a ae | LAr 4 f sf . ) f /) Se { ~—— a . ; Pibrary of the Museum OF COMPARATIVE ZOOLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. becligiack . | srucnasentchagiticken IG |) ie , No. Gog fe 10¥: snp ite Pees The gift of tee Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Siebenundzwanzigster Band. Neue Folge, Zwanzigster Band. Mit 25 lithographischen Tafeln und 9 Abbildungen im Texte. Se Jena, Verlag von Gustav Fischer “1892. 4 ares Leh tte) ! i oe , ai spaccatt Ve (Alea Luft) kano! anion: net. Rawitz, Dr. Bernnarp, Der Mantelrand der Acephalen. Dritter Teil: Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrach- tungen. Mit Tafel I—VII und 5 Abbildungen im Texte Frenzet, Prof. Jouannes, Uber einige argentinische Gregarinen. Ein Beitrag zur Organisation und Physiologie der Gregarinen iiberhaupt. Mit Tafel VIII Si, abet Rog ane eine Antipa, Dr. Gr., Eine neue Art von Drymonema. Mit Tafel IX GressteR, Dr. Rupotr, Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze RS te aM a MP eg Da Scuneiper, Dr. Kart Camitto, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. Mit Tafel X—XVI . Ranpotex, Dr. Haregret, Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. Mit Tafel XVII—XIX oy Pe pene Hevuscuer, J.. Zur Anatomie und Histologie ies eaneonienn Sluiteri Hubrecht. Mit Tafel XX—XXIII und 4 Ab- bildungen im Texte Romer, Dr. phil. F., Uber den Bau an ae Ree ioketens tes Panzers der Giirteltiere. Mit Tafel XXIV—XXYV . Harcxet, Ernst, Plankton-Composition. Vorlaufige Mitteilung . Seite 513 559 Der Mantelrand der Acephalen. Dritter Teil. Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrachtungen. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Universitit Berlin. Hierzu Taf. I—VII und 5 Abbildungen im Texte. In der Vorbemerkung zum zweiten Teile dieser Arbeit (Jenaische Zeitschrift Bd. XXIV) habe ich ausgefiihrt, da’ ich im Friihjahr 1888 durch die Munificenz der K6niglichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in den Stand gesetzt war, das den folgenden Untersuchungen zu Grunde liegende Material in der zoologischen Station zu Neapel sammeln zu kénnen. Im Laufe der Durcharbeitung ergab sich die Notwendigkeit eines neuen Aufenthaltes an genannter Station, der mir durch die Gewiahrung eines Stipendium aus der Grifin Luise Bose-Stiftung seitens der medicinischen Fakultat hiesiger Universitit in den Sommerferien von 1890 erméglicht wurde. Der Fakultaét sage ich meinen besten Dank. Vollendet wurde die Arbeit im physiologischen Institut der hiesigen tierarztlichen Hochschule, dessen Mittel Herr Pro- fessor Munk, dem ich dafiir zu groBem Danke verpflichtet bin, mir bereitwilligst zur Verfiigung stellte. Berlin, Mai/Juni 1891. Bd, XXVII, N. F, XX. 1 a Dr. Bernhard Rawitz, Siphoniata. VY. Lucinacea ‘). (Fig. 1—5.) A. Allgemeines. Aus dieser Ordnung habe ich nur die Arten Cardita sul- cata Lam., Astarte fusca Pout und Lucina spinifera Turt. untersucht. Die Innenfliche der Schale von Cardita sulcata hat in ihrem Randteile zahlreiche Rippen, zwischen denen sich Ver- tiefungen finden, wihrend sie in ihrer ganzen tibrigen Ausdehnung glatt ist. In der vorderen und hinteren Partie sind die Rippen kurz und flach, die Vertiefungen daher seicht; der Mitte des Schalen- randes zu sind beide starker entwickelt. Den Vertiefungen der Schale entsprechen Erhéhungen auf der Auf enfliche des Mantel- randes, die mit breiter, durch einen parallel zum Rande gerich- teten gelbbraunen Pigmentstreifen kenntlich gemachter Basis ent- springen und dreieckige Gestalt haben. Die Spitze des Dreiecks iiberragt um weniges das Niveau des Mantelrandes. Der Mantel ist von vorn bis nach hinten zu der Stelle, an der das hintere Ende der Kiemen sich findet, offen. Man kann an seinem beim lebenden Tiere orangefarbenen Rande schon mit blokem Auge zwei deutlich getrennte Falten unterscheiden, von denen die dufere die dreieckigen Verdickungen besitzt. Proximalwirts der inneren, im eigentlichen Rande, erkennt man einen ziemlich breiten Wulst, der in den vorderen Partieen nur schwach ausgebildet ist, nach hinten zu allmihlich an Ausdehnung zunimmt und dabei gleich- 1) Ich bezeichne die einzelnen Ordnungen, welche in diesem Teile wie in den beiden friiheren untersucht wurden, mit fortlaufen- den Nummern; daher hat die Ordnung der Lucinacea hier eine V. Im iibrigen folge ich stets dem System des Handbuches von Carus- Grrsticker. Darnach gehéren die Gattungen Cardita und Astarte zur Familie der Astartidae und der Ordnung der Lucinacea, und nicht, wie Mryrr und Mosius fiir Astarte, Carribre (Ar- beiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut in Wirzburg, Bd. V, 1882) fiir Astarte und Cardita angeben, zur Familie der Cyprinidae. Die Cyprinidae-Glossidae gehéren, fide Carvus-Gerstickrr, zu den Veneracea. Die Histiologie des Mantel- randes spricht fiir die Richtigkeit der in dem genannten Handbuche gegebenen Einteilung. Der Mantelrand der Acephalen. 3 zeitig eine der Liingsachse der Schale parallele Runzelung zeigt. Entsprechend der Gegend des hinteren Endes der Kiemen sind die Innenfalten der rechten und linken Seite auf eine kurze Strecke ver- wachsen, um sich dann wieder zu trennen und erst beim Umbiegen zur Riickenfliche des Tieres sich von neuem und nunmehr dauernd zu vereinigen. So entsteht eine kreisférmige Offnung, die den Analsipho reprasentiert. An demselben finden sich keinerlei Pa- pillen, wie bei den gleichen Gebilden anderer Siphoniaten. Astarte fusca zeigt hinsichtlich des grob wahrnehmbaren Baues ihres Mantelrandes im allgemeinen ein ahnliches Verhalten, wie Cardita suleata. Ein gerunzelter Randwulst fehlt jedoch hier. Vorn ganz schmal beginnend wird der Mantelrand nach hinten zu breiter, um in den hintersten noch vor dem gleich zu erwihnen- den Analsipho gelegenen Partien am starksten zu sein. In den hinteren Dreiviertel seiner Liingenausdehnung ist er pigmentiert; das Pigment erscheint auf die Innenfliche beschriinkt und ist von schmutzigbrauner Farbe. Die Bildung des Analsipho, der etwas hinter der Gegend des hinteren Endes der Kiemen sich findet, erfolgt ganz wie bei Cardita. Mit dem vorhin erwihnten Auf- treten des Pigmentes im Rande erscheinen an dessen innerer Flache gleichzeitig eigentiimliche Gebilde, die bei Betrachtung mit blofem Auge der Oberfliche ein leicht welliges Aussehen verleihen, bei Lupenvergréferung als kleine weifSe, knopfférmige Erhaben- heiten imponieren. In den mittleren und hinteren Partien des Randes sind dieselben in sehr grofer Zahl vorhanden und _ stehen ziemlich dicht bei einander, wihrend sie in den vorderen Regionen ganz fehlen. Im Analsipho finden sich derartige Gebilde nicht vor. Beziiglich des Mantelrandes von Lucina spinifera ist zu bemerken, da derselbe dem der beiden anderen untersuchten Species dieser Ordnung fast véllig gleicht und sich von dem der Cardita nur durch Abwesenheit des Randwulstes, von dem der Astarte durch den Mangel jener weiflichen knopfférmigen Er- habenheiten unterscheidet. B. Specielle Beschreibung. In den histiologischen Einzelheiten weichen die drei Arten in wesentlichen Punkten voneinander ab, so da jede fiir sich be- schrieben werden muf. Cardita sulcata. Untersucht man eine vom lebenden Tiere abgeschnittene kleine Partie des Mantelrandes frisch in See- 1* 4 Dr. Bernhard Rawitz, wasser, so erkennt man, daf die Oberfliche mit einem wimper- losen Kpithel bedeckt ist; nimmt man dagegen ein Stiick von der Gegend des Randwulstes, so findet man deutlichen Cilienbesatz. In dem ersten Stiicke wird der freie Saum der Epitheldecke iiber- ragt von schmalen, bei schwacher VergréSerung homogen er- scheinenden, leicht glinzenden Stacheln, welche in dem vom Rand- wulste stammenden Stiicke zwischen den Wimpern sichtbar sind, keine Eigenbewegung besitzen, sondern in dem Wimperstrome trige hin und herschwanken. Die indifferenten, etwas gelblich aussehenden Zellen, seien sie bewimpert oder wimperlos, sind cylindrische Gebilde mit basaler wurzelférmiger Ausfaserung. Die Stacheln, die sich bei Anwendung stirkerer Linsen oder nach geeigneter Maceration als ein schwaches Biindel feiner Borsten praisentieren, sitzen auf Zellen auf, die in jeder Hinsicht dem von FLEMMING in seiner ersten Arbeit tiber Molluken (14)!) auf- gestellten Schema der Sinneszelle (Pinselzelle) entsprechen. Man trifft also an ihnen ein mit Borsten besetztes Képfchen, einen schmalen langen Hals und eine spindelférmige, basale, im sub- epithelialen Gewebe wurzelnde Verbreiterung, die kernhaltig ist und in eine feine varikése Nervenendfaser tibergeht. Dies sind also die Sinneszellen im Mantelrande dieser Species. In der vom Randwulste abgetragenen Partie sieht man reichlich an der Schnitt- stelle, sparlicher aber doch sehr deutlich durch die Epitheldecke hindurch etwas zahfliissige Massen in Form kleiner Tropfen aus- treten, die einen matten Glanz besitzen und nach kurzer Zeit in dem zur Beobachtung verwendeten Seewasser konfluieren. Schnittpraparate lehren folgendes: Der Rand geht in drei Falten aus, von denen die beiden inneren der bei makroskopischer Betrachtung einheitlich erscheinen- den inneren entsprechen. Die innerste Falte ist auf dem Schnitte von kegelf6rmigem Aussehen und ist stets die kleinste, wihrend die mittlere und aéufere Falte, zwischen denen die Epicuticula entsteht, an GréSe abwechseln. Und zwar so, da’, wenn die in der allgemeinen Beschreibung erwahnte dreieckige Erhéhung der Aufenflache vorhanden ist, die Aufenfalte, wenn sie fehlt, die Mittelfalte die héhere von beiden ist. Letztere hat im Schnitte 2) 1) Die Zahl hinter den Namen weist auf das dem ersten Teile beigegebene Litteraturverzeichnis hin. 2) Die Schnittrichtung durch den Mantelrand war stets so ge- waihlt, daf seine Innen- wie Aufenfliche gleichzeitig im mikro- skopischen Bilde vorhanden waren: also quer zur Liingsachse des Tieres. Der Mantelrand der Acephalen. 5 stets handschuhfingerformige Gestalt, wahrend die Form der Aufenfalte durch das abwechselnde Auftreten und Verschwinden der dreieckigen Erhéhung eine sehr variable ist. Gegen den Wulst hin findet sich eine meist seichte, selten tiefe Einziehung, welche somit die Falten- und die Wulstregion des Randes trennt. Hier in dieser Gegend liegt in spater zu beschreibender Weise der Ringnerv des Mantels. Es ist das derjenige Nerv, welcher in den hinteren Partien eine Fortsetzung des Duvernoy’schen_,,palléal postérieur“, in den vorderen eine Fortsetzung des AuBeren Astes des ,,palléal antérieur“’ ist, aus deren beider Vereinigung er entsteht. Das Epithel der Falten nach innen von der Epicuticula und das der Innenfliche des Randes besteht aus etwa 16,2 4% hohen und 5,4 « breiten Cylinderzellen, welche im Wulste 3,6 uw hohe Wimpern besitzen. Zwischen denselben sind die Sinneszellen als ganz schmale Gebilde von héchstens 1,8 « Breite zu sehen, deren Kern im Gegensatze zu dem der indifferenten Zellen, welcher ein deutliches Geriist zeigt und blaf ist, stets sehr dunkel gefarbt; homogen und stabchenformig erscheint. Die basale Grenze des Epithels gegen das subepitheliale Gewebe ist undeutlich. An der Auf8enfalte sind die Epithelzellen etwa 30 « hoch, um dann gegen die Aufenflache des Randes an Hohe allmahlich bis zu dem Mafe von 8 uw abzunehmen. Im eigentlichen Rande aber ist das AuBenepithel wieder anders geartet. Es farbt sich zunachst viel intensiver, als das Epithel der tibrigen Regionen, ist etwa 25 wu hoch, 4 w breit und besitzt ovale, basal gelegene Kerne, die ganz homogen erscheinen. Die einzelnen Zellen sind sehr scharf gegen- einander konturiert und durch eine deutlich ausgepragte Linie basalwarts gegen das subepitheliale Gewebe abgesetzt. Gegeniiber dem proximalen Kontur des inneren Randwulstes wird dann das Fpithel der AuSenfliche von neuem niedrig, etwa 7 uw, und behalt dieses Maf nunmehr auf der ganzen Flache bei. Gleichzeitig bleibt der Zellleib in den verschiedensten der angewendeten Farb- stoffe fast véllig farblos. Das gleiche Verhalten, wie der Rand, bietet im mikro- skopischen Bilde der Analsipho dar, sowohl hinsichtlich der Falten als auch in betreff der Epithelzellen. PaTtren (32) giebt in seiner oft citierten und _ kritisierten Arbeit an, daf bei Cardita sulcata Ommatidien vorkommen. Er findet nahe am oralen Ende des Mantelrandes fiinf bis sechs breite, pigmentierte Flecken, deren Centrum dunkelbraun, fast e 6 Dr. Bernhard Rawitz, schwarz, deren Peripherie blasser ist. In diesen Pigmentstellen, wo der cuticulare Saum des Epithels besonders dick, aber nicht facettiert sein soll, ,one may see numerous, scattered omma- tidia, consisting of four or five dark-colored cells arranged around a single, central one, two of which are often situated close together“ (p. 614 1. ¢.). Es war mir wahrend des letzten wie wahrend des vorigen Aufenthaltes in Neapel an den zahlreichen mir zur Verfiigung stehenden Exemplaren dieser Species absolut unmoglich, die Parren’schen Pigmentflecken wiederzufinden. Da auBerdem im Schnitte — Parren hat von dieser Species keine Schnitte angefertigt — nicht die geringste Andeutung von Omma- tidien zu sehen ist, vielmehr auch im vorderen Abschnitte des Mantelrandes die Epitheldecke dasselbe harmlose und wenig inter- essante Aussehen darbietet, wie in allen tibrigen Partien, so halte ich mich fiir berechtigt, die Parren’sche Angabe als durchaus irrig zu bezeichnen. Von physiologisch und histiologisch gréftem Interesse sind die sekretorischen Gebilde im Mantelrande. In vier Formen erscheinen dieselben. Erstens als Driisen, welche in der Mittel- falte vorkommen und an deren Innenfliche miinden (Fig. 1 md), sowie als Driisen gleichen Charakters, welche an der Innenflache distalwarts vom Randwulste bis zur Innenfalte sich finden. Zwei- tens als amorphe Sekretmassen, welche im Randwulste vorhanden sind oder vielmehr den Randwulst bilden (Fig. 2 gd). Drittens trifft man Driisen von eigentiimlichem Habitus in der Aufenfalte (Fig. 3 gd) und endlich viertens sind zu den sekretorischen Ge- bilden noch Becherzellen zu rechnen, die im Epithel des Rand- wulstes und proximalwarts von demselben bis in die Innenflache des eigentlichen Mantels zu sehen sind (Fig. 2 be). Uber die Driisen, welche der Mittelfalte angehéren, ist folgen- des festzustellen (Fig. 1 md). Dieselben sind, soweit sie in der Substanz der betreffenden Falte liegen, schmale aber lange Ge- bilde, deren Kérper, da die Falte sehr schmal ist, oft bis in die Nahe des Epithels der AuSenflache derselben reicht. Ist im Schnitte der Ausfiihrungsgang mit dem Driisenkérper, als dessen direkte Fortsetzung er zu betrachten ist, in Verbindung, dann haben die Gebilde flaschenformige Gestalt; ist der Ausfiihrungs- gang nicht mitgetroffen, dann ist die Form eine ganz unregel- mafige. Der Ausfiihrungsgang ist sehr lang, er schlingelt sich in den verschiedensten Windungen durch das Gewebe und dringt zwischen die Epithelzellen der Innenfliiche hinein, hier durch inter- Der Mantelrand der Acephalen. 7 epitheliale Liicken sein Sekret ergiefend (Fig. 1). Tropfen des Sekretes sieht man zum Teil noch zwischen den Epithelzellen stecken, zum Teil tiber dieselben hinausragen. Die Hauptmasse der Driisen steckt an der Basis der Falte und reicht ziemlich tief in die Substanz des eigentlichen Randes hinein. Wahrend in der Falte die Driisen sich deutlich als einzellige Gebilde pra- sentieren, sind sie an deren Basis so zahlreich und zugleich so eng gepackt, da, trotz der gut wahrnehmbaren Kerne (Fig. 1) kaum die Grenzen der einzelnen Zellen zu erkennen sind, die Gesamtheit vielmehr den Eindruck eines einheitlichen Driisen- paketes mit zahlreichen Ausfiihrungsgiingen hervorruft. Diese letzteren fiihren alle zum Epithel der Innenflaiche der Mittelfalte. Bei Anwendung basischer Anilinfarben, besonders des Bismarck- brauns, erkennt man zwei Hauptnuancen der Tinction. Es er- scheint nimlich ein Teil der Driisen hellbraun, von fast homogener Beschaffenheit (Fig. 1), wihrend ein anderer Teil tief dunkelbraun, fast schwarz aussieht. Driisen der letzteren Art zeigen zuweilen ihren Inhalt wie in einzelne Schollen zerfallen. Die Ausfihrungs- ginge sind stets dunkelbraun tingiert, ihr Inhalt besteht aus zahl- reichen kleinen, dicht gedrangten Tropfen. (In der Abbildung (Fig. 1) sind diese Verhiltnisse nicht wiedergegeben; die geschil- derten Einzelheiten sind nur bei Anwendung starker Systeme zu erkennen.) Zwischen den beiden erwihnten Extremen finden sich nun Ubergiinge in der Farbung. Es sind daher die beiden Haupt- nuancen als das Anfangs- bez. Endstadium der Driisenthatigkeit anzusehen, und zwar die dunkelbraune Nuance — ich gehe hier- bei von den mit Bismarckbraun gefirbten Praparaten aus —, weil die Ausfiihrungsginge dieselbe fast ausschlieBlich zeigen, als das End- oder sekretgefiillte, die hellbraune als das Anfangs- oder sekretleere Stadium. Im Verlaufe der Driisenthitigkeit geht so- nach mit der chemischen Umbildung des Zellplasma auch eine Veranderung im tinctorialen Verhalten einher, insofern die in der Ruhe nur in geringem Grade vorhandene Neigung zu der basischen Anilinfarbe sich mit der Thatigkeit allmahlich steigert, um schlieflich die vorhin beschriebenen Bilder zu liefern. Aus dieser Neigung der sekretgefiillten Driise zu dem Farbstoffe lift sich aber auch ein Schlu& auf die physiologische Bedeutung des Driisen- produktes ziehen. Aus Griinden, die ich im zweiten Teile (p. 23/24 des Sonderabdruckes) auseinandergesetzt habe, sind die Driisen, mit denen wir es hier zu thun haben, Mucindriisen. 8 Dr. Bernhard Rawitz, Die Driisen auf der Innenfliche, distalwarts vom Randwulste, liegen nicht so massenhaft beisammen, wie die der Mittelfalte, sind aber sonst, sowohl hinsichtlich des histiologischen Verhaltens wie ihrer physiologischen Wertigkeit, mit jenen in vollkommener Ubereinstimmung. Die amorphen Sekretmassen, welche den Randwulst bilden, haben sich mit Bismarckbraun hellgelbbraun tingiert und zeigen zu gleicher Zeit einen eigentiimlichen matten Glanz. In- folge der coagulierenden Wirkung der Fixierungs- und Hartungs- fliissigkeiten erscheinen sie im mikroskopischen Bilde entweder als groke unregelmafig gestaltete Schollen oder als kleine, mehr oder weniger dicht gepreBte Kriimel (Fig. 2 gd). Die Erhirtung macht diese Massen so spréde, da sie beim Schneiden — nach Paraffindurchtrinkung — knirschen, sehr briichig sind und daher meist aus dem Schnitte herausfallen, oder da der Schnitt auch bei schonendster Vornahme der zur Farbung notigen Mani- pulationen leicht zerreift. Diese amorphen Massen — amorph, weil sie nicht als histiologisch differenzierte Driisen erscheinen — liegen in Nestern der Bindesubstanz des Wulstes (Fig. 2 gd). Das Bindegewebe bildet naimlich Maschen von verschiedener, meist betrichtlicher GréBe, welche die Sekretmassen beherbergen. Die Maschen sind alle langsoval, die Richtung des grofen Durch- messers derselben geht vom Innenepithel zur Aufenseite — ohne diese zu erreichen — also quer zur Liangsrichtung des Wulstes. Sie werden von zarten Bindegewebslamellen gebildet, die auf dem Schnitte als Fibrillen imponieren und einen leicht geschlangelten Verlauf haben (Fig. 2). In der Wand der Lamellen trifft man spar- liche Kerne, die, wenn sie von der Seite gesehen werden, als stabchenformige Gebilde, wenn von der Flache, als ovale sich darstellen; die Kerne, die sich ziemlich intensiv farben, sind also platt gedriickte Ovoide. Sind die Maschen von den Sekretmassen ausgefiillt, was man aus den oben angefiihrten Griinden nur selten zu sehen bekommt, dann erkennt man, daf die Bindegewebskerne gegen die Massen leicht prominieren. Alle Maschen stehen unter- einander in ausgiebiger Kommunikation und so bildet der Rand- wulst, als Ganzes betrachtet, eine einzige sehr ausgedehnte Driise. Die Entleerung des Sekretes geschieht durch interepitheliale Liicken, nicht aber durch Vermittelung der spater noch zu er- wihnenden, hier sich vorfindenden Becherzellen (Fig. 2). Daf es sich bei diesen Massen wirklich um ein fliissiges Sekret han- delt, dafiir ist meines Erachtens die am lebenden, abgeschnittenen Der Mantelrand der Acephalen. 9 Stiicke leicht anzustellende und oben mitgeteilte Beobachtung voll beweisend. Diejenigen Gebilde, durch deren Thatigkeit dieses massenhafte Sekret geliefert wird, sind die FLemmrna’schen Zellen der Bindesubstanz. Dieselben trifft man bald isoliert, bald zu mehreren in einer entsprechend grofen Masche. Ihr Protoplasma ist auferordentlich zart und zeigt ein nur geringes Farbungs- vermégen, die Kerne sind stets blag tingiert und bedeutend créfer, als die der Bindesubstanz. In den sekretgefiillten Maschen findet man in seltenen Fallen als Reste dieser Zellen leicht ge- schrumpfte, von nur wenig Zellsubstanz umgebene Kerne, die in die Wand gedriickt sind und von den Bindegewebskernen nur durch ihre differente Farbung sich unterscheiden. Meistens, wie auch in der beigegebenen Abbildung (Fig 2) sind diese Reste nicht mehr erkennbar. Uberginge zwischen den FLemmina’schen Zellen und den sekretgefiillten Maschen, welche die physiologische und histiologische Zusammengehdorigkeit beider darthun, sind, wenn auch nicht allzureichlich, anzutreffen. Man sieht namlich Maschen, in welchen aufer den genannten Zellen sich sparliche Sekrettropfen finden, Maschen, in denen das Sekret reichlicher, die Zellen aber noch immer deutlich sind, bis schlieBlich das geschilderte Extrem der sekretgefiillten Bindegewebsmasche erreicht ist. Die dritte Form, in der im Rande das Sekret erscheint, sind die eigentiimlichen Driisen der AuBenfalte (Fig. 3). Dieselben finden sich, wenn die Falte in ihrer vollen Ausdehnung im Schnitte getroffen ist, besonders an der Innenfliche, miinden also, und zwar durch interepitheliale Lticken (Fig. 3), gegen die Epicuticula; die Spitze der Falte ist stets sekretfrei. ,,Eigentiimlich“ nannte ich diese Driisen. Man sieht namlich ein eigentliches Driisen- plasma an ihnen nicht, sondern findet nur sehr grofe, nach Farbung in Bismarckbraun hellbraune, ovale oder kreisrunde Konglomerate von Tropfen. Dieselben liegen alle in ziemlicher Nahe des Epi- thels (Fig. 3 gd). Nur selten sind in ihnen kleine Kerne zu er- kennen. Sehr viel sparlicher trifft man diese Tropfenkonglomerate auch in der Nahe des Epithels der AuSenflache der Falte und ebenso in der Aufenflaiche des Randes. Es ist an diesen Gebilden ganz auferordentlich schwer zu entscheiden, ob sie aus nur einer, ob aus mehreren Zellen bestehen. Aus dem Umstande, daf man fast in jedem dieser Tropfenkonglomerate, die sich iibrigens als ziemlich scharf konturiert darstellen, wenn iiberhaupt, min- destens zwei, meist mehr Kerne findet, glaube ich den Schluf 10 Dr. Bernhard Rawitz, zichen zu diirfen, daB wir es hier mit mehrzelligen Driisen zu thun haben. Die Becherzellen endlich, deren Vorkommen im Epithel des Randwulstes (Fig. 2 be) schon erwaihnt wurde, farben sich, wie die Driisen der Innenflache und der Mittelfalte, in Bismarck- braun intensiv dunkelbraun. Ihre Gestalt entspricht dem Schema der Becherzellen in allen Stiicken. Im sekretgefiillten Zustande also sind sie ei- oder becherformig (Fig. 2 be) und haben die indifferenten Nachbarzellen beiseite gedrangt; dabei sind die Wimpern tiber der gefiillten Theca vorhanden. Der Kern der Zellen, von einem bei schwachen Vergréferungen nicht wahrnehm- baren Reste von Protoplasma umgeben, ist durch das Sekret ganz basal gequetscht (Fig. 2 be). Im sekretleeren Zustande gleichen sie den indifferenten Wimperzellen so, da8 sie von ihnen nicht zu unterscheiden sind. Mit den unter ihnen gelegenen amorphen Sekretmassen des Randwulstes stehen sie in keiner Verbindung. Im Analsipho kommen von sekretorischen Gebilden nur amorphe Sekretmassen, aber in zwei scharf geschiedenen Formen vor. Die eine Form findet sich in den Innenflaichen der Falten und zwar als Massen auferordentlich kleiner Tropfen, welche dicht gedrangt in den Maschen der Bindesubstanz liegen. Die andere Form besteht aus verstreut stehenden Tropfenkonglo- meraten, die nach der Au8enfliche zu miinden und denen gleichen, die man in der AufSenfalte und -fliche des Randes antrifft. Es wurde schon erwihnt, daf die in der Mittelfalte und der Innenflache des Randes zu beobachtenden Driisen sowie die secherzellen sich in Bismarckbraun intensiv dunkelbraun farben, was auf eine Mucin bereitende Funktion dieser Gebilde schliefen lie’. Dieser SchluS wird bestatigt, wenn man noch andere Tinc- tionen als die genannte wahlt. In Orange-Hamatoxylin, in EKosin- Hamatoxylin werden die Driisen veilchenblau, in dem Dreifarben- gemisch von EnriicH-Bionpi pfaublau: das ist eine ganz exquisite Mucinreaktion. Die amorphen Sekretmassen des Wulstes und der Innenflachen der Analsiphofalten haben in den zuletzt ge- nannten drei Tinctionsmitteln einen leuchtend orangenen, bez. flammendroten oder hochroten (Fig. 2 gd) Farbenton angenommen, Die Driisen oder Tropfenkonglomerate der Aufenfalte des Ran- des, der Aufenflache und des Sipho sind in Orange- oder Eosin- Hamatoxylin viel intensiver gelb bez. rot gefarbt, als die Massen des Wulstes; im Enrurcn-Bronprschen Farbengemisch iiberwiegt der orangene Ton (Fig. 3 gd). - Der Mantelrand der Acephalen. 11 Aus Griinden, die ebenfalls bereits im zweiten Teile der Ar- beit auseinandergesetzt wurden, weist diese tinctoriale Kigenheit, welche die amorphen Massen des Randwulstes zeigen, darauf hin, da& wir es hier mit einem eiweifahnlichen Sekrete zu thun haben. Da nun diese Massen sowohl in ihrer histiologischen Er- scheinung wie in ihrem mikrochemischen Verhalten vollig denen cleichen, die wir im Mantelrande von Pectunculus glycimeris und Arca diluvii kennen gelernt haben, so wird hier ihre physio- logische Bedeutung dieselbe sein, wie dort; die amorphen Sekret- mmassen sind demnach Giftmassen und der innere Randwulst repra- sentiert eine grofe Giftdriise. Cardita sulcata hat einen Mantelrand, der jeglicher specieller Sinnesorgane entbehrt, er ist nichts als eine tactil empfindliche schmale Fliche. Nur dann also kann diese Muschel ihr feindliche oder schadliche Objekte wahrnehmen, wenn deren Anwesenheit ihr durch Berithrung zur Kenntnis gebracht wird. Jede Beriihrung aber lést eine Kontrak- tion des Mantelrandes aus, die sich in einer Runzelung seiner Oberflache aufert. Mit der Kontraktion wird gleichzeitig Sekret aus dem Randwulste gepreft — davon kann man sich in geeig- neter Weise am lebenden Tiere tiberzeugen — und somit ist die Méglichkeit gewahrt, daf{i durch dessen chemische Eigenschaften lebende Feinde vernichtet, durch seine Massenhaftigkeit anorga- nische Partikel eingehiillt und unschadlich gemacht werden. Stellt so der Randwulst ein zur Verteidigung geeignetes Organ dar, so wird man diese Funktion fiir die Tropfenkonglo- merate in der AufSenfalte und der Aufenflache nicht annehmen diirfen, schon aus dem Grunde nicht, weil sich dieses Sekret in den Raum zwischen Epicuticula und Schale entleert. Vielleicht dient dasselbe dazu, in gewissem Grade die Kontractionsbe- wegungen, i. e. die Runzelungen des Mantelrandes, welche derselbe nach Beriihrungen ausfiihrt, zu erleichtern, wie ich dies im zwei- ten Teile fiir die in gleicher Gegend sich findenden Mucindriisen der Arcaceen als sehr wahrscheinlich hinstellte (cfr. 1. ¢. p. 26 des Sonderabdruckes). Vielleicht aber auch tragt dies Sekret zur Bildung der Schale selber mit bei. Eine pracise Entscheidung wage ich hier nicht zu treffen. Schwer verstandlich ist fiir mich die Bedeutung, welche die Mucindriisen in den Falten und die Becherzellen des Randwulstes besitzen. Nach dem Orte des Vorkommens dieser Gebilde muf sich ihr Sekret mit dem viel massenhafteren des Randwulstes mischen, kann also eine specifische Wirkung kaum_ entfalten. 12 Dr. Bernhard Rawitz, Vielleicht bewirkt es eine Verdiinnung der zahfliissigen giftigen Massen. Die Muskulatur des Randes zerfallt in Langs- und Quer- muskeln, wobei ich die zufolge der gewahlten Schnittrichtung — quer zur Langsachse des Tieres — quergetroffenen als Quer- muskeln, die langsgetroffenen als Langsmuskeln betrachte; jene ziehen von vorn nach hinten, diese von oben nach unten. Die Langsmuskeln finden sich als massiges Biindel dicht unter dem Epithel der Auffenflache, so da der Randwulst nach innen von ihnen gelegen ist. Dies Biindel teilt sich in zwei Hauptziige, von denen der aufere zur Aufenflache der Aufenfalte, der innere zur Innenfliche der Aufenfalte und zu den beiden anderen Falten geht. In denselben lésen sich die Muskelbiindel in einzelne Fasern auf, welche zum Teil der Spitze der Falten zustreben, zum Teil sich in die Nahe der Epithelzellen begeben, wo sie in einer nicht weiter erkennbaren Weise enden. Von der Hauptmasse gehen zahlreiche, aber nicht besonders gruppierte Fasern zur Innenflache des Wul- stes hin und durchsetzen so die amorphen Sekretmassen. Die Kontraktion dieser Fasern bewirkt offenbar die Entleerung des Sekretes. Die Quermuskeln trifft man als kompakte Masse distal- warts des Randes am Epithel der Innenfléche bis in die Innen- falte hinein. Die Mucindriisen des Randes liegen zwischen ihnen und dem Epithel. Was schlieflich die Innervation anlangt, so finden wir den Ringnerven gegeniiber der die Falten- und Wulstregion tren- nenden Einziehung in einer Entfernung von etwa 0,2 mm von der Innen- und von 0,5 mm von der Aufenfliche. Er hat kreis- runden oder elliptischen Querschnitt, besitzt zahlreiche polyclone Ganglienzellen, welche fast ausschlieSlich in seiner Peripherie gelegen sind, und giebt zahlreiche zarte Aste zu den Falten ab, die in deren Achse verlaufen und die einzelnen Endfibrillen zu den Pinselzellen entsenden. Astarte fusca. Der Rand geht, wie das mikroskopische Schnittbild lehrt, in drei Falten aus. Von diesen ist die innerste die kleinste, wihrend mittlere und dubere an GréBe einander glei- chen; nur selten tiberragt die Mittelfalte (Fig. 4). Die Gestalt der Innenfalte, die etwa 0,2 mm tiefer steht als die iibrigen Falten, ist im Schnitte warzenihnlich, die Mittelfalte hat fingerformige, die Aufenfalte etwa konische Gestalt; zwischen den beiden letzteren entsteht die Epicuticula (Fig. 4 cu). Das Epithel der Innenfalte Der Mantelrand der Acephalen. 13 besteht aus Cylinderzellen, welche groBe ovale und basal gelegene Kerne besitzen; es hat an der Aufenfliiche der Falte einen sehr schwachen, an der Innenflache einen etwas stirkeren cuticularen Saum. Innen geht es kontinuierlich in das gleich geartete Epithel der Innenfliche iiber. In den Zellen dieser Regionen findet sich ein sparliches braungelbes oder schmutzigbraunes Pigment (Fig. 4 u. 5), das aus kleinen Kérnern besteht, welche distal vom Kern liegen. Wimpern habe ich an den Epithelzellen nicht wahrnehmen kénnen. Zwar habe ich keine Macerationspraiparate anfertigen kénnen, weil das Material dazu zu sparlich war — im ganzen standen mir nur zwei Exemplare dieser im Neapeler Golfe, wie es scheint, sehr seltenen Art zur Verfiigung —, ich kann daher die Wimperlosigkeit dieser Zellen nicht absolut sicher behaupten. Andererseits aber wire es sonderbar, daf die zur Fixierung ver- wandte Pikrinsalpetersiure, welche sonst die Wimpern gut erhilt, gerade hier dieselben sollte zerstért haben. Es ist somit die Wimperlosigkeit aller Randepithelien héchst wahrscheinlich. Die Sinneszellen sind sehr schmale Gebilde und zeichnen sich deut- lich von den indifferenten aus; ihre Zahl ist relativ gering. Die Epithelzellen der Innenflaiche der Mittelfalte gleichen denen der bisher besprochenen Regionen durch ihren Pigmentgehalt; ihre Gestalt ist eine kubische. Die Epithelzellen der AuSenfliche die- ser Falte sind an der Epicuticulabildung beteiligt; das an ihnen zu beobachtende Detail soll daher erst besprochen werden, wenn ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen iiber die Epicuticula- bildung schildern werde. An der Aufenfalte sind die Epithel- zellen niedrig, fast platt, ohne cuticularen Saum und ohne Pigment und zeigen dies Verhalten auch an der Aufenfliche des Randes. Der Sipho unterscheidet sich vom Rande nur durch Ab- wesenheit der kleinen inneren Falte und der gleich zu beschrei- benden Driisen, stimmt mit ihm aber hinsichtlich seiner Epithel- zellen vollkommen tiberein. Ich komme zu den sekretorischen Gebilden, die sich in zweierlei Formen im Mantelrande dieser Species vorfinden. Die erste Form wird reprisentiert von Driisen, die aus einem einzigen Acinus bestehen (Fig. 5). In der Mitte des Randes nim- lich wie besonders in dessen hinteren Partien finden sich in sehr grofer Zahl Gebilde vor, die auf einem Schnitte durch ihre Mitte als Epitheleinsenkungen mit schmalem Halse erscheinen (Fig 4 ad). Verfolgt man sie in der Serie, so sté$t man zunichst auf einen rundlichen Zellhaufen, der vom Epithel der Innenfliche der 14 Dr. Bernhard Rawit?, Mittelfalte, selten der Innenfalte, mehr oder weniger entfernt in die Substanz der Falte eingebettet ist. Allmahlich, je weiter man kommt, 6ffnet sich der Zellhaufen, indem in seinem Centrum und an der zur Epitheldecke gerichteten Stelle die Zellen schwin- den, wihrend gleichzeitig das Faltenepithel sich einstiilpt. Genau in der Achse findet man die erwihnte nach der Innenfliche der Mittelfalte mit enger Offnung versehene Einsenkung (Fig. 4 ad) um dann in derselben Weise, in der man es auftreten sah, das Gebilde wieder verschwinden zu sehen. Wie das noch zu_ er- drternde histiologische Verhalten der diese Bildungen zusammen- setzenden Zellen beweist, haben wir es hier mit Driisen zu thun, die an ihrem kurzen und schmalen Ausfiihrungsgange etwa wie eine Beere an ihrem Stiele sitzen; jede einzelne Driise gleicht einem Acinus. In den vorderen Randpartien und im Sipho fehlen sie ginzlich, in der tibrigen Ausdehnung des Mantelrandes stehen sie ziemlich dicht, doch ist nie mehr als eine Driise auf einmal im Schnitte zu treffen. Die eine Driise mu erst verschwunden sein, ehe eine zweite auftreten kann. Zuweilen hat es allerdings den Anschein, als ob zwei Driisen gleichzeitig vorkimen; doch giebt die Serie hieriiber bald Klarheit, indem sich zeigt, daf die scheinbaren zwei Acini schon im néchsten Abschnitte ineinander flieSen. Die Tauschung ist wohl darauf zuriickzufiihren, da’ der ziemlich groBe Acinus nicht gerade ausgestreckt, sondern etwas gebogen in der Substanz der Falte lag. Der Dickendurchmesser der Driisen, wie er sich aus der Anzahl der Schnitte berechnen Jafit, in welchen man sie trifft, ist ein sehr variabler. Ich fand Driisen in 4, 5, 7, 8, 11, 22 und 30 Schnitten; da nun die Schnitt- dicke ausnahmslos 5 u betrug, so ergiebt sich ein Minimum von 20 uw, i. e. O02 mm und ein Maximum von 150 4 i. e. 0,15 mm, also ein Schwanken innerhalb ziemlich weiter Grenzen. Je gerin- ger der Dickendurchmesser, desto flacher ist die Einsenkung, d. h. desto geringer ist die Tiefe der Driisen,. desto mehr ist also im Minimum eine blofe Einbiegung der Epitheldecke vorhanden. Je erdber dagegen die Dicke, desto gréfer die Tiefe, um so mehr handelt es sich um eine mit engem Eingange versehene Epithel- tasche. Nicht gleichen Schritt mit Tiefe und Dicke halt das Lumen der Driise. Um zwei Beispiele anzufiihren. Eine Driise mittlerer Dicke, etwa von 0,04 mm Durchmesser hatte eine Tiefe von 56 w und eine Weite von 36 w; eine andere, die zu den erébten tiberhaupt vorhandenen gehérte — ihr Dickendurchmesser betrug 0,15 mm — hatte eine Tiefe von 108 w und eine Weite Der Mantelrand der Acephalen. 15 von 54 uw. Wahrend also die Tiefe nahezu das Doppeite bei der zWweiten betrug, waren die Lumina der beiden Driisen nur wenig verschieden. Der Hals der ersten Driise war 12 u, der der zwei- ten 24 « lang. Nach dem Lumen der Driise hin konvergieren die Driisenzellen, die durchschnittlich eine Linge von 22 «w be- sitzen. Soviel erkennt man, wenn man mittlere VergréSerungen beniitzt; ein sehr interessantes Detail wird bei Anwendung stark- ster Systeme enthiillt. Die beiden Teile der Driisen, Hals und K6rper, haben ein in einfacher Schicht angeordnetes Epithel, das auf einer duferst zarten strukturlosen Tunica propria aufsitzt. (Der Hals ist iibrigens nicht immer deutlich ausgebildet (ig. 5).) Der cuticulare Saum des indifierenten Faltenepithels setzt sich eine kurze Strecke auf die Zellen des Driisenhalses fort, welche jenen vollig gleichen, fehlt aber an den Zellen des Driisenkérpers. Diese letzteren haben basal gelegene grofe, kreisrunde Kerne, die sich intensiv fairben, deutliche Nucleoli und zahlreiche Granu- lationen enthalten (Fig. 5). Um die Kerne herum ist das Plasma sehr zart granuliert — die folgend geschilderten Einzelheiten sind in Kigur 5 zu erkennen — oder vielmehr es bildet ein aufer- ordentlich enges Netzwerk, dessen Strange sehr fein sind. Nach dem Lumen zu erhalt es ein schaumiges Aussehen. Es geschieht das so, dal die Plasmastriinge durch das Auftreten von Vakuolen ineinander fliefSen, dadurch selber massiger erscheinen, infolge jener Hohlenbildung auseinander gedrangt werden und nun ein neues Netzwerk bilden, das von dem vorigen aber durchaus ver- schieden ist. Das im basalen Teile der Zellen gelegene Netzwerk wird durch die Filarsubstanz gebildet, das im schaumigen Ab- schnitte sich findende besteht aus Filar- und Interfilarsubstanz. Die von diesen letzteren Stringen gebildeten Maschen 6ffnen sich alle in das Lumen des Driisenkérpers. In grofen Driisen, in wel- chen des schaumige Aussehen der Driisenzellen viel deutlicher ist, als in kleinen, trifft man dann noch eine Erscheinung, die an den kleinen fast durchgingig zu vermissen ist. Man sieht namlich in den Vakuolen bald in gréferer bald in geringerer Menge Tropfen liegen, die sich etwas intensiver fairben, als die die Vakuolen be- grenzenden Plasmastringe. Nicht alle Zellen derselben Driise haben gleiche Gréfe; man _ trifft vielmehr einige an, welche nur den um den Kern gelegenen Plasmahof besitzen, wahrend ihnen der schaumige Teil fehlt. Offenbar sind das solche Driisen, die ihre sekretorische ‘Thaitigkeit beendet haben, d. h. solche, deren Plasma zum gréfiten Teile in fliissiges Sekret umgewandelt 16 Dr. Bernhard Rawitz, und so in das Lumen der Driise entleert worden ist. Diese miissen sich nunmehr durch eine regenerative Thitigkeit des er- halten gebliebenen Zellrestes von neuem zur Ausiibung ihrer Funktion geschickt machen. Ein Ersatz namlich der erschépften Driisenzellen von aufen her, etwa durch Umwandlung von ein- gewanderten Bindesubstanzzellen, findet sicher nicht statt, denn nichts deutet auf einen solchen Vorgang hin, und fir eine vdollige Neubildung der sekretorischen Elemente fehlt in den Driisen das Material. Das tinctoriale Verhalten dieser Driisenzellen ist folgendes : In Bismarckbraun firbt sich das den Kern umgebende Plasma gelbbraun, die Plasmastrange des schaumigen Abschnittes sind blasser, wiihrend die Tropfen in den Vakuolen ungefarbt bleiben. In Orange-Hamatoxylin ist die Farbung eine blabgelbe, im Enruicu-Bionpi’schen Farbengemisch werden Plasmastringe und Tropfen rot. Die zweite Form, in der die sekretorischen Elemente im Mantelrande der Astarte anzutretien sind, kommt in der Sub- stanz der Falten nicht vor, sie findet sich vielmehr nur im Rande und zwar entweder in der Medianlinie (Fig. 4 zd) oder dem Epithel der Aufenflache genaihert. Dieselbe wird reprasentiert durch einen zu einem einheitlichen Gebilde vereinigten Komplex von Driisenzellen. Die Gestalt der Driisen ist eine laingliche; die einzelnen Zellen liegen dicht bei einander, sind von rundlicher Form und enthalten einen meist central gelegenen kleinen Kern. Der allen Zellen des Komplexes gemeinsame Ausfiihrungsgang strebt zur Mittelfalte in die Nihe des vorhin beschriebenen Acinus und miindet distal von ihm an der Innenfliche der Mittelfalte (Fig. 4 zd). Indessen findet sich keine besonders differenzierte Driisenmiindung, sondern es zerspaltet sich der Ausfiihrungsgang, der nichts weiter ist als die direkte Fortsetzung simtlicher Driisenzellen, in der Nahe des Epithels in feinste Astchen, von denen jeder fiir sich durch eine interepitheliale Liicke sein Sekret nach aufen fiihrt. Es ist dies Verhaltnis iibrigens sehr schwer zu sehen, weil in der Nahe des isolierten Acinus der Ausfiihrungs- gang aus der Ebene des Driisenkérpers herausbiegt. Man trifft daher im Schnitte von ihm nur noch Bruchstiicke an, deren Be- ziehungen zu den Driisen sich selten genau feststellen lassen. Die Driise, die einer Membrana propria entbehrt, gleicht, wenn sie in ihrer vollen Ausdehnung zu sehen ist, einer Mrrpom’schen Driise aus dem Augenlide eines Siiugers auffallend (Fig. 4 2d). Der Mantelrand der Acephalen. 17 Die Driisenzellen erscheinen bei Anwendung stiirkster Vergrife- rungen wie ein Konglomerat sehr kleiner auferordentlich dicht stehender Tropfen, die sich in Orange-Himatoxylin oder in Enr- LicH-Bronpi’schem Farbengemisch leuchtend orange bez. rubinrot gefiirbt haben, also das gleiche tinctoriale Verhalten zeigen, wie die amorphen Massen im Randwulste von Cardita. Die isolierten Acini und diese vielzelligen Driisen sind es, welche die in der allgemeinen Beschreibung erwihnten weiflichen Erhabenheiten bilden. Daf bei Lupenbetrachtung diese Gebilde erhaben, prominent tiber die Fliche erscheinen, was sie, wie das Mikroskop lehrt, thatsichlich nicht sind, ist wohl als ein optisches Phinomen anzusehen. Es heben sich dieselben von dem das Licht nur matt reflektierenden Mantelrande durch ihr stirkeres Brechungsvermégen scharf ab und rufen dadurch jene Tiiuschung hervor. Was die Bedeutung der beiden Arten sekretorischer Elemente fiir die Physiologie des Tieres anlangt, so glaube ich dieselben fiir einen Giftapparat ansehen zu kénnen, aus Griinden, die in ihrem oben geschilderten Verhalten gegen Farbstoffe beruhen. Schwieriger diirfte es sein, zu erkliren, wie das Produkt der vielzelligen Driisen aus den am meisten basal gelegenen Zellen in den Ausfiihrungsgang gelangt. Das Bild, das die Driisen im Schnitte darbieten, wo Zelle eng an Zelle liegt, manche eine polyedrische Form angenommen hat, ist wohl in gewissem Grade als artefiziell, bedingt durch die schrumpfende Wirkung des er- hartenden Alkohols, aufzufassen. In vivo liegen vielleicht — ich habe leider, wie schon bemerkt, zu Beobachtungen frischer Objekte nicht gentigend Material gehabt — die einzelnen Driisenzellen nicht so eng, es sind vielleicht wenn auch noch so schmale Zwi- schenriiume zwischen ihnen vorhanden, in welchen die Ausfiihrungs- giinge sich distalwirts ziehen, um sich dann an dem am meisten faltenwirts gelegenen Punkte zu vereinigen, wie dies fiir die bei- den distalsten Zellen die Figur 4 zd wiedergiebt. So ware die Méglichkeit vorhanden, da das Sekret jeder einzelnen Zelle zur Miindung hingelangen kann. Wenn hier und bei den einzelligen Driisen von Cardita (auch von Arca etc. im If. Teile) von ,,Ausfiihrungsgang“ die Rede war und bei den gleichen Gebilden der noch zu besprechenden Ord- nungen die Rede sein wird, so ist dieser Ausdruck selbstverstaind- lich nicht in dem Sinne aufzufassen, wie er in der Wirbeltier- histiologie gebraucht wird. Ein besonders differenzierter Ausfiih- Bd, XXVIII, N, F. XX. 2 18 Dr. Bernhard Rawitz, rungsgang existiert nicht. Was hier der Bequemlichkeit wegen so genannt wurde, ist integrierender Bestandteil der Driisenzelle selber, also gleichfalls der Umwandlung in Sekret fihig. Ich denke mir den Sekretionsvorgang in diesen Gebilden so ablaufend, daf von einer Stelle aus in jeder Driisenzelle der Impuls zur Thatigkeit erfolgt, vielleicht von derjenigen, die in der Nahe des Kernes gelegen ist. Dieser Impuls pflanzt sich dann _peripher zur Miindungsstelle, i. e. dem sogenannten Ausfiihrungsgange fort, der also zuletzt in Thatigkeit treten wiirde. Wenn schlieflich alles Umwandlungsfihige zu Sekret geworden, dann erfolgt die Ausstofung desselben und zuriick bleibt ein Rest von erschépftem Protoplasma, der sich iiber die ganze Zelle, also auch tiber den ,»Ausfiihrungsgang’ genannten Fortsatz verteilt und der nur um den Kern herum etwas konsistenter und normaler geblieben ist. Wir sehen selten oder nie dieses Stadium, weil einmal die Ele- mente, wenigstens bei den Acephalen, zu klein sind, und dann, weil die Farbbarkeit des Plasmarestes eine so geringe ist, daf die benachbarten, intensiver tingierten Teile ihre Wahrnehmung verhindern. Die Regeneration findet von diesem Reste aus statt, zuniichst wohl durch den anregenden Einflu8 des Kernes, dann auch durch die sich erneuernde Kraft des Zellplasma (cfr. tiber diese Frage meine Abhandlung ,,iiber die Fufdriise der Opistho- branchier“, 36). Es eriibrigt noch die Beschreibung der Muskulatur; die Innervationsverhiltnisse sind in Ubereinstimmung mit denen von Cardita. Man sieht in den Schnitten durch den Mantelrand, die quer zur Liingsachse des Tieres gelegt sind, zwei Hauptbiindel lingsgetroffener Fasern, von denen das stairkere der Innenseite, das schwachere der AufSenseite angehért. Letzeres giebt in seinem Verlaufe wenige Fasern ab, die quer nach innen gehen; es endet in der Aufenfliche der Auf enfalte, nachdem es nach innen noch ein Paar stirkere Faserbiindel zur Begrenzung der Driisen der zweiten Art entsandte. Das innere Biindel teilt sich in zwei Partieen. Die schwichere derselben zieht dicht unter dem Epithel der Innenfliiche des Randes und der Innenflache und Aufenflaiche der Innenfalte dahin. Die zweite stiirkere und medial gelegene Partie umfaft die Driisenmasse und giebt fiir beide Flachen der Mittelfalte und fiir die innere der Aufenfalte die Langsmuskeln ab. Die bei der gewihlten Schnittrichtung quergetroffenen Biin- del, die also eine Art Ringmuskel des Randes darstellen, sind im proximalsten Teile des Randes nur gering entwickelt, in den Der Mantelrand der Acephalen. 19 mehr distalen, d. h. den Falten nahe liegenden Regionen sind sie sehr kraftig. Sie liegen nach innen von der Medianlinie des Ran- des und gehen dann in die Innenfalte tiber (Fig. 4m); in der Mittelfalte sind sie nur ganz sparlich anzutreffen. Lucina spinifera. Der Mantelrand dieser Species geht in zwei schmale, handschuhfingerférmige Falten aus, von denen die innere kleiner bez. niedriger ist, als die aufere. Von der Aufenflache der inneren entspringt die Epicuticula. Das in- differente Epithel der Falten ist ein niedriges, wimperloses Cylin- derepithel, dessen freier Rand doppelt konturiert erscheint. Die Sinneszellen, welche im Schnitte sich durch ihre schmale Gestalt und die intensive Farbung ihrer Kerne deutlich von den indiffe- renten abheben, sind auf der Innenfliche der Innenfalte besonders reichlich vorhanden, auf den anderen Stellen des Randes nur sehr spirlich. Die isolierten Acini, die bei Astarte vorkamen, sowie die amorphen Massen, die bei Cardita gefunden wurden, fehlen hier; die bei Astarte erwihnte zweite, vielzellige Driisenform ist indessen, in allerdings nur sehr geringer Menge, anzutreffen. VI. Dreissensia polymorpha VAN BEN. (Fig. 6 und 7.) A. Allgemeines. Unsere systematischen Handbiicher stellen auf Grund der Form der Schalen diese Siif{wassermuschel zu den Mytilaceen. So richtig eine solche Klassifikation von diesem Gesichtspunkte aus sein mag, so unzutretfend ist dieselbe, wenn man andere Ver- hiltnisse in Betracht zieht. Schon in meiner Abhandlung iiber das centrale Nervensystem der Acephalen (34) konnte ich darthun, da die Konfiguration des Visceralganglion diese Art zu den Siphoniaten weist (cfr. p. 5 und 6 des Sonderabdruckes); das Studium des Mantelrandes liefert einen neuen Beweis fiir meine Auffassung. Die Ausbildung zweier kurzer Siphonen, die simt- lichen hier zu beobachtenden Einzelheiten sind meines Erachtens gentigend triftige Griinde, um die Muschel, wenigstens bei einer ver- gleichend histiologischen Untersuchung, von den Mytilaceen zu trennen. Ich habe sie zwischen die Lucinacea und Veneracea Q* 20 Dr. Bernhard Rawitz, hier eingefiigt, ohne damit im geringsten etwas fiir die syste- matische Stellung priijudiciren zu wollen, sondern lediglich aus dem Grunde, weil die Histiologie des Mantelrandes dies zu er- fordern scheint +). Die Rander der beiden Mantelhalften sind auf der ventralen Seite in ihrer ganzen Ausdehnung in der Medianlinie verwachsen ; nur da, wo der Byssus austritt, also ungefahr in der Mitte, ist eine groBe kreisformige Offnung vorhanden. Entsprechend den hinteren spitzen Winkeln der Schalen, finden sich ziemlich dicht bei einander zwei weitere Offnungen, welche die beiden kurzen Siphonen reprisentieren: der ventrale ist der Branchial-, der dor- sale der Analsipho. Alle drei Offnungen unterscheiden sich deut- lich durch ihre Pigmentierung; die Byssuséffnung ist nur sehr wenig, der Atemsipho sehr dunkel, der Analsipho etwas _heller pigmentiert. Die Pigmentierung hat hier einen ganz eigentiimlichen Charakter. Da, wo der Rand jederseits der Schale anliegt und wo sich anscheinend eine niedrige, kammartige Falte erhebt, ist rechts wie links ein sehr schmaler, schwarzer Streifen vorhanden. Medial von demselben und wiederum vergesellschaftet mit einer kammartigen, diesmal aber hohen, mit der Epicuticula in Be- ziehung stehenden Falte zieht ebenfalls rechts und links je ein intensiv schwarzer Pigmentstreifen. Der erstere schmale Streif endet auf der Ventralseite des verwachsenen Randes, nicht weit vor dem unteren Sipho, wahrend er auf dem Riicken bis unter das Schalenschlo8 zu verfolgen ist. Der zweite breitere Pigment- streifen wird allmahlich schmaler und geht auf der Bauchseite des Randes bis nach vorn; am Riicken verschwindet er bald. Die Siphonen besitzen zahlreiche, die Offnungen umkranzende, kegel- formige Papillen, von denen die innersten viel dichter stehen, als die mehr peripheren. B. Specielle Beschreibung. Wie FLEemmMinG in seiner fiir die Histiologie der Muscheln grundlegenden Arbeit (14) vortrefflich ausgefiihrt hat, kommen 1) In einer soeben erschienenen Arbeit meines Freundes Paut PEtsencER ,,Contribution a 1’étude des lamellibranches“ (Archives de Biologie par van Beneden et van Bambeke T. XI) finde ich zu meiner Freude, dafi dieser Forscher, geleitet durch morphologische Gesichtspunkte, Dreissensia ebenfalls yon den Mytilaceen entfernt. Der Mantelrand der Acephalen. 21 in den Siphopapillen der Dreissensia und, wie ich hinzufiigen moéchte, auch im Rande, mit Ausnahme von dessen dem Branchial- raum zugekehrter Flaiche, Wimperzellen nicht vor. Die einzigen Haare tragenden Gebilde sind hier die Pinselzellen. Uber deren Verhalten etwas anzufiihren ist iiberfliissig, weil die FLEmmina’sche Darstellung in jeder Beziehung erschépfend ist. Ich wende mich daher sofort zur Besprechung derjenigen Resultate, welche das Studium von Schnittpraparaten liefert. Im Atemsipho, dem der Analsipho in seinem histiologischen Verhalten voéllig gleicht, nur daf er nicht so dunkel pigmentiert ist, muf man zwei Partieen unterscheiden: die Papillen tra- gende und die Faltenpartie. Die Falten, deren zwei, eine innere und eine auBere, von wechselnder Ausdehnung vorhanden sind, iibertreffen die Papillen bedeutend an Hohe. Zwischen den beiden Falten entsteht die Epicuticula, und zwar so, da die Aufenflache der Innenfalte nur in ganz geringem Grade, die Innenflaiche der Aufenfalte dagegen in ihrer ganzen Ausdehnung an dieser Bildung beteiligt sind. An der Aufenfalte trifft man im Schnitte zuweilen sekundaire Falten, so dass sie doppelt und dreifach erscheinen kann, die sekundéren sondern dann ebenfalls die Epicuticula ab (Fig. 65 cw). Die Innenfalte hat auf ihrer Innenfliche einen epithelialen Belag, der aus stark pigmentierten, auf ihrer AuBenfliche einen solchen, der aus pigmentfreien, wimperlosen Zellen von cylin- drischer Gestalt besteht. Die Zellen sind 18 « hoch und besitzen einen 5,4 uw dicken, ganz homogen erscheinenden cuticularen Saum. Ihre Breite ist 4 4% und entspricht der Breite der basal gelegenen, lingsovalen, 9 «. Langsdurchmesser habenden Kerne. An der Innenflache ist der ganze Teil der Zelle, der zwischen Kern und cuticularem Saume gelegen ist, von Pigment prall aus- gefiillt. Dasselbe besteht aus sehr kleinen, dicht gedrangt stehen- den Kérnern von schmutzig grauschwarzer Firbung. Suarp (43) erklart diese Pigmentzellen — oder die der Papillen, das geht aus seiner unklaren Beschreibung nicht sicher hervor — fiir lichtempfindlich oder, wie es in der Figurenerklaérung heiBt, fiir »retina cells‘. Die Angabe, daf der cuticulare Saum sehr breit ist, ]48t vermuten, da8 Suarp’s Abbildung einem Priiparate aus dieser Gegend entstammt; aber wie er, lediglich gestiizt auf diese Breite des Epithelsaumes, ohne sonst irgend einen Beweis beizu- bringen, die Zellen als Sehzellen bezeichnen konnte, ist mir véllig unerfindlich. Die Sinneszellen sind nur sparlich vorhanden und 22 Dr. Bernhard Rawitz, infolge der Pigmentierung der indifferenten sehr schwer zu erkennen. Basalwarts, zur Ursprungsstelle der Falte zu, in der Nahe der Papillenregion, wird das Epithel niedriger, um in dem Thale, das sich zwischen Falte und Papillen findet, fast platt zu erscheinen; es hat hier nur eine Héhe von 3,6 w und ist gleichzeitig fast vollig pigmentfrei. Das Epithel der AuSenflache der Innenfalte, wie das der Innenfliche der Aufenfalte gehért, wie bereits be- merkt, der Epicuticula an. Was die AuSenfliche der AuBenfalte anlangt, so ist tiber die- selbe folgendes auszusagen. Von der Spitze ab proximalwarts in einer linearen Ausdehnung yon ungefahr 0,8 mm zeigen sich die Epithelzellen, die hier, wie selbstverstindlich, ebenfalls wimperlos sind, in ganz derselben Weise pigmentiert, wie auf der Innenflache der Innenfalte; ihre Hohe betragt 16,2 uw. Nur fehlt hier, im Gegensatze zu dort, den Zellen der cuticulare Saum. Von da ab abwarts, d. h. dem Mantel zu, sind die Epithelzellen pigment- frei; darauf kommt eine pigmentierte Zone von etwa 0,22 mm linearer Ausdehnung und endlich das pigmentlose Epithel der AuBenflache des Randes und Mantels. In der ersten erwahnten pigmentfreien Zone zeigen sich die Epithelzellen in einer linearen Ausdehnung von etwa 0,3 mm besonders gestaltet. Sie sind sehr schmal, nur 2,7 w breit, dagegen sehr hoch, etwa 46,8 «w; die Kerne sind langsoval, ihr gréfter Durchmesser betragt 17,2 u, ihre Breite entspricht der der Zellen, sie liegen entweder genau in der Mitte oder noch vor derselben, dem freien Epithelrande ge- nihert. Das Plasma dieser Epithelzellen, die sicher nicht als Driisenzellen zu deuten sind, farbt sich sehr viel intensiver als das der iibrigen, die im allgemeinen Farbstoffe nur wenig anneh- men, der freie Rand der uns hier beschaftigenden Gebilde zeigt nur bei Anwendung starkster Vergroéferungen eine leichte Andeu- tung von doppelter Konturierung. Die zweite der vorhin erwihnten Pigmentzonen entspricht dem eingangs geschilderten dunklen Streifen; das Epithel, ein gewohnliches indifferentes, beherbergt die Pigmentkérner in der- selben Weise, wie das der Innenfalte. Wenden wir uns zu den Siphopapillen. Die Linge der- selben schwankt innerhalb enger Grenzen, sie betragt etwa 0,25—0,3 mm. Die wimperlosen Epithelzellen sind teils pigment- haltig, teils pigmentfrei. Die ersteren gleichen denen der Innen- falte, nur daf ihr cuticularer Saum halb so breit ist, wie dort. Die Sinneszellen, welche hier reichlicher vorkommen, als in der Der Mantelrand der Acephalen. 23 Innenfalte, und die in der Papillenspitze ziemlich dicht stehen, er- scheinen als sehr schmale Gebilde, die einen stabchenformigen, sich intensiv farbenden Kern besitzen. Zwischen den pigmentierten Zellen sind sie nicht zu erkennen, wohl aber deutlich zwischen den pigmentfreien (Fig. 6 sz). Sekretorische Gebilde finden sich nur in der Papillen- region, nicht aber in den Falten, und erscheinen stets als amorphe Massen. In den Papillen liegen sie sowohl dicht an dem Epithel, wie auch der Medianlinie zu (Fig. 6 gd). Ferner trifft man sie in der Substanz, aus der die Papillen entspringen, und zwar auf der dem Branchialraume zugekehrten Seite. In dem Thale, das zwi- schen Papillen und Innenfalte liegt, sind sie ebenfalls vorhanden, aber nur sehr sparlich. Ganz ausnahmsweise sieht man sie in der Spitze der Innenfalte. Die tinctorialen Reaktionen zeigen, daf wir es hier mit einem eiweifahnlichen Sekrete, also, nach meiner oftmals begriindeten Auffassung, mit Giftmassen zu thun haben. In Boraxcarmin bleiben sie farblos, in Bismarckbraun werden sie hellgelbbraun, in Orange-Hamatoxylin leuchtend orange. Diese Massen, die sich bald als gréBere oder kleinere Klumpen, bald als mehr oder minder ausgedehnte Infiltrationen der Bindesubstanz darstellen, unter dieser Form besonders in den Papillen (Fig. 6 gd), erscheinen bei Betrachtung mit mittleren Systemen wie homogene Gebilde, die dicht mit dunklen Kor- nern besetzt sind. Bei Anwendung starker VergréSerungen aber erkennt man, da es sehr kleine dicht aneinander ge- drangte Tropfen sind, welche die Maschen des Bindegewebes erfillen. In ihnen sind zahlreiche Kerne vorhanden (Fig. 6 gd), welche zuweilen von einem mehr oder minder betracht- lichen Plasmahofe umgeben sind. Es sind dies offenbar die FLeMMinG’schen Zellen der Bindesubstanz, deren Plasma durch Umwandlung jene Tropfenmassen liefert. Eine genaue Entscheidung tiber die Herkunft der letzteren ist aber darum sehr schwierig, weil man eigentliche Uberginge zwischen normaler FLEmMinG’scher Zelle in der Bindesubstanz und Tropfenkonglomerat nicht zu sehen bekommt. Doch ist es sehr wahrscheinlich, daf jene Zellen in dieser Weise funktionieren, weil keine anderen histiologischen Ele- mente, die dafiir in Anspruch genommen werden k6nnten, vor- handen sind. Die Entleerung des Sekretes geschieht durch inter- epitheliale Liicken, wie man daraus schlieBen kann, daf im Epithel bez. zwischen den Epithelzellen Tropfen, die wie jene Massen ge- farbt sind, vielfach angetroffen werden (Fig. 6 bei x). Mucin- 24 Dr. Bernhard Rawitz, bereitende Driisen, sowie Becherzellen sind weder in den bisher betrachteten Regionen, noch in den anderen Partieen vorhanden. Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Je nach dem Grade der Kontraktion, den derselbe bei der Hartung erhalten, bietet er ein verschiedenes Aussehen dar. Bei starker Kontraktion namlich hat sich seine Oberflache in zahlreiche Fal- ten gelegt, die im mikroskopischen Bilde als Epithelzotten sich darstellen; bei schwacher Kontraktion ist die Oberfliche dagegen nur leicht gewellt. Diese Differenz betrifft hauptsichlich die Par- tieen dicht an der medianen Verwachsungsstelle mit EKinschluf des Pigmentstreifens; nach aufen von letzterer, also schalenwarts, ist die Oberfliche meist glatt. Die Pigmentzone ist noch dadurch aus- gezeichnet, das von ihr die Epicuticula entspringt. Sinneszellen finden sich im Rande ganz auferordentlich sparlich. Die indiffe- renten Epithelzellen, welche die zentrale, dem umgebenden Medium zugekehrte Flache des Randes bekleiden, sind wimperlos; diejenigen dagegen, welche die innere, also dem Kiemenraum zugewandte Seite iiberziehen, tragen ziemlich hohe Cilien. Die pigmentierten Epithelzellen der ventralen Flache gleichen denen der Papillen und der Falten vollstindig; ihre Hohe betrigt etwa 10 w. Der Schale zu werden sie allmahlich flach, bis zu 3,6 « Hohe, um dann ganz plétzlich im Mantel, und zwar in derjenigen Partie desselben, welche der Schaleninnenflaiche anliegt, in ganz aufer- ordentlich hohe Zellen tiberzugehen, welche circa 0,1 mm in der Hohe und bis 9 « in der Breite messen (Fig. 7). Dieses Epithel ist durch eine gut ausgepragte Grundmembran scharf von der darunter liegenden Bindesubstanz abgesetzt. Die Zellen selber, welche eine besondere Membran haben (Fig. 7), stellen sich als Konvolute von Massen dar, die von Staben oder Schollen ge- bildet werden (Fig. 7), die sich in Boraxcarmin rosarot gefarbt haben. Durch die zum Konservieren angewandten Reagentien werden diese Massen ziemlich briichig, so da nicht alle Zell- membranen im Schnitte von ihnen vdllig ausgefiillt erscheinen. Ihre Kerne, central gelegen oder dem freien Rande genahert und stets der Membran dicht angepreft, sind zuweilen von einem schwachen plasmatischen Hofe umgeben. Es ahneln somit, wie aus der Beschreibung und Abbildung (Fig. 7) erhellt, die Zellen der Aufenfliche des Mantels bei Dreissensia denen der gleichen Region von Arca (cfr. II. Teil); die Funktion derselben wird also héchst wahrscheinlich hier dieselbe sein, wie dort. Aus den im zweiten Teile entwickelten Griinden (cfr. 1. c. p. 14 des Sonder- Der Mantelrand der Acephalen. 25 abdruckes) bin ich der Ansicht, dafi die Aufenflache des Mantels als an der Bildung der Schale beteiligt, mit anderen Worten, als eine kalkbereitende Driise aufzufassen ist. Uber die Muskulatur ist folgendes anzumerken. Auf Langsschnitten durch die Siphonen sieht man yom Mantel her ein machtiges Muskelbiindel an der AuSenseite des Randes empor- steigen, das sich innerhalb der Siphonalsubstanz in zwei ungleiche Partieen spaltet. Die aufSere derselben, die zugleich die schwichere ist, verliert sich in die Falten, die machtigere innere geht in die Papillenregion. Hier findet man ein aus dorsoventral, lateral, diagonal und quer verlaufenden Fasern gebildetes Muskelnetz, wel- ches so dicht ist, da bestimmte Gruppen sich nicht aussondern lassen. Diese Anordnung verbiirgt einen hohen Grad von Kon- traktilitat in dieser Gegend. Im Rande trifft man auf Quer- schnitten hauptsachlich solche Muskelbiindel, welche in seiner Langsachse verlaufen. VII. Veneraeea. Aus der Familie der Cardiidae wurden untersucht: Car- dium edule L., C. oblongum CHemy., C. tuberculatum L.; aus der Familie der Glossidae stand mir nur Cyprina islandica zur Verfiigung, aus der der Veneridae Artemis exoleta L., Cytherea chione L., Venus gallina L., Venus verrucosa L., Tapes decussata lL. und endlich aus der Familie der Petricolidae Petricola lithophaga Retz. Die Exemplare von Cyprina islandica, die ich untersuchen konnte, stammten simtlich, die von Cardium edule zum Teil aus der Kieler Bucht; ein anderer Teil der erwahnten Cardiumart so- wie alle tibrigen Species waren aus dem Golfe von Neapel. Die Form der Siphonen und deren histiologische Struktur bei den Familien der Cardiidae und Glossidae ist sehr verschieden von der der Siphonen der Veneridae und Petricolidae; ich halte es daher fiir sachlich geboten, hier eine Zweiteilung vorzunehmen und zunachst die Mantelrandorgane der ersten beiden und dann erst die der anderen beiden Familien zu beschreiben. * 26 Dr. Bernhard Rawitz, Vila: Cardiidae und Glossidae. (Fig. 8—25.) A. Allgemeines. Der Mantel von Cardium edule ist von vorn bis hinten zu den Siphonen in seiner ganzen Ausdehnung offen. Der Mantel- rand, welcher eine nur mafige Verdickung desselben darstellt, spaltet sich, wie man schon bei Betrachtung mit unbewaffnetem Auge erkennen kann, in zwei Falten, welche durch eine ziemlich breite und tiefe Furche voneinander geschieden sind. Die aufere von diesen Falten, die zugleich an der Epicuticulabildung beteiligt ist, ist auf ihrer inneren Flache glatt, wahrend sie auf ihrer Aufenflache dadurch, daf sie sich in die auf der Innenseite der Schalen vorhandenen tiefen Furchen einlegt, uneben ist. Diese Unebenheiten erscheinen am Rande wie kammartige Verdickungen, die mantelwarts niedriger und schmaler werden, in einer den Schalenfurchen entsprechenden Weise. Die Aufenfalte begleitet die Siphonen und vereinigt sich mit der der Gegenseite auf dem Riicken des Tieres. Die Innenfalte, anscheinend ein wenig nie- driger und schmaler als die aufere, vereinigt sich mit der der Gegenseite ventralwirts des Analsipho in einem nach vorn konkaven Bogen. So entsteht eine Duplikatur, die als eine quer- gespannte Membran den Branchialraum in der Siphonalgegend abschlie8t und dadurch bei der natiirlichen Lage des Tieres, wenn also der Kérper im Sande steckt und nur die Siphonen heraus- ragen, das Eindringen von fremden Gegenstinden in den Kiemen- raum von dieser Gegend aus mechanisch unméglich macht. Die Innenfliche des Randes zeigt einen im konservierten Objekte weiB- lich aussehenden Fleck, welcher vorn dicht unterhalb des vorderen SchlieSmuskels ganz schmal beginnt, allmihlich an Breite zunimmt und von der Mitte der Lange des Tieres ab wieder an Umfang schnell geringer wird, um spitz zu enden. Er ist gegen den Rand kon- vex, gegen den Mantel konkavy begrenzt und hat somit sichel- formiges Aussehen; das Niveau der Innenfliche des Mantels tber- ragt er nicht. Von den beiden Siphonen ist der Atemsipho der langere und weitere; die Offnungen beider werden von einer Reihe dicht stehender Papillen umkranzt, welche an ihren Basen eine braun- Der Mantelrand der Acephalen. 27 liche Pigmentierung besitzen, sonst aber farblos sind. Auferdem finden sich auf der Aufenwandung beider Siphonen mehrere Reihen verstreut angeordneter Papillen, von denen eine grofe Zahl, aber nicht alle, einen gelbbraunen Pigmentfleck auf der Innenflache dicht an der Spitze erkennen laft. Diese Flecken sollen die Augen“ von Cardium edule sein. Ebensowenig wie Drosr (9) konnte ich die Angabe von Carrie (6) bestiitigen, daf diese Papillen einen besonderen metallischen Glanz besitzen; auch die von dem letzten Autor und yon Parren (32) behauptete rotliche Farbung der Papillenspitze habe ich an den Exemplaren dieser Species, die ich im lebenden Zustande beobachten konnte, nicht gesehen. Auch nicht bei Cardium echinatum, auf welches die Carrizre’sche Angabe geht, das mir nur in einem Exemplare, dessen Konservierung mir leider miflang, zu Gebote stand. Meine Angaben iiber die Verteilung der Papillen auf der Siphowandung decken sich mit der Darstellung, welche diese Ver- haltnisse auf der Figur 1 der Cardiumtafel in dem bekannten Werke von Meyer und Mosrus (80) erhalten haben. In Figur 2 derselben Tafel finden wir dagegen fiir den Atemsipho nur zwei Reihen, fiir den Kloakensipho nur eine Reihe Papillen gezeichnet, und zwar ist die einzige Reihe bei letzterem wie die aufBere Reihe bei ersterem Sipho durch die sogenannten Augenpapillen repra- sentiert. Im konservierten Materiale, namentlich wenn die Siphonen beim Einbringen in das fixierende Reagens sich briisk kontrahiert haben, kann man wohl die dem natiirlichen Verhalten keineswegs entsprechende Gruppierung in zwei Reihen antreffen; nur eine ein- zige Reihe Papillen aber habe ich nie gesehen. Auger jenen erwahnten, auf die Papillen beschrankten Pig- mentanhaufungen findet sich noch eine Pigmentierung der Aufen- wand der Siphonen, die aus verstreuten, bald gréferen, bald kleineren hellbraunen Flecken besteht. Nach Drosr (9) hat die Innenflache der Siphonen eine ,,weibe Farbe mit einem perlenartigen Schimmer. Nicht gleichmafig ist die glinzende Farbung verteilt, sondern in dichtgedrangten Ban- dern und Flecken angeordnet“ (p. 31 des Sonderabdruckes). Diese Angabe kann ich vollkommen bestatigen. Cardium tuberculatum gleicht hinsichtlich der Kon- figuration des Mantels und der Siphonen durchaus der vorigen Species. Nur insoweit findet sich hier eine beachtenswerte Differenz, als keine Papillen vorkommen, welche einen auf die Innenflache der Spitze beschrinkten Pigmentfleck haben. Die Papillen sind 28 Dr. Bernhard Rawitz, fast alle pigmentiert und das Pigment in ihnen in ganz unregel- maBiger Weise verteilt. Die Innenflache der Siphonen zeigt hier einen ahnlichen Perlenglanz, wie bei Cardium edule. Bei Cardium oblongum sind die Siphonen kurze Gebilde, deren Offnungen von einer Reihe sehr zahlreicher kleiner, kegel- formiger Papillen umstanden sind. Vom dorsalen Sipho dorsal- warts bis zum Schalenbande, und vom ventralen Sipho ventral- wirts bis zum Auseinanderweichen der Rander finden sich ebenfalls sehr zahlreiche Papillen, die sich von den ersteren, abgesehen von ihrer gréferen Lange und bedeutenderen Dicke, dadurch un- terscheiden, daf sie eine am lebenden Tiere prachtvolle rubinrote Farbung besitzen, die sich bei der Konservierung in Alkohol vdllig verliert, wahrend die um die Siphoéffnungen stehenden Papillen stets farblos sind. Die Innenflache der Siphonen besitzt beim lebenden Tiere einen herrlichen Silberglanz, der durch Reflexion des auf die Siphoneninnenwand fallenden Lichtes hervorgebracht wird. Die Gebilde, welche reflektieren, werden wir in der spe- ciellen Beschreibung kennen lernen. Ein eigenes Leuchtvermégen kommt dem Tiere nicht zu, wie man daraus erkennt, da bei Ab- schlu8 des Lichtes der Silberglanz der Siphonen verschwindet. Die Konfiguration des Randes ist wie bei Cardium edule; hier und bei Cardium tuberculatum habe ich aber den friiher beschrie- benen sichelf6rmigen Fleck nicht gefunden. Der Mantelrand von Cyprina islandica ist von vorn bis hinten zu einer Stelle, welche der hintersten Partie des Fufes gegeniiberliegt, offen. Von jener Stelle ab erheben sich die beiden getrennten, kurzen Siphonen, von welchen der ventrale kiirzer ist, aber ein weiteres Lumen besitzt, als der dorsale. Beide Offnungen sind von einer grofen Zahl kegelférmiger Papillen umkranzt, die ventralwarts bis fast zur Mitte des Randes, dorsalwarts bis zum Schalenbande sich fortsetzen. Dieselben haben, wie dies schon Meyer und Mosrus (30) angeben, eine gelbe Farbung mit braun- roter Basis. Der Mantelrand, welcher sich in zwei Falten auf- spaltet, zeigt auf der dem Branchialraum zugekehrten Flache in seiner ganzen Ausdehnung eine machtige, wulstformige Verdickung, die von vorn bis etwa zu der dem hinteren Drittel des Fufes entspre- chenden Gegend von einer seichten Furche, die parallel zur Langs- achse des Tieres verlauft, durchzogen wird. Die mehr faltenwarts, also mehr zum eigentlichen Rande zu gelegene Partie ist weiflich, die zweite mehr branchialwarts sich findende Partie ist gelblich gefarbt. Die beiden Falten, in welche sich der Mantelrand auf- Der Mantelrand der Acephalen. 29 Spaltet, begleiten die Siphonen aufSen an deren Basis bis zum Riicken des Tieres; sie sind von den Papillen durch eine breite, ebene Flache getrennt. Uber die durch Praparation zu erkennende Innervierung des Mantelrandes glaube ich nicht nétig zu haben, besondere Angaben zu machen. Die Analyse des Nervensystems, die Drosr (9) von Cardium edule gegeben hat, welche Species mit den iibrigen hier behandelten Formen hinsichtlich dieser Verhiltnisse in vollkom- mener Ubereinstimmung sich befindet, ist so erschépfend und richtig, da’ ich nichts derselben hinzuzufiigen weil. Ich kann daher auf den betreffenden Abschnitt der Drost’schen Abhand- lung (9; p. 2—10 des Sonderabdruckes) hiermit einfach verweisen. B. Spezielle Beschreibung. Wie bereits in der den ersten Teil der Abhandlung einleitenden historischen Ubersicht (cfr. I. Teil, p. 7 ff. des Sonderabdruckes) angegeben wurde, hat Drosr (9) fiir die Siphonen von Cardium edule vier Arten von Sinneszellen beschrieben. Zwei davon sind auf der ganzen Kérperoberfliche zu finden; von diesen gleicht die eine Art dem gewéhnlichen, von FLEMMING aufgestellten Schema der Molluskensinneszelle, wihrend die zweite Art ein sehr breites, Borsten tragendes Képfchen besitzt, dem ein besonderes Cuticular- wirzchen entspricht. Eine dritte Art kommt nur lokalisiert vor und zwar in einer seichten Kinbuchtung auf der Spitze der Sipho- papillen. Die Sinneshaare dieser Zellen, schon von Mryrer und Mosius (30) erwihnt, sind sehr lang, die Zellen selber nach Drosr dadurch besonders gekennzeichnet, da’ sie auferst kleine, runde Kerne besitzen, welche in ihrem oberen Drittel gelegen sind. Ich kann fiir Cardium edule diese Angaben von Drosr im wesentlichen bestaétigen und habe nur lediglich das hinzuzufiigen, dass die dritte, lokalisiert vorkommende Art der Sinneszellen nie auf den Siphopapillen der innersten Reihe, sondern nur auf einer grofen Zahl, aber nicht allen, der tiefer auf der Aufenwand der Siphonen stehenden Papillen sich findet. Als eine vierte Art von Sinneszellen hat dann Drosr die- jenigen Pigmentzellen bezeichnet, welche die erwabnten gelbbraunen Flecken auf der Innenfliche zahlreicher Papillen dicht an deren Spitze bilden. Die Entscheidung dariiber, ob diese Pigmentzellen wirk- 80 Dr. Bernhard Rawit2z, lich Sinneszellen sind oder nicht, soll mit der Histiologie der be- treffenden Papillen gegeben werden. Bei Cardium tuberculatum, oblongum und bei Cyprina islandica habe ich nur eine Art yon Sinneszellen angetroffen, nimlich die gewohnlichen, dem FLemmine’schen Schema entsprechenden Pinselzellen. Bei der Schilderung der an Schnittpraparaten zu erkennenden histiologischen Einzelheiten miissen die vier angefiihrten Arten gesondert behandelt werden, weil sie in vielen und wichtigen Punkten voneinander abweichen. Cardium edule. Das Epithel der SiphoauSenflache hat sich je nach dem durch die Konservierung bewirkten Kontrak- tionsgrade in mehr oder minder zahlreiche Falten gelegt, die von ungleicher Ausdehnung und ungleicher Héhe sind. Diese Falten erscheinen auf dem Schnitte als Epithelzotten. Die Epithelzellen sind cylindrische, wimperlose Gebilde von 10,8 «w Hohe, 5,4 wu Breite und einem cuticularen Saume von 1,8 « Dicke. Die Kerne sind oval oder kreisrund und basal gelegen. Die basale Grenze des Epithels bildet eine scharfe Linie, welche die Zellen von dem homogen erscheinenden subepithelialen Gewebe deutlich scheidet, in welchem die letzten Ausliufer der Muskeln liegen, die sich in Form kleiner Stippchen priasentieren (Fig. 8m). Nach Drost enden die Muskeln vor der homogenen Partie der Bindesubstanz ; das ist nicht richtig und die Angabe ist wohl darauf zuriickzu- fiihren, da’ Drosr keine geeigneten Tinctionsmethoden angewandt hat. Uber die eigentiimlichen Erscheinungen dieser Muskelstipp- chen und ihre Beziehungen zu den Epithelzellen will ich mich erst niiher bei Besprechung der Histiologie der Veneriden iiufern, weil bei dieser Familie diese Verhiltnisse viel klarer liegen, als hier bei Cardium. Im Schnitte sind die Sinneszellen zwischen den indifferenten nicht zu erkennen. An verstreuten Stellen sind die lezteren pig- mentiert; das Pigment besteht aus ziemlich grofen Kérnern von briunlicher oder auch griingelber Farbe und erfiillt die distal vom Kern gelegene Partie der Zellen. In sehr geringer Menge und nur an wenigen unregelmifig verteilten Stellen sieht man zwischen den Epithelzellen eigentiimliche Gebilde liegen, die meist von kreisrunder Gestalt sind, etwa 5,4 « Durchmesser besitzen, entweder ganz homogen erscheinen oder ein Konglomerat von Tropfen oder Schollen darstellen (Fig. 9 hk). Sie farben sich in Orange-Haima- Der Mantelrand der Acephalen. 31 toxylin Jeuchtend orange, in Kosin-Hamatoxylin flammendrot, in dem Dreifarbengemisch von Enriicu-Bionpt1 tief violett, wihrend sie in Bismarckbraun oder in einfachen Hamatoxylinpraparaten nicht erkennbar sind. Gleich gefairbte Bildungen sieht man in der Niihe des Epithels in der Bindesubstanz legen, welche sich yon den erwihnten intercellulairen K6rpern dadurch unterscheiden, dali sie eine zarte Plasmazeichnung erkennen lassen oder grob granuliert sind und einen meist central, selten excentrisch gelegenen Kern besitzen, der sich intensiv tingiert hat (Fig. 9 /g). Jene homogenen Kérper und diese Zellen, welche die FLemmina’schen Zellen der Bindesubstanz sind, gehéren offenbar zusammen. Die FLemmina’schen Zellen wandern durch das Epithel hindurch, verandern wahrend des Durchwanderns ihre Plasmastruktur, in- dem sie homogen werden, und verlieren den Kern. Daf diese Auffassung richtig ist, geht daraus hervor, dafi’ man in aller- dings ganz seltenen Fallen in einzelnen homogenen Kdérpern noch den Kern erkennen kann; derselbse ist geschrumpft, hat sich nur noch wenig gefarbt und ist bei einzelnen so excentrisch geriickt, dal er fast wie eine Kappe den Gebilden aufliegt. Diese homogenen aber kernhaltigen Kérper sind meines Erach- tens als die Ubergangsstufen von den normalen FLEmMmina’schen Zellen zu den homogenen, kernlosen Gebilden zu betrachten. Die vorhin erwahnten, gleich den homogenen Ké6rpern gefirbten — also leuchtend orange etc. — FLemmina’schen Zellen stellen ihrer- seits schon ein Entwickelungsstadium auf dem Durchwanderungs- prozesse dar, indem namlich fiir gewéhnlich dieselben sich nur bla8 — also schwach gelb etc. — fiarben. Sind diese Gebilde durch das Epithel hindurchgetreten oder herausgepreft, dann schwinden die so zwischen den Epithelzellen entstandenen Liicken nicht sofort, sondern persistieren noch eine Zeit lang; man trifft daher im Schnitte zuweilen zwischen den Epithelzellen grofe Liicken von rundlicher Begrenzung an, die ganz leer sind. An ungeeignet tingierten Schnitten, namentlich an solchen, die von durchgefarbtem Materiale angefertigt wurden, kénnte man dadurch leicht zu der Meinung yerleitet werden, als habe man hier Becher- zellen yor sich. Diese Annahme wiire aber, wie meine obige Schilderung lehrt, ganz falsch; Becherzellen kommen tiberhaupt im Sipho dieser Art nirgends vor. Die Innenfliche der Siphonen (Atem- und Analsipho ver- halten sich ganz gleichmifig) hat einen epithelialen Belag, der sich in nur wenige sehr breite und niedrige Falten gelegt hat, 32 Dr. Bernhard Rawitz, Die Epithelzellen sind wimperlos, von cylindrischer Gestalt, messeti 9 « in der Hohe, 4 « in der Breite und haben einen cuticularen Saum von knapp 1 « Dicke. Sinneszellen sind zwischen den in- differenten nicht zu erkennen. Ks finden sich hier dieselben homo- genen Koérper zwischen den Epithelzellen liegend und es zeigen sich die gleichen Umwandlungsstufen der gewohnlichen FLEmMinG’schen Zellen zu denselben, wie auf der AuSenflache; nur sind hier, innen, die Gebilde bedeutend zahlreicher als au’en. Deswegen habe ich die diese Verhaltnisse illustrierende Figur 9 von der Innenflache des Sipho gewahlt. Was den Hauptunterschied der Innenflache von der Aufen- fliche bildet, der auf den ersten Blick in die Augen fallt (cfr. Fig. 10 und 8), das ist das Vorkommen ganz eigenartiger Zellen auf der ersteren, die auf der letzteren vollstiindig fehlen. Die- selben wurden schon von Drosr (9) beobachtet und als die Ur- sache des perlenartigen Glanzes der Siphoinnenflache erkannt, Nach diesem Autor lagern sich dieselben in den Liicken des soge- nannten Schwellnetzes ,,an der Stelle der LANGER’schen Blasen‘‘ und finden sich auf der Siphoinnenfliche zwischen den subepithelialen Muskeln und der Hauptmuskelmasse ,,in selten unterbrochenem, breiten Bande von oben bis unten“ (I. c. p. 32 des 8.-A.). Die Kerne liegen, ,,wenn sie sichtbar sind, stets an einem Pol und sind an der dichteren geronnenen Masse wie angebacken, so daf an ibrer Zugehorigkeit zu dieser kein Zweifel walten kann“ (ibidem). Meine eigenen Beobachtungen ergaben folgende Resultate. Die Zellen liegen nicht dicht am Epithel, sondern sind von ihm durch eine von der Basis der Epithelzellen an gemessene circa 12,6 u dicke homogene, bindegewebige Schicht getrennt, in welcher nur die letzten stippchenfoérmigen Auslaufer der Muskeln vorkommen (Fig. 10 m). Inkonstant trifft man auch medianwarts von den Stippchen, zwischen ihnen und den Zellen, einige in der Liings- achse verlaufende Muskelfasern an. Die Zellen sind durchgingig ovoide Gebilde, deren Lingsdurchmesser zwischen 9 w nnd 18 uw, deren Breitendurchmesser zwischen 5,4 « und 7,2 uw schwankt. Breite und Lange der Zellen stehen in keinem Verhialtnisse zu einander, insofern nimlich die breiten Zellen nicht zugleich die kiirzesten, die langen nicht die schmalsten sind, und umgekehrt. Die Zellen finden sich alle schrig im Gewebe, d. h. ihr langer Durch- messer ist so orientiert, daf er von unten aufen schrig nach oben innen geht (Fig. 10 fz), wenn man proximal hierbei als unten, distal als oben bezeichnet. Die Zellen liegen alle dicht bei ein- Der Mantelrand der Acephalen. 3b ander, fast durch keine Zwischensubstanz getrennt; nur zuweilen sieht man einige von der Aufen- nach der Innenfliche ziehende Muskelbiindel sie durchsetzen. Ihre schrige Orientierung giebt der ganzen Gegend, namentlich bei Anwendung schwacher Linsen- systeme, ein ganz eigentiimliches und charakteristisches Geprige (Fig. 10). Jede dieser Zellen besitzt einen Kern, niemals feblt derselbe, wie Drosr anzunehmen scheint. Der Kern hat sich stets intensiv gefirbt, ist meist oval von Gestalt und liegt aus- nahumslos am spitzen Pole der Zelle, demjenigen also, welcher nach oben gekehrt ist (Fig. 10 fz); er sitzt der Zelle wie eine Kappe auf. Das Plasma der Zellen zeigt eine ungemein zarte Granu- lierung; es hat sich in Orange-Haimatoxylin gelb gefarbt, entbehrt aber durchaus jenes leuchtenden Glanzes, wie ihn diejenigen FLEMMING’schen Zellen annehmen, welche durch das Epithel hin- durch wandern. In Bismarckbraun ist die Farbung heilgelb mit einem Stich ins Braunliche, in einfachem Hamatoxylin blaSblau, in Kosin-Hamatoxylin tiefrot, aber ohne Glanz, und in dem Enr- LIcH-Bionpi'schen Farbengemisch rot, aber sehr viel blasser als bei den homogenen Kérpern. Ich citierte vorhin die Angabe von Drost, wonach diese Zellen sich in Form eines ununterbrochenen Bandes auf der Innenflache des Sipho durch seine ganze Linge hinziehen sollen. Dies kann ich nicht bestétigen; nach meinen Praparaten vielmehr zeigt der Zug dieser Zellen stellenweise recht betrichtliche Unterbrechungen. Wenn ferner Drosr diese Ge- bilde als ,,Schleimzellen“ bezeichnet, so ist der Name ungliicklich gewahlt, denn Schleimzellen sensu strictiori, i. e. Mucinzellen, sind diese Zellen nicht, da weder ihr Plasma Mucinreaktion darbietet, noch sie eine sekretorische Thatigkeit entfalten, durch welche Mucin bereitet wiirde: und nur solche Zellen sollte man ,,Schleim- zellen“’ nennen, welche ein mucinahnliches Sekret liefern. Finden sich somit diese Zellen an der Siphoninnenfliche in grober Menge, so kommen sie in nur geringer Zahl in den mehr medialen Partieen der Siphowand, in der Basis und im Innern derjenigen Papillen vor, welche von der AuSenwand des Sipho entspringen, sowie in den Papillen der innersten Reihe. Hier aber sind sie nie so gelagert, wie an der Innenflache. Anders wird das mikroskopische Bild, wenn man die Papillar- region der Siphoninnenflache untersucht. Als Papillarregion michte ich das distalste Viertel des Sipho bezeichnen, welches so kon- tinuierlich in die Innenflaiche der Papillen der innersten Reihe iibergeht, dai, im Schnitte wenigstens, eine Grenze zwischen Sipho- bd, XXV1I, N, F, XX, 3 34 Dr. Bernhard Rawitz, wand und Papille nicht zu erkennen ist. Hier nun treten die Zellen zuriick und an ihrer statt ist eine amorphe Masse zu sehen (Fig. 11 gd), innerhalb welcher wohl noch Zellen vorkom- men, aber immer nur in sehr geringer Menge. Diese Massen firben sich in der gleichen Weise, wie die Zellen, nur erscheint die Farbung im allgemeinen intensiver. Sie sind auch in den Papillen der innersten Reihe vorhanden und liegen dicht unter dem epithelialen Belage derselben auf beiden Seiten, also innen wie aufen. Was die amorphen Massen von den _ beschriebenen Zellen der mehr proximalen Abschnitte des Sipho unterscheidet, ist der Umstand, daf man erstere in interepithelialen Liicken findet (Fig. 11 bei xz), die Zellen aber nie, denn letztere diirfen nicht mit den friiher beschriebenen homogenen Koérpern in einen Zu- sammenhang gebracht werden. Jene sind also Sekretmassen und zwar, wie aus der tinctorialen Reaktion derselben hervorgeht, Giftmassen. Die physiologische Dignitét derselben ist leicht ver- stindlich; sie dienen offenbar dazu, etwaige in die Siphonen eingedrungene lebende Koérper zu vernichten. Uber die Bedeutung der Zellen der inneren proximalen Abschnitte kann ich aber das- Selbe nicht aussagen. Denn diese liefern durchaus kein Sekret, wenigstens habe ich niemals bei den zahlreichen Exemplaren von Cardium edule, die ich untersuchte, auch nur eine Andeutung davon gefunden, daf} das Plasma derselben irgendwie eine Thatigkeit in dem gedachten Sinne entfaltet. Es ist mir vollstindig unverstandlich geblieben, warum in den proximalen Siphoabschnitten die Zellen ihren histiologischen Charakter unverandert beibehalten, wahrend sie im distalen Viertel sekretorisch funktionieren. Denn daf die amorphen Massen ein Derviat jener Zellen sind, das geht aus Bildern deutlich hervor, die man in den Papillen der innersten Reihe zu sehen bekommt. Hier nimlich findet man an ein- zelnen Stellen die Zellen in der Majoritit, an anderen Zellen und amorphe Massen einander das Gleichgewicht haltend und an noch anderen Stellen endlich die Massen bedeutend tiberwiegend ; in letzteren sind die Kerne nur sparlich vorhanden. Ob bei die- sem physiologischen Umwandlungsprozesse, bei der Bildung der amorphen Massen, das ganze Zellplasma zerfallt oder nur ein Teil desselben, dariiber geben meine Praéparate keinen Aufschluf. Ist das erstere der Fall, wird die ganze Zelle verbraucht fiir die Bil- dung der Sekretmassen, dann miiften die FLemmrina’schen Zellen der Bindesubstanz der benachbarten Partieen als Ersatz eintreten ; darauf aber deutet nichts hin. Der Mantelrand der Acephalen. 39 Das Epithel der Papillen der innersten Reihe gleicht dem der Siphoinnenfliche vollkommen; die Sinneszellen sind zwischen den indifferenten in Schnitten nicht zu erkennen. Auf allen Schnitten durch die Siphonen trifft man in deren Substanz Gebilde an, die durch ihre intensive Pigmentierung so- fort auffallen und durch ihre eigentiimlichen Gestalten den Pra- paraten ein ganz eigenartiges Aussehen verleihen (Fig. 12), ein Aussehen, wie man es bei Acephalen nie wieder in den Siphonen oder im Mantelrande antrifft. Es ist ein entschiedenes Verdienst von Drosr (9), da er zuerst die Aufmerksamkeit auf die zu be- sprechenden Bildungen hingelenkt hat, die er als Driisen von acindsem Baue glaubt betrachten zu diirfen. Drost (9; p. 23 ff. des Sonderabdruckes) sagt tiber diese pigmentierten Gebilde folgendes: Dieselben schimmern durch das zarte Gewebe des Sipho hindurch und dokumentieren sich daher bei makroskopischer Betrachtung als Pigmentflecke auf der Sipho- aufenwand. Bei Untersuchung eines Stiickes des Sipho unter dem Mikroskope sieht man dann, daf jede Pigmentmasse lappig ver- zweigt erscheint und durch eine Einsenkung des hier gleichfalls pigmenthaltigen Epithels der Aufenfliche nach aufen miindet. Auf Schnitten findet man fast immer einzelne oder mehrere traubig zusammengeballte rundliche Figuren, deren Wandungen yon einer Lage ziemlich grofer, ausnahmslos mit braunen Pigment- kérnern angefiillter Zellen gebildet werden. Letztere sind der Form nach nur mit Epithelzellen zu vergleichen und besitzen den- selben grofen Kern wie diese, der zwar meist durch das Pigment verdeckt wird, aber auf stark gefirbten Hiamatoxylinpraparaten gewohnlich klar hervortritt. Die Zellen sind im Verhiltnis so groB, daf nur kleine Hohlriume im Innern frei bleiben. Wo auf Schnitten die Zellwinde nicht deutlich sind, sind doch durch die getrennten Pigmenthaufchen die einzelnen Zellen gekennzeichnet.“ Man findet dann auf liickenloser Serie stets, daf diese Pigment- massen mit einer EKinbuchtung des Epithels in Kommunikation treten; jede Pigmentmasse ferner stellt sich als ein vielfach ver- zweigter Schlauch von Zellen dar. Der Zusammenhang mit dem Epithel 1a8t diese Bildungen als echte und zwar acinése Driisen erscheinen, tiber deren funktionelle Bedeutung aber nichts auszu- sagen ist. Die Driisen reichen oft durch die ganze Dicke der Siphowand und miinden meistens auf der Aufenfliche. Meine eigenen Untersuchungen, durch die ich die thatsich- * Vv 36 Dr. Bernhard Rawitz, lichen Angaben von Drosr in vielen Punkten bestatigen kani, haben mir folgendes ergeben: Man’) findet die beregten Gebilde nur in der distalen Halfte der Siphonen, wahrend sie in der proximalen nie vorkommen, Man trifft sie teils ganz isoliert, teils in grofen Massen (Fig. 12 pd) sowohl in der Substanz des Sipho tief eingebettet, wie seiner Innenfliehe und seiner AuSenfliche genihert, in den Pa- pillen der innersten Reihe durch die ganze Dicke, wahrend sie in den duferen Papillen stets fehlen. Sie sind von runder oder ovaler Form, ihre GréSe schwankt zwischen 16 « und 56 u. Die Gebilde sind Haufen dicht stehender Pigmentkérner, die vielfach einen farblosen centralen Fleck oder ein feines centrales Lumen begrenzen (Fig. 12). Bei Anwendung starkster Linsensysteme sieht man an der Peripherie dieser Kérper eine Andeutung einer Tunica propria (Fig. 14). Auf der Serie erkennt man, daf die Haufen, welche ganz kontinuierlich sind, allmahlich einen centralen Fleck bez. ein helles Lumen erhalten, um bald wieder ununter- brochen pigmentiert zu erscheinen. Es handelt sich also um kugelige oder eiférmige Hohlkérper, die eine pigmentierte Wan- dung besitzen. Man sieht ferner auf der Serie, daf da, wo diese Bildungen in gréSerer Menge beisammen liegen, einzelne, aber kei- neswegs alle, ineinander fliefen, indem sich ihre Lumina vereinigen. Durch das Pigment schimmern stellenweise Kerne von kreisrunder Gestalt hindurch, die, wie Priparate aus Indigcarmin-Boraxcarmin lehren, an den Basen kleiner kubischer oder cylindrischer Zellen liegen (Fig. 14). Durch die zur Differenzierung der genannten Doppelfairbung verwandte Oxalsiure wird namlich das Pigment ein wenig gelést und man erkennt dann die die Bildungen zu- sammensetzenden Zellen. Das Plasma derselben zeigt keinerlei feinere Struktureigentiimlichkeiten, sondern erscheint stets homogen, die Kérnelung desselben, die man in Fig. 14 sieht, ist durch das nur zum Teil entfernte Pigment bedingt. Die natiirliche Farbe 1) Als einen Beweis fiir die grofe Unzuverlissigkeit der Beob- achtungen, die SHarr in seiner hiufiger von mir kritisierten Arbeit niedergelegt hat (43), will ich anfiihren, da dieser Autor angiebt, er habe nirgend bei Cardium edule Pigment angetroffen. Seine Mei- nung, daf in seinem Materiale das Pigment miglicherweise durch den langen Aufenthalt in Alkohol zerstért war, ist ganz und gar hinfillig, denn ich habe die Pigmentierung noch wohl erhalten gefunden an Exemplaren dieser Species, die drei Jahre in 90°%/, Alkohol auf- bewahrt gewesen waren. Der Mantelrand der Acephalen. 