^M^ -i^- : ■ ^ :..j^^^: i#;*f^ «3:s»^ 'd.:*M m^ ^S0 ^hMa b-^^B it^^'tf^-r^t^*- -e^i yibrarg of i\}t glustwm OP COMPARATIVE ZOOLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE. MASS. The gift of . No. ^^ I '>e Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medicinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Einundzwanzigster Band. Neue Folge, Vierzehnter Band. Mit 28 Tafeln. Jena, Verlag von Gustav Fischer ^"■'■' 188 7. I n h a 1 1. Seite Walther, Ferdinand, Das Visceralskelett und seine Mus- kulatur bei den einheimischen Amphibien und Reptilien. Mit Tafel I— IV - 1 Semon, Richard, Die indifferente Anlage der Keimdriisen beim Hiihuclien und ihre DifFerenzierung zum Hoden. Mit Tafel V 46 Hamann, Otto, Beitrage zur Histologie der Eohinodermen. Mit Tafel YI— XVIII . b^ ,. ^ 87 Nansen,'Fridtjof, Anatomie und Histologie des Nerven- systemes der Myzostomen. Mit Tafel XIX 267 Lehmann, Otto, Beitrage zur Frage von der Homologie der Segmentalorgane und Ausfiihrgange der Geschlechtspro- dukte bei den Oligochaeten, Mit Tafel XX 322 Kiikenthal, Willy, Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". Mit Tafel XXI 361 B^raneck, Ed., tJber das Parietalauge der Reptilien. Mit Tafel XXII und XXIII 374 Schanz, Fritz, Das Schicksal des Blastoporus bei den Am- phibien. Mit Tafel XXIV 411 Boveri, Theodor, Zellen-Studien. Mit Tafel XXV— XXVIII 423 Hamann, Otto, Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreich und ihre Bedeutung 516 Das Visceralskelett und seine Muskulatur bei den einheimischen Amphibien und Reptilien. (Gekronte Preisschrift.) Von Ferdinand Walter. ffierzu Tafel I— IV. Einleitung. Wenn wir das Visceralskelett der Fische mit dem der hoherea Tiere vergleichen, so ergiebt sich folgender in der F u n k t i o n desselben bei den einen und den anderen begrundeterUnterschied: Bei den Fischen ist das Visceralskelett im wesentlichen Trager des Atemorgans und bildet nebenbei auch den Stutzapparat fiir den kaum beweglichen Boden der Mundhohle; bei den hoheren Tieren dagegen steht es zum Atemorgan in einer ganz unter- geordneten Beziehung und gewinnt dafiir eine hohere und wesent- liche Bedeutung fur die Bewegungen der den Boden der Mund- hohle bildenden Zunge, die sich hier von einem einfachen Polster zu einem mehr weniger frei beweglichen Organ erhebt. Es tritt sorait ein Funktionswechsel des Visceralskelettes ein, und dadurch wird eine Umgestaltung desselben erforderlich. An den tJbergangsformen von den Fischen zu den hoheren Tieren sehen wir die Primarfunktion des Visceralskelettes noch ganz, bei den Perennibranchiaten, oder teilweise bei den Larven- zustanden der A.mphibien, als Trager des Atemorgans erhalten, jedoch macht sich bei diesen schon eine groCere Beweglichkeit des Bodens der Mundhohle geltend, da die Nahrungsaufnahme hier nicht mehr wie bei den Fischen mit dem einstromenden Respirationsmedium, dem Wasser, sondern durch Ergreifcu der Bd. XXI, N. F. XIV. 1 2 FerdinandWalter, Beute mit den Kiefern und der Zunge und durch den Schluckakt stattfindet. Mit diesem Wechsel der Funktion des Visceralskelettes wird die reiche Entwickelung desselben als vielastiges Gerust iiberfliissig, und wir nehraen demgemaC bei den boheren Tieren eine Vereinfachung seiner Gestalt wahr. Wir dtirfen also hinsicbtlicb der Veranderungen , welche das Visceralskelett in der Reihe der Wirbeltiere erfahrt, weniger und nur in zweiter Linie von einer Fortbildung einer niederen zu einer hoheren Form sprecben, sondern miissen vielmebr den Scbwer- punkt fur seine anatomische Umgestaltung in dem Wecbsel der Funktion des Organs sucben, auf dessen weittragendc Bedeutung riicksicbtlicb der morpbologiscben Bescbaiifenbeit der Organe im allgemeinen uns zuerst die babnbrecbenden Arbeiten Anton Dohrn's ^) bingewiesen haben. Der Funktionswecbsel des Visceralskelettes findet bei den Amphibien und Reptilien statt, welche ja die Zwischenstufen zwischen den Fischen einerseits und den hoheren Tieren, den Vogeln und Saugetieren, andererseits bilden, bei ihnen zeigt sich demnach eine Formverwandtschaft nach beiden Richtungen. Die bei uns einheimischen Amphibien und Reptilien weisen die Haupttypen beider Klassen auf, so dafi ein tibersichtliches Bild der allmahlich fortschreitenden Veranderuug ihres Visceral- skelettes gewonnen werden kann, dessen Skizzierung ich hier ver- suchen will. Abgesehen von den in Deutschland nicht einheimischen Perenni- branchiaten stehen den Fischen die Urodelen am nachsten, ihr Visceralskelett zeigt noch groBe Verwandtschaft mit dem der Fische: es ist, wie Meckel 2) sagt, vorziiglich durch seine voll- kommene Verknocherung und starkere Entwickelung der Seiten- teile in Hinsicht auf GroCe und Zahl, sowie langliche Gestalt des mittleren Teiles auffallend fischahnlicher als das der unge- schwanzten Batrachier. Wenn auch Meckel's Ansicht bezuglich der Verkalkung nicht ganz zutrifit, wenigstens fiir die bei uns vorkommende Gattung Salamandra, so ist doch diese aligemeine Charakteristik sehr zutreffend. Die Bogen des Visceralskeletts sind fiir diese und die nachst hohere Gattung, die Anuren, von groCer Wichtigkeit, well die 1) A. DoHBN, Uber den Ursprung der Wirbeltiere und das Prinzip des Funktionswechsels, Genealogische Skizzen. Leipzig 1875. 2) Meckel, Syst. d. vergl. Auatomie IV. Bd. pag. 335. I)as Visceralskelett der Ampiiibien und Beptiiien. 3 JugendzustaDde dieser Tiere iioch kiemenatmend sind, also eines Kiemengeriistes bediirfen. Trotzdera seheu wir schon bei den er- wachseuen Anurea eine bedeutende Reduktion der Bogen, sowohl betreffs ihrer Zahl als Ausdehuung. Es gewinnt namlich der Zuugenbeinkorper, die Copula, eine groBere Entfaltung, und es entwickelt sich vorwiegend ein Bogenpaar. Bei den Reptilien tritt scheinbar ein Ruckschritt auf: der Zungeiibeinapparat ist wieder bogenreicher ; die Entvvickelung der Bogen iibertrifft die der Copula, jedoch ergiebt sich, daB auch hier nur der Korper und ein Bogenpaar eine wesentliche Rolle spielen, die iibrigen Telle dagegen eine untergeordnete Stellung einnehmen. Der Zungenbeinapparat einer besonderen Gruppe der Reptilien, namlich der Ophidier, erscheint in der einfachsten Ge- stalt des Visceralskeletts, als eine Skelettspange, trotzdem mochte ich diese Form nicht als einen Fortschritt der Entvvickelung, sondern mit Riicksicht auf die mangelhaftc Zungenbeinmuskulatur als ein Stehenbleiben auf niederer Entwickelungsstufe bezeichnen. Das Muskelsystem des Visceralskelettes der Amphibien und Reptilien lafit sich in zwei Hauptgruppen zerlegen: 1) die Muskeln, welche das Zungenbein gegen den Rumpf und gegen den Unterkiefer bewegen — diese stellen eine Modifikation der Muskulatur der ventralen Korperseite dar — Huxley ' ) be- zeichnet sie geradezu als Fortsetzung der Musculi recti abdominis, — 2) die Muskeln, welche vom Zungenbein in die Substanz der Zunge ausstrahlen. Beztiglich der phylogenetischen Entvvickelung des Muskel- systems gilt das Gleiche, was oben vom Visceralskelett gesagt wurde: die niederste Stufe nehmen auch hier die Urodelen ein, bei welchen der tJbergang der Muskeln der ventralen Korperseite in die des Zungenbeins und selbst der Zunge ganz unverwischt ist. Eine deutliche Diflferenzierung findet sich dagegen schon bei den Anuren, ja es ist die Entwickelung der Zungenbeinmuskulatur eine viel vollkommenere zu nennen als bei den doch sonst hoher stehenden Reptilien, bei welchen das ganze Muskelstratum ein mehrfach geschichtetes breites Band vom Schultergurtel zum Zungenbein und von da zum Unterkiefer gehend darstellt. Die Wirkung der Muskeln auf das Zungenbein ist haupt- sachlich eine Bewegung desselben von vom nach hinten, verbunden 1) Huxley, Handbuch d. Anatomie d. Wirbeltiere. 1* 4 FerdinandWalter, mit einer geringen Hebung. Diese Wirkungsweise der Zungen- beinmuskulatur auf das Zungenbein gebraucht Cuvier^) passend als Beispiel fur seinen Vergleich der Muskelwirkung mit der von Stricken, die in bestimmter Richtung angezogen werden, sowohl fiir den Zug in einer Richtung, als auch fur die in winklig sich schneidender Richtung, wodurch eine Bewegung in der Resultante der beiden Krafte entsteht. Zur Untersuchung kamen an einheimischen Arten der Am- phibien und Reptilien folgende : Triton cristatus und igneus, Sala- mandra maculosa und atra, Rana esculenta und temporaria, Hyla, Bufo cinerea, Bombinator igneus, Emys europaea, Lacerta agilis, Anguis fragilis, Coluber natrix und laevis; aufierdem wurden noch untersucht drei in der siidlichen Halfte Europas vorkommende Reptilien, namlich: Lacerta viridis, Pseudopus Pallasii, Vipera ammodytes, und zwar deswegen , weil sie bei einer im wesent- lichen iibereinstimmenden Anordnung des Skelettes und der Musku- latur durch ihre GroBe fiir die Preparation mit dem Messer und namentlich fiir die Abbildung klarere Verhaltnisse bieten als unsere kleinen einheimischen Arten. Beziiglich der Nomenklatur habe ich mich an jene Namen gehalten, welche ich in der Litteratur gefunden habe, und Uberall jene aufgenommen, welche mit der Bezeichnung der entsprechenden Teile der hoheren Tiere namentlich beim Menschen iiberein- stimmen, da sie sich ja ohne Schwierigkeit auf jene zuriickfuhren lassen, was auch Stannius"'^) und RUdinger^) ausdriicklich be- tont haben. I. Visceralskelett. Das Visceralskelett besteht aus zwei Hauptteilen: einem unpaaren Teil, der Copula, Basibraachiale oder Zungenbeinkorper und einem paarigen Teil, Hyoid- und Branchialbogen , dem Bogensystem. Die Copula unserer einheimischen Amphibien und Reptilien ist einfach, nicht gegliedert; Hyoid- und Branchialbogen zeigen 1) CxTTiEE, Vorlesungen iiber vergl. Anatomie I. Bd., pag. 120. 2) Stannitts, Lehrb. d. vergl. Anatomie d. "Wirbeltiere. 3) Die Muskeln der vorderen Extremitiiten der Keptilien und Yogel etc. Harlem 1869. Das Yisceralskelett der Amphibien und Eeptilien. 5 verschiedene Entwickelung; sie konLen einfach oder gegliedert sein. Die Copula entspricht dera Korper des Zungenbeins bei den hoheren Tieren, Hyoid- und Branchialbogen den Zungenbein- hornern. Die Form dieser Teile variiert bei den einzelnen Gattungen ziemlich stark. Im allgemeinen lafit sich sagen, da6 je einfacher der Zungenbeinkorper, um so machtiger und aus- gedehnter das Bogensystera ist, so z. B. bei den Urodelen und Sauriern, wahrend bei den Batrachiern und Cheloniern ein ein- faches Bogensystem bei machtiger Entwickelung der Copula besteht, A. Unpaarer Teil, Copula. 1. Die Amphibien weiseu zweierlei Typen der Copula auf, entsprechend den beiden Klassen der Urodelen und Anuren: bei jenen ist dieser Skelettteil schmal und dick, bei diesen breit und dunn, flachenhaft ausgebreitet. Der Zungenbeinkorper der Urodelen hat die Gestalt einer Keule, mit dickerem vorderen und diinnerem hinteren Ende; der Querschnitt des Zungenbeinkorpers ist linsenformig. Taf. I. Fig. 1, 2. Salamandra atra und maculosa zeigen keine Verkalkung der Copula, bei Triton dagegen ist dieselbe vorhanden, wodurch allein sich, abgesehen von der GroCe, die Zungenbeinkorper der beiden Arten unterscheiden. Durch ihre untergeordnete GroCe und schmale Gestalt ist die Copula der Urodelen nicht fahig, den Muskeln gegenuber von besonderer Bedeutung zu werden, und in der That entspriugt nur der M. hyoglossus teilweise von derselben, und inserieren an ihr nur wenige mediane Biindel des M. pubiohyoideus. Die Anuren besitzen eine viereckige, diinne, ziemlich groBe Knorpelplatte als Copula, deren bedeutende Entwickelung den iibrigen Teilen des Visceralskelettes gegenuber darauf hinweist, dass sie funktionell die erste Stelle des Visceralskelettes einnimmt. Taf. I. Fig. 3, 4, 5. Die platte Gestalt der Copula fiihrte dazu, daB ihr ver- schiedene Namen von den Autoren gegeben wurden, die eben von dieser Eigenthumlichkeit hergenommen sind: Basal- platte (WiEDERSHEiM 0), Hyoidplatte , Basihyale (Parker und 1) "WiEDBBSHEiM : Lehrb. d. vergl. Anatomie d. Wirbeltiere I B, 6 FerdinandWalter, Bettany 0) neben der gewohnlichen Bezeichnung als Basibranchiale und Zungenbeinkorper (Cuvier, Meckel, Ecker^) u. a.)- Die hauptsachlichsten Gattungsunterschiede, welche am Zungen- beinkorper der Anuren auftreten, betreffen seine Verkalkung, sowie die Zahl seiner Fortsatze, deren GroCe und Form. Die Hyalplatte von Rana ist ohne Verkalkung, und ihre Grundform stellt ein Quadrat dar. Der vordere und die beiden seitlichen Rander sind leicht konkav nach vorn bezw. aussen, wabrend der bintere Rand eine geringe Konvexitilt besitzt; an dieser Seite befestigen sich die Reste des vierten Brancbialbogenpaares. (Bei Parker ' ) finde icb diese Konvexitat starker abgebildet, als icb sie konstatieren konnte, und ist dort der Zeichnung der Name Basihyobranchiale beigegefiigt.) Von den vorderen Ecken erbeben sich auf gemeinsamer Basis je ein Hyoidbogen und ein flugelformiger Fortsatz, welch' letzteren Parker ^) als ein Hypohyale auffaCt. Vom Hyoid ist der Fort- satz durch eine ziemlich tiefgehende halbmondformige Incisur getrennt, an deren lateralem Ende sich in spitzem Winkel der nach auCen und vorn gerichtete laterale Rand des Fortsatzes anschlielJt, wodurch dieser eine nach innen und vorn gerichtete Spitze erhalt. Der konvexe laterale Rand geht direkt auf die koukave Seite der Platte iiber und in der gleichen Flucht weiter bis zum stumpfen Ende des hinteren Fortsatzes der Platte, des Restes des dritten Branchialbogens , wodurch der Zungenbein- korper mit vorderem und hinterem Fortsatz eine S-formige laterale Kontur erhalt. Taf. I. Fig. 3. Der Zungenbeinkorper von Bufo, Taf. I. Fig. 4, ist dem von Rana fast vollig gleich, nur etwas schmaler, der bintere Rand ist nicht konvex, sondern besteht aus einer zwischen zwei halbmond- formigen Ausschnitten gelegenen Spitze. In diese halbmond- formigen Ausschnitte sind die Reste des vierten Branchialbogens eingefiigt; der vordere Fortsatz des Zungenbeinkorpers der Krote ist T-formig. Taf. I. Fig. 4. In viel wesentlicheren Punkten weicht die Copula des Bom- binator igneus von den beiden oben beschriebenen Formen ab. Die Ausdehnung der Copula geht mehr in die Breite, wahrend 1) Paekee and Bettany, The morphologie of the Skull pag. 173. 2) EcKEE, Anatomie d. Frosches IB. Das Yisceralskelett der Araphibien und Reptilien. 7 bei Bufo der sagittale Durchmesser iiberwiegt und Rana einen ziemlich quadratischen Zungenbeinkorper besitzt. AuCerdem zeigt die Platte des Bombinator lateralwarts aus- gedehnte Verkalkungen. Wenn man den nach auCen und vorn gerichteten Rand des vorderen Fortsatzes an der Hyoidplatte von Bufo in einem Bogen nach liinten und medianwarts verlangert bis zur Basis des hinteren Fortsatzes und das durch diese neue Kontur zur Hyoidplatte hinzugefiigte Gebiet sich verkalkt vorstellt, so hat man ungefiihr das Bild der Hyoidplatte von Bombinator igneus. Taf. I. Fig. 5. Der hintere Rand dieses Zungenbeinkorpers ist im mittleren knorpeligen Telle wie bei Rana nach hinten konvex. 2. Das Yisceralskelett der Rep till en zeigt gegenuber dem der Amphibien wesentliche Verschiedenheiten , welche in erster Linie die Copula betrefien. Bei den Cheloniern und Sauriern entwickelt sich ein medianer Teil des Zungenbeinkorpers zu einem langen, spitzigen Fortsatz, welcher in das Gewebe der Zunge hineinragt als Entoglosson. Dieser Fortsatz erhalt sich auch bei den Vogeln. Unsere einheimischen Vertreter der Chelonier und Saurier haben ein mit dem Zungenbeinkorper in direkter Verbindung bleibendes Entoglosson, wahrend bei anderen Arten (Testudo z. B.) eine Trennung derselben eintritt in zwei bindegewebig ziemlich fest verbundene Knorpelstiicke. Die Copula der bei uns einheimischen Emys europaea stellt ein Fiinfeck dar, dessen Ecken in kurze Fortsatze ausgezogen sind. Taf. I. Fig. 6. Die vordere Spitze des Zungenbeinkorpers tragt ein geknopftes knorpeliges Ende, welches das rudimentare Entoglosson darstellt; es unterstiitzt als solches die Zunge (Cuvier^)). An den seitlichen vorderen Ecken sind je ein knorpeliges Bogenrudiment angebracht. Die hinteren Ecken sind in dicke Fortsatze ausgezogen, welche nach hinten gerichtete Gelenkflachen fiir die hinteren Branchialbogen tragen. Die beiden vorderen Rander sowie die seitlichen sind leicht konkav, wahrend der hintere Rand zwischen den beiden Gelenk- 1) CuviER 1. c. IIIB. pag. 266. 8 FerdinandWalter, fortsatzen tief eingeschnitten erscheint. Die Seitenrander sind in der Mitte etwas verdickt und tragen je eine Gelenkflache fur die vorderen Bogen. Die Copula ist in ihrem vorderen Teile eine zieralich seichte Schale mit knorpeliger, durchscheinender Mitte und wulstigen, verkalkten Randern. Meckel >) und Gegenbaur^) beschreiben die Hyoidplatte als durchbrochen und sagen, es sei die Liicke nur hautig ausgefiillt; es mag dies fiir andere Arten ^) Geltung haben, bei Eniys europaea, welche bier allein in Betracbt koramt, ist der tJbergang des diinneren Teiles direkt in den dickern Rand gegeben , und erweist sich die Mitte anf Durchschnitten von knorpeliger Beschaffenheit. Taf. IV, Fig. 5. Der hintere schmale Teil des Zungenbeinkorpers stellt eine Rinne dar mit der Konkavitat nach oben. Die Seitenwande der Rinne sind massig, wahrend der Boden viel diinner erscheint. In diese Rinne ist Larynx und Trachea eingebettet, von welchen der Boden der Rinne auch Eindrucke zeigt. Taf. I, Fig. 6 6. Der Zungenbeinkorper der Saurier ist gegeniiber dem der Chelonier klein und zeigt keine Verkalkung. Seine Grundform ist ein Dreieck. Die Spitze desselben verlangert sich zu einem machtigen keilformigen Entoglosson, das in der sagittalen Ebene eine leichte S-forniige Kriimmung macht. Taf. I, Fig. la und b. Zu beiden Seiten der Basis des Entoglosson entspringen die beiden Hyoidbogen. Die der Basis der dreieckigen Copula an- liegenden Winkel sind abgestumpft, etwas verdickt und tragen die Gelenkflachen fiir die vorderen Branchialbogen. Die hinteren Branchialbogen gehen direkt in den hinteren Rand der Copula iiber. Taf. I, Fig. 7 a. Der Zungenbeinkorper der Lacertilier ist dem von Pseudopus Pallasii fast gleich, nur tritt am hinteren Rande der Copula bei letzterem an Stelle der verschwundenen hinteren Branchialbogen eine halbmondformige Incisur auf, welche bei Anguis fragilis so tief in den Zungenbeinkorper einschneidet, dass derselbe die Ge- stalt eines Hufeisens annimmt. Taf. I, Fig. 8 und 9. 1) Meckel 1. c. IV B. pag. 377. 2) Gegenbattr, Grundziige d. vergl. Anatoruie. 3) Bei Testudo graeca z. B. ist die Mitte der Copula in der That membranos und setzt sich scharf gegen den wulstigen Rand ab. Das Yigceralskelett der Amphibien und Rf^ptilien. 9 Bei den Ophidiern kommt eiii Zungenbeinkorper kaum in Betracht, wenn man nicht den von Cuvier') erwahnten dreieckigen Zungenknorpe], in welchem sich die beiden Hyoidbogen treffen, als solchen betrachten will. Derselbe hat bei Coluber natrix (Taf. I, Fig. 10) kaum nennenswerte GroCe, bei Vipera dagegen ist er etwas groCer und auch deutlicher von den Hyoidbogen abgehoben. Taf. I, Fig. U. B. Paariger Teil. Bogensystem. Das Bogensystem des Visceralskelettes der bei uns einheimischen Amphibien und Reptilien besteht aus einem oder mehreren Paaren bogenformiger Skelettteile, welche, wenn raehrfach vorhanden, in zwei Gruppen einzuteilen sind. Das vordere Paar derselben ist der Hyoidbogen, Keratohyale, die anderen Bogenpaare sind die Reste der eigentlichen Kiemenbogen, die Branchialbogen, Kerato- branchialia. Bei unseren einheimischen Urodelen treten noch weitere paarige Skelettteile hinzu, welche als Hypohyalia zu be- zeichnen sind. Das Bogensystem des Visceralskelettes dient den Muskeln desselben ebenso zum Angriff und Ursprung wie der Zungenbein- korper, und wie iiberall die Starke und Entwickelung der Musku- latur in bestimmtem Verhilltnisse steht zur Entfaltung der zu- gehorigen Skelettteile, so finden wir auch hier bald starkere bald geringere Entwickelung der einzelnen Bogenpaare, je nachdem mehr oder weniger wichtige und deragemaC machtige Muskeln sich an ihnen inserieren oder von ihnen entspringen. a) Hypohyalia. 1. Unter den einheimischen Amphibien sind nur die Uro- delen mit solchen ausgerustet und zwar besitzt Triton ein Paar, wahrend bei Salamandra zwei Paare Hypohyalia vorhanden sind. Das Hypohyale^) stellt einen kegelformigen Knorpel dar 1) Cuvier 1. c. IlIB. pag. 268. 2) Wtedeesheim bezeichnet die in Rede stehenden Skeletteile als Kera oss. hyoid. min., jedoch glaube ich, da6 diese Nomenklatur leicht zu Yerwechselungen fiihrt, da gewobnlich auch die Hyoid- bogen als „Horner" des Zungenbeins bezeichnet werden, 10 Ferdinand Walter, welcher beweglich mit dem Basibranchiale verbunden ist. Die Hypohyalia schieben sich iiber die nicht mit dem Basibranchiale verbundenen Hyoidbogen. Bei Triton ist das einfache Paar der Hypohyalia an dem vorderen Ende der Basibranchiale frontal gestellt, von den doppelten Paaren derselben bei Salamandra ist das vordere nach auCen und vorn etwa in einera halben rechten Winkel gerichtet, das hintere Paar dagegen etwas vor der Mitte der Basibranchiale ebenfalls frontal angebracht. Taf. I, Fig. 1, 2. Die Bedeutung der Hypohyalia fiir die Muskulatur ist sehr gering, sie nehmen einige Muskelbiindel des M. hyoglossus auf. 2. Die Reptilien weisen keine Hypohyalia auf, es sei denn, daC man die bei Emys europea vorhandenen kegelformigen Knorpel am vorderen Ende der Basibranchiale fiir solche anspricht, da ich dieselben jedoch mit Gegenbaur fiir rudimentare Hyoid- bogen halte, verweise ich auf das weiter unten in dieser Hinsicht anzufiihrende. b) Hyoidbogen, Keratohyale. 1. Der Hyoidbogen ist der phylogenetisch interessan teste Teil des Bogensystems, da er sich durch die Reihe der Wirbel- tiere erhalt (die Ausnahmen bei den Cheloniern betr. siehe unten), "wahrend seine funktionelle Bedeutung und damit seine mehr oder minder vollkommene Entwickelung bei den einzelnen Klassen eine sehr verschiedene ist. Bei den Amphibien und Reptilien tritt er in dieser Riicksicht fast durchgehend in den Hinter- grund. Die Ahnlichkeit des Visceralskelettes der Urodelen mit dem der Fische zeigt sich auch in Bezug auf das Keratohyale. Dasselbe stellt ein vom iibrigen Visceralskelett isoliertes langliches Skelettstiick dar, dessen Gestalt mit einer Schaufel ver- glichen werden kann, da das vordere Ende desselben diinn und glatt ist, das hintere Ende dagegen einen walzenformigen, mit einem Knopf endigenden Stiel bildet; der tJbergang von dem glatten zum walzenformigen Ende ist ein allraahlicher und liegt etwa in der Mitte der Langsachse des Keratohyale. Bei Triton beginnt ziemlich genau in der Mitte die Verkalkung der Kerato- hyale, welche sich iiber dessen hintere Halfte mit Ausnahme des knopfformigen Endes erstreckt. Salamandra dagegen entbehrt der Verkalkung vollstandig. Taf. I, Fig. 1, 2. Das Keratohyale der Anuren ist mit dem Basibranchiale ver- Das Visceralskelett der Amphibien uud Reptilien. 11 bunden und zwar in der Weise, dass dasselbe direkt aus dem Zuugenbeinkorper hervorgeht, ohne auch nur durch eine Gelenk- verbiudung als besonderer Teil des Visceralskelettes gekennzeichnet zu sein. Die Grundform des Hyoidbogens der Anuren ist die eines S. Von den vorderen Ecken des Basibranchiale entspringen ge- meinsam mit den oben beschriebenen fliigelformigen Fortsatzen die Hyoidbogen als schraale Knorpelstreifen, welche sich nach kurzem nach auBen und vorn gerichtetem Verlaufe nach hinten wenden. An der Umbiegungsstelle tragt das Hyoid von Rana einen ganz kurzen nach aufien schwach konkaven Fortsatz, dessen Spitze wie der Anfangsteil des Hyoids gleichfalls nach vorn und auBen gerichtet ist. Sobald das Keratohyale nach hinten sich gewendet hat, wird es allmahlich breiter, um sich danu gegen das letzte Drittel seiner Lange wieder zu verschmalern und schlieBlich cylindrische Gestalt anzunehmen, mit welcher es sich nach oben und auBen wendet, um sich mit der Pars styloidea des Felsen- beins zu verbinden. Bei Parker wird deswegen dieses Ende des Hyoids als Stylohyale bezeichnet. Taf. I, Fig. 3. Die krotenartigen ungeschwanzten Batrachier zeigen eine ahnliche Bildung des Hyoidbogens wie der Frosch, nur fehlt bei Bufo und Bombinator der Fortsatz an der vorderen Umbiegungs- stelle des Keratohyale, und geht die Richtung desselben nach vorn mehr winkelig in jene nach hinten uber, wordurch die zierliche S-formige Kriimmung des Hyoids, welche Rana aus- zeichnet, bei Bufo und Bombinator EinbuBe erleidet. Taf. I, Fig. 4, 5. 2. Der Hyoidbogen der Reptilien erscheint bei alien unseren einheimischen Vertretern dieser Klasse mit Ausnahme der Chelonier als ein auBerst diinnes langgestrecktes Knorpelgebilde, das zu den Muskeln des Visceralskelettes bei alien Reptilien mit Ausnahme der Ophidier nur in sehr untergeordneter Weise in Beziehung tritt. Schon bei Beschreibung der Hypohyalia habe ich darauf hin- gewiesen, daB die an den vorderen seitlichen Ecken des Zungen- beinkorpers von Emys europ. befestigten kegelformigen Knorpel von Gegenbaur als rudimentare Hyoidbogen betrachtet werden. Fiir diese Auschauung spricht in erster Linie die Stelle, an welcher diese Skeletteile mit dem Zuugenbeinkorper in Ver- bindung stehen; wie aus einer Vergleichung mit dem Visceral- skelet der iibrigen Reptilien hervorgeht. Weiterhin ist ihre 12 Ferdinand Walter, knorpelige Beschaifenheit in Betracht zu ziehen, die sich bei den einheimischen Reptilien fur das Keralohyale durchweg findet. Endlich liegt ein schwerwiegendes Moment in der Thatsache, dafi das Keratohyale bei den einheimischen Reptilien der Muskulatur gegeniiber, wie schont erwahnt, eine sehr untergeordnete Rolle spielt und daC deshalb ein Verkiimmern desselben durchaus nicht so auffallend sein kann. Taf. I, Fig, 6 a und b. Es scheint mir demnach in hohem Grade wahrscheinlich, dass die in Rede stehenden kegelformigen Knorpel die Rudiraente des Hyoidbogens bei Emys europea darstellen, wahrend der hinter denselben befindliche groBe knocherne Bogen nach seinem Bau, seiner Konfiguration und seinem Verhaltnis zur Muskulatur einem Keratobranchiale entspricht, und werde ich denselben daher erst in dem betreffenden Kapitel beschreiben. Der Hyoidbogen der Lacertilier erinnert wieder in hohem Grade an jenen der Anuren. Gleich jenem besteht er aus zwei Teilen, von welchen der eine kleinere ein diinnes schmales Knorpel- stabchen darstellt, das sich vom Zungenbeinkorper nach vorn und aussen richtet, wahrend der langere Teil niit jenem einen spitzen Winkel bildend nach hinten, auBen und oben in einer leichten S-formigen Kriimmung verlauft und mit seinem distalen zuge- spitzten Ende sich an die Seite des Halses hinter das Hinter- haupt begiebt. Dieser nach hinten gerichtete Teil des Kerato- hyale verbreitert sich an seinem vorderen Ende zu einem kleinen herzformigen Plattchen, desscn mediale Halfte sich aber rasch verschmalernd zum Halse und Hinterhaupt als diinner Knorpel- streif emporsteigt. Taf. I, Fig. 7 A und B. Das Keratohyale der fuBlosen Saurier, von welchen bei uns bloC Anguis fragilis vorkommt, ist dem eben beschriebenen mit Ausnahme der herzformigen Platte am vorderen Ende des nach hinten gerichteten Teiles sehr ahnlich. Es besteht gleichfalls aus zwei Teilen, einem kurzeren nach vorn gerichteten, welcher nicht ganz gerade wie bei den Lacertiliern eine geringe S-formige Krummung zeigt, ebenso wie der langere nach hinten gerichtete Teil desselben. Dieser bildet mit jenem einen spitzen Winkel von etwa 45", ist in der vorderen Halfte schmal, verbreitet sich aber in seiner hi.iteren Halfte zu einer kleinen rautenformigen Platte. Den Ubergang vermittelnd zu den Ophidiern ist das Keratohyale der fuBlosen Saurier verhaltnismaCig machtiger entwickelt als das der Lacertilier, es ist breiter als bei diesen, wenn es aiich an Dicke iiber dasselbe nicht iiberwiegt. Taf. I, Fig. 8, 9. Das Yisceralskelett der Amphibien uud lieptilien. 13 An den oben erwahnten kleinen dreieckigen Zungenbeinkorper der Ophidier schlieCen sich die beiden Keratohyale dieser Klasse als einziges Bogeupaar des Visceralskelettes derselben unmittelbar an, indem sie direkt aus der Zungenbeiuplatte ohne gelenkige Verbindung mit derselben als lange diinne Knorpelfaden hervor- gehen. Nach einem kurzen divergent nach aufien gerichteten Verlaufe nehmen sie eine sagittale Wendung und erstrecken sich ganz an der Ventralseite bleibend parallel zu einander ziemlich weit am Halse nach hinten. Taf. I, Fig. 10, 11. c) Branchialbog en, Ker atobranchialia. Wahrend die im Vorausgehenden dargestellten beiden Haupt- teile des Visceralskelettes, das Basihyale und die Kerotohyalia sich bei alien Tierklassen erhalten und gerade bei den hoheren Tieren einen integrierenden Bestandteil des Zungenbeinapparates ausmachen, gehoren die nun zu beschreibenden Branchialbogen mit ihrer verhaltuismaBig machtigen Entwickelung ausschliefilich den niederen Tierklassen an, bei welchen sie wie bei den Fischen und Perennibranchiaten Trager des Respirationsorgans fiir die ganze Lebeusdauer sind, bei den eigeutlichen Amphibien (die Perennibranchiaten sind im strengen Sinne des Wortes nicht Cwa ccfxcpilSla) nur fiir die Jugendzustande derselben. Die Branchialbogen werden aber gemaC dem Gesetze der phylogenetischen Entwickelung nicht zugleich mit den Kiemen abgestreift, sondern erhalten sich bei den Amphibien und der uns hier interessierenden nachsten Klasse, bei den Reptilien, in mehr Oder minder entwickelter Form, indem sie einem andern Zwecke sich adaptieren, wobei sie ihren EinfluB auf die Respiration all- mahlich verlieren'), zu AngrifJs- und Ursprungsstellen fiir die Muskeln des Verdauungstraktus werden, um schlieMch bei den hoheren Tieren zu verschwinden. 1) Es sei hier erwahnt, daB das Yisceralskelett bei der duroh eine Art von Schluckakt unterstiitzten Respiration der Batrachier und Chelonier noch als im gewissen Sinn zum Respirationsorgan geborig in Betracht kommt, da bei diesen Tieren die Luft aus der durch Senkung des Visceralskeletts erweiterten Mundhohle in die Trachen eingepreSt wird, worauf Cuvier 1. c. Bd. IV. pag. 208 hinweist. 14 Ferdiuand Walter, Trotz dieser, phylogenetisch betrachtet, den Brancliialbogen eigenthiimlichen Verganglichkeit treten dieselben bei den meisten Amphibien und Reptilien, soweit sie bei denselben iiberhaupt er- halten sind, als verkalkte Skelettteile auf, wahrend das Basihyale und die Keratohyalia fast durchweg knorpelige Beschaffen- heit haben. 1. Bei den Amphibien finden sich durchweg zwei Paare von Branchialbogen, zu welchen bei Triton noch ein Paar Epibranchialia kommen. Triton tragi seine Keratobranchialia am hintersten Ende des Basibranchiale in der Weise, daC nur das Keratobranchiale I mit dem Zungenbeinkorper gelenkig und verbunden ist, wahrend das Keratobranchiale II zwar bis dicht an das Basihyale heranreicht, aber keine festere Vereinigung mit demselben besitzt. Taf. I, Fig. 1. Das Keratobranchiale I stellt einen Kreisbogen dar mit der Konkavitat nach innen gerichtet. Er ist ein schmales Skelett- stiick, in der groCten Ausdehnung verkalkt und nur an beiden Enden knorpelig. Sein Querschnitt ist ellipsoid. Das Keratobranchiale II ist gleich ihm ein Kreisbogen, dessen Konkavitat aber nach auCen gerichtet ist, so daB sich Kerato- branchiale I und II am proximalen und distalen Ende beriihren, wodurch sie zusammen eine Ellipse beschreiben. Das Kerato- branchiale II ist durchaus knorplig und hat einen runden Quer- schnitt. Das Epibranchiale beschreibt ebenfalls einen Kreisbogen, der seine Konkavitat wieder nach innen gerichtet hat. An seinem proximalen Ende ist es an der Beriihrungsstelle der distalen Enden der Keratobranchialia I und II mit beiden gelenkig verbunden und befestigt so das Keratobranchiale II in seiner Lage zum Basihyale und Keratobranchiale I, Das Epibranchiale zeigt in seiner groBten Ausdehnung Verkalkung und sind nur seine beiden Enden knorpelig. Taf. I, Fig. 1. Von den beiden Keratobranchialbogenpaaren der Gattung Salamaudra ist das erste etwa am Beginn des hinteren Drittels des Basibranchiale, das zweite am hinteren Ende desselben befestigt. Taf. I, Fig. 2 a, h. Das Keratobranchiale I entspricht in seiner Form dem be- treffenden Skelettteile des Triton einschlieBlich dessen Epibranchiale hat also eine doppelte wellenformige Kriimmung, deren beide Das Visceralskelett der Amphibien und Eeptilien. 15 Wellenberge nach aiifieu gerichtet sind, die vordere erste Welle ist hoher und langer als die zweite hintere. Das Keratobranchiale II stellt wie bei Triton einen Kreis- bogen dar , dessen Konkavitat nach auBen gerichtet ist. Mit seinem distalen Ende legt es sich dicht an das Keratobranchiale I, etwas hinter der Mitte desselben oder, um bei dera oben ge- brauchten Bilde zu bleiben, da wo das Wellenthal in den zweiten "Wellenberg iibergeht. Beide Keratobranchialia sind diinne, schraale, knorpelige Spangen. Taf. I, Fig. 2 a und h. Nach Parker') erhalten sich von den Branchialbogen der Anuren nur das Keratobranchiale III und Kbr. IV. Das erstere stellt bei Rana einen kurzen stunipfen Fortsatz dar, der seine Richtung nach hinten und aufien nimmt. Es ist etwa dreimal so lang als breit, und an seiner Basis etwas breiter als an dem ab- gerundeten distalen Ende. Taf. I, Fig. 3. Das Keratobranchiale IV (Parker')) ist ein bisquiltformiger Skelettteil, der in seiner groBten Ausdehnung verkalkt ein trape- zoides knorpeliges Ende tragt. Cuvier'^) laCt diese „hintern Horner", auf das Keratobranchiale IV einer jeden Seite bezogen, mit dem Basibranchiale gelenkig verbunden sein, ich habe jedoch nie ein derartiges Gelenk bei unsern einheimischen Arten beobachtet, sondern vielmehr gesehen, daB alle Gattungen der betr. Anuren das Keratobranchiale IV mit dem Basibranchiale durch eine zackige Linie nach Art einer Naht vereinigt haben. Taf. I, Fig. 3, 4, 5. Nach auBen vom Keratobranchiale IV verlauft bei Rana vora proximalen zum distalen Ende ein derber fibroser Strang, der sich zum Keratobranchiale wie eine Sehne zum Bogen verhiilt. Taf. I, Fig. 3. Beide Keratobranchiale erleiden bei Bufo und Bombinator nach verschiedenen Richtungen kleine Modifikatiouen. Das Keratobranchiale III von Bufo ist bogeuformig gekriimmt und in seiner distalen Halfte verkalkt. Das Keratobranchiale IV derselben Gattung ist seiner all- gemeinen Gestalt nach dem von Rana gleich, nur ist es in der Flache winkelig geknickt, so daB seine hinteren Enden hoher 1) Parker und Bettant 1. c. pag. 173. 2) CuviER 1. c. pag. 269. 16 Ferdinand "Walter, stehen als seine vorderen. Das knorpelige Ende desselben ist ein rechtwinkeliges Dreieck, dessen Hypotenuse nach der medialen Seite liegt. Taf. I, Fig. 4. Bei Bombinator ist das Keratobranchiale III durchaus von knorpeliger Beschaffenheit, ist gerade gestreckt und tragt an seiuem distalen Ende eine Gabelung. Es entspringt von den groBen, verkalkten, lateralen Partien des Basibranchiale. Das Keratobranchiale IV zeigt bei Bombinator die gleiche Gestalt wie bei Rana, ist ebenso wie jenes verkalkt und besitzt ein trapezoides knorpeliges Ende. Taf. I, Fig. 5. Hier sei noch erwahnt, daC das Keratobranchiale IV bei den Batrachiern auch als Columella bezeichnet wird; um Verwechse- lungen mit der Columella auris zu vermeiden, diirfte es geboten erscheinen , diesen Namen fur das Keratobranchiale IV der Batrachier ganzlich fallen zu lassen. 2. Nachdem bei den Urodelen sich nur zwei Paare der Branchialbogen erhalten haben, bei den Anuren eines zu einem kleinen Fortsatz des Basibranchiale reduziert erscheint und nur noch eines selbstandig auftritt, sollte man bei den Reptilien als der hoherstehenden Klasse eine weitere Vereinfachung erwarten, allein wir sehen hier wieder bei mehreren Gruppen eine Mehrzahl von Branchialbogen auftreten. Den phylogenetischen Wert dieser Thatsache zu besprechen, behalte ich mir fiir den SchluB der Arbeit vor, um bei den betretifenden Erwagungen auch die durch Betrachtung der Muskulatur sich ergebenden Momente in Rechnung zu Ziehen. Zunachst treffen wir bei den Cheloniern ein Bogenpaar, welches ich mit Gegenbaur als Keratobranchiale anspreche, wahrend es sonst haufig fiir das Keratohyale gehalten wird. Es ist leicht S-formig nach auCen und oben gekriimmt. Bis auf ein kleines Stiickchen am distalen Ende ist es verkalkt. Seine An- heftung an das Basibranchiale findet dieser Branchialbogen etwa in der Mitte der lateralen Langseiten des Fiinfeckes, welches das Basibranchiale bildet, in Form eines Gelenkes. Dieses Kerato- branchiale ist der machtigste Bogen des Visceralskelettes bei den Cheloniern, da er den Muskeln gegeniiber auch den bei Emys wenigstens rudimentaren Hyoidbogen, der bei anderen Cheloniern sogar ganz fehlt, zu ersetzen hat. Von prismatischem Querschnitt besitzt der Bogen zwei scharfe und eine abgerundete Kante, von welchen die beiden ersteren am proximalen Ende senkrecht iiber einander stehen; indem aber das Keratobranchiale eine spiralige l)as Visceralskelett der Amphibien und lleptilieu. l7 Dreiviertelsdrehung um seine Liingsachse macht, werden diese Kanten so verschoben, daC jeiie Kaute, die erst nach uiiteii sah, am distalen Ende nach oben und auBen sieht; die Stellung der anderen scharfen Kante entspricht auch dieser Drehung. An dem hinteren Winkel des Basibranchiale artikulieren auf den daselbst angebrachten Gelenkfortsatzeu zwei Branchialbogen, welche nach Gegenbauk den Columellae der Batrachier entsprechen. Dieses Keratobranchiale IV der Eniys europ. ist nach auBen gerichtet und steigt etwas nach oben. Es ist wie das andere Kerato- branchiale verkalkt und tragt ebenfalls ein Knorpelende. Taf.I,Fig.6. Bei der nun folgenden Gruppe der Saurier findet sich ein hochst merkwurdiges Verhalten der als Keratobranchiaha zu be- zeichnenden Teile des Skelettes. Es tritt namlich bei der einen Gattung derselben, bei den Lacertiliern , eine Vermehrung der Keratobranchiaha bis auf 3 Bogenpaare auf, bei den fuClosen Saurieru dagegen sinkt deren Zahl bis auf ein einziges Paar. Hinter der Urspruugsstelle des Hyoidbogens bei den Lacer- tihern findet sich an den beiden auBcren Seiten des Basibranchiale je eine Gelcnkflache, auf welcher das vorderste Paar der Kerato- branchialbogen artikuliert. Dieses Keratobranchiale stellt einen S-formig nach oben und auBen gekriimmten diinneren Knochen dar, der an seinem distalen Ende einen hakenformig gekruminten Knorpel tragt. Die Konkavitat dieses Hakens sieht nach uiiten. — Seine Anheftungsstelle und sein Verhalten nach Form und Richtung charakterisiert dieses Keratobranchiale als das Analogon des von mir oben als ersten Branchialbogen der Chelonier be- schriebeneu Skelettteiles. Taf. I, Fig. la und 6. Das zweite Keratobranchiale bei Lacerta befindet sich an der Ventralseite des Raises, artikuliert nicht mit dem Basibranchiale, sondern geht selbst knorpelig aus der Knorpelsubstanz des Zungeu- beinkorpers hervor. Sein Verlauf ist mehr nach hinten als nach auBen gerichtet und nur am distalen Ende erleidet es eine leichte Krummung nach oben. Dabei i&t es nur etwas mehr als halb so lang als das Keratobranchiale I. Es tritt nun bei Lacerta noch ein drittes Branchialbogen- paar auf, das in keiner Verbiudung stehend mit dem Basi- branchiale sich seithch am Halse zwischen den Muskeln einge- bettet findet. Es wurde wohl seiner isolierten Lage wegen viel- fach ubersehen, so daB nur Cuvier^ erwahnt, daB bei den 1) CuviEE, 1. c. Bd. Ill, pag. 268. Bd. XXI. N. F. XIV. IS Ferdinand Walter, gewohii lichen Eidechsen , die uns ja hier speziell interessieren, vier Horner vorkomraen, beschrankt sich aber auf die Beschrei- bung der beiden Teile des ersten Paares, des Hyoides. Dieses Bogenrudiment ist ganz verkalkt, besitzt eine geriuge Krilmmung, deren Konkavitiit nach vorn sieht. Seine uutere Hiilfte ist spitz and diinn, die obere Halfte aber hat die Gestalt eines Dreiecks mit der Basis nach hinten. Von den Winkeln dieses Dreiecks ist der nach oben geschlossene in eine kleine Spitze ausgezogen, der andere der Basis anliegende Winkel geht in die untere Halfte dieses Keratobranchiale iiber. Taf. I, Fig. la und h. Die fuBlosen Saiirier besitzen uur ein einziges Branchial- bogenpaar. Dieses Keratobranchiale entspricht dem ersten Branchialbogen der Lacertilier: es besitzt dieselbe S-formige Krummung wie jenes, ist bis auf das distale Ende verkalkt, nur hat es hier keinen hufeisenformig gekriimraten Knorpelansatz, sondern ist dieser spitz auslaufend. Das Keratobranchiale arti- kuliert auf eigenen Gelenkfortsatzen , welche dem Basibranchiale der fuClosen Saurier seine mehr oder minder stark ausgesprochene hufeisenformige Gestalt verleihen. Taf. I, Fig, 8, 9. Den Ophidiern fehlt, wie bereits erwahnt, jede Andeutung eines Restes der Kiemenbogen. Os tyreoideum (Cartilago tyreoidea). Dieser kleine rauteuformige Knorpel findet sich unter den bei uns einheimischen Amphibien nur bei der Gattung Salamandra. Zum Visceralskelett tr'tt derselbe nur durch die Muskulatur in Beziehung, indem er etwa zwischen den distalen Enden der Keratobranchiaha I in der Medianlinie den M. pubo-genoideus als eine Inscriptio cartilaginea unterbricht. Taf. 1, Fig. 2. Seine Bezeichnung als Os tyr. ist seiner histologischen Be- schaffeuheit gemiiB unrichtig und sollte vielmehr der Name Inscriptio cartilaginea m. pubogenoid. in Aufnahme kommen, damit nicht eine andere Bezeichnung als Cartilago tyreoidea zu Verwechslungen mit dem so benannten Knorpel des Kehl- kopfes fiihre. Fur die vorgeschlagene Benennung kann ich sein thatsach- liches Verhalten der Muskulatur gegenuber aufuhren. Das Visceralskelett der Amphibien und Keptilien. 19 II. Muskulatur des Visceralskelettes. Die Muskulatur des Visceralskelettes der Amphibien und Reptilien habe ich in der Einleitung in zwei Gruppen geteilt: Muskeln, welche das Visceralskelett gegen den Rumpf verschieben, und Muskeln, welche in die Substanz der Zunge ausstrahlen. Das Zungenbein muB hauptsachlich nach zwei Richtungen verschiebbar sein, und deshalb ist es notwendig, daC die erste Muskelgruppe in zwei Unterabteilungen zerfalle, von welchen die eine das Zungenbein der Schultergegend, die andere dem Unter- kiefer nahert, welche Nuhn ^) als M. sterno-orao-hyoides einer- seits und M. genio-mylo-stylo-hyoides anderseits zusammen- faBt. Dazu kommt noch eine Reihe von Muskeln, welche von einem Telle des Zungenbeinapparats zum andern gehen und je nach der Entwickelung des Visceralskelettes verschieden an Aus- dehnung und Zahl sind ; sie sind als Fortsetzung der zu obigen Gruppen gehorenden Muskeln zu betrachten, welche dadurch bedingt ist, dafi sich die Telle des Visceralskelettes in die zu obigen Gruppen gehorigen Muskeln einschieben. Indem ich die schon fruher citierte Ansicht Huxley's accep- tiere, nach welcher die Muskeln des Visceralskelettes eine (lurch Einschaltung dieses Apparates und dessen durch biologische Riicksichten bedingte Beweglichkeit veranlaBte Modifikation der vom Abdomen her sich fortsetzenden Muskeln darstellen, werde ich die Rumpf-Zungenbeinmuskeln zuerst betrachten, sehe niich aber genotigt, noch vorher einen Muskel zu beschreiben, der seinem Namen und seiner Analogic bei den hoheren Tieren zu- folge zu den Zungenbeiumandibular-Muskeln gehort, in der That aber wenig mit jenen gemein hat, da er sich bei den Amphibien und Reptilien nur in einzelnen Fallen mit dem Zungenbein fester verbindet, in anderen keine Beziehungen zu demselben gewinnt, dagegen an den Schultergurtel heranreicht, haufig auch als Haut- muskel auftritt. Ein weiterer Grund diesen Muskel in der Be- 1) NuHN, Vergleicli. Anatomie II, pag. 518. 20 Ferdinand Walter, schreibuiig voranzuschicken, ist in seiner Topographic gegeben: Derselbe ist namlich unter der Haut quer zwischen den Mandi- bularbogen und auch am Halse transversal ausgespannt. Es ist dies der M. mylohyoides. Dieser Muskel entspricht dem M. mylohyoides des Menschen, nach seiner Lage und seiner Funktion, wenn er auch nicht in alien seinen Teilen mit ihm iibereinstimmt. Cuvier') berichtet von demselben, daB er ihm nur zur Ausfiillung zu dienen scheine fiir den Raum zwischen den beiden Unterkieferiisten und als Stiitze, sowie zur Hebung der iiber ihm befindlichen Teile. In der That ist er ein elastisches Widerlager fiir den Bodeu der Mundhohle und tragt durch seine Kontraktion oder Erschlaffung sehr viel zur Verengerung oder Erweiterung der Mundhohle bei, dadurch kommt er auch fiir die Respirationsbewegungen der Amphibien in Betracht. Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern '■') hat auf ihn daher in seiuem Werk iiber die Zunge der Wirbeltiere mit Recht die Be- zeichnung Diaphragma oris vom M. mylohyoideus des Menschen iibertragen. 1. Der M. mylohyoides der Urodelen besteht aus zwei Teilen, von welchen der eine zwischen den beiden Unterkieferasten aus- gespannt ist, so daC die von beiden Seiten kommenden Muskel- biindel in der Medianlinie in einer linearen sehnigen Inskription sich trefFen; — der andere Teil ist ein M. mylosternalis, der von der P'ascia der Brust kommend an das hintere Ende der Mandi- bula sich inseriert. Taf. II, Fig. 1, 2. Bei Triton sind diese Teile scharf getrennt, bei Salamandra mehr in einander iibergehend. Bei Salamandra maculosa ist die sehnige Mittellinie zwischen rechtem und linkem Mylohyoideus zu einer Aponeurose verbreitert, und Salamandra atra zeigt an der Symphysis Mandibulae eine eigenthiimhche Verstarkung dieses Muskels. Zum Zungenbeinkorper tritt der M. mylohyoideus, wie aus Schnitten hervorgeht, in keine engere Verbindung, indem sich 1) Cttvibk 1. c. III. Bd. pag. 270. 2) Pr. Lttdwig Fekdinand v. Bayebn, zur Anatomie der Zunge, pag. 23. Das Yisceralskelett der Amphibien unrl Keptilien. 21 zwischen seine Aponeurose und den Zungenbeinkorper eine lockere Bindegewebsschicht einschiebt. Taf. IV, Fig. 1, 2. Bei den Batrachiern verlauft der Muskel ebenfalls quer iiber die Unterkieferregion, wobei der hintere frontale Rand einerseits mit der Haut, anderseits mit dem Episternum verbunden ist, daher Zenker^) ihm den Namen M. mylosternoideus beilegt; richtiger mufi die hintere Partie dieses Muskels als Petrosternoides bezeichnet werden, da sie nicht rait der Mandibula sondern dem Os petrosum in Verbindung steht. Die Verbindung mit dem Zuugenbein ist auch bei den Batrachiern indirekt, durch etwas starkeres, in der Mittellinie be- lindliches Bindegewebe hergestellt ^) , jedoch zeigt sich, dafi die vom Os petrosum herkommenden Biindel des Muskels teilweise sich mit dem M. stylohyoideus verbinden und so eine direkte Insertion am Zungenbein erhalten, Dieser als M. petrosternoideus zu bezeichnende Teil des Mylohyoideus entspringt vom Os petrosum, zieht hinter dem Unter- kiefergelenk nach abwarts und gewinnt dann die gleiche Richtung mit dem Mylohyoideus, so daC er nur gewaltsam von ihm zu trennen ist. Taf. II, Fig. 3, 19. Taf. IV, Fig. 3, 4. Beim mannlichen Frosch uraschliefit dieser Muskel die Schall- blase, bei Bombinator igneus geht ein laterales BUndel in die Haut uber. Taf. II, Fig. 3, 4, 19. Die Vereinigung der rechten und linken Halfte des Mylohyoideus ist bei Rana, Hyla und Bombinator als eine sehnige Raphe, bei Bufo als eine kleine rautenformige Aponeurose gegeben. 2. Im Ganzen zeigen die Reptilien eine Anordnung des M. mylohyoideus, welche der bei den Amphibien sehr ahnlich ist, nur tritt hier die Scheidung in einen intermandibularen und Hals- teil deutlicher zu Tage, entsprechend dem langeren und beweg- lichen Halse dieser Tiere. Jedoch finden wir ihn auch sehr rudimentar entwickelt, wie bei den Ophidiern, und er fehlt den fuClosen Sauriern ganz. Die Fortsetzung des M. mylohyoideus iiber den Hals wird als M. subcutaneus colli bezeichnet. Der M. mylohyoideus verhalt sich bei den Chelonieru ganz wie bei den Batrachiern, er entspringt von fast der ganzen Lange 1) Zenkeb, Batrachomyologia. Diss. c. tab. Jena 1825. 2) Ctjviee 1. c. Bd. Ill, p. 270 fiihrt seine Yereinigung mit dem Zungenbein an, was Meckel 1. c. Bd. lY, p. 362 entschieden bestreitet 22 Ferdinand Walter, der Mandibula, von welcher imr das hintere Ende fiir die In- seiition des Masseter frei bleibt, und vereinigt sich in der Median- linie durch eine schmale sehnige Raphe mit dem der anderen Seite. Seine Muskelbiindel treten zu einem starken Bindegewebs- stratum in Beziehung, welches dem Zungenbeinkorper dicht anliegt, aber keine festere Verbindung mit demselben eingeht. Taf. II, Fig. 5. Taf. IV, Fig. 5 — 7. Der Halsteil, M. subcutaneus cervicis, entsprlngt von einer dorsalen Fascie, trittauch mit den Querfortsatzen (li'rHalswirbel iu Verbindung und umgiebt den Hals kravattenformig. Lacerta besitzt an dem M. mylohyoideus einen Spanner der Haut, in welche er an der Mittellinie des Halses ubergeht, nur an der vordersten Partie des M. subcutaneus colli treffen sich die Muskelbiindel beider Seiten in einer selbstandigen Aponeurose von dreieckiger Gestalt. Mit dem Zungenbein hat dieser Muskel darnach keine Verbindung, da sich dort, wo sich der Zungenbein- korper befindet, zwischeu diesen und den M. mylohyoideus die dicken Btindel des Sternohyoideus einschieben. Taf. II, Fig. 6, Taf. IV, Fig. 8. Den fuClosen Sauriern fehlt, wie schon erwahnt, der M. mylo- hyoideus vollstandig. Bei den Ophidiern stellt der M. mylohyoideus einer jeden Seite ein Dreieck dar, dessen Spitze nach auCen am hinteren Ende der Mandibula dessen Basis in der Medianlinie liegt. Nur bei den Ophidiern tritt der Mylohyoideus in direckte feste Ver- bindung mit dem Zungenbein. Taf. IV, Fig. 10. Die vordersten Muskelbiindel beider Seiten bilden einen mehr weniger spitzen, die hintersten einen stumpfen nach hinten oflfenen Winkel an ihrer Vereinigung in der Medianlinie. Taf. II, Fig. 7, 8. Um diesen verschiedenen Formen des Muskels gerecht zu werden, hat man ihm verschiedene Namen gegeben: so nennt ihn Stannius ') intermandibularis, Nuhn"^) transversus mandibulae, DuGES^) sous-massillaire, welcheu sich auch Ecker'^) anschheCt mit einem submaxillaris, ZweckmaCig folgt man Cuviee^) und Meckel ^) mit der Bezeichnung mylohyoideus fiir diesen Muskel. 1) Sta-toius 1. c. Bd. II, p. 179 2) NuHN, Lehrbuch d. vergl. Anatomie Bd. II, p. 617. 3) DuGES, Recherches sur I'osteologie. 4) EcKEE, Anat. d. Frosches Bd. I. 5) CuviEE 1. c. Bd. Ill, p. 270. 6) Meckel, 1. c. Bd. IV, p. 321. Das Visceralskektt der Amphibiea und Eeptilien. 23 Unter diesem eben beschriebeiien subkutanen transversalen Muskel, dem M. mylohyoideus, treten nun jene Langsmuskeln auf, welclie nach Huxley die Fortsetzung der ventralen Langs- muskeln sind und in ihrer Kontinuitat durch die Einsclialtung des Visceralskelettes unterbrochen in jene in der Einleitung be- zeichneten Gruppen zerfallen. Diese Einschaltung des Visceral- skelettes ist keine plotzliche, sondern tritt allniahlich ein, so daB wir wolil aucli einzelne Muskelbiindel finden, welche, abgesehen von einigen sehnigen Inskriptionen , welche sie in Bauch- und Brustgegend erfahren, sich direkt von der Schambeinsymphyse bis zur Mandibula verfolgen lassen. M. sternohyoideus. 1. Bei den Urodelen erscheint nach Entfernung des Schulter- giirtels ein Muskelzug, der in seiner Gesamtheit den Beweis liefert, daC die Muskulatur des Visceralskelettes durch Abgliede- rung aus einer auf der Ventralseite des Rumpfes und Halses an- gebrachten Langsniuskulatur entstanden ist, indem er nach seineu Augriftspunkten in zwei Hauptteile zerfallt: einen Rumpf-Unter- kiefer und einen Rumpl-Zungenbein-Zungen-Muskel, deren letzterer das Analogon des M. sternohyoides einschlieCt. Jeder dieser beiden Telle bezieht seine Bundel aus drei Quellen: aus den Langsmuskeln der ventralen Korperseite, vom Sternum, vom Schultergurtel , stellt also einen M. pubio-sterno-omo-genoideus, bezw. einen M. pubio-sterno-omo-hyoglossus dar. Der erstge- nannte Muskel liegt der ventralen Oberflache naher, wahrend sich der zweite in der tieferen, d. h. der Mundhohle naher gelegenen Schichte befindet. Der oberflachliche Teil des Muskels, den ich als pubio-sterno-omo-genoideus bezeichnet habe, hat mit dem Zungenbein keine Verbindung, sondern geht nach der Vereinigung seiner drei Ursprungszacken an die Symphyse des Unterkiefers, er erfahrt aber bei Salamandra atra eine sehnige Inskription, welcher bei Salamandra maculosa der als Os tyreoideum beschriebene Knorpel entspricht. Die mittlere der drei Ursprungszacken dieses Muskels stellt die Fortsetzung des M. rectus abdominis, also den M. pubio- genoideus dar (pg. Taf. II, Fig. 9, 10, 11) und legt sich am Sternum voriiberziehend der medialen Zacke dicht an, mit welcher sie weiterhin verschmilzt. Diese mediale Zacke entspringt als breites Bundel vom Sternum, ist also als sterno-genoideus (stg. Taf. II, Fig. 10) zu bezeichnen. Diese beiden Muskelbauche 24 FerdinandWalter, Ziehen nun zu einem Ganzen vereinigt neben der Medianlinie nach vorn und nehmen et\Ya in der Mitte der Liinge des sterno- genoideus die vom M. omohyoideus stammende dritte Zacke als omogenoideus (og. Taf. II, Fig. 10) auf. Nach der Vereinigung dieser drei Zacken nimrat der Miiskel eine mehr walzenformige Gestalt an und inseriert dicht neben der Symphysis mandibulae nach auJBen vom Ursprung des M. genioglossus. Auch Meckel') kennt diese drei Urspriinge des M. sternohyoideus ebenso wie CuviER, der dem Muskel den Naraen pubio-hyoideus gibt. Dieser Muskel ist also in der That eine Fortsetzung der Langsmuskeln der ventralen Korperseite iiber die Region des Schultergiirtels hinaus bis zur Mandibula und die Diflferenzierung, welche dieselbe durch Einschaltung des Visceralskelettes erfahrt, tritt erst bei dem gleich zu beschreibenden tiefer gelegenen Teil des in Rede stehenden Muskels in die Erscheinung. Tragt man namlich den oberflachlichen Teil des Muskels ab (Taf. II, Fig. 10), so wird seine Homologie mit dem Sterno- hyoides der hoheren Tiere sofort kenntlich, der Unterschied be- steht nur darin, daJB er auCer vom Sternum noch Muskelbundel vom Rectus abdominis und vom Omohyoideus bezieht und nicht mit alien seinen Biindeln am Zungenbeinapparat endet, sondern teilweise auch in die Substanz der Zunge ausstrahlt. Taf. II, Fig. 10, 11. Seine drei Ursprungszacken sind in gleicher Weise, wie dies oben beschrieben wurde, angeordnet : die mediale kommt als eigentlicher M. sternohyoideus vom Sternum, die mittlere vom Rectus abdominis, die laterale vom M. omohyoideus. Wir haben es also mit einem sterno-hyoideus , pubio-hyoideus und omohyoideus zu thun. Nach der Vereinigung dieser drei Zacken, die in gleicher Hohe erfolgt, wendet sich der pubio-sterno-omo- hyoideus dorsal vom pubio-sterno-omo-genoideus nach der Median- linie, neben welcher er eine Zeit lang verlauft. Taf. II, Fig. 10, 12. Ein Teil seiner Bundel setzt sich nun an die beiden Kerato- branchialbogen an, wahrend der Rest, den ich Taf. II, Fig. 10, 12 als triceps glottidis, trgl., bezeichnet habe, zwischen den beiden genannten Bogen dorsal warts zieht, um in die Zunge auszustrahlen. Auf diesen Teil des Muskels werde ich noch bei der Beschreibung des M. hyoglossus zuriickzukommen haben. Bei den Anuren tritt der M. sternohyoideus nunmehr als solcher auf, d. h. er nimmt seinen Ursprung ganz oder der Haupt- 1) Meckel, 1. c. Bd. in. 103. Bd. IV. 341. Das Yisceralskelett der Araphibien und Reptilien. 25 sache nach vom Sternum und inseriert am Zungenbein. Nur bei Rana verbindet sich noch eine vom Abdomen herkommende Zacke als Fortsetzung des Rectus abdominis mit ihm. Die direkte Fortsetzung bis an die Mandibula ist bei den bei uns einheimischen Anuren verschwunden. Seinen Ursprung nimmt der M. steruo- hyoideus der Anuren vom Sternum und dem Processus xiphoides, so dafi ihm Duges den Namen des sterno-xipho-hyoides gibt. Jener Muskelzug, welcher bei Rana vom Rectus abdominis herkoramend in ihn iibergeht, legt sich dem Muskel an seinem aufseren Rande dicht an. Der urspriinglich platte Muskel rollt sich nun in der Weise zusammen, daB seine lateralen Biindel am hinteren Teile des Basibranchiale inserieren, wahrend die medialen tiber diese hinweg nach dem vorderen Teile desselben gehen und die zwischenliegenden Biindel sich auf die Strecke zwischen der Insertion der medialen und jener der lateralen verteilen, so daC die Insertion des ganzen Muskels streifenformig auf der ven- tralen Flache des Basibranchiale angeordnet ist und zwar seitlich von der Mittellinie, zwischen der Insertion der beiden Bauche des Geniohyoideus. Taf. II, Fig. 13, 17. sth. An die bei den Urodelen bestehende Schichtung des Muskels in einen oberfliichlichen und tiefer liegenden Teil finden wir auch bei den Anuren eine Erinnerung, indem wir nach Entfernung des eben beschriebenen Muskels ein zartes Muskelbiindel treffen, welches vom Sternum zum Keratobranchiale geht und sich an diesem anheftet. Taf. II, Fig. 16, 18 sth'. Die krotenartigen Anuren, Bufo und Bombinator, zeigen die- selbe Anordnung des M. sternohyoideus wie Rana, nur fehlt ihnen, wie schon angedeutet, die vom Rectus abdominis als pubio- hyoideus herstammende Zacke. Taf. II, Fig. 14 — 16. Die Untersuchung dieses Muskels auf Querschnitten fiigt obiger Beschreibung nichts neues hinzu; sie beweist nur die mehrfache Schichtung desselben bei den Amphibien. Taf. IV, Fig. 1—4. 2. Wahrend es bei der Darstellung des M. sternohyoideus der Urodelen keine besondere Schwierigkeit bot, die, wenn auch manchmal komplizierte Anordnung der hierher gehorigen Muskel- biindel zu analysieren, begegnen wir bei den Reptilien einer weit groCeren, da die als Homologa des Sternohyoideus zu betrachtenden Muskelziige ihre Ursprungsstelle vom Sternum weg verlegen und teilweise nach auBen verriicken, wodurch sie in innige Beriihrung mit dem Ursprung des Omohyoideus kommen, anderseits thut 26 Ferd inand Walter, der Omohyoideus dasselbe im entgegengesetzten Sinne, so daB es oft fraglich erscheint, ob man es mit einem Sternohyoideus oder Omohyoideus zu thun hat. Diese Schwierigkeit tritt gleich bei der ersten Gruppe der Reptilien, bei den Cheloniern, auf. Wir fiuden hier einen Muskel, der zwar seiner verhaltnismaBig machtigen Entwickelung nach jedenfalls der Funktion des M. sternohyoideus entspricht, auch seinen Verlauf und Ansatz teilweise wenigstens mit diesem gemeiu hat, durch seinen Ursprung aber von den mit dem Schulterblatt verschmolzenen Coracoid Analogien mit dem Omohyoideus erhalt und als solcher auch von ROdinger ' ) angesprochen wird. Ich werde seine Beschreibung daher spater folgen lassen. Bei den Sauriern findet sich wieder ein breites doppelt ge- schichtetes Muskelstratum, das vom Schultergiirtel herkommend an dem Visceralskelett inseriert und mit grosserer Sicherheit, als dies bei den Cheloniern der Fall ist, als Homologon des Sterno- hyoideus angesprochen werden kann, wenn auch der Ursprung desselben auf das Episternum und die Clavicula verschoben ist. Im medialen Teil gedeckt vom Sternocleidomastoideus, im lateralen durch den Ursprung des Omohyoideus und mit diesem in gleicher Richtung zieht ein dreieckiger Muskel von der ganzen Ausdehnung des Episternum und der Clavicula als Basis des Dreiecks entspringend nach vorn und inseriert am Korper des Zungenbeins und dem mittleren Drittel des Keratobranchiale I*^). Seine medialen Fasern verlaufen in gerader Richtung nach vorn, wahrend die lateral gelegenen immer mehr der Medianlinie zu- streben, wodurch die dreieckige Gestalt des Muskels zustande kommt. Taf. Ill, Fig. 23—25. (sth.) In der Mitte seines Ver- laufes wird er von einer sehnigen Inskription unterbrochen, welche fest mit einer gleicheu des Omohyoideus zusammenhangt. Einige seiner Muskelbuudel vereinigen sich mit der Aponeurose des Mylohyoideus und Subcutaneus cervicis. Seines Ursprungs wegen wird er von FCrbringer ^) als Episternocleidohyoideus bezeichnet, und zwar als sublimis zum Unterschiede von der sogleich zu beschreibenden tieferen Schichte dieses Muskelstratums , dem M. episternocleidohyoideus pro- fundus. 1) E.DDINGEH, 1. C. 2) CuviEB, 1. c. Bd. Ill, pag. 271 uennt den Muskel Sterno- keratoideus, weil er an das hintere Zungenbeiuhorn geht. 3) rOBBBINGEB. 1. C. pag, 65. Das Visceralskelett der Amphibien und Reptilien, 27 Auch dieser eutspringt vom Episternum, aber nur von der medialen Halfte der Clavicula, breitet sich dann nach auCeu und vorn aus, urn fast am ganzen knochernen Teil des Kerato- branchiale I zu inserieren. Taf. Ill, Fig. 24, estclhp. (sth.) Zwischen dem Keratobranchiale I und dem Hyoid befindet sich ein dunnes Muskelstratuni, das vom Keratobranchiale I ent- springend nach dem nach hinten verlaufenden Teile des Hyoid hinzieht und sich an dasselbe befestigt. Wenu auch die Richtung seiner Muskelfasern, wenigstens in den lateralen Partien von der des Episternocleidohyoideus profundus etwas abweicht und der Ursprung dieses Muskelzuges iiber die Insertionsstelle des Episternocleidohyoideus prof, etwas lateral hinausgeriickt ist, glaube ich doch ihn fur eine Fortsetzung dieses Muskels erklaren zu miissen, da seine physiologische Bedeutung nur darin bestehen kanu, die Mitbewegung des Hyoids mit dem Keratobranchiale I nach hinten zu vermitteln. Taf. Ill, Fig. 24. Der Episternocleidohyoideus erscheint nicht in seiner ganzen Ausdehnung von gleicher Dicke, es ist vielmehr seine Hauptmasse an der Medianlinie gelegen, die lateralen Partien sind dunner, namentlich da, wo sie vom Omohyoideus gekreuzt werden, dessen Fasern von denen des Episternocleidohyoideus so wenig getrenut sind, daC es oft schwierig erscheint, die betrefienden Muskeln auf Querschnitten von einander zu scheiden. Taf. IV, Fig. 9. Bei den fuClosen Sauriern finden wir gauz ahnliche Verhaltnisse der dem Sternohyoides entsprechenden beiden Episternocleidohyoides profundus und sublirais. Taf. Ill, Fig. 26, 27, 29, 30. Der Episternocleidohyoideus sublimis nimrat bei diesen Tieren auch noch Fasern von der Haut her auf (Taf. Ill, Fig. 26), urn dadurch fiir den fehlenden Subcutaneus colli transverus s. Mylohyoideus einzutreten. Der Episternocleidohyoideus profundus zerfallt in einen medialen Teil, der vom Episternum zum Zuugenbein geht, als ein M. episternohyoideus und. einen lateralen Teil , der vom Episternum ebenfalls ausgehend durch die Clavicula unterbrochen in einen Episterno-clavicularis und einen Claviculo-hyoideus sich trennt. Taf. Ill, Fig. 27, esth, clh, estcl. Die Fortsetzung des Episternocleidohyoideus iiber das Kerato- branchiale hinaus an's Hyoid ist hier bedeutend schwacher ent- wickelt, als dies bei den Lacertiliern der Fall ist, und stellt ledig- lich ein dunnes, schmales Muskelstreifchen dar, das einen sagit- talen Verlauf nimmt. Taf. Ill, Fig. 27.* Den Ophidiern fehlt mit dem Sternum der Sternohyoideu^ 28 Ferdinand Walter, als solcher, jedoch findet sich bei ihnen ein Muskelzug, der das Homologon des Sternohyoideiis darstellt und der von der ersten Rippe zum hinteren Teil des Unterkiefers sich begibt. Dieser Muskel wird als costoniaxillaris (Cuviee) bezeichnet. Taf. Ill, Fig. 31—34. gcst. Bei manchen Vertretern dieser Klasse z. B. bei Coluber besitzt er eine sehnige Inskription. Seine Insertionsstelle an der Mandibiila verschmilzt mit dem Ursprung des Geniohyoideus und es kann sein, dafi er durch Austausch von Fasern mit demselben einigen EinfluB auf die Bewegung des Visceralskelettes gewinnt. M. omohyoideus. Bei den niederen Wirbeltieren , Amphibien und Reptilien, niramt der Omohyoideus eine weit hervorragendere Stellung in der Muskulatur des Visceralskelettes ein, als dies bei den hoheren Wirbeltierklassen der Fall ist. So leicht seine Darstellung bei den Amphibien gelingt, so schwer erscheint es bei den Reptilien die Frage zu losen, welcher von den zwischen Schultergiirtel und Zungenbein befindlichen Muskelziigen als Homologon des Omohyoideus anzusi)rechen ist- Ebenso schwierig ist die Ableitung desselben von der Rumpf- muskulatur. Sabatier') bezieht ihn auf den M. serratus mj., dessen oberste Zacke er darstellen soil, die ihren eigentumlichen Verlauf nach vorn durch Abriicken des Zungenbeins vom Schulter- giirtel erhalt. Gegenbaur '^) bringt ihn in Verwandtschaft mit dem M. rectus abdominis und leitet mit Hilfe der Reptilien dessen Teilung in drei Muskeln ab: M. sterno-hyoideus, cleido- hyoideus, omo-hyoideus. Albrecht^), der ihn bei den Urodelen naher beschreibt, dabei aber seine Vereinigung mit dem M. pubio- hyoglossus ganzlich iibersehen zu haben scheint, tritt der Ansicht Gegenbaur's entschieden entgegen und fiihrt unter seinen Griinden an, daC Gegenbaur ganzlich die Verhaltnisse dieses Muskels bei den Amphibien ignoriere, welche ja der Anord- nung desselben beim Menschen so sehr nahe stehe. Albrecht 1) Sabatieb, Comparaison des ceintures et des merabres pag. 133. 2) Gegenbaite, tJber den Omohyoideus und seine Schliisselbein- verbindung. Morph, Jahrb. I, 2. 3) Albeecht, Beitrag z. Morphologic d. Omohyoideus. p. 15 — 17 Das Visceralskelett der Amphibien und Reptilien. 29 schlieBt sich Humphry') an, der ihn auf den M. obliquus abdo- minis internus zuriickfuhrt. 1. Der Omohyoideus der Amphibien, der von Meckel'^) als solcher erwahnt wird, mit der Angabe, daB er auf die vordere Extremitat wirke, entspringt, wie schon Cuvier ^) beschreibt, unter dem Halse der Scapula*) und begibt sich im Bogen nach vorn, unten und innen zum Zungenbeinapparate. Der Omohyoideus der Urodelen erfahrt nach kurzem Verlaufe eine Teilung. Seine medial gelegeue Halfte vereinigt sich rasch mit dem M. pubiosteruoglossus als dessen dritte Ursprungszacke, wodurch dieser Muskel als triceps glottidis bezeichnet werden kann. Der laterale Teil des Omohyoideus geht noch eine langere Strecke selbstandig weiter, bis er vom pubio-sterno-genoideus auf- genommen wird. Mit dem Visceralskelett tritt er also nicht direkt, sondern durch Vermittelung der genannten Muskelziige in Verbindung. Taf. II, Fig. 10, 11. Der Omohyoideus der Anuren verlauft ungeteilt als ver- hilltnismaCig starker Muskel von der gleichen Ursprungsstelle wie bei den Urodelen nach der Platte des Zuugenbeins zu, an welcher er sich medianwarts vom Keratobranchiale III hinter der Insertion des Sternohyoideus befestigt. Taf. II, Fig. 13—15. Taf. IV, Fig. 4 oh. Der Omohyoideus der Amphibien ist nach Meckel ^) weniger Kiickwartszieher des Zungenbeins als Heber des Schulterblattes, well bei diesen Tieren das Zungenbein fester stehe als das Schulterblatt. Der Omohyoideus diirfte aber nach meiner Ansicht kaum auf die vordere Extremitat wirken, sondern ich glaube, daC dieser Muskel hauptsachlich beim Schluckakt in Thatigkeit tritt, wobei er das Zungenbein nach hinten ziehen zu helfen wohl im stande ist, da diese Tiere beim Schlucken die vordere Extramitat durch Aufstiitzen auf die Unterlage fixieren. 2. Auf die Schwierigkeit der Scheidung des Omohyoideus der Keptilien vom Sternohyoideus habe ich schon oben bei Besprechung dieses Muskels hingewiesen und die Beschreibung der Rumpf- 1) Humphry. Observations in Myology, pag. 14 u. 15. 2) Meckel, 1. c. Bd. Ill, pag. 161, 162. Bd. IV, pag. 329. 3) CuviEE, 1. c. Bd. I, pag. 237. 4) DxTGES bezeichnet ihn deshalb als M. interscapula-hyoideus. 30 Ferdinand Waltet, zungenbeinmuskeln der Chelonier auf diese Stelle verschoben. Die Stellung des bei diesen Tieren einfach geschichteten Muskel- bandes, das vom Schultergiirtel zum Visceralskelette hinzieht, war lange Zeit strittig, je nachdem der Knochen, von welchem er entspringt, als Clavicula (Carus, Rathke, Meckel) oder als Coracoid aufgefaCt wurde, Rodinger ' ) hat nuu nachgewiesen, daC dieser Knochen durch Verschmelzung des Schulterblattes mit dem Coracoid entstanden ist, der Muskel demnach als Omo- hyoideus zu betrachten sei, dessen Ursprungsstelle durch den Mangel eines eigentlichen Schulterblattes verschoben ist. Dieser Muskel zieht von auCen und hinten in leichtem Bogen erst nach unten und vom, um in der Mitte von einer Inscriptio tendinea unterbrochen mit dem groBten Teil seiner Fasern am Keratobranchiale I^) zu inserieren. Die tiefer gelegenen Fasern desselben werden vom Keratobranchiale II unterbrochen und setzen sich von diesem zum Keratobranchiale I als eine tiefere Schichte des Omohyoideus fort. Einige Muskelbiindel erreichen in schiefer Richtung die Copula sowohl direkt als auch vom Keratobranchiale I aus, welche ich ebenfalls als Fortsetzung des Omohyoideus betrachte^). Taf. Ill, Fig. 21. Taf. IV, Fig. 6, 7. Vom lateralen Rande des Omohyoideus zweigt sich ein Muskelbiindel nach innen und oben ab, welches sich in den Oeso- phagus begibt etwas hinter der Mitte zwischen Schultergiirtel und Zungenbein. An der gleichen Stelle tritt in die Muscularis des Oesophagus ein vom distalen Ende des Keratobranchiale I kommendes Muskelbiindel ein. Taf. Ill, Fig. 22. Diese beiden Muskelbiindel sind als M. omo-oesophagus und M. hyo-oesophagus zu bezeichnen. Dieselben sind schon bei Cuvier*) erwahnt, wahrend sie Meckel iibersehen zu haben scheint. Den neueren Autoren sind sie nicht entgangen. Auf der rechten Seite sind dieselben starker entwickelt als links, wo sie die Trachea zu umgreifen haben. Ihr hauptsachlichster Zweck scheint die Leitung des Oesophagus zu sein bei den Exkursionen des Kopfes in sagittaler Richtung. 1) EtJDiNGER, Die Muskeln d. vorderen Estremitaten, pag. 55. 2) CuviEE, 1. c. pag. 276, Bd. III. 3) Meckel, 1. c. Bd. IV, pag. 378 fiihrt dieses Muskelbiindel gesondert auf, als vom vorderen Horn zur Copula gehend. 4) CuviER, 1. c. Bd. Ill, pag. 270. Das Visceralskelett der Amphibien und Reptilien. 31 Die Lacertilier besitzen ein schmales Muskelbiindel, das am lateralen Rande des M. episternocleidohyoideus sublimis vom Schultergurtel entspringend den genannten Muskel teilweise deckend und in gleicher Eichtung mit ihm verlaufend nach der Copula des Visceralskelettes hinzieht, an welcher seine Fasern eng vermischt mit denen des Episternocleidohyoideus sublimis inserieren. Taf. Ill, Fig. 23, 25. Taf. IV, Fig. 9. In der Mitte seines Verlaufes wird der Muskel von einer sehnigen Inskription unterbroclien, die mit der in gleicher Hohe liegenden des Episternocleidohyoideus sublimis eng zusammen- hangt. Taf. Ill, Fig. 23. Nach ROdinger ' ) haben wir in diesem Muskel einen Omohyoideus vor uns. Meckel ^) und FCrbringer ^) fuhren auch einen Omohyoideus bei den fuClosen Sauriern an und zwar sagt der letztere vom M. episternocleidohyoideus sublimis, daC derselbe im lateralen Telle einem Omohyoideus entsprache. In der Form wie bei den Lacertiliern ist ein Omohyoideus bei den fufilosen Sauriern nicht vorhanden. Den Ophidiern mangelt der Omohyoideus. M. geniohyoideus. Als Fortsetzung der Langsmuskulatur der ventralen Korper- seite iiber die Region des Visceralskelettes bis zum Unterkiefer finden wir bei den Amphibien und Reptilien einen Muskelzug, der bei alien bei uns heimischen Klassen derselben in zwei Muskeln zerfallt. Ich habe beide in den Abbildungen als M. geniohyoideus bezeichnet und werde sie auch als solche be- schreiben, wenn ich auch den einen derselben als den hyomandi- bularen oder vorderen Bauch des Biventer maxillae inferioris der hoheren Tiere anzusprechen geneigt bin. Nach ihrer Topographic lassen sich die beiden M. genio- hyoidei als einen medialen und einen lateralen bezeichnen, von welchen ersterer die Fortsetzung des Sternohyoideus , letzterer das Homologon des vorderen Bauches des Biventer maxillae dar- 1) RuBiNGEB, 1. c. pag. 66. 2) Meckel, 1. c. Bd. IV, pag. 391. 3) FtJKBEiNGEE, die Knochen und Muskeln d. vorderen Extre- mitaten bei den schlangenahnlichen Sauriern pag. 65. u. ff. 32 Ferdinand Walter, stellt und jenem gegenuber eine groBere Selbstandigkeit der Eut- wickelung besitzt. a) M. geniohyoideus medialis. gh. Schou bei Betraclitung des Stern ohyoideus der Urodelen haben wir gesehen, daB ein Muskelzug von dem Rumpfe her mit tJbergehung des Visceralskelettes an die Mandibula herankommt, und daB derselbe als ein Teil des Sternohyoideus zu betrachten sei. Hier mussen wir dem noch beifugen, daB dieser Muskel auch gleichzeitig von der Region des Visceralskelettes an die Bedeutung eines Geniohyoideus erhalt und als soicher auch kleine Muskelbiindel vom Basibranchiale und ' Keratobranchiale I auf- nimmt. In seiner Gesamtheit ist dieser Muskel also nach Ursprung und Ansatz als M. pubio-sterno-omo-hyo-genoideus zu bezeichnen. Derselbe liefert uns durch seine Anorduung den Beweis, daB auch der Geniohyoideus und zwar derjenige, welcher nach seiner Lage neben der Medianlinie als Geniohyoideus medialis zu bezeichnen ist, ebenso wie der Sternohyoideus von der Langsmuskulatur der ventralen Korperseite hergeleitet werden muB. Auf Querschnitten erscheint der Muskel als plattes ziem- lich breites Buudel. Taf. II, Fig. 10, 11. Taf. IV, Fig. 1. Den Rumpfzungenbeinmuskeln gegenuber selbstandigen Ur- sprung besitzt der Geniohyoideus medialis der Anuren, weun wir auch hier bei Bobinator nur einem kleinen Muskelbiiudelchen be- geguen, das gemeinsam rait dem Hyoglossus entspringt, so sehen wir bei Bufo und Rana ganz ansehuliche Biiiidel vom Hyoglossus sich loslosen und an die Mandibula resp. das Dentale heran- gehen. Taf. II, Fig. 13, 15—17. Auf dem Querschnitt ist er vom Hyoglossus deutlich abzugrenzen. Taf. IV, Fig. 3. 2. Auch bei den Cheloniern tritt der Geniohyoideus medialis noch uicht als vollig selbstandiger Muskel auf, sondern ist in seinen seitlichen Partien mit dem Geniohyoideus lat. und Hyoglossus eng verbunden, was in Bezug auf letzteren namentlich auf Querschnitten der proximalen Halsregion deutlich wird. Taf. IV, Fig. 6—8. Seinen Ursprung nimmt der Muskel, wenn wir die Mandibula dem Zungenbein gegenuber als Punktum fixum be- trachten, sehnig von der Symphysis mandibulae, zieht erst gerade nach hinten, dann, wenn er das proximale Ende der Kerato- branchiale I erreicht hat, folgt er demselben nach auBen, wobei er sich an diesem Skelettteile befestigt. Taf. II, Fig. 21. Das Visceralskelctt der Amphibien und Ruptilien. 33 Taf. IV, Fig. 40, 41. Prinz Ludwig Ferdinand ') besclireibt diesen Muskel als eineii zweischichtigen und bezieht den ober- flachlichen auf den vorderen Bauch des Biventer maxillae, welcher Ansicht ich mich aber nicht anschlieCen kann, sondern als solchen den in der Folge zu beschreibenden Geniohyoideus lateralis be- trachten mochte und den raedialis als das Homologon des Genio- hyoideus der hoheren Tiere erachte. Der Geniohyoideus medialis der Saurier ist ein machtiger Muskel, der von der vorderen Halfte der Mandibula entspringt und gerade nach hinten zum Keratobranchiale I und zur Copula hinzieht, an denen er seine Insertion findet. Taf. Ill, Fig. 23, Taf. IV, Fig. 8. In gleicher Weise verhalt sich dieser Muskel bei den fufi- losen Sauriern , nur riickt die Ursprungsstelle desselben mehr gegen die Mitte des horizontalen Unterkieferastes zu. Taf. Ill, Fig. 26, 29. Bei den Ophidiern existiert nur ein Geniohyoideus, welchen ich dem Geniohyoideus medialis der Amphibien und der ubrigen Reptilien gleichstelle. Derselbe entspringt wie bei den fuClosen Sauriern etwas entfernt von der Symphysis mandibulae, geht von hier nach hinten an die Hyoidbogen, welche er mit seiner Insertion umgreift. Taf. Ill, Fig. 31—34. Taf. IV, Fig. 10. b) M. geniohyoideus lateralis, gh' Der Geniohyoideus lateralis iiberwiegt bedeutend den medialis bei den Urodelen. Er zeigt eine eigentiimliche Zweiteilung, welche gewohnlich als Keratohyoideus externus und internus be- schrieben wird. Ich fasse beide Telle als zusammengehorig unter dem Namen Geniohyoideus lateralis als einen Muskel auf. Die Teilung dieses Muskels in zwei Ziige hat ihren Grund in der Form des Visceralskelettes, dessen Hyoidbogen nicht fest mit den ubrigen Teilen verbunden ist. Der Geniohyoides ent- springt ueben der Symphyse der Mandibula und geht auch eine Verbindung mit der hier befindlichen und als Submentalis be- zeichneten Verstarkung des Mylohyoideus ein. Seine Insertion findet der Muskel am distalen Ende des Hyoides, das er mit seinen Fasern umgreift. Taf. II, Fig. 9—11. Taf. IV, Fig. 1 gh'. 1) Pbinz Ludwig Ferdinand 1. c. pag. 63. Bd. XXI. N. F. XIV. 34 Ferdinand "Walter, Seine Bezeichnung als Keratohyoideus ext. kann ich nicht acceptieren, well dieselbe den Muskel nicht geniigend charakte- risiert. Der andere Teil des Geniohyoideus, der als Keratohyoideus internus bezeichnet wird, entspringt vora distalen Ende des Keratobrauchiale I resp. bei Triton vom Epibranchiale und inseriert nach einera dem oben beschriebenen anderen Teil des Geniohyoideus parallelen Verlauf am vorderen schaufelforraigen Ende des Hyoids. Nach Ursprung und Ansatz ist er also ein Keratobranchio-hyoides resp. Epibranchio-hyoides. Taf. II, Fig 9 bis 12. Taf. IV, Fig. 1, 2. Die Kontraktion beider Muskeln kann eine Bewegung der Mandibula unterstiitzen, indem der eine das Hyoid gegen das Visceralskelett fixiert, der andere dann das Unterkiefer gegen dieses heranzieht. Anderseits konnen diese Muskeln eine Bewegung des Visceralskelettes in sagittaler Richtung befordern. Der Geniohyoideus lateralis der Anuren entspringt ueben dem medialis von der Mandibula und begibt sich jenem zuerst dicht anliegend, dann nach auCen an den lateraleu Rand des Basibrancliiale und an das Keratobranchiale III, an welchem er sich befestigt neben der Insertion des Sternohyoideus. Im Ver- gleich zum Geniohyoideus medialis ist dieser Muskel stark ent- wickelt, wodurch er an die entsprechenden Verhaltnisse bei den Urodelen erinnert. Der Geniohyoideus der Anuren, Taf. II, Fig. 13, 14, 16—18, Taf. IV, Fig. 3 zeigt die Eigentumlichkeit, daC er nicht am Hyoidbogen inseriert oder auch sich nur teil- weise direkt mit ihm verbindet, sondern an das Keratobranchiale herangeht. Als Grund hierfur glaube ich annehmen zu raiissen, daC der Hyoidbogen in seinem distalen Ende nicht frei ist, sondern von anderen unter den Amphibien nur den Anuren eigen- tiimlichen Muskeln in Anspruch genommen wird und deshalb fiir ihn das Keratobranchiale III eintritt. Dieser letztere Umstand scheint mir darauf hinzuweisen, da6 der mediale Bauch des Geniohyoideus lat. der Urodelen, der Keratobranchiohyoideus , einen Teil des Geniohyoideus lat. wirklich darstellt, wie ich das oben beschrieben habe. Ich glaube also, daC sich die Anordnuugsformen des Geniohyoideus lateralis bei Urodelen und Anuren fiir die Deutung dieses Muskels gegen- seitig erganzen. 2. Bei den Reptilien ist der Geniohyoideus lateralis voll- standig getrennt vom medialis und wurde als selbstandiger Das Visceralskelett der Amphibieu und Reptilien. 35 Muskel auch von alien Autoren aufgefaBt'). Derselbe entspringt nicht von der Symphyse der Mandibula, sondern verschiebt seinen Ursprung melir oder weniger in der Richtung gegen den Unter- kieferwinkel und befestigt sich am Hyoid oder einera Kerato- branchiale, wodurch er seine Analogic mit dem Geniohyoideus der Amphibien erweist. Der Geniohyoideus lateralis der Chelonier entspringt nabe dem Unterkieferwinkel, besitzt eine drehrunde Gestalt und verlauft etwas nacb auCen und nach hinten an das knorpelige Ende des Keratobranchiale I, das hier die Rolle des rudimentaren Hyoids ubernommen hat. Taf. Ill, Fig. 21, Taf. IV, Fig. 6 gh'. Der Geniohyoideus lateralis der Saurier hat eine ganz ahnliche Beschafienheit. Er entspringt etwas hinter der Mitte des horizontaleu Unterkieferastes in zwei Bundeln und inseriert mit dem lateralen etwa in der Mitte des auBeren Hyoidschenkels, mit dem medialen an der herzformigeu Platte des Hyoids. Beide Bundel verlaufen dicht nebeneinander und unter sich parallel in sagittaler Richtung. Die eigenttimliche Anordnung des Hyoids bei den Saurieru macht es erforderlich , dafi auch an dem Winkel des medialen und lateralen Schenkel desselben ein Muskelzug angebracht sei, um die gleichmaBige Bewegung dieses elastischen knorpeligen Skeletteiles zu ermoglicheu. Wir finden auch in der That noch einen facherartigen Muskel, der von der Mandibula an die ge- nannte Stelle kommt. Auch dieser Muskel ist zum Geniohyoideus lat. zu rechnen, da derselbe nicht von der Symphysis mandibulaea sondern von einem lateral gelegenen Punkte des Unterkiefers ent- springend an einera distalen Telle des Zungenbeinapparates in- seriert. Taf. HI, Fig. 24, 25 gh' gh". Taf. IV, Fig. 8, 9 gh'. Die fuClosen Saurier besitzen nur diesen facherformigen Geniohyoideus lateralis Taf. Ill, Fig. 28, 30. Die Eigenartigkeit scheint ihren Grund darin zu haben, dafi die Gestalt des Hyoids so beschaffen ist, dafi lediglich der Zug dieses Muskels geniigt, um es in sagittaler Richtung zu bewegen, wie ja auch der Antagonist dieses Muskels die Fortsetzung des Episternocleidohyoideus profundus zwischen Keratobranchiale I und Hyoid nur ein schmaler Muskelstreif ist. 1) CiTviER 1. c. Bd. Ill p. 273 : Hornkiefermuskel. 36 Ferdinand Walter, M. stylohyoideus. Als Anhang zu den beiden eben beschriebenen Genioglossus lateralis und medialis haben wir uoch einen Muskelzug zu be- trachten, welcher von den bei uns einheimischen Amphibien und Reptilien nur den Anuren eigentumlich ist. Es ist dies der Stylohyoideus, der vom Os petrosum herkommend sich facher- formig ausgebreitet an den Zungenbeinapparat ansetzt uud uns erst wieder bei hoheren Tierklassen im BLUMENBACH'schen Bouquet wieder begegnet. Von Nuhn') wird er der oben im'Eingang erwahnten Gruppe der Genio-mylo-stylo-hyoidmuskeln hereinge- zogen, well er verraoge seiner Anordnung wirklich dazu im stande ist, das Zungenbein dem Unterkiefer und auch der Schadelbasis zu nahern. Dieser Muskel, von Ecker als Petrohyoideus '•^) bezeichnet, wurde schon von Cuviee^) als das Homologon des Stylohyoideus beim Menschen erkannt, wahrend ihn Meckel^) fiir identisch mit dem sogenannten Unterkiefer-Hornmuskel (Geniohyoideus lat.) der Saurier halt. Der Stylohyoideus entspringt nicht nur von dem mit der Pars petrosa verbundenen distalen Ende des Hyoids, welches er vollstandig umgibt, sondern auch von der ventralen Flache des Felsenbeins und breitet sich dann nach hinten und gegen die Medianlinie hin facherformig aus. Seine Insertion findet der Muskel an der lateralen Kante des Hyoids und am Keratobranchiale III und IV. Taf. II, Fig. 16, 19, 20. Taf. IV, Fig. 4. Insoweit der Stylohyoideus von der Pars styloidea des Hyoid- bogens entspringt und sich an den beiden Keratobranchialbogen befestigt ist er ein Zwischenbogenmuskel, wie wir solche schon bei den Urodelen und Reptilien als Fortsetzungen anderer Muskeln kennen gelernt haben und wir haben von diesem Standpuukte aus be- trachtet in dem Stylohyoideus keinen neuen Muskel vor uns, sondern nur eine durch besondere Umstande bedingte Modifikation eines auch bei den iibrigen Amphibien und Reptilien vorkommenden Muskels. 1) Ndhn, Vergl. Anat. II, pag. 518. 2) DuGES, mastohyoidien und Rup^o-cerato-hyoidien , Klein, Basihyoideus und Stylohyoideus. 3) CiTViEB, 1. c. Bd. Ill, p. 272. 4) Meckel 1. c. Bd. IV, p. 330. Das Visceralskelett der Amphibien und Reptilien. 37 Durch die Befestigung des Hyoids am Schlatenbein verandert der Muskel seinen physiologischen Wert, er wird statt eines Ziiriickziehers des Hyoids ein Hilfsmuskel fiir die Bewegung des ZuDgenbeinapparates nach vorn und auCerdem wird er ein Heber des hinteren Teiles des Visceralskelettes. Mit tjbernahme dieser Arbeit mu6 er sich aber auch vergroBern, was dadurch geschieht, dafi sein Ursprung auf die nachstliegenden festen Skelettteile sich ausbreitet und es entsteht so ein Petro-hyoideus. CuviER teilt den Stylohyoideus in 3 Teile, je nach ihrem An- satze. Der vorderste Teil geht zum Basibranchiale, der mittlere zum Keratobranchiale III, der hinterste zum Keratobranchiale IV. Die beiden erstgenannten inserieren neben der Insertion des Geniohyoideus lateralis, welchen ich als den vorderen Bauch des Biventer maxillae inferioris der hoheren Tiere aufgefafit habe und durch diese Anordnung erscheint der in Rede stehende Teil des Stylohyoideus als der hintere Bauch des Biventer. Erinnern wir uns nun, daC wir in dem Stylohyoideus einen Zwischenbogenmuskel erkennen miissen, so ergibt sich daraus, dafi das Homologon des hinteren Bauches des Biventer maxillae inferioris in einem Zwischenbogenmuskel zu suchen sei. Es ware eine sehr interessante Aufgabe dieser Frage durch eine grofiere Reihe vergleichender Untersuchungen naher zu treten, die jedoch den Rahmen dieser Studie weit iiberschreitet. Beim mannlichen Frosch erhalt auch der die Schallblase um- schliefiende Teil des Mylohyoideus Fasern aus der Gegend des Ursprungs des Stylohyoideus. Taf. II, Fig. 19. M. hyoglossus. Dieser Muskel bildet jene in der Einleitung genannte zweite Abteilung der Muskulatur des Visceralskelettes. In eine detaillierte Darstellung desselben mufite eine mikroskopische Beschreibung der Binnenmuskulatur der Zunge einschliefilich des Genioglossus hereingezogen werden. Ich mufi mich jedoch darauf beschranken, lediglich seine makroskopischen Beziehungen zum Visceralskelett und seine Stellung zu den ubrigen Muskeln desselben zu erortern, was ich umsomehr thun darf, als dieses Kapitel der vergleicbenden Anatomic in der schon mehrfach erwahnten Arbeit des Prinzen LuDwiG Ferdinand von Bayern uber die Zunge der Wirbeltiere eine so umfassende Bearbeitung erfahren hat, dafi ich nur eine Wiederholung des hier einschlagigen Teils des dort Nieder- 38 Ferdinand Walter, gelegten geben konnte. Ich verweise daher auf die genannte Abhandlung. 1. Den Hyoglossus der Urodelen muCte ich schon oben bei der Beschreibung der eigentiimlichen Gestaltung des Sterno- hyoideus erwahnen. Wir haben dort gesehen, dafi der dem Steruobyoideus entsprechende Muskel seine Biindel aus drei Quellen bezieht, sich nur mit einem Teil seiner Fasern an den Zungenbeinapparat befestigt und den groCten Teil seiner Masse zwischen den beiden Keratobranchialbogen nach oben in die Substanz der Zunge entsendet. Mit Riicksicht auf die drei Ur- sprungszacken dieses Muskelzugs von den Langsmuskeln der ventralen Korperseite, dem Brustbeiu und dem Schulterblatt habe ich fiir denselben die Bezeichnung Triceps glottidis gewahlt. Diesem gesellen sich Muskelfasern zu, vvelche vom Basi- branchiale, dem Keratobranchiale primum und secundum ihren Ursprung nehmen und dadurch dem Muskel erst die Berechtigung verleiheu den Namen Hyoglossus zu fiihren. Diese Anordnung des Hyoglossus bei den Urodelen beweist uns, daC wir auch in ihm eine Fortsetzung der Langsmuskulatur der ventralen Korper- seite zu sehen haben, welche durch die Einschaltung des Visceral- skelettes erst allmahlich in selbstiindige Muskeln sich dififerenziert. Taf. II, Fig. 10—12. trgl. Ein Teil seiner Fasern verlauft nach vorn, verflicht sich nach der Darstellung des Peinzen Ludwig Ferdinand') mit dem Genioglossus , dessen Bundel sich auch teilweise an die Processus hyoides anheften und endet in einer unter der Drtisenschichte der Zunge gelegenen Sehnenplatte. Ein anderer Teil des Muskels wendet sich nach demselben Autor nach hinten in Form einer Schleuder, wodurch er die Fahigkeit erhalt, ein Protraktor fiir den hinteren Teil der Zunge zu werden, wahrend er fiir die vorgestreckte Zunge einen Retraktor darstellt. Taf. IV, Fig. 1 hgl, *. Bei den Batrachiern zeigt der Hyoglossus der Hauptsache nach dasselbe anatomische und physiologische Verhalten wie bei den Urodelen. Ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung macht sich aber hier dadurch geltend, dafi die Scheidung der Schultergiirtel-Zungenbeinmuskeln vom Hyoglossus vollzogen ist. Es entspringt der Hyoglossus von der ventralen Flache des Basi- 1) LiTDWiG Febdinand, kgl. Prinz von Bayem, Zur Anatomie d. ZuDge, p. 17. Das Visceralskelett der Amphibien und Reptilien. 39 branchiale neben derMedianlinie und von dem Keratobranchiale IV. Der Hyogiossus entspringt gemeinschaftlich mit dem Geniohyoideus medialis, neben welchem er nach vorn verlauft bis zur halbmond- formigen Incisur des Basibranchiale, in welcher er sich nach oben und teilweise ebenso wie der Hyogiossus der Urodelen nach hinten wendet. Seine Wirkung ist daher derjenigen des Hyogiossus der Urodelen gleich. Auch von der dorsalen Seite des Basibranchiale entspringen einige Fasern, die dera Hyogiossus angehoren. Taf. II, Fig. 15—18. Die starkste Entwickelung dieses Muskels zeigt Bufo. Der Verlauf der Hyoglossusfasern ist von seiner Umbiegungs- stelle teils senkrecht aufwarts, teils longitudinal und radiar. An der Umbiegungsstelle an der vorderen Inzisur des Basibranchiale befindet sich ein Schleimbeutel'). 2) Die Darstellung des Hyogiossus der Chelonier ist in sofern schwierig, als sich die Fasern desselben nicht strenge und sicher von jenen des Genioglossus trennen lassen, da sich beide Muskeln sehr enge mit einander verllechteh 2). Der Hyogiossus der Chelonier entspringt teils von der obereu Flache der Copula und dem Entoglosson und diese Fasern gehen direkt nach oben in die Substanz der Zunge, teils von den Seitenkanten der Copula, sowie den rudimentaren Hyoidbogen. Es gesellen sich ihm ferner auch direkte Fasern vom Omohyoideus herkommend zu, wodurch wir wieder an die Verhaltnisse bei den Urodelen erinnert werden. Endlich erhalt der Hyogiossus vom Keratobranchiale I zieralich starke Biindel, die sich namentlich gegen das distale Eude des- selben schwer von den am gleichen Orte inserierenden Fasern des Geniohyoides trennen lassen. Taf. II, Fig. 21. Taf. IV, Fig. 5—7 hgl. Der Hyogiossus der bei uns einheimischen Saurier, Lacerta und Anguis fragilis verhalt sich voUkommen gleich. Er entspringt nicht von der Copula, sondern ausschlieClich vom medialen Teil des Keratobranchiale I und zieht in leichten Bogen nach innen und vorn unter dem Winkel des auBeren und inneren Schenkels des Hyoids. Etwa in der Mitte der Symphysis mandibulaea und seinem Ursprung wird er von dem Genioglossus erreicht und von dessen Bundeln gekreuzt. Die Vereinigungsstelle markiert sich 1) Yergl. Pk. Ludwig Feedinand 1. c. pag. 23 — 26. 2) Vergl. ibid.j,pag,,63. 40 Ferdinand Walter, durch eine dunkel pigmentierte sehnige Einlagerung. Taf. Ill, Fig. 24, 27, 28, 30. Der Muskel zieht dann nacli Pii. Ludwig Ferdinand') als cylinderisches Bundel innerhalb eines Muskelrings nach vorn gegen die ZuDgenspitze, wahrend der Genioglossus nach auCen und hinten umbiegt. Diese Trennung von den Rurapf-Zungenbeinmuskeln hat sich beim Hyoglossus der Saurier vollstandig vollzogen. Vermoge seiner Anordnung ist er ein Retractor Uugnae. Taf. IV, Fig. 8, 9 hgl. GroCe Ahnlichkeit mit der eben geschilderten Anordnung zeigt der Hyoglossus der Ophidier. Derselbe stellt einen langen Muskelstrang dar, dessen Ursprung das distale Ende des Hyoids umfaBt und sich noch auf eine groCe Strecke des Hyoidbogens fortsetzt, Seinen Verlauf nimmt der Muskel parallel mit dem Hyoid, an dessen Innenseite liegend er nach vorn zieht. In der Mitte seines Verlaufs trifft er in gleicher Weise, wie dies bei den Sauriern der Fall war, den Genioglossus, welchen er kreuzt. Sein Ende findet er ebenfalls von einem Muskelring umschlossen in der Zungenspitze. Taf. Ill, Fig. 31, 34. Taf. IV, Fig. 10 hgl. Mit den Langsmuskeln der ventralen Korper^eite hat der Hyo- glossus der Ophidier nichts gemein. Riickblick. Wenn wir nun einen Riickblick auf die vorliegende Unter- suchung iiber das Visceralskelett und seine Muskulatur bei den einheimischen Amphibien und Reptilien werfen, so lassen sich folgende zwei Satze aufstellen: 1. Das Visceralskelett zeigt in seiner phylo- genetischen Entwickelung den Ubergang von einem aus mehreren gleichwertigen Gliedern bestehenden Organ zu einem einfacheren, hauptsachlich aus zwei Teilen, dem Korper und einem Bogeupaar zusammenge- setzten, ohne daB deswegen die minder entwickelten Bogenpaare vollig verschwanden. 1) Pb. Ludwig Ferdinand 1. c. pag. 39 — 49. Das Visceralskelett der Araphibien und Reptilien. 41 2. Die Muskulatur des Visceralskelettes ist eine eigeutumliche Mo clifik atio n der Langs muskelu an der ventralen Korperseite, hervorgerufen durch die Einschaltung des Zungenbeinapparates in diese Muskeln. Gegen die unter I aufgestellte These scheint ein Vergleich des Visceralskelettes der Saurier mit dem der Urodelen zu sprechen. Wir finden bei ersteren gerade so viel Bogenpaare als bei letzteren, ja sogar die Bogenzahl bei Lacerta um ein Paar vermehrt. Jedoch erkennen wir, dafi die drei Bogen der Urodelen einander morphologisch und physiologisch gleichwertig gegeniiberstehen , wahrend bei den Sauriern die iibrigen Paare gegen eines zuriicktreten, sowohl in Bezug auf ihre Entwickelung als auch in ihrer Eigenschaft als Angriffs- und Ursprungsstellen wichtiger Muskeln. Es ist also keineswegs notig, dafi die funktionell uberflussigen Bogen verschwinden — sonst muBte das auf ein Bogenpaar beschrankte Visceralskelett der Ophidier als der vollkommenste Zungenbeinapparat angesehen werden, — auch konnen wir nicht mit Rathke') die bei den Reptilien auBer dem Hyoid und einera Keratobranchiale vorkommenden Bogenpaare als Auswuchse des Zungenbeinkorpers betrachten, denn einmal ist gerade das Hyoid, wie wir gesehen haben, bei einer Gruppe derselben, den Cheloniern, hochst kiimmerlich entwickelt, fehlt bei mancheu sogar vollstandig und dann werden wir doch sicherlich nicht das ganz abseits vom Zungenbeinapparate zwischen den Muskeln liegende vierte Bogen- rudiment der Lacertilier als einen Auswuchs des Zungenbeins ansehen durfen, — sondern wir seheu, dafi gewisse Bogen des Visceralskeletts gleiehzeitig mit der Abnahme ihrer funktionellen Bedeutung einen morphologischen Riickgang erfahren, aber bei den verschiedenen Klassen in verschiedener Zahl aus uns noch unbekannten Griinden persistieren. Die Ableitung der Muskeln des Visceralskelettes von den Langsmuskeln der ventralen Korperseite haben wir bei jedem 1) Rathke, Vortrage zur vergleichendeu Anatomie d. Wirbeltiere pag. 107 erwahnt ausdriicklich 1—3 Hornerpaare bei den Reptilien und scheint das vierte iibersehen zu haben. Er sagt mit Bezug auf die Zahl: Wenn bei den iiber den Batrachiern steheuden Wirbel- tieren das Visceralskelett mehr als zwei Paar Horner besitzt, so sind die hinter dem zweiten Paare vorhandenen wahrscheinlich nur spater eutstanden und Auswuchse des Zungeobeinkorpers. 42 Ferdinand Walter, Muskel einzelu verfolgt und ein Blick auf die Rumpf-Zungenbein- Unterkiefer-Muskulatur der Urodelen zeigt aufs deutlichste, wie sich das Visceralskelett von der dorsalen Seite, von der Mund- hohle, her in die Langsmuskeln der ventralen Korperseite einsenkt und sie bei den folgenden Tierklassen mehr und mehr unterbricht, bis wir bei den Sauriern das Keratobranchiale I und das Hyoid mit dem Zungenbeinkorper als Grenzscheiden zwischen den einzelnen Muskeln eingeschoben sehen, Besonderes Interesse bietet fiir die Untersuchung von diesem Gesichtspunkte aus der Stylohyoideus , der in seiner vorderen Partie dem hinteren Bauch des Biventer maxillae inf. entspricht. Ich habe oben schon angefuhrt, dafi ich ihn fiir einen Zwischen- bogenmuskel anzusprechen geneigt bin. Es ware nun eine dank- bare Aufgabe, der phylogenetischen Entwickelung des hinteren Bauches des Biventer nachzugeheu. LaCt sich die obige An- schauung beweisen, so haben wir das Homologon dieses Muskels in den zwischen Keratobranchiale und Hyoid ausgespannten Muskel- ziigen zu suchen. Dieser Muskel tritt meiner Meinung nach nicht blofi bei einzelnen bestimmten Tierklassen auf, sondern ist alien, wenn auch unter einer kaum kenntlichen Form, gemeinsam. 43 Beschreibung der Tafeln. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Taf. I. Visceralskelett. 1. Yisceralskelett des Triton cristatus. ' „ Salamaudra atra a von oben, b von unten. „ Eana esculenta. „ Bufo cinerea. „ Bombinator igneus. „ Emys europea a von unten, b Copula von oben. „ Lacerta viridis a von unten, b von der Seite. „ Pseudopus Pallasii. „ Auguis fragilis. „ Coluber natrix. „ Vipera ammodytes. BBr Basibranchiale H Hyoidbogen. KB Keratobranchiale Cop Copula E Eutoglosson EBr Epibrauchiale Prk a.-p. Processus hyoideus ant.-post. Olh Oe thyreoideum. » Einne f. d. Trachea. Pig 6 b. Taf. n — ni Muskulatur des Visceralskelettes. Taf. II, Fig. 1 — 8. M. mylohyoideus mit M. mylosternoideus und M. subcutaneus colli. mfi. mst , sec. von Triton ign. Salamandra mac. und atra, Eana exsul. Bombinator ign. Emys europ. Lacerta virid. Coluter laev. und natr. Fig. 3 pest Zacke d. Mylosternoideus vom Os petros. mit der SchaUblase (petrosternoideus). Taf. II, Fig. 9 und Taf. III. Derivate der Langsmuskulatur der ventralen Korperseite bei denselben Tieren. 44 sth M. sternohyoideus. pstoh, pubio-sterno-omo-hyoideus (Urodelen). ph pubio-hyoi- deus (Rana escul.) sih' tiefliegender Bauch d. Sterno- hyoideus (Rana). estclh s. — p. episterno-cleido-hyoideus subl. — prof (Saurier). Fig. 24 * Fortsetzung desselben zw. Keratobranchiale und Hyoidbogen (Saurier). estcl, episterno-clavicularis. c///, clayiculohyoideus (fuBlose Sau- rier). gcst, geniocostalis (Ophidier). Fig. 31 * Hautzacke desselben. oh M. omohyoideus. ohgl omo-hyo-glossus (Urodelen). ooes omo-oesophageus.-//oe*. hyo-oesophageus (Chelonier). gh M. geniohyoideus (medialis) gk' lateralis, vorderer Ranch d. Biventer max. inf. pg pubio-geuoideus, og orao-genoideus, sig sterno-genoideus (Urodelen), Kh Kerato-hyoideus (Urodelen), gh" Zacke zur Platte d. Hyoidbogens (Lacerta). ph M. stylohyoideus (petrohyoideus) Anuren. ph' Zacke zum Keratobranchiale IV. hgl M. hyoglossus. trgl triceps glottidis: phgl pubio-hyo-glossus, sthgl sterno- hyo-glossus, ohgl omo-hyoglossus {pslohgl, pubio-sterno- omo-hyo-glossus) (Anuren). ggl M. genioglossus. ggf lateraler Teil desselben bei Rana. stclm M. stern o-cleido-mastoideus. Taf. IV. Qaerschnitte durch die Region des Visceralskelettea. Querschnitte von Triton igneus. „ „ Rana esculeuta. „ „ Emys europea. „ „ Lacerta viridis. Fig. 10. „ „ Coluber Aesculapii. BBr Basibranchiale H Hyoid. KBr Keratobranchiale Cop. Copula E Entoglosson. 7>. Trachea. ESt Episternum. mk M. mylohyoideus. sth M. oternohyoideus. pstohg pubio - sterno - omo - hyo - genoideus (Triton), sth' tief- liegender Bauch desselben (Rana). estclh s. — p. episterno- cleido-hyoideus sublimis — profundus (Lacerta) gcst genio- costalis (Coluber). Fig. 1. 2. Fig. 3. 4. Fig. 6- -7, Fig. 8. 9. 45 oh M. omohyoideus. gh M. geniohyoideus medialis. pstohg pubio-sterno-omo-hyo-genoideus (Triton). gh' M. geniohyoideus lateralis (hinterer Bauch des Biventer max. inf.). kh Kerato-hyoideus (Triton). peh M. petrohyoideus (stylohyoideus) peli hinterer Bauch des- selben (Bana). hgl M. hyoglossus. trgl triceps glottidis (Triton). * ggi M. genioglossus. Fig. 1 * Sehnenplatte unter der Driisenschichte der Zunge des Triton, in welcher der Hyoglossus inserirt. Fig. 10 » Binnenmuskulatur der Zunge von Coluber mit dem cyliuderiBchen Hyoglossus. Die indifferente Aniage der Keimdriisen beim Hiihnchen und ihre DifTerenzierung zum Hoden. Von Richard Seinon. Hierzu Tafel V. Wenn Rathke (1 p. 48) seine Untersuchungen tiber die Ent- wicklung der Geschlechtsorgane der Vogel mit der Bemerkuug einleitet, daC, obschon iins durch den FleiB ausgezeichneter Beob- achter uber den Vogelembryo so sinnreiche und so brauchbare Beobachtungen zu gute gekommen sind, wie iiber keins der ubrigen Wirbeltiere , die Entwicklung der Geschlechtsorgane dieser Ge- schopfe nicht nur einer sorgfaltigen, sondern sogar fast aller Be- obachtung und Beschreibung ermangele, so hat fiir die heutige Zeit diese Klage gewiC keine Giltigkeit mehr. Wir befinden uus im Besitz einer ganzen Reihe hochst „siunreiclier und brauch- barer" Untersuchungen, die speziell der Entwicklung des Genital- systems der Vogel gewidmet sind und die ganz dazu angethan wiiren, unsere Kenntnisse iiber diesen Punkt zu beziehungsweise abschlieBendeu zu gestalten. Dennoch ist letzteres noch keines- wegs der Fall ; gerade die wichtigsten Fragen, diejenigen, die sich aiif die Entstehung der Keimprodukte und ihre Beteiligung beim Aufbau der Geschlechtsorgane beziehen, sind teils noch ganz dunkel, teils widersprechen sich die Beobachter bei ihrer Beantwortung in den Hauptpunkten. Wie wir nachher sehen werden, haben auch die letzten Arbeiten in dieser Beziehung keine Klarung zu bringen vermocht. Rathke (1) war der Erste, der die Anlagen der Geschlechts- organe einer wirklichen Untersuchung unterzog. Obwohl seine Beobachtungen sich nur auf die grobsten Verhaltnisse beziehen, haben sie einen hochst bedeutsamen Fortschritt gebracht. Herrschte namlich vor ihm das aus spekulativen Griinden aufgestellte , von BuRDACH und Oken vertretene Dogma, dafi urspriinglich alle Em- bryonen weiblich seien, und daB die Hoden sich durch Weiter- entwicklung der Eierstocke bildeten, so wies Rathke an der Hand Die indifferente Aulage der Keiradriisen betm Hiihnchen u. s. w. 47 der Beobachtung die anfangliche Indifferenz der Anlage nach. Erst spater (nach ihm am 9. Tage) beginnt die geschlechtliche Difterenzierung. Seine Behauptung, daC die keimbereitenden Organe nur VerwandluDgen, beziehentlich hohere Ausbildungen der Urnieren waren, warde durch J. MOller (2) bekiirapft, der seiner- seits zu weit ging, wenn er es fiir unmoglich hielt, die Bildungs- statte der Fortpflanzuugsorgane auf eins der Keimblatter zuriick- zufuliren, und annahm, „daB der Keimstoff zu diesen Organen zu einer gewissen Zeit von den BlutgefaBen abgesetzt werde, wo diese Ausscbeidung in dem Entwicklungsprozesse der einzelnen Teile aus dem Keime des Ganzen notvvendig wird, daB dieser bei jedem Organe eigentiimliche und virtuell verschiedene Keimstoff sodann wieder in die den Organen eigentumlicbe Bildung aus sich selbst organisiert werde, ungefabr so, wie es bereits C. F. Wolff sicb gedacht hat." Remak (4), dem grofien Reformator der Entwick- lungslehre, gelang es, im mittleren Keimblatt den Mutterboden der Urogenitalanlage nacbzuweisen. Ihm , sowie insbesondere Valentin (3), der Saugetierembryonen untersuchte, verdanken wir dann den genaueren histologischen Nacliweis dafiir, daC die Genital- anlage anfangs geschlechtlich indifferent ist und den Typus einer tubulosen Druse besitzt, der spater im Hoden beibehalten wird, im Eierstock aber verloren geht. PFLtJGER (5), der nur Eierstocke von Saugetieren, und zwar in ausgebildetem Zustande, in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen hat, wurde durch den von ihm beobachteten Zusammen- hang der Eischlauche mit dem Peritonealepithel darauf gefuhrt, in der Peritonealhaut in letzter Linie den Mutterboden der Genital- anlage zu erblicken. His (6) dagegen leitete die Strange der Ei- zellen von einem Kanale des Wolfi'schen Korpers, das Hilusstroma aber von einem Malpighi'schen Glomerulus ab. Er deutet seine Beobachtungen so, daC das Parenchym der Sexualdriise wirklich aus Wolff 'schen Kanalen entsteht, wahrend die Hiille der friiheren Umgrenzung eines Teiles des Wolff 'schen Korpers entspricht und das Hilusstroma mit seinen GefaBen aus einem Malpighi'schen Knauel entsteht. In der ersten Anlage gestaltet sich das Verhaltnis von Knaueln und Kanalen ahnlich wie in den Urnieren selbst. Jener treibt diese spangenartig vor sich her und koramt nun zunachst in Beriihrung mit der einen Wand, welche blasser wird und sich abplattet, wahrend die ab- gekehrte Wand starker sich entwickelt. Aus letzterer gehen durch W^ucherung die Strange der Eizellen hervor. 48 KichardSemon, BoRSENKOW (7) betrachtete die Keimdruse als eine lokale Wucherung des Peritonealepithels. Beraerkenswert ist, daB er die vergroBerten Zellen des Epithels gesehen hat, die spater Ureier genannt worden sind. Er faCt sie aber nicht als solche auf, son- dern einfach als vergroCerte Epithelzellen, aus denen spater durch Teilung Stromazellen werden. BoRNHAUPT (8) war der Erste, der die Entwicklung des Urogenitalsystems bei einem Wirbeltier zum Gegenstande einer groCeren speziellen, mit neueren Hilfsmitteln ausgefiihrten Unter- suchung machte. Auch sein Objekt war das Htihnclien. Er beobachtete am Ende des 5. Tages als erste Anlage der GescWechtsdriisen beiderseits medial vom Wolff'schen Korper einen Streifen, in dessen Bereich das Peritonealepitliel verdickt ist, und desseu Elemente sich nicht iiberall mit Deutlichkeit von den Elementen des verdickten Peritonealepithels unterscheiden lassen. Dies findet besonders an denjenigen Stellen statt, wo BoRNHAUPT die sehr groBen eigentiimlichen Zellen, die er im Peritonealepithel beobachtete , auch in dem von jenem bedeckten Streifen liegen sah. Aus dem Gesagten geht hervor, daB schon BoRNHAUPT die Entstehung der Ureier im Epithel und ihre Ein- wanderung in das sogenannte Stroma gesehen, aber nicht in ihrer vollen Bedeutung erkannt hat. Am 5. und 6. Tage beobachtete BoRNHAUPT in jenem Streifen nach innen vom Peritonealiiberzuge rundliche Konturen, welche Zellhaufen begrenzen, die sich von den Zellen der Umgebung nicht wesentlich unterscheiden und nur da, wo die das Peritonealepithel begrenzenden Konturen undeut- lich sind, sich durch besondere GroBe auszeichnen. Bornhaupt halt jene Konturen fiir den Ausdruck von Zellenbalken , die vor- zugsweise der Lange des Streifens nach verlaufen. Spater erhalten die Zellenbalken einen mehr gewundeneu Verlauf, so daB auf Querschnitten sehr verschieden gestaltete, meist indessen immer noch rundliche Konturen als Begreuzung der Zellenbalken ent- stehen. Bornhaupt spricht die Vermutung aus, daB ein derartiges Bild His verleitet habe, in diesen Konturen den Ausdruck fiir einen Glomerulus zu sehen, eine Vermutung, die, wie mir scheint, wenig Wahrscheinlichkeit fiir sich hat. Es gelang Bornhaupt nicht, die Abstammung der Zellenbalken von dem Peritonealepithel mit Sicherheit nachzuweisen, obgleich er offenbar sehr dieser Auf- fassung zuneigt; daftir bekampft er mit Entschiedenheit ihre Ab- leitung von den Kanalchen des Woltf' schen Korpers, wie Rathke sie vermutet, His sie angenommen und spater Waldeter (9) aus- Die iudijff'erente Aulage del* Keimdrliseu beim Huhncheu u. s. w. 49 fuhilich begriindet hat. Wie wir uachher sehen werdec, licgt die Wahrheit auch hier in der Mitte. Was die geschlechtliche Ditferenzierung der bisher indiftereu- ten Anlage zum Hoden anlangt, so leitet Bornhaupt aus den eben besprochenen Zellenbalken direkt die Samenkanalchen ab, die erst kurz vor dem Auskriechen des Hiihnchens ein Lumen bekommen. Weit fruher, ungefahr nach dem 12. Tage, bildet sich unter dem Peritonealilberzuge eine besondere bindegewebige HuUe, die Tunica albuginea. tjber die Anlage des Corpus Highmori hat Bornhaupt keine Untersuchungen angestellt. Ein Wendepunkt in der Geschichte unseres Gegenstandes trat ein mit dem Erscheinen von Waldeter's beriihmtem Werke: Eierstock und Ei. Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungs- geschichte der Sexualorgane (9). Sehen wir von dem ersten Teile ab, der die Ovarien samtlicher Wirbeltierklassen einer sehr genauen vergleichenden Untersuchung unterwirft und viele anatomische Verhaltnisse zum ersten Male erkennt und feststellt, so beschrankt sich Waldeyer im zweiten entwicklungsgeschichtlichen Teil nicht auf die Entwicklung des Ovariums allein, sondern er untersucht die Bildung der gemeinsamen Urogenitalanlage von ihrera friihsten Auftreten an und verfolgt die Differenzierung der Keimdriisen iiber ihr indilterentes Stadium hinaus, nicht nur zum Ovarium, sondern auch zum Hoden. Sein Hauptobjekt fiir diese Unter- suchungen ist das Hiihnchen. Nur in geringerem Mafie werden die Saugetiere beriicksichtigt. Waldeyer findet die erste Spur der Anlage der Sexualorgane zwischen Enddarm und Wolff 'schem Korper an der medialen P'lache des letzteren als eine betrachtliche Verdickung des Epithels der Regio germinativa. Sie macht sich bemerkbar, ehe noch die Muller'schen Gauge angelegt sind. Gleichzeitig zeigt sich an der betreffenden Stelle unter dem verdickten Epithel eine Ver- mehrung des Zwischengewebes. Waldeyer glaubt nun schon in sehr friihen Stadien sexuelle Unterschiede erkennen zu konnen; er sagt namlich: „Schon sehr bald macht sich bei verschiedenen Embryonen ein bemerkenswerter Unterschied geltend. Bei einigen ist die Epithelbekleidung sehr markiert und fiillt ungemein deutlich aus ; bei anderen wieder erscheint sie schwacher entwickelt. Greife ich auf ein spateres Stadium (7. bis 8. Tag) vor, wo die Sexual- driisen schon als besondere cylindrische Korper sich darstellen, und an der Verkiimmerung des rechten Ovariums das weibliche Geschlecht leicht zu erkennen ist, so stehe ich nicht an, jeue Bd. XXI. N. F. XI v. 4 50 llicliardSemon, Embryonen mit stark entwickdtem Epithelwall als weibliche zu bezeichnen ; auch ist die Epithelbekleidung urn diese Zeit fast stets an dem verkiimmernden Eierstocke weit schwacher als an dem linken, so daC man ein Mittel an der Hand hat, schon in fruher Periode die Geschlecliter voneinander sondern zu konnen, und vor alien Dingen aus dieser einfachen Thatsache das Epitbel auch genetisch als den wichtigsten Bestandteil des Ovariums ansehen lernt." Wird sich aus den spater anzufuhrenden Beobachtungen und Betrachtungen ergeben, daB die letzt angefiihrte Behauptung Waldeyer's nicht nur fiir das Ovarium zweifellos nchtig ist, sondern auch auf den Hoden auszudehnen ist, so wird es notig sein, aus eben diesem Grunde noch einmal sorgfaltig zu priifen, ob die angeblich durch starkere Epithelverdickung charakterisierte sexuelle Difterenz wirklich ein hinreichend konstantes und scharf fafiliches Merkmal ist, urn daran, wie Waldeyer es will, schon auf so fruhem Stadium die Geschlechter zu unterscheiden. Wal- deyer schildert sodann das Auftreten vereinzelt liegender groCerer, rundlicher Zellen mit glanzenden, grofien Kernen im jungen Ovarialepithel. Die Zellen mafSen (nach der Erhartung) 15 — 18 /ii, die Kerne 9 /<. Hie und da war auch ein Kern- korperchen wahrzunehmen. Waldeyer zweifelt nicht daran, hier die jungsten Eier vor sich zu haben. Ganz dieselben, als „Primor- dialeier" gedeuteten Zellen findet Waldeyer auch in dem weniger stark verdickten Epithel der mannlichen Anlage. Er sieht darin einen Hinweis daftir, daC auch das weibliche Prinzip in der Keimdriise, wenn sie sich auch zum Hoden umformt, bei der ersten Entwicklung seine Vertretung findet. Was nun das weitere Schicksal jener Zellen und die Entstehung der Samenkaniilchen anlangt, so auCert sich Waldeyer daruber folgendermaCen : „Eine Zeitlang vermutete ich allerdings, daB die Zellen des Keimepithels in das Innere des Hodenstromas einwandern und dort zum Epithel der Samenkanalchen werden mochten; ich babe diese Vermutung jedoch nicht bestatigen konnen. Es ist mir iiber- haupt nicht gelungen, den sicheren Nachweis der ersten Entstehung der Samenkanalchen zu fiihren, doch kann ich mit Bestimmthcit folgendes angeben. Bereits am 7. Tage der Bebriitung sieht man in der inzwischen betriichtlich gewachsenen Hodendriise, die eine zicm- lich regelmafiig elliptische Form (auf dem Querschnitt) angenommen hat und ein aus sehr dichtgedrangten Zellen bestehendes Stroma zeigt, einzelne kurze, kanalformig oder strangformig verlaufende Zelleukomplexe aus der ubrigen Zellenmasse hervortreten." Wal- Die indifferente Anlage der Keimdiilsen beim Hiihnchcn u. s. w. 51 DEYER niramt nun an, daC diese Zdlenkomplexe nicht selbstandig entstelien, sondern von auBen und zwar von gewissen engeren Kanalchen des Wolft'schen Korpers hineinwachsen. Wahrend nilmlich im groCten Telle der Urniere, namentlich in der ganzen ventral en Partie, soweit sie den mittleren Teil des Hodens bauchwarts iiberragt, sehr weite Kanalchen mit grolien dunkel- koruigen Epitbelzellen vorherrschen, finden sich dagegen im dor- salen Abscbnitte, soweit er der Nierenanlage aiifliegt, besonders medianwarts zum Hoden bin, sehr viel engere Kanale. Einige von ihnen zeigen noch gar kein Lumen und scheinen wie solide, kanalformig verlaufende Zellenstrange, die ganz das Aussehen von den in der Hodendriise selbst vorhandenen, eben beschriebenen Zellkomplexen haben. In spateren Stadien lassen sich nilmlich nach Waldeyer zwischen jenen engeren Kanalen des Wolff'schen Korpers und den Samenkanalchen an Scbnitten, die dem mittleren und hiuteren Teile des Wolff'schen Korpers entnommen sind, direkte Verbindungen nachweisen. Auch beginnt um diese Zeit der fragliche Abschnitt des Wolft'schen Korpers als gesonderte Partie sich von den ubrigen Kanalchen abzugrenzen. Fassen wir alles zusammen, so laBt sich sagen, dafi Wal- deyer die Entstehung von Ureiern im Epithel der mannlichen Keimdriise zuerst beobachtet hat, nach einigem Schwanken aber zu der Ansicht gelangt ist, da6 das Epithel an der Bildung der Samenkanalchen keinerlei Auteil habe. Er hiilt es vielmehr filr das Wahrscheinlichste, dafi die Samenkanalchen sich aus engen Kanalchen entwickeln, die vom dorsalen und medialen Teile des Wolft''schen Korpers her in den Hoden einwuchern. ^) Kapff (10) grift" im iolgenden Jahre die Angaben und Schliisse Waldeyer's, besonders soweit sie sich auf den Eierstock be- ziehen, in scharfer und vielfach ungerechter Weise an. P'iir die hier behandelten Fragen ist besonders die Angabe erwahnens- wert, nach der von der Wandung der Aorta und der Malpighi- schen Knauel strangformige Zellent'ortsatze in die Geschlechtsdruse hineinwachsen. Semper's bekannte Arbeit „Das Urogenitalsystem der Plagio- 1) Neuerdings hat Waldeyer in den Verhaudlungen der 1. Ver- sammlung der anat. Ges. (Anat. Anzeiger Bd. II 1887 S. 360) aus- gesprochen, daB er auch seinerseits jetzt geneigt sei, fiir die Sanien- kanalanlagen cine Abstammung wenigstens der samenbildenden Zellen vom Keiraepithel aus anzunehmen und damit die Horaologie zwischea Ei und Samen anzuerkenneu. 52 RichardSemon, stomen und seine Bedeutung fur die iibrigen Wirbeltiere" (12) bringt nicht nur die Entdeckung der Segmentalorgane in der Plagiostomenniere, sonderu riickt auch die uns hier bescliaftigenden Fragen in ein neues Licht. Ehe noch die erste Anlage der von Semper so genannten Genitalfalte sich als schwache Vorwolbung kenntlich macht, be- ginnt im Epithel derjenigen Gegend, in der sich spater die Genital- falte erhebt, die Bildung der Ureier. Semper schildert ausfiihrlicli die histologischen Details bei der Umwandlung der Epithelzellen in Ureier, und bemerkenswerter Weise finden fast dieselben histo- logischen Vorgange, die Semper in der Genitalanlage der Plagio- stomen beobachtet hat, wie wir nachher sehen werden, auch im Keimepithel des Hiihnchens statt. Durch Teilung eines Ureis entstehen immer neue secundare Ureier, so daB schlieBlich oft bis zu 8 und 10 groBkernige, secundare Ureierzellen innerhalb einer weit abstehenden Membran liegen. Letztere entspricht der urspriinglichen, primitiven Zell- wandung. Die durch Teilung eines primaren Ureis entstandenen Zellengruppeu werden von Semper als U r e i e r n e s t e r bezeichnet. Sobald die erste Spur einer geschlechtlichen Differenzierung in der bisher indifferenten Ureierfalte auftritt, wird sie von Semper Keimfalte genannt. „Es ist indessen nicht immer leicht, die schon vorhandene geschlechtliche Difierenzierung an der Keimfalte zu erkennen, da sie namentlich nur auf dem Gegensatz zwischen einer positiven und einer negativen Veranderung beruht. Es bewahrt namlich die Keimfalte lange Zeit — verschieden lange bei verschiedenen Arten — den Charakter der Ureierfalte mit Ureiernestern, ehe sich in ihr weibliche Eier zu bilden beginneu, wahrend sich die mann- liche Keimfalte gleich von Anfang an scharf dadurch kennzeichnet, daB in ihr Spuren des angelegten Hodennetzes und in das Stroma eingesenkte Ureier — die ich danu als Vorkeimnester bezeichne — mehr oder minder deutlich und zahlreich zu erkennen sind." Was zunachst die Differenzierung zur weiblichen Keimdriise anlangt, so laBt Semper den Eierstock einfach sich dadurch bilden, daB die Ureiernester sich in Eifollikel umwandeln, indem eine central gelegene Zelle in ihrem Wachstum den sie umgeben- den und sich stark vermehrenden vorauseilt und zum Follikel wird, wahrend die peripherischen das Follikelepithel liefern. Dabei findet durchaus keine Beteiligung eines Gewebes, das etwa von einem Telle der Urniere aus einwucherte, bei der Eierstockbildung statt. Dagegen entsteht die mannliche Keimdriise der Plagiostomen Die indifFerente Anlage der Keimdriiseu beim Huhnchen u. s, w. 53 durch die Verwachsung zweier verschiedener Telle des indifierenten Embryos. Einerseits findet eine dem Vorgang beim Weibchen analoge Veranderuug und Einwanderung der Zellen des Keim- epithels in das Stroma der Hodenfalte statt, andrerseits bildet sich durch Verwachsung und Auswachsen der Segmentalgange in der Basis und nachher bis in die Spitze der embryonalen Keimfalte hinein das Hodennetz aus, welches nur als fortleitendes Kanal- system fiir die in den eigentlichen mannlichen Keimdriisen, den Ampullen, gebildeten Samenkorperchen dient, niemals aber selbst zum samenbereitenden Organ wird. Zunachst gehen aus den Ur- eiernestern durch stete Vermehrung und verschiedenartiges Wachs- tum eigentumliche Zellenschlauche hervor, denen Semper den Namen Vorkeimketten beilegt und von denen er die Hodenampullen herleitet. Beide Konstituenten, die aus den Vorkeimen gebildeten Primitivampullen und das aus Segmentalgangen hervorgehende basale Hodennetz, treten, urspriinglich ganzlich getrennt, aufein- ander zuwachsend in eine sekundare Verbindung, ohne indessen jene innige Durchwachsung und gegenseitige Durchdringung einzugehen, wie sie fiir den Hoden der Amnioten charakteristisch ist. Wenden wir zunachst. unsere Aufmerksamkeit dem aus den Segmental- gangen stammenden, abfuhrenden Abschnitte zu, so bilden sich nach Semper entsprechend dem vordersten Abschnitt der Genital- anlage einige (etwa 7) Segmentaltrichter zu blasenformigen Gebilden um. Von diesen sind es wiederum 3—4, welche untereinander in der Langsrichtung verwachsen und dadurch den in der Basis der Hodenfalte verlaufenden Centralkanal des Hodens bilden. Bei gewissen Haien (Mustelus) ist es nur der vorderste, iiber die Hodenfalte hinausgreifende Abschnitt des Centralkanals, den man als durch Vereinigung der Segmentaltrichter entstanden ansehen konnte, dann nur an diesen setzen sich 2 oder 3 Segmentalgange an. Der ganze iibrige, viel langere Teil des Centralkanals ent- steht aus den in das Stroma eingestiilpten Keimepithelzellen. Semper zeigt jedoch, daB dieser Gegensatz nur ein scheinbarer ist. Vor der vollstandigen Ausbildung des Centralkanals hat sich aber durch Verwachsung und Knospung die erste Anlage des Rete vasculosum Halleri gebildet. Es ist dies ein unregelmaJBiges, Yon kleinen Zellen begrenztes Kanalnetz, welches zweifellos mit dem uoch nicht ganz vollstaudigen Centralkanal des Hodens in Verbindung steht. Von diesem aus gehen in regelmaClgen Ab- standen die Segmentalgange gegen die Niere hin. Dieser Teil der Hodenanlage, das Rete vasculosum, ist, wie leicht ersichtlich, streng segmental angelegt. 