; sie zeigt sich dem unbewafi- neten Auge als structurloses Häutcehen, in welchem sich nur an der Eintrittsstelle der arteria nutritiva und in der Nähe des porus pneumaticus Gefässe erkennen lassen. Eigenthümlich sind die Blutextravasaten gleichenden Klumpen, welche namentlich im untern Theile des Knochens sich finden. Wir werden unten auf dieselben zurückkommen. So sehr auch die Auskleidung des lufthaltigen Vogelknochens in ihrem feineren Bau einer serösen Haut ähnlich ist, so muss man sie doch mit Rücksicht auf die Entwieklung der Luftsäcke von der Lunge aus zu den Schleimhäuten rechnen, und ich nenne sie deshalb mucosa. pneumetica. Die innerste dem Luftraum zugekehrte Schicht des Gewebes bildet Das Epithel. Die Versilberung ergiebt ziemlich grosse, unregelmässig polygonal gestaltete Zellen mit einem '!) Hunter. An account of certain receptacles of air in birds, which communicate with the lungs, and are lodged both among the fleshy parts and in the hollow bones of those animals. Philosophical transaetions LX1V. 1774. 540 H. A. Wildermuth, grössten Durchmesser von 0,032 Mm. kleinsten Durchmesser von 0,02 Mm. Die Begrenzungslinien sind gerade und zeigen nicht die leicht geschlängelten Contouren, wie dies bei echten Endothelien so häufig ist. Ein eigenthümliches und, wie mir scheint, namentlich bei Jüngeren Thieren vorkommendes Bild (Figur 1) besteht darin, dass eine um die Hälfte oder ein Drittel kleinere Zelle radien- förmig von grösseren Zellen umlagert wird. Die kleineren Zellen unterscheiden sich von den grösseren auch noch durch einen braunen Ton, den sie bei der Silberbehandlung annehmen, und sind ohne Zweifel als Schaltzellen aufzufassen. Dass man es hier nicht mit einer Art Spaltöffnungen zu thun hat, geht daraus her- vor, dass gerade bei ihnen auch nach der Versilberung ein deut- licher Kern sich zeigt und dass von den kleineren zu den grös- seren allmählige Uebergänge sich finden. Mir scheint diese Anordnung der Zellen zur Vergrösserung der Oberfläche zu dienen. Denn diese, als Schaltzellen bezeich- neten Gebilde, müssen ja bei weiterem Wachsthum die sie um- lagernden Zellen in centrifugaler Richtung auseinandertreiben. !) An Präparaten, die mit saurem Carmin gefärbt sind, stellen sich die Epithelzellen als äusserst zarte platte Gebilde dar, sind fein granulirt und zeigen einen scharf contourirten rundlichen Kern mit einem Durchmesser von 0,008 Mm.; auf Schnitten er- scheint der nucleus längsoval. Das Grundgewebe der mucosa pneumatica ist fibrilläre Bindesubstanz, der elastische Elemente ganz zu fehlen scheinen. Die Membran ist, wie oben erwähnt, äusserst zart und besitzt nur an den Stellen eine erheblichere Dieke, an welchen sich noch Markreste vorfinden. Der reine Querschnitt hat eine Dicke von 0,015 Mm. Man erkennt an ihm bei Carminfärbung in ziemlich regelmässigen Abständen die Kerne des Epithels, darunter unregelmässig zer- streute Bindegewebszellen; leichte Vorbuchtungen werden durch die Existenz von etwas stärkeren Gefässen bedingt. Die mucosa pneumatica wird relativ reichlich mit arteriellem Blute versorgt. !) Vergleiche hier auch die ähnlichen Angaben von Tourneux und Herrmann |, c. Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen. : 541 Eine Injection dieser Gegend !) liess in dem hierher gehörigen Theil des Gefässsystemes folgende Anordnung erkennen: Aus der arteria subelavia tritt zunächst ein starker ramus pectoralis ab, welcher sich in zwei, vorwiegend für die gewaltige Muskelmasse des Thorax bestimmte, Zweige theilt. Der untere dieser Zweige entsendet ausserdem noch einen Ast an die untern, respektive hinteren Partieen des Achselsackes. Der zweite von der subelavia ausgehende Ast, welcher die arteria thoracico-acro- mialis darstellt, versorgt ausser dem Schultergelenke und dem lateralen Ende der clavicula die obern Partieen des genannten Luftsackes. Der dritte Ast, stärker als die vorhergehenden, bildet als arteria axillaris die direete Fortsetzung der subelavia. Unmittel- bar nach seinem Abgang entspringt aus ihm ein Gefäss, welches, am caput humeri angelangt, theils Aeste mit dem Achselluftsack in das Innere der Höhle schickt, theils mit ihren Endästen den oberen Theil des Gefässnetzes bildet, welches die Aussenseite des Oberarmbeines überzieht. Die eigentliche arteria nutritiva humeri entspringt von einem Aste der axillaris, welchen man füglich als Analogon der art. profunda brachii bezeichnen kann. Während ihres Verlaufes am humerus schickt die art. nutrit. noch mehrere Gefässe zum periostalen Netz, das stärkste unmittel- bar vor dem Eintritt in den Knochen, den sie in schiefer Rich- tung durchzieht; im Innern angelangt, theilt sie sich in zwei Aeste, von denen der obere, welcher rechtwinklig vom Haupt- gefäss abgeht, mit den Gefässen anastomosirt, welche mit der mucosa pneumatica durch die Luftöffnung eindringen; der untere Ast im untern Theile des Knochens sich ausbreitet. Das foramen nutritivum liegt ungefähr in der Mitte des Knochens, eher etwas oberhalb desselben. Bei jungen Thieren mit noch markhaltigen Knochen ist das foramen nutritivum ent- schieden weiter, als beim ausgebildeten pneumatischen Knochen. In einem Falle fand ich bei einer erwachsenen Taube den Durch- messer bis auf 0,2 Mm. redueirt, während das Durchschnittsmass dieser Lichtung bei jungen Tauben 0,46 Mm. beträgt. Der Grund dieser Verengerung liegt in einer ringförmigen t) Ich machte die Injection von der carotis aus nach Unterbindung des truneus anonymus und zwar mit der Hoyer’schen Schellaklösung. Dieselbe gibt zwar keine Capillarfüllung, aber Injection der feinsten Arterien. (Üf. Sappey. Recherches sur l’appareil respirat. etc. p. 38.) 542 H. A. Wildermuth, Apposition lamellärer Knochensubstanz (Fig. 2), die ich nament- lich bei Hühnern stark ausgeprägt fand, aber auch bei alten Tauben nicht vermisste. Die Capillargefässe bilden ein unregelmässiges, ziem- lich enges Maschennetz, welches fast durchaus nur in einer Ebene liegt, und dessen Aeste an einzelnen Stellen offenbar nur von Epithel bedeckt sind (Fig. 3. X). Ein grosses Hinderniss ist also dem direeten Austausch der Blut- und Luftgase nicht entgegen- gesetzt, und demgemäss auch Owen’s !) Ansicht nicht a priori un- haltbar, welcher eine der Functionen dieser Räume in einer förmlichen Respiration sucht. Die Versuche, mittelst Einstichinjeetion von Berliner Blau- lösung unter das Periost sowie unter die mucosa pneumatica Lymphbahnen?) zu füllen, gaben kein befriedigendes Resultat. Doch scheint wenigstens an einigen Stellen der kürzlich von Schwalbe 3) beschriebene perimyeläre Raum vorhanden zu sein, welcher bei den mit Mark erfüllten Knochen ohne Schwierigkeit nach- zuweisen ist. Zwar gelang es mir beim pneumatischen Knochen nicht, vollständig beweisende Bilder mittelst Versilberung zu erhalten; aber an Präparaten, welche in Müller’scher Lösung gelegen hatten, erhielt ich beim Abschaben der dem Knochen zugekehrten Seite Bilder (Fig. 4 b), welche unzweifelhaft als Endothelzellen anzu- sprechen sind, und an einigen Stellen des mit Carmin tingirten Querschnittes zeigte sich ein äusserst schmaler von Capillaren durchzogener Raum (Fig. 4 a), der auf der Innenseite des Knochens durch eine Reihe regelmässig abstehender rother Kerne begrenzt war, auf der dem Luftraum zugekehrten Seite durch das fibrilläre Gewebe der mucosa pneumatica seinen Abschluss fand. Die oben genannten Bilder, welche von Objeeten in Müller’- scher Lösung