37 des Pigmentes ist ein helles Goldbraun. Dieser Farbenton erhalt sich unverindert in Alauncarminpraparaten, erleidet aber verschie- dene Nuancierungen, sobald man andere Tinctionsmittel anwendet. In Bismarckbraun erscheint das Pigment schmutzig dunkelbraun, in Orange-Himatoxylin griinlich schwarz, in Eosin-Hamatoxylin schwarz, in Indigcarmin-Boraxcarmin hellgelb. Diese Nuancen- veranderung ist darauf zuriickzufiihren, daf das Plasma der das Pigment enthaltenden Zellen eine dem betrefftenden Plamafarbstoff entsprechende blasse Farbe angenommen hat und diese nunmehr sich mit der des Pigmentes vermischt. An Kérpern, die im Schnitte ein Lumen erkennen lassen, zeigt sich letzteres, wie schon Drost angegeben, zuweilen mit einer in meinen Praparaten stets homogen erscheinenden Masse erfiillt, die sich in Indigcarmin- Boraxcarmin gefirbt hat, und zwar intensiv blau (Fig. 14). Das Bild, das man so erhalt, erinnert lebhaft, wenn wir von dem Pig- mentgehalte der Zellen absehen, an einen quergeschnittenen Acinus der Speicheldriise eines Wirbeltieres (Fig. 14). Meistens aber ist das Lumen leer bez. nimmt ein etwaiger Inhalt keinen Farbstoff aufer dem erwaihnten an. Auf der Serie erkennt man endlich, wie Drost schon angegeben, daf diese Bildungen mit dem Epithel in Verbindung treten und zwar ausnahmslos mit dem Epithel der Aufenflaiche (Fig. 13 bei x). Die Zellen des Epithels namlich sind an einzelnen verstreuten Stellen pigmentiert und es hat das Pigment dieselbe Farbe und dieselbe kérnige Beschaffenheit wie das der fraglichen Gebilde. Dieses Pigmentepithel senkt sich nun in die Siphosubstanz ein und die Bucht der Hinsenkung tritt in Kommunikation mit den feinen Lumina der Pigmentgebilde (Fig. 13). So erscheinen die Bildungen allerdings, wie es Drost an- gegeben hat, wie Driisenacini, die an einem durch eine Epithel- invagination gebildeten Ausfiihrungsgange haingen; ich will sie daher als acinése Pigmentdriisen bezeichnen, ohne damit aber definitiv aussprechen zu wollen, da sie wirkliche Driisen sind. Indessen, und hier befinde ich mich in einem entschiedenen Gegensatze zu Drost, treten durchaus nicht alle Pigmentacini in Kommunikation mit dem Epithel, vielmehr ist nur der bei weitem kleinste Teil derselben mit einem Ausfiihrungsgange versehen. In einer liickenlosen Serie durch den Branchialsipho eines Tieres, welche 800 Schnitte (a 5 «) zahlte, habe ich im ganzen nur vier- mal eine solche Epitheleinsenkung gesehen, in manchen anderen kleineren Serien haufig keine. Nun sind aber viele tausend Pigmentacini in einem Sipho vorhanden, die man auftauchen und 38 Dr. Bernhard Rawitz, verschwinden sieht, ohne daf sie sich mit ihren Nachbarn ver- bunden hatten. Man findet Stellen, wo nur ein einziger Acinus vorkommt, der in der Mitte der siphonalen Wand liegt, und der ebenfalls niemals mit dem Epithel sich vereinigt, sondern stets in seiner isolierten Lage verharrt. Die drei in Fig. 14 bei sehr starker VergréSerung abgebildeten Acini Jagen in der Mitte der Sipho- wand; sie vereinigten sich nicht untereinander und traten auch in gar keine Beziehungen zum Epithel, isoliert vielmehr, wie sie im mikroskopischen Bilde erschienen, blieben sie auch bis zu ihrem Verschwinden. Andere Acini sieht man bis dicht an das Epithel der Innen- wie der Auf enfliche herangehen, aber die Kinsenkung des Epithels fehlt, und untersucht man den Schnitt, welcher auf denjenigen folgt, der die Annaherung an das Epithel zeigte, so haben sich die Acini von dem letzteren wieder entfernt, ein Aus- fiihrungsgang wurde nicht gebildet. So haben wir also acinése Pigmentdriisen mit Ausfiihrungsgang in nur ganz geringer Zahl; nach meinen Untersuchungen kann ich bestimmt sagen, daf der gréfkte Teil der Acini oder der pigmenthaltigen Hohlkérper in sich abgeschlossen, fern von der Siphowandung bleibt und niemals einen epithelialen Ausfiihrungsgang erlangt. Zufalliger Natur kénnen diese Bildungen nicht sein, denn ich habe sie an allen Muscheln aus der Kieler Bucht wie aus dem Golfe von Neapel in stets gleicher histiologischer Eigentiimlichkeit angetroften. Sind die acindsen Pigmentdriisen, d. h. diejenigen Pigment- kérper, welche mit dem Epithel in Verbindung treten und dadurch einen Ausfiihrungsgang erhalten, schon eine ratselvolle Erschei- nung — denn itiber ihre funktionelle Stellung giebt die histio- logische Untersuchung gar keinen Aufschlu8, namentlich nicht dariiber, ob wir es wirklich mit Driisen zu thun haben —, so bieten die isoliert bleibenden Pigmentkérper erst recht keinen Anhalt dar, um tiber ihre Bedeutung auch nur eine Vermutung aufzustellen. Was diese sonderbaren Massen sollen, welche Funk- tion sie im Haushalte des Tieres versehen, dariiber wei ich nichts zu sagen; mir sind diese Bildungen vollkommen unver- standlich geblieben. Erwahnen will ich noch, da& man sehr haufig in der Nahe der Pigmentacini, wie dies Fig. 12 bei naherer Betrachtung deut- lich zeigt, isolierte Pigmentkérner in der Substanz der Siphonen liegen sieht. Der Mantelrand der Acephalen. 39 Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung der Papillen, welche auf der SiphoauSenwand stehen. Schon bei Verwendung schwacher Vergréferungen erkennt man, daf zwei Arten von Papillen vorhanden sind, von denen die eine durch diejenigen reprasentiert wird, welche an_ ihrer Spitze die in der allgemeinen Beschreibung erwahnte circumscripte Pigmentierung, das sogenannte ,,Auge“, besitzen, wahrend die an- dere Art dieser Bildung entbehrt. Diese lJetzteren Papillen zeigen folgenden Bau. Ihr epithelialer Belag hat sich stellenweise in zahlreiche niedrige und schmale Falten gelegt, die auf dem Schnitte wie Zotten erscheinen. Die stets pigmentfreien Zellen haben eine Hoéhe von 7,2 ~, eine Breite von 3,6 « und einen cuticularen Saum von 1,8 « Dicke. Die Kerne, teils kreisrund, teils oval, sind basal gelegen. Die Abgrenzung der Epithelzellen gegen das_ sub- epitheliale Gewebe ist durch eine zarte, kontinuierliche Linie ge- bildet. Bei denjenigen Papillen, deren Spitze konvex gerundet ist, ist damit die Beschreibung des Epithels erschépft. Eine grofe Zah] von ihnen aber hat an der Spitze eine seichte Einbuchtung und hier trifft man das von Drosr (9) entdeckte Sinnesorgan. Die ungefahre lineare Ausdehnung der Bucht betragt 27 4; die Zellen, welche in derselben stehen, sind mit 9 w langen Haaren besetzt, die im konservierten Objekte eine leichte Andeutung von Zerfall in Kérnchen zeigen (Fig. 15 so). Daf dies Sinneshaare und nicht Wimpern sind, hat bekanntlich Drosr durch die Unter- suchung frischen Materiales dargethan. An den itibrigen Epithel- zellen finden sich weder Sinneshaare noch Wimpern, auch sind die Sinneszellen im Schnitte zwischen den indifferenten nicht zu erkennen. Jene Haare tragenden Zellen auf der Papillenspitze haben ungefahr eine Héhe von 12,6 w, ihr cuticularer Saum ist 2,7 w dick; die Kerne sind kreisrund und basal gelegen (Fig. 15 so). Drost sagt, da’ sich hier eine Anordnung vorfinde, wo- nach Sinnes- und inditferente Stiitzzellen abwechseln, ahnlich der Anordnung, welche die Seitenorgane der Rhipidoglossen nach Baia Haver darbieten. Ich habe in meinen Praparaten gerade bei dieser Art eine solche Gruppierung beider Zellformen nicht finden kénnen, wie ich denn auch darin nicht mit Drosr tibereinstimmen kann, daf die Kerne der Sinneszellen dieser Gebilde in deren distaler Partie gelegen sind. Nach meinen Untersuchungen finden sich vielmehr die Kerne basal und es scheinen die Sinneszellen unmittelbar nebeneinander zu liegen, ohne da Stiitzzellen inter- poliert waren. Sinnesorgane, die keine Stiitzzellen haben, sind 40 Dr. Bernhard Rawitz, ja, wie meine Darlegungen im I. Teile der Arbeit beweisen, bei Acephalen nichts Ungewohnliches. Dicht an den Zellen des Sinnes- organes findet sich in der Substanz der Papille eine grdéfere Zahl von Zellen, die, wie man bei Anwendung homogener Im- mersion erkennt, unregelmaBig vielstrahlig sind (in Fig. 15 gz ist dieses Detail wegen der gewihlten geringen VergréSerung nicht sichtbar). Die Kerne derselben sind stets grof, blaschenformig und haben jeder ein deutliches Kernkérperehen. Von diesen Zellen gehen zunaichst zarte Fortsitze zu den Zellen des Sinnesorganes hin, dann finden sich ebenfalls zarte Fortsatze, durch welche sie untereinander in Verbindung stehen und endlich sieht man Fort- sitze von den Zellen proximalwirts in der Richtung zur Median- linie der Papille verlaufen. Drost betrachtet diese Zellen als Ganglienzellen und ich kann mich dieser Deutung vollkommen anschliefen. Proximalwarts der Ganglienzellen sind in der Substanz der Papillen amorphe Massen vorhanden, welche dem Epithel der Innenflache dicht anliegen (Fig. 15 gd). Dieselben bestehen aus feinen, dichtgedrangten Trépfchen, von welchen man einzelne zu- weilen zwischen den Epithelzellen antrifft. Innerhalb der Tropfen- massen sieht man einige geschrumpft erscheinende Kerne (Fig. 15). Es handelt sich hier um amorphe Sekretmassen, die denen vollkom- men gleichen, welche von der Papillarregion der Siphoinnenflaiche be- schrieben und also gleich diesen als Massen eines giftigen Sekretes zu betrachten sind. Ferner trifft man in der Basis einiger Pa- pillen, da also, wo dieselben sich aus der Siphowand erheben, einige wenige Zellen an, die denen gleich sich verhalten, welche von den proximalen Teilen der Siphoinnenflache her bekannt sind. Amorphe Sekretmassen kommen nur in solchen Papillen vor, welche das vorhin beschriebene Sinnesorgan besitzen; Papillen, denen ein solches abgeht, haben auch keine amorphen Massen, dafiir aber in relativ betrachtlicher Menge die bekannten ovoiden Zellen, welche sich durch die ganze Substanz dieser Papillen ver- teilt finden. Die erwaihnten amorphen Sekretmassen hat Drost schon ge- sehen, und zwar in den die sogenannten Augen tragenden Papillen, und dieselben ganz richtig als die Umwandlungsprodukte der ovoiden Zellen, i. e. der Fremmrna’schen Bindesubstanzzellen er- kannt. Daf er dieselben als eine faserige Masse beschreibt, ist wohl darauf zuriickzufiihren, da er nicht gecignete Farbungs- methoden gebraucht hat;. iiber ihre physiologische Bedeu- Der Mantelrand der Acephalen. 41 tung ist er aus demselben Grunde zu keiner klaren Ansicht gelangt. Uber die Funktion der von ihm auf der Spitze einer Anzahl Papillen entdeckten Sinnesorgane hat Drosr keine bestimmte Mei- nung geiufert. Er hebt hervor, daf sie zwar den BéELA-HALLER- schen Seitenorganen der Rhipidoglossen hinsichtlich ihres Baues gleichen, glaubt aber nicht, da sie wie diese funktionieren kén- nen, weil die zarten Sinneshaare bei Cardium sich wesentlich von den kurzen, massiven bei jenen Schnecken unterscheiden. Das ist meines Erachtens zweifellos, daf die Sinneszellen des Papillenorganes anders funktionieren werden, wie die beiden Arten von FLEemmMina’schen Pinselzellen, welche sich tiber den ganzen Kérper zerstreut finden. Diese werden nur dann in Aktion treten, wenn die Siphowand direkt beriihrt wird oder an irgend einen Gegenstand ansté8t. Die strenge Lokalisation jenes Sinnesepithels dagegen weist darauf hin, daf es Sitz einer mehr _ speciali- sierten Empfindung ist. Bestimmt indessen die Frage zu beant- worten, welcher Art diese Empfindung sei, bin ich nicht in der Lage, da ich Experimente anzustellen, welche einen unzweideutigen Aufschlu8 hatten geben kénnen, keine Méglichkeit sah. Allein auch durch die blofe Reflexion kann man, glaube ich, dazu ge- langen, die funktionelle Bedeutung der fraglichen Organe mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Drost namilich teilt mit, da wo er die physiologische Wertigkeit der sogenannten Augen diskutiert, da schon leise Erschiitterungen des Gefisses, in wel- chem sich mehrere Exemplare von Cardium edule befanden, aus- reichend waren, um eine Kontraktion der Siphonen hervorzurufen, wahrend z. B. Mya arenaria in gleicher Weise nicht erregt wer- den konnte. Zwar reagierten nicht alle Cardien iibereinstimmend und schnell (die Drost’sche Versuchsanordnung war keine ganz gliickliche und seine sonstigen Resultate sind nur mit Vorsicht aufzunehmen), Drosr meint aber, und anscheinend mit Recht, daf die empfindlicheren Tiere sich wohler in dem zur Untersuchung verwandten Gefale befanden, als die weniger empfindlichen. Nun ist es eine Erfahrung, die jeder gemacht hat, welcher lebende Muscheln in Aquarien zu beobachten Gelegenheit hatte, da8 die meisten Arten der Siphoniaten im allgemeinen selbst gegen starke Erschiitterungen, also gegen kraftige Wasserwellen, ziemlich un- empfindlich sind. Manche aber, und hierzu gehéren Cardium edule und, wie wir spater sehen werden, einige Veneriden, zeigen fiir die Bewegungen des Wassers einen hohen Grad von Sensitivitat. 49 Dr. Bernhard Rawitz, Offenbar sind diese Tiere mit Sinnesapparaten ausgestattet, welche ihnen schon leichte Wellenbewegungen des umgebenden Medium zur Kenntnis bringen, d. h. also mit Apparaten, welche analog den Organen der Seitenlinie gewisser Vertebraten funktionieren werden. Solche Organe, welche zu ihrer Erregung nur minimer Reize bediirfen, besitzt aber Cardium nach der schénen Entdeckung von Drostr in den Sinneszellen, welche in den napfférmig einge- zogenen Kuppen einer Anzahl von Papillen sich finden. Es wer- den héchst wahrscheinlich diese Zellen, bez. die Organe, zu denen sie gehéren, gleich den Organen der Seitenlinie der Vertebraten funktionieren und sie sind daher als Seitenorgane, ganz wie die HatieEr’schen Organe der Rhipidoglossen, zu betrachten. DaB bei den letzteren die Sinneshaare kurz sind, wahrend sie bei unserer Art eine betrachtliche Linge besitzen, das ist meines Erachtens eine Differenz, die bei der Beurteilung ihres funktionellen Wertes eine besondere Bedeutung kaum besitzt +). 1) Drost scheint sich, wie aus einem Passus seiner Abhandlung (9; p. 20/21 d. S.-A.) hervorgeht, der Ansicht von SimrotH (44) an- zuschliefen, daf taktil empfindliche Zellen auch auf chemische Ein- fliisse reagieren. Die Stwrotu’sche Deduktion habe ich bereits als unhaltbar, weil auf ganz falschen physiologischen Vorstellungen basierend, nuachgewicsen (cfr. I. Teil, p. 89 d. S-A., Anmerkung). Auch die Drost’sche Auffassung ist verfehlt und der von dem Autor angestellte Versuch bedeutungslos. Es heift bei Drost, im Anschluf an ein Citat aus Srwgorn’s Arbeit (9, 1. c.): ,,.Ich kann nur hinzu- fiigen, da ich allerdings eine grofe Reizbarkeit gegen chemische Einfliisse beobachten konnte. Ich spritzte mit einer Pipette sehr stark verdiinnte Saiuren unter Wasser, wobei also die Verdiinnung noch weiter ging, von oben oder seitlich gegen die Siphonen. So- fort geschah eine heftige Kontraktion sowohl bei Cardium edule, als auch bei Mya arenaria, die doch nur die eine gewodhnliche Form der Sinneszellen besitzt.“ Hierdurch wird mcines Dafiirhaltens nichts fiir eine chemische Empfindlichkeit der gewéhnlichen FLemmine’schen Pinselzellen noch der speciellen Sinneszellen der Papillenorgane be- wiesen. Um sich zu iiberzeugen, dafi die Siphonen yon Cardium edule nicht Sitz einer Empfindung sind, die auf chemische Reize besonders abgestimmt ist, hatte Drost gar nicht ndtig, seinen Ver- such anzustellen. (Wenn hier von chemischen Reizen die Rede ist, so ist das nur in dem Sinne von Drosr der Fall, also von Reizen, die durch Fliissigkeiten differenter Natur hervorgebracht werden.) Die tigliche Erfahrung beim Konservieren hitte ihm das gleiche Resultat wie sein Experiment geliefert, sie hatte ihn aber auch vor seiner Annahme bewahrt. Denn es ist offenbar ganz dasselbe, ob ich gegen den Sipho einer Muschel eine verdiinnte Siéure, z. B. Salpeter- sdure, spritze, oder ob ich das ganze Tier zur Fixierung behufs Der Mantelrand der Acephalen. 43 Die , Augen“ von Cardium edule. Uber diese Ge- bilde liegen zwei eingehende Arbeiten vor, die von Drosr (9) und die von Parren (32). Die phantastische Schilderung, welche Witt von den betreffenden Organen dieser Art, wie von denen der iibrigen Muscheln, entworfen (49), hat kaum noch historischen Wert. CaARnRizRE ist in seinem bekannten Buche ,,Die Sehorgane der Tiere“ (6) in eine Diskussion iiber den Bau dieser Bildungen nicht eingetreten, weil er in ihnen Sehorgane nicht zu erkennen vermochte, und SHarp (43), der sonst jede harmlose Pigmentzelle als ein primitives Auge betrachtet, hat, wunderlich genug, bei Cardium edule Pigment iiberhaupt nicht gesehen. Die Darstellungen von Drost (9) und yon PAaTTEN (52) wei- chen in ihren Einzelheiten sehr bedeutend voneinander ab. Der erstere Autor giebt folgende Analyse der uns jetzt be- schaftigenden Gebilde. Dieselben Papillen, welche das die lan- gen Haare tragende Sinnesorgan besitzen, haben proximalwarts ihrer Spitze auf der dem Sipho zugewendeten Seite ,,eine rund- histiologischer Untersuchung in ein Salpetersiiure enthaltendes Ge- misch, z. B. Pikrinsalpetersiiure, werfe. In beiden Fallen erfolgt eine heftige Kontraktion der mit der Fliissigkeit in Beriihrung kom- menden Kérperteile; es ist aber wohl noch keinem Forscher einge- fallen, anzunehmen, daf die bei briiskem Einbringen in ein fixierendes Reagens eintretende Kontraktion der Objekte auf einer Fahigkeit der- selben beruhe, chemische Stoffe als solche wahrzunehmen. Offenbar machen Drost wie Stwrota diese Annahme, andernfalls wiren die ganzen diesen Punkt betreffenden Auslassungen beider Autoren un- verstiindlich. Die Ursache des fraglichen Phinomens beruht nicht auf einer besonderen chemischen Empfindlichkeit (sit venia verbo), sondern ist zuriickzufihren auf eine mehr oder minder tiefgreifende Alteration in der chemischen Zusammensetzung der Gewebe. In beiden Fallen, in dem Versuche mit der Séure wie bei der Fixierung, findet eine Gerinnung der Gewebssidfte statt, die dort lokal begrenzt ist und sich bald wieder ausgleicht, hier eine totale und bleibende ist; beide Falle sind also nur verschieden durch den Grad, nicht durch die Art der Alteration. Wohl hat das Tier eine Empfindung bei der Sdéurewirkung, wie bei der Fixierung, aber diese Empfindung ist keine chemische, ich will damit sagen, da® sie keine spezifische, von den anderen durch die Kérperoberflache vermittelten Sensationen sich unterscheidende ist, sondern sie ist diesen gleich, ist ein heftiger, durch den Druck der geronnenen Gewebsmassen auf die Sinneszellen entstandener Schmerz. Und Schmerzempfindung ist keine chemische Empfindung, wie der Geruch, sondern nur eine intensive Beriihrungs- empfindung. Ich verweise hierzu auf die citierte Anmerkung des ersten Teiles. Das Vorstehende geniigt, wie mich dinkt, um das Trrige der Drost’schen Annahme darzuthun, 44 Dr. Bernhard Rawitz, liche vorgewélbte Flache, welche eine zusammenhangende, halbmond- férmige Schicht pigmentierter Epithelzellen tragt.“ (Das ist, wie ich hier noch einmal bemerken méchte, nicht ganz richtig, da nach meinen Untersuchungen auch mit Seitenorganen ausgestattete Pa- pillen vorkommen, welche keine Pigmentflecken besitzen) (cfr. Fig. 15). Der Nerv, welcher in der Spitze der Papillen verschiedene Ganglienkomplexe bildet, ist der auSeren Wand der Papille ge- nahert, geht dann nach der inneren Seite zu und in ein Ganglion iiber, das unter dem Pigmentfleck gelegen ist. Die Zellen des Ganglion sind blasse und grofe multipolare Gebilde. Zu seiten eines eigentiimlichen faserigen Gewebes breitet sich das Ganglion aus und sendet Aste ab, die mit den Pigmentzellen in Verbindung treten. Zwar hat Drosr diese Verbindungen im Schnitte nicht gesehen, aber er ,,zweifelt“ nicht an ihrem Vorhandensein, zumal die Pigmentzellen sich nicht wie indifferente Zellen véllig ab- macerieren lassen, zuweilen sogar an einem sehr zarten Faden in der Untersuchungsfliissigkeit flottieren. Das Pigment der sich durch ihre betrachtliche Lange von den iibrigen unterscheidenden Zellen ist von brauner Farbe, erfiillt den distal vom Kern gelege- nen Abschnitt, oder vielmehr es umhiillt wie ein Mantel den Zell- kérper. Der Papillennerv innerviert ferner das Organ, welches aus den bereits erwahnten Sinneszellen besteht. Drost, der in den vorstehend referierten Beobachtungen offenbar die histiologischen Kriterien von Augen auf einer nie- drigen Stufe der Entwickelung erblickt (seine physiologischen Be- trachtungen sollen erst spiter gewiirdigt werden), bezieht sich fiir seine Auffassung héchst ungliicklicherweise auf SHarP und CARRIERE. Daf SHarp’s Angaben iiber die als niedrig entwickelte Augen zu betrachtenden Pigmentzellen keinerlei Bedeutung beizu- messen ist, habe ich bereits wiederholt dargethan. CArrtiRE (6) hat in seinem Buche eine kurze und nicht ganz richtige Beschrei- bung des Arcaceenauges — denn auf diese weist Drost hin — gegeben, dieselbe aber durch seine Abhandlung ,,Uber Mollusken- augen“ (Archiv f. mikr. Anat., Bd. XXXIII) so wesentlich und in einer den Verhialtnissen mehr entsprechenden Weise (cfr. dazu auch meine Angaben, II. Teil) modifiziert, da’ von einer Ahnlich- keit der Augen von Arca mit den Gebilden bei Cardium, wie sie Drost annimmt, absolut nicht mehr die Rede sein kann. Ganz anders wie die Drost’schen lauten die PatTren’schen Angaben (32; p. 609—613). Nach diesem Autor ist auf dem Ende der Papillen, die er zuweilen gablig geteilt gesehen hat, in Der Mantelrand der Acephaleii. 45 welchem Falle jedes Teilstiick ein Auge trug, tnter dem Pig- mentflecke ein Organ zu finden, welches alle charakteristischen Elemente eines Auges besitzt. Es besteht aus einer kugeligen Masse grofer Zellen, die im Leben eine roétliche Substanz ent- halten und durchsichtig sein sollen, so da man durch sie hin- durch das yon einem glinzenden Tapetum reflektierte Licht er- blicken kann. Die ganz aufergewohnlich einfache Retina, welche oblonge Gestalt hat, ,,consists of five or six rows of cells, the ends of which are directed inwards and rest upon the mass of connective tissue fibres, which serve at once as capsule and tapetum. ‘The opposite extremities, near which situated the large, oval and sharply stained nuclei, appear to terminate in single nerve fibres, which pass out of the capsule, on the side opposite the pigmented band, and, bending at right angles, extend along the axis of the tentacle as isolated fibres“. Am Winkel dieser Retina- zellen finden sich kleine Zellen mit intensiv gefarbten Kernen. Kine zarte Membran scheint sich zwischen der Retina und den roten Zellen auszuspannen. Das Tapetum ahnelt dem von Pecten und besteht aus Bindegewebszellen, deren Kérper zu Membranen ausgebreitet sind, welche aus kleinen Licht brechenden Feldern sich zusammengesetzt zeigen. Auf Schnitten scheint das Tapetum aus feinen Fasern gebildet, die dann irrtiimlich fiir Nervenfasern gehalten werden kénnen. Die Zellen des Tapetum besitzen noch ihre Kerne, welche sehr zahlreich sind. Das Auge wird von dem Tapetum ganz eingehiillt; seine (des Tapetum) stirkste Seite ist die den Pigmentzellen anliegende und die der Basis der Papille zu gerichtete Partie, wihrend es auf den beiden anderen Seiten, also der Papillenspitze und der Papillenachse zu einer diimnen hyalinen Membran reduziert ist, durch welche hindurch die Nerven- fasern zur Retina treten. ,,It is thus evident, that the light must come from the summit of the tentacle, and indeed from the in- vaginated portion away from the pigmented side; the ends of the retina cells are therefore parallel to the rays of light, as we should expect.‘ Ob die inneren Enden der Retinazellen Stabchen haben, konnte Parren nicht definitiv entscheiden. Indessen neigt er zu dieser Annahme und betrachtet daher die breiten Zellen als Retinophoren und die ihnen anliegenden schmalen als Ganglienzellen und erkennt in beiden Bildungen die Homologa der gleichen Partieen des Pectenauges. Der zwischen hyalinem Teile des Tapetum und Ganglienzellenschicht gelegene Abschnitt des Auges, der als Linse zu betrachten ist und wahrscheinlich noch in anderer Weise funk- 46 Dr. Bernhard Rawit2, tioniert, besteht aus grofen Zellen, welche indessen nicht auf diese Region allein beschrinkt sind, sondern sich in doppelter Reihe fast durch die halbe Linge der Papillen erstrecken. Die Kerne der Zellen des Pigmentfleckes farben sich tiefer als die Kerne der tibrigen Epithelzeilen. Seit Witt ist bekannt, dafi das Tier die Papillenenden be- liebig einziehen oder ausstrecken kann. ,,The former process is accomplished by the contraction of longitudinal muscular fibres, the thickened, nucleated ends of which form a muscular ring attached to the inner surface of the hypodermis at the apex of the tentacle. By the contraction of these muscles only that part of the apex away from the eye will be invaginated. Even in the most extended natural condition the tip of the tentacles is never convex, but on the contrary, slightly concave.“ Der Annahme, dafi dieses so gebaute Organ ein Auge ist, kann, so meint Parren, keine ernsthafte Opposition gemacht wer- den. Sein Bau ist auferordentlich einfach, demnach ist auch sein Leistungsvermégen ein sehr geringes. ,,I consider, therefore, that during the long and complicated series of changes necessary for the evolution of such an organ, it at one time probably reached a much higher structural, as well as functional con- dition, and that the present very simple organ is due to degeneration.“ Aus den vorstehend referierten Untersuchungen von Drostr und Parren erhellt zunachst, dafi beide Autoren als Auge von Cardium edule zwei ganz verschiedene Bildungen ansprechen. Drost halt die Pigmentzellen des Fleckes fiir die histiologischen Substrate des Sehorganes, ParTTEN erwahnt diese Zellen nur neben- bei und betrachtet vielmehr ein Gebilde als Auge, das unter den Pigmentzellen in der Substanz der Papille gelegen ist. Und wie in diesem Hauptpunkte, so differieren beide Autoren auch so ziem- lich in allen Nebenpunkten. Was bei Drosr ein Haufen Ganglien- zellen ist, das ist bei ParrEn die Linse; was Drost als Fasermasse beschreibt, die von FLEMMine’schen Bindesubstanzzellen produziert wird, das ist fiir PArrEN das Tapetum. Die die langen Haare tra- genden Sinneszellen, welche sich auf der Spitze der Papille finden, erwihnt Parren nicht, wiaihrend Drosr die Parren’sche Gang- lienzellenschicht, die Retina, das Septum nicht kennt. Nur darin sind beide Autoren einig, da8 Cardium edule Augen hat. Ich gehe nunmehr dazu iiber, die Resultate meiner eigenen Beobachtungen zu schildern, wobei ich mich zunichst auf ein rein Der Mantelrand der Acephalen. 47 descriptives Verhalten beschranken, alle physiologischen Deutungen aber vermeiden will. An der Innenflache einer grofen Zahl von Papillen, dicht an deren Spitze, findet sich ein meist kreisrunder, selten ovaler Fleck yon gelbbrauner Farbe. Derselbe wird von cylindrischen Epithel- zellen gebildet, deren Héhe 14,4 «, deren Breite 5,4 w betrigt, wihrend der cuticulare Saum fast 2 « dick ist. Die Zellen haben kreisrunde basal gelegene Kerne, deren Durchmesser dem Breiten- durchmesser der Zellen entspricht. Zwischen Kern und cuticularem Saume ist das Pigment gelegen, welches den Zellleib prall erfiillt und aus dicht gedrangten kleinen Kérnern besteht. Zuweilen ver- deckt das Pigment auch die Kerne. Die basale Grenze dieser Epithelzellen ist nicht scharf ausgesprochen; man findet keine deutliche Linie, aber man sieht auch nicht eine wurzelférmige Ausfaserung derselben, sondern erkennt nur, dafi das subepitheliale, eigentiimlich kérnig erscheinende Gewebe bis in die Nahe der Epithelkerne reicht und erst von diesen sich durch differente Farbung etwas scharfer absetzt. Nach unten innen geht das Pigmentepithel in das gewoéhnliche wimperlose Papillenepithel iiber, das sich zu zahlreichen Zotten gruppiert hat. Der Uber- gang nach oben aufen zur Papillenspitze ist etwas anders, indem nimlich eine leichte Einziehung des véllig pigmentfreien epi- thelialen Belages zu erkennen ist, welche dadurch entsteht, daf die an die Pigmentzellen angrenzenden ersten beiden nicht pig- mentierten Zellen niedriger sind, als jene. Bis zur Spitze oder vielmehr bis zu der Stelle hin, wo die Kuppe der Papille in die Aufenfiache umbiegt, ist der epitheliale Belag ganz glatt, wie in der Pigmentregion; erst die Aufenflache zeigt wieder starke Fal- tenbildung. Diese glatte Epithelstelle besitzt etwa zwei Drittel der Ausdehnung des Pigmentfleckes; die Zellen sind etwas niedri- ger als die pigmentierten, von cylindrischer Gestalt, mit basal gele- - genen kreisrunden Kernen und mit einem ziemlich dicken cuticularen Saume versehen. Weder in der pigmentierten noch in der pig- mentfreien Region bis zur Spitze sind besonders gestaltete Sinnes- zellen vorhanden; auch findet sich das von friiher her an einzelnen Papillen bekannte Sinnesorgan in der Spitze nicht vor. Basal- wirts von dem Epithel der Papillenspitze, nach innen, d. h. axialwarts vom Pigmentepithel, findet sich in der Substanz der Papille ein eigentiimliches Gebilde von eiférmiger Gestalt, dessen kleiner Durchmesser distal-proximal orientiert ist. In einem durch die Medianebene desselben gelegten Schnitte erkennt man, dali 48 Dr. Bernhard Rawitz, es aus zwei Teilen zusammengesetzt ist. Der eine Teil, welcher an die pigmentfreie Region angrenzt und nach innen, der Papillen- achse zu, gelegen ist, bestcht aus grofen vielstrahligen Zellen, die untereinander zusammenhingen. Dieselben haben ein sehr zart granuliertes Plasma und grofe ovale, blasse Kerne, deren jeder einen Nucleolus enthalt. Der andere Teil des Gebildes, welcher dem vorigen an Umfang gleich ist, liegt dem Pigmentepithel an und bildet zugleich gewissermaBen ein basales Polster des vorigen. Er ist sehr dicht und grob granuliert und enthilt zahlreiche kleine teils kreisrunde, teils ovale Kerne, die sich intensiv gefirbt haben. Weder sieht man einen Nerven an das Gebilde herantreten, noch ist dasselbe durch bindegewebige Scheiden besonders abgegrenzt. Bei dem Tiere, von dem die obige Schilderung entnommen ist, hatten alle sogenannten Augenpapillen ausnahmslos das gleiche Aussehen. In Praparaten, die von einem anderen Exemplare von Car- dium stammten, war folgendes zu sehen: Die Epithelzellen der Pigmentregion sowie die pigmentfreien bis zur AuSenfliche haben denselben Charakter wie die vorhin beschriebenen. Die Papillen- Spitze ist ein wenig napfférmig eingezogen (Fig. 16). Das in der Substanz der Papillenspitze gelegene Gebilde, das auch hier von eiformiger Gestalt ist, ist von einigen Bindegewebsfasern einge- scheidet und so deutlich von der Papillensubstanz sowohl wie vom Epithel abgesetzt (Fig. 16). Man sieht an diesem Gebilde wie- derum eine Zweiteilung. Die eine Partie, welche an Masse be- deutend geringer ist, liegt unter dem Pigmentepithel und zieht sich basalwirts bis zur halben Hohe der Aufengrenze des Ge- bildes. Sie hat sichelartige Gestalt und kehrt ihre konvexe Seite der Papillensubstanz, bez. der einscheidenden Bindegewebshiille, ihre konkave Seite der anderen Partie zu. In ihr liegen zerstreut kleine, ovale, sehr intensiv gefarbte Kerne, welche den bogenfor- migen Konturen der Partie parallel gerichtet sind (Fig. 16 gd). Bei Anwendung starker Systeme sieht man, daf sie von kleinen, dicht gedrangt stehenden Tropfen gebildet wird, welche in Bis- marckbraun eine gelbbraune Farbung angenommen haben. Die andere, bedeutend michtigere Partie, welche im Gegensatze zu der stets intensiv sich tingierenden Sichel blaf gefairbt ist, wird ihrerseits wiederum in zwei Abschnitte zerlegt. Und zwar ge- schieht dies durch eine schmale Bindegewebslamelle, welche von der unter dem pigmentfreien Epithel gelegenen Partie der ein- scheidenden Hiille stammend.zundichst dem konkaven Kontur der Der Mantelrand der Acephalen. 49 Sichel anliegt, sich dann von derselben trennt und quer durch den hellen Abschnitt bis fast zur auferen Grenze zieht (Fig. 16 s). Die beiden Partieen, die somit in demselben Abschnitte des Ge- bildes entstehen, sind von sehr verschiedener Grofe und zeigen anscheinend sehr verschiedene Zellenarten. Distal von dem Sep- tum, also zum Epithel zu, liegt die gréfere Partie, welche zahl- reiche sternformige Zellen enthalt, die miteinander nicht in Ver- bindung treten. Das Plasma der Zellen ist zart granuliert und enthalt grofe blaischenférmige Kerne mit je einem Kernkérperchen (Fig. 16 2). Basalwarts von dem Septum, zwischen diesem und der Sichel, ist die Farbung eine etwas intensivere. Die Zellen dieser Partie sind in ihrer Gestalt nicht genau zu erkennen, weil die gegenseitigen Konturen nicht zu sehen sind. Die Kerne lie- gen der Lamelle dicht an und bilden eine Reihe (Fig. 16s); sie sind kleiner und intensiver gefarbt als die der vorigen Partie. Dicht unter dem Epithel der Spitze, da wo letztere in die Aufenflache umbiegt, findet sich ein Komplex von Kernen, die sich durch ihre blassere Farbung von den Kernen des Bindegewebes deutlich unterscheiden (Fig. 16 gz). Das Plasma der Zellen, in welchem sie liegen, hat sich nur wenig gefarbt, immerhin aber intensiver als das der Zellen des eif6érmigen Gebildes. In diesem Kernkomplexe sieht man zahlreiche durcheinander gewirrte Faden, welche nicht bindegewebiger Natur sind, sondern eher als Nerven- fibrillen betrachtet werden miissen. Sie sind weicher als die Fibrillen der Bindesubstanz, stellenweise leicht varikés; einen Zu- sammenhang desselben mit dem Papillennerven habe ich allerdings nicht gesehen. An Praparaten, die von einem dritten Tiere angefertigt waren, stellten sich die Verhaltnisse in mancher Hinsicht wiederum an- ders dar. Die Zelien der Pigmentregion nehmen nach der Basis der Papille hin an Gréfie bedeutend zu, so dafi ihr Héhenmas an der proximalsten Stelle des Fleckes fast das Doppelte von dem an der distalsten Stelle betrigt (Fig. 17 pz). Das Pigment be- steht, wie auch bei den vorigen Tieren, aus kleinen gelbbraunen Kérnern; auferdem findet sich aber in jeder Zelle mindestens ein Pigmentkorn, manchmal aber auch mehr, das die iibrigen an Gréfe um ein Vielfaches iibertrifft (Fig. 17 pz). Diese groben Pigmentkérner sind von gelber Farbe und haben einen eigentiim- lichen, fast an Oltropfen erinnernden Glanz. Das Gebilde, welches das Hauptcharacteristicum dieser Papillen darstellt, reicht nach aufen hin nur wenig iiber die Achse der Papille hinaus, liegt Bd, XXVI, N, F. XX. 4 50 Dr. Bernhard Rawitz, innen der distalen Halfte der Pigmentregion dicht an, wahrend es zu der proximalen Halfte derselben keine Beziehungen hat; es ist also nur halb so grof wie der Pigmentfleck (Fig. 17). Ebenso steht es nur mit einer kleinen und zwar der inneren Partie des pigmentfreien Epithels der napfférmig eingezogenen Papillenkuppe in Konnex (Fig. 17). Seine Form ist hier nicht die eines Ovoids, sondern die einer Kugel. Man hat auch hier die Zweiteilung zu konstatieren. Der kleinere, sichelférmig gestaltete Teil, welcher die innere und die basale Partie einnimmt und sich in einem ab- erranten Fortsatze bis zum Epithel der AuSenfliche hinzieht (Fig. 17 gd), besteht aus kleinen, dicht gedrangten Tropfen, die sich im Enruicu-Bronpr’schen Dreifarbengemische intensiv dunkelviolett ge- firbt haben, in denen aber Kerne nicht zu sehen sind. Die einschei- dende Bindegewebsschicht besteht hier aus einer Lamelle, welche nur an dem zweiten Teile des Gebildes zu sehen ist, aufen auf der sichelférmigen Tropfenmasse aber nicht vorkommt. Diese bindegewebige Lamelle sendet nach innen in dem basalen Ab- schnitte des Gebildes einen feinen Fortsatz, der quer durch den zweiten hellen Teil zieht und diesen in zwei ungleiche Abschnitte zerlegt (Fig. 17s). Der gréBere distale enthalt grofe polyedrische Zellen, die eng aneinander liegen, sehr zarte Plasmastruktur be- sitzen und je einen grofen mit Nucleolus versehenen Kern haben (Fig. 17 2). Der proximal vom Septum gelegene Abschnitt besteht aus nur wenigen kleinen, dunkel granulierten und sich intensiver als die vorigen farbenden Zellen, deren Kerne alle in einer Reihe liegen, dicht an der bindegewebigen Scheidewand (Fig. 17 s). Ebenso wie bei dem vorhin beschriebenen Gebilde ist auch hier in der Spitze, dem Epithel der Aufenflache genihert, ein Komplex von Kernen zu sehen, die, in schwach granulierter protoplas- matischer Substanz gelegen — Zellkonturen sind nicht zu beob- achten — sich auf den ersten Blick von den Kernen der Binde- substanz durch ihr blasses Aussehen und ibre blaschenférmige Beschafienheit unterscheiden (Fig. 17 gz). Jeder Kern enthalt einen Nucleolus. Zwischen den Kernen findet sich eine faserige Masse, deren Zusammenhang mit dem Papillennerven zwar nicht direkt zu sehen, wohl aber aus der Serie zu konstruieren ist. In den proximalen Teilen der Papillen kommen sparlich in unregelmifiger Anordnung die von der Sipho-Innenflache her be- kannten FLemMinG’schen Zellen vor (Fig. 17 fz). Bei einem vierten Exemplare endlich zeigten sich wiederum die Details der hier interessierenden Bildung in anderer Weise, Der Mantelrand der Acephalen. 51 Hier ist zunichst der Pigmentfleck bedeutend kleiner, als in den bisher beschriebenen Papillen, die pigmentlose Zone von ihm bis zur Aufenfliche bedeutend gréfer (Fig. 18 pz). Der etwa 45 wu in linearer Ausdehnung messende Fleck setzt sich in die nicht pigmentierte Partie fort, welche nach einer kurzen Wolbung in eine napfférmige Einsenkung in der Spitze tibergeht. Die pig- meuthaltigen Zellen und die ihnen distalwirts benachbarten pig- mentfreien zeigen das gleiche Verhalten, wie es bisher gefunden wurde. In der Bucht an der Spitze sind die Epithelzellen sehr schmal und tragen auf ihrem cuticularen Saume sehr hohe Bor- sten (Fig. 18 so). Hier haben wir also wieder das Sinnesorgan, welches yon den pigmentfleck-freien Papillen her bekannt ist. Unter den von mir untersuchten Cardien war dies das einzige Exemplar, bei dem auf den sogenannten Augenpapillen das Organ deutlich durch die vorhandenen Sinnesborsten zu erkennen war. DaB da, wo dieselben nicht wahrgenommen wurden, die Borsten zerstért waren und dadurch die Existenz der Seitenorgane nicht erkannt wurde, ist, namentlich im Hinblicke auf die noch zu wiirdigenden Kernkomplexe, wahrscheinlich, wobei allerdings hervorzuheben ist, daf bei denjenigen Papillen, welche den soge- nannten Augenfleck nicht, wohl aber das Seitenorgan besafen, die Sinnesborsten gut erhalten waren. Immerhin aber weist das Er- haltensein der Borsten hier (Fig. 18 so) darauf hin, dal die Fixie- rung eine besonders gute war, und darum sind die folgenden Einzelheiten zur Beurteilung des Pigmentfleckes von hervorragen- der Bedeutung. Was das diese Papillen charakterisierende Organ anlangt, so kann man auch hier eine Zweiteilung konstatieren, doch sind die Grenzen bez. die Groéfenverhaltnisse beider ‘eile nicht die gleichen wie vorher (Fig. 18). Die friiher als halbmond- formige Sichel beschriebene Partie tiberwiegt hier bedeutend an Masse iiber die andere Partie und hat eine ganz unregelmabige Gestalt (Fig. 18 gd). Sie reicht namentlich basalwirts viel tiefer in die Substanz der Papille herab, als dies bei den bisher betrach- teten Gebilden der Fall war. Wahrend diese nie die proximale Grenze des Pigmentfleckes erreichten, deckt hier das Pigment- epithel nur einen Teil der aus dicht gedringten ‘Tropfen- massen bestehenden Partie (Fig. 18). Diese Tropfenmassen sind yon unregelmafigen Spalten unterbrochen, welche bei schwacher VergréBerung dem Ganzen ein Aussehen verleihen, als be- stimde es aus Fasern. In den Massen liegen unregelmafig zerstreut zahlreiche ovale Kerne, die sich sehr intensiv farben; 4% 52 Dr. Bernhard Rawitz, diese sind mit ihrer Langsachse im basalen Teile der Masse so orientiert, daf dieselbe in der Richtung vom Epithel der Innen- zu dem der Aufenfliche geht, wahrend sie unter dem Pig- mentepithel in der Liingsachse der Papillen liegen (Fig. 18 gd). Die zweite, hier sehr viel schwacher als sonst erscheinende Partie besteht aus groBen polyedrischen Zellen, welche dicht aneinander liegen, zart granuliert sind und je einen grofen blaschenfoérmigen Kern mit einfachem Kernkérperchen haben. Sie haben in ihrer Gesamtheit etwa halbmondférmige Gestalt, ruhen auf der Tropfen- masse auf und nehmen einen Teil der distalen und einen Teil der iuBeren Wand des Organes ein, so wie dies Fig. 18 z zeigt. Eine Einscheidung des Gebildes durch eine besondere bindegewebige Hiille und ein von dieser ausgehendes, dasselbe durchsetzendes Septum ist hier nicht vorhanden. Wie bei den Papillen ohne deutliches Seitenorgan findet sich auch an diesen in der duferen Ecke der Kuppe jener Komplex von Kernen mit all den bereits erwihnten Eigentiimlichkeiten (Fig. 18 gz). An quergeschnittenen Papillen dieses Exemplares erkennt man, dafi die Tropfenmasse die Partie der hellen, grofkernigen Zellen wie eine Kapsel umgiebt (Fig. 19 gd). Man trifft im Schnitte zuerst nur Tropfen, dann treten, allmahlich an Zahl zu- nehmend, die Zellen auf, um schlieSlich wieder voéllig den Tropfen zu weichen. Hier umhiillen also die Tropfenmassen die rein zellige Partie ganz. Der Nerv verlauft in allen diesen Papillen in der Achse; auf einem Medianschnitte durch das Gebilde ist er aber nie oder nur selten und dann nur bruchstiicksweise zu treffen, weil die Medianebene des Gebildes mit der der Papille — diese so ge- schnitten, daf AuSen- und Innenfliche zugleich zu sehen sind — nicht zusammenfallt, das Gebilde also nicht genau central in der Papille liegt. Ich habe in vorstehenden Zeilen detailliert die Ergebnisse meiner an vier verschiedenen Individuen von Cardium angestellten Beobachtungen geschildert, um zu zeigen, daf die zur Diskussion stehende Bildung keineswegs in allen Punkten ihres Baues bei den verschiedenen Exemplaren iibereinstimmt. Namentlich die Abweichungen in der Struktur bei dem letzten, bestkonservierten Exemplare von der der ersterwahnten sind nicht unbedeutende. Aber nicht blo8 bei verschiedenen Exemplaren, sondern auch in den verschiedenen Papillen desselben Tieres sind die erhaltenen Der Mantelrand der Acephalen. d3 Resultate nicht kongruent; vielmehr finden sich stets mehr oder minder betrachtliche Differenzen vor. Wohl sind allenthalben Pigmentepithel, Tropfenmasse und helle Zellen vorhanden; doch die Beziehungen dieser Elemente zu einander sind wechselnde und so inkonstante, wie sie bei einem als ,,Auge‘’ funktionieren- den Organe bei derselben Species, wenn wir die an den verschie- denen ,,Augen** desselben Tieres sich findenden Differenzen bei- seite lassen, nicht vorkommen diirfen, selbst dann nicht, wenn man verschiedenaltrige Tiere untersucht. Denn wir miissen fest- halten, daf eine Funktion, wie die des Sehens, sei dieselbe auch noch so gering entwickelt, stets an die gleichen histiologischen Substrate gebunden ist, die in ihrer Ausbildung und Gruppierung bei den einzelnen Arten einer Gattung oder Familie tiefgreifende Verschiedenheiten zeigen kénnen, bei den Individuen derselben Art dagegen absolut iibereinstimmen miissen. Es ist nicht denk- bar — und kommt auch sicher nicht vor —, daf ein wirklich funktionierendes Auge bei den Individuen derselben Art unter normalen Bedingungen auch nur einigermafen betrachtliche Diffe- renzen in seinem Baue darbieten kann; die Elemente eines Auges miissen nicht blof bei allen Individuen die gleichen sein, sie miissen auch unbedingt und unter allen Umstianden in stets der- selben Gruppierung und stets in der bis ins feinste Detail hinein iibereinstimmenden Ausbildung vorhanden sein. Ist das nicht der Fall, kommen Differenzen vor, wie sie das letzterwaihnte, wie auch das erste Exemplar untereinander und von dem zweiten und drit- ten darbieten, so ist der Zweifel berechtigt, ob wir es wirklich mit einem wenn auch auf tiefer Stufe der Ausbildung stehenden Auge zuthun haben, oder ob nicht eine andere Funktion vorliegt. Bevor ich indessen diese Frage definitiv zu beantworten ver- suche, muf ich erst meine Resultate mit den histiologischen Er- gebnissen von Drost (9) und ParreNn (32) vergleichen. Beide Forscher haben vieles richtig erkannt, aber auch vieles total verkannt. Es ist durchaus zutreffend, wenn Drosr die Tropfenmassen als ein Derivat der FLEmmine’schen Bindesubstanz- zellen erklart, denn in der That werden dieselben von derartigen Zellen sezerniert. Nur sind letztere nicht identisch mit den klei- nen ovoiden Zellen, wie sie sonst vorkommen, sondern es sind ganz andere, von Drosr in ihrer Bedeutung vollig verkannte Ge- bilde, welche zu den Tropfenmassen in genetischer Beziehung stehen. Wenn Drosr sie als Fasermassen bezeichnet, so ist der Irrtui, wie bereits friiher bei Besprechung der pigmentfreien D4 Dr. Bernhard Rawitz, Papillen angemerkt wurde, auf die nicht geeignete Farbungs- methode zuriickzufiihren, deren Drostr sich bediente; Anilinfarben oder Doppeltinktionen lassen dariiber keinen Zweifel, daf die Fasermassen yon Drost ‘Tropfenkonglomerate sind. V6llig ver- kannt worden aber sind dieselben von Parren. Es ist mir kaum verstindlich, wie dieser Forscher hier Bindegewebsfibrillen mit eingelagerten glanzenden Koérperchen beschreiben und somit die Tropfenmassen als Tapetum deuten konnte. Hatte Parren ge- eignete Tinktionsmethoden verwendet, so ware er sicher nicht in diesen Irrtum verfallen; denn so farbt sich faseriges Bindegewebe niemals, wie es die Tropfenmassen z. B. in dem EKHRLICH-BIONDI- schen Farbengemisch oder in Bismarckbraun thun. Die hellen, bald polyedrisch, bald polyklon erscheinenden Zel- len sind von Drost als Ganglienzellen, von PatTren als Linse gedeutet worden. Die basalwarts des sogenannten Septum liegen- den Zellen, deren Kerne zuweilen in einer Reihe angeordnet sind, hat Drosr gar nicht beschrieben, Parren als Retinazellen be- zeichnet. ) Was zunachst die Deutung der hellen grofen Zellen mit blas- chenférmigem Kerne als Ganglienzellen anlangt, so begriindet Drost dieselbe durch die Angabe, dai der Papillennerv in diese Zellen, welche das Augenganglion bilden sollen, tibergehe. Von einem solchen Ubergange aber habe ich nichts gesehen. Die Konfiguration des Organes ist auch stets so, dah da, wo der Nerv eintreten kénnte, die Sekretmassen liegen, welch letztere, nach ihrer tinktorialen Reaktion zu schlieBen, als Giftmassen betrachtet werden miissen. Den Zusammenhang der Nerven mit zelligen Ge- bilden iiberhaupt konnte ich zwar nie direkt in einem Schnitte finden, wohl aber aus der Serie rekonstruieren, und die Gebilde, mit welchen der Nerv sich verband, waren dann stets und aus- nahmslos nur die oben erwihnten Kernkomplexe. Die Zellen, welchen diese Kerne angehéren, sind allerdings Ganglienzellen, sie innervieren aber nicht die Zellen des Pigmentfleckes, sondern die des Seitenorganes, wofiir die Beweise von mir bereits friiher bei Besprechung der ,,augenlosen‘‘ Papillen beigebracht wurden. Die grofen hellen Zellen von polyedrischer Gestalt aber haben mit dem Nerven nichts zu thun, die gegenteilige Angabe von Drosr kann ich nur als Irrtum bezeichnen; sie sind daher auch nicht als Ganglienzellen zu betrachten. Bilden sie also, wie PATTEN will, in ihrer Gesamtheit eine Linse? Wenn Parren nur den ge- ringsten Beweis fiir diese Deutung beigebracht hatte. Dadurch, Der Mantelrand der Acephalen. 5D dafi er ganz einfach das ganze Gebilde fiir ein Auge erklart und nun die fraglichen Zellen wegen ihrer Lagerung fiir Linsenzellen anspricht, ist doch der Beweis sicher nicht erbracht. Denn wie die abweichende Auffassung von Drost lehrt, braucht man das Gebilde als ein Auge gar nicht zu betrachten und kann bei Car- dium dennoch eine Sehfunktion anerkennen. Da ich mich der Patren’schen Auffassung nicht anschlieBe, so bilden fiir mich die hellen Zellen auch keine Linse und sind die proximalwarts des Septum gelegenen Zellen keine Retinazellen. Die ganze Darstel- lung von Parrrn, die beherrscht wird von dem Grundgedanken, bei Cardium die Augen zu finden, die dieser Muschel zukommen sollen, ist eine durchaus phantastische. Sekretmassen werden als Tapetum, grofe Zellen als Linsenzellen, kleine als Retinazellen mit Stabchen gedeutet, ohne daf fiir die Deutung der histiologische Bau auch nur eine Spur von Berechtigung bietet. Es ist daher auch ganz unmoglich, die Parren’schen Angaben und seine an dieselben gekniipften phylogenetischen Exkurse zu diskutieren. Wer die Verhaltnisse, um welche es sich bei Cardium handelt, aus eigener Anschauung kennt, der sagt sich sofort, daf die gan- zen Ausfiihrungen von Parren, mégen dieselben auch durch eine schéne Abbildung illustriert sein, vollkommen falsch sind. Ich habe in meiner obigen Darstellung meiner eigenen Be- funde, die von verschiedenen Exemplaren gewonnen wurden — im ganzen habe ich acht Cardium edule auf diese Verhaltnisse untersucht — das Septum erwahnt und dabei ausgefiihrt, daf es von einer das sogenannte Auge einscheidenden Bindegewebslamelle abstammt. Die Ausdriicke ,,Septum‘ und ,,einscheidende Binde- gewebslamelle“ sind aber nur der Bequemlichkeit halber gewahlt, um fiir die Beschreibung eine prazise Bezeichnung zu _ haben; eine physiologische Berechtigung fiir eine solche Benennung ist durchaus nicht vorhanden. Ich mufte mich oben zunachst an die durch die vorliegenden Untersuchungen gegebenen Erklarungen halten, ohne damit fiir die eigene Ansicht etwas zu prajudizieren. Nach meiner Auffassung ist das von Parren als Auge, von Drost als Ganglion und Fasermasse (Tropfenmasse) gedeutete Gebilde kein einheitlicher K6érper, kein in sich abgeschlossenes Organ. Denn ebenso oft, wie man die einhiillende Bindegewebslamelle und das Septum trifft, ebenso oft vermisst man sie, und das sogenannte Organ geht ohne scharfe Grenze in die Umgebung iiber. Nament- lich das Septum und die ihm sich: anlagernden Zellen sind rein zulallige Erscheinungen, denen eine fundamentale Bedeutung, wie 56 Dr. Bernhard Rawitz, sie ihnen Patten vindiziert, entschieden nicht zukommt. Es han- delt sich bei der in Rede stehenden Bildung meines Erachtens um einen Komplex von ungewoéhnlich grofen FLemMina’schen Bindesubstanzzellen, welche die Tropfenmassen produzieren. Was mich zu dieser Deutung bestimmt, ist namentlich der Umstand, daS man die grofen hellen Zellen mit blaschenformigem Kerne nicht blo& hier, sondern auch in der Substanz der betreffenden Papillen in allerdings geringer Menge antrifft. Es scheint, daf Parren etwas Ahnliches gesehen hat, wenn auch aus seiner An- gabe das nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist. Man findet in den Maschen der Bindesubstanz dieser Papillen groBe Zellen lie- gen, in deren zart strukturiertem Plasma grofe blaschenformige Kerne mit deutlichem Kernk6érperchen enthalten sind. Nur dab diese Zellen keine polyedrische Gestalt haben; aber diese letztere Formeigentiimlichkeit, welche an den in der Papillenspitze ge- legenen Zellen auffallt, ist lediglich ein Produkt der Konservie- rung. Durch die bei derselben eintretende Schrumpfung werden die Zellen aneinander gepreft und nehmen infolgedessen jene Gestalt an. Sie sind es, welche die Sekretmassen produzieren, und darum trifft man sie auch in bald gré8erer, bald geringerer Zahl in der Spitze der Papille an, je nachdem die Sekretmassen sparlich oder reichlich vorhanden sind. Es wurde oben erwahnt, daf die dem sogenannten Septum anliegenden Zellen sich dunkler farben als die polyedrischen. Es ist diese intensivere Tingierbarkeit ein Zeichen der Umwandlung des Zellplasma in Sekret, wozu als zweites Zeichen noch hinzukommt, daf8 der urspriinglich zart granulierte Zellleib pari passu mit dem sich verandernden Ver- halten gegen Farbstoffe grob granuliert wird. Diese grobe Gra- nulierung ist der erste Ausdruck fiir den beginnenden Tropfen- zerfall. Mit der allmahlichen Umwandlung des Zellplasma halt gleichen Schritt eine Verdinderung des Zellkernes. Derselbe, im Anfange, d. h. in der Ruhe, grof und blaschenférmig, verliert all- mahlich an Umfang, nimmt aber gleichzeitig an Farbungsvermégen zu, bis er in den Tropfenmassen, also nach vollendeter Sekretion, ein fast stabchenformiges Aussehen zeigt und sich sehr intensiv tingiert. Die Anhaufung dieser sekretorisch thatigen Bindesub- stanzzellen in der Spitze der Papille kann man aber, wie bereits angemerkt, nicht als ein besonderes Organ, als eine Driise be- zeichnen, weil eine scharfe Abgrenzung mangelt. Immerhin aber finden wir in der Spitze der mit einem Pigmentflecke versehenen Papillen Sekretmassen amorpher Natur in grofer Menge vor, und re) Der Mantelrand der Acephalen. 57 diese Menge ist es, welche die Gegend vor anderen charakterisiert. Die Ausmiindung des Sekretes findet, wie der Papillenbau zeigt, auf der Seite des Pigmentepithels wahrscheinlich durch inter- epitheliale Liicken statt. Diese Erkenntnis, dafi das sogenannte Auge eine Sekretmasse ist, erklart zur Geniige die wechselnden Bilder, welche man bei der mikroskopischen Untersuchung erhalt. Es ist ohne weiteres klar, da& die Variabilitat der Erscheinung bedingt wird durch die verschiedenen Stadien der Sekretbereitung, in welchen sich die Zellen in den einzelnen Papillen und bei verschiedenen Tieren befinden, bez. durch die verschiedene Massenhaftigkeit des Sekre- tes, das zur Zeit der Fixierung in den Papillen vorhanden war. Man mu8 bei Beurteilung der abweichenden Resultate, welche man erhalt, ferner noch in Betracht ziehen, da8 dann, wenn man ein ganz frisches Tier in die Fixierungsflissigkeit einbringt, infolge der briisken Kontraktion aller Papillen sehr leicht Sekretmassen aus dem Gewebe ausgepreBt werden kénnen, was nicht oder in nur geringem Mafe der Fall sein wird, hat man das Material vorher langsam abgetétet oder betaubt. Indem ich somit das sogenannte Ganglion von Drost, das Auge von PATTeNn als einen Komplex sekretorisch thatiger Zellen bezeichne, habe ich implicite die von dem ersteren Autor ge- gebenen physiologischen Erklarungsversuche abgelehnt. Nach Drost besitzt Cardium edule ein geringstes Sehvermégen, die Unterschei- dung von Licht und Schatten, ,,wenn auch diese Begabung ge- wissermafen eine einseitige zu nennen ist. Denn nur bei plotz- lichem Uberschatten scheint es einen Reiz zu spiiren, es zieht sofort die Siphonen ein, als ob eine Gefahr ihm drohe, gerade wie bei der Beriihrung durch einen fremden Gegenstand“ (9; p. 19 d. S.-A.). Es heift dann weiter am Ende derselben Seite: wie es fiir eine erhaltungsmafige Brauchbarkeit des Sehorgans schon die Uberlegung fordert, wird auch durch einen sehr schwa- chen Schatten ein Reiz ausgeiibt.“ In der Abendstunde oder bei bewélktem Himmel reagieren nach Drost die Tiere sehr viel leichter auf Verdunkelung als am Tage bei hellem Lichte. Im iibrigen soll das Verhalten der Cardien in der Gefangenschaft ein sehr verschiedenes sein; diejenigen, welche gegen leise Erschiitte- rungen sich sehr empfindlich zeigten, waren es auch auf verschie- dene Beleuchtungsgrade. Es ist zunadchst durchaus irrig, wenn Drost den Schatten als einen Reiz bezeichnet. Ein Reiz kann immer nur von etwas 58 Dr. Bernhard Rawitz, Positivem, also in diesem Falle vom Lichte, ausgeiibt werden, nie- mals aber von einer Negation. Und Schatten ist eine Negation, die des Lichtes namlich. Wenn das retinale Pigment bei hoch entwickelten Augen sich von den Stabchen unter dem Einflusse der Dunkelheit zuriickzieht, so ist das nicht das Resultat eines Reizes. Im Vertebratenauge umhiillen normalerweise die Pigment- zellen durch Fortsatze die Stabchen; das Pigment zieht sich aus letz- teren im Dunkeln zuriick, weil der Reiz, der die Ausstreckung des- selben bedingt hat, das Licht, fortfallt. Die Zellen kehren gleichsam in die Ruhelage zuriick, wie eine Amébe durch Einziehen der Fort- satze und Annahme der Kugelgestalt in die Ruhelage zuriickkehrt. Sind also die oben referierten Beobachtungen von Drost richtig, dann miifte man sagen, daf die durch das Beschatten hervorgerufene Kon- traktion der Siphopapillen das Zuriickgehen dieser Gebilde in die Ruhelage andeutet. Auf Pecten kann man hierbei nicht exempli- fizieren, denn diese Muschel sieht wirklich, weil sie gut ausgebildete Augen hat. Sie nimmt den Schatten als den Ausdruck eines zwischen sie und die Lichtquelle tretenden Kérpers wahr, und diese Wahr- nehmung, d. h. das auf der Retina erzeugte Bild lést die Reak- tion — den Schalenschlu8 — aus. Von solch einer Wahrnehmung kann hier bei Cardium aber darum nicht die Rede sein, weil diese Muschel ein ausgebildetes Auge eben nicht besitzt; die von Drost beobachteten Erscheinungen sind daher auch nicht als die AuBe- rungen eines Sehvorganges zu betrachten. Ich kann nicht umhin, das, was Drost von seinen tiber das Sehen von Cardium angestellten Experimenten erwabnt, mit eini- gem Miftrauen zu betrachten. Sollen derartige Versuche, die ftir die Erkennung taktiler Empfindlichkeit allenfalls hinreichen, in so intrikaten Fragen, wie das Sehen der Tiere, irgendwie beweis- kraftig sein, so miissen sie unter Bedingungen angestellt werden, welche den natiirlichen Existenzbedingungen der Tiere moglichst nahe kommen.. Ob das aber bei den Drost’schen Versuchen der Fall gewesen, ist mir sehr zweifelhaft. Es geniigt keineswegs, dah man die Tiere in einem mit Sand bedeckten Bassin halt, es ist durchaus nétig, daB das Wasser in bestandiger Cirkulation erhal- ten wird; denn geschieht dies nicht, so sind pathologische Mo- mente vorhanden, die eine Hypersensibilitat hervorrufen kénnen, welche die Resultate falscht. Ich kann mich also der Auffassung von Drost nicht an- schlieBen, wonach die Pigmentflecken als Augen zu _ betrachten sind, und kann daher auch den von ihm gegen CARRIERE aus- Der Mantelrand der Acephalen. 59 gesprochenen Tadel nicht billigen. CaRrriERE war vollkommen im Rechte, wenn er die Besprechung dieser Bildungen in seinem Buche tiber die Sehorgane der Tiere (6) nicht unternahm. Ganz sonderbar ist die Meinung von Drost, daf die Stellung der Pigmentflecken auf der Innenflache der Papillen besonders beweisend fiir die Augennatur derselben sein soll. ,,Steckt Car- dium in seiner gewoéhnlichen Lage im Sande, so da das hintere Ende emporgerichtet ist, so ragen die ausgedehnten Siphonen nur ein wenig hervor, und die Cirren sind ringsum fast horizontal ge- streckt. Die vielen Augen umspannen dann ein méglichst grofes Gebiet und sind nach oben gekehrt, woher in solcher Lage der Muschel die Lichtstrahlen auf sie fallen‘ (1. c. p. 19 d. S.-A.). Sehr vorteilhaft fiir das Tier kann man aber, wie ich im Gegen- satze zu Drost meine, die nach oben gerichtete Stellung der an- geblichen Augen nicht gerade nennen, denn nunmehr sieht das Tier nichts von dem, was sich ihm seitlich nahert, und es kann daher sehr leicht Angriffen erliegen, gegen die ihn besser gestellte Augen hatten schiitzen kénnen. Wohl aber ist diese Stellung wichtig, wenn man die Pigmentflecke als lichtempfindliche, wenn auch nicht als Licht empfindende Partieen betrachtet. Man muf namlich die Begriffe der Lichtempfindlichkeit und der Lichtempfindung streng auseinanderhalten; die letztere kann ohne die erstere nicht existieren, erstere wohl aber ohne letztere. Ich will in diesem Abschnitte der Arbeit auf diese Frage nicht naher eingehen, dieselbe vielmehr erst in den allge- meinen Betrachtungen erértern. Diese Unterscheidung aber hat weder Drost gemacht, noch sein Gewahrsmann SHarP, dessen ungliickselige Arbeit ,,on the visual organs in Lamellibranchiata“ wie in allen anderen Punkten, so auch in diesem eine vollkom- mene Begriffsverwirrung zeigt. Lichtempfindlichkeit besitzt Cardium wahrscheinlich in hohem Grade, und diejenigen Elemente, welche lichtempfindlich sind, sind die Pigmentflecken auf der Innenflache einer grofen Zahl von Siphopapillen. Das regelmafbige, streng lokalisierte Vorkommen des Pigmentes spricht fiir diese Auffassung, die durch die in- differente Struktur der Flecken, welche mit einem Auge nichts gemein hat, entschieden gestiitzt wird. Es ertibrigt noch die Betrachtung des Mantelrandes. Aus der Beschreibung der makroskopisch erkennbaren Eigen- tiimlichkeiten der hier interessierenden Korperteile yon Cardium 60 Dr. Bernhard Rawitz, edule ist bekannt, daf{ der Mantelrand sich in zwei Falten auf- spaltet, von denen die aufere lings der Basen der Siphonen, der Schaleninnenflache dicht anliegend, dahinzieht. Diese Falte soll zunachst besprochen werden. Dieselbe zeigt sich auf mikro- skopischen Schnitten stets aus drei auf einem gemeinsamen Stiele sitzenden Falten zusammengesetzt (Fig. 20), nicht bloB aus zwei, wie Drost angiebt und zeichnet. Zwischen der inneren und mitt- leren entsteht die Epicuticula (Fig. 20 cu). Die mittlere der sekundaren Falten hat etwa konische Gestalt, die beiden anderen sind unregelmabig gebildet. Die AuSenflache geht kontinuierlich in die Aufenflache des Mantels iiber, wihrend die Innenflache des Stieles sich in die Aufenwand der Siphonen ununterbrochen fort- setzt. Das Epithel der Innenfliche des Stieles und der sekun- daren Falten besteht aus cylindrischen, 9 « hohen, 5,4 w breiten Zellen, deren cuticularer Saum kaum 0,6 uw dick ist; die basal gelegenen kreisrunden Kerne haben einen Durchmesser von 3,6 J. Sinneszellen sind zwischen den indifferenten im Schnitte nicht er- kennbar. Auf der AuBenflache besteht das Epithel, das an der Epicuticulabildung beteiligt ist, aus 16,2 « hohen, 3,6 w breiten Zellen mit basal gelegenen ovalen Kernen. Die Mittelfalte, die an ihrer inneren Flache ebenfalls an der Epicuticulabildung be- teiligt ist, hat innen 18 « hohe, 2 « breite Zellen, deren ovale Kerne basal gelegen sind. Auf der Aufenflache der Falte hat das Epithel dieselbe Beschaffenheit wie auf der Innenflache der Innenfalte. Ebenso ist das Epithel.der sekundaren Aufenfalte auf beiden Seiten beschaffen. Erst im gemeinsamen Stiele, auf dessen Aufenflache, nimmt es einen anderen Habitus an, indem es sehr viel héher und schmaler wird. Die Zellen messen hier und auf der Aufenflache abwiarts zum Mantel 28 « in der Lange, wahrend sie héchstens 2 « breit sind. Dieses letztere Maf entspricht dem Breitendurchmesser der Kerne, die von ovaler Gestalt sind, 8 4 Langsdurchmesser besitzen und bald basal, bald central gelegen sind. In der Innenfalte sind einige sparliche Mucindriisen, die man nicht auf allen Schnitten antrifft, dicht am Epithel gelegen, waihrend im Epithel die von den Siphonen her bekannten homogenen K6rper sich finden (Fig. 20 hk). Grofe Mucindriisen, als solche kenntlich durch ihre grofe Verwandt- schaft zu basischen Anilinfarben und zu Hamatoxylin, kommen in geringer Zahl abwirts des Stieles auf der AuBenflache des Man- tels vor (Fig. 20 md). Sie miinden in interepithelialen Liicken, sind einzellige Gebilde und lassen bei Anwendung starker Ver- Der Mantelrand der Acephalen. 61 groBerungen eine zierliche, netzformige Zeichnung erkennen, welche nicht der Ausdruck einer Plasmastruktur ist, sondern darauf zu- riickzufiihren ist, da das Sekret durch die Kinwirkung der fixierenden uud konservierenden Reagentien zu zarten Strangen geronnen ist. Diese Driisen hat Drosr bereits gesehen; er hat deren Bau aber yollstaindig verkannt. Denn wenn er angiebt, dab die Ausfiihrungsginge zarte Schlauche seien, die stets zu mehre- ren nebeneinander liegen und umeinander sich winden, um gemein- sam in einer interepithelialen Liicke zu miinden, und wenn er ferner sagt, da& die Schliuche auf einem feinmaschigen Netze enden, ,,das ganz den Eindruck von einem durchschnittenen Knauel dieser Schliuche macht‘ (1. c. p. 25/26 d. S.-A.), so ist das eine ganz irrige Interpretation einer an und fir sich richtigen Beob- achtang. Drosr besaf nicht geniigende Erfahrungen iiber die Struktureigentiimlichkeiten der Mucindriisen der Mollusken; da- her ist sein Irrtum erklirlich und entschuldbar. Diejenige Stelle der Sipho-Innenwand, welche dem Falten- ursprunge gegeniiberliegt — man trifft auf diese Stelle, wenn man sich die Innenfliche des Faltenstieles proximalwarts durch die Siphosubstanz verlangert denkt — hat Wimperepithe!, unter welchem zahlreiche Mucindriisen anzutreffen sind. Drosr hat diese Gegend sehr genau und gut beschrieben. Der eigentliche Mantelrand besteht aus zwei Falten, von welchen die Innenfalte einfach ist, wahrend die Aufenfalte, im Gegensatze zu der eben beschriebenen, aus nur zwei sekundiren Abteilungen zusammengesetzt ist. Von letzteren ist die innere sekundare eine schmale, niedrige Falte, wogegen die aufiere sekun- dire eine breite, vielfach gelappte Falte darstellt, welche in die Aufenflache des Mantels iibergeht. Zwischen der kleinen und ge- lappten Falte entsteht die Epicuticula. Der epitheliale Belag der Innenfalte, der sich in zahlreiche Zotten gelegt hat, enthalt sehr viel Sinneszellen und gleicht im iibrigen dem epithelialen Belage der sekundiren inneren von der die Siphonen begleitenden Falte. Das Epithel der gelappten Falte gleicht dem der sekundaren Augenfalte am Sipho. Beim Ubergange in die Innenfliche des Mantels wird das Epithel bewimpert. Im Rande kommen Mucindriisen vor. In der Innenfalte sind sie nur sparlich vorhanden und miinden hier auf der Innenflache. In der Region, in welcher die Wimpern sich finden, die aber noch zum Rande zu rechnen ist, sind sie dagegen sehr zahlreich, um im Mantel selber, der auf dem Schnitte als eine ganz dine Platte 62 Dr. Bernhard Rawit2, erscheint, zu fehlen. In der Aufenfalte sind Driisen nicht vor- handen. - Der in der vorderen Partie des Mantels sich findende weif- liche Fleck stellt sich bei mikroskopischer Untersuchung als eine grofbe Mucindriise dar. Das Epithel, welches bewimpert ist, ent- halt zahlreiche, Mucinreaktion darbietende Becherzellen (Fig. 21 be), wahrend subepithelial das Gewebe zu grofen ovalen Maschen aus- geweitet ist durch zahlreiche Mucindriisenzellen (Fig. 21 md). In einer Bindegewebsmasche liegen stets mehrere Zellen. Man kann diese Driisenzellen als ein einheitliches Gebilde auffassen, wenn ihnen auch ein ditferenzierter gemeinsamer Ausfiihrungsgang feblt, weil sie alle dasselbe an einer Gegend sich entleerende Sekret liefern. Die Bildung erinnert etwas an die von mir beschriebenen FuBdriisen der Opisthobranchier (36). Von einer Beschreibung der Muskulatur und der Binde- substanz kann ich absehen, da dieselbe von Dros? in ganz vorziiglicher Weise geliefert ist; ich verweise auf die Darstellung dieser Verhaltnisse in der oft citierten Arbeit. Cardium tuberculatum. Die Epithelien der Sipho-Innen- und Aufenfliche, die einander vollkommen gleichen, sind 12,6 u hohe, 3,6 « breite Zellen mit einem 2 « dicken cuticularen Saume, auf dem keine Wimpern stehen und Kérnchenbrei als Andeutung zerstorter Sinnesborsten in nur ganz geringer Menge vorhanden ist. Die Kerne sind teils oval, teils kreisrund und liegen basal. Die Abgrenzung der Epithelzellen basalwarts ist keine scharfe Linie, vielmehr kann man die von Mazerationspraparaten her bekannte wurzelf6rmige Ausfaserung der Zellen ziemlich deutlich sehen. Zwischen diesen so gearteten indifferenten sind die Sinneszellen im Schnitte nicht zu erkennen. Die Papillen, welche die Miindungen der Siphonen um- krinzen, haben pigmentierte und pigmentfreie Epithelzellen. Es giebt Papillen, deren Epithelzellen simtlich pigmentfrei sind, und es giebt Papillen — diese bilden die Mehrzahl —, deren epithe- lialer Belag zum Teil aus pigmentierten, zum Theil aus nicht- pigmentierten Zellen besteht. Die Verteilung der Pigmentzellen ist eine ganz unregelmifige; sie finden sich sowohl in der Basis, in der Mitte, wie auch an der Spitze der Papillen. Nirgends aber hat eine besondere, stets wiederkehrende Gruppierung derselben Platz gegrifien. Nur das ist zu sagen, dal zwischen den Pigment- zellen andere Zellen nicht stehen. Im einzelnen ist Folgendes an- Der Mantelrand der Acephalen. 63 zumerken. Die Pigmentzellen sind cylindrische wimperlose Gebilde mit basal gelegenen, kreisrunden Kernen. Das Pigment besteht aus kleinen Kérnchen, welche bei durchfallendem Lichte griinlich- gelb aussehen und die Zellen so dicht erfiillen, da’ deren Kerne zum Teil verdeckt sind. Die Mafe der Zellen entsprechen im all- gemeinen denen der Zellen der Siphowandung. In den pigment- freien Stellen der pigmentierten Papillen, wie in den nicht pig- mentierten Papillen allenthalben, sind zwischen den indifferenten Zellen, welche cylindrische Gebilde mit basal gelegenen kreisrunden Kernen sind, zahlreiche Sinneszellen zu erkennen. Diese haben dieselbe Hohe wie die indifferenten Zellen, sind sehr schmal — ihre Breite betragt knapp 1 « —, ihre Kerne sind sehr lang, stibchenformig und sehr intensiv gefirbt. Diese Kerne reichen iibrigens nirgends tiefer in das subepitheliale Gewebe hinein, ihre basale Grenze findet sich vielmehr in gleicher Héhe mit der basalen Grenze des Epithelbelages iiberhaupt. Seitenorgane von dem Baue, wie sie bei Cardium edule zu finden waren, habe ich bei dieser Species niemals angetroffen. Die von Cardium edule her bekannten acinésen Pigmentdriisen fehlen bei Cardium tuberculatum vollkommen; dafiir sind auf der Aubenfliche der Siphonen spirliche Mucindriisen vorhanden. Auf der Sipho-Innenflache findet man in der Papillarregion amorphe Sekretmassen, in den mehr proximalen Abschnitten ovoide Zellen subepithelial gelegen, welche mit den gleichen Gebilden von C. edule vollkommen ibereinstimmen, so da das dort Gesagte hier buchstabliche Anwendung findet. Die tiefsten Partieen der Sipho-Innenflache, welche schon in den Mantel hinabragen, haben Mucindriisen. Die Papillen sind ganz frei von sekretorischen Klementen, da- gegen findet man hier zwischen den Epithelzellen in nicht unbe- trichtlicher Menge jene homogenen Kérper liegen, die bei Cardium edule nur zwischen den Epithelzellen der Sipho-Innen- und -Aulen- flache anzutreffen waren. Cardium oblongum. Das Epithel der Siphopapillen hat sich in zahlreiche Falten gelegt, die im Schnitte als schmale, gleich hohe Zotten erscheinen. Die Zellen sind wimperlose, ziem- Jich hohe, cylindrische Gebilde, welche kleine, kreisrunde Kerne enthalten, die basal gelegen sind. Die schéne Farbe, welche die Papillen intra vitam haben, verschwindet, wie bereits bemerkt, beim Konservieren vollstandig. In den Papillen, in der Nahe der 64 Dr. Bernhard RawitzZ, freien Enden derselben, finden sich Driisen, welche stets in deren Aubenflache miinden (Fig. 22 zd). Dieselben sind sehr umfang- reich und scheinen zu mehreren in einer Papille vorzukommen. Es sind Gebilde, welche an die verzweigt tubulésen Driisen der Vertebraten erinnern (Fig. 23); sie messen von der Mindung bis zum Fundus etwa 88 « und besitzen eine gréSte Breite von un- gefahr 72 u. Die Ausfiihrungsgange verlaufen zuweilen wellig- gebogen in der Papillensubstanz, denn man sieht sie an einzelnen Stellen bis dicht an das Epithel herangehen (Fig. 23), ihre Miin- dung erfolgt aber erst an einem anderen Orte. Die einzelnen Drisenschlauche werden von zahlreichen sehr zart granulierten Zellen gebildet, die in mehreren Reihen neben und tibereinander liegen. Dieselben haben keulenférmige Gestalt; die schmalen Teile der Keule einer jeden Zelle legen sich eng aneinander und bilden den Abschnitt, den ich als Ausfiihrungsgang bezeichnet habe. Ks reicht also jede Driisenzelle bis zur Miindungsstelle. Wenn dieser Ausfiihrungsgang in die Nahe des Epithels gelangt, so senkt sich dasselbe oft tief ein (Fig.22). Die Driisen fairben sich in Hamato- xylin hellblau, in Bismarckbraun gelbbraun, sind also keine Mucindriisen, aber auch, wenn man die tinktoriale Differenz, die sie z. B. mit den Giftmassen der Cardita zeigen, erwaigt, keine Giftdriisen. Auf der Sipho-Innenflache, deren epithelialer Belag dem der Papillen gleicht, finden sich amorphe Massen in grofer Mach- tigkeit (Fig. 24). Die Anwesenheit derselben ist es, welche den schénen metallischen Glanz hervorruft, den man an dieser Region wabrend des Lebens der Tiere wahrnehmen kann. Diese Massen, welche sich in Bismarckbraun rotlichbraun farben, liegen in den Maschen der Bindesubstanz und miinden durch interepitheliale Liicken. Ihr Aussehen ist ein ganz eigentiimliches (Fig. 24 gd). Sie erscheinen bei Anwendung stirkerer Systeme wie aus Fi- brillen zusammengesetzt, was in der Figur 24 der zu geringen Vergréferung wegen nicht wiedergegeben werden konnte. Sie er- fiillen die kleinen, runden oder ovalen Maschen des Bindegewebes nicht vollstindig und erhalten dadurch ein fast stibchenformiges Aussehen. Jedem in einer Masche gelegenen Gebilde gehért ein kleiner Kern an. Die Massen finden sich auch in den proximalsten Partieen der Sipho-Innenflache, die durch die Bewimperung des Epithels sich vor den mehr distalen auszeichnen. Die Siphonen werden aufen an ihrer Basis von einer Rand- falte begleitet, welche sich im Schnitte aus zwei sekundaren Der Mantelrand der Acephalen. 6d Falten bestehend darstellt, zwischen welchen die Epicuticula ge- bildet wird. Die sekundare Aufenfalte hat ein gelapptes Aussehen und bietet insofern ein Interesse dar, als sich in ihren einzelnen, nach aufen von der Epicuticula gelegenen Komponenten zahlreiche Mucindriisen, als solche kenntlich durch ihre tinktorialen Reaktionen, vorfinden. Dieselben sind alle einzelliger Natur, flaschenférmige Gebilde und liegen bald dicht am Epithel, bald tief in die Sub- stanz der Falte eingebettet. Cyprina islandica. Das Epithel der Sipho-Innen- flache (Branchial- und Kloakensipho verhalten sich vollkommen iibereinstimmend) ist ein 34 uw hohes, 2 w breites Cylinderepithel, auf dessen 3,6 uw dickem cuticularem Saume keine Wimpern stehen. Die Kerne liegen im basalen Teile der Zellen und sind oval, von 7,2 «w Langsdurchmesser; man erkennt in ihnen deutlich ein bis zwei Kernkérperchen. Sinneszellen sind nur sparlich zwischen den indifferenten vorhanden. Dicht an der Ursprungsstitte der Papillen der innersten Reihe sind die Epithelzellen véllig pigmentfrei; dann tritt Pigment auf, zunichst in Gestalt sparlicher gelbbrauner Koérnchen, die aber bald so massenhaft werden, da8 sie die Zellen dicht erfiillen und zum Teil auch die Kernpartie bedecken. Auf der Sipho-Innenfliche kommen driisige Apparate nicht vor, erst in den basalsten Partieen, die aber schon zum Branchialraum zu rechnen sind, finden sich mucinhaltige Becherzellen. Die Epithelzellen der Papillen sind 25 u hohe, 9 w breite Cylinderzellen, deren cuticularer Saum 2 wu dick ist. Auf dem- selben sind Wimpern nicht vorhanden, wohl aber liegt auf ihm ein reichlicher Kérnchenbrei, der von den zerstérten Sinnesborsten herriihrt. Die kreisrunden Kerne, deren Durchmesser der Breite der Zellen entspricht, finden sich in der basalen Halfte der Zellen, beriihren aber die Basis nicht; sie haben ein deutliches Kern- kérperchen. Pigment kommt in den Zellen der innersten Papillen- reihe nicht vor, wohl aber in den duferen Papillen und gleicht hier dem vollkommen, welches auf der Sipho-Innenfliche zu sehen ist. Zwischen diesen indifferenten erkennt man Zellen, die nur 1,8 « breit sind; dieselben haben einen schmalen, stabchenformigen Kern yon 10,8 « Lange, welcher sich sehr intensiv fairbt und tief in die Papillensubstanz hineinragt. Es sind dies die Sinneszellen, deren Aussehen im Schnitte vollkommen dem entspricht, was Mazerationspriparate lehren. Die Sinneszellen finden sich in sehr Bd, XXVII, N, F. XX. 5) 66 Dr. Bernhard Rawitz, grofer Zahl. Sekretorische Apparate sind in den Papillen nicht vorhanden. Die AuBenwand der Siphonen, d. i. die die Papillen von der in der allgemeinen Beschreibung erwihnten Falte trennende Flache, hat sich je nach der Einwirkung der konservierenden Reagentien in mehr oder minder zahlreiche Falten gelegt. Die Epithelzellen sind im allgemeinen 32,4 w hoch, 7,2 u breit und haben einen 3,6 « dicken, wimperlosen Cuticularsaum. Die in der basalen Halfte gelegenen Kerne sind kreisrund, besitzen einen Durchmesser von 5,4 « und haben deutlich je einen Nucleolus. Das Pigment, das sich in nur geringer Menge in den Zellen vor- findet, besteht aus einzelnen braungelben Koérnchen und ist distal vom Kern gelegen. Sekretorische Apparate fehlen vollkommen. Die den Siphonen auSen folgende Doppelfalte zeigt nach- stehende Einzelheiten. Die innere von ihnen ist die héhere und schmalere, die ‘iuBere die niedrigere und breitere. Letztere geht kontinuierlich in die der Schaleninnenfliche anliegende AuSenflache des Mantels tiber und hat auf dem Durchschnitte pilzhutahnliche oder breit-gelappte Gestalt, wiahrend die erstere handschuhfinger- formig aussieht. Das Epithel der Innenfliche der Innenfalte gleicht dem der SiphoauSenflache vollkommen, das Epithel der Aufen- fliche dieser und der Innenflaiche der Aufenfalte ist an der Bildung der Epicuticula beteiligt und soll daher erst spater besprochen werden. Alle hier vorhandenen Epithelzellen sind stark pigmen- tiert. In dieser Region kommen weder Driisen noch amorphe Sekretmassen vor. Abwarts der Aufenfalte, auf der Aufenflaiche des Mantels ist das Epithel pigmentlos, sehr niedrig, und hier finden sich sparliche Mucindriisen, welche in interepithelialen Liicken miinden. In mikroskopischen Schnitten durch den Rand erkennt man, da die Innenfalte, welche schon makroskopisch sichtbar ist, sich in zwei sekundire Falten aufspaltet. Zwischen der dauferen dieser beiden und der eigentlichen Aufenfalte entsteht die Epicuticula. Die pigmenthaltigen Epithelzellen gleichen in jeder Hinsicht denen von der Doppelfalte, welche die Siphonen begleitet; das dort Ge- sagte findet daher hier vollstindig Anwendung. Sinneszellen sind nach aufen von der Epicuticula gar nicht, nach innen nur sparlich zu erkennen. Auf dem Randwulste ist distal der in der allge- meinen Beschreibung erwahnten Langsfurche das Epithel mit sehr langen, proximal derselben mit kurzen Wimpern besetzt (Fig. 25), in den Falten ist es wimperfrei. Das Wimperepithel hat eine Hohe Der Mantelrand der Acephalen. 67 von 14,4 w und eine Breite von 3,6 w; die Linge der Wimpern, die auf sehr schmalem cuticularem Saume stehen, betriigt im distalen Abschnitte des Wulstes ungefahr 12,6 «, im proximalen 4 w. Die basal gelegenen Kerne haben ovale Gestalt und messen 5,4 w in der Linge, 3,6 « in der Breite. Die wimperlosen Epithelzellen haben 18 « Hohe und 3,6 u Breite; ihre Kerne sind oval und zeigen dieselben Mase wie die der wimpernden. Wie an der Doppelfalte der Siphonen, so fehlen auch hier in den Falten des Randes driisige Elemente vollstiindig; nur auf der schon zum Mantel zu rechnenden Partie der AuSenfliche kommen in nicht unbetrachtlicher Menge Mucindriisen vor. Auf der Innen- fliche sind sekretorische Apparate erst im Wulste vorhanden, und zwar im marginalen Teile desselben, also dem distal von der Langsfurche gelegenen, wie auch im branchialen Teile, proximal der Furche, amorphe Massen und Mucindriisen (Fig. 25 gd, md). Die amorphen Sekretmassen sind Giftmassen, wie aus ihrem tinktorialen Verhalten hervorgeht (cfr. die Begriindung im II. Teile); sie farben sich nimlich in Kosin-Hamatoxylin leuchtend rot, in Orange-Haimatoxylin leuchtend orange, hellgelbbraun in Bismarck- braun und rubinrot im ExnriicH-Bronpi’schen Farbengemisch (Fig. 25 gd)1). Sie verhalten sich hinsichtlich ihrer tinktorialen Kigenschaften in der ganzen Ausdehnung des Wulstes gleichmabig, ihre dufere Erscheinung zeigt sich in einem zwiefachen Bilde. In einer kleinen an die Furche angrenzenden Partie sind sie durch die erhartenden Reagentien zu mittelgrofen Tropfen, in den iibrigen Abschnitten zu grofen Schollen geronnen. Diese Schollen wiederum sind entweder homogener Natur oder aber sie sind, ob durch die zum Schneiden nétigen Manipulationen verwandelt oder nicht, bleibe dahingestellt , in kleine Kriimel oder dicht stehende Tropfen zer- fallen (Fig. 25 gd). Die Massen liegen in ovalen Maschen des 1) Die Differenz, welche sich in der Firbung der amorphen Gift- massen in dem Exuruitcu-Bronpr’schen Farbengemisch hier im Wulste yon Cyprina islandica yon der der gleichen Gebilde bei Cardita und Cy- therea (Fig. 2, 25, 27) zeigt, ist darauf zuriickzufiihren, daf® das Gemisch, wenn es auch noch so genau hergestellt wurde, bei liingerem Stehen seine Farbekraft in unberechenbarer Weise iindert. Namentlich ist das in dem Gemisch enthaltene Saurefuchsin ein Stoff, welcher ganz differente Niiancen liefert. Dadurch geschieht es, dal man solche Variationen des Farbentones antrifft, wie in den angezogenen drei Figuren. Die Veriinderung betrifft aber nie die elektiven Eigenschaften der Komponenten des Gemisches. 5* 68 Dr. Bernhard RawitZ, Bindegewebes, welche quer zur Lingsachse des Randes, also in der Richtung von innen nach aufen orientiert sind und untereinander in ausgiebiger Kommunikation stehen (Fig. 25). In der Nahe des Epithels zerfallen die Massen haufig in kleine Fragmente, und diese sowohl wie auch grofe zusammenhingende Schollen (Fig. 25 gd) fndet man zwischen den Epithelzellen in interepithelialen Liicken, durch welche hindurch das Sekret in den Branchialraum tritt. Das im ersten Augenblicke Befremdende, welches die Anwesenheit groBer Sekretschollen zwischen den Epithelzellen im Schnitte dar- bietet, verschwindet, wenn man beriicksichtigt, daf die Erscheinung der Massen unter dem Bilde von Schollen artefizieller Natur ist, hervorgebracht durch die koagulierende Wirkung der fixierenden und erhairtenden Reagentien, da’ sie selbstverstaéndlich in vivo fliissig sind und infolge ihres Aggregatzustandes sich relativ leicht durch die Epithelliicken hindurchpressen kénnen. Man sieht ferner in den die Tropfenmassen enthaltenden Bindegewebsmaschen, wenn auch in sehr geringer Menge, FLeEmmina’sche Bindesubstanzzellen, welche in der gleichen Weise wie die Massen sich gefarbt haben. Durch die Thitigkeit dieser Zellen werden die Massen produziert. Man findet, wie schon bemerkt, ferner im Wulste Mucin- driisen. Dieselben sind einzellige ziemlich kleine Gebilde, welche dicht am Epithel liegen und wie die amorphen Massen in inter- epithelialen Liticken miinden. Beide Arten der sekretorischen Bildungen haben nichts mit einander gemein, wie man sehr deut- lich an geeignet tingierten Schnitten sieht (Fig. 25 md). Hier er- kennt man zwar dicht bei einander, doch ohne irgend welchen Zusammenhang untereinander, Mucindriisen und amorphe Sekret- massen im Epithel (Fig. 25) und kann gleichzeitig auf das schénste ihre Miindungsweise an den oft weit tiber die freie Epithelflache sich hinausschiebenden Tropfen beobachten, die sich bisweilen vom Epithel getrennt haben (Fig. 25). VIIb. Veneridae und Petricolidae. (Fig. 26—33.) A. Allgemeines. Bei der allgemeinen Beschreibung der Mantelrandverhiltnisse der aus diesen Familien untersuchten Species will ich von Venus gallina ausgehen. Der Mantelrand dieser Art ist von vorn nach Der Mantelrand der Acephalen. 69 hinten bis zu derjenigen Stelle, welche dem hinteren Ende der Kiemen entspricht, offen. Wahrend dieses Verlaufes zeigt er eine schon mit bloBem Auge wahrnehmbare Aufspaltung in zwei Falten, eine innere und eine fufere. Die letztere, welche der Schalen- innenflache dicht anliegt, ist sehr niedrig und von gleichmafiger Beschaffenheit in ihrer ganzen Lingenausdehnung. Die Innenfalte tiberragt die auBere um ein bedeutendes und besitzt ein zierliches halskrausenformiges Aussehen. Von vorn nach hinten zieht unten und innen von der Innenfalte ein im frischen Objekte weiflicher, im konservierten opak aussehender, anfanglich schmaler Wulst dahin, der sich in derselben Richtung allmahlich verbreitert und eine leichte Langsrunzelung erkennen aft. In der hintersten Partie, entsprechend dem Kiemenende, sind die Rander beider Seiten mit- einander verwachsen und hier finden sich die beiden Siphonen. Die Innenfalte hért am ventralen Sipho auf, die Aufenfalte be- gleitet auch die AuSenseite der Siphonen, tiefer stehend als diese und von ihnen durch ein ziemlich breites Thal getrennt. Sie ver- schwindet erst auf dem Riicken des Tieres. Von den Siphonen ist der ventrale oder Atemsipho der langere und umfanglichere. Sie sind mit den Basen miteinander verwachsen, sonst aber in ihrer tibrigen Lingenausdehnung voneinander getrennt. Ihre distalen Miindungen sind von kegelférmigen Papillen umkranzt, welche um den Atemsipho herum zahlreicher sind, als um den Kloakensipho. Die Papillen sind stellenweise schwarzlich pigmen- tiert, die AuSenflache der Siphonen ist rétlichbraun mit schwarzen Punkten; in den Randfalten habe ich Pigment nicht wahrge- nommen. In Ubereinstimmung mit dieser Species ist Venus ver- rucosa. Bei Cytherea chione sind die Siphonenverhiltnisse im wesentlichen dieselben, nur die Pigmentierung ist ein wenig modi- fiziert. Die Papillen namlich sind ziemlich dunkel, und diese Pig- mentierung erstreckt sich auSen wie innen auf die Siphonen selber. Anfanglich sehr intensiv, namentlich innen, wird sie allmahlich schwacher; proximalwiarts des letzten Viertels bis zur Wurzel sind die Siphonen farblos. Der Mantelrand, der am lebenden Tiere eine lebhafte Rotfirbung zeigt, welche bei der Konservierung schwindet, hat ein halskrausenformiges Aussehen; makroskopisch ist die Zahl der Falten, in die er ausgeht, nicht zu erkennen. Der Randwulst zeigt hier eine machtige Entwickelung. Auf der Aufenseite der Siphonen, dem Riicken des Tieres zustrebend, findet 70 Dr. Bernhard Rawitz, sich eine Falte, welche mit zahlreichen kurzen, kegelf6érmigen und pigmentfreien Papillen besetzt ist. Erst unter der Schale, wo beide Randfalten miteinander verwachsen sind, fehlen diese Papillen. Ebenso findet man den Rand in den vordersten, der Mundregion nahe liegenden Partieen mit kurzen Papillen besetzt, die bald schwinden und dem erwahnten halskrausenartigen Aus- sehen Platz machen. Tapes decussata hat zwei in halber Lange verwachsene Siphonen. Ihre Offnungen sind getrennt und sind umgeben von zahlreichen Papillen, die auf dem langeren und staérkeren Atem- sipho zahlreicher sind, als auf dem kiirzeren und diinneren Anal- sipho. Die auferste Spitze der Siphonen zeigt eine dunkle, fast schwarze Pigmentierung, wahrend die Papillen sehr viel heller sind. Die Farbung der AuBenflache der Siphonen, die am Branchial- sipho sehr viel intensiver ausgepragt ist, als am Analsipho, wo sie auch nicht so tief herabreicht wie an jenem, nimmt proximal- warts an Intensitat allmahlich ab. Drei Viertel der Siphoaufen- flache ist pigmentfrei. Die Innenflache der Siphonen zeigt an der Papillarregion ebenfalls eine sehr tiefe dunkle Farbung, die all- mahlich an Starke abnimmt, aber sehr viel weiter nach abwarts reicht als aufen, etwa bis zur Halfte der Lingenausdehnung. Hat man das Tier auf die ventrale Seite gestellt, so liegen die ausge- streckten Siphonen in einer Ebene. Denkt man sie sich nun in derselben halbiert, so trifft man in den Halbierungslinien sowohl dorsal wie ventral je einen Pigmentstreifen, der im dorsalen Sipho bis zur Wurzel, im ventralen nur bis zur halben Lange reicht. Die Streifen sind in letzterem auf der dorsalen, in ersterem auf der ventralen Seite am starksten ausgepragt. In der Nahe der Siphonen ist der Rand halskrausenformig gestaltet, wird dann aber glatt und entbehrt des Randwulstes. Seine aubere Fliche zeigt eine schmale, ockerfarbene Pigmentlinie. Die Siphonen von Artemis exoleta sind klein und mit den einander zugekehrten Randern verwachsen, so daf also die dorsale Wand des ventralen und die ventrale Wand des dorsalen Sipho das Septum bilden. Der Randwulst ist sehr stark ent- wickelt. Bei Petricola lithophaga endlich sind die Verhaltnisse die gleichen, wie bei Cytherea chione, nur daf die Mantelrander ventral mit einander verwachsen sind. L. Rouse (57) giebt an, da’ die AufSenflache der Siphonen yon Tapes decussata mit ringformigen Wiilsten umhiillt sei (. c. Der Mantelrand der Acephalen. 71 g. 37), welche sich im mikroskopischen Schnittbilde als eine Art Lappenbildung des Epithels prasentieren sollen (1. c. pg. 41). Und zwar hat er diese Wulstbildung am konservierten Objekte selbst bei moéglichst geringer Kontraktion desselben wahrgenommen. Wie ich mich auf das bestimmteste am lebenden Tiere zu tiberzeugen vermochte, sind die Wiilste rein artefizieller Natur. Sie erscheinen intra vitam, wenn die Siphonen zusammengezogen werden, ver- schwinden aber bei volliger Ausdehnung derselben und werden im konservierten Objekte durch die infolge der verwendeten Reagentien unausbleiblich sich einstellende Schrumpfung hervorgebracht. Das ist der Fall bei allen von mir untersuchten Arten. Wie ich beziiglich der Nervenverteilung im Mantel der Cardiidae und Glossidae auf die vortreftliche Analyse dieser Ver- haltnisse von Drosr (9) hinweisen konnte, so kann ich hier, bei den Veneridae und Petricolidae, auf die Beschreibung von Du- VERNOY (10) mich beziehen. Seine Schilderung des Nervensystems von Cytherea chione (I. c. XVII Monographie) habe ich ledig- lich zu bestatigen, sowohl fiir die genannte, wie auch fiir die ibrigen von mir untersuchten Arten, von denen DuverNnoy nur Tapes (Venus) decussata in den Kreis seiner Bearbeitung gezogen hatte. B. Spezielle Beschreibung. Vom lebenden Tiere abgeschnittene Papillen der Siphonen- Offhnungen zeigen, frisch in Seewasser betrachtet, bei allen Arten so ziemlich die gleichen Verhaltnisse. Man erkennt einen mit cuticularem Saume, der bei den verschiedenen Species verschieden breit ist, versehenen epithelialen Belag, der absolut frei von Wimpern ist. Auch auf der AuSen- und Innenfliche der Siphonen und auf den Falten des Mantelrandes findet sich wimperloses Epithel. Der cuticulare Saum des Epithels der Siphopapillen wird uberragt von dornenartigen Gebilden, die kurz sind, mit breiter Basis aufsitzen, spitz enden, eine Héhe von etwa 4,5 uw haben und frisch ganz homogen erscheinen (Fig. 26 d). An den freien Enden der Papillen sind diese Dornen sehr zahlreich, werden nach den Seiten zu seltener (Fig. 26 d) und sind in den Thalern zwischen den Papillen so sparlich, da8 sie fiir die oberflaichliche Betrachtung ganz zu fehlen scheinen. Diese Dornenbesitze finden sich auch auf den kleinen Mantelrandpapillen von Cytherea, im Mantelrande aller Species, stehen aber an beiden letgteren Orten sehr zer- 12 Dr. Bernhard Rawitz, streut. Bei Venus verrucosa, gallina und Tapes decussata, nicht aber bei den itibrigen Arten, sieht man schon bei Anwendung mittelstarker Systeme noch eine zweite Art von Haargebilden, welche sich ganz wesentlich von den Dornen unterscheidet (Fig. 26 so), den cuticularen Saum des Epithels iiberragen. Die Haare finden sich nur auf der Spitze einiger weniger, nicht aller Siphopapillen und fehlen im Mantelrande vollstandig. Man erkennt sie leicht, weil die Papillenspitzen hier ein wenig napfformig ein- gezogen sind; sie stellen sich dar als ein Biischel sehr langer, circa 2428 « messender feiner Haare (Fig. 26 so), die einen mafigen Glanz besitzen, sehr dicht stehen und in ihren freien Enden divergieren. Haare wie Dornen gehdren zu Zellen, welche sonst voéllig dem Typus der Ftemmina’schen Pinselzelle entsprechen. Die Dornen lésen sich in den zur Mazeration verwendeten Re- agentien in kurze Haare auf, die etwa zu vier bis sechs auf einer Zelle stehen. Im konservierten Praparate sind die Dornen nicht mehr vorhanden, wohl aber die langen Haare; letztere, welche wie die kurzen als Sinneshaare zu betrachten sind, fehlen dagegen in Isolationspraparaten, die Zellen, zu denen sie gehoren, sind daher nicht genauer zu studieren. Es finden sich also bei Tapes decussata, Venus verrucosa und gallina zwei Arten von Sinneszellen, welche sich durch ihren be- sonderen Haarbesatz unterscheiden. Die langen Sinneshaare glei- chen den ahnlichen Gebilden, wie sie von Drost und mir fiir die griibchenartig eingezogenen Spitzen einiger tieferstehenden Sipho- papillen von Cardium edule beschrieben wurden. Bei Schilderung der an Schnittpraparaten zu erkennenden Kinzelheiten will ich von Cytherea chione ausgehen. Die Epithelzellen der Papillen der Siphonen — Atem- wie Analsipho gleichen einander in ihrem histiologischen Verhalten vollkommen — sind von cylindrischer Gestalt und haben 12,6 « Lange und 3,6—7,2 uw Breite. Ihr cuticularer Saum ist sehr schmal. Sie sind entweder pigmentfrei oder pigmentiert; in letz- terem Falle erfillt das aus dunkelbraunen, fast schwarzen Kornern bestehende Pigment die Zellen so dicht, daf der Kern vollig un- sichtbar ist (Fig. 27 pi). Injden pigmentfreien Zellen sieht man daf die Kerne kreisrund und basal gelegen sind. Zwischen den indifferenten sind die Sinneszellen als ganz schmale, etwa 1,8 in der Breite messende Gebilde zu erkennen, deren Kerne stab- chenformig sind und die Farbstoffe intensiv aufgenommen haben. Der Mantelrand der Acephalen. 