54 RiohardSemon, Durch Verwachsung des Rete mit den aus den Vorkeimketten hervorgehendeu Ampullen wird die segmentale Gliederung aber spater undeutlich gemacM und verschvvindet endlich ganzlicli, so daB zuletzt der Hode ein einfaches ungegliedertes Organ darzu- stellen scheint. Ein relativ einfacher Vorgang ist das Einwuchern der Ur- eiernester in das Stroma in Gestalt von Vorkeimketten und die Umbildung dieser letztcren zu Vorkeiraschlauclien und Primitiv- ampuUen. Die einzelnen Ureieruester werden vollstandig durch das sie umwachsende Stroma von dem zuriickbleibenden Keimepithel ab- getrennt. Eine derartige Einwanderung der Ureiernester in das Stroma findet fortdauernd statt; sie ist noch bei fast ausgewach- scneu Embryonen zu beobachten; ja bei den Plagiostomen bleibeu am Hoden zeitlebens zwei Keimfalten bestehen, die fort und fort Ureier produzieren und die als Speicher zu betrachten sind, aus welcbem der Ersatz fiir die bei der Brunst zu Grunde gegangenen und degenerierten Hodenampullen erfolgt. Der in alteren Stadien der Entwickluug vor sich gehende EinwanderungsprozeB ist nicht immer ein durchweg gleichartiger. In einer Reihe von Fallen bewaliren die Ureier ihren Charakter bis zur Vereinigung mit den schon vorhandenen Vorkeimen, in dem anderen verlieren sie diesen und wandeln sich in ovalkernige kleinere Zellen um. Beide Vor- gange sind aber durch Ubergange verbunden, Durch Vereinigung der isoliert oder in Gruppen einwandern- den Ureiernester entstehen bei den meisten Plagiostomen unregel- maBige Zellenreihen oder -Netze, die Semper als Vorkeimketten bezeichnet. Solche Vorkeimketten werden zusammengesetzt aus zweierlei Zellen, von denen die einen den in dem Keimepithel liegenden oder in Einwanderung begriflenen Ureiern, die anderen den schmal- kernigen Zellen gleichen, welche oben als eine Modifikation der Ureiernester erwahnt wurden. Meistens liegen in diesen Ketten die ureierahnlichen Zellen hart aneinander, hie und da getrennt voneinander durch einen schmalen Kern. Ein Lumen ist in diesen Ketten nie zu finden. Spater bilden sich dann aus den soliden Vorkeimketten die Vorkeimschlauche, in welchen sich fast genau dieselben Elemente, nur in etwas anderer Anordnung, vorfinden wie in den Vorkeim- ketten. Diese Verschiedenheit der Anordnung beruht eben darauf, dafi die Zellen nunmehr wirkliche Rohren bilden und sich nur Die indifferente Anlage der Keimdiiiseu beim Hiiliachen u. s. w. 55 gegen das Ende des Netzes bin zu mehr oder minder kurzen Vorkeimketten zusammenschlieCen. Die Lumiua der Schlauche sind auBerordentlicli verschieden in GroBe, Form und Bau ihrer Wandung. Die Aushohlung der Ketten erfolgt dergestalt, dafi die Zellen derselben in unregelmaBiger Weise unter bestandiger Teilung aus- einanderweichen ; hier und da bleibeu im Inneren einzelne Zellen oder selbst Zellengruppen liegen, welche zuerst mit den wand- standigen Zellen in Verbindung stehen, schlieClich aber wohl mehr oder minder vollstandig resorbiert werden. Die Wandungen der so gebildeten Schlauche werden von kleinen, cylindrischen , oval- kernigen und groBen, rundlichen, ureierahn lichen Zellen gebildet, die auBen sich mit den immer ueu herantretenden Vorkeimketten verbinden. Aus den ureieriihnlichen Zellen, die auCerlich den so gebildeten Hodenkanalchen anliegen, gehen nun die Primitivampullen hervor. Sie enthalten auf dem Querschnitt 3 — 5 groCe, helle Kornchen- zellen (Ureier), zwischen ihnen einige schmale und an der Basis einen Haufen ganz platter Zellen. Dieser letztere schlieCt die centrale, durch Auseinanderweichen und Resorption einer oft nocb im Centrum liegen bleibenden Zelle entstandene Hohlung der Ani- puUe ziemlich ab von dem cylindrischen Hohlraum des daran- stoBenden Hodenkanals. Hier ist die Stelle, wo spater in den ausgebildeten AmpuUen die Ruptur der Wandung der letzteren erfolgt, um den Eintritt der Samenkorperchen in das Hoden- kanalchen zu ermoglichen. Ich bin auf die SEMPER'schen Darlegungen so ausfuhrlich eingegangen, weil, wie sich nachher herausstellen wird, die Kcnntnis der zweifelsohne einfacheren und weniger modifizierten Verhaltnisse bei den Anamniern manche schwer verstandlichen Vorkommnisse bei den Amnioten besser aufzuklaren vermag, als nocb so genaue direkte Untersuchung bei letzteren selbst es vermochte. Egli (13) verofitentlichte ein Jahr nach dem Erscheinen der SEMPER'schen Arbeiten seine Uutersuchungen iiber die Entwick- lung des Urogenitalsystems beim Kaninchen, augenscheinlich ohne Kenntnis der SEMPER'schen Uutersuchungen und nur im AnschluB an die WALDEYER'schen Arbeiten. Er sieht das Keimepithel Waldeyer's fur die Uranlage der Keimdriise b ei de r Geschlechter an. Indem dasselbe an der medialen Seite des Wolft'schen Korpers sich verdickt und wuchert und andererseits aus dem Zwischengewebe des letzteren vordringende Bindegewebgzellea 56 R i c h a r d S e m 0 n , dasselbe durchsetzen , koramt die embryonale Gesclilechtsdrusen- anlage in Gestalt einer Leiste auf der medialen Flaclie des Wolft'schen Korpers zustande. Dieselbe ist bis zu einem ge- wissen Stadium der Entwicklung indifferent. Eine mehr oder minder starke Verdickung des Keimepithels, als schon sehr friihes Zeichen der Geschlechtsdifferenz , wie Waldeyer es beobachtet zu haben glaubte, kam Egli nicht zur Beobachtung. Die Ge- scbleclitsdifferenz gelangt zuerst zur Wahrnehmung als eine engere Gruppierung der vom Keimepithel abstammenden Zellen. Walirend namlich im weiteren bei einer Anzahl von Embryonen die epithelialen Zellengruppen durch Wucherung, Verastelung uud Sprossung sicli zu dtinnen, langen Zellstrangen entwickeln, erreiclien sie bei den andern Embryonen diese Entwicklungsstufe nicht oder nur zum Teil, und wahrend ferner bei jenen die oberflacbliche Keimepithellage durch Bindegewebe von den zu Strangen sich entwickehiden Zellgruppen gesondert wird, wuchert dieselbe bei letzteren zu einer gleichartigen dicken Schicht, welche die Gesamt- heit der unterliegenden, keiner weiteren Entwicklung fahigen Zellen- gruppen uud der diese sondernden Bindegewebsstrange umhiillt. Dort haben wir es mit Hoden-, hier mit Eierstockanlage zu thun. Die indifferent'e priraare Anlage differenziert sich bei alien Individuen zunachst zur ersten Entwicklungsstufe der Hodenanlage. In einem gewissen Zeitpunkte ist jedes Individuum mannlichen Geschlechts, das Kaninchen am 15. Tag des Embryonallebens. Bei einer Reihe von Individuen schreitet der eingeleitete Vorgang weiter zu den hoheren Entwicklungsstufen des Hodens; bei der andern Reihe bleibt der Vorgang auf jener ersten Stufe stehen, und es erscheint eine weitere, zweite Differenzierung , diejenige zum Eierstock. Hode wie Eierstock bilden sich nach Egli dem- nach lediglich aus Sprossen des Keimepithels ; eine Einwanderung von Epithelsprossen von seiten der Urniere konnte er zu keiner Zeit wahrnehmen. Im Anschlufi an die SEMPER'schen Entdeckungen veroffentlichte Braun (14) zwei Jahre spater Untersuchungen iiber das Urogenital- system der Reptilien. War Semper in seiner Arbeit nur allzu geneigt gewesen, Feststellungen, die er bei den Plagiostomen ge- macht hatte, mit oder ohne Bedenken auf die Amnioten zu iiber- tragen und die mangelhafte tJbereinstimmung der Beobachtungen in vielen Fallen auf Fehler der friiheren Beobachter zuriickzufuhren, so wurde durch die BRAUN'sche Arbeit einer derartigen Ver- Die indifFerente Anlage der Keimdriisen beira Hiihuchen u. s. w. 57 gleichuug erst der feste Boden bereitet, und iinsere Vorstelliingen von der tJbereinstimmiing der Organsysteme weit entfernter Tier- klassen auf das richtige MaC zuruckgefuhrt. Die ersten Spuren der indiiferenten Anlage der Geschlechts- organe erblickt Braun in dem Auftreten von ureierahnlichen Zellen in dem meist etwas verdickten Peritonealepithel. tjber- gange von Peritonealzellen zu jenen Ureiern sind leicht zu fiuden. Spater hebt sich die Stelle, die Ureier fiihrt, faltenartig hervor; sie wird nunmehr als Ureierfalte bezeichnet. Sie reicht vom hin- teren Ende der Leber bis an das hintere Ende der Leibeshohle. Mit der Bildung der Ureierfalte kommt ein Teil der Ureier in das bindegewebige Stroma derselben zu liegen, ist also dorthin ein- gewandert, ohne aber von den Peritonealzellen, wie es scheint, einige mitzunehmen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung sieht man dann eigen- tiimliche, blattartige Zellenbalken mehr oder minder breit von der Basis der Geschlecbtsfalte her in das Stroma eindringen, die sich durch ihre GroBenverhaltnisse sowohl als auch durch ihr Verhalten gegen Tinktionsmittel verschieden verhalten gegen die Stroma- zellen einerseits und die Peritonealzellen anderseits. Man erkennt an einem Querschnitt etwa aus der Mitte des Korpers aufs deut- lichste den Zusammenhang der die Zellenbalken konstituierenden Elemente mit den Zellen der auCeren Wand der Malpighi- schen Korperchen. Es kann kein Zweifel sein, daC die Zellenbalken Sprossen eines Teiles der auCeren Wand der Mal- pighi'schen Korperchen sind. Da diese Strange von Gebilden abstammen, die Braun mit der Bezeichnung Segmentalblasen belegt hat, so nennt er erstere Segmentalstrange, obwohl sie der Zahl nach nicht den Korpei^egmenten, wohl aber den aus den Segmentalblaschen hervorgegangenen Malpighi'schen Korper- chen entsprechen. Von jedem Korperchen im Bereich der Ge- schlecbtsfalte lauft ein Fortsatz zu einem Hauptzellenstrang , der selbst in 2 — 5 Einzelstrange zerfallt. Letztere vereinigen sich bald, bald fahren sie wieder auseinander, so daC ein eigentum- liches, unregelmaBiges Netzwerk entsteht. Wo die Segmentalstrange das Keimepithel erreichen, da beginnt die scharfe Grenze, die friiher das Epithel vom Stroma abschied, zu schwinden; von den wuchernden Strangen wird das Stroma fast an der ganzen ven- tralen Flache der Geschlechtsdriise verdrangt. Es beginnt darauf ein DurchwachsungsprozeB, den man aber nach den spateren Sta- dien besser als eine Einwanderung voji Elementen des Keim- 58 RichardSamon, epithels in die Segmentalstrange bezeichnet. Dies kann stattfinden, indem die Ureier entweder direkt in die Segmentalstrange ein- wandern; es gescliieht an Stellen, wo beide Gewebe einander unmittelbar beriihren. Oder aber die Eier wandern durch das Stroma in die Segmentalstrange da, wo letztere vom Ureierpolster noch durch Stroma geschieden sind. Das ist natiirlich ein ganz sekundarer Diflerenzpunkt. Hiermit hat das indifferente Stadium der Geschlechtsdriise sein Ende erreicht. Die eben gegebene Darstellung der Entwick- lung der indifferenten Keimdriise hat die Einschrankung zu er- fahren, dafi sie nur fiir die Eidechsen gilt. Bei den Schlangen wuchern in denjenigen Keimdriisen, die sich zu Ovarien entwickeln, die Segmentalstrange n i c h t in die Druse hinein, und es tritt also auch keine Verbindung derselben niit dem Ureierlager ein. Es verhalten sich die Schlangen also ahnlich, wie es Semper fiir die Plagiostomen festgestellt hat. Die geschlechtliche Dififerenzierung macht sich nun bei den Eidechsen zunachst dadurch bemerklich, dafi im Hoden die an- filnglich soliden Segmentalstrange sich sekundiir in hohle Kanale umwandeln. Bei den Schlangen stellen sie gleich von Anfang an Kanale dar. Die soliden Strange grenzen sich zunachst im Hoden als wirklich gewundene Cylinder ab, indem das sparliche Binde- gewebe in die Substanz hinein wuchert. In diesen Cylindern treten hierauf Hohlungen auf, welche den Eindruck machen, als ob sie durch Auseinanderweichen der die Cylinder zusammensetzenden Zellen entstanden seien; man sieht das Protoplasma in Zacken, welche mitunter eine Briicke zwischen den Wandungen bilden, in das Innere hineinragen. Dabei beginnen sich die Kerne radiar zu stellen, und es treten auch feine Linien zwischen je zweien als Zellbegrenzungen auf. Endlich ist die ganze Driise von kleinen Schlauchen erfullt, zwischen deren urspriinglichen Zellen noch sehr gut die Ureier als g r o B e Zellen mit groBem, gekorntem Kern zu erkennen sind. Mit dem zunehnienden Wachstum der Driise nimmt successive das Ureierlager des Hodens ab, so daC schlieClich nichts als ein einfacher, seroser tjberzug ubrig bleibt. Fragt man, was aus den Ureiern geworden ist, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dafi sie in die Hodenkanalchen auf- genommen worden sind und sich dort als die oben erwahnten groBen Zellen mit groCem, gekorntem Kern wiedererkennen lassen. Aus diesen groBen, runden Hodenzellen oder aus Teilungsprodukten derselben entwickeln sich dann zur Zeit der Geschlechtsreife die Die iudifFerente Anlage der Keimdrliseu beim Hiihiichen u. s. w. 59 Sperraatozoen , von denen iramer mehrere in einer Zelle ent- stehen. Die Verbindung, welclie urspriinglich zwischen Hoden und Segraentalorganen bestand, verschwindet dadurch, daO noch im Verlauf des ersteu Lebeusjahres die Segmentalstrange, welche von den Malpighi'schen Korperchen zum Zellstrang oder Zellkorper im Hoden und spater zu den Hodenkanalchen fiilirten, resorbiert werden — vielleicht mit Ausnahme der vordersten zwei oder drei, welche sich zu den wenigen Ausfuhrgangen des Reptilienhodens umwandeln, die, wie bekannt, vorn am Hoden austreten und in den Nebenhodcu munden. Kurz sei erwithnt, daC nach Braun im Eierstock der Eidechsen die eingewucherten Segmentalstrange im weiteren Verlauf der Entwicklung degenerieren, nachdem sich ihre Verbindung mit dem Ureierlager gelost hat. Im Eierstock der Schlangen erreichen sie, wie oben ausgefiihrt, das Ureierlager gar nicht, sondern bleiben an der Basis der Geschlechtsfalte liegen. Bei beiden Ordnungen findet die Follikelbildung vom Ureierlager aus statt, Sie erfolgt durch Einstiilpung eines Ureis, das von Peritonealzellen umgeben ist, und durch spatere Abschniirung dieses Teiles. Sie geht mit gewissen Pausen das ganze Leben hindurch vor sich. Die allgemeine Richtigkeit der von Semper und Braun gemachten Angaben wurde von Balfour (16) in seinera Handbuch der ver- gleichenden Embryologie bestatigt. Nur in einigen unwesentlichen Punkten stellt er sich in Gegensatz zu ihnen. In Ubereinstim- mung mit Braun weist er darauf bin, dafi ein einzelnes Sperma- tozoon nicht einem Ei gleichwertig sei, sondern vielmehr, dafi samtliche der von einer Spermaspore abstammenden Spermatozoen zusammeugenommen das Aquivalent eines einzigen Eies darstellen, Auch bei Saugetieren hat Balfour (15) das Einwachsen von Zellstraugen, die mit der Wand der Malpighi'schen Kapseln in Verbindung stehen, in die Keimdriise beobachtet. Er glaubt in diesen Strangen die Segmentalstrange Braun's wiederzuerkonnen und uimmt an, dafi sie im Hoden zusammen mit den Ureieru das Epithel der Samenkanalchen liefern. Auch in das Ovarium wuchern diese Zellstrange hinein, sind aber nach Balfour bei der Follikelbildung unbeteiligt, da sie vom Keimepithel durch eine dunne Lage Bindegewebe abgetrennt werden. KoLLiKER (17) sah dieselben Strange in den Keimdriisen von Hunden und von 15 und 22 mm langen menschlichen Embryonen. Er nennt sie Markstrange. Wahrend er, was die Bildung der 60 Pt i c h a r d S e ra 0 n , Samenkanalchen anlangt, mit den letzt citierten Anschauungen iibereinstimmt, schreibt er fur das Ovarium jenen Strangen im Gegensatz zu alien seinen Vorgangern, welche dieselben beobachtet habeu, einc Beteiligung bei der Bilduug des Follikelepithels zu. RouGET (18) bestatigt diese Aiigaben Kolliker's und laKt die Eier aus Zellstrangen hervorgehen, die aus dem Keimepithel stammen, die Follikelepithelien aus den sogenannten Markstrangen. Beiderlei Zellzapfen stoCen schlieClich aufeinander, und die Ur- eier werden von den Zellen der Markstrange umschlossen. Dagegen neigt Mac Leod (19) wieder raehr der BRAUN'schen Anschauungsweise zu, nach der die Strange allein fiir den Hoden bei der Bildung der Hodenkanalchen von Bedeutung sind, ira Ovarium aber nur rudimentar zur Entwicklung komuien und somit auf eineu urspriinglich bermaphroditischen Zustand der Keiradruse hinweisen. NusSBAUM (20) schlieCt sich fiir die Hodenentwicklung in den Hauptpunkten an Semper und Braun an. Was die Amphi- bien anlangt, so ist er mit Bezug auf die Entstehung der Ver- bindung des ableitenden Systems mit den Hodenkanalchen zu keinem definitiven Resultate gekommen. Er konnte nicht ent- scbeideu, ob die Verbindungsstiicke von den Malpighi'schen Korpercheu zum Hoden oder etwa in umgekehrter Richtung ge- wuchert seien. Auf die NussBAUM'sche Angabe, dafi die Hoden- zwischensubstanz sich aus nicht weiter zur Entwicklung gelangten Ureiern bilde und den abortiven Eischlauchen im Ovarium gleich- zusetzen sei, soil hier nicht naher eingegangen werden. Nach Balbiani (21) gehen aus den Epithelzapfen, die von der Urniere in die Keimdruse einwuchern, nur die geraden Hoden- kanalchen hervor, wahrend die gewundenen Kanalchen sich selb- standig aus dem Stroma herausdifferenzieren sollen. Balbiani schlieCt dies aus dem Umstand, daC beide Arten von Samen- kanalchen sich mit Methylgrun verschieden tingieren. (Ich habe diese Reaktion am Hoden des Huhnchens wiederholt, jedoch ohne Erfolg.) Van Beneden (22) hat die Ovarien verschiedener Fledermaus- arten untersucht; er fand, daC die „Markstrange" Kolliker's auch dort auftreten, bei Vespertilio murinus sogar wahrend des ganzen Lebens und bis dicht unter die Oberfliiche des Ovariums bin persistieren. Nie aber haben sie irgend welche Beziehungen zur Follikelbildung. Die nun folgenden Beobachter sind mit Ausnahme von Harz Die indiflferente Anlage der Keimdriiscn boim Hiihuchen u. s. w. 61 (26) und Weldon (27) samtlich der Ansicht, daC die Segmcntal- oder Markstrauge sich durch selbstandige Herausditferenzierung im Stroma der Keimdriisen selbst bilden. ScHULiN (23) hat vergebens uach einem Zusammenhange der Protoplasmamasse, aus welcher sich die Epithelien der spateren Geschlechtsdriisen entwickeln, mit Wolff'schen Kanalchen gesucht. Keine Thatsache kam zur Beobachtung, welche auf ein von hier aus geschehenes Einwachsen hindeutete. Er wendet gegen Balfour ein, daB das, was letzterer fur eine von den Malpighi'schen Korperchen ausgehende Wucherung ansieht und abbildet, viel zu wenig scharf von der Unigebung abgesetzt sei. „Eiu von einem Wolft'schen Kanalchen aus in das Ovarium hineinwuchernder Epithelzapfen miiiite gegen seine Umgebung ebenso scharf abge- setzt sein wie etwa eine in die Tiefe der Cutis hineinwachsende SchweiCdrusenanlage." Er sieht auch keinen Grund ein, warum die von Balfour geschilderten, dicht der Urniere anliegenden Zellenbalken nicht an Ort und Stelle durch einen Difterenzierungs- prozeB entstanden sein sollen. ScHMiEGELOW (24) hat die Hodenentwicklung beim Hiihnchen einer speziellen Untersuchung unterworfen. Er kommt besonders fiir die ersten Stadien zu Resultaten, die weit von den An- schauungen seiner Vorganger abweichen. Er bestreitet, daB die Grenze zwischen Keimepithel und Stroma thatsachlich jemals verwischt sei, und erklart die Er- scheinung, daB manche Praparate diese Tauschung hervorrufen, aus dem Umstaud, daB immer einige Stellen der hockerigen und unebenen Oberflache der Keimdriise schief statt genau perpen- dikular getroifen werden. Indem er eine scharfe Trennung zwischen Epithel und Stroma behauptet, andrerseits aber das Vorkommen von Ureiern in beiden Gewebsarten zugeben muB, sieht er sich genotigt, die Ureier des Stromas als nicht aus dem Epithel eingewuchert, sondern als im Stroma selbst entstanden anzusehen. Erst am 6. — 7, Briittage nimmt er geschlangelte, unregel- maBig verlaufende Zellstrange im Stroma wahr. Diese ersten Anlagen der Samenkanalchen sind anfangs solide; sie sind nicht verzweigt, und Anastomosen zwischen zwei oder mehreren Strangen sind auf dieser Entwicklungsstufe nicht zu entdecken. Schmiege- Low sieht die Strange gleichzeitig in der ganzen Driise auftreten, nicht etwa zuerst am dorsalen und lateralen, gegen die Urniere gekehrten Teil des Hodens. Er hat nieraals eine bestimmte, 62 BichardSemon, deutliche Abgrenzung zwischen Samenkanalchen auf der einen Seite und Malpighi'schen Korpern der Urniere auf der andereu Seite vermiCt hat. Er bekampft die Anschauung, daC die Kanjilchen von den glandulareu Elementen der Urniere stammen, und stimmt dem Ausspruch Sernoff's (11) bei: „Das Epithel der Samenrohrchen entsteht in loco ausEmbryonal- zellen, die das Stroma der embryonalen Geschlechts- dr usen b 11 den." ScHMiEGELOw hat nichts gefunden, was dafiir sprechen konnte, dafi die groBeren Zellen, die durch das ganze Testisstroma zer- streut liegen (Ureier), eine besondere Bedeutung fiir die Bildung der Samenrohrchen hiltten. Am 11. Briittage zeigen sich die Kanalchen verastelt, am 17. Tage tritt ein Lumen in ihnen auf. Die ersten Spuren der Albuginea zeigen sich am 11. Briittage; am 17. Tage ist dieselbe sammt ihrem Venensystem stark ent- wickelt. Die Vasa efferentia testis werden vom Ende des 18. Briit- tages bis zum Auskriechen gebildet. Sie entstehen als diinne, mit niedrigem kubischen Epithel ausgekleidete Kanalchen aus der Wandung der Corpora Malpighi und besitzen auf diesem Zeit- punkt noch keine Verbindung mit den Samenkanalchen. Diese Kommuuikation tritt erst 8 Tage nach dem Auskriechen ein. Die Glomeruli der Kapseln, aus welchen die Vasa efferentia hervor- gehen, verschwinden allmahlich, das Kapselepithel wird hoher und das Korperchen verliert successive seine Bedeutung als secernirender Teil der Urniere und bildet sich zu einem einfach leitenden, mit eiuem iiberall gleich hohen Epithel ausgekleideten Abschnitt der Epididymis um. Schmiegelow faCt diesen Vorgang als ein Streben der Urnierenkanalchen auf, ihre urspriingliche fotale Gestalt wiederzugewinnen. Indes wird nur eine verhaltnismafiig geringe Anzahl der Urnierenkanalchen dieser Umbildung unter- worfen, und der groBte Teil derselben atrophiert. Harz (26) hat die Frage nach dem Auftreten und der Her- kunft der sogenanuten Segmental- oder Markstrange im Ovarium der Sanger einer umfassenden Priifung unterworfen und seine Untersuchungen auf Reprasentanten der verschiedensten Sauge- tierordnungen ausgedehnt. Er kommt zu dem Resultat, dafi sich im Ovarium verschiedener Sanger in verschiedenem Grade und wechselnder Menge Gebilde epithelialer Natur, teils als massive Strange, teils als Kanale, teils als Zellgruppen vorfinden, die von den Gebilden des Keimepithels verschieden sind. Diese Bildungen Die indifferente Anlage der Keimdriisen beim Hiihnchen u. s. w. 63 koDnen nur aus zwei Quellen hergeleitet werdeo, einmal aiis clem Keimepithel und zweitens aus dem Segmentalsystem (Urnieren- kanalchen etc.). Nach seinen Befunden kann es nun keinem Zweifel unterliegen, dafi Kanalc und Epithelstrange vom Mesova- riura aus relativ spat in das Stroma des Eierstocks hiueinwachsen. Ja bei manclien Tieren (Mensch, Schwein) unterbleibt dieses Hiuein- wachsen ganz; es persistieren die Reste dieser Bildung im Meso- varium oder in der Gegeud des Hilus des Ovariums (Schaf), dadurch wird die Herkunft der in Rede stehenden Elemente vom Keimepithel ausgeschloss en, und es bleibt nichts anderes tibrig, als dieselben vom Segmentalsystem herzuleiten. Harz weist darauf hin, daC diese Herleitung eine gewichtige Stiitze durch die Beobachtungen Braun's erfahrt, der das Her- vorgehen solcher in die Anlage des Genitalorgans hineinwachsender Epithelstrange und Kanale von der Wand der Malpighi'schen Korperchen der Urniere direkt beobachtete. Aber diese vom Segmentalsystem herzuleitenden Bildungen zeigen sich keineswegs bei alien Saugetieren in rudimentarer Form und Ausdehnung. Im GegenteJl giebt es Arten, bei denen dieselben zu machtiger Ent- wicklung gelangen, das bindegewebige Stroma fast vollstandig verdrangen und der Masse nach wenigstens zeitweise den Haupt- teil des Eierstocks bilden (Meerschwein, Hase, Cebus capuciuus, Pferd). Zwischen diesen beiden Extremen, d. h. der Gruppe von Tieren , bei denen die Segmentalzellen den Eierstock gar nicht erreichen, und der zweiten Gruppe, bei welchen sie einen iiber- wiegenden Bestandteil des Eierstocks bilden, nehmen andere (Katze, Rind, Hapale) eine Mittelstellung ein. Indessen laCt sich auch bei der zweiten Gruppe, wo sich spater massenhaft ent- wickelte solide Epithelstrange durch den ganzen Eierstock hin- durch angeordnet finden, darthun, dafi dieselben vom Hilus her hiueinwachsen (Meerschwein). Am sichersten ist dies bei der Katze zu beobachten. Harz wendet sich dann mit Entschiedenheit gegen die Kol- liker'sche Auffassung, die jenen Strangen einen Anteil bei der Bildung der FoUikel zuschreibt. Bei manchen Saugern (Mensch, Schwein) fehlen die Segmentalstrange im Ovarialinnern vollstandig, bei anderen (Schaf) erreichen sie nicht das Eilager, bei einer dritten Reihe erreichen sie es erst, wenn dort Follikel bereits gebildet sind. Fiir die Bildung der Membrana granulosa ist Harz der Ansicht, dali dieselbe nicht in dem Sinne vom Keimepithel 64 RichardSemon, abstammt, daB gleichzeitig mit den Ureieru kleinere Zellen dieses Epitbels einwanderten, sondern er neigt der Ansicht zu, daC die Zellen der Membrana granulosa iuuerbalb des Stromas von den Ureiern gebildet werden. Weldon (27) war der Erste, der die Segmentalstrange als die Matrix des nicht nervosen Teils der Nebenniere erkannte. Wahrend Janosik (25) diesen Teil der Anlage vom Peritoneal- epithel berleitet, glaubt Weldon bei Selachiern und Reptilien ihren Ursprung vom Epithel der Malpighi'schen Kapseln mit Sicherheit beobachtet zu haben; weniger klar ist ibre Herkunft beim Hiibncben zu erkeunen. Das Epithel der Malpighi'schen Kapsel ist nach ihm uberall, ausgenomraen an der Innenseite, von einem einfachen Zellenlager gebildet; an der Innenseite geht es ohne bestimmte Grenze in das Gewebe der Nebenniere iiber, die uoch aus einer kompakten Masse polygonaler Zellen gebildet ist, ohne daC ein Unterschied zu bemerken ware, was Nebenniere oder Samenkanalchen werden wird. Ich komme schlieClich zu der letzten und umfangreichsten Arbeit, die iiber die uns hier beschaftigenden Fragen verofifentlicht worden ist. Es sind die Untersuchungen von Mihalkovics (28) iiber die Entwicklung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Mihalkovics hat die Entwicklung des Urogenital - systems bei Reptilien, Vogeln und Saugetieren nach alien Rich- tungen untersucht und auch die Litteratur in ausgedehntem MaCe beriicksichtigt , die besonders in den neueren Arbeiten oft sehr unvollkommen beachtet worden ist. Aufiallenderweise hat er sich aber dabei streng auf die Amnioten beschriinkt, obwohl doch, wie wir sahen, der Anstofi zu den nach Waldeyer's Arbeiten wichtigsten Fortschritten gerade von den SEMPER'schen Ent- deckungen an Plagiostomen ausging. Ich will hier nur kurz den Inhalt dieser sorgfaltigen und bedeutungsvollen Arbeit referieren. Da ich mich selbst in vielen Punkten im Gegensatz zu Mihal- kovics befinde, werde ich unten noch haufig Gelegenheit haben auf Einzelheiten zuriickzukommen. Was das iudifterente Stadium anlangt, so beschreibt Mihal- kovics die Entstehung der Ureier im Keimepithel und ihre Ein- wanderung in das bindegewebige Stroma der Driise wie seine Vorganger. Er folgert aber aus der Abnahme der groCeu Ge- schlechtszellen in der Geschlechtsleiste, daB diese nicht die Anlagen der Eier sind, denn in diesem Falle mUBten sie ja bleiben und l)io indiflPerente Anlage dor Keimdriisen beiin Hiihnchen u. s. w. 65 sich in cler eingeschlagenen Riclitung weiter entwickeln. Seiuer Meiuung nach sind sie bestimmt, „aus dem archiblastischen Ma- terial des Mesoderm herausdifferenzierte Epithelgebilde unter die parablastischen Elemente der Geschlechtsdriise hineingelangeu zu lassen, wo sie durcli Teilung zur Bildung der Gesamtniasse des Keimdriisenblastem beitragen." Was das Auftreten der Segmen- talstrange anlangt, die Mihalkovics „Sexualstrange" nennt, so leitet er sie weder von der Urniere ab, nocb auch laCt er sie durch direktes Einwuchern aus dem Keimepithel in Form vou Strangeu entstehen, sondern auf indirektem Wege durch Infiltra- tion des Stroma durch die Nachkommen der Keimepithelien, dann durch eine Herausdifferenzieruug derselben aus dem Stroma in Form von Strangen, Mihalkovics nimmt hier einen gewissen Unterschied fiir die Eutstehung der Nebenniere und der Sexual- strange an. Die Zellenstrange der Nebenniere sollen aus eiuer direkten Wucherung des Colomepithels herstammen, die Sexual- strange aber, wie erwahnt, indirekt durch ein Einwandern der groBen Geschlechtszellen , dann durch eine Herausdifferenzieruug seitens deren Nachkommen entstehen. Dem Wesen nach ist aber der Unterschied nicht bedeutend, da die Quelle fiir beide dieselbe ist. Am oberen Drittel der Geschlechtsdruse liegt eine gemischte Zone, wo die Sexualstrange mit den Nebennieren zusammeuhiingen ; dieser Zusammenhang wird am Hilus der Geschlechtsdriise bald durch zwischenwachsende GefaCe und Bindegewebe getrennt, und es werden aus dem ventralen, in der Geschlechtsdruse gelegenen Teil der Zelleuhaufen Sexualstrange, aus ihrem dorsalen, jenseits der Geschlechtsdriise sich erstreckenden Teil Nebennierenstrange. Mihalkovics sucht ausfiihrlich die Unmoglichkeit der Ableitung jener Strange von den Malpighi'schen Kapseln darzuthun. Er fiihrt fiir seine Aufitassung an , daB , wenn auch Segmentalstrange und Malpighi'sche Kapseln dicht bei eiuander liegen, stets eine Grenze zwischen ihnen sichtbar sei, daB kein tJbergang der groBen Zellen der Strange zu jenen der Kapseln vorhanden sei, daB die Strange nicht zuerst am Hilus der Keimdriise, sondern gleichzeitig in ihrer ganzen Lange auf einmal auftreten, endlich, daB bei den hoheren Amnioten (von den Vogeln an aufwarts) unzweifelhaft festgestellt sei, daB die Nebennierenstrange nicht von Kapsel- epithelien, sondern vom Colomepithel stammen. Ich muB jedoch schon hier hervorheben, daC die Beweise von Mihalkovics fiir > die Abstammung der Strange bei hoheren Amnioten dieselben sind wie diejenigen, die er fiir die Reptilien anfiihrt; deshalb Bd. XXl. N. F. XIV. 5 66 E i c h a r d S e m 0 n , erscheint der letzterwahnte Grund wenigsteiis nicht besonders schwer ins Gewicht fallend. Was nun die geschlechtliclie Differeuzierung aulangt, so wird nach MiHALKOvics die Keimdriise zum Ovarium, wenn in der in- different gebauten Driise, die in jedem Embryo aus einem Ober- flachenepithel und in das Bindegewebe eingebetteten epithelialen Zellenstrangen besteht, die Zellen des Keimepithels sich stark ver- groCern (zu Primordialeiern werden) und durcb das Kindenstroma hindurchdringend die Sexualstrange derart beoinflussen, daC letztere ihre morpbologische Selbstandigkeit aufgeben und in den Dienst der Primordialeier treten. Wenn aber die eingewanderten groCeren Keimepithelzellen weder so zahlreich noch so grofi sind, daB die Sexualstrange, in welche sie einwandern, deswegen Strange zu bleiben aufhoren, so wird die Keimdriise zum Hoden und das Geschlecht mannlicb. Fur die weibliche Keimdriise will ich bier nur kurz erwabnen, dafi MiHALKOvics das Follikelepithel von den Sexualstraugen her- leitet. Es baben, da letztere ja auch indirekt aus dem Keimepitbel stammen soUen, die Follikelepitbelien dieselbe Herkunft wie die Primordialeier, nur gelangen sie nicbt zu gleicber Zeit in das Stroma, sonderu zuerst die Anlagen der Follikelepitbelien, d. h. die Elemente der Sexualstrange, dauu nacb einer Pause die Pri- mordialeier. Zellenstrange, die sicb im Markstroma des Eierstocks finden, sind bomolog den Hodenkanalcben. Es sind Reste der Urniere, und wie im Hoden treten sie aucb im Ovarium (beim Menscben) erst sekundiir in Verbindung mit den indirekt aus dem Keimepitbel stammenden Sexualstraugen. Ganz ahnlicbe Vorgange wie im Ovarium sollen sich im Hoden abspielen. Die Sexualstrange liefern in beiden Geschlecbtern die epitbelialen Wande der Driisenformation (Follikel, Samenkanalcben), und mit der P^inwanderung dieser Gebilde beginnt das Keimepitbel seine aktive Rolle; nach einer Pause beginnt das Keimepitbel wieder zu wuchern und Elemente in das Stroma hineinzusenden, woraus im weiblichen Geschlecht die Primordialeier, im mannlichen die groBen, runden Hodenzellen werden. Die Sexualstrange transformieren sich an ihren Endeu zu Samenkanalcben, indem sich ihre Zellen teilen, und die Strange von seiten der angrenzenden Zellen des Stroma eine Membran erhalten ; inzwischen wandern die groBeu Geschlechtszellen (Pri- mordialeier) in die Samenkanalcben ein. Die interstitiellen Hoden- • zellen, die nach Gestalt und anderen Verhaltnissen den Zellen der Die iudiffei'ente Anlage der Keimdriiseu beim Hiihnclien u. s. w. G7 Nebciinierenrinde iilinlich sehen , halt Mihalkovics fiir Nacli- kommcu derjenigeu Sexualstrange, deren Elemente nicbt vollkoni- meu zur Bildung von Sameukaiuilcheii aufgebraucht wordeu sind, uud sieht soinit iu ihnen epitheliale und nicht biudegewebige Gebilde. Die Vasa ejfferentia und das Hodennetz entsteht derart, daB von den Malpighi'schen Kapseln am proximalen Ende der Urniere Epithelstrange in den Hilus des Hodens hineinwachsen. Diese Fortsatze sind so schraal, daC sie anfangs beinah solide erscheiuen. Sie kommunizieren mit den Urnierenkanalchen zunachst vermittelst der Malpighi'schen Kapseln; nach der Verschrumpfung der letzteren gehen sie direkt ineinander tiber. Die Verbindungsstelle dieser Kanale mit den gewundeneu Samenkanalchen findet im Embryo an jenem Telle statt, wo letz- tere abgerundet das Bindegewebe des Highmor'schen Korpers beruhren. Eigeiie Untersuchungen am Hiihnchen. Die historische Ubersicht hat gezeigt, dalJ in den meisten Punkten unter den zahlreichen Autoren noch die grofite Uneinig- keit herrscht. Nur liber die Entstehung der Ureier aus dem Keimepithel ist man einig, obwohl sogar auch dieser Punkt schon einmal Anfechtung erfahren hat. Auch die Einwanderung der Ureier in das sogenannte Stroma ist in gleicher Weise von fast alien Untersuchern beobachtet worden, und die Behauptung ScHMiEGELOw's , daB die groCen Zellen (Ureier) des Stromas von deujenigen des Keimepithels genetisch verschieden seieu, kouneu wir als unbewiesen und dabei hochst unwahrscheinlich auf sich beruhen lassen. Doch herrscht schon in der Deutung dieser Zellen bei den Autoren Zwiespalt. Die Mehrzahl faCt sie als Ur- eier, das heiBt als die Mutterzelleu der Keimzellen (Eier und Spermatozoen) auf. Mihalkovics macht hier aber Unterschiedu. Erst die z w e i t e Entstehungsperiode der sogenannten Ureier liefert wirkliche Keimprodukte. Die Zellen der ersten Periode fuhrcn dem Stroma das Material zu, aus dem Follikelepithel oder Samen- kanalchen (eventuell interstitielle Hodenzelle) wird. Dies fuhrt zu dem strittigsten Teil der ganzen Frage, zu der Herkunft der sogenannten Segmentalstrange (Marksti-Jinge, Sexual- 68 RichardSemon, strange). Nach den einen sollen diese Strange von einem Teil der Urniere aus in die Keimdruse einwuchern ; die anderen leiten sie aus dem Keimepithel ab, wieder andere aus dem Stroma. MiHALKOVics laBt sie sich aus epithelialen Eleraenten heraus- difierenzieren, die sich durch Einwanderung aus dem Keimepithel dem Stroma beigemischt haben. Er stellt also eine Vermittlung zwischen der zweiten und dritten Ansicht her. Als dritter Haupt- punkt, in dem noch immer keine Klarheit geschafien ist, ware die Bildung des Follikelepithels am Ei zu erwahnen. Auf diesen Punkt habe ich aber in meinen Untersuchungen weniger mein Augenmerk gerichtet, mich vielmehr im wesentlichen auf die Ent- wicklung der indiffereuten Anlage und der mannlichen Keiradriise beschrankt. tJber die Methoden, deren ich mich bei meiner Untersuchung bedient habe, ist wenig zu sagen. Es waren die gewohnlichen, jetzt iiberall bekannten und geiibten. Als bestes Fixierungsmittel bewahrte sich Pikrinessigsaure. Ich kann fiir die hier zu behan- delnden Fragen empfehlen, recht stark zu farben und recht diinne Schnitte zu machen. Es erwies sich als giinstig, Doppelfarbungen anzuwenden (Karmin-Pikrinsaure, Hamatoxylin-Eosin oder Me- thylgriin etc.). Alles in allem aber kann man sagen, dafi die bis- herigen Methoden fiir die scharfe Darstellung der Segmentalstrange noch im Stiche lassen. Wenn auf einem Querschnitt durch einen Embryo alle tibrigen Organe in musterhaftester Klarheit vorliegen, laCt die Keimdruse immer zu wunschen iibrig. Dies ist wohl weniger Schuld des Untersuchers und der Methode als des Um- standes, daB hier Durchwachsungen und Durchdringungen ver- schiedener Gewebselemente eintreten, wie sie bei anderen Organen nicht beobachtet werden. Wie Waldeyer finde auch ich „die erste Spur der Anlage der Sexualorgane zwischen Enddarm und Wolff'schem Korper an der medialen Flache des letzteren als eine betrachtliche Verdickung des Epithels" (vgi. Fig. I). Sie tritt ein, lange bevor die Miiller- schen Gauge angelegt sind, etwa zwischen 3. und 4. Tage der Bebriitung. Auf genauere Zeitangaben nach Tagen und Stunden der Bebriitung ist wenig Wert zu legen, da man nur allzuhiiufig Eier erhalt, die von den Hlihnern jjuweilen tagelang bebriitet worden sind. Die Zeitangaben der verschiedenen Autoren werden ferner durch den Umstand inkommensurabel gemacht, daC die Eier bei verschiedenen Temperaturen bebriitet wurden. Findet die Bebrii- tung bei 38" C statt, so wird man niemals am Ende des 4. Tages Die indiflFereute Anlage der Keimdrlisen beim Hiihnchen u. s. w. 69 die erwahnte Epithelverdickung vermissen. Nahere Untersuchung zeigt nun, dafi man es dabei nicht mit einer gleichmaBigen Ver- mehrung der Epithelzellen zu thun hat, sondern daC fur den hier stattfindenden ProzeB das Auftreten grofier Zellen mit blasigem Kern charakteristisch ist, die schon von Bornhaupt gesehen, von Waldeyer aber erst in ihrer Bedeutung erkannt und als Ur- oder Primordialeier beschrieben worden sind. Schon die Durchmusterung einer geringen Anzahl von Schnitten liefert alle tJbergangsstadien von niedrig-cylindrischer Epithelzelle, die fast vollig von dem lang-ovalen, durch Farbstoife stark tin- gierten Kern erfiillt ist und nur einen dunnen Protoplasmamantel um letzteren ausscheidet, zu der haufig 5mal groBeren Ureizelle rait grofiem blasenformigen Kern, der sich nur schwach farbt (vgl. Fig. I Icep und ur). Stets aber ist die GroBe des Kerns im Verhaltnis zu derjenigen der ganzen Zelle eine maBige. Auch der Plasmaleib der Ureier ist hell und tingiert sich nur schwach, und zwar um so schwacher, je groBer das Urei ist. Diese Ureier nun findet man in alien Stadien der Entwicklung und Teilung und demzufolge den verschiedensten GroBen und mehr oder weniger gefarbt im Epithel. Trotzdem ist ihr Habitus ein so charakteristischer, daB wohl niemals ihre Unterscheidung von irgend einer andereu Zellform des embryonalen Korpers schwer fallen diirfte. Man findet die Zellen, wie erwahnt, im Epithel, aber auf wenig alteren Stadien auch nach innen von diesem hinein- geschoben in das darunter liegende Bindegewebe (Fig. I Igw). Doch kommt es dabei im groBen und ganzen mehr zu einer Verdrangung der Bindegewebszellen als zu einer Mischung beider Zellformen, und nur in geringer Anzahl sieht man die Binde- gewebszellen zwischen den Ureiern liegen. Diese auBerst schwache Entwicklung des Bindegewebes ist fiir die ersten und mittleren Entwicklungsstadien der Keimdriise im hochsten Grade charakte- ristisch. Der groBte Teil des Bindegewebes, das wir in alteren Stadien in der Keimdriise finden, wuchert erst viel spater als Begleitung der GefaBe hinein. Es finden sich nun im Epithel ebenso haufig als einzelne Ureier ganze Komplexe dieser Zellen, die sich als Teilungsprodukte eines einzelnen Ureies ausweisen. Man trifft zwei, vier, acht und mehr beisammen, zuweilen zwei noch nicht vollstandig geteilt und schon wieder in neuer Teilung be- griffen. Karyokinetische Figuren sind haufig zu beobachten. Es hat entschieden den Anschein, als ob die Teilungsprodukte eines Ureies von einer gemeinsamen, sehr dunnen Hiille umschlossen 70 EichardPemon, seien, wie schon Semper bei Plagiostomen beobachtet hat. Direkt schcn kann man diese Hiille freilich nicht, aber das Vorhanden- sein pragt sich in einer scharf ausgesprochenen Abgrenzung der Zellkomplexe, die von einem Urei stammen , aus. Semper nennt diese Komplexe sebr treffend „Ureiernester", und scheint mir dieser Ausdruck allgemeinere Aufnahme zu verdienen. Gewohnlich findet man in den XJreiernestern nicht eine Anzahl deutlich uraschriebener, Avohl begrenzter Zellen, sondern mehr eine protoplasmatische Masse niit Kernen. Dabei dienen allerdings die Kerne als Attraktions- centra fiir das Protoplasma, das sich spharisch um diese Centra anzuhaufen beginnt. Deutliche Zellgrenzen sind dabei aber fast niemals wahrzunehmen. Die Teilungsvorgange, die das Primor- dialei zu einem Ureiernest zerfallen lassen, erinnern an die wirk- liche Eifurchung bei Vogeln; man konnte sie eine primordiale Furchung nenneu. Es verdient hervorgehoben zu werden, daC der histologische Vorgang der Bildung der Ureier, die Structur der letzteren und die Bildungsart der Ureiernester bei alien \Yirbeltierklassen auliallende Ahnlichkeiten aufweist und in fast gleicber Weise von Semper bei Plagiostomen, Braun bei Reptilien, Balfour bei Saugetieren beobachtet und geschildert worden ist. Niemals habe ich beobachten konnen, dafi die Ureier bei ihrer Auswanderung aus dem Epithel Zellen des letzteren mit sich nehmen. Oft hat es allerdings bei den noch im Epithel liegenden Ureieru den Anschein, als seien sie in der geschilderten Weise von Epithelzellen umgeben. Dies ist aber an sich nicht beweisend, denn es ist nicht verwunderlich, dafi die Epithelzellen sich den stark in Vermehrung begritfenen Ureiern acconimodieren. Da aber, wo die Ureier den Epithelverband verlassen haben, sieht man niemals derartige Bilder, und fiir das Hiihuchen wenigsteus laCt sich als Kegel aufstellen, daC die Ureier beim Ausscheiden aus dem Epithelverband nicht von unveranderten Epithelzellen be- gleitet werden. Es kommt vor, daC das ungeteilte Urei das Epithel verlafit und in das unterliegende Gevvebe auswandert ; ebenso haufig wird aber ein ganzer Zellenkomplex, den wir Ureiernest nennen, als solcher aus dem Epithel hinaus und in die tiefer liegenden Ge- webe hineingeschoben. Dieser Unterschied ist naturlich ein ganz nebensachlicher, denn es kommt wenig darauf an, ob das Urei schon im Epithel oder erst spater sich zu teilen beginnt. Darauf aber ist Gewicht zu legen, daJB der Vorgang nicht als eine zapfenformige Vorstiilpung des Epithels in das Bindegewebe, Die indifferente Anlnge der Keimdriisen beim Hiihncheu u. s. w. 71 vielmehr als eine Einwanderung einzelner Zellen oder abge- schlossener Zellenkomplexc in letzteres hinein sich darstellt. Auch wenii das Urei als solitare Zelle aus dem Epithel aus- wandert, wird doch aus ihr spater durch Teilung ein Ureiernest. Die Teilung erfolgt ganz, wie fur die schon im Epithel gebildeteii Ureiernester beschrieben ist, und wir haben also hier bloC eiiic nebcnsachliche zeitliche Verschiebung vor uiis. tJber das Schicksal der Ureiernester soil spater berichtet werden, wenn wir einen an- deren, mit der Ureierbildung glcichzeitigen Vorgang naher ins Auge gefafit haben. Nur sei noch erwahnt, dafi das embryonale Bindegewebe, in welches die Ureier zunachst eindringen und das sie spater allniahlich groCtenteils verdraugen, ebenfalls zu wuchern und seine Elemente zu vermehren beginnt. Fast gleichzeitig mit der ersten Verdickung des Keimepithels und der Entstehung der Ureier sehen wir eigentiimliche Prozesse an der Urniere vor sich gehen. Zu dieser Zeit besteht die Ur- iiiere nur aus wenigen Queikaniilen, die in den relativ sehr weiten Langskaual, den Wolfi'schen Gang, einmiinden. Das Epithel aller dieser Kanale besteht aus hohen Cylinderzellen mit ovalen, durch Farbstotfe stark tingierten Kcrnen. Man sieht nun schon zu dieser Zeit bei genauer Untersuchung an der der Mittellinie zugewendeten , dem Wolff' schen Gange abgewendeten Seite der Urniere in dem anstofienden Bindegewebe eigentiimliche, un- regelmiiCig geformte Zapfen oder Strange liegen , die bald auf Quer-, bald auf Schief-, bald auf Langsschnitten getrotfen sind, mag man die Schnitte durch den Embryo legen, wie man will. Hieraus geht hervor, dafi die Wachstumsrichtung der Strange eine ganz unregelmafiige ist; doch scheint bei der Mehrzahl eine schiefe Eichtung seitlich von oben und hinten gegen die Mitte nach unten und vorn vorzuherrschen, wie man sich am besten durch Vergleichung von Quer- und Frontalschnitten durch den Embryo iiberzeugen kann. Diejenigen Strange, welche am meisten ventral- warts liegen, nahern sich bedcutend der oben beschriebeneu Ver- dickung des Keimepithels, die eben beginnt sich faltenartig vor- zuwolben, ohne sie jedoch bis jetzt zu erreichen. Ehe ich die Strange genauer beschreibe, will ich gleich bemerken, daC dies ohne Zweifel die sogenannten Segmentalstrange (Markstriinge, Sexualstrange) sind. Diejenigen Autoren (Schmiegelow, Mihal- KOvics), welche diese Strange plotzlich in ihrer ganzen Lange vom medialen Teil der Urniere bis zum Keimepithel auftreten sahen, haben sie oflenbar erst auf zu spaten Stadien bcobachtet. 72 Richard Semon, ScHMiEGELOW giebt ausdriicklich an, daB sie am 6. oder 7. Brtit- tage auftreteii; ich sehe sie aber ausnahmslos schon am 5. Tage, gewohnlich schon am vierten. Freilich haben sie zu dieser Zeit noch nicht das Keimepithel, ja nicht einmal die faltenartige Er- hebung, die durch die Epithelverdickung hervorgerufen wird, er- reicht. Auch liegen sie noch fern von den am meisten gegen das Stroma vorgeschobenen Ureiern oder deren Derivaten, den Zellen der Ureiernester, die man stets ohne Miihe als solche erkennen kann. Es liegt somit auch keine Moglichkeit vor, die Strange als die Produkte der Ureier oder Ureiernester zu betrachten, Bei aufmerksamer Durchmusterung einer groCen Anzahl von Schnitten (Quer- oder Frontalschnitte sind am geeignetsten) wird man nun imraer Bilder treffen, die die Abstammung der fraglichen Stiimme von Kanalchen der Urniere, bei alteren Embryonen auch von den Kapseln der Malpighi'schen Korperchen ganz unzweideutig erweisen (Fig. II und Fig. III). Man sieht, daC sich ab und zu aus der Wandung einer Kapsel ein solider Zapfen vorbuchtet, der unter mannigfachen Kriimraungen, unregelmaCigen Teilun- gen, Netzbildungen weiterwachst. Diese UnregelraaCigkeit des Wacbstums macht die Beobachtung so iiberaus schwierig, denn hochst selten und nur zufallig wird ein Zapfen auf eine groiJere Strecke hin in seiner Langsrichtung getroffen. Trifft man einmal zufallig einen Langsschnitt, so ist er gewohnlich umgeben von quer und schief getroffenen Zapfen (Fig. II). Dafi die Zapfen ein unregelmaBiges Netzwerk bilden, dessen Maschen bald aus- einanderfahren, bald wieder zusammenlaufen, kann man hin und wieder auf giinstig getroffenen Strecken erkennen (Fig. IV sgst). Hier liegt dann dasselbe Bild vor, wie es Braun vermittelst Re- konstruktion bei den Reptilien erhielt. Die Zellen der Strange sind nicht vollig gleichartig den Epithelzellen der Urnierenkanalchen ; sie sind selten cylindrisch, gehen mehr in rundliche Formen uber, sind haufig kleiner, iiber- haupt von wechselnder Form und GroCe. Doch kann man an den aus den Kanalchen heraussprossenden Zapfen alle Ubergange von den normalen, cylindrischen Epithelzellen der Kanalchen zu den etwas kleineren, rundlichen, unregelmaCigen Zellen der Zapfen auffinden (vgl. Fig. II tmJc, sgst). Sammtliche bisher geschilderten Eigentiimlichkeiten, die Zapfen- form, die unregelmaBige Art des Wachstums, die wechselnde Gestalt und GroCe der Zellen, alles zusammen verleiht unseren Strangen die auffallendste Ahnlichkeit mit Carcinomzapfen , die Die indifferente Anlage der Keimdriisen beira Huhnohen a. s. w. 73 aiis einer Cylinderepithel besitzenden Driise hervorsprossen. Ja selbst eine weitere tJbereinstimraung nehmen wir wahr, eine auf- fallende Vermehrung und Proliferation des Bindegewebes , die in beiden Fallen ohne Zweifel durch den Reiz, den das starke Wachs- tura des Nachbargewebes ausubt, hervorgerufen wird. Denn die schlieCliche Beteiligung des Bindegewebes bei dera Bau der sich bildenden Organe ist gering, und groBtenteils wird das gewucherte Gewebe zuletzt durch die stark sich vermehrenden Zapfen wieder verdrangt. Fur die Beobachtung wird aber durch die starke Zunahme des Bindegewebes eine neue Schwierigkeit gesetzt und hierin, sowie in dem unregelmaBigen Auftreten und Wachstum der Zapfen sehe ich den Hauptgrund fiir die Unsicherheit , die noch immcr fur die Herleitung der Strange herrscht. Mihalkovics macht die positive Angabe, dafi man bei genauem Zusehen stets eine Grenze zwischen Zapfen und Urnierenkanalchen respektive Kapseln wahr- nehmen konne. Ich muB das Gegenteil behaupten. Gewohnlich fehlt die bestimmte Grenze, aber gerade die Unbestimratheit der Umrisse (bei sonst vorziiglich konserviertem Gewebe) macht es miClich, zu demonstrieren, dafi der Zapfen eine Hervorwolbung eines Teils der Kanal- oder Kapselwandung ist. Doch findet man ab und zu auch ganz unzweideutige Bilder, besonders wenn der Zapfen aus einem Kanalchen stammt; entsteht er durch Vorwolbung der Kapselwand (bei weitem die haufigere Entstehungs- art), so sind unzweideutige Bilder seltener; sie sind aber mit einiger Miihe auch stets aufzufinden (vgl. Fig. III). 0 Von der ganzen medialen Seite der Urniere wuchern die Zapfen in der oben geschilderten Weise nach der Mittellinie zu ein Stuck weit in das benachbarte Bindegewebe. Sie werden bei der Bildung zweier sehr differenter Organe verwendet, der Keira- driise und der Nebenniere. Zur Bildung des Drusenteils der letzteren werden die mehr dorsal wiirts gelegenen Zapfen verbraucht. Auf ihre weiteren Schicksale soil hier nicht weiter eingegangen werden. Die mehr ventralwarts gelegenen Zapfen wuchern in der oben gekennzeichneten schiefen Richtung in die Falte, die sich beiderseits vom Mesenterium — verursacht durch die Verdickung des Keimepithels — hervorwolbt. 1) Stammt der Zapfen aus einem Kanalchen , wie erwahnt das ungleich seltenere Vorkommnis, so entsteht er doch immer dicht an der Einmiindungsstelle des Kanalchens in den Malpighi'schen Kdrper. — Fiir die Feststellung aller dieser Verhaltnisse leistete mir das Zeichnen und nachherige Rekonstruieren der Sclmittserieu die besten Dieuste. 74 E. i c h a V d S e m 0 n , An diescr Falte ist nicht nur das Epithel stark verdickt und gewuchert, soudern auch — wohl infolge des hierdurch hervor- gerufenen Reizes — das Bindegewebe. Ureier liegen solitar oder in Ncstern im Epithel und im Bindegewebe nicht allein der Falte, son- dern auch der angrenzenden Abschnitte (Fig. V mep). Besonders im Epithel des Mesenteriums kann man zu dieser Zeit noch haufig Ureier antreffen. Dieselben scheinen aber nicht weiter zur Entwick- lung zu kommen und normaler Weise zu Grunde zu gehen, denn in spjiteren Entwicklungsstadien sind sie stets spurlos verschwunden. Sobald die Epithelzapfen in die Keimfalte einwandern, ver- drangen sie allmahlich das gewucherte Bindegewebe bis auf ge- ringe Reste und kommen an vielen Stellen in direkten Kontakt mit dem Keiniei)ithel (Fig V sgst, hep). Aus letzterem, ebenso wie aus dem Bindegewebe, wandern nun Ureier und Ureiernester in die Epithelzapfen ein, die dicht gedrangt das Centrum der Keimdriise einnehmen. Es zeigt sich dabei, daC der Zellverband, den ein Ureiernest bis zu einem gewissen Grade darstellt, kein dauernder ist, und zwar weder in der Keimdriise, die zum Hoden, noch auch derjenigen, die zum Ovarium wird. Die Ureierzellen er- reichen in spateren Entwicklungsstadien im Hoden gewohnlich nicht mehr so bedeutende GroBe, wie anfangs. Docli kann man sie stets ohne besondere Schwierigkeit von den Zellen der Zapfen, noch leichter von den Bindegewebszellen unterscheiden. Auf dem eben geschilderten Stadium bleibt die Keimdriise lange Zeit stehen. Die Hauptveranderungen sind durch GroBen- zunahrae bedingt, die durch Vermehrung der Strange (Hinein- wuchern neuer und Ausbreitung alter Zapfen) und durch Ein- wandern von neuen Ureiern in die Strange verursacht wird. Die geschlechtliche Differenzierung , die sich beim Huhnchen am 5., spiitestens am 6. Tage erkennen liiCt, macht sich zunachst dadurch bemerklich, daB bei weiblichen Embryonen die rechte Keimdriise in auffallender Weise im Wachstum zuriickbleibt. Auch beim Mannchen entwickclt sich haufig der rechte Hoden langsamer und bleibt oft zeitlebens kleiner. Aber die Dilferenz ist hier stets so unbedeutend, daB man am 6. Tage immer ohne Miihe Hoden und Eierstock an diesem Merkmal unterscheiden kann. Schwieriger ist anfangs die histologische Unterscheidung. Waldeyer will frtih eine Differenz darin erkennen, daB das Keimepithel des Eierstocks sich starker entwickelt, wahrend dasjenige des Hodens je langer, je mehr im Wachstum zuriickbleibt. So soil man schon sehr friih Embryonen, deren Keimdriise von einem niedrigen, Die indifferente Anlage der Keimdrlisen bcira Hiihnchen u. s. w. 75 flachen Epithel iiberzogen ist, als mannliche erkennen konnen. Ich halte dies Merkmal fur sehr wenig sicher. Noch am 12. Tage tragen viele Stellen der mannlicben Keiindriise, besonders an den vordercu und raittleren Abschnitten derselben, ein mchrschicbtiges, deutlicb ausgepragtes Keimepithel, in welchem fortdauernd Ureier zur Entwicklung konimen (Fig. VI hep). Das beste histologische Unterscheidungsmerkmal scheint mir das zu sein, daC im Hoden- parenchym die Segraentalstrange niemals eine wicbtige Rolle zu spielen aufhoren, dieselben dagegen im Eierstock gegen die JiuGerst zablreich sich vermehrenden Ureier zuruckzutreten begiuncn ; ob sie schlieBlicb ganz verdriingt werden, als Rudimente bestehen bleiben oder bei der Bildung des Follikelepithels eine Rolle spielen, kann ich nicht direkt entscheiden, da ich ausschlieClich der mann- licben Keimdriise meine Aufmerksarakeit zuwandte. Auf diese Frage komme ich aber am Schlusse der Untersuchung zuriick. Auch in der mannlicben Keimdriise kommt bald nach der Ein- wucherung der Strange in die Driise eine Zeit, wo die Grenzen und ganze Auspragung dieser Gebilde undeutlicher wird, als sie im Anfang war. Dies wird dadurch verursacht, dafi immer neue Strange einwuchern und so die ganze Masse auCerst fest aufein- andergepreBt wird. Andrerseits macht auch das Eindringen der Ureierzellen in die Strange die Grenzen derselben an vielen Stellen undeutlich. Dazu kommt, daC ein bindegewebiges Zwischengewebe zu dieser Zeit nur ungemein schwach entwickelt ist (Fig. V hgw). Doch muB betont werden, daC es zu alien Zeitcn gelingt, den Bestand der Strange als solcher zu konstatieren. Am 7. Tage begiunen BlutgefaCe vom Hilus aus in die Driise einzuwuchern, und da sie ihre Sprossen zwischen die dicht beisammen liegenden Epithelzapfen einschiebeu, treten letztere nun wieder deutlicher im mikroskopischen Bilde hervor. Auch bringen die ein- M'achsenden GefaBe reichlichere Mengen von Bindegewebe mit sich, das nun erst beim Aufbau des Organs eine Rolle zu spielen anfangt (Fig, VI hgw). Eigentlich sind damit alle wesentlicheii Bestandteile des Organs augelegt, und die nunmehr folgenden Veranderungen sind mehr sekundarer Natur. Zunachst ist hervorzuheben , daB die Ureierbildung bis zum Ende der zweiten Woche ununterbrochen vor sich geht. Mihal- Kovics unterscheidet zwei Periodeu der Ureierbildung; die erste soil das Material fiir die „Sexualstrange", die zweite erst wirk- liche Ureier liefern. Beide Peiioden werden durch eine Pause getrennt, in der iiberhaupt keine ureierahnlichen Zellen im Keim- 76 RichardSemon, epithel gebildet werden sollen. Eine solche Pause existiert aber, beim Huhnchen wenigstens, nicht. Die Ureierbildung findet bier unausgesetzt statt, bis sie etwa in der Mitte der dritten Woche definitiv aufliort, und das Keimepithel sich zu einer diinnen Schicht platter Zellen abflacht, die das darunter eingewucherte, stark entwickelte Bindegewebe tiberzieht (Fig. VII ep). Eine Unterscheidung zweier Perioden der Ureierbildung kann somit beim Huhnchen nicht aufrecht erhalten werden, urn so weniger als, wie wir sahen, die Segmentalstrange nicht Abkommlinge des Keim- epithels, sondern der Urnierenkanalchen und Kapseln der Mal- pighi'schen Korperchen sind. Fig. VI stellt die Keimdriise auf diesem Stadium der Ent- wicklung dar. Das Keimepithel {hep) ist gegen fruher reduziert, aber immer noch vorhanden und produziert fort und fort Ureier [ur). Die Segmentalstrange {sgst) heben sich deutlicher hervor als fruher (Fig. V), wo das zwischen den einzelnen Strangen be- findliche Bindegewebe nur ganz unbedeutend zur Entfaltung kam. Jetzt werden die einzelnen Strange durch Bindegewebe, das in reichlicher Menge mit den GefaBen in die Druse eingewuchert ist, voneinander getrennt. Wenn das Bindegewebe beginnt, die dicht mit Ureiern er- fiillten Sexnalstrange vom Keimepithel zu trennen, hort die Ur- eierbildung auf. Das Keimepithel flacht sich ab (Fig. VII ep)^ das darunterliegende Bindegewebe accommodiert seine Verlaufsrich- tung der Oberflache des Organs und wird nun als Albuginea bezeichnet (Fig. VII alb). Der bindegewebige Teil dieser Albuginea, die somit als ein Produkt des vom Hilus her mit den GefaCen eingewucherten Bindegewebes zu betrachten ist, behalt seinen Zusammenhang mit letzterem, der Anlage der Septulae testis (Fig. VII hgw). Der Hode haugt urn diese Zeit mit der Urniere in seiner ganzen Breite durch die eingewucherten Segmentalstrange, GefaBe und Bindegewebe zusammen, aber der Zusammehhang beginnt sich nun zu lockern, an den meisten Stellen wird er nur noch durch ein von weiten Lucken erfiilltes Maschenwerk eingenommen, das allniahlich groCtenteils schwindet. Nur an der Stelle, die spater zum Hilus wird und dann das Rete testis enthalt, erhalt sich ein innigerer Zusammenhang, und hier sieht man auch die Epithelzapfen der Segmentalstrange persistieren und sich in Keim- druse sowohl als Urniere fortsetzen. Erst am Ende der dritten Woche beginnt die Bildung der Die indifferente Anlage der Keimdriiseu beim Hiihncheu u. s. w. 77 Samenkanalchen, oder besser gesagt, die mit Ureiern erfiillteii uud infiltrierten SegmentalstraDge erhalten ein Lumen und bilden sich auf diese Weise zu Samenkanalchen um. Besonders Semper (12) hat den Vorgang der Lumenbildung einer naheren Untersuchung unterzogen, und bemerkenswerter Weise spielen sich dabei in der Keiradriise der Plagiostomen fast identische Vorgange ab mit den bei Vogeln stattfindenden. Semper sagt: „Die Aushohlung der Ketten erfolgt dergestalt, daC die Zellen derselben in unregelmaBiger Weise unter bestandiger Teilung aus- eiuanderweichen ; hier und da bleiben im Innern einzelne Zellen Oder selbst Zellengruppen liegen, welche zuerst mit den wandstan- digen Zellen in Verbindung stehen, schlieClich aber wohl mehr oder minder vollstandig resorbiert werden." Ein ganz ahnliches Auseinanderweichen der Ureier bei gleich- zeitigem Untergang und Resorption centraler Zellen findet auch beim Huhnchen statt. Das so gebildete Lumen ist dann noch tell weise von fasrigen Zugen und Netzen erfullt, die Reste der untergegangenen Zellkorper darstellen. Ab und zu findet man in ihnen ebenfalls im Zustande des Zerfalls befindliche blasige Kerne (vgl. Fig. VII). Die GroBe und Form dieser Kerne deutet darauf hin, dafi ausschlieClich Ureier diesem ResorptionsprozeB zum Opfer fallen. Niemals habe ich Kerne gefunden, die den Zellen der Seg- mentalstrange angehorten. Die Waudung des so gebildeten Kanalchens wird nunmehr von zwei sehr verschiedenartigen Zellformen gebildet: kleinen, mehr cylindrischen Zellen mit ovalem, durch Farbstoffe stark tingiertem Kern, und groBen, rundlichen mit blassem, blaschenformigem Kern (Fig. VII sgst0, ur). Ohne Zweifel haben wir in den ersteren die Zellen der Segmentalstriinge, den letzteren die in jene aufge- nommenen Ureier zu erblicken. Beide Zellformen liegen regellos untermischt durcheinander, manchmal an der Wandung mehrere Lagen bildend. In diesem Falle liegen die Ureier gewohnlich mehr central gegen das Lumen, die Zellen der Segmentalstrange mehr peripherisch. Um die Kanalchen beginnen die benachbarten Schichten des Bindegewebes sich entsprechend anzuordnen : es be- ginnt die Bildung der Membrana propria der Kanalchen. Es kann naturlich keinem Zweifel unterliegen, daC die kleinen Zellen der Segmentalstrange die sogenannten Stiitzzellen der Samenkanalchen, die Ureier aber die groCen, runden Hodenzelleu reprasentieren. 78 R i c h a r (1 S e m 0 n , Auf die Frage, welche Beziehungen letztere zur Spermabildung besitzen, soil hier nicht weiter eingcgangen werden, MiHALKOvics liiCt aus einem Teil der Ureier, der niclit bei der BilduDg der Samenkanalclien aufgebraucht ist, die intersti- tiellen Hodenzellen hervorgehen. Er scheint die daliiiizielenden Beobachtungen vorwiegend an Saugetierembryonen gemacht zu haben, Beim Huhnchen habe ich keine Thatsachen fiiiden kunncn, die diese Auffassung stiitzen konnten; tiberhaupt habe ich bei jungen Tieren keine mit Sicherheit als interstitielle Zellen zu deutenden Elemente aufgefunden. Die oben geschilderten Samenkanalchen erfullen das ganze Organ, indem sie besonders an der Peripherie vielfach anastomo- sieren und schlieClich konvergierend eine geringere Anzahl von Kanalchen, die im iibrigen die gleiche Bildung zeigen wie die mehr peripherisch gelegenen ^ gegen den Hilus der Driise hin senden, Es ist bemerkenswert, daC diese ableitenden Kanale, in denen wir wohl mit Recht die spateren geraden Samenkanalchen erblicken, zu dieser Zeit noch stark geschlangelt sind und aufier den Segmentalzellen Ureier in reichlicher Menge beherbergen. Der Verbindungsteil zwischeu Hoden und Urniere enthalt auCer Bindegewebe und GefaCen Segmentalstrange, in welche keine Ur- eier mehr eingedrungen sind. Die Zellen dieser Strange beginneu erst ziemlich spilt (bald nach dem Ausschliipfen) auseinanderzu- weichen ; das unregelmaBige Netzwerk, das sie darstellen, und das Fig. IV abgebildet worden ist, wird dann zum Rete testis. Die Verbindungsteile zwischen diesem Rete und den Urnieren- kanalchen resp. den Kapseln der Malpighi'scheu Korperchen werden zu den Vasa efferentia. Letztere sind keine Neubildungen, die etwa erst jetzt entstehen, wie dies Mihalkovics darstellt, der bei Hunde- und Katzenembryonen zu dieser Zeit von den Malpighi- schen Kapseln am proximalen Ende der Urniere Epithelstrange in den Hilus des Hodens hineinwachsen sah, sondern sie sind — beim Huhnchen wenigstens — einfach die Anfangsstucke der von der Urniere in den Hoden gewucherten Segmentalstrange. Sie haben vora 4. Tage an ununterbrochen bis jetzt bestanden und beginnen erst mehrere Tage nach dem Ausschliipfen ein Lumen zu erhalten. Nach Verschrumpfung der Glomeruli der Kapseln, aus welchen die Segmentalstrange hervorgegangen sind, miinden die Anfangsteile der letzteren, das heifit, die Vasa efferentia testis direkt in die zugehorigen Urnierenkanalchen. Aus diesen Abschnitten der Ur- niere bildet sich die Epididymis ; der groCere Abschnitt des Organs Die indiffereute Aulage der Keimdriisen beim Huhnchen u. s. w. 79 aber atrophiert, eiu Vorgang, der sich sclion friih (lange vor dem Ausschliipfen) dadurch zu erkenneii giebt, dafi sich gewisse Ab- schnitte der Urniere im Gegensatz zu den mit den Segmentalstritn- gen zusammenhiingendeu Teilen ungenugend oder gar niclit mit Farbstoffen tingieren, zerfalleu uud endlich resorbiert werden. Die Entwicklung der Keimdrusen im Wirlbeltierreiclie. ^) Ergiebt ein einfach chronologischer Bericht der Untersuchungen uber die Eutwickluiig der Keimdrusen bei den Wirbeltieren eine groCe Menge von Widerspriiclien in den Beobachtungeu uud Deu- tungen der Autoren, und scheint demnach nocli fast nichts sicher festgestellt zu sein, so glaube ich doch, daC eine kritische Ver- gleichung der Resultate der einzelnen Forscber eine ganze Reihe von gut begriiudeten Thatsachen liefert. Fiir den Hoden scheinen mir sogar alle wesentlichen Punkte aufgeklart zu sein^); fiir das Ovarium bleibt als strittiger Punkt noch die Entwicklung des Follikelepithels iibrig; doch will ich am SchluB versuchen, wenig- stens auf indirektem Wege zu zeigen, welche Beantwortung dieser Frage die groCere Wahrscheinlichkeit fiir sich hat. Die Keimstotfe bilden sich bei beiden Geschlechtern in alien Wirbeltierklassen aus dem Peritonealepithel, und zwar werden zu- nachst von einem groBeren Flachenabschnitt dieses Epithels Ureier (das heiCt Bildungszellen der Keimstoffe) produziert, als schliefi- lich durch faltenartige Hervorwolbung als Keimepithel im eigent- lichen Sinne abgegrenzt wird. (Fig. V mep). Dies ist wichtig, da wir damit das Colomepithel im allgemeinen als Matrix der Keim- stoffe kennen lernen; erst sekundar erhalt ein Teil desselben, der nun Keimepithel genaunt wird, die Hervorbriugung der Keimstoffe als ausschliefiliche, nur ihm zukommende Leistuug. Der histologische Vorgang der Umbildung der Epithelzellen zu Ureiern, die Beschaffenheit der letzteren, die eigentiimliche Art ihrer Teiluug, die zu Zellkomplexen fiihrt, welche man treffend mit Semper Ureiernester nennt, jedes einzelne und alles zusammen 1) Ich gehe bei dieser Zusammenfassung nur auf diejenigen Verte- bratenklassen ein, bei welchen die Keimdrusen in Beziehung zur Ur- niere treten, lasse also Amphioxus, Cyclostomen, Ganoiden und Teleostier unberlicksichtigt, wo die Verhaltnisse wesentlich einfacher liegen. 2) Natiirlich bezieht sich dieser Ausspruch nicht auf die noch sehr dunkele Spermatogenese. 80 IlichardSemon, wiederholt sich in auffallend ubereinstimmender Weise in alien Wirbeltierklassen bei Fischen, Amphibien, Reptilien, Vogeln uud Saugetieren. Zwischen Urniere und Keiraepithel sieht man nun eigentiim- liche Zellstriinge auftreten, deren Deutung und Ableitung den Beobachtern von Anfang an vie] Schwierigkeiten verursacht hat und auch jetzt noch scheinbar den dunkelsten Punkt in der Ent- wicklung der Keimdriisen bezeichnet. Ich glaube aber, nur schein- bar. Man kann die Strange von dem Keimepithel, von dem Binde- gewebe, endlich von der Urniere ableiten. Alle drei Moglichkeiten sind versucht worden. Aufier Bornhaupt (8) versuchte Egli (13), der iibrigens die Strange als solche noch nicht scharf unterschied, die Hodenkanalchen auf direkte Einstiilpung des Keimepithels zuriick- zufiihren. Diese Angabe hat von keiner Seite Bestatiguug erhalten. Man kam aber darauf, die Strange sich aus dem Bindegewebe „herausdifferenzieren" zu lassen, sei es ohne weiteres aus Binde- gewebszellen, oder aber durch Thatigkeit der in das Bindegewebe eingewanderten Ureier. Die Aufstellung eines Begriffs des „ Sichherausdifierenzierens " scheint mir im wesentlichen nichts anderes zu sein als das verhiillte Zugestandnis, daC man das Auftreten eines Gebildes beobachtet hat, dessen Herkunft man nicht zu erklaren vermag. Dies um so mehr, als der Modus dieses Vorgangs, etwa die Art, wie die Zellen sich aufstellen und Verbande bilden, von keinem Autor, der fiir diese Ableitung ein- tritt, auch nur andeutungsweise beobachtet worden ist. Alle nahmen auf einem gewisseu Stadium die fertig gebildeten Strange in ihrer ganzen Ausdehnung wahr. Weit positiver und sicherer scheinen mir die Beobachtungen derjenigen Forscher, die die Strange von der Urniere ableiten, ja sie scheinen mir geniigend, um die Frage endgiiltig zu ent- scheiden. Schon Waldeyer hat das Auswachsen enger Kanalcheu der Urniere gesehen, aber gerade in diesem Punkt finde ich die Beobachtungen in seiner so vortrefflichen Arbeit nicht voll- kommen zwiugend. Dagegen finde ich positive und, wie ich glaube, kaum anfechtbare Beobachtungen des Auswachsens der zapfenformigen Segmeutalstrange aus Kanalchen oder Kapseln der Urniere bei Semper fiir Plagiostomeu, Braun bei Reptilien, Balfour bei Saugetieren, Weldon bei Selachiern und Reptilien. Endlich habe ich diesem Punkte beim Hiihnchen besondere Aufmerksamkeit zugewendet und glaube fiir mein Objekt die ganz unzweideutige und zwingende Beobachtung geliefert zu haben, dafi die Strange Die indiflfereute Anlage der Keimdriisen beim Iluhuchen u. s. w. 81 aus den Kanalcben und vornehmlicli den Kapseln der Urniere hervorwachsen , etwa wie es die Epithelzapfen eines Carcinoms thun wiirden (vgl. Fig. II und III). Freilich scheint es mir un- billig, zu verlangen, „dafi die Epithelzapfen sich gegen ihre Um- gebung ebenso scharf absetzen miifiten, wie etwa eine in die Tiefe der Cutis hineinwachsende SchweiCdriisenanlage". Dies geschieht allerdings nicht, aber wer kann bier Vorscbriften machen? Es genugt meines Erachtens, das Hervorwacbsen der Zapfen aus Urnierenkanalcben zu konstatieren. Der Grund fur ibr wenig deutlicbes Hervortreten liegt zum Teil in den starken Wucherungs- prozessen des umgebenden Bindegewebes, zum anderen Teil in der UnregelmaCigkeit ibres Wachstums. Wacbsen die Strange aus der Urniere hervor in die Keira- driise binein, so muB ein Stadium existieren, in welcbem erstere nacbweisbar sind, das Keimepitbel und die Ureier bergende Zone aber nocb nicbt erreicbt baben. Ein solcbes Stadium babe icb entgegen den Angaben derjenigen Autoren, die die Strange plotz- lich in ibrer ganzen Ausdebnung beobacbtet baben, aufgefunden. Auch die Beschaifenheit der Strange und die Art ibres Wachs- tums scheint in samtlicheu Wirbeltierklassen, bei denen sie genauer untersucht sind, eine fast identiscbe zu sein. Besonders deutlicb wird die Ubereinstimmung bei Vergleicbung von Weldon's Zeicb- nungen bei Selacbiern und den meinigen beim Hiibnchen entgegen- treten. Was den Typus des Wachstums anlangt, so liefert Braun bei Reptilien eine Beschreibung, die sich ohne weiteres auf das Huhnchen (Fig. IV) iibertragen lafit. Ubereinstimmend wird von alien Autoren die geschlecbtliche Diflferenzierung der Keimdruse bei den verscbiedenen Klassen ge- scbildert. Histologisch kann man eine Keimdriise als Ovarium erkennen, wenn die aus der Urniere vorgewucberten Segmentalstrange entweder die Keimdruse resp. das Keimepitbel gar nicbt erreicheu (Plagiostomen, Schlangen, manche Saugetiere), oder aber, falls sie es erreicben , stark gegen die massenbaft einwuchernden Ureier zurticktreten. In letzterem Falle ist der Gegensatz zur manulicben Keimdruse kein ganz positiver, da auch bei letzterer Ureier in die Segmentalstrange eindringen. Dies fiibrt aber im Hoden niemals dazu, dafi die Strange verdrangt werden oder ibre charakteristische Form und Anordnung aufgeben. Allein aus der Entwicklung des Keimepithels einen sicheren ScbluC auf das spatere Geschlecbt Bd. XXI. N. F. XIV. a 82 RichardSemon, des Embryos zu maclien , diirfte in den meisten Fallen unmog- lich sein. Auch iiber das Eindringen der Ureier in die Segmentalstrange herrscht kaum irgend welche Meinungsverschiedenheit. Bemer- kenswert ist, daB bei den Plagiostomen die Teile der Hoden- kanalchen, welche wirklich Sperma bereiten, die Ampullen, ausschliefilich von Ureierstraugen , die sich spater aushohlen, ge- bildet werden, und die Segmentalstrange nur den abfiihrenden Teil der Hodenkanalchen liefern. Von den Reptilien an findet hier bei den hoheren Wirbeltieren ein Unterschied statt: die Ur- eier dringen in die Segmentalstrange ein, und eine regionare Scheidung von samenbereitendem und abfiihrendem Teil des Samen- kanalchens erfolgt niclit. ^) Der Samen kanu uberall von den zwi- schen den Segmentalstrangzellen liegendeu Ureiern bereitet werden. Es ist interessant, daB die Aushohlung der Ampullen bei Plagiostomen und der Samenkanalchen beini Hiihnchen in ganz identischer Weise durch Zerfall und Resorption eines Teils der Ureier von statten geht. Zunachst ist dann das sich bildende Lumen von protoplasmatischen Strangen und Zugen, den Resten der untergegangenen Zellen, sowie von zerfallenden Zellkernen erfullt. Aus den Teilen der Segmentalstrange, in welche keine Ureier mehr eingedrungen siud, bildet sich das Rete testis, und aus den Verbindungsstucken der Segmentalstrange mit den Urnieren- kanalchen respektive mit den Kapseln der Malpighi'schen Korper, deren Glomeruli nun schrumpfen, entstehen die Vasa efferentia. Diejenigen Autoren, welche die Segmentalstrange nicht von Sprossen der Urnierenkaniilchen ableiten, lassen erst jetzt eine Ver- bindung zwischen Keimdriise und Urniere eintreten. Diese Auf- I'assung fallt aber durch den Nachweis, daB Segmentalstrange und Urniere von Anfang an zusammenhangen und dieser Zusammen- hang sich auf keinem Stadium der Entwicklung lost. Was das Ovarium anlangt, so bleibt vorlaufig die Abstammung des Follikelepithels noch strittig. Doch scheint mir, sprechen ge- 1) Der Hode der Plagiostomen bildet also vergleichend anatomisch den tjbergang von Formen, bei denen sich die mannliche Keimdriise einfach aus dem Keimepithel ohne Beteiligung der Urniere entwickelt (Amphioxus, Cyclostomen, Ganoiden, Teleostier), zu denjenigen , wo ein DurchwachsungsprozeB von Keimepithel und TJrnierenzapfen statt£lndet. Die indifferente Anlage der Keimdriisen beim Hiihnchen u. s, w. 83 wichtige Griinde dagegen, das Epithel von den Segmentalstriiugen (Markstrangen) abzuleiten. Bei Plagiostomen (Semper), Schlangen (Braun), vielen Saugetieren (Haez) dringen jene Strange gar nicht bis in die Keimdruse ein und konnen sich in diesen Fallen auch nicht bei der Follikelbildung beteiligen. Dann aber ware man ge- zwungen, die Follikel verschiedener Wirbeltierklassen, ja innerhalb derselben Klasse diejenigen verschiedener Ordnungen ftir nicht homologe Gebilde zu halten, was in hochstem Grade unwahr- scheinlich ware. So ist es am wahrscheinlichsten, dafi die Follikelzellen wie die Eier Abkommlinge des Keimepithels, vielleicht selbst umgebildete Ureier sind, die sich im Ureiernest um eine centrale Zelle, die Eizelle, concentrisch gruppiert haben. Freilich bleiben in diesem Falle die in oder bis an das Ova- rium wuchernden Segmentalstrange ratselhafte Gebilde. Deuten sie auf einen ehemals hermaphroditischen Zustand der Keimdruse hin, oder besitzen sie eine besondere Leistung und ist ihre Funktion als Ableitungsweg des Spermas erst eine sekundare? Fur die Beantwortung dieser Fragen fehlt es augenblicklich noch an that- sachlichen Anhaltspunkten. 84 Richard Semon, Litteraturnachweis . 1. H. Rathke. Beitrage zur Geschichte der Tierwelt. Schiifteu der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Heft IV. Band I. 1825. 2. J. MtJLLEE. Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 3. Valentin. Uber die Entwicklung der Follikel in den Eierstocken der Siiugetiere. J. Muller's Archiv 1838. P. 103. 4. R. Remak. Untersuchungen iiber die Entwicklung der Wirbel- tiere. 1857. 5. E. PFLtJGEE. Die Eierstocke der Saugetiere und des Menschen. Leipzig 1863. 6. W. His. Beobachtungen iiber den Ban des Saugetiereierstocks. Archiv fiir mikroskop. Anat. 1865. Bd. I. 7. BoKSENKOW. tJber den feineren Bau des Eierstocks. Wiirzb. naturw. Zeitschr. Bd. IV. 1863. 8. Th. Boenhaupt. Untersuchuugen Uber die Entwicklung des Uro- genitalsystems beim Hiihnchen. Riga 1867. 9. "W. "Waldexee. Eierstock und Ei. 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Handbuch der vergleichenden Embryologie. tJbersetzt von B. Vetteb. Jena 1880. Die indifferente Anlage der Keimdriisen beim Hlihnchen u. s. "w. 85 17. A. KoLLiKER. Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der hoheren Tiere. Leipzig. l.Auflage 1880, 2, Auflage 1884. 18. RouGET. Evolution comparde des glandes genitales. Compt. rend. T. 88. 1879. 19. Mac Leod. Contribution a I'^tude de la structure de I'ovaire des mammiferes. Archives de Biologie. T. 1. 1880. 20. M. NussBATjM. Zur Differenzierung des Geschlechts im Tierreiche. Archiv f. mikroskop. Anat. Bd. XVIII. 1880. 21. Balbiani. Sur la generation des Vertdbr^s. Paris 1879. 22. E. VAN Beneden. Archives de Biologie. 1880, P. 475. 23. K. ScHULiN. Zur Morphologie des Ovariums. Archiv fUr mikroskop. Anat. Bd. XIX. 1881. 24. E. Schmiegelow. Studieniiber die Eutwicklung des Hodens und Nebenhodens. Archiv f. Anat. und Entwicklungsgeschichte. 1882. 25. J. Janosik. Bemerkungen iiber die Entwicklung der Nebenniere. 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Darunter sieht man Querschnitte von Segmentalstriingen, die vielleicht zu dem ersterwahnten gehoren. mk Kapsel des Malpighi'schen Korperchens, gl Glomerulus, bgw Bindegewebe. Fig. III. Querschnitt durch einen Malpighi'schen Korper, aus dessen Kapsel {mk) ein Segmentalstrang [sgst) vorwuchert. unk Dr- nierenkanalchen. gl Glomerulus. Fig. IV. Segmentalstrange (sgst) auf ihrem Wege zwischen Urniere und Keimepithel, teilweise auf Langsschnitten, teilweise auf Quer- schnitten getroffen, bgiv Bindegewebe. Fig. V. Querschnitt durch die Keimdriise Mitte des 5. Tages. Die Segmentalstrange {sgst) haben das Keimepithel {kep) erreicht, und aus letzterem wandern Ureier {ur) in die Strange ein. mep Epithel des Mesenteriums, in dem auch rerstreut Ureier zur Entwicklung kommen. bgw Bindegewebe. Fig. VI. Querschnitt durch einen peripherischen Abschnitt des Hodens am 12. Tage. Bindegewebe starker entwickelt, trennt die nun deutlicher vortretenden Segmentalstrange. Bezeichnungen wie in Fig. 5. Fig. VII. Querschnitt durch einen peripherischen Abschnitt des Hodens eines eben ausgeschliipften Hiihnchens. Die Segmentalstrange haben durch Auseinanderweichen der Zellen und Untergang und Resorption vieler Ureier ein Lumen (/) erhalten. Die Wandung der Kanalchen wird gebildet von Ureiern («/•) und Zellen der Segmentalstrange {sgstz), die jetzt Hodenstiitzzellen genannt werden. Im Lumen der Kanalchen bemerkt man Reste der untergegangenen Ureier. An der Peripherie bildet das Bindegewebe, das zwischen den Kanalchen die Septulae testif formiert, die Albuginea {alb). Dieselbe wird von einer platten Schicht des ehemaligen Keimepithels {ep) iiberzogen. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. Von Dr. Otto Hamann, Privatdozeut in Gttttingen, ffierzu Tafel VI— XVIII. Einleitung. Nach langer als zweijahriger Arbeit kann ich diesen dritten Teil meiner Studien zur Histologie der Echinodermen, welcher die regularen wie irregularen Seeigel behandelt, veroifentlichen. Wenn ich trotz anderweitiger Pflichten als Assistent immer noch genii- gende Zeit fand, um diese Arbeiten zu fordern, so verdanke ich das besonders meinem Chef, Professor Ehlers, dem ich hierfur sehr verpflichtet bin. Auch diese „Echiniden - Anatomie und Histologie" lasse ich unter demselben Titel erscheinen, welchen die vorhergehenden Hefte tragen. War es aber schon bei Holothurien und Asteriden unmoglich, die Histologie allein zu beriicksichtigen , so gilt dies in noch viel hoherem MaBe von den Echiniden. Ich war zunachst gezwungen, die Anatomie dieser Gruppe ausfiihrlich zu untersuchen und dann erst dem feineren Bau mich zuzuwenden. DaC ich dabei auf histologische Feinheiten mich nicht einlassen konnte, ist selbst- verstandlich. Wenn man bedenkt, dafi das Nervensystem bisher nur in seinen Hauptstammen bekannt war, und nur das Vorhandensein von peripheren Nerven so zu sagen mehr erschlossen war als durch Untersuchungen festgestellt, und daC Sinnesorgane nur auf einer Pedizellarienform vermutet wurden (Koehlee), die zu ihnen gehorigen Nerven aber unentdeckt geblieben waren, so werden die Resultate iiber die peripheren Nerven geeignet sein, eine groBe Liicke auszufullen. Die Sumrae der Sinnesorgane, welche ich zu 88 Otto Famann, beschreiben habe, ist eine groBe. Da nun dieselben fast samtlich nicht in der Korperhaut sich befinden, sondern auf den An- hangen derselben liegen, vorziiglich den Pedizellarien , so war es natiirlich, dafi diese Anfangsorgane der Korperwand bei Echiniden wie Spatangiden genauer untersucht werden muBten. Die von mir aufgefundenen als Waffen funktionierenden Organe, die ich Globiferen benannt habe, wurden bei dieser Gelegenheit entdeckt. Vor allem war die Frage nach dem Zusammenhang des Blut- lakunensystems mit dem Wassergefafisystem ihrer Losung ent- gegenzufuhren , und denke ich, daC ihre Trennung, wie sie bei Echiniden besteht, und ihre Verschmelzung, wie es bei den Spa- tangiden der Fall ist, nunmehr als endgiiltig festgestellt gelten darf, zumal schon Koehler in vielen Punkten zu den gleichen Resultaten gekommen war. Im ubrigen sind samtliche Organ- systeme moglichst gleichmaBig untersucht worden, so dafi ein gewisser AbschluB erreicht werden konnte. Das Material, das mir zur Untersuchung vorlag, samraelte ich teilweise selbst wah- rend eines Aufenthaltes in der zoologischen Station zu Neapel in den Sommerferien 1885, teilweise wurde es mir in vorziiglich konserviertem Zustand von Lo Bianco Salvatore, dem vielgeriihmten Praparator der Station, zuge- schickt. Ihm, wie der Station selbst schulde ich ganz besonderen Dank fiir das oftere und so schnelle Zu- stellen des gewunschten Materials. Soweit es anging, beobachtete ich in Neapel am lebenden Tiere besonders die auBeren Organe, aber auch das Nervensystem, die quergestreifte Muskulatur u. s. w. Die Konservierungsmethoden , die zur Verwendung kamen, waren die jetzt gebrauchlichen. Fiir die Anhangsorgane der Korperwand habe ich mit gutem Erfolge Flemming's Chrom- Osmium-Essigsaure-Gemisch gebraucht. Sonst wurde meist Chrom- saure verwendet, und zwar besonders bei jungen und kleinen Tieren. Hier konservierte und entkalkte dieselbe in wenigen Stunden den ganzen Seeigel. Die mit starkem Alkohol konservierten Seeigel wurden nachtraglich entkalkt, indem kleine Stiicke in 0,3prozen- tiger Losung tagelang verweilen muBten, um dann etwa 12 Stunden ausgewaschen zu werden. Solche Praparate farbten sich selbst mit Hamatoxylin sehr gut. Weniger gut waren die in Salzsaure Oder einem Gemisch von Chrom - Salpetersiiure entkalkten Stiicke. Chromsaure greift die Gewebe noch am wenigsten an. Pedizellarien wurden auch unentkalkt oder in dem Zustand, in dem sie nach Beitrage zur Histologic der Echinoderraen. 89 Behandlung mit Flemming's Losung waren, geschnitten. Vor dem Farben miissen sie selbstverstandlich laiige und sorgfaltig aus- gewaschen sein. Von Farbemitteln babe ich meist die Karminlosungen beiiutzt und nur bei der Untersuchung des driisigen Organes von der Behandlung mit Anilinfarben (Saffranin, Methylgriin, Anilingriin u. s. w.) Vorteil gehabt. In den andercn Fallen sah ich das, worauf es ankam, auch nach Karminbehandlung, und so lag kein Grund vor, auBer der Kontrollfarbucg von Hamatoxylin noch weitere zu versuchen. Nach der Behandlung mit absol. Alkohol wurden die Praparate mit Bergamottol oder Xylol aufgehellt, Paraffin eingebettet und nach dem Schneiden mit Xylol entfettet und in Kanadabalsam, welchem Xylol zugesetzt war, eingebettet. Xylol ist den iibrigen Flussigkeiten , wie Terpentin, Chloroform, Nelkenol u. s. w., vor- zuziehen. Im allgemeinen Teil dieser Arbeit bin ich auf einige phylo- genetische Fragen eingegangen, ohne jedoch die Phylogenie der Echinodermen etwa im Zusamraenhang darzulegen. Dies sei dem Schlufiheft dieser Studien vorbehalten. Von regularen Seeigeln standen mir zu Gebote: Sphaerechinus granularis A. Ag., Strongylocentrotus lividus Brd., Centrostepha- nus longispinus Pet., Arbacia pustulosa Gray, Dorocidaris papillata A. Ag., Echinus acutus Lam., Echinus melo Lam., Echinus micro- tuberculatus Blainv. ; von irregularen : Spatangus purpureus Leske, Echinocardiura mediterraneum Gray, Brissus unicolor Klein. 90 OttoHamann, Spezieller Teil. I. Abschnitt. Die regularen Seeigel. Zur Orientierung tiber die Lagerung einzelner Organsysteme im regularen Echinidenkorper diene Figur 1 auf Tafel VL Diese Figur giebt einen Vertikalschnitt wieder, welcher durch die Mitte der Korperscheibe gelegt ist. Die Korperwand, welche im Verhiiltnis zur groCen und ge- rauniigen Leibeshohle einen geringen Durchmesser besitzt , setzt sich aus dem Hautepithel, der Cutis und dem Coloraepithel zu- sammen. Auf ihr sind die verschiedensten, in dieser Figur nicht eingezeichneten auCeren Korperanhange, wie Stacheln, FiiCchen, Pedizellarien u. s. w., angebracht; in ihr, und zwar in der Cutis, der Bindesubstanzschicht , werden die Skelettteile abgeschieden, die als Skelettplatten die feste Schale bilden und an bestimmten Stellen dui'chbohrt sind, so in den Genitalplatten, den Intergenital- (Ocellar-) Flatten, im Peristomfeld durch die fiinf Kiemenbaumchen und vor allem auf den fiinf Paaren der Ambulacralplatten. Durch diese Poren wird eine Kommunikation hergestellt zwischen dem auCeren Medium, dem Meerwasser,, und den inneren Organen (Steinkanal - WassergefaBsystem) ; oder zwischen den Organen der Haut mit im Innern der Schale gelegenen Organsystemen (FliBchen- WassergefaBsystem, Kiemen-Leibeshohle) ; oder aber zwischen der Epidermis und dem Nervensystem, indem die Nervenaste die durch die Poren zu den FuCchen ziehenden WassergefaCaste begleiten, oder aber, wie in den Intergenitalplatten , in dem Hautepithel enden (Fuhler). In der Mitte der Ventralflache befindet sich die Mundoflfnung, welche in den Schlund fiihrt, der seinerseits umschlossen wird von dem Kauapparat (Laterne des Aristoteles). Dieser fiillt auf unserer Figur (junger Echinus acutus) einen groBen Teil der Leibeshohle aus und reicht bis beinahe zur Dorsalflache hinauf. Vom Darm- Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 91 tractus ist der Diinndarm mit dem Nebendarra, mehrmals quer durchschnitten, rechts und links von dem Kauapparat zu erkennen. Auf der linken Seite der Figur ist der Schnitt durch ein Ambulacrum gegangen und ist der Verlauf eines ambulacralen Nervenstammes vom Fiihler auf der Intergenitalplatte bis zum Schlunde zu verfolgen. Rechts und links von letzterem liegt der durchquerte Nerven- oder Gehirnring. Da, wo der Darm den Kauapparat verlaBt, liegt oben der Blutlakunenring, sowie der WassergefaBring an, von welch' letz- terem ein ambulacrales WassergefaC (auf der linken Seite der Figur) abgeht, um auBen am Kauapparat herabzulaufen und nach innen vom ambulacralen Nervenstamm bis zur Intergenitalplatte zu Ziehen, wo es blind endet. Auf der dorsalen Korperwand ist in die Leibeshohle hervor- ragend ein Geschlechtsorgau GO in der Entstehung begriffen. Kapitel I. Die aufseren Anhange der Korperwand. Die Pedizellarien. Die verschiedenen Pedizellarien, welche sich auf der Oberflache eines Echinidenkorpers linden konnen, sind seit lauger Zeit in ein- zelne Gruppen eingeteilt worden. Valentin ') unterschied vier Arten von Pedizellarien, P. ophioc6phales, tridactyles, gemmiformes und trifoli6s. Der ersten Art entsprechen die P. triphylla, der zweiten die P. tridens, der dritten die P. globifera von 0. F. Muller ^ ). Die Einteilung des erst genannten Forschers empfiehlt sich auch heute noch beizubehalten und unterscheide ich demnach: 1. Pedizellariae gemmiformes, mit Kalkstiel, welcher bis zur Basis der drei kurzen, liusenformigen , dicken Greifzangen reicht. 2. Pedizellariae tridactyli, mit Kalkstab nur bis zur Halfte des Stieles reichend, mit drei langen, schmachtigen Greif- zangen. 1) Valentin, Anatomie du genre Echinus, Neuchatel 1842, 4". Livraison des Monographies des Echinodermes, 2) MflXLEB, Zoologia Danica 1788, 92 OttoHamann, 3. Pedizellariae ophiocephali , seu buccales, mit Kalkstab, welcher niir einen geringen Teil des Stieles durchzieht, mit loffelformigen, gezahnten Greifzangen. 4. Pedizellariae trifoliatae, mit Kalkstab, welcher sich in dem basalen Teil des Stieles findet, mit drei blattahnlichen kleinen Greifzangen. Es lassen sich ohne Muhe alle bekannten Pedizellarien in eine dieser drei Gruppen einreihen. Die drei ersten Gruppen konnen in jeder Greifzange Driisen besitzen. Ein franzosischer Forscher, Koehler^), hat neuerdings bei Schizaster canaliferus L. Ag. und Des. Pedizellarien mit vier Zangen beschrieben, welche er P. tetradactyles bezeichnet. Es handelt sich hier wohl um eine Varietat der zweiten Art, welcher diese P. tetrad, im Habitus gleichkommen. Die gemmiformen Pedizellarien. Sphaer echinus granularis Ag. Percy Sladen^) hat zuerst unsere Aufmerksamkeit auf die eigentiimlich gebauten Pedizellarien dieser Art gelenkt. Den feinereu Bau der von diesem Forscher aufgefundenen Drusen hat FoETTiNGER 3) genau geschildert, ohne jedoch frisches Material zu besitzen. Ich kann seiner Schilderung in fast keinem Punkte zu- stimmen. Die gemmiformen Pedizellarien sind bis einen Centimeter und dariiber lang. Etwa zu halber Hohe des Stieles, welcher den dicken Kopf tragt, liegen drei Drusen als langlich ovale, eiformige Korper in die Augen fallend. Ich bespreche zunachst den Kopf- teil mit den Zangen und hierauf die Stieldriisen. Untersucht man frisch eine lebende Pedizellarie, und zwar, wenn die drei Zangen nach auCen auseinandergeklappt sind, so erkennt man schon bei LupenvergroBerung , daB in jeder Zange ein groi^er Driisensack liegt, welcher nach dem Ende zu sich in zwei konvergierende Aste gabelt, welche zugleich an ihrer Miindung 1) KoEHLEB, Recherches sur les Echinides des cotes de Provence, in: Annales du musee d'histoire naturelle de Marseille. Zoologie, T. 1. 1883. 2) Sladek, p., On a remarcable form of Pedicellaria etc. in : Ann. and Mag. of N. H. 5. Ser. Vol. 6. 1880. pag. 101. 3) FoETTENGEB, Sur la structure des Pedicellariae globiferae de Sphaerechinus granularis et d'autres Echinides, in: Arch, de Biologie V, VAN Beneden, V. 2. 1881. p. 455. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 93 die Offnuugen fur das Sekret tragen. Die Trennung jedes Driisen- sackes geht oft ziemlich wait bis in das Inuere desselben hinein, und ein Vergleich mit den gemmiformen Pedizellarien anderer Arten wird uns lehren, dafi wir hier zwei mit ilirem hinteren Teile verschmolzene Driisensacke vor uns haben. — Unterhalb der Miin- dung des Drusensackes ragt das krumme, hakenformig zugespitzte Ende des in jeder Klappe befindlichen Kalkgeriistes hervor. Weiter fallen auf der Innenseite jeder Zange, da, wo sie miteinander in Verbindung stelien, weiCe farblose Hocker auf, die wie mit hellen Papilleu iibersat erscheinen. Diese Hocker sind Sinnesorgane. Weiter unten sind dieselben niiher beschrieben worden. Figur 1 auf Tafel 2 giebt einen Langsscbnitt durch eine solche Pedizellarie wieder. Sowohl die Driisensacke des Kopfes als auch die des Stieles sind der Lange nach durchschnitten. Mit TH sind die Sinnesorgane bezeichnet. Das allgemeine Korperepithel iiber- zielit saratliche Einzelteile der Peflizellarie und bietet nichts Be- merkenswertes. Nur da, wo die Offnungen der Drusensacke sich finden, und in den Sinnesorganen ist es von besonders zu besprechen- der Bildung. Die Bindesubstanz, in welcher die Drusensacke, die Muskulatur der drei Zangen und das knopfformig angeschwollene Ende des Kalkstieles (itm), sowie die Nervenziige eingelagert sind, cnthalt in groBer Anzahl die sichelformigen Kalkkorper, Besonders an den Spitzen der drei Zangen sind sie zahlreich angebauft. Der Bau der Drusensacke mit ihren Zellen ist schwer zu er- forschen, da dieselben ungemein hinfalliger Natur sind. Dann kommt hinzu, daC die Zellen nicht senkrecht auf der Basalmembran aufsitzen, sondern in einem Winkel gegen dieselbe gerichtet stehen, und man auf Langsschnitten immer nur einen geringen Teil der Zellen in ibrer ganzen Lange trifi't. Die ungemein langen, cylinder- formigen Zellen (Fig, 3) zeigen einen basalstehenden Kern von Plasma umgeben. Der ganze iibrige Zellteil wird von einem grofi- maschigen Netzwerk durchzogen, das bei Farbung mit Hamatoxylin und Behandlung mit chromsaurer Kalilosung ^) deutlicli zu Tage tritt. In den Maschen trifft man auf Kornchen, Sekretkiigelchen, Oder aber der freie Endteil der Zellen ist von einer fein granulir- ten Schleimmasse erfiillt, die auch das Centrum jedes Drusensackes erfiillen kann und fast stets an den Offnungen desselben angehauft 1) Heidenhain , Eine neue Yerwendung des Hamatoxylin , in : Archiv f. mikroskop. Auatomie. Bd. 24. 1885. 94 OttoHamann, angetroffen werden kann, wie dean auch alle Objekte, die von solchen Pedizellarien ergriffen und festgehalten werden, immer von einer schleimigen Masse unihullt werden, wie dies bereits Sladen^) beobachtet hat. Ob diese Inhaltszellen der Driisensacke bei der Sekretbildung zu Grunde gehen , wie Foettinger meint, der den Inhalt jeder Driise aus Zellen von unregelmaBiger Gestalt kompakt angefiillt sein laBt, muB ich bezweifeln. Denn alle Praparate, welche mir derartig zu deutende Bilder zeigten, muC ich fiir Kunstprodukte erklaren. (Alkoholbehandlung mit nachheriger Karmin- oder Anilinfarbung.) Auf die Basalmembran folgt eine Muskulatur, die unge- mein stark entwickelt erscheint. Sie besteht aus mehr als drei oder vier Lagen von Muskelfaseru , welche parallel zu einander angeordnet sind und auf den einzelneu Driisensacken einen cirku- laren Verlauf zeigen. Diese glatteu Fasern zeigen den gewohn- lichen Bau. Der lauglich ovale Kern liegt der Oberflache auf. Was die ubrige JVJuskulatur des Kopfes dieser Pedizellarien aniangt, so sind die drei stark entwickelten Muskelbiindel zu nennen , welche die drei Zangen gegen einander bewegen und an den basalen Endplatten der Kalkzangen inserieren , sowie die bis jetzt wohl noch unbekannte Muskulatur, mit Hilfe deren der Kopf- teil auf dem Stiele nach jeder Seite geneigt werden kann. Diese Muskulatur besteht aus kurzen, dicken Fasern, welche mit ihren kompakten Enden an den Kalkplatten im Kopf und anderseits an der Endanschwellung des Stieles inserieren. Sie sind in einem Kreis angeordnet, wie Querschuitte durch diesen Teil der Pedi- zellarie lehren (Fig. 1 M. flexores). Die Nervenziige, welche zur Muskulatur und den Sinnes- orgauen ziehen, sind samtlich in der Bindesubstanz gelagert. Im Stiel trifft man sie oft unterhalb der Basalmembran des Epithels, meist aber verlaufen sie mehr im centralen Telle derselben. Die einzelnen Nervenziige, welche in den Kopf eintreten, sind in ver- schiedener Anzahl bei verschiedenen Exemplaren vorhanden. Man wird der Wahrheit nahe kommen, wenn man ihre Zahl zwischen acht und funfzehn annimmt. Unmittelbar nach ihrem Ubertritt in den Kopfteil verzweigen sie sich in mannigfaltiger Weise. Zu dem Rosettenmuskel (M. flexo- 1) Sladen, p., On a remarcable form of Pedicellaria etc. Ann. and Mag. of N. H. 5. Ser. Vol. 6. 1880. pag. 101. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 95 res), wie ich die kreisformig angeordneten Biindel nennen will, treten Starke Zuge, weiter zu den drei Zangenmuskelbiindeln (M. adductores) , zwischen denen man die einzelnen Fasern ver- t'olgen kann , bis zu ihrer Verschmelzung mit den Muskelfibrillen. Konstant trifft man aber drei groBe Nervenziige an, welche zu den drei oben erwahnten auf der Innenflache der Zangen liegenden Sinnesorganen fiihren. Diese drei Nervenziige verlaufen zwischen je zwei Muskelbiindeln bis zur Basis der Sinnesorgane, hier durch- setzen sie die starke Basalmembran uud losen sich auf in ein Ge- flecht von feinsten Fasern. Von jedem dieser Nervenfasergeflechte geht ein starker Nerven- zug nacli der Spitze jeder Greifzange ab und tritt an die hier stehenden Sinneszellen heran. AuBer diesen konstant von mir beobachteten Nervenzugen sind noch kleinere Nervenzuge in der Bindesubstanz vorhanden, welche zwischen Epithel und innerer Driisenwand liegen. Sie besitzen nur nicht die Starke der eben beschriebenen. (tJber den feineren Bau dieser Nervenziige siehe das Kapitel iiber die peripheren Nerven.) Die Sinnesorgane selbst, die als Tasthiigel bezeichuet werden konnen,sind unten in dem Kapitel tiber die Sinnesorgane geschildert word en. — Ich wende mich nun zu den drei Stieldriisensacken. An der lebenden Pedizellarie sieht man auf jedem derselben einen pigment- freien Fleck, dies ist die Offnung, welche in ihrer Lage aus Figur 1 Tafel VII zu ersehen ist (0). Der Bau der drei Stieldriisen ist vollkommen iibereinstim- mend mit dem der Globiferen. Auch bei den Stieldriisen dringt bei Reizung durch die Offnung ein feinkorniger Schleim hervor, welcher in Wasser wie Alkohol sofort gerinnt und sich mit Karmin nur gering tingiert, mit Methylgrtin hingegen eine tief dunkelgrune Farbung erhalt. Auf Schnitten bot sich mir dasselbe Bild, wie bereits bei den Globiferen geschildert wurde. Die Driisenzellen sind unregelmaCig geformte Gebilde, deren ovale Kerne von der nur geringeu Zellsubstanz umgeben wird. Die Zellen, welche Grenzen zu einander nicht zeigten, sind deutlich gegen das den ganzen Innenraum des Drusensackes ausfiillende feinkornige Sekret abgesetzt. Auf die Basalmembran folgt eine Schicht koncentrisch verlaufender glatter Muskelfasern , welche die AusstoBung des Sekretes nach auBen besorgt. Die Bindesubstanz, in welche die Drusen eingebettet liegen, ist nur von sehr geringer Entwicklung. 96 OttoHamann, Da, wo sich die Offnungen befinden, ist das AuBenepithel durch groCere, sich tiefer tingierende Zellen ersetzt, welche ringformig um die Ofinung angeordnet sind. Die Offnung der Kopfdriisen ist weder von Foettinger noch von Kohler gefunden worden. DaC aber eine solche vorhanden sein muC, setzen beide Forscher voraus, da sie sich nicht anders das Hervordringen des Sekretes erklaren konnen. Ich habe sowohl bei dieser Art wie bei alien Echiniden, welche gemmiforme Pedizellarien besitzen, die Miindung der Driisen angefunden und zwar sowohl durch Schnittserien als auch bei einigen bereits an der lebenden Pedizellarie (so bei der einen Pedizellarienform von Dorocidaris, s. weiter unten). Die Miindung der Driisen liegt bei alien untersuchten Pedizellarien dorsalwarts von derKalkspitze, also an einer Stelle, wo man sie sicher nicht erwarten wiirde, denn man sucht sie weit eher unterhalb derselben, also ventralwarts auf der Innenseite jeder Greifzange. Um die Verschmelzung der beiden oben genannten gabel- formigen Endschlauche jeder Driise und ihre endliche Miindung zu sehen , sind Schnitte erforderlich , deren Ebenen senkrecht stehen zur Langsachse der hakenformig gekriimmten Kalkspitzen und diese durchqueren. Verticale Langsschnitte erganzen die ersteren. Ein Schnitt, welcher senkrecht und quer durch das Ende einer Greifzange gefiihrt ist, zeigt folgendes, (Fig. 4, Taf. VII.) Dorsalwarts ist das Epithel verdickt und in Wiilste gelegt; unterhalb desselben sind zwei Hohlraume getrolien, welche im Inneren ein Sekret tragen und in denen ein Epithel erkennbar ist. Unterhalb derselben ist die Kalkspitze durch- schnitten, welche in der Bindesubstanz liegt. Vergleicht man nun die Schnitte, welche weiter nach der Spitze zu fiihren, so erkennt man wie die beiden Hohlraume — die auf dem Querschnitt ge- trofienen beiden Endaste jeder Driise — endlich miteinander zu einem Hohlraum verschmelzen, welcher auf beiden Seiten die Kalkspitze umgreift. Der Langsschnitt in Fig. 5, Taf. VII zeigt uns dieses Bild erganzend den weiteren Verlauf bis zur Miindung. 1) FOETTINGEE , a. 0. 0, 2) KoEHLEB, llecherches sur les Echinides des cotes de Provence, Marseille 1883, pag. 24. — Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 97 Mit {K) ist die Kalkspitze bezeichnet, oberhalb derselben, auf der Dorsalflache ist ein Druseiiausfiihrgang durchschnitten (Dr), und seine Miindung 0 zu sehen. Die Wandung des Ausfuhrganges wird von einer festen, starli lichtbrechenden, chitinahnlichen Sub- stanz gebildet. Das Korperepithel ragt bis zur Miindung, kann aber ofter abgestossen sein, wie es auch an dem freien Ende der Kalkspitze der Fall ist, an welchem selten noch der dunne Epithel- belag bis zur Spitze erhalten ist. Dieselbe Art und Weise in der Verschmelzung der Endaste jeder Driise (oder besser jedes Driisen- paares) und schlieBliche Ausmiindung findet sich bei den gemmi- ibrmen Pedizellarien von Echinus acutus, Doroci daris papillata, Strongylocentrotus lividus vor. Echinuus acutus, Lam. Die gemmiformen Pedizellarien dieser Art besitzen lange Stiele (6 mm), und zeichnet sich der Kopfteil durch seine auf- fallende Dicke aus. Die Lange desselben ist am Spiritusexemplar etwa 1,5 mm. Der Bau dieser Pedizellarien ahnelt ungemein den Verhalt- nissen, wie ich sie bei den gleichen Gebilden von Sphaerech. gra- nularis geschildert habe, nur fehlen bei unserer Form die drei Stieldriisen, und es finden sich drei Kopfdrtisensacke, welche jedoch aus urspriinglich sechs getrennten Driisensacken entstanden sind, wie das Verhalten ihrer Offnungen zeigt. Jeder der drei Drusen- sacke verjungt sich nach der Spitze der Pedizellarie zu. Etwa bis in halber Hohe teilt sich jeder Drusensack dichotomisch in zwei sich mehr und mehr verjungende Schlauche, welche am Ende der Pedizellarie, da wo die Kalkspitze aus der Bindesubstanz hervortritt, konvergieren und zu einem Ausfuhrgang verschmelzen, welcher dorsalwarts verlauft und oberhalb des Stachels miindet. So wird auch hier das Sekret der Drusen dorsalwarts von der Kalkspitze entleert. — Auf einem Langsschnitt, wie Figur 1 auf Tafel X einen solchen wiedergiebt, sieht man zunachst die eine Driise der Lange nach halbiert, im Inneren Sekretmasse gelagert. Die zwei Schlauche und deren Verschmelzung kann nur auf Schnitten beobachtet werden, welche tangential zur Riickenflache einer der drei Zangen der Pedizellarie gefiihrt sind. Auf der Innenseite jeder Zange fallen eigentiimlJche Organe auf, die mit TIP und TH^ in der Figur 1 bezeichnet sind. Es lid. XXI. K. F. XIV. 7 98 OttoHamaun, sind das Siniiesorgane, welche siiratlich in ilirem Bau iiber- einstimmen, AuBerdem treten zwischen ihnen Stellen im Epithel auf, welche sich durch ihre Zellen untcrscheiden uiid welche eben- falls als Sinnesorgane zu deuten siud, da Nerveiiziige zu ihnen herantreten. Die Nerven, welche sich in den gemmiforraen Pedizellarien dieser Art finden, sind von ungemein starker Entwicklung. Ihr Verlauf, wle sich niir derselbe unter Vergleichung einer groBen Auzahl von Schnittpraparaten darstellte, ist bei den einzelnen Individuen ein ubereinstimmender. In dem Stiel steigen eine Menge Nervenzuge, welche voneinander getrennt verlaufen, empor zu den Kopfchen. Da wo der Rosettenmuskel (M. flexor.) liegt, gehen Nervenfasern zu diesem ab; der groCte Teil der Nervenzuge jedoch, soweit er nicht direkt zu den Driisensacken zieht, formiert sich zu drei starken Nervenstammen, welche zwischen den Inter- stitien von je zwei der drei Zangenmuskeln (M. adduct.) empor- steigen. Hier verzweigen sie sich in maunigfacher Weise. Ihre Ganglienzellen treten miteinander in Verbindung und senden ihre Fortsatze in die Fasern der Zangenmuskeln hinein. Teilweise kann sich hier jeder Nervenstamm zu einem Netzwerk auflosen, welches bei Farbung mit neutraler Karminlosung und nachfolgender Hama- toxylinfarbung sich scharf unterscheidet von der umgebenden Bindesubstanz mit ihren Zellen und Fasern. Im weiteren Verlauf schwindet jedoch das Netzwerk mehr und mehr, und zur halben Hohe der Muskulatur formieren die Nervenfasern wieder einen etwa 0,074 mm starken Nervenstamm, von welchem nach alien Richtungen feinste Nervenzuge oder Nervenfasern abtreten. Wahrend nun der Nervenstamm in gerader Richtuug, so dafi man ihn auf einem Schnitt, wenn derselbe so giinstig wie in Fig. 1, Taf. X gefallen ist, in seinem ganzen Ver- laufe verfolgen und iibersehen kann, bis zu dem mit TH^ bezeich- neten Sinnesorgane, das an der Basis der Kalkspitze gelagert ist, zieht, giebt er einen Nervenast ab, welcher zu dem Tasthugel TH^ fiihrt. Bevor dieser Nervenast in den letzteren eintritt, teilt er sich etwa in 5 Aste, welche sich kurz vor ihrem Eintritt in das Sinnesorgan gabeln. Von dem Nervenstamme, der bis zu dem mit TH"^ (Figur 1) bezeichneteti Sinnesorgane zieht, treten nach alien Seiten feine Astchen ab, welche aus Nervenfasern zusammengesetzt sind uiid teils bis zur Muskulatur des Driisensackes, teils bis zum Epithel sich verfolgen lassen. Ein starkerer Ast wurde schon oben er- Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 99 wahnt, er versorgt das unterhalb des oberen Tasthiigels liegende kleine Siniiesorgan , Sg. Der Verlauf der Nervenziige, wie ich ihn gescliildert habe und wie er sich in jeder Zange ia genau derselben Weise wiederholt, ist zu verfolgen auf der schon raehr- fach verwieseuen Figur 1 auf Tafel X. Fig. 2 giebt deu Teil des Nervenstamnies starker vergroCert wieder, von welcliem zu den uuteren Tasthtigebi TH^ die Nervenziige sich abzweigen. Uber die Anordnung der Ganglienzellen verweise ich auf das Kapitul iiber die Nervenzuge uberhaupt (s. unten). Das Epithel, welches sich auf dem Kopf der Pedizellarien findet, ist auf der Ruckenflache desselben aus abgeplatteten Zellen zusammengesetzt, deren Kerne oft abgeplattet erscheinen. Auf der Innenseite der Greifzangen macht dieses Epithel Zellen Platz, welche eine Hohe von 0,02 ram besitzen und durch ihr Verhalten Farbstoffen gegeniiber sich auszeichnen. Von der Flache betrachtet, zeigen sich sechseckige Polygene, deren Konturen, der Ausdruck der Zellmembranen, stark hervortreten. Ihr Zellinhalt erscheint vollkommen ungefiirbt bis auf den der Wandung anliegenden ab- geplatteten und dunkel tingierten Kern. Auf Schnittpraparaten erhalt man Bilder, wie Figur 5 auf Tafel X ein solches wieder- giebt. Die ungefarbten Zellen sind von eiformiger Gestalt und erinnern in ihrem Habitus an Schleimdriisen, wie wir sie bei anderen Tieren kennen. Mit Karmin oder Hamatoxylin farbt sich in der eiformigen Zelle nichts. Nur ein Netzwerk tritt schwach hervor, welches das ganze Lumen durchzieht und sich niit der Zellmembran in Verbindung setzt, resp. mit einer derselben an- liegenden diinnen Substanzschicht. Der langlich-ovale Kern ist der Zellmembran eng angeschmiegt; die intraretikulare Substanz erscheint vollkommen glasig, homogen, ohne jede Granulierung. Ein feiner schwer wahrnehmbarer Porus tritt bei der Fliichen- betrachtung an den einzelnen Schleimdrusen hervor. Das Vorkommen dieser Schleimzellen, die dicht nebeneinander stehen, und die gewohnlichen Epithelzellen vollkommen verdrangt haben, ist beschrankt auf die innere Flache der Greifzangen, also den Teil, welcher zwischen oberen und unteren Tasthugeln liegt. Die Tasthugel schildere ich in dem Kapitel uber die Sinnes- organe und verweise an dieser Stelle auf dasselbe. Der feinere Bau der sechs paarweise verschmolzenen Driisen- sacke ist folgender. Eine aus mehreren Schichten bestehende Muskulatur liegt der Membrana propria auf; nach innen von 7* 100 Otto Hamann, dieser triftt man das Drusenepithel, dessen Sekret teilweise das Lumen erfiillt. Das Sekret stellt eine schleimige, kornchenlose, leicht gerinn- bare Masse dar, welche sich mit Karmin wie Hamatoxylin stark farbt. Es fullt meist den mittleren Teil des Driisenlumens auf den Priiparaten an, eine Folge der Konservierung. Die Driisenzellen, welche den Wandbeleg bilden und das Sekret ausscheiden, sind von schwer zu bestimmender Gestalt. Diese diirfte am besten mit cylinderformig zu bezeichnen sein. Das freie Ende der Drusenzellen ragt durch seine kuglige Auf- treibung oft weit in das Lumen hinein. Die Lange der Zellen ist im Mittel 0,065 mm. Ihr Inhalt verhalt sich den Farbe- flussigkeiten gegentiber verschieden. Mit neutraler Karmin- und Hamatoxylinlosung behandelt, zeigte sich das freie Ende der Zellen dunkler tingiert als das basale. Es farbt sich in der Zelle eine Masse von verschieden groCen Kornchen. Die basal gelagerten tingieren sich fast gar nicht, wahrend die mehr der Mitte ge- naherten dunkler gefarbt erscheinen, im freien Ende jedoch die Kornchen verschmolzen zu sein scheinen zu einer tief-dunkel ge- farbten Substanz, welche dem im Lumen der Druse abgelagerten Sekret gleich kommt. Fig. 3 auf Tafel X veranschaulicht dieses Verhalten der Zellen. Der Zellkeru von unregelmafiiger Gestalt liegt basalwarts, der Basalmembran anliegend. Zwischen den Sekretkugelchen schien ein Netzwerk vorhanden zu sein, doch kann ich nach meinen Praparaten iiber dasselbe keinen sicheren Auf- schluB geben. Die verschiedenen Praparate durch Pedizellarien unserer Art gaben mir immer das gleiche Bild, wie ich es eben geschildert habe. Der Durchmesser einer Driise (Alkoholpraparat) betragt im Maximum 0,2 mm. Die Muskulatur der Driisensacke besteht nicht aus einer Lage Muskelfasern, sondern einer ganzen groBen Anzahl. Die Muskel- fasern sind in verschiedenen Richtungen angeordnet. Ein Teil verlauft ringformig, ein anderer zur liangsaxe der Driise parallel, wahrend am blind geschlossenen Ende derselben sich die Fasern kreuzen, wie Tangentialschnitte erkennen lassen. Die tridactylen Pedizellarien. Diese Art von Pedizellarien besitzt niemals Drusen in den drei Zangen (Ausnahme Dorocidaris pap.), welche durch ihre Lange und Schmachtigkeit sich auszeichnen. Es sind die beweg- Beitrage zur Histologie der Echinoderraen, 101 lichsten und groBten Formen unter alien Pedizellarien und be- fabigt, ungemein rascli zuzugreifen und festzuhalten. Dafi ihnen dies nur moglich wird durch ihre quergestreifte Muskulatur, welche ich hier aufgefunden habe, darauf habe icb schou friiher hingewiesen^). Bei alien von mir untersuchten Echiniden traf ich tridaktyle Pedizellarien. Bei Centrostephanus fand ich konstant zwei Arten, wie auch bei Dorocid, papill., welche sich durch ihre GroCe unter- schieden. Die eiue Form besitzt bei der erstgenannten Art kleinere Greifzangen und ist von schmachtigerem Baue wie die zweite. Dafi sich bei den verschiedenen Gattungen diese Pedizellarien durch Gestalt und GrdBe unterscheiden werden, ist im voraus anzunehmen. Immerhin ist ihr Bau ein sehr iibereinstimmenderer, da einfacherer als der der gemraiformen Pedizellarien, und wird es genugen, wenn ich nur bei einer Art denselben genauer schildere. Centrostephanus longispinus Peters. Auf Tafel VIII, Figur 3 ist ein Langsschnitt durch eine tridak- tyle Pedizellarie wiedergegeben. Im Kopfteil ist zunachst die aus quergestreiften Muskelfasern bestehende Zangenmuskulatur, M. ad- ductores, zu erwahnen (vgl. das Kapitel iiber die Muskulatur). Drei Nervenstamme ziehen zu den Greifzangen, in den Interstitien der drei Adductoren-Muskeln gelagert und zu dieseii Fasern abgebend. Diese Nervenstamme geben in ihrem ganzen Verlauf bis zum Ende der Zangen groBere und kleinere Seitenaste ab, welche zum Innenepithel und zum Ruckenepithel verlaufen und in die Zellen derselben eintreten. Ein besonderes Sinnes- organ ist niemals vorhanden. Wohl aber ist der obere Teil der Innenflache jeder Greifzange als besonders nervos anzusehen, da hier das Epithel an Hohe zugenommen hat und zu den dasselbe zusammensetzenden Cylinderzellen die Nervenfasern treten. Sinnes- zellen sind jedoch auch im unteren Teil der Innenflache vorhanden, wenn auch nur in geringer Menge. Im Leben wimpert die ganze Innenseite. Die Wimpern besitzen eine ungemeine Lange, sie sind etwa 0,02 mm lang. Wahrscheinlich finden sich auch zwischen ihnen Tastborsten vor. Die Pigmentzellen mit schwarzlichem Korncheninhalt sind reichlich vorhanden. Sie sind weit verastelt 1) Vorlaufige Mitteilungen zur Morphologie der Echiniden, Nr. 2, in: Sitz.-Ber. d. Jena. Gesellsch. f. Med. u. Naturw., Jahrgang 1886 102 Otto Hamann, und liangen die einzeluen Zellen mit ihren Fortsatzen auf weite Streckeii bin untereinander zusammen. Ihre eigentliche Lage ist die Cutis, meist aber habeu sie ibre Fortsiitze zwiscben die Epitbelzellen bineingescboben, oder aber liegen der Basis der- selben an. Von besonderem Interesse ist der Bau des Stieles. Der Kalkstab reicbt nicbt bis zum Kopfe binauf, sondern hort eine geraume Strecke unterbalb desselben auf. (vgl. die Figur.) Hier- durcb ist es moglicb geworden, daB der Kopfteil beweglicber ist und sicb nicbt nur nacb alien Seiten bewegen, sondern aucb nacb dem Stiel umbiegen kann. Die Strecke zwiscben dem knopfformig erweiterten Ende des Kalkstabes und dem Kopfteile der Pedizellarie, wird eingenommen von einem elastiscben Ligament, Gallertstiel, wie icb dies Gebilde zu nennen vorscblage. Dasselbe ist von cyliudriscber Ge- stalt und wird allseitig umbiillt von Muskelfasern, und zwar glatten, welcbe an den Kalkstiicken im Kopfteil der Pedizellarie inserieren, dem Ligament anliegen und bis zum Kalkstiel und selbst an diesem entlang verlaufen. Diese in einer Scbicbt parallel miteinander verlaufenden Fasern sind es, welcbe den Kopf umbiegen konnen, wabrend das elastiscbe Ligament in die vorige Lage zurtickstrebt. Das Ligament bestebt aus einer feinkornigen Masse, die sicb bellrosa tingiert. Fasern sind nur wenige vorbanden und nur bier und da ist eine Zelle oder Zellkern nacbweisbar. DaC man es bier mit einer besonderen Diflerenzierung der Bindesubstanz zu tbun bat, darauf babe icb bei der ausfiibrlicben Besprecbung derselben bingewiesen. Da wo der Kalkstab beginnt, fangt aucb die netzformige Bindesubstanz mit ibren Sternzellen wieder an. Die Bindesubstanz, welcbe sicb zwiscben den Muskeln, welcbe dem Ligament und dem Korperepitbel aufliegen, findet, zeigt sicb gleichfalls, wie die Untersucbung der friscben Pedizellarie lebrt, von fliissiger Bescbaffenbeit. Fasern mit Stern- oder Spindel- zellen sind kaum vorbanden, wobl aber Wanderzellen in grower Menge, welcbe in Bewegung begriffen sind. Diese erfolgt durcb Ausstreckung und Einziebung kleinster Pseudopodien nacb Amoben- art. Durcb tJbergieCen mit V2 ^/o Osmiumsaure und nacbberiger Farbung mit Pikrokarmin gelang es mir, die verschiedensten Bewegungszustande, in welcben sicb die Zellen im Momente der Fixirung befanden, zu erbalten. Beitriigc zur Histologie der Echinodermen. 103 Dorocidaris papillata. Es finden sich zwei Formen von tridactyleii Pedizellarien vor, die eine mit langen, stiletformigeu Greifzaiigen und eiue zweite mit gedrimgenen Armen. Beide Arten sind von Kohler ^) be- sclirieben iind ihre Kalkgebilde abgebildet worden. Der letzteren Art kommen Driisenschlauche in ihren Greifzangen zu, welclie einen eigentiimlichen schlaucliformigen Bau zeigen. Sie sind von Kohler ^) iibersehen worden. Das Kalkskelett dieser Greifzangen hat dieser Forscher naturgetreu abgebildet, ich beschranke micli daher nur auf folgende kurze Bemerkungen. Die Kalkplatten, welche in jeder Greifzange liegeii, sind von loilielformiger Gestalt. Am Rande der Innenseite stehen kleine, feine Kalkzahne, wie Figur 7 Taf. VII zeigt. Weiter ist auf der Innenseite ein Quer- balken zu finden, welcher aus Kalk besteht. Zwischen diesem Querstab und der Innenseite der Kalkplatte liegen eigentiimliche Driisenschlauche von einer Gestalt, die vollkommen abweicht von den ahnlichen Gebilden der gemmiformen Pedizellarien. Figur 6 auf Tafel VII zeigt die Driisenschlauche bei schwacher Vergroiierung. Einzelne kurze Schlauche hangen traubenartig zusammen und miinden in einen langen Ausfiihrgang, welcher oberhalb des ersten langeren Kalkzahnes an der Spitze miiudet, wie die Seitenausicht Figur 8 Taf. VII lehrt. Die Driisenschlauche liegen ebenso wie das Kalkskelett jeder Greifzange in der Bindesubstanzschicht. AuBen wird diese von dem allgemeinen Korperepithel iiberzogeu, welches auf der Innenfliiche der einzelnen Zangen aus langen Zellen be- steht, welche lange und starke Wimpem besitzen (Fig. 8 Taf. VII). Das Epithel der Driisenschlauche besteht aus fein granulierten, ab- geplatteten Zellen, welche ihr Sekret in das enge Lumen jedes Schlauches cibgeben. Diese eigentiimliche Pedizellarienform, die ich den tridactylen als Unterart zuzahle, findet man vorziigHch auf der Mundhaut vor, da wo die zehn MundfiiBchen ihren Sitz haben. Die l)uccalen Pedizellarien. (Sphaerechinus granulans.) (Fig. 7 u. 8 auf Tafel YIII.) Diese Gruppe bietet mit den Trifoliaten den einfachsten Bau. Weder Driisen noch besondere Sinnesorgane finden sich vor, Der 1) A. o. 0. 104 Otto Hamann, Verlauf der Nervenstamme ist derselbe, wie icli ihn bei den tibrigen Pedizellarien gescliildert liabe. Drei Nervenstamme verlaufen am Kopfteil und Ziehen zu dem Epithel der Innenseite jeder Greif- zange (vergl. Fig. 7 auf Taf. VIII). Das Epithel ist bedeutend ver- dickt und wimpert. Zwischen den Epithelzellen sind Sinneszellen vorhanden, wie feine Schnitte und Zerzupfungspraparate erkennen lassen. Etwa im Centrum jeder Greifzauge tritt der Nervcnstamm an das Epithel. Seine Eibrillen lassen sich im Epithel auf weite Strecken verfolgen. Fig. 8 auf Taf. VIII zeigt einen Teil des Epithels der Innenflache vergroBert mit dem hinzutretenden Nervcnstamm, der hier endet. Die M. adductores sind kraftig entwickelt. Unterhalb der- selben liegen die M. extensores, welche die Greifzangen ausein- anderbiegen. Der Kalkstab reicht nur bis zu geriuger Hohe im Stiel der Pedizellarie , so daC es zur Bildung eines kraftigen elastischen Ligamentes kommt, welches von parallel mit der Stielaxe verlaufenden Muskelfasern belegt ist, den M. fiexores, die an Kalkstiicken im Kopfe einerseits und am Kalkstabende andererseits inserieren. — Die Lange dieser Mundpedizellarien betragt ungefahr 2 mm, die ihres Kopfes 0,5 mm. Die trifoliaten Pedizellarien. (Echinus microtuberculatus.) Die kleinsten Pedizellarien, welche sich auf der Oberflache des Korpers vorfinden, gehoren zu dieser Gruppe. Die Lange des Kopfchens betragt nur 0,1 mm, die Breite 0,07 mm. (Bei Echin. acutus betragt die Breite der zusammengeklappten Zangen 0,16 mm, Lange des Kopfchens 0,23 mm.) Die Stiellange betragt 1,4 mm. Der Kalkstab nimmt kaum die Halfte des Stieles ein, er ist nur 0,5 mm lang. Ein stark ausgebildetes elastisches Ligament reicht von seinem Ende an bis zum Kopf. Seiner OberlBache lagern in gleicher Weise Muskelfasern auf, wie bei den iibrigen Gruppen geschildert wurde. Auch diese inserieren am knopfformigen Ende des Kalkstabes im Stiel und andererseits im Kalkskelett des Kopfes. Im lebenden Zustand schwingen und schlagen sie lebhaft hin und her, Dabei ist die soeben beschriebene Langsmuskulatur in Tha- tigkeit. Je nach der Kontraktion der einen oder anderen Fasern biegt sich das Kopfchen mit dem das Ligament enthaltenden Stielteil, wahrend als Antagonist das Ligament wirkt, welches Beitrasre zur Histoloi^ie dor Echinodermen. 105 vermoge seiner Elasticitat immer in die vorige moglichst ausge- dehnte Stellung zuriickstrebt. Die Muskulatur ist der Kleinheit der drei blattformigen Zangen angemesseii und setzt sich aus glatten Muskelzellen zusammen. Die innere Flache der Greif- zaiigen ist stark bewimpert. Das Epithel ist verdickt, und lassen sich, wie in anderen Pedizellarien , drei Nervenziige verfolgen, welche zu diesem Epithel hinzutreten. Besondere Sinnesorgane konnte ich weder bei dieser Art, noch bei Ceutrosteph. longisp. beobachten. Der Mechaiiismus 1bei der Bewegung der Grreifzaiigeii der Pedizellarien. Soviel mir bekannt ist, hat man bisher immer nur auf die drei M. adductores bei der Bewegung der Greifzangen Rucksicht genommen. Sobald sich diese drei Muskelbiiudel, welche auf der Innenflache der Greifzangen sich anheften , kontrahieren, klappen die drei Zangen aneinander. Wie geschieht aber ihr ebenso schnelles Auseinandergehen ? DaB dieses nur durch eine M.add. Muskulatur, welche als Antagonist der Adduc- toren wirkt, zu erklaren sein wird, nicht aber etwa bios durch Elasticitats- verhaltnisse , scheint mir von vornherein das Wahr- scheinlichste zu sein. Da das Verhaltnis der Muskeln zu einander bei den verschiedenen Grup- Liiiigssclinitt durch eine PedizeU. gemmiforrnis von pgjj (Jgj- Pedizellarien daS- Echinus acutus. Vergr. 50. ep Korperepithel ; i^ • j. u u • i bfj Biudesubstanz ; Dr Drusensack; i>r3 Drtisen- SelDC ISt, SO haDC ICh CmC zeiien ; Tm und Tm Tasthiigei ; Kst Kaik- ^er hochststehendeu gem- stab ; M. dr. Muskulatur der Driisenwand ; M. .„ -n t n • add. Adductoren; 31. ext. Extensoren ; M. flex. Hlltormen PedlZellariCn, Flexoren. Beuger des Kopfes. -ep -^-Dr Drz .M. dr. M. ext. M.Jlex. -Kst. 106 Otto Hamann, 31. flex die von Echinus acutus, zur Erliiuterung gewahlt. Das Bild ist bei fiinfzigfacher Vergrofierung mit der Camera gezeichnet, sonst aber schematisch gebalten. Die Kalkstucke sind nicht rait eiugetragen. Aufier den grofien Adductoren ist nocli folgende Muskulatur vorhanden. Einmal sind auf dem Holzschnitt der Quere nach ge- troffen Muskelbiindel (M. extensores), welche an denselben Kalk- stiicken inserieren wie die Adductoren, aber nicht auf der inneren Flache derselben, sondern auf der auBeren und der Basis der Kalkplatten mehr genahert. Ist der Langsschnitt durch die Pedizellarie so gefallen, daC der eine der Adductorenmuskel der Lange nach getrofifen ist, so hat man auch die Extensoren in ihrem ganzen Verlauf. Ein solches Bild giebt der zweite Holzschnitt wieder. Zwei der Kalkplatten habe ich, so gut es gehen wollte, eingetragen und sind die Adduc- toren {M. add.)., welche auf der inneren Flache der Kalkplatten inserieren, und zweitens die Extensoren, welche im Bogen ver- laufen und schlaif sind, sobald sie nicht in Thatigkeit, gestreckt, sobald sie kontrahiert sind. Sie greifen auf den auCeren Flachen der beiden Flatten an. Immer sind die Extensoren im Verhaltnis zu den Adductorenbundeln schwach entwickelt. Aus ihrer Lage geht aber hervor, dafi das Ausstrecken der Greifzangen, sobald die Muskeln in der angegebenen Weise sich inserieren, einen geringeren Kraftaufwand erfordert als das Zusammenziehen der- selben, wenn man die Lage der Adductoren in Be- tracht zieht. Daher ihre geringere Ausbildung. Der Kopfteil jeder Pedi- zellarie ist auf dem Stiel beweglich. In unserer Fi- gur reicht der Kalkstiel bis in den Kopf. Von ihm gehen radienartigMuskel- fasern aus, welche als Fle- xoren wirken, den Kopf nach alien Seiten beugen konnen. Sie inserieren ebenfalls an den Kalkplat- ten im Kopf, die auf den Figuren nicht mit einge- zeichnet sind. Kpl. - Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 107 Endet der Kalkstiel nicht im Kopf, sondern vor demselben in einiger Lange, so verlaufen die Flexoren am Ligament eutlang bis zum knopfibrmig angeschwolleuen Anfaugsteil des Stieles. Die Fiinktion der Pedizellarien. tJber die Funktionen der einzelnen Pedizellarien hat man bis heute gestritten, ohne eine Einigung zu erreichen, weil das Vorhandensein von Sinnesorganen , Driisen, iiberhaupt der feinere Bau fast unbekaunt war und nur immer die Kalkstiicke bescbrieben wurden. (Eine Ausnahme hiervon macben nur Sladp:n und Foet- TiNGER, die Driisen bei Sph. gr. auffanden und beschrieben.) Zunachst werden die Pedizellarien, mogen sie nun welche Form auch immer haben, als Tastorgane funktionieren , dafiir sprechen die zahlreichen Nervenendigungen im Kopfteil, wie im Stiel derselben. Die kleinsten Forraen, wie die Pedizellariae trifoliatae, saubern unzweifelhaft die Schale von kleinsten Sandpartikelchen, Protozoen, iiberhaupt alien Fremdkorpern, mogen diesenun direkt auf der Oberflache der Schale oder auf den Stacheln sich befinden. Ihnen wird also die Funktion zukommen, welche A. Agassiz fiir alle Formen von Pedizellarien in Anspruch genommen hat. Die groCeren Arten, wie die tridactylen Pedizellarien, dienen nur in seltenen Fallen hierzu, in erster Reihe sind sie dazu da, lebende groBere Korper, wie Wiirmer etc., abzuhalten, also wirken sie als Waifen, weiter aber — wie ich in Hinsicht auf die nur bei ihnen vorgefundene quergestreifte Muskulatur schheBe — dienen sie zum Festhalten an Fremdkorpern bei der Bewegung, wie schon Romanes und Ewart festgestellt haben. Die gemmiformen Pedizellarien haben die gleiche Funktion, es unterstiitzt sie beim Greifen das Sekret der Driisen- siicke in den Greifzangen, wie Experimente lehren. Bei Echinus microtuberculatus stehen die driisentragenden Pedizellarien raeist auf der Riickenfiache und dienen, wie ich mich an vielen im Aquarium gehaltenen Tieren iiberzeugen konnte, dazu, Tang- blatter etc. festzuhalten , mit denen sich der Seeigel in Ruhelage wie in Bewegung begriffen maskiert. Hierbei ist ihnen das schlei- mige Sekret ihrer Driisenpedizellarien von groBtem Nutzen. 108 Otto Hamann, Die eiobiferen. Centrostephanus longispinus Pet. tJber der ganzen Korperoberflache dieses prachtigen Seeigels zerstreut sitzen, rait bloBem Auge als weiBe, erhabene Punkte keuntlich, Gebilde, welche jeglicher Greifzaugen eiitbebreu. Von einem Stiel wird ein kugliger Korper getrageD, welcher sammt dem Stiel in schwingende, pendelnde Bewegungen geraten kann. Aufier diesen weiCen Gebilden, den Globiferen, fallen violett gezeichnete, ebenfalls auf Stielen sitzende Korper sofort in die Augen. Auch diese siud von kugliger Gestalt, auf ihrer Spitze sitzt aber eine dreigliedrige Greifzange, in welcher das Pigment angehjiuft sich befindet. Diese bunt gefarbten Korper sind iiuCerst beweglich, besonders diejenigen, welche sich durch langere Stiele hervorheben. Unter den Globiferen kann man zweierlei Formen leicht unter- scheiden. Die eine zeichnet sich durch ihren gedrungenen Bau aus, besonders durch den auBerst kurzen Stiel (Fig. 1 Tafel IX), wiihrend die andere Art von schmachtigerer Gestalt ist und einen langeren Stiel besitzt (Fig. 3). Von oben gesehen, zeigt sich am Kopfteil jeder Globifere iiufierlich eine Dreiteilung. Drei Kugeln sind eng aneinander geriickt und mit ihren Beruhrungsstellen ver- schmolzen. In jeder dieser drei Kugeln, welche ubrigens, wie eine Betrachtung von der Seite zeigt, sich besser mit eiformigen Ge- bilden, deren Langsaxe parallel lauft der des Stieles, vergleichen lassen, liegt eine Driise von gleicher Gestalt, welche nach auCen durch einen Porus miindet. Der Driiseninhalt erscheint von gelb- licher Farbung. Im Centrum des Stieles verlauft ein Kalkstab, welcher sich zwischen den drei Driisen centralwarts gelagert fortsetzt und meist mit einem kuglig aufgetriebenen Ende (Fig. 3) abschlieCt. Uber letzterem erhebt sich die Haut, eine kleine Kuppel bildend. Der feinere Bau der Globiferen. Das allgemeine Korperepithel iiberzieht den Stiel sowohl wie den Kopfteil in Ge- stalt von kubischen Zellen (Fig. 10). Zwischen den Liicken der- selben, sie auseinauderdrangend, lagern Pigmentzellen oft in un- gemein groLer Anzahl. Diese Zellen sind von gelber Farbung und zeigen ein prachtiges Bild mit ihren oft weit und untereinauder mannigfach verzweigten Auslaufern. Hier und da trifft man auch auf Pigmentzellen , welche ihre Fortsatze vollkommen eingezogen Beitriige zur Histologie der Echinodermen. 109 haben (vergl. die Figuren 7, 8, Tafel IX, fpz = gelbe Pigment- zellen zu Fig. 2). All der lebenden Globifere kaiin man iiber den Bau der Driise selbst sich bereits orientieren. PreBt man ein frisch vom Tiere entferntes Organ, so sieht man, daB das Innere jeder eiformigen Driise von langen, cylindrischen, pallisadenformigen Zellen einge- nomnien wird, welche im Centrum iiur einen geringen Raunl frei- lassen. Diese Zellen haben eiuo Liinge von etwa 0,13 mm oder dariiber, wiihrend ihr Breitendurchmesser 0,005 mm betragt. (Der Langsdurchmesser einer Driise betragt 0,45 mm im Mittel , der Durchmesser durch den Kopf einer Globifere der ersteren Art 0,45 mm.) tJbt man einen starken Druck auf das Deckglas aus, so kaun man die Zellen plotzlich zu den Ojffnungen der Driisen heraus- treten sehen. Farbt man diese so gewaltsam hervorgeprefiten Zellen, so findet man niemals einen Kern in denselben, auch nicht an ihrer Basis. Die Zelle ist oberhalb des Kernes abgerisseu worden, wiihrend letzterer, von Plasma umhiillt, im Innern der Driise der Wandung aufliegend zuriickgeblieben ist. Der Zellinhalt be- steht aus glanzenden Kornchen. Zur genauen Erforschung der Driise geniigt ihre Betrachtung im frischen Zustande nicht. Schnitte durch mit Alkohol oder Flemming'schem Gemisch hergestellte Praparate und nachherige Farbung zeigen folgendes. Ein Querschnitt durch den Driisenteil einer Globifere ist in Fig, 12 abgebildet. Zwei der Driisen sind auf dem Schnitt getroffen. Die Cylinderzellen der Driisen nehmen bei Hamatoxylinfarbung einen tiefblauen Ton an, bei Karmintink- tion farben sie sich hellrot, wiihrend der urn den basal gelagerten Kern sich findende Zellteil durch eine dunklere Nuance hervortritt. Methylgriin farbt die Zellen sehr stark, wahrend die Bindesubstanz und Epithel dieseu Farbstoff nicht aufnehmen. In Fig. 13 ist ein Teil der Driisenwandung starker vergroCert wiedergegeben. Der kornige Inhalt der einzelnen Zellen nimmt den bei weitem groCten Teil der Zelle ein, Nur an der Basis, den Zellkern um- hiillend, findet sich eine Masse durch dunklere Farbung hervor- tretend. Das ist das Plasma der Zelle. Von hier aus scheint sich ein feines Netzwerk durch den tibrigen Teil der Zelle zu verbreiten, wie Hamatoxylinfiirbung zeigt. In den Maschen dieses Netzwerkes sind die hellen, glanzenden Korner oder Tropfchen angesammelt. Isolierte Zellen (Ranvier's Drittelalkohol) zeigen dasselbe Bild. 110 Ottollamann, Basalwarts haftet ihiicn der Zellkern, von nur wenig Plasma um- geben, an (Fig. 14). Eine Membran laBt sich an diesen Zellen uicht finden. Der Zellinhalt ist an der freien Basis ebenso scharf nach auCen abgegrenzt als an der Mantelflache der Zelle. Frisclie isolierte Zellen zeigen dieses Verhalten, Bei den auf Schnitten untersuchten Zellen, mochten sie nun von direkt mit Alkohol er- harteten Praparaten oder von vorher mit Pikrinsaure oder dem Flemraing'schen Gemisch getoteten berstammen, zeigte die freie Basis der Zellen Quellungserscheiiiuugen. AuCer dem geschilderten Bild der Driise mit Cylinderzellen trifft man auf Driisen, welche ein anderes Bild zeigen, indem bei ihnen die Driise erfiillt ist von einer schleimartigen Masse, welche in Alkohol oder Wasser sofort gerinnt. Dann besteht der Driiseniuhalt aus dieser schleimartigen Masse und zweitens aus eiuem Wandbeleg von Zellen, welche von wenig Plasma urahullt werden. Die Zellen zeigen keinerlei Grenzeu untereinander (Fig. 15). Ihre Kerne sind von ziemlicher GroBe und zeigen in ihrem hellen Inhalt meist einige deutlich umschrie- beiie Kernkorperchen. Kleinere Zellkerne finden sich zwischen ihnen zerstreut vor. Ein Zusammenhang mit diesem Wandbeleg von Zellen und der central gelagerten Schleimmasse ist entweder nicht raehr zu erkennen oder aber beschrankt sich nur auf wenige Zellen , wo feine Strange zwischen Zellen und Schleira noch er- halten sind. Vergleicht man das soeben geschilderte Verhalten mit dem oben Geschilderten, so ergiebt sich ohne Zwang folgendes. In dem einen Zustand haben wir die Druse vor uns, deren Zellen als schleimbildende noch erhalten sind, aber dann wahrend der Ab- sonderung zum groBten Telle bis auf den protoplasmatischen Rest mit Kern zu Grunde geheu. So ist der zweite Zustand der Driise entstanden. Das Sekret, welches in den Driisen entsteht, ist eine das Lumen derselben ganz ausfiillende kornige Masse, aus kleinen Tropfchen bestehend, die stark lichtbrechend sind, und farbt sich mit Anilingriin oder Essigkarmin ziemlich stark. Von den als Wandbeleg zuruckbleibenden Zellresten, die sich jedenfalls durch Teilung vermehren, geht wahrscheinlich von neuem die Absonderung vor sich, nachdem die Zellen ausgewachsen sind. Dariiber stehen mir keine Beobachtungen zu Gebote. Unterhalb der Driisenzellen findet sich eine aufierst diinne Membrana propria und nach auCen von derselben eine Muskel- schicht. Die Muskelfasern verlaufen zu einander streng parallel, Beitrage zur Histologie der Echiuodcrmen. Ill eiue neben der anderen gelagert in einer Schicht, und zwar coii- ceiitrisch zur Offnung jeder Driise. Isolierte Faseru zcigen folgenden Bau. Eine feiiie Langsstreifung tritt iiach Osmiuiiibehaiidlung an den runden, glatten Fasern auf, wahrend eiue Querstreifung niemals vorhanden ist. Jede Druse, umhiillt von der Muskelschicht, liegt in der Bindesubstauz der Globifere eingelagert. Diese bildet die Hauptmasse des Stieles, und ist es in dessen Centrum zur Bildung cines Kalkstabes gekommen. Die Bindesubstanzschicht besteht aus Zellen und Fasern, welch letztere im Stiel einen parallelen Verlauf zur Langsaxe desselben nehmen. Sie sind in grower Menge und verscbiedener Starke in der nur gering entwickelten Grund- substanz vorhanden. Wanderzellen findet man oft dicht gedrangt zwischen den Driisen stehend vor. Sphaerechinus granularis. Leichter als bei irgend einer anderen Art sind die Globiferen bei dieser Form aufzufinden. Es sind auf einem etwa 1 mm langen Stiele aufsitzende, mit einera kugligen Kopfe versehene Gebilde, welchc zwischen den gemmiformen Pedizellarien und Stachela sitzen. Ihre Bewegung beschrankt sich auf ein Neigen nach der einen oder anderen Seite. Fig, 5 zeigt eine Globifere mit ihrem aus drei Kugeln he- stehenden Kopfe. Aus der einen Offnung dringt die Inhaltsmasse, das schleimige Sekret, hervor. Die Farbe unserer Organe ist tief violett, wie die des ganzen Seeigels. Von Pigmentzellen , welche im Epithel gelagert liegen , riihrt diese Farbe her. Die drei Offnungen treten als helle Punkte auf der Oberfliiche hervor. Im Stiel findet sich der Kalkstab, welcher mit seinem Ende zwischen die Driisen hineinragt. Weiter sind halbmondformige Kalkgebilde zu erwahnen, die in groBer Menge in der Bindesubstanz zwischen den drei Driisen liegen (siehe Fig. 11 auf Tafel IX). Die Driisen bilden drei Sacke, welche untereinander ohne jede Kommunikation sind und durch je eine Offnung ihr Sekret nach auBen entleeren. Besonders stark ist die Muskulatur entwickelt, welche einen ringformigen Verlauf besitzt und durch Kontraktion imstande ist, diesen Schleim durch die Offnung nach auCen zu entleeren. Die glatten Muskelfasern besitzen bei mafiiger Kontraktion einen Durch- messer von etwa 0,003 mm. 112 0 tto Hamann , Zerquetscht man den Kopf einer frischen lebenden, soeben von der Korperwand abgesclinittenen Globifere, so kann man die Lage- rung der drei Driisen zu einander am besten erkennen (Fig. 6). Die Epithelschicht , welche die Globiferen, Kopf wie Stiel, iiberzieht, stimmt iiberein mit dem allgemeinen Korperepithel. Auf das Korperepithel folgt die Bindesubstanzschicht mit ihren verschiedenen Elementen und sichelformigen Kalkgebilden, und auf diese die Muskelschicht, welche jede Driise umhiillt. Nach innen von letzterer gelagert folgt eine Membrana propria und hierauf die Drusenzellen. Ein Schnitt durch eine der drei Driisen lehrt uns, daB die- selben meist prall angefiillt sind von einer durchsichtigen Fliissig- keit, in welcher helle kuglige Tropfchen schwimraen, die durch ihr starkes Lichtbrechungsvermogen auffallen. Die gauze Sekret- masse farbt sich in neutralem Essigkarmin, wahrend sie in Borax- karmin fast farblos bleibt, Methylgriin wie Anilingriin bringen eine tiefgrtiue Farbung hervor. Mit Osmium behandelt, braunt sich der Druseninhalt (vergl. Fig. 16 Taf. IX). AuBer der das Lumen jedes Driisenballens ausfiillenden Sekret- masse sind der Membran aufsitzend Zellen mit ovalen Kernen vor- handen, die gegeneinander keine Abgrenzung zeigen. Das Plasma der Zellen hebt sich bei geeigneter Farbung scharf ab von der Inhaltsmasse. Es erscheint fein granuliert. Immer fand ich nur eine Lage von Zellen an, wie es Fig. 18 bei maCiger Vergrofierung zeigt. Fig. 17 giebt die Zellen starker vergroBert wieder. Dafi von diesen Zellen die Sekretbildung er- folgen muC, ist wohl selbstverstandlich, es fragt sich nur, auf welche Weise. Die Bilder, welche ich auf Schnitten durch Driisen erhalten habe, zeigen immer dasselbe. Nur die Menge des Sekretes war eine wechselnde. Driisen, welche vollkommen entleert gewesen wjiren, habe ich iiberhaupt niemals angetroifen. Es liegt nahe, eine gleiche Entstehungsweise fur das Sekret anzunehmen, wie ich bei Centrostephanus geschildert habe. Dann ist mir immer nur das eine Stadium zur Beobachtung gekommen, in welchem der groCte Teil der Cylinderzellen sich bei der Ab- scheidung beteiligt und nach derselben nur noch ein basaler Rest der Driisenzelle iibrig geblieben ist, welcher den Zellkern einschliefit. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 113 Die Olobiferen') und die Pedizellarien. DaB es sich bei den Globiferen um eigentumliche Organe handelt und nicht etwa um zufallig entstandene MiCbildungen, ist kurz nach meiner vorlaufigen Mitteilung durch raeine Angaben be- statigende Beobachtungen erwiesen worden. DaB sie trotz ihrcr Grofie, die mehrere Millimeter betragt, bisjetzt ubersehen worden sind, mag wohl daran gelegen haben, daB sie bei oberflachlicher Betrachtung fur Pedizellarien gehalten worden sind. In der That werden wir auch die Globiferen aus Pedizellarien hervorgegangen zu denken haben in ahnlicher Weise, wie wir die Spharidien als modifizierte Stacheln ansehen. Es finden sich naralich bei Centrostephanus longispinus neben den echten Globiferen solche vor, bei denen oberhalb der Drusen- sacke eine winzige dreiklappige Greifzange sitzt. Es konnen diese Gebilde als Pedizellarien bezeichuet werden , welche an ihrem Stiel drei kuglige Driisensacke tragen, die in gleicher Hohe rings um denselben angeordnet sind. Auf Tafel IX sind in Figur 2 und 4 solche Pedizellarien abgebildet. Die eine besitzt schmachtigere Driisen an ihrem langen Stiel, die andere einen kurzen, gedrungenen Stiel mit dicken Driisensacken. Denken wir uns nun die kleine Greifzange nicht zur Ent- wickelung gekommen, so haben wir die Globiferen vor uns, wie ich sie bei Centrostephanus longispinus und Sphaerechinus granu- lans gefunden habe. Was die kleinen dreizangigen Pedizellarien anlangt, so sind sie mit Sinnesorganen sehr reich ausgestattet. Auf der Innenseite jeder Greifzange liegt an der Spitze ein Tastkissen und ebenso an der Basis ein solches von ahnlichem Bau, wie ich sie bei den gemmiformeu Pedizellarien beschrieben habe. DieNervenzuge lassen sich leicht bis zu ihrem Eintritt in das verdickte Epithel der Tastorgane verfolgen. 1) Ich finde keinen Grund, den Namen Globiferen, welchen ich diesen Organen zugelegt habe (Vorl. Mittlgn. z. Morph. d. Echiniden in: Sitzsber. d. Jen. Ges. f. Med. u. Nat. Jahrgang 1886) mit einem anderen zu vertauschen, da fiir die Pedizellarien mit Driisensacken in den Greifzangen jetzt allgemein die Bezeichnung : Pedicellariae gemmi- formes in Anwendung ist. Bd. ZXI. N. F. XIV. « 114 Otto Hamann, Die Stacheln. Dorocidaris papillata. Mit Ausnahme der groCen dicken Stacheln, welche sich auf der Schale von Dorocidaris vorfinden, besitzen alle Stacheln eine Einrichtung, welche ich sonst bei keinem anderen Seeigel gefunden habe. Am lebenden Tiere bietet der basale Tell der Stacheln ein flaumartiges Aussehen , welches von einer Unmasse von groCen Drusenzellen herruhrt. Lost man einen Stachel von der Haut los, so sieht man, wie sein basaler Teil nach der einen Seite besonders angeschwollen ist, und wie diese Anschwellung nach der Spitze zu nach und nach verstreicht. Der lebende Stachel zeigt bier kreisrunde, helle, farblose, zarte Gebilde, welche die von der Flache bctrachteten Drusenzellen sind. Sie stehen dicht gedrangt, und sieht es aus, als ob das Epithel sich lediglich aus deren Elementen zusamraen- setze. Die Oberflache des Stachels ist mit Wimpern bedeckt bis zu seinera Ende. Hier fand ich feine Haare, Tasthaare, wie ich nicht anstehe diese Gebilde zu nennen, welche keiner Bewegung fiihig sind, sondern sich unbeweglich starr verhielten. Fertigt man einen Langsschnitt durch einen vorher entkalkten Stachel an, so erkennt man, daC die Anschwellung bedingt wird von einer Verdickung der Bindesubstanz, die hiigelartig hervor- gewolbt ist, und dafi sie zweitens von einer Verdickung des Epithels herruhrt. Das Epithel setzt sich zusammen aus Drusenzellen und gewohnlichen EpithelzeUen, deren basale Fortsatze ein ver- schiedenes Verhalten zeigen. Die Gestalt der Drusenzellen ist schon an losgelosten Epithel- stiicken von einem lebenden Stachel zu erkennen. Die Zellen sind schlauchformig, von einer Membran umgeben. Ihr Zellleib ist er- fiillt von einer kornigen, stark lichtbrechenden Masse (Figur 5 auf Tafel XI). Eine grofie Menge von Flimmerhaaren erhebt sich auf dcm freien Ende derselben. Diese Flimmerhaare stehen auf einer Cuticula, die am lebenden Stachel leicht zu erkennen ist. Der Inhalt der Zellen nimmt Farbstoffe ungemein stark auf. Mit saurer Hamatoxylinlosung farben sie sich tiefblau, das Gleiche gilt von Karminlosungen. An entleerten kornchenfreien Zellen lafit sich ein feinmaschiges Netzwerk unterscheiden und tritt auch da im basalen Telle des Zellleibes liegende Kern zu Tage (vergl. Beitrage zur Histologie der Echinoderraen. 