5.&^ ibrai'D of the Slusnim OF COMPAEATIVE ZOOLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. Thegiftof t^^i^^^j;^;^^ r 0\n JJL. No. io L 6(dkoJh- fUfi-jBjr\jCK. j^Jijim^ Jenaische Zeitschrift fnr NATURWISSEiNSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Sechsundzwanzigster Band. Neue Folge, JNeunzehnter Band. Mit 29 Tafeln und 1 Abbildung im Texte. Jena, Verlag von Gustav Fischer ^ 1892. Inhalt. Seite Passarge, Siegfeied, Das Roth im ostlichen Thuringen ..... 1 Semon, Rioharb, Studien liber den Bauplan des Urogenitalsy stems der Wirbeltiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organ- systems bei Ichthyopbis glutinosus. Mit Tafel I — XIV ... 89 Dreyer, Friedrich, Die Principien der Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Ein Versuch zur mechanischen Erklarung organischer Gebilde. Mit Tafel XV~XXIX . . .204 KuKBNTHAL, WiLLY, Ucber den Ursprung und die Entwickelung der Saugethierzabne 469 Das Roth im ostlicheii ThiiringeD. Von Dr. Siegfried Passarge in Jena. Vorliegende Arbeit stellt einen Versuch vor, in dem Roth Ost- thuringens eine Gliederung nach palaontologischen , wie petro- graphischen Merkmalen durchzufiiliren. Das untersuchte Gebiet unifaCt hauptsachlich das Saalethal von Jena bis Rudolstadt und seine Nebenthaler, sodann die Umgebung von Nebra im Unstrutthal, Bisher hat noch niemand in diesen Gebieten das Roth zu gliedern und bestimmte Horizonte auszuscheiden versucht. Die Sektionen im Saalethal bei Jena hat E, E. Schmid kartiert. Schmid giebt nicht nur keine Gliederung , er leugnet vielmehr das konstante Vorkommeu bestimmter Dolomitbiinke in den Mergeln des Untern Roths. Nachdem er von der Ahnlichkeit der Dolomite in den ver- schiedenen Aufschlussen der Sektion Jena gesprochen, fiigt er hin- zu (S. 8 der Erliiuterungen , Bl. Jena) : „So wahrscheinlich nun die Zugehorigkeit dieser Vorkoramnisse zu einer Zone ist, so wenig wurde die kartographische Erganzung derselben zu einer Schicht Oder zu einem durchstreichenden Schichten-Komplex gerechtfertigt sein — ." In der That streicht aber ein groCer Teil der Dolomite durch, und zwar in dem ganzen untersuchten Gebiet, wie ein Blick aut die zahlreichen, von den verschiedeusten Punkteu aufgenommenen Profile lehrt. Die Arbeit ist sodann noch auf das Roth des ubrigen Thuringens und Hessens ausgedehnt worden, soweit diese Gegeuden bisher von der geologischen Landesaustait aut'genommen sind , und es haben sich Bd, XXVI. X, F. XIX. 1 2 Dr. Siegfried Passarge, manche interessante Verlialtnisse herausgestellt. Jetzt erst, nachdein das jenaische Roth (lurch feste Horizonte gegliedert ist, ist es moglich, Vergleichungen mit dem Roth des iibrigen Thiiriugens anzustelleu. Alle Versuche, Horizonte z. B, aus Hessen oder Meiningeu mit Schichten des jenaischen Roths zu ideutitizieren, sind an unserer bisherigen Unkenntnis uud an dem Mangel tester Horizonte im jenaischen Roth gescheitert. So wird nameutlich mit „Rhizo- c 0 r a 11 i u m d 0 1 0 m i t" alles Mogliche bezeichuet, Baoke, welche ohne Zweifel ein viel hoheres Niveau einnehmen und den Quar- ziten der roten Mergel entsprechen, wie die Rhizocoralliumdolo- mite Moesta's in Hessen und Frantzen's in Meiningen, wahrend EcK im mittleren Thuringen mit diesem Namen Biinke bezeichnet, welche wahrscheiulich in ein tieferes Niveau gehoreu. Urn kurz die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit anzugebeu, so hat es sich ergeben, dafi das Roth Thiiringens sich in drei wohi cha- rakterisierte Abteiluugen zerlegen lafit, und daB in dem speziell uutersuchten Gebiet innerhalb dieser Abteilungen uoch zahlreiche kon- stante petrographische, wie palaontologische Horizonte existieren. Bezuglich der Litteratur, welche mir zu Gebote stand, sei be- merkt, daC ich vorwiegend auf die Erlauterungen zur geo- logischen Spezialkarte von Preulien und den Thiiringischen Staaten und das Jahrbuch der geo- logischen Landesanstalt angewiesen war. Speziell fiir die Umgebung von Jena stauden mir die alteren Werke Zenker's zur Verl'ugung: H is tor isch- topogr aphisches Taschenbuch von Jena und Beitrage zur Geschichte der Urwelt; feruer die neueren Arbeiten von Herrn Wagner in Zwatzeu: Die Formationen des Buntsandsteins und Muschel- kalks bei Jena (1887) und Uber einige Cephalopoden aus dem Roth und untern Muschelkalk von Jena (Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, 1888). t ur die Umgebung von Meiningen sind wichtig die Arbeiten von Frantzen: Ubersicht der geologischen Verhaltnisse bei Meiningen (Berlin 1882), und von Proescholdt: Uber die Gliederung des Buntsandsteins am Westrand des T h u r i n g e r VV a 1 d e s (Zeitschrift der Deutschen geologi- schen Gesellschaft, 1887). Bezuglich der bisherigen Kenntnisse uber die Entstehung der Trias uud speziell des Buntsandsteins ist vor allem die Arbeit von Bornemann: Uber den Buntsand- stein in Deutschlaud (Jena 1889) zu nennen. Das Roth im ostlichen Thuringen zerfallt petro- Das'^Rotli im ostliclieu^Thuriugeiu 3 graphiscli ganz allgeiueiu in Urei Etagen, welche dein Auge soiort autiulleii. Die uutorste besteht aus iossill'reieii , spiLthigen, .por- pbyiischeu, schietVigeu Gypseu, wolclie oit eiue steile Terrasse bildeii, sicli aber iiicht sdteii deiii Auge durch Uberschiittung uud geringe Macbtigkeit eutziebeu. Eiu volliges Fehlen dieser btute ist iiur tur weuige Punkte mit Siclierbeit uachgewiesen. Sie eneicben 15 bis 20 in Macbtigkeit. Dariiber tolgen graugrUue Merge! mit zalilieicheu Doi omit b au keu, welche mit Aus- uabme dcr uacbsten Umgebuiig von Jena gar nicbt oder uur wenig augebaut sind uud meist uur diirttige Schafweide and Obst- baume tragen. Ibre durchschuittliche Macbtigkeit betrilgt unge- lahr 16—17 m. Ibre Kalilbeit, ibre bellen Farben uud besouders der Umsiaud, dali sie zusammeu mit dem Gyps eiue vorspringeude ytule bilden, maclieu die uuteren Kothmergei zu eiuem wichtigen, autialleuden Glied in der Laudscbatt des ISaalethals. bcbarf koutrastieren dagegen die grellen roten Mergel mit ihren bellgruueu Quarzit- uud Mergelbaudern, welcbe das Obere und Mittlere Riitb biideu uud die dritte petro- graphische Etage ausmachen. Sie bilden zuerst eiue langsam an- steigeude, breite, mit Eelderu bedeckte Elache, um sich danu plotzlich zu emem steileu, oft von engeu Schlucbten durchfurchteu uud durch Gypsterrassen gegliederten, kahlen Abhaug zu erhebeu. Daruber tolgen dann die helleu, gelb und grau get'arbten Kalk- mergel und Kalke des Unteren Muschelkalks bis zum Kaude des Plateaus. Emer solchen petrographischen Gliederung entspricht nun keineswegs die palaontologische ; deun die roten Mergel zerfallen in zwei Zonen, die obere der Myophoria vulgaris, welche sicu au den Muschelkalk anlehnt, uud die untere der Myophoria costata, welcbe aber auch tur die Zone der griiueu Mergel charakteristisch ist. Die griinen Mergel unterscheiden sich aber vou den roten Mergeln mit Myophoria costata wiederum durch deu grolien Petrefakteiireichtum der eingelagerten Dolomitbanke und besonders die Eiihrung von Beneckeia tenuis v. Seeb. Den tossilfiihreuden Zonen steheu gegeuuber die vollig petret'aktenleeren Gy pse. Der Chirotheriumsandsteiu wurde bisher in uuserm Gebiet zum Mittlereu Buntsandstein gestellt und zweit'ellos schlielit er sich petrographisch enger an den darunter liegenden Sandsteiu als au die hangenden Gypse und Mergel an. Fafit man ihn aber uach BoRNEMANN als Strandbildung auf, als eine unter der Herr- 1* 4 t)r. Siegfried I'assarge, schaft periodisch wechseludeu Wasserstandes entstandene Kusten- facies und bezeichnet man nicht alle Grenzschichten des Hauptsand- steins gegen das Roth als Chirotheriumsandsteia, sondern uur die Schichten, die wirklich Fahrten enthalten, so muB luau denselben, wie wir sehen werden, zum Roth stellen. Dann wiirde die rein petrographische und palaontologische Gliederung im folgenden Verhaltnis zu einander stehen: Palaoutologisch. Petrographisch. 4. Zone der Myophoria vulgaris Zone der roten u. grauen Mergel mit Dolomiteu. „ „ J TIT L • i. * I b) ohne B. tenuis f Zone der roten Mergel. 3. Zone der Myophoria costata { ( -^ r, j. ■ { r, j •■ .r , [&) mit B. tenuis [Zone der graugrunen Mergel. 2. Zone der fossilfreien Gypse Zone der fossilfreien Gypse. 1. Chirotheriumsandstein Chirotheriumsandsteiu. Die geeignetste Gliederung, welche auf petrographische uud palaoutologische Charaktere zugleich Rucksicht nimmt und auch in der vorliegenden Arbeit durchgefuhrt wordeu ist, diirfte folgende sein: 3. Oberes Roth: rote Mergel und Sandsteinschiefer nebst Gypsschieferbanken, mit mehr oder weniger konstanten Dolomit- banken mit Myophoria vulgaris. 2. Mittleres Roth: rote Mergel mit grunlichen Quarzit- banken und mehreren konstanten Horizonten von KnoUengyps. Myophoria costata in manchen Quarziten. 1. Unteres Roth- c) Zone der Beneckeia tenuis: grune Mergel mit fossilreichen Dolomitbanken, welche zum Teil B. tenuis fiihren. b) Zone der fossilfreien Gypse: spathige, porphyrische und schiefrige Gypse. a) Chirotheriumsandsteiu. Inwiefern eine solche Einleitung wahrscheinlich auf Anderungen in physikalischen Bedingungen, unter welchen sich das Roth ab- lagerte, zuruckzufuhren ist, kann erst am SchluC der gesamten Arbeit auseinandergesetzt werden. Die Machtigkeit des Roths wird von Schmid (Erlauterungen, Blatt Jena, p. 5) auf 300—480 Fufi (94—150 Meter) angegebeu. Diese Angaben sind jedenfalls zu groC und beruhen zum Teil auf der iibertriebenen Vorstellung von der Machtigkeit der Gypse. Diese soil am Hausberg bei Jena 47 m betragen, ist aber nur 20 m groli. Die Messungen im Roth sind sehr schwierig, einer- seits well der Gyps an Machtigkeit sehr wechselt und zu lokalen Schichtenstorungen, wie auch am Hausberg, AnlaB giebt, anderer- seits sind die Grenzen der Abteiluug nur selteu so scharf an einer Stelle aufgescblossen, daii man ihre Abstaude als die direkte Machtigkeit annehmen darf. Ich habe von eiuer Anzahl von Auf- Das. Both im ristlichcn Thiirlncen e'- 20,00 16,00 20,00 30,00 10,00 schliissen die durchschnittlichc Machtigkeit der einzelnen Stufen berechnet uud dabei folgeude Werte crhaltcn : Chirotheriumsaudstcin bis 1,50 m Gyps Untere Rothraergel Mittleres Roth a) untere Abteilung b) oberc Abteilung Oberes Roth Gesamtmiichtigkeit in niaximo 97,50 m Ini allgemeinen betnigt aber die Machtigkeit des Roths, wenn man den unbestaudigen Gyps und den Chirotheriumsand- stein unbeachtct lafit, nur 60—75 m oder 192 — 240 Fufi. Das Untere Roth. Das Untere Roth bildet, wie erwahnt, ein leicht erkenn- bares Glied der Landschaft, indeni es als wenig bewachsene Stufe gewohnlich in die Thaler vorspringt, wahrend sich das Mittlere Roth mit seinen roten P'arben dahinter deutlich abhebt. Die Rander des Plateaus, welches das untere Roth bil'det, sind oft von tiefen Schluchten durchfurcht, welche die Merge! und Gypse durchschneiden und vorziigliche Aufschliisse darbieten. Im Suden, wo der Mittlere Buntsandsteiu machtig hervortritt, bildet derselbe seinerseits ein weit vorspringendes Piedestal fiir das Roth, so dafs die ostthiiringische Trias vom Buntsandsteiu bis zum Obern Muschelkalk ahnlich dem schwabischen Jura sich staffelformig aufbaut. Die Aufschliisse im Saalthal liegen inuerhalb der Linien Burgel-Golmsdorf im NO. von Jena und Orlamiinde-Kochberg im Siideu, haben also ungefahr eine Langserstreckung von 30 km. Im Unstrutthal liegen die hauptsachlichsten Aufschliisse bei Nebra, Prettiz und Kirchscheidungen. Schreiten wir nun zur Beschreibung der einzelnen Glieder des Unteren Roths. Der Chirotheriumsandstein besteht bei Jena aus diinnplattigen Sandsteinen, welche durch dtinne, lockereSchichteugetrennt werden. Sie sind im Hohlweg nach Ziegen- hain in einer Machtigkeit von etwa 1,50 m aufgeschlossen. An der Ein- miindungdesGemdenbaches, wofriiher Fahrten undsogar Wirbel ge- funden worden sind, sind die obersten Schichten des Chirotherium- sandsteins am rechten Ufer aufgeschlossen. Unterhalb der Sophien- hohe betragt seine Machtigkeit nur 0,50 — 0,75 m. Er besteht 6 Br. Siegfried Passarge, aus demselben Material, wie die darunter liegendeu Sandsteine, unterscheidet sich von ihneii jedoch durch seine Struktur. Denn jene sind dickbankig und besitzen diagonale Schichtung, der Chirotheriumsandstein dagegen besteht aus Flatten von mehreren Ccntinietern Dicke. Da die Grenze zwischen Roth und Haupt- sandstein nur selten gut aufgeschlossen ist, so ist auch der Chirotheriumsandstein nur selten zu beobachten. Mit Sicherheit ist er noch bei Bockedra entwickelt, wo in einem Steinbruch die gebrochenen Flatten reichlich mit Tierfahrten der verschiedensten Arten bedeckt sind. Ubrigens kommen Chirotheriumfahrten in anderen Gegenden in verschiedenen Niveaus des Hauptsandsteins VOr (BORNEMANN 1. c. S. 48). Die untern fossclfreien Gypse. Sowohl im Saalethal, wie an der Unstrut beginnt das Roth an den meisten Stellen mit machtigen Gypsschichten. Ihre Machtigkeit wechselt ungemein und ist oft schwer zu bestimmen. Am Jenzig, Hausberg, an der Sophienhohe bei Jena, ferner bei Gumperda am Kugelberg (westlich von Kahla) und an manchen Stellen des Unstrutthales (Frettiz, Nebra, Kirchscheidungen) er- reichen die Gypse die bedeutende Machtigkeit von 10 — 20 m und spielen mit ihren steilen Wanden landschaftlich eine hervor- ragende Rolle; doch ist es ein Irrtum, wenn Herr Wagner fiir den Gyps am Hausberg 56 m Machtigkeit angiebt (Die Forraationen des Buntsandsteins etc. S. 6, und : Uber einige Cephalopoden etc. S. 29). Sie betriigt nirgends mehr als 19 — 20 ra, wie man an dem WasserriC, durch welchen der Weg von Camsdorf nach der Wilhelmshohe fuhrt, mit Sicherheit messen kann. Die scheinbar bedeuteudere Machtigkeit am stidlichsten Weg zur Wilhelmshohe wird durch lokale Schichtenstorungeu bedingt. An vielen Funkten des untersuchteu Gebietes sind die Gypse aber noch weit weniger machtig oder nur die technisch verwertbaren Banke durch Steiu- briiche aufgeschlossen; ihre absolute Machtigkeit laCt sich dann nicht genau angeben. Vollstandig zu fehlen scheinen sie nordlich von Gumperda und auf der ganzen Linie von Orlamunde iiber Heiliugen nach Engerda. Beziiglich der naheren petrographischeu Beschreibung der UDteren Gypse muC auf die zahlreichen bereits erschienenen Arbeiteu, besonders Zenker's Taschenbuch verwiesen werden. Hier sei nur kurz bemerkt, daC sie im wesentlichen aus spathigen und porphy- rischen Gypsbanken und aus mindestens gleich machtigen diinn- Das lloth im oetlichen Thiiringen. 7 geschichteten , sand - und niergelreichtm Gypsscliiefern bestehen, welcho zii schiittiofcn, jxlinimerrcichen Sandstciii- und Mergelschiefern vorwittern. Sie beweisen zur Geniifje, daB wjilirend der Gyps- bildiinf? in die Lag:uiien eine Einschwemmunji' niechanischer Sedi- nicnte stattfand. In den meisten Gypslafjern findet sich aber auch eine schneeweiBe reine Gypsbank niit bis mehrere Centimeter pfrofion Gypskrystallen von 2 — 3 m Machtigkeit. Sie geht nach oben und unton in verunreinigte porphyrische Gypsschiefer iiber. Zenker nennt sie den „Jenaischen Alabaster". Er ist als t.echnisch verwcrtbare Bank an verschiedenen Stellen des Haus- borges, bei GroB-Lobichau (O. von Jena), Drackendorf (0. von Lobeda), Goschwitz und vielen anderen Orten aufgeschlossen. . Eigcntumlich sind Einlagerungen von grauona, sehr thonerde- reichem Kalk, welcher ungeschichtet, versteinerungslos und, v^rie es scheint, gypsfrei ist. Am Hausberg bildet er eine vertikal zer- kliiftete, 20 cm miichtige Bank mit muschligem Bruch. Sehr machtig sind Einligerungen einer ganz ahnlicben Bank im Gyps nordlich von Kirchscheidungen a. d. Unstrut. Er bildet 2 Banke von 25 cm und 40 cm Machtigkeit, von denen jede in mehrere 5 — 10 cm dicke Bankchen zerfallt. Bei Nebra und Prettiz im Westen lassen sich diese Banke nicht mehr nachweisen. Diinne, 2 — 3 cm machtige Bankchen von hell- bis blaugrauem Mergelkalk sind tiberall haufig in die Gypsschiefer eingelagert. Hervorzuheben ist, daC die Gypse des Unteren Roths petrographisch, wie wohl auch genetisch, von den Gypsen der roten Mergel ganz- lich verschieden sind. Der Gyps liegt direkt auf dem Mittleren Buntsandstein, resp. Chirotheriumsandstein und seine Grenze gegen denselben ist absolut scharf. Von einem Ubergangzwischen beiden oder einer Einlagerung in die Rothmergel ist nirgends die Rede, wo auch immer der Kontakt zwischen beiden Gliedern aufgeschlossen ist. Solche Aufschliisse sind am Hausberg und der Sophienhohe an vielen Stellen, bei Wogau (0. von Jena) und am Kugelberg, ferner bei Nebra an der Unstrut deutlich zu beobachten. Zahlreich sind ferner die Lokalitaten, wo der Kon- takt zwar selbst nicht aufgeschlossen ist, jedoch Buntsandstein und Gyps so schnell aufeinander folgen, daC es ganz unnatiirlich und willkiirlich ware, noch eine Zwischenlagerung von Mergeln anzunehmen, so z. B. am Jenzig, Grofi-Lobichau, Rodigast, Burgel (alle Orte ostHch von Jena), Drackendorf, Bockedra (ostlich von Rothenstein a. d. S.), Altenberga (SW. von Rothenstein), Engerda, siidlich vom Dorf. Da an so weit auseinander liegenden Punkten S Dr. Siegfried r a ssarge, die direkte IJbeilageruug des Mittlereii Buutsandsteins durch die Gypse nachgewieseu isl, so kami es sich wohl kaum iiiii eine lokale Erscheinung baudelii. Welchc Schliisse man aus deiu beschriebenen Verhaltuis des Gypses ziini Mittlereu Buntsaudsteiii ziehen kann, kanii erst am SchluC der gesamten Arbeit erortert werden. tJber die Verbeitung und deu Zusammenhang der einzcluen Gypsvorkommcu seieii iioch folgeude Bemerkungcu gestattet. Man rauC sich hiiteu, zu glaubeu, daC uberall, wo keiue Gypse zwischen Buntsandstein uud Tenuiszone aufgeschlossen siud, dieselben audi wirklich fehlen. Zweifellos wechselt die Machtigkeit der Gypse sehr schuell, aber andererseits entziehen sie sich bei schlechtera AufschluC uud geriuger Machtigkeit so leicht dem Auge und siud so sehr der Auswaschung ausgesetzt, daC man da, wo sie uicht sichtbar und aufgeschlossen sind, nicht ohne weiteres anuehnien darf, dafi sie ubeihaupt fehlten. An manchen Stelleu, wie bei Goschwitz uud Dienstadt, wiirde niemand Gypslager vermuten, waren sie nicht in Steinbriichen aufgeschlossen. Ein schnelles Verschwinden des Gypses ist aber in vielen Fallen auf tektonische Storungen zuriickzufuhren. Der Zusammenhang der verschiedenen Gypslager in» Unstrut- thal laBt sich nach Speyer nicht nachweisen. Dagegeu bilden die Gypse bei Jena eine einheitliche Masse, deren Zusammengehorig- keit nicht nur durch die Lage, sonderu auch die konstante Ala- basterbank im obern Niveau der Gypse bewiesen wird. Vom Haus- berg geht der Gyps zum Jenzig, erreicht bei Thalstein mit der untern Grenze die Saalau. Sein oberes Niveau ist ostlich vou Kunitz aufgeschlossen und am FuB der Kunitzburg verschwindet er unter dem Spiegel der Saale. Nach Osten zieht der Gyps langs der Chaussee nach GroC- Lobichau hin und verschwindet infolge einer deutlichen Schichten- storung unter der Oberflache am Fufie des Dorlberges, um ost- lich bei Rodigast wieder aufzutauchen und nach Osten bis liber Biirgel hinaus, nach N.W. bis Jenalobnitz, Graizschen und Golms- dorf fortzusetzen und mit dem Kunitzer Gyps wohl in Verbinduug zu treten. Von Jena nach Siiden lalJt sich der Gyps zur Sophienhohe uud nach Wollnitz verfolgen. Zwischen beiden Lokalitaten senkt er sich bis fast in das Niveau der StraBe. Sudlich von Wolluitz verschwindet er nach Lobeda zu unter dem Niveau der Saalau und kommt erst bei Drackendorf wieder zum Vorschein. Auch in diesem Falle ist das Untertauchen des Gypses unter die Saalau Das Kritb im ristlichoii Thiin'ngon. 9 nicht auf Aiiskeilen , sondern, wie an der allgemeincn lage des Roths und Muschclkalk zn sehen ist, auf cine Senkung der Trias uach SW., nach Lobeda zii, zuriickzufiihren. Tsoliertc Aufschliissc von Oyps zwischen Hrackendorf uud Biirgel weiseii wohl auf einen Zusammenhang audi nach dieser Richtung hin. Auch auf das linke Saalufcr erstreckt sich diese Gy})smasse und ist in der Kriiger'schen Ziegeici in Jena aufgcschlosscu. Ob die Gypse von Goschvvitz und Rockedra niit der beschriebenen Masse zusammengehangen haben, ist nicht nachweisbar. Eine zweite Gy])slinse ist am Kugelberg entwickelt, wo sie auf der Seite nach Guniperda 15 ni Machtigkcit besitzt. Nach Siiden nimmt sie schnell ab und bat bereits auf der Seite nach Eichen- berg sich bis auf 4 ni angekeilt. Ob die Gypsaufschliisse bei Dienstadt und in deni WasserriB zwischen Ribra und Guniperda und weiter nordlich bei Alteuberga niit deni Gyps vom Kugelberg zusamraenhangen , laCt sich nicht beweisen , ist aber auch ohne weiteres nicht unmoglich. Direkt nordlich von Gumperda scheint der Gyps thatsachlich zu fehlen. Ist die Auflagerung der Mergel auf den Runtsandstein auch nicht direkt zu beobachten, so ist doch der Abstand zwischen beiden so gering, daB fiir Gypslager kein Platz mehr bleibt. Genau dasselbe gilt auch fiir die Gegend nordlich von Engerda, und auch von hier nach Osten scheint kein Gyps entwickelt zu sein. Siidlich von Engerda finden wir dagegen eine etwa 4 ra machtige Gypslinse entwickelt. Die Zone der Beneckeia tenuis. Die Zone der Beneckeia tenuis besteht vorwiegeud aus graugriinen, grauen und gelben Mergelschiefern, welche bald san- diger und bald kalkiger und meist reich an Glimraerblattchen sind. In sie sind petrefaktenreiche Sandstein- und Doloraitbanke eingelagert, von denen einige trotz ihrer geringen Miichtigkeit doch eine groCe horizontale Ausdehnung besitzen, im ganzen Saale- und Unstrutgebiet sich finden und vermutlich auch weiterhin nach Norden sich fortsetzen. Diese Schichtenfolge der grtinen Mergel uud Dolomitbanke soil alsTenuiszone zusaramengefaBt werden, obwohl bis jetzt nur in den unteren Banken bis herauf zur Muschelbreccie die Beneckeia tenuis vorgekommen ist ; denn in der Rhizocoralliumbank wurde bisher noch keine gefunden. Da jedoch keine Grenze nach untcn hin gegen die tenuisfiihrenden Banke ge- 10 Dr. Siegfried Pass arge, geben ist, dagegen die Grenze zwischen deu griinen und roten Mergeln iiber der Rhizocoralliumbank sehr scharf gezogen werden kann und sich auch die Rhizocoralliumbank beziiglich ihres Petre- faktenreichtums an die unteren Biinke anschliefit, so ersebeint es geratener, die Rhizocoralliumbank und die sie umgebenden griinen Mergel mit deu unteren Banken als Tenuiszone zusammen- zufassen. Vielleicht bildet sie den tJbergang von den physikali- schen Bildungsverhaltnissen der griinen Mergel zu denen der roten , indem die Kochsalzpseudomorphosen , ferner Banke von Knollengyps, Gypsschiefer mit Fasergyps, Mergeln und Quarziten, welche sonst den griinen Mergeln fehlen, wohl aber in den roten haufig sind, in den griinen Mergeln iiber und unter der Rhizo- coralliumbank bereits ausgezeichnet entwickelt sind. Folgende Horizonte, welche durch Sandstein- und Dolomit- banke gebildet werden, lassen sich in der Tenuiszone verfolgen. Sie werden im allgemeinen durch graugriine Mergel, oft mit mehr Oder weniger zahlreichen Einlagerungen diinner Bankchen ge- trennt, die hier nicht besonders aufgefiihrt werden sollen. Von oben nach unten: VIII. Horizont Ji. Rhizocoralliumbank, Graue Dolomite, rein oder sandig, z. T. quarzitisch mit Rhizocorallium jenense, Myophoria costata, Gervillia jenensis nov. sp., costata, Modiola triquetra, Cucullaea nuculiformis, Monotis Albertii. T.ingula tenuissima, Knochenstiicke, Fisch- schuppen. VII. Horizont g. Obere rote Sand steinschi ef er. Rote Sandsteine und Mergel mit Wellenfurchen , Kochsalz- pseudomorphosen ; petrefaktenleer. VI. Horizont/". Muse h elbr eccie Wagner's (= Zenker's Conchlyienbreccie ; Wagner's Gelber Dolorait von Kunitz). Oben gypshaltige oder gypsfreie oolithische Muschelbreccie. Unten graue und gelbe, zuweilen oolithische Dolomite. Beneckeia tenuis (selten); Myophoria costata, ovata, orbi- cularis. Gervilla jenensis, mytiloides, costata. Myoconcha Goldfussi, Romeri, gastrochaena. Pholodomya muscu- loides. Monotis Albertii. Natica. Liugula tenuissima. Knochenstiicke. V. Horizont e. Untere rote Sandsteinschiefer. Rote Sandsteine und Mergel mit Wellenfurchen und Trocken- rissen, petrefaktenleer. DaB Roth im ostlichen Thiiringen. 1 1 IV. H orizon t d. Petrofji-aphisch sehr verschieden. Gclbc (luarzitischc Sand- steine im uonlliclicii Saalthal, graiie und gelbe Dolomite mid Oolithe im siidliclien. Fehlt im Unstriitthal. Trockcn- risse, Welleiifurchen, Kriechspurcn. Myoi)horia costata. Gervillia mytiloides, jenensis, costata. Myoconcha Gold- fussi. Monotis Albertii. Lingula tenuissima. HI. Horizout c. Sauriersandstein (Zenker)- Miirbe und quarzitische , grauc Sandsteinc im Saalthal, thoiiig-sandige Dolomite au der Unstrut. Myophoria costata. Gervillia jenensis, mytiloides. Myophoria phola- domyoides nov. sp. Natica. Lingula tenuissima. Pleu- romya musculoides. Knochenstiickc (Wirbel), Fisch- schuppen. II. Horizont b. Tenuisbank, Graue harte krystallinische Dolomite, ausgezeichnet durch ihren Reichtum an Beneckeia tenuis; ferner Gervillia jenensis. Myophoria costata, cfr. elougata, z. T. Stromato- poroidcenfacies. I. Horizout a. Mehrere, mehr oder weniger konstante Dolomitbanke , mit Petrefakten der Tenuisbank, jedoch sparlich und schlecht erhalten. Beneckeia tenuis (1 Expl.). Gervillia jenensis. Myophoria costata, cfr. elougata. Knochenstiicke, Fisch- schuppen. Mit Ausnahme von Horizont a und d, welche nur im Saale- i.hal entwickelt sind, kommen die iibrigen im ganzen untersuchten Gebiet vor. Beziiglich der Ausbildungsweise einzelner Bilnke sei noch beraerkt, daG sich in den Horizonten c und d im Saalethal eine nordliche Ausbildungsweise in der Umgebung von Jena und eine siidliche im Westen und Siiden von Kahla unterscheideu laCt. Nachfolgende 8 Profile, welche von den verschiedensten Lo- kalitaten des untersuchten Gebietes stammen, sollen ein Bild von der gleichmafiigen Entwickelung der aufgezahlten Horizonte geben. Die Zahl der vollstandigen Profile konnte leicht verdoppelt werden? doch wiirden sie nur dieselben Verhaltnisse mit geringfugigeu Diff'erenzen zeigen, und diirften schon die mitgetcilten Profile ge- niigen, um die gleichmafiige Ausbildung des Unteren Roth und seiner Horizonte zu beweisen. 12 Dr. Siegfried Passarge, Wir kommen nun zur Besprechung der einzelnen Horizonte der Tenuiszone. I. Horizont a. Er besteht aus griinen Mergeln und einzelnen Dolomitbanken. Die Grenze zwischen dem Gyps und den untersten Mergeln der Tenuiszone ist meist nicht deutlich aufgeschlossen. Bei Engerda, in einem Gypsbruch siidlich vom Dorf, beginnen die Mergel sehr scharf uber der obersten Gypsbank, schlieGen aber im unteren Niveau noch einige Gypsschieferbanke nebst Fasergyps ein. Ahnliche Verhaltnisse zeigen sich in einem Wasser- riB nordlich von der Strafie Bibra-Gumperda, wo iiber der oberen Grenze des Gypses in die Mergel noch einmal eine 10 cm machtige Bank porphyrischer Gypsschiefer eingelagert ist. An andern Stellen, wie bei Loberschutz, fehlen derartige Einlagerungen. Die mittlere Machtigkeit der Mergel bis zur Tenuisbank be- tragt 3 — 5 m; nur siidlich von Engerda weicht ihre Machtigkeit bedeutend von der Durchschnittszahl ab, indem sie hier gegen 10,00 m betragt. Ganz genau laRt sich hier der Abstand der Tenuisbank vom Gyps nicht messen. Nordlich von Gumperda, wo der Gyps fehlt, sind die Mergel nur in 3 m Machtigkeit aufge- schlossen und durften auch kaum bedeutend machtiger sein. Was die petrographische Beschaffenheit der Mergel betrifft, so sind sie, wie im ganzen Untern Roth, graugriiu gefarbt. Sie sind oft mehr sandig, oft mehr kalkig und dann barter und gelb. Letztere bilden regelmaCig durch Kalkzunahme den Ubergang in die Dolomitbanke. Interessant diirfte die Mitteilung sein, daC sich am FuB des Dorlberges (ostlich von GroBlobichau) in dem Mergel unter der Tenuisbank deutliche Abdrucke von Myophoria costata gefunden habeu. In diese Mergel nun sind an manchen Lokalitateu, so be- sonders im Siiden, einzelne Dolomitbanke eingelagert. Dort finden wir 2 Banke , welche als Bank a und (i unterschieden werden sollen. Bank a. Sie besteht aus einem grauen, sandigen, bald mehr krystallinischen, bald mehr thouigen Dolomit und ist im Siiden von Engerda bis herauf nach Drackendorf entwickelt. Ihr Abstand vom Gyps betragt bei Engerda 7,50 m, am Kugelberg und bei Drackendorf gegen 3 m. Sie ist ferner noch bei Heilingen, Dien- stadt, Gumperda und Altenberga nachgewiesen worden, fehlt also Das Roth im ostlichcn Tlnivingen. I)! ill keiuem der Aiifscbliisse /.wischeii Engerdu uiul Drackeudorl". Die Miichtigkeit der Bank schwaukt zwisclieu 0,U8 und 0,18 m uiid betriigt gewohulich 10 — 15 cm. Vou Fossilien enthiilt sie hiiutig, aber schlecht erbalteii Myopboria costata und grolie Ger- villieu, leruer Knochenstiicke iiud Fiscbscbuppen. Wicbtig ist es, daii Beiieckeia tenuis bei Eicheuberg am Kugelberg iu eiueni Exemplar gefundeu wurde, wodurch das Vorkommen dieses Am- moniteu iu diesem tiefen Niveau bewieseu wird. Oberall ist die Bank mit zahlreichen runden, ^j.^—l cm groi^en Locberu erfullt, welcbe mit radial angeordneten Krystall- chen, wobl von Dolomit, erfiillt sind. Am Kugelberg und bei Gumperda stecken iu dieseu Lochern griingelbe und rote Gyps- kuoteu, deren Rand gegen den Dolomit bald scharf abgegrenzt, bald radial ausgefasert ist. Diese Gypsknoten erinnern lebbaft an die soge- nannten „Sterngypse" von Eisleben aus dem Zecbsteingyps und durften analoge Bilduugen sein. Jedenfails ist das Vorkommen solcher Sterngypse in Dolomit autfallend und diirfte bisher nocb von nirgends bescbrieben sein. Gewohnlicb ist der Gyps ausge- laugt, die beschriebenen Locher bleiben zuriick und Krystallcheii scbeiden sich in ibnen aus. Besonders die Randpartien der Bank, welcbe oft von voUig durcblocberten Deckplatten eingefaCt werden, sind mit solchen Sterugypsen erfullt. Aucb in der Tenuisbauk werden wir sie ausgezeicbnet entwickelt finden. Bank /i. Nur an zwei Punkten, bei Engerda und Gumperda, liegt zwischen der Bank a und der Tenuisbauk nocb eine zweite Dolomitbank. Bei Gumperda ist dieselbe 40 cm macbtig und bildet eine kompakte, gelbe, barte Bank, welcbe sicb von der Tenuisbauk petrograpbiscb durch ibre mehr thouige und weniger krystallinische Beschatienbeit unterscheidet. Sie wird von bell- gelblichen festen Mergelbanken eingefafit, welcbe den Ubergang zu den gewohnlicben griinen Mergeln bilden. Myopboria costata, Gervillia jenensis und Myopboria cfr. elon- gata sind in ibr nicbt selten, docb ist die Petrefaktenmenge lange nicbt so groC als iu der Tenuisbauk. Beneckeia tenuis wurde in ihr uoch nicbt gefundeu. Ibr Abstand von der Tenuisbauk be- tragt 60 cm. Bei Engerda ist gleichfalls eine Bank von 0,28 m Machtigkeit zwiscben der Tenuisbauk und Bank a eingescboben, 1,40 m unter der ersteren, 1,30 m uber der letzteren. Sie besteht aus eiuem mittleren barten, krystallinischen Teil, welcber von weicben tbonig- sandigeu, dunnplattigen Dolomitbankchen eiugefaiit wird. Sie ist reich 14 Dr. Siegfried Passarjge, an Gypskuotenloclieru uud enthiilt Myophuria costata, cfr. elon- gata, Gervillia jeneusis iiov. sp. Beueckeia teuuis wurde gleichfalls uoch nicht gefunden. Beide Banke (i sind durch die Fuhruug von Myophoria cir. elongata von a imterschiedeu uud der Tenuisbank geuahert; ob sie aber eine zusammenhaugeude Bank biiden , ist zvveifelliatt. Denn in den AufschlUsseu zwischeu Guuiperda uud Eugerda leiilt jede Einlagerung zwischeu a uud der 'leuuisbauk; uur bei Jlei- Jiugen finden sich graue, miirbe ISandsteiusciiieter von graubrauner Farbe mit zahlreichen Abdrucken vou .Myophoria costata. Ob diese ein Aquivalent von /i sind, muii dahingestelit bieibeu. Oas schuelle Auskeilen der Bank /i bei Gumperda nach dem Kugelberg ist aui- tallend. Auch westlich in dem VVasserrili zwischeu Bibra uud Gumperda I'ehlt sie bereits uud ebenso uordhch bei Alteuberga. Ein iihuliches schnelles Verrfchwiudeu eiuer machtigeu Bank werdeu ■wir an derselben Stelle auch im Horizont d tinden. Anders als im Siiden sind die Verhaltnisse im Horizont a in der Umgebung von Jena. Weder bei VVollnitz, noch in der Kriiger'schen Ziegelei hndet sich in den Mergeln uuter der Tenuis- bank noch eine Dolomitbank eingeiageri, uud dasselbe diirl'te wohl auch Itir den Hausberg uud den Jeuzig geiten, weun hier auch keine Aufschliisse tiber diese Kegiou vorliegen. Bei Groiilobichau am Dorlberg fehlt gleichfalls jede Einlageruug. Dagegen liegt bei Loberschiitz etwa 1,30 m uuter der Teuuisbauk und 2,00 m iiber dem Gyps eiue blaugraue, harte, krystalliuische Dolomitbank (10 cm), welche von einem grauen sandigen Baukcheu voUer Gyps- locher bedeckt wird. !Sie enthalt Myophoria costata. Ein 2 bis 3 cm machtiges sandiges Dolomitbankchen mit Gypsknoteuiochern, welches bei Jeualobnitz in gleichem Abstand von der Tenuisbank liegt, dtirlte wohl der Rest der Bank vou Loberschutz sein. Ost- lich von Graizschen liegt uuter der Tenuisbank ein System von sandigen, brauulichgelben Dolomitbankchen (io cm), wahreud bei Biirgel wiederum Einlageruugen zu lehlen scheinen. Auch im Unstrutthal ist die Tenuisbank die erste Dolomitbank, welche uber dem Gyps liegt, und der Horizont a ist nur als Mergel entwickelt, wenigstens in dem Gypsbruch bei Prettiz, dem einzigen Aul- schluli des Horizonts a, der in jener Gegend von mir autgeluuden wurde. 11. Horizont b. Tenuisbank. Der erste in dem ganzeu uutersuchteu Gebiet entwickelte Das Roth \m ostlichen ThiivinKeii. 15 o* llorizout ist die 'I'enuisbank, vielleicbt die interessanteste uud pelreiaktenreicliste Uauk der Teuuiszoue. Sie ist an so zahi- reichen Puukteu, sowt)lil iiii Saalethai als an der Unstrut aufge- schlusseu und petrograpliisch, wie palaoutologiscli so gut cha- rakterisiert, dali an eiueni Zusaninienliaug der verscliiedeuen Auf- schliisse gar nicht gezweiteit werden kaun, zunial sie in deiu JSchicliteuverbaude stets dieselbe Lage hat. An alien Lokalitiiteii, wo iiberhaupt Aut'scblUsse vorhanden sinil, hat sie sich gefuudeu, so im Unstrutthal in dem Katzelbruch bei Nebra uud dem Gyps- bruch bei Prettiz ; leruer in zahlreicheu Blockeu auf den Feldern uordlich vou Kirchscheiduugen. Die von ISpeyer auf dem Blatt Queiturt eingezeichueten Dolomite, vvelche von mir nicht unter- sucht worden sind, gehoren z. T. wohl ebeufalls zur Tenuisbauk. In dem ISaalethal linden wir sie in der Kriiger'schen Ziegelei in Jena in vorziigiichen Auischlussen und ebenso bei Kunitz, ostlich von dem Dorf, terner bei Grofilobichau, Jeualobnitz, Loberschiitz, Graitscheu, liodigast, Biirgel. Nach Suden zu litfit sie sich liber Wollnitz, Drackeudorf, Altenberga nach Gumperda und dem Kugel- berg vertolgen, ist namentlich bei Heilingen machtig entwickelt und bei Eugerda mehrfach vorzliglich aulgeschlossen. Nicht an- steheud, aber durch zahireiche Blocke unzweit'elhaft nachgewiesen ist die Tenuisbank bei Thalstein, am Jenzig, Hausberg, bei Gosch- witz, Bockedra uud Kochberg. Auch in diesen Fallen beweist die Lage der Blocke, dali die Bank in dem Schichtenverbande dieselbe Lage hat, wie in den gut aufgeschlossenen Prolilen. Die Machtigkeit der Bank wechselt ungemein. Wiihrend sie in dem Katzelbruch bei Nebra 1,80 ra betragt und aus mehreieu machtigen Baukeu besteht, hat sie eiuige Kilometer nordwestlich nur uoch eine Machtigkeit von 0,17 m. In der nachsten Um- gebung von Jena betragt sie 0,15—0,40 m, nordlich von Gumperda 0,60 m, am Kugelberg 0,15—0,20 m, bei Heilingen 0,50 und bei Engerda nur noch 0,15 m. Irgend welche Gesetzmafiigkeit in der Zu- und Abnahme der Machtigkeit liilit sich nicht erkennen. Bezuglich der Ausbildungsweise ist zu bemerken, dali in weit- aus den meisten Lokalitaten die Bank in der Mollusken- facies entwickelt ist, d. h. Beneckeia tenuis und Zweischaler in groCer Menge enthalt. Bei Drackendorf und Altenberga kommt jedoch neben dieser Molluskenl'acies auch eine Stromato- poroideen fades vor. Die Molluskenfacies. Wo die Tenuisbank in der Mol- luskenfacies ausgebildet ist, hat sie eine ziemlich gleichmaliige petro- IC Dr. Siegfried Passarge, gruphische Beschatteoheit. Zwar erscheiueu iiiauche Varietiiteu, namentlich die graueu und gelben Dolomite, auf deu ersten Blick recht verschiedeD zu sein, doch sind sie durch tlbergange ver- bunden und die Unterschiede uur auf verschiedenartige Verwitterung zuriickzufuhren. An den meisten Puukten des Saalethals ist der Dolorait grau, krystallinisch und hart mit splittrigem Bruch. Er ist reich an Petrefakten, deren Schalen jedoch meist resorbiert sind. Wo diese dicht zusammengelegen haben, ist das Gestein daun liicherig und poros. Der Dolomit leistet an verschiedenen Lokalitaten der Ver- witterung verschiedenen Widerstand. Wahrend er an vieleu Stellen grau und frisch bleibt, nimmt er an anderen Lokalitaten, vielleicht infolge eines groCeren Eisengehaltes, eine gelbe bis gelb- braune Farbe an. Er wird zuerst gelb und braungelleckt und mit vorschreitender Verwitterung immer starker verlarbt. Da die petrefaktenreichsten Dolomite infolge ihrer locherigen Beschatfen- heit der Zersetzung am meisten ausgesetzt sind, so findet man gerade die fossilreichsten Blocke gewohnlich am starksten zersetzt, und oft ist die Gesteinsmasse um die Steinkerne herum und diese selbst zu einer braunen erdigen Masse zersetzt. Wohl ebenfalls nur durch Verwitterung gelb gefarbt ist die Bank bei Kuuitz, welche ausserdem dadurch ausgezeichnet ist, daC in ihr die Petre- fakten mit Schalen erhalten sind, wie auch bei Gumperda, Hei- lingen und Graizschen. Bei Heilingen ist die Tenuisbank sehr machtig eutwickelt und in die Augen fallend. Ihr unterer Teil — 35 cm — besitzt hier dieselbe Beschaffenheit wie bei Kunitz etc., der obere — 15 cm — dagegen besteht aus mehreren plat- tigen Banken eines gelben, sandig verwitternden, petrefaktenreichen Dolomits. In der Kriiger'schen Ziegelei in Jena besteht der untere Teil — 20 cm — aus mehreren hellgelblichen bis grauen, thonigen Banken a 2—5 cm, die nach ihrer Mitte zu hart und krystalli- nisch werden. Die Schichtflachen der Bankchen sind mit undeut- lichen Abdrucken von Zweischalern bedeckt. Die oberste, 7 cm machtige Bank ist dagegen wie gewohnlich ganz krystallinisch mit splittrigem Bruch. Ebenso wie die Banke unter der Tenuisbank ist diese selbst reich an Sterngypsen, welche jedoch meist angelaugt sind. Nur bei WoUnitz sind sie noch erhalten. Wo sie massenhaft vor- kommen,wiebei Wollnitz,Jenzig,Hausberg,GroBlobichau,Jenal6bnitz, Loberschutz, sind gut erhaltene Petrefakten seltener als sonst. Im t)as Hiith im iiatlicheu Thiiiiiigru. IT allgemeinen ist die Bauk um so petrefaktenreicher, je geriiiger die Zahl der ISterngypse ist. Sie liegeu in der Gruudmasse des Gesteius, ebeubo wie in den Steinkeruen,komnien sogar in derGegenddesSiplio der Beneckeia vor, so daB es deu Anscliein hat, als seien sie im Sipho auskrystallisicrt uud batten ihu auseinaudergesprengt. SoUten sie durch Koukretion in der uoch weicbeu Gesteinmasse entstanden sein? Ganzlich felilen sie nur selten. Nur die voUig krystallini- schen Dolomite, wie sie an einigen Punkten, wie z. B. bei Biirgel und vor allem bei Nebra, entwickelt sind, scheinen von ihnen frei zu sein. An letzterer Lokalitat ist die Bank unverhiiltnismaCig machtig, 1,80 m. Sie besteht aus eiuem blaCbliiulichen krystalli- nischeu Dolomit von ungemeiner Harte und splittrigem Brucli uud zertallt in mehrere Banke, welche durcli weuiger krystallinische thonige, auCerst petrefaktenreicheSchichten getrenntwerden. Manche Lagen sind poros und zellig, mit eiuer gelbeu erdigen Masse erfullt, Einen Ubergang aus dem blaugrauen Dolomit von Nebra in den graueu des Saalethals bildet der bei Prettiz, welcher teils blau- grau und zellig, teils wie im Saalethal grau uud diclit ist. Nicht zu unterscheiden von dem Tenuisdolomit des Saalethals ist ferner der Dolomit auf den Feldern nordlich von Kirchscheidungen. Be- trachtet man ferner die gleiche Petrefaktenfuhrung , die gleiche Lage im Schichtenverband, so kann an der Identitat der Teuuis- dolomite im Saalethal und an der Uustrut nicht gezweifelt werdeii. An dieser Stelle sei eine Berichtiguug des Profils gestattet, welches Speyer in den Erlauterungen zur geologischen Spezial- karte, Blatt Bibra vom Katzelbruch giebt. Zwischeu seinen „ge- schichteten Dolomite n" und dem un gesch ichteten Dolomit (=Tenuisbank) liegen noch 1,40 m graugruner Mergel. Die „geschichteten Dolomite" gehoreu also nicht zur Tenuisbank , sondern entsprechen , wie weiter unten ausgefiihrt werden soil, wahrscheinlich dem Sauriersandstein des Saalethals. Nicht weniger als durch den petrographischen Habitus wird die Tenuisbank durch ihre Petrefakten als einheitliche Bank charakte- risiert. Beneckeia tenuis v. Seeb. Sie ist das wichtigste uud interessanteste Petrefakt, welches audi der Bank den Namen ge- geben hat. Dieser bisher fur so selten gehalteue Ammonit hat sich in dieser Bauk in dem ganzen Saalethal und an der Unstrut in iiberraschender Menge gefuuden. Besonders reich ist die Bank in dem AufschluB ostlich von Kunitz, von wo Herr Wagner die ersten Beneckeien aus der Umgebnug von Jena beschrieben hat und Bd, 2XVI. K. F. XIX, 2 18 Dr. Siegfried Passarg^, welche Lokalitiit audi fernerhin zahlreiche Exemplare geliefert hat. Bei weitem am reichsteu ist aber die Tenuisbank bei Dracken- dorf. Sie ist hier 20 — 40 cm machtig und bildet sudostlich vom Dorf den Rand eines vorspringenden Plateaus, welches von dem Unteren .Roth bis zur Tenuisbank herauf gebildet wird. Letztere nun ist auCerst petrefaktenreich, doch sind, wie schon oben be- schrieben, gerade die petrefaktenreichsten Blocke am starksteu zersetzt und die Petrefakten daher schlecht erhalten. Trotzdem ist es gelungen, eine grofiere Anzahl gut erhaltener Beneckeien zu sammeln. Ein Handstiick allein zeigt z. B. nicht weniger als 5 Exemplare, von denen zwei fast vollstandig erhalten sind. Wie reich diese Lokalitat ist, mag man aus der Bemerkuug entnehmen, dafi ich einmal bei einem fliichtigen Besuch in einer halben Stunde ein Dutzend dieser Ammoniten sammeln konnte. In zahlreichen Exemplaren hat sich die Beueckeia ferner am Kugelberg nach Eichenberg zu, in dem WasserriB nordlich von Gum- perda, bei Altenberga, Goschwitz, Engerda, in der Kruger'scheu Ziegelei, bei Grofilobichau am Dorlberg, bei Loberschiitz und Graitschen gefunden, und das SEEBACH'sche Exemplar stammt von Kochberg, westlich von Engerda, aus derselben Bank Jedenfalls. Im Unstrutthal ist das Vorkommen von Beneckeia im Katzelbruch bereits von Speyer festgestellt worden. Ger villia je n ensis no v. sp. Sie ist ein ungemein wich- tiges Petrefakt der Tenuisbank und wurde bisher mit der socialis identifiziert, unterscheidet sich jedoch von ihr durch eine grofiere Zahl von Bandgruben, 8 gegenuber 5— 6 bei G. socialis. Uberall findet sie sich in der Tenuisbank in groBer Menge und guter Erhaltung und bedeckt oft dicht nebeneinander liegend die Schichtflachen. Der Steinbruch bei Nebra, die Dolomite bei Kirchscheidungen, in der Umgebung von Jena, Drackendorf, Bockedra, Gumperda, Kugel- berg etc. sind ausgezeichnete Fundpunkte dieser hiiufigen Muschel. Erreicht die Gervillia jenensis auch hier ihre groCte Individuen- zahl, so fehlt sie doch auch in den hoheren Horizonten nirgends bis herauf zur Rhizocoralliumbank. My op horia cfr. elongata Giebel sp, Sie wurde bisher mit Myophoria elongata aus dem Schaurakalk identifiziert, diirfte jedoch eine andere Spezies sein, welche sich durch starke konzentrische Streifung von jener unterscheidet. Sie ist an vielen Stellen ebenso haufig als die Gervillia jenensis und steht mit ihr in einem gewissen Wechselverhaltnis beziiglich der Individuenzahl Das Roth im ostliclieu Tliuringen. K) an einer iiiul derselbeu Lokalitiit. Ilauptfundpunkte fur sie sind Kunitz, Graitscheu, Drackeiidorf, Gumperda, Kiigelberg, Heiliiigen, Engerda. Sie ist fiir die Tenuisbank recbt cbarakteristiscb und koumit uuter und iiber ibr nur vereinzelt vor, jedenfalls nie in solcber Meuge. Myopboria costata Zenker (= M. fallax v. Seeb.) ist, wie im ganzen Uutereu Rotb, in aufierordentlicb groCer Anzabl uberall vorbanden. Myopboria laevigata v. Alb. und orbicularis Bronn. werden von Speter aus dem Tenuisdolomit des Katzelbrucbs erwabnt. Monotis Albertii Gldf. nacb Speyer ira Katzelbrucb. Pec ten cfr. tenuistriatus aus Kunitz und Graitscben. Myoconcba gastrocbaena Dunk. sp. nicbt selten. Myoconcba Romeri Eck. nicbt selten. Gervillia costata Quen. 1 Exemplar bei Loberschiitz ge- funden. Natica Gaillardoti Lefroy und gregaria v- Schaur. im Katzelbrucb baufig. Im Saaletbal wurde nur eine Natica bei Drackendorf gefunden. Lingula tenuissima Bronn. 1 Expl. Discina discoides Schloth. sp. Knochenstucke sind an vielen Punkten baufig, z. T. lange Stucke von Rippen, Bein- oder Armknocben, docb stets ganz frag- mentarisch. Fiscbschuppen: fast uberall verbreitet. An zwei Lokalitaten ist die Tenuisbank in der Stromato- poroideenfacies entwickelt. Herr Professor Kalkowsky ent- deckte dieselbe zum ersten Male bei Drackendorf, und bald darauf wurde sie in nocb bedeutenderer Eutwickelung bei Altenberga ge- funden. Bei Drackendorf liegt sie iistlicb von der StraCe, welcbe von der Haltestelle Neue Scbenke nacb dem Dorf fiibrt, an dem siidlichen Rand des bescbriebenen Plateaus. Bei Altenberga be- findet sie sicb auf dem Plateau sudostlicb nacb Greuda zu. An beideu Punkten ist sie nur durch zablreicbe Blocke aufgescblossen, die aber fraglos zu der ganz in der Nabe befindlicben, in der Molluskenfacies entwickelten Tenuisbank geboren. Das AuOere dieser Blocke ist folgendes: Sie besteben aus graueni Dolomit. Auf dem angewitterten Querbrucb siebt man nacb oben gewolbte, 2 — 5 cm lange, ^2^1 mm dicke Lagen oder Blatter in groBer Zabl und sebr dicbt aneinander liegend. Wo S'U t)r. Siegfried Passarge, diese Lageii aneiuauder stofien, biegeu sie meist uach abwiirts uud verbiudeu sich mit denen des Nachbarbogens und den dariiber und darunter liegeuden. So entstehen mehr oder weniger kom- pakte Zwischeuwande, welche namentlich bei starker Verwitterung deutlich hervortreten. In vielen Fallen verschwinden aber diese Querwande, besonders in den oberen Teileu der Bank, die Streifen setzen sich ununterbrochen fort, und es entsteht eine zusammen- hangende Decke mit welligen, konzentrischen Lagen, welche kon- tinuierlich fortlaufen. Wie man auf der Oberflache deutlich seheu kann, setzen diese Lagen ovale Buckel, welche 2 — 3 cm breit, 4 — 5 cm laug sind, zusammen, nicht etwa langgestreckte VVelien, nach Art der Wellenfurchen in Sandsteinen. Die Buckel bedeckeu dicht aneinander liegend die Oberflache der Stiicke, und wenn sie angewittert sind, kann man ihren Aufbau aus den konzentrisch schaligen Blattern ausgezeichnet erkennen. Die Art der Verwitterung ist sehr charakteristisch. Sie be- ginnt daniit, daC kleine Locher, etwa von dem Durchmesser einer Nadelspitze, entstehen, und zwar stets zwischen je zwei Lagen. Auf diese Weise wittern allmahlich Querbalkchen heraus, welche Vji — IV2 nim voneinander entfernt stehen. Dieses Herauswitteru von Querbalken ist fur die Blocke der „Stromatoporoideenfacies" ungemein charakteristisch und dtirfte auf ursprunglich vorhandene Querbalkchen hinweisen. Dafi organische Bildungen vorliegen, kann keinem, der die Stiicke gesehen hat, zweifelhaft sein. An anorganische Entstehung, etwa Sinterbildungen , darf man nicht denken. Sie erinnern an die „Lithothamnien ahnlichen" Gebilde . . . des Zechsteins, welche Liebe beschrieben hat (Eriauterungen z. geol. Spezialkarte, Blatt Ziegenruck, S. 13). Auch mit dem sogenannten Chaetetes poriformis. Qu. aus dem Malm « kann man vorliegende Stucke vergleichen, jedoch ist derselbe mehr grob radialstrahlig. Am meisten ahneln sie den Stromatoporen aus den Eifler Kalken, und in der That durften Skelette Stromatoporen - iihnlicher Tierkolonien vorliegen. Gewifi ist es besonders bemerkenswert, daC in dieser „Stromatoporoideenfacies" niemals Fossilien irgend welcher Art, wie Zweischaler oder Ammoniten, gefunden werden ; ebenso fehlt jede Spur von den sonst so gewohnlichen radialstrahligen Lochern, welche auf ausgelaugte Sterugypse zuruckzufiihren sind, eine Erscheinung, welche durch die Aunahme, die Bank sei an diesen Stellen durch rittbauende Tierkolonien gebildet, gewiC befriedigend Das Roth im ostlichcn Thiirinj;;o:i. 21 erklart wird. Die Bezeicbnung „S tromatoporoideen facies" diirfte daher am Platz sein. Freilich finden wir weder ini Diinnscliliff iioch auf der ange- schliffenen Querflache irgeud welche Spur von Qucrbalkchen ; doch beweist dieser Unistand gar nichts ; denii selbst zweifellose Stromatoporen der Eifler Kalke zeigcii oft im Diinnschliff keine Querbalkchen, sondern erst auf der angewitterten Flache. Die Mergel zwischen den Horizonten b und c. tJber der Tcouisbank folgeu wicderum bis zuin Sauriersand- stein graugriine, meist sandige Mergel von wechselnder Machtig- keit. Im Unstrutthale bei Nebra betritgt die Machtigkeit dieser Zone 1,40 m, bei Prettiz 1,70, In der Kriiger'schen Ziegelei bei Jena betriigt sie 2,89 m und enthalt im obern Niveau ein hellgraues thoniges Dankchen mit Wellenfurcben. Bei G u m p e r d a und am K u g e 1 b e r g sinkt ihre Machtigkeit auf 60—95 cm herab und erreicht bei Engerda wiederum 2,40 ni. An verschiedeuen Lokalitaten kommen maunigfache Einlager- ungen von Dolomitbankcheu vor. BeiWollnitz liegen iiber der Tenuisbank grauc Mergel (1,20 m) mit zahlreichen sandigen, gyps- haltigen Dolomitbankcheu (1 — 2 cm machtig), welche reich an Gypsknoten sind. Eine derselben ist mit der Brut von Myophoria costata bedeckt. Ein graubrauner, diinngeschichteter, krystallini- scher Dolomit von 3 — 8 cm Machtigkeit folgt daruber, scheint aber uur ganz lokal entwickelt zu sein und sich bald auszukeilen. Bei Jenalobnitz und Loberschiitz liegt etvva 1 m unter dem Sauriersandstein ein graues thoniges Dolomitbankcheu von 6 — 8 cm Machtigkeit, welches reich an Knochenstucken, Zahnen und Fischschuppen ist. Auch Lingula ist in 1 Exemplar bei Loberschiitz gefunden worden. Bei Biirgel liegt an der Strafie nach Hohndorf ebenfalls etwa 1 m unter dem Sauriersandstein ein 15—20 cm machtiges System von gelbigen thonigen Dolomitbankchen rait undeutlichen Abdriicken von Myophoria costata, Gervillien und Lingula. Viel- leicht ist es die direkte Fortsetzung der vorigen Bank. Von irgend welchem allgemeineren Interesse ist aber weder sie noch die andercn zwischen Tenuisbank und Sauriersandstein vorhandenen Einlagerungen. III. Horizont c. Sauriersandstein Zenker's. Zenker beschreibt in seinem „Historisch-topogra- 22 Dr. Siegfried Passarge, phischeu Taschenbuch fiir Jena" (S. 205) einen „fein- kornigen, glimmerreichen, festeu, chlorithaltigen, daher schmutzig- griinlichen Sandstein," in welchem er viele Saurierknochen fand, die er in den „Beitragen zur Naturgeschichte der Urwelt" beschrieben hat. AuBerdem erwahnt er aus diesen Sandsteinen Abdriicke von Myophoria costata und Mytilus arena- rius — so nannte er jedenfalls die langlichen Abdriicke, die wohl auf Gervillien zuriickzufiihren sind — nebst undeutliclien Abdriicken von Vegetabilien. Seine Beschreibung paBt ausgezeichnet auf die Sandsteinschichten des Unteren Roths, zu welchen wir jetzt gelangt sind. Zenker, der seinen Sauriersandstein nur am Jenzig ge- funden hat, verlegt ihn unter das Niveau des Rhizocoralliumdolo- mits. Nun kommen aber nirgends uber der Rhizocoralliumbank solche Sandsteine vor, sondern nur quarzitische Sandsteinbankcheu von ganz anderem Habitus und dariiber die roten Mergel und Quarzite des mittleren Roths. Es diirfte daher kaum zweifelhaft sein, daC Zenker's Sauriersandstein mit dem jetzt zu beschrei- benden Sandsteinhorizont identisch ist und irrtumlicherweise tiber den Rhizocoralliumdolomit verlegt worden ist. In den Erlau- terungen zum Blatt Jena (S. 9) beschreibt auch Schmid diese Sandsteine und fiigt hinzu, da6 sie sich in der Dolomitzone be- finden und Zenker in ihnen die wohl erhaltenen Reste von Notho- saurus fand. Der Sauriersandstein ist in der Umgebung Jenas in folgender Weise ausgebildet. Zu unterst besteht er aus niurben grau bis schmutzig-graugriin und braun gefarbte Sandsteinbankcheu, welche dunngeschichtet und mittel- bis feinkornig sind. Sie sind ungemein reich an weiCen Glimmerblattcheu, und auf den Schicht- flachen, welche mit dunnen griinen Mergelhautchen bedeckt sind, liegen massenhaft Abdriicke von Myophoria costata und undeut- lichc Zweischaler. Knochenreste sind nicht selten. Trockenrisse und Wellenfurchen sind haufig und charakterisieren die Ablagerung als Strandgebilde. Die diinnen Schichten schmiegen sich der welligeu Oberflache an, doch ist auch diskordante Struktur iuner- halb der Bankchen nicht selten. An manchen Lokalitaten be- ginnt der Sauriersandstein auch mit ciner quarzitischen Bank. Die Machtigkeit des unteren Teiles betragt 25—30 cm. tiber den murben Sandsteinbankcheu folgen gewohnlich harte, hellgraue, wohl karbouathaltige Sandsteine, welche gleichfalls reich an Muschelabdrticken sind und meist durch eine quarzitische DaB Roth im ostlichcn Thiiriugen. 23 blaugraue Bauk mit splittoiigeiu Bruch abgeschlossen werdeu. Die Miichtigkeit dieses Teiles schwankt zwischen 10 uiid 40 cm. Als Beispiel der komplizierteu Gliederung, die der Saurier- sandsteiu habeu kaiin, sei das Profil von GroClobichau (Wasser- riss rechts von der StraCe uach Jeualobnitz) angetuhrt. Das Profil geht von oben nach unteu : 0,10 m sehr harte, hell und dunkelgrau geschichtetc, splitterig brecheude, dolomitische Quarzitbauk. 0,25 „ braunliche bis schmutzig-griine, diinngeschichtete Sand- steinbankchen, a 2 — 4 cm, glinimerreich, gypshaltig und dann hart, mit Zwischenlagcn miirber Saiidsteiiibankchen. Abdriicke von Myophoria costata, Knochenreste (Wirbel)i Trockenrisse. 0,10 „ dunkelblaugraue, harte Dolomitbauk. 0,09 „ Graue, harte, thonige Bank. 0,54 m. Von Petrefakten kommen, wie schon erwahnt, besouders Myo- phoria costata, in zahllosen Abdriicken. vor. Myophoria pholadomyoides nov. sp. 1st mit der costata verwandt, unterscheidet sich jedoch scharf von ihr durch das auffiillend breite, flache Schildchen. Sie wurde in den obersten harteu, dolomitischen Quarzitbanken des Sauriersandsteins bei Dra- ckendorf in groBer Menge gefundcD. Wie viele von den radial ge- rippten, schlecht erhaltenen Muschelabdrucken an den iibrigen Lokalitaten zu dieser oder zur costata gehoren, laBt sich nicht eutscheiden. Gervillia mytiloides v. Schloth. sp. : aus Jenalobnitz, Drackendorf. Gervillia jenensis nov. sp. : Drackendorf und a. O, N a tic a (?): mehrere Exemplare aus Drackendorf. Knochenstiicke und Schuppen, wie sie Zenker bcschrieben hat, kommen haufig vor, siud jedoch von geringem Wert. Aus Grofilobichau stammt ein gut erhaltener, platt gedriickter Saurierwirbel. Auch am Hausberg haben sich zahlreiche Knochenstucke gefunden. In der beschriebenen Ausbildungsweise findet sich der Saurier- saudstein im ganzen nordlichen Saalethal in der Umgebung von Jena, von Drackendorf und Goschwitz bis herab nach Kunitz, und nach Xordosten bei GroClobichau, Jenalob- nitz, Loberschiitz etc. bis nach Burgel hin in zahlreichen Yorzuglichen Aufschliissen. 24 T^r. Siegfried Passarge, ^' Eine etwas andcre Ausbildung zeigt der Sauriersandstcin ini Slid lichen Saalethal. Er ist hier hauptsachlich als heller, quarzitischer Sandstein ausgcbildet, welcher reich an Lingula tenu- issima ist. Jedoch wird er stellenweise auch von anderen Sand- steinen und Dolomiten begleitet, so z. B. in dem WasserriC nordlich von Gumperda und zwischen Gum per da und Bibra und ebenso am Kugelberg. Hier liegen zu unterst graue und gelbe quarzitische Sandstcinbankchen , welche staubig verwittern. Sie enthalten Glimmerschiippchen und unregelmaCige Einlagerungen griiner Thongallen. Trockenrisse und Wiilste (Kriechspuren?) sind haufig. Auch graue, schieferigc Sandsteine, wie bei Jena, kommen vor. Sie enthalten als wichtigstes Fossil L i n g u 1 a tenuissima. Auf den Schnittflachen liegen Myophoria costata und ein Zweischaler, der an Pleuromya musculoides erinnert, die in der Muschelbreccie vorkommt. Durch eine diinne Mergelbank getrennt, folgen auf diese quarzitischen Sandsteine 12 cm machtige, gelbe, sandige Dolomitbankchen, welche ungcmein reich an Fisch- schuppen und Knochenstuckchen sind. Auch Zweischaler kommen in ihnen vor. Nach Stiden und Sudwest zu wird der Sauriersandstcin bis auf die grauen, quarzitischen Lingulasandsteine reduziert. Bereits am Kugelberg in dem Wasserrifi nach Eich en berg zu findet sich nur noch ein System von mehreren, durcb dunne Mergel- schichten getrennten Lingulasandsteinen. Nordlich und sudlich von Dienstadt, ferner an vielen Punkten an der StraBe von C) r 1 a - miinde nach Heilingen ist nur noch ein 8 — 10 cm machtiges Bankchen von quarzitischem Sandstein mit Lingula entwickelt. Erwahnenswert ist vielleicht eine Platte von Dienstadt mit viel- fach verschluugenen Wiilsten, welche nur als Kriechspuren gedeutet werden konnen. In den Wasserrissen nordlich und sudlich von Engerda ist dagegen die Bank wieder komplizierter zusammengesetzt. Man findet hier den quarzitischen Sandstein mit Lingula in mehreien Bankchen, deren Schichtflachen saudig, schmutzig-griin und auCerst glimmerreich sind und dem Sauriersandstcin bei Jena ahneln. Die Schichtflachen sind reichlich mit Myophoria'costata, Gervil- lia mytiloides, Pleuromya musculoides bedeckt und sehr deutlich, Diese Sandsteine werden oben und unten eingefaCt von gelben, sandigen Dolomitbankchen; die obere ist sehr reich an Knochenstuckchen und Fischschuppen, also ganz ahnlich wie am Kugelberg und bei Gumperda. Zwischen den gelben Dolomit- Das TJoth im os fl CO o w 05 £3 (E vr, ^ be ;> tn ^ :cS d O .2 ■^ -2 , , « 1 f^ . 1 ^O.-gdO^^^^-P^-S^cij^ 0) d :d be .tS bC p 2 03 d !=* S d © 3 'a> _, -1-3 d » -d d OPc» a o o o oo o»^>^ooo to o o CO CO d ;o iQ d S +^ O "-I •s CO ,£2 1^ e8 M o P5 00 tn 03 CO o o O O CO to ID 0) rS^cbC d d o o I t-i o o o Pf3 d -1-3 d C3 OS ,d o d • 1-1 o pq ® •1-^ -1-3 ->i ^ 05 d d c3 • r-l OQ d a> Si -f-i i © be Sh © ^ ^ S d gj N © d js © ^ -d S © d I — 1 d ^' ■ 03 © © •iH o o © u . 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Das Mittlere Roth, welches den oberen Teil der Zone der Myophoria costata bildet, steht in scharfem Gegensatz zu der unteren Abteiluug. Haben wir bisher in den Mergeln uud Dolomiten des Unteren Roths eine zwar formenarme, aber indi- viduenreiche Fauna gefunden, so tritt mit den roten Mergeln des Mittleren Roths eine aulfallende Petrefaktenarmut ein. Nur ver- einzelte Abdriicke von Myophoria costata und unbedeutende Knochen- reste in einigen Quarzitbanken deuten auf ein armliches Tierleben zu jener Zeit bin. Nur eine Ausnahme von dieser Regel, eine Dolomitbank mit einer eigentiimlichen freraden Fauna, werden wir in den oberen Schichten der Ablagerung, und zwar auch nur an einer Stelle finden. Bald iiber der Rhizocoralliumbank , meist die grunen Mergel derselben uberschuttend, beginnen die monotonen roten Mergel, Sandsteinschiefer , Gypse, Quarzite mit Wellenfurchen, Trocken- rissen, Steinsalzpseudomorphosen, welche in unaufhorlichem Wechsel aufeinanderfolgen. Trotz dieser Einformigkeit des petrographischen Materials lassen sich doch mehrere konstante petrographische Horizonte im ganzen Saalethal, wie an der Unstrut verfolgen. Dieselben werden einerseits von Gypsmergeln, aus denen sich Knollen und Banke von Gyps ausgeschieden haben, und welche sehr cbarakteristische Terrassen bilden, andererseits von hellen grauen bis griinlichen Quarzitbanken gebildet, Behufs besserer Orientierung ist es zweckmafiig, das Mittlere Roth in 2 Etagen zu teilen, welche in den meisten Fallen topo- graphisch gut zu trennen sind. Dieuntere Abteilung niimlich bildet gewohnlich einen sanften, mit Feldem bedeckten Abhang, der oft mit den grunen Mergeln uber der Rhizocoralliumbank bereits beginnt. Dahinter erhebt sich daun plotzlich die obere Abteilung steil ansteigend. Infolge der sanften Boschung ist die Etage meist schlecht aufge- schlossen, so daC es nicht moglich ist, genaue vergleichende Pro- tile von derselben zu geben. Soweit erkennbar, besteht dieselbe zum groCten Teil aus roten Mergeln, welche im Gegensatz zu der oberen Abteilung sehr viel Sandsteinschiefer fuhren. Dieselben sind ebenfalls rot oder violett gefarbt, fein- bis mittelkornig, diinn- schieferig oder dunnbankig, im letzteren Falle dann gewohnlich quarzitisch. Ihre Schichtflachen sind mit weiCen Glimmerschuppchen tibersaet und oft von Wellenfurchen durchzogen. Die inneren Bd. XXVI. N. F. XIX. 4 50 Dr. Siegfried Passarg f, ^ ^ . ^ .J, a..*ot,«,xge; Schichten schmiegen sicli den auBeren Wellenbogen oft an, und es entsteht dann auf dem Querschnitt eine eigentiimliche diskordante Struktur. Auf der Unterseite finden sich reichlich Steinsalz- pseudomorphosen. Meist sind sie klein, etwa 5 mm groC, zuweilen erreichen die Wiirfel aber auch IV2— 2 cm Seitenlange. Diese Sandsteinschichten scheinen im Osten in der Gegend nach Btirgel zu starker entwickelt zu sein als im Westen und Suden bei Kahla und Engerda. Aufier den roten Sandsteinschiefern finden wir in den roten Mergeln der unteren Etage auch Schmitzen griiner Mergel und gelber Gypsmergel, Gypsschiefer von gelber, griinlicher, roter bis purpurroter Farbung, und alle diese in bun tern Wechsel aufein- anderfolgenden Gesteine werden von zahllosen Fasergypsbandern durchschwiirmt. Am besten kann man den mannigfaltigen und doch wiederum so einformigen Aufbau der unteren Etage an der Nordseite des Roten Berges bei Goschwitz in einem WasserriC erkennen, welchen die StraBe nach Leutra durcbquert. Im oberen Niveau der unteren Etage findet sich, soweit die Aufschliisse einen Einblick gestatten, ziemlich konstant eine Bank, welche aus unregelmaBigen Knollen von Gyps besteht. Wegen ihrer Harte und Masse bilden diese Knollengypse eine Terrasse. Bei Goschwitz, Engerda, in einem AufschluB nordlich des Weges von Bibra nach Gumperda findet man sie ausgezeichnet entwickelt. Diese Knollengypsbanke sind ebenso zusamraengesetzt, wie die der oberen Abteilung des Mittleren Roths, welche wir noch eingehend besprechen wollen, und ahnlich den Banken, welche wir im Unteren Roth bereits unter und iiber der Rhizocoralliumbank finden ; doch sind letztere weit einfacher zusammengesetzt. Die folgende Be- schreibung der Knollengypsterrassen paBt auf alle derartigen Terrassen des Mittleren Roths. Aus gelblichen bis grunlichen Gyps- mergelbanken haben sich rundliche Knollen von Gyps mit radial- strahliger Anordnung der Aggregate ausgeschieden. Dieselben be- sitzen HaselnuB- bis KopfgroBe, doch uberwiegen die letzteren in den grofien Terrassen, wahrend die kleineren Knollen unbedeutende Einlagerungen in die Mergel bilden. Ihre Farbe ist gelblich, grunlich, oft aber auch lebhaft rot gefarbt. Zwischen die Gyps- mergel mit den Knollengypsen sind innerhalb einer Terrasse meist rote Mergel eingelagert, ferner Sandsteinbankchen, die oft quar- zitisch sind, und deren Oberflache haufig mit ausgezeichneten Wellenfurchen bedeckt ist. Gypsschiefer und dicke Fasergypsbanke T)a8 Ruth ira oalliclioii Thiivingoii. 51 iiebmen oft eiiien betrachtlichen Aiiteil an der Zusammensetzung der Terrassen. In (lie roton Mergel der unteien Etage sind in hoherem Niveau zinveilen Quarzitbilnke eingelagert, wie sie fiir die obere Abteilung des Mittleren Roths eharakteristisdi sind. Eine solche, unge- wohnlich niiichtig entwickelte Quarzitbank findet sicli nordlieh und sudlich von Gunipeida. Es ist dieses die „Hornsteinsc.bicht", welche ScHMii) voni Kugelberg beschreibt und welcbe den Boden des Plateaus bildet, liber wek'bes der Fahrweg von Eicbenberg uach Zweifelbacb fuhrt (Erliiuterungen zum Blatt Cahla, S. 5). Es ist eine 10—12 cm starke, diinn gcscbichtete , splitterig brechende Bank, welche langs den Scbiclitflacben eigentiimlicbe feine Locher auf dera Querschnitt zeigt, Vielleicbt entspriiche es melir den naturlichen Verbal tnissen, die untere Abteilung mit der Knollengypsterrasse endeu zu lassen, praktischer durfte es jedoch sein, die Grenze gegen die obere Etage erst an der ersten konstanten Quarzitbank zu ziehen; denu erst von hier an beginnt der Steilabhang und darait die guten Aufscbliisse. Die Knollengypsterrasse ist zu selten scbarf be- stimmbar, als daB sie als Grenze zwiscben den beiden Etagen brauchbar ware. Die Machtigkeit der unteren Etage von den griinen Mergeln des Unteren Roths bis zur ersten konstanten Quarzitbank der obereu Abteilung wechselt nicht unbetriicbtlich. In der Gegend zwiscben Jena und Btirgel betragt sie etwa 15 m, bei Dracken- dorf und Goschwitz etwa 30 m und fallt in der Gegend von Gumperda und Engerda wieder auf 20 in berab. Mit der oberen Etage des Mittleren Roths beginnt der Steilabhang. Gewohnlich finden wirunterder ersten konstanten Quar- zitbank noch 2—3 m roter Mergel, welcbe gleichfalls schon einen steilen Bbschungswinkel besitzen. Die Abhange, welche diese Ab- teilung zusammen mit dem Obereu Roth bildet, und an welche sich noch steiler aufsteigend der Wall des Muschelkalkes anschlieCt, verleihen an den Steilen, wo sie breit aufgeschlossen sind, der Landschaft einen eigentiimlichen Charakter. Unbebaut, nur von niedrigen Kiefern und Gestriipp spiirlich bewachsen, erheben sich die grellen roten Mergelwande, welche einerseits durch die vor- springenden Gypsterrassen und die lebhaft grunen Mergelbander, andererseits durch die reichverzweigten tiefen Schluchten Ab- wechselung und Farbenreicbtum erhalten. In eigenturalichem Gegensatz zu dieser farbenreichen Zone erhebt sich daruber die monotone gelbgraue Masse des Muscbelkalks. Diese Schilderung ^ 4* 52 Dr. Si e g f r i e d P a s 8 ;i r g d ,' paCt freilich nur auf diejenigen Stellen , wo gute Aufschlusse be-' steheD, und gerade das Saalethal bei Jena ist arm an solchen Stellen. Hier gehen die Felder fast bis zum Muschelkalk hinauf, und die Auslaufer des Jenzigs und Hausbergs geben nur ein schwaches Bild von der Eigentiimlichkeit und den Farben der Mergel des Mittleren Roths. Der Rote Berg bei Goscbwitz, die Umgebung von Grofilobichau und Jenalobnitz, von Gumperda und Engerda sind dagegen reich an Aufschliissen in dieser Zone. Die obere Abteilung des Mittleren Roths wird gegen das Obere durch eine konstant auftretende Terrasse aus KnoUengyps abgeschlossen und durch eine zweite Terrasse in zwei mehr oder weniger gleiche Halften geteilt. Nur im Suden bei Engerda ist die untere Halfte bedeutend machtiger als die obere. Die petrographische Be- schaflfenheit der Terrassen ist bereits oben beschrieben worden. Sie bilden, wie man an den durchstreichenden Linien vielfach auf weite Strecken hin erkennen kann, zusammenhangende Horizonte trotz den zuweilen nicht unbedeutenden Schwankungen ihrer gegen- seitigen Abstande. Die Terrassen selbst sind im Durchschnitt 2 — ^3 m machtig. Der Teil unter der ersten Terrasse betragt 9 — 12 m, der daruber liegende Teil gewohnlich etwas mehr. Nur bei Engerda ist das Verhaltnis 17,28 m : 5,00 m. Naheres ergeben die mitgeteilten Profile. Die Gesammtmachtigkeit dieser oberen Etage betragt durchschnittlich 20 m. Zwischen den genannten Terrassen aus KnoUengyps liegen nun im wesentlichen rote Mergel, in welche mehr oder weniger Sandsteinschieferlagen, Bander aus Fasergyps, unbedeutende KnoUen- gypsbankchen, griine Mergelschmitzen, besonders aber auffallend gefarbte Quarzitbanke eingelagert sind. Diese Quarzitbanke sind gerade fur die obere Abteilung des Mittleren Roths charak- teristisch. In der unteren erreichen sie nur ausnahmsweise be- deutendere Machtigkeit, im Oberen Roth fehlen sie uberhaupt. Die Banke sind 5, 10, 20 cm machtig und bestehen in vollkom- menster Ausbildung aus einem harten, splitterig brechenden Quarzit. Meist sind sie jedoch als quarzitische Sandsteine ausge- bildet. Ihre Farbe ist hell rosa, weiBlich bis grunlichweifi. Sie enthalten, namentlich die weniger quarzitischen Banke, Schmitzen und Bander griiner thoniger Letten. Oft zerfallt eine solche Bank in mehrere Bankchen, welche durch griine Mergel getrennt sind. Diese petrographischen Abweichungen sind nicht fur bestimmte Banke charakteristisch, sondern konnen sich an ein und derselben finden. Fast durchweg sind in ihnen Wellenfurchen und Trockeu- Das Roth im dsilicheu Thiiiingen. 53 risse uachzuweisen und oft enthalten sie Myophoria costata und Knochenstiicke nebst Fischschuppen. Die Myophorien sind durcli- weg nur als schlechte Abdriickc erhalteii, und es ware fiir unsere Gegend wenigstens durchaus willkiirlich, sie vou der Myophoria costata als Myophoria Fritschi (Proescholdt , tJber den Bunt- sandstein etc., Zeitschrift der deutschen Geologischen Gesellschaft, 1887) zu trennen. Auflfallend und uncrklarlich ist aber der Umstand, daC die Quarzite stets und standig in hellgriine Mergel eingebettet sind. ludem die Quarzite sandiger werden, gehen sie oben und unten in die grunen Mergel iiber. Die Grenze der griinen Mergel gegen die roten verlauft keineswegs parallel der Schichtung, sondern un- gleichmafiig, und rote und griine Mergel greifen oft zapfenformig iueinander. Ein chemischer Prozefi mufi auf die grunen Mergel eingewirkt haben. Es macht den Eindruck, als hatten die Quarzit- banke auf ihre Umgebung einen desoxydierenden EinfluB aus- geiibt. Mehrere der Quarzitbanke sind sehr konstant im ganzen Saalethal verbreitet. Besonders sind es zwei Biinke, mit welchen die obere Etage des Mittleren Roths beginnt und welche durch 1,00 bis 1,50 m griiaer Mergel getrennt werden. Die obere der beiden zerfallt in der Gegend von Grofilobichau in zwei durch Mergel ge- trennte Telle. Eine dritte Quarzitbank ist in etwas hoherem Niveau unter der ersten Terrasse in dem Gebiet von Drackendorf bis Jenalobnitz gut entwickelt, fehlt aber auch in dem siidlichen Gebiet nicht. Die Quarzite zwischen den beiden Terrassen sind weniger konstant und machtig entwickelt. Dafiir sind aber in diesenoi Niveau an mehreren Punkten Dolomitbanke eingelagert, welche interessante Petrefakten fiihren. Am ostlichen Abfall des Plateaus nordlich von GroClobichau finden wir 3 Banke, deren Beschaffenheit und Verbreitung wir jetzt besprechen wollen. Die untere Bank liegt etwa 2 m uber der ersten Terrasse. Sie ist 20 cm machtig und besteht aus einem grauen thonigen Dolomit mit vereinzelten Kiigelchen aus Malachit. Einzelne Lagen der Bank sind auf dem Querbruch poros und zerfressen, und wenn man diese Schichten spaltet, findet man die Flachen mit kleinen, V2 — 1 cm groCen Steinkernen eines Zweischalers iibersaet. Es sind das die Muscheln, welche Herr Wagner mit Myacites subundatus Schaur. vergleicht. Obwohl die Richtigkeit dieser Angabe in Frage gestellt werden konnte, so mag doch vorlaufig diese Bezeichnung fur den Zweischaler beibehalteu werden, da der 54 Dr. Siegfriedrassargc, ErhaltQDgszustand eine geuaue Bestimmung des Geuus nicht zu- IciCt. Ubrigeiis lasseu sicli der auBeren Form uacli melirere Specius unterscheideii. Nebeii dieseu Zweischalera koinmt auch Myophoria costata vcreinzelt vor. Was die horizontale Verbreitung dieser Bank betrifft, so scheint sie nur beschrilnkt zu sein. Am Dorlberg laCt sie sich nicht mehr nachweisen, ebeusowenig am Westabhang des Jenzigs ; dagegen ist sie bei Kunitz am Wege auf die Burg vorhauden und, soweit man aus der Zahl uud Grofie der Briichstiicke Schliisse Ziehen kann, sogar machtig eutwickelt. Die zweite Bank liegt bei Grolilobichau 1,50 m iiber der vorigeu. Sie ist etwa 12 cm machtig und besteht aus einem grauen, harten, dolomitischem Quarzit, welcher stellenweise poros ist und nur weuig Petrefakten enthalt. Undeutliche Zweischaler und Knochenreste sind nicht seiten ; ein kleiner Zahn mit 3 Leisteu von 7,5 mm Lange stammt aus dieser Bank, Am Dorlberg uud bei Jenalobnitz ist dieser Horizont gleicht'alls entwickelt, wahrend er sich am Jenzig und bei Kunitz, den westlichen Abhangen des Hufeisens, nicht mehr nachweisen liiBt. Die d r i 1 1 e Bank ist die wichtigste und interessanteste, Sie liegt bei GroBlobichau 2,60 m uber der vorigen und 2,50 m unter der zweiten Gypsterrasse, am Dorlberg sind die Abstande bedeutender. AuBerdem laCt sie sich am Jenzig in vereinzelten Bruchstiicken nachweisen. Sie besteht aus einem grauen Dolomit, welcher stellen- weise poros ist. Die porosen Lagen sind petrefaktenhaltig. GroCe und lange Abdriicke von Zweischalern — Gervillien oder Modioleu — sind haufig ; Gervillia costata und Myophoria cfr. ovata lassen sich sicher bestimmen. Auch Myoconchen unbekannter Art und die schon fruher beschriebenen Myacites-ahnlichen, kleiuen Muschelu sind nicht seiten, desgleichen Knochenstucke, wie Rippenfragmeute, I'erner Fischschuppen und Placodus-ahnliche Zahne. Was die Bank aber auszeichuet und interessant macht, ist das gemeinsame Vor- koranieu von Myophoria costata und vulgaris. Weun also das Untere uud Mittlere Roth als Zone der Myo- phoria costata dcm Oberen Roth als der Zone der Myophoria vul- garis gegeuiibergestellt worden ist, so ist die Trennuug beider Formen doch nicht so scharf durchzufiihren , vielmehr tritt die Muschelkalkmyophoria noch in das Gebiet der costata ein, wahrend letztere in unserm Gebiet noch nirgeuds iiber der zweiten Gypsterrasse, wo die vulgaris zu herrschen beginnt, aufget'unden worden ist. Bevor wir das Mittlere Roth verlasseu, will ich noch eine Bemerkung iiber die Ausbildung desselben im Westen des Saale- Das Roth im ostlioheu Thiiriugen. 55 thals bei B 1 a ii k e u h a i u uud im Nordcu an dor U n s t r u t lolgeu lasseii. In beideii Gcgeudeu liabe ich es nur bci eiunialigem Besucli kemien gelerut.- Bei Blauken h aiu ist das Uutere Riith nicht aufgeschlosseii, das Mittlerc besteht ausschliefilich aus roteii Mergeln mit zahlreicheu Quarzitbiiukeu, die, wie im Saalethal, iu griinen Mergelii liegeii. Die Gypsterrassen fehlen vollkomineu, uud Fasergyps ist nur spiirlich ausgeschieden, eine Grenze gegen das Obere Roth lalU sich uicht schaif ziehen. Im Uustrutthal, wo ich das Mittlere Roth bei Kirch- scheidungeu keniien Icrute, fiuden wir fast dieselbe Ausbildungs- weise, wie im Saalethal. Die roten Mergel sind stellenweise von Fasergypsbanderu netzartig, engmaschig durchflochten dcrart, daC die Mergel gegeu ihre soustige Gewohnheit in Wasserrissen fast senkrechte Waude bilden. Sehr schou kauu man hier oft den desoxydiercnden EinfluC des Gypses auf die Mergel beobachteu, welche den Gypsbandern eutlang hellgriin verfarbt sind. Speyer giebt in den Erlauterungen zu den Bliittern Freiburg, Bibra und Querfurt an, dafi sich in jeuem Gebiet drei Gypslager ver- folgen lieBen, Das unterste ist das Gypsfiotz iiber dem Mittlereu Buntsandstein , die beiden anderen dagegen liegen im Mittleren Roth und bestehen aus Gypsknollen in Gypsmergeln und sind genau so zusammengesetzt, wie die aualogen Terrassen im Saale- thal. Denn auch hier bilden die Knollengypse massige Terrassen. Ob die Terrassen an der Unstrut mit deneu im jenaischen Roth zusammenhjingeu, mufi dahingestellt bleiben. Jedenfalls bildet die obere hier wie dort die Grenze zwischen Oberem und Mittlereni Roth, und die Lage der untereu Terrasse paCt gleichfalls auf die Terrasse I bei Jena. Die Quarzitbanke gchen auch an der Unstrut nicht uber die obere Terrasse hinaus und sind hauptsiichlich unter der uuteren entwickelt. Das Obere Ro th. Das Obere Roth weicht in vieler Hinsicht von dem Mittleren ab und nahert sich dem Unteren Muschelkalk. Es uimmt eine Mittelstellung zwischen beiden ein. In seinem untereu Niveau gleicht es noch dem Mittleren Roth und besteht vorwiegend aus roten Mergeln mit Fasergyps-, Gypsschiefer- und Sandsteineinlage- rungen ; doch fehlen stets Quarzite mit hellgrunen Mergeln. Nach der Mitte zu nehmen die genannten Gesteine eine mehr grau- violette Farbung an, und Einlagerungen graugriiuer Mergel, welche im unlersten Niveau nur uubedeutend entwickelt sind, treten mehr 56 Dr. Siegfried Passarge, und mehr hervor und bilden in der oberen Halfte die Hauptmasse des Oberen Roths. Sie enthalten mehrere Dolomitbanke mit zahl- reichen Petrefakten. Violette Mergel, Sandsteine und Gypsschiefer treten aber auch in diesem hohen Niveau noch auf, und eine Gyps- schieferbank, die man ziemlich konstant findet, kann man als die oberste Grenze des Oberen Roths ansehen ; denn es folgen daruber graugrune Mergel, welche allmahlich kalkreicher werden und eine gelblichgraue Farbe annehmen. Je weiter nach oben, um so haufiger und machtiger werden die Einlagerungen von Kalkstein- banken. An manchen Punkten, wie namentlich in der Umgegend von Engerda, fehlt die oberste Gypsschieferbank, statt dessen findet man aber eine schmutzig-graugriine, mittelkornige, z. T. quarzitische Sandsteinbank ; die vielleicht ein Aquivalent der Gypsschiefer vor- stellt. Wo auch diese Sandsteinbank fehlt, laCt sich die Grenze gegen den Muschelkalk nicht scharf Ziehen. Was die Machtigkeit des Oberen Roths betrifft, so betragt die- selbe von der Terrasse II bis zu der obersten Gypsschieferbank, resp. Sandsteinbank im Durchschnitt 10 m. Nur ausnahmsweise geht sie auf 6,58 m herab, wie bei Engerda. Der in teressan teste Bestandteil des Oberen Roths sind seine Dolomitbanke, welche in die graugrunen Mergel eingelagert sind und die wir nun besprechen wollen. Gehen wir vom RotenBerg bei Goschwitz aus, wo die Banke am vollstandigsten entwickelt sind. Etwa 1,50 m uber der Gypsterrasse, welche das Mittlere Roth abschlieBt, liegt eine 10 cm machtige, graue Dolomitbank, welche Knochenstucke, Fischschuppen und Zahne enthalt. Wahrend sie nach Suden zu nicht weiter entwickelt zu sein scheint, ist sie an der Goschwitzer Fabrik und bei Drackendorf gut ausgebildet. An dem letzteren Punkt ist sie gypshaltig und zeigt auf den aus- gewitterten Flachen kleine Ktigelchen von etwa 0,5 mm Durch- messer; dazwischen liegen groCere, eckige Stuckchen zerbrochener Muschelschalen und kleine, 2 — 4 mm grofie Gastropoden mit steil gewundenem Gehause. Diese Ausbildungsweise erinnert an die Muschelbreccie des Unteren Roths. Am Hausberg, Jenzig und bei Kunitz, wo nur mangelhafte Aufschliisse bestehen, laCt sich der Dolomit nicht nachweisen, wohl aber ist er am Ostabhang des Plateaus bei GroBlobichau, am Dorlberg und bei Jenalobnitz vor- handen und enthalt kleine, glatte Zweischaler von Myacitesform. Die zweite Dolomitbank am Roten Berge liegt in einer Zone graugruner Mergel, welche selbst wiederum in violette Mergel eingelagert sind. Sie besteht aus grauem, thouigem Dolomit und Dae l\6th im ttstlichcn Thiiringen. 57 ist 10—15 cm machtig. Sie ist durch ihrcn Reichtuiu an Gastro- poden ausgezeichnet und diirfte daher passend als Gastro- podenbank bezel chnet werden. Die Gastropoden sind Turbonilla- ahnliche Formen rait steil gewundenem Gehause und erreichen 1—2 cm Hohe; auch kleine Natica-Arten kommen vor. In groCer Anzahl liegen neben den Gastropoden Zweischaler von Myacites- form, die jedoch groCer und flacher als die kleinen Muscheln des Mlttleren Roths sind. Sie werden 2—2,5 cm lang. Gegen die genannten Petrefakten treten die folgenden, Myophoria vul- garis, Modiola hirudin if ormis und Gervillia myti- loides, etwas zuruck. Kleine, bohnenformige Kiigelchen, welche iiber die Schichtflachen zerstreut sind, erinnern an E s t h e r i a. Was die Verbreitung dieses Horizontes betriift, so laCt sich die Dolomitbank nirgends welter nachweisen. Sogar an der Goschwitzer Fabrik scheint sie zu fehlen. Dagegen ist die Zone graugriiner Mergel, in welcheu die Bank liegt, nach Norden wie uach Siiden zu verfolgen. Bel Gumperda nordwestlich vom Dorf und am Kugelberg enthalten dieselben ein graues, braun geflecktes Dolomitbankchen, welches stellenweise wohl infolge der Resorption von Muschelschalen poros ist und Knochenstucke, Fischschuppen und undeutliche Zweischaler enthalt, tJber dieser Dolomitbank und den dazu gehorigen Mergeln folgt dann noch eine Zone violetter und dariiber wiederum grau- griiner Mergel, in welche eine petrefaktenreiche Dolomitbank einge- lagert ist, die petrefaktenreichste des Oberen Roths. Ihr Abstand von der Gastropodenbank betragt am Roten Berge bei Goschwitz etwa 2,80 m. Im WasserriB der Goschwitzer Fabrik gegenuber ist die Bank 50 cm stark, am Roten Berg ist ihre Machtigkeit nicht genau zu messen, diirfte aber geringer sein. Es ist ein barter, grauer bis gelblich-weiCer Dolomit, welcher von Versteine- rungen besonders Myophoria vulgaris massenhaft fiihrt und daher passend Vulgarisdolomit genannt werden kann. Da- neben finden sich iiberall folgende Petrefakten : Myophoria cfr. ovata Brdnn. Gervillia costata Quen. Modiola hirudiniformis v. Schaur. Monotis Albertii Goldf, Ostrea ostracina v. Schloth. sp. Myoconcha gastrochaena v. Dunk. sp. Myacites. Gastropoden. Zahlreiche Knochenfragmente. 58 Dr. Siegfried Passargc, Gervillia socialis ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen, des- gleichen fehlt jede Spur von Cephalopoden ; doch wiirde es keines- wegs auffallend sein, sollten noch Beneckeia Buchi-ahnliche Formen gefunden werden. Was die Verbreitung dieser Bank betrifft, so ist sie im Norden von Goschwitz iiberall vorhanden, erreicht sogar bei Grofilobichau die bedeutende Machtigkeit von 1 m, wahrend sie gewohnlich nur 20 cm stark ist. Bei Dornburg, wo das Roth unter den Colestinschichten fast an der Sohle des Saalethals ver- schwindet, ist die Bank typisch entwickelt und von Herrn Wagner in seiner Arbeit uber den Buntsandsteiu und Muschel- kalk bei Jena bereits beschrieben worden. Bei Zwatzen, am Eingang in das Rosenthal hat Herr Wagner aus dieser Bank eine reiche Sammlung von Saurierknochen zusammengebracht. Es sind wohlerhaltene Wirbel, Rippen und Schulterblatter, wahrschein- lich von Nothosaurus. Im Suden von Goschwitz laCt sich die Bank gleichfalls bei Mana, Gumperda, am Kugelberg nachweisen und erreicht siidwest- lich von Engerda eine bedeutende Machtigkeit von vielleicht 1 m, keilt sich aber nach Nordosten rasch aus, so daB sie nordostlich vom Dorfe fehlt. Weiter nach Osten za stellt sie sich wieder ein. Bei Rodelwitz ist sie bereits wieder entwickelt, und an dem ostlichen Auslaufer des Muschelkalkplateaus nach Orlamiinde zu hat sie wieder ihre typische Ausbildung und durchschnittliche Machtigkeit erreicht. In der Gegend von Blankenhain ist das Obere Roth, da keine Gypsterrassen entwickelt sind, nicht scharf von dem Mittleren zu trennen. Nordlich von dem Vorwerk Egendorf, im Osten von Blankenhain, sehen wir, daB nach oben in den roten Mergeln graugriine auftreten, in welchen wir eine Bank eingelagert finden. Dieselbe ist 30 cm stark und besteht unten aus graubraunen, fein- geschichteten Sandsteinbiinkchen, oben aus grauem, thonigem Dolomit. Sie enthalt Myophoria vulgaris und kleine Zweischaler. Daruber folgcn graugriine Mergel, in welche noch einmal rote eingelagert sind. 3,50 m iibcr der unteren Bank finden wir eine zweite Do- lomitbank, welche etwa 20 cm machtig ist. Sie besteht aus helleni, gelblichweiCem Dolomit, der in einzelnen Lagen infolge der Re- sorption von Muschelschalen locherig ist. Die hauptsachlichsten Petrefakten sind Myophoria vulgaris und andere Zweischaler, wie wir sie in der Vulgarisbank des Saalethals finden. Petrefaktenfiihrung, wie petrographische Beschaffenheit machen es sehr wahrscheinlich, daC diese Bank mit dem Vulgarisdolomit identisch ist. Wenige Centimeter unter diesem Dolomit findet sich ein etwa 5 cm starkes Das Eoth im dstlichon Thiiriiigen. 59 Doloinitbiinkchen , welches gleichfalls Myoplioria vulgaris fiihrt. Nach Westen hin scheint sich die obere Bank schiiell auszukeilcu; denn an der StraBc von Blankenhain nach Magdala fiudcn wir nur noch den unteren grauen Dolomit. Uber den Dolomiten folgen dann noch graugriine Mergel, in welche rote ungeschichtete Sand- steinbaukchen und graue bis violette quarzitische Biinkchen mit Wellenfurchen cingelagert sind, Mit diesen Sandsteinfurchen kann man das Obere Roth abschlieCen, denn es folgen forner nur noch graue Mergel, welche schuell kalkreicher werden, und in welchen bald die Kalksteinbanke der Colestinschichten auftreten. Ini wesentlichen stimrat also das Obere Roth bei Blankenhain mit dem im Saalcthal iiberein. Das Obere Roth bei Kirchscheidungen an der Un- strut beginnt liber der zweiten Gypsterrasse , welche, wie wir gesehen haben , ahnlich der im Saalethal entwickelt ist. Etwa 2 m iiber der Gypsterrasse liegt eine graue, harte, krystallinische Dolomitbank, welche Knochenstucke enthalt und etwa 10 cm stark ist. Dieser Dolomit erinnert seiner petrographischen Beschaffen- heit nach an die Bank, welche man in der gleichen Hohe bei Goschwitz u. a. 0. iiber der oberen Gypsterrasse findet, Bei Kirch- scheidungen sind iiber und unter der Bank noch Kuollengypse ausgeschieden. Dariiber folgen rote und graugriine Mergel, und etwa 4 m liber dem letzten Knollengyps liegt in grauen Mergeln eine Dolomitbank, die Myophoria vulgaris fiihrt und in petrogra- phischer Hinsicht der Vulgarisbank ahuelt. Doch ist die Bank, an dieser Stelle wenigstens, nicht so petrefaktenreich. Uber der Dolomitbank folgen dann noch graugriine Mergel, welche bald kalkreicher werden, Eine tjberschiittung mit Kalktriimmern hin- dert, die weitere Entwickelung zu verfolgen. Die Gesamtmachtig- keit des Oberen Roths ist in diesem AufschluC auf etwa 10 m zu schatzen. MuC es auch dahingestellt bleiben, ob die Dolomite des Oberen Roths bei Kirchscheidungen mit dencn im Saalethal in Zusammenhaug zu bringen sind, so zeigt doch der Charakter des Oberen Roths, als einer tJbergangsbildung zwischen Roth und Muschelkalk, ferner seine petrographische Zusammensetzung und die Fauna der Banke in beiden Gebieten groCe Ubereinstimmung. Die Colestinschichten, welche Schmid zum Muschel- kalk gestellt hat und ohne Zweifel ihrer Fauna nach auch zu dem- selben gehoren, bestehen, wie bekannt, aus grauen bis gelblicheu Kalkmergeln, in welche mehr oder weniger machtige Kalkbiinke, welche die Muschelkalkfauna behcrbcrgen, eiugelagert sind. Diese 60 Dr. Siegfried PasBarge, Zone ist nur sehr selten aufgeschlossen. Bei Dornburg, unterhalb der Schlosser, ist an der StraCe ein vorziiglicher AufschluB vor- handen. Hier sieht man noch den obersten Tell des Roths mit der Vulgarisbank auftauchen ; Gypsschiefer schlieCen das Roth ab, und daruber folgen graugrune, dann graue und gelblicbgraue Kalk- mergel, in welchen einige Meter hoher die Kalkbanke beginnen und die ganze Etage hinauf in groBer Zahl sich iibereinander- reihen. Ungemein scharf tritt tiber den grauen Mergeln und Kalk- banken plotzlich die gelbe, geschlossene Masse des Wellenkalkes ber- vor, welcher bei seiner groCeren Widerstandsfahigkeit gegen die Ver- witterung breit uber die leichter zerstorbaren Mergel der Colestin- schichten vorspringt. Jeder wiirde auf den ersten Blick die For- mationsgrenze hierhin verlegen und nicht zwischen Oberes Roth und Colestinschichten. Wir werden noch spater auf die Colestinschichten und ihr Verhaltnis zum Muschelkalk einerseits und andererseits zum Roth mehrfach zuruckkommen miissen, mit dessen unterster Stufe sie manche Ahnlichkeit aufweisen. Wer die Angaben Schmid's iiber das Roth im Saalethal in den Erlauterungen zur geologischen Spezialkarte mit der vorlie- genden Arbeit vergleicht, wird viele Abweichungen finden. So sagt z. B. ScHMiD von den Dolomiten des Unteren Roths (Blatt Jena, p. 7): „Diese Dolomite sind in der Umgebung Jenas nur in den unteren Roth-Mergeln als starkere Banke eingelagert, welche eine Fiille von organischen tJberresten, namentlich Rhizocorallium jenense und Myophoria costata, einschlieCen. Man bezeichnet sie deshalb wohl auch passend als Rhizocorallium- oder Myo- phoriendolomite. " Vom Kugelberg erwahnt er sogar „6 Rhizocoralliumdolomite", wahrend, wie wir gesehen, uberall nur eine vorhanden ist. Von Bockedra sagt Schmid (Blatt Cahla, p. 4): „zu unterst lagern an den meisten Stellen lichtgraue Letten und Mergel, denen bei Bockedra eine iiber 1 FuC (30 cm) starke Dolomitbank untergeordnet ist, reich an Versteinerungen, nament- lich groBen Gervillien (G. socialis nahestehend) und Roth-Myo- phorien (M. costata), aber ohne Schwamme (Rhizocorallium jenense), hierauf folgt bei Drackendorf, Bockedra, zwischen Altenberga und Greuda und sudlich Gumperda das Haupt - Gypsflotz." Diese Angaben beruhen auf einem Versehen ; denn an alien den genannten Punkten liegt der Gyps auf dem Buntsandstein, und der Dolomit von Bockedra liegt nicht unter dem Gyps, sondern daruber. Es ist die Tenuis bank, welche daselbst in genau Das Roth im ostliclien Thiiringeu. Gl derselbeu Ausbildung, wie am Hausberg entwickelt ist. Ganz ent- gegeu (lem Texte ist die Eiuzeichuung dcs Gypses auf der Karte bei DrackeDdorf uud Bockedra richtig, bei Altenberga uod am Kugelberg jedoch eutspreeheud dem Texte uurichtig. Am Kugel- berg zeichnet Schmid Gyps in hoherem Niveau ein mit der Be- merkung (Blatt Cahla, p. 5): „Die obersteu Rothmergel bieten am Abhange des Kugelbergs gegen Gumperda noch ein schwacbes, beschranktes Gypsiiotz dar, oder vielmehr ein Gypsmergelflotz, d. h. eine Wechsellagerung von Gypsschieler und Mergelschiefer." Dieses Gypsmergelflotz ist aber nichts anderes als die beiden Terrassen, welche sich uberall finden. Dieses als Beispiele der Abweichungen in den Angaben Schmidts und der vorliegenden Arbeit. Man konnte sie leicht noch vermehren. Es soil jetzt noch eine Ubersicht iiber das Both im iibrigen Thiiringen und in Hessen gegeben werden und an der Hand der Litteratur, welche im wesentlichen aus den Erlauterungen zur geologischen Spezialkarte Preuliens und der Thiiringischen Staaten besteht, versucht werden, dasselbe mit dem Roth im Saalethal zu vergleichen. Da ScHMiD auf den Sektionen des Saalethals keine Gliede- rung im Roth durchgefuhrt hat, so wird es gewifi nicht auf- fallen, wenn er von den benachbarten Sektionen, welche er kartiert hat und welche in der vorliegenden Arbeit nicht in das Bereich der Untersuchung gezogen sind, keine erkennbare Gliederung giebt, zumal auf jenen Blattern das Roth nur wenig aufgeschlossen zu sein scheint. Es sind dies die Sektionen Kranichfeld, Ost- hausen, Roda, Eisenberg, Camburg, Naumburg, Oster- feld, Eckartsberga, Buttstadt. Auf dem Blatte Saalfeld ist das Roth nach Zimmermann nur 38—45 m, ostlich sogar nur 28 m machtig und besteht der Hauptmasse nach aus bunten Mergeln und Letten von dunkelroter Oder grauer Farbe; untergeordnet sind Einlagerungen von Sand- stein, Dolomit und Gyps. So finden sich z. B. an zwei Punkten im untersten Roth griinlichgraue Sandsteinbanke mit Myophoria costata und in hoherem Niveau eine Einlagerung eines grauen kavernosen Dolomits mit Steinkernen von Myophoria costata. Hoch oben liegt im Roth ein Gypsflotz. Aus diesen Angaben lalit sich nichts entnehmen, was fur eine Gliederung, wie sie nur wenige Meilen nordlich vorhanden ist, sprache, und ich selbst habe leider jene Gegend nicht untersucht und kann daher nicht sagen, ob die angefuhrten Banke mit Ilorizonten aus dem Norden in Zusammen- 62 Dr. Siegfried Passarge, hang gebracht werdeu konnen. Seiner geringen Miiclitigkeit nacli zu urteilen, scheiut das Roth hier bereits sehr reduziert zu sein, auch sind Aufschlusse auf jener Sektion , wo oft das ganze Roth von Muschelkalktriimmern bedeckt ist, nur selten. Gehen wir nun zu den Sektionen iiber, welche Speyer kar- tiert hat, und welche von der Unstrut bis nach Eisleben und Wettin heraufgehen. Das Roth auf den siidlichsten Sektionen Freiberg, Bibra und Querfurt haben wir bereits kenneu gelernt und gesehen, daC es nicht nur in grofien Ziigen', sondern teilweise sogar im Detail mit dena bei Jena iibereinstimrat. Auf dem Blatt Schafstadt ist das Roth nur bei Ober- Clobicau im Kontakt mit dem Mittleren Buntsandstein aufge- schlosseu, und zwar 2,10 m griiner Mergel, die glimmerreich sind und lose Gypskrystalle enthalten. Dariiber folgt sogleich Tertiar und Diluvium. Hier ist also das Roth bis auf geringe Reste ab- radiert. Die friihere Anwesenheit von Rhizocoraliiumdolomit wird durch Findlinge desselben bewiesen. Bei Eichstedt liegen uuter dem Wellenkalk rote und graugriine Mergel. Bei Schraplau bildet das Roth eine schmale Umsiiumuug des Unteren Wellenkalks, die aus gUmmerreichen griinlichen und rotlichen Schieferletten besteht ohne jegliche Spur eingelagerten Gypses. Gegen den Mittleren Buntsandstein zu sind die „Myo- phoriendolomite" entwickelt. Bei Eisleben ist das Roth nur wenig aufgeschlossen und besteht im wesentlichen aus roten und grunlichen Letteu ohne eine Spur von Gyps. „Wohl aber sind die fiir die unteren Schichten charakteristischen Einlagerungen von Dolomitmergeln vorhanden, welche in 1—6 Zoll (0,03—0,16 m) starken, festen Biinken siidlich von der Kirche von Bosenburg, sowie am Wege, welcher westlich nach Kochenthal fiihrt, gut aufgeschlossen sind. Die Mergelbanke fiihren zahlreiche Steinkerne von Myophoria fallax, seltener Ger- villia socialis und polyodonta, sowie Turbo gregarius." Diese Schichten sind ohne Zweifel ein Aquivalent des Unteren Roths, denn Speyer selbst ideutifiziert sie mit den Myophoriendoloraiten der ostlichen Sektionen. Die Sektion Teutschenthal, welche v. Fritsch kartiert hat, schlieCt sich an die obigen Blatter an. Fritsch unterscheidet zwei Abteilungen im Roth, von denen die untere vorwiegend dolo- mitische und kalkige Gesteine, die obere ausschlieClich thonig- merglige Gebilde darbietet. Die Gesammtmachtigkeit des Roths betragt ca. 150 m. Die untere Abteilung, Stufe der Myo- Bas Koth ini ostlichen Thiirlngcu. 63 phorie 11(1 0 loin ite, ist etwa 3U m miichtig und besteht aus Dolomit- Oder Dolomitkalkbilukchen, welchc im Einzelnen 10 — 30 cm stark siud und mit weichen Mergelschichten wechsellagern. „Die im frischeu Zustaude aschgrau bis griiulichgrau gefiirbten Dolo- mite sind so eisenschiissig, daii sie bei beginneuder Verwitterung gelb bis briiimlich werden und so mit den weiiien und bunten Sandsteiueu im Liegenden einen schon von fern autfailenden Gegen- satz bilden. Zum groBten Teil sind die Dolomitbanke durch eine wiirfelahnliche Absonderung leicht kenntlich ; senkreclit zur Schicht- flache stehende Trennungsebenen , die selbst gegeneinander etwa rechtwinklig sind, bewirken diese Absonderung, welche bei der nur schwachen Verwitterbarkeit des Dolomites durch die Schiirfe der Ecken und Kanten autiallend bleibt. Die Dolomite sind in ein- zelnen Teilen der Masse kompakt, aber meistenteils mehr oder minder poros, und zwar namentlich durch Auslaugung der in grolier Menge vorhanden gewesenen Muschelschalen und Scbalentrummer. Rogensteingefiige wird an einzelnen Lagen beobachtet, auch zu- weileu schaumkalkartiges Aussehen, besonders gegen das Hangende der Abteilung hiu. Die Gesteine sind ubrigens fast immer etwas merghg, womit weniger stark als sonst bei Dolomiteu eine krystal- linische Beschaffenheit zusammenhangt." Diese petrographische Beschreibung paBt auch ausgezeichnet auf die Dolomite im Unteren Roth des Saalethals, besonders auf die Tenuisbank, und auch die Petrefaktenfiihrung letzterer ist die- selbe, wie die der Dolomite von Teutschenthal ; denn Fritsch fuhrt folgende Versteinerungen auf: Ganoidschuppen und Wirbeltierreste, Ammonites tenuis v. Seeb, Myoconcha cfr, gastrochaena Dunk. sp. Myophoria costata Zenk sp., am hiiufigsten. Gervillia mytiloides v. Schloth. sp. Gervillia cfr. socialis v. Schloth. sp. Myophoria cfr. elongata Geib. sp. Pecten cfr. Schmiederi Geib. Lingula tenuissima Bronn. Die Rhizocoralliumbank fehlt bei Teutschenthal und dam it Rhizocorallium jenense und Modiola triquetra. Ganz abweichend von dem Mittleren Roth im iibrigen Thiiringen ist die obere Abteilung Fritsch's , die Stufe der Mergel, Thone und Letten, ausgebildet. Die liir diese Schichtenreihe sonst so bezeichnende rote Farbe tritt in dieser Gegend ganz 64 Br. Siegfried Passarge, zuruck, und statt (lessen zeigen die Mergel blaulichgraue und blau- liche Farbentone, rote wurden nur einmal am Pfingstberg be- obachtet. Gyps kommt nur in einzelnen Krystallen und Krystall- aggregaten vor. Fritsch bezeichnet die blaugrauen Mergel als Oberes Roth. Der Muscbelkalk beginnt nach ihm mit Mergel- schiefern mit Muschelbanken an der Rothgrenze. Es ist dieses ein Schichtenkomplex, welcher aus graublauen Thonen mit eingelagerten Kalksteinbanken besteht. Die Kalksteinbanke sind blaulich - rauchgrau gefarbt, 5—10 cm stark und enthalten zahlreiche Petrefakten auf den Schichtflachen ; Kruppelformen von Myophoria vulgaris und cardissoides sind sehr haufig, ferner Pecten discites und Albertii; Modiola hirudiuiformis ist nur an einzelnen Punkten gefunden. Natica gregaria bildet bisweilen ganze Banke, desgleichen kleine Gervillien. Selten kommen der Ammonites Wo- gauanus Meyer und Wirbeltierreste vor. Die untersten Banke sind dolomitisch oder reine Dolomite. Fritsch giebt als Machtig- keit fur die Mergelschiefer mit Muschelbanken an der Rothgrenze 20 m an und identifiziert sie mit den C o 1 e s t i n - schichten Schmid's. Gewifi ist das richtig, doch dtirfte der unterste Teil dieser Schichten, welche dolomitisch sind oder gar Dolo- mite enthalten, dem Oberen Roth beiJena entsprechen. tJber den Mergelschieferu mit Muschelbanken folgt typischer Wellenkalk. An die Sektion Teutschenthal schlieCt sich nordlich das Blatt Wettin an. Speyer, welcher dasselbe kartiert hat, giebt an, daB auch hier die untersten Schichten des Roths, welche iiber dem Mittleren Buntsandstein folgen, vorherrschend aus hellen Kalk- steinbanken mit weifilichen Mergelschieferu bestehen. Die Machtig- keit der Kalkbanke schwankt zwischen 0,31—0,94 m. Von Petre- fakten fuhren sie Myophoria costata, Gervillia socialis. Turbo gregarius. An einzelnen Punkten kommen auch sandige Dolomite vor. Diese Zone entspricht den Myophoriendolomiten Teutschenthals, also dem Unteren Roth. Die oberen Rothschichten werden aus roten , grunen , versteinerungsfreien Mergelschieferu, welche als Basis des Muschelkalkes zu Tage treten, gebildet. Im SO. des Blattes sind die Mergelschiefer mit Muschelbanken und daruber der Wellenkalk entwickelt. Auf dem Blatt Petersberg laCt sich im Roth gleichfalls eine untere Abteilung, die „Zone der Kalksteinlagen mit Myophoria fallax" ausscheiden, welche helle Kalkstein- banke mit den bekannten Rothpetrefakten zwischen weifilichen Mergelschieferu fiihrt. Daruber folgt die Zone der Mergel- T)as Roth ini oRlliclien Thiiringen. (15 schiefer, welche fast aiisschlielilich die obereii, petrefakteiifreien Schichten bilden, mid in deiien sich Knollen eines griinlichgraueu Kalksteines luit houiggelben Kalkspatliadern finden. IjAspevres sagt, dali diese Abteilung von dem Roth in Thiiringen durch seine Farbe und Gesteinsbeschatfenheit abweiche. Woriu der Unter- schied bestehe, sagt er nicht ; wahrscheinlich sind aber die Mergel wie bei Teutschenthal grau statt rot gefarbt. Uber dem R(>th folgen auch hier die Mergelschiefer mit Muschelbiinken , welche dem Oberen Roth und den Colestinschichten des jenaischen Roths entsprechen. Fassen wir kurz die obigen Ausfuhrungen zusammen, so er- giebt sich folgendes Resultat. Bis in die Gegend von Halle und Eisleben laCt sich das Roth in 3 Abteilungen zerlegen, welche dem Unteren, Mittleren und Oberen Roth entsprechen. Das Untere Roth ist in der Gegend von Halle ganz besonders gut entwickelt. Inwieweit die Horizonte des jenaischen Roths sich auch dort nach- weisen lassen, muC weiteren Untersuchungen iiberlassen bleiben. Im Mittleren Roth ergiebt sich ein betrachtlicher Unterschied auf den Sektionen Teutschenthal und Petersberg, wo dasselbe in blau- grauen Mergeln entwickelt ist. Das Obere Roth wird auf den- selben Sektionen, wie auf Wettin, zura Muschelkalk gerechnet und bildet den untersten Teil der „Mergelschiefer mit Muschelbanken an der Rothgrenze". Der obere Teil dieser Stufe entspricht den Colestinschichten. Es ware sehr interessant, zu wissen, in welchem Verhaltnis die blaugrauen Mergel des Mittleren Roths zu den roten stehen, wie die Ubergangszone beschaffen ist, ob beide Mergelarten in- einander iibergehen oder sich gegenseitig auskeilen. Bei dem raumlich nahen Vorkommen beider ist der Gedanke, daC beide Mergel- arten in verschiedenen Becken abgelagert sind, wohl auszuschlieCen. Kurz erwahnt sei hier noch die bekannte Thatsache, daC das Roth bei Rudersdorf wie in Thuringen im wesentlichen aus roten und grauen Mergeln, Gypsen und Dolomiten mit den be- kannten Rothpetrefakten besteht. Eine Gliederung desselben ist nicht mit Sicherheit zu geben, indes ist es bemerkenswert, dal5 zu unterst Gypse und blaue Mergel, im oberen Teile rote und grune dolomitische Mergel, griinlichgraue merglige Kalksteine und gelbe merglige Dolomite liegen sollen . Es besitzt eine Gesammtmachtig- keit von 142,27 m (Erlauterungen zum Blatt Rudersdorf, S. 5 u. 6). Wir kommen nun zu der Beschreibung des Roths im thii- ringischen Becken am siidlichen Harzrand. bd. XXVI. N. F. XIX. 5 Go t)r. Siegfried Passai^ge, Auf den Sektionen Wiehe und Schillingstedt, im Gebiet der Finne und Schmticke besteht das Roth nach Dames und Kaysee aus „roten, blaulichen und griinen Letten mit Einlage- rungen von dolomitischen und quarzitischen Schichten", Angaben, welche weder fur noch gegen eine Gliederung analog der im Saale- thal sprechen. Auf dem Blatte Frankenhausen, das Beyrich, Moesta und SchlOter aufgenommen haben, ist das Roth ein „Yorwiegend thonig-mergliges Gebilde von etwa 150 Fufi Machtigkeit" (47,08 m). Dasselbe bietet nur wenig Aufschlusse dar. Von drei Gypslagern an der Westgrenze des Blattes liegt das unterste machtigste auf dem Chirotheriumsandstein, die beiden anderen in etwa Vs und 2/3 der Hohe des Roths. Zwischen diesen beiden findet sich ein Dolomit, der an Myophoria costata reich ist und auch groCe Gervillien und Lingula fuhrt. Obwohl Rhizocorallium fehlt, wird er doch als Myophorien- oder Rhizocoralliumdolomit bezeichnet. Die Fuhrung grofier Gervillien spricht indessen mehr fur Dolomit aus der Nahe der Tenuisbank. Auffallend ist die Stellung in der Mitte der Ablagerung. Demnach scheint das Mittlere Roth schwach entwickelt zu sein. Dasselbe enthalt dunne Quarzitbanke. Das Grenzgebiet gegen den Muschelkalk ist bewaldet und nirgends aufgeschlossen. Das welter westlich gelegene Gebiet am sudlichen Harzrand, welches die Sektionen Sondershausen, Immenrode, Blei- ch erode und Hayn umfaCt, ist von Eck kartiert worden. Eck unterscheidet in dem ganzen Gebiet zwei Abteilungen im Roth, eine untere gypsfuhrende und eine obere gypsfreie. In den Erlauterungen zum Blatt Bleicherode giebt Eck ein ausfuhr- liches Profil der unteren, 150—175 FuB machtigen Ablagerung. Dieselbe beginnt uber dem weifien Grenzsand stein entweder mit gelblichgrauem, zelligem Kalkstein oder mit grunen Mergeln (2 FuC) Oder mit Gyps. Dariiber liegt eine Aufeinanderfolge von grunen Mergeln und Gypslagern. Uber dem 4. Gypslager liegen 10 FuC unten roter, oben gruner Mergel und daruber eine bis 3 FuC machtige graue, teils sandige, teils oolithische Bank, welche uberall Myophoria costata, Myoconcha Roemeri u. a. enthalt. Sie wird trotz des Fehlens von Rhizocorallium jenense Rhizocoralliumdolomit genannt. Doch spricht das Vorkommen von Myoconcha Roemeri dagegen, da diese Muschel im Rhizocoralliumdolomit des Saale- thals fehlt. Daruber folgen dann noch blaue und rote Mergel, die weifie Quarzite und Steinsalzpseudomorphoseu und ein Gyps" t)a8 Roth im ostliohcu Thiiriogeu, 6t lager einschlieiieii. Die Machtigkeit des Roths bis zu dem sog. Rhizocoralliumdolomit wird auf 23,54 m (75 Kufi) angegeben (Er- lauterungeu, Hlatt Sondershausen, S. 5), ttber deiieii dann noch 31,385 ni folgeii, die noch der untcren Abteilung angehoren. Die obere gypsfreie Abteilung besteht aus ca. 100 FuC raach- tigen, roten und grtinen Mergeln, welche meist bis zura Muschel- kalk hiuauf bewaldet sind. Die griinen Mergel mit den Gypslagern bis zum Doloniit diirften dem Unteren Roth angehoren. Bemerkens- wert ist die machtige Entwickelung der Gypslager in demselben. Eine scharfe Grenze gegen das Mittlere Roth laCt sich nach dera augegebenen Profil uicht ziehen, dtirfte aber bald iiber dem Dolorait liegen, da die weiCen Quarzitbanke mit Steinsalzpseudomorphosen wohl bereits zum Mittlereu Roth gehoren. Dieses wtirde aber auch die obere gypsfreie Abteilung umfassen. Im Oberen Roth scheinen Aufschliisse wegen der Bewaldung zu fehlen. Ahnliche Profile, wie von Bleicherode, fuhrt Eck auch von Sondershausen und Hayn auf, wahrend bei Immenrode Dolomite, Kalke und Gypse nicht zu Tage treten, aber doch ent- wickelt sein diirften. Auf dem Blatt Sondershausen liegt die sogenannte Rhizocoralliumbank in etwas tieferem Niveau als im Westen bei Hagen und Bleicherode, namlich 50 Fufi (15,69 m) iiber der unteren Rothgrenze, wahrend der obere Teil der unteren, gypsfiihrenden Abteilung 150 Fufi (47,08 m) Machtigkeit erreicht Die obere gypsfreie Abteilung besteht hier ebenfalls aus roten und griinen Mergeln und ist meist bewaldet; daher ist die Grenze gegen den Muschelkalk nirgends aufgeschlossen. An das Blatt Bleicherode schlieCen sich westlich die von V. Seebach aufgenommenen Sektionen Worbis, Nieder-Orschla und Gerode an. Das Roth erlangt auf dem Blatt Worbis eine Machtigkeit von 250 FuC und besteht aus Thonen, die unten leber- gelb gefarbt sind, nach oben rotbraun mit blaulichgrauen Zwischen- lagen. Ungefahr in der Mitte der ganzen Abteilung findet sich eine P/g — 4 FuB machtige Schicht eines hellgrauen, etwas sandigen, dolomitischen Kalkes von poroser bis zelliger Struktur, der in wiirflige Stiicke zerfallt. Er fiihrt Rhizocor allium jenense, Modiola triquetra und Myophoria fallax. Etwa 6 FuC dartiber liegt eine V2— 1 FuC machtige Bank eines dunkelrot- braunen, glimmerreichen Sandsteins. Hoher liegen Quarzite mit Steinsalzpseudomorphosen. Unter dem Rhizocoralliumdolomit liegen 2—3 Gypslager, ein viertes dariiber nahe der oberen Grenze des Roths. Erstere sind massig entwickelt, parallel der Schichtung 68 t)r. Siegfried Passarge, gestreift, letzteres ist spahig und enthiilt viel Fasergyps. Fast gleich lautet die Beschreibung des Roths vou den Blattern N i e d e r - Orschla und G erode. Zura ersten Male finden wir im Westen sicher Rhizo- coralliumdolomit, und zwar in in der Mitte der ganzen Abteilung, etwa 125 FuC Uber der unteren Grenze des Roths. Leider giebt v. Seebach nicht an, ob er sich schon in roten oder noch in grauen, resp. lebergelben Mergeln findet. Ferner ist die Frage wichtig, ob der Dolomit auf der benachbarten Sektion B lei c he- rode, welchen Eck Rhizocoralliumdolomit nennt, ein Aquivaient des wirklichen Rhizocoralliumdolomits bei Worbis ist. Dagegen spricht sowohl die Niveauverschiedenheit, 125 FuC gegen 75 Fuli, als auch die Petrefaktenfiihrung. Die Rhizocoralliumbank Seebach's enthalt dieselben Petrefakten — Rhizocorallium jenense und Mo- diola triquetra — wie die im Saalethal, wahrend Eck's Dolomit nicht nur keines derselben fiihrt, sondern auch in der Myoconcha Roemeri ein Fossil besitzt, das bis jetzt im Unteren Roth stets nur in den Dolomiten unter der Rhizocoralliumbank gefunden worden ist. Fassen wir die obigen Ausfuhrungen iiber das Roth am sud- lichen Harzrand zusaramen, so sehen wir, daC das Untere Roth sehr machtige Gypslager, aber wenig entwickelte Dolomit- banke besitzt, welche auCer der Rhizocoralliumbank von Worbis, Nieder - Orschla und Gerode nicht bestimmten Banken aus dem Saalethal gegeniibergestellt werden konnen. In den Erlauterungeu zum Blatt Wettin sagt Spetee: „Die Entwickelung der Roth- dolomite gestaltet sich auBerhalb unseres Gebietes nach Westen hin anders. Schon auf dem anstofienden Blatte Eisleben nimmt ihre Machtigkeit ab, und noch weiter nach Westen bilden sie — Worbis, Immenrode, Nieder -Orschla — etwa in der Mitte der ganzen Roth abteilung nur geringmachtige Einlagerungen eines hellgrauen, etwas sandigen dolomitischen Kalkes von poroser bis zelliger Struktur." Das Hinaufriicken des Dolomites in die Mitte des Roths ist nur scheinbar, da die absolute Machtigkeit des Unteren Roths im wesentlichen die gleiche bleibt. Die Hohe des Rhizocoralliumdolomits iiber dem Buntsandstein ist bei Worbis nicht viel groCer als am Hausberg bei Jena (ca. 125 : 115 FuB) und die Machtigkeit des Unteren Roths yon Sondershausen bis Bleicherode ist sogar geringer als die der Myophoriendolomite bei Teutschenthal. Wohl aber nimmt die Entwickelung der Dolomite nach Westen hin ab, wahrend an ihrer Das Roth im dstlicheu Thiiringen. 69 Stelle unten sich Gypslager eiiischiebcii. Es muB also das Mittlere Roth an Machtigkcit iiach Weston hiu abuelimen. Die Grenze zwischen dem Unteren uud Mittleren Roth ist nicht scharf zu ziehen. Letzteres ist im wesentlichen so wie im Saale- thal entwickelt, als rote Mergel mit Quaiziten und mehr oder weniger Gypsen, scheint aber von geringercr Milchtigkeit zu sem. Das Obere Roth laCt sich — wahischeinlich nnr der mangeln- deu Aufschliisse unter der Waldbedeckung wegen — nirgends aus- scheiden. Im Siiden des Thiiringer Waldes findeu wir in Meiniugen das Roth ausgezeichnet entwickelt. Leidcr sind die Herrn Pkoesgholdt und Frantzen, welche jenes Gebiet aufgeuommen haben, iiber manche Punkte, so uamentlich beziiglich der Grenze zwischen Roth und Chirotheriumsandsteiu, noch uneinig, so dafi man beim Ver- gleichen des meiningischen mit dem jenaischen Roth vielfach auf unsicherem Boden steht, Wir wollen zuerst die Gliederuug, welche Frantzen angiebt, besprechen und von dem Profil bei W a s u n g e n ausgehen. Er unterscheidet daselbst zwei Abteilungen, eine untere thonigc und eine obere kalkreichere [= Schichten der Modiola hi rudinifor mis ^]. Von der unteren Abteiluug giebt er folgendes Profil: 1. Obere rote Thone (wenig aufgeschlossen) 23,8 m 2. Obere hellfarbige Mergelbank mit quarzitischem Sandstein 0,7 „ 3. Rote Thonschichten 9,3 „ 4. Untere lichte Mergelbank mit quarzitischem Sand- stein (Chirotheriumsandstein des Maingebietes) 1,3 „ 5. Vorwiegend rot gefarbte Thonschichten 8,9 „ 6. Bunte Thone 19,1 „ 7. Lichtgraue Thone (wenig aufgeschlossen) an- nahernd 12,6 „ 75,7 m „Er beginnt iiberall mit glimmerigen Schieferletten und merg- ligen Thonen von lichtgrauer Farbe, Dariiber folgen vorwiegend 1) Fbantzen und Bucking nennen die Muschel Modiola hirun- diniformis, v. Fkitsch und andere dagegen hirudiniformis. Letztere Bezeichnung diirfte vorzuziehen sein, da die Muschel wohl mit dem Blutegel — hirudo — und nicht mit der Schwalbe — hirundo — ver- glichen woiden ist. 70 Dr. Siegfried Passarge, rot gefarbte Thone, welche mit mehr oder weniger zahlreichen Lagen von lichtgrtinlicher Fiirbuiig wechseln." (Erlauterungen, Blatt Wasungen, S. 14.) Gyps ist iiur an einer Stelle in den obersten Thoneu gefunden worden, Steinsalzpseudomorphosen kom- men vor, doch wird keiu bestimmtes Niveau angegeben. Von Petrefakten kommt nur Myophoria costata und auch diese nicht haufig vor. Es ist gewiC gerechtfertigt , die grauen Thone den graugriinen Mergeln des Untereu Roths ira Saalethal gegeniiber- zustellen. Die bunteu Thone uehmeu eine Mittelstellung ein, wahrend die roten dem Mittleren Roth entsprechen. Von den unter 2. und 4. aufgefuhrten Schichten sagt Fkantzen (Ubersicht iiber die geologischen Verhaltnisse bei Meiningen, S. XIII): „Uber den bunten Thonen folgt als dritter Teil eine Ablage- rung, welche fast nur aus roten Thonen zusammengesetzt ist. Sie enthalt wenige diinne quarzitische Bankchen von Sandstein, unter denen zwei starkere Banke , eingeschlossen von hellgrunlichem, kalkhaltigem Thone, eine groCere Verbreitung zu besitzen scheinen. Wegen ihrer hellen Farbung fallen sie in dem sonst dunkelroten Gestein iiberall in die Augeu. Sie sind oft stark kalkhaltig und brausen daher in Sauren. Die erwahnten Bankchen scheinen den Rhizocoralliumbanken anderer Gegenden identisch zu sein." Diese Beschreibung paCt so vorziiglich auf die Quarzite und ihre grunen Mergel, wie sie aus dem Mittleren Roth des Saale- thals beschrieben worden sind, daC man mit Sicherheit sagen kann, daC beide analoge Bildungen sind. Auch die Machtigkeit der Quarzitbanke selbst, 0,06 und 0,21 m, wie sie auf Seite XIV von Wasungen angegeben wird, ist etwa so grofi wie die durchschnitt- liche Starke der Banke bei Jena. Mit der Rhizocoralliumbank haben sie jedenfalls nichts zu thun. Auf dem Blatt Meiningen ist das Untere Roth ahnlich wie bei Wasungen ausgebildet. Die lichtgrauen Thone sind aber nur uoch 5 m machtig und enthalten bei Siilzfeld und Herpf Sandsteinschichten, die 0,40—2,70 m machtig sind und die Reste des sich auskeilenden Voltziensandsteins vorstellen sollen. An der Westgrenze des Blattes wurde in grauen Thonen ein 10 Fufi machtiges Gypslager erbohrt. Uber den grauen Thonen folgen wiederum bunte und dann rote Thone. So weit die Darstellung Frantzen's. In seiner Arbeit „U ber die Gliederung des Buntsandsteins am Westrand des ThuringerW aides (Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft 1887)greift nun Proescholdt die Darstellung Frantzen's Das Roth im ostlicheu Thiiriugeu. 71 an, das Roth beginne bei Moiuingen nicht mit hellfarbigen Thonen, sonderu mit glimmerreichen, diinnplattigcu uud quarzitischen Sand- steinen ; das von Frantzen von Herpf gegebenc Profil sei falsch, und er fiihrt ein solches vou derselbcu Stelle an, in welcheni er unter anderem 3 — 4 m blauer und grauer Letten mit diinuen Sandsteinbiinkcheu zum Chirotheriumsandstein stellt, das Roth aber mit „plattigen Sandsteinen, rot, glimmcrreich, zuvveilen heller, mit Zwischenlagcu von rotem Thon, ca. 2 m machtig, darin Myo- phoria costata" beginnen lafit. Dariiber folgen rote Thone, Quar- zite u. s. w. Proescholdt giebt folgende Darstellung von dem Grenzge- biet zwischen dem Mittleren Buutsandstein und dem Roth. Uber dem Chirotheriumsandstein, der bei Sonueberg und Neustadt a. d. H, bis 50 m machtig ist und von Siiden nach Norden an Machtigkeit abnimmt, folgt eine Reihe von grauen und gelben Letten und Thonen, die uach Norden hin mehr und mehr ver- schwindet und durch dolomitisch - kalkige Schichten verdrangt wird. „Bei Harras schlieCt sie uoch eine Sandsteinlage ein, die dem Chirotheriumsandstein vollkommen gleich ist, und darin liegt der Grund, weshalb die Lettenschichten noch dem mittleren Sand- stein, nicht dem Roth zugerechnet werden miissen. Denn die blauen, grauen und gelben Letten gehOren ihrer Natur nach ent- schieden zusammen; es ware durchaus willkiirlich, eine Teilung derselben vorzunehmen." Den Gyps, der bei RoCdorf direkt iiber dem Chirotherium- sandstein liegt, halt Proescholdt fiir ein Equivalent der ge- nannten gelben und grauen Letten und auch fiir ein Aquivalent des Gypses bei Jena. Dennoch will er beide zum Mittleren Buut- sandstein stellen. Wo die Gypse fehlen und durch graue Letten und Thone mit sandigen Dolomiten vertreten sind, ist die Grenze gegen das Roth scharf, so bei Meiningen, wo der Mittlere Bunt- sandstein meist mit Dolomitbankchen schlieCt, die entweder fiir sich Oder in Gesellschaft grauer Letten auftreten. Das Roth selbst beginnt mit roten Sandsteinen und Thonen iiber den Letten und Dolomiten des Chirotheriumsandsteins und enthalt nur vereinzelt graue Schichten. Der wesentlichste Unterschied in den Angaben Frantzen's und Proescholdt's besteht darin, dafi letzterer in den grauen Letten Dolomite und Sandsteine auffiihrt und dieselben wegen einer solchen Sandsteinbank zum Chirotheriumsandstein stellt. Frantzen dagegen, der von Dolomiten gar nichts erwahnt, halt 72 Dr. Siegfried Passarge, die Sandsteine fiir sich auskeilendeu Voltzieusaudstein und stellt die Schichten zum Roth. Selbst wenu man mit Proescholdt die Sandsteine fiir Chirotheriumsandsteiu halt, so folgt daraus noch lange nicht, daB man nun auch die ganze Abteilung zum Chiro- theriumsandstein stellen muB. Das Vorkommen eines solchen Sandsteins in den Mergelu erklart sich sehr einfach durch eine voriibergehende negative Strandverschiebung. Soweit man aber aus den Angaben sich ein Urteil bilden kann, liegen die Verhalt- nisse vielleicht folgenderraafien : Bei Wasungen sind die grauen Letten 12 m machtig, bei Meiningen nur noch 5 m, in den Profilen, welche Proescholdt von Harras, Weitersroda u, s. w. anfiihrt, 2—4 m machtig. Sie nehmen also von Norden nach Siiden an Machtigkeit ab. Der Chirotheriumsandstein ist umgekehrt im Siiden sehr entwickelt, gegen 50 m bei Souneberg und Neustadt, und sinkt nach Norden hin rasch auf wenige Meter Machtigkeit herab. Die roten glim- merreichen Sandsteine und Thone aber, welche im Norden iiber den grauen Letten folgen, liegen im Siiden direkt auf dem Chiro- theriumsandstein. LoRETZ, welcher die Sektionen jener Gegend, Eisfeld, Steinheid, Meeder, Neustadt, kartiert hat, sagt Folgendes ; „Der unterste Teil des Roths ist noch ziemlich sandiger Natur Die Grenze zum Liegenden, d. i. zum Bau- oder Chirotheriumsand- stein ist, zwar nicht scharf, doch giebt das Eintreten der diinnen Schichtung und der lebhaften roten Farbung, womit auch die petrographische Beschaffenheit sich etwas andert, ein geniigendes Anhalten ; es stellen sich weiter unten noch nicht vorkommende diinnplattige , zum Teil etwas quarzige rote Sandsteinbankchen ein, durch welche hartere Lagen nicht selten an der Basis des Roths eine Bodenschwelle verursacht wird." Demnach scheint der 50 m machtige Chirotheriumsandstein von Sonneberg und Neustadt ein Equivalent des weiter nordlich in der Gegend von Meiningen wenige Meter machtigen Chiro- theriumsandsteins plus der grauen Letten, Sandsteine und Dolo- mite zu sein, wahrend sich iiber beide das Mittlere Roth mit seinenglimmerreichen, diinnplattigen roten Sandsteinen und Schiefer- thonen zieht. Diese Verhaltnisse machen es wahrscheinlich, dafi in der Gegend von Sonneberg der Strand sich befand, dessen weiterer Verlauf allerdings aus den bisherigen Untersuchungen nicht zu erkennen ist. Das Eoth im ostlicheu Thiiringen. 73 Bevor wir das Untere und Mittlere Roth abschlicrsen, sei noch erwahnt,daCPROESCHOLnT die diinnplattij^en, glininierrcicheii, rotcii Sandsteine, mit denen er das Roth beginnen liiBt, mit dem Sau- riersan dstein bei Jena identifiziert, weil beide das Ilauptlager der Myophoria costata vorstellen solleu, wahrcnd sio doch nach der gegebenen Darstellung zum Mittleren Roth zu stellen sind. Ferncr ist folgende Netiz sehr bemerkenswert : Im mittleren oberen Drittel des Roths sollen 2 Sandsteinbanke von anffallend weiBer Farbe vorkommen, die Frantzen bei Herpf iibersehen haben soil — sollten es nicht die beiden Quarzitbanke sein? — . Sie sind meist wenig machtig, doch betragt die unterste am Laudsberg IV2 ™- iiDie obere Bank ist das zweite Hauptlager von Myo- phorien , neben denen am Landsberg Rhizocorallium jenense ge- funden wurde." Es ware iuteressant, wenn dieses Fossil wirklich in so hohem Niveau vorkame. Allein ist es auch das Petrefakt mit der bekannten Struktur und sind es nicht etwa bloCe Wiilste, die ebenso gut Kriechspuren sein konnten? So hat man Reliefs aus den obersten Schichten des Mittleren Buntsandsteins fiir Rhizocorallium gehalten, wahrend sie mehr Algen glcichen. (Bor- NEMANN, 1. c. S. 51, Z. 6 V. u.) : Die obere Abteilung, in welche Frantzen das meiningische Roth gliedert, besteht aus den Schichten der Modiola hiru- din i fo r m i s. Von dem Blatt Meiningen giebt Frantzen folgendes Profil (von oben nach unten) Gelbe Kalkbank 0,5—1,5 m Hellfarbige Mergel 3,0—4,0 „ Rothe Thone mit Geoden und grauem Zellenkalk 3,0 — 5,0 „ Lichte Mergel 3,0 „ Graue Mergel mit festen Kalkplatten .... 