73 An der Sipho-Innenflache hat das Epithel dieselbe Hohe und Breite, wie in den Papillen, und zeigt auch die gleichen Ver- haltnisse hinsichtlich seines Pigmentgehaltes (Fig. 27 pi). Die Verteilung des Pigmentepithels ist eine ganz unregelmafige ; pig- mentierte und nicht pigmentierte Stellen wechseln regellos mit einander ab, doch so, da’ man, entsprechend der makroskopisch wahrnehmbaren Farbung, je mehr man basalwarts zum Ursprung des Sipho fortschreitet, um so ausgedehntere pigmentfreie Stellen trifit, bis schlieBlich die Pigmentzellen ganz fehlen. Die Sinnes- zellen sind gut zwischen den indifferenten wahrnehmbar, doch kommen sie nicht allzu reichlich vor. Infolge der bei der Kon- servierung eintretenden Kontraktion der Siphonen hat sich die in- nere Oberfliche derselben in Falten gelegt, die auf dem Langs- schnitte als verschieden breite aber gleich hohe Epithelzotten sich darstellen (Fig. 27). An der Aufenflaiche der Siphonen hat sich das Kpithel ebenfalls gefaltet, erscheint also im Schnitte zu Zotten gruppiert, welche aber breiter und héher sind, als auf der Innenflache (Fig. 28). Die Zellen des Epithels, pigmentfreie wie pigment- haltige, sind héher als die der Innenfliche und der Siphonen — sie messen etwa 23 « — und haben einen 2,7 uw dicken cuticularen Saum; ihre Breite betragt 3,6 «. Die ovalen Kerne, deren Breite der der Zellen entspricht, sind basal gelegen und besitzen einen Lingsdurchmesser von 9 w. Die histiologisch und physiologisch interessantesten Gebilde in den Siphonen sind die sekretorischen Apparate. Auf der Innenflache finden sich dieselben in zweierlei Formen: als amorphe Massen und als einzellige Driisen, von welchen nur die ersteren in nicht zu betrachtlicher Menge und unter denselben histiologischen Erscheinungen in den Papillen anzutreffen sind. Die amorphen Sekretmassen, welche sich hellgelbbraun in Bis- marckbraun, hellorange in Orange-Hamatoxylin, leuchtend rot oder auch schmutzig purpurn in dem Enruicn-Bronprschen Farben- gemisch (Fig. 27 gd) und blaugriin in Indigkarmin-Boraxkarmin gefarbt haben'), sind Giftmassen; in der Nahe der Papillarregion 1) Ich méchte hier bemerken, dafi die zuletzt erwahnte Doppel- farbung, die fiir die Erkennung der Muskeln ganz ausgezeichnete Dienste leistet (cfr. meinen ,,Leitfaden‘‘) auch diagnostischen Wert fiir driisige Elemente besitzt. Zellen der Eiweifdriisen und der _histio- logisch verwandten Giftdriisen werden leuchtend blaugriin, Mucin- 74 Dr. Bernhard Rawitz, sind sie nur sparlich vorhanden. Je mehr man aber im Sipho abwarts steigt, um so starker sind sie entwickelt. Wie weit sie iiberhaupt basalwarts reichen, habe ich nicht festgestellt, da ich iiber die distale Halfte hinaus nach der Siphowurzel hin Schnitt- praparate nicht angefertigt habe. Sie stellen kein zusammen- hangendes, unter dem Epithel gelegenes einheitliches Ganzes dar, sondern erscheinen als Strange, die vom Epithel der Innenflache, quer auf die Langsachse des Sipho orientiert, nach der Richtung des Epithels der Auf enflache hinziehen (Fig. 27 gd). Fast zu jeder Epithelzotte gehért ein solcher Strang der amorphen Sekret- massen. Die Strange zeigen eine ganz auBerordentliche Ausdeh- nung nach der Aufenflache hin, reichen beinahe dicht bis an die dort gelegenen sekretorischen Gebilde und haben eine Lange von ungefahr 0,87 mm, wahrend ihr Breitendurchmesser, der also in der Langsachse des Sipho gelegen ist, nur 40 « betragt. Bei Anwendung starkster Linsensysteme zeigen sich diese Sekret- strange zusammengesetzt aus einer Unzahl dicht aneinander stehen- der kleinster Trépfchen (Fig. 30 gd). Sie miinden in das Lumen des Sipho durch interepitheliale Liicken, wie man daran erkennt, das gleich gefarbte Tropfen zwischen den Epithelzellen zu tretfen sind, und sind auf ihrem Zuge durch das Bindegewebe zum Epithel von zahlreichen Bindegewebsfibrillen, von Nerven und von Langsmuskeln durchsetzt, welch letztere bald als stirkere Biindel bald als isolierte Fasern zwischen den Massen liegen. Oder vielmehr, man muf sagen, es winden sich die Giftmassen zwischen den genannten Gebilden hindurch um zur Miindung zu gelangen (Fig. 27 und 30 gd). Nur in denjenigen Partieen, welche den Zotten angehéren, also dicht am Epithel, sind die Massen relativ frei, weil hier gréfere Biindel von Muskelfasern fehlen. Die Farbung der die Tropfenmasse durchsetzenden Bestandteile des Sipho ist stets eine andere, wie die der Massen selber (Fig. 27 und 30), beide sind daher leicht voneinander zu unterscheiden. Man kénnte mir hier einwenden, daf das Aussehen dieser Massen, die in ihrer auSeren Erscheinung so wesentlich von den amorphen Massen im Randwulste z. B. von Cardita (Fig. 2), Cyprina islandica (Fig. 25) und von Cytherea selber (Fig. 29) differieren, nicht berechtigt, dieselben als ein Sekretionsprodukt zu betrachten, driisenzcllen werden entweder gar nicht gefarbt oder nur leicht rosa angehaucht. Die Differenz diescr Firbungen an geeigneten Objekten (z. B, Amphibienhaut) ist ganz evident. Der Mantelrand der Acephalen. 15 da die erwahnten Affinitaten zu den verschiedenen Farbstoffen allein nicht so ohne weiteres zu dieser Deutung notigten. Man kénnte mir vorhalten, dal es sich vielleicht um Pigmentmassen oder etwa um Kalkablagerungen handelte; auch der Umstand, daf man die Tropfenmassen in beiden Siphonen in ganz gleicher Ausbildung findet, kénnte gegen meine Deutung verwertet werden. Dieser letzte Einwand soll spater erértert werden; dic anderen beiden aber glaube ich beseitigen zu miissen, bevor ich weitergehe. Schneidet man von der Innenflaéche des Sipho am lebenden Tiere mit gebogener Scheere eine Falte ab und untersucht dieselbe in Seewasser, so bieten diese Tropfenmassen in ihrem auf eren Habi- tus dasselbe Aussehen dar, wie im Schnitte; ihre natiirliche Far- bung ist dabei eine schmutzig gelbe. Zusatz von Salzsiure macht die Massen weder aufbrausen noch verschwinden, was unbedingt eintreten miifte, handelte es sich hier um Kalkablagerungen. Da- gegen konnte ich deutlich in solchen Praéparaten erkennen, daf diese Massen zahfliissiger Natur sind. Nach kurzem Verweilen des abgeschnittenen Stiickes in dem Seewasser beobachtete ich, dab reichlich an der Schnittstelle, sparlich durch das Epithel hindurch kleine, allmahlich konfluierende Tropfen austraten, die, wie ich verfolgen konnte, sich von den Massen langsam losgelést und durch das Epithel bez. die angeschnittene Bindesubstanz bewegt hatten. Diese Thatsache widerlegt aber auch den etwaigen Hin- wand, daf hier Pigmentanhaufungen lagen. Ich wende mich zu der Beschreibung der Schnittbilder zuriick. Innerhalb dieser so gearteten Tropfenmassen finden sich zahl- reiche teils wohlkonturierte, teils geschrumpfte Kerne (Fig. 30 fz und &) (in Fig. 27 von Cytherea sind diese Einzelheiten wegen der geringen Vergréferung nicht zu sehen), die manchmal, nament- lich im Enruicu-Bronpr’schen Farbengemisch, nur sehr schwer erkennbar sind. Meistens sind dieselben von einem hellen, fast farblosen Hofe umgeben (Fig. 30 fz), welcher sehr verschiedenen Umfang hat. Bald ist der Hof sehr klein, so daf er nur wie ein schmaler, heller Saum um den Kern herum erscheint, oder aber er ist sehr gro’, so dai er wie eine grofe Blase in den Massen aussieht, in der der Kern gelegen ist. Zwischen diesen beiden Stadien kommen alle méglichen Ubergangsstufen vor, welche die allmahliche Abnahme des hellen Kernhofes bis zum ganz schmalen Saume zeigen. Offenbar handelt es sich hier um die- jenigen zelligen Gebilde der Bindesubstanz, deren Plasma durch seine Umwandlung die Sekretmassen erzeugt; denn der helle Hof 76 Dr, Bernhard Rawitz, um den Kern ist nichts anderes, als das Plasma einer Zelle oder dessen Rest, und die Zellen sind die FLeEmMina’schen Zellen der Bindesubstanz. Die einzelligen Driisen, die, wie bereits erwahnt, noch neben den amorphen Massen auf der Innenflache der Siphonen sich finden, fallen zunichst durch ihre lebhafte Farbung auf, die in scharfem Kontraste zu der der amorphen Massen steht (Fig. 27 md). Sie farben sich im Enruicu-Bionpi’schen Farbengemische leuchtend pfaublau, veilchenblau in Orange-Hamatoxylin, tief dunkelbraun in Bismarckbraun, zeigen also entschiedene Mucinreaktion, wahrend die Tropfenmassen die Reaktion von giftigen Sekreten haben. Diese Mucindriisen liegen niemals in den Tropfenmassen, sondern sind stets von ihnen getrennt (Fig. 27), d. h. beiderlei Gebilde miinden stets fiir sich allein, nie werden die Mucindriisen von den Tropfenmassen umschlossen. Meistens auch liegen beide nicht zusammen; Stellen, wo die Mucindriisen neben den Giftmassen sich finden, wie dies Fig. 27 zeigt, sind sehr selten. Ein anderer nicht minder beachtenswerter Unterschied ist noch ferner zu kon- statieren. Wahrend die Giftmassen stets auf der Hohe der Epithel- zotten miinden, niemals aber in einer Bucht zwischen zwei Zotten, ist die Miindung der Mucindriisen keineswegs so streng lokalisiert, denn man sieht ihr Sekret sowohl auf der Zottenhihe, wie auf deren Seite und auch in der Bucht durch das Epithel hindurchtreten (Fig. 27). Die Mucindriisen reichen selten tief in die Substanz auf der Sipho-Innenflache hinein, in den Buchten zwischen den Zotten liegen sie meist dicht unter dem KEpithel. Sie sind einzellige Gebilde, welche stets isoliert, nie zu gréferen Haufen gruppiert vorkommen; ihre Gestalt ist flaschenahnlich, wenn ihr schmaler dem Epithel zustrebender und als Ausfiihrungs- gang funktionierender Fortsatz im Schnitte mitzusehen ist. Sie mtinden in interepithelialen Liicken — Becherzellen fehlen im Sipho vollstindig — und man kann vielfach ihr Sekret das Epithel knopfférmig iiberragen sehen. Beziiglich ihrer feineren, nur bei Anwendung starkster Linsensysteme erkennbaren Struktur ist zu sagen, da8 sich in einer homogen erscheinenden, bla8 ge- farbten Grundsubstanz ein dichtes intensiv gefarbtes Netz vorfindet, das undeutlich auch in dem Ausfiihrungsgange erkannt werden kann. Auch auf der AuSenflache der Siphonen kommen sekretorische Apparate vor und zwar Mucindriisen, deren Charakter aus den so haufig angegebenen tinktorialen Reaktionen zu diagnostizieren ist (Fig. 28 md). Sie finden sich nicht in den Falten des Epithels, Der Mantelrand der Acephalen. vi i. e. den Zotten, sondern medialwirts von diesen; von der Basis der Zottenbucht sind sie 30 «, von der Kuppe der Zotten 0,2 mm entfernt. Sie bilden eine durch ihre charakteristische Farbung deutlich abgesetzte kontinuierliche Schicht von 80 w« Tiefe, in welcher Driise neben Driise liegt, aber keine besonderen Gruppen oder Haufen sich gebildet haben (Fig. 28 md). In dieser Schicht liegen nur die Driisenkérper, wihrend die Ausfiihrungsginge epithelwirts von derselben zu treffen sind (Fig. 28). Die sehr zahlreichen Driisen sind alle einzellig; sie miinden jede fiir sich, isoliert von den Nachbarn in interepithelialen Liicken (Kig. 28 a); niemals habe ich beobachtet, dai einander benachbarte Ausfiih- rungsgiinge konfluierten oder da die Driisenkérper durch Fort- siitze in Verbindung mit einander standen. Wahrend die Tropfen- massen auf der Innenfliche von Langsmuskeln durchsetzt wer- den, findet man hier in der Mucindriisenschicht der Auf enflache sehr zahlreiche Quermuskeln, d. h. Muskeln, welche auf einem Liangsschnitte durch den Sipho quergetroffen sind (Fig. 28). Um dieselben miissen sich die Ausfiihrungsginge herum winden, um zum Epithel zu gelangen. Dadurch daf die Tropfenmassen sehr tief in die Siphosubstanz hineinreichen, grenzen beide Re- gionen, die ein giftiges und die ein schleimiges Sekret liefernde, eng aneinander, ja beriihren sich sogar stellenweise. Im mikroskopischen Bilde zeigt der eigentliche Mantelrand drei Falten. Die innerste, welche die kleinste ist, steht ziemlich senkrecht zur Liingsachse des Randes, so da8 ihre Innenfliche abwirts zum Branchialraum sieht, wihrend die Aufenfliiche auf- warts gekehrt ist. Die Mittelfalte bedingt das bei der allgemeinen Beschreibung erwiihnte halskrausenférmige Aussehen des Randes. Infolge ihrer Gestalt bekommt man sie im Schnitte nie in ihrer vollen Ausdehnung zu sehen, sondern erhalt vielmehr vier bis finf verschieden hohe und verschieden ausgedehnte sekundire Falten. Von der Mittelfalte durch die Epicuticula getrennt findet sich die Aufenfalte, welche abwarts kontinuierlich in die AufSen- fliche des Mantels iibergeht. Das Epithel der Innenfalte besteht aus 10 « hohen, mit einem 1,8 w messenden cuticularen Saume versehenen wimperlosen Zellen, deren basal gelegene Kerne queroval sind, indem ihr gréfter Durch- messer, welcher 7,2 « betrigt, im Breitendurchmesser der Zellen liegt. Die Epithelzellen der Mantelkrause sind 9—12,6 uw hohe mit 3,6— 5,4 w dickem cuticularem Saume bedeckte wimperlose Zellen, deren basal gelegene kreisrunde Kerne 3,6—7,2 « Durchmesser haben, 18 Dr. Bernhard Rawitz, welches Maf der Breite der Zellen entspricht. Das Epithel der Aufenfalte wird von 21—26 wu hohen, sehr schmalen Zellen gebildet, welche keinen cuticularen Saum haben und laingsovale, im basalen Abschnitte gelegene Kerne besitzen. Gegen die Aufenflache des Ran- des zu wird das Epithel allmahlich platt. Pigment kommt in den Kpithelzellen des Randes nicht vor; die Sinneszellen sind aufer- ordentlich sparlich vorhanden. Das Epithel des Randwulstes endlich ist ein niedriges Cylinderepithel mit schmalem cuticularem Saume und grofen basal gelegenen Kernen. Hier sind im Gegensatze zu den Randfalten die Epithelzellen bewimpert (Fig. 29). In den Falten des Randes kommen Driisen vor, deren tink- toriales Verhalten sie als Mucindriisen charakterisiert. In der Innenfalte finden sie sich nur sparlich und miinden hier auf der Innenfliche, in der krausenartigen Mittelfalte dagegen sind sie in sehr grofer Zahl vorhanden. An der Innenfliche der Aufenfalte trifit man ganz zerstreut einige Driisen. Dieselben sind einzellige Gebilde, die, wenn ihr Ausfiihrungsgang im Schnitte in Verbindung mit dem Driisenkérper zu sehen ist, flaschenahnliche Gestalt haben. Sie liegen in der Mittelfalte in Gruppen, haufig so dicht bei einander, dafs der Anschein erweckt wird, als handle es sich um vielzellige Driisenkomplexe. Man kann aber die Selbstandigkeit jeder einzelnen Zelle in solchen Gruppen bei Anwendung starker Linsensysteme daran erkennen, daf stets etwas Bindesubstanz um die Driisen herum liegt und sie so von einander isoliert. Das Plasma dieser Mucindriisen erscheint ganz homogen, ohne die ge- ringste Andeutung einer Netzzeichnung, wie sie in den gleichen Gebilden der Sipho-Innenflache zu beobachten war. Die Entleerung des Sekretes findet stets durch interepitheliale Liicken statt; Becher- zellen, die vermittelnd eintreten kénnen, kommen im ganzen Rande ebensowenig wie in den Siphonen vor. Im Randwulste finden sich amorphe Massen und Mucindriisen. Die letzteren, stets dicht am Epithel gelegen, erscheinen wie schmale Strange, die mit einem diinnen Fortsatze ins Epithel reichen und hier in interepithelialen Liicken miinden (Fig. 29 md). Sie stehen weder mit einander noch mit den amorphen Massen in irgendwelcher Verbindung. Diese, durch ihre stets sehr intensive Firbung in den sauren Anilinfarben ausgezeichnet und dadurch in scharfem Gegensatze zu den Mucindriisen, gleichen hierin und auch in ihrem sonstigen Verhalten den gleichen Massen im Rand- wulste von Cardita, sind also ein giftiges Sekret (Fig. 29 gd). Sie erscheinen infolge der coagulierenden Wirkung der fixierenden und Der Mantelrand der Acephalen. 19 erhiirtenden Reagentien als Schollen verschiedenster Gréfe, die von meist homogener, selten kérniger Beschaffenheit und eigentiim- lichem Glanze sind. Sie liegen in ziemlich grofen ovalen Maschen der Bindesubstanz, welche in der Richtung vom Epithel des Wulstes zur Augenfliche ziehen, also quer zur Liangsachse des Randes orien- tiert sind (Fig. 29). Die Lamellen des Bindegewebes, welche diese Maschen bilden, sind sehr schmal und haben ovale Kerne. Die Ausstofung der amorphen Massen geschieht, wie die der Mucin- driisen, durch interepitheliale Liicken, nie aber, das sei noch ein- mal scharf betont, miinden beide sekretorischen Elemente des Randwulstes zusammen in derselben Liicke oder haben sonst eine Beziehung zu einander. Wie bei Cardita, so sind auch hier die amorphen Massen, deren miachtige Ausbildung die wulstformige Verdickung des Randes bedingt, als ein Produkt der Thatigkeit der FLemmina’schen Zellen in der Bindesubstanz zu betrachten. Auf Liangsschnitten durch die Siphonen trifft man die Mus- kulatur teils lings, teils quer getroffen. Die lingsgetroffenen Biindel sind in zwei Gruppen zu trennen; die eine zieht in der Liangsachse der Siphonen dahin, das sind die Fasern des ,,retractor“, deren Kontraktion die Einziehung der Siphonen in die Schalen bewirkt. Die zweite zieht vom Epithel der Innen- zu dem der Aufenfliche; diese nie kompakt auftretenden Muskeln nenne ich , compressor“, weil offenbar durch ihre Kontraktion Aufen- und Innenfliche einander, wenn auch nur wenig, geniihert werden miissen und so die Substanz der Siphonen zusammengepreft wird. Die in Liangsschnitten quer getroffenen Biindel sind solche, welche man auf Querschnitten ringformig in der Siphosubstanz verlaufen sieht; ich nenne sie ,,constrictor, weil ihre Kontraktion das Lumen der Siphonen verengern mus. Die Hauptmasse des Retractor, welche ein massiges Biindel darstellt, ist nach innen von der Mucindriisenschicht der Sipho-Aufenfliche gelegen (Fig. 23 m), durchkreuzt die erwahnten Tropfenmassen, zerspaltet sich in der Nahe der Papillarregion und endet schlieSlich in den Papillen. Dicht unter dem Epithel der Aufenfliche findet sich ein ganz schmales Biindelchen von Retractorfasern, aus dem, wie auch aus der Hauptmasse, die Fasern des Compressor durch Umbiegen in eine andere Verlaufsrichtung hervorgehen. Die Biindel des Con- strictor liegen hauptsichlich in der iuSeren Mucindriisenregion und reichen nach innen bis etwa zur Mittellinie. Im Rande ist die hauptsachliche Richtung der Muskelfasern parallel zur Langsachse; man trifit dieselben daher bei der gewahlten 8) Dr. Bernhard Rawitz, Schnittrichtung, welche quer zur Langsachse war, quergeschnitten. Sie ziehen dicht am Randwulste, nach aufen von demselben, als kompakte Masse dahin und geben Biindel ab, die nach den Falten hin umbiegen. Uber die Innervation ist nur wenig zu berichten. Auf Querschnitten durch die Siphonen sieht man zahlreiche, teils dicke, teils zarte Nervenstimme in der Nahe des Epithels der Innen- fliche, selten in der Hauptmasse der Retractorfasern liegen. In den Papillen verlaufen sie in deren Achse; sie enthalten allenthalben polyclone Ganglienzellen in grofer Zahl. Ihre schlieBliche Endigung im Epithel vermochte ich hier nicht zu eruieren, da ich gelungene Goldpraparate nicht erhalten konnte, die gewéhnlichen Konser- vierungsmethoden ‘aber fiir diese Verhaltnisse bei dieser Species nicht ausreichten. Das allein ist mit Bestimmtheit auszusprechen, dafi in den Verlauf der Endfibrillen Ganglienzellen nicht einge- schaltet sein kénnen, da weder in den Papillen noch im Sipho irgendwelche Bildungen darauf hindeuten. Venus gallina zeigt im grofen und ganzen das gleiche Verhalten beziiglich der histiologischen Struktur seiner Siphonen und des Mantelrandes, wie Cytherea. Doch finden sich auch Ab- weichungen vor, und diese sind immerhin interessant genug, um eine besondere Besprechung dieser Art zu rechtfertigen. Die Siphopapillen besitzen ein Epithel, das aus 16,2 bis 20 w hohen und 3,6—5,4. breiten, mit einem 1,8—2,7 « dicken cuticularen Saume bedeckten wimperlosen Cylinderzellen besteht, deren basal gelegene Kerne von meist kreisrunder Gestalt sind und einen Durchmesser von ungefaéhr 3 « haben. Die hohen Cylinder- zellen finden sich mehr in der proximalen, die niedrigeren mehr in der distalen Papillenhalfte. In den Zellen ist zuweilen Pigment vorhanden, welches in Form tiefdunkler Kérnchen dieselben so dicht erfiillt, da die Kerne von ihnen vdllig verdeckt werden. Die Pigmentzellen kommen in ganz unregelmaiger Verteilung im Epithel vor, sowohl auf der nach auSen, wie auf der nach innen gerichteten Flache der Papillen; nur in der Spitze fehlen sie voll- stindig. Die gewéhnlichen Sinneszellen, deren Haarbesatz in meinen Priparaten nicht mehr erhalten war, stehen zwischen den indifferenten an der Papillenbasis in nur spiarlicher, nach der Spitze zu in betriichtlicher Zahl und sind in der Spitze selber sehr reichlich vorhanden. Sie sind dadurch kenntlich, da sie sehr schmal sind, kaum die Halfte des Breitendurchmessers der Der Mantelrand der Acephalen. Si indifferenten besitzen und einen stabchenformigen, intensiv ge- farbten und manchmal in das subepitheliale Gewebe hineinragenden Kern haben (Fig. 32). Bei Anwendung guter homogener Immersionen kann man, wenn auch sehr selten, Fibrillen an die Basis dieser Zellen herantreten sehen; die Fibrillen stammen aus dem Papillen- nerven, wie man ebenfalls sieht, und sind somit Nervenend- fasern, in deren Verlauf vom Stamme bis zur Sinneszelle keine Ganglienzellen interpoliert sind. In jenen Siphopapillen, in denen frisch die langen Sinneshaare gefunden wurden, erkennt man die- selben auch im konservierten Objekte, und zwar am freien, meist etwas napffirmig eingezogenen Ende der Papillen (Fig. 32 so). Hier sind die Sinneshaare meistens noch erhalten; haben dieselben auch nicht mehr die ihnen in vivo eigene und sie charakterisierende Linge, so sind sie doch immerhin deutlich vorhanden. Zwischen je zwei Sinneszellen, die in ihrem sonstigen Erscheinen den ge- wohnlichen Pinselzellen im Schnitte véllig gleichen, findet sich immer eine indifferente Zelle (Fig. 32 so), und man trifft somit in der Papillenspitze ein besonderes durch abwechselnd auf einander folgende Sinnes- und Stiitzzellen gebildetes Organ. Anhiufung von Ganglienzellen in der Nahe dieses Organes konnte ich bei dieser Art und auch bei Tapes decussata, von der die Figur 32 stammt, nicht wahrnehmen. Es unterscheidet sich also das Organ hier von dem gleichen Gebilde bei Cardium edule, wie ich es geschil- dert, nicht unbedeutend (cfr. Fig. 82 und 15): einmal durch die alternierende Gruppierung von Sinnes- und Stiitzzellen hier, die dort fehlt, und dann durch den eben hervorgehobenen Mangel eines interpolierten Ganglion. Indessen sind diese Differenzen fiir die Deutung des physiologischen Wertes des Papillenorganes von Venus und Tapes irrelevant, es handelt sich hier offenbar, wie bei Car- dium, um Seitenorgane, deren Wert fiir das Tier schon friiher, bei Besprechung von Cardium, diskutiert wurde. Auf der Innenflache der Siphonen zeigen die Epithelzellen die ganz gleichen Verhaltnisse, sowohl hinsichtlich ihrer Mafe, als auch ihrer Pigmentierung, wie die Epithelzellen der Papillen; das dort Gesagte findet daher hier buchstabliche Anwendung. Nur die Pinselzeilen sind selten. Wie bei Cytherea erscheinen auch hier die Zellen zu kleinen niedrigen Zotten gruppiert. In den distalsten Partieen der Sipho-Aufenflache glei- chen die Epithelzellen ebenfalls denen der Papillen. Mehr proxi- malwarts werden sie héher, sie messen dann 18—30 uw, haben einen cuticularen Saum von 1,8 u Breite und basal gelegene ovale Bd, XXVII, N. F. XX. 6 82 - Dr. Bernhard Rawitz, oder kreisrunde Kerne. Nach der Ursprungsstelle der Siphonen werden die Epithelzellen wiederum niedrig, 7,2 «, und sind schlief- lich in der Bucht, welche zwischen der in der allgemeinen Be- schreibung erwihnten Falte und den Siphonen vorhanden ist, ganz platt, nur etwa 3,6 wu hoch. Auf der Sipho-Innenfliiche finden sich dieselben amorphen Sekretmassen, wie in der gleichen Region von Cytherea (Fig. 30), doch bestehen einige nicht unwesentliche Unterschiede. Sie bilden wie bei der vorigen Species Strange, die aus dicht gedriing- ten Trépfchen zusammengesetzt sind, miinden stets auf der Hohe einer Epithelzotte in interepithelialen Liicken (ig. 30), haben aber bei weitem nicht die Ausdehnung nach der Mittellinie der Siphosub- stanz hin, wie bei Cytherea. Sie erstrecken sich, von der Basis der Epithelzellen auf der Héhe der Zotte gemessen, etwa 0,24 mm tief in die Bindesubstanz; ihre mediale Grenze entspricht somit ungefihr den Basen der Zottenbuchten. In der Nihe der Papillar- region der Siphonen sind sie nur wenig entwickelt, werden dann proximalwiarts allmahlich starker, um gegen die Siphowurzel hin wieder abzunehmen. Sie schwinden aber nicht vollstandig, sondern sind noch an der Stelle, wo die Innenfalten beider Rander ver- wachsen sind (cfr. allgemeine Beschreibung) in ziemlich betracht- licher Menge vorhanden. Die tinktorialen Reaktionen dieser Tropfenmassen, die feineren Einzelheiten, die man an ihnen be- obachten kann und ihre Durchkreuzung von Fasern des Retractor sind in Ubereinstimmung mit Cytherea (Fig. 30). Auch in den Papillen kommen dieselben vor und zeigen hier folgende interes- sante Verteilung. In den innersten Papillen miinden sie in deren basalen Abschnitten auf der Auf enflaiche, in den distalen auf der Innenflache; in den mehr peripher stehenden Papillen miinden sie in allen Abschnitten auf der Innenflache, selten nur auf der Aufen- fliche. In den Spitzen der Papillen endlich fehlen sie ganz. Stimmt so die Innenfliche der Siphonen von Venus gallina mit der von Cytharea chione durch die Existenz der Tropfen- massen tiberein, so unterscheidet sie sich von derselben durch das Fehlen der kleinen einzelligen Mucindriisen. Die Farbung derselben ist stets eine so charakteristische, ihr Unterschied von der der giftigen Tropfenmassen ein so in die Augen springender (cfr. Fig. 27 von Cytherea), da, waren sie vorhanden, ich sie sicher nicht tibersehen haben wiirde. Auf der Sipho-Aufenfliche dieser Species kommen ebenfalls Mucindriisen vor, wie bei Cytherea, aber auch hier sind nicht Der Mantelrand der Acephalen. 83 unwichtige Unterschiede vorhanden. Die Driisen, welche ein- zellige Gebilde sind, sind nimlich ganz auferordentlich spir- lich vorhanden, kommen durchaus nicht in jeder Epithelzotte vor und sind so klein, dal’ man sie bei Anwendung schwacher Linsen leicht tibersehen kann. Ihre Ausfiihrungsgange sind so schmal, daf sie nur mit sehr starken Systemen zwischen den Epithelzellen erkannt werden kénnen. Sie finden sich ferner zwischen den Biindeln des Retractor vor, auch hierin im Gegen- satze zu Cytherea. Ich wende mich zur Beschreibung des eigentlichen Mantel- randes. Die schon makroskopisch sichtbare Aufspaltung des- selben in zwei Falten wird durch das mikroskopische Schnittbild bestitigt. Die innere derselben ist im Schnitte wegen ihrer hals- krausenartigen Gestalt nie in voller Ausdehnung zu erkennen; die Aufenfalte, welche sich bekanntlich auch nach aufen von den Siphonen findet, zerfallt in drei bis vier sekundiére Falten. Dies ist wegen des Ursprungs der Epicuticula von Wichtigkeit, der sich zwischen den beiden auf ersten sekundiren Falten findet. Das Epithel besteht auf beiden Hauptfalten aus etwa 9 wu hohen und ebenso breiten, also kubischen Zellen, die einen Wimperbesatz nur iiber dem Randwulste zeigen, und zwischen denen Pinselzellen sich nur duferst spirlich vorfinden. Da wo die krausenférmige Innenfalte sich gegen den Randwulst absetzt, trifft man einen konisch gestalteten, gegen den Branchialraum gerichteten Vor- sprung, den man als accessorische Falte bezeichnen kann. Die Epithelzellen der letzteren gleichen denen der tibrigen Randfalten, nur entbehren sie des deutlich doppelt konturierten Saumes. Ganz eigenartige Verhialtnisse zeigen die sekretorischen Elemente des Randes. In der Falte, welche der Schale anliegend, die Siphonen be- gleitet, kommen zwei Formen von Driisen vor. Die eine Form wird reprisentiert von meist kreisrunden Zellen, welche einkernig sind, dicht aneinander gedriingt liegen und der Aufenflache angehéren. Sie miinden mit feinen Fortsatzen (Ausfiihrungsgangen) in inter- epithelialen Liicken und zeigen die Farbenreaktionen der Mucin- driisen. Ebenso finden sie sich, wenn auch sehr spirlich, abwiarts vom Rande eine kurze Strecke weit in der AufSSenfliche des Man- tels selber vor. Die zweite Form liegt an der Innenfliche der Falte und besteht aus sehr sparsam verteilten, isolierten einzelligen Driisen. Ihre Fiarbung ist der der Mucindriisen gerade entgegen- gesetzt, was also auf eine eiweif-iihnliche, i. e. giftige Beschaften- 6* 84 Dr. Bernhard Rawitz, heit des Sekretes hinweist. Sie erscheinen meistens unter dem Bilde von 'Tropfenkonglomeraten, wihrend das Plasma der Mucin- driisen eine zarte netzformige Zeichnung erkennen laf$t. Nur an einer Stelle, da nimlich, wo sich die Falte aufspaltet, liegen diese Driisen massenhafter und zeigen zugleich mehrfach Ubergange von zarter Plasmastruktur zu Tropfenzerfall, miinden aber auch hier auf der Innenflache. Im eigentlichen Rande kommen die sekretorischen Apparate in dreierlet Gestalt vor. Die einen sind einzellige kleine Mucin- driisen; sie finden sich proximalwirts vom Randwulste an der ganzen Innenflache, ziemlich tief in die Substanz eindringend , im Randwulste selber dem Epithel dicht anliegend, in der Bucht zwischen Innen- und Aufenfalte, hier sowohl innen wie aufen miindend, und auch auf der Aufenflaiche des Randes. An letzterem Orte héren sie an einer Stelle auf, welche dem proximalen Kon- tur des Wulstes gegeniiberliegt. Mit Ausnahme der letztgenannten Region, wo sie nur sparlich sind, und des Wulstes selber, wo die zweite Form vorwiegt, sind sie so massenhaft vorhanden, daf' sie das mikroskopische Bild beherrschen. Man kann an diesen Drii- sen folgendes Detail erkennen. Im Ruhestadium, in welchem sie sich schon ziemlich intensiv in basischen Anilinfarben tingieren, erscheint ihr Plasma homogen. Mit Beginn der Thitigkeit stellt sich zuerst eine netzférmige Zeichnung ein, die bald einen Tropfen- zerfall Platz macht, nur daf die Tropfen hier ein anderes Far- bungsverhalten zeigen, wie z. B. in der vorhin erwahnten zweiten Driisenform der Aufenfalte an den Siphonen. Die Ausfiihrungs- eiinge der Driisen, welche direkte Fortsetzungen des Zellplasma sind, dokumentieren sich im Stadium der Ruhe, wenn man an Bismarckbraunpraparaten beobachtet, als schmale braune Strange, welche zwischen den Epithelzellen in interepithelialen Liicken lie- gen. Hat die Umwandlung in Sekret stattgefunden und sind die Ausfiihrungsginge mit den auszustofenden Massen erfiillt, dann erscheinen sie bei der erwiahnten Fiarbung tief dunkelbraun, bauchig aufgetrieben und haben die Epithelzellen, zwischen wel- chen sie liegen, auseinander gepreft. Sie sind in der ganzen Aus- dehnung, in der sie im Epithel liegen, mit Sekret gefillt und glei- chen dadurch fast auf’s Haar Becherzellen, von denen sie sich nur durch den Mangel eigener Kerne unterscheiden. Man findet nun, was beweisend ist fiir das allmahliche Vorriicken des Sekretes, zwischen den schmalen im Epithel liegenden Stringen und den bauchigen Auftreibungen zahlreiche Uberginge. Man sieht Aus- Der Mantelrand der Acephalen. 85 fiihrungsgiinge, bei denen nur der basale Abschnitt der im Epithel steckenden Partie aufgetrieben ist, wihrend der distale noch schmal ist: hier ist also das Sekret noch im Anmarsche von der Tiefe her. Eine andere Erscheinungsart ist die, wo der ganze im Epithel gelegene Ausfiihrungsgang aufgetrieben ist: hier ist er also in seiner vollen Ausdehnung mit Sekret gefiillt. Und drittens trifft man sie so, daS der distale Abschnitt aufgetrieben, der basale schmal ist: hier ist also nur noch ein Rest von Sekret im Ausfiihrungsgange vorhanden, der gréfere Teil ist ausgetrieben, der basale Abschnitt daher wieder zusammengefallen. Die zweite Form der sekretorischen Gebilde wird durch die amorphen Massen reprasentiert, welche den Randwulst bilden. Sie sind von den mit ihnen zugleich auf der Innenfliche, aber von ihnen gesondert miindenden Mucindriisen scharf zu trennen und zeigen sowohl in ihrem histiologischen als auch tinktorialen Ver- halten die gleichen Einzelheiten, wie die Massen des Randwulstes von Cardita und Cyprina. Ein Unterschied von Cytherea besteht nur darin, daf’ die Massen hier relativ sparlich im Vergleich mit ihrer machtigen Entwickelung bei jener Species sich finden. Die dritte Form endlich sind Tropfenmassen, welche die Ma- schen des Bindegewebes erfiillen. Sie liegen in der Basis der krausenartigen, in der accessorischen Falte, miinden in ersterer auf beiden Seiten, innen und aufen, in letzterer nur aufen, also auf der Flache, welche dem Branchialraum abgewendet ist. Zwi- schen ihnen finden sich Mucindriisen; beide Formen aber stehen in keinerlei Verbindung mit einander. Ihr tinktoriales Verhalten gleicht dem der amorphen Massen im Wulste bez. der Tropfen- massen der Sipho-Innenfliche. Ab und an kann man in ihnen undeutlich gefarbte Kerne erkennen. Die Muskulatur der Siphonen unterscheidet sich von der bei Cytherea dadurch, daf hier die Constrictorfasern nur ganz schwach entwickelt sind; die Verteilung der Fasern des Retractor und Compressor ist in Ubereinstimmung mit jener Species. Ganz eigenartige Bilder erhalt man von den zarten Muskeln, die dicht unter dem Epithel der Sipho-Aufenfliche verlaufen. Hier trifft man namlich zahlreiche strichartige Figuren, welche auch auf der Innenflache vorhanden sind, dort aber von den amorphen Massen fast véllig verdeckt werden. Bei Anwendung von Zerss apochro- mat. homogen. Immersion *° Ocular 8 findet man folgende Einzel- 1,30 heiten. Die indifferenten Epithelzellen namentlich der Aufenflache 86 Dr. Bernhard Rawitz, lassen die sonst nur an Mazerationspraparaten sichtbare basale wurzelformige Ausfaserung deutlich erkennen (Fig. 31). Die Com- pressorfasern und zum Teil auch Fasern, die vom Retractor stam- men, spalten sich in der Nahe der Epithelbasen auseinander und diese letzten Enden, welche keinen gerade gestreckten Verlauf haben, sondern sich durch verschiedene Ebenen ziehen, daher nie im Schnitte in voller Linge getroffen sind, sondern als jene strich- artigen Bildungen sich darstellen, gehen dicht in die Nahe der Epithelzellen, treten mit denselben aber nicht in Verbindung (Fig. 31). Stellenweise erhaJt man allerdings den Kindruck, als ob die Striche ein wenig tiber die Basen der Zellen hinausragen und sich dann an den Zellkérper inserierten oder auch direkt mit den einzelnen basalen Ausfaserungen verschmélzen. Sieht man aber genauer zu, so erkennt man, dafi die Muskelenden niemals direkt an das Epithel herantreten, sondern ver den Zellbasen um- und zuriickbiegen, wie man dies bei genauer Betrachtung der Fig. 31 erkennt, und sich unter einander vereinigen, so ein Netz- werk bildend, das, verstarkt durch die Fibrillen des Bindegewebes, einen subepithelialen Filz darstellt, in welchem indifferente und Pinselzellen stecken. Daf hier keine Verwechselung mit Nerven- endfiden oder mit Bindegewebsfibrillen vorliegt, dafiir biirgt die Farbung dieser Gebilde in Indigkarmin — Boraxkarmin. In den genannten Farbstoffen haben sie sich, wie alle Muskelfasern inten- siv blau tingiert, wahrend Nervenfibrillen darin stets rétlich wer- den, Bindegewebsfasern, wenn sie, was gelegentlich vorkommt, sich blau farben, nie in solcher Stippchenform erscheinen. Selbst- verstandlich lassen sich diese Details nur an gut konserviertem Materiale und an sehr feinen Schnitten erkennen; eine Schnitt- dicke von 5 w ist hier fast noch zu stark, die geschilderten Einzelheiten habe ich an Schnitten von nur 3 « Dicke beob- achtet. Notwendig ist ferner eine distinkte Farbung, einfache Karmin- oder Hiamatoxylintinktionen sind fiir diese intricaten Dinge wertlos. Beziiglich der feineren Verhaltnisse der Innervierung kann ich nicht mehr aussagen, als wie bei Cytherea. Tapes decussata zeigt folgende histiologischen Einzel- heiten. Die wimperlosen indifferenten Epithelzellen der Papillen und der Sipho-Innenflache sind hohe schmale Cylinderzellen mit schmalem cuticularem Saume, basal gelegenen ovalen Kernen und sind entweder pigmenthaltig oder pigmentirei. Im ersteren Falle Der Mantelrand der Acephalen. 87 erfiillt das aus grauschwarzen kleinen Kérnern bestehende Pig- ment meist die Zellen so dicht, daf auch die Region des Kernes vollig verdeckt ist; selten nur ist die basale Partie frei und dann der Kern sichtbar. Die Hohe der Epithelzellen betragt 28,8 yw, ihre Breite, welcher die des Kernes entspricht, ist 3,6 wu, der Langsdurchmesser der Kerne betrigt 14,4 «. In den Papillen hat sich das Epithel in nicht zu zahlreiche, verschieden breite und ziemlich hohe Zotten gelegt; an der Sipho-Innenflache sind die Zotten niedrig und stehen sehr dicht aneinander. Die Sinnes- zellen sind zwischen den indifferenten an der Sipho-Innenflache nur spérlich vorhanden, reichlich dagegen in den Papillen und besonders in deren freien Enden (Fig. 32 sz). Ebenso wie bei Venus gallina konnte ich hier an denjenigen Papillen, welche die langen Sinnesborsten bei Untersuchung frischer Objekte erkennen lieSen, ein besonders gebautes und auf die Spitze lokalisiertes Sinnesorgan auffinden (Fig. 32 so). Der Bau derselben gleicht in allen Punkten dem der Seitenorgane von Venus. An der Sipho-AuSenflache ist die Héhe der Epithel- zellen 32,4—36 w, ihre Breite 3,6 uw, der Liingsdurchmesser der ovalen Kerne 7,2 uw. Pigmenthaltige und nicht pigmentierte Zellen kommen in den distalsten Partieen der Aufenflaiche promiscue vor, in den basalen drei Viertel der Langsausdehnung fehlt den Zellen das Pigment. Das Epithel hat sich in zahlreiche, hohe Zotten gruppiert, die dicht aneinander liegen (Fig. 33). Es sei noch bemerkt, daf in den Siphonen Becherzellen nir- gends zwischen den Epithelzellen sich finden. Die sekretorischen Apparate bieten eine groBe Uberein- stimmung mit denen von Cytherea dar. Es finden sich amorphe Massen oder richtiger Tropfenmassen in den Papillen vor, welche in der ganzen Substanz derselben verteilt sind und sowohl auf der nach innen, wie der nach aufen gerichteten Flache miinden. Diese Tropfenmassen finden sich auch auf der Sipho-Innenflache. Von den gleichen Gebilden bei Cytherea und Venus unterscheiden sie sich dadurch, daf sie in einer Ausdehnung von héchstens 90 wu von der Basis der Epithelzellen ab in die Siphonalsubstanz sich erstrecken und da sie nicht, wie bei jenen Arten, von einander getrennte Strange darstellen, sondern eine zusammenhangende Masse bilden. Sie miinden naimlich nicht blo8 in den Zottenhéhen, sondern auch in den Zottenbuchten, finden sich also in der ganzen Lange der Innenflaiche unter dem Epithel. Sie werden daher auch nicht von den Fasern des Retractor durchzogen, wie dies bei 88 Dr. Bernhard Rawitz, Cytherea und Venus der Fall ist. In ihren tinktorialen Eigen- schaften sind sie in vollkommener Ubereinstimmung mit den Massen der bisher besprochenen beiden Arten, stellen also ein eiftiges Sekret dar. Ferner kommen an der Innenflache der Siphonen von Tapes noch kleine einzellige Mucindriisen vor, ganz wie bei Cytherea, nur daf sie hier recht sparlich sind. An der Sipho-Aufenfliche finden sich, ebenfalls wie bei Cytherea, in sehr grofer Menge Mucindriisen, deren Lagerung nach aufen von den Fasern des Retractor und zwischen den Biindeln des Constrictor dem gleichen Verhalten bei Cytherea vollig entspricht (Fig. 33). Die wahrend der Driisenthatigkeit in dem homogenen Plasma auftretende Netzzeichnung ist hier beson- ders deutlich und lift sich auch bis in die in interepithelialen Liicken steckenden Ausfiihrungsginge verfolgen (Fig. 33 md), Die Driisenzellen, die dicht an der Papillarregion nur vereinzelt stehen, mehr proximalwarts aber sehr massenhaft sind, sind zuweilen so eng aneinander gepreft, da ihre gegenseitigen Grenzen nicht mehr wahrnehmbar sind. Dennoch lat sich feststellen, daf sie nie ineinander tibergehen oder mit einander zusammenhangen, dah vielmehr jede Driise von ihren Nachbarn isoliert bleibt und jede ihren eigenen Ausfiihrungsgang gesondert von denen der da- neben liegenden Drisen in das Epithel hineinsendet. An einzelnen Stellen sieht man das Sekret das Niveau der Epithelzellen tiber- ragen (Fig. 33 2). Die histiologischen Verhaltnisse des Mantelrandes sind folgende. Er spaltet. sich in vier Falten, von denen drei nach innen, eine nach aufen von der Epicuticula sich finden. Alle haben im mikroskopischen Bilde kegelf6rmige Gestalt. Die innerste Falte ist mit ihrer Innenflache dem Branchialraum zugekehrt, wahrend ihre Aufenflache in ein breites Plateau tibergeht, an dessen auBerem Rande sich die Falte erhebt. Diese setzt sich nach aufen in eine schmale Bucht fort, von der aus die dritte Falte aufsteigt, deren AufSenfliche sich tief herabsenkt, um dann in die vierte, die Aufenfalte, iiberzugehen. Die Epithelzellen der innersten Falte sind wimperlose, cylindrische Gebilde von 16,2 u Hohe, die sich ziemlich scharf vom subepithelialen Gewebe ab- setzen. Ihre kreisrunden oder ovalen Kerne liegen basal. Sinnes- zellen sind hier, wie an den iibrigen nach innen von der Epi- cuticula stehenden Falten nur sparlich vorhanden. Im Plateau haben sich die Epithelzellen zu zahlreichen kleinen Zotten grup- Der Mantelrand der Acephalen. 89 piert, wahrend sie gleichzeitig bedeutend héher geworden sind; sie messen 28,8 «, sind wimperlos und besitzen einen schmalen cuticularen Saum. Das Epithel der zweiten Falte gleicht dem der Plateaus, auf der dritten Falte sind die Zellen niedriger, 18 uw, haben dasselbe Maf auf der Auf enfalte, flachen sich an deren Aufenfliche allmahlich ab und gehen in das fast platte Epithel der Aufenflaiche des Randes tiber. Auf der Innenflache des Randes, in welche die der innersten Falte des Randes sich kontinuierlich fortsetzt, ist das Epithel bewimpert, 23 « hoch, sehr schmal und mit teils ovalen, teils kreisrunden Kernen ver- sehen. Von den sekretorischen Apparaten sind bei weitem am reichlichsten die Mucindriisen vorhanden. Dieselbe finden sich an der ganzen Innenfliche des Randes, in den drei Falten nach innen von der Epicuticula und, allerdings nur spirlich, an der Aufenfliche des Randes. Sie miinden mit schmalen Ausfithrungs- gangen in interepithelialen Liicken. Weniger reichlich entwickelt und darum auch keine wulst- formige Verdickung des Randes bedingend sind dic amorphen Sekretmassen, welche sich wie die von Cytherea fairben. Sie fin- den sich namentlich in der innersten Falte, auf deren Aufenfliche sie miinden, wihrend die Mucindriisen ihr Sekret nach innen, in den Branchialraum hinein entleeren, und kommen ebenso zahl- reich am innersten distalsten Abschnitte des Randes vor. Weniger reichlich sind sie in der dritten Falte. Sie liegen vielfach um die Mucindriisen herum, unterscheiden sich aber von diesen durch ihre ganz andere Farbung und miinden stets fiir sich, von den Driisen getrennt, in interepithelialen Liicken. Eine ganz eigentiimliche Erscheinung bietet die Bindesub- stanz des Randes dieser Art dar. Bei Anwendung schwacher Vergréf%erungen erhalt man den Eindruck, als ob in der Nahe des Epithels, und zwar starker ausgesprochen auf der Innenseite, schwacher auf der Aufenseite, eine Anhaufung von Kernen sich finde, die sich bis in die Falten erstreckt. Starke Systeme lassen hier eine Art zelliger Infiltration des Gewebes erkennen. Die Zellen sind membranlos, die scharfen Konturen, welche man um sie herum findet, riihren von den sie einscheidenden Fibrillen der Bindesubstanz her. Ihr Plasma ist fein gekérnt und farbt sich nur wenig; ihre Gestalt ist entsprechend den Maschen des Binde- gewebes eine rundliche, hat aber stellenweise durch gegenseitigen Druck einer polyedrischen Platz gemacht. Die Kerne, die meist 90 Dr. Bernhard Rawitz, einzeln, selten zu zweien in einer Zelle vorkommen, sind kreis- rund und central gelegen. Diese Zellen sind die FLEmmine’schen Zellen der Bindesubstanz; in dieser massenhaften Anhéiufung habe ich sie aber nur selten bei den Acephalen getroffen. Beziiglich der Muskulatur ist nur hervorzuheben, daf Retractorfasern weder in den Tropfenmassen der Innen-, noch zwischen den Mucindriisen der Aufenflache vorkommen; sonst ist die Verteilung derselben wie bei Cytherea. Auch beziiglich der Innervierungsverhaltnisse kann auf das bei jener Art Gesagte verwiesen werden. Von Artemis exoleta habe ich nur den Mantelrand unter- sucht. Derselbe geht in vier Falten aus, welche Mucindriisen in ziemlich betrachtlicher Menge enthalten, und besitzt einen Wulst, welcher von sehr reichlich vorhandenen Sekretmassen gebildet wird. Eine eingehendere Beschreibung ist unnétig, da die histiologischen Verhaltnisse, Kleinigkeiten abgerechnet, denen im Rande von Cytherea vollstaindig gleichen; das dort Gesagte findet daher hier Anwendung. Auch beziiglich der Petricola lithophaga kann ich mich kurz fassen. Hier sind die Einzelheiten in fast genauer Uber- einstimmung mit Cytherea, mit der Mafgabe allerdings, daB die giftigen Sekretmassen der Innenflache der Siphonen sehr schwach entwickelt sind, da’ innen keine Mucindriisen vorkommen und daf in den Siphopapillen sowohl Mucindriisen wie Giftmassen sich finden. Der Rand geht in zwei Falten aus, und besitzt einen machtig entwickelten Randwulst. Das Detail ist ebenfalls das gleiche wie bei Cytherea. Aus den vorstehend im einzelnen geschilderten histiologischen Verhaltnissen der Siphonen und des Mantelrandes in den Fami- lien der Veneriden und Petricoliden geht als physiologisch inter- essanteste uud wichtigste Thatsache hervor, daf bei allen unter- suchten Arten auf den Innenflachen der genannten Organe hauptsachlich ein Sekret gebildet wird, das wegen seiner chemi- schen Eigenschaften, soweit dieselben durch die tinktoriale Reak- tion sich kundgeben, als ein giftig wirkendes betrachtet werden muf. Die Aufenflache der Siphonen und die Falten, in welche sich der Mantelrand spaltet, enthalten dagegen Apparate, welche Mucin bereiten. Beide Formen dienen den betreffenden Tieren Der Mantelrand der Acephalen. 91 zum Schutze; aber wie die Art des Sekretes eine verschiedene ist, so wird auch die Schutzwirkung, ich meine die Bedeutung der produzierten Stoffe fiir die Erhaltung des Individuum, eine verschiedene sein. Die Schleimdriisen auf der AuSenfliche der Siphonen umgeben dieselben mit einer mehr oder weniger dicken Sekretschicht, die einmal den direkten Kontakt des Seewassers mit dem epithelialen Belage verhindern wird und dann dazu geeignet ist, die Siphonen bei ihren Bewegungen im Sande oder Schlamme vor groberen Verletzungen zu bewahren. Wie ich in den mir von der Ver- waltung der zoologischen Station zu Neapel zur Verfiigung ge- stellten Aquarien, deren Boden ich mit Sand bedeckt hatte, beob- achten konnte, vergraben sich die hier behandelten Arten so, daf nur die Siphonen aus dem Sande hervorragen. Leicht kénnte es daher geschehen, namentlich bei briisken Retraktionen, wie sie die Tiere, oft anscheinend ohne Veranlassung, ausfiihren, daf die AuSenflache der Siphonen in unliebsame Berithrung mit den Kan- ten kleiner Steinchen gelangte. Dies verhiitet aber jener Schleim, welcher nicht blo& eine Decke um die Siphonen bildet, sondern auch die Sandschicht, die jene umgiebt, glattend tiberzieht. Und ahnlich liegen die Verhaltnisse fiir die Falten des eigentlichen Randes; diese werden gelegentlich tiber die Schalen vorgestreckt, sind also denselben duferen Fahrlichkeiten ausgesetzt, wie die Siphonen. Anders die Bedeutung und Wirkung der Giftmassen. Wenn die die Siphonenéffnungen umstehenden Papillen, welche die hauptsiachlichsten Trager taktiler Empfindlichkeit sind, berihrt werden, so antworten sie darauf mit einer Kontraktion. Diese wird entweder nur geringfiigiger Art sein oder sich ausbreiten und bis zum ydélligen Zuriickziehen der Siphonen gehen kénnen, je nachdem der Insult nur ein minimaler oder ein sehr heftiger ist. In dem einen wie in dem anderen Falle wird durch die Kon- traktion das Sekret aus der Bindesubstanz der Papillen bezw. der Sipho-Innenflache durch die interepithelialen Liicken ausgepreft und dadurch das den Insult hervorrufende Objekt unschadlich ge- macht. Ist dasselbe ein lebendes Wesen, so wird es infolge der Giftigkeit der Tropfenmassen getotet, ist es lebloser Natur, so wird es von dem in reichlicher Menge vorhandenen Sekrete so umhiillt, daf es einen Schaden nicht weiter anrichten kann. Diese Betrachtung erklart den anscheinend auffallenden Um- stand, dal nicht blo{ im Branchial-, sondern auch im Kloaken- 92 Dr. Bernhard Rawitz, sipho giftiges Sekret produziert wird. Es ist meines Dafiirhaltens ohne weiteres einleuchtend, daf auch der Kloakensipho einen Ver- teidigungsapparat haben muf, weil er den gleichen Angriffen, wie der Atemsipho, namentlich durch mikroskopisch kleine Wesen, aus- gesetzt ist. Diese kénnen ebenso gut in den einen wie in den anderen Sipho eindringen bezw. einzudringen versuchen und miissen hier wie dort unschadlich gemacht werden. Und was fiir die Siphonen, das gilt mutatis mutandis fiir den Branchialraum, dessen ventraler Schutz durch den Randwulst ge- bildet wird. Ich habe die von mir gefundenen histiologischen Details im Zusammenhange dargestellt und absichtlich, um den Uberblick nicht zu erschweren, unterlassen, auf diejenigen Arbeiten dabei Riicksicht zu nehmen, welche iiber dieselben Arten in der Littera- tur vorliegen. Dieses Verséiumnis soll jetzt nachgeholt werden. SHARP (43) hat bei Venus mercenaria, V. verrucosa, Tapes decussata und Petricola pholadiformis zwar keine komplizierten Augen, wie Wiit (49), wohl aber Pigmentzellen gesehen, welche als lichtempfindlich, als ,,retina cells‘ von ihm gedeutet werden. Worauf diese Auffassung basiert, welche physiologischen Thatsachen diese Erklarung aufnétigen, dariiber laft sich Suarp nicht naher aus. Ihm geniigt es vollstandig, daf gewisse Epithelzellen pig- mentiert sind und einen breiten cuticularen Saum haben, um sie zu Sehzellen zu stempeln. Ich hatte diese in sich haltlosen An- gaben, die noch dazu auf ganz oberflachlichen Beobachtungen be- ruhen — die Driisen an der Sipho-Aufenflache brauchte SHarp, als fiir seine Zwecke nebensachlich, nicht zu erwihnen, aber zeichnen mute er sie, wenn seine Abbildungen naturgetreu sein sollten — gar nicht weiter kritisiert, wenn dieselben nicht von ernsten Forschern als Beweise fiir die allmahliche, phylogenetische Entwickelung der Augen aus einfachen Pigmentzellen wiederholt citiert worden waren. Nach meinen eigenen Untersuchungen muf ich sagen, daf SHarp nur eine nicht bestreitbare Thatsache mitgeteilt hat, namlich daf bei Muscheln Pigmentzellen vorkommen, und diese war schon vor ihm bekannt. Alle iibrigen Angaben dieses Forschers sind absolut irrig und wertlos. Der zweite Histiologe, welcher die Siphonen und den Mantel- rand der Veneriden einer Analyse unterworfen hat, ist RouLE in seiner Arbeit ,,Recherches histologiques sur les mollusques lamelli- branches“ (37). Er beschreibt die Siphonen von Tapes decussata Der Mantelrand der Acephalen. 3 und den Mantelrand yon Tapes aurea (pg. 37 und ff. l.c.). Seine Angaben iiber die Verteilung der Muskeln in den Siphonen decken sich vollig mit den meinigen; seine sonstigen Untersuchungsergeb- nisse aber, abgesehen von dem hier nicht naher interessierenden Nachweise, daf eine direkte Wasseraufnahme nicht statt hat, stehen zu den meinigen in denkbar schirfstem Gegensatze. Auf der AufSenflaiche der Siphonen von Tapes findet er ein cylindrisches Epithel, in welchem zerstreut Becherzellen yvorkommen sollen, und aufSerdem stibchenformige Gebilde, welche sich durch Fibrillen yon granuliertem Aussehen mit zahlreichen grofen Zellen vereinigen. Letztere sollen unterhalb des epithelialen Belages in der Bindesubstanz gelegen sein, durch Fortsaitze untereinander anastomosieren und so ein engmaschiges Netz bilden. Stabchen, Fibrillen und Zellen firben sich nach Route intensivy sowohl in Bismarckbraun als auch in Kosin-Hamatoxylin (RouLE hat letztere Farbung nach der Renaut’schen Methode ausgefiihrt). Die Zellen sind bi- und multipolar, die stiibchenférmigen Gebilde sind varikés und zeigen, wie die Fibrillen, zahlreiche kleine Granulationen. Die Zellen sind nach Route Ganglienzellen, die zu einem subepithelialen Plexus vereinigt sind, die stabchenformigen Kérper, die im Epithel liegen, sind Nervenendapparate (,,terminaisons tactilest) und also sind, was Route allerdings nicht sagt, aber was aus seiner Dar- stellung von selber folgt, die beide Gebilde verbindenden Fibrillen — Nervenfasern. In den Nervenendapparaten kommen keine Kerne vor, wenigstens ist es eine seltene Ausnahme, daf man in ihnen welche antrifft. Wenn man sich der Darstellung erinnert und die Figur be- trachtet, die ich selber yon der Aufenflaiche der Siphonen von Tapes gegeben habe (Fig. 33), so wird es klar, dafS wir beide das- selbe gesehen haben, da jedoch Route diejenigen Bildungen fir nerviser Natur halt, die ich als Mucindriisen bezeichnet habe (Fig. 33 md). Rove erscheint zwar seine Deutung aufer allem Zweifel, ich aber muS sie fiir véllig verfehlt halten. Zunichst ist es hiéchst auffallend, da jenen Forscher die Abwesenheit der Kerne in den taktilen Endapparaten nicht stutzig gemacht hat. Wohl citiert er FLemmina’s erste Arbeit iiber die Histiologie der Muselfeln, doch hat er dieselbe offenbar nicht sorgfaltig genug studiert, sonst hatte ihm nicht entgehen kénnen, dafi nach FLEM- MING fiir die taktilen Endapparate, i. e. fiir die Pinselzellen, nicht blo&S das Vorhandensein eines Kernes, sondern auch dessen beson- dere Lagerung charakteristisch ist. 94 Dr. Bernhard Rawitz, Doch auch abgesehen davon ist die Deutung, die RouLe giebt, vollstiindig irrig. Wie der Autor selber sagt, farben sich die fraglichen Bestandteile der Sipho-AufSenflache in Bismarck- braun sehr intensiv. Und das ist eine Eigenschaft, welche weder Sinneszellen, noch namentlich Ganglienzellen zukommt. Wer nur irgendwie eine Erfahrung dariber besitzt, in welcher Weise die physiologisch verschiedenen Zellen des Metazoenkérpers auf die einzelnen Farbstoffe, besonders die Aniline, reagieren, der muf die Route’sche Erklarung verwerfen. Ob man Sublimateisessig, wie Rouse, oder Pikrinsalpetersiure, wie ich, oder irgend ein beliebig anderes der gebrauchlichen Fixationsmittel verwendet, ist gleich- giltig: das Plasma der Ganglienzellen, die Nervenfasern und Nerven- endapparate fairben sich in Anilinen gar nicht oder nehmen nur ein zartes Kolorit an. Hiatte Route die sogenannten Ganglien- zellen dieser Gegend mit den wirklichen Ganglienzellen, wie sie sich im Siphonerven zahlreich genug vorfinden, verglichen, so wiirde ihn der erste Blick belehrt haben, da’ hier eine tinktorial und darum auch physiologisch von den Ganglienzellen unterschie- dene Zellart vorliegt. Der Einwand diirfte wohl kaum gemacht werden, dafi die periphere, zwischen Nervenstamm und Endapparat eingeschaltete Ganglienzelle ein von der mehr central gelegenen verschiedenes Farbungsvermégen besitzt; histiologisch bleibt Gang- lienzelle — Ganglienzelle, wo sie auch immer im Ko6rper vor- kommen mége. Ein anderes Moment, was Route hatte stutzig machen sollen, ist die betrachtliche Dicke der Fibrillen, welche Zellen und stab- chenformige Kérper miteinander verbinden (Fig. 33). So dick, so in die Augen springend sind die Nervenendfibrillen leider weder bei den Acephalen, noch den Mollusken tiberhaupt. Im Gegenteil, dieselben sind so zart und fein, so tiberaus schwierig zu erkennen, da8 es der gréSten Aufmerksamkeit und der besten und starksten Linsen bedarf, um sie tiberhaupt in dem Gewirr der Faden von Bindegewebsfibrillen zu unterscheiden. Und als letztes Moment gegen die nervése Natur der betref- fenden Bildungen spricht ihre von Router ganz richtig hervor- gehobene grobe Granulierung. Das ist ebenfalls eine Struktur- eigentiimlichkeit, welche Ganglienzellen, Nerven und Nervenend- apparaten durchaus abgeht. Ganglienzellen sind stets sehr zart granuliert, Nervenfasern und Nervenendzellen aber gar nicht. Die Gebilde sind also sicher nicht nerviés, sie kénnen viel- mehr nur driisiger Natur sein, denn nur Driisenzellen, und zwar Der Mantelrand der Acephalen. Yo Mucindriisenzellen, zeigen das Vermégen, sich intensiy in basischen Anilinen zu farben. Nunmehr kann sich auch Route nicht wundern, dal die stiib- chenfoérmigen Gebilde — das sind die in den interepithelialen Liicken miindenden Driisenausfiihrungsginge — in den Papillen so spirlich sind, ja in deren Spitze ganz fehlen, oder, wie der Autor meint, dafi die Papillen arm an solchen Nervenendapparaten seien. Die Papillen sind reich an Pinselzellen, nur zeigen letztere im mikroskopischen Schnittbilde ein anderes Verhalten, als RouLE glaubte (cfr. Fig. 52 und 33). Rouse hat ferner in dem Epithel der Innen- wie der Auben- fliche der Siphonen Becherzellen gesehen. Das ist entschieden ein Irrtum, denn Becherzellen fairben sich meistens, wenn sie niamlich mucinhaltig sind, in Bismarckbraun so intensiv, wie die Driisen- ausfiihrungsgiinge; nicht mucinhaltige kommen aber sicher nicht vor. Hat so Rouse eine Driisenform, welche in den Siphonen vor- kommt, vollig verkannt, so hat er die amorphen Tropfenmassen iiberhaupt nicht erkannt. Und doch geben die von ihm beniitzten Farbungsmethoden, namentlich EKosin-Himatoxylin, so klare, scharfe Bilder derselben, daf sie eigentlich nicht gut zu iibersehen sind. Dafi dies bei Route dennoch der Fall gewesen, ist, glaube ich, auf das von ihm verwandte Fixationsmittel zuriickzufiihren. Subli- mat, so vorziiglich es sonst ist, ist zum Studium histiologischer Verhaltnisse bei Muscheln wie bei Mollusken iiberhaupt nach meinen Krfahrungen unbrauchbar, weil es nicht geniigend schnell in die Tiefe der Gewebe eindringt. Daf RouLe nicht sonderlich konserviertes Material untersuchte, geht, wie mich bediinken will, aus seinen Abbildungen hervor, die mir vielfach den Eindruck er- wecken, als waren seine Objekte stark gequollen gewesen. VIII. Tellinacea. (Fig. 34—38.) Untersucht wurden Donax trunculus L., Psammobia vesper- tina Lam., Tellina nitida Poli und Tellina planata L. A. Allgemeines. Psammobiavespertina besitzt zwei vollstandig getrennte Siphonen von milchweifer Farbe, von denen der Atemsipho stets 96 Dr. Bernhard Rawit32, weiter ausgestreckt werden kann, als der Analsipho. An ihren freien distalen Enden tragen sie in den meisten Fallen 6, selten 8 kurze kegelférmige Papillen, die gleich weit voneinander entfernt stehen und den Siphonenenden ein mauerzinnenartiges Aussehen verleihen. Von jeder Papille aus geht durch die ganze Lange der Siphonen auf deren Aufenfliiche eine weife, scharf markierte Linie, die bei Lupenbetrachtung leicht prominent erscheint. Diese Linien, 6 bezw. 8 an Zahl in jedem Sipho, kénnen als Rippen der Sipho- nen bezeichnet werden. Der in seiner ganzen Ausdehnung offene Mantelrand dieser Species ist mit einer leicht zerreiflichen Epicuticula bedeckt, die von bradunlicher Fiarbung ist. Hat man dieselbe abgezogen, so treten sehr kurze kegelf6rmige Papillen zu Tage, welche in einer Reihe und ziemlich weit voneinander entfernt stehend sich auf der Innenfalte des Randes finden. Kin Randwulst ist nicht vor- handen. Die makroskopisch wahrnehmbaren Einzelheiten der Siphonen und des Randes von Tellina nitida weichen ein wenig von denen von Psammobia ab. Die Siphonen, welche ebenfalls vollig getrennt sind und von denen der branchiale bedeutend langer ist als der Analsipho, haben an ihren distalen Oftnungen kegelférmige Papillen, welche in viel gréSerer Zahl sich finden, als bei Psam- mobia. Dagegen kommen Rippen auf der Aufenfliche der Siphonen nicht vor. Der Mantelrand, dessen Epicuticula sehr zart ist, ist in seiner ganzen Ausdehnung vom vorderen SchlieSmuskel ab bis zu den Siphonen offen. Nach auSen yon letzteren und von den- selben durch ein relativ breites Thal getrennt, findet sich eine vom Mantelrande her kommende Falte, welche nach dem Riicken des Tieres hinzieht und hier mit der der Gegenseite verwichst. Von vorn bis hinten ist die Innenfalte des Randes — in wie viele derselbe sich spaltet, la8t sich makroskopisch nicht erkennen — mit kleinen Papillen besetzt, die dem Rande bei Betrachtung mit bloBem Auge ein gezihneltes Aussehen verleihen. Ein Randwalst fehlt wie bei Psammobia so auch hier. Die ganz gleichen Verhiiltnisse, wie bei Tellina nitida, finden sich bei Tellina planata und Donax trunculus. Uber die Nervenverteilung ist folgendes anzumerken: Das Visceralganglion von Psammobia vespertina ist an seinem vorderen Ende in zwei konische Verlangerungen ausgezogen, von denen jederseits das Cerebrovisceralkonnektiv entspringt. Seitlich geht von dem Ganglion jederseits der Kiemennerv ab. Nach hinten Der Mantelrand der Acephalen. 7 entspringt von den hinteren Winkeln des, wie bei allen Siphoniaten, vier- eckigen Ganglion jederseits ein Nerv, der Fasern fiir den hinteren Schlief- muskel, das Rectum und die Siphonen enthalt. Dieser beiderseits der Median- linie, also paarig vorhandene Nerv giebt kurz hinter der Afterpapille auf der medialen Seite einen Nerven fiir den hinteren SchlieSmuskel ab. Hinter dem Muskelnerven entspringen die Nerven fiir die Siphonen; der niher zum Ganglion entspringende ist fiir den dorsalen, der in weiterer Entfernung sich abzweigende fiir den ventralen Fig. I. Sipho bestimmt. Jeder Siphonerv teilt sich in drei bis vier Aste, so dah also entsprechend der Zahl der Sipho- rippen in jedem Sipho sechs bis acht Nervenstémme verlaufen. Vom dor- salen Siphonerven zweigt sich ferner noch ein kleiner Ast ab, der in kur- zem Bogen riicklaufend sich zum Rek- tum begiebt. Da, wo der fiir den Schematische Darstel- lung des Centralnerven- systems von Psammobia vespertina. C. Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceralganglon; nbr, Kiemen- nerv; com. Commissur; pp. Nervus pallialis posterior; mm. Muskelnerv; msd. Dorsalsipho- nerv; sb. Branchialsiphonerv ; nr. Rectalnerv; np Mantelnerv; mpd. uervus pallialis anterior; 2 z “ ‘ A. Afterpapille. Atemsipho bestimmte Nerv sich ab- trennt, macht der Rest des Hauptstammes einen nach hinten kon- vexen Bogen und geht in den Mantelrand hinein, hier nach vorn ziehend. Die Siphoneniste wiirden, wenn man die Duver- noy’sche Nomenklatur acceptieren will, dem hinteren, der Endast dem seitlichen Mantelnerven entsprechen. Die Differenz der Schil- derung von Duvernoy (10; XXII Monographie) und der meinigen ist nicht unbetriachtlich. Nach jenem Autor gehéren namlich die beiden (rechter und linker) Nervenstamme des Kloakensipho zum »palléal postérieur“, wihrend er die Stémme, die im Mantel und dem ventralen Sipho sich ramifizieren, zum ,,palléal latéral* rechnet. Auch die Ursprungsweisen der einzelnen Nerven giebt DuvERNOY anders an, wie ich; auf wessen Seite das Recht ist, miissen neue Untersuchungen entscheiden. Von den Cerebralganglien entspringt auBer den Konnektiven und der Kommissur jederseits ein Nerv, welcher direkt nach vorn Bd, XXVII, N. F, XX, 7 98 Dr. Bernhard Rawitz, gehend zunachst durch einen dieselbe Verlaufsrichtung innehalten- den, feinen Zweig den vorderen SchlieSmuskel innerviert. Dann biegt der Nerv in einem nach vorn konvexen Bogen in den Mantel- rand ein, giebt einen Ast fiir die vordere Mantelpartie ab und lauft dann im Mantelrande, in diesem sich ramifizierend, nach hinten. Die wahrscheinliche Vereinigung des vom Cerebral- und des vom Visceralganglion kommenden Mantelnerven habe ich durch Praiparation nicht darstellen kénnen. Das Nervensystem von Tellina planata, welchem das von T. nitida und Donax trunculus vollstandig gleicht, weicht von dem von Psammobia nur insofern ab, als die Nerven fiir den hinteren Schlie8muskel — ein Nerv jederseits der Medianlinie — direkt vom Visceralganglion entspringen und nicht, wie dort, aus dem vereinigten hinteren und auBeren Mantelnerven stammen. B. Spezielle Beschreibung. Psammobia vespertina zeigt in der feineren Struktur seiner Siphonen so bemerkenswerte Unterschiede von den tibrigen von mir untersuchten Tellinaceen, daf eine gesonderte Beschreibung der bei dieser Art zu beobachtenden Einzelheiten notwendig ist. Diese soll daher zunachst erfolgen. Untersucht man eine der kurzen Papillen, welche die Enden der Siphonen umstehen, oder eine Mantelrandpapille frisch in Seewasser, so hat man zunachst die Abwesenheit der Wimper- bewegung zu konstatieren, da die indifferenten Zellen dieser Regionen véllig wimperfrei sind. Die Epithelzellen der Papillen, welche niemals Pigment enthalten, haben einen homogenen, leicht glinzenden, 4 « dicken cuticularen Saum, welcher von schmalen Dornen tiberragt wird, die, von circa 4 uw Hohe, unbeweglich auf dem Saume stehen. Wahrend diese Dornen auf den Seitenwanden der Papillen nur spirlich zu treffen sind, sind sie in deren Spitzen sehr reichlich vorhanden (Fig. 34 d). Bei Anwendung mittelstarker Systeme (etwa Zeif D) erkennt man, daf die Dornen auf kleinen Hiigeln aufsitzen, die namentlich in der Papillenspitze fast halb- kugelig gewélbt sind (Fig. 34d). Die Hiigel sind zart, durch- sichtig und man kann den Dorn in sie hinein verfolgen, der so- mit als ihre Achse erscheint (Fig. 34). An Macerationspraparaten, welche einen weiteren Aufschluf geben, findet man jeden dieser Hiigel von drei nebeneinander liegenden Zellen gebildet, die an- Der Mantelrand der Acephalen. 9Y scheinend — etwas Gewisses habe ich hinsichtlich dieses Punktes leider nicht feststellen kénnen — von einer zarten Membran zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefa8t sind. Die beiden lateral ge- legenen Zellen sind dunkel granuliert, ihr proximales Ende ist wurzelformig ausgefasert ; ihre Gestalt ist im allgemeinen gebogen keulenformig (Fig. 35), und zwar so, daf sie am freien Ende maibig aufgetrieben erscheinen, wihrend sie basalwarts sich all- mahlich verjiingen und dabei gleichzeitig nach der Medianlinie des Gebildes zu sich leicht konkav einbiegen. Der Kern jeder dieser Zellen liegt im distalen Drittel. In der Mitte ist eine Zelle gelegen (Fig. 35), deren Gestalt das gerade Gegenteil der beiden anderen ist, sie ist also an ihrem distalen Abschnitte schmal und wird proximalwarts breiter. In ibrer proximalsten, mifig ange- schwollenen Partie ist ein ovaler Kern gelegen. Sie setzt sich dann in eine im Macerationspraparate nur ausnahmsweise erhaltene feine Faser fort, welche kleine Varikositaten besitzt (Fig.35). Der schmale distale Abschnitt der medianen Zelle zeigt an seinem freien Ende entweder einen schmalen, doppelt konturierten Saum, oder, bei giinstiger Lagerung, eine ovale Oberflache, von welcher kurze Haare entspringen, die in dem macerierenden Reagens leicht knotig geworden sind und in sehr vielen Fallen, bei zu weit vor- geschrittener Maceration nimlich, ganz fehlen kénnen. Der freie Saum iiber den lateralen Zellen dieser dreiteiligen Bildungen er- scheint zuweilen doppelt konturiert; ob der doppelte Kontur aber, der sich auch auf die Seiten der Gebilde fortsetzt, als Membran aufzufassen ist oder nicht, das habe ich, wie schon oben bemerkt, nicht definitiv entscheiden kénnen. Wenn man sich der Darstellung erinnert, welche ich im ersten Teile von den Sinneszellen in den Mantelrandfiden der Pectiniden gegeben habe (cfr. I. Teil, p. 66 u. ff. des Sonderabdruckes) und wenn man die Figuren dort (Fig. 25 und 26) mit den hier beige- gebenen (Fig. 34 und 35) und mit obiger Schilderung vergleichen will, so wird man eine vollkommene Ubereinstimmung anerkennen mniissen. Denn die median gelegene Zelle ist eine FLEMMiING’sche Pinselzelle, deren Schema sie vollkommen entspricht, die feine Faser, in welche sie sich fortsetzt, ist eine Nervenfibrille, die beiden lateralen Zellen sind indifferente Stiitzzellen, die mit jener ein ein- heitliches Sinnesorgan bilden. So finden wir also hier bei Psam- mobia ganz wie bei Pecten ein dreiteiliges Sinnesorgan als Analo- gon der sonst einfachen und unregelmikig zwischen den indiflerenten (ca 100 Dr. Bernhard Rawitz, Epithelien verteilten Pinselzelle: eine Eigentiimlichkeit, auf die ich in der allgemeinen Betrachtung spezieller werde zuriickkommen mussen. Die indifferenten Zellen, zwischen welchen sich die drei- teiligen Organe finden, sind meistens kubische, selten abge- stumpft konische Gebilde mit basal gelegenen Kernen und deutlich ausgesprochener wurzelformiger Ausfaserung der Basis. Auf der Sipho-Aufenfliche ist das indifferente Epithel, wie auf den Papillen, wimperlos und nicht pigmentiert. Pinselzellen von gewohnlichem Habitus habe ich in nur sehr geringer Menge wahrgenommen. In den Siphorippen findet man Gebilde ganz eigentiimlicher Art, welche sich als Knospen sehr komplizierter Struktur darstellen, deren Zusammensetzung ich an Zupfpraparaten aber nicht genau eruieren konnte. Was endlich die Sipho-Innenfliche anlangt, so wird deren epithelialer Belag aus indifferenten Zellen von cylindrischer Gestalt gebildet, zwischen denen ich Sinneszellen nicht auffinden konnte. Dieselben sind, wenn tiberhaupt, jedenfalls nur sehr sparlich vor- handen. Das Studium von Schnittpraiparaten liefert folgende Re- sultate. Die Epithelzellen der Innenflache der Siphonen — Anal- und Atemsipho verhalten sich vollkommen tibereinstimmend — haben sich infolge der Konservierung in zahlreiche Falten ge- legt, die auf Lings- und Querschnitten als kleine, eng aneinander liegende, gleich hohe Zotten imponieren. Die Zellen sind ungefahr 12,6 uw hoch, 3,6 « breit und haben einen schmalen cuticularen Saum. Ihre Kerne sind langsoval von etwa 7,2 uw gréS%tem Durch- messer und liegen in der Basis der Zellen. Auch im Schnitte konnten, wie im frischen bezw. im Macerationspriiparate, Sinnes- zellen nicht wahrgenommen werden. Dicht an der Basis der Zotten entlang ziehend findet sich eine im Lingsschnitte durch die Siphonen langsgetroffene Muskellage, welche in die Zotten hinein in reichlicher Menge Muskelfibrillen abgiebt. Medialwarts dieser Schicht, durch einen schmalen Zwischenraum von ihr ge- trennt, findet sich eine bedeutend starkere Langsmuskellage. In der Zwischenschicht nun, oder vielmehr in den grofen runden Liicken, welche das die Zwischenschicht bildende lockere Gewebe besitzt, liegen zahlreiche Zellen, die ein zartes Plasma und kleine intensiv gefirbte Kerne zeigen. Dieselben sind Blutkérperchen, die Licken sind Blutlakunen. Der Mantelrand der Acephalen. 101 Amorphe giftige Sekretmassen kommen auf der Sipho-Innen- fliche nicht vor; es finden sich nur Mucindriisen, die aber so sparlich und klein sind und so verstreut stehen, daf man sie leicht, trotz ihrer charakteristischen Farbung, besonders bei Ver- wendung zu schwacher Linsen, iibersehen kann. In manchen Schnitten fehlen sie ganz, in anderen sind etwa vier Driisen vor- handen, die héchste Zahl, die ich auf einem Querschnitte fiir die ganze Innenflache gefunden, war zwélf Driisen. Die Papillen gleichen in allen Einzelheiten der Innenflache. Die dreiteiligen Sinnesorgane sind als solche auf Schnitten, offen- bar infolge der bei der Hartung eingetretenen Schrumpfung, nicht zu erkennen. Auch hier finden sich keine Giftmassen, auferdem aber fehlen die Mucindriisen. Auf der Sipho-AuSenflache hat sich, ganz wie innen, das Epithel in ziemlich hohe Zotten gelegt. Die indifferenten Zellen gleichen denen der Innenflaiche vollkommen. Im Gegensatze zu innen kommen hier an der AuSenfliche in sehr grofer Menge Mucindriisen vor. Die Driisenkérper liegen in ziemlich betracht- licher Entfernung vom Epithel der Au8enflaiche und sind so ge- ordnet, daf sie alle in einer ganz bestimmten Gegend zu treffen sind, von welcher epithelwarts nur die schmalen, strangartigen Ausfiihrungsgange sich finden. In dieser die Ausfiihrungsgange enthaltenden Gegend sind zahlreiche auf Lingsschnitten querge- troffene Biindel von Muskelfasern vorhanden; die Driisenregion selber wird von einigen, tibrigens nicht konstanten, Biindeln von Langsmuskeln durchzogen und durch dieselben in eine laterale gréBere und eine mediale kleinere Partie geteilt. Die Entfernung der Driisenkérper von der Basis der Epithelzellen betragt etwa 100—148 uw; das geringere Maf ist von der Bucht, das gréfere von der Héhe der Zotten gewonnen. Die Breite der Driisenregion, also ihre Ausdehnung medianwarts, mift 36 «. Die Driisen sind einzellige Gebilde, die in ihrem Plasma eine Zusammensetzung aus zwei Substanzen deutlich erkennen lassen, namlich aus einer Substanz, welche von netzformig ineinander geflochtenen Strangen gebildet wird, und aus einer zweiten, die in den Maschen des Netzes gelegen ist. Die erstere firbt sich z. B. in Bismarckbraun tiefdunkgl-, fast schwarzbraun, die letztere in dem gleichen Farb- stoffe hellbraun. Je dichter das Netzwerk der ersteren ist, um so intensiver und dunkler, je schwacher es ausgebildet ist, um so heller ist die Farbung der ganzen Driise. Die gleiche Zusammensetzung und somit auch die gleiche Farbung wie die Driisenkérper bieten 102 Dr. Bernhard Rawitz, die schmalen langen Ausfiihrungsgainge dar, die in interepithelialen Liicken miinden. Becherzellen sind nicht vorhanden. Uber die an der Sipho-Aufenflache sich findenden Rippen ist an Laings- und Querschnitten folgendes zu eruieren. Die Knospen, welche man, wie die Untersuchung frischer Ob- jekte gelehrt hatte, in den Rippen antrifft, oder vielmehr von welchen die Rippen gebildet werden (Fig. 36 so), ragen tiber das Epithel nicht unbedeutend hervor und sind in zwei Langsreihen so geordnet, daf die Knospen der einen Reihe mit denen der an- deren alternieren und beide ihre freien Seiten voneinander ab- kehren, also nach verschiedenen Richtungen sehen. Ihre Form gleicht denjenigen Gebilden, welche man an der menschlichen Haut als ,,molluscum pendulum“ bezeichnet. Sie sitzen auf Stielen auf, welche schmal sind und in der Bindesubstanz der Siphonen wurzeln, und gehen dann jenseits des Niveau der gewohnlichen Epithelzellen in eine pilzhutahnliche Verbreiterung tiber (Fig. 37 so). Meistens ist der freie Kontur dieser Verbreiterung eine schén ge- schwungene bogenférmige Linie, vielfach aber auch ist die freie Flache in zwei Spitzen oder Lappen ausgezogen. Die Knospen oder Warzchen sind an allen sechs bezw. acht Rippen eines jeden Sipho in vollkommener Ubereinstimmung sowohl hinsichtlich des feineren Baues wie der GréBe. Was die letztere anlangt, so be- tragt die ganze Lange einer Knospe im Mittel 88 ~, wobei als ihre Basis die Basis der Zottenbucht zu rechnen ist; 36 4 von diesem Mafe entfallen auf den Knospenstiel, die tbrige Lange kommt auf die pilzhutformige Verbreiterung. Das Maf des Stieles entspricht etwa dem der Hohe der Zotten, so da’ die Verbreiterung also das Niveau der letzteren iiberragt. Die Breite des Stieles ist etwa 44 w, die der pilzhutahnlichen Verbreiterung in ihrem groften Durchmesser etwa 72 w. Das Epithel, welches Stiel wie Pilzhut bekleidet, enthalt in- differente Zellen, welche sich in nichts von denjenigen Zellen unterscheiden, die sich in den tibrigen Partieen der Sipho-AuBen- flache finden. Zwischen denselben und zwar ausschlieflich in der Verbreiterung sieht man Zellen liegen, die ganz wesentlich von ihnen differieren. (Es bedarf zur Erkennung dieser Kinzelheiten selbstverstandlich der starksten Linsensysteme.) Sie sind, schmal, sehr blaB gefarbt und besitzen Kerne, die, von stabchenformigem Aussehen, tiefer in der Substanz der Knospe stecken, als die der iibrigen Zellen (Fig. 37 so). Da wo die Zellen liegen, findet man auch stets auf ibren freien Enden Kérnchenbrei in gréBerer Menge Der Mantelrand der Acephalen. 103 liegen (Fig. 37), den wir seit Ersra’s (13) bekannten Untersuchungen als Rest zerstérter Sinnesborsten betrachten diirfen. An diese Kerne oder richtiger an die Basen der zu ihnen gehdrigen Zellen treten feine Fibrillen heran, die als Nervenendfibrillen aufzufassen sind. Dieselben gehen namlich in Zellen vielstrahliger Gestalt iiber (Fig. 37 gz), die medianwarts mit Fasern zusammenhangen, welche aus den Siphonervenstémmen sich abgezweigt haben (Fig. 37 n). Jene Fibrillen sind also Nervenfasern, wahrend die Zellen als Ganglienzellen zu betrachten sind, die in nicht unbe- trichtlicher Zahl in die vom Siphonerven stammenden Fasern interpoliert sind. Die die Rippenknospen versorgenden Nerven- aste gehen vom Hauptstamm radiar durch die Siphosubstanz und sind begleitet von Muskelbiindeln, welche in die Knospen ein- strahlen und sich dicht unter dem Epithel in dem Filze des sub- epithelialen Gewebes verlieren. Dieser Nerv-Muskelzug ist kennt- lich durch eine ziemlich betriachtliche Masse von ovalen Kernen, die in ihm liegen und deren Lingsachsen dem Zuge parallel ge- richtet sind (Fig. 37). Die Unterscheidung von Nerv und Muskel geschieht am besten in Indigcarmin - Boraxcarminpraparaten, in denen die Muskeln tiefblau, die Nerven roétlich gefarbt sind. Da, wo die Rippen vorkommen, fehlen die weiter oben er- wahnten Mucindriisen. Diese an Nerven, Ganglienzellen und Sinneszellen reichen retractilen Knospen stellen also ganz eigen- tiimliche, komplizierte Sinnesorgane dar. Die Gesamtheit der in zwei dicht bei einander stehenden Langsreihen angeordneten Knos- pen bildet eine Rippe (Fig. 36 so); jede Rippe reprasentiert dem- nach eine Summe von ganz gleich gebauten Sinnesorganen. Die Rippen sind wohl als Analoga der von den verschiedenen Tier- klassen und Tiertypen her bekannten Seitenlinien zu betrachten und es hatte darnach Psammobia 12 oder 16 Seitenlinien, 6 bez. 8 in jedem Sipho. Wahrend die Funktionen der dreiteiligen Sin- nesorgane in den Papillen ganz wie bei den Pectiniden die sein wird, die Wahrnehmung direkter tactiler Reize zu erméglichen, werden die Seitenlinien in den Siphonen dazu dienen, auch die leisesten Bewegungen im Wasser dem Tiere zur Kenntnis zu brin- gen. Jene Organe reagieren nur auf grobe, unmittelbare Insulte, diese auf geringe Reize, die schon aus der Entfernung sich gel- tend machen kénnen. Psammobia vespertina besitzt also in diesen Seitenlinien eine auferordentlich empfindliche Einrichtung, welche das Tier befahigt, durch Retraction seiner Siphonen sich gegen noch entfernte Angriffe zu schiitzen. Und dieser Schutz ist 104 Dr. Bernhard Rawitz, fiir die Muschel eine Existenznotwendigkeit, da sie zur Unschad lichmachung von lebenden oder toten Gegenstanden, welche in- ihre Siphonen eindringen kénnten, keinerlei Verteidigungsapparate besitzt. Giftmassen fehlen bekanntlich géinzlich und die auf der Innenfliche sich findenden Mucindriisen sind so auf erordentlich sparlich, da8 ihr Sekret als Verteidigungsmittel gar nicht in Be- tracht kommen kann. Die Mucindriisen auf der Sipho-AuSenflache sind eine Schutzeinrichtung, aber offenbar nur dazu da, mit einer Schleimschicht die aus Schlamm und Sand von dem darin ver- grabenen Tiere herausgestreckten Siphonen zu umgeben und so, wie bei den Veneriden, eine Verletzung derselben durch scharfe Sandpartikel bei ihren Bewegungen zu verhiiten. Es eriibrigt noch die Beschreibung der Innervationsverhalt- nisse und der Muskelverteilung. An Querschnitten durch die Siphonen erkennt man, daf in deren Laingsachse immer soviel Nervenstamme verlaufen, als Rippen vorhanden sind, also in den meisten Fallen sechs (Fig. 36 ~) und zwar finden sich die Nerven genau gegeniiber den Rippen. Eine von einer Rippe auf die Achse der Siphonen ge- zogen gedachte senkrechte Linie trifft stets die Mitte des zuge- hérigen Nervenstammes. Die Nerven sind dem Epithel der Innen- fliche genahert, von demselben durch zwei Muskellagen, eine Constrictor- und eine Retractorlage, getrennt (Fig. 36); sie liegen nach aufen von der letztgenannten Muskellage zwischen ihr und der Hauptmasse des Retractor und sind in ein spongiéses Binde- gewebe eingebettet. Von den Nervenstémmen gehen im Sipho in der bereits besprochenen Art radiair Aste zu den Knospenorganen der Seitenlinien. In den Papillen verlauft je ein zarter Nerv in deren Langsachse, zerfasert sich hier und tritt zu den dreiteiligen Sinnesorganen. Die letzten Enden dieser Nerven sind im Schnitte nicht zu erkennen. Die Muskeln der Siphonen, deren Verteilung am besten an Querschnitten zu studieren ist, erscheinen als Retractoren, Con- Strictoren und Compressoren, Bezeichnungen, welche bei Beschrei- bung der Siphomuskulatur von Cytherea chione in ihrer Bedeu- tung erlautert worden sind. Zu innerst, dicht unter dem Epithel der Innenflache, ist eine Constrictorschicht von geringer Entwicke- Inng vorhanden, welcher nach aufen zu einige in zerstreuten Fibrillen auftretende Retractorfasern anliegen. Auf letztere folgt nach aufen hin, durch eine schwache Schicht der gewohnlichen spongidsen Bindesubstanz getrennt, der innerc Retractor, der die Der Mantelrand der Acephalen. 105 innere Begrenzung der Nerven bildet. Durch wenig Bindegewebe getrennt, das nur da, wo die Nerven liegen, etwas massiger vor- handen ist, folgt dann nach aufen~ vom inneren Retractor der zweite Constrictor, eine Muskelschicht, die fast doppelt so stark ist, wie die innerste gleich verlaufende. Wiederum kommt jetzt eine Bindegewebslage und nach aufen von ihr der aufere Retrac- tor, der eine sehr machtige Muskelmasse bildet. Demselben liegt aufen dicht an ein drittes Constrictorbiindel. Dann folgen spar- liche Retractorfibrillen und endlich dicht unter dem Au8eren Epithel eine ganz schmale Constrictorlage. Wahrend die Fasern der Retractoren und Constrictoren selbstindig sind, d. h. nicht ineinander tibergehen, ist der Compressor kein selbstandiger Faser- zug, sondern entsteht teils aus dem Retractor, teils aus dem Con- strictor. Er bildet nirgend eine kompakte Masse, sondern besteht aus einzelnen, nicht zu starken Faserbiindeln, die durch Zwischen - raume getrennt sind, welche den Durchmesser der Compressor- biindel um ein Vielfaches iibertreffen. Trotz dieser Isolierung der einzelnen Faserbiindel bilden diese dennoch in ihrer Gesamtheit ein physiologische Einheit. Durch seine Verlaufsrichtung von Epithel zu Epithel zerteilt der Compressor namentlich die Massen des auferen Retractor in oblonge Abschnitte und bedingt so, wenn man das Praparat mit schwachen Linsen betrachtet, ein karriertes Aussehen des Querschnittsbildes. Die tibrigen untersuchten Tellinaceen, Tellina nitida und planata und Donax trunculus besitzen in ihren Siphonen, wie in der allgemeinen Beschreibung schon hervorgehoben, keine Seitenlinien; es fehlen daher hier auch die knospenformigen Sin- nesorgane. Aber auch die taktil empfindlichen Elemente dieser Arten unterscheiden sich von denen von Psammobia. Hier giebt es keine dreiteiligen Sinnesorgane, sondern nur gewohnliche typische FLemmina’sche Pinselzellen, die verstreut zwischen den allent- halben wimperlosen indifferenten stehen (Wimperung ist erst auf der Innenfliche des eigentlichen Mantels vorhanden), sehr schmal sind, in den Siphopapillen sehr reichlich, sparlich in den Mantel- randpapillen und der Sipho-Aufenflache sich finden und auf der Sipho-Innenflache ganz zu fehlen scheinen. Sie sind frisch bei Donax durch kurze Dornen kenntlich, welche den cuticularen Saum des epithelialen Belages iiberragen, wahrend bei Tellina ihre Existenz durch lange, etwa 7,2 « messende, zu vier bis sechs nebeneinander stehende und gut sichtbare bewegungslose Haare 106 Dr. Bernhard Rawitz, sich kundgiebt. Bemerkt zu werden verdient noch, daf die Sipho- papillen von Donax verzweigt sind und zwar zeigt meistens die ganze Papille ein vielfach verastigtes Aussehen, selten nur ist blo8 die Spitze geteilt. Die Untersuchung von Schnittpraparaten ergiebt folgendes. Der epitheliale Belag der Siphopapillen von Tellina nitida besteht aus cylindrisch gestalteten Zellen, welche einen breiten, wimperlosen cuticularen Saum besitzen und basal gelegene kreisrunde Kerne haben. Die Zellen sind 9,0 « hoch, ihr Saum mift 1,8 «, ihre Breite, welcher der Durchmesser der Kerne ent- spricht, betragt 3,6 uw. Die Pinselzellen sind im Schnitte nicht mehr zwischen den indifferenten zu erkennen. In den Papillen kommen weder Mucindriisen, noch giftige Sekretmassen, noch auch Becherzellen vor. Auf der Innenflache der Siphonen (Anal- und Bran- chialsipho verhalten sich ganz gleich) kommen zweierlei Formen von indifferenten Zellen vor. Die einen sind kubische Gebilde von 7,2 « Hohen- und Breitendurchmesser mit basal gelegenen kreisrunden Kernen von 3,6 « Durchmesser. Die anderen indiffe- renten Zellen haben eine Héhe von 10,8 «, eine Breite von 5,4 und kreisrunde Kerne von 3,6 « Durchmesser, die basal gelegen sind. Die Differenz dieser Zellen ist nicht bedingt durch eine Zottenbildung des Epithels, infolge deren die niedrigen in der Bucht, die langen auf der Hohe der Zotten zu finden waren. Die Innenfliche der Siphonen ist vielmehr glatt geblieben und jene differenten Mafie zeigen das Vorhandensein zweier verschiedener Zellformen an. Bei beiden Formen ist der cuticulare Saum nur schwach ausgebildet. Pinselzellen sind im Schnitte wie auch im frischen Praparate nicht zu erkennen. Auf der Innenflache miinden, wie man deutlich an Quer- schnitten erkennen kann, Driisen, deren tinktoriales Verhalten sie als Mucindriisen charakterisiert. Sie sind einzellige Gebilde, nicht zu zahlreich, aber immer noch bedeutend reichlicher als bei Psammobia vorhanden und miinden in interepithelialen Liicken. Das Epithel der Sipho-Au8Senflache ist von dem der Innenfliche abweichend. Die Zellen sind 16,2 u hoch, 5,4 « breit und haben einen cuticularen Saum, dessen MafS 1,8 w betragt. Ihre Kerne sind basal gelegen und kreisrund oder oval. Bei letz- teren mift der langste Durchmesser 7,2 uw, die Breite betragt 3,6 uw; bei ersteren entspricht der Durchmesser dem Breitenmaf der Zelle. Die Pinselzellen sind, wie in den Papillen, im Schnitte | | | . Der Mantelrand der Acephalen. 107 als solche nicht mehr zu erkennen. Auch auf der Aufenflaiche kommen Mucindriisen vor, nur sind sie hier bedeutend reichlicher vorhanden als innen. In viélliger Ubereinstimmung mit Tellina nitida zeigen sich die histiologischen Einzelheiten der Siphonen bei Tellina planata. Bei Donax trunculus findet sich eine Abweichung nur hinsichtlich der sekretorischen Apparate. Dieselben, die als Mucin bereitende sich darstellen, sind in den Siphopapillen sehr stark entwickelt und imponieren hier als amorphe Massen, welche in den Liicken zwischen den Epithelzellen sowohl der Innen- wie der Aufenwand miinden (Fig. 38 md). Auf der Sipho-Innenflache sind sowohl einzellige Mucindriisen als auch amorphe Mucinmassen promiscue vorhanden, indessen nicht in der reichlichen Entwicke- lung wie in den Papillen. An der AufSenflache der Siphonen da- gegen fehlen Driisen vollstindig. Ich komme zur Schilderung des Mantelrandes, welcher bei beiden Tellinae und bei Donax vollkommen iibereinstimmende Verhaltnisse zeigt. Zunachst fallen durch ihre tiber das Niveau des Randes her- vorragende Hohe die Papillen auf, welche man schon bei makro- skopischer Betrachtung erkennen kann. Eine solche Papille hat im konservierten Objekte eine ungefahre Lingenausdehnung von 0,33 mm und eine basale Breite von circa 0,15 mm; ihre Gestalt ist kegelf6rmig. Nach auSen von denselben finden sich drei im Schnitte konisch aussehende Randfalten, die kaum halb so hoch sind, wie die Papillen. Nach innen von letzteren trifft man eine Falte, deren Langsachse lotrecht auf der der Papillen steht; sie ist also dem Branchialraum zugekehrt. Uber das Epithel ist nicht viel aus- zusagen. Es besteht im allgemeinen aus 16,2 « hohen, 7,2 breiten Cylinderzellen — nur in der letzterwahnten Falte sind die Zellen niedriger — mit schmalem, wimperfreiem cuticularem Saume und basal gelegenen ovalen Kernen. Zwischen diesen in- differenten Zellen trifft man in den Papillen des Randes ab und zu ganz schmale Zellen, deren stabchenformige Kerne in die Sub- stanz der Papillen hineinreichen, also noch medialwarts von der basalen Grenze der indifferenten Zellen zu treffen sind. Das sind die Pinselzellen der Papillen und dies hier der einzige Ort, wo sie, wenigstens in meinen Praparaten von den Siphonen und dem Rande, in Schnitten erkennbar sind. Im Rande kommen an sekretorischen Elementen nur Mucindriisen vor. Sie finden sich ausschlieSlich proximalwarts 108 Dr. Bernhard Rawitz, der quer in den Branchialraum hineinsehenden Falte, kénnen somit schon als zum Mantel selber gehérig betrachtet werden. In den Papillen und in den Falten fehlen Driisen sowie amorphe Massen vollstandig. An Nerven, deren Verteilung in den Siphonen am deut- lichsten an Querschnitten erkannt wird, sind sowohl im Anal- wie im Branchialsipho sechs Stémme vorhanden, deren Lagerung in der Substanz bei den hier behandelten drei Arten ganz die gleiche ist, wie bei Psammobia. Infolge des Fehlens der Seitenlinien kommen natiirlich auch jene radiar durch die Siphonen gehenden Aste nicht vor. In den Siphopapillen verlaufen die von den Haupt- nerven stammenden Zweige, die zahlreiche multipolare Ganglien- zellen enthalten, in der Lingsachse, der Innenflache etwas ge- nahert. Sie gehen nicht bis in die Spitze hinein, sondern enden etwa an der Grenze zwischen dem distalen dritten und vierten Viertel der Papillen. In der Spitze finden sich nur Fibrillen, die zerstreut liegen und deren letzte Endigung nicht zu eruieren ist. Beziiglich der Muskulatur der Siphonen sei auf das bei Psammobia Gesagte verwiesen, da diese Verhaltnisse bei allen Tellinaceen die gleichen sind. IX. Myacea. (Fig. 39—53.) Untersucht wurden aus der Familie der Solenidae: Sole- curtus strigillatus L., Solen ensis L., Solen legumen L., Solen si- liqua L. und Solen vagina L.; aus der Familie der Anatinidae Lyonsia arenosa; aus der Familie der Mactridae Mactra stul- torum L. und Mactra helvacea Cuemn.; aus der Familie der M yidae endlich Mya arenaria L. Die letztere Muschel stammte aus der Kieler Bucht, die iibrigen Arten sammelte ich in Neapel. A. Allgemeines. Der Mantelrand von Solecurtus strigillatus L., welcher sich vom Mantel durch eine kammartige Falte deutlich absetzt, liegt an seiner Basis der Schaleninnenflache dicht an und ist hier sebr dick. Der Medianlinie zu entfernt er sich von der Schale, Der Mantelrand der Acephalen, 109 verschmiichtigt sich allmihlich und endet mit scharfem Kontur, In der oralen Halfte tiberdeckt er den sehr machtig entwickelten Fu’. In der aboralen Halfte, genau von der Mitte der Schalen ab, findet sich eine Verdickung, die mit der der gegeniiberliegen- den Seite verwichst, so eine Decke fiir die hier hegenden Kiemen bildend. Kurz yor dem hinteren Ende der Schalen schligt sich diese Decke nach unten und vorn um und geht in eine weite Rohre tiber, welche die Kiemenenden enthalt. Am distalen Ende der Réhre entspringen die vollstandig voneinander getrennten Siphonen, von welchen der ventrale linger und breiter ist und ein viel gréferes Lumen besitzt, als der dorsale. Sie heben sich turmartig von ihrer Ursprungsstatte ab. Die Farbe aller frei- liegenden Kérpergegenden ist ein schénes Rotbraun. In den Si- phonen finden sich Streifen, welche in deren Liingsachse verlaufen und vollig pigmentfrei sind; dieselben treten daher als weibe Linien, namentlich wenn das Tier die Siphonen weit ausgestreckt hat, sebr scharf hervor. Man kann Haupt- und Nebenstreifen unterscheiden. Die Hauptstreifen, die ziemlich breit sind, enden jeder in eine kurze kegelférmige Papille, die auf dem freien Ende der Siphonen steht; diese Papillen kontrahieren sich bei der Kon- servierung bis zur Unkenntlichkeit, selbst dann, wenn die Siphonen ziemlich ausgestreckt bleiben. Die Nebenstreifen, doppelt so zahl- reich und viel schmaler als die Hauptstreifen, gehen nie in eine Papille iiber. Der Atemsipho hat sechs Hauptstreifen und dem- gemil} ebensoviele Papillen; der Kloakensipho hat die doppelte Zahl von Hauptstreifen und Papillen. Es seien hier noch einige an den lebenden Exemplaren von Solecurtus zu beobachtende physiologische Erscheinungen er- wahnt. Beriihrt man vorsichtig mit einer Nadelspitze die Enden der Siphonen entfernt von der Stelle, wo die kurzen kegelférmigen Papillen sich finden, oder streicht man sanft mit der Nadel die gefarbten Partieen der Siphooberflaiche entlang, oder endlich be- rihrt man die Innenfliche der weit geédtfneten Siphonen: in allen Fallen erhilt man nur eine ganz minimale Reaktion. Erst dann wird dieselbe starker, wenn auch der ausgeibte Reiz ein groéferer wird, und zwar muf er so sehr verstarkt werden, daf er gerade- zu eine Verletzung hervorruft, um eine Retraktion der Siphonen auszulésen. Sehr viel leichter dagegen ist ein Erfolg zu erzielen, wenn man die farbfreien Hauptstreifen, welche in Papillen tber- gehen, reizt; hier werden unmittelbar auf den Insult die Siphonen 110 Dr. Bernhard Rawitz, eingezogen; Reizung vou den Nebenstreifen aus bleibt jedoch ef- gebnislos. Bei dieser Retraktion, die zugleich mit einer Ver- engerung des Lumen verbunden ist, bilden sich an den Siphonen ringformige Einschniirungen, so dal dieselben wie aus kleinen iibereinander gestellten Damensteinen zusammengesetzt erscheinen. Je intensiver der Reiz, um so schneller tritt die Kontraktion ein und um so tiefer werden die ringformigen Kinschniirungen, die in excessiven Fallen bis zur volligen Lostrennung eines oder einer mehr oder minder grofen Zahl eingeschniirter Partieen der Siphonen gehen kénnen. Es tritt hier also eine Art Selbstverstiimmelung des Tieres ein. Hat man das Tier in alkoholisiertem Seewasser langsam absterben lassen und bringt dasselbe dann in ein fixieren- des Reagens, so bilden sich gleichfalls zahlreiche ringformige Kin- schniirungen; bringt man das lebende Tier in ein Reagens, so wirft es die Siphonen unter Bildung von zahlreichen damenstein- artigen Fragmenten vollstindig ab. Bei der Konservierung so- wohl des betaiubten wie des frischen Tieres tritt noch die eigen- tiimliche Erscheinung auf, daf namentlich die distalsten ring- formigen Abschnitte der Siphonen oft wie édematés anschwellen, wihrend die proximalen gleichzeitig bis zur Unkenntlichkeit schrumpfen. Es ist daher nach meinen Erfahrungen unméglich, die Siphonen dieser Art in einer fir histiologische Untersuchungen, namentlich fiir Liingsschnitte, vollig geeigneten Weise zu konser- vieren. Die vorsichtige Beriihrung der Siphonen also blieb fast ohne Erfolg. Ganz anders aber werden die Erscheinungen, wenn man die die Kiemenenden bedeckende Partie priift. Hier geniigt schon eine leise Beriihrung mit der Nadelspitze, um eine ziemlich aus- giebige Runzelung der Oberflache hervorzurufen, und stirkerer Insult hat eine intensive Kontraktion der ganzen Gegend zur Folge. Auch am Mantelrande sind die Empfindlichkeitsverhaltnisse sehr interessant. Beriihrt man sehr vorsichtig dessen innersten scharfen Rand am gut ausgestreckten Tiere, so erfolgt eine starke und ausgedehnte Kontraktion. Geht man schalenwarts vor, so wird die Reaktion immer trager, bis sie von der Stelle ab, wo die Epicuticula entspringt, ganz ausbleibt. Sehr beachtenswert ist die Art und Weise, wie Solecurtus seinen miichtigen Fu8 gebraucht. Entweder benutzt das Tier ihn dazu, sich in den Sand einzugraben; dabei macht es mit dem- selben zuerst pendelartige Bewegungen, wodurch der Sand beiseite Der Mantelrand der Acephalen. 