115 Fig. 8 dr., Tafel XI). Auf den Schnitten durch Stacheln fond ich die Driisenzellen meist weit iiber die Epitheloberflache her- vorragend, wahrend im Leben das nicht so stark hervortrat. Teil- weis entleerte Zellen zeigten ihren basalen Teil zusamraengeschrumpft, so daC dieser dann gleichsam als Stiel des gefullten Zellleibes sich prasentierte. Zwischen den Driisenzellen, deren Durchmesser etwa 0,0 . . mm betragt, liegen die gewohnlichen Epithelzellen , welche von einer den Drusenzellen entsprechenden Lange sind. Es sind feine fadenformige Gebilde mit einem ovalen Kerne. Der periphere Fortsatz setzt sich fort in eine GeiCel, wahrend der basale sich meist als Stiitzfaser zu verhalten schien, in anderen Fallen jedoch von feinster Gestalt war, sich mehrfach verastelte und mit Nerve n- fasern , welche zum Epithel herantreten, in Verbindung zu treten schien. Figur 7 auf Tafel XI zeigt Epithelzellen in Flemming's Gemisch konserviert und in Drittelalkohol maceriert. Die basalen Fortsatze lassen sich bei Farbung mit Pikrokarmin oder neutraler Karminlosung weit verfolgen , so daC ihre direkte Fortsetzung in Nervenfasern nicht zu bezweifeln ist. In jedem Stachel lassen sich Nervenzuge nachweisen. Diese entspringen, wie ich an jungen in toto geschnittenen Seeigeln von 5 mm und dartiber gefunden habe, von dem zunachst gelegenen Ambulacralnervenstamm. Es lassen sich mehrere Nervenzuge in einen Stacheln eintreteud verfolgen. Sie bestehen aus wenigen Nervenfasern (vergl. Figur 8, Tafel XI), welche unterhalb der Epithelzellen, ihrer Basalmembran meist dicht angeschmiegt , also in der Bindesubstanzschicht , verlaufen und feinste Verzweigungen zum Epithel abgeben. tJber die allgemeine Gestalt und das Vorkommen der Drusen- zellen auf den Stacheln ist folgendes zu bemerken, Bei den langeren, spitz zulaufenden Stacheln ist nur der basale Teil mit Drusenzellen bedeckt, und etwa in halber Hohe des Stachels trifft man nur wenige zertreut an. Diejenigen Stacheln, welche einen gedrungeneu Bau haben, sind oft in ihrer ganzen Ausdehnung von Drusen besetzt, und nur die Spitze erscheint frei von ihnen (siehe Figur 4 auf Tafel XI). Auf den langeren schmiichtigen Stacheln ist das Wimperepithel in langen parallelen Reihen angeordnet, wie es auch sonst bei den gewohnlichen Formeu der Stacheln die Kegel ist. 8* 116 Otto Hamann, Sphaerechinus granularis. Jeder Stachel ist bekanntlich vermittels der Gelenkpfanne auf der Stachelwarze der Schale eiiigerenkt. Hier am Gelenk unter- scheidet man verschiedene Schichten ' ) , die bereits bei Lupen- vergroCerung hervortreten : das Epithel, unter welchem Pigment- zellen vorkommen, darunter einKranz aus Fasern zusammengesetzter Muskeln (Musculi motores aculei), welche vom Umfang der Stachel- warze zum auCeren Rande der Gelenkpfanne gehen; endlich die Gelenkkapsel , zwischen den umfanglichen Teilen von Warze und Pfanne so gelegen, daC die Mitte beider frei bleibt. Diese An- lenkungsweise gestattet den Stacheln, sich, um den halbkugligen Gelenkkopf gleitend, senkrecht aufzurichten und wagerecht nieder- zulegen. Das Oberflachenepithel tragt nur teilweise Wimpern, teilweise besteht es aus mehr abgeplatteten, wimperlosen Zellen. Die wim- pernden kubischen Zellen stehen in Liingsreiheu gesondert auf den Stacheln. Querschnitte durch Stacheln zeigen, daC diese einen meist funfstrahligen Bau besitzen. Das Epithel besitzt einen wellenformigen Verlauf, wobei die dickeren Partieen von den Wimperzellen in mehreren Schichten liegen konnen, die schmalen von nicht wimpernden Zellen eingenommen werden. (Fig. 10 Taf. XVI Querschnitt durch einen Mundstachel von Centrosteph. longisp. Pet.) Basalwarts von den Wimperzellen verlaufen die longitudinalen Nervenfasern bis zum Ende der Stacheln, in geringer Anzahl zusammenliegend. Zwischen dem Oberflachen- epithel und der Muskelschicht in dem Gelenkteile des Stachels verlauft ein Nervenzug^), aus cirkular angeordneten Nervenfasern bestehend. In Figur 2 auf Tafel XI ist derselbe quer durchschnitten qu N (Liingsschnitt durch einen Stachel). Von diesem cirkularen Nervenring, der bei alien untersuchten Arten an der Basis der Stacheln sowie Spha- ridien sich findet, gehen Nervenfasern ab zu den longitudinalen Muskelfasern und der Bindesubstanzkapsel. In welcher Weise sich die Nervenfasern, mit Ganglienzellen in besouders reicher Menge vermischt, verzweigen, zeigt Fig. 1 auf Taf, XI, welche das Bild eines vertikalen Langsschnittes durch einen Stachel wieder- 1) Yergl. die Darstellung in: Bronn's Klassen und Ordnungen der formlosen Tiere. Pag. 324. 2) Vorlaufige Mitteilungen zur Morphologie der Echiniden, in : Sitz.-Ber. d. Jena. Gesell. f. Med. u. Nat. Jahrg. 1886. Nr. 7. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 117 giebt. Die Ganglienzellen sind groCtenteils multiijolar und zeiclinen sich durch ihre GroBe vor alien anderen benachbarten Zellenarten aus. Ihre Auslaufer sind ungemein zart und hinfalliger Natur. Der basale Nervenring des Stachels ist mit seinen zum gi'oCten Teil cirkularen Fasern in Figur 3 Taf. XI dargestellt. Der Querschnitt geht durch den Teil des Stachels, in welchera der Nervenring verlauft. Zwischen Epithelbelag und der einge- falteten Muskelschicht verlaufen die Fasern, durch dunkleren Ton hervorgehoben, konzentrisch. tJber dem basalen Nervenring ist das Oberflachenepithel stark verdickt, und sind die Zellen lange, haarformige Cylinderzellen , die auf ihren freien Enden lange Wimperhaare tragen. Unterhalb des Epithels folgt die Muskelschicht, aus longitu- dinal verlaufenden glatten Faserzellen bestehend, welche ihren Ursprung am oberen Kalkstiick des Stachels nehmen und mit ihren entgegengesetzten Enden in den Kalkgebilden der Korper- wand rings um die Basis desselben inserieren. Die ungemein kraftige Wirkung der Muskulatur wird durch ihre Lagerung er- klart. Die urspriinglich einschichtige Muskellage hat sich in Falten gelegt, wie Figur 3 Tafel XI zeigt. In welcher Weise sich die Muskelfasern an ihren Enden verhalten, laCt sich an Langs- schnitten durch entkalkte Praparate bereits erkennen. Die glatten Muskelfasern zerfasern an ihren Enden, und diese einzelnen End- fasern gehen oft direkt iiber in Auslaufer der sternformigen Zellen der reticularen Bindesubstanz. Die Bindesubstanzschicht, die aus parallel zu einander eben- falls longitudinal verlaufenden Fasern gebildet wird und eine Hiille um das Gelenk bildet, setzt sich am oberen Kalkstuck an dessen unterer Flache unterhalb der Muskelschicht an. Diese Bindesubstanzfasern sind auCerst diinn und durch ihre geringere Tingierbarkeit leicht von den Muskelfaserzellen zu unter- scheiden (vergl. Fig. 10 Taf. XI). Der Kern hegt ctwa in der Mitte jeder Faser. An ihren beiden Enden zerfasern diese Fi- brillen und gehen ebenfalls unmittelbar uber in die Auslaufer der steinformigen Bindesubstanzzellen (Fig. 10 Taf. XI hgf). Die rotierendeu Dorsalstacheln von Centrostephanus longispinus. Fines der zierlichsten Bildcr gewahrt dieser Seeigel, wenn man ihn im GlasgefaB lebend beobachtet. Mag er nun in Ruhe 118 OttoHaraann, sein Oder sich langsam oder scliuell vom Orte bewegen, immer sind auf der Riickenflache im Umkreis des Afters eine Anzahl prachtig lila gefarbter Stacheln zu sehen, die sich fortwiihrend bewegen uud dabei mit ihren Spitzcn einen Kreis beschreiben. Stort man einen dieser Stacheln in seiner Bewegung, so halt er plotzlich an, urn in entgegengesetzter oder derselben Richtung von neuem zu rotieren. Die Riickenflache, in deren Centrum der After schornstein- artig hervorragt, ist dunkelbraun bis schwarzlich gefarbt. Be- sonders duukel erscheint die nachste Umgebung des Afters in Gestalt eines Kreises. Dieser Kreis wird begrenzt von Ijis einen Centimeter langen weii^en Stacheln, welche ungemein diinn sind. Kleinere weifie Stacheln von halber Hohe umgeben den schorn- steinartigen After. Hinter den langen weiCen Stacheln stehen die gedrungenen rotierenden Stacheln, und zwar auf den Interambu- lacralplatten. Im ganzen sind ungefilhr fiinfzehn, also in jedem Interambulacrum drei, oder M'eniger vorhanden, in dem dann bald drei oder zwei vorkommen. Zwischen ihnen stehen die langen trifoliaten Pedizellarien und tridactyle nur in geringerer Anzahl. Unsere Drehstacheln haben eine Lange von 1 — 3 Millimeter, je nach der GroBe der Tiere. Die Spitze und die obere Hiilfte derselben ist prachtig lila, der untere Teil weiB gefarbt, wahrend die Basis dunkelbraune Pigmentzellen besitzt. Untersucht man einen rasch von der Haut losgetrennten lebenden Stachel, so fallt die sehr geringe Wimperung auf. Auf der Oberiiache ragen ur- glasformige Erhebungen hervor, welche mit unbeweglichen, starren Harchen besetzt sind (Fig. 5 auf Taf. XVIII nach dem Leben). Es handelt sich hierbei um Siuneshugel, es sind die Sinneszellen ginippenweise zusammengetreten. Ein Cuticularsaum ist uber die ganze Flache der Stacheln hin zu beobachten. Leider habe ich auf Querschnitten diese zarten Sinneshiigel nicht naher unter- suchen konnen. Die ungemein rasche und ausdauernde Bewegung dieser Stacheln laBt auf einen besonderen Bau schliefien. Die Stacheln sind auf der Oberflache in gleicher Weise wie die gewohnlichen Formen auf einer halbkugligen Warze drehbar angebracht. Ein I^angsschnitt durch die Axe eines Stachels ent- hiillt den Bau derselben am leichtesten. Fig. 6 auf Taf. XVIII zeigt einen solchen Vertikalschnitt. Das Epithel des Periproctes ist besonders reich an Nervenfasern. Nervenziige triti't man an alien Stellen an. Sie verlaufen siimtlich im Epithel, und zwar zwischen Beitrage zur Histologie dur Ecliinoderinen. 119 den basalen Fortsatzen der Epithelzellen. Eine Basalmembran trennt die Epidermis mit den Nervenfaseru von der Cutis. An der Basis der Stacheln kommt es zur Bildung eines N erv en- ring e s. Von demselben gehen Fasern zu der darunter liegenden Muskulatur ab, sowie audere Faserbiindel bis zur Spitze des Stachels verlaufeu. Es enthjilt somit der Nervenring sensorische wie motorische Fasern. Das Gleiche gilt ja fiir die Nerven der iibrigen Stacheln, wie die der Pedizellarien. Das Hauptinteresse nimmt die Muskulatur in Anspruch. Nach innen vom Epitbel liegt ein an ihrer Basis 0,04 mm, an ihrem Ende (dem Stacbelende zugekehrt) 0,03 mm starker Muskelcylinder, welcher die Stacheln wie ein Mantel in halber Hohe umgiebt. Dieser Muskelcylinder, der eine Lange von 0,06 mm besitzt, be- steht aus quergestreiften Muskelfasern , welche feiuen Faden gleichen. Ihr Durchmesser betragt nur 0,0014 mm. Es sind diese Fasern mithin weit diiuner als die in den tridactylen Pe- dizellarien beschriebenen quergestreiften Muskelzellen. Im iibrigen ist ihr Bau derselbe. Ein ovaler Kern, der ein Kerngerust sehr schou zeigt, liegt, von wenig korniger Substanz umgeben, der Faser auBen auf. Nach innen von dieser Schicht liegt eine binde- gewebige, faserige Htille, wie sie oben bei den gewohnlichen Stacheln erwahnt worden ist. Die Querstreifung der Fasern ist oft sehr schwierig zu , sehen und an Alkoholmaterial habe ich nur selten dieselbe noch erhalten gefunden. Das mag wohl zum Teil mit der Feinheit der Fasern zusammenhilngen. . Kapitel 2. Das Nervensystem. AUgemcine Anordnung und Histologie. Das Central-Nervensystem setzt sich zusammen aus den fiinf Radialstammen und dem Gehirnring, der als eine Kom- missur dieser fiinf Nerven anzusehen ist. Hierzu kommt das periphere Nervensystem, bestehend aus den Seitenaten der Radialn erven , welche zu den FiiBchen ziehen, die Stacheln, sowie die Pedizellarien und Loven'schen Spharidien versorgen. Endlich habe ich ein gut ausgebildetes Darmnerveusystem aufgefunden. 120 Otto Haniann, Unsere Kenntnis des Nervensystems der Echiniden beschrankt sich fast nur auf den Verlauf und den groberen Bau desselben. Die peripheren Telle waren bisher wenig bekannt. Allein Ro- manes und EwART *) verdanken wir die ersten Angaben iiber einen subepithelialen Nervenplexus von Echinus, welcher uber den ganzen Korper verbreitet sei und an die Basen der Stacheln wie Pedizellarien herantreten soil. Inwieweit diese Beobachtungen mit den meinigen tibereinstimmen , wird aus der weiteren Dar- stellung hervorgehen. Dadurch, daG ich iiberall die Nerven- endigungen auffinden konnte, ist zugleich der Beweis vollstandig erbracht, daC es sich um echte Nerven handelt, auch dann, wenn es nicht gelang, den direkten Zusammenhang der Hautnerven mit den aus den Radialnerven kommenden Asten nachzuweisen. Der Verlauf der funf Radialnerven und des Gehirnringes wurde zuerst genauer von Krohn^) geschildert, dessen Angaben die spateren Forscher wenig Neues hinzuzuftigen hatten. Die folgenden Beobachter, wie Joh. MtJLLER, Valentin u. s. w., haben auch nur Krohn's Angaben bestatigt, wahrend spatere Untersucher den feineren Bau zu erforschen sich zur Aufgabe raachten , wie Hoffmann, Teuscher, Fredericq und Koehler. Die Lage der radiaren Nervenstamme schildere ich unter Hinweis auf Figur 1 auf Tafel XIV. Die funf Nervenstamme verlaufen in den fiinf radiaren Schizocolraumen {Sch^ und Sch^), nach beiden Seiten alternierend Aste zu der Haut abgebend. Jeder der fiinf Radialnervenstamme beginnt in den Ocellarplatten , um nach dem Austritt aus denselben (vergl. Fig. 1 Taf. VI und Fig. 2 u. 5 Taf. VI) an Ausdehnung zuzunehmeu, in den Ambulacren zu verlaufen, immer in den Schizocolkanalen gelagert, vor der La- terne angekommen, durch die fiinf Auriculae hindurchzutreten. Bis zu derjenigen Stelle, wo das (radiare) AmbulacralwassergefaC den radiaren Nervenstamm begleitete, verlauft dieser in dem Schi- zocolkanal. Jetzt tritt der Nervenstamm in die Laterne ein und kommt in die mit der Leibeshohle kommunizierenden Hohlungen der Laterne zu lagern ; dabei obliteriert der innere Schizocolraum und nur der aufiere begleitet den Nerv, indem er dessen auCere 1) Romanes und Ewaet, Observation on the Locomotor System of Echinodermata in: Proceed. Eoy. Soc. London. Vol. 32. 1881. Vorlauf. Mitteilung, und in: Philoaoph. Transact. London. Part 3. 1881. pag. 829. 2) Keohn, tJber die Anordnung des Nervensystems der Echiniden. Archiv f. Anat. u. Phys. 1841. Beitrage zur Histologie der Echinodermcn. 121 Flache, welche das Deckepithel tragt, umhiillt. Der Nervenstamm verlauft in der Mittellinie des Interpyramidalmuskels , zwischen diesem und der Mundhaut gelagert, und am Schlund angelangt, wendet er sicli nach oben, teilt sich gabelformig, und indem je zwei Gabelaste verschmelzen, kommt es zur Bildung des Nerven- ringes, welcher auf seiner mit dera Deckepithel versehenen Flache von dem auf dem Querschnitt halbkreisformigen Schizocolring umhullt wird, wahrend auf der anderen Seite eine Bindegewebs- hiille ihn bedeckt, welche vom allgemeinen Leibeshohlenepithel ii])erzogen wird, Der Nervenring wird durch je funf paarige Bander an den Schlund angeheftet, er ist nach innen von den fiinf Zahnen, also zwischen diesen und dem Schlund gelagert und liegt sorait im Enterocol der Laterne (vergl. Fig. 11 Taf. XVIII Querschnitt durch einen radiaren Nervenstamm innerhalb der Laterne). Von dem Nervenring treten fiinf paarige Nervenaste centralwarts aus, um den Darmtractus zu versorgen. Auf ihre Lagerung und ihren Bau komme ich weiter unten. Ich bespreche zunachst den feineren Bau des Gehirnringes und der Radiarstamme und dann die fiinf Ocellarplatten mit ihren Bildungen und schliefie hieran die Nerven des Darmtractus und der Haut (in Stacheln, Pedizellarien . und FtiBchen). Den feineren Bau der Nervenstamme hat Hoffmann*) versucht zu schildern. Soweit mir moglich ist, seine Darstellung zu verstehen, hat er Nervenfasern und Ganglienzellen beobachtet. Wenn er jedoch angiebt, dafi die Zellen in der Peripherie, die Rohrchen in der Achse der Nervenstrange iiberwiegen, so ist es, zumal Abbildungen die Angaben nicht erlautern, unmoglich, sich ein Bild von dem zu machen, was der Verfasser gemeint hat. Weit besser und klarer hat Teuscher^^ die Verbal tnisse gesehen und gedeutet. Er hat Langsschnitte durch den frei praparierten Nervenstamm angefertigt und fand dann „zarte Langs- fasern dicht neben einander verlaufen". Der auCeren der Schale zugewendeten Flache liegt eine Schicht von Zellen an von 0,0035 mm mit deutlichen Kernen. Querfasern, wie er sie bei Asteriden und Holothurien beschreibt, fehlen vollkommen. Gan- glienzellen zwischen den Fasern hat Teuscher nicht erwahnt, in 1) Hoffmann, Zur Anatomie der Echiniden und Spatangen. Niederl. Archiv, Bd. 1. 1871. pag. 64 u. ff. 2) Teuscher, Beitrage zur Anatomie der Echinodermen, Echiniden, pag. 526, in Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Band 10. 1876. 122 Otto Hamann, der Figur (7 auf Tafel 20, Jen. Zeitschr. Band 10) finden sie sich jedocli abgebildet. Fredericq ^) scliildert den Ban in alinliclier Weise. Die Radialstanimc wie der Gehirnring iiegen im Innern eines beson- deren Kanales (unseres Schizocolraumes) und sind aus Liings- fasern und eiuer aufliegenden Schicht bipolarer, kleiner Zellen zii- sammengesetzt. In alien Teilen fand dieser Forscher dieselbe Zusammensetzuug vor. Der neucste Untersuclier der Ecliiniden, KoEHLKR '^), hat sich der Darstellung seines Landsmaunes ange- schlossen, ohne selbst Neues hiuzuzufiigen. Meiue Uutersuchungen erstrecken sich auf das Nervensystem vornehmlich von Sphaerechinus granulans, Toxopneustes lividus und Dorocidaris papillata. In alien Teilen besteht Gehirnring wie Radiarstamme aus feinsten Fibrillen, die eng parallel miteinander verlaufen, im Ge- hirn riugformig, in den Langsstammen longitudinal. Die Fasercheu sind kaum meCbar und zeigen dasselbe Verhalten wie die Nerveu- fascrn der Asteriden. Sie tingiereu sich mit neutraler Essigkarniin- losung sehr schwach, wahrend die Zellkerne von Zellen zwischen ihnen sich stark farben. Das sind die Ganglienzellen, die regellos zerstreut vorkommen. Ihr Kern ist meist langhch oval, und dann ist die Zelle spindhch und an zwei entgegengesetzten Polen in Faserchen, Nerven fibrillen, ausgezogen. Die Zellsubstanz ist oft kaum erkeuubar und umhtillt den etwa 0,005 — 0,007 mm groBeu Kern. Selten trifft man auf multipolare Zellen, deren Kerne eiue mehr ruude Gestalt besitzen. Fig. 3 Tafel VI zeigt auf einem Liiugsschnitt durch den Gehirnring eines Sphaerechinus die Gan- glienzellen mit ihrem verhaltnismiiBig groBen Kern und der kaum kenntlichen Zellsubstanz. Auf dem Querschnitt tretcn die Fibrillen in Gestalt feinster Punkte auf, und es zeigt sich, daB dieselben keine weitere erkennbare Struktur, wenigstens mit uuseren jetzigen Hilfsmittelu, besitzen. Die nach der Schale zugewendete Flache der Eadiarstamme, sowie die der Mundolfnung zugewendete Oberflachc des Gehirn- ringes tragt die bereits von den verschiedenen Forschern beschrie- 1) Feedeeicq, Contributions a I'anatomie et a la histologie des Echinides, in Cpt. rend. T. 83. p. 860. EEEDEEica, Contributions a I'etude des Echinides, in Arch. zool. exper. T. 5. p. 429. 2) KoEHiEB, Keeherches sur les Echinides des cotes de Provence, in Ann. du Mus. d'hist. nat. de Marseille. 1883. Beitrage zur Histologie dir Echinodermen. 123 bene Zellschicht. Entweder liegeii egleitendcii dorsalen Blutlakune (Spatang. purpur.). Urn zu einem richtigen Verstandnis dieses GefaBge- flechtes zu kommen, ist es am vorteilhaftesten, das W as ser- ge fiifi, welches vom WassergefliB-Ringkanal entspringt und zuniichst am Schlund durch ein Mesenterium mit ihm verbunden verlauft, in seiner Lahge bis zur Driise zu verfolgen. In gleicher Weise gilt dies fiir die Blutlakune, die dasselbe begleitet. (Fig. 9, Taf. XVII BL.) Nach Koehler tritt eine kurze Strecke, nachdem beide GefiiBe (die er Steinkanal nennt) nebeneinander verlaufen sind, eine Verschmelzung derselben ein. Und wahrend in seinen Figuren ein roter (dorsale Blutlakune) und blauer Kanal (Wasser- gefaB) am Anfangsteil des Schlundes zu sehen ist, verschwindet jetzt der rote und bis zur Driise ist nur noch der blaue zu sehen. (Taf. VI, Fig. 1, 2 und 3). 1) Koehler, a. o. O. sielie Fig. 4 und 5 auf seiner Tafel 1 und (lie Erkliiruna; zu derselben. Beitriige zur Histologie der Echinodermen. 211 Die folgende Darstellung basiertauf Querschnittserien durch drei Spatangeii, zwei Bryssus unicolor und zwei Echinocardium medi- terranemn, Icli habe beide Kanalc in ilirem ganzen Verlauf, also eine Strecke von etwa 10 cm, gesclinitten und glaube, da die Resultate bei den drei Arten die gleichen sind, daB die folgenden auf ungemein niilhsames und langweiliges Schneiden von Serien basierten Angaben Anspruch auf Richtigkeit machen diirfen. Bei Lupenbetrachtung der beiden Kanale gelang es mir bei den letztgenannten Arten immer nur eine Strecke lang beide zu verfolgen, dann schien eine Verschmelzung beider eingetreten zu sein. Im Januar dieses Jahres erhielt ich nochmals neues Material von Spatang. purpureus zur Kontrolle und an zwei dieser Tiere konnte ich beide Kanale bis zur Driise verfolgen. Est ist also die Verschmelzung beider Kanale nicht in der Weise zu verstehen, daC der eine in dem anderen aufginge. Bei der Bctrachtung mit der Lupe zeigt sich ein heller weiLilicher Kanal (Blutlakune) und nach auCen von diesem ein dunklerer Strang; Pigmentanhaufungen in demselben machen ihn leicht hervortreten. Was aber bei dieser oberflaclilichen Be- trachtung als ein GefaB (Wassergefiifi) erscheint, das ist nur am Schlund ein einlumiger Kanal, welcher spiiter einem GefalJgefiecht Platz macht , dessen Hohlriiume rait Pigmentzellen und anderen Zellen angefullt sind. Mit dieser Beobachtung stehen alle Schnittserien im Ein- klang. Es gelingt ebenfalls leicht, die anfangs ein- lumige Blutlakune von der Ringlakune bis zur Driise zu verfolgen. Dennoch findet ein Austausch der Flussigkeiten in dem WassergefaB und der Blutlakune statt, indem die Hohlriiume miteinander kommunizieren, wie eine genaue Schilderung fiir Spatangus purpureus zeigen wird. Querschnitte durch WassergefilB und Blutlakune (wenige Centimeter unterhalb des Schlundes) zeigen, daC jedes der Gefalie nur ein Lumen besitzt (Fig. 9, Taf. XVII). Eine Strecke weiter, noch am Schlunde gelegen, treten auf dem Querschnitt neue Hohlraume auf, welche mit denselben Zellen, wie sie in dem bisher einlumigen Wassergefafi sich fanden, ange- fullt sind. Fig 8 zeigt cinen solchen Querschnitt. Diese beiden mit K^ und K bezeichneten Kanale verschmelzen miteinander und bilden dann ein zweites groBlumiges GefaB, aber nur wenige Millimeter lang. Dann lost sich das Gefilfi in eine Menge einzelner 14* 212 Otto Hamann, Kanalchen auf, welche wieder miteiuander kommuniziereu koniien und mit dem als Blutlakiine bezeichneten GefaB BL in Ver- bindung treten, so daB eine Vermischuug beider Flussigkeiten stattfindet. Dabei verlaufen in der bindegewebigen Wand kleine, oft prall mit Zellklumpen, Pigmentkornern angefiillte Kanalchen, welche bald miteinander zu groBeren Hohlraumen verschnielzen, und rait den iibrigen bald sich vereinigen , bald getrennt verlaufen. Trotzdem nun eine Mischung der Flussigkeiten in den anfangs getrennten Kanalen stattfindet, bleibt doch die einlumige Blut- lakune trotz ihrer Verzweigungen selbst auch weiter kenntlich, und das ist das Merkwiirdigste bei dieser Verschmelzung. Von einer Blutfiiissigkeit im Gegensatz zu der im WassergefaBsystem cirkulierenden Fliissigkeit kann jetzt aber nicht mehr die Rede sein , da ja alle GefaBe miteinander in Verbindung stehen. Imraerhin wird in den Darmlakunen die Blutfiiissigkeit noch am ungemischtesten vorhanden sein, und in der That zeigt sie liier auch fast dasselbe Verhalten wie in den gleichen Lakunen bei den regularen Echiniden. Fassen wir das Resultat zusammen , so haben wir bei Spatang. purp. an derjenigen Stelle, wo bei den Echiniden der einlumige Steinkanal verlauft, ein GefaBgeflecht vor uns, welches hervorgegangen ist aus einer Blutlakune (vom Blutlakunenring entspringend , Fig. 1, Taf. XVII) und einem WassergefaB (vom WassergefaBring entspringend, WG in Fig. 1). Das WassergefaB lost sich zuniichst in ein Geflecht von Kanalen auf, welche mit der Blutlakune kommuniziereu, diese selbst ist bis zur Druse zu verfolgen. Im weiteren Verlaufe ist es aber nicht immer moglich, anzugeben, welchem System die neu auftretenden Kanale zuge- horen, welche das GefaBgeflecht bilden, da dieselben von gleichem Durchraesser sein konnen wie die Blutlakune. Das GefaBgeflecht tritt weiter an das driisige Organ, indem es sich zunachst an einer Seite desselben anlegt und ausbreitet. Fig. 7 auf Taf. XVII stellt einen Querschnitt durch den Anfangsteil der Driise dar. Mit GG ist das GeftiBgeflecht bezeichnet. Dieses uraspinnt die Druse teilweise, wie sich auf Schnittcn, welche mehr durch die Mitte derselben gelegt sind, erkennen lilBt. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 213 Der feinere Ban des dorsalen Oefafsgeflechtes. Bevor ich zur Scliilderung des feineren Baues des driisigen Orgaues iibergehe, will ich Mer eine kurze Darstellung des feiueren Baues der Blutlakunen und des WassergefaBes geben. Die Blutlakunen des Darmtractus , als auch der orale wie aborale Blutlakunenring sind Hohlraume und Sinusbildungen in der Bindesubstanz und ohne jede Endothelauskleidung, Nur bier und da konnte man im Blutlakunenring Zellen, die voUkommen abgeplattet die innere Wandung streckenweise besetzen, als zu einem Endotbel gehorig betrachten. In den Darmlakunen findet sich eine geronnene, mit Karmin rosa gefarbte Fliissigkeit, in welcher belle, glasige Zellen mit kugeligem Kern auftreten. Die Darmlakune, welche vom oralen Lakunenring abgeht und ueben dem WassergefaB verlauft, ist mit dem Darm durch ein diinnes Mesenterium verbunden (vergl. Fig. 9, Taf. XVII). Dieses besitzt eine ausgezeichnete Laugsmuskulatur, welche besonders da sehr verdickt ist, wo dasselbe mit dem letzteren zusammenhangt. Die die Dai'mwand iiberziehende Epithelschicht, sowie die Bindesub- stanzschicht setzen sich fort in die gleichen Schichten des Mesente- rium (Fig. 9, Taf. XVII). Das vom oralen WassergefaBring ab- gehende Wassergefal3 , welches nach auCen von der Darmlakune liegt, ist von einem aus abgeplatteten Zellen gebildeten Epithel ausgekleidet , welches eine direkte Fortsetzung des Innenepithels im WassergefaBring ist. Diese Zellen tragen GeiBeln. Von diesen Zellen tritt auf Querschnitten nur der ovale Zellkern hervor, welcher in das Lumen des Kanals hineinragt, wahrend der plattenformige Zellleib nicht hervortritt. Im WassergefaB wie in diesem von ihm sich abzweigenden GefaBe sind groBe Massen von Pigment, zu Klumpen geballt, angehauft, untermischt mit Wanderzellen oder Resten derselben. Besonders gilt dies fur Spat, purp., weniger fiir Bryssus unicolor. Die Wandung des GefaBes besteht aus Bindesubstanz, deren Fasern nach alien Richtungen sich durch- kreuzen. Nach auBen wird die Wandung von dem flimmernden Enterocolepithel iiberkleidet. Sobald nun diese beiden GefaBe iibergehen in ein Geflecht, so kann man in den meisten dieser bald groBen, bald kleinen Kanale eine Epithelauskleidung nachweisen. Der Durchmesser derselben ist auBerst wechselnd. Die Blutlakune miBt im Durchm. 0,G5 mm, das WassergefaB in seinem Anfangsteil 0,3—0,4 mm. 214 Otto Hamann, wahrend der Durchmesser der iibrigen Kanale zwischen 0,065 und 0,039 wechseln kann. Dabei sind die kleineien meist vollgepfropft mit Zellenklumpen. Die Zelleu selbst sind erfullt vou Pigment- kornern in verschiedensten Grofien. Sobald mehr und mehr Kanale nebeneinander auftreten, wird die Waudung zwischen den einzelnen immer diinner und so verschmelzen sie leicht miteinander. Der Bail der Druse und der Verlauf des Gefafsgeflechtes an derselben. Die Driise (Herz der Autoren) liegt am Ende des Darm- divertikels und ist mit diesem durch ein diinnes Mesenterium verbundeu. Dieses heftet sicb an der Schalenwand an und be- sorgt bis zum pentagonalen Sinus die Aufhangung und Befestiguug der Driise. Das GefaCgeflecht verlaCt den Osophagus da, wo derselbe seine Biegung macht und in den Diinndarm iibergeht, und verlauft parallel der unteren Darmwinduug auf dem zwischen dieser und der oberen Windung ausgespannten Mesenterium , um dann am Divertikel entlang zu ziehen. Die Gestalt der Driise ist bei Spatangus purpureus mehr oder weniger eiformig und verjiingt sich nach beiden Enden zu. Am der Madreporenplatte zugekehrten Ende biegt sich ihr diinnes Ende um, um bis zu letzterer zu ziehen. Mit diesem Endabschnitt stehen der anale Blutlakunenring in Verbindung, sowie die zu den Geschlechts- organen sich abzweigenden Blutlakunen, wie ich sie noch zu zeigen haben werde. Das GefaBgeflecht setzt sich an die der Leibeshohle zuge- kehrte Flache an die Driise an und laCt sich in ganzer Ausdehnung derselben verfolgen. Die Hauptmasse der Driise besteht aus Bindesubstanz. Nur wenige und feino Fasern sind in der Gruudsubstanz zerstreut. Die Zellen sind meist spindelig ausgewachsen, ihre Fortsatze sehr fein. Weiter trift't man auf Kerne, die mit den Zellen untermischt vorkommcn. AuCerlich wird die Driise iiberkleidet von dem Leibeshol^lenepithel, wie es alle im Enterocol liegenden Organe Uber- zieht. Unzahlige Kanale durchziehen dieses Organ meist in der Richtung der Lilngsaxe desselben. Die im Centrum gelegenen Kanale verschmelzen miteinander, und so kommt es zu unregel- mafiigen, centralen Hohlraumen (vergl. Fig. 6, Taf. XVII). Diese stehen durch quere Kanale in Kommunikatiou mit den peripheren Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 215 Kanaleu und mit den Kanalen des der ciueu Seite der Driise anliegendeu GefiiBgefleclites, so daC also die Fliissigkeit und die Zellen, welche die Hohlraume des letzteren erfullen, oft'enen Zu- gang zu den die Druse durchziehenden Kanalen haben. LaBt sich nun in fast samtlichen Hohlungen des GefaBgefleclites ein Epithel nachweisen, so gilt dies ganz besonders fiir die Kanale und Hohlraume in der Driise. Selbst in den kleiusten Holilraumen gelingt es, eine epitheliale Auskleidung aufzufinden. In diesen, uugefalir 0,03 mm im Durchm. groCen Raumen trii!t man gelbes Pigment (Spat, purpur.), das durch Alkohol schwer extrahierbar ist und daher auf Schnitten noch sehr gut erhalten ist. Viele dieser kleinen Kanalchen sind voll gestopft von diesem in Gestalt unregelmaCiger Kornchen vorhandenen Pigment. AuCer diesen Kornchen kommen kugelige, gelbe Konkrementkorper vor, die un- gefahr 0,008 mm im Durchm. betragen. Neben diesen gelbeu Pigmenten sind es Zellen, die mit schwarzlich-violetten Kornchen erfiillt sind und 0,01 mm groC sind. Solche mit kugeligen Korn- chen angeftillte Zellen lagern entweder in den Kanalen oder aber in der Bindesubstanz. DaB es sich hier um Zellen handelt, ist uicht immer nachzuweisen. Auch dieses schwarzliche Pigment erhiilt sich in Alkohol gut und ist auf alien Schnittpraparaten zu erkennen. Dieselben Pigmentzellen trifft man im GefaBgeflecht an, von welchem aus sie erst in die Hohlraume der Driise zu gelangen scheinen. Seinen groBten Durchmesser erreicht das GefaBgeflecht in der Mitte der Druse; nach deren Ende zu (der Madreporenplatte zugewendet) verjiingt es sich, und hier tritt derSteinkanal in dasselbe ein. Dieser kommt von der Madreporenplatte her und legt sich an die Driise an. Fig. 6, Taf. XVH zeigt seine Miindung in das GefaBgeflecht. Der Steinkanal hat bis zu diesem seinem Ende den Charakter beibehalten, welcheu er bei alien iibrigen Echinodermen besitzt (besonders Holothurien, Asteriden und regularen Echiniden). Er ist sofort durch das eigentiimliche, lange Cilien tragende Epithel erkennbar. Das driisige Organ verjiingt sich mehr und mehr, um endlich mit seinem diinnen Ende rechtwinklig umzubiegen und bis zur Madreporenplatte zu verlaufen. Dieser Endabschuitt der Driise liegt bei dieser Art in einem Hohlraum, einem Schizocolraum, welcher sich bis in die Madreporenplatte verfolgen laBt. Fig. 4, Taf. XVII giebt einen Querschnitt durch diesen Endabschnitt der Driise wieder, mit Sch ist der Sinus, in welchem sie liegt, mit 216 Otto Hamann, St-K der Steinkanal bezeichnet, welcher ihn in ganzer Lange begleitet. Dieser Endabschiiitt der Driise wiederholt den Bau des iibrigen Teiles. Nur sind die dasselbe durchziehenden Kauale mehr im Centrum angeordnet. Die gleichen violetten Pigment- zellen, die gelben, kugeligen Konkremente, welche ofters in kleinere Korner zerfallen sind, treten auch in diesem Teile auf. Da, wo dieser Driisenabschnitt an die Madreporenplatte zu liegen kommt und in das dem schlauchformigen Kanal der Asteriden honiologe Gebilde eintritt, miindet der anale Blutlakunenring in denselben ein. Der Sinus, in welchen bei Spat. purp. der Endabschnitt eingeschlossen liegt, findet sich bei keiner der iibrigen Formen wieder vor (er fehlt Bryssus und Echinocardium). Bevor ich nun den Bau weiter scbildere, schicke ich die Be- schreibung der Madreporenplatte, des Steinkanales , sowie des analen Blutlakunenringes voraus. Die Madrei)orenplatte , der Steinkanal und der pentagonale SchizocSlsinus am Seheitelpol. Bei den regularen Seeigeln liegen die Genitalplatten mit der Madreporenplatte im Umkreis des Afterfeldes. Bei den irregu- laren Formen ist nun bekanntlich der After aus dem Scbeitel herausgeriickt, und so erklart sich die eigenttimliche Ansicht, welche die Scheitelplatten , von innen betrachtet, gewahren, auf folgende Weise. Ich habe oben nachgewiesen , daC bei den Re- gularen rings um das Afterfeld ein ringformiger Sinus sich findet, welcher in seiner Wandung Blutlakunen birgt. Diesen Sinus durchsetzte der Steinkanal vor seiner Miindung in die Madre- porenplatte, Bei den Spatangiden hat sich dieser dort ringformige Sinus iiber den ganzen Scheitel ausgedehnt und bildet so eine pentagonale Haube. Durch Vergleichung der Abbildungen Fig. 4 auf Taf. VI und Fig. 3 auf Taf. XVIII laBt sich leicht dieses Ver- halten erkennen. In der letzten Figur sind die Ausfiihrgange der Geschlechtsorgane mit (r ^ (r^, (r^undG^*^ bezeichnet. Die Off- nungen der Ausfiihrgange in den vier Genitalplatten sind da in der Figur zu suchen , wo die Wand des Ausfiihrganges mit der Wandung des pentagonen Sinus verschmilzt. Der Steinkanal St-K., begleitet von dem Endteil der Driise, tritt in diesen Schizocolsinus ein, um noch ein Stiick parallel zu den Scheitelplatten zu verlaufen und sich dann rechtwinklig Boitrage ziir Histologie der Echinoderraen. 217 umzubiegen und senkrecht zur Madreporeiiplatte in diese ein- zutreten. Diesc etwas konipliziertcn Verhaltnisse sind besser und voll zu verstehen, weuu wir Vertikalschnitte durch die Scheitelgegend mit zur Betrachtung heranziehen. Figur 7 auf Tafel XVIII giebt einen Vertikalschnitt wieder, welcher durch die Madreporenplatte Madrej). PL, den Steiukaual, den Ausfuhrgang eines Geschlechtsorganes (Hodens) und die Ge- schlechtspapille gelegt ist und zugleicli die Wandung des pentagonalen Schizocolsinus S quer durchschnitten hat. In der- selben sehen wir eine dunkel gefiirbte Substanz, die ge- ronnene Blutfliissigkeit. A us dieser Figur geht der Zusara- raenhang niit der Wandung des Spermaduktes genau hervor, sowie daC andererseits die Wandung dieses pentagonalen Hohl- raumes mit der Korperwand, also mit dem Scheitel, in Zusam- menhang steht. Die Madreporenplatte, etwa 1,5 mm im Durchmesser (ausgew. Echinocard. mediterr.), wird vom Korperepithel iiberzogen, welches sehr verdickt erscheiut und reich an epithelial ge- lagerten Nervenzugen nf ist. Die Zellen sind zumeist Stiitz- zellen, dereu basale Fortsatze die Nervenfasermasse senkrecht durchsetzen. Eine Reihe von Poren, welche 0,05 mm groC sind, durch- setzen das Epithel und fuhreu in die zunachst senkrecht zur Oberflache verlaufenden Poreukaualchen (Fig. 7, Taf. XVIII Madre- porenplatte von Echinocardium mediterraneum). Diese Poren- kanalchen verlaufen nur eine geringe Strecke lang annahernd senkrecht, dann konvergieren sie teilweise und verschmelzen miteinander. Andere Kanalchen verzweigen sich baumfcirmig, ihre Aste treten mit benachbarten in Verbindung, und so erscheint die ebenso tiefe, wie breite Madreporenplatte von ohne alle Kegel verlaufenden Kanalen durchzogen, welche untereinander in Ver- bindung stehen und in einen unregelraaBig geformten Hohlraum, den Anfangsteil des Steinkanals, munden. Dieser besitzt nicht ein schlauchforraiges, glattes Lumen, sondern dasselbe hat durch zackenartige Hervorragungen eine unregelmaBige , maandrische Form erhalteu (vergl. Fig. 8 auf Taf. XVIII). Es stehen, und das ist besonders zu betonen, samtliche Kanale der Madreporenplatte in Zusammenhang mit dem Steinkanal, Es miindet keiiier derselben in einen anderen Hohlraum. Somit ist auch hier der Befund 218 Otto Hamann, derselbe, wie er bei Asteriden vou Ludwig') sichergestellt wor- den ist. Die Zahl der Porenkaualchen ist eiue selir verschiedene und richtet sich nach dem Alter des Tieres. Je jtiuger dasselbe, desto weniger Porenkanale durchsetzen die Platte. Das Epithel, welches die Poreiikaiialchen auskleidet, ist ein Wimperepithel von 0,006 mm Hohe; die Zellen besitzeu kugelige Kerne. Es beginnt dasselbe scharf abgesetzt gegen die liohe Epidermis mit ihren Nervenziigen , um im Steinkanal einem 0,01 mm hohen Wimperepithel Platz zu machen, welches in seinem ganzen Verlauf vorherrscht. Ein Cuticularsaum wird auch hier durch die meist allein noch vorhaudenen Fufistticke der Wimperzellen vorgetauscht. (Dies gilt fiir die Schnittpriiparate.) Der Steinkanal tritt nun in der schon beschriebenen Gestalt mit dem gefalteten und zottenartigen Lumen aus der Madreporen- platte heraus und gelangt so in den groBen Sinus. Sobald er in diesen eintritt, macht er eine rechtwinkelige Biegung und verlauft zunachst parallel zur dorsalen Oberflache, indem er noch in dem pentagonalen Schizocolsinus verlauft, um dann an der Grenze desselben aus diesem auszutreten (vergl. Fig. 8, Taf. XVIII). Uutersucht ist bisher die Madreporenplatte der Spatangiden noch von keinem Forscher, so daC eine ausfiihrliche Schilderung somit gerechtfertigt erscheint. Der Schizocolsinus bedarf noch einiger Bemerkungen. In Figur 7, Tafel XVIII, welche einen Vertikalschnitt wiedergiebt, ist die Wandung desselben quer durchschnitten. Sie wird nach auBen vom Leibeshohleuepithel iiberzogeu, wahrend die Hauptmasse, welche sie zusammensetzt, aus Bindegewebe besteht. In zahlloseu Liicken und Hohlraumcn desselben lauft die Blutfliissigkeit. Bei den regularen Formeu war der Sinus ringformig, und die in seiner Wandung sich fin- deuden Blutlakunen beschrieb ich als analen Blutlakunenring. Bei den Spatangiden hingegen ist der After aus dem Scheitel geriickt und der Sinus durch Verwachsung zu einem groBeu, pentagonalen Hohlraum geworden, es kann somit von einem analen Lakunenring nicht mehr die Rede sein, da die Lakunen in der ganzen Wandung des pentagonalen Hohlraumes verbreitet sind. Da, wo die Ausfuhrgange der Geschlechtsorgane in den Sinus eintreten, geht die Wandung desselben, das heiCt, sein 1) LuDwiG, Morpholog. Studien an Echinodermen, 1. Band, Beitr. z. Anat. d. Asteriden. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 219 Epithel und die Bindesubstanzschicht , iu die gleiclien Schichten des Ausfiihrgauges liber, uud die Blutfliissigkeit, welche als ge- ronnene, mit Karmiu rosa getarbte Masse auftritt, tritt in die Wandung des letzteren ein, urn ebenfalls iu Liicken uud Hohl- riiuuieu zu veiiaufen, welche eiues Endothels eutbehreu (vergl. Fig. 7, Taf. XVIII, Ausfiihrgaug des Hodens). Diese Blut- lakunen in der Waudung des Sinus stehen in Kom- munikation mit der Driise, das heii>t, mit dem Endteil derselben, welcher iu der Madreporeuplatte liegt. Bereits oben habe ich die Tiiatsache festgestellt, daB der Steinkaual begleitet wird von eiueni Teil der ungemeiu verschmachtigten Driise. Es hat derselbe bis zum Schizoeolsinus deuselben Bau wie jeue. An derjenigen Stelle aber, wo Steinkaual uud Endteil der Driise die Wandung des Sinus durchbricht, geht die Fliissigkeit der La- kuuen iiber iu die Hohlraume dieses Orgaues. Figur 8, Tafel XVIII zeigt eineu Vertikalschnitt, der diese Verhaltnisse wiedergiebt. Mit R ist der Endteil der Driise bezeichnet. Der direkte Zu- sammenhang mit den Blutlakunen ist zu ersehen. Inuerhalb der Madreporenplatte liegt der Endteil iu einem Hohlrauni, der von abgeplatteten Zellen ausgekleidet wird uud als ein Schizocolraum anzusehen ist. Nachdem der Steinkaual mit dem Driiseneude aus dem pentagonalen Schizoeolsinus ausgetreten ist, tritt bei Spat. purp. das letztere nicht in die Leibeshohle ein, soudern wird von einem auf dem Querschnitt sichelformigeu Baud uui- geben. Auf diese Weise kommt derselbe in eineu Hohlraum, eineu Kauai, zu liegen, den ich nicht anstehe fiir ein Homologon des schlauchformigen Kanales der Asteriden anzusehen (vergl. Fig. 4, Taf. XVII). Es reicht dieser Kauai aber uur bis an die Stelle, wo die Driise ihren groCteu Umfang besitzt, hier endet er blind, euger und euger werdend. Nebeubei erwahnen will ich noch, daB die Wandung dieses schlauchformigen Kanales im Aufangsteil, also da, wo sie in den Sinus iibergeht, ungemeiu verdickt ist, und daB hier ein von Hohlrauracn durchzogenes Organ liegt, welches mit dem Endteil der Driise aufanglich zusammeuhangt und wahrscheiulich den iu die Leibeshohle gelagerten Teil derselben vorstellt, wie das in gleicher Weise bei den Asteriden der Fall ist. Der Steinkaual besitzt kurz nach seinem Austritt aus dem Sinus ein glattes Lumen von ovalem Querschnitt. Die Bindesubstanzschicht seiner Wandung ist stark verkalkt. Vor seiner Miindung in das dem driisigen Organ augelagerte 220 Otto Hamann, GefaCgeflecht (vergl. oben) verliert sich diese Verkalkung voll- standig. Der Bau der Driise Ton Bryssus unicolor. Bei Bryssus unicolor lassen sich am A.nfangsteil des Schlundes zwei nebeueinander verlaufende GefaBe verfolgen, von denen das eine oline Epithelbelag in seinera Lumen ist, wahrend das andere, welches vom Wassergefafiring abgeht, mit den gleichen Zellen versehen ist wie dieser. Eine Strecke lang laufen diese beiden, mit dem Schlunde durch ein Mesenterium verbundenen Gefafie nebeneinauder ohne jede Kommunikation. Etwa an derjenigen Stelle, wo der Schlund umbiegt, sehen wir das Wassergefafi, bisher einlumig, sich in eine Meiige von bald kleineren, bald groBeren GefaCen auflosen. Diese GefaCe konneu um die Blut- lakune cirkular angeordnet sein. Jetzt treten aber neue Hohlraume und Lakunen auf von gleicher GroCe, wie die Blutlakune, und mit dieser zusammenhangend, so daB es nicht mehr moglich ist, zu sagen, ob ein GefaC dem Blut- oder WassergefaCsystem an- gehore, zumal geronnene Blutflussigkeit in verschiedenen GefaBen mit Pigmentzellen und Pigmentkoruern zusammenliegt. Dieses GefaBgeflecht, aus groBeren GefaBeu und kleineren, mehr peripher gelagerten zusammengesetzt , welche alle untereinander in Ver- bindung stehen, bald verschmelzen, bald sich wieder in kleinere auflosen, tritt an die Driise heran, welche eine ovoide Gestalt besitzt, und heftet sich an einer Seite derselben an. Diese selbst beginnt mit einem blind endenden Hohlraum, welcher im Centrum gelagert ist und sie bis zur Spitze durchzieht, bald ein weites, bald engeres Lumen besitzt oder in mehrere zerfiillt. Um diesen centralen Hohlraum gruppieren sich, in der bindogewebigen Wan- dung liegend, meist der Lange nach verlaufende Kanalchen, welche miteinander wie mit dem Centralraum in Verbindung stehen. Schwarze Pigmenthaufen erfiillen die peripheren Kan ale, oder aber sic sind in der Bindesubstanz abgelagert. Der centrale Hohlraum, sowie die von ihm abgehenden SeitengefaBe sind mit einem aus annahernd kubischen Zellen bestehenden Epithel ausgekleidet. Bis beinahe zum Ende der Driise laBt sich das GefaBgeflecht verfolgen, GG in Figur 9 auf Tafel XVHL Hier tritt der von der Madreporenplatte kommende Steinkanal in das- selbe ein. Derselbe besitzt einen Durchmesser von 0,10 mm, wahrend der Breitendurchmesser der Druse selbst an dieser Stelle Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 221 1,5 mm betragt. Das Gefafi, in welches sich derselbe offnet, besitzt ein fast ebenso groBes Lumen, es ist ungefahr 0,8 mm weit. Der Steiukanal ist als die alleinige Fortsetzung dieses Gefiiligeflechtes anzusehen; die iibrigen GefaBe treten in Verbin- dung mit den centralen oder den peripheren Hohlraumen der Driise. Von dieser selbst zweigt sich ein Teil ab, urn bis zur Madreporenplatte den Steinkanal zu begleiten, wie ich es be! Spatang. purp. geschildert habe. Ganz besonders schon ist der Epithelbelag zu erkennen, welcher das GefaBgeflecht, sobald es an der Druse verlauft, auskleidet. Figur 10 auf Tafel XVIII giebt einen Teil der Wandung desselben wieder. Mit L ist ein GefaB bezeichuet, mit P ein Pigmeut- klumpen. Das Innenepithel zeigt sich als ganz iibereinstimmend gebaut mit den die Hohlraume des WassergefaBsystems ausklei- denden Zellen. Es sind mit kugeligem Kern versehene, abgeplattete Zellen. Als Inhalt der GefaBe treten dieselben Zellen auf wie in den WassergefaBen. Meist sind sie zu groBen Ballen untereinander verkiebt. Die Blntlakunen des Barmtractus. Die Blutlakunen zeigen denselben Bau wie die der regularen Echiniden. Es sind ebenfalls wandungslose Liicken und Spalt- raume in der Bindesubstanzschicht der Darmwandung. Den Ver- lauf derselben hat vor allem Koehler') von neuem geschildert und hervorgehoben, daB die Anzahl, wie die Lagerung der Lakunen bei den verschiedenen Gattungen und Arten eine sehr verschiedene sein kann. Allen Spatangiden kommt ein um den Mund gelegener Blut- lakunenring zu. Von diesem Blutlakunenring gehen fiinf Ambulacralblut lakunen ab, in denen die fiinf Ambulacral- nervenstamme lagern , und weiter eine ventrale und eine dors ale Blutlakune, die zunachst am Schlund herab verlaufen. Die ventrale Lakune ist Hoffmann's sog. Verbindungskanal ; die dorsale zieht neben dem WassergefaB, ebenfalls mit dem Schlund durch ein Mesenterium verbunden, herab, und ist ihr Verlauf oben genau geschildert worden. Weiter kam hierzu derBlutlakunen- 1) Koehler, Eecherches sur les Echinides des cotes de Pro- vence, in: Annales du muse'e d'hist. nat. de Marseille. Zoologie, T. 1. Mem. 3. 1883. 222 Otto Hamann, ring am Scheitelpol mit den zu den Geschlechtsorganen und dera Endteil der Driise ziehenden Blutlakuneu. Der Darm wird sowohl auf seiner ventralen, wie dorsalen Seite von Blutlakunen begleitet. Da, wo der Nebendarm denselben begleitet, liegt die Blutlakune nach auBen von letzterem; zwischen Dtinn- und Nebendarm finden sich keine Lakunen. Von den DarmgefaKen tritt die Blutflussigkeit ein in Lticken und Hohlraume der Bindesubstanzschicht des Dunndarmes. Fig. 12, Taf. XVI zeigt ein Stiick der Wandung vom Dunndarm aus der Gegend, in welcher derselbe vom Nebendarm begleitet wird. Die Wandung erscheint an dieser Stelle aufgetrieben durch die Menge der Blutflussigkeit, welche der dorsalen Lakune entstammt. Diese selbst ist stets in konserviertem Zustande eine geronnene Sub- stanz, in welcher die glashellen Blutzellen, welche einen kugeligen Kern einschlieBen , hervortreten. Sie messen 0,007 mm. AuBer der Blutflussigkeit tritt in den Lakunen, besonders der ventralen Lakune am Nebendarm (Bryssus unicolor), Pigment auf, welches meist in Gestalt von braunlich - schwiirzlichen Kornern angehauft ist , und zwar teilweise in der an einer Stelle besonders verdickteu Wand der Lakune. Bevor ich dieses Kapitel schlieCe, mochte ich noch die ge- schichtliche Entwickelung kurz beriihren. Bekanntlich hat Hoff- mann das von den franzosischen Forschern und mir als Druse oder driisiges Organ bezeichnete Gebilde als WassergefiiCherz beschrieben. Seine ganze Darstellung basiert nur auf Lupenbeobachtung und Iiijektionspraparaten, und wird es somit erklarlich, wie er zu seiner eigentiinilichen mit den Thatsachen in gar keiner Beziehung stehenden Schilderung gekommen ist. Zunachst beschreibt Hoffmann, wie der Steinkanal (von der Madreporenplatte aus) entspringt und eine Auschwellung bildet (dies ist die Driise), aus derselben heraustritt und nun uber die „obere Flache der groBen dorsalen Mesenterialplatte nach vorn liluft, an der Stelle, wo die zweite Darmwindung in die dritte iiber- geht, sich umbiegt, uud nun auf die untere Flache der grofien ventralen Mesenterialplatte zu liegen kommt und wieder nach hinten liiuft, und an der Stelle, wo der Osophagus in den Magen iibergeht, die Mesenterialplatte verlaCt, sich iiber den Magen biegt uud links vom Osophagus sich in den WassergefaBring sturzt". Waren die Verhaltnisse so einfach, dann freilich hiitten die Nach- folger wenig zu thun gehabt. Thatsiichlich aber hat Hoffmann folgende Oigane uberseheu: 1. Den aualen Blutlakunenring und Beitrage zur Histologie der Echinoderraen. 223 die Verbindung desselbcn mit der Driise ; 2. den oralen Blutlakiinen- ring und die LakuDe, welche aus demselben austritt und dicht neben seinem sogenannten Steinkanal verlauft; 3. muMe er die aus dem Blutlakunenring austretende zweite Lakune (die ventrale in Fig. 1, Taf. XVII mit BL ^ bezeichnet) als Wassergefafi (!) deuten (da er keinen Blutlakunenring kannte!) und, da diese Lakune zu den Darmlakunen zieht, als „Verbindungszweig" zwischen Blut- und WassergefaCsystem ansehen. So folgte ein ganzer Rattenkonig von Irrtiimern aus einer fliichtigen Beobachtung ! Zur Klarung dieser Angaben hat Teuscher zuerst beige- tragen, dessen Beobachtungen aber nur teilweise durch die Schnitt- methode gepriift wurden. Er laCt den Steinkanal nur der Driise anliegen, hat aber beobachtet, wie die der Driise anliegende Wand stark verdiiunt erscheint. Hier drang seine Injektionsfliissigkeit von der Driise aus in den Steinkanal ein. Das ist diejenige Stelle? wo der Steinkanal sich in das ihm entgegenkommende GefaBgeflecht ergieCt, wie ich oben beschrieben habe. Weiter hat Teuscher den Blutlakunenring aufgefunden und Hoffmann's sog. „Verbindungszweig" hat er richtig als ventrale Blutlakune erkannt, sowie er auch die Blutlakune (die dorsale) beobachtet hat, welche das vom oralen Wassergefiifiring entsprin- gende WassergefaC (auf der Dorsalseite des Schlundes) begleitet. Dass der Steinkanal nur von der Madreporenplatte bis zur Driise reicht und hier in ein Gefafigeflecht miindet, ist ihm wie alien folgenden Beobachtern, auch Koeiiler, entgangen. Unser als Driise bezeichnetes Organ bezeichnet Teuscjter ' ) als Herz und ist der Meinung, daC es weder eine Driise noch ein WassergefaCherz (Hoffmann) sei, vielmehr ein riickgebildetes Organ, wie bei den Echiniden. Nach KoEHLER, auf dessen Angaben ich bereits einige Male zu sprechen gekommen bin, besteht der Steinkanal am Schlund aus zwei Kanalen , diese verschmelzen mitcinander , wie ich das bestatigen konnte, und ziehen zur Driise. DaC sie als GefaB- geflecht sich an diese anlegen und in dieses der Steinkanal — von der Madreporenplatte herkommend — miindet, ist Koeiiler ganzlich entgangen. Nach seiner Schilderung lost sich unser Ge- faCgeflecht (sein Steinkanal) in der Driise auf, und am Ende des- selben entspringen zwei Kanale, der eine wird als Steinkanal, der andere als canal madreporique bezeichnet. Der erstere ist nun 1) Teuscher, 1. c. pag. 532. 224 Otto Hamann, thatsachlich der echte Steinkanal, dcr letzte aber nichts anderes als der Eudteil der Driise, welcher als soldier bekanntlich aiich bei den Asteriden bis in die Madreporenplatte reicht und in welchen bei letzteren, wie bei den Echiniden und Spantagiden (vergl. das oben Gesagte) Blutlakunen miinden , welche voni apikalen Blut- lakunenring kommen. Nach Koehler^ ) soil nun der canal madr6- porique in der Madreporenplatte nach auBen miinden und das fliissige Sekret nach auBen befordern, wahrend der echte Stein- kanal sich in Interstitien der Bindesubstanz auflosen soil. Nur einige wenige Vertikalschnitte durch die Madreporenplatte batten KoEHLER von der Falschheit seiner Angaben iiberzeugen konnen. Waren die Verhaltnisse thatsachlich so vorhanden , wie er sie schildert, so wurden die Spatangiden ganz auBerhalb der ubrigen Echinodermen stehen, bei denen alien der Steinkanal einzig und allein durch die Madreporenplatte nach auBen miindet, wie fur die Seesterne besonders Ludwig 2) gezeigt hat, und ich^) fiir die Holothurien und soeben fiir die regularen wie irregularen Seeigel bestatigen konnte. Zapitel 4. Die mannlichen Geschlechtspapillen. Merkwiirdigerweise haben die Untersucher der Spatangiden bisher die groBen auBeren Geschlechtspapillen ganzlich iiber- sehen. Nach Hoffmann's ^) Angabe miinden die Ausfiihrgange der Geschlechtsorgane durch fiinf Offnungen (bei Echinocard. cordat. u. anderen), die sogenannten Genitalporeu. Auch dem letzten Untersucher Koehler sind die auBeren Organe entgaugen. Dies mag darin seinen Grund haben, daB keiner dieser Forscher die dorsalen Flatten in Schnittserien zerlegte, sondern daB sie es nur bei der auBeren Betrachtung bewenden lieBen. Zur UntersuchuDg verwendete ich nur Echinocardium medi- terraneum, welches sich vorziiglich eignet, urn die Madreporenplatte, 1) Koehler, a. 0. 0. pag. 96 u. f. 2) LuDwiG, Morpholog. Studien, Bd. 1. Die Asteriden, p. 154. 3) Heft 1 und 2 dieser Beitrage. 4) Zur Anatomie der Echinen und Spatangen, in : Niederl. Avchiv fiir Zoologie 1871. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 225 St^iukaiial und Geschlechtsorgane in Schnittserien zu zerlegen. Die dorsalen Flatten wurden in Chromsaure von 0,3^/o entkalkt, 12 Stunden ausgewaschen, dann in Alkohol gebracht, um nach lan- gerem Verweilen in demselben mit Karminlosungen gefarbt zu werden. Es erhebt sich bei den mannlichen Spatangidenauf jeder der vier G enitalplatten je ein kegelformiges Gebilde, welches eine Lange von 5 mm besitzt (in TC/o Alkohol getotetes Echinocard.) und als Geschlechtspapille bezeichnet werden kann. Fig. 7 auf Taf. XVIII zeigt den Penis der Lange nach durch- schnitten. Der Ausfiihrgang des Hodens AG tritt an die Korper- wand heran, durchsetzt diese, um in die Papille einzutreten. Das Innenepithel des Ausfiihrganges besteht aus niedrigen, etwa 0,006 mm hohen Zellen. Es setzt sich fort in das ungemein hohe Wimperepithel, welches das Lumen des Penis auskleidet. Dieses Epithel besteht aus 0,03 mm hohen Cylinderzellen. Ihre feinen Wimpern, die sehr langsind, zeigen sich teilweise noch an den Schnittpraparaten erhalten. Wahrend nun im Ausfiihrgang die reifen Spermatozoen das ganze Lumen erfiillen, sind sie in der Papille nur imraer in kleineren Mengen vorhanden. Im Ausfiihr- gang geschieht ihre Fortbewegung durch die Kontraktion der reichlich entwickelten cirkularen Muskulatur. Diese reicht aber nur bis an diejenige Stelle, an welcher der Ausfiihrgang in die Korperwand eintritt. Hier ist sein Ende meist etwas erweitert und hier beginnen die langen Wimperzellen, und diese sind es nun, welche den reifen Samen durch die Penisoffnung nach auCen be- fordern. Dieser kann also nicht ruckweise entleert werden, sondern allmahlich. Wie sich bei Echinocardium , iiberhaupt den Spa- tangiden die Begattung vollzieht, ist leider unbekannt. Bei einem nachsten Aufenthalte an der See denke ich hieriiber Untersuchungen anstellen zu konnen. DaC aber eine ahnliche Befruchtung statt- haben raufi, wie sie Ludwig^) bei Asterina gibbosa beobachtet hat, scheint sehr wahrscheinlich zu sein. Die Wandung des Penis setzt sich welter zusammen aus einer raehr oder minder diinnen Bindesubstanzschicht , welcher nach auCen das allgemeine Korperepithel aufliegt, in welchem nur wenige Nervenfaserblindel sich verzweigen. Die Bindesubstanzschicht, welche die Basis des Penis umgiebt, ist von besonderer Beschaflenheit. 1) LxTDWiG, Entwickelung der Asterina gibbosa, in: Morpholog. Stud, an Echinod. 2. Bd. 1882. Bd. XXI. N. F. XIV. 15 226 Otto Hamann, Sie entbehrt jeder Kalkeinlageriiiig und ist die Giundsubstanz von gallertartiger Konsisteuz. Sternformige und spiiidlige Bindesub- stanzzellen verzweigen sich in ihr. In der Fig. 7 auf Taf. XVIII tritt dieser Teil durch seine dunklere Farbung hervor, wahreiid die entkalkte Bindesubstanz , das heifit, ihre Fasern sich immer nur wenig farben. Finer Bewegung ist die Papille ibrem Ban nach kauni fiibig, sie kann weder sich kontrahieren, noch ansdehnen. An ihrer Basis ist das Epithel sehr verdickt, was rait der starken Ansammlung der Nervenfaserbiindel zusamraenhaugt (vgl. die Fig.). Die weiblichen Geschlechtspapillen. Bei den weiblichen Spatangiden miindet der Ovidukt nicht einfach durch eine Ofifnung in der Genitalplatte nach auCen, sondern auch bei diesen findet sich auf jeder Genitalplatte je eine papillose Erhebung, welche auf ilirem konisch zugespitzen Ende durchbohrt ist. In dieses auCere Kopulationsorgan tritt der Ovidukt ein. Die Entleerung der Eier geschieht durch die Offnung in der Spitze des Organes. Diese Kopulationsorgane sind auBerlich sehr ahnlich denen der mannlichen Tiere, nur etwas gedrungener im Ban. Kurz nachdem der Ovidukt in die Wandung der Genitalplatte eingetreten ist, schwillt er kuglig an zu einem Ei - Reservoir, wel- ches also in der Genitalplatte liegt. In diese kuglige Erwei- terung werden die Eier zun^ichst getrieben, und kann sie prall von ihnen angefiillt sein. (Ihr Durchmesser betragt etwa 0,1 mm.) Sie gelangen in dieselbe durch die Kontraktionen vornehralich der cirkularen Muskulatur des Oviduktes. Diese hort auf, sobald der Ovidukt in die Genitalplatte eindringt. Die Weiterbeforderung der Eier geschieht von bier aus durch die langen Wimpern des Innen- epithels der Papillen , in gleicher Weise wie ich das von dem Sperma oben geschildert babe. Die Eier haben einen Durchmesser von 0,04 mm. Es werden deshalb immer nur weuige auf einmal durch den engen Kanal der Papille nach auBen gelangen konnen. Alle Eier sind vollkommen reif, das heiCt, die Bildung von Polzellen ist bereits vor sich gegangen und an Stelle des groCen Keimbliischens der unreifen Eier ist der kleinere Eikern getreten. Die Befruchtung geschieht sicher auch hier erst, nachdem die Eier in das Seewasser gelangt sind und nun mit dem Sperma in Be- riihrung kommen. Beitrcige zur Histologie der Echinoclermcn. 227 DaB di(3 Einrichtuiig von auBeren Geschlechtspapillen bei der Erhaltuiig der Art von nicht zu unterschatzendem Vorteil sein wird, ist selbstverstandlich. Mit der eigentiimlichen Lebensweise der Spatangiden , welche eine von der der Echiniden abweichende ist, wird diese Entleerung der Geschlechtsprodukte zusammen- hangen. Bekanntlich graben sich viele dieser Spatangiden tief in den Sand ein. Wahrscheinlich thun dies alle Echinocardien, und icb erinnere nur an Ech. cordatum , welches man in Helgoland in Hohlen, in den Sand eingegraben, leicht beobachten kann. Kapitel 4. Der Darmtractus. Dadurch, daB After und Mundoffnung (in Vergleich zu den regularen Formen) ihre Lage vei-andert haben , kann man am ge- samten Darmtractus vier Windungen unterscheiden. Von der Mundoffnung, die zwischeu Ober- und Unterlippe liegt, steigt seiik- recht der Osophagus hinab, und am tJbergang in den Duundarm liegt die erste Windung. Uumittelbar nach der Biegungsstelle tritt der von delle Chiaje eutdeckte Nebendarm aus demselben heraus, um ungefahr da in den Dunndarm einzumiinden, wo derselbe die letzte Umbiegungsstelle desselben bildet. Der Darm beschreibt weiter eine untere sowie obere Windung, die iibereinander liegen und wie bei den Echiniden in entgegengesetzter Kichtung ver- laufen 0- Endlich geht er nach einer letzten Windung in das Rectum iiber und zieht zum After, Im ganzen Verlaufe ist der Darm durcli Mesenterien oder Strange an der Korperwand be- festigt. Ich unterscheide den Anfangsteil des Schlundes bis zur Um- biegungsstelle als Schlund, wahrend der Magen von hier an bis zum Ursprung des Nebendarmes reicht, wenn man iiberhaupt dieseu Teii besonders zu benennen hat. Hierauf folgt der lange Diinn- darm, welcher an der letzten Umbiegungsstelle in den Dickdarm ubergeht. Hicrzu kommt noch das Divertikel, von langlich-ovaler Form, welches auf dem Dtinndarm aufliegt. Der Schlund. Bis zur ersten Biegung des Darmes zeigt 1) Yergl. hieriiber besonders Hoffmann und Koehlee, a. o. 0. pag. 34. 15* 228 Otto Hamann, sich derselbe bei Spat. purp. auf seiner Innenflachc ausgekleidet von nahezu kubischen Zellen (Fig. 9, Taf. XVII). Diese Zelleu scheinen keine Flimmerhaare zu besitzen, wie sie Hoffmann ihnen zuschreibt, denn sonst ware die sich deutlich oft auf weite Strecken abhebbare Cuticula nicht recht erklarlich, Diese stellt ein nKilir Oder weniger stark entwickeltes belles Hautchen dar. In Fig, 9 sieht man sie teilweise von den Zellen abgehoben. Unterhalb des Innenepithels lagert die Bindesubstanzschicht. In ihrer Grund- substanz sind wenig Zellen und Fasern vorhanden. Sie besitzt eine gallertartige Konsistcnz im lebenden Zustand. Pigmenthaufen von schwarzlicher Farbe, eigentiimliche gelbe, kuglige Konkretionen sind oft in groCer Anzahl anzutreffen. 1st das Lumen im Anfangs- teil des Schlundes glattwandig, so erheben sich bald Zotten, von der Bindesubstanzschicht und dem Innenepithel gebildet, in das Innere. Sie treten in Gestalt von zackigen Langslinien bei Ober- flachenansicht hervor. In der auCersten Lage der Bindesubstanzschicht liegen Langs- muskelfasern und nach auCen von ihr eine Riugsmuskelschicht (Fig. 9, Taf. XVII). Die Langsmuskelfasern bilden keine geraein- same ununterbrochene Schicht, sondern stehen stets mehrere zu Trupps angeordnet zusammen. Diese Biindel stehen in gleichen Abstanden voneinander. Die Ringsmuskularis besteht aus kreis- formig angeordneten glatten Muskelfasern. Auch sie ist nicht sehr stark entwickelt. Nach auCen von diesen Muskelfasern liegen hier und da noch wenige Bindesubstanzfasern und Zellen und als Hiille wird die Schlundwandung von einem aus wimpernden, abgeplatteten Enterocolzellen gebildeten Epithel umgeben, wie dasselbe alle in der Leibeshohle gelagerten Organe sowie die innere Flache der Korperwand iiberzieht. Bei Bryssus unicolor (Fig. 4, Taf. XVIII) wird der Schlund von cylindrischen Zellen ausgekleidet, welche einen sehr geringen Querdurchmesser besitzen. Der Kern liegt in verschiedener Hohe der einzelnen Zellen, so dafi der Anblick eines mehrschichtigen Epithels vorgetauscht werden kaun. Besonders stark sind bei dieser Art die Anhaufuugen von schwarzkornigen Pigmentkorpern Ph in der Bindesubstanzschicht. Die Anordnung der Muskulatur ist die gleiche wie bei Spat. purp. Der zweite Darmabschnitt vom Ende des Schlundes bis zum Ursprung des Nebendarmes wurde als Ma gen von mir bezeichnet. Es geschah dies aus dem Grunde, well Koehler vielzellige, schlauchformige Driisen in diesem Abschnitt gefunden hat und somit ein dem Magen der Beitrage zur Histologic der Echinodermen. 229 Asteriden und der Holothurien gleicher, homologer Darmteil da- mit den Spatangiden zuerkannt wird. Inwiefern auch anderen Gattungen solche Driisen zukommen, und ob man bei alien Arten einen zweiten Darmabschnitt histologisch unterscheiden darf, daruber habe ich keine weiteren Beobachtungen angestellt, muB also diese Fragen unentscbieden lassen. Die iibrigen Schichten bleiben dieselben. Im Dtinndarm trifft man im ganzen Verlauf ein aus langen, cylinderformigen Zellen sich zusammensetzendes Epithel an, welches bald glatt verlauft, bald in Zotten gelegt die innere Oberflache vergrofiert. Die Wandung des Diinndarms ist sehr dunn im Ver- haltnis zu seinem Umfang und raiBt nirgends iiber 0,3 mm. Bei Bryssus unicolor haben die Epithelzellen der Windung, welcher der Hauptnebendarm anliegt, eine Lange von 0,06 mm— 0,03 mm. Ein Cuticularsaum, 0,003 mm dick, liegt der Peripherie auf. Der- selbe ist als Rest der Flimmerhaare anzusehen, von denen nur die FuBstiicke erhalten sind. Diese sind leicht voneinander zu unterscheiden. Die unterhalb des Innenepithels gelagerte Bindesubstanzschicht ist meist gering entwickelt. Nur da, wo die Blutfliissigkeit (auf den Schnittpraparaten als gerounene Substanz erkennbar) in un- regelmaBigen Lticken in derselben verlauft, ist sie starker verdickt, wie Fig. 12 auf Tafel XVI zeigt. Anhaufungen von Pigmentkornern sind in groCer Menge vorhanden. Die Langsmuskulatur ist sehr gering entwickelt. Die Fasern biklen auch in diesem Darm- abschnitt keine zusammenhangende Scliicht, sondern sind oft durch Interstitien voneinander getrennt. Desto kraftiger ist die Rings- muskelschicht gebildet. Nach auBen von ihr liegt das wimpernde Enterocolepithel mit seinen abgeplatteten Zellen. Derselbe Bau des Diinndarms, wie ich ihn hier fiir Bryssus schildere, kommt auch Spatangus zu, wie aus Koehler's ') Beschreibung hervorgeht. Zur Unterscheidung einer inneren und auBeren Bindesubstanz- schicht der Darmwandung, wie es der genannte Forscher thut, scheint mir gar kein Grund vorzuliegen. Zwischen der Ring- muskulatur und dem AuBenepithel findet man allerdings hier und da Bindesubstanzfasem und Zellen, aber in so geringem MaBe, daB man von einer besonderen Schicht kaum sprechen kann. Sowohl im Diinndarra, als im Schlund trifft man auf Nervenziige, welche teils Fasern zur iMuskulatur abgeben, teils an das Innen- 1) A. 0. 0. 230 Otto Hamann, epithel zu treteu scheinen. Dieses Darmnervensystein, welches ich hier zum ersteu Male von Spataugiden beschreibe, ist welter oben in dem Kapitel iiber das Nerveusystem niiher besproclien worden. Der Nebendarm, von delle Chiaje entdeckt, entspringt als diinnes Rohr am Anfaugsteil des Diinndarmes, niclit am Rande, sondern mehr auf demselben, wie am besten ein Blick auf Figur 11, Tafel XVI lehrt. Auf der inneren Flache des Dtinudarms zeigt sich eine scblitzformige Offuung, sebr eng, urn keinem der groCeren Oder kleineren Steine oder anderen Frcmdkorpern des Diinndarmes den Eintritt zu gestatten. Der Nebendarm schwillt eine geringe Strecke nach seinem Ursprung ungemein stark an und kann einen Durchmesser von 5 mm erreichen. Seine Starke ist somit eine welt groCere als bei den regularen Formen. Eigentiimlich ist sein Eintritt in den Diinndarm. Fig. 11, Taf. XVII zeigt diesen geoii'net. Auf der inneren Flache erkennt man eine halbmondformige Figur. Diese kommt dadurch zustande, dafi der Diinndarm durch eine Klappe gegen den Nebendarm verschlossen ist. Liegt die Klappe Kl so, wie in der Figur gezeichnet ist, dann bleibt nur ein kleiner, halbmondformiger Schlitz iibrig, der die Kommunikation des Diinndarm- mit dem Nebendarmlumen gestattet. Der Bau der Wandung des Nebendarmes stimmt bei Bryssus unicolor in fast alien Stiicken iiberein mit dem des Diinndarmes. Das Innenepithel besteht aus cylindrischen Zellen, deren Substanz fein granuliert ist. Die Hohe des Epithels kann eine sehr wechselnde sein. Ein kugeliger Kern liegt im freien Ende der Zellen. Der Zellinhalt farbt sich mit Karrain. Abgegrenzt wird dieses Epithel von der darunter liegenden Bindesubstaiiz- schicht durch eine starke Basalmembran. Eine solche hat Koeii- LER in alien Darmabschnitten beschrieben als membrane 61astique. Mir ist sie nur hier aufgefallen in so starker Ausbildung, wie sie nach dem franzosischen Forscher allgemein sein soil. Ein so starkes Hervortreten der Basalmembran ist wohl nur der Kon- servierungsart zuzuschreiben. In der Bindesubstanzschicht treten in der Grundsubstanz feine Fasern und Zellen auf, sowie die gleichen Pigmentanhau- fungen, wie im iibrigen Verlauf des Hauptdarmes. Blutlakunen und geronnene Fliissigkeit habe ich auf keiner meiner zahlreichen Schnittserien (Bryss. unicol.) nachweisen konnen (Fig. 13, Taf. XVIII). Beitriige zur Histologie der Echinodermcn. 231 Das Epithel des Dunndarmes geht direkt in das des Neben- darincs an seiner Ursprungsstelle uber. Es hat bei Bryssus bier eine Lange von 0,02 mm. Grofie Mengen von gelbkornigem Pigment sind zwischen den Zellen an ihrer Basis abgescbieden. Das Lumen des Nebendarmes ist sehr oft erftilltvongroiien, blasigen Protozoen (Infusorien), deren eiformigerKorper unregelmaiiig geform- ten Kern besitzt. Ein Stabchenbesatz unterhalb des vorderen Korper- endes, welches etwas zugespitzt ist, zeichnet diese uur auf Schnitt- praparaten untersuchten Parasiten aus. GroCe Mengen von einem Sekret erfiillen l^esonders da, wo der Nebendarm entspringt, sein Lumen, und man kann beobachten, wie dieses Sekret von den Zellen abgescbieden wird, welche die innere Auskleidung bilden. Sekrettropfen treten aus den Zellen an ihrem freien Ende heraus. Bei Spatangus existiert nur ein Nebendarm ; ebenso bei Echi- nocardium. Drei hierauf untersuchte Gattungen, Bryssus, Schizaster und Bryssopsis , besitzen einen zweiten Nebendarm, welcher durch Koehlee ^) aufgefunden worden ist. Er verlauft zwischen dem Diinndarm und dem Hauptnebendarm und besitzt nach Koehler eine verschiedene Lange bei den ein- zelnen Gattungen. Ich habe denselben nur bei Bryssus unicolor naher unter- sucht. Der Durchmesser dieses zweiten Nebendarmes ist ein sehr geringer und betragt wenig iiber einen Millimeter. Dabei ist seine innere Hohlung nicht glatt, sondern der Liinge nach verlaufende Wiilste springen in sein Lumen hervor. Auf dem Querschnitt tritt dieser Bau dadurch zur Beobachtung, daC unregelmaCige Wiilste in meist dreieckiger Form in das Lumen hervorspringen und dieses selbst so sehr verengt erscheint. Das von den langen, cylindrischen Zellen abgesonderte Sekret liegt in Gestalt einer sich mit Karmin rosa tingierenden , geronnenen Masse in dem engen Lumen. Dieser zweite Nebendarm liegt dem Diinndarm dicht an- geschmiegt an, durch ein diinnes Mesenterium mit ihm verbunden. 1) KoEHXEfi, a. 0. 0. 232 Otto Hamann, Allgemeiner Teil. Eapitel 1. Zur Phylogenie der Echinodermen. Dir TJrspruiig. Wenn man die Frage aufstellt, mit welcher Gruppe von Me- tazoen sind die Echinodermen, unter Riicksichtnahme auf ihre gesamten Organisationsverhaltnisse am nachsten verwandt, so wird die Antwort zugleich auf ihre phylogenetische Entstehung Licht zu werfen geeignet sein. Ich sagte, wenn man die gesamten Organisationsverhaltnisse, also die Beschaflfenheit des Nerven- systems, der Leibeshohle u. s. w., in Betracht zieht, und wollte damit zugleich andeuten, dafi ich alle die Versuche als verfehlt an- sehen muB, welche nur auf ein einziges Organsystem ihr Augenmerk richten, wie es jiingst Kleinenberg gethan hat, der dadurch, daB er nur das Nervensystem in Betracht zog, zu den wunderlichsten Spekulationen tiber den Ursprung der Anneliden von Medusen gekommen ist, Spekulationen und Gedanken, die sich „im natur- lichen Geschehen" wohl nicht so bald wiederfinden durften. Die Larvenformen der Echinodermen, die Entstehung der Leibeshohle, des Enterocols, die Entstehung und der Bau des Nervensystems werden vornehmlich auf wurmartige Wesen hinweisen, und zwar auf solche Formen, welche ein typisches Enterocol in gleicher Entstehung und Ausbildung besitzen, und bei denen das Nervensystem entweder noch im Ektoderm gelegen ist, wie bei den Asteriden, oder doch in ahnlicher Weise, wie es bei Echiniden, Holothurien der Fall ist, gelagert erscheint. Eine nahere Verwandtschaft mit den Colenteraten den Echinodermen Beitrage zur Histologie der Ecliinodermen. 233 zuzuschreiben, wie es Kleinenberg in ciner allerdings nur neben- bei hingeworfenen Bemerkung (s. Entstehung d. Annelids etc. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. 44, 1886) thut, geht nicht an, denn die tJbereinstimmung im Bau des Nervensystems allein wiirde nicht ausreichen, die groCe Menge der sonstigen Differenzen im Bau auszugleichen, wie beispielsweise das Vorhandensein einer Leibes- liohle bei den Ecliinodermen. Unter den verschiedenen Wurmgruppen sind es vor allem die Anneliden mit ihrem typischen Enterocol, welche den Echinoder- men am naclisten stehen, wie Haeckel schon vor langer Zeit ausgefiihrt hat. Und in der That wird diese Anschauung ganz besonders unterstiitzt, besonders auch durch den Bau der Korper- wand. Bei den Asteriden findet sich in jedem Arm ein Haut- muskelschlauch vor, bestehend aus einer Rings- und einer Langs- muskelschicht. Bei Echiniden ist die erstere nur noch rudimentiir (Ludwig) vorhanden, wahrend bei den Holothurien dieselbe auf bestimmte Zonen beschrankt erscheint. Was den Bau des Nervensystems anlangt, so ist derselbe bei Asteriden der denkbar einfachste — Epithelsinneszellen und Nerven- fasern. Aber auch unter den Wiirmern, und gerade unter den hoher entwickelten , finden wir Formen , wo das gesamte Nerven- system wahrend des ganzen Lebens im Ektoderm persistiert. Das ist bei den Archanueliden der Fall (Hatschek und Feaipont). Es liegt demnach kein Grund vor, der uns hindem konnte, die Echinodermen , v^enn auch nicht als Anneliden anzusehen, so doch als abstammend von mit echter Leibeshohle versehenen Wiirmern , bei denen das Nervensystem noch auf der niedrigsten Entwicklungsstufe sich befand, und bei denen ein WassergefiiB- system wahrscheinlich schon ausgebildet war. Dabei fragt es sich aber vor allem: welche Gruppe der Echinodermen ist als die ur- spriinglichste aufzufassen, und sind die einzelnen Abteilungen von- einander ableitbar? Es ist merkwiirdig, daB der grofite Teil der Zoologen und Geologen die Crinoideen (oder Cystideen) als diejenigen ansehen, welche alle Organisationsverhaltnisse am ursprunglichsten bewahrt haben solleu. Crinoiden wie Asteriden sind von gleichem Alter. Beide Gruppen treten bereits in der Silurformation auf. Die uns aber hier zuerst entgegentretenden Arten sind weit entfernt, als ur- spriingliche gelten zu konnen. Diese selbst sind uns nicht auf- bewahrt worden. Begreiflich wird dies, wenn man bedenkt, daC 234 Otto Hamann, bei ihnen das Kalkskelett, also die der Erhaltung am raeisten forderlicheii Telle, noch weiiig ausgebildet gewesen sein wird, und dafi iiberliaupt samtliche Asteridenreste sich sehr schleclit kon- serviert zeigen, so daB sie meist iiur in Fragmenten vorkommeii. Von der Palaontologie ist deshalb niemals zu erwarten, daB sie die Stammesgeschichte dieser Gruppen aiilklart. Dieser auch von ZiTTEL ausgesprochenen Ansiclit (Handbuch der Palaontologie, Bd. I. 1. pag. 309) sind andere Palaontologen , wie Neumaye, nicht beigetreten (Morpliologische Studien uber Echinodermen, in : Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wissensch. in Wien, Bd. 86. 1881), sondern haben einen Stammbaum der Echiniden errichtet fast lediglich auf palaontologische Befunde bin. Ob dieser Stammbaum mit den anatomisdien Befunden vereinbar ist, werde ich kurz er- ortern. Nacli Neumayr sind als Stammgruppe der Echinodermen die Cystideen auzusehen, also eine Gruppe, welche andere mit den Crinoiden vereinigt haben, und von ihnen aus sollen sich die Crinoiden abgezweigt haben. Diese Abzweigung ist nicht niehr nachweisbar, da beide Gruppen nebeneinander im Untersilur auf- treten und fruhere Reste nicht aufgefunden worden sind. Es ist also die Annahme, daC die Cystideen die alteste Echinidengruppe seien, nicht einmal palaontologisch begriindet. Weiter sollen nach Neumayr von den Cystideen sich die Ophiuroasteriden und nach einer anderen Richtung die Echiniden abgezweigt haben. Ob es sich nicht um bloB auBere zufallige Ahnlichkeiten handelt, wenn unter den Cystideen Formen, wie Agelacrinus, an die Asteriden gemahnen, ist schon von anderen Forschern hervorgehoben worden. Das Gleiche gilt wohl von den Ahnlichkeiten, die man zwischen Cystideen (Mesites u. a.) und Echiniden konstruiert hat. Die genetischen Verhaltnisse sind auch hier, wie Hoernes sagt (Elemente der Palaontologie 1884, pag. 173) noch sehr zweifelhait. Nimmt man nun noch hinzu, daB gegen die Homologisierung der Basaltafelchen des Crinoiden-Kelches mit den Scheitelplatteu der Echiniden (H. Carpenter) gewichtige Bedenken erhoben worden sind, so nimmt die Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der Ableitung der Echiniden von den Crinoiden noch mehr ab. Zu alledem kommt noch, was den Ausschlag giebt, dafi die Crinoiden anatomisch und histologisch unmoglich als die Stamm- gruppe der Echinodermen angenommen werden konnen. Unser jetziger Standpunkt kann nur der sein, daB auf der einen Seite Beitrage zur Histologie der Echinodermeu. 235 die Crinoiden stelien, auf der andereii die Asterideii, vou deiicii aus ohiie Zwuiig sich die Echinideii lierleiteii lasseii, uiid eiidlidi die Holothurieu. Willireiid die letztgeiiaiiuteu diei Gruppeii in Hirer Organisation sich voneinander ableiten lasscn, stehen die Crinoiden auCer allem Zusammenhang. Gauz eigentllmlich uud bei keiner Gruppe vorhauden sind die nierkvvUrdigen Kelchporen, durcli welche die Leibeshohle niit der AuBenwelt in Vcrbindung steht. Vor alleni ist aber das Nervensystem nicht in der urspriinglichen, bei Asteriden vor- handenen Gestaltung erhalten. Es ist dasselbe (Nervenring und von demselben ausstrahlende radiiire Ambulacralnervenstamme) nicht mehr epithelial, sondern subepithelial gelagert. (Litdwig.) Der wichtigste Teil des Nervensysteins der Crinoiden ist jedoch dorsal gelagert im Centrodorsale ; von einem Centralorgan gehen in jeden Arm Faserziige ab, und von diesen solche zu den Muskelbiindeln und Anhangen des Armcs, wie es W. B. Carpenter schon im Jahre 1865 beschrieben hat. Ein so gestaltetes dorsales Nervensystem findet sich weder bei Asteriden (Ophiuren), Echiniden und Holothurien vor. Vor allem ist dann noch der Leibeshohle der Crinoiden zu gedenken, welche wahrscheinlich als Schizocol- raum aufzufassen ist, und der Geschlechtsorgane, deren Gestaltung eine von der der iibrigen Gruppen abv^eichende ist. Es lassen sich die Crinoiden deshalb am ungezwungensteii, wie ich meine, als ein Seitenzweig der Echinudermen ansehen, dessen Ursprung uns zweifelhaft ist. Als der Wahrheit vielleicht am nachsten kommend darf man aber wohl annehmen, dafi die Crinoiden wie die Asteriden einer gemeinsamen Wurzel entsprossen sind. Die letzteren halte ich fiir die der Stammform am nahe- stehendsten Echinodermen, indem ich besonders auf den Bau und die ektodermale Lagerung des Nervensystems hinweise. Wie ich mir die Echiniden aus ihneu entstanden denke, werde ich auf den nachsten Seiten entwickeln. Somit komme ich zu dem Resultat, daB die Forscher, an der Spitze Haeckel, G. 0. Sars, Lange, das Richtige getroffen haben, wenn sie die Asteriden an die Spitze der Echinodermen stellen. Die Palaontologie , um das nochmals zu betonen , sttitzt weder die eine Deutung („die Crinoiden als die der Stamnigruppe zuniichst stehende alteste Echinodermenklasse" zu betrachten, Claus) noch die andere, von mir soeben vertretene, da beide Gruppen zusammen zu gleicher Zeit im Untersilur auftreten. AUeiu die morpho- 236 Otto Hamann, logischen Daten konnen hier zur Entscheidung herangezogen werden. Die VerwandtschaftsYerhaitnisse zwischen Asteriden und Echiniden. Nachdem ich die Organisationsverhaltnisse der Echiniden dar- gestellt liabe, mochte ich es im folgenden versuchen, die Griinde zusammen zu stellen, welche den Satz zur moglichsten Wahrschein- lichkeit erheben sollen , daU die Asteriden als die urspriinglichste der Stammform der Echinodernaen am nachsten steheude Gruppe angesehen werden mussen und die Echiniden aus ihnen herzuleiten seien, wie es schon von Haeckel, Gegenbaur und anderen an- genomraen worden ist. Ich bin mir hierbei wohl bewuBt, daC diese Annahme fur viele als feststehender Satz gilt. Fur diese ist das Folgende nur zum geringsten Telle geschrieben, sofern sie nicht wie ich der Meinung sind, daC dieser Satz bisher noch unbewiesen sei. Ich mochte vor allem auch welter ausflihren, dafi iiberhaupt nur die eine Moglich- keit vorhanden ist, die Organisationsverhaltnisse der Echiniden zu erklaren, wenn wir sie von denen der Asteriden herleiten, und daB diese Annahme allein eine ungezwungene Erklarung ihres Baues zulafit. Die Palaontologie zeigt uns, daC die Asteriden zu den altesten Organismen gehoren, und daB nichts im Wege steht, die Echiniden, die bereits im Untersilur vertreten sind, von ihnen ab- zuleiten. Dabei ist natiirlich immer nur an die regularen Seeigel zu denken, nicht aber an die irregularen wie die Spatangiden, die mit groBter Sicherheit als spatere Bildungen anzusehen sind. — Wenn ich deshalb im folgenden von Echiniden spreche, so sind damit zunachst nur die regularen Seeigel gemeint. Bei einer Ableitung des Echiniden-Organismus von dem der Asteriden wird an erster Stelle zunachst das Nervensystem in Betracht zu Ziehen sein. Das Nervensystem eiitsteht bei den Seesternen im Ektoblast ') und behalt seine Lagerung im Ekto- derm bei. Dies gilt fiir das Centralnervensystem, Gehirnring und die ftinf (oder mehr) Ambulacralnervenstiimme. Das Darranerven- system lasse ich als unwesentlich bei unserer Vergleichung beiseite. Bei den Echiniden liegt am erwachsenen Tier das Nerven- i 1) Yergl. LuDwiG, Asterina gibbosa. Beitrage zur Histologie der Ecliinodermen. 237 system nicht mchr im Ektoderm : es ist in das Mesoderm zu liegen gekommen, und nur da, wo Sinnesorgane vorhanden sind, sehen wir dasselbe nocli in Verbindung mit dem Korperepithel stehen. Sind nun die Eleraente, welche das Centralnervensystem bei den Echiniden zusammcnsetzen , dieselben wie die der Asteriden Oder doch ableitbar von denen der letzteren Gruppe? Urn diese Frage zu entscheiden, sei kurz auf die Zusammensetzung des Nervensystems der Asteriden hiagewiesen. Gehirnring und Am- bulacralnerven bestehen aus mit Ganglienzellen untermischten Nervenfasern, welclie zwischen den Fortsatzen der ungemein ver- langerten, fadenformigen Epithelzellen der Ambulacralrinne ver- laufeii. Diese Epithelzellen nannte ich Stiitzzellen, ihre basalen Auslaufer Stutzfasern M ; die letzteren siud die sogenannten Quer- fasern alterer Autoren, welche seukrecht zu der Nervenfasermasse verlaufen. Bei den Echiniden besteht das Centralnerven- system aus folgenden Elementen : der Nervenfasermasse mit den Ganglienzellen und, diesen aufliegend, Zellen, tiber deren Natur gestritten werden kann. Dieser Zellbelag, welcher den Hauptnervenstammen und dem Gehirnring peripher aufliegt, wird von Fredericq als nervos angesehen ; es soil sich hier urn Ganglien- zellen handeln , die den Nervenfaserztigen in ahnlicher Weise auf- liegen, wie es bei vielen Wiirmern beispielsweise der Fall ist. Ob diese Zellen die Funktion von Ganglienzellen angenommen haben, ist mir zweifelhaft. Ihrer Herkunft nach sindesEpithel- zellen, welche mit den anfanglich epithelial (im Ektoblast) gelagerten und entst an denen Nervenfasern zusammen in das Mesoderm zu liegen gekommen sind, wie ich annehme. In erster Linie funktionieren sie als Deckepithel, als Schutzbelag fiir die feinen Nervenfasern, wie ich schon bei den Holothurien auseinandergesetzt habe und wie mir aus einem Vergleich mit den Asteriden ziemlich sicher hervor- zugehen scheint. Dafi diese Zellen ein Deckepithel , eine Schutz- decke bilden, geht weiter hervor aus ihren basalen Stiitz- fasern, welche die Nervenfasern senkrecht durch- setzen. Diese Stiitzfasern sind aber bei den Echiniden bisher den Forschern entgangen. Ich glaube, da6 auch diejenigen, welche geneigt sind, das Deckepithel fiir nervoser Natur zu erklaren, nach Entdeckung der Stiitzfasern diese Ansicht nicht mehr in vollem Umfange aufrecht erhalten konnen. Was aber weiter gegen die nervose Natur dieser Zellen spricht, ist ihr Abweichen in Form 1) Yergl. Heft 2, Die Asteriden. 238 Otto Hamann, und GroCe von den eigentlichen Nervenzellen in den Hauptstammen und den Nervenzellen, welche an Bifurcationsstellen der Haut- nervenzuge einen peripheien Belag bilden. Die Ganglienzellen, welche in den Hauptstamraen und Gehirn- ring liegen, besitzen einen ovalen Kern, der sich stets heller farbt als der Kern der Deckzellen. Meist ist ein Kernkorperchen zu sehen. Die Grofie der Ganglienzellen ist von der der Deckzellen verschieden. Letztere sind stets kleiner, besitzen meist einen ba- salen Zellfortsatz, eine direkte Fortsetzung der Zellsubstanz, welcher ein anderes Lichtbrechungsvermogen zeigt als die Nervenfasern und mit ihnen schon deshalb nichts zu thun hat, dann aber auch viel starker ist, einen groBeren Durchmesser besitzt. Die Ganglienzellen, wie sie in den peripheren Teilen des Nervensystems vorkommen, sind von zweifacher Gestalt. Liegen sie innerhalb der Nervenfasern, der Hautnerven — ich spreche dann von Nervenziigen — so besitzen sie dieselbe Gestalt wie in den Hauptstammen. AuCer dieser Art kommeu Zellen vor, die durch ihre Grofie, ihren groBcn hellen Kern und das konstante deutliche Kernkorperchen sich auszeichnen. Diese lagern peripher auf den Nervenziigen und bilden da, wo Nerven- fasern austreten von den Nervenziigen, um beispielsweise zu den Mnskelfasern zu ziehen (in den Pedizellarieu die Verzweigungen zwischen den Muscul. adductores, im basalen Ringnerv der Stacheln von Sphaerechin., Echinus, Centrosteph. etc.) einen Belag zwischen den von den Nervenfasern umsponnenen Mnskelfasern, wie es Fig. 1, Taf. X zeigt. Diese Zellen messen etwa 0,007 mm, ihr kreis- runder Kern 0,002—0,003 mm. Fig. 2, Taf. X zeigt diese Zellen an einer Bifurcationsstelle eines Nervenzuges in einer Pedizellarie. Da6 sich diese Nervenzellen weit unterscheiden von den Zellen des Deckepithels, dariiber kann also kein Zweifel sein. Wenn ich in etwas umstandlicher , manchem vielleicht fur tiberfliissig erscheinender Weise die Frage nach der Bedeutung dieser Belegzellen erortert habe, so lag das in dem Bestreben, meiner Darstellung einen moglichsten Abschlufi zu geben. Wenn man die Echiniden direkt von den Seesternen ab- leiten will, so wird man bei denselben nach dem Fiihlerund AugenfJecken homologen Organen suchen. Bekanntlich finden sich auf den Intergenitalplatten (Ocellarplatten) bei vielen Seeigeln Pigraentflecke , welche man als Augen deuten zu konnen glaubte, da sie an den Enden der Seesternarme homologen Stellen liegen. Wie ich oben auseinandergesetzt habe, handelt es sich um keiner- Beitrage zur Histologie der Echinodermen, 239 lei an die Seestern-Augenflecke erinnernde Bildungen, sondern nur ura Anhaufungen von Pigment , die bald vorhauden , bald fehlen konneii. DaB aber hier von Riickbildungen der Augenflecke rait einigem Recht gesprociien werden kann, folgt aus dem Vorhandeu- sein eines, wenn auch modificierten, Fiihlers bei den Echiniden ^). Der Fiihler (vergl. Fig. 2 auf Taf. VI) durchbohrt die Inter- genitalplatte und kommt so teils in dieselbe, teils auf dieselbe zu liegen. WassergefaB (ambulacrales) und ein Nervenstamm enden in demselben in gleicher Weise, wie dies bei den Seesternen der Fall ist. Ja selbst die Bewegliclikeit kann man dem Echiniden-Fuhler nicht ganzlich absprechen, indem er, das heiBt sein auf der Platte lagernder Endteil, durch das in ihm blind endende WassergefaB sehr gut geschwellt werden kann und auf diese Weise hervor- gestillpt werden kann, wenn auch nur in beschranktem MaBe. Vielleicht existicren noch lieute Seeigel, bei denen es Augen- flecke wie bei den Seesternen giebt, und bei denen dann die Ahn- lichkeit der Fiihler von beiden Gruppen eine noch groBere sein wiirde. Dies scheint insofern allerdings zweifelhaft, als da, wo echte Sehorgane bei den Seeigeln bisher bekannt geworden sind, diese auf der Oberflache der Schale aufgefunden wurden , wo sie, zumal in groBer Anzahl, den Tieren zu besonderem Vorteil ge- reichen raiissen ^). Von gleicher Bedeutung fiir die Frage nach der Abstammung der Asteriden von Echiniden ist eine Vergleichung ihrer blutfiih- renden Raume, das heiBt samtlicher Schizocol- bild u ngen. Bei den Seesternen findet sich in der Korperwandung ein System von Lucken und Hohlraumen, die zum Teil als Perihamal- raume (Ludwig) bezeichnet werden. Alle diese Lakunen und Hohlraume sind Lucken in der Bindesubstanz, Schizocolraume, wie ich dies entgegen der friiheren Annahme, es handle sich um Telle des Enterocols, nachgewiesen habe, indem ich ihre Entstehung verfolgte. In der Ventralwand verlauft je ein solcher Schizocol- raum in jedem Arm. Wir finden ihn wieder bei dem Seeigel in jedem Ambulacrum, und zwar ebenfalls blind endend, hier vor der Intergenitalplatte, dort (Seestern) vor dem Fuhler. Wahrend aber 1) Yergl. Hamann, Vorl. Mitteilungen zur Morphologie der Echi- niden, Nr. 5, in : Sitzungsberichte der medicin.-naturw. Gesellschaft zu Jena. Jahrgang 1886. Heft 2, ausgegeben Ende Oktobor 1886. 2) Vergl. die Angaben von Saeasin. Zool. Anz. 1885. 240 Otto Hamann, beim Seestern diese fiinf Raume oder Kanale im Centrum ver- schmelzen zu einem Ringkanal und dieser durch den schlauch- formigen Kanal in Verbindung steht mit den Schizocolraumen in der dorsalen Korperwand, sind die Verhaltnisse bei den Echiniden andere, indem sich bei ihnen ein Kauapparat — wahrscheinlich aus Wirbelplatten — entwickelt hat, und ein schlauchformiger Kanal nur noch als Rudiment vorkommt. Ebeufalls findet sich von dem Schizocolraum-System in der Dorsalwand der Seesterne bei den Seeigeln nur ein tJberbleibsel in dem schizocolen An airing, wie ich oben gezeigt babe J), erhalten, von dem gleiche Bildungen zu den Geschlechtsorganen fiihren, wie es die Seesterne zeigen. DaB alle diese Erscheinuugen leicht durch die Ver- wachsungen bei der Entstehung eines Seeigels aus dem Seestern sich erklaren lassen, liegt wohl auf der Hand, wiihrend ein um- gekehrter Entstehungsmodus fast undeukbar scheint, jedenfalls weniger wahrscheinlich ist. In den fiinf Schizocolraumen (Langskanalen) der Ventralwand (Perihamalraumen Ludwig's) haben sich bei den Asteriden be- kanntlich bindegewebige Scheidewande, Septen, entwickelt, in wel- chen es zur Bildung von wandungslosen Hohlraumen gekommen ist, den Blutlakunen. DaB wir die ventralen Langskanale der Asteriden bei den Echiniden wieder antreffen, habe ich bereits auseinandergesetzt. Was wir aber bei den Echiniden (und Spatangiden) nicht wieder- finden, das sind die Septen, die Langsscheidwande der ventralen Langs- kanale mit den in ihnen entwickelten Hohlraumen den eigentlichen Blutlakunen. Dies laBt sich auf folgende Weise erklaren : Bei den Aste- riden als den alteren Formen bleibt das Centralnervensystem im Ekto- derm, also da, wo es entsteht, zeitlebens liegen, wiihrend es bei den Echiniden zu einer gewissen Zeit aus dem Ektoderm ausscheidet und in die Langskanale riickt. Es werden bei Seeigeln die Langs- kanale (also die bei den Seesternen als Perihamalraume bezeich- neten Kanale) in ihrer ganzen Ausdehnung von den fiinf Ambu- lacral- oder Radial-Nervenstammen durchzogen. Damit ist natiir- lich eine Entwickelung von Scheidewanden , Septen , unmoglich gemacht. Spricht man bei den Seesternen von Perihamalkanalen, so miiBte man bei den Seeigeln von Perineuralkanalen, sprechen. Mit dem eigenthchen Blutlakunensystem stehen diese Peri- 1) Vergl. auch meiue: Vorlaufige Mitteilungen zur Morphologie der Echiniden, in: Sitzungsber. d. medicin.-naturw. Gesellsch. zu Jena. Jahrgang 1886. Heft 2, ausgeg. Ende Okt. 1886. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 241 neuralkanale in keinerlei Zusammenhang. Der Blutlakunenring, wel- cher bei Seesternen um den Schlund verlief, ist bei Echiniden auf die Laterne zu liegen gekommen, und von ihm aus gehen die Lakunen zum Darm und zur Driise. In den Schizocolbildungen des Ruckens verlaufen die Blut- lakunen in derselben Weise wie bei den Asteriden in septen- iihnlichen Bildungen. Gleiche Bildungen zeigen weiterhin Aste- riden wie Echiniden hinsichtlich der zu den Geschlechtsorganen fiihrenden Blutlakunen. Bei Seesternen fiihrt zu jedem Geschlechtsorgan je ein Schi- zocolraum, der sich fortsetzt in Lticken der Bindesubstanz der Wanduug der Orgaue. In jedem Schizocolrauni verlauft aber weiter in dem Aufhangeband ein (nach Ludwig's Bezeichnung) BlutgefaB, welches mit dem drusigen Organ in Zusammenhang steht. Ich sehe diese Kaualchen ebenfalls als Zuleitungsraume an fur das driisige Organ. Die Zellen in denselben werden sicher Stotfe aus den Geschlechtsorganen aufgenommen haben, die nach dem driisigeu Organ geschafft werden. Dafi in den Lakunen der Wandung der Geschlechtsorgane Exkretstoffe gebildet werden, kann man leicht auf Schnitten konstatieren. Ablagerungen von Kornchen, bald brilunlicher, bald gelber Farbe, finden sich allerwarts vor. J a, von einem Forscher ist sogar ausgesprochen worden, dafi die Geschlechtsorgane in der Zeit, wo sie nicht Eier oder Sperma bilden, als Driisen funktionieren ! Bei den Echiniden ist das anatomische Verhalten dasselbe. Auch hier gehen Schizocolraume zu den Organeu und schlieBen die besoudereu, in der Wanduug gelegenen Lakunen ein. — Die Anlage der Geschlechtsorgane ist in beideu Gruppen die gleiche. Ja, die Bilder, welche von einem Echiniden das Geschlechtsorgan noch als o vales Blaschen zeigen, das in einen Hohlraum hinein- ragt (Schizocolraum), konnten ebenso gut von einem Seestern her- riihren. Bei Asteriden liefi sich ein FoUikelepithel nachweisen. Bei Echiniden ist die erste Anlage der Eizelle aus Epithelzellen in- sofern nicht abweichend, als auch hier ein Anfaug zur FoUikel- bildung gemacht ist. Dabei bleibt es freilich, und das ausgebildete Echinideuei besitzt wohl eine resistente Hiille, welche aber von der Eizelle, nicht von einem FoUikelepithel gebildet worden ist. Eine anscheinend groBe Verschiedenheit bildet beim Seeigel- organismus das Vorhaudensein eines besonderen Kauapparates, der Laterne. Dafi diese durch Umbildung und Umwandlung aus Bd. XXI. N. F. XIV. 2^g ^42 otto Hamann, Wirbeln des Seesternes hervorgegaugen ist, scheint wahrscheinlicli. Dafi aber etwa aus einem mit Kauapparat verseheneu Seeigel kein Seestern hervorgegangen sein kann, lehrt meiner Meinung nach mit Siclierheit die Lagemng des oralen Blutlakmienringes uud des WassergefaBringkanales. Die eigentiimlichen Lagenmgsverhaltnisse dieser Organe bei Echiniden sind zuriickzufiihren aiif die ein- facheren und leichter verstaudlichen der Seestenie, bedingt eben durch die Lagerungsveranderung der Wirbel. Eine weitere wiclitige tJbereinstiiiiniung zeigt das Wasser- gefafisystem. Der Steiukanal der Asteriden ist sehr kompli- ziert gebaut und stellt nur in der Jugend eiu glattwandiges Rohr dar. Spater treten schneckenartige Windungen in mannigfaltiger Form in das Lmnen hervor. Bei den Echiniden bleibt der Kanal ein glattes Rohr, er zeigt keine an die bei den Seesternen vor- kommenden Bildungen gemahnende Organisation. Diese Riickbil- dung, denn als eine solche fasse ich die Einfachlieit dieses Organes bei den Echiniden auf, hangt mit der Lebensweise dieser Tiere eng zusammen. Ihre Bewegung ist in den meisten Fallen eine geringe. Die SaugfiiCchen sind bei den langen Stacheln nur in bescheidener Weise thatig, und die Fortbewegung geschieht zumeist mit Hilfe der wie Stelzen gebrauchten Stacheln. Dadurch ist eine Riickbildung in den Langskanalen (AnibulacralgefaBen) des Wassergefafies eingetreten, die Ampullen sind weniger ausgebildet und die bei Asteriden vorkommenden Ventile sind verschwunden. An ihrer Stelle versorgen der Quere nach ausgespannte Muskel- faden den VerschluC der Ampullen, natiirlich nur in sehr unzu- reichender Weise. Die meisten der AmbulacralfiiCchen sind deshalb auch wenig entwickelt, und das gilt besonders fiir die Spatangiden, bei denen die Riickbildung eine noch viel weiter vorgeschrittene ist, in noch groCerem MaCe. Mit ein paar Worten mu6 ich auf das Schwinden der Korper- wandmuskulatur bei Echiniden hinweisen. Bei den Seesternen babe ich in der Korperwand jedes Armes eine Rings- wie Langs- muskelschicht nachgewiesen, wie sie bei den Wiirmern in gleicher Weise besteht. Bei den Echiniden sind die Radien, die Arme, mit der Scheibe verschmolzen , die Kalkabscheidungen formieren ein aus zehn Plattenpaaren bestehendes Skelett, fiir welches Mus- kelu in der Korperwand unnotig geworden sind. Nehmen wir nun an, daC die Holothurien sich von Echiniden abgezweigt haben, so mufi dies friih geschehen sein, das heifit, sie mtissen von solchen Formeu herstammen, bei denen die Muskulatur noch nicht riick- Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 24B gebildet und das Plattenskelett iiocli nicht in der Weise ausgebilde; war, wie bei den jetzigen Echinideii es der Fall ist. Nach Lud- wig's^) Entdcckung finden sich bei Spatangiden auf der Riicken- flache zwischeii den Plattenreihen , welche iiber dem Periprokt gelegen sind, da, wo sie in der Mittellinie miteinander ziisammen- stoBen, Muskelfasern. Es ist diese Muskulatur, welche aus kurzen, millimeterlangen, glatten Muskelfasern besteht, die an ihren Enden ausgezackt sind, als das tJberbleibsel der Ring- (wie Langs-) Mus- kulatur der Korperwand zu betrachten, wie sie die Seesterne zeigeu. Welche Bilduiigen liat man bei den Echinodermen als hlutfiihrende Riiume zu betrachten? Die alteren Forscher nahmen an, dafi bei den Asteriden die fiinf oder mehr in der Ventralflache der Anne verlaufenden liilngskanale die BlutgefaCe seien, und daC der ringformige, den Schlund umgebende Hohlraum, welcher diese fiinf oder mehr Kanale verbindet, das RinggefaB sei. Durch Lange und Teuscher wurde aber gezeigt, daC diese radiaren oder ambulacralen Langs- kanale in ganzer Liinge durch ein vertikales Aufhangeband in zwei Halften geteilt wiirden und da6 dieses Band in seinem Centrum in ganzer Ausdehnung durch Lticken und Hohlraume durchsetzt sei. In diesen letzteren erkannten sie die echten Blut- gefafie, oder besser Blutlakunen. DaB die Verhaltnisse fiir die dorsale Korperwand die gleichen seien und daB auch hier die eigentlichen Blutlakunen (der anale Blutlakunenring und die zu den Geschlechtsorganen fiihrenden Lakunen) in solchen Kanalen liegen, hat Ludwig gezeigt und ftir die Kanale den Namen Perihiimalkanale vorgeschlagen. Dabei nahm dieser Forscher aber an, daB die Perihamalkanale mit der Leibeshohle, dem Enterocol, in Verbidung standen. Ich habe gezeigt, indem ich die Ent- stehung dieser Hohlraume sowie die der ventralen Blutlakunen nachwies, daB Perihamalriiume sowie Blutlakunen der Septen oder Aufhangebander Schizocolbildungen seien, also homologe Bildungen. Das Gleiche gilt fiir das von Greeff entdeckte Hohlraumsystem in der Cutis der Bindesubstanz der Dorsalwand. Diese Hohlraume 1) Ludwig, tJber bewegliche Schalenplatten bei Echinoideen, in : Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 29. 16* 244 Otto Hamann, stehen in Verbindung mit den Perihamalriiumen und dem sog. schlauchformigen Kanal. Fassen wir dies zusammen, so haben wir bei den Asteriden eine Reihe von Schizocolbildungen, zu denen die fiinf oder mehr ventralen Radiarkanale (Perihamalraume) gehoren und weiter die in Septen verlaufenden Blutlakunen, ebenfalls Schizocolraunie. Was finden wir von diesen beiden Hohlraumsystemen bei den Echiniden wieder? Bei den regularen Echiniden treffen wir die fiinf Langs- kanale an, in welche die funf ambulacralen oder radiaren Nerven- stamme zu liegen gekommen sind. Weiter finden wir einen den Ringnerven an seiner einen Flache umhiillenden Hohlraum an, ein Homologon des ringfbrmigen Perihamalraums der Asteriden. AuCerdem ist ein analer ringformiger Schizocolraum zu verzeichnen mit Hohlraumen, die zu den Geschlechtsorganen ziehen. Diese sind die alleinigen tJberbleibsel des groCen dorsalen Kanalsystems der Asteriden. In der Wandung derselben, d, h. des analen Schizocolraumes und teils in diesen hineinragend, liegt der anale Blutlakunenring (vergl. Fig. 3, Taf. XVI) und in den zu den Geschlechtsorganen ziehenden Raumen die Blutlakunen. Mithin sind fiir die Dursalseite der Echiniden die gleichen Verhaltnisse vorhanden wie bei den Asteriden. Man kann auch hier von Perihamalraumen sprechen. Durch die Entstehung des Kau- apparates, durch die Lagerung der fiinf radiaren Nervenstamrae, welche ihre epitheliale Lagerung aufgegeben haben und in die schizocolen Langskanale geriickt sind, ist das abweichende Ver- halten der Ventralflache zu erklaren. Es sind die Septen mit den Blutlakunen (in den Langskanalen) in Wegfall gekommen, also die eigentlichen radiaren Blutlakunen der Asteriden. Dafiir hat sich aber auf der Laterne ein periosophagealer Blutlakunen- ring entwickelt, von dem aus die Blutlakunen wie bei Asteriden zur Driise, Darm u. s. w. ziehen. Bei den S p a t a n g i d e n , die ja mit voller Sicherheit von den Echiniden abzuleiten sind, liegen diese Verhaltnisse folgender- mafien. Der Kauapparat ist verschwunden und mit ihm der periosophageale auf letzterem gelegene Blutlakunenring. In den fiinf Langskanalen (Perihamalkanale), die in einen ringformigen um den Schlund gelegenen Ringkanal miinden, liegen die (radiaren) ambulacralen Ncrvenstamme und der circumorale Nervenring, wie bei den regularen Formen. Es miinden aber die Blutlakunen (dorsale wie ventrale) des Schlundes in diesen Schizocolringkanal. Beitrage zur Histologie der Ecliinodermen. 545 Es ist dieser somit bci den Spatangiden als Blutlakunenring zu bezeichnen uiid die fiinf von ihm abgehendeu Langskanale als die fiinf ambulacralen Blutlakunen. Somit ist bei den Spatangiden eine Verschmelzung zwischen den bei Asteriden getreunten Hohl- raumsystemen eingetreten. Auf der Dorsalseite verlaufen die Blut- lakunen in der Wandung des Schizocolsinus, wie ich oben zum ersten Male genau gezeigt habe. Es stimmen diese Formen hierin also iiberein mit den Regularen und den Asteriden. Betrachten wir die Holothurien. Bei Synapta findet sich ein in der Wandung des Wassergefafiringkanales verlaufender Blutlakunenring von sehr schwacher Bildung. Von diesera geben aus Blutlakunen zu den Tentakelkanalen. In den flint" Ambulacren verlauft gar kein Schizocolraum bei dieser Gattung. Bei den urspriinglichere Verhaltnisse zeigenden fiiBchentragenden Holo- thurien finden wir aber die fiinf radiaren ambulacralen Schizocol- raume wieder. Hier kann man sie als Blutlakunen mit Recht bezeichnen, Bei den Crinoiden tretfen wir radiare Langskanale an, welche, wie ich demnachst nachzuweisen gedenke, ebenfalls Schizocol- bildungen sind und von Ludwig als die radiaren BlutgefaBe be- zeichnet wurden, und zwar mit Recht. Greeff und Ludwig erklarten dieselben als homolog mit den radiaren Liingskanalen (Perihamalraumen Ludwig's) der Asteriden. Spater hat Ludwig ^) diese seine Ansicht zuriickgenommen, weil er meint, dafi die Langs- kanale der Asteriden nicht selbst Blutlakunen seien, sondern diese in den Septen lagen, mithin Blutlakunen der Asteriden und Crinoiden ganz verschiedene Bildungen seien. Eine Begriindung fand dieser Ausspruch darin, daC Ludwig die Langskanale fiir Enterocolbildungen hielt. Wenn Ludwig dann weiter sagt: Bei den Crinoiden sind noch keine Perihamalraume zur Aus- bildung gelangt, weder im Umkreis des oralen Blutgefafiringes noch der radiaren Blutgefafie, so ist folgendes zu entgegnen : Die radiaren sog. BlutgefaBe der Crinoiden und ihr oraler BlutgefaB- ring sind nichts anderes als die radiaren Langskanale (Perihamal- raume) der Asteriden und ihr oraler Ringkanal. Wahrend aber bei den Asteriden in Septen noch besondere Lakunen, die eigent- lichen Blutlakunen, zur Ausbildung gelangt sind, fehlen die Septen den Crinoiden. Die Blutfliissigkeit bewegt sich, wie es bei 1) pag. 178 in Band 1 seiner Morpholog. Studien, Beitrage zur Anatomie der Asteriden. 246 Otto Hamann, Spatangideu und Holotliurien teilweise der Fall ist, in den Langskanalen. AuBerdeni besitzen die Crinoiden iiocb weitere radiare Schizo- colkanale (homolog den dorsaleii Rilumeii der ubrigen Echinoderraen), und in diesen, in Septen, Blutlakunen, was spater ausfiihrlich ge- zeigt werden wird. Fassen wir alle diese Verhaltnisse ubersichtlich zusaramen, so ergiebt sich, dafi zwischeu echten Blutlakunen, in Septen ge- legeu, welche in den radiaren Schizocolraumen aufgespannt sind, und letzteren selbst kein durchgreifender Unterschied besteht Beide Bildungen sind Schizocolbildungen und entstehen als Liicken und Hohlraume in der Bindesubstanz. Dazu kommt noch, daB der junge etwa einen Centimeter groBe Asterias in seinen Septen. der Ventralseite noch gar keine Hohlraume hat, daC vielmehr hier die Langskanale (Perihamalraume) als blutfiihrende Raunie fungieren miissen. Wenn wir bei den Echinodermen kiiuftig von dem Blutlakunensystem sprechen, so wird es nicht mehr angehen, nur bei einer Gruppe diese, bei einer andern jene Bildungen als BlutgefaBe zu bezeichnen, sondern es wird zu zeigen sein, wie bald dieser, bald jener Teil der Schizocolbildungen die echte Blutfliissigkeit fiihrt und mit den Darmlakuneu in Verbin- dung steht. Wir haben also zwei verschiedene Schizocolbildungen, zwei Hohlraumsysteme vor uns, welche anlanglich (Asteriden) neben- einander getrennt liegen, dann aber teilweise in Komraunikation treten konnen. Folgeude Tabelle bringt diese Schizocol- bildungen zur ubersichtlichen Darstellung. (Siehe TabeUe auf Seite 161). Zusammenfassiing der Resiiltate, zugleich eine Darstellung der Hauptyerhaltnisse des anatomischen Banes der Seeigel. Indem ich im folgenden eine Schilderung des anatomischen und histologischen Banes eines Seeigels geben will, ziehe ich nur die Hauptresultate, welche mir von Wichtigkeit ftir das Ver- standnis des Seeigelkorpers zu sein scheinen , heran. Dabei beriicksichtige ich die Skelettverhaltnisse tiberhaupt nicht, da dieselben ja hinreichend bekannt und erforscht sind, vornehmlich durch die Arbeiten Loven's sowie anderer Forscher. Bei den Holothurien, welche jeglicher Stacheln oder ahnlicher Gebilde entbehren, konnte ich in der Haut gelegene Sinnesorgane Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 247 a CS] 'm i3 a 03 *c CO < Fiinf Oder mehr radiare (ambula- crale) Langs- k a n a 1 e (sog. Peri- hamalkan.) i. d. Ventral wand der Arm e und oraler Ring- k a n a 1. In den Septen der Langs- k an ale gelegene Blutlakunen und oraler Blut- lakunenring. Am Scheitel- pol in Septen d. d 0 r s a 1 e n Schizocol- r a u ni e, Blut- lakunen. a v IS vorhanden (als Neuralkanale) fehlen, periosoph. Blut- lakunenring auf d. Laterne ohue Beziehg. zu den Langskanalen. Darmlakunen miin- den in dens. vorhanden. a 03 'So a as m vorhanden, der orale Biug- kanal ist in Ver- bindung getreten mit d. Darm- lakunen ! fehlen, Blutlakunenring ausgefallen. vorhanden, Crinoiden : vorhanden, der orale Ring- kanal mit den Darmlakunen in Verbindung. "' ''■\'^'.■.' fehlen. vorhanden, (liegen teilweise in den Armen) ft a D 3 -a vorhanden, der orale Ring- kanal mit den Darmlakunen in Verbindung fehlen. fehlen, beschreiben. Bei den Seeigeln sind dieselben fast alle (mit Aus- nahrae der Fiihler) auf gestielte Organe, auf die Pedizellarien ver- setzt. Damit ist ihnen erst eine Wirksarakeit gesichert, welchc die Sinnesorgane auf der Haut wegen der oft sehr langen Stacheln nicht entwickeln konnten. 248 Otto Hamann, An den Pedizellarien mit ihren dreiklappigen Zangen, deren Mechanismus ich ausfiihrlich geschildert habe, waren bisher nur an einer Form, den sogenannten gemmiformen Pedizellarien, vermutliche Sinnesorgane von SiiADEN beobachtet worden, ohne daB es diesem Forscher, sowie Koehler gelungen ware, Nerven- endigungen nachzuweisen. Allen Pedizellarien, gemmiformen, tridactylen und trifoliaten, kommen exquisite Sinnesorgane zu. Besondere, oft kompliziert gebaute Tasthugel finden sich auf der Innenseite der Greifzangen. Diese sind mit starren Borsten besetzt. Nervenaste Ziehen zu diesen Tasthiigeln. Ira allgemeinen wurden drei Nervenztige, aus feinsten Nervenfasern und Ganglienzellen gebildet, beobachtet, welche in den Kopfteil eintreten und wahrend jeder zahlreiche seitliche Aste zur Muskulatur, Sinnesepithel etc. abgiebt, bis zur Spitze jeder Greifzange verfolgt werden konnten. Von besonderer Wichtigkeit beim Erfassen von irgendwelchen Gegenstanden sind die Driisensacke in der Wandung der Pedizellarien. Ob dieselben auf kleinere Tiere, wie Wiirmer, eine lahmende Wirkung ausuben konnen, ist noch zu untersuchen. An diese Organe schlossen sich die Globiferen an, neu entdeckte Organe, welche als Waffen dienen. Sie fanden sich nur bei wenigen Gattungen vor. Als weitere Anhangsorgane der Haut sind dann die merkwtirdigen Spharidien Loven's zu erwahnen. An ihrer Basis konnte ein Nervenring gefunden werden vom selben Bau, wie er auch an den Stacheln entdeckt wurde. Von diesem basalen Nervenring , der sich auBerlich durch ein verdicktes Epithel, einen Epithelwulst, ankiindigt, gehen Nervenfasern einmal zur Muskulatur, ein andermal bis zur Spitze des Stachels in den 4, 5 Oder mehr langen Wimperstreifen verlaufend. Zwischen den S a u m - linien oder Semiten der Spatangiden fanden sich ahnliche Nervenbildungen vor. Nur ist hier die Nervenfaserschicht , welche epithelial gelagert ist, im ganzen Riickenepithel, besonders dieser Saumlinien, uberhaupt starker entwickelt. In den AmbulacralfiiB chen, besonders den eigenttim- lichen pinselformigen FuBchen der Spatangiden wurden Nerven- endigungen beobachtet. Der komplizierte Bau, der in der Saug- platte eines Fiifichens von einem regularen Seeigel sich findet, kann nur unter Hinweis auf die Abbildungen geschildert werden- Im Epithel, der Epidermis, welche alle aufieren Organe tiberzieht, tinden sich aller Orten Nervenfasern vor. Sie sind samtlich epithelial gelagert oder nur teilweise. Dann verlaufen Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 249 dieselben subepithelial in der Bindesubstanzschicht, der Cutis. Die Korperwand eines Seeigels setzt sich bekanntlich zusammen aus dem aufieren Epithel, der Cutis mit den Kalkplatten oder einzelnen Kalkkorpern, so zuni Beispiel in der Mundscheibe, oder auch auf dem Scheitelpol (bei Centrostephanus longispinus). In der Korperwand, und zwar in der Mitte der paarigen sogenannten Ambulacralplatten verlaufen funf Langskanale. Sie beginnen am Scheitelpol unterhalb der funf Intergenital- (()cellar-)platten und Ziehen bis zur Laterne, dem Kauapparat. Es sind Schizocol- bildungen, Langskanale, in der Bindesubstanzschicht. In dieselben sind die funf Ambulacral- (oder Radial-) Nervenstamme hinein- geruckt, welche bei den Seesternen noch im Ektoderm lagern. Diese Nervenstamme enden in den Intergenitalplatten einerseits, anderseits treten sie in die Laterne ein und bilden einen Nerven- ring, der an einer Seite von einer Eortsetzung der Langskanale umhuUt wird. In der Intergenitalplatte und auf derselben liegt ein rudimentarer Ftthler ohne jede Sehfleckbildung. Die Nerven- stamme bestehen aus feinsten Nerveufasern und Ganglienzellen und einem Zellbelag, welcher sich teilweise aus Stiitzzellen zu- sammensetzt. Es ist dieses Epithel als homolog anzusehen dem Ambulacralrinuen-Epithel der Asteriden, indem nicht die Nerven- masse allein, sondern das ganze Epithel in das Mesoderm zu lagern gekommen ist, wie bei den Holothurien. Vom Nerven- oder Gehirnring gelien zum Schlund Nervenziige ab, welche sich im ganzen Verlauf des Darmtractus verfolgen lassen. Parallel mit den Ambulacralnervenstammen verlaufen die fiinf AmbulacralwassergefiiBe. Sie enden blind in den Intergenitalplatten, wahrend sie auf dem Kauapparat auf dessen AuCenseite heraufsteigen und in den WassergefaBring eintreten, welcher auf der Oberliache des Kauapparates (der Laterne) liegt und den Schlund umkreist. Von diesem Wassergefafiring nimmt der Steinkanal seinen Ursprung, steigt senkrecht in die Hohe, durchsetzt die Leibeshohle und miindet durch die Poren der Madreporenplatte nach auCen. Letztere besitzen keine Einrich- tung, um verschlossen werden zu konnen. Sie sind vielraehr fortwahrend geoffnet fur Ein- und Austritt des Seewassers einer- seits, der Inhaltsfliissigkeit des WassergefaBsystems andererseits. Die blutfuhrenden Riiume bestehen aus folgenden Teilen. Einmal die fiinf Langskanale und der ringformig ver- laufende, den Nervenring umhiillende Raum. Diese Gebilde haben bei den Echiniden uichts zu thun mit den echten Blutlakunen. 250 Otto Hamann, Diese letzteren entspringen aus dem Blutlakunenring, welcher auf der Oberflache der Lateriic liegt als ventrale imd dorsale Darm- lakune. Von der dorsaleu Darmlakuue zweigeu sich Aste ab, Ziehen zum driisigen Organ (dem sog. Herz friiherer Autoren), und umspinuen dasselbe. Am Endteil desselben — es reicht bis in die Korperwand, und zwar bis in den Schizocolsinus des After- poles — stehen Lakuuen des analen Blutlakunenringes niit diesem Organ in Verbinduug. Dieser Lakimenring verlauft in einem ring- formigen, den After umkreisenden Schizocolsinus, teils in diesen hervorragend , teils in seiner Wandung. Blutlakunen gehen von ibm ab zu den Geschlechtsorganen. Eigentiimliche Organe sind die fiinf auf der Oberflache der Laterne gelagerten blaschenformigen, gelappten Gebilde, friiher als Polische Bias en beschrieben. In dieselben fiihrt vom Wasser- gefafiring ein Kanal, der in die Hohlraume derselben mtindet, wahrend in der bindegewebigen Wandung Blutfliissigkeit in La- kunen sich bewegt, welche in direktem Zusammenhang mit dem Blutlakunenring stehen. Bei den Spatangiden sind die funf Langskanale und ein mit ihnen koramunizierender Schhmdsinus vorhanden. Der echte Blutlakunenring ist jedoch mit der Laterne verschwunden, und es mtindet die dorsale wie ventrale Darmlakune in diesen Schlund- sinus, in welchem der Nervenring gelagert ist und welcher als Blutlakunenring bezeichnet wurde. Die dorsale Lakune jedoch verlauft neben einem DarmwassergefaC , welch' letzteres aus dem Kiugkanal, der ebenfalls die Mundotfnung koncentrisch umgiebt, entspringt. Dieses WassergefaB und die Darmlakuue kommuni- zieren in ihrem weiteren Verlaufe miteinander und ziehen an der Druse entlang, bis der echte Steinkanal, von der Madreporenplatte herkommend, in das durch die Verschmelzung entstaudene GefaBgeflecht eintritt. Damit ist ein Zusammenhang zwischen dem Wassergefafi- system mid dem Blutlakunensystem, also Hohlraumen entodermalen und schizocolen Ursprungs, gegeben, wie er sich sonst bei kemer anderen Gruppe der Echinodermen findet. DaB dies Verhalten das sekundare ist, konnen wir mit groBter Bestimmtheit behaupteu, da ja die Spatangiden paliiontologisch die juugsten Formen sind. Ein merkwtirdiges Organ ist die „ovoide Druse", das fruher als Herz bezeichnete Gebilde. Soweit man nach den vorhandenen Resultaten zu urteilen berechtigt ist, darf man es als ein Organ auffassen, in welchem die nicht mehr fur den Korper brauchbaren Beitrage znr Histologie der Echinodermen. 251 Stoffe abgelagert werden. Blutlakuiieii mtiiiden an den Euden in dasselbe oder aber umspinnen es, wio bei den Echiniden. Ein Ausfijhrgang ist l>is jetzt noch bei keincr Gruppe gcfunden worden. Von besonderem Interesse ist die Entstehung der Geschlechts- produkte, welche aus Urkeimzellen, wie ich diese Zelle zu nennen vorschlug, entstehen. Sie liegen in der Ruckenwand in einer ring- formig verlaufenden Genitalrohre, an welcher fiinf Aussackungen entstehen. in die die Urkeimzellen einwanderu. Diese Aussackiingen bilden die erste Anlage der Geschlechtsschlauche, Aus den Urkeim- zellen gehen durch Wachstum u. s. w. die Eizellen , durch Teilung u. s. w. die Spermazellen hervor, sowie das gesamte, die Hohlraume der Geschlechtsorgane spatcr auskleidende Epithel. An erwachsenen Tieren sind diese Genitalrohren atropliiert. Inwiefern bei alien Echinodermen eine gleiche Entstehung der Geschlechtsprodukte aus solchen Urkeimzellen stattfindet, zeige ich demnachst am anderen Ort. (Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Band 46, Heft 1). 252 Otto Hamann, Erklarung der Abbildungen. lu alien Figuren bedeuten : bg Bindesubstanz ; bif Blutfliissigkeit ; c Cuticula; dr Driisenzellen ; ep Korperepithel ; esz Sinneszellen ; gz Ganglienzellen ; em Langsmuskelfasern ; m, mf Muskelfasern ; ink Muskelkerne ; n, nf Nervenfasern ; pz Pigmentzellen ; I'm E-ingmuskelfasern ; ABR aualer Blutlakunenring ; BL Blutlakunen; BLR Blutlakunenring ; Dep Deckepithel; Dr Driise ; Drz Driisenzellen ; DI) Diinndarm ; GR Gehirnring ; Go Geschlechtsorgan ; Ksl Kalkstab; HN Hautnervenziige ; L Ligament ; M, M^ M^ Aufhangebander des Darmes; ISO Nebendarm; iV, A", iV^, n Nervenziige; I RN radialer Nervenstamm ; St-N Steinkanal; H'GR WassergefaRring; RW, // G radiales WassergefaB ; Sch^, ScA"^, Sch Schizocoelraume. BeitraR-e zur Histologie der Echinodermen. 253 Tafel VI. Fig. I. Langsschnitt durch das Centrum des Korpers eines Echinus acutus (vora Durchmesser 1 cm). Der Schuitt fiihrt links durch eiu Ambulacrum, um den Verlauf eines ambulacralen (radialeu) Nervenstammes HN , eines ambulacralen Wassor- gefaRes HIT zn zeigen, welches vom "WassergefaBriug H^GIi, wel- cher der Laterne aufliegt, entspriugt und auBen an letzterer herablauft. Mit GR ist der Nervenring oder Gehirnring be- zeichnet, welcher um den Schlund zieht und im Inneren der Laterne liegt. In der Leibeshohle trifft man den Dunudarm mit dem Nebendarm durchquert. Mit GO ist die Geschlechts- organ-Anlage bezeichnet. Fig. 2, Vertikalschnitt durch die entkalkte Intergenitalplatte (Ocellar- platte) eines jungen Echinus acutus, um den Fiihler zu zeigen, sowie die Endigungen eines ambulacralen WassergefuBsea HfV. Sc/i^ und Sc/i^ der Schizocolkanal , in welchem der ambu- lacrale Nervenstamm liegt, gez. bei Zeiss D. oc. 3. Durchm. des Echinus acutus 0,7 mm. Fig. 3. Langsschnitt durch den Gehirnring eines Sphaerechinus granu- lans. Dep Deckepithel. nf die Nervenfasermasse mit den Gauglienzellen gz. Die Fortsatze der Deckepithelzellen durch- ziehen die Nervenfasern senkrecht. /im hyaline Membran. F. oc. 2. Fig. 4. lunenansicht der Analregon eines Echinus microtuberculatus. H llectum ; ^G Ausfiihrgang der Geschlechtsorgane ; UN am- bulacrale Nervenstamme ; Sc/iR -{- J BR schizocoler Ring- sinus (oder analer Perihamalraum) mit dem analen Blutla- kunenring ; Amp AmpuUen ; LupenvergroRerung. Fig. 5. Vertikalschnitt durch die Analgegend eines Echinus granularis, um den querdurchschnittenen analen Blutlakunenring ^RR zu zeigen. Erganzt man sich die Figur nach links hin, daun wiirde sich die rechte Halfte wiederholt zeigen. Fig. 6, Vertikalschnitt durch die Genitalplatte eines jungen Seeigels. (Sphaerechinus ?) Von dem analen Blutlakunenring AliR gehen Lakunen ab in die Wandung des Ausfiihrganges Ov des Geschlechtsorganes. SchR schizocoler Ringsinus , in dessen Wandung der Lakunenring verlauft. Fig. 7. Vertikalschnitt durch eine Geschlechtsorgananlage von Sphaere- chinus granularis. K Keimzellen. D. oc. 3. 254 Otto Hamann, Fig, 8. Gleicher Schnitt durcli ein weiter vorgeschrittenes Stadium von Echinus acutus (Durchm. 0,7 mm). D. oc. 3. Fig. 9, Liingsschnitt durch einen Nervenast, welcher vom ambula- cralen Hauptnervenstamm sich abzweigt uud zur Haut zieht. F. oc. 3. Sphaerechin. granui. Tafel VII. Fig. 1. Langsschnitt durch eine gemmiforme Pedizellarie von Sphaere- chin. granular. TH Sinnesorgaue, Tasthugel ; Dr Driisen in den Greifzangeu ; ;vn circuliire Muskelfaserschicht; ///'Nervenziige; DB basale Driisen mit Offnungen 0; Hst Kalkstab. AJ.Jlex. Beugemuskeln ; M.add. Greitmuskeln. D. oc. 1. Fig. 2. Tertikalschuitt durch einen Tasthiigel, ebendaher. F. oc. 3. Fig. 3. Drtisenzellen aus der Wandung der Greifzangendriisen. Sphaer- echin. granui. Cons. Chrom-Osm.-Essigs. F. oc. 3. Fig. 4. Querschnitt durch die Spitze einer gemmiformen Pedizellarie. S Driisensekret. K Kalkspitze, oberhalb derselbeu miindet der Ausfiihrgang der Driise vgl. die nachste Figur D. oc. 2. Fig. 5. Langsschnitt durch das Ende einer Greifzange (Pedic. gem- miform.), ebendaher. A' Kalkspitze. Dr Driisen-Ausfuhrgang. 0 Miindung desselben. Sphaerechin. granui. , Fig. 6. Tnnenansicht einer Pedizellarie von der Mundflache von Doro- cidaris papillata, lebend. Dr Driisenschlauche. Fig. 7. Ende einer Pedizellarie mit der Miindung der Driisenschlauche, fi Kalkskelett, ebendaher. Fig. 8. Seitenansicht derselben. 0 Miindung der Schliiuche oberhalb des Kalkhakens. flh Flimmerhaare des Epithels, ebendaher. Fig. 9. Innere Ansicht der drei auseinander geklappten Greifzangen einer Pedizellarie von einem jungeu Echinus (vpahrscheiulich Toxopneustes lividus); in jeder Greifzange zwei Driisensiick- chen. W lange Wimperhaare an den Enden der Zangeu. Fig. 10. Schnitt durch ein Driisensackchen. Hamatoxyl. cons, in Chrom- Osm.-Essigs. a, b, c verschiedene Driisenzellen in verschied. Zustanden der Sekretabsonderung, ebendaher. Fig. 11. Muskelfasern von Spatangus purp. aus einem Stachel. a) cons. 70**/^ Alk. in Pikrokarmin untersucht, b) c) Zerzupfungs- praparate. Tafel VIII. Fig. 1. Quergestreifte Muskelfasern von Echinus acutus , lebend. Zeiss Olimm. */i2 oc. 3. Fig. 2. Quergestreifte Muskelfasern von Centrostephanus lougispiuus frisch untersucht. F. oc. 2. Fig. 3. Quergestr. Muskelfaser in Pikrokarmin untersucht. Centroste- phanus loDgispinus. S Sarkolemm. ^jn Olimm. oc. 3. Fig. 4. Muskelfasern von Echinus acutus (zerzupft in Banvier's Alko- hol.) mit zerfaserteu Enden. Zeiss Olimm. oc. 3. Fig. 5. Langsschnitt durch den Kopf und obereu Teil des Slieles einer tridactylen Pedizellarie. Centrosteph. lougisp. M.add. Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 255 Greifmuskel ; M. exle/is. Offnungsmuskel ; M. Jlexores Beuge- muskel. L Ligament. D. oc. 1. Fig. 6. Langsschnitt durch eine tridact^e Pedizellarie von Centro- stephanus longispinus. N, N^ Nervenziige; i'JE' Sinnesepithel. A. oc. 3, Fig. 7, Langsschnitt durch eine Pedizellarie von der Mundschoibe (u. d. Schale) von Echin. microtubercul. A. oc. 4. Fig. 8. Teil eines Schnittes durch das Epithel der Innenseite einei- Greifzange einer buccalen Pedizellarie von Sphaerech. gra- nular. , um die Endigung eines Nervenzuges am Epithel zu zeigen. D. oc. 3. Fig. 9. Querschnitt durch eine gemmiforme Pedizellarie in der Hohe der drei Tasthiigel TH , Strougylocentrotus lividus. quN, quer durchschnittener Nervenzug. D. oc. 3. Fig. 10. Seiteuansicht einer lebenden geramiformen Pedizellarie von Strongylocentrotus lividus. pz Pigmentzellen ; Dr Driise der Greifzange. Fig. 1 1, Teil eines Querschnittes durch den Stiel einer gemmiformen Pedizellarie von Echin. acutus. ess Epithelsinneszellen ; N durchquerter Nervenzug in der Biudesubstanz; in der Mitte das Ligament von longitudinalen Muskelfasern Im umgeben. F. 00. 1. Fig. 12. Frei praparierter Ambulacral-Nervenstamm mit den seitlich abgehenden Nervenasten, welche zur Haut usw. ziehen. Die Deckepithelzellen siud teilweise abgepinselt. Starke Lupen- vergrofierung. Sphaerechin. granular. Tafel IX. Fig. 1. Globifere von Centrostephanus longispinus, lebend. A. oc, 1. Fig. 2. Pedizellarie mit Driisensackchen am Stiel. pz Pigmentzellen, lebend, ebendaher. A. oc. 1. Fig. 3. Globifere rait langem Stiel, ebendaher. Fig. 4. Pedizellarie mit Driisensackchen am Stiel, ebendaher. A. oc. 1. Fig. 5. Globifere von Sphaerechinus granulans, lebend. Aus der Offnung einer der drei Driisenkugeln ist das Sekret hervor- getreteu. A. oc. 1. Fig. 6. Globifere frisch untersucht in Seewasser; durch Druck des Deckglases ist das Sekret aus einer der Driisensacke hervor- gequollen. A. oc. 1. Fig. 7. Gelbe Pigmentzelle von einer Globifere von Centrosteph. longi- spin. D. 00. 2. Fig. 8. Rote und gelbe Pigmentzelle, ebendaher, contrahirt. Fig. 9. Globifere von Sphaerech. granul. von oben gesehen. Drei Sekretpfropfen treten zu den Offnungen hervor. Lupenvergr. Fig. 10. Oberliachenansioht des Epithels einer Globifere vou Centro- steph. longispin. F. oc. 2. Fig. 11. Flachenansicht des Stieles einer Globifere von Sphaerechin, granularis. kk siohelformige Kalkkorper. pz Pigmentzellen. D. 00. 2. 256 Otto Samannj Fig. 12. Langsschnitt durch die Driiseusaeke einer Globifere vou Centro- steph. longispin. Drz Driisenzelleu. 2 Driiseusaeke sind durch- schnitten. A. oc. 4. Fig. 13. Innenzellen eines Driisensackes, ebendaher. D, oc. 3. Fig. 14. Isolierte Zellen, ebendaher. D. oc. 3. Fig. 15. Schnitt durch die Wandung einer Globiferendriise von Centro- stephan. longispin. F. oc. 3. Fig. 1 6. Sekrettropfeu aus der Driise von Sphaerech. gran. F. oc. 3. Fig. 1 7. Schnitt durch die Wandung einer Globifere mit der Sekret- masse. Sphaerech. gran. F. oc. 3. Fig. 18. Verkleinerter Teil eines Driisenballens, ebendaher. D. oc. 3. Tafel X. Fig. 1. Langsschnitt durch eine Greifzange einer gemmiformen Pedi- zellarie von Echinus acutus. TH, TH^ die beiden Tasthiigel. Sg Sinnesorgan ; iV, n, Nervenziige. A. oc. 3. Fig. 2. Teil eines Nervenzuges, ebendaher. Gabelungsstelle (siehe Text), gz Ganglienzellen , hgz bipolare , mgz multipolare Ganglienzelien. Zeiss, ^^^ Olimm. oc. 3. Fig. 3. Zellen aus einem Driiseusaeke der gemmif. Pedizellarie, Echin. acutus. ^/|2 Olimm. oc. 3. Fig. 4. Langsschnitt durch einen basaleu Tasthiigel mit deu hiuzu- tretenden Nervenziigen, ebendaher. D. oc. 2. Fig. f). Epithel von der lunenseite der Greifzange einer gemmif. Pedi- zellarie von Echin. acutus. Hamatoxyliufarbung nach Hei- UENHAIN. Olimm. ^/^^ oc. 3. Fig. 6, Endigung eines Nerven im Epithel einer Pedizellarie von Echinus acutus in Sg in Figur 1. Fig. 7. Muskelfasern vom Interpyramidalmuskel eines Sphaerech. gra- nulans. D. oc. 2. Fig. 8. Starker vergroBert dieselben glatten Muskelfasern. F. oc. 3. Fig. 9. Querschuitt von flinf solchen glatten Muskelbandern. Fig. 1 0. In Flemming's Losung isolierte glatte Muskelfasern von Doroci- daris papillata. F. oc. 3. Fig. 11. Bindegewebe aus einer Pedizellarie von Sphaerech. granul. F. oc. 3. Fig. 12. Epithel eines Stachels, ebendaher, lebend. Tafel XI. Fig. 1. Ganglienzellen mit feinsten Ausliiufern zwischen Muskelfasern gelagert, von einem vertkialen Tangentialschnitt durch die Basis eines Stachels (Gelenkteil). Strongylocentrotus lividus Durchm. 0,8 mm. F. oc. 2. Fig. 2. Langsschnitt durch den basaleu Teil eines Stachels sowie dqrch die benachharte Korperwaud. //// Liingsmuskeln von der cirkuliiren Muskelschicht der Gelenkflache. bg die darunter liegende aus Fasern bestehende Gelenkhaut. Kst Kalkskelett des Stachels. Mit HIS ist der Nervenzug bezeichnet, welcher Beitrage zur Histologie det Echinodermen. 257 vom Ambulacral-Nervenstamm kommt und teilweise zum FiiB- chen zieht. FH der zu einem FiiBohen ziehende Zweig, N der sich TOIL diesem trenneude Hautnerv, welcher Nervenfasern abgiebt, welche zum Stachel zieheii, und den basalen Ringner- ven bildet qiiN. Strongylocentrot. livid. Durchm. 0,8 mm ; entkalktes Priiparat. Fig. 3. Querschnitt durch die Basis eines Stachels in der Hohe des Bingnerven. Dieser ist in seiner ungefahren Mitte durch- schnitten ; ;// seine Nervenfasern. qulvi durchquerte Muskel- schicht, entkalktes Praparat. Fig. 4. Stachel von Dorocidaris papillata. LupenvergroBerung. dr die Driisenzellen. Fig. 5. Lebendes Epithel von Dorocid. pap., ebendaher, die groBen schlauchformigen Driisen zu erkennen. D. oc. 4. Fig. 6. Isolierte Driisenzelle mit Wiraperbiischel, isoliert in Drittel- alkoliol, untersucht in Glycerin. F. oc. 3. Fig, 7. Epithelzellen (Sinneszellen r) , wie sic zwischen den Driisen- zellen vorkommen, ebendaher. Drittelalk, wie vorher. F. oc. 3. Fig. 8. Yon einem Langsschnilt durch die Basis eines Drtisenstachels von Dorocid. papill. Die fadenformigen Zellen zwischen den Driisenzellen. N Hautnervenzug. D. oc. 3. Fig. 9. Ketikulare Bindesubstanz aus der Kdrperwand eines Strougy- locentrotus. D. oc. 3. Fig. 10. Muskelfaser mf und Bindesubstanzfasern bgf aus der Gelenk- hiille eines Stachels (in Fig. 2 mit bg bezeichnet). bgz stern- formige Bindesubstanzzellen der Korperwand in Verbindung mit letzteren. Das Kalkskelett ist entfernt. Die stemf. Zellen liegen in Hohlen und Lochern desselben. F. oc. 2. Fig. 11. Vertikalschnitt durch die Piickenwand eines Echinooardium mediterraueum. (Saumlinie.) iV Hautnervenzug. K Stacheln. fif durchquerte Nervenfasern. D. oc. 3. Fig. 12. Langsschnitt durch die Wandung einer Ambulacralkieme. kz die Kdrnerzellen. Echinus acutus. D. oc. 3. Fig. 13. Ein Stiick der Wandung derselben vom Ende einer Kieme, ebendaher. Fig. 14. Eine Kornerzelle, ebendaher. F. oc. 3. Fig. 15. Bindesubstanz von Centrosteph. lougispin. aus einem der fiinf Schlundbander. D. oc. 3. Fig. 16. Schnitt durch ein Ovarium eines jungen 2 cm groBen Toxo- pneustes. 0 Eizelle. Fig. 17. Aus einer in der Entwicklung begriffenen Pedizellarie der Muse, adductor. Sphaerech. granular, vom Durchm. 1 cm. Fig. 18. Zellen aus dem WassergefaBsystem eines Centrosteph. longisp. (SaugfiiBchen-Inhalt.) Flemm. Gem. ^/^g Olimm. Tafel XII. Fig. 1. Querschnitt durch den Nebeudarm NI), den Diinndarm DD und die ventrale Blutlakune FBL ; M Mesenterium, blf Blut- fliissigkeit. Sphaerech. gr. D. oc. 2. Bd. XXI. N. F. XIV. I Y 258 Otto Samann, Fig. 2. Langsschnitt durch Magen MD und Schlund Sch , sowie die ventrale Blutlakune KBL uud dorsale Blutlakune DBL. Beide sind prall angefiillt mit Blutfliissigkeit. quBLR und (/uRK der quer durchschnittene Blutlakunen- und WassergefaB-Ring- kanal, beide dem Kauapparat (dieser ist nicht mit gezeichnet) aufliegend. St-H Steinkanal. L das Respirationsorgan , der zu diesem fiihrende und vom Blutlakunenring sich abzweigende Kanal ist mit K bezeichnet. Sphaerechinus granulans. A. oc. 3. Fig. 3. Ansicht der Laterne von oben, sowie des Magendarmes MD, des Steinkanales St-K , der dorsalen Blutlakune DBL, der ventralen FBL und des Diinn- und Nebendarmes ISO ; L die Respiratiousorgane in Zusammenhang mit dem Blut- und WasserringgefiiBen. Sphaerech. granular. LupenvergroBerung. Fig. 4. Langsschnitt durch ein Respirationsorgan. {L in Figur 2.) Bl Blutlakunen in der oberen Wandung. //'G Hohlraum mit dem Lumen des WassergefaBringes in Verbindung. Sphaerech. granul. D. oc. 2. Fig. 5. Schnitt durch Diinndarm und Nebendarm eines jungen Echinus melo (Durchm. 8 mm). BL die ventrale Darmlakune. Fig. 6. Querschnitt durch den Schlundanfang von Centrostephanus longispinus. tif ein Nervenzug im Darmepithel verlaufend ; dr die schlauchformigen Driisenzellen. D. oc. 2. Fig. 7. Querschnitt durch den Magen von Sphaerechin. granulans. quN quer getroffene Nervenziige im Darmepithel. D. oc. 3. Fig. 8. Isolierte Epithelzellen aus dem Diinndarm von Sphaerech. granular. F. oc. 3. Fig. 9. Diinndarraepithel aus einem mit Speiseresten gefiillten Darm eines jungen Strongylocentrotus lividus. (?) Fig. 10. Querschnitt durch Steinkanal und dorsale Blutlakune vor der Einmiindung beider in die RinggefaBe auf dem Kauapparat. A. oc. 2. Fig. 11. Schlundepithel von Arbacia pustulosa mit den Nervenfaser- zUgen nf. Tafel XIII. Fig. 1. Schnitt durch das driisige Organ von Sphaerechin. granular. BL die peripher liegenden Blutlakunen. pz Pigmentanhaufun- gen und Zellen. F. oc. 2. Fig. 2. Dasselbe Organ von Arbacia pustulosa. F. oc. 2. Fig. 3. Querschnitt durch dasselbe Organ von Arbac. pustulosa, schwache VergroBerung. St-K Steinkanal. Fig. 4. Ventrale Darmblutlakune , quer durchschnitten. Sphaerech. grnn. D. oc. 2. Fig. 5. Von einem Querschnitt durch den Magen von Centrosteph. longispin. dr Driisenzellen. D. oc. 3. Fig. 6. Magenepithel von Sphaerech. granul. Querschnitt. quN durch- querte Nervenziige. pg Pigment. D. oc. 3. Fig. 7. Zellen aus dem Schlundwulst von Centrosteph. longisp. Drittel- alkohol. F. oc. 2. Beitrage zur Hiptologie der Echinodermen. 