6,0 — 10,0 „ Unter diesen Schichten liegen die roten Thone des Mittleren Roths. Die Kalkbanke des Oberen Roths enthalten folgende Pe- trefakten : Modiola hirudiniformis, Pecten Albertii, Pecten discites, Pecten tenuistriatus, Placunopsis gracilis, Placunopsis plana, Placunopsis obliqua, Mytilus vetustus, Gervillia socialis, Myophoria vulgaris, Myophoria laevigata, Lingula tenuissima, Natica Gaillardoti, Tur- ritella obsoleta. Ammonites Buchi. Im Siiden und Osten von Meiningen, auf den Sektionen Eis- feld, Steinheid, Neustadt und Meeder ist das Obere Roth ebenso wie bei Meiningen selbst entwickelt. Die Modiola- banke werden aber wegen ihres Reich lums an Myophoria vulgaris 74 Dr. Siegfried Passarge, von LoRETZ unter dem Nanien Myophorienbanke aufgefiihrt. Den AbschluB des Roths bildet hier wie dort eine gelbe Kalk- bank. Im Norden bei Wasungen sind die Modiolabanke bis auf eine diinne Bank zusamraengeschrumpft, die aber dieselben Petre- fakten wie bei Meiningen in reicbster Fulle enthalt. Die Mergel iind die gelbe Kalkbank sind wie bei Meiningen ausgebildet. tJber den Modiolaschichten folgt in dem ganzen Gebiet der Wellenkalk. Petrographisch wie palaeontologisch stellen die Schichten der Modiola hirudiniformis eine tJbergangsbildung zum Muschelkalk vor. Der petrographische Habitus, welcber durch wechsellagernde rote und graue Mergel, letztere mit petrefaktenreichen Banken, charakterisiert wird, stimmt ausgezeichnet nnit dem des Oberen Roths bei Jena uberein, die Fauna dagegen enthalt Formen, welche wie Beneckeia Buchi, Gervillia socialis und die Pectenarten den Coelestinschichten des Muschelkalks bei Jena eigen sind. Bei diesen Verhaltnissen hat Frantzen die Modiolaschichten Meiningens mit den Coelestinschichten parallelisiert. Aus der obigen Darstellung geht aber mit Sicherheit hervor, daC sie nicht nur ein Aquivalent jener sind , sondern auch des Oberen Roths und zugleich auch der Mergelschiefer mitMuschelbanken an der Rothgrenzein der Umgegend von Halle. Es ist ge- wiB bemerkenswert, wie der Charakter dieser Schichtenreihe sich von Norden nach Siiden andert, Bei Halle haben dieselben durchweg Muschelkalkcharakter und werden daher zum Muschel- kalk gerechnet, bei Jena ist der untere Teil derselben eine tJber- gangsbildung zwischen den roten Mergeln und Gypsen des Roths und den Kalkmergeln und Kalksteinbanken der Colestin schichten, mit einer Fauna, welche die des Muschelkalks ist, aber noch nicht alle Formen, besonders keine pelagischen Tiere, wie Cephalopoden, besitzt. In Meiningen besitzt die ganze Ablagerung Roth- charakter, insofern als dieselbe im wesentlichen aus verschieden- farbigen Roththonen gebildet wird. Auch die gelbe Kalkbank, die Grenzschicht gegen den Wellenkalk, wird fiir echtes Rothgestein erklart und die eingelagerten Kalkbanke werden im Norden und Westen durch graue Letten vertreten. Im Stiden hat also das Rothmeer seinen Charakter am langsten bewahrt und es macht den Eindruck, als sei das Muschelkalkmeer von Norden einge- drungen. Bemerkenswert ist der Umstand, daC das Obere Roth in Meiningen wie bei Jena die fiir das Rothmeer im allgemeinen charakteristische Myophoria costata nicht mehr enthalt, Nur bei Dad Roth im ostlichen Thiiringen. 75 W iir zbii ifj; fiihit eiiie diinne iniirbe Petrefaktcnbank , welchc iiach Frantzen cin Aquivalent der Modiolabank bci Meiningen ist und dieselben Vcrsteineruogen enthalt, auch Myoplioria costata iind Estheria German (Fkantzen, IJbersicht etc., S. XV). Es mogen zur Zeit des Oberen Roths Verhiiltnisse geherrscht haben, wie wir sie heute noch im Asowschcn Meere finden , wo die ein- gedruugeuc mediterrane P'auna des Schwarzeii Meeres die ur- spriingliche Fauna bis auf geringe Reste, die sich noch in abge- legenen Buchten halten, verdrangt hat. Verfolgen wir das Roth nach Westen, so finden wir dasselbe auf den Bliittern Oberkatz, Helmershausen und A 1 1 e n - breitungen nach Bucking auf folgende Weise ausgebildet. Zu unterst liegen blaugraue und gelbbraune Schieferthone , etwa 20 m machtig, welche am Horn bei Altenbreitungen ein 2—4 m dickes Gypslager enthalten. Es liegt nahe der unteren Grenze des Roths und besteht aus diinnschieferigem, grauem Gyps, der durch Mergel verunreiuigt wird. Dariiber folgt die Hauptmasse des Roths, welche aus roten Schieferthonen mit quarzitischen Ein- lageruDgen besteht. Zu oberst liegen hellgefarbte kalkreichere Schichten, die etwa 12 m Machtigkeit erreichen. Eine 30 cm Starke gelbc Bank entspricht der Bank mit Modiola hirudiniformis bei Meiningen. Dariiber folgen rote Mergel — 3 m — , dann wenig machtige graue Mergel, welche graue und gelbe Zellenkalke, Resi- duen ausgelaugter Gypsstocke, enthalten. Abgeschlossen wird das Roth durch eine */g — 1 m machtige Bank eines harten, tiefgelb gefarbten Kalksteins. Die Gesamtmachtigkeit des Roths betragt auf den genannten Sektionen 60 — 80 m. Dieselbe Gliederung finden wir in dem Gebiet nordlich der Rhon, wo V. KoENEN die Blatter Geisa, Vacha, Lengsfeld, Eiterfeld, Herzfeld und Friedewald kartiert hat. Uber dem Mittleren Buntsandstein folgen durchweg griinlichgraue Schiefer- thone, welche auf einzelnen Sektionen feinsaudige Schichten und dunne Lagen eines krystalliuischen Dolomites fiihren. Ihre Mach- tigkeit wird leider nirgends angegeben. Die Hauptmasse des Roths besteht aus rothen Schieferthonen, welche quarzitische Thon- steine und Quarzite mit Steinsalzpseudomorphosen einschliefien. Auf dem Blatte Lengsfeld enhalt eine solche 5 cm machtige Quarzitschicht zahlreiche Abdrucke von Myophoria costata. Der oberste Teil des Roths besteht aus aschgrauen, blaulichen und blaulichgrauen Schieferthonen. Er ist bei Lengsfeld und Geisa ca. 10 m machtig und enthalt daselbst eine Schicht roter 76 Dr. Siegfried Passarge, Schieferthone, also ahnlich wie bei Meiningen. Auf den Blattern Eiterfeld, Herzfeld und Fried ewald wird ihre Machtigkeit nicht angegebeD. In den Erlauterungen zum Blatt Eiterfeld heiCt es: „Nur die oberste Schicht, ca. 1 m stark, und die untersten Schichten sind stets blaulichgrau." Sollte die „oberste Schicht" dem Oberen Roth entsprechen ? An einer anderen Stelle sagt Koenen : „eine bis 1 m machtige Zone brockelig - schieferiger , griinlichgrauer Schichten ist im Oberen Roth vorhanden und enthalt ostlich von RoCbach zahlreiche, wenn auch mangelhaft erhaltenc Steinkerne von Muscheln, besonders der Gattung Myoi)horia." Sind es Stein- kerne der costata oder der vulgaris? Besteht beziiglich der Machtigkeit der Mergel des Oberen Roths innerhalb der genannteu Blatter auch einige Unsicherheit, so ist doch die gelbe Kalkbank, welche die Grenzschicht gegen den Muschelkalk bildet, iiberall in einer Machtigkeit von Vg — 1 m entwickelt. Fassen wir kurz die obigen Ausfiihrungen iiber das Roth siidiich des Thiiringer Waldes zusammen, so finden wir, daB das- selbe in 3 Etagen gegliedert werden kann, wolche denen im ost- lichen Thiiringen entsprechen, eine untere Stufe, welche aus dem Chirotheriumsandstein und blaulichgrauen Thonen eventuell mit Dolomit- und Sandsteinbaukchen besteht und lokal auch Gypslager enthalt, bei Sonneberg und Neustadt jedoch durch den machtig entwickelten Chirotheriumsandstein allein gebildet wird ; eine mitt- lere Stufe, die aus roten Mergeln mit Sandstein- und Quarzit- banken und eine obere Etage, welche aus grauen und roten Mergeln mit Kalksteinbanken gebildet wird. Die Kalksteinbanke enthalten die Fauna der Colestinschichten, wahrend mit einer Ausnahme das Rothpetrefakt Myophoria costata fehlt. Beziiglich der Paralleli- sierung mit dem Roth des ostlich en Thiiringens sei wiederholt, daB die untere und mittlere Etage im Meiningischen dem Unteren und Mittleren Roth entspricht, die Modiolaschichten dagegen Oberes Roth und Colestinschichten umfassen. Wahrend wir auf den von v. Koenen aufgenomraenen Sek- tionen eine scharfe Gliederung des Roths finden, ist eine solche auf den weiter nordlich gelegenen Blattern Netra, Sontra, Waldkappel und Eschwege von Moesta nicht durchgefiihrt. Ob die komplizierten Lagerungsverhaltnisse, die mangelhaften Auf- schliisse und ausgedehnten Auswaschungen , von denen Moesta spricht, allein die Ursache sind oder ob eine Gliederung in der That nicht existiert, muC dahingestellt bleiben. Moesta giebt Das Roth im ostlichen Thiirinoen. 77 t)^ tiur an, dalJ das Roth aus einem vielfaehen Wechsel von Mergeln, Letteii, MergcUhoiicii, Schieferletton uiid Steinniergelu von rotcr und grauer Farbe besteht, in welche Quarzite und dolomitische Mergel eiugelagert siud. Letztere halt er fiir Aquivaleute der thiiriugischeu „Rhizocoralliumdolomite", obwohl sie keiue orga- nischen Emschlusse euthaiteu, eiue Anschauung, welche sich nur aus der bisherigeu Unklarheit iiber Art und Zahl dus Vorkonimens von Khizocorallium jeuense erkliireu ialJt, Auf den Bliittern Esch- wege und Sontra, welches letztere von Beyrich und Moesta auf- geuommen ist, werdeu Gypslager erwahnt. „Der Gyps ist Faser- gyps, hautig thonig und bituminos." „Die bestandigste Stellung der Gypslager scheint den unteren Horizont nahe uber dem weiCen kalksaudsteiu (Aiittlerer Buntsandsein) zu behaupten." Der petro- graphischen Beschreibung nach gehort der Gyps dem Mittleren Buntsandsteiu an, wiihrend seine Lage iiber dem Hauptsandsteiu dem des Unteren Roths entsprache. Sollte das Untere Roth fehlen ? Auf dem Blatte Waldkappel wird aber aus dem tiefsten Niveau des Roths ein kornig-krystallinischer, bis 1 m machtiger Dolorait erwahnt, der fur Unteres Roth sprache. Die Gesamtmachtigkeit des Roths wird bei Sontra und Netra auf annahernd 40 — 50 m angegeben. Ist es also zweifelhaft, ob das Untere Roth auf den genannteu Sektionen ebenso wie im Siiden oder anders entwickelt ist oder gar fehlt, so macht die Bemerkung Moesta's, daC auf dem Blatt G r o ii - aim erode, welches sich nordwestlich anschlieBt, gegen den Mitt- leren Buntsandstein hin grusige, vorwiegeud rote, seltener grau- griine Mergel walten, die eine unverkennbare Ahnlichkeit mit deu Brockelschiefern an der Basis des Buntsandsteines zeigen, es wahr- scheinlich, daC das Untere Roth daselbst fehle. Die Erlauteruugeu zu den Blattern Witzenhausen, Allendorf und E r m - s c h w e r d geben keine Aufklarung bezuglich dieser Frage. Wichtig ist die Angabe, daC auf der Sektion Ermschwerd im Oberen Roth eine tJbergangs- und Zwischenbildung zum Muschelkalk ent- wickelt ist, die aus gelben, magnesiahaltigen, miirbeu Kalkeu be- steht. Dieselben sind in diinnen Flatten abgesondert und werden iiberall zum Roth gestellt. In den Erliluterungeu zum Blatt Witzenhausen heilit es: „In der oberen Halfte der Ablageruug nehmen die grauen Farben der Mergel iiberhand, iudem dieselben gleichzeitig plastischer werden. Etwa 3 m unter der Muschelkalk- grenze schalten sich plattige, mit netzformigen Leisten auf den Schichtflachen gezierte, intensiv gelbe Dolomitbiinkchen in mehr- 78 Dr. Siegfried Passarge, faclier Wiederholung eiu. Den AbschluC gegeii den Muschelkalk bilden endlich zu dunneu Flatten zerfallende, schieferige Kalke." Auch vora Blatt GroCalmerode wird an der oberen Grenze eine 1 — 2 FuC machtige, intensiv gelb gefarbte Kalkschicht er- wahnt. In welchem Verhaltnis diese gelben Kalke zu der gelben Bank, welche im Meiningischen das Roth abschliefit, steht, muli dahingestellt bleiben. Doch diirfte wohl die Ausscheidung jener Schichten mitsammt der grauen Mergel als Oberes Roth ge- rechtfertigt sein. Die Gesammtraachtigkeit des Roths ist in ganz Hessen sehr gering und wird auf 120 — 150 FuC angegeben. Diese geringe Machtigkeit wird vielleicht durch das Fehlen des Unteren Roths erklart. Beziiglich dieser Frage, ob dasselbe in Hessen zur Aus-, bildung gelangt ist, sind die Befunde auf den Sektionen W orb is B 1 e i c h e r o d e u. s. w. vielleicht bemerkenswert. Hier fanden wir im Unteren Roth zahlreiche und umlangreiche Gypslager entwickelt^ wahrend Dolomite ganz zurucktraten, eine Ausbildungsweise, welche auf die Nahedes Strandes hinweist. Denn die Bildung von Gypslagern konnen wir uns nach unseren vorlaufigen Kenntnissen nur in Lagunen an der Kiiste entstanden denken. Dieser Befund konnte das Fehlen der Stufe welter im Westen erklaren, wahrend das Mittlere Roth, das ja auch bei Meiniugen eine weitere Verbreitung als das Untere Roth zu haben scheint, bis nach Hessen hinein vordrang. Fassen wir die Resultate, welche die Untersuchungen iiber das Roth in Hessen ergeben haben, zusammen, so ergiebt es sich, dafi dasselbe im wesentlichen den Charakter des Mittleren Roths besitzt, daC das Vorhandensein des Unteren Roths sehr zweifehaft ist, wahrend das Obere auf einigen Sektionen andeutungsweise entwickelt ist. tJber die Entstehung der deutschen Trias hat sich in neuester Zeit ein lebhafter Streit entsponnen, namentlich seit Bornemann in seiner Arbeit iiber den Buntsandstein fiir die gleichzeitige Ent- stehung des Hauptsandsteins, Roths und Muschelkalks eingetreten ist. Uns interessiert hier nur die Frage iiber die aolische Ent- stehung des ersteren, fur welche manches spricht, wahrend anderer- seits auch manche Widerspriiche vorlaulig unaufgeklart bleiben. Wer aber den Hauptsandstein als Dunen- und Flugsandbildung auffaCt, wird das Roth mit der ersten Meeresablagerung, also dem Chirotheriumsandstein beginnen lassen. Chirotheriumsandstein, Gyps und Mergel, welche das Untere Roth zusammensetzen, waren Daa Roth ira ostlichen Thiiringen. 79 daoD Faciesbilduiigoii, iudeiu ersterer das Strandprodukt bildet, der Gyps aber in IStraudseeii uud die Mergel weiter im Meere zur Ablageruiig gelaiigten. Die Doloniitbiiiike bis zur Teuuisbank uiid diese selbst enthalteu die reichste Fauua, welche bisher im Rotli gefundeu wordeii ist. Der Charakter derselbeii ist der der Muschei- kalkfauiia. Die Gervillien, Myophorieu und Myoconcheu siiid deuen aus dem Muschelkalk iibiilich, zum Teil sogar mit ihuen ideutiscli, uud audi die Beueckeia tenuis ist mit der B. Buchi iiahe ver- wandt. Die JVlyophoria costata ist das einzige Petrefakt, welclies dem Koth speziell eigeutiimlich ist. In dieseu Dolomiteu tiudeu wir nirgends Spuren direkter Strandbildung, wie Wellenfurciieu und Trockeurisse , wohl aber kommen dieselben in den dariiber- liegenden Banken vor, so besonders in den Saudsteiuen des Hori- zontes d. Die Banke uber der Tenuisbank scheinen in flachereni Wasser als die Mergel abgelagert zu sein. Die obersten Schichten des Unteren Roths unter und iiber der Rhizocoralliumbank uehmen infolge des Auftretens von KnoUen- gypsen und roter Mergel eine Zwischenstellung zwischen dem Unteren uud Mittleren Roth ein. Letzteres ist petrographisch durch seine roten Mergel und Sandsteinschiefer, seine Gypse, die aber in vieleu Gegenden ganzlich fehlen, und Quarzite charakte- risiert, palaontologisch durch die autfallende Petrefaktenarmut. Diese Abteilung stellt sich durchweg als eine Ablagerung in flachem Meere dar, und die allgemeine Verbreituug von Wellen- furchen und Trockenrissen in alien Niveaus und in weiter hori- zontaler Ausdehnung deutet auf einen sehr unregelmafiigen Wasser- stand hin, Verhaltnisse, wie wir sie bei Steppenseen linden. Es miissen weite Strecken des Seebodens zu wiederholten Malen trocken gelegen haben. Wellenfurcheu und Trockeurisse sind hauptsachlich in den hellen Quarziten zu linden. Diese helien, grunlichen Quar- zite, welche zum Teil aus reinen Quarzkornern bestehen und uach oben und unten durch sandige, griine Mergel in die gewohnlichen Mergelschiefer iibergehen, machen den Eindruck, als stellten sie den Strand dar, der ja bei vielen Seebecken aus reinerem Sande zu bestehen pflegt, weil er der saubernden Thatigkeit des Windes ausgesetzt ist, der alle spezifisch leichteren Verunreinigungen, wie Vegetabilien, getrockneten Schlamm u. s. w., fortblast und nur die schwereren Sandkorner zuriicklaBt. Worauf aber die Farbenunterschiede zwischen den Quarziten und ihren griinen Mergeln einerseits und den roten Mergelu andererseits und ebenso zwischen dem graueu Unteren und dem 80 t)r. Siegfried Passarge, roten Mittleren Roth beruhen, ist bis jetzt ein ungelostes Ratsel. DaB ein spezifischer Unterschied zwischen den rot- und nichtrotgefarbten Ablagerungen zu bestehen scheint, wurde bereits bei Besprechung der beiden roten Mergel- und Sandsteinhorizonte angedeutet, welche als schmale Bander iiber und unter der Muschelbreccie in den graugrunen Schichten durch alle Profile von Rudolstadt bis zur Unstrut laufen. Es macht den Eindruck, als waren voriibergehend die Bedingungen, unter denen sich das Mittlere Roth abgelagert hat, zur damaligen Zeit eingetreten. Zur Zeit des Mittleren Roths scheint die Fauna, welche in so groCer Individuenzahl das Meer der unteren Stufe belebte, verschwunden zu sein, denn wir finden nur sparliche Abdriicke von Myophoria costata. Am Ende des Mittleren Roths, vor allem aber vfahrend des Oberen tritt in den dortigen Dolomiten die Fauna des Muschelkalks wieder auf, an- fangs noch mit der Rothmyophorie zusammen, vom Oberen Roth ab aber allein. Und was vor allem charakteristisch und aufifallend ist, niit den Petrefakten beginnt auch sofort wieder die graue Farbe, es treten dieselben graugrunen Mergel wie in der unteren Ab- teiiung auf und in diesen erst liegen hier wie dort die petre- faktenreichen Dolomite. Der tJbergang zum Muschelkalk findet also nicht in der Weise statt, daC durch Zunahme des Carbonats und damit ins Lichte ziehende Farbe, durch gleichzeitiges Zuriick- treten der Kalkerde im Carbouat ein tJbergang aus den dolomi- tischen Mergelschiefern des Roths in die Kalkschiefer des Muschel- kalks stattfindet, wie Schmid es darselit (Erlauterungen, Blatt Jena, p. 10), sondern es treten graugriine Mergel mit Dolomitbanken wie fremde Bestandteile in die roten Merge! mit den quarzitischen Sandsteinen und Gypsschiefern ein und diese erst gehen durch Kalk- aufnahme in die grauen und gelblichgrauen Mergel der Colestin- schichten uber. Es macht also den Eindruck, als sei das Roth- meer zur Zeit des Oberen Roths von dem Muschelkalkmeer, das damals bereits existiert habeu muB, besiedelt worden und die Fauna der Dolomite des Mittleren und Oberen Roths waren dieser Darstellung gemafi als echte Kolonie aufzufassen. Es muC auifalleu, daC das Obere Roth mitsammt den Colestin- schichten dem Unteren so ahnelt. Wir finden ahnliche, zum Teil gleiche Mergel, in welche feste petrefaktenreiche Banke einge- lagert sind und die Faunen dieser Banke sind einander nahe ver- wandt, enthalten zum Teil die gleichen Formen. Unteres Roth einerseits und Oberes Roth nebst Colestinschichten andererseits stehen einander in ihrer Entwickelung sozusagen symmetrisch Das Rolh ini ostlichen Thiirinson. Bl gegentiber. Es sieht aus, als hatte sich aus dem Unteren Roth eine Ablagerung, ahnlich dem Muschelkalk, entwickeln wollen, und als wiire dieselbe durch den Eintritt der Verhaltnisse, welche zur Hildung des Mittleren Roths fiihrten, verhindert worden. Konnten diese Erscheinungen nicht durch AbschlieBung des Rothmeers vom freien Meere zur Zeit des Mittleren Roths erklart werdenV Wir schlieBen mit den Untersuchungen tiber das thiiringische Roth die vorliegende Arbeit ab. Anderen Untersuchungen muC es iiberlassen bleiben , auch die tlbrigen Gebiete Deutschlands , in denen Roth entwickelt ist, mit dem in Thiiringen zu vergleichen, so besonders die Beziehung des Voltziensandsteins Slid- und West- deutschlands zu den 3 Etagen unseres Roths zu erforschen und in Schlesien die Horizon te der Beneckeia tenuis mit der an der Saale in Beziehung zu bringen. Von groCer Wichtigkeit ware es auch, das Verhaltnis des grauen Roths von Teutschenthal und Petersberg zu den roten Mergeln der benachbarten Blatter klarzu- stellen. Bd, XiVI. N F. XIX. g^ Dr. Siegfried Passargdj bo u o Xi I— I o p (—1 ri4 :0 o I — t o 09 OP o P^ CO (p o CO !-( •rH P (^ 3 fl bJD So ® O ^ CO o o CO M cS n 05 OP I — I CO ,a CO o O CO 3 _r 05 OX) X 03 o o CO C3 o -tj -( © -I 03 © O O O O 00 O O S t-^ O^ t-^^ O^^ C<1^ iC^ O^ o~ T-T o~ oT o" i-T co^ o ^ ^ lO CO u 00 (T) Si 0) O H c6 CO o o a 03 +^ (D -*s I— I .^ l-l 03 03 as S c ° CO :;i >5 ,-'3 "^ f-1 ^ ® o 1=1 N ^ s ?^ o CD CO > oT P! CO 03 ^ P) CO N § '3 ^ a f3 i r£^ gS N CO r4 .-tS H o o 2 § o no © *" ^ g^'« be ^ ■^H © CO -kJ r" PI rd CO 03 o o CQ ■^ -Th -tJ hlecht a einbankc PI rd :0 P^ psmergel u. riinen Schm und Quarzi :3 , , • 1-H n3 c8 © ,bC pi 03 © c« "op '? 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Im Oktober 1889 stellten mir die Herren Paul uud Fritz Sarasin eine reicliliche Auswahl des von ihnen auf Ceylon ge- sammelten Materials von Ichthyophis glutinosus zur Bearbeitung der Urogenitalentwickelung zur Verfiigung. Es waren im ganzen 47 Exemplare, die eine ziemlich vollstandige Entwickelungsreihe von Stadien an, bei welchen eben die Kiemenknotchen hervor- traten (Sarasin 35, Figur 30), bis zur volligen Ausbildung und Geschlechtsreife des Tieres darstellten. Nur die ersten Entwicke- lungsstadien fehlten. Der Erhaltungszustand des mit Chromsilure konservierten Materials war groBtenteils fiir das Urogenitalsystem das durch Eroitnung der Leibeshohle der Konservierungsflussig- keit frei zuganglich gemacht worden war, ein vortrefilicher. Wenn ich trotzdera ein genaueres Eingehen auf die feineren histologi- schen Details und auf die Spermatogenese moglichst verraieden habe, so geschah dies deshalb, weil ich fiir derartige Untersuch- ungen die Kontrolle an frischem und an durch andere Methoden konserviertem Material fiir unerlafilich halte. Im iibrigen habe ich mich moglichster Vollstaudigkeit befleiCigt und insbesondere auch viele Abbildungen der ungewohnlich klaren und iibersichtlichen Organisationsverhaltnisse gegeben, die die Urogenitalentwickelung dieses Wirbeltiers vor alien anderen, die ich kenne, darbietet. DaC ich das Thema keineswegs erschopft habe und das reiche Material eine viel umfassendere Ausbeutuug gestattete, ist mir 90 Dr. Bichard Semon, selbst durchaus klar. Auch im vergleichenden Teil habe ich in keiner Weise versucht, eine erschopfende Vergleichung des Uro- genitalsysteras der Wirbeltiere zu geben. Mein Ziel war nur, die Hauptetappen zu cbarakterisieren, die das Urogenitalsystem der Wirbeltiere in seiner stammesgeschichtlichen Entwickelung durch- gemacht hat, und darzulegen, wie die oft recht abweichenden^Bau- verhaltnisse dieses Organsystems in den verschiedenen Wirbeltier- klassen sich aus einera gemeinsamen Gruudplan ableitenUassen. Fragen, zu deren Beantwortung das vorliegende Beobachtungs- material niclit ausreichte, wurden nur fliichtig gestreift. Auch blieben viele Einzelheiten unerortert, die sich auf morphologisch unwichtige Abweichungen beziehen, und deren Ableitung aus den dargelegten Grundziigen des Baues keine Schwierigkeit darbietet. Die Stellung einer Tiergruppe im System kann natiirlich nur unter Beriicksichtigung der Gesamtorganisation und nicht durch noch so eingehende Behandlung eines einzigen Organsystems er- kannt werden. Auch ist in dieser Beziehuug das Urogenitalsystem bei den Wirbeltieren von viel geringerer Bedeutung als Skelett- und Nervensystem. Die phylogenetische Stellung der Goecilien ist des- halb in vorliegender Arbeit nicht weiter erortert worden. Ent- wickelung und Bau der Harn- und Geschlechtsorgane zeigen bei ihnen in den meisten Punkten primitivcre Verhaltnisse als bei den iibrigen Amphibien; andererseits ist es leichter, die'Befunde bei Reptilien an sie, als an diejenigen der Urodelen und Anuren auzukniipfeu. Der naheliegeude SchluB, daC die Goecilien ein einseitig entwickelter Seitenzweig der Stammgruppe der Amphibien sind und daC die Amnioten sich ihrerseits ziemlich tief unten von dieser Stammgruppe abgezweigt haben, findet durch manche andere Organisationseigentiimlichkeiten seine Stiitze und^entspricht im all- gemeinen den Resultateu, zu denen P. und F. Sarasin (35, p. 239) auf Grund viel umfassenderer Untersuchungen der vergleichenden Anatomie und Entwickeluugsgeschichte der Goecilien gelangt sind. Wohl selten ist ein hochwichtiges Beobachtungsmaterial in so planvoller Weise gesammelt und in so^ausgiebiger Weise ausge- niitzt worden, als von diesen beiden Forschern, die sich nicht da- mit begniigt haben, eine Reihe von Organsystemen selbst eingehend durchzuarbeiten, sonderndie ihr Material zur Bearbeitungderjenigen Organe, die sie nicht selbst behandelt haben, in freigiebigster Weise auderen Forschern zur Verfiigung gestellt haben. Ich spreche ihnen an dieser Stelle noch einmal meinen warmsten Dank aus. Der Bauplan des Urogenilalsyateuis dcr Wirboltiere. 91 I. Beschreibender Teil. Entwickeliiiig und Ban des TJrogenitalsystems von Ichthyophis glutinosus. Wie sich im Laufc der folgenden Darstellung ergeben wird, entwickeln sich die einzelnen Teile des Exkretioiis- und Genital- systems in so enger Bezieliung zu einander und hangeu beide Systeme unter sich von ihrer ersten Entstehung an so innig zu- sammen, daC es unratsam ist, die einzelnen Teile, wie Vorniere, Urniere, Nebenniere und Keimdriise abgetrennt voneinander von ihrer ersten Entstehung an bis zur fertigen Ausbildung zu ver- folgen. Obgleich die Darstellung etwas erschwert wird, und sich Wiederholungen nicht voUig vermeiden lassen werden, rauB das Urogenitalsystera in den verschiedenen Entwickelungsstadien, die es durehlauft, jedesmal in seiner Gesamtheit untersucht und be- schrieben werden, da es in hervorragender Weise auf das gegen- seitige Verhaltnis der verschiedenen Bestandteile ankommt. Wir konnen in der Entwickelung des Urogenitalsystems von Ichthyophis 5 Hauptetappen unterscheiden : 1. Stadium. Erste Entstehung der Vorniere und des Vor- nierenganges. 2. Stadium. Vorniere wohl ausgebildet; funktioniert als einziges Exkretionsorgan des Embryos. Urniere im Entstehen be- grififen. Gewisse Peritonealzellen werden als Keimzellen kenntlich. Auf dieser Stufe stehen die Embryonen, welche zwar schon drei Kiemenknotchen besitzen, aber deren Kiemen noch keine Fieder- chen tragen. (Sarasin 35, erstes Heft, Figur 30 — 37.) 3. Stadium. Vorniere und Urniere vollentwickelt , funk- tionieren beide als Exkretionsorgane. Keimdriise noch indifferent. Auf diesem Stadium stehen die Embryonen mit den gefiederten Kiemen. Sarasin Figur 38 — 48. Bei den alteren (Sarasin, Figur 46—48) zeigt sich eine rasch fortschreitende Ruckbildung der Vorniere. 92 Df' Bichard Semon, 4. Stadium. Vorniere riickgebildet und funktionslos. Keim- driise geschlechtlich diflferenziert, aber noch unreif. UmfaBt das Larvenstadium von Ichthyophis, in welchem die Tiere im Wasser leben und nacli Verlust der Kiemen Luft von der Oberflache durcb den Mund einatmen. Das am Ende des vorigen Stadiums unterhalb der letzten Kiemenfeder durclibrochene Kiemenloch ist bestehen geblieben (Sarasin, Figur 49—54), 5. Stadium. Stadium der Geschlechtsreife. Tiere leben unterirdisch im Boden. Kiemenoifnung geschlossen (Saeasin, Figur 1). 1. Stadium. Erste Entstehung der Vorniere und des Vornierenganges. Leider stand mir von diesem Stadium kein Exemplar zur Verfugung. Ich kann daher keinerlei Angaben uber die erste Entstehung der Vorniere und des Vornierenganges bei Ichthyophis niachen. Im vergieichenden Teil werde ich die diesbezuglichen Thatsachen, die bei anderen Amphibien und bei den iibrigen Wirbeltierklassen festgestellt worden sind, erortern. 2. Stadium. Vorniere voll ausgebildet, funktioniert als einziges Exkretio nsorgan desEmbryos. Urniere im En tsteh en begr-iff en. Gewisse Peritonealzellen werden als Keimzellen kenntlich. Embryonen rait drei Kiemenknotchen, aber ohne Kiemenfiederchen (Sarasin, Figur 30 bis 37; vorliegende Arbeit, Tafel I, Figur 1 und 2, Tafel TV und V). Vorniere. Von diesem Stadium standen mir drei Embryonen zur Ver- fiigung, die samtlich auf Querschnittsserien untersucht worden sind. Die Querschnitte wurden der Reihe nach gezeichnet und aus den Zeichnungen das Bild der Vorniere rekonstruiert. Figur 1 ist eine derartige Rekonstruktion der Vorniere aus 180, Figur 2 die einer etwas alteren Vorniere aus 150 Schnitten. Die Rekonstruktionen sind in alien LangenmaCen genau, dagegen inso- fern schematisiert, als die Kanale, welche dicke Schlauche vor- stellen, als Linien eingetragen sind. Das wahre Bild eines Vor- nierenkanals mit Trichter erhalt man aus Figur 5, Tafel III. In den Figuren 1 — 3 auf Tafel I ist das Gewirr der Kanale, die einander innig beriihren und sich in den verschiedensten Rich- tungen des Raumes wiuden, entwirrt und in eine Ebene ausge^ ber Baupl.in des Uro^feiiitalsysfeina der Wirbolticre, 93 breitet wordeii. Diesur ; Scheniatisimis der Rekonstruktiou lieC sich nicht ohue Beeiutriichtiguiig der Khirlieit beseitigen. Zur Korrektur der Yorstelluug, die man sich von der Vorniere zu machen hat, betrachte man Figur 4 a auf Tafel II. Letztere Ab- bilduug einos Totalprilparats giebt uus das wirkliche Aussehen einer Vorniere wieder. Freilich ist es eine etwas altere Vorniere, die deni dritten Entwickelungsstadium entspricht , nicht dem zweiten, mit dem wir uns jetzt beschiiftigeu. Die Rekonstruktion, die dem Stadium jener Totalansicht etwa entspricht, finden wir in Figur 3. Doch ist leicht ersichtlich, daC die Differenz im Bau der Vorniere zwischeu Figur 1 und 2 einerseits, Figur 3 anderer- seits keiue sehr bedeutende ist. Proximalwiirts reicht die Vor- niere bis zur Vereiniguugsstelle der beiden Aortenwurzeln oder auch bei hoher Lage dieser Vereinigung nicht ganz so hoch hiu- auf. Von da erstreckt sie sich abwarts durch 12 — 13 Segmente. In Figur I ist sie in fast alien ihren Bestandteilen schon voll ausgebildet. Sie stellt sich als eine streng paarige Bildung dar. Jede Halfte besteht aus einer groBeren Anzahl von Querkanillen, die in einen im oberen Abschnitte etwas gewundeuen, im unteren noch gestreckten Langskanal einmiinden. Dieser Liingskanal ist der Vornierengang ; er setzt sich nach unten bis zur Kloake fort, in die er einmiindet. Das andere Ende^der Querkanalchen gabelt sich in zwei Aste, von denen jedesmal der eine^in die freie Leibeshohle, der andere in einen vor der Aorta gelegenen retroperitonealen Hohlraum ein- miindet. Je ein solcher Hohlraum liegt rechts und links vor der Aorta und begleitet dieselbe im ganzen Bereich der Vorniere. Morpho- logisch sind beide Hohlraume als Divertikel der unsegmentierteu Leibeshohle aufzufassen, von der sie sich im Laufe der ontogene- tischen Entwickelung allmahlich abgeschniirt haben. Das laCt sich mit Leichtigkeit bei anderen Amphibien und anderen Wirbeltier- klassen feststellen, und auch bei Ichthyophis, bei welchem in meiuen jiingsten Stadien die Abschniirung schon groCtenteils vollzogen ist, kommuniziert dann vorlaufig doch noch das proximale Ende so- wohl des rechten wie des linken Hohlraums direkt mit der freien Leibeshohle durch einen langen, schraalen Langsspalt (Figur 1). Das Leibeshohlenepithel setzt sich dort ununterbrochen und ohne Ver- anderung in das des Hohlraums fort. In alteren Stadien (Figur 2) ist auch diese Kommunikation verklebt, und beide Hohlraume stellen proximal wie distal geschlossene Sacke dar. 94 Dr. Ei chard Semoa, In dem etwas juugeren Stadium Figur 1 zeigt das Lumen jedes Sackes bedeutende Schwankungen im Langsverlauf des Ge- bildes. Immer da, wo ein Trichter der oben erwahnten Quer- kanitle der Vorniere einmtindet, erweitert sich der Hohlraum be- trachtlich. In den zwischenliegenden Partien verengert er sich wieder bis zur Beriihrung seiner dorsalen und ventralen Wandung. Diese Verengerung rtihrt daher, daC an dieser Stelle eine vorlaufig noch solide, segmentale GefaCsprosse aus der Aorta die dorsale Wand gegen die ventrale bin einstiilpt (Figur 1). Doch lafit sich die Kontinuitat der gesamten Bildung auch an jenen Stellen deut- lich verfolgen. Etwas altere Stadien (Figur 2) zeigen in dieser Beziehung ganz ahnlicbe Verhaltnisse. Eine Wundernetzbildung am Ende der segmentalen GefaCsprossen ist noch nicht erfolgt. Wie oben angegeben, pflegt sich jeder Querkanal in zwei Schenkel zu spalten. Der eine mundet durch einen Trichter in das abgeschnurte Leibeshohlendivertikel : wir nennen ihn den Inn en trichter; der andere mundet in die freie Leibeshohle: wir nennen ihn den A u fi e n t r i c h t e r. Tafel I, Tafel II, Figur 4 a, Tafel 5, Fig. 17 und 18, Tafel VI, Figur 19 a und b geben uber die Lage und das Verhaltnis der beiden Trichter Auskunft. Im jungsten Stadium (Figur 1) besitzt jeder Querkanal so- wohl einen AuCen- wie einen Innentrichter. In alteren Stadien leitet sich insofern eine Ruckbildung ein, als an den obersten Querkanalen die Innentrichter, an den untersten die AuCentrichter riickgebildet werden. Nur die mittleren Querkanale besitzen beide Trichterarten in voller Ausbildung. Der zeitliche Beginn und die Ausdehnung dieser Ruckbildung unterhegt individuell bedeutenden Schwankungen (vgl. Fig. 2, 3, 4). Auf Figur 1 hat man den Eindruck, als ob die Querkanale und Trichter der Vorniere trotz einiger UnregelmaCigkeit doch ausgesprochen segmentale Anordnung zeigen, und in der That lehrt die Untersuchung, daC die 12 (resp. 13) Kanale und Trichter 12 (resp. 13) Korpersegmenten des Embryos entsprechen. Spater andert sich dies insofern, als das Wachstum der Vorniere mit dem des iibrigen Korpers nicht gleichen Schritt halt, so dafi im dritten Entwickelungsstadium auf 11 Vornierensegmente nur 7 Korpersegmente kommen, Doch zeigt schon das blofie Aussehen der Vorniere in jener Zeit (Tafel II, Figur 4), dafi es sich dabei urn ein sekundares Zuriickbleiben im Wachstum handelt. Wie aus den Abbildungen (Figur 1 und 2) ersichtlich, zeigen Trichter und Querkanale in den verschiedenen aufeinanderfolgen- i)er Bauplan des Urogenitalsystoms cler Wirbelliere. 95 den Segmenteu, und ebenso audi in demselben Segmeute die ent- sprecheudeu Bildungen dcr rccliten und linken Seite zu einauder maunigfaclie kleine Abweichungen und Schwankungen. Niemals ist das Bikl ein so regelniaBiges , wie die Urniere es in ent- sprecheuden Entwickeluugsstadien bietet. Kein W under, da es sich um ein nur temporar funktionierendes, baldiger Ruckbildung ge- weihtes Gebilde bandelt. So besitzt zum Beispiel in Figur 1 die Vorniere linkerseits (auf der Figur rechts) proximalwiirts einen Querkanal mit AuCen- und Innentricbter raebr als recbterseits. Diesen Kanal mit Tricbtern babe icb mit o bezeicbnet. Bemerkenswert ist, dafi der Langs- kanal, in den er einmundet, sicb nicbt direkt in den Vorniereu- gang fortsetzt, sondern von demselben durcb eine kurze Unter- brecbung getrennt ist. Diese Eigentiimlicbkeit laBt sich auf zwei Weisen, entweder als Bildungsbemmung oder aber als Iluckl)ildung deuten. Da alle neueren Untersucbungen darin ubereinstiramen, daC sicb der Voruierengang im Bereich der Vorniere durcb Ver- wacbsung der, peripberen Enden der Vornierenkanalcben bildet, erscbeint die ersterwahnte Deutung als die weitaus wabrschein- licbere. Ebenso zu beurteilen ist der Umstaud, daC die untersten Vornierenkanale zunacbst noch keine Verbindung mit dem Vor- nierengang zeigen (Figur 1 rechts in der Figur der XI. und XIL, links der XIL), spiiter aber meist noch den AnschluB zu erreiclien scheinen (Figur 2). Doch kann es auch vorkommen , daC der Anschlufi von den letzten Tricbtern niemals erreicht wird (Figur 3). Meistens miiudet jeder Querkanal fiir sich in den Vornieren- gang oder strebt wenigstens auf ihn zu. Zuweilen, obwohl ziem- lich selten, munden zwei Querkanale mit einem gemeinsaraen Eud- stiick in den Langskanal, z. B. auf Figur 1 links in der Figur der IX. und X., Figur 2 rechts in der Figur der VI. und VII., links der VII. und VIIL Noch eine Eigentiimlicbkeit will ich erwahnen, auf deren Bedeutung ich spater zuriickkomme. Ab und zu seben wir namlich den Hohlraum der abgescbniirten Leibeshohle durcb ein- springende Falten in zwei hintereinanderliegende Abschnitte ge- teilt. Dann kommt es zuweilen vor , daC der zum Innentricbter fiihrende Kanal sich in zwei Schenkel spaltet, die beide in einen Innentricbter auslaufen, der eine fiir den vorderen, der andere fiir den hinteren Abschnitt der abgeschnurten Leibeshohle. Soldi einen Fall seben wir auf Tafel I in Figur 1 rechts an Kanal III. Urspriinglich haben wohl alle Querkanale einen gcstrecktcu 96 l)r, Ki chard Sern'on, Verlauf, wie ihn in meiuem jiingsteu Stadium Figur 1 nocli die obersten uud die uutersten zeigen. Spater beginnen sie sich in einer Weise zu schlaugeln, die zwar in den Hauptziigen einen gleichen Typus erkennen laCt, dabei aber doch groCe Unregel- maCigkeiten aufweist. Ein Blick auf die Figuren der Tafel I wird hieriiber Auskunft geben. Charakteristisch fur die Windungen der Vornierenkanalchen im Gegensatz zu denen der Urniere ist die Blindfortsatzbildung, die raeistens die Einleitung dazu bildet, dalJ eine bestimmte Kanalstrecke sich windet. Die Kuppe der Win- dung wird dann gewohnlich durch den Blindfortsatz gekront. Solclie Blindfortsatze mangeln den Windungen der Urnieren- k a n a 1 e vollstandig. Der Langskanal (Vornierengang) ist im Bereich der Vorniere zuniichst in seinem uuteren ^j^ durchaus gestreckt. Das obere Fiinftel dagegen zeigt sich auch bei meinen jiingsten Exemplaren mehr oder weniger gewunden. Ich kann nicht entscheiden, ob sich diese Windungen des oberen Fiinftels resp. Viertels gleich bei der ersten Entstehung des Ganges gebildet haben oder erst se- kundar aufgetreten sind. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung kann man dann eine fortschreitende Schlangelung des Ganges im ganzen Bereich der Vorniere verfolgen; doch erstreckt sich diese Bildung von Windungen am Vornierengang nie tiefer abwarts als bis zu der Stelle, an welcher die ersten Urnierenkanalchen auf- treten und in den Gang einmiinden (Tafel I, Figur 3). Urniere. Wie schon in der Uberschrift dieses Abschnittes angedeutet ist, besitzt der Embryo auf diesem Stadium nur in der Vorniere ein funktionierendes Exkretionsorgan. Urnierenkanale sind aller- dings angelegt; sie stehen aber auf einer sehr niederen Ent- wickelungsstufe, haben auch bis jetzt die Verbindung mit dem Ausfuhrgang (Vornierengang) nicht erreicht, so dafi sie entschieden noch als funktionslos zu bezeichnen sind. Bekanntlich schreitet die Entwickelung der Segmente am Wirbeltierembryo von vorn uach hiuten fort, das heifit die hinteren Segmente sind weniger weit ausgebildet, reprasentieren jiingere Entwickelungsstadien als die vorderen. Wir konnen also manche Entwickelungsphanomene an demselben Embryo studieren, wenn wir in der Untersuchung von den hinteren Segmenten zu den vorderen aufsteigen. Ganz besonders eignen sich fiir diese Unter- suchungsmethode so langgestreckte , eine iiberaus groCe Anzahl Der Bnuplan des Urogenit alsystoms der Wirboltiere. 07 von Segmenteii bositzende Tiere wie die Coecilien. Die Dii!erenz iu der Ausbildiiiig der Segnicnte des Hintereiides, der Korpermitte und des vorderen Rumpfabschnittes ist liier sehr bedeuteiid, wit; die Tafelu IV und V veranschaulichen, die bei deniselben Embryo von hinten nach vorn fortschreitende Querschnitte durch Rumpf- segmeute im Bereiche der Urniere und des distalen Kndes der Vorniere darstellen. Schon bei meinen jungsten Embryonen sind am Vorderende des Rumpfes gleich unterhalb der Vorniere die Urnierenanlagen fertig entwickelt; nach hinten zu dagegen ist die Ausbildung immer weniger weit fortgeschritten, bis endlich in den hintersten Ab- schnitten, in denen bei alteren Stadieu noch Urnierenlianalchen zur Ausbildung konimen, dieselben auf diesem Stadium noch nicht in Erscheinung getreten sind. Ich wende mich zunachst zur Betrachtung der letzterwiihnten Segmente. Wie Figur 9 auf Tafel IV zeigt, haben sich die Ursegment- platten von den Seitenplatten schon vollkommen abgeschniirt. Die Epithellagen der unsegmentierten und der segraentierten Coelom- bikiung sind aber an der Abschnurungsstelle in Kontakt geblieben, und es sei gleich hier darauf aufmerksam gemacht, dafi dieser Kontakt dauernd erhalten bleibt und den Anknupfungspunkt zu wichtigen Weiterbildungen darstellt ^). Das Ursegment stellt eine einheitliche, mit weitem Hohlraum versehene Bildung dar. In der halben Hohe des Somiten bemerkt man einen ansehnlichen Wulst an der medialen Somitenwand, der sich zwischen Aorta und Chorda einschiebt. Es ist der Sklerotom- wulst, von dem aus bald eine Einwucherung von mesenchymatosem Gewebe zwischen die mediale Wand des Somiten einerseits, Chorda und MeduUarrohr andererseits seinen Ausgang nimmt (Tafel IV, Figur 11, 12). Lateral von der Stelle, an welcher die Ab- schniirung der Ursegmente von den Seitenplatten erfolgt ist, und die in den Figuren wegen des bleibenden Zusaramenhanges beider Bildungen als „Kontaktstelle" bezeichnet worden ist, liegt der fertig ausgebildete Vornierengang. Figur 9, Tafel IV stellt einen Querschnitt durch das oberste 1) In den allerletzten Sei>ruenten Tor der Kloake, in wt-lohen iibtrhaupt keine Urnierenbildung stattfindet, geht der Kontakt ver- loren, und die Seitenplatten scliniiren sich vollkommen von den Ur- segmenten ab. Bd, XXVI. N. K. XIX. 7 I- 98 Dr. Richard Se m o n Segment im Urnierenbereich des Rumpfes dar, das nocli eine groCe, ungeteilte, bis zur „Kontaktstelle" reichende Ursegment- hohle besitzt. Hier wie in den folgenden Figuren sind immer Schnitte zur Darstellung gewahlt, die die Segraeute moglichst in ihrer Mitte treffen. Im nachsthoheren Segment (Tafel IV, Figur 10) ist die Ur- segmenthohle durch das Auftreten einer Scheidewand in zwei Abschnitte gesondert : einen dorsalen und einen ventralen. Noch deutlicher tritt uns diese Sonderung zwei Segmente weiter nach oben entgegen (Tafel IV, Figur 11). Wir haben also im Laufe der Entwickelung eine Teilung der urspriinglich einheitlichen Ursegmenthohle zu verzeichnen. Es entsteht die Frage : Was bedeuten die beiden Telle und was wird aus ihnen ? Die Untersuchung alterer Segmente liefert hierauf eine prazise Antwort. Vergleichen wir das Segment Figur 11 mit dem erheblich hoher gelegenen und somit weiter entwickelten , das in Figur 12 dargestellt ist, so sehen wir und konnen es auch kontinuierlich durch Aufsteigen in die Schnittserie verfolgen , daC das Lumen des dorsal gelegenen Ursegmentabschnittes geschwunden ist, in- dem die Zellen der medialen Wandung unter reichlicher Ver- mehrung sich bis an die laterale Wand vorgeschoben haben. Aus diesen Zellen der medialen Wand entsteht die Seitenrumpfmus- kulatur; aus denen der lateralen Wand die Cutis. Vom dorsalen Abschnitt des Ursegments hat sich der ventrale jetzt vollkommen abgeschniirt, indem die urspriinglich vom Sklero- tomwulst zur lateralen Ursegmentwand hiniiberziehende Scheide- wand sowohl dem dorsalen wie dera ventralen Abschnitt eine Be- grenzungsschicht geliefert hat, Zwischen diesen beiden Be- grenzungsschichten hat sich aber der mittelste Teil der Scheide- wand als eine Gewebsplatte erhalten, die vom Sklerotomwulst quer zwischen dorsalem und ventralem Somitenabschuitt heriiberzieht und beide jetzt noch deutlicher trennt (Figur 12). Die ventralen Abschnitte der Somiten stellen nunmehr all- seitig geschlossene , streng segmental geordnete Epithelblaschen dar. Ihr Kontakt mit der Wandung der Seitenplatten an der oben bezeichneten Stelle hat sich erhalten, aber insofern modifi- ziert, als der Kontakt, der sich in jiingeren Stadien (Figur 11) von der Umschlagsstelle des Peritoneums bis in die Nahe des Vornierenganges erstreckte, jetzt durch Zwischenlagerung von Bindegewebszellen an zwei getrennten Stellen fiir jedes Segment Der "Hauplun dog rro2;i nlinlsysfenig drr WirbiHiore. 1)0 stattfiiulot. Kinmal in fler Niihe des Vornierenganges : ich bezeichne ihn als Kontakt a; zweitens an dor Umschlagsstelle des Peri- toneums: ich bezeichne ihn als Kontakt b. Jene ventralen Somitenabschnitte sind , wie die spiitere Ent- wickehing lelirt, nichts andcres als die Nierenanlagen. Wir sind demnach berechtigt, den dorsalen Somitenabschnitt als Myotom, den ventralen als Nephrotom zu bezeichnen. Es liegt somit, was die Nierenanlage anbetritft, ein Entwicke- lungsgang vor, wie er mit gewisseu Abweichungen zuerst von A. Sedgwick (36) sowohl fur Elasmobranchier als auch fiir Amnioten (Vogel) beschrieben worden ist. Jene Abweichungen beziehen sich im wesentlichen nur auf zeitliche Verschiebungen in bezug auf die Abschniirung der ver- schiedenen Coelomabschnitte voneinander, Durch die Untersuchungen von ROckert (34), van Wijhe (51) , Rabl (32) , ZiEGLER (54) fand die wichtige Entdeckung Sedgwick's fur Elasmobranchier ihre voile Bestatigung. Bis da- hin hatte man namlich ganz allgemein und in alien Gruppen die sogenannte Urnierenanlage entweder auf Wucherungen oder auf Einstiilpungen des parietalen Blattes der Seitenplatten zuriickge- fiihrt. Eine solche Entstehung vindizierte in einer 1886 erschie- ncnen Arbeit Hoffmann (17) den Urnierenkanalen der Amphibien, Urodelen sowohl wie Anuren. Dagegen beschreibt Hoffmann in einer spiiteren Arbeit (18) die Bildung der Urnierenkanalchen bei Reptilien (Lacerta) in einer mit den Befunden bei Se- lachiern, Coecilien und Vogeln viel besser iibereinstimmenden Weise. Die oben mitgeteilten Untersuchungen bei Coecilien beweisen, daC in dieser Amphibiengruppe ein prinzipiell vollkommen iden- tischer BildungsprozeC der segmentalen Nierenblaschen stattfindet, wie bei den Selachiern. Der einzige Unterschied beruht in einer zeitlichen Verschiebung: bei Selachiern schnurt sich das Nephro- tom vom Myotom zu einer Zeit ab, in welcher die Epithelien des Ur- segments noch kontinuierlich mit denen der Seitenplatten zusammen- hangen ; bei Coecilien hatten sich zu dieser Zeit schon Ursegmente und Seitenplatten voneinander abgelost. Doch ist diese Differenz keine sehr bedeutende. Denn die Abschnurung der Seitenplatten von den Ursegmenten ist auch bei Coecilien keine vollstandige, da ein Zu- sammenhaug in jedem Segmente erhaltcn bleibt. Dieser Zusammen- hang ist in den Figuren 9—12 als „Kontaktstelle" bezeichnet. Ein Teil dieses Zusamraenhanges, derjenige, der in Figur 12 mit Kontakt a bezeichnet ist, erhalt sich dauernd und aus ihm I 100 Dr. Ricliard Semon, wird der bekaiinte Peritonealtrichter der Ampliibienniere, Auch bei Selachiern scheint zuweilen zeitweilig iiur ein Kontakt und keine offene Kommunikation des Nephrotoms und Seiteiiplatten- coeloms zu existieren, wie Rcckert (34) und Ziegler (54) iiber- einstimmend berichten. Letzterer sagt daruber: „Wenn die Ent- stehung der Leibesbohle in den Embryonalkorper vordringt, setzt sich der Hohlraum mit der Hohle jedes Ursegmentes in Ver- bindung; in der Mitte jedes Ursegmentes konimunizieren die Hohlen , oder es setzen sich doch wenigstens die beidenEpithellamellendes Ursegmentes kontinuier- lich in die Sei ten pla tten fort"^), Urodelen und Anuren habe ich auf diese Verhaltnisse nicht untersucht Zweifelsohne werden bei ihnen die Dinge prinzipiell nicht anders liegen als bei Elasmobranchiern, Coecilien, ReptiUen und Vogeln. Noch altere Stadien (Tafel V, Figur 13 und 14) bieten inso- fern bemerkenswertes , als die eigentliche Nicrenanlage durch Zwischenlagerung von Bindegewebe noch weiter von den Seiten- platten oder kurz gesagt der Leibeshohle dorsalwarts abgedraiigt wird und so noch weiter retroperitoneal zu liegen kommt. Dabei erhalten sich aber die beiden Kontaktstellen a und b, Beide werden dadurch zu Epithelstrangen ausgezogen. Der Epithelstrang des Kontaktes a wird, wie oben erwahnt, zum Peritonealtrichter der Ur- niere. Da, wo der Epithelstrang des Kontaktes b in das Peritoneal- epithel iibergeht, beginnen sich in letzterem einige Zellen in eigen- tiimlicher Weise zu vergrofiern: diese Stelle wird dadurch als Ausgangspunkt der Keimdriise gekennzeichnet (Tafel V, Figur 13 und 14). Ubergangsgebiet von Vorniere uud Urniere. Bisher wurden unter der Uberschrift „Vorniere" und „Ur- niere" zwei Bildungen beschrieben, von denen die erstere, mehr proximalwarts gelegene, auf dem uns beschaftigenden Stadium eine voile Ausbildung als Exkretionsorgan zeigt, die andere, in tiefer gelegenen Segmenteu angetroflfene sich als eine noch recht in- differente, bis jetzt nicht funktionierende „An]age" charakterisieren laBt. Das Recht, die eine Bildung als Vorniere zu bezeichueu, leitet sich aus verschiedenen, spater zu erorterndeu Eigenturalich- 1) Tm Original nicht gcsperrt gedruckt Der Bauplaii des Urogeuilulsystoms dor Wirbclliere. 101 keiten ihrer Organisation uiid aus ihrciu spateruii Entwickeliings- gangc ab. Ebenso wurde oben schon hervorgoboben, daC die ticfer gelegenen segnientalen Epitholbliischen spiiter zu den segmentalen Urniereukanalcheu werden. Es fragt sich aber: giebt es eine scharfe Grenze zwischen beideu Bildungen? ist es moglich, mit Bestimintheit anzugeben: hier hort die Vorniere auf; hier fiiiigt die Urniere anV Zur Beantwortung dieser Erage ist ein lulheres Eingehen auf das Ubergangsgebiet von Voruiero und Urniere notvvendig. Denn bei Ichthyopbis werden Vorniere und Urniere nicht wie bei Uro- delen und Anuren durch eine Anzahl von Segnienten getrennt, die weder Vornieren-, uochUrnierenkanalchen enthalten ; ganz im Gegen- teil fiuden wir bei unserem Tiere in spatereu Entwickelungsstadieu Segniente , in denen beide Hildungcn eintrachtig zusanimen vor- komnieu (Tafel VI, Figur 22, Tafel VIII, Fig. 27). Wenden wir zunachst den uutersten Voruierenkanalen unsere Aufmerksamkeit zu, so sehen wir (Tafel I, Figur 1, 2), daC die- selbeu ganz wie die Urnierenkanalcbcn der tiefereu Segmcnte aucb uoch zunachst keine Verbindung mit dcni Vornierengauge habeu. In Figur 1 ist das XII. Kaualchen als das letzte Vornieren- kanalehen bezeichnet; die Epithelblascheu der folgendeu Segmente sind als 1., 2. u. s. w. Uruierenblaschen bezeichnet. Mit wekheni Rechte ist dies geschehen ? konnte es sich nicht ebenso gut uni jiingere, weniger entwickelte Vornierenanlagen handeln? Das erste der fraglichen Epithelblaschen (Tafel I , Figur 1 " links) steht ventralwarts und nach innen init eiuem Hohlrauni in ^'^-^^^'^^ ""*" Verbindung, der sich bei nilherer Untersuchung als eine Fort- setzung der „abgeschnurten Leibeshohle" der Vorniere ausweist (Tafel V, Figur 18). . Wird unsere Vermutung, dass wir es wirklich mit einer Vor- nierenbildung zu thun haben , durch dieseu Befund scheinbar be- statigt, so steht damit in Widerspruch, daC unser Blaschen zwar auch durch einen Epithelstrang mit dem parietalen Blatt des Peritoneums in Verbindung steht. Dieser Strang aber, aus dem spater ein Peritonealtrichter wird , entspricht seiner Lage nach genau einem Peritonealtrichter der Urniere (Tafel IV, Figur 12, Kontakt a), nicht einem AuBentrichter der Vorniere (Tafel V, Figur 17). Um iiber die Bedeutung des Blaschens und seiner Verbin- dungen ins Ivlare zu kommen, ist es notwendig, vorgreifend seine spatere Entwickelung ins Auge zu fassen. '^■ 102 Dr- Richard Semon, Auf Tafel VIII, Figur 21 ist ein Querschnitt durch ein ent- sprechendes Segment in einem altercn Stadium dargestellt. Aus dem Epithelblascheu ist ein Uruierenkanalcheu mit MALPiGHi'schem Korperchen und Peritouealtricliter gewordeu. Jenes Korperchen stoCt aber nach innen zu an ein medial vor der Aorta gelegeues Gebilde, welches, aus der abgeschniirteu Leibeshohle hervorge- g^ngen, den MALPiGHi'schen Korper der Vorniere vorstellt. Wir habeu also in Figur 18 eine Anlage vor uns, die aus ihrem veu- tralen Teil Vorniere, aus ihrem dorsalen Urniere hervorgehen laBt. Die Vornierenbildung pflegt allerdings in diesem Segment in rudimentarer Weise zu erfolgen, da im wesentlichen nur der MALPiGHi'sche Korper der Vorniere sich soweit fortsetzt. Der Aufientrichter pflegt zu fehlen oder rudimentar zu sein. Ein Innen- trichter (Tafel VIII, Figur 27) ist vorhanden, aber die Fortsetzung desselben in einen Querkanal ist stets mehr oder weniger riickge- bildet, und nie erreicht dieser Querkanal spater noch den Vor- nierengang (Tafel I, Figur 3, Vornierenkanal X). Dagegen erhalt sich der Zusammenhang des MALPiGHi'schen Korpers der Vorniere mit der Urniere durch eine segraentale Ver- bindung. Aus dem Urnierenanteil der letzteren wird das MAL- PiGHi'sche Korperchen der Urniere. Im nachsttieferen Segment des jungen Stadiums (Taf. V, Fig. 17) liegen die Dinge eigentlich ganz ebenso wie in dem eben besprochenen 1. Urnierensegment, Auch hier hangt das Epithel- blaschen ventral mit einem allerdings soliden Epithelrohr zu- sammen, das sich als eine Fortsetzung der abgeschniirten Leibes- hohle (MALPiGHi'scher Korper) der Vorniere erweist. Die Zellen des Epithelrohrs zeigen hier eine eigentumliche Anordnung; sie bilden unregelmaCige solide Epithelkugeln und Schlauche. In dieser Form setzt sich die Fortsetzung der abgeschniirten Leibeshohle der Vorniere nach unten hin fort, soweit uberhaupt Nephrotom- bildungen erfolgen. Jedesmal, wo segmental eine Verbindung mit dem Nephrotom erfolgt, zeigt das Gebilde eine Anschwellung. In den Zwischen- raumen zwischen den Segmenten ist die Bildung manchmal so verdiinnt, dafi ihr Querschnitt nur wenige Zellen enthalt. Ein kontinuierlicher , intersegmentaler Zusammenhang ist jedoch an guten Praparaten auch in den jiingsten Stadien unverkennbar. Aus jenem paarigen Epithelstreiten nun, der Fortsetzung der abgeschniirten Leibeshohle der Vorniere, und seiueu segmeutaieu Der Baupluu des UrogeuUalsystemb dor Wirbeltierc. 103 VerbiiidungcD mit dcr Uruiere wird der uicht uervose Teil der Nebeuniere (iuterreiiales Organ). DaC der Hohlrauiii, den wir nebst seineni Inhalt als Mal- piGiii'schen Korper der Vorniere bezeichnet habeu, ein Divertikel der unsegmeutierten Leibeshohle ist , uud zwar des am meisten ventral und medial gelegenen Teiles derselben, kaun keinem Zweifel unterliegen und lafit sich entwickelungsgeschichtlich direkt nach- weisen. Dasselbe gilt von seiner Fortsetzung, dem ebenerwahnten Epithelstrang , der zur Nebenniere wird. Da in demselben das Lumen verloren gegangen ist, bildet er sich nicht als hohle Ab- schniirung, sondern als solide Wucherung gerade an der Umschlags- stelle des Peritoneums, wo parietales uud viscerales Blatt inein- ander ubergehen (Taf. IV, Fig. 9—12). Hier ist er in jiingeren Stadien als unsegraentierter paariger Streifen leicht aufzufinden. Wie ersichtlich (Fig. 12), liegt er medial von der Stelle des Peri- toneums , an welcher spater die Epithelzellen sich in Keimzellen umwandeln. Er entspricht dem innersten Winkel des Kontaktes zwischen Nephrotom und Seitenplatten und spater, nach Teilung des Kontaktes in 2 Verbindungen , dem innersten Winkel des Kontakts b. In alteren Stadien schnurt sich die streifenformige Epithel- verdickung ganz vom Peritoneum ab und kommt retroperitoneal zu liegen. Dabei verliert sie aber nicht ihre Verbinduug mit Kontakt b, der sich zu einem segmentalen Epithelstrang ausge- zogen hat, sondern ist in jedem Segment mit jenem Epithelstrang durch einen medial zu letzterem tretenden Strang (Nebennieren- strang) verbunden (Taf el V, Figur 13, 14). Anders ausgedriickt konnen wir sagen , dafi medial von der Wand jedes Urnierenkanalchens ein Epithelstrang ausgeht, der sich in zwei Arme gabelt; der eine tritt zur Nebenniere, der andere zur Keimdriise. Beide sind Derivate der ursprunglichen Verbin- dung zwischen Nephrotom und Seitenplatten und zwar des inneren Teils dieser Verbindung, des Kontaktes b. In denjenigen Seg- menten, in denen keine Keimdriise zur Entwickelung kommt, abortiert die zu ihr gehorige Verbindung, die wir Sexual- strang nennen wollen. Nebennierenstrauge dagegen finden sich in alien Segmenten. Die gemeinsame Wurzel beider Strange geht in die Kapsel des MALPiGHi'schen Korperchens der Urniere tiber. Wir bezeichnen die gemeinsame Wurzel als Segmentalstrang (vgl. auch Tafel XIV, Figur 60). 104 Dr. Richard Scmou, Keim epi thel. Teilen wir die Rumpfgegend, in welcher sich Urnierenblaschen anlegen, der Lange nach in 4 gleichc Teile, so findet sich, dafi das Keimepithel auf den zweiten und dritten uud etwa die Halfte des vierteu Abschnitts beschrankt ist. Sowohl in der obersten als in der alleruntersten Urnieren region komrat es nicht zur Bildung einer Keimfalte. In unserem Stadium macht sich die Keimepithelanlage dadurch benierklich, daB in einem Langsstreifen des parietalen Peri- toneums lateral und unmittelbar neben dem Langsstreif, den wir als Anlage der Nebenniere bezel chnet haben, eine Wucherung des Peritonealepithels stattfindet. Diese Wucherung besteht nicht in einfacher Zellvermehrung , sondern auch in einer betrachtlichen VergroBerung und Umgestaltung einer Anzahl von Peritoneal- zellen, auf die in einem folgenden Abschnitt naher eingegangeu warden soil. Die so veranderten Zelleu werden als Ureier Oder besser als Urkeimzellen bezeichnet. Meistens behalten sie nicht ihre oberflachliche Lage, sonderu riicken in die Tiefe des an dieser Slelle mehrschichtig gewordenen Peritonealepithels. In diesem und auch noch in dem folgenden Entwickelungsstadiuni findet sich auf einem Querschnitt uie mehr als eine Urkeimzelle. Der Epithelstreifen der Keimdriise und der medial davon ge- legene Streifen der Nebenniere stehen von Segment zu Segment durch den Kontakt b in Verbindung mit den Ursegmenten, be- ziehentlich den Nephrotomen. Wie schon oben erwahnt, erhalt spater der Nebennierenstreifen eine retroperitoneale Lage, wahrend der Keimepithelstreifen seine peritoneale Lage beibehalt, Der Kon- takt hat sich mittlerweile zu einem Epithelstrang ausgezogen, der im Nephrotom wurzelt. Ein Ast dieses Stranges zieht zur Neben- niere (Nebennierenstrang) ; ein anderer zum Keimepithel (Sexual- strang) (Tafel V, Figur 13, 14). Vom MuLLER'schen Gauge laCt sich auf diesem Entwickelungs- stadium noch keine Spur wahrnehmen. 3. Stadium. Vorniere und Urniere, in ihren typi- scheu Bestandteilen ausgebildet, funktionieren beide als Exkretionsorgane. Keimdriise noch indif- ferent, (Embryonen mit gefiederten Kiemen (Sarasin, Figur 38 — 48). Bei den alteren (Sarasin, Figur 46—48) zeigt sich eine rasch fortschreiteude Ruckbildung der Vorniere), l)er Bauplaii (1( s Urogenitalsystims dor Wirbeltiere. 105 Vorniere. Figur 3 auf Tafel I ist die lincare Rckonstniktion cincr Vor- niere auf (iieseni Stadium nebst den daran anschlieCeiiden Ur- iiierensegnienteu. Figur 4, Tafel II ist die Oberflilchenansicht eines Totalpraparats desselben Stadiums. Was beim Vergleiche von Figur 1 uud 2 mit Figur 3 zunachst auffiillt, ist die viel starkere Schlangelung der Kaniile. Nicht nur die Querkaniile zeigen dieselbe; auch der Liingskanal oder Vor- uiereiigang, der im friiheren Stadium nur an seinem obersten Ende eiuige Windungen maclite, im iibrigen aber vollig gestreckt ver- lief, hat sich jetzt im gauzeu Bereich der Vorniere, den untersten Abschnitt ausgenommen, so stark gewunden, daG sich nicht mehr sagen laCt, welche Schlingen ihm selbst, vvelche den in ihn ein- miindendeu Querkanalen angehoren (vgl. Figur 3). Diese Veriinderung ist von keiner prinzipiellen Bedeutuug. Wicbtiger ist, daB die segmentalen GefaBsprossen aus der Aorta, die wir als solche im vorigen Stadium kenuen gelernt, and von denen wir bemerkt haben , daC sie segmental zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Innentrichtern die dorsale Wand der abge- schniirten Leibeshohle gegen die ventrale entgegenbuchteu (Fig. 1,2), nunmehr ein Lumen erhalten und an ihrem Ende ein Wundernetz (Glomerulus) eutwickelt haben. In der Oberflachenansicht Figur 4 a lassen sich nunmehr eine Auzahl getrennter, abgegrenzter Glomeruli unterscheiden. Um diese Zeit beginnt die Vorniere im Wachstum zuriickzubleiben. Da sie unten durch ihren Gang an der Kloake fixiert ist, oben aber nicht fixiert, so wird sie infolge der Wachstumsdifterenz gegen die Korpersegmente und die Aorta nach unten verschoben oder sozusageu herabgezogen. So machen auch die von der Aorta zum MALPiGHi'schen Korper der Vorniere tretenden Glomeruli natiirjich jene Verschiebung mit ; da sie aber ihrerseits an der Aorta fixiert sind, welche im Wachstum nicht zuriickbleibt, so miissen sie von ihrem Aortenursprung zum und im MALPiGHi'schen Korper schrag herabsteigen (Tafel I, Figur 3, Tafel VI, Fig. 20). Durch diese eigentiimlichen Wachstumserscheinungen kommt, wie leicht durch Vergleichung der Figuren 1 — 3 einzusehen ist, die eigentumliche , man konnte sagen schuppenformige Ueber- lagerung der Glomeruli der Vorniere in spateren Stadien zustande, dergestalt, daC das Ende des nachsthoheren Glomerulus iiber und vor den Anfang des niichsttieferen zu liegeu kommt (Tafel I, 100 Dr. Richard Semoil, Figur 3, Tafel VI, Figur 20). Auf diese Weise entstehen Quer- schnittsbilder vvie Figur 19 a und b, auf denen innerhalb des Querschnitts des MALPiGHi'schen Korpers der Vorniere zwei hinter- einander gelegene Glomeruli gefunden werden. Der ventrale ent- spricht dann dem Ende des boheren, der dorsale dem Anfang des nachstunteren Glomerulus (vgl. Figur 20). Das soeben beschriebene Lageverhaltnis der Glomeruli der Vor- niere kann auf Querschnitten den Anschein erwecken, als hatte man es mit einem einzigen grofien Glomerulus im Bereich der ganzen Vorniere, einem „Glomus" zu thun. Denn tiberall in der Quer- schnittsserie findet man Glomerulus getroffen , nie eine Liicke. Langssehnitte aber belehren iiber das Vorhandensein segmen- taler Glomeruli, die allerdings statt, quer von vorn nach hinten, schief nach abwarts verlaufen. Ich selbst wurde im Anfang durch diesen Anschein getauscht und babe in meiner vorlaufigen Mitteilung iiber das Urogenital- system von Ichthyophis (39) den streng segmentalen Bau des Glomerulus der Vorniere nicht erkannt. Ich glaube tibrigens, daC noch mancher bei anderen Wirbeltieren beschriebene „Glomus'* sich bei genauerer Untersuchung in eine Anzahl segmentaler Glo- meruli auflosen wird. Dadurch, dafi die Glomeruli nicht frei in das Lumen der ab- geschniirten Leibeshohle hineinhangen, sondern bis in die der ein- gestulpten entgegengesetzten Wand vorspringen und diese be- riihren (Tafel I, Figur 3, Tafel VI, Figur 19 a, 6, Figur 20), kommt es zu einer Art von segmentalen Kammerung der eingestulpten Leibeshohle. Niemals aber erfolgt eine ganzliche Trennung der Kammern, vielraehr bleibt die Einheitlichkeit der Bildung dauernd gewahrt (Figur 3, 4). Die Innentrichter miinden in jiingeren Stadien (Tafel I, Figur 1, 2) zwischen je zwei Aortenknospen. Dies thun sie auch spater, wenn die Glomeruli sich iibereinanderschieben. Alsdann mun- den sie zwischen dem oberen Glomerulus und dem jetzt dorsal hiuter ihm liegenden nachstunteren (Tafel VI, Figur 19 h). Injungeren Stadien babe ich zuweilen gesehen, daC ein Trichter- kanal zwei getrennte AuBentrichter zur abgeschniirten Leibeshohle entsendete (Figur 1, III, Vornierenkanal rechts). Auch in alteren Stadien findet man gelegentlich, besonders in unteren Abschnitten auf demselben Querschnitt zwei getrennte Innentrichter (Tafel VI^ Figur 21). Es konnte sich in letzterem Falle aber auch um eine sekundilre Nebeneinanderschiebung zweier ursprunglich hinterein- Tier Bauplan des Urogeuitalsystcms dcr Wirbeltiere. 107 ander gelegeuor Tricbter handelii. Eiiie siclicrc Eiitschoidung kanu ich nicht geben , da beidc Tricbter rudimentiir siiul, uud ibre Trichterkaiiiile blind cndigeu. Wir siiid soiiiit iiicbt berccbtigt, Bilder, wie das auf Figiir 21, Tafel VI dargestelltc, als sicheres Argument fiir cine beginnende Teilung des JVlALPiGHi'scben Korpers der Voruiere zu verwerten , wie icb es fruher getban babe. Es hiBt sicb das vielmebr cbenso gut aus eincr bb)Ccn Lagevcr- scbiebung der Teile crklarcn. Unibiklungs- und Reduktionserscbeinungen anderer Art macben sicb an der Vorniere in diesen Stadien in individuell wecbselnder Weise aucb dadurcb bemerkbar, daB die Querkaniile ebenso wie der Lilngskanal der Vorniere bie und da in ibrer Koutinuitat Unterbrecbungen zeigen, uud daCs besonders die Tricbterkanale sicb vou den Querkaniilen ablosen (Figur 3). Nach genauerera Studium jungerer Stadien bin icb zu dem Resultat gelaugt, dafi fast alle diese Erscheinungen auf Ruck- bilduug, nicbt auf mangelnde Ausbildung zuruckzufiibren sind, obwobl fiir die obersten Tricbter (vgl. Figur 1, Tricbter 0 und Figur 3, Tricbter I) und besonders fur die untersteu (vgl. Figur 1, Tricbter XII, Figur 3, Tricbter XI) die Moglicbkeit einer von vornberein mangelbaften Ausbildung nicbt in Abrede gestellt werdeu kann. Die vollkommenste Ausbildung zeigen aucb auf diesem Sta- dium die mittleren Abscbnitte der Vorniere. Icb mocbte bier nocb einige Worte liber Gebraucb und Sinn des Ausdrucks „MALPiGHi'scb es Korpercben" einfiigeu. Die alteren Autoren gebraucben den Ausdruck „Malpighi- scbes Korperchen" einfacb als synonym mit Glomerulus der Urniere oder der bleibenden Niere. Nacbdem durcb Bowman die den Glomerulus iimhullende Kapsel entdeckt worden war, unterscbied man zwiscben Glomerulus oder MALPiGHi'scbem Korpercben einerseits, Kapsel, das beifit Uni- hiillung des MALPiGHi'scben Korpercbens andererseits. Allmablicb bat sicb nun eine Anderung im Gebraucb dieser Ausdrucke vollzogen. Man bat angefangen, den Gefafiknauel oder Glomerulus an und fiir sicb nicbt mebr als MALPiGHi'scbes Korpercben zu bezeicbnen, sondern nur zusammen mit dem Siickcben, in welcbes er eingestiilpt ist (Hektwig, Lebrb. d. Ent- wickelungsgeschicbte, 1. Aufl., p. 269). Leider bat sicb diese Anderung im wissenscbaftlicben Spracbgebraucb noch nicbt defiuitiv vollzogen, und viele Autoren braucbeii den Ausdruck MALPiGHi'scbes 108 Dr. Richard Semon, Korperchen immer noch fiir den Glomerulus, also fiir den Teil, nicht fiir das Ganze. Trotz der historischen Berechtiguug letzteren Standpunktes ware es aus ZweckmaCigkeitsgrunden sehr augebracht, fiir das koraplexe Organ in seiner Gesaratheit, bestehend aus Glomerulus, Sackchen und dessen Verbindung rait dem Urnierenkanalchen (Inuentrichter), entweder ein neues Wort zu finden oder fiir diesen BegriH' den Ausdruck „MALPiGHi'sches Korperchen" zu reservieren, Ein neues Wort diirfte fiir einen so altbekannten Begriff nur schwer oder gar nicht in Aufnahme kommen und konnte leicht die Verwirriing vermehren. Ich werde deshalb das gesamte Go- bi I de als „Malpighi ' s c h e s Korperchen" bezeichnen. Das- selbe besteht 1. aus dem Harnsackchen und 2. aus dem in dasselbe eingestiilpten Glomerulus. Infolge der Einstiilpung des Glomerulus in das Sackchen konnen wir an letzterem ein viscerales Blatt unterscheiden , das den Glomerulus allseitig fest iiberkleidet wie die viscerale Pleura die Lunge, und ein parietales Blatt, in das sich ersteres um- schlagt. Unter BowMAN'scher Kapsel versteht man meistens nur das parietale Blatt. Bei Ichthyophis fanden sich in das uns bekannte Leibeshohlen- divertikel der Vorniere eine Anzahl von Glomeruli in ganz ahn- licher Weise eingestiilpt , wie die Glomeruli der Urniere oder bleibenden Niere in das BowMAN'sche Harnsackchen eingestiilpt sind. Unten soil gezeigt werden, daC auch die Beziehungen der Urnierenkanale durch ihre Innentrichter ganz dieselben sind, wie die der Innentrichter der Vorniere zur abgeschniirten Leibeshohle. Aus diesen Griinden und anderen , die im ver- gleichenden Teil ausfiihrlich auseinandergesetzt werden sollen, halte ich mich fiir berechtigt, die abgeschniirte Leibeshohle der Vorniere mit ihren Glomeruli und ihren Verbindungen mit den Querkanalen der Vorniere durch Trichter (Innentrichter) als einen „MALPiGHi'schen Korper" der Vorniere zu bezeichnen, von den MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere nur dadurch unterschieden, dafi der Leibeshohlensack zwar durch die segmental eingeschobenen Glomeruli gekammert, in seiner Totalitat aber noch nicht gelost und nicht in einzelne Teilstiicke zerfallen ist. Das ist aber auch der einzige wesentliche Unterschied zwischen MALPiGHi'schem Kiirper der Vorniere und den gleichgebauten, nur in ihrem Zu- sammenhange gelosten Korperchen der Urniere. Ein Vergleich Der Baupliin des Urogc iiitalsystems der Wirbeltiore. 109 Jer Quoischiiitte beiderlei Bildungon (Tafel III, Figur 7 Voruiere, Figur 8 c Urniere) wird das bestiltigeu. Fiir dou MALPiaiii'scheu Korper der Voruiere ist ein Querschiiitt ini oberen Abschnitt der Voruiere gewiihlt, wo die Glomeruli iioch iiicht so stark Ubereiu- andergeschoben sind. Urn auf deiiiselbeu Querschnitte Aulkn- trichter uud lunentrichter zu zeigen , wurde das Querschnitts- bild Figur 7 durch tlbereinanderzeicliueu dreier aufeiuauderfol- gender Querschuitte hergestellt. tjbergangsgebiet von Vorniere und Urniere. Nebenniere, Wis schon ini vorigen Entwickeluugsstadium angegeben wurde, treten bei Ichthyophis im Bereich derjenigen Korpersegmente, die den untersten Abschnitt der Voruiere entbalten, die obersten Ur- niereubilduugen auf. tJber das gegeuseitige Lageverhaltnis beider Bildungen kann man sich am besteu auf Figur 4, Tafel II orieutiereu ; feruer geben die Querschuitte Figur 22, 23 auf Tafel VI, Figur 24, 25 auf Tafel VII iiber diesen Punkt uaheren AufschluC. Die Abbildungen zeigen ohne weiteres, daC da, wo beide Bildungen zusarameu auftreten, die Voruiere veutral vor der Urniere liegt. Meisteus (nicht immer) sind beide Orgauc durch eine Eiu- schutirung voneiuauder gesoudert, so daB sich die Vorniere falteu- artig vor die Urniere legt (Figur 4, Tafel II). Diese Falte ver- streicht nach uuten zu (Figur 4), indem sich ihr Ende mehr und mehr zwischen die Urnieren einkeilt (Tafel VI, Figur 22; Tafel VII, Fig. 23—25). Die Urniere liegt mit einem Worte dorsal hinter der Vorniere; bei manchen Exemplaren ist die dorsale Lage sekundar in eine mehr laterale (Figur 27) umgewandelt. Die AuCentrichter der Ur- niere haben stets eine ausgepragt laterale Lage im Vergleich zu denen der Vorniere (Figur 4 und 27). In Figur 27 liegt das MALPiGHi'sche Korperchen der Urniere Wand an Wand mit dem MALPiGm'scheu Korper der Vorniere. In Figur 22 sind sie raumlich weiter voneiuauder getrenut. Ur- spriiuglich sind sie aber eug zusammengehorige Bildungen, wie ihre beim vorigen Stadium dargestellte Eutwickelung (Tafel V, Figur 16) beweist. Im vergleichenden Teil will ich versuchen, den Beweis anzutreten, daB die MALPiGm'scheu Korperchen der Urniere als dorsale Abschnurungen vom MALPiGm'scheu Korper der Vorniere aufzufassen sind , abzuleiten aus Teilungen des J 10 Br. Richard S em on , MALPiGHi'schen Korpers der Vorniere durcli Ltingsspaltung des Glomerulus, seines Leibeshohlensackes und des in letzteren ein- miindenden Innentrichters. Steigen wir nun bei Betrachtung des Ubergangsgebietes vou Vorniere und Urniere weiter abwiirts (Tafel VI, VII, Figur 22 —25), so sehen wir die AuCeutrichter der Vorniere mehr und raehr rudiraentar werden; auch die abfiihrenden Querkanalchen , die schon weiter oben nicht mehr den Langskanal (Vornierengang) er- reicht haben, verschwiuden. Erhalten bleibt nur der Malpighi- sche Korper der Vorniere und der Vornierengang, beide infolge der mangelhaften Ausbildung und weiter unten infolge der ganzlichen Abwesenheit der Querkanale jetzt ohne direkte Verbindung unter- einander. Zwischeu beide hat sich eine scheinbar neue Bildung, die Urniere, eingeschoben, Wie angedeutet, fasse ich dies Gebilde als ein dorsales Abspaltungsprodukt, ein Derivat der Vor- niere auf. Erhalten bleiben und kontinuierlich bis zum Hinterende des Kijrpers setzen sich fort der Vornierengang und der stark umge- bildete MALPiGHi'sche Korper der Vorniere. Letzterer laCt schon im Bereich der untersten Vorniereukanale haufig die Glomeruli vermissen (Figur 23), Bald schwindet auch das Lumen des Harnsacks, und an Stelle des letzteren sehen wir solide Epithelstrange und Epithelkugeln den Raum vor der Aorta und dorsal von der hier auftretendeu Vena cava inferior einuehmen (Langsschuitt Tafel VI, Figur 20, Querschnitte Tafel VII, Figur 25, 26). Zuweilen setzen sich auch noch rudimentare Innentrichter an das Gebilde an. Zweimal fand ich sogar eine kleine arterielle GefaCschlinge , die sich glomerulusiihnlich in die Epithelstrange eiustiilpte (angedeutet in Figur 3, Tafel I). Was wir schon im vorigen Stadium beobachten konnteu: der Leibeshohlenteil des MALPiGm'schen Korpers der Vorniere erstreckt sich in umgebildeter Form durch die ganze Lange des Rumpfes bis zum Aufhoren der Urniere hin abwarts. Dieser in Epithel- strange, Zapfeu, solide Kugeln umgebildete Leibeshohlensack des MALPiGHi'schen Korpers der Vorniere wird von da au , wo er die angegebeneu Umbilduugen zeigt, als Nebenniere, interrenales Organ, bezeichnet. Auch jetzt noch treten von Segment zu Segment in unser Organ die Nebennierenstrange als Aste der Segmentalstrauge ein Dar Bauplan des Uro^^enitalsystems dor Wirbeltiore. I 1 1 und SL'tzeu dasselbo durch letztere niit dor Urn i ere, und zwar iiiit deu MALPKaiii'scheii Korpercheu derselbeu in Verbindung, In den Segmenten, in wolchen sich Keimepithel bildet, ent- spriugt als zweiter Ast jeiies Segmentalstranges ein Sexualstraug (Tafcl VJII, Figur 29). VVir habeu hier die kontinuierlicho und einfach vcrstandliche Weitereutwickeluug der im vorigeu Stadium (Tafel V, Figur 13, 14) niilier beschriebenen und iu ilirer Entstehung weiter zuriick verfolgten Aulagen vor uns. Ein nochnialiges Eingehen auf diese Punkte erscbeint raithin nicht notwendig. Urniere. (Primiire Urnierenkanalchen.) Die Urniere haben wir in einem Stadium verlassen, in deni sie reprasentiert wurde durch eine segmentale Reihe blindge- schlossener Epithelbliischen, die medial vom Vornierengang lagen (Tafel IV, Figur 12, Tafel V, Figur 13, 14). Jedes Blaschen stand durch zwei Epithelstrange mit dem Peritouealepithel in Kontakt. Der eine Strang, mehr medial gelegen und als Segmentalstrang bezeichnet, fiihrte durch seinen einen Ast, den Sexualstrang, zu dem Teil des Peritonealepithels, das Keinizellen zu bilden begann. Der zweite, mehr medial verlaufende Seitenast fiihrte zur Nebeu- niere (Tafel V, Figur 14). Der aus Kontakt a entstandene Strang mundete lateral vom Segmentalstrang iu das Epithelblaschen der Urniere und begab sich zu einer mehr lateral gelegenen Partie des Peritoneums (Tafel V, Figur 13). Eine Verbindung des Blaschens mit dem Vornierengang fehlte noch durchaus. Bald darauf beginnt das Blaschen sich zu strecken , so daC es einen von hinten lateral nach vorn medial verlaufenden Bliud- kanal darstellt. Dieser Blindkanal kriimmt sich nun in ver- schiedenen Richtungen des Raums. Furbkinger (12, p. 15) hat bei Salamandra die ersten Kriimraungen des Urnierenkaniil- chens genau studiert. Ich habe mich mit diesem Punkte nicht so eingehend beschaftigt, finde aber, dali die Entwickelung der Kriimmungen bei Ichthyophis ahnlich erfolgt wie bei Salamandra. Das dorsal und lateral gerichtete Ende des Urnierenkanalchens legt sich innig an den Vornierengang an. An der Beruhrungs- stelle erfolgt zunachst eine Verklebung der Epithelien, spater ein Auseinanderweichen vom Centrum der Verklebungsstelle zur Peri- pherie hin, so daC sich eine otiene Kommunikation bildet. Ebenso wie FURBRiNGER (12, p. 18) habe ich nie beobachten konnen, daB 112 Dr. Richard Semon, bierbei die Wand des Vornierenganges sich an der betreffendeu Stelle ausgestulpt liatte und dem dorso - lateralen Ende des Ur- nierenkanalchens entgegengewachsen ware. Merkwurdigerweise findet aber ein solches Entgegenwachsen einer Ausstulpung des Vornierenganges stets und in sehr augenfalliger Weise der zweiten Generation von Urnierenkanalcben gegenuber statt, deren Entwicke- lung unten geschildert werden soil. Aus dem raedialen und ventralen Ende des Urnierenkanal- chens, von dem die mehrfach erwahnten Epithelstrange ausgehen, wird das MALPiGm'scbe Korperchen der Urniere. Der laterale Strang wird zum Peritonealtrichter des Korperchens, der mediale Oder Segmentalstrang entsendet den Sexualstrang zur Keimdriise, den Nebennierenstrang zur Nebenniere. Aus dem intermediiireu Abschnitt des Urnierenkanalchens gehen die zahlreichen Schlingeu und Windungen desselben hervor. So zahlreich und scheinbar unregelmafiig diese Windungen auch sind, so sind sie docb in "Wirklichkeit in ihren Hauptzugen durchaus konstant, sie wiederholen sicb von Segment zu Segment und behalten ihren Typus auch in iiltereu Stadien. Auf Tafel III, Figur 6a — d sind die Windungen eiues Urnieren- kanalchens dargestellt. Die 4 Abbildungen sind so aufzufassen, als ob ein Kanalchen durcli 3 Liingsschuitte in 4 dicke Teilstiicke zerlegt worden sei. Jedes Teilstuck wurde durch Ubereinander- zeichnen von 5 feinen Langsschnitteu gewonnen. Den Windungen folgt man, wenn man vom Peritonealtrichter 1 begmnend durch das MALPiGHi'sche Korperchen 2 den Zitfern bis zur Einmiin- dung in den Vornierengang bei 22 folgt. Figur 6 a stellt den am meisten lateral, Figur 6d den am meisten medial gelegenen Teil des Segments dar. Wie man sieht, nimmt das MALPiGHi'sche Korperchen nebst seinem Trichter den obersten (proximalen) Teil des Nierensegments ein. Ihm liegt innig die Aniage eiues Kanalchens 2. Ordnung an, dem eine Ausstulpung der Wand des Vornierenganges entgegengewachsen ist. Auf die Entwickelung und den Bau des MALPiGHi'schen Korperchens muC noch etwas naher eingegangen werden. Dasselbe bildet sich genau an der Stelle, wo die beiden Epithel- strange vom Peritoneum zum Urnierenblaschen Ziehen, also an der Kontaktstelle des Nephrotoms mit der unsegmentierten Leibes- hohle (vgl. Figur 9—14), An der Wurzel der beiden Strange sehe ich nun in dem an dieser Stelle sol id en Epithelwulst (Tafel V, Figur 13, 14) eine GefaCbildung auftreten. Ich fiude Ber Bauplaii des Urogenitalaystems der Wiibeltiere. 11 o dieselbc von An fang an durch ein feines arterielles Stammcheu in kontinuierlichem Zusaniinenhaiig mit der Aorta. Una die GeftiBbildung, die zum Glomerulus wird, gruppiereu sich die Zellen des Epithelwulstes in zwei koiizentrischen Schichteu. Die innere Schicht (viscerales Blatt) besteht zunachst aus hoheu cylindrischen Zellen (Tafel III, Figur 8a). An der Stelle, wo das Aortenastcben zum Glomerulus tritt, schlagt sich diese innere Zellschicht in die auCere urn, die aus Zellen besteht, die schon in sehr friihen Stadien eine bedeutende Abplattung zeigen. Die beiden Zellschichten lassen zwischen sich einen Hohlraum erkennen, der sich allmilhlich ausweitet ; es ist der Hohlraum des Malpighi- schen Korperchens (Figur 8 b, c). Mit weiterem VVachstum des Glomerulus verlieren die Zellen des visceralen Kapselblattes viel von ihrer regelmaliigen Anord- uung. Ihre kernhaltigen Teile ragen oft vorsprungartig in das Innere des Hohlraumes hinein (Tafel VII, Figur 25). Ein ganz ahn- liches Verhalten der visceralen Glomerulusiiberkleidung beobachtet man iibrigens auch am MALPiGHi'schen Korper der Vorniere (Tafel VI, PTgur 19 a, b). Der laterale Epithelstrang (Kontakt a), der in fruheren Sta- dien das mediale und ventrale Ende des Urnierenblaschens mit dem Peritoneum verband, wird zum Peritonealtrichter. Manchmal erhalt der Epithelstrang schon sehr friih ein Lumen und wird dadurch zum Trichter, f ruber als sich eine deutliche Glomerulusbildung nach- weiseu laCt ; zuweilen erfolgen beide Prozesse gleichzeitig. Bei den spater zu besprechendeu Kanalchen zweiter Ordnung erfolgt die Eroffnung des Epithelstranges zum Trichter erst lange nach voll- kommener Ausbildung des Glomerulus. Hier finden also bedeu- tende zeitliche Schwankungen statt, besonders wenn man noch den MALPiGHi'schen Korper der Vorniere mit berucksichtigt, bei dem die Glomerulusbildung stets spater auftritt als die fertige Ausbildung der Trichter. Untersuchen wir das Verhalten des Trichters zum Malpighi- scheu Korperchen genauer, so finden wir, dafi der Peritonealtrichter keineswegs auf geradem Wege in das Korperchen hineinfiihrt. Er fuhrt vielmehr in einen wimpernden Kanal (Trichterkanal) , der sich weiter hin in das Urnierenkanalchen fortsetzt (Tafel III, Figur 10). Nach der entgegengesetzten Richtung entsendet der Trichterkanal eine Fortsetzung zum MALPiGHi'schen Korperchen, die in dasselbe trichterforraig einmiindet (Innentrichter). Anders ausgedriickt: Jedes Urnierenkanalchen entsendet aus einem gemein- Bd, XXVI. S.F. XIX. Q 114 Dr. Richard Semon, samen wimpernden Endstuck zwei trichterformige Enden ; das eine mundet in den Hohlraum des MALPiGHi'schen Korpercheus (Innentrichter), das andere in die freie Leibeshohle (AuCeu- trichter). Die Urnierenkanalchen verhalten sich also in dieser Beziehung absolut identisch mit den Vornierenkanalchen ; der einzige Unterschied ist der, da6 die Vornierenkanalchen ikren Innentrichter in den groCen, zwar segmental gekammerten aber uicht in isolierte Teilstucke zerfallenen MALPiGHi'schen Korper der Vorniere entsenden, die Urnierenkanalchen dagegen in die segmental vollig isolierten Korperchen der Urniere. Ein Vergleich von Figur 7 (Vorniere) mit Figur 8 c (Urniere) auf Tafel III zeigt, dafi AuBentrichter, Innentrichter und Trichterkanal in ihrem gegenseitigen Verhalten bei beiden Bildungen durchaus iiberein- stimmen. Entwickelung der Urnierenkanalchen 2., 3. u. s. w. 0 r d n u n g. Gefarbte und aufgehellte Totalpraparate der Urniere ira dritteu Stadium gewahren einen merkwurdigen Anblick, insofern als man zwischen den deutlich segmental geordneteu Urnierensegmenteu, also genau intersegmental, lebhaft gefarbte Knotchen entdeckt, die, wie eine nahere Untersuchung zeigt, kleinen Auswiichsen des Vor- nierenganges beerenformig aufsitzen. Untersuchung alterer Stadien lehrt, dafi es Anlagen von Kanillchen zweiter Ordnung sind (Figur 6 b). Bekanntlich kommeu bei den Urodelen (ausgenommen Spelerpes variegatus) und Anuren auf ein Korpersegment nicht je ein, sondern 2 und mehr hintereinanderliegende Urnierenkanalchen ; bei Sala- mandra maculata nach Fijrbringer (10, p. 20) in vorderen Seg- menten 3 — 4, in mittleren 4 — 5, in hinteren 5 — 6. Da nun angegeben wurde, dafi diese zahlreichen Kaualchen der Urodelen- und Anurenniere gleichzeitig auftreten, hat man sie siimtlich als Kanalchen erster Ordnung gedeutet und sie als prim are Urnierenkanalchen den spater dorsal von ihnen aul- tretenden jiingeren gegeniibergestellt. Diese „Dysmetaraerie" der Urodelen- und Anurenniere erscheint zunachst als etwas sehr Wunderbares, schwer Erklarliches. Nur die Coecilieu batten nach Spengel, der Stadien wie das uns jetzt beschaftigende untersucht und beschrieben hat, eine in der Jugend wirklich metamer gebaute Niere, das heifit eine seiche, deren Segmeute mit den Korpersegmenten in Einklaug stehen. l)er Bauplan des UrogenitalaystemK der Wirbeltiere. 115 Der oben mitgeteilte Befuud vou sehr fruben, zwischen die priuiiireu Uruiereukanalcbeii eingescbobeneo Kaniilen 2. Ordnung zeigt nun aber, daB sicb audi bei ihnen schoii sehr fruh die Tendenz zeigt, die Zahl der Querkaniile in jedera Segment durch Kiuschiebuug neuer zu vermebren. In spateren Stadieu schreitet diese Vermehrung noch weiter fort, es schieben sicb eiue dritte, vierte, ja fiinfte Generation ein, dergestalt, dali abniich wie bei Salamandern die Vermehrung nacb unten zu weitere Ausdehnung gewinnt, als in den oberen Abscbnitteu der Urniere. So wird die Coecilienniere sekundiir dysraetamer, die Uro- delen- und Anurenniere ist es scheinbar von Anfang an. Ich bin test uberzeugt, daC sicb aucb die Urnieren der Urodelen und Auuren urspriinglich streng metamer und zwar derart anlegt, dafi jedes Nephrotom je ein Uruierenkanalchen liefert. Hochstwahr- scbeinlicb erfolgt aber sehr friih ein Zerfall dieser metameren Primaranlagen in eine Auzahl sekundare Teilstucke, so dali scbon in relativ jungen Stadien die metamere Anordnung verwischt er- scbeint. Ganz ahnlich verhalt es sicb ja, wie neuere Unter- suchungen gezeigt haben (Sedgwick 36, Hoffmann 18) mit der sekundar ebenfalls dysmetameren Urniere der Amnioteu. Allerdings besitzen nach Spengel (42, p. 69) bei Urodelen samt- liche ventrale Kanale jedes Segments Sexualstrange, wahrendbei den Coecilieu uur die wirklich priraaren solche besitzen. Auf die ganze Frage komme ich noch einmal im vergleichenden Teile zuriick. Wie erwahnt, liegen bei Ichthyopbis im dritten Stadium die Kanale zweiter Ordnung als deutlich bervortretende Knotchen zwischen denen 1. Ordnung, und zwar so, dass jedes Knotchen dem zugewandten MALPiGHi'schen Korperchen 1. Ordnung innig anliegt. Eine genauere Untersuchung zeigt, dass an der Beruhrungs- stelle das Epithel der parietalen Kapselwand einen Fortsatz gegeu das Knotchen entsendet, welcher kontinuierlich in letzteres iibergeht. Die Zelleu dieses Fortsatzes sind haufig blasig aufgetrieben, liegen weuiger dicht und sind blasser gefarbt als die des Knotchens; doch ist der kontinuierliche Zusammenhang beider Bildungen evident. Auf Tafel VIII, Figur 30 ist dies Verhaltnis auf dem Querschnitt, auf Figur 31 auf dem Langsschnitt darge- stellt. Man muli diese Figuren genau betrachteu, um das Detail der Verbindung zu erkennen. Obwohl ich keine jungeren Stadien der Entwickelung der Kanalchen 2. Ordnung gefunden babe, die deutlich als solche zu 8* 1 16 Dr. Richard Semon, erkennen waren, nehme ich auf die eben mitgeteilten, haufig be- obachteten Befunde bin keinen Anstaud, die Kanalchen 2. Ordnung fur Produkte der Wand der MALPiGHi'scben Korpercben 1. Ord- uung zu erklareu. Es verdient ubrigens erwabnt zu werden, dafi die Knospe des Kanalcbens 2. Ordnung vom MALPiGHi'scben Kor- percben n i c b t von derjenigen Stelle ausgebt, wo der Segmental- Strang in dasselbe eintritt, sondern etwas liber demselben. Hieraus resultiert, dafi die Kanalcben 2. und aller spateren Ordnungen keinerlei Konnex mit Nebennieren- und Sexualstrangen erlangen, und die Beziebungen zur Keimdriise bei Coecilien auf die Kanale 1. Ordnung bescbrankt bleibt, Spater lost sicb die Knospe vollig vom MALPiGHi'scben Kor- percben 1. Ordnung ab. Wie erwabnt, wacbst der Knospe eine Aussttilpung des Vor- nierenganges auf eine weite Strecke bin entgegen und dient der Knospe sozusagen als Stiel (Figur 30, 31 auf Tafel VIII). In dieser Beziebung zeigt der Vornierengang dem Kanalcben 2. Ord- nung gegeniiber ein anderes Verbalten als demjenigen erster, da er sicb gegen letzteres viel mebr passiv verbalt. Scbon friib sebe icb die Knospe des Kanalcbens 2. Ordnung durcb einen Epitbelstrang in Verbindung mit dem parietalen Peritoneum. Der Strang verlauft ganz dicbt iiber und genau parallel dem Aussentricbter des Kanalcbens 1. Ordnung (Figur 3, Tafel I). Dieses Lagerungsverbaltnis macbt es mir sebr wabrscbeinlicb , dafi der Tricbter 2. Ordnung in einer gewissen Kontinuitat oder Anlebnung an denjenigen 1. Ordnung entstebt. Einen sicberen Beweis hierfiir aber kann icb nicbt er- bringen. Die Knospe bat auf Scbnitten einen eigentumlicb geschicb- teten Bau (Figur 30). Spater wird in der zusammengeballten Masse ein Lumen sicbtbar, und wir erkennen ein stark gekrummtes Kanalcben , das dorsal in die Aussttilpung des Vornierenganges miindet, nacb vorn und lateral einen Tricbter zur Leibesboble entsendet. An der Stelle, wo der Tricbter abgebt und fruber die Verbindung der Knospe mit dem MALPiGffl'scben Korpercben 1. Ordnung bestand, entwickelt sicb ein MALPiGHi'scbes Kor- percben mit alien typiscben Bestandteilen. Aus der Entwicke- lung ergiebt sicb unmittelbar die Tbatsacbe, dass das Kanalcben 2. Ordnung durcb einen besondereu Ausfiibrgang in den Vornieren- gang einmiindet, nicbt in den Ausfiibrgang des Kanalcbens 1. Ordnung. Der Baiiplan des Urop^Pin'tPilsystrms der Wirbeltierp. 117 Ebenso wie die Kanalcheii 2. Orduung cntstehen ini nachston Stadium (Larvcustadium) dicyenigen 3. 4. etc. Orduung durch Ei n sch i ebiin g zwischen die altereii Generationen. Ob die jiiiigere Generation imnier von der nachstaltereu abstammt, Oder auch von der ubernachsten, habe ich nicht naher untersucht, da die Entscheidung der Frage schwierig ist und mir vorliiufig ohne besondere Bedeutung zu sein scheint. Bisher lagen die Kanalchen der verchiedenen Ordnungen in einer Langsreihe iibereinander. In erhcblich alteren Stadien (tJbergang der Larve zum ausgebildeten Tier) bilden sich besouders in den unteren Abschuitten der Niere auch dorsal von der ersten Reihe ncue Urnierenkanalchen mit MALPiGiii'schen Korperchen und Trichtern aus, so daC man bei erwachsenen Tieren mehrere Reihen Korperchen hintereinander findet. Es scheint, dafi diese dorsalen Kanale keine selbstandigeu Miindungen in den Vornieren- gang besitzeu, sondern die Muudungsstuckc der ventralen Kanal- reihe mitbenutzen. His tologische Notizen iiberVoruiere und Urniere. Ich habe schon in der Einleitung hervorgehoben, daC ich in den vorliegenden Untersuchungeu mehr den vergleichend morpho- logischen, weniger den speziell histologischeu Fragen meine Auf- merksamkeit zugewendet habe. Die Histogenese hat mich nur insoweit beschaftigt, als sie mir zum Eindringeu in den allgemeinen Bau der betrachteten Organe eiues Schliissel zu liefern schien. Doch habe ich mich insofern bemiiht, Einseitigkeit zu vermeiden, als die histologischen Zeichnungen Tafel IV— XIII moglichst natur- getreu, Zelle fiir Zelle, Wimper fur Wimper mit dem Zeichenprisma vom Objekte abgezeichnet wurden. So geben die Zeichnungen Tafel IV— VII direkt die Histogenese der Vorniere und Urniere wieder, soweit ich sie an dem mir zu Gebote stehenden Material ergriinden konnte. Da mir frisches Material nicht vorlag, und die Konservierung des mir vorliegenden durchweg vermittelst einer und derselben Konservierungsfliissigkeit (Chromsaure) erfolgt war, verzichte ich auf eine detaillierte Beschreibung, die nur dann einen Wert hat, wenn eine Kontrolle durch Vergleichung verschiedenartig konservierteu Materials moglich ist. Nur auf einen Punkt mochte ich etwas naher eingehen: die Wimperung in den Kanalen der Vorniere und Urniere. Die jiingsten Stadien der Umierenkanale , des Vornieren- ganges in seinen unteren Abschnitteu (Tafel III, Figur 9 — 12, 118 Dr. Richard Semou, Tafel IV, Fig. 13, 14) sind durchweg wimperlos, und dasselbe gilt ohne Zweifel auch fur die jiingsten Stadien der Vorniere und des obereu Teils des Vornierenganges, die rair zur Untersuchung nicht zu Gebote standen, deren Eutwickelung aber bei zahlreichen anderen Tieren bekannt ist. In alteren Stadien sind zweifellos wimpernd die AuBentrichter, Innentrichter und Trichterkanale sowohl der Vorniere als auch der Urniere. Das einschichtige, cylindrische Wimperepithel dieser Trichter und Kanale ist durch sehr starke Farbbarkeit der Zellen und zwar sowohl der Kerne als des Zellprotoplasmas ausgezeichnet. Die eiformigen Kerne nehmen den grossten Teil der Zelle ein, so daU die Kerne der verschiedenen Zellen nah6 zusammengeriickt erscheinen. Jede Zelle tragt eine sehr lange, dicke, nicht starre Geissel. Was nun die Wiraperung der Vorniereukanale im zweiten und der Vornieren- und Urnierenkanale sowie des Vornierenganges im dritten Stadium anlangt, so bin ich hieriiber zu keiner absoluten Sicherheit gekommen. Die Zellen dieser Kanale sind flacher, niehr kubisch geformt, weniger leicht und stark farbbar als die der Trichter, ihre Kerne im Verhaltnis zum Zellganzen kleiner. Haufig finde ich Schnitte, auf welchen die Zellen fast aller Kanale eines Querschnittes Wimpern tragen (Tafel VI, Figur 25), haufig kann ich Wimperung nur in einigen Kanalen , zuweilen nirgends wahrnehmen. Hochstwahr- scheinlich hangt dieser negative Befund mit Eigentiimlichkeiten der Konservierung, zufalliger Stellung der Wimpern etc. zusammen. Ich glaube , daB in gewissen Entwickelungsstadien s a m 1 1 i c h e Telle der Querkanale von Vorniere und Urniere Wimpern tragen. Voll hierfiir eintreten kann ich aber nicht. Wo Wimperung vor- handen ist, da tragt jede Zelle eine Wimper, die kiirzer und dunner ist als die Wimpern der Trichter und Trichterkanale. Wie wir spater sehen werden, geht in alteren Stadien diese Wim- perung im Vornierengang vollkommen, in den Querkanalen groBten- teils verloren. Ich mochte schlieClich noch eine eigentiimliche Bildung er- wahnen, die bei vielen Embryonen und an verschiedenen Stellen das Lumen des Vornierenganges sowie der Vornieren und Ur- nierenkanale erfiillt. Dieselbe bildet Faden und Netze, die zuweilen Wimpern vortauschen konnen, sich wohl auch nicht selten an die Wimpern anlegen und mit ihuen verkleben. Per Bauplan dee UrogpnifnlsypteniR iier Wirbelliere. 110 Solche Rildiingen habe ich iibrigens auch im Darm und iu deu Limgeu gefuudeu. lu Figur 30 auf Tafel VIII siehl man sie im Voruiereugaug. Ich will hervorheben , daB es sich keinesfalls um eiu durch die Aufklebemasse der Schuitte er- zeugtes Kiiiistprodukt handelt. Ebensowenig ist an Anschnitte von Zellen zu denken, was sich natiirlich leicht durch Betrachtung der aufeiuaiiderfolgenden Schnitte einer Seric feststellen laCt. Auch mit eiuem gewohulichen Gerinnsel hat die Bildung durchaus keine Ahulichkeit. Ihre Maschen bilden haufig Figureu, die nach Form und GroCe den Epithelzellen des umgebenden Rohres ent- sprecheu. Die Faden des Netzwerkes setzen sich oft sehr regel- mafiig an die die einzelnen Zellen trennenden Wande an. Man wird durch derartige Bilder auf die Vermutuug gefuhrt, daC es sich um Ausscheiduugsprodukte der Zellen oder aber um die Membrane untergegangener Zellen handeln konnte. Diese Vermu- tungen zu beweisen bin ich aber nicht in der Lage und mu6 die ganze Frage often lassen. Im Larveustadium ist die Erscheinung verschwunden. Ahnliche Netze sah ich auch in den Kanalen der Vomiere und Urniere von Embryonen von Salamandra maculata. Keim f al te. Die Keimfalte fanden wir im vorigen Stadium in einer Zell- wucherung des parietalen Peritoneums rechts und links von der Umschlagsstelle des Peritoneums (dem Ausgangspunkt der Neben- niere) angelegt. Diese Zellwucherung grenzte in fruhesten Stadien unmittelbar an die Nebenniere. Beide Bildungen zusammen standen durch Kontakt b in segmentaler Verbindung mit den Urnierenka- nalchen. (F^igur 9—12.) Weun spater die Nebenniere sich vom Peritoneum abschniirt und retroperitoneal zu liegen kommt, gabelt sich Kontakt b in zwei Strange: den Sexual- und Nebennieren- strang, die mit gemeinschaftlicher Wurzel, dem Segmentalstrang, dem medialen und ventralen Ende des Urnierenkanalchens da aufsitzen, wo sich spater dessen MALPiGHi'sches Korpercben ent- wickelt. Im jetzigen Stadium ist dieses Verhiiltnis nicht weiter ge- andert. Nur hat sich die Zellwucherung, in welcher sich schon im vorigen Stadium gewisse Zellen als „Urkeimzelleu" bemerklich machten, leistenformig uber das Niveau erhoben : sie ragt nunmehr als Falte , die wir Keimfalte uennen wollen , in die Leibes- hohle hinein. Es ist fiir die Keimfalte charakteristisch, daC nur in ihrer 120 Dr. Eichard SctdoHj lateralen Wand Urkeimzellen zur Entwickelung kommen, nicht in der medialen. Sobald die Falte ansehnlichere Dimensionen er- reicht hat, sieht man, daC die Urkeimzellen nicht allenthalben in der lateralen Wand gebildet werden, sondern sowohl die Wurzel als auch die Kuppe der Falte von ihnen frei gelassen wird. Die Zellen finden sich zwischen beiden Abschnitteu und die 8telle, wo sie liegen, springt ihrerseits als ein Langswulst Uber das Ni- veau der iibrigen Falte hervor. Dieser Langswulst stellt die eigentliche Anlage der Keimdriise dar (Taf. VIII, Figur 29, Tafel IX, Fig. 33). In die Kuppe der Falte sind reichliche Bindegewebsmassen und GefaBe eingedrungen und haben die Kuppe dadurch aufge- trieben, so dafi sie auf dem Querschnitt ein keulenformiges Aus- sehen erhalt (Tafel VIII, Fig. 29). Die so umgewandelte Kuppe stellt die Anlage des Fettkorpers dar, der somit auf diesem Stadium genau dieselbe Lage zur Keimdriise hat, wie derjenige der Urodelen. Die Sexualstrange treten niemals iiber die Anlage der eigent- lichen Keimdriise hinaus in die Kuppe ein, sondern sie biegen stets seitlich in erstere ab (Tafel VIII, Figur 29). Auf ihrem Verlaufe von den MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere zur Keimdruse zeigen sie mannigfache Anastomosen und Langsver- bindungen. Auf die besondere Natur dieser Langsverbindungen soil bei Beschreibung der Keimdriise im nachsten Stadium naher eingegangen werden , da dieselben dann viel deutlicher hervor- treten und sich nicht nur auf Schnitten, sondern auch auf Total- praparaten untersuchen lassen. Die Existenz der Langsverbin- dungen laCt sich aber schon jetzt auf Schnitten nachweisen. Die gesamte Keimfalte zeigt in ihrem Langsverlauf An- und Abschwellungen. Dieselben betreifen sowohl die Kuppe (den Fett- korper) als auch die eigentliche Keimdriise. Erwahnt sei, daB diese An- und Abschwellungen sich am Fettkorper dauernd bei beiden Geschlechtern , an der Keimdriise aber nur beim mannlichen Geschlecht bis in den geschlechtsreifen Zustand hinein erhalten. Der Hoden wird dadurch in eine Reihe perlschnurartig zusammenhangender Lappen zerlegt. Nach Rdckert (34) tritt bei Selachiern der groCere Teil der Keimdriisenanlage im ventralen Telle des Nephrotoms auf und ist somit als ein Derivat des segmentierten Mesoblasts und des- halb als eine urspriinglich ebenfalls segmentale Bildung aufzu- fassen. Urspriinglich ist ja, wie die Entwickelung von Amphioxus Der Bauplau des TJro2;enitalsyRtema dpr Wirbeltiere. 121 zeigt, der ganze Mesoblast segraentiert gewesen. Moglicherweise wird sich bei Untersuchung sehr junger Entwickelungsstadien von Amphibicn herausstelleii, daC auch bei ihiien das Keimepithel bei der ersten EDtslehuug zum Teil noch deni segmentierten Meso- blast augehort. Jedeufalls verschwiudet bei ihneii wie bei Sela- chiern jede Spur dieser segmentalen Entstehiing sehr bald , und das eben beschriebene An- und Abschwellen der Keinifalte hat nichts mit jener Segmentation zu thun. Das An- und Abschwellen findet in ziemlich regelmaCigen Intervalleu statt und zwar augenscheinlich in Zusammenhang mit dem Eintritt der Gefafie in die Keimfalte. ^Wie wir spater sehen werden, begleiteu die GefaCe sehr hiiufig die Sexualstrange auf ihrem Wege zur Keimdriise. Es wird sich aber zeigen, daB die Sexualstrange, trotzdem sie mit den genau metamer geordneten „SegmeDtalstrangen" zusamraenhangen , ihrerseits in ihrer An- ordnung Jede Segmentation vermissen lassen. MtJLLER'sche Gauge. Von den MOLLER'schen Gangen war im vorigen Stadium noch keine Spur wahrzuuehmen. In dem uns jetzt beschaftigenden Stadium legeu sie sich an , also in einem verhaltnismaCig viel friiheren Stadium als bei Urodelen und Anureu. Ihre Anlage ist eine sehr einfache und von derjenigen der iibrigen Amphibien durchaus abweichend. Sie entstehen namlich ohne jede Beziehung zu irgend einem Theil der Vorniere und des Vornierenganges dorsal von diesen Bildungen als eine faltenformig vorspringende Peritonealwucherung. Diese Wucherung erstreckt sich proximalwarts viel weiter (2 — 3 Segmente) nach oben als das proximale Ende der Vorniere und ihres Ganges. Bei dem Embryo (Tafel IX, Fig. 32 a) er- streckte sich die Vorniere rechterseits (in der Figur links) weiter nach oben als links. Fur die Zeichnung ist ein Querschnitt ge- wiihlt, der rechts noch eben das proximale Ende der Vorniere traf, links nicht. Auf beiden Seiten sieht man die MOLLER'schen Gauge rechts sowohl wie auch natiirlich links ohne jede Be- ziehung zur Vorniere. Im Bereich der Vorniere konnte auf diesem Stadium iiberhaupt nicht der Vornierengang in Frage kommen, da dieser bei seiner enormen Schlangelung (Tafel I, Figur 3) unmoglich den schnurgeraden MtJLLER'schen Gang von sich abspalten oder aus einen) Teil seiner Wandung erzeugen konnte. Aber auch die Trichter der Vorniere (Aufientrichter) 122 Dr. Richard Semon, haben nicht die mindeste Beziehung zu jener Peritonealfalte, da beide Bildungen gerade an entgegengesetzteu Punkten, der MtJLLER'sche Gang dorsal hinter der Vorniere , die Aufien- trichter auf der ventralen Kuppe der Vorniere zur Entfaltung konimeu (Tafel IX, Figur 32 a, linke Seite der Figur). Auch in den unteren Abschnitten ira Bereich der Erniere, wo der Voruierengang durchaus gestreckten Verlauf besitzt, habe ich an keiner Stelle und auf keinem Stadium je irgendwelche Beziehungen des Vornierenganges zur Peritonealfalte, aus der sich der MCLLEii'sche Gang bildet, entdecken konneu. Ich habe sehr zahlreiche Praparate hieraufhin untersucht. Ich betrachte daher als sicher, dafi bei Ichthyophie der MuLLER'sche Gang ohne Be- ziehung zura Vornierengang und zur Vorniere entsteht. Das Ostium abdominale bildet sich meist etwas iiber dem proximalen Ende der Vorniere, manchmal in gleicher Hohe mit ihm, durch eine Art Einfaltung in dem vorspringeuden Wulst des MtJLLER'schen Ganges (Tafel IX, Figur 32 c). Die auf diese Weise eingefaltete Stelle des Peritoneums sendet schon friih Wimpern aus. Sie liegt nicht vollig am proximalen Ende des Wulstes, sondern etwas tiefer, so daC man sagen kann, dafi der Tubenwulst vom Ostium nach oben zu nur allmahlich verstreicht. Nach unten schliefit sich die Einfaltung durch Anein- anderlegen der Rander der Falte zu einem zunachst noch kurzen Kanal (Tafel IX , Figur 32 b) , der abwarts in einen ganz un- regelmafiig gebauten Peritonealwulst auslauft (Figur 32 a). Tafel VI und VII, Figur 19 — 26 sind absteigende Querschnitte durch denselben Embryo wie der auf Tafel IX, Figur 32 darge- stellte. Figur 27 — 30 zeigen die Anlage des MijLLER'schen Ganges im Bereich der Urniere in entsprechenden Stadien. In alteren Stadien beginnen in der Verlangerung des vom Ostium abdominale ausgehenden kurzen Kanals die Zellen im Centrum des Tuben wulstes sich in eigentumlicher Weise zu ordnen ; im Larvenstadium wird daraus ein solides Epithelrohr (Tafel IX, Figur 34), das spater ein Lumen erhalt. Sowohl in dem uns eben beschaftigenden indiflferenten, als auch in dem nachstspateren , geschlechtlich differenzierten Stadium macht sich in der Entwickelung des MijLLER'schen Ganges bei den verschiedenen Embryonen in keiner Weise ein Unterschied bemerkbar, mogen nun mannliche oder weibliche Tiere aus ihnen hervorgehen, Der Bfiuplan des UrogeuitalsyBtems der Wirbeltiore. 123 Gefafie des Urogenitalsystems. Ihr arterielles Bliit beziehen Vorniere wie Urniere aus seg- mentalen Zweigcn der Aorta, die in die Glomeruli als Vasa affe- rentia eiutreten uud die GefaCknauel als Vasa etierentia verlassen. Die Querkanale von Vorniere und Urniere sowie der Vornieren- gang sind wesentlich von venosem Blut umspiilt. Die Vorniere liegt ganz eingebettet zwischen einem weiteu Mascbenwerk der Vena cardinalis posterior, die Urniere in einem sehr ahnlichen der Venae renales advehentes. Leider fehlen mir gerade die Ent- wickelungsstadien , die Uber die Entstehung jener Venae renales advehentes und der Vena cava inf. AufschluB geben wiirden. Zur Orientierung gebe ich im AnschluC an Rathke (33) einige Notizen, die durchaus keinen Anspruch auf Vollstandigkeit machen. Auf unseren Stadien liegen die Dinge folgendermaCen. Die Vorniere erhalt ihr venoses Blut aus seitlichen Rumpf- muskelvenen, die um die Kanale der Vorniere einen machtigen Plexus bilden. Diesen Plexus und seine am proximalen Ende der Vorniere als abfiihrende Vene austretende Fortsetzung bezeichnen vvir als Vena cardinalis posterior (Tafel II, Figur 4). Die Urniere erhalt ihr Blut ebenfalls aus seitlichen Rurapf- muskelvenen , die wir als Venae ren. adv. bezeichnen. Diese Venen bilden bis jetzt noch keinen Langsstaram (JAcOBSON'sche Vene). Em solcher bildet sich erst spater und liegt dann an der AuBenseite der Urniere zwischen Vornieren- und MULLER'schem Gang. Das venose Blut der Urniere flieBt nun nicht am proximalen Ende des ganzen Gebildes ab, wie das der Vorniere, sondern begiebt sich durch segmentale Aste in einen medialen GefaBstamra , der sich zunachst als paarige Bildung darstellt , allmahlich von oben beginnend zu einem einheitlichen unpaaren GefaCstamm, der Vena cava inferior zusammenflielit. Figur 29, Tafel VIII, Figur 33, Tafel IX zeigen die Vena cava in ihrem noch paarigen Zustande. Die Vena cava-Bildung erstreckt sich langs der ganzen Ur- nierenanlage vor der Aorta zwischen den Nebennieren, die die Vena cava seitlich von den Urnieren trennen und die Rami renales revehentes durch ihre Substanz durchtreten lasseu (Tafel XII, Figur 52 a und b). Das GefaC, das in den unteren zwei Dritteln seines Verlaufs eine ansehnliche Dicke erlangt hat, giebt am unteren Ende der Leber einen Ast ab, der starker ist als die Fortsetzung des 124 Dr. Richard Semon, Stammes nach oben. Dieser Ast verlauft am Leberrande entlang Und nimmt die abfuhrenden Lebervenen auf. Er wird gewohnlich als die eigentliche Fortsetzung der Hohlvene angesehen. Die wirkliche Fortsetzung derselbeu, der diinne Stamra, der zwischen den Urnieren in deren proximalem Drittel nach oben lauft, endet auf unserem Stadium genau am tJbergang von Vor- niere und Urniere (Tafel II, Figur 4). Allmahlich aber, wahrend sich indessen die Vorniere riickbildet, wachst er weiter nach oben in deren Gebiet hinein (Tafel II, Figur 5) und miindet schliefilich mit dem anderen, langs der Leber verlaufenden Ast und der Vena jugularis dextra zusammen. Rathke (33) bezeichnet diese eigent- liche Fortsetzung der Vena cava als „vordere Nierenvene". Auf meinen Zeichuungen ist sie als Vena cava inf. (Ramus renalis anterior) bezeichnet. Mit der Riickbildung der Vorniere und dem Wachstum der Vena cava inf. (Ram. renalis ant.) nach oben geht eine allmahliche Reduktion des Vornierenplexus der Venae card. post. Hand in Hand (vgl. den folgenden Abschnitt). Die mehr und mehr rudimentar werdende Vorniere laCt dann ihr venoses Blut zum groCten Teil durch quere Verbindungsaste in den Ramus renalis ant. der Vena cava abfliefien (Tafel H, Figur 5). 4. stadium. Vorniere riickgebildet und funktions- los. Keimdriise geschlech tlich differenziert , noch unreif. Umfafit das Larvenstadium von Ichthyophis, in welchem die Tiere im Wasser leben und nach Verlust der Kiemen Luft von der Oberflache durch den Mund einatmen. Das am Ende des vorigen Sta- diums unterhalb der letzten Kiemenfeder durch- gebrochene Kiemenloch ist bestehen geblieben. (Sa- RASiN, Figur 49—54.) Vorniere. Die schon am Ende des vorigen Stadiums bemerkbar werdende Riickbildung des Organs macht im Larvenstadium rasche Fort- schritte. Figur 4 b auf Tafel II stellt die Vorniere am Anfang, Figur 4 c am Ende dieses Stadiums dar. Da die Figuren 4 a— c bei derselben Vergrofierung gezeichnet sind, kann man aus ihnen die direkte Verkleinerung des Organs erkennen. Die Veranderungen, die an der Vorniere vor sich geheu, driicken sich in folgenden Punkten aus. 1. Zerfall und Schwund der schlingenformig gewundenen Der Bauplan des Urogenital systems dev Wirbeltiere. 125 Kauiile. Sowolil die Scblingen der Querkaiuile als auch des Voi- nierenganges werden hiervon betroifen. 2. Hand in Hand hierniit geht die Ablosung der Aiifien- trichter wie der Innentrichter von den Kaniilen und voneinander. Die Aulientrichter bleiben groBtenteils erhalteu; die Innentrichter bilden sich giinzlich zuriick. '^. Uniwandhing des MALPiGHi'scben Korpers der Vorniere in Nebenniere (Tafel VI, Figur 20, Tafel II, Figur 4 b) unter Ruck- bilduug der Glomeruli. 4, Weiterwachstum des Ramus renalis anterior der Vena cava inferior nach oben in das Gebiet der Vorniere hiuein. Das Venen- blut des Vornierenrudiments flieCt dann zum grofiten Teil durch quere Aste in den Ramus renalis ant. ab. Das Resultat dieser Veranderungen ist folgendes: Jederseits liegt dem proximalen Ende der Urniere ein Knotchen an, das aus einem Haufen blindgeschosseiier Epithelrohren besteht. Dieselben hangeu weder unter sich, noch mit dem Vornierengang im Bereich der Urniere zusammen. Auf der ventralen, in spateren Stadien der lateraleu Oberflache des Knotcheus liegt eine Langsreihe ab- geloster Trichter. Das abgeloste Ende derselben dringt in das Innere des Knotchens ein , hat bier aber keine Verbindung mit den Kanall^liudschlauchen. Zuweilen lost sich auch ein Trichter vollig von der Hauptmasse des Knotchens ab und liegt dann frei neben dem Knotchen. Die Zahl der mit groCen Wimperhaaren versehenen Trichter schwankt sehr. In jiingeren Stadien ziihle ich meist 8 — 9, in alteren 5—7. Von Innentrichtern ist keine Spur mehr wahrzunehmen. Dort, wo fruher der MALPiGHi'sche Korper der Vorniere lag, liegt jetzt Nebenniere (Figur 5). Die histologischen Vorgange bei dieser Umwandlung werden durch Figur 20, Tafel VI veranschaulicht, die einen Langsschnitt (lurch einen MALPiGHi'schen Koiper der Vorniere eben im Beginn der Umwandlung darstellt. Wir sehen bier, daC die Wucherung der Nebeunierenelemente von der Epithelwand (Kapsel) des MAL- PiGHi'schen Korpers ausgeht und von unteu nach oben zu fort- schreitet. U.rDiere. Die Hauptveranderungen, die die Urniere auf diesem Stadium betretfen, sind zweierlei Art. Erstens bestehen sie in einer an- sehnlichen Volumszunahme des Organs, indem jetzt zu den inter- 126 Dr. Richard Semon, segmental eingeschobenen Kanalen 2. Ordnung solche 3. und 4., vielleicht sogar in unteren Abschnitten uocb hoherer Ord- nung treten. IJberhaupt erfolgt die Volumszuuahme des Organs je weiter nach abwarts, um so starker, so daC die Kanale in den oberen Abschnitten lockerer, in den unteren dichter gedrangt liegen. Weniger ausgepragt ist die Dickenzunahme des Organs von vorn nach hinten. Die neuen intersegmental eingeschobenen Kanalchen, die in derselben Langsreihe liegen , wie die primaren , munden durch eigene Ausfiihrgange in den Vornierengang ein. Fur diejenigen 2. Ordnung kann ich das mit volliger Bestimmtheit, fiir die hoherer Ordnung mit groCer Wahrscheinlichkeit angeben. Das Auftreteu neuer Kanale dorsal von der Langsreihe der primaren und der zwischen diesen eingeschobenen 2., 3. und 4. Ord- nung erfolgt nichtimLarveustadium,sondern erst, wenn die Larve ihr Wasserleben aufgiebt, ans Land geht und hier noch ansehnlich wachst. Die histologischen Veranderungen betrefifen ausschliefilich die Harnkanale jenseits ihres tJberganges in die Trichterkanale. Letztere mit ihren beiden Endasten, dem AuCen- und lunentrichter , und das MALPiGHi'sche Korpercheii, in das der Innentrichter eiumiindet, bewahren dauernd den im vorigen Stadium geschilderten Bau. Die Hauptveranderung, die eintritt, besteht darin, daB Vor- nierengang und die bei weitem groCte Strecke des Epithelrohrs der Querkanalchen ihre Wimperung verlieren. Nur eine kurze Strecke, mitten im Verlauf jedes Querkanals, behalt seine Wimpern. Sie entspricht dem zwischen den Ziffern 18 und 19 gelegenen Kanalstuck auf Figur 6 d, Tafel 111. Das Epithelrohr dieser wimpernden Strecke bleibt im Verhaltnis zu den beiden anderen Kanalstrecken , zwischen die es eingeschaltet ist, sehr diinn. Hierdurch wird jedes Urnierenkanalchen in drei, ihrer Dicke und epithelialen Auskleidung nach verschiedene Abteilungen zerlegt ; die tlbergange von einer Abteilung in die andere erfolgen sehr unvermittelt. Rechnen wir den Trichterkanal, der AuGentrichter und Innen- trichter nebst MALPiGHi'schem Korper mit dem Urnierenkanalchen verbindet, hinzu, so konnen wir mit Spengel (42, p. 7) an letzterera 4 Abteilungen unterscheideu. 1. Trichterkanal mit AuBen- und Innentrichter. Der AuBen- trichter miindet in die freie Leibeshohle, der Innentrichter in das MALPiGHi'sche Korpercheu. T)er Bauplan des Urogenitalsy'stems der Wirbeltiere. 127 2. Eine wimperlose Kanalstrecke, die vom Trichterkaual aus etwa die Hiilfte des Verlaufs des Harnkanalclieus einnimmt. Hohe, kubische Epithelzelleii ohue W imperii uiit waudstiindigen ruuden Keiiieu uud triibeni, koruigeni Protoplasma. Diese Strecke wiirde dem Teil 4 — 13 der Winduugen des auf Figur 6 dargestellten Kaualchens eiilsprecheo, das freilicli eiu jiiugeres Stadium wiedergiebt. 3. Wimpenide Kanalstrecke, sehr kurz ; verlauft quer vou aulien uacb iuueu. Eutspricht der zwischeii 13 uud 14 liegeuden Kaualstrecke Figur 6 a. Epithel iibulicb deiiijeuigen der Trichter uiid Trichterkanale. 4. Daran anschlielJeude wimperlose Strecke bis zur Einmiin- duug iu deu Vornierengaug 14 — 22 Figur (i. Epithel zuuachst ahnlich demjeuigeu der 2. Kaualstrecke. Wird allmahlich gegen die Eiumiindung in den Vornierengaug zu uiedriger. „Stabcheu- struktur" des Protoplasmas vermag ich iu diesen Abschnitteu ebeusoweuig nacbzuweisen wie Spengel. Es ist aber sehr moglich, daB auch bei meiuen Praparaten dieser negative Befund auf die Kouservieruug zuriickzufuhren ist. Die Waudung des Vornierengauges besteht aus niedrigen cyliudrischen Epithelzelleu mit runden Keruen, die den groliteu 'I'eil des Zelliuhalts ausmachen. Vorstehende Angabeu bieten der SpENGEL'schen Beschreibung gegeniiber nichts neues. Nur die Topographic des 2., 3. uud 4. Kanalabschnittes habe ich genauer bestimrat. Nebenniere. Nicht nervoser Teil. Die Nebenniere ist gegen das vorige Stadium in gleichem Schritte mitgewachsen, wie die ubrigen Telle des Urogenitalsysteuis. Dabei hat sie ihren streng paarigen Hau bewahrt. Vou dem segmeutalen An- und Abschwellen ist dagegeu nichts mehr wahrzunehmeu. Zwar sehen wir die Nebeu- uiereuschlauche , die rechts und links der Wand der Vena cava angelagert sind, sich hie und da anhaufeu, dann auch wieder ein- mal in ihrem Langsverlauf eine Unterbrechung zeigen und die Venenwand an dieser Stelle frei lasseu. Solche Verdickungen und Unterbrechungen der Langsreihe von Nebennierenschlaucheu erfolgen aber nicht segmental. Die Unterbrechungen konnen iiber eine langere Strecke hin ganz fehlen. Wo Unterbrechungen.der Epithel- ballen vorhauden sind, deuten weuigstens verbindende Bindegewebs- 128 • Dr. Richard Semon, briicken auf die Einheitlickeit des Langsverlaufs der gesamten Bildung (Tafel XIII, Figur 53 a). Aus dem fiir die vorigen Stadien Berichteten geht hervor, daC die Nebenniere durch die „NebenniereiistraDge" rait den Sexual- strangen zusammenhangt, und die VereiniguDg beider Strange mit den MALPiGHi'schen Korperchen erster Orduung in Verbindung tritt. Aus diesem Strangsystem wird ein kompliziertes Netzwerk, Oder vielmehr es hat von vornherein einen netzformigen Bau. Derselbe kann aber als solcher erst auf spateren Stadien klar er- kannt werden, da es erst dann gelingt, die Teile auseinanderzu- ziehen und auf Totalpraparaten zu untersucben. Auf Scbnitten ist das kaum ausfuhrbar. Im folgenden Abscbnitt soil jenes Netz, das Keimdriisennetz, ausfubrlich beschriebeu werden, Es entsteht die Frage, ob auch in spateren Stadien die Nebennierenschlauche durch Nebennierenstrange rait jenem Netzwerk zusammenhangen. Das Keimdriisennetz liegt im Aufhangeband der Keimdrtise (Mesorchium, Mesoophoron). Gerade an der Wurzel dieses Bandes sind die queren Zuge des Netzwerks durch eine Langskoramissur verbunden, die wir als Langskoramissur des Keimdriisennetzes be- zeichnen woUen (Tafel XI, Figur 45, auch angedeutet in Tafel X, Figur 43). Die Wurzel des Aufhangebandes und damit die Langskora- missur liegt nun dauernd in nachster Nahe der Nebenniere (Taf. XIII, Figur 52 a), und an dieser Stelle fand fruher (Tafel VIII, Figur 29) der Abgang der Nebennierenstrange von der gemeinsamen Wurzel statt, die zura primaren MALPiGHi'schen Korperchen fiihrte. In alteren Larvenstadien kann ich nicht mehr, weder auf Totalpraparaten, noch auf Scbnitten, diese Verbindung der Neben- nieren rait den priraaren MALPiGHi'schen Korperchen, beziehentlich mit der Langskoramissur des Keimdriisennetzes nachweisen. Ob sie sich wirklich ganzlich gelost hat, wage ich nicht mit Be- stimmtheit zu entscheiden. Die Langskoramissur und die Neben- niere liegen so dicht beieinander, und die Teile haben sich ira allgemeinen so vergroCert, dafi eine strangformige Verbindung jetzt ungleich schwerer nachgewiesen werden kann, wenn man in Be- tracht zieht, dafi sie sich nicht im Verhaltnis zura Wachstum der verbundenen Teile rait vergrofiert zu haben braucht. Auf Total- praparaten kann ein negativer Befund vollends triigerisch sein, da im raikroskopischen Bilde gerade an dieser Stelle, der Wurzel des Mesorchiums oder Mesoophorons, die innerhalb des Aufhange- bandes klar iibersehbaren Teile des Keimdriisennetzes nur zu- T)er Bauplau ties UropiPnitalsysfenia dcr Wirbeltiere. 129 saninien niit darul)er oder darunter lagernden Teilen zur An- schauung gebracht werdeii kOuiien. Ich fasse nieine Befunde dahin zusanimen , daC in altereii Stadien ansehnlichcre Verbindungeii zwisclien Keimdrusennetz und Nebeuniere, die physiologisch vou Bedeutuug sein koiinten , nicht existiereu; die Mogliclikeit feiner straugformiger Verbinduiigen aber zvvischen Langskommissur und Nebenniere laBt sich bei der l)enachbarten Lage beider Teile nicht ganz ausschlieBen. Wenden wir iins nun zur genaueren Betrachtung der Neben- niere, so war die innige Beziehung zur Wand der Vena cava schon liervorgeboben. Figur 53 a und b auf Tafel XIII zeigt die An- lageruug an die Venenwand im Totalpraparat, Figur 52 a und b auf Querschuitten. Die Beziehung zur Venenwand ist durchaus konstant und steht zweifellos mit der Funktion des Organs in Beziehung. Noch deutlicher geht dies aus seinem Lagever- haltnis zu den abfuhrenden Nierenvenen hervor. Durch die Lage- rung der Nebennieren genau in der Verbindungsbrucke zwischen Vena cava und den Urnieren (Tafel XIII, Figur 52 a) muC das gesamte, aus den Urnieren abflieCende Blut (Venae renales reve- hentes) entweder an den Nebennieren vorbei oder zwischen den Schlauchen der letzteren hindurch flielJen. Gewohnlich geschieht das letztere. Schnitte, wie sie in Figur 52 b dargestellt sind, veranschaulichen in sehr uberzeugender Weise die Beziehungen der Nebennieren zur AbfluCbahn des Nierenblutes. Vielleicht kann diese morphologische Thatsache einen Fingerzeig dafiir liefern, in welcher Richtung physiologische Forschungen die immer noch ganz ratselhafte Funktion der Nebennieren zu suchen haben. So deutlich im allgemeinen die Beziehungen der Nebennieren zu den Wandungen der Vena cava inf. und der Venae ren. revehent. sind, so sicher ist doch andererseits , da6 niemals eine direkte Beriihrung zwischen den charakteristischen Gewebselementen der Nebennieren und dem Venenblut stattfindet. Die Nebennierenschlauche finde ich stets allseitig von einer Bindegewebshulle umgeben. Dieselbe kann ziemlich derb sein (Figur 52 a, 54), ist aber auch zuweilen zu einer ganz zarten, eiufacheu Schicht verdiinnt, besonders dort, wo die Nierenvenen zwischen den Schlauchen durchtreten. Bei der auCerordentlich geringen Wanddicke jener Venen ist das Blut von den Neben- nierenzellen nur durch eine minimale Gewebsschicht getrennt, aber doch immer vollkommen getrennt (Figur 52 b). An andereu Stelleu ist die Kapsel der Schlauche viel dicker und fuhrt Gefalie. Bd. XXVI. N.F. XIX. 9 1 30 Dr. "Richard S n m o n , In (las Iniiere der Schliiuche habe icli nienials GefaCe eindringeii sehen; sie werden ausschliefilich von auBen ernahrt. Zuweilen findet man ini Innern der Schlauche einen Hohlraum. Derselbe hat dann unregelmaBige Form, und die ihn begrenzenden Zellen zeigen keine regelmilBige Aufstellung zu einem umsaumenden Epithel. Meist findet man im Innern des Hohlraums in Zerfall begriifene Nebennierenzellen , und ist die ganze, iibrigens nicht allzuhaufig auftretende Hohlraumbildung auf den Zerfall zentraler Zellen zu- ruckzufuhren. Von einem Ausfuhrgang ist nie eine Spur zu ent- deeken. Die Nebennierenzellen besitzen einen eiformigen Kern und einen im Verhiiltnis zum Kerne groBen, je nach Lage der Zellen anders geformteii Protoplasmaleib. Das Protoplasma ist hell, sehr fein granuliert, tingiert sich fast gar nicht mit Karmin und Hama- toxylin. Die Zellwande treten scharf hervor. Nervoser Teil der Nebenniere. Im Larvenstadium bemerkt man, daB den Nebennierenballen eigentiimliche Zellen anliegen, die bei Objekten , welche mit Chromsaure konserviert worden sind, sich durch eine gelbbraune Farbung des Zell- korpers deutlich von den iibrigen Gewebselementen abheben. Diese Zellen liegen der Peripherie der eigentlichen Nebennieren- ballen innig an, zuweilen vereinzelt oder in sehr kleinen Kom- plexen, zuweilen bilden sie formliche Anhaufungen und drangen sich dann gern zwischen zwei Ballen eines Querschnitts (Tafel XIII, Figur 52 a). In ihrer Form sind diese Zellen nicht sehr wesent- lich von denen des nicht nervosen Teils der Nebenniere unter- schieden. Sie besitzen aber im Gegensatz zu letzteren eiu auf- fallendes korniges Zellplasma (Tafel XIII, Figur 54) und unter- scheiden sich von ihnen vor allem durch die deutliche Farbenreaktion auf Chromsaure. Ganz ahnliche Zellen und Zellkomplexe sind von Leydig (22, 23 ), Semper (40) und vor allem von Balfour (3) bei Elasmo- branchiern aufgefunden und als Teile des sympathischen Nerven- systems erkannt worden. Balfour stellte fest, daB bei diesen Fischen dieser Teil der Nebenniere, den er suprarenales Organ neunt, der eigentlichen Nebenniere, dem inter renalen Organ noch nicht unmittelbar anliegt, sondern dorsal von dem- selben, scheinbar ohne jede Beziehuug zu ihm gelagert ist. Das suprarenale Organ der Elasmobranchiern ist paarig und deutlich segmentiert. Balfour konnte nachweisen , daB das Organ sich von den Ganglieii des Grenzstranges abspaitet, und machte es Der Biiupluii di^s Urogenitalsystcma der Wirbeltiere. 