111 geschafft wird, und steckt ihn dann in die so gemachte Grube tief hinein, dadurch den ganzen Koérper senkend. Oder es bewegt ihn nach Art eines Fischschwanzes ein paarmal hin und her und schieSt dann, ihn plétzlich in die Hohe werfend, in weitem Satze durch das Wasser. Bei allen diesen Bewegungen, den grabenden wie den zum Sprunge vorbereitenden, liegt das Tier stets auf dem Riicken, die Ventralseite also nach oben kehrend. Der Mantel von Solen vagina ist ventralwirts in seiner ganzen Ausdehnung vollstindig verwachsen. Am vordersten Ende findet sich eine ovale Offnung, durch die der keilférmige Fu hin- durchgestreckt werden kann. Hier an dieser Stelle ist jederseits eine velumartige, nach innen gerichtete Duplikatur des Mantels vorhanden, die, wenn der Ful} ganz in die Schalen eingezogen ist, sich mit der der Gegenseite beriihrt und so den Branchialraum abschlieft. Ist der Fuf hervorgestreckt, so liegen diese Ver- langerungen ihm kappenartig an. Die velumartige Verliingerung endet mit scharfem Rande und ist ohne Papillen. Dagegen finden sich an der Stelle, wo am Riicken sich beide Verlangerungen ver- einigen, zwei lange peitschenschnurartig gewundene Tentakel. Die ganze ventrale Flaiche ist mit einer sehr dicken Epicuticula iiber- zogen, die eine braune, durchsichtige, wachsartig glinzende Haut darstellt. Die Siphonen, welche bis auf ihre freien Enden in ihrer ganzen Liinge miteinander verwachsen sind, tragen eine geringe Anzahl yerschieden groSer Papillen. Sie kénnen, und darin unter- scheidet sich diese Art von den noch zu erwahnenden S. siliqua und ensis, weit vorgestreckt werden. Kontrahieren sich die Siphonen, so treten, wie bei Solecurtus, ringformige Einschniirungen auf, die bei heftigen Bewegungen, wie sie auf starke Insulte folgen, bis zur villigen Abschniirung einzelner Stiicke fihren kénnen. Atem- und Kloakensipho, die sich turmartig von ihrer Ursprungsstiatte er- heben, sind duferlich durch eine in der Langsachse sowohl rechts wie links verlaufende Linie, welche dem Septum entspricht, von- einander abgegrenzt. In den Schnittpunkten der bei der Kon- traktion auftretenden ringfoérmigen Einschniirungen mit den die Grenzen beider Siphonen markierenden Linien findet man kleine, helle Stellen, die von dunkelbraunen Konturen eingesiumt sind. Dieselben haben etwa dreieckige Gestalt und kehren ihre Basis der Papillenregion, ihre Spitze dem Siphoursprunge zu. Dadurch daf diese Flecken in einer Reihe hintereinander liegen, entsteht eine Art unterbrochenen Liniensystems, das aber mit dem von 112 Dr. Bernhard Rawitz, Solecurtus beschriebenen darum nicht zu _ parallelisieren ist, weil diese Linien nicht zu den Papillen, denen sie an Zahl weit nachstehen, hinfiihren. Der Mantelrand und die Siphonen von Solen ensis und Solen siliqua, welche beide Arten einander vdllig gleichen, weichen in manchen Punkten ihrer auberen Konfiguration nicht unbedeutend von Solen vagina ab. Am vordersten Ende hat der Mantelrand, hierin dem von Solen vagina ahnelnd, einen velum- artigen Anhang, der nach innen hangt und mit dem der Gegen- seite bei eingezogenem Fue sich beriihrt, so einen Verschluf bildend. Am vordersten Teile des Riickens, da, wo diese Anhange miteinander verwachsen sind, finden sich, ebenfalls wie bei Solen vagina, zwei lange Tentakel. Der Mantel selber ist ventralwarts von vorn bis etwas tber die Mitte hinaus offen, so da’ der Ful sich hier herausstrecken kann. Am hintersten Teile der offenen Stelle, welche dem hinteren Ende der Mundlappen entspricht, findet sich jederseits eine einzige Reihe kegelférmiger Papillen. Von dieser Papillepregion aus nach hinten sind die Mantelhalften ventralwarts verwachsen; die Verwachsungsstelle macht sich als ein heller Streifen bemerklich. Der Rand geht dann iiber in die beiden kurzen und getrennten Siphonen, von denen der ventrale wesentlich starkere Wandungen und ein weiteres Lumen besitzt, als der dorsale. Dieselben sind mit Papillen von Kegelgestalt be- setzt, die um die Offnungen einen mehrreihigen Kranz bilden. Zu innerst stehen sie sehr dicht und sind zart und kurz, nach aufen zu nimmt ihre Zahl ab und gleichzeitig werden sie umfangreicher und langer. Die Papillen sind sowohl an ihren Basen wie an ihren Seiten braunlich pigmentiert; die seitlichen Pigmentstreifen, in jeder Papille zwei, sind so gestellt, da’ sie dem Lumen des Sipho zu- bezw. abgewendet sind. Von der Basis der zinnenartig vor- springenden Siphonen durch ein schmales Thal getrennt, findet sich eine vom Mantelrande stammende, der Schale dicht anlie- vende Falte, die mit einer einzigen Reihe sehr kurzer, nicht pig- mentierter Papillen besetzt ist. Die Epicuticula, welche die ven- trale Flache des Randes tiberzieht, hat dasselbe Aussehen, wie bei S. vagina. sei Solen legumen sind die Siphonen bis auf die Wurzel vuneinander getrennt und kénnen sehr weit hervorgestreckt werden, so daf sich diese Art dadurch von den tibrigen Soleniden deutlich unterscbeidet. Sie sind an ihren Miindungen von mehreren Reihen Der Mantelrand der Acephalen. 113 kegelférmiger, farbloser Papillen umkranzt. Es unterscheidet sich diese Art ferner von allen bisher betrachteten Siphoniaten, mit Ausnahme von Cyprina, welche zwei getrennte Siphonen haben, dadurch, daf der Analsipho viel weiter vorgestreckt werden kann, als der Branchialsipho, stimmt aber insofern mit ihnen iiberein, als letzterer ein weiteres Lumen besitzt als ersterer. Beide Mantel- halften sind ventralwarts in ihrer ganzen Ausdehnung miteinander verwachsen. Auf der dem Branchialraum zugekehrten Fliche der verwachsenen Partie finden sich zwei (jederseits der Medianlinie eine) schmale Falten, die hinten bis zur Siphowurzel reichen, nach vorn durch die ganze Lange des Randes sich erstrecken und an dem Schlitz fiir den Fuf enden. Am vordersten Ende nimlich tritt der Fuf aus dem Mantelraum heraus und hier ist eine ganz kurze Strecke weit der Mantel ventralwarts aufgeschlitzt. Der Rand ist an dem Schlitze mit sehr kurzen, kegelférmigen Papillen besetzt, die in einer Reihe angeordnet und ziemlich spirlich vorhanden sind. Die Epicuticula, welche die ventrale Flache iiberzieht, hat die gleiche Beschaffenheit, wie die von Solen siliqua und vagina. Die Siphonen von Lyonsia arenosa sind in ihrer ganzen Ausdehnung miteinander verwachsen und auf ihrer Aufenflache von der Epicuticula tiberzogen. Ihre Miindungen sind von mehreren Reihen von Papillen umsiiumt. Auch die Mantelrainder sind ven- tralwirts vollkommen yon vorn bis hinten verwachsen. Bei Mactra stultorum und helvacea, die einander bis auf kleine nebensachliche Differenzen vdéllig gleichen, sind die Mantelhalften ventralwarts nicht verwachsen, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung offen. Die Réinder sind mit der Epicuticula bedeckt; zieht man diese ab, so sieht man eine groBe Zahl kurzer, kegelférmiger Papillen in einer Reihe der Lange nach angeordnet, welche dem Mantelrande ein leicht gezalfmeltes Aussehen geben, Die Siphonen, an ihren Miindungen von kegelférmigen Papillen umstanden, sind vollsténdig miteinander verwachsen; die Epicuti- cula bedeckt ihre basalen Partieen. Uber Mya arenaria ist folgendes anzumerken. Der Mantel ist ventralwarts in der ganzen Ausdehnuug verwachsen, nur am vordersten Kérperende findet sich ein laingsovaler Schlitz, durch welchen der Fuf hindurchtritt (cfr. auch Meyer und Méstus 30). Bd, XXVII. N. F. XX. 8 114 Dr. Bernhard Rawitz, Nach hinten ist der Mantel in zwei sehr grofe Siphonen ausge- zogen, die in ihrer ganzen Lange miteinander verwachsen sind. Beide sind also gleich lang, der Atemsipho aber hat ein weiteres Lumen als der Kloakensipho. Beider Offnungen sind von zwei Reihen kegelférmiger Papillen umstanden, von denen die der in- neren Reihe kurz und diinn, die der 4ueren langer und dick sind. Die Siphonen sind von einer Epicuticula tiberzogen, die sehr dick und von dunkelbrauner Farbe ist. Sie ist im allgemeinen weich und sehr weit, so daf sie sich bei Kontraktion der Siphonen in dicke Falten legt. Zieht man die Epicuticula von ihrer Unterlage ab, so erkennt man, da die Siphonen in ihrer basalen Halfte nur wenig oder gar nicht pigmentiert sind, in ihrer distalen Halfte dagegen fast schwarz erscheinen. Die Papillen lassen bei makro- skopischer Betrachtung eine Pigmentierung nicht erkennen. Schneidet man die Siphonen der Lange nach auf, so ist diejenige Partie der Innenflache derselben, welche an die Papillarregion dicht angrenzt, sehr intensiv pigmentiert; mehr proximalwarts wird die Pigmen- tierung schwacher und erscheint nur noch in Form von zarten dunklen Streifen. Im basalen Viertel fehlt sie, ganz wie aufen, iiberhaupt. Die Epicuticula der Siphonen setzt sich kontinuierlich auf die 4ufere Flache des Randes fort, ist hier aber diinn und von schmutziggrauer Farbe. Der Fufschlitz ist von der Epicuti- cula nicht iiberdacht. Zieht man sie vom Rande ab, so erscheint derselbe vollkommen farblos in seiner ganzen Ausdehnung. Man findet auf ihm beiderseits der Medianlinie je eine Falte, die kamm- artig vorspringend bis nach vorn zieht und am Fulschlitze dicht dem inneren leicht gefranzten Rande desselben anliegt. Der Rand grenzt sich nach aufen gegen den Mantel ab durch eine scharfe, weifliche Linie, welche am Fufschlitze zu einer deutlich hervor- springenden Falte anwachst. Hat man den Rand in der Median- linie aufgeschnitten, so erscheint seine Innenfliche ganz glatt und ohne besondere Differenzierungen. Nur am Fufschlitze ist auf der Innenfliche eine Bildung zu treffen, welche dem von Cardium edule her bekannten weiflichen Fleck auf der Innenflache der vor- deren Mantelpartie ahnelt. Man sieht hier naimlich einen linsen- formigen, leicht gelblichen Fleck, dessen Oberfliche im konser- vierten Objekte quergerunzelt (quer zur Lingsachse des Tieres) erscheint. Der Fleck, der keine wulstférmige Verdickung der Innenwand bedingt, denn er ragt gar nicht oder doch nur in ganz geringem Mafe iiber das Niveau seiner Umgebung hervor, hat Der Mantelrand der Acephalen. 115 dieselbe Ausdehnung wie der Schlitz. Sein vorderes Ende ist konvex abgerundet, sein hinteres Ende ein wenig spitz ausgezogen. Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung der Inner- vation der uns hier interessierenden Partieen. Bei Solecurtus strigil- latus sendet das Visceral- ganglion von seiner vorderen Flache nach yorn ab die beiden Konnektive, wahrend von den vorderen Winkeln in einem nach vorn konvexen Bogen die Kie- mennerven entspringen. Nach hinten, von der hinteren Flache, dicht an der Medianlinie ent- springend, entfernen sich zwei diinne Nervenastchen, die sich im Muskel und vielleicht auch (etwas Definitives habe ich nicht feststellen kénnen) in der Afterpapille verzweigen. Von den hintern Winkeln des Gang- lion entspringt jederseits ein machtiger Nervenstamm, wel- te et & . = . : Schematische Darstellung des cher die Fasern fiir die Sipho- Centralnervensystems von nen und den Mantelrand ent- Solecurtus strigillatus. E i C. Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceralgan- halt. Derselbe verlauft zu- glion; ndr. Kiemennery ; com. Commissur ; nachst schrag nach hinten auBen ””- Muskelnerven ; _npp. nervus pallialis fh : 5 ; posterior; usd. Ast fiir den dorsalen Sipho ; und giebt hierbei von seiner 75, Aste fiir den Branchialsipho; np Man- Innenflache einen Ast ab, wel- telnerv. cher in den dorsalen Sipho tritt. Kurz nach Abgang dieser Ner- ven biegt der Hauptstamm in leichtem Bogen direkt nach aufen um und zerfallt schlieZlich in drei Endaste, von denen der innere und mittlere sich nach hinten wenden und den Atemsipho inner- vieren, wahrend der aufere Endast in kurzem, scharfem Bogen nach vorn geht und, im Mantelrande verlaufend, diesen und den Mantel versorgt. Diese drei Aste sind ziemlich starke Nerven. Von den durch eine Commissur verbundenen Cerebralganglien gehen ab nach hinten die Konnektive und nach vorn jeder- seits ein sehr zarter Nerv, der jedenfalls den vorderen Schlieb- muskel versorgt und zum Mantel umbiegt. Bei den grofen g* 116 Dr. Bernhard Rawitz, Schwierigkeiten, welche durch die ungemeine Kontraktilitat der betreffenden Partieen fiir die Praparation vorhanden sind, habe ich tiber das endliche Schicksal dieser Nerven nichts feststellen kénnen. Bei Solen siliqua — von den iibrigen untersuchten Soleniden habe ich das Nervensystem nicht prapa- riert — sind die Verhaltnisse fol- gende: Das Visceralganglion, das, wie Duvernoy (10; XXIV Mono- graphie) ganz richtig angiebt, im Verhaltnis zur GréSe des Tieres relativ klein ist, sendet von seiner vorderen Flache nach vorn die bei- den Cerebrovisceralkonnektive, nach den Seiten von den vorderen Win- keln die beiden Kiemennerven. Nach hinten gehen aus den hinteren Win- keln zwei starke Nerven, jederseits der Medianlinie einer, in schrager Richtung ab, welche die Fasern fiir den hinteren SchlieSmuskel, die Siphonen und den Mantelrand ent- halten. Dicht hinter der Afterpa- pille entspringen von der Innenseite des Hauptstammes drei bis vier Nerven kurz nacheinander, von Fig. III. Schematische Darstellung i i desCentralnervensystems denen der am meisten proximal ge- von Solen siliqua. D . 3 C. Cerebral, P. Pedal., V. Vis- legene im Muskel sich verzweigt, ceralganglion; com. Commissur ; wihrend die ubrigen zum Analsipho nbr. Kiemennerv; mpp. nervus pal- yiehen und hier dessen proximale lialis posterior; mpa. nervus palli- 4 : ® a alis anterior; mm. Muskelnerven; ZWei Drittel innervieren. Meistens nsd. Dorsalsiphonerven; nsb. Bran- zwischen dem zweiten und dritten chialsiphonerven; mp. Mantelnerv ; 4 y J nv. Velumnerven; J, J, II, 7V seltener zwischen dem dritten und piper, vierten dieser Nerven entspringt von der AufSenseite des Hauptstammes ein zarter Ast, welcher im Bogen nach vorn biegt und bis zu der Stelle des Mantels zu ver- folgen ist, an der sich die friiher beschriebenen kurzen, den Mund- lappen gegeniiberliegenden Papillen befinden. Er verliuft an der Grenze zwischen Mantel und Mantelrand. Kurz nach dem Ab- gange des letzten der vorhin erwahnten, von der Innenseite des Der Mantelrand der Acephalen. 117 Hauptstammes sich abzweigenden Nerven zerfallt der Hauptstamm selber dichotomisch in zwei Endaste. Der innere derselben, wel- cher zugleich der schwiichere ist, geht in den Analsipho hinein und versorgt dessen distales Drittel. Der aufere stirkere End- ast teilt sich noch einmal in zwei Zweige, von denen der innere sich im branchialen Sipho verliert, wahrend der aufere derselben nur zum kleineren Teil Fasern fiir die Papillen des Atemsipho fiihrt, zum gréBeren Teile die hintersten Mantelpartieen versorgt, sich dabei nach vorn wendend. Duvernoy (10; p. 144), von dessen Beschreibung die meinige bedeutend abweicht — die Ab- weichungen hier naiher zu erértern, liegt nicht im Plane der Ab- handlung —, giebt an, daf derjenige der von ihm gefundenen Nerven, welcher sich im Analsipho verzweigen soll, einen kleinen, arkadenférmig gebogenen Ast zur Kommunikation mit dem Bran- chialsiphonerven entsendet. Weder diese Angabe noch jene an- dere, wonach sich der die hinterste Mantelpartie versorgende Zweig mit dem vorhin erwihnten, im Mantel verlaufenden Nerven vereinigen soll, vermag ich zu bestitigen, wie ich denn iiberhaupt die vielfachen Plexusbildungen, die Duvernoy hier beschreibt und zeichnet, trotz gréf&ter Aufmerksamkeit nicht habe wieder- finden kénnen. Von den durch die Commissur verbundenen Cerebralganglion gehen ab nach hinten die Konnektive zum Visceralganglion und zum Pedalganglion. Nach vorn kommt aus ihnen, aufer einem zarten Nerven fiir den vorderen Muskel, jederseits ein Nerv, der in weitem Bogen sich nach hinten umschliagt und sich mit dem vom Visceralganglion stammenden Nerven im Mantel vereinigt. Auf diesem Wege giebt der Nerv kurz vor seiner Umbiegung zwei zarte Aste ab, die zum velumartigen Anhange des Mantels sich begeben. Weiter nach hinten, jenseits der Umbiegung kommt aus dem Nerven, der an dieser Stelle eine leichte Kinknickung zeigt, ein zarter Ast, der sich bald dichotomisch teilt und zu den vordersten Mantelpartieen sich begiebt. Duvernoy beschreibt in der XIX. Monographie seines be- riihmten Werkes das Nervensystem von Mactra semistriata und fiihrt dabei aus, daf dasselbe sehr grofe Ubereinstimmung mit dem von Cytherea complanata zeige. Ich kann dies fiir das Nerven- system von Mactra stultorum bestatigen. Dasselbe gleicht in allen Hauptsachen in seiner Konfiguration dem der Veneriden ; da es ferner in nichts von dem der Mactra semistriata abweicht, 118 Dr. Bernhard Rawitz, so kann ich hinsichtlich dieser Art einfach auf die DuveRrNoy- sche Auseinandersetzung hinweisen. Anders liegt die Sache bei Mya arenaria. Die Ergebnisse, die ich hinsichtlich der Nervenverteilung in Mantel und Siphonen bei dieser Art durch Praparation erhielt, weichen nicht unbetracht- lich von denen ab, die DuvERNoy in der XX. Monographie von der gleichen Species schildert. Das Visceralganglion ist in seiner vorderen Partie in zwei konische Fortsatze ausgezogen, welche in die beiden Cere- brovisceralkonnektive tibergehen. Seitlich von denselben, mehr von der ventralen Flache des Ganglion, kommen die Kiemennerven her- vor, welche zunachst eine ziem- liche Strecke weit schrag nach auBen und vorn verlaufen, da- durch mit den Konnektiven einen spitzen Winkel bildend, und erst spater im Bogen sich zu den Kiemen wenden. Dicht am Ur- sprunge der Kiemennerven gehen aus denselben nacheinander zwei feine Fasern hervor, die nach in- nen konvergierend sich bald ver- einigen; der aus der Vereinigung if } ns@ vA ea > Fig. IV. Schematische Darstellung des Centralnervensystems von Mya arenaria. C. Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceral- ganglion; com. Commissur; nbr. Kie- mennerv ; 7c. nervi communicantes zum Konnektiv; mm. Muskelnerven; pp. nervus pallialis posterior ; npa. nervus pallialis anterior; nsd. Analsiphonerv; ms. Septalnerv; sb. Branchialsipho- nerv; mpi. innerer, npe. diuferer Man- entstandene Nery geht dann in das Konnektiv tiber. Nach hin- ten von den _ Branchialnerven kommt jederseits ein Nerv aus der Seitenwand des Ganglion mit doppelter Wurzel hervor, der sich im Muskel verliert. Das Visceral- ganglion setzt sich dann nach felner ya fleck, hinten in zwei breite divergierende Nervenstamme fort, welche Siphonen und Mantel versorgen. Dicht hinter dem hinteren Ende des Muskels entspringt von der Innen- flache eines jeden Stammes ein Nerv, der sich bald in drei Aste spaltet. Dieselben verzweigen sich im Analsipho, der somit sechs Der Mantelrand der Acephalen. 119 Hauptnerven enthalt. Weiter abwarts geht dann von der Innen- seite des Hauptstammes ein Nerv ab, der in das Septum tritt; dieses hat also zwei Nerven. Weiter entspringen dann ebenfalls von der Innenseite des Hauptstammes dicht nebeneinander vier Nerven, welche den Branchialsipho, der also acht Hauptnerven besitzt, innervieren. Beide Siphonen und das Septum haben so- nach 16 Nerven. Der schmale Rest des Stammes geht in den Mantelrand bogenférmig hinein und verlauft hier als auSerer Mantelnerv in dessen Substanz nach vorn. Zwischen dem Nerven fiir den dorsalen Sipho und dem fiir das Septum entspringt auf der AuBenflaiche des Hauptstammes ein zarter Ast, der zundchst parallel zum Hauptstamm, dann parallel zum au8eren als innerer Mantelnerv bogenférmig nach vorn sich begiebt, an der Grenze zwischen Rand und Mantel verlaufend. Kommunikationen zwi- schen diesen Mantelnerven habe ich durch Praparation nicht nach- weisen k6énnen. Von den durch eine Kommissur verbundenen Cerebralganglien gehen ab nach hinten die Konnektive. Von der vorderen Flache entspringen jederseits zwei Nerven; der innere zarte Ast ist fir den vorderen SchlieSmuskel bestimmt, der dufere Ast geht in steilem Bogen nach hinten, tritt in den Mantel ein und teilt sich hier in zwei nach hinten verlaufende Zweige; der auBere Zweig vereinigt sich mit dem auBeren, der innere mit dem inneren der beiden aus dem Visceralganglion stammenden Nerven; jener ver- lauft in der Substanz des Randes, dieser in der Grenze zwischen Rand und Mantel. Zwischen den beiden Nerven ist der friiher beschriebene, am Fufschlitze sich findende gelbliche Fleck gelegen. B. Spezielle Beschreibung. Wie die auSere Konfiguration der Siphonen und des Mantels bei den von mir untersuchten Arten dieser Ordnung eine sehr verschiedene ist, so ist dies auch hinsichtlich des feineren Baues der Fall; es miissen daher die einzelnen Arten gesondert behan- delt werden. Solecurtus strigillatus. Die folgenden die Siphonen betreffenden Details sind, da aus den in der allgemeinen Beschrei- bung entwickelten Griinden Material, das zu Langsschnitten sich eignete, nicht zu erhalten war, ausschlieSlich an Querschnitten gewonnen. 120 Dr. Bernhard Rawitz, Betrachtet man den Querschnitt des Atemsipho mit sehr schwachen Linsen, so erhalt man folgendes Bild (Fig. 39). Der Sipho erscheint infolge seiner auferordentlich starken Kontraktion als eine kompakte Masse, die in der Mitte eine feine Offnung, das Lumen, enthalt. Dieses Lumen ist nicht kreisrund, sondern un- regelmaBig sternformig gezackt. Man erkennt sieben Strahlen, welche sich an ihren gegen die Siphosubstanz gekehrten Spitzen meistens gabelig spalten. Diese Formation ist dadurch entstanden, daf der epitheliale Belag der Innenflache und die zu demselben gehérige Muskulatur sich bei der Konservierung in hohe und nie- drige Falten gelegt hat, derart, da zwischen einer hohen fast immer eine niedrige, im Schnitte als Zotte erscheinende Falte sich findet (Fig. 39). Das ganze Bild erinnert lebhaft an die Quer- schnittsbilder, die man vom Darme kleiner Vertebraten erhalt. In den Zotten liegen Driisen, welche infolge ihrer Massenhaftigkeit und ihres spater noch zu schildernden tinktorialen Verhaltens selbst bei so schwacher Vergréferung, wie sie Zei8B a* liefert, deutlich sichtbar sind (Fig. 39 md). Dabei hat es den Anschein, als ob die Driisen nur in den hohen Zotten vorkommen, in den niedrigen aber fehlen. Die AufSenflache zeigt, im Gegensatze zur inneren, eine gleichmafige, kreisférmige Begrenzung, eine irgend- wie erhebliche Zottenbildung fehlt. Hier finden sich, ganz wie innen, zahlreiche Driisen vor (Fig. 39 md). Das Bild, das der Analsipho im Querschnitte darbietet, weicht insofern von dem des Branchialsipho ab, als der Umfang ein viel geringerer ist, die Zotten, welche gegen das Lumen vor- springen, dagegen sehr viel zahlreicher sind. Hinsichtlich der feineren, nur bei Anwendung starker Linsensysteme erkennbaren Details gleichen beide Siphonen einander véllig. Das Epithel der Sipho-Aufenflache besteht aus Cylinder- zellen von 10,8 4 Hohe, die einen hellen cuticularen Saum von 3,6 w besitzen. Wimpern kommen auf demselben nicht vor; Kérn- chenbrei als Andeutung zerstérter Sinnesborsten ist nur spurweise auf dem Saume zu finden. Die indifferenten Epithelzellen, deren basale wurzelférmige Ausfaserung, die man sonst nur in Mace- rationspraparaten zu sehen bekommt, auch im Schnitte sehr deut- lich erkennbar ist, sind 3,6 wu breit. Ihre Kerne sind basal gelegen und kreisrund oder oval; der Langsdurchmesser der letzteren be- tragt 15,4, der Breitendurchmesser entspricht dem der Zellen. Die Epithelzellen sind hier, wie auch in den itibrigen noch zu be- schreibenden Partieen pigmentfrei. Die schéne rotbraune Farbung Der Mantelrand der Acephalen. 121 der frei liegenden Ké6rperteile des lebenden Tieres ist im konser- vierten Objekte nicht mehr zu sehen, der Farbstoff ist durch den zur Aufbewahrung verwendeten Alkohol vollig ausgezogen worden. Zwischen den indifferenten findet man sehr sparlich ganz schmale Zellen liegen, deren stabchenformige, intensiv gefarbte Kerne tiefer in die Substanz des Sipho sich hinein erstrecken, als die basale Ausfaserung der anderen Zellen reicht. Zuweilen kann man einen feinen Faden an die Basen dieser schmalen Zellen herantreten sehen. Es sind dies offenbar die Pinselzellen der Sipho-Aufenflache. Die makroskopische Betrachtung hatte gelehrt, daf an der Aufienwand der Siphonen helle Streifen vorhanden sind. Diesen Streifen entsprechen im mikroskopischen Schnitte ganz bestimmte Bildungen (Fig. 40 so). An zahlreichen Stellen senkt sich das Epithel tief ein, ungefahr 108 «, und es erheben sich hier vom Grunde papillenahnliche Gebilde, welche niemals tiber das Niveau des Epitheis der Aufenfliche hervorragen, sondern stets tief in der Bucht bleiben (Fig. 40). Dieselben sind an der Basis etwa 40 w, an ihrer breitesten Stelle circa 66 « breit. Thr epithelialer Belag besteht an den Seitenflachen aus gewoéhnlichen indifferenten, an der freien Flache ausschlieSlich aus Pinselzellen (Fig. 40 sz), welche durch ihr vorhin beschriebenes Aussehen und durch reich- lichen, auf ihrem freien Saume lagernden K6rnchenbrei sich scharf von den indifferenten unterscheiden (Fig. 40 hk). Man sieht ganz deutlich zu allen diesen papillenahnlichen Bildungen Muskeln und Nervenfasern radiir durch die Siphosubstanz ziehen (Fig. 40 7). In der Nahe der Basen der Pinselzellen finden sich im subepi- thelialen Gewebe zahlreiche vielstrahlige Zellen mit grofen, blaschen- formigen Kernen. Dieselben sind Ganglienzellen (Fig. 40 gz), wie daraus hervorgeht, daf die Nervenfasern erst durch ihre Vermit- telung in die Sinneszellen eintreten. Es diirfte wohl keinem Zweifel unterliegen, daf die Art und Weise, wie sich die am lebenden Tiere zu beobachtenden hellen Streifen im Schnitte prasentieren, auf die durch die Konservierung bedingte Schrumpfung zuriickzufiihren, also als ein Kunstprodukt zu betrachten ist. Die Papillen wiirden, falls sie in vivo in dieser Form yorkimen, in ihrer Gesamtheit Bildungen darstellen, etwa wie bei Psammobia vespertina, welche Species bekanntlich aufere Rippen — Seitenlinien — an ihren Siphonen besitzt. Solche Erhebungen kommen aber bei dem leben- den Solecurtus nicht vor, die farbfreien Streifen iiberragen nicht im geringsten die Aufenflache, die papillenartigen Gebilde sind also nicht der Ausdruck thatsichlicher Verhaltnisse. Andererseits 122 Dr. Bernhard Rawitz, aber diinkt mich durch das am lebenden Tiere Beobachtete wie durch die Erkenntnis des ausschlieSlichen Vorkommens von Pinsel- zellen auf der Héhe der sogenannten Papillen — und diese Héhe allein entspricht den Streifen — véllig sichergestellt, da’ die farb- freien Seitenstreifen der Sipho-AufSenflache der hauptsachliche Sitz der Sensibilitat sind; dieselben wiirden darnach in Analogie mit den Rippen der Siphonen von Psammobia zu bringen, also als Seitenlinien zu betrachten sein. Wie aus den friiher mitgeteilten Beobachtungen hervorgeht, kénnen nur die von mir sogenannten , Hauptstreifen“ Sitz dieser Bildungen sein. Ich wende mich zu den Drtisen der AufSenflache (Fig. 41). Aus den tinktorialen Reaktionen derselben ergiebt sich, da8 wir es hier mit Mucindriisen zu thun haben. Die Driisen- region reicht von der Basis des Epithels ab etwa 0,3 mm tief in die Substanz des Sipho hinein. Die einzelnen Driisen sind sehr lange, schmale Gebilde, welche durch interepitheliale Liicken nach aufen miinden. Sie sind deutlich mehrzellig und zeigen bei An- wendung starkerer Linsen eine hochst. zierliche Zeichnung (Fig. 41 md). Die Grundsubstanz ist z. B. in Hamatoxylin blaf- blau gefiirbt und beherbergt ein Netzwerk, das aus zarten, inten- siv dunkelblau tingierten Strangen geflochten ist. Sind die Maschen des Netzes weit, so ist die Farbung der Driisen in Hamatoxylin eine hellblaue; je enger sie werden, um se intensiver wird auch die Farbung. In den Seitenstreifen und deren nachster Umgebung, also in den papillenartigen Bildungen, kommen Driisen nicht vor. Die Innenflaiche der Siphonen zeigt, wie bereits erwahnt, hohe und niedrige Zotten, von denen die letzteren in den tiefen Buchten zwischen den ersteren sich finden und von denselben auch dadurch unterschieden sind, daf sie entweder gar keine oder nur spirliche Driisen besitzen, welche, wie spater noch zu zeigen sein wird, von den in den hohen Zotten vorkommenden nicht unwesent- lich in ihrem Aussehen differieren. Das Epithel ist auf der Hohe der grofen Zotten nur schwer zu erkennen, weil das Sekret der in ihnen sich findenden Driisen teils in Form kompakter Massen, teils in Gestalt von Strangen die Zellen fast verdeckt (Fig. 42 md‘). An den Seiten der grofen und auf den kleinen Zotten besteht das Epithel aus cylindrischen, 18 u hohen, 2,7 « breiten Zellen, die einen zarten cuticularen Saum haben und wimperfrei sind. Die Kerne sind basal gelegen und kreisrund, ihr Durchmesser ent- spricht der Breite der Zellen. Zwischen ihnen kommen ganz aufer- ordentlich selten Pinselzellen vor, die durch ihre schmale Gestalt Der Mantelrand der Acephalen. 123 — sie sind héchstens halb so breit wie die indifferenten — und ihre stabchenformigen, intensiv gefairbten und etwa 12,6 w langen Kerne kenntlich sind. Die Driisen der Innenfliche sind, wie die der Aufenflache, Mucindrisen, erkennbar als solche durch ihr genugsam geschildertes Verhalten gegen Farbstoffe (Fig. 42 md). In den grofen Zotten trifft man sie in zwei Lagen an, von denen die innere dicht am Epithel zwischen den Fasern eines hier gelegenen Constrictor- biindels zu finden ist, wahrend die aufere jenseits dieses Muskels und auch jenseits einer Lage von Retractorfasern in der Substanz des Sipho gelegen ist. Beide Driisenlagen bestehen aus schlauch- oder flaschenférmigen, mehrzelligen Driisen, welche ohne Inter- kurrenz von Becherzellen — solche kommen nirgends bei Solecurtus vor — durch oft sehr weite interepitheliale Liicken miinden. Sie lassen, wie die Driisen der Aufenfliche, eine zierliche netzformige Zeichnung erkennen; da das Netz allenthalben in den Driisen der grofen Zotten ein sehr weites ist, so ist deren Farbung sehr viel blasser, als die der Driisen der Aufenfliche. Die in den kleinen Zotten vorkommenden Driisen sind kleine, einzellige, intensiv gefarbte Mucindriisen, die nicht, wie die der grofen Zotten, in grofen Massen zusammenliegen, sondern nur ein- zeln und in nur sehr geringer Zahl in den Zotten zu treffen sind. Auch sie miinden in interepithelialen Liicken. Die Muskulatur der Siphonen besteht aus Retractor-, Con- strictor- und Compressorbiindeln (Fig. 39); die Lagerung der ein- zelnen Muskelgruppen von aufen nach innen ist folgende. Unter dem Epithel der Au8enfliiche findet sich zunachst die Driisen- schicht, auf welche nach innen zu eine machtige Lage auf dem Querschnitte langsgetroffener, ringférmig durch den Sipho ziehen- der, also zum Constrictor gehériger Muskeln folgt. Dann kommt nach innen die Hauptmasse des Retractor. Dieselbe ist durch Bindegewebsscheiden und Compressorbiindel in ovale Gruppen zerlegt, deren Langsachse in der Richtung von innen nach aufen geht. Auf diese Retractormassen folgt wiederum eine Constrictor- schicht und dann zu innerst die Fasern, welche der Zottenregion angehéren. Zunichst findet sich eine Retractorschicht, die an der vorhin erwahnten Constrictorpartie von ziemlich dicht stehenden Biindeln gebildet wird, welche nach innen zu sparlicher werden und in Compressorfasern tbergehen. Dicht unter dem Epithel der Innenflache liegt wiederum ein Constrictorbiindel. Die letzten Endigungen der Nerven sind im Schnitte nicht 124 Dr. Bernhard Rawitz, zu erkennen. Die makroskopische Praparation hatte fiir den Atemsipho in summa vier, fiir den Kloakensipho in summa zwei Hauptstamme kennen gelehrt. Diese zerfallen in ihrem Verlaufe weiter in Zweige, so daf man in den Querschnitten durch den Sipho sechs bis acht und mehr Nerven antrifft (Fig. 39 7). Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Bei An- wendung sehr schwacher Linsen (Zeif a*) erkennt man als héchsten Punkt des Randes eine Falte, die auf dem Schnitte von konischer Gestalt ist (Fig. 43). Die Aufenfliche derselben ist stark gewellt und geht kontinuierlich in die AuSenflaiche des Man- tels iiber. Bei diesem Ubergange findet sich die Ursprungsstiitte der Epicuticula, deren distalster Punkt genau der inneren Basis der Falte gegeniiber gelegen ist (Fig. 43 cw). Nach innen senkt sich die Aufenfalte mit ziemlich glatter Oberflaiche tief ein und aus der Bucht geht nach innen zu die Innenfalte hervor. Die- selbe ist auf dem Schnitte sehr breit, fast halbkugelig gewo6lbt und setzt sich nach innen in einen Wulst fort, der auf dem Fube des Tieres aufliegt und eine riesige Mucindriise darstellt (Fig. 43 md). Die letztere Bezeichnung ergiebt sich aus dem tinkto- rialen Verhalten. Man kann an dem Mucinwulste zwei Schichten unterscheiden, eine schmale, auSerordentlich intensiv gefarbte, welche dem Epithel angehért, und eine breite, etwas weniger stark tingierte, welche nach der Substanz des Randes zu gelegen ist (Fig. 43 md). Bei Anwendung starkerer Linsensysteme er- kennt man folgende Einzelheiten. Das Epithel der Au8enfalte und das der Innenfalte bis zum Wulste besteht aus hohen Cylin- derzellen, die einen breiten cuticularen Saum ohne Wimperbesatz haben. Basalwarts ist das Epithel scharf abgegrenzt, so daf die wurzelférmige Ausfaserung der indifferenten Zellen hier nicht zu sehen ist. Die Kerne der Epithelzellen sind langlich oval und liegen fast dicht an der Basis. Die Hohe der indifferenten Zellen betragt 22 «, der cuticulare Saum mit 3,6 uw, die Breite, wel- cher der kleine Durchmesser der Kerne entspricht, ist 5,4 uw; der srofe Durchmesser der Kerne schwankt zwischen 7,2—9 uw. Die Sinneszellen lassen sich auch hier deutlich erkennen als Gebilde, die kaum halb so breit sind, wie die indifferenten, und intensiv gefirbte, stibchenformige Kerne besitzen. Das Epithel der AufSen- flache ist an der Epicuticulabildung beteiligt; von demselben sei nur erwihnt, daf es im Gegensatze zu dem Epithel der tibrigen Partieen, welches die zur Tinktion verwendeten Stoffe in geringem Grade angenommen hat, sich gar nicht farbt. Der Maitelrand der Acephalen, 125 In der AuSenfalte und in demjenigen Teile der Innenfalte, welcher nicht zum Mucinwulste gehdért, finden sich in ganz ge- ringer Zahl einzellige Mucindritisen vor. Die Epithelzellen des Mucinwulstes, welche nur an weni- gen Stellen gut zu erkennen sind, weil sie meistens von dem ausgetretenen und intensiv gefiirbten Sekrete bedeckt werden, un- terscheiden sich yon denen der Falte auf das schirfste dadurch, daf sie Wimperhaare tragen. Die Mucinmassen miinden in Liicken zwischen diesen Zellen und haben dabei dieselben, besonders deren basale Abschnitte, ganz schmal gepreft. Die Wimperzellen ge- winnen dadurch das Aussehen von Dreiecken, deren Basis nach der freien Seite, deren Spitze nach den Sekretmassen zu gerichtet ist und deren Rainder konkay eingebogen sind. Dadurch erschei- nen die von den Sekretmassen eingenommenen Intercellularliicken becherférmig gestaltet. Man hat es aber nicht mit Becherzellen zu thun, denn das Kriterium der Zelle, der Kern, ist in diesen Liicken nicht vorhanden. An Hohe stimmen die Wimperzellen iiberein mit den wimperlosen der Falten; ihre Kerne liegen teils basal — bei den weniger komprimierten —, teils central — bei den stark komprimierten. Die Mucinmassen erfiillen prall die Maschen des Bindegewebes, welche in der Richtung von innen nach auSen oval gestaltet sind. Diese Maschen kommunizieren untereinander und darum kann man diesen Wulst als eine einzige Mucindriise betrachten, welche keinen differenzierten Ausfiihrungs- gang besitzt, sondern das von ihr bereitete Sekret allenthalben auf ihrer freien Flaiche nach aufen treten laBt. Die Massen be- stehen nicht aus Tropfen, sondern erscheinen ganz homogen. In ihnen kann man vielfach die kleinen runden Kerne der FLEMMING- schen Bindesubstanzzellen erkennen, welch letztere offenbar die Mucinmassen produzieren; die Kerne des Bindegewebes sind oval. Die Bindesubstanz des Mantelrandes, soweit sie nicht an der Produktion der Mucinmassen beteiligt ist, hat das gew6hn- liche Aussehen, wie man es im Mantelrande der Acephalen findet; sie ist also eine spongiése Substanz, die aus bald zu engen, bald zu weiten Maschen verflochtenen kernhaltigen Fibrillen besteht. In den Maschen liegen die Fremmine’schen Zellen. An der Grenze des Epithels, da wo dieses im Bindegewebe wurzelt, er- leidet letzteres in seiner Struktur eine Abiénderung, die sich am Epithel der Falten von der am Epithel der Epicuticularegion wahrnehmbaren unterscheidet. Unter dem Epicuticulaepithel findet man ein sehr enges, aber deutliches Netz durcheinander gefloch- 126 _ Dr. Bernhard Rawitz, tener Fibrillen und Fibrillenbiindel, deren ovale Kerne gut zt erkennen sind. Am Faltenepithel dagegen flechten sich die Fi- brillen so eng und dicht durcheinander, dali die Bindesubstanz, also das subepitheliale Gewebe, in welchem die Kpithelzellen wur- zeln, fast homogen ezscheint. Es sei schlieBlich noch die ventrale die Kiemenenden be- deckende Fliche erwahnt. Die aufere Seite derselben hat einen epithelialen Belag, der, stark mit Sinneszellen durchsetzt, sich in zahlreiche Falten gelegt hat, im itibrigen aber dem epithelialen Belage der Falten gleicht. Es kommen hier sehr sparlich Mucin- driisen vor. An der dem Branchialraume zugekehrten Seite sind die Epithelzellen mit langen Wimpern versehen und es finden sich sehr reichlich mehrzellige Mucindriisen, welche in interepithelialen Liicken minden. Solen vagina. Die Epithelzellen der Siphopapillen erscheinen in Schnittpraparaten von regelmafig cylindrischer Ge- stalt mit breitem, wimperfreiem cuticularem Saume; ihre Hohe betrigt 18 wu, ihre Breite 3,6 uw, der Saum mift 35 uw. Die Kerne sind oval oder kreisrund und liegen der Basis dicht an. Zwischen ihnen findet man zahlreiche schmale Zellen mit langen, stabchen- férmigen und sehr intensiv gefarbten Kernen; es sind das die Sinneszellen. Driisen kommen in den Papillen nicht vor, wohl aber finden sich amorphe Sekretmassen, die in Orange-Hima- toxylin einen schwach gelben, in Bismarckbraun einen gelbbraunen Farbenton angenommen haben. Diese Massen sind nur spiirlich entwickelt und sind kenntlich als ein schmaler Zug kleiner Tro- pfen, welche dicht aneinander stehen, in nur geringer Ausdeh- nung in den Maschen des Bindegewebes liegen und von der Spitze bis zur Grenze des distalen und mittleren Drittels der Papillen in der Medianlinie dahinziehen. Sie miinden durch interepitheliale Liicken, in ihnen sieht man sparlich geschrumpft erscheinende Kerne legen. Die Innenflaiche der Siphonen zeigt fulgendes Detail. Das Epithel hat sich zu zahlreichen, kleinen uud flachen Zotten grup- piert; seine meist konischen Zellen sind 12,6 uw hoch und 2 u breit. Die Kerne, welche basal gelegen sind, sind kreisrund; ihr Durchmesser entspricht dem Breitendurchmesser der Zellen. Diese letzteren enthalten stellenweise ein braungelbes, kérniges Pigment, das die Kernpartie frei laBt, die anderen Abschnitte der Zellen aber dicht erfillt. Die freie Seite der Epithelzellen besitzt keinen Der Mantelrand der Acephalen. 197 cuticularen Saum; Wimpern sind nicht vorhanden. Die Sinnes- zellen dokumentieren sich in derselben Weise, wie in den Papil- len; sie finden sich in nur geringer Zahl. Auf der Innenfliche kommen Driisen abwirts der Papillarregion vor. Dieselben liegen dicht unter dem Epithel, sind schmale, einzellige Gebilde (Fig. 45), die ihren feinen, fadenformigen Ausfiihrungsgang zwischen die Epithelzellen hineinsenden. Sie liegen sehr nahe bei einander, doch treten die Driisenkérper niemals miteinander in Verbindung. Sie fiirben sich in Bismarckbraun hellgelbbraun, in Orange-Haima- toxylin orangegelb, zeigen also, wie die in den Papillen vorkom- menden Massen, Giftdriisenreaktion. Die AuSenflache der Siphonen ist mit cylindrischen Kpi- thelzellen bekleidet, welche eine breite, wimperfreie Cuticula be- sitzen. Die Kerne, kreisrund oder oval, sind fast dicht an der Basis gelegen!). Das Epithel hat sich zu zahlreichen, umfang- lichen und im allgemeinen gleich breiten Zotten gruppiert. Die Mage der Zellen hier entsprechen denen an den Papillen; wie allenthalben, so sind auch hier die Sinneszellen durch ihre schmale Gestalt und ihre stabchenformigen Kerne kenntlich (Fig. 44 sz); die Sinnesborsten sind aber nicht erhalten, ebensowenig wie in den anderen bisher beschriebenen Partieen. Es finden sich unter dem Epithel in sehr geringer Zahl kleine einzellige Mucin- driisen. Was endlich die bei der allgemeinen Beschreibung erwahnten peitschenschnurférmigen Tentakel betrifft, die vorn am Riicken des Tieres an der Verwachsungsstelle der velumartigen Verlange- rung sich finden, so gleichen dieselben in ihrem feineren Baue den Siphopapillen fast véllig. Sie entbehren aber der amorphen Massen durchaus. Die Muskulatur der Siphonen besteht aus den drei Grup- pen der Retractoren, Constrictoren und Compressoren. Die erste- ren imponieren hier nicht, wie dies bei den bisher behandelten Siphoniaten der Fall war, durch ihre Massenhaftigkeit, sie sind vielmehr in kleinere Biindel durch die sehr stark entwickelten Constrictoren zerteilt. Diese wiederum werden durch die Com- pressorbiindel in zahlreiche Gruppen zerlegt. 1) In dem Epithel der Aufenfliche habe ich einmal in einer Zelle eine Mitose gesehen, welche die Form darbot, wie sie in Fig. 44 bei x wiedergegeben ist. Es ist dies das einzige Mal, daf ich im Epithel der Mantelrandorgane bei Acephalen eine solche Erschei- nung getroffen. 128 Dr. Bernhard Rawitz, Im Atem- wie im Analsipho verlaufen je sieben Nerven- stimme, waihrend ich im Septum keinen gesehen habe. In den Papillen liegen die Nerven in der Achse, ihre letzten Endigungen sind im Schnitte nicht zu erkennen. Genau in der Mitte der ventralen, also auferen, Flaiche des Randes findet sich eine Falte, deren Durchschnittsbild einem Blatte gleicht. Hier ist das Epithel ein cylindrisches von 18 uw Hohe und 1,8 « Breite mit basal gelegenen ovalen Kernen von 9 uw Linge. Differenzen zwischen indifferenten und Sinneszellen sind nicht zu erkennen; letztere sind, wenn sie tiberhaupt hier vorkommen, jedenfalls sehr sparlich. Nach aufen von dieser Falte entsteht die Epicuticula und zwar beteiligt sich daran die Aufenseite der Falte in ihrer basalen Halfte und das ganze iibrige Epithel bis zur Schale; Driisen finden sich hier nicht vor. Die dem Branchialraum zugekehrte innere Flache des Randes hat ein hohes Wimperepithel, unter dem einzellige Mucindriisen in sehr grofer Zahl gelegen sind (Fig. 46 md). Solen siliqua und S. ensis. Nach Meyer und Mésius (30) finden sich bei Solen pellucidus, welche Art nach der von jenen Autoren gegebenen, allerdings nicht erschépfenden Beschrei- bung des Mantelrandes und der Siphonen und nach den Figuren zu schliefen den hier zu behandelnden beiden Species ahnelt, an den Mantelrandcirren Warzchen, deren Ende vertieft ist. In den Vertiefungen steht ein Biischel Haare. Diese Warzchen scheinen nach FLEMMING’s Annahme (17) in ihrem Baue den an den Man- telrandfiiden von Pecten Jacobaeus vorkommenden Warzchen zu gleichen. Es ist daher eine sehr beachtenswerte Differenz, dat bei Solen siliqua und ensis keine Spur dieser Warzchen zu finden ist. Untersucht man die Papillen des Atem- oder des Analsipho oder die kurzen am Mantelschlitze stehenden Papillen (cfr. all- gemeine Beschreibung) frisch in Seewasser, so konstatiert man zunachst die véllige Abwesenheit jeder Wimperbewegung. Man konstatiert aber auch ferner, daf der breite cuticulare Saum des epithelialen Belages dieser Gebilde nicht von Dornen oder starren Haaren iiberragt wird. Die Sinneszellen, die unbedingt hier vor- handen sein miissen, denn diese Teile sind bei Beriihrung sehr empfindlich, entbehren also, wie ich mich wiederholt auf das be- stimmteste zu iiberzeugen vermochte, eines Haarbesatzes. Und was die Betrachtung frischer Objekte lehrt, das wird durch Ma- cerationspriparate Dbestitigt. Die Sinneszellen, die im tbrigen Der Mantelrand der Acephalen. 129 nach dem Schema der FLEMMiNG’schen Pinselzelle gebaut sind, haben einen schmalen, einfach konturierten Saum, auf dem weder Haare noch Reste derselben zu finden sind. Lang dauernde Ma- cerationen vernichten allerdings die Sinnesborsten, bei kurzer Einwirkung der macerierenden Reagentien aber sind dieselben meistens unversehrt erhalten und dann als kurze, leicht knotige Haare zu erkennen; ihr Fehlen in guten Macerationspriparaten beweist demnach die Richtigkeit des an frischem Materiale Kon- statierten. Wir haben hier also ein Beispiel dafiir, dai} eine tak- tile Empfindlichkeit vorhanden ist, ohne daf der Reiz durch haar- artige Differenzierungen auf die Zellsubstanz tibertragen zu wer- den braucht. Es ahneln also die Siphopapillen dieser Arten durch die Abwesenheit der Sinneshaare den gleichen Gebilden yon Mya truncata, bei denen FrLemmine (14) ebenfalls den cuticularen Saum iiberragende Sinnesborsten nicht aufzufinden vermochte. Ich wende mich zur Schilderung der Ergebnisse, zu welchen das Studium von Schnittpriparaten fiihrt. Beide Arten, Solen si- liqua und ensis, verhalten sich voéllig tibereinstimmend. Das Epithel der zahlreichen Papillen, welche den Atem- sipho umkrinzen, besteht aus 12,6 w hohen und 5,4—9 w breiten wimperlosen Cylinderzellen, welche basal gelegene kreisrunde, selten ovale Kerne enthalten. Die Sinneszellen machen sich als héchstens 1 « breite, mit intensiv gefiirbten, stabchenférmigen Kernen ver- sehene Gebilde bemerkbar. Wahrend sonst ein mehr oder minder reichlicher Kérnchenbrei auf die durch die Reagentien zerstorten Sinnesborsten hinweist, fehlt ein solcher Kérnchenbrei hier voll- stindig. Einzelne indifferente Zellen — im allgemeinen nicht viele — sind mit einem goldgelben Pigmente versehen, das in Form kleiner Kérnchen den distal vom Kern gelegenen Abschnitt dicht erfiillt. Die basale Abgrenzung der indifferenten Zellen ist in manchen Praparaten eine scharfe kontinuierliche Linie, in manchen aber ist die wurzelférmige Ausfaserung deutlich zu erkennen. In den Papillen sowohl wie in den Buchten zwischen denselben kommen amorphe Sekretmassen in nicht unbetrachtlicher Menge vor. Das Verhalten derselben gegen Farbstoffe charakterisiert sie als Giftmassen. Neben den amorphen Massen kommen auch, wenn- gleich spirlich, einzellige Driisen von der gleichen physiologischen Bedeutung vor. Die amorphen Massen sind oft tief in die Sub- stanz eingebettet, durch die sie sich hindurch winden miissen, um durch interepitheliale Liicken zu miinden. Bd, XXVII, N, F. XX. 9 130 Dr. Bernhard Rawitz, Abwarts der Papillarregion, auf der Innenflache der Si- phonen, liegen die Verhaltnisse anders. Die wimperlosen Epithel- zellen, die sich in ziemlich breite Zotten gelegt haben, sind 10 u hoch, 5,4 breit; ihr cuticularer Saum ist sehr schmal. Die Kerne, stets basal gelegen, sind von ovaler Gestalt und messen 9 wu in der Lange, waihrend ihre Breite der der Zellen entspricht; Pigment kommt in dieser Region nicht vor. Die Sinneszellen sind nur sparlich vorhanden. Auf der Innenfliche der Siphonen miin- den Driisen, die sich als Giftdriisen darstellen. Sie sind in der an die Papillarregion grenzenden Partie sehr reichlich vorhanden ; mehr abwarts, der Wurzel der Siphonen zu, werden sie sparlicher, schwinden aber nie véllig. Wie man bei sehr starker VergréSerung erkennt, handelt es sich um flaschenformige, einzellige Gebilde, die zwar stets zu mehreren in einer Gruppe zusammenliegen, aber immer jede fiir sich gesondert in Epithelliicken minden. Auf der Sipho-Au8enflache haben die Epithelzellen 30,6 « Hohe und 5,4 Breite; ihr cuticularer Saum mit 3 w. Die Kerne sind oval, basal gelegen und 7,2 lang. Einzelne Zellen sind in der vorhin beschriebenen Weise pigmentiert. Driisen kommen hier ebenfalls vor, die sich von denen der Innenfliche dadurch unterscheiden, daf sie Mucindriisen sind. Sie sind in wechselnder Zahl vorhanden, sind einzellige Gebilde von flaschen- formigem Aussehen und miinden in interepithelialen Liicken. Die bei der allgemeinen Beschreibung erwahnte, vom Mantel- rande stammende Falte, welche durch einen schmalen Zwischen- raum von der Siphowand getrennt ist, erscheint im Schnitte als eine auf gemeinsamem Stiele sitzende Doppelfalte. Die indiffe- renten Epithelzellen sind 18 uw hoch, 7,2 u breit und haben basal gelegene, kreisrunde Kerne. Sinneszellen sind hier nur aufer- ordentlich sparlich vorhanden. Die zahlreichen Papillen des Branchialsipho, die nicht direkt um die Offnung desselben gelegen sind, sondern mehr entfernt von derselben auf den Seitenwandungen stehen, zeigen genau die glei- chen histiologischen Einzelheiten, wie die tibrigen Papillen. Die Muskulatur besteht aus den bekannten drei Grup- pen, die im allgemeinen das gleiche Bild, wie bei Solen vagina, darbieten. Der Kloakensipho stimmt in jeder Beziechung mit dem Atem- sipho tiberein. Die dufere ventrale Fliche des Randes zeigt im Schnitte folgende Konfiguration. Die mediane Verwachsungslinie ist durch Der Mantelrand der Acephalen. 131 eine tiefe Furche angedeutet, welche sich an manchen Stellen bis fast zur halben Dicke des Randes einsenkt. Nach aufen von dieser Furche folgen jederseits zwei niedrige, im Schnitte kegel- formig erscheinende Falten. Darauf folgt eine je nach dem durch die Konservierung bedingten gréferen oder geringeren Grade der Kontraktion verschieden aussehende Falte, von deren innerer Flaiche die Epicuticula entsteht. Nach aufen fgeht die Falte allmahlich in den Mantel tiber. Die Epithelzellen dieser Falten gleichen einander im allgemeinen; es sind 14,4 hohe, 5,4 breite wimperlose Zellen mit schmalem, cuticularem Saume und basal gelegenen, ovalen Kernen von 9 uw Linge. Driisen kommen hier nicht vor. Einen ganz anderen Charakter hat die innere, dem Branchial- raume zugekehrte Flache des Randes und zwar wird die Ditterenz bedingt durch die Anwesenheit von Wimperzellen und von Mucin- driisen. Die Wimperzellen haben 27 u Lange, 1 wu Breite und besitzen central gelegene ovale Kerne mit 5,4 « Langsdurchmesser. Die sehr weichen, im Schnitte wellig gebogenen Wimpern sind 144—16w lang. Auf die Epithelzellen folgt eine ganz diinne, nur 3,6 « messende Lage Muskeln, die von rechts nach links zieht, daher im Querschnitte laingsgetroffen ist. Auf die Muskeln folgen dann die Mucindriisen, welche als eine kontinuierliche Schicht circa 36 wu tief in der Richtung zum Epithel der Aufenflache in die Substanz des Randes hineinragen. Die Driisen, als Mucindriisen durch ihre bekannten Affinitaéten zu den verschiedenen Farbstoffen kenntlich, stehen auferordentlich dicht, sind alle einzellig und senden ihre fadendiinnen Ausfiihrungsginge in die Liicken zwischen die Epithelzellen. Becherzellen kommen nicht vor. Solen legumen. Das Epithel der Siphopapillen be- steht aus nicht sehr hohen cylindrischen, stets pigmentfreien Zellen mit, dickem cuticularem Saume, auf welchem weder Wimpern stehen, noch Borstenreste zu finden sind. Die Kerne der Zellen liegen basal und sind oval oder kreisrund. Die Hohe der Zellen ist etwa 14 wu, die Breite 5 u, der cuticulare Saum mift 4 w. Die Sinneszellen sind nur sehr schwer unter den indifferenten zu er- kennen. Von besonderem Interesse ist hier die Bindesubstanz. Dieselbe prasentiert sich als ein engmaschiges, von durcheinander geflochtenen Fibrillen gebildetes Netz, in dessen Maschen zahl- reiche Zellen liegen, die unter zwei fundamental verschiedenen Formen erscheinen. Die eine Form hat sich in dem Dreifarben- g* 132 Dr. Bernhard Rawitz, gemisch von Enruicu-Bionpi tiefrot, die andere blaugriin gefarbt, die erstere Zellart ist kérnig, die zweite homogen. Ob dieselben als Driisenzellen zu deuten sind, kann ich nicht entscheiden, da ich sie nie zwischen den Epithelzellen liegen sah. Andere Ge- bilde, welche ein Sekret liefern kénnten, kommen in den Papillen nicht vor. Das Epithel der Sipho-Innenfliche sowie das der Sipho-Au8enfliche gleicht in jeder Beziehung dem der Pa- pillen. Auf der Innenflaiche miinden Mucinmassen, wahrend auf der AuSenfliche sekretorische Apparate fehlen. In den Siphonen sind je sechs Nervenstaémme vorhanden, die ziemlich dicht unter dem Epithel der Innenfliche verlaufen. Sie liegen in den Papillen in deren Langsachse; ihre letzten En- digungen sind im Schnitte nicht zu erkennen. Die Muskulatur der Siphonen gleicht der in den Siphonen der tibrigen Soleniden. Am Rande sind mehrere Falten seitlich der Medianlinie zu erkennen, deren epithelialer Belag im allgemeinen aus 12 « hohen und 3,6 uw breiten wimperlosen Zellen besteht, deren kreisrunde Kerne basal gelegen sind. Es finden sich im Rande allenthalben aber in geringer Zahl sekretorische Apparate, die teils Mucin be- reitende, teils einen giftigen Stoff liefernde sind. Lyonsia arenosa. Die Papillen des Atem- und des Kloakensipho gleichen einander vollkommen. Die Epithelzellen derselben zeigen ein verschiedenes Aussehen je nach dem Orte, wo sie stehen. An den Spitzen der Papillen sind die Zellen 14,4 u hoch und 3,6 u breit. Sie haben einen knapp 1 messenden cuticularen Saum, der voéllig wimperfrei ist. Die Kerne sind kreis- rund und liegen central. Auf den Seitenflaichen der Papillen be- steht dagegen das Epithel aus nur 7,2 4 hohen, fast,kubischen Zellen ohne cuticularen Saum mit kleinen 3,6 « im Durchmesser haltenden kreisrunden Kernen. Die Sinneszellen sind im Schnitte kaum zwischen den indifferenten zu erkennen. In den Papillen kommt Pigment vor, das nicht blo’ an die Epithelzellen gebunden ist, sondern sich auch auferdem in der Bindesubstanz ganz un- regelmaig verteilt, bald sparlich, bald sehr massenhaft, in Form von kreisrunden Flecken vorfindet. Die distalen drei Viertel der Papillen sind stets pigmentfrei. Die Farbe des Pigmentes ist bei durchfallendem Lichte und bei auffallendem eine dunkelschwarze ; Der Mantelrand der Acephalen. 133 es besteht aus kleinen Kornern, die dicht aneinander gedringt in der Bindesubstanz bez. im Epithel liegen. Von besonderem Interesse ist die Bindesubstanz der Papillen. Sie gleicht der sonst im Mantelrande der Acephalen zu treffenden spongidsen Bindesubstanz vollkommen, enthalt aber ganz unge- wohnlich grofe FLemMina’sche Zellen in ihren Maschen. Diese Zellen finden sich nur an der Innenfliche der auSeren Papillen — die Papillen der innersten Reihe zeigen ein davon abweichendes, spaiter noch zu erwahnendes Verhalten — und zwar sowohl der Anal- als auch der Branchialsiphopapillen, wihrend sie an deren Aufen- flache nicht vorkommen (Fig. 47 fz). Sie sind hiillenlose Gebilde und liegen in ein bis zwei Reihen; erst im basalsten Teile der Papillen sind sie in mehreren Reihen vorhanden. Ihr Plasma ist sehr zart granuliert, der Kern ist klein, blaschenfoérmig und cen- tral gelegen und enthalt ein deutlich wahrnehmbares Kernkérper- chen (Fig. 47). In Eosin-Hamatoxylin, um nur eine der gewahlten Farbungsmethoden zu erwihnen, haben sie sich gréftenteils ganz schwach rosa gefirbt und nur im basalsten Teile der Papillen ist dieses Kolorit streckenweise in ein flammendrotes tibergegangen. Mit der vermehrten Intensitait der Farbung ist gleichzeitig die Form der Zellen undeutlicher geworden, sie erscheinen jetzt mehr als Tropfenkonglomerate. Fortsitze dieser Zellen nach dem Epithel hin, wodurch sie sich als Driisenzellen darstellen wiirden, habe ich ebensowenig wahrgenommen, wie ihr Einriicken in interepithe- liale Liicken. In den Papillen der innersten Reihe, die also dem Sipholumen dicht angrenzen, finden sich keine FLEMMING’schen Zellen, sondern nur amorphe Massen vor, welche dieselben tink- torialen Reaktionen zeigen, wie die FLEmMinG’schen Zellen. Sie sind an beiden Seiten der Papillen, aber nur in deren distaler Halfte, zu treffen; in der proximalen fehlen wie die FLEMMING’schen Zellen so auch die amorphen Massen. Bei der Beschreibung der feineren Struktur der Siphonen miissen die Aufenwand des Branchial-, die des Analsipho und das Septum gesondert behandelt werden. Das Epithel der Auenwand des Branchialsipho be- steht auf der Auf&enfliche aus hohen, schmalen Cylinderzellen, deren basale Enden sich nicht scharf gegen die Siphosubstanz ab- setzen, aber auch keine wurzelférmige Ausfaserung erkennen lassen. Ein cuticularer Saum ist nicht vorhanden, Wimpern fehlen. Die Kerne sind von ovaler Gestalt und sind central gelegen. Die Hohe der Zellen betragt circa 22 , ihre Breite 2 u, die Lange 134 Dr, Bernhard Rawitz, des Kernes 7,2 wu. Zwischen diesen indifferenten Zellen sind Sinnes- zellen nicht wahrzunehmen, was nicht verwundern darf, da die AufSenflache beim Branchialsipho wie auch beim Analsipho, der hierin die gleichen Verhaltnisse zeigt, die Epicuticula bildet, welche die verwachsenen Siphonen iiberzieht. Driisen kommen hier nicht vor. Das Epithel der AuSenwand des Branchialsipho hat auf der Innenflache niedrige, kubische Zellen, deren cuticularer Saum wimperfrei ist. Die kleinen kreisrunden Kerne sind basal gelegen ; Sinneszellen sind nicht zu erkennen. Unter dem Epithel, in der ganzen Lange des Sipho, finden sich amorphe Sekretmassen (Fig. 48 gd). Dieselben sind ungleich verteilt, d. h. nicht die ganze sub- epitheliale Substanz enthalt dieselben in einer kontinuierlichen Schicht, sondern auf Stellen, welche mit Sekretmassen erfillt sind, folgen Stellen, die sekretleer sind. Dabei wechselt das Verhaltnis in der Serie so, daf an Stellen, die in einigen Schnitten amorphe Sekretmassen enthielten, in den darauf folgenden Schnitten die- selben fehlten. Die Massen sind besonders machtig dicht unter dem Epithel, ziehen sich aber noch tief in die Substanz des Sipho in der Richtung zur AuBenfliche hinein. Sie farben sich in Orange- Hamatoxylin orangegelb, in Eosin- Haimatoxylin leuchtend rot, in dem ExriicH-Bronpi’schen Farbengemisch schmutzig violett, in Indigkarmin-Boraxkarmin blaugriin und in Bismarckbraun réotlich- braun, zeigen also mit anderen Worten dieselben Reaktionen wie die amorphen Massen der Sipho-Innenflache bei den Veneriden und sind daher, wie jene, als Giftmassen zu betrachten. Sie be- stehen, wie man bei Anwendung sehr starker Linsen erkennt, aus kleinsten Trépfchen, die auSerordentlich dicht bei einander stehen, und miinden in Liicken zwischen den Epithelzellen. Innerhalb der Massen sieht man Kerne von ovaler oder kreisrunder Gestalt in nicht unbetrachtlicher Zahl liegen; es fehlt aber um dieselben her- um, im Gegensatze zu den Erscheinungen bei den Veneriden, ein auch nur angedeuteter plasmatischer Hof. Trotz dieses Mangels glaube ich aber, im Anschluf an das bei den Veneriden Gesagte, auch hier die FLEemmina’schen Zellen der Bindesubstanz, deren Existenz nur noch durch die Kerne dargethan wird, als Bildungs- statten dieser Massen ansprechen zu diirfen. Einzelne Muskel- fasern und Bindegewebsfibrillen in geringer Zahl sind ferner in den Massen zu treffen. In der Tiefe der Siphonalsubstanz, d. h. zur Aufenflache zu, sind die Massen etwas lockerer, wobei man ein interessantes Verhalten beobachten kann. Die hier in der Der Mantelrand der Acephalen. 135 Nahe reichlicher vorhandenen Muskelfasern werden von den Sekret- massen gewissermafen eingescheidet, so daf in den weitaus meisten Fallen ein schmaler, véllig farbloser Hof um die Muskeln herum zu erkennen ist. Manchmal gehen die Sekretmassen dicht an die Muskelfasern heran, sind aber auch dann noch, wie man nament- lich in Bismarckbraunpraparaten sieht, in denen die Massen rot- lichbraun, die Muskeln gelb sich gefarbt haben, von den letzteren getrennt. Die Sekretmassen folgen somit dem Zuge der Muskeln und dadurch haben sie ein ganz eigenartiges gestrecktes Aus- sehen gewonnen. Die Innenflache der AuBenwand des Analsipho hat in einer linearen Ausdehnung von ungefahr 4 mm ein wimper- freies Epithel, das in seinen Einzelheiten dem der Innenfliche des Branchialsipho gleicht. Von da ab proximalwarts sind die Zellen bewimpert. Betrachtet man den proximalen Kontur des noch zu besprechenden Septum auch als das proximale Ende der Siphonen, dann haben bewimperte und wimperfreie Region des Analsipho die gleiche Ausdehnung. Die Zellen des distalen Abschnittes, also die wimperlosen, haben sich zu zahlreichen niedrigen Zotten gruppiert, die des proximalen bewimperten zeigen die Zottenan- ordnung nur in ganz geringem Mafe. In der wimperfreien Region finden sich ferner unter dem Epithel amorphe Sekretmassen, die in jeder Beziehung denen des Atemsipho gleichen. In der Region der Wimperzellen dagegen fehlen diese Massen; dafiir sind Becher- zellen vorhanden, welche bis zu der dem proximalen Ende des Septum gegeniiberliegenden Stelle nicht sehr zahlreich sind, da- gegen in den diesseits vom Septum gelegenen, also streng ge- nommen schon zum Mantel zu rechnenden Partieen hiufiger wer- den. Die Becherzellen sondern Mucin ab, wie dies aus ihrem Ver- halten gegen Farbstoffe deutlich hervorgeht. In zwei Arten, einer blassen und einer intensiven, tritt die Farbung auf. Die blassen Becherzellen sind homogen, die intensiv gefairbten erscheinen als ein Tropfenkonglomerat; beide reprasentieren verschiedene Stadien des Sekretionsprozesses. Die Becherzellen, deren basal gelegene Kerne schwer zu sehen sind, haben meistens die gleiche Hohe wie die tibrigen Epithelzellen und reichen nur selten basalwarts tiefer in die subepitheliale Substanz hinein. In den proximal vom Sep- tumende gelegenen Partieen der Analsipho-Innenflaiche sind noch ganz eigentiimliche Erscheinungen zu beobachten. Man trifft nam- lich in der Substanz der Siphowand bald dicht unter dem Epithel, bald tiefer gelegen in nicht zu grofer Zahl Gebilde von kreis- 136 Dr. Bernhard Rawitz, runder oder ovaler Gestalt und von verschiedener Gréfe an, die in ihrem tinktorialen Verhalten den Becherzellen gleichen. Sie liegen 20, 30 bis héchstens 100 uw von der Oberfliche des Epithels entfernt und haben einen Durchmesser, der zwischen 30 und 80 1 schwankt. Ihre Gréfe ist unabhingig von ihrer Entfernung vom Epithel. Sie sind von einer deutlichen Membran umgeben, die vielfach gefaltet erscheint, und bestehen aus Zellen mit basal ge- legenen kleinen Kernen, deren Plasma ein wirres Netzwerk von Faden erkennen aft. Wir haben es hier also wahrscheinlich mit einer ganz eigentiimlichen, bei Acephalen von mir sonst nicht beobachteten Art von Mucindriisen zu thun. Zwar habe ich die Ausfiihrungsgainge dieser Gebilde nicht sehen kénnen, doch recht- fertigt, glaube ich, ihr tinktoriales Verhalten wie ihre feinere Struktur meine Deutung. Andere Organe namlich, wie Driisen, zeigen keine solche Farbung und keine derartige Plasmazeichnung. Ks erinnern diese Gebilde, von denen noch bemerkenswert ist, da8 sie nur da vorkommen, wo sich mucinhaltige Becherzellen finden, sehr stark an die Mucindriisen in der Haut der anuren Amphibien. Uber das Verhalten des Septum ist folgendes anzumerken. Die Siphonen waren der Lange nach geschnitten, so daf beide gleichzeitig im mikroskopischen Bilde zu erkennen waren. Daher ist auch das Septum in seiner ganzen Ausdehnung in meinen Praparaten vorhanden. Seine Gestalt ist ungefahr die eines gro- Ben lateinischen T (Fig. 48); der Querbalken ist am proximal- sten Ende gelegen, der lange Schenkel bildet die Scheidewand zwischen den Siphonen und geht in seiner distalsten Partie in die beiden Papillarregionen iiber. Hier ist das Septum am breitesten, es mift ungefahr 0,28 mm. Weiter proximalwarts wird es schmaler bis zu einer minimalen Breite von ungefahr 0,12 mm, um gegen den Querbalken hin wieder an Umfang zuzu- nehmen, bis zu 0,18 mm. Der lange Schenkel des Septum sitzt in der Mitte des Querbalkens auf, welch letzterer also gleich- mifig in das Lumen des Atem- wie des Analsipho hineinragt (Fig. 48), dieses dadurch ein wenig verengend. Die Epithelzellen des Septum sind auf derjenigen Seite, welche dem Branchialsipho angehort, wimperlos, auf der, welche dem Lumen des Analsipho zugekehrt ist, nur zu einem Teile wimperlos, zu einem anderen Teile dagegen bewimpert (Fig. 48 bs und ¢s). Und zwar fangt das Wimperepithel auf der Analsiphoseite des Septum genau an der Stelle an, welche jener gegeniiberliegt, an der auf der Innen- Der Mantelrand der Acephalen. 15¢ flache der Aufenwand desselben Sipho ebenfalls zuerst die Wim- perzellen auftreten. Diejenige Hialfte des Querbalkens, welche zum Branchialsipho sieht, hat ein wimperloses, diejenige Halfte, die dem Analsipho gehért, hat bewimpertes Epithel (Fig. 48). Die dem Branchialraum zugekehrte Flache des Querbalkens ist in ihrer ganzen Ausdehnung bewimpert. Im Septum kommen amorphe Sekretmassen unter ganz denselben histiologischen Er- scheinungen, wie auf den Innenflichen der SiphoauSenwinde vor (Fig. 48). Sie finden sich auf beiden Seiten in gleicher Machtig- keit und miinden sowohl in den Branchial- wie in den Analsipho (Fig. 48). Die in den einen Sipho miindenden Massen reichen an manchen Stellen (Fig. 48) bis ins Epithel des anderen Sipho. Auch im Querbalken kommen amorphe Giftmassen vor, doch kénnen dieselben, infolge ihrer Lagerung, nur in das Lumen der Siphonen, nie aber in den Branchialraum sich entleeren. Der Mantelrand, der, wie die makroskopische Betrachtung gelehrt hatte, in seiner ganzen Ausdehnung verwachsen ist, zeigt auf seiner auBeren, ventralen Flache diese Verwachsungslinie im Schnitte als eine median verlaufende, sehr seichte Furche, die jederseits von einer nicht zu hohen Falte begrenzt ist. Das Epithel dieser Furche, der Falten, wie das der seitlich von ihnen zum Mantel abfallenden Randpartieen hat sich in sehr zahl- reiche, kleine Zotten gelegt und besteht aus Zellen, welche denen der Siphonen, was Hohe, Breite und Wimperlosigkeit anlangt, vollkommen gleichen. Driisen kommen hier nirgends vor. Auf der dem Branchialraume zugekehrten Flache des Randes sind die Epithelzellen niedrig, schmal cylindrisch und sind mit Wimpern besetzt. Hier kommen zahlreiche Becherzellen vor, welche Mucinreaktion zeigen. Mactra stultorum und Mactra helvacea. Beide Arten stimmen, von kleinen, unbedeutenden Unterschieden abge- sehen, in ihrem histiologischen Verhalten tiberein, so dafi die fol- gende, von Mactra stultorum entnommene Schilderung auch fiir die andere Art Giiltigkeit hat. Frisch untersucht zeigen die Papillen der Siphonen und des Randes einen epithelialen Belag, dessen breiter cuticularer Saum frei von Wimpern und von Dornen bez. Sinneshaaren ist. Hier findet sich also dasselbe Verhaltnis wie bei Solen siliqua und ensis und Mya truncata (cfr. FLemMinG 17, p. 429/430). Die Siphopapillen sind pigmentiert und das Pigment erscheint bei 138 Dr. Bernhard Rawitz, durchfallendem Lichte fast blau. Parren (32) behauptet im An- schlusse an SHArp (43), da’ bei Mactra stultorum Pigmentflecken (,,pigmented areas‘) an den Enden der Siphonen vorkommen, in denen die Pigmentzellen zu kleinen Gruppen arrangiert sein sollen, in deren Centrum ein heller, strahlenbrechender Fleck sich findet. An den Basen der Tentakel (Papillen) sind die Zellen dieser Bil- dungen zu intensiv gefarbt, um einen genauen Einblick in ihre Zusammensetzung ohne weiteres zu gestatten. Der Autor sagt dann: jl believe that the clusters of pigmented cells, in the centre of which were the clear refractive points, are the same structures we have seen in Arca, that is ommatidia, composed of pigmented cover cells surrounding a central corlorless one“ (1. c. p. 606). Weder ParrEN noch SHarp, die beide auch eine Lichtempfindlichkeit oder vielmehr richtiger eine Wahrnehmung von hell und dunkel bei verschiedenen Arten von Mactra konstatiert haben wollen, geben eine Zeichnung der von ihnen als Augen gedeuteten Ge- bilde. Es ist daher auch ganz unméglich zu erkennen, wodurch besonders ParTrEeN zu seiner Angabe verleitet worden ist; denn das kann ich nach meinen Beobachtungen sagen, daf Bildungen, wie sie Parren beschreibt, die den Augen von Arca auch nur entfernt gleichen, absolut nicht vorkommen. Ich habe weder an frischem Materiale noch an Schnittpraparaten auch nur an- deutungsweise etwas von dem gesehen, was ParTen beobachtet haben will. Fand ich auch stellenweise die Pigmentzellen dichter stehen und nur sparliche pigmenthaltige zwischen ihnen: darauf- hin, glaube ich, darf man noch nicht die Behauptung von dem Vorkommen von Augen aufstellen. Die Resultate, zu denen mich das Studium von Schnittpra- paraten gefiihrt hat, sind folgende. Die AuSenflache der Siphonen — beide gleichen ein- ander vollkommen — ist in ihrer ganzen Ausdehnung an der Epicuticulabildung beteiligt. Die Epithelzellen derselben sind 9 mw hohe, 2,7 « breite konische Zellen, deren freier Saum einfach konturiert ist und in die Epicuticula tibergeht. Wimpern fehlen vollkommen. Einzelne Zellen sind pigmenthaltig; das dunkle Pigment besteht aus kleinen K6rnern, welche die vom Kern distal gelegene Partie der Zellen dicht erfiillen. Die Kerne sind stets basal gelegen, entweder kreisrund und klein oder oval und lang. Der Durchmesser der ersteren schwankt zwischen 2 und 3 yn, die Lange der letzteren betragt etwa 6 uw. Die Sinneszellen sind Der Mantelrand der Acephalen. 139 zwischen den indifferenten im Schnitte nicht zu erkennen. Driisen kommen hier nicht vor. Das Epithel der Innenflache der Siphonen hat sich in breite, aber niedrige Zotten gelegt. Die Epithelzellen sind nie- drige, nur 5,4 « hohe und 2 w breite Gebilde, die basal gelegene ovale Kerne von 3,6 « Lange besitzen; sie haben keinen doppelt konturierten cuticularen Saum. Auf ihrer freien Flache sind weder Wimpern noch Borstenreste zu erkennen, dagegen sieht man auf ihnen und im Lumen der Siphonen kriimliche Massen liegen, die offenbar von dem unter dem Epithel vorhandenen und in das Lumen sich entleerenden amorphen Sekretmassen her- riihren. Uber die letzteren ist folgendes anzumerken. Dicht an der Miindung der Siphonen, proximalwarts der Papillarregion sind sie am reichlichsten vorhanden, werden von da ab, je mehr man sich der Wurzel der Siphonen nahert, sparlicher. Sie liegen in den Epithelzotten und reichen basalwairts von denselben nur wenig in die Substanz des Sipho hinein (Fig. 49 gd). Die Unter- suchung mit schwachen Linsensystemen zeigt dieselben von fast fiederformigem Aussehen (Fig. 49). Bei Anwendung starkerer Systeme erkennt man, daf sie sich von den bisher bekannten amorphen Sekretmassen dadurch unterscheiden, daf sie weder aus Tropfenkonglomeraten bestehen, noch zu Schollen geronnen sind. Sie sind vielmehr aus einzelnen kleinen Strichen oder linienartigen Elementen zusammengesetzt, die eine weitere Struk- tur nicht darbieten. Die einzelnen feinen Linien sind zu schma- len Ziigen zusammengefaft, die in den Maschen der Bindesubstanz liegen und dem Zuge der Muskeln folgen. Dadurch nun, daf letztere fiederférmig in den Epithelzotten auseinander fahren, ist auch das Bild der Sekretmassenverteilung ein fiederférmiges. Die- ses Bild (Fig. 49) ist so frappant, so different von allem, was ich bisher im Mantelrande der Muscheln beobachtet und beschrieben habe, dai ich zuerst zweifelhaft war, ob es wirklich Sekretmassen sind, um die es sich hier handelt. Vermehrt wurde der Zweifel noch dadurch, daf man zwischen den Massen zwar die Kerne der Bindesubstanzfibrillen, innerhalb der Massen aber nicht die Kerne derjenigen Zellen antriffit, welche durch ihre Thatigkeit die Mas- sen produzieren. Was meines Erachtens als vollgiiltiger Beweis dafiir, da’ die Massen wirklich Sekretmassen sind, anzusehen ist, ist der Umstand, da man sie in interepithelialen Liicken und jenseit derselben im Sipholumen antrifft. Sie farben sich im Eneuicu-Bionpi’schen Farbengemisch tiefrot, in Orange-Hama~ 140 Dr. Bernhard Rawitz, toxylin leuchtend orange, in Eosin-Haimatoxylin flammendrot und in Bismarckbraun, hierin wiederum eine Besonderheit darbietend, rotlich (Fig. 49); die Massen sind also Giftmassen. Die Papillen, welche die Siphoéffnung umkranzen, haben Epithelzellen, deren Habitus denen auf der Sipho-Innenflaiche so vollstandig gleicht, daf das dort Gesagte hier buchstabliche An- wendung findet. Das eine ware noch zu erwahnen, da8 man in in den basalen Partieen der Papillen pigmenthaltige Zellen an- trifft, deren Verteilung aber, wie schon einmal hervorgehoben, in keiner Weise auf das Vorhandensein spezieller Sinnesorgane hin- deutet. Die Sinneszellen sind im Schnitte nur schwer als ganz schmale Gebilde zu erkennen. Ferner gleichen die Papillen noch dadurch der Sipho-Innenfliche, da in ihnen amorphe Sekretmas- sen von ganz dem gleichen Aussehen und ganz der gleichen Be- schaffenheit vorkommen wie dort. Uber die Muskulatur ist etwas Besonderes nicht zu be- merken; ihre Verteilung stimmt im allgemeinen mit der Sipho- muskulatur der bisher behandelten Myaceen iiberein. Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Bei Anwendung schwachster Vergréferungen erscheint derselbe als ein wenig ausgedehntes Plateau, das nach innen in eine kurze, kegelformige Papille iibergeht, nach aufen in einer Falte endet, welche hoch und breit ist, etwa handschuhfingerformige Gestalt hat und aufen nach einer im Schnitte leicht kolbig erscheinenden Anschwellung in die Aufenflache iibergeht. Die Grofenverhalt- nisse des Randes sind folgende. Die Falte hat eine ungefahre Hoéhe von 0,7 mm bei einer maximalen Breite, welche zugleich die basale ist, von 0.32 mm, wahrend die distale Breite nur 0,12 mm betragt. Das Plateau setzt sich durch eine seichte Ein- biegung von der Falte ab und geht innen in die Papille tier, deren Héhe etwa 0,35 mm ist. Das Epithel der Falte besteht aus 8 « hohen, 3 « breiten wimperlosen Cylinderzellen, deren basal gelegene kreisrunde Kerne etwa 2 « Durchmesser besitzen. Der cuticulare Saum ist schmal, Pigment kommt hier, wie auch in den iibrigen Partieen des Randes, nicht vor. Die Sinnes- zellen sind als sehr schmale Gebilde mit intensiv gefiarbten, stabchenformigen Kernen kenntlich. Auf dem Plateau zeigen die Epithelzellen dieselbe Beschaffenheit, wie auf der Falte. Die Epithelzellen der Papillen sind niedrige, nur 7 uw mes- sende Gebilde von kubischer Gestalt mit breitem cuticularem Saume und kleinen, kreisrunden, basal gelegenen Kernen. Die Der Mantelrand der Acephaleén. 141 Sinneszellen, kenntlich wie tiberall durch ihre schmale Gestalt und ihre stibchenférmigen Kerne, sind sehr zahlreich. Innen geht das Epithel kontinuierlich tiber in das wimpernde Epithel der Mantelinnenflache. Die Falte wie die ganze Aufenfliche des Randes und des Mantels sind driisenlos. Im Plateau finden sich im Anfang spir- lich, dann mehr nach innen zu in groéferer Menge Mucindriisen, die besonders reichlich auf der Innenfliche des eigentlichen Man- tels vorkommen. Sie liegen ziemlich dicht am Epithel und miin- den in interepithelialen Liicken. Es sind ein- und mehrzellige Gebilde, die in Gruppen beisammen stehen; Becherzellen kommen nicht vor. Uber die Bindesubstanz sind einige Besonderheiten zu notieren. In der AufSenfliiche des Randes mit Einschluf der Falte und in der AuSenhalfte des Mantels hat dieselbe den ge- wohnlichen, bei Acephalen vorkommenden Charakter der spon- gidsen bindesubstanz. Anders aber ist ihre Struktur in der Innenhalfte. Hier erscheint das Gewebe bei mittlerer Vergrife- rung (etwa ZeifS D) fast homogen; man erkennt in ihm nur kleine Falten, die in der Richtung von innen nach aufen, also von Epithel zu Epithel verlaufen und kreisrunde oder ovale Liicken fiir die durchtretenden meist quergetroffenen Muskeln be- sitzen. Die Kerne der Bindesubstanz sind hier ganz auferordent- lich sparlich. Im Gegensatze zu dem gewodhnlichen spongidsen Gewebe, das die Farbstoffe nur wenig anzunehmen pflegt, farbt sich dieses ziemlich intensiv. Die Farbung wird dann gegen das Epithel der Innenfliche sehr stark und schlieflich erscheint das Gewebe am Epithel in einer Dicke von 3 w fast dunkel gefirbt und homogen. Bei homogener Immersion erkennt man in diesen letzteren Partieen noch eine Andeutung von Fibrillen, indem feine, dicht bei einander stehende Linien in der Richtung nach aufen verlaufen. Mya arenaria. In seiner ersten Arbeit tiber Mollusken hat FLemuine (17), wie bereits erwahnt, hervorgehoben, dal die Sinneszellen von Mya truncata des Haarbesatzes véllig entbehren. Nach meinen Untersuchungen an Mya arenaria kann ich diese Augabe vollauf bestitigen. Der ziemlich breite cuticulare Saum des Papillenepithels hat keinerlei Haarbesatz, weder Wimpern noch Sinnesborsten. 142 Dr. Bernhard Rawitz, Uber die feineren Verhiltnisse gelangte ich an meinen Pra- paraten zu folgenden Resultaten, die sich vielfach mit denen decken, welche Rouse (37) von der gleichen Art erhielt. Die kegelférmigen Papillen, welche in zwei Reihen um die Siphodfinungen stehen, sind um ‘so massiver, je weiter sie von denselben entfernt sind. Nach aufen von den Papillen finden sich zwei niedrige Falten, die zum Teil mit an der Epicuticulabildung beteiligt sind. Die Papillen sind nur an ihren Basen pigmentiert, sonst aber pigmentfrei. Ihre Epithelzellen sind 32 w hoch, 3,6 « breit; der cuticulare Saum mift 1,8 «. Die Kerne sind central gelegen und von ovaler Gestalt; sie sind 5,4 w lang, 3 wu breit. Zwischen diesen indifferenten Zellen finden sich ganz schmale, kaum halb so breit wie jene erscheinende Gebilde, welche stiab- chenfoérmige Kerne besitzen, die von der Mitte der Zelle bis zur Basis reichen. Die gegenseitigen Konturen der Epithelzellen sind . sehr scharf, die wurzelf6rmige Ausfaserung ist im Schnitte nicht sichtbar. In den mehr lateral stehenden Papillen ist der epithe- liale Uberzug glatt, wihrend in den mehr medialen derselbe sich gefaltet hat, die Zellen daher auf Schnitten zu Zotten gruppiert erscheinen. Die vorhin erwaihnten schmalen Zellen, die als die taktil empfindlichen Sinneszellen zu betrachten sind, sind nament- lich in den den Siphoéffnungen nahestehenden Papillen sehr reichlich. In den Papillen fehlen jegliche sekretorische Apparate; es sind weder Becherzellen, noch Mucindriisen, noch Giftmassen vor- handen. Kine ganz eigenartige Erscheinung bietet hier die Binde- substanz dar, besonders in Praiparaten, die in Orange-Haima- toxylin gefarbt sind. Dicht unter dem Epithel ist dieselbe ganz homogen. Die Zellsubstanz der Epithelien hat sich in der ge- nannten Doppelfirbung blaSgelb gefarbt, die homogene Schicht der Bindesubstanz ist ebenfalls blafgelb. Diese Schicht hat eine ungefihre Machtigkeit von 4 uw. Auf dieselbe folgt eine gleich- falls homogene Schicht, die sich veilchenblau (in Bismarckbraun tief dunkelbraun) tingiert hat (Fig. 50); dieselbe geht ohne scharfe Grenze allmahlich in die wie allenthalben bei jener Doppel- firbung blaugrau aussehende Bindesubstanz der Papillen iiber. An der Grenze zwischen beiden homogenen Schichten finden sich haufig die letzten Fibrillen der Compressorfasern, die wie feine Stippchen aussehen. Besonders intensiv ist die veilchenblaue Der Mantelrand der Acephalen. 143 Farbung an der inneren der beiden oben erwihnten Falten, deren epithelialer Belag iibrigens dem der Papillen gleicht. Die Innenflache der Siphonen, die im Branchialsipho dieselben Einzelheiten zeigt wie im Analsipho, ist in einer Art pigmentiert, die bei der allgemeinen Beschreibung eingehend ge- schildert worden ist. Die Epithelzellen sind 21,6 uw hohe Cylin- derzellen, welche einen 1,8 uw breiten, wimperfreien cuticularen Saum besitzen; ihre Breite ist nicht genau zu messen. Die Kerne sind kreisrund und liegen central. Das Pigment, das aus kleinen schwarzen Kérnern besteht, erfiillt die Zellen sehr dicht und bedeckt auch die Kerne noch zum Teil, so da8 diesel- ben in ihrer ganzen Lange nicht sichtbar sind. Die basale Grenze der Epithelien bildet eine zarte, aber deutlich ausge- sprochene Linie. Sinneszellen sind zwischen den indifferenten nicht zu beobachten. Auf der Innenfliche finden sich, ganz wie in den Papillen, keinerlei sekretorische Apparate vor. Die Pigmentverteilung auf der Sipho-AuSenflache ist bei der allgemeinen Beschreibung bereits geschildert. Das Epithel hat sich in auferordentlich zahlreiche Zotten gelegt, welche von sehr verschiedener Héhe und Breite sind. Die Zellen sind Cylin- derzellen ohne doppelt konturierten Saum; ihre Hohe betragt 23 uw. Sie haben ovale Kerne, welche in der basalen Zellhalfte gelegen sind. Die Linge derselben betrigt 7,2—9 u, ihre Breite, welche der der Zellen entspricht, ist 3,6 wu. Die Zellen sind fast durchgiingig pigmentiert, das Pigment, von derselben Farbe wie innen, ist bald reichlich, bald nur sparlich in den Zellen vor- handen und besteht, ebenfalls wie innen, aus kleinen Kornern. Die Bindesubstanz, die in den Epithelzotten sich findet, zeigt auch hier aufen, wie in den Papillen und auf der Innen- fliche , jene eigentiimliche, bereits geschilderte Farbung und Schichtung. Driisige Organe fehlen auch auf der Aufenflache vollkommen. Uber die Epicuticula, welche von der ganzen Sipho-AuBen- fliche entsteht, soll spater berichtet werden. Die Nerven verlaufen in den Papillen in deren Lingsachse, aber nicht in ein und derselben Ebene, sie sind vielmehr wellig gebogen, so daS man sie in den Schnitten nur bruchstiicksweise erkennen kann; ihre letzten Endigungen sind nicht zu eruieren. Die Anzahl der die Siphonen versorgenden Nervenstémme ist be- reits durch die Praparation festgestellt; die weitere grébere Ra- mifikation ist daher hier nicht mehr von Interesse. In den 144 Dr. Bernhard Rawitz, Nerven trifft man sowohl central wie peripher gelegen zahlreiche polyclone Ganglienzellen. Die Muskulatur der Siphonen ist am besten an Quer- schnitten zu studieren und zeigt folgende Verhaltnisse. Dicht unter dem Epithel der Innenfliiche findet sich eine schmale Schicht Constrictorfasern; aut dieselbe folgen einige sparliche Retractor- fasern, die allmahlich in kolossale Retractormassen itbergehen, welche bis zum Epithel der Aufenttiche, diesem dicht anliegend, reichen. Diese Massen sind von verstreuten, bald sehr starken, bald nur schwachen Constrictorbiindeln durchsetzt, welche nir- gends eine einheitliche, besonders abgesetzte Masse bilden, wie bei anderen Siphoniaten. Die Compressorfasern durchsetzen die Biindel des Retractor und des Constrictor. Im Septum kommen nur wenige Retractorfasern, dagegen sehr zahlreiche, stark durch- einander gekreuzte Constrictorbiindel vor. In den Papillen finden sich die Muskeln nirgends in besonderer Gruppierung, sondern sind zu einem dichten Netze durcheinander geflochten. Aus meiner Beschreibung der makroskopisch wahrnehmbaren Verhiltnisse des Mantelrandes ist bekannt, daf zwei hohe Falten, welche rechts und links von der Medianlinie stehen, durch die ganze Linge des Randes auf dessen auferer Flache zu finden sind. Diese Falten erscheinen auf dem Querschnitte von hand- schuhfingerformigem Aussehen. Man kann an ihnen nach der Beschatienheit des Epithels zwei Abteilungen unterscheiden; die distale Halfte hat einen glatten epithelialen Belag, wahrend der der proximalen Halfte sich in zahlreiche Zotten gelegt hat. Letz- tere sind von sehr unregelmafiger Gestalt; bald sind sie hoch und schmal, bald niedrig und breit, im ersteren Falle stehen sie eng aneinander, im letzteren weit auseinander. Die Epicuticula entsteht von beiden Partieen der Falten in ganz gleicher Weise. Diese Zottenbildung des Epithels findet sich ferner in der medial zwischen beiden Falten gelegenen Bucht und ebenso lateralwirts der Falten bis zu der in der allgemeinen Beschreibung erwahnten weiflichen auferen Grenzlinie. Von hier ab andert sich der Cha- rakter des Epithels; die Zotten, zu denen sich dasselbe gruppiert hat, werden gleichmafbiger, sie sind von gleicher Hohe und Breite und stehen eng aneinander. Diese Partie fihrt dann kontinuier- lich zu dem Epithel der Aufenfliche des Mantels, welche der Schale eng anliegt. Die feineren Einzelheiten, die hier zu beobachten sind, sind folgende ; . Der Mantelrand der Acephalen. 145 Das Epithel der distalen Halfte der Randfalten besteht aus Zellen, welche 10 uw Breite haben und kreisrunde Kerne besitzen, deren Durchmesser der Breite der Zelle entspricht. Die Kerne liegen dem freien Rande der Zelle genihert, welcher einfach kon- turiert ist, wie stets da, wo die Zellen an der Bildung der Epi- cuticula beteiligt sind. Die basale Endigung der Epithelzellen ist durch eine scharfe Linie ausgeprigt, die wurzelfoérmige Aus- faserung ist im Schnitte nicht zu sehen. Das Epithel der proxi- malen Halfe der Falten hat eine Hohe von 14,4 uw; die Breite der Zellen ist nicht zu messen, da die Zellkonturen nicht sichtbar sind. Die Kerne liegen basal und sind oval; ihr langer Durchmesser betrigt 5,4 uw, ihr schmaler 1,8 u. In Ubereinstimmung mit die- sen Zellen sind diejenigen, welche die Bucht zwischen den beiden Falten bekleiden. Lateralwirts der Falten werden die Epithel- zellen zunachst niedriger; ihre Hohe betragt nur noch 9 w, ihre Breite ist nicht genau zu messen, die Kerne sind schmal und lang, 1,8: 5,4 uw, und liegen dicht dem freien Epithelsaume an. Weiter nach aufen zu werden die Zellen wieder hoher, bis sie etwa 18 « messen; sie sind dabei sehr schmal, 1 uw, haben central gelegene ovale Kerne von 5,4 « Linge, deren Breite der der Zellen entspricht. In allen diesen Regionen sind die Sinneszellen zwischen den indifferenten nicht zu erkennen. Die Epithelzellen der Falten und der medial wie lateral von denselben gelegenen Partieen bis zu jenen von 18 « Hohe, welche die weibliche Grenzlinie bezeichnen, farben sich ziemlich intensiv, namentlich in Anilinstoffen. Die nach aufen von der Grenzlinie gelegenen Abschnitte des Randes haben ein Epithel, das sich nur sehr bla tingiert und dadurch sich von dem bisher beschriebenen deutlich unterscheidet. Die Zellen sind 30,6 wu hoch, 2,7 w breit; die Kerne, basal gelegen und von ovaler Gestalt, messen 9,2 «. Dieses Epithel geht kontinuierlich iiber in das der Mantelaufen- fliche, das aus circa 41 w hohen Zellen besteht, deren freier Saum 2,5—3 w mift (Fig. 51); ihre Breite schwankt zwischen 5,4 und 14,4 w, ihre Kerne sind kreisrund, haben einen Durch- messer von 5,4 « und liegen der sehr scharf konturierten Basis an. Das Plasma dieser Zellen ist sehr zart granuliert und unter- scheidet sich dadurch und durch die Abwesenheit eines in Stibe oder Schollen zerfallenen Inhaltes von dem Epithel der Mantel- aufenfliche, wie es bei anderen Species (Arca, Dreissensia) beob- achtet werden konnte. Die Zellen der Mantelaufenfliche sind scharf gegen einander begrenzt; die Konturen werden von binde- Bd, XXVII, N. F, XX. 10 146 Dr. Bernhard Rawitz, gewebigen Membranen gebildet, die aus dem subepithelialen Ge- webe mit schmalem, dreieckigem Fue entstehen (Fig. 51). Die Membranen farben sich zum Unterschiede gegen das Plasma der Zellen, das Farbstoffe fast gar nicht annimmt, sehr intensiv. Hervorzuheben ist noch, daf’ die Epithelzellen aller der hier behandelten Partieen pigmentfrei sind. Driisen kommen auf der Aufenflache des Randes zwischen der Auferen Grenzlinie und der medialen Furche nicht vor, eben- sowenig amorphe Sekretmassen und Becherzellen. Nur in den nach aufen von jener Grenzlinie gelegenen Partieen, deren Epi- thel sich bla8 gefarbt hat, finden sich Mucindriisen, tiber welche Folgendes auszusagen ist. Die Driisen, als Mucindriisen durch ihre bekannten tinktorialen Eigenschaften gekennzeichnet, sind auBerordentlich sparlich vorhanden; sie sind einzellige Gebilde von flaschenformigem Aussehen und miinden in interepithelialen Liicken. Ihr Sekret ergiefSt sich in der Richtung gegen die Schale, aber noch in den von der Epicuticula bedeckten Raum hinein; in der eigentlichen Aufenflache des Mantels fehlen sie. Auf der inneren, dem Branchialraume zugekehrten Flache des Randes haben die mit hohen Wimpern versehenen Kpithelzellen, zwischen denen ich keine Sinneszellen wahrnehmen konnte, sich zu zahlreichen und dicht stehenden, gleich hohen Zotten gruppiert. Die Hohe der Zellen betragt 21,6 uw, ihre Breite 3,6 uw, die Linge der auf schmalem cuticularem Saume aufsitzenden Wimpern > schwankt zwischen 5,4 vu und 14,6 uw (Fig. 52). Die ovalen Kerne, deren Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht, wéihrend ihre Linge 7,2 « betrigt, sind central gelegen. Diejenigen Ge- bilde, welche der branchialen Flache des Randes das sie von der iuBeren unterscheidende Merkmal aufdriicken, sind die Mucin- driisen, die in der Mitte der Flache sehr zahlreich sind. Als Mitte ist diejenige Strecke zu betrachten, welche zwischen zwei Lotrechten liegt, die man sich von der AuSenfliche der Randfalten durch den Rand gezogen denken muf. Hier nun sind, wie be- merkt, die Mucindriisen sehr zahlreich. Lateralwirts dieser Mit- telpartie, rechts wie links, werden die Driisen sparlicher, um dann in den Abschnitten ganz zu verschwinden, welche nach aufen von zwei Lotrechten liegen, die man sich von den bekannten weiflichen Grenzlinien branchialwarts gezogen denken mu. Die Driisen sind stets, da sowohl, wo sie massenhaft, wie da, wo sie nur sparlich vorkommen, einzellige Gebilde, die immer vonein- Der Mantelrand der Acephalen. 