259 Tafel XIV. Fig. 1. Vertikalschnitt durch ein Ambulacrum von Sphaerech. granul. Rl\ quer durchschnitt. Ambulacral-Nervenstamm. N Nerven- ast, welcher zur Haut geht und weiter als FuBchennerven- zug FN und peripherer Hautnerv sHN bezeichnet wird. ep Hautepithel. F FuBchenbasis. Jmp Ampulle , a Kanal, welcher zum durch querteu Ambulacral- WassergefaB zieht. Sc/i^ und ScA^ Schizocolraum. Sphaerech. granul. Fig. 2. Querschnitt durch a — b in Figur 1. Fig. 3. Schnitt durch eine Ampulle eines jungen Sph. granul. Fig. 4. Glatte Muskelfasern aus der Wandung derselben, ebendaher. F. oc. 2. Fig. 5. Langsschnitt durch ein MundfUBchen von Sphaerech. gran. (sehr junges Tier), rf iunerste Bindesubstanzlamelle aus ringf. verlauf. Fasern bestehend. Fig. 6. Inncrste Bindesubstanzlamelle, ebendaher. Isoliert in Drittel- alkohol, gef. mit Pikrokarm. F. oc. 2. Fig. 7. TastfiiBchen von Centrosteph. long, kk Kalkstiicke. ps Pig- mentzellen. Fig. 8. Die Kalkkorper starker vergroB., ebendaher. Fig. 9. Oberfl. eines MundfiiBch. lebend. Centrosteph. lougisp. D. oc. 3. Fig. 10. Oberfl. des SaugfiiBchens von der gleichen Art. D. oc. 3. Fig. 11. TastfiiBchen-Basis von der gleichen Art. F. oc. 3. Fig. 12. Sinneshligel eines TastfiiBchens von Centrosteph. longisp., vergl. Figur 7. Np. Fig. 13. Verfilzte Bindesubstanzfasern aus einem SaugfaBchen von Arba- cia pustulosa. Tafel XV. Fig. 1. Langsschnitt durch ein SaugfiiBchen von Echinus acutus. NP Nervenpolster. ffpl Kalkrosette. A. oc. 3. Fig. 2. Die linke Seite der Saugplatte starker vergrofiert. Echinus acutus, SaugfiiBchen. Pikrokarmin. Fig. 3. Tangentialschnitt durch ein SaugfiiBchen von Arb. pustul. Fig. 4. Langsschn. durch das Ende eines SaugfiiBchens von Arbacia pustulosa. M = Membran mit den ringf. Fasern. Fig. 5. Tangentialschnitt eines SaugfiiBchens von Echinus acutus, junges Tier. Fig. 6. Epithel vom SaugfiiBch. Strongyl. livid. F. oc. 3. Fig. 7. Ebendaher. F. oc. 3. Fig. 8. Ebendaher. F. oc. 3. Fig. 9. Epithelzellen (Stiitzzellen) von einem AmbulacralfUBchen. Sphaerech. gran. Drittelalkohol. F. oc. 3. Fig. 10. Epithelstiitzzellen und Sinneszellen von einem SaugfiiBchen von Echinus acutus. 17 260 Otto Hauiann, Tafel XVI. Fig. I. Vertikalschnitt durch die Madreporeuplatte und den Anfangs- teil des Steinkanales vou einem jungen Echinus melo (Durchm. 1 cm). Sc/t Schizocol-Eingsinus. R Ende der Driise. D, oc. 3. Fig. 2. Querschnitt durch den Steiukanal yon Sphaerechinus graau- laris. ep^ das Innenepithel; ep~ die kubischen Zellen der- selben; D, oc. 3. Fig. 3. Vertikalschnitt durch die Aftergegend eines Sphaerech. granul. schematisch. Es sind auf dem Schnitt getrolfen die Madre- poreuplatte mit dera Steinkaual, der After mit dera Rectum und der anale Blutlakuuenring, welcher in der Wanduug des analen Ringsinus gelegen ist und zweimal ^Bli, jiBR durchquert ist. Dr die Driise , zu welcher Lakunen vom Blutlakuuenring Ziehen. Fig. 4. Ansicht eines pinselfdrmigen FiiBchens aus der Umgebung des Mundes von einem jungen Spatang. purpur. Lupenver- grdfierung. Fig. 5. Vertikalschnitt durch ein solches pinself. FiiBchen. m ring- formige Muskelfasern in der Platte; N der Nerveuast ; Sch Scheidewande im Hohlraum des Kopfchens. Fig. 6. Kalkstab aus einem Endfiihler des in Figur 8 abgebildeten FiiBchens aus dem unpaaren Interradius von Spatang. purp. F. oc. 2. Fig. 7. Langsschnitt durch das Ende eines Fiihlers vom pinself, Fiifi- chen, ebendaher, F. oc. 2. esz Epithelsinneszellen ; pz Pig- mentzellen ; h starre Fortsatze einzelner Sinneszellen ; IS Aus- breitung des Nervenzuges ; bg Bindesubstanz mit dem Kalk- stab, ebendaher. Fig. 8. Aus Figur 5 ein Teil des Kopfchens starker vergrdBert. rm die konzentrisch angeordneteu riugf. Muskelfasern. nf Nerven- faserzug. Fig. 9. TastfiiBchen aus dem unpaaren Interradius, ebendaher. Lupen- vergrdBerung. Fig. 10, Querschnitt durch einen Stachel von der Umgebung des Mun- des, Centrosteph. longisp. In 8 Langslinien sind die wim- pernden Epithelzellen angeordnet. In der Tiefe derselben liegen Nervenfasern, bis zur Spitze des Stachels verlaufend. D. oc. 3. Fig. 11. Diinndarm und Ursprung des Nebendarmes ND , von Echi- nocardium mediterraneum. Fig. 12. Von einem Querschnitt durch den Diinndarm (zwischen Ur- sprung und Ende des Nebendarmes) von Bryssus unicolor. In der Bindesubstauzschicht Ablagerungen von Pigmentkornern und geronnene Blutfliissigkeit. S Saum, FuBstiicke der ab- gerissenen Wimpern der Innenepithelzellen. Beitriige zur Histologie der Echinodermen. 261 Tafel XVII. Fig. 1. Innenansicht der Oberlippe mit dem Schlunde. Mit fVGR ist der WassergefaB-Riugkanal , mit Sch -\- GR der Nerven- ring, welcher im Blullakunenring liegt, bezeichnet. BL die ventrale Darmlakune ; IP^G das dieselbe begleitende Wasser- gefaS (beide Gobilde wurden vou Koehlee als „Steiiikanal" beschrieben) ; BL' dorsale Darmlakune (Hoffmanns' wg. Yer- bindungskanal); Spatangiis purpureas, natiirliche GroBe. Fig. 2. Ober- und Unterlippe von auSen gesehen, ebendaher, natiir- liche GroBe, a — b deuten die Kichtung an, in welcher der in Figur 3 abgebildete Schnitt gefiihrt worden ist. Spatang. purpureas. Fig. 3. Vertikalschnitt durch Ober- und Unterlippe. Der Blutlaku- nenring BLR ist zweimal quer durchschnitten ; ebenso der Eingkanal fVGR; der Anfangsteil des Schlundes ist mitge- zeichnet, Spk Sphinkter, welcher die MundofFnung verschlieBea kann. Fig. 4. (I.) Querschnitt durch den Steinkanal Sl-K und den Endteil der Driise R. Fig. 5. (II.) Querschnitt durch den Steinkanal weiter entfernt von der Madreporenplatte. Die Driise ist rait ihren gelben Pig- menten zu erkennen. Fig. 6. (III.) Der Endteil der Driise R geht in diese liber. Der Stein- kanal miindet in das GefaBgeflecht eiu , St-Ii Mdg. GG Ge- faBgeflecht. Fig. 7. (IV.) Teil der Driise und des GefaBgefleehtes, GG stark ver- groBert wiedergegeben. I — IV von Spat. purp. Fig. 8. Querschnitt durch das GefaBgeflecht (aus der Gegend des Nebendarmes). BL urspriingliche Blutlakune (ventrale) noch deutlich kenntlich. R'h^^ Kanale zum WassergefaB gehorend. Vergl. Text. Spat. purp. Fig. 9. Querschnitt durch Darm-Blutlakune BL und Darra-Wasser- gefaB /FG des Schlundes. C abgehobene Cuticula. Nqu quer durchschnittene Nervenziige in der Bindesubstanzschicht ver- laufend. Spat. purp. Fig. 10. Langsschnitt aus dem Diverticulum von Bryssus unicolor. dr kolbenformige Driisenzellen. bfs Blutzellen in der Blutfliis- sigkeit b/f. bg Bindesubstanzschicht des Darmes; rm Bings- muskeln. Fig. 11. Der Diinndarm geoffnet, um die Klappe (Fig. 12) zu zeigen. Bryssus unicolor. Tafel XVIII. Fig. 1. Langsschnitt durch eine Spharidie aus der Umgebung des Mundes von Spatang. purpur. h' das ovale Kalkgebilde ; bg Reste der Bindesubstanz , Fasern und Zellen, welche eine Art Geriistwerk in dem Kalkkern bildete; ep Epithelschicht ; I M Langsmuskeln ; Rw Ringwulst mit dem basalen Nervenring. 262 Otto Hamann, Histologie der Echinodermen. Fig. 2. Der Ringwulst mit dem Nervenring starker vergroBert, eben- daher. Fig. 3. Innenansicht des Scheitelpoles St-K-\-R Steinkanal und End- teil derDriise Dr. iV* — iV^ die fiinf Ambulacral-Nervenstamme; C^ — G* die vier Ausfiihrgange der Geschlechtsoi'gane. In der Mitte der pentagonale Schizocol-Sinus. Nat. GroBe. Echino- cardium mediterraneum. Fig. 4. Querschnitt durch den Schlund von Bryssus uuicolor. Pfi Pig- mentanhaufungen. Nqu durchquerte Nervenziige. D. oc. 4. Fig. 5. Epithel im lebenden Zustand von einera analen rotierenden Stachel, Centrosteph. longispin. F. oc. 2. Fig. 6. Langsschnitt durch einen solchen Stachel. ISR durchquerter basaler Nervenring, ebendaher. Fig. 7. Vertikalschnitt durch die Madreporenplatte und die Geschlechts- papille eines Echinocardium mediterraneum. nf die Haut- nerven ; R Endteil der Driise ; A//' Blutfliissigkeit in der Wan- dung des pentagoiialeu Schizocol-Sinus, A. oc. 4. Fig. 8. Finer der folgenden Schnitte, der parallel zur Oberflache der Haut verlaufende Steinkanal St-K; R der Endteil der Driise im Zusammenhang mit den Blutlakunen der Wandung H des pentagonaleu Schizocol-Sinus Fig. 9. Qucrschnitt durch die Driise, das GefaBgeflecht GG und den in dasselbe eininiindenden Steinkanal von Bryssus unicolor. Fig. 10. Ein Teil des vorigen Bildes starker vergroBert, um das Epithel im GefaBgeflecht zu zeigen. L Hohlraura desselben , P Pig- menthaufen. Fig. 11. Von einem Langsschnitt parallel zu einem Interpyramidal- muskel durch die eutkalkte Laterne von Sphaerech. granular. Rechts und links je ein Zahn. Sch der Schizocolraum, welcher den radialen Nervenstamm auf einer Fliiche umgiebt. Fig. 12. Bindesubstanz, entkalkt, von Spat, purp., um die zwischen je 2 Kalkplatten ausgespannten fasrigen Biindel zu zeigen. Fig. 13. Langsschnitt durch den Nebendarm von Bryssus unicolor. Inlialt. S»ite Einleitung 87 Specieller Teil. I. Abschnitt. Die reguiaren Seeigel. Eapitel 1. Die aufseren Anhange der Korperwand. Die Pedizellarien 91 a) Die gemmiformen Pedizellarien von Sphaerechinus granu- lans, Echinus acutus 92 b) Die tridactylen Pedizellarien von CentrostephanuB longi- spinus 100 c) Die buccalen Pedizellarien von Sphaerechinus granulans und Dorocidaris papillosa 103 d) Die trifoliaten Pedizellarien 104 Mechanismus und Funktion der Pedizellarien 105 Die Globiferen 108 Centrostephanus longispinus . 108 Sphaerechinus granulans Ill Die Globiferen und die Pedizellarien 113 Die Stacheln 114 Dorocidaris papillata 114 Sphaerechinus granulans 116 Die rotirenden Dorsalstacheln von Centrostephanus longi- spinus 117 (Spharidien und Ambulacralfiifichen unter Nervensystem, Kiemen unter Wassergefafisystem.) 264 Otto Hamann, Seite Kapitel 2. Das Wervensystem. Allgemeine Anordnung und feiner Bau desselben , 119 Die 0 cellarplatten mit den Fiihlern und die Am- b ulacral- Nervenstamme 124 Der basale Nervenring der Stacheln 127 Die Sinn esorgane. AmbulacralfiiUchen 128 a) TastfiiBchen oder Flagella 128 b) MundfuBchen 132 c) SaugfiiBchen 135 Das Nervensystem im Darmtractus 141 Die Spharidien und ihr basaler Ringnerv . . . . ^ . l42 Nervenzuge und Ganglienzellen in den Pedizellarien . . 144 Sinnesorgane der Pedizellarien. a) P. gemmif. von Sphaerech. granul 146 b) P. gemmif. von Echinus acutus 148 c) P. gemmif. von Strongylocentrotus lividus .... 149 Kapitel 3. Das Wassergefafssystem. MadreporenplatteundSteinkanal 150 W asser gefaS-Ringkan al und die von ihm sich ab- zweigenden Kanale 152 Die Bespirationsorgan e 155 Die Lungen auf dem Kauapparat 165 Die Ambulakralkiemen 158 Kapitel 4. Die BlutrSume. Die Anordnung derselben 160 Der feinere Bau 163 Die Blutfliissigkeit und Zellen 164 Der Schiz 0 CO elraum am After und der orale Blut- lakunenring 165 Die radiaren Schizo co elbildungen 168 Langskanale der ambulacralen Nervenstamme . . . 168 Kapitel 5. Das driisige Organ (sog. Herz). Arbacia pustulosa 171 Sphaerechinus granulans 173 Beitrage zur Histologie der Echinodermen. 265 Seite Die Zellen des Enterocoels, WassergefaKsystems und der Binde- substanz 176 Eapitel 6. Der Darmtractus. Schlund 178 Magen 179 Diinndarm und Nebendarm 181 Eapitel 7. Die Geschlechtsorgane. Bau derselben 182 Eapitel 8. Die B in d e substan z (Ligament in den Pedizellarien u. s. w.) 185 Die Muskulatur, glatte und quergestreifte 188 a. Abscltnitt. Die irregularen Seeigel. Eapitel 1. Die aufseren Anhange der Korperwand. Die pinself ormigen Sinnesf iifi chen • . 195 Die RosettenfiiBchen von Spat, purp 199 Die Saumliuien(Fa8ciolens. Semite n) . . .,. . 200 Eapitel 2. Das Nervensystem. C en train erven s y stem 201 Periphere Nerven, Hautnerven, ihre Lagerung und Ur- sprung, ihr Verlauf in den Saumlinien, Bau des Korperepithels 204 Die Nervenziige im Darmtraktus 206 Eapitel 3. Das "Wassergefafssystem und die Blutlakunen. Einleitung 206 Der Ringkanal und der orale Blutlakunenring, sowie die von beiden abgehen den Kanale, Was- sergefass und ventrale Darmlakune 208 Der Verlauf der beiden letztgenannten Kanale (Spatang purp.) 210 Der feinereBau des aus beiden ber vorgegangenen GefaBgeflecbtes 213 266 Otto Hamann, Seite D er Bau der Driise und der Verlauf des GefiiBge- flechtes an derselben 214 Die Madreporenplatte, der Steinkanal und der Sc hi zocoel- Sinus am Scheitelpol 216 Die Blutlakunen des Scheitelpoles , ihr Zusammenhang mit der Driise, sowie die Blutlakunen der Geschlechtsorgane 218 Der Bau der Driise von Brissus unicolor .... 220 Die Blutlakunen des Darmtraktus 221 Geschiohtliche Notiz 222 Eapitel 4. Die GeschleeMsorgane. Die auSeren mannlichen Geschlechtspapillen . . 224 Die weiblichen G e schleclitspapillen 226 Kapitel 5. Der Darmtraetus. Schlund und Diinndarm 227 Kcbendarm 230 Allgemeiner Teil. Kapitel 1. Zur Phylogenie der Echinodermen. Ihr TJrsprung 232 Crinoiden und Asteriden 233 Aster iden und Echiniden, die Verwandtschafts- verhaltn iss e zwischen beiden Gruppen . . . 236 Das Nervensystem 236 Die Fiihler und Augenflecke 238 Die blutfiihrenden Kaume (Schizocoelraume) 239 Das WassergefaRsystem 242 Die Korperwand-Muskulatur 242 Welche Bildungen hat man bei den Echinodermen als blutfiihr e nde Eaume anzusehen? .... 243 Kapitel 2. Zus amm enf assun g der Haupt-R esul tate .... 248 Tafelerklarung 252 Frommiuuischo Buchdrackoroi (Hermann Pohle) in Jona, Anatomie und Histologie des Nerven- systemes der Myzostomen. Von Fridtjof Nansen, Kustos des Museums zu Bergen. Mit Tafel XIX. In folgenden Zeilen werde ich versuchen , eine kurze , zu- sammenfassende Darstellung der Resultate zu geben , zu welchen ich in meiner Arbeit iiber den Bau der Myzostomen i) beziiglich der Anatomie und Histologie des Nervensystemes derselben gelangt bin. Ungefahr zu gleicher Zeit mit meinen Untersuchungen er- schien eine Arbeit von Dr. Franz von Wagner in Graz, betitelt: „Das Nervensystem von Myzostoma (F. S. Leukart)." — Wenn die Resultate dieses Forschers, — auf dessen Arbeit ich im Laufe dieser Abhandlung mehrmals zuriickkommen werde, — von den meinigen in mehrfacher Beziehung abweichen, so glaube ich diese Ditferenzen zum groBten Teil einem ungiinstigeren Material und unvorteilhafteren Untersuchungsmethoden zuschreiben zu mussen. Wahrend dem osterreichischen Forscher nur die zwei verhaltnismaCig kleinen Arten : Myzostoma cirriferum und glabrum zu Gebote standen, war ich in der gliicklichen Lage , meine Untersuchungen zum Teil an mehreren grofieren Arten ausfiihren zu konnen. Aller- dings konnte Wagner fur seine Studien frisches Material ver- wenden, wahrend die mir zur Verfiigung stehenden Tiere der 1) Fridtjof Nansen : „Bidrag til Myzostomernes Anatomi og Histologi." Mit einem englischen Kesume. Herausgegeben von Bergens Museum, Norwegen, 1885. Bd, XXI. N, F. XIV. 13 268 Fridtj of Hansen, Mehrzabl nach auf der norwegischen „Nordhavsexpedition" gesammelt und in gewohnlichem Alkohol konserviert waren, jedoch in so vor- trefilicher Weise, daB ihr Erhaltungszustand selbst fiir feinere histologische Untersuchungen nicht viel zu wiiuscheu iibrig lieB. — Folgende Arten hatte ich Gelegenheit, in das Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen: Myzostoma gigas, LtJTKEN/) einige Exemplare auf An- tedon EschrichtiijMuLL. (von der „Norske Nordhavsex- pedetion von Jan-Mayen", mitgebracht). M. gigan teum, N ansen,^) nur wenige Exemplare auf An tedo n prolixa, Dunc. und Slab. ^), (von der Norske Nordhavs- expedition" in der Nahe von Spitzbergen gesammelt). M. Graff i, Nan sen, ^) mehrere Exemplare auf A nt. prolixa, D. und Sl. M. Carpenter!, Graff, nur ein Paar nicht gut konservirter Exemplare auf Ant, dentata, Say (Ant. Sarsii, Diib. und Kor.). M. cirrifer urn, Leuckaet. Von dieser Art standen mir viele Exemplare, alle von Ant. petasus, Diib. und Kor., her -stammeud, zur Verfugung. Zum Teil konnte ich sie frisch in der Nahe von Bergen dredschen, zum Teil erhielt ich sie durch die Giite des Herrn Ingenieurs Bruun-Hansen aus Romsdalen, welcher sie mit einem Telegraphenkabel bei Veblungsmes heraufgeholt hatte. 1) Von L. von Graff beschrieben : „Report on the Myzostomida etc." Zool. Chall.-Exped. Part. XXVII; pag. 34. — 1884. 2) Von mir 1. c. pag. 5 und 69 beschrieben. 3) Auf die Autoritat Dr. Korens' hier, welcher die Comatelu der Expedition friiher einor Priifung unterzogen hatte, habe ich diese Art, ohne sie naher zu untersuchen , in meiner Arbeit unter dem. Namen Ant. celtica, Marenzeller (jetzt Ant. quadrata, P. H. Carpenter) angefuhrt. Spater hat Dr. P. H. Cakpentee, welchem ich einige Exemplare zusandte, die Giite gehabt, mir mitzuteilen, daB dieselben der von Duncan und Sladen in „A. Memoir on the Echinodermata of the Arctic sea to the West of Greenland" (London 1881) beschrie- benen Art Ant. prolixa, Dunc. und Slad., beizufiigen sind. Dieselben wurden von der Norwegischen Nordpolexpedition in ziemlich groBer Zahl nahe bei Spitzbergen (Stat. 343., 76 " 34' n. Br., 12 » 5l' o. L) in einer Tiefe von 743 (engl.) Faden (1359 mtr.) bei einer Temperatur von — 1,2 Celsius gefunden. — 4) 1. c. pag. 6 und 69 beschrieben. Anatomle uud Histologie des Neiveusystemes der Myzostomeu. 269 — Von M. g lab rum endlich standen mir einige kleinere Exem- plare zu Gebote, welche mir Prof. L. v. Graff giitigst iiberlassen hatte, welche jedoch fiir histologische Untersucli ungen weniger geeiguet waren. — Zum SchluB will ich nicht unterlassen zu be- merken, dafi ich letztes Friihjahr gelegentlich meines Aufeuthaltes in Neapel , wo mir Prof. Dr. A. Dohrn mit groCer Liberalitat einen Arbeitstisch in der zoologischen Station zur Verfiigung stellte, neues Material von M, cirriferum, M. glabrum, sowie eine neue, enzystierte Art, alle auf Ant. rosaceus lebend, ein- sammeln kounte. Leider war seither meine Zeit durch andere Untersuchungen sehr stark in Anspruch genommen , so daC ich noch nicht in der Lage gewesen bin , dieses Material mehr als fluchtig zu examinieren. — Methoden der Untersucliung. Was die Behandlung und Farbung des alteren Spiritusmaterials aulangt, so waren es namentlich zwei Methoden, welche mir aus- gezeichnete Resultate lieferten, und welche ich daher fiir der- artige Objekte nur empfehlen kann. — Die eine Methode besteht in der aufeinander folgenden Anwendung von Osmiumsaure und Hamatoxylin. ') Die Spiritusexemplare wurden ausgewaschen, dann in einpro- zentige Osmiumsaure gelegt und darin bis zu sechs, ja mit- unter bis zu zwolf Stunden gelassen. Nachdem sie in flieBendem Wasser gut ausgewaschen worden waren , wurden sie gewohnlich in Heidelberger Hamatoxylinlosung gefarbt. In dieser Losung konnen die Objekte drei bis vier Stunden, — wenn die Losung stark verdiinnt war, auch langer, — verweilen, da die Behand- lung mit Osmiumsaure die Durchtrankung mit dem Farbstoff etwas erschwert. Das Auswaschen geschah in verdiinnter Alaun- losung. Danach wurden die Objekte in gewohnlicher Weise weiter behandelt, in Paraffin eingebettet und in Serien von Horizontal-, Longitudinal-, oder Transversalschnitten zerlegt. Diese Schnitte wurden entweder direkt in Kanadabalsam eingeschlossen, oder vor- 1) Die erste Anweisung , alteres Spiritusmaterial mit Osmium- saure zu behandeln, verdanke ich Dr. Fr. Blochmann aus Heidelberg. Zuerst angewandt wurde diese Methode von Dr. Hilger aus Heidel- berg, sowohl fiir Spiritusmaterial, wie auch fiir Material, welches mit Sublimat behandelt worden war. 18* 270 Fridtjof Nansen, her noch mit Terpen tin behandelt, welchem einige Tropfen einer Losuug von Eosin oder Pikrinsaure in absolutem Alkohol zugesetzt warden. ') — Diese Methode bietet bei Untersuchungen des Ner- vensystems, der Epithelien u. s. w. grofie Vorziige; auch kann statt der Farbung durch Hamatoxylin eine solche mittels Borax- karmin angewandt werden. 2) Die zweite Methode, welche auch recht befriedigende Resultate lieferte, bestand darin, die Spiritusexemplare in toto zu durch- farben, die iiberfliissige Farbe mit Saure- Alkohol zu extrahieren und in Paraffin einzubetten. Die Schnittserien wurden dann mit Pikrinsaure, in Terpentin-Alkohol gelost, wie oben nachbehandelt. Durch dieses Verfahren erhalt man eine sehr schoue und distinkte Doppelfarbung. Namentlich wird die Muskulatur stark gelb ge- farbt, so daC selbst die feinsten Muskeln sichtbar sind; auch die Struktur des Nervensystemes tritt sehr schon hervor. — Das frische Material wurde hauptsachlich zu Mazerations- praparaten benutzt. Besonders war es die HERTWiG'sche Methode (Osmium-Essigsaure in Seewasser), welche gute Resultate lieferte. AuBerdem kamen auch MOLLER'sche Flussigkeit, sowie schwache Chromsaure-Losung als Mazerationsmittel in Anwendung. Der Rest des frischen Materials wurde zu Schnittpraparaten verarbeitet, und zwar wurde derselbe auf die verschiedenste Weise behandelt. Goldchlorit, Silbernitrat , Pikrinschwefelsaure, Sublimat, Osmiura- saure, Chrom- Osmium-Essigsaure, sowie eine Kombination von Sub- limat und Osmiumsaure — namentlich die vier letzteren mit gutem Erfolg — gelangten zur Anwendung. — Das Nerveiisystem der Myzostomeii. Das Nervensystem der Myzostomen stimmt in den Haupt- punkten mit dem fur Anneliden und Arthropoden gewohnlich als 1) Mein Freund Dr. W. Kukenthal in Jena, welchem ich diese Methode mitteilte, hat dieselbe mit Gliick auch fiir andere Farbstoffe zur Anwendung gebracht (Siehe „Sitzungsber. Jen. Gesellsch. f. Med. und Naturw. 1885." und „Zoolog. Anzeiger", 1886. No 213, pag. 23.); — ich selber habe in der angegebenen Weise auch Nachfarbungen mit Saurefuchsin , Methylblau , Nigrosin u. a. mit Erfolg ausgefiihrt. — 2) Auch bei anderen Tieren (Coelenterateu, Ascidien etc.) habe ich diese Methode mit Erfolg versucht, ebenso hat James Grieg, Kustos an Bergens Museum, dieselbe mit Gliick bei Coelenterateu (Actinien, Pena- tuliden) angewendet. — Nur ist bei dem Gebrauch von Hamatoxylin darauf zu achteu, daB die Losuug keine zu konzentrierte sei. — Anatomie und Histologie des Neryensystemes der Myzostomen. 271 typisch aDgenommenen iiberein. Im groCen und ganzen erscheint es hoch entwickelt und stark differenziert. Die zentralen Telle sind zlemlich welt In die Tlefe des Korpers verlegt ; der Bauch- strang zelgt slch bel mehreren Arten durch eine dlcke Muskel- schiclit vom Ektoderra getrennt, ebenso das Gehlrn, welches aber auf elner verhaltulsmafilg niedrlgen Stufe stehen geblleben zu seln schelnt. Das Zentralnervensystem der Myzostomen besteht aus zwei Tellen : elneni Schlundrlng, mlt welchem Gangllen oder Gangllen zelleumassen (Gehirn) verbunden sind, und einem verkiirzten Bauch- strang, zwar oline deutliche Bauchgangllen, aber doch mlt Spuren einer Segmentlerung. In Verblndung mlt dem Schlundrlng befindet slch im Riissel der Myzostomen ein eigenttimlich ausgebildeter Nervenkomplex, welchen ich als „RusseInervensystem" bezeichnet habe. — Der Schlundrlng. L. V. Graff beobachtete einen Schlundrlng ohne Gangllen , geblldet von dem ersten Paare der fiinf groBen perlpherlschen Nervenstamme des Bauchstranges , doch schelnt dieser Beobachtung, welche nur elnmal gemacht wurde, eine teilweise Tauschung zu Grunde zuliegen, vlellelcht veranlaBt durch eine Zufalllgkeit in seinem Praparat. DaC eln Irrtum hier mogllch war, ist lelcht verstandllch, wenn man die geringe GroCe der Tlere und die unzureichenden Hllfsmlttel bedenkt, welche v. Graff zu Gebote standen. — DaB aber Beard in selnen zahlrelchen Schnittserlen kelne Spur von einem Schlund- rlng aufgefunden hat und darauf gestiitzt die Beobachtung v. Graff's ganzlich bestreitet, ist um so schwerer verstandllch, als die zwei Arten (M. glabrum und cirriferum), welche er einer Untersucbung unterzogen hat, gerade bezugllch der Ausblldung des Schlundrlngs besonders bevorzugt zu seln schelnen. Der letzte Beobachter auf diesem Geblet, v. Wagner, ist zwar nach einer Richtung hin glucklicher gewesen, denn er hat sowohl auf Schnltten als auch an giinstlgen Quetschpraparaten einen Schlundrlng beobachtet; allein dadurch, daB er denselben mlt dem Tell des Riisselnerven- systemes, welchen er zu sehen Gelegenhelt hatte, in eine enge Ver- blndung brachte, sowie dadurch, daC er auf den Ursprung des Schlund- rlnges aus dem wlchtlgsten Aste des vordersten Hauptnervenpaares schlieCt, ist er zu einer etwas falschen Darstellung gekommen. Die Schlundkommissuren, welche den Schlundrlng bllden, stehen 272 Fridtjof Nansen, mit dem anderen Ende des Bauchstranges in Verbindung und nehmen ihren Ursprung zwischen den zwei ersten peripheren Ner- ven, dieselben sind also durcb dieses kleine Nervenpaar noch von dem voidersten Hauptnervenpaar getreunt (Fig. 1). — Im unteren Teile ibres Verlaufes sind die Schlundkommissuren ziemlicb dunn und nicbt mit Ganglieuzellen in Verbindung, auCerdem hat dieser Teil eine betracbtliche Lange, ein Umstand, welcher sich wahr- scbeinlicb auf die starke Beweglicbkeit des Riissels und des damit enger verbundenen oberen Teiles des Schlundrings grundet. Dieses Verhalten ist an Schnittserien etwas schwer zu erkeunen , wenn der Rtissel eingezogen ist, und damit der untere Teil der Schlund- kommissuren ziemlicb gewunden verliiuft. In ihren oberen seitlichen Teilen erscheinen die Schlundkommissuren etwas umfangreicher, und es sind auch hier innerhalb der Scheiden kleine Anschwellungen von einigen Ganglienzellen wahrzunehmen (Fig. 3 u. 4). — Der rein dorsale Teil des Schlundrings ist namentlich median ziemlicb diinn, gewohnlich bandformig, und laBt innerhalb der Scheide keine Ganglienzellen erkennen. Die Schlundkommissuren umfassen den Bulbus musculosus des Riissels in seinem unteren Teile, — also nicbt wie von Wagner sagt: vor dem Bulbus, i) — und sind mit einer doppelten Neuri- lemmascheide versehen. — Innerhalb dieser Scheide liegen, wie schon gesagt wurde, nur wenige Ganglienzellen in zwar kleinen seitlichen Anschwellungen, auCerhalb derselben dagegen in dem den Schlundring umgebenden Bindegewebe finden sich gewohnlich ziemlicb zahlreiche Ganglienzellen, welche zu verschiedenen Gruppen vereinigt sind (Fig. 1 u. 2). — Wir haben also hier das merkwur- dige Verhalten zu konstatieren , daC innerhalb der Scheide des Schlundringes nur einige wenige Ganglienzellen belegen sind, wahrend der unverhaltnismaCig groCte Teil derselben in dem um- gebenden Bindegewebe eingelagert erscheint, ohne von einer allge- meinen Neurilemmascheide umgeben zu sein. Diese letztgenannten Ganglienzellen liegen gewohnlich sowohl vor als auch hinter dem fibrillaren Schlundring, doch ist die groBere Zahl derselben immer hinter dem Schlundring belegen ; hier erstrecken sie sich auch gegen die Bauchseite bin und bilden so eine Art zellularen Ringes (Fig. 1 u. 2). — In dem ventralen Teile dieses Ringes treten die 1) Wie sich von Wagnee's Beschreibung erklaren laBt, wurde schon oben anaedeutet. Anatomie und Histologie des Nervtnsystemes der Myzoetomen. 273 Zellen sparlicher auf und stehen , — soweit ich im stande war, diese Verhaltnisse zu verstehen, — nicht mit den ventralen Teilen der Schlundkommissuren in Verbindung, sondern scheinen mit dem dorsalen Teile des Schlundringes vereinigt, vielleicht durch zwei kleine Nerven, welche, jederseits einer, vom fibrillaren Ringe ent- springen und gegen die Bauchseite liin verlaufen. — Diese ventral gelegenen Zellen miissen also dem dorsalen Teile des Schlund- ringes beigereclinet werden und sind vielleicht als die sogenannten sympathischen , sicli riickwarts erstreckenden Zellenzweige zu deuten, entsprechend denjenigen, welche im hinteren Teile des Gehirns der Archianneliden beschrieben worden sind. — Der dor- sale Teil des zellularen Ringes zeigt die starkste Ausbildung, in ihm sind die meisten Ganglieuzellen angehauft. Bei eingehender Untersuchung kann man gewohnlich unter diesen Zellen vor und hinter dem fibrillaren Ring eine Art von Gruppierung wahrnehmen, welche darzuthun mir durch zahlreiche Schnittserien moglich gewor- den ist. Gewohnlich waren in diesem dorsalen Teile drei bis vier Gruppenpaare zu unterscheiden , so dafi sich auch hier eine bila- terale Anlage angedeutet findet, wie sie in dem fibrillaren Ring konstatiert werden konnte. — Der ganze dorsale Teil des Schlund- ringes mit den dorsalen Gangliengruppen wurde demnach als das eigentliche Geliirn, entsprechend demjenigen der Anneliden and Arthropoden , aufzufassen sein. — Die Ganglienzellen dieses Ge- hirns sind meist unipolar, jedoch kommen in den hinteren Teilen auch multipolare Formen vor, deren Auslaufer oft riickwarts gegen das Magenepithel gerichtet sind, — Ob diese multipolaren Zellen einem sympathischen Teile des Gehirnes beizuzahlen sind, mufi vorlaufig noch dahingestellt bleiben. Die oben gegebene Beschreibung des Schlundrings paCt in den Hauptzugen fiir die verschiedenen von mir untersuchten Arten. Bei M. cirrilerum, M. glabrum, M. gigas und giganteum ist der Schlundring mit den umgebenden, meist ziemlich machtigen Gang- liengruppen leicht zu beobachten, da er gut ausgebildet erscheint Bei M. Graffi dagegen, zum Teil auch bei M. Carpenteri, liegen die Verhaltnisse etwas anders. Hier sind die umgebenden Gang- lienzellen bei weitem nicht so zahlreich und von dem fibrillaren Schlundring entfernt an dem hintersten Ende des Bulbus muscu- losus gelegen. Nur wenige vereinzelte Zellen waren in den Sei- tenteilen des Riissels nahe dem Schlundring (Fig. 4) wahrzunehmen, wahrend vor dem fibrillaren Ring keine Zellen aufgefunden wurden. — 274 Fridtjof Nansen, Der fibrillare Ring selbst zeigt sich weniger stark entwickelt, docU kommen auch hier, wie bei den iibrigen Arten, innerhalb der Scheide jederzeit Ganglienzellen vor. Das RiisselnerTensystem. Bei den Myzostomen findet sich ein dem storaatogastrischen Nervensystem der Anneliden i), ein dem proboscidalen Nervensy- stem der Pycnogoniden *) analoges System , jedoch scheint die Ahnlichkeit mit dem letzteren bei uaherer Untersuchung eine mehr oberflachliche zu sein, wie spater ausgefiihrt wird. Die An- ordnung dieses Riisselnervensystems , welches bisher von keinem Bearbeiter der Myzostomen beschrieben wurde, ist ziemlich kom- pliziert. Dasselbe scheint rait dem Schlundring so innig verbunden zu sein, daC man sich versuclit fuhlen konnte, es als einen Teil des Schlundrings aufzufassen. — Vor dem Schlundring verlaufen jederseits nach vorn gegen die Spitze des Russels hin einige Nerven, nach meinen Erfahrungen drei auf jeder Seite (Fig. 1. vn', vn", vn'".). Diese drei Nerveu- paare verbinden den Schlundring mit einem vor dem Bulbus mus- culosus gelegenen fibrillaren Nervenring, welchen ich als „Tentakel- nervenring" bezeichnen werde, weil er im Bindegewebe unter den Tentakeln des Russels belegen ist und Nerven in dieselben sendet. — (Fig. 1 ; tnr). — Dieser Tentakelnervenring ist bei den verschie- denen Arten etwas verschieden ausgebildet, hat jedoch immer be- deutende Dimensionen. Er erscheint als geschlossener Ring und ist von einer diinnen Scheide umgeben, innerhalb dereu Ganglien- zellen nicht auftreten. Dagegen zeigt sich bei M. Graffi dieser Ring von zahlreichen Ganglienzellen umgeben, welche in dem lockeren Bindegewebe des vorderen Russelendes eingelagert sind und namentlich vor dem Ring in groBer Menge auftreten. Diese Zellen sind unipolar und stehen durch ihre Fortsatze mit dem 1) ZrJetzt beschrieben von G. Petjvot. „Sy8teme nerveux des An- nelides polych^tes". Arch. d. Zool. exper. Paris. 1886 No. 2. — Auch Ehlees : „Die Borstenwlirmer etc." 1868., Quatrefages : „Ann. Sc. Nat. 1850." u. A. — 2) A. DoHEN : „Die Pantopoden des Golfes von Neapel. Fauna und Flora d. G. v. Neapel. III. Monographie. 1881." P. P. C. Hoek: ,,Eeport etc. of H. M. S. Challengee." Zoology. III. Anatomie und Histologie des Norvensystemes der Myzostomen. 275 Ring in Verbindung (Fig. 5). Bei anderen Arten, z. B. bei M. giganteum, treten diese Zellen aufierordentlich sparsam auf, ja sie fehlen fast ganzlich, dafiir finden sich Ganglienzellen im Binde- gewebe auBerhalb des Bulbus musculosus zwischem dem Tenta- kelnervenring und dem Schlundring. Die Zahl dieser Zellen, welche bei M. Graffi nicht vorhanden sind, nimmt gegen den Schlundring bin bedeutend zu und bier gehen dieselben in die Zellen des Gehirns iiber. Was die Gruppienmg dieser Zellen an- langt, so laBt sicb vvahrnehraen, daC dieselben die Neigung zeigen sich urn die Verbindungsuerven zwischen dem Schlundring und dem Tentakelnervenring anzuordnen. Vor dem Tentakelnervenring kommen gewohnlich keine derartigen Zellen vor ; M. Graffi macht davon, wie oben beschrieben wurde, eine Ausnahme, und es scheint bei dem Nervensystem dieser Art die Tendenz vorhanden, die Zellen in dem vorderen Ende zu konzentrieren , da ja auch der Schlundring, wie wir oben gesehen haben, nur von einigen wenigen Zellen umgeben wird. — Von dem Tentakelnervenring geht je ein Nerv fiir jeden Tentakel ab (Fig. 1. tn.). — Diese Tentakelnerven lassen sich bis in die Spitze der Tentakeln verfolgen , wo sie sich pinselformig ill ihre Fibrillen auflosen. Das Epithel der Tentakelspitzen er- scheint ganz fibrillar und besteht, soweit ich es feststellen konnte, aus langen fibrilliiren Zellen, deren Kerne ziemlich weit von der Spitze entfernt gelagert sind, so dafi die auCersten Spitzen deutliche Fibrillen ohne Kerne erkennen lassen. Es erscheint nun wahrscheinlich, dafi die einzelnen Nervenfibern in Verbindung mit diesen langen Zellen stehen. Ob sie auch mit den Tasthaaren in Konnex treten, war nicht zu konstatieren. — Auch zu dem Epithel des Schlundes vor dem Bulbus musculosus entspringen zarte Nerven von dem Tentakelring (Fig. 5), und es scheint, als ob die- selben vorzugsweise mit den in diesem Telle des Epithels auftre- tenden Leisten korrespondierten. — Von mehr Interesse und Bedeutung sind vier groBere Nerven, welche von dem Schlund abgehen und diesen entlang auf der inneren Seite des Muskel- bulbus unter dem Schlundepithel verlaufen (Fig. 1; sn; — Fig. 5, sn; — Fig. 6.). — Diese Nerven, zwei auf jeder Seite, gehen bis zu dem hinteren Riisselende, biegen dann um das hintere Ende des Bulbus musculosus und richten sich nach vorn gegen den Schlundring. — Ob sie aber mit dem Schlundring in Verbindung treten oder nicht, konnte leider mit Sicherheit nicht festgestellt werden, da sie bier bei dem gleichzeitigen Auftreten einer groCeren 276 Fridtjof Nan sen, Zalil von Nerven nur schwer zu verfolgen sind. Einige Male glaubte ich allerdings eine Verbindung zu sehen, doch schien die Moglichkeit eiiier optischen Tiiuschung nicht ausgeschlossen. — Unter dem Schluiidepithel bilden diese vier Schlundnerven eiue Art von Nervenplexus, indem sie viele kleine Nervenaste abgeben (Fig. 6.). Audi sind zwischen den Epithelzellen viele Ganglien- zellen zu bemerken. Am haufigsten treten dieselben in der Nahe der vier Nervenstanime auf und stehen oft in direkter Verbindung mit diesen ; ja am hinteren Telle des Schlundes zeigen sie die Tendenz, kleine Ganglien zu bilden. Die Schlundepithelzellen, welche sehr langgestreckt und mit langen Kernen versehen sind, und welche sicli durch Osmiumsaure und Farbstoffe sehr leicht farben lassen, stehen durch lange Auslaufer mit von den Nerven- asten kommenden Nervenfibrillen in Verbindung. Auf Schnitten kann man haufig diese Auslaufer, welche allmahlich in die dickeren Zellen iibergehen, facherformig von den verschiedenen Nervenasten entspringen sehen. — Dieses Epithel, welches von einer Kutiku- larmembran bedeckt ist, ist folglich als ein sensitives aufzufassen und wahrscheinlich als Geschmacksepithel zu deuten. (Fig. 7). — Einige Male gelang es , kleine Nervenaste nachzuweisen , welche von den Schlundnerven ihren Ursprung nahmen, die Bindegewebs- membran auf der inneren Seite des Bulbus musculosus passierten und sich zwischen den Muskeln des Bulbus ausbreiteten. Der- gleichen Nerven, von dem Tentakelnervenring entspringend, waren auch auf der iluCeren Seite des Bulbus musculosus zu bemerken. — Beiliiufig mag hier angeiuhrt werden, daC von dem hinteren Telle des Gehirns auf der dorsalen Seite kleine Nerven abgehen, welche zu dem Epithel des vorderen Teiles des Magens verlaufen. Diese Nerven stehen wahrscheinlich zum Teil in Verbindung mit groCen Ganglienzellen, welche zwischen den Epithelzellen zu be- merken sind; wiihrend andernteils auch Nerven beobachtet wurden, welche direkt in das Epithel eintreten und sich darin verbreiten. — Der Bauchstrang. Der Bauchstrang ist von dem Ektoderm durch eine diinnere Oder dickere Muskelschicht getrennt, deren Dimension ziemlich stark variieren kann, und zeigt meist durch seine kurze zusammen- gedrangte Gestalt nicht wenig Ahnlichkeit mit demjenigen der Arachniden; jedoch kann dieselbe auch mehr langgestreckt auf- Anatomie imd Histologie des Ncrvcnsysteruoy der Myzostomen. 277 treten, z. B. bei M. Graffi. — Innei'lialb der doppelten Scheide, welche den Bauchstrang umgiebt und in eine iiuBere kutikulare und eine innere lamellare oder retikulare zerfallt i), liegen zwei dicke, fibrillare Langskommissuren, welche durcli Querkoramissuren verbunden sind. Aiif der ventralen Seite verlauft in der Mitte zwischen den Langskommissuren ein intermediarer Nerv, welcher gewohnlich durch zahlreiche, unpaare Seitenaste mit den Langs- kommissuren in Verbindung steht {Yig. 1 in.)- — Die Zahl der von dem Bauchstrang abgehenden peripheren Nervenpaare — (die Schlundringkommissuren sind nach der oben gegebenen Darstellung ausgeschlossen) — betragt elf: fiinf Hauptnervenpaare (die fiinf Loven's) und 6 Paar kleinere Nerven (Fig. 1). Die zwolf Nerven- paare V. Graff's sind insoweit irrtiimlich, als hier ein zwischen dem vierten und fiinften Hauptnervenpaar gelegenes Nervenpaar, welches von Semper beschrieben wurde, nicht mit gerechnct ist; v. Graff's Zeichnung wird jedoch richtig, wenn man die Schlund- kommissuren hinzufiigt oder die inneren Verzweigungen des ersten Nervenpaares als solche auffafit. — Ein unpaarer Nerv, welcher von LovEN und Semper im vorderen Ende angegeben wurde, ist nicht vorhanden ; und laCt sich dicse Angabe vielleicht dadurcli erklaren , dafi beide Forscher nur eine der Schlundkommissuren oder aber daC sie nur den Ursprung derselben gesehen haben. — Die Langskommissuren sind im vorderen und hinteren Ende des Bauchstranges durch bedeutende Querkommissuren verkniipft, dcren Dicke beinahe derjenigen der Langskommissuren gleichkommt (Fig. 1. QCM, QCM'). — Zwischen diesen groCeren, vorderen und hinteren Querkommissuren liegen eben solche kleinere. Unter den letzteren treten namentlich vier starkere hervor (Fig. 1. Qcm^ bis Qcm*), deren Lage mit den Zwischenraumen zwischen den fiinf Hauptnervenpaaren korrespondiert, und welche auch durch Nerven- fibern mit den Ganglienzellen dies^r Zwischenraume in Verbindung stehen, ebenso wie sie auch Nervenfibern in die Hauptnervenstamme beider Seiten vorn und hinten senden, Zwischen diesen vier starkeren Querkoramissuren und den zwei erstgenannten starksten Querkommissuren liegen schwachere Querkommisuren, gewohnlich fiinf, deren Anzahl und Lage also mit derjenigen der Haupt- nervenpaare ubereinstimmt (Fig. 1. qcm^— ^); nur bei M. Graffi 1) tJber den Bau der Scheide wird spater bei Besprechung der Histologie referiert werden. 278 Fridtjof Nansen, sind diese Querkommissuren zahlreicher, da hiermeist zwei zwischen je eincm Paare der starkern Kommissuren lagern. — Die Gang- lienzellen sind hauptsachlich in dem Raume zwischen den beiden Langskommissuren, sowie auf ihrer dorsalen, auBeren Seite zwischen den Abgangsstellen der Nerven gelegen ; nur ganz ausnahmsweise finden sich Ganglienzellen inuerhalb der fibrillaren Masse. Auf Querschnitten zeigen die Ganglienzellen eine bestimmte Anordnung; jede Gruppe von Ganglienzellen hat einen Knotenpunkt auf den Quer- Oder Langskommissuren, gegen welchen die Zellenauslaufer konvergieren, und an welchem sie in die fibrillare Masse eintreten (Fig. 8). Es ist also eine ahnhche Gruppierung der Ganglienzellen Yorhanden, wie sie Hermann Vignal und andere bei den Hiru- dineen und den Chatopoden beschrieben haben. — Der getrennten Lage der Langskommissuren wegen werden natiirlich diese Gruppen hier zahlreicher, und es scheinen dieselben vorzugsweise rund um die vier starkeren, mittleren Querkommissuren angeordnet zu sein. Auf Querschnitten waren zum mindesten sechs verschiedene Paare solcher Gruppen sichtbar (Fig. 8), wie sie auch in die Figuren meiner fruher citirten Arbeit (Tab. V; Fig. 9 a, b, c, d, e, f und Tab. IX Fig. 4. c, ^ c, ^ c, ^ c, * c, ^ c, '^) eingezeichnet sind. Auf eine detaillierte Beschreibung dieser Gruppen kann hier nicht ein- gegangen werden , nur soil erwahnt werden , daC die Zellen in einigen Gruppen ihre Auslaufer durch die Querkommissuren nach der entgegengesetzten Seite des Bauchstranges senden, wahrend die Auslaufer anderer Zellen sich in der fibrillaren Masse derselben Seite auflosen, wieder andere Zellen dagegen die fibrillare Masse durchsetzen und in periphere Nerven derselben Seite ubergehen — Verhaltnisse, welche in dem der Histologic gewidmeten Teil naher besprochen werden sollen. — Der unverhaltnismafiig groCere Teil der Zellen sendet seine Auslaufer jedenfalls durch die fibrillare Masse der Kommissuren, einige Zellen senden jedoch ihre Aus- laufer direkt, ohne die fibrillare Masse zu durchsetzen, in die peri- pheren Nerven. Letztere Zellen sind zu einer kleinen Gruppe iiber der Ursprungsstelle eines jeden der fiinf Hauptnervenpaare vereinigt (Fig. 8.). — Ahnliche Zellen wurden auch in den peripheren Nerven fern vom Bauchstrang entdeckt. Diese Beobachtungen widersprechen den Angaben Vignal's, denen zufolge bei den Wiirmern im will- kurlichen Nervensystem keine Ganglienzellen ihre Auslaufer direkt in die peripheren Nerven, ohne naher die fibrillare Masse zupassieren, senden sollen, und ferner in den peripheren Nerven selbst keine interponierten Ganglienzellen existieren sollen. Dagegen stimmen Anatomie und Histologic des Ncrvensystemes der Myzostomen, 279 vorstehende Beobachtungen mit den Augaben Leydig's, Hermann's, Hoffmann's, Schultze's, Walter's, Quatrefages' und anderer iiber das Nervensystem von Hirudo uberein — Angaben, welche ViGNAL 1) bestreitet, indem er die Zellen, wenigstens eines Teils dieser Autoren fiir ,,einzellige Nervenparasiten" erklart, wabrend er den Rest dieser Arbeiten nicht gekannt zu haben scheint. — Die Grofie der Nervenzelleu kann ziemlich stark variieren. Zum groBten Teil sind es kleinere, unipolare Zellen ; aber in der Mitte des Bauchstranges gelegen finden sich einige, durch ihr be- deutendes Volumen ausgezeichnete Zellen. — Bei M. gigas, wie auch bei M. giganteum sind besonders einige deraitige Zellen in's Auge fallend, welche zu Paaren, — je ein Paar zwischen jeder der groBeren Querkomniissuren, — auf der Dorsalseite gelagert sind. Diese Zellen treten namentlich im hinteren Telle des Bauch- stranges sehr regelmaBig auf und sind mit den kleineren Quer- komniissuren verbunden ; im vorderen Telle des Bauchstranges finden sie sich gewohnlich etwas zahlreicher; im ganzen waren sechs bis sieben solcher Zellenpaare zu bemerken (Fig. 1.). Diese Zellen sind unipolar, ihre Auslaufer, welche eiuander kreuzen und Chias- men bilden, konnten durch die fibrillare Masse der Langskommis- suren hindurch in die fiinf Hauptnervenpaare hinaus verfolgt wer- den. Auf der ventralen Seite finden sich auch groBe Zellen vor, jedoch ist ihr Auftreteu minder regelmaCig und vorzugsweise auf den mittleren Teil des Bauchstranges beschrankt. — Die GroCe der groBten Ganglienzellen kann bis 0,039 mm im Durchmesser betragen bei einer GroBe des Kernes von 0,018 mm; wahrend die kleineren Zellen ungefahr 0,013 mm und ihre Kerne 0,008 mm messen. Zwar kommen auch Zellen vor, welche noch nicht die Halfte des zuletzt angegebenen MaBes erreichen, doch ist stets zu konstatieren , daB die GroBe der Kerne eine minder schwankende ist als diejenige der Zellen selbst. Was nun das Vorkommen von Ganglienzellen innerhalb der fibrillaren Masse anlangt, so kann nur angegeben werden, daB sich einige sehr kleine Zellen finden, in gewissem Grade ahulich den- 1) Vignal: „Eecli. hist. s. 1. centres nerveux de quelques inver- t^br^s." Arch. Zool. exp. S^r. 2. Tome I. 1883. Die Angaben Yignal's werden auch von Saint-Loup bestritten in R. Saint-Loup: „ Rech. s. I'organ. des Hirudin^es." Ann. Sc. nut. Tome XVIU. 1884 pag. 61. — 282 Fridtjof Nansen, jenigen kleinen Zellen, welche von mir in der fibrillaren Masse des Gehirns der Ascidien aufgefunden wurden. ^) — Die Segmentierung des Bauchstranges ist lange nicht so aus- gesprochen und leicht zu sehen, wie man nach Beard's Schilderung anzunehmen geneigt sein kann: „These ganglionic cells seem to be confined to the portions of the nervous system from which nerves, and especially large nerves are given otf. We have indeed in their arrangement traces of a series of ganglia, which however by de- generation have lost their primitive character of segmental ganglia." — Wie aus meiner obigen Darstellung ohne weiteres ersichtlich ist, stimmen diese Angaben Beard's mit meinen Beobachtungen nicht sehr uberein. Beard scheint, mit Ausnahme der starksten, ersten und letzten, keine Querkommissuren wahrgenommen zu haben^ und gerade diese sind. doch um vieles leichter zu konstatieren als die eigentliche Anordnung der Zellen. Denn wegeu der zusammen- gezogenen Gestalt des Bauchstranges liegen die Zellen sehr dicht bei einander. Die Mehrzahl derselben ist gerade zwischen den Hauptnerven gelegen sowohl auf der auCeren Seite der Langs- kommissuren als auch in der Mitte, — insoweit hier iiberhaupt davon die Rede sein kann, — und sendet ihre Auslaufer durch die vier dicken Querkommissuren. Daher, meine ich, daB aus der Lage der Zellen allein schwerlich auf eine Segmentierung geschlossen werden kann, wie es auch ungemeine Schwierigkeiten hat, die Zahl der mutmaBlichen Segmente darnach festzustellen. — Klarer findet sich dies durch die RegelmiiCigkeit der abgehenden Nerven angedeutet. Der abwechselnde Austritt je eines starkeren und eiues schwacheren Nerven stimmt ja genau mit den Verhaltnissen uberein , wie sie von den Hirudineen , Chatopoden , Isopoden u. s. w. bekannt sind , und kann meiner Meinung nach nur von einer friiher starker ausgepragten Segmentierung hergeleitet werden, Trotzdem ist die urspriingliche Zahl der Segmente des Bauchstranges nicht leicht genau zu bestimmen , und habe ich in meiner erwahnten groBeren Abhandlung sechs Segmente ange- nommen, welche sich am deutlichsten bei M. Graffi darstellen. — Das erste Segment, welches dem Unterschlundganglion auderer Tiere entspricht, steht mit den Schlundkommissuren in Verbindung 1) 'Ft. Nansen : „rorl. Meddelelse an Undereogelser over Central- nervensystemets histologiske Bygning hos Ascidierne samt hos Myxine glutinosa." Bergea's Mus. Aasberetn. f. 1885 u. Ann. a. Mag. of Nat. Hist. 1886. — Anatomie unci Histologie des Nervensystemes der Myzostomen. 281 und giebt vielleicht audi dem ersten kleiDeren peripheren Nerven- paar den Ursprung. — Die fiinf folgenden Segmente eutsprechen fiinf Bauchganglienpaaren ; jedes derselben giebt ein Hauptnerven- paar und wahrscheinlich das hinter diesem gelegene Ideinere Ner- venpaar ab — denmach wurdeu sich sechs Segmente fiuden, nur laCt sich schwer bestimmen, ob nicht vielleicht in dem hintersten Ende des Bauchstranges mehrere Segmente zusammen verschmolzen sind. Wie spater naher beschrieben werden soli, ist bei M. Graffi das letzte Nervenpaar auf der ersten Strecke seines Verlaufes vereinigt und mit Ganglienzellen versehen. Dieses Verhalten, wie auch der gauze Bau des hintersten Teiles des Bauchstranges iiber- haupt kann auf ein Vorhandensein eines oder mehrerer jetzt ver- ichwundener, urspriinglicher Segmente oder zum mindesten Gang- lien gedeutet werden. Jedenfalls ist es uugemein schwierig , sich iiber diesen dunkeln Punkt mit Bestimmtheit zu aufiern, Es bleibt mir noch, bevor ich weiter gehe, iibrig, mit einigen Worten der Beschreibung zu gedenken, welche v. Wagner von dem Bauchstrang giebt. — Seine Darstelluug desselben stimmt im wesentlichen mit meinen Angaben iiberein. Die vier Querkom- missuren, welche er beschreibt, sind, was Gestalt und Lage an- langt, identisch mit den von mir beobachteten vier dickeren Quer- kommissuren (Fig. 1, Qcm ^ — Qcm ■*) ; dagegen hat er die diinneren Querkommissuren entweder nicht gesehen, oder, — falls er sie ge- sehen hat, — nicht richtig gedeutet, da ich glaube, daC die „kleinen Ballen von hochst wahrscheinlich bindegewebhcher Natur ^)", welche er beschreibt, in Wirklichkeit Stiickchen der diinnen Querkom- missuren gewesen sind , denn meinen Beobachtungen zufolge sind derartige Bindegewebsballen nicht vorhanden. Dafi v. Wagner nicht die Einzelheiten beziiglich der Lage und Gruppierung der Ganglienzellen gesehen hat, welche oben beschrieben wurden, laBt sich leicht durch die geringe GroCe der von ihm untersuchten Arten erklaren. Ich konnte mich selbst bei M. cirriferum mannig- fach iiberzeugen, dafi diese Einzelverhaltnisse hier wegen der Klein- heit der Tiere viel schwieriger zu beobachten waren, als bei den groBeren, mir noch zu Gebote stehenden Arten. — Vielleicht haben auch die Untersuchungsmethoden von Wagner's nicht so schone Differenzierungen ergeben, als ich zu erreichen im staude war. — Was die abgehenden Nerven anlaugt, so ist vor allem zu betonen, 1) loc. cit. pag. 23 und 29. 282 Fridtjof Nansen, daB VON Wagner, wie die fruheren Beobachter, entweder die eigent- licheu Schlundkommissuren uicht gesehen oder unrichtig aufgefafit hat, indem er sie von dem ersten Hauptnervenpaar entspringen lafit. — Trotzdem hat er doch die Zahl der urspriinglichen Seg- mente oder — wie er sie nennt — Ganglienpaare zu sechs ange- nommcD, indem er annimmt, daC die Schlundkommissuren urspriing- lich von dem ersten Hauptnervenpaar getrennt waren. Gegen die Hypothese, welche von Wagner iiber die Genese des Bauchstranges entwickelt, habe ich im groCen uud ganzen nicht viel einzuwenden. DaB die Langskommissuren immer getrennt waren, wie sie auch heut zu Tage sind , finde ich selbstverstlindlich ; dal^ sie friiher, vielleicht auch ferner voneinander belegen waren, finde ich wahr- scheinlich; ob sie aber deutlich ausgepriigte Ganglien enthielten, finde ich mehr zu bezweifeln, zumal es jedenfalls nicht notwendig war. — Auch werden durch die Entdeckung der kleineren Quer- kommissuren und die Gruppierung der Ganglienzellen die Verhalt- nisse andere als sie von Wagner vorausgesetzt hat. — Die Auf- fassung VON Wagner's, die dickeren Querkomraissuren als die ur- spriinglichen, die paarigen Ganglien verbindenden Kommissuren anzusehen, wird etwas schwieriger, wenu wir sehen, daB sie durch Fibren sowohl mit den vorn und hinten abgehenden Hauptnerven als auch mit den zwischen den Ursprungsstellen beider gelegenen Ganglienzellen') in Verbindung stehen. Jedenfalls geht daraus hervor , daB die vorliegenden Verhaltnisse ziemlich verandert sind uud von den urspriinglichen stark abweichen. Zudem finde ich den Bau des Bauchstranges so kompliziert, daB es bei dem jetzigen Grade unserer Kenntnis als verfriiht augesehen werden muB, eine exakte Hypothese aufzustellen. — Wir miissen uns vorliiufig damit zufrieden geben, zu konstatieren, daB der Bauchstrang der Myzosto- men Spuren einer gewissen Segmentieruug erkennen laBt, und daB die Langskommissuren friiher wahrscheinlich weiter voneinander gelagert waren. 1) Wenn die Hypothese stichhaltig ware, miifiten diese Zellen aus zwei Ganglien herstammen ; demnach wiirden also die Zellen zweier verpchiedener Ganglien mit derselben Querkommissur in Ver- bindung stehen. — Anatomie und Histologie des Nervensystemes der Myzostomeu. 283 Das periphere Neryensystem. Das periphere Nervensystem ist bisher von keinem Bearbeiter der Myzostomerigruppe genau beschrieben worden, da bei den Zer- zupfungs- Oder Quetschpraparaten , an welchen die Mehrzahl der Untersuclmngen angestellt worden ist, die Nerven meist an ihren Ursprungsstellen gerissen sind. Zwar liaben melirere der friiheren Beobacliter , unter anderen Semper, Vermutungen iiber die Aus- breitung der Nerven geauBert , jedoch stimmen diese Annahraen nur wenig mit den Thatsacbeu iiberein. Eine sehr richtige Vor- stellung scbeint Loven, also der erste Beschreiber dieses Ner- vensystemes, gewonnen zu habeu, wenn er sagt, daC die von ihm aufgefundenen fiinf Nervenpaare — die fiinf Hauptnervenpaare der spiiteren Forscher — nach den Parapodien gehen. Von den tibrigen Forschern, welche die Myzostomen zum Teil mit den Methoden der modernen Technik, wie z. B. Beard und v. Wagner, unter- sucht haben , macht nur letzterer beziiglich des peripberen Ner- vensystems einige nahere Mitteilungen , welche jedoch von den meinigen ^) in mehrfacher Beziehung abweichen und meiner An- sicht nach nicht ganz korrekt sind; — ein Umstand, welcher sich leicht daraus erklaren laOt, dafi Wagner's Beschreibung^) seiner eigenen Mitteilung gemafi „sich zum groCten Teil auf die einmalige Beobachtung an einem gelungenen Quetschpraparate" stiitzt. — Besonders ist er, wie schon oben erwahnt wurde, in der Deutung des ersten Hauptnervenpaares nicht gliicklich gewesen, indem er dasselbe mit dem Namen : „Schlundring-Nervenpaar" belegte und es, wie v. Graff, als mit dem Schlundring in Ver- bindung stehend beschreibt, wahrend er die fiinf Hauptnerven- paare in Beziehung zu den FuCstummeln setzt , welch letzteren er sogar einmal als Parapodien bezeichnet. — Leider kann ich hier auf v. Wagner's Untersuchung nicht ausfuhrlicher ein- gehen , sondern muB mich zu meinen eigenen Beobachtungcn wenden. — Um den gesammten Verlauf der Nerven zu studiren, ist es unerlaBlich, sorgfaltige horizon tale , wie auch transversale Schnitt- serien gut konservierter und gefarbter Myzostomen anzufertigen. Durch eine sorgfaltige Durchmusterung und Zusammenstellung solcher Schnittserien — namentlich von M. giganteum — ist es 1) loc. cit. pag. 20. 2) loc. cit. pag. 39—43. Bd, XXI. N. F. XIV. 284 Fridtjof Nansen, mir eudlicli nach mtihsamen und zeitraubenden Studien gelungen, in meiaer schoa obeu zitierten Arbeit Taf. I, Fig. 8. Taf. II, Fig. 10, 11, 12, 13, eine, wie ich glaube, ziemlicli korrekte und zu- verlassige Darstellung des peripheren Nervensys temes zu geben — Auch die dieser Arbeit beigegebeuen Fig. 9 u. 10 auf Taf. XIX werden hoffentlich genugen, die Haupteigentlimlichkeiten des peri- pheren Nervensystemes zu demonstrieren, wie ich sie in Kiirze be- schreiben werde, indem ich zagleich auf die ausfuhrlichere Be- schreibung, sowie die zahlreicheren Abbildungen in nieiner Haupt- arbeit verweise. — In Fig. 9 ist der erste linke Hauptnervenstamm mit dem hinter ihm liegenden kleinen Nerven (n), von oben gesehen, zur Darstellung gekommen ; diese Abbildung gentigt zugleich, urn ein befriedigendes Bild der iibrigen Hauptnervenstamme zu geben , bei welcheu die Verhaltnisse im groBen und ganzen dieselben sind. — Wie ieicht zu erkennen ist, teilen sich die Hauptnerven nahe ibrer Ursprungs- stelle in mehrere Zweige, unter deneu besonders vier starkere Ieicht kenntlich sind. Dieselben zerfallen in zwei auCere und zwei innere, welche letzteren wieder aus mehreren kleineren Asten bestehen. Die zwei auBeren Zweige, einer auf jeder Seite des Nervenstammes, N ^ und N ^ der Fig. 9 , gehen zum Rande des Korpers, wo sie sich stark verasteln und durch diese zablreichen kleinen Aste mit den Zellen des Randepithels in Verbindung treten, wodurch eine sensitive Funktion des letzteren angedeutet wird. AuBerdera bildet jeder dieser auCeren Zweige ein wenig innerhalb von dem Ursprung jeder Zirre eine dicke Verzweigung (Fig. 9, a) oder einen Komplex, von welchem ein starkes Nervenbiindel in die Zirre ent- sendet wird. Die Nerven dieser Biiodel verlaufen unter dem Epithel der Zirren gegen die Spitzen hin und versorgen das Pipithel der Seiten und Spitzen mit Nervenfibrillen , so daU die Zirren als sehr empfindliche Sinnesorgane (Tastorgane) erscheinen. — Da dieses Verhalten charakteristisch fiir die auCeren Zweige der Hauptnervenstamme ist, so habe ich dieselben mit dem Namen der „Zirrenzweige" belegt. — Die inneren Zweige, Fig. 9, N ^ und N *, dagegen treten in das Parapodium selbst hinein und versehen durch ihre kleinen Verastelungen sowoLl die Muskulatur der FuC- sturameln und der Hacken, wie auch die Hackendrusen, die Para- podiendrusen u. s. w. mit Nerven, aus welchem Grunde ich diese inneren Zweige auch „Parapodienzweige" genannt habe. — Die lunervieruug der Hackenmuskeln wird namentlich durch einen doppelten A.st (hz) besorgt, welchem in meiner Irubeern Arbeit Anatomie und Histologie des iSlervensystcmea der Myzoslomeu. 285 eine besondere Abbildung (Taf. Ill, Fig. 11) gewidmet ist. — Den Asten , welche die Parapodiendriisen inneryieren ^), habe ich den Namen der „DruseDzweige" beigelegt (pd). — AuBer den vier grofieren Zweigen der Hauptnerven verdient noch ein kleiner, in der Mitte belegener Zweig besonders genannt zu werden. Dieser mittlere Zweig (Fig, 9, mz.) teilt sich und entsendet den einen Ast zu den Bauchrauskeln, welche gegen das Parapodium bin verlaufen (v. Graff's „musculus centralis"), wahrend der andere Ast den auBeren Zweig des Hauptnerven kreuzt und in einzelnen Fallen miteinem der Zirrenzweigeanastomosierte, welches Verhalten jedoch ein nicht gewohnliches zu sein scheiut. — Die zwischen den Hauptnerven entspringenden kleinen Nerven scheinen hauptsiichlich mit Muskeln in Verbindung zu stehen, ofter indessen schien es, als ob sie auch Nervenaste zu den Hoden und vielleicht auch den Ovarien entspringen lieBen. Wie Fig. 9, n zeigt, scheinen sie bisweilen mit den vor ihnen hegenden Haupt- nerven zu anastomosieren. — Die feiuere Verzweigung eines solchen kleinen Nerven findet sich in Fig. 10 dargestellt. — Schon bei seinem Ursprung erscheint der Nerv in einen oberen (2) und einen unteren (1) Hauptast geteilt, auBer welchem er jedoch noch eiuige sehr zarte, zur Bauchmuskulatur geheude Zweige (3) entsendet. — Der weitere Verlauf der Hauptaste ist ohne Schwierigkeit aus Fig. 10 erkennbar. — Die Mehrzahl der kleinen Nerven zeigt diesen typischen Verlauf, nur diejenigen des ersten und letzten kleinen Nervenpaares machen Ausnahmen. Das erste kleine Nervenpaar verlauft nach vorn (Fig. 1, n ^) und steht durch viele zarte Ver- astelungen mit dem Epithel des vorderen Korperrandes in Verbindung, auch ist zu bemerken, dafi dasselbe Aste zu den sonderbaren sub- ektodernialen Testes sendet. — Das letzte Nervenpaar (Fig. 1, n '"') liiuft den Magen und die Kloake entlang und verbreitet sich in dem hinteren Teile des Korpers; leider habe ich den genauen Verlauf dieser Nerven keiner eingehenderen Priifung unterzogen. — Die Entwickelungdes Nerve nsytems der Myzostomen ist nur sehr unvollkommen bekannt. Beard hat zwar ein Larven- nervensystem beschrieben, welches sich in der Scheitelplatte ent- 1) Diese Organe habe ich in meiner ersten Arbeit FuSganglien genannt, obschou ich iiber ihre nervose Funktion sehr in Zweifel war. Jetzt bin ich jedoch mehr und mehr zu der Uberzeugung gekommen, daB sie driisiger Natur sind und als Parapodiendriisen bezeichnet werden konnen. 19* 286 Fridtjof Nansen, wickeln, spater aber verschwinden soil, wahrend sich fiir das er- wachsene Myzostoma ein neues Nervensystem auf der Bauchseite entwickelt. Da nun auch Beaed, wie oben erwahnt wurde, keinen Schlundring beobachtet hat, so scheinen seine Angaben einer Richtig- stellung insofern zu bedurfen, als das von ihm gesehene Larven- nervensystem der ersten Anlage des Gehirns und Schlundringes (vielleicht auch des Riisselnervensystems) gleich zu achten ist, welch letzteres sich spater mit dem Bauchstrange in Verbindung setzt. — Die Entwicklung des Nerven systems der Myzostomen wiirde demnach ebenso wie gewohulich bei den Anneliden ver- laufen, — Abnormitaten und Un regelmaBigkeiten im Bau des Nervensystems kommen ofter vor, eine besonders aufiallende liefi sich bei M. Graffi konstatieren. Bei einzelnen Individuen dieser Art namlich war der Bauchstrang verschwindend klein und unge- mein fiach, so daB es nicht geringer Miihe bedurfte, um ihn iiber- haupt aufzufinden, und daC die Nervenelemente selbst mit den stiirksten VergroCerungen kaura zu sehen waren ^). Welcher Art die Ursachen dieser UnregelmaBigkeit sind, ob sie in einer Resorption im spateren Alter oder in friihzeitigen Entwicklungsstorungen zu suchen sind, ist leider nicht zu sagen; nur soil festgestellt werden, daC derartige Abnormitaten nur bei erwachsenen Indi- viduen gefunden wurden, deren vegetative Organe gewohnlich sehr gut entwickelt waren, deren Magen namentlich sich durch eine un- gewohnliche Dicke auszeichnete. Im ubrigen zeigt der Korper normale Verhaltnisse ; das Bindegewebe und die Muskulatur der Bauchseite schien wenig entwickelt. Eine Asymmetric des Nerven- systems wurde oft am Schlundring (und im Gehirn) beobachtet. — Histologic des Neryensystems. Bindegewebe. Die Hiillen des Nervensystems sind zweierlei Art. Es findet sich eine auCere, derbere Scheide, welche ich das auBere Neurilemm oder im Bauchstrang Perineurium 2) nennen will, und eine innere Gefiige- oder Stutzsubstanz , welche ich als inneres Neurilemm bezeichnen werde, — 1) Vergl. ausf. Arbeit pag. 35 und 75; Taf II, Fig. 7. 2) Kkiegeh hat diese Bezeichnung benutzt in seiner Arbeit : „Uber das Centralnervensystem des FluBkrebses." Zeitschrift f. wiss. Zool. 33. Bd., 1880, pag. 542. — Anatomie und Histologie des Nervensystemes der Myzostomen. 287 Das Perineurium des Bauchstranges erscheint als eine Starke , kutikulare Membran , die auf Querschnitten durch ihre dunkele Farbung und die scharfen Konturen, namentlich des inneren Randes, stark in die Augen fallt. Diese Membran besteht aus einer gewohnlich homogenen Substanz, in welcher selbst keine Kerne zu finden sind, wiihrend dicht an ihrer aufieren Seite Binde- gewebskerne angetroffen werden (Fig, 8, K), so dafi es oft scheint, als bestehe ein allmahlicher tfbergang von der Membran in das Bindegewebe. Dieser Befund wie die immer scharf sich abhebende Grenze der Innenseite der Membran lassen darauf schlieBen, daC diese Membran als eine Absonderung oderBildung von Zellen des aufien belegenen Bindegewebes und nicht von der inneren Stiitzsubstanz her entsteht, wie Vignal ^) fur „die dritte Scheide" (la troisieme gaine) bei Lumbricus, welche dem Perineurium der Myzostomen teilweise annalog scheint 2), be- hauptet. — Die Membran ist gewohnlich am dicksten auf der dor- salen Seite und zeigt dort auch ofter, namentlich bei M. Graffi eine eigentiimliche Struktur, insofern als sie, wie ich fruher ge- zeigt habe^), in ihrem auBern Teil aus Feldern besteht, welche sich mit Karmin abwechselnd dunkler und heller farben. — Von dieser auCern Membran gehen unvollstandige Septa (Fig. 8, s) in die Masse des Bauchstranges hinein , bildeu auf diese Weise ver- schiedene Segmente und trennen die einzelnen Gruppen von Gang- lienzellen. Ahnliche Septen finden sich bei Hirudineen, Krustazeen und anderen Tieren , — auch Vignal beschreibt dieselben bei Lum- bricus als von „la troisieme gaine" entspringend. — Die Stiitzsubstanz oder das innere Neurilemm. Der Raum zwischen dem Perineurium und den Nervenele- menten (Ganglienzellen , fibrillaren Langs- und Querkommisuren, intermediarem Nerv) ist von einem retikularen, zum Teil geschichteten Bindegewebe erfiillt, welches ich als „inne- res Neurilemm" bezeichnen werde. Zwar ist das, was friihere 1) YiGNAL, ,3ech. hist. s. 1. centres nerveux de quelques inver- tebres". Arch. zool. exp. Ser. 2. Tom. I 1883. 2) Clapaeede in seinen „Unter8uchungen iiber den Regenwurm" (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1869) leitet im Gegensatz zu Vignal diese Scheide von den auSen liegenden Schichten, in welchen die Muskeln liegen, her. ■ — 3) 1. 0. pag. 27; Taf. IX, Fig. 2 und 2a. 288 Fridtjof Nansen, Autoren inneres Neurilemm genannt haben , niir ein Teil dessen was ich darunter verstehe, doch habe ich der Einfachheit halber den Namen fiir das Ganze adoptirt. — Das innere Neurilemm kann sehr verschiedeii stark entwickelt sein, besonders wichtig erscheint es bei M. Graffi ^). Das innere Neurilemm dient, wie gesagt, als Stiitzsubstanz, indem es alle Zwischenraume zwischen den Nerven- elementen ausfiillt und kanu in vieler Beziehuiig mit der Neuroglia der Wirbeltiere verglichen werden. In dem retikularen Gewebe finden sich zahlreiche Kerne eingestreut ^), welche an GroCe und Ansehn den Bindegewebskernen des Korperparenchyms sehr ahn- lich siud. Zwar glaubte ich zwei Arten von Kernen unterscheiden zu konuen, groBere, welche sich schwacher farbten, und kleinere, welche sehr stark Farbe aufnahmen^); jedoch scheint dieser Un- terschied kein ganz feststehender zu sein. — Die Kerne sind stets in den Fibern des Gewebes oder in den Knotenpunkten, wie in der Mitte der Maschen gelegen und treten besonders zwischen den Ganglienzellen , oft rings um denselben auf *). — Das innere Neurilemm versieht die Ganglienzellen und zum Teil auch deren Fortsatze mit B indegewebskapseln oder Hullen, welche verhaltnismaBig stark sind und bei An- wendung besonderer Farbemethoden (besonders mit Osmiumsaure und Hamatoxylin) sehr deutlich hervortreten. — Diese Kapseln mit ihren Verzweigungen sind es auch, welche, wie ich glaube, oft zur Beschreibung multipolarer Ganglienzellen Veranlassung gegeben haben. — Mit ahnlichen Hullen oder Membranen sind auch die fibrillaren Stamme (.Langs- und Querkommissuren, intermediarer Nerv u. s. w.) verse hen. — Diese Membran der fibrillaren Stamme wird also identisch sein mit der „innern Kapsel", welche Hermann •^) bei Hirudo beschrieben hat, nur ist zu betonen, daB ich dieselbe als einen Teil meines inneren Neurilemms be- trachte. — Von dieser Membran gehen auch zuweilen freie Septen in das Innere der fibrillaren Langskommissuren hinein, namentlich sind dieselben dort deutlich zu konstatieren, wo groBere periphere Nerven entspringen ^) oder wo starkere Biindel von Ganglienzell- 1) Nansen, 1. c. Taf. Y, Fig. 10. 2) Nansen, 1. c. Taf. V, Fig. 8, 9, 11, 12, 15, B, auch Fig. 4—7; Taf. IX, Fig. 4, 5. 3) Nansen, 1. c. Taf. V, Fig. 11, B' u. B und Fig. 12. — 4) 1. c. Taf. IX; Fig. 8 a'. - 5) Heemann, „Das Centralnervensystem von Hirudo raedicinalis". Miinchen 1875. pag. 28. 6) Nansen, 1. c. Tuf. V, Fig. 16, g; pag. 28. Anatomie iind Hisioiogie des Nervensystemes der Myzostomen. 289 fortsatzen hineintreten, — In diesen Scheidewanden sind gewohn- lich einige, wenn audi nur wenige Bindegewebskerne belegen, und somit erklart es sich, daC solche Kerne audi ofter scheinbar in der fibrillaren Masse gefunden vverden. — Da die sogenannte „Bindege"webssubstanz" im Bauchstrang der Oligochaten ganz dasselbe Gebilde wie main inneres Neurilemra zu sein sclieint, so dilrfte es vielleicht niclit ohne Interesse sein, hier an einige Bemerkungen Vejdovsky's 0 zu erinnern. — Nach ihm wird das „innere Neurilemm" einzig und allein von den ner- vosen Elenienten abgesondert , doch sagt Vejdovsky uiclits Be- stimmtes dariiber, wie er sich diese Entstehung denkt. — Er aufiert sich nur dahin , daC „das Maschenwerk der Bindesubstanz zwischen den Ganglienzellen keinesfalls aus dem „Neurilemm'"-^) abstammt, sondern aus den urspriinglichen Ganglienzellmembranen entsteht". — Wie aber die Entstehung dieser Membranen zu denken ist, und wie man sich eigentlich die Entstehung des erwahnten „Neurilemnis" vorzustellen hat, wird nicht errortert. Werden vielleicht, seiner Auffassung nach, die Zellmembranen von dem Protoplasma der Ganglienzellen abgesondert, entsteht dann die Bindesubstanz durch Absonderung aus diesen Membranen, und wird endlich das sogenannte „innere Neurilemm" wieder durch Absonderung aus dieser Substanz gebildetV Dann allerdings muB ich seine Auffassung durchaus bestreiten, zumal mir seine Grtinde nur wenig iiberzeugend scheiuen. — Ich fasse das von mir beschrie- bene „innere Neurilemm" als ein besonderes Gewebe auf, welches von besonderen bindegewebsahnlichen Zellen gebildet wird , deren Kerne zahlreich im Bauchstrang vorkommen, sowohl zwischen den Ganglienzellen, wie auch in der „Punktsubstanz", jedoch in letzterer nur sparsam. — Von diesen Zellen werden die Kapseln der Gang- lienzellen wie auch die Membranen der fibrillaren Kommissurstiimme gebildet. — Sollte indessen Vejdoyskt meinen, daB die Stiitz- substanz denselben Ursprung wie die Ganglienzellen hiitte , dafi also beide ektodermale Gebilde waren, dann allerdings wurde ich sehr geneigt sein, mich seiner Ansicht anzuschlieBen, obgleich ich noch nicht wage, eine bestimmte Behauptung dariiber zu formu- lieren. — Zwar habe ich bei den Myzostomen, wie Vejdovsky bei 1) Vejdovsky: „Sy8tem und Morphologie der Oligochaten." Prag, 1884. 2) „Neurilemm" hier ist also nicht identisch mit dein, was ich ,, inneres Neurilemm" nenne , dagegen ist es dem oben beschriebenen Perineurium entsprechend. 290 Fridtjof Nansen, den Oligochaterj, gefunden , daC diese Verhaltnisse auch bei den Individuen derselben Art maunigfaclien Verilnderungen unterliegen, docli durfte dies kaura auffallcnd erscheinen, wenn wir uns erinnern, daC auch die Entwickluug des ganzen Nervensystems bei ver- schiedenen Individuen^) stark abweichend sein kann und Ver- haltnisse zeigt, welche von dem Alter des Tieres nicht unabhiingig sind. — Ich glaube, daB die hier geschilderten Verhaltnisse raehr allgemeiner Natur und bei vielen Tiergruppen wiederzufinden sind, wenn auch mehr oder minder kompliziert oder differenziert, Wenn man die Literatur durchmustert, muB es gewifi auf- fallen, welche Verwirrung bis jetzt in der Beschreibung der ver- schiedenen Schichten der Neurilemmscheide herrschte, da nur wenige Autoren bezuglich der Darstellung derselben tibereinstimmen. — Im ganzen genommen, kann man sagen, daC die Neurilemmscheide der Myzostomen mit der bei den Anneliden (vielleicht den Ver- mes) und Arthropoden gewohnlich beschriebeneu iibereinstimmt. — Das Neurilemm und die Stiitzsubstanz der Krustazeen, von Yung ^), Keieger und Vignal ^) eingehend studiert, sind denjenigen der Myzostomen ziemlich ahnlich , nur muB ich hervorheben, daB mir, trotz Leydig's*) und Vignal's bestimmter Behauptung be- ziiglich der Krustazeen, doch bei den Myzostomen die aufiere derbe Scheide von dem auBen gelegenen Bindegewebe abzustammen scheint. — Bei den Pyknogoniden ist zwar dies Verhalten noch nicht eingehender untersucht worden, immerhin aber scheint es nach den Beschreibungen Dokrn's ^) und Hoeck's*^) wahrscheinlich , daB dasselbe doppelte Neurilemm auch hier vorhanden ist. — Das Neurilemm der Arachniden ist von Schimkewitsch ^) beschrieben worden, und soweit ich seine Beschreibung verstanden habe, scheinen auch bei ihnen ahnliche Verhaltnisse vorzuliegen. — Bei Peripatus hat schon Balfour^) ein doppeltes Neurilemm beobachtet. — Trotz 1) Siehe oben: „UnregelmaBigkeiten im Bau d. Nervensystems". 2) Yung : „Eech. s. 1. structure ect. du systeme nerveux central chez les Crustacees decapodes". Arch. Zool. expcrim. T. VII. 1878. pag. 427. 3) 1. c. pag. 314. 4) Letdig : „Handbuch der vergleichenden Histologic." 5) Dohen: „Die Pantopoden des Golfes von Neapel". Fauna und Flora d. Golf. v. Neapel. III. Monogr. 1881. 6) Hoeck: Zoolog. Challeng Exped. Part III. 7) Schimkewitsch: „Anatomie de 1' Epeire." Ann. Sc. nat. T. XVII. 1884. 8) Balfoue: „The anat. a. developm. of Peripatus capensis". Quart. Joum. Micr. Sc. Vol. XXHI. 1883. Anatomie und Histologie des Nerven system es der Myzostomen. 291 der verschiedenen Darstellung des Neurilemms der Hirudineen ^) Kcheiiit doch aucli hier dieselbe Duplizitat vorlianden zu sein, wie sie bei vielen wabren Chatopoden festgestellt worden ist. — Dafi auch die Mollusken ein ahnliches Verhalten zeigen, glaube ich aus den Bcschreibungen Vignal's ^) und Bela Haller's ^) schlielJen zu konnen. Vignal beschreibt Bindegewebszellen zwischen den Ganglienzelleu und spricbt in den Worten: „Je pense que ces cellules sont une forme simplifiee des cellules araigu6es des centres nerveux des nianimiferes ," seine Auffassung dahin aus, daB diese Gebilde den Neuroglia-Zellen der Wirbelticre gleichzusetzen seien. — Haller bat deutlich gezeigt, daB die Ganglienzelleu von dem Neurilemm verseben werden. Die peripberen Nerven baben dasselbe doppelte Neuri- lemm wie der Baucbstrang. Das a u B e r e Neurilemm, der „primaren Scbeide" Hermann's eutsprecbend , ist eine direkte Fortsetzung des Perineuriums des Baucbstranges und umbuUt die Nerven als eine verbaltnismafiig starke Membran (Fig. 14 und 15), auf deren auBerer Seite, namentlicb in den feineren Nervenasten, oft starke Anbaufungen von Bindegewebskernen zu bemerken sind. — Das innere Neurilemm, Hermann's „sekundare Scbeide", erscbeint als eine direkte Fortsetzung des inneren Neurilemms des Baucbstranges; es driugt in das Innere der Nerven ein und tragt dazu bei, denselben den von Hermann bei Hirudo bescbriebenen ge- facberten Bau zu geben, der aucb bei beinabe alien Evertebraten vorzu- liegen scbeint. — Das innere Neurilemm bildet bald starkere, bald scbwacbere Septen, welcbe sicb im Nerveninnern derart verzweigen, daB es mir in Wirklicbkeit nicbt gelang, zu konstatieren , wo die Verzweigungen dieses Neurilemms enden und wo die eigentlicbe Nervenstiitzsubstanz, das Spongioplasma, beginnt. — Icb neige der scbon von Hermann, Vignal u. a. ausgesprocbenen Ansicbt zu, daB eine jede Nervenfaser von feinen Neurilemmscheidewanden um- geben wird (siebe spater). — Die Ganglienmassen des Gehirns haben, wie scbon angefubrt wurde, keine besonderen Scbeidewande. Die einzelnen Ganglienzelleu liegen im Bindegewebe des Korperparencbyms ein- gebettet und sind mit einer besonderen Bindegewebsmembran ver- 1) Yergl. Letdig, Heemann, Hoffmann (Nat. Verb, der Holl. Maatsch. d. Vetensch. 3. D. IV. 1. Stiick. 1880), Vignal und Remy Saint-Loup (Ann. Sc. nat. T. XVIII. 1884) u. a. 2) 1. c. pag. 337. 3) Siehe spater. 292 Fridtjof Nansen, seben. Im vorderen Russelende bei M. Graffi wurde beobachtet, dafi die hier lagernden Ganglienzellen sehr oft in einer Vakuole belegen waren und jede mit einer Bindegewebskapsel verschen war ^). Diese direkte Einbettung der Ganglienzellen des Gehirns in das Korperparenchyra ist es, welche niich bezliglich des Urspriings der Bindesubstanz des Nervensystenis stutzig macht. — Gehirn und Schlundring sind ziemlich hoch ditierenziert und weit vom Ektoderm entfernt. Kann man nun annehmen, dafi die Binde- substanz durcli Degeneration verloren gegangen ist ? Oder war sie nie vorhanden ? Oder kann man hieraus scblieCen, dafi Gehirn und Schlundring aus dem Bindegewebe des Korperparenchyms und nicht aus dem Ektoderm entstehen ? Frageu, auf welche eine befriedigende Antwort zu geben jezt kaum moglich ist. Ganglienzellen. Im Bauchstrang zeigen die Ganglienzellen eine sehr verschiedene GroBe , und es finden sich , wie ich in meiner Arbeit ausfiilirlich gezeigt habe^), neben sehr kleinen Zellen auch einige auftallend groBe. Auch von Wagner hat dies beobachtet und teilt die Ganglienzellen je nach ihrer Grofie in zwei Gruppen ein: „in groCe und kleine" =*), zwischen denen sich jedoch nach meiner Er- fahrung hiiufig Ubergangsformen finden. — Wenn dann von Wagner welter sagt, daC er „die ersteren stets auf die ventrale Flixche der Bauchganglienmasse beschrankt" fand, so kann ich ihm darin nicht ganz beistimmen, wenigstens habe ich bei den von mir untersuchten Arten groBe Ganglienzellen sowohl ventral wie dorsal in dem mittleren Langsraum zwischen den beiden Liingskommissuren ge- funden. Bei M. giganteum und M. gigas war, wie schon erwahnt wurde, ein Paar sehr groBer Zellen sogar regelmafiig in dem Raurae zwischen den groCeren Querkommissuren vorhanden (Fig. 1, g z.") *), wahrend auch auf der ventralen Seite groBe Zellen auftreten (Fig. 8, d.). — Zwar ist bei M. Graffi die Anordnung der groBen Zellen minder regel- mafiig, doch sind sie auch hier zum Teil dorsal gelegen ^). — v. Wagner fand fiir eine seiner groBen Zellen „eine Lange von r 1) Nansen, loc. cit. pag. 29, Tab. IV, Fig. 6 u. 7. 2) loc. cit. pag. 30. 3) loc. cit. pag. 45. 4) loc. cit. Tab. V, Fig. 11. — Tab. IX, Fig. 3, c^ Fig. 5, C. 5) loc. cit. Tab. V, Fig. 10. Anatomie und Histologic des NeiYen system es der Myzostomen. 203 0,03 mm bei einer Breite von 0,019 mm, wjihrend eine andere 0,019 mm in der Ljinge und 0,016 mm in der Breite mafi". — Da cinige der von mir untersuchten Myzostomenarten viel groBer sind als diejenigen, wel- che V. Wagner zu Gebote standen, so war zu erwarten, daC audi die GroBe ihrer Ganglienzellen eine bedeutendere ware ; und in der That ist dies der Fall. Wie ich friiher angegeben habe, beobachtete ich Zellen von 0,039 mm Breite und mit einera Kern, welcher 0,018 mm im Durchschnitt mafi (Kernkorperchen 0,005 mm). Die kleinen Ganglienzellen des Bauchstranges sind von sehr verschiedener GroCe; so fanden sich bei M. giganteum Zellen von nur 0,004 — 0,005 mm Breite, mit Kernen von demselben Durchmesser, wahrend sie doch gewohnlich groBer sind und eine Breite von 0,012 — 0,015 mm mit einem Kern von 0,008—0,011 mm Durchschnitt besitzen. — Die Kerne variieren minder in der Grofie als die Gang- lienzellen selbst. So fanden sich Zellen, welche 0,03 mm brcit waren und einen Kern von 0,009 mm besaBen, wahrend andere bei einer Breite von 0,014 mm Kerne von ungefahr demselben Durchmesser (also bis 0,014 mm) zeigten. — Kleiue Zellen des- selben Bauchstranges batten eine Breite von 0,008 mm und Kerne von gleichem Durchschnitt. In den kleinen Zellen erftillen die Kerne gewohnlich ganz das dem Auslaufer entgegengesetzte dickere Ende. — Die Ganglienzellen des Schlundringes und des Gehirnes sind mehr gleichartiger GroBe; bei M. giganteum z. B. waren sie im Durchschnitt 0,017 mm breit und besaCen Kerne von 0,008 mm Durchschnitt. Membran der Ganglienzellen. v. Wagner scheint der Ansicht zu sein , daC den Ganglienzellen jegliche Hiillen fehlen, wenigstens sagt er beziiglich der groCen Zellen : „Eine Zellmenibran fehlt, ebenso eine umhullende Bindegewebskapsel/' und spricht da- mit eine Anschauung aus, welcher ich nicht beipflichten kann. — Vielleicht fehlt eine eigentliche Zellmembran (?), eine Bindege- webskapsel dagegen ist vorhanden , da sowohl grofie wie kleine Zellen von dem inneren Neurilemm oder der Stiitzsubstauz mit einer solchen versehen werden. — Struktur der Ganglienzellen. — Das Zellplasma hat eine feine, spongiose oder fibrillare Struktur. Auf Querschnitten zeigt es allerdings ein feinmaschiges Aussehen, welches von der Zellsttitzsubstanz (S p o n g i o p 1 as m a) 0 5 herriihrt. Diese Stiitzsub- stauz bildet aber meiner Meinung nach nicht ein spongioses Geriistwerk, 1) Letdig: „Zelle und Gewebe." Bonn 1885, pag. 165. 294 Fridljof Nansen, zwischen desseii Maschen sich das weiche Hyaloplasma, — die Nervensubstanz ini eigentlicheii Sinne — diffus ausbreitet, wie Letdig meint, sondern scheint mir mehr oder minder voll- kommene Rohren zu bilden, durch weiche das Hyaloplasma zum Teil in Strange isoliert wird. Namentlich scheint dies der Fall zu sein in dem Auslaufer, welcher auf Langsschnit- ten eine , wenn auch sehr schwache , so doch deutliche Langs- streifung erkennen laCt. — In der Zelle selbst ist eine Kon- vergenz der Fibrillen gegen die Auslaufer hin leicht zu kon- statieren, jedoch ist das wahre Verhiiltnis sehr schwer klarzustellen. — Das Zellplasma zeigt zwar auf Querschnitten ein ganz spon- gioses Aussehen, allein in eiuer durch Mazerationsfliissigkeiten iso- lierten Ganglienzelle erscheint dasselbe mehr fibrillarer Natur. Eine definitive Behauptung will ich bei dieser Gelegenheit iiber diesen Punkt nicht aufstellen, sondern behalte mir vor, spilter nach um- fassenderen und eingehenderen Untersuchungen darauf zuriickzu- kommen ; nur so viel will ich noch dariiber bemerken, daB die deut- liche Konvergenz der Fibrillen gegen die Austrittsstelle des Aus- laufers hin auch fur eine mehr fibrillare und minder diflfus-spon- giose Struktur des Hyaloplasmas zu sprechen scheint ^ ). v. Wagner sagt, „das Zellplasma ist vorwiegend auBerst feinkornig, oft indessen auch homogen", welchen Unterschied ich an mehreren Ganglienzellen nicht gefunden habe. — Die Kerne, weiche beziiglich ihrer GroBe, wie oben gesagt wurde, nicht so stark wie die Zellen variieren, zeigen gewohnlich eine ganz deutliche, kornige Chromatinstruktur und besitzen ein, zuweilen auch mehrere Kernkorperchen. — In eiuigen Fallen habe ich eine direkte Kernteilung beobachtet (Fig. 13) , da der Kern sich, wie es scheint, nur durch eine Ver- langerung und Abschniirung teilt. Dieser Kernteilung folgt wahr- scheinlich auch eine Zellteilung, wenigstens glaube ich eine Tendenz dazu ofter bemerkt zu haben. — Die Kern- und Zellteilung im Nervensystem uberhaupt und in demjenigen niederer Tiere besonders ist ja nur wenig bekannt; immerhin erscheint es nicht unmoglich, 1) Es muB hier bemerkt werden , daB die Beschreibung der Struktur des Ganglienzellprotoplasmas in meiner friiheren Arbeit in- sofern angefochten warden konnte, als sie sich zum Teil auf die groRen Zellen in den FuB- oder Parapodiondriisen bei M. (Jraffi stiitzt. — Jedoch stimmen , was das vorliegende Problem betrifft, diese Zellen so yollstiindig mit den Ganglienzellen iiberein , daB an der Be- schreibung nichts Wesentliches geandert zu werden braucht. — Anatomie und Histologic des Neryensystemes der Myzostomen. 295 da6 ein derartiger Teilmodus Kegel ist, wenigstens bei niederen Tieren. Form der Ganglienzellen. Von Wagner sagt, daB die groCen Ganglienzellen stets multipolar und auch die kleinen haufig multipolar sind. Das stimmt nicht mit meinen Beobachtungen uberein , da ich, auf sie gestiitzt, als gewohnliche Form und als Grundform die unipolare Zelle hinstellen mufi. — Namentlich habe ich , soweit meine Un- tersuchungen gehen, die groCen Zellen ausgepragt unipolar ge- funden. — Unter den kleinen Zellen wurden mit Sicherheit multl- polare Formen konstatiert. — Vorwiegend fanden sich dieselben in dem hinteren Telle des Gehirns, welcher meiner Ansicht nach dem so- genannten „sympathischen" Teil des Gehirnes vieler Anneliden gleichzustellen ist, wahrend im Bauchstrang nur wenige Zellen mit Sicherheit als multipolar nachgewiesen werden konnten. — Trotz dieser meiner ziemlich negativen Resultate beziiglich der multi- polaren Ganglienzellen ^) mochte ich doch die so bestimmt ge- machte Angabe v. Wagner's nicht geradezu verneinen. Vielleicht liiCt sich dieselbe erkliiren , wenn man bedenkt , daC die von mir beschriebenen Bindegewebskapseln mit ihren Verzweigungen und anastomosierenden Scheidewanden leicht den Zellen ein multi- polares Aussehen geben konnen (Fig. 13) , und wenn man sich er- innert, daB von Wagner diese Bindegewebskapseln nicht gesehen hat. Wie die Antwort auf diese Frage auch ausfallen mag, so mufi ich doch annehmen, daB jede Ganglienzelle, ob unipolar oder multipolar, nur einen, wirklich nervosen Auslaufer be- sitzt. Haben die Ganglienzellen mehrere Auslaufer, so sind die- selben bei Wirbellosen wie bei Wirbeltieren als sogenannte proto- plasmatische Auslaufer aufzufassen, deren Funktion meiner Ansicht nach darin besteht, fiir eine bessere Ernahrung der Zelle Sorge zu tragen. — Da nun die Mehrzahl der Ganglienzellen in der Stiitzsubstanz auCerhalb der fibrillaren Masse der Kommissuren (Leydig's Punktsubstanz) gelegen ist und stets von Nahrungs- flussigkeit umspult werden kann, so finden sich hier gewohnlich unipolare Zellen, wahrend die wenigen in der fibrillaren Substanz 1) Auch Beard hat multipolare Ganglienzellen beschrieben. 296 JFridtjof JS'ansen, gelegenen Zellen dagegen stets multipolar sind ^). Wenn man die Frage aufwirft, wie ich diese meine Auffassung der Ganglienzellen stiitzen kann, und warum ich verneine, dafi die protoplasmatischen Ausliiufer die Korrespondeuz zwischen den einzelnen Zellen ver- mitteln , so lautet meine Antwort folgendermaCen. Erstens habe ich mich nie von der Verbindung zweier Ganglienzellen durch ihre Ausliiufer iiberzeugen konnen ; sollte dies aber dennoch der Fall sein , so mufi ich in erster Linie die Gegenfrage aufwerfen, wie daun eiue Korrespondenz zwischen den uuipolaren Zellen zustande kommt, und wie es ferner zu erklaren ist, daB das Vorkommen der multipolaren Zellen ein verschiedeues ist; denn bisweilen treten sie in einzelnen Tiergruppen, Gattungen oder Arten ungemein zahlreich auf, wahrend sie bei nahe verwandten Tieren in verschwindend kleiner Zahl vorhanden sind ^). LaCt dieses Verhalten auf eine so wichtige Funktion der protoplasmatischen Auslaufer schlieCen, und kann man annehmeu, dafi eine solche Ver- bindung so ganz nach Behebeu abgebrochen werden kann? Oder giebt dieses Verhalten nicht vielmehr eine gute Stiitze ab fiir meine Auffassung? Wie bekannt, hat Golgi 2) in Pavia schon liingst dieselbe Auffassung fiir das Nervensystem der Saugetiere ausgesprochen, Meine eigenen Untersuchungen iiber das Nerven- system niederer Wirbeltiere, besonders der Myxine, haben mich zu gleichen , bemerklichen Resultaten gefiihrt, welche ich demnachst in einer besonderen Arbeit , von Bergen's Museum herausgegeben, zu veroffentlichen gedenke. Meine Praparate , welche durch be- sondere Farbemethoden (Golgi's Chrom-Silbermethode) diese Re- sultate so klar demonstrierten, daB sie meiner Meinung nach keinen Zweifel aufkommen lassen , zeigen , dafi von einer Korrespondenz der Ganglienzellen durch die protoplasmatischen Auslaufer bei den untersuchten, und allem Anscheine nach dann auch bei alien Wirbel- 1) Ein ahnliches Yerhalten zeigt sich auch im Gehirn der As- zidien, wie ich feststellen konnte. (Ann. a. ^fag. of Nat. Hist. Vol. XYIII. pag. 215. 1881, und „Bergens Museums Aarsberetning fiir 1885. pag. 62 und 63). 2) Ihre Anzahl kann sogar bei Individuen derselben Art sehr verschieden sein. Yon Interesse sind hier einige AuBerungen Yej- dovsky's (1. c. pag. 89) bei der Besprechung von Dendrobaena rubicula: „Bei einzelnen Individuen dieser Art kommen zwar die unipolaren Ganglienzellen namentlich in den hinteren Korpersegmenten in der groBten Anzahl vor ; dagegen findet man andere Exemplai'e von Den- drobaena, wo die Ganglienzellen nur multipolar sind. 3) GoLGi's Arbeiten siehe Anfaug. Anatomie und Histologie des JSTervensybtemes der MyiJostomen. 297 tieren keine Rede sein kann. Diese Thatsaclien mit dem oben Ge- sagteu im Verein diirften wobl geniigen, meine Behauptuiig, dafi ein ahuliclies Verhalteu sich audi bei den Wirbellosen finde, zu be- griiudeii. Die F rage, wiedanndieVerbindung zwischen den Ganglienzellen hergestelltwird, werde ich spater beantworteu. Vorber diirfte es sich empfelilen, den Verlauf der wirklich nervosen Auslaufer oder, wie ich sie der Kiirze halber nennen werde : der Nervenauslaufer, zu verfolgen, nachdem sie die Zellen verlassen habeu. — Die Nervenauslaufer ]assen sich in zwei verscbiedene Gruppen einorduen. Diejenigen der einen Gruppe durchlaufen die fibrillare Masse des Zentralnervensystems und treten in einen peripheren Nerveu ein, dort jeder eine Nervenfaser, oder besser einen Nerveuzylinder bildend (Fig. 12). Diejenigen der anderen Gruppe losen sich, anstatt die fibrillare Masse zu durch- setzen, in ihr durch Verzweigung in zablreicbe Fibrillen auf und tragen zur Bildung des spater zu beschreibenden Fibrillenge- flechts bei (Fig. 11). — Je nachdem die Nervenauslaufer der ersten oder zweiten Gruppe augehoren, lassen sich zwei Typen von Ganglienzellen unterscheiden : erstens solche, deren Aus- laufer direkt periphere Nerveuzylinder bilden, und denen ich den Namen zylinderbildende Ganglienzellen oder mo- torische Ganglienzellen beilegen mochte (warum ich den letzteren Namen wahlte, werde ich spater begriinden); zweitens solche Ganglienzellen, deren Auslaufer sich in dem zentralen Fibrillen- geflecht auflosen , und welche ich geflechtsbildende oder sensitive Ganglienzellen nennen werde. Die motorischen Ganglienzellen liegen vorwiegend dorsal (Fig. 8, a, b, c, f), die sensitiven dagegen vorzugsweise ventral (Fig. 8, e, z 3, d, z'^). Wie kommt nun zwischen diesen Zellen die Korrespondenz zustande? Fiir die geflechtsbildenden Zellen untereinander laCt sich eine Verbindung leicht denken, denn sie sind durch das Fibrillengeflecht inuig ver- bunden, anders aber stebt es mit den zylinderbildenden Zellen. Wie ich nun bemerkt zu haben glaube, geben die Nervenauslaufer dieser Zellen auf ibrem Weg durch die fibrillare Zentralmasse feine Seitenaste ab. An jeder Stelle, wo ein solcher Ast abgegeben wird, zeigt der Nervenauslaufer eine kleine seitliche Auftreibung, wie sie in Fig. 27 dargestellt ist. Durch diese Seitenaste wiirden also auch die zylinderbildenden Zellen mit dem zentralen Fibrillen- geflecht in Verbindung gesetzt, und daraus folgt, daC durch das Fibrillengeflecht eine Korrespondenz zwischen den N ervenausliiufern beider Ganglienzellentypen her- 298 Fridtjof Nansen, gestellt wird, also keine direkte Verbindung zwischen denGanglienzellen selbst besteht. — Wie ich spater ausfuhren werde , scheinen mir diese Verhaltnisse von groCtem Interesse fur die Bestimmung der physiologischen Bedeutung der Ganglienzellen zu sein. Die flbrillSre Masse (Letdig's Puuktsubstanz). Jeder, welcher sich nur ein wenig mit dem Studium der Histo- logie des Evertebratennervensystemes beschaftigt hat, wird zuge- ben, daC in der Streitfrage nach dem feineren Bau der fibrillaren Masse oder der sogeuannten LEYDia'schen Punktsubstanz das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Nachdem viele Autoren, wie Hermann 1), H. Schultze ^) u. a. Letdig's Darstellung bestritten haben, erscheint Leydig mit dem Buch: „Zelle und Gewebe'' (Bonn 1885) auf dem Plan, in welchem er seine friihern Be- hauptungen iiber die Punktsubstanz, allerdings modifiziert, dann aber sagt ^) : „Die jetzt nioglichen VergroBerungen lassen aber finden , dafi das ,,Streifige" von Langszugen eines schwam- migen Geriistes herriihrt und das „K6rnige" auf die Knoten- punkte eines feinen Zwischennetzes zu denken ist. Die Haupt- und Langsziige des Maschenwerkes rufen die Abgrenzung in ,,Fibril]en" hervor, aber zwischendurcli zieht ein zartes Schwamm- gefiige, in dessen Raumen die homogene, eigentliche Nerven- substanz enthalten ist. — Die „Fibrillen" Hermann's sind Teile des Geriistes, Haupt- oder Langsziige des Maschenwerkes, welches erst die eigentliche Nervensubstanz einschliefit". Diese AuBerungen eines hochverdienten Forschers sind so bemerkenswert , daC sie gewiB die groBte Aufmerksarakeit auf sich lenken miissen. — In jungster Zeit sind zwei bemerkenswerthe Arbeiten des ungarischen Forschers BiiLA Haller erschienen, auf welche ich jedoch, wie auf die iibrige Literatur, erst zuriickkomraen werde, wenn ich meine Befunde bei den Myzostomen dargelegt habe. Die periplieren Nerven. Der Einfachheit wegen soil zuerst die Struktur der Nerven besprochen werden. Die Nervenfasern, welche die periphereu Nerven 1) 1. c. 2) H. ScHUT.TZE : „Die fibrillare Struktur der Nervenelemente bei Wirbellosen". Arch. f. mikr. Anat. Bd. 16. 1879. 3) 1. c. p. 166. Anatomie und Histologie des Nervensystemes der Myzostomen. 29'J bildei), haben eine Rohrenstruktur ; sie bestehen aus eiuer inneren weichen Substanz, der eigentlichen , von Letdig Hyaloplasma ge- nannten Nervensubstanz, welcbe in Kanale oder Eohren einer der- beren Stiitzsubstanz, dem Spongioplasma Letdig's, eingeschlossen ist. Auf Laugsschnitten namentlich rait Osmiumsaure und Haenia- toxylin behandelter Pritparate zeigen die Nerven eine deutliche Langsstreifung (Fig. 14), welche durch die von dem Spongioplasma gebildeten Scheidewande dadurch hervorgerufen wird, dafi sie sich als starker gefarbt von dem heller gebliebenen Hyaloplasma gut ab- heben. — Dafi das Spongioplasma eine Rohre bildet, ist aus Fig. 14 a. leicht ersichtlich, welche einen gebogenen und dadurch halb quergeschnittenen Nerven zeigt, an welchem die schraggeschitteuen Rohren oder Kanale sich deutlich als Netz mit ovalen, langsge- streckten Maschen darstellt. — Ob diese Spongioplasmarohre nur eine Neurilemrabildung ist, wie Hermann in seiner ausgezeichneten Beschreibung des Nervensystems von Hirudo^) meint, oder ob es nicht wenigstens teilweise ein eigenes, durch Absonderung von den Nervenfasern entstandenes Gebilde ist, wage ich vorlaufig nicht bestimmt zu entscheiden. — Der Querschnitt eines Nerven (Fig. 15) laBt die intensiv gefarbten Spongioplasmarohren leicht erkennen; dieselben haben hier das Aussehn eines zusammenhangenden Netz- oder Geriistwerkes, welches den ganzen Nervendurchschnitt erfiillt, und welches mit den Maschen der Bindegewebssepten des Neuri- lemms (s) so innig verbunden scheint, dafi es sehr schwer zu sagen ist, wo das eine aufhort und das andere anfangt. Wie ich schon oben ausgesprochen habe, bin ich der Ansicht, daC sich das Neurilemm wirklich bei der Bildung der Rohren beteiligt. — Diese rohrenformigen Nervenfasern sind meiner Meinung nach den gewohnlichen Nervenfasern der Wirbeltiere gleich, nur ist zu be- merken, daJB die letzteren mehr difierenziert sind. Den von dem Spongioplasma umhullten Hyaloplasmastrang in der Nervenfaser der Wirbellosen mochte ich als „Nervencylinder" bezeichnen; der- selbe wiirde also das Homologon des Achsencylinders sein , wie schon Wagner 2), Waldeter 3), Letdig u. a. ausgesprochen haben. — Was den feineren Bau dieses Nervencylinders anbetrifft, so kann 1) loc. cit. pag. 51. — 2) Wagner: „Gottinger Nachrichten." 1850. N. 59. 2) Waldeyer : „Unter8uchungen iiber den Ursprung und den Ver- lauf des Achsencylinders bei Wirbellosen und Wirbeltieren etc.f. Zeitscbr. f. ration. Medic. 3 Keihe. XX 1863. M. XXI. N. V. XIV, .^Q 300 Fridtjof Nausen, ich nichts mit Sicherheit behaupten. — Auf Langsschnitten am Nervencylinder glaube ich eine sehr zarte Langsstreifung bemerkt zu haben, wie sie schon in den Auslaufern der Ganglienzellen zu sehen war (Fig. 17). Diese Streifung riihrt wahrscheinlich von einem sehr feinen Spongioplasmagefuge her, welches ich auf Querschnitten als ein zartes Netz gesehen zu haben giaube. Dieses Gefiige kann aber kaum einen so gauz schwammigen Bau haben, wie Leydig zu vermuten scheint, da es sonst schwerlich eine Langsstreifung hervorzubringen im stande sein wtirde, viel- mehr bin ich der Ansicht, daC es durch Bilduug sehr feiner Rohrchen dazu beitragt, das Hyaloplasma des Nervencylinders, wenn auch vielleicht nur teilweise, in auBerordeuthch feine Strange Oder Fibrillen zu spalten. Diese Fibrillen wurden den von Her- mann und ScHULTZE beschriebenen Primitivfibrilleu nahe stehen. — Nie ist es mir gelungen, mich von einer punktierten Be- schafiFenheit der Nerveufaserquerschnitte zu iiberzeugen; zwar zeigen die Nerven im Querschnitt stets ein punktiertes Aussehen, allein die dunklen Punkte finden sich racist nur in den Spongio- plasmascheidewiinden und lassen sich entweder als Knotenpunkte derselben, namentlich da, wo sich mehrere Scheidewande ver- binden, oder als geronnenes Hyaloplasma, welches an den Scheide- wanden anklebt, deutlich erkennen. — Zwar habe ich auch dunkle Punkte in dem Nervencylinder gesehen , jedoch waren dieselben so unregelmaCig , da6 ich es fiir wahrscheinlich halten muB, daB sie durch Gerinnung des Hyaloplasma entstanden sind. Die Nervencylinder zeigen eine verschiedene Dicke; so habe ich z. B. Nervencylinder von 0,001 bis 0,006 mm Durchmesser in demselben Nerven beobachten konnen. Die centrale Fibrillenmasse (Punktsubstanz der beiden Liings- kommissuren) setzt sich aus zwei Hauptbestandteilen zusammen: aus durch- laufenden Nervencylindern und einem durch die ganze Masse ausgebreiteten Fibrillengeflecht. Im Durchschnitt hat die Centralmasse ein ziemhch schwammiges Aus- sehen, aber bei naherer Untersuchung zeigt sich, daB dieses Aus- sehen demjenigen uberschnittener Nerven sehr ahnlich ist, nur dafi die Maschen des Netzwerkes viel feiner sind. — (Am besten lassen sich diese Verhaltnisse an einer Serie von Querschnitten durch die Ursprungsstelle eines Nerven untersuchen). — Ich Anatomie und Histologie des Nerveusystems der Myzostoiuen. 301 schlieBe nun, dafi die Maschen ebenso wie in den Nerven von den starker gefarbtenSpongioplasmascheidewanden herruhren und dafi dadurch audi hier das Hyaloplasma in Strange Oder Fibrillen isoliert wird. Der Verlauf der dickeren Strange, welche die durchlaufendeu Nervencylinder reprasentieren, ist oft leicht zu verfolgen, namentlich sind sie zahlreich auf Quer- und Horizontalschnitten nach den Abgangsstellen der Nerven ver- laufend zu beobachten. — Sie kommen von Ganglienzellen oder von den Querkommissuren her und gelien entweder durch die Langskommissuren in die Nerven binein oder lassen sich die ganzen Langskommissuren entlang verfolgen und treten danu oft in geringer Zahl in die Schlundkommissuren ein. — Diese letz- teren Nervencylinder finden sich besonders zahlreich auf der inneren dorsalen Seite jeder Liingskommissur vereinigt (Fig. 1) und sind von auffallender Dicke, wodurch sie auch auf Quer- schnitten leicht erkennbar werden (Fig. 8 Ic.) ^). Eine geringere Zahl dunnerer, langsverlaufender Nervencylinder finden sich auf der auBeren Seite jeder Langskommissur in gleicher Hohe mit den Ursprungszellen der peripheren Nerven (Fig. 1). — Die Bedeutung der langsverlaufenden Nervenglieder ist augenscheinlich dieselbe wie diejenige der langslaufenden Nervenfasern im Riickenmark der Wirbeltiere. — Zwischen den durchlaufenden Nervencylindern und in der gesamten centralen Masse breitet sich ein machtiges Ge- flecht feiner Cylinder oder Fibrillen aus. Dieselben bilden jedoch, wie ich oben ausfuhrte, kein wirkliches Netzwerk, sondern ein kompliziertes Geflecht; daB sie wie ein Netzwerk aussehen, ver- ursacht die Farbung des Spougioplasma. Die Fibrillen, welche dieses Geflecht bilden, sind zum Teil Seitenaste der- jenigen Zell enauslaufer, welche direkt in periphere Nervenglieder iibergehen, zum Teil Zweige der- jenigen Zellenauslauf er, welche sich ganzlich in diesem Geflecht auflosen, zum Teil endlich — wie ich spater zeigen werde — Wurzeln derjenigen Nerven- fasern, welche aus diesem Geflecht entspringen. Der Ursprung der peripheren Nervencylinder ist von zweierlei Art. Entweder gehen sie direkt von den Ganglien- zellen aus und sind, wie oben beschrieben wurde, eine direkte Fortsetzung der Nervenauslaufer oder 1) Nansen, 1. c. Tab. V, Fig. 10, 12 d; 16 und Tab. IX, rig. 4 It. 20 302 Fridtjof Nansen, sie entspringen nur in dem Fibrillengeflecht (Fig. 8, pc), indem mehrere Fibrillen des Geflechtes sich zu einem peripheren Nervencylinder vereinigen. Die erste Art von Nervencylindern entspringen, wie es scheint, vorzugsweise dorsal von den dort gelegenen Ganglienzellen, wahrend die zweite Art ihren Ursprung vorzugsweise ventral nimmt (Fig. 8). — Die Nervenfasern der Nerven teilen sich bei ihrem Eintritt in die Fibrillenmasse der Langskommissuren allem Anschein nach in zwei Hauptbundel, ein dorsales und ein ventrales; es kann also auch hier von dorsalen und ventralen Nervenwurzeln gesprochen werden, wie sie Hermann fiir Hirudo beschrieben hat. Die mehr dorsal entspringenden Nervencylinder will ich als moto- rische, die mehr ventral entspringenden als sensitive Nervencylinder bezeichnen. Zum SchluB moge es mir noch gestattet sein, mich mit eiuigen Worten iiber den Bau der intermediaren Nerven zu aufiern, zumal derselbe von besonderem Interesse ist. — Der intermediare Nerv besteht aus einigen wenigen groben langs- laufenden Nervencylindern, die durch eine starke, bindegewebs- ahnliche Masse getrennt und umschlossen sind. Septen, sowohl als Scheide werden namenthch von innerem Neurilemm gebildet. — Hier und da geben die Nervencylinder in einer Seitenkommissur zarte Aste ab, welche sie mit dem Fibrillengeflecht der Langs- kommissuren in Verbindung setzen. — Diese Aste haben die ge- wohnlichen Rohrenstruktur der Nervenfasern ; jeder derselben steht nur mit einem Nervencylinder der intermediaren Nerven in Ver- bindung, was namentlich auf Querschnitten leicht zu beobachten ist (Fig. 16). Diese Nervencylinder der intermediaren Nerven konnen als ein sehr gutes Beispiel dienen, um zu zeigen, dafi Nervencylinder keinen isolierten Weg durch das centrale Nervensystem zurucklegen, sondern, daC sie dort, wo sie nicht durch das fibrillare Geflecht gehen, durch Seitenaste mit demselben in Verbindung stehen. Anatomie und Histologic des Nervensystemes der Myzostomen. 303 Anhang. Allgemeine Betrachtungen iiber die Histologie des Centralnervensystemes im Tierreiche. Es sei mir gestattet, znm Schlufi eine kurze tJbersicht der- jenigen Resultate meiner Untersuchungen zu geben, welche an allgemeine Fragen iiber den Bau des Nervensystemes im Tier- reiche ankniipfen. — Obschon Leydig in seiner interessanten Arbeit: „Zelle und Gewebe" seiner Ansicht uber die verschiedenen Arten der Ganglienzellen und Nervenfasern der Wirbellosen an keiner Stelle ausdrucklich Worte leiht, so glaube ich ihn doch uicht miCverstanden zu haben, wenn ich annehme, daB auch er zwei Arten von Ganglienzellen wie von Nervenfasern bei Wirbel- tieren und bei Wirbellosen gefunden hat. — Bei der Besprechung des Nervensystemes der Wirbeltiere sagt er selbst^): „Die Fort- siitze der Ganglienkugeln gehen dort nicht unmittelbar in Nerven- fasern uber, sondern nachdem sie sich in fibrillare Punktmasse aufgelost haben, verschmelzen sie mit der molekularen grauen Substanz. Daneben kommt es aber auch so gut wie bei Wirbellosen vor, dafi einzelne Fortsatze von Ganglienkugeln sich sofort zum Achsency linder der markhaltigen Nervenfasern gestalten." Leydig scheint dabei die Meinung zu hegen, dafi die letzterwahnte Ursprungs- weise der Nervenfasern bei Wirbellosen nur sehr selten auftritt, und dafi nur die bei dem Austritt der Nerven peripherisch ge- legenen Ganglienzellen derartige Auslaufer haben. Auch Leydig's Ansicht iiber die Struktur der Punktsubstanz kann ich nicht ganz zustimmen; warum, soil spater naher erortert werden. — Un- gefahr gleichzeitig mit meiner Arbeit iiber die Anatomie der Myzostomen erschien eine sehr bemerkenswerte Arbeit Bj^la Haller's iiber das Nervensystem der Rhipidoglossen^), in welcher 1) loc. cit. p. 178. 2) B. Halleh : „TJntersuchungen iiber marine Rhipidoglossen II". Morph. Jahrb. XL 1885. p. 321—436, 304 Fridtjof Nan sen, dieser verdiente Forscher zu Resultaten gelangt, welche in mehreren Punkten mit den meinigen in iiberraschend schoner Weise iibereinstimmen. — ■ Wie ich schon an anderer Stelle er- wahnt habe^), hat audi Haller eine zweifache Ursprungsweise der peripheren Nervenfasern beobaclitet, entweder uumittelbar aus Ganglienzellen oder aus dem „Nervennetz", welche Beobachtungen sich mit meinen Resultaten '^) decken. — In anderen und zwar wichtigen Beziehungen stimmen aber die Ansichten Haller's nicht mit den meinigen iiberein. tJber die Struktur der Punkt- substanz ist Haller zu einer anderen Auffassung gelangt als ich, wenn er ein retikulares Fibrillennetz beschreibt, in welchem die Verzweigungen der Ganglienzellenauslaufer und die Ver- astelungen der Fibrillen anastomosieren und wirkliche Maschen bilden, so daB ein zusaramenhangendes, schwaramiges Netzwerk entsteht, welches sich durch die ganze fibrillare Masse hindurch ausbreitet. — Vergleicht man jedoch die aufierst sorgfaltigen Ab- bilduugen Haller's^) mit denjenigen von Letdig^) und von mir^), daiin ist leicht ersichtlich, dafi das, was Haller als Fibrillennetz beschreibt, von Leydig und mir als Spongioplasmagebilde auf- gefaBt wird. Drei verschiedene Beobachter haben demselben Ge- bilde drei verschiedene Deutungen gegeben. Auch was die Ent- stehung dieses Gebildes (Nervennetz Haller's, Geflechtwerk Nansen's) betriflft, stimmen Haller und ich nicht iiberein. — Nach Haller's Ansicht nehmen, mit Ausnahme derjenigen Aus- laufer, welche in Nervenfasern iibergehen oder mit denjenigen anderer Zellen anastomosieren oder korrespondieren, alle Aus- laufer der multipolaren Zellen an der Bildung dieses Nerven- netzes teil, eine Ansicht, welcher ich nicht beipflichten kann, welche jedoch, wie Haller erwahnt, schon Gerlach^) in seiner 1) Fr. Nansen : „Forelobig Meddelelse om Undersogelser over Centralnervensystemets histologiske Bygning hos Ascidierne samt hos Myxine glutinosa". Bergens Museums Aarsberetning for 1885, p. 76. Ibid. : „Preliminary communication on some investigations upon the histological structure of te central nervous system in the Ascidia and in Myxine glutinosa." Translated by W, S. Dallas, F. L. S. in: The Annals and Mag. Nat. Hist. 1886, p. 224. 2) Ibid. loc. cit. pag. 34 u. 75. 3) 1. c. Fig. 17, 36, 37 etc. 4) 1. c. Tab. VI, Fig. 132. 5) 1. c. Tab. IX, Fig. 4 u. 5. 6) J. Geklach: „Von dem Eiickenmark", in Steickee, „Handbuch der Lehre von den Geweben". Leipzig 1872, pag. 684. Anatomic und Histologie des Norvcnsystemes der Myzostomeu. 305 Besclireibung des Rlickenmarkes der Wirbeltiere ausgesprochen hat. — Der dritte Punkt, uber welchen Haller und ich ver- schiedeuer Meinuiig sind, resultiert aus seiner Behauptung, daC die Ganglienzellen durch direkte Anastomosen iu Verbindung stehen sollen. — Zwar babe ich meine Untersuchungen , die Histologie des Nervensystemes betreflfend, noch nicht auf Mol- lusken ausgedehnt, allein ich glaube annehmen zu diirfen, daB es sich hier um Verbal tnisse sehr allgemeiner Natur und Ver- breitung handeln muB, und daC ein SchluB vou den Verhaltnissen, wie ich sie bei den von mir untersuchten Tiergruppen gefunden babe, auch auf die Mollusken nicht zu gewagt erscbeinen kann. — Ich muC daher konstatier en , dafi in dem Nerven- system der von mir untersuchten Tiere keine Anastomosen beobachtet wurden, welche zweifellos und sicher als solche zu erkennen waren^). Was endlich die vielen von Haller beschriebenen Kernauslaufer betrifft, so will ich bemerken, dafi in einzelnen Fallen auch mir ahnliche Bilder vorgekommen sind, daB dieselben jedoch immer als durch optische Tauschung oder als kiinstlich hervor- gerufen erkannt wurden. — Vor kurzem ist nun abermals eine kurze Abhandlung Haller's^) erschienen, in welcher er seine friiheren Anschauungeu aufrecht erhalt und zugleich eine kurze Ubersicht iiber die an anderen Tiergruppen (Anneliden, Arthro- poden, Wirbeltiere) gewonnenen Resultate giebt. Uberall findet er Bestatigung seiner Ansichten, nur weichen das Nervensystem der Anneliden und Wirbeltiere einerseits von demjenigen der Mollusken andererseits insofern ab, als bei ersteren an dem Aufbau der Punktsubstanz auch ein bindegewebiges Netz Auteil nimmt, wahrend dies bei letzteren nicht der Fall ist, sondern die „Punktsubstanz ausschlieBlich von Fortsatzen der Ganglienzellen gebildet" wird. — Bei den Mollusken sind „aber sehr primiire Verhaltnisse, denn bei den Medusen nimmt Bindegewebe an der Bildung des Nervenringes ebensowenig wie bei anderen Colen- teraten Anteil". — Auch meiner Arbeiten tbut B. Haller Er- wahnung, und da er nach seiner eigeuen Angabe des Nor- 1) Nansen 1. c. pag. 63 — 64, 74 — 75. — Ann. and Mag. Nat. Hist. 1886, pag. 215—223. 2) B. Haller: „Uber die sogenannte LETDia'sche Punktsubstanz im Centralnervensystem". Morph. Jahrb. , Bd. XII, pag. 325 — 332, 1886. 306 Fridtjof Nansen, wegischen nur wenig kundig ist, hat er sich in den Hauptsachen an einen Brief gehalten, in welchem ich ihm uber die Punkte, beziiglich deren ich anderer Ansicht bin als er, kurz referierte. Leider tragt augenscheinUch die Kiirze meines Briefes Schuld, dafi B. Haller meine Ansichten iiber das centrale Geflecht und die Nervenauslaufer nicht ganz korrekt aufgefaCt hat, wie aus der spater folgenden Darstellung hervorgehen wird. — Ich will nicht tiefer in die sehr umfaugreiche Litteratur iiber das Nerven- system der Wirbellosen eindringen, wie dies schou oft und gut von anderen Autoren gethan worden ist, nur zwei Arbeiten mochte ich noch in Erinnerung bringen , weil die in denselben niedergelegten Resultate sich mit den meinigen decken. — SoLBRiG^ hat in dem Nervensystem der Gastropoden keine direkten Anastomosen zwischen zwei Ganglien- zellen beobachtet; auch haben nach ihm die Nervenfasern eine doppelte Ursprungsweise, entweder eine direkte, wenn sie unmittelbar von Zellauslaufern gebildet werden , oder eine in direkte, wenn sie aus einer granulierten , fein fibrillareu Masse entstehen, in welche sich die Auslaufer von Ganghenzellen auflosen, — Endlich will ich noch eiues Verfassers erwahnen, dessen Arbeiten gerade hier von groCtem Interesse sein miissen, namlich des hervorragenden Nervenhistologen Camillo Golgi^) in Pavia, dessen epochemachende Befunde gerade nicht so all- gemein bekannt zu sein scheinen, als sie verdienen. Was die 1) Solbkig: „tjber die feinere Struktur der Nervenelemente bei don Gastropoden". Miincheu 1870. 2) C. GoLGi: „Sulla fina anatomia degli organi centrali del sistemo nervoso (con 24 tavole)". Milano 1886. Ibid. : „Recherches sur I'histologie des centres nerveux." Arch. de Biol. T. Ill (1883), IV (1883) und VII (1886). Ibid. : „Sulla fina anatomia degli organi centrali del sistemo nervoso". Mem. prem. d. R. Istit. Lombardo. Rivista di Frenatria e di Medic, leg. Reggie Emilia 1883. Ibid. : .(Considerations anatomiques sur la doctrine des localisations gdn^rales" (Resum^ de I'auteur). Arch. Ital. Biol. T. II. — Gazetta degli Ospitali III, No. 61—64, 67, 69—72. Ibid. : „Origine du tractus olfactorius et structure des lobes ol- factifs de I'homme et d'autres mammuiferes". Arch. Ital. Biol. T. I, 1882, p. 454. Ibid. : „Suir origine centrale dei nervi. Giornale internaz. d. Scienze med. 1881, pag. 15. Ibid. : ,,Studi istologici sul midollo spinale". Arch. Ital. p. 1. mal. ncrv. 1881, pag. 155 — 165. Auatomic und Hisiologie des Nervensystemes der Myzostomen. 307 Feiiiheit, Zuverlassigkeit und Sclionheit der Untersuchungs- methoden Golgi's betrifft, so lassen dieselben alle bisher in der Nervenhistologie angewaudten weit hinter sich zuriick und haben infolgedessen auch zu so iiberraschenden Resultaten gefuhrt. — Ich habe das Gliick gehabt, Golgi's eigene Praparate einsehen zu konnen, welche mir bei meiner Anwesenheit in Pavia im Jahre 1886 mit groliter Liebenswiirdigkeit zur Disposition gestellt wurden. — Selbst habe ich dann die GoLGi'schen Methoden odor Modifikationen derselben bei verschiedenen Tieren rait groBem Erfolg angewandt, selbst bei einem so tiefstehenden Tiere, wie Myxine, erhielt ich im Gehirn und Riickenmark die deutlichsten Reaktionen und kann nur sagen , daB zur Zeit keine andere Methode auch nur annahernd soviel zu leisten imstande ist oder als Ersatz dieneu konnte. — Golgi's Befunde wurden namentlich von Livio ViNCENZi^) und Romeo Fucari^) bestatigt; letzterer hat auch kiirzhch sehr interessante Mitteilungen iiber seine Untersuchungen am Gehirn der Kuochenfische (Tinea vulgaris) 3) veroflfentlicht, welche ebenfalls Golgi's Anschauungen bestatigt. Struktur der Neryenfaser. Die Nervenfaseru, diinne und dicke, centrale und periphere, sind imraer als Rohrchen zu betrachten, welche aus einer auCeren, derberen Scheide oder Hulle und einer in dieser eingeschlossenen inneren, halbfliissigen, olartigen Substanz zusammengesetzt sind. Die Hiille besteht aus dem LEYDiG'schen Spongioplasma, die innere Substanz entspricht seinem Hyaloplasm a. In den markhaltigen Fasern der Wirbeltiere scheint noch ein dritter Bestandteil, das Mark, hinzuzukommen. Das Hyaloplasma zeigt meiner Auffassung nach sowohl bei Wirbelloseu wie bei Wirbeltieren (Achsencylinder) eine schwache Langsstreifung. Bei 1) L. ViNCENzi: „Sulla morfologia cellulare del midoUo allungato e istmo dell'encefalo". Mem. d. E. Ace. d. Sc. d. Torino, Ser. II, Tome XXXYII. Ibid. : „Note histologique sur I'origiue reelle de quelques neufs cer^braux". Arch. Ital. Biol., T. V, 1884, pag. 109. 2) R. FucAHi: „Suirorigine delle fibre nervose nel strato mole- colare delle circonvoluzioni cerebellari dell'uomo". Att. d. 11. Ace. d. Sc. d. Torino, Vol. XIX, 1883. 3) Ibid. : „Kicerche intorno alia fina anatomia dell'encefalo dei Teleostei". Boll. Sclent. No. 2, 1886. 308 Fridtjof Nansen, den gewohnlich angewandten Methoden (Chromsalz-Osmiumsaure- Behaiidlung etc. ; Karmin-, Hamatoxyliii-, Aiiilinfarben) farbt sich sowolil bei Wirbeltieren wie bei Wirbellosen vorzugsweise die Spongioplasniascheide der Fasern, wahreud das Hyaloplasma hell und ungefarbt bleibt. Daher zeigen audi die Querschnitte peri- pherer Nerven sowie centraler Fibrillenmasse , namentlich bei Wirbellosen, eine in die Augen falleude Netzstruktur, Denkt man sich viele soldier Rohrchen mit gefarbten Scheiden so dicht an- einander gelagert, dafi die Scheiden verschmelzen, dann muC auf deni Querschnitt eine netzformige Struktur, auf dem Langsschnitt eine Langsstreifung zu sehen sein, Denkt man sich nun aber ein filzartiges Geflecht solcher sehr feiner Rohrchen, dann muC ein Schnitt durch diese Masse ein Netzwerk zeigen , dessen Maschen den Durchschnitten der Rohrchen entsprechen, also ein Bild, wie es nach Leydig, Haller u. a. Schnitte durch die fibrillare Masse (Leydig's Punktsubstanz) des centralen Nerven- systems darbieten. Uber die Zuverlassigkeit dieser Verhaltnisse der Nervenfasern oder Rohren der peripheren Nerven wie der centralen librillaren Masse habe ich mich bei den nicht wenigen verschiedenen, von mir untersuchten Tieren so vollkomnien iiber- zeugen konnen, daC ich keine Zweifel mehr hegen kann. Zwar habe ich Mollusken bisher nicht in das Bereich meiner Unter- suchungen gezogen und kann mich daher nicht direkt gegen die von Halleu gegebene Beschreibung aussprechen , doch finde ich a priori keinen Grund, anzunehmen, dafi diese Tiere andere Ver- haltnisse darbieten sollten, wenn es auch nicht unnioglich er- scheint, daC ein inneres Bindegewebsnetz fehlt und iin groBen und ganzen primitivere Verhaltnisse vorhanden sind ; audi muB ich hervorheben, daB vielleicht das von Haller beschriebene Binde- gewebsnetz und das von mir beobachtete Spongioplasmanetz zwei verscliiedene Bildungen sein konnen i). Die fibrillare Masse (LeydiCt's Punktsubstanz) wird also nach meiner Auffassung bei Wirbellosen und Wirbeltieren weder von einer spongiosen Masse ira Sinne Leydig's, noch von einem retikuliiren Netz im Sinne Haller's gebildet, son der u von einem filzartigen, dichten Geflecht feinster Nervenfasern oderNerven- 1) Da6 auch bei Mollusken ein inneres Neurilem , dem von mir beschriebenen entsprechend , vorhanden ist, wenigstens in ihren peripheren Nerven, ist aus den Beobachtungen Vignal's (1. c.) u. a. leicht ersichtlich. Anatomie und Histologie des Nervensy^temos der Myzostomen. 309 rohrchen, in welchem viele durchl auf en de Ner ven- fasern, grobere und feine, hinzieheii. — An der Bildung dieses centralen Nervengeflechts beteiligen sicli , wie auch Golgi fur die Wirbeltiere gefunden hat, folgende Teile: 1) die Seitenfibrillen derjenigen Nervenfortsatze (der Ganglien- zellen des ersten Typus), welclie direkt in einen peripheren Nerven- oder Achsencylinder ubergehen; 2) die samtliclien Aste derjenigen Nervenfortsiitze (der Zellen des zweiten Typus), welche sich vollstandig in dem Geflecht auflosen ; 3) die Seitenfibrillen der peripheren Nerven- oder Achsen- cylinder, welche in der unter 1 angegebenen V/eise ent- springen ; 4) die Fibrillen derjenigen Nerven- und Achsencylinder, welche in toto aus dem centralen Geflecht entspringen ; und endlich 5) die Seitenfibrillen der langsverlaufenden, centralen Nerven- oder Achsencylinder, wie der im intermediaren Nerven verlaufenden. Die Ganglienzelle. Die von Golgi gemachten diesbeziiglichen Beobachtungen glaube ich in ihren Hauptzugen sowohl fiir Wirbeltiere wie fiir Wirbellose bestatigen zu konnen. — Es lassen sich zwei Arten von Zellenfortsatzen unterscheiden : protoplasmatische Fort- sat ze (GoLGi's prolungamenti protoplasmatici) , welche zur Er- nahrung der Zelle dienen, und nervose Fortsiltze (Golgi's prol. nervosi oder prol. fungionali) , welche nervose Funktion be- sitzen. — Jede Gangli en zelle besitzt einen, abernur einen Fortsatz der letzten Art; ist eine Zelle multi- polar, so sind alle iibrigen Fortsatze protoplasma- tischer Natur. Die protoplasmatischen Fortsatze verzweigen sich zwar, aber anastamosieren nicht, dienen also nicht zur Korrespondenz zwischen den eiuzelnen Zellen. — Von der Richtigkeit dieses Verhaltens habe ich mich namentlich bei Wirbel- tieren, besonders am Riickenmark von Myxine, durch Anwendung der prachtige Resultate liefernden GoLGi'schen Silbermethode eklatant tiberzeugen konnen , wie meine demnachst erscheinende Abhandlung dariiber zeigen wird. Die protoplasmatischen Fort- satze treten hier in der klarsten Weise gefarbt oft in erstaun- 310 Fridtjof Nansen, licher Anzahl auf; doch habe ich keine einzige Anastomose rait Sicherheit entdecken konnen, trotzdem ich viele hundert Praparate danach durchsucht habe^). — Die protoplasmatischen Fortsatze gehen beinahe immer bis zum peripheren Rand, urn dort zu enden. Fur die Wirbellosen habe ich zwar eine so sicher funk- tioniereude Untersuchungsmethode nicht gefunden, doch glaube ich durch die angewandten Methoden zu den gleichen Resultaten gekommen zu sein. — Schon a priori muB ich annehmen, daB nur wenig fiir eine Korrespondenz der Zellen durch die proto- plasmatischen Auslaufer spricht, denn wie laCt sich bei dieser Voraussetzung eine Korrespondenz der unipolaren Zellen denken? Wie schon oben erwahnt, sind es namentlich die tiefer im cen- tralen Nervensystem gelegenen Zellen, welche multipolar sind, so z. B. im Gehirn der Ascidien und im Bauchmark der Myzo- stomen, wahrend die oberflachlich gelegenen Zellen unipolar sind, weil sie mit der das Nerensystem umspulenden Ernahrungs- fliissigkeit leicht in Beruhrung kommen. Nach der Art der nervosen Fortsatze lassen sich zvvei Typen von Ganglienzellen unterscheiden, wie schon Golgi angegeben hat: 1) Ganglienzellen, deren nervoser Fortsatz abwechselnd feine, sich verzweigende und im fibrillaren Geflecht verlierende Seitenaste abgiebt, aber seine Individualitat nicht verliert, sondern sich in den Achsencylinder einer Nervenfaser ura- wandelt; 2) Ganglienzellen, deren Nervenfortsatz sich in verwickelter Weise verzweigt und vollstandig in der Bildung des fibril- laren Geflechtes aufgeht. Die Neryenfaser. Ursprung und Yerlauf. Die Nervenfasern zerfallen nach ihrem Ursprung ebenfalls in zwei Kategorien, entsprechend den zwei Typen von Ganglienzellen: 1) Ich kann nicht eindringlich genug davor wanien, sich durch anscheinende Anastomosen tauschen zu lassen. Oft glaubte ich Anastomoseu gefunden zu haben , aber fast immer erwiesen sich die- selben bei der Untersuchung mit starksten VergroUerungen (Zeiss, homog. Imm. '/^g) ^^s Trugbilder. Ich will nicht in Abrede stellen, daB Anastomosen zwischen zwei Ganglienzellen vorhanden sein konnen, da ich selbst in ganz vereinzelten Fallen zweifelhaft geblieben bin, doch glaube ich, daB solche Anastomosen als tjberbleibsel von Zell- teiluugen aufgefaBt werden miissen. Anatomic und Histologie des Nerrensystemes der Myzostomen. 311 1) Nervenfasern, welche eine direkte Fortsetzung des nervosen Fortsatzes einer Ganglienzelle des ersten Typus sind und feine Seitenaste an das Nervengeflecht abgeben; 2) Nervenfasern, welche mit keiner Ganglienzelle in direkter Verbindung stehen, sondern durch Yereinigung vieler feiner Nervenfasern aus dera Nervengeflecht entstehen. Keine dieser peripheren Nervenfasern hat also einen iso- lierten Verlauf. Doch auch die centralen Nervenfasern — d. h. diejeuigen, welche in der centralen Fibrillenmasse langs verlaufen — sind nicht isoliert, sondern geben wenige zarte Seitenfibrillen ab, welche sich in dem Fibrillengeflecht verlieren. — In der an- gegebenen Weise kommt also aus diesen Bestandteilen bei Wirbel- tieren und bei Wirbellosen das centrale Nervengeflecht zustande, welches die Korrespondenz zwischen den Nervenfasern oder den Nervenfortsatzen vermittelt. Die Ganglienzellen stehen also nicht in direkter, sondern nur in indirekter, durch die Nervenfortsiitze vermittelter Verbindung. Wirft man nun endlich die Frage auf, ob der oben an- gegebene morphologische Unterschied der Gauglienzellen und Nervenfasern auch auf einen physiologischen Unterschied schlieCen laBt, so mufi, wenigstens was die Wirbeltiere betrifi't, diese Frage mit ja beantwortet werden. — Schon Golgi und die nach seinen Methoden arbeitenden Forscher Vincenzi und Fucari haben nach- gewiesen, da6 die Ganglienzellen , deren Nervenfortsatze direkt Achsencylinder bilden, allem Anschein nach motorische sind. Dies laBt sich am besten dort demonstrieren, wo diese Zellen, wie im Riickenmark, oft mit den Nervenfasern der vorderen Nerven- wurzeln in direkter Verbindung stehen , was Golgi in jiingster Zeit bei neugeborenen Katzen bis zur Evidenz erwiesen hat. Auf dieselbe Weise laCt sich unschwer nachweisen, dafi die durch die hinteren Nervenwurzeln eintretenden Nervenfasern sich ver- zweigen, ihre Individualitat verUeren und sich in dem tibrillaren Geflecht auflosen. Von der Richtigkeit dieser Angaben konnte ich mich an eigenen Praparaten von Saugetieren in klarster Weise iiberzeugen. Auch an niedriger stehenden Tieren, z. B. bei Myxine, ist es mir jetzt gelungen, dieselben Verhaltnisse nachzuweisen. Dagegen habe ich, wie schon Golgi, Vincenzi und;FucARi, gefunden, daC die GroBe der Zellen in keiner Beziehung bestimmend fur ihre Funktion ist, ebenso- wenig wie ihre Lage. Ich habe beide Zellformen in den vorderen, wie in den hinteren Hornern der grauen Substanz, bei Myxine 312 Fridtjof Nansen, sowohl median wie lateral gefunden , doch soil bemerkt werden, dalJ Zellen des ersten Typus vorwiegend in den hinteren Hornern zu finden sind. Zwar sagt Golgi bezuglich seiner Vermutungen iiber die physiologische Funktion der verschiedenen Ganglien- zelltypen, daB sie nur Hypothesen seien ; doch sind diese Hypo- thesen so wahrsclieinlich, dafi sie kaum mehr den Namen soldier verdienen, und ich kann nur Golgi vollstandig beipflichten, wenn er sagt : „le cellule nervoso-motrici so no colle fibre nervose in rapporto diretto, non isolato". — Trifit dies aber fiir die Zellen des ersten Typus zu, so diirfte er auch berechtigt sein, anzunehmen, daB die Ganglienzellen des zweiten Typus sensitiv sind, und zusagen: „Die sensitiven Ganglienzellen stehen mit den Nervenfasern nur in indirekter Verbindung." Statt von Ganglienzellen des ersten und zweiten Typus zu sprechen, diirfte es sicli fernerhin empfehlen, niotorische und sensitive Ganglien- zellen und deraentsprechend auch motorische und sensitive Nervenfasern zu sagen, unter motorischen diejeuigen der ersten, und unter sensitiven diejenigen der zweiten Kategorie zu- sammenfassend. Die oben gemachten Angaben uber die physiologische Funktion der Zellenformen etc. stutzen sich auf den Bau des Wirbeltier- nervensystems. Kann nun angenommen werden, daB diese An- gaben auch fiir die Wirbellosen Geltung besitzen ? — Konnen auch bei diesen motorische und sensitive Zellen und Fasern in gleicher Weise unterschieden werden? Ich glaube, daB eine gewisse Be- rechtigung vorliegt, diese Fragen mit ja zu beantworten. — Denn es wiire doch, bei der iiberraschenden tJbereinstimmung beziiglich des feineren Baues, hochst sonderbar, wenn nicht auch eine eben- solche tJbereinstimmung beziiglich der physiologischen Leistung vorhanden sein sollte. — Ich trage deshalb kein Bedenken, diese Bezeichnungen auch auf die Wirbellosen auszudehnen. — Zum SchluB mochte ich noch auf eine tJbereinstimmung zwischen dem Riickenmark der Wirbeltiere und dem Bauchstrang der Wirbel- losen hinweisen. — Ich glaube namlich auch in der Gruppierung der Zellen und Fasern eine tJbereinstimmung bemerkt zu haben, welcher zwar noch keine allzu groCe Bedeutung beigelegt werden kann, vvelche aber doch nicht ohne Interesse scheint*). Im Riicken- 1) Siehe dariiber meine vorliiufige Mitteilung, das Nervensystem der Ascidien und Myxiue betreffend, loc. cit. pag. 75, und Ann. Nat. Hist. vol. XVIII, pag. 223. Anatomie und Histologie des Xcrvensystemes der Myzostomen. 313 mark finden sich, wie schon erwiihnt wurde, die motorischen Zellen vorziiglich auf der ventralen Seite, in den vorderen Hornern, wo auch die motorischen Fasern, diejenigen der vorderen Nerven- wurzeln, entspringen. Die sensitiven Gauglienzellen dagegen sind vorzugsweise in den hinteren Hornern belegen, und die sensitiven Nervenfasern, diejenigen der hinteren Wurzehi, entspringen dorsal. Gerade das umgekehrte Verhalten glaube ich, wie friiher aus- gefiihrt wurde, in dem Bauchstrang der Myzostomen gefunden zu haben. — Dort liegen die Ganglienzellen des ersten Typus, also die motorisciien, wesentlich dorsal, wahrend sich die sensitiven Zellen oder diejenigen des zweiten Typus namentlich ventral finden. — Bei den Nervenfasern habe ich einen dieser Lagerung ent- sprechenden Verlauf gefunden. — Auf Querschnitten des Bauch- stranges, welche den Ursprung eines der groCeren Nerven ge- troffen batten, war leicht zu beobachten, daC die in den Bauch- strang eintretenden Nervenfasern sich teilen , und daiJ einige Teilfasern dorsal verlaufen, also motorische Nervenfasern sind, wahrend andere mehr oder minder ventral gerichtet sind , also als sensitive Nervenfasern aufgefaBt werden miissen (Fig. 8, pc)i). Im Bauchstrang der Myzostomen sind, wie oben beschrieben wurde, auch die langsverlaufenden groben Nervenfasern vorzugs- weise dorsal in den Langskommissuren gelegen. — Ahnliche Verhaltnisse wie bei den Myzostomen habe ich auch bei anderen Anneliden, z. B. bei Nereis, Lumbricus u. a., feststellen konnen. — Eine Teilung der Nervenfaser bei ihrem Ursprung in raehrere Biindel haben schon Claparede, Hermann u. a. beobachtet. — Grobe, langsverlaufende Nervenfasern sind oft dorsal belegen, so z. B. „die riesigen Nervenrohren" im Bauchstrang vieler Oligo- chaten. — tJber die nervose Natur dieser Fasern kann jetzt kaum noch ein Zweifel obwalten^). — Bei vielen Anneliden 1) Siehe meine friihere Arbeit iiber Myzotomen , Taf. IX, Fig. 4 und 5. 2) Lexdig hat in einer vor kurzem erschienenen Notiz (Zoolog. Anzeig. 1886, Nr. 234) die nervose Natur dieser „Rdhren" verteidigt. Ich selbst habe dieselben auf Schnitten von Lumbricus studirt, welche mit Chrom-Osmium-Essigsaure fixiert und mit Hamatoxybn gefiirbt waren, und habe dieselbe spongioplasmatische Struktur wie in den Nervenfasern der Myzotomen gefunden. Das Spongioplasma zeigt sich auf Querschnitten als ein feines Eeticulum, welches von quer- geschnittenen feinsten Spongioplasmarohren herrtihrt, welche das 314 Fridtjof Nansen, kommen zwar auch grobe langsverlaufende Nervenfasern vor, welche iiicht eigeutlich dorsal liegen. Dr. E. Rhode ^) hat bei Aphroditeen (Sthenelais, Polynoe, Sigalion) derartige Fasern be- schrieben, welche ventral, central, zum Teil auch dorsal verlaufen. Ich selbst habe bei Nereis vier bis sechs solcher Fasern im Bauchstrang gefunden, teils ventral, tells central ge- legen. Da jedoch in den Bauchganglien jederseits eine Masse Fibrillengeflecht (Punktsubstanz) noch mehr ventralwarts gelagert auftritt, so kann auch hier eine ahnliche Tendenz, wie sie oben angedeutet wurde, gefunden werden. Ahnliche Verhaltnisse sind auch bei vielen Crustaceen vor- handen; in den Ganglien des Bauchmarkes von Homarus kann man sich sehr leicht davon iiberzeugen , daC die groben Langs- fasern vorwiegend dorsal verlaufen , wahrend das feine Fibrillen- geflecht namentlich ventral gelegen ist; ebeuso lassen sich dorsale und ventrale Nervenwurzelu leicht unterscheiden. Nach B. Haller's Darstellung sind im Pedalstrang vieler Mollusken die Nervenelemente ahnlich gruppiert wie im Bauch- strang der Myzostomen. — Die motorischen Zellen und Fasern liegen namentlich dorsal, die sensitiven Ele- mente ventral. — Dieses Verhalten scheint also bei den Wirbel- losen bis zu einem gewissen Grade allgemein zu sein. Bei den Wirbeltieren fiuden sich im Ruckenmark gerade die umgekehrten Verhaltnisse; die sensitiven Elemente liegen hier vorziiglich dorsal, die motorischen dagegen meist ventral. Bei den niedersten Wirbeltieren, z. B. Myxine, Petromyzon u. a., ver- laufen weiterhin im ventralen Telle des Riickenmarks grobe langs- verlaufende Fasern (die MuLLER'schen Fasern) 2). — Dieses Ver- halten war a priori zu erwarten, wenn iiberhaupt eine Homologie zwischen dem Bauchstrang der Wirbellosen und dem Ruckenmark der Wirbeltiere vorhanden ist; denn dann entspricht die Ventral- Hyaloplasma isolieren. — Sehr ahnliche Bilder, nur um vieles deut- licher, finden sich auf Querschnitten der groben Nervenfasern des Bauchmarkes der Crustaceen (Hebmann) ; auch bei Nereis u. a. 1) Emil Rhode : „Histologische Untersuchungen iiber das Nerven- system der Chatopoden." Sitzungsber. d. Konigl. PreuB. Ak. d. Wissen- schaften, Berlin, XXXIX, 1886, pag. 781. 2) Es ist sehr naheliegend, daS diese Easern, wie schon Letdig (Zelle und Gewebe) andeutet, Homologa der groben Nervenfasern im Bauchmark vieler Wirbellosen sind. Bezuglich des Baues, der Lage, des Ursprungs etc. ^timmen sie auffallend iiberein. Anatomie und Histologie des Nervensystemes der Myzostomeu. 