herrührten, gewann ich ausschliesslich an Stellen, wo noch deutliehe Markreste vorhanden waren. Nerven vermochte ich bisher trotz der Behandlung der Schleimhaut mit Goldehlorid nicht aufzufinden. Markreste finden sich selbstverständlich in um so grösserer Menge, je jünger der Knochen ist. Beim Huhn vermisste ich dieselben auch bei ganz alten Thieren nie vollständig; bei besseren Fliegern, wie z. B. schon bei der Taube, sind sie im völlig ent- ‘) The Anatomy of the Vertebrat. Vol. I]. p. 216. ?) Auch Sappey (Recherches sur l’appareil respirat. etc. pag. 39) stellt das Vorhandensein von Lympbgefässen in Abrede. ?) Zeitschrift f. Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. I. S. 137. Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelkuochen. 543 wickelten Luftknochen kaum noch nachzuweisen. Diese Mark- reste zeigen nun meistens die gewöhnliche Beschaffenheit des Knochenmarkes: Fettgewebe, daneben zahlreiche Leukocyten, an einzelnen Stellen auch lockeres fibrilläres Gewebe. Namentlich finden sich diese Reste im untern, noch mehr im obern Theile des Knochens. Ausserdem aber fand ich beim Huhn ein eigenthümliches Gewebe (Fig. 5), welches sich in Form einer sulzigen, durch- sichtigen Gallerte aus den Nischen der spongiosa ziehen lässt. Als Grundsubstanz ergibt sich bei mikroskopischer Untersuchung eine schleimige Substanz, welche theils völlig structurlos erscheint, theils feine, schwach eontourirte Fibrillen oder Falten aufweist. In diese Grundsubstanz sind zahlreiche Leukocyten und rothe Blutkörperchen eingelagert. Es ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass dieses Gewebe eine Umwandlung des Markes vor dessen völligem Untergang darstellt, welche wohl mit der oben erwähnten verminderten arteriellen Blutzufahr im Zusammenhang steht. Der Umstand, dass diese Zwischenstufe nur bei Hühnern zu finden ist, wie es wenigstens nach meinen bisherigen Untersuchungen der Fall war, ist wohl so zu erklären, dass bei diesem Vogel die Pneumati- sirung überhaupt langsamer und unvollständiger stattfindet, während bei andern Thieren bei dem raschen Eindringen des Luftsackes das Mark ohne Uebergangsstadium der Resorption anheimfällt. Das Verhältniss der häutigen Auskleidung des pneumatischen Knochens zu den noch mit Mark erfüllten Räumen gehört in das Gebiet der Entwicklung und soll unten besprochen werden. Da- gegen will ich noch eines, namentlich beim Huhn constanten, aber auch bei der Taube nicht ungewöhnlichen Befundes erwähnen (ef. pag. 7), welcher besonders in der Nähe der Eintrittsstelle der arteria nutritiva und in dem unteren, seltener dem oberen Theile der Diaphyse vorkommt; es sind dies die oben erwähnten Massen, welche schon makroskopisch wie Blutgerinnsel ausschen; die mikroskopische Untersuchung bestätigt diese Vermuthung. Unter der mucosa pneumatica nämlich, welche mir an diesen Stellen besonders gefässreich zu sein schien, befinden sich Haufen rother und weisser Blutkörperchen mit Markresten zusammen. Es ist das wohl das Gewebe, das Hunter!) unter seiner „bloody 1) Philosoph, transactions a, a. OÖ. 544 H..a. Wildermuth, and pulpy substance“ versteht, die er im pneumatischen Knochen fand. Sollten diese coagula vielleicht mit einer venösen Stase in Zusammenhang stehen, bedingt durch die Verengerung des Canales für die arteria nutritiva, welche auch die Verflüssigung respective Verschleimung des Markes hervorzurufen scheint ? Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Structur des vollständig pneumatisirten Knochens! Die mikroskopische Unter- suchung ergibt nur Weniges, was dem oben angeführten makro- skopischen Befunde beigefügt zu werden braucht. Die spongiosa zeigt in keiner Weise Abweichungen von der Struetur anderer schwammiger Knochen. Dagegen habe ich beim ausgewachsenen Huhn in der ganzen Länge der Diaphyse eine ringförmige Appo- sitionsschicht auf der innern Seite der compacta gefunden, deren deutlich lamellärer Bau scharf gegen die übrige Knochensubstanz abstach, welche deutlich die neuerdings wieder von Ebner be- schriebene Structur zeigte. Die Anlagerungsschicht beträgt !/; der ganzen Dicke der compacta. Von einer Communication der Haver’schen Canälchen mit dem Luftraum, an welehe man in Anbetracht des überaus schnellen Austrocknens des Knochens schon denken konnte, fand sich keine Spur. Die mucosa pneumatica ist, wie sich auf Querschnitten zeigt, ähnlich wie ein Periost mit dem Knochen verbunden, und auch eine Carminleiminjeetion, mit welcher der Luftraum gefüllt wurde, gestattete mit völliger Sicherheit, die angeführte Ver- muthung von der Hand zu weisen. If. Zur Entwieklung der lufthaltigen Vogelknochen. Die folgende Darstellung kann durchaus keinen Anspruch darauf erheben, den behandelten Gegenstand völlig erschöpft zu haben. Namentlich sind die Beobachtungen in Bezug auf die genaue chronologische Reihenfolge der einzelnen Entwicklungs- stadien und die Massverhältnisse des Knochens in denselben noch lückenhaft. Der Grund davon lag in der Unmöglichkeit zur Zeit der Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen. 545 Abfassung dieser Arbeit, eine Hühnerzucht zu erhalten, welche mir gestattet hätte, die Fortschritte der Pneumatisirung vom ersten Tage an successive zu beobachten. Ich behalte mir vor, in dieser Richtung einen ergänzenden Nachtrag folgen zu lassen. Die Bildung des porus pneumaticus. Die Durchbohrung derjenigen Stelle der compacta, an welcher später die Communicationsöffnung zwischen dem Luftraum des humerus und dem Achselsack sich findet, wird eingeleitet dureh eine Wucherung der fibrillären Substanz dieses Sackes, welche an dieser Stelle zugleich das Periost vertritt, oder vielmehr mit demselben innig verwachsen ist. Nicht zu übersehen ist dabei, dass durch die Insertion von Muskelbündeln, welche rings um die in Rede stehende Stelle herum stattfindet, schon eine innige Verbindung des Periostes mit dem Knochen gegeben ist. Auf Schnitten (Figur 6), die man beim Beginn der Ent- wicklung des porus pneumaticus durch die betreffende Stelle macht, sieht man die bindegewebige Grundlage des Achselsackes in kolbigen, zackigen Contouren gegen den Knochen vorspringen, der dadurch ein gleichsam angefressenes Ansehen erhält. Das Bild erinnert ganz an das Vordringen einer pathologischen Neu- bildung gegen einen Knochen. Während so an einzelnen Punkten nur Einbuchtungen, re- spective buchtenförmige Resorptionen der compacten Substanz stattfinden, trifft man sehr bald Stellen, wo schon eine vollstän- dige Perforation eingetreten ist, indem die fibrilläre Grundsubstanz des Achselsackes durch breite Stränge mit den Weichtheilen in Verbindung getreten ist, welche die Räume der spongiosa aus- füllen. Löst man in diesem Stadium den Achselsack in der Nische des humerus los, in welcher später der porus pneumaticus sich befindet, so kommt man gerade an dieser Stelle an einen Punkt, wo sich der Loslösung der Membran stärkerer Widerstand entgegensetzt. Man findet dann an der Knochenseite der losge- rissenen Membran bindegewebige Fetzen, an deren Enden Mark- reste hängen, während in der spongiösen Substanz (Fig. 7) eine unregelmässig zerklüftete Spalte sich zeigt. Es ist also hier noch kein mit Epithel ausgekleideter lufthaltiger Raum vorhanden, sondern die compaeta ist nur an vielen Stellen durch das Binde- gewebe des Achselsackes durchbohrt und in diese Bindegewebs- zapfen stülpt sich dann später das Epithel ein. Dieser letztere Process lässt sieh leicht an schon