14% ander getrennt bleiben und durch interepitheliale Liicken miinden (Fig. 52 md). Becherzellen kommen nicht vor. Mit der Abnahme der Zahl der Mucindriisen geht eine Er- scheinung einher, welche sehr beachtenswert ist. Es treten nim- lich in der Bindesubstanz die FLEMMiING’schen Zellen, die man da, wo viele Mucindriisen liegen, kaum wahrnehmen kann, in den lateralen driisenarmen und driisenfreien Partieen so zahlreich auf, dai sie das mikroskopische Bild beherrschen (Fig. 52 fz). Sie imponieren, trotzdem sie von Muskelfasern vielfach durchsetzt sind, als eine einheitliche Masse und stehen so dicht bei einander, daf sie durch gegenseitigen Druck eine polyedrische Gestalt er- langt haben (Fig. 52). Bei schwachen Vergréferungen erkennt man nur einen dichten Haufen von Kernen, weil der Plasmahof um dieselben relativ gering entwickelt ist. Dieser Plasmahof hat sich in Orange-Hamatoxylin orangegelb, in Bismarckbraun_hell- gelbbraun tingiert und erscheint bei Anwendung starker Systeme dicht granuliert. Diese Zellen nun sind auch zwischen den Epi- thelzellen anzutreffen. Man findet sie als vollkommen intakte Gebilde zwischen den Wimperzellen (Fig. 52), die sie auseinander- gedraingt haben, in allen Héhen des Epithels, also sowohl an der Basis, wie auch in der Nahe des Wimpersaumes. Diese Erschei- nungen erinnern lebhaft an die von SrOHR an verschiedenen Or- ganen der Siugetiere beobachtete Durchwanderung von Leukocyten durch das Epithel. In den Stellen der branchialen Fliche des Randes, in denen die Mucindriisen spérlich sind, trifft man die FLemmina’schen Bindesubstanzzellen ebenfalls im Epithel (Fig. 52), und zwar liegen sie zuweilen mit einem Driisenausfihrungsgange zugleich in derselben Epithelliicke. Manchmal zeigen die im Epithel sich findenden FLemminea’schen Zellen eine Verinderung ihres Aussehens, die lebhaft an die bei Cardium edule gefundenen Erscheinungen erinnert. Sie prasentieren sich namlich auch als glinzende Kérper, in denen eine Zellstruktur nicht mehr zu sehen ist, sie sind homogen und nur hie und da wie in kleine Schollen zerfallen (Fig. 52 hk). Dieser ganz ungewodhnliche Reichtum der Bindesubstanz an Fremmina’schen Zellen findet sich auch in der Bindesubstanz der diuferen Randfliche; namentlich sind es hier die distalen Hialften der Falten, welche eine grofe Zahl dieser Gebilde beher- bergen. In der Siphosubstanz kommt diese Erscheinung nicht vor. Ein Unterschied der auferen von der branchialen Flache hinsicht- lich der FLemmMinG’schen Zellen besteht darin, dab sie auf jener 10* 148 Dr. Bernhard Rawitzd, nicht durch das Epithel zu wandern scheinen, sondern in der Bindesubstanz bleiben, wenigstens habe ich sie nie in inter- epithelialen Liicken angetroffen. Hinsichtlich einer anderen Struktureigentiimlichkeit der Bin de- substanz erinnert die aufere Randfliche an die Siphonen. Dicht am Epithel, ohne Interkurrenz einer homogenen Zwischenschicht, ist die Bindesubstanz naimlich intensiv gefirbt, in Bismarckbraun dunkelbraun (Fig. 506), in Orange-Haimatoxylin veilchenblau. Lateralwirts der Falten erstreckt sich diese Farbungseigentiim- lichkeit nur bis zur Grenzlinie; dort hért sie auf. Auf Mucin- massen, die hier subepithelial angehiuft waren, deutet diese Fiairbung nicht hin, da dieselbe nie zwischen die Epithelzellen eindringt. Die Muskulatur bietet in Querschnitten durch den Mantel- rand das Bild zahlreicher langsgetroffener Fasern, die sich kreu- zen und zwar in der Richtung von innen links nach aufen rechts und von aufen links nach innen rechts. Quergeschnittene Mus- kelbiindel, also solche, die in der Liinge des Randes verlaufen, sind nur sparlich vorhanden und zwar nur dicht unter dem Epi- thel der auBeren und der inneren Flache; an der letzteren findet man sie nur in der mittleren Partie, an der ersteren reichen sie bis zur auferen Grenzlinie. Es ertibrigt noch die Beschreibung des Fufschlitzes (Fig. 53). Betrachtet man einen Querschnitt durch diese Stelle bei sehr ge- ringer VergréBerung, so erkennt man dicht an der Offnung eine konische Falte, die nach aufen in ein breites Thal tibergeht, das wiederum zu einer konischen Falte fiihrt, welche ebenso hoch ist, wie die erstere. Diese zweite Falte ist die direkte Fortsetzung der auBeren Grenzlinie (cfr. allgemeine Beschreibung). Die zweite Falte geht dann auSen kontinuierlich tiber in die Aufenfliche des Mantels. Nach innen setzt sich die Innenfliche der Innenfalte in eine unregelmafig gewellte Fliche fort, von welcher in der Mitte ihrer linearen Ausdehnung eine kurze, kegelf6rmig im Schnitte aussehende Falte sich erhebt, deren Spitze gegen das Lumen des Schlitzes gerichtet ist. Durch diese Falte wird die Innenwand des Schlitzes halbiert; dieselbe endet mit einer sehr schmalen Falte, welche senkrecht in den Branchialraum hineinreicht. Die branchiale Flaiche dieser Partie des Randes ist ziemlich glatt. Denkt man sich von der Innenfliche der duferen der beiden oben erwihnten Falten eine Senkrechte branchialwiirts gezogen, so trifft dieselbe den inneren Kontur des quergeschnittenen Fleckes Der Mantelrand der Acephalen. 149 (cfr. allgemeine Beschreibung), dessen branchiale Flache, wie die des Randes an dieser Stelle tiberhaupt, leicht konkav ist, waihrend die Begrenzung des Fleckes gegen die Substanz des Randes eine konvexe ist. Der Fleck fallt sofort auf, als eine im Querschnitt halbmondartig gestaltete Masse von besonderer Farbung. Das Querschnittsbild einer Randhafte am Fufschlitze gleicht einer Keule, deren Stiel vom Mantel, deren Auftreibung vom Schlitzrande ge- bildet wird. Die Héhe der beiden oben erwahnten Falten betragt etwa 0,5 mm, das Thal zwischen ihnen hat eine ungefahre lineare Aus- dehnung yon 0,95 mm. Die senkrecht gegen das Lumen des Schlitzes gerichtete Falte hat eine Hohe von circa 0,22 mm, die Hohe der Endfalte betragt 0,30 mm. Von dem Innenrande des Schlitzes ist der Fleck 1 mm entfernt; er hat im Querschnitte eine Breite, also eine Ausdehnung nach aufen, von 1,4 mm, wah- rend seine Dicke 0,15 mm betragt. Die Epicuticula wird von der ganzen auferen Flache dieser Gegend gebildet, ihre Ursprungsstiatte erstreckt sich innen bis zu der kleinen, senkrecht gestellten Falte, branchialwarts von letzterer hat das Epithel mit der Epicuticula nichts mehr zu thun. Wenden wir uns nunmehr zur Beschreibung der feineren Verhaltnisse. Das Epithel der beiden Falten, des zwischen ihnen gelegenen Thales sowie das Epithel abwarts der Innenfalte bis zur senkrecht stehenden Falte hat sich in auBerordentlich zahlreiche Zotten ge- legt. Es besteht in allen diesen Regionen aus Zellen, welche kubische Gestalt haben, 7,2 4 messen und kleine basal gelegene, kreisrunde Kerne besitzen, deren Durchmesser 3,6 uw betragt. Ihr freier Saum ist nicht doppelt konturiert. In der proximalen Halfte der Aufenfliche der auferen Falte sind die Epithelzellen 12,6 uw hoch; die Kerne sind langsoval, ihr Langsdurchmesser 4 u, ihr Breitendurchmesser, welcher dem der Zelle entspricht, betragt 1,8 «. Nach aufen von der Aufenfalte sind die Zellen nur 9 w hoch, wahrend ihre Breite nicht zu messen ist, die Kerne sind kreisrund, haben einen Durchmesser von 3,6 u und liegen dem freien Saume der Zellen fast dicht an. Sekretorische Organe kommen hier nirgend vor. Abwarts von der senkrecht gegen das Lumen des Fufschlitzes stehenden Falte, bis zur branchialwirts gekehrten Endfalte hat sich das Epithel ebenfalls in zahlreiche Zotten gelegt. Gleicht 150 Dr. Bernhard Rawitz, es in seinen Gréfenverhaltnissen dem Epithel der vorhin be- sprochenen Partieen, so unterscheidet es sich von jenen da- durch, daf es einen ziemlich dicken cuticularen Saum besitzt. Sinneszellen sind hier ebensowenig zu erkennen, wie in den vori- gen Regionen. Auf der branchialen Flaiche ist das Epithel bewimpert und gleicht vollkommen dem Wimperepithel, das bereits von der bran- chialen Randflaiche beschrieben wurde. Kinzellige Mucindriisen, wie solche in der tibrigen Ausdehnung der Innenfliiche des Randes zu beobachten waren, fehlen hier, fiir sie tritt vicariierend der ovale gelbliche Fleck ein. Derselbe farbt sich in Bismarckbraun dunkelbraun, in Orange-Haimatoxylin veilchenblau, in Indigkarmin-Boraxkarmin rosarot (Fig. 53 md), zeigt also ausgesprochene Mucinreaktion. Sein Bau erinnert leb- haft an den der von mir beschriebenen Fufdriisen der Opistho- branchier (36); er stellt eine kompakte Masse von Driisenzellen dar, welche eines gemeinsamen, differenzierten Ausfithrungsganges entbehren, ihr Sekret vielmehr an allen Punkten der von ihnen eingenommenen Partie der branchialen Flache durch interepi- theliale Liicken entleeren (Fig. 53). Trotz des Fehlens eines besonderen Ausfiihrungsganges aber kann man die ganze Bil- dung als eine grofe Mucindriise betrachten. Die Bindesubstanz hat hier grofe ovale Maschen, deren Langsachse in der Rich- tung vom Epithel der branchialen zum Epithel der 4uBeren Flache orientiert ist. In diesen Maschen, die bis zu der friiher bereits angegebenen Tiefe in die Substanz des Randes hineinreichen, liegen zahlreiche Driisenzellen von verschiedener Groéfe, die oft zwei- und mehrkernig erscheinen (lig. 53 md). Die Kerne sind klein und kreisrund. Das Plasma der Driisenzellen zeigt bei Betrach- tung mit starken Vergréferungen eine sehr weite Netzzeichnung. In einer homogenen, in den erwahnten Farbstoffen hellbraun, blaSblau oder hellrosa gefarbten Grundsubstanz finden sich zarte, aber intensiv tingierte Strange, welche zu einem weiten Maschen- werke verflochten sind. Andere Driisenzellen zeigen deutlich einen Zerfall in kleine, sehr intensiv gefirbte Tropfen; diese Tropfen trifft man in den Liicken des wimpernden Epithels, wel- ches das ganze Gebilde bedeckt (Fig. 53 md ,). Der Mantelrand der Acephalen. 151 X. Pholadacea. (Fig. 54—58.) Untersucht wurden Teredo navalis L. und Pholas dactylus L. 1. Teredo navalis. Der lange, wurmférmige Kérper dieser Muschel geht in zwei Siphonen aus, die an ihrem distalsten Ende eine leicht gelbliche Pigmentierung besitzen. Die Offmung des Atemsipho wird von einer geringen Anzahl kurzer Papillen umstanden. In dem Werke von Meyer und Mostus (30, p. 137) ist eine ausfiihrliche Beschreibung der hier interessicrenden, grob wahr- nehmbaren Verhaltnisse enthalten, auf welche ich, da ich sie in allen Punkten bestatigen kann, hiermit verweise. Uber die histiologischen Einzelheiten der Siphonen ist Folgen- des auszusagen. Die Epithelzellen der kurzen, kegelférmigen Papillen und die der Sipho-AufSenflache stimmen in allen Punkten iiber- ein. Sie sind wimperlose, cylindrische Zellen von 14,4 « Hohe, welche einen schmalen cuticularen Saum besitzen. Die Kerne liegen basal und sind kreisrund oder oval; man erkennt in ihnen deutlich einen bis zwei Nucleoli. Pigment ist in den Zellen nur im distalsten Abschnitte der Siphonen vorhanden. Zwischen die- sen indifferenten Zellen finden sich ganz au8erordentlich schmale Zellen, die sehr lange, stabchenformige Kerne besitzen. Dieselben reichen viel tiefer in die Papillen- bez. Siphonalsubstanz hinein, als die der indifferenten, und man sieht von den Kernen bez. von den Zellen je einen fadenférmigen Fortsatz abgehen, der bis tief in die Bindesubstanz zu verfolgen ist, dessen endliches Schick- sal aber nicht eruiert werden konnte. Es sind dies die Sinnes- zellen von Teredo. Das Epithel der Sipho-Innenflache hat dieselbe Grée wie das der Aufenflache und der Papillen; es differiert nur in- sofern, als es keinen cuticularen Saum besitzt. In den Siphonen kommen in den Papillen wie auf der AuBen- flache keinerlei sekretorische Apparate vor; auf der Innenflache finden sich Mucindriisen. Proximalwarts der Siphonen sind Mucin- driisen auch auf der AuBenflaiche vorhanden. Dieselben sind ein- 152 Dr. Bernhard Rawitz, zellige Gebilde, welche mit schmalen Ausfiihrungsgangen in inter- epithelialen Liicken miinden. Die Muskulatur besteht hauptsachlich aus zwei Retractor- massen, welche in der Liingsachse der Siphonen unter dem Epithel dahinziehen. In die Zotten, zu denen sich das Epithel aufen wie innen gruppiert hat, strahlen die Muskeln als ziemlich kompakte Compressorbiindel ein, zerfasern sich dann schnell und streben in die Nahe der Basen der Epithelzellen. Hier gewahren die letzten Muskelenden, die kurz vor dem Epithel umbiegen und sich in der Bindesubstanz untereinander verflechten, ganz dasselbe Aussehen, das ich von den Veneriden beschrieben und gezeichnet habe (cfr. Fig. 31). Auf Querschnitten durch die Wurzel der Siphonen, welche hier verwachsen sind, erkennt man im ganzen zwei Nerven- staémme, von denen der eine mehr dorsal gelegene den Anal- sipho, der andere den Atemsipho versorgt. 2, Pholas dactylus. A. Allgemeines. Beide Mantelhalften sind auf der ventralen Seite des Tieres von der Stelle ab, an welcher der keilformige Fu nach aufen tritt, bis in die Nahe des hinteren Viertels der Schalen verwach- sen. Die Verwachsungsmembran, welche durch eine von der Innenflache des Mantels ausgehende Duplikatur gebildet wird, be- dingt einen nur mafigen Grad der Offnungsméglichkeit der Scha- len. Am vorderen Ende geht die Quermembran in die Innenflache des Mantels iiber. Hinten setzt sie sich unmittelbar, ohne scharfe Grenze, in die ventrale Wand des ventralen Sipho fort, wahrend die Aufenfalte des Mantelrandes — man kann namlich die Quer- membran als die Innenfalte betrachten — sich weiter am Rande der Schaleninnenfliche hinzieht, um am Riicken sich mit der der Gegenseite zu vereinigen. Quermembran und Mantelrand sind pigmentlos. Die Siphonen sind in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen, nur ihre Miindungen sind getrennt; der Atemsipho besitzt ein weiteres Lumen als der Analsipho. Die Verwachsungsstelle wird an der AuSenwand, wie dies Mryrer und Mosius (30) auch fir Pholas crispata L. angeben, durch zwei seichte, bei der Konser- vierung schwindende Furchen angedeutet, von denen die eine an Der Mantelrand der Acephalen. 153 der rechten, die andere an der linken Seite der vereinten Si- phonen zu finden ist. Bis fast in die auferste Spitze hinein sind die Siphonen auf ihrer Aufenfliche farblos, erst in dem distalsten Abschnitte zeigt sich eine unregelmafige Pigmentierung, die gegen den Rand des Sipholumens hin sehr stark wird und von hier aus, nachdem sie auch auf die die beiden Lumina um- kranzenden kegelférmigen Papillen iibergegangen ist, auf die Innenflache sich fortsetzt. Auf letzterer ist die Pigmentierung eine viel intensivere und daher dunklere, als auf der Aufen- flache. Hat man den ventralen Sipho durch einen Scheerenschnitt in der Lange gestalten und die Schalen nach aufen umgeklappt, so treten diejenigen Organe zu Tage, die seit PANCERI’s grund- legender Arbeit!) als Leuchtorgane bekannt sind. Das Leuchten von Pholas wird schon, wie PAnceri anfiihrt, von PLinius er- wahnt; Poni in seinem beriihmten Werke ,,Testacea utriusque Siciliae“* Tom. I hat auf Taf. VIII, Fig. 1 und 6 die Leucht- organe dieser Species abgebildet, beide Male dieselben durch bei- gesetzte Buchstaben hervorgehoben, in der Tafelerklarung aber auf sie nicht weiter Riicksicht genommen. Im Texte spricht sich Pour iiber die Bedeutung dieser Gebilde nicht definitiv aus. Die anatomischen Angaben von PAnceri sind folgende. Drei Orte sind es, an welchen man spezielle Organe antrifft, die das Leuchten hervorbringen: 1) der obere Mantelrand bis zur Mitte jeder Schale (Fig. 54 a); 2) zwei dreieckige Flecke, welche am Eingange des vorderen (soll heiBen: ventralen) Sipho zu beiden Seiten der Medianlinie gelegen sind (Fig. 546), und 3) zwei in die Linge gezogene, parallel zu einander verlaufende Streifen im ventralen Sipho (Fig. 54 c). Die dreieckigen Organe haben eine unebene Oberfliche oder vielmehr zeigen dadurch, da von ihrem inneren zu ihrem duferen Rande parallele Furchen ziehen, eine Zusammensetzung aus fiinf und mehr Lappen. Die Siphonen- streifen sind ebenfalls gefurcht und zwar parallel zu ihrer Quer- achse, die Furchen vermehren oder vermindern sich, je nachdem der Sipho sich kontrahiert oder sich ausstreckt. Besondere, fiir diese wie fiir die Leuchtorgane des Mantelrandes bestimmte Ge- 1) Pancert, Gli organi luminosi e la luce dei pirosomi e delle foladi. Atti della R. Accademia delle scienze fisiche e matematiche, Napoli 1873, Vol. V, Nr. 13. 154 Dr. Bernhard Rawitz, faBe hat Pancerr nicht auffinden kénnen. Uber die Nerven, die er beschreibt, soll spaiter gesprochen werden. Diese in aller Kiirze berichteten Angaben des italienischen Autors decken sich in fast allen Punkten mit meinen hier folgen- den Befunden. Vom Ursprunge des ventralen Sipho bis zur Papillarregion, i. ec. derjenigen Partie, an welcher die Pigmentierung der Innen- flache des Sipho anfangt, trifif man zu beiden Seiten der Kiemen, auf dem Septum aufliegend, zwei Streifen, die, als ganz schmale Striche beginnend, allmahlich eine Breite von mehreren Milli- metern erlangen, sich an ihrem distalen Ende wieder verjiingen, um an der Pigmentgrenze als ganz feine, schwer wahrnehm- bare Linien zu verschwinden. Sie haben am lebenden Tiere ein milchweies Aussehen und prominieren iiber die Oberfliche nicht unbedeutend. Im dorsalen Sipho fehlen diese Streifen voll- kommen. Die seitlichen Flecken haben nicht immer dreieckige Gestalt, wie PANcERI angiebt; manchmal sind sie viereckig, manchmal ganz unregelmakig gestaltet. Beziiglich der Organe, welche am vorderen Mantelrande sich finden, ist zu bemerken, daf dieselben breit beginnen, sie folgen dann der Biegung des Mantels und laufen gegen die Mitte der Schale zu spitz aus. Alle drei Organpaare besitzen, wie PANcERI ganz richtig her- vorgehoben hat, eine gefurchte Oberfliache. Ist das Tier in Ruhe, so bringt es durchaus kein Leuchten hervor, schiittelt man dagegen das Wasser, in dem es sich befin- det, stark, so sieht man leuchtende Wolken aus seinem Atem- sipho!) herauskommen, die schlieSlich das Wasser selber leuch- tend machen. Den Beweis dafiir, da die oben beschriebenen drei Organpaare es sind, welche dieses Phainomen hervorrrufen, hat Pancert in folgender Weise gefiihrt. Entfernte er namlich die von ihm als Leuchtorgane betrachteten Gebilde mittelst des Messers und wusch er darauf sorgfaltig das operierte Tier mit Wasser, so blieb jede Leuchterscheinung auch bei gré8tem Reize aus. Von den anderen Experimenten, die er tber die Leuchtorgane 1) Pancrrr spricht falschlicherweise immer von einem ,,sifone anteriore’. Ein Sipho anterior existiert nicht, sondern nur ein Sipho inferior und ein Sipho superior. Der Mantelrand der Acephalen. 155 angestellt hat, scien folgende hier noch erwihnt. Am toten Tiere konnte er das Leuchten der dreieckigen Flecke selbst dann noch wahrnehmen, als die faulige Zersetzung bereits begonnen hatte; in einem Falle sogar noch 6 Tage nach dem Tode. Wasser, destilliertes wie gewohnliches, erhilt nach ihm langere Zeit die Leuchtkraft der Organe, wihrend Alkohol und Ather ungiinstig einwirken. Meine eigenen, in einem mir von der Verwaltung der ,,Zoo- logischen Station“ bereitwilligst zur Verfiigung gestellten Dunkel- zimmer gemachten Beobachtungen ergaben die folgenden Resultate. Offnet man an einer lebenden Pholas durch einen Lingsschnitt den Atemsipho und den Mantel, so hat man im verdunkelten Zimmer den Anblick des Leuchtens. Und zwar treten in den meisten Fallen bei den aus dem Wasser herausgenommenen Tieren zuerst die dreieckigen Flecken, dann die Siphonalstreifen und zu- letzt der Mantelrand leuchtend hervor. Das Licht ist schwach, ein blauliches Weif. Reizt man nunmehr die geéffnete Pholas mit einer Scheerenspitze, einem Skalpellstiel oder irgend einem anderen Instrumente, indem man iiber die ganze Innenflache des Tieres haufig hiniiberstreicht, so verbreitert sich die Lichterscheinung bedeutend. Bei anhaltender Fortsetzung des Reizes leuchtet dann die ganze Muschel, die Farbe wird dabei intensiv milchweif, und der leuchtende Stoff, welcher fliissiger Natur ist, geht tiber auf das Instrument und auf die Finger des Beobachters. Unerlafliche Bedingung, um eine solche Ausdehnung des Phinomens zu er- halten, ist, da’ man anhaltend mit dem Instrumente tiber die ge- éffneten Partieen hinstreicht. Daraus glaube ich schlieSen zu diirfen, da8 es nicht der mechanische Reiz als solcher ist, welcher die allmahlich zunehmende Ausdehnung des Leuchtens bewirkt, sondern daf der ausgeiibte Druck, der, sei er auch noch so gering, bei der oben angegebenen Untersuchungsweise gar nicht vermieden werden kann, als die Ursache der Ausbreitung zu betrachten ist. Durch den Druck namlich wird allmahlich der das Leuchten her- vorbringende Stoff aus den Organen gepreft; er gelangt tiber die gedriickten Stellen vermége seiner fliissigen Beschaftenheit, und so kommt es zuwege, daf selbst die Finger des Beobachters schlief- lich zu leuchten anfangen. LieB ich eine Anzahl der gedffneten Tiere, nur mit einem Glase bedeckt, stehen, so konnte ich, ganz wie PANcERI, noch nach Tagen, als schon Faulnis eingetreten war, durch erneutes Uberstreichen das Phinomen hervorrufen. Doch 156 Dr. Bernhard Rawitz, war nunmehr die Lichterscheinung bei weitem nicht so schén und so intensiv, wie am frischen Tiere. Wenn man die Organe, welche den leuchtenden Stoff produ- zieren, in verschiedenen Fliissigkeiten untersucht, so erhalt man ganz verschiedene Resultate. In Alkohol absolutus, Alkohol von 90 Proz., in Ather + Alkohol absolutus und in Glycerin tritt kein Leuchten ein, wenn man die Organe mit dem die Fliissigkeit ent- haltenden GefiBe ordentlich schiittelt, die Leuchtkraft erlischt unmittelbar nach dem Einbringen der Teile in die genannten Reagentien. In reinem Ather sulfuricus entsteht ein leichtes Auf- leuchten, das bald vollstaindig verschwindet. Schiittelt man die Organe in einer 33-proz. Lésung von Kali aceticum, so bekommt man einen schwachen Schimmer, welcher denselben Eindruck er- weckt, wie wenn man in tiefdunkler Nacht in sehr weiter Ferne ein Licht schimmern sieht. In Chloroform leuchten die Organe heller auf als in der vorigen Fliissigkeit, und es verteilt sich die leuchtende Substanz in geringem Grade in dem Reagens, so daf{ man dieses beim Schiitteln des GefiBes ein wenig schimmern sieht. Intensiv wird die Verteilung und intensiv das Leuchten dagegen in Aqua destillata und ganz besonders in Aqua communis. In diesen Fliissigkeiten ist nach kurzem Verweilen der Organe die leuch- tende Masse verteilt, ein Schiitteln der Gefife ist nicht not- wendig, ihr Inhalt leuchtet von selbst, und in dem leuchtenden Wasser sieht man wie helle Sterne die Leuchtorgane schweben. In einer Reihe von Mitteilungen, die sich auf die letzten vier Jahre erstrecken, hat RapHarL Dusors') eine Erklarung fiir die Leuchterscheinungen gegeben, welche der von PANCERI vertretenen und von mir angenommenen widerspricht. In dem Aufsatze, welcher in den Berichten der Pariser Akademie, Bd. 107, abgedruckt ist, stellt Dusors, sich anlehnend an eine kurz vorher in der Société de biologie (1888) unter dem Titel ,Sur la production de la lumicre chez le Pholas dactylus“ veréffentlichte Mitteilung, die Behauptung auf, daf es nicht das Sekret der Pancert’schen Or- 1) Rarnart Dusors: Comptes rendus de l’académie des sciences. Paris, Bd. 107, 10. September 1888; ibidem Bd. 109, 5. August und 9. August 1889; ibidem Bd. 111, 25. August 1890. Ferner in: Comptes rendus de la société de biologie. Paris, Série VIIT, Tome IV, 1887, pg. 564 ff., und Mémoires, ibidem ,,Les vacuolides“, sowie dieselbe Zeitschrift, Série VIII, Tome V, 1888, g. 451 ff und pg. 714 ff., und ibidem Série IX, Tome I, pg. 521 ff und pg. 611 ff. Der Mantelrand der Acephalen. 157 gane sei, durch welche das Phianomen des Leuchtens hervorge- bracht werde, sondern daf das Leuchten nur durch die Symbiose eines Mikroorganismus, des von ihm entdeckten ,,Bacillus Pholas“ (in der Mitteilung in der Société de Biologie 1889 spricht er von einem ,,Bacterium Pholas‘) mit der Muschel zustande komme. In den Comptes rendus, Tome 107, pg. 502, heift es wortlich: BM acd. sik nous avons fait connaitre...... a l’ état normal, dans les parois du siphon des Pholas dactylus, de micro - organismes (Bacillus Pholas) qui donnent une belle lumiére lorsqu’ on les cultive dans un bouillon préparé avec les tissus phosphorescentes de 1’ animal vivant. Ces tissus contiennent, en effet, la substance que nous nommons provisoirement luciférine, sur laquelle le ferment porte son action. La réaction nécessite en outre, pour s’effectuer avec production de lumiéere, un milieu convenable; il doit étre salé et alcalinisé dans des proportions déterminées. Pen- dant la vie, le bouillon est fourni par l animal, qui le modifie suivant les cas; il n’est pas le méme chez le mollusque au repos, qui ne brille pas, et chez lui qui est excité et rejette au dehors une abondante quantité de liquide phosphorescent. On est donc, chez le Pholas dactylus, en présence d’un nouveau cas de sym- biose . . . etc.“S In den Berichten der Société de biologie, Série IX, Tome I, pg. 615 heift es mit anderen Worten ahnlich: ,,1°. La phosphorescence du Pholas dactylus est le résultat d’une fermen- tation. 2°. Le ferment n’est pas une diastase sécrétée par V ani- mal, mais un ferment figuré symbiotique (Bacterium pholas). 5°. Ces organes ne brillent jamais spontanément, mais seulement lorsque l animal vivant est excité fortement (was PANcERr bereits nachgewiesen hatte). Le parasite physiologique prend alors une activité particuliére, grace aux modifications provoqués dans les organes lumineux par I excitation.“ A priori ist die Méglichkeit nicht abzuweisen, daf8 ein Bacil- lus, der in Pholas anzutrefien ist, teilhat an dem Phanomen des Leuchtens; solche phosphorescierende Mikroorganismen sind ja lingst bekapnt. Das Leuchten, das man in verschiedenen Meeren zu sehen Gelegenheit hat, wird hiufig ebenfails durch ein Bacterium produziert. So wurde z. B. vor mehreren Jahren von Herrn HERMES, dem Direktor des Berliner Aquariums, ein leuchtender Mikro- organismus aus der Siidsee rein geziichtet; sowohl die Kulturen wie die mit denselben geimpften toten, vorher sterilisierten Fische zeigten ein sehr intensives Leuchten. Aber, um auf die Dupois’sche Auseinandersetzung zuriickzu- 158 Dr. Bernhard Rawitys, kommen, durch die Anwesenheit jenes Bacillus ist noch nicht dar- gethan, daf die Pancerrschen Organe nicht eigene Leuchtkraft pesitzen. Diesen Beweis hat Dupois in jenen Aufsitzen, aus denen die wortlich hier wiedergegebenen Auseinandersetzungen stammen, wie auch in seinen anderen Mitteilungen nicht geliefert. Die Lebens- erscheinungen seines Bacillus hat der Autor eingehend studiert, aber die Experimente, welche die photogene Indifferenz der Pan- cERI'schen Organe hatten beweisen sollen, ist er schuldig geblieben. Und diesen Beweis zu liefern, mu fiir Dusors wohl unméglich gewesen sein, denn in seiner letzten mir vorliegenden Mitteilung, welche den hier interessierenden Gegenstand behandelt (Comptes rendus, T. 111, 25. Aug. 1890, pg. 363 ff.), schrankt er seine Be- hauptung tiber die Bedeutung des Bacillus fiir das Leuchten be- deutend ein. In einer Anmerkung heift es namlich wéortlich: fet: CRANE je me suis assuré que, si ce mollusque (d. h. Pholas) peut parfois contenir dans son siphon des micro-organismes lu- mineux symbiotiques, qui m’avaient fait croire tout d’ abord a l existence d’un ferment soluble dans le mucus sécrétée par cet organe, il posséde aussi une luminosité propre, prenant naissance dans toute la couche, que jai décrite sous le nom de couche neuro-conjonctive. Le tissu photogéne n’est pas limité aux cordons et aux triangles de Poni et ceux-ci ne méritent pas le nom d’organes lumineux proposé par Pancerr, bien que la lumiére s’y manifeste avec plus d’intensité qu’ autre part. Ce sont, comme je lai indiqué ailleurs des organes sécréteurs, qui semblent en outre destinés a laisser échapper des éléments migra- teurs bourrés de granulations arrondies (vacuolides). J’ai reconnu que les éléments migrateurs étaient les véritables agents de la luminosité propre de la Pholade, laquelle doit étre distinguée de la luminosité symbiotique ou parasitaire.“ Sehen wir hier von den histiologischen Angaben ab, die in dem citierten Abschnitte iiber den ,,couche neuro-conjonctive‘ und iiber die auswandernden Elemente enthalten sind, so diinken mich die tibrigen Bemerkungen fiir die Erklarung des Leuchtphanomens insofern von grofer Wichtigkeit, als sie die Bedeutung des Bacil- lus in einem ganz anderen Lichte erscheinen lassen. Dusors sagt »parfois, ,,bisweilen‘‘ kann im Sipho von Pholas dactylus sein Bacillus vorkommen; bisweilen kann er also fehlen, in letzterem Falle ist das Leuchten auf die eigene Leuchtkraft des Tieres zuriickzufiihren. Mir will scheinen, als wenn mit diesem Zuge- standunisse der eigenen Leuchtkraft die Rolle, welche der Bacillus Der Mantelrand der Acephalen. 159 zu spielen hat, eine ganz nebcusiichliche geworden ist. Sind die Organe des Tieres imstande, einen Stoff zu produzieren, der im Dunkeln proprio motu, d. h. ohne Dazwischenkunft eines fremden Organismus, leuchtet, danu kann fernerhin logischerweise von einer durch Symbiose hervorgebrachten Leuchterscheinung nicht mehr die Rede sein. Leuchten die Teile des Tieres auch ohne Bacillus, so ist dessen Anwesenheit eine rein zufillige, fiir den physio- logischen Vorgang dann vollstiindig gleichgiltige. Das Leuchten kann durch den Bacillus vielleicht (!) beeinflu’t werden, durch ihn hervorgebracht aber wird es sicher nicht. Ja, man kann in der Kritik noch weiter gehen und sagen, daf es nunmehr, nachdem das eigene Leuchtvermégen von Pholas bewiesen ist, héchst zweifel- haft geworden, ob der Bacillus Pholas Dupots seinerseits tiberhaupt eigenes Leuchtvermégen besitzt. Die leuchtenden Reinkulturen, welche Dusors angefertigt, liefern nun gar keinen Beweis mehr. Der Bacillus kann wahrend seines Verweilens im Branchialsipho der Muschel von den leuchtenden Substanzen Teile in irgend einer fiir uns durchaus nicht erkennbaren Form in sich aufgenommen und aufgespeichert und dadurch selber das Vermégen zu leuchten erlangt haben, das ihm urspriinglich héchst wahrscheinlich gar nicht innewohnte. Der Beweis, ob diese Vermutung — denn nur als solche méchte ich den obigen Gedanken hinstellen — richtig ist oder nicht, ware so zu fiihren, daf} man ausprobt, ob der Mikro- organismus seine Leuchtkraft noch nach vielen Generationen un- verandert beibehalten hat, oder ob sich diese Eigenschaft verliert und erst dann sich wiederherstellt, wenn derselbe von neuem in eine Pholas gebracht wurde. Soviel ich wei’, hat Dusors solche Experimente, die eigentlich ziemlich nahe lagen, nicht angestellt. Indessen wie dies auch sein mag, so viel hat die Kritik der Dusois’schen Angaben festgestellt: es kommt der Pholas dactylus ein eigenes Leuchtvermégen zu. Nun sagt Dusors in der zweiten oben citierten Stelle, da die Pancert’schen Organe, obgleich an ihnen das Phinomen deutlicher hervortritt als an anderen Kérper- teilen, dennoch nicht den Namen ,,Leuchtorgane“ verdienen. Tir diese Behauptung vermisse ich jeglichen Beweis. Daf die betrel- fenden Organe Sekretionsorgane sind, hat PANcert selber und nicht erst Dusois angegeben; jener Autor nennt sie ,,organi speciali che si illuminano in particolari casi e producono anche, a modo di secrezione, una materia lucente (1. c. pg. 41). Es sollen nun nach Dusors nicht die Organe selber leuchten, sondern Elemente, die aus ihnen auswandern, sollen die Trager des Leuchtstottes 160 Dr. Bernhard Rawitd, sein. Aber woher diese Elemente stammen, sagt Dupors gar nicht. Denn die von ihm sogenannten ,,Vacuoliden‘t hat er hinsichtlich ihrer Herkunft bei Pholas nicht naher studiert, wenigstens nichts Genaues dariiber publiziert. (Der Aufsatz ,,Les vacuolides* in Mé- moires de la société de biologie 1887 handelt nicht mit einem Worte von Pholas.) Sind die sogenannten Vacuoliden Gebilde, welche mit den Leukocyten der Vertebraten in Analogie zu bringen sind, so wire es doch wunderbar, warum gerade hier, an diesen drei Organpaaren, die Auswanderung hauptsichlich statthat und nicht auch an anderen Koérperpartieen. Und sind es Gebilde sui generis, um die es sich bei diesen Auswanderern handelt, dann ist durch Dusors nicht gesagt, wo sie entstehen und warum sie wiederum nur hier austreten. Denn daf der Austritt der leach- tenden Massen nur von der Oberflache der PANcErr’schen Organe aus statt hat, das beweisen die Versuche von PANCERI und mir. Um zu wiederholen, was ich oben ausgefiihrt: der beim Experimen- tieren auf diese Stellen ausgeiibte Druck preft das Sekret aus, das, weil es fliissig ist, sich iiber die anderen Korperteile und iiber die Instrumente verbreitet. Der Versuch also, die drei PANcEri’schen Organpaare ihrer von PANcerRI ihnen vindizierten Funktion zu entkleiden, ist ent- schieden als mifSlungen zu bezeichnen; die von dem trefflichen italienischen Forscher gemachten physiologischen Angaben bestehen vielmehr ungemindert zu Recht. Damit soll tibrigens kein verwerfendes Urteil tiber die anderen Experimente von Dusors gegeben sein. Seine Ausfiihrungen nament- lich in Tome IV, Série VIII der ,,Comptes rendus de la société de biologie’*‘ yom Jahre 1887 sind von hohem Interesse. Auf diese Ausfiihrungen hier naher einzugehen, wiirde zu weit fiihren, da dieselben sich auf einem Gebiete bewegen, welches mit den hier ventilierten Fragen kaum einen Zusammenhang besitzt. Eine sehr interessante Thatsache ist an unserer Species von RapHaEL Dupors*) berichtet worden, naémlich die Empfindlichkeit von Pholas auf verschiedene Lichteindriicke. Der Autor sagt (Comptes rendus der Pariser Akademie, T. 109, 5. Aug. 1889, pg. 233): ,,le passage de Tl obscurité a la lumiére ou de la lumiére a Pobscurité, un léger nuage du fumée, suffisent pour provoquer 1) Die friiher citierten Mitteilungen dieses Autors enthalten auch die jetzt zu besprechenden Angaben. Der Mantelrand der Acephalen. 161 une contraction plus ou moins brusque du siphon.‘“S In der Num- mer vom 19. August desselben Bandes der Comptes rendus giebt er dann eine ausfiihrliche Analyse dieser Erscheinung, indem er den Einflu8 der Temperatur, der Ermiidung, der Dauer und In- tensitat der Belichtung, sowie der verschiedenen Teile des Spektrum auf dieselbe priift. Der Umstand, dafi Pholas keiner- lei augenahnliche Organe besitzt, fiihrt ihn dazu, hier eine ,,pho- todermatische“ Funktion anzunehmen, fiir die er eine besondere anatomische Einrichtung gefunden zu haben glaubt. Uber diesen letzten Punkt, da er auf die feinere Struktur der Siphonen Bezug hat, will ich mich erst bei der speziellen Beschreibung auBern; hier soll nur das folgen, was ich selber iiber den physiologischen Vorgang habe eruieren kénnen. Die Angabe von Dusots, daf} Pholas lichtempfindlich ist, kann ich vollkommen bestitigen. In den mir in der Neapler Station zur Verfiigung stehenden Bassins, deren Boden etwa 5 cm hoch mit Meeressand bedeckt war, befand sich eine grofe Menge der verschiedensten Arten von Acephalen. Die Siphoniaten unter ihnen hatten sich in den Sand eingegraben und streckten ihre Siphonen aus demselben her- aus: ein Zeichen, dal sie sich sehr wohl befanden; die Limen schwammen umher oder hatten Nester gebaut. Lenkte ich nun bei Nacht mittelst eines Reflektors das von einer Petroleumlampe ausgehende Licht auf die Siphonen einer Tellina, Venus, Tapes oder Solen, so war der Effekt gleich Null. Die Tiere kehrten sich gar nicht daran, ob die Siphonen grell beleuchtet wurden oder ob sie dunkel blieben; die Siphonen bewegten sich in dem einen wie in dem anderen Falle ruhig umher, und nichts deutete darauf hin, da8 das Licht auch nur den geringsten EKindruck machte. Ebenso erfolglos war die Beleuchtung einer Lima. Anders aber verhielten sich die Exemplare von Pholas. Sobald der vom Reflektor aus- gehende Lichtkegel auf die Siphoenden von da, wo die Papillen sitzen, bis zu der Stelle der Aufenflache, wo das Pigment auf- hérte, fiel, zogen sich dieselben lebhaft, ja man kann fast sagen, krampfhaft zusammen. Und zwar wurden die Papillen nach innen gezogen, die Offnungen der Siphonen schlossen sich, und letztere nahmen an ihrem Ende eine gerundete Form an. Wurde eine nicht pigmentierte Stelle des Sipho oder des Mantels beleuchtet, so war ein Effekt nicht zu erzielen. Wurde der Reflektor ent- fernt, so dehnten sich die Siphonen aus, um bei neuer Belichtung sich von neuem zusammenzuziehen. Der scharfe Gegensatz, der Bd, XXVII, N, F, XX, 11 162 Dr. Bernhard Rawitg, sich so zwischen Pholas und den iibrigen Muscheln dokumentiert, deutet entschieden auf eine Lichtempfindlichkeit der Papillar- und Pigmentregion der Siphonen hin. Wollte man die Reaktion, welche Pholas zeigt, auf eine wenn auch noch so minime Warmestrahlung zuriickfiihren, dann bliebe es unerklarlich, warum nicht die an- deren hier erwahnten Arten eine gleiche Empfindlichkeit offen- barten. Fiir meine Zwecke glaubte ich mich mit dieser Bestatigung der schénen Beobachtung von Dusors begniigen zu kénnen. Pho- las, die einzige Muschel, welche leuchtet, ist zugleich unter all den Acephalen, welche keine besonderen Sehorgane besitzen , die einzige Species, bei der eine Lichtempfindlichkeit sicher nachge- wiesen ist. Ich komme zur Beschreibung des Nervensystems der Art, soweit dasselbe uns hier interessiert. Vom Visceralganglion gehen ab nach vorn die beiden Kon- nektive, deren Ursprungsweise hier eine ganz eigentiimliche ist. Von den vorderen Ecken des Ganglion namlich entspringen zwei zarte Nervenstéimmchen, die, nach vorn konvergierend, sich zu einem kleinen Ganglion vereinigen und sich vielleicht in dem- selben kreuzen. Erst aus diesem Ganglion kommen die Cerebro- visceralkonnektive heraus. Von den Seiten des Visceralganglion gehen ab die beiden Branchialnerven. Von den hinteren beiden Winkeln kommt jederseits ein starker Nervenstamm, der Fasern fiir die Siphonen und den Mantel fiihrt. Von der Innenflaiche des- selben entspringt ein Nerv, der zum Analsipho geht und wahr- scheinlich auch den hinteren SchlieSmuskel versorgt. Dann zweigt sich von derselben Seite ein Nerv fiir das Septum und ferner einer fiir den Branchialsipho ab. Die Ursprungsstelle des letzten Astes ist durch eine kleine gangliése Anschwellung ausgezeichnet. Es erhalten also der Analsipho zwei, das Septum zwei und zwar die stirksten, und ebenso der Branchialsipho zwei Hauptnerven, welche sich dann in der Substanz der betreffenden Regionen weiter verzweigen. Der Rest des Hauptstammes zerfillt dann dicho- tomisch. Von den beiden Endasten versorgt der innere Ast die hintere Partie des Mantels, wahrend der dufere im Bogen nach vorn geht und, im Mantel verlaufend, diesen innerviert. Die durch eine Kommissur verbundenen beiden Cerebralgan- glien entsenden die beiden Konnektivpaare und je nach vorn zwei Aste, von denen der innere den vorderen SchlieSmuskel versorgt, Der Mantelrand der Acephalen. 163 der auSere nach hinten um- biegt und sich im Mantelrande verzweigt. Wahrscheinlich ver- einigt sich dieser Nerv mit dem gleich verlaufenden, der vom Visceralganglion stammt. Diese meine Darstellung weicht in einigen Punkten so- wohl von der ab, welche PAn- CERI, wie von der, welche Duvernoy gegeben hat. Nach dem letzteren Autor (10; XXVI Monographie) geht von den hinteren Winkeln des Visceral- ganglion ein einfacher Nerven- stamm, sein ,,palléal posté- rieur“, ab, welcher unter dem Retractor der Siphonen in drei Zweige zerfallt. Von diesen innerviert der eine den ge- nannten Muskel, der zweite versorgt den Analsipho, wah- rend der dritte Ast ,,dépasse Fig. V. Schematische Darstellung des Centralnervensystems von Pho- las dactylus. C, Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceralgang- lion; com. Commissur; ndr. Kiemennery ; la cloison des deux tubes, arrive a la paroi supérieure du tube inférieur et se distribue dans son premier tiers“ (l. c¢. pg. 152). Diese Angaben sind nach meinen Untersuchungen nicht richtig. Abgesehen davon, da’ DuverNnoy die beiden besonderen Septalnerven nicht gesehen zu haben scheint, deren Existenz Querschnitte durch die Siphonen auBer allen Zweifel setzen (Fig. 56”), so spricht fiir die Fliich- tigkeit seiner Schilderung, daS er den Mantelnerven weder er- wihnt noch zeichnet. Sorgfaltiger sind die Angaben von Panceri. Nach ihm ist das Verhiltnis so, da8 jeder der beiden von den hinteren Win- keln des Visceralganglion kommenden Nerven nach kurzem Ver- laufe zu einem kleinen Ganglion anschwillt, von welchem zuerst zwei Nerven sich abzweigen, welche zusammen mit den beiden Siphoarterien den siphonalen Leuchtorganen entlang verlaufen und pi npp. Nervus pallialis posterior; msd. Anal- siphonerv; ns. Septumnery; nsb. Branchial- siphonerv; mp. und np’. Mantelnerv; npa, Nervus pallialis anterior; nm. Muskelnerv ; g}. und g®. accessorische Ganglien; A. After- papille, 164 Dr. Bernhard Rawitz, diese durch zahlreiche Seitenzweige innervieren. Das sind nach meiner Darstellung die Septalnerven, die, weil die siphonalen Leuchtorgane auf dem Septum liegen, selbstverstindlich auch diese Organe versorgen miissen. Der andere, vom accessorischen Gan- glion stammende Nerv teilt sich nach PANCERI in vier Zweige, welche den Branchialsipho und durch einen kleinen Nebenzweig auch die dreieckigen Organe innervieren. Von dem Ganglion geht auBerdem ein feines Reiserchen ab, das sehr nahe bei dem vor- deren Winkel der dreieckigen Organe vorbeizieht, ohne mit den- selben in Verbindung zu treten. An dieser Darstellung ist zunachst das unrichtig, daf die im Septum sich verzweigenden Nerven von einem accessorischen Gan- glion entspringen; ein solches ist nur an der Ursprungsstelle des fiir den Branchialsipho bestimmten Nerven vorhanden. Dann hat PancerI den Abgang des Analsiphonerven tiberhaupt nicht ge- sehen. Hinsichtlich seiner Angaben tiber die Innervation der drei- eckigen Flecke kann ich ein abschliefSendes Urteil leider nicht ab- geben, da ich den von den Branchialsiphostimmen kommenden Zweig nicht wahrgenommen habe. B. Spezielle Beschreibung. Die Siphopapillen, vom lebenden Tiere abgeschnitten und frisch in Seewasser untersucht, erscheinen wie ein mit zahlreichen Zweigen besetzter Baum. Ihr epithelialer Belag entbehrt der Wimpern; der nicht sehr dicke cuticulare Saum derselben wird von Sinnesborsten iiberragt, die man allerdings erst bei Anwendung starker Tauchlinsen erkennen kann. Sie gleichen kurzen Dornen, die ziemlich breit dem cuticularen Saume der Epitheldecke auf- sitzen und schnell spitz zulaufen. Im Mazerationspraparate erkennt man, daf die Sinneszellen vollkommen dem Typus der FLemmrina’schen Pinselzelle entsprechen. Die indifferenten Zellen der AufSenfliche und der Innenflache der Siphonen — die Leuchtorgane sollen spater gesondert besprochen werden — sind entweder pigmentiert oder pigmentfrei. Die pig- menthaltigen Epithelzellen sind cylindrische, mittelgrofe, schmale Gebilde mit schmalem cuticularem Saume, deren kreisrunde Kerne im basalen Abschnitte der Zellen gelegen sind. Der distal vom Kerne sich findende Abschnitt einer Zelle der Siphoaufenwand wird vom Pigmente ziemlich dicht erfiillt. Die indifferenten pigment- haltigen Zellen der Innenflaiche sind dagegen in ihrer ganzen Aus- Der Mantelrand der Acephalen. 165 dehnung mit dem kérnigen Pigmente erfiillt, so da8 der Kern von demselben fast vollig verdeckt wird. Die nicht pigmentierten Zellen sind wenigstens um ein Drittel langer als die pigmentierten und sind schmale, keulenférmige Gebilde. Wahrend die wurzel- formige Ausfaserung der Pigmentzellen deutlich entwickelt ist, ist sie bei den nicht pigmentierten kaum angedeutet vorhanden. Die letzteren haben einen breiten, cuticularen Saum, der so wider- standskraftig ist, daB er stellenweise in Gestalt einer homogenen Membran im Mazerationspraiparate von den unter ihm gelegenen Zellen abgerissen ist; letztere erscheinen dann auf ihrer peri- pheren Flache wie gezihnelt. Der breite Teil der Keule liegt der Cuticula an, der schmale Teil, der etwa die Halfte der Zelle ausmacht, ist oft leicht gebogen; er enthalt den schmalen, ovalen Kern. Schnittpraparate zeigen folgende Einzelheiten: Die Papillen der Siphonen besitzen 7,2 « hohe und 3,6 bis 5,4 w breite indifferente Epithelzellen, deren cuticularer Saum héchstens 0,9 w dick ist. Vielfach sind die Zellen pigmentiert; die Verteilung des Pigmentes ist hier die gleiche, wie sie vorhin fiir die indifferenten Zellen der Sipho-Innenwand beschrieben wurde. Das Pigment erfiillt naimlich ebenfalls in Form sehr kleiner, bei durchfallendem Lichte dunkelgelb oder braungelb aussehender Kérnchen die Zellen von ihrem freien Rande bis zur basalen En- digung so dicht, daf auch der Kern von ihm vollstandig verdeckt wird. Die Kerne der nicht pigmentierten indifferenten Zellen zeigen eine starke Kérnelung und einen deutlichen Nucleolus. Die Pinsel- zellen sind ganz schmale Gebilde mit stabchenfoérmigen, intensiv gefarbten Kernen, an deren basale Endigung man, allerdings nur bei Anwendung stairkster VergréSerung, eine feine Faser heran- treten sieht, deren Ursprung aus dem in der Achse der Papillen verlaufenden Nerven gelegentlich zu erkennen ist. Die Bindesubstanz der Papillen, im allgemeinen den gewohn- lichen Charakter des engmaschigen Gewebes wie meistens bei den Acephalen darbietend, ist dicht an dem epithelialen Belage homo- gen. Hier sieht man nun, ganz wie bei den Veneriden, die letzten Ausliufer der Muskelfasern in Form kleiner Stippchen, also teils strichformiger, teils punktartiger Gebilde, in der Nahe der basalen Endigungen der Zellen. Wie bei den Veneriden ist auch hier zu konstatieren, daf diese Endfibrillen vor den Epithel- enden umbiegen und sich untereinander verflechten; mit den Epi- 166 Dr. Bernhard Rawitz, thelzellen aber treten sie in keine Verbindung, wie ich noch ganz besonders betonen méchte. Sekretorische Apparate kommen in den Papillen nicht vor. Eine auf den ersten Blick wahrnehmbare Differenz zwischen der AuSfen- und der Innenflache der Siphonen la8t sich kurz dahin prazisieren, da die innere Flache in ihren distalen Partieen ein viel pigmentreicheres Epithel besitzt, als die aufere, und daf ferner die Epithelien der Innenflache sich zu nur wenigen kleinen, niedrigen Zotten gruppiert haben, wihrend aufen die Zotten- bildung eine weit entwickeltere ist. Sie ist aufen so stark, daf schon bei makroskopischer Betrachtung der Schnitte wie des konservierten Materiales diese Flache wie mit kleinen Warzchen besetzt erscheint. Es soll zunachst die feinere Beschaffenheit der Sipho- Innenflache und zwar in der Papillarregion beschrieben wer- den, d. h. derjenigen, welche distal von den Enden der Leucht- organe gelegen ist. Das Epithel, tiber dessen Pigmentgehalt ,das Notige schon weiter oben gesagt wurde, besteht aus indifferenten Zellen, die be- deutend langer sind als die der Papillen; dieselben sind frei von Wimpern. Ihre Lange schwankt zwischen 28,8 w und 43,2 , von welchem Mage 2 u auf den cuticularen Saum entfallen, die Breite schwankt zwischen 3,6 und 7,2; die idngeren Zellen sind die pigmentfreien. Die Kerne, meist kreisrund, selten oval, sind basal gelegen und lassen mehrere Nucleoli erkennen; ihre Durchmesser schwanken zwischen 1,8 und 5,4 uw. Die Sinneszellen, welche nicht allzu reichlich vorhanden zu sein scheinen, sind deutlich zwischen den indifferenten zu unterscheiden. Sie sind hier dadurch ausge- zeichnet, daf ihre stets intensiv gefairbten Kerne noch jenseits der basalen Endigung der indifferenten Zellen in der Substanz des Sipho zu sehen sind (Fig. 55 sz). Die in Mazerationspraparaten wahrnehmbare, durch die Kerne bedingte spindelférmige Anschwel- lung der Zellen ist auch im Schnitte zu erkennen. Der distal vom Kerne gelegene Abschnitt der Sinneszellen, der auf seinem freien Saume die, hier durch die Konservierung zerstorten, Sinnesborsten tragt, ist ganz auferordentlich schmal, fast fadenformig und kann daher nur mit Miihe zwischen den indifferenten erkannt werden (Fig. 55). Nach innen zu geht die kernhaltige Anschwellung dieser Zellart in eine allerfeinste Fibrille tiber (Fig. 55 nf), deren endliches Schicksal, im Gegensatze zu den gleichen Gebilden in den Papillen, nicht eruiert werden konnte. Der Mantelrand der Acephalen. 167 Die indifferenten Zellen zeigen zuweilen sehr deutlich ihre wur- zelformige Ausfaserung auch im Schnitte. In die Nahe dieser Zell- enden treten feine Muskelfibrillen, die man deutlich von den Biin- deln des Constrictor und teilweise auch des Retractor sich ab- zweigen sieht. Nicht immer sind diese Endfibrillen in ihrer ganzen Ausdehnung zu verfolgen, sondern sind nur, da sie vielfach wellig verlaufen, gewissermaBen als kleine Fragmente, Stippchen, in der Ebene eines Schnittes vorhanden. Deutlicher als in den Sipho- papillen und auch deutlicher als bei den Veneriden erkennt man hier, daf eine Vereinigung von Epithelzelle und Muskelfibrille nicht statthat. Ist an jenen Stellen eine derartige Autfassung nur mit Miihe abzuweisen, so ist hier leicht zu erkennen, da8 die Fibrillen kurz vor dem basalen Ende der Epithelzellen zuriickbiegen und sich untereinander und mit den Fibrillen des Bindegewebes, von welchen sie bei Anwendung geeigneter Farbungsmethoden — Orange-Hamatoxylin und Indigkarmin-Boraxkarmin — sehr leicht zu unterscheiden sind, zu einem Filze verflechten, in welchem die Epithelzellen wurzeln. Eigentiimliche Einschliisse habe ich in der Substanz der Epi- thelien der Innenfliche der Papillarregion angetroffen. Es sind dies kreisrunde Kérper, die stets distal vom Kerne gelegen sind. Sie farben sich in Alaunkarmin violettrot, in Bismarckbraun hell- braun, in Orange-Hamatoxylin blaulich. Selbst bei homogener Immersion konnte in ihnen eine Struktur nicht wahrgenommen werden. Sie waren, wie bemerkt, stets in der Substanz der in- differenten Epithelzellen gelegen, besafen einen hellen Hof und waren entweder in der Einzahl oder zu zweien, héchstens zu dreien in den Zellen vorhanden. Fand sich mehr als einer dieser Kérper, dann lagen sie in einer Reihe hintereinander. Mit dem Sekrete der spaéter voch zu erwahnenden Driisen konnten sie nicht verwechselt werden, denn dieses ist zwischen den Zellen, nicht in denselben zu finden. Ob sie mit den bei Cardium edule beschrie- benen auswandernden FLemmuinea’schen Bindesubstanzzellen zu identi- fizieren sind, konnte hier nicht bestimmt eruiert werden, denn es fehlten an den Fiemmine’schen Zellen der Siphosubstanz die von jener Art her bekannten Ubergangsstadien. Ebensowenig konnte ich dariiber zu einem definitiven Urteile gelangen, ob die fraglichen Gebilde vielleicht parasitirer Natur sind; ich neige mich jedoch, im Hinblicke auf die gleichen von anderen Arten in diesem Teile der Arbeit beschriebenen Erscheinungen, der Auffassung zu, da8 es auswandernde und zwar durch die Epithelzellen wandernde 168 Dr. Bernhard Rawitz, FLemmina’sche Zellen der Bindesubstanz sind. Das Durchwandern durch die Substanz der Epithelzellen ist fir Leukocyten bei Vertebraten bekanntlich von Sr6HR zuerst genauer beschrieben worden. Die Sipho-Aufenfliche, deren Pigmentierung bereits bei der allgemeinen Besprechung behandelt wurde, besitzt einen zu hohen und breiten Zotten gruppierten epithelialen Belag, der aus schmalen, cylindrischen Zellen besteht, deren Hohenmaf zwischen 14,4 « und 50,4 « schwankt, ihre Breite betragt circa 4. Der cuticulare Saum der pigmentierten Zellen mift knapp 1 w, der der nicht pigmentierten 4 u. Die Kerne sind basal ge- legen und von ovaler Gestalt, ihr langer Durchmesser betragt etwa 5 «, waihrend der breite dem Breitendurchmesser der Zellen entspricht. Die wurzelférmige Ausfaserung der indifferenten Zellen ist hier nicht zu erkennen, ihre basale Endigung erscheint als eine kontinuierliche scharfe Linie (Fig. 55). Die Pinselzellen, die in der Aufenflache, namentlich in der Nahe der Papillen (Fig. 55 sa) sehr zahlreich sind, sind besonders deutlich in Alaunkarminpra- paraten und ferner in solchem Materiale zu erkennen, welches nach der Vorschrift von MAHRENTHAL nach Fixierung in FLeEmMMinG’schem Chromosmiumeisessiggemisch mit rohem Holzessig behandelt waren‘). Die indifferenten, pigmentfreien Zellen erscheinen in solchen Pra- paraten grau, waihrend die Pinselzellen dunkelschwarz gefarbt sind und selbst zwischen den pigmenthaltigen deutlich erkannt werden kénnen. Die an diesen Zellen zu beobachtenden Kinzelheiten stimmen mit den bereits beschriebenen in allen Punkten iiberein (Fig. 55 sz). Noch deutlicher als an der Innenflaiche erkennt man in der Pigmentregion der Sipho-Aufenflache, daf die Muskel- stippchen, die letzten Enden der Muskelfasern, niemals in direkte Verbindung mit den Epithelzellen treten, sondern vor deren Basen umbiegen und sich mit den Fibrillen der Bindesubstanz verflechten (Fig. 55 m). Uber die im Sipho sich findenden Driisen ist folgendes zu bemerken. Es kommen zwei Arten von Driisen vor, welche sich durch ihr Verhalten gegen Farbstoffe deutlich voneinander unter- scheiden. Die eine Art dokumentiert sich als Mucindriisen, die andere fairbt sich in Orange-Hamatoxylin oder Eosin-Hamatoxylin hellgelb bezw. leuchtendrot. Die Mucindriisen finden sich sowohl 1) Beziiglich dieser Methode cfr. meinen ,,Leitfaden fiir histiolo- gische Untersuchungen“. Jena, Gustay Fischer. Der Mantelrand der Acephalen. 169 auf der Aufenflache (Fig. 55 md), wie auch auf der Innenflache; die zweite Art ist nur auf der Aufenflache vorhanden. Hinsicht- lich der Verteilung der Driisen ist zu sagen, daf sie proximal- warts von den Papillen — in diesen fehlen sie bekanntlich — in der Papillarregion ziemlich spirlich sind, erst mehr gegen das mittlere Drittel an Zahl zunehmen. Aufen sind weniger Mucin- driisen vorhanden als innen. In den tieferen Partieen der Siphonen, da wo sich deren Leuchtorgane finden, erleidet die geschilderte Verteilung eine Abanderung dahin, daf an der Aufenflaiche die Driisen der zweiten Art fast ganz zuriicktreten gegen die nun- mehr in grofer Masse vorhandenen Mucindriisen. Die Situation auf der Innenfliche ist ebenfalls eine bedeutend veranderte; sie soll bei Besprechung der Leuchtorgane naher erértert werden. Die Mucindriisen sind einzellige Gebilde, welche, wenn sie in Verbindung mit ihrem schmalen, oft fadenférmig erscheinenden Ausfiihrungsgange im Schnitte zu sehen sind, flaschenformiges Aus- sehen haben (Fig. 55 md). Selbst da, wo sie reichlich vorkommen, sind sie nie zu Gruppen vereint, sondern bleiben stets gesondert. Die Miindung geschieht innen wie aufen durch interepitheliale Liicken; Becherzellen kommen nirgends vor. Die Driisen auf der AuBenflaiche erscheinen, im Gegensatze zu denen der Innenfliche, zuweilen mehrzellig. Dabei ist es merkwiirdig, daf die einzelnen Zellen einer Driise, nicht wie das sonst der Fall ist, nebeneinander liegen, sondern in einer Reihe hintereinander angeordnet sind (Fig. 55 md). Das Bild, welches man von diesen Driisen erhalt, erweckt den Eindruck, als ob in den Ausfiihrungsgang der am tiefsten in die Substanz eingebetteten Zelle eine zweite oder manch- mal sogar mehrere spindelf6rmige, mucinartig gefarbte Zellen hintereinander interpoliert seien. Die Anordnung ist also eine perl- schnurartige. Im Gegensatze zu den Mucindriisen sind die Driisen der zweiten Art, welche, wie bereits bemerkt, nur auf der Aufenflache zu treffen sind, fast immer zu Gruppen von 10 und mehr Zellen vereint; vereinzelt liegende findet man sehr selten. Diese Driisen sind stets einzellig; sie sind im allgemeinen gréfSer als die vorige Art, zeigen eine auferordentlich zierliche Netzzeichnung ihres Plasma und miinden in interepithelialen Liicken. Auf Querschnitten durch beide Siphonen sieht man, daf die Hauptmasse der Muskulatur aus dem Retractor besteht, dessen massige Bindel die Mitte der Siphonalwandung einnehmen 170 Dr. Bernhard Rawitz, (Fig. 56 m,). Diese Biindel sind grofe Ovale, deren langster Durchmesser von aufen nach innen geht; sie sind voneinander durch schmale, ebenfalls von aufen nach innen gehende Septa ge- trennt, die aus Bindegewebsziigen und Muskelfasern, welch letztere den Compressor bilden, bestehen. Unmittelbar den Massen des Retractor anliegend finden sich zerstreute Muskelbiindel, die, auf dem Querschnitte quergetroffen, gleichfalls zu dem Retractor zu rechnen sind. Nur liegen die einzelnen Fasern derselben nicht so eng aneinander, sondern sind mehr gelockert, weil zwischen ihnen die Bindesubstanz ziemlich reichlich entwickelt ist, die zwischen den Fasern der Hauptmasse fehlt. Auf jene zerstreuten Retractor- fasern folgen nach auSen wie nach innen zu die Biindel des Con- strictor, die nicht sehr massig auftreten (Fig. 56 m,). Auf den inneren Constrictor folgt dann nach innen eine schmale Retractor- schicht und darauf, dicht in der Nahe des Epithels hinziehend, wiederum eine diinne Constrictorlage. Die nach aufen vom aufe- ren Constrictor gelegenen Muskelbiindel, aus Constrictor- und Retractorfasern bestehend, liegen zerstreut und sind nur sparlich entwickelt. Die Fasern des bereits erwaihnten Compressor ent- wickeln sich hauptsichlich aus dem Constrictor und nur zum Teil aus dem Retractor. Der Analsipho zeigt im wesentlichen, wenn wir von der Fxistenz der Leuchtorgane und der durch dieselben bedingten, spater noch zu beschreibenden Eigentiimlichkeiten der Innenflache des Atemsipho absehen, die gleichen histiologischen Details, wie letzterer. Wir haben nunmehr den feineren Bau der Siphonen von Pholas, mit Ausnahme der Leuchtorgane, kennen gelernt. Bevor ich zur Darstellung meiner an diesen Gebilden gewonnenen Unter- suchungsergebnisse tibergehe, muf ich die von RAPHAEL Dusois aufgestellte Theorie der ,,photodermatischen Funktion“ oder vielmehr die von jenem Autor derselben zu Grunde gelegten histiologischen Angaben einer Kritik unterwerfen. In der Nummer vom 5. August 1889 der Comptes rendus der Pariser Akademie (Bd. 109) sagt Dusors in ziemlich genauer Wiedergabe einer kurz vorher veréffentlichten Mitteilung in den Berichten der Société de biologie (Série IX, Tome I, 1889, p. 521 ff. vom 27. Juli), da die durch die Beleuchtung hervorgerufene totale Kontraktion der Siphonen sich zusammensetze aus dem Spiel zweier verschiedener und voneinander unabhangiger Muskelsysteme, Der Mantelrand der Acephalen. 171 von welchen das eine die Rolle eines benachrichtigenden Apparates: versieht. Die anatomische Untersuchung soll darthun, dafi dieser kontraktile Benachrichtigungsapparat sich aus Muskelfasern (Mus- kelsegment) zusammensetzt, die nichts als die Fortsetzungen der Pigmentepithelien ‘sind. Diese stellen eine zusammenhangende Lage (Farbsegment) auf der Oberfliche des Sipho dar. Beide Seg- mente bilden das Lichtmuskelelement (élément photo-musculaire). Der Benachrichtigungsapparat steht mehr oder minder unmittelbar in Beziehung zu den empfindenden Elementen der Peripherie. Wenn nun ein Lichtstrahl auf die Oberflache des Sipho fallt (rétine photo-dermatique), so geht er durch die Cuticula des Epi- thels und entfaltet im Farbsegment seine Wirkung; und die da- durch bedingten Verinderungen lisen sofort eine Kontraktion des Muskelsegmentes aus. Diese Kontraktion erregt die peripheren Nervenelemente genau so, wie wenn man mechanisch durch Be- riihrung der Oberfliche den Sipho reizt. Dieser Gefiihlseindruck wird durch centripetale Nervenfasern zu den Ganglien geleitet, von wo aus reflektorisch die Retractorfasern des Sipho erregt wer- den. Es stellt sich somit der Mechanismus ,,des Sehens* (de la vision) dar als eine wahre taktile Erscheinung. In einer anderen Mitteilung an die Pariser Akademie (Bd. 109, 11. November 1889) heift es in abgekiirzter Wiedergabe der obigen, fast wortgetreuen Ubersetzung, da die photodermatische Funktion durch ein besonderes Element, das Lichtmuskelelement, zustande kommt, welches aus zwei verschiedenen, aber zusammen- hangenden Segmenten besteht, namlich: ,le segment pig men- taire, formé par une cellule ectodermique pigmentée et sensible ila lumiére, et le segment musculaire, donnant al animal, par une contraction, Je signal de I’ impression reguet (p. 749 1. ¢.). Beim Studium der Dusois’schen Mitteilungen konnte ich mich des Eindruckes nicht entschlagen, als habe der Autor seine Anschauungen iiber die Existenz und den Zusammenhang der bei- den Segmente nicht empirisch, durch Untersuchung mikrosko- pischer Praparate, gewonnen, sondern spekulativ, geleitet durch das Bestreben, die Thatsache der Lichtempfindlichkeit zu erklaren, sich konstruiert. Denn sonst kann ich nicht begreifen, wie er dazu kommt, einen Zusammenhang von Epithelzelle und Muskel- faser — und wohl gemerkt einen direkten Zusammenhang, wo also die Epithelzelle basalwarts ohne Unterbrechung in eine Mus- kelfibrille iibergeht — zu behaupten, von dem in Wirklichkeit nicht eine Spur vorhanden ist. Ich habe in meiner obigen Be- 172 Dr. Bernhard Rawitz, ‘schreibung ausfiihrlich auseinandergesetzt, wie das Verhalten der. letzten Muskelfibrillen in der Nahe des Epithels ist, und kann da- her auf das dort Gesagte hiermit verweisen. Selbstverstandlich bedarf es, will man solch’ intrikate Verhaltnisse verstehen, ein- gehendster Studien an sehr gut vorbereitetem Materiale. Daf aber Dusors solches Material gehabt hat, ist mir etwas zweifel- haft. Er sagt namlich an einer anderen Stelle der zuerst hier citierten Mitteilung, an der er von den Pancrri’schen Organen handelt, da8 deren Zerzupfung nach Behandlung mit MOLLER- scher Fliissigkeit sehr leicht gelinge. Fast méchte ich daraus schliefen, daf er auch die Struktur der Siphonenwandung, wenn er iiberhaupt histiologische Beobachtungen gemacht hat, nur an Zupfpraparaten aus Mixuer’scher Lisung studiert hat. Ware das aber der Fall, dann sind seine histiologischen Unterlagen fir die Theorie ganz ungeniigende, denn Zupfpraparate konnen kaum je iiber solch schwierige Verhaltnisse endgiltigen Auf- schlu8 geben. Die Annahme, daf zunachst ein besonderer Apparat — ,appareil avertisseur“’ — von den Lichtstrahlen erregt und erst reflektorisch die Kontraktion des ganzen Sipho ausgelést werde, stiitzt Dusors durch Anfiihrung zweier von ihm angestellter phy- siologischer Versuche. Er sagt nimlich, daS die erste Kontrak- tion sich gesondert von der zweiten durch einen von ihm kon- struierten Apparat aufzeichnen lasse, und verweist gleichzeitig in einer Anmerkung (C. R. 109, p. 2033) auf eine spatere Abhand- lung hin, in welcher er diese Angaben genauer begriinden werde. Diese spiitere Abhandlung ist héchst wahrscheinlich die in der Nummer vom 19. August desselben Bandes (109) der Comptes rendus abgedruckte, da mir eine diesen Gegenstand in extenso behandelnde Mitteilung von jiingerem Datum trotz eifrigen Su- chens nicht bekannt geworden ist. In der Nummer vom 19. August ist aber eine ausfiihrliche Darlegung des hier speziell interessierenden Punktes, namlich der zeitlich getrennten und graphisch zu isolierenden beiden Kontraktionen — der speziellen des ,,appareil avertiseur“ und der allgemeinen des ganzen Sipho — nicht gegeben. Der Autor erwahnt nur (1. c. p. 321), wo er von dem Einflusse der Belichtung spricht, dass: ,,avec les durées minima de —_ seconde, on obtient seulement la contraction du systéme avertisseur, avec 00 de seconde, on peut pro- voquer la contraction réflexe total du siphon.“ Sonst ist hier in diesem Aufsatze nur die Rede von einer latenten Periode der Der Mantelrand der Acephalen. 173 Kontraktion. Ob ferner bei Anwendung starken Lichtreizes, mége letzterer nun in lang andauernder Einwirkung einer schwachen oder kurzer einer starken Lichtquelle bestehen, auch noch eine gesonderte doppelte Kontraktion statthat, die, sei das Intervall noch so gering, graphisch zum Ausdrucke gebracht werden kann, dariiber berichtet Duspors leider ebenfalls nichts. Wohl hat der Autor in einem Aufsatze in der Société de biologie (1888, p. 714 ff.) bei Beschreibungen seiner graphischen Methode FEinzel- heiten angefiihrt, aber dariiber, worauf es ankommt, sich nicht ausgelassen. Und doch wire es ein experimentum crucis fiir die Dusots’sche Theorie, zeigten sich bei intensiver Belichtung die beiden angenommenen Kontraktionsphasen noch getrennt. Was Duszors iiber den Einflu8 der Intensitat des Lichtes a. a. O. an- fiihrt, hat auf die beregte Frage gar keinen Bezug. Ubrigens, wie mich bediinken will, bedarf es auch gar nicht der histio- logisch extravaganten Annahme von Dupois, um die von ihm be- obachteten Erscheinungen zu erklaren. Ich glaube, die Unter- scheidung eines besonderen ,,appareil avertiseur“ und die Trennung der Kontraktion desselben von der des Sipho ist, wie sie ana- tomisch keine Unterlage hat, auch physiologisch nicht begriindet. Die Differenzen, die hier stattfinden, sind lediglich verursacht durch die Intensitit der Reizung. Je geringer der Reiz ist, der auf die lichtempfindliche Partie des Sipho ausgeiibt wird, desto geringer auch die Antwort des Tieres. Bei ganz schwacher oder ganz kurz dauernder Belichtung tritt daher nur eine schwache und kurz dauernde Kontraktion der erregten Stelle ein, die sich eben wegen ihrer Geringfiigigkeit nicht weiter propagieren kann. Mit zunehmender Intensitat im einen wie im anderen Sinne wird die Erregung eine umfangreichere und stirkere, und daher sind auch die Kontraktionen des Sipho ausgiebiger Natur. Der Aus- druck, den Dusors hierbei gebraucht, ,,contraction totale“, ist, nebenbei bemerkt, ungenau. Es zieht sich keineswegs der ganze Sipho zusammen, sondern nur die Spitze bez. die Papillar- region desselben, wie ich dies im allgemeinen Teile naher be- schrieben habe. Wie hat man sich nun die durch das Auffallen von Licht- strahlen auf das Pigmentepithel der Sipho-AuSenflache bedingte Kontraktion des Sipho zu erklaren? Nach Dusois dringt das Licht durch den cuticularen Saum der Epithelzelle, wirkt auf das Pigment und erregt dadurch die mit der Zelle (angeblich) zusammenhiingende Muskelfaser; durch letztere wird dann die 174 Dr. Bernhard Rawit2, Pinselzelle irritiert und so reflektorisch die allgemeine Kontraktion ausgelést. Durch meine histiologischen Angaben wie durch die obige kritische Auseinandersetzung ist bewiesen worden, da ein Zusammenhang von Epithel- und Muskelzelle nicht existiert ; dar- aus folgt mit Notwendigkeit, dafi die Dusors’sche Erklarung des Phanomens hinfallig ist. Das auf das Pigmentepithel, dessen cuti- cularer Saum, wie aus meinen Angaben erinnerlich ist, sehr schmal ist 1), fallende Licht bringt in dem Pigmente Veranderungen viel- leicht chemischer Natur hervor. Diese Veranderungen, die mit dem Fortfall des Reizes sich leicht wieder ausgleichen werden, miissen nun einen erregenden Einfluf’ auf die Pinselzellen, die ja in der Pigmentregion reichlich vorhanden sind, ausiiben, und die Erregung der letzteren wird sich auf die mit ihnen in inniger Verbindung stehenden Nervenendfibrillen fortpflanzen und so zum Centrum, dem Visceralganglion, gelangen. Von hier aus wird dann reflektorisch auf den Bahnen der von mir nachgewiesenen Fasersysteme (34) die Kontraktion des Sipho ausgelést. Je ge- ringer die Lichtintensitaét oder je kiirzer die Dauer der Belichtung ist, um so geringer natiirlich ist die supponierte Veranderung im Pigmente, und um so schwiicher sind daher die durch die letztere bedingten Erscheinungen. Je starker dagegen der Reiz, um so stirker auch der Erfolg. Ich sagte, die Veranderungen, welche das Licht im Pigmente hervorrufe, seien vielleicht chemischer Natur. An Verdénderungen des Pigmentes, wie sie im Vertebratenauge und im Auge der Arthropoden durch ANGELuccI-BoLL bez. EXNER-STEFANOWSKA nachgewiesen sind ?), kann man hier, glaube ich, nicht denken. Jene Verinderungen namlich sind morphologischer Natur; Licht uud Dunkel bedingen, ganz allgemein ausgedriickt, eine Verschie- bung des Pigmentes in den Augen. Solche Verschiebungen, Orts- 1) Die Schmalheit dieses Saumes méchte ich besonders hervor- heben. Parren und SHarp nimlich haben die ganz besondere Dicke des cuticularen Saumes von Pigmentepithelien oft als einzigen histio- logischen Beweis fiir deren Lichtempfindlichkeit angefiihrt. Hier nun bei Pholas, wo eine Lichtempfindlichkeit aufer Zweifel ist, ist der Saum schmal, zeigt also ein ganz anderes Verhalten, als wie es nach Suarp notwendig sein soll. Man kann aus dieser Thatsache entneh- men, wie sehr die Suarp’schen Behauptungen jeder Begriindung ent- behren. 2) Ahnliche morphologische Veranderungen habe ich im Cephalo- podenauge nachgewiesen, wie aus meiner im Arch. f. Physiol. v. pu Bors-Rrymonp 1891 publizierten Mitteilung hervorgeht. Der Mantelrand der Acephalen. 175 veranderungen, kénnen aber hier darum nicht stattfinden, weil die Pigmentzellen gar keinen Platz haben, um sich ausbreiten zu kénnen. Basalwarts hindert sie das Bindegewebe, seitlich die benachbarten Zellen, distalwairts, dem freien Saume zu, ist eine Bewegung ebenfalls unméglich. Morphologischer Art kénnen also die Veranderungen nicht sein. Wie aber wirken die chemischen Alterationen, die das Pigment durch den Lichtstrahl erfihrt, auf die zwischen den indifferenten steckenden Pinselzellen, werden letztere durch den im Pigmente sich abspielenden Vorgang eben- falls chemisch erregt oder nicht? Diese Frage entscheidend zu beantworten, bin ich nicht in der Lage; wahrscheinlich diinkt es mir, daf es sich auch um chemische Einfliisse auf die Pinselzellen handelt. Doch méchte ich deswegen noch keine zwiefache Erreg- barkeit der Sinneszellen — eine Abstimmung derselben auf mecha- nische und auf chemische Reize — annehmen. Vielmehr halte ich es fiir wahrscheinlich, daf die in der Pigmentregion vorkom- menden Pinselzellen nur auf chemische Einfliisse reagieren, auf mechanische aber nicht. Daf sie den gleichen Bau wie die taktil empfindlichen Sinneszellen haben, wiirde kein Gegenbeweis sein, denn wir kénnen den auf dem freien Saume einer Epithelzelle sitzenden Sinneshaaren nicht ansehen, welche Reize auf sie ein- wirken. Um ein Beispiel anzufiihren: die Haare der Riech- epithelien unterscheiden sich nicht von denen der Hoérzellen, und doch sind beide auf ganz verschiedenem Wege erregbar, die einen durch Gase, die anderen mechanisch durch Schallwellen. So un- gefabr kénnen auch die Pinselzellen der Pigmentregion der Sipho- Aufenflaiche und der Papillen bei aller anatomischer Gleich- artigkeit physiologisch sehr differenter Natur sein, indem diese nur auf mechanische Insulte antworten, jene auf chemische, in der Nachbarschaft sich abspielende Prozesse reagieren. Die Lichtempfindlichkeit von Pholas dactylus ist darum von besonderem Interesse, weil diese Art, wie Dusors vollkommen zutrettend hervorgehoben hat, keinerlei Apparate besitzt, welche auch nur entfernt an Augen erinnern. Der hier wirklich vorhan- dene und jederzeit mit Leichtigkeit nachweisbare Einfluf8 des Lichtes als solchen auf die Pigmentepithelien tritt somit in eine gewisse Parallele oder vielmehr richtiger in einen Gegensatz zu der fiir andere Muscheln pratendierten, dort aber nicht nachweis- baren Lichtempfindlichkeit. Hierauf naiher einzugehen, behalte ich mir fiir die am Schluf der Arbeit zu gebenden allgemeinen Betrachtungen vor. 176 Dr. Bernhard Rawité, Die Leuchtorgane. Seine Auseinandersetzungen iiber den feineren Bau dieser Gebilde leitet Pancert mit folgenden Worten ein: ,,Venendo ora alla struttura di questi organi, diréd che le sezioni, fatte in ogni senso e con diversi metodi di pre- parazione mi hanno dimostrato trattarsi non altro che di pulvinuli sporgenti di tessuto unitivo compatto come sarebbo quello del derma, i quali alla superficie sono rivestiti di un epitelio speciale“ (I. c. p. 29). Dieses Spezialepithel soll es sein, welches die leuch- tenden Massen hervorbringt. Die dreieckigen Organe und die Siphonalstreifen sind mit einem Wimperepithel bekleidet, das in seiner Form und seinen Grofenverhaltnissen demjenigen gleicht, mit welchem die benach- barten Organe bedeckt sind, das sich aber von diesem durch den Inhalt seiner Zellen bedeutend unterscheidet. Der Kern der Zellen zeigt sich stark granuliert; die Granula sind gewoéhnlich auch im ganzen Zellleibe enthalten. Im Unter- schiede von den gewéhnlichen Epithelzellen sind diese Zellen sehr leicht zerreiflich und lassen dann den Inhalt austreten. So ge- niigt eine Beriihrung der Oberflache eines dieser Organe mit einem Objekttrager, um alsbald einen weilichen Brei zu erhalten, der aus granulierten Kernen, kleinsten Kornchen, Fetttrépfchen und aus Massen zusammengesetzt ist, welche den Inhalt einer Epithelzelle bildeten und deren Form auch nach dem Austritte vollig bewahrt haben. Auferdem sieht man in dem Brei auch kleine bewimperte Kérper, welche in denselben sich umherbe- wegen, als wiren sie Epithelzellen, die zwar im Stadium der Atrophie sich befinden, aber dennoch eine eigene Bewegung be- sitzen. Dieser weiliche Brei, léslich in Alkohol und Ather, verleiht den leuchtenden Glanz diesem Epithel oder vielmehr ist die leuchtende Materie von Pholas. Die Léslichkeit des Stoffes in Alkohol verursacht, dafi in Praparaten, welche behufs Anferti- gung mikroskopischer Schnitte in Alcohol absolutus gehéartet waren, nichts von demselben mehr zu sehen ist, zu seiner Er- kennung bedarf es daher der Untersuchung frischen Materiales. Kine ungewoéhnliche Eigentiimlichkeit dieses Spezialepithels ist noch zu notieren, man sieht nimlich in Zwischenraumen Cilien stehen, die, bedeutend langer als die tibrigen, sich in langsamem Rhythmus bewegen. Die Fahigkeit des Leuchtens berechtigt, dieses Epithel ein Leucbtepithel zu nennen, und die Organe, welche mit demselben Der Mantelrand der Acephalen. 177 bedeckt sind, wiirden als Driisen bezeichnet werden kénnen ,solo che non sogliono, come le altre (glandole) figurare a modo di approfondamenti, ma per contrario a modo di sporgenze rivestite di speciali elementi glandolari“ (1. c¢. p. 31). So weit Pancert. Die von ihm gegebene histiologische Ana- lyse lehrt somit, daf nur das Epithel, welches die drei Organ- paare bedeckt, die leuchtenden Massen hervorbringt, daf andere gewebliche Elemente dagegen an diesem Prozesse nicht beteiligt sind. Wie wir spater sehen werden, hat PANcert den feineren Bau der Leuchtorgane vollig verkannt, was wohl darauf zuriick- zufiihren ist, daf’ er zu einer Zeit diese Objekte untersuchte, in der von einer guten histiologischen Technik noch nicht die Rede war. Um die Leuchtorgane mikroskopisch durchzuarbeiten, bedarf es anderer Konservierungsmethoden als des einfachen Alcohol absolutus; mit guten Methoden aber findet man, daB, wie ich spiter zu beweisen haben werde, das Epithel der Organe fiir die Produktion der leuchtenden Massen nur eine nebensichliche Be- deutung hat, der Sitz der produzierenden Elemente vielmehr in dem vom Epithel bedeckten Gewebe zu finden ist. Es sind die »pulvinuli* von Pancert, tiber die dieser Autor sich nicht néiher geiufert hat, welche den physiologisch wichtigen Bestandteil der Organe bilden. Indessen bei aller Ungenauigkeit sind die Angaben von PAn- CERI noch immer eingehender und relativ richtiger, als diejenigen, welche RAPHAEL Duspors in seinen mehrfach citierten Mitteilungen iiber die fraglichen Gebilde gemacht hat. Der letztgenannte Autor sagt (Comptes rendus, T. 109, 1889, p. 234/35), daf die Leuchtorgane (dreieckige Organe und Siphonal- streifen) die groften Analogieen in ihrem Baue darbieten mit den yon ihnen nicht eingenommenen inneren Siphowandungen und mit der von Dusois sogenannten ,,rétine photodermatique’. Mit dem Unterschiede allerdings, daf die ,éléments fondamentaux de ces cordons et de ces triangles au lieu d’étre recouverts par une cuticule réfringente, portent des cils vibratiles. Ils sont formés dun segment épithélial en forme de calice, qui se continue directement avec un segment musculaire ou contractile en fuseau allongé, dont l’extrémité se rend dans le tissu conjonctif sousjacent. La dissociation de ces éléments fondamentaux des cordons et des triangles est particulierement facile aprés séjour prolongé de ces parties dans la liqueur de MULLER. On reconnait alors facilement leurs connexions avec les cellules nerveuses, qui Bd, XXVII, N, F, XX. 12 178 Dr. Bernhard Rawitz, forment en réalité un troisiéme segment (Segment neural), L’ensemble des deux premiers segments constitue ? élément myophotogeéne (I. ¢.). Dann folgen auf die citierten Zeilen einige Angaben tiber die Muskulatur. Die becherférmigen epithelialen Segmente sind in frischem Zustande mit einer Substanz erfillt, welche sie auf Rei- zung yon sich geben. Durch Kontraktion der Muskulatur wird die Substanz ausgepreft, und man trifft alsdann auf der Ober- fliche der Leuchtorgane eine unzahlige Menge von Trépfchen oder glanzenden Kérnchen, Aus diesen angeblichen Thatsachen erkennt Dusois eine tiber- raschende Ahnlichkeit in Bau und Funktion der Leuchtorgane mit denjenigen Partieen, welche die sogenannte photodermatische Funktion besitzen. Aber wihrend letztere in Thiitigkeit tritt un- ter der Einwirkung von Lichtstrahlen, bringen die Leuchtorgane durch ihre Funktion selber Licht hervor. Die referierten Angaben von Duxois stimmen in einzelnen Punkten genau mit denen von PANcERI tiberein. Der oben wort- lich citierte Passus zeigt aber, daf}’ Dusors den Bau der Leucht- organe, den er offenbar an ganz ungeniigend vorbereitetem Ma- teriale studiert hat, nach jeder Richtung hin verkannt hat. Was er tiber das epitheliale Segment und dessen Zusammenhang mit dem Muskelsegmente sagt, hat gar keine thatsachliche Unterlage, und diese an sich schon irrigen Ausfiihrungen werden durch die Verquickung mit seiner histiologischen Hypothese tiber die Grund- lagen fiir die photodermatische Funktion noch verwirrter. Es ist mir vollig unbegreiflich, wie der Autor zwischen dem lichtempfindlichen, wimperlosen Pigmentepithel der Sipho-AuSenflache und dem wim- pernden, angeblich einen leuchtenden Stoff produzierenden, dabei vollig pigmentfreien Epithel der Pancerrschen Organe auch nur eine Spur von Analogie erkennen konnte. Sowohl die Art und Weise, wie beide Elemente ihre Wirksamkeit entfalten, als auch der fundamental verschiedene histiologische Charakter beider ver- bietet, meine ich, eine solche Annahme ohne weiteres. Eine ein- gehende histiologische Analyse der Organe hat Duszors nicht ge- geben und damit auch fiir das Verstaindnis der lunktion derselben nichts beigetragen. Zu letzterem aber ist das erstere unbedingt erforderlich; erst dann, wenn wir den Bau eines Organes genau kennen, sind wir imstande, uns iiber seine Verrichtung eine an- nihernd richtige Vorstellung zu bilden. Der Mantelrand der Acephalen. Wes) Ich verschreite nunmehr dazu, die Resultate, zu denen mich eigenes Studium gefiihrt hat, in extenso darzulegen. Bei der Untersuchung der das Leuchten bewirkenden Partieen in frischem Zustande erkennt man, dal das Epithel, welches diese Stellen bedeckt, ein Wimperepithel ganz eigener Art ist. Ks sind nimlich Zellen von zweierlei Formen vorhanden, einmal ge- wohnliche Wimperzellen, d. h. relativ niedrige cylindrische Ge- bilde, die auf schmalem cuticularem Saume zahlreiche sehr schnell schlagende weiche Haare tragen, und dann Zellen, auf deren cuti- cularem Saume bei dieser Art der Betrachtung nur eine Wimper zu sitzen scheint. Diese Wimper ist sehr lang, 12,6 w, ist tief in die Zelle hinein zu verfolgen und gleicht einem Dore, der mit circa 9,9 uw breitem FuBe auf dem freien Rande der Zelle auf- sitzt. Diese Form der anscheinend einheitlichen Wimper erinnert lebhaft an die langen Sinneshaare auf den Pinselzellen von Litho- domus dactylus (cfr. Il. Teil); nur unterscheiden sich die Bil- dungen hier bei Pholas von denen bei Lithodomus dadurch, dal sie schnell im Sinne der iibrigen Wimperbewegung hin und her schlagen, und zwar so schnell, daf diese Bewegung ihnen nicht you anderen Wimpern mitgeteilt sein kann, sondern auf eigener Vahigkeit dazu beruhen mu. Diese Eigenbewegung der langen Wimpern, die iibrigens Pancrert schon deutlich gesehen und gut beschrieben hat, deutet aber darauf hin, daf die zu den Wimpern gehérigen Zellen keine Sinneszellen, sondern gewoéhnliche inditte- rente sind; denn der Haarbesatz der FLemmina’schen Pinselzellen entbehrt der Eigenbewegung durchaus. Die unter dem Epithel gelegene Substanz der Organe, die ,pulvinuli von Panceri, besitzt einen ungemein hohen Grad von Viskositait. Wenn man das frisch abgeschnittene Stiick von der Scheere auf den Objekttriger iiberfiihrt, so zieht sich von dem Stiick zu der sich entfernenden Scheere ein feiner, farbloser, sehr zaher Faden aus, der auferordentlich schwer abreift. Im Inneren des Gewebes, bei Betrachtung frischer Objekte, kann man in der viskésen Substanz keine besonderen Einzelheiten entdecken; dort dagegen, wo sie an der Schnittstelle des untersuchten Stiickes aus den Maschen der Bindesubstanz austritt, erkennt man folgende Kinzelheiten. Man findet verschieden grofe und verschieden ge- staltete Tropfen, die von einem Konvolute ganz kleiner, dicht an- einander stehender Trépfchen gebildet werden; man findet ferner Tropfen, die ganz homogen sind und dabei matt glinzen, und endlich trifft man Gebilde, die in leicht griinlich glainzender, 12* 180 Dr. Bernhard Rawitz, homogener Grundlage einen, zwei oder drei kernartig aussehende, kreisrunde Kirper eingelagert enthalten. Kurz: die Beobachtung eines vom lebenden Tiere abgeschnittenen Stiickes der Organe be- stitigte nur die villige Richtigkeit der von Pancert mit der glei- chen Methode gewonnenen Resultate. Die Durcharbeitung mazerierten Materiales zeigt nicht viel mehr als die Untersuchung frischer Objekte. Beziiglich der Zellen mit den langen Wimpern erkennt man, daf dieselben drei Fort- sitze besitzen: zwei davon liegen neben einander, sie sind die Wurzeln, mit denen die Zellen im subepithelialen Gewebe hat- ten; der dritte, polar entgegengesetze Fortsatz ist die auch im Mazerationspraparate einfach erscheinende Wimper. Einen tieferen Einblick in den Bau der uns hier beschaftigen- den Gebilde erhalt man erst, wenn man mikroskopische Schnitte von gut konserviertem Materiale studiert *). Die siphonalen Leuchtorgane, welche, wie aus der allgemei- nen Beschreibung erinnerlich, auf dem den Atem- von dem Anal- sipho trennenden Septum aufsitzen und nach dem Innenraume des ersteren gerichtet sind, gleichen auf einem Querschnitte durch beide Siphonen (Fig. 56 7) schmalen Calotten, welche ihre konvyexe Seite dem Sipho-Innenraume zukehren, mit ihrer konkaven der Substanz des Septum aufliegen. An Praparaten, die in Hamato- xylin, Safranin, Fuchsin und Bismarckbraun gefarbt sind, sind sie schon bei Betrachtung mit blofem Auge durch ihr dem be- treffenden Farbstoffe entsprechendes intensives Kolorit kenntlich; nach Farbung in Orange-Himatoxylin oder Eosin-Hamatoxylin heben sie sich deutlich als veilchenblaue oder violette Kuppen von dem orangegelb bez. dunkelrot gefairbten Grundgewebe ab. Mikroskopische Betrachtung lehrt, da’ man es mit einem aus drei Abschnitten bestehenden Organe zu thun hat, von welchen Abschnitten der von innen gerechnet erste, der dem Epithel ent- spricht, und der zweite allein in der eben beschriebenen Weise intensiv gefarbt sind (Fig. 57), wahrend die Farbung des dritten 1) Am besten eignen sich zur Fixierung Pikrinsalpetersiiure und Fremmine’sche Lésung, letztere mit Nachbehandlung des Ma- teriales in rohem Holzessig nach MAurenrHat. Schnitte von Holz- essigobjekten brauchen nicht mehr gefarbt zu werden, Schnitte von Pikrinsalpetersiurematerial tingiert man am _ besten mit _ basischen Anilinen und mit meiner Doppelfarbung Orange-Hiimatoxylin. Die Methoden sind ecingehend in meinem ,,Leitfaden fir histiologische Untersuchungen“ beschrieben. — Der Mantelrand der Acephalen. 181 Abschnittes von der jener beiden abweicht. Die relativen Grofen- verhaltnisse der drei Partieen zu einander sind wie 1:4: 6; es hatte in einem Ealle das Epithel eine Héhe von 24 u, der mitt- lere Abschnitt war 96 mw, der aufere 144 w dick. Bei Anwendung starker Vergréferungen erkennt man folgende Einzelheiten. Der epitheliale Belag der Organe — und die nun folgenden Angaben gelten fiir alle drei Paare — besteht, in Uber- einstimmung mit dem frisch und durch Mazeration Festgestellten, aus schmalen Cylinderzellen, welche auf ihrem cuticularen Saume sehr lange Wimpern tragen (Fig. 57). Die kleinen Kerne sind kreisrund und liegen basal. Eine Differenz beider Arten von Wimperzellen ist im Schnitte nicht mehr zu erkennen. An den meisten Stellen sind diese Zellen durch becherférmige Gebilde so auseinandergespreft, daf sie meist konisch erscheinen. Diese becherf6rmigen Gebilde sind interepitheliale Liicken von sehr groBer Ausdehnung, aber keine Becherzellen (Fig. 57). Das zur Bezeichnung ,,Zelle“ unbedingt notwendige Kriterium, das Vor- handensein eines Kernes, geht den Gebilden vollstindig ab. Man trifft diese Liicken in allen Stadien der Fiillung, bald ganz prall gefiillt, bald nur im basalen, bald nur im distalen Teile Sekret enthaltend (Fig. 57). Je weniger Sekret in den Liicken vorhan- den ist, desto breiter sind die die Liicken begrenzenden Epithel- zellen, deren distaler, mit Wimpern besetzter Saum gegen den Druck viel widerstandskraftiger ist, als die tibrige Zellsubstanz. Infolge davon haben, wie bemerkt, die Zellen konische Gestalt, und es ist die Basis des Conus der Wimpersaum, die Spitze desselben die basale kernhaltige Partie, Die Wimperzellen haben sich, wie alle gewéhnlichen Epithel- zellen, nur schwach tingiert, bei Doppelfarbungen haben sie stets den Plasmafarbstoff (z. B. Orange oder Eosin) angenommen (Fig. 57). Wenn yorher gesagt wurde, daf der innerste epitheliale und der zweite Abschnitt der Leuchtorgane die gleiche intensive Tinktion z. B. in basischen Anilinen angenommen haben, so ist diese An- gabe nunmehr dahin zu spezialisieren, daf es die in den inter- epithelialen Liicken liegenden Massen sind, welche jenes Kolorit angenommen haben, was natiirlich ist, da diese Massen nur die direkte Fortsetzung der im mittleren Abschnitte sich findenden Substanz sind (Fig. 57). Pancert hat angegeben, daf er bei Untersuchung des leuch- tenden Stoffes in demselben Tropfenmassen gefunden hat, welche noch die Gestalt der Zelle beibehalten hatten; er hat dann ferner 182 Dr. Bernhard Rawitz, die von mir als interepitheliale Liicken erklarten Bildungen als Zellen bezeichnet. Was die erstere Angabe, die eiférmig aus- sehenden Tropfenkonglomerate betrifft, so ist diese Erscheinung leicht zu erklaren: die Sekrettropfen kleben infolge ihrer Visko- sitat aneinander und behalten deshalb, wenn sie durch den mecha- nichen Druck, der bei Anfertigung eines mikroskopischen Pra- parates von frischem Materiale notwendig ausgeiibt werden muf, aus dem Epithel herausgepreBt werden, die Form der inter- epithelialen Liicke bei. Wenn Pancerr diese Liicken als Zellen zeichnet, so beruht das auf einer Verkennung der Thatsachen ; Anwendung geeigneter Kernfairbemittel lehrt, da8 Zellen hier nicht vorliegen. Der dritte, d. h. der der Substanz des Septum direkt auf- liegende Abschnitt, der sich in Orange-Hamatoxylin orange (Fig. 57), in Kosin-Hamatoxylin hellrot gefarbt hat, besteht aus einzel- nen Zellen, welche meist von oblonger Gestalt sind, manchmal auch infolge gegenseitigen Druckes eine polyedrische oder ganz unregelmafige Form angenommen haben. Die Zellen sind gegen- einander scharf abgegrenzt, eine besondere Membran um dieselben habe ich aber nicht wahrnehmen kénnen. Die in Fig. 57 sicht- baren zarten violetten Linien sind keine Zellmembranen, sondern die Maschen der Bindesubstanz. Jede Zelle hat einen Kern, nie mehr, der in den einen central, in den anderen exzentrisch sich findet, manchmal dicht am Kontur der Zelle anliegt. Die Kerne sind klein und kreisrund und unterscheiden sich dadurch ganz scharf von den stets ovalen Kernen des iibrigens nur in sehr spirlicher Menge im ganzen Organe vorhandenen Bindegewebes. Diese Zellen des basalen Organabschnittes gehen tiber in die Massen, welche die mittlere Partie bilden. In den allermeisten Fallen ist die Differenz, welche die bereits erwahnte Farbung beider Par- tieen darbietet, eine ganz scharfe, unvermittelte (Fig. 57). An einigen, wenn auch nur wenigen Stellen findet man indessen, daf beide Farbenniiancen kontinuierlich ineinander tibergehen. Das Plasma der den basalen Abschnitt bildenden Zellen erscheint sehr stark granu- liert, fast wie aus einzelnen Tropfen bestehend. Allmahlich, beim Ubergange zum mittleren Abschnitte, wird das Plasma homogener und nimmt, beispielsweise in Orange-Himatoxylinpraparaten, eine andere Farbung an, indem das Hellgelb einem violetten Tone zu weichen beginnt. Dieser violette Ton wird nach und nach inten- siver, bis wir im mittleren Drittel intensiv gefarbte, in der er- wahnten Doppelfarbung tief veilchenblaue Massen antreffen (Fig. Der Mantelrand der Acephalen. 183 57). Die Massen, welche den mittleren Abschnitt bilden, setzen sich unmittelbar fort in die interepithelialen Liicken, durch welche hindurch sie sich entleeren (Fig. 57); sie entbehren der Zellkerne vollstandig. Die einzigen kernhaltigen, also zelligen Elemente der Leuchtorgane sind daher nur im basalen, grofen Abschnitte vor- handen. Es sei noch erwahnt, da man an einigen Stellen die Zellen des basalen Abschnittes bis an das Epithel heranreichen sieht. Es fehlen hier also im mittleren Abschnitte die intensiv gefarbten Massen, d. h. mit anderen Worten: es befindet sich das Organ an dieser Stelle in Ruhe, ist sekretleer; eine Umwandlung des Plasma seiner Zellen hat noch nicht stattgefunden. Sehr beach- tenswert ist dabei, daf an solchen Punkten, die eine Sekretions- pause zeigen, im Epithel Liicken nicht vorhanden sind, die Epi- theldecke vielmehr in ununterbrochener Kontinuitaét diese Stellen iiberzieht. Das zeigt meines Erachtens deutlich, da jene becherformigen Liicken in der That nur Liicken sind, die ent- stehen, wenn das in der Tiefe bereitete Sekret epithelwarts riickt, und die verschwinden, wenn das Sekret ausgestoBen ist, indem nunmehr die vorher auseinandergepreften Wimperzellen wieder ihre normale Gestalt annehmen und folglich sich eng aneinander Jagern. Alle drei Abschnitte bilden mithin eine histiologische und physiologische Einheit; sie sind als eine einzige, in den Siphonen auferordentlich lang ausgedehnte, vielzellige Driise zu betrachten, deren Zellen fiir sich, ohne einen besonders differenzierten ge- meinsamen Ausfiihrungsgang zu besitzen, das von ihnen bereitete Sekret nach aufen fiihren. Durch tief im Gewebe liegende Driisenzellen werden also die leuchtenden Massen produziert und nicht durch Epithelzellen, wie Pancerr und Dusors falschlich be- hauptet haben. Die tinktoriale Eigentiimlichkeit, welche im Schnittpraparate das Sekret dieser Organe, also die leuchtende Materie, darbietet, die ungemeine Affinitaét zu basischen Anilinen und zum Hamato- xylin (Fig. 57) charakterisiert die Massen als Mucinmassen. Worin die Differenz vom gewoébnlichen Mucin beruht, welche Mo- mente es sind, die das Leuchten bedingen, das kann ich nicht sagen — der Bacillus Pholas ist es jedenfalls nicht —; hieriiber kénnen nur spezielle physiologisch-chemische Untersuchungen Auf- schluf verschaffen, 184 Dr. Bernhard Rawitz, Dusois spricht von Nervenzellen, die in den Leuchtorganen vorkommen sollen, sie stellen sein ,,segment neural’ dar und sind nach ihm nach Zerzupfung in Miuer’scher Fliissigkeit leicht zu erkennen. Ich kann hier nur einen fundamentalen Irr- tum von Dusois annehmen, denn nirgends im ganzen Organe, so wenig wie unter ihm finden sich Nervenzellen i. e. Ganglien- zellen vor. Von der Substanz des Septum sind die siphonalen Leucht- ‘organe, wie dies PaNceRI schon im allgemeinen ganz richtig an- geben hat, durch Muskelbiindel getrennt, die ihnen dicht an- liegen und im Querschnitte langsgetroffen sind (Fig. 57 m), also zur Constrictorgruppe gehéren. Zwischen Epithel und eigent- licher Driisensubstanz finden sich einige wenige Muskelbiindel. Von einem direkten Zusammenhange von Epithelzelle und Muskel- faser, wie ihn Dupois angegeben hat, kann also auch hier nicht gesprochen werden. Durch die Anwesenheit der Leuchtorgane ist eine Beschaffen- heit der Epithelzellen der Sipho-Innenflache bedingt, die in vielen und sehr wesentlichen Punkten abweicht von der Be- schaffenheit der Epithelzellen der Papillarregion; diese Higentiim- lichkeit haben weder PANcERI noch Dusois erkannt. Auf der zwischen den beiden siphonalen Leuchtorganen ge- legenen Partie des Septum (Fig. 56) findet sich ein niedriges Epithel, das nur in den unmittelbar an die Organe angrenzen- den Zellen Wimpern hat, sonst aber der Wimpern entbehrt. Die Zellen haben eine ungefahre Hohe von 10,8 w (die Epithelzellen der Leuchtorgane messen 24 mw), sie sind schmal, haben keinen doppelt konturierten cuticularen Saum und sind zu schmalen Zotten gruppiert. Sie haben kleine ovale Kerne, welche basal gelegen sind. Zwischen ihnen miinden einige sparliche Mucin- driisen, als solche kenntlich durch ihre charakteristische Farben- reaktion. Geht man seitlich von den Leuchtorganen weg der Partie zu, welche dem Septum gegeniiberliegt, so trifft man zunachst ein Epithel, das ebenfalls aus niedrigeren Zellen besteht, als sie auf den Leuchtorganen sich finden (ihre Hohe betragt 14,4 w), das aber im Gegensatze zu den Epithelzellen des Septum Wim- pern besitzt, die etwa 7,2 mw lang sind. Je weiter man sich seit- lich von den Leuchtorganen entfernt, um so héher wird das Epi- thel, um so langer werden zugleich die Wimpern, bis die Zellen Der Mantelrand der Acephalen. 