315 seite (les Bauchslrauges der Wirbellosen der Dorsalseite des Kiickeiimarks der W'irbeltiere, und umgckebrt. — Bevor ich diese Betrachtuiig schliefie, will ich hervorheben, dafi ich hier nur auf eiue scheinbare Ubereinstimmuiig aufmerksam machen wollte. Dieselbe kann sehr leicht eine tiefe Bedeutung habeii, doch sind diese Verhilltnisse noch viel zu wenig geuau uutersucht, um ein abschlieBendes Urteil aus ihnen gewinnen und mehr als blofie Vergleiche auf sie basieren zu kounen. Eudlich mochte ich noch mit einigen Worten eine Frage er- ortern, welche zwar rein physiologischer Natur ist, die aber nach den oben gcgebenen anatomischen Befuuden sehr nahe liegt; die Frage namlich nach dem pbysiologischen Wert und der Bedeutung, welcher, falls die oben gegebeuen anatomischen Daten rich tig sind , den Ganglienzelleu beigelegt werden miissen. Betrachten wir zuerst die Reflexbewegungen, so werden wir sehen, daB unsere Ansicht uber den Weg, welchen eiue Empfindung zuriickzulegen hat, um in Bewegung uragestaltet zu werden, den oben erorterten anatomischen Befunden gemaB umgestaltet werden muB. Ein sogenannter Reflexbogen besteht, wie bekannt, aus drei Faktoren, der centripetal leitenden Faser, dem ubertragenden Cen- trum und der centrifugal leitenden Faser. — Das ubertragende Centrum nun ist es bcsonders , uber welches unsere bisherige Anschauung einer Modifikation bedarf. — Dieses Centrum wurde nach der gewohnlichen Auffassung als aus zwei Ganglienzellen, einer sensitiven und einer motorischen, und ihrem Verbindungs- stiick bestehend angesehen (TafelXIX, Fig. 18), wahrend die Nerven- fasern, jedenfalls die centrifrugalen (motorischen), ganz isoliert ver- laufen. — Nach den neueren Untersuchungen ist nun das iiber- tragende Centrum ein ganz anderes, da die Ganglienzellen vom „Reflexbogen" ganz ausgeschlossen werden. — Keine Nervenfaser hat einen ganz isolierten Verlauf; durch feine Seitenaste oder Fibrillen stehen sie alle mit dem centralen Fibrillengeflecht in Verbindung; die Ganglienzellen stehen, wenigstens in der Regel, nicht durch einen protoplasmatischen Aus- liiufer in Konnex; das centrale Fibrillengeflecht muBdemnach als tibertragendes Centrum angesehen werden; denn wie anders sollte eine tJbertragung statthaben. — Zwar konnte man sagen , daC „die Eindriicke zu einer sensitiven Zelle" durch das Geflecht und den Nervenfortsatz herantreten, daB sie von dieser Zelle wieder durch denselben Fortsatz und Bd. XXI. N. K. XIV. 21 316 Fridtjof Nansen, das Geflecht auf den Nervenfortsatz einer motorischen Zelle und durch diesen auf die motorische Zelle selbst iibertragen werden, und daB endlich der Reiz von der motorischen Ganglienzelle durch denselben Fortsatz und durch die centrifugale Nervenfaser geleitet wird, um endlich auf einen Muskel iibertragen zu werden. — Diese Ansicht konnte zwar — ja, sie m u 6 sogar ausgesprochen werden, — von alien denjenigen, welche die alte Theorie, dal5 die Ganglienzellen das Centrum einer jeden Nervenwirksamkeit seien, um jeden Preis aufrecht erhalten wollen. Mir indessen erscheint eine solche Auffassung zu ktinstlich und unnattirlich. Welches Recht haben wir z. B. anzunehmen, daB ein Reiz , welcher einer motorischen Faser iibertragen ist, erst nach der Zelle laufen soil, und nicht direkt nach dem peripheren Ende? — Wir wissen ja, dafi ein Reiz, mechanischer oder chemischer Art, zwischen Centrum und peripherem Ende angreifend sofort centrifugal verlauft. — Demnach erscheint mir die Annahme gerechtfertigt , daC die Ganglienzellen aus dem Reflexbogen auszuschlieBen sind, und dafi das centrale Fibrill engeflecht ausschlieBlich als iibertragendes Centrum fungiert. — Ein Reflexbogen wiirde also aus folgenden drei Faktoren bestehen, einer centripetal leitenden (sensitiven) Nervenfaser, dem centralen Fibrillengeflecht als ubertragendem Centrum, und einer centrifugal leitenden (moto- rischen) Nervenfaser (Tafel XIX, Fig. 18). Wenn dies das VerhaltniB bei Reflexbewegungen war, wie steht es dann mit den willkiirlichen Bewegungen? — Geht die tJbertragung des psychomotorischen Reizes von dem psycho- motorischen Centrum in die centrifugal leitende Faser ebenfalls nicht durch die motorische Ganglienzelle? Ich meine nein. Die tJbertragung geschieht auch hier durch das Fibrillengeflecht, in welches von der vom psychomotorischen Centrum kommenden Nervenfaser Fibrillen abgegeben werden (Fig. 20 psf). — Dadurch wird der Reiz direkt auf die centrifugal leitende Faser iibertragen. — Wie es sich nun in den psychomotorischen und psychosensitiven Centren mit der nervosen Wirksamkeit verhalt, ist viel schwieriger zu erklaren. Ob z. B. der psychomotorische Reiz nicht urspriing- lich von centralen Ganglienzellen herstammt, oder ob nicht jeder sensitive Eindruck Ganglienzellen als letztes Centrum hat, ist auCerordentlich schwierig, wenn nicht unmoglich zu entscheiden. — Doch muC ich gestehen, daC ich keinen Grund flnde, warum angenommen werden sollte, daB es sich anders als in den Centren der Reflexbewegungen verhielte, zumal die anatomischen Verhalt- Anatomic und Histologie des Nervensystemes der Myzostomen. 3l7 nisse dieselben sind. — In den psychomotorischen wie deu psycho- sensitiven Centren sind, wie schon Golgi, unzweifelliaft meiner Ansicht nach, erwiesen hat, und wie ich bestatigen kann, sensi- tive und motorische Ganglienzellen gemischt, und es findet sich auch hier wie iiberall in der centralen Substanz (graue Substanz der Wirbeltiere, Punktsubstanz der Wirbellosen) ein sensitiv-moto- risches Fibrillengeflecht, welches auch psych isches Geflecht genannt werden konnte. — Dieses Fibrillengeflecht, und nich t die Gan glien zellen, ist nun meiner Meinung nach als eigentlicher Trager der Psyche auf- zufassen. Welchen physiologischen Wert haben aber nun die Ganglien- zellen ? Erinnern wir uns dessen , was oben iiber die proto- plasmatischen Fortsatze gesagt worden ist, so mussen wir ihnen wesentlich eine nutritive Bedeutuug zuschreiben. — Sie bilden die Ernahrungscentren fur die Nervenfasern, periphere wie cen- trale, sowie t'iir das centrale Fibrillengeflecht. — Bei hoher ent- wickelten Tieren, wo die Nerventhatigkeit starker ist, haufig auch bloC ihrer Lagerung wegen, sind die Zellen multipolar geworden, um ihrer Funktion besser gerecht werden zu konnen. — Bei geistig hoher entwickelten Tieren ist das centrale Fibrillengeflecht, wie oben erwiihnt wurde, starker entwickelt und komplizierter gebaut, wie auch die Nervenfortsatze der Ganglienzellen reicher verastelt sind. 21 318 Fridtjof Nanseu, Erklarung der Tafel XIX. Fig. 1. Halbschematisehe Darstellung des centralen Nervensystems von M. giganteum. — Dorsale Ausicht. tn = Tentakelnerven. — Inr = Tentakelnervenring vfi', vn", vn'" = die drei Verbindungsnerven zwischen Ten- takelnervenring und Schlundring (sr). — sn = die vier Schlundnerven. — gzr, gzr', gzr" = Ganglienzellen, den RiiBsel als einen Ring uragebond (der Deutlichkeit halber sind nur einige Zellen eingezeichnet; die Ganglienzellen zwischen Tentakelnervenring und Schlundring sind aus demselben Grunde gar nicht eingezeichnet). — gzr' := Ganglienzellen, hinter dem Schlundring belegen. — gz?'" = Ganglienzellen auf der Ventralseite des Riissels. — san == Schlundkommissuren. — ?i^ — n^ = die sechs kleinen peri- pheren Nervenpaare. — An^ — hn^ = die fiinf peripheren Hauptnervenpaare. — QCM, QCM' = die zwei Haupt- querkommissuren (erste und letzte). — Qcm^ — Qcm^ == die vier mittleren, groBeren Querkommissuren. — qcm'^ — qcni^ = die fiinf kleineren Querkommissuren. — in = inter- mediarer Nerv. — g^ == Ganglienzellen auf der dorsalen Seite zwischen den Urspriingen der Nerven. — gz' = Ganglienzellen am Vorderende auf der ventralen Seite des Bauchstranges. — gz" = grofies Ganglienzellenpaar zwischen den groBeren Querkommissuren. — gz'" = Ganglienzellen in den peripheren Nerven. — Ic = grobe Nervencylinder, die Langskommissuren auf der inneren dorsalen Seite durch- ziehend. Anatomie und Histologie des Nervensystemes der Myzostomen. 319 Fig. 2. Idealer Querschnitt durch den Eiissel von M. giganteum in der Gegend des Schlundringes , die Schlundring- kommissur (*/') und die diesen umgebenden, in 4 Gruppen {gr^ — gr^) geordueten Ganglienzellen zeigend. — sn = Schlundneryen. Fig. 3. Bin Stuck des Schlundrings, stark vergrdBert, urn zu zeigen, dais die Ganglienzellen {gs) auBerhalb der Scheide {sch) wie auch innerhalb derselben [igz) belegen sind. Fig. 4. Querschnitt des Schlundringes von M. Graffi , einera Hori- zontalschnitt entnommen. gz = die auBerst sparsam auBerhalb der Scheide ge- legenen Ganglienzellen. — igz = Ganglienzellen innerhalb der Scheide. Fig. 5. Idealer Querschnitt des Riiesels von M. Graffi vor dem Muskelbulbus, den Tentakelnervenring {tnr) zeigend. — sn = Urspriinge der Schlundnerven, — vn', vn", vn'" = Urspriinge der drei Verbindungsnerven , zum Schlundring gehend. — n = kleine Nerven, mit dem Epithel des vorderen Schlundes in Verbindung stehend. — tn = Ten- takelnerven. — gz = Ganglienzellen, welche vor dem Tentakelnervenring liegen. — mr = Muskelring. Fig. 6. Yerbindung eines der vier Schlundnerven mit dem Tentakel- nervenring (tnr). — sn = Schlundnerv. — n = von dem- selben abgehende Nervenzweige, einige anastomosierend. — nz = vom Tentakelnervenring abgehende Nervenzweige. Fig. 7. Schnitt des sensitiven (Geschmack?) Schlundepithels, einem Langsschnitte des Riissels von M. Graffi entnommen. — ez == sensitive Epithelzellen (Geschmackszellen?). — sn = Schlundnerv. — g^ == Ganglienzellen. — cu = Cuticula. — m = Muskeln des Bulbus. Fig. 8. Idealer Querschnitt durch die Mitte des Bauchstranges von M. giganteum, links durch den Ursprung eines Hauptuerven, rechts zwischen zwei Nerven hindurchgehend, in der Mitte eine der grofseren Querkommissuren langs durchschnitten zeigend. — a, a' = mittlere Gruppe von Ganglienzellen, deren Auslaufer die Querkommissuren durchlaufen und meist direkt in periphere Nerven iibergehen, namentlich dorsal (a). — b, c, d, e = Gruppen von Ganglienzellen, welche ihre Auslaufer in die Langskommissuren senden, wo sich einige in dem fibrillaren Gefleoht auflosen (gewohnlich in d und e), wahrend andere entweder in die peripheren Nerven 320 Fridtjof Nansen, der Gegenseite (gewohulich in c) oder derselben Seite (ge- wohnlich in b) iibergeheu. — / = Gruppe von Ganglien- zellen, auf der dorsalen Seite des Ursprungs des Hauptnerven gelegen, welclie ihre Auslaufer direkt in die Nerven senden. — z^, z^ , z^, z^ = Ganglieuzellen , deren Auslaufer sich in dam fibrillaren Geflecht aufldsen. — «& = ventrale Ganglienzelle, deren Auslaufer in die Querkommissur hinein- geht. — pa = periphere ITervencylinder der ventralen Nervenwurzel, aus dem fibrillaren Geflecht entspringend. — nc = Nervencylinder der Querkommissur, sich in dem fibrillaren Geflecht auflosend. — in = intermediiirer Nerv. — sch = auBere Neurilemmscheide. — s = von dieser ent- springende Septen. — B = Bindegewebskerne. — Ic = grobe dorsale Nervencylinder , die Langskommissuren ihrer ganzen Lange nach durchziehend. Fig. 9. Verbreitung des ersten linken Hauptnervenstammes, in einem idealen Horizontalschnitt dargestellt, — iV^, iV* = Ten- takelnervenringe. — a = Komplex oder Knoten derselben, von welchen die Nervenbiindel in die Cirren (c) gesandt warden. — N^, N^ == innere Nervenzweige oder Parapodien- zweige. — Az = Hackennervenzweig. — dz = Driisen- nervenzweig. — pd = Parapodiendriisen. — mz = mitt- lerer unpaarer Nervanzweig. — hd ^= innerer Zweig der Hackendriise, iiberschnitten. — s , si = Stiitzstab. — hh = Haupthacken. — r/i = Reservehacken. — d = Darm. — « = kleiner Nerv, hintar dem Hauptnervan- stamm entspringend (Fig. 1 nr) und mit ihm wahrschain- lich anastomosierend. Fig. 10. Querschnitt von M. giganteum, ein wenig idealisiert, um die Verzweigung eines der kleinen Nervan zu zeigen (Fig. 1 «*). — 1^ 2 = die zwei Hauptzwaige. — 3 = kleine ventrale Zweige, zu den Bauchmuskeln gehend. — z = kleine ventrale Nervenzweige. — bs = Bauchstrang. — mr = Musculus retractoris internus. — jI = Hoden. — 00 ^^ Eiar. — d =. Darm. — m ■=■ Magen mit Flimmerepithel. Fig. 11. Ganglianzellen mit Auslaufern, die sich in dem fibrillaren Geflecht auflosen. — a = groBe ventrale Zella (Fig. 8 d). — b, c = zwei Formen kleiner ventraler Zallan. — d == Zelle, in dem centralen fibrillaren Geflecht der einen Latigskommissur gelegen. Anatomie unci Histologie des Nerven system es der Myzostomen. 321 Fig. 12. Ganglienzelle mit Auslaufer , welcher direkt in einen peri- pheren Nerven iibergeht und auf dem Weg durch das fibrillare Geflecht kleine Seiteuaste abgiebt. Fig. 13. Ganglienzelle mit Kern, welcher sich in direkter Teilung befindet. — a = Bindegewebssepten. Fig. 14. Langsschnitt eines peripheren Nerven, welcher einer Biegung wegen rechts halb quer getroffen ist, wodurch der facher- ariige Bau deutlich hervortritt. — B =. Bindegewebskerne. — sch == aufiere Neurilemmscheide. — a = Ende mit iiber- schnittenem Nervencylinder. Fig. 15. Querschnitt eines peripheren Kerven , an welchem der facherformige Bau deutlich hervortritt, mit bald feineren, bald groberen Nervencylindern. — sch = aufsere Neurilemm- scheide. — s = Septen derselben, in den Nerven hinein- gehend.. — B = Bindegewebskerne. Fig. 16. Querschnitt des intermediiiren Nerven an einer Stelle, wo ein Seitenast abgegeben wird. Fig. 17. Stiickchen zweier Ganglienzellenauslaufer, stark vergrofsert, um die Verdickungen an den Ursprungsstellen der Seiten- aste und die schwache Langsstreifung zu zeigen. Beitrage zur Frage von der Homologie der Segmentalorgane und Ausf iihrgange der Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. Yon Dr. Otto Lehmann. Hierzu Tafel XX. Die, iu Nachstehendem mitgeteilten Untersuchungeii uuternahm ich am Ende des Sonimersemesters 1886 auf den Rat meiues hoch- verehrten Lehrers, des Herrn Prof. Dr. Haeckel. Anfangs hatte ich die Absicht, uur die Gesclilechtsorgane der Lumbriciden zu untersuclien , aber bald gewannen die Exkretionsorgane derselben fiir mich ein so groCes Interesse, daB ich auch ihre Entwickelung verfolgte, und mich mit den verschiedenen Theorien uber die Ho- mologie der Segmentalorgane und Leitungswege der Geschlechts- produkte beschaftigte. Da diese letztere Frage der leitende Ge- sichtspunkt war, von dem aus die Untersuchungen angestellt wur- den, so wahlte ich jeue Uberschrift fiir die Arbeit. Zugleich ergreife ich mit Freuden die Gelegenheit, raeinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Haeckel fiir das Interesse, welches er dieser Arbeit widmete, meinen herzlichsten Dank aus- zusprechen. Ebenso bin ich Herrn Prof. Dr. Lang fiir die Liebens- wiirdigkeit und Bereitwilligkeit, mit der er mir entgegenkam, sowie fiir die mannigfaltige Anregung, die er mir in jeder Beziehung bei meinen Studien zu Teil werden liefi, zu grofitem Danke verpflichtet. SchlieBlich sage ich auch noch den Herren Dr. Weissenborn und Dr. KUkenthal fiir ihre freundlichen Ratschliige, besonders be- ziiglich der Technik, herzlichsten Dank. Nach dun Beobachtungeii Ehler's dieiieu bei den Polychaeten die Segmentalorgane , ohne durch besondere Umbildungeu aus- gezeichnet zu sein, als Leitungswege fur die Geschlechtsprodukte, iind es ist schon vielfach die Frage erortert woiden, ob die Aus- fiihrgange der Geschlechtsprodukte bei Oligochaeten ebenfalls als modifizierte Segmentalorgane anzuseheu sind oder nicht. Altere Beobachter behandelten diese Frage nur rait Kiicksicht auf mor- phologische Verhaltnisse und man nahm allgemein die Homologie zwischen beiden Organsystemen als bestehend an. Ehe wir nun diese Frage eingehender diskutieren , wollen wir uns sowohl iiber die Anatomie als auch die Entwickelungsgeschichte der Geschlechts- organe und Segmentalorgane klar werden. Die diesbeziiglichen Verhaltnisse wurden an Lumbriciden, speziell der Gattung AUolobophora hinsichtlich der Entwickelungs- geschichte genauer untersucht; was die iibrigen Oligochaeten be- trifft, so stiitzen wir uns auf die hieriiber angestellten neueren Beobachtungen anerkannter Forscher. Die Arbeit wird also in drei Abschnitte zerfallen ; in dem ersten werden die Geschlechts- organe, im zweiten die Segmentalorgane speziell der Lumbriciden besprochen werden, und im dritten werden wir die Theorien iiber die Homologie zwischen den Ausfiihrgiingen der Geschlechts- produkte und den Segmentalorganen erortern und schliesslich unsere Ansicht hieruber darlegen. I. Die Geschlechtsorgane der Lumbriciden. Der erste, welcher die Geschlechtsorgane der Lumbriciden sorgfaltiger untersucht hat, scheint der alte Willis gewesen zu sein, der die Samentaschen als Hoden, die Samenblasen als Ovarien des Regenwurms angab. Redi fiigte den Beobachtungen Willis' nichts Wesentliches hinzu, nur daB er die irrtunaliche, lange be- stehende Ansicht hatte, dafi die aus dem sogenannten Ovarium sich entwickehiden Eier sich durch die Korperhohle ihren Weg bahnen und dieselbe durch den After verlassen. Swammerdam kannte schon die Kokons der Regenwurmer, nannte sie jedoch Eier, ebenso wie Ltonnet, Rudolphi und Leo. Letzterer kannte auch schon die Samenleiter und hatte iiber ihre Funktion die richtige Ansicht, die allerdings erst in spaterer Zeit auf eigenem W^ege von Hering und D'Udekem nachgewiesen wurde. Die Be- gattung der Lumbriciden wurde zuerst von Montegre beschrieben, der jedoch die parasitischen Nematoden als junge Regenwurmer ansah, ebenso wie der Englander Howe. Leon Dufour beschrieb genau die Kokons der Regenwurmer. Morren, dessen Arbeit hierauf erschien, konnte sich ebenfalls nicht von den Irrtumern seiner Vorganger frei machen ; die eigentlichen Hoden und Ovarien blieben ihm unbekannt, ebenso wie Duges, der jedoch die Samen- trichter als das Ende der Samenleiter auffand, ohne allerdings ihren Bau und ihre Funktion richtig zu verstehen. Hoffmeister, der sich sehr ausfiihrlich mit der Naturgeschichte der Lumbriciden beschaftigt hat, untersuchte nur sehr wenig ihre innere Anatomie beschrieb jedoch die Kopulation sehr genau. Einen wesentlichen Fortschrittmachte dann Meckel ; er erklarte die receptacula als zum mannlichen Geschlechtsapparat gehorig, ebenso wie die Samenblasen, die er als die eigentlichen Hoden be- schrieb. Die in den Samenblasen befindlichen, gelben Gregarinen- cysten deutete er als die Ovarien, indem er die darin enthaltenen Gregarineii als Eier ansah. Ferner beobachtete er die Entwickelung der Spermatozoen, ebenso wie Steenstrup, der sehr genau ihre Entwickelung studiert hatte. Der MECKEL'schen Auffassung schloB sich auch von Siebold an und beschrieb die Ineinanderschachtelung der mannlichen und weiblichen Geschlechtsorgane. In den „weiCen Blaschen" vermutete er richtig die receptacula seminis. Schon Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 325 Stein hatte die Samenblasen allein fiir den mannlichen Geschlechts- apparat in Anspruch genommen, aber seine Ansicbt konnte in- folge des mangelnden Nachweises der eigentlichen Ovarien sich keine Geltung verschaffen. Da erschienen dann im Jabre 1856 kurz hintereinander die beiden Arbeiten von D'Udekem und Hering, in denen die Geschlechtsorgane des Kegenwurms fast erschopfend behandclt sind. Unabhangig voneinander fanden beide die eigent- lichen, im 13. Segment gelegenen, (von D'Ddekem durch ein Ver- sehen irrtiimlich im 12. Segment angegebenen) Ovarien, sie klarten beide den Bau und die physiologische Funktion der vasa deferentia und ihrer Trichter auf. Ferner beschrieb Hering die Ovidukte als Ausstiilpung der hinteren Wand des 13. Segmentes, wahrend D'Udekem irrtiimlich den Endfaden der Ovarien als die Ovidukte ansah. Uber die Deutung der Hoden sind sie ebenfalls zwiefacher Ansicht, — und diese Kontroverse ist bis auf den heutigen Tag auch noch nicht geniigend aufgeklart und endgiiltig entschieden. Hering beschrieb als die eigentlichen Hoden kleine, weiCe, an der vorderen Wand des 10. und 11. Segments befestigte Knotchen, und nahm die Samenblasen als Aufbewahrungsort fiir den reifenden Samen in Anspruch, wahrend D'Udekem diese Knotchen iibersah und, in tJbereinstimmung mit Stein, die Samenblasen fiir die testes erklarte. Die nachstfolgenden Untersuchungen Uber diesen Gegen- stand sind die von Williams und Lankester, die jedoch beide eher einen Riickschritt in der Regenwurmanatomie bezeichnen. Die von Hering als Hoden gedeuteten Organe sind von manchen seiner Nachfolger nicht aufgefunden worden. Claparede, Horst und Perrier konnten sie bei den einheimischen Lumbriciden nicht entdecken, und schlossen sich daher der D'UDEKEM'schen Deutung an, wahrend Bloomfield und Vejdovsky dieselben wieder auf- gefunden haben. SchlieClich sind in jungster Zeit noch zwei wichtige Arbeiten iiber die Generationsorgane der Regenwiirmer erschienen, die ebenfalls in betreff der Hoden verschiedene Resultate haben. Die eine Arbeit Bergh's schlieBt sich der HERiNG'schen Deutung an, wahrend Neuland mit Riicksicht auf mechanische Verhaltnisse die Samenblasen mit D'Udekem als die Regenwurmhoden be- zeichnet hat. Wir sehen also, daC diese Frage seit dem Erscheinen der Arbeiten von D'Udekem und Hering noch nicht erledigt ist. Die Hoden sind bis jetzt der wunde Punkt in der Regenwurm- anatomie geblieben. 326 Dr. Otto Lehmann, Die Geschlechtsdriisen. Wie wir soeben gesehen haben, ist man iiber die eigentlichen Hoden der Regenwttrmer noch im Unklaren ; ehe wir jedoch zu einer Kritik der beiden verschiedenen Ansichten dariiber schreiten, wollen wir uns uber die anatomischen Verhaltnisse klar werden. Bei Lumbricus terrestris, L. communis und bei Allolobophora findet man im 10. und 11. Segment, an der Hinterseite des vor- deren Dissepiments zu beiden Seiten in der Nahe des Bauchstrangs je ein weiCes Knotchen angeheftet, das besonders zur Zeit, wo die Tiere nicht geschlechtsreif sind, scharf hervortritt. Dieses Knotchen wurde von Bering als Hoden angesehen. Bei geschlechtsreifen Tieren ist es gewohnlich sehr schwierig, diese Organe zu ent- decken, und ich erklare mir auch daraus, da6 Claparede, Lankester und andere dieselben nicht fanden, denn ich konnte sie ebenfalls nur seiten bei reifen Thieren finden, wahrend sie bei jungeren Tieren deutlicher hervortreten und viel leichter zu isolieren sind. Bloompield macht auch darauf aufmerksara, dafi, „when the seminal reservoirs are in an incomplete or in the periodic undis- tended condition, it is quite easy, to exhibit the four testes." Ihre Form ist bei den verschiedenen Arten etwas verscbieden. Bei L. agricola und L. communis sind sie von Hering als platte facherartig ausgebreitete Korperchen beschrieben und abgebildet, ebenso bestehen sie nach Bergh bei L. foetidus „aus mehreren fingerformigen Lappen, die von gemeinsamer Basis ausstrahlen". Bei L. riparius sind dieselben einfache , breite Flatten , ahnlich wie bei Allolobophora subrubicunda (Eisen). Uber ihre Entwickelung liegen auBer den Angaben Bergh's keine einzige vor. Hiernach finden sich, wie aus seiner Fig. 10 ersichtlich ist, an der Grenze zwischen Dissepiment und Peritoneum im 10. und 11. Segment, an derselben Stelle, wo im 12. Segment sich ein Segmentalorgan findet, im spiiteren Kokonleben, kurz vor dem Verlassen des Kokons jene als Hoden gedenteten Gebilde. Und zwar sollen dieselben „zweifellos als Wucherungen des Peri- toneums entstanden sein, die sich folgendermafien dift'erenzieren: es bildet sich eine Rinde von diinnen Peritonealzellen mit abge- platteten Kernen und eine innere Masse von groBeren Urkeim- zellen." Von diesen Organen losen sich nun einzelne Zellen als Spermatoblasten los und entwickeln sich in der von Bloomfield Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 327 angegebenen Weise zu Biindeln von Spermatozoen. Au ihrer Natur als Keimepithel ist demnach;nicht zu zweifeln. Alle Stadien in der Entwickelung der Spermamutterzellen findet man in den sogeuannten Samenblasen, jenen groCen, weiBen Massen, die beim Offnen eines Wurmes sofort in die Augen fallen, und die man vor dem Erscheinen der HERiNG'schen Arbeit all- gemein fiir die Hoden der Regenwurmer hielt. Bei L. agricola, L. purpureas und L. rubellus erscheinen dieselben als Anhange eines median im 10, und 11. Segment gelegenen hautigen Sackes, der sogenannten Samenkapsel, wie dies die bekannte HEKiNG'sche Figur audi zeigt. Bei genauerer Untersuchung aber, und besonders auf Querschnitten fiudet man, daC an der Stelle, wo die Samenblasen in die Kapsel einmiinden, sich die Dissepimente der betreffenden Segmente hindurchziehen, und so die Samenblasen mit einem Stiele erst durch das Dissepiment hindurchtreten , und auf der anderen Seite in die Samenkapsel einmiinden. Aber audi in den histo- logischen und entwickelungsgesdiichtlichen Verhaltnissen findet man eine Verschiedenlieit zwischen der medianen Samenkapsel und den Samenblasen. Hierauf werden wir weiter unten noch zuriick- kommen, einstweilen sei bemerkt, daC die mediane Samenkapsel als ein, von einer dtinnen Membran abgegrenzter Teil der Leibes- hohle zu betrachten ist. Dies entspricht auch dem Verhalten der Samenblasen bei den anderen Arten, wo sich keine mediane Samen- kapsel findet, wie z. B. bei L. communis und L. chloroticus. Hier fand Bering „jederseits vier weifiliche Korper im 9., 10., 11. und 12, Segmente; die beiden vorderen kleineren rundlich und mehr nach auCen, die beiden hinteren, groCeren lixnglich und der Mittel- linie naher, die vorderen an der hinteren Wand, die hinteren an der vorderen Wand ihres Segments befestigt, so daC also das Septum zwischen dem 10. und 11. Binge jederseits zwei tragt, nach aufien und unten den vorderen Anhang der hinteren Samen- blase, mehr nach iunen und oben den hinteren der vorderen Samen- blase." Noch anders liegen die Verhaltnisse bei Allolobophora subrubicunda (Eisen). Hier haben sich die Dissepimente des 9. 10., 11. und 12. Segments nach hinten ausgestulpt und bilden so Hohlungen, in denen die einzelnen Samenblasen eiugeschlossen liegen. Auf Querschnitten erhalt man dann solche Bilder, als wenn die Samenblasen, welche sich an der Vorderseite der Dissepimente befinden, nach innen hin, von einer longitudinal verlaufenden Wand, diejenigen , welche an der hinteren Seite sitzen , sich von dieser Wand nach auCen hin ausgestulpt batten. Diese Art ist also ge- 328 Br. Otto Lehmann, wissermafien eine Ubergangsform in der Anordnung von Saraen- blasen uiid Samenkapsel, wie sie sich bei L. agricola, rubellus uiid purpureas findet, und der bei L. communis und L. chloroticus. Bei den ersteren Arten findet sich eine, von der Leibeshohle durch eine "Wand getrennte Kapsel, in die die Samenblasen hineinmiinden ; bei Allolobophora subrubicunda wird diese Kapsel von den ein- gestiilpten Dissepimenten gebildet, und bei L. communis und L. chloroticus miinden die Samenblasen frei in die Leibeshohle. Der histologische Bau der Samenblasen ist zum Unterschied von dem der Samenkapsel viel komplizierter. Der Hohlraura der letzteren ist ganz einfach, von einer peritonealen Membran um- geben, die die reifenden Spermazellen und die von Hering als Hoden gedeuteten Korperchen umgiebt, und mit den Dissepimenten zusammenhangt. Von der Struktur der Samenblasen dagegen ent- wirft Bloomfield folgendes Bild : „Von der Aufienwand , die na- turlich eine Peritonealschicht ist, gehen feine Streifen nach dem Inneren des Organes und bilden so ein Netzwerk, in dessen Maschen die Spermatozoen reifen. Diese Streifen werden von zahlreichen, kleinen Blutgefafien begleitet, so daC es fast den Anschein hat, als waren die Maschen von diesen kleinen GefaCen allein gebildet." Genauer noch beschreibt Neuland die Histologie. Die ganze Saraenblase ist ein in viele Kammern geteilter Sack. Diese Kammern werden durch feine, von Lucken durchbrochene Membranen ge- bildet, von denen aus starke Protoplasmastrange das Innere der- selben durchsetzen. In diesen Kammern finden sich dann die ver- schiedensten Stadien der Spermatozoen, Blutgefafie und in Ent- wickelung begriflfene Gregarinen. In Bezug auf die Entstehung der Samenblasen habe ich bei der Untersuchung ahnliche Bilder von jungen Stadien erhalten, wie Bergh sie in seiner Fig, 13 abbildet, sie entstehen als Wucherungen der Wand der Dissepimente. Bloomfield giebt an, dafi dieselben nach den Anschauungen Lankester's aus Aus- stulpungen von den vasa deferentia am Grunde der Samentrichter entstanden sein sollen, in Ubereinstiramung mit seiner Figur, wo- nach die fertigen Samenblasen noch durch einen Kanal mit den vasa deferentia zusammenhangen, — eine Ansicht, die allerdings die Schwierigkeit heben wiirde, auf welche Weise die von den sog. Hoden sich loslosenden Zellen gerade in die Samenblasen hineingerathen. Es wurden dann namlich die Spermamutterzellen durch die Trichter in die Samenblasen befordert werden, und diese bei der Kopulation sich direkt in die vasa deferentia ent- Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten, 329 leeren. Trotzdem ich mir die groCte Muhe gab, gelang es mir niclit, eine solche Verbindung zwischen vas deferens und Samen- blasen aufzufindeii, beide Organe erwiesen sich vielmehr als vollig unzusammenhangend. Noch deutlicher zeigte dies die Entwickelungs- geschichte. Bei jungen Tieren , die eben den Kokon verlassen wollten , sieht man auf Querschnitten an denjeuigen Stelleu , wo spater die Samenblasen sitzen, eine Anhaufung von Zellen ; diese vermehren sich und bilden so ein Gewebe , in dem besonders die groBe Zahl der Kerne aufifallt. Dieser Befiind steht im Gegensatz zu den Untersnchungen Bergh's. Derselbe findet „das Gewebe der jungen Samenblasen noch sehr parenchymatos, und dieselben haben wohl noch nicht angefangen, die Hodenzellen aufzunehmen." Schliefilich stiilpt sich dann die andere Wand des Dissepiments ein und wird zu dem feinen Kanal , durch den die Samenblasen mit der Leibeshohle in Verbindung stehen. tjber die Entstehung der medianen Samenkapsel besitze ich leider keine eigenen Unter- snchungen. Bloomfield beschreibt dieselbe folgendermaBen : „As sexual maturity approaches, the three primitive pairs of seminal vesicles become larger and larger, and finally the four anterior pairs meet in one mass in such a way as to form a central body, covering in the rosettes and testes of the tenth segment, and also encroaching upon the eleventh segment; to the four corners of this central oblong body are attached four lobes, corresponding to the anterior and middle pairs of the primitive seminal vesicles. A similar coalescence of the proximal portion of the posterior part has taken place in the eleventh segment with invasion of the area of the twelfth segment ; but there are only two lobes — the backward — growing pair of vesicles, which appeared on the septum between segments 11 and 12." Dieser Ansicht schlieCt sich auch Vejdovskt an, doch scheint mir besonders im histo- logischen Bau eine solche Verschiedenheit beider Organe zu be- stehen, daB die von Bloomfield angegebene Entstehungsweise wenig verstandlich erscheint. Was nun die Deutung der Samenblasen und der als Hoden beanspruchten Korperchen angeht, so herrschen dariiber, wie schon erwahnt, zwei Ansichten. Die eine, — wenn man will, — altere, von D'Udekem und Lankester vertretene, wonach die Samen- blasen die eigentlichen Hoden sind, — die andere, von Hering aufgestellte, daC jene an der Hinterseite des Dissepiments im 10. und 11. Segment angehefteten Knotchen die Keimschicht fiir die mannlichen Geschlechtsprodukte, und die Samenblasen weiter nichts, 330 Dr. Otto Lehmauu, als Reservoirs fiir den reifenden Samen siud. Diese letztere Au- sicht wurde in spaterer Zeit von CLAPARi:DE und Perkier an- gefochten, denn diesen Forschern gelang es niclit, jene Organe iiaclizuweisen ; Bloomfield, Vejdovsky und Bergh hielten jedoch an der HERiNG'schen Deutung fest und behaupteten die Existcnz und Funktion dieser Gebilde. In jungster Zeit hat nun Neuland die den Samenblasen von Hering angewieseue Funktion kritisch untersucht, und ich kann mir nicht versagen, den in seiner Arbeit enthaltenen Passus dariiber wortlich hier mitzutheilen. Er sagt: „Sumraieren wir die Krafte, die ein Spermatogonium aufwenden miifite, urn aus dem Hoden (Hering) in den Samenblasenanhang zu gelangen, so sind dies folgende: 1) die zur eigeuen Bewegung, 2) die zur tJberwindung der durch den Samentriditer hervor- gerufenen Bewegung, resp. Stromung, 3) die zum Durdipressen durch die Liicken im Gewebe des Zugangs, 4) die zur tJberwindung der Schwerkraft, um in dem Anhange in die Hohe zu steigen, und zum Schlufi die Kompensierung des Muskeldruckes des Leibes- schlauches. Eine solche Summe von Krafteu kann doch unmoglich einem Spermatogonium innewohnen, und sollte es selbst dieselbe besitzen, mit welcher Gefahr ware dies fiir die Spermatozoeu verkniipft, sie wiirden bald von ihm abgestreift sein. Hierzu kommt noch die Beschaffenheit des Stroma der Anhange" etc. Diesen Auseinandersetzungen muB ich mich anschlieBen, aber nicht nur aus den obeu angefuhrten Griiuden, sondern auch aus wichtigen, vergleichend anatomischen Befuuden. Auf Querschnitten durch Allolobophora findet man in den Genitalsegmenten , in den von den Dissepimenten abgegrenzten Teilen der Leibeshohle alle Stadien der Entwickelung der Spermatoblasten , bis zu einzelnen, in der Leibeshohle sich befindenden reifen Spermatozoen, die wahr- scheinlich zu Grunde gehen. Nun kann man annehraen, diese, so eutwickelteu Spermatozoen und Spermatoblasten stammen von solchen Spermamutterzellen ab, die sich von den Hoden losgelost haben und nicht in die Samenblasen hineingekommen sind, sondern in der Leibeshohle ihre Entwickelung durchmachen, um entweder zu Grunde gehen, oder bei einer Kopulation durch die Trichter mit entleert zu werden. Es ist jedoch auch nicht recht einzusehen, auf welche Weise jene Samenzellen, die in die Samenblasen hinein- gerathen sollen, durch die kleine Offuung in der Wand der Dis- sepimente in dieselben hineinkommen, denn ein Flimmerepithel an der Miindung der Samenblasen habe ich nicht nachzuweisen ver- mocht, ebenso wenig, wie die BLOOMPiELD'sche Figur richtig ist, Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 331 woiiach die Samenblasen durch einen Kanal mit den Samentrichtern in Verbindung stehen sollen. Es koniite audi sein, daC bios in den Jugendstadien eine Einwanderung von Spermamutterzellen ge- schahe; daC vielleicht zu einer gewissen Zeit, die bis jetzt den Beobachtungen entgangen ist, sich an der Einmundungsstelle ein Elimmerepithel vorfindet, wodurch die Spermatoblasten in die Samenblasen hineinbefordert werden; dem widerspricht aber der Umstand, daC man in alten Samenblasen die verschiedensten Ent- wickelungsstadien vorfindet, von einfachen Zellen bis zu Sperma- biindeln, — denn fande erster Fall wirklich statt, so miiBten in reifen Samenblasen sich die altesten Stadien , also vielleicht nur Bundel von Spermatozoen vorfinden. Dafi zu alien Zeiten Sperma- mutterzellen einwandern , dem stehen eben jene Bedenken , die Neuland auCert, im Wege. Ich meinerseits bin nun der Ansicht, daB auch die Samenblasen selbst wirklich als Keimlager fiir die Spermamutterzellen anzusehen sind, — und man findet in ihnen ja auch die jungsten Stadien derselben, — so daC wir also bei den Regenwiirmern zwei Keimepithelien vorfinden, einmal jene von Hering Hoden genannten Korperchen , und zweitens die Samen- blasen, die Hoden D'Udekems. Die aus ersteren sich entwickelnden Spermamutterzellen entwickeln sich bei den mit einer medianen Samenkapsel versehenen Lumbriciden in dieser , bei den anderen Arten , z. B. Allolobophora , frei in der Leibeshohle , — die von letzteren abstammenden Spermatoblasten entwickeln sich in ihnen selbst. Bei den terricolen Oligochaeten ist also das Keimlager auf jene beiden Stellen der Genitalsegmente reduciert, wahrend bei den niederen Anneliden die verschiedensten Stellen des Peritoneums befahigt sind, Keimzellen zu produzieren. Als weibliche Geschlechtsdriisen findet man bei alien Lum- briciden an der Hinterseite des vorderen Septums im 13. Segment, in der Nahe des Bauchstrangs die Ovarien angeheftet , — kleine, weiCliche Kegel, die in eine lange, mit Anschwellungen versehene Spitze auslaufen. An der Basis dieses Kegels liegen die jungen Eier, je wei'ter wir nach vorn kommen, je alter werden dieselben, — die Anschwellungen an der Spitze bezeichnen zum Verlassen des Ovariums reife Eier. Das Ovarium ist von einer diinnen, mit stark sich farbenden Kernen versehenen Peritonealschicht umgeben. tjber ihre Eutwickelung liegen nur die Untersuchungen Bergh's vor; danach findet dieselbe in ganz iihnlicher Weise, wie die der von ihm Hoden genannten Korperchen statt, die Ovarien entstehen als Wucherungen des Peritoneum. Bd, XXI. N.F. XIV. 22 332 Dr. Otto Lehmann, Die Leitungswege der Geschlechtsprodukte. Als Leitungswege fiir die mannlichen Geschlechtsprodukte fungieren bei den Lumbriciden die vasa deferentia; zu je einem Geschlechtssegment gehort beiderseits ein vas deferens, das mit einem groCen, gefaltelten Trichter beginnt, der an dem hintereu Dissepimente des Segmentes befestigt ist. Bei den mit einer me- dianen Samenkapsel versehenen Arten ist der Trichter von dieser eingeschlossen, bei L. turgidus, L. riparius liegt derselbe frei in der Leibeshohle, und findet man ihn sofort beim Otfnen eines Wurraes. Bei Allolobophora subrubicunda ist er in den von den Dissepimenten gebildeten Sack mit eingeschlossen. Bei L. agricola ist seine Form von Hering bereits genau beschrieben worden ; er wird hier von einer vielfach gefalteten , zarten , weiBen Membran gebildet, deren innere Seite lebhaft flimmert. Etwas anders ist derselbe bei Allolobophora gebaut. Der Trichter erscheint hier als aus zwei einander gegentiberliegenden, langgestreckten Lippen bestehend, deren innere Seite mit Flimmerepithel ausgeriistet ist. Die Zellen sind sehr hoch und mit groBen , schonen Kernen ver- sehen. Nach hinten zu endigt der Trichter in einen Kanal, der bei L. agricola , am Anfang vielfach gewunden , dann zu beiden Seiten des Bauchstranges verlauft; die Kanale vom vorderen und hinteren Trichter vereinigen sich sofort im 12. Segment bei L. agricola; bei Allolobophora laufen sie beide getrennt neben einander her bis in die Nahe des 14. Segments, hier vereinigen sie sich, steigen tiefer in die Langsmuskelschicht herab und miinden im 15. Segment nach aufien. Sie bestehen aus einem von mehreren schonen, hohen Zellen gebildeten cyliudrischen Rohr, dessen inter- cellulares Lumen mit lebhaft sich bewegendem Flimmerepithel versehen ist. Uber die Entstehung der Samentrichter und vasa deferentia liegen bei den Lumbriciden die Untersuchungen Bergh's vor, die mit den Untersuchungen Vejdovsky's an anderen Oli- gochaeten im wesentlichen ubereinstimmen. Danach bilden sich die Trichter als Verdickungen des Peri- toneum an der Wand der Segmentaltrichter. Diese Verdickungen heben sich nachher ab, und werden zu den Samentrichtern, ahnlich, wie bei den iibrigen Oligochaeten ; hier finden sich beim jungen Tiere in den Genitalsegmenten anfangs nur Segmentalorgane, die mit der Entwickelung der Geschlechtsorgane degenerieren. Die Samentrichter entstehen hier als Verdickungen des Peritoneum an der Vorderseite der Dissepimente und wachsen nachher nach hinten GcBchlcchtsprodukte bei den Oligochaetea. 333 zu einem soliden, spater hohl werdenden Strange, den vasa deferentia aus. Bei Lumbriciden hat Bergh die Entstehung des vas deferens nicht verfolgen konnen, und auch mir ist es nicht gelungen, die- selbe nachzuweisen. Nur so viel stebt fest, daB es ursprunglich solide Zellstrange sind, die erst nachtraglich hohl werden. In ahnlicher Weise, wie die Sanienleiter sich entwickeln, ent- stehen auch die Leitungswege fur die zur Reife gelangten Eier. Sie liegen im 14. Segment und beginnen , an der Hiuterseite des 13. Segments, dem Ovarium gegeuiiber, mit einera Trichter, der nach hinten in einen Kanal, den Ovidukt iibergeht. Dieser verlauft im 14. Segmente schrag nach unten und auCen und miindet in der Mitte des 14. Segments nach aufien. An dem vorderen Septum des 14. Segments, an der Hinterseite des Trichters, findet man dann ein mit zahlreichen Gefafien versehenes, weiBes Blaschen, das receptaculum ovorum, ein Organ, das als homolog den Saraen- blasen angesehen wurde. Dasselbe besteht, ahnlich wie diese, aus mehreren, bindegewebigen Kammern, in denen die reifen Eier liegen. Riicksichtlich ihrer Funktion sind sie jedoch wohl nicht mit ihnen zu homologisieren , sie haben wahrscheinlich nur die Aufgabe, den Eiern, die in reifem Zustande den Eierstock verlassen, als Aufbewahrungsort zu dienen. Was ihre Entstehung, sowie die de)' Ovidukte angeht, so folgen wir der Darstellung Bergh's. Beide Organe entwickeln sich unabhangig von einander, die Ovi- dukte, resp. ihre Trichter, ahnlich wie die Samentrichter, als Ver- dickungen des Peritoneum an der Seite der Segmentaltrichter; die receptacula als Verdickungen des Peritoneum der Dis- sepimente. Erst nachtraglich treten beide Organe mit einander in Verbindung. Wir sehen also, daB sowohl in der Entstehung, als vielleicht auch bis zu einem gewissen Grade der histo- logischen Ditterenzierung beider Organe, der mannlichen Samen- blasen und der receptacula ovorum eine groBe Ahnlichkeit nicht zu verkennen ist, sie mogen auch homolog sein, aber in ihrer Funktion und ihrer Beziehung zu den Samenleitern resp. Eileitern sind sie ganzlich voneinander verschieden, — und die Beschaffenheit der receptacula ovorum kann nicht als ein Beweis gegen die Hoden- natur der Samenblasen angefiihrt werden. Die Samentaschen. Diese, von den fruhesten Beobachtern als Hoden gedeuteten, weiBen Blaschen liegen bei h. agricola an der Bauchseite des 9. 22* 334 Dr. Otto Lehmann, und 10. Segments mit einem kurzen Stiel angeheftet. Dieser Stiel wird von einem Kanal durchzogen, der zwischen den Furchen des 9., 10. und 11. Segmentes nach auCen miindet. Entsprechend ihrer Funktion sind sic von einem dichten GefaBnetze umgeben. Ein Zusammenhang zwischen ihnen und ubrigen Geschlechtsorganen existiert nicht. Auf die Lageverschiedenheit der Samentaschen bei den verschiedenen Arten hat zuerst D. Rosa und zu gleicher Zeit auch Bergh hingewiesen. Bei L. agricola, L. purpureus, L. foetidus, L. rubellus und L. complanatus, ebenso wie bei Allo- lobophora subrubicunda finden sich dieselben im 9. und 10. Seg- ment, ihre Ausfiihrungskaniile laufen nach hinten und miinden in den Furchen zwischen dem 9., 10. und 11. Segment. Bei L. tur- gidus aber liegen die Samentaschen im 10. und 11. Segment, ihre Ausfiihrgange laufen ein wenig nach vorn , und die Miindungen liegen ebenfalls zwischen dem 9., 10. und 11. Segment. Bei L. riparius findet sich nach Bergh noch ein vorderes Paar im 9. Segment, so daB also hier 3 Paare von Samenblasen vorhanden sind. Auch ihre Lage zu dem Bauchstrange ist eine verschiedene, wie Bergh's sorgfaltige Untersuchungen beweisen. Bei L. foetidus liegen die Samentaschen weit mehr gegen die dorsale Medianlinie hinauf, als bei L, agricola, L. purpureus und L. turgidus, und ihre Ausfiihrgange miinden weit oberhalb der aufiersten Borsten- paare nach auBen. Noch hoher liegen dieselben bei der von mir untersuchten Allolobophora-Art. Beide Samentaschen liegen ganz dicht bei einander, in der dorsalen Medianlinie und ihre Miin- dungen in dieser, so daB es den Anschein hat, als ware nur eine einzige Oflfnung vorhanden. Der histologische Bau der Samen- taschen zeigt ein deutliches Cylinderepithel , das nach auBen von einer sehr gefaBreichen Bindegewebslage umgeben ist. Sie ent- stehen, wie Bergh und Vejdovsky tibereinstimmend angeben, als Einstiilpungen des Ektoderms. Die physiologische Funktion der Samentaschen als receptacula seminis hat Hering zuerst nachgewiesen, und zwar vorzUglich in- folge ihres Verhaltens bei der Begattung, wo, wie Hering be- obachtet hat, die aus der vulva des einen Wurmes hervortretenden Samentropfen durch die Bewegung des Giirtels in die Offnung der Samentaschen des anderen Wurmes hineingepreBt werden. Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 335 II. Die Exkretionsorgane der Lumbriciden. Als Exkretionsorgane fungieren bei alien Anneliden die so- genannten Segmentalorgane. Dieselben sind bei den Lumbriciden zuerst von Gegenbaur genauer untersucht worden, der auch ihre Funktion, Exkrete aus deni Korper zu schaffen, zuerst erkannte. Nachher waren sie wiederholt Gegenstand der Uutersuchung, be- sonders ihre Beziehung zu den Geschlechtsorganen , worauf wir spiiter noch zuriickkonimen werdeu. Obgleich die Homologie der als Exkretionsorgane bezeichneten Organe bei alien Anneliden durchaus noch nicht bewiesen ist, so nehmen wir doch vorliiufig dieselbe an. Wir werden nachher noch auf diese Frage zuriickkonimen. Ebenso schliefien wir uns vor- laufig der allgemeinen Bezeichnung der Urniere an und bezeichnen als solche das ira Embryo des Regenwurms sich findende Ex- kretionsorgan, indem wir uns vorbehalten, den.Begrifif der Urniere spater zu fixieren und die Ausdehnung seiner Anwendbarkcit so- wie die Homologie dieses Organes mit anderen als Urnieren be- zeichneten der ubrigen Anneliden zu erortern. Wir betrachten zuerst: Die embryonalen Exkretionsorgane. Die embryonalen Exkretionsorgane (Kopfniere, Urniere) sind am langsten bei den Mollusken bekaunt. Schon Laurent, van Beneden und 0. Schmidt haben dieses Organ beschrieben, aber seine eigentliche Bedeutung noch nicht erkannt. van Beneden hatte dasselbe als ruban lateral bezeichnet, aber nicht in seinem Zusammenhange mit einem Ausfiihrgang beobachtet, wie liAURENT, der es schon mit der Niere in Verbindung brachte. Erst Gegen- baur beschrieb diese Organe bei Limax, Clausilia und Helix ge- nauer und benannte sie — als eiue Art Niere, die nur kurze Zeit wahrend des embryonalen Lebens thatig ist — „Urniere". — Sie erscheint hier paarig am vorderen Telle der Leberanlage als ein gebogener Schlauch, der bei Limax mit mehreren kurzen, astartigen Fortsatzen versehen ist. Bei Helix wurde dieselbe auch schon von Meckel gesehen : „bei dem Embryo von Helix sieht man am 9. Tage nach der Furchung schon deutlich die gelben Harnzellen, und am 11. Tage sind sie vollkommen ausgebildet; es haben jetzt 336 Dr. Otto Lehmann, die grolJten einen Durchmesser von 0,02 '", so dafi man sie rait der Lupe einzeln unterscheidet. Hier laCt sich auch der Bau der Harnzellen vorziiglich gut erkennen. Voni 21. Tage, wo die von mir beobachteten Jungen auskrochen, verschwinden allmablich die groBen Zellen und machen kleineren Platz." Spater wurden diese Urnieren bei SiiBwasserpulmonaten von FoL, Rabl und BUtschli aufgefunden. Letzterer beschreibt die- selben, entsprechend wie Fol, folgendermaBen : „Von einem rundbchen, mit weiter, von Flussigkeit gefiillter Hoble versehenen Sack entspringt in der Richtung nach dem Mund zu eine ziemlich lange Rohre, die sicb in der Gegend des Augen- blaschens mit einem Trichter frei offnet. In dieser Rohre bemerkt man sehr lebbafte Flimmerbewegung, die den Anscheiu einer sehr lebhaft sich schlangelnden Wellenlinie hervorruft, deren Bewegung von der TricbteroflFnung nach dem Sacke zu stattfindet. In ge- ringer Entfernung von dem Ursprung dieser Trichterrohre ent- springt aus dem Sack noch eine zweite kiirzere , jedoch weitere Rohre, die nach dem FuC zu verliiuft. In dieser Rohre vermutet man sogleich den Ausfuhrungsgang des ganzen Apparates, der sich nach den ubereinstimmenden Angaben von Rabl und Fol durch Einstiilpung von dem Ektoderm her bilden soil." Unter den Aniieliden sind die embryonalen Exkretionsorgane am langsten bei Hirudineen bekannt. Hier sind dieselben zuerst von Rathke (Entwlckelung von Nephelis) und kurz darauf von Leuckart beschrieben worden. „Sehr bald nach der Anlage des Bauchstreifens stoCt man bei den Hirudineen-Embryonen auf eine neue Bildung. Es sind drei Paare schlingenformig zusammen- gewundene Strange, die sich symmetrisch iiber die beiden Korper- seiten verteilen und der hinteren Halfte der Bauchflache angehoren. Die drei Paare liegen in kurzen Abstanden hintereinander und sind derart entwickelt, daB sie von vorn nach hinten an GroCe allmablich abnehmen." Leuckart fiigt dann noch die Vermutung hinzu, daC diese Gebilde zu der Innenflache der Korperwand, der sie aufliegen, ganz dieselben genetischen Beziehuugen haben, wie der Bauchstreifen. Am eingehendsten hat Bergh die Urnieren bei Aulastoma beschrieben : hier sind konstant vier Paar derselben vorhanden, die an der Ventralfliiche des Embryo liegen und kreis- formig geschlossene, aus zwei Zellreihen zusammengesetzte Organe darstellen. Sie entstehen als Sprossung einfacher Zellreihen von dem AuBenrande der Rumpfkeime, — jede dieser Zellreihen bildet spater am lateralen Ende eine Anschwellung, deren Verbindungs- Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 337 Strang mit den Rumpfkeimen noch spater reiCt. Die Zellen der Anschwellung weichen auseinander und stellen so einen in ihrer groBten Ausdehnung von zwei Zellreihen gebildeten Kreis dar — in und zwischen den Zellen entstehen Kanale, — mehrere neben- einander. In keinem einzigen Stadium der Entwickelung hat Bergh innere oder auBere Oflfnungeu an den Urnieren nachweisen konnen. Bei den Gephyreen hat Spengel die Urnierengange nachge- wiesen, und zwar bei Bonellia. Hier findet man vor den Borsten, zwischen diesen und der Mundoflfnung, ein Paar aufierst zarter, schvver sichtbarer Schlauche. Es sind frei in die Leibeshohle hineinragende Kanale mit dunner Wandung, in welcher man ein Epithel und einen Peritonealuberzug unterscheidet , und engem, jedoch deutlichem Lumen. Innere sowie aufiere Miindung und Wimperung kounte Spengel nicht entdecken. — Ferner beschreibt Vejdovsky bei Sternaspis, einer Zwischenform in der Nahe der Gephyreen, embryonale Excretionsorgane. Hier finden sich bei entwickelteren Larvenstadien ein Paar frei in der Leibeshohle liegender Kanale, die beinahe in der Mitte der Bauchseite liegen. Ihre Wandungen sind dunn, das Lumen ziemlich weit und augen- scheinlich mit einer hellen Flussigkeit gefiillt. Eine auCere und innere Mundung konnte Vejdovsky der dunklen Ektodermzellen wegen nicht beobachten, ebenso war an denselben eine Wimperung nicht zu unterscheiden. Von den Chaetopoden haben Claparede und Mecznikow, wenn auch unbewuCt, zuerst die Urnieren gefunden. Sie beschreiben namlich bei einer Larve der Phyllodociden-Familie im Kopflappen ein eigentiimliches, hohles Organ (n)^ das sie als eine Driise deuten, das aber, der Figur nach zu urteilen, der Urniere ent- spricht. AuCerdem liegen iiber die embryonalen Exkretionsorgane noch die Beobachtungen Hatscheck's, Vejdovsky's und Cald- well's vor. Letzter beschreibt dieselben an der Larve von Pho- ronis als zwei an den Seiten des Korpers liegende, intercellulare, mit Flimmerbewegung versehene Kanale, die sich getrennt zu beiden Seiten nach auCen ofifnen, deren innere Offnung Caldwell aber in keinem Stadium des freischwimmenden Larvenlebeus entdecken konnte. Der Kanal endigt nach der Leibeshohle durch eine Reihe eigentumlich geformter Zellen, ahnlich den von Hatscheck bei Echiurus beschriebenen Endzellen der Exkretionsorgane: „Each cell has a nucleus and processes similar to those of ordinary mesoblast cells. By one of these the cell is attached to the end 338 Dr. Otto Lelimann, of the large canal. This process is larger than the free processes, and has a cylindrical form. By the canal formed inside the cylinder, small brown concretions seen in the cell itself pass into the large canal, and so to the exterior. These excretory cells, with their fine canals, increase in number with the growth of the larva. They float freely in the body-cavity in front of the septum." Die exkretorischen Endzellen sind Abkommlinge des Mesoderms, einfache, zu jener charakteristischen Form umgewandelte Mesoderm- zellen. Bei der Polygordius-Larve fand Hatscheck eine eigentiimliche Entstehung der Exkretiousorgane , und zwar sollen sich hier die definitiven Segmentalorgane aus demembryonalenLarven-Exkretions- kanale absondern ; ob diese Entstehung richtig ist, ist sehr fraglich, denn weder Beegh noch Vejdovsky ist es gelungen, dieselbe bei Polygordius wiederzufinden , ebenso wie die Entstehung der Seg- mentalorgane anderer Chaetopoden nicht hierrait iibereinstimmt; jedenfalls aber hat Hatscheck bei der Polygordiuslarve die em- bryonalen Exkretiousorgane gesehen und beschrieben. Sie bestehen aus einem Paar bewimperter Schlauche, die sich mit dem vorderen Eiide durch einen, im alteren Stadium mehrere Trichter in die Kopfhohle offuen und mit dem anderen Ende am vorderen Kande des Kumpfes nach auBen offnen. Vejdovsky ferner hat die embryonalen Exkretionskanale bei eiuer ganzen Reihe von Oligochaeten gefunden. Er sagt hieriiber, dafi er die- selben sowohl bei Naidomorphen und Chaetogastriden als bei Aeolosoma gefunden babe. „In den sich bildenden Pharyngeal- segmenten einer jungen Nais, die noch mit dem alten Tiere zu- sammenhangt, erscheinen die embryonalen Exkretiousorgane als langgestreckte, lebhaft wimpernde Kanalchen, deren auBere und innere Miindung mir zu entdecken nicht gelang." Bei Chaeto- gaster kommen diese Organe in demselben Stadium der Ent- wickelung zum Vorschein, erinnern aber, was die Lage anbelangt, an die Exkretiousorgane von Rhynchelmis. Es sind lange, zu beiden Seiten des eingestulpten Pharynx und des alten Magen- darms verlaufende, dunnwandige Kanalchen, die aber nicht wim- pern. Ob sie sich nach auCen ofifnen, ob sie direkt mit der Leibes- hohle kommunizieren oder nicht, konnte Vejdovsky nicht unter- scheiden, doch scheint es, ,,als ob das Lumen des Exkretions- kanales mit dem des Oesophagus zusammenhiingt. Am besten kennt Vejdovsky die embryonalen Exkretiousorgane bei Aeolosoma tenebrarum. Sie erscheinen zuerst in solchen Zooiden, bei welchen Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeteii. 339 auBerlich dcr rait schwach wimpernden Kopfgrubeii etwas an- gescliwollene Kopflappen keniitlich ist, aber noch den alten Magen- darm aufbewahrt. Zu beideii Seiten des letzteren erscheiuen eia Paar dickwandiger, aus glanzenden Zellen bestehender, hohler Bliischen, die iiinerhalb mit beweglichen Wimpern ausgestattet sind. Mit dem unteren, verengten Ende hangen sie mit der Leibes- wandung zusammen, ohne dafi sie aber uach aufieu zu miinden, — das obere, etwas zur RUckenseite gerichtete Ende ist angeschwollen und gescblossen. Bei Aeolosoma dauern diese merkwurdigen Organe nur eine iiuCerst kurze Zeit, denn in den nachsten Stadien der Entwickelung findet man keine Spur davon. Selbst zur Zeit, als sich der neue Pharynx einstulpt, sind die provisorischen Ex- cretionsorgane bereits verloren gegangen." So weit die Beobachtungen Vejdovsky's. Es liegt nun die Frage nahe, ob bei alien Oligochaeten diese scheinbar doch konstanten Organe vorhanden sind, — vor allem bei den terricolen Oligochaeten, deren Embryouen allerdings schon vielfach untersucht sind, bei denen man aber bei keinem der Autoren eine Andeutung Uber diese Organe findet. Allein auf Querschnitten diese Organe zu studieren, schien mir nicht ratsam, und ich be- schloC daher, zuerst den lebenden Embryo zu untersuchen und dann Schnittserien durch denselben anzufertigen , wenn ich auch nicht viel Hoffnung auf Geliugen hatte, da die Embryonen der Lumbriciden wegen der dunklen Endodermzellen kein giinstiges Objekt zu derartigen Untersuchungen bieteu. Als Material benutzte ich Kokons von Allolobophora, die mir in geniigender Zahl zu Gebote standen. Der Embryo wurde vorsichtig herausprapariert und in einer 0,5procentigen Kochsalzlosung untersucht und ge- zeichnet. Darauf fixierte ich denselben mit einer Mischuug von 2 T. Subliraat und 1 T. Kleinenberg'scher Pikrinschwefelsaure, farbte in ganz schwachem Boraxkarmin, hartete in Alkohol bis zu absolutem Alkohol und fiihrte von diesem das Objekt vermittelst der Senkraethode in Chloroform iiber, dann wurde in weichem Paraffin eingebettet und in einem kalten Zimmer geschnitten. Hauptsachlich richtete ich mein Augeumerk darauf, das Objekt nicht zu stark zu erhitzen, nicht iiber 40"* C, da ich erfahren hatte, daB bei starkerem und langerem Erhitzen so zarte Objekte keine guten Resultate lieferten. Das jiingste Stadium, welches ich untersuchte, war das in Fig. 5 abgebildete. Auf dem Querschnittc sieht man Ektoderm, Entoderm und die zwei groBen Mesodermzellen. Die Cilien, die 340 Dr. Otto Lehmann, an einer Stelle des Korpers ganz deutlich zu beobachten waren, konnte ich auf den Schnitten uicht auffinden und kann daher auch nicht genau die Stelle angeben, an der sich dieselben be- finden, vvahrscheinlich waren sie dort, wo sich der Oesophagus einzustiilpen beginnt. Uberhaupt war auf diesem Stadium nur sehr wenig zu erkennen, einmal wegen der grofien Undurchsichtigkeit der Entodermzellen und ferner wegen der fortwahrend rotierenden Bewegung des Korpers. Durchsichtiger wurden die Embryonen in den spateren Stadien, wo sie die Wurmform anzunehmen be- ginnen und der Oesophagus sich schon zum Teil eingestiilpt hat. Hier ist der ganze Korper mit Cilien bedeckt, die besonders stark an der spateren ventralen Seite des Tieres und in der Gegend des sich einstiilpenden Pharynx entwickelt sind. Auf diesem Stadium sieht man deutlich den Urkeimstreifen mit der grofien, hinteren Zelle und den einzehien sich abgrenzenden Ursegmenten. Der Oesophagus ist noch nicht bis zum Urdarm durchgebrochen. Bei alien Embryonen, die ich in diesem Stadium untersuchte, fand ich jene als Urnieren bezeichneten Kanille vor, Ich will gleich bemerken, dafi ich an einem und demselben Embryo das in Fig. 6 wiedergegebene Bild nicht erhalten habe, sondern dafi dasselbe aus mehreren Figuren zuSammengestellt ist. Ich glaube jedoch berechtigt zu sein, die verschiedenen Bilder zu einem zu ergiinzen, da es manchmal nicht moglich war, wegen der Lage und der fort- wahrend rotierenden Bewegung des Embryo uberhaupt etwas von dem Kanale zu sehen. Bald sah man nur den einen Teil, bald nur den anderen. Trotzdem blieb mir aber, besonders durch das Studium der Schnitte, kein Zweifel liber das Vorbandensein und die Lage der Kanale, wie es in der Figur wiedergegeben ist. In dem dem Oesophagus entgegengesetzten Teile des Embryo findet sich ein rait lebhafter Wimperung versehener Kanal, dessen Wimpern in der Richtung nach vorn zu schlagcn. Dieser mit ziemlich weitem Lumen versehene Kanal scheint aber bald zu de- generieren, denn es war mir nur zweimal, und zwar auf den jungsten Stadien, auf denen ich die Urnieren fand, moglich, den- selben deutlich in seiner ganzen Ausdehnung zu sehen. Auf welche Weise er mit der Leibeshohle in Verbindung steht, konnte ich wegen der Dunkelheit der entodermalen Zellen , in denen er sich verlor, nicht erkennen. Nach vorn mtindet er in eine geraumige Hohle, die mit kraftig schlagenden Wimpern versehen ist und sich nach aufien zu durch eine kreisrunde Offnung offuet, nach der zu die Wimpern sich bewegen. Diese Ausfuhroffuung habe Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten, 341 ich in zwei Fallen ohne jeden Zweifel deutlich wahrgenommen, und die Zeichnung ist danach ausgefuhrt, — jedoch auf spateren Stadien, wo namentlich dor vordere Teil der Urniere deutlich aus- gebildet erscheint, war diese Hohle nicht mehr zu sehen, und auf Schnitten erschien es mir, als ware die Hohle abgeflacht und lage dicht unter dem Ektoderm. Der vordere Teil des embryooalen Exkretionskanales war jedoch jedesmal zu verfolgen. Er zog sich von der Gegend des Pharynx herunter an der dorsalen Seite, und die Winiperung bildete eine nach der Urnierenhohle gerichtete, lebhaft sich schlangelnde Wellenlinie. Nie aber konnte ich am lebenden Embryo ermitteln , auf welche Weise dieser Kanal sich nach dem Inneren des Korpers oifnet, selbst bei starker Ver- grofierung sah man denselben nur spurlos in der Nahe der sich bildenden Kopfhohle verschwinden. In den spateren Stadien tritt dieser Kanal noch starker hcrvor, am besten habe ich ihn sehen konnen, wenn in dem Embryo schon die ersten drei Segmental- organe fungieren. Er verlauft hier von der Kopfhohle aus dicht unter dem Ektoderm gerade nach hinten bis in die Gegend des 4. Segments, wo er, wie es schien , nach aufien miindete. Die Flimmerung war deutlich in demselben zu bemerken, wenn auch das Lumen schon geringer geworden war. Bald darauf verschwinden diese Exkrctionskanale dann ganzlich, in Embryonen, die schon ganz die Wurmform angenommen hatten, war nichts mehr davon zu entdecken. Was die Histologie dieser Kanale betrifft, so findet man auf Schnitten, dafi es ein einzelliger Strang ist, in dem sich ein intra- cellularer, mit Wimpern besetzter Kauai tindet. Dieser Strang zieht sich auf der spateren dorsalen Seite zwischen Ektoderm und Entoderm hin und ist durch feine Muskelfasern an der Leibeswand befestigt. Das vordere Ende des Stranges lauft in eine grofie Zelle aus, die von mehreren Kanalen durchbrochen ist, welche sich in die Kopfhohle des Embryo offnen. Diese Exkretionszelle wiirde dann dem „Endtrichter" an dem Exkretionskanal der Polygordius- larve entsprechen. Ich habe diese Organe sogleich als Nieren bezeichnet und sie den ahnlichen embryonalen Exkretionsorganen der iibrigen Oligochaeten homolog gesetzt. Fur ihre exkretorische Funktion sprechen die starke Flimmerbewegung, die an ihrer Miindung au- gehauften, festen Partikelchen, wahrscheinlich Exkretionsstotfe, und ihr Degenerieren mit dem Auftreten der bleibenden Exkretionsorgane und schlieBlich der ubereinstimmende Bau mit dem embryonalen 342 Dr. OttoLehmauD, Exkretionsorgane des Polygordius , uber dessen exkretorische Funktion wohl kein Zweifel herrscht. Bei den Lumbriciden haben diese Kanale also, wie wir gesehen, ilire spezifische Funktion; ob auch bei den anderen Oligochaeten, mag noch dahingestellt bleiben, wie denn iiberhaupt iiber diese Organe eine ziemliche Unsicherheit und Unklarheit noch herrscht. Wir kennen unter den Oligochaeten diese Organe bis jetzt bei Aeolosoma, den Naidomorphen und Chaetogastriden, bei Rhynchelmis und Allolobophora, aber fast bei alien sind sie sowohl bezuglich ihrer Lage, speziell ihrer Miin- dung, als auch vielleicht ihrer Funktion verschieden. Eine auCere Mundung ist nach Vejdovsky weder bei Aeolosoma noch Nais und Chaetogaster vorhanden, ebenso wie die innere Ofifnung fehlt. Es sind nun entweder diese Organe bei den drei Arten iiberhaupt keine Exkretionsorgane und also nicht als Urnieren zu bezeichnen, — da sie eben infolge ihres Baues nicht Stoffe aus dem Inneren des Korpers herausbefordern konnen — oder aber, was mir wahr- scheinlicher diinkt, die Mundung dieser Organe ist so schwer zu finden, daC sie den Beobachtern bis jetzt entgangen ist. Vejdovsky sieht in diesen Rohren nur vererbte Organe, die gleich am Anfange ihrer Entwickelung degenerieren, indem die Exkretionsfunktion von anderen, in den Zooiden vorhandenen, so- genannten Segmentalorganen iibernommen wird, eine Ansicht, die wohl nicht stichhaltig ist; denn wenn jene Exkretionsorgane, wie sie bei Rhynchelmis und Allolobophora vorkommen, bei jenen drei Arten wirklich gleich am Anfange degenerieren, so wurde doch wahrscheinlich zuerst das Wimperepithel schwinden, und erst spiiter die Miindung des Organes, und nicht das Organ wimpern und dabei jeder Mundung entbehren. Aber auch zwischen den embryonalen Exkretionsorganen von Rhynchelmis und Allolobophora findet sich eine Verschiedenheit in Betreff ihrer Mundung und der Richtung, in der die Wimpern schlagen. Bei Rhynchelmis liegt die Mundung derselben zu beiden Seiten des Oesophagus, und das Ende derselben erstreckt sich nach den hinteren Segraeuten zu, — bei Allolobophora dagegen haben wir ein System von Kanalen, die sowohl im vorderen als hinteren Teile des embryonalen Tieres verlaufen und gemeinsam in eine Hohle enden. Die Mundung derselben liegt ungefahr dort, wo beim erwachsenen Tiere sich der dorsale Teil des vierten Seg- ments befiudet. Es fragt sich nun, ob diese bei den Embryonen der Oligochaeten auftretenden Exkretionsorgane als unabhangig von den definitiven Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 343 Segmentalorganen aiizusehen sind, d. h. als Urniere oder Vorniere bezeichnet werden konnen, und ferner, ob sie den embryonalen Exkretionskanalen der tibrigeu Anneliden gleichzusetzen sind. Als Urniere hat man die im embryonalen Stadium gewisser Anneliden auftretenden Exkretionsorgane bezeichnet, die mit der beginnenden Entwickelung der definitiven Segmentalorgane de- generieren. Bei den Oligochaeten gehoren dieselben im Gegen- satze zu den bleibenden der Ruckenseite an. Sie entstehen zu der Zeit, wo sich der Korper noch nicht in die einzelnen Segment- hohlen gegliedert hat. Was ihre Beziehung zu den Urnieren der ubrigen Anneliden betrifft, so besteht entschieden eine grofie tJber- einstiramung im histologischen Bau. Der sog. „Endtrichter" der Kopfniere der Polygordiuslarve ist iihnlich gebaut wie die „End- zelle" bei den Lumbrici'den. Nach Fraipont's Untersuchungen sind die „c6tes rayonnantes, qui soutiennent la membrane de I'entonnoir", hohle Kanalchen, „qui se terminent en cul-de-sac a leur extremite libre et qui debouchent en arriere dans un espace polygonal, qui n'est en rapport qu'avec la lumiere du canal ex- creteur." Diese Beschreibung steht allerdings nicht im Einklange mit den Untersuchungen Hatschi^ck's , wonach der eigentliche Kanal durch einen ofifenen Trichter mit der Leibeshohle in Ver- bindung stehen soil, — aber nach den Untersuchungen Vejdovskt's und Bergh's scheint es, als ob man auf diese Untersuchungen Hatscheck's nicht zu viel Gewicht legen diirfte. Sehen wir also davon ab und nehmen wir die Ansicht Fraipont's als die richtige an, so haben wir sowohl bei Lumbriciden als bei Polygordius als Urniere ein zur Kopfhohle gehoriges, intracellulares Exkretions- organ, dessen Lumen durch mehrere Kanalchen mit der Kopf- hohle in Verbindung steht. Bei Polygordius sind diese Kanalchen durch eine zarte Membran verbunden , bei den Lumbriciden sind sie die intracellularen Gauge einer einzigen „Exkretionszelle". Im Vergleich mit letzteren reprasentiert also der Endteil der Poly- gordius-Kopfniere den Formwert einer einzigen Zelle. Die Kopf- niere des Polygordius setzt nun Fraipont dem Exkretionssystem der Echiuridenlarve gleich, und zwar betrachtet er die groCen Kanale der Echiuriden-Niere dem einen groBen Kanale, und die feinen Endastchen bei Echiuriden den Endkanalchen der Poly- gordiuskopfniere als homolog. Diese Urniere der Echiuriden leitet dann also hiniiber zu dem WassergefaCsystem der Plathelminthen und Rotiferen, und wir schliefien uns der Ansicht von der Homologie beider Organsysteme aus Mangel einer besseren Er- 344 Dr. Otto Lehmann, klarung an, jedoch nicht, ohne ein gewisses Bedenken dabei zu empfinden. tJber die Homologie der embryonalen Exkretionsorgane mit den Urnieren der Hirudineen ilufiert sich Balfour allerdings: „die provisorischen Exkretionsorgane des Blutegels lassen sich jedenfalls nicht mit den vorn liegenden provisorischen Organen von Polygordius identifizieren"; mit anderen Worten, die embryonalen Exkretionsorgane der Hirudineen und iibrigen Anneliden sind ver- schieden. Indessen hat Bergh mit Riicksicht auf seine Unter- suchungen an Aulastoma diese Frage eingehend erortert und kommt dabei zu dem jedenfalls richtigen Resultate, daC einer Homologie dieser beiden Orgausysteme nichts im Wege steht. Wenn wir oben den Begritf der Urniere so festgestellt haben, daB es Exkretionsorgane sind , die spater degenerieren , so sind allerdings damit jene Segmentalorgane nicht inbegriffen, die z. B. bei Chaetogastriden in den ersten Segraenten des Tieres entstehen und nachher wieder verschwinden. Diese sind beziiglich ihrer Entstehung und Gestalt den in den hinteren Segmenten fungierendeu vollkommen gleich zu setzen. Wir kommen damit zu dem Ver- haltnis zwischen den embryonalen Exkretionsorganen und den definitiven, und es lage nahe, die Untersuchung Hatscheck's fiir richtig anzunehmen, wonach letztere aus ersteren sich entwickeln sollen. Indessen hat Balfour schon aus rein theoretischen Griinden die Unmoglichkeit, resp. Unwahrscheinlichkeit dieser Ent- wickelung dargethan; sie wird auch durch die Ergebnisse der Entvvickelungsgeschichte an anderen Anneliden nicht bestatigt. Die definitiven Exkretionsorgane entstehen unabhiingig von den embryonalen, und ich glaube auch nicht annehmen zu durfen, daC vielleicht die Kopfniere als Exkretionsapparat fiir das erste Seg- ment anzunehmen ware und den in den hinteren Segmenten ent- stehenden, spater fungierenden iibrigen Exkretionsorganen gleich zu setzen; der Bau vor allem der „Endzelle" ist ein zu abweichender von dem des Trichters der definitiven Segmentalorgane, wenngleich auch der endgiiltige Beweis fiir die Verschiedenheit beider Organ- systeme erst dann erbracht ware, wenn man nachwiese, daC in demselbea ersten Segment Urniere und definitives Segmentalorgan funktionieren, resp. vorhanden sind. Die definitiven Exkretionsorgane (Segmentalorgane), Die sogenannten Segmentalorgane sind fiir die terricolen Pligochaeten von Gegenbaur bereits sehr sorgfaltig beschrieben Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 345 worden. Dieselben beginnen mit einem kleinen, frei in der Leibes- hohle flottierenden Trichter, der an der hinteren Wand des be- trefifenden Segments befestigt ist und in einen Kanal ubergeht, der durch das Septum hindurchtritt und im nacbsthinteren Seg- ment zu dem vielfach gewundenen Organ wird. In diesem Seg- raente findet sich auch die aufiere Offnung. tJber den feineren histologischen Bau derselben bei den Lumbriciden kann ich nur die Angaben Vejdovsky's dariiber bestatigen: der Trichter wird von einer einzigen Zellenreihe gebildet und erscheint, von der Bauchseite gesehen, facherformig ausgebreitet. In der Profillage sieht man aber, daC der Trichter zweilippig ist, die fruher facher- artig ausgebreitete Cylinderreihe erweist sich als eine Lippe, die tiber den unteren, niedrigen Lappen sich erhebt. Zwischen beiden vertieft sich das Organ zur Bildung des Flimmerkanales. Der facherartige Teil besteht aus einer Reihe hoher, nach aufien einen dichten Flimmerbesatz tragender Elemente, — jede Cyhnderzelle besteht aus einem feinkornigen Protoplasma, in welchem ein ovaler Kern eingebettet ist. Nach auCen sind die Zellen von einer feinen Cuticula umsaumt, durch deren feiue Porenkanalchen Flimmer- haare hervortreten. Aufierlich ist sowohl der Wimpertrichter als der Fhmmerkanal mit Peritonealzellen besetzt. Wenn so der Bau und die Lage bei Lumbriciden sowohl wie bei den iibrigen Oligochaeten geniigend bekannt ist, herrscht tiber die Entwickelung der Segmentalorgane eine groCe Unsicherheit. Vollkommen abweichend von den Angaben der ubrigen Forscher sind die Ergebnisse der Untersuchungen Hatscheck's an Crio- drilus und Polygordius. Bei Criodrilus sollen sich die Segmental- organe aus einem zelligen Langsstrange durch Abgliederung nach- einander bilden, und zwar aus Zellgruppen der Hautmuskelplatte, welche unmittelbar unter dem Ektoderm liegen und nachher erst in die Leibeshohle rucken. Ahnlich soil die Bildung bei Poly- gordius vor sich gehen, und zwar soil von der Kopfniere aus zuerst ein wimpernder Langskanal nach hinten wachseu und aus diesem die einzelnen Segmentalorgane entsteheu. Doch, wie schon oben bemerkt, ist es sehr fraglich, ob diese Beobachtungen richtig sind. Die alteste Darstellung von der Entwickelung der Segmental- organe beim Regenwurm giebt Kowalevskt: „Die jungsteu Segmentalorgananlagen zeigen einen kleinen Haufen von Zellen, welche auf der kaum gebildeten, vorderen Wand jedes Dissepiments 346 Dr, Otto Lehman n, aufsitzen und frei in die Hohle des Segments hineinragen. Wenn man diesen Haufen genauer und bei starkerer VergroBerung mustert, so geniigt es, um in demselben eine Ausstiilpung der hinteren Wand der Dissepimente und in dieser schon ein schwach aus- gesprochenes Lumen zu erkennen. Weiter wachst diese Aus- stiilpung zu einem langlichen, hinten nocii blinden Schlauche, und nun treten die Flimmercilien auf". Das Zusammenwachsen des blinden Endes mit der aufieren Haut, ebenso die Bildung der inneren, trichterformigen Offnung des Segmentalorganes hat Ko- WALEVSKY nicht verfolgen konnen. Bei Rhynchelmis sollen die Ex- kretionskanale ebenfalls nach den Angaben Kowalevsky's nicht als Einstulpungen der auCeren Haut entstehen, sondern aus dem Mesoderm ihren Ursprung nehmen. Sie bilden anfangs einen Zellhaufen, der bald zu einer Rohre sich auszieht und ein Lumen enthalt. Kleinenbeeg, der auch die Embryologie von Lumbri- ciden studiert hat, jedoch nicht direkte Beobachtungen iiber die Entwickelung der Segmentalorgane besitzt, neigt zu der Annahme, daC dieselben als Einstulpungen des Ektoderms entstehen. Die Untersuchungen Eisig's an den Capitelliden scheinen die Be- obachtungen Kowalevsky's zu bestatigen. Hier „sind die Seg- mentalorgane ihrer ganzen Lange nach fest mit dem Peritoneum verwachsen und ihre inneren Miindungen erscheinen flottierend. So innig ist der Zusammenhang zwischen der die Leibeshohle auskleidenden Peritonealmembran und den Segmentalorganen, dafi in optischen oder wirklichen Durchschnitten diese Organe nur als Verdickungen jener Membran erscheinen". Es ist danach sehr wahrscheinlich, daC dieselben einfach als Wucherungen des Peri- toneums entstanden sind. Die Arbeit Bucinsky's iiber die Ent- wickelung der Segmentalorgane stand mir leider nicht zur Ver- fiigung, und so kann ich nur nach dem Referate Vejdovsky's da- ruber berichten. Danach sollen dieselben aus zwei getrennten Anlagen ihren Ursprung nehmen, namlich aus den in den Segmenthohlen befind- lichen Rohren und den Epiblasteiustiilpungen. Diese beiden Telle verwachsen dann erst spater miteinander. SchlieClich hat auch Vejdovsi5:y, und zwar sehr genau, die Entwickelung der Exkretions- organe an Rhynchelmis und Tubifex studiert. Danach entstehen die einzelnen Segmentalorgane unabhangig von einander in jedem Segment, zu beiden Seiten des Bauchstranges : „das jiingste Sta- dium erscheint als eine vergroBerte Peritonealzelle , welche der hinteren Flache des Dissepiments auUegt". Diese Zelle teilt sich Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 347 UDd bildet einen einzelligen, in die Segmenthohle hineinragenden Zellstrang, der durch einen fadenformigen Fortsatz an der Leibes- wandung befestigt ist. Ferner bildet sich ein neuer Bestandteil, eine groCe , kugelige Zelle mit etwas groBerem Kerne und mehr grobkornigem Inhalte, die zwar dera postseptalen Strange angehort, aber der vorderen Dissepimentflaclie aufsitzt. Diese groiie Zelle bildet spater den Trichter. „ln den weiteren Stadien erstrecken sich die postseptalen Be- standteile mehr in die Lange, die Zellen werden hohl und sind mit sparlichen Peritouealzellen bedeckt. Die Verbindung mit der AuCenwelt geschieht sodann durch Einstulpung des Ektoderms, — aber erst dann, wenn dieselben schon dichtgewundene Schlituche darstellen. Es beteiligeu sich somit an der Bildung der Exkretions- kanale Mesoblast und Epiblast, aus ersterem entstehen die Seg- mentalgange und Segmentaltrichter. Sie bilden sich aus der mesoblastischen Peritonealauskleidung der Dissepimente, aber nicht durch Ausstiilpung der letzteren". Wir haben nun in kurzem folgende Ansichten iiber die Bildung der Segmentalorgane: 1) Die Segmentalorgane entstehen aus der unmittelbar unter dem Ektoderm liegenden Hautmuskelplatte (Hatscheck — Crio- drilus). 2) Die Segmentalorgane entstehen als Ausstiilpung der hin- teren Wand der Dissepimente (Kowalevsky — Lumbricus). 3) Die Segmentalorgane entstehen aus der Auskleidung der Peritonealhohle (Eisig — Capitelliden). 4) Die Segmentalorgane entstehen als Einstulpungen des Ekto- derms (Kleinenberg — Lumbricus). 5) Die Segmentalorgane entstehen aus verschiedenen Keim- blattern, den mesoblastischen Kanalen und epiblastischen Ein- stulpungen (Vejdovsky, Bucinsky). Meine eigenen Untersuchungen beziehen sich nur auf die Embry- onen von Lumbriciden, aber ich glaube, die hier auftretenden Verhalt- nisse auch auf die iibrigen Oligochaeten ausdehnen zu konnen, denn homologe Organe werden in einer und derselben Klasse auch aus denselben Anlagen entstanden sein. Die Homologie der Segmental- organe bei den Anneliden ist noch nicht in Sicherheit gestellt, und besonders was die Exkretionskanale der Hirudineen betrifFt, deren histologischer Bau von dem der bis jetzt bekannten iibrigen Anneliden abweicht, dafi Balfour sagt : „Die Segmentalorgane der Hirudineen haben einen so eigentiimlichen Bau, dafi man nur mit gebuhrendem Vorbehalt ihre Homologie mit den Exkretionsorganen Bd XXI N. F. XIV, 23 348 Br. Otto Lehmann, der Chaetopoden annehmen kann. Jedoch hat Vejdovsky neuer- dings eine ganz ahnliche Struktur bei Chaetogaster diaphanus nachgewiesen , und wenn auch zur Zeit rucksichtlich der Ent- wickelung mancherlei Fragen noch iiicht gelost sind, die fur die Frage von der Homologie entscheidend sind, so mussen wir die- selbe doch im allgemeinen als bestehend annehmen. Die Ausbildung der Segraente schreitet bei den Lumbriciden- Embryonen von vorn nach hinten fort, so dafi man an einem Embryo die verschiedensten Stadien der Entwickelung zu gleicher Zeit hat. Die Differenzierung des Mesodermstreifens beginnt nun darait, dafi von demselben sich Zellgruppen abgrenzen und zu den Ursegmenten werden, die anfangs solid sind. Bald darauf weichen die einzelnen Zellen auseinander, und es entsteht ein Hohlraum, der des zukunftigen Segmentes ; die Zellen selbst bilden die Dissepimente. An der vorderen Seite eines jeden Septums bemerkt man in den jugendlichen Segmenten eine groBe, kugelige Zelle mit groBerem Kern, die erste Anlage des Segmentalorganes, Diese Zelle scheint jedoch nicht von den Wanden des Dissepiments herzustammen, sondern eine bestimmte Zelle des Mesodermstreifens zu sein, denn in dem undiflferenzierten Keimstreifen bemerkt man eiuige, durch die Grofie des Kernes besonders hervortretende Zellen, die dasselbe Aussehen haben wie die, die erste Anlage des Segmentalorganes reprasentierende Zelle. Den direkten Zusammenhang konnte ich allerdings nicht ermitteln. Indem sich dann die Zelle vermehrt, wandert sie mehr in die Mitte des Segments, und es entsteht ein Haufen von Zellen, in dem sich bald ein intracellulares Lumen ausbildet. Die Verbindung mit der Aufienwelt kommt nicht durch Einstiilpung des Epiblastes zustande, sondern die Segmental- organe wachsen nach unten zu einem Rohre aus, das durch die Ektodermschichten hindurchtritt und direkt die Kommunikation mit der Umgebung vermittelt. Der Trichter des Segmentalorganes entsteht erst in verhaltnismaCig spater Zeit, und zwar, wenn in den Zellhaufen sich schon ein Kanal gebildet hat und dieser mit der AuBenwelt verbunden ist. Man sieht dann an der Vorderseite eines jeden Dissepiments eine groBere, hervortretende Zelle, die sich selbst vermehrt und zu dem mit Flimmern besetzten Trichter wird. Dieser ist auch bei Allolobophora, ebenso wie nach Vejdovsky's Untersuchungen bei den ubrigen OHgochaeten , zweilippig , — an seiner tJbergangsstelle in den Kanal findet sich eine Meuge von Gesohlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 349 in Karmin sich stark farbenden Korperchen, deren Bedeutung un- bekannt ist. III. Die Homologie zwischen Segmentalorganen und Ausftihrgangen der Geschlechtsprodukte. Wir kommen nun zu der vielfach schon erorterten Frage, ob die AusfUhrgange der Geschlechtsprodukte bei den Oligochaeten als modifizierte Segmentalorgane anzusehen sind oder nicht. Williams war der erste, der die Homologie zwischen den Ausftihrgangen der Geschlechtsprodukte und den Segmentalorganen behauptete, und besonders CLAPARfeDE vertrat diese Ansicht fur die limicolen Oligochaeten. Nach ihm sollen ein oder mehrere Paare von Segmentalorganen zu Samenleiteru , Ovidukten und Samentaschen sich umbilden, und seine Ansicht gait lange Zeit unangefochten. Schon der auCere Umstand, daB in den Segmenten, in denen die Genitalorgane ausgebildet siod, die Segmentalorgane fehlen, machte diese Annahme sehr wahrscheinlich. Dazu kommt noch, daB beide Organe in ihrer Lage und ihrem Bau sehr tiber- einstimmen. Vasa deferentia und Ovidukte offnen sich durch Poren nach auCen, die fast dieselbe Lage wie die der Segmental- organe haben, — sie bestehen, wie diese, aus einem Kanal, der in dem vorhergehenden Segmente mit einem Flimraertrichter sich in die Leibeshohle offnet. Die Segmentalorgane haben die Auf- gabe, die Kommunikation zwischen der Leibeshohle und der AuBen- welt zu vermitteln, Stofle aus dem Leibesinneren durch die Flimmer- bewegung auszuscheiden , und dieselbe Funktion haben bei den Limicolen auch die vasa deferentia , und Ovidukte. Vermoge des groBeren Lumens ihrer Kanale und ihrer starkeren Flimmer- bewegung sollen sie zugleich als exkretorisches Organ fur die Leibesflussigkeit der betrefienden Segmente und die Produkte der Geschlechtsorgane dienen. Dieser Ansicht schlieBt sich Lankester vollkommen an, ja er geht sogar noch weiter, er behauptet die Homologie auch fur die terricolen Oligochaeten, und zwar mit Rucksicht auf die Uber- einstimmung der vasa deferentia und Ovidukte in ihrem Bau bei beiden Klassen. Urn aber nun zu erklaren, daB bei den Terricolen in den Genitalsegmenten auch noch Segmentalorgane vorhanden 23* 350 Dr. Otto Lehmann, gind, stellt er die Hypothese auf, daC die typische Zahl flir die Segmentalorgane der Oligochaeten vier sei; von diesen sind bei den Limicolen in den sechs ersten Segmenten alle vier, in den folgenden nur zwei nicht zur Ausbildung gekommen, wahrend bei den Terricolen alle vier nur in dem ersten Segment fehlen und ein Paar nur in den Segmenten zur Ausbildung gekommen ist, in denen keine Genitalorgane vorhanden sind. Diese Hypothese stuzt Lankester nur dadurch, daB er die Homologie der Aus- fiihrgange der Geschlechtsprodukte bei Terricolen und Limicolen beliauptet. Gegen diese Ansicht verwalirt sich Claparede in einer spa- teren Arbeit sehr entschieden, da er keinen Grund flir deren Richtigkeit zu finden glaubt. „Es ist bisher kein Fall eines doppelten Paares unzweifelhafter Segmentalorgane in einem und demselben Segment bei den Anneliden bekannt geworden. Die Lage der auBeren Miindung kann in zweifelhaften Fallen zur Ent- sclieidung, ob man mit der einen oder der anderen der beiden vermeintlichen Organreihen zu thun hat, durchaus nicht benutzt werden, denn ich finde diese Lage fiir die Miindung der Schleifen- kanale von Lumbricus terrestris hochst variabel. In der Kegel trifit man dieselbe an jeder Seite des Segments weit nach auCen von der auBeren Borstenreihe. Sehr haufig aber riickt sie dieser aufieren Borstenreihe naher, ja sogar uber dieselbe hinaus bis an die nach innen folgende Reihe. Meiner Ansicht nach kann man den Unterschied zwischen Limicolen und Terricolen in Bezug auf die Leitungsapparate fur die Geschlechtsprodukte nur so auffassen, daC bei jenen besondere Leitungsapparate existieren, wahrend der Mangel derselben bei diesen dadurch einen Ersatz findet, daC sich einzalne Segmental- organe zur Aufnahme und Leitung der Geschlechtsprodukte nach auBen eigentiimlich umbilden." Was die Zahl der Segmentalorgane in jedem Segment bei den Anneliden betrifi't, so ist diese Behauptung CLAPARi:DE's in gewisser Beziehung durch Eisig's Untersuchungen hinfallig ge- worden. Derselbe fand bei den Capitelliden, daB deren Zahl in den einzelnen Segmenten eine ganz verschiedene ist. So finden sich z. B. bei Capitella capitata die ersten Segmentalorgane im 10., die letzten im 20. — 30. Segment. Jedes dieser Segmente ent- halt aber mehrere Paare von Segmentalorganen , 2 — 3 Paare in den vorderen, 4-5 Paare in den mittleren und 5—6 Paare in den hintersten Segmenten. Es finden sich also „in gewissen Geschlechtsproclukte bei den Oligochaeten, 351 Segmenten bei gewissen Anneliden mehrere Paare von Segmental - organen", doch ist damit die Behauptung Lankester's nocli lange nicht in ihr Recht eingesetzt, denn die Zahl der Segmentalorgane ist bei diesen Polychaeten zu variabel, als dafi dadurch seine An- nahme gestiitzt wiirde. Claparede hatte fur die limicolen Oligochaeten auch die Homologie zwischen den Samentaschen und Segmentalorganen be- hauptet, und zwar aus folgenden Griinden: 1) Die Ausfiihrgange der Samentaschen haben dieselbe Lage wie die Miindungen der Segmentalorgane, und 2) die Segmentalorgane fehlen in denjenigen Segmenten, in denen sich die Samentaschen befinden. Diese Behauptung wurde von Perrier in seinen Arbeiten iiber Plutellus und Organisation des Lombriciens terrestres widerlegt, und zwar folgendermaBen: Bei den terricolen Oligochaeten, fur die die Homologie von Claparede nicht zugegeben wird, findet man alle moglichen Beziehungen zwischen Samentaschen und Segmental- organen. Fast immer sind beide Organe zu gleicher Zeit in dem- selben Segment vorhanden, aber bald haben ihre Miindungen ver- schiedene, bald dieselbe Lage ; die Miindungen sind in ihrer Lage vollkommen unabhangig voneinander, wie es besonders bei Plu- tellus hervortritt. Fur die terricolen hat also Claparede voll- kommen recht, wenn er bei ihnen die Homologie leugnet. Nun aber fehlen bei Pontodrilus, einer Art, die ofienbar den terricolen Oligochaeten angehort, die Segmentalorgane, — genau wie bei den limicolen Naiden, in den Segmenten, wo sich die Samentaschen finden. Nun ist es aber nicht moglich, zuzugeben, dafi bei zwei Spezies, die derselben Familie angehoren, so in ihrem Bau iiber- einstimmende Organe morphologisch und genetisch verschieden sein sollen. Die Griinde CLAPARi:DE's konnen also nicht als Be- weis fiir eine Homologie zwischen Samentaschen und Segmental- organen bei Pontodrilus angefiihrt werden ; wenn dieselben nun in diesem Falle keinen Beweis enthalten, so thun sie es ebensowenig fiir die Naiden, die limicolen Oligochaeten. Schon in seiner Plutellus- Arbeit hatte Perrier die Homologie zwischen Segmentalorganen und den Ausfiihrgangen der Ge- schlechtsprodukte in Zweifel gezogen; durch Vejdovsky's und seine eigenen spateren Untersuchungen wurde diese Theorie eigent- lich schon unhaltbar gemacht. Bei den geschlechtslosen Exemplaren von Anachaeta, Enchy- traeus und Pachydrilus (limicolen Oligochaeten) ist es nach 352 Dr- Otto Lehmann, Vejdovsky allerdings Thatsache, daB iu der Genitalregion, dem 12. und 13. Segmente, die Segmentalorgane in derselben Gestalt und Lage wie in den iibrigen Segmenten vorhanden sind, und nur die Verfolgung der allmahlichen Entstehung der Samenleiter kann tiber die Homologie geniigenden Aufschlul^ geben. Zur Unter- suchung wahlte Vejdovsky junge Exemplare von Anachaeta Eisenii und Enchytraeus Buchholtzii, bei denen die GescWechtsorgane in der ersten Entwickelung begriffen waren. Als Resultat ergab sich, daB die Segmentalorgane des 12. Segmentes mit dem Auftreten der Geschlechtsreife degenerieren und daC die Stelle derselben von den Samenleitern eingenommen wird. Als die erste Anlage der Samenleiter entsteht eine solide Zellgruppe, die gleichzeitig mit der Entstehung der ersten Keimzellen in die Leibesbohle des 11. Segments hineinragt. Sodann vermehren sich die Zellen hinter dem Dissepimente und bilden einen diinnen Strang, weicher zuletzt seine definitive, vielfach gewundene Gestalt annimmt und durch die innere Durchbohrung und Wimperauskleidung der Zellen einen Ausfuhr- gang fiir die Sperm atozoen darstellt. Dadurch ist zur Geniige bewiesen, daB die Segmentalorgane der Enchytraeiden mit den Samenleitern nichts zu thun haben. Als nachstverwandte Limicolen der Enchytraeiden diirfte man die Naiden ansehen. tjber die Entstehung der Geschlechtsdrusen und ihrer Ausfuhrgange stimmen die Beobachtungen Semper's und Vejdovsky's vollstandig iiberein. Die ersten Anlagen der Ausfiihrungsgange bei den Naiden er- scheinen als solide Zellmassen, die sich als kunftige Samentaschen und Samentrichter kundgeben. Erst spater setzen sich die Genitalgange — nach Vejdovsky's Beobachtung nur die Samen- trichter — mit dem Leibeschlauch in Verbindung und beginnen sich auch schon auszuhohlen. Ob nun die ersten Anlagen der Samentrichter zu den Segmentalorganen in irgend einer Beziehung stehen, daruber fehlen die Angaben, doch ist es wahrscheinlich, daB sie ebenso wie bei den Enchytraeiden entstehen, die Segmental- organe degenerieren, und ihre Stelle wird von neuen Zellmassen, den kiinftigen Samentrichtern, eingenommen. Zu demselben Re- sultate iiber die Homologie ist auch Perkier in seinen Unter- suchungeu an Pontodrilus gekommen, einem Genus, das mitten zwischen den limicolen und terricolen Oligochaeten steht, — auch er schlieBt sich ganz den Ansichten Vejdovsky's an. Wenn schon durch die Beobachtungen Vejdovsky's an den Enchytraeiden die Theorie Claparede's einen bedenklichen StoB erlitten hatte, so geschieht dies in noch hoherem MaBe durch das Gesohlechtsprodukte bei den Oligochaeten. 353 Verhaltnis zwischen den Segraentalorganen und Ausfuhrgangen der Geschlechtsprodukte bei den terricolen Oligochaeten. Schon CLAPARiiDE hatte geleugnet, daB bei letzteren die beiden Organe einander homolog seien, und dies muBte seiner Theorie schon schaden. Die Homologie zwischen Segmentalorganen bei den Terricolen und Limicolen, ebenso wie die Homologie zwischen den Ausfuhr- gangen der Geschlechtsprodukte bei beiden Unterordnungen, wird wohl nicht angezweifelt werden. Es ist daher sehr gewagt, zu behaupten , dafi bei zwei so verwandten Arten homologe Organe sich verschieden entwickelt haben sollen, daC bei der einen Art, den Limicolen, die Ausfiihrgange der Geschlechtsprodukte den Segmentalorganen homolog seien , durch Umwandlung derselben entstanden sein sollen, wahrend sie bei den ihnen nachstverwandten Terricolen vollstandig unabhangig von den Segmentalorganen durch Neubildung entstanden sind. Letzteres wird durch die Ent- wickelungsgeschichte der beiden in Frage stehenden Organe be- wiesen. Wie wir gesehen haben, entstehen bei den Terricolen die Segmentalorgane aus Zellgruppen des Mesoderms, und zwar aus getrennten Anlagen , indem Organ und Trichter selbstandig sich entwickeln und nachher zusammentreten. Vollstandig un- abhangig hiervon entwickeln sich die Ausfiihrgange der Geschlechts- produkte, wenn auch in ahnlicher Art und aus demselben Keim- blatte, aber eine ahnliche Entwickelung giebt uns noch kein Recht, diese Organe fiir homolog zu erklaren. Der entscheidende Punkt liegt, wie ich glaube, in dem Verhalten bei den Limicolen, hier entwickeln sich zuerst die Segmentalorgane, und wenn der Reife- zustand beginnt, degenerieren sie und machen den Geschlechts- orgaflen Platz. Fassen wir nun zum SchluB das Ftir und Wider der Claparede'- schen Hypo1;hese zusammen, so haben wir folgendes: Die Geschlechtsausfiihrgange der Oligochaeten sind umge- wandelte Segmentalorgane, denn sie haben dieselbe Struktur, die- selbe Lage, und bei den limicolen Oligochaeten fungieren in den Genitalsegmenten keine Segmentalorgane; bei den terricolen sind allerdings welche vorhanden, man mufi daher annehmen, die Zahl der Segmentalorgane sei in jedem Segment zwei Paar gewesen, von denen sich je nachdem nur das eine oder alle beiden Paare entwickelt hatten. Gegen diese Hypothese sprechen folgende Griinde: 1) Wir sind durch kein Verhalten irgend eines Oligochaeten 354 Br. Otto Lehmann, Geschlechtsprod. b. d, Oligoch. berechtigt, die Vierzahl der Segmentalorgane als typisch anzu- nehmen. 2) Wenn bei den limicolen Oligochaeten ira Alter auch keine Segmentalorgane in den Genitalsegraenten vorhanden sind, so lehrt doch die Entwickelungsgeschichte , dafi sie in der Jugend sich finden. 3) Die Ausfuhrgange der Geschlechtsprodukte entstehen erst in bedeutend spaterer Zeit als die Segmentalorgane, die die ersten Organe sind, welche sich im Embryo entwickeln. Die Ansicht Beegh's, daB die Segmentalorgane Gebilde sind, die von Anfang an zur Entleerung der Geschlechtsprodukte in Beziehung standen, uud erst nach und nach sich zugleich zu ex- kretorischer Funktion ausbildeten, wird, wie ich glaube, durch den zuletzt angefiihrten Grund beseitigt. Es sind also vasa deferentia und Ovidukte selbstandig ent- stehende Organe, die zu den Segmentalorganen in durchaus keiner genetischen Beziehung stehen. Beide Organe haben ihre selb- standige Entwickelung, da sie jedoch beide ahnliche Funktion haben, Stofie aus dem Leibesinneren herauszuschaffen, so konnen sie sich gegenseitig vertreten : vasa deferentia konnen als Leitungs- wege fiir die Exkrete dienen, und Segmentalorgane konnen die im Inneren der Leibeshohle gebildeten Geschlechtsprodukte nach auCen schaffen. Jena, im April 1887. Litteraturverzeichnis, 1) Balfoite: Treatise of comparative embryology. Vol 11. 2) P. J. VAN Beneden : Appareil circulatoire des Trematodes, Ann. d. sciences nat. III. Se'rie, Tome XVII, 1852. 3) Beegh: Thatsachen aus der Entwickelungsgesch. der Blutegel. 4) — Metamorphose von Nephelis. 5) — Metamorphose von Aulastoma gulo, Wiirzburger zool. Ar- beiten. Bd. VII, 1885. 6) — Die Geschlechtsorgane der Regenwiirmer. Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zool. Bd. 44, 1. u. 2. Heft, 1886. 7) — Exkretionsorgane d.Wiirmer. Kosmos, Zeitschr. f. 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Naturgesch. 21. Jahrg. 1 Bd. 1855. 29) Eeaipont: Le rein cephalique du Polygordius. Archives de Biologie. Tome V, 1884. 30) Hatscheck: Beitrage zur Entwickelungsgesch. und Morphologie der Anneliden. Sitzungsber. d. k. Akad. d. "Wissensch. Wien. Bd. LXXIV, 1876. 31) — Embryonalentwickelung und Knospung der Pedicellina echinata. Zeitschr. f. w. Z. Bd. XXIX, 1877. 32) — Entwickelungsgesch. der Anneliden. Wien 1878. 33) — Protodrilus Leuckartii. Wien 1880. 34) — Entwickelung der Trochophora von Eupomatus uncinatus Philippi. Wien 1885. 35) — Entwickelung des Kopfes von Polygordius. Wien 1885. 36) Heeing : Zur Anatomic und Physiologie der Generationsorgane des Regenwurms. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. VIII, 1856. 37) Hoffmeistee: De vermibus quibusdam, ad genus Lumbricorum pertinentibus. Diss, inaug. Berol. 1842. 38) — tJbersicht iiber alle bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwiirmer. 1845. 39) E. Home : Lumbrici in copulation. Home Lect. on comp. anat. Vol IV, 1823. 40) R. 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Rathke : Beitrage zur Entwickelungsgeschichte der Hirudineen. Leipzig 1862. Ratzel: Beitrage zur anatomischen und systematischen Kenntnis der Oligochaeten. Z. f. w. Z. XVIII, 1868. — u. Waeschafskt : Zur Entwickelungsgesch. des Regenwurms, L. agricola. ibid. XVIII, 1868. Redi : De animalibus vivis, qui in corpore anim. viv. reperiuntur. 1708. D. Rosa : I Lumbrici del Piemonte. Swammeedam: Biblia naturae. 1738. Sempee : Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Tiere. III. Strobilation und Segmentation. Arb. a. d. zool. Inst. Wiirzburg. Bd. Ill, 1876—77. — Beitrage zur Biologic der Oligochaeten. ibid. V. Siebold: Lehrbuch d. vergl. Anatomic. 1848. Spengel : Beitrage zur Kenntnis der Gephyreen : Entwickelungs- geschichte etc. V. Bonellia. Mitteil. a. d. zool. Station z. Neapel. I, 1879. 358 Dr. Otto Lehmann, Geschlechtsprod. b. d. Oligoch. 72) Steenstrup: Untersuchungen iiber das Yorkommen des Herma- phroditismus in der Natur, iibers. von Hoknschuch. Greifswald 1846. 73) V. Stein: tJber die Geschlechtsverhaltnisse der Myriapoden etc. Muller's Archiv, 1842. 74) Treviranus: tJber die Zeugung des Erdregenwurms. Zeitschr. f. Phys. I. Bd., 2. Heft, 1835. 75) D'Udekem: D^veloppement du Lombric terrestre. Mem. couronn^s et mem. d. sav. Strangers publi^es p. I'Acad. royale d. sc, d. lettres et des beaux-arts de Belgique. Bruxelles 1856. Tome xxvir. 76) F. Vejdovsky: tJber Psammoryctes umbellifer. Z. f. w. Z. Bd. XXVII, 1876. 77) — Anatomische Studien an Khynchelmis limosella. ibid. 78) — tJber Phreatothrix, eine neue Gattung d. Limicolen. ibid, 79) — Beitrage z. vergl. Morphol. d. Annel. I. Euchytraeiden. Prag 1879. 80) — Entwickelung v. Sternaspis. Wien 1880, 81) — System der Oligochaeteu. Prag 1885. 82) VoGT und Jung: Lehrbuch d. vergleichenden Anatomie. 83) Williams : Report on the British Annelids. Transactions of the British Association, 1852. 84) — Researches on the structure and homology of the reproductive organs of the Annelids. Transactions of the Royal Society. 1858, Part I. 85) Thomae Willis: De anima brutorum liber. Opera omnia. 1680 Genevae. Erklarung der Abbildungen. (Tafel XX.) Buchstabenbezeichnung ; bl = BlutgefiiB. ov — Ovarium. ds = Dissepiment. ovd = Ovidukt. exk = Exkretionskanal. rs — Receptaculum seminis. hug == Hinterer Urnierengang. sb — Samenblase. exz = Exkretionszelle. sgo = Segmentalorgan. ks :=: Keimstreifen. sr ^=. Schluudring. m = Mesoderm. I = Trichteranlage. mz = Mesodermzelle. urn = Urnierenmiiudung. ms == Muskelstreifen. tis — Ursegment. oes = Oesophagus, vug = Vorderer Urnierengang, og = Oberes Ganglion. Fig. 1. Geschlechtsorgane von Lumbricus agricola. Die hinterste linke Samenblase ist weggenommen, man sieht deu Trichter, an der rechten hintersten Samenblase sieht man, dafi dieselbe nicht einfach eine Ausstiilpung der mediauen Samenkapsel ist. Die Receptacula seminis sind von den Samenblasen bedeckt. Fig. 2. Geschlechtsorgane von Allolobophora subrubicunda. Die Samenblasen {sb) sind von den ausgestiilpten Dissepimenten umhiillt. Die Receptacula liegen in der dorsalen Medianlinie. Fig. 3. Querschnitt durch eine junge Allolobophora. Man sieht die Entstehung der Samenblase als AVucherung des ausgestiilpten Dissepiments ds. Fig. 4. Querschnitt durch eine junge Samenblase von L. terrestris. Fig. 5. Embryo von Allolobophora. Fig. 6. Alteres Stadium desselben. Man sieht die Einstiilpung des Oesophagus. Von der Miindung der TJrniere {urn) gehea zwei Urnierenkanale aus, ein vorderer {vug) und ein hinterer {bug)^ die sich in den dunklen Entodermzellen verlieren. 360 Dr. Otto Lehmann, Goschlechtsprod. b. d. Oligoch. Fig. 7. Langsschnitt durch die Kopfregion eines Embryo yon AUo- lobophora, in dem schon die ersteu Segmentalorgane fungieren. Die Urniere ist der Lange nach durchschnitten , man sieht deutlich den Xern der vorderen , von Kanalen durehbohrten Exkretionszelle. Die Urniere ist durch Muskelstreifen (ms) an der Leibeswand befestigt. Fig. 8 u. 9. Bildung der Segmente und Segmentalorgane. / Anlage des Segmentaltrichters. In den alteren Stadien der Segmental- organe bildet sich schon ein Lumen. i Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". Von Willy Kukeiithal. Hierzu Tafel XXI. Bereits in meiner Abhandlung tiber das Nervensystem der Opheliaceen^) hatte ich eine systematische Ubersicht uber diese Familie gegeben und folgende Einteilung angenommen: I. Opheliaceen ohne Bauchrinne. Travisia Johnst. II. Bauchrinne in der hinteren K orperhalfte. Ophelia Sav. III. Bauchrinne, sich durch den ganzen Korper erstreckend. A) Ohne Seitenaugen. Ammotrypane R. B) Mit Seitenaugen. 1. Mit Cirren. Armandia Fil. 2. Ohne Cirren. Polyophthalmus Qtf. Bei dieser Gruppierung wurde auf die von Kinberg''^) auf- gestellten Gattungen und Arten keine Rucksicht genommen, da diese nicht als ausreichend begrundet angesehen werden miissen. 1) tJber das Nervensystem der Opheliaceen von Dr. "Willt KiJKENTHAL. Jen. Zeitschr. f. Naturwissenschaft Bd. XX 1886. 2) Annulata nova recensuit J. G. H. Kinberg. Ofversigt of kongl. Svenska Vetenskabs-Akademiens Forhandlingar 22. Bd. 1865, p. 255—258. 362 Willy Kiikenthal, Das Material, welches mir von der zoologischen Ausbeute der Weltreise der italienischen Korvette „Vettore Pisani" giitigst zur VerfuguDg gestellt wurde, und sechs neue Arten von Opheliaceen enthalt, laBt sich in das von mir augenommene System bequem einreihen. Diese sechs Arten verteilen sich in die Gattungen Travisia (1), Ammotrypane (1), Armandia (2) und Polyophthal- mus (2). Die allgemeinen Gesichtspunkte zur Bestimmuug von Ophe- liaceen sind auCer den von mir bereits angefuhrten Gattungs- merkmalen folgende. Zunachst sind die Zahlenverhaltnisse fast durchweg konstant. Dies betrifift vornehmlich die Anzahl der Segmente ; an Hunderten von Exemplaren einzelner Spezies vermochte ich niemals eine Abweichung zu konstatieren. Ebenso konstant scheint die Zahl und das Vorkommen der Cirren zu sein, nur glaube ich hierbei bemerken zu mussen, daB die Cirren sehr leicht abbrechen. Es scheint daher auch geboten, die Angaben einiger Autoren iiber diesen Punkt mit Vorsicht aufzunehmen, da diese mitunter nur ein hochst kiimmerliches, stark verletztes Exemplar zur Aufstellung einer neuen Art benutzt haben ^). Ferner bleibt die Anzahl der Analpapillen, falls solche vorhanden sind, innerhalb der einzelnen Spezies die gleiche. Uber die Konstanz in der Anzahl der Seiten- augen sind die Meinungen geteilt. Grube ^) macht bei der Be- schreibung von Polyophthalmus australis die Bemerkung, daB die Anzahl und Lage der Seitenaugen nicht ganz konstant sei. Hier mochte ich zu bedenken geben, daB eine Verletzung und Zerstorung einzelner Seitenaugen beim Fang wie bei der Konservierung und Untersuchung leicht moglich ist; an meinem durchweg gut kon- servierten Materiale habe ich niemals Abweichungen in der Zahl und Lage der Seitenaugen bemerken konnen. Anders verhalt es sich mit der Zahl der Pigmentflecken, die bei einigen Opheliaceen, so Polyophthalmus vorkommen; hier schwankt die Anzahl der- selben innerhalb enger Grenzen derart, daB die kleineren Exem- plare weniger Pigmentflecke besitzen als die vollkommen ausge- wachsenen. Ein zweiter Gesichtspunkt bei Bestimmung von Opheliaceen liegt in der Art der Ringelung des Korpers. Entweder sind alle 1) Siehe M'Intosh : On the Annelida obtained during the cruise of H. M. S. „Valoueus". Transactions Linnean Soc. London 1877, 2) Gkube: Annulata Semperiana 1878. Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". 363 Segmente gleichmaBig geriDgelt oder die Anzahl der Ringel eines jeden Segraentes reduziert sich nach hinten zu. Die Anzahl der Ringel in den einzelnen Segraenten ist in den verschiedenen Gattungen verschieden. Ein weiteres Merkmal giebt die Form der Parapodien. Bei den Opheliaceen sind alle tJbergange von einrudrigen zu zwei- rudrigen Parapodien vorhanden. Die Wichtigkeit der genauen Untersuchung der Parapodien leuchtet ein, wenn wir uns auf Albert's 0 Standpunkt stellen, welcher gezeigt hat, daC bei den Syllideen die Zweiteilung der Parapodien ein sekundarer Zustand gegenuber der Einheit derselben ist, und dafi der ventrale Ast der Parapodien der ursprunglichere ist. Das Vorkommen von dorsalen oder ventralen Cirren oder beiden zusammen ist gleich- falls fur die einzelnen Spezies charakteristisch. Die Angaben iiber den Mangel von Flimmerorganen am Kopfe, wie sie zum Beispiel FiLiPPi 2) bei seiner Armandia gemacht hat, sind durch den Mangel der Anfertigung von Schnittserien bedingt; es lafit sich ganz all- gemein der Satz aussprechen, daB samtlichen Opheliaceen ein paar Flimmerorgane zu beiden Seiten des Kopfes zukommen. Die Form der dem Kopfe aufsitzenden Sinnesspitze ist nach den einzelnen Spezies sehr verschieden und kann als charakteri- stisches Merkmal betrachtet werden. Ebenso ist die Bildung des Afterstiickes eine durchaus verschiedene. Das Afterstuck ist nach meinen Untersuchungen aufzufassen als eine Umformung der letzten Korpersegmente. Die Anzahl der Segmente, welche diese Ver- iinderung eingehen, ist bei den verschiedenen Spezies verschieden ; aber auch der Grad der Umformung ist ein durchaus verschiedener. Die Segmente konnen in dem Afterstuck noch deutlich erkennbar sein, die Ringelung ist gut erkennbar, das Afterstiick bildet noch ein geschlossenes Rohr. Von diesem Stadium finden sich alle tJbergange zur Bildung eines blattartigen Anhangs gebildet, nur aus dem Integument bestehend, welches an der ventralen Seite offen ist. Auch hier lassen sich in kleinen in regelmaCigen Ab- stiinden stehenden Papillen, den tJberresten der Parapodien, sowie in der Ringelung, die letzten Spuren vorfinden, daB dieses Anhangs- gebilde aus degenerierten Korpersegmenten entstanden ist. 1) tJber die Fortpflauzung von Haplosyllis spongicola Gr. von Er. Albeet. Mitteil. aus der zoolog. Station zu Neapel 7. Bd. I. Heft. 2) Armandia, nuovo genere di Annelidi nel Mediteraneo. Arch, per la Zool. TAnatomia e Fisolog. Genova 1861. fasc II. vol I p. 215. Pd. XXI. N. F. XIV, 24 364 Willy Kiikenthai, Wir gehen nun iiber zu der Beschreibung der einzelnen Arten. Travisia chiloensis ii. sp. (Fig. 1.) Diese Form stammt von Chiloe, Porto Lagunao, Chonos und zeigt die meiste Ubereinstimmung mit der von Geube^) be- schriebenen Travisia chinensis. Es finden sich indessen Abweichungen in ganz wesentlichen Punkten, so daB die Auf- stellung einer neuen Art unumganglich notig erscheint. Uberein- stimmend mit Travisia chiuensis besitzt unsere Form eine spindel- formige Gestalt, eine Aufeinanderfolge von dreiringeligen , zwei- ringeligen und ungeringelten Segmenteu, zwischeu dorsalem und ventralem Borstenbundel jedesmal eine Offnung, ferner Offnungen unter den Borsteubundeln. Abweichend sind die Zahlenverhaltnisse in alien diesen einzelnen Punkten, ferner finden sich weder einzelne „ungemein verlangerte" Cirren, noch existiert ein gegabelter Cirrus wie bei Travisia chinensis. Dann ist auch die hochst eigentiim- liche Kranzform der hinteren Segmente bei der GRUBE'schen Art nicbt anzugeben. Diese Griinde fiibren mich zur Aufstellung einer eigenen Art, der Travisia chiloensis. Die GroCe des einzigen Exemplares, welches die Expedi- tion mitgebracht hat, betragt 4,4 mm. Der Wurm ist rundlich, spindelformig , im vorderen Teile stark angeschwollen. Seine Dicke betragt im zehnten Segmente 0,9 cm. An Segmenten zahle ich 27, auBer Kopf- und Afterstiick. Das Kopfstiick wie das erste und zweite Segment sind ungeteilt. Am dritten bis elften Segment inklusive erscheint eine Ringelung durch zwei Furchen, von denen die vordere starker ausgepragt ist, als die hintere. Diese Drei- teilung der Segmente ist auf der Riickenseite deiitlicher zu sehen als auf der Bauchseite. Vom dreizehnten bis siebzehnten Segmente inklusive ist die hintere Furche verschwunden , es ist nur noch Zweiteilung der Segmente vorhanden, wahrend die darauf folgenden Segmente bis zum letzten ungefurcht sind. Mit Ausnahme der letzten drei Segmente treten in alien iibrigen zwei Borstenbundelpaare, ein dorsales und ein ventrales, direkt aus der Haut heraus, in den vorderen Segmenten in der hinteren Ringelfurche liegend, in den darauf folgenden mehr und 1) Geube: Die Familie der Opheliaceen p. 62 im Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft fiir vnterlandische Kultur 1868. Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". 365 mehr nach der Grenze des nachstfolgenden Segmentes zu riickend. Die Borstenbiindel treten iiberall aus Lochern heraus und ihre Borsten nehmen nach hinten zu an GroBe etwas ab. Diese Locher erscheinen bis zum 24. Segmente; zwischen ihnen liegt eine raittlere groCere Grube, welche nur dem letzten Segmente fehlt. Das 7. bis 14. Segment inklusive besitzt noch eine kleine Grube, die jederseits in der Nahe der ventralen Borsten nach der Bauchseite zu liegt. Das 2. bis 21. Segment besitzen dicht unterhalb der dorsalen Borstenbundel kurze, dicke, geringelte Cirren. Vom 17. Segment an beginnen jederseits erst kleine, in den nachstfolgenden Segmenten groBer werdende Hocker aufzutreten, und zwar je ein dorsaler und ein ventraler, also vier in jedem Segmente. Wir konnen dieselben als Parapodien ansprechen. Vom 20. Segmente an treten zu diesen vier Hockern vier neue hinzu, welche seitlich davon liegen. Die acht Hocker eines jeden Seg- mentes liegen kranzformig um dasselbe herum (Fig. 2). Das Kopfstiick tragt vorn einen als Sinnesspitze zu deutenden kolbigen Fortsatz, das Afterstiick ist aus einer Anzahl breiterer und schmalerer, miteinander alternierender Blatter zusammen- gesetzt, die im Zentrum eine Offnung, die Afteroffnung, freilassen (Fig. 3). Die Korperoberflache ist mit einem deutlich ausgepragten ziemlich groben Maschenwerk von hellerer Substanz durchzogen, die anscheinend homogene graue Felder einschlieUt. Ammotrypane Langil n. sp. (Fig. 4). Vorliegende Spezies wurde auf den Philippinen in einer Tiefe von 20 Meter gefunden. Was sie sogleich von alien andern Ammo- trypanen unterscheidet, ist die Lange und Starke der Cirren be- sonders in den hinteren Segmenten, die Achtringelung eines jeden Segmentes und der eigentumliche Bau des Afterstiickes. Die Lange betragt bei dem groBten Exemplar 2,3 cm, die Dicke 0,13 cm, es ist also eine ziemlich schlanke Form. Wir zahlen auBer Kopf und Afterstiick 50 Korpersegmente. Das Kopf- segment, welches deutlich sichtbare Flimmergruben tragt, lauft in eine winzige Sinnesspitze aus, die Korpersegmente sind vonein- ander durch eine auBerst zarte Furche abgegrenzt; solcher Furchen finden sich auch noch in jedem Segmente sieben, wovon drei da- 24'^ 366 Willy Kiikenthal, zwischen liegende etwas markierter sind. Besonders auf der dor- salen Seite sind die Furchen deutlich sichtbar. Ein jedes Segment wird also in acht Ringel zerlegt, die gleichmaBig breit sind. Eine Abgrenzung der einzelnen Segmente wird durch die gleichmaCige Ringelung des gesamten Korpers sebr erschwert. An den 50 Korper- segmenten sitzen 50 Paar Parapodien, rundliche Stumrael, die bereits den Beginn einer Zweiteilung in einen dorsalen und einen ventralen Ast zeigen. Auf Querschnitten durch den Korper sieht man, dafi die Ab- schnurung, welche sowohl die mittlere Bauchrinne wie die beiden seitlichen Rinnen hervorbringen , eine auBerordentlich starke ist. Der Wurmkorper zerfallt dadurch der Lange nach in drei Teile: einen mittleren groBeren und zwei seitlicbe ventral liegende kleinere. Die beiden letzteren sind von ersterem durch eine Schicht von Muskelbiindeln abgegrenzt, die auf Querschnitten eine ziemlich langgestreckte Briicke bilden. Ein jeder der kleineren Abschnitte ist auBerdem noch einmal durch eine Platte von Muskelbiindeln verschlossen. Die erstere Schicht von Muskelbiindeln geht von einer seitlichen Rinne zur andern, die beiden seitlichen Muskel- platten von der Bauchrinne zu den beiden seitlichen Rinnen. Auf die weiteren anatomischen Verhaltnisse werde ich in meiner Mono- graphie zuriickkommen. An den Parapodien befinden sich, mit Ausnahme der drei ersten Paare, lange spitzzulaufende Cirren von ziemlicher Dicke. Besonders im hinteren Teile des Korpers liegen sie dichtgedrangt nebeneinander. Das Afterstiick (siehe Fig. 5) besteht wie bei alien Ammo- trypanen aus zwei sich ventral offnenden Blatthalften ; es ist fast durchsichtig und mit einer Reihe von zarten Ringen versehen, welche deiiselben Abstand wie die Ringe des Korpers haben. Da es iiber 20 solcher Ringe sind, so laBt sich vermuten, daB das Afterstiick aus drei Segmenten entstanden ist, womit auch seine Lange iibereinstimmt. Armandia Weissenbornii n. sp. (Fig. 6). Diese aus Perim stammende Armandia ist als eine Uber- gangsform zu den Ammotrjpanen aufzufassen ; ihr auCerer Habitus ist ein derartiger, daB ich sie unbedingt in letztere Gattung eingereiht haben wiirde, wenn sich nicht Seitenaugen vorfanden. Die Opheliaceen der Expedition der ,,Vettore Pisani". 367 Die Lange des grofiten Exemplars betragt 4 cm. AuCer Kopf- und Afterstiick finden sich 32 Rumpfsegmente. Das Kopfstuck zieht sich spitz aus, an der Spitze erhebt sich ein winziges, kolbig aiigeschwollenes Organ, wahrscheinlich Sinnesorgau. Die Wimper- organe zu beiden Seiten sind deutlich sichtbar. Die Rumpfsegmente sind geringelt; doch fallt die Ringelung nicht gleichmaCig aus, gewohnlich sind es drei tiefere Furchen, welche, nochmals durch vier seichtere geteilt, das Segment acht- ringelig erscheinen lassen. Jedes Segment vom ersten bis zum letzten besitzt sein Paar Parapodien, die folgende Eigentiimlich- keiten zeigen. Auf dem flach scheibenformigen Parapodium er- heben sich zwei Cirren, ein Bauch- und ein Riickencirrus , mit Ausnahme des ersten Segmentes, welches nur einen Bauchcirrus besitzt. Die Riickencirren sind ziemlich von gleicher Lange, die Bauchcirren hingegen sind nur in den ersten Segmenten groCer, werden dann verschwindend klein und treten erst in den hinteren Segmenten wieder auf. Zwischen dieseu beiden Cirren, welche feingeringelt sind und spitz auslaufen, treten die Borstenbiindel heraus. Das dorsale Borstenbiindel besitzt eine viel bedeutendere GroBe der einzelnen Borsten als das ventrale (Fig. 7). Im neunten Segment tritt unweit der Grenze zum zehnten das erste Seitenaugenpaar auf. — Ich werde hier wie bei der Besprechung von Polyophthalmus den einmal eingebiirgerten Aus- druck Seitenaugen beibehalten, es ferneren Untersuchungen iiber- lassend, ob diese Organe eine derartige Funktion besitzen. — Bis zum 16. Segmente zeichnen sich diese Seitenaugen durch ihre Grofie wie langlich ovale Flachenansicht aus, die darauf folgenden Seitenaugen bis zum 21. Segmente sind dagegen klein und un- scheinbar, mitunter sogar undeutlich und fast verschwunden. Wir haben also acht groCere und fiinf kleinere Seitenaugen zu kon- statieren. Das Afterstiick ist, wie bei samtlichen Arraandien, ein Cylinder, also noch nicht so weit degeneriert wie bei den Ammotrypanen. Es setzt sich zusammen aus etwa 30 Ringen und erreicht die Lange der letzten vier Segmente. Diese Proportion, welche zwischen der Anzahl der Ringe und der GroBe des Afterstuckes im Vergleich zu den Segmenten besteht, erscheint mir als neuer Grund fiir meine Anschauung, daB das Afterstiick aus einer ge- wissen Anzahl von Korpersegraenten hervorgegangen ist. In diesem Falle wiirde also das Afterstiick aus vier miteinander verschmol- 368 Willy Kiikenthal, zenen Segmenten entstanden sein. Umgeben ist die Afteroffnung von einigen sehr kleinen Papillen. Armandia exigua n. sp. (Fig. 8). Wohl nirgends tritt die Ahnlichkeit zwischen Armandien und Ammotrypanen so stark hervor wie bei dieser kleinen aus China stammenden Form. Die Armandien lassen sich im grofien und ganzen als Ammotrypanen mit Seitenaugen auffassen ; die Borsten- bundel der Armandien sind bedeutend starker entwickelt und das Afterstiick ist bei ihnen zylindrisch, wahrend es bei den Ammo- trypanen nicht mehr zur Bildung eines Cylinders kommt und nur ein blattformiges nach der ventralen Seite zu offenes Afterstiick vorhanden ist. Unsere Armandia ist nun ein vollkommenes Zwischenglied zwischen beiden Gattungen, mehr noch als die vorhergehende Art: Armandia Weissenbornii. Seitenaugen sind auBerlich nicht sichtbar und man konnte deshalb bei oberflach- licher Untersuchung diese Spezies zum Genus Ammotrypane stellen. Erst auf Schnitten zeigt sich das Vorhandensein von Seitenaugen vom neunten Segmente an, diese Seitenaugen liegen unter der Cuticula verborgen und sind rudimentar zu nennen. Glaskorper und Linsen sind verschwunden und nur ein Pigmentbecher hat sich noch erhalten. Die GroBe und Anzahl der Borsten ist kleiner als sonst bei den Armandien, immerhin noch groCer als bei den Ammotrypanen. Das Afterstuck ist zwar cylindrisch, es zeigt sich aber bereits eine Einkerbung auf der ventralen Seite, die als Fort- setzung der Bauchrinne anzusehen ist, und welche, wenn sie tiefer ginge, schliefilich zur Bildung eines Afterstuckes wie bei den Ammotrypanen fiihren wiirde. Diese Spezies stammt aus Leeo-tu, China, wo sie in einer Tiefe von 15 Meter gefunden wurde. Ihre Lange betragt bei dem grofiten meiner Exemplare 1,3 cm. Aul^er Kopf- und Afterstuck sind 38 Segmente vorhanden. Eine zarte Furche setzt das Kopfstuck vom ersten Segmente ab, eine fein ausgezogene, hornformig gebogene Sinnesspitze sitzt dem Kopfstuck auf. Die Flimmerorgane sind von auBen nicht zu be- merken, auf Schnitten laCt sich indessen ihr Vorhandensein nach- weisen. Es zeigt sich also auch hier, daB iiberall, wo ein Fehlen der Flimmerorgane bei Opheliaceen konstatiert worden ist, keine Schnitte durch die betreffende Korperregion gelegt worden sind Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". 369 und daB das Vorhandensein der Fliramerorgane bei Opheliaceen ein konstautes Merkmal ist. Die Korpersegmeute tragen samtlich Borstenbundel, ein dor- sales und ein ventrales, welche zwischen zwei kurzen kolbigen Hockern herauskoramen. Nur auf dem dorsal en Hocker sitzt ein Cirrus. Solche Cirren finden sich vom 2. bis 26. Korpersegmeute, auBerdem am letzten. Auf diese Angabe will ich indessen kein besonderes Gewicht legen, da ich nur zwei Exemplare zur Ver- fugung hatte. Die Segmente sind besonders in der vorderen Korperhalfte geringelt, und zwar teilt eine tiefer einschneidende Furche das Segment in zwei Ringe, die ihrerseits durch je eine schwachere Furche nochmals in zwei Ringe abgeteilt werden, so daB also jedes Segment vierringelig ist. Diese Ringe nehmen in den letzten Segmenten an Zahl ab. Auf dem Afterstuck lafit sich diese Ringelung ebenfalls eine Strecke weit beobachten; die Lange des Afterstuckes erreicht die der letzten vier Segmente. Die Gattung Polyophtlialmus ist eine wohlumgrenzte. Die sogenannten Seitenaugen, der Mangel an Cirren, die Zeichnung des Korpers, die 5 oder 10 Ringelung und andere Merkmale sind fiir diese Gattung charakteristisch. Die Zeichnung des Korpers betreffend stimme ich mit Grube (Annulata Semperiana p. 197) darin uberein, daB die Zahl der betreflfenden Pigmentflecke eine wechselnde ist. An dem von Ceylon stammenden Polyophthalmus habe ich konstatiert, daB die kleineren Exemplare weniger Riickenflecken besitzen als die groBeren, doch halt sich auch hier die Zahl in gewissen Grenzen. Was die andere Angabe Grube's betriftt, daB auch die Zahl der Seitenaugen nicht konstant sei, so kann ich dies an meinem ziemlich reichen Material nicht bestatigen und bin vielmehr der Ansicht, daB die Zahl der Seitenaugen, sowie ihre Lage in den Segmenten bei den einzelnen Arten, welche von mir untersucht wurden, die gleiche ist, und in- folgedessen sich als konstantes Merkmal zur Artbestimmung ver- wenden laBt. So gut umgrenzt auch die Gattung erscheint, so wenig sicher erscheinen zum Teil die Art-Diagnosen. Schon Grube ^) bezeichnet 1) Grttbe: Die Familie der Opheliaceen. Jahresbericht der Schles. Gesellsch. f. vaterland. Kultur 1868. 370 Willy Kiikenthal, z. B. den Polyophthalmus dubius von Quatrefages ^ als weniger sichere Art, der. Mangel eines dritten Kopfauges, welcher fiir diese Art charakteristisch sein soil, erscheint ziemlich unwahrscheinlich, da uicht nur samtliche Polyophthalmen ,* sondern auch samtliche Opheliaceen mit Ausnahme der Travisien, wClchen die Augen iiber- haupt fehlen, dieses dritte dorsal gelegene, unpaare Kopfauge besitzen. Um so unwahrscheinlicher erscheint diese Angabe auCerdera noch deshalb, well Quatrefages auch bei Polyophthalmus pictus nur zwei Kopfaugen angiebt, wiihrend bei dieser Art das dritte Kopfauge rait Sicherheit zu koustatieren ist. Polyophthalmus ceylonensis n. sp. (Fig. 9 u. Fig. 10). Von Colombo auf Ceylon stammeud, zeigt dieser Polyoph- thalmus groCe Ahnlichkeit mit den europaischeu Arten, besonders pictus. Die Lange des groCten Exemplars betragt 1,1 cm. Der Kopf ist kuppelformig abgesetzt und tragt zu beiden Seiten die Flimmerorgane. Es folgen nun 27 Korpersegmente, die, mit Aus- nahme des ersten mit zarten Borstenbiindeln besetzt sind. Die Borsten sind kurz und diinn und nur wenige setzen ein Biindel zusammen. Die Korpersegmente sind funfringelig bis auf die letzten, welche ihre Ringelung allmahlich verlieren. Die Zeichnung des Korpers ist zweierlei Art. Sie findet sich nur an der dorsalen Seite und zwar ist der vordere Korperteil anders gezeichnet als der hintere. In den vorderen funf Segmenten finden wir zu beiden Seiten der Mitte eines jeden Segmentes zwei hellbraune Querbander, dazwischen liegen ebenfalls gelbbraun ge- farbte Punkte. Die hinteren Segmente hingegen zeigen 15 — 18 halbmondformige schwarzbraun gefarbte Pigmentflecken , in der Mitte des Segmentes liegend. Hierbei ist zu bemerken, daC die kleinen Exemplare weniger derartige Flecke zeigen als die groCeren. Die Seitenaugen beginnen im siebenten Segmente und finden sich bis zuni fiinfzehnten vor, so dafi also neun Paar vorhanden sind. Dieselben zeigen keinen Unterschied in der GroBe. 1) Quatrefages Histoire naturelle des Auneles. T. 2, p. 205, Die Opheliacoen der Expeditioa der „Vettore Pisani", SIX Das Afterstuck ist auBerordentlich kurz, zweiblatterig, nach der dorsaleu wie ventralen Seite bin often und in zwolf Anal- papillen endigend (Fig. 11). Polyophthalmus striatus n. sp. (Fig. 12). Stammt aiis Hongkong. Die Lange des einzigen Exem- plares betriigt 1,2 cm, seine Dicke 0,4 cm. Diese Art zeichnet sich vor alien anderen Polyopbtbalmen durch eine stark ausgepragte Zeichnuug aus. Auf das kurze kuppelformigc Kopfstiick folgen 27 Korpersegmente. Eine Ringekmg derselben ist vorhanden, aber sehr schwer zu sehen. Ein jedes Segment scheint in zehn Ringe zu zerfallen. Die Borsten sind sehr zart und klein , nach dem hinteren Ende zu kanu man zwischeu beiden Borstenbundeln eine winzige Erhebung, den Beginn des Parapodiums, bemerken. Die Zeichnung ist eine sehr regelmaBige, alle Segmente betreffendc. Es sind braune Pigmentbander, welche, besonders stark auf der Ruckenflache entwickelt, den Wurm ringformig umziehen. Ein solches Band liegt auf der Grenze zweier Segmente, wie in der Mitte eines jeden. Im vorderen Koi*perteile sind die Bander be- deutend breiter und unbestimmter. Auf der dorsalen Seite be- sitzen die Pigmentbander eine kurze halbmondformige Einknickung, mit der geotfneten Seite dem Kopfe sich zuwendend. Am 5. bis 16. Segment inklusive sitzen zwolf Paar Seiten- augen von gleicher GroBe. Das Afterstiick hat die Lange eines Korpersegmentes, ist ein geschlossener Zylinder und tragt gegen zehn Analpapillen , von denen zwei auf der Bauchseite etwas groBer sind. Vielleicht lassen sich dieselben mit den beiden gToBen bauch- standigen Analpapillen vergleichen, welche den meisten Ammotry- panen zukommen (Fig. 13). Ammotrypane Ingebrigtsenii n. sp. (Fig. 14). Obgleich nicht von der italienischen Expedition herriihrend, mag dennoch anhangsweise liier eine neue Opheliacee aufgefiihrt werden, die ich an den Kiisten Spitz bergens gedredgt habe. Ich nenne diese neue Art zu Ehren meines wackeren Kapitans, M. A. Inge- 372 Willy Kukentlial, brigtsen, der meinen Studien im Eismeere das regste Interesse zugewandt hatte und mich stets hilfreich unterstiitzte. Samtliche Exemplare wurden an verschiedenen Stellen des Isesundes auf Spitzbergen in Tiefen von 50 bis 100 Meter gefunden, wo sie im Schlamme ziemlich haufig vorkamen. Auf den ersten Blick er- scheint unsere Form der an den nordischen Kiisten vorkommenden Ammotrypane aulogaster recht ahnlich und es steht zu vermuten, daB unsere Art in der Arbeit Malmgren's ^) iiber die Polychaeten Spitzbergens , Gronlands etc. als Ammotrypane aulogaster auf- gefiihrt worden ist. Eine ganze Anzahl hervorragender Unter- schiede indessen fuhren zur unumganglich notigen Aufstellung einer neuen Art. Bei Ammotrypane aulogaster lauft das Kopf- stiick allmalilich spitz zu (siehe Fig. 25 in meiner Arbeit „Uber das Nervensystem der Opheliaceen") , bei der spitzbergischen Art hingegen sehen wir, ahnlich wie bei Armandia Weissenbornii, vorn ein kleines, kolbig anschwellendes Organ (Fig. 15). Korper- segmente zahlen wir 51, die samtlich vierringelig sind. Samtliche Korpersegmente sind mit Borstenbiindelpaaren besetzt, an samt- lichen findeu sich aufierdem Cirren, in scharfem Gegensatz zu Ammotrypane aulogaster. Wir haben zwei Cirren an jedera Parapodium zu unterscheiden, einen dorsalen und einen ventralen Cirrus. Die ventralen Cirren sind in samtlichen Segmenten vorhanden, in den ersten und letzten am groBten, immerhin aber sehr klein. Die dorsalen Cirren sind bedeutend grofier, Schwankungen in ihrer GroBe sind nicht zu bemerken, sie fehlen dem ersten Segmente wie den drei letzten. Die Borstenbiindel , von denen zwei Paar in jedem Segmente austreten, unterscheiden sich voneinander dadurch, daB die dor- salen aus langen und diinnen, die ventralen aus kurzen und dicken Borsten zusammengesetzt sind. An der Basis des Afterstiickes findeu sich, wie bei Ammotry- pane aulogaster, zwei lange Cirren. Das Afterstiick ist blattformig, nach der ventralen Seite zu ofifen. Unter dem Mikroskop erkennt man eine Ringelung des- selben. An beiden Randern des Blattes sitzen fiinf Paar sehr kleine Papillen, zwischen denen sich jedesmal vier Ringel befinden. 1) Malmgeen : Annulata polychaeta Spetzbergiae , Gronlandiae, Islandiae et Scandinaviae hactenus cognita. Ofversigt af kongl. Yetensk.-Akad. Forh^ndl. 1867, p. 184. Die Opheliaceen der Expedition der „Vettore Pisani". 373 Vier Ringel liegen ebenfalls zwischen je zwei Parapodien ; da wir nun das Afterstiick als aus Segmenten entstanden zu denken haben, so werden diese Papillen jedenfalls den Parapodien entspreclien und als tjberreste derselben aufzufassen sein. Das gesamte Afterstiick von Aramotrypane lugebrigtsenii ist demnach aus fiinf Korpersegmenten entstanden zu denken, womit auch seine Lange iibereinstinimt. Von Interesse ist uoch die Struktur der Korperdecke, welche ziemlich starke, netzformig verbundene Strange von hellem Aus- seben zeigt. Abgeschlossen am 21. August 1887. Tafelerklarung. Hierzu Tafel XXI. Fig. 1. Travisia chiloensis Kthl. Vierfach vergroBert. Fig. 2. Das zwanzigste und einundzwanzigste Segment von Travisia chiloensis. Fig. 3. Miindung des Afters von Travisia chiloensis. Fig. 4. Ammotrypane Langii Kthl. Yierfach vergroBert. Fig. 5. Afterstiick von Ammotrypane Langii. Fig. 6. Armandia Weissenbornii Kthl. Yierfach vergroBert. Fig. 7. Sechstes und siebentes Parapodium von Armandia Weissen- bornii. Fig. 8. Armandia exigua Kthl. Yierfach vergroBert. Fig. 9. Polyophthalmus ceylonensis Kthl. von der Seite. Yierfach vergroBert. Fig. 10. Polyophthalmus ceylonensis Kthl. Eiickenseite , vierfach vergroBert. Fig. 11. Polyophthalmus ceylonensis. Hinterende von der Bauchseite gesehen. Fig. 12. Polyophthalmus strialus Kthl. Yierfach vergroBert. Fig. 13. Polyophthalmus striatus. Hinterende. Fig. 14. Ammotrypane Ingebrigtsenii Kthl. Yierfach vergroBert. Fig. 15. Kopf von Ammotrypane Ingebrigtsenii Kthl. Uber das Parietalauge der Reptilien. Von Dr. Ed. B^raiieck, Professor au der Akademic zu Neuchatel (Schwciz.) (Hierzu Tafel XXII und XXIII) Schon seit geraumer Zeit haben die Fuoktionen der Zirbel- druse die Aufmerksamkeit der Forscher in Anspruch genommen, trotz aller Bemtihungen blieben sie aber dunkel uud ratselhaft. Erst die neuern Untersuchungen von de Graaf und W. Baldwin Spencer haben Licht tiber diese Frage verbreitet und riicken die KoUe, welche die Zirbeldriise bei den Wirbeltieren gespielt hat, unserem Verstandnisse naher. Nach den Ergebnissen, zu denen Spencer gelangt ist , muB das Parietal- oder Pineal- Auge als eine sekundare Differenzierung des distalen Teils der Epiphysis be- trachtet werden. Bei den fossilen Reptilien aus der Sekundar- Zeit war es viel starker entwickelt. Ichthyosaurus, Plesiosaurus, Iguanodon, Formen, welche man als die Vorfahren der heute lebenden Sauropsiden betrachten kann , und wahrscheinlich auch die Labyrinthodonten , jene riesenhaften Amphibien, welche zu Ende der Primar- und am Anfang der Sekundarzeit auftraten, besaBen wohl ein gut entwickeltes Parietalauge. Unter den heute lebenden Wirbeltieren ist dieses Sehorgan nur bei den Sauriern angetroffen worden. Die Eigenschaften, die es hier zeigt, weisen darauf hin, dass wir es mit einem im Verschwinden begriffenen Organe zu thun haben, das bei vielen Arten nicht mehr leistungs- fahig ist. tJber das Parietalauge der Reptilien. 375 Spencer verfiigte iiber ein reiches Untersuchungsniaterial. Er untersuchte 29 Saurierarten und konnte so die verschiedenen Grade der Riickbildung verfolgen , welche das Parietalauge inner- halb der ganzen Klasse der Reptilien erleidet. Seine anatomiscben Untersucbungen berechtigen zu dem Schlusse, dafi dieses bei den heute lebenden Formen relativ wenig entwickelte Sinnesorgan bei den fossilen Reptilien und Amphibien vollstandig ausgebildet war. Obgleich das Parietalauge der Wirbeltiere erst kiirzlich ent- deckt worden ist, so batten doch schon mehrere Autoren seine Existenz geahnt. Da in den Abbandlungen von de Graaf und Spencer und in dem Artikel von Korschelt (Kosmos 1886, 3. Heft) die Litteraturangaben hinreichend vollstandig zusammengestellt sind, so will ich bier nicht alle Arbeiten iiber die Anatomie und Entwickelungsgeschicbte der Epiphysis im einzeluen anaiysieren. Ich will nur daran erinnern, dafi zuerst Leydig in seinem Werke „Die Arten der Saurier" ein auf der Dorsalseite der Gehirn- region gelegenes Organ beschrieb, das er bei einigen Arten der Gattung Lacerta und bei Anguis fragilis untersuchte. Leydig erkannte, dafi es iiber der Zirbeldriise liegt und Pigment enthalt. Bei seinen Untersucbungen iiber die Entwickeiung der Zirbel- driise bei den Knochenfischen fand Rabl-Ruckhard, dafi dieses Organ zwischen der ersten und zweiten Gehirnblase entsteht und sich als ein Auswuchs des Gehirns anlegt, der viele Ahnlichkeit mit den primitiven Augenblasen zeigt. Er ging sogar noch weiter und vermutete, daC die Epiphysis sich durch denselben ent- wickelungsgeschichtlichen Prozess in ein Sinnesorgan umwandelt, durch den die paarigen Augen der Wirbeltiere entstehen. In einer 1884 erschienenen Abhandlung wies er darauf hin , daB das Kopfskelett der riesigen Enaliosaurier aus der Lias ein dem Fora- men parietale entsprechendes Loch aufweist, in welchem das aus der Zirbeldriise entstehende Sinnesorgan lag. Rabl-RCckhard halt indessen dieses letztere nicht fiir ein eigentliches Auge, sondern nur fiir ein Organ der Warmeempfindung, vermittelst dessen diese Reptilien die groBere oder geringere Intensitat der Sonnenstrahlen zu unterscheiden vermochten. Fast gleichzeitig mit RABL-RtJCKHARD gelangte Ahlborn auf Grund seiner Untersucbungen iiber „das Gehirn der Petromyzonten" und uber „die Bedeutung der Zirbeldriise" zu ahnlichen Ergeb- nissen. Aus den beobachteten Thatsachen schM er, „dafi die glandula pinealis als das Rudiment einer unpaaren Augenanlage 376 Dr. Ed. Beraneck, anzuseheD ist. Wenn dieser SchluB richtig ist, so besitzt die Epiphysis als rudiraeutares Stirnauge, wie niir scheint, noch jetzt ein funktioniereudes Analogon in dem unpaaren Auge der Tunicaten uud vielleicht auch der Amphibien." DE Graap gebiihrt das Verdienst, zuerst gezeigt zu haben, dafi sich bei Auguis fragilis die Zirbeldruse zu einem Sinnes- organ umwandelt, welches vermoge seiner histologischen Struktur als ein Auge betrachtet werdeu muli und welches sehr uahe Be- ziehungen zu dem Auge wirbelloser Tiere aufweist. Ein Auszug seiner Untersuchungen findet sich in Nummer 219 des Zoologischen Anzeigers (vom 29. Marz 1886): „Zur Anatomic und Entwickelung der Epiphyse bei Amphibien und Reptilien". Bei diesen Tieren stellt die Epiphysis auf den ersten Entwickelungsstadien einen einfachen Auswuchs des Zwischenhirus oder Thalamencephalum dar. Bei den Urodelen bleibt sie rudimentar, bei den Anuren, besonders aber bei den Reptilien erhalt sie eine groBere Bedeutung und teilt sich in zwei Telle, einen proximalen, die eigentliche Zirbeldruse, die mit dem Zwischenhirn in Verbindung bleibt, und einen distalen, der sich imraer mehr vora Basalteil soudert, mit den Gehirnhauten verbindet und in das Foramen parietale des Kopfskelettes einlagert. Dieser distale Teil der Epiphysis ist es, welcher das Parietalauge der Saurier bildet und bei dem erwachsenen Tiere — wenigstens bei gewissen Arten — vollstandig vom Basalteil getrennt ist. Er ist von den Gehirnhauten umhiillt und zeigt die Gestalt einer kleineu, von oben nach unten mehr oder weniger zusammenge- driickten Blase mit zelligem Bau. de Graaf schlieCt seinen Aus- zug mit folgenden Worten: „Die Thatsache, daC ein vollstandig abgeschniirtes Epiphysensttick bei Amphibien (Anuren) excranial unter der Oberhaut, bei Sauriern (Lacerta und Anguis z. B.) excerebral unterhalb des Foramen parietale zu liegen kommt, lafit, wie dies die Entwickelungsgeschichte gezeigt hat, uber die Homo- logie beider Gebilde wohl keinen Zweifel bestehen. Bedenkt man weiter, dafi schon bei den Stegocephalen (Labyrinthodonten) aus dem Carbon, Perm und Trias in der Parietalnaht ein Loch sich vorfindet, das in seiner Lage dem bei den jetzt noch lebenden Sauriern vollstandig entspricht, so zwingt uns dies zu der An- nahme, dafi die Epiphyse bei den Vorfahren der jetzt lebenden Tiere eine sehr groCe RoUe gespielt haben muB und vielleicht als ein uns bis jetzt unbekanntes Sinneswerkzeug fungiert hat." Wir ersehen aus diesem Citate, dafi de Geaaf das Parietal- auge der Saurier als ein in seiner Entwickelung zuriickgebliebenes tJber das Parietalauge der Reptilien. 