lufthaltigen 546 H. A. Wildermuth, Knochen verfolgen, wo Markreste und mucosa. pneumatica zu- sammenstossen. Man sieht hier theils solide Bindegewebszapfen, welche; von der Schleimhaut ausgehend, mit den Weichtheilen der spongiosa zusammenhängen, (Fig. 10) theils aber auch förmliche blindsackartige Einstülpungen, welche mit Epithel ausgekleidet sind und zwischen welchen und dem Knochenbalken die Mark- reste gleichsam eingeklemmt liegen (Fig. 11). Kehren wir zum porus pneumaticus zurück, so findet man in einem späteren Stadium eine ungefähr stecknadelkopfgrosse (Fig. 8.), mit Epithel überzogene Höhle, welehe mit kleineren, ebenfalls glattwandigen Räumen communieirt. Man bekommt hier den Eindruck, dass die membrana pneumatica bei ihrer Ein- stülpung in den Knochen nicht immer den verwickelten Gängen der spongiosa folgt, sondern dass die Balken des schwammigen Knochengewebes theilweise resorbirt werden. Ist der schwierige Weg durch die spongiosa einmal zurückgelegt, so stösst ein weiteres Vordringen auf keine grossen Schwierigkeiten mehr. Dass die Pneumatisirung der spongiosa ein verwickelterer Pro- cess ist, als das Vordringen des Luftsackes im übrigen Knochen, geht ja schon daraus hervor, dass die Diaphyse schon längst voll- ständig lufthaltig sein kann, während in dem obern und untern Einde des Knochens noch erhebliche Markreste sich finden. Zu bemerken ist noch, dass die Pneumatisirung keineswegs gleich- mässig auf beiden Seiten fortschreitet. Was nun das Mark betrifft, so zeigt es sich beim ganz jugendlichen Knochen von der bekannten Zusammensetzung des rothen fetthaltigen Knochen- markes. Leukoeyten und rothe Blutzellen sind gegen die Apo- physen zu entschieden zahlreicher. Fibrilläres Gewebe ist nur sparsam vorhanden. Bei dem Eindringen des Luftsackes in den Knochen zeigt sich in der Peripherie der schon pneumatisirten Theile ein heller beinahe weisslicher Hof, welcher scharf gegen die rothgelbe Farbe der übrigen Marksubstanz sich abhebt. Bei jungen 2—5 Wochen alten Tauben fand ich um den eindringenden Luftsack herum ein auffallend stark entwickeltes Gefässnetz, welches aber nur eine schmale Zone einnahm. Von der eigenthümliehen schleimigen Metamorphose des Markes habe ich schon oben gesprochen. Ich fand sie, wie gesagt, nur beim Huhn und auch hier kommt dieselbe durchaus nicht Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen. 547 an allen Stellen vor, wo Mark verdrängt wird. Denn gerade in der oberen Epiphyse findet man Stellen genug, wo ganz unver- ändertes Mark unmittelbar neben der mucosa pneumatica liegt. Leicht gelingt es mittelst Versilberung, aui' der Innenseite des Knochens sowohl, als auf der Aussenseite des Markes Endo- thelbelag nachzuweisen, durch welchen der von Schwalbe ent- deckte perimyeläre Lymphraum begrenzt wird. Was schliesslich noch den Knochen betrifft, so möchte ich hauptsächlich auf eine Thatsache hinweisen, dass nämlich, wenn einmal die Pneumatisirung einen gewissen Grad erreicht hat, ein Wachsthum am obern Knochenende nicht mehr stattzufinden scheint; dann nämlich, wenn die membrana pneumatica den Epiphysenknorpel in ihrem Vordringen beein- trächtigt hat; denn darauf beruht ja wohl neben der Verenge- rung der art. nutritiva dieses Hemmniss des Wachsthums. | Ich lasse hier einige Zahlen folgen: Alter d. Taube. — Länge d. ganz. hum.— Lage d. ob. Endp. sog. nutrit. 