11)1 sehr wahrscluM'iilic'ii, dafi die Zellen des suprareiiakn Organs niclits aiideres als eigentunilicli unigcwandelte Gaiiglienzelleu des Synipa- tliicus sind. p]r wies darauf hiii , daB wahrscheiiilicb aus dem interrenalen Organ der Selachier die Rindensiibstanz , aus deni suprarenalen Organ die Marksubstanz der Nebenniere der Sanger hervorgehe. Dieser Aufl'assung schloB sicb Mitsukuki (28) an, und Brai'n (9) fand in den Reptilien in dieser Beziehung sozu- sagen ein tJbergangsglied zvvischen Selacbiern und Saugern , da bei ihnen das suprarenale Organ dem interrenalen zvvar unniittel- bar anliegt, aber von ihm noch nicht allseitig umschlossen wird. Braux's Angaben wurdeu neuerdings durcb Hoffmann (18) be- stiitigt. Ganz iihnlicb wie bei Reptilien liegen, wie die eben niit- geteilten Beobachtungen bei Ichthyophis zeigen, die Verbaltnisse bei Coecilien, und wie ich auf Grund eigener Beobachtungen bin- zusetzen kann, auch bei den iibrigen Amphibieu. Aucb dadurcb schlieCen sicb die Amphibien an die Reptilien an, daC der ner- vose Teil der Nebenniere in alteren Stadien keine Spur von Seg- mentation mehr zeigt, uatiirlich aber seine paarige Anordnung ebenso wie das interrenale Organ, dem er anliegt, dauernd bei- behalt. Auch bei Selacbiern bleibt das segmentierte Suprarenal- organ paarig ; das interrenale Organ wird sekundiir unpaar. Bei Ichthyophis fand ich im nervosen Teil der Nebenniere niemals unveriinderte sympathische Ganglienzellen ; bei Froschen dagegen babe ich ab und zu auch solche Zellen gefunden. Nerven fasern konnte ich mit Sicherheit nicht nachweisen , zweifle aber nicht, daU sie bei einer speziell hierauf gerichteten Untersuchung gefunden werden konnen. tJber die Entwickelung des sympathischen Teils der Neben- niere bei Ichthyophis kann ich keine Angaben machen, da die Untersuchung derselben bei der ungewohulich schwachen Aus- bildung des Grenzstranges bei diesem Tiere eine iiuCerst schwie- rige ist. In dieser Beziehung wiirden die Anuren ungleich giiu- stigere Objekte sein. Keimdriise. G eschle eh tl iche Differenzierung derselben. Die Keimdriise haben wir im vorigen Stadium in einem noch sehr einfachen Zustande verlassen, in dem sie sicb als ein vorspringender Liingswulst an der lateralen Seite der frei in die Leibeshohle vorspringenden Keimfalte erhob. In der Kuppe letz- terer Falte haufte sicb Bindegewebe an, (lessen Zellen sich spater 132 Dr, Richard Semoii, mit Fett infiltrierten. So wird die Kuppe zura Fettkorper, der, wie Figur 29, Tafel VIII zeigt, zunachst ventral und medial von der Keimdruse liegt, also genau dieselbe Lage hat, wie sie der Fettkorper der Urodelen dauernd besitzt. Auch bei Ichthyophis andert sich das im Grunde nicht. Die Peritonealplatte zwischen Keimdriise und Kuppe wachst aber hier sehr stark, so daC sie spater die Keimdruse uberlagert, und ihr angeschvvoUenes Ende, der Fettkorper, dann lateral von der Keimdruse zu liegen kommt (Figur 38, Tafel IX. Figur 42, Tafel X. Figur 44, Tafel XI). Der Uuterschied in der Lage der Fettkorper bei Coecilien und Urodelen, auf den Spengel(42, p. 5) zuerst aufmerksam gemacht hat, ist mithin kein prinzipieller. Es ist sicherlich nur ein Schreib- fehler, wenu Spengel (1. c.) sagt, die Geschlechtsorgane saCeii bei Coecilien an der ventralen Flache der Aufhilngebander. Ur- sprunglich sitzen sie bei beiden Geschlechtern an der lateralen Flache, die durch die gekennzeichneten Wachstumserscheinungen zur dor- sal en wird. Diese Lagerung behalten sie dauernd bei weiblichen Tieren (Tafel IX, Figur 38.) Beim Mannchen erfolgt auch in der ventralen (ursprunglich medialen) Flache der Keimfalte eine Um- wandlung des Epithels in Keimepithel. Dadurch erscheint dann sekundar der Hoden in den Verlauf des Aufhangebandes einge- schaltet, nicht wie das Ovarium ihm dorsal aufsitzend (Tafel XII, Figur 49). Bei Urodelen wachst die Anheftungsplatte der Keimdruse an die Keimfalte starker ; dadurch wird ihre laterale Lage zum Fett- korper noch deutlicher ausgepragt. Bei Coecilien unterbleibt ein faltenformiges Vorwachsen der Keimdruse an der Seite der ge- samten Keimfalte. Dafiir erfolgt ein starkes Wachstum der Strecke zwischen Keimdruse und Kuppe. Hierdurch wird die urspriinghch laterale Lage der Keimdruse undeutlich gemacht (vgl. Figur 29, Tafel VIII und Figur 38, Tafel IX). Bei den Anuren endlich ist das Verhaltnis dahin abgeaudert, dafi die proximalen Abschuitte der Keimfalte nur noch Fettkorper, die distalen nur noch Keimdruse produzieren. Auch bei den Coecilien produziert die Keimfalte nicht in ihrer ganzen Lange sowohl Fettkorper als auch Keimdruse, vielmehr wird hier an der Keimfalte zwar in der ganzen Lange Fettkorper, aber nur im proximalen Abschnitt auch Keimdruse produziert. Dabei reicht die Froduktion von Keimdriise beim Weibchen tiefer nach unten als beim Mannchen, bei welchem die distalen Abschnitte der indifferenten Keimdrusenanlage sich nicht weiter entwickeln. Der Bauplan des Urogenitnlsystems der Wirbeltiere. 133 Teilt man die gesamte Urnierengegend der Laiige nach in G gleiche Teile, so konimt Keimfalte uiid mit ihm Fettkorper in bciden Geschlcchteni etwa im 3., 4. und 5. Scchstel zur Entfal- tung, beim Mannchen sogar haufig noch tiefer ; cigcntliche Keim- driise aber beim Weibchen nur ira 3. und 4., beim Mannchen nur im 3. Sechstel. Schon im vorigen Stadium haben wir erkannt, daC das, was wir als Keimdriise bezeichnet haben, in gewissem Sinne eine zu- sammengesetzte Bildung ist, Wir kounen unterscheiden: 1. das an dieser Stelle gevvucherte und eigentiinilich veriinderte Peritoneal- opithel: Keimepithel. 2. Die Verbindung dieser Epithelstrecke niit Nebenniere und primarem MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere durch verbindende netzformig anastomosierende Epithel- strange (Sexualstrange) : Keimdrusennetz. Letzteres sahen wir aus dem Kontakt b der segmentierten mit der unsegmentierten Leibeshohle hervorgehen (Tafel IV ; Tafel V, Figur 13, 14). tjber den Bau dieses Netzwerkes konnen wir uns erst in etwas alteren Stadien vollige Klarheit verschaflfen, da wir dasselbe erst dann, wenn die Keimfalte eine gewisse Lange erreicht hat, auf Totalpraparaten untersuchen konnen. In jungeren Stadien sind nur Schnittpraparate zur Untersuchung zu verwenden, und es ist ungemeiu schwierig, sich aus ihnen das Bild eines feinen Netz- werks zu rekonstruieren. Doch zeigen auch sie, daC letzteres von Anfang an so gebaut ist wie in den leichter zu untersuchenden spateren Stadien. Der Kontakt b entsprach ebenso wie der urspriinglich zuge- horige Kontakt a genau dem Ubergang von der segmentierten Leibeshohle (Ursegment) in die unsegmentierte Leibeshohle (Seiten- platten). Wir werden uns daher nicht zu wundern haben, wenn die aus ihm hervorgehenden Produkte in ihrem dorsalen Ab- schnitt segmentalen, in ihrem ventralen dagegen nicht segmen- talen Charakter besitzen. Wir unterschieden in jenem Strangsystem drei verschiedene Arten von Strangen (Tafel VIII, Figur 29 und Tafel XIV, Figur 60 und 62). 1. Strange, die vom primaren MALPiGHi'schen Korperchen aus- gehen und sich nach kurzem Verlauf nach zwei Richtungen gabeln. Diese Strange, der am meisten dorsal gelegene Teil des Kontakts, haben durchaus segmentalen Charakter. Wir bezeichnen sie als Segmentalstrange. 2. Die eine Gabelung, die zur Nebenniere fuhrt. Wir be- 1 34 Di'- Richard Semon, zeichneu sie als Nebeuuierenstrange. Dieselbeu sind besonders deut- lich in juugereu Stadieu nachweisbar. Ihre Auordnuiig scheiut ebenfalls eine segiiientale zu seiu. 3. Strange, die sich von den Segmentalstrangeu ventralwarts abzweigen. Gleich an ihrer Abzweiguug bilden sie ein Geflecht Oder besser eine unregelmaCig strickleiterforniige Langsverbindung. Aus dieser verlaufen quere, hiiufig im Verlauf auastomosierende Verbindungen zur Keimdriise. Dieses dritte Strangsystem , das Systenn der Sexualstrange oder das Keimdriisennetz im engeren Sinne, zeigt keine wahre Segmentierung, Zwar sind die quereu Aste des Netzwerks in ziemlich regelinaCigeu Abstanden geordnet, aber die Abstilnde haben keine Beziehung zur Segmentierung des Korpers. Die queren Aste, die von der Langskommissur in die Keim- falte verlaufen, begeben sich nicht in die Kuppe derselbeu, sondern biegen seitlich um und treten in die Keimdriise bis unmittelbar unter das Keimepithel, ohne mit demselben zunachst direkte Ver- bindungen einzugehen (Tafel VIII, Figur 29). Unter dem Keim- epithel angelangt, gehen sie schon im inditi'erenten Stadium unter- einander eine Langsverbindung durch auf- und absteigende Aste ein. Aus dieser Langsverbindung wird der Langskanal der Keim- druse , der Centralkanal des Hodeus beim Mannchen und der Ovarialkanal beim Weibchen. Beim tJbergange vom dritten in das vierte Stadium, das Larvenstadium, mit dem wir es jetzt zu thuu haben, werden ge- schlechtliche Differenzen an den Keimdriisen der verschiedeneu Larven bemerkbar. Dieselben betrefifen beide Konstituenten der Keimdiiise: das Keimepithel und das Kcimdrusenuetz. Das Keimepithel zeigt in beiden Fallen, mag nun die Driise zur mannlichen oder weiblichen werden, eine reichliche Vermehrung der Keimzellen durch eine eigentumliche Form der Zellteilung, die zur Bildung von Keimzellennesteru (Ureiernestern) fuhrt (Tafel IX, Figur 35, 36). Neben solcheu Nestern sehen wir nun aber in der Keimdriise, die zur weiblichen wird, noch eine andere Gruppierung von Zellkomplexen auftreten, die wir kurzweg als FoUikelbildung bezeichnen wollen (Tafel IX, Figur 36). In der mannlichen Driise kommt es bloB zur Nest-, nie zur FoUikel- bildung. Was hinwiederum das Netz der Sexualstrange anlangt, so lieBen sich im indiffereuten Stadium die Endeii der Querkanale in alien Driisen bis unter das Keimepithel vcrfclgen (Tafel VIII, Der Uauplan des Urogeuitalsystems tier Wirbcltiere. 185 Figur 29), wo sie, durch Litugsausliiufer verbuiuleu, den Liings- kanal der Keiiiidriise bilden. In der nulnnliclien Keimdriise bchalteu die Endeii diese Lage; sie gabelu sich imter dem Epitbel ineist dichotoiiiisch uiid zwar so, dali der eine Ast luicli oben, dor aiidere nach unten umbiegt uud uun liings des Keiniepithels auf- oder absteigt (Tafel XI, Figur 45). Diese Langsausliiuler der Sexualstrange und der durch sie gebildete Lilugskaual der Keimdriise bleibeu im niiiiiulicheii Geschlecht dauernd im Zusammenhaug mit den queren Asten ; dabei kann es vorkommen , dali einige Zweige der Quer- kanille nicht mit dem Langskanal im Zusammeuhang steheu, son- (Icrn blind endigen (Figur 45). In der weiblichen Keimdriise findet dagegen eine sekundiire Losung der Querkanale vom Langskanal der Keimdriise statt. Wenn das Aufhangeband der Keimfalte stark wiichst, und die Keimdriise dadurch weit von der Wurzel desselben entfernt wird (Tafel IX, Figur 38), wachsen die Queraste des Keimdriisennetzes nicht im gleicheu Schritte mit, sondern losen ihren Zusammenhang mit dem Langskanal der Keimdriise, den auch sie urspriinglich besaCen, und liegen nun bei alteren Larven etwa in der Mitte des Weges zwischen Wurzel des Aufhangebandes und Langskanal der Keimdriise (Tafel X, Figur 43). Hier sieht man sie unver- zweigt blind endigen. H oden. Der Bau des Hodens ist nach dem, was iiber die geschlecht- liche Diti'erenzierung gesagt worden ist, leicht zu verstehen. Wir erinnern uns, dafi es fiir die mannliche Driise charakte- ristisch ist, daB die queren Aste des Keimdriisennetzes, da, wo sie mit dem Keimepithel in Beriihrung sind, sich dichotomisch in auf- und absteigende Aste teilen, die anastomosieren und einen unter dem Keimepithelstreifen verlaufenden Langsstreifen bilden. Nur wenige Aste des Netzes haben keinen Zusammenhang mit jenem Langsstreifen, sondern endigen blind (Tafel XI, Figur 45). Die Anlage der Keimdriise sahen wir im indififerenten Stadium iiber das Niveau der gesamten Keimfalte als latcralen Wulst vorspringen (Tafel VIII, Figur 29). Schlagen sich die Keimfalten bei weiterem Wachstum nach den Seiten hin um, so liegt der Wulst nun in der dorsalen, nicht mehr in der lateralen Fliiche der Keimfalte. Das ist der dauernde Zu- stand beim Weibchen. Beim Mannchen aber bleibt die Bildung des 136 Dr. Richard Semon, Keimepithels nicht auf jene dorsale (urspriinglich laterale) Flache der Peritonealplattu beschraukt, soiidern erstreckt sich allmahlich auch auf die veutrale Flache. Wir nehmen daun statt eines dorsalen Wulstes sine nach vorii wie iiach hiuten vorspringende Verdickung des Peritonealepithels an dieser Stelle wahr (Tafel XII, Figur 48 a). Wir konnen dies auch so ausdriicken, dafi das Keimepithel ur- spriinglich nur lateral (spater dorsal) von dem daruuter liegenden Langskanal des Keimdriisennetzes gelegen ist, ihn aber spater all- seitig umwachst (Tafel XII, Figur 49 b), bei der Umwachsung nur die Stellen freilassend, wo Querkanale in ihn eintreten. Somit wird der Langsstreifen oder Langskanal in das Centrum des Keimdriisenwulstes aufgenommen, dem er urspriinglich nur medial (spater ventral) anlagerte: er wird dadurch zum Centralkanal des Hodeus (Tafel XI, Figur 44, 47, Tafel XII, Figur 48, 49 a, b). Um jeneu Langsstreifen, den spateren Centralkanal, der zu- nachst noch kein Lumen hat, war das Keimepithel in Wucherung begriften , und zwar zunachst seiner gauzen Lange nach ohne Unterbrechung. Doch ist gleich von vornherein die Zellvermehrung nicht in alien Hohen eine gleichmaBige. Sie ist am schwachsten iiberall da, wo die Querkanale in den Centralkanal eintreten, und am starsten immer in der Mitte zwischen zweien solcher Eintritts- trittsstellen. Hierdurch machen sich bald ziemlich regelmaCige, aber nicht segmentale An- und Abschwellungen des Keimdriisen- wulstes bemerklich (Tafel XI, Figur 44). Nicht nur das Keim- epithel, sondern auch der Centralkanal ist an diesen An- und Ab- schwellungen beteiligt, da auch er sich iumitten der Anschwellungen ansehnlich verdickt (Tafel XI, Figur 46). Bisher habe ich immer schlechthin von einer Wucherung des Keimepithels gesprochen. Die histologischen Vorgange hierbei sind einfach , aber hochst charakteristiscb. Die umgewandelten Epithelzellen, die wir schon im zweiten und dritten Entwickelungs- stadium unseres Tieres kenuen gelernt und als Urkeimzellen (Ur- eier) bezeichnet haben, beginnen sich uamlich in eigentiimlicber Weise zu teilen, wahrend sich gleichzeitig neue Peritonealzellen in Urkeimzellen umwandelu. Dabei riicken die Peritonealzellen bei dieser ihrer Urawandlung von der Oberflache in eine tiefere Lage des Epithels herab (Tafel IX, Figur 33). Sie, sowie ibre Teiluugsprodukte liegen direkt unter dem Peritonealepithel, das ihnen fortdauernd neue Zufuhr von Urkeimzellen nachseudet. Das Charakteristische bei der Teilung der Urkeimzellen liegt in folgendem. Zunachst teilt sich der Kern einer Keimzelle mittelst Der Bauplan des Urogenitiilsystems der Wirbeltiere. 137 gcwohnlicher iudirekter Kernteilung. Der l*rot()i)hisnKileib folgt nach. Jedc I'cilzelle scheidet darauf an ihrcr rciiphcrie eiiie scharf keiintliche Membrau ab. Die Menibrau der geteilten Mutter- zelle hat sich aber bei dieseu Vorgangen uicht gelost oder niit- geteilt, vielmehr iimgiebt sie iu scharfer Auspraguiig nunniehr beide 'J'eilstiicke. Zwei vollkommen ausgebildete, niit Membranen versehenc Teilzelleu liegeii in der Menibran der Mutterzelle ver- einigt (Tafel IX, Figur 36). Nun teilen sich die beiden Tochter- zelleu wieder zusammen zu 4, diese zu 8 Teilzellen. Bei diesen weitereu Teiliingen erhalten sich die Membranen der Teilzellen 2., 3. u. s. w. Ordnung nicht, nur die Membran der Mutterzelle erster Ordnung bleibt erhalten (Tafel IX, Figur 35, 36). Das Endresultat ist ein Haufeu von Zellen, deren jede der primaren Urkeimzelle gleicht. Dieser Haufen wird von der Membran der Mutter- zelle erster Ordnung umschlossen und zu einem Ganzen, einem Kcinizellennest (Ureiernest , Semper) vereinigt. Untersuchen wir nun die Stellen naher, die sich als Verdickungen des Keim driiseuwulstes bei der mannlichen Larve bemerklich machen, so finden wir dort eine starke Anhaufung von Keimzellennestern. Dieselbe nimnit gegen die verdiinnten Stellen des Wulstes allraahlich ab (Tafel XI, Figur 47). Kleine Nester oder solitare Urkeinizellen lagern aber in jungeren Hoden dem Centralkanal auch an den verdunnten Stellen an (Figur 47). Sie kommen jedoch nicht zur weiteren Ausbildung und verschwiuden endlich ganz. Die Verdickungen, die in den Langsverlauf des urspriinglich kontinuierlichen Keimdrusenwulstes eingeschaltet sind und die wir kurzweg als Hodenlappen bezeichuen wollen, waren hervorgebracht durch Bildungen zahlreicher Keimzellennester im Umkreis um den hier verdickten Centralkanal (Tafel XI, Figur 47). Dabei ordnen sich die Nester aber konzentrisch so um den Centralkanal herum, daC ein jedes ihn an einer Stelle beriihrt (Tafel XII, Figur 48, 49 b). Der Hoden erhalt hierdurch auf dem Querschnitt zunachst kreis- runde Form ; in spateren Stadien wird er mehr elliptisch, indem er sich gegen den Eintritt und Austritt der Peritonealplatte zu, in deren Verlauf er eingeschaltet ist, ein wenig streckt (Tafel XII, Figur 49 b, 50). Sehr wichtig ist die Thatsache, daC jedes Keimzellennest dem verdickten Centralkanal oder einer Ausbuchtung desselben (Taf. XII, Figur 48, 49 b) an einer Stelle unmittelbar anliegt. Zunachst handelt es sich hier jedenfalls um bloCe Beriihrung. Die Nester 138 Dr. Richard Semon, sind anfangs allseitig geschlossen, uud der Centralkanal ist in juiigen Stadien ein solider Strang ohne Lumen. Spater aber ordnen sich an der Beriihrungsstelle sowohl die Zellen des Nestes als aucli diejenigen des Centralkanals in der auf Figur 48, Tafel XII dargestellten Weise, wobei sich beider- seits die Beriihrungspunkte entgegenbuchten. Die Aufstellung der Zellen an der Beriihrungsstelle wird besonders auf gunstig ge- troffenen Langsschnitten klar. Endlich kommt es zu einer voll- stiindigen Verlotung der gegeneinander vorgebuchteten Beriihrungs- stellen und einer kontinuierlichen Angliederung der Epithelien. Bald erhalt dann der Centralkanal ein Lumen, und dasselbe erstreckt sich allmahlich in die Ausbuchtungen gegen die Nester bis zur Verlotungsstelle hinein und schreitet iiber dieselbe hinaus bis ins Innere des Keimzellenuestes vor (Figur 48). Dann sitzt das jetzt hohl gewordene Epithelblaschen sozusagen als verdicktes Ende der stielformigen Ausbuchtung des Centralkanals auf. Ich bezeichne diese zu Blaschen gewordenen Produkte der Keimzellen- nester mit Semper, der sehr tibereinstimmende Vorgange bei der Entwickelung des Selachierhodens beschrieben und abgebildet hat (40, p. 362 und Tafel XXI), als Hodenampullen. Das Epithel der Ampullen geht kontinuierlich in dasjenige der Ausbuchtung des Centralkanals uber, kontinuierlich, was die Anordnung der Zellen im Epithelrohr anlangt. Die Form und GroCe der Zellen aber bleibt dauernd verschieden und laCt meist ohne Schwierigkeit er- kennen, ob die unmittelbar aneinanderstoCenden Zellen aus dem Keimzellennest oder von der Ausbuchtung des Centralkanals her- stammen. In ersterera Falle sind sie grofi, besitzen helle, fein granulierte Protoplasmaleiber und runde Kerne, die den Zellkorper nun zum kleinen Teil ausfullen, Im zweiten Falle bleiben die Zellen viel kleiner und die eiformigen Kerne nehmen den groCten Teil der Zelle ein. Im Innern noch nicht eroffneter Keimzellennester fiudet man gewohnlich eine oder mehrere Zellen, die sich von den iibrigen Zellen des Nestes in keiner Weise unterscheiden. Schreitet spater die Lumenbildung vom Centralkanal in dessen Ausbuchtung und von da in die Nester oder Ampullen fort, so findeu wir dort einen centralen Hohlraum, wo friiher eine oder mehrere ceutrale Zellen lagen (Tafel XII, Figur 49). Es fragt sich, was aus letzterem geworden ist. Sie konnen peripher ausgewichen sein und nun mit den Wandbeleg des Blaschens bildeu helfen, oder sie konnen auch zerfallen und resorbiert sein. Da ich nie im Zerfall begriffene Der Rauphui des Urogenitalsystenis dcr Wirbelticre. 139 Zellen ini Iniiern der AmpuUeu gefuudou habc, mochtc ich die erstero Alternative fiir die wahrscheiulichere halten. Das End- rcsultat ist jedcnfalls die Bildung eiuer cinschichtigun Epithel- blase (Tafel XII, Figar 49). Wie schou oben erwahiit, sind die Urkeimzellon gleich nach ihrer Herausbilduug in die Tiefe des Keimei)ithels geriickt uud sie sowobl wie ihre Produkte, Keimzellennester uiid spiiter Am- pullen, werdeu kontiuuierlich vom Keimepithel iiberzogen. Dabei fiudet in letzterem fortgesetzt eine Umwaudlung von gewohnlichen Epithelzellen in Urkeirazellen , ein Nachschub derselben in die Tiefe statt (Tafel XII, Figur 48). Doch scheint die numerische Vermehrung der Ampullen ihre Grenze zu haben. Figur 49 b zeigt den Querschnitt eines Hodens im Larvenstadium, Figur 50 bei ftinfmal schwacherer VergroGerung im geschlechtsreifen Tier. Wie man sieht, hat die Volumszunahme des Hodens vielmehr in einer kolossalen VergroBerung der Ampullen als in eiuer Ver- mehrung der Zahl derselben ihren Grund. Auf dem Querschnitt des jungen Hodens zahlt man 11, auf dem des ausgebildeten 18 vollgetroli'eue oder angeschnittene Ampullen. Audi noch im ausge- bildeten Hoden findet man in der Peripherie unter dem dann stark abgeplatteten Epithel in der bindegewebigen Albuginea Ur- keimzellen uud Keimzellennester. Wahrscheinlich sind sie bestimmt, zum Ersatz verbrauchter Ampullen zu dienen. Schon friih erhalt jede AmpuUe eine Hiille, die zunachst im wesentlichen aus platteu Bindegewebszellen besteht. Woher das auCerst sparlich zwischen den tieferen Schichten des Keimepithels auflretende Bindegewebe stammt, habe ich nicht ermittelt. Eierstock. Als charakteristisch fur den Eierstock bei seiner Differen- zierung aus dem indifferenten Stadium der Keimdruse ist zu be- trachten: 1) das Aufgeben der Beziehungen des ubrigen Keim- driisennetzes zum Langskanal der Keiradriise ; 2) die Bildung von Eifollikeln. Im indifferenten Stadium beiderlei Arten von Keimdriisen, derjenigen sowohl die zu Hoden wie derer, die zu Eierstockeu werden, reicht das aus Kontakt b des zweiten Stadiums (Tafel IV, V, Figur 13, 14) entstandene Keimdriisennetz vermittelst seiner Querkanale und des von ihnen gebildeten Langsstranges (Langs- kanals der Keimdruse) bis unmittelbar unter das Keimepithel (Tafel VIII, Figur 29). 140 Dr. Richard Semon, Wahrend ira mannlicheu Geschlecht diese Anordnung dauernd erhalten bleibt, lost sich beim weiblichen Tiere der Langsstreif Oder Langskanal von den Querkanalen ab. Er bleibt unter dem Keimepithel medial, spater ventral von demselben liegen, wahrend die Querkanale bei dem nun folgenden starken Wachstum des Meso- phorons nicht gleichen Schritt halten, so daC die Keimdruse mit- samt dem Langskanal mehr und mehr von ihren abgelosten Euden entfernt wird. So kommt es, daC schliefilich in der Larve die Querkanale etwa in der Mitte des Weges zwischen Wurzel des Mesophorons und der Keimdruse blind und unverzweigt endigen. Diese Endigung kann ich iiberall als eine deutlicbe und scharf umschriebene wahrnchmen. Spater bei noch starkerem Wachstum des Mesophorons befindet sie sich relativ noch naher der Wurzel des letzteren. Das andere Ende der Querkanale geht unverandert in die in der Wurzel des Aufhangebandes liegende Langskom- missur tiber, die mit Nebenniere und primaren MALPiGHi'schen Korperchen in Verbindung steht (Tafel X, Figur 42, 43). Dagegen blieb der Langsstreif, spater Langskanal der Keim- driise nach Ablosung der Querkanale unmittelbar unter dem Keimepithel liegen, das ihm zunachst lateral, spater bei seitlichem Umklappen der Keimfalte dorsal anliegt (Tafel IX, Fig. 38 a und b). Bis jetzt liegen demnach die Verhaltuisse, abgesehen von der Ablosung der Querkanale vom Langskanal ganz ahnlich beim Eier- stock wie beim Hoden. Auch darin besteht Ubereinstimmung, daC bei ersterem die Wucherung des Keimepithels im Langsver- lauf ebenfalls nicht gleichmaCig erfolgt, sondern regelmaBige, aber nicht segmentate An- und Abschwellungen bildet, denen in gleicher Hohe erfolgende An- und Abschwellungen des Langskanals ent- sprechen (Tafel X, Figur 41). Doch kommt es hierdurch beim Eierstock nicht zur Lappenbildung wie beim Hoden , sondern die Ungleichheiten im Langsverlauf der Keimdruse gleichen sich spater aus, und das Ovarium bildet dann im Larvenstadium cin iiberall nahezu gleichdickes Langsband (Tafel X, Figur 42, 43). Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Eierstock und Hoden macht sich darin bemerklich, daC bei letzterem das Keim- epithel den Langskanal nicht sekundar allseitig umwachst, sondern dauernd seine dorsale (urspriinglich laterale) Lage zu ihm bei- behalt (Tafel IX, Figur 39). Die Hauptdifferenz in der Entwickelung der weiblichen im Gegensatz zur manulichen Keimdriise haben wir im Keimepithel zu suchen. Die Vermchrung desselben erfolgt anfangs in der Dor Bauplan des tJrogenitalsystems dor Wirbcltioro. 141 Keiiudruse beidor Geschlochter (luifh UniwaiuUung von Peritoneal- zelleu iu Urkcimzellcn, Eiiiriickcii dcr letzteren iu eine tiefere Lage so dali sie von gewohuliclien Peritonealzellen uberlagc3rt werdeu, Teiluiig der Urkeinizellen zu Keimzellennesteru (Tafel IX, Figur 36). Dadurch, dali Urkeinizellen , Keinizellennester und mit ihnen auch gewobnliche unverilnderte Epitbelzelleu in die Tiefe gedrilngt vverden, wird das urspriinglicb einschichtige Keimepitbel nattirlicli zu eineni niehrscbichtigeu. Docb diirten wir es, streng genoninien, in spiiteren Stadieu uicht scblecbthin als ein mehrschicbtiges Epithel bezeichnen, da sich alsdann Bindegewebselemente hie und da zwiscbeu die Urkeinizellen und Zellennester hinein- draugeu. Die Biudegewebszelleu sind durch ihre geringere GroBe von den Epithelzellen zu unterscbeiden. Ubrigens ist die Betei- ligung des Biudegewebes im Keimvvulst bei Icbtbyophislarveu eine ganz aulierordeutlich scbwache. Lange Zeit hindurch besteht der Wulst ausscblieBlicb aus Zellen, die sich in keiner erkennbaren Weise von den Zellen des Peritonealepithels und ihren Abkommlingeu unterscbeiden. Als Abkommlinge des Peritoneal- bcziehentlich Keimepithels warden bisher die Urkeinizellen und ibre Teilungsprodukte, die Keinizellennester, genannt. Nun ist, wie oben hervorgehoben, das Auftreten einer dritten Zellart fur den Eierstock charakteristiscb und unterscbeidend, der Eizelleu. Diese Zellen gleichen nach GroCe und Form der Kerne und Zell- leiber und durch den Besitz einer leicht nachweisbaren Membran zu- nachst durchaus den Urkeinizellen. Sie sind aber von ihnen durch ein triiberes, mehr korniges Protoplasma und dadurch unter- schieden, daC sie sich nicht teilen, sondern sich andauernd, sozusagen ins Ungemessene vergrofiern. Diese Zellen triHt man immer von Zellen umlagert, die den gewohnlichen, unveranderten Epithelzellen des Keimepithels gleichen, und diese Umlagerung ist, wie Total- praparate und Schnitte alterer Eizellen zeigen, kein inditferentes Beieinanderliegen , sondern hat in innigen Beziehungen der uni- gebenden Zellen zur Eizelle ihren Grund, Beziehungen, die sich in der Bildung einer die Eizelle kontinuierlicb unihiillenden Schicht, eines umhiillenden Epithels oder Follikelepithels aus- drucken. Zunachst liegt der Gedanke sehr nahe, den Follikel einfach aus dem Keimzellennest derart abzuleiten, dafi man die Eizelle als eine vergroCerte centrale Zelle desselben ansieht, die urn- 142 t)r. R i c li a r d S <> m o ii , hiillenden Epithelzellen als die kleiu gebliebeneu, au die Peripherie gedrangten Schwesterzellen. GegeD diese Auffassung aber sprechen verschiedene Umstande. Zunachst war es rair niemals raoglich, einen tJbergaiig zwischen beiden Bildungen zu finden, also etwa ein Keimzellennest mit deutlich vergroCerter Centralzelle. Das Keimzellennest ist cha- rakterisiert durch die scharf ausgepragte, strukturlose Membran, von der es umgeben wird ; wie wir wisseu , die Membran der Mutterzelle des Nestes. Finden wir nun Bildungen, die scheinbar ein Nest mit vergroCerter Centralzelle darstelleu , so laCt die ge- nauere Untersuchung doch immer die umhiillende Membran ver- missen ; wir haben dann stets nur eine groBere Zelle vor uns, der sich kleinere angelagert haben. Die Bildung stellt aber keines- wegs einen so geschlossenen Komplex dar, wie ein Keimzellennest. Ganz im Gegenteil sehen wir sogar bei solchen jungeu P'ollikeln das Follikelepithel stets an einer Stelle kontinuierlich in das Epithel der Nachbarschaft iibergehen (Tafel IX, Figur 37, Tafel X, Figur 41). An dieser Stelle bildet das Follikelepithel eine deutliche Verdickung, so daC es durchaus den Auschein hat, als sei die Eizelle von bier aus tiberwuchert worden, eine Ansicht, die dadurch eine Stiitze gewinnt, daC sich das Epithel gegen den entgegengesetzten Pol hin mehr und mehr verdiinnt (Tafel X, Figur 41). Ich muC mich daher mit Entschiedenheit gegen die oft vertretene und auch von mir selbst lauge Zeit hiudurch fur richtig gehalteue Auffassung aussprechen, dafi der Follikel nebst seinem Inhalt durch direkte Umwandlung eines Keimzellennestes gebildet wird. Die Eizelle gleicht nach Form des Zellleibes und Kerns durchaus einer vergroBerten Urkeimzelle oder einer Zelle des Keimzellen- nestes. Ausgezeichnet ist sie durch ihre bedeutendere GroCe und ihr mehr triibes, korniges Protoplasma. Ob sie aus einer solitiiren Urkeimzelle resp. aus einer dutch den Zerfall eines Nestes solitar gewordenen Nestzelle entstanden ist , oder aber dadurch , daC innerhalb eines Nestes alle Zellen in einer aufgingen, vermag ich an meinen Praparaten nicht mit absoluter Sicherheit zu entscheiden. Doch halte ich die letzterwahnte Moglichkeit fiir viel weniger wahrscheinlich als die erste, da ich zerfallende Zellen in den Ureiernestern niemals babe finden konnen. Dagegen babe ich Bilder gesehen , die man als Teilung eines groCen Nestes in kleinere Komplexe und einzelne Zellen auffassen kouute. Wie dem auch sei: daran ist nicht zu zweifelu, daB die Eizelle aus Ur- i)er Biuplan des Urogenitalsystems dcr Wivbelliero. 14.') keinizelloii oder Nestzelleii, sei es durch bloCe VergriilJerung soli- tiirer Zelleu, sei es uuch durch Verschnielzung eiiies ganzen Zell- komplexes entsteht. Auch das iiiochte ich mit Restimmtheit behaupten , daC das Follikelepitliel die Eizelle von einera Pole her sekundar iiber- Nvuchert (Tafel X, Figur 41), Es fragt sich aber, woher stammt jeue Zelhvuclioiiing? Dass sie iiicht vom Bindegewebe herstammt, geht daraus hervor, daii die Zelleii in jeder Beziehung den indifferent ge- bliebenen, nicht in Keimzellen verwandelten Zellen des Peritoneal- epithels beziebentlich des Ovarialkanals entsprechen. Die spiir- lich im Keimwulst vorhandenen Bindegewebszellen siud erheblich kleiner als diese Zellen und zwar nach alien Richtungen bin kleiner, nicht etwa bloli mehr abgeflacht. Auf Totalpriiparaten hat es den Anschein , als ginge die Wucherung des P^olhkelepithels von der Wandung des Ovarial- kanals aus (Tafel X, Figur 41). Auch Schnitte liefern zuweilen Bilder, die auf diese Entstehungsweise hinzudeuten scheineu (Tafel IX, Fig. 38 b). Es wiirde das in mancher Beziehung Analogien zum Hoden bieten, in welchem sich ja auch Wucherungen des Hodeukanals mit den Keimzellennestern in Verbindung setzen (vgl. Tafel XII, Figur 48 und Tafel X, Figur 41). Ich kann aber nach meinen Praparaten nicht mit Sicheiheit entscheiden, ob die Wucherung des Follikelepithels von der Wan- dung des Ovarialkanals oder von dem Epithel des Keimwulstes ausgelit, das so dicht an das des Ovarialkanals angreuzt, dafi es zuweilen unmoglich ist, festzustellen, ob eine gewisse Zelle zum Keimepithel oder zum Ovarialkanal zu rechnen ist (Tafel IX, Fig. 38 a). Die Bilder sind nicht entfernt so deutlich wie beim Hoden (Tafel XII, Fig. 48, 49 b). tjbrigens ist im Grunde genommen die Differenz keine funda- meutale, da das Epithel des Ovarialkanals doch nichts auderes ist, als friihzeitig nach innen gelangtes Peritonealepithel, und dauerud mit diesem selbst (Kontakt b, Tafel IV) im Zusammenhang bleibt. Nichtsdestoweniger ware es hochst interessant und wichtig, uber alle speziellen Einzelheiten bei der Bildung der Eier und ihrer Follikelepithelien voile Klarheit zu schaffen, vollkommenere, als ich sie zu geben im Stande bin, oder sie bisher von irgend einem anderen Untersucher gegeben worden ist. Denn alle die Bedenken, die ich bei der Deutung meiner eigenen Befunde her- vorgehoben habe, treffeu genau ebenso die bisher veroffentlichteu 144 i)r. iticliardSeraOil, Beschreibungen und Deutungen der Ei- und Follikelbildung der VVirbeltiere. Eiue dahin zielende urafasseudere Untersuchung, die vor allem von Anaraniern auszugehen hatte , wo die Verhaltnisse einfacher und klarer liegen als bei Amcioten, wiirden ebenso aus- sichtsvoll als verdienstlich sein. Ichthyophis wurde vielleicht auch hierfiir das allergiinstigste Objekt darstellen. Die weitere Entwickelung des Eierstocks ist recht einfach. In jedem Ovarium eilt je eine Langsreihe von Follikeln den ubrigen im Wachstum weit voraus und macht nun als eine einfache Reihe von grofien Eiern den voluminosesten Teil des Organs aus (Tafel X, Figur 42, 43), dem der iibrige Rest der Keimdriise scheinbar als unbedeutender Appendix anliegt (Tafel IX, Figur 40). Dieser Rest besteht aus groCen Mengen von Keimzellen und sparlich ein- gestreuten kleinen Follikeln. Nur an wenigen Stellen findet man Keimzellennester, deren Zellkerne im Gegensatz zu den ruhenden Kernen der solitaren Zellen Kernteilungsfiguren zeigen. In den Eierstocken alterer Larven hat der Ovarialkanal sich zu einem weiten, von abgeflachtem Epithel ausgekleideten Hohlraum ausgezogen (Tafel IX, Figur 38 a, b, 39, 40), der ohne Unterbrechung an der Keimdriise ihrer ganzen Lange nach eutlang zieht. In ihn buchten sich die reifenden Eier ein, so dafi sie weit in sein Lumen hineinragen (Figur 39, 40). Die GefaBe, die sich von der Wurzel des Mesoophorons zum Fettkorper begeben, laufen auf der Ventral- seite am Kanal voriiber, zwischen seiner ventralen Wand und dem dieses uberziehenden Peritoneum durchtretend , nachdem sie vor- her dorsalwarts Aste zum Eierstock entsandt haben. MtTLLER'sche Gange. Der MCLLER'sche Gang ist im Larvenstadijim bei beiden Ge- schlechtern noch nahezu gleich entwickelt, etwas weniger volumi- nos beim Miinnchen als beim Weibchen. Nach und nach erhalt er ein zienilich weites Lumen. Doch ist er bis jetzt noch erheblich diinner als der Vornierengang, hinter welchem er liegt, durch ein schmales Aufhangeband an der Dorsalseite der Urniere befestigt (Tafel IX, Figur 39). Uugemein deutlich tritt jetzt in der Waudung ein Muskelbelag in Gestalt von Langszugen glatter Muskelzellen auf. Ringmuskeln dagegen vermag ich zu dieser Zeit nicht wahrzunehmeu. Das Epithel des Rohres besteht aus sehr dicht aneinander- gedrangten Zellen. Der grolke Teil der Zelle wird von den ovalen, mit den Poleu gegen das Lumen gerichteten Kernen ein- Dir Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 145 geiiomnieii. Eineii Wimperbesatz der Zelleii habe icli, ausgeuoni- lueii am Ostium abdomiiiale, zu koiiier /eit beobachten kouneu. 5. Stadium. Stadium der G e s c h 1 e c h t s r e i f e. 'J' i e r e lebeu uu te rirdisch im Bo den. K iemenot'f uuug ge- schlossen (Sakasin, Figur 1). Die Verhiiltuisse des Urogenitalsystems in diesem Endstadium sind von Sfengel (42) in mustergiiltiger Weise geschildert worden, so dafi ich liier in allem auf seine Arbeit verweisen kanu. Auf Beschreibung feinerer bistologischer Details mochte ich mich ebensowenig einlassen wic er, da zu solchen Untersuchuugen, weun sie den modernen Anforderungen geniigen sollen, ad hoc konser- viertes Material gehort. Mir standen /wei Miinncheu uud zwei Weibchen zur Verfiigung, die nach Eroti'uuug der Leibeshohle in toto konserviert waren. Da ferner die Verauderungen der einzelnen Orgaue vom Ende des Larvenstadiums bis zur volligen Geschlechtsreife im wesent- licheu uur iu einem Grolierwerdeu der schou fertig entwickelteu 'i'eile beruheu, kanu ich mich ganz kurz fassen. Die Reifuug der Geschlechtsprodukte , Spermatozoen uud Eier ist ein Thema fur sich, auf desseu Behandlung hier uicht niiher eingegaugeu werdeu kaun. Exkretionssystem. Gevvohulich kanu man Rudimente der Vornieren bei ausge- bildeten Tieren etwa in der auf Figur 4 c, Tafel II dargestellten Form findeu. An den Urniereu macht sich ein starkes Dicken- wachstum bemerklich, da jetzt erst dorsal von der ersten Reihe von Kaniilchen, die aus primaren und intersegmental eingeschobenen Kaniilchen zusammengesetzt ist, neue Kanalchen entstehen. Wir konneu also fiir das Wachstum der Niere entsprechend den Haupt- entvvickelungsctappen des Urogenitalsystems folgende Phasen heraus- hebeu. 1. Embryoneu mit Kiemenknotchen ohne Fiederchen. Primiire Urnierenkanillchen in streng segmeutaler Anorduung an- gelegt. 2. Embryonen mit Kiem fiederchen. Zwischen (lie primaren Kanalchen schiebt sich intersegmental eine zweite Generation, die selbstandig in den Vornierengang miindet. 3. Larvenstadium. Zwischen die erste und zweite Generation schiebt sich eine dritte, vierte, in unteren Abschnitteu Bd, i'XVI, N.F, XIX. jQ 146 Dr. Richard Semon, sogar funfte. Wahrscheinlich haben alle diese Generationen eine selbstandige Mundung in den Vornierengang. 4. Landlebendes Tier. Die bisherigen Urnierenlvanalchen (erster, zweiter und der folgenden Ordnuugen) liegeu in einer Langsreihe. Nunmehr tritt dorsal von dieser Reihe eine neue Langs- reibe auf, spater hinter dieser noch neue Langsreihen. Es ist nioglich, daC die Kanalcben dieser Reiben in gemeinsamen End- stiicken mit den Kanalen der ventralen Reibe mundet, denn man beiuerkt jetzt zuweilen Gabelungen der Kanale, nahe der Ein- mundungsstelle in den Vornierengang. Ein vollkommener Einblick lieli sicb aber in das Organ, das jetzt aus massenbaften , vielfacb dureheinandergewirrten Kanalen bestebt, nicbt mebr gewinnen. Die Nebenniere ist im gleicben Verbaltuis gewacbsen wie die Niere und die Vena cava inferior. Im iibrigen ist ibr Bau in keiner Weise gegen die im Larveustadiuni gescbilderten Ver- baltnisse geandert. Die Gescblecbtsorgane baben die uns scbon in vorigen Stadien bekaunt gewordene Lage. Die Eierstocke reichen tiefer berab als der Hoden. Die Fettkorper reicben bei beiden Ge- scblecbtern viel tiefer berab als die Keimdriisen. Der vom Hoden - sekret durcbflosseue Abscbnitt der Urniere bietet gegen die iiber und unter ibm liegenden Abscbnitte keine Besonderbeiten. Uber die Lage der Telle vergleicbe Spengel (42, Tafel I, Figur 1, 2). Der Hoden zeigt den scbon im vorigen Stadium ausgepragten lappigen Bau jetzt nocb viel deutlicber. Die Zabl der Arapullen in jedem Lappen bat sicb gegen fruber nicbt sebr erbeblicb ver- mebrt (vgl. Tafel XII, Figur 49 b und 50). Dafur aber bat sicb jede Ampulle kolossal vergroUert, indem sicb ibre Zellen in Sper- matocysten umgewandelt baben. Ob der gesamte Cysteninbalt mit seinen zweierlei Zellarten von Zellen des Keimzellennests ber- stammt oder nur die Ursamenzellen (Spermatogonien) vom Keim- zellennest, die sogenannten Follikelzellen (FuC- oder Stutzzellen) von den Verbindungskanalen der Nester mit dem Centralkanal (Tafel XII, Figur 48, 49 b), miissen weitere Untersucbungen lebren. In Figur 51, Tafel XII ist eine einzelne Hodenampulle mit Spermatocysten dargestellt worden. Wie man siebt, befinden sicb die Elemente der verscbiedenen Cysten in verscbiedeuen Entwickelungs- stadien. Innerbalb jeder Cyste aber steben die Elemente auf gleicber Stufe, wobei in jeder Cyste die bekannten zwei Zellarten : Ursamenzellen (Spermatogonien mit ibren Nacbkommen) und zwei- teus die sogenannten Follikel-(FuC- oder Stutz-)Zelleu nacbgewiesen Ber Bauplan des Urogenitaleystems der Wirbeltiere. 147 werdeii konnen. Die Bilder erinnern an diejenigen, die man auf Querschuitten vou reifenden Salamanderhoden erblickt. Die ein/elnen Ampulleu , die bet den Larven nur von eiuer Jiinuen, bindegewebigen Zellschicht umhiillt waren, haben jetzt eine faserige, inimer noch relativ schwache Bindegewebshulle. Dagegen sind die Zwischenriiume zwischen den kugligen Ampulleu, da wo sich die Kugeln nicht beriihren , durch starkere Bindege- websmasseu ausgefiillt. Hier verlaufeu auch die GetaBe des Hodens, Die Ampullen tangieren niit eineni Punkte ibrer Kugelflache die iiuCere Oberfljiche des Hodens, die von einer einfacben Scbicht abgeflachter Epithelzellen , dem Umwandlungsprodukt des ehe- nialigen Keiuiepithels iiberzogen wird. Diese Epithelschicbt ruht auf einer diinnen, bindegewebigen Grundlage. Der Zwiscbenraum zwiscbeu den Beruhrungspunkten je dreier Ampullen unterein- ander und ihrer Beriihrungspunkte mit der iluBeren Begrenzungs- scbicbt (Albuginea) des Hodens wird ebenfalls von fasrigem Binde- gewebe ausgefiillt (Tafel XII, Figur 50). In dieses finden sich neben zahlreichen GefaCeu auch Keimzellen und Keimzellennester eingestreut. Hochstwahrscheinlich geht von ihnen der Ersatz verbrauchter Ampullen aus. Die Ampullen entleeren sich durch kurze, zuweilen unterein- ander verbundene Ausfiihrgange in den Centralkanal. Die fertig ausgebildeteu Spermatozoen sind von Sarasin (35, p. 237) an frischem Material untersucht und (Tafel XXIV, Figur 123, 124) abgebildet worden. Der Eier stock macht auCer dem Wachstum und der Reifung der Eier keine weiteren Verandeningen mehr durch. Das reife Ei ist von Sarasin (18, p. 8—11, Tafel I) ab- gebildet und beschrieben worden. ijber den Bau der MljLLER'sch en Gauge bei beiden Ge- schlechtern vergleiche man die ausfiihrliche und genaue Beschrei- buug Spengel's (42, p. 14—18). AuBer den Ring- und Radiar- muskeln der Wandung, die Spengel erwahnt, existiert auch eine Langsmuskulatur. Ubrigens tritt bei erwachsenen Tiereu die ge- sarate Muskularis ira Verhaltnis zur Dicke der Mucosa gegen das Larvenstadium stark zuruck. 10* 148 Dr. Richard Semon, 11. Verg'leichender Teil. Im beschreibenden Teil babe ich micb auf eine bloBe Auf- zahlung der Orgaiiisationsverhaltnisse des Urogenitalsystems von Ichthyopbis glutinosus in den verschiedenen Entwickelungsstadien bescbninkt. Jedem, der diesen Teil gelesen hat, wild sicb von selbst die Oberzeugung aufgedningt haben, daC die Entwickelung dieses Orgaiisystems bei Ichthyopbis in vielen Beziehungen bessere Ein- blicke in deu urspriinglichen Bauplan, in das Baumaterial sowolil als in die Verhaltnisse der Teile, gewahrt als das, was die Ent- wickelung der iibrigen bisher untersuchten Crauioten in dieser Hinsicht liefert. Ich will nun den Versuch unternehmen, die Grundzuge des Baues der inneren Harn- und Geschlechtsorganc aus den Befuuden bei Ichthyopbis und aus der Vergleichung derselben mit den That- sachen, welche die Entwickelung und Anatomie dieser Teile bei den iibrigen Cranioten uns an die Hand giebt, auseinanderzu- setzen. Trotz nnancher Lucken unserer Kenntnis ist ein Einblick in den Grundplan des Baues wohl moglich. Es wird sich zeigen, dafi sich alle bisher sicher beobachteten Thatsachen sehr gut vereinigen lassen, dafi die Verhaltnisse zwar im ausgebildeten Zustande recht kompliziert sind, das Wesen und die Entstehung der Koniplikationen sich aber unschwer erkennen und in einfacher Weise auf minder komplizierte Verhaltnisse zuriickfiihren laBt. Am Schlusse wollen wir dann noch kurz das Urogenitalsystem der Cranioten mit dem von Araphioxus vergleichen und von da unsern Blick ruckwarts auf die Wirbelloseu richten. Der Bauplaii dc8 TJrogeuitalpyRlotnB der Wirbeltiere. 140 Der allgemeine Bauplan des Urogenitalsystems der Cranioten und seine Durchfiihrung in den ver- schicdenen Klassen. 1. Vorniere und Urniere. Bail der Vorniere. Nebenniere. Die Vorniere ist ein Organ, dessen Bau sich in scinen wesent- liclieu Teilen nur in gewisseu, ziemlieh friihen Entwickelimgs- stadien der Cranioten erkennen laCt. In ausgebildeten Zustanden ist es stets niehr oder weuiger riick- oder besser umgebildet. Doch wird die Art dieser Umbildung meisteus falsch beurteilt. Von alien bisher daraufhin untersuchteu Cranioten gewahrt Ichthyophis den vollkommensten Einblick in den eigentlichen Bau der Vorniere. Bekanntlich ist es bisher noch nicht gegliickt, die Entwickelung der Myxinoiden zu verfolgen, die im ausgebildeten Zustande ein iiberaus stattliches Rudiment der Vorniere besitzen. Wahrscheinlich werden sie>in dieser Beziehung ebenso viel und vielleicht noch mehr erkennen lassen, als Ichthyophis. Vorlaufig erscheint es gerechtfertigt und geboten, von Ichthyo- phis auszugehen. An der Vorniere von Ichthyophis kounen wir drei Bestandteile als wesentlich fiir die Zusammensetzung des Organs erkennen: 1. den Vornierengang , 2. die segnientaleu Querkanale, 3. den MALPiGHi'schen Korper der Vorniere^). Diese drei Bestandteile verhalten sich verschieden in den proximalen und distalen Abschnitten. Der Vornierengang reicht vom Anfang des Organs bis zu dessen Ende, also von der Herz- gegend bis zur Kloake. Beinah gleiche Ausdehnung hat der dritte Bestandteil , namlich der MALPiGHi'sche Korper. Er reicht vom Anfang des Organs als eigentlicher MALPiGHi'scher Korper nur etwa 10—12 Segraente weit nach hinten. Dann setzt er sich aber kontinuierlich in ein Gebilde fort, das sich eben durch diesen kon- tinuierlichen Zusammenhang , ferner durch seine Beziehung zu rudimentaren Querkanalen und Glomeruli in seinem Anfangsteil, endlich durch seine Entstehungsweise nur als ein bloBes Umbil- 1) Hier sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, dafs der Aus- druck „MALPiGHi'8cher Korper" durchweg in dom aiif p. 107 gekenn- zeichneten Sinne gebracht wird. 150 Df. Eiickaid Semon, dungsprodukt des MALPiGHi'schen Korpers deuten laCt. Es ist die Nebenniere (interrenales Organ). Die Querkanale endlich, die vom MALPiGHi'scheu Korper zum Vornierengang fiihren, werden alleiii im proxinialeu Teile gefundeii. Bei Ichthyophis beobachtete ich 12—13 in zunachst streng seg- mentaler Lagerung. Die unteren werden mehr und mehr rudi- mentar und erreichen haufig den Vornierengang nicht mehr (Tafel I, Figur 1—3). Nun ist durcli alle ueueren Beobachtungen mit Sicherheit festgestellt, dafi der Vornierengang am proximalen Ende der Vor- niere durch eine Vereinigung der peripbereu Endeu der Quer- kanale entsteht, sei es unter Mitbeteiliguug des Ektoderms, sei es ohne dieselbe. Dies gilt jedoch nur, wie Ichthyophis zeigt, fiir den proxi- malen Teil. Der einmal von einigen proximalen Kanalen gebildete Langskanal wachst selbstandig fiir sich nach uuten und tritt erst sekundar mit den distalen (jiingeren) Querkanalen der Vor- niere in Verbindung. Dies zeigen die Befunde bei Ichthyophis (Tafel I, Figur 1) mil groBer Deutlichkeit. Die Verbindung der distalen Querkanale der Vorniere mit dem Vornierengange kann ganz unterbleiben und unterbleibt sogar fast immer an den letzten, stark rudimentaren Querkanalen (Tafel I, Figur 3), Aus der Ausdehnung des Vornierengauges und des Malpighi- schen Korpers der Vorniere beziehentlich dessen Fortsetzuug durch den ganzen Rumpf des Tieres, aus dem ganz allmahlichen Rudi- mentarwerden der Querkanale gegeu die distalen Abschnitte hiu, endlich aus dem Umstand, daC da, wo die Querkanale ganz auf- horen, sie durch Bildungen vertreten werden, die genetisch aus Teilen von ihnen abzuleiten siud, lafit sich der berechtigte ISchluB Ziehen, dafi sich ursprunglich die Vorniere in voller Ausbilduug von der Herz- bis zur Kloakeugegeod erstreckt hat^). Dieser Satz folgt ubrigens direkt aus der zuerst von RDckert ausgesprochenen Aufiassung, dafi die Urnierenkanalchen wohl als eine zweite vervollkommuete Generation der Voruierenkanalcheu aufzufassen seien (34, p. 273). Diese von Ruckert mehr vermutungsweise geaufierte An sich t habe ich in eiuer ausfiihrlichen Mitteilung im Anatomischen Au- 1) Hieraus ergiebt sich, dafs der Ausdruck „Kopfniere" tiir Vor- niere uDzutreffend ist, uad, da er irrige Vorstellungen erweckt, am bebten ganzlich vermieden wird. Dcr Banplan ties TTroj^cnitalhysiems dei Wirl'cltiere. 151 zeiger (30) sch:irfer zu begrundeti versiiclit. Kin Beweis fiir dic- selbe ist, wic iiiir scheiiit, iin boschreibenden Teil diesur Arbeit durch das genauore Studiuni des tJbergangsgebietes von Voniierc mid Urnicre (p. 1(X), p. 100) im zvvciteii uiid dritten Stadium crbracht. WiEDEUsiiEiM (50, p. 461) konnte boi Krokodilen und Schild- kroten koine sichtbare Grenze des Uberganges von Vorniere und Urniere finden. „Es war an keinem Priiparate auszunuicheu, wo jenc aufhort und diese aufiingt." WiKDEKSUEiM zioht iibrigeus aus seinen Befunden in der Be- ziehung iihuliche Folgerungen wie RtJcKERT und ich, als or zu deni ScbluIS gelaugt: „Wahrschoinlich erstrccktc sich der Glomus und mit ihm das ganze System der Vorniere bei denUr- Reptilien einst durch das ganze Colom hindurch". Es eriibrigt noch, gleich hier auf den Bau des Malpighi- scheu Korpers der Vorniere naher einzugeheu. In vollkommen ausgebildetem Zustande, wie wir ihn am vollendetsteu bei nicht zu jungeii Embryonen von Ichthyophis finden (Tafel I, Figur 3), stellt die Bildung einen weiten Sack dar, in den die segmeutalen Querkauale der Vorniere mittelst besonderer Trichteraste (Innentrichter) einmunden. Zwischen je zwei Trichtern haben ebeui'alls segmentale Gefalisprosseu aus der Aorta sich in die dorsale Wand des Sackes eingesttilpt, und treiben, indem sie ein arterielles Wandernetz (Glomerulus) bildeu , jene Wand bis zur Beriihrung mit der veutralen Wand hin vor. Auf diese Weise entsteht eine segmentale Kammerung des Organs, ohne dafi sich jedoch die einzelnen Kammern vonein- ander losen. Bis auf die maugelnde Losung der Kammern besteht demnach eine vollige Gleichartigkeit des Baues fiir den Malpighi- schen Korper der Vorniere und die isolierten Korperchen der Ur- niere. Nun ist es ungemein lehrreich, die Entstehung des Mal- PiGHi'schen Korpers der Vorniere zu verfolgen. Ursprunglich ist uamlich jener weite Sack, in den die Innentrichter munden und in den die Aortensprossen eingestiilpt sind, nichts anderes als der innerste Winkel des Seitenplattencoloms und steht mit diesem in seiner ganzen Lange in offener Kommunikation. Erst sekundar schntirt sich jener innerste Winkel der Leibeshohle vom iibrigen Colom ab, indem das viscerale mit dem parietalen Peritoneum der Lange nach verlotet. Diese Verlotung tritt in der ganzen Lange ein , unterbleibt aber jedesmal da, wo ein Trichter der Vornierenkaualchen in das 152 Dr- Kichard Semon, sich abschniirende Leibeshohlendivertikel miindet. An diesen Stelleu bleibt die Kommunikation besteheu, die Kommunikations- stelle selbst erhalt Wimperung, und indem diese Stelle somit zu dem Trichter hinzugezogen wird, miiudet das Voriiiereukanalcheu sowohl in die abgeschntirte als auch in die freie Leibeshohle (Tafel V, Figur 17). Spater trennen sich die beiden ihrer Entstehung nach eng zusammengehorenden Trichteimiinduugeu mehr uud niehr von einander, und wir erhalten das auf Tafel III, Figur 7 dargestelltc Verhalteu, wo ein gemeinsamer Trichterkaual sich in zwei ge- souderte Trichter spaltet : den Innentrichter, der in die abge- schntirte, den Aufientrichter, der in die freie Leibeshohle mundet. Bei meinen jungsteu Exemplareu von Ichthyophis hatte die Abschnurung des Leibeshohlendivertikels schon begonnen ; in den proximalen Abschnitten aber kommunizieren noch beiderseits freie und abgeschntirte Leibeshohlen durch weite Langsspalten (Tafel I, Figur 1). Spater (Figur 2) werden auch diese bis auf die Ofiinungen der AuCeutrichter verlotet. Die Vorniere ist ein larvales Organ , das bei den meisten Wirbeltieren in keinem Entwickelungsstadiuni zur vollen Ausbiidung gelangt. Die mangelnde Ausbildung betrift't in erster Linie die Querkanale, die bis auf einen reduziert werden konnen, und dereu Zahl selbst bei Ichthyophis, bei welchem bis zu 12 — 13 jederseits vorkommen, doch noch um ein Vielfaches davon reduziert ist, da zwingende Grtinde daftir sprechen, solche Kanale ursprtinglich tiberall da anzunehmen, wo sich Nebenniere uud Urniere findet. Aber auch der MALPiGHi'sche Korper der Vorniere erlangt selten bei anderen Tieren eine so hohe Ausbildung, wie die soeben bei Ichthyophis dargestellte. Die Abschnurung des Malpighi- schen Korpers von der tibrigen Leibeshohle unterbleibt zuweilen ganz (Selachier, Amnioten) oder sie bleibt proximal (Krokodile, Schildkroten) oder distal (Urodelen, Anuren) unvollkommen. Eine unvollkommene Abschntirung zeigt nach Gotte (15, p. 56) auch der MALPiGHi'sche Korper der Petromyzonten. Eine vollkommene Abschnurung scheinen, ausgenommen Ichthyophis, nur die Mal- piGHi'schen Korper der Ganoideu (Fijrbringee, 12, Balfour und Parker, 6) und Teleostier (Gotte, 14, 15; Ziegler, 52) zu erfahren. Sekundare Abweichungen finden sich an den MALPiGHi'schen Korpern der meisten Vornieren, gleichviel ob sie sich vollkommen oder unvollkommen von der tibrigen Leibeshohle abschnttreu, in- sofern als das uormale Offenbleiben der Kommunikation zwischen Der Baiiplan dt » UrogenitalMystems der Wirbeltiere, 15i5 freicr mid abgeschiuirter Lcibcshohle an der Eiimiuiulungss telle der Vornierentrichter (Tafel V, Figur 17) unterbleibt. Wic wir saheii, fiihrte dieses Otleiibleibeii zu einer Teilung der Trichter- miindiingen in AuBen- und Iniieiitrichter (Tafel III, Figur 7). An den MALPiGHi'schen Korpern der meisteu Wirbeltiervor- iiicren unterbleibt die Ausbildung der Aulkntrichter, so bei Tele- ostiern, Urodelen '), Anuren. Nach Balfour und Pakker (6) besitzt die Vorniere von Lepidosteus einen Innen- sowie auch einen Aussen- tricbter. Wiedersheim (49, 50) hat an den proximal oft'enbleibenden MALPUiiu'schen der Krokodile und Schildkroten Bildungeu be- schrieben, die er als priniilre und sekundare Trichter bezeichnet. Die „sekundaren" Trichter, die offenbar unseren Innentrichtern entsprecheu, sieht er fur spater ervvorbene Bildungen an (50, p. 420). Beide Trichterarten zusamraen scheinen sich bei Krokodilen nur in einem kleinen mittleren Abschnitt der Vorniere zu finden (50, p. 429). Ob sie dort bei jenen Reptilien aus einer Teilung des- selben Querkanals der Vorniere hervorgehen , witd nicht ange- geben ; ich halte es fur sehr wahrscheinlich. Teilungen der Trichter fand ich ferner ab und zu bei Petro- niyzonten, wo freilich nur ein unvollkommener AbschluC des Mal- PTGHi'schen Korpers der Vorniere stattfindet. Ich verweise hier auf meine Mitteiluug im Anatoraischen Anzeiger, wo die Verhalt- nisse der Vorniere bei verschiedeueu Vertebraten durch Abbildungen illiistriert sind (39, Figur 1—4, Figur 7). Von einer Reproduktion dieser Bilder in vorliegender Arbeit habe ich Abstand genommen. Bei Ichthjophis selbst beginnt, wie im beschreibenden Teil auseinandergesetzt, anch schon eine Riickbildung der einen oder der anderen Trichterart sich bemerklich zu raachen. In den obersten Segmenten fehlen haufig die Innentrichter , in den un- tersten die AuBentrichter. Die vollkommenste Ausbildung und priichtige Entfaltung beider Trichterraiindungen pflegen die mitt- leren 6 — 8 Segmente der Vorniere zu besitzen (Tafel I). Dafi die Ausbildung beider Trichterarten als Miindung jc eines Querkanals das urspriinglichc, der Mangel der AuBentiichter (oder auch Innentrichter) eine sekundare Riickbildung ist, kann 1) Ich habe iibrigens zuweilen auch an der Vorniere Yon Salamanrlra maculata Aiifsentrichter p;efundcn. Ein Exemplar von Salaraandra besafs rechtcrseits drei statt zwei Innentrichter. Dieselbe Vermehruug der Zahl der Innentrichter beiderseits fand Molliek (29) bei einem Exemplar vou Triton alpestris. 1^4 Dr. Bichaid Semon, nach den Befunden bei Ichthyophis keinem Zweifel unterliegen. Wie wir spater sehen werdeu, zeigen sich auch die AuBentrichter der MALPiGHi'schen Korper der Urniere bei vielen Wirbeltieren in ahnlicher Weise sekundar riickgebildet. Zusammenfassend kann man fiir das Verhalten der Vorniere der Leibeshohle gegeniiber zwei Hauptetappen der Entwickelung konstatieren, die zweifelsohne auch zwei phylogenetisch aufeinander folgenden Zustanden entsprechen. 1. Die Querkanale der Vorniere miindeu direct durch einen Trichter in den innersten Winkel der unsegmeutirten Leibeshohle. Jeder Trichtermiindung gegeniiber hat sich ein Gloraeruhis aus der Aorta in die Leibeshohle ausgestiilpt und ragt frei in diese (Tafel XIV, Figur 55). 2. Jener innerste Winkel der Leibeshohle, in den die Trichter der Vorniere miinden, hat sich der Lange naCh von der iibrigen Leibeshohle abgeschntirt. Das abgeschuiirte Divertikel mitsamt seinen Glomeruli bczeichuen wir als MALPiGHi'schen Korper der Vorniere. Nur da, wo die Trichter einmiindeu, ist der Verschluss unterblieben , indem sich eine oifene, wimpernde Koramunikation zwischen freier Leibeshohle und Trichtermundung erhalten hat (Tafel XIV, Figur 56). Diese Kommunikation stellt sich in spateren Stadien als ein besonderer Trichter (AuCentrichter) dar, der nicht raehr direkt von der oiTenen in die abgeschuiirte Leibeshohle fiihrt, sondern von der offenen Leibeshohle in den Innentrichter (Tafel III, Figur 7). Die Vorniere der verschiedenen \Airbeltierc finden wir in alien moglichen Stadien einer mangelnden Ausbildung (fehlender oder unvollkommener Abschluss des MALPiGiii'schen Korpers), oder der Riickbildung (Wegfall der AuBentrichter). Die vollkommenere oder unvoUkommenere Ausbildung der Vorniere in den verschiedenen Wirbeltierklassen zeigt keine er- kennbare Beziehung zu ihrer Stellung im System. Das Haupt- moment hierfiir scheint in physiologischen Verhaltnissen (raschere oder langsamere Entwickelung) zu suchen zu sein. Die voll- kommenste, bisher beschriebene Vorniere besitzt Ichthyophis glu- tinosus. Im allgemeinen wird dem MALPiGHi'scheu Korper der Vor- niere ein grosses zusammenhangendes GefaBkniluel ein „Glomus" und nicht eine segmentale Reihe getrennter Glomeruli zugeschrieben, Hochst wahrscheinhch handelt ' es sich hier in den meisten Fallen um eine Tauschung. Ichthyophis besitzt jedenfalls getrennte Glo- Der Bauplan d«?» Uropenitalsystems dor Wir^eltiere. 155 meruli in diirchaus deutlicher Auspragung ('I'alel I); es kommt aber auf eine gliickliche Schnittricbtung au , uni sie auf Langs- schnitten zii orkeniieii. Auf Querschnitten ist ilire Trennimg in altercii Stadieu iiugeiuein schwer wahrzuiiehiiien , imd wurdc ich selbst anfangs irre geiiihrt. Getrennte Glomei-uli der Voruiere sind feruer bei Vogeln (Huhn nnd Elite) von Sedgwic^v (37, p. 372) beschrieben worden. VViEDEKSHEiM (50, \). 441) bcstrcitet bei Krokodilen und Schildkroten ausdriicklich die Existenz getrennter Glomeruli der Vorniere und betont die Einheitlichkeit des Gebildes niit grossem Nachdruck. Auch illustriert er seine Behauptuug diirch Flachen- scbnitte (Figur 17 — 19). Vielleicbt befand sich das Gebikle , als er es untcrsucbte, scbon in beginuender Mckbildung, und war der Einblick in seine walire Natur dadurch erschwert, vielleicbt war auch die gewahlte Schnittricbtung keine giiustige. Eine prin- zipielle Ditferenz in dieser Beziehung zwischen jenen Reptilien eiuerseits, Cocilien und Vogeln andrerseits, scheint mir uicht sehr wabrscheinlicb zu sein. Durch das Einwachsen der getrennten , zunacbst streug seg- mentaleu Glomeruli erhalt jenes au und fur sich unsegmentirte Leibesbohlendivertikel secundar eine segmentale Kammeruug, die besonders gut bei Ichthyophis ausgepragt ist, wo die dorsale Wand des Divertikels durch den einwachsenden Glomerulus gegen die ventrale Wand bis zur gegenseitigen Beriihrung nach vorn ge- trieben wird (Tafel I). Zu einem Zert'all in segmentale ganzlich getrennte Korperchen kommt es aber nicht, vielmehr bleibt die Einheitlichkeit der Bilduug an der Vorniere dauernd erhalten. Distalwarts und zwar von der Gegend an, wo tlie Querkauale der Vorniere rudimentar werden, beginnt die Umbildung des Mal- piGHi'schen Korpers in Nebenniere (interrenales Organ). Auch die Glomeruli werden rudimentar (Tafel I, Fig. 3) und verschwin- den nach unten ganzlich. Erhalten bleibt nur die Fortsetzung des Leibeshohleudivertikels (innerster Winkel des Coeloms rechts und links), desseii Blatter sich aber dicht aneinanderlegen und durch Epithelwucherung die Nebennierenballen erzeugen. Spater, wenn sich die Kanale der Vorniere auch in ihrera proximalen Ab- schnitt riickbilden, schreitet die Umbildung des MALPiGHi'schen Korpers der Vorniere auch dorthiu fort. Die GlomeruH bilden sich zuriick, das Lumen des Divertikels verschwindet, und die Epithelwandungen produzieren Nebennierenballen (Tafel VI, Fi- gur 20). 156 Dr. Richard Semon, Aus den Untersuchuugen von Janosik (20) bei Saugetieren unci besonders von Weldon (46) bei Selachiern und Reptilien scheint mir mit Sicherheit hervorzugeheu, daC bei dieseu Tieren das interrenale Organ sich ganz ebenso bildet, als bei Cocilien. Beidc Untersucher sahen die Abschnurung voni Peritonealepithel, und Weldon bemerkte auch den Zusammenhang mit den Mal- riciHi'schen Korperchen der Urniere. Ein klarer Einblick in die morphologische Bedeutung des Organs war aber bisher noch nicht gewonnen. Mihalkovics (27), der die Nebenuiere ebenfalls direct voni Coelomepithel ableitet, betraclitet sie als einen abgetrennten Teil der geschlechtlich in- differenten , also auf einem niedrigen Stadium der EntAvickeluug stelicnden Geschlechtsdriise. Weldon kommt in einem Telle seiner Deutungen der Wahr- heit viel naher. Er bezeichnet die in eigentiiralicher Weise sich riickbildende Vorniere der Myxinoiden als Nebenniere (45). Die Nebenniere der Gnathostomen I'aBt er dagegen als ein in analoger Weise entstandenes Riickbildungsprodukt eines Teils der Urniere auf (46). In diesem Punkte befindet er sich im Irrtum. Jeden- falls ist nicht zu verkennen, daB der von ihm eingeschlagene Weg der richtige war. Weldon wurde durch die Beobachtung, daC die Nebennieren mit den Kapseln der MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere in gewissen Entwickclungsstadien zusammeuhangeu , zu dem sehr naheliegenden , aber, wie wir gesehen haben, nicht zutreffenden SchluB gefuhrt, die Nebenniere der hohereu Wirbcltiere fur einen in Riickbildung begriffenen Teil der Urniere zu halten. Jene Beobachtung selbst ist, wie ich oben gezeigt habe, richtig, ebenso wie diejenige , daC die Verbinduug zwischen Kapsel und Neben- niere von derselbeu Stelle ausgeht, von welcher ein zweiter Strang von dem Korperchen zur Keimdriise zieht. Die Bedeutung dieser beiden Verbindungen will ich im Abschnitt iiber die Urogenital- verbindung auseinandersetzen. Bau der Urniere. Dieselben drei Bestandteile wie an der Vorniere konnen wir auch an der Urniere unterscheiden : 1. den Ausfiihrgang, 2. die segmentalen Querkanale, 3. ein Aquivalent des MALPiGHi'schen Korpers, das sich hier als eine Reihe segmentaler, ganzlich von einander getrennter Korperchen darstellt. Alle drei Bestandteile zeigen mit den entsprechenden Bildungen der Vorniere so grofie her Bau])lan des Urogenitalsystetns der Wirbeltierc. 157 IJbereiustimnuiugou , elali mau, da die Yoriiicre im aligeuiciiicu melir in dun proxinialen, die Urniere in den distalen Ruinpfseg- nu'uten zur Ausbildung gelangt, auf den Gedankeu gekonimen ist, die Urniere einfach fiir die distale Fortsetzung der Vorniere zu halten. Diese Aut'fassung wird aber ohne weiteres durch die 'I'hatsaclie widerlegt, dal> zwei der Urniereubestandteile /war gleich- gebaut aber keineswegs identiscli mit den gleicheu Biklungen der Vorniere sind. Deun es konimen bei raancheu Tieren (Ichthyophis) in den- selbeu Segmenten zusammen Querkanille und Malpighi- sche Korper der Vorniere und der Urniere vor (Tafel V, Figur 16, Tafel VI, Figur 22, Tafel VIII, Figur 27). Etwas Analoges bat liOcKERT (34) bei Selachieru beobachtet. Dort entstehen niimlidi in gewissen Segmenten, in deneu sich in fruheren Stadien Vornieren- kanalehen angelegt, spater aber wieder zuriickgebildet batten, nacbtniglich nocb Uruierenkaualcben. 1st allerdings dieser Eut- wickelungsvorgang keiu ebenso au gen fall iger Beweis fiir die Nicbtidentitat der Vorniere und Urniere, da durcb ibn das Vor- konmien besonderer Vor- und Uruierenbildungen in deniselbeu Segment nicbt in einem Bilde vor Augen gefiihrt werden kauu, wie bei Icbthyopliis , so konimt die Sache dock im Grunde auf dasselbe hinaus. Identisch ist fiir beide Bildungen nur der AusfUbrgang. Die Entwickelungsgeschicbte lehrt, dalS die Vorniere die iiltere, friilier auftreteude Bildung, die Urniere die jiingere spater entstebende audi in jenen Segmenten ist, wo beide gemeinsam auftreten. Ferner steht fest , daB weuigstens der proximale Teil des Ausfiilirganges unter direkter Beteiligung der peripheren Enden der Vornieren- kaniilchen entsteht, wahrend er allerdings distalwarts selbstiindig fortwilchst und den in gleidier Hohe liegenden Querkanalcben der Vorniere im Wachstum vorauseilt. Es kann mitbin keiueni Zweifel unterliegen, dafi der Ausfiihrgang in erster Linie der Vor- niere zuzurecbuen ist. Die Beziehung der Urniere zu ihm ist, wie deren ganzes Auftreten, ein secundares. Wir bezeichnen also den Gang in seiner ganzen Lange als Vorniere n gang, gleidi- viel ob nur Vornierenkanalcben, oder Vor- und Urnierenkanalcben zusammen , oder endlich distalwarts , wo die Vornierenkanalcben mehr und mehr verschwindeu, nur Urnierenkanaldien in ibn ein- miinden. Die Querkanale der Urniere unterscheiden sich in keinem wesentlicben Punkte von denen der Vorniere. DaC sie entwicke- 158 t)r. S.ifihard Semon, luiigsgeschiclitlich erst secundar den Ausfiihrgang erreichen, haben sie mit deu mehr distalwarts gelegeuen Vornierenkanalchen ge- raeinsam. In ausgepragt segmentaler Anordnimg, in volliger Uberein- stiramung rait den Korpersegmenten treten die Urniereukanalchen auf bei Cyclostomeu, Selachiern, Ganoiden, Teleostiern uud Coe- cilien. Dagegen zeigeu die Urnierenanlagen der TIrodelen, Anureu und Amnioteu sclion in sehr friihen Stadien eine dysmetamere An- ordnung. Diese Dysmetamerie ist meiner Ansiclit nach als eine secun- dare aufzufassen. Bei Ichthyophis kounen wir sie sozusagen in statu nascendi beobachten, denn dort findet allerdings die erste Anlage der Urnierenkanalchen in strenger Konkordanz mit den Ursegmenten und zwar so statt, daB jedesmal ein Teil eines Ursegments (Ne- phrotom) zur Anlage des priraaren Uruierenkanlilcliens wird. Schon ausserorden tlich friih scMeben sich zwischen jene pri- raaren, streng segraentalen Kanalanlagen neue ein, die durcb eine Art Knospung aus den priraaren entstehen. Wir haben dann schon in relativ sehr friihen Stadien (Taf. I, Fig. 3) in jedera Segment nicht mehr ein, sondern zwei hintereiu- anderliegende Urnierenkanalchen. Bald schieben sich noch weitere Generationen ein, so daC wir dann in jedera Segment vier, fiinf und raehr in einerReihe hintereinander 1 i e g e n d e Urnieren- kanalchen linden. Erst spater treten dorsal von der ersten Reihe neue Generationen auf. Nun ist dies Verhalten bei den iibrigen Araphibieu (Urodeleu uud Anuren) und bei den Amnioten in der Weise abgeandert, daii bei ihnen die sekundare Einschiebung der zweiten, dritten etc. Generation ontogenetisch relativ friiher eintritt, als bei den Coecilien. Aus den Untersuchungen von Sedgwick bei Vogelu (38) und Hoffmann bei Reptilien (18) geht hervor, dafi auch bei diesen Amnioten die allererste Anlage der Urnierenkanalchen eine meta- mere ist. Wie ich glaube, ist man daher nicht berechtigt, die ganze ventrale Langsreihe der dysraetaraeren Urnieren als „primare" Urnierenkanalchen zu bezeichneu. Der Urastand , daB die Mal- piGHi'schen Korperchen samtlicher dieser Kanalchen bei den Urodeleu mit dera Hodennetz zusammenhangen, nicht wie bei den Coecilien nur je eines in jedera Segment, namlich das primare, ist nicht so befreradlich, wenn man bedenkt, daB ja die sekundar eiogeschalteten Kanalchen auch bei Ichthyophis direkt aus den Ber Bnuplan des Urogenitalsysteras der Wirbeltiere. 159 prinuiren hervorgehen. Wir konnen daher wohl aunehmen, dali boi (ler Reduktion, die der vom Keimdriisensekret durchflossene Teil der Uruiere bei den hoheren Vertebraten erfubr, innerhalb jedes Segments der „Geschlecbtsiiiere" auch die Tochtergeuerationen eine Funktioii mitiiberiiehmeii niuMen, die urspriinglich auf die Muttergeneratioii, die priinaren Urnierenkanalchen, bescbrilnkt war. Eine iiocb weitergehende Beteiligung der jiingeren Generationen der UrniereiikauJllchen und MALPiGHi'schen Korpercben bei der Ausleitung des Spermas tindeii wir bei Ganoiden (Semon ^)). Bei den Aiiuren erfolgt, wie bei den Coecilien, der Abiluli des Keini- driisensekrets aliein durcb die primiiveu Urnierenkanalchen. Bietet mithin die Vergleichung der Querkanale der Urniere init denen der Vorniere in keiuer Weise eine Schwierigkeit, so diUtte vielleicbt auf den ersteu Blick der MALPiGHi'sche Korper der Vorniere als eine Bildung erscheinen, die sich kaum mit deu ilhnlich genaunteu Korpercben der Urniere vergleichen lielie. Man hat sich gewohnt, das MALPiGHi'sche Korpercben der llrniere als eine blaseuartig aufgetriebene Kanalstrecke eines Ur- nierenkaniilcheus aufzufassen, in die ein GefaCknJiuel angestulpt ist. Dabei dachte man sich das Kanalchen entweder mit einem Trichter in die Leibeshohle mundeud (Selachier, Ampliibien) oder blind geschlossen (iibrige Cranioten). Ware diese Auffassuug des MALPiGHi'schen Korperchens richtig, wiire mit einem Wort wirklich das GefaCknauel in die Wandung des Kaualchens eingesttilpt , so wtirde ein Vergleicb mit dem MALPiGHi'schen Korper der Vorniere unmoglich seiu, da dieses ganz unverkennbar ein Leibeshohlendivertikel ist, das sich dem Kanal- chen durch Vermittluug von dessen Trichter erst sekuudar ange- gliedert hat. An dieser Auffassung des MALPiGHi'schen Korpers der Vor- niere ist nicht zu riitteln. Es bleibt also nur die Alternative, daC entweder die landlaufige Auiiassung vom MALPiGHi'schen Korper- cben der Urniere falsch, oder diese Bildung init dem gleichbe- nannten Korper der Vorniere nicht zu vergleichen sei. GoTTE (14, p. 824) und Fukbringer (12, p. 48, 59, 87) haben zuerst die abgeschnurte Leibeshohle nebst ihrem, wie man damals annahm, einheitlichen Glomerulus oder Glomus mit einem primi- tiven MALPiGHi'schen Korpercben verglichen und den Leibeshohleu- sack als primitiven Harnsack, primitive BowMAN'sche Kapsel be- l"! R. Semon, Notizen iiber dea Zusammenhang der Harn- uud UetJchlecbtBorgaue bei deu Gauoideu. Morphologisches Jahrbuch 18^1. 160 t)r. Richard Semon, zeichiiet. Da damals iiur Voruieren bekannt waren, die bloB lunentrichter aber keine AuCentrichter besitzen , so war es nicht moglich, den Vergleich dieser Bildungen mit einem vollausgebil- deteu MALPiGHi'scheii Korperchen der Urniere, das bekaiintlich durch einen freien Trichter mit der Leibeshohle komiiiuniziert, durchzufiihren. DaB solche vollausgebildeten MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere bei alien Cranioten den Ausgangs- punkt gebildet haben, lehrt die Ontogenie, besonders augenfallig bei Ganoiden, wo ein deutlicher oliener trichter sich nnfangs anlegt, sich aber sekundiir riickbildet. Ziehen wir nun aber die Vorniere von Ichthyophis zuin Ver- gleich herbei, so ist jede Schwierigkeit beseitigt. Bis in die feineren Details entspricht der MALPjGm'sche Korper der Ichthyophisvorniere den vollausgebildeten Urnierenkorperchen der Selachier und Amphibieu. Es geniigt eigentlich schon aui" 'Jafel I, FigurS, auf Tafel III, Figur 7 und 8 c hinzuweisen, urn das zu beweisen. Die tJbereinstimmung crstreckt sich auf alle Bestandteile der Korper in annahernd gleiclier Weise. Sehr in die Augeu springendist auch die Ahnlichkeit in der Verbindung von AuCeu- und lunentrichter zum Trichterkanal (Figur 7 und 8 c, Tafel III). Auch besitzeu beide Bildungen einen deutlich ausgepragteu segmentalen Bau. In dieser Beziehung aber herrscht doch zwischen beiden ein Unterschied, der einzige einigermalien wesentliche; denn wahrend die Korperchen der Urniere eine Reihe vollig getrennter, segmeutaler Blaschen darstellen, ist die Einheitlichkeit der Bildung an der Vorniere noch erhalten. Segmental ist auch am Malpighi- schen Korper der Vorniere die Einmiindung der Innentrichter ge- ordnet, segmental sind die Einstiilpungen der Glomeruli in die dorsale Wand des Leibeshohlensackes , ja dieser Sack kann da- durch , daB die Glomeruluseinstiilpung die dorsale Wand von Strecke zu Strecke bis gegen die ventrale vortreibt, eine Art von segmentaler Kammerung erhalten (Ichthyophis). Aber selbst daun bleibt der Sack, der als Divertikel der unsegmentierten Leibes- hohle erst sekundar zu einer Teilnahme an der Segmentation ge- zwungen wird, immer noch eine einheitliche Bildung. Der Schritt von jener segmentalen Kammerung bis zu ganz- lichem Zerfall in getrennte segmentale Teilstiicke ist indesseii nur ein kleiner, und der ganze Unterschied zwischen MALPiGm'schem Korper der Vorniere und den isolierten Korperchen der Urniere ohne prinzipielle Bedeutung (Tafel XIV, Figur Gl). Die Vergleichbarkeit der beiderlei Bildungen ist demnach unbe- l)er Bauplan des Urogonitalsysteras der Wirbeltiere. IGl diiigt zu bejahei) , /unial sich audi die etwas verschiedeuartige Entstehung, wie uiitcn gczcigt werdeii soil, leicht die eine aus der aiidereii ableitoii liilit. Wir siiid geiiotigt, das MALPiGHi'sche Korper- c li e n der U r n i e r e n i c h t m e h r , wie b i s h e r g e - schehen ist, a Is eiue blaseuartig aufgetriebene Kaiialstrecke des Uriiierenkanalchens aufzufassen, in die eiu Glomerulus eingestulpt ist, sondern als ein abgeschnurtes Leibeshohlendivertikel, in welches ein Urniereutrichter (Innentrichter) ein- m u n d e t , u n d in das ein G e f a fi k n it u e 1 h i n e i n r a g t. Lag everhaltuisse der Vorniere und Urniere. In den vorigen Abschnitten wurden die einzelnen Bestandteile der Vorniere und Urniere einer Betrachtung unterzogen und dar- gethan, daC der Vornierengang ein beiden Bildungen gemeinsamer Bestandteii, Querkanale und MALPiGHi'sche Korper dagegen nicht identische, aber sehr wuhl vergleichbare und voneinander ableit- bare Teile seien. Um jedoch die Art dieser Ableitbarkeit zu verstehen, ist es notwendig, die gegenseitigen Lagebeziehungen dieser Teile scharfer zu prazisieren. Gehen wir die Wirbeltierreihe durch und vergleichen die Lage der Vorniere und Urniere zu einander, so ist der erste Ein- druck, den wir bei oberflachlicherer Betrachtung erhalten, der, dafi die Vorniere proximalwarts von der Urniere liegt; haufig liegt zwischen beiden Bildungen eine Region, die gar keine Exkretions- kanillchen enthalt. Eine solche Trennung ist aber keineswegs die Kegel. Bei Selachiern , Coecilien , Reptilien kommen , wie schon oben erwahnt wurde, in denselben Segmenten zusammen Quer- kanale der Vorniere und der Urniere vor. Bei Reptilien soil in den Stadien , die Wiedersheim (50) untersucht hat, eine scharfe Greuzbestimmung zwischen Vorniere und Urniere unmoglich sein. (Vgl. auch Verhandl. d. X. Internat. Med. Kongr, Berlin, Abt. I, Anatomie, p. 13l3). Bei Ichthyophis dagegen gelingt es uberall in den Segmenten, die gleichzeitig Vorniere und Ur- niere enthalten, beide Bildungen auf das scharfste voneinander zu unterscheiden (vgl. Tafel I , II , IV bis VIII). Was die Lageverhaltnisse in solchen Segmenten anlangt, so m. xivi. N. f. X.1X. J J 162 Dr. Richard Semoii, liegt die Urniere urspriinglich immer dorsal von der Vorniere (Tafel II, Figur 4, Tafel V, Figur 16, Tafel VI, Figur 22). Die dorsale Lage wird sekundar haufig zu einer mehr lateralen (Tafel VIII, Figur 27). Nach unten zu wird die Vorniere mehr und mehr umgebildet, die Querkauale verschwinden, der MALPiGHi'sche Korper wandelt sich in Nebenniere um. Letzteres Umbildungsprodukt der Vor- niere bewahrt dauernd dieselben Lagebeziehungen zur Urniere, die der normal ausgebildete MALPiGHi'sche Korper der Vorniere be- sessen hat; es liegt ausgesprochen ventral und durch sekuudare Lageverschiebung medial von der Urniere. Ehe wir aus den gegenseitigen Lagebeziehungen von Vorniere und Urniere weitere Schliisse auf das genetische Verhaltnis zieheu, in dem beide Organe zu einander stehen, wollen vvir noch kurz die Ontogenie beider Bildungen ins Auge fassen. Entwickelung der Vorniere und der Urniere aus den Ursegmen t en. Alle neueren Untersuchungen weisen darauf hin, dafi der Vor- nierengang durch Verwachsung der peripheren (von der Leibes- hohle entfernten) Enden der Vornierenkanale eutsteht. Es scheinen sich nur die am meisten proximalwarts gelegeuen Vornierenkanalchen hierbei zu beteiligen; der einmal gebildete Langskanal wachst dann selbstandig nach unten weiter und die mehr distal gelegenen Vornierenkanalchen treten erst sekun- dar mit ihm in Verbindung. Dasselbe gilt fiir samtliche, noch spater entstehende Urnierenkanalchen. Die Beteiligung des Ektoderms bei der Bildung des Vornierenganges interessiert uns in diesem Augenblicke, wo es uns hauptsachlich auf das gegen- seitige Verhaltnis von Vorniere und Urniere ankommt, nicht. Die Querkanalchen der Vorniere wie der Urniere entstehen aus Teilen der Ursegmente, und zwar aus den ventralen Teilen derselben. Ich halte es fiir zweckmafiig, den ganzen ventralen Somiteuabschnitt, sowohl soweit er Vorniere, als auch soweit er Urniere hervorbringt, nach Ruckert als Nephrotom zu be- zeichnen und diese, wie wir sehen werden, eng zusammenhangenden Telle nicht, wie van Wijhe es thut, zu trennen und mit besonderen Namen (Mesomer, Hypomer) zu belegen. Wir konnen also sagen: An jedem Ursegment lassen sich zwei Hauptteile unterscheiden , die sich spater ganz voneinander trennen; das dorsale Myotom und das ventrale Nephrotom. Aus T)er Bauplan des Uroj^enitalsyBteras der Wirbeltiere. 163 der niediiilen Wand des Ursegmeuts endlich gelit durch Wucheiung das Sklerotoni liervor. Aus deni veutralen Abscliiiitt des Nephrotoms bildet sich das Vornierenkanalchen; aus dem dorsalen das U rni eren kanalc h en. Dabei scheint es niir von keiner Be- deutung zu sein, dalJ sich ontogenetisch die Sache so darstellt, als bilde sicii das Vornierenkanalchen aus einer „Ausstulpu ng" des Neplirotoms, das Urnierenkanalchen aber direkt aus der Nephrotomhiihle. Die Hauptsache ist und bleibt, dass sich beide Bildungen aus unniittelbar h i n te rein an der liegenden Ab- schnitten der ventralen Somitenhohle bilden. Jene sogenannte Ausstiilpung ist ineiner Ansicht nach bloC als eine friihzeitige Auf- bliihung und Abgliederung des Teils des Nephrotoms, das sich zur Vornierenanlage umbildet, aufzufassen. Auch ist zu beriicksichtigen, daC jene Ausstiilpung wenigsteus in den proximalen Abschnitten an der Bildung des Vornierenganges mitbeteiligt ist. Wir diirfen uicht vergessen, daB die Vornierenbildung zeitlich immer der Urnierenbildung bedeutend voranschreitet. Stets bilden sich die Vornierenanlagen , bevor sich die Ursegmente von deu Seitenplatten abgeschnurt liaben ; aus dem segmentalen Zusammen- hange beider Bildungen wird der Peritonealtrichter der Vorniere. Die primaren Urnierenkanalchen werden als solche erst nach den Vornierenkanalchen kenntlich. Sie entsprechen einer zweiten Folge von Abgliederungen und zwar sind es jetzt unniittelbar dahinter gelegene, mehr dorsale Teilstucke, die sich vom Urseg- ment als ganzem ablosen. Was vom Somiten noch weiter dorsal- warts iibrig bleibt , bezeichnen wir als Myotom ; dieses verliert spater sein Lumen. Nun ist die Al)gliederung der zweiten Folge von Teilstiicken, der primaren Urnierenkanalchen, zeitlich indenver- schiedenen Tiergruppen insofern verschieden, als sie bei manchen (Elasmobranchier) erfolgt, noch ehe das Ursegment sich von den Seitenplatten abgeschnurt hat. Bei anderen (Coecilien, Reptilien, Vogel) erfolgt sie dagegen erst nach jener Abschniirung (vgl. Tafel IV). Wo sie vorher erfolgt, wie bei den Haifischen, da ist denn auch der Urnierentrichter nichts anderes als die an einer Stelle stehen gebliebeue Kommunikation zwischen Ursegmenthohle und Seitenplattencolom. Doch kommt es auch bei Selachiern vor, daB beide Hohlraume nicht miteinander kommunizieren, sondern sich nur die beiden Epithellamellen des Ursegments kontinuierlich in die Seitenplatten fortsetzen (Ziegler 54, p. 383). Bei Coecilien findet scheinbar zunachst eine vollkommene Ab- 11* 164 Dr. Richard Semoii, schniiruug der Ursegmente voa deu Seitenplatten statt, Wie icli aber (p. 9) gezeigt habe, erhalt sich auch bei ihnen segmental ein dauernder Kontakt, und ein Teil dieses Kontakts (Kontakt~H^ o^ wird zum Peritoneal trichter. Wahrscheinlicli war an jener Kon- taktstelle die Koramunikation nie ganz aufgegeben, sondern nur auCerordentlich verengert. Auf Tafel XIV habe ich nach den Befunden bei Ichthyophis und anderen Amphibien eine schematische Darstellung der Nieren- entstehung aus den Ursegmenten gegeben, in der Absicht, die sehr instruktiven Schemata van Wijhe's (51, Tafel XXXII} zur Darstellung der gegenseitigen Beziehungen von Vorniere und Ur- niere zu einander, der Entstehung der MALPiam'schen Korper, die Lagebeziehungen der Geschlechtsorgane zu letzteren etc. zu erweitern. Figur 55 stellt einen Schnitt durch ein Korpersegment dar, in welchem nur Vorniere zur Entwickelung kommt. Figur 5G zeigt dasselbe Segment auf einem alteren Stadium, auf welchem sich dem Vornierenkanalchen ein Divertikel der uusegmentierten Leibeshohle als MALPiGHi'scher Korper angegliedert hat. Dieses Divertikel kommuniziert aber dauernd durch den AuCen trichter mit der offenen Leibeshohle. Figur 57 stellt einen Schnitt durch ein tiefer gelegenes Seg- ment dar, in welchem sich aus dem dorsal gelegenen Nephrotom- abschnitt ein zweites Kanalchen, das Urnierenkanalchen entwickelt hat. Wir haben also in diesem Segment 2 hintereinander gelegene, aus dem Nephrotom durch successive Abspaltung hervorgegangene Kanale: das Vornierenkanalchen und das Urnierenkanalchen; beide miinden mit ihren peripheren Enden in den Vornierengang ein, beide mit ihrem entgegengesetzten Ende in die unsegmentierte Leibeshohle und zwar in ein Divertikel derselben. Dieses Diver- tikel hat sich, entsprechend der Einmiindung der beiden Kanalchen, in zwei hintereinander gelegene Abschnitte geteilt. Figur 58 zeigt die Abschniirung des Divertikels von der iibrigen unsegmentirten Leibeshohle, die iiberall in der ganzeu Lange mit Ausnahme je einer in jedem Segment oflenbleibenden Stelle erfolgt. Jene otfenbleibende Stelle stellt die Anlage des AuCentrichters dar (vgl. auch Tafel V, Figur 17). Auch das Leibeshohlendivertikel hatte sich der Lange nach geteilt (Figur 57), Wenn nun seine Einschniirung von der iibrigen Leibeshohle erfolgt, erhalten sich nicht nur an dem ventraleu, sondern auch an dem dorsalen Teilsttick segmentale Kommuni- Der Biiuplan des Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 165 katioiicii iiiit der librigen Leibeshohle. Die Peritonealkommuiu- kiitioncn des ventralcn und des zugeluMMgeii dorsalen Teilstiicks des iMALi'KJHi'schen Korpers koiiiien iiicht nebeneiiiander, sondern miissen h i n t e r e i n a n d e r 1 i e g e u , eine Notwendigkeit, die man sicli durt'h Betrachtuug von Figur 58 leiclit klar machen kann. Beide Koniniuiiikationen siiid olme Zweifel ebeiiso aus der Teilung einer urspriiuglichen einfachen Kommunikation entstauden, wie die zugeliorigen Divertikel und die in dieselben miindenden Quer- kaniile. Sekundar werdeu spater die dorsalen Leibeshohleudivertikel nebst ihren Leibeshohlenkoniraunikationen (AuCentrichtern) gegen die ventralen nach auCen versclioben (Tafel VIII, Fig. 27), und werden letztere in den unteren Abschnitten, wo ihre Querkanale niehr und melir rudiraentar werden, und die Umbiklung in Neben- niere erfolgt, vollig zwisclien die urspriinglich dahinter gelegenen Teile eingekeilt (Tafel II, Figur 4). Bemerkenswert ist noch, dafi die ventralen Divertikel durch segmental einwachsende Glomeruli zwar segmental gekammert werden , aber doch ihre Einheitlichkeit behalten , die dorsalen Divertikel aber in eine Reihe isolierter segmentaler Teilstiicke zerfallen. Dieselben kommunizieren noch, wie die Existenz der Nebennierenstrange beweist, von Segment zu Segment mit dem ungeteilten ventralen Divertikel (Tafel XIV, Figur 61 c). Die vorstehende Darstellung uud die auf Tafel XIV vorge- fiihrten Schemata sind nichts als eine Zusammenfassung der That- sachen, die bei der Entwickelung der Vorniere, Urniere nnd Nebeuniere der Cranioten ermittelt worden sind. Nur ein Punkt bedarf noch naherer Erlauterung. Wahreod es unzweifelhaft feststeht, daC der MALPiGHi'sche Korper der Vorniere aus der unsegmentierten Leibeshohle hervor- geht und sich auch ontogenetisch genau entsprechend der oben- stehenden Darstellung bildet, konnte es den Anschein haben , dafi das, was wir als dorsal abgegliederte Teile dieses Korpers aufge- faCt haben, die segmentalen MALPiGHi'schen Korperchen der Ur- niere, nicht auf demselben Wege, sondern als Teile der Nephrotome also der Ursegmente entstehen. In der That entstehen sie in der Uebergangszone der segmentierten in die unsegmentierte Leibeshohle (vgl. Tafel IV, Tafel V, Figur 13, 14). Wenn man ihnen ontogenetisch ihre eigentlich nachtragliche Segmentation nicht mehr ansehen kann, so bietet doch ihre Ontogenie durchaus keinen Widerspruch gegen 166 , Dr. Ei chard Semon, eiue Auffassung ihres Weseus, die durch vergleichende Erwagungen, ihre UbereinstimmuDg mit dem MALPiGHi'schen Korper der Vor- niere, ihre Lagebeziehuug uud ihre Verbindung mit demselben sichergestellt ist. ZusammenfasseDd koiineu wir sagen : der Bau der Vorniere und Urniere im ganzen und deii einzelneu Teilen , die Lagebe- ziehuugen beider zu einander, die Art ihrer Entstehung aus den Ursegmenteii und die zeitliche Aufeinanderfolge dieser Entstehung liefern einen geschlossenen Beweis fur die Richtigkeit der Rcckert- schen Auffassung der Urnierenkanalchen „als einer zweiten vervollkommneten Generation der Vornierenkanal- chen, welche in dem ausfiihrenden Teil der ersten Generation einen fertigen Exkretionskanal vor- fanden." Diese zweite Generation entsteht dorsal von der ersten, ganz ahnlich, wie sich spater auch von den Urnierenkanalchen neue dor- sale Generationen abspalten. Jene neue Generation entwickelt sich vornehmlich von den distalen Teilen der Vorniere aus, ganz ahnlich wie auch spater an der Urniere selbst wieder die distalen Ab- schnitte vor den proximalen durch starkeres Wachstum, besonders durch starkeres Dickenwachstum ausgezeichnet sind. Im Bereich des Auftretens der zweiten Generation (Urniere) also distal, werden die Querkanale der ersten Generation allmahlich rudimentar und der MALPiGHi'sche Korper bildet sich in Neben- niere um. Wahrscheinlich ist es diese Umbildun'g und der Funkti on s we chsel des M a lp iGHi'schen Korpers der Vorniere, der den AnstoC giebt zur Ruckbildung und zum ganzlichen Verschwinden der Querkanalchen der Vorniere im unteren Abschnitte des Rumpfes. 2. Verhaltnis des Exkretions- zum Genitalsystem. Im mannlichen Urogenitalsystem werden die urspriiuglicheu Verhaltnisse reiner und unveranderter bewahrt als im weiblichen. Wir haben daher von ersterem auszugehen. Aus der Entwickelung des mannlichen Urogenitalsystems bei Elasmobranchiern und Am- phibien, vor allem bei Ichthyophis, konnen wir, wie ich glaube, einen Eiublick in das Wesen und die Gruudverhaltnisse der Uro- genitalverbindung erhalten. Ist solch eiu Einblick gewounen, so Der Bauplan dcs Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 167 ist das Verstiludnis der bei den vcrschiedeneii Wirbeltierklassen eiugetreteuen Veniiideruiigen nicht schwierig. Wesen uud Grundplan der Urogeni tal verbind ung. Das Wcsen der Urogeuitalverbindung bei den Cranioten laBt sich nach den vorangeschickten Ausfuhrungeu iiber Bau und Ent- wickelung des Exkretionssystenis ungemein einfach dahin definieren, daC die Keimdriise (zunachst sei bloC die mauuliche damit ge- meint) ihr Sekret in jenen Colomabschnitt ergiefit, der zum Mal- piGHi'scheu Korper wird. Die Stammesgeschichte der Urogenitalverbiudung ist deshalb identisch niit der Stammesgeschichte des MALPiGHi'schen Korpers. Solange nur Vornierenkaniilchen und ein uiigeieilter Malpighi- scher Korper existierten, floC das Keimdriisensekret durch die Vor- niere. Als spater die Kanalchen sich in Vornieren- und Urnieren- kaualcheu teilten und sich auch der MALPiGHi'sche Korper in einen ventralen und dorsalen Abschuitt spaltete, wobei der ventrale Ab- schnitt sein Lumen einbiiCte und zur Nebenniere wurde, floC das Keimdriisensekret nunmehr nur noch durch die dorsalen Spalt- produkte des Divertikels, die MALPiGm'schen Korperchen der Urniere. Diese einfache Auflfassung ergiebt sich unmittelbar aus den Vorstellungen, die wir uns vom Verhaltnis der Vorniere zur Ur- niere gebildet haben. Sie hat aber auch den groBen Vorzug, den anscheinend so komplizierten Bau der Urogeuitalverbindung in seiner Entstehung und in seiner fertigen Ausbildung ungezwungen zu erkliiren. Wir sahen, dafi im ausgebildeten Zustande die Keimdriise durch ein unsegmentiertes Netzwerk mit einem an der Basis des Mesorchiums liegenden, langsverlaufenden Hohlraum (Langskom- missur) in Verbindung steht, der seinerseits durch die Nebennieren- strauge mit der Nebenniere, das bedeutet mit dem MALPiGHi'schen Korper der Vorniere zusammenhangt. Jene Langskommissur, die also zunachst eine Verbindung der Nebenniere mit dem Keim- driiseunetz vermittelt, steht ihrerseits durch die Segmentalstrange mit den MALPiGHi'schen Korperchen in Verbindung. Das gesamte Keimdrtisenuetz, Langskanal der Keimdriise, Quer- kanale, Langskommissur an der Keimfaltenbasis und Nebennieren- strange miteinbegrifien, stellt nicbts weiter dar als die ursprtingliche Verbindung der Keimdriise mit dem Leibeshohlendivertikel, das zum MALPiGHi'schen Korper der Vorniere oder zur Nebenniere geworden 168 Dr. Richard Semon, ist. Ja wir konnen sogar in gewissem Sinne jene Verbindung als einen Teil des M ALPiGiii'schen Korpers auffassen. Wie der Korper selbst ist die Verbindung unsegmentiert ; nur in den Nebennierenstrangen macht sich eine segmentale Anordnung bemerklich, wie ja aucb der Korper selbst durch die segmentalen Glomeruli eine Art von segmentaler Kammerung erhalten hatte. Streng segmental ist die Verbindung des Ganzen mit den streng segmental geordneten MALPiGHi'schen Korpern der Urniere; wir bezeichneten daher jene Verbindung als Segraentalstrange. Durch die Ontogenie wird diese Auifassung durchaus bestatigt. Wie Tafel IV und Tafel V, Figur 13, 14 zeigen, sind Keimdrusen- netz (Sexualstrange), Nebenniere mit Nebennierenstrange nichts anderes als ein abgeschnurtes, retroperitoneal zu liegen gekommenes Colomdivertikel , das durch die Segmentalstrange und die MAL- PiGHi'schen Korperchen der Urniere mit den Ursegmenten zu- sammenhangt und das sich an die unsegmentierte Leibeshohle gerade an der Stelle anlegt, wo das Epithel derselbeu sich in Keimepithel umwandelt (Tafel V, Figur 13, 14). Lateral von dieser Beruhrungsstelle hat sich aus der ur- sprunglichen einfachen Kommunikation der unsegmentierten und segmentierten Leibeshohle der Kontakt a, das ist die Anlage des Peritonealtrichters der MALPiGHi'schen Korperchen, abgespalten. Auf Tafel XIV, Figur 59 und 60 habe ich Entstehung und Bau der Urogenitalverbindung auf zwei schematischen Querschnitten auf Figur 62 in einem Langsschema dargestellt. Nach RiTCKERT (34) soil in sehr friihen Entwickelungsstadien bei Selachiern die Keimdriisenanlage zum groBten Teil noch in den Bereich der Ursegmente fallen. Dies Verbal tn is , das eine Reminiscenz an Zustande darstellen mag, in welchen noch die Segmentation der Leibeshohle weiter ventralwarts hinabreichte, ursprunglich sogar das gesamte Colom betraf, verschwindet onto- genetisch bald wieder. Zur Zeit, wo sich der MALPiGiii'sche Korper der Vorniere und das Keimdrusennetz bilden , erstreckt sich die Segmentation nicht so tief ventralwarts hinab, und diese Telle ebenso wie das Keimepithel gehoren dann durchaus der unsegmentierten Leibeshohle an. Im Grenzgebiet zwischen seg- mentierter und unsegmentierter Leibeshohle liegen die Malpighi- schen Korperchen der Urniere mit ihren Segmentalstrangen. Dieser ontogenetische Refund entspricht auch dem phylo- genetischen Entwickelungsgange. Mit einem Worte: die Ab- schnurung des Colomdivertikels, das wir als Mal- Der Bauplan des Urogenilalsystcms der Wirbeltiere. 169 piGin'schen K or per «lcr Vorniere be/eichncn, uiid i II das die K e i ni d r ii s e i li r S e k r e t c r g i c R t , hat s i c h stammesgeschichtlicli erst zu eiiicr Zcit vollzogen, a Is die Segmentation der Leibeshohle sich nicht niehr bis in die Keim driisen gegend erstrecktc. Die Kcinifalte von Ichthyophis, dessen Nicrc voni Herzen bis zur Kloake, also fast durch den ganzen Rumpf hindurch reicht, hat nicht ganz so weite A.usdehnung wie das Exkretionsorgan. Doch begleitet sie dasselbe in seinen zwei unteren Dritteln bcinah bis zu seinem distalen Ende. Freilich produziert jene Keimfalte nicht mehr in ihrer ganzen Eiinge Keimepithel, sondern die Biklung des letzteren ist auf die oberen Vr, beim Weibchen, auf die obere Halfte beim Mannchen beschrankt; die unteren Teile produzieren nur noch Fettkorper. Doch hort die Bildung des Keimepithels nach unten zu ganz all- niahlich auf, und ist nicht zu bezvveifeln , da6 urspriinglich auch die untersten Teile der Keimfalte Keimepithel erzeugt haben. Die hierdurch schon bei Ichthyophis hervortretende Tendenz einer Reduktion der Keimdruse in den unteren Abschnitten finden wir bei Selachiern , Urodelen und Anuren , Amnioten noch viel schjirfer ausgepragt. Hierauf werde ich im folgenden Abschnitt eingehen. Meiner Ansicht nach haben wir aber auch bei Ichthyophis noch nicht etwa den urspriinglichsten Zustand vor uns, sondern anfangs erstreckte sich die Keimfalte nebst dem Keimepithel nach oben wie nach unten, soweit die Nierenbildung reichte, also durch die ganze Leibeshohle hindurch. Wie wir sahen, stehen die Nieren- kanjilchen mit der Keimdriise in einem kontinuierlichen Zusammen- hang; man kann sie im Grunde ebensowohl als segmentale Aus- fiihrgange der Keimdriise als fUr Exkretionskanale ansehen. Es ist sogar sehr moglich, daC ihre exkretorische Funktion erst eine sekundar hinzutretende ist. Wie dem auch sei; ein inniger mor- phologischer und physiologischer Zusammenhang der Exkretions- kanalchen mit der Keimdruse ist ersichtlich, und daB derselbe von Anfang an bestanden hat, geht aus der Entwickelung dieser Teile hervor. Der Mangel einer Keimfalte im vordersten Rumpfteil bei Ichthyophis ist deshalb ganz ebenso auf eine sekundare Riick- bildung jener Falte in diesem Abschnitte zuriickzufiihren, wie das Verschwinden der Keimfalte, beziehentlich Keimdriise in der hin- 170 Dr. Richard Semon, tersten Rumpfgegend bei der Reihe: Coecilien, Urodelen, Anuren und ganz ebenso bei den Amnioten. Als urspriinglichen Zustand des Urogenitalsystems der Cranioten haben wir demnach einen solchen anzuseheii, in welchem Vorniere, wie Keirafalte sich durch deu ganzen Rumpf hindurch erstreckte. Die Vornierenkanalchen miindeten in die unsegmen- tirte Leibeshohle und nahraen die Keimprodukte , die von einer eigentiimlich umgcwandelteu Epithelleiste derselben gebildet wur- den, auf. Als zweite Etappe kounen wir die Langsabschniirung des Leibeshohlendivertikels bezeicbnen , in welchen die Keimprodukte entleert werden und die Vornierentrichter (Innentrichter) einmiin- den. Diese Abschniirung fiilirt zur Bildung des Malpighi' schen Korpers der Vorniere. Demselben liegt das Keimepithel zunachst direkt an ; wenn er mehr retroperitoneal Lage erbalt, wird aus der Anlagerung eine Verbindung durch unregelmaBige, netzformig anastomosierende Strange (Keimdriisennetz). Die dritte Etappe endlich ist dadurch charakterisiert, daB sich von den Vornierenkanalchen eine zweite dorsale Generation abspaltet: die Urnierenkanalchen. Ebenso spaltet sich der Mal- piGHi'sche Korper der Vorniere in einen ventralen und dorsalen Abschnitt. In den ersteren miinden die Vornierenkanalchen, in den letzteren die Urnierenkanalchen ein. Beide Abschuitte kom- munizieren zunachst noch raiteinander und dienen gemeinschaftlich der Ausleitung des Keimdriisensekrets. Indem sich aber an das Auftreten der dorsalen Generation von Exkretionskanalen bald eine fortschreitende Riickbildung der ventralen und eine,Umbil- dung des MALPiGHi'schen Korpers der letzteren in Nebenniere anschliefit, kann das Keimdriisensekret nur noch durch die dor- salen , unverandert gebliebenen MALPiGHi'schen Korperchen , die der Urniere, abflieCen. Dieselben zeichnen sich von dem ehemaligen MALPiGHi'schen Korper der Vorniere nur durch die scharfer durch- gefiihrte Segmentation, den Zerfall in segmentale Teilstiicke aus. Das Exkretionsorgan aller lebenden Cranioten erreicht in seinem ausgebildeten Zustand die dritte Etappe. Die eben skizzierte phylogenetische Entwickelung vollzieht sich dergestalt, daB die distalen Abschnitte des Systems starker abgeandert w&rden als die proxiinalen. So unterbleibt bei Ich- thyophis in Stadien , iu welchen Vorniere und Urniere zugleich eine vollkommene Ausbildung ihrer typischen Bestandteile zeigen (Tafel II, Figur 4), in deu am meisten proximal gelegenen Teilen Der Bauplaii des Urogeuitalsystems dcr Wirbeltiere. 171 die Abspaltuufjj dor Uruiereukaniilchen von deu Voriiicreukaiialchen, und wir finden dort nur die letzteren. In dem au dieseu unmittelbar anschlieCeuden Abschiiitt finden wir aiisgebildete Vorniere mit ausgebildcter Urniere zusanimen. Weiter nach abwilrts endlich ertolgt dann die Riickbildung der Vorniere und die Uniwandlung ihres MAH'iGui'schen Korpers in Nebenniere. Dieser Abschnitt repriisentiert also die letzte Etappe (vergl. Langsschenia Figur 61, Tafel XIV). Das Verbal ten der Keimdruse in den verschiedeuen phyloge- netiscben Zustiinden liiBt sicb uicht so leicht demonstrieren, da in den am meisten proximal gelegenen Teilen, wo sich nur Vorniere oder Urniere zusanimen mit unveriinde rter Vorniere findet, die Keimdriise sekuudar riickgebildet ist und Uberhaupt nicht mehr angelegt wird. Sekundare Abanderungen der ursprunglichen Uro- genital verbindung in den vers chiedenen Klassen der Cran ioten. a) Urogenitalsystem beim Mannchen. Die mannlichen Urogenitalsy steme samtlicher Cranioten erreichen die dritte Etappe der im vorigen Abschnitt geschilderten Entwickelungsreihe. Dabei wird aber von keinem lebenden Ver- treter dieser Ordnung das Prototyp in voUig unveranderter Form beibehalten. Bei einigen treten nur verhiiltnismaCig geringfiigige Abanderungen auf. In erster Linie waren hier die Coecilien , in zweiter die Selachier, Ganoiden und Urodelen zu nennen Bedeu- tendere Abanderungen zeigen die Anuren einerseits, die Amnioten andrerseits, doch ist es leicht, den abwechselnden Bau bei ihnen aus Veranderungen abzuleiten , die sich schon bei den niederen Formen in weniger hervortretender Weise bemerkbar raachen. Die groCten Veranderungen des urspriiuglichen Zustandes zeigen die Cyclostomen und die Teleostier. Wir lassen sie zu- nachst bei unserer Betrachtung aus dem Spiele und besprechen sie am SchluC gesondert fiir sich. Als Ausgangspunkt der Betrachtung rauC ein Urogenitalsystem augenommen werden, in welchem sich Nierensystem und Keim- driise durch die ganze Lange der Leibeshohle hindurch erstrecken. Beide Bildungen stehen durch ein Netzwerk von Kanalen , das Keimdriisennetz, in der auf Figur 62, Tafel XIV geschilderten Weise miteinauder in Verbindung. 172 Dr. Richard Semon, Von diesem Grundtypus weicht Ichthyophis nur insofern ab' als sein Exkretionssystem proximal warts eine geringe Reduktion erfahren hat; seine Keimfalte dagegen ist proximalwarts bedeu- tend, distalwarts wenig reduziert worden und produziert in ihren distalen Abschnitten keine Keiraprodukte mehr. Schon bei anderen Coecilien (Coecilia lumbricoides, Spengel, 42, p. 9) zeigt sich eine weitere Riickbildiing des proximalen Teils der Niere; dort reicht die Niere im ausgebildeten Zustand nur noch bis zum Hinterende der Leber. Dieselbe Reduktion des proximalen Nierenabschnitts bemerken wir in bald mehr, bald weniger ausgesprochener Weise bei alien iibrigen Cranioten. Dabei kann der vorderste Nierenabschnitt ganz zum Verschwinden kommen (Selachier, Urodelen, Amnioten) oder auch in Lymphgewebe umgewandelt werden (Ganoiden , Te- leostier). Die bei Ichthyophis angedeutete Reduktion der Keimfalte nach vorn und nach hinten ist bei den iibrigen Cranioten meist noch starker ausgepragt. Nur die Ganoiden zeigen eine geringere Re- duktion in dieser Beziehung als die Coecilien, da ihre Keimdriise sehr weit nach vorn und nach hinten reicht. Die mannlichen Urogenitalorgane der Ganoiden, tiber die die Angaben der Autoren sehr widerspruchsvoll und wenig erschopfend sind (vergl. Junger- SEN, 21, p. 185), entfernen sich tiberhaupt in der Haiiptsache nicht weit vom Grundtypus , wie ich in einer demnachst erscheinenden Arbeit nachweisen werde'). Erwahnt sei gleich hier, daG sie in anderen Beziehungen bedeutendere Abweichungen vom ur- spriinglichen Zustande der Urogenitalverbindung zeigen als die Coecilien. Selachier und Urodelen sind dadurch ausgezeichnet, da6 die Keimdruse nach vorn sich ebenso weit erstreckt wie die Niere ; im ganzen hinteren Rumpfabschnitt kommt bei ihnen flber- haupt keine Keimfalte, also nicht einmal Fettkorper zur Ent- wickelung. Auch bei Ichthyophis hatte sich der hinterste Keimdriisenab- schnitt ruckgebildet und die MALPiGHi'schen Korperchen und Querkaniile dieses Endabschnittes der Niere werden nicht mehr vom Hodensekret durchflossen. Doch zeigte dieser Nierenteil kaum irgend welche hohere Ausbildung als der vor ihm liegende, der mit der Keimdruse in Verbindung steht. Bei Selachiern und 1) R. Semon, Nolizen iibtr deu Zusammenhang der Ham- und Geschlechtsorgane bei den Ganoiden. Morphologisches Jahrbuch 1891, Der Bauplan des Urogenitiilsystettis per Wirbelticre. 173 Urodelen dagegen iiiacht sich ein doutlicher Unterscbied in der Ausbildung des vordcreu Uriiicieubcziiks , der „Ge- scbleditsniero" , gegen duu hintcieti , die ,,Beckeiiniere" , be- merklicb. Im wesenllicheu ist dieser Uiiterscbied quiiutitativer Natur uud dokumeiitiert sicb in eiuer starken Voiumszuuahme der „Beckeuuiere''. Doch kommen uoch Besouderheiten auderer Art hinzu, die eine fortscbreitende Ausbildung der ,,Beckennicrc" an- deuleu, vor alleui die Ausbiklung von Auastonioseu der Quer- kaualcben dieses Nierenteils, die in dein uutersten Abscbnitt des Voruierenganges zu niUndeu pliegen und den Weg auzeigeu , wie sich in diesem uutersten Teil der Niere ein besouderer Ausfubr- gang berauszubildeu beginut. Fiir diesen Punkt verweise ich auf die vortrefl'licben Aus- fuhrungen von Balfour (3, Bd. XII, p. 177 oder 4, p. 62G). Es hat nicht die geringste Schwierigkeit, sich die Eutstehung des vom Vurnierengange getrennten Ureters bei Amnioten durch einen ana- logeu Prozefi vorzustellen. Bei Aranioten treten nur einige Ver- anderungen hinzu, die zwar sehr in die Augen fallen, aber keines- wegs fundanientale sind. Dieselben gipfeln in einer Trennung des vorderen vom hinteren Nierenabschnitt, der „Geschlechtsniere" von der „Beckenniere". Erstere wird dann haufig als Ur niere, Mesonephros, letztere als bleibende Niere, Metanephros, bezeichnet, Diese Ausdriicke sind nicht besonders gliickliche, vor allem er- scheint es uugerechtfertigt , die Geschlechtsniere als „Uruiere" schlechtweg zu bezeichnen. Ich gebrauche den Ausdruck Vorniere in dem Sinne, daC ich mir durch die Silbe „Vor" eine phylogenetische , nicht eine raumliche Beziehung ausgedriickt denke. Vorniere soil also nicht heiCen „Vorderniere", denn wir sahen , dafi die Vorniere ebeuso weit nach hinten reicht als die Urniere. Ich kann deshalb auch nicht die Ausdriicke Meso- und Meta- nephros im raumlichen Sinne brauchen, wenn der Ausdruck „Pro- nephros" keine raumliche Beziehung ausdriicken soil. Ich unterscheide daher nur eine Vorniere als phylogenetisch altestes System gegeniiber dem jungeren System der Urniere. An letzterem macht sich schon friih ein Unterschied des vorderen Tells, der die Beziehungen mit der Keimdruse aufrecht erhalt, und eines hinteren Teiles, bei dem das nicht der Fall ist, bemerklich. "Wir kounen den ersteren als „Geschlechtsniere" , den anderen (nicht ganz korrekterweise) als Beckenniere bezeichnen. In der Beckenniere kommt es schon bei Selachiern durch Anastomoseu 174 Dr. Ri chard S em oil", der Qiierkaniile zur Bildiing eines voni Vornierengange mehr oder woniger selbsttindigen Austuhrganges. Bei Amnioten tritt die Trennung der Geschlechtsniere von der Beckenniere noch schiirfer hervor. Letztere besitzt einen gesonderten Ausfiihrgang, den Ureter, der in das distale Ende des Voruierenganges einmiiudet. Die Gesclilechtsniere bat sich ganzlich von der Beckenniere losgelost und niacht im AnsciiluB an Lageveranderuugen der Keimdruse bedeutende Dislokationen durch. In ihrem inneren Bau zeigt sie sowie das Keimdriisennetz mannigt'ache sekundare Veranderungen und Vereinfacbungen, auf die bier nicbt naber eingegangen werden kaun, die sich aber groi^tenteils als solche direkt aus der Onto- genese erkennen lassen. So verliert die Gescblecbtsniere bei Amnioten endlicb ganz ibre exkretoriscbe Funktion und sinkt zuni blofien Ausfuhrapparat der mannlicben Keimstotfe, zum Nebenboden (Nebeneierstock) berab. Das Keimdriisennetz im Hoden der Amnioten ist weniger iibersicbtlich geordnet und besonders von den Elementen des Keimepithels weit schwieriger zu unterscheiden, als im Hoden der Seiacbier und Amphibien. Fur die Zuruckfuhrung des Baues des Amniotenhodens auf die klareren Organisationsverbaltnisse der letzterwabnten Tiere bedarf es nocb erneuter entwickeluugsge- schicbtlicher und histologiscber Untersucbungen bei Anmioten, Da.S> eine solche Zuriickfubrung nioglicb ist, unterliegt keinem Zweifel. Dem untersten Teil der Urniere (Beckenniere, Metanephros) fallt bei Amnioten allein die Funktion der Harnausscheidung zu. jhre Entwickelung ist bier noch nicbt binreichend festgestellt. Sicber scheint zu sein, dafi der Ureter als eine Aussttilpung des Voruierenganges entstebt, und die Querkanalchen in ihn sekundar durcbbrecheu, wie sie es in der Geschlechtsniere gegenuber dem Vornierengang thun. Die Kaniilcben sollen aus einem eigentiinilicben Blastem, dem Nierenblastem entstehen, das wohl weiter nichts ist, als die Summe der schon vorhandenen, aber noch scbwer voneinander abzugrenzenden Kanalchen. Beaun (8) leitet bei Reptilien, die zur Entscheidung dieser Frage wohl von alien Amnioten zuerst zu berucksichtigeu sind, die Kanalchen von unregelmaCigcn Sprossen des Peritoneal- epitbels, Wiedersheim von Sprossen der Geschlechtsniere ab. Die meiste Wahrscheinlicbkeit hat die allerdings nur mit Zuriickbaltung geiiufierte Angabe Hoffmann's, dafi die Kanale aucb in jeuem Ab- schnitt aus den Ursegmenten stammen. Eine erneute Untersucbung wird hieruber Klarheit schaffen. Ber Bauplan dos Urogeuitalsystoms fler Wirboltiore. 175 Auf elwas andcre Weise als bei den Amnioten wird hci den Auipliibieii die Arbeitsteiliing der Doppelfuiiktion der Niere als Haru ausscheideiides und Sperma ausfiihrendes Organ voUzogen. Aucli bei ibiien liiCt sich an dor Urniere ein vorderer Abschnitt als Geschlechtsniere von eineni hintercn, der Beckenniere, unter- schoiden. An der letzteren komnit es aber nicht zur Bildung eines besonderen Ausfiihrganges, von dem wir Andeutungen schon bei Selachiern fanden. So besorgt bei den Aniphibien der Vornieren- gang die Ausleitiing sowohl des Harns als auch der miinnlichen Geschlecbtsprodukte, und es findet keine topographische Verschie- bung der beiden Nierenabschnitte gegeneinander statt. Durch Bufo kniipfen die Anuren insofern direkter an die Coecilien als es die Urodelen thun, als auch bei der Krote in der Geschlechtsniere nur die wirklich primaren Urnierenkanal- chen mit der Keinidriise in Verbindung stehen. Bei Urodelen dagegen ist die ganze erste veutrale Liingsreihe in der Geschlechts- niere an der Samenleitung beteiligt, das heiCt sowohl die primaren Urniereukanalchen als auch die intersegmental eingeschobenen 2., 3. u. s. w. Ordnuug. Bei den Urodelen und bei Bufo fiihreii diese Kanalchen noch MALPiGHi'sche Korperchen ; bei Rana haben sich die Glomeruli der letzteren an den primaren Urnierenkaualchen, die das Sperma aus- leiten, ebenso zuriickgebildet, wie sie es in der Geschlechtsniere (Nebenhoden) der Amnioten thun. Dabei bleiben aber bei siimt- lichen Anuren die Niereukaniilchen 2., 3. u. s. w. Orduung als Exkretionskanalchen erhalten. Bei Bombinator sind es nur noch die obersten der primaren Urniereukanalchen, die nach Ruckbildung ihrer MALPiGHi'schen Korperchen zur Ableitung des Samens dienen. Weitere Fortschritte macht die Reduktion bei Alytes und sie er- reicht ihren Gipfel bei Discoglossus, wo nur noch das erste der primaren Urniereukanalchen als ein weiter Kanal das Sperma in den Vornierengang leitet (vgl. Spengel, 42, p. 102). Bei den bisher behandelten Formen sind verschiedene Wege eingeschlagen und verschieden weit zuruckgelegt, um die urspriing- lich von alien Teilen der Vorniere beziehentlich der primaren Urniere gemeinsam ausgeubte Funktion der Exkretion und der Samenleitung unter die verschiedenen Abschnitte des Exkretions- systems zu teilen. Zu einer ganzlichen Losung der Verbindung zwischen mannlicher Keimdruse und Exkretionssystem kam es aber nicht. 1^6 Dr. Richard Semori, In zwei Wirbeltierklassen finden wir nun jene Losung voll- zogen. Bei den Teleostiern und bei den Cyclostomen. Keiu Mensch wird zweifeln, dali bei den Teleostiern die Keim- druse ganz ebenso mit der Niere zusanimeugehangen hat, wie es bei Selachiern und Ganoiden uoch jetzt der Fall ist, und dali die 'J'rennung beider Organsysteme durch eine sekundare Losung zu erklaren ist. Die systematische Stellung der Teleostier luacht diese Auftassung zu einer selbstverstandlichen. Bei den Cyclostomen aber als den niedersten Cranioten konute die Frage schon eher aufgeworfen werden, ob nicht bei ihnen die Trennung der beiden Organe einem getrennten Urzustand ent- sprache. Es miifite sich dann die Verbindung zwischen Keimdriise und Niere bei dem Cranioten erst zu einer Zeit ausgebildet haben, als sich schon die Cyclostomen von den ubrigen Cranioten abge- zweigt hatten. Das aber ist ganz unmoglich. Wie wir oben ge- seheu haben, hat sicherlich die Urogenitalverbindung schon zu einer Zeit bestanden, in welcher die Vorniere das einzige Exkretions- orgau war. Sie muB sogar schon zu einer Zeit bestanden haben, in welcher die Vorniere noch keinen , von der Leibeshohle abge- schniirten MALPiGm'schen Korper besaC, und gerade durch die Abschniirung jenes Korpers ist das Hodennetz mit alien seinen Eigentumlichkeiten entstanden. Das Exkretionsorgan der Cyclostomen befindet sich nun (trotz schein barer Einfachheit bei den Myxinoiden, auf die ich im folgenden Abschnitt zuruckkomme) auf einer ungleich hoheren Entwickelungsstufe, als diejenige gewesen sein kann , die wir als den Ausgangspunkt der Urogenitalverbindung der Cranioten be- trachten konuten, wenn wir uberhaupt annehmeu wollen, dafi eine sekundare Vereinigung jemals stattgef unden hat. Denn viel uaturlicher und auch den ontogenetischen Befunden entsprechender ist es, die Urogenitalverbindung als etwas von Anfang an Zu- sammengehoriges zu betrachten. Die Vornierenkanalchen waren zunachst wahrscheinlich nur die segmentalen Ausfiihrgange der segmentalen Keimdriisen und wurden allraahlich auch zu exkre- torischen Zwecken verwendet. Aber selbst wenn man nicht soweit gehen will, ist es doch ausgeschlossen , daC eine Verbindung zwischen der Keinidruse und dem Exkretionssystera nach volleu- deter Abschniirung des MALPicm'schen Korpers, nach Entstehung der Urniere und Ruckbildung der Vorniere stattgefunden hat. Und auf diesem Entwickelungszustand steht das Exkretionssystera der Cyclostomen ; auch sind alle seine Telle so typisch ausgebildet Der Buuplan des UrogeuitalKystems dor Wirbeltiero. 177 und siud so iibereiiistimmend mit donen der anderen Cranioten gebaut, daC diese Obereinstimniuug sich allein durch die Aniiahme erkliireii liiBt, diese Entwickeluugsstufe des BLxkretioussystems sei schoii erreiclit gewesen, ehe sich die Cyclostomeu von deu iibrigen Cranioten abgetrennt baben. Bei den Cyclostomen sowobl wie bei deu Teleostiern ist dem- uach der niangelnde Zusamnienhang zwischen Niere und maun- licher Keinidruse auf eine sekundiire Losung zuriickzufiihreu. Natiirlich ist diese Losung in beiden Gruppen unabhiingig und in ganz verschiedener Weise erfolgt. Den Bau des Teleostierhodens kann man auf zwei verschiedene Weisen auffassen. Entweder man denkt sich das Keimdriisennetz voUig riickgebildet, nur die Keimdriise als Keirawulst iibrig geblieben und durch Spaltbildung in letzterem einen neuen Ausfiihrgang entstauden. Diese Auffassung ist wohl die allgemein angenommene. Sie laiit aber die Entstehung und morphologische Bedeutung der Genitaloffnungen der Teleostier ganzlich unerklart. Ich sehe eine Moglichkeit, den Bau des Teleostierhodens zu erkliiren. Man denke sich bei Teleostiern das Keimdriisennetz als ruckgebildet, nehme aber an, dafi der Langskanal des Hodens (Centralkanal bei Ichthyophis, Tafel XI, XII) persistiert. Er ver- bindet sich durch kurze Ausstulpungen mit den Hodenampullen in ahnlicher Weise wie der Kanal des Selachier- und Coecilien- hodens mit den entsprechend gebauten ArapuUen jener Formen. Distahvarts hat sich eine Verbindung des Kanals mit dem un- tersten unpaaren Abschnitt des Vornierenganges erhalten. Welche von beiden Anschauungen rich tig ist, diejenige, die den langsverlaufenden Ausfiihrgang des Teleostierhodens, der ubrigens zuweilen auch centrale Lage erhiilt, fiir eine durch Spaltung im Stroma der Keimfalte auftretende Neubildung an- sieht (JuNGERSEN, 21, p. 179) oder die zweite, auf die ich auf- merksam gemacht habe, die ihn mit dem Langskanal des Selachier- und Coecilienhodeus vergleicht, kann nur durch neue entwickelungs- geschichtliche Untersuchungen eutschieden werden. DieDarstellung, die JuNGERSEN (21, p. 129, 179) von der Entwickelung giebt, wiirde eher fiir die erstgenannte Anschauung sprechen, doch ist zu beriicksichtigen, daC das spate Sichtbarwerden des Laugskanals noch nicht mit Sicherheit beweist, daC diese Bildung auch wirk- lich erst zu dieser Zeit entstanden sei. Es ist sehr wohl muglich, daC der Kanal als solider Strang vorgebildet ist, und solche Strange sind auf Schnitteu meist sehr schwer wahrnehmbar. Ich glaube, j3d, XXVI. a.F. XIX. ]2 178 Dr. Richard Semofl, es verlohnt sich daher immer noch der Miihe, bei weiteren Unter- suchungen iiber Urogenitalentwickelung der Teleostier diesen Punkt im Auge zu behalten. Bei den Cyclostomen hat die mannliche Keimdriise ebeufalls ihren Zusammeuhang mit der Niere verloren, aber bei dieser Klasse ist sicher nicht nur das iibrige Keimdriisennetz, sondern auch der Langskanal des Hodens riickgebildet worden. Der Hoden besitzt keinen Ausfuhrgang mehr; durch Berstung der Hodenampulleu gelangen die Spermatozoen in die Bauchhohle. Nebenbei sei er- wahnt, daC die Myxinoiden durch einen interessanteu protandrischen Hermaphroditismus ausgezeichnet sind (11, 31). b) Urogenitalsystem beim Weibchen. Bedeutender als beim mannlichen Geschlecht der meisten Crauioten sind die Veranderungen , die ganz allgemein das Uro- genitalsystem beim weiblichen Tiere durchzumachen hat. DaC es sich um sekundare Veranderungen handelt, geht un- mittelbar aus der Entwickelungsgeschichte hervor : das Keimdriisen- netz legt sich beim Weibchen an wie beim Mannchen; es dieut aber niemals zur Ausfiihrung der weiblichen Keimstoflfe, sondern wird in alien Klassen mehr oder weniger riickgebildet. Das Auftreten des Keimdriisennetzes beim Weibchen kann man in zwei Weisen deuten. Entweder man nimmt an , daB in den Stammformen der Cranioten die weiblichen Keimstofte in ganz derselben Weise wie die mannlichen in den MALPiGHi'schen Korper entleert und durch Vornieren-, spater durch Urnierenkanalchen in den Vornierengang abgeleitet worden sind. Oder man nimmt an, da6 von vornherein ein prinzipieller Unterschied in der Herausleitung der mannlichen und weiblichen Keimstofie bestanden hat. Dann laCt sich das Keimdriisennetz beim Weibchen entweder durch die Annahme eines Hermaphrodi- tismus der Stammeltern der Cranioten oder aber als ein mann- licher Sexualcharakter erklaren, der sekundar vom mannlichen Geschlecht auf das weibliche iibertragen worden ist, wie z. B, umgekehrt bei Saugetieren die Milchdriisen vom weiblichen Ge- schlecht auf das mannliche. Ich mochte dafiir halteii, dafi urspriinglich die weiblichen Keim- stofife ganz wie die mannlichen in das Leibeshohlendivertikel entleert wurden , in das sich die Vornierentrichter offuen. Die Vornierenkanale dienten wahrscheinlich anfangs ganz ebenso als Ausftihrgange der weiblichen als der mannlichen Keimstofie. Erst Der Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 179 sekiiiidiir, walirsclieiiilich verursacht durch das GroCerworden der Eier, giiig die Fuiiktion der Ausleitung der Eier auf ein besonderes Voniierenkanalchen iiber, das sich ganz dieser Funktion hingiebt uiid die Eier (iirekt in den Vornicrengaug, eventuell in ein Spalt- prodiikt desselben, den MuLLEu'schen Gang, leitet. Diese Auffassung des MULLER'schen Ganges und seines Ostium abdoniinale wird im allgenieinen durch die bisher bekannt ge- w'ordt'nen entwickelungsgeschichtlichen und vergleichend anato- niischen Thatsachen gestutzt. Bei den Ganoiden dient der Vor- nierengang noch gleichzeitig als Eileiter. Bei Elasmobranchiern (Balfour, 3, Semper, 40) und vielen Amphibien (Triton und Anureu ; cf. Hoffmann, 17) spaltet sich der MtJLLER'sche Gang direkt vom Vornierengang ab oder geht als zunachst solider Strang aus einem Teil seiner Wandung hervor (Salamandra; cf. FOr- bringer, 12). Bei Coccilien und Amnioten geht der MiJLLER'sche Gang aus einer Peritonealwucherung hervor, ohne jede An- lehuung an den Vornierengang. Dies Verhalten ist natiirlich als ein caenogenetisches aufzufassen, der einzige Punkt in der Ent- wickelung des Urogenitalsystems , in dem sich Ichthyophis mehr abgeiindert zeigt als Selachier und Urodelen, aber bemerkenswert dadurch, daC in diesem Punkte eine Geraeinsamkeit mit Reptilien und den Amnioten iiberhaupt besteht. Fiir Selachier wird die Bildung des Ostium abdominale aus einem (ROckert, 34, p. 238, 271) Oder aus mehreren verschmolzeuen (van Wijhe, 51, p. 477, 503) Vornierentrichtern angegeben. Fiir Ichthyophis, das eine auCerordentlich entwickelte Vor- niere noch zu einer Zeit besitzt, zu welcher sich der MOLLER'sche Gang zu entwickeln beginnt (Tafel IX, Figur 32 a— c), kann ich irgend eineu Zusammenhang des Ostium abdominale mit irgend einem Telle der Vorniere mit Bestimmtheit in Abrede stellen. Doch ist zu bedenken, daB, wenu bei Ichthyophis der MuLLER'sche Gang selbst sich in caenogenetischer Weise ohne Beziehung zum Vornierengang entwickelt, diese Caenogenese auch auf die Ent- wickelung des Ostium abdominale einen EinfluB ausgeiibt haben muB. Fiir Anuren macht Hoffmann (17, p. 595) Angaben iiber die Entstehuug des Ostium abdominale, aus denen hervorzugeheu scheint, daB gewisse Beziehungen zur Vorniere existieren. Die- selben sind aber, wenn die Beschreibung in alien Punkteu das richtige trifft, sehr verschleiert und verwischt. Es ist mit einem Worte beim heutigen Stande uuserer Kennt- nisse nicht moglich, geuauer anzugeben, wie sich das Ostium ab- 12* 180 Dr. Eichard Semon, doniinale aus einem Telle der Vorniere entwickelt hat. Die Se- lachier sind zur Entscheidung dieser Frage die denkbar unguu- stigsten Objekte, weil bei ihnen die Vorniere auf einem ganz unfertigen Entwickelungszustand stehen bleibt, viel unfertiger, als der gewesen sein muB , in welchem sich die neue Art der Aus- leitung der weiblichen Keimstoffe entwickelt hat. Schon mehr geeignet wiirden die Urodelen und Anuren sein; aber bei ihnen liegen die Dinge auch wieder insofern ungunstig, als an ihrer Vorniere die AuCentrichter verloren gegangen sind, und die Bildung des Ostium abdominale moglicherweise gerade an diese angeknupft hat. Ich glaube jedoch, dafi eine entwickelungsgeschichtliche Unter- suchung der Ganoiden viel Aussicht hat in diese Frage Klarheit zu bringen, und halte es fur angebracht, mich aller Vermutungen iiber die Einzelheiten des phylogenetischen Vorgangs zu enthalteu, bis die Entwickelung des Ostium abdominale bei Ganoiden klar- gestellt worden ist. Einen gleichen Standpunkt nehme ich der Frage gegen- uber ein , ob und inwieweit die sogenannten „Peritonealkanale" der Salmoniden und die „Ovidukte" der iibrigen Teleostier den MtJLLER'scben Gangen der iibrigen Gnathostomen homolog sind. Huxley (19) hat auseinandergesetzt , dafi die Peritonealkanale der Salmoniden (Osmerus) sich mit den kurzen Tuben von Poly- pterus und Amia vergleichen lassen, und Jungersen (21, p. 191) betont, daC man dann gezwungen ist, „diese Homologie fiir die Ovidukte aller iibrigen Knochenfische gelten zu lassen ; denn nach dem friiher Dargestellten unterliegt es keinem Zweifel, daB die Ovidukte derselben denen von Osmerus vollig homolog sind." DaC die Ovidukte der Teleostier sich nicht durch Abspaltung aus dem Vornierengang entwickeln, sondern als selbstandige Peri- tonealbildungen auftreten, ist kein beweisender Einwurf gegen die Homologie, da wir eine ahnliche Caenogenese auch bei Entwicke- lung der Coecilien- und Amniotentuben wahrnehmen, die zweifels- ohne denen der Selachier, Urodelen und Anuren homolog sind. Weber (43, p. 393) erhebt eine Reihe von Bedenken gegen die Homologisierung der Ovidukte respektive Peritonealkanale der Teleostier mit den MljLLER'schen Gangen der ubrigen Cranioten. Er erklart sie fiir Bildungen sui generis. Ich finde jedoch, dafi seine Einwiirfe sich viel mehr gegen eiuige Argumente Huxley's richten, als sie die Homologie iiberhaupt unwahrscheinlich machen. Mag immerhin bei den Teleostiern der Zustaud der urspriingliche Der Bauplan des Urogonitalsy stems der Wirbcltiere. 