377 Organ betrachtet, dessen gegenwartiger Nutzen sehr zweifelhaft erscheint, dessen funktionelle Leistung aber in verflosseneu geologischen Epochen viel bedeutender war. Diese Ergebnisse sind im allgemeinen, wie schon gesagt, durch Spencer bestatigt worden. Wenn nun aber auch die Existenz eines pinealen Sinnes- organes bei den Sauriern auCer allem Zweifel ist, so bedarf doch noch mancher diese Frage betreffender Punkt der Aufklarung. So sind z. B, die Resultate, zu denen Spencer und de Graaf bei Anguis fragilis gelangt sind, nicht sehr in Einklang. Ferner sind auch unsere Kenntnisse von der Entwickelung des Parietalauges noch nicht sehr vollstandig und nicht ganz befrie- digend. Ich werde deshalb in vorliegender Arbeit ganz besonders die Embryonalentwickelung dieses Organes behandeln und dann auch einige Beobachtungen iiber die histologische Struktur des entwickelten Parietalauges mitteilen. Ich habe meine Untersuchungen an Embryonen von L a c e r t a agilis und Anguis fragilis angestellt. Das wirkliche Alter dieser Embryonen kann ich nicht angeben. Ich kann dasselbe hochstens annahernd bestimmen nach der mehr oder weniger vor- geschrittenen Ausbildung der Gesamtorganisation und nach der Lange. Aber die Lange selbst ist wieder schwer zu bestimmen, denn wenigstens die Embryonen von Anguis sind in Windungen aufgerollt, ahnlich wie Schlangenembryonen. Von Lacerta agilis haben mir 8 verschiedene Entwickelungsstadien zwischen 3 und 28 mm Lange zur Verfugung gestanden. Ich werde nur die wich- tigsten davon beschreiben : von Anguis fragilis habe ich mir keine ganz jungen Embryonen verschaft'en konnen. Diejenigen , welche ich untersucht habe, waren, approximativ geschatzt, zwischen 25 und 63 mm lang. Diese Embryonen sind teils mit 4"/oiger Salpetersaure , teils mit Pikrin - Schwefelsaure , teils mit Sublimat in konzentrierter, wasseriger Losung behandelt worden. Die letztere Methode hat ausgezeichnete Resultate geliefert. Zur Farbung verwandte ich neben Pikrokarmin ganz besonders Boraxkarmin und zur Aufhel- lung Nelkenol, Toluol und Zedernholzessenz. Letztere leistet sehr gute Dienste ; sie hellt gut auf und erleichtert die Durchdringung der Objekte durch Paraffin. Um eine klare Einsicht in die Struktur des Parietalauges zu erlangen J, und um die Beziehungen zn erfassen, welche es zu der Zirbeldriise darbietet, ist es notig, Schnittserien nach ver- schiedenen Richtungen anzufertigen. Ich habe Serien von Quer-, 378 Dr. Ed. Bdraneek, Horizontal- und Sagittalschnitten ausgefuhrt. Diese letzteren lie- fern die instruktivsteu Ubersichtsbilder. Ich beginne mit der Beschreibung des unpaaren Auges bei den beiden Embryonalstadien von Anguis fragilis. Die Embryonen des ersten Stadiums sind 25 mm lang und bieten folgende allge- meine Charaktere. Sie sind stark eingerollt und beschreiben un- gefahr 2^2 Spiralwindungen. Der Kopf ist stark eingebogen und bildet einen rechten Winkel zur Langsachse des Korpers. Das Mittelhirn nimmt die Spitze der Kopfregion ein, deren hinteren Teil es bildet. Es ist vom Hinterhirn durch eine ziemlich deut- liche Einsenkung getrennt. Die Augen sind groB und vorsprin- gend. Die Kiemenspalten sind nicht mehr sichtbar. Der Unter- kiefer ist wohl entwickelt. In der Mittellinie der Riickseite ver- lauft eine Furche, welche der VerschluCnaht des Medullarrohres entspricht und welche auf alteren Stadien verschwindet. Die Kopfregion ist nicht mit Flatten bedeckt und die Haut zeigt noch keine Schuppen. Das 2. Stadium von Anguis fragilis bilden Embryonen von 60 — 63 mm Lange. Auch diese sind eingerollt, aber nicht so regelmaCig spiralformig wie die jiiugeren. Die mediane dorsale Furche ist verschwunden. Der Kopf ist betriichtlich verbreitert, nicht mehr eingekriimmt, sondern er liegt einfach in der Verlan- gerung der Langsachse des Korpers. Das Mittelhirn liegt nicht mehr an der Spitze der Kopfregion und ist vom Hinterhirn nicht mehr durch eine Vertiefung getrennt. Es liegt in der Mittellinie nahe an der Spitze der Parietal- platte, welche an dieser Stelle durchsichtig wird. Wenn man den Kopf eines Embryo vom Stadium B von der Seite betrachtet, so sieht man, daB das Parietalauge nicht mehr wie im Stadium A nach auCen vorspringt, es erscheint tiefer in das Integument ein- gesenkt, was der Erweiterung der Kopfregion und der Entwicke- lung der den Kopf bedeckenden Hautplatten zuzuschreiben ist. Von der Seite gesehen ist sogar der durchsichtige Teil der Inter- parietalplatte, welcher dem unpaaren Auge entspricht, leicht ein- gesenkt. Die Interparietalplatte zeigt nicht auf ihrer ganzen Oberflache die namliche Farbung. Sie ist im allgemeinen hell, wird aber in der Umgebung des Parietalauges etwas dunkler. Ich gehe jetzt zu einer geuaueren Beschreibung des histoio- gischen Baues dieses Sinnesorganes iiber. Tiber das Parietalauge der Reptilien. 379 Aiiguis fragilis, Stadium A. Bei den Embryoneu dieses Stadiums ist das unpaare Auge schon gut dift'erenziert, wenn auch das Pigment noch wenig ent- wickelt ist. Auf Sagittal- und Querschnitten sieht man , wie es in der dorsalen Mittelliuie der Kopfregion leicht vorspringt. Es ist der Ektodermschicht angelagert, von ihr nur durcb eine diiune Lage Mesoderm getrennt. Das Ektoderm wolbt sich hier in Form einer Schale hervor, in deren Konkavitat die konvexe Oberflache der Kristalllinse des Parietalauges hineinpaBt. Es hat die Gestalt eines Rotations- Sphiiroids, dessen Aquator horizontal ist, d. h. der Riickenflache des Kopfes parallel liegt. Die Abflachung des Auges zeigt sich schon ziemlich deutlich, aber weniger als auf den folgenden Stadien. Es liegt zwischen dem Vorder- und Mit- telhirn, entspricht also dem Zwischenhirn oder Thalamencepha- lum und befindet sich etwas vor der eigentlichen Epiphysis. Es ist von Mesodermgewebe unigeben, aus dem sich spater der Pa- rietalknochen entwickelt. Seine untere oder retinose Flache ruht auf einer fibrosen, von Zellen durchsetzten Schicht, welche spater zu den Gehirnhauten wird. Der hintere und untere Rand des Auges, welchen man als Occipitalrand bezeichnen konnte, lehnt sich an die Spitze der Epiphysis an und stellt so eine Verbindung mit dem Gehirn her. — Das Auge zeigt eine innere Hohle, welche auf den Schnitten die Gestalt einer Ellipse hat, deren groBter Durchmes- ser im Aquator der Augenkugel liegt. Diese zentrale Hohle ist bei den relativ jungen Embryonen des Stadiums A mehr ausge- pragt als bei den alteren des Stadiums B. Sie hat nicht uberall die namliche Hohe, sie ist tiefer in ihrera peripherischen als im mittleren Teile, welch letzterer dem Raume zwischen Kristalllinse und Retina entspricht. Die Wandungen des Auges sind ziemlich dick (Fig. 1) und besitzen eine wesentlich zellige Struktur. Es ist nicht moglich, eine regelmafiige Anordnung der Elemente zu deutlichen Schich- ten zu erkennen, Der allgemeine Bau des Auges ist auf diesem Stadium sehr einfach und zeigt durchaus keine Ubereinstimmung mit dem Bau der paarigen Augen auf denselben oder noch friihe- ren Entwickelungsstadien. Die Art der Entwickelung der Linse und der Retina ist beim Parietalauge und bei den paarigen Au- gen eine ganzlich verschiedene. Bei diesen letzteren entsteht die Bd. XXt. N. F. XIV. 25 380 Dr. Ed. Beraneck, Retina aus dem vordern oder innern Blatt der sekundaren Augen- blasen, wahrend beim uupaaren Auge die Augenblase keine Ein- faltuug erfahrt. Ihre vordere, gegen das Ektoderm gerichtete Wandung bildet die Liuse, die hintere, gegeu das Gehirii zu ge- richtete die Retina. Schon beim ersten Auftreteu des Parietalauges , das heifit in dem Augenblick, wo der distale Teil der Epiphysis anschwillt und sich vom Basalteil trennt, lassen sich die Retina und die Linse erkennen. Sie brauchen nur noch einige histologische Veranderungen zu erfahren, urn die d(;finitiveu Charaktere darzu- bieten. Bei den paarigen Augen ist die Liuse ektodermalen Ur- sprungs. Beim unpaaren Auge stellt sie nicht eine uuabhangige Bildung dar, denn sie ist hier weiter nichts als die vordere Wand der pinealen Augenblase. Die Augen sind seitlich nicht mehr vorspringend. Der Kopf ist von Hautplatten bedeckt, welche sich von der Occipitalgegend bis zur Ethmoidalregiou erstrecken und in ihrer Form und An- ordnung mit denen des erwachsenen Tieres im allgemeinen uber- einstimraen. Indessen sind diese Plattchen beim Embryo scharfer voneinander getrennt und sie heben sich mehr ab als beim voll- standig entwickelten Tier. Auf der medianen Partie der Riickenseite des Kopfes unter- scheidet man die umfangreiche schildformige Frontalplatte. Mit ihrem hintern Rande grenzt diese an die Interparietalplatte, welche ebenfalls median liegt, aber kleiner ist und die Gestalt eines Drei- eckes hat, dessen Basis auf dem Frontale ruht und dessen Spitze sich an die Occipitalplatte anlegt. Zu beiden Seiten des Interparietale liegen die Parietalia, welche die Gestalt etwas verlangerter Vierecke haben. Wenn man die Kopfregion der eben beschriebenen beiden Stadien bei LupenvergroCerung betrachtet, so erkennt man leicht die Stelle, wo das Parietalauge liegt. Zur grofieren Bequemlich- keit will ich das jungste Stadium , dasjenige von 25 ram Lange, mit dem Buchstaben A und das altere mit B bezeichnen. Bei den Embryonen A ist das Parietalauge viel weniger deutlich sicht- bar, wenigstens auCerlich, als bei den Embryonen B, was von der geringeren Entwickelung des Pigmentes bei den ersteren herriihrt. Beim Stadium A bedingt das unpaare Auge eine leichte Empor- ragung in der Mittellinie der Kopfregion. Es ist eiu wenig hin- ter den paarigen Augen zwischen dem Mittel- und dem Vorderhirn gelegen und schimmert ziemlich deutlich in Form eines sehr en- geu Pigmentringes durch das Integument hindurch. tJber das Parietalauge der Eeptilieu. 381 Bei den Embvyonen des Stadiums B ist das Parietalauge iioch deutlicher vom Eucephalum abgegrenzt als beim vorher- gehenden Stadium. Es liegt im Foramen parietale und hebt sich dunkel von den umgebenden Gevveben ab, denn seine Pigment- schicht hat jetzt eine gewisse Dicke erlangt. Weder bei den Embryonen dieses Stadiums, noch auch beim erwachsenen Tiere ist die Linse von der Retina getrennt; beide sind vielmehr an ihrem ganzen Aufienrande innig miteinander verbunden. Auf Schnitten stellen sie einen elliptischen Ring dar, dessen gegen das Gehirn zugewandte Seite zusammen rait den vorderen und hinteren Randern die Retina bilden, wahrend die dem Ektoderm zugekehrte Seite die Linse bildet. Die Retina be- sitzt also eine groCere Ausdehnung als die Linse. Selbstverstand- lich existiert eine Grenzlinie zwischen beiden Teilen , diese ist aber nur undeutlich und bedingt nicht eine scharfe Trennung. Man bemerkt bloC an dem Punkte, wo die beiden Membranen in- einander iibergehen , eine melir oder weniger deutliche Einschnii- rung. Diese Einschntirung ist uberdies nur am innern Rande der Linse sichtbar, welclier das Lumen der Augenblase begrenzt. Am iluCern Rande setzt sich die Wolbung der Linse kontinuierlich in die der Retina fort. Die Linse des unpaaren Auges bildet die Decke der Augen- blase; sie ist in ihrer Mitte etwas verdickt (Fig. 2). Ihre in- nere und auCere Wolbung sind fast ganz gleich. Auf dorsoven- tralen Langsschnitten laCt sich jedoch feststellen , daC die auCere Wolbung regelmaCiger ist; sie steigt allmahlich von der Periphe- rie zuni dorsalen Pole der Augenkugel an, wo die Konvexitat ihr Maximum erreicht. Demgegeniiber ist die Wolbung der Innen- flache sehr stark an der Vereinigungsstelle der Linse und der Retina, nimmt aber ziemlich unvermittelt ab, so daC in der me- dianen Partie eine Art Plateau zustande kommt. Wenu auch die histologische Struktur der Linse sehr einfach ist, so bedarf es doch zum Studium derselben sehr diinner Schnitte, da die zelligen Elemente dicht gedrangt liegen. Die Schnitte, auf die sich die nachfolgende Beschreibung be- zieht, haben eine Dicke von Vioo ^^^ Vzooi^™- ^^^ histolo- gischen Charaktere sind ein wenig verschieden, je nachdem man den peripherischen oder den zentralen Teil der Linse untersucht. In diesem letztern treten sie am scharfsten hervor. Die Linse wird nicht in ihrer ganzen Dicke vom Boraxkarmin in gleicher Weise gefarbt. Bei der groCen Mehrzahl der Zellen 382 Dr. Ed. Beraneck, treten unter dem Einflusse dieses Farbungsmittels die Kerne und Kernkorperchen deutlich hervor; die Kerne farben sicli intensiv. Einige Elemente siud starker lichtbrecheud und zeigen fast keine Verwandtschaft zu dem Farbstofie. Nicht alle Elemente der Linse besitzen dieselbeu Ctiaraktere. Die Kerne der einen (diese sind relativ selten) sind beinahe ku- gelig, wahrend die der andern (weitaus zahlreichern) spindelformig verlangert erscheinen. Die im zentralen Teile sparlichen Zellen mit kugeligen Kernen nehmen an der Peripherie an Zahl zu und gehen bier ohne scharfe Scheidelinie in die Elemente der Retina liber. Die spindelformigen Kerne der Retinazellen stehen mit ihrer Langsachse senkrecht auf dem groCern Durchmesser der Linse, folglich senkrecht auf dem Aquator der Augeublase. Sie sind von ziemlich ansehnlicher GroCe. Die meisten von ihnen siud etwa halb so dick als lang. Sie enthalten gewohnlich zahlreiche Kornchen, welche sich auf der hellen Grundsubstanz des Kerns deutlich abheben. Obwohl iiberall zerstreut, sind sie doch in der peripherischen Schicht reichlicher. Das kugelige, stark gefarbte Kernkorperchen liegt bald im Mittelpuukt des Kerns, bald befiu- det es sich gegen das am meisten verdickte Ende desselbeu zu. — Die Zahl der Kernkorperchen in einem Kern variiert, sehr haufig findet man deren zwei oder sogar drei. Die Elemente der Linse sind nicht zu regelmaBigen Schichten angeordnet; man kaun hochstens ganz im allgemeinen drei Hauptzonen unterscheiden : eine obere, deren Kerne mehr oder weniger der auCern Oberflache der Linse anliegen ; eine mittlere, in welcher diese Elemente dich- ter gedrangt liegen, und eine innere, der innern Oberflache der Linse angrenzende. Die Zellen sind mehr oder weniger faserfor- mig verlangert, sie liegen parallel dem kurzen Durchmesser der Linse und verleihen ihr ein gestreiftes Aussehen. Den Grenzlinien der Zellen entlang beobachtet man im Proto- plasma feine kornige Ziige, welche besonders an der innern und aufiern Oberflache der Linse deutlich sichtbar sind. Die Linse des Parietalauges zeigt nicht jene fibrillare Struk- tur, welche diejenige der paarigeu Augen auf einem entsprecheu- den Entwickelungsstadium besitzt. An ihre innere, die zentrale Hohle der Augenblase begrenzende Oberflache legen sich kleine Hervorragungen an, welche in die Hohle vorspringen und eine Art feiner Bezahnung darstellen (Fig. 1 und 2 th). Sie liegen dicht an- einander und sind verschieden groC. Sie scheinen von der Linse getrennt zu sein. Bei feiner Einstellung sieht man jedoch, daC sie nur Fortsatze der Linsenzellen sind. An der auBeren Ober- tjber das Parietalauge der Reptilien. 383 fliicho der Linse koiiimt eine solche Zahnelung nicht vor, das Proto- plasma der Zellen legt sich einfach an dieselbe an, ohne iiber sie hervorzuragen. Die vorstelieude Beschreibimg der Linse des Parietalauges be- zieht sich auf Serien von dorsoventralen Langsschnitten. Leichte Abweichungen lassen sich konstatieren , je nachdem die Schnitt- ebene senkrecht auf dem Aquator der Augenblase steht oder ihm parallel liegt. Die Abweichungen betreffen die groCere oder ge- ringere Dichtigkeit und RegelmaBigkeit in der Anordnung der Zellen. Sie sind so unbedeutend, daB ich nicht naher darauf eingehe. Die Retina des Parietalauges vom Stadium A hat eine relativ betrachtliche Oberflache (Fig. 3r). Sie bildet etwa ^/^ der ganzen Augeukugel, sie ist dick, ihre innern und auCern Konturen ver- laufen einander parallel. Ihre Konkavitat ist gegen die innere Hohle des Auges, die konvexe Seite gegen das Gehirn zu gerichtet. Sie enthalt zahlreiche Zellen, welche in der mittleren Region dieser Membran und an ihrer auCern Oberflache besonders zahlreich an- gehauft sind. An der innern, der Hohlung der Augenblase zuge- kehrten Seite sind sie viel sparlicher. Die Retinazellen besitzen im allgemeinen einen kugligen Kern, doch kommen auch langliche, spindelformige Kerne vor, wie die der Linse. Alle Kerne sind von Kornchen erftillt und enthalten ein oder mehrere Kernkorperchen. Es zeigen sich in der Re- tina schon sehr kleine Pigmentkornchen, welche nicht auf eine bestimmte Zone begrenzt sind und welche eine Art schwarzlichen Staubes bilden, der hie und da in diinnen Ziigen das Innere der Retina durchdringt. In der Nahe der Verbindungsstelle der Re- tina und der Linse werden die Kerne sparlicher. Sie sind hier alle kuglig und gegen die aussere Oberflache der Augenkugel zu gedrangt. Auf Querschnitten erscheint diese AuBenseite garniert von einer Reihe von Kernen, die eine fast kontinuierliche, von dem iibrigen Teil der Retina ziemlich scharf abgegrenzte Schicht bilden. Auf der inneren, die zentrale Hohle des Auges begrenzenden j Flache der Retina erheben sich kleine Vorragungen, welche der Zahnelung der innern Flache der Linse entsprechen, und wie, dort mit dem Protoplasma der Retinaelemente in Zusammenhang' gebracht werden miissen. Wie man aus der vorstehenden Beschreibung ersehen kann, lafit sich die Retina des Parietalauges nicht mit derjenigen der paarigen Augen vergleichen. Sie entsteht nicht durch eine Ein- 384 Dr. Ed. Boraneck, stiilpung der vorderii Wand einer priraitiven Augenblase, sondera sie wird bloB vom verdickten Boden des distalen Teils der Epi- physis gebildet. Voiu oiitogenetischen Standpimkte aus kann sie als eine primiire Bilduug betrachtet werden , in dem Sinne , daB sie direkt aus der bin tern (dem Gehirn ziigekehrten) Wand der Auftreibung der primitiven Zirbeldriise entsteht. Sie entwickelt sich durch einfache Ditterenzierung der Zellen dieser Wand und durcblauft keineswegs ahnliche Stadien wie bei den paarigen Augen der Wirbeltiere. Wie schon erwiihnt, kommt das Parietalauge mit seinem hin- tern Rande auf den Basalteil der Epiphysis (Fig. 4) zu liegen. Es liegt aber nicht in der direkten Verhingerung dieser letzteren, son- dem bildet mit ihr einen stumpfen Winkel. Der Basalteil der Epiphysis hat im allgeraeinen denselben Ban wie das unpaare Aiige. Er besitzt auch dicke Wandiingen, welche eine zentrale Hohle umschliefien und welche zahlreiche kuglige, oder mehr oder weniger spindelformige Kerne enthalten. In den Kernen finden sich Kornchen und eiii oder mehrere Kernkorperchen. Auch hier finden sich an der inreren Oberflache der Driise Hervorragungen, welche in die zentrale Hohle hineinragen und starker entwickelt sind als im unpaaren Auge. Die Identitat der histologischen Struktur des Auges und der Epiphysis und die eugeu Beziehungen derselben zu einander, die sich bei den Embryonen dieses Stadiums zeigen, beweisen hiureichend, daB das Parietalauge nur eine Dif- ferenzierung der Zirbeldriise ist. Zu diesem Bew^eise gesellen sich noch andere hinzu, welche durch die Thatsachen der Entwickelung des Parietal auges auf noch jiingern Stadien geliefert werden. Auf dorsoventralen Langsschnitten sieht man, dafi vom vor- dern und obern Rand der Epiphysis ein Biindel von mit einigen Kernen vermischten Fasern abgeht und nach kurzem Verlaufe an der untern Flache der Retina endigt (Fig. 4 n. op). Das Biindel ist durchsichtig und ziemlich schwer zu beobachten; es ist von Mesodermgewebe umgeben und von ihm teilweise verdeckt. Es dringt von auBen in die Retina ungefahr an ihrer konvexesten Stellc ein. Nach seinem Eintritt in diese Membran verbindet es sich mit einer kleinen Ansammlung von Kernen. Es ist sehr schwer, den Verlauf der Fasern bis an ihr Ende zu verfolgen. Es scheint, daC sie auch mit den Retinazellen in Verbindung treten. Das andere Ende des Biindels zieht sich dem vordern Rande der Epiphysis entlang, um sich bald in derselben zu verlieren. Die Eigenschaften des der Zirbeldruse entlang verlaufenden Faser- tJber das Parietalauge der Reptilien. 385 biindels untl seine Beziehungen zur Retina lassen es als wahr- scheinlich erscheinen , daC wir es hier mit einem rudimentaren Augennerven zu thun haben. Das Faserbiindel kann man auch aiif Querschnitten beobachten, doch lassen sich dann seine Beziehungen zur Epiphysis viel schwerer feststellen. Angais fragilis, Stadium B. Das Parietalauge zeigt bei diesen Embryonen im allgemeinen dieselbe Struktur wie auf dem vorhergehenden Stadium, aber die charakteristischen Eigentiimlichkeiten der Retina und der Linse treten deutlicher hervor. Das ganze Auge ist flacher, aber um- fangreicher geworden. Die zentrale Hohle hat sich verlangert, aber verengt; sie ist weniger deutlich als auf dem jungern Sta- dium und sie wird zum groCen Teil von der Linse eingenommen. Mit Bezug auf die Epiphysis Hegt jetzt das unpaare Auge weiter vorn als auf dem Stadium A. Wahrend es friiher noch in der Gegend des Zwischenhirns lag, entspricht es jetzt der Lage nach der hintern Region der groCen Hemisphare. Es lehnt sich jetzt nicht mehr direkt an den Basalteil der Zirbeldruse an. Wenn es auch noch nicht vollstandig von ihm losgelost ist, so zeigt sich doch deutlich der Beginn einer solchen Trennung (Fig. 5 p. ep). Der Basalteil der Epiphysis, welcher vom Zwischenhirn abgeht, hat eine dreieckige Gestalt. Er richtet sich zunachst gegen die Dorsalseite der Kopfregion, dann biegt er um, wird fast horizontal und verlangert sich nach vorn gegen das Parietalauge zu. Wah- rend seines Verlaufes verengert er sich und bildet schlieClich nur noch einen Zellenstrang, in welchen die zentrale Hohle der Epi- physis nicht hineindringt. Dieser Zellenstrang endigt am hintern Oder Occipitalrande der Augenblase. Die Wandungen der Epiphysis zeigen denselben histologischen Bau wie bei den Embryonen A, nur sind sie verbal tnismaCig dunner geworden. Die Bezahnelung langs der innern Oberflache der Driise ist starker entwickelt als beim vorhergehenden Stadium. Sie hat das Aussehen eines Netzes erlangt, welches ziemlich weit in das Lumen vorspringt und sogar an gewissen Stellen dasjenige der gegeniiberliegenden Wand erreicht. Dieses Netz beruht, wie beim Stadium A, auf Fortsatzbildungen der Epiphysiszellen. Auf dem Stadium B liegt das Parietalauge nicht mehr so dorsal wie vorher. Es wolbt sich nicht mehr uber die Median- linie der Kopfregion hervor. Der Kopf hat sich betrilchtlich ent- 386 T)r. Ed. Beraneck, wickelt, und das unpaare Aiige erscheint imter das Integument ein- gesenkt. Die Hautscliiclit selbst hat sich verdickt; die Frontal- und Parietalplatten haben sich gebildet, so daC die Augenkugel vollstandig in der Dicke der Schadelwande verborgen liegt. Sie hat die Gestalt eines Ellipsoides , dessen groBe Achse horizontal ist, d. h. parallel der Langsachse des Kopfes. Die Abplattung des Parietalauges hat eine Abnahme der Wolbung der auCern und innern Flache der Linse und der Retina zur Folge. Die auCern Flachen dieser beiden Membranen sind nicht mehr konvex wie auf dem vorhergehenden Stadium, sondern fast eben, horizontal und einander parallel. Was die innern , die zentrale Hohlung be- grenzenden Flachen anbetrifft, so sind sie weniger regelmiiCig ; die der Retina ist leicht gebuchtet ; zunachst unter ihr liegt eine Pigmentschicht von ziemlich konstanter Dicke. Die innere Flache der Linse zeigt eine etwas betrachtlichere Wolbung; ihre Kon- vexitat ist gegen die Retina zugekehrt und fiillt einen Teil der zentralen Region der Augenhohle aus. Die Linse nimmt ungefahr ^/j der Dorsalseite des Parietal- auges ein; sie ist aniiahernd plankonvex und ziemlich verliingert (Fig. 6 J). Ihr verdtinnter peripherischer Rand setzt sich direkt in die Retina fort. Quer- und Langsschnitte zeigen iibei'ein- stimmend, daB keine Unterbrechung zwischen den beiden Mem- branen vorhanden ist. Die histologische Struktur der Linse weicht sehr wenig von derjenigeu der Embryonen des Stadiums A ab. Man findet in ihr die namlichen spindelformigen , senkrecht zum Aquator der Augenkugel stehenden Kerne und uberdies noch eine gewisse Anzahl mehr oder weniger kugliger Kerne. Alle diese Kerne haben ein korniges Aussehen und ein oder mehrere Kern- korperchen. Sie sind zahlreicher im zentralen Teil der Linse als an ihrer Peripherie, besonders stark angehauft aber sind sie in der mittleren Region des erstern. Der auBern Flache der Linse entlang sind sie sehr sparlich. Die Zellen der Linse sind auf diescm Stadium relativ weniger dicht gedrangt, sie erscheinen noch deutlicher faserformig. Obschon das Pigment fast ausschlieBlich der Retina angehort, so trifft man doch hie und da Pigmentkornchen in den Zellen der Linse. Sie sind auf die im Zentrum der letztern liegenden Ele- mente beschrankt und treten nie in groBerem MaBe auf. Auf dem Stadium A war die zentrale Hohle der Augenblase fast vollstandig leer ; die hyaline Substanz , welche vom Proto- plasma der Linsenzellen herriihrt, ragte nur wenig weit in das tJber das Parietalauge der Reptilien. 387 Lumen der Aiigenblase vor. Beim Stadium B hat sick dies ge- andert; die Oberfliiche der Hohle hat sich jetzt ausgedehnt, aber sie ist niedriger gewordeu. Sie ist ferner fast ganz ausgefiillt von der hyahnen Substanz, die sich mit Boraxkarmin nicht farbt, und deren Struktur identisch ist mit derjenigen der Substanz, welche die Hohlung des Basalteils der Epiphysis auszufiillen beginut (Fig. 6 sh). Die durchsichtige, zwischen der Linse und der Re- tina lagernde Schicht hat sich aus den Vorragungen an der innern Oberfliiche der Augenblase des vorhergehenden Stadiums entwickelt. Man trifft bisweilen in ihr Kerne an, welche entweder der Retina Oder der Linse angehoren. An der Peripherie der Augenhohle er- reicht diese hyaline Substanz ihre groCte Machtigkeit und ist audi hier am deutlichsten diflferenziert. Bei starker VergroCerung zeigt sie sich in dieser Gegend als eine Schicht mehr oder weniger deut- licher, strahlenformig angeordneter Stabchen, welche auf Schnitten aussieht wie eine fiicherformige Faltung, deren Falten vom Zentrum gegen die Peripherie ausstrahlen. Diese Falten sind nicht sehr regelmaCig. Ihre auBeren Euden legen sich an die Retinamembran an. Diese Faltung des peripherischen Teiles der durchsichtigen Sub- stanz laCt sich viel leichter auf Quer- als auf Langsschnitten be- obachten. Ubrigens ist sie ■ nicht auf alien Schnitten durch das Parietalauge sichtbar ; sie scheint vielmehr auf die Pole des Augen- ellipsoides beschrankt zu sein. — Die Retina hat ungefahr dieselbe Dicke wie die Linse. Sie bildet den Boden der Augenblase. An ihrer Peripherie biegt sie plotzlich eiu und verbindet sich mit der Linse (Fig. 6 r). Sie bildet also die unteren und seitlichen Wandungen der Augenkugel. Sie enthalt zahlreiche Kerne, die zu mehr oder weniger geradlinigen horizontalen Serien angeordnet sind. Die Kerne siud im allgemeinen kuglig, einige sind auch spindelformig, aber nie so langgestreckt wie in der Linse. Die Retinakerne haben noch auf diesem Stadium einen kornigen Inhalt und einen oder mehrere Kernkorperchen. Sie unterscheiden sich wenig voneinander und sind, wie schon gesagt, zu leicht gebuch- teten horizontalen Serien angeordnet. Man kann bis vier solcher Schichten unterscheiden. Die erste verlauft der auCern Oberflache der Retina entlang : sie ist regelmaCiger als die anderen, von denen sie ziemlich deutlich abgegrenzt ist. Sie entspricht der Schicht, die ich schon beim Stadium A beschriebeu habe. Die vierte Schicht liegt an der innern Oberflache der Retina und wird zum Teil durch die Pigraentablagerung verdeckt. Die beiden anderen liegen da- zwischen, sie sind nicht geradlinig und entfernen' sich voneinander 388 Dr. Ed. Beraneck, Oder naheni sich infolgedessen an verscliiedenen Stelleu. Eine der wichtigsten Veraiiderimgen , welche sich in der Retina voll- zogen haben, ist die Ablagemng der Pigmentsubstanz zii einer der innern Oberflache dieser Menibran entlang verlaufenden Schicht. Von dieser Schicht gehen hie und da kleine Ziige ab, welche mehr Oder weniger tief in die Retinawandung hineindringen. Nach dem Gesagten hat sich, wenn wir von der Entwickehing der Pigmentsubstanz absehen, die Retina seit dem Stadium A nicht weiter differenziert. Sie ist stationar geblieben und hat sogar z. T. eine riickschreitende Entwickelung erfahren. Ihre Elemente sind zahlreicher, aber gleichartiger. AuCerdem existiert auf diesem Stadium jener Strang nicht mehr, welcher der vordern Flache der Epiphysis entlang verlauft, in die Retina eindringt und wahrscheinlich einen rudiment iiren Augennerven darstellt. Das unpaare Auge ist, wie wir aus seinen embryologischen Charakteren schlieBen konnen , nicht dazu be- stimmt, bei der erwachsenen Anguis eine aktive Rolle zu spielen, da ja die Retina in gewisser Hinsicht auf jungeren Stadien mehr differenziert ist als auf alteren Stadien und da sie im Verlaufe der Entwickelung verhilltnismafiig fruh Eigenschaften erlangt, die sie bis zur vollstandigen Ausbildung des Korpers mit geringfiigigen Abiinderungen beibehalt. Mir scheint die Existenz eines einem rudimentaren Augennerven vergleichbaren Faserstranges bei jungen Embryonen und das frtihzeitige Verschwinden desselben zu be- weisen, daB das unpaare Auge bei den Stammformen der Anguis unter den Sauriern Funktionen der Sinneswahrnehmung erfiillte, daC es aber seine friihere Bedeutung eingebiiCt hat und im Ver- schwinden begriffen ist. Das Parietalauge von Anguis fragilis ist wohl nicht beweglich gewesen ; denn weder bei Embryonen noch bei Erwachsenen lassen sich irgendwelche mit ihm in Verbindung stehende Muskelfasern nachweisen. Es ist wahrscheinlich, daC dasselbe bei den Vorfahreu der Fall war. In dem MaCe, als seine Leistungsfahigkeit abnahm, zog es sich in die Tiefe der Schadelwande zuruck. Die oberflach- liche Lage des Parietalauges liiCt uns auch das Fehlen der beson- dern Muskulatur verstandlich erscheiuen , welche sich bei den paarigen Augen entwickelt. Es hat unter den Licht- und Wiirmeverhaltnissen funktioniert, in welchen sich die Saurier und Ami)hibien zu Ende der Primar- und wahrend der Sekundarzeit befanden, und hat seine Niitzlich- keit in dem MaCe verloren, als diese Verhaltnisse mit fortschreiten- tJber das Parietalange der Reptilien. 389 der geologischer Entwickelung den heiitigen ahnliclier wurden. Das Parietalauge liat sich riickgebildet, ist rudimentar geworden und hat sich nur bei denjenigen Gruppen erhalten, bei deneii es in den friihern geologischen Epochen zur hochsten Entfaltung gelangt war. Um meine Darstellung des Banes des embryonalen Parietal- auges zu vervollstandigen , will ich noch einige Worte iilier die Struktnr dieses Organes beim erwachseuen Tier hiuzufiigen. Ich werde nicht ausfiihrlich sein, da de Graaf es eingehend beschrie- lien und seine Struktnr durch gute Abbildungen erlautert hat. Aber ich niuB mich doch dariiber auBern, weil die Ergebnisse, zu deuen Spencer gelangt ist, nicht vollstandig mit denen von de Graaf iibereinstimmen. Ich glaubte deshall) die Beobachtungen dieser Forscher kontroUieren und mit den meinigen vergleichen zu mussen. Das unpaarc Aiige der erwachsenen Aiiguis fragilis. Das Parietalauge der erwachsenen Anguis ist in der dura mater eingeschlossen und liegt im Foramen parietale, das es nicht voll- standig ausfiillt. Mit deni Basalteile der Epiphysis steht es nicht niehr, wie es beim Embryo der Fall v/ar, in Zusaramenhang. Es hat sich also die Trennung des unpaaren Auges von der Zirbel- driise, welche schon auf dem Stadium B eingeleitet wurde, voll- standig vollzogen. Ohne Kenntnis der Entwickelung konnte man also kaum vermuten, daC dieses Organ nur eine Dilferenzierung der Epiphysis ist. Die Augenblase ist nicht umfangreicher als beim Embryo, sie ist nur weniger plattgedriickt. Die histologische Struktur ist eher einfacher geAvorden. DE Graaf giebt an, daB die Linse vollstandig von der Retina getrennt sei. Spencer bezweifelt die Richtigkeit dieser Angabe. Er sagt: „The eye, as far as could be told, agreed with all other forms examined in having the lens directly continuous with the posterior walls of the vesicle" M. Diese Bemerkung Spencer's ist vollstandig richtig. Wie schon hervorgehoben , existiert bei den beiden oben beschriebenen Entwickelungsstadien keine eigentliche Scheidelinie zwischen Retina und Linse. Auch beim erwachsenen Tiere habe ich keine solche Grenze beobachtet. Die Linse hebt sich auf Schnitten imraer deutlich ab, da sie allseitig von der Ab- lagerung von Retinapigment umgeben ist. Aber die Grenze dieser 1) Quart. Journ. of Microscop. Sc. Oct. 1886, p. 205. 390 Dr. Ed. Beraneck, Ablagerung kaiin iiiclit als eine Sclieidelinie betrachtet werden (Fig. 7). Auf dunnen Schnitten sielit man, daC die Linse sich unter der Pigmentschicht direkt in die Retina fortsetzt. Die Pigmentschicht ist viel starker entwickelt als im Embryo; sie bedeckt etwa ^/^ der Augenoberflache und lafit nur die Linse frei. Die Zellen, welch e die Linse entbalt, sind weniger zaUreich als auf den Embryonalstadien ; sie sind dagegen im allgemeinen mebr langgestreckt und haben ein ausgesprochen faseriges Aussehen. Ihre Kerne stehen mit der Langsaxe fast immer senkrecbt auf dem Aquator der Augenblase. Es giebt indessen Ausnahmen von dieser Ptegel, indem mehrere Kerne mebr oder weniger schief ge- richtet sind. Diese finden sich hauptsachlich haufig in der mitt- leren Region der Kristalllinse (Fig. 7 und 80- Die Einsicht in die histologische Struktur der Retina wird durch die Pigmentablagerungen, welche im Umfange der Augen- blase das Aussehen strahlenformig verlaufender Streifen haben, teil- weise erschwert. Sie sind im zentralen Telle der Retina am reich- lichsten und bilden eine Art Hervorragung, welche in die Augen- hohle vorspringt und sich an die innere Flache der Linse anlegt (Fig. 8). Auf anderen Schnittserien ist die Pigmenta])lagerung so betrachtlich, dafi sie die ganze Dicke der Retina durchsetzt. Die Retinaelemente sind weniger zahlreich und weniger gedrangt als auf dem Stadium B. Abgesehen vom Pigmentstoff, ist die Retina beim erwachsenen Tiere weniger hoch difterenziert als beim Embryo. Sie besitzt nicht eine so komplizierte Struktur, wie de Graaf angiebt. Nach diesem Forscher wiirde eine innere, aus einer Reihe von Stabchen bestehende Schicht und welter nach auBen cylindrische Zellen vorhanden sein, welche mit einem Ende auf der Pigment- schicht aufliegen. Spencer glaubt, daC diese innere Schicht welter nichts ist als geronnene in der Zirbelblase enthaltene Fliissigkeit, die im Momente des Sterbens gebildet wird. Diese geronnene Fliissigkeit wiirde sich an die innere Flache der Retina anlegen, aber keiue Zusammensetzung aus cylindrischen Zellen und Stab- chen, wie DE Graaf behauptet, zeigen. Bei der Beschreibung des Stadium B habe ich gezeigt, daC die zentrale Hohle der Augenblase von einer hyahnen Substanz erfilllt ist, welche ein Produkt des Protoplasmas der Zellen der Retina und der Linse ist, und ich habe auch gezeigt, daB diese selbe Substanz zum Teil die primitive Hohle des Basalteils der Epiphysis erftillt. Wir finden dieselbe im Auge des erwachsenen Tieres mit denselben Eigeuschaften wieder. Im Umfange der Augenhohle ist "Gber das Parietalauge der Eeptilien. 391 sie am dicksten und am deutlichsten differenziert. Sie bildet in dieser Region wie beim Stadium B eine aus mehr oder weniger deutlichen Stabchen besteheude Schicht, welche auf Schnitten wie facherformig gefaltet aussieht. Die stabchenartigen Ge- bilde strahleu vom Zentrum gegeu die Peripherie aus und legen sich mit ihren auCeren Enden an die Pigmentschicht an (Fig. 7 und 8 th). Diese Stabchen sind nicht sehr regelmaCig, aber sie finden sich lionstant sowohl beim erwachsenen Tier als beim Embryo. Sie sind es wahrscheinhch, welche zu dem Irrtum ])E Graaf's Veranlassung gegeben haben und welche ihn ver- leiteten, eine Stabchenschicht und eine Schicht cylindrischer Zellen in der Retina anzunehmen. Nach meinen Beobachtungen besitzt also DE Graaf's innere Retinaschicht keinen zelligen Bau ; sie ist aber auch nicht geronnene Fliissigkeit, denn sie findet sich schon bei jungen Embryonen und zeigt auf alien Schnittserien, die ich untersucht habe, bestimmte und konstante Eigenschaften. Bei jungen Embryonen ist sie wenig entwickelt; mit fortschreitender Entwicklung nimmt sie zu und erfiillt schlieBlich die Augenhohle fast vollstandig. So finden wir sie beim erwachsenen Tiere. Die hyaline Substanz, aus welcher diese vermeintliche innere Retina- schicht besteht, ist, wie ich schon dargelegt habe, ein Produkt des Protoplasmas der Retina- und Linsenzellen. Das Parietalauge des erwachsenen Tieres unterscheidet sich von demjenigen des Embryo vornehmlich durch die starke Ent- wicklung der Pigmentablagerung. Auf dem Stadium A sind die Pigmentkornchen sparlich. Auf dem Stadium B bilden sie eine die Augenhohle begrenzende Schicht. Beim erwachsenen Tier ver- breiten sie sich bisweilen in der Retina in ihrer ganzen Dicke. Auf einigen Schnitten sind die Pigmentkornchen zu kugligen Massen vereinigt, die vornehmlich im Zentrum der Retina an- gehauft sind. Eine solche Entwicklung von Pigment im Parietal- auge, das unter der Haut verborgen liegt und das wahrscheinlich ganz funktionslos ist, erscheint ziemlich seltsam und um so mehr, als das Auge offenbar, wie Ontogenie und Phylogenie iiberein- stimmend lehren, riickgebildet ist. IL Lacerta agilis. Die Embryonen von Lacerta, welche ich zu untersuchen Ge- legenheit hatte, gehoren groliteuteils zu fruheren Entwicklungs- 392 Dr. Ed. Beraneck, stadien als die von Anguis. Ich werde sie nicht alle beschreiben, sondern mich mit der Schilderung derjenigen begnugen, welche die bisher gelieferte Entwicklungsgescliichte des Parietalauges zu er- ganzeu geeignet siud. Die 3 mm langen Emijryonen eignen sidi sebr gut fiir das Studium der ersten Entstehung des uupaaren Auges. Dasselbe liegt in der Medianlinie der Riickseite der Kopf- region. Da das Zwischenhirn nocb nicht gebildet ist und die mittlere Gehirnblase die Spitze des Kopfes einnimmt, so erscheint das Auge auf diesen jungen Stadien weiter nacb vorn gelagert als bei alteren Embryonen. Es liegt ungefalir in der halben Ent- fernung der Spitze der Kopfregion vom Nasenende derselben. Von der Decke der vorderen Gehirnblase ragt eine Erweiterung gegen die RUckenflache zu vor und legt sich an die Ektodermschicht an. Gegen ihren mittleren Teil zu verengert sich diese Erweiterung und teilt sich so in zwei kleine Blaschen, die miteinander in Kommunikation stehen und sich gemeinschaftUch in die Gehirn- holile offnen (Fig. 9). Von diesen beiden noch unvollkommen eut- wickelten Blaschen stellt das eine, das vordere, das zukiinftige Parietalauge, das andere, hiutere die Epiphysis dar. Da die Erweiterung, aus der durch Einschniirung das unpaare Auge und die Zirbeldriise hervorgehen, nur eine Ausstulpung einer Gehirnblase ist, so wird sie auch die histologischen Charaktere derselben besitzen. Wir werden in ihr die gleichen mit kornigem Protoplasma versehenen Medullarzellen mit bald kornigem, bald honiogenem Kerne antreffen. Auf diesem Stadium sind die Augen- blase und die Epiphysisblase einander gleich. Auch die dorsalen und ventralen Wande der Augenl)lase, welche spater zur Linse I respektive zur Retina werden , unterscheiden sich noch nicht von einander (Fig. 9). Sie sind gleich dick und zeigen dieselbe Struktur. tJbrigens ist bei die"sen sehr jungen Embryonen die ventrale Wand noch nicht vollstandig, da die Augenblase immer noch mit der Gehirnhohle kommuniziert. Die Gehirn ausstulpung, aus der das Parietalauge und die Epiphysis hervorgehen , hat die Form eines Ellipsoides, dessen Langsaxe horizontal, d. h. der dorsalen Flache der Kopfregion parallel liegt. Die Einschniirung, welche sie in die beiden sekundaren Blaschen teilt, steht senkrecht auf dieser Langsaxe. Auf Langsschnitten erscheint die Ausstulpung herz- formig, mit der Spitze der Hirndecke zu gerichtet, mit der Basis dem Ektoderm anliegend. Der distale und der basale Teil der Epiphysis liegen also wenigstens auf diesem Stadium nicht tiberein- aaider, sondern nebeneinandcr, der distale vorn, der basale hinten. tJber das Parietalauge der Reptilien. 393 Bei 4 mm laugeu Embryonen siiid die beiden Blaschen deut- licher voneinander unterscbieden. Die mittlere Einscbutirung bat sicb starker eutwickelt und ist zu einer vertikalen Scbeidewaud gewordeu, die aus zwei aneinanderliegenden Lamellen bestebt. Gleicbzeitig verlangert sicb die ventrale Waud der Augenblase, welcbe sicb fruber direkt in die Gebiruwand fortsetzte, iiacb binten, erreicbt die vertikale Scbeidewand und scbnurt so das distale Blascbeu sowobl von der Epipbysis als vom Gebirn vollstandig ab (Fig. 10). Die gegenseitige Lage der beiden Blascben bleibt die- selbe wie auf dem vorbergebeuden Stadium, das Auge ist vorn, die Epipbysis binten; diese letztere alleiu kommuniziert nocb mit der Gebirnboble. Auf diesem Stadium ragen die beiden Blascben auf der Riick- seite der Kopfregion nocb starker bervor. Sie liegen dicbt unter dem Ektoderm, das sie leicbt emporbeben. Das Parietalauge bat sicb etvvas birnformig verlangert. Es ist voluminoser als die Epipbysis und iiberdies weiter entwickelt als diese letztere, denn seine dorsale Wandung fangt an, sicb zu einer Liuse zu gestalten, welcbe in ibrer Mitte augescbwollen, an ibrer Peripberie, da, wo sie sicb an die Retina anbeftet, verdiinnt ist. Sie ragt desbalb scbon in die Augenhoble vor (Fig. 101). Die Zellen der Liuse baben die Cbaraktere der Medullazellen beibebalten, fangen in- dessen an faserformig zu werden. Ibre Kerne liegen im verdickten Telle der Linse dicbt gedrangt, an der Peripberie aber sind sie sparbcber und sind auf die auBeren Partien der Linse bescbriinkt. Die ventrale Wand der Augenblase, diejenige, welcbe zur Retina wird, zeigt auf diesem Stadium nicbt so bestimmte Cbarak- tere wie die Linse. Histologiscb unterscbeidet sie sicb nicbt von der Retina der 3 mm langen Embryonen ; sie ist nur ausgedebnter als bei diesen letztereu. Sie bestebt aus den gleicben Medulla- zellen mit mebr oder weniger kugligen Kernen, von denen jeder ein Oder mebrere Kemkorperchen besitzt. Die byaHne Substanz bildet an der ganzen Oberflacbe der Augenbohle eine in diese vorspringende Zabnelung, welcbe auf Langsscbnitten leicbt zu beobacbten ist. Am binteren Rande des Auges, der vertikalen Scbeidewand entlang, welcbe dieses Organ vom Basalteile der Epipbysis trennt, ist die byaHne Substanz am dicksten und ragt weiter in die Augenboble vor. Auf einem weiteren Entwickelungsstadium von 6 mm Lange sind die Epipbysis und das unpaare Auge vollstandig voneinander getrennt. Die mittlere vertikale Scbeidewand bat sicb mit der 394 Dr. Ed. Beraneck, ventralen Wand der primitiven Ausstiilpung verlotet. Aber die beiden Blasen bleiben nocli teilweise in Beruhrung miteinander, indem der hintere Rand des Auges sich an die Vorderwand der Zirbeldriise anlegt (Fig. 11 uud 12). Die gegenseitige Lage der beiden Organe ist nicht mehr die- selbe wie auf dem vorhergehenden Stadium. Das Auge bleibt vorn, aber es kommt dorsalvvarts von der Epiphysis zu liegen. Das Auge allein bleibt mit dem Ektoderm in Beruhrung. Seine Gestalt ist etwas verandert, sie ist eiformig. Der stumpfe Pol grenzt an das Ektoderm an, der spitze ist gegen das Gehirn zu gerichtet. Die Langsaxe des Auges ist also nicht mehr horizontal wie friiher, sondern vertikal. Die Retina erscheint auf diesem Stadium schou stark gewolbt. Diese Veranderung in der Gestalt der Augenblase hat eine Abnahme der Ausdehnung der Linse zur Folge. Diese ist klein, wenig von der Retina unterschieden und in ihrer Mitte nicht angeschwollen. Ihre Zellen sind mehr spindelformig als in der Retina, sie liegen vertikal und dicht gegeneinander gedrangt. Die Retina ist dickwandig, sie hat die Gestalt eines wenig aufgetriebenen Bechers, dessen verengte Ofifnung durch die Linse verschlossen ist. Ihr hinterer Rand ruht auf der Epiphysis. Die Kerne der Retinaelemente sind kugliger als die der Linse. Die Zellen selbst sind weniger faserforraig als die Zellen der Linse. Die Kerne sind besonders zahlreich unter der auCeren Flache und in der mittleren Region der Retina (Fig. 13 r). Sie bilden eine Art unregelmaCig strahlenformiger Streifen, welche die Retinawand durchsetzen. — Die zentrale Hohle des Auges ist ziemlich ge- raumig; die hyaline Substanz setzt sich in sie hinein fort und erfiillt sie teilweise, besonders in der Gegend, wo die Konkavitat der Retina am grofiten ist. Die Epiphysis hat mit der Entwickelung des Parietalauges gieichen Schritt gehalten. Sie hat sich vertikal in die Lange ge- streckt uud die Gestalt eines Kegels gewonneu, dessen Basis teil- weise auf der Augenblase ruht, dessen Spitze aber sich an das Gehirn anlehnt. Die zentrale Hohle hat sich ein wenig verengt und steht nicht mehr mit der Hirnhohle in Verbindung. Auf einem weiteren Stadium (Embryo von 10 mm Lange) ist das Auge immer noch eiformig, mit der Langsaxe senkrecht ge- stellt, es ist aber breiter geworden. Die Linse hat sich besser von der Retina differenziert ; sie ist in ihrer Mitte angeschwollen und springt bier in die Augenhohle vor. Sie ist im Vergleich zur Ausdehnung der Retina noch klein, ihre Elemente sind noch mehr tJber das Parietalauge der Reptilien. 395 faserforinig verlangert (Fig. 140- Die Retina nimmt ungefahr ^/a der Oberflache der Augenblase eiu. Sie ist immer noch stark gewolbt und die konvexe Seite ist gegen das Gehirn zu gerichtet. Auf der hochsten Stelle der Wolbung ist ilire Wand am dicksten. Ihre Elemente besitzen einen mehr oder weniger kugligen, bisweilen spindelformigen Kern, der zahlreiche Kornchen und ein oder mehrere Kernkorperchen enthalt, wie auf den vorhergehenden Stadien. Die Augenhohle hat an Ausdehnung gewonnen, ist aber niedriger geworden. Sie ist umgrenzt von der verschieden dicken hyalinen Substanz. Auf dem letzten Stadium von Lacerta, welches ich nun noch beschreiben will (Lange des Embryo 28 mm) hat sich der Kopf gestreckt, und die mittlere Gehirnblase liegt in seinem hinteren Telle, nicht mehr an seinem Scheitel. Die Kiemen- spalten sind nicht mehr sichtbar. Die Haut ist mit kleinen Schuppen bedeckt. Der Korper hat sich betrachtlich verlangert, und der vorher eingerollte Schwanz hat sich aufgerollt. Der Kopf hat sich verbreitert, ist aber noch nicht von Hautplatten bedeckt. Die in der Kopfregion aufgetretenen Modifikationen haben eine Veranderung der relativen Lage des Parietalauges herbeigefuhrt. Da das Vorderhirn sich betrachtlich entwickelt hat und da das Mittelhirn gegen die Occipitalgegend verschoben ist, so nimmt jetzt das Zwischenhirn die Lage ein, welche das Mittelhirn auf den friiheren Stadien innehatte, und das Auge erscheint infolgedessen nach hinten verlagert. Das unpaare Auge liegt also auf diesem Stadium auf dem Scheitel der Kopfregion ; es ist umfangreicher, zugleich aber relativ niedriger geworden. Sein Langsdurchmesser liegt jetzt wieder parallel der Riickenflache des Kopfes. Die Wolbung der Retina ist weniger stark als vorher, und die dem Gehirn zugewandte Konvexitat hat sich so ziemlich verstrichen. Die Linse hingegen ist umfangreicher und nimmt fast die ganze Riickenflache des Parietalauges ein. Sie ist in der Mitte angeschwollen und ihre innere Oberflache ragt in die Augenhohle vor, welche sie zum Teil ausfuUt. Ihre auBere Oberflache ist leicht konkav und vom Ekto- derm durch eine Mesodermschicht getrennt. Die Linse setzt sich auf diesem Stadium wie auf den vorher- gehenden direkt in die Retina fort. Es lafit sich keine Grenzlinie zwischen beiden beobachten, nur ist die Stelle, wo die Linse sich mit der Retina verbindet, durch eine leichte Einschnurung an- gedeutet, welche vornehmlich an der Innenflache sichtbar ist. Die M. XXI. N. F. XTY. 26 396 Dr. Ed. Beraneck, Zellen der Linse sind noch mehr faserformig als bei den jiingeren Embryonen (Fig. 15 T), Die Kerne sind senkrecht auf den Aquator der Augenblase angeordnet, doch verlaufen sie nicht alle in einer Richtung. Auf Langsschnitten z. B. scheinen sie auf zwei Gruppen verteilt zu sein. Die Zellen einer jeden dieser beiden Gruppen haben dieselbe Richtung. Die beiden Richtungen der beiden Gruppen sind symmetrisch mit Rucksicht auf eine Axe, welche durch das Zentrum der Linse gehen wtirde, und wenn man sie nach auCen verlangert denkt, so wiirden sie sich mit der verlau- gerten Linsenaxe schneiden. Die Kerne der Zellen des verdickten Teils der Linse liegen nicht schief, sondern senkrecht, parallel zur kurzen Axe der Linse. Die Retina ist nicht iiberall gleich dick — sie ist dicker an ihrem hinteren und unteren Rande, der noch mit dem Basalteile der Epiphysis in Verbindung steht (Fig. 16 r). Es ist noch fast kein Pigment in der Retina abgelagert, jeden falls weniger als bei den Embryonen von Anguis fragilis vom Stadium A. Die Zellen der Retina zeigen kuglige oder elliptische Kerne, deren Umrisse nicht sehr regelmafiig sind und die noch immer die Kernkorperchen und den kornigen Inhalt besitzen. Sie sind zahlreich, nicht zu deutlichen Schichten, sondern eher zu strahlenformig verlaufenden Reihen angeordnet. Man beobachtet indessen der auBeren Flache der Retina entlang eine Lage von Kernen, welche sich von den ubrigen Kerngruppen ziemlich deutlich abgrenzt und welche jener Schicht entspricht, die ich bei den Stadien A und B von Anguis beschrieben habe. Die hyaline Substanz tapeziert und fiillt die Hohle der Augenblase teilweise aus. Die Epiphysis hat dieselbe Gestalt wie auf dem vorhergehenden Stadium, aber sie hat sich verlangert und verbreitert (Fig. 17 ep). Sie entspringt aus dem Zwischenhirn , welches zwischen der vor- deren und der mittleren Gehirnblase eingekeilt ist. An der Stelle, wo sie sich mit dem Gehirn verbindet, ist die Wand des letzteren verdickt und die Schicht weifier Marksubstanz machtig entwickelt. Die Epiphysis richtet sich schief nach vorn und oben, um am unteren und hinteren Augenrande zu endigen. Sie zeigt dieselbe histologische Struktur wie bei den jiingeren Embryonen. Ich habe umsonst auf diesem Stadium nach einem rudimentaren Augen- nerven gesucht, wie er bei den Embryonen von Anguis vom Stadium A vorkommt. Freilich ist das Auge bei Lacertaembryonen von 28 mm absolut weniger umfangi-eich und weniger entwickelt als bei einem ungefahr gleich langen Anguisembryo. Es ist also tJber das Parietalauge der Eeptilien. 391 moglicii, da6 dieser rudimentare Nerv spater auftritt. Leider habe ich diese Frage nicht entscheiden konnen, da ich mir keine alteren Embryonen verschaffen konnte. Bei der erwachsenen Lacerta liegt das Parietalauge in der dorsalen Medianlinie des Kopfes nahe der Occipitalregion. Man erkennt es leicht an dem Vorhandensein eines weiClichen Fleckes auf der Hautplatte dieser Region. Es liegt im Foramen parietale eingebettet und ist ziemlich schwer zu isolieren. Es liegt der Dura mater an und ragt liber sie hervor. Im wesentlichen zeigt es dieselben Charaktere wie das unpaare Auge der erwachsenen Anguis und unterscheidet sich von diesem nur durcli die geringere Entwickelung der Pigmentablage- rung. Die Linse setzt sich wie auf dem vorhergehenden Stadium kontinuierlich in die Retina fort. Auf der inneren Flache der Augeublase ist die Verbindungsstelle dieser beiden Membranen durch eine ziemlich tiefe Einschniirung angedeutet. Die ausge- sprochen faserformigen Zellen der Linse besitzen immer noch einen kornigen, spindelformigen Kern. Die Retina ist beim erwachsenen Tiere relativ weniger dick als beim Embryo. Die innere Oberflache wird von einer Pigment- schicht austapeziert , die weniger stark entwickelt ist als bei Anguis. Die Retinaelemente scheinen sparlicher zu sein als bei den Embryonen. Wegen der Ablagerung von Pigmentkornchen laCt sich ihre Struktur nur auf sehr diinnen Schnitten erkennen. Die meisten Kerne haben ihr korniges Aussehen und ihren Kern eingebiiCt und das Aussehen von in der Retinamembran zerstreuten Korperchen angenommen. Sie sind nicht zu Schichten angeordnet, sondern finden sich in der Mitte sowohl, als an der inneren und auBeren Oberflache der Retina. Die Epiphysis liegt bei der erwachsenen Lacerta agilis hinter dem Parietalauge der Occipitalregion mehr genahert. Sie lehnt sich an die Hirnwand an und entsendet einen kleinen Strang in der Richtung gegen das Auge zu. Der Verlauf dieses Stranges ist sehr schwer zu verfolgen, derselbe scheint an der Augenblase selbst zu endigen. Er ist sehr zart und enthalt Zellen, welche mit denen der embryonalen Zirbeldrtise iibereinstimmen. Die zentrale Hohle des Auges ist teilweise von einer hyalinen Substanz erfuUt, die vom Protoplasraa der Zellen der Retina und der Linse herruhrt und, ahnUch wie bei Anguis, strahlenformig angeordnete, stabchen- ahnliche Gebilde zeigt, die jedoch weniger deutlich sind als bei Anguis. 26'' 398 Dr. Ed. Beraneck, m. Zusammenfassung und Schlufsfolgerungen. Nach den vorstehenden Beobachtungen stelit es ganz aufier allem Zweifel, daC das Parietalauge eine einfache Differenzierung der Zirbeldriise darstellt. Wie wir gesehen haben, teilt sich das Divertikel, welches der primitiven Epiphysis entspricht, bei Lacerta agilis friihzeitig in eine vordere und eine hintere Blase. Diese beiden Blasen , deren vordere das zukiinftige Auge , die hintere die eigentliche Zirbeldriise darstellt, liegen nebeneiuander. Im weiteren Verlaufe der Embryonalentwickelung entfernt sich das Auge immer mehr vom Gehirn und kommt auf die Riickseite der Epiphysis zu liegen. In dem MaCe, als sich der Embryo dem erwachsenen Zustande nahert, entfernt sich die Zirbel infolge des Wachstums verschiedener Gehirnregionen vom unpaaren Auge, bleibt aber mit ihm durch eiuen zelligen Strang in Verbindung. Bei Lacerta scheint sich dieser Strang beira erwachsenen Tiere zu erhalten, l)ei Anguis aber atrophiert er und endigt in kurzer Entfernung vom Auge. Sehr auffallend bei der Ontogenie des unpaaren Auges ist seine frtihzeitige Entwickelung mit Hinsicht auf die Epiphysis. Wie man z. B. aus Fig. 10 ersehen kann, lassen sich die Eigen- tumlichkeiten des Auges schon deutlich erkennen, wenn die Zirbel- driise noch ganz unentwickelt ist. Die Differenzierung der Wan- dungen der Augenblase in Linse und Retina erfolgt ferner bald nach dem ersten Auftreten des Auges, und die Veranderungen, welche diese beiden Membranen im weiteren Verlaufe der Ent- wickelung erleiden, sind relativ unbedeutend. Bei 4 mm langen Embryonen (Fig. 10?) sind die Zellkerne der Linse schon ver- langert, spindelformig und stehen mehr oder weniger senkrecht auf der Langsaxe der Linse. Diese Eigenschaften behalten sie auch spater bei, nur dafi sie noch mehr faserformig werden, wenn sich der Embryo dem erwachsenen Zustande nahert. Die meisten von ihnen behalten wahrend der ganzen Entwickelung ihren kor- nigen Inhalt und ihre Kernkorperchen bei. Die Retinazellen sind anfanglich identisch mit den Zellen der Gehirnwandungen und weichen auch spater nur wenig von ihnen ab, jedenfalls viel weniger als die Zellen der Linse. Bei den einen bleiben die Kerne kuglig, bei anderen werden sie elhptisch. Die Schichten, zu denen sie angeordnet sind, sind nicht sehr regelmaCig; auf gewissen Stadien Uber das Parietalauge der Reptilien. 399 kann man deren bis vier zahlen (Fig. 6 r). Von diesen ist die an der auCeren Oberflache der Retina liegende am deutlichsten ab- gegrenzt (Fig. 1, 4, 6, 15, c, e, r). Sogar auf dem Stadium B von Anguis, auf welchem das Parietalauge schon eine ziemlich dicke Pigmentschicht besitzt, haben sich die Eigenschaften der Retinaelemente nicht verandert. Ihre Kerne besitzen immer noch den kornigen Inhalt nebst den Kernkorperchen und haben eine kuglige Oder elliptische Gestalt. Beim erwachsenen Tiere sind die Zellen weniger deutlich abgegrenzt und scheinen zum Teil ihre histologische Individualitat eingebiiBt zu haben. Ihre Kerne sind nicht mehr so kornig, ihre Kernkorperchen verschwunden. Die Kerne nehmen das Aussehen unregelmaCig gestalteter Korperchen an, die in der Retina zu unregelmaCigen Schichten angeordnet liegen. Wenn wir diese Resultate mit der Beschreibung vergleichen, welche W. B. Spencer vom Parietalauge der Hatteria punctata gegeben hat, so fallen uns betrachtliche Abweichungen auf, be- sonders was die histologische Struktur der Retina anbetrifift. Spencer findet in dieser Membran eine gewisse Anzahl von Schichten, namlich eine innere Schicht von Stabchen, die von einer reichlichen Pigmentablagerung umhiillt sind ; eine zwei- oder drei- fache Schicht von Kemen, welche einerseits mit den Stabchen, anderseits mit den auCeren Schichten und mit den Fasern des Augennerven in Verbindung stehen ; eine sich sehr wenig farbende Schicht, in welcher zahlreiche kleine Pigmentkornchen zerstreut liegen : die Molekularschicht ; endlich zu aufierst Reihen von kugligen oder konischen, kernhaltigen oder kernlosen Zellen. Bei der erwachsenen Anguis und Lacerta ist die histologische Struktur, wie wir gesehen haben, viel einfacher. Auch beim embryonalen Parietalauge dieser Saurier, welches doch in mancher Beziehung hoher differenziert ist als das erwachsene, habe ich nie eine so komplizierte Anordnung zu Schichten gesehen. Ich habe gezeigt, daB die Wandungen der Augenblase bei jungen Entwicke- lungsstadien von Lacerta aus denselben Zellen wie die Wandungen des Medullarrohres bestehen. Wahrend aber die Zellen der Linse bald faserformig werden, behalten diejenigen der Retina bis zum erwachsenen Zustande mehr ihre urspriinglichen Charaktere bei. An der Innenflache der Retina sind die Zellen undeutlich wegen der Pigmentablagerungen, die zu strahligen Ztigen angeordnet sind. Aber diese letzteren sind langer und breiter als die stabchenartigen Bildungen, die von der hyalinen Substanz gebildet werden. — 400 T)r. Ed. B era neck, Die Kerne der Retinazellen sind l)eira erwachsenen Tiere niclit so deutlich zu bestimmten Schichten angeordnet wie beim Embryo (Fig. 6r); sie sind besonders zahlreich im Zentrum der Retina, da wo die Pigmentablagerung am reichlichsten ist. Nur die unter der auKeren Oberflache der Retina liegende Schicht von Kernen ist auf alien Entwickelungsstadien deutlich abgegrenzt, ihre Kerne sind im allgemeinen langlich und mehr oder weniger schief gelagert. Da diese Schiclit von Kernen von den darunter liegenden Schichten etwas getrennt ist, so tritt das kornige Protoplasma der Retina- zellen an dieser Stelle besser hervor und reprasentiert die mole- kulare Schicht von de Graaf und Spencer. Alles in allera be- weisen die histologischen Charaktere des Parietalauges von Anguis und Lacerta, die betrachtliche Ablagerung von Pigment, das Fehlen eines Augennerven zur Geniige die riickschreitende Entwickelung dieses Organs und den Verlust seiner ursprunglichen funktionellen Thatigkeit. Anderseits zeigt die im Vergleich mit der Epiphysis friihzeitige Diiferenzicrung der Augenblase, daC dieses Organ friiher bei den Reptilien eine wichtige Rolle gespielt haben muC. Wenn es nun aber auch schon recht fruhzeitig in der Entwickelung eine gewisse Differenzierung zeigt, so bleibt es dagegen stationar und erleidet, abgesehen von einer geringen VergroBerung seines Um- fanges und abgeselien vom Auftreten des Pigmentes, nur sehr un- bedeutende Veranderungen. Zeigen diese Thatsachen nicht, daC das Parietalauge , wenigstens bei Anguis und Lacerta, als ein rudimentares Organ betrachtet werden mufi? Es erscheint also die Ansicht Spencer's, welcher, gestiitzt auf palaontologische und anatomische Thatsachen, das Parietalauge als ein vortertiares Organ betrachtet, auch durch die Entwickelungsgeschichte be- statigt. Spencer versichert, dafi der Zellstrang, welcher die Augen- blase mit der Epiphysis verbindet, Elemente enthalt, welche groCe Ahnlichkeit mit denen der embryonalen Nerven der paarigeu Augen haben. Sie sind im Begrilfe, sich in die Lange zu strecken und in Fasern zu verwandeln. Spencer fiigt hinzu, dafi der Nerv des Parietalauges sehr wahrscheinlich nichts anderes ist als der um- gewandelte, ursprunglich hohle Zellstrang, welcher den distalen Teil der Epiphysis mit dem basalen verbindet. Ich bin beim Studium der Entwickelungsgeschichte des Parietal- auges von Anguis zu etwas abweichenden Ergebnissen gelangt und ich zweifle daran, daB der Nerv einfach durch Diflferenzierung (Jer Zellen des Epiphysisstranges in Fasern entsteht. Auf dem tJber das Parietalauge der Reptilien. 401 Stadium B z. B. reiclit dieser Fortsatz bis zur Augenblase, indem er immer diinner wird. Sein proximaler Teil ist noch hohl, aber sein Lumen ist von der hyalinen Substanz erfullt, walirend der distale Teil keinen zentralen Kanal melir besitzt. Auf Quer- und Langsschnitten liifit sich konstatieren , dafi die Kerne des Fort- satzes iliren urspriinglichen Charakter beibehalten liaben. Sie sind kuglig Oder mehr oder weniger elliptisch, besitzen einen kornigen Inhalt und Kernkorperchen. Sie sind in nichts verschieden von denjenigen , welche in den Wandungen der eigentliclien Epiphysis vorkoramen. AulJerdem endigt der Epiphysisstrang bei den Em- bryonen von Anguis nicht am zentralen Teile der Retina, sondern an deren hinterem oder Occipital-Rande , welches eine ganz un- gunstige Lage gewesen ware, wenn er je als Nervus opticus funktioniert hatte (Fig. 5 p. ep). Wenn der Nerv des Parietal- auges wirklich der Epiphysisfortsatz ist, so miifiten wir wahrend seiner ontogenetischen Entwickelung noch Spuren seiner ur- sprunglichen Funktion, wir miiBten histologische Dififerenzierungen bei ihm antreffen, welche irgend eine Beziehung zur urspriing- lichen Funktion haben. Das ist aber, wenigstens bei Anguis, nicht der Fall. Gewisse beim Stadium A beobachtete Thatsachen sprechen ferner noch zu Gunsten meiner Ansicht. Bei der Beschreibung dieses Stadiums habe ich auf einen Strang aufmerksam gemacht, der vom vordern und obern Bande der Epiphysis abgeht und nach kurzem Verlaufe in die untere Seite der Retina eintritt. Wie Fig. 4 zeigt, entspringt dieser Strang nicht an der Spitze der Zirbeldruse, welche direkt dem Occipitalrande der Augenblase an- liegt. Er entfernt sich von der Zirbeldruse und richtet sich schief nach vom und oben, um in die Retina einzudringen. Die Be- ziehungen dieses Stranges zum Parietalauge lassen vermuten, dafi er den rudimentaren Opticus desselben darstellt. Da das Parietal- auge bei Anguis einer ruckschreitenden Entwickelung verfallen ist, so tritt sein Nerv nur auf gewissen Entwickelungsstadien voriiber- gehend auf, um nachher zu verschwinden. Auf dem Stadium B, das freilich ziemlich viel alter ist als das Stadium A, ist er nicht mehr vorhanden. Der Ursprung dieses rudimentaren Augenneryen 1 ist wegen seiner groBen Zartheit sehr schwer zu verfolgen. Auf; Langsschnitten habe ich seinen Verlauf dem vordern Rande der ; Epiphysis entlang eine Strecke weit verfolgen konnen ; er wird • diinn, legt sich an die Wand der Epiphysis an, und dann verliert ' man ihn aus den Augen. Ich glaube, daC der Strang nicht ausi 402 Dr. Ed. B^ran eck, der Zirbeldruse selbst, sondern aiis einer kleineii Ansammlung von weiCer Fasersubstanz entspringt, welclie an ihrer Basis liegt, da wo sie sich an das Gehirn ansetzt. Wie wir gesehen haben, teilt sich die primare Zirbelausstiil- pung gleich nach ihrem Entstehen in zwei sekundare Blasen (Fig. 9). Ich habe durch Untersuchung noch jiingerer Stadien festzustellen versucht, auf welchem Embryonalstadium diese Aiisstiilpung zuerst auftritt. Zum ersten Male habe ich sie bei 2 mm langen Era- bryonen angetroffen. Sie erscheint hier als eine ganz kleine Knospe der vordern Gehirnblase, liegt in der dorsalen Medianlinie der Kopfregion im Vergleich zu den spatern Stadien ziemlich weit vorn. Die Knospe beginnt sich auszuhohlen; sie ist einfach, ragt iiber das Gehirn hervor und grenzt beinahe an die Ektoderm- schicht an. Es ist interessant, die Zeit des ersten Auftretens der Zirbelaussttilpung zu vergleichen mit der Zeit des ersten Auf- tretens der primitiven Augenblasen bei den paarigen Augen. Bei Lacerta zeigen sich die Anlagen dieser letztern schon vor dem vollstandigen VerschluB des Medullarrohres der Kopfregion, was bei der Epiphysis nicht der Fall ist. Zur Zeit, wo die Zirbel- aussttilpung sich zu bilden beginnt, sind die paarigen Augen schon ziemlich weit entwickelt; die primaren Augenblasen haben sich in die sekundaren umgewandelt, und die Linse hat sich schon vom Ektoderm abgeschnurt. Sie ist ziemlich groC, erfullt fast die ganze Augenblase und besitzt eine deutliche zentrale Hohle. Zur Zeit, wo die Zirbelaussttilpung sich in zwei sekundare Blasen teilt und wo sich das unpaare Auge bildet, was bei 3 mm langen Embryonen geschieht, sind die paarigen Augen schon ziemlich hoch diflferen- ziert. Nach diesen Thatsachen wtirde es scheinen, daC diese letztern ursprtinglichere, phylogenetisch altere Sinnesorgane darstellen als das Parietalauge ; denn erstens entwickeln sie sich fruher in der Ontogenie, und zweitens ist ihre Entwickelung — von einigen un- bedeutenden Abweichungen abgesehen — bei alien cranioten Wirbel- tieren dieselbe. Diese Thatsachen zeigen, daC die paarigen Augen mit ihren wichtigsten Bestandteilen in der phylogenetischen Ent- wickelung der Wirbeltiere sehr frtihzeitig zur Ausbildung gelangten. Welches ist die Bedeutung des Parietalauges in der Okouomie der Wirbeltiere ? Kommt dasselbe ursprtinglich alien Wirbeltieren zu, Oder ist es nur das Resultat einer sekundaren Anpassung der Epi- physis an Sehfunktionen, einer Anpassung, die sich nur bei gewissen Abteilungen der Wirbeltiere vollzogen hat? Dieses letztere scheint mir nach den Thatsachen der Ontogenie das Wahrscheinlichere zu sein. tJber das Parietalauge der Keptilien. 403 Uberall bei den Fischen, Amphibien, Reptilien, Vogeln und Sauge- tieren findet sich die Epiphysis als ein Diverticulum des Zwischen- hirns. Dieses Diverticulum kann einfach bleiben, gewohnlich aber schwillt sein distales Ende an und in gewissen Fallen setzt es sich mit der Schadelwand in Verbindung und dringt in sie ein. Eine ahnliche Anordnung finden wir z. B. bei Acanthias. Aber die Thatsache allein, daC das distale Ende der Epiphysis sich mehr Oder weniger erweitert, geniigt nicht, um zu beweisen, daB diese ein degeneriertes Sinnesorgan darstellt. Wenn der distale Teil wirklich fruher einmal Sehfunktionen erftillt hat, so miifiten wir wahrend der Ontogenie irgendwelche Eigentiimlichkeiten auffinden, welche an diese verlorene Funktion erinnerten. Die bis jetzt be- kannten Thatsachen scheinen aber eher gegen als fiir eine solche Funktion zu sprecheu. Die Untersuchung der Zirbeldriise bei den Elasmobranchiern, die eine urspriinglichere Gruppe sind als die Saurier, liefert sehr wichtige Fingerzeige. Bei Acanthias tritt sie als eine Ausstiilpung auf, welche sich ziemlich verlangert und an ihrem distalen Ende, welches sich in die knorpelige Schadelwand einlagert, etwas anschwillt. Bei dieser Form ist die Zirbel aber wohl entwickelt und zeigt ganz ahnliche Beziehungen zum Schadel wie das Parietalauge der Saurier. Dessenungeachtet zeigt die Epiphysis wahrend ihrer embryonalen Entwickelung durchaus nichts, was an das Parietalauge von Anguis und Lacerta erinnern wtlrde. Vorerst sondern sich bei Acanthias der distale und der basale Teil der Epiphysis so, daC beide Telle iibereinander liegen, wahrend sie bei den erwahnten Reptilien wenigstens anfangs nebeneinander liegen. Bei Acanthias liegt die distale Anschwellung in der Ver- langerung der Zirbeldruse (Fig. 19), mit deren Hohle sie in weiter Kommunikation steht. Die histologische Struktur beider Telle ist die namliche; die dorsale und ventrale Wand der Anschwellung zeigen keine Andeutung einer DifFerenzierung in Linse und Retina, und es zeigt sich nirgends eine Pigmentablagerung. Bei Anguis und Lacerta, deren Parietalauge schon stark degeneriert ist (da es ja im erwachsenen Zustand vollstandig von der Epiphysis ge- trennt sein kann) bildet der distale Teil mit der Zirbel eiuen stumpfen Winkel; er trennt sich sehr friihzeitig von ihr durch eine vertikale Scheidewand, und die beiden Hohlen kommunizieren dann nicht mehr miteinander. Die dorsale und ventrale Wand der distalen Blase difFerenzieren sich friihzeitig in Linse und Retina, und es findet eine reichliche Pigmentablagerung statt. Bei Acan- thias waren also alle Augencharaktere am distalen Telle der 404 Br. Ed. Beraneck, Epiphysis verscliwunden. Wenn dieser aber, wie bei Anguis und Lacerta, als Sehorgan funktioniert hat, so ist schwer zu begreifen, daii er sogar ira erwachsenen Zustande wohl entwickelt ist, aber nicht mehr die leiseste Andeutung der friiheren Funktion erkennen laBt. Warum ist dann das Organ nicht vollstandig atrophiert, warum ist im Gegenteil der distale Teil im Vergleich zum basalen relativ noch so umfangreich? Bei den Cyclostomen, wo das unpaare Auge auch vorhanden sein mtifite, ist dasselbe bis jetzt noch nicht aufgefunden worden. Nach Ahlborn besteht die Zirbeldruse bei Petromyzon aus einem Basal- und einem Distalteil. Letzterer zerfallt selbst wieder in zwei Blasen, die man nicht mit dem Parietalauge der Reptilien vergleichen kann. Soviel wir wissen, gilt dasselbe fiir die Teleo- stier, Anuren und Urodelen. tJberall zeigt sich die Epiphysis in Gestalt eines Gehirnfortsatzes, der mehr oder weniger entwickelt, am distalen Ende angeschwollen oder nicht angeschwollen ist. Die bis jetzt bekannten anatomischen und ontogenetischen Thatsachen berechtigen aber nicht zu der Annahme, dafi die Epiphysis nur ein degeneriertes Sehorgan sei. Obschon der distale Teil sogar bei den erwachsenen Tieren vorkommt, so zeigt er doch in fast alien Wirbeltierklassen wahrend seiner Entwicklung nie eine Struk- tur, welche in ahnlicher Weise an friihere Sehfunktionen erinnern wiirde, wie das unpaare Auge der Saurier. Wenn die Zirbeldruse nur ein degeneriertes Sehorgan ist, das nie andere Funktionen gehabt hat, so scheint mir schwer verstandlich , daB es bei den hohern Vertebraten, den Vogeln und Saugetieren, sich noch im erwachsenen Zustande erhalt, da es ja doch schon bei den Vor- fahren dieser Tiere rudimentar und funktionslos gewesen sein muC. Und bei den urodelen Amphibien, welche, wie die Untersuchungen von Scott und Osborn iiber „Early Development of the common Newt" (Quart. Journ. Micr. Sc. Oct. 1879) gezeigt haben, ziemlich primitive Formen sind, ist die Zirbeldruse vollstandig rudimentar. Die seitherigen Betrachtungen zusammenfassend, kommen wir zu folgenden SchluCfolgerungen. Die Epiphysis ist ein altes, alien eigentlichen Vertebraten zukommendes Organ. Sie stellt eine Ausstulpung der Decke des Zwischenhirns dar, bildet sich aber, ; \ bevor dieses sich von der vorderen Gehirnblase gesondert hat. ^ * Sein distaler Teil hat sich bei einigen Wirbeltiergruppen durch eine sekundare Anpassung zu einem Auge umgewandelt; bei den meisten anderen Gruppen ist das nicht der Fall, hat die Epiphysis Die als Sehorgan gedient. Das Parietalauge ist also keine ur- tlber das Parietalaugo der Eeptilien. 405 sprungliche Bildung; es hat sich ausschlieClich bei den Sauriern, den Enaliosauriern iind fossilen Amphibien entwickelt. Bei den heutigen Sauriern findet man es im degenerierten Zustande, doch zeigt sein Bau und seine Entwickelung, daC es in fruheren geo- logischen Epochen gut ausgebildet gewesen ist. Nach dem Gesagten existiercn keine iiahen Beziehungen zwischen dem Auge der Tunicaten und dem Parietalauge der Vertebraten. In der That zeigt auch eine Vergleichung der Ontogcnie dieser zwei Organe wichtige Verschiedenheiten. Das Auge der Tunicaten liegt direkt an der Gehirnwand und stellt eine Verdickung der- selben dar. Die Retina, welche sich zuerst bildet, entwickelt sich auf Kosten dieser Verdickung; ihre Zellen nehmen an GroCe zu, werden cyllndrisch und umhiillen sich an ihrem inneren Ende mit Pigment. Die Linse bildet sich erst spater. Das Auge springt in die Gehirnhohle vor, und seine Linse ist gegen die Bauchseite der Larve zu gerichtet. Bei den Wirbeltieren entwickelt sich das Parietalauge nicht aus einer Verdickung der Gehirnwand, sondern durch Diiferenzierung eines primilren Gehirnblasendivertikels. Es trennt sich bald nach seiner Entstehuug vom Gehirn. Die histo- logische Struktur der Retina unterscheidet sich betrachtlich von derjenigen der Retina der Tunicaten. Die Linse entsteht aus der vorderen Wand der Augenblase und lafit sich schon zu einer Zeit deutlich erkennen, wo die Retina kaum angedeutet ist. Das Auge liegt auCerhalb der Gehirnhohle, und seine Linse ist gegen die Riickseite der Kopfregion zu gerichtet. Wenn nun der distale Teil der Zirbeldriise , der bei einigen Wirbeltieren sich zu einem Auge umwandelt, dem Auge der Tunicaten nicht homolog ist, kann man dann vielleicht die ganze Epiphysis fur dem Tunicaten- auge homolog halten ? Die Entwickelungsgeschichte der Tunicaten zeigt, daC sie eine sehr stark modifizierte Abteilung sind. van Beneden und Julin sagen in ihren „Recherches sur la Morpho- logic des Tuniciers": Die Tunicaten sind, wie die Cephalochordaten und Vertebraten aus segmentierten Enterocoliern hervorgegangen, die eine ahnliche Organisation besessen haben wie die ursprung- lichsten Anneliden, die Archianneliden. Die Urochorden und Ce- phalochorden sind ofifenbar miteinander naher verwandt als mit den Vertebraten. Aus den Arbeiten der erwahnten Forscher geht hervor, daB die Urochordata weder degenerierte noch urspriingliche Vertebraten sind, sondern einen besonderen Zweig darstellen , der mit dem der Vertebraten einen gemeinsamen Ursprung hat. Die Verwandtschaft zwischen beiden ist also eine sehr entfernte. Unter 406 Br. Ed. Beraneck, solchen Umstanden sind die Homologien zwischen den verschiedenen Teilen der Kopfregion beim gegenwartigen Stands unserer embryo- logischen Kenntnisse sehr schwer zu erraitteln , und es geniigt keineswegs, zu konstatieren , dafi sowohl das Auge der Urochor- daten als die Epiphysis der Vertebraten an der Riickseite des Medullarrohres entsteben, um ihre Horaologie zu beweisen ; um so weniger, als ihr Lagerungverhaltnis zu der dorsalen Medianlinie der Kopfregion nicht das namliche — das Auge der Tunicaten erscheint etwas nach rechts gelagert — und ihr Entwickelungs- modus ein verschiedener ist. Bei den Urochordaten bildet sich das Auge aus einer Verdickung der Gehirnwandung, wahrend es bei den Vertebraten als eine Aussttilpung dieser Wandung entsteht. Um die Homologie der beiden Organe zu beweisen, beruft sich Spencer darauf, daB nach de Graaf's Abbildungen die Epiphysis von Bufo cinerea in ihren ersten Entwickelungsstadien groCe tJbereinstinimung mit dem Auge der Urochordaten zeige. Bei dieser Krote erscheint die Epiphysis zuerst als eine Verdickung der dorsalen Wand des Zwischenhirns, deren Zellen an ihrem inneren Ende mit Pigment bedeckt sind. Dann verschwindet das Pigment, und es bildet sich die Epiphysisausstiilpung. Abgesehen davon, daB uns die Zeicbnung, welche de Graaf giebt, nicht ge- nugenden AufschluB iiber die histologische Entwickelung dieser Verdickung und iiber die Beziehungen der Zellen zu dem Pigment verschaflft, kann man iiberhaupt aus dieser Beobachtung keinen SchluB auf die Homologie des Auges und der Epiphysis bei den Uro- chordaten und den Wirbeltieren ziehen. Der Vorgang entfernt sich zu sehr von dem, was von den iibrigen Amphibien, ferner von den Fischen, Reptilien und Vogeln bekannt geworden ist, daB man ihm keine zu groBe Bedeutung beilegen darf. DE Graaf hat gezeigt, daB das Parietalauge enge Beziehungen zu dem Auge der wirbellosen Tiere darbietet. Er hat es mit dem Auge der Mollusken (Cephalopoden, Pteropoden und Heteropoden) verglichen. Wie Spencer bemerkt hat, ist diese Zuriickfilhrung nicht gerechtfertigt. Das Parietalauge und das Molluskenauge unterscheiden sich vielfach in ihrem anatomischen Bau und in ihrer Entwickelung. Sehorgane vom Typus des Parietalauges finden sich nicht bei wirbellosen Tieren , und dies ist leicht erklarlich , wenn man bedenkt, daB dieses Auge nur eine sekundare Differenzierung der Zirbeldruse ist, welche ausschlieBlich dem Zen tralnerveu system der Wirbeltiere angehort. Die anatomischen und erabryologischen Charaktere des Parietalauges finden sich bei keinem der Augentypen iJber das Parietalauge der Reptilien. 407 der Mollusken und Arthropoden, deren Entwickelung uns bekannt ist. Zwischen ihm und dem Invertebratenauge existiert hochstens eine Analogie, die darin besteht, daB bei beiden Typen der Opticus an der aufiern und nicht an der innern Oberflache der Retina endigt, wie es bei den paarigen Augen der Wirbeltiere der Fall ist. Damit hort die tJbereinstimmung auf, sie ist blofi funktionell, nicht morphologisch. Dasjenige Invertebratenauge, welches in seiner allgemeinen Gestalt noch am meisten an das Parietalauge erinnert, ist dasjenige eiuiger Anneliden (Fig. 20). Bei Serpula z. B. kommen in der Kopfregion zwei stark pigmentierte Augen vor. Sie haben die Gestalt kleiner Blasen, deren vordere pigmentlose Wand die Linse, die hintere aber die Retina darstellt. Die Pigmentablage- rung ist sehr reichlich und verbirgt die histologische Struktur der Retina ; indes laCt sich an ihrer AuBenseite eine Zellschicht unter- scheiden. Die zentrale Hohle des Auges ist von einem hyalinen Gewebe ausgefiillt, in welchem sich strahlige Falten erkennen lassen. An die auCere Flache der Retina treten Nervenfasern hinan. Soviel wir wissen, ist dieses Auge ektodermalen Ursprungs. Ich behaupte keineswegs, dafi es dem Parietalauge der Vertebraten homolog sei, aber es zeigt unter alien Invertebratenaugen die groBte Ahnlichkeit mit ihm. Zum SchluB noch einige Worte tiber die Beziehungen des Parietalauges zu den paarigen Augen der Wirbeltiere. Beide ent- stehen zu allererst als Ausstiilpungen der vordern Gehirnblase. Dabei diirfen wir aber nicht vergessen, dafi das Parietalauge erst durch eine sekundare Diflferenzierung der Epiphysisausstulpung, aus einer Sonderung derselben in zwei Blasen, eine Augenblase und eine Zirbelblase, hervorgeht, wahrend bei den paarigen Augen die vordere Wand der primaren Augenblase sich einstulpt. Bei beiden wird die Retina auf Kosten der Wand des Medullarrohrs selbst gebildet; bei den paarigen Augen aber wird die vordere Wand der primaren Augenblase zur Retina der sekundaren Augen- blase, wahrend sie beim Parietalauge zur Linse wird. Zudem hat die Linse bei beiden Augenformen einen durchaus verschiedenen Ursprung. Ich habe schon hervorgehoben , daB die Zirbelaussttil- pung in der Entwickelung spater auftritt als die paarigen Augen, wie eine Vergleichung der Figuren 18 und 21, die von dem nam- lichen Embryo genommen sind, zeigt. Wenn man die Entwickelung der paarigen Augenblasen und des Parietalauges in der Reihe der Wirbeltiere vergleichend betrachtet, so gelangt man zu dem Schlusse, dafi die paarigen Augen alter sind als das Parietalauge. 408 Dr. Ed, B^raneck, Uber d. Parietalauge d. Kept. Die paarigen Augen sind die fuudamentalen Sehwerkzeuge der Wirbeltiere, wahrend das Parietalauge, wenn es auch einst hoch entwickelt gewesen sein mag, uur ein sekundares Sehorgan dar- stellte. Wir konnen die Resultate der vorliegenden Untersuchung kurz so zusammenfassen : 1. Das Parietalauge ist infolge einer sekundaren Anpassung der Epiphysis entstanden, welche nur bei einzelnen Gruppen von Wirbeltieren eintrat. Es ist ein abgeleitetes, kein priraares Organ. 2. Es ist dem larvalen Auge der Tunicaten nicht bomolog und wahrscheinlich entspricht es ebensowenig der Zirbeldriise der iibrigen Vertebraten. 3. Es ist, wie Spencer mit Recht behauptet, ein im Ver- schwinden begriffenes Organ, welches in friihern, geologischen Epochen viel hoher entwickelt gewesen sein muss. Bei Anguis steht es, wenigstens beim erwachsenen Tiere, nicht mehr mit der Epiphysis in Verbindung. Auf embryonalen Entwickelungsstadien aber existiert ein Strang, welcher dem Basalteil der Zirbel entlang verlauft und an der Aufienseite der Pietiua endigt. Dieser Strang ist wahrscheinlich ein rudimentarer Augennerv. 4. Das Parietalauge kann, wenn man die Art seiner Ent- wickelung in Betracht zieht, nicht mit den Augen der wirbellosen Tiere verglichen werden. Es zeigt durchaus keine morphologische tJbereinstimmung mit diesen letztern, mit denen es hochstens eine eutfernte AhnUchkeit in der Art der Verbindung der Augennerven mit der Retina darbietet. 5. Die paarigen Augen der Wirbeltiere sind wahrscheinlich altere, urspriinglichere Organe als das unpaare Auge. 6. Die Zirbeldriise ist bei den meisten Wirbeltieren nie zu einem Sehwerkzeug differenziert gewesen ; sie hat in der Okonomie dieser Tiere noch eine andere Rolle spielen miissen und sie lafit sich nicht einfach als ein degeneriertes Auge betrachten. Tafelerklarung. (Tafel XXII mid XXIII.) Buchstabenerklarung. /. — Linse c. m. = Mittelhirn r. — Retina c. i. = Zwischenhirn c. e. r. = auBere Zellschichten c. op. = Augenhdhle der Retina. pi. I. = Interparietalplatte s. h. = hyaline Substanz p. ep. = Fortsatz oder Stiel der 0. p. = Parietalauge Epiphysis ep. = Epiphysis, Zirbeldriise P- = Pigment ec. = Ectoderm p. en. = Gehirnwandung mes. = Mesoderm 71. op. = rudimentarer Opticus C. ep. = Hohle der Epiphysis V. op. S. . = secundare Augenblase e. l. = Zellkerne der Linse fe. = AuBenseite e. r. — Zellkerne der Retina fi- == Innenseite. c. a. = Yorderhirn Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erkliirung der Abbildungen. Fig. 1 — 8, Anguis fragilis. Querschnitt durch das Parietalauge vom Stadium A, Liingsschuitt durch die Linse des Parietalauges vom Stadium A. Retina desselben. Stadium A. Langsschnitt. Langsschnitt durch das Parietalauge vom Stadium A. Langsschnitt durch das Parietalauge und die Epiphysis, Sta- dium B. Diese bei schwacher VergroBerung gezeichnete Figur soil ein iibersichtliches Bild geben und die Lage des Auges in der Kopfregion erlautern. Parietalauge vom Stadium B. Querschnitt. Parietalauge des erwachsenen Thieres, Querschnitt. Weiterer Schnitt durch das Parietalauge des erwachsenen Tieres, zeigt eine Anordnuug des Pigmentes, die sich bisweileu 410 Dr, Ed. Beraneck, Uber d. Parietalauge d. Eepi beobachten laBt. Das Pigment ist im Zentrum der Retina sehr reichlich, springt in die Augenhohle vor und reicht bis an die Linse hinan. Pig. 9 — 18, Lacerta agilis. Fig. 9. Augenblase und Epiphysisblase eines 3 mm langen Embryo. Langsschnitt. Beide Blasen kommunizieren miteinander und auch mit der Gehirnhohle. Fig. 10. Parietalauge und Epiphysis eines 4 mm langen Embryo. Langsschnitt. Fig. 11. Parietalauge und Epiphysis eines 6 mm langen Embryo. Langsschnitt. Fig. 12. Idem, ungefahr von demselben Stadium. Fig. 13. Parietalauge eines 6 mm langen Embryo. Der Schnitt ist der Eiickenflache des Kopfes parallel gefiihrt worden. Fio-. 14. Parietalauge eines 10 mm langen Embryo. Langsschnitt. Fig. 15. Parietalauge eines 28 mm laugen Embryo. Langsschnitt. Fig. 16. Idem. Der Schnitt ist der Riickseite parallel gefiihrt, urn die Beziehungen des Auges zur Epiphysis zu zeigen. Fig. 17. Epiphysis eines 28 mm langen Embryo. Langsschnitt. Fig. 18. Ausstiilpung, welche die erste Anlage der primaren Zirbel- driise darstellt. Die Ausstiilpung ist einfach. Dorsoventraler Langsschnitt durch die Kopfregion eines ungefahr 2 mm langen Embryo. Fig. 19. Distaler Teil der Epiphysis eines 23 mm langen Embryo von Acanthias. Langsschnitt. Fig. 20. Langsschnitt durch das Auge einer Serpula. Fig. 21. Paariges Auge eines ungefahr 2 mm langen Embryo von Lacerta agilis. Dorsoventraler Langsschnitt. Die Augen- blase ist durch die Linse eingestiilpt worden. Letztere hat sich vollstandig vom Ektoderm losgetrennt, besitzt aber noch ihre centrale Hohle. Ihre allgemeine Gestalt erinnert auf diesem Stadium sehr an die des embryonalen Parietalauges. Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. Von Dr. Fritz Schanz. (Hierzu Tafel XXIV.) In dem Sitzungsberichte der Gesellschaft fur Morphologie und Physiologie zu Miinchen vom 11. Januar 1887 berichtet Prof. C. KuPFFER ira Anschlufi an einige Arbeiten, die ich spater erwahnen werde, liber Arbeiten aus seinem Laboratoriunn , welche beweisen, daC bei einer Anzahl von Amphibien der Blastoporus als Anus bestehen bleibt, wahrend bei einer anderen Anzahl sich derselbe in den Canalis neurentericus umwandelt, und der Anus als sekun- dare Bildung neu angelegt wird. Dafi bei derselben Gattung sich einzelne Arten hierin verschieden verhalten sollen , lafit schon dagegen Bedenken erheben, aber noch mehr folgende Erwagung: Wenn der Blastoporus als Anus bestehen bleibt, wie geht dann das Wachstura des Enabryos vor sich, und miiBte dann nicht die Kloake an das Ende des Schwanzes zu liegen kommen? Meine Untersuchungen fiber diesen Punkt erstrecken sich auf Triton taeniatus und Rana temporaria. Bei beiden hat Prof. C. KuPFFER, bei dem ersten freilich gestutzt auf Arbeiten anderer, die Persistenz des Blastoporus behauptet und die Entwicklung eines Canalis neurentericus bestritten ; nur findet sich hinter Rana temporaria ein Fragezeichen , mir ist nicht klar geworden, ob er damit meint , dafi die Untersuchung noch Zweifel zulaCt, oder ob er im Zweifel ist, ob es wirklich Eier von Rana temporaria und nicht von einer nahe verwandten Art waren. Die Schwierigkeiten meiner Untersuchung bestanden in der Behandlung, Hartung und Orientierung der Eier in Paraffin. Da Bd. XXI N. F, xrv. 27 412 Fritz Schanz, ich nach verschiedenen Versuchen zuletzt eine Methode fand, welche mir gestattete, gut gehartete, wohl orientierte Eier in beliebiger Dicke zu schneiden , so mochte ich einiges uber die Behaiidlung derselben vorausschicken. Versucht man die jungen Tritoneier aus ihren Eihiillen zu befreien , indem man eine Kuppe derselben ab- schueidet, so werden die Embryonen wurstartig hervorgepreBt und natiirlich verzerrt, oder wenn die Offnung nicht groC genug ist, um sie ganz durchzulassen, zum Teil durchgetrieben und dann ab- geschniirt. Ich habe dies dadurch vermieden , dafi ich die Eier in Pikrinessigsaure auf einige Stunden brachte; wenn ich dann von den stark gequollenen Eihiillen eine Kuppe abschnitt und mit der Nadel auf die andere Kuppe driickte, so konnte ich den Embryo unverletzt herausgleiten sehen. Beim Harten und Fiirben des Embryos hielt ich mich an die Vorschriften, welche Max Schultze in seiner Arbeit liber Entwicklung der Amphibieneier giebt. Waren die Eier gehartet, so war die Schwierigkeit, dieselben in Paraffin so einzubetten, dafi man sie leicht orientieren konnte. Ich schnitt zu diesem Zweck Wiirfel aus in Spiritus gehartetem Gehirn oder Leber und brachte darauf ein Tropfchen HiihnereiweiC , in dieses legte ich das gehartete Ei, orientierte es, und durch Zusatz eines Tropfens absoluten Alkohols coagulierte das EiweiB, das Ei war befestigt, ich konnte den Leberwiirfel mit aufgeklebtera Ei als ein Objekt weiter behandeln. Zuerst untersuchte ich Stadien , bei welchen das Nervenrohr gerade vollstandig abgeschlossen war, die Schwanzknospe war eben im Begriif hervorzusprossen , in diesem Stadium war der Anus iiberall angelegt. Bei Stadien aber, bei denen der VerschluC des Nervenrohres zum Teil vollendet ist, findet sich hinten, wie es OsBOEN und Scott benannt haben, der Sinus rhomboidalis. Vom Blastoporus ist bei Betrachtung der Oberflache mit der Lupe nichts zu bemerken , er muC also wohl innerhalb der Falten des Sinus rhomboidalis und zwar an dessen unterstem Ende liegen. Zu beiden Seiten des Sinus erheben sich die Riickenwiilste, und zwar so, dafi da, wo der Sinus seine unterste Spitze hat, die nach auBen ab- fallende Flache derselben verstricheu ist. Etwas spjiter sieht man die Hohe der Riickenwiilste hinten etwas starker eutwickelt und den Sinus rhomboidalis von hinten her etwas einengend. Zwischen den Wiilsten ist noch etwas zu bemerken, was nach hinten bogen- formig abschlieCt, jedoch etwas Niiheres dariiber auszusagen , ist mir nicht moglich. Noch spater findet sich der Sinus rhomboi- dalis geschlossen, und hinter dem Ende der Riickenwiilste ist ein Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. 413 querer Spalt, der in der Mitte zu einer breiteren Einsenkung wird. Dies sollen die 3 Abbildungeii (Fig. I — III) illustrieren. Fig. Ill entspricht ungefahr einem Stadium, wie es Prof. Dr. Oskar Hertwig in seiner Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbeltiere auf Taf. I, Fig. 10 giebt, nur habe ich keinen Dotter- pfropf nichr bemerken konnen. Wahrscheinlich wird er wohl der Einsenkung entsprechen, die ich bei demselben Stadium beobachtet habe und schon als Anus bezeichnen muB. Was Prof. Hertwig in Fig. 11 und 12 dieser Tafel als Urmund bezeichnet, ist es schon nicht mehr , beide Ofinungen sind schon die Analoffnungen und liegen nicht, wie dort angegeben, auf der Spitze der Schwanzkuospe, sondern ventral an der Basis derselben. Ein Schnitt, welcher sagittal durch die Mitte des Embryos gelegt wird (Fig. IV), zeigt eine trichterformige Einsenkung der Oberflache. Dieser Trichter wird in der Tiefe durch ein en zwischeu- gelagerten Zellwulst in 2 Kauale getrennt, welche beide mit dem Darm conimunizieren. Die benachbarten Schnitte zeigen dasselbe, weiterhin aber (Fig. V) sieht man die Kontur der oberen Urmunds- lippe in den Urdarm iibergehen, die zweite Otfnung ist aber nur noch ein Griibchen , weiter nach der Seite verliert sich auch dies. Da man den Ubergang der oberen Urmundlippe auf 6 relativ dicken Schuitten, das Griibchen, welches in der Mitte zum Kanal wird, auf 5 Schnitten verfolgen kann, so ist es klar, daC diese Olfnungen quere Spalten an der Oberflache bilden miissen. Die Rekonstruktion nach der Methode von Dr. Kastschenko, zu welcher er mir selbst die Anleitung gab , zeigte klar , dafi es sich hier um eine Offnung handelt, die durch einen Wulst in der Tiefe in 2 Kanale geteilt wird , und zwar ist eine Offnung groCer als die andere. Legt man nun die beiden abgebildeten Schnitte zusammen mit einem dritten , welcher noch seitlicher liegt als der in Fig. V und keine Spur mehr zeigt weder von der oberen Urmundslippe noch von dem kleinen Grubchen, so zeigt sich plastisch das Bild Fig. VI. Fig. VII, ein Schnitt durch ein noch etwas jiingeres Stadium, zeigt mir, daB diese Einengung des Blastoporus dadurch vor sich geht, daC die oberen Telle der seitlichen Urmundslippen nach innen, hinten und uuten gedrangt werden. Was ist nun aber hierfur das ursachliche Moment? Das Wachs- tum der Riickenwiilste. Der Wulst, welcher den Blastoporus einengt, geht geradezu beiderseits iiber in die Medullarwulste. Diese Wiilste legen sich schon sehr friih zusammen, und man kann schon am Ei mit der Lupe beobachten, wie sich der Sinus rhomboidalis nicht 27* 414 Fritz Schanz, nur von vorn nach hinten , sondern auch von hinten her schlieCt. Dies hatte ich schon beobachtet, ehe ich nur von diesen Thatsachen eine Vermutung hatte, ich hielt es fiir etwas Zufalliges. Wie verhalt sich dies nun bei alteren Stadien? Es ist dies sehr schwer zu beobachten, eine groCe Anzahl von Serienschnitten wareu vergeblich angefertigt worden, bis es mir endlich einer gestattete, mit unzweifelhafter Sicherheit (iber sein weiteres Schicksal etwas zu berichten. Ein Schnitt durch einen Embryo, bei dera 3 — 4 Segmente deutlich entwickelt sind, giebt den Befund, wie ich ihn in Fig. VIII wiedergebe. Das Bild hat sich insofern geandert , als sich der dorsale Teil des Embryos iiber den ventralen verschoben hat, so, daC das Ende der Riickeu- wiilste den Ubergang von der hinteren Embryoseite auf die untere bildet. Unterhalb der Kiickenwiilste findet man eine breite Grube, die durch eine schmale Offnuug mit dem Urdarm communiziert. In der Schicht oberhalb des Darmes findet man einen deutlichen Spalt, den man, wenu man ihn verfolgt, als Trennungsspalt zwischen Chorda und Nerveurohr erkennt, man muC sich wohl hiiten, ihn fiir den Zentralkanal anzusehen. Aber uber diesem Spalt findet man mehr nach dem Kucken des Embryos zu deutlich den Zentral- kanal. Nach hinten wird er zu einem schmalen Spalt, dann aber legen sich die Zellen dicht aneinander, man kann kein deutliches Lumen mehr erkennen, aber man sieht mit zweifelloser Sicherheit an der Pigmeutierung und Anordnung der begrenzenden Zellen und daran, daB diese Zellen an einigen Stellen auseinanderzuweichen scheinen, daC dies der Canalis neurentericus ist, der aber sein Lumen verloren hat dadurch , dafi sich die Zellen zu einem Strang zusammenlagern. In dieser Abbildung haben sich erst die aufiersten Schichten der seitlichen Urmuudslippeu zusammengelegt, es besteht noch eine breite, oberflachliche Grube, die aber bedeutend seichter geworden ist. Auf einem Stadium spater ist diese Grube ver- schwunden, es findet sich ein schmaler Spalt, welcher der hinteren Offnung entspricht, in die der Blastoporus zerfiel: dies ist der Anus. Die seithchen Urmundslippen , mit den vorderen vereint, werden zur Schwanzknospe , dieses Bild entspricht dann denen, die Miss Johnson auf ihrer Tafel fiber denselben Gegenstand abgebildet hat. Die einzige Arbeit, die sich mit diesem Gegenstand eingehender befaCt, ist die von Alice Johnson, veroffentlicht in Quarterly Jour- nal of Microscopical Science, Vol. XXIV, denn die Beobachtungeu yon Mr. Sedgwick, welche ebenda publiziert sind, erstrecken sich Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. 415 blofi auf die Oberfliicheiibetrachtung des Embryos und konnen wohl nicht als unbedingt beweisend gelten, zumal da es anzunehmen ist, dafi er wahrscheinlich auch wie Miss Johnson, seine Schiileriii, weseiitlich altera Erabryonen betrachtet hat, und mein Befund wird bei bloCer Betrachtung der Eier mit der Lupe auch den Eindruck machen , als ob der Blastoporus vollstandig als Anus persistiere. Miss Johnson legte ebenfalls sagittale Schnitte durch den Embryo, aber, wie ihre Abbildungen beweisen, durch zu alte Stadien. AuBerdem verfolgte sie auf Transversalschnitten die Ent- "wickelung der Primitivrinne, die sich doch in den Canalis neuren- tericus verwandeln miiBte, wahrscheinlich hoffte sie auf Querschnitten das Lumen desselben zu finden. DaB diese Hoifnung vergebens war, wird wohl den Grund darin haben, daB ein eigentliches Lumen nie auftritt. Jene Verengung des Blastoporus durch die Enden der Riickenwiilste scheint sie gar nicht bemerkt zu haben. Sie behauptet, daB der Blastoporus vollstandig die Funktion des Afters iibernimmt, ein Canalis neurentericus nie angelegt wird. Ihr vollstandig entgegen steht die Meinung von Scott und OsBOEN, welche sie 1879 in ihrer Abhandlung On the Development of the Commun Newt, im Quarterly Journal of Microsc. Science, 1879, niedergelegt haben, sie beschreiben die hintere Erweiterung des Mediillarkanals als Sinus rhomboidalis, der sich offen erhiilt, wenn schon das iibrige Nervenrohr geschlossen ist. Sie behaupten auch, daB die Falten dieses Sinus den Blastoporus umfassen, sie lassen ihn aber ganz zum Canalis neurentericus werden. Bei Salamandra maculata, berichtet Prof. Kupffee in jenem oben erwahnten Bericht, schlieBt die Medullarfurche mit einem Walle vor dem Blastoporus ab und gestaltet sich zum Rohr, ohne daB die Oflfnung verschwande; eine Kommunikation zwischen Neural- und Darmrohr kommt nicht zustande. In einzelnen Fallen hat es den Anschein, als sollte die Ofinung in die Medullarfurche auf- genommen werden, die Riickenwiilste umgreifen dieselbe wenigstens seitlich, aber dann bildet sich ein querer Wall zwischen dem hinteren Ende der Furche und dem Blastoporus, der bei der vollstandigen SchlieBung der Furche auBen bleibt und hart hinter dem massiven Endstiick, in das die Achsengebilde , Riickenmark und Chorda iibergehen , stets zu sehen ist. Der hervorwachsende Schwanz deckt die Offnung, aber Durchschnitte weisen die Fort- dauer desselben nach. Hat diese Beschreibung nicht auffallend viel Ahnliches mit der meinigen ? Dieses massive Endstiick, sollte es wirklich ein Querwall sein, der sich zwischen den beiden 416 Fritz Schanz, Riickenwiilsten bildet? Wahrscheinlich ist es auch die Vor- wulstung der beiden seitlichen Urmundslippen , und, wenn er be- richtet, dafi auch die Chorda darin auslaufe, so wird es wohl ahnlich sein, wie bei Triton taeniatus (Fig. VIII und IX). Die seitlichen Urmundslippen und die Decke des Nervenrohres haben sich auf die vordere Urmundslippe gelegt, die Spur des Canalis neurentericus ist vollstandig geschwunden. Bei Salamandra atra glaubte Prof. Kupffer vorlaufig noch kein Urteil fallen zu konnen. Rana temporaria. Bei der Betrachtung von Eiern von Rana temporaria auf einem Stadium, welches die Entwicklung des Anus erwarten lieC, bemerkte man mit der Lupe da, wo man bei den Tritonen den Sinus rhomboidalis beobachtet, einen langen ovalen Spalt, welcher diesem wohl entspriclit. Sagittale Schnitte durch das Ei zeigen uns einen Befund ahnlich dem bei den Tritonen. Die Eier zeigen im Gegensatz zu den Tritoneneiern, welche ja eine Bauchkriimmung haben, eine Starke Riickenkriimmung. Am hinteren Ende des Embryos findet man (Fig. X) eine Einsenkung, von ihr gehen zwei Kanale mit weitem Lumen aus. Der vordere tritt mit dem Urdarm in Ver- bindung, der sich noch nach unten etwas im Bogen weiter fort- setzt, welches Stiick ich den Enddarm zu benennen beabsichtige. Gegen das Ende dieses Enddarms erstreckt sich der blind en- digende zweite Kanal. Der Wulst, welcher zwischen den beiden Kanalen liegt, besteht aus denselben undifierenzierten Zellen wie die Urmundslippen. Auch hier sind die seitlichen Urmundslippen durch das Wachs- tum der Medullarwiilste nach innen , hinten und unten gedrangt worden , nur hat hier sich der ProzeB auch mit auf die hintere Lippe des Urmunds erstreckt. Der Enddarm ist einfach dadurch entstanden, daB durch die Eindrangung der seitlichen Lippen der Urdarm ausgezogen wurde. Der bliude Kanal ist in alien Pra- paraten sehr stark nach hinten gerichtet, die Einwulstung erstreckt sich auch auf einen Teil der hinteren Lippe, was sich .bei den Tritonen nicht finden lieB. Giebt es hierfiir eine Erklarung? Der dorsale Teil wohl jedes Embryos entwickelt sich, wie auch bei Triton und Frosch, starker als der ventrale. Beira Triton ver- schiebt sich infolgedessen der dorsale Teil auf den ventralen, die Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. 417 Stelle des Blastoporus rtickt nach unten, es bildet sich die Scliwanz- knospe und durch sie die Bauchkriimmung. Beim Frosch ist dies anders, der Blastoporus bleibt ungefahr in seiner Lage, die Ver- groBerung des dorsalen Teils findet dadurch statt, daC sich dessen vorderes und hinteres Ende stark gegeneinander kriimmen , es entsteht so die Ruckenkriimmung des Embryos. Dies ist auch sehr wesentlicli fiir die Wachstumsverhaltnisse am Blastoporus. Die Medullarwiilste mussen die seitlichen Urmundslippen viel mehr nach hinten drangen als beim Triton. In diesem Moment glaube ich die Ursache dieser Verschiedenheiten gefunden zu haben. Wie verhalt sich dies nun bei alteren Embryonen ? Dies zeigt uns Fig. XI. Die Ruckenwulste haben sich vollstandig ge- schlossen , der obere Kanal ist zum Caualis neurentericus geworden. Die Decke desselben setzt sich fort in den Wulst, den ich als die Einstiilpung der seitlichen Urmundslippen bezeichnet habe, und diesen Umstand glaube ich auch mit als Beweis aufifassen zu durfen, daC es wirklich die seitlichen Urmundslippen sind. Un- terhalb des Wulstes findet man eine ovale Offnung, welche der Richtuug des blinden Kanals der vorigen Zeichnung entspricht, fiber ihr liegt eine Briicke, bestehend aus Ektoderm und undiffe- renzierten Zellen. Es ist dies eine Tasche, wie sie zu beiden Seiten sich bilden mussen, wenn eine solche Einstiilpung statt- findet, und dies halte ich auch fiir einen Beweis von der Rich- tigkeit meiner Beobachtungen. An diesem Bilde ist aber auch noch auffallig, daC der Canalis neurentericus nicht uumittelbar vor diesem Wulst abgeht, sondern erst eine Strecke entfernt. Worin mag dies seinen Grund haben? Ebenfalls wieder in der Schwanz- bildung. Bei den Tritonen bildet sich der Schwanz durch jenen Wulst, der durch die Eindrangung der seitlichen Urmundslippen entstanden ist. Beim Frosch aber entsteht der Schwanz bedeu- tend hoher, dadurch namlich, daC der hintere Gipfel der Riicken- kriimmung sich immer mehr nach hinten schiebt, wie dies ein Vergleich der Fig. XI und XII lehrt. Und diese Art der Schwanz- bildung ist auch die Ursache, warum sich dieser Wulst und der Canalis neurentericus gegeneinander verschieben. Etwas spater bricht der anfangs blind endigende Kanal nach dem Enddarm durch und wird so zum Anus. Auf dem Fig. XI abgebildeten Stadium hat der Canalis neurentericus auch kein deutliches Lumen, er ist aber deutlich an der Pigmentierung, Anordnung der Zellen und an seinem tjbergang in den Zentral- kanal zu erkennen. Auf transversalen Schnitten wird man wohl 418 Fritz S chan z, in diesem Stadium kein deutliches Lumen finden konnen. In einem spateren Stadium aber (es entspricht dieses Stadium un- gefahr dem, welches Gotte in der Entwicklungsgescliichte der Unke Taf. IE Fig. 53 abbildet) habe ich auf Schnitten senkrecht zur Achse des Embryos ein deutliches Lumen des Zentralkanals gefunden. Auf den Schnitten fand ich oben das Lumen des Nervenrohrs, in der Mitte das des Zentralkanals und unten das des Enddarms. Man konnte meinen, das mittlere Lumen konnte ein anderer, ausgezogener Zipfel des Urdarms sein ; aus der Folge der Schnitte kann ich beweisen, daC dies wirklich der Zentral- kanal ist, er biegt um in das Nervenrohr, denn ein Schnitt zeigt mir deutlich, wie beide Lumina zusammenfliefien. So weit erstrecken sich meine Beobachtungen , das Resultat derselbeu ist also : Bei Triton taeniatus und Rana temporaria wird der Blastoporus eingeengt dadurch, daC die seitlichen Urmunds- lippen aneinandergelegt werden. Bei Triton entstehen zwei Off- nungen, die eine wird der Canalis neurentericus, die andere der Anus. Beim Frosch entsteht aber nur eine Oflfnung, an Stelle der zweiten findet sich eine Grube, welche spater nach dem End- darm durchbricht. Das ursachliche Moment ist das rasche Wachs- tum der Medullarwtilste. Der Anus ist keine Neubildung. Die schrage Richtung beim Frosch ist bedingt durch das Wachstum des Schwanzes. Der Canalis neurentericus existiert wirklich, wenn er auch kein deutliches Lumen bekommt. Beim Frosch tritt in einem spateren Stadium ein deutliches Lumen auf. Man kann nun der Ansicht sein , dafi ich die Aufgabe beim Triton gelost habe, beim Frosch scheint sie aber nur unbestimm- ter geworden zu sein ; bewiesen ist, daC ein Canalis neurentericus entsteht, ob aber der Anus eine Neubildung ist oder nicht, ist unentschieden gelassen, hochstens die Sache noch kompliziert. Ich glaube aber, daC es sich nicht bloB darum handelt, ob eine Grube entsteht, und ob diese durchbricht oder nicht, sondern auch darum : Wodurch entsteht (vgl. Fig. XI) die Grube, wodurch der Enddarm E^ woher kommt der Zellenwulst w, der doch ftir das Langenwachs- tum des Embryos jetzt von hoher Bedeutung zu sein scheint? Das anschaulich zu machen, ist nicht leicht. Der Urmund ist urspriingHch anzusehen als ein Ring von undififerenzierten Zellen, der nach innen vorspringt und oben in die Keimblatter iibergeht. Nach der Riickenseite zu ist er dicker als nach der Bauchseite. Die Ruckenwiilste , welche sich stark von dem Ektoderm erheben, gehen zu beiden Seiten in Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. 419 die undiiferenzierten Zellen des Ringes iiber, der die Offnung- des Urmimdes umgiebt. Durch das starkere Wachstum der Riicken- wiilste werden auch die seitliclien Partien dieses Ringes , die ick als seitliche Urmundslippen bezeichnet babe, beeinfluBt, sie werden nacb innen gedrangt, so dafi aus der runden Oflfnung eine biskuit- ahnliche wird, und dadurch, daC sich beim weiteren Wachstum die seitlichen Lippen beriihren , entstehen zwei Otfnungen. Dies ist der Prozefi bei Triton. Beim Frosch andert sich nur die Richtung, in der die Riickenwiilste ihren Einflufi auf die Urmunds- lippen ausiiben, infolge der Ruckenkrummung werden sie mehr nacb binten zu gedrangt. Die seitlichen Urmundslippen legen sich nicht nur aneinander, sondern sie werden auch in der Tiefe mit der hinteren Urmundslippe zusammengedrangt. Es entsteht ein Kanal und eine Grube. Jetzt erklart sich erstens die Ur- sache, wodurch diese Grube entsteht, dann findet man die Er- klarung fur die Entwicklung des Enddarms, dieser ist die Strecke des Urdarms, welche dadurch abgegrenzt wird, daC sich die seit- lichen Urmundslippen zusammenlegen , und der Zellwulst w ist entstanden aus den zusaramengelegtcn Urmundslippen. Der Enddarm, konnte man vermuten, entsteht dadurch, daU sich die Ubergangsstelle des Dotters in die undifferenzierten Zellen der hinteren Urmundslippe allmahlich ventralwarts verschiebt. Dies ist aber nicht der Fall, die Ubergangsstelle bleibt dieselbe. Darin besteht ja das Charakteristische der Urmundslippe, daC alle Zellschichten in ihr in undififerenzierte Zellen iibergehen, und darum behaupte ich, daB in Fig. XI die Stelle, welche ich mit einem Stern bezeichnet habe, die Stelle der hinteren Urmunds- lippe ist. Die Mitteilungen , die Prof. Kuppfer iiber diesen Punkt bei Rana temporaria macht, sind sehr kurz, er sagt, dafi bei Alytes obstetricans und Rana temporaria (?) sich kein Canalis neurente- ricus anlegt, die hintere Leibesoffnung gleich anfanglich durch die Gastrulation hergestellt wird. Balduin Spencer will sogar be- merkt haben, daB bei Rana temporaria das Zentralnervensystem hart vor dem Blastoporus mit einem massiven Ende abschlieBt, und die Oflfnung persistiert. Sollte dieses massive Ende nicht die Einwulstung der seitlichen Urmundslippen gewesen sein? Bei an- deren Batrachiern wurden hieriiber eingehendere Studien von Gas- SER ^) veroffentlicht. Leider konnte ich die Arbeit selbst in den 1) Sitzgsber. der Marburger Naturf. Ges. 7. Okt. 1882, S. 84 ff. 420 Fritz Schanz, hiesigen Bibliotlieken nicht bekoinraeD, sondern muCte mich an den Bericht von Prof. Kupffer halten. Nach dessen Angaben berichtet Gasser, daJB bei Alytes obstetricans die nach bin ten konvergie- renden Medullarwiilste den Blastoporus nicht zwischen sich fassen, sondern vor demselben zusammentretten, der Blastoporus also nicht in die Medullarwiilste aufgenommen wird, DemgemaB entsteht bei Alytes kein Canalis neurentericus , der Blastoporus erhalt sich vielmehr als dauernder After. Trotzdem mochte aber Gasser einem Zellstrang im Schwanze weiter entwickelter Larven die Bedeutung eines Rudimentes des Schwanzdanns zuschreiben. Wenn Prof. Kupffer nicht zu deuten vermochte, wie es kommt, daB bei den iibrigen Batrachiern der Schwanzdarm vom Blastoporus aus ventral- warts gerichtet ist, wahrend derselbe bei der Alyteslarve vom After dorsal warts verlaufen wiirde, so wird es ihm vielleicht jetzt moglich werden. Ich kenne die Verhaltnisse bei Alytes obstetricans nicht, mochte aber vermuten, daC sich auch bei ihnen ein ahnlicher ProzeC abspielt, wie bei Triton taeniatus und Rana temporaria, und daC erst spater der Canalis neurentericus oder ein ihm ent- sprechender Zellstrang deutlich hervortritt. In Gotte's Werk „Die Unke" habe ich gesucht, um etwas diesen ProzeB betreffend zu finden, leider aber ist er auf diesen Punkt nicht naher eingegangen, ich fand nichts, was ich zur Ver- vollstandigung meiner Arbeit anfuhren konnte. Obgleich Prof. C. Kupffer und Gasser zu einem entgegengesetzteu Schlusse ge- kommen sind als ich, so glaube ich doch, daB selbst ihre Beob- achtungen fiir meine Meinung sprechen , daB sich also bei alien Amphibien ein Canalis neurentericus bildet ; der Anus entsteht da- durch, daB ein Teil des Blastoporus durch die Einwulstung der seitlichen Urmundslippen abgeschniirt wird. Diese Thatsache, abgesehen, daB sie fiir alle Amphibien giltig sein wird, giebt uns auch die Erklarung des weiteren Wachstums des Embryos. Aber eine weitere Vermutung laBt sich aus meiner Beobachtung ziehen: bis jetzt nahm man an, daB der Anus sich als eine Neubildung aulegt, es bilde sich unterhalb des Blasto- porus ein Griibchen, dieses Griibchen vertiefe sich, ein Stiick des Urdarms wiichse ihm entgegen, endlich breche diese Grube durch, es entsteht der Anus. Warum bildet sich ein Griibchen , wie kommt es, daB diesem ein Stiick des Urdarms entgegenwachst ? Nach meiner AuflPassung entsteht diese Grube, wie oben beschrieben, und die Verlangerung des Urdarms durch die Verlangerung des- selben bei der Eindraugung der seitlichen Urmundslippen. Das Schicksal des Blastoporus bei den Amphibien. 421 Ich habe die Litteratur tiber diesen Punkt bei den anderen Klassen der Wirbeltierreihe durchgelesen und habe hier und da Andeutungen gefunden, welche Ahnliches auch in den anderen Klassen vermuteu lassen. Diese einzelnen Andeutungen in den verschiedenen Klassen aufzuzahlen, war erst meine Absicht, aber ohne selbstandige Un- tersucbungen dies zu thun, wiirde zu keinem wesentlichen Resultate fiihren; spatere Untersuchungen werden wobl ergeben, wie weit sich die allgemeine Giltigkeit dieses Befundes erstreckt. Am Schlusse meiner Arbeit sei es mir nocb vergonnt, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Oskar Hektwig, fiir die freundliche Anregung und Unterstiitzung , die er meinen Be- miihungen zu teil werden lieC, an dieser Stelle meinen aufrich- tigsten Dank auszusprechen. Erklarung der Abbildungen. (Tafel XXIV.) Fig. I — III. Tritoneier mit der Lupe betrachtet. Fig. I. Die Riickeuwiilste beginnen sich zum Medul-. larrohr zu vereinigen, w = Riickenwiilste, s. r. = Sinus rhomboidalis. Fig. II. Der SchluB des Medullarrohrs ist weiter fort- geschritten. Fig. in. Medullarrohr ist geschlossen, hinter dem- selbeu findet sich eine schmale, quere Ein- senkung, a = Anus. Fig. IV — IX. Sagittalschnitte durch Tritonembryonen. Fig. IV. Der Blastoporus ist durch einen Zelbvulst in 2 Kantile geteilt. c. n. = Canalis neu- rentericus, a = Anus, E = Enddarm, v = vordere Urmundslippe, h = hintere Ur- mundslippe, w = der Wulst, welcher durch die Vereinigung der seitlichen Urmundalippen entstanden ist, d = Darmkaual. Fig. V. Von demselben Embryo, Schnitt ist seitlich von der Mittellinie gelegt. Fig. VI. Benachbarte Schnitte von demselben Embryo aufeinandergelegt. Fig. VII. Schnitt ist schrag zur Sagittalebene gelegt. Er zeigt die Richtung, in der die seitlichen Urmundslippen nach innen und nach hinten gepreiSt werden. 422 Fritz Schanz, Das Schicksal des Blastoporus u. s. w. Fig. VIII. Das Nervenrohr ist voUstandig geschlossen, der Canalis centralis wird hinten zu einem schmalen Spalt und verliert zuletzt sein Lumen , kann aber noch deutlich bis zum Darmrohr verfolgt warden. Die Medullar- wiilste haben sich hinten eben beriihrt. Fig. IX. Vom Canalis neurentericus ist keine Spur mehr zu bemerken. Die Schwanzknospe ist eben im Begriff hervorzusprossen. Der Anus liegt ventral von derselben. Fig. X — XII. Sagittalschnitt dutch Embryonen von Raua temporaria. Fig. X. An Stelle des Blastoporus findet man einen Kanal und einen Blindsack , ersterer wird zum Canalis neurentericus, letzterer zum Anus o, E == Enddarm, v = vordere Ur- mundslippe , h = hintere Urmundslippe, w = Zellenhaufen, entstanden aus der Ver- einigung der seitlichen Urmundslippen, d = Darmkanal. Fig. XI. Embryo alter als in Fig. X, Nervenrohr ist voU- standig abgeschlossen, Canalis neurentericus bis zu seinem tJbergange in den Darmkanal deutlich zu verfolgen, wenn auch kein Lu- men vorhanden ist. Anus ist noch nicht durchgebrochen, * ist die Stelle, an der die Dotterzellen in die undifferenzierten Zellen der hinteren Urmundslippe iibergehen. Fig. XII. Anus ist durchgebrochen. Dieser Schnitt soil vor allem die Schwanz- bildung beim Frosche illustrieren, man ver- gleiche mitihmFig. IX, welche die Schwanz- entwicklung bei Triton zeigt. Zellen-Studien. Von Dr. Theodor Boyeri. (Hierzu Tafel XXV— XXVIIL) Einige Untersuchungen iiber die tierische Zelle, speziell den Zellkern und dessen Teilung, mit denen ich seit zwei Jahren be- schaftigt bin , gedenke ich nebst den allgemeinen Betrachtungen, die sich mir dabei aufgedriingt haben, unter dem gemeinsaraen Titel „Zellen-Studien" der Oiientlichkeit, zu iibergeben. Das Feld, auf dem sich diese Arbeiten bewegen, ist trotz der bewunderungswiirdigen Leistungen und der groCartigen Errungen- schaften des letzten Jahrzehntes noch immer ein unabsehbares, und zwar nach zwei Seiten : in die Breite und in die Tiefe. Unbekannte Objekte erforschen, bekannte mit besseren Hilfsmitteln und er- weiterter Fragestellung untersuchen — diese beiden Wege werden Neues zu Tage fordern. Dazu kommt noch ein dritter Pfad, der vor alien anderen Erfolg verspricht, — das Experiment. AUe Untersuchungen der letzten Jahre an tierischen und pflanzlichen Zellen, mit Ausnahrae derer Caenot's, weisen mit Ent- schiedenheit darauf hin, daB das Wesentliche der karyokinetischen Teilung in der Spaltung der chromatischen Elemente in zwei Halften, von denen jede einem andern der beiden zu bildenden Tochterkerne zu teil wird, gesehen werden muB. Wie weit dieser Satz gultig ist, und unter welchen Variationen der Vorgang im einzelnen Falle verlauft, wie es mit der Form und Zahl der Ele- mente sich verhalt , wie diese sich bilden , sich teilen und im Tochterkern auflosen, wie sie sich gruppieren und bewegen, das festzustellen wird Sache ausgedehnter vergleichender Untersuchungen sein. Nur auf solche Weise konnen wir zu einem allgemeinen Teilungsschema und zu einer gemeinsamen Terminologie gelangen, 424 Theodor Boveri, die, wie sich jetzt schon ermessen laBt, von derjenigen Flemming's verschieden sein wird'). Vor allem sind es die Wirbellosen, denen wir heutzutage unsere Aufmerksamkeit zuwenden miissen. Es sind zwar auf diesem Ge- biete, ganz abgesehen von den ersten denkwlirdigen Arbeiten BuTSCHLi's, Schneider's, 0. Hertv^ig's u. a., betrachtliche Anfange gemacht; Platner und in hervorragender Weise van Beneden haben unsere Kenntuisse wesentlich bereichert, und die ausgedehnten UntersuchuDgen Carnoy's erstrecken sich ja ausschlieClich auf Zellen der Wirbellosen. Allein so wertvoll die Forschungen des letztgenannten Autors auch infolge des reichen Materials, das sie behandeln, sein mogen, so vermissen wir in denselben doch jene Sorgfalt und minutiose Genauigkeit, welche bis jetzt fast nur den Zellen des Salamanders zu teil geworden sind und diesem Objekt, trotzdem der Verlauf der Teilung hier offenbar verwickelter ist als in vielen anderen Fallen, uoch immer den Anspruch bewahren, den Typus der Karyokinese zu reprasentieren. In Sonderheit ist es die Bildung, Konstitution und Bewegung der achromatischen Figur, und im AnschluB daran die fast noch vollig in Dunkel gehiillte Mechanik der Teilung, woriiber wir bei den Wirbellosen die Auflilarung suchen miissen , welche die im iibrigen so giinstigen Amphibienzellen , wie es scheint, nur in sehr beschranktem MaCe gewahren konnen, Gerade hier werden am fruchtbarsten die experimentellen Untersuchungen eingreifen, wie sie in neuester Zeit von den Brudern Hertwig ^) so erfolgreich begonnen worden sind. Es ist ein Zufall, daC meine Untersuchungsobjekte zum Teil mit denjenigen Carnoy's identisch sind. Kurz nachdem ich an den Hodenzellen von Astacus meine Studien begonnen hatte, er- schien das CARNOY'sche Werk: La cytodi^rese chez les arthro- podes 3) , und wahrend ich die Ascarideneier untersuchte , folgten seine beiden Arbeiten: La cytodi6rcse de I'oeuf*), von denen sich 1) Meiner Meiuung nach sind die FLEMMiNo'scheu Bezeichnungeu schon fiir die von ihm neuerdings beschriebene ,,heterotypische Teilung" nicht raehr zutreffend. 2) 0. u. R. Heetwig, tjber den Befruchtungs- und Teilungsvor- gang des tierischen Eies unter dem Einflufs aufserer Agentien. Jena 1887. 3) La Cellule, torn. I, fasc. 2. 4) La Cellule, torn. II, fasc. 1, und torn. Ill, fasc. 1. Zellen-Studien. 425 die erste mit Ascaris megalocephala , die zweite mit einer Reihe anderer Nematoden beschaftigt. Dieses Zusammentreffen war sowohl mir selbst von Wert, als es auch fur 'den Fortschritt unserer theoretischen Erkenntnis der Karyokinese nicht ohne Bedeutung sein dtirfte. Die genannten Arbeiten Carnoy's besitzen ja alle drei einen selir revolutionaren Charakter, der in dem Satze: „Les phenomenes de la caryocinese sont variables ; aucnn d'eux n'est essentiel" kaum scharf genug zum Ausdruck gelangt. Carnoy's Resultate widersprechen alien als konstant betracbteten Erscheinungen iind scheinen die durch eine Reihe der vorziiglichsten Untersuchungen miihsam erworbene Einsicht in das Wesen der karyokinetischen Prozesse mit einem Schlage illusorisch zu machen. Eine Nachpriifung seiner Befunde muCte friiher oder spater unternommen werden; sie wird zum Teil durch meine Arbeiten geliefert. Indem ich fur einige der CARNOY'schen Objekte den Nachweis fiihren werde, dafi seine An- gaben irrtiimlich sind, daB gerade seine extremsten Falle sich vollig unter das Schema der Karyokinese einreihen lassen , wird nicht nur ein Teil der Hindernisse, welche seine Untersuchungen einer einheitlichen Auflfassung in den Weg legen, beseitigt, sondern wir lernen dabei auch die Griinde, durch die er zu seinen An- schauungen gefiihrt worden ist, so weit kennen, um auch fiir andere seiner Objekte einen Irrtum als hochst wahrscheinlich nachweiseri zu konnen. Befestigt sich auf solche Weise auch immer mehr die tJber- zeugung einer die ganze organische Welt umfassenden Gleich- artigkeit der karyokinetischen Erscheinungen , so diirfen wir doch die Moglichkeit selbst fundamentaler Abweichungen von dem, was wir jetzt kennen, nicht aus den Augen verlieren. Zwar nicht Regellosigkeit haben wir nach den bisherigen Erfahrungen zu er- warten, wohl aber konnten wir bei gewissen Zellenarten auf Eigen- tumlichkeiten stoBen, die fiir diese ebenso wesentlich und gesetz- maCig waren, wie fiir andere der uns bekannte Teilungsniodus. Gerade solche spezifische Merkmale bestimmter Zellenarten aber waren imstande, iiber die Bedeutung der Teilungsphaiiomene und der Bestaodteile von Zelle und Kern iiberhaupt Licht zu ver- breiten. Erst in allerjiingster Zeit hat Weismann ^) in seiner ideenreichen Schrift iiber die Bedeutung der Richtungskorper, von 1) Weismann, tJber die Zahl der Richtungskorper und iiber ihre Bedeutung fiir die Yererbung. Jena 1887, 426 Theodof Boveri, theoretischen Erwagungen geleitet, ganz kategorisch einen von der gewohnlichen Mitose abweichenden Teilungsmodus, eine sog. „Ke- duktionsteilung" postuliert, bei der die Halfte der ungeteilten Kernelemente in den einen, die andere Halfte in den anderen Tochterkern ubergehen soil. Auf solche Punkte miissen spezielle Untersuchungen gerichtet werden; in erster Linie diirfen wir von einer Priifung der Geschlechtszellen Ausbeute erwarten. Die Anregung, mich auf das Gebiet der Zellenlehre zu be- geben, verdanke ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Richard Hertwig, der mir die karyokinetischen Figuren, die er in den Hodenzellen von Astacus beobachtet hatte, als ein in- teressantes Objekt zur Bearbeitung empfahl, indem ihm dieselben Ankniipfungspunkte an die Teilungserscheinungen bei deu Protozoen darzubieten schienen. Fur die Unterstiitzung , die mir Herr Pro- fessor Hertwig bei meinen Arbeiten in jeder Hinsicht zu teil werden liefi, spreche ich ihm hier meinen herzlichsten Dank aus. Zellen-Studien. 427 I. Teil. Die Bildung der Richtungskorper bei Ascaris megalocephala und Ascaris lumbricoides. Zur UntersuchuDg der Eireifung dieser Nematoden wurde ich bestimmt durch die Lekture der groCen Abhandlung van Beneden's : Kecherches sur la maturation de I'oeuf, la fecondation et la division cellulaire. Es ward einerseits der Wunsch in mir rege, die fun- damentalen Thatsachen der Befruchtung an dem vorzuglichen und leicht zugangliclien Objekt van Beneden's mit eigenen Augen zu sehen, andererseits schien rair die Bildung der Richtungskorper, wie sie dieser Forscher geschildert hatte, einer Nachpriifung wert zu sein. Damals noch in der Meinung befangen, die in den karyo- kinetischen Figuren hervortretenden Liniensysteme entsprachen den „Kraftlinien" zweier einander anziehender Punkte, glaubte ich in eiuzelnen Bildern der van BENEDEN'schen „Pseudokaryokinese" Kraftlinien , wie sie zwischen zwei einander abstoCenden Punkten auftreten, erkennen zu konnen. Ich muBte mich lange gedulden, bis ich Ascaris megalocephala erhalten konnte, und so nahm ich einstweilen mit der viel weniger gunstigen Ascaris lumbricoides vorlieb. Die Eier dieser Spezies waren mir jedoch insofern von Wert, als sie mich auf den Ge- dauken brachten , dafi der von van Beneden geschilderte Prozefi der Eireifung auf schlechte Konservierung oder pathologische Ver- anderungen der Eier zuruckzufuhren sei, eine Vermutung, die sich in der Folge als richtig erwiesen hat. A. Ascaris megalocephala. Meine im folgenden zu beschreibende Untersuchung der Richtungskorperbildung bei den Eiern von Ascaris megalocephala ist die sechste Arbeit, die iiber diesen Gegenstand veroffentlicht wird. In den Jahren 1883 und 84 erschienen fast gleichzeitig drei Abhandlungen , in denen die Eireifung des Pferdespulwurms be- Bd. XXI N. F. XIV. og 428 Theodor Boveri, handelt wird, namlich: „Das Ei und seine Befruchtung" von Anton Schneider ^), „Uber die Veranderungen der Geschleclits- produkte bis zur Eifurchung" von M. Nussbaum^) und das oben erwahute Buch van Beneden's^). Daun kam Nussbaum *) in seiner ersten Mitteilung iiber die Teilbarkeit der lebendigen Materie auf den Gegenstand zuriick, um gegeniiber der Darstellung van Bene- den's seine friiher gegebene neu zu bekraftigen. Endlicli widmcte Caenoy^; seine Arbeit: „La cytodi6rese de I'oeuf" ausschlieClich dem in Rede stehenden Vorgang. Ein fliichtiges Betrachten schon der Abbildungen, welche diesen fiinf Abhandlungen beigegeben sind, lehrt, wie bedeutend die Differenzen zwischen den vier Beobacbtern sind, wie kaum eine Figur des einen Autors mit einer der drei anderen identisch ist. Trotzdem konnen wir die funf Untersuchungen nach ihren Resul- taten in zwei Gruppen sondern, drei, welche den Vorgang als eice karyokinetische Zellteilung darstellen : es sind dies die Arbeiten von Schneider und Nussbaum, die anderen, welche ihm wesentliche Abweichungen vom Schema der indirekten Zellteilung zuerkennen, sei es nuu, daC dem ProzeB mit van Beneden eine vollig andere Bedeutung zugeschrieben wird, sei es, daC er mit Carnoy nur als eine besondere Art der karyokinetischen Teilung betrachtet wird, ftir welche ja nach diesem Autor kein einziger Punkt konstant ist. Ohne Zweifel miissen wir bei einer Kritik der einzelnen Un- tersuchungen auf dieses Moment Gewicht legen. Wenn ein neu beschriebener Vorgang in einen bewuCten Gegensatz zu bekannten homologen Erscheinungen gestellt wird, so haben wir viel hohere Anforderungen an Ausfiihrlichkeit und Liickenlosigkeit zu stellen als in einem Falle, wo das Resultat an schon Bekanntes ange- schlossen, als damit im wesentlichen iibereinstimmend erfunden wird. Keine einzige der genannten Arbeiten giebt eine ganz kon- tinuierliche Serie von Bildern, aus welcher der behauptete Ent- wicklungsgang klar zu ersehen ware, auch die Abhandlungen van Beneden's und Caenoy's nicht, obgleich dieselben mit einem De- tail und einem Reichtum an Abbildungen ausgestattet sind, wie wenig andere Werke der Zellen-Litteratur. Wenn ich nun im voraus in kurzen Worten andeuten soli, 1) Breslau 1883. 2) Archiv fiir mikroskop. Anatomie. Band 23, 1884. 3) Archives de Biologie, IV. 4) Archiv fiir mikroskop. Anatomie. Band 26, 1886. 5) La Cellale, t. II, fasc. 1. Zellen-Studien. 429 wie nach meiiien Beobachtungen die Resultate meiner Vorganger sich gegeneinander stellen, so habe ich zuuachst zu berichten, daC der Spuhvurm des Pferdes zweierlei Arten von Eiern *) hervor- bringt; jedoch enthalt uicht ein einziges Individuum durcheinander beide Arten, sondern in einem jeden finden sich nur Eier von gleicher Struktur. Es ware moglich, wie ich schon in einem Vor- trag 2) uber unsereu Gegenstand erwahnt habe, daC den Eiern entsprechend auch der Wurm selbst in zwei verschiedenen Va- rietaten vorkame. Es war mir jedoch noch immer nicht moglich, diese Frage zu entscheiden. Nur eine einzige Beobachtung kann ich anfuhren, welche gegen die erwabnte Vermutung spricht. Als ich zu Anfang meiner Untersuchungen stets Eier der gleichen Art zu Gesicht bekam, fiel mir einmal ein noch unbefruchtetes Ei auf, welches sich vor alien andereii Eiern des gleichen Indivi- duums durch einen ungewohnlichen Reichtum an Chromatin aus- zeichuete. Ich habe dieses Ei damals als Abnormitat gezeichnet uud spater, als mir auch die andere Art vorlag, gefunden, dafi dasselbe sowohl in der Menge als auch in der Auordnung des Chromatins mit diesen Eiern vollkommen iibereinstimmte. Die eine der beiden Arten hat nur van Beneden vor Augen gehabt, alien iibrigen Arbeiten liegt die andere zu Grunde. Hieraus ist der besouders auffallende Gegeusatz zu erklaren, in welchem die Abbilduugen van Beneden's zu denen der drei anderen Autoren stehen. Weiterhin ist darauf aufmerksam zu machen, dafi die Eier von Ascaris megalocephala infolge ihrer aufierordentlich dicken und resistenten Eihiilleu der Konservierung groBe Schwierigkeiten in den Weg stellen. Die Angaben, dafi sich dieselben in Alkohol und verdunnten Saureu langere Zeit weiter entwickeln, sind ja bekannt. Allerdings ist hervorzuheben , dafi in dieser Hinsicht sehr betrachtliche individuelle Verschiedenheiten obwalten; die Eier mancher Individuen werden in unseren Reagentien sehr rasch abgetotet, wahrend andere dariu lange Zeit lebend bleiben. In diesem letzteren Fall ist es klar, dafi die Konservierungsflussigkeit nur aufierst langsam die Hullen durchdriugt, dafi also zunachst nur minimale Quantitaten derselben mit dem Ei in Beriihrung kommen , welche dasselbe nicht sofort toten , sondern zu krank- haften Bewegungeu veranlasseu. Als solche pathologisch ver- 1) Und dementsprechend auch zweierlei Spermatozoen. 2) Sitz. -Ber. d. Ges. f. Morph. u. Phys. zu Miinchen, 1887, B. Ill, H. 2. 28* 430 Theodor Boveri, anderte Figuren sind viele der von Nussbaum, van Beneden uiid Carnoy abgebildeten anzusprechen , was von mir schon friiher ' ) und dann Carnoy gegeniiber auch von den Briidern Hertwig'^) hervorgehoben worden ist. Die Mannigfaltigkeit dieser krank- haften Weiterentwicklung ist ein zweiter Grund fiir die Verschie- denheiten in den Befunden der einzelnen Forscher. Die schwere Durchdringbarkeit der Eihiillen bedingt jedoch noch einen wei- teren Ubelstand. Die geringe Starke der anfanglichen Wirkung der Reagentien hat, wenn auch der Tod rasch erfolgt, haufig eine schlechte Konservierung zur Folge, welche, wenn sie nicht als solche erkannt wird, gleichfalls zu Irrtiimern VeranlassuDg geben muC. Betrachten wir mit Riicksicht auf diese Umstande die einzelnen Arbeiten, so mufi diejenige Schneider's als die korrekteste be- zeichnet werden. Schneider hat zwar, wie bekannt, die Bildung des zweiten Richtungskorpers vollig iibersehen, auch sind seine Figuren wohl nicht gut gezeichnet und infolge der schwachen Ver- groCerung zum Teil unklar. Allein alle Bilder Schneider's iiber die Bildung des ersten Richtungskorpers sind, wenn auch nicht gut konserviert, so doch normal und im wesentlichen rich tig ge- deutet. Schneider zweifelt ja auch , wie bereits erwahnt , nicht daran, dafi es sich um eine karyokinetische Teilung handelt. Wenn nun in diesem Resultat Nussbaum mit ihm iibereinstimmt, so ge- schieht dies doch auf gauz anderer Grundlage. Alle Bilder in Nussbaum's erster Arbeit, welche sich auf unseren Gegenstand beziehen, sind mit Ausnahme der Fig. 29 mehr oder weniger krankhaft verandert und falsch gedeutet; Beschreibung und Ab- bildungen stimmen nicht miteinander uberein. Das Gleiche gilt fiir die Fig. 9 u. 10 der zweiten Abhandlung. Nussbaum zeichnet immer das namliche, fiir die Entscheidung der Frage, ob Karyo- kinese oder nicht, unzulangliche Stadium, welches die Tochter- elemente an den Enden einer gekriimmten oder schon geteilten Spindel darstellen soil, wahrend die Figuren in Wirklichkeit patho- logisch modifizierte Spindeln mit Aquatorialplatte darstellen. Von einer Serie aufeinanderfolgender Stadien bekommen wir nichts zu sehen; eine solche ware auch im AnschluC an die abgebildeten und in der erwahnten Weise falsch gedeuteten Bilder unmoglich herzustellen. Wenn also Nussbaum behauptet, die Bildung der 1) Sitz. -Ber. d. Ges. f. Morph. u, Phys. zu Miinchen, 1886, B. II, H. 3. 2) 1. c. Zellen-Studien. 