2 Wochen 51,0 Mm. 80,0 Mm. 3 5 51,4 Mm. 31,0 Mm. Erwachsene Taube 593,5 Mm. 31,0 Mm. (d. h. mit vollständig pneumatis. humerus). Genauere und vielseitigere Zahlenangaben über das Wachs- thum des Knochens zu liefern, war mir aus den oben angegebenen Gründen bislang unmöglich. In seiner Structur weist der markhaltige, später pneumatische Knochen nichts Besonderes auf. Fassen wir schliesslich die Hauptresultate noch einmal zu- sammen, so ergibt sich: I. Die Durchbohrung der compacta an der Stelle des spä- teren porus pneumaticus wird eingeleitet durch ein actives Vor- dringen und Wuchern der fibrillären Substanz des hier mit dem Periost verschmolzenen Achselsackes. II. Die weitere Entwicklung des Luftraumes erfolgt durch blindsackartige Einstülpung der membrana pneumatica, wobei sie theils den vorhandenen Lücken und Gängen der spongiosa folgt, theils das Knochengewebe zum Schwunde bringt. II. Als Vorbedingung der Resorption des Knochenmarkes ist eine Ernährungsstörung anzunehmen, welche auf einer Ver- engerung des canalis nutrit. basirt und theilweise zu einem Bd. XI. N. F. IV. & 37 548 H. A. Wildermuth, Zwischenstadium führt, in welchen das Mark einen schleimig flüssigen Charakter annimmt. IV. Bei der Pneumatisirung des Knochens verödet der perim- yeläre Lymphraum zum grössten Theil. V. Durch Eindringen des Luftsackes in den obern Theil des Knochens wird die obere knorplise Epiphyse beeinträchtigt und dadurch das Längenwachsthum gestört. VI. Der lufthaltige humerus wird vom Aortensysteme aus mit Blut versorgt. Vergleicht man nun mit diesen anatomischen Verhältnissen und Entwicklungsvorgängen beim Vogel die lufthaltigen Räume des Menschen, wie sie sich als Anhänge des Nasenrachenraumes darstellen, so wird man manche Analogie finden. Die Lufträume beim Vogel gehen zwar von den Bronchien aus; aber auch beim Menschen ist der Raum, von dem aus die Schleimhaut zur Bildung von Nebenhöhlen sich ausstülpt, in erster Linie Luftweg. Ferner ist beim Menschen wie beim Vogel die häutige Auskleidung dieser Lufträume eine modifieirte, d. h. im Wesentlichen reducirte Fort- setzung der Schleimhaut der Haupthöhle und dient zugleich als Periost. Beim Menschen wie beim Vogel fällt die Entwicklung der Lufthöhlen im Knochen in eine relativ späte Zeit. Fasst man nun speciell die Entwicklung ins Auge, z. B. der Zellen des Warzenfortsatzes (bei den Höhlen des Öberkiefers sind wegen der Zahnbildung complieirtere Verhältnisse vorhanden), so kann man sich die feineren Vorgänge bei der Pneumatisirung wohl nicht anders vorstellen, als beim Eindringen des Luftsackes in die spongiosa des humerus, und mikroskopisch ist in beiden Fällen das Bild ein ganz ähnliches; nur von einer Verschleimung des Marks ist mir bei meinen Studien über den process. mastoid. nie das Geringste vorgekommen. !) Achnlich ist ferner bei beiden die unsymmetrische Entwicklung auf jeder Seite. 1) Die lufthaltigen Nebenräume des Mittelohres beim Menschen von Dr. H. A. Wildermuth. — Zeitschrift für Anatomie und Entwicklungsgeschichte, herausgegeben von Wilh. His und Wilh. Braune. Il. Bd. V. Heft. 1877. Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen, 549 Erklärung der Tafel. Fig. 1. Epithel der mucosa pneumatica aus dem pneumatischen humerus einer jungen Taube. Fig. 2. Durchschnitt durch den canal. nutritiv eines erwachsenen Huhnes. 1. Lamelläre Apposition auf der Innenseite des humerus. 2. Lam. Appos. im canal. nutrit. 3. Compakte Knochensubstanz. 4. 5 } Gefässdurchschnitte. Fig. 3. Capillarnetz aus d. mucosa pneumatica einer Taube; bei X mit Epi- thel bedeckt. Fig. 4. a) Querschnitt durch die mucosa pneumatica eines Huhnes, 1. Knochensubstanz. 2. Endothelbelag. 3. Perimyelärer Lymphraum. 