181 seiu , in welchem der Ovidukt die unmittelbare Fortsetzung dse geschlossenen Ovariums bildet. Daim wiiren die Verhaltnisse bei Salmouiden sekuudiir verauderte und die tJbereinstimmung der- selben mit Polypterus und Amia uur zufilllige Ahnlicbkyiten. Nichtsdestoweniger konuteu auch danu die Ovidukte (und die durch Abiinderung derselbeu entstandenen Peritonealkauiile) der Teleostier den MOLLER'schen Gangen der iibrigen Vertebraten homolog sein. Dann wurde eben Lepidosteus in dieser Beziehung das Bindeglied zwischen Ganoiden und Teleostieru vorstellen, bei welchem doch sicherlich der in kontinuierlicheni Zusammenhauge mit dem Ovarium stehende Oviduct uicht als eiue Bildung sui generis, sondern als eine in Ankniipfung an die Verhaltnisse der iibrigen Ganoiden aufge- tretene Weiterbildung aufzufassen ist. Es erscheint mir aber am besten, die eingehendere Diskussion dieser Frage zu vertagen, bis wir naher iiber die Entstehung des trichterformigen Ostium abdominale bei Accipenser, Polypterus und Amia, und vor allem, bis wir geuauer, als es durch die Balfour- PARKER'sche Untersuchung (6) geschehen ist, iiber die Entwickelung des teleostierahnlichen Ovidukts von Lepidosteus unterrichtet sind. Die Pori abdominales der Gnathostomen haben nichts mit der Ausleitung der Geschechtsprodukte zu thun. Durch die schonen TJntersuchungen Weber's (43) ist das festgestellt, nachdem schon Huxley (19) und Gegenbaur (13) darauf aufmerksam gemacht hatteu, dafi man unter der Bezeich- uung „Pori abdominales" verschiedene, gar nicht zusammenge- horige Bildungen zusammenfasse. Weber zeigte, daC der „Porus abdominalis" der weiblichen Lachse in Wirklichkeit ein Porus genitalis sei, die Miindung der sich als „Peritonealkanale" dar- stellenden Ovidukte, und als solcher den Pori genitales der iibrigen Teleostier homolog. Daneben wies Weber bei mannlicheu und weiblichen Salmoniden echte paarige Pori abdominales nach. Nicht selten sind dieselben rudimentar oder fehlen ganz. Auch den so- genannten Porus abdominalis der weiblichen Muraenoiden halt Weber mit Recht fiir eineu Porus genitalis. Bei diesen Fischen ist dann der ganze iibrige Eileiter rtickgebildet worden. Pori abdominales neben diesem Porus genitalis kommen bei ihnen nicht vor. Physiologisch haben die Pori abdominales vielleicht, wie ich vermutungsweise auCern mochte, die Aufgabe, die Fliissigkeit der Leibeshohle mit dem umgebenden Wasser in Kommunikation zu setzen (ahnlich wie die Tuba Eustachii eine Kommunikation der 182 Dr. Kichard Semon, Luft der Paukenhohle mit der umgebenden Luft verniittolt). Fiir Geschopfe , die bei jedem Auf- und Absteigen im Wasser unter stark wechselnde Druckverhaltnisse gelangeu, kann eiue derartige Einrichtung von groBem Nutzen sein ^). GroCe Schwierigkeiten bietet die morphologische Beurteilung des sogenannten Porus abdominalis der Cyclostomen dar. Wir werden zunachst geneigt sein, diese Ofinung fur einen Porus geni- talis ahnlich dem der weiblichen Salmoniden und Muraenoiden zu erklaren. Aber der Porus dient bei Cyclostomen auch zur Ausleitung der mannlichen Geschlechtsprodukte, die wie die weib- lichen in die Leibeshohle zu fallen und ohne Hilfe eines Ausfiihr- ganges nach auCen befordert zu werden scheinen. Wir mtiCten dann annehmen, daC hier das Endstiick des abdominalwarts offenen Ovidukts (ein solches ist ja auch der Porus genitalis der weib- lichen Salmoniden und Muraenoiden) die Ausleitung des Spermas iibernommeu hat. Soviel ist sicher, dafi die Cyclostomen auch in bezug auf die Ableitung der Keimstoffe in beiden Geschlechteru keineswegs urspriingliche, sondern im hochsten Grade abgeanderte Zustande aufweiseu. Nicht die Verbindung der Geschlechtsorgane mit dem Exkretionssystem , sondern der bei Cyclostomen am scharfsten ausgesprochene Mangel einer solchen Verbindung ist eine sekundare Erscheinung. Die morphologische Bedeutun g der echten Abdominal- poren ist noch vollig dunkel. Es ist nicht uiidenkbar, dafi sie aus ein Paar Nephrotomeu hervorgehen, die sich statt in den Vor- nierengang direkt nach auCen oJBfnen (Balfour, 2, 4, Bridge, 10); jedoch miifite das erst entwickelungsgeschichtlich bewiesen werden, was bei Zuriickgehen auf sehr fruhe Entwickelungsstadien sicher moglich sein wird, falls diese Anschauung das richtige triift. Der sogenannte „Porus abdominalis vom Amphioxus ist die distale Offnung des Peribranchialraums und ist selbstver- standlich mit den gleichbenannten Offnungen der Cranioten , die eine Kommunikation des Coloms nach auCen vermitteln, in keiner Weise zu vergleichen. 1) Aufserordentlich grofs sind nach Weber die Fori abdominales von Argentina, einem echten Tiefseetische, der stets infolge vermin- derten Wasserdruckes tot an die Oberflache kommt. Der Bauplan dcs Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 183 3. Sekundare Veranderungen am Exkretionssystem und der Nebenniere. Gewisse Veranderungen ani Exkretionssystem haben wir schon im vorigen Abschnitt beriicksichtigt, so diejenigen, die sich auf die BeschriinkuDg seiner raumlichen Ausdehnung, auf Ausbildung eines neuen Ausfiihrganges an der Beckenniere (Selachier, Ureter der Amnioten), endlich auf die Umwandlung der Geschlechtsniere in den bei Amnioten nicht mehr als Exkretionsorgan fungierenden Nebenhoden beziehen. Auf einige anderweitige Veranderungen soil hier noch kurz eingegangen werden. Eine sehr wichtige Veranderung, die wir iiberaus haufig in den verschiedeuenen Gruppen beobachten konnen, ist der Mangel der AuCentrichter an den MALPiGHi'schen Korperu der Vorniere und Urniere. Wir sahen, daB urspriinglich die Querkanalchen der Niere (zunachst der Vorniere) in die Leibeshohle miindeten, daB sich aber allnuihlich der Leibeshohlenteil, zu dem sie in Beziehung traten, und der durch Aortenaste besouders reich vaskularisiert wurde, von der ubrigen Leibeshohle abschniirte, zum MALPiGHi'schen Korper der Vorniere wurde. Von letzterem spalteten sich spater noch die in segmentale Teilstiicke zerfallenen MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere ab. Die Abschniirung beider Art MALPiGHi'scher Korper von der Leibeshohle war aber keine ganz vollstandige. In jedem Segment erhielten sich Kommunikationen zwischen der Lei- beshohle und der Stelle des MALPiGHi'schen Korpers, an welcher in ihn das Nierenkanalchen einmundet. Wir bezeichnen jene Kommunikation als AuBentrichter und konnen sagen, daB Vor- nieren- und Urnierenkanalcheu in jedera Segment durch die Innen- trichter mit der abgeschniirten Leibeshohle (MALPiGHi'scher Korper), durch die AuBentrichter mit der freien Leibeshohle kom- munizieren. Diese morphologischen Entwickelungsvorgange sind der Aus- druck einer physiologischen Differenzierung, einer Arbeitsteilung, die die Funktiou der Leibeshohle als Organ der Wasserausschei- dung betrifft. Wie experimentell festgestelit worden ist, besteht die haupt- sachliche, vielleicht die alleinige Funktion der MALPiGHi'schen Korperchen im Gegensatz zu den Harnkanalchen in der Ausschei- dung des Wassers, einschlieBlich der gelosten anorganischen Salze. ] 84 Dr. Richard Semon, Die Ausscheidung der ubrigen Harnbestandteile wird durch die Harnkanalchen besorgt. Nun haben wir gesehen, daB urspriinglich die Harnkanalchen frei in die Leibeshohle miinden, daB sich aber allmahlich der den Miindungen benachbarte, reich vaskularisierte Leibeshohlenabschnitt von der iibrigen Leibeshohle sondert, ab- schniirt, segmental gliedert, zu MALPiGiii'schen Korperchen wird. Wir konnen somit sagen, daB das uberschussige Wasser des Kor- pers in niederen Zustanden aus dem Blut in die Leibeshohle trans- sudierte und von dort durch die daselbst mundenden Harnkanal- chen nach auBen befordert wurde. Allmahlich fiel die Funktion der Wasserausscheidung mehr und mehr einem besonderen Leibes- hohlenabschnitt zu, der sich allmahlich zum MALPiGni'schen Korper der Vorniere, im Laufe der Weiterentwickelung des Wirbeltier- stammes zu den segmental abgeschniirten MALPiGiii'schen Korper- chen der Urniere umbildete. Doch war die iibrige Leibeshohle zunachst von der Teilnahme an der anfangs auch ihr zufallenden Funktion uoch nicht voUig ausgeschlossen , wie die offenen Peri- tonealtrichter der Coecilien- und Reptilien- Vorniere, der Se- lachier- und Amphibien-Urniere beweiseu. Allmahlich wird die Wasserausscheidung mehr und mehr das Monopol der MALPiGHi'scheu Korper, und die ubrige Leibeshohle wird von dieser Funktion ganz ausgeschlossen. Dies dokumentiert sich dadurch, daB sich sekundar die AuBentrichter ruckbilden, be- ziehentlich gar nicht mehr angelegt werden. Die AuBentrichter vermissen wir an den Vorni^en der Teleostier, Urodelen und Anuren, an den Urnieren der Cyclostomen, Ganoiden, Teleostier und Amnioten. DaB der Verlust derselbeu eine sekundare Er- scheinung ist, wird am schlagendsten durch Accipenser bewiesen, an dessen Urniere zunachst ontogenetisch ein deutlicher AuBen- trichter fiir jedes MALPiGHi'sche Korperchen angelegt, nachtraglich aber riickgebildet wird (Furbringer, 12, p. 59). Es ist klar, daB der eben geschilderte Vorgang, der ganzliche AusschluB der oifenen Leibeshohle von der Funktion der Wasser- ausscheidung infolge der Riickbildung der AuBentrichter sich ver- schiedene Male unabhangig von den Urnieren verschiedener Wirbeltierklassen entwickelt hat, denn wir konnen unmoglich die Cyclostomen, Ganoiden und Teleostier, Amnioten genetisch mit- einander verkniipfen und ihre Orgauisationsverhaltnisse mit tJber- springen der Selachier und Amphibien direkt aufeinander be- ziehen. Hier mochte ich nochmals darauf aufmerksam machen, daB Dcr Bauplan des Urogenitalsyalems dor Wirbeltiere. 185 aucb inbctreff der AuBcntrichter die Urniero der Cyclostomcn abgeanderte, niclit i)riiiiitivc /ustande crkciinen liiBt. Durch den sehr ubersichtliclien Ban der Urnicrc der Myxinoideii ist man bis- lier baiifig verfiibrt worden , in diesem Organ das Prototyp ciiier Crauiotenniere zu erblicken. In AYalirbeit ist an der Urniere von Myxine nur eins primitiv: di6 streng segmentale Anordnung der Urnicrenkanalcben nnd ibrer MALPiGiii'schen Kiu-percben. Da- gegen ist dcr Verbist der AuBentricliter der Urniere und die giinzbclic Riickbildung der Beziehuug zwischen Exkretions- und Genitalsystem aiif sekundiire Veriinderungen ziiriickzufiibren , die das Urogenitalsystem der Cyclostomen als ein wenig primitives, hocbgradig abgeandertes erscbeinen lassen. An den Verhist der AuBeutricbter kniipft sicb nocb eine wei- tere Veriindernng der Strukturverbaltnisse der Nieren, deren pby- siologiscbe Ursacbe ebenfalls, wie ich glaube, nacbweisbar ist: es ist der Verlust der Wimperung, An den Urnieren samtlicber Vertebraten, welche keine AiiBen- tricbter besitzen, ist im ausgebildeten Zustande die Wimperung verloren gegangen. Selbst der Innentrichter wimpert nicbt mebr und ist aus diesem Grunde als Tricbter nicbt mebr kenntlicb und als solcber aucb bisber nicbt erkannt worden. Die Bewegung der Fliissigkeit innerbalb des Systems erfolgt nur nocb mittelst des Sekretionsdrucks. Solange das System nicbt gescblossen ist, son- dern frei mit der Leibesboble kommuniziert, deren Inbalt sebr wecbselnden Druckverbaltnissen unterworfen ist (Druck von auBen, Kontraktion und Erscblaffung der Rumpfmuskulntur), muB die Ricbtung des Fliissigkeitsstroms durcb die Wimperung reguliert werden, die ein Riickstromeri der Fliissigkeit in die Leibesboble zu verbindern bat. Sobald das System gegen die Leibesboble bin gescblossen ist, kann der Sekretionsdruck nur nocb in einer Ricb- tung, niimlicb gegen den weiten, nacb auBen geoffneten Vornieren- gang bin wirken, die Wimperung wird iiberfliissig und wird be- seitigt. An den Innentricbtern mancber Vornieren erbalt sicb baufig die Wimperung, aucb wenn die AuBentricbter in Wegfall gekommen sind. W'ir miissen aber bedenken , daB wir jene Vornieren stets nur im Embryonalleben untersuchen konnen , aucb die Druckver- baltnisse im einbeitlicben MALPiGHi'schen Korper der Vorniere andere sind, als in den in kleine Teilstiicke zerfallenen Malpighi- scben Korpercben der Urniere. Sekundare Veranderungen treten endlicb nocb an der Neben- 186 Dr. Richard Semon, iiiere (iiiterrenales Organ) auf. Eine Nebenniere ist bisher nur riachgcwiesen bei Selachiern, Amphibien und Amnioten. Bei Cy- clostomen, Ganoiden und Teleostiern wird sich, wie kaum zu be- zweifeln ist, durch eine hierauf gerichtete Untersuchung ein Aqui- valent der Nebenniere auftinden lassen, moglicherweise in einer durch Umwandlung in Lyraphgewebe hervorgerufenen Modifikation. Hier kann allein eine entwickelungsgeschichtliche Untersuchung Klarheit schafien. Van Wijhe (21, p. 500) macht darauf auf- merksam, daC der von Wenckebach (47) und Ziegler (53) bei Teleostiern unter der Aorta beschriebene Strang nach Lage und Entstehung unserm Organ sehr ahulich sei. Bemerkenswert sind die Beziehungen, die die Nebenniere zu einem Organ gewinnt, das aus dem Sympathicus hervorgeht: dem suprarenalen Organ. Bei Selachiern (Leydig, 22, 23, Semper, 40, Balfour, 3, 5) wird das suprarenale Organ durch eine paarige Reihe segmentaler Korperchen gebildet, die langs der Wirbelsaule den Aortenasten anliegen. Sie hangen rait den sympathischen Ganglien zusammen, und Balfour (3) hat den entwickelungsge- schichtlichen Nachweis gefiihrt, daC sie aus ihnen hervorgehen. Jedes Korperchen besteht aus echten sympathischen Ganglienzellen und aus bedeutend kleineren, unregelmassig cylindrischen oder auch polygonalen Zellformen, die wahrscheinlich als Abkommlinge der Ganglienzellen anzusehen sind. Beziehungen dieser Suprarenalkorper zu der bei Selachiern bald zu einem unpaaren Strange verschmelzenden Nebenniere sind bei dieser Tiergruppe noch nicht nachgewiesen worden. Da- gegen treten bei Amphibien (siehe oben p. 130) und bei Am- nioten (Braun, 19, Hoffmann, 18, Mitsukuri, 28), die Supra- renalkorper mit den Nebennieren in Beziehung, indem sie sich deuselben an- oder auch einlagern. Besonders die Saugetiere sind dadurch ausgezeichnet , daC bei ihnen die Suprarenalkorper vom interrenalen Organ (unserer Nebenniere) ganz umschlossen werden. Die meisten Autoren sind der Ansicht, dafi die Rindenschicht des komplexen Organs, das wir bei Saugern, als „Nebenniere" be- zeichnen, vom interrenalen Organ, die Markschicht vom supra- renalen Organ (Sympathicus) gebildet wird. Indessen ist es noch fraglich, ob die gesamte Markschicht vom Sympathicus her- stammt. Bei Saugern ist die Nebenniere nebst ihrer aus dem Sym- pathicus stammenden Beimengung zu einem Paar einheitlicher Korper zusammengeballt, die den Nieren anliegen. Es finden sich Der Bauplau des Urogenitnlsystetns der Wirbeltiere. 187 auCerdeni „acccssorische oder verspreiigte Ncbennioren" in der Nitho des Ovariums iind Epoophorons der Veneustiinime, (Mar- ciiAxi), 24, Cmiahi , Zeitschrift fiir Heilkunde, Bd. V, p. 444), in der Niihe der Epididymis (Ro'rii), ini Plexus parnpiniformis (Weiler, Diss. Kiel, 1885), im ganzen Verlaufe der Vena sper- nuitica, ini Verlaufe der Vena suprarenalis. Beim Kaninchen ist die rechte Nebenniere untrennbar mit der Vena cava verwachsen und durchsetzt oft die Wand derselben (Stilling). In alien diesen Fallen bestehen die accessorischen Nebenniereu ausschlieClich aus Rinde, bloB dann, wenn sich die Versprengung in unmittelbarer Niihe der Haui)tinasse der Nebenniere findet, ist auch Marksubstanz beigeniischt. Sehr benierkenswert ist es, dafi sich auch bei den Siiugetieren, wie gerade aus der Lage jener Versprengungen deut- lich wird , die innigen Beziehungen zum Venensystem erhalten haben, die uns bei Anamniern (vergl. p. 129, Fig. 52 b) und Repti- lieu entgegentraten. 4. Beziehungen des Exkretions- zum Venensystem. Mit der Ausbilduug und Weiterditferenzierung des Exkretions- systenis der Cranioten gehen Verauderungen ira Venensystem des Wirbeltierkorpers Hand in Hand, auf die ich hier kurz hinweisen mochte. Aus den Untersuchungen von Balfour (3) und P. Mayer (25) iiber die Gefafientwickelung der Elasmobranchier und aus den vergleichenden Untersuchungen iiber Anatomic und Entwickelungs- geschichte des Venensystems der Amphibien und Fische von Hoch- STETTER (16) geht hervor, daC ursprunglich der Hauptveuenstarara des Runipfes bei Cranioten eine zunachst paarige Vena subintesti- nalis ist, die ventral vora Darm verlaufend und im Hinterende des Korpers als Vena caudalis beginnend das Blut des hinteren Korperabschnittes dem Herzen zufuhrt. Die Vorniere bezieht ihr arterielles Blut nach Rucicert (34, p. 239) zunachst aus DarmgefaCen der Aorta (Paul Mayer's „Quergefa6e", die Aorta und Vena subintestinalis verbinden). In gleichem Schritt mit der Weiterentwickelung der Vorniere sehen wir nun in ihrem Bereich Venenplexus entstehen, die von Venen des Korperstarames gespeist werden, die Vornierenkanalchen und den Vornierengang umspiilen und selbstandig ins Herz oder in die Vena subclavia einmiinden. tJberall da, wo die Vorniere gut ausgebildet ist, gelangt ein solcher Venenplexus, kein einheitlicher Venenstamra zur Aus- bildung. 188 Dr. Richard Semon, Die Ausbildung eines einheitlichen, zunachst natiirlich paarigen Langsstammes scheint durchaus an die hohere Entfaltung des Exkretionssystems , namlich an das Auftreten der zweiten Gene- ration von Exkretionskaniilen (Urniere) und die Umbildung der Vorniere zur Nebenniere gekniipft zu sein. DerVenenplexusdes rudimentar werdenden Vornierengebiets liefert die paarigen Langsstamme der Venae cardinales poste- riores, wiihrend sich im Urnierengebiet die Venen- plexus erhalten und segmental in die neu gebil- deten LangsstJinnmeeinm tin den (Venae renales reve- hentes). Als zufuhrende Venen dienen nach wie vor Staramvenen, denen sich die Venae caudaliszuge- sellt, die sich vom Gebiet der Subintestinalvene los- gelost hat. Es ist sehr interessant, daC bei Ichtliyophis dieser Prozefi direkt zu verfolgen ist, da dort im Gebiet der wohlausge- bildeten Vorniere, die zunachst in einen Venenplexus einge- bettet liegt (Tafel II, Figur 4), mit der Umbildung des Malpighi- schen Korpers der Vorniere zur Nebenniere noch nachtraglich ein medial gelegener Langsstamm gebildet wird (Tafel II, Figur 5). Auch die merkwurdige Entstehungsart des Cardinalvenen- systeras bei Fischen und Amphibien (Hociistetter, 16) laCt sich von diesem Standpunkt aus leicht verstehen. Die innigen Beziehungen der umgebildeten Vorniere (Neben- niere) zu den vcnosen Langsstiimmen (Venae cardinales post.) bei Fischen, Urnierenteil der Vena cava inf. bei Amphibien erhalten sich dauernd. Die beiden paarigen Langsstamme beginnen schon bei manchen Fischen (Selachier) haufig in ihrem proximalen Abschnitt zu ver- schmelzen. Stets ist diese Verschmelzung bei Amphibien und Amnioten durchgefuhrt. Die Verbindung des unpaaren Langsstammes der Kardiiial- venen mit der zur Lebervene gewordeneu Subintestinalvene fuhrt zur Hohlvenenbildung. Bei Rochen (Hochstetter, 16, p. 167) ist dieselbe angedeutet, bei Amphibien durchgefuhrt. Ein tjber- gangsglied bilden die Coecilien , bei denen sich zwar schon eine sehr bcdeutende Kommunikation der unpaaren Cardinalvene (Ur- nierenteil der Hohlvene) mit der Lebervene ausgebildet hat , das ursprungliche Verhaltnis aber insofern persistiert, als nicht das gesamte Nierenblut durch diese neuentwickelte Kommunikation abflieCt, sondern die ursprungliche Fortsetzung des Langsstammes Ber Bauplan des tfrogenitalsystoms dor Wirbelticre. 189 der Cardinalvenen (Ratiike's vordere Nierenvene) sich dariiber hiiiaus iiacli vorn fortsetzt, uiii rechtcrseits mit der Vena jugulaiis dcxtra uiid der hinteren Hohlvenu zusamnien zu niiiiiden. 13ei den iibrigen Aniphibien verschvvindet niit- dem vordersten Uruieienabschuitt auch jene vordere Nierenvene und das gesanite venose Nierenblut vereinigt sich mit dem Darm- und Lebervenen- bliit im gemeinsanien Stamme der Vena cava inferior. Vergleichung des Urogenitalsystems der Cranioten mit demjenigen der Acranier und der Wirbellosen. Das Urogenitalsystem aller Cranioten lieB sicli auf folgenden sehr eiufacheu Grundtypus zuriickfuhren. Eine Reihe metanier geordneter Kaniilclieu iiihrt von der Leibeshohle in einen retroperi- toneal gelegeuen Laugskaual (Vorniereugang), der zusammen mit dem der auderen Seite am Analpol ausmiiiidet. Gegenuber von den peri- touealen Mundungen der segmental angeordneten Kanalchen kommen die Geschlechtsorgane zur Entwickelung, in ihrer allerersten An- lage segmental, das heiCt an der Grenze zwischen segmentierter und unsegmentierter Leibeshohle. Spater verwischt sich die seg- mentale Anorduung der Geschlechtsorgane vollstandig. Die Geschlechtsprodukte werden von den metameren Vor- nierenkanalchen in den Langskanal (Vornierengang) befordert, wenigstens beim mauniichen Geschlecht. Beim weiblichen Ge- schlecht wird dies Verhaltnis sekundar geandert und die Geschlechts- produkte gelangen wahrscheinlich durch Vermittelung eines be- sonderen Vornierenkanalchens in den Vornierengang oder in ein Spaltprodukt desselben, den MtJLLER'schen Gang. Vornierengang, Vorniereukanalchen und Geschlechtsorgane haben sich urspriinglich durch die ganze Leibeshohle hindurch erstreckt. Bei den Cranioten reicht die Leibeshohle proximalwiirts nur bis an die Kiemenregion heran. Das Urogenitalsystem der Cranioten dehnt sich also vom Ende der Kiemenregion bis zum Analpol hin aus. Ebeusowenig wie die Leibeshohle im ausgebil- deten Zustande reicht es aber bei Cranioten jemals in die Kiemen- region hinein. Es fragt sich nun, ob ein nach gleichem Plane gebautes Uro- genitalsystem bei niederen Formen, vor allem bei solchen gefunden wird , die wir genetisch mit den Cranioten in Beziehung setzen konnen. Naturlich kommen hier in erster Linie die Acranier in Be- 190 i)r. Eichard Semoti, tiacht, die in den weitaus meisten Ziigen Hires Baues und ibrer Ent- wickelung eine urspriingliche, nicht dutch Riickbildungen hervor- gerufene Einfachheit erkennen lassen, wahrend allerdings ein unvoUkommener. Bau oder Mangel gewisser Organe (vor allera der hoheren Sinnesorgane) offenbar durch Riickbildung bei dem einzigeu lebenden Vertreter dieser Wirbeltierkiasse entstanden ist. Das Exkretionssystem des Amphioxus war lange Zeit hindurch unbekannt, obgleich man stets mit Eifer nach ihm gesucht hat. Erst im vorigeu Jahre (1890) wurde es unabhangig von zwei Forschern aufgefunden; von Boveri (17) und von Weiss (44). Beide Untersucher fanden segmentale Rohrchen, die vom Peri- branchialraum zur Leibeshohle verhiufen. Die Mundungen in den Peribranchialsaum liegen neben den sekundaren Kiemenstabchen ; die priraaren Stabchen werden ubersprungen. Weiss blieb dariiber in Zweit'el, ob sich die Kanale in das Colom offnen; Boveri giebt mit Bestimmtheit an, daC jedes Kanalchen mit mehreren Ofinungen in die Leibeshohle einmiindet. Auch teilt Boveri mit, daC die Kanale vom kubischen Flimmerepithel ausgekleidet sind. Die beschriebenen Organe stehen nach Boveri in einer sehr aufifallenden Beziehung zum BlutgefaCsy stem. „Die Kiemen- gefafie , welche als einfache, ziemlich enge Rohrchen durch die Kiemenstabchen zur Aorta verlaufeu, schwellen genau in jenem Bereich, wo sie an der medialeu Seite der Segmentalrohrchen vor- beiziehen, nicht nur sehr betrachtlich an , sondern erhohen den Blutreichtum dieser Stellen noch durch die Bildung von Ana- stomosen ." „Die Segmentalrohrchen erstrecken sich iiber den ganzen Kiemendarm vom vordersten bis zum hintersten Ende, aber nicht dariiber bin a us." Weiss sowohl wie Boveri halten diese Kanalchen fur Homo- loga der Vornierenkanalchen der Cranioten. Wahrend sie aber Weiss fiir „very typical segmental organs devoid of any con- necting ducf'i) erklart, erblickt Boveri im Peribranchialraum diesen verbindenden Langskanal, ein inkompletes Homologon des paarigen Vorniereuganges der Cranioten. Nehmen wir mit Boveri an, dali der unpaare Peribranchial- raum des Amphioxus den paarigen Vornierengangen der Cranioten allgemein horaolog, das heiCt aus einer Bildung hervorge- gangen ist, aus der sich bei dem Craniotenzweige die Vornieren- 1) Im Origiual uicht gesperrt gcdruckt. Der Bauplan dea Urogenitilaystcms der Wirbeltiere. 101 giinge iMitwickelt habeii, so wiirde Amphioxus in der That ini groBen uiid giujzen ein Exkroiionssystoiii bcsitzen, wie wir es als den Urtypns des Urogenitalsystenis der Cranioten aus deren vcrglei- chender Anatomie und Kutvvickluiig heraus ganz ohiie Riicksicht auf die Verkniiptung niit niederen Zustanden ermittelt und auf- gestellt haben (p. 17U). Einige uicht unwesentliche Abweichungen von jenem Grund- typus zeigt Amphioxus; auch in jenen Abweichungen sind wie iiberall bei diesem Geschiipf sehr primitive mit sekundar stark abgeauderten Charaktereu vermischt. Sie betreffen ini wesentlichen die Ausdehnung des Exkretions- und Genitalsystems und ihr gegen- seitiges Verhiiltnis zu einander, Bei Cranioten fanden wir das Urogenitalsystem ebenso wie die unsegmentierte Leibeshohle auf die hinter den Kiemen gelegene Region beschriinkt. Bei Amphioxus erstreckte sich Leibeshohle, Haru- und Geschlechtsorgane nacli vorn durch die ganze Kiemen- region hindurch. In dieser EigentUmlichkeit von Amphioxus sehe ich einen sehr primitiven Charakter. Die Entwickelungsgeschichte der Cranioten zeigt mit grbfiter Deutlichkeit, dali auch bei ihnen das Coelom urspriinghch ebensoweit nach vorn gereicht hat, als bei Amphioxus. Die Abwesenheit der Leibeshohle und mit ihr der Harn- und Geschlechtsorgane bei Cranioten im Kiemen- bereich ist auf eine sekundare Riickbildung zuriickzufiihren. Eine bedeutsame Eigenart, die ich liir eine durchaus sekun- dare Erscheinung halte, zeigt seinerseits Amphioxus darin, daC seine Gescblechtsprodukte nicht durch die Vornierenkanalchen in den Langskanal (Peribranchialraum) entleert werden, sondern dali sie durch periodisches Bersten der trennenden Wandung (die aus den aneinandergelegten Epithelien des Coloms und des Peribran- chialraums besteht) in den Peribranchialraum gelangen. Diese Art der Entleerung der Gescblechtsprodukte bei Am- phioxus ist sicherlich nicht die urspriiugliche. Auch bei den Acraniern dienten meiner Ansicht nach ursprunglich die Vornieren- kanalchen dieser Funktion. Veranderungen, die das gleiche Ziel anstreben, d. h. das Exkretionssystem von der Funktion der Aus- leitung der Geschlechtsstotfe entiasten, sahen wir in mannigfacher VVeise auch bei den Cranioten sich anbahnen. Emanzipiereu sich doch bei alien Cranioten die weiblichen und in verschiedenen Gruppen auch die mannlichen Geschlechtsorgane (Cyclostomen , Teleostier) mehr oder weniger vom Exkretionssystem, so dafi ein nur sehr modifizierter oder gar kein Durchtritt der Keimstotfe durch die 19^ Dr. Richard Semon, Exkretionskanale mehr erfolgt, und fiir die Entleerung der ersteren Deue Wege gewiihlt werden. BovERi hat in der vorlaufigen Mitteilung, in der er seine Entdeckungen und die darin gekniiptten Folgerungen kurz aus- einandersetzt, die Ansicht ausgesprochen, dafi der bei Amphioxus periodische segmentale Durchbruch der Genitaldivertikel in den Langskanal bei den Cranioten zu einer dauernden direkten Ver- biudung wiirde, und daC sich aus gewissen Abschnitten der Geni- taldivertikel und aus den neu entstandenen Verbindungskanalen zwischen ihnen und dem Langskanal die Urnierenkanalcheu der Cranioten entwickelten. In diesem einen Punkte kann icb mich mit den sonst so vortrefflichen Darlegungen Boveri's nicht einverstanden erklareu, Ich halte diese Auifassung der Urnierenkaualchen fiir widerlegt durch den im vergleichenden Teii der vorliegenden Arbeit ver- suchten und, wie ich hotie, gefiihrten Nachweis : daC die Urnieren- kanalcheu uichts als die zweite Generation von Exkretious- kanalchen sind ; daB sie aus Vornierenkanalchen durch Abspaltung hervorgegangen sind, wie ihre MALPiGHi'schen Korper durch Ab- spaltung aus dem MALPiGHi'schen Korper der Vorniere; daC end- lich die Geschlechtsprodukte zuniichst durch die Vorniere, erst nach deren Umbildung zur Nebenniere durch die zweite Generation, also die Urniere entleert wurden und daC nur durch diesen Ent- wickelungsgang der Zusammenhang zwischen Keiradriisennetz, Nebenniere und MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere erklart wird. Fiir weitere sekundare Abanderungen bei Amphioxus halte ich die geringe Ausdehnung des unpaaren Langskanals (sogenannten Peribranchialraums) und mit ihm der uusegmentierten Leibeshohle und der Geschlechtsorgane nach hinten und besonders die noch weitergehende raumliche Einschrankung der Exkretionskanalchen auf den vorderen Korperabschnitt , so daB sie iiber die Kiemen- gegend hinaus nicht weiter nach hinten reichen. Die Berechtigung, die Vornierengange mit Teilen des Peri- branchialraums zu vergleichen, will ich hier nicht erortern. Boveri hat in Aussicht gestellt, dafi er diesen seinen Gedanken ausfiihrlich begriinden werde, und ich fiir meineu Teil zweifle nicht, dafi ihm der Beweis gelingen wird. ^) 1) Ich gehe deshalb auch nicht auf die Fragen ein, die sich an die Erscheinung kniipfen, daB sich bei der Bilduug der Vornierengange das Ektoderm mitzubeteiligen scheint. Der Rauplaii des Uropfenitalsy stems der Wirbeltiere. 193 Wenu es deniiiach gliickeu sollte , den Grundtypiis des Uro- geuitalsystems der Cranioten in teilweise priiiiitiverer Form (AuBeii- dehnuiig nach voru iiber die gan/e Kiemenregion), teilweise sekundar abgeiindert (Ableituug der Geschlechtsprodukte ohne Vermittelung der Exkretionskaniilchen), bei Amphioxus wiederzufinden , so wtirden wir geuotigt sein, auch fiir das Urogenitalsystem der Vertebraten die Ankiiupfung an niedere Formeu durch Am- phioxus als vermittelndes Bindeglied zu suchen. Je genaueren Einblick wir in die Organisation und Ent- wickelung der Cranioten einerseits, des Amphioxus andererseits erlangt haben, urn so klarer hat sich die Auffassung bestatigt, daC Amphioxus ein Ueberbleibsel der Stammgruppe der Cranioten ist, allerdings ein in vielen Beziehungen einseitig entwickeltes , ja riickgebildetes. Ich glaube, es ware heutzutage noch viel weniger schwierig, das nachzuweisen als friiher, wenn man jedes einzelne Organ- system nach Eutwickelung und Bau bei Acraniern und Cranioten durchvergleicht. Durch die Entdeckung von Boveri und Weiss ist es moglich gewordeii, diesen Nachweis auch fiir das Exkretions- system zu fuhren, das bis dahin die groCten Schwierigkeiten bot. Gleichzeitig werden wir wahrscheinlich deranachst durch Boveri die fremdartigste Bildung des Amphioxus, den Peribran- chialraum seiner Eigenart entkleidet sehen und werden in ihm eine auch bei den Cranioten vorhandene, ab^r anders weiter ent- wickelte Bildung zu erblicken haben. Diejenigen, welche geneigt sind, die Vertebraten von Anneliden abzuleiten, haben demnach heutzutage keineswegs mehr das Recht, den fiir diese Ableitung hochst unbequemen Amphioxus einfach aus dem Wege zu raumen, indem sie entweder seine Wirbeltier- natur ganz in Abrede stellen oder ihn lediglich fiir einen dege- nerirten Fisch erklaren. Wenn uberhaupt mit Vertebraten, sind die Anneliden in erster Linie mit Amphioxus zu verkniipfen, und es ist zuniichst dieser Forderung Geniige zu thun, ehe von einer Annelideiiabstammung der Vertebraten gesprochen werden darf. Wenn man allein das Urogenitalsystem der Anneliden und und ihre Leibeshohle mit den entsprechenden Bildungen der Acra- nier vergleichen wiirde, koniite man bei der groGen Ahnhchkeit dieser Bildungen leicht dahin gelangen, die sonstigen Hinderuisse, die sich der Verkniipfung beider Typen entgegenstellen, zu unter- schatzen. Zieht man aber samtliche Organsysteme in Betracht, so kann nach meiner Ueberzeugung das Resultat nur das sein, M. XXVI. N.F. XIX. 13 194 i>r. Richard Semon, daC der Acraniertypus unmoglicli von Formen mit einigermaCen aus- gepragtem Annelidencharaktern abgeleitet werden kann. Das bedarf keiner weiteren Ausfiihrung und wird wohl audi von denen zu- gestanden werden, die geneigt sind, die Ciiordaten mit Beiseite- schiebung des Amphioxus von Anneliden abzuleiten. Im Bau der Leibeshohle und der Harn- und Geschlechtsor- gane zeigen Chordaten und Anneliden eine ziemiich weit gehende Ubereinstimmung. Handelt es sich hier um eine blofie Konver- genzerscheinung ? Diese Frage ist kaum zu beantworten, ehe sich nicht iiber die Bedeutung des Coloms die Ansichten mehr gekliirt haben. Der von Hatschek geaufierte Gedanke, „die sekundare Leibeshohle verhalte sich wie die Hohle der Geschlechtsdrusen der niederen Formen," wurde neuerdings von E. Meyer (26) wieder aufgenommen und besonders fur Anneliden weiter ausgefiihrt, Auch fiir Wirbeltiere hat die Annahme viel verlockendes , die Colomsacke fiir Keimschlauche zu halten, die sich segmental gliedern und zu Ursegmenten werden. Letztere entleeren ihr Sekret durch segraentale Offnungen, die VoinierenkanalcheD, uach auCen, das heifit in den Peribranchialraum des Amphioxus, den sekundar nach innen gelangten Vornierengaug der Crauioten, Die Wandung der in Ursegmente zerfallenen Keimschlauche liefert nun nicht allein Keimepithel, sonderu auch Muskeln, Binde- gewebe etc. Die ventralen Abschnitte der Ursegmenthohle ver- schmelzen durch Schwund der trennenden Wande zu einem ein- heitlichen Hohlraum, dem Seitenplattencolom, das bei Amphioxus seine Segmentation in der Ontogenie erst nachtraglich verliert, bei den Cranioten gleich unsegraentiert angelegt wird. Die segmen- talen Ausfiihrgange der segmentalen Genitalfollikel oder Urseg- mente iibernehmen neben ihrer urspriinglichen auch noch exkre- torische Funktion, sie werden zu Vornierenkanalcheu, Dieselben haben wohl keinerlei Beziehung zu den primordialen, unsegmen- tierten Exkretionsorganen, die nichts mit der Keimdrtise zu thun haben und durch die Ausbildung des neuen Exkretionssystems zum Schwinden gebracht werden. Auf die Frage, ob die Vorfahren der Chordaten Herma- phroditen gewesen sind, laCt sich schwer eine bestimmte Antwort geben. Im Bau der Keimdriisen und ihrer Ausfiihrgange liegt nichts, was dafiir sprechen wiirde, diese P'rage im bejahenden Sinne zu beantworten. Lange Zeit war ich geneigt, das Vorkommen eines rudimentaren Keimdrusennetzes bei den Weibchen der Cra- nioten fiir eine am besten durch Hermaphroditismus zu erklarende l)cr Bauplan des TJrogenitalsystenis der Wirbeltiere. 195 Krscheiming zu halten. Ich glaube aber, daB sich dieses Vor- koiimieu viel wahrscheinlicher dadiirch erklaren lalU, daC ursprung- lich die weibliclien Geschlechtsprodukte in ganz derselben Weise eutleert wurden , als die manulicheii. Das Vorhandensein der MCLLER'schen Giinge beini Miinnchen ist wohl ebenso als ein Sexualcharakter anzuseheu , der sich von dera einen Geschlecht auf das andere iibertragen hat, wie das Vorkommeu von Brust- warzen bei miinnlichen Saugetiereu. Echter Hermaphroditismus scheint gelegentlich in alien Wirbel- tierklassen als Abnormitat vorkommen zu konnen. Als normale Erscheinung liudet er sich bei Myxinoiden (protandrischer Herma- phroditismus), manchen Fischen (Serranus, Chrysophrys) und in gewissem Sinne, wie es scheint, bei Kroteu und Froschen. Durch derartige Vorkommnisse wird meines Erachtens nicht etwa bewiesen, dafi die speziellereu Stammformen der Chordaten Hermaphroditen gewesen sind, sondern es dokumentiert sich da- durch nur die Thatsache, daC die Keimdruse aller Metazoen in ihrer ersten Anlage hermaphroditisch ist, und in alien Metazoen- stammen (nicht nur bei den Wirbeltieren) gelegentlich, set es normal bei gewissen Arten und Gattungen, sei es als Abnormitat bei Individueu eigentlich gonochoristischer Arten, in den urspriing- lichen Zustand zuruckschlagen kann. 13^ 196 Dr. Richard Semou, lErkiarung der Abbildungen. Samtliche Abbildungen beziehen sich auf Ichthyophis glutiuosus. Tafel I. Eekonstniktionen der Vorniere und des Anfangs der Urniere in 3 aufeinanderfolgendeu Stadien. In den Langenverlialtuissen nieht scbematisch , dagegen durcb Ausbreiten der Teile in eiue Ebene imd durch Zeichnung der Kauale als Linien scbematisiert. Figur 1. Jiingstes Stadium (Embryo mit Kiemenknotchen oline Fiederchen). Eekonstruktion aus 180 Schnitten einer Serie. Figur 2. Etwas alteres Stadium. Eekonstruktion aus 150 Sclinitteu. Figur 3. Vorniere und Anfang der Urniere eines Embryos mit Kiemenfiederchen. Vr .... Tafel II. Figur 4 a — c. Ansichten von Totalpraparaten der Vorniere und des Anfangs der Urniere bei 50-facher Vergrofieruug. Die abgeschuiirte Leibeshohle in den MALPiGHi'schen Korpern der Vorniere und Urniere ist mit gelber Farbe, die Nebenniere mit brauner Farbe bezeichnet. Figur 4 a. Vorderende des Exkretionssystems eines Embryos mit Kiemenfiederchen. Figur 4 b. Vorderende des Exkretionssystems einer ganz jungen Larve. Figur 4 c. Vorderende des Exkretionssystems einer Larve im Ubergang zum ausgebildeten Tier. Tafel III. Figur 5. Korperliche Eekonstruktion eines Vornierenkanalchens mit Aufien- und lunentrichter. Embryo mit Kiemenknotchen. Eekon- struktion aus 15 Schnitten. Figur 6 a — d. Korperliche Eekonstruktion eines Urnierenkanalchens aus 20 Langsschnitten und Darstellung derselben in 4 langsgefilhrten Dickschnitten. Wenu man den Ziffern 1 — 22 folgt, so durchlauft maniac die Windungen des Urnierenkanalchens. Embryo mit Kiemenfiederchen. /% Figur 7. Querschnitt durch den MALPiom'schen Korper der Vor- niere im ersten Drittel der letzteren. Um sowohl Aussen- wie Innen- trichter auf einem Schnitt darzustellen , sind drei aufeinanderfolgende Schnitte iibereinander gezeichnet worden. Vergr. 145. Fig. 8 a — c. Querschnitte durch drei aufeinanderfolgende Ent- wickelungsstadien der MiLPiGiu'schen K()rperchen der Urniere. lu Figur 8 b sind die Trichter nicht mitgetrofieu. Vergr. 145. Der Bauplaii des Urogenitalsystems der Wirbeltiere. 197 Tafel IV untl V. Quersclmitte durch verschiedene Rmnpfsegmente oines Embryos im KiemenknOtcbenstadiiim. Samtliche Schnitte sind so gelegt, dafi sie die Mitte der Ursegmente treffen. Die Sclmitte steigen voin hinteren Ende des Embryos zum vorderen au, so dal? sie uacheinander immer altere Entwiekelungsstadieu der Ursegmente und Nephrotome zur Darstellung bringen. Vergr. 145. Figur 9. Ursegmeuthohle noch uugeteilt. Als Kontaktstelle ist die Stelle bezeicbnet, au der sich die uDsegmeutierte LeibeshOble der Seitenplatten von der Leibeshohle des Ursegments abgeschniirt hat. Die Epithelien beider Colomteile bleiben bier in daiierndem Kontakt. Figur 10 und 11. Teilung der Ursegmenthoble durcb eiue Scbeide- wand. Figur 12. Abschniii'uug des Nephrotoras vom Myotom und Sklero- tom vollendet. Die Kontaktstelle ist durch zwiscbengelegtes Binde- gewebe in zwei gesonderte Beriihruugspunkte, den Kontakt a und b, zerfallen. Figiir 13 und 14. Aus den beiden Kontakten sind Epithelstrange geworden, da das Nephrotom dorsalwarts vom Peritoneum abgertickt ist. Kontakt a stellt die strangformige Anlage des Aufientrichters des Urnierenkanalchens, Kontakt b den Segmentalstrang dar, der sich in Sexual- und Nebennierenstrang teilt. Der letztere zieht zur Nebenniere, die sich von der Umschlagsstelle des Peritoneums (Figur 9 — 12) abgc- lost hat und retroperitoneale Lage erhalten hat. Der Sexualstrang zieht zum Peritoneum, in welchem an dieser Stelle gewisse Zellen sich als Urkeimzellen bemerklich machen. Figur 15. Querschnitt durch das zweitoberste Urnierensegment. Figur 16. Querschnitt durch das oberste Urnierensegment. Ur-" niere als dorsaler Teil der Vorniere kenntlich, die hier als solche im Gegensatz zu Figur 15, wo sie noch als Nebenniere bezeichnet wurde, dcutlich hervortritt. Figui" 17 und 18. Das nachsthohere Segment, das nur noch Vorniere , keine Urniere mehr enthalt. Aulsen- und Innentrichter der Vorniere. Tafel VI, VII, VIII. Schnitte durch Vor- und Urniere von Embryonen im Kiemen- fit!derchenstadium. Tafel VI und VII. Querschnitte (ausgenommen den Langsschnitt Figur 20), absteigend vom unteren Teil der Vorniere durch das Gebiet, das zusammen Vorniere und Urniere enthalt, bis dahin, wo nur uoch Urnierenkanalchen existieren, der MALPiam'sche Korper der Vorniere aber in Nebenniere umgewandelt ist. Vergr. 130. Tafel VI, Fig. 19 a und b. Querschnitt durch Vorniere im unteren Drittel. Dadurch , dafi die oberen Glomeruli schief absteigetfd nach vorn Tiber die unteren hertibergezogen werden, sieht man auf den Quer- schnitten des unteren Teils der Vorniere innerhalb des MALPiGuicshen Koipers zwei hintereinauder gelegene Glomeruli (vergl. den Langsschnitt durch den MALPiom'schen Korper Figur 20). Figur 19 a Aussen- trichter, Figur 19 b Innentrichter sichtbar. Aaa.. ^ Vw< v<- 198 Dr. Richard Semon, Figur 20. Langsschuitt durch deu uuteren Abschnitt des Mal- FiGHi'schen KOrpers der Voriiiere uud seiue Fortsetzung in Nebenniere. Der MALPiGHi'sche Korper begiunt eben sich rftckzubilden, beziehentlich sich in Nebenniere umzuwandeln. Figur 21. Quersehnitt durch Vorniere. Doppelte Innentrichter. (Vergl. den Text p. 106.) Fig. 22. Auftreten eines MALi'iGm'schen Korperchens der Qruiere dorsal hinter den Kanalchen und dem MALPiGHi'schen Korper der Vorniere. Tafel VII, Fig. 23, 24, 25. Weitere Euckbildung der Vorniere. Ubergang ihres MALPiGHi'schen Korpers in Nebenniere (vergl. Figur 20, Tafel VI). Figur 26. Vorniere bis auf den in Nebenniere umgewandelten MALPiGHi'schen Korper vollig rtickgebildet. Tafel VIII. Figur 27. Quersehnitt durch den Rumpfteil, der nebeneinander Vorniere und Urniere enthalt, bei einem anderen Embryo. Malpighi- sches Korperchen der Urniere hier mehr lateral von dem der Vor- niere, als bei dem Embryo Figur 22. Figur 28. Quersehnitt durch Urniere mit ihren typischen Be- standteilen in der vorderen Rumpfgegend, wo keine Keimfalte zur Ent- wickelung kommt. Figur 29. Quersehnitt durch Urniere in der Mitte des Rumpfes. Keimfalte. Links in der Figur geht ein Segmentalstrang vom MAL- PiGHi'schen Korperchen aus und teilt sich in Nebennieren und Sexual- strang. Figur 30. Quersehnitt, der das Auswachsen der knospenartigen Anlage des Urnierenkanalchens zweiter Ordnung aus dem Malpighi- schen Korperchen erster Ordnung zeigt. Man sieht, wie der Knospe eine Aussttilpung des Vornierengauges entgegenwachst. Figur 31. Langsschuitt, der die Eutstehung des Urnierenkanalchens 11, Ordnung zeigt. Tafel IX und X. Indiflferente Anlage der Keimdruse. Weibliche Gesohlechtsorgane. Tafel IX. Figur 32a be. Erste Anlage des MuLLER'schen Ganges und zwar seines proximalen Teils, der zuerst entsteht. Reicht proximalwarts ttber die Vorniere hinaus, wie die rechte Seite von Fig. 32a zeigt. Embryo mit Kiemenfiederchen. Vergr. 145. Figur 32 b zeigt den Tubenwulst der linken Seite 6 Schnitte iiber Figur 32 a oben, wo sich das vom Ostium abdominale her im Tubenwulst allmahlich nach abwarts ent- wickelnde Lumen zeigt. Figur 32 c. 4 Schnitte ttber 32 b. Ostium abdominale. Figur 33. Quersehnitt durch indifferente Anlage der Keimdruse. MuLLERscher Gang noch ohne Lumen. Embryo mit Kiemenfiederchen. Vergr. 145. Fig. 34. Quersehnitt durch MiJLLER'schen Gang in der Rumpf- mitte einer sehr jungen weiblichen Larve. Vergr. 145. Der Bauplau des Urogenitalsystems der Wirbeltierc. 199 Figur 35. Oberflaclienausicht des gescblechtlich noch indifferenten Keimepitliels eiuer ganz jungeu Larve. Urkoimzellen iind Keimzellen- nester. Vergr. 240. Fig. 36. Urkeimzellen uud Keimzelleunester aus dem Ovarium einer Larve im Langsschnitt. Vergr. 240. Figur 37. Langsschnitt durch jungeu Eifollikel, ebendaher. Ver- grofierung 240, Figur 38 a. Querschnitt durch ganz iunges Ovarium. Vergr. 240. Fig. 38 b. Querschnitt durch etwas alteres Ovarium. Vergr. 240. Figur 39. Querschnitt durch das gesamte Urogenitalsystem einer alteren Larve. Vergr. 16. Figur 40. Querschnitt alleiu durch ein Ovarium einer alteren Lai-ve. Vergr. 85. Tafel X. Totalansichten der weiblichen Keimfalte. Figur 41. Oberflachenansicht des Keimepithels einer ganz jungen weiblichen Larve. Vergr. 240. Figur 42. Oberflachenansicht des gesamten Urogenitalsystems einer alteren weiblichen Larve. Vergr. 10. Figur 43. Keimdriisennetz einer weiblichen Larve in Oberflachen- ansicht. Vergr. 23. Tafel XI und XII. Mannliche Gesehlechtsorgane. Tafel XI. Totalansichten der mannlichen Gesehlechtsorgane. Figur 44. Oberflachenansicht des gesamten Urogenitalsystems einer mannlichen Larve. Vergr. 10. Figur 45. Oberflachenansicht des Keimdriisennetzes einer mann- lichen Larve. Vergr. 50. Figur 46. Oberflachenansicht des Centralkanals und des dariiber liegenden Keimepithels bei einer jungen mannlichen Larve. Vergr. 240. Figur 47. Oberflachenansicht eines Hodenlappens einer alteren Larve. Vergr. 85. Tafel XII. Figur 48. Langsschnitt durch Hodenlappen einer Larve. Ver grofierung 240. Figur 49 a. Querschnitt durch das gesamte Urogenitalsystem einer mannlichen Larve. Vergr. 16. Figur 49 b. Querschnitt durch Hodenlappen derselben Larve. Vergr. 240. Figur 50. Querschnitt durch Hodenlappen eines ausgewachsenen Tieres. Vergr. 47. Figur 51. Eine einzelne Ampulle dieses Hodens starker vergrofiert. Spermatogenese. Vergr. 115. Tafel XIII. Nebenniere. Figur 52 a. Querschnitt durch beide Nebennieren eines jungen Tieres. Topographie der Nebenniere in ihrer Lage zur Vena cava in- ferior und der Urniere. Nervose Elemente der Nebenniere. Vergr. 50. 200 Dr. Richard Semon, Figur 52 b. Querschnitt durch Nebenniere eines alteren Tieres. Nierenveneu drangen sicb auf ilirem Verlauf vou der Urniere zur Vena cava inferior zwiscben den Epithelballen der Nebenniere durch und iimspulen sie. Vergr. 50. Figur 53 a. Oberflacbenansicht der Nebennieren, die der Wandung der Vena cava inf. in unregelmafiiger Weise angelagert sind. Vergr. 50. Figur 53 b. Oberflacbenansicht eines Nebennierenballens bei stark erer Vergrofierung (145). Figur 54. Querschnitt durch einen Nebennierenballen bei starkerer Vergr66erung (245). Nervose Elemente der eigentlichen Nebenniere angelagert. Tafel XIV. Schematische Darstellung der Entwickelung des Urogenital systems bei Cranioten, dargestellt nach den Befunden bei Iclithyophis. Fur die erste Entstehung der Vorniere sind die MoLLiER'schen Befunde bei Urodelen benutzt. Vgl. auch van Wijof. 51, Tafel XXXII. Die Myo- tome sind tiberall mit gelber die Nephrotome mit griiner, das Seiten- plattencoelom mit blauer Farbe bezeichnet. Keimdriise violett, Aorta und Glomeruli rot. Figur 55, 56. Schematische Querschnitte durch eine Gegend, in der sich nur Vorniere entwickelt. Figur 55 jiingeres Stadium, Figur 5') alteres Stadium, in dem der MALPiGHi'sche Korper sich vom iibrigeu Coelom abgeschniirt hat. Figur 57, 58. Querscbnitte tiefer unlen durch eine Gegend, in welcher sich sowohl Vorniere als auch Urniere entwickeln. Figur 57 MALPiGHi'sche Korper noch nicbt abgescbntirt, Urnierenanlage nocb nicbt in den Vornierengang durcbgebrocben. Figur 58 sind beide Vorgange erfolgt. Figur 59, 60. Querschnitte noch tiefer distalwarts durch eine Gegend, in welcher die Vorniere nur noch durch den Vornierengang und den zur Nebenniere umgewandelteu MAtpioHi'scheu Korper repra- sentirt wird. Beide Figuren entsprechen alteren Stadien wie die vor- hergehenden. In Figur 59 besteht noch ein uumittelbarer Kontakt zwiscben MALPiGHi'schem Korperchen der Urniere, Nebenniere und Keimepithel. In Figur 60 sind Nebenniere und MALPiGm'sches Kor- perchen der Urniere retroperitoneal nach hinteu geriiekt. Von der Keim- driise fuhreu die Sexual strange, vou der Nebenniere die Nebenniereu- strange zu einera gemeinschaftlichen Starame (Segmentalstrang), der dem MALPiGHi'schen Korperchen der Urniere aufsitzt. Figur 61. Schematischer Langsschnitt. 61a Centspricht Querschnitt 56) Vorniere allein. 61b (mehr distalwarts, entspricht Querschnitt 58) Vorniere und Urniere zusammen. 61 c (noch mehr distalwarts, entspricht Querschnitt 60) Nebenniere und Urniere. Figur 62. Schematische Darstellung der Beziehungen des Keim- drlisennetzes zur Nebenniere und zum MALPiGni'schen Korperchen der Urniere (vgl. d. Querschnitt Figur 60). Der Buuplan des Urogcuitcilsyetems der Wirbeltiere. 201 Literaturverzeichiiis. 1) F. M. Balfoub, a preliminary account of the development of the Elasmobranch fishes. Quarterly Journal of microscop. science. 1874. 2) — On the origin and history of the genital organs of Vertebrates. Journal of Anatomy and Physiologie. Bd. 10, 1875. 3) — The development of the Elasmobranch fishes. Ibidem Bd. 11, 1876, Bd 12, 1877. 4) — Handbuch der vergl. Embryologie. Uebersetzt von B. Vetter. Jena 188,0. 5) — tJber die Entwickelung und die Morphologie der Suprarenal- korper. Biol. Centralblatt 1881. 6) F. M. Balfour und W. N. Paekkb, On the structure and develop- ment of Lepidosteus. Phil. Transact. R. S. 1882 (Mem. Ed. Vol. I, p. 738). 7) BoTEEi, tJber die Niere des Amphioxus. Milnchener medizin. Wochenschrift 1890, No. 26. S) M. Bbatn , Das Urogenitalsystem der einheimischeu Reptilien, Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut zu Wiirzburg. Bd. IV, 1877. 9) — Ban und Entwickelung der Nebennieren bei Reptilien. Arbeiten aus dem zool.-zoot, Institut in Wiirzburg. Bd. V, 1882. 10) Bridge, Pori abdominal es of Vertebrata. Journal of Anat. and Physiol. Bd. XIV. 11) J. T. CrNNiNGHAM, Ou the structure and Development of the Reproductive Elements in Myxine glutinosa L. Quarterly Journal of Microscop. Science. Vol. XXVII, 1887. 12) M. FuKBBiNGER, ZuF verglcichendeu Anatomic und Entwickelungs- geschichte der Exkretionsorgane der Vertebraten. Morphol. Jalu- buch, Bd. 4, 1878. 13) C. Gegenbaue, Bemerkungen iiber die Pori abdominales. Morph. Jahrbuch, Bd. X, 1885. 14) A. GoTTE, Entwickelungsgeschichte der Unke. 1875. 15) — — , Abhandlungen zur Entwickelungsgeschichte der Tiero. 5. Heft. Entwickelung des Flufineunauges (Petromyzon fluviatilis). Erster Teil. Hamburg und Leipzig 1890. 16) F. HocHsTETTER , Beitrage zur vergleichenden Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte des Venensystems der Amphibien und Fische. Morphologisches Jahrbuch, Bd. XIII, 1888. 202 Dr. Kichard Semon, 17) C. K. Hoffmann, Die Entwickelungsgescliichte der Urogenital- organe bei den Anamnia. Zeitschriffc fiir wissenschaftl. Zoologie, Bd. 44, 1886, p. 570. 18) — — , Zur Entwickelungsgeschiclite der Urogenitalorgane bei den Eeptilien. Zeitscbrift fiir wissenschaftl. Zoologie, 1889. 19) Th. Huxley, On tbe oviduct of Osraerus; with remarks on the relation of the Teleostean with the Ganoid fishes. Proceed. Zool. See. Lond., 1883, p. 132. 20) Janosik, Bemerkung iiber die Entwickelung der Nebenniere. Archiv f. mikroskop. Anatomic, Bd. 22. 1883. 21) Hfctoe F. E. Jungersen, Beitrage zur Kenntnis der Entwickelung der Gesehlechtsorgane bei den Knochenfischen. Arbeiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut in Wiirzburg. 22) LEiDiG, Eochen und Haie. 1851. 23) — , Anatom. - histolog. Untersuch, liber Fische und Eeptilien. Berlin 1853. 24) Marchand, tFber accessorische Nebennieren im Ligamentum latum. Archiv f. pathol. Anal, Bd. 92 Berlin 1883. 25) P. Mater, Uber die Entwickelung des Herzens und der grofien Gefafistamme bei Selachiern. Mitteil. aus d. zool. Station zu Neapel, Bd. VII, 1887. 26) E. Meyer, Die Abstammung der Anneliden. Der Ursprung der Metamerie und die Bedeutung des Mesoderms. Biol. Centralblatt, Bd. X, 1890. 27) G. V. MiHALKovics, Untersuchungen iiber die Entwickelung des Ham- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift fiir Anatomic und Histologie, Bd. IT, 1885. 28) MiTsuKURi, On the development of the suprarenal Bodies in Mam- malia. Quarterly Journal of Microscop. Science, Vol. 22. 29) S. MoLLiER, tJber die Entstehung des Vornierensystems bei Am- phibien. Archiv fiir Anatomic und Physiologic, Anatomische Abteilung, 1890, 3 und 4. Heft. 30) W. MtJLLER, tJber das Urogenitalsystem des Amphioxus und der Cyclostomen. Jen. Zeitschr. f. Naturw., Bd. IX, 1875. 31) F. Nansen, Protandric Hermaphrodite (Myxine glutinosa Jj.) amongst the Vertebrata. Bergens Museum Aarsberetning, T. 1, 2. 32) Eabl, tiber die Bildung des Mesoderms. Anat. Anzeiger, Bd. 3, 1888, p 654. 33) H. Eathke, Bemerkungen tiber mehrere Korperteile der Coecilia annulata. Archiv fiir Anat. u. Phvsiol. von J. Miiller, 1852, S. 334. 34) Johannes Euckert, tJber die Entstehung der Exkretionsorgane bei Selachiern. Archiv fiir Anatomic und Physiologic, Anatomische Abteilung, 1888. 35) P. und Fk. Saeasin, Ergebnisse naturwissenschaftlicher For- schungen auf Ceylon in den Jahren 1884 — 86. II. Band. Zur Entwickelungsgeschichte und Anatomic der ceylonischen Bliiid- wilhle Ichthyophis glutinosus. Wiesbaden 1887, 1888. 36) Adam Sedgwick, Development of the Kidney in its relation with Ber Bauplan des TTroj^enitaL^ystems dor Wirbeltiore. 203 Ihp Wolffian body in chick. Quarterly Journal of Micr. Science, Rd. 20, 1880, p.* 146. 37) — — , On the development of the structure known as the „ Glomerulus of the head-kidney" in the chick. Quarterly Journal, Bd. XX, 1880. 38) — — , On the early development of the anterior part of the Wolffian duct and body in the chick, together with some remarks on the excretory system of the vertebrata. Ibidem Bd. 21, 1881, p 432. 39) R. Semon, tTber die morphologische Bedeutung dcr Urniere in ihrem Verhaltnis zur Vorniere und Nebenniere und Uber ihre Verbindung mit dem Genitalsystem. Anatomischer Anzeiger, Bd. V, 1890, p. 455. 40) C. Sempke, Das Urogenitalsystem der Plagiostomeu und seine Bedeutung fiir die iibrigen Wirbeltiere. Arbeiten aus d. zool.- zoot. Institut in Wiirzburg, Bd. 2, 1875. 41) J. W. Spengel, Die Segmental organe der Amphibien. Verhandl. der physik.-med. Gesellsch. zu Wiirzburg, Bd. 10, 1874. 42) — — , Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut zu Wiirzburg, Bd. 3, 1876-77. 43) Max Weber, Die Abdominalporeu der Salmoniden nebst Bemer- kunffen liber die Geschlechtsorgane der Fische. Morph. Jahrbuch, Bd.l2, 1886. 44) F. E. Weiss, Excretory Tubules in Amphioxus lauceolatus. Quarterly Journal of Microscop. Science, Vol. XXXI, 1890. 45) W. F. R. Weldon, On the head Kidney of Bdellostoma. Quarterly Journal of Microscop. Science, Vol. XXIV, 1884. 46) — — , On the suprarenal bodies oi Vertebrata. Ibidem Vol. XXV, 1885. 47) Wenckebach, Beitrage zur Entwickelungsgeschichte der Knochen- fische. Archiv f. mikroskop. Anat., 1886. ^ 48) R. Wiedeesheim, Die Anatomic der Gymuophioueu. Jena 1879. 49) — — , Uber die Entwickelung des Urogenitalapparates bei Kroko- dilen und Sehildkroten. Anat. Anzeiger, Bd. V, 1890. 50) — — , Uber die Entwickelung des Urogenitalapparates bei Kroko- dilen und Sehildkroten. Archiv fiir mikroskop. Anatomic, Bd. 36, 1890. 51) J. W. VAN WiJHE, tiber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwickelung des Exkretionssystems bei Selachiern. Archiv fiir mikroskop. Anatomie, Bd. 33. 52) H. E. ZiEGLEK, Die embryonale Entwickelung von Salmo salar. Dissertation. Freiburg 1882. 53) , Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischen. Archiv fUr mikrosk. Anat. 1887. 54) — — , Der Ursprung der mesenchyraatischen Gewebe bei den Selachiern. Archiv f. mikroskop. Anat., Bd. XXXII. Die Principien der Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Ein Versuch ziir jnechanischen Erklarung organischer Gebilde. Von Dr. Friedrich Dreyer in Jena. Hierzu Taf. XV— XXIX. Eine ausfiihrliche Inhaltsubersieht befindet >icli ain Enrie der Arbeit. Vorwort. Die Schalen und Skelette der Organisnieu sind in der bio- logischen Wissenschaft von alters her ein Gegenstand bevorzugten Studiums gevvesen. Die bis zu einem bohen Grade der Vollendung ausgebaute Anatomie und verglei(5hende Anatomie der Wirbeltiere ist in erster Linie auf das Skelettsystem begriindet, und auch bei den anderen Organismengruppen, bei denen Skelettbildung eine Rolle spielt, haben die Hartteile der morphologischen Forschung zum Angrifis- und Ausgangspunkte gedient. Die Morphologie der durch Skelettbildung besonders bevorzugten Typen der Mollusken, Artbropoden, Echinodermen, Spongien und Rhizopoden war im Anfaug fast ausschliefilich eine Morphologie der Hartteile und ist es zum Teil auch jetzt noch ; die Skelette dienen nicht nur den Organismen selbst zur Stiitze, sondern geben auch fiir die Er- forschung derselben eine schatzeuswerte Stiitze und feste Hand- habe ab. Die Griinde fiir diese Erscheinung sind auCerlicher Natur, bier, wie verschiedentlich, kanu man die Beobachtung machen, daB der geschichtliche Gang der wissenschaftlichen Forschung Die Geriistbildiing bei llliizopoden, Spongien etc. 205 durch praktische Moiueiite bceiDtiulit wild. Schalen uiid Skelette sind teste, formbestaudige, iu ibrem inorphologischeu Aufbau klar durchschaubare, haudgreiflichc Objekte und dalier leichter zu er- forscbeu, als die in fortwahrendem Wechsel und stetiger Eut- wickelung begritieneu, ungemeiu verwickelteu und komplizierten, labilen und der postniortaleu Veriinderung und Zerstorung leicht anheinifallenden Weicbkorper, denen man meist nur mit einer um- standlichen Praparationstcchuik beizukonimen vermag. Der Weicb- korper ist allerdings als das Primilre, als der eigentliche Lebens- berd das fiir die Erforschuug eines Organismus Wicbtigste, aber auch die Hartteile sind scbon imstaiide, wertvolle Aufschlusse zu geben, wenn man nur die wissenscbaftlicbe Fragestellung richtig zu baudbabeu und auszunutzen versteht. Scbalen und Skelette sind zwar nicbt selbst lebendig und aktiv lebensthatig; im merb in siudsie aberProdukte derLebensthatigkeit,Werke des Organismus, die von den Fahigkeiten, dem Korperbau und den Bediirfnissen, kurz von der Natur desselben Zeugnis ablegen, ebenso wie ein menscbliches Wohnhaus von den Fahigkeiten und Bediirfnissen seiner Erbauer, aber in noch viel boberem Grade, da die Verbindung von Skelett und Organismus eine noch viel innigere ist. Am auff alien dsten treten die Gerustbildungen in den Vorder- grund bei den Rhizopoden; wahrend bier der Weicbkorper auf einer denkbar niederen Entwickelungsstufe steht und sicb durch einen Grad von Formenunbestandigkeit und Indilierenz, der oft an vollige Formlosigkeit grenzt, auszeichnet, entwickeln die Scbalen und Skelette eine Formenmannigfaltigkeit und Zierlicbkeit, wie sie im Reiche der Organismen sonst nicbt wieder erreicbt wird. Die Khizupudengeruste bilden denn auch schou lange ein Gebiet, welches von Fachgelehrteu sowohl wie von Laien rait besonderer Vorliebe gepflegt wurde; alles wetteiferte formlich miteinander, immer neue und noch schonere Formen zu Tage zu fordern , zu beschreiben, abzubilden und die gehobenen Schatze in ein System einzureiben. Man kann beinahe sageu, daC iiber die kleinsten Wesen die umfangreichsten Arbeiteu und grofiten Monographieen abgefafit worden sind. Und in der That vermag auch nur der- jenige, der sie selbst gekostet hat, die kiinstleriscbe Freude und den HochgenuC zu empfinden, den das Studium, das Wuhlen in den uberreichen Forraenschatzen mit sich bringt. Stundenlang 206 Dr. Friedrick Dreydl*, kann man an das Mikroskop gefesselt sitzen und sicli dem stilleil Genusse einer wahren Gemuts- und Augeuergotzung hingeben. Neben der gemutlich-kunstlerischen Betrachtung fordert aber auch die andere Seite des menschlichen Geistes, die der kausalen Erklarung ihr Recht. Trotz des ungeheuren, durch die emsige Arbeit mehrerer Generationen zusanimengebrachten Materiales ist es aber aufiallenderweise bis jetzt noch von keiner Seite unter- nomraen worden , von allgemeineren Gesichtspunkten aus eine kritische Sichtung, ve rgl eiche nde Zu- samm enf assung und, wenn moglich, kausale Er- klarung des Gebietes der Rhizopodenmorphol ogi e in seiner Gesamtheit anzubahnen. Dieses Unter- nehmen habe ich in der vorliegenden Arbeit gewagt. Ich habe in derselben in vor wiegend systematischer Form, unter kritischer Benutzung des von den friiheren Autoren in der Litter atur niedergelegteu Beo bachtungsmateriales, die Ideen entwickelt, die in mir wahrend dreijahriger Arbeit auf dem be- treffenden Gebiete herangereift sind. Das behandelte Problem und mithin auch die Arbeit zerfallt in verschiedene Teile. Zuniichst waren, von der landlaufigen Ein- teilung mehr oder wenig unabhangig, vier ihrem Wesen nach ver- schiedene Typen der Gerustbildung ^) zu unterscheiden. Ihre Be- handlung bildet den Hauptteil der Arbeit und ftillt die ersten vier Abschnitte aus. Der V. Abschnitt bringt eine Gesamtiibersicht iiber das Problem der Gerustbildung. DaG die einzelnen Abschnitte von verschiedener Wertigkeit sind, dafi wir dem angestrebten Endziele einer mechanischen Er- klarung in dem einen naher, in dem anderen weniger nahe ge- kommen sind, ist natiirlich. In den ersten beiden Abschnitten iiber die Geriist- bildungstypen der Cuticulaschale und des Axengeriistes wurde eine mechanische Erklarung im strengen Sinne des Wortes noch nicht erreicht. Wir hoffen jedoch die daselbst behandelten Befunde dem Verstaudnisse immerhin ein Stuck naher gebracht zu haben, dadurch dafi wir sie von dem allgemeinen Gesichtspunkt 1) Zwischen den beiden Begriffen „Schale" und „8kelett" be- steht keine scharfe Grenze; ich brauche daher neben diesen beiden Worten als allgemeinen, beide Begriffe in sich fassenden Ausdruck, das Wort „Geru8t", Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. ^07 der funktioudleu Anpassuug (Koux), d. h. dcr zweckmiiBigen Selbst- gestaltuug orgauisiei tur Korper auf aulicre mecliauische Eintlusse, aus betrachtet habeu. Den bei wcitem groCteu Wert besitzt unserer Ansicht nach der III. Abschnitt. Wir glauben in demselben eine pbysikalische, exakte Erklitrung des Vierstrahlertypus gegebeii zu habeti, gegeii die sich wohl uichts Priuzipielles einweiiden lassen diirfte. Durch den Vierstrahlertypus werden auJBerdem noch die Spongien- und Ecbinodermenskelette in unser Gebiet hineingezogen. Der IV. Abschnitt baudelt Uber die Mosaikschalen; er fiihrt dieselben zum Teil auf bestimnite Bilduogsfaktoren zurtick, zum Teil muii er sie als ungelostes Problem stehen lassen. Der V. Abschnitt endlich giebt eine zusammenfasseude ijbersicht iiber das Problem der Geriistbildung in seiner Gesamtheit, urn zu zeigen, was auf dem Gebiete ge- leistet ist, uud was noch zu thun iibrig bleibt. Aus- fiihrlicher wird in ihm noch die mechanische Erklarung der Gesamtform behaudelt, die einzelnen Ableitungen sind hier zwar uicht alle so fest begriindet, wie die im 111. Abschnitt, teilweise hotien wir aber doch das Richtige getroiien und aufier- dem eiuige Anregung gegeben zu haben, in der betreffenden Richtung weiterzuforschen. In der vorliegenden Arbeit, wie uberall, bleibt das Erreichte hinter dem Erstrebten urn ein gutes Teil zuriick. Angestrebt haben wir eine exakte mechanische Erklarung unseres Gegenstandes ; wie wir hotien , haben wir dieselbe auch hie und da erreicht; fiir andere Fragen konnten wir ein Verstandnis und eine Losung nur an bah n en*); in vielen Punkten endlich werden wir uns geirrt haben, dies ist ja als selbstverstandlich vorauszusehen und deshalb auch verzeihlich, denn Irren ist menschlich. Nach diesen Vorbemerkungen empiehlen wir die Arbeit dem Studium und der nachsichtigen Kritik der Fachgenossen. Gotha, 29. September 1890. 1) Oft haben wir uns, um zum weiteren Nachdenken und Arbeiten anzuregen, absichtlich nicht gescheut, etwas gewagte Gedanken aus- zuaprechea. Dr. Priedricii Dreyei', I. Abschnitt. 1. Gertistbildungstypus : Die Cuticulaschale. I. Allgemeine Charakteristik. Als ersten Gertistbildungstypus wollen wir denjenigen der Cuticulaschale unserer Betrachtung unterzieiien. Zu ihm gehoren die Schalen der Thalamop hor en and die Central- kapsel der Radiolarien. Die primitive Cuticulaschale ist eine aus organischer, dem Chitin ahnlicher Substanz bestehende Schalenhaut, wir begegnen ihr in dieser ursprunglichen Form in den Schalen der SuCwasserrhizopoden und der Centralkapsel der Radiolarien. Bei den marinen Thalamophoren, wo der cuticulare Gertistbildungstypus zur hochsteu Blute gelangt, wird die primi- tive Cuticulaschale durch Einlagerung anorgauischen Materiales verstiirkt. Die Einlagerung ist entweder eine chemische, oder eine mechanische; im ersteren Falle kommt kohlensaurer Kalk ^) in der Chitiuschale massenhaft zur Ablageruug, im anderen Falle werden von den Pseudopodien aufgenommene Fremdkorper, Sandkorner u. dgl. in die Schalenwand eingekittet. Die Cuticulaschale ist dem Sarcodekorper nicht, wie man zunachst vermuten konnte, aut"-, sondern seinem Exoplasma eingelagert. Die aufiere, sie tiberlagernde Exoplasmaschicht, die wir als extrakortikales Exoplasma bezeichnen kounen , ist bei den Thalamophoren als dtinner Sarcodeuberzug der Schale meist nur schwach entwickelt, spielt aber, wie wir sehen werden, bei dem Dickenwachstum der Schale eine bedeutsame Rolle , bei den 1) Nur in selteneu Fallen Kieselsiiure. Die Crriislhiltlung bei T^hizopodc n, Spongion etc. 209 Radiolai ien liingi'grii *ist das extracorticalc Exoplasnia diircli die Gallertvakuoleii des Calyniiiia niaditig aufgeblilht. Es ist zu vermuteu, dafs die Gallertentwickelung zu der pelagischen Ltbeuswcise in irgeud einer Beziehung steht. Die Kadiolaricn siud ja bekaniitlich lypiscb pelagijchr Khizopodeii, bei den ])('lagiscb lebrnden 'J halamopliori iigesclilecbtern, also besondcrs dm Globigcriniden, fiiK3f>t sich auch Caiymmabilduug (Fig. 272), wie bei den Kadiolarien. Dafs die pelagischen Ticrlarven durch Entwickelung byaliner Gallerte siark aulgebluht zu sein pflegen, ist bekannt, bei der Verwandlung in das kriechc'ude Tier (vergl. die Echinodermun-Eiilwickelung) tr- folgt eiue lliickbildung der Gallerte, wodurch der Organismus stark zusammenschrumpft. Es sind dies Befunde, die zum Nachdenken auf- fordern ! Bkrthold 1) Tertritt die Auffassung, dafs die Zellmembran — niit der wir ja die Cuticulaschale vergleichen kounen — ganz allge- mein, auch bei den mehrzelligeu Organismen, dem Sarcodekoi'per nicht auf-, sondern eingeiagert sei. Wir halten diese Betrachtungsweise fiir beachteiiswert, verhalten uns ihr gegenliber jedoch neutral, indem wir eine Beurteilung den Fachgelehrten iiberlas'^en. Bei den Einzeliigen scheint die Einlagerung der Schale allerdings, auch abgeseheu von den Rhizopoden, allgemeine Kegel zu sein, worauf auch Bekthold aufmerksam macht. So wies schon Max Schultze darauf bin, dafs die eigenartige Lokomotion der Diatomeen nur durch die Annahme eines aufseren Plasmaiiberzuges verstandlich sei, ebenso wie die Bewegung von der Oberflache derselhen anhaftenden Kornchen ^), und Th. W. Engelmann giebt an, bei Oscillarien, die einen ahnlichen Modus der Ortsbewegung zeigen, einen feinen aufseren Blasmaiiber- zug durch slarke Induktionsschliige uiid Salpetersaure wirklich sicht- bar gemacht zu haben ^). So soUen auch nach Fisch bei den ciliaten Infusorien die Cilien nicht, wie man bisher anzunehmen pflegte, das Cuticulahiiutchen durchbohren, sondern von einer das letztere iiber- ziehenden diinnen Plasmalage ausstrahlen *). n. Die Cuticulaschale der Tlialamoplioien. a) Die primitive Chitinsch ale. Im Reiche der organischen Bildungen tritt nichts plotzlicli uud uuverniittelt auf, sondern iiberall herrscht als Kegel die all- mahliche Entwickelung. Besouders gilt dies fur die Rhizopoden, bei denen entsprechend ihrer Stellung an der untersteu Stufe or- 1) Siehe G. Bekthold, Studien iiber Protoplasmamechanik, Leipzig 1886. — Besonders Kap. I, 2) Arch. t. mikrosk. Analomie, Bd. I, 1865. | Qitate nach Beet- 3) liotanische Zeitung, 1879, S. 49. \ ^^^ ^^^^ 4) Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. XLIf, 1885. i lid, XXVI. N.K. XIX, 14 210 Dr. Friedrich Dreyer, ganischer Entwickelung die Formverhaitnisse sich noch nicht in so bestimmt fixierten EDtwickelungsbahnen bewegeu, wie dies bei den hohereu Organismen der Fall ist. So lasseii sich denu auch die in ihrer Manuigfaltigkeit ein wahres Formeulabyriuth bikienden uud zum Teil auBerordentlich hoch entwickelteu Schalen der Thala- mophoren in ihrer Entwickelung von Stui'e zu Stule zuruckver- folgen und ecdlich auf EigentUmlichkeiten zurucktUhreu, vvelche bereits den primitiven und inditierenteu nackteu Rhizopoden zu- kommen; das Gleiche werden wir in deu lolgenden Abschnitteu auch von den auderen Skelettbildungstypen konstatieren kbunen. Die Veranderlichkeit der auCeren Form ist fiir den Korper der nackten Rhizopoden so charakteristisch, dafi von Einigen sogar die vollige Formlosigkeit als Typus fiir denselben hmgestellt wurde. Dies ware jedoch zu weit gegangen, und ein aufmerksamer Beob- achter kann auch bei jedem nackten Rhizopodeu bei dessen fort- wabrender Formveranderung gerade in der Art uud Weise dieser Veranderung eine gewisse Gesetzma£igkeit erkenuen, wodurch immer das fiir die einzelne Form charakteristische Geprage bewahrt bleibt ; wie batten denn auch sonst, wenn dies nicbt der Fall ware, unter den primitiven schalenlosen Rhizopodeu verschiedene Arten unterschieden werden konnen? Diese eigenartige Bewahruug eiues spezifischen F'ormcharakters, welcher sich besouders in dem Modus der Pseudopodienbildung ausspricht, wurzelt in der aktiveu Thatig- keit des lebenden Protoplasmas, ohne die Existenz eines Scbalen- hautchens vorauszusetzeu. Bei den meisteu Rhizopodeu laBt sich eine Sonderung des Protoplasmas in zwei hauptsachliche Partieeu beobachten. Das Protoplasma des Inneren, welches den iveru uud die sonstigen Einschliisse des Zellkorpers enthalt, ist koruig und daher meist von etwas dunklerem Aussehen uud verhaltnismaCig dunnfliissig. Dieses Entoplasma wird umgebeu vou einer Schicht des aufieren, sogenannten Exoplasmas, dasselbe ist meist hyaliu uud ohne Einschlusse und beteiligt sich besouders an deu Beweguugeu des Korpers. Wo an dem Korper einer Amobe eine aktive Be- wegung stattfindet, laBt sich eiu reichliches Zustromen dieses hyalinen Exoplasmas beobachten. Die ausgestreckteu Pseudopodieu werden vom Exoplasma gebildet (Fig. 1), uud wo, wie bei den einfachsten Amobenformen, eiue eigeutliche Pseudopodienbilduug nicht stattfindet, sondern der gauze Korper, eiuem einzigen Pseudo- podium vergleichbar (wie Butschli tretfend bemerkt'), einer 1) BlJTScHLi, Protozoa, S, 96. Die Oeriiatbildung bei Rhlzopoden, Spongien etc. 211 Kacktschiiecke ahiilicli daliiutiielU, ist d e r Korperpol, welcher bei der Bewegung vorangelit, mit einer Kappe von hyalinem Exo- plasiiui iiberzogeu (Fig. 4, 5). Das hyaline Exoplasma der Rhizo- podeu liiCt sich am l)esteu vergleichen rait einera Hautmuskel- scblauche: wio ein solchor umfaCt es wie eiii elastischer Sack das Kiirperinnero mid hat die Aufgabe , die Bewegung des ganzen Korpers sowohl wie seiner einzeluen Partieen zu bewirken. Von der Natur dieses aktiv beweglichen Protoplasmasackes und seiner spezifischen Thiitigkeit ist der fiir die verschiedenen nackten Rhizo- podenarten charakteristische, durch die Art und Weise der Pseudo- podienbildung bedingte Formcharakter abhangig. Inner halb derExoplasmaschicht wirdnun wahr- scheinlich bei primitiven Formen die erste An- lage eines Schalenhiiutchens stattg efunden haben (Fig. 2). Es wird dies die Bedeutung haben, dem aktiv beweg- lichen Exoplasmaschlauche in seinen einzelnen Teilen und im Ganzen mehr Zusammenhalt und groCere Festigkeit zu geben, das Schalenhilutchen nimmt in der Exoplasmaschicht die Stelle einer Stiitz- und Skelettmembran ein. Dieses Verhalten entspricht voll- standig den engeu gegenseitigen Beziehungen , welche bei den Tieren zwischen Muskeln und Skelett obwalten, beide Organsysteme unterstiitzen und erganzeu sich gegenseitig bei der Funktion der Bewegung als die aktiven und passiven Bestandteile des animalen Bewegungsapparates. Die Ubereinstimmung geht jedoch noch weiter, sie ist nicht nur eine vergleichend - anatoraische, sondern auch eine kausal - genetische. Die passiven Elemente des Be- wegungsapparates der hoheren Tiere, die Sehnen, Bander, der Knorpel und die Knochen sind das Sekundare, die Muskeln da- gegen als aktive Elemente das Primare. Die Skelettteile sind unter dem Einflusse der Muskelthatigkeit nach den Prinzipien der zweckmaCig gestaltenden trophischen Wirkung der funktionellen Reize entstanden zu denken, sie bilden sich sowohl in ihrer auCeren F'orm als auch ihrer feineren inneren Struktur entsprechend der Mechanik des Muskelzuges und der in der Lage des Korpers zur Aulienwelt bedingten Statik zweckmafiig aus ^). In der- selben Weise ist die bewirkende Ursache der Ent- stehung der Schalenhaut im Exoplasma in der ak- tiven Thatigkeit des letzteren zu suchen, wahrend 1) Vergleiche die treffliche Darstellung dieser Theorie von Eoux, Der Kampf der Teile im Organismus, Leipzig, 1881. 14* ^12 Br. Friedrich Dreyer, die weitere Gestaltung, die Aunahme bestimmt fixierter Formen von elementareu mechanisclien Momenten abhaugt, mit denen wir uns in einem spateren (V.) Abschnitte ausfuhrlich zu beschaftigen habeu werden ; hier soil zunachst nur die erste Entstehung des Schalenhautcliens plausibel gemacht werden. Wie man sich die Lage desselben im Zellkorper eines primitiven Rhizopodeu zu denken hat, soil die Figur 2 veranschauliclien, dieselbe zeigt uns in das Exoplasma einer typischen Amobe (der schon in der vor- hergehenden Figur dargestellten Amoeba priuceps) eine solclie im ersten Entstelien begritfene Skelettmembran eingezeichnet. Wir denken uns also das Schalenhautchen dem Zellkorper uicht auf-, sondern der auCersten Protoplasmascliicht desselben eingelagert. \Mr sehen, daC sich hierdurch die Entstehung der Schalenhaut sehr naturlich erklaren laCt, und aus dem weiteren Verlaufe unserer Darstellung wird hervorgehen, daC wir eine ganze Reihe von Er- scheinungen , besonders des Schalenwachstums , iiberhaupt nur unter dieser Voraussetzung verstehen konnen. Wir haben daher guten Grund, anzunehmen, dafi eine die Schale aufien iiberziehende Plasmalage, wie sie in vielen Fallen that- sachlich beobachtet wurde und typisch ausgepragt vorliegt (Fig. 7, 272), samtlichen schalentragenden Thala- mophoren zukommt, und werden wir auch diese Voraus- setzung den nachstehenden Auseinandersetzungen tiber den Bau der Thalamophorenschalen zu Grunde legen. Dafi in vielen Fallen ein solcher aufierer Plasmauberzug noch nicht nachgewiesen ist, ist sehr begreiflich, denn einmal wird eine solche diinne hyaline Plasmalage, wenn sie nicht gerade Pseudopodien aussendet, auf der Schale nur sehr schwer zu sehen sein (am ehesten wohl noch am Rande im optischen Querschnitt), dann haben auch die meisten Forscher diesem Punkte bis jetzt noch nicht anhaltend ihre Auf- merksamkeit zugewendet, und endlich siud iiberhaupt noch ver- haltnismaBig weuig gute Beobachtungen an lebenden Rhizopodeu gemacht worden. Wie wir sehen werden, konnen wir uns nur auf die eben angedeutete Weise viele Entwickelungsvorgange , be- sonders die Erscheinungen des Dickenwachstums der Schale, befrie- digend erklaren, und wir nehmen daher an, daB bei alien Thala- mophoren die Schalenwand dem Protoplasma eingelagert ist, und zwar ist diese Einlagerung der eben gegebenen Theorie der Bilduug der Schalenhaut en tsprechend eine ursp r ungliche, nicht etwa, wie von fast alien Beobachtern hierher gehoriger Falle angenom- men wurde, erst sekundar durch von der Schalenmiindung aus- Die Geriistbildung bei Rhizopoden, l^pongien etc. 213 gehcndc Umfliefiuiig der Schale hcrvorgerufen. Die Schalen- haut trennt nach ihrer Anlage das Exoplasma in zwei Schichten, eine a u Gere, extracorticale und cine innere, int rac or ti cale, sie wird von diesen beiden Schichten in die Mitte genommen und beide Protoplasmalagen nehmen an ihrem Aufbau Anteil, ihr Bildu ngsmutt e r boden ist daher nicht ein ein- seitiger, sondern ein sy mmetrisch beiderseitige r. Wir haben Grund, anzunehmen , dafi die erste Anlage des Schalenhiiutchens — das man hier vielleicht noch besser Stiitz- oder Skelettmembran nennt — bei inditferenten Rhizopodenformen stattgefunden hat, die auBerlich noch keine festen Formen zeigten, wie dies die schematische Figur 2 zu veranschaulichen versucht. Die auCerst zarte Skelettmembran ist noch lange nicht stark genug, urn dem Rhizopoden eine bestimmt fixierte auBere Form zu verleihen , sondern sie giebt als elastisches Hautchen, etwa einer Fascie vergleichbar , alien Bewegungen der Pseudopodien nach. DaC ein solches Hautchen direkt mikroskopisch gar nicht Oder doch anCerst schwer zu konstatieren sein wird, ist von vorn- herein anzunehmen, gleichwohl scheint aber aus einigen gelegent- lich von friiheren Autoren gemachten Beobachtungen hervorzu- gehen, daC auch unter den uns bekannten Amobenformen einige eine derartige intraplasmatische Stiitzmembran besitzen. So be- richtet, um ein Beispiel zu erwahnen, Czerny^) iiber einen in- teressanten Fall. Derselbe wollte die Widerstandsfahigkeit der Amoben — als Versuchsobjekt diente ihm Amoeba princeps — gegen verschiedenprozentige Kochsalzlosung erproben und machte bei dem Absterben der Protisten infolge zu hoher Konzentrations- grade folgende interessante Beobachtung, die ich mir nicht ver- sagen kann mit den eigenen Worten des Autors wiederzugeben : „Bei Zusatz von '/4-prozentiger Losung ging keine Amobe zu Grunde, aber viele nahmen momentan die Kugelform an. Bei V3 Prozent starben schon viele, andere hielten mehr als 1 Pro- zent aus ; keine aber widerstand einer zweiprozentigen Losung. Im allgemeinen waren die triigeren Amobenformen widerstands- fahiger als die lebhaften. Die Kugelform trat entweder sogleich ein, Oder sie erfolgte erst, nachdem das Tier eine Zeit lang knol- lige, warzige Fortsiitze hervorgetrieben hatte. Nach einiger Zeit 1) V. CzEENT, Einige Beobachtungen iiber Amoben. Arch. f. mikroskop. Anat, Bd. V, S. 158. — 1869. 214 Dr. Friedrich Dreyer, platzten die Amoben haufig, wobei sich ein feinkorniger Inhalt aus dem Leibe des toten Tieres ergoC uud meist iu lebhafter MolekularbeweguDg in der umgebenden Fliissigkeit sich zerstreute, wahrend von dem Leibe des Tieres oft bloC die auCerste Schichte wie ein zartes Sackchen zuriickblieb." — Diese Erscheinungen waren unserer Auffassung entsprechend folgeudermafien zu deuten: Die Annahme der Kugelform ebenso wie das Austreiben der knol- ligen und warzigen Fortsatze sind die Folge von krampfhaften Kontraktionen des Exoplasmaschlauches, die, wenn sie sehr heftig sind, ein Platzen des letzteren zur Folge haben. 1st dies ge- schehen , so tritt das fliissigere Korperinnere, das Entoplasma, aus, und als letzter Rest des zerfallenden Sarcodeleibes bleibt end- lich nur die diinne Stiitzmembran als zartes Sackchen iibrig. Die eben geschilderte Reaktionsweise auf starke Reize zeigt auffallende tJbereinstimmung mit entsprechenden Reizerscheinungen bei hoheren Organismen, wie Wiirmeru, Holothurien etc. Auch hier pflegt sich oft auf starke Reize hin der Hautmuskelschlauch krampfhaft zu kontra- hieren, zu zerreifien und den Korperinhalt aus den RiBstellen oder der Mundoffnung herauszupressen. Wir hatten schon oben das hyaline Exo- plasma der Rhizopodcn mit eiuem Hautmuskelschlauche verglicheu und stoCen hier abermals auf die hochst interessante Thatsache, dafi schon bei den niedrigsten Rhizopoden Organisationsverhaltnisse auftreten, welche in ganz analoger Weise bei hoheren Organismen wiederkehren, ein Beweis dafiir, daC sie allgemeinsten Zweckmafiig- keitsprinzipien gemaC (durch funktiouelle Anpassung) gebildet werden, gleichviel, ob die zur Ausfiihrung dieses Bauplanes zur Verfiigung stehenden Mittel die denkbar einfachsten sind, wie bei den Rhizopoden, oder schon relativ reichhaltige und hochent- wickelte, wie bei den genannten Metazoen. Eine weitere Stufe in der Entwickelung des Rhizopoden- korpers ist in der Annahme einer bestimmteu Form gegeben, aber selbst hier kann das Schalenhautchen noch so zart sein, daC wir es mit unseren Hilfsmitteln nicht nachzuweisen vermogen. Als instruktives Beispiel moge hier in erster Linie der von Claparede und Lachmann entdeckte Petalopus diffluens angefiihrt werden (Fig. 6). Wie aus der Figur ersichtlich, besitzt der Korper bereits vollkommen die Gestalt eines monaxon-pylomatischen, mono- thalamen Rhizopoden, der aus einer Miindungsoffnung seine Pseudo- podien ausstreckt, gleichwohl konnte bei ihm keine Schalenhaut nachgewiesen werden; das Gleiche gilt fiir die Gattungen Dipl- ophrys und Plagiophrys. Dennoch ist wohl kaum zu bezweifeln. Die Geriistbiltluiig bei Rhizopoden, Sponjjien etc, 215 dafi audi hier sclion ein auBcrst zartes Sclialeiiliautchen vorhandcn ist. Wie wir uns die Topographic oincr solchen primitiven Form vorzustellen liaben , moge die Figur 3 veranschauliclien. Wir kounen uns dieselbe durch Annahme ciuer bestiuimten Gestalt uumittelbar aus unserer hypotlietisclien Amobe von Figur 2 her- vorgegangen denken Der Exoplasmasclilauch mit seiner Stiitz- membran hat eine ovale Form angeuommen , an dem spitzcn Pole befindet sich in der Membran eine Offnung, welche den Ver- kehr des innereu Protoplasmas mit der aufieren Schicht und der AuBenwolt vermittelt. Pseudopodien werden von der gesamten Korperoberfliiche ausgcsandt, naturgcmaC ist fiir die Pseudopodien- bildung der Mundungspol besonders begiinstigt, und deshalb findet dieselbe auch hier in verstarktem MaBe statt. Bei der Mehrzahl der schalentragenden Monothalaraien bleibt die Pseudopodien- bililung sogar auf den Mundungspol beschrankt, wahrend die ubrigeu Partieen der die Schale iiberziehenden Exoplasmaschicht glatt bleibeu, ein Umstand, welcher gewiB nicht wenig dazu bei- getragen hat, daB die letztere so oft iibersehen wurde. Gehen wir einen Schritt weiter , so begegnen wir Formen, deren Schalenhaut schon eine solche Starke erreicht hat, daB sie fiir uns sichtbar zu Tage tritt, immerhin aber noch so zart ist, daB sie den Bewegungen des Weichkorpers nachgiebt. Hierher gehoren Lieberkiihnia (Fig. 8), Gromia (Fig. 7), Pamphagus, Coch- liopodium. Die Schalenhaut umschlieBt hier dicht ihren Proto- plasma-Inhalt und vermag noch nicht selbstandig ihre Form zu be- wahren und sich von dem Protoplasmakorper abzuheben, sondern fallt nach Entfernung des letzteren in sich faltig zusamraen ^). Eine derartige diinne Schalenhaut kann auch bei der Vermehrung durch Teilung zugieich mit dem Weichkori^er mit geteilt werden. Dies wurde beispielsweise bei Lieberkiihnia paludosa beobachtet; Figur 8 zeigt zwei Individuen dieser Art, welche durch einfache Querteilung aus einander hervorgegangen sind, kurz vor ihrer Trennung. Beide hangen an ihrem aboralen Pol nur noch mit einem Stiel zusammen. Wir sehen hieraus, daB die Annahme ciner bestimmten Gestalt unabhiingig von der Schale eintritt, Und bevor die letztere die notige Festigkeit erlangt hat, um sich selbstandig ihre Form bewahren zu konnen. Auf welche Weise die Formgestaltung des Rhizopodenkorpers (infolge me- 1) M. ScHULTZE, Organismus der Polythalamien, S. 9. 216 Dr. Friedrich Dreyer, chaiiischer Prinzipien) zustaiide kommt, werden wir in Abschnitt V zu erorteru haben. Von einer Schale konnen wir eigeutlich erst dann reden, wenn die Schalenhaut einen Grad von Festigkeit erlangt hat, der es ermogliclit , eine fest bestimmte Form unabhilngig vom Weichkorper beizuhalten. Die Schale tritt dauu deni Weichkorper als etwas Selbstiindiges gegeniiber , was auch darin seinen Ausdruck findet, daK der \Yeichk6rper die Schale meist nicht vollstandig ausfiillt, soudern sich mehr oder weniger von ihr abhebt (Fig. 9). Eine solche feste Chitinschale ist den Rhizopodengeschlechtern Platoura, Hyalosphenia, Microgromia und Microcometes eigentumlich. Natiirlich wird auch bei diesen Formen zunachst ein diinnes Schalenhjiutchen angelegt werden, das erst rait zunehmendem Alter zu einer festen Schale erstarkt, von der sich der Weichkorper zuriickziehen kann ^ ). Ebenso wie eine feste Chitinschale den Be we gun gen des AYeichkorpers nicht mehr nachgiebt, kann sie bei der Vermehrung durch Teilung auch nicht mit geteilt werden, wie dies bei der weichen Schalenhaut moglich war (Fig. 8), sondern es bleibt nichts anderes iibrig, als dafi sich das eine der Teilprodukte eine neue Schale biklet. Es geschieht dies entweder in der Weise, daB eine Halfte des Weichkorpers aus dem Pylora herausquillt, die fiir die Art charak- teristische Gestalt annimmt und darauf eine neue Schale ausscheidet (vgl. Fig. 33 u. 230). Wir haben dann zwei mit ihren Pylomoffnungeu aneinandergefugte gleichartige Individuen, deren definitive Trennung sich vollzieht, nachdem auch der Weichkorper in zwei gleiche Halften zerfallen ist. Der andere Modus ist der (Microgromia), daC die Zellteilung noch innerhalb der urspriinglichen Schale vor sich geht. Das eine der beiden durch Teilung entstandenen In- dividuen bewohnt die alte Schale weiter, wahrend das andere aus- wandert (Fig. 10) und, nachdem es eine Zeit lang als Flagellat umhergeschwarmt ist, wieder Rhizopodengestalt annimmt und sich eine neue Schale bildet. In dem einen Falle geschieht also die 1) Schon Beady weist auf den wichtigen XJnterscliied zwischen dieseu beiden Entwickelungsstufen der Chitiu.^chale hin : „The invest- ment is either in the condition of a thin pellicle or skin adhering closely to the body of the animal, or, more commonly, forms a distinct test, which the animal may or may not completely fill." (Challenger Keport, Foraminifera, S. 129.) Ich wlirde zur Bezeichnung dieser zwei Ausbildungsstufen die Beuennuugen „ S c h al e n ha u t " und „S c h a 1 e" yorschlagen. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Sponj;ieu etc. 217 Bildiing (ler Sdialc vor, in deni aiidereii Falle erst nach voll- zogciier Teilmifjj. Endlicli kami cs auch vorkoirmien, daB beidc Individucn die alte Schale verlassen und jedes sicli eine neue bildet (bei Microcomctes paludosa nach Cienkowsky). Die primitiven Chitiusdialen zeichuen sich entsprechcnd ihrer niedercn Stellung gegeniilier den lioher entwickclten Sand- und bcsonders Kalkschalen durch groBe Einfachheit aus. Sie sind durchgeliends in Form eines monaxon - pylomatischen Sackes ent- w'ickelt, und nie konimt es hier zur Bildung mehrkammeriger Schaleu, noch weniger natihiich zur Ausbildung eines komplizierten Kanalsystems. Die Schalenwand ist eine schwacliere oder starkerc Membran, welche jeder inneren Struktur entbehrt und auch nicht von Poren durchsetzt wird, doch kommen in verschiedenen Fallen sowohl bei weichen Schalenhautchen als auch bei festen Schalen, iiuBere Rel iefverzierungen vor, welche man als ersten, wenn auch noch schwachen Anlauf zu hoherer Differonzierung betrachten kann. So ist bei Pyxidicula die Schalenoberflache mit Hockern besetzt, bei Plectophrys fein gestrichelt und bei Pseudochlamys, Difflugia triangulata Lang, und Difflugia carinata Arch, ist eine feine retikuliire oder areolare Zeichnung vorhanden, alles Diffe- renzieruugen , welche in einer ungleichmaCigen Sekretion von Schalenmaterial auf der AuCenseite der Schale ihren Grund haben und daher auf Rechnung der bildenden Thatigkeit der auBeren Exoplasmalage geschrieben werden mtissen. Was endlich noch die Farbe anbetrifft, so ist die Chitin- schale in den einfachsten und jedenfalls auch urspriiuglichsten Fallen vollig farblos und durchsichtig, in anderen Fallen nimmt sie, anfangs auch noch farblos, mit zunehmendem Alter eine gelb- braune Farbuug an, wie bei Cochliopodium, Ditrema, Gromia, Pseudo- chlamys, Pyxidicula. Die primitive chitinige Cuticulaschale tritt uns in ihrer ur- sprunglichen Einfachheit nur bei einer relativ verschwindend kleinen Anzahl von Thalamophoren entgegen, welche vorzugsweise auf das SiiCwasser beschrankt sind. Bei den ira Meere lebenden Geschlechtern erhebt sich die Schale auf eine hohere Stufe der Entwickelung dadurch, daB sie durch Einlagerung von an- organischem Material verstarkt wird. Diese Ein- lagerung kann auf zwei verschiedene Methoden bewirkt werden, entweder durch chemische Ablagerung von im 218 Dr. Friedrich Dreyer, gelosten Zustande aus dem umgebenden Medium aufgenommenenanorganischenVerbindungen, oder durch mechanische Einfiigung von Fremdkorpern in die Sclialen wand. Wenden wir uns also im Folgendeu der Be- trachtung dieser beiden Bildungsprozesse und deren Produkten zu, b) Die durch chemise he Einlagerung anorganischer Verbindungen verstarkte Cu ticulas chale. ZurVerstarkung derCuticulaschale durch che- mise he Einlagerung kommt fast ausschliefilich der kohlensaureKalkinAnwendung. Der aus dem Meereswasser gewonnene kohlensaure Kalk kommt bei der Bildung der Schalen so massenhaft zur Ausschei- dung und Ablagerung, daB ihra gegeniiber die urspriingliche Chitin- schale vollig in den Hintergrund gedrangt wird. Auf den ersten Blick scheinen die Kalkschalen der Thalamophoren ausschlieClich aus Kalk zu bestehen, und dies wurde auch friiher allgemein an- genommen, erst relativ spat kam man durch aufmerksame Beob- achtung und eingehende Untersuchung zu dem Resultate, daC alien Kalkschalen eine organische Grundlage zu- kommt, einem Resultate, welches besonders deshalb fiir das Verstandnis der Thalamophorenschale von grofier Wichtigkeit ist, well es uns die engen Beziehungen oiifenbart, welche zwischen der Kalkschale und der primitiven Chitinschale bestehen. Die or- ganische Grundlage der Kalkschalen zeigt hochgradige Uberein- stimmung mit der primitiven Chitinschale, ist mit derselben zu identifizieren, woraus sich von selbst ergiebt, daC die kalk- schaligen Geschlechter weiter nichts sind als die Nachkommen resp. die direkte Fortsetzung von primitiven chitin- schaligen Typen, entstanden durch in der Wand der Chitinschale stattfin dende Einlagerung von secern ierten Kalksalzen. Der Nachweis, daC den Kalkschalen der Thalamophoren eine organische, der primitiven Chitinschale entsprechende Grundlage zukommt, wird auf zweierlei Weise geliefert, einmal durch die Beobachtung und dann durch das Experiment. Man kann die Beobachtung machen, daB Thalamophoren, welche aus dem Meer in Brackwasser einwanderu, an dem Kalkgehalt ihrer Schalen mehr uud mehr EiubuBe erleiden und endlich in einigen Fallen (besonders beobachtet an Milioliden) den Kalk ganzlich verlieren, worauf eine Die Geriistbildung bci Rhizopodcu, Spongien etc. 219 liautig-chitinose Schalc iibrig bleibt, welche niit doii i)rimitivcn Chitinschaleu der SuCwasserrhizopoden vollstiindig iibercinstininit. Auf cxperinieutellem VVege kann man den Nachvvois jedcrzdt fiihren, iudtMu man bei einer Thalamophorenschalc don Kalk durch verdiiunte Siiurc vorsicbtig weglost, woiauf die organische Grund- lage unter getreuer Kouservieruug der Scbalenform zuriickbleibt (Fig. 15, 17, 18). tjber die Art und Weise, wie der Kalk mit der Chitinschale verbunden wird, wie er sich topograpbisch zu derselbeu als seiner organischen Grundlage verhalt , geben die Ansicbten noch etwas auseinander, obgleich die Differenzen in der Auffassung der ein- schlagigen Verhaltnisse unserer Ausicht nach uicht von fundamen- taler Natur sind. M. Schultze, Carpenter und aucb Butschli nebmen an , daft die organische Grundsubstanz die Wand der Kalkscbalen vollstandig impragniert und nur an der auCeren und inneren Wandflacbe zu einer Grenzlamelle verdichtet ist, dagegen erkennt Kolliker nur ein auCeres und inueres Scbaleuhautcben an. Uus erscheinen denn aucb die beiden begreuzenden Schalen- hautcben als das Hauptsachlichste; daC die von ihuen in die Mitte genommene Kalkmasse noch aufierdem von einem feinsten Geflechte der organischen Grundlage durchsetzt ist, scheint aus verschiedenen Beobachtungen fiir eine Reihe von Fallen mit grofier Wahrscheinlichkeit bervorzugehen, jedoch gentigen dieselben noch uicht, um ein solches Verbalten zu einem fiir samtliche Thalamophoren giiltigen Gesetze zu verallgemeinern. Es moge noch erwahnt werden, dafs uns auch eiue Verwechse- lung der bei geschichteten Schalen vorhandenen schichtenscheidenden organischen Lamellen (Fig. 19, 20) mit einer or^'anischen Imprag- nationsmasse leicht moglich erscheint. Durch das Aufl6!?en der Kalk- pchichten werden die zwischen ihnen eingelagerten feinen Chitin- lamellen zusammenfallen ucd teilweise zerreif^en, was dann den Ein- druck eines regellosen schwammigen Geflechtes hervorrufeu wird. Die zwischen den Kalkschichten lagernden parallelen diinnen Chitin- lamellen entsprechen jedoch, wie war sehen werden, losgeldsten und wahrend des Dickenwachstums in der Kalkwaiid zuriickgebliebenen Blattern des aufseren Scbalenhautcbens und sind nicht zu ver- wechseln mit einem den Kalk allseitig durchsetzenden schwammigeu organischen Geriistwerk. 'o' Aus unseren Erfahrungeu und theoretischen Forderungen er- giebt sich uns folgendes Bild von der Genese und Anatomie der kalkigen Thalaniophorenschalen. — Die Entwickclung einer Kalk- 220 Dr. Friedrich Dreyer, schale nimrat von einem eiufachen Schalenhautchen seinen Aus- gaiig, wie wir es fiir die primitiven Forraen als charakteristisch keunen gelernt hatten (Fig. 3), und rekapituliert so den Zustand vorausgegangener VorfahrengescMechter. Nachdera die Schalen- haut den notigen Grad von Starke erreicht hat, wird in ihr die Ablagerung von kohlensaurem Kalke beginnen. — Die Cuticula- schale der Protozoen kann man der Zellmerabran der Gewebs- zelle der Tiere und Pflanzen gleichen , und auch der Ver- stiirkung derselben durch anorganisches Material lassen sich aualoge physiologische Prozesse an die Seite stellen, die sich an der Zellhaut der Gewebszellen abspielen. Ein solcher Ver- gleich ist um so lehrreicher, als er uns daran erinnert, daC die Bildungsprozesse der Thalamophorenschale nicht insoliert steheu und nur bei den einzelligen Rhizopoden vorkommen, sondern daB sie auf allgemeinen Fahigkeiten der Zelle beruhen, welche allgemeiu da zur Geltung kommen, wo die notigen Bedingungen vorliegen. Aus dem Bereiche der tierischen Histologic lieCen sich verschiedene hierher gehorige Falle registrieren, aufierdem bieten die kalkigen Cuticularbildungen , wie sie bei Crustaceen und Molluskeu in Form von Panzern und Schalen so tonangebend auf- treten, wie wir auch spater noch sehen werden, verschiedene in- teressante Parallelen. Ein Vergleich der Cuticulaschale der Thala- mophoren mit den letztgenaunten Bildungen ist jedoch iramerhin nur unter gewissen Voraussetzungen und Einschrankungen ge- stattet, worauf, um MiBverstandnissen vorzubeugen, gleich hinge- wiesen werden moge, das Gleiche gilt fiir viele Vorkommnisse bei einzelnen tierischen Gewebszellen. Am durchsichtigsten liegen die Verhaltnisse bei pflanzlichen Gewebszellen. Viele Pflanzen, wie z. B. die Equisetaceeu, verstarken ihre Zellwilnde durch Einlagerung von Kieselsaure, die Corallinen durch Einlagerung von kohlen- saurem Kalk ; die Drusen von Kalkoxalat , welche an Cellulose- balken im Inneren mancher Pflanzenzellen aufgehangt erscheinen, sind weiter nichts als massenhafte Einlagerungen von oxalsaurem Kalk in diese Zellstoffbalken , ebenso miissen die Oltropfen in vielen, atherisches 01 fuhreuden Behaltern gedeutet werden, die die Gewebszellen voneinander scheideuden Membranen spalten sich, und in den so entstehenden , von 2 Lamellen begrenzten Zwischeuraumen kommen die verschiedenartigsteu Sekrete zur Ab- lagerung, und entstehen so die so verbreiteten schizogenen inter- cellularen Sekretbehalter etc. etc. Der ProzeB der Kalkablagerung bei der Entwickelung der Cuticulaschale der Thalamophoren , auf Die Geriistbildung bei Rhizopoilen, Spongien etc. 22i die wir luich dieser Abschvveifung- nun wioder zurtickkoiiinien, verliiult waliischuiulich iu geuuu derselben Weise, wie die Eiit- stelmug cines schizogeiieu iutercellularen Sekrctbehalters. Die clii- tiuige Cuticulaschale spaltet sich, uud der so entstandene Zv^ischen- rauin, welcheu die beideu aus der gespaltcnen Chitinschale hervor- gegaugciien Laniellen, die nun zu den beiden „Schalenhautcben" der Autoreu werdeu, zwischen sich I'assen, wird durch den secei- nierten kohleusaureu Kalk ausgefullt. Je iiiehr die Abscbeidung des letztereu zuuimmt, desto iiiebr riickeu die beiden organisclien Greuzbaute auseiuauder, und in deniselben MaCe ninimt die Schaleu- wand au Dicke zu. Der Bau einer kalkigen I'halaniophorenschale uud ibr topograpbiscbes Verbaltnis zuni Rbizopodeukorper wan; deuiuacb iu iolgruder Weise aut'zufassen (Fig. 11, 12). Die Kalkschicbt wird beiderseits eingefalit von den beideu Schalenhauten, und auf diese folgt uacb iuueu uud uach auiien die iunereund auBereSchicht des motor iscb-skeletogenen Exoplasmas, dem die iSchale als ihrem erzeugenden Mutterboden einge- lagert ist. Dieses symmetrische Schick tensystem umschlieBt das Entoplasma mit seinen Einschlii ssen. Auf den schematischen Eiguren 3 and 11 — 14 babe icb das mo- torisch-skeietiJgene Exoplasma hell gelassen, im Gegtnsatz zura dunkeln Entoplasma, ebenso wie aul Figur 2, an welche sich diese Figuren- reihe anschlieist. Es geschah dies deshalb, um die Schichtun^sver- hultiiisse deutlich hervortreten zu lassen, obgleich bei den retikulosen Khizopoden ein Unterschied zwischen Exo- und Entoplasma optisch meist nicht nachweisbar ist, wie bei den priraitiven Lobosen. Daran, dafa beide Flasmaschichten bei samtlichen Thalamophoren thatsachlich ditierenziert sind, ist wohl nicht zu zweifeln. Daii den Kalkschalen eiue orgauische Grundlage zukoramt, kann man, wie schon bemerkt, durch Auflosen des koblensauren Kalkes in Saure darthuu. Durch dies el be Operationsmethode, eiu sorgfaltiges Verfahreu vorausgesetzt , hilit sich auch zeigeu, dafi das Lageruugsverbaltuis der orgauischen Grund- masse zum sezernierten koblensauren Kalke speziell dem e b e n geschilderten eutspricht. Besonders instruktiv sind hier- liir entkalkte Miliolidenschalen (Fig. 15), man sieht bier deutlicbs, wie die beideu Schalenbaute als ein doppelwandiger Schlauch dife Kammerhohleu umgeben , der Zwischenraum zwischen densclben wurde Iriiher von dem koblensauren Kalke eingenommen. Das- selbe geht aus Figur 17, einer entkalkten Rosalina hervor, auch 22^ br. Friedrich t)rey61% liier benierkt man, wie die beiden Scbalenhaute eine doppelte Wand bildeu, in deren Zwiscbraum sicb die Robren der Poren- kanale ausspannen. Vergleicbt man dieses entkalkte Schalengerust niit einer intakten Scbale, einer abnlicben Form (Fig. 16), so kann man sofort konstatieren, dafi dasselbe samtliche Konturen der Kalkschale getreu wiedergiebt. Auch bei kompliziertereu Tbalamophorenschalen werden alle Formen nach dem Aufloseu des Kalkes bewabrt (Fig. 18). Der Nachweis bei der Scbalen- bautcben durch Weglosen des Kalkes kann natiirlicb nur bei groCer Vorsicht gelingen; wendet man die Saure zu konzentrien an, so mufi notwendig eine sturmiscbe Koblensaure-Eutwickelung erfolgen, die ein ZerreiBen der zarten Hiiute nach sich ziebt. Be- sonders hiiufig wird begreifiicherweise von dem nach aufien driingenden Gas die auCere Scbalenhaut fortgerissen werden. Wie aus Figur 21 hervorgeht, gescbiebt dies zuweilen so griindlicb, dafi nur die innere Scbalenhaut uud die diese mit der aufiereu verbindenden , nun fiei von ihr ausstrahlenden Chitinrohren der Porenkanaie erbalten bleiben. Es ist durcbaus nicbt zu ver- wundern, daB in vielen Fallen wegen der auBersten Zartheit der Scbalenhaute der Nachweis derselben durcb Eutfernung des Kalkes sebr eischwert, ja ganzlich unausfubrbar gemacht werden kann. In dieser Ricbtung lehlgescblagene Versuche sind nicht gleich als Beweis gegen die Aligemeingiltigkeit der eben gescbilderteu Scbalenstruktur auzusehen. — AuBerdem kann man die auBere Scbalenhaut an Querschliffen der Schale da konstatieren, wo zwei Kammern aneiuander grenzen oder sich zwei Windungen iiber- lagern, hier markiert dieselbe eine scharfe Grenze zwischen den aneinander gewachsenen Scbalenpartieen. Als Beispiel hierfur moge die Figur 20 dienen. Dieselbe stellt ein Stiick aus dem Bau einer Carpenteria dar, rechts ist eine kleine geschlosseue Robre, links an dieselbe schlieBt sich ein Wandstuck einer groBereu Rohre an, die Kalkmassen beider Rohren werden durcb die auBere Scbalenhaut der ersteren voueinander getrennt. Das Dickenwachstum der Kalkschalen tindet vorzugsweise, wenn nicht ausscblieBlicb, nach auBen bin statt. Diese wichtige Thatsache laBt sich aus verschiedeneu Befunden mit Sicberheit ent- nehmen '): 1) ist von einer nachtraglichen Verengerung der Schalen- raume nichts zu bemerken, 2) treten an der AuBeuflache der Schalen sebr haufig Reliefverzierungen (Fig. 24, 25, 215, 222, 240 — 242) der 1) BtJTSCHLi, Trotozoa, S. 128—129. Die Gerlistbilduug bei Khizopodeu, Spougieu etc. 22cJ verscliiedcnsteii Art aul", die jungeu ISchaleu und Scbalenteileu uoch abgcheu, 3) die Aullageiuug von sekuudilrer Schalenniasse (/wiscbeuskelett) auf die priiuiire Kammervvaud bei Peiioratcn (i'"ig. 23), besouders iustruktiv da, wo dieselbe liltere Scbaleuteile uberwucliert. — Hieraus zogeu scbou Carpenter, Kolliker uud Wallich, deueu sicb BCtschli iu seiueu „Protozoeii'' auscbHeiit, luit Kecbt deu ScbluB, dali das Dickeiiwacbstuni der Kaikscbaleu (ler Tbauiiuopboreu von euieni ilulieren Plasmauberzug dor Scbale besorgt werden miisse, deni Wallich sogar deu besonderen Nanieu Cbitosark beilegt , uni dadurcb seine Bedeutuug als kalkabsou- derudes Organ besouders bervorzubeben. Wir haben deun aucb tbatsiicblicb in der liuliereu, die iScbale umscbliefienden Exo- plasmaiage — uud bieraus gebt wieder der Wert unserer Aut- fassung des bcbicbtenverbaltnisses im Rbizopodenkorper bervor — diejenige Plasniapartie zu erblicken , von weicber die Se- kretion des kobleusaureu Kalkes uud somit das Dickeuwacbstum der Scbale ausgebt. Eine weitere Frage, die uus bier entgegeutritt, ist die, in weicber Form der kobiensaure Kalk inuerbalb der Cuticulascbale der Tbakmiopboreu zur Abbigeruug kommt. Iu dieser Ricbtung bat zuletzt Ebner^) Uutersucbuugen augestellt im AuscbluC an seine wichtige Arbeit liber die Struktur der Kalkscliwamm- nadelu, auf die wir spilter nocb einzugeben babeu werden. VVie es sicb erwarten lieli, kara Ebner zu dem Resultate, duli „sich der kobiensaure Kalk einfacb in das gewobnlicbe Schema des Baues der Zellmembraneu einfiigt, ganz analog wie bei deu Kalkalgen (Corallinen und Litbotbamnieu)", deren Zellen ja be- kauuthch ebenfalls ibre Waude durcb n]assenbafte Einlagerung von koblensaurem Kalk verstarkeu. Hier wie dort sind bei der krystalliniscben Kalkraasse die Krystalliudividueu senkrecbt zur Obertiacbe der Scbale orientiert. Zuweilen soheiut es allerdings, als ob sich der kohleusaure Kalk nicht mehr dem cuticularen Skelettbildungstypus unterordnete uud von dem Zwange der Cuticulaschale emauzipierte. So wurde bei verschiedenen Perforaten (Ulobigerina, Orbulina, Fulvinulina, Lagenaetu.) besouders vou Wallich konstatitrt, dafs die sogen. sekuudiire Schaleu- 1) V. V. Ebneb, tJber den feineren Bau der Skelettteile der Xalkschwiimme nebst Bemerkungen iiber Kalkskelette iiberhaupt, S. 81—82. — Aus Wiener Sitzungsber. , XCV. Bd,, Jahrg. 1887, 1. Abt., Marz-Heft. ^24 i)r, F r i e d r i c li 1^ r e y e r , masse, wolche die primare Schale iiberlagert, aus wctzsteinformigeu, krystallalinlichen Individuea zusammeagesetzt ist (Fig. 23). Der Vorgang der Kalksekretiou selber scheint sich als ein vitaler ProzeB uDserem Verstauduis zuuachst noch zu eutzieheii. Neue Uutersuchungeii von Steinmann ^) zeigen jedoch, daB vvir uns denselbeu erklareii kouneu, ohne dabei ein direktes Einschreiten der Lebensthiitigkeit des Organisnms annehmen zu braucheu, also auf rein chemische Art und VVeise. Sciion Harting ^ ) stellte be- kanntlich hierher gelioiige Versuclie an. Dadurch, dafi er EiweiJi Oder andere stickstoffhaltige Substauzeu (Gelatine) und koblen- saure Alkalien aufeinaiider einwirkeu lieC, atellte er einen Nieder- schlag von Kalkkarbonat her, dessen Partikel bei mikroskopischer Untersuchung dasselbe chemische und optische Verhalten besafieo, wie die Coccolitheu, die Porzellauschkht der Moliuskenschaleu und viele andere orgauische Kalkgebilde. Steinmann weist nun nach, dafi auch ohne Zusatz vun kohJensauren Alkalien Eiweifi imstaude ist, aus Losungen von Kalksalzen?, wie schwel'elsaurem Kalk oder Chlorcalcium, Kalkkarbonat zu fa,llen, und zwar in derselben Form wie Harting es erzielte. „Die Scliale der Mollusken wird vom Epithel des Mantels erzeugt; aber es giebt Thatsachen, welche beweisen, daC auch andere Telle des Korpers Schalenmasse bilden konnen. Die Schale von Argouauta wird nur im embryonalen Stadium vom Mantel alieiu abgesondert , spater lagern die verbreiterten liuckenarme eine „Armschicht" auf der „Mantel- schicht" ab. Die seitlichen Ohren der Kapuze von Nautilus pompilius trageu in ithnlicher Weise zur Schalenbildung bei, indem sie die Nabelverdickuug absetzen. Der Kopf vieler fossiler Ce- phalopoden wurde bis auf wenige scharf umgrenzte Ofifnungen von Schalenmasse umwachsen. Der Sipho der Pholaden sondert eine rohrenformige Schale ab, und der Deckel der Gastropoden bekundet die Fahigkeit des FuCes, Schalenmasse zu erzeugen. Untersucht man den braunlichen Conchyolinbelag, welcher die unbeschalten , stark muskulosen Telle des Weichkorpers vieler Mollusken uberzieht, wie z. B. die braune Schicht der Kopfkappe, 1) G. Steinmann, tJber Schalen- und Kalksteiubildung. Ber. d. Naturf. Ges. zu Freiburg i. Br., Bd. IV, Heft 5. 2) P. H.AETING, Recherches de morphologie syuth^tique sur la productiou artificidle de quelques formations calcaires orgauiques. Verhandeiingen der koniuklijke Akademie van Wetenschappen. 13. Deei. Amsterdam, 1873. Die Geriistbildung boi Ixhizopoden, Spoiigien etc. 225 des Tricliters oder der Tentakeln vou Nautilus, den Uberziig der Athemrolire oder des Fulies von Zweischalern etc. , so tindet man !>tets in Verbindung rait dem Conchyolin niikroskopisch kleine Kalkstiicke, die sich aber nicht zu einer festen Schale zu- saninienschlielieu, die viehnehr ebenso wie das Conchyolin selbst periodisch ahgestolien und erneuert werden. Der gleiche Vorgaug scheiut sich auf der Korperobertiache vieler anderer mariner Tiere, z. B. der Colenteraten, wenn auch in weniger intensivera Malistabe, abzuspieieu." Die Kalkabscheidung und Schalenbildung ist also nicht an die Lebensthatigkeit eines hierfiir speziell eingerichteten Organs, ja nicht einnial an bestinimte Tiere gebunden, sondern tritt uberall da auf, wo die notigen Bedingungen vorhanden sind. Diese Bedingungen werden bei den meisteu Meeresorganisnien er- fiillt sein, deun es geniigt von seiten des Organismus eine Ab- scheidung vou Eiweiiistotfen, und Chlorcalcium und schwefelsaurer Kalk sind im Meerwasser stets vorhanden. „Wo die ausgeschie- deue Schalen masse sich an schon friiher gebildete Schalenteile oder an eiuen aulieren Widerstand (Teredo) anlageru kann, oder wo ein korperteii langere Zeit ruhig verharrt, kommt es^zur Bildung zusammenhangender Hartgebilde; wo aber Schalenmasse an einem siark muskulosen und bewegten Korperteile abgesondert wird, konnen die einzelnen Stucke, aus deren Zusammenfiigung die kompakten Schalen entstehen, sich in der Kegel nicht zusammen- schlieiien", sondern fallen in demselben Mafie, wie sie gebildet werden, nach und nach ab. Hieraus ergiebt sich die Zweckmaliigkeit der Schalengestaltung von selbst, Kalkschalen konnen nur an denjenigen Korper- teileu und bei den Tieren entstehen, wo sie einer stattfindenden Bewegung nicht hinderlich sind. Jetzt verstehen wir auch, weshalb den Kalkschalen der Thala- mophoren eine organische Gruudlage eigentumlich ist, weshalb sie, vou phylogenetischen Grunden ganz abgesehen, Chitinschalen als Vorlaufer habeu muCeu. Bei dem fortwahrenden Spiel der Pseudo- podien wiirden die abgeschiedenen Kalkkornchen keinen Halt hnden, um sich zu einer Schale zusammenfugen zu konnen. Anders ist es mit der primitiven chitinigen Cuticulaschale, dieselbe steht dem lebenden Korper nicht als eine aufiere Zuthat fremd gegeu- Uber, sondern gehort ihm unmittelbar an, was eine Kalkschale als solche an der Entstehung verhiudern wurde, ist gerade ihr Ent- slehuugsgiund, sie bildet sich, wie schon gezeigt wurde, unter dem trophischen Reize des in immerwahrender Bewegung als Bd. XXVI. N. F. XIX. 1 5 226 Dr. Friedrich Dreyer, funktionelle Anpassung befiadlicheu Exoplasmaschlauches. Hat die Chitinschale die notige Festigkeit erhalteu, so kann auf ihrer Grundlage die Bildung einer Kalkschale stattfindeo. — Die cliemi- schen Prozesse, welche sich bei der Umsetzung der Kalksalze ab- spielen, sind nach Steinmann kurz folgeude : „Bekanntlicli erleidet das Kalkkarbonat, welches die Flusse dem Meere zufiihren, eine Umsetzung in Chlorid bezw. Sulfat; die iiierzu uotige Saure liefeiu wahrscheinlich die Pflanzen, indem sie bei der Aufnahme vou Alkalien die betr. Sauren abscheiden". Die Fallung von Kalkkar- bonat aus diesen Chloriden und Sulfaten durch abgeschiedeiie Ei- weifistoflfe geschieht durch kohlensaures resp, karbamiiisaures Ammoniak, welches „bekanntlich abgeschiedene stickstoHhaltige Substanzen des Tierleibes, EiweiC und verwandte Stotfe , durch fermentative Prozesse in groCen Mengen produzieren, da sich in ihnen begreiflicherweise stets Bakterien einfindeu werdeu". Dem- entsprechend batten wir uns die Bildung der Kalkschale bei eiuem Rhizopoden etwa in folgender Weise vorzustellen. Der ganze bar- codekorper ist vom Meerwasser und somit auch von den in letzterem gelosten Kalksalzen durchtrankt. Da, wo EiweiBstotfe aus dem lebenden Protoplasmakorper ausgeschieden werden, werdeu sich in kurzem Bakterien einstellen, durch die durch die Lebensthatigkeit derselben angeregten fermentativen Prozesse wird kohlensaures Ammoniak erzeugt, und dieses bewirkt die Fallung von kohlen- saurem Kalk aus dem Chlorcalcium und schwefelsauren Kalk des alles durchtrankenden Meerwassers ; wo eine feste Grundlage in Gestalt einer Chitinschale oder bereits vorher abgelagertem Kaik vorhanden ist, konnen sich die einzelnen Kalkteilchen zu kompakter Schalenmasse zusammenlagern. Da, wie wir obeu sahen, das Dickenwachstum der kalkigen Thalamophorenschalen nach auCen hin stattfindet, werden sich diese Prozesse zwischen der aufieren Exoplasmalage und der auCeren Schalenwand abspielen, wobei das auCere Schalenhautchen noch mit zu ersterer zu rechnen ist. Der Rhizopode und die Bakterien teilen sich in die Arbeit, welche bei dem Aufbau der Kalkschale zu leisten ist. Die letzteren be- sorgen die Herstellung des Baumateriales, wo ihnen ihre Existenz- bedingungen geboten werden, dies thut der Rhizopode durch Aus- scheidung von eiweifihaltigen Stoffen, und zugleich regelt er die Kalkbildung dadurch, daC es in seiner Macht steht, den Bakterien nur da Nahrboden anzubieten, wo die Anlagerung von Schalen- material in seinen Organisationsplan hineinpaBt, auBerdem wird die ganze Form des auszufUhrenden Schalenbaues in der mit Die Geriistbildung bei Ehizopoden, Spongien etc. 227 einem Baugerust vergleichbaren Chitinschale von dem Rhizopoden vorher augclcgt. Der Rhizopode ist zu vergleichen mit eineui intelligeiiten Baumeister, die Bakterien mit Handlangern, diese verseheu als Maurer das von dem Baumeister errichtete Geriist da mit Kalk, wo sie von demselben bingewiesen werden. — Diese von ISteinmann zuniichst fur die Bildung der Molluskenschalen aufgestellte Theorie erweist sich, wie wir sehen, auch als frucht- bar, die Bildung der Kalkschalen der Rhizopoden unserem Ver- standuis naher zu bringen, zugleich geht aber aus derselben her- vor, dali diese Vorgange durchaus uicht so einfach zu sein scheinen, wie man gewohulich anzunehmen ptiegt. Schon lange unterscheidet man unter den kalkschaligen Thala- mophoreu imperforate und perforate Typen. Das Hauptmoment bei dieser Unierscheidung ist die undurchbolirte oder durchbohrte Beschaffeiiheit der 8chale, auBerdem schlieCen sich hieran noch eiue Reihe von Eigentiimlichkeiten an, welche sich auf die feinere iStruktur der Schalenwand beziehen. Die Imperforaten-Schale zeigt bei auffallendem Licht ein opakes, milchig-weifies, porzellanartiges Aussehen. Die zwischen den beiden Schalenhauteu eiugelagerte Kalkmasse ist massiv, un- geschichtet und macht einen homogenen Eindruck, jedoch soil ihr nach KoLLiKER und Butschli ein „feinfaserig-korniges Wesen" ' ) eigentumlich sein, was sich besonders bei Orbitolites und Alveo- lina nach Anwendung starker Vergrolkrungen konstatieren lieB. Entsprechend dieser einfachen anatomischen Beschalfenheit der Imperforateuschale wird auch ihre Bildungsgeschichte einfach verlaufen. Unter dem auCeren Schalenhautchen findet eine gleich- mafiige Ablagerung von kohlensaurem Kalk statt , und in dem- selben MaBe, wie hierdurch die Kalkwand an Dicke zunimmt, riickt die auBere Schalenhaut nach auCen, bis die Schale ihre de- finitive Starke erreicht hat (vergl. die Wiinde der beiden Kammern bei Fig. 14). Die Perforaten-Schale ist nicht opak, sondern glas- artig durchsichtig (vereinzelte Ausnahmen, wie z. B. Calcarina, abgerechnet, auch „sollen nach Carpenter die toten Schalen durch langes Liegen in Seewasser weifi und opak werden") ^), falls nicht durch feine und sehr eng stehende Porenkanale die Durchsichtig- keit getriibt wird. „Es hangt die glasartig durchsichtige Be- schafienheit der Schalenwandungen dieser Formen ohne Zweifel 1) BiJTscHLi, Protozoa, S. 23—24. 15' 228 Dr. Friedrich Dreyer, damit zusammen, daB ihnen das feinfaserig-kornige Wesen, welches wir bei den Imperforaten trafen, meist vullig abgeht" ^). Die die Schalenwand durchsetzeuden Porenkanale sind von einer Chitin- haut ausgekleidet, welche als die direkte Fortsetzung der auCereu und inneren Sclialenhaut aufzufassen ist (Fig. 19, 20). Nacli der Entkalkung der Schale bleibt diese Auskleidung in Form von Rohren bestehen, welche sich wie hohle Strebepfeiler zwischen den beiden Schalenhauten ausspannen (Fig. 17, 21). Man kann dieses Verhalten der Schalenporen analogen Befunden bei der Insekten- Cuticula an die Seite stellen , die sich ebenfalls als Einstulpuug auf die Innenwand der Tracheen fortsetzt. Es liegt demnach auch bei den perforierten Schalen der eingelagerte Kalk nirgends nackt zu Tage, sondern wird wie bei den Imperforaten so auch hier all- seitig von der Chitinhaut, der durch die Kalkeinlagerung aus- einandergetriebenen primaren Cuticulaschale, eiugeschlossen. Die Chitinhaut ist uberall zwischen Exoplasma und Kalkmasse einge- lagert, so daC es nirgends zu einer direkten Beriihrung dieser Schichten des Rhizopodenkorpers kommt. Oft sind die Poren- kanale durch Einschniirungen gegliedert, welche zu der Schichtung der Schalenwand in Beziehung stehen (Fig. 20, 21). Wahrend sich die Weite der Poren in der Regel bei ein und derselben Form gleich bleibt, kommen jedoch auch Falle vor, wo die Schalen- wand von zweierlei (groben und feinen) Porenarten durchbohrt ist, besonders ist dies fiir Globigerina und Orbulina charakte- ristisch (Fig. 23 b). Zuweilen zerfallt die Schalenwand in den Poren entsprechende, senkrecht stehende, meist sechskantige Pris- men (Fig. 22). Dies Verhalten laBt sich wahrscheinlich so erklaren, dafi bei dem Aufbau der Schale jedes eine Pore durchsetzende Pseudopodium als selbststandiges Centrum der Kalkbildung auftritt. Ganz analogen Verhaltnissen begegnen wir bei den endodermalen Epithelien der verschiedensten 'liere. Auch hier wird die Cuticula zuweilen von feinen, zur Oberflache senkrecht stehenden Poren durch- bohrt und zerfallt diesen Poren entsprechend in prisraatische Siiul- chen, weshalb man diese Form der Cuticula als Stabchencuticula be- zeichnet ^). Eine charakteristische EigentiimHchkeit der Perforatenschale ist endlich noch die Schichtung. Dieselbe lauft stets der A. 1) BCtschli, Protozoa, S. 23 — 24. 2) B. Hatsohek, Lehrbuch der Zoologie, Jena, 1889, S. 145. — Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, Jena, 1888, S, 38. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 229 Schalenoberflachc parallel iind laCt sich jedenfalls darauf zuriick- fiihren, daC die Kalkmasse durch feiiic organische Haute in La- melleii zerlegt wird (Fig. 19, 20). Dicse Struktur, welche man an Querschliffcn beobachten kann , ist der Ausdruck von einem cigeutiimlichen Modus des Dickenwachstums der Schale. Wie bei den Imperforaten wird auch bei den Perforaten die Kalkmasse un- niittelbar unter der iiuBeren Schalenhaut angesetzt, entsprechend der fiir alle kalkigen Thalamophorenschalcn geltenden Kegel, daB (las Dickeuwachstum der Schalenwand nach auCen bin stattfindet. Wiihrend aber die Kalkablagerung bei den Imperforaten stets gleichmaBig stattfindet, und die auGere Schalenhaut gleichmaCig nach auCen fortriickt, haben wir uns das Dickeuwachstum der Perforatenschale anders vorzustellen. Bei der ersten Anlage wird natiirlich auch hier zunachst die primitive chitinige Cuticulaschale gebildet werden, die sich bei dem Beginn der Kalkablagerung in die beiden Schalenhaute spaltet. Hat sichjedoch zwischen diesen eine diinne Kalkschicht gebildet, so wiederholt sich die Spaltung an der auCeren Schalenhaut, zwischen den hierdurch entstandenen beiden Hiiuten wird eine weitere Kalkschicht gebildet, die diinnere innere Haut bleibt als Scheide zwischen den beiden ersten Schichten in der Kalkmasse zurtick, an der auCeren, welche mit dem Exo- plasma in Beriihrung bleibt, wiederholt sich die Spaltung, eine dritte Kalkschicht wird gebildet und so fort, bis die Schale die definitive Dicke erreicht hat. Die die Kalkschichten voneinander trennenden organischen Haute sind demnach aufzufassen als von der auCeren Schalenhaut abgespaltene und wahrend des fort- schreitenden Dickenwachstums in der Kalkwand zuriickgebliebene Lamellen. Ebenso, wie die gleichmafiige Struktur der Imperforaten ein Ausdruck fiir ein gleich- maCigesDickenwachstumist, zeugt dergeschichtete Bau der Schale der Perforaten von einem rhytmi- schen Dickeuwachstum. Die die Porenkanale auskleidenden Chitinrohren bleiben durch ein stetig fortschreitendes Langen- wachstum mit der nach aufien ruckenden Schalenhaut in Verbin- dung, dieses Langenwachstum wird da stattfinden, wo sich die letztere nach innen in die Chitinrohre umschlagt, die oben schon erwahnte Beziehung zwischen der Gliederung, wie sie sich be- sonders bei langeren Porenkanalen findet (Fig. 19 — 21), und den Schichten der Schalenwand ergiebt sich nach der eben gegebenen Charakteristik des rhytmischen Dickenwachstums wohl von selbst. Haufig ist die innerste Schalenschicht besonders scharf von der 230 Dr. Friedrich Dreyer, iibrigen, iiuCereu Schalenmasse geschieden (Fig. 23 a, b), was sich zuweileii auch dariu ausspricht, daC nur die erstere vou Poren durchsetzt wird, die Perforierung also mit der Auflagerung der auOeren Schichten verloren geht. Ich pflichte jedoch BOtschli 0 vollkommen darin bei, welcher sich dagegeu ausspricht, derartigen Befunden eine fundamentale BedeutuDg beizumessen, wie es Car- penter thut, indem er die innerste Schicht als „proper wall" der iibrigeu auCeren Schalenmasse als einem „supplementaren Skelett" gegenuberstellt. Was die Farbe der Kalkschaleu der Thalamophoren anbe- trifft, so sind dieselben meistens farblos, doch komnien verschie- dene Ausnahmen von dieser Regel vor. So zeichnen sich Polytrema, Discorbina, Globigerina rubra d' Orb., Truncatulina rosea d' Orb., verschiedene Rotalien durch eioe schon rosarote Farbung aus (Fig. 16), Cyrabalopora ist rotbraun, Carpenteria utricularis Carter braungelb , Carpenteria Raphidodendrou Mob. blau , etc. Bei solchen gefarbten Formen fragt es sich, wo wir den Farbstoff zu such en haben, d. h. ob die Kalkraasse oder die Schalen- haut gefarbt ist. Hieriiber giebt uns, ebenso wie bei den soeben besprochenen morphologischen Frageu, eine vorsichtige Entkalkung der Schale AufschluB: verschwindet die Farbung nach dieser Operation mit dem Kalk, so muB sie an den letzteren gebunden gewesen sein; ist dies nicht der Fall, so bleibt nur die Schalenhaut als Trager der Farbe iibrig, und so ver- halt es sich denn auch. Figur 17 zeigt uns den entkalkten Korper einer gefarbten Thalamophore, sehr ahnlich der auf der vorhergehenden Figur dargestellten lebenden Form (beide nach M. Schultze). An demselben ist deutlich zu sehen, daC die or- ganische Grundlage der Schale gefarbt ist, und zwar die innere Schalenhaut. DaC die chitinige Grundlage der Trager der Farbung ist, hatten wir schon a priori vermuten konnen, denn schon bei den Geschlechtern mit einfacher Chitinschale begegneten wir Fallen, wo die letztere, die ja den Schalenhauten entspricht, gelb bis braun gefarbt war. Wir bemerkten dort zugleich, daC die Farbung sich erst mit zunehmendem Alter der Schalenhaut einstellt, und dasselbe konnen wir auch bei den kalkschaligen Thalamophoren beobachten. Auch bei diesen ist es Kegel, daB die letzte oder mehrere der letzten Kammern, die ja naturgemaC auch die jiingsten sind, noch der Farbung entbehren (Fig. 16—18), 1) BtTscHLi, Protozoa, S. 26—27. Die Gerlistbildung bei Rhizopoden, Spongieii etc. 231 zuwcilen ist dieselbe imr auf die altesten Kainniern beschrankt. — Wir sehen also, dafi sich auch in dieser Beziehung die Schalen- haut der Kalkschalen als die direkte Fortsetzung der primitiven Chitinschale erweist. Durch uiigleicliinaCige Auflagerung von Kalkmasse konnen die verschicdenartigsten Reliefverzi erungen auf der Schalen- oberfljiclic entstehen, wie knopfformige Erhabenheiten , Stacheln, Rippen, Leisten, Kamme, punkt- oder grubenformige Einseukungen, netzformige oder areolare Strukturen (Fig. 215, 222, 240 — 242). Es offenbart sich hierin eine groCe Mannigfaltigkeit. Die Kalkmasse, aus welcher diese Verzierungen bestehen , ist stets unperforiert iind charakterisiert sich daher besonders bei den Perforaten als das Produkt einer sekundaren Auflagerung, indem sie die Poren- offnungen der iiuCeren Schalenflache teilweise verdeckt und sich von der perforierten urspriinglichen Schalenwand scharf abhebt. Dies ist jedoch kein Grund, ebensowenig wie bei dem oben er- wahnten sogenannten „supplementaren Skelett" Carpenter's, eine prinzipielle Verschiedenheit anzunehmen. Hier wie dort haben wir weiter nichts als eine Schichtendifferenzierung vor uns, denn auch die Reliefverzierungen einer Schale sind weiter nichts als eine oder moglicherweise mehrere iibereinander lagernde Schichten, die nur nicht in ihrer ganzen Fliichenausdehnung gleichmaCig und kontinuierlich entwickelt sind. Die Entstehung dieserVer- zierungen ist ein Spezialfall des Dickenwachs- tums der Schalenwand. Hat die letztere in dieser oder jener Weise, durch lokale Erhabenheiten oder gleichmaCig aufgelagerte Schichten, eine be- trachtliche Machtigkeit erreicht, so konnen wir zuweilen die in- teressaute Beobachtung machen, daC sich in ihr gruben- oder flaschenformige Einsenkungen und Hohlen entwickeln. Solchen Bildungen begegnen wir z. B. bei den machtig entwickelten Schalen der Tiefsee-Globigerinen (Fig. 23 a) und bei einigen Lagenen (Fig. 24). Dieselben wiederholen die Form einer Lagena im kleinen, sie machen den Eindruck von einkammerigen Schalenhohlungen, die in die dicke Wand der Schale eingearbeitet sind und sich nach aufien offnen. Auch diese bisher problematischen Gebilde finden ihre ungezwungene Erklarung durch unsere Auffassung von dem Lageverhiiltnis der Schale zura Weichkorper, durch die Annahme, daC die Schale dem Weichkorper nicht auf-, sondern eingelagert ist und an ihrer AuCenseite von einer Exoplasmaschicht iiberdeckt wird. Wir miissen diese Hohlen betrachten als Behaltnisse fur 232 Dr. Fricdrich Dreyer, das die Schale umflieliende Exoplasma. Dieselben gewahren dem extracortikalen Exoplasma eineii gescliiitzteu Aufenthalt, ebenso wie die Holilung der eigentlichen Schale dem von ihr umschlossenen Sarcode-Komplex, es sind Stationen oder Ceutralstellen fiir das die Schale umfliefiende Exoplasma, welche demselben einen gewissen Grad von Konzentration und eine starkere Entwickelung ermog- lichen. Man kann diese Hohlen der Schalenwand als sekundare Schalenhohlen der eigentlichen Schalenhohle als der primaren gegeniiberstellen. — Diese Hohlungen der Schalenwand schlieBen sich den infolge von Relief verzierungen entstehenden flachen, punkt- oder grubenformigen Einsenkungen an und sind als eine unmittelbare Weiterbildung solcher Bildungen zu betrachten, die uns den tJbergang zu komplizierteren Einrichtungen zeigen. Be- sonders instruktiv hierfur sind die Befunde, mit welchen uns Brady an seiner Nodosaria intercellularis bekannt gemacht hat. Betrachtet man die Schalenoberflache dieser Art bei schwacherer VergroCerung (Fig. 25 a), so erscheint dieselbe mit Langsrippen besetzt, von denen jede eine Reihe von Poren tragt. Diese Poren durchbohren jedoch nicht als gewohuliche Schalenporen die Schalen- wand, sondern fiihren in ebenso viele flaschenformige Hohlraume, die innerhalb jeder Rippe in einer Reihe angeordnet sind. Die Genese dieser Einrichtung haben wir uns folgendermafien zu denken. Die Schale war urspriinglich mit einfachen Langsrippen besetzt, die getrennt nebeneinander herliefen. Wahrend der Weiter- entwickelung des Schalenbaues naherten sich dieselben paarweise, so daC immer von zwei Rippen eine tiefe Furche eingefaCt wurde ; dadurch, daC die Rippen diese Furche nach oben iiberwolbten, wurde aus der letzteren ein Gang, der nur durch einen Spalt nach auCen miindete (Fig. 25 b). Endlich wurde dieser Gang da- durch, dafi in ihm dicht hintereinander Querwande auftraten, in eine Reihe von zahlreichen Kammern abgeteilt, von denen jede nur durch einen Porus nach auCen miindete (Fig. 25 c). Durch diesen Entwickelungsvorgang wird bei Nodosaria intercellularis ein Bau der Schalenwand erzeugt, welcher die Einrichtungen von sekundaren Schalenhohlen in weit ausgiebigerem MaCe gewahrt, als dies bei den vereinzelten flaschenformigen Einsenkungen bei Globigerina moglich war, und von hier ist nur noch ein Schritt zu einem geschlossenen Kanalsystem, welches bei den hoher ent- wickelten Thalamophorengeschlechtern die Schalenwande durch- zieht und eine hochgradige Komplikation erreichen kann (Fig. 26). Es bildet dann ein sekundares System von Hohlraumen, welches "Die Oeriistbildung bei Rhizopodeii, Spongien etc. 233 die dickc Schalenwaiui zwiscliou den pniiiareii Kamiueni diircli- zieht. Risher habeii wir iins iiur luit den Vorgiingen des D i c k e n - Nvachstiims der Scliale beschaftigt , dieselben bewirken nur eine Verstarkung der Schalen wa nd, nicht aber eine V e r g' r 0 Ts e r u n g der g a n z e n S c h a 1 e u n d d e r e n i n n e r e r Hoblriiunie, hierzii ist ein Langenvvaclistuni notwendig, zu dessen Betrachtung wir uns nunniehr zu weudcn balden. Schon vom Dickenvvachstuin konnteu wir drei Fonnen iinter- schciden. Bei den primitiven diitinschaligen Typeu war noch so gut wie kein Dickenwachstum vorbanden , bei den Imperforaten fand das Dickenwachstum gleichmitCig statt und bei den Perforaten in rhythmischen Absatzen. Das Gleiche ist beim Langenwachstum der Fall. Einige Formen zeigen iiberhaupt noch kein li a n g e n w a c h s t u m , andere vergroCern ihre Schale durch gleichmaCiges Weiterwachsen, und wieder andere endlich durch ein rhythmisches, ruckweises Wachstum. Zu der ersten Gruppe gehoren die chitinschaligen Geschlechter und einige Kalkschaler, wie z. B. Lagena. Bei ihnen wird die einkammerige Schale gleich in ihrer bleibenden Gestalt und GroCe angelegt, und eine nachtriigliche VergroCerung derselben durch Langenwachstum findet nicht statt (Fig. 7—9, 24, 222, 240— 242, 245). Andere Monothalamien, wie z. B. Cornuspira, zeigen ein an- haltendes kontinuierliches Langenwachstum. Die urspriinglich auch hier flaschenformige Kammer zieht sich zu einer langen, spiral ig aufgerollten Kohre aus (Fig. 261, 263). Die groCe Mehrzahl der Thalamophoren vergroBern ihre Schale durch ein rhythmisches, ruckweise erfolgen- des Langenwachstum, wodurch dieselbe in eine Reihe von hinter einander liegenden Kammern zer- legt wird (Polythalamia, vergl. die zahlreichen Figuren). Diesen fiir die Thalamophorenschalen so charakteristischen Wachstums- modus haben wir uns in seinem Verlaufe etwa folgendermaCen vorzustellen. Nachdem in der oben geschilderten Weise die Bil- dung einer ersten Kalkschale vollendet ist (Fig. 11), tritt in deni Schalenbau zunachst eine Buhepause ein. Der Sarcodekorper fiillt die Schale nicht vollig aus , sondern am Miindungspol ist immer noch Platz genug, daC sich die ausgestreckten Pseudopodien gelegentlich voUstandig in die schutzende Schale zuriickziehen konnen, und daC dem Weichkorper auBcrdem noch ein weiteres 234 Br. Friedrich Dreyer, Wachstum innerhalb der Schale ermoglicht wird. Allmahlig muC jedoch ein Stadium eintreten, wo dieser Reserveraum durch das Wachstum des Rhizopoden ausgefiillt ist (Fig. 12), die Pseudo- podien konnen dann nicht mehr in die Schale eingezogen werden, und die Sarcode droht aus der letzteren tiberzufliefien. Ist dies Stadium erreicht, so beginnt eine neue Periode der Schalenbildung, und der Zellkorper des Rhizopoden schickt sich an , vor der Miinduiigsofinung seiner Schale, die ihra zu klein geworden ist, eine neue Kammer anzubauen. Er dehnt sich, jedenfalls durch vermehrte Wasseraufnahme und hierdurch herbeigefiihrte Zunahme der Turgescenz betrachtlich aus , quillt zu einem groCen Teil aus der Pylomoffnung der Schale hervor und nimmt vor derselben die GroCe und Form der neu zu bildenden Kammer an. Die Bildung der neuen Kammer geschieht jedenfalls genau nach dem Typus der Schalenbildung, wie wir ihn oben bei der Entstehung der ersten Kammer schilderten. Innerhalb des Exoplasma wird die Schale zunachst als dttnne Schalenhaut angelegt (Fig. 13), die- selbe verstarkt sich zur festen Chitinschale, in der dann auch bald die Kalkeinlagerung beginnt (Fig. 14) und nach den Gesetzen des Dickenwachstums fortschreitet, bis die definitive Wandstarke erreicht ist. Sobald die neue Kammer den notigen Festigkeits- grad erlangt hat, daC sie sich selbst zu halten vermag, zieht sich der Rhizopodenkorper wieder zu seiner gewohnlichen Konsistenz zusammen und hat nun wieder eine Zeit lang Platz zum Wachsen, bis ihm auch die so vergroCerte Schale zu klein geworden ist, worauf sich derselbe Vorgang wiederholt und einer weiteren Kammer den Ursprung giebt, und so fort. Ein solches ruckweise stattfindendes Wachstum ist einmal aus der Gliederung der Schale in Kamraern und dann daraus zu erschlielkn, dafi man nie einer jiingsten unvollendeten Kammer begegnet. Das teilweise Zuruck- treten des Weichkorpers nach der Bildung einer Kammer geht daraus hervor, daC die jtingste Kammer, wie schon M. Schultze beobachtete, fast niemals ganz mit Sarcode erfiillt ist, sondern nur ein Gespinnst von Protoplasmafaden enthalt, dasselbe Ver- haltnis, dera wir bei den chitinschaligen Forraen begegneten, bei denen sich der Weichkorper nach der Bildung der Schale auch wieder von derselben zuriickzieht (Fig. 9). Die Anlage einer neuen Kammer rauC sehr schnell geschehen, so daC wir beinahe von einem „Lorikationsmoment" (Haeckel) reden konnen ; wir werden diesem Wachstumsmodus auch bei den Polycystinenskeletten wieder be- gegnen und sehen, daC wir es hier mit einem bei den Rhizopoden Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 23f) allgenieiiigultij^eii Wachstumsgesetze zu thuii liaheii. 1st die Grund- lage eiiier iieiien Kamnier durcli einen „Lorikatioiisinoment" gel)ildet, so kann durch den Prozel.i des Dickenwachstiinis die definitive Starke nnd Aiisgestaltiing der Wand allmiihlig herbeigefiihrt werden. liierbei werden dann bei der Bildung jeder Kammer- wand die phylogenetischen Entwickelungsstadien der kalkigen Thalaniopliorcnschale durchlaufen werden : das weiche Schalen- hjiutchen, die feste Chitinschale, die Kalkschale. Beim Wachs- tiim der polythalameu Thalamophorenschaleu losen sichLangswachstumund Dickenwachs tu m in peri- odischein Wechsel ab, schnell verliiuft diePeriode des Liingenwachstums, der „Lorikationsmoment", darauf folgt die allmahliche Au sges taltung der Schalenwand durch Dickenwachstuni. Beim Wachs- tuni der polythalamen Schalen gilt es als Kegel, daC jede nengebildete Kammer die vorhergehende altere an GroBe iiber- trifft. Dies wird verstandlich, wenn wir bedenken, daC der Sar- codekorper bei der Bildung jeder neuen Kamnier durch Wachs- tum um einen Teil zugenommen hat. Wenn das Verhaltnis des zur Kammerbildung hervorgewolbten Protoplasmateiles zum iibrigen Protoplasmakorper dasselbe bleibt, so wird der Inhalt einer drei- kammerigen Schale eine groCere Sarcodemenge ausschicken und somit eine groCere Kammer bilden als eine gleiche zweikammerige Form. Das Wachstum einer Thalamophore und ihrer Schale ist in steigender Progression begriffen, die Kammerabschnitte der letzteren nehmen von der altesten und kleinsten bis zur jiingsten und groBten Kammer stetig an GroBe zu (Fig. 16), zuweilen be- gegnet man jedoch Formen, bei denen die letzten Kammern wieder an GroCe abnehmen (Fig. 27), diese mtissen wir als Individuen betrachten, die am Ende ihres Schalenwachstums angelangt sind. Das allmiihlige Schwacherwerden desselben spricht sich in der Grofienabuahme der Kammern aus. Bei der Mehrzahl der Formen, bei denen die Kammern bis zuletzt an GroCe zunehmen, konnen wir nie genau wissen, ob sie vollig ausgewachsen sind, wahrend man dies Schalen mit kleiner Endkammer sofort ansieht. Man kann die letzteren hiernach passend als geschlossene Formen be- zeichnen im Gesatz zu den offenen, bei denen auch die Frage, ob sie ausgewachsen sind oder nicht, offen gelassen werden muB. In vereinzelten Fallen kommt auch mitten in der Reihe eine im "Wachstum zuriickgebliebene Kammer vor (Fig. 28). Solche Vor- 536 Dr. Friedrich Dreyer, kommnisse sind Abnormitaten, die an der allgemeinen Geltung des eben Ge^^agten nichts andern. Sie weiden begriindet sein durch zeitweilig eingetretene ungiinstige Bedingunsen, wie wir ahnliche Verschieden- heiten in der Starke der Entwickelung ja auch bei den Jabres- ringen der Baurae beobacbten konnen. Dickenwachstum sowohl wie Langenwachstum beruhen auf Bildung von Schalenmaterial , auf Anlagerung von kohlensaurera Kalk, und es tritt nun noch die Frage an uns heran, ob vielleicht auch Resorptionsvorgiinge bei der Gestaltung der kalkigen Thalaraophorenschalen eine Rolle spielen. Seiner Zeit sprach ich niich'), wenn auch nicht gegen die Moglichkeit, so doch gegen die W a h r s c h e i n 1 i c h k e i t einer Kalkresorption bei Thalaraophorenschalen aus. Durch direkte Beobachtung wird sich diese Frage auch wohl schwerlich so bald entscheiden lassen, es giebt aber noch einen anderen Weg, dieses Problem zu losen, und zwar die vergleichende Beobachtung von Befunden an bereits gebildeten Schalen, und ich glaube, daG thatsachlich Falle vorliegen, welche nur durch Resorptions- vorgange erklarbar sind und raich daher auch notigen, im Gegensatz zu meiner friiheren Ansicht Kalkresorption als that- sachlich vorkoramend anzunehmen. Beispiele dieser Art, welche wirklich zwingend sind, sind, wie sich erwarten laCt, natiirlich sehr vereinzelt, die beiden folgenden glaube ich jedoch als solche anfijhren zu konnen. — Zunachst eine Beobachtung von Verworn an Polys t omella, die ich mit seinen eigenen Worten wieder- zugeben mir erlaube^): „Wenn man hier eine neugebildete Kammer- wand von vorn betrachtet, so ist dieselbe iiber und iiber mit feinen Poren bedeckt, aber von den Lochern, die durch die ubrigen Kammerwande in die Rohrchen hineinfuhren, ist hier noch nichts zu bemerken (Fig. 29 a). Erst nach langerer Zeit, wenn wieder eine neue Kammer gebildet werden soil, findet man diese Locher in der letzten Kammerwand (Fig. 29 b)." — Ein anderer instruk- tiver Fall wurde von Mobius ^) konstatiert an seiner Carpen- 1) Radiolarienstudien, Heft I, Jena, G. Fischer, 1889, S. 87—88. — Betracbtungcn iiber den Ban der Uhizopodenschalen. Biolog. Ceutralbl., 1889, Bd. IX, S. 341—342. 2) Ich erlaube mir diese Notiz einer brieflichen Mitteilung Dr. Vkrworn's zu eutnchmen , die beiden erlauternden Abbildungen 29 a u. h 8tamm( n aus din ,,Biologi8cben Protistenstudien (Zeitscbr. f. wiss. Zool. 1888, XL VI, 4, S. 163) desseiben Autois, 3) K. MiiBius, Foraminifcra von Mauritius, 1880. l)ie deriistbildung bci lihizopoden, Spongieu etc. 237 teria Raphidodeiidron. Die Kalkhiille, mit welcher sich dieser tcbtsiLzeiide uud strauchforuiig vurzweigU; Rhizopodo (Kig. 280) uuikleidet, ist iu ihreu altereii Teileii von zahlreichen Porcn durchbohrt. Verfolgeu wir jeducli einen Ast luich seim^m weitLM'- wachsenden Elide bin (Fig. 30) , so bemerkeu wir, wie die Zabl der Poreu immer mebr abnimnit uud dieselben inmuT weuiger dicbt stebeu, bis sie t'udlich am iluBcrsten Zweigende ganzlicb fehleu. Hieraus ist zu eutuehuicn, dali zunacbst eine solide Kalk- niasse abgeschiedeu wird; erst spilter, wenn die Wand durcb Dickeuwacbstuui alliuilblig zuzunebmen beginut und tlas Zweig- eude unterdeli scbou eiu IStuck weitergewacbseu ist, stelleu sich vereiuzelte Poreu eiu, zwischcn deuen nach und nach immer neue entstehen, bis endlich die gauze Wand von dicht stehendeu Poien durcbsetzt ist. Hier werdeu demnach ebenso wie bei Polystomeila ausgestreckte Pseudopodieu eine Minierarbeit iu der Kalkmasse austiihreu, bis sie dieselbe eudlich durchbrociieu haben. Ebenfalis durch Kalkresorptiou wird man sich dieEntstehuug eines Seitenzweiges (Fig. 30 rechts) bei Carpentaria vorzu- stelleu haben, dieselbe wird von einer eiufachen Pore ausgeheu (Fig. 31 a). Eiu eine Pore durchstromendes Pseudopodiura wird sich verstarkeu uud seine Pore iu demselben Mal^e durch Kalk- resorptiou erweiteru, wie es selbst durch vermehrten Protoplasma- zutiuB an Dicke zunimmt (Fig. 31 b). Bald wird an der Basis des Sarcodestranges die Biidung eines Kalkwalles beginnen (Fig. 31 c), uud zwar in der VVeise, daC eine daselbst stattfindeude Kalk- bildung die Schalenhaut an dem auGereu Umkreis des Porenkanals, uud zwar da, wo die Chitinauskleidung desselben iu die auCere Schalenhaut iibergeht, ausstulpt und vor sich hertreibt. Die Kalkresorptiou greiit uuterdeB immer weiter um sich, so daK die Eiumiindungsstelle des Seiteukauals iu den Hauptstamm immer mehr an Umtang zunimmt, wahrend der Wall an der Basis des hin- durchtreteudeu Sarcodestranges zur Wand des Seitenastes aus- wachst (Fig. 31 d). DaB die Eutwickeluug eines Seitenastes so ver- lauien muii, ergiebt sich aus einer Reihe von eiufachen tJber- legungen. Eine Durchbrechung von bereits gebildeter Kalkwand uud eine allmiihliche Erweiterung der Durchbruchstelle muC des- haib stattfiuden, weil die Seiteuaste meist von alteren, bereits ver- kalkten Stammteilen auswachseu und von noch diinnen Sarcode- strangeu ihreu Ausgang nehmen (Fig, 280); dafi hierbei an eine bereits vorhaudene Durchbruchstelle, an einen der vielen Poren- kanale angekniipft wird, erscheint uatiirlich, auf jeden F'all raufi 23^ i)r. Friedricii Dreyel?, mit einem diinnen Durchbruch der Anfaug gemacht werden. Abei* nicht nur wahrend des Durchbruchs des iSeiteiiastes uud an seiuer Durchbruchstelle muC eine Kalkresorption statttinden , sondern auch wahrend seiner ganzeu Entwickelung und i n seiner ganzen Lange, und zwar deslialb, weil die Zweige des Carpenteria-Stockes diinn angelegt werden und erst mit zunehmendem Alter dicker werden , nur unter dieser Voraus- setzung ist der Bau einer Carpenteria verstiindlich, die von einer machtigen Basis starke Hauptaste ausseudet, die sich nach ihreu fortwachsenden Enden zu allmahlicli melir und mehr verjungen (Fig. 280). In demselben MaCe, wie durch fortschreitende K a i k - ablagerung unter der auiieren JSchalenhaut ein Ast an Umfang zunimmt, erweitert sich seininnerer Hohlraum dadurch, daB unter der inneren Schalen- haut Kalk resorbiert wird. Die Kalkresorption wird viel- leicht durch Saureproduktion bewerkstelligt , die von der inneren Exoplasmalage ausgeht. Das Wachstum und die Gestaltung unseres als Beispiel gewahlten Carpenteria-Stockes geschieht also durch zwei antagonistische Prozesse, die sich unter iiufierer und innerer Schalenhaut abspielen. Hierbei ist es wahr- scheinlich, daC die Kontinuitat der Schalenhaut stets gewahrt wird, die Schalenhaut gehort zum Organismus des Rhizopoden, ist seine Zellmembran und als solche, wenn auch nicht organi- siert, so doch organisch und kann durch intussusceptionelles Wachstum sich ausdehneu ; anders der kohlensaure Kalk, er steht zum Organismus in keiner naheren Beziehung, ist eine tote anorganische Einlageruugsmasse der Zellhaut und einer Aus- dehnung nicht tahig, er muB aufgelost und entfernt werden, wenn er nicht einer Ausdehnung hinderlich im VVege stehen soli. — Die beiden angefiihrten Beispiele werden zu dem Nachweis ge- niigen, daB Resorption von kohlensaurem Kalk bei Thalamophoren- schalen thatsachlich vorkommt, und dies erscheint mir von funda- mentaler Wichtigkeit, denn wir haben somit bei der Erklarung der Schalengestaltung nicht ausschlieBlich an den Vorgang der Kalkanlageruug zu denken, sondern miissen mit den beiden E a k 1 0 r e n der Apposition und Resorption von Bau- material rechnen. Eine andere Frage ist allt;rdings, in welcher Verbreitung Resorptionsvorgange eine Rolle spielen. Nur selten liegen die Verhaltnisse so gunstig , wie bei unseren beiden ge- wahlten Beispielen, und im allgemeineu ist groBe Vorsicht rat- sam, ehe man einen Befund als das Produkt einer Kalkresorption Oi Die (leriistbildung bei Khizopodcn, Spougien etc. auspriclit. Eiue dicsbeziigliclie kiiiische Uutersuchuiig der eiu- zelueu I'urmeu gehort jedoch uicht iu deu liahmt'u uuserer Be- trachtuijgeu , wo es sich uur darum haudelt, die Prinzipiea der ISchaleiibilduug darzustelleii. Nur iu gauz vereiuzelten Fallen wird Kieselsiiure in die Cuticulaschale eiugelagert. Brady ^) beobachtete dies bei einer Miliola, die voui Challcuger aus einer Tiefe von 3950 Fadeii ge- hobeu wurde. Die IScbale derselben besteht aus einer ilulieist diiunen homogeuen Kieselianielle. Dali hier an Stelle des koblen- sauren Kalkes Kiesel getreten ist, berubt vielleicht darauf, dafi die in Rede stebende Miliola in einer Meerestiele lebt, wo Kalkscbaleu keiueu Bestand mehr habeu. Es ist ja eine bekauute Tbatsache, dali in deu Bodenablagerungen uuterbalb von etwa 2000 Faden die soust iu groiien Meugen vorbaudeuen Kalkbestandteile, beson- ders Tbalamopborenschalen, verscbwinden, die in diese Tiefen bin- absiukeuden Kalkscbalen niUsseu also wobl infolge der eigenartigen Natur des Wassers in der Tiefsee gelost werden. Vielleicbt ist also die Kieselschale dieser Tiefseerailiola eine Aupassung an die Existenzbedinguugen der Tiefsee. Dann ist hier noch der eben- fails von Brady ^) konstatierte Fall von Reopbax nodulosa anzu- fiihren, wo das Cement der aus Sandkorneru agglutinierten Schale ein rein kieseliges sein soil, — Interessant ist die aus diesen Be- funden hervorgehende Tbatsache, daB an Stelle des Kalkes zu- weileu Kieselsaure treten kann, immerhin ist es aber n u r ein Ersatz des kohlensauren Kalkes, dem sonst bei den Thala- mophoren die unbestrittene Henschaft zukommt, die Kieselsaure ist dat'iir, wie wir spater sehen werdeu, berufen, bei einem auderen Skelettbildungstypus eine herrschende Rolle zu iibernehmen. Auiierdem wird noch Eisenoxyd oft in das Schalencemeut bei agglutinierendeu Thalamophoren aufgenommeu. Es zeigt sich also, dafi der Thalamophorenkorper die Fahigkeit besitzt, verschiedene anorganische Verbindungen dem Meereswasser zu entziehen uud zum Aufbau seiner Schalen zu verwendeu, nur ist es erwunscht, daC hieriiber noch eiugehende Untersuchuugen angestellt werden. c) DieVerstarkung der Cuticulaschale durch me- chanische Einlagerung von Fremdkorpern. AuCer der Verstarkung der primitiven Cuticulaschale durch 1) Bkady, Challenger-Report, pag. 131. 2) Ebends., pag. 28G. 240 Dr. Friedrich Dreyer, cliemische Einlagerung besitzen die Thalamoplioren aucli die Fabig- keit, geformte Bestandteile aufzuuebmeu und ibrer Scbale eiiizu- fiigen. Hierzu konnen alle die Partikel benutzt werden, die deu Boden zusaramensetzea, auf welcbem die betreitenden Protisten gerade lebeu, vorausgesetzt, daG sie zur liurpergroCe der letztereu in eioem braucbbaren Verhaltnis stebeu. Zuuacbst kommen bier als die verbreitetsten Bodeusedimeute iScblainm und Sand in Be- tracbt, wonacb die sicb ibrer als Bauiuaterial bedienenden Tbala- niopboren aucb als Saiidscbaler bezeicbnet werden, auBerdem werden noch Skelette und Skelettelemeute anderer Organismen, wie sie sicb gerade in derBodeuablageruugvorfinden, verbraucbt. Diese Metbode des An- und Eiuklebens von Fremdkorperu in die Scbalenwand wird einmal fiir sicb alleine zur Verstarkung der Cuticulascbaie ge- braucbt, dann aber aucb bei einer groBen Anzabl von Gescblecbtern und Arten mit der Kalkeinlageruiig kombiniert. Wir werden im Folgenden zunacbst diejenigen S cbal enbau ten betracbten, die ausscbliefilicb aus zusammenge- klebten Fremdkorpern besteben, um uns dann in einem folgenden Abscbnitt mit denjenigen Typen zu bescbattigen, welcbe die Agglutination von Fremdkorpern mit der Einlagerung von koblensaurem Kalk vereinigen, und zu seben, welcbe Scbliisse sicb aus denselben inbezug auf das Verbaltnis der Kalkscbaler zu den Sandscbalern zieben lassen. — Die Agglutination von Fremdkorpern bebufs Scbalenbaues *) steht in nacbster Beziebung zu einer Grundfunktion des lebenden Protoplasma, und zwar zur Nabruugsaufnabme. Der Gebause- bau laCt sicb unmittelbar von der Nabruugsauf- nabme ableiten und, wenn es erlaubt ist, sicb auf dem Ge- biete der Pbysiologie des Gleicbnisses eines Stammbaumes zu be- dienen, kann man die P'unktion des Gehausebaues als einen Seitenzweig betracbten, der aus dem Hauptstamme des IStoff- wecbsels, den Funktionen der Nahrungsaufnabme und der Ex- kretion, bervorwacbst. — Bei unseren Rbizopoden wird die Nabrung vermutlicb in zweierlei Form aufgeuommen, einmal gelost aus dem umgebenden Medium und dann in Gestalt von festen Korperu. Wabrend man die erstere Art der Nabruugsaufnabme mit der Einlagerung von koblensaurem Kalk in Beziebung bringen kann, 1) Vergl. hierzu auch die Abschnitte iiber Nahrungsaufnahme und Gehausebau bei Veewoen, Fsycho-physiologische Protistenstudien, Jena 1889, S. 146—154. l)ie Geriistbilduug bei Rhizopoden, Spongieu etc. 241 mufi man den Aufbau der Scbalenwaud aus Fremdkorpern von der letztgenunnteu Ernahrungsweise ableiten. In beiden Fallen sind es zugleich mit der Nahrung aufgenommene unbrauchbare Bestaudteile , die gewohulich als Exkrete wieder ausgescbieden werdeu; unsere Rbizopodeu haben sich jedoch diese Exkrete zu Nutzen gemacbt, iudem sie dieselben als braucbbare Sekrete zum Schaleubau verwenden. In vielen Fallen lassen sich die der Schale eiugefiigten Korper direkt als die unverdaulichen tlberreste einer stattgehabteu Mablzeit bezeichueu, so fand, urn uur ein Beispiel an- zufubreu, Momus^) bei Haliphysema Tumanowiczii Bow, „zwischen den Nadelu des Kopfchens einzellige Algen , kleine Zellengruppen mebrzelliger Algen, GliedmaBen von Copepoden and andere orga- uische Diuge, die obne Zweifel als Nabrungsbeute festgehalten warden". Es ist auch nicht unwahrscheinlicb , dafi die so haufig zum Scbalenbau verwandten Protisteuschalen teilweise noch mit dem lebendeu Organismus erbeutet werden und auf diese Weise sovvohl zur Erniihrung wie zum Scbalenbau dienen, meist werden sie allerdings wohl schon im abgestorbenen und leeren Zustaude dem Bodensediment entnommen werden. Es ist bekannt, dafi von verschiedenen Amoben zugleich mit der Nahrung Sand und Schlamm des Bodens, iiber den diese Protisten binkriechen, auf- genommen wird ; besonders ausgepragt zeigt ein solches Verhalten Pelomyxa, deren Sarcodeleib haufig von Sandkornern ganz erfiillt ist (Fig. 32). Diese Befunde sind von grofiem Interesse, denn sie lehreu uus die Genese des Schalenbaues der agglutinierenden Rhizopoden verstehen. Ebenso wie ein kompliziertes Organ nie unvermittelt auftritt, sonde rn durch F un ktionswechsel aus einem einfacheren entsteht, ist auch bei unseren Thalamophoren die hohere Funktiou des Gehausebaues aus der primitive n Gr undfunktion der Ernahrung her vorgegan gen. Es leuchtet dies sofort ein, wenn man den Verlauf des Gehause- baues bei einer einfachen Form von Anfang bis zu Ende verfolgt. VVir wahlen hierzu Difflugia urceolata Carter, bei welcher dieser Vorgang von Verworn ^) mit der wiinschenswertesten Geuauig- keit beobachtet wurde. Derselbe brachte mehrere der Versuchs- organismen in ein Uhrschiilchen, als Baumaterial stellte er ihnen 1) MoBius, Foraminifera von Mauritius, S. 73. 2) Vebwobn, Biologische Protisten-Studicn. Zeitsch. f. w. Zool., 1888, Bd. XLVI, S. 455—470, u. Taf. XXXII. Ed. XXVI. N.F. XIX. 16 242 Dr. Fried rich Dreyer, fein pulverisiertes farbiges Glas zur Verfiigung. Die Protisten krochen zwischen dem Glaspulver umher, welches die Stelle des Sandes vertrat und den Vorteil bot, daB es sich leicht von dem bereits fruher von den Difflugien aufgenommenen und verarbeiteten Sande unterscheiden lieB. Nach und nach wurde eine ganze Menge dieser Glassplitter von den ausgestreckten Pseudopodien erfafit und in das Korperinnere befordert, also gefressen; prapa- rierte man von einer solchen Difflugia eine Schalenhalfte ab, so konnte man sich leicht von der Auwesenheit der Glaskorper im Sarcodekorper iiberzeugen (Fig. 33 a). Nach einiger Zeit schreitet die Difflugia zur Vermehrung durch Zweiteilung. Die Pseudo- podien werden eingezogen, und statt ihrer quillt aus der Pylom- oifnung das Protoplasma wulstformig hervor. Die herausge- drungene Protoplasmapartie schwillt mehr und mehr an, bis sie endlich Grofie und Form der Mutterschale erreicht hat, zu gleicher Zeit setzt sich auch der Klumpen der aufgenommenen Glaskorper in Bewegung, stromt durch das Pylom hindurch nach aufien (J?ig. 33 b) und verteilt sich endlich an der Oberflache des hervorge- drungenen Protoplasmakorpers. Durch die jedenfalls gleichzeitig stattfindende Bildung der Schalenhaut werden dann die Sand- partikel zu einer einheitlichen Schale verbunden (Fig. 33 c), mit der nach vollendeter Teilung die eine Teilhalfte als selbstandige Difflugie davonkriecht. Die Substanz der Schalenhaut, in welche die Fremdkorper eingekittet werden, spielt beidenag- glutinierenden Geschlechtern die Rolle eines die letzteren zusammenhaltenden Cementes. Wenn die Schalenhaut reich mit kalkigen Bestandteilen besetzt ist, lafit sie sich leicht demonstrieren. Dies zeigt das auf Fig. 34 dargestellte Stamm- stuck einer Haliphysema, bei demselben ist das aus kohlensaurem Kalk bestehende Baumaterial durch Essigsaure gelost, und die Schalen- haut tritt als ein weiter Schlauch zu Tage, an welchem nur noch die kieseligen Telle erhalten sind. Bei einigen Formen wird zu- weilen die Incrustierung mit Fremdkorpern sehr mangelhaft (Difflugia spiralis), ja kann manchmal ganz fehlen, so daB auch hier die primitive Cuticulaschale wieder sichtbar wird, ebenso wie uns verschiedeue chitinschalige SiiCwasserformen, bei denen gelegent- ich vereinzelte Fremdkorper an der Schale angeklebt getroffen werden, die nahen Beziehungen zwischen der primitiven Chitin- schale und den Sandschalen vor Augen fiihren. Die Natur des Materiales, welches zum Schalenbau verwandt Die Geriistbilduug bei "Rbizopoden, Spongieu etc. 24?) wird, muU sicli, wie begreiflich, nacb dem Boden richten, auf welcbem die Protisteu leben, da dieselbeu ja nur das Material sich aiieiguen konuen, welches ibnen gerade zur Verfiigung stcht. Im SiiBwasser ist dies meist Quarzsand, dem oft Diatomeenschaleii beigemischt sind (Fig. 33 b und c die altere Schale), groCere Ab- wechselung bietet das Mcer, wo auCer den scblainmigen und san- digen Sedimenten besonders noch die protistogenen Ablagerungeu, wie Globigerinen-, Radiolarien- und Diatomeenscblamm, in Betracht koiumeu. Int'olgedessen kann ein und dieselbe Form an ver- scbiedenen Lokalitaten einen ganz verschiedenen Habitus zur Schau tragen, und man konute auf derartige Vorkommnisse das Sprich- wort anwenden „Kleider machen Leute". Als Beispiel hierfur moge Reophax scorpiurus Montfort dienen. Das bei 35 a dargestellte Individuum dieser Art hat auf sandigem Boden gelebt, hat daher eine sandige Schale, das Exemplar von 35 b setzt seine Schale aus den Kalkschalen kleinerer Thalamophoren zusammen, 35 c hat seine Schale mit Spongiennadeln beklebt, wahrend endlich das Individuum von 35 d zwischen Korallenritfen der Tropen lebte und seine Schale daher aus dem hier vorhandenen groben Kalkdetritus aufbaut. Wir sehen also, daC die Rhizopoden dasjenige Material nehmen, welches sich ihnen gerade darbietet, gleich- wohl konnen wir aber eine gewisse Auswahl beobachten inso- fern , als die einen Formen mit g r o b e m Material arbeiten , die anderen jedoch stets nur feines undfeinstes Material ver- wenden. Dies ruft die Vermutung wach, daC hier, auf der nieder- sten Stufe der Organisation, schon ein mehr oder weniger intellek- tuelles und instinktives Handeln vorliegt. Finer solchen Vermutung wurde auch schon von verschiedenen Forschern Ausdruck gegeben, bis neuerdings Verworn *) entschieden gegeu dieselbe Stellung nahm, und, wie mir scheint, mit Recht. Dafi die einen Formen nur feines Material verwenden, ist nach Verworn einfach darin begriindet, daB dieselben nur kleine Partikel mit ihren Pseudo- podien festzuhalten und aufzunehmen vermogen, andere Arten sind dagegen , vermutlich wegen der groCeren Klebrigkeit und Zahig- keit ihres Protoplasmas , imstande , groCere Korper zu ergreifen und der Schale einzufugen, DaC im letzteren Falle eine instink- tive Vorliebe fur grobes Material n i c h t vorliegt, geht daraus her- 1) Veewobn, Psycho - physiologische Protisten-Studien , S. 151 — 154. 16* 244 Dr. Friedrich Dreyer, vor, daC fast stets neben den groCen Bausteinen auch kleinere in alien Abstufungen an der Schale vorhanden sind. Naturlich wird auch zuweilen der Fall eintreten, daC an einer Lokalitat n u r grober Sand Oder grofiere Protistenschalen vorhanden sind, woraus es sich auch sehr einfach erklart, daC hin und wieder Schalen vorkommen, bei denen ausschlieClich groCere Partikel verwendet sind. Vereinzelte Vorkommnisse giebt es allerdings , die der Erklaruug groCere Schwierigkeiten machen. Hierher gehort z B. Technitella legumen Norman, deren Schale sich dadurch auszeichnet, daC sie aus zwei Mantelhiillen besteht, die aus verschiedenen Materialien hergestellt sind und sich scharf von einander absetzen, und zwar einer inneren Hulle aus feinen Spongiennadein , die von einer auBeren aus grobem Sand iiberdeckt wird (Fig. 36 a und b). Es sind also hier zwei ganzlich verschiedene Schalen an demselben Individuum vereinigt. Die einfachste Erklarung hierfiir ware die, daB eine solche Form wahrend der Entwickeluug ihrer Schale eine Wanderung von einem Spongiensediment auf sandigen Boden vor- genommen hatte, diese Annahme ist aber einraal deshalb unzu- lassig, weil es nicht wahrscheinlich ist, da£ so verschiedene Boden- ablagerungen so unvermittelt nebeneinander liegen, wie es nach der scharfen Scheidung zwischen deni Schwamm- und dem Sand- mantel der Fall sein miiBte, und dann ware es unverstandlich, warum die Spongiennadein stets die innere, der Sand stets die auBere Schicht der Schalenwand bildet, und nie umge- kehrt^), wonach also die Rhizopoden nur von dem Schwamm- sediment auf den Sand, nie aber in entgegengesetztem Sinne ge- wandert sein muBten. Es muB also wohl der Boden aus Sand bestanden haben, dem Spongiennadein beigemischt waren, und es bleibt nichts anderes iibrig, als anzunehmen, daB Technitella that- sachlich eine Sortierung des Materiales vorzunehraen imstande ist ; dies ist jedoch immer noch kein Grund , eine intellektuelle Handlungsweise des Rhizopoden vorauszusetzen, sondern die Ver- haltnisse liegen vermutlich derart, daB nur die leichten und dunnen Schwammuadeln von der Sarcodestromung durch das Pylom der Schale hindurch bis in das Innere gefiihrt und dort von innen angesetzt werden konnten, bei den groben und vielleicht auch fiir den Transport ungeschickten Sandkornern wird dies nicht gegangen sein, und sie konnten daher nur von der extrakortikalen Plasma- lage von auBen angeklebt werden. 1) Beady, Challenger-Report, p. 247, Die Geriistbilduug bei Khizopodeu, Spougien etc. 245 Auch BuAPY ist der Meinuug, dafs die Sandschicht mir von aufsen angeklcbt soin kdnne: „That in all such casos the material is selected and incorporated by the sarcode enveloping the test, there can, I think, he no doubt" (loc. cit.). Er vergleicht dieselbe mit der Saudhiille, mit welcher sich einige Kalkschalen nachtraglich umgeben : „but it is an interesting fact in connection with the tendency exhibited by some other Foraminifera, notably Truncatulina lobatula" (Fig. 41, 41 a), „to protect themselves under certain circumstances with a cover- ing of sand" (loc. cit.). Nachtraglich mufs bei Truncatulina die Sandhiille deshalb gebildet worden sein , weil die Kalkschalen, wie wir oben sahen , stets nur durch Dickenwachstum nach aufsen hin zunehmen ; eine Kalkschale mufs daher mit ihrer Ausbilduns fertis sein , ehe die Anlagerung einer Sandkruste beginnen kann. Anders ist es bei den echten Sandschalern, bei denen, wie wir gleich sehen werdeu, sowohl nach aufsen wie nach innen gerichtetes Dickenwachs- tum der Schalenwand vorkomrat. So wachsen bei Technitella legumen die beiden Schichten der Schale gleichzeitig, die eine nach innen, die and ere nach aufsen, nur unter dieser Annahme er- scheint mir wenigstens der merkwiirdige Schalenbau dieser Spezies verstandlich. Die Beschaffenhei t des Materiales iibt einen bedeu tenden EinfluC auf die Schalengestaltung aus. Formen , die sich groben Baumateriales bedienen , konnen ihre Bauten auch nur grob uud unregelmaBig ausfuhren (Fig. 35 d), wahrend feiuer Sand und Schlamm sich beliebig formen laCt und eine Feinheit und Exaktheit in der Ausfuhrung zulaBt, die hinter den Kalkschalen nicht zuriicksteht (Fig. 37, 269). Hoher entwickelte Formen mit komplizierter Schale konnen daher auch nur solche sein, deren Protoplasmakorper nur feines Material zura Schalenbau aufnimmt, wahrend die primitiven Gestalten noch alles Material, welches sich ihnen darbietet, unterschiedlos verwenden konnen. Wie gewohnlich., so geht auch bier mit der Weiterentwickelung eine Spezialisierung Hand in Hand; der morphologische Fortschritt der Sandschalen muCte begleitet resp. iiberhaupt erst moglich ge- macht werden durch eine Veranderung der Thatigkeit der lebenden Sarcode, welche darin bestand, daC sie grobe Partikel nicht mehr festhielt und aufnahm. Infolgedessen muC natiirlich auch die Ver- breitung der hoher entwickelten Sandschalen eine beschranktere sein, es ware z. B. nicht denkbar, daC der in Figur 37 dargestellte Ammodiscus da seine Schale bilden und existieren konnte, wo dies den in den Figuren 35 a— d dargestellten Individuen von Reophax scorpiurus moglich war. — Instruktiv ist auch der Vergleich des inneren (Fig. 36 a) und auCeren (Fig. 36 b) Schalenmantels von 246 Dr. Friedrich Dreyer, Techuitella legumen. Der erstere, welcher aus den feinen Spongien- nadeln besteht, hat eine regelmaCige Form und glatte Oberflache, wird jedoch von der Sandkruste uberdeckt, die der ganzen Form ein unregelmiiCiges und rauhes AuBere verleiht. Bei den Sandschalen findet ueben dem Dickenwachstum der Schalenwand nach auCen aucb ein solches nach innen statt, und zwar haufig in sebr ausgiebigem Mafie, was einen tiefgreifen- den Unterschied in der Architektonik der Sand- und Kalkschalen bedingt. Das centripetale Dickenwachstum in den Sandschalen findet meist ganz ungleichmaCig statt, es entstehen sekundare Septen und Auswuchse aller Art nach dem Schalenlumen zu, die ganz unregelmaCig untereinander verwachsen ; oft dauert dieser ProzeB anhaltend fort, so daB die alteren Teile einer Schale ganz- lich massiv und von Baumaterial erfiillt werden, welches nur von einem Gewirr feiner Kanale durchsetzt wird (Fig. 38). Dieser Ansatz des Baumaterials von innen bekandet die nahe Verwandt- schaft des Schalenbaues mit der Nahrungsaufnahme. Die Aufnahme von Sand und Schlamm durch die Pseudopodien und der Trans- port und Ansatz des Materiales nach innen dauert mechanisch fort , obgleich hierdurch ganz unzweckmaBige Resultate erreicht werden, indem sich der Rhizopode seine eigenen Wohn- raume verbaut und sein Gehause unniitz beschwert. Ebeuso, wie wir oben sahen, daB die A u s w a h 1 des Materiales ein rein mecha- nischer Vorgang ist, sehen wir dies hier auch inbezug auf die Verwertung desselben beim Schalenbau: wurde der letztere durch eine intellektuelle Handlungsweise geleitet, so wiirden solche UnzweckmaBigkeiten nicht vorkommen. — Zuweilen findet das Dickenwachstum nur nach innen oder nur nach auBen statt, man kann dies wenigstens erschlieBen, wenn man Folgendes in Erwagung zieht. Zuerst wird die Form der Schale durch die primitive Schalenhaut regelmaBig angelegt; wird nun das aufge- nommene Fremdkorpermaterial nur nach innen mehr oder weniger unregelmaBig angesetzt, so wird die regelmaBige Form auBen gewahrt bleiben (Fig. 38); wird umgekehrt das Material nur auBen angeklebt, so bleibt die ursprunglich angelegte Form innen erhalten (Fig. 39). Wodurch ein solches einseitiges Dicken- wachstum bedingt wird, mussen wir allerdings dahingestellt sein lassen ; die Formen , aus deren eiufacher Betrachtung man auf einen einseitigen Wachstumsmodus schlieBen kann, sind auch nicht haufig , und man wird es als Kegel hinstellen konuen , daB bei den agglutiuiereuden Thalamophoreu dor Ausatz von Bau- Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spougien etc. 247 material sowohl nach iimen wie nach auCeii stattfindet, centripetales iind centrifugales Dickenwachstum kombiniert auftritt. d) Die Beziehungen zwischen den aggl utinierenden und kalkschaligen Geschlechtern. DaC Beziehungen, und zwar sehr nahe Beziehungen zwischen den agglutiuierenden und den kalkschaligen Thalamophoren be- stehen, ergiebt sich aus zwei Reihen von Thatsachen, und zwar 1. aus der Gestalt der Schale und 2. aus der Struktur der Schale. Inbezug auf die Gestalt der Schale zeigen eine groCe Reihe agglutinierender Forraen die groBte Ubereinstimraung mit vielen kalkschaligen Typen. Die entsprechenden Formen der sandigen und der kalkigen Reihe gleichen einander voll- standig, und nur in dem verschiedenen Baumaterial, dessen sich dieselben bedienen , ist ein Unterschied begrundet. Dies mag die folgende Gegeniiberstellung solcher isomorpher Formen, wie sie Neumayr in seinen „Stammen des Tierreichs" ^ ) giebt, erlautern : Sandige Reihe. Kalkige Reihe. Ammodiscus (Fig. 37) ... . Spirillina, Cornuspira (Fig. 261) Webbina Nubecularia Nodosinella Nodosaria Rheophax, Haplostiche .... Nodosaria, Dentalina, Lagena TT , , -mi • \ fMarginulina, Christellaria, No- Haplophragraiura, Trochammina, . . J, -j- n^ u- y / .y^ } { nionma, Sphaeroidina, Globi- ^ j \ gerina, Rotalia Cystammina Allomorphina. Aber auch was die Struktur der Schale anbetrifft, stehen sich sandige und kalkige Thalamophoren nicht schrofif gegenuber, sondern in vielen Fallen la fit sich im Gegenteil ein ganz allmahlicher tJbergang von der agglutiuierenden zur kalkigen Bauart nachweisen. In erster Linie gilt dies fiir die Familie der Textilariden : „The minute structure of the test in the Textularidae displays greater variety than in almost any other group of Foraminifera of similar extent. In some species the shell-wall is thin, calcareous, transparent, and perforate, whilst in others it is coarsely arenaceous, and rough 1) S. 166—167. 248 Dr. F r i € d r i c h D r e 3 e r , cxterually; and, between these extremes, almost every variety of texture may be met with" ^) (^vergl. Fig. 40). Daher ist es voll- stanclig unmoglich, eine Greuze zwischeu sandigen und kalkigeu Textilariden zu Ziehen, und man pflegt iufolgedessen, was auch Brady in seinem Challenger- Werke thut, hier eine Trennung zu uuterlassen und sandige sowohl wie kalkige Forraen mit den zahl- reicheu tJbergangen in derselben Familie zu vereinigen. Bei alien ubrigen Thalamophoren trennt man dagegen die agglutinierenden Formen von den kalkigen und vereinigt sie samtlich in einer F'amilie der Lituoliden; um der tJbereinstimmung in der Schalen- gestalt Rechnung zu tragen, spricht man dann, wie erwahnt, von den kalkschaligen Geschlechtern isomorphen Formen. Ob dies Verfahren berechtigt ist, ist freilich eine andere Frage, denn eine nahere Betrachtung der Verhaltnisse iehrt, daC auch hier tjber- gange zwischen agglutinierender und kalkiger Bauart vorhanden sind. Besonders bei Milioliden zeigt sich die Tendenz, Sand von auCen an die Kalkschale anzukleben , oft nur vereinzelte Koriier, zuweilen jedoch in solcher Menge, daB man von auCen nicht unter- scheiden kann, ob man es mit einer kalkigen oder rein sandigen Schale zu thun hat (Nubecularia lucifuga, Miliolina agglutinans, Miliolina crassatina, Miliolina triquetra, Planispirina celata). Aus einem Querschliff durch die Schale geht dann hervor, daC die Wand derselben zu einem groBen Teil sandig ist und nur noch an der Innenseite eine Kalkschicht aufweist, welche die Hohlungen der Kammern auskleidet und haufig so diinn 1st, daB sie der be- deckenden Sandschicht gegenuber ganz in den Hintergrund tritt ^). Nur durch diese diinne Kalkauskleidung sind derartige Milioliden von den miliolidiformen Lituoliden unterschieden, ein Unterschied, der wohl eine praktischen Zwecken dienende systematische Trennung ermoglicht (weshalb auch die gebrauchliche Trennung nicht zu verwerfen ist), keineswegs aber gegen einen nahen genetischeu Zusammenhang spricht. Bei den ubrigen Thalamophoren , be- sonders der groBen Mehrzahl der perforaten Typen, scheinen auf den ersten Blick auflfallenderweise tJbergange in der Schalen- struktur zu fehlen und sich die isomorphen Formen der sandigen und kalkigen Reihe unvermittelt gegeniiberzustehen ; betrachten wir hingegen die Thalamophorenfauna der alteren geologischen Formationen, so sehen wir, daB diese Trennung zwar in der Jetzt- 1) Brady, Challenger-Report, pag. 355. 2) Ebendas. p. 131. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongicn etc. 249 zeit besteht, friiher aber ein ebenso uaher Zusiimmenhang vor- lianden war, wie dies hcute noch bei den Textilaricii uud Milioliden der Fall ist. So verkniipft die Gattung Nodosinella in der Stein- kohlenfonuation mit ihrer zvvischen sandiger und kalkiger Bauart schwankenden Schale die sandschalige Formengruppe Rheophax mit Nodosaria und Deutalina, und ebenfalls im Carbon bildet Kudothyra die Briicke von den Lituoliden zu den Rotaliden, Poly- stomelliden uud Globigeriniden. Mit Endothyra nahe verwandt ist Fusulinella, die den Ubergang zu den kalkschaligeu Fusuliniden bildet. Wirsehen also,da6sowohl die Form als auch die Struktur der Schale auf den un mittelb aren geneti- schen Zusammenhang der agglutinierenden und kalkschaligen Thalamophoreuhinweist. Die nachste Frage, die uns nun entgegeutritt, ist die, welcher Art dieser Zusammenhang ist, d. h. welche von den beiden Gruppen wir als die altere zu betrachten haben. Ilier scheint uns Neumayr das Richtige getroffen zu haben, welcher diese Frage in der neuesten Zeit in ebenso klarer wie umsichtiger Weise behandelt und meiner Ansicht nach auch ge- lost hat ' ). Nach Neumayr sind die sandigen Thalamophoren die iilteren '^), aus dem zusammenhangenden Formenkomplex der Sand- schaler haben sich dann die Kalkschaler entwickelt, ihr Ursprung ist jedoch kein einh e itl i ch er, soudern an mehreren Stellen hat ein Ubergang von der agglutinierenden zur kalkigen Bauart st attgefunden. Die Richtigkeit dieser Auffassung der Verwandtschaftsverhalt- nisse unter den Thalamophoren ergiebt sich 1. aus der V er gleichend - mor phologi sch en Betrachtung der Form en und 2. aus den palaontologischen Befunden. A usschlieClich agglutinierend sind die primi- tivsten Formen, ausschlieCli ch kalkig die kompli- ziertesten, wahrend die in der Mitte stehenden 1) M. Neumaye, Die natiirlichen Verwandtschaftsverhaltnisse der schalentragenden Foraminiferen, Sitzungsber. d. Wiener Akad. 1887, Bd. XCV, Abt. I, S. 156 — 186, und M. Neumatr, Die Stamme des Tierreiches, Wien, 1889. 2) Die Vermutung, dafs die sandschaligen Thalamophoren alter sind als die kalkschaligen, spricht schon W. B. Carpenter aus (Biolo- gical Results of a Cruise in H. M. S. „Valorous". — Foraminifera. Proc. Roy. Soc. London, 1877, vol. XXY, pag. 227. 250 Dr. Friedrieh Dreyer, Tabelle der natiirlichen Verwandtschafts verhalt- nisse unter den Thalamop horen nach Neumayr^). Irregular aggluti- nierende Astrorhiziden Entwicke- lungsstufe A. B. C. D. Cornuspiriden- Teztilariden- Lituoliden- Fusuliniden- Typus Typus. Typus. Typus. Ammodiscus. Agglutinierende Lituola im weite- Fusulinella p. p. Regular Silicina. Textilariden. sten Sinne (Ha- Agglutinierende aggluti- Agathammina. plophragmium, Formen. (Ver- nierende Haplostiche, mutlich an En- Entwicke- Rheophax u. s. dothyra an- luDgsstufe. w.). Trochammina. Endothyra. Stacheia. Nodosinella. u. s. w. schliefsend.) (Perforat und im- (Perforat.) (Perforat.) (Perforat und im- perforat.) perforat.) 1. Imperforate Kalk sob alige l.Nod osarien- 1. Imperforate Reihe. Textilarid en. Rei h e. Reihe. a) Cornuspiriden. ? Chilostomellen ? Nodosariden (La- Fusulinella. Cornuspira. b) Milioliden. geniden). Nodosaria. 2. Perforate Reihe. Ophthalmi- Lagena. Fusulina. dium. ni * • • Dentalina. Hemifusulina. Plamspirina. Spiroloculina. Frondicularia. Cristellaria. Schwagerina. Biloculina. Marginulina, Triloculina. Polymorphina. Kalkige Quinquelocu- Uvigerina. Entwicke- lina. lungsstufe. c) Peneropliden. Hauerina. Vertebralina. Peneroplis. Orbiculina. Orbitolites. ? d) Alveolinen. 2. Perforate Reihe. Spirilliniden. Spirillina. Involutina. Problematina. 2. Endothyren- Reihe. a) Zweigreihe der Polystomelliden. Nonionina. Polystomella. b) Zweigreihe der Globigeriniden. Sphaeroidina. Globigerina. Pullenia. Orbulina. c) Zweigreihe der Rotaliden. 1) Neumate, Stiimme des Tierreichs, S, 198. Die Geriistbildung bci Rhizopoden, Spongien etc. 251 aa) Gotaliden. Cymbalopora. Discorbina. Planorbulina. Truncatulina. Pulvinulina. Rotalia. Calcarina. Amphistegina. Tinoporus. Carpenteria? bb) Cycloclype- iden. Cycloclypeus Orbitoides. Nummulitiden. Operculina. Nummulites. For men sowohl in sandiger als auch in kalkiger Bauart vertreten sind (isomorphe Formen) und zwischen sich, wie oben gezeigt wurde, allmahliche tJbergange von der einen zur anderen Bauart aufweisen. Die Formen- typen der sandigen Reihe unterscheiden sich jedoch von den ent- sprechenden Formen der kalkigen Reihe dadurch, daC sie ent- sprechend ihrer niederen Stellung auch weniger dififerenziert sind, Diflferentialcharaktere sind weniger ausgepragt, und der Zusammen- hang der Formen ist demgemaB ein grofierer als bei den Kalk- schalern. Die gesamten morphologischen Verhaltnisse weisen darauf bin, daC die Entwickelung der Thalamophoren von den primitiven Sandschalern ihren Ausgang genommen hat, und zwar von den irregularen Astrorhiziden. Von hier aus ging die Ent- wickelung nach verschiedeuen Richtungen hin auseinander. In dem- selben Mafie, als sich aus dem zusammenhangenden Wuste der irre- gularen Sandschaler bestimmte Formtypen herausdifferenzierten, wurden die Entwickelungsrichtungen immer bestimmter, immer scharfer voneinander unterschieden , und noch mehr gesteigert wurde dieser Difierenzierungsprozefi, als in den einzelnen Stammen der Umschwung von der agglutinierenden zur kalkigen Bauart stattfand. Auf dieser tJbergangszone liegen die sandigen und kalkigen isomorphen Formen. Ihren Hohenpunkt erreicht die Ent- wickelung endlich in den kompliziertesten Formen der verschie- deuen Typen, die ausschliefilich der kalkigen Bauart angehoren und keine isomorphen Vorlaufer mehr unter den Sandschalern be- sitzen. Der Stammbaum der Thalamophoren mit verstarkter Cuti- culaschale besteht demuach aus einigen (nach Neumayr 4) Haupt- 252 Dr. Priedrich Dreyer, stammen , die nur tief unten an der Wurzel, bei den irregularen Astrorhiziden , zusammenhangen und immer mehr divergieren , je mehr in ihnen die Entwickelung eines bestimmten Formtypus fort- schreitet. Am weitesten sind die auCersten Spitzen des strauch- formigen Stammbaumes, welche von den kompliziertesten Kalk- schalern eingenomraen werden, voneinander entfernt. (Vergl. hier- zu die vorstehende Tabelle Neumatr's.) Diese vergleichend-morphologischen Resultate werden bestatigt durch die palaontologischen Ergebnisse. Diese lassen uns allerdings, wie bei den meisten anderen Or- ganismengruppen, so auch hier im Stich, wo es sich um das erste Auftreten und die friihesten phylogenetisehen Entwickelungsvor- gange bandelt, denn die alteste Thalamophorenfauna, welche uns in gutem Zustande iiberliefert ist, gehort dem Kohlenkalke an, und in ihr treten uns bereits die hauptsachlichsten Typen in scharfer Dififerenzierung und groCem Formenreichtum entgegen. Vergleichen wir jedoch diese Fauna der Kohlenformation mit den Thalamopho- renfaunen der jiingeren Ablagerungen, so konnen wir konstatieren, daC die Sandschaler, hier noch in groCer Menge vorhanden, spater den kalkigen Geschlechtern gegeniiber immer mehr zurucktreten. So iiberwiegen in der Kohlenformation die sandschalitren Typen noch die kalkschaligen, im Lias ist die Zahl der Kalkschaler schon doppelt so groC, wie die der Sandschaler und im Tertiar uber- treffen die ersteren die letzteren um das Drei- bis Vierfache. Es sind dies Befunde, aus denen klar hervorgeht, daC die Sandschaler als die altesten Thalamophoren friiher noch stark vertreten waren und erst wahrend des Verlaufes der palaontologischen Entwicke- lung von den jiingeren Kalkschalern mehr und mehr zuriickge- drangt wurden. Auch wurde oben bereits erwahnt, daC friiher noch viele Ubergange zwischen der agglutinierenden und kalkigen Bauart existierten, die heute fehleu (Agathammina, Nodosinella, Endothyra, Fusulinella der Kohlenformation), und daC nur bei einigen Typen, den Textilariden und Milioliden, die Trennung zwischen sandiger und kalkiger Entwickelungsstufe auch heute noch nicht endgiltig vollzogen ist. — Aus der morphologischen Betrachtung sahen wir, daB die Sandschaler primitiver sind als die Kalkschaler, die Palaontologie lehrt uns, daC sie auch alter sind als die Kalkschaler. Die Verwandtschaftsverhaltnisse unter den Thalamophoren im einzelnen weiter auszufiihren, ist hier nicht der Ort, denn einmal haben wir in der vorliegenden Arbeit nur die Aufgabe, die Prin- Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. ''^Do zipicMi (It's ISchalciibauos festzut-telkii, uutl tlanii wird dcr Versuch, bei dcu fonnschwaukeiidcii Thalamophorcu eineii Stanimbaum zu konstruiereu, iinmer problcniatischcr, je mehr man sich in Einzel- heiteu verliert. In ihren Ilauptziigen scheinen sich die Verwandt- schaftsverhaltnisse der Tiialamophoren, wie aus diescu Zeilen hof- t'eutlich hervorgeht, niit einiger Sicherheit eruieren zu lassen, die Be- ziehuugen der enger begrcnzteu Gruppen zu einander festzustellen ist jedocli eiu Unternehnien, welches durch die weiten Variationsgrenzen dieser Rhizopoden und die uberaus zahlreichen Analogiebildungeu und Konvergeuzerscheinungen nahezu unmoglich gemacht wird. Wer sich niiher iiber die Phylogenie der Thalamophoreu zu unterrichten wunscht, ist auf Neumayr's „Stanime des Tierreichs" zu verweisen, in welcher dieser der Wissenschaft leider so friih durch den Tod entrissene Autor eine treftiiche Schilderung dieser Rhizopodenab- teilung entwirft, wie sich dieselbe dem augenblicklichen Stande uuserer Erkenntnis darstellt. Zur allgemeinen Orientierung wird die vorstehende Tabelle Neumayr's hinreichen. Auf der irregular agglutinierendeu Entwickelungsstut'e, in dem Eormenkomplexe der Astrorhiziden, ist eine Dift'erenzierung in bestimmte Entwickelungs- richtungen noch nicht erkennbar. Von bier aus beginnen sich dann allmahlich 4 divergente.Entwickelungsrichtungen herauszu- bilden , jeder derselben liegt ein spezifischer Formtypus zu Grunde, der auf der regular agglutinierendeu Entwickelungsstufe angelegt und auf der kalkigen Entwickelungsstufe weiter ausge- fiihrt wird. Der erste dieser 4 Typen ist der C o r n u s p i r i d e n- Ty p us (A) (Fig. 37, 261—265). Der Aufangsteil desselben spaltet sich da, wo er von der sandigen zur kalkigen Entwickelungsstufe ubergeht, dichotomisch, der eine der beidenZweige nimmtimperforate^ der andere perforate Schalenstruktur an. Der erstereerlangt die star kste Entwickelung, ihm gehort eine groCe Menge von Formen an, die eine kontinuierliche Reihe bilden von der einfachsten Cornuspira bis zu dem hochkomplizierten Orbitolites. Diese Forraenreihe lafit sich in :> Hauptgruppen, die Cornuspiriden, Milioliden und Peneropliden, ein- teiien, woran sich vielleicht noch die in ihrer Stellung zweifelhaf- ten Alveolinen auschliefien lassen. Dem perforaten Zweige gehoren nur wenige einfache Formen an. Der Textilariden-Typus (Fig. 269, 40), durch zwei- bis mehrreihige Anordnung der Kam- mern ausgezeichuet , setzt sich von der sandigen Entwickelungs- stufe aus nur auf kalkig perforate Formen fort. Der differen- zierteste und formenreichste der 4 Hauptstamme ist der Lituo- lidentypus (Fig. 251—260, 16, 24, 26—28, 35, 36, 38, 41, 222, 254 I)r. Priedrich Dreyei', 232, 240-242, 245, 268, 272, 273, 279, 280), bei welchem schon auf der agglutinierenden Entwickelungsstufe eine Spaltung in zwei Seitenzweige stattfindet. Dereine derselben beginnt mit der sandigen Nodosinella, an die sich die Nodosarienreihe der kalkigen Entwicke- lungsrichtuDg anschliefit ihr gehoren die Nodosariden (Nodosaria, Laena, Cristellaria etc.) an. Die Stammform des anderen groCeren Zweiges, der Endothyrenreihe, ist Endothyra. Beim tJbergang zur kalkigen Entwickelungsstufe geht dieselbe in 3 verschiedene Zweig- reihen, naralich die Polystomelliden, Globigeri niden und Rotaliden liber. Vollig zweifelhaft ist die Stellung der Nummulitiden, die sich viel- leiclit noch am ehesten dem Lituolidentypus anschlieCen, als Paral- lelformen zu Orbitolites des Cornuspiridentypus. Der Lituolidentypus ist auf der kalkigen Entwickelungsstufe durchweg perforat. Der 4. Hauptstamm ist der Fusulinidentypus, der eine kleine Formen- gruppe reprasentiert, die ausschlieBlich auf das palaozoische Zeitalter beschrankt ist. Die sandige Fusulinella zweigt sich wahrscheinlich von Endothyra ab und laCt aus sich beim Ubergang zur kalkigen Bauart eine imperforate und eine perforate Zweigreihe hervorgehen. Dies NEUMAYR'sche Thalamophorensystem ist unserer An- sicht nach der gelungenste Versuch, welcher bisher auf diesem fiir eine Klassifikation so schwierigen Gebiete unternommen wurde. Sein Hauptvorzug beruht besonders darauf, daC es nicht, wie es bei den alteren Systemen fast durchgehend der Fall ist, e i n Merkmal, wie die sandige und kalkige oder die undurchbohrte und durch- bohrte Beschaffenheit der Schale, einseitig betont, sondern den Thatsachen allseitig Rechnung tragt. Daher kommt es auch, daB es Widerspriiche, die aus einer solchen einseitigen Betrach- tungsweise entspringen, auflost, meiner Ansicht nach der beste Be- weis daftir, daB es in seinen Grundziigen der Wahrheit, d. h. der natiirlichen Verwandtschaft der Thalamophoren entspricht. Wichtig sind in dieser Hinsicht besonders folgende zwei Punkte. Die Bedeutung des Baumaterials der Schale, ob sandig oder kalkig, war von jeher ein vielumstrittenes Problem. Die einen leug- neten dieselbe vollig, indem sie auf die zahlreichen Ubergange zwischen den Thalamophoren mit agglutinierender und kalkiger Bauart hinwiesen, muBten jedoch infolgedessen dem Umstande ratios gegeniiberstehen, daB die sandigen Formen einen zusammen- hangenden Komplex reprasentieren , wahrend dies bei den Kalk- schalern nicht in dem Grade der Fall ist. Die andern Forscher hielten den Unterschied im Schalenmaterial fiir so wichtig, daB sie die sandigen Formen unter dem Namen der Lituoliden vollig Die Geriistbilduiig bei Tthizopoden, Spoiigien etc. 256 von deD kiilkison trcnuten, ein Verfahren, welches ebi'iiftiUa mit den Thatsacheii im VVidurspruch steht, indem cs den zahlrcichen isouiorphen Fornieii keiiie Rechnuiig triigt, die sandigen Geschlech- ler von den ihuen entsprechenden kalkscbaligen nur deshalb trennt und in die Faniilie der Litiiolideu verweist, weil sie aus anderem Materiale bergestellt siiid. AuBerdem wird cine derartige kiinst- licbe Klassitikation durch die zalilreichen Ubergilnge zwischen sandiger und kalkiger Bauart Liigeu gestraft. Neumatr vercinigt in seiuem System, welches die zusammenhangende Gruppe der primitiven sandigen Thalamophoren als das Fundament hinstellt, aus welcliem sich die Kalk- schaler polyphyletisch entwickelthaben, das Richtige beider Aultassungsweisen uuter gleichzeitiger Vermeidung ihrer auf Einseitigkeit beruhenden Fehler und der aus denselben entspringeii- den Widerspriiche. Das Gleiche gilt fiir die Auffassung der Bezie- hungen zwischen den imperforaten und perforatenKalk- schalen. Von den friiheren Autoren wurde meist die Struktur der Schale einseitig betont und ihr eine so fundamentale Be- deutuug beigemessen, daB man nach ihr p erfor ate und imper- forate Thalamophoren als 2 Hauptgruppen der Kalk- schaler scharf trennte und gegenseitige Beziehungen derselben fiir ausgeschlo'^sen hielt. Hiermit stand die Thatsache im Wider- spruch, dafi zahlreiche isomorphe Formen mit durchbohrter und undurchbohrter Schalenwand existieren, es hieCe der Natur Zwang anthun, wenn man dieselben, wie z. B. Cornuspira und Spirillina Oder Fusulinella und Fusulina, auseinanderreiCen und in zwei ganz verschiedenen Abteilungen unterbringen wollte. Im Gegensatz hier- zu sprachen andere Forscher der Schalenstruktur wieder jede Bedeutung ab, ihnen muCte dann aber der Umstand hochst unbequem sein, daC zwischen perforater und im per- forator Struktur durchaus keine Ubergiinge vorkommen, wie dies bei sandigen und kalkigen Schalen so haufig zu beobachten ist. Wie meistens, so war auch hier der Mittelweg der richtige, Imperforate und Perforate sind miteinander ver- wandt, aber nicht direkt, sondern durch das Binde- glied der sandschaligen Stammformen unt^reinan- der verbunden. Im Cornuspiriden- und Fusulinidentypus, wo perforate und imperforate Kalkschaler nebeneinander vorkommen, hat sich der Stamm der Sandschaler bei seinem tJbergang zur kal- kigen Bauart gabelig gespalten, nach der einen Richtung hin ent- wickelte sich eine perforate, nach der anderen Richtung hin eine 256 Br. Friedrich Dreyer, imperforate Reihe. Bei den agglutinierenden Stammformen ist die Schalenstruktur noch unentschieden ; eine bestinimte Struktur kann sich erst bei den homogeneu Kalkschaleo entwickeln, und so wifd denn auch die Eutscheidung zwischen perforater und imperforater Schalenstruktur ge- troffen, sobald der betreffende Stamm von der ag- glutinierenden zur kalkigen Entwickelungsstufe iibergeht. Ein nachtraglicher Ubergang der einen Schalenstruk- tur in die andere scheint dann nicht mehr stattfiuden zu konneu, wenn wir davon absehen , daC auf eine Perforatenschale haufig nach aufien solide Kalkschichten abgelagert werden, denn hierbei bleibt ja stets die urspriingliche perforierte Schale deutlich erhalten. P'ragen wir uns endlich, weshalb sich der Stammbaum der Thalamophoren in der eben angedeuteten Weise entwickeln muCte, so miissen wir uns zunachst bewuCt werden, daC in der Aetiologie seiner Entwickelung zwei Faktoreu zu unterscheiden sind, und zwar die Ursache der Differ enzierung und die Ursache des Materialwechsels. Wie bei alien iibrigen Organismen, so findet auch im Stamme der Thalamophoren, wie wir sehen, eine Ditfereuzierung, eine stetige Weiterentwickelung von niederen Formen zu hoheren statt. Dieser EntwickelungsprozeB als solcher, welcher das Emporwachsen des Stamm baumes hervorruft, ist eine Eigeuschaft des liCbens, welche sich in dem gesamten Reiche der Organismen wie in den einzelnen, grofieren und kleineren (iruppeu des naturlichen Systems betatigt. Durch welche treibenden Krafte diese aufsteigeude Entwickelung bedingt wird, ist uns noch ebenso ein ungelostes Ratsel, wie das ganze Problem des Lebens, von dem diese Frage nur einen Teil bildet. Eine andere Frage ist die nach der Ursache des Ma- terialwechsels, d. h. weshalb wahrend der phyloge- netischen En t w i ckelung der Thalamophoren einUm- schwung von der agglutinierenden zur kalkigen Bau- art stattgefunden hat. Wir sahen , daB dieser Prozefi des Materialwechsels in den 4 Hauptstammen der Thalamo- phoren «nabhangig auftrat, und dies haben wir als einen Fingerzeig dafiir zu uehmen, daC deiselbe nicht in der Kon- stitution des Protoplasm a, sonde rn in den Beding- ungen der AuBenwelt begrundet ist. Beruhte der Ma- terialwechsel direkt auf der spezifischen Lebensthatigkeit der Sarcode, so muBte es ein grofier Zufall sein, wenn er in den 4 Die Geriistbilduug bei Rhizopodeu, Spougieu etc. 257 Stammen der Thalamophoren , die alle ganz verschieden geartet siud, ill derselbeii Weise wiederkelirte; es ware uicht einzuselien, weshalb nicht der eine oder aiidere Stamm sich ruhig aggluti- nierend fortentwickelt hatte und weshalb bei der Weiterentwickc- lung regelmiiCig ein tjbergang vou der agglutinierenden zur kalkigen Bauart uud nicht auch einnial wieder ein Umschwuiig in entgegen- gesetzter Richtuug stattfand und weshalb die einfachsten Fornien agglutiniert, die kompliziertesten ohne Ausnahine kalkig sind. Ich glaube denn auch anuehmen zu diirfen, dafi dieUrsache des Material- wechsels nicht in der Natur des Organismus selbst, sondern in erster Linie in der Beschaffenheit des Baumateriales, also eines in den Rhizo- podenkorper aufgenommenen anorgauischen Faktors der Aulienwelt begriindet ist '). Die agglutinierende Bauart, welche sich zum Schalenbau der mehr oder weniger groben Sandpartikel und sonstiger Fremdkorper bedient, die einfach zusammengeklebt werden, ist eine verhaltnis- maBig rohe Methode, welche auch nur rohe und einiache Kon- struktioneu ermoglicht, wie uns jeder Blick auf entsprechende Sandschaler ad oculos demonstriert (Fig. 35a~d, 36 b etc.). Fiir die primitiven Formen reicht sie jedoch noch vollstandig aus und tritt wahrscheinlich bei ihnen auch deshalb zuerst als Ver- starkuug der Cuticulaschale auf, well ihre Entwickelung wegen ihrer nahen Verwandtschaft mit der Grundfunktion der Nahrungs- aufuahme , wie wir oben sahen , vermittelt und angebahnt ist. Aber schon bei den Sandschalern konnen wir verschiedentlich be- obachten, wie nur feines Material zum Schalenbau ausgewahlt und verwandt wird, und dies besonders bei Formen, deren feinere Ausfuhrung durch grobe Sandpartikel nicht mehr moglich ware (Fig. 37, 269). Durch solchen feinen Sand und Schlamm, auch zu- weilen aus Spongiennadeln , konnen Bauten hergestellt werden, die an Exaktheit der Ausfuhrung den Kalkschalen kaum nach- stehen , imnierhin geniigen aber solche agglutinierte Schalen nicht alien Anspriichen, welche die erhohte Differenzierung des Thala- mophorenstammes stellt, denn einmal findet sich feiner Schlamm nicht an alien Lokalitaten , und legt daher den auf ihn ange- wiesenen Thalamophoren eine unliebsame Beschrankung in der Ver- breitung auf, und dann wird agglutiniertes Baumaterial, so fein 1) Kurz beriihrt habe ich diesen Punkt schon in meinen „Be- trachtungen iiber den Bau der Rhizopodenschaleu", Biolog. Centralbl., Bd. IX, 1889, S. 333—352. Bd. XXVI. N.F. XIX. 17 258 Dr. Friedrich Dreyer, es auch sein mag, doch nicht fein und besouders auch nicht fest genug sein fiir die kompliziertesten P'ormverhaltnisse. Die Thala- mophoren mussen sich also, wollen sie die Vervollkommnung, welche die Fahigkeiten ihrer Sarcode wahrend der phylogenetisciien Eut- wickelung erfahren, am Schalenbau zur Geltung bringen konuen, nach einem geeigneteren Materiale umsehen , und dies bietet sich ihnen in dem kohlensauren Kalk. Kalksalze sind im Meerwasser iiberall gelost vorhanden und umspulen und durchdringen mit dem letzteren den Sarcodekorper der Tlialamophoren , wo sicii die- selben im Meere auch befinden mogen. Wo sich das Bediirfiiis der Schalenbildung geltend macht, brauchen diese gelosten Kalk- salze nur aus dem Wasser niedergeschlagen zu werden, und diese abgeschiedene gleichmaCige Kalkmasse iibertrili't das aus einzelneu Partikeln zusammengeklebte Schalenmaterial an Feiuheit und Plasti- citat und Festigkeit bei weitem, das agglutinierte und das Kaik- material verhalten sich in diesen beim Schalenbau in Betracht kom- menden Eigenschaften etwa zu einander wie Mortel und auf galva- nischem Wege niedergeschlagenes Metall, — Der Ubergang von der agglutinierenden Bauart zum kohlensauren Kalk ist, wie wir oben sahen, in den 4 Hauptstammen der Thalamophoren , kein plotzlicher und unvermittelter, sondern ein ganz allmahlicher, wie aus zahlreichen , teils ausgestorbenen , teils noch lebenden tJber- gangsformen deutlich hervorgeht (Fig. 40). Bei den priraitivsteu Saud- schalern, also besonders den Astrorhiziden (Fig. 251), werden die Sand- korner ausschliefilich durch die Chitinmasse der primaren Cuticula- schale zusammengehalten, allmahlich werden jedoch daneben noch andere Substanzen als Cement benutzt und zwar besonders der kohlensaure Kalk, durch allmahliche Zunahme des- selben unter gleichzei tiger Verringerung der Auf- nahme von Sand ist dann der kontinuierliche Uber- gang zu den reinen Kalkschalern gegeben. Wir seheu, dafi sich die phylogenetische Theorie Neumayr's und unsere tekto- nisch-atiologische in der willkommensten Art und Weise erganzeu und gegenseitig stutzen. Wahrend Neumayr zeigt, dafi aus der vergleichenden Morphologic und Palaontologie hervorgeht, daB die agglutinierenden Thalamophoren die alteren sind, aus denen sich erst spater die Kalkschaler entwickelt haben, hoffe ich plau- sibel gemacht zu haben, weshalb mit der hoheren Differen- zierung ein Wechsel des Baumateriales Hand in Hand gehen mufite. Die Geriistbilduug bei Rbizopoden, Spougien etc. 259 Ein weiterer Gesichtspunkt fur die Notwendigkeit des Material- wechsels beim Schalenbau ergiebt sicb una aus der Uberleguug , dafs uur deu Kalkschaleru eine pelagische Lebensweise moglich ist. Die primitivc'u Saudschaler, dereu grobe Bauart sich auch darin ausspricbt, dafs aie ini Durchscbiiitt grofser siud , als die Kalkschalei* , sind an die kriecheude Lebensweise auf dem Boden gebannt, von dem sie ihr Baumaterial beziehen. Erst durch den tJbergaug zur rein kalkigeu Bauart werden die Thalamopboreu vom Boden unabhiingig und zur scbwimmenden Lebensweise befahigt, denn Kalkmaterial konnen sie Uberail dem ^Meerwasser entnebmen. Es ist moglich , ja sogar hochst wahrscheinlich , dafs diese oder jene kalkschalige Form infolge aufserer Verhaltnisse wieder zur agglu- tiniereuden Bauart zuriickkehrte, ebenso wie auch. heute bei Chitin- uud Kalkschalern zuweilen die Aufuahme von Sandkornern in die Schale zu beobachten ist. In einigen Fallen liegt die sekundare Natur einer iiufseren Saudhiille deutlich auf der Hand , wie z. B. bei der auf Figur 41 dargestellten Truncatulina lobatula. Bei derselben wird die festgewachsene Kalkschale von einer dicken Sandhiille iiberdeckt, so dafs man bei dem Anblick von aufsen einen einfachen Sandhiigel zu erblicken glaubt (Fig. 41 a). Prapariert man jedoch die angeklebten Saudmassen ab, so tritt die primare Kalkschale zu Tage, die in ihrer Form durch die Sandkrusle in keiner Weise alteriert ist und sicli mit glatter Oberfliiche scharf gegen dieselbe absetzt (Fig. 41). Nur selten liegen jedoch die Befunde so durchsichtig, und den moisten kalkig-sandigen Schalen kann man es nicht ansehen (Fig. 40), ob sie einen tJbergang von der agglutinierenden zur kalkigen Entwickelungsstufe oder etwa einen Riickschritt in umgekehrtem Sinne bezeichnen, und ebensowenig ist uatiirlich bei den rein aandigen Formen erkennbar, ob man es mit urspriinglichen oder sekundaren, von kalkschaligen Vorfahren ab- zuleitenden Befunden zu thun hat. Der tJbergang zur kalki- gen Entwickelungsstufe bezeichnet, wie wir saheu, einen durch die grofsere Plasticitat des Kalkmate- riales ermdglichten Fortschritt zu exakter und diffe- renzierter ausgefiihrten Schalen; kehrt nun aus irgend einem Grunde eine kalkschalige Form zur agglutinierenden Bauart zuriick, so wird auch die Formbildung der Schale einen entsprechenden Riickschritt erfahren, auf die rohere Tektonik der agglutinierenden Bauart zuriickgedrangt werden. Wenn auch ein solcher Rhizopode von seinen kalkschaligen Vorfahren die Fahigkeit zu exakterem Schalenbau ererbt hat, so kann er die- selbe doch wegen des roheren Sandmateriales nicht mehr zur Geltung bringen. Eine XJmkehr zur agglutinierenden Bauart wird daher auch nur bei Formen moglich sein , welche sich noch nicht weit von den Formen der Sandschaler entfernt hatten , ihnen noch isomorph sind. Die allgemeine Form der Schale wird dann dieselbe bleiben konnen, und nur die Ausfiihrung derselben wird roher und einfacher, nicht ist jedoch ein Riickschritt zur aggluti- nierenden Bauart bei den kompliziertesten Kalkschalern, wie z. B. den Nummuliten, denkbar, der von einem Umsturz ihres ge- 17* 260 Dr. Friedrich Dreyer, samten Bauplanes begleitet sein miifste. Auf der Ubergangs- zoue von der agglutinierenden zur kalkigen Entwickelungsstufe im Be- reiche der sandigeu uad kalkigen isomorphen Formen konnen Schwan- kungen in dem Baumateriale und gelegentliche Eiickschritte von der kalkigen zur sandigen Entwickelungsstufe vorkommen, nicht aber bei den hochststehenden Kalkschalern, die in ihrer Eutwickelungsrichtung Bchon zu sehr fixiert sind. Die allgemeine Eutwickelung des Thala- mophorenstammes nach den von Neumate dargelegten Prinzipien wird durch solche gelegentliche Abweichungen natiirlich so gut wie nicht alteriert, immerhin glaubte ich aber den vorstehenden Punkt beriihren zu miissen, einmal weil die sich aus ihm ergebenden Gesichtspunkte mir von einiger allgemeiner Bedeutung erscheinen, und dann, um dem etwaigen Verdachte zu begegnen , als wollte ich die wechselvolle Gruppe der Thalamophoren in ein ausnahmsloses Schema zwaogen. Wir sind am Ende unserer Darstellung der Cuticulaschale bei den Thalamophoren angelangt. — Anhangsweise moge noch er- wahnt werden, daB auch einzelne Heliozoen ihren Korper mit einer Hiille agglutinierter Fremdkorper (Sand, Diatomeenschalen) um- geben (Lithocolla, Elaeorhanis) ^), die sich den eben besprocheneu Sandschalen der Thalamophoren an die Seite stellen laCt. Diese Vorkommnisse stehen jedoch bei den Heliozoen ganz vereinzelt da, bei denselben iibernehmen, wie wir spater sehen werden, andere Skelettbildungstypen die herrschende RoUe. Die Cuticulaschale erlangt im Reiche der Rhizopoden bei den Thalamophoren die groCte Bedeutung, sie ist hier der einzige Skelett- bildungstypus , und an ihr spielen sich, wie wir sahen, die ver- schiedensten Diflferenzierungs- und Entwickelungsprozesse ab. III. Die Centralkapsel der Eadiolarien. Die Centralkapsel ist eine fiir die Radiolarien konstante und charakteristische Bildung. Sie besteht aus einer in ihren chemi- schen und physikalischen Eigenschaften mit der primitiven Chitin- schale der SiiBwasserthalamophoren iibereinstimmenden Membran, welche in dem konzentrisch gebauten Radiolarienkorper eine innere Partie, welcher auch der Kern angehort, von den peripheren Teilen scheidet (Fig. 42). Die erste Frage, welche uns inbezug auf die Centralkapsel entgegentritt , ist die, ob wir sie mit den Thalamophoren homologisieren konnen oder nicht. Beide, die Thala- 1) BGtschi,!, Protozoa, Taf. XIV, Fig. 4, 5. Die Goriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 261 mophorenschale sowohl wie die Centralkapsel der Radiolarien, ge- horen dem cuticularen Skelettbildungstypus an, sind als echte Cuticulaschalen zu bezeichnen , auch in chemischer uud physikalischer Hinsicht stimmen sie, wie erwiihnt, iiber- ein , es frilgt sich also nur , ob ihrLagerungsverhaltnis im Rhizopodenkorper das gleiche ist; ist dies der Fall, niramt die Centralkapsel im Schichtensysteme des Rhizopoden- korpers dieselbe Stellung ein , wie die Cuticulaschale der Thala- mophoren, so steht einem phylogenetischen Vergleiche beider Bil- dungen nichts mehr im Wege. Die Mehrzahl der auf diesem Ge- biete thatigen Forscher (Haeckel, Hertwig, BCtschli, Beandt) hat sich auch zu Gunsten einer Homologisierung von Centralkapsel und Thalamophorenschale ausgesprochen, dieselben fuhlen auch die Notwendigkeit und das Bedurfnis, fur beide Membranbildungen das gleiche Lagerungsverhaltnis zum Zellkorper nachzuweisen, ver- wickeln sich aber bei in dieser Richtung angestellten Versuchen in Widerspriiche , welche daher riihren, dafi sie das Lagerungs- verhaltnis der Cuticulaschale nicht richtig auffassen. Es stehen sicli iiber diesen Punkt zwei Ansichten gegen- iiber, welche sich dadurch voneinander unterscheiden, dafs die ein en bei dem zu ziehenden Yergleich von den Thalamophoren aus- gehen, von den einfachen chitinschaligen Thalamophoren aus die Topographie des Radiolarienkorpers zu verstehen resp. abzuleiten suchen , wahrend die a n d e r e n umgekehrt bei ihrem Vergleiche von der Centralkapsel der Eadiolarien ausgehen. Die erst ere AufFassungsweise, welche besonders von BiJTSCHXi ^) vertreten wird , geht von den primitiven chitinhaltigen Thalamophoren aus ; eine Thalamophore mit der sie nach aufsen hin umhiillenden Schale entspricht der Centralkapsel mit ihrem Inhalt, und der extrakapsulare Teil des Radiolarienkorpers ist erst durch nachtragliches Hervorquellen von Sarcode nach aufsen entstanden , also auch nicht mit der Exoplasmalage der hullenlosen Rhizopoden und der Thalamophoren zu vergleichen. Diese Auffassungsweise sieht sich bei konsequeuter Durchfiihrung im Widerspruch einmal mit ontogenetischen und dann mit vergleichend- anatomischen Thatsachen. BIjtschli be- merkt a. a. 0. sehr richtig, dafs, wenn seine Auffassung der Central- kapsel der Wahrheit entspricht, dies aus der Ontogenie der Radiolarien hervorgehen miisse , es miisse die Centralkapsel zuerst als oberflach- liche Ausscheidung, homolog dem Schalenhautchen der Thalamophoren, entstehen und erst nachtraglich von hervorgedrungener Sarcode umhiillt werdeu. tJber die Ontogenie der Radiolarien ist nun zwar noch so gut wie nichts bekannt, das Wenige aber, welches wir hieriiber wissen, 1) BuTscHLi, Protozoa, S. 430 — 432. 262 Dr. Friedrich Dreyer, steht gerade mit der Theorie Buxschli's im Widerspruch. Nach Kabl Bbanbt ^) scheiot bei vereinzelten Eadiolarien eine Centralkapsel noch nicht zur Ausbildung zu kommen oder erst auf einem sehr spaten Entwickelungsstadium angelegt zu werden. So fehlt die Centralkapsel vermutlich wahrend des ganzeu Lebens bei Sphaerozoum neapolitanum, und bei Collozoum inerme kommt sie erst auf dem Stadium der Iso- sporeubildung zur Ausbildung , fehlt also noch wahrend der ganzen vegetativen Lebensperiode dieses E.hizopoden. Bei beiden Formen ist jedoch auch bei dem Mangel einer scheidenden Kapselmembran Ento- und Exoplasma, entsprechend Intra- und Extracapsulum der mit einer Centralkapsel versehenen Eadiolarien, scharf geschieden, und dazwischen bildet sich dann bei Collozoum inerme beim Eintritt in die reproduk- tive Lebensperiode erst die Kapselmembran aus. Es sind in dieseu Fallen also schon vor Bildung der Cuticulaschale zwei Plasmazonen scharf geschieden, welche zweifellos dem Ento- und Exoplasma der primitiven nackten Rhizopoden homolog sind, und nicht entsteht das Extracapsulum der Radiolarien erst sekundar und nach Anlage der Centralkapsel durch nachtragliches Hervorquellen aus der letzteren nach aufsen. BtJxscHLi sucht zwar diesen Befunden gegeniiber seine Theorie zu verteidigen , indem er bemerkt, „daf8 wir den Beobach- tungen iiber centralkapsellose Radiolarien vorerst in dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zuschreiben diirfen , da einerseits eine sehr zarte Centralkapselwand bei diesen doch zum Teil vorhanden sein kann , andererseits dagegen nicht hinreichend festgestellt scheint , ob bei diesen Formen iiberhaupt immer ein scharfer Unterschied zwischen zwei Protoplasmaregionen existiert". Mir scheint hingegeu keine Not- wendigkeit vorhanden zu sein, einer Theorie zuliebe an den Unter- suchungsergebnissen eines genauen Beobachters wie Brandt zu zweifeln, gleichwohl gebe ich jedoch die Moglichkeit zu, dafs der bei ver- einzelten Arten beobachtete Mangel der Centralkapsel auf sekundarer Riickbildung der letzteren beruhen mag. Die Zweifel, welche unsere geringe Kenntnis von der Ontogenie der Radiolarien inbezug auf die Deutung der Centralkapsel noch offen lassen, werden aber durch die vergleichende Anatomie endgiltig beseitigt. Ein ver- gleichend-anatomischer tJberblick iiber die Rhizopoden lehrt uns, dafs die Heliozoen diejenigen Rhizopoden sind, welche den Radiolarien am nachsteu stehen, und welche den tJbergaug von den primitiven nackten Rhizopoden zu den hoch differenzierten Radiolarien vermitteln (z. B. Vampyrella), Bei verschiedenen Heliozoen ist eine periphere Exoplasma- lage schon deutlich von einer centralen Entoplasmamasse geschieden, und das Exoplasma ist bei manchen Formen (Actinophrys , Actino- sphaerium) von dicht gedrangten Fliissigkeitsvakuolen zu einem wabigen Geriist aufgeblaht (Fig. 58), offenbar der Begin n der Calymmabildung der Radiolarien. Es liegt durchaus kein Grund vor, dies Exoplasma der Heliozoen nicht mit dem extrakapsularen Teil des Radiolarien- korpers zu homologisieren, im Gegenteil vereinigen sich alle Befande 1) Kakl Brandt, Die kolonienbildenden Radiolarien des Golfes von Neapel. Die Geriistbilduug bei Rhizopodeu, Spougieu etc. 263 dazu, die Heliozoen, ebeuso wie inbezug auf die Geriistbildung (vergl. don folgenden Abschnitt iiber das Achsengoriist) , so auch in diesem Punkte als die Vorlaufer und Anbahner der Radiolarienorganisation anzuspreoben und anzunehmeu , dafs bei der Entstehung der Radio- larien aus Heliozoen zwischen den beiden bereits differenzierten Kdrper- schichten eine Kapselmembran zur Ausscheiduug kam (Fig. 42). — Noch einen Punkt aus der Anatomie des ausgebildeten Radiolarienkorpers fiihrt BOtschli zur Stiitze seiner Auffassung an, indem er darauf hinweist, dafs bei den Radiolarien mit allseitig perforierter Centralkapsel , den Spumellarien und Acantharien, die Schichtung des Korpers zwar eine allseitig gleichraafsige sei, hingegen bei den oskulosen Radiolarien, den Nassellarien und Phaodarien , die extrakapsulare Sarcode ganz vor- wiegend vor dera Osculum angesammelt sei und die anderen Teile der Centralkapsel nur als eine diinne Schicht Uberziehe. Meiner An- sicht naeh ist dies Verhalten sehr natiirlich; da, wo die Centralkapsel eine Hauptmiindungsoffnung besitzt, wird sich die extrakapsulare Sar- code deshalb hauptsachlich vor der letzteren ansammeln , weil hier der Verkehr zwischen Intra- und Extracapsulum der regste und in- folgedessen auch die Lebensthatigkeit am grdfsten ist; keineswegs berechtigt dieser Refund aber zu dem Schlusse , dafs hier die extra- kapsulare Sarcode aus der Centralkapsel herausgequollen sei. Aufser- dem miissen wir. wie wir gleich sehen werden, aus vergleichend- morphologischen Griinden die oskulosen Radiolarien von den porulosen ableiten , also auch die einseitige Ansammlung des Exoplasmas bei den ersteren als aus der gleichmafsigen Schichtung (Fig. 42) infolge der Differenzierung einer Hauptachse sekundar hervorgegangen betrachten. Wie wir sehen, stofst der Versuch , von der Cuticulaschale der Thalamophoren aus Centralkapsel und Topographie der Radiolarien deuten zu wollen, wie es BtJTCHLi unternimmt, auf unauflosliche Wider- spriiche, sehen wir nun zu, ob der zweite Weg zum Ziele fiihrt, der von den Radiolarien seinen Ausgang nimmt. "Wir nehmen den Radiolarienkorper als etwas Gegebenes an und betrachten die Centralkapsel als eine Membran, welche sich zwischen dem bereits differenzierten Ento- und Exoplasma anlegt. Von diesem Standpunkte aus harmonieren wir sowohl mit den Thatsachen der vergleichenden Anatomie als auch mit denen der Ontogenie ; wir konnen ohne Schwierigkeit den genetischen Vergleich zwischen Heliozoen und Radiolarien durchfiihren und die kapsellosen Radiolarien ebenso ver- stehen wie das, was uns Beandt's Beobachtungen iiber die Anlage der Centralkapsel lehren. Unverstandlich sind uns hingegen unter diesen Voraussetzungen die Thalamophoren, und wir werden auch auf diesem zweiten Wege wieder vor die Verlegenheit gefuhrt, das Exoplasma der Thalamophoren und Radiolarien nicht homologisieren und die Lage der Thalamophorenschale und der Centralkapsel nicht vergleichen zu konnen. Die Centralkapsel legt sich der hergebrachten Auffassung gemafs zwischen Ento- und Exoplasma an, die Thalamophorenschale dagegen als aufsere Um- hiillung auf dem Exoplasma, in dem einen Falle liegt das Exoplasma aufser- halb der Cuticulaschale, in dem anderen Falle innerhalb derselben ; identi- fizieren[wir das Exoplasma der Thalamophoren und Radiolarien, so konnen 264 Dr. Friedricli Dreyer, wir die Cuticulaschale beider Rhizopodenabteilungen unmoglich ver- gleichen , homologisieren wir dagegen Thalamophorenschale und Centralkapsel , so ist der Vergleich zwischen dem Exoplasma der Thalamophoren und dem Extracapsulum der Radiolarien von vorn- herein abgeschnitten, gehen wir bei dem Versucb eines Vergleichs der Cuticulaschalen, der erstgeoaunten Metbode folgend, von den Thala- mopboren aus, so bleibt uns die Herkunft des Extracapsulums resp. Exoplasmas der Radiolarien unverstandlich, entscbliefsen wir uns fiir diese letztere Metbode, so sucben wir vergeblicb nacb einem Seitenstiick des Extracapsulums bei den Thalamopboren, Das Problem einer Vergleichung der Thalamophoren und Ra- diolarien wird widerspruchslos gelost durch unsere Auffassung der Cuticulaschale. Der Kardinalfehler, welcher die bisher in dieser Richtung angestellten Versuche vereitelte, war die irrige Deutung der zu vergleichenden Befunde, bei 'den Thalamophoren sollte die Cuticulaschale an der Oberflache des Exoplasmas ausgeschieden w e r d e n , letzteres also ausschlieClich unterhalb der Schalenhaut liegen , die Centralkapsel der Radiolarien hingegen sollte auf der Grenze zwischen Ento- plasma und Exoplasma abgeschieden werden, so daC das letztere dann ober- und ausschlieClich auCerhalb der Cuticulaschale zu liegen kame. In beiden Fallen wurde die Cuticulaschale auCerhalb des Exoplasmas liegen, nach unserer schon wiederholt erwahnten Aufiassung entsteht sie jedoch innerhalb des Exoplasmaschlauches und teilt denselben somit in eine innere und auBere Schicht, bei den Thalamo- phoren ist, wie wir sehen, die die Schale uberziehende auBere Schicht meist nur schwach entwickelt, weshalb sie bisher noch nicht in der gebuhrenden Weise beachtet und gewiirdigt wurde, bei den Radiolarien hingegen entwickelt sich gerade diese auCere Exoplasmaschicht zu einem ansehnlichen Volumen und laCt das ganze Extracapsulum aus sich hervor- gehen, es entsprechen sich also extrakorti kales Exoplasma der Thalamophoren und Extracapsulum der Radio- larien. Wir wiesen bereits darauf hin (S. 209), daC unter ge- wissen Umstanden die auCere Exoplasmaschicht auch bei den Thalamophoren machtig calymmaartig entwickelt werden kann, in welchem Falle dann die prinzipielle Ubereinstimmung in der Schichtung des Thalamophoren- und Radiolarienkorpers und die entsprechenden Homologien besonders deutlich in die Augen Die Gcriistbildung liei Ehizopodtn, Spongien etc. 265 spriiigen (Fig. 272). Ebenso, wie uus uusere Auflassung der to])ograi)hischeii Lagerung der Ciiticulaschale eiii richtiges Vcr- stauduis der Thalaniophorenschale, besonders dereii Wachstunis- vorgange, an die Hand gab, erweist sie sich auch hier fiir eine widerspruchslose vergleichend-morphologische Auffassung der Cen- tralkapsel als frucbtbar, ein Wahrscheinlichkeitsbeweis mehr, daB wir in ihr das Richtige getroffen haben. Die Lage von Thai amophorenschal e und Radio- larien cent r alkapsel im Rhizopodenkorper istalso die g 1 e i c h e , einer Homologisierung beider Geriistbildungen steht nichts mehr ini Wege. Gleichwohl sei aber auf die Mog- lichkeit hingewiesen, daC beide Bildungen trotzdem unabhangig voneinander entstanden sind. Es ist leicht denkbar, dafi bei zwei vcrschiedeneu Rhizopoden, der Stammform der Thalaraophoren und der Stammform der Radiolarien, infolge eingetretenen Bediirf- nisses eine Stiitzmembran zur Anlage kam, und zwar an derselben Stelle des geschichteten Sarcodekorpers, zu demselben Zvvecke und durch dieselbe Bildungsursache (funktionelle Anpassung, oben S. 211), und trotz dieser in jeder Hinsicht vollstandigen tJberein- stimmung wiirde man dann beide Bildungen nicht miteinander homologisieren konnen, denn zu dem Begriff des Homologeu ist der genetische Zusaramenhang, die Abstammung von einem gemeinsamen phylogenetischen Vorlaufer erforder- lich. Bei den hoheren Organismen mit kompliziertem Korperbau kann man aus hochgradiger tjbereinstimmung mit ziemlicher Sicher- heit auf Homologie schlieBen, denn hier ist die Bildungsursache eines Organes keine einfache, sondern ein auCerst verwickelter Komplex zahlreicher Bildungsfaktoren, der Bau des Korpers und seiner Teile ist bedingt und nur verstandlich durch eine lange Entwickelungsreihe phylogenetischer Vorfahren. Es ist nach der VVahrscheinlichkeitslehre nicht gut denkbar, daC an zwei ver- schiedenen Stellen des Stammbaumes unabhangig voneinander Tausende von Bildungsfaktoren wahrend eines ungemessenen Zeit- raums in ganz derselben Weise zusammentreffen, so daC dasselbe komplizierte Organ zustande kommt. Anders liegen die Verhalt- nisse bei den primitiven Protisten, die Korperteile sind hier teil- weise so einfach, daC man zu ihrer Erklarung die Annahme einer langen historischen Entwickelung durchaus nicht notig hat, ja zu- weilen kann man ihre Entstehung auf sehr einfache mechanische Art und Weise verstehen und es ist leicht moglich, daC sich ein solcher Bildungsvorgang mehrcre Male selbstandig wiederholte 266 Dr. Friedrich Dreyer, Ob eine ektoplasmatische Stiitzmembram schon vorhanden war, ehe sich die Entwickelungswege von Thalamophoren und Radio- larien trennten oder nicht, wird sich freilich wohl kaum jemals entscheiden lassen. Dafiir, dafs die Cuticulaschale bei den Eadiolarien unabhangig von den Thalamophoren entstanden ist, was uns auch besonders in unserer skeptischen SteDung zuriickhalt — , sprechen die Heliozoen. Die Heliozoen sind als der Anfang des Stamraes der Eadiolarien zu be- trachten, sie sind bereits durch typische E-adiolariencharaktere aus- gezeichnet, eine Centralkapsel ist aber noch nicht vorhanden. Aus der vergleichenden Anatomie der Heliozoen und Radiolarien miissen ■wir also schliefsen, dafs eine Centralkapsel erst bei dem tjbergange der Heliozoen zu echten Radiolarien auftrat , also zu einer Zeit, wo sich die Entwickelungswege der Thalamophoren und Radiolarien schon langst getrennt batten. Es ware ja allerdings auch moglich, dafs der Mangel einer Centralkapsel bei Heliozoen auf Riickbildung beruhte, zu einer solchen Annahme ist aber vorlaufig kein Grund vorhanden. '■o Wir sehen, nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse laBt sich die Frage nach der Homologie von Thalamophoren- schale und Centralkapsel nicht entscheiden. Gleichwohl habe ich die vorstehende Erorterung gegeben , um iiber das Problem zu orientieren und eine prazise Fragestellung zu ermoglichen, die bis- her fehlte. Ein Bemerkung iiber die Begriffsbestimmung des Wortes ,, Centralkapsel" erscheint mir hier noch am Platze. Haeckel (und mit ihm die Mehrzahl der iibrigen Autoren) versteht unter „Cen- tralkapsel" die cuticulare Hullmembran mit ihrem gesammten Inhalt, dem eingeschlossenen Protoplasma und dem Zellkern, und stellt dieser Centralkapsel das Extracapsulum gegen iiber. Die Cuticulaschale allein bezeichnet er als „Kapselmembran". Mir scheint, dafi aus dieser Nomenklatur Mifiverstandnisse entstehen konnen, indem bald mit Haeckel die gesamte von der Cuticula- schale umschlossene centrale Partie des Zellkorpers, bald nur die einhullende Membran unter der Bezeichnung „Centralkapsel" ver- standen wird, und dies um so mehr, als die letztere Auffassungs- weise die natiirlichere ist, die sich dem Unbefangenen unwillkiir- lich entgegen der HAECKEL'schen aufdrangt. Denn einmal ist es logisch, einem Extracapsulum ein Intracapsulum und nicht, wie Haeckel es thut, eine Centralkapsel gegeniiberzustellen, und dann ist eine Kapsel nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein Be- hiilter, zu dessen Begriff ein etwaiger Inhalt in keiner Beziehung Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 267 steht, eiue Kapsel bleibt immer eiue Kapsel, gleidigiltig ob sie voll odor leer ist. Ich mochte daher unter „Centralkapsel" allein die Cuticiilaschale der Radiolarien verstauden wissen, dieselbe scheidet den Rhizopodenkorper in zwei Partieen das Intracapsu- lum (Nucleus, Entoplasma + intrakortikales Exoplasma) und das Extracapsulum (extrakortikales Exoplasma mit der Gallertmasse des Calymma). Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen gehe ich nunmehr zur Besprechung der allgemeinen Eigenschaften , besonders der Morphologie der Centralkapsel uber. Die Cuticulaschale der Radiolarien, welche wir als Centralkapsel bezeichnen, steht auf der Ausb ild ungs st ufo der primitiven chitinigen, durch an org anisch es Material noch nich t verst arkte n Th alam opho ren - schale. Sie stinimt mit dieser, wie wir bereits bemerkten, in chemischer und physikalischer Hinsicht iiberein, und auch in mor- phologischer Beziehung verhalt sie sich der chitinigen Thalamo- phorenschale ganz analog: sie ist stets einkammerig und Diffe- renzierungen sehr wenig zuganglich, bleibt daher durchweg auf einer niederen morphologischen Ausbildungsstufe stehen. Was zunachst die Chemie des Materiales anlangt, wor- aus die Centralkapsel besteht, so haben wir es, wie bei der Thalamophorenschale, rait einer stickstofifhaltigen, dem Chitin nahe- stehenden Substanz zu thun. Infolgedessen besitzt auch die Centralkapsel eine im Verhaltnis hohe Resistenzfahigkeit chemischen Agentien, besonders Sauren und Alkalien gegeniiber. In der Dicke der C entra Ikapsel wan d kommen, ganz wie bei der chitinigen Thalamophorenschale, alle Ubergange vor von einem diinnen an der Grenze der Sichtbarkeit stehenden Hiiutchen bis zu einer starkwandigen Kapsel, und diesen Ab- stufungen in der Wandstarke entsprechen naturgemaC ebenso viele Grade von physikalischer Resistenzfahigkeit resp. Biegungsfestig- keit. In der Mehrzahl der Falle ist die Wand der Centralkapsel sehr zah, aber daneben doch so biegsam, daC sie ausgiebiger Ge- staltsveranderungen fahig ist. Dies lafit sich zunachst durch ex- perimentelle Eingriffe empirisch nachweisen, man kann in vielen Fallen die Centralkapsel mit ihrem Inhalt aus dem umhullenden Extracapsulum isolieren, sie erweist sich dann als eine zartere Oder starkere Membran, die biegsam und von zaher, lederartiger Konsistenz ist, zuweilen gelingt es daher nur schwer, sie mit einer Nadel anzustechen. Aufierdem kann man die Biegsamkeit der 268 Dr. Friedrich Dreyer, Membran auch aus anatomischen Befunden erschlieCen. So be- sitzen die Centralkapseln von Collozoum amoeboides (Fig. 43), wie schon der Name dieser Spezies sagt, amoboide Gestalt, woraus hervorgeht, daC die Kapselmembran wahrend des Lebens den Be- wegungen des Exoplasmas in ausgiebigem MaCe zu folgen imstande ist. — Wahrend sich die Radiolarien bekanntlich meist durch Sporen fortpflanzen, koramt doch auch bei verschiedenen Ge- schlechtern ganz allgemein eine Vermehrung durch T e i 1 u n g vor. Hierbei muC sich natiirlich die Centralkapsel mit teilen, ganz ebenso, wie wir dies bei den mit einem zarten Schalenhautchen versehenen Thalamophoren kennen lernten (Fig. 8), ein Vorgang, welcher eine bedeutende Biegsamkeit und Plastizitat der Kapsel- membran voraussetzt. NaturgemaC kommt eine Vermehrung durch Teilung der ganzen Individuen am verbreitetsten vor bei den ko- loniebildenden Spumellarien, denn auf diese Weise geht das Wachs- tum der Kolonie vor sich. Man kann denn auch in der Korper- masse der meisten kolonialen Spumellarien Centralkapseln in den verschiedensten Stadien der Teilung nebeneinander beobachten, der natiirlich immer eine entsprechende Teilung des Kernes vor- ausgeht (Fig. 44). AuCerdem ist Teilung sehr verbreitet bei den Phaodarien , und zwar aus begreiflichen Griinden bei den Ge- schlechtern, bei denen das Skelett diesem Vorgang nicht hindernd in den Weg tritt, es sind dies 1) die vollig skelettlosen Phaodi- niden , 2) die Cannorhaphiden und Aulacanthiden, deren Korper von einer Hiille unzusammenhangender Skelettelemente umgeben und durchsetzt wird, und 3. die Phaeoconchien, welche durch eine zweiklappige Schale ausgezeichnet sind (eine solche Schalen- klappe zeigt Fig. 189), die fiir den Teilungsvorgang geradezu praformiert erscheiut und auch als Anpassung an denselben aufzufassen ist. Bei alien diesen Phaodarien verlauft die Teilung in ubereinstimmender Weise, und zwar geht die Teilungs- ebene in der Richtung der Hauptachse der monaxonen Central- kapsel (Fig. 56). Nach vorausgegangener Teilung des Kernes teilt sich zunachst das strahlige Miindungsfeld der HauptM- nung, die Astropyle und bald darauf beginnt auch am aboralen Pole, zwischen den beiden Parapylen, eine Einschniirung, die dann so lange fortschreitet, bis zwei getrennte Centralkapseln entstanden sind. So kann man oft in einem Calymma 2, ja sogar zuweilen 4 Centralkapseln ') vereinigt finden, die Vermehrung durch Teilung 1) Catinulus quadrifidus, siehe Haeckel, Challenger -Report, plate 117, fig. 8. Die Gorlistbildung bei Rliizopoden, Spongien etc. 269 scheiiit bei den Phiiodarieu teilweise eine sehr ausgiebige zu sein. Eudlich ist es der DurchwachsuiigsprozeB, welcher, da wo er auftritt, vou einer bedeutendeu Plastizitat der Kapselmembran zeiigt. Derselbe Uonmit bei den Spumellarien vor und ist durch die konzeutrischeu Scbalensysteme dieser lihizopodengruppe be- diugt: Die zuerst gebildete Schale wird deni Sarkodekorper all- mahlich zu klein, er vvachst iiber dieselbe hinaus und umgiebt sich mit einer neuen Schale, die seiner nuuraehrigen Grofie angemessen ist, bei weiterer Ausdehnung wird ihm audi diese bald zu klein und es kommt zur Bildung einer dritten Schale und so fort. Das Extracapsulum kann ohne Schwierigkeit das Gitterwerk der Schalen durchwachsen, da es keine festeu Bestandteile enthalt, endlich muli jedoch ein Stadium eintreten , wo die Centralkapsel an die erste Gitterschale von innen austoCt und danu wird die Durch - wachsuDg der ietzteren zur Notwendigkeit. Durch jede Pore der Schale treibt die Centralkapsel eine bruchsackartige Ausstulpung (Fig. 45), diese Blindsacke erreichen eine gewisse Lilnge und ver- decken, dicht gedrangt stehend, die Gitterschale vollstandig, die Centralkapsel hat dann von auBen gesehen die Form einer Maul- beere. Dieses erste Stadium der Durch wachsung geht aber meist bald in das zweite Stadium der vollstandigen U ni wachsung der Gitterschale iiber, indem die Ausstulpungen zu einer kontinuier- lichen Kapselmembran verschmelzen, die nun die Gitterschale voll- standig in sich einschlieCt. Dieser Vorgang kann sich gegebenen Falls mehrere Male wiederholen , so daB mit der Zeit 2 , 3 und mehr Schalen in das lunere der Centralkapsel zu liegen kommen, ja sogar der Kern kann Partien des Skelettes in sich einschlieBen (Fig. 46). Ganz analog verlauft der Durchwachsungsvorgang bei den konzentrischen Ringsystemen der Discoideen und den Ske- letten der Larcoideen. — Wo die Kapselmembran einen hohen Grad von Biegsamkeit besitzt, ist sie in der Kegel auch sehr diinn, auf dem optischen Querschnitt nur als zarte, Intra- und Extra- capsulum trennende Linie sichtbar. Haufig erlangt sie jedoch auch eine betrachtliche Starke und Festigkeit, entsprechend den festen Chitinschaleu der Thalamophoren, und tritt uns dann auf dem op- tischen Querschnitt als doppelt konturierte Wand entgegen , die von deutlich sichtbaren Porenkanalen (wo anders solche vorhanden sind) durchsetzt wird. — Eine z a r t e Kapselwand ist den meisten Spumellarien und fast alien Acantharien eigen, wahrend einigen Spumellarien und fast alien Nassellarien und Phaodarien eine Starke, meist deutlich doppelt konturierte Kapselwand zukommt ; 2t0 Dr. Friedrlch Dreyei*, die Waudstiirke der Centralkapsel unterliegt jcdoch im einzelnen grofien Schwaukuiigen uud allgemeine Regeln scheineri sich fur dieselbe in Bezug auf die einzelnen Gruppen der Radiolarien nicht aufstellen zu lassen. Reliefverzierungen koramen an der Centralkapsel nur ganz vereinzelt vor. So ist z. B, die Kapselmembran bei Thalassicolla melacapsa an ihrer Innenflache mit einem unregelmaCig polygonalen Netzwerk von Leisten verseheu (Fig. 47). AuBerdein moge hier noch Haeckeliana porcellana Erwahnung finden, deren Centralkapsel mit bakterienahnlichen gekrummten Stiibchen dicht besat ist (Fig. 54). Wie fiir den ganzen Radiolarienkorper , so haben wir auch speziell fiir die Centralkapsel die Gestalt einer homaxonen Kugel als Grundform zu betrachten. Dieselbe ist jedoch lange nicht mehr iiberall realisiert, findet sich nur noch bei einer grofien Anzahl von Spumellarien und Akantharien und hat in der Mehrzahl der Falle mehr oder weniger tief einschneideude Modifikationen erfahren. Die abgeleiteten Formen der Centralkapsel sind rait Haeckel pas- sender Weise nach der verschiedenen Quelle ihrer Bildungsursache in intern-metamorphe und extern-metamorphe Formen einzuteilen. — Die in tern-metamorphen Formen sind ein Aus- fluB des architektonischeu Typus des ganzen Rhizopodenkorpers, dem sowohl das Skelett als auch die Centralkapsel Folge leistet. Da sie von der dem Zellkorper iunewohnenden Organisationsten- denz bewirkt werden, bilden sich die intern-metamorphen Formen der Centralkapsel auch unabhangig vom Skelett heraus, aller- dings besteht meist eine Ubereinstimmung zwischen der Gestalt der Centralkapsel und der Gestalt des Skeletts, dieselbe ist aber nicht die Folge einer Abhangigkeit beider Geriistbildungen, v o n - e i n a n d e r , sondern dadurch bedingt, dafi beide in der gleichen Tek- tonik d e s s e 1 b e n Sarcodekorpers ihre gemeinsame Bildungs- ursache haben. Eine interne Metamorphose wtirde die Centralkapsel auch erleiden, wenn ein Skelett voilstandig fehlte, dies scheint sogar bei den Nassellarien uud Phaodarien wirklich der Fall gewesen zu sein, denn es ist wahrscheinlich, dafi bei diesen beiden Hauptgruppeu der Radiolarien die Achsendifferenzierung der Centralkapsel statt- fand, e h e es zur Anlage eines zusammenhangenden Skelettes kam. AuCerdem gehort zu den intern-metamorphen Formen die ge- streckte Centralkapsel der Pruuoideen und die linsenformig abge- flachte der Discoideen und Larcideen, sowie analoge Achsendifferen- zierungen an der Centralkapsel vieler Akantharien. Hiergegen Die (leriistbildung bei Ithlzopoden, Spongien etc. 2? 1 werden die extern- mutamorphen Formen von der Ceutralkapsel iiicht freiwillig aiigenommeu, sondern ihr von dem Kieselskelett (oder Achsengeriist) au fgedriing t , sie sind nicht von der bil- denden Sarcode aktiv bewirkt, sondern in Abhitngigkeit vom Skelctt passiv en ts tan den. Meist werden die externen Meta- ujorpbosen durcb eine Beeintrachtigung des Wachstunis der Cen- tralkapsel durch das umgebeude Skelett hervorgerufen. Eine der- artige KoUision der beideu Geriistsysteme des Radiolarienkorpers verdankt dem Umstande ibreu Ursprung, dali das aus starrer auorganiscber Masse bestebende Kieselskelett einer Ausdebnung oder Aut'losung nicht zuganglich ist, es muB die weiterwachsende (Juticiilaschale mit der Zeit einengen, ihr regelniaBiges Wachstuni storeu und sie zwingen, die entgegenstehenden Hindernisse so gut zu uberwinden, als es geht. VVir batten bereits Gelegenheit, den UmwachsungsprozeU der inneren Kugelschalen der Spuniellarien durcb die Ceutralkapsel zu erwabnen, Schon bier sahen wir die letztere genotigt, die Poren der umschlieBenden Gitterschale in Form von Bliudsacken zu durchwachsen und eine abweicbende, auf externer Metamorphose beruhende Gestalt. anzunehmen (Fig. 45). Bei den Spumellarien ist jedoch diese Gestaltsveranderung nicht dauernd, wir sahen, wie durch Verscbmelzung der Blindsacke die urspriingliche Form wieder hergestellt wird (Fig. 46). Dies ist aber nicht der Fall bei den Nassellarien, bier ist die extern-metamorpbe Form, wo sie auftritt, von dauerndem Be- st and. Ebenso wie bei den Spumellarien die primare Kugelschale, wird bei den Nassellarien die primare Kammer der Ceutralkapsel oft zu klein, und notigt sie, das den basalen Teil der Cepbalis abscblieUende CoUarseptum zu durchwachsen. Die Blindsacke, 3 bis 4 an der Zahl (den im Septum vorhandenen Poren entspre- chend), wachsen zuweilen zu machtiger GroBe heran, so daC die urspriingliche Form der Ceutralkapsel eine tiefgreifende Verande- rung erfahrt (Fig. 50, 136). Wir sehen also, dafi, wahrend d i e int ern-met amorphen Formen der Centralkapsel durch die Formbildung der Zelle bedingt sind, die extern-me- tamorphen Gestalten rein grob mechanisch durch den EinfluC des Skelettes bewirkt werden. Woher es kommt , dafs bei den Spumellarien die die Poren der Schalen durchwachsenden Ausstulpuugen der Centralkapsel wieder zu einer einheitlichen Hiiile miteinander verschmelzen, bei den Nassella- rien dagegen nicht, ist schwer zu sagen. Die einfachste, rein mecha- nische Erklarung ware die, dafs man den Grand in der verschieden en 21^ Dr. Friedricli 6rey 6¥, Starke der Kapselmembran suchte, bei den Nassellarien wiirde die grofsere Starke der letzteren das Verschmelzea der Bruchsacke verhin- dern , und in der That ist ja aueh bei deu Nassellarien die Central- kapsel im Durchschuitt dickwandiger wie bei den Spumellarien (siehe oben). So klar und wichtig die Unterscheidung zwischen den intern- und extern - metamorphen Formen der Centralkapsel auch ist, so ist sie doch zuweilen praktisch sehr problematisch. Bei den Acan- tharien ist die Centralkapsel hiiufig langs der sie durchbohrenden Akanthinstacheln ausgezogen (Fig. 48). Diese Verauderuug kann einerseits eine intern - metamorphe sein, denn die 20 Stachehi bezeichuen in der Architektonik des Acantharienkorpers besou- ders bevorzugte Richtungen. Andererseits ware es aber auch denkbar, dafi solche Befunde einfach auf Kontraktioneu der Cen- tralkapsel zuriickzufiihren sind, deneu die an den Stacheln fixierten Stellen nicht folgen konnten. Eine dritte Annahme ware noch die, dafi die Kapselmembran durch die von innen heraus und schneller wie die Centralkapsel wachsenden Radialstacheln die Kapselwand in Zipfel ausziehen. Weit wichtiger wie Starke und Gestalt der Centralkapsel ist die Struktur der Kapselmembran. Zum Verkehr des in- trakapsularen mit dem extrakapsularen Protoplasma mufi dieselbe von Poreu durchbrochen sein und durch Anordnuug, Zahl und Auss tatt ung dieser Poren offnungen wird die charakteristische Struktur der Centralkapsel bedingt. Wir konnen 4 Typen der Kapselstruktur unte rscheiden , durch welche die 4 Hauptgruppen der Radiolarien durchgehend charakterisiert sind, dieselben lassen sich etwa folgendermaCen zusammenstellen : I. Porulosa (Fig. 42). — Die urspriinglich homaxone, kugelige Centralkapsel ist allseitig von zahlreichen, gleichartigen, feinen Poren durchbohrt. Die Wand der Kapsel ist einfach. Dieser von Hertwig aufgestellte Typus zerfallt nach Haeckel in 2 Typen, die den beiden Abteiluugen der Spumellarien und Acan- tharien entsprechen. A. Spumellarien. Die Poren sind gleichmafiig und regel- los auf der Kapselwand verteilt. B. Acantharien. Die Poren zeigen eine bestimmte regel- maCige Anordnung in Feldern und Linien. Es ist dies eine Folge des streng regelmaCigen strahligen Baues der Die Oeriistbilduug bel Rhizopodeu, Spongien etc, ^73 Aciintharicii, welcher in dem konstanten Vorhandensein der 20 luuh dem iMtfLLER'schen Gesetz angeordneten Radial- stachelii den augenfalligsten Ausdruck findet. Zwischen diesiMi dio Kapsel durchsetzenden Stacheln sind die Por«n regelniJilJig verteilt. Beide Typen zeigen gioCe Verwandtschaft uutereinander, die Cen t ralk a psel der Acantliarien ist i m Gruude weiter iiichts als eine Variante der Central- kapsel der Spumellarieu, welche zur Tektonik des Acantharieukorpers Id Korrelation steht, Ich fasse sie da her nach dem Vorgauge Haeckel's zu dem Haupttypus der Porulosa zusammen, dem ich je- doch die beiden folgenden Typen der Nassella- rien- und Phiiodarienkapsel als gleichwertig gegeuiiberstelle. Meine Gruppierung der Radiolarien nach der Kapselstruktur nimmt somit zwiscliL'u derjenigen Hkktwig's und Haeckel's eine Mittelstel- lung ein, wie aus folgendem ersichtlich ist : Hertwig Dreyek Haeckel , o 11 • , » .1 • T r> I f A. Spumellaria , „ i f A- Spumellaria I. bpumellanii + Acantuaria I. Porulosa< „ .' ^l . 1. Porulosa ). Mir scheint ein Verstiindnis desselbeii iioch am ehesten aiigebahnt, wenu wir ihn niit iilinlichen, bei auderen Radio- larieugruppeu auftretenden Befundeii vergleicben. Bei deu Spurael- larieu und Acantbarien , die eine allseitig perforierte Ceutralkapsel besitzeii , zeigt das iutrakapsulare Protoplasma radiare Anordnung und Struktur (Fig. 42, 46), die sich nieist in radialer StreifuDg zu erkennen giebt, oft wird sie aber so stark ausgeprilgt, daG das Intracapsuluin nach Bebandlung mit Reageutien iu keilformige Stiicke zerfallt , die mit ihrer Spitze central, mit der Basis peripher gelegen sind. Ahnliches konnen wir bei den Phaodarien beobachten, auch bier zeigt das intrakap- sulare Protoplasma strablige Struktur, die nach den vorhandenen Miindungsotiuungen orientiert ist. So konvergiert ein Strahlen- kranz von Sarcodestraugen , der zuweilen die Halfte des Intra- capsulums einnebmen kann , nach der Hauptmiindungsotfnung (Fig. 53), und es ist wahrscbeinlich, dafi unter seinem Einflufi auch der strablige Bau der inneren Kapselmembran unter- balb des JMiindungsdeckels entstanden ist. Ebenso ist die Sarcode in der Umgebung der Parapylen strablig angeordnet (Fig. 55). Diese Orieutierung der intrakapsularen Sarcode nach den in der Ceutralkapsel vorhandenen Offnungen ist leicht zu verstehen, wenn wir bedenken, daC durch die letzteren der Verkehr zwischen Intra- uud Extracapsulum seinen Weg nimmt. Die Vorgange der Dif fusionsstromungen und des Stoffwechsels miis- sen nach den und durch die Offnungen stattfinden, und es ist ver stan dl ich , weshalb das Protoplasma auch in dieser Richtung bleibend orientiert er- scheint. Der „Pseudopodienkegel" oder Podoconus gehort aller VVahrscheinlicbkeit nach in dieselbe Gruppe von Erscheinungen, obgleich wir gestehen mussen, daC sich der Grund verschiedener EigentiiniMchkeiten seines Baues, so die scharfe Abgrenzung nach auCen, die Konvergenz seiner Strahlen nach dem Innenraurae der Centralkapsel , die hyaline Beschafienheit des apikalen Poles (Fig. 49), bis jetzt noch unserem Verstiindnis entzieht. Die eben beruhrten Verhaltnisse sind durcbaus nicht auf die Radiolarien beschrankt, sondern wir fiuden sie sebr verbreitet bei Gewebs- zellen der hoheren Tiere und Pflanzen , iiberall da, wo der Stoff- wecbsel nach einer bestimmteu Ricbtung bin stattfindet. Natur- ib * '216 Dr. Friedrich Dreyef, gemaJB kommen hier besonders die Driisenzellen in Betracht , so besteht z. B. iu „den gewuudeneu Kanalchen der Niere eine jede Zelle zum groCten Teil aus kleinen Stabchen , welche einaiider parallel und senkrecht zur Basement - Membrane gestellt sind"^). Aui diese Analogien hat schon Hertwig ausfiihrlich hingewiesen und stimmt auch in der Deutung der Befunde mit uns Uberein, indem er zu dem Schlusse kommt, daC „wir die streifigen Strukturen des Protoplasmas bei den Radiolarien als den anatomisclien Ausdruck der in ihrem Korper stattfin denden 8tr6- mungen auffassen konnen". — Obgleich die vorstehenden Erorterungen iiber den Bau des intrakapsularen Protoplasmas, streng genommen, nicht in den Rahmen einer Betrachtung der Geriistbilduugen hineingehoren , so glaubten wir sie wegeu ihres engen Zusammenhanges mit dem Bau der Centralkapsel doch nicht umgehen zu diirfen. Dariiber, wie die Typen der Centralkapsel der 4 Hauptgruppen der Radiolarien zu einander in Beziehung zu bringen sind, sind sich die bisherigen Autoreu durcii- gehends eiuig, und ich schiiefie mich ihnen an. Als iudii'fereuter Gruudtypus ist die Centralkapsel der Spumellarien zu betrachteii, von ihr aus sind die ubrigen drei Typen abzuleiteu. Zwei Mo- mente sind es, welche bei der divergenten Entwickelung der Centralkapsel der Acantharien, der Nassellarien und Phaodarien aus derjenigen der Spumellarien besonders in Betracht gekommen sein werden , uamlich 1) die Reduzierung der Anzahl der Poren- otfnungeu und 2) eine den neu erworbeuenen Achsendiifereu- zierungen der Centralkapsel entsprechende Anorduung der- selben. Uber diese ganz allgemeineu Vorstellungen iiber die Phylogenesis der Centralkapsel konnen wir jedoch nicht hinaus- kommen, denn in der Jetztzeit scheinen Ubergangsformen zu fehien, welche uns Fingerzeige iiber die Eiuzelheiten der Formvvandluugen geben konnten. Die 4 Typen der Centralkapsel scheinen sich sehr fruhzeitig ausgebildet und fixiert zu haben, ihre Entstehung fallt aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Abzweiguug der 4 Legionen der Radiolarien von einer gemeinsamen Stamragruppe zusammen. Die Cuticulaschale der Radiolarien ist ein hoch- gradig konservatives Organ. Wir konnten nur 4 Typen der morphologischen Ausbildung unterscheiden, von denen jeder einer der 4 Radiolarienlegionen eigen ist. Innerhalb seiner Legion bleibt 1) R. Hektwig, Orgauismus der Radiolarien, S. Ill — 112. Die Geriistbilduiig bei Rhizopodon, Spongien etc. 277 sich jcdcr Typus treu, ohne wesentliche Abweichungen zu zeigen, und fiihrt in dcrselben die ausschlieGliclip Herrschaft. Die Cuti- culaschale der Radiolarien ist niorpholop:isch hochst einfach aus- gestattet und besitzt nur diejenisen Differenzierungen, welche fiir die Typen charakteristisch sind und bleiben, sie steht hierdurch im au f fallen ds ten Gegensatz zu den sie peripher um- hiillendcn Radiolarienskeletten im engeren Sinnc, die sich be- kanntlich durch eine Variabilitat und einen Forraenreichtum aus- zeichnen , wie Abnliches in keiner anderen Organisraengruppe wiederkehrt; hier Einfachheit, Formenarmut und For- menkonstanz, dort Differen zier ung und Kompli- kation, Form enreichtuni und Variabilitat in der hochsten Potenz. So auffallend dieser Gegensatz auch ist, so verstandlich und natiirlich ist er auf der anderen Seite. Die Centralkapsel liegt im Inneren des Radiolarienkorpers geborgen und ist den wechselnden Einfliissen der AuCenwelt entzogen, die den 4 Typen eigenen Diflferentialcharaktere entsprechen dera inneren Typus der Organisation, der Tektonik des Radiolarienkorpers, welche sich in den 4 Hauptgruppen im groBen und ganzen kon- stant bleibt ; die peripheren Radiolarienskelette hingegen sind dem Einflusse des wechselnden Spieles zwischen dem lebenden Sarcode- korper und den mannigfachen Faktoren der AuCenwelt voll und ganz ausgesetzt, sie liegen gerade auf der Grenzzone zwischen Organismus nnd AuCenwelt, wo sich das komplizierte Ineinander- greifen organischer und anorganischer Bildungsfaktoren fortwahrend abspielt, wir haben in ihnen den morphologisch fixierten Aus- druck dieses dynamisch-physiologischen Prozesses vor uns. Ahn- lichen Verhaltnissen begegnen wir bei den hoheren Organismen; es geniigt, an das bekannte Beispiel der Insekten zu erinnern. Auch bei ihnen bleibt der Typus der inneren Organisation derselbe und tritt uns nur vermoge der Plasticitat der auCeren Umhullung, des Exoskelettes, in unglaublicher Formenmannigfaltigkeit entgegen. Treffend vergleicht Caeus Sterne den Formen- und Farbenreich- tum der Insekten mit einer Maskerade, dasselbe Thema in tausend und aber tausend Variationen. — Derselbe Gegensatz, wie zwischen Centralkapsel und peripherem Skelett der Radiolarien, besteht zwischen der Centralkapsel und (wenn wir die obigen kritischen Auseinandersetzungen einmal vernachlassigen) ihrem Homologon bei den Thalamophoren, der Thalamophorenschale ; auch er findet von denselben Gesichtspunkten aus seine Erklarung. W ah rend die Cuticulaschale bei den Radiolarien durch eine 278 Dr. F r i e d r i c h I) r e y e r , machtige En twickelung des extrak ortikalen Exo- plasmas nach innen verlagert und dem Einflusse der AuCenwelt entzogen wurde, behielt sie bei den Thalamophoren ihre exponierte, oberf lachliche Lage bei, und dies hatle die ganzlich verschiedene Ausbildung der Cuticulaschale in den beiden groBen Rhizo podenabteilungen zur Folge. Centralkapsel und Thalamophorenschale entsprecheu einander, bei den Radiolarien hat jedoch die Rolle der letzteren zu einem groCen Teil ein anderer Geriist- bildungstypus iibernommen. n. Abschnitt. 2. Gerustbildungstypus : Das Achsengeriist. Der Biidung eines Achsengeriistes liegt dieselbe Ursache zu Grunde wie der der Cuticulaschale, beide Gerustbildungs- typen sind durch dieFahigkeit desSarcodekorpers, organische, chitinahnlicheSubstanzen auszuscheiden und zur Skelettbildung zu verwendeu, bedingt. In- folge dieser Gemeinsamkeit ihrer chemischen Bilduiigsursache sind also Cuticulaschale und Achsengeriist miteinander ver- wandt,und ihre prinzipiellen Verschiedenheiten der Konstruktion sind einAusfluC der verschiedenen Tektonik des Weichkorpers der Rhizopoden. Die Cuti- culaschale ist eine Gerustbildung, welche den Weichkorper in tan- gentialer Richtung als kontinuierliche Schale umgiebt, sttitzt und schiitzt ; ein solcher Apparat paCt in den Organisationstypus eines jeden Rhizopoden, wie er auch gebaut sein mag, hiuein, und da- her ist auch die Cuticulaschale bei den raeisten Rhizopoden ver- treten, teils allein (Thalamophorenschale), teils kombiniert mit anderen Geriistbildungstypen (Centralkapsel). Wahrend sich so die Cuticulaschale als ein Apparat von universeller Brauchbarkeit und Verbreitung erweist, ist das Achsengeriist eine speziellen Ver- haltnissen entsprechende Einrichtuug. Ein Zweig der Rhizopoden, welcher mit den Heliozoen beginnt und sich in den Acantharien Die Qeriistbilduag bei Rhizopoden, Spongien etc. 279 fortsetzt, zeichuet sich durch eine extreme Eutwickelung des strah- ligen Baues aus. Die meisten Rhizopoden eutsenden ihre Pseudo- podieu zwar auch in radialer Richtung, dieselbeu sind aber ziem- lich unregelmaCig verteilt und geformt, sehr veriiuderlich und ge- ueigt, untereinander zu eineni regellosen Netzwerk zu verschmelzen, hier dagegen sind die Pseudopodien meist regelmiiCig verteilt und in geringerer Auzahl vorhanden, dafiir besitzen sie aber eine groCe Selbstandigkeit, sind nicht mehr leicht verganglich und ver- anderlich, sondern jedes Pseudopodium imponiert als ein selb- standiges Organ, welches in Form eines dunnen, starren Strahles von dera Centralkorper ausgeht und gewohnlich mit seinen Nach- barn keine Verschmelzung eingeht. Zur Forderung eines solchen Baues des Rhizopodenkorpers sind besondere Stutzvorrich- tungen erwiinscht, und diese sind es, welche wir als Achsengeriist bezeichnen. Die chitinige Substanz wird in der Achse der Strahlen- pseudopodien in Form von feinen Nadeln abgeschieden, in diesen sind bereits die wesentlichsten Eigentiiralichkeiten des Achsenge- riistes gegeben, sie sind die Grundlage, von der aus sich die weitere Entwickelung dieses Gerustbildungstypus leicht verstehen laCt. Wir sehen, daC trotz derVerwandtschaft, welche in der gemeinsamen physiologisch- ch emischen Bildungs- ursache begriindet ist, Cuticulaschale und Achsen- geriist in ihrer morphologischen Anlage undAus- bildung doch durchaus voneinander verschieden sind,ja,beideGerustbilduugstypenreprasentieren in ihrer Tektonik diametrale Gegensatze, auf der einenSeite eine tangen tial gelagerte, kontinuier- liche Membran; auf der anderen Seite dagegen ra- dial und axial orientierte einzelue Nadeln: die Be- thatigung derselben Bil dungsf ahigkeit des Sar- codekorpers in zwei entgegen gesetzten Richtun gen. Der Annahme, dafi die Substanz, aus welcher der Sarcode- korper das Achsengerust bildet, dieselbe sei, wie die der Cuticula- schale, scheint zunachst der Umstand zu widersprechen, daC sie, gegeniiber der groBen Widerstandsfahigkeit der Cuticulaschale gegen chemische Agentien, sich durch bedeutende Loslichkeit aus- zeichnet. Osmiumsaure wie Mineralsauren iiberhaupt, ebenso wie Kalilauge zerstoren die Achsenskelette in kurzer Zeit vollstandig ^). Mir erscheint dieser Umstand jedoch noch als kein Grund, eine 1) Hebtwig, Organismus der Radiolarien, S. 8. 