431 Richtungskorper bei Ascaris megalocephala sei eine karyokinetische Zellteilung, so ist er uns den Beweis hierfur in beiden Arbeiten schuldig geblieben. Mit diesen Untersuchungen der beiden deutschen Forscher stehen diejenigen van Beneden's und Carnoy's in einem funda- mentalen Widerspruch, unter sich aber, trotz aller auCerlichen Gegensatze, im Grunde auf dem gleichen Standpunkt. Die Haupt- differenzen zwischen den beiden belgiscben Forschern beruhen auf der Verscbiedenheit der untersuchten Objekte. Beriicksichtigt man dies, so wiiCte ich nicht, wie sich van Beneden eine scbonere Bestatigung seiner Lehre von der Richtungskorperbildung hatte wiinschen konnen als die Arbeit Carnoy's. Beide Forscher suchen den Beweis zu fiihren, daC die chromatischen Elemente des Keim- blaschens sich nicht, wie bei der typischen Karyokinese, teilen, sondern daB dieselben ungeteilt zu zwei seitlichen Gruppen auseinanderweichen , von denen die eine als erster Richtungs- korper ausgestoCen wird, die andere im Ei verbleibt, worauf die Wiederholung des gleichen Vorgangs an den zuriickgebliebenen Elementen zur Bildung des zweiten Richtungskorpers fiihrt. Gegen diese prinzipielle Ubereiustimmung sind alle Dififerenzen, so be- sonders im Verhalten der achromatischen Figur, von untergeordneter Bedeutung. Obgleich beide Autoren die Richtigkeit des von ihnen auf- gestellten Entwicklungsganges fiir vollig erwiesen halten, so lehrt doch eine aufmerksame Betrachtung ihrer Abbildungen, daC gerade am entscheidenden Punkt, da, wo nachgewiesen werden miiUte, daB jede der beiden Tochtergruppen mit einer der beiden auf friiheren Stadien in der Aquatorialebene nebeneinander ge- legenen Chromatingruppen identisch sei, daB gerade hier eine Lucke besteht, welche auch durch die groBe Anzahl der Figuren nicht uberbriickt werden kann. Wir bekommen zwar eine er- staunliche Mannigfaltigkeit von Bildern zu sehen , aber keine R e i h e , in der das eine klar aus dem andern sich ableiten lieBe. Aus dem Gesagten wird sich ergeben haben, daB eine erneute Untersuchung des Gegenstandes keine iiberfliissige Arbeit ist. Carnoy selbst spricht den Wunsch aus, daB ein unbeeinfluBter Beobachter eine Nachprufung unternehmen moge. Nach langerer Beschaftigung mit unserem Objekt glaube ich nun endgtiltig den Beweis liefern zu konnen, daB der ProzeB der Richtungs- korperbildung, wie bei alien anderen untersuchten Eiern, so auch bei Ascaris megalocephala als ty- 432 Theodor Boveri, pische karyokinetischeZellteilungverlauft, worunter ich die Teilung der moglichst in der Aquatorialebene einer zwei- poligen faserigen Figur gelagerten chromatischen Elemente in je zwei Halften und die Wanderung der beiden Halften eines jeden Elements nach entgegengesetzten Polen verstehe. Da6 dies fUr die von mir imtersuchten Eier zutrifft, wird aus meiner Beschreibung zur Geniige hervorgehen. Allein nachdem einmal Variabilitat fiir die Eier von Ascaris megalocephala nach- gewiesen ist , konnte man der Ansicht sein , daB aufier dem von mir konstatierten Teilungsmodus noch ein anderer sich finden mochte, dafi ein solcher in den Bildern van Beneden's und Carnot's zu erblicken ware. Es wird deshalb meine Aufgabe sein, 1) darzuthun, daB ich die gleichen Objekte untersucht habe, wie alle anderen Autoren, 2) zu zeigen, daB die abweichenden Figuren derselben durch die Behandlungsweise bedingt sind, daB man bei Anwendung geeigneter Methoden nur typisclio Teilungsfiguren erhalt, 3) die Bilder meiner Vorganger im einzelnen einer genauen Priifung zu unterziehen, festzustellen, wie weit die behauptete Entwickelung eine aus patho- logischen Figuren konstruierte ist, und womoglich den Punkt auf- zudecken, wo von diesem Irrweg aus der Sprung zu den normalen Endstadien der Teilung gemacht wird. Metliode der Untersuchimg. Nachdem mir einmal der Verdacht aufgestiegen war, daB ein Teil der van BENEDEN'schen Bilder durch das langsame Absterben der Eier bedingt sein konne, totete ich dieselben durch Hitze, und zwar dadurch, daB ich die Eirohren in kochenden absoluten Al- kohol, dem 1 ^'/o Eisessig zugesetzt war, auf einige Sekunden ein- tauchte. Durch dieses Verfahren werden nicht nur die Eier so- fort getotet, sondern auch die Eihiillen momentan fiir das Reagens durchgangig. Die Eirohren blieben noch einige Stunden in dem gleichen, allmahlich erkaltenden Gemisch, wurden dann in reinen Alkohol iibertragen, gefarbt und in Glycerin oder Nelkeuol untersucht. Dabei zeigten sich denu in allem wesentlichen nur solche Bilder, wie wir sie an anderen Objekten zu sehen gewohnt sind, regulare achromatische Spindeln mit chromatischer Aquatorialplatte oder mit Tochterplatten , keine Spur von Protoplasmastrahluug. War Zellen-Studien. 433 damit auch so ziemlich der Nachweis geliefert, dafi der von van Beneden und Carnoy aufgestellte Entwickelungsmodus nicht existiert, so vvaren die durch die genannte Methode erhaltenen Praparate doch nicht so klar, daB sich an denselben alles Detail hatte feststellen lassen. Denn bei aller prinzipiellen Uberein- stimmuug mit anderen Objekten bietet der ProzeB bei Ascaris megalocephala doch gewisse Besonderheiten dar, so dafi er sich nicht ohne weiteres auf ein bekanntes Schema zuruckfuhren laBt. Ich wandte daher wieder kalte Reagentien an , Alkohol in verschiedener Konzentration mit und ohne Essigsaure, Salpeter- saure und vor allem Pikrin-Essigsaure. Diese letztere Mischung ergab mir weitaus die besten Resultate, so daC ich sie zuletzt ausschlieBlich benutzte. Dabei verfuhr ich folgendermaBen : Eine konzeutrierte wasserige Losung von Pikrinsaure wird mit zwei Teilen Wasser verdiinnt und dieser liOsung dann 1 ^/^ Eisessig zugesetzt. In diese Mischung werden die Eirohren gebracht und so lange darin belassen, bis die mikroskopische Untersuchung die Fixation der Eier ergiebt, mindestens aber 24 Stunden. Nach sehr sorgfaltigem Auswaschen in 70 °/o Alkohol kommen die Ei- rohren auf 24 Stunden in Grenacher's alkoholisches Boraxkarmin, 24 Stunden in 70 "^/oigen Alkohol mit l^j^ Salzsaure, dann in reiuen Alkohol. Die Untersuchung in Glycerin ist derjenigen in Nelkenol oder Harz entschieden vorzuziehen. Bringt man die Eirohren aus dem Alkohol in eine Mischung von 1 Teil Glycerin auf 3 Telle Alkohol absol. und laBt diese so lange stehen, bis der Alkohol verdunstet ist, so erhalt man die Eier ohne alle Schrumpfung. Was nun die Konservierung der so behandelten Eier betrifft, so ist dieselbe eine sehr wechselnde. Man muC sich , wie tiber- haupt bei Anwenduug kalter Reagentien, auf den Zufall verlassen. Offenbar je nach der Konstitution der Eihiillen, also von Um- standen abhangig, die wir nicht in der Hand haben und die indi- viduell, d. h. von einem Wurm zum andern, ja selbst von einem Ei zum andern sehr variieren, werden die Eier bald rasch fixiert, bald erst, nachdem sie mehr oder weniger tiefgreifende Verande- rungen erlitten haben. Selbst in den giinstigsten Fallen erhalt man neben vollig normalen Praparaten , die von einer Schonheit und Klarheit sind, daC ich von viel leichter zu behandelnden Objekten keine besseren gesehen habe, mehr oder weniger pathologische Bilder, die jedoch eiuerseits durch den Vergleich mit den durch Hitze abgetoteten Eiern, andererseits schou dadurch, daB sie, 434 Theodor Boveri, gleichsam wie Sackgassen , nicht weiter fiihren , leicht als solche erkannt werden konnen. Ich habe auf diese Weise vielfach die gleichen oder ahnlichen Bilder bekommen, wie sie in den Figuren van Beneden's, Carnoy's und Nussbaum's wiedergegeben sind, niemals jedoch die von Carnoy abgebildeten komplizierteu Protoplasmastrahlungen , sei es nun, daC diese durch eine individuelle Eigentiimlichkeit der von ibm untersuchten Eier, sei es, daC sie durch die Wirkungsweise seiner Konservierungsmethode bedingt sind. SchlieClich will ich nicht unerwahnt lassen, dafi mir die Be- trachtung eines und desselben Eies von verschiedenen Seiten durch Rotieren desselben vermittelst einer Verschiebung des Deckglases von groCem Wert war. Dieses Verfahren , welches in einfachster "Weise lehrt, wie die verschiedenen Bilder, die man nebeneinander findet, aufeinander zuruckzufiihren sind, ist, wie niir scheint, von meinen Vorgangern zu sehr vernachlassigt worden. So glaube ich besonders, daC einzeli:e Figuren, die van Beneden als aufeinander- folgende Stadien beschreibt, nur verschiedene Ansichten des gleichen Stadiums reprasentieren. Ehe ich an eine Beschreibung meiner Befunde gehe, mochte ich ein paar Worte iiber die Terminologie sagen, die ich bis jetzt gebraucht habe und auch im Folgenden anweuden werde. So sehr ich geneigt ware, die einfachen und fiir gewisse Teilungen vorziiglich passenden Bezeichnungen Flemming's zu benutzen, so ungeeignet wiirde mir der Gebrauch dieser Terminologie fiir das vorliegende Objekt scheinen. Auf meinen Tafeln ist von Aster und Dyaster, Spirem und Dispirem nichts zu sehen, und auch von der Metakinese kann hier nicht die Rede sein. Es hieCe dem Objekt Zwang anthun , wollte man die einzelnen Teilungsphasen mit den FLEMMiNG'schen Ausdriicken belegen. Wir besitzen eben noch keine allgemein anwendbare Terminologie und, solange eine solche nicht geschafifen ist, bleibt nichts iibrig, als fiir die entsprechenden Stadien verschiedenartiger Teilungen verschiedene Bezeichnungen zu gebrauchen. Fiir die folgende Beschreibung geniigen mir die Ausdriicke „Aquatorialplatte" und „Tochterplatte" , welche, dem FLEMMiNG'schen Aster und Dyaster entsprechend, hinlanglich be- kannt und pragnant sind. Handelt es sich einmal darum, eine fur alle Teilungen passende Terminologie aufzustellen , so wird Zellen-Studien. 435 dieselbe sicherlich mehr an diese Ausdriicke als an die Flemming'- schen anzukniipfen sein. Ich bespreche die Reifung der beiden Ei -Varietaten getrennt und bezeichne dieselben nach den Autoren, welche die ausfiihrlichste Beschreibung einer jeden gegeben haben, als „Typus Carnoy" und „Typus van Beneden". a. Typus Carnoy. Indem ich die Darstellung der Entstehung der Eier und der allmahlichen Ausbildung des Keimblaschens, woruber meine Unter- suchungen noch nicht vollig zura AbschluB gelangt sind, auf eine spatere Mitteilung verschiebe, beginne ich die Beschreibung mit jenem Zustande der Eier, in deui dieselben sich von der Rachis abgelost haben und, abgerundet, zur Aufnahme des Spermatozoons reif sind. Dabei beschranke ich mich in der Hauptsache auf den Bau und die Umwandlungen des Kerns, da ich in Bezug auf die Zell- substanz den Resultaten meiner Vorganger, besonders den de- taillierten Angaben van Beneden's nur wenig Neues hinzuzuftigen habe. In Fig. 7 und 1 — 6 (Taf. XXV) habe ich eine Serie von Eiern von dem Monoent der Kopulation der Geschlechtszellen bis zur beginnenden Ausbildung von Ei- und Spermakern dargestellt, an welcher die allmahlichen Umbildungen des Eileibes leicht vcrfolgt werden konnen. Das Keirablaschen ist in dem oben genannten Stadium an- nahernd kugelig und wird von einer starken, deutlich doppelt konturierten Membran umschlossen, welche vollkommen homogen erscheint. Die auCere und innere Oberflache derselben zeigen ein verschiedenes Verhalten; die Grenze gegen die Zellsubstanz ist stets eine sehr scharfe, was um so deutlicher hervortritt, als die Kernmembran und mit ihr die ganze achromatische Kern- substanz an den Pikrin-Essigsaure-Praparaten ein starkeres Licht- brechungsvermogen besitzt, als alle Bestandteile des Zellleibes. Dagegen laBt sich zwischen der inneren Flache der Membran und der achromatischen Kernsubstanz eine scharfe Grenzlinie nicht Ziehen. Der erste Eindruck, den man von dieser im Kernraum, soweit derselbe nicht von den chromatischen Elementen einge- nommen wird, gleichmafiig verteilten Substanz erhalt, ist der, dafi dieselbe aus dicht gelagerten, relativ groben Kornern besteht. Alleiu bei genauerer Analyse laCt sich mit Sicherheit die An- 436 Theodor Boveri, schauuDg gewinnen (Fig. 7, Taf. XXV), daC es sich um ein sehr eng- maschiges Gerlistwerk handelt, dessen dicke Strange im optischen Schnitt als Granula imponieren. Die peripheren Balken dieses Eetikulums scheinen unmittelbar in die Kernmembran uberzugehen (Fig. 7), mit welcher sie im ganzen Habitus die vollkommenste tjbereinstimraimg aufweisen. Es liegt deshalb nabe, die Membran als eine modifizierte Rindenschicht der achromatischen Kernsub- stanz aufzufassen, welche Betrachtuugsweise durch die folgenden Umwandlungen des Keimblaschens nocb mehr an Wabrscheinlicb- keit gewinnt. Durch die aufierordentliche Macbtigkeit einer vom Chromatin unabhangigen achromatischen Kernsubstanz unterscheidet sich das Keimblaschen unserer Eier sehr betrachtlich von den typischen Metazoenkernen und erinnert eher an solche der Protozoen , so besonders an die von Actinosphaerium. AuCer der den Kenisaft gleichmaBig durchsetzenden achro- matischen Substanz enthalt das Keimblaschen zwei chromati- sche Elemente (Fig. 7 u. ff,). Ich lege dera Ausdruck „chro- matische Elemente" oder „ Kern elemente" einen ganz bestimmten Sinn bei und verstehe darunter jene Gebilde, welche unter der Form von selbstandigen Kornern, Stabchen, Ringen Oder Schleifen bei jeder karyokinetischen Teilung zur Beobachtung kommen und durch ihre Teilung in zwei Halften die Bausteine fiir die Tochterkerne liefern. Ich gebrauche den indifferenten Namen „chromatisches Element", da die der Form entlehnten oder aus der Entstehungsweise entnommenen Bezeichnungen „Schleife", „Segment" etc. eine allgemeiue Anwendung nicht linden konnen. Die zwei im Keimblaschen zu unterscheidenden Chromatin- portionen gehen, v.ie sie sind, in die erste Richtungsspindel ein und verdienen deshalb schon jetzt die soeben definierte Benennung. Ihre Form und komplizierte feinere Struktur ist im Keimblaschen nicht so leicht zu erkennen, als spater in der ersten Richtungs- spindel. Denn sie liegen meist dicht neben- oder iibereinander, ohne RegelmaCigkeit und nach verschiedenen Richtiingen gekrummt. Doch lassen einzelne Eier schon jetzt eine Analyse zu, und die in den Fig-. 7 — 13 wiedergegebenen Praparate setzen uns in den Stand, ein vollkommen klares Bild dieser Verhaltnisse zu gewin- nen, Jedes chromatische Element besitzt annahernd die Form eines vierseitigen Prismas mit quadratischer Grundflache, dessen Hohe die Breite stets um mehr als das doppelte iibertrifit. In diesem Korper ist jedoch das Chromatin nicht gleichmaCig ver- Zellen-Studien. 437 teilt, sondern zu vier der Achse des Prismas parallelen Stabchen angeordnet, deren jedes eine der abgerundeten Kanten des Prismas bildet mid so weit in den Binnenraum desselben vor- springt, daC am Querschnitt zwischen den vier Stabchen ein feines Kreuz achromatischer Substanz iibrig bleibt. Die vier Unterab- teilungen eines jeden Elements lassen abermals eine feinere Zii- sammensetzung erkennen. Sie bestehen aus einer Anzahl,, in der Kegel sechs starker sich farbenden verdickten Abschnitten , Kor- nern oder Scheiben, die durch schmalere, schwacher chromatische Portionen voneinander getrennt sind. In der iiberwiegenden Mehr- zalil der Falle ist diese Struktur in der Weise ausgebildet, da6 an jedera Eude des Stabchens ein groCeres Korn seine Lage hat, der mittlere Teil von vier kleineren, mebr scheibenformigen ein- genommen wird. Alle vier in einem Element gelegenen Unter- abteilungen zeigen in dieser Anordnung stets eine vollkommene tJbereinstimmung ; jedes Korn des einen Stabchens hat sein Pen- dant in den drei anderen und steht mit diesen durch feine inten- siv farbbare Briicken in Zusammenhang. Auf dem uns vorliegen- den Stadium erkennt man solche Brucken nur zwischen benach- barten Kanten des Prismas; allein spater zeigt es sich, dafi auch diagonale Chromatinfadchen existieren. Von dieser ganz regularen Anordnung, wie ich sie eben ge- schildert habe, finden sich haufig unweseutliche Abweichungen. Bald ist das Element als Gauzes nicht gerade gestreckt, sondern leicht gebogen, bald sind die einzelnen Stabchen desselben paarweise nach verschiedenen Richtungen gekrummt (Fig, 13 a. b. Taf. XXV), so dafi bei gewisser Lagerung an einem oder an den beiden En- den eine Divergenz sichtbar wird, welche, sobald sie betrachtlicher wird, zu einer Unterbrechung der hier gelegenen Chromatinbriicken fuhrt. Diese beiden kompliziert zusammengesetzten Gebilde bezeich- net Carnoy als Keimflecke, „taches de Wagner". Eine solche Benennung ist dann gewiB gerechtfertigt, wenn man alle in einem Keimblaschen auftretenden distinkten Chromatinportionen mit die- sem Ausdruck belegen will. Allein es diirfte meiner Meinung nach richtiger sein, die Bezeichnung „Keimfleck" auf jene charak- teristischen, meist kugeligen Gebilde zu beschranken, wie sie, ein- fach oder in groCerer Zahl, von den meisten Kernen unreifer Eier bekannt sind, ]*^s wird dann mit diesem Nanien etwas von den in gewohnlichen Kernen vorhandenen Strukturen Verschiedenes bezeichnet, Gebilde, tiber deren Beziehungen zu den Gerusten oder 438 Theodor Boveri, den chromatischen Elementen anderer Kerne wir noch nicht auf- geklart sind. Acceptieren wir diese Beschrankung , so besitzen die uns vorliegenden Eier, wenigstens in dem besprochenen Sta- dium, iiberbaupt keinen Keimfleck; denn die beiden beschriebenen Cbromatinportionen sind, wie wir im Folgenden sehen werden, vollig homolog den bei alien karyokinetischen Teilungen auftreten- den chromatischen Elementen. AuCer dieser begrifflichen Differeuz zwischen Carnoy und mir ist jedoch noch ein viel bedeutenderer Unterschied zwischen seiner Auffassung und der raeinigen hervorzuheben. Carnoy be- trachtet jede der von mir als chromatische Elemente bezeichneten Portionen als eine Gruppe von vier Elementen, deren also das Keimblaschen nicht zwei, sondern acht enthielte. Er erklart jedes der- von mir als Unterabteilungen beschriebenen Stabchen als selbstandig und fur sich den bei anderen Teilungen zu beob- achtenden Elementen gleichwertig. Allein wenn ich hinzufiige, dafi die chromatischen Briicken zwischen den vier zusaramenge- horigen Stabchen Carnoy vollstandig entgangen sind, wie denn iiberhaupt seine Abbildungen in verschiedener Hinsicht einen mangelhaften Konservierungszustand verraten, so erklart sich diese Differenz zur Geniige. Zugleich aber rechtfertigen diese Verbin- dungen meine Auffassung, besonders, wenn ich hier vorgreifend erwahne, daB die vier auf solche Weise zusammenhangenden Stab- chen nichts anderes sind, als die einstweilen vorbereiteten Toch- ter- und Enkelelemente , welche durch die beiden nun folgenden Teilungen voneinander getrennt werden sollen. Carnoy konnte zur Stiitze seiner Auffassung die allmahliche Ausbildung des Keimblaschens , wie sie von ihm dargestellt wor- den ist, heranziehen. Ein kontinuierlicher Knauel soil sich hier- bei in acht Stabchen segmentieren, die sich in zwei Gruppen von je vieren, die „Keimflecke", sondern. Die Betrachtung eines jeden Stabchens als selbstandig ware demnach entwickelungsgeschichtlich begriindet. Allein der Beweis, daB die Entwickelung wirklich so verlauft, scheint mir nicht erbracht zu sein. Carnoy gibt zwar ein deutliches Bild von jenem Stadium, wo der friihere Knauel in getrennte Stabchen zerfallen ist; sonderbar ist an dieser Figur nur das eine , daC sie nicht acht Stabchen , wie Carnoy angibt, sondern ohne Zweifel deren neun enthalt. Die beiden vermitteln- den Stadien aber zwischen diesem und dem ausgebildeteu Keim- blaschen lassen von den isolierten Stabchen nichts mehr wahr- nehmen; man kann in den Figuren zwar zur Not eine Sonderung Zellen-Studien. 439 des Chromatins in zwei Gruppen erkennen, diese aber zeigen nur ein unklares Gewirre von Faden, keine Spur von den vorher und spater so deutlichen Stabchen. Es ist mir nun nach meinen eige- nen Beobachtungeu uberdies sehr zweifelhaft, ob jenes von Carnoy beschriebene Stadium der Segmentierung uberhaupt existiert. An meinen Praparaten habe ich es nicht auffinden konnen , obgleich die untersuchten Eirohren die entsprechenden Stadien der sich teilenden Keimzellen in tadelloser Konservierung enthalten. Ich hofie, an Stelle dieses uegativen Befuiides demnachst positive An- gaben tiber die Ausbildung der beiden chromatischen Elemente setzen zu konnen. Wie ich das Keimblaschen geschildert habe, so besteht es zur Zeit, wo das Spermatozoon ins Ei eindringt; bald darauf be- ginnt es sich in die erste Richtungsspindel umzubilden. Die Spindel geht ausschlieiSlich aus der achromatischen Substanz des Keimblaschens hervor, und diese wird allem Anschein nach voll- staudig in die Spindel aufgenomraen; eine Thatsache von doppel- tem Interesse: einerseits ein schlagendes Beispiel fiir die Bildung der Kernspindel aus „Kernsubstanz", andererseits ein Fall, wo nicht nur ein Teil des Keimblaschens, wie es die Kegel zu sein scheint, sondern dessen ganze Masse in die Bildung der karyo- kinetischen Figur einbezogen wird. Die Entstehung der Spindel laBt sich deswegen leichter als in anderen Fallen verfolgen, well die chromatischen Elemente einen viel geringeren Raum einnehmen, also weniger verdecken als in anderen Kernen. Die Umwandlung beginnt damit , daC das Keimblaschen seine regelmafiige Begrenzung aufgiebt, indem es zunachst an einzelnen Stellen (Fig. 8) sich zu Ecken oder Zacken erhebt, ein Prozefi, der mit einer Bewegung der gan- zen achromatischen Substanz verbunden sein muC, indem die- selbe alien Erhebungen der Membran folgt. Haufig habe ich auf diesen friihesten Stadien die Membran noch in ihrer fruheren Scharfe und Deutlichkeit konstatieren konnen, es schien mir an manchen Praparaten sogar, als wenn sie allein einen Fortsatz ge- bildet hatte. Allein bald an der t sich das Bild; die Konturen der Mem- bran werden verschwommen und diskontinuierlich, schlieClich sieht man an ihrer Stelle nur eine Schicht grober Korner, die sich in keiner Weise von der achromatischen Substanz des Keimblaschens unterscheiden (Fig. 9, Taf. XXV). Es ware demnach moglich, dafi die Membran vollig verschwunden ist; wahrscheinlicher aber ist 440 The odor Boveri, wohl die Annalime , dafi sie sich in die Korner oder , besser ge- sagt , in ein knotiges Netzwerk , das kontinuierlich in das innere Gertist iibergeht, aufgelost hat. Alhnahlich werden die Formveranderungen betrachtlicher. Es ist schwer zu sagen, ob dabei das urspriingliche Volumen des Keimblaschens vollstandig gewahrt bleibt, auch aus dem Grunde, weil die GroBe des noch kugeligen Keimblaschens von einera Ei zum andern nicht unerheblich wechselt. Von groBem Interesse ist die mit den Formveranderungen einhergehende Strukturveran- derung der achromatischeu Substauz. Wahrend im ruhenden Keimblascheu die einzelnen Korner oder Geriistknoten ganz gleich- mafiig verteilt waren , sich durchaus in keiner besonderen Weise gruppieren lieBen, zeigt sich in dem amoboid gewordenen Korper dfcutlich eine streifige Dilierenzierung, an sich betrachtet, sehr unregelmaBig und wechselnd, aber in bezug auf die Gestalt der ganzen Masse entschieden gesetzmaBig, ganz allgemein etwa so zu charakterisieren : wo sich die Oberflache des Keimblaschens zu einem Fortsatz erhebt, da erscheiut in diesem in der gleichen Richtung eine faserige Anordnung. Am besten laBt sich dies durch den Hinweis auf die beigegebenen Abbildungen (Fig. 10 a und h, Taf. XXV) erlautern. Von den Ecken und Zacken strahlen divergierende Fasern aus, ist ein Fortsatz stumpf, d. h. annahernd eben begrenzt, so ziehen von dieser Flache parallele Fasern ins Innere. Haufig laBt sich ein Faden von einer Spitze zur benach- barten verfolgen; nicht selten sieht man Stellen, an denen sich die verschieden gerichteten Fasern zu durchkreuzen scheinen. Ihrer Entstehung gemaB sind dieselben, wenigstens anfangs, nicht homogen, sondern kornig, ja es kommt haufig vor, daB man deut- lich den Eindruck von Streifung erhalt, ohne dafi es gelingt, di- stinkte Fasern zu verfolgen. Betrachtet man auf diesem Stadium das Keimblaschen, wenn es jetzt noch diesen Naraen verdient , von alien Seiten , so bietet jeder optische Schnitt ziemlich das gleiche Bild (Fig. 10 a, &), das annahernd an die Figuren von mehrpoligen Spindeln erinnert; keine Richtung scheint vor der andern den Vorzug zu haben. Erst nach einiger Zeit erscheint eine solche Ungleichwertigkeit, indem bei gewisser Lagerung (Fig. 11 &) die bekannte regelmafiige Form und Streifung der Kernspindel erscheint, womit jedoch die anders gerichtete Faserung keineswegs verschwindet. Sieht man auf eine solche eben entstandene und noch niedrige Spindel vom Pol (Fig. 11a), so erblickt man im optischen Aquatorialschnitt Zellen-Studien. 441 noch immer die zackige Begrenzung unci die an mehrpolige Spin- deln erinnernde Streifung. Wahrend dieser Umwandlungen gewinnen die chromatischen Elemente eine bestimmte gegenseitige Lagerung, die allerdings nicht selten schon im ruhendeu Keimblaschen vorhanden ist. Ihre Achsen stelleu sicli in eiue Ebene, nieist sogar einander parallel, und zwar so, daB von den vier Uuterabteilungen eines jeden Ele- ments zwei auf die eine, zwei auf die andere Seite dieser Ebene zu liegen kommen. Zeigt sich die erste Andeutuug der zwei de- finitiven Pole, so ist diese Lagerung stets erreicht; die Ebene, zu welcher die beiden Elemente die beschriebene regelmafiige Stellung einnehmen, wird zur Aquato- rialebene der Spiudel. Die Art der Spindelbildung , wie ich sie hier beschrieben babe, weicht nicht unerheblich ab von den Aagaben, die Carnot hieriiber gemacbt hat. Nach seinen Beobachtungen wird die Kernmenbran aufgelost, Kernsubstanz und Zellsubstanz mischen sich, bis schlieBlich die beiden Chromatiugruppen direkt von ge- wohnlichem Protoplasma urageben sind. Nun tritt im Umkreis derselben von neuem ein Hof helleren Plasmas auf, aus dera die Spindel hervorgeht, und der wahrscheinlich mit dem friiheren Kernplasma identisch ist. Die wesentlichste Abweichung liegt in der von Carnoy betonten und in Fig. 13 a deutlich abgebildeten volligen Vermischung von Kern- und Zellsubstanz, und wenn auch Carnoy aunimmt, dafi schlieBlich das Protoplasma des Zellleibes wieder zuriickgedrangt wird und die Spindel, wie nach meiner Darstellung, aus dem Reticulum des^ Keimblaschens hervorgeht, so ist dies bei ihm doch nur eine Hypothese. Man mufi bei der Variabilitat , die sich fur die Richtungs- korperbildung von Ascaris megalocephala herausgestellt hat, in der Beurteilung der Resultate anderer Beobachter sehr vorsichtig sein. Ich kann also nur sagen : vorausgesetzt , daC die Bildung der Spindel stets in ein und derselben Weise sich vollzieht, so geht der ProzeB so vor sich, wie ich ihn geschildert habe; denn ich habe eiuerseits geniigenden Grund, die Konservierung meiner Eier fiir eine bessere zu halten als die der CARNOY'schen, anderer- seits liegt mir der Vorgang in einer kontinuierlichen Reihe von Bildern vor, wahrend die Figuren Carnoy's deuselben nicht ohne Lucken und Sprunge zur Anschauung bringen. Speziell iiber die Konservierung mochte ich hier einige Be- nierkungen machen. Ich weiB aus vielen mifigluckten Versuchen, 442 Theodor Boveri, dafi von alien Stadien der Richtungskorperbildung, auch von denen, die nach volliger Ausbildung der Eihullen sich vollziehen, keines schwieriger zu erhalten ist als das der Spindelentstehung. Es gilt dies ja fur die Gewebezellen in gleicher Weise. Es scheint mir, daC dieser im Vergleich zu alien anderen Teilungsstadien vorziiglich „kinetische" Proze£ am leichtesten gestort werden kann, auch durch Einwirkung sonst guter Reagentien , wie ja gewisse Organismen in bestimmten Zustanden ihrer Korperform gar nicht Oder doch nur sehr schwer konserviert werden konnen. Auch mag, worauf ich erst in der letzten Zeit aufraerksam geworden bin, die Abkiihlung der Eier in Fallen , wo dieselben nicht direkt dem Wirt entnommen, abgetotet werden, auf die karyokinetischen Figuren schadigend einwirken. Fines habe ich stets gefunden : wo der Eileib Anzeichen einer nicht vollig gelungenen Konservierung verrat, da ist die Figur der Spindelentstehuug stets verdorben, wahrend das noch ruhende Keimblaschen auch an solchen Eiern nicht wesentlich anders erscheint als sonst. Carnoy's Abbildungen, die sich auf unser Stadium beziehen, lassen keinen Zweifel, daC seine Eier in ihrer Protoplasmastruktur schlecht erhalten sind. An lebenden und gut konservierten Eiern sieht man die Zellsubstanz von scharf begrenzten kugeligen Hohl- raumen verschiedenster GroCe durchsetzt (Fig. 7, Taf. XXV), welche Dotterkorper enthalten. Diese Struktur ist an den Eiern Carnoy's bedeutend modifiziert. Die Vakuolen sind nicht mehr kugelig, sondern ganz unregelmaCig, grofienteils zusammengeflossen und mit dem Protoplasma gemischt, das undeutlich und fetzig dagegen abgegrenzt ist. Die Zeichnungen machen auf mich den Eindruck, als seien die Eier zum Teil gequetscht, und diese Aunahme ge- winnt noch dadurch an Wahrscheinlichkeit, dafi Carnoy's Figuren, die bei Anwendung von Zeiss jg Oc. 1. gezeichnet sind, groCer sind als die meinigen bei Zeiss jg Oc. 2. Gerade das in Figur 13 von Carnoy dargestellte Praparat, welches die Kern- und Zellsubstanz vollig gemischt zeigt, gehort zu den am schlechtesten konservierten ; durfen wir dieses aber streichen und etwa von Fig. 11 zu 14 iibergehen, so ist im we- sentlichen eine tJbereinstimmung in unseren Resultaten erzielt. Wir haben die Kernfigur auf jenem Stadium vcrlassen, wo zwei opponierte Lappen des unregelmaCig gestalteten Korpers iiber die anderen das tJbergewicht gewonnen haben. Liegen diese beiden bevorzugten Pole in einer zur optischen Achse senkrechten Ebeue Zellen-Studien. 443 (Fig. 11 &, 12&), so erhiilt man das Bild der Kernspindel. Diese Figur ist zunachst noch niedrig, die einzelnen Fasern sind kornig und verschworamen, Wahrend die Spindel nun an die Oberflache rtickt, ein ProzeC, fiir den ich nichts entdeckt habe, was sich als ein aktives Moment betrachten lieCe, streckt sie sich in der Richtuug ihrer Achse sehr bedeutend, die Fasern werden feiner, scharf und homogen (Fig. 14 und 16). Ein Blick auf die Figuren 14 und 16 lehrt, dafi der Ausdruck „Spindel" fiir unsere Figur sehr wenig entsprechend ist, vor allem deswegen, weil die Enden nicht zugespitzt, sondern gerade abge- stumpft sind ; die Figur endigt beiderseits nicht in Punkten, den „Polkorperchen", sondern in breiten Platten. Diese machen aber nicht den Eindruck von etwas Selbstiindigem , sondern von inte- grierenden Bestandteilen des faserigen Korpers. Jede Platte scheint aus einer einfachen Schicht von Kornern zu bestehen, welche kon- tinuierlich in die Spindelfasern sich fortsetzen. Sie laCt sich dem- nach mit gewissen Membranen vergleichen , die in gleicher Weise als verdickte und modifizierte Endknoten eines Reticulums er- scheinen , wie wir ja auch fiir die Membran des Keimblaschens unserer Eier eine solche Struktur als wahrscheinlich erkannt haben. Fine spezifische „ Polsubstanz " liegt in unserem Fall gewifi nicht vor. Unterzieht man die zwischen den beiden Polplatten sich er- streckende Faserung einer sehr sorgfaltigen Priifung, so macht es den Eindruck, als zogen die einzelnen „Spindelfasern''' nicht als isolierte Fadchen von einem Pol zum andem, sondern als waren dieselben nur zu fast volligem Parallelismus gestreckte Abschnitte eines Geriistes. Wenn man ein Gumminetz mit engen Maschen- raumen mit zwei entgegengesetzten Seiten an Stabchen befestigen und diese dann voneinander entfernen wiirde, so miifite in der Ebene ein Bild entstehen, wie ich korperlich die Struktur der Spindel autfasse. DaC das Ganze ein zusammenhiingendes Ge- riistwerk ist , dafiir sprechen besonders die Ansichten vom Pol, welche die optischen Schnitte der Spindelfasern zugleich als Componenten eines transversalen , freilich viel undeutlicheren, Streifensystems erkennen lassen (Fig. 15 a, h, c). Die Gesamtform der Figur laCt sich am besten als ein Kom- positum aus zwei mit ihren Grundflachen aneinandergefiigten symmetrischen Kegelstiimpfen beschreiben (Fig. 16). Die beiden durch die Aquatorialebene unterscheidbaren Spindelhalften stoCen Bd. XXI. N. F. XIV, 29 444 Theodor Boveri, demnach hier mit einer mehr oder weniger scharfen Kante anein- ander (Fig. 14 und 16). Der Querschnitt ist iiicht rund, sondern annahernd oval, sogar biskuitformig (Fig. 15), die ganze Figur gegen das umgebende Protoplasma sehr scharf abgegrenzt. Ver- gleicht man den Querschnitt der fertigen Spindel mit dem der eben erst angel egten (Fig. 11 a), so erkennt man, daC die an- fanglich unregelmaBig sternformige Begrenzung desselben sich all- mahlich (Fig. 12 a) abrundet, so daB schlieClich nur noch die oben erwahnte transversale Faserung an diesen friiheren Zustand erinnert. Von Protoplasmastrahlung habe ich wahrend der ganzen Richtungskorperbildung keine Spur wahrgenommen. Die Spindel liegt wie ein Fremdkorper im Ei, ohne irgend welche sichtbare Einwirkung auf die Zellsubstanz ; aucli grenzen die Polplatten nicht selten an Dottervakuolen , was eine Strahlung von vorn- herein ausschliefit. Diesem negativen Befund stehen die sehr positiven Angaben Caenot's gegeniiber, der Protoplasmastrahlungen von einer Mach- tigkeit und Mannigfaltigkeit abbildet, wie sie bei normalen Zell- teilungen noch niemals gesehen worden sind. Dagegen kennen wir durch die neuesten Untersuchungen der Briider Hertwig ^) zum Teil sehr ahnliche Erscheinungen von Eiern, die unter ab- norme Bedingungen gebracht worden waren. Es rauC diese tJber- einstimmung von vornherein den Verdacht erwecken, daC auch an den Eiern Caenot's pathologische Prozesse sich abgespielt haben, ehe dieselben abgetotet worden sind, eine Vermutung, die bereits von den genannten Forschern geauCert worden ist. Carnoy un- terscheidet drei Arten von Protoplasmastrahlung: 1) asters terminaux, die bekannten, von den Polen aus- gehenden Radiensysteme, 2) asters lateraux, die an den chromatischen Elementen ihren Ursprung nehmen, 3) asters accessoires, deren Centra ohne direkte Beziehung zur Spindel im Protoplasma liegen. Alle drei Arten konnen zusammen vorkommen, so dafi der ganze Eikorper von Strahlensystemen durchsetzt ist. Am kon- stantesten sind die „asters terminaux", aber auch diese zeigen in dem Grade und in der Art ihrer Ausbildung die grofiten Schwankungen. 1) 1. c. Zellen-Studien. 44o Da die meisteu der CARNOY'schen Eier auch in der Kern- spindel selbst deutliche pathologische Veranderungen zeigen, die, wie ich unten erortern werde, zu einer Teilung nicht fiihren kon- nen, so kann es fiir die „asters lat^raux" und „accessoires", die nocli niemals bei einer normalen Zellteilung beobachtet worden sind, wohl keinem Zweifel unterliegen, daB sie gleichfalls als krank- haft aufzufassen sind. Es bliebe also noch die allgemein verbreitete Polstrahlung iibrig, und somit immerhin eine betrachtliche Differenz zwischen den CARNOY'scben Figuren und den meinigen. Icb muC mich zu- nachst gegen die Vermutung verwahren, daB die Protoplasma- strahlung an meinen Eiern nicht erbalten gewesen oder daB sie mir entgangen ware. Es laBt sich dies durch den Hinweis auf die vorziigliche Konservierung der Spindel und durch den Urn- stand, daB ich die Polradien auf spateren Stadien, namlich an den ersten Furchungsspindeln , mit der groBten Deutlichkeit wahrge- nommen babe, nahezu als ausgeschlossen betrachten. Aufierdem aber macht, wie schon oben erwahnt, die Konfiguration des Pro- toplasmas das Auftreten der Polstrahlung in vielen Fallen un- moglich, dann namlich, wenn die Polplatten der Spindel ganz oder zum Teil an groBere Vakuolen angrenzen. Es zeigt sich in dieser Hinsicht durchaus kein Unterschied zwischen der polaren und seitlichen Begrenzung der Figur, nicht die geringste specifische Beziehung der Pole zur Zellsubstanz. Ich mufi demnach fiir meine Eier die Existenz der Polstrahlung, ja fiir viele Falle auch schon die Moglichkeit des Vorkommens derselben in Abrede stellen. Wie oben fiir die Entstehung der Spindel, so lasse ich auch hier die Moglichkeit offen, daB bei verschiedenen Individuen der Vorgang unter abweichenden Erscheinungen sich vollzieht, das eine Mai mit, ein anderes Mai ohne Strahlung. Aber auch die Moglichkeit einer Ubereinstimmung scheint mir nicht ausgeschlossen zu sein. Fasse ich die einzelnen in Vorstehendem betrachteten Punkte noch einmal zusammen: Das vollige Fehlen jeglicher Pro- toplasmastrahlung in alien meinen Praparaten, an deren guter Konservierung zu zweifeln kein Grund vorliegt, das Fehlen der- selben an einigen der CARNOY'schen Abbildungen und die auBer- ordentliche Variabilitiit ihrer Machtigkeit und Anordnung an an- deren, endlich die Thatsache, daB in den Eiern Carnoy's vielfach anderweitige Strahlungen vorliegen, von denen es nicht zweifelhaft sein kaun, daB sie pathologisch sind, so scheint mir der SchluB 29* 446 Theodor Boveri, eine gewisse Berechtigung zu haben : wenn durch die Ein- wirkung unserer Reagentien im ganzen Bereicli des Ei- korpers, speciell an der Kernfigur (von den Chromatingruppen ausgeliend), iiberhaupt Protoplasmastralilungen hervorgerufen wer- den konnen , so konnen solche a b u o r m e Strahlensysteme auch an den Spindelpolen entstehen, wo sie dann als Homologa der sonst bekannten Polsonnen erscheinen; kurz, ich halte es fiir moglich, dafi auch die „asters terminaux" Carnoy's pathologische Bilduugen sind. Es mag bei dem Standpunkt, den wir den Zellstrukturen gegeniiber heutzutage einnehmen , vielleicht von geringer Wich- tigkeit scheinen, ob an einer Kernspindel Polradien vorkommen oder nicbt; allein es ware doch moglich, daC diese Diflferenz, mit anderen zusammengehalten, uns iiber die bei der Zellteilung wir- kenden Krafte einigen AufschluB gewahren konnte. Aus diesem Grunde habe ich diesen Verhiiltnissen eine etwas ausfiihrliche Besprechung gewidmet. Die Lagerung der chromatischen Elemente, wie wir sie bei dem ersten Auftreten der zweipoligen Figur kennen gelernt haben (Fig. 11 und 12), ist in der ausgebildeten Spindel noch genau die namliche (Fig. 14, 15, 16), dagegen hat ihre Form, wie eine Vergleichung der Fig. 15 mit Fig. 12 lehrt, eine Anderung er- fahren. Die beiden Elemente sind betrachthch kiirzer geworden, die vier Unterabteilungen dementsprechend dicker und dichter aneinander geschmiegt; die friiher so scharf hervortretende Zu- sammensetzung der Stabchen aus chromatinreicheren und -ar- meren Abschnitten ist fast vollig verschwunden. Da um diese Zeit die auBere Perivitellinhiille (Fig. 16) bereits eine betracht- liche Dicke erreicht hat, und demnach das Reagens vielleicht nicht in der gleichen Weise wirken kann wie auf die noch nackten Eier, so ist es nicht ausgeschlossen , dafi diese Formdifferenzen kunstliche sind. In den meisten Fallen stehen die beiden Ele- mente mit ihren Achsen einander parallel, so daC man bei gewisser Profilansicht beide von den Enden erblickt und so den Eindruck von je 4 zu einem Quadrat zusammengeordneten chromatischen Kornern erhalt, zwei auf der einen, zwei auf der anderen Seite der Aquatorialebene (Fig. 14, 16). Die Polansicht zeigt dann vier parallele Chromatinstabchen (Fig. 15 a, 6), je zwei dicht an- einander geschmiegt und durch die beschriebeuen Chromatin- briicken miteinander in Verbindung. Die Achsen der Stabchen konnen jedoch auch einen beUebigen Winkel miteinander bilden, Zellen-Studien. 447 (Fig. 15 c), so daB man unter Umstanden bei seitlicher Ansicht das eine im Querschnitt, das andere im Profil zu sehen bekommt. Die beiden Elemente liegeii in einem gewissen Abstand von- einander, der bei paralleler Stellung der Achsen den Durchmesser eines Elementes stets um etwas iibertriflft. Im ubrigen fand icb sie stets so gelagert, dafi sie nacb aufien von einer nicbt unbe- trachtlichen Schicht achromatischer Substanz umhullt siud, also mit keinem Punkt die Oberflache der Spindel beriihren (Fig. 15). Eiuige Worte verdient noch die Aquatorialebene der achromatischen Figur. Ich habe schon oben erwahnt, dafi hier die Spindel sich zu einer mehr oder weniger scharf hervorspringenden Kaute er- hebt. Von dieser Stelle, die am optischen Langsschnitt als ein stumpferer oder spitzerer Winkel erscheint, sieht man meist sehr deutlich eine achromatische Liiiie in aquatorialer Richtung nach innen verlaufen , wo sie an das zuniichst gelegene Element sich ansetzt. Dieses Verhalten ist in den Figuren 14 und 16 zu er- kennen. Die geschilderte regelmafiige Anordnung und Lagerung der chromatischen Elemente, von welcher ich an keinem einzigen gut konservierten Ei auch nur die geringste Abweichung gesehen habe, und die fiir das Verstandnis der Teilung von der grofiten Bedeu- tung ist, ist Carnoy ganzlich unbekannt geblieben. Die beiden Chromatingruppen sind zwar auch an seinen Abbildungen ungefahr im Aquator der Spindel gelagert; allein die vier Stabchen, aus denen jede Gruppe besteht, sollen die verschiedensten Lagebe- ziehungen zu einander einnehmen. In manchen Fallen liegen sie einander parallel und zeigen dann, wenigstens an einigen der CARNOT'schen Abbildungen, ganz die von mir beschriebene An- ordnung; meistens aber sind sie ganz regellos durcheinander ge- worfen, und nun raacht jede Gruppe den Eindruck eines unregel- maBig gelappten Korpers, der erst bei genauerer Betrachtung seine Zusammensetzung aus vier Stabchen erkennen lafit. Was nun diese Diflferenz zwischen Carnoy's Befuuden und den meinigen betrifft, so halts ich es fiir vollig sicher, dafi seine unregelmafiigen Bilder aus der schlechten Konservierung seiner Eier zu erklaren sind. Der gewichtigste Grund fiir diese An- nahme ist wohl der, dafi die von mir konstatierte Struktur in der engsten Beziehung zur Teilung steht, dafi man die Endstadien, wie sie auch Carnoy abbildet, aus jener unregelmafiigen Anord- nung gar nicht erklaren kann. Eine Variabilitat in dieser Hin- sicht scheint mir demnach ausgeschlossen zu sein. Wir haben 448 Theodor Boveri, weiterhiu schon gesehen, dafi sowohl das Protoplasma, als auch die Kernspindel an deD Praparaten Carnoy's die deutlichsten Anzeichen einer raangelhaften Konservierung aufweisen, wir sind daher auch berechtigt, eine solche Annahme fiir die chromatische Substanz zu machen, die ja, wie allenthalben konstatiert worden ist, in hohem Grade zu Veranderung neigt. Carnoy selbst be- richtet an einigen Stelleu seiner Abhandlung, dafi die von ihm benutzten Praparationsmethoden die cbromatischen Elemente nicht selten alterieren , d. h. noch unregelmaCigere Bilder liefern als diejenigen, welche er abgebildet hat und fiir normal halt. Unter seinen Zeichnungen finden sich jedoch einige, welche annahernd Oder vollkommen mit nieinen Praparaten iibereinstiraraen, wo also die vier Stabchen zu einem vierseitigen Prisma aneinandergefiigt und so in der Spindel gelegen sind , da6 zwei Stabchen auf der einen, die anderen zwei auf der anderen Seite der Aquatorialebene ihren Platz finden. Es sind dies die Figuren 9, 25, 36, besonders aber 20, 31 und 32. Speziell die Figur 31 zeigt genau dasselbe Bild, welches ich regelmafiig erhalteu habe. Auch die Figur 19 a scheint mir hierher zu gehoren, obwohl sie von Carnoy in anderer Weise gedeutet wird. Hier sollen die vier gekriimmten Stabchen jeder Gruppe einander parallel und in einer Flache dicht an- einander liegen. Ich glaube dagegen, daB es sich hier um zwei ganz regulare prismatische Elemente handelt, welche im Profil zu sehen sind, so dafi von jedem nur zwei Stabchen sichtbar werden. Dann ist das, was Caenoy als die Kopfe von vier Stabchen be- trachtet, uichts anderes als die verdickten Korner eines einzigen Stabchens, welche mit den entsprechenden des anderen durch die oben von mir beschriebenen cbromatischen Briicken in Verbindung stehen. So ware gerade diese scheinbar sehr abweichende Figur, die in ihrer RegelmaCigkeit den Gedauken an eine durch Reagen- tienwirkuug verursachte Verschiebung kaum aufkommen lafit, am besten rait den meiuigen in tJbereinstimmung. Die Spindel kann an der Oberflache des Eies jede beliebige Lage einnehmen. In den allermeisten Fallen steht sie rait ihrer Langsachse in einera Eiradius (Fig. 2 und 3), viel seltener schrag (Fig. 16) Oder der Oberflache parallel. Man konnte nach Analogic anderer Eier vermuten , dafi diese wechselnde Lagerung nur ver- schiedene Entwicklungsstadieu reprasentiere, dafi schlieBlich auch hier stets die gleiche Stellung, naralich die radiale, erreicht werde. Dies ist, wie die folgenden Stadien lehren werden, nicht der Fall. Allein wenn auch, infolge dieser verschiedenen Stellung der Spindel, Zellen-Studien. 449 die Ablosuug des ersten Richtungskorpers variiert, ja sogar ganz unterdriickt werden kann, so vollzieht sich doch die Kern teiluug stets genau in der gleichen Weise als typische Karyokinese. Wir gelangen damit zu dem entscheidenden Punkt des ganzen Vorgangs, zu dem Modus der Teilung. Ich halte es fur zweck- mafiig, zuerst meine Beobachtungen Uber die Bildung des ersten und zweiten Richtungskorpers im Zusammenhang vorzutragen und dann von diesem Standpunkt aus die Darstellungen Schneider's, Nussbaum's und Carnoy's einer Besprechung zu unterziehen. Hat die Spindel ihre definitive Lage, in der die Teilung vor sich gehen wird, erreicht, so erleidet sie eine sehr auffallende Riickbildung, die erstens in einer Verklei ner u ng aller ihrer Dimensionen und zweitens in einem volligen Ver schwinden der Faserung besteht (Fi- gur 17). Die Langsachse der achromatischen Figur wird auf etwa die Halfte ihres Betrages vermindert. Steht die Spindel radial (Fig. 17), so behalt die auCere Polplatte ihre Lage an der Oberflache des Eies bei, die innere wird ihr genahert. Die Pol- platten selbst bewahren, soweit sich dies bei der Variabilitat der einzelnen Figuren ermessen lafit, ihren fruheren Durchmesser. Stets verschwindet die scharfe Kante, mit welcher die beiden Spindelhalften im Aquator zusammenstoCen, die seitliche Spindel- begrenzung ruudet sich ab zu einer von der einen Polplatte zur andern ziehenden konvexen Kontur, welche der ganzen Masse ungefahr die Form einer Tonne verleiht. Mit dieser Anderung ist eine Verkurzung des aquatorialen Durchmessers verknupft, welche in der Regel zu einer dichteren«Aneinanderlagerung der beiden chromatischen Elemente fiihrt. Hand in Hand mit der Ver- kleinerung der Spindel geht das Verschwindeu der faserigen Dif- ferenzierung , von der schliefilich keine Spur mehr zu entdecken ist; die Kernsubstanz sieht entweder gleichmafiig granuliert oder ganz homogen aus, Unterschiede, die vielleicht in einer verschie- denen Wirkungsweise des Reagens ihren Grund haben. Stets aber ist die Kernsubstanz aufs deutlichste von der Zellsubstanz zu unterscheiden und scharf ge- gen diese abgegrenzt. Der ganze Prozefi dieser Ruck- bildung muC sich sehr rasch vollziehen, da auf Hunderte von fertigen Spindeln nur einige wenige in dem beschriebenen Stadium angetroffen werden. Sobald er vollendet ist, scheint auch sofort die Spaltung der chromatischen Elemente zu beginnen; wenigstens habe ich nicht eine einzige homogen gewordene Kernfigur gesehen, 450 Theodor Boveri, an der nicht die ersten Spuren einer Trennung der Tochter- elemente vorhanden gewesen waren. Die Teilung der chromatischeii Elemente ist eine Langs- spaltuDg, die durch die beschriebene Struktur derselben be- reits vorgebildet, und deren Richtung durch die Lagerung der Elemente gekennzeichnet ist. Sie erfolgt so, daB die auf der aufieren Seite der Aquatorialebene gelegene Halfte eines jeden Elements nach dem aufieren, die andere nach dem inneren Pol sich bewegt (Fig. 17 bis 20). Ich habe diesen Prozefi an einer Reihe gleicher und aufein- anderfolgender Stadien mit solcher Sicherheit konstatieren konnen, dafi jeder Zweifel ausgeschlossen ist. Jede Tochterplatte besteht, wie sich aus dem Teilungsmodus ergiebt, aus zwei Doppelstabchen, die in einer Ebene liegen und auch wahrend ihrer Wanderung zu den Polen in einer Ebene verbleiben. Die Bilder, die man erhalt, sind demnach, wie die der Aquatorialplatte, sehr regelmafiige. Lagen, wie es ja meistens der Fall ist, die Achsen der beiden Elemente einander parallel, so erhalt man bei gewisser seitlicher Ansicht zwei mehr oder weniger weit voneiuander entfernte parallele Reihen von je vier Kugeln (Fig. 18, 19, 20), je zwei einer Reihe dicht nebeneinander und durch ein feines Chromatinfadchen miteinander verbunden. Die Ansicht vom Pol ist von der der Aquatorialplatte nicht zu un- terscheiden, nur durch die Einstellung lafit sich, wenn die Teilung bereits vorgeschritten ist, erkennen, dafi zwei parallele Platten uutereinander liegen. Der Quer^chnitt der Spindel wird, wie wir gesehen haben, vom Aquator gegen die Pole zu successive kleiner. Diesem verminderten Raum mussen sich die Tochterelemeute jeder Seite anbequemen und riicken infolgedessen immer naher anein- ander (Fig. 19, 20, 21), so dafi auf vorgeschritteneren Stadien bei der seitlichen Betrachtung die vier Kugeln jeder Reihe dicht aneinander Hegen, und deshalb die paarweise Zusammengehorig- keit derselben oft kaum mehr hervortritt. Wahrend sich die beiden aus einem Element hervorgegangenen Tochterelemente vooeinander entfernen, sieht man zwischeu beiden noch lange feine chromatische Fadchen ausgespannt (Fig. 18, 19, 25, 27 Taf. I, Fig. 47 Taf. XXVI). Es sind dies die oben besprochenen Chromatinbriicken, welche beim Auseinanderweichen der Tochter- platten nicht sofort unterbrochen, sondern gedehnt werden, bis sie eiidlich durchreifien, und die jedem Tochterelement anhangende Zellen-Studien. 451 Portion in dieses eingezogen wird. Wahrend wir solche Briicken auf fruheren Stadien nur zwischen den Stabchen benachbarter Kanten des Prismas konstatieren konnten, lassen sie sich jetzt in gekreuztem Verlauf auch zwischen opponierten Kanten nachweisen (Fig. 18 Taf. XXV, Fig. 47 Taf. XXVI). Die sichtbaren Veranderungen der achromatischen Figur wahrend des Teilungsprozesses bestehen wesentlich darin, daC der Raum zwischen den beiden Tochterplatten heller wird und daB in deraselben nun eine neue faserige Anordnung auftritt, welche von einer Tochterplatte zur andern zieht. So entstehen die achro- matischen „Verbindungsfasern", die, je langer sie infolge der all- mahlichen Eutfernung der Tochterplatten voneinander werden, um so deuthcher hervortreten (Fig. 19, 20, 25 etc.), wenigstens im Bereich der chromatischen Elemente selbst, wahrend nach aufien meist nur eine verschwommene kornige Streifung zu sehen ist. Die auCere Tochterplatte scheint stets bis dicht an die auBere Polplatte heranzuriicken (Fig. 20, 28); man ist haufig nur noch imstande, eine feine achromatische Kontur nach auCen von der- selben zu entdecken. Dagegen habe ich zwischen innerer Pol- und Tochterplatte in der Kegel noch einen relativ betrachtlichen Ab- stand konstatieren konnen (Fig. 20, 21). Um den Modus der Abtrennung des ersten Richtungskorpers, der etwas variabel ist, erlautern zu konnen, muB ich vorher mit einigen Worten der Umwandlungen gedenken , welche die Zell- substanz bis zu diesem Stadium durchgemacht hat. Die auBere Perivitellinschicht hat um diese Zeit ihre definitive Dicke erreicht; die Membran der Eizelle liegt derselben , wenu nicht eine Schrumpfung erfolgt ist , dicht an , ist aber stets deutlich davou zu unterscheideu. Das anfanglich ziemlich gleichmaBig verteilte Protoplasma hat sich gegen das Zentrum des Eies, welches jetzt vom Spermatozoon eingenommen wird, zusammengezogen, die homo- gene Substanz der Protoplasmavakuolen ist an die Peripherie ge- ruckt und bildet hier unter der Eimembran eine ziemlich machtige Schicht (Fig. 3, 16), nur noch von sparlichen Protoplasmastrangen durchsetzt, welche die Membran mit dem zentralen Protoplasma verbinden. Die Kernfigur, die in den meisten Fallen mit ihrer Achse genau oder annahernd in einen Eiradius fallt und mit ihrer aufieren Polplatte die Eimembran beruhrt, ist, wenigstens in ihrer auBeren Halfte, von dieser homogenen Substanz umgeben. In den meisten Fallen nun, die mir zur Beobachtung gekommen sind, findet in dem Stadium der Wanderung der Tochterplatten gegeu 452 Theodor Boveri, ihre Pole ein ZufluB von Protoplasma gegen die Kernfigur statt (Fig. 20, 21), diese erfahrt im Bereich der Verbindungsfasern eine leichte zirkulare Einschniirung , und nun erscheint zwischen den beiden Tochterplatten, meist der aufieren etwas genahert, eine nach innen konvexe kornige Scheidewand, eine „Zellplatte", welche die auCere Tochterplatte mit einem Teil der Kern- und Zellsubstanz als ersten Ricbtungskorper abtrennt (Fig. 21, 22). Schon nach kurzer Zeit scheint dieser nur noch aus den chromatischen Elementen zu bestehen, da die abgelosteu Teile des Protoplasnias und der achromatischen Kernsubstanz alsbald homogen werden und sich so der Wahrnehmung fast voUig entziehen (Fig. 23, 24). Steht die Spiudel schief zur Oberflache (Fig. 16, 25, 26), so erfolgt der Prozefi wesentlich in der gleichen Weise; nur muB in diesem Fall die Zellplatte tiefer in das Eiinnere vorspringen, der Ricbtungskorper wird gewissermaCen aus dem Ei herausgeschiilt. Bei rein querer Lagerung der Spindel, bei der die Tochterplatten in ganz normaler Weise gebildet werden, kommt er in der Regel nicht zur AusstoCung des ersten Richtungskorpers, eine Erscheinung, auf die ich unten eingehend zuruckkommen werde. Nur ein ein- ziges Ei mit quer gestellter Spindel ist mir zur Beobacbtung ge- kommen, an dem eine Abtreunung wenigstens moglich erscheint. Dieses Ei ist in Figur 27 a, h dargestellt. Dasselbe hat eine Kontraktion in der Weise erfahren, dafi an einer beschrankten Stelle eine tiefe Bucht entstanden ist, welche es ermoglicht, daC die eine Polplatte der Spindel direkt an die Eioberflache angrenzt. Freilich ist es nicht ausgeschlossen , dafi hier eine kiinstliche Schrunipfung vorliegt. Neben dem beschriebenen Teilungsmodus, bei welchem der erste Ricbtungskorper sehr klein ausfallt (Fig. 21, 22), findet sich seltener ein zweiter, der in den Figuren 28 bis 31 wiedergegeben ist. Hier findet zunachst keine Beteiligung der Zellsubstanz statt; die in der peripheren homogenen Substanz suspendierte Kernfigur erfahrt eine vollkommene Durchschniirung zwischen den beiden Tochterplatten (Fig. 28, 29, 30), die auBere Halfte legt sich platt an die Membran des Eies an, die innere wird in das dichte Proto- plasma zuruckgezogen. Die Kernteilung ist also vollig voUendet, die beiden Tochterkerne sind bereits ziemlich weit voneinander entfernt, ehe eine Zellteilung eiutritt. Diese nun vollzieht sich dadurch, daC sich die peripheren Protoplasmastrange vollig ruck- bilden und eine neue Zellmembran uni den kontrahierten Proto- plasmakorper erscheint (Fig. 31), welche somit die periphere Zellen-Studien. 453 homogene Substanz als „innere Perivitellinschicht" gewissermaJBen als einen Bestandteil des ersten Richtungskorpers mit abtrennt. In diesen Fallen erhalt der erste Richtungskorper niclit nur einen sehr groBen Abschnitt der alten Eimembran, sondern auch nicht selten eine nicht unbetrachtliche Menge von Zellsubstanz (Fig. 31). Allein auch ein solcher besser ausgestatteter Richtungskorper ist nicht lebensfahig, schon nach kurzer Zeit ist derselbe vollkommen homogen geworden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden etwas verschiedenen Arten der Zellteilung besteht nicht; wir werden sehen, daC es sich auf spateren Stadien durchaus nicht raehr er- kennen lilBt, wie der ProzeB vor sich gegangen ist. Da die im Ei verbleibende Tochterplatte nach innen zu noch von einer betrachtlichen Menge von achromatischer Kernsubstanz uberlagert ist, wahreud die iiuBere direkt an ihre Polplatte heran- riickt, da ferner die Zellplatte, welche die Ablosung des ersten Richtungskorpers einleitet, in der Regel die Verbinduugsfasern nach auBen von ihrer Mitte durchschneidet (Fig. 22), so bleibt die Hauptmasse der achromatischen Kernsubstanz im Ei. Nach auBen von den chromatischeu Elementen bewahrt sie noch eine Zeit lang ihre Streifung (Fig. 22, 23, 30) und die von der Durchschniirung herriihrende Kegelform, so daB man auf deu Gedanken kommen. konnte , diese Struktur bilde zugleich die Anfange der zweiteu Richtungsspindel. Dies ist jedoch nicht der Fall. Wahrend die Kernsubstanz sich allmahlich tiefer in das Protoplasma zurtick- zieht, verliert sich die Streifung im auBeren Abschnitt, die beiden chromatischen Elemente sind, annahernd in der gegenseitigen Lagerung, wie sie aus der Teilung hervorgegangen sind, ringsum von eineni gleichmaCig granulierten Hof umgeben, der an die achromatische Substanz des Keimblaschens erinnert, und, zwar un- regelmaBig, aber doch ziemlich scharf gegen die umgebende Zell- substanz abgegrenzt ist (Fig. 24, 31, 32). NusSBAUM giebt in seiner ersten Abhandlung an, daB sich nach der Bildung des ersten Richtungskorpers der Kern rekonstruiere, und bildet dieses Verhalten in Fig. 31, Taf. X ab. Es fragt sich, was man unter Kernrekonstruktiou verstehen will. Soil damit aus- gedriickt werden, daB die im Ei verbleibende Halfte der ersten Spindel nicht unmittelbar in die zweite Spindel iibergehe, sondern die faserige Ditferenzierung vorher giinzlich riickgebildet werde, so muB ich Nussbaum zustimmen. Allein man versteht doch sonst unter Kernrekonstruktiou etwas anderes, niimlich die Verteilung 454 Theodor Boveri, der chromatischen Elemente im Kernraum zur Bildung eines Ge- riistes. Dieser Vorgang aber fehlt bei Ascaris megalocephala sicher, die chromatischen Elemente erleiden nicht die geringste Umvvaudlung in dieser Richtung; wie sie aus der ersten Spindel hervorgehen, so treten sie in die zweite ein. Dies laCt sich auch aus der Zeichnung Nussbaum's ersehen. Auffallend an dieser Figur ist mir nur die kugelige Form der achromatischen Substanz, die an meinen Praparateu niemals zu sehen war. Allein wenn die Zeichnung Nussbaum's auch dem lebenden Zustand entspricht, so andert dies nichts an der Behauptung, dafi eine Kernrekonstruktion in dem oben bezeichneten Sinn nicht stattfindet. Die zweite Spindel habe ich stets in der gleichen Weise sich ausbilden sehen , namlich so , dafi zuerst der nach der Peri- pherie gekehrte Abschnitt der achromatischen Substanz sich'zu einem abgestumpften Kegel erhebt und deutlich faserig wird, wahrend der nach innen von den chromatischen Elementen gelegene Teil sich noch gar nicht verandert (Fig. 33). Erst spater erleidet er die gleiche Umwandlung, wobei er jedoch in seiner Ausbildung dem auCeren noch langere Zeit nachsteht (Fig. 34 — 36). Die chromatischen Elemente zeigen wahrend der Entstehung der zweiten Spindel noch immer die gleiche gegenseitige Lagerung, die sie als Tochterplatten der ersten Spindel eingenommen haben, d. h. sie liegen noch immer annahernd in einer Ebene. Diese Ebene wird zur Aquatorialebene der zweiten Richtungsspindel, oder mit anderen Worten, die neuen Pole richten sich nach der Lage der chroma- tischen Elemente. Dieses Verhalteu ist bemerkenswert, da wir sonst umgekehrt die Spindelpole als das Primare finden, die chro- matischen Elemente aber erst sekundar in eine bestimmte Stellung zu diesen Punkten treten. Die zweite Spindel stimmt, wenn sie vollig ausgebildet ist, in Form und GroBe mit der ersten liberein. Da bei der AusstoBung des ersten Richtungskorpers die achromatische Kernsubstanz eine Verminderung erfahren hat, so muB man wohl annehmen, daB dieser Verlust durch Bestandteile der Zellsubstanz ersetzt worden ist. An alien meinen Praparaten fallt die Achse der zweiten Spindel mit einem Eiradius zusammen. In der Regel ruckt dieselbe von der Steile, wo der erste Richtungskorper abgetrennt worden ist, mehr oder weniger weit ab, ob durch Wanderung im Protoplasma oder durch eine Drehung des ganzen Eies, konnte ich nicht ermitteln. Schon zur Zeit, wo die innere Halfte der Spindel noch nicht Zellen-Studien. 455 vollkommen der auBeren gleicht, maclit sich eine Auderung in der Lage der chromatischen Elemente beraerkbar. Wahrend die durch die beiden Stabchen eines jeden Elements bestimmte Ebene an- fanglich auf der Spindelachse seukrecht steht (Fig. 33, 34), dreht sich das Element nun so lange um seine Langsachse, bis diese Ebene zur Spindelachse parallel gerichtet ist, also um 90", wodurch jedes der beiden Stabchen einem andern Pol zugekehrt wird. Diesen Vorgang kann man in alien Stadien verfolgen (Fig, 35—39). Die Drehuug erfolgt bei beiden Elementen bald ira gleichen, bald im entgegengesetzten Sinn, hiiufig ist das eine dem anderen voraus, und nicht selten findet man das eine noch in seiner ursprunglichen Lage, wenn das andere seine Bewegung bereits vollendet hat. Das schlieCliche Resultat ist jedoch immer das gleiche: die Kerueleraente liegen so, daB , wenn man sich die Spindel in der Aquatorialebene durchschnitten denkt, von jedem Element das eine Stabchen in der einen , das andere in der anderen Halfte seinen Platz hat. Meistens sind die beiden Elemente mit ihrer Langs- achse einander parallel gerichtet (Fig. 39), doch konnen sie auch senkrecht zu einander stehen (Fig. 40). Sieht man im ersteren Fall die Spindel im Profil und zwar so, daB die beiden Elemente zur optischen Achse senkrecht stehen , so laBt sich die zweite Richtungsspindel von der ersten in gleicher Lage nicht unter- scheiden (vrgl. die einander nicht vollig entsprechenden Figuren 26 und 41). Der ganze TeilungsprozeB erfolgt nun genau wie das erste Mai: die Spindel verkleinert sich (Fig. 41, 42, 43), die Streifung wird undeutlich, wenn sie auch nicht so vollstandig verschwindet, wie in der ersten Spindel, von jedem Element wird die eine Halfte, ein einfaches Stabchen, zur inneren, die andere zur auBeren Pol- platte gefiihrt. Wir haben oben gesehen, daB manchmal die innere Perivitellin- hiille gleichzeitig mit dem ersten Richtungskorper und gleichsam als dessen Zellsubstanz dadurch abgeschieden wird, daB nach innen von derselben eine neue Zellmembran sich ausbildet; daB dagegen in der Mehrzahl der Falle nur ein ganz kleines Stiick Zellsubstanz mit der auBeren Kernhalfte abgelost wird. In diesem Fall beriihrt die Eimembran noch zu einer Zeit, wo die zweite Richtungsspindel sich ausbildet, die auBere Perivitellinhiille ; nur die Stellc, wo der erste Richtungskorper seine Lage hat, zeigt eine kleine Dalle. Die homogene Substanz, welche bei dem zuerst er- 456 TheodorBoveri, wahnten Verlauf schon seit langerer Zeit das Ei als „ini]ere Peri- vitellinhiille" umgiebt (Fig. 5, Taf. XXV), bleibt hier von spaiiicben Protoplasmastrangen durchsetzt in dor Peripherie des Eileibes liegen , und die zweite Richtungsspindel liegt anfanglich in dieser Schicht. Ich babe jedoch diesen Zustand niemals bis zur Ab- losung des zweiten Richtungskorpers persistieren sehen, sondern allmahlich zieht sich die Eimembran von der auBeren Perivitellin- biille zuriick, wobei eine entsprechende Menge bomogener Substanz als innere Hiille austreten muC. Vor der Ablosung des zweiten Richtungskorpers ist diese Kontraktion so weit vollendet, da6 die innere Perivitellinschicht der an anderen Eiern auf einmal abge- losten an Machtigkeit gleichkommt. Auf diesem Stadium laCt sich niebt mehr entscbeiden, wie der Prozefi vor sich gegangen ist. Das Protoplasma bat von jetzt an ein viel dicbteres Gefiige; es laBt sich deuthch als ein Gerustwerk von kornigen Faden er- kennen , das in eine honiogene Grundsubstanz eingelagert ist. Gegen das Zentrum des Eies, um das hier liegende Spermatozoon berum, wird die Protoplasmastruktur successive dicbter, so daC die zentralsten Partien wie grob granuliert erscheinen. Nacbdem die Tochterelemente der zweiten Spindel die Pol- platten nabezu erreicht haben, wobei die zwischen denselben liegende Kernsubstanz zu deutlicben Verbindungsfasern umgebildet worden ist (Fig. 42, 43), erscheint dicht unter der aufieren Tochterplatte eine zuerst kornige Membran (Fig. 44, 45, 46), welche ein kleines Segment des Eies als zweiten Richtungskorper abgrenzt. Die Ver- bindungsfasern, welche von der Peripherie gegen das Zentrum zu entweder aufgelost werden oder sich dem Retikulum der Zellsub- stanz anscblieBen, lassen sich noch eine Zeitlang durch die Membran bindurch verfolgen (Fig. 45, 46), bis sie scblieCiich gauzlich ver- schwinden. Die beiden ira Ei gebliebenen Stabchen umgeben sich alsbald mit einem bellen Hof und fangen durch Aussenden von Fortsatzen an , sich in das Geriist des „Eikerns" umzuwandeln, wovon im nachsten Heft die Rede sein soil. Wir konnen nun daran gehen , die Resultate Schneider's, Nussbaum's und Caenoy's, soweit dies noch nicht gescbeben ist, einer Priifung zu unterziehen. Schneider bildet in seiner Fig. 6 (Taf. I) eine uormale erste Zellen-Studien. 457 Richtungsspindel bei seitlicher Ansicht ab, in welcber die Achsen der beiden chroniatischen Elemeute annahernd in eine Gerade fallen, in Fig. 7 eine tangential gestellte Spindel vom Pol. Die Zusammensetzung eines jeden chromatisclien Elements aus vier Unterabteilungen hat er nicht erkannt, obgleich die beiden citier- ten Figuren Spuren davon wahrnehmen lassen. Fig. 8 und 9 zei- gen uns rtickgebildete , aber deutlich begrenzte Spindeln, etwa meiuen Figuren 17 und 18 entsprecbend , Stadien, welche sowohl NusSBAUM als Carnoy entgangen sind. Von der Teilung der offen- bar schlecht konservierten cbromatischen Elemente ist keine Ab- bildung vorhanden. Schneider gibt nur (pag. 7) an, daC der halbe Keimfleck, worunter die cbromatischen Elemente zu verste- hen sind, in den Richtungskorper iibergehe. Fig. 10 endlich zeigt den ersten Richtungskorper abgetrennt und die zweite Richtungs- spindel in Bildung begrifien, die freilich von Schneider fiir den Eikern im Beginn der Furchung gehalten wird. Gegen diese Beobachtungen Schneider's bezeichnet die Dar- stellung Nussbaum's entschieden einen Ruekschritt. Liest man nur, was Nussbaum auf Seite 168 tiber die Richtungskorperbil- dung sagt, so mochte man glauben, es sei alles in schonster Ord- nung. Hier heiCt es: „Die im Anfang in der Mitte der Spindel gruppierten dicken vier Fadenbogen werden der Lange nach ge- spalten; je vier riicken nach den Polen der Spindel." Das ist. eine kurze Beschreibung einer regularen karyokinetischen Teilung. Betrachtet man dagegen die Abbildungen , so bekommt man von diesem Verlauf nichts zu sehen als die angeblichen Endstadien, was freilich nicht zu verwundern ist, da der ProzeC sich ganz anders voll- zieht. In Fig. 28 zeichnet Nussbaum ein Keimblaschen, in welchem man die beiden cbromatischen Elemente, das eine vom Ende, das andere etwas verschwommen im Profil erblickt, etwa meiner Fig. 7 entsprecbend. Fig. 29 zeigt uns die Umbilduug zur ersten Spin- del; die beiden Elemente, jedes durch vier Punkte deutlich ge- kennzeichnet, liegen annahernd im Aquator, aber noch nicht ganz in ihrer definitiven Stellung. Von den „dicken vier Fadenbogen", welche anfangs in der Mitte der Spindel gruppiert sein sollen, ist nichts zu sehen. Das nachste abgebildete Stadium zeigt uns gleich je vier Elemente an den Enden einer gekriimmten Spindel. So faBt wenigstens Nussbaum dieses Bild auf. Thatsachlich aber stellt dasselbe eine pathologisch veranderte Spindel rait Aquato- rialplatte dar, wie auch die Figuren 32, 33 und 34, Bilder, die wir, rich tig gedeutet, bei Carnoy wiederfinden werden. Was 458 Theodor Boyeri, NussBAUM als die aquatoriale Umbiegungsstelle einer gekriimmten Spindel betrachtet, das ist in Wahrheit der eine Spindelpol; die Spindel hat sich der Lange nach in zwei Halften gespalten, die an diesera Pol in Zusammenhang geblieben sind oder doch dicht nebeneinander liegen, wahrend sich die anderen Enden voneinander entfernt und ihre Faserung verloren haben. Die angeblichen Tochterplatten sind die beiden vier- oder zweiteiligen chromatischen Elemente der Aquatorialplatte , je nachdem wir es mit der ersten oder zweiten Spindel zu thun haben. Es ist hier- aus ohne weiteres verstandlich , daB Nussbaum von dem behaup- teten Entwickelungsgang weder friihere Stadien, welche die Wan- derung der Tochterelemente vom Aquator zu diesen scheinbaren Polen enthielten, noch spatere, welche die Abtrennung der Rich- tungskorper darstellten , zeichnen konnte. Den gleichen Irrtum weisen die Abbildungen der zweiten Abhandlung auf; auch hier sind die angeblichen Spindeln mit Tochterplatten nichts anderes, als verdorbene Spindeln mit Aquatorialplatte. Bessere Resultate scheint Nussbaum bei Saurebehandlung er- balten zu haben, wenn er (pag, 528 der zweiten Abhandlung) sagt, daC VAN Beneden das Stadium iibersehen habe, in welchem die anfangs tangential gestellte Spindel sich verkiirzt und wieder in einen Eiradius einstellt. „Die unfarbbaren Spindelfasern blei- ben von da bis fast zur volligen Abschniirung des Richtungs- korpers als radial zur Eioberflache gestellte Striche sichtbar , an deren Polen sich die farbbaren Elemente befinden." Hier be- schreibt Nussbaum ohne Zweifel das wirkliche Endstadium der Teilung (entsprechend meinen Figuren 20 und 43), Abbildungen hierzu sind jedoch nicht vorhanden, besonders aber scheint der entscheidende Punkt, Stadien der Wanderung der Tochterplatten zu den Polen auch hier nicht konstatiert worden zu sein. Denn dafi die von Nussbaum beschriebenen Endstadien nicht ohne alien Zweifel eine typische Karyokinese voraussetzeu, das be- weist uns Caenoy, der die gleichen Bilder in ganz anderer Weise entstehen laCt. Wir haben Carnoy's Beschreibung bis zur fertig aus- gebildeten ersten Spindel verfolgt, bis wohin seine Figuren, abge- sehen von den Protoplasmastrahlungen und von der Struktur der beiden Chromatingruppen mit den meinigen iibereinstimmen. Auch die chromatischen Elemente zeigen , wie wir gesehen haben , an einigen seiner Abbildungen die von mir konstatierte regelmaBige Anordnung. Caenoy stellt auf Seite 23 den Satz auf, daC die Spindel vom Anfang ihres Auftretens an der Lange nach aus zwei Zellen-Studien. 459 Halften zusammengesetzt sei, deren jede eine Chromatingruppe enthalt, und die meist von Anfang an durch einen bei seitlicher Ansicht spindelformigen hyalinen Raum von einander getrenni sind, wahrend sie an den Polen noch mit einander in Zusam- menhang stehen. Dieses Verhalten bildet die Einleitung zu dem von Carnoy behaupteten Teilungsmodus und ist deshalb besonders zu beachten. Die Zweiteilung der Spindel in Beziehung zu den chromatischen Elementen ist auch an meinen Praparaten zum Teil in der Weise ausgedriickt, dafi die achromatische Figur im Quer- schnitt zwischen den beiden Elementen biskuitformig eingeschniirt erscheint (Fig. 15). Nieraals jedoch habe ich an Eiern, die im iibrigen normal waren, hier eine vollige Kontinuitatsunterbrechung gefunden; stets war der ganze zwischen den Chromatinelementen gelegene Raum, wenn auch in geringerer Machtigkeit, von Spindel- fasern durchzogen (Fig. 14, 16). Ich erblicke deshalb in den von Carnoy beschriebenen zweiteiligen Figuren die ersten Andeutun- gen zu einer krankhaften Veranderung, die sich nun immer mach- tiger ausbildet und von Carnoy fiir die normale Weiterentwicke- lung gehalten wird. „Wir haben soeben gesehen", heiBt es auf Seite 25, „daC die Chromatinstabchen ihre Lage im Aquator beibehalten. Nichts- destoweniger entfernen sich die beiden Gruppen voneinander, nam- lich seitlich in der Richtung ihrer Verbindungslinie , wobei jede ihre Spindelfasern mit sich nimmt und sich manchmal sehr weit von der Achse der ursprtinglichen Figur entfernt." Ist der hier- durch auf die Polplatten ausgeiibte Zug genugend, so reifit die Spindel an einem Pol auseinander. Die Polplatte zerfallt in zwei Oder mehr Stiicke, auch auf der anderen Seite kann eine ZerreiBung eintreten. So entstehen, wie ein Blick auf die Car- no Y'schen Tafeln lehrt, die allermannigfaltigsten Bilder; von jener GesetzmaCigkeit , die wir sonst bei der Kernteilung zu sehen ge- wohnt sind, ist hier keine Rede mehr. Zum Teil stimmen die Figuren mit den von Nussbaum abgebildeten iiberein, so Fig. 42 und 83, wie schon Carnoy hervorhebt. Carnoy wundert sich dariiber, daC weder van Beneden, noch Nussbaum von seinen „offenen Spindeln" und deren Spal- tungen berichten. Es hatte ihn jedoch diese Thatsache neben manchen anderen auf den Gedanken bringen konnen, dafi er es hier mit Kunstprodukten zu thun hat. Wahrend der genannten Umbildungen , wobei auch die schon oben besprochenen mannigfaltigen Protoplasmastrahlungen zur Bd. XXI. N. F. XIV. 3Q 460 Thecvdor Boveri, Ausbildung kommen, ist die karyokinetische Figur an der Ober- flache des Eies angekommen. Nun erleidet sie eine vollige Riick- bildung : die ganze achromatische Figur, Spindelfasern und Strah- lungen verschwinden, meist ohne die geringste Spur zuriickzulassen, die beiden Chromatingruppen liegen, gerade wie vor Ausbildung der Spindel, direkt in gewohnlicher Zellsubstanz. Damit ist fiir Caenot die Kernteilung vollendet. Nach einiger Zeit, wahrend welcher sich die beiden Gruppen unter Umstanden einander wie- der mehr genahert haben, tritt zwischen ihnen eine neue, sie ver- bindende Streifung auf, „eine Art von Verbindungsfasern", Car- no y's fuseau de separation. Gleichzeitig ordnen sich die Stabchen der beiden Gruppen zu zwei parallelen Flatten von je vieren und erwecken so den Eindruck von Tochterplatten. Die aufiere der- selben wird mit einem Teil der Zellsubstanz als erster Ricbtungs- korper abgetrennt. Das Resultat des Vorgangs ist also dies: Eine der beiden aus je vier Stabchen bestehenden Chromatingruppen (tache de Wagner) wird ganz und wie sie vonAnfang anbestan- d e n hat, ausgestoBen, wahrend die andere im Ei verbleibt. Diese letzteren vier Stabchen liegen zunachst frei im Proto- plasma. Die erste Vorbereitung zur Bildung des zweiten Rich- tungskorpers besteht darin, dafi sich dieselben in zwei Gruppen von je zwei Stabchen sondern. Weitere Veranderungen (Teilung) gehen nicht an ihnen vor. Nachdem die zwei neuen Gruppen eine gewisse Entfernung voneinander erreicht haben, erscheint mit ihrer Achse senkrecht zur Verbindungslinie derselben die zweite Spindel. Wie das erste Mai finden sich offene Spindeln und eine noch reichere Ausbildung der Protoplasmastrahlung. Die beiden lateralen Spindelhalften konnen entweder vereint bleiben Oder auseinander weichen, wobei die mannigfaltigsten Bilder ent- stehen. Die beiden Chromatingruppen, im Aquator gelegen, wo- bei die beiden Stabchen einer jeden in verschiedener Weise orien- tiert sein konnen, erleiden keine Veranderung. Nachdem die komplizierte achromatische Figur eine Zeit lang bestanden hat, verschwindet sie vollstandig, die beiden Chromatin- gruppen liegen wie das erste Mai direkt im Protoplasma, und wie dort, so wird auch hier die eine, wie sie ist, nachdem verbindende Fasern aufgetreten sind, vom Ei als zweiter Richtungskorper ab- geschniirt. Das Wesen der Eireifung lieCe sich also mit Carnot in die Worte zusammenfassen: es wird der eine Keimfleck ganz undvon dem anderen dieHalfte ausdemEi entfernt. Zellen-Studien. 461 Carnot betrachtet diesen TeiluDgsmodus als Karyokinese ; denn wenn sich derselbe auch in vielen Punkten von der gewohn- lichen TeiluDg entferne, so sei ja iiberhaupt der karyokinetische Irozefi den mannigfaltigsten Variationen unterworfen: „les pMno- menes caract6ristiques de la caryocinese sont variables et incon- stants ; aucun d'eux n'est essentiel". Allein es steht sehr schlimm um diese Lehre, wenn wir die Zuverlassigkeit ihrer sonstigen Sttitzen nach der Richtigkeit des hier mit so groCer Ausfuhrlich- keit und Sicherheit vorgetragenen Entwicklungsganges beurteilen diirfen. Der von Caenoy behauptete Verlauf weicht so sehr von dem von mir beschriebenen ab, daB vielleicht Zweifel entstehen konnten, ob es wirklich das gleiche Objekt ist, welches uns beiden vor- gelegen bat. Die tJbereinstimmung vieler unserer Figuren, vor- nehmlich was die Anordnung des Chromatins betrifft, diirfte zwar von vornherein geeignet sein, solche Zweifel zu verscheuchen. Fur die erste Richtungsspindel habe ich bereits einige der Carnoy'- schen Abbildungen als den meinigen vollkommen entsprechend zitiert; vollig iibereinstimmend mit meinen Praparaten sind ferner die Teilungsstadien der Fig. 56, 57, 62, annahernd die Fig. 66, 67 und 68, endlich die meisten Figuren der zweiten Richtungs- spindel, jedoch nur in bezug auf die chromatische Substanz. Ist es schon im hochsten Grade unwahrscheinlich , dafi die gleichen Bilder zwei ganz verschiedenen Entwicklungsarten angehoren sollten, so laCt sich iiberdies die Unrichtigkeit des von Caenoy behaupteten Verlaufs aus seinen eigenen Tafeln beweisen. Das kurze Schema, auf welches sich jede karyokinetische Teilung im Tier- und Pflanzenreich bis jetzt zuriickfuhren lafit, ist gegeben : 1) in der Ausbildung einer parallelfaserigen Figur von Spindel- oder Tonnenform, 2) in der Lagerung des chroma- tischen Kernmaterials, soweit dessen Menge dies zulaCt, im Aquator der achromatischen Figur, 3) in der Spaltung einer jeden der chromatischen Portionen in zwei Halften, von denen jede gegen einen anderen Pol gefiihrt wird. Mit diesem Entwicklungsgang stimmt der CARNOY'sche in den ersten zwei Punkten vollig uberein ; der dritte dagegen wiirde bei ihm ganz anders lauten, oder vielmehr, er wiirde ganz hinweg- fallen, indem die Chromatinstabchen schon langst in zwei Gruppen gesondert sind, von denen jede fiir sich die Grundlage eines der beiden Tochterkerne darstellen soil. Was bei der gewohnlicheu Karyokinese als das Resultat der komplizierten Prozesse erscheint, 30* 462 Theodor Boveri, die Trennung des Chromatins in zwei Halften, das ist bei dem CAENOYSchen Verlauf bereits im ruhenden Keimblaschen vorhauden. Auf Seite 47 ruft Caenoy, nachdena er die mannigfach ge- spaltenen Spindeln und die Protoplasmastrahlungen besprochen hat, aus: „Quel travail que celui de la cinese!" — „Und doch, mochte man hinzufiigen, fiihrt diese Arbeit zu nichts." Man betrachte z. B. die Figuren 64 und 94, die eine vor der Bildung der zweiten Richtungsspindel , wo die vier im Ei zuriickgebliebenen Stabchen noch direkt im Protoplasma liegen und bereits zu zwei Gruppen auseinandergeruckt sind, die andere, wo die zweite Spindel mit ihren Strahlungen in Ruckbildung begriflfen ist. Zwischen diesen beiden Bildern liegt die ganze, durch 30 Figuren reprasentierte „Arbeit", und doch unterscheiden sie sich , wenn in Fig. 94 die Spindel vollig verschwunden sein wird , wie es nach Carnoy ein- tritt, in keinem einzigen Punkt voneinander, wenigstens in keinem, auf den Carnoy Gewicht legt. Wir sind nicht allein gewohnt, die Ausbildung, Veranderung und das Verschwinden der achromatischen Teilungsfigur mit be- stimmten Phasen der Umwandlungen , welche die chromatischen Elemente erleiden, verknupft zu sehen, sondern es liegen auch bereits beachtenswerte Versuche vor, welche die Trennung der sich spaltenden Aquatorialplatte in die Tochterplatten als das Resultat von Bewegungen innerhalb der achromatischen Substanz aufifassen. DaB nun die bei Carnoy in der gleichen Weise wie sonst als Spindel auftretende achromatische Figur, die die gleichen Be- ziehungen zu den chromatischen Elementen aufweist wie in an- deren Fallen, hier auf einmal in ganz anderer Weise sich verhalten soil, ist im hochsten Grade unwahrscheinlich. Denn wenn auch Carnoy sagt: „La cinese aurait pour but de separer I'^l^ment nucl^inien en deux groupes egaux", so ist dies einmal eine Tren- nung in ganz anderer Richtung, namlich seitlich, und zweitens ist diese Behauptung mit den CARNOY'schen Figuren vollig in Wider- spruch. Ich verweise nur wieder auf Fig. 64, wo vor Ausbildung der Spindel die beiden Gruppen bereits ebenso weit voneinander entfernt sind als nach dem Verschwinden derselben. Die ganze achromatische Figur kann eben, wie gesagt, bei dem von Carnoy behaupteten Verlauf iiberhaupt keinen sichtbaren Zweck haben. Viel schwerer als diese Betrachtungen fallt der Umstand ins Gewicht, daB Carnoy nicht imstande ist, eine Serie von Bildern zu geben, von denen das eine aus dem andern mit Evidenz, ich mochte sagen, mit Notwendigkeit , hervorginge. Ich mil dabei Zellen-Studien. 463 ganz schweigen von den in der verschiedensten Weise erfolgenden Spaltungen der Spindel, uberhaupt von der Mannigfaltigkeit in den Bildern der achromatischen Figur, von denen jedes gewisser- maBen seinen eigenen Weg geht. Man kann, da dies alles wieder spurlos verschwinden soil, ohne daB die verschiedenen Anord- nungen irgend einen specifischen Effekt batten, hier gleichgiiltige Variationen annehmen, wenn wir auch sonst in dieser Hinsicht eine bis ins kleinste gehende Konstanz anzutrefifen gewobnt sind. Anders dagegen verhalt es sicb an jenem Punkt der Entwick- lung, wo die entscbeidenden Stadien miteinander zu verkniipfen sind. Dies ware fiir Caenot jenes Stadium, wo zwischen den beiden Chromatingruppen nach dem Verscbwinden der Spindel die verbindenden Fasern auftreten. Hier miifite durcb eine konti- nuierliche Folge von Bildern der Beweis geliefert werden, dafi die an den Enden der neuen faserigen Figur gelegenen zwei Cbroma- tingruppen mit den beiden friiheren, schon im Keimblascben vor- handenen, identisch sind. Obgleich nun Carnoy sagt: „Ce qui est certain, c'est que I'un des groupes nucleiniens est expuls6 tel qu'il est", so bat er doch den Beweis fiir diese Bebauptung nicbt erbracht, ja nicbt einmal einen Versuch gemacht, denselben zu ftibren. Dies zeigt sicb besonders deutlich bei der Bildung des ersten Ricbtungskorpers. Wabrend die beiden Gruppen vor der Aus- bildung der Verbindungsfasem als dicbt gedrangte Haufen von vier Stabcben gezeicbnet werden, die in der verscbiedensten Weise zu einander orientiert sind, erscbeinen sie im nacbsten Stadium (Fig. 56, 57) als zwei parallele Flatten, indem die vier Stabcben jeder Gruppe in eine Ebene ausgebreitet sind. Wie aber diese Anderung zustande kommt, davon finden wir bei Caenoy keine Andeutung. Von besonderem Interesse ist die Fig. 56, welcbe voUkommen mit meinen Fig. 25 und 27 b iibereinstimmt. Dieses Bild, welcbes an der Stelle, wo es bin gebort, mit Stillscbweigen tibergangen wird, ist das einzige einigermaCen entscbeidende des ganzen Buches, entscbeidend allerdings gegen Carnoy. Es mufi scbon eine groCe Voreingenommenheit dazu geboren, wenn man im Besitz von Praparaten, wie Fig. 31, 32 einerseits. Fig. 56 anderseits, und bekannt mit den Tbatsacben, welcbe die Unter- sucbungen iiber Zellteilung allerorts an das Licbt gebracht baben, nicbt einmal an die Moglicbeit eines typiscb verlaufenden Pro- zesses denkt. 464 Theodor Boveri, Wie schon in der Einleitung gesagt, konnte icfe durch plotz- liches Abtoten der Eier das Vorkommen der aufiergewohulichen CARNOY'schen Bilder ausschlieBen und damit den Nachweis fuhren, daC dieselben pathologischer Art oder sonst Kunstprodukte sind. Dieser Beweis ist voUgultig, nachdem im Vorhergehenden gezeigt worden ist, daB sich aus jenen Bildern ein luckenloser Entwick- lungsgang nicht zusammenstellen laBt, daC also die an sich un- wahrsclieinliche Annahme einer Variabilitat des Prozesses aus- geschlossen ist. Es kann nach all dem Gesagten wohl keinem Zweifel unter- liegen, daJB die Bilder Caenoy's aus solchen, wie ich sie beschrieben habe, entstanden sind und auf solche zuriickgeftihrt werden miissen, wonach ihre Deutung keine Schwierigkeit macht. Gemeinsam ist den meisten eine ungeniigende Konservierung , sowohl was die Zellsubstanz , als auch die chromatische und achromatische Kern- substanz betrilit. In letzterer Hinsicht ergiebt sich, dafi die CARNOY'sche Praparationsmethode die achromatische Kernsubstanz nur im Zustand der faserigen Differenzierung deutlich nachweisen laCt, wahrend dieselbe im Ruhezustand meist verschwindet. So erklaren sich die Angaben , dafi vor der Umbildung des Keim- blaschens in die erste Spindel Kern- und Zellsubstanz sich voll- standig mischen, dafi vor und nach Ausstofiung eines jeden Rich- tungskorpers die chromatischen Stabchen eine Zeitlang direkt von Zellsubstanz umgeben sind. Weiterhin zeigen die meisten Praparate eine schlechte Konservierung der chromatischen Ele- mente, indem die chromatischen Briicken zwischen den vier zu- sammengehorigen Stabchen nirgends gezeichnet oder erwahnt sind (vielleicht mit Ausnahme der Fig. 19 a), und die gesetzmafiige Anordnung derselben in den meisten Fallen eine betrachtliche Storung erlitten hat. Zu beachten ist, dafi an den Praparaten von der Bildung des zweiten Richtungskorpers die Elemente viel besser erhalten sind, so dafi selbst die oben beschriebene Drehung derselben aus den Zeichnungen Caenoy's erkannt werden kann. Alle Bilder von oftenen und gespaltenen Spindeln sind pathologisch und einfach aus dem Entwicklungsgang zu streichen. Normal, wenigstens in Bezug auf die achromatische Figur, sind erst wieder die Figuren 43, 44, welche die Verkleinerung der ersten Spindel darstellen; die vollige Ruckbildung derselben, wie sie in den Fi- guren 51, 52, 53 gezeichnet ist, existiert nicht. Dagegen ist Fig. 52 eine von den wenigen, welche die normale Anordnung der chromatischen Elemente erkennen lassen. An diese reiht sich die Zellen-Studien. 465 voHig normale Fig. 56, welche die anseinanderweichenden Tochter- elemente mit ihren Verbindungsfasern auf einem Stadium zeigt, in welchem dieselben die deutlich sichtbaren Polplatten noch nicht erreicht haben. Auch die folgenden Stadien bis zur AusstoCung des ersten Richtungskorpers stimmen mit den meinigen tiberein, wie ja auch im Text die Ahnlichkeit dieser Figuren mit den End- stadien der typischen Karyokinese hervorgehoben wird. Von der Teilung, die zur Bildung des zweiten Richtungs- korpers fuhrt, findet sich zwischen dem Stadium der fertigen Aquatorialplatte (Fig. 75) und demjenigen, welches die Tochter- platten bereits an den Polen zeigt (Fig. 95), kein einziges Zwischen- glied; denn die Fig. 94, welche die Rtickbildung der Spindel ver- anschaulichen soil, bezieht sich, wie die Lagerung der chromatischen Elemente zu dem sichtbaren Pol beweist, auf die Entstehung derselben und entspricht etwa meinen Figuren 33 und 34. h. Typus Tan Beneden. Diese Art von Eiem wurde, wie in der Einleitung erwahnt ist, nur von van Beneden auf die Bildung der Richtungskorper untersucht, auch von ihm jedoch nicht ausschliefilich ; vielmehr hat er beim Studium der Bildung des zweiten Richtungskorpers, zum Teil wenigstens, Eier vor sich gehabt, welche dem im vorigen Abschnitt beschriebenen Entwicklungsgang angehoren, wie auch seine Praparate der Befruchtung und Furchung von dieser letz- teren Art stammen. Ich beschranke mich bei der Beschreibung der Reife-Erschei- nungen dieser Eier lediglich auf die Kernfigur, speciell auf das Chromatin und die Beziehungen desselben nach Lage und Be- wegung zur Spindel. Denn die Veranderungen der Zellsubstanz (Bildung der Perivitellinhiillen etc) verhalten sich wie bei der anderen Art, das feinere Detail der Entstehung und Rtickbildung der Spindel war ich nicht genau genug zu verfolgen imstande, um daruber bestimmte Angaben machen zu konnen. Fur meinen nachsten Zweck, den Nachweis einer typischen karyokinetischen Teilung, sind diese Verhaltnisse von keiner Bedeutung. Ich beginne die Darstellung auch hier mit dem Stadium der Kopulation der GeschlechtszelJen. Das Keimblaschen ist zu dieser Zeit noch kugelig, von einer deutlichen Membran umgeben, und enthalt alles Chromatin in einem einzigen Korper vereint, der, seinen Schicksalen gemafi, schon jetzt als chromatisches Element 466 Theodor Boveri, bezeichnet werden mag. Dieser Korper ist aus zwei ganz diffe- renten Substanzen zusammengesetzt , einer in Karmin sicb nicht farbenden von kugeliger oder ellipsoider Gestalt, und einer intensiv farbbaren, welche die erstere in groCerer oder geringerer Aus- dehnung umhiillt (Taf, XXVII, Fig. 1). Die chromatisclie Substanz bildet jedoch nicht einen Mantel oder eine Kappe von gleich- maBiger Starke, sondern sie ist zu einer Anzahl kugeliger oder halbkugeliger Portionen abgerundet, die in Zwischenraumen von- einander dem achromatischen Korper aufsitzen und durch eine dessen Oberflache in diinner Schicht tiberziehende chromatische Lamelle in Zusammenhang stehen. Die Zahl dieser chromatischen Kugeln betragt stets acht, wovon man sich bei gewisser Lagerung des Elements schon durch Wechsel der Einstellung, auBerdem stets durch Rotieren des Eies tiberzeugen kann. An den meisten Praparaten ist die gegenseitige Lagerung der acht Kugeln eine sehr regelmaBige, indem dieselben annahernd die Ecken eines Wurfels bilden. Sieht man diesen von einer seiner Flachen, so erkennt man vier im Quadrat zusammengeordnete Kugeln (Fig. 1 c) ; doch geben nur zwei einander opponierte Seiten dieses Bild in voller Klarheit, wogegen an den vier anderen die Kugeln paarweise enger untereinander in Zusammenhang stehen, so daC hier eher das Bild zweier paralleler, biskuitformig einge- schniirter Stabchen entsteht. Sieht man auf eine Kante des Wurfels, so erscheinen zwei parallele Flatten, aus je drei Kugeln bestehend, von denen die mittlere hoher liegt und durch die ent- sprechende darunter gelegene intensiver gefarbt zu sein scheint (Fig. 1 &). Diese Bilder hat auch van Beneden vor sich gehabt und bereits die Zusammensetzung des Elements aus acht Kugeln daraus geschlossen. Wie gesagt, ist nichts leichter, als an ein und demselben Ei durch Drehung diese Zahl stets festzustellen und die verschiedenen Ansichten zu erhalten. Der Mittelpunkt des aus den chromatischen Kugeln gebildeten Wurfels fallt durchaus nicht mit dem Zentrum des achromatischen Korpers zusammen, sondern dieser, meist langHch-eiformig, ragt halbkugelig aus der einen Flache des Wurfels nackt hervor (Fig. 1 c). Auch jener oben beschriebene , die einzelnen Kugeln verbindende, diinne, chromatische Uberzug fehlt hier. AuBer dem chromatischen Element enthalt das von einer deutlich doppelt konturierten Membran umschlossene Keimblaschen eine leicht gra- nulierte achromatische Substanz und meist ein achromatisches, ku- geliges Korperchen. Von dem „Prothyalosoma", das an den van Zellen-Studien. 467 BENEDEN'schen Eiern den Keimfleck umgiebt und welches im weiteren Verlauf bei ihm eine so groBe Rolle spielt, habe ich weder auf diesem Stadium, noch spater die geringste Spur wahr- genommen. Die Bildung der ersten Richtungsspindel habe ich nicht ver- folgt. So viel ist jedoch sicher, dafi das chromatische Element wahrend dieser Zeit keiue wesentlichen Umwandlungen erfahrt. Wie wir es im ruhenden Keimblascheu verlassen haben, so finden wir es in der ersten Eichtungsspindel wieder. Nur jene oben schon erwahnte engere Zusammengehorigkeit von je zwei Kugeln hat sich starker ausgebildet, so dafi wir von jetzt an nicht mehr von acht Kugeln, sondern von vier Stabchen sprechen miissen, welche die Kanten eines kurzen, vierseitigen Prismas darstellen. Das Element nimmt in der ausgebildeten Spindel stets eine ganz bestimmte Lagerung ein, namlich so, dafi zwei Stabchen auf der einen, zwei auf der anderen Seite der Aquatorialebene sich finden. Betrachtet man also die Spindel vom Pol, so erblickt man zwei dieser Unterabteilungen , die zwei anderen sind durch diese verdeckt. Das gleiche Bild erhalt man bei gewisser seit- licher Ansicht der Spindel (Fig. 2); dreht man aber dieses Ei um einen der Spindelachse parallelen Durchmesser um GO**, so erscheinen die vier zu einem Quadrat geordneten Kugeln, die Enden oder Querschnitte der vier Stabchen (Fig. 3, 4, 5). Hat man die Spindel im optischen Langsschnitt vor sich, so sieht man haufig, wie von dem chromatischen Element ein achro- matischer Fortsatz ausgeht, der in der Aquatorialebene verlaufend sich bis zur Oberflache der Spindel erstreckt. In manchen Fallen ist dieser Stiel ziemlich dick und kurz (Fig. 3), in anderen lang und entsprechend feiner (Fig, 2, 4, 5). Es liegt wohl nahe, ihn mit dem achromatischen Teil des Elements, den wir im ruhenden Keimblaschen kennen gelernt haben, zu identifizieren. Die Spindel bietet weder in ihrer Form, noch in ihrer Struk- tur irgend auflfallende Besonderheiten dar. Die Pole sind entweder Punkte Oder Platten ; eine Protoplasmastrahlung fehlt. Eine Modi- fikation erleidet die achromatische Figur nur in jenem Bereich, wo sie von dem Fortsatz des chromatischen Elements durchzogen wird; hier erhebt sich ihre Oberflache zu einer aquatorialen Kante (Fig. 2, 3, 4, 5), die im optischen Langsschnitt als Winkel er- scheint, dessen Seiten, d. h. die zu den Polen ziehenden Konturen, nicht seiten in einer konkaven Krummung verlaufen. Das j Bild erinnert an van Beneden's „figure ypsiliforme", die auch ohne 468 Theodor Boveri, Zweifel dieser Anordnung ihre Entstehung verdankt. Zugleich mochte ich die Aufmerksamkeit auf die Ubereinstimmung lenken, welche die in den Figuren 3, 4 und 5 wiedergegebenen Spindeln mit denen der anderen Eiart (Fig. 14 und 16) aufweisen. Man braucht diese letzteren nur der Lange nach zu halbieren, um bis ins Detail die Spindel des van BENEDEN'schen Typus zu erhalten. Die axialen Spindelfasern setzen sich jederseits an das chro- matische Element fest, sie bestehen also aus zwei Halften, die erst durch Vermittelung jenes Korpers in Zusammenhang gebracht werden. An einzelnen Praparaten laBt sich dies sehr deutlich wahrnehmen, so an Fig. 66, wo an jedes Stabchen sich der Lange nach sechs Faden ansetzen, die an ihren Fixationspunkten das Chromatin zu Spitzen emporziehen, ja, wie es scheint, im ganzen Bereich des Stabchens eine Art Kanellierung bedingen. Diese axialen Spindelfasern ubertreffen an Starke weit die iibrigen, welche den Aquator oline Unterbrechung passieren; nur wo der achro- matische Balken die Spindel durchsetzt, scheinen die Fasern sich an diesen anzusetzen. Die Spindel zeigt zur Oberflache die verschiedensten Lage- beziehungen : sie steht mit ihrer Achse bald tangential, bald radial, bald schief. Vor der Teilung wird jedoch in der tiberwiegenden Mehrzahl der Falle eine vollkommen oder annahernd radiale Stellung erreicht; wenigstens babe ich nur einige wenige vorge- schrittenere Teilungsfiguren gesehen mit einer ausgesprochen schiefen Lagerung der Figur. Die Teilung des chromatischen Elements voll- zieht sich durch eine im Aquator erfolgende Spal- tung, durch welche zwei Doppel stabchen gebildet werden, welche zu entgegengesetzten Polen wandern. Der Beginn der Teilung giebt sich darin zu erkennen, da6 die vier Stabchen nicht nur in der Richtung der Spindelachse, sondem auch seitlich etwas auseinanderriicken , wodurch das vorher mehr kompakte Element ein lockeres Gefiige gewinnt (Fig. 7 a); dabei erfahren die einzelnen Stabchen eine starke, jederseits nach den Polen zu konkave Krummung (Fig. 7 h). Hat man eine Spindel auf diesem Stadium im Profil vor sich, und zwar so, daB man die vier Stabchen im Querschnitt erkennt, so sieht man sowohl die Seiten als auch die Diagonalen des auf diese Weise gebildeten Quadrats oder Rechtecks durch feine intensiv chromatische Fadchen eingenommen, welche jedes Stabchen mit jedem der drei anderen in direkte Verbindung setzen (Fig. 7 a). Die vollkommene ZeUen-Studien. 469 Ubereinstimmung dieses Bildes mit jenen, die wir von den ent- sprechenden Stadien des CARNOY'sclien Typus kennen gelernt haben, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Es ist schwer zu sagen, wann und in welcher Weise diese Verbindungsbrticken sich ausbilden. Sie konnten schon viel friiher vorhanden, aber durch die dichte Lagerung der vier Stabchen verdeckt gewesen sein. Erinnern wir uns, daB die acht Kugeln, welche im ruhenden Keimblaschen dem achromatischen Korper auf- sitzen, durch eine feine Chromatinschicht miteinander zusammen- bangen, so besteht die Moglichkeit, daB die Eadchen durch eine Spaltung und Kontraktion dieser Schicht entstanden sind. Jedenfalls ergiebt sich das eine, daB wir auf alien Stadien, wo eine Entscheidung moglich ist, die einzelnen das Element zu- sammensetzenden Portionen zu einem chromatischen Ganzen vereinigt finden, daB also bei der Trennung der beiden aus je zwei Stabchen bestehenden Tochterelemente eine wirkliche Teilung des Chromatins stattfinden muB. Wahrend die Tochterelemente auseinander weichen, bleiben die chromatischen Verbindungsbriicken zwischen denselben noch eine Zeitlang bestehen (Fig. 8 a, h). Wie die letztere Figur , aber auch Fig. 7 h lehrt, verlaufen dieselben nur zwischen den mittleren Abschnitten der vier Stabchen. Die beiden gekriimmten Stabchen jedes Tochterelements richten ihre Konkavitat dem zugehorigen Pol zu und sind auf dieser Seite zu feinen Spitzen ausgezogen, so daB die im iibrigen Bereich scharfe Begrenzung hier verschwommen erscheint. Die axialen Spindel- faserhalften , welche an die auBere Flache jedes Tochterelements herantreten, haben eine deutliche Modifikation erlitten. Sie machen den Eindruck, als waren sie zu einem kompakten Korper zu- sammengebacken, in welchem eine grobe, aber undeutliche Streifung noch sichtbar ist. Obgleich ich die aus meinen Untersuchungen sich ergebenden Be- trachtungen iiber die Mechanik der Teilung auf einen allgemeinen Abschnitt verschiebe, mochte ich doch hier kurz hervorheben, wie diese ganze Anordnung sofort verstandlich wird, wenn wir die Teilung als das Resultat einer Kontraktion der an das chroma- tische Element sich ansetzenden Spindelfaserhalften betrachten, wodurch zunachst das veranderte Aussehen dieser Fasern sich erklart. Weiterhin muB durch diese Kontraktion eine Dehnung in der chromatischen Figur hervorgerufen werden, die sich auf alle Telle derselben erstreckt. Die Verbindungsfaden zwischen den beiden Tochterelementen , als die am meisten nachgiebigen Telle, 470 Theodor Boveri, werden stark in die Lange gezogen, die beiden Stabchen werden mit ihren Enden den Polen mehr genahert, als in ihrem mittleren Abschnitt, wo der durch die Verbindungsbriicken vermittelte Zug der anderen Seite zur Wirkung kommt, und ihre Oberflache wird an jenen Stellen, wo die Spindelfasern sich ansetzen, zu Zacken emporgezogen. Bei dem weiteren Auseinanderweichen der Tochterelemente verschwinden allmahlich die chromatischen Verbindungsfadchen, und die Oberflache der Stabchen erhalt wieder eine allseitig scharfe Kontour; die hufeisenformige Kriimmung dagegen bleibt bestehen. So finden wir sie schlieClich ganz nahe an den Polen der Spindel (Fig. 9 a, 6), die sich inzwischen in ihrer Langsrichtung betrachtlich verktirzt und an Dicke zugenommen hat. Die Spindel- fasern, welche gleichmaCig den ganzen Raum, auch zwischen den Tochterplatten, einnehmen, ein Verhalten, dessen Ausbildung mir nicht klar geworden ist, erscheinen jetzt als „Verbindungsfasern." Nun tritt in der Aquatorialebene oder etwas nach auCen von der- selben eine anfangs zarte Grenze auf, welche das auCere Tochter- element mit einem kleinen Teil des Eileibes als ersten Richtungs- korper abtrennt. Im Ei ist eine aus zwei durch chromatische Briicken verbun- deneu Stabchen bestehende Platte zuruckgeblieben (Fig. 10), welche alsbald von einer zweiten Spindel umschlossen wird. Die weitere Entwicklung vollzieht sich nun in zweierlei Weise, ohne daC zwischen diesen beiden Modifikationen ein prinzipieller Unterschied zu konstatieren ware; in beiden Fallen gelangt jedes der zwei Stabchen zu einem anderen Pol. Das eine Mai wird diese Spal- tung in der Weise vorbereitet, wie wir es bei der Richtungs- korperbildung der anderen Ei-Art kennen gelemt haben. Das chromatische Element, welches anfanglich mit seinen beiden Unter- abteilungen in der Aquatorialebene der Spindel liegt, wird urn seine Langsachse so lange gedreht (Fig. 11), bis jedes Stabchen auf einer anderen Seite der Aquatorialebene sich befindet (Fig. 12 a, &). Die seitliche Ansicht der Spindel zeigt bei gewisser Lagerung die Enden der Stabchen, welche in die Verbindungs- linie der beiden Pole fallen; dreht man um 90", so laCt sich das Bild (Fig. 12 &) von der gleich orientierten ersten Spindel (Fig. 2 und 6 &) nicht unterscheiden. Dabei zeigt sich wieder ein sehr interessantes Verhalten der Spindelfasern. Die Spindel ist zur Zeit, wo die Chromatinplatte noch in der Aquatorialebene liegt, nur in der Peripherie gleichmaCig gefasert, der axiale Teil ist Zellen-Studien. 471 nur von wenigen Fasern durchzogen, welche eine sehr bemerkens- werte Anordnung erkennen lassen (Fig. 11). Sieht man namlich in der Richtung der Aclise, um welche die Drehung erfolgen wird, auf die Spindel, so kann man mit vollster Sicherlieit konstatieren, daB jedes der beiden Stabchen nur mit einem Pol in Verbindung steht, mit demjenigen, zu welchem es spater gelangen soil. An das eine der beiden Stabchen treten nur von dem einen Pol her Fasern heran, die dem anderen Pol zugekehrte Seite und der ganze hier gelegene Teil der Spindel ist vollig faserfrei, das an- dere Stabchen zeigt die umgekehrten Beziehungen zu den beiden Polen. Denken wir uns, wie oben, diese Fasern mit Kontrakti- litat begabt und sich wirkUch kontrahierend, so ist die erfolgende Drehung der Chromatinplatte eine mechanische Notwendigkeit ; die durch die Fasern und Stabchen reprasentierte zweiraal recht- winkelig gebogene Linie (Fig. 11) muC schlieBlich zu einer geraden werden, welche mit der Spindelachse zusammenfallt (Fig. 12 a). Jedenfalls liefert uns der ProzeC den evidenten und an an- deren Objekten viel schwieriger zu erbringenden Beweis, daB es Falle giebt, in denen die Spin del fasern oder ein Teil derselben nicht kontinuierlich von einem Pol zum andern Ziehen, sondern aus zwei Halften bestehen, die erst durch die Vermittlung der chromatischen Elemente in Zusammenhang gebracht werden. Ist die definitive Lage erreicht, so erfolgt die Trennung der beiden Tochterstabchen genau wie das erste Mai (Fig. 15), so daC es unnutz ware, eine Beschreibung davon zu geben. Fig. 16 giebt ein Bild von der Ab trennung des zweiten Rich- tungskorpers. Die Tochterstabchen haben die Spindelpole nicht erreicht: zwischen Uinen hat sich eine breite Spindel von Ver- bindungsfasem entwickelt, welche im Aquator von einer deuthchen Zellplatte durchsetzt wird. Das Bild zeigt eine groBe tJberein- stimmung mit vielen Zellteilungsfiguren pflanzlicher Gewebe. In anderen Fallen vollzieht sich die Teilung des chromatischen Elements in etwas abweichender Weise. Die beiden der Lange nach aneinander liegenden und miteinander durch chromatische Briicken verbundenen Stabchen weichen an dem einen Ende aus- einander, wahrend sie mit dem anderen in Zusammmenhang bleiben, und stellen so schhesslich einen einfachen Faden dar (Fig. 13), der in seiner Mitte eine Unterbrechung zeigt, als ware er in einer Querteilung begriffen. Die eine Halite steht mit dem auBeren, die andere mit dem inneren Spindelpol durch Fasern in 472 Theodor Boveri, Verbindung. Fig. 14 zeigt dieses Verhalten auf einem etwas weiter vorgeschrittenen Stadium, auf welches direkt die Trennung der beiden Tochterelemente zu folgen scheint. Dieses eigentiim- liche Verhalten, welches auf den vorgeriickteren Stadien eine Querteilung des chromatischen Elements vortauscht , ist , wie wir unten sehen werden, im Tierreich weiter verbreitet. In beiden Fallen erhalt der zweite Richtuhgskorper ein ein- faches Stabchen, ein gleiches wandelt sich in das Geriist des Ei- kems um (Fig. 17). Indem ich nun von diesen Resultaten aus zu einer Bespre- chung des von van Beneden aufgestellten Entwickelungsganges iibergehe, habe ich in erster Linie die tJbereinstimmung einer groBen Zahl unserer Figuren hervorzuheben. Van Beneden zeich- net die Zusammeusetzung des Keimfleckes aus Kugeln und zieht bereits den SchluC, daB sich die verschiedenen Bilder nur durch die Annahme erklaren lassen, daB acht Kugeln vorhanden sind. Desgleichen stimmen seine Zeichnungen des chromatischen Ele- ments in der ersten Richtungsspindel mit den meinigen uberein. So erkennt man in Fig. 16 (Taf. XIV) und in Fig. 1 (Taf. XV) die vier Stabchen von den Enden, wahrend in den meisten iibri- gen Figuren der Taf. XV, meinen Figuren 2 und 6 h entsprechend, nur zwei Stabchen der Lange nach zu erkennen sind. Auch die Verbindungsbriicken zwischen den vier Stabchen hat van Beneden an manchen Praparaten wahrgenommen , aber nicht entscheiden konnen, ob sie chromatisch sind oder nicht (pag. 201). Ich habe schon oben hervorgehoben , daB wenigstens die gemaBigteren For- men der „figure ypsiliforme", wie diese z. B. durch die Fig. 18 (Taf. XV) reprasentiert wird, sich gut an meine Figuren 2, 3, 4 und 5 anschlieBen. SchlieBlich zeigen auch die in Fig. 14 — 18 dargestellten Endstadien der Teilung keine wesentliche Abweichung von meinen entsprechenden Praparaten. Ich glaube, daB bei der tJbereinstimmung solcher spezifischer Details, die den karyokinetischen Figuren ein ganz eigenartiges Geprage verleihen , ein Zweifel an der Identitat unserer Objekte nicht bestehen kann. Es spricht also von vornherein unsere ganze Erfahrung dafiir, daB auch der Entwickelungsgang, welcher diese einzelnen Figuren in Beziehung zu einander bringt, stets der gleiche sein werde. Zellen-Studien. 473 Nach VAN Beneden verlauft derselbe, kurz gesagt, in folgen- der Weise: Die Spindel stellt sich tangential und liegt schlieBlich direkt unter der Eioberflache, wo sie durch gewisse Umbildungen in einen linsenformigen Korper (Discus) iibergeht, in welchem die Faserung verschwindet und einer feinen Granulierung Platz macht. SchlieBlich ist der ganze Discus kaum mehr vom umgebenden Protoplasma zu unterscheiden. Nun erfolgt die Teilung des Chro- matins in eine auCere und eine innere Halfte, also in bezug zur Lage der verschwundenen Spindel durch ein seitliches Aus- einanderweichen der Tochterelemente. „Ce n'est pas Tun des poles du fuseau qui est 61imin6; mais dans le plan Equatorial que se fait r^limination." Dieser Modus der Bildung des ersten Richtungskorpers wird durch eine Reihe von Bildern belegt, in der sich kaum eine Liicke nachweisen laBt. Wir haben bei Besprechung der CARNOY'schen Arbeit gesehen , daB dort bei der Annahme eines seitlichen Aus- einanderweichens der beiden Chromatingruppen ein Sprung ge- macht werden muB, um zu den Endstadien der Teilung zu gelan- gen, und darin zugleich ein Mittel kennen gelernt, das Irrtiimliche dieser Anschauung zu erweisen. Im vorliegenden Fall dagegen ist dieser Priifstein nicht anwendbar. Denn hier miissen die End- stadien der Teilung, was das Chromatin betriflt, die gleichen Bil- der liefern, mag man nun das aus den vier Stabchen bestehende Element durch die Aquatorialebene oder durch eine (allerdings bestimmte) die Spindelachse enthaltende Ebene halbieren. Van Beneden's Teilungsmodus wurde ebenso gut zu den von ihm ge- zeichneten Endstadien fuhren, als der von mir beschriebene. Wir miissen daher seine vermittelnden Bilder auf ihren Wert prufen. Dabei ergibt sich zunachst die gewiB auffallende That- sache, daB sich unter den Figuren van Beneden's einige finden, aus denen sich ein ganz normaler Verlauf des Prozesses zusam- menstellen laBt. SchlieBt man an Fig. 20 (Taf. XV) der Reihe nach die Fig. 14, 21, 15 und 18 der Tafel XVI, so erhalt man alle notigen Stadien einer typischen karyokinetischen Teilung. In Fig. 20 (Taf. XV) fallt die Spindel in einen Eiradius, in der gleichen Lage, nur bedeutend verkiirzt, finden wir sie in Fig. 14 (Taf. XVI). Daran schlieBen sich ungezwungen Fig. 21 und die iibrigen. Es ist merkwurdig, daB van Beneden auf diese Bilder nicht aufmerksam geworden ist. Die citierte Fig. 14, welche als tJbergangsstadium von Fig. 20 474 Theodor Boveri, (Taf. XV) zu Fig. 21 (Taf. XVI) die AusstoCung eines Poles, also den gewohnlichen Verlauf der Karyokinese, meiner Meinung nach, beweist oder doch wenigstens im hochsten Grade wahr- scheinlich macht, finde ich in seinem Werke gar nicht erwahnt. Seine Anschauung stiitzt sich wesentlich auf die oberflach- liche tangentiale Lagerung der Spindel, die sich hier riickbilden soil. Was diese Stellung der Spindel betrifft, so mochte ich hier- iiber Beobachtungen anfiihren, die ich an Eiern, die kalt mit Al- kohol oder Pikrin-Essigsaure behandelt waren, sehr haufig gemacht habe, besonders an den Eiern des CAENOY'schen Typus. Man bekommt hier viele Praparate zu Gesicht, in denen, offenbar durch die Einwirkung des Eeagens, Verlagerungen der Spindel einge- treten sind, derart, daB dieselbe formlich wie ein Fremdkorper aus dem Ei herausgestoCen wird und nun moglichst oberflachlich in tangentialer Richtung unter der Perivitellinhiille sich findet. Wahrend sonst die Faserung stets aufs beste erhalten ist, erscheinen diese Spindeln sehr kompakt und fast homogen, eine Erscheinung, die normalerweise erst bei der Verkiirzung der Spindel kurz vor der Teilung eintritt. Solcher Art mogen die hierher gehorigen Bilder van Beneden's zura Teil sein, in welcher Vermutung mich einige Stellen in seiner Beschreibung bestarken. Auf Seite 219 heiCt es : „toute la figure devient plus sombre est plus homogene" und auf Seite 222: „ron pourrait croire qu'il (le fuseau) a 6t6 expuls6 en dehors du vitellus". Was ferner die voUige Riickbildung der Spindel in dieser Stellung betrifift, so ist dieselbe durchaus nicht bewiesen. Denn die Figuren 3, 4 und 5 auf Tafel XVI, die dieses Verhalten ver- anschaulichen sollen, machen ganz den Eindruck, als seien es Pol-Ansichten von Spindeln , wie solche in den Figuren 22 und 23 (Tafel XV) und Figur 2 (Tafel XVI) dargestellt sind. Meine Argumentation ist also kurz gefaCt folgende: die ex- treme oberflachliche Lagerung der Spindel ist wahrscheinlich Kunst- produkt, ihre Riickbildung in dieser Lage ist nicht bewiesen. Be- sitzt die Spindel wirklich normal jene Lage, so ist einmal die Moglichkeit gegeben, daB sie sich, wie bei anderen Eiern, so lange dreht, bis sie mit ihrer Achse in einen Eiradius fallt (Fig. 19 und 20, Taf. XV), worauf dann die Teilungsstadien (Fig. 14, 21, 15 etc. Taf. XVI) folgen , oder daB eine normale Kernteilung ohne Drehung erfolgt, wie ich eine solche, allerdings fiir die andere Ei- art, unten beschreiben werde. Kiirzer kann ich mich iiber die Bildung des zweiten Richtungs- Zellen-Studien. 475 korpeis aussprechen; hier laCt van Beneden die Teilung wesent- lich durch eine Spaltuug der Spiudel iu zwei Seitenhalftcn sich vollziehen, wie wir eine solclie bei Carnoy kennen gelernt haben. Um die Reihe von Bildern, aus denen dieser Verlauf konstruiert wird, zu charakterisieren, bediene ich mich am besten van Beneden's eigener Worte (pag. 256): „Le second fuseau de direction pre- sente, dans les preparations a I'alcool, un tel degr^ de complica- tion qu'il est extremement difficile, malgre la nettete des images, d'interpreter to us les details de structure que Ton distingue. II est tout aussi difficile de se rendre un compte exact de la succession des phenomenes." Wer die liierher geborigen Abbildungen van Beneden's geseheu hat, wird diesen Satz gerne bestatigen. Man kann dem Buche des belgischen Forschers, das, was die Feinheit der Beobachtung und die Verwertung des Gesehenen be- trifft, ein wahres Musterwerk genannt zu werden verdient, den Vor- wurf nicht ersparen, dass jegliche Kritik, ob das Beobachtete auch normal sei, in demselben felilt. van Beneden geht mit einer Sicherheit zu Werke, als hatte er alles, was er beschreibt, im lebenden Zustand gesehen. Die Frage, die sich der Forscher im Organischen, sobald er mit Reagentien arbeitet, bei jedem Schritt vorlegen muC: entspricht das Praparat dem Leben — wird nirgends gestellt. Und gerade van Beneden lagen Thatsachen genug vor, welch e ihm die ernstlichsten Bedenken gegen die Zuverlassigkeit seiner Bilder hatten erwecken sollen. Er selbst berichtet uns auf Seite 255, daC die Salpetersaure- und die Alkoholpraparate betracht- liche Verschiedenheiten aufweisen, desgleichen sind die anhangs- weise besprochenen Alkoholpraparate von den zuerst beschriebenen sehr abweichend. Und zwar sind dies nicht lediglich Differenzen der Konservierung, wie sie sonst vorkommen, sondem man er- kennt hier deutlich; dali in den einzelnen Fallen das noch lebende Objekt sich in verschiedener Weise verandert haben mufi, ehe die Fixierung erfolgt ist. Ich habe schon oben erwahnt, dafi van Beneden beim Studiura der Bildung des zweiten Richtungskorpers beide Arten von Eiern vor sich gehabt hat. Die Figuren 15 — 18 (Taf. XVII), die der Tafel XVIII, XVIII "^'^ und die Figuren 1—2 (Taf. XIX) gehoren dem CARNOY'schen Typus an, wahrend die tibrigen, wenigstens zum Teil, von solchen Eiern stammen, bei denen van Beneden die Bildung des ersten Richtungskorpers untersucht hat. Wie bei der ersten Spindel, so stimmen auch hier die Stadien mit Aquatorial- Bd. XXI. N. F. XIV, 3 I 476 Theodor Boveri, platte und jene mit getrennten Tochterplatten mit den meini- gen im wesentlichen uberein. Schiebt man zwischeu die van BENEDEN'schen Figureu 16, 17 (Taf. XVII), 1, 2, 3 (Taf. XIX) einerseits und Fig. 3 und 4 (Taf. XVIII bis) andererseits meine Figuren 41 und 42 (Taf. XXVI) ein, so ist der typische Verlauf der karyokinetischeu Teilung hergestellt , zugleich aber durch diese zwei Stadien eine viel bessere Verbindung zwischen seinen citierten Figuren gewonnen als durch seine eigenen Zwischenstadien. Diese sind sicher zum Teil (Fig. 1 und 2, Taf. XVIII), vielleicht samt- lich, nur in verscMedener Ansicht und Ausbildung seitlich ge- spaltene Spindeln, wie wir solche bei Nussbaum und Caenoy in variabelster Ausbildung kennen gelernt haben, und iiber dereu pathologische Natur wohl kein Zweifel mehr bestehen kann, nach- dem ich nacligewiesen habe, dafi sie an den durch Hitze abge- toteten Eiern vollig fehlen. Wir konamen so zu dem SchluB, daC die Befunde van Beneden's ebensowenig wie diejenigen Carnoy's inistande sind, eine Ab- weichung der Richtungskorperbildung bei Ascaris megalocephala vom Schema der Karyokinese wahrscheinlich zu machen, geschweige denn zu beweisen. c) Abnormes und Pathologisches. Auf die pathologischen Figuren, soweit sie durch die Ein- wirkung unserer Reagentien verursacht sind, im Einzelnen einzu- gehen, liegt nicht in meiner Absicht; dieselben sind zu mannig- fach wechselnd, um sich von einem gemeinsamen Gesichtspunkt aus betrachten zu lassen. Nur ein Punkt scheint wenigstens den Anfangsstadien durchaus gemeinsam zu sein, namlich die Tendenz zu einer Langsspaltung der Spindel, worin ja Carnoy und zum Teil auch van Beneden den Teiluugsvorgang erkennen zu miissen glaubten. Bei dem CARNOY'schen Typus rucken die beiden chro- matischen Elemente seitlich auseinander, wobei sich die Spindel zunachst in gleicher Richtung verbreitert. Ein solches Bild habe ich in Fig. 19 (Taf. XXVII) in a im optischen Langsschnitt, in l im Aquatorialschnitt dargestellt. Bei ersterer Ansicht sieht man zwar noch den ganzen Raum von Spindelfasern durchsetzt; allein die Polansicht zeigt wie in der Mitte eine Spaltung sich vorbereitet. Die Figur besteht aus zwei lateralen Halften, die unter einem stumpfen Winkel miteinander vereinigt sind. Zugleich tritt in den beiden Halften eine zu den Spindelfasern senkrechte Streifung Zellen-Studien. 477 deutlicli liervor. Es ist mir selir walirscheinlich, daC einige dieser Figiir ganz ahuliche Bilder Nussbaum's und Carnoy's, welche von ersterem als gebogene Spindeln mit Tocliterplatten, von letzterem als gespaltene Spindeln, die an dera einen Pol noch in Zusammen- hang stehen , aufgefaBt werden, nur solche polare Ansichten noch wenig modificierter Figuren darstellen. Die gleiche Tendenz zu einer seitlichen Trennung habe ich bei dem van F>ENEDEN'schen Typus in der ersten Richtungsspindel wahrgenommen (Fig. 18, Taf. XXVII). Die Figur spaltet sich in zwei seitliche Halften, die an den Polen in Zusanimenhang bleiben und einen hyalinen Raum zwischen sich schlieBen. Jede Halfte enthalt das halbe chromatische Element, also 2 Stabchen, die keinerlei sichtbare Verbindung mehr mit denen der anderen Seite aufweisen. Weiter als bis zu dem beschriebenen und gezeichneten Stadium habe ich den Prozefi niemals schreiten sehen. Interessant ist an diesem Fall die Halbierung des chromatischen Elements, die in einer Richtung erfolgt, wie wir sie normalerweise erst bei der zweiten Teilung sich vollziehen sehen. Wichtiger als diese durch den Einflufi auBerer Agentien her- beigefiihrten pathologischen Erscheinungen sind einige andere vom typischeu Verlauf abweichende Prozesse, die durch eigentiimliche Verhaltnisse oder einen Mangel im Ei selbst bedingt sind, und fiir die die Grenze zwischen „abnorm" und „pathologisch" schwer zu Ziehen ist. Alle meine Beobachtungen in dieser Richtung stammen von Eiern des CARNOT'schen Typus. Einige schlieCen sich an schon Bekanntes an. Es sind dies Falle von Verschleppung chromatischer Elemente bei der Trennung der Tochterplatten, Strasburger 1) hat zuerst an den Pollenmutterzellen von Hemero- callis fulva die Beobachtung gemacht, „daC bei der Trennung der Kernplattenelemente in ihre beiden Halften haufig einzelne Elemente, statt gegen den Pol zu riicken, im Aquator der Spindel verbleiben." Diese rekonstruieren sich dann selbstandig zu einem sehr kleinen Kern. Einen ganz ahnlichen Fall beschreibt Rabl"^), wenn auch bei seinem isolierten Refund die Verkniipfung seiner beiden hier- her gehorigen Figuren (16 und 17, Taf. X) nicht so sicher ist als bei Strasburger. Sowohl bei der Bildung des ersten , als auch des zweiten 1) Stbasbtjegee , tJber den Teilungsvorgang der Zellkerne etc. Bonn, 1882, pag. 22. 2) Rabl, tJber Zellteilung. Morph. Jahrb. Bd. X, 1885, pag. 292. 31* 478 Theodor Boveri, Richtungskorpers habe ich eine derartige Verschleppung von Kernelementen beobachten konnen ; allerdings nie, wenigstens nie unzweifelhaft, im Verlauf des Prozesses selbst, sondern nur in den Endstadien , in denen ein Stabchen nicht an dem Ort gefunden wird, wohin es gehort, sondern anderswo liegt, was ja bei der geringen uod ganz konstanten Zahl derselben uud infolge des Umstandes , daC man die beiden Schwesterkerne stets nebenein- ander liegen hat, mit Leichtigkeit festgestellt werden kann. Ein solcher Fall ist in Fig. 53 (Taf. XXVI) von der Bildung des ersten Richtungskorpers wiedergegeben. Der Richtungskorper ist abgetrennt, die im Ei zuruckgebliebenen Elemente liegen in dem gleichmaBig granulierten Hof achromatischer Substanz, der noch keine Andeutung der zweiten Spindel erkennen laCt. Nor- malerweise sollten hier zwei Doppelstabchen sich finden, zwei gleiche im Richtungskorper. Allein dieser enthalt nur ein Doppelstabchen und daneben ein einfaches, im Ei dagegen erkennt man die normalen zwei Doppelelemente , daneben aber gleichfalls ein einfaches Stabchen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafi dieses Stabchen die fehlende Halfte des im Richtungskorper ge- legenen einfachen Stabchens darstellt, welche abnormer Weise im Ei zuriickgeblieben ist. Da es nicht mit einem der beiden Doppel- elemente des Eies in Verbindung steht, so scheinen die Tochter- platten zuerst normal gebildet und dann erst von dem einen Element der auBeren durch einen Mangel in der Teilungsmechanik die eine Halfte ins Ei zuruckgezogen worden zu sein. Es ware sehr interessant, zu sehen, wie sich dieses Stuck im weiteren Ver- lauf verhalt. Allein ich habe bis jetzt trotz besonderer Aufmerk- samkeit kein Folgestadium auffinden konnen. Ganz die gleiche Erscheinung habe ich mehrmals bei der Bildung des zweiten Richtungskorpers konstatiereu konnen. Ein derartiges Ei ist in Figur 55 (Taf. XXVI) dargestellt. Hier ist im zweiten Richtungskorper nur ein Stabchen vorhanden, es mufi also ein sonst ausgestoBenes im Ei zuruckgeblieben sein. Das Ei ist im Stadium der ausgebildeten Vorkerne und enthalt drei Kerne : den Spermakern, den Eikern und dicht neben diesem einen etwa halb so groBen Kern, der ofienbar aus dem abnormerweise zuriickgebliebenen Stabchen sich gebildet hat. Es erhebt sich hier wieder die Frage , wie diese Verschleppung zustande gekommen ist. Es ist denkbar, daB sich bei einem der beiden Doppelelemente der zweiten Richtungsspindel die Trennung nicht vollzogen hat, 4a6 das ganze Paar ins Ei zuruckgezogen worden ist. Dieses Zellen-Studien. 479 Paar wiirde den groBen Kern gebildet haben, der demnach dem normalen Eikern n i c h t entsprache. Oder die Teilung der beiden Stabchenpaare erfolgte regular, die beiden inneren Tochtereleniente lieferten, wie gewohnlich, den groiien Eikern, auCerdem wurde aber noch eines der beiden auBeren zuriickbehalten, welchem der kleinere Kern seine Entstehung verdankt. Ich halte die letztere Moglich- lichkeit fiir die wahrscheinlichere. In einen zweiten Teil dieser Studien vorgreifend, kann ich bemerken, daB alle drei Kerne an der Bildung der ersten Furchungsspindel sich beteiligen. SchlieBlich geliort zu den besprochenen Erscheinungen noch ein Fall, in dem ein zweiter Richtungskorper iiberhaupt nicht vor- handen ist, obgleich das Ei in jenem Stadium abgetotet wurde, wo Ei- und Spermakern ihre voile Ausbildung erlangt haben. Dieses Ei, welches in Fig. 54 abgebildet ist, enthalt anstatt zwei drei annahernd gleich groBe Kerne: den Spermakern, den nor- malen Eikern und noch einen zweiten Eikern, der ofFenbar aus den sonst im zweiten Richtungskorper ausgestoBenen Elementen sich gebildet hat. Von groBem Interesse ist ein sehr haufiger abnormer Ent- wicklungsverlauf, der dadurch charakterisiert ist, daB nur ein einziger Richtungskorper gebildet wird. Ich habe diesen Modus der Eireifung an mehr als 50 Eiern in alien Stadien ver- folgen konnen, von den ersten Anfangen an bis zur ersten Furchung, in der seine Konsequenzen stets noch zu erkennen sind. Dieser Entwicklungsgang tritt dann ein, wenn die erste Rich- tungsspindel genau tangential, also parallel zur Eioberflache ge- stellt ist. Es erfolgt eine ganz normale Kernteilung (Fig. 47 und 48, Taf. XXVI), allein zu einer Z e 1 1 teilung, zur Bildung eines ersten Richtungskorpers kommt es nicht ; wie es scheint, weil die beiden Kernhalften vollig symmetrisch zur Zellsubstanz liegen , so daB eine Zellteilung zwei gleich groBe Tochterzellen liefern mtiBte. Es bleiben also beide Tochterplatten im Ei, wie Fig. 49 lehrt, fiir die man mit Bestimmtheit behaupten kann, daB es nicht mehr zu einer AusstoBung der einen Kernhalfte kommen kann ; denn von „Verbindungsfasern", die stets bis nach der Ablosung des ersten Richtungskorpers persistieren , ist keine Spur mehr zu entdecken, auch haben die beiden Tochterplatten bereits ihren Parallelismus aufgegeben, sie sind sowohl unter sich, als auch zu denen der anderen Seite nicht unbetrachtlich verschoben. Der Hof achroma- tischer Kernsubstanz, in den dieselben eingebettet sind, zeigt zwar an der nach innen gerichteten Seite noch eine deutliche Furche, 480 Theodor Boveri, als Andeutung einer versuchten Halbierung, dagegen hat er in seinem auBeren Abschnitt einen kegelformigen Fortsatz gebildet, von dessen der Oberflacbe des Eies anliegender Spitze eine deut- licbe divergierende Streifung nach innen zieht. Es ist dies der auBere Pol einer neuen Spindel, deren Acbse auf der alten senk- recht steht. Man findet diese Eier in jenem Teil des Uterus, wo bei normaler Entwicklung der erste Richtungskorper ausgestoCen ist und die zweite Richtungsspindel sich zu bilden beginnt. Als solcbe haben wir auch die in unseren Eiern jetzt entstehende Spindel aufzufassen. In Fig. 50 sehen wir dieselbe etwa auf dem Stadium, welches fiir den regularen Verlauf durch die Fig. 34 reprasentiert wird, in Fig. 51, welche den Figuren 39 und 40 ent- spricht, ist die Spindel fertig gebildet. Wie sonst die zwxi Doppelelemente , so werden in unserem Falle alle vier aus der ersten Teilung hervorgegangeneu Doppelstabchen in den Aquator der achromatischen Figur eingeordnet, so zwar, daC von jedem Element das eine Stabchen dem auCeren, das andere dem inneren Pol zugekehrt ist. Meist ist die Lagerung eine solche, dafi, wenn man sich in die Aquatorialebene ein Quadrat gelegt denkt, jedes Element die Mitte einer Quadratseite einnimmt (Fig. 51). Ein solches Bild, ohne Zweifel in der uamlichen Weise entstauden, findet sich auch bei Casnoy in Fig. 39 (Taf. XXVI). Nun erfolgt eine ganz regulare Teilung, von jedem der vier Doppelstabchen wird die eine Hiilfte in einem groBen einzigen Richtungskorper abgetrennt, die auderen vier Stabchen bleiben im Ei und bilden den Eikern. Die Eier, welche diese Teilung erleiden, finden sich stets im Verein mit solchen, welche den z w e i t e n Richtungskorper bilden. Sie sind, abgesehen von der Kernfigur, von den normalen Eiern nicht im geringsten verschieden; die Bildung der beiden Perivitellinhiillen und die allmahlichen Wandlungen im Habitus des Eikorpers und des Spermatozoons, das alles zeigen sie in ganz der gleichen Weise, wie jene Eier, welche in der Bildung des zweiten Richtungskorpers auf dem gleichen Stadium stehen wie diese ab- normeu in der Bildung ihres einzigen. Fig. 52 stellt ein Ei dieser Entwicklungsreihe dar, von welchem der aus vier einfachen Stabchen bestehende Richtungskorper bereits abgetrennt ist, wahrend die vier im Ei zuriickgebliebenen, von einer Membran urageben, sich in das Gerust des Eikerns umzuwandeln beginnen. Diese Eier erfahren, wie wir im nachsten Teil sehen werden, eine ganz normale Be- fruchtung und Furchung. Zum SchluB moge uoch ein Ei erwahnt werden, welches, an- Zellea-Studien. 481 statt einen zweiteii Richtuugskorper zu bilden, sicli in zwei glcicli groCe Tochterzellen geteilt hatte, so daB man auf den ersten Blick ein Furchungsstadium vor sicli zu haben glaubt. Jede der beiden Tochterzelleu enthiilt zwei Stabcben, die eine auCerdem noch das Spermatozoon (Fig. 56), Dieses Ei, oder richtiger ge- sagt, diese zwei Eier, sind, wie viele andere des gleichen Indivi- duunis, noch dadurch merkwiirdig, dafi sich bei der Ausbildung von Ei- und Spermakern die Kernvakuole nicht um die chroma- tischen Elemeute, soudern nebeu denselben bildet, wahrend diese, dicht neben ihrer Vakuole, unverandert in der Zellsubstanz liegen. B. Ascaris Inmbricoides. Die Reifeerscheinungen dieser Eier babe icb bereits kurz be- schrieben ^) und icb wiirde, bei der tJbereinstimmung des Prozesses mit dem anderer Eier, nur eine kleine Erganzung zu dem bereits Gesagten bier fiir notig finden, wenn nicht mittlerweile eine Ar- beit von Carnoy 2) liber Eireifung und Furchung einiger Nema- toden erschienen ware, welche auch dieses Objekt umfaBt. Die Beschreibung, die Carnoy von dem Verlauf der Eireifung bei Ascaris lumbricoides giebt, ist so fundamental abweichend von meinen Befunden, zugleich so sehr im Widerspruch mit alien Er- fahrungen iiber Zellteilung, mit Ausnahme jener, die Carnoy selbst gemacht hat, daB ich eine eingehende, mit Abbildungen belegte Schilderung des von mir konstatierten Verlaufs nicht fiir tiberflussig halte. Die Eier von Ascaris lumbricoides sind nach meinen Erfah- rungen viel leichter zu behandeln, als diejenigen von Ascaris me- galocephala. Pathologische Bilder, wie bei diesen, babe ich bier nie gesehen. Alkohol von 30 und 70 "/o hat mir stets die besten Resultate, wenigstens in bezug auf die chromatischen Elemente, geliefert. Viel ungiinstiger als Ascaris meg. ist unser Objekt da- gegen in bezug auf die GroBen - und Zahlenverhiiltnisse. Als Deraonstrationsobjekte fiir schwache VergroBerung, wozu die Eier des Pferdespulwurms ein so vorziigliches Material bilden, sind die von Ascaris lumbricoides nicht zu brauchen. In der „Wachstumszone" der Eirohren zeigt jdas allmahlich 1) Sitz. - Ber. der Ges. f. Morph. u. Phys. in Miinchen, II. Bd., 1886. 2) La_Cellide, torn. Ill, fasc. I, 482 Theodor Boveri, sich vergroCernde Keimblaschen den Bau eines typischen ruhenden Kernes: ein sehr zartes chromatisches Geriist, dera exzentrisch ein achromatischer Nucleolus eingelagert ist ; zur Bildung eines Keimflecks korarat es nicht. In jenen Eiern, welche der Ablosung von der Rachis nahe sind, nimmt das Keimblaschen allmahlich eine andere Struktur an. Das Chromatin zieht sich aus dem gleichmaCigen Reticulum auf eine Anzahl von starker farbbaren Inseln zusammen, die zum groBen Teil, vielleicht alle, der Membran des Keimblaschens an- geschmiegt sind (Fig. 1, Taf. XXVIII). Im Innern wird ein auBerst zartes achromatisches Geriist sichtbar. Allmahlich nehmen die chromatischen Inseln eine bestimmtere Form an ; in Eiern, welche zur Aufnahme des Spermatozoons reif sind, erscheinen sie stets als kurze Stabchen, die aufs deutlichste eine Querteilung erkennen lassen, indem jedes aus zwei chromatischen Kornern besteht, die durch ein achromatisches Verbindungsstuck zusammengehalten werden (Fig. 2 und ff.). Ihre Zahl betragt ungefahr 24. Fur das Studium der Bildung der Richtungsspindel sind die Eier von Ascaris lurabricoides infolge der Kleinheit des Keim- blaschens kein giinstiges Objekt. Was ich daruber ermitteln konnte, scheint sich den entsprechenden Vorgangen bei Ascaris megalocephala (Typus Caenoy) enge anzuschliefien. Das Keim- blaschen des ausgewachsenen Eies zeigt bei beiden Arten im wesentlichen den gleichen Grad von Differenzierung, es ist bei beiden von einer deutlichen Membran umschlossen , welche die chromatischen Elemente, so wie sie in die erste Spindel eintreten sollen, fertig gebildet enthalt und von einem achromatischen Ge- riist erfiillt ist. Diese Substanz jedoch zeigt bei den Eiern von Ascaris meg. ein sehr dichtes Gefiige, sie erscheint wie grob gra- nuliert und kompakter als das Protoplasma, bei denen von Ascaris lumbricoides dagegen ist sie aulSerst zart, in Nelkenol sogar nahezu verschwindend , so dafi das Keimblaschen den Eindruck einer Vakuole macht. Damit scheint mir eine Diflferenz zusam- menzuhiingen , die sich in den folgenden Stadien zu erkennen giebt. Das Volumen des Keimblaschens von Ascaris meg. nimmt bei der Umbildung zur Spindel nicht ab, bei Ascaris lumb. da- gegen geht mit der Spindelbildung eine ganz betrachtliche Schrumpfung des Keimblaschens Hand in Hand, wobei die achro- matische Substanz successive ein immer dichteres Gefiige erlangt. Ich schlieBe daraus, daC im ruhenden Keimbliischeu der letz- teren Art die entsprechende Menge achromatischer Substanz auf Zellen-Studien. 