4. Fibrilläres Gewebe j 5. Epithel der mucosa pneumatica., 6. Capillaren, welche den Lymphraum durchziehen. b) Endothelzellen von der Knochenseite eines Markrestes (von einem ın Müller’scher Lösung aufbewahrten pneumatischen humerus des Huhnes). Fig. 5. Mark in schleimiger Metamorphose. Fig. 6. Querschnitt durch die Stelle des späteren porus pneumaticus am noch ganz mit Mark erfüllten humerus einer jungen Taube. Beginnende Wucherung des Achselsackes und theilweise Jerforation der compacta, Fig. 7. Längsschnitt durch das caput humeri einer ganz jungen Taube (e. 2,5 mal vergrössert) bei X die durch gewaltsames Ausziehen der vom Achselsack eingedrungenen Bindegewebszapfen entstandenen Kluft. Fig. 8. Längsschnitt durch das caput humeri einer jungen Taube mit kleinem kugeligen Luftraum bei X (c. 1,5 mal vergrössert) und Muskel- reste. Fig. 9. Weitere Stadien der Pneumatisirung, h weisslicher Hof in der Peri- pherie der pneumatisirten Theile. 550 H.A. Wildermuth, Der feinere Bau der lufthaltigen Vogelknochen. Fig. 10. Stelle aus dem schon pneumatisirten humeras eines Huhnes, an welcher die membrana pneumatica (1) mit den Weichtheilen der spongiosa in Verbindung tritt. Fig. 11. Blindsackartige Einstülpung der mucosa pneumatica in einen mit Mark erfüllten Raum der spongiosa. a) Mucosa pneumatica mit Epithel. b) Knochen. ce) Blindsackförmige Einstülpung. Bei x die tiefste Stelle. d) Mark mit zahlreichen Leukocyten. G. Pätz’sche Buchdruckerei (Otto Hauthal) in Naumburg a/S. Smmnischr Zeitsch1 h 4 } Jar). YiBd N. 7 Di 0 ----- E . B Zertschrift. BAM. Tall. ® Snensche Intlsch 27T; EREUE Tarı. 7: 3% MW. Jrnarsche Zeitschrift Bd N. Sentesche Ban. \/, % ee B Be En S ; ar fe, N) / / \ R \ SH % MY u a an oe B.Hatschek, del. Lith Anst.v. 6.0. Müller Jena sche Zeitschrifi, Bd_N!. | Verl, v. Herm.Dufft Jena. Lith, Anti & A a 2 u; v —- 7 —.) wir. ZE Rn In . 0 7 3 Br N VEpt KU7 Jenarsche ZA___ | Taf. VID. en "Be “9, DIN p) i a 4 7 . ar ’ J * l ER‘ 15 Per ‚Jenaische Zeitschrift ba.Xl. Shatscheck de LE SA Te LLLdS ssopjo4 alla 0 IIEUS 9 ausche ro RER: Dr H. } Duf | Lith. Änst,v G.C. Müller ‚Jens. d Hatschek del. - sem nfileng ıth.Är Wüller, Yerl.v.Herm.Dufft Jena. Lith,AnstuE.Giltsch,Jena. Verl.v,. Henm.Dufft, Jena. Kr nr BER Nee lee: Verl.v.Herm Dufft,Jena. Lith.Anst.v.E.Biltsch Jena. . TE — gen Ba a u . | ü a i > BR ya vi ww FG ö (ei 2 Ey 8 uf 0 Sounische Zatschrit Bali Lith.Anst:u.E.Biltsoh,Jena P.Mayer del. LLLdS sıaploJ allq OS Bu S ® P.Mayer del, \eri.v.Herm.Dufft, Jena. nn — ar ze c Lith.Ansnu.EBilisohJena zu En So ee E Lith Anst,v.E.Giltsen Jena P.Mayer del. Lim Anat.v E.ilisen Jena Verl.v.Herm.Dufft, Jena a ee a A LLLdS Ssapfo4 alla OSIEUS ® der unteren Berge (1250 — 2250) Jenausche Zeitschrift Bd. Entwerjen v ANsar Arefeberg - | ; i e r . \ CI A Höhen-Tableau (ideal) über die geographische Verbreitung der Laubmoose in Thüringen. | | Inselrberg Zun Region IV. Formationen: In N-W. Porphyr, Rothlleg., Melaphyr, Hochmoore. In 5-0. Grauwacke, Porphyr, Kalk Bundsandst. zerstreut. Höbere Vegetat.: N-W. Fagus ı. Pinus (auf.d. höchst. Knppen verkrlipp.) S-0. Pinus vorherrschend. Laubmoose ausschliesslich dieser Region angehürend: 22 Species. 2000 1250 _50| Höhere Vegetat,: Quercus mit Corylus, Acer, Region III. Formationen: N-W. Porphyr, Rothlieg., Zechstein Granit, Syenit, Melaphyr, Glim- merschiefer, Steinkohl.-Gebirg. S-0. Grauwacke, Zechstein. Höhere Vegetat.: N-W. Fagus u. Pinus Quercus stellenweise Acer einzeln, Mischwaldungen selten. S-O. Pinus, Fagus stellenweise, suweilen beide gemischt. Laubmoose dieser Region ausschliesslich angehörend: 52 Species. T 5 as == ++ elle EI ill Sa fr 2177 ol 3 28 © el m =] o@ ©. © = Region II. Formationen: Trias (Kenper, Muschelk. Buntes.) Alluvionen (erratische Bl.) Lias. Im N. v. Zechst., Porphyr u. Rothl. und den siidl. Ausläufern d. Harzes umsäumt, Sorbus, Crataeg., Betula in Mit- telwaldungen, Pinus stellenweise, Laubmoose ausschliesslich vorkommend: 44 Species. S 08:1 + + Im ur IHM u saradı Region T. Zi Formationen: Aluvium, Diluvium (erratische Bl.) Braunkohle, bunter Mergel. Vegetation: Tilia, Quero. m. Coryl., Salix, Popul. Laubmoose ausschliesslichvorkommend: 12 Species. Inst n B'Gulesch, Jona ayauıqaA uauoıbay alle yoang sanads gg Jenanrsche Seds >) 1E) j 1) #9 | | 1 pullauluud, | | IhLdS. sıoplo4 all Ol EUS ® DE £ \ 1 39. Te IE :0) 4 | Lau ulllaallisuud j Lith.Anst.Eßiltsch, Jena. Verl.v. Herm.Dufit; Jena P ht ir ren x Mies, Lith. Anst v. E:Gillsch, Jena. rin N er u R- ee ren aus a, 10. Lith. Anst.v.E Giltsch, Jena. & na Verl. v. Herm. Dufft Je EEE NEE R.Hertwig del. Lith.Anst.v E.Giltsch Jena. + Verl. v.Herm. Dufft, Jena. ». | | 1} | | 1} | er. Lith.Anst. u E-Giltsch, Jena. ia, “ oe nn Herm. Dufft Jena. Verl.v. { 1 | C.Rabl del. Verl.x Herm. Dufft Jena Lith, Anst.vE Giltsch, Jena ed N Im 5 9. Y JUUNODEN 6 Lith. Anst.v.E.Giltsch, Jena Verl.v.Herm. Dufft Jena i av Koch, del. Et. Bd AT. wre Le Jenaıs Lith.Anst.v.E.6iltsen. Verl.v.Herm.Dufft, Jena or del. —g- 2 Jenaische Zeitschrift Bad MT 0. Schuffner, del manche Zeitschrift BA XI d.Schuffner, der = Verl.v.Herm. Dufft, Jena. Taf: Terasse Zeichn BAM TafaV. Jenausche Zeitschrift ball. t.vE.Giltsch, Jena Lith. A 8 < © = = > =) € = ® =E = © > ü zarsche Zeilschrit Bd M Taf XXI. nische Zeisehrilt Ba M. 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Si Bee, | w = 4 je ur Br \ n 5 Fa er < \®) N 2 —— j f 3 \ E = — nn N & ; £ \ ee o Be \ In F — a nn nu nn | '7 % = GR RETETLTTTTTT—— mn nn nn LET DEZE EN - IN % N { ed —Z): EN R Lr.N\ Le y D N 433 = R = IN r Ne et 4 x L \ | ee N 74 N k N N on SD Er R Sy Er | - Sy $ {IR “ = : \ IS == N y > =} x er Sn - — REN RS 2 z I > ‘ 1 \ } een En; Ei. R * ag Be \ a rt J N ] On je N m er / B F £ az Ban e \ = rl fl 3 = 2 — 7 Bad. Strasburger ad.nat. del. SR! EL Te Tee _— ne , 2 5 we un " D ü n “ h M 5 h t Ö = D ’ , 1.68 5 Zn u “ es i f Rn i 1 + . b / e j el > ) Co i f & £ es . \ * £ « D N . \ r i F . a k E { e E A 26 Ä . = j E u 1 ü v j % . FE Te Ti: | ) P h ” . KL t. fe " f 1 DEN | { 7 N 4 n - | ji R ” a es D ei; “b y \ ö a Wie - f MT ) —_ Tr A ) ’ , ” 3 ) r \ “ r i & y Os j j E ; TPN 2 i iA ’ N s Y r r I v ” ‘ 4 z n 2 2 ie N‘ « Y “ LETEEeT 7 r ' nt { . 2 a 1 -" DE { NE 4 ' Ei; ” vw En 5 hu f + ah; f us" r EN I 5 Rn > dermurn del. Lith. Anstw E.Giltsch, Jena Lith, Anstv. E Giltsch, Jena Jenaische Zeitschrift für -NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der ' medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Elfter Band. Neue Folge, Vierter Band. Erstes Heft. Mit 9 Tafeln. Jena, 7 a Verlag von Hermann Dutft.) | 1877. Zusendungen an die Redaction erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 20. März 1877. | h WIEN IM Jenaische Zeitschrift für NATURWISSENSCHAFT | herausgegeben von der medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu ‚Jena. Elfter Band. Neue Folge, Vierter Band. Zweites Heft. Mit 7 Tafeln. Jena, Verlag von Hermann Dufft. 1877. No ie ar 2, Zusendungen an die Redaction erbittel man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 15. Juni 1377. (\ _? Jenaische Zeitschrift für NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medieinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Elfter Band. Neue Folge, Vierter Band. | | Drittes Heft. Mit 10 Tafeln. ‚Jena, Verlag won Hermann Dufft. 1877. x 5 - > 6 Zusendungen an die Redaction erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 3. November 1877, „v,79 Jenaische Zeitschrift | für NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medieinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Elfter Band. Neue Folge, Vierter Band. Viertes Heft. Mit 10 Tafeln. Jena, Verlag von Hermann Dufft. 1877. Zusendungen an die Redaction erbittei man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 10. December 1877. . I] 088 01355 5727 te A