185 endlich in der direkt den Leuchtorganen gegeniiber liegenden, also ventralsten Stelle der Innenflache des Sipho ihre grote Aus- bildung sowohl an Hohe wie an Lange ihrer Wimpern erreicht haben (Fig. 58). Es mift das Epithel hier allein 43,2 « an Hohe, wahrend die sehr weichen Wimpern 46,8 « lang sind. Noch eine andere Erscheinung ist hierbei zu notieren. Anfangs namlich, dicht an den Leuchtorganen, haben sich die Epithelzellen nur in wenige schmale Zotten gelegt; die Zottenbildung wird um so stirker, je weiter ventralwairts man geht, um am Orte der héch- sten Hohe der Epithelzellen ebenfalls die héchste Ausbildung er- langt zu haben. Eine dritte héchst wichtige Eigentiimlichkeit geht mit der Umgestaltung des Epithels Hand in Hand. Seitlich i. e. ventralwarts von den Leuchtorganen liegen dicht unter dem Epi- thel nur sparliche einzellige Mucindriisen, welche in interepithe- lialen Liicken miinden, und gleichzeitig finden sich Becherzellen, ebenfalls nicht allzu reichlich, im Epithel vor. Je mebr man ven- tralwarts vorriickt, um so mehr nehmen an Zahl die Mucindriisen zu, um so reichlicher auch werden die Becherzellen, die beide end- lich im ventralsten Teile, im hohen Wimperepithel, so zahlreich sind, daf sie das mikroskopische Bild beherrschen (Fig. 57 md). Sie bereiten, wie aus ihrem tinktorialen Verhalten hervorgeht, ein mucinartiges Sekret. Es eriibrigt noch die Beschreibung der im mikroskopischen Schnitte wahrzunehmenden Nervenverteilung in den Sipho- nen. Die Praparation mittelst Messer und Pinzette hatte be- kanntlich ergeben, daS Analsipho, Septum und Branchialsipho je zwei Nervenstimme erhalten. Betrachtet man Querschnitte durch die Siphonen bei sehr schwacher Vergréferung, so erkennt man nur die beiden Septalnerven (Fig. 56 7), welche die mach- tigsten der sechs Nerven sind. Bei stirkerer VergréfSerung sieht man eine grofe Zahl von Nerven, in welche die Hauptstamme zerfallen sind. In der Nahe der Septalnerven, von welchen keine besonderen Zweige zu den Leuchtorganen abgehen, finden sich die beiden HauptgefaBe fiir die Siphonen (Fig. 56 g), von denen das eine mehr in der Substanz des Anal-, das andere mehr in der Substanz des Branchialsipho gelegen ist. Die Entleerung des von den siphonalen und dreieckigen Leuchtorganen bereiteten Sekretes findet wohl hauptsachlich durch die Kontraktion der machtigen Bindel des Retractor statt. Trifft ein Reiz den Sipho, welcher eine Zusammenziehung, namentlich ein Zuriickziehen desselben zur Folge hat, so werden die be- 186 Dr. Bernhard Rawitz, treffenden Organe zusammengedriickt und dadurch mechanisch die in ihnen enthaltenen fliissigen Massen ausgepreBt. Die Starke der Muskelkontraktion treibt zugleich bei geéffneter Miindung die Massen aus dem Sipho in das umgebende Wasser, in welchem sie sich ausbreiten und das sie dadurch erleuchten. Der Mantelrand geht in zwei Falten aus, die einen aus cylindrischen, wimperlosen Zellen bestehenden epithelialen Belag haben. Driisen kommen in ihm nicht vor, erst auf der schon zum Mantel zu rechnenden Innenflache, welche zugleich ein Wim- perepithel hat, finden sich Becherzellen mit Mucinreaktion. Epicuticulabildung. (Fig. 59—65.) Beziiglich der Bildungsweise der Epicuticula, des ,,Periostra- cum“ nach TuLLBERG, bei der Ordnung der Ostreaceen kann ich mich kurz fassen. Im Gegensatze zu TuLLBeRG!) konnte ich bei Ostrea edulis, wenn auch nicht in allen Fallen, eine Epicuticula finden. Den Mangel dieser Bildung sucht TuLt- BERG dadurch zu erklaren, da8 der ganze Mantelrand dieser Spe- cies auferordentlich beweglich ist. Sehr haufig vermifte ich die Epicuticula, und in den Praparaten deutete nichts darauf hin, daB dieselbe artefiziell entfernt war, namentlich konnte eine Ver- letzung der dieselbe erzeugenden Epithelzellen nicht nachgewiesen werden. Ich lasse es indessen dahingestellt, ob wirklich hin- sichtlich dieses Punktes bei Ostrea individuelle Differenzen vor- handen sind. Stets dagegen vermiSte ich die Epicuticula bei Anomia und Lima. Eine deutliche Epicuticula zeigen die Pectiniden. Die- selbe ist zart und diinn und leicht zerreiflich. Sie entsteht, wie 1) Tycuo Tutisere: Studien tiber den Bau und das Wachstum des Hummerpanzers und der Molluskenschalen; in Kongliga Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar, Ny Foljd 19. Bd., 1881, Stock- holm. Der Mantelrand der Acephalen. 187 ich dies schon im I. Teile kurz angegeben, in der Bucht, die sich zwischen den Papillen der vorletzten Reihe und dem von mir beschriebenen Seitenwulste findet, und zwar so, dak sie von den Epithelzellen der proximalsten Partie der vorletzten Papillen Verstarkungen erhalt. Der Seitenwulst aber hat mit der Epi- cuticula nichts zu thun, wie ich mich bei wiederholter Durchsicht meiner friiheren und an neu gefertigten Praparaten deutlich zu iiberzeugen vermochte; meine im ersten Teile der Arbeit enthal- tene Abbildung von Pecten pusio (Fig. 32 |. c.) giebt die Ver- haltnisse genau und richtig wieder. CarrizRE'), dem J. THreLe einfach nachbetet, hat daher 1) Cargrbre unterwirft in demjenigen Abschnitte seiner oben er- wihnten Arbeit, welcher das Pectenauge behandelt, den sich hierauf beziehenden Absatz meiner Publikation (I. Teil) einer eingehenden, streng sachlich gehaltenen Kritik und kommt zu dem Resultate, einen _ groBen Teil meiner thatsachlichen Mitteilungen zu bestitigen und nur in einigen, mir wenigstens sehr nebensdchlich erscheinenden, Punkten abzuweichen. Um so sonderbarer beriihrte mich daher der mit kleinen Lettern gedruckte Anhang der Carribre’schen Arbeit. Die Fassung desselben ist eine derartige, da sie mir fast den Eindruck erweckt, als ob es Carrrbre leid gethan hat, meinen Untersuchungen iiber das Pectenauge zustimmen zu miissen. Denn nur so wird mir eine ab- fallige Kritik begreiflich, die sachlich weder geboten noch berechtigt war. Ich habe als der Erste nachgewiesen, dafi die Mantelrandfaden von Lima Driisenfaden sind, Warum Caxrrihre die dieselben zusam- mensetzenden Driisenzellen, in Erinnerung an die Ctenophoren, ,,Kleb- zellen“ nennt, ist mir unerfindlich; die Differenz kommt im Grunde auf eine Wortspielerei hinaus. CarriirE hat nur in Osmiumsdure konserviertes Material benutzt; hatte er frische und auf andere Weise konservierte Driisenfaden von Lima untersucht, so hatte er nicht die ganz hinfallige Vermutung aussprechen konnen, dai zwei Zellformen in denselben nebeneinander vorkommen, wo man thatsichlich nur eine Driisenform in allerdings verschiedenen Stadien des Sekretions- prozesses antrifft, und hitte nicht leugnen kénnen, daf® im Stiel der Driisenzellen ein Kern sich findet. Cargirre’s an Lima nur mit einer Methode und nur gelegentlich gewonnene Resultate sind daher irrig, soweit sie den meinigen von frischem und verschiedenartig konser- viertem Materiale durch spezielle Untersuchung erhaltenen widerspre- chen. — Carnibre erklart ferner meinen Seitenwulst bei Pecten fiir die Statte der Epicuticulabildung. Uber dem Striche habe ich gezeigt, dali das irrig ist, Aber selbst wenn Carriere hierin Recht hatte, so ware das noch immer kein Grund, die an der Mantelklappe von Pec- ten flexuosus yon mir gefundenen Sinneshiigel a priori abzulehnen. Ich kann eine solche Kritik nicht als objektiv und als berechtigt anerkennen und kann verlangen, wie jeder Forscher gegebenen Falls 188 Dr. Bernhard Rawitz, Unrecht, wenn er in seiner Arbeit ,,iiber Molluskenaugen“ (Archiv f. mikr. Anat., Bd. 33) behauptet, der von mir als Seitenorgan gedeutete Seitenwulst der Pectiniden sei die Ursprungsstatte der Epicuticula. Weswegen Carriere bei dieser Gelegenheit besonders auf die Arbeit von TuULLBERG hinweist, ist mir nicht ganz ver- stindlich, denn TuLLBerG hat die Pectiniden gar nicht unter- sucht. Woher tibrigens CARRImRE wissen will, daf ich die Arbeit TULLBERG’sS bei Abfassung des ersten Teiles des ,,Mantelrandes* nicht kannte, ist mir unerfindlich. Im Litteraturverzeichnisse habe ich sie allerdings nicht aufgefiihrt, weil ich nur diejenigen Ar- beiten in dasselbe aufgenommen habe, die mir von Bedeutung fiir die von mir zu-erérternden Verhaltnisse zu sein schienen; eine solche Bedeutung kommt der TuLupera’schen Arbeit aber nach meinem Dafiirhalten fiir die Histiologie des Mantelrandes gar nicht, fiir den hier zu behandelnden Prozef der Epicuticula- bildung in nur geringem Grade zu. Arcacea. Im zweiten Teile der Arbeit ist bereits ange- geben worden, daf bei dieser Ordnung in der Bucht zwischen der Innen- und Mittelfalte des Randes die Epicuticula entsteht, und daf somit ihre Lage eine derartige ist, dafi sie die auf der Mittelfalte bez. auf deren innerster Komponente stehenden Augen iiberdeckt, ohne denselben dicht aufzuliegen. Im einzelnen er- kennt man nun folgendes: Bei Arca Noae erhebt sich in der genannten Bucht plotz- lich ein Epithel, das aus sehr schmalen Zellen besteht (Fig. 59). Dieselben haben ungefahr eine Héhe von 45 w und eine Breite von 3,6 bis 4,9 «. Die Kerne sind oval, ihre Breite entspricht der der Zellen, ihre Liinge betragt etwa 4,5 bis 7,2 w, sie sind im ba- salen Abschnitte der Zellen gelegen. In den Zellen der Bucht finden sich bei dieser Species einige ganz wenige Pigmentkorner, kaum 3—4 in der Zelle, und zwar fast durchweg in der proximal vom Kern gelegenen Partie (Fig. 59). Dieses so geartete Epithel steigt auf der Innenflache der Mittelfalte in die Héhe und behalt seine Eigenschaften bis etwa ein Drittel der Faltenlange bei. Nur daf jetzt die Pigmentierung der Zellen allmahlich eine dich- tere wird, die gelbbraunen Pigmentkérner, anfangs nur sparlich yon mir verlangt, dai, wer mich widerlegen will, meine Methoden nachmacht und mir den Irrtum nachweist. Die Resultate sorgfaltiger Untersuchungen gelegentlich durch ein Apercu beseitigen zu wollen, ist entschieden unzulassig. Der Mantelrand der Acephalen. 189 vorhanden, erfiillen bald die Zellen in ihrer ganzen Ausdehnung. Im zweiten Drittel der Innenfliche der Mittelfalte wird dann das Epithel schnell niedriger, bis zu 16,2 uw, wahrend seine Breite dieselbe bleibt. Die Kerne sind kreisrund und basal gelegen. Die Pigmentierung findet sich nur noch im distal vom Kerne ge- legenen Abschnitte der Zelle und ist sehr viel schwicher geworden. Im distalen Drittel der Falte, auf der Grenze zwischen ihm und dem mittleren, betragt die Héhe der Zellen nur noch 7,2 «, und gleichzeitig wird die Pigmentierung wieder starker. Dieses distale Faltendrittel hat mit der Epicuticula nichts zu thun, wohl aber die beiden proximalen Drittel. Nachdem so die Grenzen der Bildungsstitte der Epicuticula und die Mae der dieselbe produzierenden Zellen angegeben sind, soll nunmehr das Detail folgen, das man bei Anwendung stark- ster VergréfSerung (Zeif apochromat. homogen. Immersion so Ocular 8) erkennt. Das unter den Zellen der Bucht gelegene Ge- webe, in welchem diese wurzeln, besteht aus einem dichten Ge- flecht von Muskelfasern und Bindegewebsfibrillen und setzt sich nicht scharf gegen die Zellen ab (Fig. 59). Die Gestalt der Zel- jen ist eine spindlige zu nennen. Basalwarts der Kernpartie nimlich verschmichtigen sie sich ein wenig und ebenso distal- wirts derselben; doch ist die Verschmiichtigung in beiden Fallen oder, was dasselbe sagen will, die durch den Kern bedingte Auf- treibung nicht sehr stark. Die Zellen stehen senkrecht zu ihrer Grundflache, sind aber, da diese sich nach oben zur Mittelfalte bogenformig heraufzieht, schrag nach innen zur Querachse des Mantelrandes orientiert. Das Plasma der Zellen ist zart granuliert und lést sich an seinem distalen Ende in zahlreiche Faden auf, die stumpfwinklig nach oben zur Innenfliche der Mittelfalte umbiegen und, sich dicht aneinander legend, die Epicuticula bilden (Fig. 59). Das vorhin angegebene Héhenmaf ist von der Basis der Zellen bis zur Umbiegungsstelle inklusive genommen, denn es unterschei- det sich das Plasma dieser Umbiegung in nichts vom Plasma des iibrigen Zellabschnittes, man kann Zellsubstanz und Epicuticula in der That nicht trennen. Die Faden, in welche sich die Zellen auf- spalten, sind auferordentlich fein (in Fig. 59 nicht gut wiedergegeben) und in Karmin fast farblos geblieben ; erst wenn sie sich zur Epicuti- cula zusammengelegt haben, also nach der Umbiegung, nehmen sie eine hellrote Farbe in dem genannten Reagens an. Dieselben Er- scheinungen zeigen auch die pigmentierten Zellen des proximalen Drittels der Innenfliche der Mittelfalte, nur daf hier die Epicuti- 190 Dr. Bernhard Rawitz, cula schon dicker ist, als auf jenen Zellen der Faltenbucht. Man sieht auch hier, daf die Zellsubstanz sich in Faden auszieht, nur daf die Faden sich diesmal rechtwinklig nach oben umschlagen. Dabei ist das Aussehen der Epicuticula ein lamellires, indem die von den Zellen abstammenden Faden sich zu schmalen Platten aneinander gelagert haben. Die Farbung in Boraxkarmin haben nur die altesten Schichten, die also, welche der Aufenflache der Innenfalte zunachst liegen, angenommen, wahrend die auf den Zellen aufruhenden ungefarbt sind. Das ist der Fall in der Fal- tenbucht und im proximalen Drittel der Mittelfalte. Eine Ausfaserung der Epithelzellen findet sich aber im mitt- leren Drittel der Falteninnenflache nicht, man sieht hier vielmehr einen deutlichen einfachen Kontur zwischen Epicuticulaschicht und freiem Zellsaume. Im proximalen Drittel der Falte sind die Zel- len schrag nach oben, im mittleren senkrecht gegen die Epicuticula gerichtet. Jenseits der Falte zeigt die Epicuticula, die stets eine zarte Haut darstellt, ein homogenes Aussehen. Etwas anders erweist sich die Situation bei Arca barbata (Fig. 60). Der auffalligste Unterschied besteht wohl darin, dal hier bei dieser Art nicht blof das Epithel der Faltenbucht und das der Innenfliche der Mittelfalte sich an der Bildung der Epi- cuticula beteiligen, sondern auch das Epithel der auSersten Kom- ponente der Innenfalte. Man erkennt an letzterer folgendes. Das Epithel der AufSenflache der genannten Falte ist ein gewéhnliches, pigmentiertes Wimperepithel (Fig. 60 pz), das bis zu der proxi- malsten Partie der Falte sich gleich bleibt. Erst hier in einer unge- fahren linearen Ausdehnung von 63 w zeigt es einen ganz anderen Charakter. Die Zellen sind pigmentlos, haben nur eine Hohe von 3,6 u, waihrend die Breite nicht genau anzugeben ist, da man die gegen- seitigen Konturen nicht immer deutlich sehen kann; die Kerne sind kreisrund und haben etwa 2 u Durchmesser. Dieses Epithel liegt nun, im konservierten Objekte wenigstens, dem Epithel der Faltenbucht so dicht auf, da sein freier Saum und der des letzteren sich direkt beriihren (Fig. 60). Das Epithel der Faltenbucht stellt einen Wulst mit gewdélbter Oberfliche dar; auf der Stelle, welche etwas iiber den Durchmesser der Wd6lbung hinaus nach auben reicht, ist das Epithel der Innenfalte in eine etwa 14,4 uw dicke, zungenartige Verlingerung ausgezogen. Das Plasma der Zellen der Innenfalte, welche an der Epicuticulabildung sich be- teiligen, hat sich in Boraxkarmin gar nicht gefirbt und zieht sich Der Mantelrand der Acephalei. 191 in Faden aus, die sich an der freien Seite der Zellei, also dem freien Kontur der Zellen der Faltenbucht, zur Epicuticula anein- ander lagern (Fig. 60). Die in der Bucht stehenden Epithelzellen, welche basalwirts scharf begrenzt sind, sind ziemlich gleichmabig cylindrische Zellen, die in einer Reihe liegen (Fig. 60). Ihre ovalen Kerne, welche deutlich einen Nucleolus erkennen lassen, stehen nicht in gleicher Hohe, sondern es liegen einzelne basal, einzelne central, manche auch in der Mitte der Zellen (Fig. 60 ep), und dadurch kann gelegentlich der mit den Thatsachen nicht iibereinstimmende Eindruck hervorgerufen werden, als ob hier ein mehrschichtiges Epithel vorhanden ware. Das Plasma der Zellen ist sehr zart granuliert und hat sich in Boraxkarmin, namentlich in der um den Kern herum gelegenen Partie, schwach rot gefarbt. Im distalsten Abschnitte der Zellen wird es plotzlich, ohne Uber- gang, farblos und zerfallt in einzelne Strange, die noch deutlicher als bei Arca Noae (Fig. 60) sind. Diese Faden biegen sich in stumpfem Winkel nach oben um und legen sich eng aneinander, so mit denen, welche von den gegeniiberliegenden Zellen der AuBenflache der Innenfalte stammen, die Epicuticula bildend (Fig. 60). Die Breite dieser Buchtzellen, welche schriig gegen die Achse der Innenfalte orientiert sind, ist 4,5 u, die héchsten unter ihnen messen 54 uw, die niedrigeren, welche die Seiten des Wulstes bil- den, 27 uw. Die ovalen Kerne haben einen Langsdurchmesser von 9 u, wahrend der Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht. Auf der Innenflache der Mittelfalte, von welcher nur das proximale Drittel zu der Epicuticula Beziehungen hat, ist das Epithel nie- driger bis zu 14,4 w; diese Zellen, welche spindelformige, basal gelegene Kerne besitzen, gehen ganz wie die Epithelzellen der Faltenbucht in die Epicuticula tiber (Fig. 60). Wie Arca barbata so verhalten sich Arca tetragona, A. lactea und Nucula nucleus. CaRRIERE sagt in seiner Arbeit ,,iiber Molluskenaugen“ (p. 400 1. c.): ,,bei allen Muscheln mit dickerem Periostracum wird dasselbe durch Sekretmassen, welche bei Arca z. B. von dem Epi- thel der Schalenseite der mittleren Falte des Mantelrandes abge- sondert werden, verstarkt.* Diese Bemerkung, die fiir die Siphoniaten zutrifft, ist, wie ich schon im zweiten Teile der Arbeit (cfr. ]. ¢. p. 9 des Sonderabdruckes) in einer Anmerkung hervorgehoben und wie ich hier bewiesen habe, nicht in Ubereinstimmung wit den Thatsachen. Das ,,Epithel der Schalenseite der mittleren Falte“, also das Epithel der AuBenflache der Mittelfalte hat mit 192 Dr. Bernhard Rawitz, der Epicuticula nicht das Geringste zu thun, weder indirekt, in- dem seine Zellen der Epicuticula nicht anliegen, noch direkt, in- sofern das Epithel keine Sekretmassen absondert. Eher trifft die Bemerkung Carribre’s zu fiir Arca diluvii und Pectunculus gly- cimeris, nur hat CArRibRE erstere Art nicht untersucht, letztere nicht erwihnt. Hier némlich besteht die Epicuticula aus zwei Schichten, von denen die am Mantelrande innere, welche beim Umbiegen der Epicuticula auf die Schale die auBere wird, in der gleichen Weise entsteht, wie die einzige Schicht der oben genann- ten Arten, wahrend die am Mantelrande dufere, die beim Um- biegen zur inneren wird, von einem Teile der Aufenflache der die Epicuticula erzeugenden Falte hervorgebracht wird. Mytilacea. Bei dieser Ordnung hat TuLiBere die Epi- cuticulabildung von Mytilus edulis und Modiola modiolus unter- sucht. Seine Beobachtungen sind folgende. Bei Mytilus edulis biegt sich die der Schale auSen aufliegende Epicuticula an deren Rande nach innen um und ist innerhalb des Schalensaumes in einer Falte des Mantelrandes befestigt. Diesen eingebogenen Teil nennt er das ,,innere Periostracum“, den der Schale aufen aufliegenden das ,,iuSere Periostracum“. ,,Am aufersten Rande der Schale bei dem Punkte, wo das Periostracum von einem in- neren zu einem auferen tibergeht, hat es seine volle Entwickelung erreicht, und in dem oben auf der Schale befindlichen Teile des- selben findet kein weiterer Zuwachs statt. Der innere Tei! nimmt dagegen von innen nach aufen an Dicke zu, und der innerste Teil ist so diinn, dafi es mir nicht gelungen ist, an Querschnitten des Mantelrandes auch bei der starksten Vergréferung mit Bestimmt- heit seine Grenze zu sehen, die jedoch ohne Zweifel im innersten Teile der I‘alte liegt, imnerhalb welcher das Periostracum einge- senkt ist, und in welchem sie mit ihrer der Mantelhéhle zuge- wandten Seite befestigt ist‘ (p. 16 1. c.)'). Die au8ere Epicuticula besteht aus zahlreichen Lamellen, die im Schnitte als feine Strei- fen sich darstellen, schrag von innen nach aufen gehen, so daf die auferen Teile derselben niher am Schalensaume liegen. ,,Diese Schichtung wird auch direkt auf dem inneren Periostracum fort- 1) In dem citierten Passus ist der letzte Relativsatz von ,,in welchem“ ab unverstindlich. Soll es heif®en, die Falte ist im Periostra- cum — das ,,welchem“ geht scheinbar auf Periostracum — befestigt, oder soll es heifen, das Periostracum ist in der Falte befestigt. Viel- leicht liegen hier mehrere Druckfehler vor, die zu erkennen aber nicht gut méglich ist, Der Mantelrand der Acephalen. 193 _ gesetzt und der jiingste Teil des Periostracum ist immer die - Schicht, welche auf der der Schale zugewandten Seite des inneren Periestracum von dem Schalensaume bis an den Boden der Falte des Mantelsaumes sich erstreckt. Aufer der Schichtung kommen in der Epicuticula Héhlungen vor, welche an dicken Hiiuten deut- licher als an diinnen zu sehen sind. Sie stehen mit ihrer Lings- achse senkrecht zur Oberflache der Epicuticula und liegen dicht aneinander. Der Hauptort des Wachstums der Epicuticula ist diejenige Falte des Mantelrandes, in welche die innere Epicuticula sich hineinstreckt; sobald die letztere nimlich den Schalenrand erreicht hat, nimmt sie an Dicke nicht mehr zu. Der hauptsich- lichste Teil der Epicuticula wird aber von der inneren freien Oberflache der auferen Falte des Mantelrandes geliefert und nicht von denjenigen Zellen, welche an ihr befestigt,sind. Dies geht daraus hervor, da’ die Schichten der Epicuticula, welche auf der Aubenseite der Schale von innen nach auBen gegen den Schalen- saum orientiert sind, in derselben Anordnung sich innen finden. Die jiingste Schicht liegt daher innen immer dicht an der dueren Falte des Mantelrandes und kann in ihrer ganzen Ausdehnung von der- selben beriihrt werden. ,,Der eigentliche Zuwachs des Periostracum muf also durch neue Schichten von dieser Seite her zustande kommen, weil sonst, wenn er von der entgegengesetzten Seite aus geschihe, das heift von den festsitzenden Zellen aus, die Schich- tenreihe eine ganz andere sein wiirde, indem dann die jiingsten Schichten parallel mit den festsitzenden Zellen liegen miiSten und die Schichten sich umgekehrt erstrecken wiirden“ (p. 27). Die Rolle der Zellen, welche eben erwahnt wurden, ist die, daf sie die Epicuticula befestigen, und dieser Funktion kommen sie da- durch nach, daS ihr auBerer Teil sich selber in Epicuticula um- wandelt. Hierbei stéft die Frage auf, ,,wie das Periostracum, da es auf die oben erwadhnte Weise befestigt ist, je nachdem sein dem Schalenrande naher liegender Teil am Zuwachse der Schale in iuferes Periostracum iibergeht, iiber die Zellschicht, woran es _ befestigt ist, nach auBen geschoben werden kann“ (p. 28). Es soll das so geschehen, daf die aufersten Zellen fortwihrend resorbiert oder in wirkliche Cylinderzellen umgewandelt werden, ,,je nach- dem neue Zellen an dem innersten Rande des Periostracum sich entwickeln. Die oben genannten Zellen — und diese Thatsache soll die geiuSerte Auflassung bestitigen, — nehmen gegen den Rand der duferen Lamelle des inneren Blattes des Mantelrandes Bd, XXVII. N. F. XX, 13 194 Dr. Bernhard Rawitz, nach und nach an Lange ab, bis sie schlieBlich ganz schwin- den. Modiola modiolus zeigt das gleiche Verhalten wie Mytilus. Soweit TuLLBERG. In mancher Hinsicht anders lauten die Angaben von EHRENBAUM (12), dessen Arbeit tibrigens auch eine ausfiihrliche Besprechung der iiber den hier uns beschaftigenden Gegenstand vorhandenen Litteratur bringt. Die Epicuticula ist nach diesen Autor mit ihrem 4ussersten Ende in einer Vertiefung des Mantelrandes befestigt, von dem sie entsteht. Sie wachst von der Ursprungsstelle bis zum Schalenrande allmahlich. Die Epicuticula erscheint bei makroskopischer Betrachtung glatt, ,,un- ter dem Mikroskope bemerkt man jedoch auf giinstigen Flachen- ansichten ein System von sehr feinen parallelen Rillen, die auf senkrecht zu ihrer Richtung gefiihrten Querschnitten eine fein- zackige Ausrandung hervorrufen (1. c. p. 6).“* Diese rillige Auben- fliche der Epicuticula liegt den ,,Epithelzellen des betreffenden Mantellappens“ auf (damit ist die von mir als Aufenlamelle be- zeichnete Partie gemeint, cfr. I. Teil). Die Epicuticula enthalt Hoéhlungen, die sich bis zur Ursprungsstelle verfolgen lassen; sie sind in den jiingsten Teilen der Epicuticula sparlich und grof, dem Schalenrande zu klein und zahlreich. Auf Schnitten er- scheinen diese Héhlungen zunachst, d. h. in den basalen Partieen der Epicuticulafalte, als flache, sich allmahlich vertiefende Aus- randungen, die weiter distalwarts sich schliefen und in das Innere der Epicuticula hineinwandern. ,,Die Héhlenbildung selbst hat man sich jedenfalls so zu erklaren, dass eine ganz bestimmte Zone des Epithels unvollkommen sezerniert, da} aber spater beim Fortriicken der Cuticularmasse die entstandenen Lécher von gleich- mibig sezernierenden Teilen des Epithels mit einer kontinuier- lichen Decke versehen werden“ (p. 7 1. ¢.). (Dieses angeblich ungleichmafig sezernierende Epithel ist, wie ich nebenbei bemer- ken méchte, das Epithel der Innenfliche der Aufenlamelle; cfr. II. Teil Fig. 17). Beziiglich der feineren histiologischen Verhalt- nisse bestreitet KHRENBAUM zunachst die Richtigkeit der Angabe von TULLBERG, dass die Epithelzellen, die sich an der Epicuticula beteiligen, sich zerfasern; seinen Beobachtungen nach erscheint viel- mehr jede Zelle auf der ganzen Linge des mittleren Mantellappens »mit deutlichen Grenzen, deutlichem Kerne und gleichmakig kérne- ligem Inhalte“ (1. ¢. p. 38). Nur einmal hat KEHrENBAU™ die oberflaich- liche Zone eines Teiles der Epithelzellen von streifigem Aussehen gefunden, also ahnlich, wie es TULLBERG zeichnet, indessen konnte er feststellen, daf die feineren Streifen nicht den Epithelzellen Der Mantelrand der Acephalen. 195 selber angehérten, sondern vielmehr von der unteren den Zellen aufliegenden Seite der Epicuticula herriihrten und nur sichtbar waren infolge einer schragen, bei den welligen Biegungen der Epicuticula leicht erklarlichen Schnittrichtung. Das sind die Angaben, die EnrRENBAUm iiber Mytilus gemacht hat; seine anderen andere Species betreffenden Darstellungen sollen spater beriicksichtigt werden. Meine eigenen Beobachtungen iiber die Epicuticulabildung bei Mytilus edulis ergaben mir folgende Resultate : Die Epicuticula entsteht, wie dies im II. Teil bereits ange- ceben wurde, von der Ausenflache der Mittellamelle. (Uber die Bezeichnung cfr. I. Teil). Das Epithel der AuBenlamelle auf der der Epicuticula zugewandten Seite sowie das Epithel der Innen- fliche der Mittellamelle sind in ihrem histiologischen Figentiim- lichkeiten ebenfalls im I. Teile bereits geschildert worden. In- dem ich auf den betreffenden Abschnitt verweise, will ich hier nur hervorheben, dal die Abbildung, die EnrENBAUM vom Innen- epithel der AufSenlamelle giebt (12, Fig. 5b), von der meinigen (il. Teil Fig. 17) ganz bedeutend abweicht; EnreENBAUM zeichnet z. B. in den Zellen keinen Kern. Die Differenz ist darauf zuriick- zufiihren, da’ ExHRENBAUM sein Material in Chromsaure fixiert hat; dieses Reagens ist aber fiir die Untersuchung mariner Mol- lusken eines der gefihrlichsten, weil es niemals gute Bilder liefert und weil die von ihm hervorgerufenen Artefacte in ganz unregelmafiger und unkontrollierbarer Weise voneinander verschie- den sind. Das eigentiimliche, hohe Epithel, welches die Innenfliche der Aufenlamelle auszeichnet, ist auch noch in der Bucht zur Mittel- lamelle vorhanden und setzt sich eine kurze Strecke noch auf auf den Ful der letzteren fort. Der epitheliale Belag hat an dieser Stelle die Gestalt eines Hiigels, der auf dem Durchschnitte die Form eines gleichschenkligen Dreiecks besitzt. Die Zellen gleichen vollstaéndig denen der Innenfliche der AufSenlamelle, nur sind sie pigmentfrei. Da, wo dieses Epithel an der AuBenfliiche der Mittellamelle aufhért, beginnt die Region der Epicuticula, mit welcher das Epithel des FuBes und das der AuSenlamelle keinen Zusammenhang haben. Die gegenteiligen Angaben von TULLBERG und EHRENBAUM sind mir um so weniger verstandlich, als keiner von den beiden Autoren, die einen solchen Zusammenhang behaup- ten, ihn abgebildet hat; die Enrensaum’sche Figur 5 (12, 1. ¢. 13* 196 Dr. Bernhard Rawitz, Taf. I) namentlich, welche zum Teil unnatiirliche Verhaltnisse wiedergiebt, spricht eher gegen als fiir die Behauptung jener Forscher. Das Epithel der Aufenfliche der Mittellamelle, von dem die die Epicuticula entspringt, zeigt einen ganz eigenartigen Charakter. Die Zellen, welche schrag gegen die Langsachse der Falte und somit auch schrig gegen die Epicuticula orientiert sind (Fig. 61 a, ep), sind in ihren gegenseitigen Konturen sehr undeutlich, wie ich im Anschlusse an TULLBERG gegen EHRENBAUM finde. Die Epithelzellen sind sehr in die Linge gezogen und enthalten ovale Kerne, die indessen nur undeutlich sichtbar sind (Fig. 61 ep); dieselben farben sich in Himatoxylin nur angehaucht blau. Das Plasma der Zellen zeigt, wie ich wiederum im Gegensatze zu EHRENBAUM hervorheben muf, in deren ganzer Liinge einen deut- lichen Zerfall in nicht zu zarte Strange, die im basalen Teile der Zellen fast an die von den gewoéhnlichen indifferenten Epithelien her bekannte wurzelf6rmige Ausfaserung erinnern, distalwarts des Kernes sich direkt in die Epicuticula fortsetzen (Fig. 61 ep). Diese Epicuticula, die im proximalen Abschnitte der Lamelle sehr diinn ist, farbt sich sofort, d. h. dicht auf den Zellen der basalen Partie der Lamelle in Orange-Hamatoxylin leuchtend orange und unterscheidet sich dadurch von den gewodhnlichen cuticularen Zellstumen auf das scharfste, die ausnahmslos in der genannten Doppelfarbung sich nur blagelb tingieren. Die Stabchen- struktur der Zellen ist in der ganzen Ausdehnung der La- mellen-Aufenfliiche zu erkennen, am deutlichsten allerdings in deren basaler Partie, weil hier die Zellen sich etwas intensiver gefarbt haben, als in den distalen Abschnitten, wo sie so bla’ sind, da’ sie als Zellen nur durch ihre Kerne erkannt werden kénnen (Fig. 61 ep). In der duSersten Lamellen- spitze allein ist die Staébchenstruktur undeutlich und es gewinnt stellenweise den Anschein, als ob die Zellen ganz fehlen. Die Substanz der Lamelle ist an dieser Stelle so reduziert, daf es fast aussieht, als ob die Zellen der Innenfliche der Epicuticula direkt anliegen (Fig. G1 c). Wahrend in der proximalen Partie der Lamelle die Epicuticula eine sehr diinne Membran darstellt und infolge dessen als besonderes Gebilde nur durch ihre inten- sive Farbung diagnostizierbar ist (Fig. 61 a, cw), ist die Grenze zwischen ihr und den sie erzeugenden Zellen von der Mitte der Lamelle ab sehr deutlich, infolge der nunmehr in ihr auftretenden Der Mantelrand der Acephalen. 197 Struktur (Fig. 61 6). Es schiebt sich namlich zwischen die in Orange-Hamatoxylin leuchtend orange gefarbte Partie — ich werde mich in der folgenden Beschreibung wesentlich an diese Farbung halten — welche allmahlich an Dicke zunimmt, und die Epithel- zellen eine Substanz ein, die anders strukturiert und anders ge- farbt ist. Diese Schicht ist anfanglich ganz schmal, wird aber bald so stark, dass sie die erste Schicht um ein Vielfaches an Dicke iibertrifft. Sie farbt sich blaulich und zwar in der Abstufung, dass sie dicht an den Zellen ganz blaf ist, nach aufen zu etwas dunkler wird; sie setzt sich somit von der orangenen Schicht scharf ab. Gleichzeitig zeigt sie eine deutliche Querstreifung (Fig. 61 0). Die Streifen, welche sich als zarte blaue Linien prasentieren, die an der Aufenpartie intensiver gefarbt sind als innen, liegen sehr dicht nebeneinander, sind parallel und stehen senkrecht auf der Lamellenachse, bilden also mit den Zellstrangen einen proximal- warts offenen stumpfen Winkel (Fig 61 b, vz). Etwas distal der Mitte findet sich in der blauen Schicht eine dieselbe halbierende spindelférmige Anschwellung (Fig. 61 b, y), in deren Achse ein heller, doppelt konturierter Streifen zu sehen ist. Nach dem Schwinden der Anschwellung wird auch die Streifung schwacher, die Streifen selber, welche nach wie vor den Zellen aufliegen, farben sich intensiv gelb und sind von der aufersten Partie durch eine blaue Schicht getrennt. In dieser Gegend, etwas distal der Mitte der Lamelle, haben wir also folgenden Bau der Epicuticula (Fig. 61 b und c, cw). Zu innerst die stabchenformig strukturierten Zellen, dann die gelb gefarbte geriefte Schicht und von ihr sich undeutlich absetzend eine intensiv gelbe homogene Schicht. Auf dieselbe folgt eine blaulich gefarbte Schicht, die ungefahr halb so breit ist wie die vorigen zusammen, und auf diese zu auferst wie- der eine leuchtend orange gefarbte schmale Partie. Letztere ist die direkte Fortsetzung der einfachen homogenen Epicuticula der proximalen Partieen der Lamelle; die Grenzen der einzelnen Schichten gegen einander sind nicht sehr scharf (Fig. 61 0). Etwas anders, als ich es eben gethan, schildert KHrRENBAUM den Bau der Epicuticula; ich glaube aber nicht nétig zu haben auf die Abweichungen einzugehen, da ExHReNBAUM nicht die mit dem sie erzeugenden Epithel noch zusammenhangende Epicuticula, sondern die jenseits der Lamelle auf der Schale innen aufliegende als Objekt seiner Darstellung gewahlt hat. In der aufersten Schicht der Epicuticula treten im distalsten Abschnitte der Lamelle im Schnitte halbmondférmig erscheinende 198 Dr. Bernhard Rawitz, Einbuchtungen auf (Fig 61 ¢, r) — die ,,Héhlungen’ von EnREeN- BAUM —, welche bis auf die blaiuliche Schicht gehen, die jenseits der Falte in der Epicuticula nicht mehr vorhanden ist, ebensowenig wie die gestreifte Partie. Die Kinbuchtungen riicken allmahlich in das Innere der Epicuticula und erscheinen als Héhlungen derselben (Fig. 61 c). EnrenspAuM meinte, da8 sie im natiilichen Zustande jedenfalls mit Fliissigkeit gefiillt sind, die beim Praparieren durch Luftblasen verdrangt wiirde. Ob die Annahme, daf in den Hoh- lungen Fliissigkeit sich findet, richtig ist oder nicht, will ich nicht entscheiden; auffallig und zugleich interessant ist es, daf die- selben in Orange-Hamatoxylin sich veilchenblau farben, was in Fig. 61 ¢ durch den dunklen Ton wiedergegeben ist. Eine eigentiimliche Abweichung zeigte sich in einigen meiner Praparate; die Abweichung betraf nicht den Modus der Epicuti- culabildung, wie er bisher besprochen wurde -— der war vielmehr derselbe —, sondern die Abweichung betraf die Konfiguration der Lamelle, von welcher die Epicuticula entsteht (Fig. 62). Im zweiten Teile dieser Arbeit unterschied ich bekanntlich die Man- telzacke uud die Aufenfalte, von welchen letztere in drei Lamellen zerfallt; die mittlere derselben ist es, von welcher die Epicuticula entsteht. In den erwahnten Praiparaten nun waren vier Lamellen vorhanden; das Epithel der Innenflache der vierten und das der Aubenflache der zweiten Lamelle — diese ist das eine Novum — gleichen einander vollkommen und entsprechen dem Epithel der Innenfliiche der Aufenlamelle der normalen Praparate. Die dritte Lamelle ist die friithere Mittellamelle; hier nun sieht man — und das ist das zweite Novum —, daf die Epicuticula von den beiden Seiten derselben, der AuSen- und Innenseite, entsteht, sich also aus zwei ganz gleich strukturierten Blattern zusammensetzt, von denen jedes einzelne Blatt die vorhin beschriebenen Eigentiimlich- keiten zeigt (Fig. 62 cu). Leider war in den betreffenden Pra- paraten die Epicuticula nicht in voller Ausdehnung erhalten, son- dern von der Mitte ab distalwarts mit dem Epithel abgerissen, so daS die Ubereinstimmung nur fiir die proximalen Partieen der Lamelle gilt und daf namentlich nicht beobachtet werden konnte, ob und in welcher Weise sich beide Blatter aneinander legten. Als drittes Novum kommt endlich hinzu, daf die Lamelle an ihrer Spitze eine tiefe, bis zu einem Drittel der Héhe gehende Spalte zeigt (Fig. 67). Dieselbe ist mit Epithel ausgekleidet und dieses gleicht dem der Innenfliehe der normalen Mittelfalte. Die soeben geschilderte Erscheinung ist auf Schragschnitte durch den Der Mantelrand der Acephalen. 199 Mantelrand sicher nicht zuriickzufiihren, denn ich wiifSte nicht, wie bei einer abweichenden Schnittrichtung das Bild, nament- lich die zweite der auferen gleichende Falte zustande kommen sollte. Uber den Ort, an dem bei Lithodomus dactylus die Epicuticulabildung stattfindet, habe ich mich bereits ausfiihrlich im zweiten Teile gedufert: er ist, wie bei Mytilus, die Aufen- flache der Mittellamelle. Von dem Epithel der zwischen letzterer und der Aufenlamelle vorhandenen Bucht ab findet sich an der betreffenden Flache die Epicuticula. Die Epithelzellen, welche dieselbe bilden, sind, ganz wie bei Mytilus, von unten nach oben auBen schrig gegen die Lamellenachse orientiert; hier wie dort, zeigt das Plasma dieser Zellen einen Zerfall in Strange. Die ba- sale Grenze der Zelle ist undeutlich; bis an sie heran reichen die Muskelfasern. Die Epicuticula ist von Anfang an durch ihre eigentiimliche, mit der bei Mytilus konstatierten tibereinstimmende Farbung von ihren Epithelzellen scharf abgesetzt. An den basal- sten Partieen der Lamelle ist die Epicuticula schmal, nimmt aber rasch an Dicke zu und iibertrifft hierin die gleiche Bildung von Mytilus. Sie zeigt eine Zusammensetzung aus zwei Schichten. Dicht auf den Zellen ist sie homogen, und diese homogene Schicht erhalt sich als ein doppelt konturierter Saum auf der Innenflache bis tber die Lamelle hinaus. Die aufere Schicht hat einen blattrigen Bau; die Blatter, breit und wellig gebogen, sind kurz, schrag gegen die Falte orientiert, in derselben Verlaufsweise wie die Strange des Protoplasma der Zellen. Die Blatter enden aufen in einen homogenen, im Anfange kaum wahrnehmbaren Saum, welcher an Dicke erst jenseits der Falte zunimmt. Derselbe ist in allen Farbstoffen ungefarbt geblieben und hat daher ein gelb- liches leicht glanzendes Aussehen im scharfen Gegensatze zu der intensiv gefarbten Innenschicht. Erst jenseits der AufSenlamelle nimmt dieser Saum der Epicuticula rasch an Dicke zu, um bald ganz so stark zu sein, wie die innere Schicht. Gleichzeitig wird der Innenkontur der Innenschicht zackig, die Flache also wellig; die Zacken stehen weit auseinander. Es besteht somit die Epi- cuticula an der Stelle, an welcher sie nach aufen auf die Schale umbiegt, aus zwei Schichten, aus einer hellen farblos bleibenden auferen und aus einer sich intensiv farbenden inneren, welch’ letztere im Anfange blittrig ist, von da ab, wo die Zacken an ihr auftreten, aber homogen erscheint, zum wenigsten keine Blat- terbildung mehr wie anfanglich zeigt. Wohl kann man aber an 200 Dr. Bernhard Rawitz, dieser Schicht noch eine Art Struktur erkennen. Man sieht nam- lich einen breiten, sich intensiv farbenden innersten Doppelkontur, auf welchen nach aufen eine homogene Partie folgt, die eine Spur heller gefarbt ist als der Kontur, und endlich einen .schmalen, wiederum intensiv gefairbten doppelten Kontur, der die Schicht gegen die aufere abgrenzt. Und ebenso erkennt man in letzterer zwei etwas dunkle, glanzende Grenzstreifen und eine breite helle Mittelpartie. Ob die geschilderten Erscheinungen aber wirklich Struktureigentiimlichkeiten oder blof optische Phinomene sind, bleibe dahingestellt. Modiola barbata zeigt im wesentlichen mit Mytilus tber- einstimmende Verhaltnisse. Wenn ich diese meine Beobachtungen nunmehr in Parallele bringe mit den weiter oben referierten Angaben von TULLBERG und EHRENBAUM, so ergiebt sich zunachst, da8 ich mit jenen bei- den Autoren nur insofern iibereinstimme, als ich gleich ihnen die Aufenflache der Mittellamelle fiir die Epicuticula in Anspruch nehme. Der Angabe beider Forscher, daf das Epithel der Innen- flache der AufSenlamelle ebenfalls, nach TuLLBERG sogar in her- vorragendem Mage an der Bildung der Epicuticula beteiligt ist, mu ich ganz entschieden widersprechen. Keiner von beiden hat auch nur den geringsten thatsachlichen Beweis fiir diese Angabe vorgebracht. Wenn das Epithel an dem Prozesse in irgend: einer Weise beteiligt ware, etwa, um mit CARRIiRE zu reden, ,,Sekret- massen“ absonderte, so miifte man doch irgendwie an gut kon- serviertem Materiale diese Massen oder die sonstige Beteiligungs- art zu Gesicht bekommen, so wie es Fall ist bei den Siphoniaten (cfr. z. B. Fig. 64 von Cardium edule). Davon ist hier bei den Mytilaceen aber gar keine Rede; die Zellen der genannten La- melle liegen mehr oder weniger weit von dem auferen Kontur der Epicuticula entfernt, beriihren denselben jedoch nicht und senden weder Sekret- noch Fasermassen zur Verstarkung der Epicuticula ab. EnrEeNBAum’s hierher gehérige Figur zeigt die betreffenden Zellen ganz entstellt, wie das aus den oben ange- gebenen Griinden auch nicht anders méglich war; ebenso ist an der TuLLBERG’schen Figur nichts zu erkennen, was die behauptete Beteiligung auch nur wahrscheinlich machte. Denn ich halte es fiir vollstandig ausgeschlossen, daf die accessorischen Massen, Sekretmassen im Sinne CARRIERE’s, sich dem Blicke entziehen kénnten, eben weil die anderen Ordnungen dieselben ganz deut- lich zeigen. | Der Mantelrand der Acephalen. 201 Die Annahme oder vielmehr die Behauptung, da das Innen- epithel der AuSenlamelle die Epicuticula mitbilde, griinden Tutt- BERG wie anscheinend auch EnRenBAUM, wenn letzterer Forscher auch nicht expressis verbis, lediglich auf eine theoretische Uber- legung. Betrachtet man nimlich die Schichtung, welche die Kpi- cuticula an der Mantelrandlamelle darbietet, so wird man, wie TULLBERG meint, die zu auferst liegende Partie als die Altere, die innere als die jiingere ansprechen miissen. Da nun die Epi- cuticula beim Umbiegen zur Schale ihre Schichtenbildung beibe- halt, so wiirden danach die Alteren Partieen auf der Schale lie- gen, die jiingeren dagegen in direkter Beritihrung mit dem See- wasser sein. Dies halt TuLtperG fiir unméglich und darum muf das Hauptwachstum an der Innenflaiche der Aufenlamelle statt- finden; ist das aber der Fall, so sind auch nach dem Um- biegen die jiingsten Schichten auf der Schale liegend zu treffen. Der Gedanke ist logisch durchgefiihrt und gegen die Folgerung liefe sich nichts einwenden, wenn die Pramisse, auf welcher die Uberlegung basiert, richtig ware. Das ist aber meines Dafiir- haltens nicht der Fall und darum auch die AuSenlamelle, deren Beteiligung mikroskopisch nicht nachweisbar ist, bei der theore- tischen Uberlegung beiseite zu lassen. Ich finde namlich durch- aus nicht dargethan, daf die Schichten, welche die innere Epi- cuticula zeigt, solche Verschiedenheiten darbieten, wie sie TULL- BERG anzunehmen scheint, wenn er von jungen und alten Schichten spricht: also wohl Verschiedenheiten, die in einer bei den jungen weichen, bei den alten harten Konsistenz bestehen werden. Die weiter oben im einzelnen besprochenen Farbungseigentiimlichkeiten beweisen, daf fast unmittelbar auf den Zellen der Lamelle die Epicuticula dieselben Eigenschaften zeigt, wie in ihren auferen Partieen. Die zu beobachtenden Struktureigentiimlichkeiten (pa- rallele Streifung etc. bei Mytilus, blattriger Bau bei Lithodomus) kommen nur in Betracht fiir die Strecke auf der Lamelle; jen- seits dieser sind dieselben, welche als Altersunterschiede gedeu- tet werden kénnen, nicht mehr vorhanden und die Epicuticula ist innen so hart wie aufen. So betrachtet bietet die nur auf dem Epithel der Aufenflache der Mittellamelle sich vollziehende Bil- dung der Epicuticula dem Verstiéndnisse gar kee Schwierigkei- ten und es liegt daher auch keine Nétigung vor, sich gedank- lich einen Prozef zu konstruieren, der thatsichlich nicht statt- findet. 202 Dr. Bernhard Rawitz, Sind die Angaben TuLLBERG’s tiber die Entstehung der Epi- cuticula von den Zellen der Aufenlamelle, wie sich eben heraus- gestellt hat, irrige, so sind seine Ansichten iiber die Beziehungen, welche zwischen den Zellen der Mittellamelle und der Epicuticula herrschen, mir ganzlich unverstaéndlich. TuLLBErRG meint namlich, wie aus den oben gegebenen Citaten und Referaten erinnerlich, da8 die der Mantelhéhle zugewandte Seite der inneren Epicuti- cula mit den darunter liegenden Zellen vereinigt sei, und sieht den Zweck dieser EFinrichtung darin, die Epicuticula zu befestigen. Diese Befestigung geschieht dann so, da8 der aufere Teil der Zellen sich in Epicuticula umwandele. Ich bekenne offen, da’ es mir ganz unméglich gewesen ist, diesem Gedankengange TULLBERG’s einen histiologischen Sinn unterzulegen. Ich verstehe nicht, was das heifen soll: gewisse Zellen dienen zur Befestigung der Epicuticula und thun dies, indem sie sich an ihrer Bildung beteiligen. Da8 ein cuticulares Produkt auf seiner Matrix haftet, an derselben also befestigt ist, ist selbstverstindlich; es haftet, eben weil es hier gebildet wird. Aber zu sagen, wie es hier TuLLBerG thut: ein cuticulares Gebilde wird von gewissen Zellen abgesondert, damit es auf denselben haften kann, das heift den cellularphysiologischen Prozef umkehren, die Wirkung, i. e. das cuticulare Gebilde, ge- wissermafien zur Ursache zu machen. Mit den gang und gaben Vorstellungen laf%t sich der TuLiLBera’sche Gedankengang mei- ner Auffassung nach in gar keine Verbindung bringen; was aber dem Autor eigentlich vorgeschwebt hat, ist mir unerfindlich. Nicht minder sonderbar ist die Ansicht TuLLBera’s, dab Zellen, welche urspriinglich an der Bildung oder Befestigung der Fpicuticula beteiligt waren, bei dem Verschieben derselben, das infolge ihres Wachstums stattfindet, resorbiert oder in wirk- liche Cylinderzellen umgewandelt werden sollen. Daf Zellen, die fiir die Weiterbildung einer cuticularen Membran wertlos gewor- den sind, resorbiert werden kénnen, ist méglich, nur in dem hier vorliegenden Falle nicht wirklich. Was das aber heifen soll, dab diese Zellen, falls sie nicht verschwinden, in wimpernde Cylinder- zellen umgewandelt werden, ist mir ganzlich unbegreiflich. Ich bin absolut nicht imstande, mir auch nur einigermafen ein Bild von dem cellularen Prozesse zu machen, den TULLBERG dabei im Sinne gehabt, und die Bedeutung dieses Prozesses zu verstehen. Ich kann nur sagen, dafS§ dieser wie der vorhin kritisierte Ge- dankengang TuLLBera’s auf ganz unklaren und unméglichen Vor- stellungen iiber histiologische Vorgange basiert. Der Mantelrand der Acephalen. 203 Klarer in der Darstellung und klarer in der Auffassung ist ExRENBAUM. Worin ich von ihm differiere, habe ich bereits ausein- andergesetzt; daf ich daher auch seine Theorie von der ungleich- miiBigen Sekretion der Zellen an der Innenflache der Aufen- lamelle nicht acceptiere, ist nur eine notwendige Folge dieser Differenz. Unionacea. Im zweiten Teile dieser Arbeit (p. 77 des Sonderabdruckes) habe ich angegeben, da8 die auferste Papillen- reihe an ihrer Aufenseite die Epicuticula tragt. Diese Notiz be- darf einer Berichtigung. Nicht die iuerste Papillenreihe ist Sitz der Epicuticulabildung, sondern die AuSenfalte selber; dieselbe teilt sich namlich in zwei Lamellen und von der Aufenflache der inneren von ihnen entsteht die Epicuticula. Das Epithel der Innenflache der AuSenlamelle ist ein hohes Cylinderepithel mit stabchenformigen Kernen; die Epithelzellen der AufSenflache der Innenlamelle sind dagegen niedrig bis zum distalen Viertel. Dieses hat mit der Epicuticula nichts zu thun, die basalen drei Viertel dagegen sind die Statte, wo die Epicuticula entsteht. Dieselbe ist ein diinnes véllig homogenes Hautchen, das sich sehr leicht von seiner zelligen Matrix list, wie dies auch TuLLBERG fiir Mar- garitana margaritifera angegeben hat. Die Farbung der Epicuti- cula entspricht ganz der bei den Mytilaceen konstatierten. Die Zellen, welche die Epicuticula bilden, bieten nur eine Andeutung von Stabchenstruktur dar. Vorstehende Angaben beziehen sich auf Unio pictorum und Anodonta anatina. Sie decken sich im wesentlichen mit der Schil- derung TULLBERG’s von Margaritana margaritifera. Da in meinen Praparaten die Epicuticula nur wenig iiber die Lamelle hinaus erhalten war, so konnte ich auch nicht feststellen, ob bei den von mir untersuchten Arten sich eine gleiche Faltenbildung zeigt, wie bei der von TuLLBerG behandelten Species. Die theoretischen Erwagungen, die der schwedische Forscher an seine thatsich- lichen Auseinandersetzungen kniipft, stehen in innigem gedank- lichem Konnexe mit denen, die er bei Mytilus gedufert hatte; da ich letztere bereits eingehend kritisiert habe, so kann ich da- von absehen, die von ihm bei Margaritana vorgebrachten zu be- sprechen. Die Epicuticulabildung, wie ich sie bei den Lucinacea gefun- den habe, erinnert in vielen Punkten an die der Mytilaceen. Bei Astarte fusca ist das Epithel der Aufenfliche der Mittelfalte, das aus kubischen Zellen besteht, fein gestreift, und zwar gehen die 204 Dr. Bernhard Rawitz, Streifen von den Basen der Zellen schrag nach aufen und oben gegen die Epicuticula hin. Letzere ist ein sehr zartes, homogenes Hautchen, das fest auf seiner Unterlage haftet und sich von An- fang an ziemlich intensiv, im selben Sinne wie bei Mytilus, farbt. Nach Enrensaum. sollen bei Astarte borealis ,,zwei von den vor- handenen drei Mantellappen, der innerste nur zum Teil an der Abscheidung der Epicuticula beteiligt“ sein. Ist das richtig, so lagen bei den beiden Arten der Gattung Astarte vollkommen ver- schiedene Verhiltnisse vor. Indessen bringe ich den Angaben von EHRENBAUM, soweit sie die Epicuticula betreffen, nicht allzuviel Vertrauen entgegen. Seine schematischen Zeichnungen, die nach Schnitten von ungeniigend konserviertem Materiale gemacht wur- den, zeigen eigentlich gar nichts; auferdem aber hat er bei vielen Siphoniaten, die ich selber untersucht habe, die Situation voll- standig verkannt, so daf die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, es seien ihm auch bei den von mir nicht bearbeiteten Species Irr- tiimer passiert. Ahnlich wie bei Astarte bildet sich die Epicuticula bei Car- dita suleata und Lucina spinifera. Die Epicuticula der iibrigen im ersten Abschnitte dieses Tei- les behandelten Siphoniatenordnungen — von den Phola- daceen habe ich keine guten Praparate iiber diesen Punkt erhal- ten, kann daher auch von ihnen hieriiber nichts aussagen — zeigt allenthalben deutlich eine Zusammensetzung aus zwei Par- tieen, welche sich durch ihre differente Farbung auf das scharfste unterscheiden (Fig. 63—65 cu). Die eine Partie, welche stets die diinnere ist, farbt sich in Bismarckbraun rétlichbraun, in Orange- Hamatoxylin leuchtendorange, in Eosin-Hamatoxylin flammendrot. Die andere Partie, welche stets die dickere ist, hat sich in den genannten Tinktionsmitteln blaBgelbbraun, blaugrau bez. blaBviolett gefarbt. Jene stellt die mehr hornartige, diese die mehr weiche Substanz dar. Beim Verlassen des Mantelrandes und vor dem Ubergange zur Schale wird die blasse Partie schmichtiger, iiber- trifft aber immer noch die intensiv gefarbte um ein bedeutendes an Masse. Das Verhalten der Epicuticula auf der Schale habe ich hier so wenig wie friiher untersucht. Die Einzeldarstellung will ich mit Cyprina islandica beginnen. Der Ort der Entstehung der Epicuticula bei dieser Art ist, wie bereits friiher angegeben, die Bucht zwischen Innen- und Aufenfalte bei der die Siphonen begleitenden Doppelfalte (Fig. 63) und die Bucht zwischen sekundirer Mittelfalte und Der Mantelrand der Acephalew. 205 Aufenfalte im Rande. In beiden Regionen sind selbstverstind- lich die Verhaltnisse in voller Ubereinstimmung; ich will mich in der folgenden Beschreibung an die Doppelfalte der Siphonen halten. Das Epithel der AuSenflache der Innenfalte besteht aus Cylin- derzellen, welche eine Hohe von ungefaihr 18 « bei einer Breite von nur 3 w haben. Die Kerne derselben sind klein und kreis- rund, meist basal, seltener central gelegen. Das Epithel der Aubenfalte wird von Cylinderzellen gebildet, deren Héhe 54—72 u betragt, wihrend sie in der Breite nur 2—3 uw messen. Die Kerne liegen an der Grenze des basalen und mittleren Drittels der Zellen, manchmal auch ganz central, sind von ovaler Gestalt und haben einen Lingsdurchmesser von etwa 9 mw, wihrend ihr Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht. Die beiden Par- tieen, aus welchen sich, wie oben angemerkt, die Epicuticula der Siphoniaten zusammensetzt, verteilen sich so, daf die diinne in- tensiv gefarbte von den Zellen der AuSentliche der Innenfalte (Fig. 63 as), die breite blasse von den Zellen der Innenfliche der Aulen- falte entsteht (Fig. 63 2s). Die Héhe und AuB8enfliiche der letz- teren hat mit der Epicuticula nichts mehr zu thun (Fig. 63). Die intensiv gefairbte Partie ist nach dem Umbiegen auf die Schale die aubere, die blasse die innere; mit Riicksicht auf dieses Verhaltnis will ich hier und bei den tibrigen Siphoniaten jene die Ausenschicht, diese die Innenschicht nennen. Man muf aber dabei festhalten, dai im Mantelrande erstere nach innen yon letzterer gebildet wird. Beide Schichten liegen von Anfang an in der Bucht zwischen beiden Falten eng aneinander und bleiben auch miteinander verbunden bis zum Umbiegen auf die Schalen- auBenflache (Fig. 63 cw). Die Aufenschicht ist in der Tiefe der Faltenbucht sehr zart und fein und ist nur durch ihre pragnante Farbung kenntlich; nach der Spitze der Falte zu wird sie etwas dicker und erscheint als ein doppelt konturierter Saum. Sie ist mit den unter ihr liegenden Zellen, ihrer Matrix, so innig verbun- den, da, wenn sie durch den Zug des Messers beim Anfertigen des Schnittes abgehoben ist, die distalen Rinder der Zellen wie ausgenagt erscheinen. Die Zellen selber lassen bei Anwendung starker Linsensysteme eine deutliche Langsstreifung ihres Plasma erkennen, in der gleichen Weise, wie dies bei Mytilus zu beob- achten war. Die Streifen sind untereinander parallel, schrag zur Epicuticula gerichtet und gehen in dieselbe kontinuierlich unter Veranderung ihrer Farbbarkeit iiber. 206 Dr. Bernhard Rawitz, 6 Die Innenschicht, welche die bla gefarbte ist, ist in der Bucht, da wo beide Falten eng aneinander liegen, ziemlich schmal, nimmt aber bald an Masse bedeutend zu (Fig. 637s). Sie liegt ebenfalls ihrer Matrix dicht auf und es ist nicht ohne Interesse zu sehen, dali da, wo die Epithelzellen im Schnitte sich in Zotten geleet haben, die Innenschicht der Epicuticula schopfformig aus den Zottenbuchten herausragt. Wo sie sich von den Epithelzellen abgehoben hat, bieten diese das gleiche Aussehen an ihrer freien Fliche dar, wie bei der AuSenschicht. Das Plasma der Epithel- zellen ist hier stets homogen. Wahrend an der Aufenschicht eine Struktur nicht zu erkennen ist, zeigt die Innenschicht der Epicuticula stellenweise eine Zusammensetzung aus Lamellen, die allerdings erst in nicht unbetrichtlicher Entfernung vom Epithel auftreten. EurENBAUM (12) giebt an, daf bei Cyprina die normalen, d. h. die niedrigen Zellen der Aufenfliiche der Mittelfalte im Mantelrande die Epicuticula bilden, wihrend die hohen Zellen auf der Innenfliche der Auenfalte das Dickenwachstum derselben bedingen. ,,Dies erscheint gerade hier bei Cyprina um so plau- sibler, als die Epicuticula beim Verlassen der Mantelfalte nur noch sehr diinn ist und von hier ab eine ganze Strecke frei ver- lauft, bis sie bedeutend verdickt den Schalenrand erreicht. Gerade dieser Umstand, da die Epicuticula auf einer grofen Strecke, wo sie fortwahrend an Dicke zunimmt, frei zu verlaufen scheint, berechtigt zu der Annahme, das die langen Zellen, welche auf der Oberfliche des Mantels noch in auferordentlicher Ausdehnung vorhanden sind, das Dickenwachstum der Schale erméglichen. Die Beriihrung dieser Zellen mit dem frei erscheinenden Teile der Epicuticula wird durch die auSerordentliche Beweglichkeit des Mantelrandes in der vollkommensten Weise garantiert (I. ¢. p. 41).“ Aus diesen Worten geht hervor, dai EurENBAUM zwar manches erraten, aber nichts beobachtet hat, was auch aus seiner hierher gehérigen Figur 21 zu schliefen ist. Die Zweischichtigkeit der Epicuticula, die von Anfang an zu konstatieren ist, ist ihm voll- kommen entgangen und demzufolge auch die Art und Weise, wie sich die Epithelzellen auf der Innenfliiche der AuSenfalte an dem Prozesse beteiligen. Diese Beteiligung braucht man nicht anzu- nehmen, man kann sie direkt beobachten. Ganz sonderbar aber mutet der letzte Satz der oben citierten Stelle aus KHRENBAUM’S Arbeit an. Denn was die Méglichkeit, daf die hohen Zellen der Aufenfalte sich mit der Epicuticula beriihren — eine Méglichkeit, Der Mantelrand der Acephalen. 207 welche, wie aus meiner Figur 63 erhellt, niemals zur Wirklichkeit wird, sondern durch das Vorhandensein der Innenschicht eine thatsaichliche Unméglichkeit ist —, dazu beitragen soll, da’ die Epicuticula an Dicke zunimmt, kann ich nicht verstehen. Hier otfenbart EuRENBAUM iihnliche verworrene Anschauungen iiber cellulare Vorgiinge, wie TULLBERG. Bei Cardium edule findet sich die Stitte der Epicuticula- bildung, wie bereits friiher angegeben wurde, zwischen der kleinen und groBen sekundiren AuSenfalte (Fig. 64). Beziiglich der letz- teren sei folgendes noch bemerkt. Nach aufen von der kleinen sekundaren Falte kommt zuniichst eine Lamelle, welche im Schnitte pilzhutihnliche Gestalt hat; diese liegt der kleinen Falte ganz dicht an. Auf sie folgen dann einige niedrige wie Epithel- zotten aussehende Lamellen, die schlieSlich in eine ziemlich hohe Aufenlamelle itibergehen, welche direkt der Schalen-Innenfliche anliegt. Mit Ausnahme dieser letzteren Lamelle sind alle itibrigen Partieen an der Epicuticulabildung beteiligt; von der kleinen schmalen Falte ist es die Auenfliche (Fig. 64). Und zwar ist die Beteiligung so, dali die AuSfenschicht der Epicuticula von dem Epithel der AuSenflache der kleinen Falte und dem der Innen- fliche der pilzhutférmigen Lamelle gebildet wird (Fig. 64 as), wahrend die Innenschicht von den Epithelzellen der iibrigen hier nicht in Betracht kommenden Regionen entsteht (Fig. 64 7s). Die AufSenschicht der Epicuticula hat also hier einen doppelten Ur- sprung, nimlich von den Epithelien der einander zugekehrten Flachen zweier Falten (Fig. 64). Dak dies wirklich der Fall ist, geht daraus mit Sicherheit hervor, dal die Epicuticula feine Fort- siitze sowohl zwischen den Zellen der kleinen Falte wie der pilz- hutférmigen Lamelle besitzt, wie man dies bei genauer Betrach- tung der Figur 64 deutlich sehen kann. Die Zellen zeigen hier nicht, wie bei Cyprina, eine streifige Struktur, sondern sind ganz homogen. Die Innenschicht der Epicuticula wird von den anderen er- waihnten Regionen gebildet und reicht an der pilzhutformigen La- melle bis fast genau an die Grenze von deren Wélbung und Innen- fliche (Fig. 64 is). Diese Schicht ist stets homogen, im allge- meinen blag gefairbt und erscheint nur da etwas dunkler, wo sie mehr zusammengefaBt ist, immer aber ist sie anders tingiert, als die AuSenschicht. Diese letztere haftet fest an den sie erzeugen- den Zellen und kann nur unter Zerstérung derselben abgezogen 208 Dr. Bernhard Rawité, werden; die Innenschicht haftet nur locker und lést sich leicht ohne Verletzung der Zellen (Fig. 64). Nach EnRENBAUM (1. c. p. 40) soll ein auffallend kleiner Teil des stark gegliederten Mantels an der Epicuticulabildung beteiligt sein. ,,An einer Stelle, wo der Mantel in der Mitte verwachsen war, zaihlte ich sieben grofe innere Lappen jederseits, die jeg- licher Beziehung entbehrten. Erst in dem Grunde der Falte, zwischen dem achten und neunten kleinen Lappen, welche beide ganz auf die Aufenseite des Mantels geriickt sind, erscheint die Epicuticula.‘ Die Zellen, welche die Epicuticula bilden, gleichen den gewohnlichen Epithelzellen, die der Epicuticula gegeniiber liegenden Zellen aber sollen auffallig hoch und schmal sein. Keine von diesen Angaben EnRENBAUM’s entspricht den Thatsachen ; weder ist, wie aus meiner Figur 64 hervorgeht, ein auffallend kleiner Teil des Mantelrandes an der Epicuticula beteiligt, noch sind die der Epicuticula gegentiberliegenden Zellen der Aufen- falte irgendwie von den anderen Epithelzellen ausgezeichnet. Da- durch, daf{i EKnrensAum hier die Innenschicht der Epicuticula nicht gesehen hat, ganz wie bei Cyprina islandica, sind ihm die thatsichlichen Verhialtnisse verhillt geblieben, und dadurch, dafS er ganz ungeniigende Konservierungs- und Farbungsme- thoden anwandte, hat er niemals gute mikroskopische Bilder erhalten. Ahnliche Verhiltnisse, wie Cardium, bietet Dreissensia polymorpha dar. Indem ich auf das verweise, was ich iiber den Ort der Epicuticulabildung bereits im vorigen Abschnitte die- ses Teiles angegeben habe, will ich hier das hinzufiigen, was fir die Kenntnis des Prozesses selber von Interesse sein diirfte. Die Epithelzellen sind in der ganzen Epicuticularegion intensiv pig- mentiert (Fig. 65), infolgedessen kénnen an ihnen etwaige Struk- tureigentiimlichkeiten nicht wahrgenommen werden. Die Aulen- schicht ist sehr zart, stark gefaltet (Fig. 65 as) und nimmt die bekannte intensive Farbung erst jenseits der Falte an, wahrend sie auf dem Epithel nur schwach tingiert ist. Ihr liegen stets zahlreiche Diatomeenschalen auf (Fig. 65 di). Die Innenschicht zeigt tibereinstimmende Einzelheiten mit Cardium edule (Fig. 65 7s). Die Epicuticula der Veneriden ist sehr diinn; ihre Bildung und Struktur gleicht der der Cardiiden und Glossiden vollstandig. Kbenso verhalten sich die Tellinacea. Bei den Myaceen sind die Soleniden wegen der unge- meinen Dicke der Epicuticula von besonderem Interesse. Bei Der Mantelrand der Acephalen. 209 Solen vagina, dem sich §. siliqua, ensis und legumen anschliefen, entsteht die Epicuticula im Rande, wie bereits hervorgehoben, von dem basalen Teile der Aufenfliche einer blattférmigen Falte bis zum Schalenrande. Die AuSenschicht, welche hier ein brau- nes, glanzendes, horniges Aussehen hat, zeigt eine Art von Struk- tur, indem zwei intensiv gefairbte Streifen einen weniger intensiv tingierten einschlieSen. Die breite Innenschicht der Epicuticula laft stellenweise einen fibrillaren Bau erkennen. Die sehr zarten Fibrillen liegen dicht und parallel zu einander und sind zuniichst senkrecht auf die breite Fliche des Epithels orientiert, um dann in fast rechtem Winkel nach auSen umzubiegen. Schlieflich sei noch die Epicuticulabildung von Mya are- naria erwihnt. Diese Muschel ist bekanntlich dadurch ausge- zeichnet, da8 ihre verwachsenen Siphonen auf der ganzen Aufen- fliche von einer weiten faltigen Epicuticula iiberzogen sind. Die bisher gebrauchte Bezeichnung fiir die Schichten der Epicuticula trifft hier besonders zu, da die AufSenschicht an den Siphonen von vornherein aufen liegt und auf Querschnitten durch dieselben wie ein doppelt konturierter, nur anders gefirbter Saum der Innenschicht sich darstellt. Der freie Rand der Epithelzellen ist sehr zart; von ihm entspringt. die Innenschicht. Die Epithel- zellen, welche eine Stabchenstruktur nicht erkennen lassen, eben- sowenig wie die von Solen, gehen direkt in diese Schicht itiber. Dieselbe besteht dicht an den Epithelzellen aus eng gepackten Fibrillen, welche wie ein Biischel Haare aussehen. Allmiihlich fahren die Fibrillen auseinander, werden breiter und bilden da- durch Lamellen. Zuweilen hat es den Anschein, als ob die Fi- brillen sich netzartig durchflechten. Gegen die Aufenschicht zu wird die Innenschicht allmahlich homogen, es verschwinden die Fibrillen und gleichzeitig wird die Farbung blasser. Die Aufen- schicht ist ganz homogen und setzt sich scharf durch ibre diffe- rente Farbung von der inneren ab. EnrRENBAUM (12) und ROULE (37) haben wohl die doppelte Schichtung der Epicuticula bei die- ser Art gesehen, die fibrilliire Struktur der Innenschicht aber nicht erkannt. Wenn wir die vorstehend in extenso dargestellten Thatsachen der Epicuticulabildung iiberblicken, so zeigt sich, daf von den Arcaceen und Ostreaceen an ein stetiger Fortschritt insofern zu konstatieren ist, als bei jenen Ordnungen nur eine diinne, struk- turlose und durchsichtige Haut vorhanden ist, wahrend bei den Bd, XXVUL. N, F, XX. 14 210 Dr. Bernhard Rawitz, iibrigen Ordnungen dieselbe an Dicke und Undurchsichkeit wie auch an relativer Kompliziertheit der Struktur zunimmt. Bei Arca und Pecten ist es ein nur sehr kleiner Teil des Mantel- randepithels, welcher die Epicuticula bildet, bei den Mytilaceen sind schon etwas umfangreichere Particen beteiligt, zugleich aber ist auch die Epicuticula dick und undurchsichtig, bei den Sipho- niata endlich bilden die Epithelzellen des Mantelrandes in grofer Ausdehnung diese Haut und letztere zeigt eine deutliche Zu- sammensetzung aus zwei nach Bau und Entstehungsort verschie- denen Schichten. Bei einzelnen Arten der Ordnung der Myacea ist dann die héchste Ausbildung erreicht, indem nun nicht mehr blo8 die Falten des Mantelrandes, sondern auch das Epithel der ganzen Sipho-Au8enfliche an dem Hervorbringen der Epicuticula beteiligt sind. Von jeher hatte man den Prozef} der Epicuticulabildung, wie aus dem alten Namen hervorgeht, als einen cuticularen betrachtet, d. h. das Produkt, die Epicuticula, als das Resultat eines Sekre- tionsvorganges angesehen. Diese Auffassung hat in jiingster Zeit namentlich KHRENBAUM mit Entschiedenheit vertreten und dabei sich gegen TuLLBERG erklirt, der, wie er glaubt annehmen zu diirfen, eine abweichende Anschauung zu vertreten scheint. TULLBERG erwihnt namlich bei Besprechung der Bildung des Hummerpanzers eine Hypothese, welche HuxLey in seiner Mono- egraphie ,,der Flu8krebs“ (internationale wissenschaftliche Bibliothek, 48. Bd.) aufgestellt hat; zu einem klaren, unzweideutigen Aus- drucke gelangt die Ansicht TULLBERG’s indessen nirgends. EHREN- BAUM ging offenbar von der Annahme aus, daf die Huxiery’sche Hypothese den Prozefi der Epicuticulabildung in schroffen Gegen- satz stelle zu der gewoéhnlichen Cuticulabildung; dies ist falsch. Die Anschauung, die EnrRENBAUM aber selber vorbringt und die sich vollkommen deckt mit der bisher giing und gaben, ist in ihrer Kinseitigkeit unhaltbar. Hux ey sagt (I. ¢. p. 165): ,,Das ganze Exoskelet des Krebses wird in der That von den darunter liegenden Zellen erzeugt, entweder indem diese eine Chitinsub- stanz ausschwitzen, die dann erhartet, oder — was wahrschein- licher ist — durch chemische Metamorphose der oberflaichlichen Zone der Zellkérper zu Chitin. Wie es sich jedoch damit ver- halten mag, jedenfalls bilden die Cuticulargebilde anliegender Zellen zuerst ein einfaches, zusammenhiingendes, diinnes Haut- chen. Durch Fortsetzung des Prozesses, durch den dieses ent- standen ist, nimmt die Dicke der Cuticula zu.‘ Dann heiBt es Der Mantelrand der Acephalen. 2i1 auf der folgenden Seite, nachdem Huxtry den Unterschied der Cuticulargebilde von den epidermoidalen scharf betont hat: ,,Die Cuticula mit allen ihren Anhingen dagegen ist, obwohl sie in ihrer Existenz nicht minder von Zellen abhingig ist (scilicet als die epidermoidalen Bildungen), ein abgeleitetes Produkt, dessen Bildung nicht die vollstindige Umwandlung und mithin Zerstérung der Zellen bedingt, denen sie ihren Ursprung verdankt*. Mutatis mutandis (d. h. wenn man statt ,,Exoskelet des Flufkrebses: Epi- cuticula setzt, etc.) passen diese Worte vollkommen auf den Pro- ze$ der Epicuticulabildung bei Muscheln. Dal wir es hier in der That nicht mit einem Sekretionsvorgange, wie er gewéhnlich aufgefaBt wird, zu thun haben, daf vielmehr die Epicuticula ,durch chemische Metamorphose der oberflichlichen Zone der Zellkérper“ entsteht, dafiir sind meines Erachtens die Bilder voll be- weisend, welche man bei den meisten der oben besprochenen Muschel- arten, ganz besonders aber bei Arca und Mytilus erhalt. Der streifige Bau, die Stabchenstruktur des Zellplasma und der namentlich bei Arca ungemein deutliche direkte Ubergang der Stabchen in die Epicuticula sind nur verstiéndlich, wenn man mit Huxuey hierin eine chemische Umwandlung des Zellplasma sieht. Es unter- scheidet sich diese Art der Bildung von der Sekretion dadurch, dai, wahrend bei letzterer das Produkt gar keinen oder nur einen lockeren Zusammenhang mit dem sezernicrenden Zelllager behilt, bei der von HuxLEy gemeinten chemischen Umwandlung Produkt und produzierende Matrix in steter, inniger Verbindung bleiben. Und dies ist hier der Fall. Die Differenz zwischen beiden Arten der Absonderung einer cuticularen Membran ist also eine grofe, aber dennoch nur eine graduelle, keineswegs eine Differenz der Art. Dagegen ist zwischen dem Entstehen epidermoidaler und cuticularer Bildungen ein ganz fundamentaler Unterschied vorhanden, wie das Hux.ey mit Recht auf’s schirfste betont. Im ersteren Falle werden die Zellen vernichtet, da ihre Leiber selbst das Produkt darstellen, in letzterem Falle werden sie erhalten. Hat also TULLBERG der Auffassung Huxtery’s Geltung auch fiir die Epicuticula der Mu- scheln vindiziert, was, wie gesagt, aus seinen Auslassungen nicht klar hervorgeht, so war er im Rechte, EnreNBAUM aber hatte Unrecht, gegen die Auffassung von Huxtey zu polemisieren, die er offenbar nicht verstanden, die aber ihre sichere Begriindung durch die bei der Epicuticulabildung der Acephalen zu beobach- tenden Erscheinungen erhialt. 14* 212 Dr. Bernhard Rawitz, Allgemeine Betrachtungen. Wir iiberblicken nunmehr die Thatsachen, welche das Studium des feineren Baues des Mantelrandes der Acephalen uns liefert. Die theoretische Bedeutung der einzelnen ist im Laufe der Dar- stellung da hervorgehoben worden, wo es die Natur der Dinge zu erfordern schien. Es war aus leicht ersichtlichen Griinden nicht angiingig, die physiologische Stellung der Augen der Pectiniden und Arcaceen, die der sogenannten Augen von Cardium, die der Leuchtorgane von Pholas etc. erst am Ende der Untersuchungs- reihe zu diskutieren; es muften die verschiedenen Arten der sekretorischen Gebilde und die wihrend des Sekretionsprozesses sich abspielenden cellularphysiologischen Vorginge bei Behand- lung der Ordnungen gewiirdigt werden, bei denen sie zu beob- achten waren. Hier in den allgemeinen Betrachtungen will ich das Facit aus der Gesamtdarstellung ziehen. Daf die Untersuchungen des Man- telrandes nicht zu Ergebnissen hinfiihren, welche fiir die Phylo- genie, i. e. fiir die Erkenntnif’ der Verhiltnisse der Stammesver- wandtschaft der Acephalen verwertbar sind, ist selbstverstiandlich. Die Beschrankung auf ein einziges Organsystem und die Durch- forschung desselben lediglich behufs Erkennung seiner intimeren Struktur schlieft von vornherein die Méglichkeit aus, zu Resul- taten von morphologischer Bedeutung zu gelangen. Aber diese Beschrainkung zeitigt auf der anderen Seite eine Summe von Erfahrungen, die fiir die Diskussion gewisser, die Phylogenie der Funktionen betreffender Fragen nicht ohne einigen Wert sein diirften. Und dies um so mehr, wenn, wie im vorliegenden Falle, der untersuchte Kdérperteil der Sitz derjenigen Organe ist, welche den Verkehr der Tiere mit der Aufenwelt vermitteln. Ich will zunachst die Beziehungen erértern, welche Sinnesorgane und sekretorische Apparate zu einander haben. Als das wichtigste Ergebnis meiner in dieser Arbeit nieder- gelegten Beobachtungen, dem ich eine allgemeine Bedeutung bei- Der Mantelrand der Acephalen. 213 messe, betrachte ich namlich die Erscheinung, da die Aus- bildung spezifischer Sinnesorgane in einem deut- lichen Gegensatze steht zur Ausbildung sekre- torisch thatiger Apparate. Je reichlicher eine Muschel mit Sinneswerkzeugen verschiedener Funktion ausgeriistet ist, um so weniger Driisen besitzt sie in ihrer Haut, i. e. dem Mantel- rande, ja dieselben kénnen zuweilen ganz fehlen; je weniger Sin- neswerkzeuge dagegen vorhanden sind, um so massenhafter treten Driisen bez. fliissige Sekrete auf. Es lat sich diese Thatsache mit Leichtigkeit aus den ein- zelnen Beobachtungen ablesen, die ich kurz rekapitulieren will. Unter den Ostreaceen besitzen die Pectiniden Augen, Geruchsorgane, Seitenorgane; die Tastzellen sind, im Gegensatze zu dem iiblichen Schema, dreiteilige Sinnesorgane: gleichzeitig aber fehlen Driisen vollkommen. Lima hat aufer den auf eine ganz bestimmte Region des Mantelrandes beschrankten Pinsel- zellen (die wenigen Pinselzellen in den Driisenfiden kénnen bei dieser Erérterung aufer Betracht gelassen werden; cfr. I. Teil) keinerlei Sinnesorgane: dafiir sind in den Faden des Mantel- randes die sekretorischen Apparate ungemein stark entwickelt. Ostrea hat ebenfalls nur gewéhnliche Pinselzellen, ist aber reich- lich mit Driisen ausgestattet. Unter den Arcaceen haben Arca Noae, barbata und tetragona Augen; hier aber sind im Gegensatze zu den Pectiniden Giftdriisen vorhanden. Es ist diese Erscheinung erklarlich, einmal weil die Augen von Arca zufolge ihres Uberdecktseins durch die Epi- cuticula weniger gut funktionieren, als die von Pecten (cfr. II. Teil), dann weil die anderen Sinneswerkzeuge, deren sich Pecten erfreut, fehlen und endlich weil Arca des Vermégens der freien Bewegung von Ort zu Ort entbehrt, wodurch Pecten in so hervorragender Weise sich vor allen tibrigen Muscheln auszeichnet. Doch zeigt sich der Einfluf der speziellen Sinnesorgane insofern, als die Gift- driisen in nur geringer Menge vorhanden sind. (Auf die para- doxe Stellung von Pectunculus habe ich schon im zweiten Teile hingewiesen.) Ist somit das Vorhandensein der driisigen Apparate erklarlich, so bleibt doch die Existenz der Augen selber unerklart. Daf hier bei einer Muschel Facettenaugen, und noch dazu in einer von physiologischen Gesichtspunkten aus so sehr ungiinstigen Lagerung, sich finden, ist ein vollkommenes Ratsel, das zu lésen noch nicht unternommen worden ist. Mit der Bemerkung namlich, daf die Augen eine Neuerwerbung sind, ist im Grunde genommen 214 Dr. Bernhard Rawitz, gar nichts erklart, da die Ursachen, warum eine solche Bildung hier Platz greifen konnte und mufte, dadurch in keiner Weise aufgezeigt sind. Arca diluvii hat, wie ich nachgewiesen habe, keine Augen, besitzt dafiir aber sekretorische Apparate, welche ein giftiges Sekret in grofer Menge produzieren '). Den Mytilaceen kommt nur die gewohnliche Pinselzellen zu und hier finden sich Giftmassen. Die Najaden besitzen keine Gift- wohl aber Mucinmassen; ihnen fehlen spezielle Sinnesorgane. Bei den Siphoniaten erreicht die Ausbildung der Gift- massen in dem bekannten Randwulste und auf der Innenhache der Siphonen einen ungemein hohen Grad, sie finden sich auch in verschiedener Machtigkeit in den die Siphodffnungen umkran- zenden Papillen vor. Bei einigen Arten (Donax, Solecurtus) sind an diesen Stellen Mucinmassen vorhanden. Hier tritt aufer dem Mangel an Sinnesorganen noch die Abwesenheit von Wimperzellen auf der AufSenseite der Siphonen hinzu, die durch das nie fehlende Vor- handensein von Mucindriisen auf dieser Seite kompensiert wird. Die Funktion der Wimpern besteht offenbar darin, durch den stetig unterhaltenen Wasserstrom die Verunreinigung und Ver- letzung des Kérpers durch anorganische Partikel zu verhiiten. Fallt diese Einrichtung fort, dann ware das auf oder im Sande lebende Tier schweren Lisionen ausgesetzt. Die Mucindriisen, welche sich hier vorfinden, tibernehmen daher insofern die Rolle der Wimpern, als sie solche Laisionen fern halten; es geschieht dies, indem eine wenn auch nur diinne Schleimschicht um den 1) Ich habe stets, geleitet durch die tinktorialen Reaktionen und mich anlehnend an meine Erfahrungen aus der Histiologie der Verte- braten, gewisse Driisen oder Sekretmassen als Giftdriisen bez. -massen bezeichnet. Diese Deutung steht und fallt mit der von mir geiibten Technik des Schneidens und Firbens. Ich habe ausschlieflich Schnitte mit den an den einzelnen Orten und in den Tafelerklarungen ange- fiihrten Stoffen gefirbt und habe einen Teil der von mir gesehenen Bilder in Farben wiedergegeben. Ein Blick auf die betreffenden Figuren lehrt, da8 man solche Resultate nie mit den tblichen Me- thoden der Durchfirbung erhdlt, auch dann nicht, wie ich versichern kann, wenn man den durchgefarbten Schnitt nachfirbt. Es ist még- lich, da& meine Resultate und meine Deutungen Zweifeln begegnen werden ; ich werde aber nur die Zweifler als legitimiert und die Kri- tiker als berechtigt anerkennen, welche meine Methoden in genau derselben Weise nachgemacht haben. Die Durchfarbung ist gut fir anatomische und embryologische Zwecke, sie ist wertlos und irreleitend bei Fragcn, wie die von mir behandelten. Der Mantelrand der Acephalen. 215 betreffenden besonders exponierten Kérperteil sezerniert wird, welche das Eindringen gefihrlicher Gegenstiinde unméglich macht. Cardium edule und einige Veneriden haben zwar Seitenorgane, doch ist die Existenz derselben auf die Ausbildung der Giftmassen von nicht allzu grofem Einflusse, weil sie auf nur wenige Papillen beschrankt sind. Ein fast klassisches Beispiel fiir die Richtigkeit des hier ver- tretenen Gedankens von der Gegensatzlichkeit von Sinnesorganen und Driisen liefert Psammobia vespertina. Diese Muschel hat an der AufSenseite der Siphonen sechs bis acht Rippen, die als ebenso viele Seitenlinien zu betrachten sind, hat in den Sipho- papillen statt der gewéhnlichen FLEemMine’schen Pinselzelle das dreiteilige Sinnesorgan, wie es den Pectiniden zukommt: entbehrt dafiir aber der Giftmassen voéllig und besitzt auf der Sipho-Innen- fliche fast gar keine Mucindriisen. Die anderen Tellinaceen dagegen, welche keine Seitenlinien und keine dreiteiligen Sinnes- organe haben, enthalten Driisen in nicht unbetrichtlicher Menge. Mya arenaria scheint eine paradoxe Stellung einzuneh- men; sie hat weder spezielle Sinnesorgane, noch, wenn wir den Fufschlitz ausnehmen, irgend welche sekretorischen Apparate. Die Erklarung hierfiir ist darin zu suchen, da8 die Siphonen mit einer dicken Epicuticula in der ganzen Ausdehnung bedeckt und dadurch geschiitzt sind. Pholas dactylus endlich besitzt ebenfalls keine speziellen Sinnesapparate, dafiir sind driisige Organe von besonderer Ent- wicklung vorhanden, welche die Kigentiimlichkeit haben, ein leuch- tendes Sekret zu produzieren. So wie die Situation bei den Muscheln, ist sie auch ander- warts und wir erkennen, daf iiberall da, wo wir eine starke Ent- wickelung der sekretorischen Funktion der Haut antreffen, auch entweder keine Sinnesorgane zu finden sind oder doch nur solche, deren Leistungsvermégen ein sehr geringes ist. Ein vorziigliches Beispiel hierfiir liefern die pulmonaten Gastropoden. Die Augen der Stylommatophoren besitzen unstreitig ein ganz mini- males Sehvermégen, denn sie erkennen, wie wohl Jeder schon be- obachtet hat, nicht das geringste. Niemals werden diese Schnecken durch optische Eindriicke in nennens- und bemerkenswerter Weise beeinfluf£t, sie sehen erst dann — wenn man hier iiberhaupt von »sehen‘ reden darf —, wenn sie mit ihren Augenfiihlern den Gegenstand beriihrt haben. Und auch dann noch erkennen sie nichts, denn trotz des Insultes, der ein heftiges Zuriickschnellen 216 Dr. Bernhard Rawitz, der Fiihler zur Folge hatte, beriihren sie unmittelbar darauf die- selbe Stelle, an der sie sich eben gestofen hatten, von neuem. Die stylommatophoren Pulmonaten besitzen aber nach Leypia und FLEMMING ungemein stark ausgebildete Hautdriisen, deren Sekret, sowie es den Kérper vor dem Vertrocknen schiitzt, auch dazu dient, alle Verletzungen zu verhiiten und Angriffe unschadlich zu machen, denen die Tiere bei der Tragheit ihrer Bewegungen und bei der hochgradigen Unvollkommenheit ihrer Sinne nicht ent- gehen kénnen. Und in gleicher Weise, meine ich, kénnen wir von den Amphibien sagen, da8 ihre héheren Sinnesorgane eine nicht sehr entwickelte Leistungsfihigkeit besitzen und auch hier finden wir, ganz besonders bei den Urodelen, in der Haut Giftdriisen ausgebildet, deren Funktion nur die einer Verteidigungswatie sein kann. So ist also der Satz erwiesen, daf die Ausbildung der Sinnes- organe und die Entwicklung driisiger Organe in der Haut in umgekehrtem Verhaltnisse zu einander stehen: je bessere Sinnes- organe, um so weniger Driisen in der Haut; je mehr Driisen, um so schlechtere Sinnesorgane. Sehen wir nunmehr zu, welche Momente es gewesen sind, die bei den Acephalen bewirkt haben, daf sekretorische Apparate an die Stelle von Sinneswerkzeugen getreten sind. Die Acephalen haben, als sie sich von dem gemeinsamen Vor- fahren der Mollusken abzweigten, die sedentare Lebensweise an- genommen (cfr. auch Lana: Uber den Einflu8 der festsitzenden Lebensweise etc.). Damit trat ein Riickbildungsprozef’ ein, der, wie ich dies schon im II. Teile hervorgehoben habe, seinen pragnantesten morphologischen Ausdruck im Verluste des Kopfes fand. Gleichzeitig kamen keine Kauwerkzeuge mehr zur Ausbil- dung, das Nervensystem erhielt eine ungemein einfache Gliede- rung, der als Lokomotionsorgan dienende, bei dem Urmollusk gut entwickelte FuS erlitt eine bedeutende Reduktion. Die fiir un- sere Betrachtung wichtigste Verainderung aber war die Kinlage- rung des Kérpers in die Schalen. Wahrend bei dem unter den Gastropoden zu suchenden Urmollusk die ganze Kérperoberflache mit dem umgebenden Medium, der AufSenwelt, in Rapport stand, wurde hier bei den Muscheln durch jene Einrichtung die zu einem solchen Rapporte geeignete Partie auf einen schmalen, dem in- Der Mantelrand der Acephalen. yaw neren Rande der Schale dicht anliegenden Streifen beschrankt, den Mantelrand. Die sedentaire Lebensweise der phylogenetisch altesten Mu- scheln besteht darin, daf die Tiere sich durch ein Sekret, Byssus, auf irgend eine Unterlage festkleben und in dieser Stellung fast ihr ganzes Dasein verharren. Die phylogenetisch jiingeren Ace- phalen vergraben sich mit dem Vorderteile des Kérpers in Sand oder Schlamm, so daf nur die hinterste Partie herausragt. Die Annahme dieser Gewohnheit hatte zur Folge die Ausbildung der Siphonen, durch deren einen das Atemwasser eintritt, wahrend die Exkretstoffe durch den anderen entleert werden. Die Reduk- tion der mit der Aufenwelt in Beziehung bleibenden Kérperpar- tieen ist hier also noch weiter gegangen als bei den phylogenetisch alteren Asiphonia; die Siphonen und besonders deren Miindungen sind es allein, welche den genannten Rapport herstellen, wihrend der Mantelrand, der im Sande steckt, dazu gar nicht oder nur noch wenig geeignet ist. Mit dieser Einschrankung der sich zum Sitze der Empfin- dung eignenden K®6rperoberfliche hielt als fernere Folge der sedentiren Lebensweise gleichen Schritt die Riickbildung der Sinnesorgane. Tiere, welchen eine freie Ortsbeweglichkeit mangelt, kénnen ihre Nahrung nicht aufsuchen, ihren Feinden nicht entfliehen; Organe, welche hierfiir bei frei beweglichen Tieren Vorteil brin- gen, sind daher bei sedentéren vom Uberflu8 und verschwinden infolgedessen allmahlich vollstandig. Aber nicht blof die Organe, welche das Suchen und die Flucht erméglichen, sondern auch die, durch welche das Gesuchte wie das zu Fliehende erkannt werden, erliegen naturgemaf einer bis zum volligen Schwund gehenden Riickbildung. So waren denn die Muscheln, die von allen denjenigen Ein- richtungen entbl6ft sind, deren sich frei lebende Tiere im Kampfe um das Dasein mit Erfolg bedienen, und weil ihre Beziehung zum umgebenden Medium einzig und allein durch die taktile Empfin- dung hergestellt wird, véllig wehrlos jeglichen Angriffen preis- gegeben. Hatten sich bei ihnen nicht Apparate ausgebildet, welche zur Verteidigung zu gebrauchen waren, so hatten sie nicht existieren kénnen. Als solche Verteidigungs-, als Schutz- einrichtungen sind die Giftmassen (bei einigen Gruppen, wie den Najaden, Tellinaceen, Solecurtus und Pholas die Mucinmassen) geeignet sowohl durch die Art ihrer chemischen Wirkung, durch 218 Dr. Bernhard Rawitz, die Massenhaftigkeit, mit der sie produziert werden, wie auch durch die Stellen, an denen sie sich finden. Aus meiner friiheren Einzelbeschreibung geht mit Evidenz hervor, da diese sekre- torischen Apparate gerade da vorhanden sind, wo der feindliche Angriff am ehesten und leichtesten erfolgen kann. Ich brauche dies unter Hinweis auf meine thatsachlichen Mitteilungen nicht weiter auszufiihren. Sehr lehrreich fiir die Erkennung der Folgen, welche die sedentiare Lebensweise nach sich zieht, sind die Ostreaceen. Pecten hat ein sehr entwickeltes Lokomotionsvermégen wieder erlangt. Gleichzeitig sind damit die sekretorischen Apparate vollig ver- schwunden, dafiir aber haben sich Sinneswerkzeuge in grofer Menge und Mannigfaltigkeit ausgebildet. Ostrea ist nicht nur zur sedentiren Lebensweise zurtickgekehrt, sie ist sogar auf ihrer Unterlage festgewachsen und darum finden wir hier einen voll- stindigen Mangel an Sinnesorganen und einen relativen Reichtum an driisigen Apparaten. Kigenartig ist die Erscheinung von Lima. Diese Muschel hat das Vermégen freier Ortsbeweglichkeit, besitzt indessen keine speziellen Sinneswerkzeuge, wohl aber massenhaft Driisen. Es wird durch diese Thatsache einerseits die Gegensatzlichkeit in der Ausbildung von Sinnes- und Driisenapparaten klar dargethan, andererseits aber zeigt sich, daf freie Beweglichkeit und Exi- stenz von Sinnesorganen nicht notwendig gleichen Schritt halten miissen. Interessant ist auch das Verhaltnis zwischen den beiden zur selben Ordnung gehérigen Arten Cardita und Astarte. Erstere Muschel, welche am Strande lebt, besitzt einen. miachtig ent- wickelten, ein giftiges Sekret produzierenden Randwulst. Astarte, welche, wie mir in Neapel mitgeteilt wurde, nur mit der Dredge erlangt werden kann, lebt in grofen Tiefen und hier sind nur wenige Driisen vorhanden, wie ich dies friiher angegeben. Die Erklarung fiir diese Erscheinung diirfte wohl darin gefunden wer- den, daf’ jene Species, weil sie in bewegteren, lebensvolleren Schichten des Meeres sich aufhalt, leichter feindlichen Angriffen ausgesetzt ist und darum mit Verteidigungswaffen reichlicher aus- gestattet sein mul, als diese, welche auf dem Grunde des Meeres existierend von Fahrlichkeiten viel weniger betroffen wird. Eine histiologisch wichtige Verainderung halt bei den Muscheln gleichen Schritt mit dem Schwinden der Sinnesorgane und der Ausbildung der sekretorischen Apparate; sie betrifft die Binde- Der Mantelrand der Acephalen. 219 substanz. Bei den Ostreaceen und unter den Arcaceen bei den mit Augen versehenen (Pectunculus ausgenommen) hat dieselbe zwar den Charakter des spongiésen Gewebes, wie es MAx ScHuLTzE genannt hat, das Netzwerk aber ist ungemein dicht, die Maschen sind eng und die denselben eingelagerten Zellen (die FiLemMina’schen Bindesubstanzzellen) sehr klein. Mit der star- keren sekretorischen Thatigkeit, unter dem Bediirfnisse nach grofen Massen fliissiger, zur Verteidigung geeigneter Produkte andert sich auch ihr Bau. Die Fibrillen erscheinen lockerer geflochten, das Netz wird weiter, die FLEmMina’schen Zellen gréfer und diese erlangen nunmehr eine Funktion, die ihnen als Bindesubstanz- zellen urspriinglich fremd ist. Sie sind es namlich, wie ich wiederholt dargethan habe, welche das massenhafte bei den einen Arten giftige, bei den anderen mucinése amorphe Sekret liefern. Im ersten Teile dieser Arbeit habe ich die Auffassung be- kampft, welche FLemmine in seiner Abhandlung ,,Untersuchungen iiber Sinnesepithelien der Mollusken‘“ (15) aufgestellt hat, wonach die ,,Zelle des Bindegewebes.... . durch Metamorphose ihres Leibes die Massen von Schleim produziert (1. c. p. 464). Ich war zu meinem Widerspruche berechtigt, weil FLEMMING diesem Satze eine allgemeine Giiltigkeit vindizierte, die ihm thatsachlich nicht zukommt. Ich méchte hier aber dem etwaigen Mifverstiind- nisse ausdriicklich entgegentreten, als ob ich durch meinen Wider- streit die Richtigkeit der FLEmmine’schen Anschauung tiberhaupt geleugnet hatte. Das ist durchaus nicht der Fall. War die An- sicht fiir jenen speziellen Fall nicht ein Ausdruck der Thatsachen (es handelte sich bekanntlich um die Ostreaceen), so ist sie es doch, wenn man die ganze Klasse der Muscheln daraufhin ansieht. Mit der allerdings sehr wichtigen Einschrankung, die FLEMMING nicht gemacht hatte und infolge des Umstandes, daf er nur we- nige Species bearbeitet, auch nicht machen konnte, daf die von den Bindesubstanzzellen erworbene Fahigkeit, sekretorisch thatig zu sein, nicht ein Zeichen der Norm, sondern der Ausdruck eines Riickbildungsprozesses, eines degenerativen Vorganges ist, welcher sein ursichliches Moment in der festsitzenden Lebensweise der Muscheln hat. Wir konnen also ganz allgemein sagen : Die sedentare Lebensweise hat zur Folge eine bis zum vdl- ligen Schwunde gehende Riickbildung spezieller, d. h. hoherer 220 Dr. Bernhard Rawitz, Sinnesorgane und somit eine Reduktion des Sinneslebens auf die einfache taktile Erregbarkeit, welche nunmehr allein den Rapport der Organismen mit der AufSenwelt vermittelt. Sie wiirde die die Tiere wehrlos und damit existenzunfaihig machen, wenn nicht gleichzeitig driisige Organe in gréferer Menge und mit beson- derer Funktion entstiinden, welche zwar nicht feindliche Angriffe verhiiten kénnen, wohl aber imstande sind, durch Vernichtung des Feindes einer durch denselben méglichen tieferen Schadigung vorzubeugen. Die Riickbildungsprozesse, die hier betrachtet worden sind, und die Erkennung der Thatsache, da’ unter ihrem Einflusse ein Ersatz sensorischer durch sekretorische Funktionen eintritt, sind, wie ich glaube, nicht ohne einiges naturphilosophisches Interesse. Die Veranderungen zu diskutieren, welche die Morphe einer Tiergruppe durch Annahme der sedentéren Lebensweise erleidet, ist hier nicht der Ort. Die Veranderungen und Umbildungen, welchen die Sinneswerkzeuge, die Substrate der Psyche, unterwor- fen sind, fiihren, so glaubeich schlieSen zu diirfen, auf dem Wege riickwarts, auf dem von den Protozoen an vorwarts die Ausbildung der Sinnesapparate gegangen ist. Bei denjenigen Lebewesen, welche auf der untersten Stufe tierischer Organisation stehen, bei denen von einer Differenzierung verschiedener Sinnesmodalitaiten fiiglich noch nicht gesprochen wer- den kann, wo also nur eine allgemeine mechanische Irritabilitat des Protoplasmakliimpchens vorhanden ist, zeigt sich, wie aus dem trefflichen Werke von VrERworN ,,Psychophysiologische Protisten- studien“ hervorgeht (cfr. besonders p. 75—90 1. c.), die inter- essante Erscheinung, da8 ein mechanischer Reiz einen Sekretions- vorgang auslést. Wenn ein Pseudopod einer Difflugia mechanisch irritiert wird, sei es experimentell, sei es aus einer natiirlichen Ursache, so wird dasselbe uneben, es quellen Tropfen einer klebrigen Substanz aus ihm heraus, durch welche das Irritament festgehalten wird. Es sezerniert also aus seinem Protoplasma das Protist eine zur Verteidigung geeignete Substanz. Da, wo eine Differenzierung schon Platz gegriffen hat, wo Organoide (Geieln, Wimpern, Cuticula) ausgebildet sind, die neben der lokomotorischen bez. schiitzenden Funktion in gewisser Hin- sicht eine Art Sinnesfunktion besitzen, tritt dieser Vorgang nicht ein; eine Sekretion findet nicht statt. Der Mantelrand der Acephalen. 