483 einen groBeren Raum verteilt ist, daC das Keirablaschcn von A scans lumb. relativ groCer ist, als dasjenige von Ascaris meg. In den Figuren 3—13 habe ich eine Serie von Umbildungs- stadien dargestellt. Das ruhende Keimblasclien licgt in dem va- kuolenhaltigen Protoplasma, das wie aus groCeren und kleinereii Kugelschalen zusammengekittet erscheint. Auf dem optischen Schnitt maclit dieses Fachwerk den Eindruck eines Netzes mit groBeren und kleineren rundlichen Maschenriiumen. Einzelne Faden desselben setzen sich an die Menibran des Keimbiascliens an ; es laBt sich nicht entscheiden, ob sie mit derselben ein Con- tinuum bilden, etwa der STRASBURGER'schen Anschauung gemaB, wonach die Kernmembran nur eine differenzierte Rindenschicht des Protoplasmas ist, oder nicht. Der Kern beginnt zunachst in seiner Begrenzung unregel- maBig zu werden. An einer oder an mehreren Stellen, bald an entgegengesetzten Enden, bald benachbart, zeigt die Membran kon- kave Dallen, welche den Kernraum verkleinern und demselben sofort ein kompakteres Aussehen verleihen (Fig. 3 und 4). Man kann sich diesen ProzeB am besten so vorstellen, daB die an das Keim- blaschen angrenzenden Vakuolen demselben Fliissigkeit entziehen und dadurch wachsend gegen den Kernraum vordringen, desseu achromatische Teilchen infolgedessen dichter aneinander riicken miissen. Die weitere Entwicklung besteht lediglich in einer progressiven Fortbildung dieser Anfange. Die Buchten, die gegen den Kern vordringen, werden nach und nach zahlreicher, seine Gestalt infolge- dessen immer unregelmaBiger (Fig. 5, 6, 7). Meist zeigt sich jedoch ein Durchmesser den anderen an Lange betrachtlich uberlegen. Je mehr dieser ProzeB fortschreitet, um so kleiner wird der Kern, um so dunkler sein Inhalt; er nimmt mehr und mehr den Ton der Kernmembran an, so daB diese schlieB- lich nicht einmal mehr als eine dichtere Rindenschicht wahrzu- nehmen ist. In Fig. 5 ist die Membran des Keimblaschens an der unteren Seite noch ziemlich deutlich als dunklere Linie zu erkennen, wahrend sie im ubrigen Teil bereits verschwunden ist. Diese unregelmaBigen Figuren erinnern entschieden an die Spindelbildung bei Asc. meg.; die hier so deutlich ausgepragte streifige Differenzierung habe ich jedoch bei Asc. lumb. in diesem Stadium nicht wahrnehmen konnen, woran die Kleiuheit des Ob- jektes schuld sein mag. Eine Abgrenzung der Kernsubstanz vom Protoplasma ist nicht 484 Theodor Boveri, moglicli, die Zacken und Spitzen des Kerns scheiiien kontinuierlich in das Fachwerk der Zellsubstanz uberzugehen. Gleichzeitig mit der beschriebenen Umbildung des kugeligen, vakuolenartigen Keiniblaschens in einen kompakten, amoboid aus- sehenden Korper vollzieht sich eine Dislocierung der chromatischen Elemente, in der Weise, dafi die zum groCten Teil oder samtlich an der Innenseite der Membran gelegenen Stabchen auf einen kleinen Raum in der Mitte der achromatischen Figur zusamraen- gedrangt werden (Fig. 5, 6, 7, 8\ Eine Analyse des Chromatins auf diesem Stadiuffi ist unmoglich ; es konnte sowohl ein Haufen einzelner Korner als ein kontinuierlicher, dicht zusanimengewandener Faden vorliegen , und nur der Umstand, daB vorher die charak- teristischen Doppelstabchen vorhanden waren und dafi diese Stab- chen in der fertigen Spindel genau in derselben Weise und in der gleichen Zahl wieder zum Vorschein kommen, berecbtigt uns zu der Behauptung, dafi sie wahrend dieser Zeit, aufierlich wenigstens, keine Umwandlung erfahren. Allmahlich tritt die Spindelform des achromatischen Korpers deutlicher hervor, indem die seitlichen Zacken und Kan ten sich riickbilden und nur zwei opponierte Zipfel bestehen bleiben (Fig. 8 und 9). Ist dieses Stadium erreicht, so andert sich das Aussehen der Figur, sie vergroCert sich, nimmt eine regelmafiige Spindel- form an, wird bedeutend lichter und lafit eine leichte faserige Difierenzierung erkennen (Fig. 10). Bei diesem Aufquellen werden die chromatischen Elemente wieder auseinandergetrieben und mehr oder weniger weit im Raum der Spindel verteilt. Hieran schliefien sich dann Bilder, wo sie, mit ihrer Langsrichtung der Spindel- achse parallel, von beiden Seiten her der Aquatorialebene zustreben (Fig. 11), bis sie hier zu einer aufierst regelmiifiigen Platte an- geordnet sind (Fig. 13). Betrachtet man eine solche Spindel vom Pol (Fig. 12), so sieht man, wie die chromatischen Elemente ziem- lich gleichraafiig im Bereich einer kreisformigen oder unregelmafiig begrenzten Flache verteilt sind. Hier ist es sehr leicht, eine Zahlung vorzunehmen. Wie im ruhenden Keimblaschen , so habe ich auch hier meistens die Zahl 24 erhalten, allein einige Male auch 25. Es ist unter Umstanden schwer zu entscheiden, ob man ein Korn als ein oder zwei Elemente zu rechnen hat. Im Profil tritt die Querteilung aufs deutlichste hervor. Die achromatischen Halbierungsstellen aller Elemente liegen genau in der Aquatorialebene, so dafi man schon jetzt den Eindruck von zwei parallelen, dicht aneiuander gelegten Platten erhalt. Zellen-Studien. 485 Die Spiudel ist mittlerweile an die Oberfliiche des Eies ge- stiegen und fallt meistens mit ihrer Achse in einen Eiradius ; doch ist auch eine schiefe Stelluug nicht ganz selten (Fig. 19). Wie bei Asc. meg. (Typus Carnoy), so geht auch hier dem Auseinanderweicheu der Tochterplatten eine VerkUrzung und uber- liaupt Verkleinerung der achromatischen Figur voraus, die Spindel nimmt Tonnenform an, die Faserung verschvvindet. In den Figuren 14, 15 und 16 ist die Wanderung der Tochterelemente zu den Polen in verschiedenen Stadien dargestellt. Der ProzeC der Tei- lung und Wanderung vollzieht sicli an alien Stabchen ganz gleich- zeitig und gleichmafiig, so daB die jedem Pol zustrebenden Halften stets in einer Ebene verbleiben. Dabei werden sie immer niiher aneiuander geprefit, so daC schlieBlich zwei fast homogene chroma- tische Platten vorzuliegen scheincn; nur mit Miihe erkeunt man eine Zusammensetzung derselben aus einzelnen Kornern. Zwischen den Tochterplatten erscheiuen undeutliche Verbindungsfasern. SchlieBlich liegt die aufiere Tochterplatte direkt unter der Eiober- flache, die innere scheint meistens auch an der dem Ei-Zeutrum zugekehrten Seite von achromatischer Kernsubstanz bedeckt zu sein. Die ganze Figur hat bis zu diesem Stadium immer mehr an Vo- lumeu eingebuBt; fast die ganze Masse der Spindel ist (Fig. 16 und 17) in dem kleinen Raum zwischen den Tochterplatten ent- halten. Die Abtrennung des ersten Richtungskorpers erfolgt in der Weise, dafi ein groCeres oder kleiueres linsenformiges Stiick des Eies, welches die auBere Tochterplatte enthalt, durch Vermittlung einer Zellplatte losgelost wird (Fig. 17). War die Spindel zur Eioberflache schief gerichtet (Fig. 19), so schneidet die Trennungs- flache tiefer in den Eileib ein (Fig. 20). Das abgetrennte Stiick wird alsbald homogen, so daB nur noch die chromatische Substanz als eine der auBeren Perivitellinschicht angeschmiegte kleine Platte sich erkennen laBt. Die im Ei zuriickgebliebenen Halften der Stabchen liegen hier anfanglich in einem dichten, der Eioberflache anliegendeu Hof achromatischer Substanz (Fig. 18, 20), der allmahlich lockerer wird und nicht selten eine kugelige oder ellipsoide Gestalt an- nimmt (Fig. 21). Auf solche Bilder gestutzt, habe ich friiher angegeben, daB zwischen der Bildung der beiden llichtungskorper eine Kernrekonstruktion stattfinde. Ich nehme dies jetzt zuriick, indem man meiner Meinung nach von einer Rekonstruktion des Kerns nur dann sprechen darf, wenn sich die Tochterelementg 486 Theodor Boveri, in ein Gerust auflosen, ein solcher Zustand aber in unserem Fall nie durchgemacht wird, die chromatischen Korner vielmehr, ohne ihre Selbstandigkeit aufgegeben zu haben, in die zweite Richtungs- spindel eintreten. Hier erscheinen sie, wenn sie bereits zu einer regelmaCigen Aquatorialplatte angeordnet sind, noch als einfache Korner (Fig. 22 a); erst allmahlich nehmen sie die Form von Stabchen an, die zur Spindelachse parallel stehen und in der Aquatorialebene eine Querteilung deutlich erkenaen lassen (Fig. 23). Auf diesem Stadium zeigt die zweite Spindel, abgesehen von der GroCe der Elemente, im Profil und vom Pol vollige tJbereinstim- mung mit der ersten ; die Zahl der Stabchen laBt sich wieder als 24 bestimmen (Fig. 22&). Die Wanderung der beiden Tochterplatten zu den Polen der verkiirzten Spindel und die Abtrennung der auCeren mit einem kleinen linsenformigen Stiick der Zellsubstanz erfolgt genau wie bei der Bildung des ersten Richtungskorpers (Fig. 24 — 26). Das Ei von Asc. lumb. besitzt annahernd die Form eines langgestreckten Rotationsellipsoids. Carnoy hat die Beobachtung gemacht, dafi der erste Richtungskorper ira Aquator, der zweite an einem Pole dieses Korpers abgetrennt wird. Ich konnte die- ses Verhalten an meinen Praparaten gleichfalls sehr konstant be- obachten; einzelne Abweichungen kommen aber doch vor. Ich habe sogar Falle beobachtet, in denen die beiden Richtungskorper im gleichen Eiradius lagen. Besondere Muhe habe ich darauf verwendet, festzustellen, ob wirklich auch bei der Bildung des zweiten Richtungskorpers eine Halbierung der einzelnen Elemente erfolgt, und nicht etwa die halbe Anzahl derselben ohne Teilung entfernt wtirde. Denn bei der Mannigfaltigkeit der karyokinetischen Prozesse, die von Cae- NOT vertreten wird, und bei der spezifischen Bedeutung, die nach Weismann der Bildung des zweiten Richtungskorpers zukommen soil , ist es von Wert , in jedem einzelnen Fall den Verlauf des Prozesses festzustellen. Schon die in der Aquatorialebene ange- deutete Querteilung der Stabchen laCt ja kaum einen Zweifel, daB eine Spaltung derselben eintreten wird, ein vollgiiltiger Be- weis aber wird dadurch geliefert, daC sich in manchen Fallen in den Tochterplatten bei sehr guter Konservierung und weniger dichter Lagerung die Zahl der konstituierenden Elemente anna- hernd bestimmen laCt (Fig. 27), wobei ich dann stets ungefahr die Zahl 24 erhalten habe. Zelleil-Studien. 487 Wenn ich nun auf Grund dieser Befunde die CAENOY'schen Kesultate einer Kritik unterziehe, so muC ich im voraus bemerken, daB ein Teil unserer Diiferenzen vielleicht in einer Variabilitat der Eier seinen Grund haben mag. Man kann in dieser Hinsicht bei der Beurteilung der Beobachtungen anderer Autoren nicht vor- sichtig genug sein , wie uns das Beispiel von Ascaris megaloce- phala gelehrt hat. Freilich habe ich bei Asc. lumb., obgleich ich Eier von vielen verschiedenen Individuen zu verschiedenen Zeiten gesammelt und untersucht habe, an Alkohol-, Salpetersaure- und Pikrin - Essigsaure - Praparaten stets genau die gleiche Anordnung vorgefunden, immer die namliche Zahl von Stabchen, die durch Querteilung die Tochterplatten liefern. Auch zeigen viele * der CARNOY'schen Abbildungen eine geniigende tjbereinstimmung mit den meinigen, um eine Identitat des Untersuchungsobjekts fast ge- wiB erscheinen zu lassen. Carnoy berichtet vom Bau des Keirablaschens des zur Be- fruchtung reifen Eies, dalJ scheinbar das Chromatin in Form von getrennten Stabchen vorliege, daC diese aber durch achromatische Fadchen verbunden seien, die man als des Chromatins beraubte Abschnitte eines kontinuierlichen Knauels betrachten mtisse. Mag diese Anschauung richtig sein oder nicht, so ergiebt sich daraus doch, dafi Carnoy dieselben Bilder vor sich gehabt hat, wie ein solches in meiner Figur 1 dargestellt ist. Von der schon im Keimblaschen angedeuteten Querteilung der Stabchen hat er dagegen weder jetzt noch spater etwas wahr- genommen. Desgleichen giebt er kein Bild von der Entstehung der ersten Richtungsspindel, und was hieriiber im Text gesagt ist, das scheint mir nach den Erfahrungen an anderen Objekten sche- matisiert zu sein. Die fertige Spindel zeigt, wie an meinen Pra- paraten, eine aus kurzen Stabchen gebildete Aquatorialplatte, deren Zahl nach Carnoy ungefahr und mindestens 12 betragen soil. Ob diese Angabe als genau betrachtet werden darf, weifi ich nicht. Carnoy sagt nicht, ob er die Zahlung bei seitlicher oder bei po- larer Ansicht vorgenommen hat; im ersteren Fall ist eine genaue Zahlenbestimmung unmoglich. Die Flachenansicht der Aquatorial- platte aber findet sich bei Carnoy weder gezeichnet, noch im Text erwahnt, so daC es zweifelhaft ist, ob er sie iiberhaupt ge- sehen hat. An das Stadium der fertigen Spindel reiht Carnoy ein Bild, entsprechend meiner Fig. 10, welches ohne Zweifel ein dem vorigeu vorhergehendes Stadium reprasentiert. Carnoy giebt zu, daB eine 488 Theodor Boveri, solche Interpretation moglich ist, allein er benutzt es doch, iim zu einera folgenden tiberzuleiten : die Spindel mit wohl ausgebildeter Aquatorialplatte soil sich in einen ruhenden Kern ziiruckverwan- deln. „En effet, apres s'etre maintenue pendant un certain temps, la figure revient sur elle-meme etc." Dieser Kern bildet danu durch direkte Teilung (st6nose) den ersten Richtungskorper , von welchera ProzeC wir nichts als die Endstadien (Fig. 208 und 209) vorgefiihrt bekommen, die den Endstadien einer karyokinetischen Teilung vollig entsprechen : wir sehen eiue aufiere und innere Tochterplatte , die durch Verbin- dungsfasern in Zusammenhang stehen. Caenoy's Figuren enthalten also zwei typische Stadien der karyokinetischen Teilung: eine Spindel rait Aquatorialplatte und eine Spindel mit Tochterplatten. Allein trotzdem soil die letztere nicht in der allgemein verbreiteten Weise aus der ersteren her- vorgehen , sondern eine vollige Riickbildung der Spindel in den ruhenden Kern sich vollziehen, der daun durch direkte Teilung jene Endstadien liefert. Und dieser Prozefi, der die ganze Ka- ryokinese auf den Kopf stellt, wird reprasentiert durch zwei Stadien, von denen tiberdies das eine (Fig. 206) als ein der fer- tigen Spindel vorhergehendes allgemein bekannt ist, das andere (Fig. 207) aber, welches den „ruhenden Kern" darstellt, sich wohl bei einer Drehung des Eies als die polare oder nahezu polare Ansicht einer Spindel entpuppen dtirfte, wie eine solche etwa in Fig. 206 bei seitlicher Ansicht gezeichnet ist. Nach der Ablosung des ersten Richtungskorpers verbreiten sich, wie auch ich berichtet habe, die Chromatinsegmente im In- nern der zuriickgebliebenen achromatischen Substanz, die von neuem mehr oder weniger das Aussehen eines ruhenden Kernes gewinnt. Ob bei den CARNOT'schen Eiern wirklich eine Re- konstruktion erfolgt, oder ob er sich, wie friiher auch ich, durch die unregelmafiige Verteilung der Elemente hat tauschen lassen, wage ich nicht zu entscheiden. Nun soil sich der gleiche ProzeB vollziehen, wie das erste Mai: Ausbildung der Spindel bis zum Stadium der fertigen Aquatorialplatte, Ruckbildung dieser Figur zu einem ruhenden Kern, Bildung des zweiten Richtungskorpers durch direkte Teilung. Die Bilder, die Carnot von der zweiten Richtungsspindel giebt, sind zum Teil, wie Fig. 212, 217, 218, von den raeinigen abweichend, indem die chromatischen Elemente, die ich in alien Stadien als Korner oder kurze Stabchen gesehen habe, hier zu langen, kornigen Filden ausgezogen sind. Ein prin- Zellen-Studien. 489 zipieller Unterschied liegt darin jedoch nicht. Obgleich Carnoy die Bildung des zweiten Richtungskorpers durch eine groBe Zahl von Figuren veranschaulicht, ist doch die Beweisfuhruiig keines- wegs strenger als fiir die erste Teilung. Alle seine Bilder, mit Ausnahme der Figuren 221 und 222, stellen bekannte Stadien einer regularen, karyokinetischen Teilung dar, und gegen die zwei citierten Figuren, welche den aus der riickgebildeten Spindel ent- standenen rulienden Kern veranschaulichen soUen , hege ich den gleichen Verdaclit, wie gegen Fig. 207, dafi es nur polare oder schrage Ansichten von vielleiciit sclilecht konservierteu Spin- deln seien. Zu seiner eigentiimlichen Auffassung des Entwicklungsganges gelangt Carnoy aber dadurcli, dal^ er die gleichen Stadien ein- mal fiir die Ausbildung und dann fiir die Riickbildung verwendet, auf welche Art man natiirlich auch beweisen kann, dafi der Rich- tungskorper, nachdem er ausgestoCen ist, wieder ins Ei zuriick- kehrt, um vielleicht zum zweiten Mai ausgestofien zu werden. So finden wir annilhernd das gleiche Bild in Fig. 212 und 217 fiir die Bildung der Spindel, in Fig. 220 fiir die Riickbildung und in Fig, 223 fiir die Vorbereitung des ruhenden Kernes zur direkten Teilung beuiitzt. Carnoy konnte versuchen, die Lagerung der zweiten Spindel, die, wie er konstatiert hat, in den meisten Fallen vom Aquator, wo der erste Richtungskorper sich abgelost hat, zu einem der Pole wandert, als Beweis heranzuziehen, dafi diese identischen Bilder wirklich zweimal vorkommen. AUein einerseits ist diese Lageverschiebung doch nicht ganz konstant und vollzieht sich einmal rascher, ein anderes Mai langsamer, andererseits scheinen die Figuren 220 und 223, auf die es hier ankame, nicht optische Langsschnitte, sondern Aquatorialschnitte von Eiern dar- zustellen, da sie wohl bei derselben VergroBeruug entworfen sind wie die Fig. 222. Jedenfalls also liefern die gezeichneten Praparate Carnoy's nicht den geringsten Anhaltspunkt, der uns zu der Annahme eines vom Schema der Karyokinese abweichenden Verlaufs notigen konnte. 490 Theodor Boveri, C. Die Bezichungen der Ibeschrielbenen Befunde zur Ka- ryokinese iiberhaupt und zu der Richtungskorperbildung anderer Eier. Einen fiir alle bekannten Falle giiltigen Verlauf der karyoki- netischen Teilung glaube ich etwa in folgender Weise entwerfen zu konnen : Zusamraenziehung des chromatischen Kernmaterials in eine (bestimmte) Anzahl isolierter Stiicke von charakteristischer, nach der Zellart wechselnder Form, die chromatischen Elemente; Ausbildung einer achromatischen Fadenfigur, sei es aus Kern-, sei es aus Zellsubstanz, mit zwei Polen; Ijagerung der chroma- tischen Elemente, soweit dies ihre Zahl, Form und GroCe gestattet, in der Aquatorialebene der achromatischen Figur; Teilung der chromatischen Elemente in zwei Halften, von denen jede einem anderen Pol zugefuhrt wird; Auflosung der Tochterelemente in das Geriist zweier neuer Kerne. Betrachten wir zuerst, ob und in welcher Weise die chro- matischen Elemente der Ascarideneier sich diesem Schema unterordnen lassen. Auf deni friihesten Stadium, welches wir von Ascaris lumbricoides kennen gelernt haben, zeigt das Keimblaschen den typischen Bau des ruhenden Kernes , und wir sind zu der Annahme berechtigt, daC aus dem hier vorhandenem Geriist die chromatischen Elemente in ganz der gleichen Weise hervorgehen, wie in anderen Fallen, wenn sich auch das Detail dieser Um- bildung wegen der Kleinheit des Objekts nicht feststellen laCt. Die Anordnung der Elemente zu einer aquatorialen Platte, ihre Querteilung und die Bildung der Tochterplatten, dies alles ist uns in der gleichen Weise von vielen anderen Kernteilungen, besonders aus dem Kreis der Arthropoden, bekaunt. Abweichend an der ganzen Richtungskorperbildung ist nur das Verhalten der im Ei zuriickbleibenden Tochterelemente nach der AusstoCung des ersten Richtungskorpers, indem dieselben sich nicht in ein Gerust auf- losen, sondern isohert bleiben und so direkt als die Mutterelemente in der nachsten Spiudel erscheinen. — Wie in alien Fallen , in denen die Zahl der Elemente Gegenstand besonderer Aufmerk- samkeit gewesen ist, so konnten wir dieselbe auch bei Ascaris lumbricoides als konstant, und zwar wahrscheinlich in alien Fallen 24 betragend, erkennen. Diese Zahl ist, wie aus dem Verlauf des ganzen Prozesses hervorgeht und auch direkt durch die Be- obachtung festgestellt worden ist, fur die beiden aufeinanderfol- gendeu Teilungen die gleiche. Zellen-Studien. 491 In deni Keimbltischen der Eier vou Ascaris megalocephala, Typ. Carnot, sind auf dem friihesten Stadium, welches wir be- sprochen haben , bereits zwei selbstandige Chromatinportionen vorhanden, die wir als chromatische Elemente anzusprechen haben. tJber die Bildung dieser Elemente ist uns nichts Sicheres bekannt. GewiC gehen sie in irgend welcher Weise aus einem typischen Kerngeriist hervor. Allein diese Umbildung des Reticulums in die chromatischen Elemente, die bei anderen Zellen und auch bei mauchen.Eiern (Asc. lumb.) direkt der Teilung vorhergeht, scheint sich bei den moisten Eiern in einer langen Periode und auf Um- wegen, die noch nirgends genau erforscht sind, zu vollziehen, wo- durch eben zum Teil die specitische Struktur der meisten Keira- blaschen bedingt wird. Die beiden chromatischen Elemente verhalten sich in der Folge genau wie die von Ascaris lumb. Wie diese werden sie in die Aquatorialebene der Spindel gelagert und teilen sich (der Lange nach) in je zwei Tochterelemente, die zu entgegengesetzten Polen wandern. Die beiden im Ei verbleibenden Tochterelemente losen sich nicht in ein Kerngerust auf, sondern werden direkt zu den Mutterelementen der zweiten Spindel, wo sie sich abermals der Lange nach teilen. Erst die zwei aus dieser Teilung hervor- gehenden, im Ei zuriickbleibenden Tochterelemente bilden das Ge- riist eines ruhenden Kerns, des Eikerns. Auch hier finden wir also eine ganz konstante Zahl, namlich zwei Elemente, sowohl in verschiedenen Eiern, als auch in den beiden aufeinanderfolgenden Teilungen des gleichen Eies. In ganz der gleichen Weise endlich vollzieht sich der ProzeB bei den Eiern des van BENEDENSchen Typus, mit dem einzigen Unterschied , daB hier nur ein einziges chromatisches Element existiert , die geringste mogliche Zahl , wodurch diese Eier wohl ein Unikum in der ganzen organischen Welt darstellen werden. Es liegen bereits mehrfache Angaben vor, daC die Teilung der chromatischen Elemente sich in manchen Fallen schon zu einer Zeit vorbereitet, wo von der achromatischen Teilungsfigur noch keine Spur nachweisbar ist; der frappanteste dieser Falle ist wohl der neuerdings von Flemming 0 bei der auBerst interessanten „heterotypischen Teilungsform" konstatierte. 1) Flemmikg, Neue Beitrage zur Kenntnis der Zelle. Arch. f. mikr. An., Bd. 29. Bd. XXI. N. F. XIV. Q2 492 Theodor Boveri, Wir haben ein solches Verhalten auch bei den Ascariden- Eiern feststellen konnen. Im Keimblaschen von Ascaris lumbri- coides zeigen die 24 Stabchen lange die deutlichste Querteilung, ehe das Keimblaschen sicb zur Spindel umzuwaudeln beginnt. Viel ausgepragter aber finden wir diese friihzeitige Vorbereitung der Teilung in den Eiern von Ascaris megalocephala. Wahrend wir sonst nur z w e i t e i li g e Elemente kennen , haben wir hier vierteilige vor uns: in jedem Element ist nicht nur die Teilung in zwei Tochterelemente, sondern auch die Teilung dieser Tochter- elemente selbst, die erst bei der zweitfolgenden Keruteilung zum Vollzug kommen soil, vorbereitet; in dem Element des Keim- blaschens sind die Elemente der vier Enkelzellen bereits vor- handen. Es fiihrt uns dies auf das ungewohnliche Fehlen der Eern- rekonstruktion zwischen den beiden aufeinanderfolgenden Teilungen zuriick. Wir haben es in demselben offenbar mit einer Riickbildung zu thun, die mit der rudimentaren Natur der Richtungskorper in Zusammenhang steht. Ohne Zweifel haben sich urspriinglich die aus der ersten Teilung hervorgegangenen Tochterelemente in ein Kerngerust umgewandelt, aus dem dann erst in der gewohnlichen Weise die Elemente der zweiten Spindel entstanden sind. Eine Tendenz, die beiden aufeinanderfolgenden und einander Punkt fur Punkt wiederholenden Prozesse in ein en zusammenzuziehen, hat dazu gefiihrt, zunachst dieses Ruhestadium zu beseitigen ; die Tochterelemente der ersten Spindel werden direkt zu den Mutter- elementen der zweiten. Da diese demnach schon langst, ja schon bevor die erste Spindel zur Ausbildung kommt, im noch ruhenden Keimblaschen, als die Halften der hier vorhandenen Elemente, gegeben sind, so kann sich auch die Teilung, die sie in der zweiten Spindel erleiden sollen , hier schon vorbereiten : das Element des Keimblaschens wird vierteilig. Damit ist ein zweiter Schritt zu einer Abkiirzung des Verlaufs gethan. Wie diese Ruckbildung noch einen Schritt weiter gehen kann, haben wir an jenen Eiern des CARNOY'schen Typus kennen gelernt, wo die erste Teilung sich nur noch an den chromatischen Elementen allein vollzieht, wahrend die Kern- und Zellteilung unterbleibt, wobei die Zahl der Elemente verdoppelt werden muC. Hier kommt nur noch die zweite Zellteilung zustande. Es scheint mir, als ware dieses vollige Ausfallen einer Teilung geeignet, einiges Licht iiber gewisse bis jetzt ganz ratselhafte Er- scheinungen zu verbreiten. Hierher gehort vor allem jene auf Zellen-Studien, 493 halbcin Wege stehen bleibende und wieder riickschreitende Kern- teilung in den Eieru von Thysanozoon Diesingii, welche Selenka') beschrieben hat. Vor Bildung der Richtungskorper namlich, deren hier, nachdem die Eier ins Wasser gelangt sind, ganz regular zwei ausgestoCen werden, geht an diesen Eiern noch im Mutter- leibe ein eigentiimlicher ProzeB vor sich. Das Keimblaschen mit Keimfleck wandelt sich in eine typische Spindel mit machtiger Protoplasmastrahlung urn, die man nach der Zeit ihres Erscheinens fiir nichts anderes als die erste Richtungsspindel halten konnte. Nach dem Modus der Salamanderkerne entsteht ein „Aster", es vollzieht sich die Metakinese, und es komrat zur Bildung regu- larer Tochtersterne. Allein weiter schreitet der ProzeB nicht Spindel und Polsonnen verschwinden allmahlich, und es bildet sich ein typischer ruhender Kern aus, der die charakteristischen Eigen- tiimlichkeiten des Keimblaschens verloren hat. Dieser Vorgaug laCt sich vollkommen mit dem von mir fiir Ascaris megalocephala als abnorm beschriebenen in Parallele bringen. In beiden Fallen vollzieht sich die Halbierung der Chromatinelemente und ihre Sonderung in zwei Gruppen, welche sonst den Tochterkernen ihre Entstehung geben — hier macht die Entwickelung Halt. Der Unterschied, daC bei Thysanozoon nun ein ruhender Kern entsteht, bei Ascaris nicht, ist kein essentieller, da bei dem Spulwurm auch nach der normalen Kern- und Zellteilung die Rekonstruktion unter- bleibt. Es scheint mir deshalb keinem Zweifel zu unterliegen, daC wir den Fall Selenka's nach dem am Ascaridenei konsta- tierten zu beurteilen haben, dafi auch bei Thysanozoon urspriing- lich eine Zellteilung stattgefunden hat, die riickgebildet worden ist. Von Wichtigkeit warees nun, uber die Bedeutung dieser Teilung ins klare zu kommen. Eine Teilung des ausgewachsenen, mit Keimblaschen versehenen Eies kennen wir bloC in der Richtungs- korperbildung. Es laCt sich deshalb kaum eine andere Annahme machen, als dafi die ruckgebildete Teilung bei Thysanozoon ur- spriinglich zur Entstehung eines Richtungskorpers fiihrte, um so mehr als uns in diesem Fall das Ausfallen der Teilung, fiir das wir ja bei Ascaris megalocephala ein unbestreitbares Beispiel kennen gelernt haben, am ehesten verstandlich ist. Ist aber diese Interpretation richtig, so kommen wir zu dem Resultat, dafi das Ei von Thysanozoon Diesingii friiher drei primare 1) Selenka, tJber eine eigentiimliche Art der Kernmetamorphose. Biolog. Centralbl., Bd. I, No, 16. 32* 494 Theodor Boveri, Richtungskorper gebildet hat, da ja nach den Angaben Selenka's noch jetzt deren zwei ausgestofien werden. Weiterhin betrachte ich als eine Erscheinung, die durch den in Rede stehenden Refund einer Erklarung zuganglich wird, die sonderbare zweite Langsspaltung der auseinander weichenden Tochtereleraente vor der Rekonstruk- tion der Tochter kerne. Solche Falle sind vereinzelt von Flemming und Carnoy beobachtet worden ; der van BENEDEN'sche von der ersten Furchungsspindel der Ascaris megalocephala, ist, me ich in einer sp^teren Mitteilung zeigen werde, hochst wahr- scheinlich anders zu deuten. In jiingster Zeit gelang es Flemming i), die in Rede stehende Erscheinung als eine ganz konstante bei der „heterotypischen" Teilung der Spermatocyten von Salamandra festzustellen. DaB sie kein wesentliches Moment bei der karyo- kinetischen Teilung ausmacht, das wird durch das isolierte Vor- kommen hinlanglich bewiesen. Es ware nun, meiner Meinung nach, ganz wohl denkbar, daC in solchen Fallen, wo auf eine zweimalige Spaltung der chromatischen Elemente eine einmalige Kern- und Zellteilung trifft, gerade wie bei der beschriebenen abnormen Richtungskorperbildung, eine Kern- und Zellteilung ausgefallen ist, die mit dieser verbundene Teilung der chromatischen Elemente sich aber erhalten hat, was zu einer Verdoppelung ihrer Zahl fuhrt. Die Riickbildung ware etwa in folgender Weise zu denken; bei Beginn derselben haben sich die Tochterelemente ganz regular ohne Spaltung in ein Geriist aufgelost, dieses hat sich dann, als sollte eine zweite Zellteilung stattfinden, wieder in die einzelnen Elemente kontrahiert, welche nun eine Teilung erleiden: aber die Kernteilung kommt nicht mehr zu stande, sondern die erzeugte doppelte Zahl der Elemente geht von neuem in ein einziges Kern- gerust iiber. Spater hat sich dann der Prozefi vereinfacht, die erste Rekonstruktion wird beseitigt, die Teilung der chromatischen Elemente vollzieht sich direkt an den aus der vorhergehenden Teilung stammenden Tochterelementen. Endlich mag bier noch eine Beobachtung Strasburger's *) herangezogen werden. Bei Corydalis cava vermehren sich die Kerne im Wandbeleg des Embryosackes sehr reichlich durch ka- ryokinetische Teilung, es treten jedoch nicht zwischen alien Ker- nen Scheidewande auf, so daC zunachst mehrkernige Zellen 1) 1. c. 2) Steasbuegee, Zellbildung und Zellteilung. 1880. pag. 23. Zellen-Studien. 495 entsteheu , deren Kerne schlieClich alle zu einem einzigen ver- schmelzen. Wir miissen, wie ich glaube, die einzelnen besprochenen Er- scheinimgen als Glieder einer Reihe betrachten und haben damit eine ziemlich continuierliche Serie von Ruckbildung der Kern- und Zellteilung vor uns. Am wenigsten rudimentar ist der von Stras- BURGER erkannte ProzeB : die Kernteilung erfolgt ganz normal, es entstehen zwei typische Tochterkerne , aber diese verschmelzen wieder zu einem einzigen Kern. Bei Thysanozoon und Ascaris megalocephala kommt es nur noch zur Bildung von Tochterster- nen oder Tochterplatten, schon von hier aus tritt eine riickschrei- tende Entwickelung zu einem einzigen ruhenden Kern ein. Bei den Zellen Flemming's und Carnoy's endlich vollzieht sich nur noch eine Teilung der chromatischen Elemente, ohne dafi der Ver- such gemacht wiirde, die entstehenden Halften in zwei Gruppen zu sondern. Bei dieser Gelegenheit mochte ich eine Vermutung aufiern, die sich auf die wichtige Entdeckung Weismann's bezieht, daC bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern nur ein einziger Richtungskorper ausgestofien wird, wahrend dieselben Eier, sobald sie befruchtet werden, zwei solche Zellen bilden. Ich bin der Uberzeugung, daB es sich hier um ganz den gleichen ProzeC han- delt, wie bei jenen Ascarideneiern, die nur einen Richtungskorper bilden, daC namlich auch bei den parthenogenetisch sich ent- wickelnden Eiern zwei aufeinander folgende Teilungen eingeleitet werden, aber nur die eine wirklich zu stande kommt, die andere dagegen, und zwar wohl sicher die zweite, sich im wesentlichen auf die Teilung der chromatischen Ele- mente beschrankt, welche Riickbildung mehr oder weniger weit ausgebildet sein kann. Vielleicht entsteht, wenigstens in manchen Fallen, noch eine zweite Richtungsspindel mit Tochterplatten, die dann in den Ruhezustand zuruckkehrt, oder es erfolgt nur einfach noch eine Teilung der Elemente. Es ware dann die par- thenogenetische Entwickelung nicht so aufzufassen, daB die Bil- dung des zweiten Richtungskorpers unterbliebe, sondern eher so, daB dieser zwar entsteht, aber im Ei zuriickgehalten wird und nun sein Kern mit dem Eikern verschmilzt. Der zweite Rich- tungskorper wiirde so gewissermaBen die Rolle des Spermatozoons iibernehmen, und man konnte nicht ohne Berechtigung den Satz aussprechen: Die Parthenogenese beruht auf einer Be- fruchtung durch den zweiten Richtungskorper. 496 Theodor Boveri, Wir haben oben als einzige Diiferenz der Kichtungskorper- bildung von der Karyokinese auderer Zellen das Fehlen der Kern- rekoDstruktion zwischen den beiden Teilungen hervorgehoben, Dabei haben wir jedoch immer nur die eine der beiden aus der Teilung hervorgehenden Zellen ira Auge gehabt; die andere, der Richtungskorper ist ganz uuberiicksichtigt geblieben, Weder in der ersten , noch in der zvveiten dieser Zellen kommt es zu einer Kernrekonstruktion; die chromatischen Elemente bleiben so, wie sie aus der Teilung hervorgegangen sind, bestehen, bis sie zu Grunde gehen. Es fragt sich demnach, ob die ausgestoBenen Elemente von den im Ei zuriickbleibenden verschieden sind , oder ob sich ihr abweichendes Verhalten dadurch erklart, dafi sie unter anderen Existenzbedingungen sich befinden als jene. Es kann keinem Zweifel uuterliegen, dafi die Frage im letzteren Sinn entschieden werden muC. Denn wir haben gesehen , daB die ausgestoCenen Elemente in alien Fallen, in denen sie abnormerweise im Ei zu- riickgehalten werden , sich genau in der namlichen Weise verhal- ten, wie diejenigen, welche im regularen Verlauf des Prozesses hier verbleiben. Wir wissen, daC, wenn die zwei Tochterelemeute der ersten Richtungsspindel , die fiir den ersten Richtungs- korper bestimmt sind, im Ei zuriickbleiben, sie alle weiteren Um- bildungen bis zum tJbergang in das Geriist des Eikerns in der gleichen Weise crleiden, wie die zwei anderen, normalerweise bevorzugten; wir wissen, dafi die beiden Stabchen des zweiten Richtungskorpers einen „Eikern" zu liefern im stande sind, der sich von dem normalen in keiner Weise unterscheidet. Wir haben dadurch, wie sich im nachsten Teil noch deutlicher ergeben wird, ein machtiges Argument gewonnen gegen alle jene Anschauungen, welche die Bildung der Richtungskorper als eine Einrichtung zur Entfernung von Kernmaterial betrachten, welches fiir die Kopula- tion der Geschlechtszellen oder fiir die Embryonalentwickelung hinderlich sei. Hinsichtlich der achromatischen Kernfigur ist vor allem die Entstehungsweise der Spindel und das vollige Fehlen der PolstrahlUng von Bedeutung. Der seit langer Zeit gefiihrte Streit, ob die Kernspindel aus Kern- oder aus Zellsubstanz hervorgeht, konnte fiir Ascaris megalocephala (Typ. Carnoy) mit voller Sicher- heit im ersteren Sinn entschieden werden. Die Spindel entsteht Zellen-Studien. 497 hier und wahrsclieinlich auch bei Ascaris lumbricoides, ausschlieC- lich aus der acliromatischen Substanz des Keimblascheiis. Ihre Bildung weicht von dem , was wir an anderen Zellen hieruber wissen, nicht unerlieblicb ab. Gewohnlich scheint das Auftreten der zwei Pole das Primare zu sein; sie sind haufig zu einer Zeit vorhanden (0. Heetwig, Fol., Mark etc.), wo die Kernstruktur noch keine dizentrisclie Anordnung erkennen lasst. Erst allmahlich nehraen chromatische und achromatische Kernbestandteile eine be- stimmte Lagerung zu diesen Punkten an. In unserem Fall ver- halt es sich anders. Wenn die achromatische Substanz des Keim- blaschens ihre Bewegung beginnt, indem sie eine unregelmaCig zackige Gestalt annimrat und eine faserige Differenzierung in ihr deutlich wird, ist von den zwei Polen noch nichts wahrzunehmen und nichts deutet ihre spatere Lage an. Die achromatische Figur erinnert an die unregelmaBigen mehrpoligen Spindeln, wie solche als pathologische Erscheinungen bei den Seeigeleiern von den Brudern Heetwig beschrieben und in den Figuren 22, 23 (Taf. V) Fig. 3 (Taf. VI) und anderen abgebildet worden sind. Es scheint mir, daC zwischen diesen beiden Fallen nicht bloC eine oberflach- liche Ahnlichkeit, sondern eine fundameutale tJbereinstimmung besteht. Der Kern des Seeigeleies besitzt, wie das Keimblaschen von Ascaris, an sich die Fahigkeit, die faserige Differenzierung durchzumachen und sich zu teilen. Allein dieser Prozess ist hier noi-malerweise mit dem Auftreten zweier korperlicher Pole des Protoplasmas verbunden, die an den Kern herantreten und ihn zwingen , eine dizentrische Anordnung zwischen ihnen anzu- nehmen. Wird das Auftreten der Pole unterdriickt, so fehlt eine solche Richtkraft, die Faserung des Kerns wird eine unregel- mafiige. Das Gleiche finden wir an dem Keimblaschen von Asc. meg. Allein hier fehlen die richtenden Pole normalerweise. Soil es zu einer regularen Teilung kommen, so muC die Kernsubstanz selbst die Fahigkeit besitzen, eine dizentrische Anordnung zu ge- winnen, und dies geschieht hier in der That, indem zwei oppo- nierte Lappen des unregelmaBig gestalteten Korpers iiber die an- deren das tJbergewicht gewinnen, wodurch eine typische Teilungs- figur erzeugt wird. In dem Fehlen jeder sichtbaren Beziehung zur Zellsubstanz scheinen sich die Richtungsspindeln der Ascarideneier von alien Metazoenkernen zu unterscheiden, dagegen an die Kerne von Pro- tozoen (Nebenkerne der Infusorien) sich anzuschliefien. Eine ganz isolierte Stellung nehmen sie darin ein, daB sie 498 Theodor Boveri, sich vor der Teilung verkiirzcn und ihre Faserung vollig riick- bilden. Mit den Reifeerscheinungen vieler anderer Eier stimmt die Richtuugskorperbildung der uutersuchten Ascarideneier in dem Fehleo der Kernrekonstruktion zwischen den beiden Teilungen iiberein; engere Beziehungen scheint dieselbe mit der Eireifung anderer N em at 0 den aufzuweisen. So wissen wir durcli die Un- tersuchuugen von BtJTSCHLi^), daC an den Richtungsspindeln von Cucullanus elegans die Protoplasmastrahlung fehlt, und auch die eigentumliche Riickbildung der Spindel vor der Teilung findet sich bei ihm gezeiclinet und im Text erwahnt. tJber eine groCere Zahl anderer Nematoden erstreckt sich die neueste Arbeit Caenoy's^). Wir haben bei Besprechung der Eireifung von Asc. meg. und Asc. lumb. gesehen, wie sehr nach diesem Beobachter die Bildung der Richtungskorper von der gewohulichen Karyokinese abweichen soil. Die Anschauungen, die wir bei diesen beiden Arten von ihm kennen gelernt haben, vertritt er auch bei den anderen. Er selbst hat diese gemeinsamen Punkte auf p. 55 und 56 seines Werkes zusammengestellt ; ich will diejenigen, welche eine Differenz von der typischen Karyokinese bedingen, hier anfiihren : 1) (3) tJberall fehlt die Wanderung der Elemente zu den Polen der Figur und infolgedessen die Bildung echter Tochter- platten. 2) tJberall verschwinden die karyokinetischen Figuren vor der Bildung der Richtungskorper. 3) Wenn auch eine Spaltuug der Stabchen, sei es der Lange, sei es der Quere nach , sich vollzieht , so spielt dieselbe doch bei der Bildung der Richtungskorper selbst keine RoUe; geteilt oder nicht, die Stabchen wandern, wie sie von Anfang an sind, d. h. sie warden als Ganzes ausgestoCen. 4) Stets finden sich in jedem der beiden Richtungskorper halb so viel Stabchen, als im Moment seiner Bildung im Ei vorhanden waren. Wir haben soeben gesagt, daC man die Teilung der Ele- mente, die sich dabei vollziehen kann, nicht beriicksichtigen darf; denn sie hat mit der Bildung der Richtungskorper gar nichts zu 1) Studien iiber die ersten Entwicklungsvorgange etc. Frankf. 1876, 2) La Cellule, torn. Ill, fasc. I. Zellen-Studien. 499 thun; jedes Element ist, wenn eine Teilung eiutritt, eben durch seine beiden Halften reprasentiert, 5) Bei den imtersucliten Nematoden werdeu stets drei Viertel der chromatischen Elemente ausgestoBen, ohne daC von den zu- riickbleibenden Elementen irgend etvvas weggenommen wordeai ware. 6) Bei alien Arten und fiir jeden Richtungskoi-per entsteht ein neues Fasersystem unabliangig vom alten, wenn auch gewisse Bestandteile der verschwundenen Figur an seiner Bildung Anteil nehmen konnen (fuseau de separation). Die AusstoBuug der Richtungskorper geschieht also durch eine Art direkter Teilung. Wenn ich darauf hinweise, was wir bei Ascaris meg. imd Asc. lumb. konstatiert haben, fiir welche ja diese secbs Punkte gleich- falls Geltung haben sollen, ja fiir welche dieselben zum Teil zu- erst und am ausfiihrlichsten begriindet worden sind, so ergiebt sich, dafi fiir diese beiden Arten in alien Stiicken genau das Gegenteil der Fall ist von dem, was Caenoy ge- funden hat, 1) In beiden Fallen findet sich eine Wanderung der Tochter- elemente zu den Polen der Figur; es entstehen echte Tochter- platten. 2) Die Spindel wird zwar vor der Teilung verkleinert, aber sie verschwindet nicht. 3) Die vorhandenen chromatischen Elemente werden bei der Bildung eines jeden Richtungskorpers halbiert; die Halfte eines jeden bleibt im Ei, die andere Halfte geht in den Richtungs- korper. 4) Stets finden sich in jedem der beiden Richtungskorper ge- rade so viel Elemente, als im Moment seiner Bildung im Ei vor- handen waren. Denn die Bildung der Richtungskorper ist stets an eine Halbierung der Elemente gekniipft, jede Halfte ist von nun an als ein ganzes Element (Tochterelement) zu zahlen. 5) Von den chromatischen Elementen des Keimblaschens werden nicht drei Viertel ausgestoCen, sondern von einem jeden der Elemente wird die Halfte im ersten, von der zuriickbleibenden abermals die Halfte im zweiten Richtungskorper entfernt. Der Eikern enthalt also noch ebenso viele Elemente wie das Keim- blaschen , nur ist jedes auf ein Viertel seines ursprlinglichen Vo- lumens reduziert. 6) Die zwischen den Tochterplatten auftretende Faserung ist 500 Theodor Boveri, nichts von der alten Figur Unabliangiges ; sie ist das namliche, was wir von jeder Karyokinese unter dem Namen der „Verbin- dungsfasern" kennen. Die Bildung der Richtungskorper ist also eine typische karyo- kinetische Zellteilung, Die Richtigkeit dieser Behauptungen und den Irrtum Car- noy's glaube ich fUr die beiden von mir untersuchten Arten zur Gentige uachgewiesen zu haben. Der SchluB, daB Caenoy auch in den anderen Fallen einer Tauscliung anheimgefallen sei, dtirfte demnach kaum zu kiihn sein. Da wir seinen Hauptirrtum, durch den die anderen bedingt sind, in der Annahme einer volligen Riickbildung der Spindel vor der Teilung gefunden haben, so be- sitzen wir einen Anlialtspunkt , in welcher Weise bei einer Um- deutung seiner Bilder vorzugehen ist. Seine Figuren in alien Fallen zu einer regularen karyo- kinetischen Teilung aneinander zu reihen, bin ich nicht imstande; allein dies ware auch bei Asc. meg. und Asc. lumb. ohne eigene Untersuchungen nicht moglich gewesen. Es fehlen ebeu der Zeichnung eines Praparats meistens die Kennzeichen, nach denen dasselbe als gut konserviert und normal zu betrachten ist oder nicht, mogen diese Kennzeichen auch am Praparat selbst aufs deutlichste aus- gepragt sein. Im allgemeinen aber laCt sich doch ein Wahr- scheinlichkeitsbeweis fiir die Unrichtigkeit der CARNOY'schen An- gaben fiihren. Von den sieben behandelten Arten schlieBen sich die funf, welche ich nicht kenne, mehr oder weniger an Ascaris megalo- cephala an. So aufs innigste Filaroides mustelarum, dessen Spin- deln mit den zwei vierteiligen chromatischen Elementen (Fig. 176 und 178, Taf. VI) von denen der Ascaris megalocephala nicht zu unterscheiden sind. Hier kaun an einer Ubereinstimmung des Vorgangs kein Zweifel sein. Das Gleiche gilt fiir die nicht be- stimmte Ascaris des Hundes. Auch hier handelt es sich um zwei vierteilige Elemente, die in Carnoy's Figur 132 durch schlechte Konservierung oder Quetschung in ihre Uuterabteilungen zerfallen sind. Diese zeigen ganz ahnlich, wie ich es fiir Ascaris megalo- cephala teschrieben habe, abwechselnd starker und schwacher farb- bare Zonen. Stadien, die fiir die Art der Teilung beweisend waren, gicbt Carnoy von dieser Art nicht. Zellen-Studien. 501 Ohne Schwierigkeit lassen sicli ferner die Bilder von Ophio- stomum mucrouatuin, welches Objekt Carnoy die besteu Praparate geliefert zu haben scheint, auf die Verhaltuisse von Ascaris nicgalo- cepbala zuriicktuhren. Die erste Spindel enthalt in der Aquatorial- ebene, auf einer Kreisperipherie verteilt, sechs Elemente, Stabchen, welche, der Spindelachse parallel gerichtet, mit der groBten Deutlich- keit eine Querteilung augedeutet zeigen, zugleich aber auch eine LangsteiluDg , indem in jeder Halfte eine zweite Spaltung vor- bereitet ist (Fig. 186). Jedes Element weist also eine Vierteilung auf, gerade wie bei Ascaris megalocephala, nur mit dem Unter- scbied, daB bei der letzteren Art das Element durch beide Teilungsebenen in iiufierlich gleichartige Stucke zerlegt wird, wabrend bei Ophiostomum, je nacbdem man durch die eine oder durch die andere Ebene die Halbierung vornahme, verschieden ge- formte Stiicke eutstanden. In der ersten Ricbtungsspindel nun wird die vorbereitete quere Teilung vollzogen, jede Halfte wan- dert zu einem anderen Pol der verkiirzten Spindel. Fig. 187 zeigt eine solche zur optischen Achse des Mikroskops schrag gestellte Figur mit zwei Tochterplatten , die wegen der Verkiirzung nicht kreisformig, sondern mehr oval erscheinen. Im Ei bleiben, nacb- dem die iiuCere Tocbterplatte im ersten Richtungskorper abgetrennt ist (Fig. 188), sechs Elemente zuruck, in deneu die schon friiber vorhandene Langsspaltung immer deutlicher hervortritt (Fig. 188, 189). Nun vollzieht sich derselbe Prozefi, den wir bei Ascaris meg. (Typus van Beneden) kennen gelernt haben. Die beiden Halften eines jeden Stabchens weichen an dem einen Ende aus- einander, wabrend sie mit dem andern in Zusammenhang bleiben (Fig. 190) , die beiden Schenkel strecken sich zu eiuer Geraden und treten so in die zweite Richtungsspiudel ein (Fig, 191); hier verkiirzt und verdickt sich jede Halfte mehr und mehr (Fig. 192, 194), bis sie zu einem Korn geworden ist, das nun mit seinem Schwesterkorn den Eindruck eines in Querteilung begriffenen Stabchens hervorruft (Fig. 195). Caenoy selbst bat an eine solche Interpretation seiner Figuren gedacht, verwirft dieselbe aber auf Grund der Figg. 188, 189 und 190, weil nach seiner Anschauung in den beiden ersten die zwei Halften sich vollig voneinander ge- trennt haben, der Kern der letzteren aber ganz und gar einem rubenden Kern gleiche. Ich kann diese Einwiirfe nicht als schla- gend anerkennen. In den Fig. 188 und 189 ist die Langsspaltung nicht vollzogen, wie sich daraus ergiebt, dafi je zwei Halften einander parallel liegen; sie stehen eben noch durch ein achro- 502 Theodor Boveri, matisches Mittelstuck miteinander in Verbindung. Was aber die Fig. 190 betrifft, so meine ich, daB der vou mir angenorameue Prozefi in gewissen Stadien selir wohl ein solches Bild hervor- rufeu kann, wie dieser Kern es reprasentiert, und das in der That mit dem Gerust des ruhenden Kerns eine gewisse Abnlichkeit aufweist. Die Bildung des zweiten Richtungskorpers erfolgt nun gleich- falls ganz regular, von jedem Element wird jede Halfte zu einem anderen Pol gefuhrt (Fig. 198' u. 198). Die Figuren 195 und 197 zeigen entsprecbende Stadien annabernd vom Pol. Merk- wiirdig ist, daC an diesen Tocbterelementen sofort, ja selbst wenn sie noch mit ibren Partnern in Zusammenbang steben , abermals eine Langsspaltung auftritt (Fig. 195, 196 etc.). Man konnte vermuten, dafi damit die Langsspaltung vorbereitet wird, die in der ersten Furcbungsspindel zum Vollzug kommt, in der sicb nacb Caenoy 12 Elemente finden. Allein vorber soil eine vollige Trennung der Scbwesterfaden und eine Kernrekonstruktion ein- treten. Die Spaltung gebort also zu jenen Fallen, fur die icb es wabrscbeinlicb zu macben gesucbt babe, daB eine friibere Kern- und Zellteilung bis auf die Teilung der cbromatiscben Elemente riickgebildet worden ist. Es blieben uns jetzt nur nocb Spiroptera strumosa und Coro- nilla (sp.?) iibrig, von denen die Figuren nicbt direkt umgedeutet werden konnen. Allein ibre Mannigfaltigkeit spricbt sebr dafiir, daB es sicb um scblecbt konservierte Praparate bandelt. Einzelne Bilder von beiden Arten zeigen uberdies eine entscbiedene Abn- licbkeit mit denen von Ascaris megalocepbala , was auch Carnoy bervorbebt, und so wird man wobl annebmen dtirfen, dafi der Prozefi in derselben Weise wie bei diesem Wurm verlauft. Zellen-Studien. 50c Nachschrift. Nachdem die vorstehende Arbeit fertig niedergeschrieben und der philosopliischen Fakultat der Universitat Miinchen als Habi- litationsschritt eingereicht vvorden war, erschienen zwei Arbeiten, die sich auf den bier behandelten Gegenstand beziehen, die eine von 0. Zacharias*) iiber Reifung und Befruchtung der Eier von Ascaris megalocephala, die zvveite von Carnoy^), welche unter anderem eine neue Darstellung der Richtungskorperbildung von Ascaris lumbricoides euthalt. Zacharias spricht, wie ich, den Verdacbt aus, daC die bisher zur Hartung der Ascariden-Eier angewandten Reagentien patho- logische Erscheinungen verursachen, und behaudelt, um diese Fehlerquelle zu vermeiden, die Eier mit einer Sauremischung, durch welche dieselben in 25 bis 30 Minuten fixiert werden. Die Zusammensetzung dieser Konservierungsflussigkeit ist vor der Hand Geheininis, woruber wir uns jedoch trosten konnen, indera dieselbe so wenig, wie die bis jetzt benutzten, imstande ist, krank- hafte Veranderungen der Eier auszuschliefien. Zacharias hat, vielleicht rait einer einzigen Ausnahme, Eier nach dem Typus Carnoy, also mit zwei chromatischen Elementen, vor sich gehabt. Alle seine Zeichnungen lassen die Eleraente von den Enden erkennen, ihre vier Unterabteilungen somit als zu einem Quadrat aneinandergelegte , kugelige Korner. Doch laCt sich aus dem Text entnehmen, daC an den Praparaten von Zacha- rias zum Teil die eigentiimhche perlschnurartige Gliederung, die aus meinen Zeichnungen zu ersehen ist, gleichfalls vorhanden war. 1) Zacharias, Neue Untersuchungen iiber die Kopulation der Geschlechtsprodukte etc. Archiv f. mikr. An., Bd. 30. 2) Cabnoy, I. Conference, II. Appendice. La Cellule, torn. Ill, fasc. 2. 504 Theodor Bo veri, Auf Seite 127 heifit es: „Die betreffenden Chromatin gruppen be- stehen dann nicht mehr, wie friiher, aus je vier einzelnen Kugeln, sonderii aus je vier Kugelreihen, deren einzelne Elemente zum Teil miteinauder verschmolzen sind. In guten Praparaten machen die so entstandenen Stabchen daher den Eindruck, als seien sie eiugekerbt." Die Verbindung der vier Stabchen miteinander durch chromatische Fadchen ist dagegen weder erwahnt, noch gezeichnet. Die Bildung des ersten Richtungskorpers hat Z A CHAR IAS rich tig erkannt. Die an die Oberflache ge- ruckte Spindel steht mit ihrer Achse in einem Eiradius, die beiden Elemente sind so in derselben angeordnet, daB von jedem zwei Stabchen nach auBen , zwei nach innen von der Aquatorialebene zu liegen kommen. Die ersteren rucken gegen den aufieren Pol und werden im ersten Richtungskorper abgetrennt, die letzteren bleiben im Ei. Damit ist die eine von van Beneden und Carnoy bestrittene Erscheinung, welche vorhanden sein muC, wenn der Vorgang als Karyokinese gelten soil — die Wanderung der Tochterelemente zu den Polen der Spindel — bewiesen. Den zweiten Nachweis dagegen, welcher erforderlich ist, um die voll- kommene tjbereinstimraung mit der typischen Karyokinese zu be- griinden, den Nachweis der volligen Homologie der beiden vier- teiligen Chromatingruppen des Keimblaschens mit den chromatischen Elementen aller bekannten Mitosen hat Zacharias nicht erbracht. Die achromatische Figur zeichnet er nur im Anfangsstadium als ein Ganzes (Fig, 2 /", Taf. VIII), spater besitzt jedes chroma- tische Element seine eigene Hiilfte, wie in den Figuren Carnoy's. Ich babe oben die gespaltenen Spindeln als pathologisch bezeich- net, da ich sie an Eiern, die durch Hitze abgetotet waren, nie beobachtet babe; ich halte diese Ansicht auch jetzt noch auf- recht. Eine leichte Zweiteilung der Figur, dadurch bedingt, daC mehr und starkere Fasern zu den chromatischen Elementen ziehen, kommt normalerweise vor, die wirkliche Spaltung, iiberdies mit divergierenden Halften, wie Zacharias dies in Fig. 2 (Taf. IX) abbildet, ist krankhaft, Seine Konservierungsmethode ist eben keineswegs imstande, die Eier so rasch abzutoten, dafi sich nicht vorher pathologische Prozesse in denselben abspieleu konnen. Dies zeigt sich mit voller Evidenz bei der Bildung des zweiten Richtungakorpers , welche durch die von Zacharias gegebenen Abbildungen nicht aufgeklart wird. Ein Anfangsstadium, etwa meinen Figuren 33 und 34 (Taf. XXVI) entsprechend, ist in Fig. 7 (Taf. IX) dargestellt, Fig. 8 zeigt ein pathologisches Bild mit Zellen-Studien. 505 divergierenden Spindelhalften , und daran wird ein vollkommen krankhaftes angereiht (Fig. 9), ahnlich raanchen Figuren van Beneden's, deren Entstehung man sich nicht erklaren kann. Die nachste Figur (10), welche der AusstoCung unmittelbar vorher- gehen soil, reprasentiert, nach der Lage der chromatischen Ele- niente zu schlieBen, ein Stadium, in welchem die Bildung der zweiten Richtungsspindel eben erst beginnt, und ware sonach zwischen die Figuren 5 und 7 einzureihen. Fig. 11 zeigt die beiden Eleraente nach vollzogener Drehuug, von der Spindel ist nichts zu erkennen. Bilder vom Auseiuanderweichen der Tochter- elemente und von der Abschniirung des zweiten Richtungskorpers bekommen wir nicht zu sehen. Die Zusammengehorigkeit von je zwei Stabchen zu e i n e m Element hat Zachaeias nicht erkannt. Fur ihn existieren vier selbstandige Eleraente (pag. 152), zwei der- selben werdeu ausgestoBen, zwei bleiben im Ei. Somit sind die zwei charakteristischen Phanomene der typischen indirekten Tei- lung : Spaltung der chromatischen Elemente in die Tochterelemente und Wanderung dieser zu den Polen, von Zachaeias fiir die zweite Spindel nicht nachgewiesen worden. In Fig. 12 (Taf. IX) bildet Zachaeias ein Praparat ab, in welchem, seiner Ansicht nach, der erste Richtungskorper dem Ei noch aufsitzt zu einer Zeit, wo bereits die innere Perivitellin- schicht vollkommen ausgeschieden ist. Ich glaube, dafi dieses Ei dem von mir beschriebenen abnormen Entwickelungsgang angehort, bei dem nur ein einziger Richtungskorper gebildet wird, da6 dem- nach die Fig. 12 von Zachaeias ein etwas friiheres Stadium dar- stellt als meine Fig. 52 (Taf. XXVI). Zachaeias bringt in seiner Arbeit zwei neue Termini in Vor- schlag. Auf den einen derselben, die Bezeichnung „Mitoblast", werde ich in einer spateren Arbeit zu sprecheu kommen, dagegen mochte ich den Begrifi des „germinativen Dualismus" schon hier etwas naher beleuchten. Zachaeias bezeichnet densel- ben als „eine der auffalligsten Erscheinungen auf dem Gebiete biologischer Erfahrung." „Die frQhe Spaltung (pag. 128) einer kleinen linsenformigen Anhaufung von Chromatinsubstanz in zwei getrennte Halften giebt AnlaB zur Bildung zweier separater Rich- tungsspindeln, deren jede die gleiche Anzahl von Chromatinstab- chen enthalt. Es erfolgt weiterhin die AusstoCung des ersten und zweiten Richtungskorpers und selbst in diesen Auswurflingen macht sich der Dualismus noch geltend, insofern sich dieselben haufig in der Mitte einschniiren und in zwei Teile zu zerfalleu 506 Theodor Boveri, streben. Diesen Vorspielen entsprechend findet nach Ausstofiung des zweiten Richtungskorpers auch eine Doppelbefruchtung statt, indem sich je eine von den im Ei zuriickbleibenden Chro- matinportionen (weiblicher Provenienz) sofort mit dem Chromatin des Samenkorperchens verbindet, welches sich inzwischen ebenfalls halbiert hat .... Hierauf bilden sich naturgemafi zwei Fur- chungskerne, die aber funktionell nur die Bedeutung eines einzi- gen haben .... Diese beiden Furchungskerne hat man in vollstandiger Verkennung ihrer wahren Natur bisher fiir Pronuclei gehalten." Der „gerrainative Dualismus" kame demnach sowohl in den Erscheinungen der Reifung, als auch in denen der Befruchtung zum Ausdruck, Wir miissen beiderlei Phanomene gesoudert be- trachten , da die „Zweiheit" bei den ersteren eine andere Erkla- rung fordert als die der letzteren. Der „Dualismus" in der Rich- tungskorperbildung hat lediglich darin seinen Grund , daC das Keimblaschen von Ascaris meg. (Typ. Caenoy) und damit auch die erste und zweite Richtungsspindel zwei chromatische Elemente enthalt, wie wir in den Eiern des Typus van Beneden ein ein- ziges, in denen von Ascaris lumb. 24, in anderen Eiern wieder andere Zahlen finden. Die Zweizahl ist also eine ganz zufallige, unwesentliche Eigentumlichkeit der von Zacharias untersuchten Eier; wollten wir in derselben eine tiefere Bedeutung, einen „Dua- lismus" erkennen , so muBten wir konsequenterweise in anderen Fallen von einem germiuativen Monismus, einer germinativen Vier- undzwanzigheit u. s. w. sprechen. Die zwei separaten Richtungs- spindeln, in denen der Dualismus weiterhin sich auspragen soil, siud , wie ich in meiner Arbeit hinlanglich bewiesen zu haben glaube, durch krankhafte Spaltung einer normalen einheitlichen Figur bedingt. Ist demnach der „germinative Dualismus", soweit er die Reife- erscheinungen betrifft, uichts anderes als eine zum Gesetz er- hobene zufallige Eigenschaft gewisser Eier, so scheint er mir hinsichtlich der Befruchtung iiberhaupt jeder thatsachlichen Grund- lage zu entbehren. In einem Vortrag, den ich am 3. Mai in der Gesellschaft fiir Morph. u. Phys. dahier gehalten habe, konnte ich die Eutdeckung van Beneden's, daC im Ei von Ascaris megalo- cephala Ei- und Spermakern meist erst zu einer Zeit, w.o sie nur noch durch je zwei Chromatinschleifen reprasentiert werden, zur Vereinigung gelangen, auch an Eiern, die durch Hitze abgetotet "waren, vollkommen bestatigen. Nach dem Erscheinen der Ab- Zellen-Studien. 507 handluDg von Zacharias habe ich meine Praparate einer erneuten sorgfaltigen Priifung unterzogen, ohne daC ich das Geringste hatte entdecken konnen, was sich im Sinne seiner Doppelbefruchtung deuten lieBe. In meinen Eiern, wie in denen van Beneden's, sind die beiden fraglichen Kerne im Beginn ihrer Ausbildung stets so betraehtlich voneinander eutfernt, daB von jener Uragruppierung, die Zacharias verlangt, keine Rede sein kann; die beiden Kerne sind ohne Zweifel, wie uberall, als Ei- und Spermakern zu be- trachten. Zacharias erkennt zwar an, dafi neben seiner Doppel- befruchtung auch der gewohnliche Modus vorkommt, wonach sich zwei typische Vorkerne bilden; allein er behauptet, dafi in diesen Fallen stets eine Verschmelzung derselben im Ruhezustand ein- treten miisse. Diese Behauptung wird durch meine Befunde im hochsten Grade unwahrscheinlich. Wenn ich an alien Eiern eiues Wurmes, welche eine Entscheidung zulassen, die Entstehung von Vor- kernen konstatieren konnte, und wenn alle Eier spaterer Stadien eine selbstandige Weiterentwickhmg ihrer beiden Kerne erkennen lieBen, so ist es doch nahezu sicher, da6 wir es auch in diesen letzteren Eiern mit Vorkernen zu thun haben. Ist aber dieses Argument nicht vollgiiltig, da man eben Ei- und Spermakern von den angeblichen halben Furchungskernen Zacharias' nicht unter- scheiden kann, so lafit sich ein ganz sicherer Nachweis an jenen Eiern ftihren, welche nur einen Richtungskorper gebildet haben, und in denen der Eikern aus vier Elementen entsteht (Fig. 52, Taf. II), wahrend der Spermakern, wie immer, dereu nur zwei enthalt. Hier laCt sich demnach auch noch auf spateren Stadien erkennen, daB nicht zwei halbe Furchungskerne , sondern zwei Vorkerne vorhanden sind. Und auch diese bilden sich, wie ich demnachst ausfiihrlicher zeigen werde, zunachst selbstandig weiter, indem aus dem einen vier, aus dem anderen zwei Schleifen her- vorgehen. Nun scheinen mir aber die Verhaltnisse durchaus nicht so zu liegen, daC der BefruchtungsprozeC, wie ihn van Beneden uns kennen gelehrt hat, gegen die Darstellung von Zacharias ver- teidigt werden muB, sondern umgekehrt, dafi dieser Forscher erst seine Angaben zu beweisen hat, wenn sie acceptiert werden sollen. Wer die Arbeit von Zacharias kennt, der wird wohl mit mir der Ansicht sein, dafi der von ihm behauptete Befruchtungsprozefi zwar nicht unmoglich ist, also ausnahmsweise vorkommen kann, dafi aber bis jetzt nicht der leiseste Schatten eines Beweises fiir den- Bd. XXI. N. F. XIY. 33 508 Theodor Boveri, selben vorliegt. In Fig. 13 (Taf. IX) sehen wir einen einheitlichen ersten Furchungskern in Bildung begriffen ; es ist durchaus kein Gruud zu der Annahme vorhanden, daB sich dieser in zwei Halb- kerne spalten soil, die ja schlieClich doch wieder zur Vereinigung gelangen miiCten. Vielraehr schlieCt sich an dieses Stadium wohl am einfachsten das in Fig. 17 abgebildete an. Die Fig. 14, welche die beiden halben Furchungskerne demon strieren soil, zeigt nichts weiter als zwei Kerne, uber deren Entstehung sich nichts aussagen laCt; es liegt kein Hindernis vor, dieselben als Ei- und Sperma- kern anzusprechen. Auf diese beiden Bilder aber ist die Lehre vom Dualismus der Befruchtung gegriindet. In Carnot's neuestem Werke finden wir die Angaben , die er friiher iiber die Richtungskorperbildung von Ascaris lumbricoides gemacht hat und die ich obeu kritisiert habe, zwar nicht aus- driicklich, aber doch durch die Beschreibung, die er jetzt giebt fast Punkt fiir Punkt zuriickgenommen. Wie fur die anderen Nematoden, so sollten jaauch fur Ascaris lumb. die auf Seite 55 fif. ^) zusammengestellten gemeinsamen Punkte Geltung haben, von denen ich diejenigen, welche einen Unterschied von der typischen Karyo- kinese bedingen wtirden , oben angefiihrt habe. In der jetzt vor- liegenden Beschreibung hat Caenoy sowohl seine friihere irrtum- liche Zahlenangabe (ungefahr ein Dutzend) korrigiert, als auch die Halbierung der Elemente bei jeder Teilung zur Bildung der Tochterelemente anerkannt. „Von jedem Element (pag. 242) werden drei Viertel entfernt, ein Viertel geht in den Eikern iiber." Diese Resultate, welche in gleicher Weise fiir Ascaris clavata konstatiert wurden, involvieren eine regulare Karyokinese. Die Differenzen, die zwischen diesen neuen Angaben Carnot's und meinen Befunden noch bestehen, bespreche ich am einfachsten im Anschlufi an eine Anmerkung (pag. 261) in welcher Caenoy meine vorlaufige Mitteilung diskutiert. Meine Angabe, daB 24 Oder 25 Stabchen vorhanden seien, begleitet er mit der Bemerkung : nous ne connaissons pas de figures avec un nombre impair d'61ements." Solche Figuren habe ich jetzt in den Eiern des VAN BsNEDEN'schen Typus, welche nur ein einziges Element ent- halten, nachgewiesen. Auch habe ich tiber die zweite Richtungs- figur nicht geschwiegen, wenn ich sage, daC sie sich wie die aus- fiihrlich beschriebene erste verhalt. 1) La Cellule, torn. III, fasc. 1. Zellen-Studien. 509 In 2) heifit es: „A I'^quateur, B. n'a mentionn6 que la division transversale ; il ne parle pas de Fespace hyalin qui traverse les batonnets et qui, d'apres nous, es I'indice d'une seconde division longitudinale incomplete". In der That, von dieser angedeuteten Teilung der Tochterelemente habe ich bei Ascaris lumbricoides nichts wahrgenommen, sei es, daB sie an meinen Eiern fehlt, sei es, daC meine Konservierung sie zum Verschwinden brachte oder die Kleinheit der Elemente dieses Detail nicht erkennen lieB. Auch an den Praparaten Caenoy's ist dasselbe ja nicht immer, und bald mehr, bald weniger deutlich ausgepragt. Die Bedeutung dieser angedeuteten Teilung kann nach dem, was wir von Ascaris meg. kennen gelernt haben, nicht zweifelhaft sein ; wir haben darin die Vorbereitung jener Spaltung zu erblicken, welche in der zweiten Spindel wirklich zur Ausfiihrung kommen soil. Diese Teilung kann zu sehr verschiedenen Zeiten eingeleitet werden ; an meinen Eiern von Ascaris lumb. sehe ich sie erst in der Aquatorialplatte der zweiten Spindel beginnen (Fig. 22 u. 23, Taf. XXVIII), bei Carnoy ist sie haufig schon in der Aquatorialplatte der ersten Spindel an- gedeutet, bei Ascaris meg. endlich sehen wir sie schon vorbereitet, lange ehe die erste Spindel zur Ausbildung gelangt. Eine solche Interpretation seiner Figuren von Asc. lumb. halt auch Caenoy fiir moglich (pag. 273). 3) „D'apres B. le retour vers les poles serait d'une r^gularite mathematique, sans doute comme dans nos figures 29, 30 et 50. Pour nous, ce n'est la qu'un cas particulier, et qui nous a paru assez rare, de I'ascension polaire. Deux autres cas peuvent en effet se presenter: a) I'ascension est souvent irreguliere et des- ordonn6e, fig. 42 L; b) elle pent faire d6faut, fig. 13 L^^ parce que la figure revient sur elle-meme, et finit par enserrer la couronne 6quatoriale demeur6e immobile". Dem gegentiber muC ich betonen, daC die Art, wie ich die Bildung und Trennung der Tochterplatten beschrieben habe, nicht ein Spezialfall ist, sondern der einzige. Er ist in der That selten, nicht aber, weil daneben noch andere Modi existieren, sondern well die in Rede stehenden Stadien infolge der Raschheit, mit der sie vorubergehen, im Vergleich zu alien anderen sehr selten angetroffen werden. Dies gilt ja nicht nur ftir die Richtungsspindeln von Ascaris lumb., sondern auch fiir viele andere Zellteilungen, viel- leicht fiir alle. Ich verweise nur auf die Angaben, welche Flem- MiNG auf Seite 231 seines Zellenbuches iiber die Metakinese (denn 33* 510 Theodor Boveri, diese entspricM ja dem Auseinanderweichen unserer Tochterplatten) macht. Carnoy's uiiregelmaBige Wanderung der Tocliterelemente zu den Polen beruht auf einer irrigen Interpretation von Figuren, welche dem Stadium der Aquatorialplatte vorausgehen. Seine Fig. 3, 4, 42 L., 43 L. etc. sind in dieser Weise zu deuten; die Elemente sind erst im Begriff, sich zur Aquatorialplatte zu ordnen. Man hat bisher nocli viel zu wenig Gewicht auf eine sehr auffal- lende Erscheinung gelegt, obgleich dieselbe sich ganz allgemein beobachten lafit. Besitzen namlich die Tochterelemente die Form von Kornern oder kurzen Stabchen , so liegen diejenigen , welche dem gleichen Pol sich nahern, eutweder in einer Ebene, oder in einer, sei es konvex, sei es konkav zum Pol gekriimmten Flache ; besitzen sie die Form von Faden, so sind wenigstens die Fa den- wink el in einer solchen regelmaBigen Flache angeorduet. Ich konnte fiir dieses Verhalten, das mit der Teilungsmechanik im engsten Zusammenhang steht, Bilder aus alien Werken, die sich mit Zellteilung beschaftigen , anfiihren. Dasselbe ist so charak- teristisch, daC es geradezu als Kriterium dienen kann, um die Frage, ob eine Figur dem Stadium der Aquatorialplatte voraus- geht oder nachfolgt, zu entscheiden. Caenoy hat diesen Punkt in seinen Arbeiten ganz unberticksichtigt gelassen und ist so auch in seinem Arthropodenwerk zu falschen Schliisseu geftihrt worden, wie ich in einer folgenden Mitteilung ausfiihrlicher erortern werde. Man konnte einwenden, die Frage sei im vorliegenden Fall, wo es sich um konstante Zahlenverhaltnisse handelt und eine ge- naue Zahlenbestimmung moglich ist, sehr einfach zu entscheiden. Bei Ascaris lumbricoides und clavata finden sich 24 Stabchen; jedes Stadium, welches statt dieser Zahl 48 enthiilt, miifite dem- nach dem der Aquatorialplatte nachfolgen und sich auf das Aus- einanderweichen der Tochterelemente beziehen. Allein die Frage ist eben, ob die Zahl 24 wirklich konstant ist, und das scheint mir fiir die beiden Ascariden verneint werden zu miisseu. Wir haben bei Ascaris megalocephala gesehen, dafi es Eier giebt, die ein Element, und andere, die zwei Elemente enthalten, also das Doppelte. Wir haben ferner, gleichsam unter unseren Augen, diese Zahl sich abermals verdoppeln sehen, in jenen Eiern, welche nur einen 'einzigeu Richtungskorper bilden. Ganz analog finden sich, wie ich den Abbildungen Carnoy's entnehme, bei Ascaris lumb. und clav. Eier mit 24 Elementen (ich habe ausschlieClich solche gesehen), aber auch solche mit der Zellen-Studien. 511 doppelten, ja sogar, wie Fig. 27 lehrt, mit der vierfachen Anzahl. Wir wissen, wie eine solche Verdoppelung zu stande koraraen kann ; dann naralich, wenn eine sonst zum Vollzug gelangende Kern- und Zellteilung sich bis auf die Halbierung der chromati- schen Elemente ruckbildet. Die Fig. 3, 4, 46, 48, 42 L, 43 L re- prasentieren demnach Stadien vor der fertigen Aquatorialplatte von Eiern mit 48 Elementen. Fig. 47 zeigt uns eine Aquatorial- platte mit dieser Zahl von Stabchen vom Pol, Fig. 52 eine schrag gestellte Spindel rait Tocbterplatten, deren jede 48 Elemente ent- halt. -Wir haben damit eine ganz kontinuierlicbe Serie zusammen- gehoriger Bilder vor uns. Es bliebe nun noch die Fig. 27 iibrig, welcbe ungefahr 96 Elemente aufvveist, und zwar, wie die unregel- mafiige Verteilung derselben in der Spindel lebrt, 96 Mutter- elemente. Es ist wohl am wahrscheinlichsten , dafi sicb diese Figur zu denen mit 48 Elementen ebenso verhalt, wie die abnor- men Richtungsspindeln mit 4 Elementen, die ich von Ascaris mey. (Typ. Carnoy) beschrieben habe, zu den dort regularen Figuren mit nur zwei Elementen, daC also in diesem Fall bei Ascaris cla- vata die Bildung des ersten Richtungskorpers nicht zur Ausftih- rung gelangt ist, sondern auch die sonst ausgestofienen 48 Toch- terelemente im Ei verblieben sind und nun mit den 48 ubrigen in einer zweiten Spindel als Mutterelemente fungieren. Endlich kann nach Caenoy das Auseinanderweichen der Tocbterplatten ganz unterbleiben. Er verweist dabei auf seine Fig. 13 L^, obgleich er auf Seite 261 sagt: „Quant aux images analogues a celle de la fig. 13 L^, nous n' avons pu determiner leur sort ulterieur avec certitude". Offenbar schlieCt sich an dieses Bild ein solches an, wie es in Fig. 51 wiedergegeben ist, ganz entsprechend meinen Figuren 14 und 15, wo zwei parallele Tocbter- platten sich voneinander entfernen. 4) „Tous les ph^nomenes de la dislocation ou de la resolution de la figure cin6tique ont ^chappe a B . . Dapres nos observations r6it6rees sur les Ascaris lomb. et clav., ainsi que sur les autres nematodes, la figure cin6tique disparait morphologiquement, dans un tres-grand nombre de cas, avant la formation du globule lui- meme." tjber die von Carnoy behauptete vollige Riickbildung der Spindel vor der Teilung habe ich mich schon bci der Beurteilung seiner Befunde an Ascaris meg. ausgesprochen ; ich wiederhole hier, dafi nach meinen Untersuchungen die ;,groBe Zahl von Fallen", welche diese Erscheinung beweisen sollen, durch schlechte 512 TheodorBoveri, Konservierung bedingt sind. Die achromatische Figur verkiirzt sich oft sehr betrachtlich und kann ihre Faserung vollig verlieren ; aber sie bleibt stets in scharfer Abgrenzung gegen die Zellsubstanz bestehen. Die Verbindungsfasern (fuseau de separation), die zwi- schen den sich voneinander entfernenden Tochterplatten auftreten, entsprechen demnach vollkommen den Verbindungsfasern aller tibrigen Mitosen. Nach der Frage zu schlieBen: „Boveri est-il bien sur qu'il n'a pas pris le fuseau de separation pour le fuseau originel?" scheint Carnoy der Meinung zu sein, dafi ich die Ver- bindungsfasern fiir identisch mit den urspriinglichen Spindelfasern halte. Dies ist durchaus nicht der Fall; im Gegenteil, ich be- trachte nicht nur in den Richtungsspindeln der Ascariden-Eier, sondern ganz allgemein die Verbindungsfasern als eine Neubildung, wortiber ich demnachst an gunstigeren Objekten ausfiihrlicher handeln werde. Ich glaube, man darf nach dieser neuesten Arbeit Carnoy's noch bestimmter, als ich es schon gethan habe, den Satz aus- sprechen, daB sich die Richtungskorperbildung der Nematodeneier vollkommen unter das Schema der Karyokinese einreihen laBt. Carnoy unterscheidet jetzt drei Typen (pag, 239) ; der erste enthalt Ascaris megalocephala, Spiroptera strumosa, Filaroides mustelarum, Coronilla (sp.?) und die Ascaris des Hundes, der zweite Ophiostomum mucronatum und Ascaris clavata, der dritte Ascaris lumbricoides. Wir haben gesehen, dafi der durch Ascaris meg. reprasentierte Modus als typische Karyokinese zu betrachten ist; das Gleiche wissen wir von Ascaris lumb. und clav., fiir die ja Carnoy nunmehr selbst die charakteristischen Phanomene der Karyokinese zugiebt. Indem er Ophiostomum mucronatum, bei welchem Wurm nach seiner fruheren Beschreibung ein vom typi- schen sehr abweichender Verlauf zu konstatieren ware, jetzt mit Ascaris clavata zusammenstellt, scheint er die Interpretation seiner darauf bezuglichen Figuren , die ich oben gegeben habe , auch seinerseits als die richtige erkannt zu haben, wenn er auch seine fruheren irrtiimlichen Angaben nicht zurucknimmt. Zellen-Studien, 513 Tafelerklarung. Samtliche Abbildungen sind bei Anwendung von -^ homog. Immer- sion , Oc. 2 von ZeiB gezeichnet , mit Ausnahme der Fig. 1 — 6, Taf. I und 54—56, Taf. II, fiir welche Oc. 1 benutzt wurde. Tafel XXV. Alle Figuren von Ascaris meg. (Typ. Cabnoy). Fig. 1 — 6. Eier in verschiedenen Stadien der Richtungskorperbildung, um die Veranderungen der Zellsubstanz zu zeigen. Fig. 7. Kopulation der Sexualzellen. Fig. 8 — 12. Umbildung des Keimblaschens in die erste Eichtungs- spindel. In Fig. 10, 11, 12 zeigt b den gleichen Kern wie a, um 90<* gedreht. Fig. 13 o, b. Zwei chromatische Elemente mit divergierenden Halften. Fig. 14. Ausgebildete erste Spindel im Profil. Fig, 15. Desgleichen im optischen Aquatorialschnitt. Fig. 16. Erste Spindel schief zur Eioberflache. Fig. 17 — 24. Bildung des ersten Eichtungskorpers bei radialer Stellung der Spindel, Fig. 25 und 26. bei schiefer Stellung der Spindel, anschliefiend an Fig. 16, Fig. 27, bei querer Stellung der Spindel (?) ; in b sieht man auf das in a gezeichnete Ei in der Eichtung des hier angegebenen Pfeiles. Fig, 28 — 31. Ablosung des ersten Eichtungskorpers unter gleich- zeitiger Bildung der zweiten Perivitellinschicht. Tafel XXVI. Alle Figuren von Ascaris meg. (Typ. Cabnoy). Fig. 32 a. Der im Ei verbliebene Teil der ersten Eichtungsspindel, b der zugehorige erste Eichtungskorper. Fig. 33 — 38. Bildung der zweiten Eichtungsspindel und Drehung der chromatischen Elemente, Fig. 39. Ausgebildete zweite Spindel; die Achsen der beiden Elemente parallel. Fig. 40. Desgleichen ; die Acheen der Elemente senkrecht zu einander. 514 Theodor Boveri, Fig. 41 — 45. Bildung des zweiten Richtungskorpers. Fig. 46. Ei- und Spermakern. Fig. 47 — 52. Verschiedene Stadien eines abnormen Entwicklungs- ganges, bei welchem nur ein einziger Richtungskorper ge- bildet wird. Fig. 47. Quergestellte erste Spin del ; Fig. 48 und 49. Die bei den Tochterplatten bleiben im Ei ; Fig. 50 und 51. Die zweite Spindel enthalt demnach 4 Elemente; Fig. 52. Der Eikern besteht aus 4 Stabchen. Fig. 53. Von dem einen der 2 Doppelstabchen des ersten Richtungs- korpers ist die eine Halfte (a) abnormerweise im Ei zuriick- geblieben. Fig. 54, Der zweite Richtungskorper ist ira Ei zuriickgeblieben und hat einem zweiten Eikern Entstehung gegeben. Fig. 55. Der zweite Richtungskorper enthalt nur ein Element; das andere ist im Ei zuriickgeblieben und hat hier einen kleineu Kern neben dem Eikern gebildet. Fig. 56. Anstatt einen zweiten Richtungskorper zu bilden, hat sich das Ei in zwei gleich groBe Tochterzellen (reife Eier) ge- teilt, von denen die untere das Spermatozoon enthalt. Die Kernvakuolen von Ei- und Spermakern sind in pathologischer Weise neben den chrom. Elementen entstanden. Tafel XXVn. Fig. 1 — 18 von Ascaris meg. (Typ. van Bekeden). Fig, 19 „ „ „ (Typ. Caenoy). Fig. 1 a, b, c. Keimblaschen befruchteter Eier. Fig. 2, 3, 4, 5. Erste Richtungsspindeln im Profil. Fig. 6 a. Erste Spindel im Profil, b. dieselbe urn 90" gedreht, c. vom Pol. Fig. 7 a, by c. Wie Fig, 6. Beginn der Spaltung des chromatischen Elements in zwei Tochterelemente. Fig. 8 a. Die Tochterelemente auf dem Wege nach den Polen ; b. die- selbe Spindel um 90° gedreht. Fig. 9 a. Die Tochterelemente an den Polen; b. dieselbe Spindel um 90 <^ gedreht. Fig. 10. Ei unmittelbar nach der Ablosung des ersten Richtungs- korpers (Jlk). Fig. 11. Zweite Richtungsspindel ; das chrom. Element im Beginn der Drehung. Fig. 12 fl. Zweite Spindel nach vollendeter Drehung des chrom. Elements; b, dieselbe Spindel um 90** gedreht. Fig. 13 und 14. Zweite Spindeln, in denen die beiden Halften des chrom. Elements sich der Lange nach voneinander losge- lost haben und nur an dem einen Ende noch in Zusammen- hang stehen. Fig. 15 a. Die beiden Tochterelemente auseinanderweichend , an- schlieBend an Fig. 12 a. — b. dieselbe Spindel um 90" gedreht. Fig. 16. Abtrennung des zweiten Richtungskorpers. Fig. 17. Ei- und Spermakern. I Zellen-Studien. 515 Fig. 18, Pathologische Langsspaltung der ersten Spindel. Fig. 19. (Typ. Caknoy) Pathologisch veranderte Spindel, a. im Profil, b. vom Pol. Tafel XXVm. AUe Figuren von Ascaris lumb. Fig. 1. Keimblaschen eines noch an der Rachis sitzenden Eies ; die chrom. Elemente in Bildung begrifFen. Fig. 2. Keimblaschen eines eben befruchteten Eies ; die chrom. Elemente deutlich quergeteilt. Fig. 3 — 11. Umbildung des Keimblaschens zur Spindel. Fig. 12. Aquatorialplatte der ersten Spindel vom Pol mit 24 Elementen. Fig. 13 — 18. Bildung des ersten Richtungskorpers bei radialer Stellung der Spindel. Fig. 19 und 20. Bei schiefer Stellung der Spindel. Fig. 21. Ausbildung der zweiten Spindel. Fig. 22 a. Zweite Richtungsspindel im Profil; b. Aquatorialplatte derselben vom Pol mit 24 Elementen. Fig. 23. Querteilung der chrom. Elemente in der zweiten Spindel. Fig. 24 — 26. Bildung des zweiten Richtungskorpers. Fig. 27 X. Die innere Tochterplatte der zweiten Richtungsspindel, vom Pol gesehen, mit 24 Elementen. Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreich und ihre Bedeutung. Von Otto Hamann. Einleitung. Nachdem ich bei der Untersuchung der Echinodermen gefunden hatte, daB es ein Entwickelungsstadium der Genitalanlage giebt, welches keinen SchluB auf das spatere Geschlecht des Individuums zulaCt, lag es mir nahe, nach ahnlichen Verhaltnissen bei den Wirbellosen mich umzusehen. Bei den Echinodermen traf ich vor der Anlage jeglicher Ge- schlechtsorgane eigentiimlich gebaute Zellen an, welche einengroBen, blasigen, hellen kugligen Kern in dem amoboid beweglichen Zellleib besitzen. Die Genitalanlage selbst ist nichts anderes als eine An- haufuug von solchen Zellen, die sich im weiteren Verlauf der Ent- wicklung zu Samen- oder Eizellen dififerenzieren. Somit lassen sich die Keimzellen von einem indifferenten Zellen-Stadium ableiten und dieses konnen wir als das der Urkeimzellen benennen. Geht man die Litteratur durch, so ergiebt sich bald, daB es nur eine geringe Zahl von Fallen giebt, in welchen bei den niederen Tieren indiiferente Stadien der Genitalorgane beschrieben werden und in wolchen die Zellen , welche diese Anlage bilden , in ihrer Bedeutung erkannt sind. Eine indifferente Genitalanlage, das heiBt Zellen, welche von den tibrigen Gewebszellen streng geschieden sind, aber weder Ei- noch Sameuzellen gleichen, fand Spbngel bei den Gephyreen, Die TJrkeimzellen (Ureier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 517 Weismann bei Hydromedusen und Metschnikoff bei einer Qualle. Ersterer spricht von Ureiern, wiihrend wir bei letzteren den Namen Urkeimzellen fur dieses indifferente Stadium der Geschlechtszellen gebraucht finden. In vielen anderen Abhandlungen sind die ersten Anlagen der Geschlechtsorgane geschildert worden, wahrend die Genese der Keimzellen unbekannt blieb (Mollusken u. a.). In anderen Fallen lag uberhaupt keine Angabe uber die erste Entstehung der Genital- organe vor. Nichtsdestoweniger kann man oft auch hier noch aus dem Bau des reifen Organes das Vorhandensein von Urkeimzellen konstatieren (Brachiopoden). Die verschiedenen Litteraturangaben — soweit sie aus den letzten zehn Jahren herrubren — babe ich im folgenden zusammen- gestellt. Dabei ist aber zu beriicksichtigen , daB ich nicht eine vollstandige Sammlung aller etwa hierher gehorenden Angaben geben wollte, sondern mich beschrankt babe, nur auf ganz pragnante Falle hinzuweisen. Wenn ich oben von einer indifferenten Genitalanlage sprach, so ist dem noch folgendes hinzuzufiigen. Es giebt Formen, bei denen von einer solchen noch nicht gesprochen werden kann, wie beispiels- weise die Spongien und viele Hydromedusen. Bei den Schwammen differenzieren sich einzelne Mesodermzellen zu Urkeimzellen, ohne daB ein bestimmter Ort hierfiir vorhanden ware. Die Urkeimzellen konnen an den verschiedensten Stellen ihren Ursprung nehmen. Unter den Echinodermen haben wir ein Beispiel in Synapta, wie in einem Geschlechtsschlauche aus den Urkeimzellen bald Eizellen, bald Samenzellen hervorgehen. Bei den iibrigen Formen dieser Klasse sind die Geschlechter getrennt. Das gleiche Vorkommen von Zwitterdriisen finden wir dann bei den Mollusken wieder. In alien iibrigen Fallen aber sehen wir eine Urkeimzellen- Anlage in der Ein- oder Mehrzahl vor uns, aus welcher gewohnlich der Hoden oder die Ovarien ihren Ursprung nehmen. Diese Organe sind somit die Reifungsstatten der Keimzellen. Zwischen Hoden und Ovarium besteht eine komplete Homologie. So merkwiirdig nun an und fur sich die Thatsache ist, daC iiberall im Tierreich ontogenetisch eine indifferente Genitalanlage oder doch wenigstens indifferente Urkeimzellen vorkommen, so wird dieselbe noch interessanter, wenn man in Erwagung zieht, daC diese Zellen in den verschiedenen Gruppen eine groCe Ubereinstimmung zeigeu. Die Urkeimzellen sind meist von kugliger Gestalt, bewegen 518 Otto Hamann, sich wie Amoben und zeigen einen Kern, der durch seine GroBe sofort in die Augen springt. Sein Durcliinesser ist meist halb so groC wie der der Zelle. Dabei ist der Kern kuglig, hell, blasig und zeigt ein Fadeuwerk sehr deutlich oder aber kleine Nucleolen treten in ihm auf. Hier wird man aber auf die Verschiedenheit in der Konservierung Kiicksicht zu nehnien haben. Da wo der Kern frisch untersucht wird, zeigt er stets ein deutliches Netzwerk, welches sich mit Karrain tief farbt. Was die endliche Ditferenzierung der Urkeimzellen anlangt, so erfolgt diese entweder nach einer Wanderung an einer bestimmten raumlich getrennten Reifungs- statte, Oder aber Reifungsstatte und Urkeimanlage fallen zusammen. In alien Fallen erfolgt durch Wachstum die Weiterentwicklung zur Eizelle durch Teilung, die Bildung der Samenmutter- und Spermazellen , wie es fur die Wirbeltiere schon lange beschrieben worden ist. Spezieller Teil. Coelenteraten. Durch die Untersuchung von F. E. Schulze ^) wurde zuerst der Ursprung von Ei- und Samenzelle bei den Schwammen genau entdeckt. Beide entwickeln sich aus dem Mesoderm, aus der Bindesubstanzschicht des Korpers und zwar, worauf es uns hier am meisten ankommt: beide Elemente entstehen aus indiflferenten Zellen, die wir als Urkeimzellen erkennen. Die jungsten Eizellen, welche Schulze auffand, glichen den mannlichen Zellen , aus denen durch Teilung die Spermaballen hervorgehen, wahrend durch Wachstum sich dieselben zu Eizellen differenzieren. Diese Urkeimzellen, wie wir sie nennen konnen, werden als unregelmaCig rundlich von Gestalt, glattrandig und dunkelkornig beschrieben. Im Zentrum der Zelle liegt ein heller, blascheuformiger Kern mit einem mittelgroBen Kernkorperchen. 1) F. E. Schulze, Untersuchungen iiber den Bau und die Ent- wickluDg der Spongien. Die Gattung Halisarca. Leipzig, Engelmanu 1877. Die Urkeimzellen (TJreier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 519 Wahreud weiteren Wachstums sind die Zellen amoboid beweglich. Vergleicht man nun die Figuren i), welche Schulze zur Erlauterung giebt, so tritt die tJbereinstimmung der indifierenten Urkeimzellen besonders deutlich hervor. Von den iibrigen Abteilungen der Pflanzentiere will ich die Hydroidpolypen hervorheben, bei welchen Urkeimzellen mit voUster Sicberheit beobachtet worden sind. Weismann ^) bat zuerst gezeigt, daB die Keimzellen der Hy- droiden aus Abkonimlingen gewohiiHcher Gewebezellen liervorgehen, wie es mit wenig Ausnahmen (Sagitta u. a.) fiir das ganze Tier- reich gilt. Der eigentlichen Keimzellen-Differenzierung jedoch geht eine Zellen-Wucherung voraus, welche zunachst zur Anhaufung junger Zellen fiihrt, welche das Bilduugsmaterial fiir die Keim- zellen (Ei- und Sanieuzelle) bilden. Diese jungen Zellen werden als Urkeimzellen bezeichnet. Sie besitzen einen groBeren Kern als die gewohnlichen Epithelzellen ; welter ist derselbe heller als der der letzteren und laBt fast immer mehrere Kernkorperchen erkennen. Diesen jungen Urkeimzellen kommt das Vermogen zu, den Ort ihrer Entstehung verlassen zu konnen, indem sie sich amoboid bewegen. Auf diese Weise kommt es zur Trennung von Ursprungs- und Reifuiigsstatte derselben. Von groBtem Interesse sind weiter die Angaben von Metschni- KOFF 3) liber die unreifen Zentralorgane von einer Meduse, Cunina proboscidea Metschn. Dieser Forscher fand bewegliche Geschlechts- zelleu vor, welche er als neutrale Elemente, als Urkeimzellen an- sieht, da sie bei weiblichen Tieren die Eier, bei den Mannchen die Spermatoblasten bilden. Diese Zellen zeichnen sich durch einen hellen, groBen, nucleushaltigen Kern aus und zeigen eine lebhafte amoboide Bewegung, indem sie vermittelst ruiider lappen- formiger Pseudopodien energisch l^riechen. Vergleicht man die Abbildungen *) Metschnikoff's , welche uns Urkeimzellen eines weiblichen wie manulichen Tieres zeigen, so fallt die voile Ubereinstimmung der Gebilde sofort in die Augen. Weiter aber zeigt sich, das zwischen den Urkeimzellen im Tierreich iiberhaupt eine merkwUrdige GleichmaBigkeit herrscht, indem die 1) Fig. 19 auf Taf. 3 und Fig. 20 auf Taf. 4. 2) Weismann, Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydroiden- medusen, Jena, Fischer 1883, 3) Metschnikoff , Embryologische Studien an Medusen. Ein Beitrag zur Genealogie der Primitiv-Organe. Wien, Holder 1886. 4) Taf. 11 ebenda. k 520 Otto Hamann, Urkeirazelle einer Cunina von der eines Echinodermen ^) oder einer Gephyree^) oder eines Wirbeltieres nicht zu unterscheiden ist. Diese drei Falle niogen geniigeu , um das Voikommen von Urkeimzellen im Stamme der Coelenteraten zu erlautern. Die Wiirmer. Die erste Anlage der Gescblechtsorgane ist im allgemeinen sowohl bei Pathelminthen, Nemathelminthen und Auueliden genauer bekaunt. Es wird sich aber hier sogleich zeigen, dafi das, was man bei den Wiirmern als Geschlechtsorgan bis jetzt bezeichnet hat, nicht iiberall ein homologes Gebilde ist, sondern bald die Statte ist, wo die Urkeimzellen entstehen aber nicht reifen, bald die Statte, wo sie entstehen und sich weiter ditferenzieren. Um dies klar hervortreten zu lassen , beginne ich mit den Gephyreen, bei denen die Entstehung von Urkeimzellen von Spengel^) beobachtet wurde. Bereits in der ersten Arbeit iiber die Eibildung von Bonellia beschreibt Spengel die indittereute Keimaulage, deren Elemente er als Ureier bezeichnet, indem er zugleich auf die Verhaltnisse bei den Wirbeltieren hinweist. Die Urkeimzellen bilden sich aus dem Peritonealuberzug der Wandung des BauchgefaCes. Sie unterscheiden sich von den Zelleu, denen sie ihren Ursprung verdanken, durch einen groCen kug- ligeu Kern. Wahrend aber bei Bonellia in der Bildung des Ovariums komplizierte Bildungen eintreten, so zeigen sich beim Echiurus ^) einfachere Verhaltnisse, indem es uberhaupt nicht zur Bildung eines Ovariums kommt. Die Urkeimzellen entstehen ebenfalls aus dem Peritoneal- epithel und bilden die indifferenten Keimdriisen. Die Gestalt der 1) Vergl. Hamann, Die wandernden Urkeimzellen der Echino- dermen, in: Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. 46, 1887. 2) Yergl. Spengel, Beitrage zur Kenntnis der Gephyreen. 1. Die Eibildung; die Entwicklung und das Mannchen der Bonellia, in: Mitteil. d. Zool. Stat. Neapel, Bd. 1, 1879, 3) Spengel, J. W., Beitrage zur Kenntnis der Gephyreen. 2. Die Organisation des Echiurus Pallasii, in: Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 34, 1880. Die TJrkeirazellen (TTreier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 521 Urkeimzellen ist rund , der kuglige Kern ist doppelt so grofi wie der der gewohnlichen Epithelzelleu und besitzt stets ein Kern- korperchen. Bei alien Individuen ist diese erste Anlage der Keim- driisen eine gleiche indifferente, deshalb kann man auch nicht von einem Ovarium oder Hoden sprechen, zu deren Bildung es meiner Ansicht nach iiberhaupt nicht beim Echiurus kommt. Es losen sich namlich Ballen von Urkeimzellen los von ihrer Bilduugsstatte, gelangen in die Leibeshohle und entwickeln sich hier entweder zu Eizellen, oder aber durch Teilung zerfallen sie in die Sperraazellen. Die von Spengel abgebildeten und ausfiihrlich geschilderten Urkeimzellen gleichen in alien Stucken denselben Elemeuten der Coelenteraten und Echinodermen. Hier wie dort fallt die Menge von Kernsaft in den blasigen Zellkernen auf im Verhaltnis zu der geringen Menge von tingierbarer Substanz. Dies laBt sich ubrigens bei alien Urkeimzellen mehr oder minder stark ausgepragt finden. An diese schonen Beobachtuugen Spengel's schliefie ich eine neue Angabe von Bergh^) an iiber die erste Anlage der Keim- drusen bei Lumbricus. An denjenigen Stellen, wo sich beim Regenwurm spater Ovarien und Hoden zeigen, triflft man beim jungen Tier vollkommen gleich gebaute Elemente, welche dieselbe Struktur besitzen. Ihr Lumen wird erfullt von groBeren Zellen, den Urkeimzellen, welche sich wiederum durch ihren hellen groCen blasigen Kern auszeichnen. Ein Kerngeriist lafit sich deutlich erkennen und scheint ein kleines Kernkorperchen ''') jedem Kerne zuzukommen. Somit zeigen auch bei den Anneliden die Keimdriisen (Ovarium wie Hode) urspriinglich dieselbe gleiche indiflerente Anlage. Von den iibrigen hierher gehorigen Arbeiten will ich keine weitere erwahnen. Es stimmen die Verhaltnisse , wie sie Bergh fur Lumbricus in klarer Weise geschildert hat, bei alien Anneliden iiberein. Bei Tomopteris, uber welche ich zwar meine Untersuchungen noch nicht vollstandig beendet habe, finden sich gleichfalls zu- nachst indifferente Urkeimzellen , welche in den Parapodien aus dem Peritonealepithel entstehen, um spater bei einem Individuum 1) Bebgh, Untersuchungen iiber den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwiiimer, in : Zeiischr. f. wiss. Zool. Bd. 44, 1886. 2) Yergl. ebenda Taf. 21 Fig. 11a und lib. 522 Otto Hatuann^ zu weiblichen, beim anderen zu mannlichen Keimzellen sich zu entwickeln. Bei den Seeplanarien hat Lang ^ ) die erste Anlage der Geschlechtsorgane wenigstens teilweise beobachtet. Die jiingsten Hoden, die er fand, bestanden aus acht oder melir Zellen, die er Spermamutterzellen nennt, da sie mit,den groCen Spermamutter- zellen des reifen Hodens ubereiiistinimen. Diese Zellen zeichnen sich durch ihren ungemein groBen Kern aus (Taf. 20, Fig. 5 u. 6). Wenn es nun auch Lang nicht gegliickt ist, ganz junge Ent- wicklungsstadien von jungen Ovarien anzutreffen, so hat er doch haufig kleinere Ovarien gefunden, in denen ein Keimlager sich fand, welches aus einer homogenen Masse von Plasma mit ein- gestreuten Kernen bestand. Una einzelne dieser Kerne war bereits das Plasma abgegrenzt und so hatten sich junge Keimzellen ge- bildet. Diese gleichen nun (vergl. die Fig. 7 auf Taf. 11) ganz in ihrem Aussehen den Zellen des Hodens, die er Samenmutter- zellen nennt. Somit haben wir in diesen Zellen Urkeimzellen zu sehen , die in der Hoden- wie Ovariumanlage das Primare sind und sich zu den Keimzellen spater differenzieren. Aus Bohmig's Untersuchungen iiber die rhabdocolen Turbellarien^) geht dasselbe hervor, wenn auch die eigent- liche Anlage der Keimdriisen nicht beobachtet wurde. Bohmig hebt hervor, daB diejenigen Zellen im Hoden, welche er als Mutter- zellen deutet, „den jungen Eizellen so ahnlich sehen, dafi ich es fiir unmoglich halte, ohne weiteres zu sagen, ob es eine Ei- oder Hodenzelle ist, welche wir vor uns haben". Jene jungen Eizellen sind ebenso wie die Samenmutterzellen die indifferenten Urkeim- zellen, aus denen sich erst die Ei- wie Samenzellen entwickeln. In dieser Weise lieBen sich noch eine Anzahl von Beobach- tungen heranziehen, besonders aus friiherer Zeit. Es mogen aber diese wenigen geniigen. Nach den Untersuchungen von Schwarze ^) werden die ersten 1) Lang, A., Die Polycladen des Golfee von Neapel. Eine Mono- graphie in: Fauna u. Flora d. Golf. v. Neapel. 11. Monographie. Leipzig, j5ngelmann 1884. 2) Bohmig, Untersuchungen iiber rhabdocole Turbellarien 1. in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 43, 1886. 3) Schwarze, W., Die postembryonale Entwicklung der Trema- toden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 43, 1886. Die TJrkeimzellen (XJreier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 523 Anlagen von Hoden und Ovarium bei Cercarien von Zellen- haufen gebildet, deren Elemente untereinander iibereinstimmen. Dieselben Zellen, welche die indififerenten Geschlechtsanlagen bilden, treffen wir im jungen Distomum-Ovarium , in dera die Eibildung lange im Gange ist, noch an und auch im Hoden sind dieselben Zellen, die Urkeimzellen, noch zu erkennen. Fiir dieNemertinen hat vor alien Sabatier^ gezeigt, daB eine indififerente Geschlechtsanlage vorhanden ist. Nach seinen Beobachtungen findet sich in den einzelnen Sackchen zu gewisser Zeit ein feinkorniges Plasma und ein runder Kern, der etliche Nucleoli zeigt. Dies ist das indiiferente Stadium. Es wachst nun entweder diese Zelle und wird zur weiblichen Keimzelle, oder aber es gehen die Spermazellen aus ihr hervor. Bei den Nematoden entstehen die Geschlechtsanlagen aus einer einzigen Zelle, welche in die Lange wachst, indem sich die Kerne vermehren. Diese sogenannte vielkernige Zelle wurde zuerst von Glaus *) beobachtet. Die weitere Entwicklung derselben wurde von Schneider ^) ausfiihrlich untersucht und gezeigt, daC alsbald eine Sonderung dieser vielkernigen Zelle eintritt, indem eine aufiere und eine innere axiale Schicht sich bildet. Bei der weiteren Ent- wicklung legt sich aus der inneren Schicht das Keimgewebe an, welches aus kernhaltigem Plasma besteht. Die Ovarialanlage hat jetzt die Gestalt einer Saule angenommen, an deren beiden blinden Enden das Keimgewebe zuletzt zu liegen kommt. Dieses beim Mannchen wie Weibchen an den Enden des Schlauches liegende Keimgewebe, welches im Bau iibereinstimmt, darf wohl den Urkeim- zellen homolog betrachtet werden. DaC die Zellgrenzen verwischt sind, und anscheinend ein Syncitium vorliegt, ist dieser Deutung wohl kaum im Wege, In jedem Falle besteht auch bei dieser Gruppe eine indifferente Geschlechtsanlage und erst spat tritt die Dififerenzierung in die eigentlichen Keimzellen ein. 1) Sabatieb, Revue des Scienc. natur. Montpellier, Ser. 3, Yol. 2, 1882. 2) Glaus , tjber einige im Humus lebende Anguilluliden , in : Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 12, 1862. 3) Monographie der Nematoden, Berlin, Keimer 1866. Bd. XXI. N. F. XIV. 24 524 Otto Hamann, Die Echinodermen. In alien Gruppen der Stachelhauter habe ich ^) vor kurzem eine indififerente Genitalanlage nachgewiesen , welche von Zellen gebildet wird, die schon lange vor der Entstehung jeglicher Ge- schlechtsorgane sich nachweisen lassen. Ein junger Seesteru oder ein Seeigel von einera halben Zenti- meter Durchmesser zeigt in der Dorsalwand ein meist ringformig verlaufendes Organ, die Genitalrohre, welche angehauft ist von amoboid beweglichen Zellen, deren grofie, blasige Zellkerne die Zellen selbst leicht erkennen machen. Diese Zellen sind die Urkeim- zellen. Die indifferenten Genitalanlagen bestehen nun in seitlichen Auftreibungen oder Aufsackungen dieser Genitalrohren und werden von den Urkeimzellen erfUllt. Erst spater tritt ein Lumen in den sackfoimigen Anlagen auf und die weitere DitJerenzierung dieser Zellen erfolgt. Bei einem Individuum entstehen die Eizellen, beim anderen die Sperraazellen aus denselben. Eine Genitalrohre findet sich bei Ophiuren ebenso vor, wie bei den Crinoiden. Auch in diesen beiden Klassen entstehen die Genitalanlagen in gleicher Weise. Auf die im einzelnen kompli- zierten Verhaltnisse will ich hier nicht weiter eiugehen, da ich sie am anderen Ort genauer geschildert habe ^). Auf die Genital- organe von Ophiuren und Crinoiden denke ich aber baldigst in einer Monographie uber beide Gruppen in ausfiihrlichster Weise zuriickzukommen. Arthropoden. Die erste Anlage eines Ovariums einer Daphnie ist ein solider Korper von lauggestreckter spindliger Gestalt. Sein Inhalt besteht aus vollig homogenem Plasma, in welchem ziemlich gleichmafiig verteilt die kleinen gleich groCen Kerne liegen^). Aus diesem Keimlager entwickeln sich die Eier in fiir uns hier indifferenter Weise. Betrachten wir nun ein ausgebildetes Ovarium, so trelfen 1) Hamann, Die wandernden Urkeimzellen und ihre Eeifungs- statten bei Echinodermen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Geschlechts- organe, in: Zeitschr. f. wiss. ZooL, Bd, 46, 1887. 2) Weismann, Beitrage zur Naturgeschichte der Daphnoiden Abhdlg. 2, 3, 4. Leipzig 1877, siehe Taf. 10 Fig. 48 und Taf. 11, Eig. 5 7. Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreicli u. ihre Bedeutuug. 525 wir das Keimlager, das heiBt die Plasraamasse mit den Kernen am hiutersten Ende desselben. In diesem Keimlager bilden sich die Keimzellen , die zuerst eine kompakte Masse darstellen, dann aber zu den Keimzellengruppen zusammentreten , aus deren jeder eiu Ei hervorgehen kann. Das Keimlager mit seinen Kernen re- prasentiert die Urkeimzellen, zumal es sclion von Weismann betont wird, „dafi das, was wir bei den Daphniden als Keimlager sehen, wirklich schon Zellen sein konnen , wenn es auch vorlaufig noch nicht gelungen ist, den sichern Nachweis dafiir zu fiihren"'). Vergleichen wir nun den ausgebildeten Hoden einer Daphnie mit dem Ovarium, so treffen wir im blinden Ende derselben die gleichen indifferenten Urkeimzellen an, das gleiche Keimlager 2), Zu den gleichen Resultaten ist auch Glaus ^) gekommcn. Im Gegensatz aber zu Weismann betont er, dafi in der jungen Keim- stockanlage nicht ^eine Plasraamasse mit eingestreuten Kernen vorhanden sei, sondern dafi es sich vielmehr um Zelleinheiten handle, „deren Keimblaschen , von einer dunnen sparlichen Protoplasma- schicht umlagert und nicht etwa in gemeinsamer Grundsubstanz gelagert, erst spater zur Zellenbegrenzung fiihren". Die Ab- bildungeu *) der jungen Keimstocke, welche Glaus giebt, sind be- sonders gut geeignet, das indifferente Stadium der Urkeimzellen zu demonstrieren. Fiir die Phyllopoden hatGROBBEN^) gezeigt, daC die Genital- anlage, welche sich bereits im fiinften Furchungsstadium differenziert, eine Zellenplatte vorstellt, die urspriinglich eine einheitliche Masse bildet, spater aber in zwei Telle zerfallt. Diese Zellen, — Urkeim- zellen — besitzen einen relativ groCen runden Zellkern. In ausgezeichneter Weise ist bei den M i 1 b e n eine indifferente Geschlechtsanlage vorhanden. Im Nymphenstadium von Trombidium 1) Weismann, Beitrage zur Naturgeschichte der Daphnoiden, Abhdlg. 2, 3, 4, Leipzig 1877, pag. 72. 2) Vgl. ebenda Abhdlg. 6, Taf. 8, Fig. 1. 3) Claus, Zur Kenntnis der Organisation und des ferneren Baues der Daphniden und verwandter Cladoceren , aus : Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 27, pag. 391. 4) Vgl. ebenda Taf. 27, Fig. 15 und 16. 5) Gbobben, Die Entwicklungsgeschichte der Moina retirostris. Zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der Anatomie der Phyllopoden, in: Arb. Wien. Institut, Bd. 2, 1879. 34* 526 Otto Hamann, fuliginosum Herm. beschreibt Henking^) die Genitalanlage als ein hufeisenformiges Gebilde, welches von Zelleu erfullt wird, die eine gleiche GroBe und einen groCen Kern besitzen. Der kuglige grofie Kern mifit halb so viel, als der Zelldurchmesser betragt. Bei samtlichen Nymphen faud er die gleiche Anlage. Da nun aber Mannchen wie Weibcheu gleich haufig sind und somit nicht anzunehmen ist, daC der Verfasser immer nur eiue Form vor sich gehabt habe, so folgt, dafi zu gewisser Zeit ein Geschlechts- unterschied noch nicht zu konstatieren ist, somit noch nicht aus dem Bau der indifferenten Anlage auf das spatere Geschlecht zu schlieBen ist. Die Verhaltnisse bei der Entstehung der Genitalorgane der Insekten sind teilweise ziemlich verwickelte und mogen im einzelnen differieren konnen. Im groCen ganzen jedoch handelt es sich auch bei dieser Gruppe um eine indiffe rente Genital- anlage, wie vorziiglich Brandt 2) betont und beschrieben hat. Zeigen selbst noch die ausgebildeten Ovarien und Hoden bei den Insekten eine allgemeine bauliche tJbereinstimmung, welche auf eine gemeinsame Anlage hindeutet, so ist diese selbst in ver- schiedenen Abteilungen beobachtet worden. Nach Brandt „ver- bleibt die Genitalanlage bei den Insekten lange Zeit bis in das postembryonale Leben hindurch in einem indifferenten Stadium" ^). Das soil aber nichts anderes heiCen als: Die Zellen, welche die Genitalanlage zusammensetzen, sind noch indifferent, noch nicht zur Ei- Oder Samenzelle entwickelt, somit also echte Urkeimzellen, Oder Ureier, oder welchen Namen man ihnen auch immer geben will. Weiter fiihre ich folgende Worte BranWs-*) an: Die Anlagen der Endkammern und Hodenfollikel entstehen, wie oben auseinander- gesetzt, auf ein und dieselbe Weise, als Ausstiilpungen, und stimmen eine Zeitlang wohl vollstandig miteinander uberein. Nur bei manchen Insekten giebt die verschiedene Anzahl der Hodenfollikel und 1) Henking, Beitriige zur Anat., Entwicklungsgesch. u. Biologic von Trombidium fuliginosum Herm. , in : Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. 37, 1882. 2) Brandt, Uber das Ei und seine Bildungsstatte. Ein ver- gleichend-morphologischer Versuch mit Zugrundelegung des Insekten- eies. Leipzig, Engelmann, 1878, 3) Vergl. ebenda die Abbildungen auf Tafel 3. 4) Ebenda pag. 86. Die Urkeimzellen (TJreier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 527 Eirohrenanlagen ein Criterium fiir ihre UnterscheiduDg. Im iibrigen ist erst die hi stologische Diff erenzierung in den AusstiilpungenderGenitalanlage fiir die Geschlechts- bestimmungmaCgebend. Sehen wir nun im einzelnen zu, wie die junge indiflferente Genitalanlage gestahet ist, so haben wir bei den Lepidopteren (Pieris brassicae) beim Embryo an der Riickenwand der Leibes- hohle, rechts und links dicht am Herzen einen anfanglich ellip- tischen Korper vor uns, welcher ganz mit rundlichen Zellen erfullt ist, deren Keime nach Brandt's Angabe „amoboid gestaltet" sein sollen. Dies ist die erste bisher beobachtete indiflferente Genital- anlage. Ihre eigentliche Entstehung geht uns bier nichts weiter an, da es, zunachst wenigstens, mir nur auf die Konstatieruug der Urkeimzellen ankommt. Je nachdem nun der Ausfiihrungsgang dieser Genitalanlage entweder in der Mitte derselben, oder am hinteren Ende beginnt, fiihrt die spatere Diflferenzierung zu einem Hoden oder Ovarium, wie Bessels 0 nachwies und Brandt '^) be- statigt hat. Von groBer Bedeutung fiir die uns hier beschaftigende Frage sind die Untersuchungen von Schneider ^) iiber die Genitalanlageu der Insekten. Ich will hier nicht auf die Einzelheiten eingehen, da ich dann manchen strittigen Punkt beriihren miiCte. Da, wo die Eier direkt im Eierstock entstehen, grenzen sich Zellen mit kugligen Kernen aus dem Protoplasma desselben ab; dieselben Zellen werden nun beim Mannchen zu den Spermatoblasten, welche sich spater teilen. Somit haben wir hier ein und dieselbe noch inditferente Zellform vor uns, aus welcher Ei- wie Samenzellen hervorgehen. Bei der Eibildung mit Dottersack, welcher der ersteren gegeniibersteht, sind die Verhaltnisse die gleichen. Mollusken. tJber die Genitalanlage der Mollusken scheinen die wenigsten sicheren Beobachtungen vorzuliegen. Bei Agriolimax agrestis finden 1) Bessels, E., Studien iiber die Entwicklung der Sexualdriisen bei den Lepidopteren, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 17, 1867. 2) A. a. 0. 3) Schneider, Die Entwicklung der Geschlechtsorgane der In- sekten, in: Zoologische Beitrage, Band 1, herausgegeb. v. Schneidee, Breslau, 1885. 528 Otto Hamann, sich in der juugen Zwitterdriise zu gewisser Zeit Zellen vor, welche sich durch ihre runde Gestalt und ihren groCen hellen Kern, welcher ein deutliches Kernkorperchen triigt, auszeichnen. Diese groBen Zellen hat zuerst Rouzeaud ^ ) in der Zwitterdriisenanlage auf- gefunden. Von Brock ^) werden sie fiir die Mutterzellen der mannlichen und weiblichen Geschlechtsprodukte gehalten, also fiir Urkeimzellen, obgleich er die Histogenese der Druse bis zur Aus- bildiing der Keimzellen nicht verfolgen konnte. Ob hier that- siichlich Urkeimzellen vorlagen, worau ich nicht zweifle, wird sich wohl schon auf Schnitten durch die reife Zwitterdriise entscheiden lassen, da in derselben sicher noch dieses indifferente Zellenstadium vertreten sein wird. Bryozoen. Mit groCer Sicherlieit laBt sich das Vorhandensein von Urkeim- zellen bei den Bryozoen behaupten. Es ist vor allem hier eine Arbeit von Vigelius 2), welche ich heranziehen mochte. Der Ver- fasser hat die Entstehung und Entwicklung der Geschlechtsprodukte bei chilostomen Bryozoen untersucht und zwar speziell Flustra membranaceo-truncata Smitt. Sowohl fiir die Ovarien wie fiir die Hoden wird uachgewiesen, dafi dieselbcin an der Seitenwand der Endocyste aus Zellen des Innenepithels entstehen. Das junge Ovarium stellt einen rund- lichen Korper, eine meist kuglige Anhaufung von zahlreichen kern- tragenden Zellen dar. Zwei oder mehrere von diesen Zellen bilden sich dann spater zu den Eizellen urn; die iibrigen werden zu Follikelzellen. Die erste Anlage des Hodens ist ganz dieselbe wie die des Ovariums, wie aus der Beschreibuug hervorgeht. Es legt sich der Hoden ebenfalls an als ein Klumpen von runden Zellen, welche nach Vigelius Angabe den Zellen, welche die Ovarien bilden, sehr ahnlich sind. 1) EouzEAUD, Recherches sur le developpement des organes geni- taux de quelques gasteropodes hermaphrodites. Montpellier 1885. 2) Beock, Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylom- matophoren Pulmonaten , in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 44, 1886. 3) ViGEUus, W. J., Zur Entstehung und Entwicklung der Ge- schlechtsprodukte der chilostomen Bryozoen, in : Biolog. Centralblatt Bd. 2, No, 14, 1882. Die Frkcimzellen (tTreier) ira Tierreich u. ihre Bedeufung. 529 In einer spateren ausftihrlichen Arbeit fiihrt der Verfasser^) diese fruheren Angaben weiter aus und kommt zu dem Eesultat, daC Ovarium wie Hoden ihren Ursprung nehmen aus run den homologen Zellen, welche aus der sogenannten Parietalschicht entstehen. Somit batten wir also auch fiir die Bryozoen ein indifiFerentes Stadium der Genitalanlage vor uns. Diesen letzten gewichtigen Angaben von Vigelius gegenuber bin ich der Miihe enthoben, weitere Beobachtungen anderer Forscher herbeiziehen zu mussen. Es zeigten aber auch diese Arbeiten wiederum, dafi, wenn nur mit der notigen Sorgfalt zu Werke ge- gangen wird und nicht spatere Entwicklungsstufen der Geschlechts- organe fiir die anfanglichen ausgegeben werden, wo auch iramer diese Organe entstehen , zunachst Urkeimzellen gebildet werden, welche in Form, Gestalt und Bau iibereinstimmen. Brachiopoden. Die Brachiopoden lassen nach van Bemmelen ^) die Ent- stehungswcise ihrer Keimprodukte am erwachsenen Tiere erkennen, so daC man nicht notig hat auf jiingere Stadien zuriickzugehen. Aus den Abbildungen dieses Forschers laBt sich erkennen, dafi das Keimesepithel, welches aus Coelomepithelzellen hervorgeht, bei mannlichen Tieren die gleiche Form wie bei den weiblichen hat. Es handelt sich in beiden Fallen um die gleichen Zellgcbilde, die er als neutrale Bildungszellen hinstellt. Dafi bei einer Untei'suchung der jiingeren Stadien eine indifferente Anlage von Urkeimzellen sich finden wird, welche noch keinen Schlufi auf das spatere Ge- schlecht gestattet, ist wohl zu erwarten. 1) YiGELTUs, W. J., Die Bryozoen gesammelt wahrend der 3. u. 4. Polarfahrt des „Willem Barents" in den Jahren 1880 und 1881, in: Bijdragen tot de Dierkunde, 11. Aufl., Amsterdam 1884. 1) VAN Bemmelen , Untersuchungen iiber den anatomischen und histologischen. Bau der Brachiopoda Testicardinia, in : Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. 16, 1883. 530 Otto Hamann, Tunikaten. Sehr genau hat Uljanin'^) sich iiber den Bau der jungen Hoden und Ovarien ausgesprochen. Er schildert uns, wie in der jungen Hodenanlage und im jungen Ovarium die gleichen Zellen sich finden. Die Zellen sind groBkernig und bilden einen Zellhaufen , welchen er fiir homolog ansieht dem Keimepithel des Wirbeltiereierstockes. Somit haben wir auch bei dieser Gruppe als erstes Stadium der Genitalorgane sine aus groBkernigen run den Urkeimzellen bestehende indifferente Genitalanlage vor uns. Gleiche Beobachtungen uber den Bau von Ovarium und Hoden liegen von A. B. Lee ^) vor. An Appendicularien fand er, daC die erste Anlage der Geschlechtsorgane ein Syncitium ist, welches in den Hoden und das Ovarium zerfallt, die somit beide urspriinglich den gleichen Bau haben. Wirbeltiere. Auf die Verhaltnisse, wie wir sie bei den Wirbeltieren finden, naher eiuzugehen ist hier iiberfliissig, da das Vorkommen von Urkeimzellen oder Ureiern in den verschiedenen Abteilungen der- selben bekannt ist. Wir finden bei den Wirbeltieren Zellen, welche aus dem Keimepithel entstehen und denen das Vermogen aktiver Bewegung zukommt. Wie bei den Wirbellosen zeichnen sich die Urkeimzellen auch der Wirbeltiere durch ihre runde Gestalt und ihren groBen blasigen Kern aus. 1) TJljanin, B., Die Arten der Gattung Doliolum im Golfe von Neapel. Eine Monographie , in : Faun. u. Flor. d. Golf. v. Neap. 10. Monographie, Leipzig, Engelmann, 1884. 2) A. B. Lee, in: Eecueil zoolog. suisse, 1. ser. torn 1, 1884. Leider ist mir die Origiualabhandlung nicht zuganglich, da die Zeit- schrift auf Mesiger konigl. Universitats-Bibliothek fehlt. Die Urkeiinzellen (Ureier) im Tierreich u, ihre Bedeutung. 531 Allgemeine Betrachtangen. Zur EntstehuDg der geschlechtlichen Fortpflanzung. Ehe wir die weitere Entwicklung der Urkeimzellen zu Ei- und Samerizellen betrachten, mochte ich auf die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflauzuag iiberhaupt eingehen. Dabei will ich aber vorausschicken , daB es mir fern liegt , irgeud welche neue Spekulationen vorbringen zu wollen und moge deshalb zu unserer weiteren Betrachtung das geniigen, was Claus ^) in seinem Lehr- buch uber die Entstehung der geschlechtlichen Fortpflanzung sagt: „Der Ursprung der digenen Fortpflanzung, welche fiir samtliche Metazoen Geltung hat, ist ohne Zweifel auf die Zellkolonien der Protozoen und Protophyten zuruckzuverfolgen, von denen die Meta- zoen ableitbar erscheinen. Ofifenbar ist der Konjugationsvorgang zweier scheinbar gleicher Zellen, wie er schon bei den Konjugaten unter den Algen vorkommt, eine urspriingliche Form der digenen Fortpflanzung, die auch zu der tjberzeugung hinleitet, dafi Eizelle und Spermazelle different gewordenen Formen von Keimzellen gleich zu setzen sind", Diese Vermutung wird durch die Thatsachen, welche ich im ersten Abschnitt zusammengestellt habe, zur vpllen GewiBheit er- hoben. Ja wir konnen auch heute noch bei alien Metazoen onto- genetisch diese noch indififerenten Keimzellen, wie sie Glaus fordert, als Urkeimzellen antreflfen, wie ich oben gezeigt habe. Daraus nun, daC das Urkeimzellenstadium ontogenetisch bei alien Tieren rekapituliert wird, kann man folgern, daB dasselbe von groCer Bedeutung fiir die Entwicklung des Einzelindividuums sein muC. Denn wenn dies nicht der Fall ware, wiirde es sicher ent- weder bei alien Tieren oder doch wenigstens bei einigen ausgefallen sein, und es wiirde sich aus dem Zellmaterial im Embryo, aus welchem die Urkeimzellen entstehen, gleich die Ei- oder die Samen- zelle entwickeln. Ware dies letztere aber der Fall, so wiirde die Geschlechts- bestimmung jedes einzelnen Individuums in eine sehr friihe Zeit geriickt werden, sicher in eine Zeit, welche derjenigen urn vieles vorangeht, in welche jetzt dieselbe zu liegen kommt. 1) C. Claxts, Lehrbuch der Zoologie, 1885, pag. 77. 532 Otto Hamann, Bei den Echinodermen beispielsweise sehen wir an dem jungen Seestern oder dem jungen Seeigel, oder einer Holothurie zu einer Zeit, wo alle anderen Organe vollstandig angelegt und entwickelt sind, noch keine Keimzellen, sondern nur die Urkeimzellen vor uns. Ein Seestern von einem halben Zentimeter Durchmesser zeigt die erste Anlage von Geschlechtsorganen und diese sind ebenfalls nur mit Urkeimzellen angefuUte Sackchen, die weiter wachsen und in denen spater die Differenzierung in Ei- und Samenzellen erfolgt. Fragen wir nun nach dem Grunde dieser Erscheinung, fragen wir, warum erhalt sich im jungen Tiere so lange Zeit ein in- differenter Zustand, so ist die Antwort wohl am niichsten gelegen, welche einen Vorteil behauptet, welcher fur das Tier hierdurch er- wachst. Die spate Differenzierung wird den einzelnen Individuen von groCem Nutzen sein. Besonders wird dieselbe dann stattfinden, wenn die Tiere getrennt geschlechtlich sind, wie es ja die Mehr- zahl ist. Welche Momente es aber sind , die die Entscheidung iiber das Geschlecht herbeifuhren , ist uns ja zum groCten Telle nur vermutungsweise bekannt. Gehen wir jetzt zuriick zu den Betrachtungen von Glaus. Derselbe sagt, dafi der Konjugationsvorgang zweier scheinbar gleicher Zellen, wie er schon bei den Konjugaten unter den Algen vorkommt, eine urspriingliche Form der digenen Fortpflanzung sei, somit Ei- und Samenzellen vermutungsweise different gewordenen Formen von Keimzellen gleich gesetzt werden konnen. Eine Konjugation von Urkeimzellen findet bei jetzt lebenden Metazoen nirgends statt. tlberall wo Kopulationsvorgange eintreten, sind die Urkeimzellen schon weiter differenziert in Ei- und Samen- zelle. Wollen wir auf Verschmelzung von gleichen Zellen hin- weisen , so bleiben uns nur die Protozoen, welche solche Er- scheinungen zeigen. Sind wir aber berechtigt, daraus, daB onto- genetisch ein Urkeimzellenstadium sich uberall im Tierreich wieder- holt, zu schlieBen, dafi es einst niedere Tierformen (Metazoen) ge- geben hat, bei denen die Befruchtung in der Verschmelzung zweier gleich gebauter Zellen bestand? Und dafi erst spater eine Dif- ferenzierung der anfangs gleichgebauten Zellen eintrat, indem durch Arbeitsteilung Ei- und Samenzelle entstanden und dieser Ent- wicklungsmodus sich vererbt, da fiir die Art ein Nutzen hieraus erwuchs? Wer das biogenetische Grundgesetz Haeckel's anerkennt diirfte wohl diese Fragen bejahen und somit annehmen, dafi die ersten Metazoen bereits besondere Zellen — Urkeimzellen — Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreicb u ihre Bedeuturg. 533 bildeten, welche bei der Befruchtung miteinander verschmolzen. Damit ware ein Fortschritt gegen die Protozoen gegeben, bei denen gewohnliche Korperzellen (Koujugaten) miteinander verschmelzen konnen. Sehen wir nun weiter zu, wie die Urlteimzellen sich differen- zieren in die Keimzellen, so tritt uns dasselbe Verhalten entgegen, welches jede gewohnliche Zelle zeigt, das heiBt: sie konnen ent- weder wachsen , oder aber sich teilen. Im einen Falle entsteht durch Wachstum die Eizelle ^), im anderen durch Teilungsvorgange die Spermazellen und zwar mehrere, miudestens mehr als eine aus einer Urkeimzelle. So kommt es, daC bei der Befruchtung ungleich groCe Teile miteinander verschmelzen. Es ist eine Arbeitsteilung eingetreten, indem die einen Zellen zur Weiterentwicklung die notigen Nahrstoffe aufnehmen, wahrend auch der Zellkern zum sog. Keimblaschen heranwachst. Aus diesem letzteren aber wird, so konnen wir uns den Vorgang der AusstoCung von Richtungs- korperchen klar machen, das in ihm enthaltene Keimplasma, der Trager der Vererbung, zuruckbehalten , wahrend die ubrigen Be- standteile aus dem Keimblaschen in Gestalt der Richtungskorperchen entfernt werden. Ein ahnlicher Entwicklungsgang scheint bei der Bildung der Spermatozoen stattzufinden, denn hier scheint auch nicht die ganze Masse der aus der Urkeimzelle hervorgegangenen Ge- bilde in die Spermazellen iiberzugehen und im Kopf derselben haben wir dann ebenfalls nur das Keimplasma allein als den Trager der Vererbungserscheinungen anzusehen. Beide, der Kern der Spermazelle und der nach AusstoCung der Richtungskorperchen zuriickgebliebene Eikern verschmelzen dann miteinander, wie zuerst Hertwig 2) gezeigt hat. Als die urspriingliche, anfangliche Form der geschlechtlichen Fortpflanzung ist diejenige anzusehen , bei welcher bei ein und demselben Individuum beiderlei Geschlechtsstoffe entstehen. Den einfachsten Fall bieten uns die Spongien, bei denen die Entstehung 1) Da6 in vielen i'allen (Echinodermen, Wirbeltiere u. a.) nicht alle Urkeimzellen zu Eiern sich differenzieren, sondern nur ein Teil, ein anderer aber zu den Follikelzellen wird, kann hier bei Seite ge- lassen werden, da beide sich anscheinend streng gegeniiberstehende Bildungsweisen in derselben Familie (Gephyreen) nebeneinander vor- kommen. 2) Hertwig, 0., Beitrage zur Kenntnis der Bildung, Befruchtung und Teilung des tierischeu Eies. Leipzig, 1876. Vergl. weiter des- selben : Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies. Jena 1885. 534 Otto Hamann, von Urkeimzellen nicht an eine bestimmte Stelle gebunden ist, sondern an den verschiedensten Stellen im Mesoderm vor sich gehen kann. Ebensowenig ist eine bestimmte Reifungsstatte fiir die weitere Entwicklung derselben vorhanden. Auch diese kann an jeder Stelle des Mesoderms liegen. DerUrsprung der Urkeimzellen und das Keimplasma. Fragen wir nun nach dem Ursprung der Urkeimzellen , so stellen sich uns zwei anscheinend verschiedene Bildungsweisen gegeniiber. Es konnen die Urkeimzellen bereits bei der Furchung der Eizelle entstehen, indem das gefurchte Ei „einmal in das Zellenmaterial des Individuums und in die Zellen fiir die Erhaltung der Art zerfallt", wie Nussbaum dies fiir das ganze Tierreich wollte. Thatsachlich ist diese Art der Entstehung aber nur in sehr wenigen Fallen beobachtet. Der am verbreitetsten erscheinende Bildungsmodus ist vielmehr folgender: Die Urkeimzellen entwickeln sich aus Zellen, welche im Embryo bereits eine gewisse Differenzierung zeigen. Mit diesem Satze komme ich auf die KoLLiKER'schen Re- flexionen, die er in seiner gedankenreichen Schrift : ,;Uber die Be- deutung der Zellkerne" niedergelegt hat, und zugleich auf Weis- mann's an verschiedenen Stellen ausgesprochene Ansichten uber Kontinuitat des Keimplasmas. Betont man die urspriinglich iudiflferente Anlage der Geschlechts- zellen im Tierreiche, so scheint mir, daB manches zu den hier in Beziehung kommenden Fragen gesagt werden kann. Ehe ich aber zu irgend welchen Spekulationen iiber das Keim- plasma iibergehe, sei es erst gestattet, einige Thatsachen iiber die Entstehung der Urkeimzellen in das gebiihrende Licht zu stellen. Nehmen wir zum Beispiel die Gephyreen, bei denen die Ent- stehung von Urkeimzellen und ihre Differenzierung in die Urkeim- zellen durch Spengel ^) beobachtet ist, so sehen wir, daC dieselben aus Zellen des die Leibeshohle auskleidenden Epithels hervorgehen. Dasselbe gilt fiir die Anneliden und andere Formen. Bei den Hy- droiden gehen die Urkeimzellen hingegen aus Ektodermzellen her- 1) KSllikee, Die Bedeutung der Zellkerne, in : Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 42. 2) Spbnqel, a. o. 0. Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreich u. ihre Bedeutung. 535 vor, und zwar aus in gewissem Sinne noch inditferenten Zellen der Haut. Diese beiden Beispiele mogeu fur die weiteren Betrachtuugen geniigen. Sehen wir so, daC die Urkeimzellen aus Epithelzellen , seien es nun solche des Ektoderms oder des Mesoderms, entstehen konnen , so ist doch noch niemals die Entwicklung derselben aus einer bestimmt differenzierten Zelle , etwa einer Muskel-Nerven- oder Drusenzelle beobachtet worden. Es bestehen somit Unter- schiede zwischen den Zellen im ausgebildeten Tierleibe. Und zwar konnen wir sagen, dafi Zellen, welche noch nicht eine bestimmte Funktion iibernommen haben , wie das bei den Driisen-, Muskel-, Nervenzellen beispielsweise der Fall ist, sondern welche, wie die Epithelzellen, seien sie nun als Korperbedeckung oder als Coelom- auskleidung vorhanden, noch ein indiflferenteres Stadium darstellen, sich zu Urkeimzellen umbilden. KClliker 1 ) hat in einem an scharfsinnigen Bemerkungen reichen Aufsatze darauf hingewiesen, dafi man noch im ausgebildeten Geschopfe Zellen mit embryonalem Charakter vor sich habe. Zu diesen Zellen rechnet er die tiefsten Zellen der geschichteten Epithelien und des Horngewebes, die Osteoblasten, gewisse Binde- gewebszellen und andere mehr. Zu diesen Zellen mit embryonalem Charakter wiirde bei niederen Tieren noch eine weitere Anzahl hiuzutreten, wie das Coelomepithel, die tieferen Schichten des Ekto- blastes (bei Coelenteraten die sogenannten interstitiellen Zellen von Kletnenberg) u. a. Diese Thatsache nun, daB die Urkeimzellen sich fast uberall im Tierreich aus bereits differenzierten Zellen ableiten, also spat entstehen, wirft ein besonderes Licht auf die Frage nach dem Keim- plasma. Es ist diese Frage von Kolliker in anderem Sinne beant- wortet worden als von Weismann; und zwar hat derselbe eine groCe Anzahl von Beweisen gegen die Annahmen Weismann's bei- gebracht. Nach Kolliker ist eine strenge Scheidung von somatischen Zellen und Keimzellen nicht vorhanden. Jede embryonale Zelle hat das Vermogen, das Ganze zu erzeugen, und ist also in gewissem Sinne Keimzelle. DaC bei hoheren Tieren das Vermogen, zu Keim- 1) KoLLiKEE, Die Bedeutung der Zellkerne fur die Vorgange der Yererbung, in: Zeitschr. f. wiss, Zool. Bd. 42. 536 Otto Hamann, zellen zu werden , nur an bestimmte Elemente gebunden scheint, ist mit besonderen Verbaltiiissen verkniipft. Dafi man aber alien embryonalen Zellen das Vermogen zu- erkennen mufi , zu Keimzellen sich zu dififerenzieren , beweist die Regenerationsfabigkeit vieler Tiere, auf welche Kolliker aus- drucklich binweist. tJberall wo ein Organ sicb neu erzeugt, muB Keimplasma in den Zellenkernen vorbanden sein. So nimmt Kolliker^) an, daB bei Geschopfen, welche verloren gegangene Organe neu bilden konuen , an der Wundflacbe aus den benach- barten Gewebselementen Zellen von embryo nalem Charakter ent- stehen konnen, welche nach denselben Gesetzen wie beim Embryo die Bildung des Organes bedingen. Da wir ja in alien diesen Fragen nur rein hypotbetisch ver- fahren konnen und als Keimplasma den Stoflf bezeichnen, welcher im Zellkern liegend die Fahigkeit hat, all' die Eigenschaften eines Organismus auf seine Nachkommen zu iibertragen, so lafit sich als einfachste Hypothese, welche mit den Thatsachen in Einklang zu bringen ist, folgende aufstellen. Allen Korperzellen ist Keimplasma beigemengt und dieses kann unter Umstanden die Herrschaft uber das histogene Plasma er- langen. Ein Beispiel soil dies erlautern. Bei der Hydra, unserem SiiCwasserpolypen , lassen sich alle die eigentiimlichen Regenerations- erscheinungen gar nicht erklaren , macht man nicht diese An- nahme. Die Teilstucke der Hydra konnen eine neue Hydra nur dann erzeugen, wenn alien Kernen Keimplasma beigemischt war, — so nehmen wir der Kontinuitat des Keimplasmas zu Liebe an — im anderen Falle sehen wir, wie nur an einzelnen Stellen der Haut Wucherungen in dem tieferen Ektodermepithel eintreten, wie sich aus den interstitiellen Zellen Urkeimzellen erzeugen und wie aus einer indifi'erenten Genitalanlage entweder ein Eierstock oder ein Hoden sich bildet und zwar am selben Tiere. So wie sich die Regenerationserscheinungen bier erklaren lassen, so im ganzen Tierreiche. DaB sich nur immer da, wo Keimzellen entstehen und spater meist die Anlage der Ovarien und Hoden nachfolgt, Keimplasma dem histogenen Plasma der einzelnen Zellen beigemischt finden solle, ist eine durch nichts gerechtfertigte Annahme. Ja, wenn diese Annahme richtig ware, so wiirde die Thatsache selbst schwer faCbar sein. Denn sobald einmal in eiuem Organismus die Bildung 1) A. 0. 0. p. 44. Die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreich u. ihre iJedeutuug. 537 von Keimzellen an der bestimmten Stelle aus irgend welchen Ursachen unterbleiben mtiCte, so hatte derselbe keine Aussicht auf Nachkommenschaft. Nehmen wir aber an, dafi das Keimplasma in alien Zellkernen des Korpers vorhanden ist, unter gewohn lichen Umstanden aber nur an gewissen Stelleu die Henscbaft uber das histo- gene Plasma erlangt (Hoden und Ovarien), so werden die Falle, wo neben der Bilduug von Urkeimzellen noch eine andere Fortpflanzung vorhanden ist, erklarlich. Bei unserer Hydra entstehen am Korper immer neue Knospen, auch im Herbst, wenn die notigen Be- dingungen fiir die Bildung von Ei- und Samenzellen fehlen. DaC aber hier junge Knospen am Muttertier entstehen, welche dem- selben schlieBlich gleichen, laCt sich doch nur erklaren, wenn Keim- plasma als alien Zellen beigemischt gedacht wird i). Hier konnten als weitere Beispiele die einzeluen Quallen, welche sich , wie Metschnikoff und Lang gezeigt haben , durch Teilung vermehren, genannt werden, sowie die Steinkorallen, die Wurmformeu, welche sich durch Sprossung vermehren u. s. w. Ein gleich groBes Kontingent stellt das Pflanzenreich. Der von Strasburger besonders betonte Fall der Begonia steht ja keineswegs vereinzelt da. Jede Pflanze, welche auf ungeschlecht- liche Weise sich zu vermehren im stande ist, zeigt ja aufs evidenteste, daC Keimplasma alien Zellen beigemischt sein mufi. Anders kann es ja kaum verstandlich scheinen, wie ein Sprofi die ganze Pflanze mit all ihren einzelnen Teilen hervorbringen kann. Eine weitere Frage ist nun aber die : Wie kommt es, dafi das Keimplasma, welches wir uns als in alien Zellenkernen enthalten denken, nur an gewissen Stellen die Herrschaft iiber das histogene Kernplasma erlangt, an anderen aber nicht? Oder mit anderen Worten gesagt: Warum bilden sich aus Zellen embryonalen Cha- rakters bei den meisten Tieren immer nur an gewissen wenigen Stellen Urkeimzellen und weiterhin die Geschlechtsorgane? Auch um diese Frage zu beantworten, scheint ein Blick auf die niederen Tierformen nicht ohne Belang zu sein. Geschlechtsorgane, oder besser gesagt, die anfanglich indifferente Genitalanlage entsteht bei den verschiedensten Tieren an den ver- schiedensten Orten. Bei der Hydra in der Haut an keineswegs 1) Bei dieser Gelegenheit mochte ich darauf aufmerksam machen, daB ich bei den Hydren in hiesiger Gegend — griine wie farblose Art — nie Hoden und Ovarien am gleichen Tiere beobachtet habe, wiihrend bei beiden Formen aus der TJmgegend von Jena (die farblose aus dem Teiche des Prinzessinnengartens) fast stets der groBte Teil zwittrig waren, 538 Otto Hamann, die Urkeimzellen (Ureier) im Tierreich etc. immer bestimmter Stellc, deun uiiterhalb der Teutakel bis zum FuC herab, also am ganzen Leibe, konnen sich Haufeu von Urkeim- zellen bilden und somit die Geschlechtsorgane, da die Zellen nicht wandern, Bei den iibrigen Formen von Polypen ist die Bildung auf bestimmte Stellen des Korpers beschrankt. Von hier aus wan- dern die Urkeimzellen — und zwar vom Ektoderm aus — in das Entoderm behufs besserer Ernahrung. DaC sie nun nicht gleich im Entoderm entstehen, sondern nach wie vor in der auCeren Haut, hat seinen Grund, wie mir scheint, einfach darin, dafi bei diesen Tieren die Zellen der auCeren Haut, besonders die interstitiellen Zellen, mehr ihren embryonalen Charakter bewahrt haben, als die des Entoderms, welche lediglich fur die Ernahrung sorgen. Bei den hoheren Medusen liegen die Sachen wiederum anders, hier entstehen die Zellen aus tieferen Lagen des Entoderms. Ich will nun nicht alle Korperstellen herzahlen, an welchen Geschlechtsorgane entstehen konnen. Schou aus den genannten Beispielen lafit sich wohl folgern, dal5 die Ursachen, welche die Entstehung von Keimzellen nur an einzelnen Punkten de? Korpers zulassen, sehr verwickelte sind. So viel aber lafit sich mit Sicherheit sagen, dafi, angenommen jede Zelle konnte vermoge des in ihrem Kern beigemischten Keimplasmas zur Keimzelle werden, diejenigen Urkeimzellen, welche an solchen Orten entstanden sind, wo sie am leichtesten die Mittel zu ihrer Weiterentwicklung fan- den, sich erhalten haben werden und so bestimmte Orte fiir ihre Entstehung sich nach und nach ausbildeten. So sehen wir, wie auch hier durch das Prinzip der Auslese einzelne Stellen mit der Hervorbringung von Urkeimzellen betraut wurden. So liegen die Verhaltnisse bei den Echinodermeu , bei Ge- phyreen u. a. Hier entstehen die Urkeimzellen an Stellen, wo sie durch die benachbarten Blutgefafie leicht ernahrt werden konnen, um dann in den verschiedenen Gruppen an verschiedenen Stellen in bestimmten Bildungen zu den definitiven Keimzellen sich zu diflerenzieren. So entstehen auch bei den Anneliden die Urkeimzellen eben- falls in der Nahe der Blutgefafie aus Zellen des Peritonealepithels. Wurden wir so auch die iibrigen Tiergruppen durchgehen und fragen, warum die Keimzellen immer an dem oder jenem Orte und an einera anderen auftreten, so wiirde sich wohl immer zeigen, dafi an die betreffenden Stellen, wo Urkeimzellen entstehen und Ovarium und Hoden liegen, die denkbar gunstigsten fiir die weitere Entwickluug und Ausbilduug der Keimzellen im Korper sind. JTromuiannseh© Buchdruckeroi (Hermann Pohle) iu Jena, J en a I. idle Zeitschrift. Bd.IZl. Taf I. SBt Prha Salamandra atra. Ober© Ansicht. Salamandra atra. Un:ere Ansicht Bombinaior igii. Emys eiwop. 6}> Lacerta viridis tSrW Rana esculenta Lacerta viridis Profil Ansichi, Pseiulupus Palliis Eni^'S europ. Anguis fragilis. Coluber natp. Yipera ammndyt. Ver,, V. Gustav Fischer i. Jena liiri Arist V A Giilscri.Jena , /, nai-ich^ ZeUsehrift. BdXXI. Tat: n. Rana eacule Bombinator ign Huna esculema. Verl 1 Gustav Fischer i Jena 1,1-ti.Anst ( AGdiscn.Je Taf. ni- l.aoerta viridis Lanni'tii vipiilis Liicerln -rind 'Gustav Fischer Jsna Liiti ins! V* 6msc!i,Jena Jcnaisrhe Zeii schn /'I BJ XXI. Taf.h: Coluber Acsfiil. Jen ai ache '/.fUschrift Bd XXI Taf. V. *?'•' /// y x: syft- Sfst ~ - * ^W^' TmmT^* i»-^-*-' •^•. '« ' V^^*!"*^. VefisQ , 6uslav Fischer ; Jena. . IvmiiMheZrit^iuHtSri. M FiUel- ff;/. I Jv'vmt^ir Zit/st^tn/ijit/ 11/ GustAv Fischer ;i> Jf.. ■.,ll,- /.rilxcilllfl. /Jr/.Wl Virw Vtiia<;i 7u. Qustftv Fischer i .Iniiiiadii' X<-il.vlinri. M XXl ^..\X h)f, /.■! Fh, I. Fii/ ■'/. fi'i'i Fii/ ?. Fuj 0 Iif/.9 > m 77V fi tl< // //■ % / 0 a «*-!;**■ /JyA' /v// M Fill I.', ' 1^^ Ji-liiiifdii' Z<'ifsiiinll . lid. AV TnfX. hwiivhr '/,rih.ihnll tk/XSl Torn r« ?;.■-. /V.N., TV^- >7y.4 Ficf.m. /}//. AS. I t if//- ^?5^ s: F)f/ .'/ M- -r ' '\ 'j\<'%/\/\f\ f\ A ;j^/- -^^-^ 4---^ 1 1 II a I •? " S S * ? ,. Rf". 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Lith.AnstvA.GfiischJe: :iaif>clu: ZaLsdiriH, tid.XXI. Tafinni. 'inecK del. Veri V Gustav Fischer Liih.Anst.v.A.Giltsch,Jena. Jemiscke Zeitsvlinfl Hd . OZ TafXW. Gustav Fische Litti.Anst.v. l.Gilrsch.Jena th-Xnl.'i>MUi.&^^ Kaa.:. W^^t^ ■^