280 Dr. Friedricli Dreyer, fundameiitale Verschiedenheit zwischen der chitinigeu Sub- stanz der Cuticulaschale und dem sogenannten Akanthin der Achseii- geriiste aniiehmen zu miissen. Eiuinal bleibt sich die chemische Resistenz der Cuticulaschale auch durchaus nicht in alien Fallen gleich, sondern wurde stellenweise schon als ziemlich gering nach- gewiesen, und dasselbe gilt von dem Akanthin in umgekehrter Richtung, stark entwickelte Akantharienskelette, besonders bei alteren Individuen, scheiuen zuweilen einen bedeutenden Grad von Widerstandsfahigkeit zu besitzen. Wir werden sehen, da6 die aus der Sarcode entstehende Substanz des Achsengerustes erst ganz allmahlich wahrend der ontogenetischen sowohl als auch der phylo- genetischen Entwickelung festere Beschaffenheit anniramt. Eben gebildete Achsenfaden der Heliozoen konuen bei eveutueller Ein ziehung des Pseudopodiums vom Protoplasma auch leicht wieder resorbiert werden, bei alteren Achsenfaden geht dies schon schwerer, teilweise vielleicht gar nicht mehr, und bei den starken Stacbehi des Akanthariengeriistes ist eine Wiederauflosung von seiteu des Protoplasmas wahrscheinlich ganz ausgesclilossen. Ebensowenig wie wir aus dieser graduellen Verschiedenheit in der Festig- keit des Achseugeriistes auf seinen verschiedenen Entwickclungs- stufen auf eine prinzipielle Verschiedenheit schliefien diirfen, diirfen wir dies bei dem Vergleich von Cuticulaschale und Achsen- geriist thun. Beide Gertistbildungen bestehen aus organischer, innerhalb und aus der Sarcode entstandener Substanz, die bei beiden Geriistbildungstypen in vielen Punkteu groCe Ahnlichkeit und tJbereinstimmung zeigt. Wir werden in ihr eine kompli- zierte organische Verbindung vor uns haben, und dafi diese in verschiedenen Modifikationen auftritt, ist sehr begreiflich. Chemische Untersuchungen sind wegen der groCen Schwierigkeit, eine grofiere Meuge reinen Materiales zur Analyse zu erhalten, noch nicht gemacht worden, waren aber zur definitiveu Aufkla- rung dieser und noch anderer Punkte sehr zu wunschen. Fur das Verstanduis der ersten phylogenetisclien Entstehung von Achsenfaden innerhalb der Pseudopodieu geben uns altere Beobachtungen von Max Suhultze und neuere von Verworn an gereizten Rhizopoden wertvolle Fingerzeige. Verworn berichtet liber sein Beobachtungsergebnis, wie folgt^) (vergl. hierzu Fig. 57): „Interessaut ist bei starkerer Er- schutterung das Verhalten von Difflugia urceolata, das iibrigens 1) M. Veewoen, Psycho-physiologificliL Protisteu-Studien, S. 77 — 78. Die Oeriistbildung bei "Rliizopoden, Spongien etc. 281 auch bei andcren Difflugien verbreitet zu sein scheint, Je iiach der Starke des StoCcs werden die Pseudopodien entweder langsam Oder (bei sehr starker Erschiitterung) fast plotzlicli zuriickgezogeii, wobei folgende bemerkeiiswerte Veranderungen an den Pseudo- podien auftreten , die besonders bei maCig schneller Retraktion derselben gut in ihren einzelnen Momenten zu beobachten sind (Fig. 57 a). Sofort nach der Erschiitterung beginnen auf den langen, fingerformigen Pseudopodien im ganzen Vcrlauf ihrer vorher glatten Oberflache viele kleine warzenformige Erhebungen hervor- zuquellen (Fig. 57 b), welche iranier groCer und groCer werden, dabei Tropfenforra annehmen und mit den benaclibarten zu Perlen und Kugeln von verschiedencr GioBe verschmelzen (Fig. 57 c). Durch den weiter urn sich greifenden Verschmelzungsvorgang ent- steht um das infolge des Auspressens der Tropfen immer diinner werdende Pseudopodiuni , welches an seinem starkeren Licht- brcchungsvermogen in der Mitte deutlich alsAchsenstrang zu erkennen ist, ein kontinuierlicher Uberzug, dessen Ober- flache lauter groKe und kleine halbkugelformige Erhebungen zeigt (Fig. 57 d u. e). Dabei zieht sich das ganze Pseudopodiuni nach und nach immer mehr und mehr in das Gehause zuilick. Wiihrend dieses Retraktionsvorganges aber schreitet auch die Veranderung auf der Oberflache ununterbrochen fort. Die vorher glatt kon- turierten halbkugeligen Erhebungen werden allraahlich an ihrer Oberflache rauh und lassen bald einen ganz unebenen und unregel- maCsig granulierten Saum erkennen (Fig. 57 d u. e). Ist die Re- traktion nun bis zu einera gewissen Grade gediehen, so beginnt sich der Achsenstrang, welcher noch immer zu erkennen ist, etwas schneller zuriickzuziehen als die AuCenmasse. Letztere wird ge- wissermaCen zuriickgestreift (Fig. 57 f), zieht sich aber etwas spater ebenfalls in den Weichkorper ein und laCt nur den rauhen granulierten Saum zuriick, welcher dann dem Weichkorper aufliegt (Fig. 57 g) und ihm eine unregelmaBige Oberflache verleiht. Wenn spater das Protist wieder beginnt Pseudopodien auszustrecken, sieht man ihn hiiufig als kornig-schleimige Masse an irgend einer Stelle hangen, wo er vermutlich nach und nach abgestreift wird. — Ein ganz ahnliches Entstehen eines medialen Achsenfadens und einer AuCenschicht, d. h. also eine Scheidung zweier verschiedencr Sub- stanzen im Augenblick der Reizung, glaubte auch Max Schultze ^ ) 1) Max Schcltze, Das Protoplasma der Rhizopoden und der PflajizenzelleD. Leipzig, 1863. 282 Dr. Fried rich Drey er, bei Anwendung von Reagentien an den Pseudopodien von Miliola bemerkt zu haben." — Die diinnen, langen, lanzenformigen Pseudo- podien der Heliozoen werden zum Auffangen von Nahrungspartikeln und wohl auch als feinfiihlige Tastorgane dienen, jedenfalls werden sie die durch das Anschwimmen und AnstoCen von anderen Or- ganismen und sonstigen Fremdkorpern, durch Wasserstromung und Wellenbewegung bewirkten Reize als langarmige Hebel dem Rhizo- poden sehr vollkommen iibertragen und noch um ein gutes Teil empfindlicher sein, als die kurzen gedrungenen Pseudo- podien der genannten Thalamophoren. Solche immerfort auf die Pseudopodien einwirkenden Reize werden mit der Lange der Zeit als trophische Reize die Bildung eines dauernden AchsenfadensimPseudopodium als funktionelleAn- passung bewirken, ebenso wie nach den eben mit- geteilten Befunden bei anderen Rhizopoden sich durchReizung vorubergehend ein Achsenstrahl dif- ferenziert. In der Entwickelungsfolge des Achsengeriistes konnen wir 4 Etappen unterscheiden , von denen sich die ersten 2 bei den Heliozoen, die letzten beiden bei den Acantharien finden. Bei den Heliozoen beginnt dieEntwickelung des Achsen- geriistes und setzt sich unmittelbar und geradlinig zu den Acantharien fort, bei denen dasselbe seine hochste Blute und Ausbildung erreicht. Im ersten Stadium der Entwickelung stehen die Achsen- faden, die man vielleicht besser allgemein als Achsennadeln be- zeichnet, bei Actinosphaerium und Actinophrys. Bei dem erstge- nannten Heliozoon (Fig. 58) sind sie zum groCten Teil im Pseudo- podium, und nur mit ihrem proximalen Ende ragen sie ein Stiick in das stark vakuolisierte Exoplasma hinein , wo sie mit einer kleinen Anschwellung endigen. DaC die Achsennadeln zunachst nur in den Pseudopodien entstehen , ist natiirlich , denn nur diese stehen unter dem direkten EinfluB der aufieren Reize; hat sich jedoch erst einmal eine starre Achsennadel gebildet, so wird dieselbe wie ein Hebel die Reize auf die Rindenschicht des Sar- codekorpers iibertragen. Der eine Arm des Hebels ist der bei weitem groCte Teil der Achsennadel, welcher sich in der Achse des Pseudopodiums befindet, der andere Arm das Endchen, welches in die Rindenschicht des Rhizopodenkorpers hineinragt. Versetzt ein anstoCender Korper das distale Ende des Pseudopodiums und so- mit auch die Achsennadel in Bewegung, so iibertragt sich dieselbe l)ie Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongieu etc. 283 ail (las proxiniale Endc der letzteren und bewirkt hier als tro- phischcr Reiz stetige Verlangeriing der Nadel in das Innerc des Khi/opodenkiirpers liiueiu. Wahreud bei Actinosphaerium die Achsennadeln hochstcns bis zur Greiize von Exo- und Entoplasma reiclien (Fig. 58), sind sie bei Actinophrys bereits bis zur Ober- tiacbe des central gelegenen Zellkerns vorgedrungen (Fig. 59). Bei den meisteu Heliozoen, welche niit Achsennadeln versehen sind, wachsen dieselben jedoch in centripetaler Richtung noch weiter, bis sic endlich ini Centrum der Zelle in einem Knoten- punkte zum Zusammeustoli kommen. Mit diesem Moment ist die Entwickelung des Achsengeriistes inihr zweites Stadium ein- getreteu. Weshalb wir der centralen Vereinigung der Achsen- nadeln eine solche Wichtigkeit beimessen, indem wir sie als Mark- stein eiuer neueii Entwickelungsetappe betrachten , ist leicht begreiflich, deun vorh er hatten wir einzelne Achsennadeln vor uns, j e tz t dagegen konnen wir zum erst en Mai von einem zusammenhangenden, einheitlichen Skelett reden. Die vorher dem Protoplasm a lose eingelagerten Nadeln gewinnen hiermit festen Halt und gegeuseitige Stiitze, sie bilden ein System, das durch seine Statik radial und centripetal wirkenden mecha- nischen Insulten immerhin schon einigen Widerstand entgegen- setzen wird. Das zweite Eutwickelungsstadium des Achsenge- riistes findet sich bei Raphidiophrys, Acanthocystis und Actino- lophus verkorpert. Die centrale Vereinigung der Achsennadeln zieht, wie zu erwarten, eine Storung des konzentrischen Schichten- baues des Zellkorpers nach sich, indem durch sie der Kern mit dem ihn amgebenden Entoplasma exzentrisch verlagert wird. Auf dieselbe Ursache ist wahrscheinlich auch die fruhzeitige, soge- nannte pracocine, Kernteilung bei den Acantharien zuriickzufiihren. Was die Festigkeit der Achsennadeln der Heliozoen anbetrifft, so ist zunachst zu bemerken, dafi sie mit dem Alter zu- nimmt. Karl Brandt, welcher zuerst genauere Untersuchungen ^) iiber diesen Punkt anstellte, beobachtete, daB eine Achsennadel, die erst vor kurzem in einem neu gebildeten Pseudopodium ent- standen ist, noch einen hohen Grad von Weichheit und Plasticitat erkenneu lafit, sie kann gegebenen Falls mit der Achsennadel eines 1) Kael Brandt, tjber die Achsenfaden der Heliozoen und die Bewegungen von Actinosphaerium. Gesellschaft uaturforschender Freunde in Berlin, Sitzung vom 15. Oktober 1878, 284 Dr. Eriedrich, Dreyer, benachbarten Pseudopodiums verschraelzen und wird bei eventueller Wiedereinziehung ihres Pseudopodiums von demselben leicht wieder resorbiert. Bei alteren Achsennadeln geht die Wiederauflosung durch die Sarcode nicht mehr so leicht und ist hie und da viel- leicht schon ganzlich unraoglich geworden. — Im allgemeinen stim- men jedoch die Achsengeriiste der Heliozoen darin uberein, daC sie durch weg noch nicht die notige Starke erlangt haben, urn dem Weichkorper als selbstandiges Skelett gegeniibertreten zu koiinen. Eine Achsennadel ist eben iramerhin weiter noch nichts, wie eine axiale Differenzierung eines Pseudopodiums, ein Tell desselben, der noch in jeder Beziehung von ihm a b h a n g i g ist. Selbst das Ach- sengeriist der zweiten Entwickelungsstufe mit central vereinigten Achsennadeln kann sich nicht ohne den Weichkorper halten, mit dem Zerfall desselben fallt auch es der Zerstorung anheim. Bei den Acantharien ist dies anders geworden. Hier haben sich die Achsen nadeln zu festen Stacheln umgebildet, die sich von dem Protoplasma iiberzug eines Pseudopodiums emanzipiert haben. Dieselben setzen ein festes Skelett zusammen, das nicht nur dem Weichkorper selb- standig gegeniibertritt, sondern sogar den letzteren in seinem gan- zen Bau hochgradig beeinflussen kann, das Verhaltnis ist also hier gerade ein umgekehrtes geworden , wie bei den Heliozoen ; eine ganz analoge Erscheinung, wie die Entwickelung der festen Cuti- culaschale aus einem zarten Schalenhautchen. Der Ubergang von der 2. zur 3. Entwickelungsstufe des Achsengeriiste-^, oder, was dasselbe sagen will, von den Heliozoen zu den Acantharien, be- zeichnet den wichtigsten Wendepunkt in der Entwickelungsgeschichtc des Achsengeriistes, ihm sind der Ubergang von der 1. zur 2. und von der 3. zur 4. Entwickelungsstufe nicht gleichwertig , sondern untergeordnet. Wahreud sich in der Entwickelungs- geschichte des Achsengerustes innerhalb der Gruppe der Heliozoen die vorbereiten den Entwick elungs- stadien abspielen, kommt es erst bei den Acantha- rien zur Bildung eines eigentlichen festen Skelet- tes, zu dem wir uns nun wenden wollen. Die 3. Entwickelungsstufe des Achsengerustes wird durch das Skelett der Acanthometren bezeichnet. Da hier die Verhalt- nisse komplizierter werden, indem eine ganze Reihe von Neubil- duugen uns mit einem Male entgegentritt, geben wir zunachst alleiu eine Beschreibung der thatsachlichen Befunde und lassen dann erst einen Versuch, diese mechanisch zu verstehen, folgen. Der Darstellung der Geriistkonstruktion der Acanthometren Die Goriistbilclung boi Bhizopoden, Sponn;]en etc. 2o5 \Ggen wir cine typische Form, die Xiphacantha serrata, zu Griinde*) (vergl. hierzu Fig. 02). Die fcste Grundlage des Geriistes wird voii 20 kniftigen Akanthinstacheln gebildet, die in streng regel- nuiCiger Anorduuug von deni Centrum des Systems radial aus- strahleii. Die Stacheln der Acantharien sind meist drehrund oder vierkantig (Fig. 63), oft ist, w'm auch bei unserm Beispiel, in dem- selbeu Stachel beides vereinigt, seine proximale Partie vierkantig, das distale Ende drehrund (Fig. ()4). Kurz vor dem proxinialen Ende sind die Stacheln am stiirksten , von bier aus verjungen sie sich distalwiirts gauz allmahlich, wahrend sich das proximale Ende zu einem kurzen Keil oder einer Pyramide zuspitzt (Fig. 63, 64). Mit diesen keilt'ormigen Enden sind die Stacheln im Centrum in- einander gestemmt (Fig. 61, 65, 66), nicht etwa, wie man anzuneh- men geneigt wiire, verschniolzen. Zwischen diesen Skelettstacheln strahleu von Achsenfaden gestiitzte Pseudopodien aus, ebenso wie wir sie bei den Heliozoen kennen lernten, ihre Achsennadeln ver- laufen ebenso wie die Stacheln bis zum Centrum (Fig. 60, 61). Auch sie sind regelmaiiig verteilt, und zwar so, daB sie von den benachbarten Skelettstacheln moglichst weit abstehen oder, was dasselbe besagt, zwischen denselben genau die Mittelstellung ein- halten. Zuweilen sind nur so wenig Pseudopodien vorhanden, daC zwischen je 2 Stacheln nur eins zu stehen kommt (Fig. 60, 61); sind sie jedoch sehr zahlreich, wie bei unserer Xiphacantha ser- rata, so mtissen sie sich nach dem Gesetz der Mittelstellung in geraden Linien anordnen, die sich zwischen den Stacheln in Form eines polygon alen Netzwerkes hinziehen. Zu diesen radialen Be- standteilen des Gerustes, den Stacheln und Achsennadeln , gesellt sich nun auch noch ein den strahligen Rhizopodenkorper rings umspiunender Stiitzapparat. Durch denselben ist der urspriinglich kugelige Sarcodekorper an den Stacheln kegelformig emporgezogen, die sogenannten Stachelscheiden bildend. An der Spitze jeder Stachelscheide , dicht unterhalb des distalen Stachelendes , setzt sich ein Kranz von kontraktilen Fiiden (Myophrisken , Haeckel) rings an den Stachel an. Diese Faden sind im Gegeusatz zu der verhaltnismaBig tragen Sarcode energischer Kontraktion fahig und daher von Hertwig auch schon ganz richtig mit den Muskel- fibrilleu der Infusorien, speziell dem Stielmuskel der Vorticellen verglichen worden. Mit ihrem oberen Ende sind die Myophrisken am Stachel tixiert, mit dem untern Ende dagegen stehen sie mit 1) Nach Hebtwig, Organismus der lladiolarien. 286 Dr. Friedrich Dreyei', Faden in Verbindung, die vou hier ausstrahlen, iudem sie an der Oberflache des Sarcodekorpers an den Stachelscheiden hinablaufen. Die Stiitzfaden der benachbartez Stachelscheiden treffen sich da, wo sich die Gebiete der letztereu beriihren, und zwar ist dies dasselbe polygonale Liniensystem, in dem die Pseudopodien ange- ordnet sind. Dasselbe ist durch ein ebensolches polygonales Netz von Stiitzfaden verkorpert, die man zum Unterschied von den Stiitzfaden der Stachelscheiden als Grenzfaden bezeichuen kann. Durch diese Grenzfaden treten die Pseudopodien mit ihren Achsen- nadeln hindurch, und an sie an setzen sich die Stiitzfaden, die beiderseits von den Stachelscheiden herabkoramen ; die Grenzfaden verbinden den ganzen Stiitzapparat zu einem einheitlilichen System. Die Stacheln und das Netz der Stiitzfaden sind die passiven, die Myo- phrisken die aktiven Elemente des Stiitzapparates ; die Stacheln lassen sich physiologisch mit den Knochen , die Myophrisken mit den Muskeln , die Stiitzfaden mit den Sehnen der Wirbeltiere ver- gleichen. Wir sehen, auf der 3, Entwickelungsstufe des Achsengeriistes, in der Acantharienabteilung der Acanthometren , tritt uns schon ein sehr kompliziertes Geriistsystem entgegen. Versuchen wir nun, fiir die Entstehung desselben ein mechanisches Verstandnis zu gewinnen. Der wichtigste Bestandteil des Acanthometrenskelettes sind die Radialstacheln, sie bilden die feste Grundlage des ganzen Geriistwerkes. Ihre Entwickelung ist leicht verstandlich, sie sind als einfacheFortbildung der Achsennadeln zu betrachten. Eine Anzahl von Achsennadeln der 2. Entwickelungs- stufe, die in statisch und mechanisch wichtigen Radien lagen, werden sich immer mehr und mehr verstarkt haben, bis sie im- stande waren, als druck-, zug- und biegungsfeste Stabe nicht nur sich selbst zu halten, sondern auch den Weichkorper zu stiitzen. Einmal zu selbstandigen Organen geworden, iiben nun die Stacheln einen bedeutenden EinfluC auf die Formation des Weichkorpers aus, indem die jeden Stachel umgebenden Partieen desselben sich um ihn als ihre centrale Stiitze gruppieren. Der urspriinglich homaxone Weichkorper wird polyaxon, er zerfallt in physiologischer Beziehung in kegel- oder pyramidenformige Telle, mit ihrer Spitze stoCen dieselben im Centrum zusammen , ihre Basen bilden die Peripherie des Zellkorpers, jeder Stachel entspricht der Haupt- achse eiuer Pyramide. Ein solcher Stern von Radialstacheln fiir sich alleiu giebt Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 2S7 jedoch iiucli keiu in jeder Hiasicht I'estgefugtes Geriist iib, in radialer Hiusicht ist dies zwar der Fall, niclit dagegen in t a u g e u t i a 1 e r. Radial wirkeuden nieclianischen Kraften gegen- iiber leisteu die im Centrum test iueinauder gesteniniten Radial- stacheln wohl geniigenden VViderstaud, uicht aber tangential wir- keuden. Durcli seitlicli anstofiende Frenidkorper, Wasserstromuugen uud ungleichnialiige Kontraktionen der Sarcode werden gerade die IStacheln als die eiuzigen festcn Augritfspuukte beeinfluBt uud hin uud her bewegt werden. Jeder Stachel wirkt uuter dem EintiuK solclier tangential wirkender Krafte als einarmiger, im Centrum des Systems Hxierter Hebel, und durch die seitlichen Verscliiebungeu der 6tacheln an ihrem distalen Ende wird das Sarcodenetz (Sarco- dictyum, Haeckel), welches sich an der Oberflache des Rhizopoden- korpers z^Yischen den hervorragenden Stachelenden ausbreitet, in Zug uud Spanuung versetzt werden. Diese anhaltendenZug- und Spanuuugsverhaltnisse werden wieder als trophi- scher Reiz wirken, unter dessen EinfluC als funk- tionelle Anpassung das System der tangential ver- laufenden zugfestenStutzfaden entsteht. Als funk- tionelle Anpassung entsprechen dieselben in ihrem Verlauf und ihrer physikalisch-raechauischen Lei- stungsfahigkeit genau den Kraften, uuter derenEin- fluli sie entstanden sind, die Krafte auCerten sich in einer Zugwirkung, die von den Stacheln radial und im Verhaltnis zum Weichkorper tangential ver- lief, als Resultat der funk tionellen Anpassung ent- stehen zugfeste Faden, die von den Stacheln radial und im Verhaltnis zum Weichkorper tangential aus- strahlen. Ein schones Beispiel von der W'irksamkeit der func- tionellen Anpassung, deren Wesen darin besteht, daC sie auf mecha- nische lusulte mit der Bildung entsprechender zweckmaCiger Ein- richtungen antwortet, in diesem Falle einer Vorrichtung den Ursprung giebt, welche gerade den Kraften, unter deren Einflufi sie ent- standen ist, am besten entgegen wirkt. Hierdurch ist es moglich, aus dem Bau des fertigen Stiitzapparates umgekehrt auf die Krafte zu schlieBen, durch deren Wirksamkeit und zu deren Aufhebung, wenn man sich teleologisch ausdriicken will, er entstanden sein wird. Ein ganz analoger Fall, wie er in der Struktur der Wirbel- tierknochen schon lange bekannt ist, bei denen die Balken und Lamellen der Substantia spongiosa den Kurven des groBten Druckes und starksten Muskelzuges entsprechend verlaufen. — Die 28S Dr. Friedrick Drfiyel?, Facleuzelte benachbarter Stacheln werden durch das polygo- nale, die Stacheln umziehende Fadennetz zu einem einheitlichen System verbanden, jeder Stachel steht, wie oben schon erwahnt wurde, in der Mitte einer solchen weiten Masche, zu derselbeu laufen seine Stiitzfaden herab, uud durch sie wird sein Gebiet, nach der obigen Auttassung die Basis seiner Pyramide, von den Gebieten der benachbarten Stacheln abgegrenzt. Alle Achsenfaden wurden bei der Entwickelung des Acauthometrenskelettes nicht in Stacheln umgewandelt, sondern die Acanthometren besitzeii neb en den Stacheln, wie wir sahen, auch nocb Pseudopodien mit gewohnlichen feinen Achsennadeln, und zugleich sahen wir, dafi diese Pseudopodien moglichst weit von den benachbarten Stacheln abstehen, d. h. auf den ebeu genannten Grenzlinien an- geordnet sind, resp. (bei unsereni Beispiel der Xiphacantha serrata) die die Stachelmaschen bildenden Greuzfasern durchbohren. Auch dieser Befund ist leicht verstaudhch. Jeder Stachel iibt auf sein Gebiet einen malJgebenden Einflufi, ja, ich mochte fast sagen, un- umschriinkte Herrschaft aus, bei uuseren Acanthometren ist das- selbe von den zu ihm gehorigen und nach ihm orientierten Stiitz- faden iiberspannt, bei den schalcntragenden Acanthophracten, die wir nachher zu betrachten haben, von der von ihm ausgewachsenen Gitterplatte (Fig. 66, 67), und am iu^truktivsten wird dies Abhangig- keitsverhaltnis dadurch erlautert, dafi, wenn von einer solchen Gitter- platte sekuudiire Nebenstacheln auswachsen, diese nicht radiar zum Radiolarienkorper, wie dies bei den Stacheln aller kiesel- schaligen Radiolarieu der Fall ist, sondern in gleichem Sinne, d. h. parallel zu ihrem Hauptstachel verlaufen (Fig. 67). So lassen die Radialstacheln in ihrem Gebiet auch keine selb- standigen radialeu Achsenorgane aufkommen, und daher miissen sich die Axopodien in den neutralen Grenzlinien anordnen, wo sich die EinHiis.^e der benachbarten Stacheln gegenseitig aufhebeu. Die Axopodien geuiefien hierdurch aufierdem den Vorteil, von den Grenzfasern in fester Lage fixiert zu werden, und auch sie ordnen sich so dem starren, regelmafiigen, streng radiaren Bau des Acan- tharieukorpers uuter. — Wir wollen jedoch nach dieser Abschweifung wieder auf den eigentlichen Stiitzapparat zuruckkommen. Die Stiitz- faden sind von Stachel zu Stachel ausgespannt, wie das Tauwerk zwischen den Masteu eines Schities. Vielleicht diirfte ein anderer Vergleich noch passender sein , da er die statisch - mechanische Wirkungsweise des Geriistsy stems besser erlautert. Die Kon- struktion eines groCen Zeltes, wie es besonders als Cirkus ver- Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 289 wandt zu werden pflegt, ist allgemein bekannt. Im Centrum der kreisformigeu oder polygonalen Gruudfliiche wird eiu hoher Mast errichtet. Meist wird uun allerdings in den Boden ein Loch ge- maclit, in welches man den Mastbaum hineinstellt, dies hat jedoch nur den Zweck, das basale Ende desselben vor dem Ausrutschen zu be- wahren, es wiirde dagegeu nicht hinreichend sein, dem Baum die notige Stabilitiit zu geben, ihn am Umfallen zu verhindern, dies geschieht durch eiue andere Vorrichtung. Ringsherum um die Spitze des Mast- baumes werden Stricke befestigt, die nach dem Boden zu im Um- kreis der Grundfliiche des Zeltes an eingeschlagenen Pflocken fest- gespannt werden; hierdurch ist der Mast in jeder Beziehung ge- niigend festgestellt. Die Prinzipien des Geriistbaues unserer als Beispiel gewiihlten Xiphacantha serrata (Fig. 62) stimmen voll- standig mit denen einer solchen Zellkonstruktion uberein. Jeder Stachel entspricht dem Maste eines Zeltes und die von ihm aus- gehenden Stiitzfaden den ausgespannten Stricken. Streng ge- nommen diirfte man diese Faden daher auch nicht S t u t z faden nennen, denn zwischen ihuen ist die Stachelspitze durch den all- seitigen Zug eingespannt, sie hangt in ihnen ebenso wie das Achsenlager eines Velocipedrades an den als Speichen fungierenden Drahten, in alien diesen Fallen wird die Zug-, nicht Stiitz- oder Biegungsfestigkeit der betreifenden Bestandteile des Systems in Anspruch genommen. — Die Geriiststacheln sind im Centrum nicht zu einem einheitlichen Stern verschmolzen, sondeni (mit nur vereinzelten Ausnahraen : Astrolithium, Acanthochiasma, siehe weiter unten) nur ineinander gestemmt, sie bewahren ihre individuelle Selbstandigkeit. Dies erscheint auf den ersten Blick absurd. Denn einmal sollte man erwarten, daC die Stacheln, die, wie wir oben sahen, von der Peripherie nach dem Centrum aufeinander zugewachsen sind, bei ihrem endlichen Zusammentreffen nun auch miteinander verwachsen wurden, und dann wiirden die Stacheln durch eine centrale Verwachsung zu einem einheitlichen Skelett in jeder Hinsicht genugend fixiert sein, besonders waren sie daran verhindert, mit ihrem distalen Ende seitliche Exkursionen zu machen, und es bediirfte nicht erst der Bildung eines peripheren Systems von Stiitzfaden. Diese Widerspriiche sind jedoch nur scheinbar , und bei einiger tJberlegung erkennt man leicht die Griinde, infolge deren eine Verwachsung der Stacheln vermieden sein wird. Durch eine centrale Verwachsung wiirde ein zwar einheit- liches festes Skelett erzielt werden, dasselbe ware aber eben zu fest. Es wiirde als ein starrer Stachelstern im Rhizopodenkorper 19 290 Dr. Friedrich Dreyer, sitzen und diesem Zwang anthun, ihn auch an mafiiger Be- wegung seiner Telle in vieler Hinsicht hinderu. Aufierdem ware es aber, und dies erscheint uns als das entscheidende Moment, mit einem grofien Kraftaufwand verbunden, die Stucheln im Cen- trum fest zu verbinden, da ihr centrales Ende dem proximalen Ende eines langarmigen Hebels entspricht und sich daher gerade hier die Krafte, die eine Bewegung des distalen Endes veranlassen, am kraftigsten, nach den bekannten Prinzipien der Hebelmechanik vielfach multipliziert , geltend machen. Das sich dicht unterhalb der distalen Stachelenden inserierende System der peripheren Stutzfaden kann dagegen auf die ersteren einwirkende tangentiale StoBe dicht an ihrem Ursprungsort auffangen, wo sie noch nicht in nennenswerter Weise durch den Hebelmechanismus ver- starkt sind, dann haben aber die Stutzfaden vor einer lesten cen- tralen Verlotung noch den Vorzug, dafi sie wohl eine Perturbation der Stachein verhindern, nicht aber einen seitlichen Ausschlag der Stachelenden innerhalb miiBigerGrenzen. AulJerdem gesellen sich zu dem passiven Stiitzapparat noch die aktiv be- weglichen kontraktilen Faden oder Myophrisken, die eine selbst- t h a t i g e Eegulierung der tangentialen Bewegung und der Steilung der Stachein und des Spannungsgrades der Stiitztadeu von seiten des Organismus ermoglichen. Ihr puuctum lixum haben die kon- traktilen Faden am Stachel, mit ihrem anderen Ende gehen sie in je einen Stutzfaden iiber und verknupfen denselben so mit dem Stachel ; ihre Wirkungsweise ergiebt sich aus dieser ihrer Position und dem oben gemachten Vergleich derselben mit den Muskeln der Wirbeltiere von selbst. Ebenso wie im vielzelligen Orga- nismus ganze Zellenkomplexe sich zu den kontraktilen Muskeln umbilden, ist dies hier beim einzelligen Organismus mit eiuigen Sarcodestrangen der Fall gewesen. Durch die Einschaltung der Myophrisken ist das Geriist der Acanthometren nicht mehr aus- schliefilich ein passiver Stiitzapparat, sondern auCerdem noch ein aktiver Stiitz- und Be wegungsapparat. Unter seinem anhaltenden EinfluC ist die Sarcode wahreud der phylo- genetischen Entwickelung, moglicherweise aber auch erst wahrend der ontogenetischen, wahrscheinlich in der Umgebung der Stachein an diesen in die Hohe zu den sogenannten Stachelscheiden aus- gezogen worden; die durch die Stachein bedingte polyaxone Grundform wird hierdurch noch ausgepragter , der Acantharien- korper bekommt Sternform , die zu jedem Stachel gehorigen Sek- toren des Zellkorpers sind nicht mehr einfache Pyramiden, Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongieu etc. 291 sonderu jeder durch eine Masche der Grenzfaden umschriebenen Grundfliiche einer solchen sitzt antipodisch orientiert eine Stachelscheide auf, durch den axialen Stachel werden die beiden entgegengesetzten Spitzen der zu ihm gehorigen Doppel- pyramide verbundeu. Kontrahieren sich die Myophrisken , so wird der Weichkorper an dem Netz der Stiitzfaden radial ausge- zogen, also ausgedehnt, diese VolumenvergroCerung wird durch die Ausdebnuiig der Vakuolen vor sich gehen ; eiue Erschlaffung der Myophrisken hat im Gegenteil eine Kontraktion des Weichkorpers und somit eine Verminderung seines Volumeus zur Folge. Mit einer solchen Vermehrung oder Verminderung des Korpervolumens wird nun eine entsprechende Verminderung und Vermehrung des spezifischen Gewichts Hand in Hand gehen, und die Myophrisken werden hochst wahrscheinlich die wichtige Aufgabe haben, die Hydrostatik des Korpers zu regeln. Kontrahieren sich die Myo- phrisken nur eines oder einiger benachbarter Stacheln, so werden hierdurch die anderen Stacheln nach dieser Richtung hingezogen werden. Endlich ist der Stiitzapparat durch die Myophrisken in den Stand gesetzt, aufieren mechanischen Insulten nicht nur passiven Widerstand entgegenzusetzen, sondern auchihnen aktiv entgegenzuwirken. Das Achsengeriist der Acan thometren ist, wie wir sehen, von groCer morphologischer Einfachheit im Verhaltnis zu den hoch differenzierten Geriisten, wie sie der Mehr- zahl der iibrigen Radiolarien eigen sind, wenigstens kounen wir dies sagen, solange wir nur das Skelett ini engeren Sinne, also die vom Centrum ausgehenden Stacheln in Betracht ziehen. Aber auch nur in morphologischer Beziehung ist das Acanthometren- skelett primitiv, in physiologischer Beziehung ist es dagegen der vollkommen ste Stiitzapparat, der bei Protisten iiberhaupt vorkommt. Die Geruste aller iibrigen Protisten sind starre, unbewegliche Stiitz- und Schutzvorrichtungen, nur die Acanthometren besitzen ein Skelett, welches elastisch und frei beweglich, und somit auch mechanisch-physiologisch leistungs- fahig ist, analog den Skeletten der hoheren Tiere, etwa der Wirbel- tiere. Was aber das Geriistsystem der Acanthometren fiir uns ganz besonders anziehend macht, ist seine sinnreiche (sit venia verbo) Konstruktion, die mit groCer Einfachheit die grofite Zweck- maCigkeit vereinigt und dabei so klar und durchsichtig ist, daC wir ihre Entstehung mechanisch verstehen konnen. Ich habe im Vorstehenden einen Geriistbau zu Grunde gelegt, der fiir die Acanthometren als Typas angenommen werden kann, Abgesehen voo 19* 292 Dr. Friedrich Dreyer, Differeuzierungen der promorphologischen Achseuverhaltnisse, die sich in der Verlangerung, Yerkiirzuug oder morphologischen Auszeichnung bestimmter Stacheln zu erkennen geben , werden , besonders von Heetwig, noch verschiedene Arten des Verlaufes der Stiitzfasern auf der Oberflache des Weicbkorpers teils konstatiert, teils wahrscheinlich geraacht. Ausnabmsweise kommt es auch zur centralea Verscbmelzung der Stacheln, so sind bei Astrolitbium alle Stacheln zu einem ein- heitlichen Stern verwachsen, bei Acanthochiasma immer 2 einander gegeniiber 8 te h ende Stacheln zu e i n e ra Stachel, der dann durch den ganzen Rhizopodenkorper hindurchgeht , im ersteren Falle wird der Hebelmechanismus ganz aufgehoben werden. sofern er nicht etwa durch die Biegsamkeit der Stacheln noch ermoglicht wird, im letztereu Falle besteht das Geriist aus halb so viel zweiarmigen Hebeln , wie friiher einarmige vorhanden waren. Hier, wo es sich darum handelt, die Prinzipien der Geriistbildung klarzulegen , mufs es geniigen , die Hauptpunkte an einem typischen Beispiel erlautert zu haben. Es moge jedooh darauf hingewiesen werden , wie lohnend es erscheint, die Befuude des Geriistsystems bei einer grofseren Anzahl vou Acanthometren in ihren verschiedenen Yariationen vergleichend zu betrachten. Es ist nicht daran zu zweifeln , dafs durch eine solche Untersuchung sich interessante Einblicke in die Mechanik der Form- bildung ergeben werden. Schon bei vielen Acanthometren finden wir, daB von den Radialstacheln seitliche, tangentiale Apophysen auswachsen. Ent- weder bleiben dieselben nur klein, wie dies z. B. bei unserer Xiphacantha serrata der Fall war (Fig. 62, 64), oder sie erreichen eine starkere Entwickelung, verzweigen sich mehrfach und bilden um den Stachel herum eine Gitterplatte. Bei vielen Formen endlich vergrofiern sich diese Gitterplatten so, dafi sie sich gegen- seitig beriihren und miteinander verwachsen. Es ist dann zwischen den Stacheln eine geschlossene Gitter- kugel entstanden und das Achsengeriist ist hiermit in sein 4. Entwickelungsstadium eingetreten. Von den Geriisten, deren Stacheln keine oder nuV sehr kleine seitliche Abzweigungen zeigen , was vielleicht sogar teilweise auf individueller Variation berubt, bis zu einem Geriist mit geschlossener Kugelschale, zwischen Acanthometren und Acanthophracten, kommen alle nur denkbaren tJbergange vor, der Zusammenhang von Acanthometren und Acan- thophracten ist ein sehr inniger. Es ist schon sehr wahrscheinlich, daB das Skelett der Acanthometren sich polyphyletisch aus Achsen- geriisten der 2. Entwickelungsstufe entwickelt hat, nahezu sicher kann man aber annehmen, daB zahlreiche Acanthometren zwischen ihren Stacheln eine geschlossene Gitterkugel gebildet und sich so zu Formen mlt einem Achsengeriist der 4. Entwickelungsstufe um- gebildet haben, die wir nach Haeckel's Vorgang unter dem Namen Die Geriistbildung bei Ehizopodon, Spongien etc. 29o dcr Acanthophractcn zusammonfasseu. Meist bleiben die Stellen, wo die Arme beiiachbarter Gitterplatten aufeinander getroffen sind, noch durch Nahte keniitlich (Fig. 65, 66), oft ist die Ver- schmelzung aber aach eine vollstiiudige. Die Mehrzabl der Acantho- phracteii bildet nur eine Schale, diejenigen Formen jedoch , bei denen sich die Schale sehr fruhzeitig anlegt, bildon mit der Ver- grolk'rung des VVoichkorpers, und nachdem derselbe die erste Schale iimwachsen hat, eine iieue Schale, und es kommt so zu ganz analogen, konzentrischen Schalensystemen wie bei den Polycystinen und spi'ziell Spumellarien , nur sind bei den letzteien die Kug^l- schalen das Primare, bei den Acanthophracten dagegen die Radial- stacheln. Das Charakteristische der Schalenbildung der Acantho- phracten ist aus den Figuren 65, 66 und 67 ersichtlich. Hand in Hand mit der Ausbiidung einer oberflachlichen Kugel- schale gehen noch einige andere Veriinderungen am Acantho- metrenkorper vor sich. Zunachst verschwinden die Myophrisken und das Netz der Stutzrfaden, was sich leicht verstehen laCt, da dieselben ja immerfort mit der Schale kollidieren wiirden, sie werden durch dieselbe funktionsunfahig und daher unmoglich gemacht, zwei tangentiale Geriistbildungen miissen sich eben not- wendig gegenseitig ausschlieCen. AuCerdem gehen bei den Acantho- phracten noch die mit Achsennadeln versehenen Pseudopodien, die Axopodien, verloren, als letzte Reminiscenz an ein fruheres Ent- wickelungsstadium des Achsengerustes. Die Skelett s t a c h e 1 n haben hier eben die ausschlieCliche Herrschaft erlangt, sie strecken ihre Seitenarme iiber den ganzen Weichkorper aus, und vor ihnen miissen alle anderen Gerust- und Stiitzbildungen weichen. Das Achsengeriist ist in den Acanthophracten am Endpunkt seiner Ent- wickelung angelegt. Es hat hier den hochsten Grad von Fes tig - keit, aber auch von Starrheit erreicht, die Elasticitat und Beweglichkeit der vorhergehenden 3. Entwickelungsstufe ist da- fiir verloren gegangen. Der Ubergang vom 3. zum 4. und letzten Entwickelungsstadium des Achsengeriistes bezeichnet in morphologischer Hinsicht zwar einen Fortschritt, in physiologischer Hinsicht aber einen entschiedeneu Riick- schritt. Das Achsengeriist dcr Acanthometren erscheint hauptsachlich zur Stiitze, das der Acanthophracten be- sonders zum S c h u t z e eingerichtet. Nach meiner oben entwickelten Auffassung entsteht das AchBen- geriist der Acantharien urspriinglich innerhalb der Pseudopodien, also peripher, und wachst von hier er^t allmiihlich centralwiirts in den ^94 Dr. Friedrich Dreyer, Weichkorper hinein. Habckel vertritt den entgegeDgesetzten Stand- punkt, nach ihm legt sich das Achsengeriist Yon innen nach aufsen („centrogen") an. Eb ist daher notig, unsere Betrachtungsweise derjeni- gen Haeckel's gegeniiber hier noch kurz zu rechtfertigen. Am klarsten formuliert Haeckel seine Auffassung selbst in folgenden Worten : ,,P e - rigene und centrogene Skelette. Viel wichtiger als die to- pographische Beziehung des Skeletts zur Centralkapsel, nach welcher Ectolithia und Endolithia unterschieden werden konnen (§ 106), ist die Unterscheidung in perigene und centrogene Skelette, welche sich auf die primare Entstehung des Skeletts aufserhalb oder innerhalb der Centralkapsel griindet. Centrogene Skelette besitzen nur die Acan- tharien, die sich auch durch ihr Acanthin-Substrat von den kieseligen Skelettbildungen aller anderen Radiolarien unterscheiden ; bei alien Acantharien beginnt die Skelettbildung im Mittelpunkte der Centralkapsel, von welchera aus 20 Radialstacheln centrifugal sich entwickeln. Die drei anderen Legionen hingegen besitzen ebenso allgemein perigene Skelette, welche urspriinglich aufserhalb der Centralkapsel, niemals in ihrem Mittelpunkte entstehen" i). Haeckel behauptet, dafs bei den Acantbarien die Bildung des Stachelskelettes vom Mittelpunkte des Rhizopodenkorpers ausgeht, wir haben, um die Genese des Achsengeriistes zu yerstehen, drei Metho- den um Rat gefragt, und zwar 1) die der direkten Beobachtung, 2) die der morphologischen Vergleichung und 3) die der mechanisch- physiologischen Erklarung. Die erste Methode liefs uns im Stich, denn der urspriingliche Prozefs der Genese des Achsengeriistes wird ein phylogenetischer und als solcher naturlich direkter Beobachtung nicht mehr zuganglich sein und iiber die Ontogenie der Acantharien, die die phylogenetisohen Vorgange eventuell mehr oder weniger deutlich wiederspiegeln konnte , fehlt uns noch jede Erfahrung. Auf dem zweiten Wege, dem der morphologischen Vergleichung, kamen wir schon zu einem verwertbaren Anhaltspunkt , indem wir in Actino- sphaerium und Actinophrys Formen kennen lernten, bei denen die Anlage des Achsengeriistes noch mehr oder weniger auf die Pseudo- podien und die peripheren Plasmalagen des Rhizopodenkorpers be- schrankt war und sich noch nicht bis zum Centrum Bahn gebrochen hatte Am wertvollsten und ausschlaggebend fiir unser TJrteil war jedoch die dritte Methode, der mechanisch-physiologische Erklarungs- versuch. Wir hoffen durch denselben in deu obigen Zeilen die eigen- artige Entstehung des Achsengeriistes von aufsen nach innen plau- sibel gcmacht zu haben. Wir sind also durch unsere Beobachtun iibrigen Spongien, die iibrigen Kieselscbwararae, die Kalkschwamrae und die Hornschwamme besitzen Vierstrablergeriiste. Die Skelette der Kiesel-, Kalk- und Hornschwamme lassen zwar in ibrcm allgemeineu Habitus gewisse Unterschiede erkennen, dieselben sind jedocb nebensacblicher Natur, beruben auf sekun- dilren Diti'erenzen der Art und Weise, wie die Spicula zusammeuge- fiigt sind ; der Typus der Nadelformen bleibt aber hiervon unberiihrt. Die Morphologie der Spicula zeigt sicb vollig unab- hiingig von der cheraiscben Natur des Material es, 20* 300 Dr. Friedrich Dreyei', sie ist u b e r a 1 1 d i e s e 1 b e , weshalb wir auch die 3 Spongieu- gruppen gemeinsam behandelu konnen und werden. Die Figuren 68—74 beziehen sich auf Kalkschwamme , 75 — 81 auf Kieselschwamme, 82 und 83 auf Hornschwamme. Typische Vierstrahler kommen besonders haufig vor bei Kalk- schwammen , Tetractinelliden und Lithistiden (Fig. 68, 69, 75), jedocli auch bei Horascbwaramen (Fig. 82) sind in einigen Fallen typische vierstrahlige Spicula vorhandeu. Meist wird aber das morphologische Element des Vierstrahlers mehr oder weniger alteriert, wie es gerade die lokalen Bildungsbedingungen und Be- diirfnisse des Spongienorganismus mit sich bringen. Das Spiculum dient ais Bausteiu des Spongienskeletts und mufi sich den P'or- derungen desselbcn anpafieu, die Spicula der Dermalseite sind meist anders gestaltet als die der Kanal- und Gastralwande, noch starker werden die Abweichungeu, wo es zur Bilduug spe- zieller Anpassuugen kommt, wie z. B. bei den kaminformigen Stachelkranzen in der Umgebung der Oscula und den Wurzel- schopfen an der Basis niancher Spongien. Die haufigste Verande- rung, welche sich am Vierstrahler abspielt, besteht in der Unter- driickung der Bildung eines Stachels, den wir als den Apikalstachel betrachten konnen; die hierdurch entstehenden Dreistrahler ge- horen zu den verbreitetsten Nadelformen (Fig. 72, 70, 73, 74, 79, 81a, 83). Die Reduktion der Stachelanzahl kann jedoch noch welter gehen und zur Bildung einfacher Stabnadeln fiihren und zwar kann dies auf dreierlei Art und Weise geschehen. Einmal kann der Riickbildungsprozefi direkt vom Vierstrahler ausgehen, der Apikalstachel wird auf Kosten des basalen Tripodiums immer mehr verlangert (Fig. 71, 76); wahrend das letztere ihm gegen- iiber stark zuriicktritt, vertritt er den Hauptteil des Spiculums. In extremen Fallen sitzt das basale Tripodium als kleiner un- scheinbarer Knoten am einen Ende des verlangerten Apikalstachel s (Fig. 78), und es bedarf nur noch einer ganzhchen Riickbildung desselben, so ist der Apikalstachel zur Stabnadel geworden. Der- selbe Vorgang kann sich auch beim Dreistrahler abspielen, auch hier kann durch extreme Verlangerung eines Stachels (Fig. 70) unter gleichzeitiger Riickbildung der beiden anderen eine Stab- nadel entstehen. Drittens endlich kann umgekehrt ein Stachel des Dreistrahlers riickgebildet und die beiden anderen in der Entwickelung gestarkt und zur Stabnadel ausgezogen werden, wie dies aus der tJbergangsreihe von Figur 81a—/" zu ersehen ist. l^ine Stabnadel kann also entweder einem oder zwei Stacheln des Die Geriistbilduiif; bii llhizopoden, .Siiongien olc. ,"]01 viorstrahligcii Spiculunis entspreclieu (abgcschcn davoii, daB audi aiis (Icn scchsstrahligcu Hcxactiiicllideiisi)iculis Stabuadeln licr- vorgelion). — Ein anderer Faktor der Verandcrung dcr typischcii Gruudform ist in der VariabilitJit der Winkclbilduiig gegcbeii. Am meisten schwankt der Wiukel zwischen Apikalstachel und ba- salem Tripodium. Oft ist derselbe sehr grofs, die Basalstachelu einauder also nacli unteu sehr geniihert (Fig. 76) und bilden so eiu nacli oben spitz zulaufendes Zelt, von dessen Spitze sich der Apikalstachel erhebt. Bei anderen Fornien weichen die Basal- stacheln immer mehr auseinander, der Wiukel, den sie rait deni Apikalstachel bilden, verkleinert sich stetig, bis er eudlich die GrtiCe eines Rechten ei'reicht hat (Fig. 69). Dariiber hinaus geht die Verkleinerung dcs Winkels seltener, immerhin kommt es jedoch noch liaufig genug vor, dafi derselbe zu einem spitzen Winkel wird. Die Basalstacheln krilmmen sich daun nach oben dem Apikalstachel zu, und das Spiculum gewinnt so das Aussehen eines Ankers (Fig. 71, 77, 78). Analogen Schwankungen unterliegen auch die Winkel, welche die Basalstacheln des Vierstrahlers unter- einander bilden, und diejenigen zwischen den Stacheln des Drei- strahlers (Fig. 73). Oft erfahren die Stachelenden, zuweilen auch die ganzen Stacheln, hackenformige Kriimmungen (Fig. 71, 77), und an den Stachelenden spielen sich noch eine groCe Reihe von anderweitigen Umgestaltungen und Ditferenzierungen ab (Fig. 69). Besonders charakteristisch sind die wurzelartigen Wucherungen an den Stachelenden der Lithistiden (Fig. 79, 80). Diejenigen benachbarter Stachelenden verflechten sich innig miteinander und verbinden so die einzeluen Spicula zu einem zusammenhangenden, meist sehr festen Skelett. Bei den Lithistidenabteiluugen der Rhizomorinen und Megamorinen erstreckt sich diese unregelraaCige Wucherung iiber die ganzen Spicula und verwandelt so das Ske- lett in ein ganz unregelmaBiges knorriges Flechtwerk, von dessen Elementen keine bestimmte morphologische Gestaltung mehr zu erkennen ist. — Wir wollen an dieser Stelle naturgemilC nicht naher auf die zahllosen Variationen der Spongiengeriiste eingehen, zu- mal da die Morphologic der Spongienskelette durch eine umfang- reiche Litteratur zur Geniige bekannt ist. Wir haben nur einigc Hauptpuukte herausgegrilfen, um zu zeigen, daC trotz aller sekuu- daren Umgestaltungen und Diffcrenzierungen der Spicula der Vierstrahlertypus bei den Spongiengeriisten klar zu Tage tritt. Erwahnung moge nur noch der Umstand finden, daC man 302 Dr. Frifcdrich Drcyer, verschiedeutlich Spiculis begeguet, cleren Nacleln sich an. ilireu Encleu dichotomisch verzweigen (Fig. 75, 80). Dies ist m e h r wie eine einfache Diiferenzierung der Stachelenden, e s i s t der erste Schritt, welcher iiber die morpholo- gisclie Individualitat eines Vie r str able rs hinaus- fiilirt. Jeder Stachel wird durch die dichotomische Verzweigung zu einem eigenen Dreistrahler. Wir werden sehen, daB bei den Echinodermeu und Polycystinen durch diesen Wachstumsvorgang ganze Gitterplatten und zusammenliangende Schalen gebildet werden. Es braucht wohl kaum erst darauf hiugewiesen zu werden, dafi wir scharf zu unterscheiden haben zwischeu uur sekuudiir und auBerlich verkitteten Spiculis und einem einheitlichen VierstrahlergerUst. Wo wir bei den Spongieu zusammenhangenden Skeletteu begegnen, siud dieselben stets durch nachtragliche Verbindung vorher getrenntor Spicula entstanden, deren morphologische Individualitat audi uach der Yerbinduug meist noch deutlich erkennbar ist. Teils ist die Verbin- dung der Spicula eine rein mechauische, wie bei der soeben erwiiha- teu Wurzelverllechtung der Lithistiden, teils werdeu die Spicula durch. um sie ausgeschiedene Horusubstanz verkittet (Kieselschwiimme) oder in Horufaserstriinge voUig eingebettet (Fig. 84) (Uebergaug von Kie- selschwammeu zu Hornschwammen), teils endlich werden die parallel aneiuandergelegten Nadeln der einander benachbarten Spicula durch einen nachtraglich gebildeten Kieselmantel verlotet (Fig. 86) (dictyonine Hexactinelliden), aber auch in diesem Falle geht die sekuudare Natur der Verbindung aus deu getrennt nebeneinander herlaufenden Achsen- kanalen der verkitteten Nadeln deutlich hervor. Ganz anders verhiilt es sich mit den Gitterplatten und Schalen der Echinodermen uud Polycystinen, die von voruhereiu, wenigstens outogenetisch, einheitlich angelegt sind. Diese Art der Geriistbilduug bezeichnet gegeniiber derjenigeu der Spongieu eine hohere Eutwickeluugsstufe , zu der die oben erwahnte distale dichotomische Verzweigung der Stachelenden bei Spongien hinliberweist. b) Die Skelettbildung der Echinodermen. Das Skelett der Echinodermen iibertriift an Komplikation der morphologischen Zusammensetzung und an physiologischer Leistungs- fahigkeit, kurz an Hohe der Ausbildung alle tierischen Skelette. Hiernach wiirde zunachst niemand vermuten, dass es ebenfalls auf den einfachen Typus des Vierstrahlergeriistes zuriickfuhrbar ist, Um so interessanter und wichtiger ist es, daB in der neueren Zeit aus den Untersuchungen Selenka's und Semon's, hervorgeht, daC das Skelett bei samtlichen Echinodermen ur- sprunglich nach unserem Typus des Vierstr abler- Die Goriistbildung bei Ixhiiiopodon, Sjioiigion etc. oOo geriistes aiigclegt wird iind somit iiucli sciue Bildung sich einer mechanischcn Erklaruiig ziigaiiglicli erweist, Wir werden im Folgenden die erste Anlage uud Entwickelung des Echiuodermeiiskelettes in seinen Haiiptziigsii schildern, indem wir uns au den Bericht Semon's ' ) eng anlehnen. Die ersteAnlage desSkelettes verlauftbei alien Echinodermen in hohem Grade iibereinstimmend. Verfolgeu wir zuuachst die Bildung e i n e s S k e 1 e 1 1 e 1 c - mentes bei einer Seeigellarve. Zuerst tritt in einer Mesenchymzclle ein kleines, kaum erst sichtbares Kalkkoruchen auf (Fig. 86 a). Dasselbe liat zunachst uocli keine bestimmt aiis- gesprochene Gestalt, es vergroCert sich aber allmahlich und nimmt dabei die Form eines kleinen Tetraeders an (Fig. 86 b). Das Wachstum des Tetraeders sclireitet weiter fort, so daC das- selbe mit der Zeit eine einseitige Auftreibung der Bildungszelle veranlaBt (Fig. 86 c). Betrachtet man den Kalkkorper bei star- kerer VergroCerung, so sieht man, daC derselbe ungemeine Ahn- lichkeit mit eiuem echteu Tetraederkrystalle besitzt und sich von einem solchen uur dadurch unterscheidet , daC seine Flachen nicht vollkommen eben, sonderu nach inuen etwas konkav einge- bogen sind (Fig 86 c). Endlich tritt ein Stadium ein , wo die Bildungszelle dem Tetraeder zu kleiu wird, sie vermag ihn nicht mehr in sich zu beherbergeu, und so rtickt er aus ihr heraus, um seine iutracellulare Lage mit einer intercellularen zu vertauschen (Fig. 86 d). Etwa gleichzeitig mit dieser Lageveranderung tritt auch eine Veranderung im Wachsturasmodus des Kalkkorpers ein. Derselbe vergroBert sich nicht mehr gleichmaCig in den vier Richtungeu des Tetraeders, sondern 3 Eckeu des letzteren wach- sen zu Armen resp. Nadeln aus, die sich zwischen die Mesenchym- zellen einschieben, das Wachstum iu der Richtung der 4., senk- recht emporstrebendeu Tetraederecke uuterbleibt dagegen (Fig. 86 d). Das Tetraeder wird somit zum dreistrahligen Spiculum, im Centrum des letzteren bleibt das Tetraeder jedoch noch eine Zeit lang deutlich sichtbar (Fig. 86 d, d'). Bei starkerer Ver- groCerung bemerkt man, daC die sich bildende Nadel von einem organischeu Hautcheu uberkleidet wird (Fig. 86 d, d'). Das Endresultat des Prozesses ist ein typisches dreistrahliges Spiculum (Fig. 86 e). 1) R. Semon, Beitrage zur Naturgeschichte der Synaptiden des Mittelmeers. Mitteil. d. Zool. Stat, zu Neapel, Bd. VII, Heft 2. 304 Cr. Friedrich Dreyer, „Wir saheii, daC die Dreistrahler, aus denen sich das Pluteiisskelett bildet, iirspruiiglicli von kleinen Tetraedern, also vierachsigeu Gebildeu abzuleiten sind. Dies scheint uuu eiu gauz allgemeines Gesetz zu sein, und weuige, wohl nur scheinbare Ausnahmen abgerechnet, glaiibe ich, sind alle Kalkbilduugen der Ecliinodermen (Larven und entwickelter Tiere) im Giunde von derartigen Tetraedern abzuleiten. Bei einem Teil entwickeln sich alle vier Achsen weiter: in diese Reihe gelioren die Rad- chen der Auricularien und Holothurien und die Stacheln der Asteriden, Ophiuriden und Echiniden. In einer z we it en Reihe von Fallen entwickeln sich nur drei Achsen, und die vierte tritt zuruck. In diesem Falle erfolgt dann das wirk- liche Laugenwachstum mit all seinen komplizierten Gabelungen und Verzweigungen in einer Ebene, und nur die bloBe Dickenzunahme erfolgt auch in anderen Ebenen. In diese Kategorie gehoren die plattenformigen Skelettbildungen samt- licher vier Echinodermenordnungen, also bei weitem die Mehr- zahl aller Skelettbildungen bei den Echinodermen uberhaupt" ' ). VVir sehen also, dafi Semon durch seine Untersuchungen iiber das Echinodermenskelett zu Resultaten gekonimen ist, welche mit unserem in der Einleitung zu diesem Abschnitt er- wahnten allgemeinen Wachstumsgesetz fur die Entwickelung der Geriiste aus dem Vierstrahler vollkommen iibereinstimmen. Die tangentialen Schalen- und Plattenbildungen ent- wickeln sich aus dem basalen Dreistrahler; wo radiale Stacheln zur Ausbildung kommen, dient der Apikalstrahl als Ausgang und Grundlage der Entwickelung. Die Entwickelung eines Echinodermen stachels verlauft demnach in der folgenden Weise. Als Beispiel wahlen wir einen Stachel der Ophiuride des Pluteus paradoxus. — Aus dem Tetraeder geht durch Auswachsen aller 4 Ecken zu Stacheln ein typisches vierstrahliges Spiculum hervor (Fig. 87 a). Das- selbe vergroCert sich durch Wachstum, und zunachst wachsen dann am Apikalstachel dicht unter dessen Spitze drei Seitenarme aus, welche in ihrer Stellung den 3 Basalstacheln entsprechen (Fig. 87 h). Sie bilden sich spater zu tangentialen Stiitzbalkeu des Stachels aus, wie aus Figur 87 d ersichtlich sein wird. Wah- rend dessen entwickelt sich aus den Basalstacheln die FuCplatte des Stachels. Jeder derselben wachst zu diesem Ende dichotomisch 1) loc. cit. pag. 293. Die Geriistbildung boi Ehizopodeu, Sponyien etc. 30o zu 2 Armen aiis, iind das Ganzc crhalt sclilioBlicli (lurch ciiion umlaufeiiden Rin^ ciiicii festeii auCeren AbschluC (Fig. 87 c). Auf der so gcbildeten l)asalon taiigentialeii Grundlage vollzieht sich dann die definitive Ausgestaltung des Stachels. Die Staclieln zeigen iins den Weg zuni Verstandnis der IIol ot hurienradchen , diese entspreclien dem basalen Teil ciner Staclielanlage. Die einzige Schwierigkeit , welche sich dieseni Vergleiche entgegenstellt, besteht darin, daC das Holo- thurienriidchen nicht dreistrahlig ist, 'wie die Fufiplatte eines Stachels, sondern sechs- und niehrstrahlig; aber auch diese Schwie- rigkeit ist leicht zu iiberwinden. Man begegnet namlich zuweileu FuBplatten von Stacheln , die von dem normaleu Verhaltcii (Fig. 87 c) dadurch abweichen, daK die 6 sekundaren peripheren Arme nach dem Centrum zusammenriicken, so dafi der centrale primai'e Dreistrahler kaum uoch als soldier zu unterscheideu ist (Fig. SS). An solche Befunde schlieBen sich dann unmittelbar solche FuBplatten an, bei denen die sekundaren Arme im Cen- trum vollig zusammengestoCen sind und den primaren Dreistrali- jer ganz verdriingt haben. Das Resultat ist ein Radchen mit 6 Speichen (Fig. 89), welches wir nun ohne weiteres einem sechs- strahligen Holothurienradchen (Fig. 90) gleichsetzen konnen, nur miissen wir bedenken, dafi beides, die sechsstrahlige FuBplatte des Stachels und das sechsstrahlige Holothurienradchen, in letzter Linie 4 Dreistrahlercentren zu homologisieren ist, die im nun- mehrigen einheitlichen Centrum vereinigt sind. Die vielstrah- ligen Holothurienradchen (Fig. 91) sind durch sekundare Ver- mehrung der Strahlen leicht aus dem sechstrahligen entstanden zu denken. Endlich moge noch kurz der Entwickelung der Synaptiden- ankermit ihren zugehorigen Flatten gedacht werden, die in mancher Hiusicht eigenartig und abweichend von den bis- her geschilderten Entwickelungstypen verlauft. Abweichend von dem Typus ist die Genese insofern, als sie nicht von einem vier- achsigen Gebilde ihren Ausgang nimmt, sondern Anker sowohl als Platte legen sich zunachst stabformig an. Die Entwickelung beginnt mit der Anlage des Ankers, der zuerst gebildete Stab (Fig. 92 a) entspricht dem Ankerstiele. Es dauert nicht lange, so wachst das Ende desselben in 2 Seitenstrahlen aus (Fig. 92 6), die anfangs rechtwinkUg vom Hauptstrahle abgehen, urn sich wah- rend des weiteren Verlaufs der Entwickelung nach hiuten umzu- krummen, es sind die Aukerschaufeln. Bald nach ihrem Aus- S06 Br. Friedrich Dreyer, wachsen zeigt sich dann audi die erste Aulagc der Gitterplatte als ciu kurzes Stabchen, welches rechtwinklig zur Langsachse des Ankerstiels auf diesem etwa in der Mitte liegt (Fig. 92 c). Das- selbe beginnt bald sich an seinen beiden Enden dichotomisch zu verzweigen (Fig. 92 d), nachdem die Seitenzweige eine bestimmte Lange erreicht haben , verzweigen sie sich abermals (Fig. 92 e\ und durch solche fortgesetzte dichotomische Verzweigung bei gleich- zeitiger Verschmelzung aufeinanderstoCender Balkenenden entsteht eine von meist sechseckigen Poren durchbrochene Gitterplatte (Fig. 92 /", g). Nachdem dieselbe an ihrer Peripherie zu einem gleich- mafiigen AbschluC gekommen ist (Fig. 92 \ i) , ist die Anker- platte der Hauptsache nach fertig, nachtraglich werden die poly- gonalen Maschen nur noch ausgerundet (Fig. 92 /»), und zum Schlusse bildet sich an ihrer inneren Kontur noch ein gezahnelter Rand aus (Fig, 92 i). Wir seheu also, daC bei den Ankern und den dazu gehorigen Flatten der Synaptiden die Abweichung nicht auf priuzipieller Verschiedenheit, sondern nur auf einer sekun- daren Verwischung des typischen Verhaltens beruht, welches bei dem weiteren Fortgang der Entwickeluug wieder vollig klar zu Tage tritt. Der Anker entspricht einem Dreistrahler, bei welchem ein Stachel stark verlangert, die l)eiden anderen nach hiuten um- gebogen sind, analog dem gleichen Verhalten mancher Spongien- nadelu (Fig. 71, 77). Die Gitterplatte zeigt den typischen Wachs- tumsmodus des basalen Dreistrahlers, wie man es sich besser nicht wiinschen kann. So hoch komijliziert und ditierenziert die Skelette der Echino- dermen in ausgebildetem Zustande auch sind, so gestaltet sich ihre erste Entwickelung doch hochsteinfach. Sie verlauft bei samtlichen Skelettteilen und alien Echinodermen- gruppen in vollig iibereinstimmender Weise nach dem Typus des Vierstrahlergeriistes, was uns zu dem hochst wich- tigen Schlusse berechtigt, die Echinodermen skelette dem Typus der Vierstrahlergeriiste einzureihen. ■^o^ c) Das Skelett der Polycystinen. Bei den Radiolarien gehoren die Skelette der Spumellarien und Nassellarien dem Typus der Vierstrahlergeriiste an. Die Verschiedenheiten der beiden genannten Radiolarienabteilangen las- sen sich in letzterLinie auf die verschiedene Grundform zuriick- fiihren, den Spumellarien liegt die homaxone Kugelform, den Nas- sellarien eine monaxoue Gestalt zu Gruude. Abgesehen von diesem Die derustbildunjj bei Rhizopoileti, Spungicii etc. 307 j)rom(»ri)li()logischcn Unterscliicde, dcr sicli natihiicli audi bosonclers ill der Gcstaltiiiig dor Skclettc geltend macht, ist der Ty p us dcs S k c 1 e 1 1 b a u e s bei Spuniellarieii uud Nassellarieu eiii vollig e i ii - h e i 1 1 i c h e r. Methode des Baucs und Charakter der Geriist- slruktur sind dieselben, hier wie dort liegt der Vierstrah- lertypus zu Gruiidc, nur die grobere auCere Gesamtform und Anlage der Bauwerke palk sich der Gruudform des Weichkorpers an und ist hiernacli verschieden. Aulserdeni weisen verschiedene Umstaude darauf liin, daB die tibereinstimmung im Skelettbau nicht nur auCerer Natur ist, sondern zuni Teil auf Verwandtschaft berubt. Es enipfiehlt sicb daher, die Spumellarien und Nassellarien in einer hoheren syste- niatischen Kategorie zu vereinigen, fiir welche wir am besten den alten EHiiENBEKG'schen Nameii der Polycystinen beibehalten. Sjiuniellarien und Nassellarieu hiingen untereinander genetisch etwas naher zusammen, wie mit Acautharien und Phaodarien. Verniutlich ist der Ast der Polycystinen nach seiner Abzweigung vom Rhizopodenstauimbaume nodi eine kurze Strecke weit ein- hcitlidi fortgewachsen, um sich erst dann in die beiden Zweige der Spumellarien und Nassellarien dichotomisch zu spalten. Von dem gemeinsamen homaxonen Stammtypus werden sich die Nas- sellarien durch Anuahme der monaxonen Grundform seitlich ab- gezweigt haben, wahrend die Spumellarien unter Beibehaltung der homaxonen Grundform den Hauptast geradlinig fortsetzten. Als Ausgaugspunkt fiir die Entwickelung der Polycystinen- skelette sind solche Formen zu betrachten, dereu Geriist noch auf der Entwickelungsstufe steht, wie wir sie bei den Spongien kennen lernten. Ein einheitliches, aus einem Gusse herge- stelltes Skelett existiert bei ihnen noch nicht, sondern der Typus des Vierstrahlergeriistes tritt noch in Form von isolierten Spiculis auf. (Vergl. hierzu Fig. 93 — 101.) Neben dem typi- schen Vierstrahler kommen auch hier dieselben abgeleiteten Nadel- formen vor, die wir schon bei den Spongien und teilweise auch Echinodermen kennen lernten : der Dreistrahler imd die Stab- nadel, und auCer solchen durch Reduktion der Stachelanzahl von dem Vierstrahler ableitbaren Spiculumformen begegnet man auch hie und da einer Vermehrung der Nadeln, so daC dann mehr als 4 Nadeln von einem gemeinsamen Punkte ausstrahlen. AuCerdem findeu sich auch bei den Polycystinen Nadeln, welche die Stufe der morphologischen Individualitat eines Vier- resp. Dreistrahlers uberschreiteu, analog den obeu augefiihrteu Vor- S08 Dr. Friedrich Dreyer, kommnissen bci Spoiigien (Fig. 75, 80). In dieser Ilinsicht fiir die Polycystinen ganz besonders cliarakteristisch ist der Doppel- vierstrahler (Fig. 93, 94, 101). An einem Querbalken kann man 2 Vierstrahlercentren uuterscheiden, indem von jedem Ende des- selbcn nach entgegeugesetzter Richtung drei Basalstacheln aus- strablen, der verbindende Mittelbalken selbst ist der beiden Vier- strahlerindividuen geraeinsame Apikalstrahl. Zuweilen geht die VergroBerung der Spicula noch weiter, diirch fortgesetzte ternii- nale Verzweigung der Stacheln entsteben reich verastelte, hirscb- geweibartige Skelettstiicke (Fig. 95 u. 95 a). Die Verzweigung folgt streng dem Typus des» Vier- resp. Dreistrahlers, jeder Kuoteupunkt entspriebt je nach der Zabl der von ibra ausgehenden Arme einem Dreistrabler- oder Vierstrahlercentruni, die Auzabl der vorban- denen Ceutren entspriebt der Zabl der niorphologiscben Vier- strablerindividuen, die das betreffende Spiculura aufwiegt. Bci dem zur Erlauterung dieser Verhaltnisse als Beispiel berange- gezogenen und in Figur 95 wiedergegebenen Tbalassoxantbiura cervicorne gebt das Wachstum und die Verzweigung der Spicula auBerordentlich weit, die bierdurcb entstebenden Skelettstucke umbiillen den Weicbkorper als ein dicbtes Gewirr ineinander verfilzter Kieselbalken, welches mit mauchen spougiosen Spumel- larienscbalen schon groBe Abnlichkeit besitzt, und ebenso ist die in Figur 98 dargestellte Spiculumform ein Anlauf zu einer ebenen Gitterplatte resp. -scbale. Es ist bier nur noch ein kleiuer Schritt bis zur Bildung einer solcben einbeitlicben Spurn ellarieu scbale, derselbe ware vollzogen, sobald die Balkenenden der einzelnen Skelettstucke miteinander verwachseu wiirden. Die mebreren niorphologiscben Vierstrahlerindividuen entsprechenden Spicula sind eine instruktive Zwischenstufe zwischen isolierteu einzelnen Spiculis und einem einbeitlicben Skelett. Es giebt zwar eine Anzahl von spiculumfiihrenden Poly- cystinen, denen eine ganz bestiramte Xadelform charakteristisch ist, so enthalt das in Figur 93 dargestellte Sphaerozoum gemina- tum nur Vierstrahler und Zwillingsvierstrahler, Thalassoxanthium cervicorne (Fig. 95) ausscblieBlich die soeben geschilderten ver- iistelten Spicula; wollte man jedoch biernach die Spiculumform als cbarakteristiscbes und bestiindiges Artmerkmal hinstellen, so wiirde man mindestens ebenso viel, wenn nicht raehr Ausnahme- fiille konstatieren miissen, als solche, welche die Kegel bestatigten. Man kann zwar meist einen fiir die Art charakteristiscben Gruud- zug im allgemeinen Habitus der Nadelhiille beobachten, Die (ieriistbi'Munp: boi tJhiTiopoden, Spongion 6{c. ''Of) die Form der ci nzc 1 ii en tSpicula scheint abcr hiiulig be- t r a c h 1 1 i c h 0 u S c h a n k u ii g e u iinterworfeii uiid daher audi von keiuer allzii grolien Bedeutung zu sein. Im Weichkorper ein iiud derselben Art sind hautig mehrere Nadelformcn vDii; hat audi die Ceiitralkapsel die Innenwand ihtv iScliale eneicht, so Yollzieht sieh der oben geschilderte Durchwachsungsprozeli (vergl. S. 1*00 u. Fig. 45, 46), und so koiuiut es, daB die erst- gebildete Kugelschale alhuithlich luehr und niehr ins Innere des W eichkorpers zu liegen konimt. Hiei'durch ist sie abei- aueh als iiulieres Stiitz- und Schutzgebihle hedeutungslos gevvorden, uud es macht sich das Bediirinis einer neuen, der nunmehrigen (IriiLse des Weichkih-pers entsprechenden Schale gelteud. Die Radialstachelii kouuen niit ihreni freien l^nde deni Wachstuni des Weichkiu'pers Schritt fiir Schritt folgen, und zwisdien ihneu findet daher auch die Bildung einet^ neuen tangentialen Dreistrahlersystems statt, sie ver- niitteln den /usaiiinienhang der neuen mit der alten Sdiale und somit die Kontinuitiit des ganzeu Geriistes. Aus deni Unistande, dais man h(»dist selten, fast nie, unvollendeten Kugelschalen be- gegnet, kanu juan mit Recht schlieCen, daC die Schalenanlage sehr schuell vor sidi geht (Loricationsmoment Haeckel's). Mit einigen Fallen, weldie eine Sdiale in der Entstehung begriffen zei- gen, macht uns jedoch Haeckel in seiuen Challenger-Radiolarien bekaunt (Fig. 108). Auf dieselbe Weise konnen successive eine ganze Reihe von Schaleu gebildet ^verden, die dann wie die be- kanuten chinesischen, aus Elfenbein geschnitzteu Hohlkugeln, inein- ander eingescbachtelt sind (Fig. 46, 103, 107, 109). In dem G r a il e der B e t e i 1 i g u n g der Radialstacheln a ni VV a c h s t u ni des Geriistes ist ein weiterer Gesichtspunkt fur die Unter- scheidung von Haupt- und Nebeustacheln gewonnen ; wilhreud die erstereu das konzeutrische Wachstum des Gerustes von Anfang bis zu Ende fortfiihren, das konzeutrische Schalensystera von der iuuersteu Schale bis nach aulien in gerader Linie radial durch- setzen, erstrecken sich die Nebeustacheln uur durch einen oder wenige Sdialenintervalle oder sitzeu ausschlieBlich der iiulieisten Sdiale auf (Fig. 103, 107). Eine Kugelschale mit Radialstacheln oder die durch Wachs- tuni bedingte Fortfiihrung deiselben, ein System konzentrischer Kugelschalen, die durch Radialstacheln untereinander verbundeu sind, ist der Grundtypus des Spumellarieugerustes. Sein l»au und seine Entwickelung ist, wie wir sahen, auBerst klar und durch- siclitig. Der ganzen Formennienge der an Formeu so iiberaus reichen Radiolarienabteilung der Spuniellarien liegt dieser Bauplan zu (irunde, alle noch so abweichenden und ditferenzierten Spumel- larieugeriiste sind auf ihn zuruckfuhrbar und als durch verschiedeue btt. XiVl. -N. K. XIX, 21 314 Dr. F r i e d r i c h D r e y e r , Differeuzieruiigsvorgange und deren Kombinationeu bedingte Mo- difikationen desselben zu betrachten. So kann die Dictyose der Schaleii verschieden sein, wie wir bereits obeu sahen und spater noch naher kennen lernen werden : die Poren siiid bald regel- iiiafiig, bald uuregelmaCig polygonal, ausgerundet oder ausgerundet und vou polygoualen Leisten umgeben ; bei niehrschaligen Geriisteu konnen die einzelnen Schalen verschiedene Arten der Dictyose be- sitzen (Fig. 109). Ein anderes Differenzierungsmoment liegt in der oben schon erwlihnten Difterenzierung der Rarlialstacheln und deren Anordnung nach bestimmten promorphologischen Achsen, oder dem ganzlichen Scbwund derselben. Geht die promorphologische Difterenzierung noch weiter, so erstreckt sie sich auf die Form der Schale selbst : dieselbe wird bald in der Richtung einer Haupt- achse abgeplattet (Discoideen), bald verlangert (Prunoideen), bald komiut durch die Kombination dieser beiden Formen eine soge- nannte lentelliptische Grundform zustande, an welcher drei auf- einander senkrecht stehende Achsen von ungleicher Lange unter- scheidbar sind (Larcoideen). Haufig geht dieser promorpho- logische DifferenzierungsprozeC noch weiter, indeni keine ganzen Kugelschalen mehr gebildet werden, sondern nur die Telle der- selben, welche in der Ptichtung des verstarkten Wachstums liegen, so bei den Prunoideen polare Kuppelaufsatze, bei den Discoideen aquatoreale Ringe. Bei vielen Discoideen wird die Grundform noch komplizierter, indem sich aus der Scheibe Arrae heraus- difierenziereii, die entweder radiar oder bilateral-symmetrisch ge- stellt sind. Zuweilen sind die Systeme konzentrischer Schalen eigenartig umgewandelt (spiralige Entwickelung, Larnacillaform bei Discoideen und Larcoideen), oder es verleibt eine Pylom6ft"nung dem Skelett ein charakteristisches Geprage^). Endlich konnen alle tektonischen Verhaltnisse des Geriistes durch eine spongiose Degeneration verwischt werden, es ist aber auch sehr leicht mog- lich, daB ein schwamraiges Geriistwerk hie und da primare Wertigkeit besitzt, etwa indem es direkt aus einem Beloideenzustand, ahnUch dem oben erwahnten Thalassoxanthium cervicorne (Fig. 95), durch Verwachsuug reich verastelter Spicula hervorging. — Die Differen- 1) Eine erschopfende vergleicheude Behandluug der in yieler Hinsicht interessanten und fur die Morphologie der Rhizopoden (Tha- lamophoren- und Radiolarien)-schalen wichtigen Pylombildungen habe ich im ersten Hefte meiner Radiolarienstudien („Die Pylombildungen in vergleicheud-anatoraiseher und entwickelungsgeschichtlicher Beziehuug" etc., Jena, G. Fischer, 1889 u. diese Zeitscbr. Bd. XXIII.) gegeben. i)ie GiTiistbildung bei Ilhizopoden, Spongien etc. 315 zierungsvorgiinge des Spumollarieiigertistes an sich werden an Zahl nicht allzu groC seiii, aber es ist leiclit l)egreiflich, wie durch ihre w e c h s e 1 s e i t i ge K o in b i n a t i o n aus dem Griindbauplau des Spiimellariengeriistes der iingeheuie Fornienreichtuni der Abtei- lung hervorgeben konnte. Wir konnen uns hier jodocb nicht wai- ter auf die speziellcn Gestaltungs- uud Umgestaltungsvorgiluge cinlassen ' ), flir uns handelt es sich hier nur darum, aus deni Ge^^■irre der zahllosen "Formen den grundlegenden Bauplan zu eruieren. Flir die Spuniellarien glauben wir dies im Vorsteheu- den getban zu baben , und so wollen wir uns nun zu den Nassellarien wenden. Wir hatten oben die Plectoidea als Stanimgruppe der Nas- selarien bezeichnet und gesagt, dal$ sie aus den Beloidea hervor- gegangen sei durch die Aunabme ciner monaxonen Grundforni und die hiermit in Zusammenhang stehende Reduktion der Spicuhi bis auf die Einzahl. Wie wir uns die Ausbildung eines einzigen groCen Spiculums als Korrelationserscheinung der monaxonen Diflerenzieruug zu denken haben, ist leicht zu versteheu: Bei den homaxonen Beloidea und audi den mehr oder weniger un- regehniifiigen Qualstern der kolonialen Beloideen ist kein Pol des Zellkorpers vor dem andern besouders ausgezeichnet, alle Lokali- tiiten der Oberfliicbe sind einander gleichwertig, und diese Gleich- wertigkeit giebt sich auch in der Ausbildung und Anordnung der Gerusteleraeute zu erkennen: die Spicula sind ziemlich gleich groB und gleichmitLUg iiber den gauzen Weichkorper verteilt. Iiiter- 1) Es war mir vergonnt, in tertiiirem Tripel von Sizilien aulier einigen kleinereu zusammenhiiiigendeu Formkomplexen einen ausge- dehnteu kontinuierlichen palaoulologischen Stammbaum von Discoideeu uachzuweiseu, der in 4 Hauptasten elwa 20 Formen durcb liickenlose Serien miteinander verkniipft. In dieseu Formenreihen konnte ich eine ganze Anzahl von Differenzierungen und Umwandlnngen des Spumellariengeriistes (die Entstehung des spi- raligen Baues, die Pylombildung, die Bildung eines hyalinen Rtind- saumes, die Ditterenzierung von Armen aus der Discoideensoheibo, Entstehung und Wesen des Larcoideenstruktur, die spongiose Dege- neration) in ihrem ganzen Verlaufe und in alien ihrcn Einzelheiten verfolgen. Diese Beobachtungsresultate haben im zweiten Hefte meiner Radiolavienstndien (,,Die Tripoli von Caltanisetta". Jena, G. Fischer, 189U u. diese Zeitschr, Bd. XXIV.) ausfiihrliche Be- schreibuug uud genaue bildliche Darstellung gefuuden , worauf ioh ))ei dieser Gelegenheit veiwiesen haben mochte. 21' :j 16 l)r. i' r 1 (■ (1 1- i c ii 1) r e \ C r , essant ist die Beobachtuiig Karl Biundt's ' ), iiacli welcher sich in Sphaerozounikolonieen zuweilen ein abnorni grolies vierstrahliges Spiculum iindet (Fig. 96, 97), ein Befund, welcher mis eiueu schatzeusvverten Fingerzeig fiir das Verstandnis des Uberganges des Beloideengeriistes zum Plectoideenspiculum giebt. Wenn, wie aus diesen Befunden Brandt's hervorgeht, auch bei Beloideeu zu- weilen ein Spiculum die iibrigen Spicula an Starke der Ausbilduug iiberfliigelt, so kann dies nur durch voriibergelieude lokale Varia- tionen im Sarkodekorper bedingt sein. Dauernd festigen uud steigern kann sich hier eiu solches Verbal ten aber nicht, da es als untergeordnete Variation nur an dieser oder jener Stelle einmal auftritt. — Dies wird sofort anders, sobald sich der gauze Ban des Zellkorpers zu einem monaxonen urajindert, wie es bei der Abzweiguug der Nassellarien aus den Beloideen der Fall gewesen sein wird: Die Poren der Centralkapsel konzen- trieren sich uach dem einen Pole der Hauptachse, um hier das Porenfeld oder die Porochora zu bilden (vergl. S. 273 — 276), die Hauptachse wird somit ungleichpolig, die Gleichwertigkeit der Lokalitaten des Extracapsulums hat aufgehort, indera der orale Pol der Centralkapsel nunmehr den wichtigsten Radius des Zellkor- pers kennzeichnet. Auch ein hier liegendes Spiculum wird sich bald als Stiitze der Centralkapsel machtig entwickeln und durch weite Aussendung seiner Strahleu den gauzen Rhizopodenkorper beherr- schen. Hand in Hand hiermit geht die Riickbildung der iibrigen Spicula und die endgiiltige Vollendung des Plectoideencharakters. \Vir finden bei den Plectoideen dieselben Spiculumformen wie- der, wie bei den Beloideen, deshalb konnten wir auch oben die Morphologie der Spicula beider Gruppen gemeinsam behandeln. So dient bei mauchen Formen der Dreistrahler als Stiitze der Centralkapsel (Fig. 100), bei anderen bildet der Doppelvierstrahler das Geriist (Fig. 101), und sehr haufig findet man den typischeu Vierstrahler vertreten (Fig. 99); zuweilen erfahrt auch die Zahl der Stacheln eine sekundare Vermehruug tiber die typischen 4 Strahlen des Vierstrahlers hinaus. Unter 3 sinkt aber die Strahlen- zahl des Plectoideenspiculums nicht herab, und uie kommt es wie bei den Beloideen zur Bildung von Stabnadeln. Dies hat wohl darin seinen Grund, daC Stabnadeln zu einer losen Nadelhiille, wie sie bei den Beloideen vorkommt, wohl verwendbar sind, nicht aber 1) Karl Brandt, Die koloniebildeudeu Radiolarien (Sphaerozoeii) des Golfes von Neapel, Berliu, 1885. Pie Gerilstbilduug boi Rhizopodou, Spoiii;5pn etc. 317 zur einzigen Stiitze der Centralkapsel dcr Plectoideeu taugen, wozu niindestcns ein DreifulS iiotig ist. Aiifier dieser telcologischen Deu- tiing ist abcr vielleicht auch cine direkt mechanische Erklarung raog- lich. Bei den dicht gedrangteii Spiciilis der Beloidea ist es wahr- schciiilich, daC zwischen den Spiculis eiue allgemeine Koiikurreiiz bestelit. Jedes Spiculum entspricht eiiieiii Attraktioiiscentrum der KieselsiibstaDz, und bei dichter Stelhiiig verhinderu sich die Spicula gegenseitig, sich vollstaudig zu 1 )rei- oder Vierstrahleni auszugestal- tcn, wjihrend das einzige Spiculum der Plectoidea Raum und Material- zufuhr des ganzen Rhizopodenkorpers fiir sich ausnutzen kann. — Die Plectoideenspicula sind meist sehr reichlich mit seitlichen Doruenauslaufern versehen, was ihnen ein ebenso charakteristisches wie schOnes Aussehen verleiht (siehe die Abbildungen). Zuweilen sind diese Dornen so stark entwickelt, daC sie seitlich unterein- ander Verbindungen eingehen. Es konnen so zwischen den Hauptstrahlen des Spiculums Gitterplatten zustande kommen (Fig. 110), der erste Anlauf des Nassellariengeriistes zur Bildung flachenhafter Schalenteile. Nach unserer soeben entwickelten Auit'assung leiten sich die Nassellarieu von deu Beloideen, also Formeu ab, welche bereits Skelett- eleraente besitzen. Zwischen den Gar lis ten der Spumellarien und Nassellarieu bestande also nach dieser Darstellung genetische Konti- nuitat. Dagegen spricht Haeckei, als Stammformen der Nassellarieu seine skelettlosen Nassoideen an, die er der Actissa der Spumellarien als Pendant zur Seite stellt. Aus den Nassoideen hiitteu sich dann erst die skelettfuhreuden Nassellarieu entwickelt. Moglicherweise liegen die VerhJiltuisse auch so, und hat die Skelettbildung in den beidcu 8tammeu der Spumellarien und Nassellarieu erst nach ihrer Abzwei- gung von einander selbstandig begonnen. Ebenso wie die Entstehung des Vierstrahlergeriistes bei Spongien, Echinodermen und Polycystinen uuabhangig stattgefunden hat, kann dies auch innerhalb des Starames der Polycystinen, bei Spumellarien und Nassellarieu der Fall gewesen sein. Auf der anderen Seite scheint uus dagegen auch in bezug auf die Deutung der skelettlosen Nassoideen als urspriinghcher For- men Vorsicht geraten, und zwar, abgesehen davon, daR die wenigen zur Beobachtuug gekommenen skelettlosen Formen auch Jugeud- formen sein konnen, besonders im Hinblick auf einen Punkt, der uns bei der Durchsicht der Werke Hebtwig's und Haeckel's auffiel Die Nassoideen sind selten, im ganzeu sind nur 5 Formen, durch Hebtwig die erste und durch Haeckel 4 weitere bekaunt geworden. Wie Hebtwig berichtet ^) und abbildet, ist nun das Porenfeld der Centralkapsel seines Cystidium inerme deutlich dreigeteilt (Fig. Ill), und dieselbe Struktur der Porochora beschreibt Haeckel von einer seiner Nassoideen, der Nas- sella nassiterna : „Three equal large oil-globules in the endoplasm, corre- 1) K, Hehtwig, Orgunismus der Radiolarien, S. 86 — 87. 318 Dr. Friedrich Drey er, sponding to the three lobes of the porochora" '). Diese Refunde eines dreistrahligen Baues rufen meiner Ansicht nach zu sehr den Verdacht der Korrelatiou zu eiuem vorhanden geweseueu, irgendwie verlustig gegangenen basaleu DreifuRe, dem die Ceutralkapsel aufsafi (vergl. Fig. 99, 100, 110), hervor, als daR er sich mit Schweigeu iibcr- -ehen lieBe. Dafi die Ceutralkapsel eiuer Plectoidee von ihreni Spiculum, das sie ja uicht als Schale umschlieRt, sonderti dem sie nur aufsitzt, durch inechanische Insulte losgerissen werdeu kann, erscheiat uns sehr leicht moglich, Hketwig selbst deutet eiuen Befund von Clapabede ill dieser Weise: ..Claparede hat einmal eine Plagiacautha arachuoides gefunden, deren Skelett von Surcodenetzen iiberzogen war, wahreud eine Ceutralkapsel fehlte ; zweif'ellos war das Tier beim Fangen stark verstiimmelt worden und handelte as sich nicht urn oin normales Vorkomraen" -). Die Spicula der Plectoideen bildcii die crste Stufe in der Eutwickeluug des Nasscllariengerustes, wir kouncn dieselbe als das Stadium der Nadelgeriis t e bezeichnen. Das zweite Entwickelungsstadium des Nassellariengeriistes, zu dessen Betrachtung wir uns jetzt zu weudeu haben, ist dadurch charak- terisiert, daC auf der Grundlage des Plectoideen spiculums um die Centralkapsel ein, oder mehrere miteiuandcr kombinierte Ring- balken eutstchen und sich an der Skelettbilduug beteiligen. Hier- durch erhalt die auf dem Vierstrahlcr ruhende Centralkapsel festeren Halt und ausgiebigeren Sclmtz. Wir bezeichnen di^ie zweite Entwickeluugsstufe des Nassellariengeriistes als das Sta- dium der Rin gbalkengeriiste. Die Ringbalkengertiste schlieCen sicli unmittelbar an die Nadelgeriiste an. Der die Ringbalkengertiste charakterisierende Hauptteil ist ein Ring, der auf dem Vierstrahler in dessen Sagittal- ebene zur Entwickeluug kommt , der sogenannte Sagittalring (Haeckel). Nachst dem Vierstrahler ist dieser Ring die wichtigste Grundlage der Xassellarienskelettc. Die Centralkapsel sitzt auf dem DreifuBe des Plectoideeu- viei'strahlers wie auf einem Stuhle, um sich an dem aufsteigenden Apikalstachel wie an einer Lehne anzulehnen. Bei gewissen Plectoideen erfahrt nun der Vierstrahler insofern eine Modifikation, als seine Strahlen uicht mehr in einem Punkte zusammentretfen, sondern zu je zwei durch eiuen kurzcii Querbalken verbunden werden. An dem vordereu Ende des letztercu befinden sich 2 der nach abwarts gehendeu Basalstrahlen, an dem hinteren Ende der 3. Bastalstrahl und der aufwarts gerichtetc Apikalstrahl. Diese 1) Haeckkl, ChallL!n^;ei--Ri'i)ort, p;ig. 89 S. 2) R. Hertwig, Organismus der Kadiolarieu, 8. 74. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 319 Ausdelinuug dcs Voreiuigimgspunktes der 4 Stachelii zu einem Quer- balkcn gcschielit augenschciiilich in uiiiuittclbarcr Anpassuug an die Centralkapsol, dcren Grundlagc hierdurch erweitert wird. In dem selben Sinne schreitet nun die Anpassung des Vierstrahlergeriistes an die Form der Centralkapsel fort. In der vorderen Verliingerung des eben erwiihnten basalen Querbalkens, an dem Ausgangspunkte der bciden vorderen Basalstacheln, vergroCert sich einer der Dor- neu, mit deneu die Geriiststabe besetzt sind, zu einer Apopliyse, die nach oben und etwas nach hinteu gerichtet im Bogen empor- wiichst; eine audere Apophyse gelit unmittelbar oberhalb der Centralkapsel von dem Apikalstachel , (lessen obere Spitze jedoch noch frei emporragt, aus und nach uuten und voru gerichtet der , ersteren entgegen. Diese Befunde zeigt die von Haeckel bc- schriebeue und abgebildete Plagiocarpa procortina (Fig. 112), eine Form, welche fiir das Verstandnis der Skelettentwickelung der Nassellarien von ganz auCerordeutlichem Werte ist, da sie uns die p]utwickelung des primiireu Sagittalringes auf Grund des Vier- strahlers vor Augen fiihrt". Die beideu Apophyseu braucheu sich nur noch weitcr zu verlangern um endlich mit ihren Enden zu verschmelzeu und einen geschlossenen Ring zu bilden. Es ist dann das typische Cortinarskelett (Haeckel), der Vierstrahler mit der Ditterenzierung des sagittalen Ringes, welcher nach vorne die Centralkapsel umspannt, fertig, eine Form, wie sie uns in Cortina typus (Fig. 113) und noch manchen anderen Arten (Fig. 117, 119) entgegen tritt. Es moge noch darauf hingewiesen werden, dafi schon einer vierstrahhgeu Plectoidee eine typisch eudipleure (bilateral-sym- raetrische) G r u n df o r m n o t w e n d i g eigentiimlich ist, was dann noch mehr bei der soeben geschilderten Ringeutwickelung hervor- tritt. Zwei Basalstacheln befinden sich an der vorderen oder Bauchseite, die hintere oder Rtickenseite ist dagegen durch den drit- ten Basalstachel und den Apikalstachel, au ^Yelchen sich die Cen- tralkapsel anlehnt, gekeunzeichnet. Wir sehen hieraus, dafi die eudipleure Grund form schon in der erst en Aulage des Nassellarienskel e t tes, in den notweudigeu Be- ziehungeu der Centralkaps el zum Vierstrahler be- griindet ist. Die Centralkapsel ruht auf der festen Grundlage des basalen Tripodiums ; da nur ein aiufwarts gerichteter Apikal- stachel vorhauden ist, muB sie sich an diesen einen, der etwas lehnenartig ruckwarts gebogen ist, eiuseitig anlehnen. Durch diese Voreinanderlagerung von zwei in der Einzahl vorhandenen un- 320 "Hr. Frie.li ich Dreyer, gleichartigen Gebilden ist bereits der Unterschied zwischen einer vorderen und hinteren (Bauch- und Riickon-) Seite gegeben, und dieser Syminetrie schlioBeii sich dann aiicb mehr oder weniger die anderen Telle des Nassellarienkorpers und -skelettes an. Schon ill dor ersten Aulage des Nassellari euge riistes be- griindct, geht die eudipleure Grundform bis zu den hochststehenden vielgliedrigeu Cyrtidenschalen hind u r c h (vergl. die Abbildungen). Zu deni primareu Sagittalring koniien sich noch verschie- dene andere Riiigbalken hinzugesellen. Es sind hier zunachst zvvei Bogen zu neunen, die sich zu beiden Seiten des Sagittal- ringes an dessen Basis anlegen, indem sic sich von dem hinteren Basalstachel zu den beiden vorderen Basalstacheln hiniiberspannen (Fig. 114). In dieseii Balken gewiimt die Centralkapsel eine wei- tere basale und zum Teil auch laterale Stiitze. — Bei anderen For- raen bemerkt man einen weiteren Ring, welcher senkrecht steht und den primareu Sagittahing umspannt, und zwar so, dafi seine Ebene mit der des letzteren rechte Winkel bildet (Fig. 115). Er liegt in der Frontalebene und wurde daher von Haeckel als Frontalring bezeichnet, die Centralkapsel wird durch ihn seitlich gestiitzt und geschiitzt. — Weiterhin konnen endlich zu dem ersten basalen Bogenpaare noch andere hinzukommen, so pflegt sich be- sonders zwischen den vorderen Basalstacheln und dem Sagittalringc noch eins zu entwickeln (Fig. 116). Die durch diesen Bau der Basis des Cortiuarskelettes bedingten Locher sind von grofier Konstanz, indem sie sich, wie wir sehen werden, bis auf die hochststehenden Cyrtidenschalen iibertragen; daher sind sie auch nachst dem primareu Vierstrahler und dem Sagittalring die morphologisch bedeutsamsten und interessantesten Gebilde des Nassellarien- geriistes. Bei den bisher betrachteten Entwickelungsformen des Ring- balkengertiststadiums legten sich die Ringbalken auf der Grund- lage und als Erganzung des primiiren Vierstrahlers an, dieser selbst blieb aber dabei deutlich erhalten. Von diesen Formen zweigen sich nun seitliche Reihen ab, bei denen die Ring- balken zu ausschliefilicher Herrschaft gelangen, wogegen der Vierstrahler, soweit er nicht selbst an der Ringbildung^beteiligt ist, ruckgebildet wird. Diese Ringformen faCt Haeckel unter dem Namen der Stephoideen zusammen. Bei einer Plectoidee, l)ci welclier sich ein Sagittalring an- Die Geriistbilduug bei Rhizopoden, Spon{;ien e(c. 321 gelcgt hat, wie bci Cortina typus (Fi^. H-Oi koiinen wir an (leni prinuiren Vierstrahler Teilc unterschcitlon, die in tier Ring- l>il(lunp, aufgchen : der Radiationspunkt des Vicrstrahlcrs (cventuell der sekundiirc Verbin(hingsl)alkeu) und ein groBer Teil des Apikal- stachcls; und solche, die von deni Ringe frei ausstrahleii : die Spitze des Apikalstachels und die Basalstacheln. Die letzteren Telle sind es, welchc bei den stephoiden Fornien riickgebildet, werden. Betiachten wir aus der groBen Menge eiuige Beispiele. — Bei Figur 117 sind Ring, Apikalstachel und Basalstacheln noch nebcneinander erhalten, der Ring besitzt aber bereits groBe Selb- stiindigkeit, er imponiert als Hauptteil des Geriistes, wahrend die 4 Stacheln den Eindruck von nebensachlichen Anhiingen machen und nicht melir als Teile eines einheitlichen Vierstrahlers er- scheinen, an dem unigekehrt der Ring auf deu ersten Blick als sekundare Zuthat zu erkennen ist, wie bei den Gerusten, die die urspriinglichcn Verhaltnisse bewahrt haben (Fig. llo — IIG). Das Verhaltuis zwischen Vierstrahler und Ring hat sich umgekehrt, der Weg zur ausschlielJlichen Herrschaft des Ringes, zur stepho- iden Entwickclung ist angebahnt. Denken wir uns an unscreni Beispiel die Stacheln des Vierstrahlers riickgebildet, so ist der ProzeB vollendet, als Endprodukt desselben haben wir einen ein- fachen oval en Ring, etwa wie ihn uns die iu Figur 118 wieder- gegel)enc Form vor Augen fiihrt. — Das Gertist von Figur 119 steht iu bezug auf seine Bauart auf der Entwickelungshohe der Form von Figur 114; an dem deutlich erkennbaren Vierstrahler ist auBer einem Sagittalring noch ein Paar basaler Riugbogen ausgebildet, die 2 basale Locher zwischen sich fassen. Das Eigcn- artige der in Rede stehenden Form besteht nur in einem spezi- fisch knorrigen Habitus. Unmittelbar an diese Form schlieCt sich F'igur 120 an, nur sind hier die auf den Vierstrahler hindeuten- den Baueigentiimlichkeiten l)ereits zum groBten Teil verwischt. Ein Apikalstachel ist von den ubrigeu Apophyseu des Ringes nicht mehr zu unterscheiden, die beiden basalen Bogen sind in die solide basale Partie des Ringes eingeschmolzen, und auch die Basalstacheln sind wenigstens so weit in den Ring einbezogen, daB sie sich in der Starke der Ausbildung nicht mehr von den iibrigen Apophysen des Ringes unterscheiden, und nur wenn man die Form von vergleichend-anatomischem Gesichtspunkte aus betrachtet, kann man dieselben noch an ihrer Stellung herauserkennen. Sonst ist an dem Ring nur noch die primare eudipleure Grundform ge- wahrt gcbliebeu. Der Eudpunkt der Eutwickelungsreihe ist in Rf 22 Dr. FriedriohDreyer, der in Figur 121 dargestellten Form verkorpert; bei ihr ist die Riickbildung samtlicher Vierstrahlercharaktere vollendet, als deren letzter auch die eudipleure Gruudforni verwischt ist und sich in die eines einfachen ovalen Ringes verwandelt hat. — Bei Figur 122 sind Apikal- und Basalstacheln audi noch gut entwickelt, erscheineu aber, ebenso wie bei Figur 117, mehr als Anhange des Ringes, wie als Tcile eines einheitlichen Vierstrahlers. Die Entwickelung resp. Riickbildung dieser und ahnlicher Formen zum Ring ist leicht verstandlich, sie bestelit in einer Egalisierung samt- licher Apophyseu: Die 4 Stacheln des Vierstrahlers werden etwas eiugezogen, hiergegen wachsen die seitlichen Dornen des Ringes zu mit den letzteven und unter sich etwa gleich machtigen Ai)ophysen heran , Avorauf sich samtliche Seitenzweige an dem Ringe gleichmaCig verteilen, meist so, daC von derselben Stellc eiu Paar nach beiden Seiten abgeht (Fig. 123, 124). Fine Weiter- entwickelung des Stephoidgerustes besteht darin, dafi sich die ein- ander gegeniiberliegenden Seitenarme des Ringes paarweise gegen- einander biegen und so einen etwa cylindrischen Raum umspannen, der in der Mitte vom Ringe eingeschniirt wird (Fig. 124). Kommt es zwischen den Enden der Arme zur Verwachsung, so entstehen horizontale, den senkrechten primaren Sagittalring umspannende Ringe. Dieser Fall ist in der Form der Figur 125 eingetreten, bei welcher die Verschmelzuug der Arme vor noch nicht allzu langer Zeit stattgefunden haben mulJ, da man die Verlotungs- stellen noch deutlich erkenneu kann. — Endlich moge als charak- teristische Stephoidee noch Trissocyclus sphaeridium (Fig. 128) er- wahnt werden, bei welchem 3 einander rechtwinklig durchkreuzende kreisformige Ringe einen inneren kugelformigen Raum umspannen. Der durch die verschiedeuartigsten Kombinationen von Ring- balken und deren verschiedene Ausschmtickung erzeugte Formen- reichtum der stephoiden Formen ist ein ganz unglaublicher, die Tafeln in Haeckel's Challenger-Report geben hiervon die beste Anschauung. Ich glaube sogar, daB man nicht zu viel l)e- hauptet, wenn man sagt, dafi die stephoide P'ntwickelung mehr differente, charakteristische und eigenartige Geriistformeu zeitigt, als sich bei irgend ehier der iibrigen Radiolarienab- teilungen vereinigt fiuden. Zugleich mul.i aber darauf hingewiesen werden, dafi die Stephoideen Hae(;ketAs nichts weniger wie eine natiirliche, monophyletische Gruppe sind, und wenn man die Begriffe „Abteilung", „Grui)pe", „Verwa])dtschaft" etc. bei den Radiolarien und Rhizopoden tiberhaupt init grofiem Vorbehalt ge- Die Geriistbildung bei Rhizopodeu, Spongien etc. 323 brauohen muTs, so ist dies ganz bcsondcrs hior in Retracht zii zichen. Tcb hal)e dahcr iin Vorsteliendcu audi liebcr moist von stephoider Kntwickelung iind stephoiden Fonncn als von Stephoidecn gcrcdet. Die stephoiden Fornien setzen sich sicher aus Geschl«cUtern von ganzlich selbstiindigem Ursprung ziisammen, die sich von ver- schiedenen, dem Hauptstanime der Nassellarien angehorigen Formen mit Cortinarskelett, seitlich abgezweigt haben. Die Forraver- wandtsehaft der stephoiden Formen beruht nur einnial darauf, daB ihre Stamm- und Ausgangsfoi-men selbst nahe niiteinander verwandt sind, und ist zweitens in der genieinsamen Entwickelungstendenz begnindet. Die stephoide Entwickelung besteht , wo sie auch auftritt, in einer Verwischung der ur- spriing lichen monaxon-cudipleuren Grundform, was sich in einer Verwischung der j) r i ni a r e n V i e r - strahlercharaktere und einer ausschlieClichcn H e r r s c h a f t d e s R i n g b a 1 k e n b a u e s a u fi e r t. Anhangsweise mogeu hier noch die Anschauungeu friiherer Avitoren liber die phylogenetischen Beziehuugeu der Nassellarieuge- riiste erwahnt werden. In erster Linie verdient hier Butschli ^) genannt zu werden. Er war der Erste, welcher sich energisch und auf Grund eingehender Studien, besonders an Barbadosmaterial, um die Eruierung der ver- wandtschaftbchen Beziehungen unter den Nassellarien bemiihte. Der- selbe kam in bezug auf die Ringformen zu einer unseren obigen Aust'iihrungen gerade eutgegeugesetzteu Ansicht. Wiihrend wir die stephoide Entwickelung als einen von den typischen und primaren Fornieu des Hanptstammes wegfuhrenden Abweg dargestellt haben, der sich durch Riickbildung der primaren Vierstrahlercharaktere und ein- seitigu Entwickelung der Ringbalkeu charakterisiert, faRt BtJTSCHLi die Sache gerade umgekehrt auf und spricht das Endprodukt der stepho- iden Entwickelung, den amphitekten Ring, als urspriingliche Stamm- form der Nassellarienskelette an. Die Entwickelungsetappen der stephoiden Riickbildungsreihe waren bei nns folgende: Vierstrahler mit Ringbalkenanlage (Cortinarskelett, Haeckel), eudipleurer Ring, amphitekter Ring; BItschli zahlt dagegen : amphitekter Ring, eudi- pleurer Ring, Entwickehmg von Vierstrahlercharakteren (basale Ldcher und Stacheln) am Ring; konsequenterweise sieht er sich so natiirlioh auch genotigt, wenngleich, wie es acheint, mit einigem Widerstrebeu, die Plectoidskelette (Plagiacanthiden nach damaliger Benennung) durch 1) BOtschli, Beitriige zur Kenntnis der Radiolarienskelette, ins- besondere der der Cyrtida. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XXXVI, S. 485—540, Taf. XXXI— XXXIIL — AuRerdera auch die Dar- stelluug des Gegenstandes in den Protozoen von Bronn's Klassen und Ordnungen des Tierreichs. 324 Dr. F r i e d r i c h D r e j e r , Eiickbildung des Binges von primiiren Ringformen abzuleiten. Schema- tiRch lafit sich die Auffassuiig BOtschu's der unsrigen etwa in folgen- der Weise gegeniiberstellen. Dreyer. BilTBCHLI. Stepboide < < KiickbilduDg Cyrtoidschalao der hoheren NRSsellarien. Riughftlken- K e r ii s t e (Vierstrahler mit Ringbil- duug, Corti- narformen). Rtachel- g e r ii st Q der Plectoidea. Cyrtoidscbalen der hohoren NasselUri Stephoide > > > Statnmreihe. Stachelgeriiste der Plectoidea. Ich glaube nicht, daB es notig iet, bier eine ausfiihrliche Erorterung des Eiir und Wider der Theorie Butbchli's zu geben. Ich hoffe, daB meine Behandlung des Problems fiir sich selbst genug spricht. Ubrigeus weicht Butschli's Auifassuug gar uicht so sehr von der uusrigen ab, wie man auf den ersten Blick nieinen kouule. Der Sagittalring ist auch bei uns ein sehr ui-spriinglicher Bestandteil des Nassellariengeriistes, nach dem Vierstrahler der urspriinglichste; BxTTscHLi begeht also nur den Fehler, den letzteren nicht richtig zu wiirdigen, und dies ist leicht verstandlich und ihm in keiner Weise zura Vorwui'f zu macheu, da damals, als er seine Nassellarienphylogenie aufstellte, die Plectoideeu erst sehr schlecht und die wichtigen iiber- leitenden Cortinargeriiste noch gar nicht bekaunt waren, erst durch Haeckel's Yeroffentlicbung der Challengeri'adiolarien wui-den wir mit die- sen wichtigeu Formen bekannt gemacht. Butschli's Deduktionen sind also nur in bezug auf den Anfangsteil des Stammes und die stephoide Entwickelung falsch, von da an, wo in uuserem Schema die stephoide Eiickbildung vom Hauptstamrae abgeht, aufwiirts stimmen sie mit uu- serer Auffassung in den Hauptpunkten iiberein. Wenn wir diesen Punkt genauer bezeichneu wollen, so ist er das Stadium, wo das Ringbalkengeriist aus Vierstrahler, sagittalem Ring und 2 basalen Bogenpaaien besteht (Fig. 116). Butschli gebiihrt das Verdienst, vou solchen Formen aus zum ersten Male und in den Grundziigeu riclitig die h'»''t^i'eii Nas^oUaiieiigeruste abgeleitet und die durchgehendori 3 Die (jrriistl)il(tiiiiu; Uei U.liiK()]MKl(ii, l^lionulcii viv.. .'!2o Honiologieeii dor Vierstralilerteilp, rlos Saf^ittalringes uiul der Hasal- locher, gezei^t zu haben. Haeckgl verhalt sich dem Problem der Nassellarienphylogenese gegeniiber sehr reservierl. Zunachst woUea wir erwahnen, daW er sich gegen cine polyphyletische Ableitung wendet : „T'olyphyIolio hypotheses, doriving the different groups of Nassellaria from ditfereiit skeletonless Nassellida, by development of simple siliceous skeletons in ditt'ereut ways. Among the numerous polyphyletic hypotheses which are possible, one of the simplest would be the supposition that three different fundamental forms of skeleton may have arisen independently one from another: (1) a simple sagittal ring as original form of the Steplioidea and Spyroidea; (2) a simple basal tripod as original form of de Plectoidea; (3) a simple latticed cephalis as origi- nal form of the liotryodea and Cyrtoidea. This triphyletic hypothesis is supported by R. Hertwig (1879, Organ, d, Kadiol., pg. 136); he assumes that the original skeletonless Nassellida (Cystidium) have produced three different branches, his ,,Acanthode8mida** (= Stephoidea and Spyroidea) with a primary ring, his „Plagiacuuthida" (= Plec- toidea) with a primary tripod, and his „Cyrtida" (= Botryodea and Cyrtoidea) with a primary cephalis. This hypothesis seems rather probable on the first view ; but it meets with the greatest difficulties in view of the fact that these three original elements of the skeleton are more or less evidently combined in the great majority of Nassellaria"^). Wir stimmen hierin mit Haeckel iibei'ein and sind durch das vorstehende Citat zu- gleich der Miihe iiberhoben, auf Hertwig's Auffassung noch naher ein- gehen zn miissen. Der Umstaud, dafi die verschiedenen Nassellarieu- charaktere, die man zum Ausgangspunkt selbstandiger Stamme machen kiinnte, meist kombiuiert auftreten, geniigt, um eine polyphyletische Ableitung auszuschliefien. — Von monophyletischen Hypothesen stellt Habckkl 3 zur Auswahl: „1 *). Monophyletic hypothesis, deriving all Nassellaria from a latticed cephalis , a simple ovate or subspherical fenestrated shell without ring and tripod (Cyrtocalpis, Archicapsa, etc.). This hypo- thesis was given in 1862 in my Monograph, where I constructed the first pedigree of Kadiolaria (p. 234). I there derived all the Cyrtida from the Sphaeroidea (Cyrtidosphaera), supposing that Cyrtocalpis and some other Monocyrtida may form a direct phylogenetical passage from the Sphaeroidea to the Cyrtoidea. 2. Monophyletic hypothesis, deriving all Nassellaria from a simple sagittal ring (Archicircus, Lithocircus, etc.). This hypothesis was stated by me in the years 1877 to 1879, when I had got the 1) Challenger-Report, pag. 894. (Den letzten Passus habe ich gesperrt drucken lassen.) 2) Challenger-Report, pag. 893 — 894. — Die Reihenfolge der Numerierung der 3 Hypothesen habe; ich in dem (!itat geaudert und der historischen Reihenfolge angepaBt. Unser I., 2., 3. entspricht dem 3,, 1,, 2. des Report. 32() i)r. Friedrich Bre*ye1*, first general survey of the astonishing; number of new Nasseliaria In the Challenger collection, and as I had found the sagittal riug in the majority of them. This, my former hypothesis, is mentioned by KiCHABD Hbrtwig (1879, Orgau. d. EadioL, pp. 68, 126). It was afterwards supported with particular energy by 0. Butschli (1882, Zeitschr. f. wiss. ZooL, Bd. XXXVI). 3. Monophyletic hypothesis, deriving all ISassellaria from a basal tripod (Triplagia, Plagoniscus, etc.). This hypothesis was employed in 1881 in my Prodromus, since 1 had convinced myself that the ,,triradial structure" is prevalent in the great majority of Nassellaria, and is perhaps more important than the sagittal ring." Die Ausgangsformen, welehe Haeckel fiir die 3 moglichen mono- phyletischen AbleitungenderNassellaricn aufstellt: Gitterschale, Ringuod Dreistrahler, entsprechen etwa, wie wir seheii, den von uns unterschie- denen 3 Entwickelungsetappen des Nassellariengeriistes : Cyrtoidschale, Ringbalkengeriist, Stachelgeriist. Das Interessanteste liegt aber in deni Umstand, dald Haeckel den 3 phylogenetischen Hypothesen nicht als Unbeteiligter gegeniihersteht, sondern daB er sie seJbst geschaffen und der Reihe nach durchlebt hat. Die 3 Theorien bezeichnen ebensoviel Entwickelungsetappen in dem Verlaufe seiner Radiolarienstudien, und auB der Reihenfolge, in der er sie vertreten hat, geht sehr schon her- vor, wie sich sein Einblick iu die Morphologic der Nassellarien imraor mehr vertiefte und der Wahrheit Schritt fiir Schritt naherte. Haeckel verkorpert in sich die gauze bisherige historische Entwickelung der Nassellarienmorphologie. Zuerst (1862) verglich er ganz obertlachlich die Cyrtoidschale mit der Sphiiroideenschale, Dann, als er die Schatze der Challengersaramlung durchmustert hatte (1877 — 79), vertiefte er seine morphologischen Anschauungen sehr wesentlich, es gelang ihm, den Stammbaum ein groBes Stiick weiter nach seiner Wurzel hin zu verfolgen, indera er die urspriingliche Bedeutung des primaren Sagittal- ringes richtig erkannte. Es ist dies dieselbe Stufe, auf der Butschli zur Zeit seiner erwahnten Arbeit stand (1882). Endlich, seit dem seiner Zeit gemachten vorlaufigen AbsohluR seiner Challengerstudien (1881), ueigt Haeckel einer Ansicht zu, welehe unserer Vierstrahler- theorie sehr nahe kommt; er erklart die Plectoideen fiir die urspining- lichsten skelettfuhrenden Nassellarien uud den Drei s tr ah 1 e r resp. das basale Tripodium fiir die urspriinglichste phylogenetische Grundlage aller Nassellarienskelette. Dieser Ansicht verleiht er auch in dem Stammbaum des Challenger-Report's Ausdruck. Gleichwohl verhalt sich dann Haeckel doch sehr zuviickhaltend, er stellt noch im Challenger-Report alle 3 mouophyletischen Hypothesen nebeneinander als moglich und verfechtbar hin, iiberlaBt gleichsam dem Laser die * "swahl und halt seine letzte Ansicht nur fiir die, welehe am meisten A. . . Tir , ''.heinlichkeit fiir sich hat. Es kommt einem dies zuniichst un- w'lllr- '^ etwas befremdend vor, da man doch sonst gewohnt ist, Tr '"'it voUer Energie fiir eine ihm plausibel erscheinende phylo- . ^ ^^^ypothese eintreten zu sehen, es erklart sich aber leicbt, sche J,(jeuken, daB Haeckel infolge jahrzehntelauger Studieu vvenn wir bt nle Geriistbildung bei lihizopoflen, Spongien etc. o27 znm erstcn Konner unserer Ithizopodcn gewordcn ist ; liefgehende Keuiitnis luacht ura so vorsichtiger. Wir wollen nun rait unserer Behaudlung des Gegenstaudes die Eutwickelung uiiserer Keuntnis vou da an weiter fortsetzeu, wo Haeckel zuletzt stehen goblieben ist und, wie wir botf'en, in deu Grundzugen wenigsteus zum dcfinitiven Abschluli bringen. ludeiu wir den Vierstr abler als raorphologische Grundlage nicht nur der Nassellarien-, sondern auch derSpumel- larieugeriiste nachweisen, baben wir einen einheit- lichen Gusichtspunkt gewounen, vou dem aus wir die Geriistbildung beider grolien Radiolarienabteiluugen klar durchschauen konnen. Hierdurch ist unser morpho- logisches Verstandnis urn einen nenncnswerten Schritt gefordert und vertieft, uuser Kausalitatsbediirfnis aber noch nicht be- friedigt. Wir hatten geseheu, dalJ der Vierstrahler auRer bei den Tolycystinen auch bei Spongien und Echinodermen das morphologiscbe Grundelemeut der Skelettbildung ist, und wir raiissen bieraus schliefien, daR seine Bildung nicht von der vitalen Thatigkeit eines spezifisch organisierten Protoplasraas bedingt sein kanu, sondern dafi er das Pro- dukt ist von allgemein giiltigen elementaren Bildungsfaktoren. Soil unser Erkeuntnisdrang befriedigt werden, so raiissen diese und ihre Gesetze aut'gedeckt und der Vierstrahler mecha- nisch erkliirt werden und dies ist uns, wie wir glauben, gelungen. Wir konnen so nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ iiber un- eere Vorganger hinausgehen, indem wir von der morphologischen Vergleichung zur mechanise hen Erkliirung fortschreiten. Wir haben die raorphologisch-vergleichende Forschung unseres Gegen- standes abgeschlossen und den letzten Stein auf das Gebaude gesetzt, welches unsere Vorganger durch lange induktive Arbeit Schritt tur Schritt seiner Vollendung naher gefUhrt hatten, wir erweisen uns ihnen gegeniiber dadurch dankbar, dafi wir die Richtigkeit des durch ihre Thatigkeit angebahnten Resultates mechanisch beweisen. Durch induktive vergleichend-morphologische Forscbung waren wir zu dem Resultate gelangt, daB der Vierstrahler die morpho- logiscbe Grundlage unserer Geriistbildungen ist, durch die Erkenntnis seiner mechauischen Bildungsursache konnen wir d ed u k ti v beweisen, warum er es sein muB: die aet i ol o gi sch-m ech a- nische Probe auf das raorphologische Exempel. Wir fassen, aiu Ende der Betrachtung der zweiten Entwicke- liuigsetappe des Nassellarieugerustes angelangt, das Charakte- ristische der Ringbalkengeriiste uoch einmal kurz zusamnien. — Das Ringbalkengeriist ist die Fortfiihruug des Nadelgeriistes, es legt sich auf der Grundlage des primaren Vierstrahlers an. Diese erste Grundlage des Nassellariengeriistes, der Vierstrahler, war, wie wir nachher selien werden, durch mechanische Bildungsfaktoren erzeugt, der Organismus spielte nur eine untergeorduete Rolle dabei. Nicht vom Organismus geformt, entspricht der Vierstrahler •328 Ih-. "Frioririoh I) v e V 6 T , auch nur unvollkonimeii rlen Organisatioiisverhaltnissen iind so- niit auch Bediirfiiisseu desselbeii ; vier starre Nadeln , die in einem Punkte ziisaninientreffen , gewahreii der abgerundeteu Centralkapsel weder feste Stiitze und Halt, noch genugeu- den Schutz. Der o r g a u i s c h e W e i c h k o r p e r hat d e lu starreu Nadelgeriist gegeiiiiber eine sehr unbe- quenie Position, und doch mui.i er sich niit demsel- ben auseinand ersetz en. Im e is ten Stadium wird durchanorganischeFaktoren dieGrundlage desSke- lettes in deni Nadelgeriist gelegt, das Charakte- ristische des zweiten Entwickelungsstadiunis, des Ringbalkengeriistes, besteht darin, daC der Orga- nism us diese Grundlage seinen Organisationsver- haltnissen, speziell der Centralkapsel entspre- cheud umgestaltet. Die gemeinsame Tendenz aller Ringbalken bau ten besteht darin, der Central- kapsel ein zweckentsprechendes, ihrer Gestalt kon formes Gehause herzustellen (vergl. die Abbil- dungen). In der ersten Entwickelungsetappe des Geriistes tiber- wiegen anorganische, in der zweiten orgauische Bildungsfaktoren. Der Hauptstamm des Nassellarienstauinibaumes ist da, wo er das Kingbalkenstadiuni passiert, in den Coitinarformen verkorpert, bei denen sich Vierstrahler- und Ringcharaktere die Wage halten, zu der Hauptmasse der hoheren JSassellarien, den Cyrtoideen wer- den beide durch Vererbuug mit hiniibergenommen und verleihen ihr ihr charakteristisches Gepriige, wixhrend in den von deni Hauptstamm abgehenden stei)hoiden Seitenzweigen die Produkte der anorganischen G estaltungsfaktoren von denen der organischen Verhaltnisse unterdruckt, die Vierstrahlercharaktere durch die Ringcharaktere verdriingt werden. Die beiden ersten Entwickelungsetappen sind immer noch uuvollkommen insofern, als in ihnen noch keine kontinuierlichen Schalen, wie wir sie bei den Spumellarieu kennen lernten, er- zeugt werden. Die Nadel- sowohl wie die Ringbalkengeriiste sind nach alien Seiten hin oiiene Balkengeriiste , die noch des einheitlichen Abschlusses nach auBen entbehreu. Sie sind ver- gleichbar dem Gertist eines Zeltes oder einer Rude, dem der Tuch- uberzug oder der Bretterverschlag noch mangelt oder dem Balken- skelett eines gerichteten Hauses, dem die Wiinde noch fehlen. Die Schalenbildung tindet erst im dritteii und letzten Stadium der Kutwickeluug des Nussellarieugeriibles (vou der Spiculumhiille l)l(> (Irriisll)il(iuiii;' lici Hliizopodcn, S|ioiii;i(Mi clc. tier Beloideen zur Kugelscluile der Si)uinellarieii ist nur eiu Schiitt, der Weg von deni eiiizigen Plcctoideonspiculiim zur umhrilluiideii Schale ist iiaturUcli laiiger), deni Stadium der Cyrtoid- sehaleu. statt, welches dadurch charakterisiert ist, dafi die Halken- geriiste luit eiiier Schalenwanduiig riugs iiberkleidet werdeii. Mbeiiso wie die Ringbalkeii auf deu Nadelgeriisten durcli das Aus- waeliseii und ilie machtige Verlangerung uud Verstilrkuug eiiiiger Seiteudoiuen eiitsteheii, so bilden sich die zwiscbeu deii eiiizeliieii Balkeu des Geriistes ausgespaiiiiteu Partieii einer Schaleiiwaud da- durch, daB l)()nicheii der (rcriistbalkeii zu Balkcheii auswachseii, die durch vielfache Verilsteluiig uud Anastomoseiibildung eiuer Gitterplatte deu Ursprung geben. Diese Verastelung folgt deui Dreistrahlertypus, und es wiederholeu sich bei den Cyrtoidschaleu dieselbeu Formen der Dictyose, aiif die wir schon bei den Sphiiroid- schalen der Spumellarien aufnierksam machteu und auf die wir spiiter bei der Darstelluug der x\etiologie des Vierstrahlertypus noch niiher einzugeheu habeu werden. Die Schaleubildung kann bei den verschiedensten Geriistformen stattfindeu und zwar el)eiis() wie bei Ringbalkengeriisten auch, uuter Uberspriuguug des zweiten Entwickeluugsstadiums, direkt von Nadelgerusten aus. Wir wollen im Folgenden die ver- breitetsten Falle von Schaleubildung an einer Reihe von Beispieleu kurz Revue passieren lassen, Bei den Nadelgerusten hatten wir schon Gelegenheit zu be- obachteu, daiJ es haufig vorkonimt, daC die Dornen der Stachelu starker wachsen, sich verasteln und durch Anastomosenbildung mit denen der benachbarten Stacheln Gitterplatten bilden, die sicq in den Stachelwinkeln ausspannen (S. 317 u. Fig. 110). Diu-ch solche radial gestellte und in den Stachelwinkeln ausgespannte Flatten wird aber noch kein geschlosseuer Schalenraum nach auBen ab- gegrenzt, sondern hochstens (bei Vier- und Mehrstrahleni) nach aulien otlene Filcher gebildet; erst durch tangentiale, die Stachel- winkel ii b e r spannende Gitter kann die erste Schaleubildung eingeleitet werden. Imnierhin sind aber die erwahnten FilUe einer Dictyose bei Plectoideen als erster Anlauf zur Schaleubildung von Interesse. Fine echte, wenn auch noch sehr primitive Schaleubildung und zwar bei einem Dreistrahler haben wir aber bereits in der Form der Figur 129. Die 3 Stacheln sind hier in angemesseuer Fjitfernung vom Centrum durch einen hexagonalen Balkenrahinen verbuudeu, von dessou tj Eckeu ebeuso viele sekuudare Stachelu Bd. XiVI. N. F. XIX. 22 330 I) r. F r i e (1 r i cli L) r e y e r , ausstrahleu, zwischen welclien und zugleicb auch deu 3 primaren Stacheln Kieselfaden ausgespannt sind, die so ein ueuustrahliges Netz bilden. Das Wesentlichste an deni Geriist, worauf es uus ankommt, ist aber ein aus feinen Kieselfaden gebildetes Netzwerk in dem inneren Balkenrabmen, welches deu Radiationspunkt des Dreistrahlers iiberspannt und so eine echte, wenu auch nach uuten uocb weit otfeue Schalenhohle umschlieBt. Das Ganze hat groBe Ahnlichkeit mit einem Spinngewebe; im centialeu Rahmeu desselben, in der Schalenhohle zwischen apikalem Netz und basa- lem Dreistrahler , wird die Centralkapsel gesessen und ihre Pseudopodien auf dem peripheren Balkennetz auf Fang ausge- sandt haben. Haufiger schon sind die Falle von Schalenbildung auf der Grundlage eines Vierstrahlers. Ein einfaches Beispiel dieser Art haben wir zunachst in Figur 130. Die Geuese einer solchen Form ist leicht verstaudlich, wenn wir uns denken, dafi die einem vier- strahligen Plectoideengeriist aufsitzende Centralkapsel (Fig. 99) von einer Gitterplatte iiberwachsen wiirde. Die Grundlage der Schale von Figur 131 ist ebenfalls ein Vierstrahler, nur unterscheidet sich dieser Fall von dem vorher- gehenden dadurch, daC die Schale dem Apikalstachel nicht eiu- seitig angeklebt ist, sondern von demselben in der Mitte durch- setzt wird. Am haufigsten ist ein Vierstrahler mit sagittalem Ring (Fig. 113, 122), also ein Geriist, welches bereits in die zweite Ent- wickelungsstufe eingetreten ist, der Ausgang der Schalenbildung. Ein Beispiel liierfiir haben wir zunachst in Figur 132, wo nicht nur die centrale Ringpartie, sondern auch Apikal- und Basal- stacheln zum groCten Theil von einem Schalenmantel tiberzogen und so in das Schaleninnere einbezogen sind. Ein wei teres Beispiel bietet die in Figur 133 dargestellte Form, bei welcher das ganze Ringbalkengerust von dichtem, spou- gios-schaumigem Kieselgebalk ubersponnen ist. Den meisten Schalen, besonders der hoheren mehrgliedrigen Cyrtoideen , liegen Ringbalkengeriiste zu Grunde , bei denen neben dem sagittalen Ring auch schon ein oder mehrere basale Bogenpaare angelegt sind. Diese basalen Bogenbalken in Verbin- dung mit den proximalen Teilen der Basalstacheln und der Basis des Sagittalringes rahmen, wie wir bereits sahen, eine entspre- chende Anzahl von Lochern ein, welche zusammen bei der pri- maren Nassellarienschale die basale Pylomoffuung bilden. Die bio OrriisithiMnnp: bei Rhi/opodon, Sponiiirn oto,. ;)31 • Ideutifizierun;^ iind Vei-.u;loiclmiifi dcr Locher l)(>i verschiedeneu Kornieu ist durcli ilir J.agejun,i;svcrlialt,iiis zu den Stachehi des koiistauteii basaleii 'I'lipodiiims mid der liingbasis eriuiiglicht. BCtschli und Haeckel habeii d;u-auniin dieseu I.ocherii eine grolie veryleii'heiid-inorpbologisclie. uii;ien etc. 84l scliiedeii zii wenleii. doch diirften die Oherflachen der ausgebildeteii, uugeschichteten Nadelii, sowic die iiuliereii Partieen der eiuzelnen Schichten kolossaler Nadelii aus kohleiisaureni Kalke besteheu, der imr luinimalc IJeiniengungen eiithjilt'\ Die Thatsache, dali sich jede Kalksclivvaiiimuadel optisch wie ein einheitliclies Krystall- individiuini vorhiilt, lalJt sich mm mit deii eben niitgeteilten Be- iiiuden (lurch die Annahme vereiuigeii, „dali jeder 8kelettteil aus einer grolieren Zahl von Kalkspatinieguugen der Strahlenachseu nicht niit der Annahme luali- gebender Krystallachscn. Viehnehr rauC ich aunehmen, daC die Gestalt aller Spongien- uadeln durch die organiscbe Grundlage, in und aus welcher die- selben entstehen, bedingt wird, und dafi hier die formativen Krafte keiue prinzipiell anderen sind , als diejenigen , welche iiberall bei der Formgestaltung des lebenden Organisnius und seiner Telle wirksam sind. Wenn wir nun auch von diesen die Form bestimmenden Kraften ini allgenieinen noch sehr weuig wissen, so lassen sich doch gerade tur die Skelettbildungen hier und da bestinimende Momente nach- weisen, welche zwar nicht alles erklaren, aber doch nianches ver- stiiudlich erscheinen lassen. Gelingt es, einen notwendigen, gesetzmaBigen Zusammenhaug zwischen Gestalt und Lage eines Skelettteiles einerseits und der erforderlicheu Leistung desselben andererseits iiberzeugend uach- zuweisen, so haben wir vom Staudpunkte des Niitzlichkeits- un'. f , ili. 23 346 i')r. Fr^iedrich Drey el*, Fiir die Frage, weshalb sich diese Nadelformen ausgebildet baben , scheint ihra von wesentlicbster Bedeutung der Unter- schiedin derArcbitektonik des W'eichkorpers der beideu genannten Hauptspongiengruppen zu sein. „Die Asconen, welcbe als Ausgangsgruppe der Kalkschwamme betrachtet werden konnen, stellen bekanntlicb im einfachsten Falle eine festsitzende diiiinwandige, am freien Eiide offene Rohre dar, deren Seitenwand von gleichmaCig verteilten, kreisrunden Loch- poren durchbobrt ist." „Als typiscbe Form der im einzelnen allerdings recht ver- schiedengestaltigen Gruppe der Tetraxonier und ihrer Descendeu/ konnen wir einen dickwandigen Kelcb binstellen, in dessen kom- pakter Wandung rundliche oder ganz kugelige GeiCelkammern in Haufen nebeneinander liegen , etwa wie die Acini einer acinoseii Druse." „Indeni ich von der Voraussetzung ausgehe, dafi die in der Korperwand der Spongien gelegenen Skelettnadeln im wesentlicbeu zur Stiitze oder zur Versteifung der Weicbmasse dienen, so wird sich auch von vorneherein erwarten lasseu , daB diejenige Form und Lagerung der Festteile sich hat ausbilden mussen, welche unter den bestehenden Verbal tnisseu am besten geeignet war, die uotige Festigkeit der Korperwand herbeizufuhren." „Ich bin nun der Ansicht, daJB sich mit uberzeugender Wahr- scheinlichkeit eine solche notwendige Beziehung zwischen der Fi- guration des Weichkorpers jeder der beideu genannten Haupt- spongiengruppen und den fiir dieselben charakteristischen typischen Nadelformen nachweisen laCt, welche wir als die Ur- oder Aus- gangsform fiir jede Abteiluug durch die vergleichende Anatomie und Entwickelungsgeschichte anzunehmen gezwungen sind." „Die regularen Dreistrahler der Asconen finden sich bekanut- lich in der Rohrenwand tangential eingelagert, und zwar so, dafi der eine Strahl parallel der Rohrenachse nach hinten gegen die Basis, die beiden andereu aber schriig nach vorn und zur Seite gerichtet sind, und daB die beiden letzteren in der Regel je eine Wandpore von hinten her umfassen." „Wenn eine Platte von moglichst vielen, gleich groCen, kreis- runden Lochern in der Weise durchsetzt werden soil, dali das Lumen der Locher einen gewissen Spielraum der Erweiterung und Veiengerung habe, so werden diese Lticken nur eine bestimmte Art der Anorduung und zwar dieselbe zeigeu, welche die Zelleu t">]o niM'iiptbilflun^ bri Rliizopoden. Spoiigit'n ofc. r»4T eiuer Bieueiiwabe darbieteii, aber n unter gleicheu Winkelii zwischen je zwei der beuachbarten Locher hineinragten (Fig. 148 a), Oder so, daC nur die Halfte aller Poreninterstitien von dera Cen- tralteile der Dreistrahler eiiigenoninien wird, wahrend die andere Halfte die zusammeutretfenden drei Strahleuenden von je drei benaclibarten Dreistrahlern euthalt (Fig. 148 b). Dieseu letzteren Modus sehen wir in zahlreichen sehr einfach gebauten Kalkschwam- meu voni Asconen-Typus rcalisiert, und werden ihii fiir den hier vorliegenden Fall einer niit deni eiuen Ende fcstsitzenden , am andereu (dem Oscular-) Ende frei eniporragendeu und otJeneu Rohre bei naherer lietrachtung der Verhiiltnisse fiir den vorteilhafteren halten miissen. Auf diese VVeise wird die Umgrenzung jeder ein- zelnen Pore besonders an deren unterem Rande gefestigt durch die Gabelung des dahinter gelegenen Dreistrahlers, welcher die Pore von unten (hinten) her gleichsam umfaLst ; und es wird die ganze Schwammrohre durch die verbal tnisnuiBig langeren Nadel- auslaufer besser gestiitzt als in dem ersterwahnten Falle. — Wir diirfen also wohl die Entwickeluug gerade der regularen Drei- strahler als durch die ganze Architektonik des Weichkorperbaues bei den ersten Kalkschwammen bedingt oder gefordert anseheu." „Bei den Tetraxonia liegen die typischen regularen Vierstrahler in ihrer einfachsten und reinsten Form zwischen den kugeligen GeiCeikammern , wahrend in der Regel die von GeiLselkammern ireie Rinde, Basis oder Umgebung der grolJen Kanale mehr oder weniger stark ditierenzierte Nadeln aufweisen." ,,Hinsichtlich dieser den Tetraxoniern eigenen regularen Vier- strahler stelle ich folgeude Betrachtung an. Wenn eine Anzahl gleich grower Kugeln von alien Seiteu gleichmaBig fest zusammen- gedrangt wird, so lagern sich dieselben so aneinander, dafi immer zwischen je vier benachbarteu und direkt aneinauderstoCeuden 348 l)r. I*' 1- i e d r 1 c 1i t) i' e y e r , Kugeln je ein regelmaiiig geformter Hohlraum bleibt, welcher sich in vier unter gleichen Winkeln zu einander gestellte dreiseitige Spalten fortsetzt, und durch diese mit den benachbarten Zwischen- raumen gleicher Form zusamraenhangt. Am besten kann man die Form dieser Raume regularen Tetraedern mit eingebauchten Wan- dungen und ausgezogenen Ecken vergleichen, welche letzteren direkt in die entsprechenden ebenso ausgezogenen Ecken der be- nachbarten Tetraederraume ubergehen und so den Zusammenhang sammtlicher Luckenraume untereinander herstellen. Denkt man sich nun dieses ganze Ltickensystem mit einer halbweichen Masse gefiillt und die Kugeln als leere Raume, so entsteht ein der Stiitze bediirftiges Geriist halbweicher Substanz. Soil das zur Stiitze dieses Geriistes erforderliche Skelettsystem aus gleichartigen be- weglichen Skelettkorpern mit drehrunden Asten bestehen, so wird jeder dieser Skelettkorper sein Centrum notwendig in der Mitte je einer solchen tetraedrischen Masse haben miissen, wie sie zwi- schen je vier benachbarten Hohlkugelraumen vorhanden ist, und es miissen von diesem Centrum aus vier Balken in die Achsen der vier ausgezogenen Ecken des tetraedrischen Gebildes ausgehen. Es werden demnach als beste Stiitzkorper einer derartig gebauten Masse gerade solche regularen Tetracte erfordert, wie wir sie in dem entsprechend gearteten Parenchyme bei Tetraxoniern zwischeo den GeiCelkammern antreffen und als typische Skelettteile dieser Spongiengruppe langst erkannt haben." „So diirfte die Kenntnis der mechanischen Verhaltnisse des zu stiitzenden Weichkorpers auch hier zur Einsicht von der Zweck- maCigkeit einer ganz bestiramten Gestalt der stiitzenden Skelett- teile fiihren." Dies ist der Erklarungsversuch Schulze's, Wie wir oben bemerkten, niihert sich derselbe der Wahrheit insofern , als er eine biokrystallinische Gestaltung verwirft und a u Cere Faktoren als Bildungsursachen der Is^adelform in Anspruch nimmt, Er gerat dagegen sofort in eine falsche Bahn, indem er die Form des Geriistes nicht auf allgemein giltige mechanische Ursachen zuriick- fiihrt, sondern als eine selektuelle Anpassung an den speziellen Bau der Schwammkorper auffaCt. Diese Erklarungsweise ist in doppelter Hinsicht unzureichend. E i n m a 1 ist das Selektions- prinzip nicht imstande, das Wesen einer Bildung zu erklaren. Die Selektion kann von verschiedenen Bildungen eine, welche den Verhaltnissen am besten entspricht, auswahlen und ihre Eut- wickelung begiinstigen, nicht aber als bildeuder Faktor selbst- Die Geriistbilduug bei Rhizopodeu, Spongien etc. 349 thatig wirken; sic ist ein auCerlich regulatives, aber kein inner- lich forniativus Prinzip; sie kanu in vielen Fiilleu das Voihan- denseiii eiuer Bildung, dieser oder jener z week m alii gen Einrich- tUDg erklareu, uiemals aber den Bildungsvorgaugselbst. Der zweite Fehler besteht darin, dalJ Schulze seine Erkla- ruDg fiir die Schwiinime spezialisiert. Selbst wenn wir von dem ersten, prinzipiellen methodischen Fehler absehen, wiirden wir mit dcr Erklarung Schulze's uur bei den Spongien auskom- men, waren aber sofort im Stiche gelasseu, sobald wir sie auf die Vierstrahlergeriiste der Radiolarien und Echinodermen anwenden wollteo. Weder die Radiolarien noch die Echinodermen besitzen Poren und GciCelkammern, welche das Vorhandensein eines Vier- strahlergeriistes verstandlich machen konnten. Auf der anderen Seite sehen wir aber wieder, daC das Formverhaltnis aneinander- gelagerter Kugeln zu ihren Zwischenraumen, welches Schulze im Hinblick auf die GeiCelkammern der Spongien erortert, mit der Tetraeder-Vierstrahlerform uberraschend harmoniert. Das Ver- dieust Schulze's ist es, hierauf zuerst hingewiesen zu haben. Die Vorzuge der Theorie Schulze's sind die Postulierung auCerer Bildungsfaktoren und die Zuhilfenahme der Kugelraor- pho logic, ihre Fehler die Erklarung durch Selektion unter Bezugnahme auf die spcziellen Bauverhalt- nisse des Spongienkorpers. Suchen wir uns unter gleich- zeitiger Vermeidung der letztercn die ersteren zu Nutze zu machen, indem wir danach trachten , die Kugelmorphologie als allgemeiu giltiges und verbreitetes mechanise hes Prinzip nachzuweiseu, welches uicht nur bei den Spongien, sondern uberall Gel- tun g hat. b) Die Blasenspaunung als formendc Ursache des Vierstrahlertypus. Die kugeligen GeiCelkammern lassen sich in maucher Hin- sicht am besten mit Blasen vergleichen. Unsere Aufgabe ist es also, zu zeigen, daC Blasen nicht nur als GeiBelkammern bei den Spongien vorkommen, sondern sich ganz allgemeiner Verbreitung erfreucR. Dieser Nachweis ist sehr leicht zu fuhren , es ist hierzu nur eine Erinnerung an die Grundlehren der Histologic notig. Die Elementarorganismen , welche die Korper der Tiere und Pflanzen aufbauen, die Zellen, sind vom physikalischen Gesichts- punkt aus als Blasen aufzufassen. 350 l^r. F r i e d r i D li D r o y e r , Die einzelne Zelle erhalt sehr haufig schaumigen Bau durch in ihrem Inueren sich bildeude Yakuolen. Endlich machen es neuere Untersucliungen mehr und mehr walu'scheinlich , daB das Protoplasnui selbst in seinem Inneren allgeraeiu wabige resp. blasige Struktur besitzt. Die organisierten Korper besitzen also gauz allgemein und in mehrfacher Hiusicht blasigen Bau. Formal liefie sich hierauf schon die Morphologic des Vierstrahlergerustes in seiner allge- raeineu Verbreitung begrunden. VVir konnten sagen, ebenso wie bei den GeiCelkammeru der Spougien, so ist auch bei den Zellen, den Vakuolen und den Protoplasmawaben diejenige Stellung die beste, bei der in der von Schulze charakterisierten Weise immer je 4 blasige Elemente zusammenstehen, und fur die Stiitze der hierdurch gebildeten Zwischenwande ist der Vierstrahler die zweck- niaCigste und daher auch durch die Selektion gezuchtete Form. Wir beguiigen uns jedoch bei dieser teleologischen Deutungsweise nicht, sondern bestreben uns, cine reale, njechanische Er- klaruug zu gebeu. Hierzu miissen wir beweisen, da6 sich Blaseu in der in Rede steheuden Weise uach physikalischen Gesetzen anoinanderlagern miissen. Zugleich mit dera Blasen- werk ist daun auch das Vierstrahlergeriist erklart , da die For- mation des Gerustes in engstem Zusammciihange steht mit dem Baue des Weichkorpers, von und in welchem es gebildet wird. VVir miissen uns also zunachst mit der Physik der Blasen- sjjannung etwas bekannt machen. Hier konuen wir natUrlich nur auf das Wichtigste und fiir uusere Beweisfiihrung Notige hinweiseu. Erschopfeud hat diesen Gegenstand Plateau behandelt, auf dessen Werk^) wir in bezug auf eingcheude Informierung verweisen; aulierdem hat Berthold in seiner Protoplasmamechanik -) die Verhaltnisse der Blasenspau- 1) J. Pl.4teau, Statique experimentale et th^orique des liquides, Pai-is, 1873. 2) G. Berthold, Studieu iiber Protoplasmamechanik ; 7. Kapitel : Teiluiij2;srichtungBU und Teilungsfolge. Definitive Ausgestaltung des Zellnetzes. — Unmittelbar uach Bkrthold weist auch Lio Eereka in einer kleineu Mitteilung: Sur une condition foudamentale d'equilibre des cellules vivantes (Bulletin des seances de la Socidtd beige de mi- croscopie, t. XIII, no. 1. Stance du 30 octobre 1886 und Comptes reudus du 2 noverabre 1886) darauf hiu, dal1 fur die Stellung der Zellwiiudt; diese-lbeti Gcsetzt! muligebeud seiucn wie bei deu Blasenwauden. Die Giriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 351 iinnpj ill oxtciiso auf die Gestaltung des Zollgcwebes dcr Pflanzcn arificwaiuit mid so die Atiologie derselben einer vortrefflicheii Beleuchtuiig iinterzogen. Das fiir die Stellung der Zwischeuwilnde eines Blasengeriistes „fundamentale Prinzij), aus welchem sich alle Einzelfalle ableiten lassen, ist das Prinzip der kleinston Flaclien. Die Lamellensysteme ordnen sich so an, die einzelnen Lanielleii krtinmien sich in der Weise, daB die Sumnie der Oberflachen aller iinter den gegebenen Verhaltnissen ein Mininuim wird. Die treibende Kraft ist die Spannung, die in den iiiissigen Oberflilchen ihren Sitz hat"'). Hieraus ergeben sich fiir die Gestaltung jedes Blasenwerkes folgende Hauptregeln. In jeder Kante stoCen 3 Wiinde zusammeu, welche ebenso viele Blasenraiime scheiden. In jedcm Eckpunkt stoBeu 4 Blasen- rjiunie, 4 Kanten und 6 Wande zusammeu. Die durch das Prinzip der Minimalflachen resp. die Oberflachen - spannung bedingte Stellung der Blasen und ihrer Wande ist also gerade die als Voraussetzung des Vierstrahl ers postulierte, die Kanten und Wande des Zwischenwandsystera s eines Blasengeriistes folgen in ihrer Anordnung dem Vierstrahl er ty pus ; quod erat demonstrandum. Von dem GroCenverhaltnis der aneinanderstoCenden Blasen- raume sind die Winkel und die Kriimmung der Wande und Kanten abb {in gig. Xur wenn die 4 eiuen Eckpunkt resp. ein Vierstrahlercentrum umlagernden Blasen gleich grofi sind, sind die Wande eben aus- gespannt und von gleichem Flachenraura und alle am Vierstrah- lercentrum liegenden einander entsprechenden Winkel gleich groB. Die von dem centralen Radiationspunkt ausstrahlenden Kanten verkorpern die Achsen eines regularen Vierstrahlers (Fig. 150). Mit GroBendifferenzen der Blasen gehen entsprechende Ver- anderungen der Winkel und der Kriimmung der Wande Hand in Hand. Nach einem groBeren Blasenraume zu sind die Winkel groBer und die Wande konvex gewolbt, nach einem kleineren die Winkel kleiner und die Wande konkav gewolbt. Durch das Ver- halten der Wande wird wieder die Kriimmung einer Kante und ihr Winkel zu den anstoBendeu Kanten bestimmt ; jede Kante ist 1) Bekthold, Protoplasmamechanik , S. 219 — 220. 352 Dr. Friedrich Dreyer, die Resiiltante der 3 in ihr zusammenstoCenden Wande, die letz- teren siud die 3 Komponenten der formbestimnienden Kraft der Kaute. Auch die Kanteu, uusere Vierstrahlerachsen, werden also in letzter Linie durch die anstoCenden Blasenraume bestimmt, die von einem Radiatiouspuukte ausgehenden 4 Kanteu oder Linien, iinser Vierstrahler, also durch die 4 in ihm zusammeustoCenden Blasen. Zur Beobaclitung dieser Verhilltnisse giebt es ein sehr ein- faches und probates Mittel. Man braucht nur aus einer Bier^ flasche das Bier teilweise oder ganz auszugiefien, so bleibt in dem entleerten Raume das schonste Blasengeriist zurtick, an dem sich die eben angegebenen, sich aus der Blaseuspannung ergebenden Regeln fiir die Formation der Wilnde und Kanten sehr gut beob- achten lassen. In jedem Eckpuukte stoGen ausnahmslos 4 Kanten zusammen, das Netz der Kanten entspricht vollkoraraen und aus- nahmslos dem Vierstrahlertypus. In ihrer aktiven Wirksamkeit treten die Spanuungskrafte hervor, sobald in dem Blasenwerke eine Blase platzt; die benachbarten Wande verschiebeu sich dann augenblicklich so, daC sie den neugebildeten Raumverhaltnissen Rechuung tragen, erst dann ist ihr Gleichgewicht wieder herge- stellt^). Besonders wegen ihrer Einfachheit sehr klare Bilder geben Komplexe von groBen Seifenblasen. Eine Reihe soldier Blasen- gruppeu habe ich in den Figureu 149 — 157 zur Darstelluug ge- bracht und hie und da in das Liniennetz der Kanten der Deut- lichkeit halber Vierstrahler und Doppelvierstrahler verschiedener Formen (daneben auch Drei- und Einstrahler) rot eingezeichnet. Die Blasengruppen sitzen der Oberflache des Seifenwassers auf, sind also an ihrer Basis flachgedriickt , nur Figur 150 hat man sich frei in der Luft schwebend zu denken. Zu empfehlen ist auch die Herstellung von Blasengeriisten mit einer gefarbten Flussigkeit, etwa Tiute oder einem histo- logischen Farbemittel, dadurch daC man die nicht ganz gefiillte Flasche einmal kurz schiittelt. Durch die Farbung tritt in einem solchen Falle das Geriist sehr deutlich hervor. — Bei der bis jetzt gegebenen Besprechung der Blasengeriiste haben wir die Blasenwande als so diinn angenommen, daCs wir 1) Durch die gelegeutliche Beobachtuu^ des Blasengeriistes in einer Bierfiasche sind wir gerade auf die Erklariing des Vierstrahler- typus gekonimea. Die GoriistbilduDg bei Rhizopoden, Spongien etc. 353 ihre Starke veruachliissigen konntcn, wir betrachteteu die Wandc als matheniatische Fljichcii, die Kanten als Liiiicn uiid die Ecken als Punktc. Dies kouneii wir uns auch .nestatteii, sobald wir es nur iiiit. groBeu Blaseii zu thun haben, dcren VVande aus eiuer diiiinflussigeu Substanz besteheii. Gleicli iiacli der Kildiuig eines solchcu Rlasensystems, wie z. 1>. uiiserer SeifeiibUisciigruppen, lauft die iiberfliissige Flussigkeit der Schwerkraft folgend an den Wanden uach unten ab, uud nur gerade so viel wird durch die Oberflaclienspaunung zuriickgehalteii , als zur Bildung diinnster Wandhautclien notig ist. Dann ist auch das Vierstrahlernetz der Kanten ein System von Linien , die keine nennenswerte Dickon- ausdehnuiig besitzen ; welche als die idealan Achen eines Vier- strahlergeriistes, noch nicht aber als ein korperliches Geriist selbst erscheinen. Die Verhaltnisse veriindern sicb, sobald die Blascn kleiner und die Flussigkeit dickfliissiger und zaher ist. Dann bleibt in den Blasenwcinden niehr Material haften. Dasselbe verteilt sich jedoch nun nicht mehr gleichmaCig in den Wanden, uni dieselben etwa zu ul)erall gleich dicken Flatten zu verstarken, die scharf- kantig aneinander stoCen und die Formverhiiltnisse der dtinnen Blasenhiiute bewahren , sondern die Verteiluug und Anlagerung des uberschiissigen Materials geschieht, in bezug auf die urspriing- lichen Blasenwande wenigstens, ungleichmaliig, wenugleich streng gesetzmaBig , iusofern als in erster Linie die Eckpunkte, in zweiter Linie die Kanten als Attraktionscentra der Anlagerung wirken. Das iiberschiissige Material ist bestrebt, die Ecken und Kanten der Blasenriiunie auszufullen, die letzteren auszurunden. Wahrend sich die Blasen bei wenig \> andmaterial gegenseitig ab- platten, konnen sie bei geutigeudem Zwischenmaterial abgerundet neben einander liegen, wie dies besonders bei kleinblasigeren Schaumeu der Fall zu sein pflegt (Fig. 1(^0). Es ist klar, daC durch die Ausrundung gerade das Vierstrahler- systera begiin^igt und noch mehr ausgepragt wird. Ist nur wenig iiberschiissiges Material vorhanden, so daii nur die Ecken ausgefiillt werden, so bilden sich um die Radiationspunkte der Kanten resp. der Vierstrahlerachsen kleine Tetraeder mit konkav eingebogenen Flachen (Fig. 158), genau dieselbe Form, welche uns bereits als erste An- lage der Echinodermenskelettteile begeguete (Fig. 86 h, c, c'), und mit ganz gleichen Tetraedern ist die Schale der von Mobius be- schriebenen und al)gebildeteu P^ntosolenia aspera bedeckt (Fig. 222), worauf wir spater u<»ch einzugehen luiben, Ninnnt das Zwischen- 354 Dr. Friedrich Dreyer, material noch raehr zu, so verteilt es sich auch den Kanten ent- lang, aus dem Tetraeder entsteht ein Vierstrahler rait dreikantigen Armen (Fig. 158 ; vergl. auch die Weiterentwickelung des Echino- dermentetraeders , Fig. 86 ". F. XIX. 24 362 Dr. Friedrich Dreyer, 58—62, 94, 180-182, 186, 230, 272, 275). Der Kausalzu- sammenhaiig dieser Thatsache ist klar, wir werden bald niiher auf ihn einzugehen haben. Das Calymma ist keine Bildung sui generis, sondern als eine eiufache Weiterbildung des vakuolisierteu Exoplasma der Heliozoen auf- zufassen. Schon bei den Heliozoen zeichnet sicb das Exoplasma vor dem Entoplasma haufig durch grofiere Vakuolen aus (Fig. 58), bei den Badiolarien haben sich die Vakuolen dee Exoplasma noch mehr vergroKert , ihr Inhalt hat oft mehr oder weniger gallertige Be- schaflfenheit angenommen , wahrend das Protoplasma , dessen Masse nicht in dem gleichen MaBe mit zugenommen hat, als zartes Waben- geriist die voluminosen Sekretmassen durchzieht. — Hiergegeu scheint Haeckel und mit ihm viele der friiheren Autoren anzunehmen, daB das Protoplasma das Calymma in Form eines Netzwerkes von Stran- gen durchsetze. Dieser Ansicht giebt Haeckel wenigstens noch neuerdings in seiner „Allgemeinen Naturgeschichte der Radiolarien" mehrfach klaren Ausdruck. Nach ihm beteiligen sich an dem Auf- bau des extrakapsulareu Badiolarienkorpers folgende Bestandteile : „1. die Sarcomatrix oder der Mutterboden des Exoplasma, welcher als zusammenhangende Sarkodeschicht die Centralkapsel umhiillt und vom Calymma treunt; 2. das Sarcoplegma oder das geriistartige Netz- werk des Exoplasma, welches sich in der Gallertsubstanz des Calymma ausbreitet ; 3. das Sarcodictyum oder des Sarcode-Netz an der auBerea Oberllache des Calymma; und 4. die Pseudopodien oder ScheinfuBchen, welche sich aus letzterem erheben und frei in das Wasser aus- strahlen" (loo. cit. pag. 50). Abgesehen davon, daB durch diese Auf- fassungsweise das Calymma die so nahe liegenden Beziehungen zu den verwandten Verhaltnissen bei Heliozoen und anderen Bhizopoden verlieren wiirde, konnen wir, daB wir es in dem Exoplasma der Badiolarien wirklich mit einem System geschlossene Blasenfacher voneinander trenuender Wande , nicht mit einem Netzwerke von Strangen zu thun haben, daraus schlieBen, daB die in Querschnitteu von Badiolarienkorpern erscheinenden Netzbilder, wie gesagt, alle Characteristica von durch Blasenspannung gebildeten Systemen deut- lich zur Schau tragen ; wir haben hier einen dem soeben behan- delten „Sternzellengewebe" ganz analogen Fall. tjbersetzen wir Haeokel's Schilderung vom Baue des Calymma in unsere Auffas- sungsweise, so ist sein Sarcoplegma der Komplex der in der Ansicht quergetroffenen Kanten und Wande des Blasengeriiates, sein Sarco- dictyum das Netz der Kanten und optisch verkiirzten radialen Wande der auBersten Blasenschicht, denn es ist leicht verstandlich, daB, wenn man senkrecht von oben auf die Oberflache eines diinnwandigen Blasenwerkes herabsieht, ebenso wie auf dem optischen Querschnitt ein Netzbild entstehen muB, da man durch die diinnen tangentialen Blaseuwande, ohne sie gewahr zu werden, hindurchsieht. Trotz des netzformigen Sarcodictyum bildes zweifeln wir daher auch nicht dar- an, daB die Sekretmassen des Calymma nirgends frei liegen, sondern auch an der Oberflache des Badiolarienkdrpers von zarten protoplas- matischen Blasenwauden uberzogen werden. — Haeckel hat sich Die Geriistbilduug bei Khizopodeu, Spongien etc. 363 offenbar, dam bloBen Augenscheine folgend, sein Bild von dam Baue des extrakapsuliiren liadiolarienkorpers entworfen, ohne sich mit der Deutung dor optisohen Befuude lange aufzuhalttu und der Sache uberhaupt besouderes Gewicht beizulegen. W i r halten es begreif- licherweise fiir notig, die in Rede stehenden Verhaltnisse klarzustellen, da wir zur Erkenntnis ihrer lundamentalen Wichtigkeit fiir das ganze mechanisch-morphologiache Verstandnis des Baues des Sarkodekorpers und, wie wir gleich. seheu werden, uoch mehr der Skelette unserer Rhizopoden gelangt sind. — Zuweilen bringt Haeckel sein Sarco- plegma iu unmittelbare Beziehung zu deu Pseudopodien, indem er es als deu Komplex der „intracalymmaren Teile der PBCudopodien" bin- stellt. Die Pseudopodien zerlielen hiernach. in zwei Teile, eiueu intracalymmaren , von der Sarcomatrix bis zur aulJeren Oberiiache des Calymma verlaufenden und einen extracalymmaren, von hier frei in das Wasser ausstrahleudeu Teil, das Pseudopodium im engeren, gewohnlichen Sinne. Es ist dies als eine Konsequenz seiner irrtiim- licben AufFassung des Baues des Radiolarienkorpers leicbt zu ver- steben, wir konnen von unserem Standpunkte aus einer solcben Gleicbsetzung von intracalymmaren Sarcodeteilen und Pseudopodien natiirlich nicht das Wort reden, da das Blasengeriist der ersteren unter dem EinfluB der Blasenspannung , also ganz anderer bydro- mecbaniscber Verhaltnisse stebt, wie die freien Sarkodestrange der I'seudopodien. Wir werden dies bei der Bildungsmecbanik der Kiesel- geriiste uocb zu wiirdigen haben, indem wir eiuen prinzipiellen Unterscbied zwiscben in der Sarkode der Vakuolengeriiste abgescbie- denen und inuerhalb von Pseudopodien gebildeten Skelettteilen zu konstatieren baben werden. — Sehr haufig sind die Vakuolenblasen des Calymma so deutlich ausgepragt, daB sie als solcbe unmittelbar erkennbar sind. Dieser Befunde gedenkt denn aucb Haeckel, jedocb in folgendem Sinne: „Die extracapsulare Gallerthiille erscbeint bei alien Radiolarien urspriinglicb insofern strukturlos, als dieselbe eine bomogene wasserklare Ausscbeidung des Exoplasma darstellt und weder Fasem, nocb anderweitige geformte Bestandteile enthalt. Dagegen kommen spater in einigen Gruppen beatimmte Strukturverbaltnisse sekundar zur Ausbildung. Das bauiigste und auifallendste von diesen ist die Alveolarstruktur, welcbe durcb die Entwickelung zablreicber Vakuolen oder Alveolen im Extracapsulum bedingt ist. Das Calymma nimmt intolgedessen eine auffalleud scbaumige Beschaffenbeit an und orscbeint aus groBen, bellen, diinnwandigen Blasen zusammengesetzt ; so besonders bei den Collodarien und bei vielen groBen Phaodarien, besonders den Pbaocystinen" (loc. cit. pag. 43 — 44). Haeckel be- tracbtet die Yakuolen des Calymma als sekundare Gebilde, nacb un- serer tjberzeugung berubt die Entstebung und das ganze Wesen des Calymma auf Vakuolenbildung. Das nacb Haeckel gleicbartige, vaku- olenfreie Calymma wird ein solcbes sein, bei welchem die protoplas- matiscben Zwiscbenwande sehr diinn sind und so optisch den Ein- druck von diinnen Strangen macben. Ist dagegen die Sarkodemasse reichlicber vorbanden , so konnen sich die Gallertvakuolen des Calymma abrunden und treten dann deutlicb als Blasen bervor. — 24* 364 Dr. Friedrich Dreyer, Ee liegt uns natiirlich fern, abstreiten zu wollen, dai^ sich in der Masse des Calymma auch sekundar Vakuolen bilden konnen, ebenso halten wir ea nicht nur fiir moglich, sondern sogar fiir hochst wahr- scheiulich, daB das Calymma nebenbei auch hie und da tod Sarkode- strangen durchzogen wird, dies andert aber uichts an der prinzipiellen Differenz der Standpunkte — denn was wir fiir primar und haupt- sachlich halten, halt Haeceel fiir sekundar und nebensachlich, und umgekehrt — und diese scharf zu formulieren , hiellen wir zur Klarung der Situation im Hinblick auf die Wichtigkeit der Sache fiir angebracht. Endlich wird es nach neueren Untersuchungen, besonders von BtJTSCHLi ^), mehr und mehr wahrscheinlich, dafi auch das Proto- plasraa selbst in seinem Innern wabigen oder schaumigen Bau besitzt. Wir stehen den Untersuchungen und der Auffassungsweise BtJTSCHLi's sehr sympathisch gegenuber. Zu Gunsten der Auf- fassung BtJTSCHLi's scheint uns, abgesehen von den bereits vorliegenden thatsachlichen Beobachtungsresultaten , besonders auch der Umstand zu sprechen, daC man mit den bekannteii chemischen und physikalischen Kraften einen blasigen Bau genetisch viel leichter erklaren kann, wie etwa eine Netz- struktur. Wie sich in einer urspriinglich gleichmiiCigen Masse durch Entmischung Tropfen ausscheiden und durch ihre allmah- liche Vergrofierung blasigen resp. wabigen Bau veranlassen konnen, ist leicht verstiindlich und von Butschli selbst an seinen 01- seifenschaumtropfen sehr schon demonstriert worden. — Das System der Wande der Protoplasmawaben folgt, wie es nicht anders zu erwarten ist, denselben Gesetzen der Blasenspannung und mithin auch dem Vierstrahlertypus, deren Herrschaft wir schon in der anorganischen und organischen Natur iiberall nachweisen konnten ; als Beispiele mogen die Figuren 183 und 184 dienen, die Darstel- lungen von zwei der von BOtschli auf ihren Bau neuerdings unter- suchten Bakterien. Wir sind auch der festen tiberzeugung, dafi viele beschriebenen Netzstruktureu des Protoplasraa auf Wabenstruktur und denselben Beobachtungs- resp. Deutungsfehler zuriickzufuhreu 1) 0. BDtschli, Miissen wir ein Wachstum des Plasmas durch Intussusception annehmen? Biolog. Centralbl., Bd. VIII, 1888, S. 161—164. — — , tJber die Struktur des Protoplasmas. Verhandl. des naturhist. akad. Yer. zu Heidelberg., N. F. Bd. IV, 1889. Referat hieriiber (von J. H. List in Graz) im Biolog. Centralbl,, Bd. IX, 1889, S. 560—563. — — , tJber den Bau der Bakterien und yerwandter Organismen. Leipzig, 1890. Die Geriistbildung bci Rhizopoden, Spongien etc. 365 sind, (ieni wir schon bei der Deutiing des „Steriizellcngewebes" und des Sarcoi)legma der Radiolarien begegueteii. Eiue grolJe Zahl von in der Tiitteratur verstreuten Darstellungen von Protoplasmanetzcn zoigeu mchr oder weniger klar den Vier- resp. Dreistrahlertypus, als besonders deutliches Beispiel gebe ich die Darstellung des „Plastin- iietzes" eines Zellkernes nach Carnoy (Fig. 185). Gerade auf deni aiiBerordentlich schwierigen Beobachtungsfelde der Proto- plasniastrukturen, wo man der Gefahr der Sinnestauschungen, be- sonders des Ubersehens diinuster Blasenhautcheu so vielfach aus- gesetzt ist, glaiiben wir unsere Methode des Riickschlusses von sc.heideude, skelettbildende Schicht als sich vergrofiernde HohlkugeF. peripher- warts liber sie hiuauswachst. Hat sich in ihr wieder geniij ^end Kiesel- saure augesammelt, so wird dieselbe als eine zweite Schale abge- schieden, und durch oftere Wiederholung dieses Vorga nges konneu mehrere konzentrische Schalen gebildet werdeu. Die Koutinuitiit der Schalen wird durch Radialstachelu gewahrt, welc' he dem radi- alen Wachstum des Weichkorpers Schritt fiir Schritt folgen. Die Bildung eiuer Schale geschieht, wie schon friiher ei "wahnt wurde, sehr schuell, so dali Haeckel sogar von einenot Lorikatious- moment redet; unvollendete Schalen (Fig. 108) g ehoren zu den Selteuheiten. Wahrscheiulich sammelt sich iu d( ir skeletogeueu Protoplasmaschicht so viel Kieselsaure im geloste n Zustande au, als zur Bildung einer Schale erforderlich ist, die dann mit eiueui Male abgeschiedeu wird. Es ist bekannt, daC, wen a mr. Friedrlch Dreyer, primitive Astrorhizaschale imponiert auf den ersten Blick als ein- fache Sandinkrustierung eines Rhizopoden mit ausgestreckten Pseudopodien. Auf den wichtigen Gesichtspunkt, daB die Bildung der Pseudo- podien eines Sarkodekorpers auf den Grad der Oberflachenspannung zuriickzufiihren ist, hat zuerst Berthold in seiner „Protopla3ma- mechanik" hingewiesen. Es ergiebt sich liieraus eine iiberraschende und der gewohnlichen Vorstellung iiber Pseudopodienbildung zuwider- laufende Konsequenz. Wenn wir die Oberflachenspannung in ihre beiden Komponenten zerlegen, so ist die Oberflachenverringerung erstrebende Kohasion die bewirkende Ursache der Einziehung der Pseudopodien, die eine OberilacheuvergroBerung anstrebende Adha- sion dagegeu die bewirkende Ursache der Bildung, Ausstreckung un^ Verastelung der Pseudopodien. Es wird daher nur die Einziehung von dem Organism us innewohnenden Kriiften bewirkt, die Ausstreckung dagegen hangt von peripheren Grenzkraften ab; genau genommen darf man daher auch nicht sagen, „die Pseudopodien werden ausge- streckt", sondern ,,sie werden ausgezogen". Es kommt uns dies Er- gebnis im ersten Augcnblick befrenadend vor, weil wir gewohnt sind, uns die Ursachen aller Erscheinungen, die wir an einem Organismus wahrnehmen , unwillkiirlich in diesen hineinzudenken — wir stoBen hier auf eine letzte, uns in unserem Denken noch unbewuBt geblie- bene schwache Spur des Begriffes der Lebenskraft. — So befremdend uns das Ergebnis aber auch im ersten Augenblick klingen mag , er- weist es sich uns doch bei weiterem Nachdenken gleich als wertvoll, iudem es uns zu einem befriedigenden mechanischen resp. chemischen Verstandnisse der Nahrungsaufnahme der Bhizopoden fiihrt. Zur Er- uiihrung des Sarkodeleibes eines Khizopoden, zur Assimilation werden diejenigen Stoffe am geeignetsten sein , welche moglichst viele von den Bestandteilen enthalten, aus denen sich auch die Sarkode zusam- mensetzt, welche der Sarkode in chemischer Hinsicht am ahnlichsten sind — dies ergiebt sich schon aus dero Begriffe der „ Assimilation". Zwischen solchen Stoffen und der Sarkode wird aber auch im groBen und ganzen die Oberflachenspannung am geringsten sein. Unge- nieBbare, ott gar nicht losliche Korper, wie Sandkornchen, Glas- stiickchen, Holzpartikel etc, auf welche ein dahinflieBender Bhizopode stoBt, werden sich in der Begel nur rein mechanisch in den Sarkode- korper desselben eindriicken, um bei der nachsten Gelegenheit, ohne von der Sarkode benetzt zu sein , wieder fallen gelassen zu werden ; die Oberflachenspannung zwischen ihnen und der Sarkode ist eben groB. Anders bei verwertbaren, organischen Partikeln der ver- schiedensten Art. Zwischen ihnen und der Sarkode wird die Ober- flachenspannung von Anfang an geringer sein ; bei einer stattfinden- deu Beriihrung eines derartigen Korpers durch ein Pseudopodium findet infolgedessen sofort Benetzung, raeist auch bald UmflieBung statt, bald werden Prozesse wechselseitigen Stoffaustausches vor sich gehon, Bestandteile des aufgenommenen Korpers werden in die Sarkode und aus dieser werden Bestandteile in den aufgenommenen Korper iibertreten , die aueinandergrenzenden Partien von Fremdkorper und Die Geriistbilrlung bei Khizoporlen, Spongien etc. 40 < Sarkode werdeu sich durch diesen gegenseitigen Ausgleich in ihrer chemischen Beschaffenheit inimer ahDlicher die Oberflachenspannung in demselbea MaBe immer geringer, bis endlich bei dem weiterea Verlaut'e dieser „A8siinilation" die Grenze ganz verschwindet, der aufgenommene Korper in die Sarkode vollig in Losung iibergeht. Eut- hielt derselbe unverwendbare, durch den AssimilationsprozeB unangreif- bare Bestandteile , so werden diese, sobald sie von aller aufnahme- fiihigen ISubstauz eutbloBt siud , da dann zwischen ihnen und der Sarkode keine Beziebungen mehr stattlinden, bei nachster Gelegcuheit von dem Sarkodekorper fallen gelassen. — Von unserem Standpunkte aus gewinnen wir auch ein Verstandnis fur die merkwiirdige That- sache , daB die Pseudopodien Nahrungskorper, welcbe sich in ciniger Entfernung von ihnen belinden, sozusagen aufspiiren und zielbewuBt direkt nacb ihnen hinflieCen. Von einem solchen im. Wasser liegen- den ^vTabrungskorper werden Teile in dasselbe in Losung iibergehen, es wird um ihn eine von ihm aus radialwarta allmahlich an Kon- zentration abnehmende Losungssphare entstehen ; hut ein Pseudo- podium die auBere Grenze einer solchen LSsungssphare erreicht, so wird 69 infolge einer bier stattfindenden Abnahme der Oberflacben- spannung in dieselbe hineinllieBen und durch die in dieser Richtuug stetig starker werdende Konzentration und infolgedessen stetig ab- nehmende Oberflachenspannung radialwarts nach dem Centrum fort- geleitet werden , bis es den dieses bezeichnenden Nahrungskorper erreicht hat. — Wir sehen, der Vorgang der Nahrungsaufnahme bei den Rhizopodenkorpern ist nicht ala ein einseitiger, ausschlieBlich von dem Protist ausgehender, sondern ais ein wechselseitiger aufzufassen ; mit demselben Rechte, wie wir sagen kdunen, daS ein Pseudopodium nach einem jS^ahrungskorper hinflieBt, sich nach ihm ausstreckt und ihn in sich aufnimmt, konnen wir auch sagen, daB der Nahrungs- korper das Pseudopodium an sich heranzieht uud sich in es hinein- driingt — im Grunde ist beides zugleich der Fall. — Als inter- essantes Beispiel einer Nahrungsaufnahme weisen wir noch auf das „Aus8augen" der Spirogyrazellen durch Vampyrella bin. AuBer deu Ehizopoden diirften auch die groBen, ja auch schon verschiedentlich beobachteten Plasmodien der Myxomyceten gute TJntersuchungsobjekte abgeben. — Wir glauben die soeben skizzierte Auffassuugsweise als geeigneten und lohnenden Ausgangspunkt empfehlen zu sollen, der Physiologie der Nahrung.-aufnahme und Assimilation zunachst bei den relativ einfachen Verhaltuissen bei den Ehizopoden, auf chemisch- pbysikalischem Wege , d. h. mit kausaler Erklarung einen Schrilt naher zu treten. Dies mijge iiber die Physik der Oberflachenspannung geniigen, sehen wir nun zu, was wir mit ihr in der Erklarung der Forraen der Rhizopoden und ihrer Schalen ausrichten konnen. Die einfachste Form ist die einer Kugel, wir findeu dieselbe bei einer groCen Menge von Radiolarien, fast alien Heliozoen uud verschiedenen Thalamophoren ; wo es zur Bildung einer zusam- menbangenden Schale komoit, iibertragt sich die Kugelform dann 408 t)r. J*rledric1i Dreyef, auch auf diese (Fig. 42—46, 59, 60, 62, 66, 93—95, 102—109, 126—128, 191—194, 204-206, 215—217, 226, 233, 235, 236, 244, 273, 275). Der Sarkodetropfen des Rhizopodenkorpers wird in diesen Fallen durch die allseitig gleichmaCig wirkende Ober- fiacheuspannung in seiner Hauptmasse zur Kugel zusammenge- halten, nur da, wo durch die chemischeu Prozesse des Stoffwecli- sels die Oberfiachenspannung lokal verandert und zwar vermiudert wird, kommt es zur Ausziehung von Pseudopodien. Dieselben sind meist zahlreich und gleichmafiig uber die Oberflache des kuge- ligen Korpers verstreut und umgeben ihn mit einer Strahlen- sphare, oft beteiligen sie sich auch an der Skelettbildung, indem in ihnen Geriistsubstanz zur Abscheidung kommt. Es werden dann die Formen der Pseudopodien als von der Kugelschale aus- strahlende Stacheln , Stachelbiischel und Stachelbesen oder auch knorriger Apophysen konserviert (Fig. 45, 50, 59 — 62, 66, 112, 113, 119—125, 215, 226—228 u. S. 386—388). Bei Radiolarien sind die Stacheln haufig nicht gleich groli und zu vielen gleichmaCig iiber die Schale verstreut, sondern es sind eine beschrankte Anzahl durch besonders starke Ausbildung und regelmaCige Stellung ausgezeichuete Stacheln vorhanden. Hier- durch kommt es zur Auspragung bestimmter durch die Stacheln gekennzeichneter Achsen und in zahlreichen Fallen macht die von den Pseudopodien und Stacheln ausgehende Achsendiflferenzierung auch auf den centralen Weichkorper und die Kugelschale eineu entsprechend umformenden EinfluB geltend. Folgendes sind die 3 bemerkenswertesteu Typen der Achsendifferenzierung: 1) 6, den Achsen eines Oktaeders entsprechende Hauptstacheln strahlen nach den 3 Dimensionen des Raumes aus (Fig. 103, 108, 205); wird die Gestalt der Schale selbst beeinflufit, so werden die zwischen den Stacheln liegenden Schalenflachen abgeplattet, die Schale nimmt die Form eines Oktaeders an, von dessen Eckeu die 6 Stacheln ausgehen. 2) In einer Aquatorealebene der Schale liegen in gleichen Ent- fernuugen von einander 4 Hauptstacheln, die die Aquatorealebene in 4 rechtwinklige Sektoren einteilen und, bis zum Mittelpunkte fortsetzt gedacht, ein rechtwinkliges Stachelkreuz ergeben (Fig. 104, 107). Bei tJbertragung dieser Achsendifferenzierung auf die Schale ergiebt sich eine einseitig-starke Entwickelung derselben in der Aquatorealebene, wahrend das Wachstum in der senkrecht auf dieser steheuden Richtung zuriickbleibt. Das Resultat sind flache Scheibeu, bei denen die konzentrischen Schalen nicht mehr als X)\g G(Tii!»t,bi](1ung: ho\ "Rliizopoden, Sponp:ien etc. 409 ganze Kugelschaleu , sondern tils Ringe entwickelt sind (Fig. 225, 227). 3) Es sind nur 2 Hauptstacheln ausgebildet, die sich an 2 Polen der Schale gerade gegeniiberstehen. Wird die Gestalt der Schale beeinfliiCt. so wird sie in der Ilichtung der durch die beiden Pol- staclieln bezeichueten Hauptacbse in die Liinge gestreckt. Besteht das Geriist aiis einem System mehrerer konzentrischer Schalen und wird das einseitige Wachstnm in der Richtung der Haupt- acbse noch mebr gesteigert, so wird die erste centrale Schale nicht mehr von ganzen Hohlschaleii umbiillt, sondern es koraraen von den letzteren nur noch polare Kuppelaufsatze zur Ausbildung. Weniger augenfiillig, aber auch sehr verbreitet ist das Vor- komnien von Schalen rait niehr als 6 regelmaKig gestellten Sta- cheln (Fig. 102, 109, 217, 226), die dann olme Grenze in Schalen mit zahlreichen, gleichmiiCig und ohne bestimmte erkennbare Kegel vei'teilteu Stacheln iibergehen. Bei Beeinflussung der Schale durch solche Achsendiiferenzierungen entstehen verschiedenartige poly- edrische Schalen formen, Dodekaeder, Ikosaeder etc. etc. rait von den Ecken ausstrahlenden Stacheln ; besonders charakteristisch sind solche Schalenformen fiir die Phaodariengruppe der Circo- poriden. Wie haben wir uns die regelraaCige Anordnung der Stacheln, die Achsendiiferenzierung der Schalen zu erklaren ? — Ein Sta- chel bezeichnet die Stelle, wo vom Weichkorper eine Sarkode- stroraung, ein Pseudopodiuni ausging, in welchera der Stachel abgeschieden wurde; ein Pseudopodium verdankt einer lokalen Verminderung der Oberfliichenspannung den Ursprung, und die lo- kale Veranderung der C>l)erflachenspannung wird wieder durch eine an der betreifenden Stelle durch Stoifwechselvorgange hervorge- rufene Veranderung in der chemischen Beschaffenheit der Sarkode bedingt sein. An jeder solchen Lokalitat, von der infolge ver- minderter Obei-flachenspannuug ein Pseudopodium ausgeht, voll- zieht sich der die Verminderung der Oberflachenspannung nach sich ziehende Stoffwechselprozefi und die durch ihn bedingte chemische Umsetzung fiir einen gewissen Umkreis des Sarkode- korpers, an der Lokalitat jedes Pseudopodiums findet der Umsatz von Spannkraften in lebendige Krafte fiir ein bestiramtes, groCeres oder kleineres, Gebiet statt, dessen Centrum eben durch das Pseudopodium gegeben ist. Jedes Pseudopodium beherrscht so als Mittelpunkt in chemischer Hinsicht ein bestiramtes Gebiet resp. einen Sektor des Sarkodekcirpers, ebenso wie wir dies in raechanischer Bd. XiVI. N. F, XIX. 27 410 T)r. Friedrich Dreyef, Hinsicht fiir die AcantharieDstacheln konstatieren konnten (S. 288). Es werden daher die Pseudopodien im allgemeinen raoglichst weit voneinander abstehen, und hieraus ergiebt sich ganz von selbst eine regelmaCige Anordnung derselben. — Wo in unserera Falle Entwickelung stattfindet, da wird sie von zahllosen, gleichmaCig verteilten Pseudopodien zur Yerminderung und deutlich erkenn- baren bestimmten Anordnung derselben fortschreiten. Der primi- tivste und indiiferenteste Zustand ist ein kugelrunder Sarkode- korper, von dessen Oberflache zahllose gleichmaCig verteilte, dicht nebeneinander stehende und gleich stark entwickelte Pseudopodien ausstrahlen. Die Wahrscheinlichkeit zur Storung des Gleich- gewichts zwischen den vielen Pseudopodien ist nun aber sehr groB, durch untergeordnete, zufallige Umstande wird der Cbemismus des Stotfwechsels und der Sarkodeeruption an diesem und jenem Punkte etwas starker ausfalleu. Nachdem dann einmal eine Un- gleichheit eingerissen, eine Anzahl von Pseudopodien in der Aus- bildung begunstigt sind, werden diese die schwacheren ihrer Um- gebung an sich reiCen, keine anderen neben sich dulden und so den Stoffwechsel eines zu ihrer Starke im Verhaltnis stehenden Umkreises in sich vereinigen. Dieser „Kampf ums Dasein" zwi- schen den Pseudopodien und die mit ihm Hand in Hand gehende Verringerung der Pseudopodienanzahl wird so lange weitergehen, bis eine Anzahl gleich starker, von gleich groBen Gebieten um- gebener, also moglichst weit voneinander entfernter Pseudopodien resultiert, mit einem Worte, bis das Gleichgewicht hergestellt ist. Geschieht dies friihzeitig, so haben wir zahlreiche regelmaCig ver- teilte Pseudopodien und eventuelle polyhedrische Formgestaltung des Weichkorpers. Bleiben zuletzt nur 6 Hauptpseudopodien iibrig, so miissen dieselben notwendig den Oktaederachsen ent- sprechend angeordnet sein; restieren nur 4 Hauptpseudopodien, so stellen sich dieselben in eine Aquatorealebene rechtwinklig zu einander, so dafi sie 4 Quadranten abgrenzen ; macht sich die Begunstigung der Aquatorealebene auf den ganzen centralen Kor- per geltend, so wird derselbe linsenformig abgeflacht; geht die Reduktion der Pseudopodien endlich bis zur Zweizahl, so stehen die beiden Pseudopodien an 2 einander gegeniiberliegenden Polen, jedes beherrscht eine Hemisphare des kugeligen Weichkorpers, der eventuell in seiner Gestalt auch selbst beeinfluCt werden und sich in der Richtung der Hauptachse in die Lange strecken kann. So etwa, durch Einfiihruug des Gleichgewichtsverhalt- nisses als regulativen Prinzips, kiiuneu wir uns die Achsen- Die Geriistbildmig bei RliiJiopoden, Spongieu elc. 411 differenzieruiig- der Rhizopoileiikorper und ihrer Geriiste plausibel luacheu. Der Vorgang der Achsendifferenzierung wird sich naturlich an den verschiedensten Stellen der uiigeheuren Rhizopodenver- waudtschaft selbstandig abgespielt uud oftmals wiederholt haben, die verscliiedeuen Gruudformen fiuden sich in deu verschiedensten Griippen, uud es wird niemandem einfallen, sie fiir natiirliche Ver- wandtschaft^gruppen zu halten. — Wo sich wahreud der Lebens- geschichte eiues und desselbeu Individuums in geringerem oder gro- iiereiu Umfang eine Achsenditi'ereuzierung abspielt, da wird es ver- luutHch sogar nur von dem Zeitpunkt der Abscheidung des Gerilstes abhiiugen, welche Form bei dem betreffeuden ludividuum durch das Skelett fixiert wird. Es braucht dies durchaus uicht immer das Endstadium der Entwickelung zu sein, sondern es konneu sehr gut auch Durchgangsstadien durch die Geriistbildung ver- ewigt werden , und moglicherweise kann infolge individueller Schwankungeu in dem Zeitpunkt der Gerustabscheidung dieselbe Art ganz verschiedene Geriistformen produzieren! Auch ein un- vermitteltes Auftreten iiuCerer Achsendifferenzierungen ist denkbar. AuCerdem ist es sehr leicht raoglicli, daB auch die Ansammlung und Verteilung der Gertistsubstanz selbst direkt durch Gleich- gewichtsverhiiltnisse geregelt wird, ebenso wie der Chemisraus, welcher die Veranderung der ()l)erflachenspannung bedingt, oder dali vielleicht beides in gewisser Korrelation steht. Alles dies sind sehr wichtige Fragen. Wir wollen uns hier damit begniigen, die unserer Meinung nach mafigebeudeu Gesichtspunkte angegeben zu haben, ohue uns in weitere Spekulationen zu verlieren, die doch keinen reellen Wert haben wiirden. Einen sehr merkwiirdigen Spezialfall der Stachelanordnung und Achsenditt'erenzierung biklet das von Johannes MCllek auf- gestellte uud vou Haeckel in seiner allgemeiuen Bedeutung er- kanute und gewiirdigte sogenanute MliLLER'sche Gesetz. Dasselbe gilt, wenige Ausnahmen abgerechnet, fiir samtliche Acantharien. Haeckel bedient sich zur Verauschaulichung des MOLLER'schen Gesetzes des treffenden Vergleichs des Acautharienkorpers mit der Erdkugel. Denken wir uns auf der Oberflache des Acautharien- korpers ebenso wie bei einem Globus einen Aquator, 2 Wendekreise und 2 Polarkreise gezogen, so strahlen vou jedem dieser 5 Kreise 4, vou der ganzen Kugelflache also 20 Radialstachelu aus, wahrend die beiden Pole frei bleibeu. Die Stachelu jedes Kreises stehen rechtwinklig zu einander an den Grenzen der 4 Quadranteu und 27* 412 Dr. Priedrich Breyer, alternieren mit denen der benachbarten Kreise : auf jeden Stachel- zwischenraum des Aquators kommt ein Stachel der Wendekreise, und jeder Stachel eines Polarkreises entspricht einem Stachel- zwischenraum des benachbarten Wendekreises und korrespondiert wieder mit einem Stachel des Aquators. Das MuLLER'sche Gesetz ist, wie bemerkt, fiir die ganze Abteilung der Acantharien kon- stant, und wir miissen hieraus schlielien, dafi ihm sehr wichtige und tief einschneidende Momente als bewirkende Ursache zu Grunde liegen werden. Um so mehr ist es zu bedauern, daC wir bis jetzt noch nicht einmal eine Ahnung haben, wie und wo wir die letzteren zu suchen haben. — Nachst der Oberflachenspannung nannten wir als anderen Hauptfaktor der Korper- und Schalengestaltung der Rhizopoden die Schwerkraft. Ohne EinfluB ist dieselbe nur bei denjenigen Rhizopoden, welche beim Schweben im Wasser keine bestimmte Lage beibe- halten, sondem sich durch Wasserstromungen beliebig und allseitig rotierend fortbewegen lassen. Fiir die Gestaltung dieser kommt nur der eine Bildungsfaktor der Oberflachenspannung in Betracht. Gelingt es jedoch dem anhaltenden Einflufi der Schwerkraft, den Rhizopodenkorper in einer zur Senkrechten konstanten Lage zu erhalten, so ist sie auch imstande, als Bildungsfaktor in die Gestaltung mit einzugreifen. Durch das gestaltende Eingreifen der Schwerkraft voUzieht sich an dem Rhizopodenkorper die Differenzierung einer der Gravitationsrichtung entsprechenden Hauptachse, die Ausbildung eines monaxonen Geprages. Es kann dies in 2 verschiedenen Modifikationen geschehen : entweder wird die Hauptachse verkiirzt und die Tendenz der Ausdehnung auCert sich in der Richtung der wagerechten Aquatorealebene, oder die Tendenz der Aus- dehnung auCert sich in der Richtung der Hauptachse selber. Sehen wir zunachst zu, in welcher Weise sich die gestaltende Wirkung der Schwerkraft in der Richtung der Aquatorealebene zu auBern pflegt. Wir miissen hier zunachst auf einen oben bereits er- wahntenFall zuriickgreifen. Sind 4 radiale Ausstrahlungen an einem kugeligen Korper vorhanden und sollen dieselben nach dem oben er- orterten Prinzip in moglichst groBen gegenseitigen Abstanden vonein- ander stehen, so musseu sie den Achsen eines Tetraeders entspre- chend gestellt sein, erst in zweiter Linie kommt die oben erwahnte Kreuzstellung in der Aquatorealebene in Betracht, die wir dennoch fast imraer realisiert finden. Fiir ihre Erklarung kommen wir Die Geriietbilduug bci Rhizopodcn, Spongicn etc. 413 mil der OborflaclieiispanmiDg und dcm sich aus dieser ergebendeu Priiizip der groCten Entfernuug allcin nicht aus, das Verstandnis ist aber sofort gegeben, sobald wir sie als einen KompromiC zwi- schen der Tendeuz der Oberflaclienspannimg und der Schwerkraft anseheu. Der die Oberflachenspannung regelnde Stoffwechsel er- strebt eiuen moglichst grofien gegenseitigen Abstand seiner Pro- dukte, die Schwerkraft begunstigt die Entwickelung der horizontal schwebenden Aquatorealebene : sind nun 4 radiale Elemente vor- handen und sollen dieselben in eiuer Ebene, ebeu der horizontalen Aquatorealebene, entwickelt sein, so ist allerdings die Kreuzstellung der Position, welche unter diesen Umstanden den grofiten gegen- seitigen Abstand ergiebt. — Eine weitere Fortfiihrung der Begiinsti- gung der horizontalen Aquatorealebene auCert sich in der linsen- formigen Abplattung der Schale; auch diese wird natiirlich direkt durch bestimmte Modifikatiouen der Oberflachenspannung hervorgerufen, die letztere selbst wird aber in bezug auf ihre ortliche Verteilung wieder durch die Schwerkraft beeinflufit. Besonders haufig ist die Begunstigung der Aquatorealstacheln bei den Acantharien zu beobachten, dieselben sind haufig viel starker ausgebildet, als die Stacheln der Wende- und Polarkreise, oft auch durch besondere Verzierungen und Anhangsgebilde, wie Stachelapophysen, seitliche Fliigelfortsatze, Gitterplatten etc. aus- gezeichnet. Die ganze Art und Weise der Verteilung der Acan- tharienstacheln nach dem MuLLER'schen Gesetz laCt iiberhaupt eine Orientierung nach der Aquatorealebene als mittelste Haupt- ebene deutlich erkennen, wahreud die beiden Pole stachelfrei sind ; vermutUch ist die Schwerkraft ein Faktor, welcher dem MtJLLER- schen Gesetze als bewirkende Ursache mit zu Grunde liegt. Am haufigsten auCert sich der bildende EinfluB der Schwer- kraft jedoch in der ihr gleichlaufenden Richtung der senkrechten, durch sie zur Hauptachse gemachten Achse. Die beiden Pole dieser Hauptachse werden vor den iibrigen Stellen des kugeligen Weichkorpers resp. der Schale besonders ausgezeichnet, und zwar teils in gleichem, meist aber in mehr oder minder ungleichem Grade; der EinfluC der Schwerkraft ruft das Hervortreten einer. meist ungleichpoligen Hauptachse, die Entstehung einer monaxoneii, in der Kegel mehr oder weniger heteropolen Grundform hervor. Es erscheint dies sehr verstandlich im Hinblick darauf, dafi sich die Schwerkraft auf die beiden Pole der senkrecht stehenden Achse verschieden auCern muC, und zwar auf den unteren als Zug, auf den oberen als belastender Druck. Die Bildungsauszeichnungen 414 I)r. Friedrich Dreyer, werden auch hier durch verstarkte Ansammlung und Konzen- trierung der radialen Pseudopodienbahnen, also durch lokale Ver- minderung der Oberflachenspannung an den beideu Polen bewirkt. Hierbei kommt in der Kegel in erster Liuie der eine, in zweiter Linie der andere Pol in Betracht. Bei sechsstacheligen Formen, deren Stacheln den Oktaeder- achsen entsprechend gestellt sind, kann man oft 2 sich polar gegeniiberstehende Stacheln vor den anderen herauserkennen, indera der eine langer, der andere kiirzer als die ubrigen Stacheln ist. Das Gleiche findet man bei vierstacheligen Formen ; Fig. 104 zeigt eine seiche, die sogar im Ubergange zu einer rein monaxon-zwei- stacheligen Form begriffen ist, die beiden seitlichen Stacheln sind im Schwinden begriflen. Sie giebt uus zugleich ein Bild von Formen, welche ausschlieClich zwei ungleiche Polstacheln besitzen. Bei einer Form, wie sie iins Figur 104 vorfiihrt, wird der EiufluC der Schwerkraft einmal gewechselt haben; erst wurde verrautlich die Anlage eines aquatorealen Stachelkreuzes veranlaCt, von den 4 Stacheln wird dann durch irgend einen Zufall einer etwas star- ker ausgebildet worden sein, er storte das Gleichgewicht, die horizontale Aquatorealebene kippte in eine senkrechte Lage mit dem starkeren Stachel nach unteu uni, und nun war die Veran- lassung gegeben, daB die Schwerkraft die monaxon-heteropolc Grundform weiter ausbaute. Wenn man Radiolarienmaterial auf- raerksam durchsieht, so bemerkt man, daC solche 6-, 4- und 2- stachelige Formen mit 2 etwas ungleichen Polstacheln im Ganzen haufiger sind als solche, bei denen die Stacheln gleich sind. Bei 2-stacheligen Schalen j&ndet man haufig an Stelle des einen Pol- stachels ein ganzes Stachelbiischel. Eine weitere Fortfiihrung des polar-monaxonen Baues liegt dann in der Tendenz der betreifen- deu Formen, sich in der Richtuug der Hauptachse in die Lange zu strecken. Oft ist die Sarkodestromung an dem einen Pole der Gravi- tationsachse so stark, dafi sie die Entstehung einer Miindungs- offnung veranlaCt (Fig. 8, 24, 33, 49, 50-54, 130—139, 141, 142, 144, 145, 147, 163, 191, 192, 204, 216, 217, 224, 229, 230, 240 — 242, 245, 246). Solche Miindungsoffnungen sind ungemein ver- breitet, sie finden sich bei den Schalen der meisten Thala- mophoren, Nassellarien und Phaodarien, an den Geriisten vieler Spumellarien und bei der Centralkapsel aller Nassellarien und Phaodarien. Die Miindungsoffnungen der Centralkapsel bezeichnet Haeckel als Osculum, fur die Miiuduugsoffuuiigeu der Thala- Die Uerustbilduiig bui Rhizopoden, Spongien etc. 415 mophoren- uud Radiolarienschaleu habe ich selbst seiner Zeit den Nanien Pylom vorgeschlagen. Die Korrelationserscheiuuugen der Pylonibilduiig siud dieselben, wie die als Gravitation swirkung im allgemeineu erwahuten Ditt'erenzierungsersclieinungen , die Pyloni- bildung selbst ist ja nur ein Spezialfall der Gravitationswirkung. Sind radiale Gerustelemente vorhanden, so zeigen sie die Tendenz, sich nach den Polen der Hauptachse zusammenzugruppieren, am oralen als Raudbekleidung des Pyloms, am aboralen als Apikal- bestachelung, oft ist die Stelluug der Stachelu eiue sehr regelmafiige (vergl. bes. Fig. 245 u. 246). Bei den Nassellariengeriisten kommt die urspriingliche Anlage , der von dem urspriinglichen Vier- strahler herriilirende Apikalstachel und die den Pylomrand um- stellenden Basalstaclieln des basalen Tripodiums, der Bildungs- tendenz der Schwerkraft entgegen, und obgleich sie in ilirer charakteristischen Stellung nicht unmittelbar von der letzteren bedingt siud, so werden sie doch von ihr in ihrem Bestehen uud ihrer Eutwickelung uuterstiitzt werden. Die Tendenz der Langs- streckung der ganzen Schale ist auch bei den pylomatischen Formen sehr verbreitet. Es lieBe sich noch mauches Beachtenswerte iiber die Pylombildung sagen, ich glaube aber hier um so eher davon Abstand nehmen zu konuen, als ich im ersten Hefte meiner Radiolarienstudien die vergleichende Morphologie der pylomatischen Geriistformen ausfiihrlich behandelt habe 0- Fine Frage ist es jedoch, welche sich uns noch aufdrangt, namlich die, in welcher Richtung die Schwerkraft auf die pylo- matischen Formen einwirkt: ist das Pylom wahrend des Lebens nach unten oder nach obeu gekehrt? Viele Thalamophoren krie- chen auf dem Boden umher, bei ihnen ist die Mundungsofifnung daher meist nach unten gewendet; verschiedene kriechen, wie Max Schultze '^) berichtet, mit nach unten herabhangender Schale an der Oberflache des Wassers, an dem Wasserhautchen, wie man dies oft bei Wasserschnecken zu beobachten Gelegenheit hat, dann ist die Mundungsoffnung natiirlich nach oben gekehrt. Zahlreiche Thalamophoren und die Mehrzahl der Radiolarien fuhrt dagegen vermutlich eine frei im VVasser schwebende Lebensweise ; wie man sich dereu Stellung zu deukeu hat, miisseu erst Beobachtungen lehren. 1) Fe. Debtee, Die Pylombildungen in vergleichend-anatomischer und entwickelungsgeschichtlicher Beziehung. Juna, Ci. Fischer, 1889. 2) Max Schcljzk, Der Organismub der Polythalamien , S. 36. 416 Dr. Fried rich Dreyer, Wenn wir das iiber die Achsendifferenzierung der Rhizopoden- korper und ihrer Schaleu Gesagte noch einraal kurz zusammen- fassen, so konnen wir die Oberflachenspannung und die Schwer- kraft zunachst als die beiden Hauptbildungsfaktoreu liinstellen. Die unmittelbare Ursache der Oberflacheuveranderuugen und Gestaltungsvorgauge der Sarkodekorper, die sich dann auch auf die die Formen der Weichkorper wiedergebenden Geriiste uber- tragen, ist die Oberflachenspannung. Dieselbe Avird in ihrem lokalen Auftreteu wieder durcli 2 Faktoren regu- 1 i e r t. Erstens durch die sich aus dem gegenseitigen Kampf der Pseudopodien urn die grofite Herrschaft ergebenden Gleich- gewichtsverhaltnisse. Fur ihre Lage durch allseitige Ro- tation im Wasser stetig wechselnde Rhizopoden kommen diese allein in Betracht, fiir diejenigen Rhizopoden jedoch, welche eine bestimmte, zur Senkrechten konstante Lage beibehalten, kommt die Gravitation als z welter, die Produkte einer veran- derten Oberflachenspannung in ihrem ortlichen Auftreten regelnder Faktor hinzu. Dies ist unsere Auffassung von der Gestaltuugsmechanik der promorphologischen Achsenverhalt- nisse der Rhizopoden. Wir heme r ken ausdriicklich, daC wir sie selbst nur als eine vorlaufige Skizzierung des Problems betrachtet haben wollen. Befriedi- gende Aufklarung ist auch hier nur von der Beob- achtung und besonders auch von physikalischen Kontrollexperimenten zu er war ten. — In der Lebensgeschichte vieler Protisten treten Periodeu ein, in denen der Stoffaustausch zwischen Sarkodekorper und AuBeu- welt unterbrochen wird. Der Chemismus wird zeitweise ein nach auCen hin abgeschlossener , sich ausschlieClich im Innern des Sarkodekorpers abspielender, nach reichhcher Nahrungsaufnahme, wo er durch die Assimilation der im Korperinneru angehauften Nahrungsmassen ganz in Anspruch genommeu wird (Verdauungs- cysten); oder er wird ein ganzlich nach innen gerichteter infolge der bei einer sich einleitenden Vermehrung durch Teilung oder Sporenbildung im Korperinnern vor sich gehenden Umlagerungs- prozesse (Vermehrungscysten), oder endlich der Anstofi zur Auf- hebung des Stoffaustausches kann auch von auCen kommen durch eine einem solchen abholde ungiinstige Veranderung in der Be- schaff'enheit des umgebenden Mediums, wie es bei dem Verderben des "Wassers, in welchem sich die Protisten befinden, bei eintreten- der Winterkalte etc. der Fall ist (Dauercysteu). VYie die Verhaltnisse Die Geriistbildung bei Rhizopodeu, Sjjoujjieu etc. 417 aber audi im speziellen licgeu mogeu, wild das Aufhoren der Be- zichungeu zwischeii Sarkodekorper und unigebendeni Medium von eiuer allseitigeii Erhohuug der Oberflaclienspanuung begleitet wer- deu, was zur Folge hat, dali die Pseudopodieu eiugezogeii werdeii und der gauze Sarkodekorper sich zum kugeligeu Tropfen zusaiu- meuzieht. Den BescliluB des Vorganges bildet danu die eigentliche Encystierung ; um deu riindeu Sarkodetropfen bildet sich cine Scha- leuhiille (vielleicht als Niederschlags- resp. Erstarrungsbildung der Grenzfiache des Sarkodekorpers aufzufassen), die, kouform den Um- staudeu, uuter deneu sie entsteht, weder Oflnungen noch auCere radiale Anhiiuge, wie Stacheln u. dgl. besitzt. — In dieser Weise etwa kann man sich die Mechanik des Encystierungsvorganges 0 vorstellen. Bekthold konstatiert in seiner Protoplasmamechanik ^) die Ubereinstiniinung organisierter Protoplasmakorper mit den Gesetzeu der Fhissigkeitsmechanik unter anderem auch iu folgender Hin- sicht : „Beruhrt man eine fliissige, suspendierte Kugel, etwa von 01 in einem Geraisch von Alkohol und Wasser von gleichem spez. Gew., an zwei entgegengesetzten Punkten mit zwei kreis- formigen Platteu oder Ringen, welche von dem 01 benetzt wer- den und entfernt dieselben dann voneinander, so nimmt bei einer bestimmten Entfernung der Platteu voneinander die Fliissigkeitsmasse Cylinderform an , namlich dann , wenu der Inhalt der urspruuglichen Olkugel gleich dem Inhalt des cyliu- drischen Raumes zwischen den beiden Platten geworden ist. Dieser Cylinder kanu aber fiir langere Dauer nur dann erhalten wer- den, weun seine Lange seiuen Umfang, also 2 r /t (wenn r der Radius), nicht iiberschreitet. Plateau hat auf experimentellera und theoretischem Wege gezeigt, dafi jede auf irgend eine Weise erzeugte cylindrische Fliissigkeitsmasse ein labiles Gebilde wird. 1) Eine darwinistische „Ei'klarung" wurde etwa in folgender Weise gegeben werden : Die Verhaltnisse, iinter deneu die Encystie- rungen stattfinden, lassen nicht einen Stoffaustausch, einen Verkehr mit der AuBenwelt, eondern im Gegenteil moglichste Abgeschlossen- heit und Schutz vor deren storenden und nachteiligen EinHiissen als wiinschenawert erscheinen. So erklart sich denn die Encystierung, dutch deren Kontraktion des Sarkodekorpers zur Kugelforra die kleinst- mogliche Oberflache und durch deren Htillbildung ein zweckmaBiger Schutz der AuBenwelt gegeniiber erzielt wird, als eine zweckmafiige selektuelle Anpassung an diese jeweiligen Bediirfnisse des Organismus. 2) Behxhold, Protopla&mamechanik, S. 87 — 90. 4l8 Dr. Friedrich Dreyer, sobakl ihre Lange groCer wird als 2 r tt. In dem letzteren Falle muB sie imter dem EinfluC der Oberflachenspannung mehr oder weniger bald andere Formen annehmen, es entstehen in bestimm- ten, ziemlich gleichen Entfernungen voneinander Einschniirungen und Ausbuchtungen und schlieClich so viel Kugeln, als die Lange des Cylinders das Vielfache von 2 r tt betrug. Der Grund dieser Erscheinung ist der, daC in dem letzteren Falle alle aus dem Cylinder nach und nach entstehenden Formen eine kleinere Ober- flache haben, als der iirspriingliche Cylinder, wie sich mathe- matisch beweisen laBt. Die Gesamtsumme der Oberflachenspannung nimmt dabei also ab, und die dabei verschwundene Energiemenge ist verwandt worden, um die wahrend der Umlagerungsvorgange stattfindenden Massenbewegungen zu ermoglichen. Wenn man die theoretischen SchluBfolgerungen auf experimentellem Wege zu verifizieren versucht, so zeigt sich, daB in Wirklichkeit solche Fltissigkeitscylinder erst dann in einzelne Abschnitte zerfallen, wenn sie die theoretisch zulassige Lange von 2 r tt mehr oder weniger weit uberschritten haben, und zwar aus dem Grunde, weil die in Bewegung zu setzenden Flussigkeitsmassen je nach dem spez. Gew., ihrer Zahigkeit und den ubrigen physikalischen Eigen- schaften der Umlagerung einen mehr oder weniger bedeutenden Widerstand entgegensetzen, die Intensitat der Oberflachenspannung aber bekanntlich ebenfalls nach den Einzelfallen eine sehr ver- schiedene ist. Darum geht in der Praxis die Stabilitat von Fliissigkeitscylindern oft erst bei erheblich groBeren Langen als 2 r TT verloren. Die fur die Umlagerung zur Disposition treten- den Krafte werden namlich um so groBer, je mehr die Lange den Wert 2 r TT ubertrifi"t, was begreiflich, da die Masse, je mehr sie sich in die Lange streckt, um so mehr sich damit von der Kugel- form entferut. So fand Plateau und spater Worthington, daB ein Quecksilbercylinder erst labil wurde, als die Lange 6*1X2 r, statt 3'14X2r geworden war. Fiir zahere Fltissigkeiten wtir- den sich ohne Zweifel noch hohere Werte fiir die Stabilitats- grenze bei praktischen Versuchen ergeben. Ein derartiger, seiner ubergroBen Lange wegen labiler Fltissigkeitscylinder bekommt nun beim Beginn der Zerfallung in den theoretischen Forderungen mehr oder weniger genau entsprechenden ziemlich gleichen Ab- standen Einschntirungen, wahrend die dazwischen liegenden Ab- schnitte anschwellen. So nimmt er Perlschnurform an. Indem die (luiiiieren Partien sich mehr und mehr verengern, tritt zuletzt ein Stadium ein, wo die einzelnen Abschnitte fast zur Kugel ab- Die Geriistbildung bei "Rhizopoden, Spongien etc. 419 gerundet sind, die diinneren Partien zwischen ihiien sich al)er zu cylindrischen VerbiiuluDgsfiidcn umgcformt haben" (Fig. 248 a). „Diese letztereu reiCeu nun weiterhin nicht einfach durch, sondern schwellen wieder in ihrer Mitte an iind bilden einen sekundaren Tropfen, sobald sie bei ihrer Verlangerimg das Maximum der fiir ihren Radius stabilen Lange iiberschreiten. So bilden sich zwi- schen den zuerst entstandenen Haupttropfen kleinere sekundare in Eiuzahl. Diinne Fadchen verbinden die ganze Tropfenreihe. Auch konnen diese sich weiterhin zu noch kleineren tertiaren Tropfcheu umgestalten, und so ferner" (Fig. 248 b). „Der Grund fiir das Auftreten dieser sekundaren und tertiaren Tropfchen liegt nach Plateau darin, daC, wenn die verbindenden Fliissigkeits- faden nach entsprechender Verdiinnung eine gewisse Lange er- reicht haben, infolge der Reibungswiderstande die Fliissigkeit aus den mittlereu Teilen nicht mehr rasch genug abfliefien kann. So verdiinnen sich die den Kugeln benachbarten Partien in starkerem Grade, der anfangs in der Mitte eingeschuiirte Faden nimmt Cylinderform an, um bald darauf in der Mitte eine Anschwellung auszubilden, welche zum sekundaren, resp. tertiaren Tropfen wird. Auch an mikroskopischen Objekten kann man diese Vorgange oft sehr schon studieren. Zerquetscht man das Fleisch der reifen Beere von Viscum album auf dem Objekttrager, so finden sich in der Masse zahlreiche langgestreckte, mehr oder weniger genau cylindrische Faden einer schleimigen, stark lichtbrechenden Sub- stanz. Diese mikroskopischen Faden zerfallen sich nun langsam in der beschriebenen Weise derart, dafi man die einzelnen Stadien des Zerfalls sehr bequem verfolgen kann, wahrend dies bei weniger zahen Fliissigkeiten darum Schwierigkeiten macht, weil die ganzeu Umlagerungen sehr schwach erfolgen. Die Zerfallung von den Zellmembraneu durch Glycerin oder Zuckerlosung abgehobener cylindrischer Plasmaschlauche in eiue Anzahl von Abschnitten findet nun genau in derselben Weise wie bei leblosen Fliissig- keiten und Gemischen statt. Ich studierte in dieser Hinsicht ein- gehender zunachst die Wurzelhaare von Trianea bogotensis. Das mit stark verdiinntem Glycerin kontrahierte Plasma zeigte aufs schonste die einzelnen Stadien der Umbildung, wie dies auf" Figur 249 „dargestellt ist. Natiirlich kommen vielfache Unregel- mafiigkeiten vor, bedingt durch das ungleichmaCige Abheben des Schlauches von der Wand, die nicht vollkommen gleichmaCige Konsistenz und Dicke desselbeu u. s. w. Dabei nimmt die Ro- tatiousbcweguug, wie dies auch Hofmeistek bei Hydrocharis fand, 420 Dr. Friedrich Dreyer, zunachst ihren Fortgang. Spater zerreifien die dunnen Faden gewohnlich rd einer Stelle, und der ganze Rest wird dann in eine der nachstliegendeu groBeren Kugeln eingezogeu. Auch bei Bryopsis gelang es mir ofter, dieselben Umbildungsvorgange aufs schonste zu beobachten, besouders an langeren cylindrischen und farblosen Plasmafaden, welche sich zunachst zwischen den groBeren Abschnitten des zerfallenden kontrahierten Plasmakorpers aus- gezogen batten. Ganz entsprechende Umlagerungserscheinungen cylindrischer oder annahernd diese Form besitzender Plasma- niasseu koinnien im normalen Verlauf des Lebens gar nicht selten vor, obwohl sie bisher nur wenig beachtet sind. Nur kommt es in der Kegel nicht zu einer vollstandigen Trennung der einzelnen Abschnitte. Von Cienkowski ^) sind schon vor langerer Zeit hier- her gehorige Formbildungen abgebildet, so erscheint z. B. Monas amyli im Amobenstadium oft in Form eines aus einer Anzahl spindelformiger Stiicke bestehenden Fadens. Auf Taf. XVIII, Fig. 9 hat derselbe Forscher auch eine entsprechende Figur von einem im Einziehen begriffenen Plasmodiumast von Didymiura serpula gegeben. Auch bei den langgestreckten Farbkorpern vie- ler Florideen treten haufig entsprechende Forraen auf", und auch fur die Gestalt der perlschnurformigen Kerne, wie sie sich be- sonders bei verschiedenen Infusorien, z. B. Stentor, finden, scheint ein mechanisches Verstandnis gegeben. Besonders deshalb haben wir aber die Erorterungen Berthold's iiber diesen Gegenstand der Fliissigkeits- und Protoplasmamechanik im Vorstehenden in extenso wiedergegeben, da sich die aus ihnen ergebende Erkennt- nis auch fiir unser Thema als wertvoll erweist. Auch bei den Rhizopoden, und zwar bei den sogenannten Qualstern der kolonie- bildenden Radiolarien kommen die schonsten perlschnurformigen Gestaltungen vor, als Beispiel moge Figur 250 dienen, sie zeigt die Kolonie eines Collozoum inerme, jeder tropfeuformige Abschnitt besitzt in der Mitte eine groBe Flussigkeitsvakuole, deren Wand von dem eigentlichen protoplasmatischen Conobium mit den Cen- tralkapseln der einzelnen Zellindividuen gebildet wird. Ziemlich in der Mitte der Kette zeigt sich zwischen 2 groCen primaren Tropfen sogar ein kleiner sekundarer. Auf der ersten Tafel von Brandt's „koloniebildenden Radiolarien des Golfes von Neapel", der wir auch unser Beispiel entnommen haben, findet sich eine ganze Auswahl von verschiedenen Qualsterformen dargestellt ^). 1) „Peingsh. Jahrb., Bd. 3, Taf. 19, Fi":. 1, 8." 2) Da6 bei den Qualstern der kolonialen Kadiolarien nicht wie Die Geriistbildung bei "Rhizopoden, Spongien etc. 421 Dieselben variieren bei derselbeu Species ungemeiii, was sie urn so interessanter maclit, da wir hieraiis schlieBen kCmneu, daC die bediiigeuden Elemente ihrer Bildungsmechanik iioch nicht so tief in den spezifischen Lebensprozessen des Protoplasnias wurzeln, als daC sie durch dieselben bestimmt geregelt wiirden. Vm so loh- nender erscbeint audi bier eine genauere Bearbeitung von luecba- uiscben Gesicbtspunkten aus, besonders unter Hinzuziebung physikaliscber KoutroU- und Vergleicbsversuche. Eine weitere Differeuzierung der promorphologischen Acbsen- verbiiltnisse zeigt sich in der Annabme einer bilateral-sym- metriscben (eudipleuren) Gestalt. Dieselbe kann verscbiedene Ursacben baben. Erst ens batten wir scbon bei der Herleitung der Nassel- lariengeriiste gesehen, wie eine bilaterale Gestalt durcb deren erste Aulage, in den Lagebeziebungen der Centralkapsel zum prima r en, der ganzen Geriistbildung der Nassellarien zum Ausgaug dienenden Vierstr abler gegeben ist (S. 319—320). Z we it ens ist als allgemeinste Ursacbe der bilateralen Ge- staltung ira ganzen Organismenreicbe die Bewegung in einer bestimmtenRicbtung zu bezeicbuen. Dieser Ursacbe werden in letzter Linie alle hoberen Tiere ibre Gestalt verdanken. Mebr oder weniger deutliche Andeutungen einer eudipleuren Grundform zeigen dementsprecbend aucb eine ganze Reihe der auf dem Boden der Gewasser umherkriecbenden SiiCwasserrbizopoden, sie besteben meist in einer einseitigen Verscbiebung der Miindungs- ofinung Oder einer Umbiegung des Miindungsbalses der Scbale (Fig. 8, 9). Dem Gros der pelagiscb lebenden Rbizopoden, also besonders der Radiolarien, kommt jedocb entweder gar nicbt oder docb nur in sebr geringem Ma6e die Fabigkeit einer aktiven Lokoraotion zu, sie sind, frei im Wasser scbwebend, dessen Stro- mungen passiv anbeimgegeben ; wir finden daber bei denselben eine bilaterale Gestalt, wenn wir von den Nassellarien und den spiralig gebauten Tbalamopboren abseben, auch nur ganz ver- einzelt. Typisch eudipleure Formen kommen nur bei gewissen diskoiden Radiolarien baufig vor, und diese besitzen denn aucb bei den Korpern der einzellebenden die Form des kugeligen oder monaxonen Tropfens , sondern mehr oder weniger unregelmaBige, wenngleich natiinich mechanisch streng geeetzmaRige Formen vor- herrschen, ist wahrschcinlich hauptsachlich durch ihre betriichtlichere GroBe bedingt. 422 t)r. t'riedricli Breyev, in der Syrametrieebene ein eigenes aktives Lokomotionsorgan, eine Geifiel, das sogenannte Sarkodeflagellum der Autoren (Fig. 247). Das Moment, welches gerade bei Rhizopoden und deren Schalen im groCten Umfange bilaterale Gestaltung nach sich zieht, ist endlich der Ubergaug zur spiraligen Aufrollung. A lie spiraligen Formen besitzen bilaterale (eudipleure) Grundform [falls sie nicht durch einseitige Aufrollung, wie die Sclmecken (Fig. 266), noch zur dysdipleuren iibergehen (Fig. 232)], besonders schou zeigt sich der Vorgang der Achsendifferenzierung aber in den Fallen, wo die Aufrollung erst in ihren ersten Anfangen be- griffen ist (Fig. 231j, solche Formen schlieCen sich den Schalen mit umgebogeuem Miindungshalse unmittelbar an. — Die mecha- nische Ursache der spiraligen Aufrollung werden wir nachher zu besprechen haben, Weiter haben wir einer hochst interessanten Gruppe von Er- scheinungen der Geriistbildung zu gedenken, in der uns die Blasenspannung bei Radiolarienschalen auch als Bildnerin der iiuCeren Form, des ganzen Bauplanes entgegentritt. — Ein in einem Medium frei schwebender, aus vier groBen Blasen bestehen- der Blasenkomplex , dem noch eine kleine Blase eingefiigt ist, zeigt die in Figur 161 dargestellte Formation. Es giebt nun eine Gruppe von Nassellarien, deren Schalen genau demZwischen- wandsystem eines solchen Blasenkomplexes ent- sprechen; Figur 162 fiihrt eine solche Form als Beispiel vor. Die Cephalis oder das Kopfchen entspricht der centralen kleinen Blase und die von ihr ausgehenden Gitterplatten den Zwischenwanden der anstofieuden 4 groCen Blasen. Ein Vergleich der Figureu 161 und 162 lehrt auf den ersten Blick , dafi die tjbereinstimmuug eine vollig exakte ist, daC die Form des Radiolariengeriistes ohue weiteres dem Zwischenwandsystem des Blasenkomplexes (ich habe dieses groBerer Deutlichkeit wegen rot schraffiert) substituiert werden kann. Stellen wir uns den Weichkorper einer solchen Form vor, so vertritt die Centralkapsel die Stelle der mittlereu kleineren Blase, die 4 groCen Blasen werden dagegen 4 wirklichen riesigen Vakuolenblasen entsprechen, welche die extrakapsulJire skeletogene Sarkode nur in Form ihrer Zwischenwande duldeu. Die in Figur 163 dargestellte Form ist auf denselben Typus zu- ruckzufuhreu, nur hat bei ihr nur in den 3 oberen von der Cephalis ausgehenden Zwischeuwilnden Skelettbildung stattgefunden, wiih- ^•end uuteu nur die 3 Kauteu, in deneu die 3 nach abwiirts gehen- Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongicn etc. 423 den Sarkodeplatteu zusaiumenstolicn , als 3 Stacheln ^), verkieselt siud. Veriuutlich liegen noch aiideren, in dieser Hinsicht weniger deutlich ausgepriigten (infolge einer iiiehr oder weniger unvoU- standigeu Verkieselung der protoplasmatischen Vakuolenzwischen- wiiude) Gerustformen dieselbeu Gestaltungsverhaltnisse des Weidi- kurpers als Bildungsursache zu Grunde; an denselben Typus eiiunert z. B. der Bau der Nassellarienschale von Figur 131, das Kopfcheu und die basalen Partien zeigen analoge Formation und die Tendenz des Apikalstachels, in 3 meridionalen Ebenen Apo- physen auszusenden, ist eine weitere tlbereinstimmung. Nachdem wir ini Vorstehenden die promorphologische Achsen- diliereuzierung der Rhizopodenschalen betrachtet haben, wenden wir uns nun einem zweiten, ftir die Schalengestaltuug sehr wich- tigen Moment, dem Wachstumsmodus zu. Nach der Art und Weise des Wachstums der Schale konnen wir die Rhizopoden in 3 Gruppen einteilen: Erstens solche, deren Schalen gleich in ihrer definitiven Form und Grofie angelegt werden und uberhaupt kein sekundares Wachstum zeigen. Hierher gehoren die einschaligen resp. eiu- kararaerigen Formen (Fig. 7—10, 24, 33, 102, 104—100, 127, 128, 130, 132, 134, 142, 143, 145, 147, 162, 163, 191—194, 214, 216, 217, 222, 227, 229, 230, 233, 235, 236, 240—242, 244— 246, 275). Zweitens diejenigen Rhizopoden, deren Schalen noch kiirzere oder liiugere Zeit nach dem Beginn der Schalenbildung gleich- m il C i g und kontinuierlich fortwachsen. Hier ist der Cornus- pira-Typus zu uennen, bei welchem die kugelige Anfangskaramer zur langen, spiralig aufgerollteu Rohre fortwachst (Fig. 37, 261, 263), und von festgewachsenen I'ypen Carpenteria, wo der Sarkode- 1) Wir batten gesehen, daB sicb der Befund des basalen Drei- fufies von dem primaren Vierstrahler , der der Oeriistbildung der Nassellarien zum Ausgange dicnt, beiieitet. Derselbe Befund des basaleu DreifuBes ergiebt sicb nun aucb, wie wir seben aus den den soeben in Rede stebenden Geriistbauten zu Grunde liegenden Verbaltnissen. Es ist dies leicbt verstandlich, wenn wir bedenken, daB wir es mit einem Befunde zu tbun baben, der durch generelle primare Verbaltnisse be- dingt und angelegt, bei der in Rede stebenden speziellen Gnippe von Erscbeinungen durcb erneutes Auftreten von im Prinzip gleichen mecbaniscben Yerbaltuissen wieder ubernommen und weiter aua- gebildet wird. 424 fiv. t'riedrich l)rey6l', korper ein emporwachsendes und sich mehrfach verzweigendes Baurachen bildet (Fig. 280). tjber diese beiden ersteren Wachsturaskategorien ist nichts Besonderes weiter zu bemerken, ihr Wesen und die sich aus ihm ergebenden Konsequenzen leucbten obne weiteres ein, einer etwas naberen Betrachtuiig mussen wir dagegen noch die dritte Wachs- tuniskategorie, den ruckweisen, rbytbmischen Wacbstums- niodus, unterziehen. Zunacbst mussen wir zwischen 2verschiedenen Typen des rhythmischen Schalenwachsturas , dem konzen- trischen und dem terminal en Wachstumstypus, unterscheiden. Diese Wacbstumstypen steben in einem ganz bestimmten Kau- salverhaltuis zu 2 entsprechenden Bauarten einkammeriger Schalen resp. der Anfangskaramern, von denen das Wachstum der mebr- schaligen ausgeht, und die wir den Wacbstumstypen als kor- respoudierende Form typen gegeniiberstellen wollen. Zwiscben den beiden Formtypen und den beiden Wacbstumstypen besteht ein vollstandiger Parallelismus, jeder der beiden Wacbs- tumstypen ist die Fortfiibrung des entsprechen- den, ihm zum Ausgange dienenden Formtypus. Beginnen wir mit dem perforaten Formtypus. Zu ihm ge- lioren die Schalen, welche allseitig gleicbmaCig von Porenoftnungen zum Durchtritt der Pseudopodien durchbrochen sind, obne daB e i n e durch besondere GroBe und einfluBreiche Stellung ausgezeichnete Hauptoffnung zu unterscheiden ist; solche Schalen weisen auf einen Weichkorper bin, der seine Pseudopodien allseitig gleicbmaBig, oder doch in mehr als einer Richtung verstarkt, aussandte und durch sie mit der AuBenwelt in Verkehr trat. Zu diesem Form- typus gehoren die Kugelschalen der Radiolarien, denen sich die linsenformig abgeplatteten und in der Richtung einer Hauptachse gestreckten Schalen als abgeleitete Formen unmittelbar anschlieBen, Aus dem perforaten Formtypus ergiebt sich bei eintretendem sekundaren Scbalenwachstum der konzentrische Wachstums- typus ganz von selbst. Ein Sarkodekorper mit nach alien Seiten bin gerichtetem radialen Verkehr und radialer Stromrichtung wachst auch allseitig und scheidet dementsprechend auch allseitig Geriist- substanz, um die erste Kugelschale weitere konzentrische Hohl- kugeln, ab. So entstehen von dem konzentrischen Wachstumstypus aus die Systeme konzentrischer Kugelschalen (die Mecbanik des konzentrischen Schalenwachstums wurde auf S, 372 — 374 bereits tiusfuhrlicb besprocheii). Zeigte die erste Schale eine promorpho- I)ie Goriistbildung hoi Rliizopodon, Spongien etc. 425 logische Achseiuliffereiizierung, so folgeu ihr hierin meist audi die folgeiideu, iiulieren Schaleii, iind es konneu sich so niehrere linsen- forniig-abgetiachte oder lauggestreckte Schalen konzentrisch um- schlieBeu. Die Differeuzierung der Grundform kaiin aber noch extreme!' \verdeu, so dali urn die erste inuerste Schale die iiach- steii gar iiicht mehr vollstiindig, sondern luir teilweise und zwar in der llichtung des eiuseitig verstilrkten VVachstums ge- bildet werden: an eine in der Aquatorealebene einseitig stark entwickelte Anfangsschale pflegen sich so die nachsten Schalen nur noch in Form von aquatorealen konzentrischen Ringen, an eine solche, welche in der Richtung der Hauptachse gestreckt ist, in Form von beiderseitigen polaren Kuppelaufsatzen anzusetzen. Haufig findet wiihrend des individuellen, nach auBen fortschreitenden Wachstums der Schale eine successive Steigerung des einseitigen Wachstums resp. der AchsendiU'erenzierung statt: so ist bei der in Figur 225 (.teilweise) dargestellteii Form die innerste Schale noch kugelrund, die nachste ist schon linsenformig abgeplattet, aber noch vollstan- dig ausgebildet, wjlhrend die darauf folgeuden nur noch als kon- zentrische Ringe cntwickelt sind; aualoge Verhaltnisse konnen bei einseitigem Wachstum in der Richtung der Hauptachse vor- kommen und eine Kugelschale, ein oder raehrere monaxon-lang- gestreckte, aber noch vollstiindige Schalen, und 2 beiderseitige Reihen polarer Kuppelaufsatze aufeinanderfolgen. Moglicherweise haben Avir in diesen Befunden eine ontogenetische Rekapitulatiou der phylogenetischen Wandlung der Grundform zu erblickenV — Aber auch bei den genanuten, durch Modifizierung der Grundform veraulaCten Wachstumsweisen findet das Wachstura von einer mittleren, centralen Schale aus nach mehr als einer, min. destens zwei Richtungen hin gleichmaCig statt und somit ordnen auch sie sich als abgeleitetc Spezialfalle dem kon- zentrischen Wachstumstypus unter. Perforater Formtypus und konzentrischer Wachstumstypus stellen sich uns somit als ein einheitliches, durch denselben Orgauisationstypus be- dingtes Ganze dar, das wir als die perforat - ko nzeu- trische Bauart oder den perforat-konzentrischen Baustil be- zeichnen konnen. Dem perforaten Formtypus steht der pylomatische Formtypus gegeniiber, demselben gehoren alle mit einer Hauptmiindungsotf- nung, einem Pylom, versehenen Schalen an, die auf einen Weich- korper hinweisen, der, im Gegensatz zum perforaten Formtypus, in der Richtung eiues, ebeu durch das Pylom bezeichneten Radius Bd. XiVl. N. i. Xli. 28 426 Dr. Friedricli Dreyet, eine einseitig verstarkte Sarkodestromimg unterhalt. 1st das Py lorn. die einzige Offnung und die iibrige Schalenwand solid, so kann man daraus entnehmen, daC der radiale Verkehr ausschlieC- lich auf das Pyloni beschrankt ist (imperforate Thalamophoren und einige Phaodarien (es ist hier natiirlich nur von denjenigen Stromungen die Rede, die unmittelbar aus dem Hauptkorper herauskommen und nicht von Pseudopodieu, die nur dem extra- kortikalen, die Schalen auCen iiberziehendeu Exoplasraa ange- horen, solche konnen natiirlich auch bei imperforaten Schalen an alien moglichen Stellen hervorgehen, vergl. Fig. 7); sind auCer dem Pylom noch Porenoflfnungen in der Schale vorhanden, so sind dieselben doch viel unbedeutender wie die Hauptmiinduugsoffnung, und dasselbe Verhaltnis wird auch fur die hindurchtretenden Sarkodestromungen vorliegen, auch hier findet durch das Pylom der Hauptverkehr statt (perforate Thalamophoren und pyloma- tische Radiolarien). Ebenso wie aus dem perforaten Formtypus der konzentrische Wachstumstypus, so ergiebt sich aus dem pylo- matischen Formtypus ganz von selbst der terminale Wachstums- typus. Bei eintretendem sekundiiren, rhythmischen Wachstum wachst der Weichkorper in der durch die Hauptsarkodestromung und die Hauptmiindungsoffnung bereits angezeigten Richtung wel- ter und baut vor der jeweilig letzten Pylomoffnung eine Kammer nach der anderen an (vergl. S. 233 — 235 u. Fig. 11 — 14). So entstehen die geraden, gebogenen oder spiralig aufgerollten Kara- merreihen der mehrgliedrigen Nassellarien und polythalamen Thalamophoren. Der terminale Wachstumstypus ist die unmittelbare und naturgemafie Fortfiihrung des pylomatischen Formtypus, beide Typen zusammen ergeben die pylomatisch-terminale Bauart oder den pylomatisch- terminalen Baustil. Dasselbe, was wir iiber die successive GroBenzunahme der Kam- mern der polythalamen Thalamophoren sagten, gilt auch fur die mehr- gliedrigen Nassellarien, also fiir die terminal und rhythmisch wachseu- den Rhizopodenschalen im allgemeinen, wir konnen daher hier auf das im I. Abschnitt (S. 235) Gesagte verweisen. Auch bei Nassel- larienschalen kann man nicht selten bei den letzten Kammern eine GroBenabnahme konstatieren, zuweilen verjiingt sich das Ende der Schale und spitzt sich zu, ja haufig ist sogar die letzte Kammer voUig geschlossen (Fig. 140), so dalS man auch hier, und zwar im wahren Sinne des Wortes von geschlossenen Formen reden kann. Die Ableitung der vielgliedrigen Nassellarienschalen aus der ersten primaren Schale oder dem Kopfchen (Cephalis) batten Die Geriistbildnng bei Rbizopoden, Spongieu etc. 427 wir bereits ini III. Abschuitt (S. 332— 334) Oelegenlieit zu erorteni, in Bezug auf die morpliologische Auffassuug tier polythalamen 'riialamophoreuschalen halten wir es dagegen fiir aiigebracht, einen Puukt uoch kurz zu beleuchten. Den mutmaClicheu phylogenetisclien Verlauf der G 1 i e d e r u n g der S c h a 1 e in eine Reihe einzeluer Kammer- abschnitte konnen wir uus audi bei Thalamophoreu durch ver- gleicheud-morphologische Betrachtung des vorhandenen Forraeu- reiclitums in ziemlich zufriedeustellender Weise zurechtlegen. £r gestaltet sicli fiir die beiden Hauptgruppen der Thalamophoren- verwandtschaft, den Cornuspiriden- und Lituoliden-(Nodosarien-) 'Jypus Neumayr's (vergl. die Tabelle auf S. 250—251) in ver- schiedener Weise. Der Lituolidentypus lafit sich bis auf die ursprunglichsten Astrorhizidenformen zuruckverfolgen. Eine typische Astrorhiza ist die primitivste und roheste Schalenform, die man sich denkeu kann, wir konnen sie rundweg als eine versteinerte resp. inkru- stierte Araobe bezeicbneu (Fig. 251). Denken wir uns eine Amobe niit ausgestreckten Pseudopodieu auf schlammigein oder saudigem Boden umherkriechen und die Bodenpartikelchen an ihrer klebrigen Oberflitclie anhaften, so haben wir eine Astrorhiza und vermut- lich audi ibre thatsachliche Entstehung. (Wir batten oben die Kugel als die primitivste und eiufadiste Form bezeichnet, dies ist sie audi fiir einen frei im Wasser schwebenden Sarkodetropfen ; sinkt biugegen eiu Tropfen auf den Boden berab, so wird er hier einer Amobe iibnlich auseinanderfiieCen, fiir die auf einem festen Substrat kriechende Lebensweise ist also die der Amobe die pri- mitivste und naturgemaC, d. h. physikaliscb begriindete.) An For- men, von dereu groBem, scheibenformigem Mittelstiick zablreiche Pseudopodienrohren ausstrahlen (Fig. 251), scblieCen sich solche an, bei denen das Mittelstiick kleiner, die Zahl der Rohren geringer, die Rohren selbst aber langer sind; das Mittelstiick erscheint dann uur mehr als Verbindungsstelle der langen Sandrohren (Fig, 252). Ein weiterer Fortschritt besteht darin, dafi die Hohle des Mittel- stiickes sich zu einer scharfer umgrenzten Kammer ausrundet, von der die Rohren ausgehen (Fig. 253). Endlich vermindert sich die Zahl der Rohren bis auf zwei, die an der Centralkammer eine einander polar gegeniiberstehende Stellung und gleichen, gerad- linigen Verlauf annehmen. Eine solche Form macht dann den Eindruck einer einzigen geraden Rohre, in deren Mitte sich eine 28* 428 Dr. F r i]e d r i c h D r e y o r , spindelformige Kammererweiterung befinclet (Fig. 254), Zu dera einen Kammersegment gesellen sich dann durch fortgesetzte TeiluDg der Rohre (die vielleicht auf der oben (S. 417—421) geschilderten Segmentierung von Fliissigkeitscylindern beruht) weitere Kammer- abteilungen hinzu. Bei den primitiveren Formen ist die Segmen- tierung erst schwach ausgepragt (Fig. 255), bei andereu sind die Kammern schon scharfer voneinander abgesetzt (Fig. 25G), bis wir durch kontinuierliche Ubergange zu den typischen Kainmerreihen der Nodosarien hiniibergefuhrt werden (Fig. 257, 258). Der tfbergang zu den hoher entwickelten Typen des Lituolidenstammes ist end- lich in der spiraligen Aufrollung der Kamnierreihe gegeben (Fig. 259, 260). Der Hauptunterschied des morphologischen Entwickelungs- ganges des Cornuspiriden- vom Lituoliden-Typus bestelit darin, daC bei dem Cornuspiridentypus eine regelmaCig gebaute und spiralig aufgeroUte Schale schon vor Beginu der Segmentierung vorhanden ist. Die Entwickelung nimmt von Cornuspira und ver- wandten Formen ihren Ausgang (Eig. 37, 261), die Schale ist hier eine gleichmaUig fortwachsende und deshalb kontinuierliche, un- unterbrochene, zu einer Spirale aufgerollte Rolire. Der Beginu des ruckweisen Wachstums und der Gliederung der Rohre tritt auch hier ganz allmahlich ein. So begegnet man neben den typischen Cornuspiren Formen, die die ersten schwachen Anfange ungleich- maBigen Wachstums zeigen und deren Rohren hie und da Ein- schniirungen und Absatze besitzen (Fig. 262). Aber auch bei noch vollig regelmaCigen Cornuspiren sind oft im ganzen Verlaufe des Rohrengewindes dicht aufeinanderfolgend zahlreiche Anwachs- streifen bemerkbar (Fig. 263), ein Befund, der ebenfalls als AuCe- rung beginnenden ruckweisen Wachstums zu betrachten ist. Einen Schritt weiter werden wir durch sogenannte monstrose Formen geleitet, ein gutes Beispiel ist die in Figur 264 dargestellte Cornuspira, dieselbe wird von Brady als zu der in der vorher- gehenden (dariiberstehenden) Figur 263 wiedergegebenen Art gehorige Monstrositat bezeichnet. Sie besitzt wie diese, besonders an dem letzten Umgang der Rohre, deutlich ausgepragte und noch weiter wie bei der normalen Form voneinander abstehende An- wachsstreifen und das letzte Drittel des auCersten Umgangs ist durch eine scharfe Knickung und darauffolgende Verjungung von der vorhergehenden Rohre als besonderes Glied scharf abgesetzt. Die hier noch als Ausnahme auftretende, durch abgesetztes Wachs- tum hervorgerufene Knickung wird bei der Weiterentwickelung Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 429 des Coruuspiridciitypus zur Kegel. Zuuiichst koinineu wir bei del* weitereu Verfolguug der Entwickelungsriclituug zu der Gat- tiiug Oplithalmidium (Fig. 265)- In den ersteu vou der kugeligen Aufaugskiimmer ausgehcnden Umgangen stimmt Oplithalmidiuni nocli vollstiiudig mit Cornuspira uberein, dann abcr beginnen die Kuickiingeu der Rohre, die sidi in unregelmaBigen Abstilnden wiedcrliolen. Von Oplithalmidiuni aus laCt sicli die Entwickelung der hoheren typischen Miliolideu ohne weiteres versteheu, der llaiiptfortschritt besteht darin, daC sich das lokale Auftreten der Knickungen in der Weise regelt, dafi auf jeden lialben Uragang der Spirale eine Knickung kommt und daC sich die Kammerab- sctzungen in der Richtung einer durch die centrale Anfangskamraer gehendeu Hauptachse polar gegeuilberstehen (Quinqueloculina, TrilocuUna, Biloculina). Das Endresultat der Entwickelung des Cornuspiridentypus ist im GroCen und Ganzen dasselbe wie das des Lituolidentypus : eine in aufeinanderfolgende Kammerabschnitte segnientierte, spiralig aufgerollte Rohre. Vergleichen wir nun die durch die vergleichend-morphologische Betrachtung gewonnene Phylogenie der gekammerten Rhizopoden- schalen mit deren Ontogenie. Bei den Nassellarienschalen stimmt alles ganz gut; durch Uberkleidung des primaren Vierstrahlers mit einer Gitterplatte entsteht phylogeuetisch die erste einkam- merige Nassellarienschale, von der sich die mehrkammerigen durch Entwickelung weiterer Kammern in der Richtung der Pylomachse ableiten, ebenso wie bei der ontogenetischen Entwickelung einer mehrgliedrigen Cyrtidenschale zuniichst das Kopfchen angelegt wird, welches dann erst wiihrend des Verlaufes der Entwickelung zur Kammerreihe auswachst. Nicht so dagegen bei den Thala- inophoren. Auch bei ihnen wird ontogenetisch zuuachst die erste Ivammer gebildet, an die sich dann successive die weiteren Kam- mern anschliefien ; hiergeben hat uns die vergleichende Mor- phologic plausibel gemacht, dafi bei den primitiven Stammtypen die Rohre gleich im Anfang in ihrer ganzen Lange, nur unge- gliedert, vorhanden war und dafi sich nur die Gliederung mit der Zeit auszubilden brauchte: in der Ontogenesis wird die Kam- merung durch einen Sprossungs vorgang, in der Phylo- genesis dagegen durch einen Segmentierungsvorgang erreicht. Wir haben hier einen der interessantesten Falle, wo man mit dem sogenannten biogenetischeu Grundgesetz in die Briichc kommt. Weun man hier wie viele Biologen glauben wiirde, durch einfaches Nachgehen der Ontogenie die Phylogenie zu 430 Dr. Friedrich Dreyei*, haben, wiirde man sich in unlosbare Widerspriiche verwickeln. In Wirklicbkeit ist der iins hier zu Tage tretende Widerspruch jedoch nur scheinbar und lost sich bei einer niiheren Betrachtung der Dinge von selbst. Die Kammerung beruht auf unterbrochenem, rhythraischera Wachstum, dieses ist das Produkt der phylogenetischen Entwickelung aus dem urspriinglichen, gleich- maBigen Wachstum ; Wachstum ist ein Hauptfaktor der ontogene- tischen Entwickelung, wenu nun eine Form die rhythmische Wachs- tumsart geerbt hat, so mufi dasselbe bei Beginn der ontogenetischen Entwickelung uatiirlich zunachst einmal mit einem Wachs- turasstoB anfangen, dem dann der 2., 3., 4. und so fort folgt. Das rhythmische oder wellenformige Wachs- tum als solches und mit ihm die Kammerung der Schale in ihrer Totalitat ist ein einhcitli ches Endprodukt der phylogenetischen Entwickelung, es ware verkehrt, wenn man das- selbe in seine einzelnen AuCerungen, in seine aufeinanderfolgenden Wellen zerlegen und diese als Rekapitulation ebensovieler phylo- genetischer Entwickelungsstadien deuten wollte. Interessant ist es, daC wir in der Metamerenbildung der Tiere genau dasselbe Verhaltnis haben. Eine Bandwurmkette sproBt aus dem Scolex, ein Annelid aus der Trochophora- und der Korper eiues geglie- derten Krebses aus der ungegliederten Naupliuslarve hervor ; hier- aus schloG man noch bis vor kurzem, daC der Scolex alleiu dem Vorfahreu der Cestoden, die Trochosphaera der Stammform der Anneliden und der Nauplius derjenigen der Crustaceen entspreche ; ja man raachte sogar Vergleiche zwischen einem segmentierten Tier- korper und einem Tierstock, zwischen Metameren und Personen; bei Cestoden ist diese Betrachtungsweise noch jetzt sehr verbreitet. Inzwischen haben sich die Ansichten dadurch, daC man der weit wichtigeren vergleichenden Anatomie mehr Beachtung schenkte, gewendet, und man leitet die Cestoden von ungegUederten Platt- wiirmern, die Anneliden von ungegliederten Wiirmern durch all- mahliche Ausbildung der Segmentierung und die Crustaceen von phyllopodenartigen Urkrebsen, die ihrerseits wieder auf Anneliden zuriickzufuhren sind, ab. Das Einzige, was sich gegen die oben entwickeltc Phylogenie des Lituolidenstammes anfiihren lieBe, ist die Gattung Lagena. Die- Belbe Bcheint in der That der vergleichend-morphologischen Betrach- tung die einkammerige Stammgruppe der Nodosarien zu reprasen- tieren. Neuerdings neigt man sich jedoch mehr dazu, Lagena als eine auf dem einkaramerigen Entwickelungsatadium stehen gebliebene, Die Geriistbildung bti Rhizopoden, Spougien etc. 431 reduzierte Nodosarie zu betrachten ' ) ; ebenso wie man die Rotatoricu friiher t'iir die der Trochophora eutsprechendc tStammgruppe der Anncliden hieit, jetzt hinfj;egen als auf dem Trochophoriistadium etehen p:ebliebene und geschlechtsreit'gewordene Annelideii aiispricht. — AuRerdem halten wir es aber auch fiir sehr leicht moglich, da(^ die Lagenen luit dem Lituolideustamm iiberhaupt nichts zu thua habeu uud ebenso wie die Gromieu und iihuliche SiiBwasstTrhizopoden selbstandige und urspriinglich einkammerige Formen sind (vergl. auch Fig. 244). Es hat jedoch keinen Zweck, sich in derarti<:;e phylogenetisch-spekulative Tifteleien einzulassen , da dieselben doch zu kcinem I'esten Resul- tate fiihren. Uberhaupt ist in Bezug auf die eben entwickelten phylo- genetischen Ausfiihrungen zu bemerken, daB sie nur sehr bedingt aufzunehmen sind. Sie ergeben sich allerdings aus der vergleichen- den Betrachtung der Formen gauz ungezwuugen und diirften auch wcnigstens zur iibersichtlichen Zusamraenstellung dieser ganz zweckmaBig sein. Wenn aber alle phylogenetischen Spekulationen ihrera Wesen nach mehr oder weniger unsicherer hypothetischer Natur sind und Formahnlichkeit nie sicher auf Blutsverwandtschaft zu schlieBen gestattet, so gilt dies ganz besonders im Keiche der primitiven Rhizopoden, bei denen gemaB ihrer eiufachen Natur das mehrfache selbstandige Entstehen gleicher und ahnlicher Formen an verschiedenen Stellen der ungeheuren Verwandtschaft sehr leicht moglich, um nicht zu sagen sehr wahrscheinlich ist. Die Schneckenschalen zeigen zum Teil gleichmaBiges Wachstum, meist kann man aber auch hier als erstes schwaches Zeichen rhyth- mischen "Wachstums Zuwachsstreifen mehr oder weniger deutlich be- obachten ; zum Teil ist aber auch eiiie typische Gliederung der Schalc vorhanden, besonders bei groBeren Meeresschnecken. Der Vergleich der Schneckenschalen mit denen der Thalaraophoren ist aber auch deshalb noch interessaut, weil man unter den Ersteren haufig Formen begegnet, die durch Wachstumsperioden zweifacher Ordnung, standi g miteinander abwechselnde Haupt- und Nebeuwellen des Wachstums gebildet sein miissen. Als Beispiel moge die in Figur 266 dargestellte Schneckenschale dienen. Die Hegmentierung ist hier, wie es bei den Schneckenschalen die Kegel ist, in iiber die b'chalenwindungen quer hinlaufenden Kammen gegeben, yon deueu aber immer ein hoher, starker ausgebildeter mit einem niedrigeren, schwachereu Kamm abwechselt. Die Hauptkamme stellen sich deutlich als Abgiisse des nach auBen umgeschlagenen, vielfach gefalteten Mautel- randes dar, ein Hauptkamm beschlieBt auch den letzten Miindungs- rand der Schale. Beim Beginn der nachsten Hauptperiode des Wachs- tums wird sich der Mantelrand aus den Falten des Miindungsrandes der Schale ablosen und zur Bildung des nachsten Schalenabschnittes vor- wachsen ; unterwegs tritt ein kurzer Stillstand, eine kleinere Ruhepause ein, die als Zeichen einen niedrigeren Kamm hinterlaBt, worauf der Mau- 1) Vergl. NEUMAra, Stamme des Tierreichs, S. 183, Aum. 2. 432 Br. Friedrich Dreyer, tel die zweite Halfte der Wachstumsperiode vollendet. Nach Ab- fichluB dorselben breitet er sich wieder nach auBen aus, das Tier lebt in der vergroRerten Schale bo lange, bis eine weitere Ver- groBerung notig wird, worauf sich danu die niichste Wachstums- periode, der nachste VorstoR des Schalenwachstums einleitet. Die Segmentierung der Schneckenschalen ist nur auRerlich, eine Trcnnung der Schalenhohle durch Scheidtwande, die, wie bei den Thalamophoren, nur durch eine oder mehrere enge Porendffnungen durchbrochen sind, vertragt sich nicht rait der hohen Organisation des die Schale ausflillenden MoUusks. Dagegen sind die Schalen der Cephalopoden durchweg durch Scheidewande gekammert, hier sitzt aber das Tier auch nur in der jeweilig letzten Kammer, die man deshalb als Wohnkammer bezeichnet. Wird ihm diese zu klein, so riickt es ein Stiick vor, baut sich eine weitere groBere Kammer an und scblieBt den verlassenen Raum hinter sich durch eiiie Scheide- wand ab, u. s. f. Das Wachstum, resp. das Verhaltnis des Organis- mus zur Schale ist also hier ein prinzipiell auderes wie bei Schnecken und Thalamophoren. Bei den Cephalopoden-, speziell den Ammonitenschalen sind die Kammerscheidewande wie bekannt vielfach gewunden und gebogen und veranlassen durch ihren seitlichen Ansatz an die Schalenwand entsprechend gewundene Kammergrenzen, die Loben zeichnungen, welche man an jeder Ammonitenschale beobachten kann. Es verdient nun als hochst merkwiirdiges und interessantes Faktum hervorgehoben zu werden, daB auch bei Thalamophorenschalen hie und da ganz entsprechende Verhaltnisse wieiierkehren, als pragnantes Beispiel habe ich in Figur 267 die Abbildung der Amphistegina Lessonii d'Orb. (nach MoBius) wiedergegeben, dieselbe besitzt dieselben Lobenzeichnungen wie eine Cephalopodenschale und zeigt iiberhaupt auffallende Ahnlicbkeit mit einer Ammonitenschale. Dieses Auftreten derselben morphologiichen Befunde bei zwei Organismengruppen, die sonst miteinander gar iiichts zu thun haben, legt die Vermutung nahe, daB auch hier viel- leicht, ebenso wie beim Vierstrahlergeriist, ein und derselbe allge- meingiiltige, vom Organismus unabhangige physikalische Bilduugsfaktor im Spiel ist? Durch das terminalo Wachstum zerfallt eine Schale in eine Anzahl kettenforraig aneinandergereihter Schalen, sie biilSt hier- durch den Eindruck einer einheitlichen Schale, einer geschlossenen Form mehr oder minder ein. Es giebt nun eiuen Vorgang, wel- cher dieser Decentralisierung entgegenstrebt und wieder mehr oder weniger vollstandig eine Centralisation und Integration der aus zahlreichen Kammern zusararaengesetzten Schale herbeiftihrt. Die Kammern gruppieren sich enger aneinander, legen sich auf- einander, ubereinander oder umwachsen und umhullen sich sogar gegeuseitig. Es geschieht dies in verschiedcuartiger, glcich naher Die Geriifltbildung bei Ilhizopudeo, Spongien etc. 433 zu besprcchcuder Art iind Weise, als typisches Beispiel moge fiirs erste die durcli die gauze Thalamoplioreuverwandtscliaft weit ver- bieitete spiralige Aufrollung genanut vverden. — Wie haben wir iins die Mechanik dieser Vorgange zu denken? — Audi hier ist es die Fliissigkeitsmechauik uud speziell die Oberflachenspaniiuiig, weldie uus der LosuDg des Ratsels auf die Spur vcrhilft. Wir liatteii uus klar gemacht, daii die Oberflachenspauuuug im allge- lueiueu zwischen solchen Stoffen am geringsten sein wird, vvelchc die meiste Verwandtschaft uud Ahnlichkeit miteiuauder besitzeu, welche am meisten geneigt siud, durch Diftusions- uud Losuugs- vorgange zu eiuander in regen Stoffaustausch zu treteu, Zuweilen sclieiut die Oberflacheuspanuung eiu sehr empfiudlicher MaCstab fiir stotlliche Verwaudtschaft uud Differeuz zweier Korper zu seiu. So beobaditete Kael Brandt'), daB Syncytieu kolouialer Radio- larieu eiu uud derselbeu Spezies miteiuauder zu einem eiuheit- lidieu Qualster zusammeuklebeu uud verschmelzen konnen, uidit dagegeu solche, die verschiedeuen Arteu augehoreu ; eiu Verhalten, welches augeuscheiulidi auf Diflferenzeu iu der Oberflacheuspan- uung zuriickzufiihreu ist; zwischen zwei gleichartigen Sarkoden derselbeu Art besteht uberhaupt keine Oberflachenspauuuug, sie vereinigeu uud mischeu sich ohue weiteres; zwei Sarkoden ver- schiedeuer Radiolarienarteu werden chemisch und physikalisch zwar sehr ahnlich sein, ihre Unterschiede werden auCerst subtiler Art sein, aber immerhin geuiigen, um eine wenn auch noch so geringe gegeuseitige Spaunuug zu bewirken, die eine vollige und dauernde Vereiniguug verhiudert. — Denken wir uus eine mo- nothalauie Thalamophore, die eben im Begriff" ist, die zweite Kam- mer zu bilden. Die aus der Miinduugsofinuug herausgetreteue, fiir die niichste Kammer bestimmte Protoplasmapartie (vergl. Fig. 13) ist derselbeu bildendeu Kraft der Oberflacheuspanuung unter- worfeu, die auch der ersten Kammer ihre Form gab, uur haben sich bei ihr die Verhaltuisse etwas kompliziert. Bei der Gestaltuug der Anfangskammer kam (von der Schwerkraft abgesehen) uur der eine Faktor der Oberflacheuspanuung zwischen Sarkodekorper uud uragebeudem Meerwasser in Betracht, bei der Gestaltung eiucr zwei- ten Kammer mussen wir aber auBerdem uoch die Oberfliicheuspau- nung zwischen dem Sarkodekorper dieser zwei ten Kammer und dem exoplasmatischeu tJberzug der ersten Scliale, dem extrakortikaleu 1) K. Brandt, Die koloniebildenden Radiolarien des Golfes von Neapel, S. 78—82. 434 Dr. Friedrich Dreyer, Exoplasnia der vorhergehenden ersten Kammer in Rechnung Ziehen. Der erstere Faktor, die Oberflachenspannung zwischen Sarkodc und Meerwasser, wird sich etwa gleich geblieben sein imd einen bestimmten Grad besitzen , die Oberflachenspannung zwischen dem Exoplasmaiiberzug der ersten Kammer und dem Protoplasma der zukunftigen zweiten wird dagegen gleich Null sein Oder doch in engen Grenzen um Null herum schwanken. Das extrakortikale Exoplasma der ersten Kammer wird infolge- dessen bestrebt sein, die aus der MiindungsotTnung herausgetretene Sarkodemasse an sich heranzuziehen, diese wird, falls nicht andere Momente entgegenstehen, dieser Anziehung folgen und mehr oder weuiger weit auf die erste Kammer herabflieCen, statt sich schlank von derselben zu erheben. Hierdurch erklart sich die Tendenz der Kammern einer Schale, von der gestreckten Richtung abzu- weichen und sich enger aneinander anzuschliefien, finden die Integra- tionsvorgange der Thalamophorenschalen ihre uatiirliche Erklarung. Dieselben konnen, wie schon erwahnt wurde, in verschiedener Weise und in verschiedener Vollstandigkeit erfolgen, woraus sich verschie- dene Bautypen der Thalamophorenschalen ergeben, die sich aber uns von unserem allgemeinen atiologisch-mechanischen Gesichtspunkte aus als Spezialfalle ein und derselben Erscheinungsgruppe unter- ordnen, die wir passender Weise eben als die der Integrationsvor- gange bezeichnen konnen. — Der einfachste Fall ist der, daB die Sarkode der neu zu bildenden Kammer an der vorhergehenden Kammer zu alien Seiten eine Strecke weit herabflieCt, es ent- stehen so Kammerreihen, deren Kammern mehr oder weniger weit iibereinandergestiilpt resp. ineinandergesteckt erscheinen (Fig. 268). Erfolgt das HerabflieCen nur zweiseitig, so reiten die Kammern aufeinander, wie wir es bei dem Frondicularientypus finden. FlieBt die Sarkodemasse der zweiten Kammer einseitig an der ersten herunter, so ist bei der Bildung der 3. Kammer die der 2. ent- gegengesetzte, freigebliebene Seite eine Liicke, die die Sarkode- masse der 3. Kammer auszufiillen trachtet, die 4. Kammer setzt sich dann wieder auf der gegenuberliegenden Seite iiber der nun tiefer liegenden 2. an und so geht, nachdem einmal der entspre- chende Anfang gemacht ist, die tJbereinanderlagerung der Kammern regelmaCig alternierend von der einen Seite zur anderen im Zick- zack weiter; es entsteht ein Baustil, den wir bei der grofien Gruppe der Textilariden verkorpert finden (Fig. 269). Ahnlich ist die Gruppierung der Kammern bei der in Figur 270 dar- gestellten Polymorphina, nur ist die Zweizeiligkeit nicht so scharf Die Gerustbildung bei Rhizopodeu, Spongien etc. 435 ausgepragt, deshalb, well hier die Kammcrn noch inniger und vollstjindiger iibereinandergrcifeu , was der ganzeii Form einen jiuCerlich abgerundeten einheitlichen Habitus verleiht, daher viel- leicht audi ihr Beiname rotundata Boknemann's. — Geht von eiiier kugeligeii AnfaDgskainmer sei es ein gleichmaCiges, sei cs ein rhythiiiisches Wacbstum aus, so kanii sich der aus der Miiri- duugsotinuiig herauswacbsende Sarkodestrom zuiiachst iufolge irgend eines unwesentlichen, zufalligen aufieren AustoCes nach irgend ciiier Seite zu dem Exoplasmauberzug der Anfangskamincr iiberneigen; durch diesen ersten Schritt ist dann aber die Win- duugsrichtuDg einer sich entwickelnden Spirale ein fiir allenial test bestimmt; der Sarkodestrom wird dann in der einmal an- gegebeueu Richtung zunachst die Anfangskammer umwachseii, urn dann auf dem Riicken der jeweilig nachst-inneren, unteren Windung allmahlicb fortflieCend den Bau der Schalenrohre resp. der Kammerreihe in der Spirale herumzufuhren (vergl. Fig. 231, 37, 261—265 und die iibrigen Abbildungen spiraliger Formen). Noch gcsteigert wird endlich der durch das spiralige Wachstum bewirkte IntegrationsprozeB der Schale dadurch, daB die Spiral- umgange die Tendenz zeigen, sich auch seitlich iiber die nachst- inneren Umgauge herabzuerstrecken und so die alteren Teile der Schale zu umwachsen. Diese Umwachsung der alteren Schalenteile durch die jiingeren kann man in ihrem allmahlichen Fortgauge besonders schon bei den Milioliden beobachten, es laBt sich hier eine successive Steigerung des Umgreifungspro- zesses konstatieren von Cornuspira und Spiroloculina, wo noch alle Windungen frei zu Tage liegen, durch Quinqueloculina, Trilo- culina, Biloculina bis zu Uniloculina. Da, wo die Umgreifung voll- staudig durchgefuhrt wird, umhiillt die groCte jiingste 0 Kammer 1) DaB der Zuwachs sich successive steigert, seine Produkte successive au GroBe zunehmen, ist fiir samtliche Khizopodeu, konzen- trisch sowohl wie terminal wachsende, allgemeine Eegol und, wie wir una bereits friiher (vergl. S. 235 u. 426) klar raachten, aehr natiirlich, ebenso natiirlich, wie daB ein Kapital, zu dem die Zinsen immer wieder geschlagen werden, immer mehr Zinsen produziert. — Ala ein sehr pragnantes Beispiel von starker GroBenzunahme speziell der letzten Kammer verdient u. a. besonders Cymbalopora bulloides d' Orb. (siehe Brady, Challenger-Report, pi. 102, Fig. 8) Erwahnung, wo das Yerhaltnis derart ist, daB die ganze iibrige Schale nur als kleine flache, der machtig aufgetriebencn kugeligen Endkammer auf- sitzende Kappe erscheint, die gegebenenfalls bequem lOmal in der letzteren Flatz finden konnte. 436 t)r. Friedrich Dreyer, jcdesmal die gesamte iibrige Schale; wenn man eine solche Form ini unversehrten Zustande von auCen betrachtet, sieht man nur die Schalenoberflache der jiingsten letzten Kammer, und erst wenn man diese aufbricht, sieht man die nachste Kammer (eine Form, bei der dieses Verhaltnis nahezu erreicht ist, giebt Fig. 271). — Es wurde haufig beobachtet, daC eine Globigerinenschale in einer groCen kugelrunden Schale eingeschlossen war (Fig. 273) ; genau dieselben kugelrunden, von zahlreichen Poren durchbohrten Scha- len waren aber auch ohne eingeschlossene Globigerinenschale be- obachtet und zu einer eigenen Gattung Orbulina erhoben worden. DaC die beiden Schalenforraen der Globigerina und Orbulina ver- einigt bei demselben Individuum vorkommen und ihre tJberein- stimmung in Bau und Struktur der Schalenwand spricht fur einen genetischen Zusammenhang beider Formen ; auf der anderen Seite ist es dagegen auffallend, daB beide Formen noch ofter getrennt bei verschiedenen Individuen vorkommen und daB die konstatierte Vereinigung beider der Art ist, wie wir ihr bei keiner anderen Schalenbildung der Rhizopoden begegnen: die Globigerinenschale schwebt lose in der Hohlkugel der Orbulina darin, ohne mit ihr materiell verbunden, etwa an irgend einer Stelle der Innenflache der Orbulina angekittet zu sein (Fig. 273). Zur Deutung dieser merkwiirdigen Befunde ist viel diskutiert und sind verschiedene, zum Teil recht abenteuerliche Ansichten aufgestellt worden. Uns scheinen die Verhaltnisse einfacher zu liegen, als es auf den ersten Blick scheint und ini AnschluC an die vorhergehenden Er- orterungen ihre natiirliche Erklarung zu finden. Gerade bei den Globigerinen ist die Steigerung der Wachstumsenergie und die hierdurch bewirkte GroCenzunahme der Kammern sehr be- trachtlich (Fig. 272, 273), die jiingsten Kammern iibertreffen die ersten und altesten an GroCe um ein Vielfaches. Wird nun bei einem Globigerinenindividuum die fiir die letzte Kammer bestimmte Sarkodemasse so machtig, daC sie die ganze Schale zu uberfluten und sich von deren Grundlage zu emanzipieren vermag (wodurch auch der bei Uniloculina noch gewahrte Zusammenhang zwischen der alteren Schale und der Wandung der auCeren umgebenden jiingsten Kammer verloren geht), so wird sie als kugelrunder Tropfen dieselbe in ihrem Innern vollstandig aufnehmen, und kommt es dann zur Schalenbildung, so haben w^ir einen Befund, wie er uns in Figur 273 entgegentritt. — Auch die Orbulinen ohne eingeschlossene Globigerinenschale sind erklarhch. Dafiir, daB auch Resorption von Geriistsubstanz bei der Bildung der t)ie Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 43? Kalkschalen iler Tliahiiuoijboien eine Kolle spielt, batten wir ira ersteii Absclmitt (S. 23G — 239) beweisende Belege beigel)racbt. Es liegt daber keiu Hiuderuis im Weg, das Feblen der Gb)bigerinen- scbale iu OrbuHneu durcb uacbtrilglicbe Resorption zu erkliiren. Die (hirwinistiscbe Deutung wurde demnacb lauten: nacli Biblung einer iluL^leren , alles umscblielieuden Kugelscbale hat die Glo- bigerincnscbale ibren Zweck als scbiitzendes Gebiiuse verloren und wird daber riickgebildet, d. b. nacbtraglicb wieder aufge- lost. — Wie ist aber diese Auflosung zu erklareu? Unser iitiologiscb-mecbauiscber Erklarungsversucb bierfiir ist der: durcb die plotzlicbe mitcbtige Ausdebnung des barkodekorpers wird das Lagerungsverbaltnis der Scbale iu ibm ein ganz anderes; wiibreud die Scbale den Sarkodekorper friiber nocb zu fassen vermocbte und mit seiuen Formen und Scliicbtungsverbaltnissen barmonierte, tritt jetzt eine iluBere Umgestaltung und innere Umlagerung des letzteren ein. Das skeletogene und motoriscbe Exopbisnia wird sicb von der Globigerinenscbale entfernen und sicb der nunmebrigeu Gestalt des VVeicbkorpers kouform als peri- pbere Scbicbt iiber den kugeligen Sarkodetropfen verteilen, die Globigerinenscbale kommt somit aus dem scbalenbildenden und scbaleuerbaltenden Exoplasnia in das Entoplasma zu liegen, in dem sicb bauptsacblicb der Cbemismus der Verdauung, uberbaupt die vegetativeu Prozesse des Stoftwecbsels abspielen werden ; die spe- zifiscben Eigenscbafteu des Entoplasraas werden der Erbaltuug der Scbale ungiinstig sein, in ibra fallt die Globigerinenscbale allniilblicb der Auflosung anbeim, etwa ebenso, wie es einera Knocben ergeben wiirde, der aus unserem Korper iu unseren Magen gelangen und der zersetzenden Eiuwirkuug der Magensaure anbeimfallen wiirde. — Die drei beobacbteten Befunde: 1) freie Globigerinenscbale (Fig. 272), 2) Globigerinenscbale von einer Orbulinascbale um- scblossen (Fig. 273) und 3) leere Orbulinascbale sind wabrscbein- licb welter nicbts wie iudividuelle Variationen, die durcb ebenso viele Abstufungen in der Wacbstumsenergie des Sarkodekorpers bedingt sind. Halt sicb das Wacbstum in dem successiveu Kam- merzuwacbs konformen Grenzen, so bleibt es bei der Bildung einer einfacben freien Globigerinenscbale. Steigert sicb das Wacbstum zuletzt sebr betrachtlicb , so kommt es zur Bildung einer uuj- scblielJeuden Orbulinascbale; findet dies erst spat, kurz vor dem Tode resp. vor der Auflosung des Rbizopodenkorpers in Sporen statt, so bleibt die Globigerinenscbale erbalten ; tritt die letzte Wacbstuniswelle dagegeu scbon friib ein, so bleibt die 438 Dr. Friedrich Dreyet, innere Globigerinenschale dera zerstorenclen EinfluC des Ento- plasnia so lange ausgesetzt, bis sie ganzlicb aufgelost ist. — In derBildung derOrbulinaschale sind wir beim hoch- sten Grade der Integration und Centralisation, speziell des Umgreif ungs vorganges der terminal wacbsenden polythalamen Thalamophorenschale augelangt; wir sehen wieder die primitive Form des kugeligen Tropfens und die dieser entsprechende Kug else hale erreicht, welche mit dem groKten Volumen die geringste Oberflachenentfalt ung ver- einigt. Urn nach darwiniatischen Prinzipien eine Erkliirung der bei den terminal wacbsenden Thalamophorenschalen so verbreiteten Integrations- vorgange zu geben, stellte ich selbst vor 2 Jabren folgendes Raisonuement an '): „Der konzentriscbe Schalenbau bat einen Vorteil, welcber dem terminalen an und fiir sich abgeht. Ein System mehrerer ineinander gescbachtelter Kugelschalen oder von Teilen solcber bildet ein nach auBen abgescblossenes, abgerundetes Ganze, welches auBeren mecba- niscben Angriffen eine moglichst geringe Oberllache darbietet; gerade umgekebrt verblilt es sich bei den Produkten des terminalen Wacbs- tumsprozesses , bei deneu die einzelnen Kammern in Form einer mebr oder weniger langen Kette aneinander gereiht sind. Ganz ab- geseben davon, daB eine solcbe Kammerreihe von bedeutender Lange fur die Lokomotion sehr binderlicb ist, ist sie verbaltnismaBig sebr zerbrecblicb und von statiscbem resp. mecbaniscbem Gesichtspunkte aus unvorteilhaft. Diese Nacbteile des terminalen Wacbstums um- geben die Tbalamopboren und vereinigen die Vorteile der kouzen- trischen Scbalensysteme mit dem terminalen Wacbstum dadurcb, daB sie ibre Kammerreihe meist nicbt in gestrecktem Zustande belassen, sondern bei der Mebrzahl der Formen spiralig einrollen. Als wei- tere Portfiihrung der spiraligen AufroUung ist die gegenseitige Um- greifung der Kammern anzuseben, welcbe in mebr oder weniger aus- gepragter Weise sicb bei vielen Tbalamopborengruppen findet." Diese Erorterung klingt zunacbst ganz plausibel. Natiirlicb miissen wir in Bezug auf ihren Erklarungswert immer bedenken, daB sie, als darwinistiscbe Erklarung, uns nur die groBe Verbreitung der Integra ti on svorgange als zweckmaBiger und daber durcb die Nalurziichtung begunstigter Umstande eventuell verstandlicb macben konnte. Hier wie uberall kann der Darwinismus mit seiner Selek- tionstboorie nur zeigen, inwiefern eine Bildung durcb die auBeren Verbaltnisse und Umstande zugelassen wurde, iiber die bewir- kende Ursacbe, die causa efficiens, das eigentliche Wesen 1) Vergl. Pylombildungen , S. 110 — 114 und Betrachtungen iiber den Bau der Rhizopodenscbalen, Biolog. Centralbl., Bd. IX, S. 333—352. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongicn etc. 439 einer Bilduug kuuu uns iiur eine iitiologisch-mecha- uiache Erkliiruug, wie wir sie iu Bezug auf den iu Redo stelieudeu Gegenstand obou versucht habeu, Aufkliiruug verscliaffeu. Kehrcn wir uach dieser Erinnerung jedoch wieder zu unserem Thema zuriick ! Nehmen wir also vorliiufig an, die eben gegebeue darwinistische ,,ErkUirung" habe, innerhalb der Boeben abgesteckten Grenzen ihrer Leistungsliihigkeit, das Richtige getrotfen. Wie kommt es dann, dali der UDZweckmalJige terminale Wachstumstypus iiberhaupt aufkommeu konnte, und dalJ erst auf Urawegen eine notdiirftige Integration der Schalen angestrebt wird, die direkt und viel voUkommener dadurch hiitte erreicht werden kdnnen, dali alle Rhizopoden, Radiolarien und Thalamophoren, gleich von Anfang an die p er f o r at - kon z en- trische Bauart befolgten ? Die Thatsachen liegen so, dafi bei Radio- larion sowohl die periorat-konzentrische als auch die pylomatish-terminale Bauart, bei den Thalamophoren hin- gegen ausschlieBlich die letztere vertreten ist; wie kommt dies ? ijber diese Schwierigkeit suchte ich mir damals durch folgende -Meditation hinwegzubelf'en : „Der Grund dieses verschiedeuen Ver- haltens der Thalamophoren und Radiolarien liegt darin, dalJ die bei- den in Betracht kommenden Bauarten verschiedene Auspriiche an die Festigktit des Materiales stellen. Die perforat-konzentrische Schalenkoustruktion verlangt viel festeres Material wie die pylo- matisch-terminale, und daher kommt es, daB, wahrend bei den Kiesel- skeletttn der Radiolarien beide Schalenkonstruktionen in hochster Volleudung und Eomplikation vertreten sind, die Thalamophoren gendtigt sind, ausschlieBlich pylomatisch - terminale Gehause zu bauen , denn bei ihrem im Vergleich znr Kieselsaure weichern Bau- materiale ware es ihuen nicht moglich, unbeschadet der Festigkeit ihrer Schalen den Radiolarien ahnliche konzentrische luftige Skelette zu bilden, sie miissen ihre Schalen eben solider und massiger her- stellen, um ihnen die ndtige Festigkeit zu geben. Schon bei ober- liachlicher Betrachtung fallt es auf, daB ganz im allgemeinen die Schalen der Thalamophoren bei weit geringerer Formenmannigfaltig- keit und Differenzierung viel massiger und plumper sind, wie die oft hochst komplizierten, graziosen und zierlichen Radiolarienskelette. Es ist im Wesen der pertorat-konzentrischen Bauart begriindet, daB dieselbe eine luftigere Ausfiihrung verlangt. Da keine Hauptmiin- dungsdffnung vorhanden ist, ist der Verkehr der Sarkode mit der AuBenwelt, und bei mehrschaligen Formen auch zwischen den ein- zelnen Schalenzwischenraumen , ausschlieBlich auf die Poren der Schalen angewiesen, welche im Interesse einer leichten Kommu- nikation nicht zu eng, die dazwischenliegenden Skelettteile nicht zu massig sein diirfen ; ebcnso ist eine Verbindung der konzentrisch in- einandergeschachtelten Gitterkugeln der mehrschaligen Formen nur durch freie Radialstabe moglich, welche auch eine gewisse Starke nicht iiberschreiten diirfen. Anders liegen die Verhaltnisse bei der pylomatisch-terminalen Konstruktionsart. Hier treten die Poren der Hauptmiindungsoli'nung dem Pylom gegenuber in ihrer Bedeutuug 440 t)v. Friedrich Breyei*, sowohl als audi infolgedessen in ihrer Ausbildung sehr in den Hintev* grund, fehlen bei den iiuperforaten Formen sogai* ganz ; die Schalen- wand kann daher audi kompakter und fester ausgetuhrt warden. Ebenso ist eine Verbindung der einzelueu ISchaiea bei mehrkammerigen Foriuen nicht durcli freie lladialbalken notig, sondern dieselben legeu sich mit ihren Wauden direkt aneinander." Auch dieser Gedankengang ist rein darwinistischer Natur. Die Naturziichtung, die Selektion ist es, welche rait der Festigkeit des Materiales rechnet, nur diejenigen Gesdilechter lielS der Kampf urns Dasein aufkoraraen, die ihre Schalen nach einem der Festigkeit ihrbs Uaumateriales augemessenen Baustile ausfiihrten. Weshalb bau- ten aber diese ithizopoden nach diesem, jene nach. jener Bauart ihre Geriiste, worin besteht das Wesen, die wahre bewirkende Ursache der verschiedenon Bauarten ? Diese Frage kann uns abermals nur eine atiologisch-mecha- nische Erklarung beantworten, — und diese ergiebt sich aus unserer Lehre von den verschiedenen Typen der Geriistbildung. Fiir unsere Frage kommen die beiden Typen der Cuticulaschale und des Vierstrahler- geriistes in Betracht. Die Tlialamophorenschalen sind Cuticulaschalen ; die Cuticulaschale wird als koutinuierliche Chitin- membran in dem kontinuierlichen Exoplasmaschlauche angelegt, es wiirde ihrer Funkti on als JStiitzmembran des letztereu zuwiderlaufen, wenn ihre Kontinuitat durch allzu zahlreiche und groBe Durchbruchstellen beeintrachtigt wiirde, was auch gar nicht in den Bedingungen, unter denen ihre Bildung zustande kommt, gegeben ist; es macht sich daher bei den Cuticulaschalen die Tendenz geltend, fiir den notigen radialen Verkehr eine groBe Hauptmiindungs- offnung frei zu halten, wahrend an den iibrigen Stellen der Schale die Bildung von Offnungen vernachlassigt wird, entweder sind auBer dem Pylom gar keine Offnungen mehr vorhanden oder nur sehr feine Poren. Die Radiolarienskelette sind Vierstrahlergeriiste, die Bedin- gungen, unter denen ihre Bildung stattfindet, sind gerade entgegen- gesetzte wie bei der Cuticulaschale. Die Vierstrahlergeriiste entstehen in schauraigem Protoplasma, sie geben die F'ormen des Kantenaystems des protoplasmatischen Sehaumgeriistes wieder und sind infolgedessen schon der Natur der Sache nach luftig und leicht gebaut. Die verschie- denen Bauarten beruhen also auf dem Wesen der ver- schiedenen Geriistbildungstypen und dieses wieder auf der B e schaf f e n h ei t des Sarko d ekorpers selbst. — AuBerdem bin ich aber auch mehr und mehr zu der Uberzeugung gekommen, daR eventuelle Differenzen in der Festigkeit von Kalk- und Kieselmaterial auch als indirekte , die Selektion herausfor- dernde Moraentc die Art des Geriistbaues nicht oder so gut wie nicht beeinllussen ; auch bei den Kalkschalen der Thalamophoren kommen sehr feine Bildungen vor , als ein Beispiel fiihre ich nur die excessiv langen und diinnen Nadeln an , mit denen die Schalen der polagisch lebenden Globigeriniden besetzt sind (Fig. 215, 272); auf der anderen Seite findet man bei den Kieselschalen der Die Gerustbildung bei Rhizopodeu, Spongien etc. 441 Radiolarieu hiiuiig einen sehr massigen und kompakten Bau (vergl. Fig. 104, 105, 119—121, 127, 137, 139, 140, 216—218). Etwas ganz auderes ist es naturlich, uud dies braucht wohl kaum noch be- souders bemerkt zu werden, mit den aue Fremdkorpern agglutinierten Sandschalen ; ist bei diesen das aufgenommene und zum Schalenbau verwandte Material grob, so k o n n e n die Formen der Schalen na- tiirlich auch nur grob ausfallen ; dies ist eine mechanische Not- wendigkeit, nicht eine durch Selektion erzielte Niitz- lichkeit. — \N ie bei verscbiedenen anderen Gelegenheiteu, so sehen wir auch hier wieder, daB sich ein richtiges kausalcs Verstandnis der Ehizopoden und ihrer Formen nur aus einer mechanischen Auf- fassung, aus der Erforschung der mechanischen causae efficientes ergiebt, und daS mit dem DAEwm'schen Selek- tionsprinzip nichts anzufangen ist. Die Naturziichtung wird auf die Entwickelung des Formenheeres der Rhizopoden so gut wie kei- neii EinfluB ausiiben, auf dieser niedrigen Stufe des Lebens werden die mechanischen Bildungskratte frei schalten und walten, ohne durch das Dazwischengreit'en der Naturziichtung wesentlich korrigiert zu werden. Hiermit nehmen wir naturlich auch unsere ehemalige, oben referierte Auffassung von dem EinfluB der selektuellen Naturziichtung auf das Vorkommen der Integrationsvorgange terminal Avachsender Schalen, der spiraligen Aufrollung etc. zuriick. Nachdem wir im Vorstehenden den Formenaufbau der Rhizo- podenschalen, die Bildungsmechanik ihrer mannigfaltigen, meist wunderbar regelmaBigen und gesetzmafiigen Formen und Bauarten dem Verstandnis naher zu bringen gesucht haben, haben wir zum Schlusse noch einiger Momente zu gedenken, die eine Degene- ration, eine Auflosung der bestimmten Form be- wirken. Bei Thalamophorenschalen kommt es bin und wieder vor, daC die Kalkabscbeidung nachtraglich auf das extrakortikale Exo- plasma und auf Aufangsstucke von diesem ausgehender Pseudo- podien iibergreift. Die Schale wird hierdurch von einer unregel- mafiigen Kalkkruste liberzogen, die an den verschiedensteu Stellen in verzweigte Rohren, die Abgiisse der proximalen Teile der Pseudopodien, auslauft (Fig. 274). Die Hauptbedingung einer regelmaCigen Form und bestimmten Ach^^endifferenzierung besteht, wie wir sahen, in dem Gleicbge- wichtsverhaltnis der Oberflachenspannung und der Schwerkraft bei einem frei im Wasser schwebenden Sarkodetropfen. Diese Bedingung ist auch bei der Mehrzahl der Rhizopoden, den einzel- lebenden Formen erftillt, nicht jedoch da, wo zahlreiche Bd. XXVI, N. F. XIX. 29 442 Dr. Fried rich Dreyer, Individuen zu einem kolonialen Verb and, einetn Cono- bium, vereinigt sind. Das ganze Conobium ist in diesen Fallen der individualisierte, den gestalteuden und durch Gleich- gewichtsverhaltnisse regulierten mechanisclien Kraften uuterworfene Sarkodetropfen, und die Qualster als Ganzes konnen ^ denn auch haufig regelmaCig geschichteten und strahligen Bau besitzen — die physikalischen Krafte und Gesetze macben keinen Unterscbied zwiscben vergleichend - anatomiscb biologiscben Individualitats- stufen — , die einzelnen Zellindividuen liegen bingegen als Teile in dem gemeinscbaf tlicben Ganzen darin, obne ein individuabsiertes Gleicbgewicbt zu genieBen. Wir finden denn aucb, daB da, wo es bei den kolonialen Radiolarien um die Centralkapseln iiberbaupt zur Bildung zusammenbangender Scbalen kommt, die letzteren in der Kegel unregelmaBig strukturiert und gebaut sind. Als ein Beispiel diene die in Figur 275 dargestellte Trypanospbaera transformata ; das ganze Conobium besitzt einen sebr regelmafiigen konzentriscben und radialen Bau, aucb die Scbalen der einzelnen Individuen ordnen sicb der konzentriscben Lagerung unter, indem sie alle in einer oberflacblicben Scbicbt der Kugel verteilt sind, besitzen aber selber unregelmaCige Ge- stalt, die in diesem Falle in der inkonstanten Zabl und Anord- nung der Mtindungsrobren ibren Ausdruck findet. Es ist eine bekannte pbysikaliscbe Erscbeinung, dafi ein Tropfen, der frei scbwebend regelmafiige Kugelform besitzt, diese aufgiebt und unregelmaCig auseinanderflieCt, sobald er berabsinkt und den festen Boden erreicbt. Ganz ebenso verbalt es sicb mit den Sarkodekorpern der Rhizopoden, aucb bei ibnen ist der tjbergang zu einer auf einem festen Substrat sefibaften Lebensweise in der Kegel das Signal zur Aufgabe der regelmafiigen Form. — Da wir keine festsitzenden Radiolarien kennen, kommen bier nui' die Tbalamopboren in Betracbt. Figur 276 zeigt eine festsitzende polytbalame Form, deren Kammern ein unregelmafiiges Aggregat bilden, wenngleicb sie eine Tendenz zum spiraligen Bau nocb scbwacb durcbblicken liiCt. Nocb welter ist die Degeneration bei der Tbalamopbore von Figur 277 gedieben, Wabrend bei der so- eben besprocbenen Form die Kammern docb wenigstens nocb zu einer gescblossenen Gruppe zusammenbalten, ist bier aucb diese Inte- 1) Vergl. hierzu d. Aum. auf S. 420/21. Die Gerlistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 443 gratioii aufgegeben. Nur rechts unten in der Ecke sieht man ein kleines Anfangsstiick, welches noch spiralig aufgeroUt ist, von da an" ist der fortwachsende Sarkodestrora ohne bestimmte Kichtung auf dem Substrat umhergeflossen. Der Sarkodestrora mit der ihn iiberdeckenden Schalenmasse macht den Eindruck eiues Lava- stromes, der sich unter seiner Erstarrungskruste fortbewegt. Ent- sprechende Befunde komraeu auch bei ungekaramerten festsitzen- den Thalamophoren vor; die auf dem Substrat sich regellos hin und herschliingelnden Rohren derselben sehen Serpularohren tau- schend ahnlich (Fig. 278). Ganz besonders instruktiv zur Demon- stration der Folgen, welche die Anheftung an eine feste Unterlage fiir die Gestaltung nach sich zieht, ist aber der Entwickelungs- gang verschiedener Carpenterien. Eine ganz junge Carpenteria hat noch das Aussehen einer typischen polythalamen, regelmaCig spiraligen Thalamophore (Fig. 279 a), ein solches Entwickelungs- stadium eutspricht ausgewachsenen Formen, die sich wahrschein- lich erst spat, nachdem ihr Schalenbau schon groCtenteils oder ganz fertig ist, festsetzen und deshalb auch wohl ihre regelmafiige Ge- stalt beibehalten. So ist es z. B. fiir Figur 41 wahrscheinlich, daB die Anheftung nach Bildung der inneren regelmaCigen Kalk- schale erfolgt, und dalJ nachher nur noch der auBere Sand- mantel (von dem bei Figur 41, ein Zeichen beginnender Form- auflosung, schon links 2 Pseudopodienrohren ausgehen) angebaut wird. Bei Carpenteria erfolgt nun aber die Anheftung ver- mutlich friih, bald nachdem der Schalenbau begonnen hat, und daher ist eine regelmaCige Thalamophorengestalt auch nur wah- rend der ersten Stadien der Entwickelung zu beobachten. Dann wachst die Schale zwar auch noch spiralig weiter, flieBt aber zu gleicher Zeit seitlich auf dem Substrat auseinander (Fig. 279 b u. c) ; das Endresultat ist eine unformliche Kalkkruste (Fig. 279 d), an der man noch notdiirftig erkennen kann, dafi von einem ge- meinschaftlichen Centrum, der ehemaligen Spiudel der Spirale, grobe Kalklappen ausgehen, die den auseinandergeflossenen Kam- mern entsprechen. — Wir konnten zwei urspriinglichste Formen des Rhizopodenkorpers konstatieren : fiir die frei im Wasser schwebende Lebensweise die des kugeligen Tropfens, fiir die auf dem Boden hinkriechende Lebensweise die grobe Pseudopodien aussendende Amobe, von beiden Urgestalten sahen wir auch die Schalenbildung ausgehen: monothalame Kugelschalen, Astrorhiza. Zur ersteren Ausgangsform sahen wir die Geriistbildung durch den in der Bildung der Orbulinaschale zu seinem Hohepunkt ge- 29* 444 Dr. Fried rich Dreyer, steigerten IntegrationsprozeC zuruckkehren ; zur anderen Ur- und Ausgangsform, dem Astrorhizatypus, fiihrt der tJbergang zur seC- haften Lebensweise zuriick; die Zirkel schliefien sich, und wir konnen oft, ja meist nicht entscheiden, ob wir es mit urspriing- lich Oder sekundar einfachen Formen zu thun haben. Dies gilt besonders fiir manche Carpenterien, bei denen uns auch die Entwickelungsgeschichte keinen Auhalt mehr giebt und die gleich von Anfang an als verasteltes Pseudopodienbaumchen empor- wachsen (Fig. 280) und rasenformig , kleinen Korallenstockclien ahnlich, fremde Gegenstande iiberziehen (Fig. 281). Interessant ist die Art und Weise, wie die von Mobitjs ^) genau untersuchte Carpenteria Rhaphidodendron ihr Kalkstockchen aufbaut. Es laBt sich dies an den weiterwachsenden Enden der Aste gut be- obachten (Fig. 30). Zunachst verkittet der Sarkodestrom des Pseudo- podiums ergriffeue Spongiennadeln und sonstige Fremdkorper mit sezernierter Chitinmasse zu einer Geriisthiille, uber die erst nachher die Kalkwand hinwegwachst. Ein eifriger Phylogenetiker konnte hierin einen AusfluB des „biogenetischen Grundgesetzes", eine onto- genetische Rekapitulation der phjlogenetischen Entwickelung des cuticu- laren Schalenbaues erblicken, bei der ja, wie wir im I. Abschnitt sahen, als Verstarkung der urspriinglichen chitinigen Grundlage bei den alteren Gesehlechtern vermutJich ganz allgemein agglutinierte Fremd- korper verwendet wurden (Sandschaler), die dann erst bei den hoheren Typen durch selbst sezernierten Kalk ersetzt wurden. — tjberlassen wir die Annahme dieser Parallele dem individuellen Ge- schmaek und Gutdiinken eines jeden. Wir batten nun uoch eine Mechanik der Architektonik der Spongien- und Echinodermenskelette zu geben. Wir batten erkannt, dafi dem elementaren Bau der Geriiste auch dieser beiden Organismengruppen der Vierstrahlertypus zu Grunde liegt, und fiir d i e s e n haben wir eine mechanische Erklarung gegeben ; wir miifiten nun, ebenso wie wir dies bei den Khizopoden im Vor- stehenden versucht haben, auch die Skelette der Spongien und Echinodermen ihrer Architektonik und ihrem auCeren Gesamt- bauplan nach mechanisch zu begreifen suchen. Es ist leicht begreiflich , weshalb wir von einem solchen Unternehmen ab- stehen miissen. Bei den Rhizopoden liegen die Verhaltnisse noch verhaltnismaBig einfach, so dafi wir bei ihnen den Versuch einer 1) K. MoBius, Foraminifera von Mauritius. — Das Herauwachsen der Aste und Auswachsen der Seitenaste bei Carpenteria unter Mit- wirkung von Kalkresorption wurde im I. Abschnitt (S. 236 — 238) erortert. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 445 Tiiechanischeii Inaugriftnahme der morphologischen Probleme audi des Gesamtbauplanes wageu durften, und doch miissen wir ausdriicklich darauf hiuweisen, daC wir audi ihn nur als ersten Schritt auf dem ebenso interessan ten wie schwierigen Gebiet aufgefafit wissen mochten, der seinen Hauptzweck erreicht hat, wenn er zum thatigen Weiterforschen in der bezeichneten Rich- tuug auregt. Die Erkliirung der Geriistformen der hoheren inehrzelligeu Organismen, der Spongien und Echinodermen, ist da- gegen vorlaufig nodi einer ferneu Zukunft anheimgegeben ; an sie wird man sich erst heranwagen konnen, wenn die ursachlich- mechanisdie Erforschung des Lebens und seiner Probleme weiter gediehen und man in die Analyse der Lebensvorgange tiefer ein- gedrungeu sein wird. 446 Dr. Friedrich Dreyer, Inlialt. Seite Vorwort 204 I. Abschnitt: 1. Grenistbildungstypus : Die Cuticulaschale. I. Allgemeine Charakteristik. AUgemeine Charakteristik der Cuticulaschale 208 Calymma- und Gallertbildung in Beziehung zur pelagischen Lebensweise 209 G. Bbbxhold's Auffassung von der Topographie der Zell- membran 209 11. Die Cuticulaschale der Thalamophoren. a) Die primitive Chitinschale. Das Exoplasma als lokomotorischer Apparat 209 Theorie der ersten Entstehung einer Stiitzmembran im Exo- plasmaschlauche durch funktionelle Anpassung 211 Die Cuticulaschale ist dem Rhizopodenkorper nicht auf-, son- dern eingelagert 212 Entwickelung der Cuticulaschale von einer weichen Stiitz- membran bis zur festen Chitinschale 213 Reliefverzierungen der aufieren Schalenflache 217 Farbung der Chitinschalen 217 b) Die durch chemische Einlagerung anorganischer Verbindungen verstarkte Cuticulaschale. Der kohlensaure Kalk als Einlagerungsmaterial 218 Art und Weise seiner Einlagerung in die Chitinschale . . . 219 Dickenwachstum der Kalkschalen 222 Form der Einlagerung des Kalkee nach v. Ebneb 223 Steinmann's Theorie des Chemismus der Kalkabscheidung , 224 Struktxir und Dickenwachstum der Imperforatenschale . . . 227 Struktur und Dickenwachstum der Perforatenschale .... 227 Farbung bei Kalkschalen ..230 Reliefbildungen der auBeren Schalenoberflache 231 Entstehung von sekundaren Hohlungen innerhalb der Schalen- wand; Zwischenkanalsystem 231 Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongieu etc. 447 Seito Das Langenwachstum der Schalen 233 Beweise fiir die Mitwirkung vou Kalkresorption beim Schalenbau 236 Vorkommen von Kieselsaure und Eisenoxyd als Eiulagerungs- material 239 c) Die Verstiirkung der Cuticulaechale durch mecha- nische Einlagerung von Fremdkorpern. Die Agglutination von Fremdkorpern in ihrer Beziehung zur Nahrungsaufnahme 240 Verlauf des Schalenbaues bei Difiiugia, naoh Veeworn . . . 241 Verhaltnis der primitiven Schaleuhaut zur agglutinierenden Bauart 242 Auswahl des Baumateriales 242 EinfluB des Materiales auf die Ausfiihrung des Schalenbaues . 245 Das Dickenwachstum der Sandschalen 246 d) Die Beziehungen zwischen den agglutinierenden und kalkschal igen Ge s chl echtern. Enger Zusammenhang der sandigen und kalkigen Geschlechter 247 Phylogenie der Thalamophoren nach Neumatr; die Beziehungen zwischen Sand- und Kalkschalern, und Imperforaten und Perforaten 249 Atiologie des Materialwechsels 256 III. Die Centralkapsel der Radiolarien. Die Frage nach der Homologisierung von Centralkapsel und Thalamophorenschale 260 Begriffsbestimmung des Wortes „Centrakap8el" 266 tJbereinstimmuug in der Beschaffenheit der Centralkapsel und der primitiven chitinigen Thalamophorenschale 267 Chemische Beschaffenheit der Centralkapsel 267 Starke und Festigkeit der Centralkapsel 267 Eeliefverzierungen der Centralkapsel 270 Die Gestaltung der Centralkapsel; extern- und intern-meta- morphe Formen 270 Die 3 Haupttypen des Baues der Centralkapsel 272 Die strahligen Erscheinungen in der intracapsularen Sarkode und an der Centralkapsel 275 Die gegenseitige genetische Beziehung derTypen der Centralkapsel 276 Die Cuticulaschale der Radiolarien als konservative Bildung im Gegensatz zu den peripheren Geriistbildungen dieser Rhizopoden 276 II. Abflchnitt: 2. Gerustbildungatypus : Das Achseugerust. Wesen und Bildungsbedingungen des Achsengeriistes, Vergleich mit der Cuticulaschale 278 Chemische Beschaffenheit des „Aoanthin" 279 448 Dr. Friedrich Dreyer, Seite Erste Entstehung von Achsenfaden in den Pseudopodien als funktionelle Anpassung 280 Erste Entwickelungsetappe des Achaengeriistes 282 Zweite Entwickelungsetappe des Achsengeriistes 283 Storung des konzentrischen Schichtenbaues des Rhizopoden- korpers durch die centrale Yereinigung der Achsenfaden . 283 Die Festigkeit der Achsenfaden; tjbergang von den Achsen- faden der Heliozoen zu den Acantharienstacheln . . . . 283 Dritte Entwickelungsetappe des Achsengeriistes 284 Beschreibung der Geriistkonstruktion an dem Beispiel der Xiphacantha serrata 284 Mechanisch-genetische Erklarung derselben 286 Mechanisch-physiologische Leistungsfahigkeit derselben . . 290 Weitere Variationen der Geriistkonstruktion 291 Vierte Entwickelungsetappe des Achsengeriistes 292 Rechtfertigung unserer Auffassung von der Entstehung des Achsengeriistes derjenigen Habckel's gegeniiber 293 Tabellarische tJbersicht iiber die Entwickelung des Achsengeriistes 296 III. Abschnitt: 3. Gerustbildungstypus : Die Vierstrahlergeriiste. Einleitung 297 I. Vergleichende Morphologic der Vierstrahler- g e r ii s t e. a) Das Skelett der Spongien. Vorbemerkungen 299 Die Geriistbildung der Hexactinelliden 299 Der Vierstrahlertypus in seinen verschiedenen Erscheinungs- weisen bei Kalk-, Kiesel- und Hornschwammen 299 b) Die Skelettbildung bei den Echinodermen 302 c) Das Skelett der Polycystinen. Die Gruppe der Polycystinen ' . 306 Die Polycystinen mit loser Nadelhiille, Beloidea 307 Entwickelung der Spumellarien und Nassellarien aus den primi- tiven Beloideen 309 Entstehung und Typus der Spumellarienschale 310 Differenzierungsvorgange in bezug auf die tangentiale Gitterschale 310 Differenzierungsvorgange in bezug auf die Radialstacheln; Haupt- und Nebenstacheln ; Differenzierung der Grundform . .311 Wachstum des Spumellariengeriistes ; Bildung konzentrischer Schalensysteme 312 Differenzierung des Formenreichtums der Spumellariengeriiste aus dem Grundtypus 313 Entwickelung des Plectoideencharakters 315 Morphologie des Plectoideenspiculums 316 Die Ceriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 449 Seite Die Frage nach der phylogenetischen Wertigkeit der skelett- losen Nassoideen 317 Entwickelung von Ringbalkengeriisten auf Grundlase des Nadel- geriistes der Plectoideen ; Bedingung der eudipleuren Grund- form der Nassellariengeriiste 318 Die etephoide Entwickelung 320 Kritische Betrachtung iiber den historischen Entwickelungsgang der Nassellarienmorphologie 323 Zusammenfassende Charakteristik des Wesens des Nadelgeriist- und des Ringbalkenstadiums 327 Die Bildung von Cyrtoidschalen 328 Wachstum der Cyrtoidschalen 333 Verhaltnis der Cephalis zu den sekundaren Schalenkammern . 333 Wacbstumsmodus der Cj-rtoidscbalen 334 Differenzierungen der Cyrtoidschalen 335 Schalenbildung bei stephoiden Geriistformen 336 Vergleichende Gegeniiberstellung der Geriistbildung der Spumel- larien und Nassellarien 336 II. Atiologie des Vier sir ahlerty pus. Einige Worte zur Wegweisung 337 a) Kritisch-geschichtliohe Vorbemerkungen. Die Biokrystallisationstheorie Haeckel's 338 Die Untersuchungen Y. v. Ebnee's 338 Der Erklarungsversuch Deetee's 343 Die Ursache des Vierstrahlertypus miissen von auSen wirkende Bildungsfaktoren sein, nicht dem Materiale innewohnende Krystallisationskrafte 344 Der Erklarungsversuch F. E. Schitlze's 344 b) Die Blasenspannung als formende Ursache des Vierstrahlertypus. Die organisierten Korper besitzen ganz allgemein und in mehr- facher Hinsicht blasigen Bau 349 Hauptregeln der den Vierstrahlertypus bedingenden Mechanik der Blasenspannung 350 Anwendung der Blasenmechanik auf die organisierten Korper . 354 Giiltigkeit der Blasenmechanik auch innerhalb organisierter Korper ein logisches Postulat 354 Die Zellen als blasige Elemente 354 Das pflanzliche Zellgewebe 354 Pollentetraden 355 Auf bau pflanzlicher Embryonen 355 Markgewebe 355 Die Gewebszellen und deren gegenseitige Ab- und Aus- rundung 355 Das tierische Zellgewebe 356 Epithelgewebe 356 Chordagewebe 357 Fettgewebe 357 Sf 450 Dr. Friedrich Dreyer, Seite Blasiges Bindegewebe ; mechanisch-kritisclie Deutung des „Sternzellengewebe8" 357 Die Vakuolen als blasige Elemente; Bau des Calymma . . 361 Die blasige rasp, wabige Struktur des Protoplasma . . . 364 Anwendung der erhaltenen Resultate auf die Skelettbildung. . 365 Universelle Herrschaft der Blasenspannung und Verbreitung des Vierstrahlertypus bei der Skelettbildung 366 Die Skelettbildung und deren Bedingungen bei den Spongien, den Echinodermen und den Rhizopoden 366 Bildungsmechanik des Tetraeders und typischen Vierstrahlers 369 der dreikautigen Geriistbalken . . . 370 von Echinodermentetraeder und -spiculum 370 der Spicula 370 „ polycentrischer Spicula 371 „ der spongiosen Geriiste 371 „ gleicbmaSig flachenhafter Schalen und kon- zentrischer Schalensysteme 372 „ von Schalen mit promorphologischer Achsen- differeuzierung 374 „ der verschiedenen Schalenstrukturen . . 374 „ von Arkadenbogen 379 „ von Ankern 380 „ von mistgabelformigen Stacbeln . . . . 381 der Zickzackbalken 381 der Dictyochaskelette 382 Die successive Skelettbildung und deren Eesultate .... 383 Das rhythmisohe Schalenwachstum 383 Entstehung von sekundaren Poren in den primaren . 384 Bildung von Leistennetzen auf Schalenflachen . . . . 384 „ Tetraedern auf der Schalenflache . . . 385 „ Spiculis mit iiberzahligen Strahlen . . . . 386 In freien Sarkodestrangen (Pseudopodien) gebildete Geriistteile 386 Bildung von Gittern, deren Balken sich rechtwinklig kreuzen 388 SchluSwort 388 IV. Abschnitt: 4. Gerustbilduugstypus : Die Mosaikschalen. Einleitung 389 I. Darstellung der Befunde. Die Mosaikschalen von Siifiwasserrhizopoden 389 Bildung derselben 390 Ein kritisches Bedenken 391 Die Mosaikschalen von Difflugia spiralis und Carterina spiculotesta 392 Die Mosaikschalen von Heliozoen 392 Die Mosaikschalen von Acantharien (der Sphaerocapsiden) . . 393 Die Geriistbilduug bei Rhizopoden, Spongien etc, 451 Seito II. ErklSrungsversuch. Erorterung der Auffassung der Mosaikschalen der Thalamo- phoren (SiiBwasserrhizopoden und Carterina) 393 Erklarungsversuch der Mosaikschalen der Sphaerocapsiden . . 396 Bemerkungeu iiber die Mosaikhiillen der Heliozoen .... 397 Allgemeines Endresultat iiber das Wesen der Mosaikschalen . 397 V. Abschnitt: Uberblick iiber das Problem der Genistbildung in seiner Gesamtheit. Einige Worte zur Wegweisung 398 Vergleich der Geriistbildung mit der menschlichen Baukunst; bei beiden sind 3 Etappen zu unterscheiden 398 1. Etappe der Geriistbildung: Gewinnung und Zubereitung des Baumateriales 399 2. Etappe der Geriistbildung: Die Formung der Bausteine und der elementare Aufbau der Geriiste; die Geriistbildungstypen 400 3. Etappe der Geriistbildung : Die Bildung der Gesamtform der Geriiste 403 Forschungsmethode 403 Oberflachenspannung und Schwerkraft als Hauptbildungsfaktoren 404 Der Begriff der Oberflachenspannung 404 Mechanische Theorie der Pseudopodienbildung, der Nahrungs- aufnahme, des Aufspiirens und Assimilierens von Nahrungs- korpern 406 Die promorphologischen Achsendiflferenzierungen der Rhizo- podenkorper und -schalen 406 Die homaxone Grundform 407 AchsendiiFerenzierungen von Stacheln und Schale . . . 408 Das M&LLEE'sche Gesetz 411 Gestaltender EinfluB auf die Schwerkraft 412 a) in der horizontalen Aquatorealebene (aquatoreales Sta- chelkreuz, Linsenrm) 412 b) in der Richtung der senkrechten Gravitationsachse (monaxon-heteropole Grundform, Pylombildung) . . 413 Zusammenfassung 416 Gedanken iiber die Encystierungsvorgange . . , . . . 416 Bildungsmechanik von Perlschnurformen 417 Die eudipleure (bilateral-symmetrische) Grundform . . . . 421 Bau von Nassellarienschalen nach einem Blasenschema . . 422 Die Wachstumsmodi der Rhizopodenschalen 423 Schalen ohne sekundares Wachstum 423 Schalen mit gleichmaBigem, kontinuierlichem Wachstum . 423 Schalen mit ructweisem, rhythmischem Wachstum .... 424 Perforator und pylomatischer Formtypus, konzentrischer und terminaler Wachstumstypus ; Parallelismus zwiachen Form- und Wachstumstypen 424 452 Dr. Fried rich Dreyer, Seite Die perforat-konzentrische Bauart 424 Die pylomatisch-terminale Bauart 425 Die Phylogenie des Lituolidenstammes 427 Die Phylogenie des Cornuspiridenstammes .... 428 Die Schalenkammerung in ontogenetischer und phylo- genetischer Beziehung 429 Die Bedeutung von Lagena 430 Vergleich der Molluskenschalen mit den Thalamophoren- schalen 431 Die Integrationsv organ ge der Thalamophorenschalen .... 432 Formdegenerierende und -auflosende Faktoren 441 Extracorticale Inkrustation 441 Vereinigung der Zellindividuen zu kolonialen Verbanden . 441 EinfluB der seBhaften Lebensweise 442 SchluBwort. Die Architektonik der Spongien- und Echino- dermenskelette 444 Tafelerklarung. Die Figuren sind zum Teil Originale, zum groBten Teil anderen Werken entnommene, nach Bediirfnis verkleinerte, teilweise verein- fachte und schematisierte Kopieen. Es ist dies in der Natur der Sache begriindet fiir eine Arbeit, die wie die vorliegende keine neuen Spezialuntersuchungen, sondern eine theoretische Behandlung uud Verwertung des bisher zu Tage geforderten, besonders in den Monographieen niedergelegten empirischen Materiales bringen will. Doch kann ich die moisten der von anderen Autoren entlehnten Darstellungen auch infolge eigener Beobachtung bestatigen. Tafel XV. Pigur 1—56. Der Gerustblldungstypus der CuticvQasehale. Figur 1 — 41. Die Schale der Thalamophoren. Figur 1 — 10. Die primitive Chitinschale. Fig. 1. Amoeba princeps, Ehbg. — Nach Auerbach, aus BCtschli, Protozoa (Bkonn's Klassen und Ordnungen, Bd. I), II, 1 a. Fig, 2. Schematische Darstellung der ereten Anlage der pri- maren Stiitzmembran im Exoplasma, unter Zugrundelegung der vorher- gehenden Figur. Die Stiitzmembran ist rot eingezeichnet. Fig. 3. Schematische Darstellung des Baues eines primitiven chitinschaligen Rhizopoden. Die Schalenlamelle ist rot eingezeichnet. Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien etc. 453 Fig. 4. Amoeba limax, Duj. — Nach Aueebach, aus BOtschli, Protozoa, II, 2. Fig. 5. Amoeba guttula, Duj, — Nach Aueebach, aus Butschli, Protozoa, II, 3. Fig. 6. Petalopus difiiuens, Clp. u. Lohm. — Nach CLAPAEiiDE u. Lachmajjn, aus EtJTScnLi, Protozoa, IF, 13. Fig, 7. Gromia oviformis, Duj, — Nach M. Sohultze, aus Butschli, Protozoa, IV, 6. Fig. 8. Lieberkiihnia (Gromia Cienk.) paludosa, Cienk. Zwei durch Querteilung entstandene, noch durch einen schlauchformig aus- gezogeneu Verbindungsstiel ihrer diinnen Schale zusammenhangende Individuen , kurz vor ihrer Trennung. — Nach Ciknkowsky, aus BtJTscHLi, Protozoa, III, 16. Fig. 9. Microgromia socialis, Abch. Fig. 10. Individuum von Mikrogromia kurz nach der Quertei- lung des Protists in seiner Schale; der eine SproBling ist in Aus- wanderuug begriffen, — Nach Heetwig u. Lessee, aus Butschli, Protozoa, III, 15 b u. c. Figur 11 — 31. Die Kalkschalen. Fig. 11 — 14. Schematische Darstellung des Baues und Wachstums einer kalkschaligen Thalamophore. Die Chitinmembran ist rot ge- zeichnet. Fig. 15. Durch verdlinnte Saure entkalkte Schale einer jungen Miliola obesa. — Nach M, Schultze, Organ, d. Polythal., II, 20. Fig, 16. Rotalia veneta, M, Schultze. — Lebend. Die Kammern sind bis auf die jiingste rot. — Nach M. Schultze, Organ, d. Polythal, III, 1. Fig. 17. Rosalina varians, M. Schultze. — Durch verdiinnte Siiure entkalkte Schale, die Kammern sind bis auf die jiingste rot. — Nach M, Schultze, Organ, d. Polythal., Ill, 11. Fig. 18. Durch Saure entkalkte Polystomella strigillata; die Kammern bis auf die jungste gefarbt. — Nach M. Schultze, Organ. d. Polythal., V, 13. Tafel XVI. Fig. 19. Bau der Schalenwand einer perforaten Thalamophore (Carpenteria raphidodendron. Mob.) Die Chitinlamellen sind rot ge- zeichnet. — Unter Zugrundelegung von Mobius, Foraminifera von Mauritius, VI, 4. Fig. 20. Querschliff eines Stiickes aus dem Kalkbau einer Car- penteria raphidodendron. Die Chitinlamellen sind rot gezeichnet. — Nach MoBius, Foram. v. Maur., VI, 2. Fig. 21. Chitinose Auskleidung eines Astes und der abgehenden Porenkanale einer Carpenteria raphidodendron. — Nach Mobius, Forara. V. Maur., VI, 3. Fig. 22. Prismenstruktur einer perforaten Thalamophorenschale (Operculina), a von der Seite, b von oben. — Nach Caepenteb, aus BOtschij, Protozoa, X, 4 d u. e. Fig. 27. Cristellaria matutina, d'Obb. Fig. 28. Cristellaria lata, Corn. 454 Dr. Friedrich Dreyer, Fig. 23 a. Querschliff einer dickschaligen Tiefseeglobigerine. „ 23 b. Stark vergroBertes Schalenfragment. „ 23 c. Krystallinische KalkkSrper der exogenen Schalen- substanz. — Nach Wallich, aus BCtschli, Protozoa VII, 29 a — c. Fig. 24. Lagena lagenoides, var. tenuistriata, Beady. — Nach Beady, Challenger-Report (Zoology, vol. IX, Foraminifera), LX, 11. Fig. 25 a. Eine Partie der Schale einer Nodosaria intercellularis. Beady. — Nach Beady, Chall.-Rep. LXV, 3. Fig. 25 b. Querschnitt durch. die Schalenwand bei stark erer Vergrofierung. — Nach Beady, Chall.-Rep., S. 516, Fig. 15 a. Fig. 25 c. Langsschnitt durch die Schalenwand bei starkerer YergroBerung. — Nach Beady, Chall. Rep., S. 516, Fig. 15 b. Fig. 26. Schalenbau einer Rotalia Defrancei, d' Oeb. im Quer- schnitt. Kammersystem rot, Zwischenkanalsystem schwarz. — • Nach MoBius, Foram. v. Maur., XIV, 7. Nach BuEBAcH u. Dbeyee, Foram. d. mittl. Lias vom groBen See- berg bei Gotha. III. Die Gat- tung Cristellaria. — Zeitschr. f. Naturwiss., Bd. LXI, Halle 1888; XI, 38 u. X, 10. Fig. 29. Polystomella crispa, L., vordere Wand der jiingsten Kammer, a vor und b nach Anlage der Rohrchen, welche in die nachstfolgende Kammer fiihren. — Nach Veewoen, Biolog. Protisten- Studien (Zeitschr. f. wiss. ZooL, Bd. XLVI, 1888), S. 463, Fig. i u. h. Fig. 30. Ende eines Zweiges von Carpenteria raphidodendron. Mob. — Nach Mobius, Foram. v. Maur., VI, 5. Fig. 31 a — d. Hervorwachsen eines Seitenzweiges aus der Wand eines Carpenteriastammes, schematisch dargestellt. Die Chitinlamellen sind rot gezeichnet. Figur 32 — 41. Die Sandschalen. Fig. 32. Teilstiick eiuer Pelomyxa, welches sich mit Sandkor- nem vollgefressen hat. — Nach Veewoen, Psycho-physiolog. Pro- tisten-Studien, IV, 13 a. Fig. 33 a. Difflugiaurceolata, Caetee, mit halbabpraparierter Schale. Im Protoplasmakorper zahlreiche Kerne und gefressene Sandkorner. Fig. 33 b. Difflugia im Beginn der Teilung und Schalenbildung. Die aus dem Pylom herausgetretene Protoplasmapartie hat bereits die Form des zu bildenden Tochterindividuums angenommen, die zum Bau der neuen Schale bestimmten, von dem Mutterorganismus seiner Zeit gefressenen Fremdkorper wandern soeben in den Tochterorga- nismus iiber. Fig. 33 c. Die Fremdkorper haben sich an der OberHache des Tochterindividuums angelagert, die Bildung der neuen Schale ist voUendet. — Nach Veewoen, Biolog. Protisten-Studien, Fig. 5, 3 u. 4. Tafel XVII. Fig. 34. Stiick eines mit Essigsaure behandelten Stammchens einer Haliphysema Tumanowiczii, Bowbk. Alle kalkigen Belegkorper Die Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongicn etc. 455 sind weggeloat, uud auf der Chitinhaut kleben nur noch Kieselnadeln. Im Innern dos Chitiuschlauches sind Klumpen kontrahierten Proto- plasmas mit Kerneu sichtbar. — Nach Mobius, Foram. v. Maur., I, 5. Fig. 35. Reophax scorpiurus, Montfobt. a. Individuum, welches auf sandigem Bodcn gelebt hat, b. Solches vou Globigerinenschlamm, c. „ „ Spongiensediment, d. „ ,, Kalkdetritus von tropischen Korallcnriflfen. — 5[ach Bkady, Chall.-Bep., XXX, 12, 13, 14, 16. Fig. 36. Technitella legumen, Noeman. a. Das Gehause besteht aus Spongiennadeln, b. die Schicht der Spongiennadelu ist auBen mit einer Sand- kruste iiberzogen. — Nach Bradr, Chall.-Rep., XXV, 8 u. 11. Fig. 37. Ammodiscus incertus, d' Orb. — Nach Bkady, Chall.- Rep., XXXVIII, 3. Fig. 38. Cyclammina cancellata, Beadi, Im Durchschnitt. — Nach Beady, Chall.-Rep., XXXVII, 12. Fig. 39. Hyperammina friabilis, Beady. Anfangsteil des Ge- hauses, im Durchschnitt. — Nach Beadx, Chall.-Rep., XXIII, 5. Fig. 40. Ein Seiten - Langsschliff der Schale von Textilaria agglutinaus, d' Oeb. Kalk- nnd Sandbau kombiniert. Die Ausklei- dungen der Chitinlamelle sind rot gezeichnet. Fig. 40 a. Ein Stiick der Wand bei starkerer VergroBerung. — Nach Mobius, Foram., v. Maur., IX, 6 u. 8. Fig. 41. Truncatulina lobatula, Walkee et Jacob. Die festge- wachsene Kalkschale ist von einem Sandhaufen inkrustiert. Der Sand ist oben wegprapariert, um die Kalkschale sichtbar zu machen. Fig. 41a. Die Schale im natiirlichen Zustande, vom Sand voUig bedeckt. — Nach Beady, Chall.-Rep., CXV, 5 u. 4. Figur 42 — 56. Die Ce ntr alkap s el der Radiolarien. Fig. 42. Actissa princeps, Hkl. — Nach Haeckel, Challenger- Report (Zoology, vol. XVIII, Radiolaria), 1, 1. Fig. 43. Collozoum amoeboides, Hkl. — Nach Haeckel, Chall.- Rep., 3, 4. Fig. 44. Collozoum inerme, Hkl. Stiick einer jungen Kolonie. — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 3, 12. Tafel XVIII. Fig. 45. Cladococcus abietinus, Hkl. Die Centralkapsel durch- wachst die Kugelschale. — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 27, 3. Fig. 46. Actinomma asteracanthion. Der Kern hat die erste, die Centralkapsel die beiden ersten Schalen uberwachsen. — Nach Heetwig, Organismus der Radiolarien, IV, 4. Fig. 47. Ein Stiick der Centralkapsel von Thalassicolla mela- capsa, Hkl. — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 1, 5 b. Fig. 48. Centralkapsel einer Acantharie (Phatnaspis haliommi- dium, Hkl.) — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 136, 7. Fig. 49. Centralkapsel einer Nassellarie (Tridictyopus elegans). — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., VII, 3 b. 456 Dr. Friedrich Dreyer, Fig. 50. Tetraspyris tetracorethra, Hkl. Die Centralkapsel ist in 4 groBen Bruchsacken zu dein Gitterkopfchen herausgewachsen. — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 53, 19. Fig. 51. Centralkapsel einer Phaodarie (Auloceros elegans, Hkl.). — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 102, 1. Fig. 52. Centralkapsel einer Phaodarie, bei welcher sich die innere Kapselmembran von der auSeren (durch Osmiumkarminbehaud- lung und Schiitteln) abgehoben hat. — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., X, 1. Fig. 53. Orale Partie der Centralkapsel einer Aulacautba scolymantha im lebenden Zustande. — Nach Heetwig , Organ, d. Ead., X, 10. Fig. 54. Orale Partie der Centralkapsel von Haeckeliana por- cellana, John Mueeay, von oben gesehen. — Nach Haeckel, Chall.- Rep., 114, 13. Fig. 55. Eine Nebenoffnung der Phaodariencentralkapsel. — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., X, 6. Fig. 56. Eine in Teilung begriffene Centralkapsel von Aulo- sphaera elegantissima. Die beiden Kapselmembranen durch Osmium- karminbehandlung voneinander abgehoben. — Nach Heetwig, Organ. d. Rad., X, 2. Pigur 57—67. Der Geriistbildungstypus der Achsengeriiste. Fig. 57 a — g. Reizerscheinungsreihe eines Pseudopodiums einer Difflugia. Wahrend der Retraktion findet eine Differenzierung von ausgepreBter AuSenmasse und eiuem Achsenstrang statt. — Nach Veewoen, Psycho-physiol. Prot.-Stud., Ill, 10 a — ^g. Fig. 58. Ein Ausschnitt aus dem Korper eines Actinosphaerium Eichhorni im optischen Durchschnitt. — Nach Heet^vig u. Lessee, aus BtJTscHLi, Protozoa, XV, 1 b. Tafel XIX. Fig. 59. Actinophrys sol im optischen Durchschnitt. — Nach Gkenacheb, aus Butschli, Protozoa, XIV, 7 a. Fig. 60. Acanthometra elastica im lebenden Zustand. — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., I, 2. Fig. 61. Ein Sektor aus dem Korper einer Acanthometra elastica im optischen Durchschnitt Die Muskelfibrillen des einen Stachels ausgestreckt, die anderen nach krampfhafter Kontraktion von ihrem punctum fixum abgerissen. — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., I, 2 a. Fig. 62. Xiphacantha serrata als Typus des Korperbaues einer Acanthometre. Die obere Partie der Figur giebt das Bild des Ober- flachenanblicks wieder: das System der von den Stachelscheiden herablaufeuden Stiitzfaden, das oberflachliche polygonale Sarkodenetz und die zwischeu den Stacheln angeordneten Pseudopodien ; die un- tere Partie zeigt das Bild des optischen Durchschnitts : die im Calymma zwischen Centralkapsel und auBerer Oberflache ausgespannte Sarkode. Die Muskelfibrillen der Stacheln sind toils ausgestreckt, teils kontrahiert. — Nach Heetwig, Organ, d. Rad., II, 4. t)ie Goriistbildxing bei tlhizopoclen, Spongien etc. 4;')'? Fig. 63. Ein isolicrter Stachel von I Acauthometra cuspidata, Hkl. (^ Nach Haeckel, aus Bt)TSCHLi, Fig. 64. Eiu isolierter Stachel von [ Protozoa, XXVII, 6 u. 9. Xiphacantha serrata, Hkl. f Fig. 65. Centrale Partie zweier Stacheln aus dem Geriist einer Octopelta soutella, Hkl. — Nach Haeckel, Chall.-Rep., 133, b. Fig. 60. Das Geriist von Pautopelta icosaspis Hkl. im Durch- scliuitt. — Nao.h Haeckkl, Chall.-Rep., 133, 4. Fig. 67. Ein Stachel aus dem Geriist einer Echinaspis echinoides, Hkl. — Nach Haeckel, Chall.-Eep., 137, 8. Tafel XX. Pigur 68—228. Der Vierstrahlertypus. Figur 68 — 147. Morphologie der VierstrahlergerUste. Figur 68 — 85. Die Geriistbildung der Spongien. Figur 68 — 74 Kalkspicula, Figur 75 — 81 Kieselspicula, Figur 82 u. 83 Hornspicula. Fig. 68. Yierstrahliges Spiculum von Leucaltis floridiana, Hkl. — Nach Haeckel, aus Vosmaek, Spongien (Beonn's Klassen und Oid- nungin des Tierreichs, Bd. II), XII, 17. Fig. 69. Spiculum von Ascaltis cerebrum, Hkl. — Nach Haeckel, aus Vosmaee, Spongien, XII, 13. Fig. 70. Spiculum von Ascortis lacunosa, Hkl. — Nach Haeckel, aus VosMAEE, Spougien, XII, 8. F)g. 71. Spiculum vou Syculmis synapta, Hkl. — Nach Haeckel, aus VosMAEE, Spongien, XII, 19. Fig. 72. Spiculum von Ascetla primordialis, Hkl. — Nach Haeckel, aus Vosmaer, Spongien, XII, 1. Fig. 73. Spiculum vou Ascetta vesicula, Hkl. — Nach Haeckel, aus Yosmaee, Spongien, XII, 6. Fig. 74. Spiculum von Leucetta trigona, Hkl. — Nach Haeckel, aus VosMAEE, Spongien, XII, 10. Fig. 75. Spiculum von Stelletta discophora, 0. S. — Nach 0. Schmidt, aus Vosmaee, Spongien, XIX, 7. Fig. 76. Spiculum von Thenea muricata, Geay. — Nach Bower- bank, aus VosMAEE, Spongien, XIX, 27. Fig. 77. Spiculum von Geodia Barretti, Bwbk, — Nach Vosmaee, aus Vosmaee, Spongien, XIX, 10. Fig. 78. Spiculum von Geodia perarmatus, Bwbk. — Nach Bower- bank, aus Vosmaee, Spongien, XIX, 26. Fig. 79. Spiculum von Discodermia polydiscus, Boc. — Aus Vosmaee, Spongien, XIX, 28. Fig. 80. Spiculum von lerea Quenstedti, Zitt. — Aus Vosmaee, Spongien, XIX, 29. Fig. 81. Spicula von Placortis simplex, F. E. S. — Nach ScHULZE, aus Vosmaee, Spongien, XIX, 11 — 15, 18. Fig. 82. 1 Hornspicula von Darwinella aurea, Fritz Mijller. — Fig. 83. J Nach Mullee, aus Vosmaee, Spongien, XIV, 2 c u. 3. Bd, XXVI. N. F, XIX. 3Q 458 i)r. Friedrich Dreyer, Fig. 84. Geriistpartie aus einer Pachychalina caulifera, Vosm. -— Nach VosMAEB, aus Vosmaee, Spongien, XX, 1. Fig. 85. Geriistpartie aus einer Eurete simplicissima Sempke. — Nach Makshall, aus Vosmaee, Spongien, XVIII, 3. Figur 86 — 92. Die Geriistbildung der Echinodermen. Alle Figuren nach Semon , Beitrage zur Naturgeschichte der Syuaptiden des Mittelmeers, in Mitteilg. aus d. zool. Stat, zu Neapel, YII. Bd., 2. Heft, Taf. 9 u. 10. Fig. 86. Erste Entwickelung eines Skelettelementes (bei einer Seeigellarve). a Urbildungszelle eines Spiculum mit erster Kalkkon- kretion , b u. c die Konkretion wachst zu einem Tetraeder heran, d das Tetraeder, zum Dreistrahler auswachsend, ist aus seiner Bildungs- zelle herausgetreten und iiegt nun zwischen den benachbarten Meseu- chymzellen, e das fertig ausgebildete dreistrahlige Spiculum, c' Stadium von c bei starkerer VergroBerung, zeigt deutlich ein Tetraeder mit eingebauchten Flachen, d' Stadium von d bei starkerer VergroBerung, Auswachsen des Tetraeders zum Dreistrahler. Fig. 87. Anlage der Stacheln der Ophiuride des Pluteus para- doxus. Bei c ist der Stachelaufsatz weggelassen. Fig. 88. Basales Eadchen des Stachels von Asterina gibbosa. Stachelaufsatz weggelassen. Fig. 89. Basales Eadchen des Stachels von Arbacia pustulosa. Stachelaufsatz weggelassen. Fig. 90. Radchen von Chirodota venusta. Fig. 91. Eadchen der Auricularia von Synapta digitata. Fig. 92. Entwickelung von Anker und Platte bei Synapta inhaerens. Figur 93 — 147. Die Geriistbildung der Polycystinen. Fig. 93. Individuum von Sphaerozoum geminatum, Hkl. — Nach Haeckel, Challenger-Eeport, 4, 4. Fig. 94. Sektor aus dem Korper eines Lampoxanthium pandora, Hkl. — Chall.-Eep., 2, 1. Fig. 95. Sektor aus dem Korper eines Thalassoxanthium cervi- corne, Hkl. ; a ein einzelnes Spiculum. — Chall.-Eep. 2, 3 u. 4. Fig. 96. Spicula aus einer Kolonie von Sphaerozoum acuferum. In der Kolonie befindet sich ein besonders groBer Vierstrahler. — Nach Beandt, Spharozoeen des Golfes von Neapel, 7, 2. Fig. 97. Spicula aus einer anderen Kolonie von Sphaerozoum acuferum. In derselben finden sich ganz vereinzelt groBe bedornte Yierstrahler. — Nach Beandt, Spharozoeen, 7, 8. Taf el XXI. Fig. 98. Ein Spiculum von Thalassosphaera bifurca, Hkl. — Nach Haeckel, aus Butsohli, Protozoa, XVIII, 4. Fig. 99, Plagoniscus tripodiscus, Hkl. — Chall.-Eep., 91, 4. Fig. 100. Triplagia pimordialis, Hkl. — „ „ 91, 2. Fig. 101. Plagonium sphaerozoum, Hkl. — „ „ 91, 6. Die Geriislbildiing boi Rhizopoden, Spongien etc. 459 Astrosphaera stellata, Hkl. — Hexalonche octocolpa, Hkl. — Stylostaurus caudatus, Hkl. — Cenosphaera coronata, Hkl. — Solenosphaera ascensionis, Hkl. — Staurocaryura arborescens, Hkl. — Hexacontium axotrias, Hkl. — Cromyomma circumtextura, Hkl. - Triplecta triactis, Hkl. — Oraler Pol (Porochora) der Centr Hekiw. — Nach Hertwig, Organ. Plagiocarpa procortina, Hkl. — Cortina typus, Hkl. — Cortiniscus tripodiscus, Hkl. — Podocoronis cortiniscus, Hkl, — Cortiniscus typicus, Hkl, — Cortina tripus, Hkl. — Archicircus primordialis, Hkl. — Cortiniscus dipylaris, Hkl, — Dendrocircus stalactites, Hkl, — Lithocircus crambessa, Hkl. — Tafel XXII. Cortina cervina, Hkl, — ChalL- Dendrocircus arborescens, Hkl. — Lithocircus tarandus, Hkl. — Toxarium thorax, Hkl. — Perispyris lentellipsi.-^, Hkl. — Sphaerospyris globosa, Hkl. — Trissocyclus aphaeridium, Hkl. — Sethophormis rotula, Hkl. — Peridium spinipes, Hkl, — Tripocyrtis plagoniscus, Hkl. — Androspyris anthropiscus, Hkl, — Lamprospyris Darwinii, Hkl. — Tripospyris cortiniscus, Hkl. — Acrospyris clathrocanium, Hkl. — Dictyophimus Hertwigii, Hkl. — Podocyrtis cristata, Hkl, — Stichophormis cornutella, Hkl. — Theoconus Jovis, Hkl. — Tafel XXIII. Theopera cortina, Hkl. — Chall.-Rep., 67, 8, a. Tripilidium costatura, Hkl. — Chall.-Rep,, 98, 8. b. Schale und Weichkorper derselben Form im opti- schen Querschnitt. — Chall.-Rep., 98, 8 a. Fig. 141 c. Dreiatrahlerseptum zwischen dem Rudiment des Kopfchens und dem Hauptschalenraum. — Chall.-Rep., 98, 8 b. Fig. 102. Fig. 103, Fig. 104, Fig. 105. Fig. 106, Fig. 107. Fig. 108. Fig. 109. Fig. 110. Fig, 111. (lium inerme, Fig, 112. Fig. 113. Fig- 114. Fig. 115, Fig. 116, Fig. 117. Fig. 118, Fig. 119. Fig. 120. Fig. 121, Fig. 122, Fig. 123. Fig. 124, Fig. 125. Fig. 126. Fig. 127. Fig. 128. Fig. 129. Fig. 130. Fig. 131. Fig. 132. Fig. 133. Fig. 134. Fig. 135. Fig. 136. Fig. 137. Fig. 138, Fig. 139. Fig. 140. Fig. 141 Fig. 141 Chall, -Rep., 19, 5, »> 22, 0, )> 13, 7. >> 26, 11 ~ » 7, 9. jt 15, 8. M 24, 3. )) 30, 4, >> 91, 7. alkapsel von Cysti- d, Rad., VII, 1 h. Chall. -Rep., 91, 5, i» M 97, 1. }> )» 92, 11 >> >l 97, 2, ?i >1 92, 12 )> }} 83, 9, >> »' 81, 1. >• >) 92, 13 >j )) 81, 14 )t >I 81, 6. -Rep., 92, 21. Chall ,-Pep, ,81, 10 >i i) 92, 19 )> ft 93, 18 »> I? 88, 12 ft )j 83, 4. >' »> 93, 12 >> }> 57, 9, » tt 53, 9, >> >f 60, 10 r >» 83, 8, M >> 89, 13 )> V 84, 6. >) >J 95, 17. >> >> 60, 3. )> >» 72, 7. >f M 75, 9. >) )» 69, 4. 460 Dr. Friedrich Dreyef, Fig. 142. Archicorys ovata, Hkl. — Chall.-Rep., 51, 10. Fig. 143. Archiscenium quadrispinum, Hkl. — Chall.-Rep., 53, 11. Fig. 144. Sethopilium orthopus, Hkl., Basalansicht. — Chall.- Rep., 97, 8. Fig. 145. Basalansicht von Tetraspyris stephanium, Hkl. — Chall.-Rep., 95, 6. Fig. 146. Clathrocyclas Europae, Hkl., Apikalansicht der Schale nach Entfernung des Kopfcheus. — Chall.-Rep., 59, 1 1. Fig. 147 a. Calpophaena hexarrhabda, Hkl. — Chall.-Rep., 53, 17. Fig. 147 b. BasalverschliiB derselben Form. — „ „ 53,18. Figur 148 — 228. Atiologie des Vierst rahlerty pus. Fig. 148 a u. b. Schematische Darstellung der zweckmaBigen Einlagerungsweise der dreistrahligen Spicula zwischen den Poren in der Korperwand der Kalkschwamme nach F. E. Schulze, „Zur Stammesgeschichte der Hexactinelliden" (Abhandlungen der Berliner Akademie, 1887), S. 31, Fig. 1 u. 2. Tafel XXIV. Fig. 149 — 157. Eine Reihe von verschiedenartigen Komplexen von Seifenblasen, nach der Natur entworfen. Dieselben sitzen der Oberfiache der Seifenlosung auf mit Ausnahme von Figur 150, welche einen Komplex von drei gleich groBen Blasen frei in der Luft schwe- bend darstellt. In die Kanten der Blasengeriiste sind verschiedene Spiculumformen rot eingezeichnet. Fig. 158. Modus der Verteilung und Anlagerung iiberschiissigen Wandmateriales in den Zwischenwanden, demonstriert an einem Figur 150 entsprechenden Vierblasenkomplex. Aus dem gegenseitigen Ab- rundungsbestreben der aneinander grenzenden Blasen ergiebt sich eine Begiinstigung in erster Linie der Ecken, in zweiter Linie der Kan- ten der Blasenraume durch die Materialanlagerung. Es entsteht hier- durch bei Zunahme des Wandmateriales urn den Radiationspunkt des durch die Kanten gebildeten Vierstrahlers ein Tetraeder mit ein- gebauchten Flachen, der bei eventuellem weiteren MaterialzufluB zu einem Vierstrahler mit dreikantigen Armen auswachst. • Fig. 159. Darstellung der Bildungsmechanik verschiedener Ge- riistformen in einer oberflachlichen Blasen- resp. Vakuolenschicht. a. Bildung eines der Schale von Hexacromyum elegans (Fig. 205) entsprechenden Geriistwerkes, b. Ankerbildung, c. Tetraederbildung, d. polygonales Maschenwerk ohne und e. mit Radialstacheln f. ausgerundete polygonale Maschen ohne und g. mit Radialstacheln, Fig. 160. Schaum einer in einer Flasche geschiittelten dunkel gefarbten Flussigkeit. Die das Blasengeriist bildende Fliissigkeit ist 80 reichlich, daB sich die Blasen gegenseitig abrunden konnen. Die Geriistbildung bei Rhizopodeu, Spongien etc. 461 Fig. 161. Komplex von vier groBen und einer in dor Mitte eingeschlosseuen kleinen Blase, dessen Zwischenwandsystem den Bau- plan von auf den beiden folgenden Figuren dar2;estellten Radiolarien- Bchalen vorschreibt. Das Zwischenwandsystem ist rot ausgefiihrt. Fig. 162. Callimitra Agnesae, Hkl. — Chall.-Rep., 63, 5. Fig. 163. Archiscenium cyclopterum, Hkl. — Chall.-Rep., 98, 3. Fig. 164 a — e. PoUentetraden aus ein und derselbeu Anthere von Neottia nidus avis. — Nach Gobel, Zur Embryologie der Archegoniaten (Arbeiten des Wtirzburger botan. Institutes, Bd. 11, S. 441, Fig. 1 a, b, c, d, f). Fig. 165. Embryo von Nicotiana. — Nach Hanstkin , aus Sachs, Uber die Anordnung der Zellen in jungsten Pflanzenteilen (Arbeiten des Wiirzburger botan. Institutes, Bd. II, S. 73, Fig. 6 D). Fig. 166. Markzellengewebe aus dem Zweige eines Laubholzes. — Nach V. Kernee, Pflanzenleben, S. 437, Fig. 13. Fig. 167. Scheitel eines Embryo von Archidium phascoides. — Nach Kienitz-Geeloff, aus Beethold, Protoplasmamechanik, V, 14 b. Tafel XXV. Fig. 168 a. Interfascikulares Zellgewebe aus dem hypocotylen Gliede einer Keimpflanze von Ricinus communis vor der Keimung, b. nach der Keimung. c. Interfascikulares Gewebe aus einem Internodium von Cle- matis montana. Nach Detlefsen, tJber Dickenwachstum cylindrischer Organe (Arbeiten des "Wiirzburger botan. Institutes, Bd. II, Taf. II, Fig. 1, 2, 4). Fig. 169 a — c. Zellkammern. In den Zwischenwanden der Kam- merraume bei Figur a und b Intercellulargange, bei Figur c Inter- cellularsubstanz. — Nach v. Keener, Pflanzenleben, S. 25, Fig. 1 — 3. Fig. 170. Epithelgewebe. Epidermis eines zweimonatlichen menschlichen Embryo. — N ach Kollikeb, Gewebelehre, S. 88, Fig. 48. Fig. 171. Chordagewebe von Myxine glutinosa, Querschnitt. — Fig. 172. Fettgewebe. — Nach Claus, Lehrb. d. Zoolog., S. 30, Fig. 33. Fig. 173. Knorpelknochen. — Nach Claus, Lehrb. d. Zoolog., S. 31, Fig. 35 a. Fig. 174 a. Jiingeres, b. alteres blasiges Bindegewebe eines Plathelmintben. — Nach Lang, Vergl. Anatomie, S. 41, Fig. 37 A u. B. Fig. 175 a — c. Blasenzellen einer Spongie (Polymastia hemi- sphaerica). Fig. 175 d. „Sternformige Bindegewebszellen mit Auslaufern" von einer Spongie (Velinea gracilis). — Nach Vosmaee, aus Vosmaer, Spongien, XXII, 4 c, b, a u. 3. Fig. 176. Gallertgewebe von Rhizostoma. — Aus Claus, Lehrb. d. Zoolog., S. 29, Fig. 30. Fig. 177. Querschnitt durch eine Korperpartie einer Spongie (Deudrilla aerophoba). — Nach v. Lendenfeld, aus Vosmaeb, Spon- gien, XXIV, 1. 462 Dr. friedrich Dreyer, Fig. 178. Partie aus dem Skelett eines Seeigels, als Beispiel fiir die spongios netzformige Struktur der Echinodermenskelette. — Aus Hatschek, Lehrb. d. Zoolog., S. 142, Pig. 151 D. Fig. 179 a. Schema eines lebenden farb- ^ TVT t, tt ■»«■• ° , Til ii •• Nach Heitzmann, Mi- losen Blutkorpers. , , . , nr u , o , . *^ ^ , , > kroskopische Morpho- b. Scnema eines von Vakuolen j , ^. ^ „- ^.^ ^ '^ „ durchsetzten Blutkorpers. j » ' * > »• Fig. 180. Collozoum inerme. Kolonie mit drei Centralkapseln. — Nach E. Hebxwig, Org. d. Rad., Ill, 12. Fig. 181. Kolonie von Myxosphaera coerulea. — Nach Beanpt, Koloniebildende Radiolarien des Golfes von Neapel, I, 8. Fig. 182. Plasmapartie aus dem Korper eines Acanthochiasma rubescens (mit einem das Plasma durchsetzenden Acanthinstachel). — Nach Brandt , Koloniebildende Radiolarien des Golfes von Neapel, III, 2. „. ,oo r» u-j • • T? "> Nach BtJTscHLi, Bau Fig. 183. Ophidomonas jenensis , Ehb. 1 Rakterien Fie Fig. 184. Chromatium Okenii, Ehb. sp. | ^®' i^akterien, J^ig. ° ' *^ ^ 2 a u. 1 b. Fig. 185. „Ileticulum plasmatique" des Kernes der Hodenzelle der Assel. — Nach CARNor, Biologic cellulaire, S. 244, Fig. 108. Fig. 186. Drei Individuen aus einer Kolonie von Sphaerozoum punctatum. „Les epines se ferment par le depot de la silice dans les bras pseudopodiques dont elles conservent la forme" i). — Nach Caenoy, Biologie cellulaire, S. 269, Fig. 141. Tafel XXVI. Fig. 187. Partie aus der Schale von Gazelletta dendronema, Hkl. (Phaodarie, Medusettide). — Chall.-Rep., 120, 16. Fig. 188. Kieselgewebe des Skelettes von Myelastrum dodecacero.s, Hkl. (diskoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 47, 11a, Fig. 189. Ein Stiick der inneren Schale von Coeloplegma mur- rayanum, Hkl. (Phaodarie, Colographide). — Chall.-Rep., 127, 8. Fig. 190. Ein Teil des ganzen Skeletts derselben Form. — Chall.-Rep., 127, 2. Fig. 191. Ein Stiick der Schale von Castanidium Moseleyi, Hkl. (Phaodarie, Castanellide). — Chall.-Rep., 113, 2. Fig. 192. Ein Stiick der Schale von Castanella Wyvillei, Hkl. (Phaodarie, Castanellide). — Chall.-Rep., 113, 6. Fig, 193. Ein Stiick der Schale von Aulonia hexagonia, Hkl. (Phaodarie, Aulospharide). — Chall.-Rep., Ill, 1. Fig. 194. Ein Stiick der Schale von Aulastrum triceroa, Hkl. (Phaodarie, Aulospharide). — Chall -Rep., Ill, 3. Fig. 195. Schalenbau von Ellipsoxiphus atractus, Hkl. (spha- roide Spumellarie) 2). — Chall.-Rep., 14, 1. 1) Von mir durch gesperrten Druck hervorgehoben. In Bezug auf „bra8 pseudopodiques" gilt das auf S. 362 — 364 gesagte. 2) Haeckel stellt diese Form zu seinen Prunoideen, wir bezeich- nen sie als sphiiroide Spumellarie j in demselben Gegeusatz zu Die Geriistbilduug bei Rhizopotleu, Spongiou etc. 463 Fig. 19ti. Schalenbau von Tripterocalpis ogmoptera, Hkl. (cyr- toide Nassellarie). — Chall.-Kep., 51, 4. Fig. 197. Schalenbau von Xiphostylus cdolius, Hkl. (aphiiroide Spumellarie). — Chall.-Rep., 13, 5. Fig. 198. Schalenbau von Lithapium monooyrtis, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 14, 10. Fig. 199. Schalenbau von Haliomma liriauthus, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 28, lb. — In eine Pore sind die Zwischen- wande der ihrer Bildung zu Gruude liegenden Blasengruppe punktiert eingetragen. Fig. 200. Schalenbau von Druppatractus ostracion, Hkl. (spha- roide Spumellarie). — Chall.-Rep., 16, 8. Fig. 201. Schalenbau von Clathrocyclas Latonae, Hkl. (cyrtoide Nassellarie). — Chall.-Rep., 59, 7. Fig. 202. Schalenbau von Archipera cortiniscus, Hkl. (cyrtoide Nassellarie). — Chall.-Rep., 98, 5. Fig. 203. Gitterplatte eines Stachels von Icosaspis elegans, Hkl. (Acantharie). — Chall.-Rep,, 134, 9. Fig. 204. Geriist von Cannosphaera antarctica, Hkl. (Phaodarie, Cannospharide). — Chall.-Rep., 112, 1. Fig. 205. Schale von Hexacromyum elegans, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 24, 9. Fig. 206. Schale von Haliomma circumtextum, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 28, 7. Fig. 207. Distales Ende eines Radial stachels von Aulographis triglochin Hkl. (Phaodarie, Aulacanthide). — Chall.-Rep., 103, 17. Fig. 208. Distales Ende eines Radialstaches von Aulographis bovicornis, Hkl. (Phaodarie, Aulacanthide). — Chall.-Rep., 103, 14. Haeckel befinden wir uns an verschiedenen anderen Stellen (z. B. bei Fig. 197, 198, 200). Diese und ahnliche Formen schlieBen sich zu un- mittelbar an Formen mit kugelrunder Schale an, und die Langs- Btreckung der Schale steht bei ihnen als sekundare Modifikation in zu augenscheinlicher Beziehung zu den polaren Stachelanhangen, als daB man diese Formen ohne groBen Zwang von den rein kugeligen trennen konnte, eine Unterscheidung, welche nur bei Formen mit starker ausgepragtem monaxonen Baue angebracht erscheint. AuBer- dem brauchen wir statt der Substantivbezeichnungen vieler von Haeckel aufgestellten Unterabteilungen, besonders der der Spumellarien und Nassellarien, wie Beloideen, Spharoideen, Discoideen, Prunoideen, Stephoideen, Cyrtoideen etc., einfach der betreffenden Hauptabteilung beigefiigte Adjektiva, wie beloid, spharoid, diskoid, prunoid, stephoid, cyrtoid etc. Die Grtinde, welche uns zu diesem unseren Verhalten \'eranla88en, besonders auseinanderzusetzen, sehen wir uns an diesem Orte nicht veranlaBt; sie ergeben sich iibrigens zum Toil schon von selbst aus unserer Geriislbildungsmechanik, mit der sich eine hohe Wertschatzung der morphologischen Befunde an den Skeletten fiir eine strenge, formal-systematische Einteilung nicht vertragt. 464 Dr. Friedrich Dreyer, Eig. 209. Skelett von Dictyocha stapedia, Hkl. (Mastigophore, nach A. Boegebt). — Chall.-Rep., 101, 11. Fig. 210. Ein Anker von dem Skelett von Coeloplegma Murray- anum, Hkl. (Phaodarie, Colographide). — Chall.-Rep., 127, 11. Fig. 211. Ein Stiick der Schalenoberflache von Octodendron spathillatum, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 18, 2. Fig. 212. Ein Stiick der Schalenoberflache von Coelodrymus ancoratus, Hkl. (Phaodarie, Cdlodendride). — Chall-Rep., 121, 10. Fig. 213. Ein Tangentialstachel von Cannorrhaphis spathillata, Hkl. (Phaodarie, Cannorrhaphide). — Chall.-Rep., 101, 5. Fig. 214. Schale von Ceriaspis inermis, Hkl. (Acantharie). — Chall.-Rep., 138, 5. Fig. 215. Schalenbau von Globigerina bulloides, d'Obb. (Thala- mophore). — Nach Beady, Chall.-Rep., 77. Fig. 216. Schalenbau von Haeckeliana goetheana, Hkl. (Phao- darie, Circoporide). — Chall.-Rep., 114, 3. Fig. 217. Circospathis furcata, Hkl. (Phaodarie, Circoporide). — Chall.-Rep., 115, 4. Fig. 218. Schalenbau derselben Form bei starkerer VergroBe- rung. — Chall.-Rep. 115, 6. Fig. 219. Distales Ende eines Radialstachels von Cromyatractus cepicius, Hkl. (spharoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 15, 3. Fig. 220. Distales Ende eines Radialstachels von Oroscena Cuvieri, Hkl. (Phaodarie, Orospharide). — Chall.-Rep., 107, 6. Fig. 221. Stiick eines Geriistbalkens von Orona crassissima, Hkl. (Phaodarie, Orospharide). — Chall.-Rep., 107, 7. Fig. 222. Schale von Entosolenia aspera, Reuss. (Thalamophore). Fig. 222 a. Einige Tetraoder der Schale bei starkerer Ver- groBerung. — Nach Mobius, Foraminifera von Mauritius, VIII, 11 und 12. Fig. 223 a. Stiick der Schale eiuer Challengeride (Phaodarie). — Chall.-Rep., 99, 2. Fig. 223 b. Schalenbau einer Challengeride bei starkerer Ver- groBerung im optischen Flachenschnitt. — Chall.-Rep., 99, 14 a. Fig. 223 c. Schalenbau einer Challengeride bei starkerer Ver- groBerung im optischen Querschnitt. — Chall.-Rep., 99, 4 a. Tafel XXVII. Fig. 224. Orale Partie der Schale von Cycladophora pantheon* Hkl. (cyrtoide Nassellarie). — Chall.-Rep., 68, 3. Fig. 225. Bau der Schale von Astrocyclia solaster, Hkl. (diskoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 36, 7. Fig. 226. Geriistbau von Drymosphaera dendrophora, Hkl. (spha- roide Spumellarie). — Chall.-Rep., 20, 1. Fig. 227. Teil der Schale von Heliodrymus viminalis, Hkl. (diskoide Spumellarie). — Chall.-Rep., 35, 5. Fig. 228. Orale Partie des Skeletts von Lithocircus magnificus, Hkl. (stephoide Nassellarie). — Chall.-Rep., 81, 16. Die Geriistbildung bei Ehizopoden, Spongien etc. 465 Figur 229—243. Die Mosaikschalen. Fig. 229. Ciuadrula symmetrica, Wallich sp. — Nach F. K. ScHULzi:, aus Butschli, Protozoa, II, 12. Fig, 2150. Schalenbau der Kuglypha alveolata nach Schewiakoff, autf Gbuheb, tJber deu Wert der Spezialisierung fur die Erlorschung und AuH'assuiig der Natur (Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B., IV. Bd., 4. Heft, 1889), Fig. 1—3. a. Euglypha alveolata im ausgebildeten Zustand. In der ans einem Mosaik aneinandergefugter Pliittchen bestehenden ovalen Schale beiindet sich der Weichkorper des Ehizo- poden. Derselbe zeigt in seiner vorderen , oralen Partie deutlich alveoliiren, blasigen Ban; im Grunde der Schale liegt der groBe Zellkeru umlagert von den Reserveplattchen. b. Eiu Individuum in den Anfangsstadien der Teilung. Ein Teil des Sarkodekorpers quillt aus der Miindungsoffnung der Schale hervor, gefolgt von den Keserveschalenplattchen, die sich an der Oberflache gleichmaBig verteilen. c. Eiu Individuum kurz vor der Teilung. Der hervorgequollene Protoplasmakorper hat gleiche Gestalt und GroBe wie der Mutterorganismus angenommen, und die Reserveplattchen haben sich um ihu zu einer neuen Schale zusammengefiigt. An der Vollendung des Teilungsprozesses fehlt nur noch die Ausgleichung der Protoplasmakorper beider Individuen und die Teilung des Kernes, welche bereits eingeleitet ist; die Kernspindel ist gebildet. Fig. 231. Lecqueureusia (Difflugia) spiralis, Lecl. — Nach Wallich, aus Butschli, Protozoa, III, 9. Fig. 232, Carterina spiculotesta, Caeter, sp, — Nach Bkady, Chall.-Rep., 41, 7 a, Fig. 232 a. Bau der Schale bei starkerer VergroSerung. — Nach Bkadt, Chall,-Rep., 41, 9, Fig. 233. Pinacocystis rubicunda, H. u. L. — Nach Heetwig und Lessee, aus Butschli, Protozoa, XVI, 4. Fig. 234. Pinaciophora fluviatilis Geeeff. a. Die Kieselplattchen in ihrer natiirlichen Zusammenlagerung am Rande der Schale. b. Oberflachenansicht einiger Plattchen in ihrer natiirlichen Zu- sammenlagerun g. c. Isoliertes Plattchen im optischen Querschnitt. Nach Geeeff, aus BtJTSCHLi, Protozoa, XVI, 5 a — c. Fig. 235. Schale von Sphaerocapsa cruciata, Hkl. — Chall.- Rep., 135, 6. Fig. 236, Schale von Cenocapsa nirvana, Hkl. — Chall.-Rep., 133, 11. Fig, 237. Ein Stiick der Schale derselben Form bei starkerer Ver- groBerung. — Chall.-Rep,, 133, 11a, Fig. 238. Ein Stiick der Schalenoberflache von Sphaerocapsa quadrata, Hkl. — Chall.-Rep., 135, 8. 466 Br. Friedrich Dreyer, Fig. 239, Ein Stiick der Schale voa Sphaerocapsa pavimentata, Hkl. mit einem hindurchtretenden Eadialstachel. — Chall.-E-ep., 135, 10. Fig. 240. Lagena seminuda, Beady. — Bbady, Chall.-Rep., 58, 34 a. Fig. 241. Lagena squamoso-marginata, Parkee und Jones. — Chall.-Rep., 60, 24. Fig. 242. Lagena hexagona, Williamson. — Chall.-Rep., 58, 32. Fig. 243 a. Randpartie des Sarkodekorpers einer Pelomyxa palustris, Greeff, zahlreiche Stabchen enthaltend. Fig. 243 b. Ein von Stabchen umhiillter Glanzkorper der Pelo- ruyxa. — Nach Geeeff, aus EGtschli, Protozoa, II, 6 g u. b. Tafel XXVIIL Pigur 244—281. Die aufsere Pormgestaltung der Rhizopoden- schalen. Fig. 244. Saccammina socialis, Brady. — Beady, Chall.-Rep., 18, 19. Fig, 245. Lagena longispina. Beady. — Brady, Chall.-Rep., 66, 36. Fig. 246. Tuscarora Wyvillei, Hkl. — Haeckel, Chall.-Rep., 100, 3, Fig. 247. Chitonastrum lyra, Hkl, — Haeckel, Chall.-Rep., 43, 15. Fig. 248 a u. b. Zerfall eines Fliissigkeitscylinders in Tropfen. — Nach Plateau, Statique des liquides, tome II, pag, 209. Fig. 249. Stiick eines Wurzelhaares von Trianea bogotensis in stark verdiinntem Glycerin. Der von der Membran abgehobene Plasma- korper segmentiert sich. — Nach Beethold, Protoplasmamechanik, Taf. I, Fig. 11. Fig. 250. Vegetative Kolonie eines Collozoum inerme. — Nach K. Brandt, Die koloniebildenden Radiolarien des Golfes von Neapel, Taf. I, Fig. 11. Fig. 251. Astrorhiza limicola, Sandahl. — Beady, Chall.-Rep., 19, 1. Fig. 252. Rhabdammina abyssorum, M. Sars. — Bkadt, Chall.- Rep., 21, 6. Fig. 253. Ein Individuum derselben Art. Durchschnitt der Schale. — Brady, Chall.-Rep., 21, 10. Fig. 254. Rhabdammina linearis. Beady. — Bbady, Chall.-Rep., 22, 2. Fig. 255. Rhabdammina discreta, Bbady. Durchschnitt der Schale. — Brady, Chall.-Rep., 22, 9. Fig. 256. Hyperammina subnodosa, Beady. Durchschnitt der Schale. — Bbady, Chall.-Rep., 23, 14. Fig. 257. Hormosina Carpenteri, Bbady. — Brady, Chall.-Rep., 39, 14. Die Geriistbilduug bei Rhizopoden, Spongien etc. 467 Fig. 258. Nodosaria costulata, Rbuss. — Beady, Chall.-Rep. 63, 26. Fig. 259. Trochammina lituiformis, Brady. — Beady, Chall.- Rep,, 40, 7. Fig, 260. Trochammina proteus, Cabeee. — Brady, Chall.- Rep., 40, 2. Fig. 261. Cornuspira involvens, Reuss. — Beadx, Chall.-Rep., 11, 1 a. Fig. 262. Cornuspira crassisepta. Beady. — Beady, Chall.- Rep., 113, 20, Fig. 263. Cornuspira foliacea, Philii'pi, ep, — Brady, Chall.- Rep., 11, 6. Fig, 264. „Monstroses Individuum" derselben Art, — Brady, Chall.-Rep,, 11, 7. Fig, 265. Ophthalmidium tumidulum, Brady, — Beady, Chall.- Rep., 12, 6. Fig. 266. Schale einer Meeresschnecke, verkleinert nach der Natur gezeichnet. Fig. 267. Amphistegina Lessonii, d' Orb, — Nach Mobics, Foraminifera von Mauritius, Taf, X, Fig. 11. Tafel XXIX, Fig. 268. Reophax eabulosa, Brady. — Beady, Chall.-Rep., 32, 6. Fig. 269. Textularia crispata, Beady. — Beady, Chall.-Rep., 113, 2 a. Fig. 270, Polymorphina rotundata, Bobnemann. — Beady, Chall.- Rep,, 73, 6. Fig. 271, Chilostomella ovoidea, Reuss. Die auSerste Schale ist vorne aufgebrochen. , — Brady, ChalL-Rep,, 55, 23, Fig. 272. Hastigerina pelagica, d* Orb, — Beady, Chall,- Rep., 83, 1. Fig. 273. Orbulina universa, d' Obb. — Beady, Chall.-Rep., 81, 14. Fig. 274. Polymorphina compressa, Extracortical incrustiertes Exemplar. — Beady, Chall,-Rep., 73, 17. Fig. 275, Trypanosphaera transfonnata , Hkl. — Haeckel, Chall.-Rep., 5, 1. Fig, 276. Planorbulina mediterranensis, d' Obb, — Beady, Chall,-Rep., 92, 1. Fig, 277. Placopsilina cenomana, d' Obb., sp. — Beady, Chall.- Rep., 36, 1. Fig. 278. Hyperammina vagans. Beady. — Beady, Chall.- Rep., 24, 2, " , Fig, 279, Entwickelungsstadien von Carpenteria a. Junges Individuum , bei dem die Kammeru noch regel- maBig in geschlossener Spirale angeordnet sind, Ansicht von oben. b. Etwas alteres Individuum , bei dem sich die Folgen der festsitzenden Lebensweise schon geltend zu macheu 468 Dr. Friedrich Dreyer, Gerlistbilduog bei Rhizopoden etc. beginnen. Der Bau wird unregelmaBig und fangt an, sich auf der Unterlage auszubreiten. Ansicht von obeu. c. Abnliches Exemplar in seitlicher Ansicht. d. Ausgewachsene Carpenteria monticularis, Cartee, von oben gesehen. Die morphologische Degeneration ist vollendet, der Schalenbau ist auf der Unterlage in seine einzelneu KarDmem auseinandergeilossen. Links unten sitzt noch ein kleines junges Individuum. — Beady, Chall.-Rep., 98, 13, 14, 16 u. 99, 1. Fig. 280. Ein Baumchen von Carpenteria Rhaphidodendron, Mob. — Nach Mobitts, Foraminifera von Mauritius, V, 6. Fig. 281. Eine groBere, rasenbildende Gruppe von Carpenteria Rhaphidodendron in natiirlicher GroBe. — Nach Mobius, Foraminifera von Mauritius, Y, 9. Ueber den Unsprung und die Entwickelung der Saugetierzahne. Von Dr. Willy Kukentlial, Inhaber der Ritter-Professur fiir Phylogenie an der Universitat Jena. Offentliche Kede, gehalten am 30. Mai 1891 in der Aula der Universitat Jena, gemafs den Bestimmungen der Paul yon RiTXER'schen StiftuDg fiir phylogenetische Zoologie. Zura fiinften Male ist der Tag herangenaht, an welchem der lahaber der Ritter-Professur fiir Phylogenie an hiesiger Hochschule in einer oflentlichen Rede die Ergebnisse eigener Untersuchuugen als Fortschritte phylogenetisclier Forschung darzulegen verpfliclitet ist, zu Ehren des Herrn Dr. Paul von Ritter, des hochherzigen Wohlthaters unser Universitat. Fiir heute habe ich als Thema eine Untersuchung iiber den Ursprung und die Entwickelung der Siiugethierzahne gewahlt, die mir den Vorteil gewahrt, einerseits von Erfahrungen ausgeben zu konnen, die ein jeder von Ihnen im Laufe seiner Entwickelung an seinem eigenen Korper hat machen konnen, und welche anderer- seits von ganz hervorragender phylogenetischer Bedeutung ist, sahen doch schon die Systematiker der alten Schule die Bezahnung als das wichtigste Merkmal eines Siiugethieres an ! Die menschliche Bezahnung ist aufzufassen als ein gewisser- raaCen historisches Produkt, dessen Entstehung sich in groLsen Ziigen durch die Reihe der Saugetiere und deren Vorfahren, die Reptilien hindurch, hinunter bis zu den Fischen verfolgen laCt. Die zahlreichen, nicht nur die Kiefer, sondern die ganze Korper- oberfliiche besetzenden Zahne der Haifische haben sich im Laufe der Weiterentwickelung mehr und mehr auf die Kiefer beschrilnkt, der Bau der einzelnen Zahne wurde aber mit der Abnahme der Zahl komplizierter, auf Grund der verschiedenen und erhohten Anforderungen, die an die einzelnen Zahngebilde gestellt wurden. 4^0 t)T. Willy Kukentiiai, In unserer Jugend, zwischen das 6. und 13. Jalir fallend, hat bei uns alien ein eigentiiraliclier ProzeB stattgefunden, den man als Zahnwechsel bezeichnet. Die 20 Zahne, welche wir bis dahin besessen batten, waren nacheinander ausgefallen und durch neue ersetzt worden, auCerdem waren aber noch neue Zahne hinten in jedem Kiefer erschienen, 3 in jeder Kieferhalfte, von denen der letzte, der sogenannte Weisheitszahn erst spat, im 17. — 30. Lebens- jahre, in vielen Fallen (in 42 Prozent bei uns, in nur 19 Prozent bei niederen Rassen) iiberhaupt nicht durchbricht. Die Serie der zuerst erscheinenden Zahne nennen wir Milch- zahne, die spater daraul folgenden, bleibende oder Ersatzzahne. Besonders ausgepragt finden wir diesen ProzeC des Zahnwechsels bei den hoheren Saugetieren, die niederen zeigen im allgemeinen entweder nur einen sehr beschrankten oder gar keinen Zahn- wechsel. Es ist daher leicht erklarlich, wie die Ansicht viele Anhanger gewinnen konnte, daC die Milchzahnserie eine neue, also sekundare Erwerbung seitens der hoheren Saugetiere sei, und daC die zweite, die permanente Serie, die urspriingliche darstelle. Von anderen Autoren wird die Ansicht verfochten, daC die Milchbezahnung die altere, die permanente die sekundar davon ab- zuleitende ist, ein anderer, Baume ^), kommt zu der Auffassung, dafi beide Dentitionen erst sekundar entstanden sind, indem die iiltesten Saugetiere, ahnlich wie die jetzigen Zahnwale und die Giirteltiere, ein reptilienartiges, aus gleichartigen Zahnen bestehen- des GebiC besessen haben, welches durch die im Laufe der Weiter- entwickelung der Saugetiere eintretende Verkiirzung der Kiefer nicht mehr in einer Reihe Platz finden konnte, so daC ein Teil verdrangt wurde und zeitlich erst spater als permanentes GebiC auftrat. Es wiirde indessen zu weit fiihren, an dieser Stelle alle Mut- mafiungen und Hypothesen, welche die Frage erklaren wollen, zu erwahnen, der erst kiirzlich gethane Auspruch einer Autoritat auf diesem Gebiete, Max Schlosser's ^), wird zur Klarstellung der Sachlage geniigen: „So viel diirfte aus diesen Ausfiihrungen her- vorgehen, daC wir zur Zeit noch nicht in der Lage sind, den Zahnwechsel der Saugetiere in befriedigender Weise zu erklaren." 1) 8. Anmerkung 1. 2) Ueber die Deutung des Milchgebisses der Saugetiere von Max ScHLOssEB. Biolog. Centralbl. 1890, S. 91. Ueber den tJrsprung u. die Enlwickelung der i'^iingotiorzahne, 471 Welin auch die uugeheure Fullo des zu bewilltigenden Stoffes meiue Uutersuchuugcn iioch niciit aniuihernd zum AbschluB hat briugeu lassen, so habe ich doch einige allgemeine Gesichtspunkte gefunden, die von denen meiner Vorgiinger erheblich abweichen, und ich glaube daher sie als eiuen bescheidenen Beitrag zur For- derung der Phylogeuie hier vortragen zu diirfen. Als eiufachster Typus der Saugetierbezahnung wird vielfach der der Z a h n w a 1 e angesehen, ich wahle ihn daher als Aus- gaugspuukt meiner Betrachtungen. Wahrend im aligemeinen bei den Saugetieren eine Differen- zieruug des Gebisses in meiCelformige Schneidezahne, spitze Eck- ziihne und breite, mit mehreren Hockern oder Falten versehene Backzahne erfolgt ist, sehen wir bei den Zahnwalen keine Ver- schiedenheit in der Form. Vordere wie hintere Zahne sind ein- fach konisch zugespitzt und sitzen in meist groCer Anzahl in jedem Kiefer, ein jeder vom andern gleichweit entfernt. Das GebiC wird dadurch dem der Reptilien sehr ahnlich, es wird als ein gleich- artiges, homodontes GebiB bezeichnet. Es giebt indessen Zahnwale, deren GebiC, wie bereits Weber sehr richtig ausgefuhrt hat, recht bedeutend von diesem homo- donten Typus abweicht, so der Narwal mit seinen als kolossale StoCzahne entwickelten oberen Eckzahnen , oder wie die Enten- wale und Verwandte, bei denen im Unterkiefer ein Zahnpaar, vermutlich ebenfalls die Eckzahne, sehr stark entwickelt sind, wahrend von den anderen Zahnen sich nur noch Rudiraente vor- finden. Hierzu vermag ich einen embryologischen Befund hinzu- zufiigen, den ich an ein em fast ausgetragenen Embryo des ge- wohnHchen Braunfisches, der Phocaena communis, machte. Von den 25 in jeder Kieferhalfte vorhandenen Zahnen sind namlich die ersten 18 durchaus gleichartig zugespitzt, die hinteren 7 da- gegen sind rundlicher und sogar bei einzelnen Zahnen mit zwei und drei deutlichen Hockern versehen. In diesem Falle ist also die Ungleichartigkeit der Bezahnung, die Heterodontie, ganz deut- lich ausgesprochen. Bei den Zahnwalen lassen sich also noch Spuren eines einstmalig ungleichartigen Gebisses auffinden. Als feststehend wird ganz allgemein die Thatsache betrachtet, daC die Zahne der Zahnwale der zweiten, also der permanenten Dentition angehoren, und dafi ein Milchgebifi nie auftritt. Die Zahnwale werden damit als monophyodonte den mit zwei Zahn- serien versehenen diphyodonten Saugern gegeniibergestellt. Diese Thatsache im Verein mit der Vielzahnigkeit des Gebisses ftihrt A1^ Dr. Willy Kukenthal, Weber zu folgender Hypothese: Durch die VergroCerung der Kiefer bei den Zahnwalen wurde so viel Platz geschaffen, dafi die zweite Dentition gleichzeitig mit der Milchbezahnung auftreten konnte. Die geringeren Anforderungen, welche an die einzelnen Zahne gestellt wurden, bewirkten eine Vereinfachung derselben, sie wurden einspitzig, so daC also beide Dentitionen gleichzeitig uebeneinander vorkommen, ohne daC man noch die einzelnen Zahne zur ersten oder zweiten Dentition rechnen kann. Ahnliche An- sichten haben vor Weber bereits Julin und Winge ausgesprochen, und auch Baume's Idee, dafi die beiden Dentitionen entstanden seien durch allmahliche Verkiirzung der ursprunglich, wie bei den Keptilien, langen Kiefer und Verdrangung eines Teiles der Zahne, die dann erst spater als zweite Dentition auftreten, schliefit sich hier an. Diese Hypothese halte ich nicht fiir richtig, ich behaupte viel- mehr, dafi das Zahnwalgebifi ein echtes Milchgebifi ist, welches nicht durch eine zweite Dentition ersetzt wird, viel- raehr persistiert. Da ich, urn MiCverstandnisse zu vermeiden, nicht von einem permanenten Milchgebisse reden will, so werde ich mich in Zukunft auf den rein morphologischen Standpunkt stellen und nur die Ausdriicke erste und zweite Dentition fiir beide Zahnreihen anwenden. Urn beide von einander sicher zu unterscheiden, bedarf es durchaus nicht des physiologischen Ge- sichtspunktes ihres verschiedenen Erscheinens. Ein untriigliches Merkmal ist ihre Entstehung. Die zweite Dentition entwickelt sich stets nach innen zu von der ersten, aber unabhangig von der- selben aus einer beiden gemeinsamen Epitheleinsenkung. Die Behauptung, dafi das Gebifi der Zahnwale der ersten Dentition angehort, laCt sich unwiderleglich durch die Thatsache beweisen, dafi die zweite Dentition ebenfalls angelegt wird, aber nur embryonal, und spater verschwindet. Die Anlagen der aus der siebartig durchlocherten Zahnleiste entspriugenden Ersatzzahne sind bedeutend kleiner als die der ersten Dentition, sie zeigen ein rudimentares Aussehen, doch kann man deutlich eine Schmelz- kappe und Andeutungen der darin befindlichen charakteristischen Schmelzpulpa unterscheiden^). Fiir die Zahnwale stellen wir also fest, dafi die erste Denti- tion zum Durchbruch gelangt und persistiert, die zweite sich zwar anlegt, aber nicht zur Entwickelung kommt. Was lehren uns nun unsere Befunde? 1) S. Anmerkung 2. Ueber den Ursprung u. dio Entwickelung der Saugetierzahne. 473 Zuniichst, daC alle Hypothesen unhaltbar sind, welche von den Zahn\Yalen als urspriiuglich homodonten und monophyodonteii Tioreu ausgelien, feruer, daC die Hypothese, der zufolge das Zalin- MalgebiC durch gleichzeitiges Auftreten von erster und zweiter Dentition entstehen soil, nicht das Riclitige tritft, und drittens ist es ein recht gewiclitiger Einwand gegen die Hypothese von Flower und Thomas, dafi die Milchbezahnung eine im Laufe der Sauge- tiereutwickelung erworbene Neubildung sei. Weshalb der Zahnwechsel bei den Zahnwalen unterbleibt, und die erste Dentition persistiert, ist eine noch offene Frage, es laCt sich vielleicht dariiber folgende Vermutung aufstellen. Die raeisten Zahuwale uiihren sich von Fischen, die sie in grofier Anzahl ver- schluckeu; die Thatigkeit der Zahne beruht also nicht in Kau- funktiouen, sondern nur darin, die glatte Beute festzuhalten. Be- sondere Verrichtungen kommen keinera der Zahne zu, sie sind daher gleichmaBig grofi und stehen in gleichweiten Abstanden von eiuander. Eintretender Zahnwechsel wtirde die Schwierigkeit des Ergreifeus und Festhaltens der Beute sehr erschweren. Dieser Mangel besonderer Funktionen macht es erklarlich, dafi die Zahne vieler Zahnwale im Alter hinfallig werden und z. B. bei alteren Weifiwalen gar ausfallen. Andere Zahnwale sind keine Fisch- fresser, sondern nahren sich ausschlieClich von weicherer Kost, von Tiutenfischen. Bei diesen verkiimmern die Zahne noch raehr, die harten Kieferrander iibernehmen deren Funktion, und wenn z. B. beim Entenwal in vereinzelten Fallen ein unterer Eckzahn noch durchbricht, so funktioniert er doch nicht mehr^). Der geringen, aber andererseits ganz gleichmaCigen und an- dauernden Inanspruchnahme der einzelnen Zahne ist es vielleicht zuzuschreiben, dafi der Zahnwechsel bei den Zahnwalen unterbleibt. Wenden wir uns nun der zweiten Gruppe der Wale zu, den Bartenwalen,fur welche ich eine eigene Saugetierordnung bean- spruche, da sie meiner Ansicht nach genetiscli nichts mit den Zahnwalen zu thun haben. Die Ordnung der Bartenwale zeichnet sich aus durch den Mangel an Zahnen und an Stelle derselben den Besitz von eigen- tumlichen Hautgebilden, den Barten, welche zu beiden Seiten des Oberkiefers in die Mundhohle hinabhangen, und bei ihrer grofien Anzahl, dichten Stellung und Zerfaserung ihrcr Substanz, des 1) S. Annierkung 3. lUl. XXVI. N". I'. XIX. 31 474 Dr. Willy Kuken thai, Fischbeins, als Filter wirken, in welchem sich die Nahrung, Mil- lionen kleiner pelagischer Mollusken und Krebse, fangt. An dem Embryo eines solchen Bartenwales wurde nun im Jahre 1807 von Geoffroy St. Hilaiee die merkwiirdige Eut- deckung gemacht, dafi sich im Unterkiefer kleine zahnartige Ge- bilde in groCer Zahl vorfinden, und diese Thatsache wurde von spateren Beobachtern sowohl bestatigt wie erweitert. Mit Recht erblickt man darin ein geradezu klassisches Bei- spiel fiir die langandauernde Vererbungsfahigkeit nutzlos gewordener Organe. Denn niemals treten diese Zahne in Funktion; bereits wenn der Embryo ein Drittel bis ein Viertel seiner GroCe erreicht hat, also z, B. bei Balaenoptera Sibbaldii, dessen neugeborenes Junge 23 — 24 Fufi lang ist, bei einer GroCe des Embryo von 6 — 8 Fufi, beginnen die Zahne wieder zu verschwinden. Unter den spateren Walforschern war es besonders Eschricht, der wichtige neue Beitrage zur Kenntnis jener rudimentaren Ge- bilde lieferte. Er fand sie im Ober- wie im Unterkiefer nicht nur des gronlandischen Wales, sonderu auch bei Buckel- und Finnwalen. Die 9 ersten Zahne erschienen ihm schmaler cylindrischer, und er stellte sie daher Schneidezahnen gleich, im Gegensatz zu den ubrigen, welche breiter und in der Mitte bauchiger waren. Einige der Zahne waren doppelt oder bestanden aus 2 mehr Oder weniger verschmolzenen Zahnen, ihre Lagerung war eine regellose. Auf den bauchigen Zahnen eines groBeren Embryo safien eine Menge ganz kleiner kegelformiger Spitzen. Von Owen wurden diese Ziihne den Molaren von Zengiodon, eines ausge- storbenen Vorfahren der Wale, verglichen. Von den neueren Untersuchern war es besonders Julin, welcher an einem Unter- kiefer von Balaenoptera rostrata den feineren Bau der Zahne stu- dierte, und auf Grund der Thatsache, dafi er die 9 vorderen Zahne einspitzig, die hinteren durchweg aus zwei und drei Kronen be- stehend fand, welche eine Anzahl konischer Tuberkeln trugen, einen scharfen Gegensatz der Zahnformen annahm. Nach Julin, dem sich in einer spateren Arbeit Weber anschliefit, ist also die Heterodontie der Bartenwalbezahnung in der Verschiedenheit der 9 ersten zu den ubrigen Zahnen begriindet. Meine eigenen Untersuchungen ergaben etwas abweichende Resultate. Eine derartige Differenz zwischen den 9 ersten und den ubrigen Zahnen vermag ich nicht aufzufinden; wo ich ferner an den hinteren Zahnen konische Tuberkeln fand, zeigte es sich, dafi dieselben in meinen Fallen stets von dem an der Spitze be- TJeber den Ursprung u, die Entwickelung der Saugetierzahne. 475 ginnenden, unregelmtiCig fortschreitenden Resorptionsprozefi her- riihrten ^). Meines Emchteus nach laCt sich die Annahme eines heterodonten Gebisses bei Bartenwalen auf die angebliche Ver- schiedeulieit der 9 vordereu und der darauf folgeuden Zahne nicht begriindeii. Auch ich lialte die Bartenwalbezahnuiig fiir urspriing- lich heterodont, aber ausschlieClich auf Grund der Thatsache, dafi sich in uuregelmiiBiger Weise noch Zahne vorfinden, die als zu- saniniengesetzt erscheiueu. Derartige zusammeugesetzte Ziihne habe ich aber, urn es gleich vorweg zu sagen, auch innerhalb der y ersten angetrotfen , so daC also von einem morphologischen Gegensatze der letzteren zu den ubrigen nicht die Rede sein kann *). Sind diese zusammengesetzten Zahne nun sekundare Ver- schmelzungeu urspriinglich einfacher konischer Zahne oder primitive Zustande ? Gegen eine sekundare Verschmelzung spricht die Er- wiigung, dafi die Kiefer der Bartenwale ganz enorra verlangert sind, ein Zustand, den sie embryologisch nachweisbar erst im Laufe ihrer Entwickelung als Wale erworben haben. DemgemaC konnen auch die Zahne nicht mit einander nachtraglich verwachsen sein ; eutweder behielten sie ihre gegenseitige Lage wenigstens an- nahernd bei, oder sie riickten weiter auseinander. Die Annahme, daB die zusammengesetzten Zahne primitive Zustande darstellen, daB heiCt Backzahne sind, ist also die wahrscheinlichere. An der Hand der Entwickelungsgeschichte bin ich nun in der Lage, einen direkten Beweis fiir diese Ansicht geben zu konnen. Eine Serie von 7 verschieden grofien Embryonen einer Bartenwal- spezies zeigte namlich, daC die Zahl der Doppelzahne mit zu- nehmendem Wachstum betrachtlich abnimmt, wahrend die Zahl der einzelnen Zahnspitzen konstant in jeder Kieferhalfte 53 betragt. In den jungsten Stadien sind 9, ja 15 Zahne mit einander ver- schmolzen, in den darauf folgenden 5, 4 und 3 und in den altesten nur noch 2. Dasselbe Resultat ergab sich aus Vergleichung von jiingeren und alteren Embryonen anderer Bartenwalarten. Aus diesen Beobachtungen folgt erstens einmal, daC die ver- schmolzenen Zahne ein urspriingliches Verhalten darstellen, und zweitens , daC aus Backzahnen durch Teilung derselben einspitzige kegelformige Ziihne eutstehen. 1) S. Anmerkung 4. 2) S. Anmerkung 5. 3V 476 Dr. Willy KUkenthal, Es fragt sich nun, ob nicht folgender RuckschluC zulassig ist! Wir haben die Erscheinuug kennen gelernt, daB bei Saugetiereu, deren Kiefer sich verlangern, die Backzahne sich in cine Mehrheit von konisch zugespitzten, reptilienzahnartigen Gebilden teilen ; sind nicht die Backzahne auch umgekehrt so entstandeu, da6 bei der eintretenden Verkiirzung der Kiefer, welche die Vorfahren der heutigen Sanger bei ihrer Umwandlung aus Reptilien erlitten, je eine Anzahl einfacher konischer ReptilieDzahne zur Bildung eines Saugetierbackzahns zusammentraten ? Diese Anschauung hat in der That vieles fiir sich. Die altesten bekannten Saugetiere, z. B. Triconodon aus dem oberen Jura, zeigen Backzahne von fiir unsere Hypothese gefordertem typischen Bau, je drei gleichartige, hintereinander liegende konische Kronenteile, die mit einander ver- schmolzen sind. Von diesem, dem triconodonten und tritubercularen Typus aus lassen, sich, wie besonders die hervorragenden Arbeiten eines Cope, Osborn , Winge und Schlosser gezeigt haben , die Backzahne aller andern Saugetiere ableiten. Zweifellos ist das Gebifi der Bartenwale wie der Zahnwale als eine Anpassung an das Wasserleben zu betrachten, es laCt sich daher vermuten, daC auch bei anderen pelagischen Saugetieren eine ahnUche Umwand- lung eingetreten ist, und in der Tliat konnen wir in der Ordnung der Robben derartiges beobachten. Zuvor ist zu bedenken, daC zwar die Robben eine ahnliche Lebensweise fiihren , wie viele Zahnwale, d. h. wie diese Fischrauber sind, dafi aber letztere sehr viel langer dem Einflusse dieser Lebensweise ausgesetzt ge- wesen sind. Charakteristisch fiir das RobbengebiB ist erstens eine ge- wisse Gleichartigkeit der GroCe, aber auch der Form der Zahne. Alle Backzahne haben mehr oder weniger spitze, hintereinander liegende Hocker, die entweder ziemlich gleich hoch entwickelt sind (z. B. bei Phoca hispida), oder von denen der mittlere besonders stark ausgebildet ist (Halichoerus gryphus z. B.), In beiden Fallen wird der gleiche Effekt erzielt, das sichere Ergreifen der glatten Beute ver- mittelst spitzer, annahernd gleich groCer Werkzeuge. Wie die Zahn- wale, so haben auch die Robben nur eine Zahnserie im extrauterinen Leben, sie verlieren die Milchzahnserie bereits zur Zeit der Geburt. Es scheint, dafi wir es hier in beiden Fallen mit einer Anpassungser- scheinung zu thun haben. Auch die Siren en haben keinen Zahn- wechsel. Von besonderem Interesse fiir die uns hier beschaftigenden Fragen ist der in meinem Besitze befindliche Schadel einer Ueber den Ursprung u. die Entwiokelung der Saugetierzahnc. 477 spitzbergischen Barteiirobbe (Phoca barbata). Dieses der Haupt- sache nach vou Muscheln (Mya truncata) sich nahrendc Thier, zeigt an seinen Zahneu Reduktionsersclieinungen , die zu einer vollkommeneu Teiluiig der vorderen Backziihne in je 2 einhockrige, stiftartige Zahne Veranlassung gegeben haben. Das GebiC dieses Tieres gewinnt dadurch ein homodontes Aussehen. An meinem Exemplar sehe ich also an Stelle der ursprung- lichen 5 Backzahne 7 und 8 einhockrige Zahne. Der mechanische Grund dieser eigentumlichen Erscheiuung ist zunachst im Ab- schleifen der oberen Telle der Krone im Laufe des Lebens des Individuums zu erblicken, in letzter Linie beruht aber die Mog- lichkeit des Abschleifens in einer weniger iutensiven Verkalkung der Zahne. Die tiefgreifenden Erosionen an den Zahnen von Otaria und anderen Robben sind auf dieselben Griinde zuriick- zufiihren. Bel den Zahnwalen finden sich solche Erosionen be- sonders bei Tursiops. Meiner Ansicht nach vermogen derartige, an sich geringfiigige, individuelle Veranderungen unter Umstanden eine groCe Bedeutung zu gelangen, wenn eine Anderung in der Funktion der betretfen- den Organe eintritt. Auch die Palaontologie spricht fiir oben erwahnte Hypothese. Den fossilen Zahnwalen zugerechnete Tiere, die Squalodonten, haben niimlich durchaus nicht, wie die jetzt lebenden, ein aus zahlreichen gleichartigen , spitzigen Zahnen bestehendes Gebifi, sondern vorn 4 einspitzige, hinten 7 mehrspitzige Backzahne, deren jeder aus einer Anzahl von hintereinander liegenden konischen Tuberkeln besteht. Zeuglodon, ein merkwtirdiges fossiles Tier, das nach dem neuesten Bearbeiter D'Arcy Thompson den Robben nahestehen soil, iiber dessen Zugehorigkeit zu den Walen ich aber trotzdem keinen Zweifel hege, zeigt ahnliche Verhaltnisse, nur ist die Zahl der Backenzahne geringer, sie betragt 7. Nicht scharf genug kann hier den Bestrebungen entgegengetreten werden, welche auf Grund der- artiger Ahnlichkeiten eine phylogenetische Ver- knupfung der Wale durch Vermittlung des Zen- glodon zu den Robben anbahnen. Durch derartige voreilige Schliisse versperrt man sich nur den Weg zu jeder weiteren Forschung. Noch liesse sich die Frage erortern, welcher von beiden Den- titionen die embryonalen Zahnkeime der Bartenwale zugehoren. Nach Bildern junger Stadien zu urteilen , scheinen sie aus den 478 Dr. Willy Kiikeuthal, verschraolzenen Anlagen beider zu bestehen und gleichen darin den sogenannten wahren Backzahnen aller iibrigen Saugetiere, welche ebenfalls aus den miteinander verschmelzenden Anlagen beider Dentitionen zusammengesetzt sind, Vielleicht ist hier eine kurze Zusammenfassung iiber das GebiC der pelagischen Saugetiere iiberhaupt am Platze. Bei den Bartenwalen, und sicherlich auch bei den Zahnwalen ist als mechanischer Grund der Vermehrung der Zahne in erster Linie die enorme VergroCerung der Kiefer zu nennen, die Teilung der Backzahne in ihre Elemente, einspitzige Zahne, wurde aber nur durch den gewissermaCen gelockerten Bau derselben ermoglicht. In letzter Linie ist es also, wie wir es auch bei der Bartenrobbe sahen , mangelhafte Verkalkung , welche die Umanderungen er- moglicht hat. In meiner vorjahrigen, bei dieser Gelegenheit gehaltenen Rede iiber die Anpassung von Saugetieren an das Leben im Wasser hatte ich jene merkwiirdige Erscheinung der Hyperphalangie der Vorderextremitaten, der Vielgliedrigkeit der Finger, wie sie sich besonders typisch bei Zahnwalen und Bartenwalen zeigt, ebenfalls auf verlangsamte Verkalkung zuriickgefuhrt, und auch ein anderer Prozefi, der Verlust des Hautpanzers der Zahnwale, fur dessen ehemaliges Vorhandensein ich jetzt direkte palaontologische Be- weise anzufiihren in der Lage bin ^), ist ebenfalls mit verringerter Kalkablagerung in der Haut verbunden. Nebenbei mochte ich daran erinnern, daB auch bei den ausgestorbenen pelagischen Reptiliengruppen der Plesiosauren und Ichthyosauren die ganz aualogen Erscheinungen der VielgHedrigkeit der Finger und des Hautpanzerschwundes vorkommen. Dieselbe mechanische Ursache, verringerte Verkalkung, erleich- terte also drei so verschiedenen Organsystemen wie Haut, Extremi- tatenskelett und Bezahnung eine Umbildung, zur Erreichung des unter den bestehenden Verhaltnissen bestmoglichen physiologischen Effek- tes. Verringerte und verlangsamte Verknocherung ist eine pelagi- schen Saugern ganz allgemein zukommende Erscheinung, die uns ver- standlich wird, wenn wir deren Lebensweise ins Auge fassen. Fiir Tiere, welche, auf hohem Meere lebend, als Lungenatmer ge- zwungen sind, sich fast stets auf der Oberfiache zu halten, ist die Verringerung des spezifischen Gewichtes eine unerlaBliche Be- dingung, und« wie konnte ihr besser entsprochen werden, als durch 1) S. Anmerkung 6. Ueber den Urspruug u. die Eutwickclung der Sauguticrzahue. 47'J einc verringerte Ablagerung von Kalksalzeu ! Skelette von Zahn- walen, Bartenwalen und audi manclien Robben zeigen dies aufs deutlichste. Wenn man als Einwaud den Lamantin und das Wal- roLs als Wassersiiugetiere mit sehr starker Verkalkung des Skeletts entgegenhalt, so ist nur darau zu eriunern , daC beide gar keine eigentlichen pelagischen Wassersiiugetiere sind, sie fiuden sich nur in seichten Gewassern, auf deren Grunde sie ihre Nahrung suchen, so daC ihnen die Schwere ihres Skeletts beim Untersinken und Verweilen am Boden nur zu gute kommt. Keliren wir nacli diesen Betrachtungen zur weiteren Unter- suchung der Entwickelung der Saugetierzahue zuriick. Von niedrig organisierten Saugern mussen wir vor allem eine Ordnung in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen, die in vielen Puukteu mit Recht als eine sehr primitive Saugetiergruppe ange- sehen wird. Es sind dies die Zahuarmen und, wenn ich die Faultiere und Schuppentiere, welche letztere ich auch in embryo- nalen Stadien zahnlos fand, auCer Acht lasse, die GUrteltiere, von denen ich Serieu von Embryonen von Dasypus novemcinctus und Dasypus villosus untersucht habe. Bei ersterer Form ist ein Zahnwechsel seit langem bekannt, von den 8 Zahnen in jeder Ober- und Unterkieferhalfte werden 7 ersetzt. Im Unterkiefer wurden ferner von Reinhardt (1877) bis zu 5 sehr kleine Zahne von ein- facher Kegel- oder Kugelform und geschlossener Wurzel entdeckt, welche friiher als die anderen Milchzahne erscheinen und keine Nachfolger haben, sie sind als Schneidezahne anzusehen. Meine eigeuen Untersuchungen bestatigten diese Augaben durchaus. Ein MilchgebiC ist ferner augezeigt von Hensel fiir Tatusia hybrida, und von Thomas fiir Orycteropus. Ich vermag jetzt auch noch Dasypus villosus hinzuzufiigen. Die Untersuchung von Embryonen dieses Tieres ergab mir, daC die Anlagen der beiden Dentitionen mit derselben Deutlichkeit vorhandeu sind, wie in den gleich groCen Stadien von Dasypus novemcinctus. Ob es in der That bei Dasy- pus villosus zu einem Zahnwechsel kommt oder uicht, ist fiir unsere Betrachtung gleichgiltig , die Hauptsache ist, daC beide Dentitionen sich anlegen. Es erscheint mir nicht zweifelhaft, daC auch noch bei anderen Giirteltieren beide Dentitionen sich nachweisen lassen werden ; schon jetzt konnen wir aber behaupten, dafi sich innerhalb der Eden- tatenordnung die beiden Dentitionen in typischer Weise anlegen. Es eriibrigt uns, jetzt noch die Beuteltiere zur Untersuchung heranzuziehen , die eine sehr hoch differenzierte Bezahnung be- 480 Dr. Willy Kiikenthal, sitzen. Zahlreiche, sorgfaltige Arbeiten alterer und neuerer Forscher, von denen ich nur Flower und Thomas erwahnen will, haben die differenten Gebisse der Beuteltiere, welche in ihreu mannigfachen Modifikationen, als Nager-, Fleisch- und Pflanzen- fressergebisse von den Ordnungen der Placentaltiere wiederholt werden, zum Gegenstand gehabt, und es steht jetzt widerspruchs- los fest, dafi diese in Schneidezahne, Eck- und Backzahne wohl gegliederten Gebisse keinen oder nur bei einem Backzahne Zahn- wechsel besitzen. Ebenso widerspruchslos wird in neuerer Zeit das GebiC der Beutler als zur zweiten Dentition gehorig, der erste der beiden wechselnden Backzahne als Milchzahn angesehen, Meine embryologischen Untersuchungen des Beuteltiergebisses sind bis jetzt nur bis zum Studium einer Serie von jungen Beutel- ratten gediehen, was ich aber hier gefunden habe, ist so iiber- raschend, dafi ich das Hauptresultat hier mitteilen werde. In den neueren Arbeiten iiber das Beuteltiergebifi ist ein fundamentaler Irrthum enthalten, es gehort namlich nicht zur zweiten Dentition, sondern zur erste n. Der einzige, spater auf- tretende Zahn gehort dagegen der zweiten Dentition an. Der Beweis wird gefiihrt durch die Thatsache, dafi in einem gewissen Stadium der Entwickelung neben Anlagen der bleibenden Zahne uoch Anlagen von diesen entsprechenden Ersatzzahnen auftreten. Sie treten als Verdickungen der nach innen von den bleibenden Zahnen verlaufenden Zahnleiste auf ^). Selbstverstandlich ist nicht zu vergessen, dafi diese Thatsache erst bei einer Spezies gefunden wurde, und dafi noch viele andere der Untersuchung barren, immerhin ist man schon jetzt berech- tigt zu sagen, dafi dadurch die ganze Sachlage von Grund aus verandert wird. Die FLOWER-TnOMAs'sche Hypothese verliert ihre Hauptstutze, das Milchgebifi ist keine erst bei den hoheren Saugetieren auftretende Neuerwerbung. Also auch bei den Beutel- tieren kommen beide Dentitionen in der Anlage vor, die erste iiber- wiegt, die zweite legt sich zwar an, kommt aber nur in einem Zahne zur vollen Ausbildung. Eine ofters von verschiedenen Forschern ausgesprochene An- sicht ist die polyphyletische Abstammuug der Placentaltiere von den einzelnen Beuteltierordnungen. Die Raubtiere z. B. sollen also von den Raubbeutlern, die Nagetiere von den Nagebeutlern abstammen. Soweit sich diese polyphyletische Hypothese auf die 1) S. Anmerkung 7. I Ueber deu Urspruug u. die Entwickcluug der Saugetierzahne. 481 anscheiiiend gleichartige Bezahnung stiitzt, iind sie thut es in hervorrageudein MaLie, liiCt sie sich niclit mehr halten, denn cs gelit uicht an, die erste Dentition der Beutler, welche das pcr- sistierende GebiB darstellt, mit der das persistierende GebiB bil- denden zweiten Dentition der holieren Placentaltiere zu homologi- sieren. Die Ahnlichkeiten der Gebisse sind Convergenzerscheinungen. So weit reiclien bis jetzt meine Untersuchungen ; so unvoll- stiindig dieselben auch noch sind, so lassen sich docli daraus einige allgemeine Ideen gewinnen, nach denen ich weiter arbeiten werde. Bei alien von uns untersuchten Saugetierordnungen fanden sich beide Dentitionen in der Anlage vor, auch die niedersten Ordnuugen der Edentaten, Zahnwale und Beuteltiere zeigen dieses Verhalten, und der Schlufi ist daher berechtigt, dafi beide Denti- tionen urspriinglich alien Saugetieren zukommen. Die altesten Saugetiere waren daher diphyodont. Innerhalb der Saugetierklasse, von den niedersten bis zu den hochsten Formen aufsteigend, sehen wir nun, wie die zweite Dentition in bezug auf Form und Leistung mehr und mehr die Oberhand gewinnt, wahrend bei den niedereu die erste iiberwiegt. Indem eine Dentition unterdruckt wird, kommt es zur Monophyodontie, die also gleichfalls wie die Homo- dontie als eine sekundare Erscheinung aufzufassen ist. Ferner lafit sich die Frage, welche von beiden Zahnreihen der Saugetiere die altere, also die primitive, und welche die sekundare war, in der Weise beantworten, daC innerhalb der Klasse der Saugetiere beide Dentitionen in ihrer Anlage gleichwertig sind. Die Ent- wickelungsgeschichte giebt durchaus keinen Anhalt fiir die oft ausgesprochene Behauptung von der Ab- hangigkeit einer Dentition von der andern, beide sind Schwestern, der en Mutter die einfache Epitheleinstiilpung im Kiefer ist, die wir als Zahn- leiste bezeichnen. Konnen wir nun eine Briicke finden, welche das Gebifi der Saugetiere mit dem ihrer Vorfahren, der Reptilien, verbindef? Prinzipielle Unterschiede zwischen Reptilien- und Saugetier- zahnen finden sich, wie Seeley gezeigt hat, nicht vor, es konnen ebensowohl Reptilienzahne Eigenttimlichkeiten der Saugetierzahne aufweiseu, so verschiedene Form der Ziihne desselben Kiefers, Oder Einflanzung in Alveolen, andererseits konnen letztere durch mancherlei Reduktionen typischen ReptiHenzahnen ganz gleich werden. Ferner findet sich auch bei Reptilien ein Zahnersatz 482 Dr. Willy Kukenthal, vor, derselbe ist sogar bei weitem ausgepragter als der der Sauge- tiere, da nicht nur zwei, sondern mehrere Dentitionen aufeinander folgen konnen. Es erscheint mir daher der Gedanke nicht allzu gewagt, das GebiC der Sauger mit dem der Reptilien zu homologisieren. Es ergiebt sicli hieraus folgende Beantwortung der Frage nach dem UrspruDge der Saugetierzahne. Das unterste Stadium von dem wir auszugehen haben, sind die Fische, und von diesen besonders die Haifische. Bei den Haien sitzen die Zahne nicht nur auf den Kieferrandern, sondern iiber die ganze Korperoberflache zerstreut, es sind Hautprodukte von denkbar einfachstem Bau. Sind die auf dem Kiefer stehenden Zahne abgentitzt, so rucken von der Innenseite her neue Zahne nach, um die ersteren zu ersetzen. Dieser Ersatz ist ein unbe- grenzter. Die einzelnen Zahne sind durchaus noch nicht speziali- siert, ihre Menge ist dafiir um so gToCer. Die zweite Stufe der Zahnentwickelung reprasentieren die Amphibien und besonders die Reptilien. Von der Hautoberflache sind in diesen Klassen die Zahne verschwunden, sie haben sich auf die Kiefer konzentriert. Auch der unbegrenzte Ersatz der abgeniitzten ist eingeschrankt worden, es finden sich nur noch einige wenige Reihen nach innen von der ersten. Mit der zuneh- menden Spezialisierung, die besonders bei hoheren Reptihen ein- tritt, nimmt die Zahl der Zahne ab. Nunmehr kommen wir zu der dritten und hochsten Stufe: der Saugetierbezahnung. Von den mehrfachen Reihen zeitlich aufeinander folgender Zahnserien, wie wir sie bei den Reptilien angetrofifen haben, sind durch teilweise Verschmelzung derselben nur noch zwei iibrig geblie- ben, die wir im Laufe unserer Untersuchung gentigend kennen gelernt haben : Milchgebifi und bleibendes GebiB , oder besser erste und zweite Dentition, von denen die letztere sich geuau wie bei den Reptilien nach innen von der ersteren anlegt. Mit der nunmehr erfolgenden hoheren Spezialisierung der Zahne, die sich den verschiedensten Funktionen anzupassen hatten, kam es zu einer Vermindeiung ihrer Zahl. Auf Grund unserer Beobachtungen an den Ziihnen der Bartenwale konnen wir uns die Umwandlung der Reptilienzahne in Saugetierzahne folgender- raaCen vorstellen 0- Bei der eintretenden Verkiirzung der Kiefer 1) S. Anmerkung 8. Ueber den Urepruiig u, die Entwickelung der Suugeticrziihno. 483 riickten die Zahnkeime der eiiispitzigeu Reptilienzahne niiher und nillicr aiieinauder und verschmolzcu gruppenweise zu mchrspitzigcn ZahneD , den urspriiugliclien Backzahnen der ersteu Saugetiere. Durch die infolge verschiedener physiologischen Leistungen ge- forderten Umformuugen bildeten sich die Backziiline aus, wie wir sie bei den jetzt lebenden Saugetiereu kennen. Besonders durch Heranzielien paliioutologischer Funde sind wir heutzutage im Stande, die einzelnen Hocker der Backzahne bei den verschiedensten Sauge- tiereu niit eben derselben Sicherheit homologisieren zu konnen, wie wir etwa die einzelnen Finger innerhalb der Saugetierklasse zu liomologisieren vermogen. So haben wir im Verlaufe dieser Untersuchung gesehen, wie sich auch bei der Entwickelung der Zahne in der Wirbeltierreihe jenes gewissermafien aristokratische Prinzip geltend macht, welches die Herausbildung von wenigen , aber vollkommen ausgebildeten Werkzeugen aus der groCen Masse gleichartiger, niedrig organi- sirter Gebilde bewirkt. i 484 Dr. Willy Kukenthal, Anmerkungen. Die in vorliegeuder Rede enthaltenen Gesichtspunkte siud zura Teil noch recht hypothetisclieu Charakters, zum Teil vermag ich sie mit thatsachlichen Belegen zu stiitzen, die ich indessen erst im zweiten Teile meiner „Vergleichend-anatomischen und ent- wickelungsgeschichtlicheu Untersuchungen an Waltieren" bringen werde; an dieser Stelle will ich nur noch einige Erlauterungen geben, die sich auch ohne Abbildungen verstehen lassen. Die den einzelnen Anmerkungen beigegebenen Zahlen beziehen sich auf die betreffenden Stellen im Text der Rede. Anmerkung 1. Die haufig sich widersprecheuden Anechau- ungen Baume's, dessen Arbeit iibrigens eine Fiille guter und interes- santer Beobachtuugen bringt, macht Rost in einer Dissertation „Ver- suche einer Phylogenie des Saugetiergebisses", Jena 1883, zum Gegen- stand einer ofters zutreffeuden Kritik. Wenn Rost indessen zum Schlusse ausruft : „Man sieht aber aus der Verirrung Baume's deut- licb, wie gefahrlich es ist, Erscheinungeu zu Gesetzen zu erhebeu, die keinen Anspruch auf Allgeraeingiltigkeit haben", so hatte er dies auch auf seine eigene . Arbeit anwenden konnen, da dieselbe, bei jeglichem Mangel eigener Beobachtuugen, sich ganzlich auf dem Gebiete der Hypothese bewegt. Anmerkung 2. Zur Untersuchung kamen bis jetzt embryonale Kiefer von Phocaena communis, Monodon monoceros, Tursiops tursio, Globiocephalus melas und Beluga leucas. Von letzterem Wal wurden teils gauze Kopfe, teils einzelue Kiefer in Schnittserien nach den 3 Hauptrichtungen zerlegt. Die Er- satzzahnanlagen konnten an samtlichen Zahnen beobachtet werden. Bei Beluga leucas waren sie am deutlichsten ausgepragt an Embryonen von circa 30 cm Lange. Hier zeigte sich Folgendes: Nach innen von den Zahnanlageu liegt die vielfach netzfdrmig durchbrochene Zahnleiste, welche mit ihren Schmelzorganen durch viele Seitenstrange in Verbindung tritt und auISerdem jedesmal einen weiteren nach innen verlaufenden Epitheletrang s^bgiebt, der mit kolbenformiger An- schwellung endigt. Letztere wird vom darunterliegenden Bindegewebe etwas eingestiilpt und enthalt auBerdem in einigen Praparaten in ihrem Innern einige der charakteristischen sternformigen Zellen, welche die Schmelzpulpa bilden. XJm dieses Gebilde lagert sich das etwas ver- dichtete Bindegewebe in konzentrischer Anordnung und bildet so die erste Anlage eines Zahnsackchens. Wir haben somit eine zweifellose Ueber den Ursprung u. die Entwickelung der Saugetierzahne. 485 Zahnanlage, uud zwar eine Anlage der zweiten Dentition vor uus, die uur nicht zur Ausbilduug und zum Durchbruch kommt. Interes- sant erscheint mir die Thatsache, daB zwischen und auch vor den 11 Zahuanlagen , welche bei Beluga zu den bleibendeu Zahnen werden , auch noch Epithelperlen hinzutreten , die aber ebenfalls spiiter verschwiuden. Beluga hat vielleicht urspriinglich eine groBere Anzahl Zahne in jedem Kiefer besessen, von denen bei spater ein- tretender Kieferverkiirzung nur noch ein Teil erhalten blieb. Die verhaltnismaBig geringe Zahnzahl bei Beluga ware dann kein ur- spriingliches Verhalten , Beluga stammte vielmehr von Walen ab, welche etwa die doppelte Anzahl Zahne besessen haben. Anmerkung 3. DaB die rudimentaren Eckzahne des Ddglings nicht mehr funktionieren, zeigt ein Praparat in meinem Besitz. Es ist dies ein nur wenige Millimeter durchgebrochener Zahn (ein solches Durchbrechen habe ich schon friiher einraal beobachten kouuen, siehe Archiv f. Naturgeschichte 1889, S. 165, Beitrage zur Fauna Spitz- bergens), welcher auf seiner freien Spitze eine Ansiedlung von 3 statt- lichen Cirripedien (Conchoderma aurita) besitzt, so daB also die Funk- tionslosigkeit ganz augenscheinlich ist. Ein ahnliches Praparat, von Nansen und Grieg erwahut, findet sich im zoologischen Museum in Bergen. Anmerkung 4. Ueber den ResorptionsprozeB der Bartenwal- ziihne berichten Pouchet und Chabby (Sur Te'volution des dents des Balaenides, Comptes rend, Ac. So. Paris, Tome 94, pg. 540 — 542), danach erfolgt die Zerstorung, wie auch ich feststellen konnte, von der Spitze aus, und zwar in ganz unregelmaBiger Weise, indem groBere und kleinere Locher die Dentinkappe durchbohren. Bei vielen, der- artig im Verschwinden begriffenen Zahnen laBt sich das Dentin als ein oben mit unregelmaBigen Zacken versehener Giirtel abheben. Anmerkung 5. Es kamen iiber 30 Kiefer verschiedener Bartenwalembryonen zur Untersuchung, die 4 verschiedenen Arten angehorten, es waren dies : Balaenoptera musculus, Balaenoptera Sib- baldii, Balaenoptera rostrata uud Megaptera hoops. Die Zahne warden teils durch Priiparation freigelegt, kleinere Kiefer wurden auch in toto gefarbt, dann in Toluol aufgehellt, teils warden Schnittserien angefertigt. Balaenoptera rostrata. An dem kleinsten Embryo von 20 cm Lange (von der Schnauzeu- spitze zum Schwanzende iiber den Riicken gemessen) sah ich im Unterkiefer 41 Zahnanlagen, von denen die ersten 14 ziemlich gleich weit voneinander entfernt waren , Zahn 20 bis 34 lagen dagegen paarweise zusammen, haufig so nahe, daB die beiden Anlagen sich miteinander beriihrten , wahrend sie von den benachbarten Paaren durch weite Zwischenraume getrennt waren. Zahnanlage 36 fiel durch die doppelte Breite auf, die letzten 5 lagen in gleichweiten Abstanden. Im Oberkiefer war die Entwickelung etwas weiter vorangeschritten. Die Zahnanlagen waren groBer, es lagen zusammen (8. 9) (10 . 11) (12 . 13) (18. 19) (20. 21) (25. 26) 35. (36. 37). 486 Dr. Willy Kukenthal, Von dieser selben Spezies staud mir zur Verfiigung ferner eiu Embryo von 49 cm Lange, aus dem Hamburger Museum stammend, dessen Leiter mir iiberhaupt mit der groBten Liberalitat in Frage kommendes Material zur Verfiigung gestellt hat. Der Unterkiefer dieses Embryos war verhaltnismaBig grofier, er betrug 0,186 der Ge- samtliinge, diese gleich 1 gesetzt, wahrend der des kleinen Embryos nur 0,175 betrug. Von den 41 Zahnanlagen des Unterkiefers waren nur 6 paarweise zusammeuliegend, im Oberkiefer fanden sich folgende Zahnanlagen verschmolzen (22.23) (27 28) (29 30) (31 32). Vergleichen wir die Angaben bei beiden Embryonen, so fallt ohne weiteres auf, daB beim jungeren viel mehr Zahnanlagen zu- sammenliegen als beim alteren. Viel pragnanter zeigt sich dieses Verhalten bei Embryonen der folgenden Spezies : Balaenoptera musculus. Zum Vergleiche ziehe ich die Oberkiefer von 7 versehieden groBen Embryonen heran. Die Zahl der einzelnen Zahnanlagen, gleich- giltig ob dieselben verschmolzen siud oder einzeln frei liegen, be- tragt konstant 53, nur die beiden groBten Formen haben infolge ein- getretener Resorption einige weniger; in folgendem Schema sind die Resultate enthalten: Lauge des Zahl der Zusammengesetzte Zahne Zahl der Embryos in konischen (nahe aneinanderliegende sind durch ein verschmol- Centimetern Zahnanlagen -{- bezeichnet) zenen Zahne I) 43 53 (6. 7.) (8.+ 9.) (38. 39.) (40. 41.) (45. 46. 47.) 9 II) 50 53 (die hinter- (2. 3.) (9. 10.) (19.20.) (27. 28.) (29. 30.) 13 Sten 6 fehlen (31. 32. 33.) im Praparat) III) 60 53 (8.-f9.) (22.4-23.) (28. 29.) (35. 36. 37.) (43. 44.) 7 IV) 60 53 (27. 28. 29. 30.) 4 V) 69 53 (23. 24.) (26. 27.) 4 VI) 70 53 (22. 23. 24.) (26. 27.) 5 VII) 74 46 (Beginn der Resorp- tion) (15. 16. 17.) 3 VIII) 82 45 (30. + 31.) (36. + 37.) (40. 41 ) 2 XI) 82 45 (21. 22.) 2 Wir ersehen aus diesem Schema, daB bei der gleichen Anzahl der einzelnen konischen Zahnanlagen (namlich 53) die Zahl der zusammengesetzten Zahne im Lauf der individuellen Entwickelung bedeutend abnimmt. Balaenoptera Sibbaldii ; Die beiden Embryonen, welche mir von dieser Art zur Ver- fiigung standen, waren schon ziemlich groB, 90 und 114 cm. Die Ober- kiefer enthielten 50 Zahnanlagen, von denen bei beiden 4 verschmolzen waren, beim kleineren (10 . 1 1)(28 . 29), beim groBeren (3 . 4). (23. 24). Megaptera boops. Zwei Oberkiefer eines Embryo von 72 cm Lange zeigen noch 11 Zahnanlagen verschmolzen und zwar (11 . 12 . 13) (15 . 16 .) (18 . 19) Ueber den Ursprung u. die Entwickelung der Saugetierziihne. 487 (20.21) (26.27) auf der einen Seite und (4.5.6.7) (13.14.15) (19.20) (28.29) auf der andern. Mit Sicherheit ergiebt aich aus diesen Augaben, daB die Lage der zusammeugesetzten Zahne eine recht verschiedeue ist. Vou einer Verschiedenheit der 9 vordereu Ziihne, die einspitzig sein soUen, vou deu hiutereu kanu uicht die Kede sein, da wir Zusammtiusetzuugeu vou Zahuaulage 2 und 3 oder 3 und 4 oder 4, 5, 6 und 7 oder von G und 7 oder 9 und 10 beobachten konnen. Also auch die vordersten Ziihne der Bartenwale sind als urspriingliche zusammengesetzte Zahne anzusehen. Auch der weiteren Angabe Julin's, daB die hinteren Zahne rundliche, die ersteren viel spitzere Formen haben, vermag ich nicht zuzu- stimmen. Bei Megaptera boops z. B. fand ich auch samtliche hintere Zahne von ausgepragt spitzem Typus, gerade so wie die vorderen, und da wo sich bei auderen Embryonen im hinteren Teil des Kiefers rundliche fanden, sind sie durch Resorption der verkalkten Spitze entstauden. Besonders deutlich laBt sich das an den Zahnen eines Embryos von Balaenoptera Sibbaldii von 114 cm Lange verfolgen. Die kugelige Gestalt der hinteren Zahne riihrt von dem Yerlust der Deutiuspitze her, deren oberer Teil durch den unregelmafiig ver- laufenden ProzeB mehr zackig geworden ist. Die zusammengesetzten Zahne zeigen alle Phasen von der fast voUigeu Verschmelzung an bis zum bloBen Nebeneinanderliegen. Be- souder auffallend war mir die ungleiche GroBe der verschmolzenen Kronenteile, in einem Falle saB einem konischen Zahn ein kaum halb so groBer seitlich an, als ob er aus ihm geknospt ware. Anmerkung 6. tjber den Schwund von Hautplatten bei Zahnwalen babe ich bereits im Anatomischeu Anzeiger 1890, p. 237 berichtet. Besonders war es die Bedeckung des Riickens mit Flatten bei Neomeris phocaenoides, sowie das Tuberkelfeld auf dem RUckeu eines Embryos dieser Spezies, welches mich auf die Vergleichung mit den Tuberkeln auf Riickenflosse von I'hoinena spinipinnis, sowie der gewohnliche Phocaena communis brachte. Ubrigens mochte ich an dieser Stelle hinzufiigen, daB J. A. Mitekay i) von einer Neomeris Kurrachiensis, die nach Fe. W. Tede 2) iibrigens ebenfalls ein N. phocaenoides ist, angiebt; Back with a longitudinal band of spinoos tubercles on the vertebral area, beginning nearly opposite the root of the pectoral, widening to 1,5 inch about the middle, and again contrac- ting and ending narrowly opposite in line with the vent". Bereits Tem- MiNCK'^) hat diese Tuberkeln abgebildet. Es war mir nun von hohem Werte, meine Behauptung, daB diese Flatten und Tuberkeln den letzten Rest eines bei Zahnwalen friiher allgemein vorhanden gewesenen 1) J. A. Murray, A contribution to the knowledge of the marine fauna of Kurrachee. Annales and Magazine of Natural History, Vol. XIII, 1884, p. 352. 2) Fr. W. Thde, A Review of the family Delphinidae. Bullet, of the United States National Museum, Washington 1889, p. 115. 3) Temminck, Fauna Japon., Mammif. marin. 1850. 488 Dr. Willy Kukenthal, Korperbedeckung darstellen, an der Hand palaontologischer Thatsachen beweisen zu konnen. Ein solcher Beweis ist aber meines Erachtens nach in einer Arbeit von Johannes Mullee „Berich.t iiber ein neues Cetaceum aus Eadoboy, Delphinopsis Freyeri ^) enthalten. MUller beschreibt folgende Hautbedeckung : „Der grofite Teil der Flosse mit Ausnahme der Brauchflachen der Knochen ist namlieh von kleinen Plattchen dicht bedeckt, die Plattchen sind meist plankonvex, die eine Seite ist glatt abgerundet, die andere Flache ist plan, and letztere oft sehr regelmiiBig liniert." „Die8e Plattchen sind von groBer Festig- heit und viel barter als das Gestein." „Die linierte Schicht und die Knochenplattchen gehoren ohne Zweifel zusammen und mitsamt der schwarzen Schicht zu der Hautbedeckung eines Tieres. Wenn sie nicht zu dem von ihnen bedeckten Tierreste, nicht zu der Extremi- tat und den anderen Knochen gehoren, so wUrden die letzteren ge- wi6 nur einem Delphin zuzuschieben sein. Wenn aber die Be- deckung zu den Flossenknochen gehort, so kann an unseren heutigen Delphine nicht gedacht werden, und wir haben es dann mit einem neuen, den Delphinen verwandten Typus der Vorwelt zu thun." Beandt^), der diesen Delphin verwandt mit Champsodelphis halt, steht Mullee's Anschauung sehr skeptisch gegeniiber, und von spateren Autoren ist dieser so eigentiimliche Befund meines Wissens nicht mehr erwahnt worden. Halt man die MtfLLEE'sche Beschreibung der Plattenreste, besonders deren Vorkommen an der Flosse mit meinen friiheren Angaben iiber den Hautpanzer rezenter Zahnwale und analoge Bildungen der Ichthyosauren zusammen, so wird man kaum noch daran zweifeln konnen, daB wir hier einen schonen palaonto- logischen Beweis flir das Vorhandensein einer hautpanzerartigen Korperbedeckung bei den Vorfahren der Zahnwale haben. Anmerkung 7. ■ Die Entwickelung der Beuteltierbezahnung habe ich ausfiihrlicher in einer Arbeit „Das GebiB von Didelphys, ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Beuteltiergebisses", Anat. Anz. 1891, Nr. 23 u. 24, behandelt. Anmerkung 8. Es ist wohl kaum notig, darauf hinzuweisen, daB meine Ansicht iiber die Entstehung der Saugetierbackzahne nicht viel iiber das Stadium der bloBen Vermutung gelangt ist. Verwandte Anschauungen haben geauBert Dybowsky ^), welcher den 4-jochigen Saugetierzahn aus 24 einfachen Papillen entstehen laBt, von deneu je 3, respektive die von ihnen gebildeten Pfeiler miteinander zu einem Halbjoch verwachsen, die dann wieder zu je 2 ein Zahn- joch bilden, Magitot *), der als Urtypus den Kegelzahn auffaBt, von dem sich alle anderen durch Yervielfaltigung und sekundare Ver- 1) Sitzungsber. der math.-naturw. Klasse der Kais. Ak. d. Wissensch. Wien, 1853, p. 84, und 1855, p. 345. 2) Brandt, Die fossilen und subfossileii Cetaceen Europas. Mem. de I'Acad. de St. Petersburg VII. S^r. T. XX. 3) Dybowsky, Studien iiber Saugetierzahiie. Vorlaufige Mitteilung in Verhandl. Zool.-Bot. Gesellsch. Wien, Bd. 39, 1889, p. 3—8. 4) Magitot, E., Des lois de la dentition. Journ. Anat. Phys. Paris torn. 19 p. 59. Ueber die Entwickelung u. den Ursprung der Saugetierzahne. 489 schmelzuug ableiten lassen, Gaudrx^), ferner Ameghino ^), uach welchem aioh die Saugerzahue aus gleichmaRigen konischen Ziihnen, die sich in Gruppeu vereinigt haben, herausgebildet haben, Cope ^), welcher den Satz ausspricht, da(J die Molaren der Sauger nicht zuriickbezogen werden kounen auf Keptilienmolareu, sondern auf einfache konische (haplodonte) Reptilienzahne, und Andere mehr. Schlufsbemerkung: Die Drucklegung vorliegender Rede in dieser Zeitschrift ist durch unvorhergesehene Umstande sehr bedeutend verzogert worden, ich habe daher, um mir die Prioritiit meiner Forschungsergebnisse zn sichern, bereits im Juli 1891 einen kurzen Auszug im Anatomischen Anzeiger, Ende vorigen Jahres eine Dar- stellung meiner Untersuchungen iiber die Entwickelung des Beuteltier- gebisses gegeben. 1) GrAUDKY, Les enchaiiiements du monde animal dans le temps geologique. Mammiftres tertiaires 102. 1878, p. 54. 2) Ameghino, Florentino, Nuevos restos de Mamiferos fosiles oligocenos reco- gidos por el profesor Pedro Scalabrini y pertenacientes al museo provincial de la eiudad del Parana. Bol. Acad. Cordoba (Argent.), Tomo 8, p. 181. 3) Cope, E, S., The mechanical causes of the development of the hard parts of the Mammalia. Journ. Morphol. Boston, Vol. 3. \ Frommanusche Buchdruckeiei (Hermaun Polile) in Jena. — 950 JaiaisduZeitscfirLft BdXdl TaLi Spater verschunndeniUr 'Ubergang d abgeschnurtcn in d. freie Leibesfwfde Abqtschmuie Leibcshohle Vorni eren kanaJch^n Set/i Aiissentnchler Sew Jtw^nlrichter ■ Vornu/rnt/art^ Frt'u I.eibeshdhU, maUai yei^gener AhschniU t/rlt'f/f'ntrJhs chn di Xfi't-ii lilt rin. Nail d.KapscL . Austiiiilndilrr V *rf »A.(«wf s. (Ui^v^vK^i- USemon uASiltsch lie;. VerlvGusravFjscher. Jena. LirtiAi: ; tiaisike ZdtsrhnJi BdXXJJ. Ta£D: R Semen iiA,S;'.i2:h -iel Verrv.Siis;avFi3cher,t)er.s Lith Ansr.vAQillsch. Je.'id Jaiaisc/ie Zalsdnfl BJ\.\\I_ 13 I'r/iien'ininltioc ■■% Yormenn^aiy CoiUarl a ]!fn W 20 CiuaerGlomaulus J #"»■ '■ f Mdisl oberer Glomeru.. Jj his liba' Uuiffcsdlf^cft gAf ; \ (ifj-yonite/r - ^^1= '/«//(/ ',chfr(jaiiq Kebetinur .MiilUrsfher Gang i.f^^^-~^ ^ .- Vornitrengang 'i^'m .^jw»y ..^ .. lliitltifr JimenUiclder I'onieivr JmtenUUiiUr 's^' 1^ ~^*.Hal//. Koiper d.l'oiniere gi i'hfitmmdergesda, ;^^U-w/ii^^niam dir Jaimsche Zcilschrift Bii .r.VIX Taf. Va. '^littler •ichirOun^ Midlfr'scherOonp Vornwratfong Aussfntrichter' Mii/p A'orp d I'mu'ix Rliflmir/itarfr Alissivi/ridt/tv d I 'oriiio'f Maip korp d Vrmere "'- .V«^J Atir/j ri Yorniere 25 I 'baytutg d Malp. Korptrs d I'arrtiere in MebeJiniav - ' M\dle!-'scherO(Ut^ it>i r «««!»" ^ -> MuUrr'sdiirOmig Vormerati)iUK) Malp k'drp dl'miere *ier,crer.a. L;!r.A:.s;,v.J.'siilsch.dfna- J,-iini.vhf /.rilsclmll lid W Ttt£m I'omifjvuijaiu}- _ — - \R^ -j MitUa \difi iiditg . lorta \ / ."7 ?» S8 yUUpKnrprirh'ii M%s^iuniim-ih-^srlhfii. Hudimmtmr MiSfntruM. ' ' \ Maio.KorpeicheR -'■- Vovniaviiijanii ■ Tnililerhinal —■ .InneniiidUpr ~ ' ' ■Au5?>euirickter \''MalpKdrpfr yifillei ■ scJuf Gang Yortufrc Unneianchifr dessdhen 'in'. .■ 'iL.r.iv r.sdt; cer-: Jmaisclu /afsc/iri/i Bd .VA'I7 yji/. a . ' \ulUr schertian^ l\aualbiltUiiig lUs •A ••UU/rsrIir: MiillersrfltTfHvi^ ' , .■.r/l «. R.Semoii u, A.Giltsch, del. Verl.v.Giislav Fischer Jena . Lithinot vAGlIfscK. Jena. Jenaischi'ZatMiinft Bd. XQZ. TdfXI. ffodcnlappchm Outrkiinul Untralkonal Ftttkorptr I'm I ere CeJiUvlhuuii 4*. Qiierkanni > Li^^^^^li • •■ -. CaUralk/inal U7 JiiifulUii Cenlralkamii ■C'rkeimzellen UtltraiJianal 45. I "V, irr- RSemor ij.ALrt!tidiJeT53 VcH v.Cuslav. Fischer. J'lna Lith-AnstvAGltsch.Jena. Jenai&chfJ^eit&chrift BJ.XXIJ. (diiii <'tmmlk(mal t^^M #^^?K'«^)j^ ^*j i-6". y A I X t^ \ TaCXIl n ,w) . Mlmifiiua lloJ,-n- I Kill/, II /ill ■iiial ) ) CaunU/u/ial Jenaische Zeilschrift BdJWL Taf.m. R.Semon u.ACiltsch.del. Verlv.Gustav Fischer; Jena . Lith.Anst.vAGiltsch,Jena. Jerm-'ir/ir /iei/.tf/in/l Bd.XXSl Taf. Xjy '///ffft'/n .Srii-jvtomiadAt VvriiinvRi/kan''rjiiu- I 'niuTiitkiiiidL-hen ViVnifi'i'niiaiKi Vt'ijuririihiuuxkliai- AiissfnindUfi' I 'ormemufan^- Vormerenkanakhen JmuHtnchltn '■••M^lalpKarp AtK'^uindil/r .htne/i/ru/ifrr^ Malp Korp hcuufpiiM Atissentiu}dfr\ InnentruJdeA d. Vor > .'hilpHorper I '■"^'*" Mnip h'orp il (rniftr ^lalp Ixovp fi Vormtrf Malp fioip.d fniurf fniitre Rru l.i'ihfshohh' '. liftt^sJtaiiti/ d l^etmdriisf 'y. / - IS. Iith.Atist rA.Gi'itsi,fei Jenmsche Zeilschrifl. Bd- -I'AIZ Taf.XVL l.itp.-ATist.v.A-Giiiscti.oir.o . h-naisdic Zeitsdiiin. liil XKVI Tafmi. 2) (g^-(:^^ ^-^^ %t:«^ ^ FrDrqw d V Gostav I-lsdier. Jena. lifLAnst.v; A GiltriL Jena Jeiidische ZeUsdirift BdXyM TafXVM. ftDreyi LuiiAnstvA • iWM Jeiinische Zeitschnft Bd A'AVI r,i/ x/\ Veil.v.^jstav Fischer, Jeria, K/.SO 67. JaMistheZeilscJmfi BdJSVr. TttfXX V^r! V Gustav Kischer [■if/.6S-97. Jemiisdie Zcilscliri)}, Beimel. Taf:XU "''■ . Si rWm ^.^ /^ ill \. ^- '' Verlv Gustav Fischer, Ji^ia Fui9S-IS/. Lilh.tasl-V,A.GiltsA.j!ra , kimisilif^iL-^rhiiri BiX^ Taf. XXn Fr, Dreyer Yeriv.SustaY Fischer iena Fu,. 122-/3.9. LirLAn3tvA6iIi3c?i.<^eKa Jciiaischc Zcilschnfi. /i(/.X.\VI To/:. urn. Pr.Dreyer Verl. V. Gustay Fischer, Jena Fig. I4/-mh Lith.Anst.v. A. Gillsdi, Jena. Jautisc/ie Z€ilsarift_BdJ/. ./emiisdie&'ilsdirifl.Bd.mi litflXXV. 170 169' y .\\k^\ Veri V. Uustav Fiscter, Jena /?>/. /6H-/86 Litfi. Arst Y A,(«ilt&i. Jena .hnatsche Zeitschnfl BdXXVl. TaflSai Vfrl.v Susiav Fischer. Je'5_ Ft(/. IS7-223. ^^ii^O -^m^^. \:;tg.( Lilh,Ans[.Y;A.5iJtsch,Jcr, Ji'imixhe Xci/sdiri/i, BU.XXW. TafSKVII ','>-rl r CmstaN' Fischer. TeM Ml, Jenaische Zeilsdo-ift Bd XXVI. TafXXVm. Tr Drger. VerLv. Susisv Rscher, dena. Litii.AnswA.Siitsc.'i, «enc. Fig. 2M -267. Jenmsche ZeUschfifl Bd. XX\1 Tar.WX. 268. ^ ^} 97¥. 276. Fr.Dreven 270. _^ 'r\ ,-, -^v/® ] 275. v:^ 0 ® o ^ ^ ~ 4,.- v^>) Verl v.Guslav Fischer, Jena . n/.iw-?s/. Lnh.Anst.v.ASiltsch.Jaia. ..' ^h- / '^ Jpnaisehe Zeitschrift fiir ^^4TURW1SSENSCHAFT hevausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Sechsundzwanzigster Band. iNeue Folge, Neunzehnter Band. Evstes un»l zweites Heft. Mit,J9 lithographisehen Tafeln. Preis: 12 Mark. ->-i-<^ J c II a, Verlag von Gustav Fischer 1891. 'usendungen an die Redaktion erbittet man durch die Yerlagsbuchhandlung. Ausgegebeu am 15. August 1891. Verlag toii Criistav Fischer in Jena. Soeben erschien : Morphologisehe Arbeiten. Herausgegeben von Dr. GustaY Sclnzsralbe, /6. Professor der Anatomie und Director des anatomischen Instituts an der Universitat Strassburg. / / Erster Band. Erstes Heft. Mit 7 Tafeln. — Preis: 8 Mark. Das erste Heft erscheint auch unter dem Titel: Dr. yv. Pfitzner, Privatdocent in Strassburg. znr KenDtfliss des menscliMeii Exlremilenskeletts. Erste Abtheilung: I. Einleitung. Allgemeines. Metliodeii. II. Maassverhaltuisse des Handskeletts. III. Maassverhaltnisse des Fussskeletts. Mit 7 Tafeln. - Preis: 8 Mark. Dr. mecl. Albert Oppel, Assistent fiir Histologie an der Anatomisclien Anst;ilt der Universitat Miinchen. Vergleichung des Entwicklungsgrades der Organe zu verschiedenen Entwicklungszeitcn l)ei Wirbeltieren. Preis: 7 Mark. Botanisctie Mitttieilunjen aus Jen Tropen. Heraiisgegel)en von Dr. A. F. W, Schimper, a. o. Professor der Botanik an der Universitat Bonn. Drittes Heft; Die indo^malayische Strandflora von I»r. A. F. y/. Srhiiniier. Mit 6 Holzschnitten, 7 Tafeln und 1 Karte. Preis: 9 Mark. In halt. PfllO PAs:sAK(;t:. Siegfried. Das Ruth im ostlichen Thuringeu 1 Semon, Richaei), Studien iibcr den Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbeltievc. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organ- systems bei Ichthyophis glutinosns. Mit Tafel I — XIV . . . 89 'Drkyer. Friedkihi, Die Principien der Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Ein Versuch zur niechanischen Erklarung organischer Gebilde. Mit Tafel XV— XXIX . . . 204 Verlaa von (Tiistav Fischer in Jena. Dr. Oscar Hertwio", 0. o. Pioles:<(.«r 'ier Aiiatomie und Director des II. .Anatoinisi'hen Instituts der Univer.^itiit Berlin. Ueber die Physiologisehe Grundlage der Tubereulinwirkung. Eine Theorie der Wirkungsweise bacillarer Stollueeliselprodiicte. Preis : 8o Pfennige. Dr. Otto Hamami, Die Nemathelminthen. IJeiTniffe zur Keiintnis ilirer Entwickluns:, ihres Raues iind ihrer Lebens^eschichte. Er.stes Heft: Monographic der Acanthocephalen (Echinorhynchen), ihre Knt- wicklung, Histogenie. Anatomie, nebst Beitragen zur Systematik und Biologic. r-rii'-T Theil mit 10 lithographischen Tafeln. i'reis : 11 Mark. Dr. J. E. V. Boas, Lehrbuch cier Zo Fur Studircndc und Lelii Lbbild 1892 ,, , *^ Abbildunp-;^.' ^ Verlag von Xjusiav Fischer Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 30. April 1892. / Verla^: von G us tar Fischer in Jena. Dr. Theodor Boveri, Privatdoceut an der Universitat Miinchen. Zellen-Studien. Heft III. XJeber das Verhalten der chromatischen Kernsubstanz bei der Bildung der Richtungskbrper und bei der Befruchtung. Mit 3 lithographischen Tafeln. Preis: 4 Mark. Ernst Haeckel. Plankton-Studien. Verfleiclieuile UiitersncMiipn ier iie BeJeutiiiig mi Ziisaiunieiisetzung der PelagischeD Fauna unci Flora. Preis: 2 Mark. Dr. F. Korschelt u. Dr. K. Heicler, Privatdoceuten an der Universilat Berlin. Lehrbuch der Tergleicknden EEtwickluflispescliiclite k wirkllosen TMere. Erste Liefening. Mit 225 Abbilduiigen iiii Texte lil^ ^ Preis: 7 Mark. ^ r phil. Willy Kiikenthalj | H. 0. Pre Professor an der Universitat Jena. Me DM entfficHnna'ipsclilclitllclie Uiiteiwlinieii an Die indO'..'Walthieren. Von l»r. A. F. W. Schimper. Mit 6 Holzschnitten, 7 Tafeln und 1 Karte. Preis: 9 Mark. // .. Jenaische Zeitschrift fur NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichea Gesellschaft JUL 80 1892 Sechsundzwanzigster Band. Neue Folge, Neunzehnter Band. Drittes und viertes Heft. Mit 10 lithographischen Tafeln. Preis : 12 Mark. — $^ir< J c II a, Verlag von Gustav Fischer 1892. Zuaendungen an die Kedaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 30. April 1892. Soeben erschien in meinem Antiquariat : Catalog 79. NaturwissensW. Land- unil Forstwiswclaft. 1758 Nummern. gratis und franko! Otto Deistung's Buchhandlung (A. Bock), Rudolstadt. Verlag toii CrustaY Fischer iii Jena. Soeben erschien: Dr. Fr. Dreyer, Wege und Ziele biologiseher Forsehung. Mit 7 lithographisclien Taf'eln. Preis: 5 Mark. Dr. Richard Hertwig, 0. 6. Professor der Zoologle und vergleichenden Anatomie an der Universitat Munchen. Lehrbuch der Zoologie. Mit 568 Abbildungen. Preis broschiert 10 Mark, gebunden 11 Mark. Dr. Robert Wiedersheim, 0. 6. Professor der Anatomie und Direktor des anatomischen und vergleichend-anatomischen Instituts der Universitat Freiburg i. Br., Das Gliedmassenskelett der Wirbelthiere mit besonderer Beriicksichtigung des Schulter- und Beckengiirtels bei Fischen, Amphibien und Reptilien. Mit 40 Figuren im Text und einem Atlas von 17 Tafeln. Preis : 24 Mark. I n h a 1 1. Seite Dreyer, Friedrich, Die Principien der Geriistbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Mit Tafel XV— XXIX .... 297 KiJKENTHAL, WiLLY, Ueber den Ursprung und Entwickelung der Sfiugetiorzahne 4G9 Im Verlage von Hermann Costenoble in Jena erschien soeben und ist durch jede Buchhandlung zu beziohen : Entwicklungslehre und Darwinismus. Eine kritische Darstelluug der modernen Entwicklungslehre und ihrer Erklarungsversuche, mit be- sonderer Beriicksichtigung der Stellung des Menschen in der Natur. Gemeinfasslich geschildert von Otto Hamann, Dr., Privatdozenten der Zoologie an der Universitat Gottingen. Mit 16 Abbildungen. Ein Band 8. Geh. 8 M., geb. in Halbfranz 10 M. Ein Seitenstiick zu Brehms Tierleben. Soeben erschieu der 11. (SchluB-) Band von: pFLANZENLEBEN * lion Pif)f. Dr. A. Kerner u. Matilaun. lias Hanptwerk des hortihrnteu PHaiizenbiolngen! (Jlanzeiid geschriebeu , ausgezeichuet durch liohen iuuern Gehalt und geschniiickt mit nahezu 1000 originalen Abbildnngon imText und 40 Chromotafeln von wissenschaftlichur Treue und kiinst- lerischer Vollendung, bildet es eine prilchtige Gabe fiir alle Freunde der Pfianzenwelt, ein Hausbuch edelster Art, das in der populiirwissenschaftlirhen Litteratnr ohuegleichen dasteht. Preis in 2 Halbt'ruiizbiindeii gcbundeu 32 Mark. Prospekte gratis durch alle Buchliandlungen. K. Voi'lafi des Ribliograiiliischen Institnts in Leipzig. i Madagascar! in w geg. 30 Pf. bei Bestellg, List. mein. Natural deutsch. Briefm einrechne. F. Sikora, Naturaliste, Annanarivo, Madagascar, via Marseille. Fromir.annsche iJuchdruckerei (Hermaan Pohle; in Jena. — 950 Ycrlag Ton Crustav Fischer in Jena. Dr. Otto Hainann, Privatdocent der Zoologie in Gottin^en, Die Nematlielniintlien. BeitrSge zur Eenntniss ihrer Entwickelung, ihres Banes unci Ihrer Lebensgeschichte. Erstes Heft, Monographic der Acanthocephalen (Echinorh3mchen). Ihre Entwickelung, Histogenie, Anatomie, nebst Beitragen zur Systematik und Biologie. Erster Teil mit 10 lithographischen Tafeln. Besonderer Abdruck aus der Jenaischen Zeitschrift fiir Naturwissenschaft XXV. Bd. N. F. XVIII. Bd. ^=^= Preis: 11 Mark. ^^= Dr. med. Albert Oppel, Assistent fiir Histologie an der Anatomischen Anstalt der Universitat Miinchen. Vergleichung des Entwicklungsgrades der Organe zu verschiedenen Entwicklungszeiten bei Wirlbeltieren. Preis: 7 Mark. Richard Semon, a. 0. Professor an der Universitat Jena. Studien iiber den Bauplan des Urogenitalsystems der ISTirbelthiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis glutinosis. Mit 14 lithographischen Tafeln. Preis: 12 Mark. August Weismanii; Professor der Zoologie an der Universitat Freiburg i. Br. Antpbimixi^ Oder die Vermischung der Individuen. Mit 12 Abbildungen im Texte. Preis: 3 Mark 60 Pf. 3 2044 106 263 155