221 So zeigt sich also schon auf tiefster Stufe des Lebens die Gegensitzlichkeit von Sinneswerkzeugen und Sekretion. Je komplizierter der tierische Organismus wird, je mannig- faltiger sich seine Beziehungen zur Aulenwelt gestalten, je reicher also sein Sinnesleben sich entwickelt, um so mehr tritt die pri- mitive Funktion der Absonderung fliissiger, zur Verteidigung ge- eigneter Produkte in den Hintergrund. Das ist, glaube ich, eine nicht zu bestreitende Thatsache. DaS nun dann, wenn durch Anpassung an eine besondere Lebensweise die Sinnesorgane und somit die Sinneswahrneh- mungen bis auf die taktile Empfindung, d. h. bis auf eine all- gemeine Irritabilitait verschwinden, wiederum, gewissermafen vicariierend, die sekretorischen Funktionen, die Absonderung zur Verteidigung geeigneter fliissiger Sekrete in den Vordergrund tritt: das ist eine Erscheinung von gréftem Interesse. Wir lernen zum mindesten das aus derselben, da’, mag der Formgestaltungstrieb auch eine unendliche Fiille der verschieden- artigsten Gebilde gezeitigt haben, der Weg, den die Ausbildung der Sinne, d. h. die Entwickelung der Psyche gegangen ‘ist, ein einfacher, gradliniger ist. Eine zweite, nicht minder interessante Frage, zu deren Be- antwortung das Studium des Mantelrandes der Acephalen die Moglichkeit gewihrt, ist die des Verhaltnisses zwischen Lichtempfindung und Lichtempfindlichkeit. Seit den Zeiten von Port hat das Bestreben geherrscht, bei den Acephalen Sehorgane nachzuweisen. Witu (49) hat an Re- prisentanten fast aller Familien Augen beobachtet, an denen er ziemlich alle Teile des Vertebratenauges gefunden zu haben be- hauptete. Die Bedeutung, die man den Wiuw’schen Angaben bei- ma, erhellt unter anderem daraus, daf sie in das Lehrbuch von StesoLp tibergegangen sind. Bald aber, durch Anwendung bes- serer Untersuchungsmethoden und bei kritischerem Verhalten der Forscher, schrumpften die Resultate der Wu.w’schen Arbeit fast zu nichts zusammen, denn nahezu bei allen Muscheln, die er untersucht hatte — Pecten und Arca ausgenommen — erkannte man die Abwesenheit kompliziert gebauter Sehorgane. Damit indessen war der Neigung, fiir die Muscheln Substrate des Gesichtssinnes nachzuweisen, keineswegs ein Ziel gesetzt; BD? Dr. Bernhard Rawitz, man schraubte nur die Anspriiche an die Struktur wie an die Funktion des Substrates zuriick. Es wurde einerseits nicht mehr als notwendig betrachtet, besondere dioptrische Apparate und lichtempfindliche, mit Nervenfasern versehene Bildungen zu finden ; es geniigte vielmehr vollkommen, wenn man Epithelzellen zeigen konnte, die pigmenthaltig waren und deren cuticularer Saum dick und hell erschien. Andererseits glaubte man eine Gesichtsempfin- dung, ein Sehen schon da konstatieren zu kénnen, wo angeblich »exakte“ Versuche eine Empfindlichkeit der Tiere auf Lichtreize darzuthun schienen. So konnten SHarp, Ryper, Parren und Drost eine Lichtempfindung, ein Sehen Tieren zuschreiben, denen Augen von zusammengesetztem Baue vollkommen fehlen. Es wurden diese Angaben wiederum, wie die W1ILL’schen, kritiklos geglaubt, ohne allerdings in Lehrbiicher tiberzugehen, weil sie anscheinend mit gewissen Vorstellungen in bester Uber- einstimmung standen, welche iiber die Phylogenese des Gesichts- sinnes im Schwange sind. Es reihten sich die Beobachtungen der genannten Forscher ganz vortrefilich dem Gedankengange an, daf Augen, im eigentlichen Sipne des Wortes, sich im Laufe der Stammesentwicklung der Tiere aus indifferenten Pigmentzellen herausgebildet haben miissen. Kine Stiitze schien die Annahme eines auch bei augenlosen Muscheln vorhandenen Sehvermégens durch die Beobachtung von RAPHAEL DuBois zu gewinnen, da Pholas dactylus, die eigent- licher Augen entbehrt, einen hohen Grad von Lichtempfindlichkeit zeigt. Dupors nannte die hier beobachtete Erscheinung, wenn ich nicht irre als der Erste, ,,photodermatische Funktion’S und sprach von dem dieselbe bewirkenden Mechanismus als einem Mechanismus des Sehens, ,,de la vision’. Von einer anderen Seite ist diese Funktion mit dem Namen der _ ,,dermatoptischen“ belegt worden und damit schirfer, als bisher, der Auffassung Ausdruck gegeben, daf es sich bei all den augenlosen Muscheln, welche angeblich oder wirklich auf Licht reagieren, um einen Akt des Sehens handelt. Der fundamentale logische Irrtum, der den Ansichten von SHaArP, RypEer, Parren, Drosr und Dusors zu Grunde liegt, beruht in einer Verwechselung von Lichtempfindlichkeit und Lichtempfindung. Diese Begriffsverwirrung tritt besonders in einem kiirzlich erschienenen kritischen Essai von WILLEM !) zu- 1) Vicrok Wittem: Sur les perceptions dermatoptiques; résumé historique et critique: in Bulletin scientifique de la France et de la Der Mantelrand der Acephalen. 293 tage, der meint: ,,que les excitations lumineuses, excitations nor- males des téguments, différant essentiellement des ébranlements dis au contact, 4 la chaleur, donnent naissance dans le sensorium i des sensations qui, par le fait méme que leur apparition est une conséquence fatale de ces excitations lumineuses, possédent un caractére propre, qui les distingue des sensations de douleur, de chaud, de froid. Ce caractére en fait, en d’autres termes, de véritables sensations optiques“ (p. 341). Dal von ,,optischen Empfindungen“, von einem ,,Sehen“ bei den augenlosen, lichtempfindlichen Muscheln nicht gesprochen werden darf, will ich in den folgenden Zeilen nachweisen. Als Ausgangspunkt und Grundlage meiner Erérterungen seien einige Saitze angefiihrt, welche sich in dem ,,Handbuche der Phy- siologie des Menschen‘ von JOHANNES MULuer finden. Es heift in Band II, Buch V, Abschnitt 1, Kap. 1 (p. 280/81 der Ausgabe yom Jahre 1840): ,,Es ist hier der Ort, einige falsche Vorstellun- gen zu widerlegen, die man sich hin und wieder aus Unkenntnis der zum Sehen notwendigen physikalischen Bedingungen macht. Man stellt sich oft vor, da’ es Tiere gebe, die Lichtempfindung durch die Haut haben. Es ist nicht zu bezweifeln, da manche niedere Tiere, welche gegen den Einfluf’ des Lichtprinzips rea- gieren, keine Augen haben .... Was nun die Reaktion niederer Tiere ohne Augen gegen das Licht betrifft, so liegen keine That- sachen vor, welche beweisen, dal diese Tiere durch die Haut oder die ganze Oberflache ihres Kérpers vom Prinzip des Lichtstottes, oder von den Undulationen dieses Prinzips wirklich die Licht- empfindung und nicht eine andere Empfindung haben. Wir empfin- den vom Prinzip des Lichtes auch etwas durch die Haut, nimlich Warme, aber wir haben keine Lichtempfindung davon, deren, wenn wir den Thatsachen folgen wollen, nur der Sehnerve fahig ist. Von dieser Art mégen die Reaktionen niederer ‘Tiere ohne Augen gegen das Licht sein...... GRUITHUISEN ..... nimmt an, dai jede dunkle Stelle der Haut einigermafen mit der Natur Belgique publié par Giarv, Tome XXIII, 1891. Zu meiner Ver- wunderung hat der Autor, dem ich fiir die Ubersendung eines Sonder- -abdruckes zu Danke verptlichtet bin, in seiner historischen Ubersicht ein Werk vollstiindig vernachlissigt, das nicht nur fiir die Frage des Heliotropismus der Protozoen, sondern auch fiir alle anderen physio. psychologischen Vorgiinge dieser niedersten Tiere von hervorragender Bedeutung ist. Ich meine das Werk von Verworn: Psycho-physio- logische Protistenstudien. Jena 1889. 294 Dr. Bernhard Rawitz, eines Sehorganes in Beziehung stehe, weil sie mehr Licht absor- biert. Dies ist offenbar unrichtig; denn die erste Bedingung zum Sehen ist die spezifische Sensibilitat des Nerven und dafi der zum Sehen dienende Nerve kein Gefiihlsnerve sei.“ Analysieren wir nunmehr die als Sehen gedeuteten Erschei- nungen bei den augenlosen Muscheln. Schon im ersten Teile der Arbeit (p. 42/43 d. S.-A.) konnte ich darthun, dafi die von Parren, RypER und SHarp behauptete Sehfunktion bei Ostrea nicht vorhanden ist. Von den wtbrigen Muscheln, die ich untersucht habe, besitzt Cardium edule Ein- richtungen, die eine Lichtempfindlichkeit dieser Species héchst wahrscheinlich machen. Thatsiichlich nachgewiesen ist diese Eigenschaft aber nur bei Pholas dactylus. Im ersten Abschnitte dieses Teiles der Arbeit ist ausfiihrlich dargestellt worden, wie sich Pholas auf Lichtreize verhilt. Berechtigt aber dies Verhal- ten uns dazu, hier von einem Sehen zu sprechen, wie Dusois und Wittem meinen? Erkennen wir die Richtigkeit der obigen Siatze von JOHANNES MULLER an, dann sicherlich nicht. Bei Pholas ist allerdings vollstandig ausgeschlossen, da8 durch die Belichtung eine Warmeempfindung hervorgerufen werden kénne. Denn die Reaktion des Tieres erfolgt so schnell, selbst wenn eine betrichtliche Wasser- und Luftsiule zwischen ihm und der Licht- quelle sich befindet, da8 eine Temperaturverinderung sicher noch nicht erfolgt sein kann, wenn die Lichtwirkung sich zeigt. Es ist also ein thermischer Effekt nicht anzunehmen. Darum aber, weil das Licht als solches das Tier beeinflu8t, wird es durchaus noch nicht als Licht, als ,,Undulationen des Prinzips‘‘ wahrgenom- men, die Lichtwirkung nétigt keineswegs zur Annahme einer Lichtem pfindung, zur Annahme, da ein ,,Sehen“ statthat. , sehen“ ist, physiologisch gesprochen, eine durch Licht be- dingte Zustandsinderung in besonders differenzierten epithelialen Elementen, die durch Nervenfasern, welche mit jenen in direkter Verbindung stehen, zu einem Centrum weiter geleitet und dort perzipiert wird. Sind solche differenzierten Epithelien nicht vor- handen, oder fehlt die centripetale Nervenverbindung, so kann auch kein Sehen zustande kommen, selbst nicht in der primitivsten Form, in einem blofen Wahrnehmen der Unterschiede von hell: und dunkel, wenn wir iiberhaupt dies schon ein physiologisches Sehen zu nennen berechtigt sind. Denn fehlen die Epithelien, dann kann der Lichtstrahl nicht wirken, und fehlen die Nerven, dann kann die Wirkung sich nicht fortpflanzen. Der Mantelrand der Acephalen. 225 Zum ,,Sehen“ gehért aber noch ferner die Konzentrierung der Aufmerksamkeit auf die im Bildfelde des Sehorganes vorhandenen, das Sehorgan erregenden Gegenstainde plus der Abstraktion, d. h. der Erkennung eines Objektes auferhalb des Sehenden. Die op- tische Erregung allein, ohne die Thiatigkeit der sogenannten Psyche, ist noch kein eigentliches Sehen. Wenn man in’s Weite stiert, d. h. seine Accommodation auf die Unendlichkeit eingestellt hat, dann werden auf der Netzhaut alle im Bereich der Sehachsen liegenden Objekte abgebildet, wir ,,sehen“ aber noch nicht. Erst wenn die Aufmerksamkeit auf einen Punkt gerichtet wird, die Accommodation also in Thatigkeit tritt, kommt zum blofen Wahrnehmen die Ab- straktion hinzu, und erst dann kénnen wir sprechen: wir sehen. Diese scharfe Umgrenzung des physiologischem Aktes des ,sehens“ einerseits und ihre Gegensitzlichkeit zur blofen Licht- empfindlichkeit andererseits sind eigentlich selbstverstandlich, und es kénnte daher fast iiberfliissig erscheinen, daf ich sie tiberhaupt hervorgehoben. Indessen die fundamentale Verwechselung, welche die oben genannten Autoren bis einschlieflich WitLem begangen haben, darf wohl als meine Rechtfertigung gelten. Von einem Sehen, wie es eben definiert wurde, kann aber weder bei Pholas, noch bei irgend einer anderen augenlosen Muschel die Rede sein, ,,denn“, um den Satz von JoHANNES MULLER zu wiederholen, .,die erste Bedingung zum Sehen ist die spezifische Sensibilitét des Nerven und daf der zum Sehen dienende Nerve kein Gefiihlsnerve sei‘‘. Ein spezifischer Nerv aber ist bei Pholas und bei Cardium — die anderen Muscheln fallen tiberhaupt bei dieser Betrachtung aus — nicht vorhanden, ebenso fehlen spezi- fische Epithelien. Aber, so kénnte man mir einwenden, wenn bei den genannten Muscheln auch kein wirkliches Sehen stattfindet, so kann doch eine Lichtempfindung, eine Empfindung der ,,Undulationen des Prinzips‘ vorhanden sein. Dieser Einwand wire nicht stich- haltig. Damit Licht empfunden werde, miissen die Atherschwing- ungen rein, ohne chemische und thermische Nebenwirkungen sich entfalten kénnen. Das ist aber bei Pholas und Cardium unmég- lich, weil an den Stellen, welche als die peripheren Sitze der Lichtwahrnehmung betrachtet werden, sich nur Pigmentzellen fin- den, und diese leiten kein Licht, sondern absorbieren es. Durch die Absorption der Strahlen ist aber die Empfindung des Lichtes — und diese letztere ist die Vorbedingung des Sehens — ausge- schlossen. Damit Licht — Licht bleibt, muf es auf Gebilde tref- Bd. XXVII, N. F. XX. . 15 226 Dr. Bernhard Rawitz, fen, welche die Lichtwellen fortpflanzen, also Gebilde, in denen selber Schwingungen, ahnlich denen des Lichtathers, hervorgerufen werden kénnen. Wenn aber ein Bestandteil des tierischen Kérpers zu dieser Funktion nicht geeignet ist, so ist es das Pigment, wel- ches durch Aufsaugen des Lichtes dessen Schwingungen in ganz andere Bewegungen umsetzt. Fiir die meisten Falle trifft die Bemerkung von JOHANNES MULLER zu, dafi die auf der Haut durch das Licht bedingten Empfindungen Warme sein werden; bei Pholas (und auch bei Cardium ?) werden sich infolge einer besonderen Molekularstruktur des Pigmentes andere, chemische Wirkungen entfalten, die aber niemals als eine Lichtempfindung betrachtet werden diirfen. Lichtempfindend also ist Pholas, sind die anderen Mu- scheln nicht, und es ist daher unlogisch, wenn Dusors hier von einem Mechanismus ,,de la vision“, WILLEM von ,,perceptions der- matoptiques“, Parren, RypDER und SHARP von ,,primitive visual organs“ sprechen. Dagegen ist Pholas lichtempfindlich, d. h. Lichtstrahlen, welche auf bestimmte Teile der K6rperoberfliche dieses Tieres fallen, bewirken eigentiimliche, nicht niher erkenn- bare Veraénderungen in dem Pigmente seiner Zellen, die von dem Tiere, wie aus den charakteristischen Bewegungen hervorgeht, empfunden werden. Eine Lichtwirkung haben wir hier, die einen der Warmeempfindung analogen, wenn auch damit nicht iden- tischen Effekt hervorruft. Daf iibrigens nicht jedes Pigment durch Licht in seiner Zusammensetzung alteriert wird, also nicht jedes lichtempfindlich ist, beweisen die anderen Siphoniaten, die auf Beleuchtung nicht reagieren (cfr. diesen Teil p. 161). Die Ursache der Begriffsverwechselung jener Autoren beruht offenbar in einer Uberschatzung der Bedeutung des Pigmentes fiir das Sehen, die ihren absurdesten Ausdruck in der Arbeit von SHARP (43) gefunden hat. Pigment ist fiir das Sehen, d. h. fiir die Lichtwahrnehmung, nur von accessorischer Bedeutung, denn es ist in wirklichen Sehorganen stets so angebracht, daf es tiber- schiissige Lichtmassen absorbiert und so die Licht perzipierenden Elemente vor zu groSer Erregung schiitzt. Mit dem Sehakte als solchem aber hat es nicht das Geringste zu thun. Es kann be- kanntlich, wenn auch nur in pathologischen Fallen, ganz fehlen, wie die Augen der Albinos beweisen. Wir miissen also sagen, dafi in Pigmentflecken oder Pigment- zellen niemals eine Lichtempfindung, ein Sehen zustande kommen Der Mantelrand der Acephalen. 227 kann, und haben daher auch nicht das Recht, solche Zellen oder Flecke als ,,primitive Sehorgane“ zu bezeichnen. Damit soll aber durchaus nicht geleugnet sein, daf im Laufe der Stammesgeschichte der Tiere komplizierte Augen aus einfachen Pigmentzellen sich herausgebildet haben kénnen. Es ist vollkom- men richtig, wenn HarcKen in seinem Vortrage ,,ber Ursprung und Entwicklung der Sinneswerkzeuge’ (Gesammelte populare Vortrige, Heft 2, p. 153) sagt: ,,In ahnlicher Weise, wie der Hirsinn des Ohres aus dem Tastsinn der Haut, hat sich der Lichtsinn des Auges aus dem Wairmesinn der Haut hervor- gebildet.* Nur darf man dabei nicht auSer Acht lassen, daf die Pigmentzelle oder der Pigmentfleck — der Sitz der Warmewir- kung — eine durchgreifende histiologische Umwandlung erfahren haben mu, oder aber, was mir wahrscheinlicher diinkt, da gegen Licht indifferente Partieen in der nachsten Umgebung des Pig- mentes sich zu Licht perzipierenden differenziert und dabei die urspriingliche Fanktion des Pigmentes unterdriickt haben. Wunderlicherweise betrachtet WiLLEM in seiner angefihrten Arbeit die bekannten Erscheinungen des Heliotropismus der Tiere als ,,perceptions dermatoptiques“. Seine oben wiedergegebenen Worte lassen keinen Zweifel dariiber, daf er den Heliotropismus als eine AuSerung optischer Wahrnehmungen auffa8t. Das ist ganz irrig. Das, was JOHANNES MiLuer iiber die angebliche Lichtempfindung durch die Haut gesagt hat, trifft voll zu auf den Heliotropismus, der, wie tibrigens auch Foret nachgewiesen hat, nur als Ausdruck der Empfindungen von Warm und Kalt und da- mit auch als der Ausdruck individuell verschiedener Lust- und Unlustgefiihle zu gelten hat, keineswegs aber auf optische Kin- driicke zuriickzufiihren ist. 15* 228 Dr. Bernhard Rawitz, Erklarung der Abbildungen. Tafel I—VII. Die Figuren 34 und 35 sind mit der freien Hand entworfen, Fig. 54 ist eie Kopie, alle tibrigen sind mit der Abbe’schen Camera gezeichnet. Es bedeutet: e¢. iufvere, ¢. innere Seite; pr. proximale, dz. distale Flache; ecw. Epicuticula; md. Mucindriisen bez. Mucinmassen; gd. Gift- driisen bez. Giftmassen; /s. Fiemmine’sche Bindesubstanzzellen; m. Muskelfasern. Fig. 1—5. Lucinacea. Fig. 1. Mittelfalte von Cardita sulcata. Vergr. 325; Bis- marckbraun. Fig, 2. Randwulst von Cardita sulcata. Vergr. 325; Eur- LicH-Bionpi'sches Gemisch; be. Becherzellen. Fig. 3. Aufenfliche von Cardita sulcata. Vergr. 325; ge- firbt wie Figur 2. Fig. 4. Schnitt durch den Mantelrand yon Astarte fusca. Vergr. 115; Indigkarmin-Boraxkarmin; ad. acindse Driise; 3d. zusam- mengesetzte Driise. Fig. 5. < 8-+-16 Oculartaschen — 80 Randtaschen im ganzen), gabelt sich bei der letzteren jede Tentaculartasche 4 mal und 4 von diesen letzten Randtaschen noch zum 5D. Mal, also im ganzen 8X 20-+16—176. Bei unserer Art triffit die Teilung nur 4mal ein, so daf wir im ganzen 128-+-16 Ocular- taschen = 144 Randtaschen haben. Auch die 4 interradialen Gonaden (Fig. 1, Quadr. I u. III, Fig. 3) weichen durch ihre Form von denen der anderen Arten ab. Jede besteht aus einer blindsackformigen Ausstiilpung des Magenbodens, die Gastrogenitaltasche, auf deren innerer Wand sich das stark gefaltete Genitalband hufeisenformig anheftet ; die Wand der ersteren wird dadurch in zwei geteilt und sieht so aus, wie zwei auf die beiden Seiten des Hufeisens aufgespannte Mem- branen. — Auf die innere Flache der inneren Wand der Genital- tasche setzen sich in zwei Biischeln die grofen, aber wenig zahl- reichen Gastralfilamente an (vergl. hierzu Fig. 3 gf). Die Genital- 342 Gr. Antipa, ostien liegen am Eingange in die Mundéffnung und sind von einem Knorpelring umgeben. Nachdem wir mit der speziellen Beschreibung fertig sind, wollen wir nun die Unterschiede von den anderen Arten und die Hauptresultate kurz zusammenfassen und folgende Spezies-Diagnose aufstellen. Schirm flach gewoélbt, scheibenférmig; Vela- rium sehr breit, mit gekerbtem Rande und 144 exum- bralen Radialfurchen, zwischen welchen 144 Rand- lappen vortreten. 8 Rhopalien, etwas tiber der Mitte des Velariums gelegen, in tiefen Nischen der Subumbrella, um ungefahr +/, des Schirmradius vom Schirmrande entfernt. 4 perradiale Mundgardinen, deren 8 Zipfel mehr als 1*/,-mal so lang als der Schirmradius sind, hangen in den Interradien mit- einander zusammen und decken die Subumbrella vollkommen. Ein weiter ,,Knorpelring“” des Mundes mit 8 subradialen, dicken ,,Knorpelknoépfen“™. 144 (128 tentaculare und 16 oculare) Randtaschen des Gastro-vascularsystems. Tentakel sehr lang und zahlreich, nur auf der Mittelzone der Subumbrella. Gonaden hufeisenférmig, herabhangend. Jena, 4. September 1891. Gr. Antipa, Eine neve Art von Drymonema. 343 Tafelerklirung. Tafel IX. Fig. 11), Drymonema Cordelio von der Subumbrellaseite aus gesehen. Um '/, verkleinert. — Nur auf der einen Hilfte (I) sind die Mundgardinen ganz geblieben, auf der anderen sind sie weg- geschnitten, damit man die iibrigen Organe der Subumbrella sehen kann. — In dem mit II bezeichneten Oktant sind die Tentakeln weggenommen, man sieht nur ihre Ansatzstelle und die Art und Weise der Verzweigung der Radialfurchen in der Tentakelzone. — Bei (vz) bemerkt man den Eingang in der abgeschnittenen Gastro- genitultasche. In dem Quadrant III sind 1) die Tentakeln und 2) eine yon den hufeisenformigen Gonaden zu sehen; das Genitalband tritt nach dem Munde zu aus der Genitaltasche etwas heraus. — In Oktant [V ist das Gastro-vascularsystem dargestellt; c == Kanile (Randtaschen), v] == Verwachsungsleisten. Fig. 2. Ein Rhopalium. 12mal vergrofert. Fig. 3. Eine Gonade, von der nach dem Centrum zugekehr- ten Seite aus gesehen; die innere Wand ist abgeschnitten und um- geschlagen, damit man die auf ihr inserierten Gastralfilamente (gf) sehen kann. gd = Geschlechtsdriise, gm == Gastrogenitalmembran. 1) Fig. 1 ist von Herrn Lithograph Giltsch gezeichnet, dem ich hierdurch fiir die besondere Miihe, die er sich dabei gegeben hat, herzlichst danke. Die Lokalisation der Oxalsaure in der Pflanze. Von Dr. Rudolf Giessler. Einer Reihe pflanzlicher Substanzen, iiber deren Bedeutung im Haushalt der Pflanzen wenig Sicheres bekannt war, miissen wir nach den Untersuchungen von Sranu!) jetzt wenigstens die eine Aufgabe zuerkennen, die Pflanze im Kampfe mit der Tier- welt gegen deren Angriffe zu schiitzen. Hierbei kommen soge- nannte spezifische Pflanzenstoffe (Alkaloide, Gerbstoffe, Bitterstoffe, aitherische Ole, Milchsifte u. a. m.) in Betracht, deren zum Teil giftige Wirkungen schon langst bekannt sind. Wenn wegen letzterer Eigenschaft dieselben schon friiher als Schutz- und Verteidigungs- mittel der Pflanze hingestellt worden sind, namlich von Kunrzx ”), Focke *), ErrerA *), KERNER °) u.S. W., So ist diese Ansicht jedoch nie durch planmafig ausgefiihrte Versuche gestiitzt worden. Bekannt- lich hat Srann ®) in dieser Frage eine Entscheidung mittelst des zum ersten Male in grofem Mafstabe angewandten Experimentes herbeigefiihrt. Durch seine Versuche, zu welchen er hauptsach- lich die als Pflanzenfeinde gefiirchteten Schnecken benutzte, ist die Bedeutung der angefiihrten Stoffe als Schutzmittel fiir feststehend zu betrachten. Selbstverstandlich soll hiermit nicht gesagt sein, da8 sie nicht noch andere Funktionen zu erfiillen hatten. 1) E. Srant, Pflanzen und Schnecken. Eine biologische Studie iiber die Schutzmittel der Pflanzen gegen Schneckenfrafs. Jena, G, Fiscuer, 1888. 2) O. Kunrzz, Schutzmittel der Pflanzen gegen Tiere und Wetter- ungunst. Leipzig 1877. 3) W. O. Focxe, Die Schutzmittel der Pflanze gegen niedere Pilze. Kosmos, Bd. X. Stuttgart 1881—82. 4) Esrera, Matsrrtau et Crauretav, Recherches sur la locali- sation et signification des alcaloides. Bruxelles 1887. 5) Kerner, Pflanzenleben. I. Bd., pag. 400. 6) E. Sraut, 1. c. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 345 Die im Pflanzenreich weit verbreitete Oxalsiure oder deren saures Kaliumsalz, das Kaliumbioxalat ist von Staut ebenfalls in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen worden, und nach diesen kénnen beide neben dem Gerbstoff zu den wirksamsten Schutz- sekreten gezihlt werden. Nach Stanvw’s Versuchen nimlich bleiben Oxalsiiure fiihrende Pflanzen, auger bei bedeutend gesteigerter Nahrungsnot, von Schnecken unberiibrt, wahrend ausgelaugte Exem- plare rasch verzehrt werden. Uberraschend ist das Experiment, nach welchem von den Schnecken sehr gesuchte Nahrobjekte (Daucus carota), mit Kaliumbioxalatlésungen von nur 1 pro mille getrinkt, wenigstens eine Zeit lang vor dem Benagen von Seiten dieser gefrassigen Tiergruppe gesichert sind. Dieses Ergeb- nis, ebenso wie die Thatsache, daf das Betropfen der Versuchstiere mit der gleichen schwachen Lésung schon starke Reizwirkungen bei diesen zur Folge hat, erscheint um so bemerkenswerter, als der Zellsaft der in Betracht kommenden Pflanzen eine viel héher konzentrierte Saurelésung als die hier angegebene darstellt. Fassen wir die Lokalisation der Schutzstoffe in das Auge, so begegnen wir der wichtigen Thatsache, daf die Ablagerung in den Geweben fiir viele derselben eine periphere ist. Fiir den Gerbstoff sind als Ablagerungsorte gréftenteils die Epidermis mit deren Anhangsgebilden und die GefafSbiindelscheiden durch zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre festgestellt worden ‘). ErrERA, MAIstRIAU und CLAuTRIAU 7) wiesen fiir einige Al- kaloide ein fast gleiches Verhalten nach. Diesen Untersuchungen schliefen sich diejenigen von pE Wevras *) tiber die Lokalisation des Atropins bei Atropa Belladonna an, durch welche vorwiegend die Oberhaut, subepidermales Parenchym und Phloém als Speicher- orte des Alkaloids erkannt worden sind. Das Veratrin ist nach Borscow *) in ahnlicher Weise, nimlich in den Epidermen der Wurzel, der unterirdischen Stengelteile und Zwiebelschuppen lokali- 1) Vergl. die Gerbstofflitteratur, zusammengestellt bei Kraus, Physiologie des Gerbstoffes, Leipzig 1889, und bei L. Brarmer, Les Tannoides. Introduction critique a |’ histoire physiologique des Tannins, Toulouse 1891. 2) Errera, Maisrerav und Cravretian, |. c. 3) A. pE Wevras, Journal de Pharmacie et de Chimie, I, March., pag. 262. 4) Beitriige zur Histochemie der Pflanzen. Botan. Zeitung, 1874, pag. 17. 346 Rudolf Giessler, siert. Analoge Resultate erhielt ferner Voret ') fiir die von STann als wirksame Schutzsekrete erkannten Lauchéle der Alliumarten. Die atherischen Ole der letzteren werden nach diesen Untersuchungen in den Wurzeln, Stengeln, Blattstielen und Blattern innerhalb der Epidermen und Schutzscheiden gespeichert. Die Wichtigkeit der peripheren Ablagerung dieser Schutzstoffe leuchtet ohne weiteres ein, da eine derartige Anordnung auf dem Querschnitt der Organe das unbedingt notwendige Erfordernis zur erfolgreichen Verteidigung der wertvolleren, inneren Gewebe dar- stellt. Sraant konnte auf die Bedeutung dieser Verhaltnisse fiir die Abwehr kleiner Tiere nach seinen Untersuchungen ganz be- sonders hinweisen. Er spricht auferdem die Vermutung aus, daf fiir viele andere, durch seine Versuche als Schutzmittel charakte- risierte Stoffe eine Oberflichenlagerung noch gefunden werden wiirde ?), Die Verteilung der Oxalséure in der Pflanze ist von diesem Gesichtspunkte aus noch nicht naher studiert worden. Ich habe mir daher in der folgenden Untersuchung die Aufgabe gestellt, ihr Auftreten innerhalb des Pflanzenkérpers zu verfolgen und zu untersuchen, ob und wie weit die gefundenen Thatsachen mit der Schutzmittelfunktion der Oxalsiure in Einklang zu bringen seien. Ich will gleich mitteilen, da8 sich in der Verteilung der Oxalsaure eine weitgehende Analogie mit derjenigen der vorerwahnten Schutzstoffe ergeben hat. Namentlich fallt, ebenso wie bei diesen, fiir die Oxal- siiure gleichfalls die Ablagerung in den peripherischen Geweben auf. Im Einzelnen lieferte meine Arbeit auSerdem einige Beitrage zu der Erscheinung des Vikariierens von Schutzmitteln, welche von STaHL im letzten Kapitel seines zitierten Buches besprochen ist und in unserem Fall neue Belege fiir die Schutzmittelfunktion der Oxalsaure bietet. ) Fir die Untersuchung kommen natiirlich nur oxalsaurehaltige Pflanzen mit hervortretender Aciditat in Betracht, wobei letztere vorwiegend durch das in der Pflanze geléste Kaliumbioxalat be- dingt wird). Die Frage, ob dieses oder die freie Oxalsaure im 1) A. Voter, Lokalisierung des ditherischen Oles in den Geweben der Alliumarten. Arb. d. Hamburger Bot. Mus., 1889. 2) Sraut, |. c. pag. 119 ff. # 3) Husemann, Pflanzenstoffe. Berlin 1884. — Ap. Maysr, Uber die Bedeutung der organ. Sdéuren in den Pflanzen. Landwirtsch. Ver- suchestationen, XVIII., pag. 410. — A. Tscurrcn, Angewandte Pflanzen- anatomie, I., pag. 140. — O. Warsure, Uber die Bedeutung d. organ. Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 347 Zellsaft vorhanden war, ist bei der gleichen Giftwirkung beider Stoffe und bei analogem chemischen Nachweis in Riicksicht auf die biologische Fragestellung der Arbeit ohne Bedeutung. In der Folge habe ich deshalb der Kiirze halber gewoéhbnlich die Be- zeichnung Oxalsdiure oder Siure gewahlt. Von bisherigen Angaben iiber Saureverteilung (oxalsaure Pflanzen inbegriffen), ist das Folgende bekannt. Nach der allge- meinen Regel von Kraus?), auch anwendbar fiir Pflanzen mit nicht hervortretendem Siuregehalt, sind die Gesamtsifte der ein- zelnen Pflanzenorgane insofern ungleich sauer, als die Blatter am erheblichsten, die Wurzeln am wenigsten Saiure enthalten, wihrend der Stengel mittlere Aciditét besitzt. Kraus findet auSerdem im Stengel die Rinde resp. das griine Gewebe saurer als das Mark und den (gewoéhnlich chlorophyllirmeren) Blattstiel siurearmer als die Blattfliche. Bei WArpuRG?) findet sich neben der Bestati- gung dieser Angaben der Zusatz, daf das Wassergewebe der Blatter in der Regel siureirmer als das griine Gewebe ist und ferner die Bliiten meist héheren Sauregehalt als die Blatter be- sitzen. Als Resultat der Untersuchungen von BerTHELOT und AnprE *) iiber die Verteilung der Oxalsiure in Rumex acetosa zeigte sich, daf bei Bestimmung der relativen Aciditaét der einzel- nen Organe die Wurzel nur Spuren von Saure enthielt. Die oberirdischen Teile speicherten ziemlich betrichtliche Siuremengen, so daf sich das Acidititsverhaltnis von Wurzel zu Blattstiel oder Hauptnerven zur Blattspreite wie 0: 1:3 stellt. In den angefiihr- ten Arbeiten ist, wie ersichtlich, stets die Sauremenge ganzer Pflanzenorgane bestimmt und weniger auf die Saureverteilung in den einzelnen Geweben geachtet worden, so da fiir uns direkt ver- wertbare Resultate nicht vorhanden sind. Auf einige derselben wird jedoch noch zuriickzukommen sein. Die mikrochemisch-anatomische Methode, die es ermédglicht, Saduren fiir die Lebensprozesse der Pflanzen. Tiibinger Untersuchungen, Bd. II, Heft I, pag. 53. 1) Kraus, Uber die Wasserverteilung in der Pflanze. LV. Die Aciditét des Zellsaftes. Abhandlung der Naturf. Gesellsch. zu Halle, XVI, Bd. II. 2) Warsoure, |. c. 3) Uber die Bildung der Oxalsiiure in Pflanzen. Studie iiber Rumex acetosa. Comptes rend. T. CII, p. 995. 348 Rudolf Giessler, den Sauregehalt jeder einzelnen Zelle in situ nachzuweisen, war fiir die vorliegende Untersuchung die allein geeignete. Der Nachweis der Oxalsiure geschah nach vergleichenden Re- aktionsversuchen mit verschiedenen in Frage kommenden Reagentien durch Chlorcalcium. Dasselbe bewirkt in den angewendeten, ziem- lich konzentrierten Lésungen ein schnelles Abtéten der eingelegten Objekte und innerhalb der Gewebe eine pracise Ausfallung des oxal- sauren Kalkes. Um die bei Einwirkung des Calciumchlorids auf lésliche oxalsaure Salze entstehende Salzsiure unschidlich zu machen, wurde zur Neutralisation beim Injicieren Natriumacetat verwendet. Das Verfahren, auf Laings- und Querschnitte unter dem Mikroskop das Reagens einwirken zu lassen, erwies sich als unvorteilhaft, weil an den Schnitten die leicht herausdiffun- dierende Saure nicht an ihrem urspriinglichen Lagerort gefallt wird. Gewohnlich injizierte ich die Objekte mit Chlorcalcium (1 Teil auf 3—4 Teile Wasser) unter Anwendung der Luftpumpe. Die einzulegenden Pflanzenteile diirfen dabei nicht mit Einschnitten, um etwa das Eindringen des Reagens zu foérdern, versehen werden, da durch dieses Verfahren eine pricise Fallung, ebenfalls aus den ebenerwahnten Griinden, in der Nahe der Schnittrander unméglich wird Das im Reagens abgetéitete Material wurde im Wasser aus- gewaschen und fiir die mikroskopische Untersuchung in absolutem Alkohol gehartet. In vielen Fallen kann verwertbares Material durch Eintauchen von Pflanzenteilen in kochende Chlorcalcium- lésung gewonnen werden. Ohne ausfiihrliche quantitative Bestimmung vorzunehmen, schlof ich auf die Menge der vorher vorhandenen Saure aus der Quantitat des gebildeten Niederschlags, und es hat sich dieser allerdings nur approximative Riickschlu8 bei der gewahlten Frage- stellung fiir ausreichend genau erwiesen. Was die Formen des gefallten Kalkoxalats betrifft, so waren dieselben in den verschiedenen Geweben und selbst innerhalb der einzelnen Zellen ungemein wechselnd. Meistens lagen auferordent- lich unregelmaifige Gestalten vor. Die Unterschiede der Saure- konzentration bestimmter Gewebe oder Zellen nach den gefallten Krystallformen zu bestimmen, wie es nach den Versuchen von 1) L. Kyy, Uber Krystallbildung beim Oxalat. Ber. der d. bot. Ges. V, p. 387. 2) F.G. Kout, Anatomisch-physiolog. Untersuchungen der Kalk- salze und Kieselsiure in der Pflanze. Marburg 1889. re Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 349 Kny!) und von Kout *) vielleicht hatte angestrebt werden kinnen, war aus diesem Grunde nur in wenigen Fallen méglich. Das niedergeschlagene Kalkoxalat stellt hiaufig eine duferst feinkérnige, kryptokrystallinische Masse dar, die entweder aufer- halb oder innerhalb des kontrahierten Plasmaschlauchs erscheint. Das abgetitete Plasma mit dem anlagernden, feinkérnigen Aggregat ergiebt bei gekreuzten Nicols nur eine schwache Polarisations- wirkung, die bei Anwendung von Lésungsreagentien sofort aufge- hoben wird. Diese Verhialtnisse liegen gewéhnlich in Zellen von wenig betrachtlicher Aciditét oder in langgestreckten und flachen Zellen vor, in denen ein eingeengter Saftraum die Ausbildung gréSerer Krystallindividuen verhindert. Beispiele hierfiir finden sich ‘in den Blattstiel- und Stengelepidermen, ferner gewéhnlich in den Zellen des Assimilationsparenchyms. Sphaerite von mannigfachster Gestaltung wurden vielfach be- obachtet, sie entsprechen gewoéhnlich den bei Kon!) abge- bildeten Formen, zeigen allerdings éfter eine centrale Hohle oder zerkliiftetes und zerfressenes Aussere. Dieselben durch- setzen in einer grofen Mehrzahl von Fallen die Zellmem- branen und zwar ist diese Niederschlagsart fiir sehr diinn- wandiges Gewebe charakteristisch, wie wir es z. B. in Bliiten- und Kelchblattern, Blattstipulae und schlieSlich auch Blattstielepi- dermen der Oxalideen und Begonien mehrfach antreffen. In manchen Gewebepartien konnte das gesamte gefillte Kalk- oxalat der Zelle in dieser Lagerung und Gestaltung sich prisen- tieren. Krystalle von wirklich regelmafiger Ausbildung wurden relatiy selten beobachtet, dagegen waren Gestalten mit geringer Anzahl aus- gebildeter Krystallflachen und von schwer erkennbarem System desto haufiger. Nur in verhiltnismaig wenigen Fallen bestand in Zellen mit gréferem Zellsaftraume und gréferer Aciditaét der gesamte Niederschlag aus regelmafigen, monoklinen Krystallen, den sogenannten rhombischen Tafelchen. (Beispiele hierfiir liefern die grofen Blattstiel- und Bliitenstengelzellen einiger O xalisspecies.) Am allerhaufigsten war in den weitlumigen Zellelementen der ausge- fallte oxalsaure Kalk in formlosen Klumpen zusammengeballt. Die- selben waren stark lichtbrechend, von Bogenflichen begrenzt und meist stark zerkliiftet. Sie sind anzusehen als Krystall- und Sphaeritkonglomerate, zusammengesetzt aus reduzierten und stark yerzerrten Einzelindividuen oder auch als Ubergangsformen zwi- 1) F. G. Kon, 1. c. 350 Rudolf Giessler, schen beiden Erscheinungen. Diese merkwiirdigen, geballten Massen machen entweder die gesamte Niederschlagsmenge einer Zelle aus oder es kénnen neben solchen Klumpen auSerdem noch regel- maBige oder halbregelmaBige Krystalle und Sphaerite neben Kalk- oxalat in Sand- und Kérnerform gefallt sein. Naher darauf einzugehen, durch welche Bedingungen diese komplizierten Verhaltnisse bei der Ausfaillung des Kalkoxalates in der Pflanze geschaffen werden, halte ich an dieser Stelle fiir un- angebracht. Ks ist selbstverstandlich anzunehmen, daf das Entstehen einer bestimmten Kalkoxalatform und die Lagerung derselben innerhalb der Zelle in der Hauptsache von dem Konzentrations- grad der einwirkenden Stoffe und der Schnelligkeit der Einwir- kung des Fallmittels abhingig ist *). Zur Priifung des erhaltenen Niederschlags wurden die fiir das Kalkoxalat charakteristischen Erkennungsreagentien, Essigsaure, Salzsiure, Salpetersiure und Schwefelsiure angewendet. Ausgezeich- nete Dienste leistete Schwefelsiure, durch welche bei gentigender Verdiinnung sehr geringe Niederschlagsmengen durch sofortiges Aufschiefen von Gypsnadeln ermittelt werden konnten. Erfolg- reiche Verwendung fand auch der Polarisationsapparat, besonders fiir vorher in Chloralhydrat durchsichtig gemachte Schnitte und ganze Blatter. Im Bezug auf letztere war das Verfahren mit Chloralhydrat besonders angebracht um zu einem klaren Urteil in der Siureverteilung tiber die ganze Blattflaiche zu gelangen. Das Untersuchungsmaterial bestand aus Species der Gattungen Rumex, Oxalis und Begonia des hiesigen botanischen Gar- tens. Verschiedene interessante, fiir unsere Zwecke gut sich eig- nende Oxalisspecies erhielt ich aus dem Freiburger botanischen Garten, fiir deren giitige Uberlassung ich Herrn Professor HitpeE- BRAND ganz besonders Dank schuldig bin. Jede Species wurde wegen des vielfach bemerkbaren ad- stringierenden Geschmackes zugleich auf Gerbstoff unter Ver- wendung von Kaliumbichromat untersucht. Fiir diese Doppel- injektion wurden beiderseitig Versuchsstiicke derselben Pflanze und nahezu gleich ausgebildete Organe ausgewahlt. Zur Kontrolle sind stets einige derselben halbiert und die verschiedenen Halften zur Gerbstoff- resp. Saureuntersuchung herangezogen worden. Die mit Kaliumbichromat behandelten Stiicke dienten zugleich als L)oE. G: Won, lore: i, Kaye: Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pfianze. 351 Kontrollobjekte, um tiber das eventuelle Vorhandensein schon vor- her in der Pflanze abgelagerten Kalkoxalats Aufschlu8 zu_be- kommen. Was die Untersuchung auf Gerbstoff mittelst Kaliumbichromat betrifft, so weif ich sehr wohl, dafi nach neueren Arbeiten durch dieses Reagens aufer Gerbstoffen auch chemisch mit diesem nicht verwandte Substanzen den bekannten braunen Niederschlag geben. Durch die Bezeichnung ,,Gerbstoff' soll daher tiber die chemische Natur der durch Kaliumbichromat gefillten Stoffe nichts gesagt sein. Es muf aber darauf hingewiesen werden, dal, soweit darauf gepriift wurde, die betreffenden Substanzen auSer der Chromat- reaktion den adstringierenden Geschmack und diejenigen Reak- tionen mit Kupferacetat, Eisenchlorid u. a. zeigten, welche von den Chemikern bis vor kurzem fiir die als ,,Gerbstotfes hinge- stellten Kérper angegeben worden sind. Die folgenden Untersuchungen wurden mit freundlicher Unter- stiitzung des Herrn Professor Stann ausgefiihrt. Demselben fiir sein liebenswirdiges Entgegenkommen meinen ergebensten Dank auszusprechen, ist mir eine angenehme Verpflichtung. II. Untersuchungen an Rumexarten. Die Aciditatsverhiltnisse sind innerhalb einer und derselben Gattung an besonders geeigneten Species etwas ausfiihrlich dargestellt worden, wahrend fiir die tibrigen bei der vielfach vorhandenen Gleichheit der Resultate nur abweichende Vorkommnisse hervor- gehoben sind. Die ersten Untersuchungen erstreckten sich auf Rumexarten, speziell auf Rumex acetosa, welche Art beziiglich ihres Saéuregehaltes ungefihr eine Mittelstellung unter den sdure- fiihrenden Species aller drei Gattungen einnimmt. Wenn daher die untersuchten Formen oder deren Teile im Laufe der Darstellung als siurereich oder siurearm bezeichnet werden, so liegen dieser Abschatzung als Mafstab die bei Rumex acetosa vorgefundenen Verhiltnisse zu Grunde. Rumex acetosa. An den Blattern des Sauerampfers fiihrt die Epidermis der Unterseite die meisten Spaltéfinungen. Die Spreite besteht aus ein- oder zweischichtigem Palissadenparenchym und engmaschigem Schwammgewebe, welches unterhalb der Palissadenschichten Zel- len mit Kalkoxalatdrusen und Einzelkrystallen enthalt. Auf der 352 Rudolf Giessler, Ober- und Unterseite des Blattes sitzen mehrzellige, papillése und langere, starre, einzellige Haare. lLetztere sind besonders haufig an der Nervenunterseite, ferner kommen sie vor am Blatt- stiel und am Stengel und zwar an letzteren besonders in der Bliiten- region. Sie besitzen eine durch vorspringende Cuticularknétchen oder -Leisten bedingte, rauhe Oberflache, eine Erscheinung, die man an den Epidermiszellen des Blattrandes und des Stengels mehr- fach nachweisen kann. Die gestielten, grundstandigen Blatter sind in ihrem Bau von den Stengelblaéttern nicht verschieden. Der erhaltene Kalkoxalatniederschlag war in den Blaittern meist fein- kérnig, kryptokrystallinisch. In den beiderseitigen Epidermen ausgewachsener Blatter ist die Siure am starksten angehauft. Die Zellen sind nicht im glei- chen Mafe sdurespeichernd, denn neben saurereichen, mit Nieder- schlag fast angefiillten sind leicht séureirmere oder sogar siure- freie zu unterscheiden. Letzteres bezieht sich nur auf die SchlieB- zellen der Spaltéffnungen und deren Nebenzellen, wobei die SchlieSzellen immer séurefrei sind. Die in der Vierzahl vor- handenen Nebenzellen dagegen waren bald alle saurefrei, oder es fihrten nur einzelne derselben geringe Saiuremengen. In der unteren Epidermis laft sich daher bei der bedeutend gréferen Anzahl von Spaltéffnungen gegentiber der Oberseite meist ein be- trichtlicher Ausfall von Saure feststellen. In den Krystalldrusenzellen habe ich keine weitere Ausfillung beobachten kénnen. Die nach dem Blattrand zu linger gestreckten, und wie schon erwaihnt, mit kérnig verdickten und tiberhaupt mit starkeren Mem- branen versehenen Zellen enthalten weniger Saure als diejenigen der Blattflache; ahnlich verhalten sich die kurzen, borstigen Haare, wiihrend die papillésen Haare sich stets als siurefrei erweisen. Untersuchungen an minder entwickelten Blattern ergeben weniger deutliche Resultate, da die Saiuremengen sich um so ge- ringer zeigen, je jiinger die Blatter sind. Wenn dies auch in ge- wissem Grade nach der allgemeinen Acidititsregel, nach welcher fiir die einzelnen Organe der Pflanze die Sauremenge mit dem Alter relativ zunimmt, vorauszusehen war '), so wurde fiir Rumex acetosa das Zuriickweichen der Saure in der Epidermis der Stengel- blatter nach jiingeren Organen zu als auffillig schnell festgestellt. Schon gut entwickelte, gegeniiber ausgewachsenen um die Halfte 1) G. Kravs, 1. «. Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 353 kleinere Blatter enthielten sehr geringe Saurequantititen. Etwas ver- inderte Verhaltnisse liegen bei den grundstaindigen, am Standort gewohnlich im Gras verborgenen Blattern vor. An diesen waren in kleinen, unentwickelten Spreiten noch erhebliche Mengen Saure nachweisbar. Man kann dies schon an dem Geschmack erkennen, auch belehrt derselbe sogleich dariiber, dal mit dem Zuriick- treten der Saure der Gerbstoff sich bemerkbar macht. Von dem gleichzeitigen Auftreten des Gerbstoffes in den Geweben soll je- doch erst spater die Rede sein. In manchen Fallen dehnte sich in jiingeren Blattern, in denen der Saurenachweis noch deutlich gelang, der Saure- mangel auf einen gréferen Umkreis um die Spaltéffnungen aus. Nur wenige mit Saure erfillte Zellen fanden sich in der un- teren, eine gréSere Anzahl in der oberen Epidermis. Blatter in den jiingsten Stadien der Entwickelung, welche eben entfaltet oder noch von den Blattstipulae eingehillt sind, zeigen keine Spur von Saure. Die Epidermis des Mittelnerven ist in jingeren Blattern, in denen die Oberhautzellen der Blatttiache schon betrachtlichen Sauremangel erkennen lassen, vor allem nach der Blattbasis zu siurereich, ebenso das Parenchym. Die stiirkeren, sekun- daren Nerven schliefSen sich nur beziiglich des Parenchyms dem Hauptnerven an. Die Oberhaut des Blattstiels ist siureirmer als die Blatt- oberhaut, und das subepidermale Collenchym enthalt nur Spuren von Saure. Das Parenchym ist hingegen saurereich, und dieses gilt sowohl fiir das peripher gelegene, als fiir das Markparen- chym. Das an das griine Gewebe anstofende Rindenparenchym, speichert in seinen grofen Zellen Siéurequantititen, wie sie bei Rumex acetosa in keinem anderen Gewebe gefunden werden konnten. Die Bestandteile des GefiSbiindels sind wie schon im Blatt auch hier saurefrei. Der Stengel ist tiberall und hauptsachlich in der Bliitenregion reich mit mechanischen Elementen versehen. Die Kanten sind durch Collenchympartien gestirkt, wahrend starkes, die GefiSbiindel zum Teil umfassendes und zum konzentrischen Ring zusammenschlie- Sendes Sklerenchym beinahe die Hauptmasse des Gewebes ausmacht. Bei diesem Mangel an saftreichen Gewebeelementen steht daher der relative Sauregehalt im Stamm der Pflanze demjenigen des Blatt- stiels bedeutend nach. Die Epidermis der starkeren Stengelpartien birgt ebenso wie das Collenchym geringe Siiurequantitaten und es Bd. XXVII. N. F. XX. 23 354 Rudolf Giessler, muf in der Sprofaxe von Rumex acetosa das Parenchym als das siurereichste Gewebe bezeichnet worden. Fiir die Gefaifbiindel- teile bleiben die fiir den Blattstiel angegebenen Thatsachen bestehen, und ich bemerke gleich an dieser Stelle, da die Saureleere der Gefafbiindelelemente ganz allgemein fiir die untersuchten Species der drei Gattungen festzustellen ist. Nach der Bliitenregion nimmt die Sauremenge in allen Geweben schnell ab, so dak die obersten Internodien nur noch im Parenchym einigermafen siurehaltig sind. Das Zuriicktreten der Saure in der Bliiten- region fallt um so mehr auf, als man gewohnt ist, in derselben haufig eine Verstarkung der bereits vorhandenen Schutzmittel zu beobachten. Samtliche Bltitenteile: Perigon, Fruchtknoten, Staubfaden und Griffel sind saurefrei. Die nach friiheren Untersuchungen selbst bei Pflanzen mit hervorragender Aciditét als séureirmstes Organ hingestellte Wur- zel, fiir welche bei Rumex acetosa nach genauer quantitativer Methode von BrERTHELOT und ANDRE!) keine oder nur Spuren von Oxalsiure konstatiert worden waren, fand ich stets_ voll- stindig saureleer. Bei der Untersuchung von Rumex acetosa fallt stérend die gleichzeitige Anwesenheit von Gerbstoff in das Gewicht. Der- selbe, mit der Siure zum Teil in dem gleichen Gewebe auftretend, wird durch Chlorcalcium, sobald er in starkerer Konzentration vorhanden ist, als grau-schwarzliche oder auch als_ braunliche Masse niedergeschlagen, welche ein deutliches Hervortreten des gefallten Kalkoxalats verhindert. Wegen dieser Unannehmlichkeit ist Rumex acetosa, noch weniger Rumex acetosella ge- eignet, ein klares Bild der Siureverteilung zu geben. Als vor- ziigliches Objekt innerhalb der Gattung kann dagegen in dieser Hinsicht die folgende Species, Rumex scutatus gelten, welche bei gréBerem Saurereichtum wenig Gerbstoff enthalt. Rumex seutatus. Die ziemlich succulenten Blatter dieser sehr sauren Ampfer- art zeigen ahnlichen Bau wie diejenigen von Rumex acetosa. Es finden sich auch die kleinen mehrzelligen, képfchenférmigen Haare wieder, die hier ebenfalls sdéurefrei sind. An ausgewachsenen Blattern kénnen bei Rumex scutatus besonders deutlich die beiden Epidermen als Speichergewebe der 1) BerrHetor und Anoppré, |. c. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 355 Saiure erkannt werden. Obere und, untere Epidermis bergen da- von fast gleiche Mengen, nur wird ein geringer Saureausfall fiir die Unterseite durch die Saureleere der Spaltétfnungsschliefzellen bedingt. Die bei Rumex acetosa beobachteten Unregelmabig- keiten in der Siureverteilung beziiglich der Nebenzellen fielen hier weg. Keine Region der Blattflache war durch besondere Saureanhiufung ausgezeichnet, so dafi die Oberhaut in der Gegend der Blattspitze, am Blattgrund und am Blattrand ebenso siure- haltig als an den mittleren Blattpartien ist. Die Siure nimmt nach den jiingeren Blattern zu, in den Epidermen nicht so schnell ab, als es bei Rumex acetosa der Fallist. Blatter, an Fliche um die Halfte kleiner als ausgewachsene, haben relativ viel Saiure in beiden Oberhauten und selbst in unentfalteten, zu- sammengerollten Blattchen ist noch deutlich Saure nachzuweisen. Rumex scutatus giebt beziiglich des Blattes auch genauen Aufschluf iiber den Sauregehalt des Chlorophyllgewebes. Saure enthalten die an die Epidermen grenzenden Chlorophyllschichten, die aus gréferen, chlorophyllarmeren Zellen bestehen, wahrend die mittleren Zellschichten des Blattes aufer den zahlreichen Krystall- drusen kein Kalkoxalat erkennen lassen. Gegeniiber den Saure- quantititen der Epidermen miissen jedoch diejenigen der ange- gebenen Chlorophylischichten als geringe bezeichnet werden. In jungen, saftigen Stipulargebilden sind hauptsachlich die Epidermen die Saurespeicher, nur nach der Basis zu gehen sie dieses Vorzugs verlustig, da alle Gewebsschichten gleich grofe Siurequantitaten enthalten. Nach dem nur aus zwei kleinzelligen Zellschichten bestehenden Spitzenteil der Stipulae tritt die Saure erheblich zuriick. Bemerkenswert ist, da die von ihnen umschlos- senen, jungen Blattchen vollstandig sdurefrei sind. Die Blattstielepidermis fiihrt relativ weniger Saure als die Ober- haut der Blatter. An den Kanten ist der Saureinhalt der Zellen ein geringerer als an den tibrigen Stellen des Umfangs. Merkwiirdig dabei ist, da’ manche Zellen von Niederschlag ganz erfiillt an- getrofien werden, wiahrend bei anderen das Gegenteil der Fall ist. Im griinen Rindengewebe des Blattstiels wurden geringere Siuremengen gefunden, die aber nach dem mehr central gelegenen, chlorophyllarmen Gewebe zu sich verstirken. Dieses. zwischen Chlorophyll und Saure, hier wie im Blatt sich ergebende antago- nistische Verhaltnis kann iiberhaupt als Regel gelten und es la8t sich dasselbe an jedem weiteren Untersuchungsobjekt mit Leichtigkeit verfolgen. 23* 356 Rudolf Giessler, Kine Beyorzugung der GefaSbiindelscheide als Saureablage- rungsort analog dem bekannten Verhalten anderer chemischer Schutzstoffe ist nicht zu bemerken, im Gegenteil finden sich in dem die GefaiSbiindel umgebenden kleinzelligen Gewebecylinder nur unerhebliche Siuremengen. Im Stengel, wo ebenso wie bei Rumex acetosa durch Ausbildung betrachtlicher, mechanischer Gewebepartien die Gelegen- heit zur Saureablagerung verringert wird, enthalt die Epidermis noch hinreichende Mengen sauren Saftes. Im saftreichen Mark finden sich langgestreckte, grofe Zellen, welche bei einer Lange von 0,6—0,7 mm oft enorme Saéurequantitaéten enthalten. In Krystalldrusenzellen, in denen die Kalkoxalatgebilde fast den ganzen Zellraum beanspruchen, wurden, und es gilt dies fiir alle untersuchten Pflanzen, niemals durch Chlorcalcium Fallungen erzielt. In der Bliitenregion sind die Stengelinternodien viel saure- reicher, als bei der vorigen Species wie dies schon der Geschmack und das Fallen des ausgepreBten Saftes beweist; allerdings mul hervorgehoben werden, daf die Epidermis ebenfalls nicht sehr her- vorragenden Anteil an der Saurespeicherung nimmt, sondern wie dort diese Funktion mehr den parenchymatischen Elementen tiberlast. Das Perigon ist in allen Zellschichten gering sdurehaltig, dagegen sind die kleinen Bliitendeckblatter, solange sie unent- wickelte Bliiten schiitzend einhiillen, siurereich und speichern die Sauren vorwiegend in den Epidermen. Im stark holzigen Rhizom von Rumex scutatus wurden sehr geringe Sauremengen in den Parenchymzellen gefunden. Der saure Geschmack dieses Organs ist einem adstringierenden ge- wichen. Letztere Eigenschaft ist auch an der Wurzel bemerkbar, die in allen Teilen: Wurzelrinde, axiler Teil, Wurzelspitze und | Wurzelhaaren als voéllig siurefrei gelten kann. Analoge Befunde wie Rumex scutatus lieferte Rumex roseus, Rumex vesicarius und Oxyria elatior. Eine Darstellung der Aciditatsverhaltnisse fiir diese Species wiirde fast einer Wiederholung der an Rumex scutatus gewonnenen Resultate gleich kommen. Rumex acetosella zeigt beziiglich der Saureverteilung ihnliche Verhiltnisse wie Rumex acetosa, wenngleich der Nachweis der Saure an der kleineren Ampferart ihrer geringeren Aciditat halber schwieriger ist. Als siiurespeichernd kommen im vollig ausgebildeten Blatt von Rumex acetosella gleichfalls Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 357 beide Epidermen in Betracht, und zwar steht die untere Epidermis der oberen an Sdaurereichtum um ein kleines nach. Beziiglich der iibrigen Organe und Gewebe sind die Befunde von Rumex acetosa in den Hauptsachen zu wiederholen. Von anderen Rumexarten wurden weiterhin untersucht: R. sanguineus, R. patientia, R. alpinus, R. salicifolius, R. crispus, R. conglomeratus. Samtliche Species schme- cken durchaus nicht sauer, dagegen adstringierend, jedoch werden aus den ausgepreBten Blatt- und Stengelséften von R. patientia und R. crispus minimale Kalkoxalatmengen gefallt. Die Unter- suchung stellt bei letzteren Species im Parenchym des Stengels, Blattstiels und der Blattrippen auferordentlich geringe Saure- quantitaten fest. III. Untersuchungen an Begonien. Die Untersuchung an oxalsauren Begonien Aandert in der Hauptsache an den bisherigen Resultaten durchaus nichts, es werden jedoch interessante Verhiltnisse in der Saurespeicherung durch einige fiir diese Gattung charakteristische, morphologische Kigenschaften bedingt. Ausfiihrlicher von den untersuchten Species bespreche ich nur Begonia manicata. Begonia manicata. Dieselbe besitzt als obere Epidermis ein zwei-, an einigen Stellen dreischichtiges Wassergewebe, wahrend die Unterseite standig ein doppeltes aufweist. Die auerste Wassergewebsschicht beider Seiten besteht aus kleinen Zellen, die an Gréfe weit von denen der unteren Schicht iibertroffen werden. Die grofen, aus- schlieflich an der Unterseite sich findenden Spaltéffinungen treten zu kleinen Gruppen mit grofer gemeinsamer Atemhéhle zusam- men. Auf Ober- und Unterseite des Blattes stehen vereinzelt, in das Wassergewebe eingesenkt und durch einen mehrzelligen Ful mit dem Chlorophyllgewebe direkt verbunden, kurz gestielte Képf- chenhaare, deren Endzelle ein stark lichtbrechendes, Gerbstoff- reaktion zeigendes Sekret enthalt. AuSerdem sind von Tricho- men die den meisten Begonien eigenen Zotten vorhanden, welche bei Begonia manicata und einigen anderen Species éfters in breitere, gefranzte Schuppen iibergehen und besonders den oberen Teil des Blattstiels manschetten- oder ringkragen- 358 Rudolf Giessler, formig angefiigt sind. Von Kerner!) werden sie als Abwehr- einrichtung der Begoniablitter gegen kleinere, aufkriechende Insekten und Schnecken aufgefa8t, eine Ansicht, die ich meiner- seits durch Beobachtungen nie bestitigt gefunden habe. Der -Blattstiel hat einfache Epidermis, subepidermal folgt, wie bei den meisten Begonien collenchymatisches Gewebe. Die GefaSbiindel liegen inmitten zartwandigen Parenchyms, dessen Zellen bis zum Mark vereinzelte Chlorophyllkérner enthalten. Der Stamm ist viel- fach mit Korkschichten versehen. Die ganze Pflanze ist auferst saftreich, jedes Organ liefert, ausgenommen die stark adstringierend schmeckende Wurzel, inten- siv sauren Zellsaft, aus welchem auf dem Objekttrager grofe Kalkoxalatmengen gefallt werden kénnen. Im Blatt wird die Saiure, wie voranszusehen war, in bedeu- tenden Mengen in den Schichten der zellsaftreichen, beiderseitigen Wassergewebe abgelagert. Die kleinzellige, gew6hnlich Leukoplasten fiihrende, auferste Schicht derselben zeigt nur geringen Sauregehalt, dagegen sind die an das Chlorophyllgewebe stoBenden, aus grofen Zellen bestehenden Schichten auferordentlich saurereich. Der Niederschlag in letzteren besteht gewéhnlich aus den erwahnten hellglanzenden, geballten Kalkoxalatmassen, neben denen ziemlich gut ausgebildete Krystalle nicht selten sind. Die Képfchenhaare fand ich bei Begonia manicata, ebenso wie bei allen anderen Gattungsgenossen immer saureleer. Anders verhalten sich die Zotten und gefranzten Schuppen. In dem ganzen Zottengewebe sind nicht unbedeutende Saéuremengen ent- halten, und zwar ist die Basis des Trichoms meist reicher bedacht als die Spitze. Die Zellen der Zotten speichern oft mehr Saure, als z. B. in den, ungefaihr gleich grofen Zellen der Blattstiel- epidermen von Rumexarten aufgefunden werden konnte. Die grofen SchlieBzellen der Spaltéffnungen sind fast immer sdurefrei, die Nebenzellen gewéhnlich saurefrei oder gering sdure- haltig. Im Chlorophyllgewebe sind im Vergleich zu den epidermalen Blattschichten unbedeutende Saurequantitaten abgelagert, hierbei ist das Schwammparenchym als Speicherort um ein geringes bevor- 1) A. Kerner, Die Schutzmittel der Bliiten gegen unberufene Gaste. Festschrift dk. k. zoolog. bot. Gesellsch, Wien, 1876, p. 201. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 359 zugt. Am Blattrand enthalt die aus niedrigen Zellen zusammen- gesetzte, einschichtig gewordene Epidermis geringe Sauremengen. Die aus chlorophyllarmen, saftreichem Gewebe bestehenden Stipulargebilde speichern in allen Gewebeschichten, ohne daf in dieser Hinsicht die Epidermis in den Vordergrund tritt, reichlich Saure. In der gering siurehaltigen Epidermis und dem Collenchym der Blattrippen fanden sich manchmal isolierte oder auch zu Reihen in der Lings- oder Querrichtung geordnete Zellen, die von nieder- geschlagenem Kalkoxalat vollstandig erfillt waren. In der Um- gebung dieser Zellen lieB sich dann jedesmal ein Mangel an ge- falltem, oxalsaurem Kalk konstatieren. Schon bei Rumex scu- tatus hatten wir diese Thatsache beobachten kénnen und bei Begonien und Oxalideen kann diese Erscheinung ebenfalls in den verschiedenen Organen hie und da bemerkt werden. Aus diesem Befund ist auf eine diesem Verhalten entsprechende Saure- ablagerung wohl nicht zu schliefen, und die betreffenden Zellen diirften als Séureidioblasten nicht anzusehen sein. Man wird viel- mehr diese Erscheinung auf Mangel der Praparationsmethode zu- rickzufiihren haben, da zahlreiche andere Objektstiicke eine regel- mafige Verteilung des Niederschlags erkennen lieBen. Das Parenchym der Blattnerven ist sehr reich an Saure, die in der kleinzelligen Gefafbiindelscheide, ebenso wie bei Rumex scutatus deutlich zuriicktritt. Die an den Blattrippen gewon- nenen Resultate wiederholen sich in entsprechender Weise bei der Untersuchung am Blattstiel. Im Stamme von Begonia mani- cata werden in der Epidermis und im Rindenparenchym geringe Saurequantititen abgelagert. Siurefrei ist der Cambiumring, saure- reicher als das Rindengewebe dagegen das Mark. Nach dem Rhizom bimmt der Sauregehalt mehr und mehr ab, und es weicht der saure Geschmack einem adstringierenden. Die Untersuchung an Wurzeln ergiebt schlieBlich betreffs der Saurespeicherung ein vollig negatives Resultat, wie tiberhaupt ganzlicher Sauremangel dieser Organe bei allen Be gonien festzustellen ist. Die Wurzeln derselben zeigen in hervorragender Weise einen intensiv bitteren und adstringierenden Geschmack, auf welche Eigenschaften schon Kiorzscu!) in seiner Monographie hinweist. Anfiihren will ich endlich noch, daf die Untersuchung an jiingeren Organen von Begonia manicata, hauptsachlich Blattern, zu Er- 1) Kiorzsch, Begoniaceen- Gattungen und Arten. Abhandl. d. Berliner Kgl. Akad. d. Wissenschaften, 1854. 360 Rudolf Giessler, gebnissen fiihrt, wie sie fiir die Rumexarten schon erwahnt wurden. In unentfalteten Blattchen von ungefahr 5 qem Flache sind noch er- hebliche SAuremengen in den Wassergeweben vorhanden, jedoch ist dasjenige der Unterseite siureaérmer als das der oberen. In dem oberen Wassergewebe fiel auferdem die ungleichmafige Verteilung des Kalkoxalatniederschlags auf die einzelnen Zellen sonders auf. Die Zotten und Schuppen dieser jungen Blattchen sind schwach sauer. Abnliches Verhalten wie Begonia manicata zeigt Be- gonia stygmosa. Fiir die Blatter derselben gelten die bei voriger Species gemachten Angaben. Der mit gefranzten, schwach siurehaltigen Schuppen besetzte Blattstiel fiihrt Saure in Epi- dermis und besonders im Rindenparenchym. Die peripheren Paren- chymzonen waren in einem Falle allein saurespeichernd, da die centralen Partien allmahlich in starkefiihrende tibergingen. Dieses antagonistische Verhaltnis in der Saure- und Starkeablagerung, abnlich demjenigen zwischen Saure und Chlorophyll, Jaft sich tiber- haupt immer feststellen. Der grofenteils mit Periderm versehene Stamm speichert minimale SAuremengen in der an manchen Stellen noch unveranderten Epidermis; wenig erhebliche Quantitaten treffen wir im Parenchym desselben an. Allen in der Folge untersuchten Begonien kommt im Bezug auf die Laubblatter gleichfalls die Eigenschaft zu, in den mehr oder minder als Wassergewebe ausgebildeten Epidermen fast ausschiief- lich die Saure abzulagern. Schwach sauer sind die mit einschich- tigen Wassergeweben versehenen Blatter von: B. Rex nebst ihren Varietaten, B. Olbia, B. argyrostigma, B.imperialis var. smaragdina. Erheblicheren Saurequantitaten begegnen wir da- gegen in den ebenfalls einfachen Wassergeweben von Knollen- begonien, B. prestoniensis und B. Liminghi. Die mehr- schichtigen Oberhautgewebe der tibrigen untersuchten Begonien sind zum Teil von sehr betrachtlicher Aciditét. Beginnen wir mit den gering sauren Species, so erhalten wir ungefahr folgende Reihenfolge: B. scandens, B. metallica, B. acerifolia, B. Scharffiana, B. gogoensis, B. ricinifolia, B. hera- cleifolia-nigrescens, B. nelumbifolia und B. incana. Begonia incana mit einem wolligen, an der Blattunterseite besonders dichten Haarfilz bedeckt, entwickelt an der Oberseite ausgewachsener Blatter ein ungefaéhr achtschichtiges, aus grofen Zellen bestehendes Wassergewebe, welches enorme Mengen Saure Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 361 speichert. Das wenig machtige, zwei- oder dreischichtige Wasser- gewebe der Unterseite macht zusammen mit dem Assimilations- gewebe an Ausdehnung ungefihr den dritten Teil des Blattquer- schnittes aus. Das Wassergewebe der Blattoberseite enthalt nach der Behandlung mit Chlorcalcium gewéhnlich alle Niederschlags- formen des Kalkoxalats, welches, in grosser Menge ausgefallt, an Querschnitten mit blokem Auge wahrgenommen werden kann. Das untere Wassergewebe enthalt relativ ebenfalls betrachtliche Saure- mengen. Junge Blatter sind bei einem Liangsdurchmesser von 3 cm noch stark sauer, schmecken zugleich aber auch sehr adstrin- gierend. Die jiingsten, mit auSerordentlich dichtem Haarfilz be- deckten Blattchen entbehren der Saure in den minimal entwickelten Wassergeweben. Jugendstadien der spater luftfihrenden Wollhaare findet man an Blattern jiingeren Alters 6fters sdurefiihrend. Wie Begonia incana, so entwickeln noch viele andere Be- gonien an der Oberseite der Blatter ein starkeres Wassergewebe und speichern in demselben eine entsprechend gréfere Sauremenge, als es fiir die Blattunterseite der Fall ist. Dieses Verhaltnis zeigen besonders die Arten: B. incana, B.argyrostigma, B. ricini- folia, B.nelumbifolia, B. Scharffiana und B. heraclei- folia-nigrescens. Ein umgekehrtes Verhaltnis findet sich bei B. gogoensis, deren obere Blattepidermen an Gréfe der Zellen und an Sdurereichtum den Wassergeweben an der Unterseite der Blatter nachstehen. Kaum ndétig ist es, nochmals darauf hinzuweisen, daf mit wenigen Ausnahmen die Assimilationslamelle der Blatter, analog dem Verhalten von Begonia manicata, auch bei den iibrigen Begonien als saurespeichernd fast nicht in Betracht kommt. Nur bei B. Rex fiihrten die subepidermalen Schwammparenchym- schichten ungefiahr gleiche Mengen Saure wie die anstofende Ober- haut der Blattunterseite. In keinem anderen Fall hat sich fiir Zellschichten des inneren Blattgewebes dieses Resultat wiederholt. Geringe Saduremengen im Blattparenchym enthielten ferner B. Scharffiana, B. gogoensis, B. ricinifolia, B. heraclei- folia-nigrescens und die Knollenbegonien. Auferdem ist noch anzufiihren, da8 in dem nur wenig Chlorophyll fiihrenden Blattparenchym der Nebenblitter aller Species sich neben den Sauremengen der Epidermis stets sehr bemerkenswerte Quantitaten finden. Hervorzuheben ist schlieflich, daB Begonien von geringerer Aciditaét vor allem wenig Saure in der Epidermis und den sub- 362 Rudolf Giessler, epidermalen Schichten des Blattstieles und auch des Stengels ent- halten, wahrend das centrale Gewebe sehr saurereich sein kann; dies ist der Fall bei B. Rex, B. argyrostigma, B. metal- lica, B. scandens, B. fuchsioides, B. gogoensis, B. acerifolia. Geringere Sauremengen enthalten bei diesen Formen ferner die Zotten und keine Saure, wie schon erwahnt, die Sekret- haare, so da8 auf die Peripherie dieser Organe nur geringe Quan- titaten derselben kommen. Die genannten Species gehéren alle zu den stark adstringierend schmeckenden, wahrend die Arten mit mehr hervor tretender Aciditaét hinsichtlich der genannten Gewebe sich dem Verhalten von B. manicata anschliefen. Die Bliiten der Begonien sind gewohnlich von erheblicher Aciditat. Als typisches Beispiel fiihre ich die bei B. heraclei- folia-nigrescens festgestellten Verhaltnisse an. In der Achse der Inflorescenz zeigt sich die Siure wie im Blattstiele verteilt. Die Bliitenvorblatter, vornehmlich in beiden Epidermen Saure ablagernd, unterscheiden sich in dieser Hinsicht wesentlich von dem Perigon, in dessen Blattern der Nachweis reich- licher Saurequantitaten fiir alle Zellschichten gelingt. Hierbei tritt sogar das grofzellige innere Gewebe in den Vordergrund, denn es bleibt nach der Spitze der Bliitenblatter zu fast allein saiurehaltig. Bemerkenswert war im Perigonblatt der gréfere Sauregehalt der unteren Epidermis. Die Fruchtknotenfliigel sind in allen Geweben gleichmabig sdurereich, wahrend die Fruchtknotenwand in der Epidermis groB8e, sich nach den inneren Zelllagen zu stetig verringernde Saure- mengen enthalt. IV. Untersuchungen an Oxalisarten. Oxalis acetosella. Die Blattoberseite tragt zahlreiche, flach anliegende einzellige Borstenhaare, deren verdickter Membran zahlreiche, aus Cuticular- substanz bestehende Knétchen aufsitzen. Diese Héckerhaare sind bei fast allen untersuchten Oxalisspecies bald haufiger, bald in geringer Anzahl an den Organen anzutreffen. Sie finden sich an ausgewachsenen Blattern von Oxalis acetosella hauptsachlich am Blattrand und auf der Unterseite besonders am Mittelnerven. Die Epidermis der Unterseite wird von etwas blasig aufgetriebenen Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 363 Zellen gebildet, zwischen denen zahlreiche, auSerordentlich kleine Spaltéffnungen sich befinden. Siurespeichernde Gewebe der Blatter sind bei Oxalis ace- tosella und den iibrigen sauren Oxalisarten fast ausschlieflich die Epidermen. Die Saurequantitaiten der oberen Blattepidermis iiberstiegen gewohnlich um ein geringes diejenigen der unteren. Die Héckerhaare waren siurefrei, ebenso keulenférmige, glattwandige Trichome, die wohl fir jiingere Stadien der ersteren anzusehen sind. Uberhaupt habe ich, wie gleich hier hervorgehoben werden soll, die mit Knétchen versehenen, stirkere Wandungen als die anstoBenden Epidermiszellen besitzenden Haare, bei allen Oxalis- species siureleer gefunden, mochten sie auch mitten in séure- reichen Geweben inseriert sein. Im Assimilationsgewebe ist sehr wenig Saure enthalten und nur in den an die Epidermen grenzenden Schichten werden geringe Mengen von Kalkoxalatkérnchen niedergeschlagen. Auf der Blattunterseite ist die Epidermis des dicht mit an- gedriickten Héckerhaaren besetzten Mittelnerven schwach sauer, dafiir enthalt aber die subepidermale, aus grossen, gestreckten Zellen bestehende Parenchymschicht desselben, die allmahlich zu beiden Seiten in das Schwammgewebe des Blattes iibergeht, gréfere Mengen Saure. Im centralen, Chlorophyll fiihrenden Gewebekérper der Hauptrippe ist keine Saure nachweisbar. Jiingere Blatter stehen, was Saurereichtnm der Epidermis betrifit, ausgewachsenen wenig nach, sie sind trotz geringerer Flachenentwickelung gewoéhnlich relativ saurer als diese. In Blattchen von Oxalis acetosella, deren Gewicht ein Drit- teil von ausgewachsenen betrug, fand Mayer!) bei quantitativer Bestimmung der in der Pflanze gelésten, oxalsauren Verbindungen nur 11/, °/, Saure weniger, als in fertig ausgebildeten von 12- prozentiger Aciditéat. In jiingeren Blattern tritt die Saure ganz allmahlich zuriick, so dass in der Knospenlage befindliche, zu- sammengefaltete Teilblattchen von ungefahr 6 mm im Querdurch- messer erst siurefrei sind. Die Saure lat sich jedesmal dann in den Epidermen derselben deutlich nachweisen, sobald ihre beiden Blatt- halften ausgebreitet werden. Hierbei mu8 jedoch bemerkt werden, dass die zugehérigen Blattstiele sich anders verhalten und daf an 1) Ap. Mayer, Ueber die Bedeutung der organischen Siduren in den Pflanzen. Landw. Versuchsstationen Bd. XVIII, 1875, pg. 422. 364 Rudolf Giessler, jugendlichen, saurefreien Stadien der Blatter, deren Stiele schon sehr viel Saéure in den peripheren Geweben speichern. Der Blattstiel ausgewachsener Blatter besitzt eine aus flachen, gestreckten Zellen bestehende Epidermis, auf welche eine einzige Schicht enger, Chlorophyll fiihrender Zellen folgt. Das iibrige Rindenparenchym wird aus Zellen von auffalliger Weite und Lange gebildet, die mitunter direkt bis zur Epidermis vorgeschoben sind. Der centrale Gewebecylinder besteht, auSer den dicht zusammen- gedrangten GefaSbiindeln, aus kleinzelligem, wenig Chlorophyll fiihrendem Parenchym. Die Epidermis der Blattstiele ist der Oberhaut der Blatter gegentiber gering sdurehaltig, ebenso die subepidermale, griine Schicht. Die in diesen beiden Schichten enthaltenen Saurequanti- taiten werden bedeutend yon denjenigen der grofen Rindenparen- chymzellen tibertroffen, von welchen die peripher gelegenen gewohn- lich die weitesten Lumina und den gréSten Sauregehalt besitzen. An Lange messen sie bei Oxalis acetosella nur 0,5 mm, bei anderen Species begegnet man Zellen des peripheren Rindengewebes von drei- bis vierfacher Ausdehnung und ganz enormen Saureinhalt. Das anstofende, kleinzellige Parenchym speichert unerhebliche Sauremengen, ebenso der ganze centrale Gewebecylinder, der ge- wohnlich Starke fiihrt. Eine hervortretende Anhaufung der Saure in der Gefafbiindelscheide konnte auch hier nicht festgestellt werden. Der niederliegende Stengel von Oxalis acetosella, in ge- draingter Folge die stehengebliebenen, zu Reservestoffbehaltern um- gewandelten Blattstielbasen der vorjahrigen Blatter tragend, enthalt geringe Siuremengen in der Epidermis und dem peripheren Ge- webe dieser Stieliiberreste, ferner in der Oberhaut der dazwischen- liegenden Stengelpartien. Der innere, stets Starke enthaltende Ge- webekorper ist dagegen saurefrei. Die aus den Achseln der ver- starkten Blattstielreste entspringenden unterirdischen Seitenzweige, mit langgestreckten, zellsaftreichen Internodien zeigen in der Saure- verteilung analoge Verhaltnisse wie die Blattstiele, die Saurequan- titaten ihrer Gewebe sind jedoch trotz gréferer Dimensionen der Zellen geringer als bei jenen Organen. Saure findet sich erheb- licher in der auferen Epidermis und den angrenzenden Gewebe- schichten der dicht angedriickten, schuppigen Niederblatter an- gehauft. In den Wurzeln wurde, wie zu erwarten war, keine Saure gefunden. Die lLokalisation der Oxalsiure in der Pfianze. 365 Bei der Mannigfaltigkeit in den vegetativen Verhaltnissen der Oxalideen zeigt fast jede Art in der Aciditat der verschiedenen Organe einige Besonderheiten. Prinzipielle Abweichungen von den bei Oxalis acetosella dargestellten Ergebnissen in der Saure- verteilung sind dagegen nur wenige festzustellen gewesen. Fast immer lat sich die Thatsache verfolgen, daB an den untersuchten Oxalisarten beide Epidermen der Laubblitter von eleichen Saéuremengen erfillt werden und nur in wenigen Fallen ist bei der Séurespeicherung die Blattoberseite gegentiber der unteren um ein geringes im Vorteil. Zu erwahnen in letzterer Hinsicht wire O. crassicaulis, O. Ortgiesii, O. brasi- liensis. Einige Species speichern in den, meist aus emporgewélbten Zellen bestehenden Blattepidermen, ganz bedeutende Saurequan- titaten. Hierher gehéren O. Piottae, O. incarnata, O.fabi- folia, O. variabilis, O. cernua, O. Bowiei und vor allen O. carnosa. Von diesen enthalten schon wenige Millimeter lange Blattchen betrachtliche Sauremengen in den Epidermen. Manche Blattformen derselben erinnern sowohl im Bau der Epidermen als auch beziiglich ihres grofen Sduregehaltes an die Wassergewebe der Begonien. Soz. B. hauptsachlich diejenigen von O. Bo wiei und O. carnosa. Letztere Species ist in mehrfacher Hinsicht fiir unsere Frage interessant. In beiden Biattepidermen derselben, besonders in denjenigen der Unterseite, deren kugelig ausge- bauchte Zellen an die Blasen von Mesembryanthemum crystallinum erinnern’), finden sich, im Vergleich zu allen andern untersuchten Oxalisspecies, relativ die gréSten Saure- quantitaten. Auch alle tibrigeu Organe der Pflanze, mit Ausnahme des durch Korkschichten geschiitzten, holzigen Stammes, sind un- gemein saurereich, so daf sich O. carnosa zur Orientierung iiber die Saureverteilung ganz besonders eignet. Geringere, aber immer uoch stark hervortretende Sauremengen treffen wir an, in den Blattepidermen von O. crassicaulis, O. stricta, O. Ortgiesii, O. brasiliensis; O. lobata, 0. Smithii, O. lasiandra, O. Deppii, O. corniculata, O. articulata Savign. und O. chilensis. Die beiden letzteren Species speichern in den Epidermiszellen am oberen Rand der Teil- blattchen geringere Siuremengen, als in der Oberhaut der iibrigen Blattflache. In den eben genannten, saiurearmen Blattpartien be- 1) F. Httpesranp, Die Lebensverhiltnisse der Oxalisarten. Jena 1884. 366 Rudolf Giessler, finden sich rétliche Schwielen und Streifen eines harzigen Sekretes, welche am Blattrand rechts und links von der Einbuchtung der Teilblattchen in mehreren Reihen angeordnet sind. An der Unter- seite des Blattes subepidermal gelegen, gileichen diese Sekret- behalter denen von Lysimachia punctata!). Sie kommen bei vielen Sauerkleearten in Blattern und Zwiebelschuppen vor, und werden von HiLpEBRAND*) als Schutzeinrichtungen gegen Tiere angesprochen. Bemerkenswert ist fast bei allen Species, selbst bei den sauer- sten, die unbedeutende Saéureanhaufung in den Epidermiszellen der Blatt- und Bliitenstiele und der Stengelgebilde. Die Oxalis- arten tibertreffen in dieser Beziehung die Rumex- und Begonia- species. Nur in den Epidermen basaler, fliigelartiger und hautiger Blattstielverbreiterungen von O. crassicaulis, O. variabilis, O. lobata und O. cernua sind gréSere Sauremengen nachzu- weisen. In den tibrigen Fallen tibernimmt, wie schon fiir O. acetosella hervorgehoben wurde, an Stelle der gering siurehal- tigen Epidermis und des schwach entwickelten, subepidermalen Chlorophyllgewebes, das anstoBende Rindenparenchym, welches aus mehreren Schichten sehr grofer Zellen besteht, die Speicherung be- deutender Saurequantitaiten. Diese EKigenschaft des peripheren Paren- chyms genannter Organe tritt ebenfalls bei den Oxalis arten mehr in den Vordergrund als bei den Arten der Gattungen Rumex und Be- gonia, und man kann die betreffenden Gewebeschichten, was Saure- reichtum anbetrifft, mit den Wassergeweben hervorragend saurer Begoniablitter in eine Linie stellen. An die letzteren erinnern sie auch im Bezug auf Chlorophyllmangel und Ausdehnung ihrer Zellen, welche ich, um nur ein Beispiel anzufiihren, in der Haupt- achse von O. incarnata bis zu 2,3 mm Lange und 0,12 mm Weite angetroffen habe. Bei kleineren Arten findet man natiirlich entsprechend geringere Dimensionen. Hinzufiigen will ich noch, da in Blattstielen und Bliitenstanden mit hervortretenden Mark- kérper erhebliche Sauremengen auch dieses Gewebe auszeichnen. Die bei den meisten untersuchten Oxalis species zur Bewerk- stelligung von Schlafbewegungen an der Basis der Teilblattchen und am Grunde der Blattstiele und Bliitensténde vorhandenen Glie- derungen oder Gelenke bestehen aus sehr schwach saurem oder siurefreiem Gewebe. Die sehr kleinzellige Epidermis des Gelenkes, ebenso das Parenchym sind gewohnlich siurefrei, wihrend die ober- 1) pvE Bary, Verg]. Anatomie, p. 219. 2) F. Hirpesranp, 1. c. p. 125. _—E—— rr r——.— Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 367 oder unter Stelle anstofenden Partierhalb diesen die Siure in der fiir die betreffenden Organe charakteristischen Verteilung enthalten. Die Zwiebeln der verschiedenen Oxalisspecies entbehren in ihren Schutz- und Nahrschuppen vollstindig der Siure. Nur O, crassicaulis macht hierin eine Ausnahme. Die durch Ver- wachsung der fleischigen Achse mit den ebenso fleischigen Blattern entstandenen, knollenihnlichen Zwiebeln derselben, denen Schutz- schuppen und Korkschichten fehlen, besitzen zellsaftreiche, peri- phere Schichten, welche nach innen in starkefiihrende tibergehen. Diese Knollenrinde, nebst der zartwandigen Epidermis speichern geringe Siuremengen. Als gering saurehaltige, unterirdische Organe fiihre ich schlieflich noch die zu Wasserspeichern ausgebildeten, riibig an- geschwollenen Wurzeln von O. Deppii und O. lasiandra an. In allen Teilen fast siurefreie Species sind O. rubella und O. hirta. Aus dem Stengelsaft beider werden auf dem Object- triger minimale Kalkoxalatmengen ausgefallt, in der Pflanze jedoch ist der Niederschlag wegen der Anwesenheit groBer Gerb- stofiquantitaten, die durch Chlorcalcium schwarzlich gefallt werden, nicht erkennbar. Von saurem Geschmack ist bei beiden Species nichts wahrzunehmen, dagegen tritt der adstringierende hervor. Zum Schluf gebe ich noch eine Darstellung der Siureverteilung in den Bliiten und Friichten der Oxalisarten. Auch in diesen Or- ganen ist dieselbe eine vorwiegend periphere. WaArsBura’s!) An- gabe, dass die Bliiten die relativ sauersten pflanzlichen Organe darstellen, fand ich, soweit es bei der angewandten Methode ab- zuschaitzen war, wie schon bei den Begonien so auch bei den untersuchten Oxalisbliiten bestiatigt. Die Aciditatsverhaltnisse derselben, die fiir die verschiedenen Species nahezu die gleichen sind, lassen sich sehr gut an Bliiten von O. Ortgiesii beschreiben. Der Bliitenstiel ist in der Epidermis und den peripheren Ge- webepartien sehr sdurereich. Der Bliitenboden besteht aus einem centralen, kleinzelligen und gering sdéurehaltigen Gewebe, dagegen haben sich die peripheren Gewebeteile, auSer der Epidermis zu einem ziemlich miachtigen, sehr grofzelligen, und zartwandigen Wassergewebe entwickelt. Dasselbe umfaft an dem breitesten Teil des Bliitengrundes, unterhalb der Insertion von Kelch- und Blitenblattern drei stark saurehaltige Schichten, wahrend die iiberlagernde Epidermis yon geringerer Acididat ist. Fiir die 1) O. Warsore, |. e, 368 Rudolf Giessler, Kelchblatter sind ahnliche Verhialtnisse beibehalten. Auf die ziem- lich saure, aufSere Epidermis folgt ein siurereiches, grof8zelliges Parenchym, dessen Machtigkeit und dessen Séuregehalt sich nach den Kelchzipfeln zu etwas vermindert. Hieran grenzt siurearmes, griines Gewebe, auf das die, ebenfalls geringe Saiuremengen fiih- rende, innere Epidermis folgt. Die Blitenblatter sind am Grunde in allen Gewebeschichten ziemlich sauer. Nach der Spitze zu bleibt das grofSzellige Paren- chym das saurereichste, wahrend in der Epidermis die Siure mehr und mehr zuriicktritt, bis schlieSlich auch das tibrige Gewebe nur minimale Saéuremengen enthalt. Die Filamente und die Griffel- siule sind in ihren basalen Partien in Epidermis und subepider- malem Gewebe séurehaltig, in ihren oberen Teilen ist dagegen keine Saure nachzuweisen. Am sdaurereichsten fand ich die Bliitenteile von O. carnosa, und zwar besonders die succulenten Kelch- blatter. Die beiden auSeren Kelchblatter, welche vor dem Auf- gehen der Bliite die drei tibrigen und auferdem alle anderen Bliitenteile schiitzend umschlieBen, sind am saurereichsten. Oxalisfriichte, von denen mir nur solche von O. stricta und O. acetosella zur Verfiigung standen, sind vor der Samen- reife auferordentlich siurereich. Auf die aufere, séurereiche Epi- dermis der Fruchtwand folgt ein wasserreiches, grokzelliges Gewebe, welches insofern eine merkwiirdige Anordnung seiner langge- streckten Zellen zeigt, als die Langsachse derselben gegen die anstoBenden Gewebeschichten geneigt ist. Diese schiefe Lage der Zellen ist nur an den weniger michtigen Gewebepartien, in der Nahe der Verwachsungsstellen der Carpelle und unterhalb der Riickennaht, an welcher Stelle zur Entlassung der Samen der Langsrif erfolgt, nicht vorhanden. Die Aciditét der Kapselepi- dermis wird bedeutend von dem Saurreichtum der beschriebenen, wasserreichen Schicht tibertroffen. Nur die Rindenparenchymzellen in den Blattstielen der sauersten Oxalisspecies kénnen, was Saure- inhalt anbetrifft, den Zellen dieses Gewebes an die Seite gestellt werden. Gegeniiber den peripheren sind die inneren Schichten der Kapselaufenwand, naimlich das Chlorophyll fiihrende Gewebe und die innere Epidermis mit ihren in den Fruchtraum hineinragenden, kur- zen Haaren fast siurefrei; ebenso die Gewebe der radialen Facher- wandungen. Die Aufenwand der Oxaliskapsel zeigt demnach in der Siureverteilung eine ziemliche Ubereinstimmung mit den Kelch- blattern. Bei beiden findet sich die Saure in der auBeren Epidermis und in den zellsaftreichen, subepidermalen Schichten, wahrend das Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 369 angrenzende, nach innen gelegene Gewebe an ihrer Speicherung nur geringen Anteil nimmt. V. Allgemeine Resultate. Aus den im vorstehenden Kapitel mitgeteilten Beobachtungen ergiebt sich ohne weiteres als Hauptresultat, da’ die Oxalsiure in der Epidermis oder doch vorwiegend in den peripheren Ge- weben der vegetativen Organe lokalisiert ist. Unterscheiden wir zuerst zwischen ober- und unterirdischen Teilen, so erhalt man die allgemeine Regel, daf die in der Erde verborgenen Teile meist siurefrei sind oder wenn man Riicksicht nimmt auf Auslaufer, Rhizome etc., relativ weniger Siure speichern als die iiber der Erdoberfliche befindlichen. An den oberirdischen Organen ist die epidermale Ablagerung der Saéure am deutlichsten in den Laub- blattern ausgepragt. Tritt die Saure zugleich im Assimilations- parenchym derselben auf, so geschieht dies gegeniiber den in den Oberhauten abgelagerten Quantitaiten in sehr geringen Mengen. Die Haargebilde, vielleicht mit Ausnahme der Begoniazotten sind als séurespeichernd kaum anzufiihren. In zarten und diinnen pflanzlichen Teilen [Nebenblattern, Bliitenteilen der Oxalis- und Begoniaarten| tritt neben der Epidermis auch das Parenchym und sogar dann hauptsachlich als séurespeichernd auf. Ebenso iibernimmt in den Stengelgebilden, Blatt- und Bliitenstielen die Epidermis nicht allein, sondern die Rindenpartie des Paren- chyms gemeinschaftlich mit der ersteren die Speicherfunktion. Selbst das Mark kann in vielen Fallen erhebliche Siuremengen enthalten. Im allgemeinen lift sich feststellen, daf in zellsaftarmen Zellen geringe Séuremengen gespeichert werden. Es zeigt sich dies im allmahlichen Zuriicktreten der Saiure nach den jungen pflanzlichen Organen zu, im Mangel derselben an jungen Keimpflanzen, in den plasmareichen Zellen am Vegetationspunkt, in cambialen Geweben und in den von Krystalldrusen, Chlorophyll oder Starke erfiillten Zellen. Wenn das friihzeitige Erscheinen in jugendlichen pflanz- lichen Organen als eine charakteristische Eigenschaft vieler Schutz- Sekrete gelten kann, so macht demnach die Oxalsiure in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Die Saure ist erst in Alteren Wachs- tumsstadien der Gewebe deutlich nachweisbar, sobald deren Zellen groéfere Zellsaftmengen aufzuspeichern vermigen. Je alter, saft- Bd. XXVIII. N. F. XX. 24 370 Rudolf Giessier, reicher die Gewebe einer oxalsauren Pflanze sind, desto ‘saure- reicher wurden sie gefunden. Das beste Beispiel hierfiir ist der Saurereichtum des Parenchyms in Stengeln und Blattstielen und die hohe Aciditat der Wassergewebe ausgewachsener Blatter. Warpura’s Angabe, daf die Wassergewebe stets am wenigsten Saure, vor allem weniger als das griine Gewebe enthalten sollen, hat sich demnach fiir unser, allerdings nur kleines Untersuchungs- gebiet, nicht bestatigt *). Wenn wir auf die in der Einleitung gegebene Fragestellung zuriickblicken, so ergiebt sich durch die eben angefiihrten Resul- tate der anatomischen Untersuchung, daf die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze sich thatsachlich im Einklang mit ihrer von Srant auf Grund seiner Versuche behaupteten Schutzmittel- function befindet. In der peripheren Verteilung der Oxalsaure auf dem Querschnitt der Organe besitzen oxalsiurehaltige Pflanzen ohne Zweifel eine vorteilhafte Einrichtung zum Schutze gegen die Angriffe kleiner Tiere. Es ist vielleicht nicht uninteressant, wenn zur Charakterisierung dieser biologischen Function der Oxalsaure noch einige weitere Beobachtungen mitgeteilt werden. Stan?) hat mit Schnecken Fiitterungsversuche nur an oxal- sauren Rumexarten angestellt und damit gezeigt, da letztere nur in grofer Nahrungsnot oder nach Auslaugung des oxalsauren Se- kretes genossen werden. Ahnliche Experimente habe ich mit Schnecken an den meisten untersuchten Species aller drei Gat- tnngen vorgenommen, und ich fihre ganz kurz einige der Ver- suchsergebnisse hier an. Die bei uns wildwachsenden, oxalsiurehaltigen Species Ru- mex acetosa, Rumex acetosella, Oxalis acetosella, Oxalis stricta zeigen an ihren natiirlichen Standorten seitens der Tiere niemals intensive Beschidigungen, die eventuell einen Riickgang des Individuums zur Folge hitten. Am wenigsten ver- letzt fand ich immer die an Aciditat die beiden Rumexarten tiber- | treffenden Oxalis acetosella und Oxalis stricta. Es ge- } lang mir nicht eine einzige Tierspecies zu entdecken, die mit Vor- — liebe diese oxalsauren Species als Nihrmittel benutzte, jedoch — kann vielleicht auch bei der fiir den Organismus allgemein 1) O. Warsore, 1. c. | 2) E. Srant, 1. c. pag. 80. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. aia als giftig erkannten Oxalsiure die gegenteilige Anpassung ge- wisser Tiere fiir dieses Schutzmittel nicht als ausgeschlossen be- trachtet werden. Aus den mit omnivoren Schnecken angestellten Experimenten im geschlossenen Raume geht hervor, daf sauerschmeckende Ver- suchsstiicke, solange sie frisch sind, fast regelmaBig unberiihrt bleiben. Zufillig verhandene, abgestorbene und welke Partien der gereichten Objekte werden sofort verzehrt und das Zerstérungs- werk genau bis zu den noch lebenden, siurehaltigen Gewebe aus- gedehnt. Wenn weiterhin bei sich einstellender grofer Nahrungs- not im Anfang die vorgelegten, oxalsauren Pflanzenteile versuchs- weise verletzt werden, so wird das Zerstérungswerk jedoch von den Schnecken in kiirzester Zeit wieder eingestellt. In der Folge wird erst das Welken und Eintrocknen der Verletzungs- rinder und der angrenzenden Blattpartien abgewartet und diese Stellen sieht man dann von den hungernden Tieren eifrig benagt werden. Nur an den mit sehr geringem Sauregehalt versehenen und mit anderweitigen Schutzmitteln nicht ausgestatteten Pflanzen- teilen, (z. B. Blumenkronenblatter der Oxalisarten in ihren oberen Hilften, junge Blatter der verschiedenen Species etc.) werden bei ginzlicher Abwesenheit zusagender Nihrobjekte von ausgehunger- ten Schnecken nach kiirzerer Zeit die Angriffsversuche wiederholt und die einzelnen Stiicke langsam verzehrt. Fiir die Wichtigkeit der epidermalen Saureablagerung in biologischer Hinsicht spricht ein Versuch mit Oxalis Bowiei, bei welcher es gelang, ohne Schadigung des Assimilationsgewebes die sdurereiche Oberhaut der Blattunterseite abzuziehen. Wah- rend intakte Blatter an beiden Epidermen nur mit der Lupe be- merkbare Verletzungen seitens der Versuchstiere erkennen liefen, wurde das durch Abziehen der unteren Epidermis freiliegende griine Gewebe sofort erheblich beschadigt. Die Fre8versuche sei- tens der Schnecken wurden jedoch an diesem bequemen Angriffs- punkt, wie die mikroskopische Untersuchung zeigte, sehr bald deswegen aufgegeben, weil es den Schnecken unméglich gewesen war, Verletzungen der unterhalb des griinen Gewebes noch befind- lichen siurereichen Epidermis zu vermeiden. Die Saure dieses Ge- webes hatte sie schlieflich zum Riickzug gebracht. Dieser Versuch kann auferdem als Beweis fiir die Saureleere des Assimilationsge- webes, einer in den Epidermen gréfere Siuremengen speichernden Species gelten. 24* 372 Rudolf Giessler, Schnecken [Limax agrestis und Helix hortensis], die sich unter Glasglocken zusammen mit Oxalis Bowieiund Oxalis carnosa befanden, nahrten sich drei Wochen von dem zur Feucht- haltung des Raumes benutzten FlieSpapier, ohne die Pflanzen im geringsten anzufressen. Mit Hilfe des Mikroskops konnten aller- dings bei beiden Species Verletzungen an verschiedenen Teilen der Blattepidermen leicht festgestellt werden, dabei war jedoch zu er- kennen, daf es sich nur um ein einmaliges Anschneiden der Ober- hautzellen handelte. Der hervortretende, stark saure Zellsaft hatte den Schnecken jeden ausgedehnteren Zerstérungsversuch unmdég- lich gemacht. Ebenso unbedeutende, makroskopisch kaum wahr- nehmbare Verletzungen an Blattstielen von seiten der Schnecken gingen, wie an Querschnitten zu sehen war, bis zu dem grof- zelligen Rindenparenchym, aus denen die Saéure vollstandig ausge- treten war. Kommen die Mundteile ankriechender Schnecken mit einem Tro- pfen oxalsauren Zellsaftes, dessen Hervortreten aus Epidermen und subepidermalen Geweben man mittelst eines Nadelstiches bewirkt hat, in Beriihrung, so werden die Tiere, selbst wenn schwache Saure- konzentrationen in Frage kommen, sofort zur Umkehr gebracht. Helix hortensis lief sich bei Anstellen dieses Versuches an Blattstielen saurer Oxalisarten, unter schneller Ausscheidung von Schleim, in vielen Fallen direkt zu Boden fallen. Zuletzt sei darauf hingewiesen, daf alle zu den Versuchen verwandte Objekte, sobald in ihnen die Saéure durch Chlorcalcium niedergeschlagen ist, nach sorgfailtigem Auswaschen in Wasser sofort von den Versuchstieren vertilgt werden. Sehr geschidigt werden sah ich oxalsdurehaltige Pflanzen (Oxalisarten) nur durch Blattliuse. Nach den Untersuchungen von BisGen!) kann es jedoch nicht tberraschen, wenn der giftige Saureinhalt gegen diese Tiere keinen Schutz bedeutet. Dieselben wissen einfach das Anstechen saurehaltiger Zellen zu vermeiden. Querschnitte der von den Aphiden befallenen Organe lassen deutlich analog den Resultaten von Biscen den Verlauf des Stichkanals zwischen den Membranen saurereicher Zellen nach saurelosen Ge- webspartien, namlich nach dem Stirkeparenchym und dem Siebteil erkennen. Entsprechende Versuche zeigen, daf die Oxalsiure und das Kaliumbioxalat mindestens ein ebenso starkes Gift fiir Blattlause darstellen, als sie es beide nach den eingehenden Versuchen STAHL’s 1) M. Biscen, Der Honigtau. Jena 1891. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 373 fiir die Schnecken sind. Schon schwach konzentrierte Lésungen beider Stoffe sind geeignet, das lastige Ungeziefer zu vertreiben. Mein Interesse erregten auch die mir waihrend der Arbeit vor- gekommenen, und die Bedeutung der Oxalséure als Schutzsekret charakterisierenden Falle des Vikariierens derselben mit anderen Schutzmitteln. Die hier in Betracht kommenden Verhaltnisse sind zum erstenmale von Sranu ausfiihrlich in seiner Arbeit behandelt worden, so dafi zur naheren Orientierung auf die dort erérterten, interessanten Gesichtspunkte verwiesen werden muf. Auf Seite 62 der citierten Abhandlung wird von Sraui die Regel aufgestellt, daf Pflanzenteile, welche den Schnecken der glatten Oberflache und weichen Konsistenz wegen leicht zugainglich, also mechanisch nicht geschiitzt sind, chemischen Schutz aufweisen, und daf umgekehrt mechanisch geschiitzte Pflanzen chemisch schutzlos gefunden werden. Belege fir die Richtigkeit dieser wohl nicht nur in Bezug auf Schnecken giltigen Behauptung kann ich nur nach einer Seite bringen, da unter den untersuchten Species solche mit hervortretendem mecha- nischen Schutze fehlen. Dieses Zuriicktreten der mechanischen Schutzmittel war, die Richtigkeit der von Sranu aufgestellten Regel vorausgesetzt, bei den Oxalsaure speichernden Species zu erwarten. Als wenig wirksame mechanische Schutzmittel sind an dem vorgefiihrten Material héchstens die rauhen Oberflaichen der Rumexarten und vielleicht die spitzen, mit Cuticularknétchen versehenen Haare der Oxalideen zu betrachten. In der That kann man an dem zur Untersuchung herangezogenen Material vor- wiegend den Satz: Chemisch geschitzte Planzen oder Pflanzenteile entbehren des mechanischen Schutzes, vollstandig bestatigt finden. Die durch starken Sauregeschmack ihrer Safte sich auszeich- nenden Arten besitzen gewoéhnlich nicht die geringste Andeutung eines mechanischen Schutzes. Intensiv saure Organe derselben sind von weicher Konsistenz, ihre Gewebe auferordentlich diinnwandig, zart und durch Tiere leicht verletzbar. Als Beispiele seien unter anderen nur Rumex scutatus, Rumex roseus, Oxaliscarnosa, Oxalis variabilis, Begonia manicata angefihrt. Weiterhin ist zu beobachten, da ein sehr geringer Grad von Aciditiit oder das ganzliche Fehlen der Siure das Auftreten eines anderen Schutzmittels in den betreffenden pflanzlichen Organen im 374 Rudolf Giessler, Gefolge hat. An dem zur Untersuchung verfiigbaren Material tritt fast durchweg der als Schutzstoff auBerst wirksame Gerb- stoff') mit der Saure im Vikariationsverhiltnis auf. Fast immer entspricht einem Fehlen der Saéure in irgend einem pflanzlichen Organ eine peripherische Anhiufung von Gerbstoff. Wechselbe- ziehungen der Saure mit anderweitigen Schutzmitteln sind selten. Saure und Gerbstoff vikariieren miteinander entweder bei verschiedenen Arten innerhalb der Gattung oder in den Vege- tationsorganen eines und desselben Individuums. Was die Vikariation der Schutzmittel innerhalb derselben Gattung anbetrifft, so mége zur Charakterisierung der Verhaltnisse ein von Stan. gefundenes Bei- spiel nochmals angefiihrt sein. Sedum acre fihrt ein brennend scharfes Alkaloid und auferdem sehr geringe, zur Schutzwirkung nicht geeignete Mengen Gerbstoff. Sedum boloniense (sexangulare) dagegen ist durch starken Gerbstofigehalt ausgezeichnet, so daf demnach als Schutzmittel bei diesen beiden, sich sehr nahe stehenden Species das Alkaloid und der Gerbstoft vikariieren. Ahnliche Beispiele begegnen uns innerhalb des vorliegenden Untersuchungsgebietes bei den Rumexarten. Wie schon her- vorgehoben wurde, sind R. alpinus, R. sanguineus, R. salicifolius und R. conglomeratus saurefreie Species und R. patientia und R. crispus enthalten nur Spuren von Saure, durch welche die Immunitaét der Pflanze keineswegs bewirkt werden kann. Alle diese Arten sind dafiir aber typische Gerb- stoffpflanzen, welche den Gerbstoff in allen Teilen in betracht- licher Konzentration, hauptsachlich auch in der Wurzel enthalten. Die Verteilung dieses Sekretes auf dem Querschnitt der Organe ist wie bei der Saure vorwiegend die periphere. Dieselbe Erscheinung lasst sich innerhalb der Gattung Oxalis fir O. rubella und O. hirta feststellen. Bei diesen konnten im Stengel minimale Saéurequantitaéten nachgewiesen werden, welche als Schutzmittel fiir die Pflanze ganzlich nutzlos sind. Dagegen ist als Schutzsekret bei beiden Arten der Gerbstoff in grofSen Quantitaten innerhalb derjenigen peripheren Gewebe abgelagert, welche bei oxalsauren Formen von der Séure eingenommen werden. Kine gréfere Mannigfaltigkeit im Vikariieren von Gerbstoff und Saure la%t sich an einer und derselben Pflanze verfolgen. Bei keiner sauren Species war die Oxalsiure als Schutzmittel 1) E. Sraut, 1. c. pag. 32 ff. Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 31D in allen Organen vorhanden, sondern Saureleere gewisser Teile ist an jeder Art nachgewiesen worden. In den meisten Fallen wird dann durch das Auftreten von Gerbstoff in den saurefreien Teilen die Pflanze allerorts gegen tierische Angriffe geschiitzt. Ganz allgemein ist in dieser Hinsicht bei Oxalsaure fiihren- den Formen die Vikariation des Gerbstoffs mit der Saéure im Bezug auf die unterirdischen Organe. Die saurefreien Wurzeln aller drei Gattungen sind gerb- stoffreich und als speichernde Gewebe fungieren die Epidermis, Rinde und Schutzscheide. Ebenso enthalten die saurefreien Rhizome der Begonien stark adstringierende Safte, und in den Oxaliszwiebeln, mit Ausnahme derer von Oxalis crassi- caulis, welche, wie oben erwahnt wurde, in den peripheren Geweben Saure speichern, findet sich der Gerbstoff reichlich in den Schutz- und Nahrschuppen abgelagert. Nebenbei bemerkt kommen bei verschiedenen Oxalisarten als chemische Schutzstoffe neben dem Gerbstoff auch noch klebrige, dlige Substanzen, welche an der Peripherie der Zwiebelschuppen ausgeschieden werden, in Betracht. Ferner ist ein rotliches Harz in den subepidermalen Gewebeschichten der Schuppen nicht zu vergessen, welches schon von HinpEBRAND!), wie erwahnt wurde, als Schutzmittel der Zwiebelschuppen gegen Tierfraf angesehen wird. In den oberirdischen Organen saurer Species vikariiert gleich- falls der Gerbstoff mehrfach mit der Saure. Von Interesse in dieser Hinsicht sind hauptsachlich die Vikariationsverhaltnisse an den des Schutzes gegen Tierangriffe in erster Linie bediirftigen, jiingsten, vegetativen Pflanzenteilen. An diesen wurde, wie man sich erinnern wird, innerhalb der drei Gattungen gewoéhnlich ein ganzliches Fehlen der Saéure oder das Vorhandensein nur geringer Quantititen festgestellt, dagegen 6fters auf den an diesen Teilen sich bemerkbar machenden, adstringierenden Geschmack hinge- wiesen. Thatsachlich tibernimmt in diesen Fallen der Gerbstoff die Rolle als Schutzsekret, nur da’ er an diesen Jugendstadien der Organe weniger in den Epidermen und spiter saure Safte fiihrenden Geweben, als vielmehr in den Haargebilden, Spalt- dffMungen und den Chlorophyll enthaltenden Geweben abgelagert wird. Junge, siureleere Blattchen von Rumex acetosella und Rumex acetosa sind in allen Geweben gerbstoffhaltig, vornehm- lich in den Papillenhaaren, den zahlreichen Spaltéffnungen und 1) F. Hitpksranp, 1. ce. 376 Rudolf Giessler, deren Nebenzellen. Die tbrigen, sauren Rumexarten speichern in den von den Stipulae umschlossenen, saureleeren Blattern reichlich Gerbstoff und bei simtlichen Begonien sind die jungen Organe innerhalb der breiten, stark sauren Nebenblattgebilde hauptsachlich in den dichtstehenden Zotten, den Képfchenhaaren und im Assimilationsgewebe gerbstoffreich. Bei den sauren Oxalisarten, mit Ausnahme von Oxalis carnosa, deren junge, aus dem Stamm hervortretende Organe schon sehr siurehaltig sind, treffen wir an den jiingsten Blattern und Bliitenknospen auf eine dichte Hoéckerhaarbekleidung. Die- selbe schon durch die hervorgerufene rauhe Oberflache als Schutz- einrichtung bedeutsam'!), wirkt in letzterer Hinsicht auSerdem durch den intensiven Gerbstoffgehalt der einzelnen Trichome. Die eng zusammenstehenden, dicht anliegenden Haare, welche stets siurefrei gefunden wurden, ersetzen aus dem genannten Grunde eine gerbstofireiche Epidermis und, wie Versuche zeigen, werden in dieser Weise geschiitzte Pflanzenteile von Schnecken ebenso unverletzt gelassen, als siurehaltige Objekte. Was fertig ausgebildete, pflanzliche Teile saurer Species be- trifit, so giebt es nur wenige Falle, in welchen als Schutzsekret ausschlieflieh der Gerbstoff in Frage kommt. Vikariationsbei- spiele in dieser Hinsicht liefern allein die saurefreien Bliitenteile von Rumex acetosa und Rumex acetosella, ferner die Samen von den Species aller drei Gattungen. Mit dem Erscheinen der Saure in alteren Entwickelungs- stadien jugendlicher Organe tritt die Bedeutung des Gerbstofis als Schutzmittel zuriick. Intensiv saure Pflanzenteile enthalten meistenteils nur ganz geringe, fiir die Schutzwirkung nicht in Be- tracht zu ziehende Gerbstoffmengen. Unbedeutenden Gerbstoffnieder- schlag erzielt man bei ihnen héchstens in den séurefrei oder siure- schwach gefundenen, Chlorophyll fiihrenden Geweben, in den Spalt- éffmungen nebst deren Nebenzellen (Rumexarten, Begonien) und in den vereinzelt stehenden Haargebilden. Ein anderes Ver- halten, auf welches zum Schlu8 in wenigen Worten noch einge- gangen werden soll, bemerkt man jedoch vielfach an pflanzlichen Organen, denen eine geringe Aciditat zukommt. In den Geweben derselben lassen sich oft Saiure und Gerbstoff nebeneinander an- 1) Uber die Bedeutung von rauhen Oberflichen als Schutzmittel vergl. Kunrzz, 1. c. und Sraut, 1. ¢. | Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 377 treffen, und da beide Sekrete auch in der Peripherie der Organe abgelagert werden, so ist die Immunitaét der letzteren ohne Zwei- fel beiden zugleich zu verdanken. Solche Pflanzenteile schmecken sowohl sauer als adstringierend. Saure und Gerbstoff stehen bei diesem gleichzeitigen Auftreten in den Geweben und inner- halb der Zellen in einem 4hnlichen antagonistischen Verhiltnis, wie es schon zwischen der Saiure und anderen Zellinhalten ange- deutet wurde. In vielen Fallen speichern die Zellen, in denen Gerbstoffreaktion eintritt, roten Farbstoff. Von Pflanzen, welche diese Verhaltnisse aufweisen, sind die beiden Ampferarten Rumex acetosella und Rumex ace- tosa zu nennen. Dieselben fiihren Gerbstoff in der gering siure- haltigen Epidermis und dem griinen Gewebe jiingerer Blatter. Im Blattstiel speichern die Epidermis nebst Collenchym und Rinden- parenchym neben der Saéure auch Gerbstofi, ferner ist die saure- freie GefaSbiindelscheide gerbstofthaltig. Gleiche Verhaltnisse zeigt der Stengel dieser Pflanzen, vor allem in der Bliitenregion, in welcher Gegend den basalen Stengelpartien gegeniiber sich stets eine Abnahme der Aciditat feststellen lieB. Die Begonien mittlerer Aciditat (B. Rex, B. ricinifolia, B. imperialis-smaragdina, B. scandens, B.Scharffiana, B. argyrostigma, B. fuchsioides, B. acerifolia) speichern in den peripheren Geweben ihrer Blattstiele und Stémme (Epidermis mit Zotten, Collenchym, Rindenparenchym), ferner in der unteren Blattepidermis, am Blattrand und den Haarge- bilden neben der Saure oft grofe Gerbstoffquantitaten. Auch die Sprofachsen der Oxalisarten enthalten in ihren Geweben neben der Saure oft bedeutende Gerbstofimengen (O. carnosa, O. Ortgiesii, O. stricta u. a.). Die gegebene Darstellung von Vikariationserscheinungen schlieft ohne Zweifel neue Beweisgriinde fiir die hier in Frage kommende biologische Aufgabe der Oxalsiure in sich und so diirfte, wenn man das gesamte vorgefiihrte Thatsachenmaterial in Rechnung zieht, die Bedeutung der Oxalsiure als Schutzstoff sicher festgestellt sein. Am Schlusse der Arbeit méchte ich jedoch hin- sichtlich der Untersuchungsergebnisse in kurzen Worten noch an die in der Einleitung gemachte Bemerkung ankniipfen, nach wel- cher die Schutzfunktion eines Sekretes in keiner Weise andere Leistungen desselben ausschlieBt. Beispielsweise kann die vor- wiegend periphere Lokalisation der Oxalséiure mit einer weiteren 378 Rudolf Giessler, Lokalisation d. Oxalsiure in d. Pflanze. Funktion, als der des Schutzes und vielleicht sogar in erster Linie mit dieser anderen in Zusammenhang gebracht werden. Wenn wir die Epidermis der vegetativen Organe nach WESTER- MAIER!) als ein Wasserversorgungssystem fiir die tibrigen, vor allem fiir das subepidermale Assimilationsgewebe auffassen, so laft sich zweifellos zu dieser Funktion der Oberhaut die in ihr erfolgende Saureablagerung in engste Beziehung bringen. Die osmotisch auferst wirksamen, organischen Saiuren?), also auch die Oxalsiure, vermitteln unter fiir die Wasseraufnahme giinstigen Ver- haltnissen eine starke Fillung der Zellen, in denen sie enthalten sind. Bei eingetretener Trockenheit kommt dann das aufgespei- cherte Wasser den tibrigen Geweben zu gute. Bedenkt man, daf z. B. die succulenten Begonien und Sauerkleearten*) meist an den trockensten Standorten zu finden sind, so tritt diese Bedeutung der epidermal abgelagerten Oxalsiure als Schutzmittel gegen die Gefahren des Austrocknens in den Vordergrund. e Diese Funktion der Oxalsiure gewinnt noch an Bedeutung, wenn man beriicksichtigt, daf die mit hervorragender Aciditat ausgestatteten Pflanzen oder deren Organe fast jedes sonstigen Schutzmittels gegen gesteigerte Transpiration entbehren. Je hoher die Aciditét der pflanzlichen Organe gefunden wird, desto geringer ist bei allen untersuchten Formen die Behaarung, desto diinn- wandiger sind die peripheren Gewebe. Bei oberflichlicher Be- trachtung scheinen die sauersten Species gegen die Verdunstung ihrer Zellinhalte vollstandig wehrlos. Das analoge Wechselverhaltnis fand ich bei schwach sauren und séurelosen Organen, an denen dann unzweifelhafte Schutzein- richtungen gegen Gefahren von Trockenperioden erscheinen, also Haarbekleidung, Membranverdickung und Peridermbildung, oder bei einigen Begonien (B. argyrostigma, B. Scharffiana) in der Epidermis collenchymatische Aussteifungsgertiste gegen ein Zu- sammenschrumpfen der Zellschichten bei starker Transpiration *). 1) W. Wesrermater, Uber Bau und Funktion des pflanzlichen Hautgewebesystems. Prinesurim’s Jahrb. fiir wissenschaftl. Botanik, Bd. XIV, Heft 1, 1883, p. 43 ff. 2) H. pr Vries, Uber die Bedeutung der Pflanzensiiuren fiir den Turgor der Zellen. Bot. Ztg. 1879, p. 847. — —, Uber den Anteil der Pflanzensiiuren an d. Turgorkraft wachsender Organe. Bot. Ztg. 1883, p. 849. 3) W. Hivpesranp, |. ec. 4) W. Westermater, l.: c. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. Erster Teil. Von Dr. Karl Camilio Sehneider, Breslau. Mit Tafel X—XVI. Einleitung. In meiner Arbeit tiber die Zelle (14) war ich betreffs des Zellbaues von Eiern zu Ergebnissen gelangt, die sich folgender- mafen formulieren lassen: 1) Die Zellen (speziell die von mir untersuchten) bestehen aus einem Maschenwerk von geschliingelt verlaufenden, gleich- mibig starken Faden (Fasern, Balken, Fibrillen, Aivov); aus kor- nigen Gebilden (z. B. Chromatin) und aus einer, der Substanz nach nicht naher zu charakterisierenden, Grundmasse (Zwischen- masse, Interfilarsubstanz). 2) Die Fasern sind kontraktionsfahig und besorgen die Be- wegungen (aktive) der Zelle (z. B. durch Hervorragen aus der Grundmasse als Wimpern) und die Verlagerungen bewegungsun- fahiger Substanzen in der Zelle. 3) Die Kern-, Vakuolen- und viele Zellmembranen erscheinen als Verkittungsprodukte der Fibrillen; ein Unterschied von Kern- und Protoplasmasubstanz besteht demnach in Bezug auf das Ge- riist nicht. 4) Die Kernmembran bewirkt die dauernde Gruppierung der Chromatinkérner auf einen bestimmten Raum, indem sie die im Kern gelegenen Faserabschnitte in der Wandung fixiert und so 380 Karl Camillo Schneider, in ihren Bewegungsiuferungen behindert. Jedenfalls ist diese Vereinigung (meist Centrierung) fiir die vegetativen Vorgange in der Zelle (Ernaihrung, Teilung) von gréftem Werte. 5) Die Teilung (indirekte) aufert sich als eine Verlagerung der halben Chromatinmassen durch Arbeit der Fibrillen (Sphare, Sonne, Spindel) in die zwei Zerfallprodukte des Zellkérpers. Diese fiinf Ergebnisse, die ja im grofen Ganzen durch die so bedeutungsvollen Arbeiten vAN BENEDEN’s, BoverRt’s, FLEM- minG’s, der Gebriider Hertwic, Rasu’s und vieler anderer For- scher angebahnt wurden und auf ihnen beruhen, bildeten fir mich die Grundlage der in dieser Arbeit zu schildernden Untersuchun- gen. Als Arbeitsmaterial dienten mir wahrend eines fast 6-monat- lichen Aufenthaltes an der Zoologischen Station zu Neapel Ver- treter aller Coelenteratengruppen (mit Ausnahme der Spongien); da die Untersuchung bei einzelnen Species sich nur auf einen Vergleich mancher Verhaltnisse mit denen anderer, ausftihrlicher untersuchter, beschrankte, so werde ich die Befunde an ersteren Formen nur kurz der Beschreibung letzterer zuftigen. Fiir die Erméglichung der Arbeit bin ich dem sachsischen Ministeriam des Kultus, welches mir einen Arbeitsplatz bewilligte, sowie dem Ministerium des Kéniglichen Hauses, welches mir ein reichhaltiges Stipendium aus der ,,Kénig-Johann-Stiftung™ er- wirkte, zu besonderem Danke verpflichtet. Auch spreche ich fir die Zuvorkommenheit, mit der von den Beamten der Station meinen Wiinschen Beriicksichtigung zu teil wurde, meinen auf- richtigen Dank aus. Methoden. Als giinstig fiir die Untersuchungen erwies sich nur das Mazerationsverfahren in Verbindung mit Tinktion durch Pikro- karmin oder Brae’s Karmin. Farbungen des lebenden Tieres mit Methylenblau, die ich bei Ctenophoren und acraspeden Me- dusen versuchte, mifgliickten durchaus; ich gab deshalb die Ver- suche, die mir nur Zeit raubten, bald auf; vielleicht ist der Er- folg bei andauernder und methodischer Behandlung grofer. Schnitte wurden nur zur Orientierung angefertigt; fiir rein histo- logische Fragen fand ich sie nicht brauchbar. Als mazerierende Fliissigkeit gebrauchte ich eine dem Hrerrwia’schen Gemisch (5) aibnliche Mischung der Osmium- und Essigsiure: auf 22 Teile Seewasser kamen 2 Teile 1-proz, Osmiumsiure und 1 Teil Eisessig. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 381 Diese Mischung war gleich giinstig fiir alle untersuchten Tiere, nur mufte die Anwendungsdauer wechseln. Mafgebend fiir diese erschien mir die Farbung, welche die Tiere in der Fliissigkeit annahmen; sobald eine lichte Braiunung eintrat, war meist die Hartung und Mazerierung eine geniigende (die Zeit schwankte zwischen 1'/, fiir sehr zarte bis gegen 10 Minuten fiir wider- standsfahigere Objekte). Die Erfahrung ist hier die einzige, aus- reichende Lehrerin; auch ertragen die Tiere oft ganz verschieden lang die Einwirkung der Reagentien, was mir vor allem bei Ab- tétung des Stammes der Siphonophoren unangenehme Schwierig- keiten bereitete. Untersuchungen. A. Siphonophoren. Forskalea contorta LEUCK. Das Ektoderm des Mauerblattes der Polypen bildet eine flache Zellenlage (Fig. 1), in welcher die Zellumrisse nur hie und da zu er- kennen sind. Man sieht, im Protoplasma eingeschlossen, grofe, meist ovale, sich nur sehr leicht tingierende Kerne mit gro’em Nucleolus, und einzelne, deutlich begrenzte Zellen, entweder mit mehr homoge- nem, sich gleichfalls fairbendem Inhalt, oder von vakuolirem Bau. Vielleicht haben wir in diesen Elementen Driisenzellen zu erkennen. Die lingsverlaufenden Muskelfasern sind schmal-bandformig, mit spitz zulaufenden Enden, die éfters direkt in die Stiitzlamelle ein gehen; basale Fortsatze in letztere fand ich nirgends. Die untere Kante der Bander ist etwas in die Lamelle eingesenkt; hieraus er- klart sich die feste Vereinigung beider. Ganglienzellen konnten bei guter Mazeration isoliert werden; sie zeigen (Fig. 2 u. 3) grofe Kerne mit kleinen Kernkérperchen und stimmen in Form und Verhalten zu Farbstoffen ganz mit den von den Medusen be- kannten tiberein. Die Stiitzlamelle enthalt feinste Fasern, die viel zarter als die Muskelbinder sind und gestreckt verlaufen. AuSer- dem finden sich auch vereinzelte spiralig gewundene, die an ela- stische Fasern erinnern. Die Verdickung des Ektoderms an der Basis der Polypen zeigt bei Osmium-Essigsiuremazeration eine Fille merkwiirdig ge- stalteter, locker zusammengefiigter Elemente, die sofort an die Knor- pelzellen des Nesselwulstes der Carmarina, wie sie von den Ge- briidern Hertwic (5) beschrieben wurden, erinnern; sie erscheinen 382 Karl Camillo Schneider, héchst unregelmafig umrissen und von starrem, solidem Aussehen; es treten glinzende, meist symmetrisch angeordnete Leisten hervor, die dem Ganzen allerdings den Charakter eines Stiitzelementes ver- leihen. Lebend ahneln diese Gebilde indessen durchaus den Jugend- stadien der Nesselzellen, und es gelang mir in der That auch, die Identitat beider festzustellen. Da das Gleiche nach meinen Be- obachtungen auch fiir Carmarina hastata gilt — eine sekun- dire Umbildung der jungen Nesselzellen zur Erhéhung der Stiitz- fahigkeit konnte ich nirgends auffinden — so erscheint mir die Deutung der ektodermalen Verdickungen als Stiitzwulste nicht allgemeingiltig und ihre Funktion geniigend erschépfend. Denn inwiefern hatte ein leicht beweglicher Polyp, wie die Nahrtiere der Siphonophoren, eine Stiitze nétig? Sollte dagegen nicht die tiber- all zu konstatierende Nebeneinandergruppierung der Bildungs- stiitten von Nesselzellen mit den Verbrauchsstatten auf Beziehun- gen zwischen beiden hinweisen? Vom Stiel der Polypen, direkt an deren Basis, entspringen die Fangfiden, auf denen, und zwar in den Nesselknépfen, ein enormer Verbrauch an Geschossen statthat; bei Carmarina erheben sich die Tentakeln aus dem Nesselwulst, bei Cunoctantha octonaria oberhalb der Peronien (die Wiison (15) gleichfalls als Stiitzwulste auffaBt) — daraus scheint mir zu folgen, dal eine Wanderung der jungen Nessel- zellen von dem Entstehungsherde nach den Punkten reichlichen Verbrauches angenommen werden mu. Diesen Vorgang direkt zu beobachten, war mir indessen unmédglich. Der Zusatz der Osmium-Essigsiure zum lebenden Objekt wirkt auf die jungen Nesselzellen des Wulstes stark verandernd und selbst zerstérend ein. Die Wandung um den inneren, sekret- gefiillten Raum zerplatzt meist, und die Zelle gewinnt hierdurch, wie durch die gleich noch zu schildernde Lagerung des Schlau- ches ihr groteskes Ansehen. Da man an den lebenden Zellen aufer den Widerhaken nichts vom Schlauch wahrnimmt, so muf ich es als einen gliicklichen Zufall betrachten, der mich versuchs- weise 50 Proz. Essigsiure dem Gewebe zusetzen lief und die iiberraschendsten Bilder lieferte. Man kann die Einwirkung er- wihnter Siure an den isoliert im Wulst liegenden, nur in gerin- ger Anzahl vorhandenen, Jugendstadien der grofen, ovalen Nessel- zellen, die uns in den Nesselknépfen begegnen werden, sehr gut beobachten; es macht sich sogleich eine Wandung um einen homogenen Raum und réhrenférmige, lichte Streifen im Umkreis derselben, wo auch Protoplasma vorhanden ist, bemerkbar. Die Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 383 Streifen sind Fortsetzungen des scharf umgrenzten Raumes und stellen als solehe die Anlage des Nesselschlauches au8erhalb der Kapsel dar. Von einer Auswerfung des etwa beim lebenden Objekte im Innern der Kapsel gelagerten Schlauches durch den Reiz, wie die starke KEssigsiure ihn ausiibt, kann nicht die Rede sein, denn dieser Vorgang miifte zur Beobachtung gelangen — er ist sonst mit Leichtigkeit bei jeder Nesselzelle zu konsta- tieren —; ferner ist die Lagerung des Schlauches um die Kapsel eine durchaus regelmafige und drittens erscheimt der Schlauch nicht frei aufgerollt, sondern von den Fasern der Protoplasma- decke dicht umsponnen. Schlieflich deutet die Anordnung des Protoplasmageriistes an ganz jungen Stadien, die einen Schlauch noch nicht wahrnehmen lassen, auch auf eine Ent- wickelung desselben aulerhalb der Kapsel. In der gleich fol- genden Schilderung des Entwickelungsganges, wie ich ihn jetzt annehme, werde ich daher die auf Tafel X dargestellte Bilderreihe im angegebenen Sinne zu deuten versuchen, und wenn es mir auch nicht gelang, samtliche Einzelheiten physiologisch aufzukliren, so scheint mir doch die fernere Vertretung einer Entstehung im Kapselinnern, wie ich sie in meiner Arbeit tiber Hydra (13) an- nahm, durchaus unstatthaft (siehe weiteres in der Litteraturbe- sprechung). Ich habe nur die Ausbildung der grofen, ovalen Nesselkapseln genauer studiert; von der der tibrigen kann ich allein angeben, daf der Faden auch auferhalb der Kapsel angelegt wird. Alle gehen hervor aus indifferenten, kleinen Zellen, die in der Tiefe des Wulstes liegen und oft fast nur aus dem Kern bestehen. Die Umrisse sind sehr verschieden, die Protoplasmastruktur aber in allen die gleiche (siehe Fig. 22 u. 23), d. h. das Protoplasma stimmt im Bau tiberein mit dem der Eier des Strongylocentrotus lividus, die ich in meiner diesbeziiglichen Arbeit (14) als ganz urspriinglich in der Substanzanordnung hinstellte (siehe S%. 3—) der citierten Arbeit und Nr. 1 der Zusammenstellungen in der oben gegebenen Einleitung). Als jiingstes Entwickelungs- _ Stadium ist Fig. 4 aufzufassen; es zeigt sich hier im Innern der stark vergréferten, indifferenten Zelle ein sekretgefiillter Raum, um welchen sich die Protoplasmafaden zum Teil ziemlich regel- mafig anordnen. Daf der Raum von einer Membran umschlossen wird, deutet schon die scharfe, rundliche Begrenzung desselben an; Fig. 7, die die Protoplasmahiille vermissen laft — sie ist jedenfalls durch Druck abgestreift worden — zeigt die Wandung 384 Karl Camillo Schneider, jedoch sehr klar und giebt zugleich iiber deren wahrscheinliche Entstehung willkommen Aufschluf. Wir bemerken namlich dort, wo das verjiingte Kapselende abgerissen erscheint, die Enden zarter Fibrillen, welch letztere direkt in die Membran eingehen und in dieser noch streckenweise zu verfolgen sind. Hieraus folgere ich, dafi die inneren Kapselwandungen auf gleiche Weise entstehen, wie die Kern-, Vakuolen- und andere Membranen (siehe Einleitung); daf sie Verklebungsprodukte der Linen des Geriistes sind. Nur der Unterschied wiirde zu den anderen, angefiihrten Membranen vorliegen, daf hier der Zusammenhang der Faden in der Membran mit denen des Protoplasmas und Kerns aufgegeben wird. Dies darf uns indessen gar nicht befremden, da ja bei Zell- teilungen gleichfalls eine teilweise Ablésung der Linien von der Mem- bran statthat. — Wie die Kapselwand, so scheint auch die Schlauch- wandung durch Fibrillenverklebung sich zu bilden, denn an Stelle der gleichmaSig den Sekretraum umziehenden Fasern finden sich an vorgeschritteneren Stadien die Windungen des fast immer ebenso regelmifig gelagerten Schlauches, nachdem schon friiher (Fig. 5 u. 6) der dickere Anfangsteil als buckelf6érmiger Aufsatz auf der Kapsel oder als weiter, lichter Streifen in deren Umkreis bemerkbar wurde. Fig. 6 zeigt noch, da’ die gleichmafig verteilten Fasern nicht die ganze Wandung der Kapsel tiberziehen; der rundliche, hellere Fleck lait Fibrillen tiberhaupt fast ganz vermissen. An Fig. 8 fallt auBer der extrakapsularen Lagerung des Schlauches und des hier etwas unregelmafigeren Verlaufes desselben vor allem seine relativ ziemlich bedeutende Dicke auf, die wir an allen spateren Stadien, welche ihn noch auBerhalb der Kapsel zeigen (Fig. 9, 10, 11 u. 12), gleichfalls erkennen, und die beweist, da8 mit der fortschreitenden Schlauchbildung auch eine Verschie- bung oder Neubildung von Sekret in dem Schlauchinnern sich volizieht. Sobald der Schlauch sich im Kapselinnern befindet, erscheint er sehr diinn, also sekretleer, und es ist daher denkbar, da’ die Verdrangung des Sekretes aus dem Schlauch mit der Einstilpung desselben in einem bestimmten causalen Ver- hiltnis steht. Da jedoch hierfiir kein direkter Beweis erbracht werden konnte, begniige ich mich damit, die vorliegenden Bilder in der Reihenfolge, in der sie aufeinander zu folgen schei- nen, morphologisch zu deuten. Wie Fig. 9, wo durch Druck die Protoplasmahiille von der Kapsel abgestreift sich darstellt, zeigen Fig, 11, 12 und 13 den Schlauch entweder vollig isoliert von der Kapsel abgehoben oder doch im Verein mit dem Proto- plasma von dieser entfernt; die beiden letzteren geben aber auch Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 385 in klarster Weise ein Bild von der Verlagerung des Schlauches in das Kapselinnere, und zwar sehen wir, daf das Schlauchende, nicht der dicke Anfangsteil, zuerst in die Kapsel eintritt. Ein Teil des diinnen Abschnittes, wie auch der dickere befinden sich noch in der Protoplasmadecke, wahrend ein anderer Teil bereits als zarter, dicht zusammengerollter Faden im Sekretraum glinzt; in Fig. 13 ist sogar nur noch die der Kapsel néichste Partie des Anfangsstiickes auSferhalb zu sehen, und auch diese deutet durch die Querrunzelung auf eine baldige Einstiilpung hin. Véllig voll- zogen ist sie in Fig. 14, wo der Anfangsteil des Schlauches noch stiirker geschrumpft sich darstellt, als in Fig. 13 auferhalb der Kapsel. Wie es scheint, geht die Streckung desselben, die Fig. 15 und 16 wiedergeben, Hand in Hand mit der Ausbildung der Widerhaken, die sich in seinem Innern vollzieht. Da ich jedoch mehr, als die zuletzt genannten Bilder darstellen, nicht ermitteln konnte, so muf ich hier die Entwickelung der Nesselkapseln ab- schliefen, und es bleibt daher die Lésung der Fragen nach Ur- sprung der Haken und der duferen Kapselwandung (die aber sicher im Wulst der Polypen sich nicht ausbildet) der zukiinf- tigen Forschung vorbehalten. Zwischen den Jugendformen der Nesselzellen finden sich im Basalwulst der Polypen lingliche Elemente, die als Stiitzzellen aufgefafit werden kénnen. Fig. 17 und 18 geben ein Bild ihrer un- regelmaBigen Formen; die rundlichen Einbuchtungen riihren vom Druck der angelagerten Nesselzellen her. In der zweiten Ab- bildung habe ich mich bemiiht, die Struktur des Protoplasmas, die eine fiir die Stiitzzellen im allgemeinen sehr charakteristische — meinen Befunden gemals — zu sein scheint, darzustellen. Ks fallen sofort Verdickungen der Geriistsubstanz auf, die im grofen Ganzen lings ziehen und ganz regellos sich spalten oder mit an- deren vereinen. Die Ubergainge zwischen diesen groben Geriist- bildungen zu den zarten, welche in den indifferenten Zellen von mir beschrieben wurden (siehe Einleitung) und auch hier vorkom- men und yon mir, so gut es ging, als zartes Maschenwerk ange- deutet wurden, machen es mir héchst wahrscheinlich, daf die dicken Balken auch aus Faden aufgebaut sind, die, wie in den Membranen, untereinander verklebten. Als Anlaf fiir diese sekun- dire Vereinigung diirfen wir jedenfalls die Druckauferung der umgebenden Nesselzellen ansehen, die ja schon die Einbuch- tungen im Protoplasma der Stiitzzellen und deren lang ausge- zogene Form hervorrief. Bd, XXVIII. N, F. XX. 25 386 Karl Camillo Schneider, Litteratur: Da ich die verschiedenen Auffassungen iiber die Bedeutung der Wulstbildungen, die sich aus Jugendstadien von Nesselzellen zusammensetzen, schon im Text erwahnt habe, so bleibt hier nur noch eine Besprechung der Ansichten betreffs der Nesselkapsel- und Schlauchentwickelung tibrig. Nur Jicker (6) und NusspAum (12) vertraten eine Schlauchbildung auSerhalb der Kapseln, welcher Auffassung sich neuerdings auch Zoua (17) anschlof; simtliche iibrige Autoren, wie auch ich selbst (13) frii- her, beobachteten aber eine intrakapsulire Anlage; so zuerst Mosius (11) in seiner vorziiglichen Schilderung der Nesselge- schosse, weiterhin Bepor bei Hydra, Porpita und Velella (1), ferner WILSON (16) bei einer neuen Actinie, Hoplophoria coralligens, und vor kurzem noch Cuun (3) bei Stephanomyiden der Canarischen Inseln. So schwerwiegend diese Ansichten auch den von mir jetzt vertretenen gegentiber erscheinen miissen, so kann ich sie doch nicht als beweiskraftig genug ansehen; denn ebensogut, wie ich glaube, bei Hydra verschiedene Stadien der Entwickelungsreihe tibersehen zu haben — bedarf es ja doch einer vorziiglichen Konser- vierung des lebenden Gewebes, um klare Bilder zu gewinnen — mochte ich dies auch fiir jene Beobachtungen fiir méglich erachten. Im Entoderm der Polypen fanden sich vier Zellarten, deren eine aber nur durch besonders giinstige Mazeration isoliert wer- den konnte. Wir miissen in dieser Nahrzellen erkennen, da die tibrigen sich als Sekret-, indifferente und Ganglienzellen erweisen. Die Struktur der ersteren ist eine auferordentlich lockere und unregelmabige; wir sehen in Fig. 19 und 20 dicke Geriistbildungen welche geriistleere Riume umschlieSfen (vielleicht Vakuolen) und die selbst wieder von zartem Maschenwerk mit glinzenden, kér- nigen Einlagerungen, welche in Fig. 19 am deutlichsten gezeich- net sind, umsponnen werden. Diese merkwiirtlige strukturelle Ausbildung der Nahr- oder Epithelmuskelzellen ist Ursache, daf bei Zusatz der Reagentien die einzelnen Elemente leicht in eine Menge Bruchstiicke zerfallen, wodurch natiirlich eine Diagnose unméglich wird. Nur peripher und in der Kern- und Muskel- region ist das Geriist engmaschiger; die schmal-bandformigen Muskeln werden von ihm in ihrem ganzen Verlauf, welcher ein weit kiirzerer, als der der ektodermalen Muskeln, ist, be- gleitet. Mit der Lamelle sind die Muskeln, wie ja auch jene nicht durch Zapfenbildungen (was z. B. bei Hydra (18) der Fall ist) verbunden; da sie auch nicht im geringsten in diese einge- senkt erscheinen, so ist erklarlich, da sie sich sehr leicht ab- Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 387 lésen und in Verbindung mit der Zelle isoliert werden kénnen Von den Strangbildungen im Geriist sind die Bander trotz des gleichen Glanzes — ich habe nur der Unterscheidung wegen erstere dunkel, letztere hell gezeichnet — leicht durch die regel- mifige Begrenzung und den sich gleichbleibenden Durchmesser zu unterscheiden; die Strange in ihrer wechselnden Ausbildung erinnern sofort an jene in der Stiitzzelle (Fig. 18) und kénnen vielleicht wie diese gedeutet werden. Daf die in Fig. 21 dargestellte Zellform als driisiges Element aufzufassen ist, unterliegt wohl keinem Zweifel, obgleich eine aus- gesprochene kérnige Struktur nicht zu Tage tritt. Das kompakte Aussehen jedoch, die Lage des Kerns am basalen Zellende, die faserige Geriistanordnung und vor allem die ausgesprochene Farb- barkeit erscheinen wohl hierfiir beweisend; auch vermift man Kérnerbildungen ja nicht durchaus. Bei Apolemia werden wir ganz ebenso geformte Zellen finden, die aber dicht angefiillt von glanzenden Kérnern sind und daher keinen Zweifel an ihrer driisigen Natur aufkommen lassen. Die Geriiststruktur der indifferenten Zellen (siehe Kinleitung) ist in Fig. 22 und 23 sehr gut wahrzunehmen. Die Formen- inkonstanz derselben habe ich schon weiter oben erwihnt; als charakteristisch fiir indifferente Zellen erscheint mir, meinen Be- funden gemifS, nur die Geriistverteilung, die mit der von den Hiern des Strongylocentrotus geschilderten (14) iibereinstimmt. Litteratur: Ciaus (4) erwahnt aus dem Entoderm der Nahr- polypen nur unregelmifige, driiseniihnliche Zellen, die mit grofen rundlichen Kérnern erfiillt sind. Welcher der beiden, von mir beschriebenen Zellarten jene Art entspricht, ist nicht zu _ be- stimmen. Um den Bau der Nesselknépfe verstehen zu kénnen, bedarf es zuerst einer Klarstellung der Verhiltnisse am Fangfaden, weil beide direkt ineinander tibergehen. Da ich weder die Be- schreibung KorotNnerr’s (9), noch die mit vorztiglichen Bildern versehene Darstellung Cuun’s (3) fiir ganz erschépfend halte, so werde ich auf die so komplizierten Wehrorgane der Siphonophoren moglichst genau eingehen und an die Schilderung der Verhaltnisse bei Forskalea sogleich die des Nesselknopfes einer verwandten Art, die ich leider nicht genau bestimmen konnte, anschliefen. Bei ersterer Species zeigt der Durchschnitt der Seiten- oder Neben- fangfiiden, welche die Knépfe tragen, vor allem eine bedeutende Entwickelung der Lamelle (Fig. 24). Es erheben sich eine Menge 26* 388 Karl Camillo Schneider, oft sich wieder ‘spaltender Langsleisten , die wir auf Fig. 25, welche ein abgespaltenes Stiick des Fangfadens, seitlich betrachtet, reprasentiert, von der Fliche sehen. Hier zeigt sich ferner, dal die Lamelle auch quere Fortsdtze in den vom Entoderm um- kleideten inneren Kanal abgiebt, die eine eigentiimliche Anordnung des Entoderms, und zwar geldrollenartig, veranlassen. Fig. 27 giebt ein Bild von einer isolierten derartigen Abteilung des Ento- derms; wir bemerken, da& die Zellenleiber in eins zusammen- geflossen sind und einen, nach der ventralen Seite des Fangarms gedfineten, Ring bilden. Vier Kerne finden sich mit groSer Regel- mafigkeit vor. Das Ektoderm besteht aus einfachen Kpithelzellen, aus driisenihnlichen, d. h. mit weitmaschigem Geriistwerk ver-— sehenen und halbkugelig hervorragenden, Elementen und aus jugend- lichen Nesselzellen. Fig. 25 und 28 geben ein Bild von diesen Verhiltnissen. In den Nesselzellen ist hie und da (Fig. 29) ein dunkler Streifen angedeutet, der wabrscheinlich auf den dicken Anfangsteil des Schlauches und die Widerhaken zu beziehen ist. Die Lingsleisten der Lamelle zeigen isoliert und von der Seite gesehen (Fig. 26) eine langsfaserige Beschaffenheit; die Fasern ziehen wellenartig gebogen dahin und sind hie und da, wie die linke isolierte Faser der Figur darstellt, abgeplattet und im feinere Faden aufgelést. Daf diese Fasern nicht als Muskeln des Ektoderms zu deuten sind, sondern zur Lamelle gehéren, beweist einmal ihr Verhaltnis zum elastischen Band des Nessel- knopfes, und zweitens die Anwesenheit anderer, zarter Fasern, die im Ektoderm, vom Protoplasma umsponnen, lings dahinziehen und als Muskeln, am Fangfaden zwar nicht leicht, am Knopf jedoch mit Sicherheit, zu erkennen sind. — Betreffs der jugend- lichen Nesselzellen muf ich noch anfiihren, daf diese stellenweis in Menge (Fig. 28), stellenweis gar nicht (Fig. 25) vorkommen ; es kénnte dies immerhin auf eine zeitweise Beforderung gréBerer Mengen der Jugendformen vom Wulst der Polypen nach den Knopfen zu hindeuten. Der Knopf besteht, wie aus Fig. 33 zum Teil ersichtlich ist, aus dem flach ausgebreiteten Entoderm, das allseitig von der La- melle und deren Umbildungsprodukten (elastische Fasern und Angelband) umhiillt ist und aus dem Ektoderm, welches einseitig (dorsal) sehr hoch ist, und hier das Nesselpolster bildet, ventral dagegen sich sehr abplattet und hier die Muskelfasern enthalt. — Seitliche Partien fehlen auf Grund der flichenartigen Ausbildung des Entoderms ganz. Der Nesselkopf ist in anderthalb Spiral- — Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 389 windungen gedreht; die Begriffe dorsal und ventral sind deshalb nur in Beziehung zum Bau des Fangfadens verwertbar. Die be- deutendsten Veriinderungen unter den drei Schichten der Fang- faden macht bei Ubergang dieser in die Nesselknipfe die Stiitzlamelle durch. Nur ventral erhait sie sich als gleichmahig dickes oder vielmehr diinnes Blatt; an den Seiten schwillt sie zu zwei auferordentlich kraftigen Bindern an (Fig. 33 u. 30), die am Ende des Knopfes ineinander tibergehen (elastische Band- schlinge); dorsal schlieBlich bildet sie eine etwas gewélbte Decke, in welcher sich die Fasern, die wir an den Langsleisten auf den Fanefiden kennen lernten, regelmafig, in stark geknicktem Verlauf, nebeneinander anordnen. Diese seltsame Anordnung lehrt, dafi die Faser erst bei der Entladung des Knopfes ihre volle Liinge entfalten soll, da dann die Verbreitung der Geschosse auf einem méglichst grofen Raum yon bedeutendem Vorteil ist. Deshalb sind aber die Kapseln nicht dicht neben- einander, sondern in bestimmten, gréSeren Abstaénden der Faser angefiigt (siehe in Fig. 32 die eine isolierte Faser links), denn wiire ersteres der Fall, so kénnten nicht eine so grofe Menge Fasern der gegebenen Liinge auf dem engen Polsterraum ver- einigt sein, da dann die Zahl der Nesselzellen eine viel zu be- trachtliche ware. — In Fig. 30 ist die regelmifige Anordnung der Kriimmungen (die die dichte Aneinanderfiigung der Kapseln im Polster zur Folge hat) nicht mehr ersichtlich, da die Zerstérung des Knopfes auch die Lagebeziehungen der Fasern verdnderte und die starken Kriimmungen entrollte. Das Gleiche gilt fiir das elastische oder Angelband, denn auch dies bestand aus einer Menge gleichmafig zusammengefiigter Fasern, die aber wie Fig. 31 zeigt, durch die Zertriimmerung des Ganzen sich entwirrten und dabei zumeist streckten. Wahrend die dorsalen Fasern die klei- neren, langen Nesselkapseln (Fig. 32, 53) tragen, stehen die Fia- den des Angelbandes, wie es scheint, in Beziehung zu den grofen, ovalen Kapseln (Fig. 33). Wir haben in diesen jedenfalls die gleichen Elemente, nur in vollendeter Ausbildung, zu sehen, die als Jugendstadien im basalen Ektodermwulst der Polypen sich vorfinden und oben beschrieben wurden. Ihre Wanderung yom Wulst zum Knopf konnte allerdings bis jetzt nur erschlossen wer- den; sichere Beobachtungen dariiber sind noch zu gewinnen. Die schlieBliche Ausbildung geben Fig. 35, 38 und 39 wieder. Die in- nere, zartere Kapselwand, die sich in den dicken Anfangsteil des Schlauches fortsetzt — was Fig. 36 besonders klar zeigt — tritt 390 Karl Camillo Schneider, in Fig. 35 deutlich hervor, da sie sich lokal von der duferen, stirkeren Wand etwas abhebt. Diese umschlieft auch das Vorder- ende der Kapsel; ja, der VerschluS wird bei dieser Kapsel- form sogar noch durch einen polsterartigen Knopf von homogener Beschaffenheit verstarkt. Im Anfangsteil liegen die Widerhaken, die Fig. 38 auSerhalb vorstellt; hier, wie in Fig. 37, sehen wir auch, wie der Prozefi der Kapselentleerung durch Ausstiilpung des Schlauches bewirkt wird; wie der, im Kapselinnern diinne, weil sekretleere, Schlauch durch den Druck des _ eintretenden Sekretes auferordentlich erweitert wird, aus der Kapsel vortritt und den noch unumgestiilpten Abschnitt in sich mit fortreisst. Was die Ursache des Vorganges ist, ist speziell fiir die Verhalt- nisse hier im Knopf kaum zu ersehen. Da die Beobachtung muskuléser Vorrichtungen im Umkreis der Kapseln (19), eine Druckwirkung von aufen auf das Sekret iiber jeden Zweifel erhebt, so kann von einer Ausliésung von Spannkraften im Sekret selbst nicht die Rede sein; in der Umgebung der Nesselkapseln des Knopfes findet sich aber nur eine ganz geringe Menge von stark pigmentiertem Protoplasma und_ nicht die Spur von muskulésen Gebilden — daher bleibt nur_ iibrig, die daufere starke Wandung selbst als muskulés aufzufassen. Dem wiirde ja auch nicht die Anwesenheit echter Muskelhiillen bei anderen Kapselarten widersprechen, weil diese wohl nur eine Vervollkommnung der DruckaufSerung bezweckt; dafiir aber spricht das Vorhandensein einer zweiten Hille um den Sekret- raum tiberhaupt, denn um das Austreten von Sekret aus dem gegebenen Raum zu verhtiten, gentigte ja schon die innere Wan- dung, wie wir dies an den Jugendstadien z. B., die sich auf den Fangfaiden vorfinden, mit Sicherheit ersehen. Die sonderbare Anordnung des Entoderms erhalt sich auch am Nesselknopf, wie Fig. 33 lehrt; nur sind hier die Geldrollen flach ausgebreitet, da der Innenraum zwischen den beiden Flachen der Lamelle ein schmaler ist. Ventral auf dieser bildet das Ekto- derm nur eine ganz diinne Schicht — wahrend es hingegen dorsal zu dem hohen, dicken Nesselpolster anschwillt —; diese Schicht ist aber deshalb duBerst interessant, da sie deutlich langsziehende Muskelfaiden erkennen ]aft, die auf diesen Raum beschrankt sind. Es giebt also in der That Muskeln im Nesselknopf, deren Aus- sehen ein durchaus verschiedenes von dem der geknickt ziehenden Stiitzlamellenfasern ist. Diese Feststellung, die durch die Befunde bei der gleich zur Schilderung kommenden anderen Siphonophore Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 391 auferhalb jedes Zweifels gestellt wird, beweist sicher, da8 die Mus- culatur mit den Nesselkapseln hier nichts zu schaffen hat; daf als Traiger dieser vielmehr einzig und allein die im Fangfaden vorgebildeten, im Knopf so regelmafig gelagerten Fasern der Stiitz- lamelle bezeichnet werden miissen. Und da diese Fasern selbst nicht muskuléser Natur sein kénnen, erhellt aus ihrem eigentiim- lichen Verlauf, aus ihrer vélligen Isoliertheit von Zellen so klar, daf aufer Korornerr, der sagt (9): ,,In diesem Sinne darf also das elastische Band als eine Muskelbildung figurieren‘‘, wohl nie- mand dieser Ansicht entgegentreten wird. Der Endfaden ist ebenfalls an Nesselzellen reich, die, wie im Knopf, elastischen Fasern (Fig. 54), d. h. Fasern, die von der Lamelle sich herleiten, aufsitzen. Die Kapseln gehéren der langen, schmalen Form (Fig. 32) an, welche die Hauptmasse des Nessel- polsters bildet. In diesem haften sie verkehrt, also mit dem Pol, durch den der Schlauch austritt, den elastischen Faden an, die grofen, ovalen Kapseln dagegen normal, nur etwas schrig geneigt (Fig. 53) am Polsterrand fixiert sind. Ich konstatierte stets 2 Fasern im Endfaden, die also, wie im Polster, Aquivalente der Lamelle sind; eine Verwechselung mit Muskeln ist hier ebensogut unmég- lich, wie dort, denn es finden sich solche, die denen des Knopfes vollig gleichen, neben ihnen vor. Man erkennt langsziehende, ge- streckte, zarte Faden, die vom Protoplasma umsponnen sind — diese eigentiimliche Lagerungsweise erklart sich jedenfalls aus der Abwesenheit einer soliden Stiitzlamelle. Unbestimmte Agalmide. Unter dem von der Station ge- lieferten Material an Siphonophoren befand sich auch ein Exemplar einer kleineren Form, welches ich leider konservierte, ohne es vorher naiher zu bestimmen, da ich es fiir eine Forskalea ansah. Wie ich spiter fand, unterschied es sich von dieser wesentlich auch nur in wenigen Stiicken, vor allem im Bau der Nesselknépfe; genau jedoch die Gattung zu ermitteln, der diese Art eingereiht werden muf, gelang mir weder nach den Zeichnungen von Nesselknépfen der alteren Werke von Leuckart (10) und K6OLLIKER (8), noch nach dem grofen HarcKen’schen Werke (18), oder den Arbeiten von Korornerr (9) und Cuun (3). Ich muf mich deshalb begniigen, erwaihnte Form als unbestimmte Agalmide anzufiihren; um jedoch eine Nachbestimmung zu erméglichen, werde ich in der Beschrei- bung der Knépfe so genau wie moglich sein. Der Nesselknopf (Fig. 40) stellt eine nicht allzu dicke, cylindrische Erweiterung des Fangfadens vor, die am freien Ende, 392 Karl Camillo Schneider, sich verschmachtigend, abgerundet endet und einen kurzen End- faden tragt. Die peripheren Zellen sind grofblasig und polygonal umrissen; sie umhiillen das starke, anfangs dicht aufgerollte elastische Band und nach vorn zu die Anhaiufung der Nesselzellen, die gegen das Band zuriickgebogen ist. Es kommt hierdurch also eine Involucralbildung zustande, denn das Nesselpolster, welches wie bei Forskalea auf einer Schlinge des Bandes ruht, miBte ja eigentlich in dessen Verlingerung liegen. In dieser Hinsicht unter- scheidet sich der Knopf von denen aller anderen Siphonophoren, deren Beschreibung ich nachschlug. Ein sehr deutlicher Muskelstrang zieht an der gestreckteren Seite des Cylinders entlang und verliert sich vorn in einem dicken, kurzen, stark pigmentierten Wulst, der dem Ganzen anfsitzt und den Endfaden trigt. So leicht das bis jetzt Angefiihrte zu erkennen war, so schwer fiel die Spezialisierung der einzelnen Gewebe. Dies gilt vor allem fiir das Entoderm. Im Senkfaden stellt es einen diinnen Strang vor, der bei Beginn des Knopfes plétzlich stark anschwillt. Es bildet grofe Zellen, die aber dort, wo das elastische Band, dicht aufgerollt, anfangt, ver- schwinden. Daf es aufgehért haben sollte, schien mir der plétz- lichen Verdickung wegen wunwahrscheinlich; aber das_ solide, elastische Band zeigte in seiner Umgebung nur die grofSblasigen Zellen, die auch peripher lagen. Ks flel mir indessen auf, dafi eine fortlaufende Membran 2 Schichten unter ihnen sonderte. (In der Figur sind die Zellen auferhalb der Membran dunkler als die innerhalb gezeichnet.) Untersucht man nun die Ubergangsstelle der Lamelle in das Band genau, so kann man sehr miihsam er- kennen, dafi hier das Entoderm, das ja im Innern des Bandes nicht verbleiben kénnte, durch allerdings nicht sicher darzustellende Liicken austritt und das Band im Knopfe umgiebt. Ektoderm und Entoderm sind morphologisch also gleichartig beschaffen und, statt durch eine Stiitzlamelle, die ja als Angelband vom Entoderm umhiillt wird, nur durch eine diinnere, sekundire Membran ge- trennt. Das Entoderm ist mit seinen seitlichen Zellwandungen innig dem Band vereint, und man nimmt selbst am _ isolierten Band meist noch abgerissene Teile derselben war. Das Proto- plasma der Zellen (auch im Ektoderm) erscheint vollig in die dicken, festen Zellwinde umgewandelt; selbst am peripher gelege-— nen Kern ist kaum eine Spur noch nachzuweisen. Nach dem Nesselpolster zu verliert sich das Entoderm allmahlich im Um- kreis des elastischen Bandes; im Polster selbst ist es nicht mehr anzutreffen. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 393 Das Angelband erscheint erst in enge Windungen zusammen- gelegt; diese werden jedoch lockerer, wobei sich das Band ver- dickt, und vor dem Polster ist es bei starker Verjiingung fast ganz gestreckt. Hier biegt es in das Polster um und teilt sich in zwei seitlich ziehende, starke Aste, die sich am Polsterende wieder vereinen. In ihrem Verlauf geben sie eine Menge diinner Seitenfaiden (Fig. 41) ab, die, ganz wie bei Forskalea, in dicht aneinander gepreften Windungen dahinziehen und die Nesselzellen tragen. Sie sind ebenfalls im Band bereits praformiert, wie die Figur lehrt, die letzteres etwas gelockert wiedergiebt; es zerfallt also auch hier die Lamelle der Senkfiden in eine Menge gleich- mafig starker, bald weniger, bald mehr, schlieSlich sogar sehr dicht gewundener Fasern, die véllig denen im Knopf der Forskalca gleichen. Hochst interessant ist aber vor allem die Ausbildung der Muskulatur; sie ist eine derart klare und durchsichtige, daf auch die Beobachtungen iiber die Muskelfaser bei Forskalea wesentlich dadurch gestiitzt werden. Wie dort, ist auch hier die Muskulatur einseitig gelagert, und zwar ebenfalls auf der dem Polster ent- gegengesetzten Seite. Im Ektoderm der weniger gekriimmten Langs- flache des Knopfes tritt sehr deutlich ein faseriger Strang hervor, der sich dem Senkfaden zu in zartere Faden auflést. Isoliert erkennt man diese als selbstandige Muskelzellen (Fig. 42) mit langlichem Kern und locker-fibrillirer Struktur. Jede Zelle be- steht aus zarten Langsfasern, die — wie es scheint, durch den Reagentieneinflu8 — leicht geschlangelt und wenig innig verbun- den dahinziehen und nur hie und da durch eine homogene Binde- masse fester vereint und regelmafiger geordnet, d. h. deutlich parallel gestreckt, erscheinen. Diese Zellen als andere denn mus- kulése Elemente aufzufassen, scheint mir durchaus unhaltbar, denn die geschilderte morphologische und strukturelle Ausbildung spricht unzweideutig fiir die eben gegebene Erklirung. Ganglien- zellen, die derart plump enden, habe ich nirgends gefunden, und noch andere Deutungen verbietet die ektodermale Lage. Was aus ihnen nach dem Eintritt in den terminalen dicken Wulst wird, konnte ich nicht feststellen, da mir eine selbst nur mafige Isolation der Elemente desselben nicht gelang. Ich kann von ihm nur angeben, da er stark pigmentierte Nesselzellen enthialt. Die Anordnung der Nesselzellen im Polster entspricht durch- aus der bei Forskalea beobachteten; es finden sich gleichfalls nor- mal befestigte, groBe, ovale und mit dem Vorderende angeheftete, 394 Karl Camillo Schneider, kleinere, langliche Kapseln vor. Der Endfaden enthalt stark blasig vorgewolbte Gebilde und diirfte deshalb reich an Driisenzellen sein. Eine Isolierung seiner Bestandteile gelang mir jedoch nicht. Litteratur: Craus (4) halt die an den Septen der Stiitz- lamelle in den Senkfaden verlaufenden Lingsfasern, die ich als zu dieser direkt gehérig auffasse, fiir Muskelfibrillen; tiber die Be- schaffenheit des Bandes ist er zweifelhaft. Doch ist ihm aufge- fallen, dafi die Nesselzellen sowohl an Lamelle (d. h. der aus dieser hervorgegangenen Bandschlinge), wie an Muskeln angeheftet sein sollten. Nur das erscheint ihm sicher, daf das Band nicht entodermalen Ursprungs sein kann, denn Entoderm findet sich ja innerhalb der Spiralziige des Doppelbandes (siehe meine Fig. 33). KOROTNFFF’s (9) Untersuchungen verbreiten sich iiber eine Menge verschiedener Siphonophorenarten; es wird hierdurch sehr erschwert, seine ohnehin nicht leicht verstandlichen Schilderungen, die sehr reich an Folgerungen sind, unter einander zu beurteilen und in ihren Beziehungen zu einander abzuschiitzen. Da CuHun (3) in seiner letzten Siphonophorenarbeit bereits eine Kritik der- selben bringt, so begniige ich mich damit, nur Weniges hervor- zuheben. Wie Ciaus halt auch Korornerr die Fasern, welche die Zellen des Polsters tragen, fiir muskulé6s — wie schon oben angefiihrt, faBt er ja sogar auch das elastische Band als Muskel- bildung auf, obgleich er dessen Zusammenhang mit der Stiitz- lamelle bei Abyla konstatiert —; ,,da die Muskelfibrillen des End- fadens (womit er die zwei elastischen Fasern, welche die Nessel- zellen tragen, meint) mit den Nesselkapseln ektodermal sind, so ist die entodermale Entstehung der Bandnesselorgane, welche zum elastischen Band gerade in dem gleichen Verhaltnis stehen, wie die des Endfadens, sehr plausibel.“‘ Fiir das Ektoderm bleibt am Knopf da allerdings, wie auch Caun hervorhebt, sehr wenig iibrig. Auch die Erklirung des Entladungsvorganges wird durch die eben skizzierten Betrachtungen hinfallig. Korornerr giebt ftir Fors- kalea ophiura an, dafi die zwei Schniire, in welche sich das Band teilt, ehe es in die Platte gelangt, sich spiralig umeinander win- den und dann die bekannte Schlinge bilden. ,,Bei der gréSten Anstrengung der Gebilde kénnen sich die Umbiegungen und die Spirale auseinanderwickeln — es ist also eine Reserve der kine- tischen Kraft.“ Ich muf gestehen, daf mir diese Folgerung mehr als gewagt erscheint; denn wenn das Band in der That kinetische Krafte in sich reserviert, also Spannkrafte enthalt, so ist doch eine Entfaltung dieser bei gréBter Anstrengung der Gebilde selbst Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 395 nicht denkbar. Es ist indessen méglich, daf KoroTNerr in seiner Deutung des Bandes als Muskelbildung eine Erklarung hierfir fand; ich kann mich derselben jedoch, ebensowenig wie CHuN, anschliefen. Nach Cuun (3) hat jedoch das Band folgende Funk- tion; er giebt an, da’ ,nie ein Lockern der Serpentinwindungen zur Beobachtung gelangt‘‘, da vielmehr der ,,von elastischen Kriften ausgeiibte Zug‘t ein Zusammenziehen auseinandergedehnter Kriimmungen bewirke. ,,Das Angelband spielt die Rolle eines Accumulators: ein AbreiSen der Beute bei energischen Flucht- bewegungen wird verhiitet durch das Lockern der Schleifen, welche andererseits bei dem Nachlassen solcher Versuche sich wieder eng aneinanderlegen.‘* Ich schliefSe mich dieser Deutung vollig an; bei einem Zug am Bande wird in dieses Spannkraft eingefiihrt, die eine Riickkehr in die alte Lage bewirkt. Die Win- dungen miissen also priformierte, von allem Anfang an vorhanden gewesen sein, da sonst umgekehrt, bei Annahme einer Druckwir- kung auf das urspriinglich gestreckte Band, die Windungen sich von selbst auflésen miiSten. Bei den elastischen Faden jedoch scheint mir die gleiche Annahme nicht vertretbar, denn im End- faden haben sie einen fast gestreckten Verlauf. Es wird zu einer Entrollung der im Polster angehauften Faden kommen (bei der Zersprengung des Knopfes durch Kontraktion der Muskelfasern) und hierdurch die Wirkung der Nesselzellen auf gréSere Distanzen hin méglich werden. Von einer Thatigkeit der Fasern im Sinne des Bandes kinnte auch deshalb keine Rede sein, da die elasti- schen Fasern gar nicht dem Zug des Beutetieres ausgesetzt wer- den, wie dies fiir das Band gilt, welches durch die Anheftung des Endfadens an das Tier (durch die Abscheidung klebriger Sekrete) mit diesem in Verbindung tritt, sondern frei sich im Wasser verteilen. Forskalea contorta. Der Stamm besteht, wie be- kannt, aus einem von Entoderm ausgekleideten Centralkanal (der bei Forskalea ganz excentrisch liegt), aus einer dorsal aufer- ordentlich entwickelten, mit septalen Leisten besetzten, Stiitz- lamelle, an welcher die auf erst kraftige Muskulatur sich anheftet, und aus dem hochinteressanten Ektodermepithel. Da es mir nicht gelang, ersteres in seine Bestandteile zu zerlegen — denn durch die ganze Tiefe des Ektoderms und der Lamelle dringen die Reagentien nur sehr ungeniigend — so verzichtete ich auf eine nahere Untersuchung; vor allem zog mich auch das Studium des Ektoderms an, dessen Beschreibung durch Korotnerr (9) mir 396 Karl Camillo Schneider, wenig gentigend erschien. In der That weichen meine Befunde von den seinigen auch sehr betrachtlich ab; ich werde deshalb die letzteren zuerst kurz skizzieren und dann die meinen folgen lassen. Das ektodermale Epithel besteht nach KoroTNEFF aus zwei Schichten; zu oberst finden sich spindelf6rmig verlingerte Zellen, deren faserformige Enden eine unter den Zellen liegende horizon- tale Schicht bilden, die vielleicht als quere Muskulatur aufzufassen ist; darunter bemerkt man eine unterbrochene Lage von konischen Zellen, die sich in lange, centripetale Ausliufer fortsetzen und mittels dieser an die starken Lingsmuskeln treten, deren Bild- nerinnen sie sind. KOrOTNEFF erkennt in diesen konischen Zel- len ,,Neuromuskelzellen‘, die an der ventralen Stammseite in Tastzellen tibergehen und dort ein starres Haar tragen. Es schie- nen also endlich die bis jetzt nirgends gefundenen, von KLEINEN- BERG postulierten Elemente nachgewiesen zu sein; als ich jedoch selbst nach den ,,unter dem Epithel gelegenen‘‘ Neuromuskel- zellen suchte, fand ich sie, wie ich erwartet hatte, nicht, wohl aber andere, hochinteressante Gebilde. Die zweierlei Zellen, welche KorotNerr unterscheidet, fallen nimlich in eins zusammen; es giebt nur eine Schicht Epithelzellen, und diese zeigen sowohl die peripher-horizontalen, wie die centripetalen Auslaiufer. Be- trachtet man ein Epithelstiick von oben, so erkennt man genau das, was KoroTnerr sagt (Fig. 43): schmale, langgezogene Ele- mente, deren Enden jedoch wohl nur am stark kontrahierten Tier, wie es selbst die beste Konservierung darbietet, in die Tiefe treten. Von der Seite gesehen geben die Zellen ein ganz anderes Bild (Fig. 44); zu dem schmiachtigen, von oben wahrgenommenen Teil tritt ein verschieden, aber meist viel stairker, entwickel- ter Kérper, der sich basal in wechselnd gestaltete Ausliufer ver- langert. Um die verschiedene Ausbildung des unteren Zellab- schnittes zu verstehen, muf man die septalartige Anordnung der Lamelle beriicksichtigen; wir werden dort die langsten basalen Fortsitze suchen miissen, wo die Muskulatur tief im Grund der Interseptalraume hinzieht. Daf die Fortsitze direkt mit den kontraktilen Baindern zusammenhingen, scheint mir nicht zweifel- haft, obgleich ich es nicht unzweideutig beobachten konnte; da jedoch eigene Muskelzellen nicht existieren, da ferner bei anderen Siphonophoren die Verbindung eine thatsiichlich nachweisbare ist (siehe ,,unbestimmte Agalmide“, weiter unten), so haben wir die Ektodermzellen wohl als Epithelmuskelzellen zu deuten, Je nach Einige histologische Befunde an Coelenteratcn. 397 der stiirkeren Entwickelung des peripher oder tiefer gelegenen Teiles der Zellen liegt der Kern bald héher, wo er ling- lich, oder tiefer, wo er plumper gebildet erscheint. Die Formen der ganzen Zellen sind ganz aulerordentlich mannigfaltige; an den Seitenpartien des Stammes sind die peripheren Ausliufer fast immer gut ausgebildet (Fig. 44); letztere sind bald einfach und gleichmaSig begrenzt, bald teilen sie sich in der wechselnd- sten Weise (Fig. 45), bald gehen sie darin sogar so weit, dal sie der Zelle Formen verleihen, die diese einer Ganglienzelle tau- schend ahnlich erscheinen lassen (Fig. 46 und in Fig. 45 eine scharf markiert gezeichnete Zelle). Bei letzteren Gebilden man- geln centripetale Auslaufer haufig ganz; jedoch die stellenweise plumpe und unregelmaBige Ausbildung der horizontalen Fortsatze, vor allem aber die Zwischenformen, die von den gewdhnlichen Epithelzellen zu den ganglienzellibnlich gestalteten tiberleiten, Jassen eine Deutung dieser als nervése Gebilde nur schwach be- griindet erscheinen. An der dorsalen Seite imponiert das Epithel derartig geformt, wie KOROTNEFF es fiir seine Schicht der Neuro- muskelzellen schildert. Die Zellen sind von cylindrischer oder konischer Gestalt (Fig. 47), und es kommen (Fig. 48) die oberen Auslaufer fast ganz in Weegfall. Dafiir ist die Ausbildung der centripetalen Partien eine betrachtliche, und da dorsal die Septen der Lamelle schmaler erscheinen, so gehen die Fortsitze in ge- ringen Abstaénden zu gréferer Tiefe. Auch deren Form ist eben- sowenig, wie die der oben beschriebenen Auslaufer, eine kon- stante; es kommen sowohl einfache, wie mehrfach gespaltene vor. Ihr Protoplasma ist, wie auch das der mittleren Zell- partien, meist flichenartig abgeplattet; es ist dies am _ leben- den Objekt jedenfalls nicht oder in geringem Male der Fall, denn wir haben die starke Kontraktion des Stammes in der Langs- richtung, die eine Verlangerung und Abplattung der Elemente in der Querrichtung zur Folge haben mu, dafiir verantwortlich zu machen. In der Mitte der dorsalen Stammfliiche bemerkt man schon mit bloBem Auge eine dunkle Linie, die sich durch die Anwesenheit subepithelialer, riesiger Elemente ergiebt, die in einer Reihe an- geordnet sind. Korornerr (9) schildert sie als plump geformte Zellen, welche kurze, pseudopodienartige Fortsaitze an die Umgebung abgeben und erklart auf Grund dieser Befunde die Zellreihe als das Gehirn der Siphonophoren. Die Beobachtungen Korot- NEFF’s berechtigen zu diesem Schluf sicher nicht, indessen bin auch 398 Karl Camillo Schneider, ich der Ansicht, da wir die Elemente der Reihe als nervése zu deuten haben, aber auf Grund von Isolationen dieser, die durch- aus andere Bilder lieferten, als KoroTNEFF sie darstellt. Fiir die genannte Autfassung spricht die Anwesenheit von zum Teil ganz auferordentlich langen Auslaéufern (lig. 50 [hier nur angedeutet] u. 51) und die dunkle, gelblich-braune Farbung, wie sie die Zellen durch die Einwirkung der Osmium-Essigsiure annehmen. Da- gegen ist aber Verschiedenes anzufiihren; so vor allem die plumpe wechselnde Form (Fig. 49) der einkernigen Elemente; der Zu- sammenhang aller in der Lingslinie der Reihe durch dicke Proto- plasmabriicken, und besonders die syncytienartige Ausbildung vie- ler Reihenglieder (Fig. 50). Ohne daf die geringste Spur von Zellgrenzen wahrgenommen werden kénnte, erscheint ein solches Glied als kompakte, in der Querrichtung des Stammes (Fig. 50) verlangerte Protoplasmamasse mit einer wechselnden Zahl an Ker- nen. Auch in den riesigen Ausliufern, die stets sehr scharf begrenzt und in dem Durchmesser wenig schwankend erscheinen, finden sich Kerne; es laft sich aber auch hier das Territorium der einzelnen Zellen nicht im geringsten feststellen. Das Ganze gleicht dem- nach einem ungeheuren Protoplasmastrang, der im steten Wechsel bald plumpe einzellige, bald noch plumpere vielkernige Anschwel- lungen darstellt, die durch derbe Briicken verbunden sind. Und von diesem Riesensyncytium strahlen nach rechts und links und unten kraftige Fortsitze, selbst mit Kernen versehen, aus, die den Stamm im Epithel umspinnen, sich spalten, zarte Aste ab- geben und jedenfalls mit anderen Elementen in Verbindung tre- ten. Konstatieren konnte ich diese nicht; je mehr sich jedoch die Ausliufer ausziehen und verschmachtigen, desto mehr vermin- dert sich die RegelmaSigkeit ihrer Begrenzung, und desto schwie- riger halt es, sie von den Fortsitzen der Epithelzellen, die ja auch bunt in allen Richtungen, besonders bei den ganglienzell- iuhnlichen Gebilden, ziehen, zu unterscheiden. Mit Sicherheit még- lich ist es tiberhaupt nur dann, wenn die Liinge des Gebildes sie als nicht zu Epithelzellen gehérig erweist. Ist man nun berechtigt, ein derartig ausgebildetes Zell- und Syncytialsystem als Centralstelle des Nervensystems zu bezeich- nen? Daf ein solches tiberhaupt vorhanden sein diirfte, legt allerdings die geradezu blitzschnelle Reiziibertragung tiber selbst sehr ausgedehnte Forskalea-Exemplare hin nahe. Bei Apolemia uvaria, Wo eine entsprechende Bildung, wie sie eben geschildert wurde, fehlt, beobachten wir auch nicht diese ruckartigen Ver- Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 399 kiirzungen des Ganzen; hier erfolgen Kontraktionen des Stammes langsamer und gewohnlich nur lokal (bei grofen Exemplaren). In diesem physiologischen Befunde scheint mir in der That eine Gewiahrleistung fiir die Richtigkeit der oben von mir ausgespro- chenen Ansicht gegeben zu sein, und wenn wir es auch nicht mit einem Gehirn, wie Korornerr will, zu thun haben, so doch jedenfalls mit einer Vereinigung nervéser Elemente zu einer ftir blitzschnelle Reiziibermittelung geeigneten Leitbahn am Forskalea- stamme. Uber die starken Lingsmuskeln ist an dieser Stelle wenig zu sagen. Wie Craus (4) und Korotnerr (9) schildern, sind es gleichmabig breite, beiderseits spitz endende, diinne Binder, an deren schmalen Flachen und Spitzen meist Protoplasma ange- heftet ist, das jedenfalls den Zusammenhang der Bander unter- einander und mit den Epithelzellen vermittelt. Wie Fig. 52 zeigt, laft sich eine zarte Lingsstreifung der Muskeln, wenigstens meist, beobachten. Die Stiitzlamelle zeigt deutliche Fasersysteme, in denen Ciaus (4) ,,aus verdichteter Substanz der hyalinen Stiitzlage gebildete Fibrillenziige erkennt. Betrefls meiner Auffassung derselben ver- weise ich auf den zweiten Teil dieser Arbeit, in der ich den fein- sten Bau der hier beschriebenen und dort noch zu _ schildernden Gewebselemente als Hauptgegenstand der Untersuchung besonders hervorheben werde. Unbestimmte Agalmide. Anhangsweise gebe ich noch kurz meine Beobachtungen tiber den Stammbau dieser Siphono- phore wieder, der ein sehr einfacher, aber gerade deshalb sehr interessanter ist. Der Centralkanal bildet eine weite Réhre mit niedriger Umhiillung; die Stiitzlamelle bildet Septen von nur geringer Hohe. Das Ektodermepithel ist tiberall gleichartig be- schatien; man erkennt sowohl quer zum Stammverlanf als auch in die Tiefe ziehende Fortsitze, welch letztere in direktem Zu- Sammenhang mit den Lingsmuskeln stehen. Es ist dies hier eben- so leicht nachzuweisen, wie bei den Epithelmuskelzellen der Poly- pen z. B. Die Muskelbinder, wie die Stiitzlamelle, gleichen in der Beschaffenheit den von Forskalea beschriebenen, entsprechen- den Bildungen durchaus. Apolemia uvaria Escu. Die Ubergangsstelle von Ekto- derm in Entoderm an der Mundoffnung der Nahrpolypen zeigt Verhaltnisse im Bau, die von den im Entoderm der For- 400 Karl Camillo Schneider, skaleapolypen gefundenen nur wenig abweichen. Man bemerkt Epithelmuskelzellen, Driisenzellen und Ganglienzellen wie dort; erstere besitzen eine dichtere Anordnung des Geriistes und sind deshalb leichter zu isolieren; die Driisenzellen lassen genau die gleiche, faserige Struktur, die gelb-braéunliche Farbung und nur eine geringe Anzahl von Koérnern, wie die der Forskalea, erkennen; die Ganglienzellen endlich entsprechen vollig den von den Hydro- iden sonst bekannten, nervésen Elementen. Fig. 53. stellt eine Muskelzelle mit drei Muskelfasern dar; letztere sind zart und rundlich und von Protoplasma eingehiillt, nur die basale Seite fin- det sich, wie wir schon bei Forskalea sahen, frei von Anhangseln, die zur festeren Vereinigung mit der Lamelle dienen kénnten. Das Zellgeriist ist gleichmafig engmaschig, der Kern grof mit eroBem Nucleolus. Eigentiimlich erscheint die abgerundete periphere Flache; wihrend hier andere Muskelzellen mit einer deutlichen Cuticula versehen sind, auf der sich ein Wald von Wimpern er- hebt, fehlt hier beides. Wir kénnen uns diesen Mangel jedenfalls durch das Ubergreifen des peripheren Zellteils samt der Cuticula an vielen anderen Zellen der gleichen Art erkliren; es gelangt so eine echte Epithelzelle zufallig unter die vorspringenden oberen Partien anderer, sie wird scheinbar subepithelial; ihre Beziehung zur Muskulatur, wie die sonstige formale und strukturelle Aus- bildung 1a8t jedoch den Gedanken, da wir es hier mit einer an- deren, abweichenden Zellart zu thun hatten, nicht aufkommen. — Neu zu den angefiihrten drei Klementen bemerken wir Nesselzellen, wie Fig. 55, und Sinneszellen, wie Fig. 54 sie darstellen. Bei ersteren erkennt man sehr gut das Ubergehen der inneren Kapsel- wandung in den Anfangsteil des Schlauches; auSerhalb der auferen Wand ist noch eine Membran vorhanden, die oben. tiber der Kapselifinung einen kegelférmigen, abgeschnittenen Aufsatz bil- det, von dessen Innenseite sich noch ein gleichmafig dicker Fortsatz erhebt. Basal geht die Membran bis an den grofen Kern, wo sie endet; sie ist jedenfalls ein Umwandlungsprodukt der sonst meist zu beobachtenden Protoplasmahiille. Der haar- artige Fortsatz, der oben von ihr entspringt, ist wohl als Cnidocil zu deuten. — Die Sinneszellen (Fig. 54) sind auferordentlich schmichtige, nur in der Kerngegend spindelartig verdickte Ele- mente, die basal in zarte Auslaéufer sich verlingern und mittels dieser, gleich den nervésen Fasern, sich auf den Muskeln ver- breiten. Sie tragen mehrere zarte Wimpern, die durchaus denen der Muskelzellen entsprechen. MHierin einen Beweis gegen ihre : Einige histologische Befunde an Coelenteraten. AOI Funktion als Sinneszellen zu sehen, halte ich fiir unberechtigt ; nur miissen wir sie als indifferente Sinneszellen, gewissermafen als Ganglienzellen, die bis an die Oberfliche reichen, auffassen. Es kommt zu keiner Spezialisierung des Reizes, wie dies z. B. bei Anwesenheit von Sehstaébchen oder Riechborsten statthatt ; sondern der Reiz wird nur in derselben Weise, wie von den um- gebenden Epithelzellen empfangen, vermége der formalen und strukturellen Ausbildung des Zellkérpers aber weit rascher fort- geleitet. Ftir die nervése Natur sprechen ferner noch verwandte Zellen, die als Ubergangselemente zu den Ganglienzellen gedeutet werden diirfen, da sie bei gleicher Kérperform, wie die Sinnes- zellen, unter der Peripherie spitz auslaufend enden. Gleiche, in die Tiefe sinkende Gebilde beschreiben auch die Gebriider Hertwie (5) und Ciaus (4); auch ich habe in meiner Arbeit tiber Hydra (13) entsprechende Zellen konstatiert. Sehr aufiallend ist in den Sinneszellen die Anwesenheit eines glinzenden, farb- losen Kornes von unregelmafigen Umrissen, das meist oberhalb des Kerns, diesem dicht anliegend, zu bemerken ist. Seine Be- deutung ist mir ratselhaft geblieben; Korotnerr (9) bemerkt aber dazu: ,,Die stark lichtbrechenden Kérper in Tastzellen die- nen wahrscheinlich als Lichtbrechungsmedien, um die Empfindung der Tastzellen zu verstairken.“ Vielleicht ist die Verbreitung die- ser Einlagerungen eine allgemeinere, denn Herr Dr. Bircer, mit dem ich in Neapel zusammenarbeitete, machte mich darauf aufmerksam, da er bei Nemertinen ganz Ahnliches beobachtet habe. Die Tasterspitze unterscheidet sich fast gar nicht von der der Polypen. In den Driisenzellen nimmt man hier eine grofie Menge von Sekretkérnern wahr; die Struktur ist sonst ganz dieselbe, wie die der oben beschriebenen Zellen. AuSer der plumpen Nesselzellart findet sich noch eine zweite, weit kleinere (Fig. 56), die einen zarten, gleichmaSig dicken, vielleicht mus- kulésen Stiel besitzt. Dieser beginnt an der Kapselwandung, zieht am Kern entlang, zeigt dann auf eine lingere Strecke fast gar keine Protoplasmabegleitung und endet unten in einer dreieckigen Platte, die von zarten Fasern der Lange nach durchzogen wird. Vielleicht hat sich der homogene, glinzende Stiel in diese aufge- lést und haftet mittels derselben der Stiitzlamelle an. In die Muskeln der Epithelzellen biegt er sicher nicht um, wie Cuun (2) will. — Einen Zusammenhang von Ganglienzellfortsitzen mit an- Bd. XXVII, N. F. XX, 26 402 Karli Camillo Schneider, deren Elementen des Epithels, den CaHun (2) beobachtete, konnte ich nicht konstatieren, will ihn indessen nicht im geringsten be- streiten. Das Studium der Pneumatophore der Apolemia ist ein hochinteressantes, denn es macht uns mit einer abweichenden Ausbildung der ektodermalen Epithelzellen bekannt. Wie am Stamm der Forskalea erscheinen dieselben quer zur Lingsachse des Organs lang ausgezogen und bedingen so die Ringelung der Luftblase, die sich in die des Stammes fortsetzt. Man erkennt einen oberflachlich gelegenen, schmalen, scharf begrenzten Zellleib, der in der Mitte der Langserstreckung den ovalen Kern enthalt und sich der Tiefe zu in eine weniger scharf umrissene Proto- plasmalage fortsetzt (Fig. 57). An der Basis dieser finden sich zarte, gleichmafig dicke, homogene Fasern in gréferer Anzahl; sie ziehen simtlich parallel der Lingserstreckung der Zelle. Der Beschafienheit, wie der Lage an der Zellbasis nach, miissen wir in diesen Gebilden Muskelfasern erkennen, die also eine quere Muskelschicht im Ektoderm vorstellen wiirden. Ist nun der Nach- weis einer solchen im Ektoderm iiberhaupt tiberraschend, so mu er dies um so mehr sein, da das Ektoderm auch eine stark ent- wickelte Lingsmuskulatur besitzt, die sich vom Stamm auf die Pneumatophore fortsetzt. Letztere stellt insofern auch die nor- malerweise ausgebildete dar, indem die in grofer Menge vor- handenen Ganglienzellen auf ihr dahinziehen, wihrend umgekehrt die quere Muskelschicht auf jenen sich vorfindet. Es kann sich also nur um eine sekundire Entwickelung letzterer handeln, die vielleicht mit dem Mangel querziehender Muskeln im Entoderm in ein kausales Verhiltnis zu bringen ist. — Eigentiimliche Bilder ge- wihren die Kerne simtlicher Elemente der Pheumatophore und des Stammes tiberhaupt. Man nimmt nicht, wie sonst, ein meist gleich- mabig verteiltes Maschenwerk mit Chromatinkérnern und einem Nucleolus wahr, sondern bemerkt in der durchgehend gefarbten Kernmasse (Fig. 57) nur wenige, groBe Maschen des Geriists und das Chromatin in groBen, wechselnd geformten Brocken in diesen verteilt. Was die Ursache dieser ganz allgemein auftretenden Struktur ist, lie sich nicht ermitteh. — Uber die Anwesen- heit einer groSen Menge von Ganglienzellen ist yon CHun (2) und Korornerr (9) schon berichtet worden; ich gebe in Fig. — 58 ein Ubersichtsbild ihrer Lagebeziehungen zu einander, wie ZU — den queren Muskelfasern. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 405 Das Ektoderm der Luftflasche ist eine sehr flache Proto- plasmalage (Fig. 60), in der grofe, lichte Kerne eingebettet sind. Sie erscheint sehr deutlich quer gefasert; indessen diese parallel und gestreckt ziehenden Fibrillen sind so zarter Natur, daf sie nicht als Muskelfiden gedeutet werden kénnen. Line chitinige Luftflasche wird, wie bekannt, von diesem Epithel nicht abge- schieden. Im entgegengesetzten Sinne verlaufend erscheint in den bei- den Schichten des Entoderms, welche die Fortsetzung des Stamm- centralkanales auskleiden, ebenfalls eine deutliche Faserung des Protoplasmas der einzelnen Zellen ausgebildet, die jedoch auch zu zart ist, um als Muskulatur gelten zu kénnen. Die Fasern ziehen parallel der Lingsachse der Zellen und der Pheumatophore, wie es in Fig. 59 zu erkennen ist. Die Kerne sind lang gestreckt und sehr gro; im Protoplasma finden sich eine Menge kleiner Kérner, welche durchaus an die in den Kpithelmuskelzellen des Polypen- entoderms der Forskalea contorta beobachteten erinnern. Die Lage der Korner im Entoderm mu die Frage anregen, ob wir sie nicht in Beziehung zu den Ernihrungsvorgingen zu _bringen haben. Ganz ahnliche Gebilde finden sich aber auch in Ekto- derm- und Mesodermzellen bei Anthozoen, wie im zweiten Teil der Arbeit berichtet werden wird. Selten bemerkt man wohl Faserungen in den Stiitzlamellen so deutlich ausgepragt, als hier in der Pneumatophore. Betrach- ten wir die Lamelle der Luftflasche von der ektodermalen Seite, so sehen wir Fasern feinster Art in parallelem Verlauf entspre- chend den Fibrillen des Protoplasmaiiberzuges dahinziehen. Von der entodermalen Seite jedoch gesehen treten Fasern hervyor, die zu den geschilderten unter rechtem Winkel verlaufen; es sind also zwei sich kreuzende Fasersysteme in der Lamelle ent- wickelt, die in Fig. 60 an der Stelle, wo das Protoplasma von der Unterlage entfernt ist, sichtbar werden. Als Faltungen oder Runzelungen der Lamelle sind diese zarten Ziige sicher nicht an- zusehen; dem widerspricht vor allem das Vorhandensein zweier verschieden laufender Systeme; ich bin vielmehr der Ansicht, da, da die Lamellen Abscheidungsprodukte der Epithelien sind, diese auch einen Teil ihrer Geriistmasse in jene eingesenkt haben, wel- cher sich dann in der geschilderten Weise anordnete. Am Stamm der Apolemia begegneten wir ganz ahnlich ge- formten Elementen, wie bei Forskalea, nur sind die Grdéfen- Yerhaltnisse hier bedeutendere. Vor allem die centripetalen Fort- 26* 404 Karl Camillo Schneider, satze der Epithelmuskelzellen erreichen Dimensionen, die in Er- staunen setzen. Peripher finden sich die gleichen, quer zur Stammachse verlaufenden Verlingerungen der Zellkérper, wie bei Forskalea; sie sind entweder ungeteilt oder spalten sich wie dort in der mannigfachsten Weise. Andere Zellen lassen sie wieder fast ganz vermissen. Fig. 61 stellt einen Haufen von Epithelzellen dar, deren eine nach oben, und eine nach unten umgeschlagen sind. Von peripheren Auslaufern sieht man hier wenig; nur die nach unten hertibergebogene Zelle zeigt 3 solche, die durch ihre schmachtige Form das Ganze als Ganglienzelle erscheinen lassen. Zuerst glaubte ich auch dies Element als ein nervéses deuten zu miissen, und brachte es in Beziehung zu den 2 Wimpern, die auf der Peripherielinie des Zellhaufens zu gewahren sind. Ks stellte sich aber heraus, da’ diese Wimpern gar nicht dem dort verlaufenden Fortsatz erwihnter Zelle, sondern einer daneben liegenden angehéren, und da ferner der Fortsatz dort gar nicht endet, sondern peripher weiter zieht, daf tiberhaupt die ganze Zelle als peripher gelagert zu denken ist. Wir sehen in ihr also wieder ein solch absonderliches Gebilde, wie wir sie bei Fors- kalea schon konstatierten; von Bedeutung ist es aber, dab, wie es mir bestimmt nachzuweisen gelang, viele derselben hier bei Apolemia eine durchaus subepitheliale Lagerung einnehmen. Eine derartige Zelle ist in Fig. 62 wiedergegeben; so wenig scharf und regelmafig auch deren Begrenzungslinien verlaufen, so ist doch in der Ausbildung der Auslaufer und deren Verteilung nach den verschiedensten Richtungen hin eine gro8e Ubereinstimmung mit den Ganglienzellen der Hydroiden gegeben. Da auferdem ein Centralsystem, wie bei Forskalea, und andere Elemente, die eher als nervése zu deuten waren, véllig mangeln, so scheint mir doch die Auffassung jener als wirkliche Ganglienzellen nicht unberech- tigt, denn wir diirfen wohl kaum annehmen, daf der Apolemia- stamm trotz der weniger geschwinden Reiziibertragung, als bei Forskalea, ganz der nervésen Zellen entbehren sollte. Schwer- wiegend dagegen spricht allerdings, da zwischen den als Gan- glienzellen anzusprechenden Gebilden und den gewohnlichen © Epithelzellen ein scharfer Unterschied nicht zu machen ist; es finden sich Zwischenformen der mannigfaltigsten Art, die indessen — vielleicht auch als Ubergangsglieder der letzteren Zellart in die erstere betrachtet werden kénnten. Hochst seltsam ist die strukturelle Ausbildung vieler, wohl der meisten Epithelzellen, die wohl ohne Analogon dasteht. Wie wir Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 405 bei den entsprechenden Zellen der Pneumatophore zweierlei Muskel- bildungen zum Epithel in Beziehung bringen muBten, so auch hier; die neben den Langsbandern vorkommenden kontraktilen Elemente sind aber véllig anders angeordnet und ausgebildet als die der Pneumatophore. Es war mir sogleich bei Beginn meiner Unter- suchungen am Apolemiastamm aufgefallen, daf sich eine Menge rundlicher, kernloser Gebilde vorfanden, die ein sehr homogenes Aussehen zeigten. Da beobachtete ich die in Fig. 62 ge- zeichneten Zellen und wurde hierdurch rasch tiber den fraglichen Punkt aufgeklart. Die dichten, rundlichen Klumpen, die sich isoliert umhertrieben, stellten sich als stark kontrahierte Fibrillen- ziige heraus, die im Protoplasma der Epithelzellen dahinziehen, durch die plétzliche, tibermifige Verkiirzung aber nach aufen gelangten, sich losrissen. Ein Fibrillenzug, deren es in vielen Zellen mehrere giebt, besteht, wie Fig. 62 lehrt, aus einer grofen Anzahl dicht aneinander gelagerter, sehr zarter, gestreckter Fasern, zwischen denen eine sich licht-rosa farbende Bindemasse wahrnehnn- bar ist, welche zumeist die deutliche Abhebung jener vom umgeben- den Protoplasma bewirkt. Denn auch dies zeigt zarte, lings — also parallel — zur Zell- oder Fortsatzachse ziehende Fasern, die hier aber von gleich zarten, geschlingelt verlaufenden, anderen Faden des Geriistes durchflochten werden und jedenfalls als ebensolche, aber gestreckte, Geriistlinen anzusehen sind. Aus Fig. 62 kénnen wir weiterhin das Zustandekommen der beschriebenen Klumpen erschliefen; wir sehen Fibrillenziige, die eine Verkiirzung nicht bemerken lassen; dann solche, die noch normalerweise im Proto- plasma liegen, aber schon sichtlich verkiirzt sind, und endlich die dichten Knauel mit umgebendem, fortgerissenen Protoplasma. Diese Muskelbildungen sind nicht allein auf die centripetalen Auslaiufer und den Zellkérper beschriénkt, sondern sind auch in den peripheren Fortsitzen anzutrefien, so daf allerdings eine Art quere Muskulatur, wie bei den Zellen der Pneumatophore, zu- stande kommt. Charakteristisch fiir die Fibrillenziige ist die Deutlichkeit, mit der man in ihnen die einzelnen kontraktilen, feinsten Fasern erkennt, und die intraprotoplasmatische Lage. Wo sie mit der AuSenwelt in Beriihrung scheinen, ist sicher die vorhanden gewesene Protoplasmahiille durch mechanische Eingriffe entfernt worden. Im iibrigen ist vom Stamm der Apolemia nichts Besonderes weiter anzufiihren. Sowohl die starken Langsmuskeln, wie die Stiitzlamelle zeigen Verhaltnisse, die vollstandig den bei Forskalea 406 Karl Camillo Schneider, geschilderten gleichen; nur ist der Zusammenhang der Muskeln mit der Lamelle hier ein sehr ziher, so da’ die Isolation ersterer nicht leicht gelingt. Nach KorornerF (9) sind die Epithelzellen echte Neuromuskel- zellen in gleich subepithelialer Lagerung, wie bei Forskalea. Von den inneren Muskelbildungen erwahnt er nichts, dagegen beschreibt er auch hier den Zusammenhang von Epithelzellen und Langs- muskeln. In der dorsalen Medianlinie fehlen die Riesenzellen, dagegen tritt hier eine Langsvertiefung auf, die von gréferen Epithelzellen umkleidet ist und vielleicht ein Homologon der Nervenrinne der Gliedertiere vorstellt (?). Auf diese Zellen stiitzt sich Korornerr bei seiner phylogenetischen Ableitung der Riesenzellen. Die Ausbildung der grofen Zellkérperdimensionen erklart er durch mechanische Prinzipien. Die langen basalen Fortsatze der konischen Zellen werden eingezogen und bilden schlieBlich nur noch die kurzen, pseudopodienartigen Auslaufer, die er von Forskalea beschreibt. Durch Abschlufi der Rinne geraten die Neuromuskelzellen (die doch nach ihm schon in der Tiefe lagen) in die Tiefe, wo sie das Centralnervensystem dar- stellen. Ich gehe hier auch auf die Befunde KoroTNEFF’s an anderen Siphonophoren der Vollstandigkeit wegen ein, da sonst manche seiner Folgerungen nicht gentigend beurteilt werden kénnen. Bei Halistemma rubrum fand er gleichfalls subepitheliale, conische Zellen mit einem oder mehreren basalen Ausliiufern, die an die Muskelsepten treten und stark lichtbrechend erscheinen. (Vielleicht finden sich hier éhnliche muskulése Bildungen, wie in den ent- sprechenden Zellen der Apolemia; Korotnerr kommt aber zu dem Schluf, daf sie nicht als muskulés zu bezeichnen sind, es wiirde dies ja auch die Deutung der Zelle als Neuromuskelzelle nicht gestatten.) Von Forskalea ophiura werden neben den Neuro- muskelzellen auch Tastzellen beschrieben, die lateral, der ventralen Seite genihert, sich vorfinden sollen. Die Bezeichnung: Tastzelle, erhalten die hier gelegenen Elemente, weil sie ein Tasthaar tragen — sollen! Was man an der gezeichneten Zelle. am peripheren Ende wahrnimmt, ist aber kein Haar, sondern ein mechanisch stark beeinfluBtes Zellende, das fiir gar nichts beweisend ist. Ich habe in der angegebenen Gegend auch durchaus keine anders beschaffnen Elemente, als weiter nach der dorsalen Fliche zu, gefunden. Korornerr giebt von diesen Tastzellen ebenfalls an, daf sie mit den Langsmuskeln in Zusammenhang stehen. Physophora enthalt einfache Neuromuskelzellen und kolbenformige Tastzellen, welch ; Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 407 letztere die gleichen basalen Fortsatze besitzen, wie jene, peripher sich aber diinner ausziehen und feine Wimpern tragen. Bei einer jungen Halistemma wird auf die Ausbildung der Neuromuskelzellen und des Gehirns ontogenetisches Licht geworfen. Die Zellen tiber den Muskelsepten sind flach, die zwischen jenen konisch verlaingert ; letztere sinken in die Tiefe und werden die Neuromuskelzellen (!). Ebenso entsteht das Gehirn, vielleicht aber auch durch Vermehrung der bedeckenden Epithelmuskelzellen (ein Sinken in die Tiefe mul doch aber auch erfolgen!). ,,Auf diese Weise haben wir auf onto- genetischem Wege Prinzipien gewonnen, die wir nun auch phylo- genetisch stiitzen kénnen.‘* Bei Praya diphyes giebt es nur gleich- artige Epithelmuskelzellen, die keine basalen Auslaufer entwickeln, unten aber ein gemeinschaftliches Plasmanetz um die Muskel- fibrillen haben. Bei Praya maxima treten jene auf und bei Apolemia entsteht die Nervenrinne, die sich bei Halistemma und Forskalea dann geschlossen hat. Bei Rhizophysa fehlt das Gehirn, doch finden sich hier zwischen den Muskelsepten in der Tiefe liegende Zellen, die durch Teilung von den Epithelzellen sich ent- wickeln und in unmittelbarer Beziehung zu den Muskelfasern stehen. Es sind Neuromuskelzellen, ,,deren morphologische Nerven- natur vor ihrer Bedeutung als Muskeln zuriicktritt“(!). ,,Obschon die Entstehung dieser Zellen sich an die bei Halistemma anschliebt, so sind doch jene mehr mesoblastischen, diese nervésen Elementen homolog.“S (Erstere werden aber doch tiber der Lamelle liegend gezeichnet!) Auch Physophora hat in der Tiefe liegende Zellen = Mesodermzellen, die denen von Rhizophysa_ entsprechen (KororNerr zeichnet sie nicht). Weiter wird ausgefiihrt, daf Physophora in der Beschaffenheit des Epithels mit Apolemia tiber- einstimme, letzteres nur primitiver sei; denn ,,bei Physophora sehen wir erstens ein Mesoderm ausgebildet (!), und zweitens haben die auferen Ektodermzellen eine spezifische Form bekommen: in beiden Fallen miissen wir die 4uferen Ektodermzellen als Neuro- muskelzellen ansehen und zwar sind die kolbigen mehr sensibel.“ — Es halt schwer, in diesen Angaben den von KoroTNEFF hinein- gelegten Sinn zu finden. Wahrend also bei Apolemia und Forskalea die ,,Neuromuskelzellen“ von einem flachen Epithel (das mit den Langsmuskeln nichts zu thun hat — in Wirklichkeit fehlt es ja ganz! —) tiberdeckt sind, werden die Elemente des lezteren bei Physophora ebenfalls zu solchen, nur sind sie nicht so sensibel wie die kolbigen! Die sie darstellende Figur (Fig. 14, Taf. 14) zeigt ein Element, ganz entsprechend denen, wie ich sie zeichne; 408 K. ©. Schneider, Histolog. Befunde an Coelenteraten. oben 2 periphere und unten 1 centripetaler Fortsatz; eine ganz gleiche Zelle wird auch fiir Forskalea mit abgebildet, im Text jedoch keine Riicksicht darauf genommen, denn das wiirde ja nicht zu den Neuromuskelzellen passen. Meiner Ansicht nach geht aus alledem hervor, daf KoroTnerr in den Folgerungen, die er auf Einzelbefunde auch vollig ungentigender Art begriin- dete — man sehe die Tastzelle von Forskalea, Fig. 27, Taf. 15 — vielfach sich irrte, und dal, wenn auch manches trotz der mangelhaften Begriindung richtig erscheint, eine viel um- fangreichere und sicherere Beobachtungsbasis dafiir gewonnen werden muff. Auch ich nehme an, daf die Riesenzellen von Epithelmuskelzellen abzuleiten sind — wie ja bei Apolemia die Umbildung von letzteren in Ganglienzellen mir sehr wahrscheinlich erscheint —; ob aber eine Phylogenie der Species sich auf die hierfiir sprechenden Erscheinungen bauen laft — von Praya diphyes tiber Pr. maxima zu Apolemia, Rhizophysa, Physophora und schlieflich zu Halistemma und Forskalea —, erscheint mir stark zweifelhaft. Die einzelnen Elemente der Gewebe und diese selbst variieren bei den Siphonophoren so sehr, daf} es durchaus nicht gestattet ist, rasche Schliisse auf die Verwandtschaft der verschiedenen Erscheinungen untereinander zu machen. So kann das Forskaleagehirn (!) eine von der Nervenrinne (!) der Apolemia und den sogenannten mesodermalen Zeilen der Physophora und den rein nervésen der Rhizophysa durchaus unabhangige Bildung sein; jedenfalls konnen hieriiber aber nur ganz genaue und um- fassende Untersuchungen entscheiden. ZAweiter Teil. Forskalea contorta LEUCK. Die quergestreiften Muskeln in der Subumbrella (Schwimm- sack) der Schwimmeglocken stellen ziemlich breite, diinne Bander vor, welche mit der Kante der Stiitzlamelle aufsitzen. Man bemerkt in ihrem Verlaufe keine Kerne; ihre Bildnerinnen sind also die Epithelzellen. Es lift sich aber weder feststellen, wie beider gegenseitiges Zahlenverhaltnis ist, noch gelingt es, sie im Zusammenhang zu isolieren. Das Wesen der Querstreifung der Bander zu ermitteln, ist nicht leicht; am besten geben abge- sprengte Fasern oder spitz zulaufende Enden dariiber Auskunft. An solchen (Fig. 1) nimmt man wahr, wie dickere Stellen der Faden héchst regelmafig mit diimneren abwechseln: das Ganze ist also von perlschnurartiger Beschaffenheit. Der Lichtkontrast, wie er sich aus der ungleichen Beleuchtung der verschieden dicken Abschnitte ergiebt, lift die Fasern und Bander quergestreift er- scheinen. Hebt oder senkt man den Tubus, so sieht man die vorher dunklen Querlinien (die gleichmafig tiber die ganze Muskelschicht hinziehen) hell und umgekehrt die erst hellen dun- kel. Auch an den breiten Bandern (Fig. 1) kommt die perlschnur- artige Substanzverteilung zum Ausdruck, denn man sieht die Rander entsprechend den Verdickungen deutlich ausgebuchtet. Es frug sich nun, ob diese eigentiimliche formale Beschaffenheit Hand in Hand gehe, oder vielleicht beruhe auf einer Verschiedenheit der Substanz der einzelnen Abschnitte, ober ob dieselbe Substanz nur in verschie- dener Ausbildung vorliege. In dem Verhalten zu Farbstoffen fand ich keinen Unterschied der diinnen und dickeren Stellen. Es labt sich aber an abgesprengten Fasern sogar beobachten, wie beide 410 Karl Camillo Schneider, direkt ineinander tibergehen, so da der Muskel dann vdllig einer elatten Faser gleicht. Da dies Verhalten indessen an entspre- chenden Faden der Subumbrella von Pelagia und Carmarina weit deutlicher zu konstatieren ist, so gehe ich erst dort niher darauf ein. Von den Bandern der Forskalea ist nur noch anzugeben, daf sie, quer zur Langserstrekung, im Bereich der substanzirmeren Abschnitte leicht zerreiBen kénnen; weiterhin, da auch Zerfaserungen der Lange des Bandes nach oft zur Be- obachtung gelangen. Besonders die Randpartien lésen sich leicht ab; sie unterscheiden sich von den mittleren Teilen durch etwas intensiveren Glanz und erscheinen substanzreicher als diese. Es gilt dies aber nicht iiberall, denn dort, wo die Fliche des Bandes eine schmalere wird (siche die Fig. 1), sind Differenzen im op- tischen Verhalten nicht mehr wahrnehmbar. Krwahnt werden die quergestreiften Muskeln von allen Auto- ren; tiber die spezifische Struktur der Bander finde ich jedoch, auch bei den neueren (CiAus, 8, Korornerr, 19), nichts im Sinne der von mir gegebenen Erklarung gesagt. Sehr in Erstau- nen setzte mich aber der Cuaus’sche Satz, der allerdings fir Halistemma tergestinum gilt: ,,Bei genauerer Untersuchung aber zeigt es sich, daf sie (die Binder) aus kiirzeren ineinander ver- flochtenen Spindelfasern bestehen.‘‘ Vielleicht liegt die Ursache zu dieser Angabe in der zuletzt von mir geschilderten verschie- denartigen Beschaffenheit der Bander in der Lingserstreckung. Von einer Durchflechtung kiirzerer Spindelfasern kann aber, mei- ner Ansicht nach, nicht die Rede sein. In der Gallerte der Schwimmglocken lassen sich keine stru- ierten Elemente nachweisen. Nur auf der Oberflache konnte ich unter dem auferordentlich flachen Plattenepithel 6fters eine sehr zarte Streifung wahrnehmen, die jedenfalls der Ausdruck einer sehr diinnen, faserigen Stiitzlamelle ist, welche die homogene Gallerte abschlief&t. In gleicher Weise erscheint auch das Epithel stellenweis gefasert (es entspricht dies ganz den Verhdaltnissen von Epithel und Lamelle im Ektoderm uud Entoderm der Luft- flasche der Apolemia-Pneumatophore); beide Fasersysteme sind meist sicher, aber schwierig zu unterscheiden; hin und wieder jedoch ist eine Auseinanderhaltung ganz unméglich. Es scheint alsdann das Epithel véllig verschwunden oder, wie es weit klarer bei Apolemia zu konstatieren war, in die Lamelle einbezogen zu sein. Hier nimmt man unmittelbar wahr, wie die Epithelfasern direkt in die der Lamelle tibergehen; das Epithel fehlt dann streckenweis Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 41] villig und entwickclt sich allmahlich wieder, indem es_ sich von der Unterlage abhebt. Es laft sich schon daraus mit grofer Wahrscheinlichkeit folgern, da8 die Lamellenfasern tiberhaupt yom Epithel geliefert werden, also als im Protoplasma_ priformierte aufzufassen sind. Siehe hierzu vor allem bei Carmarina. Velella spirans Escu. Figur 2 giebt ein Bild von der Anordnung der Gewebe in der Gegend des Scheibenrandes. Das obere Ektoderm- epithel ist gelockert (durch die Mazeration); es besteht aus bald flacheren, bald gestreckteren pigmenthaltigen Zellen, welche Fort- siitze in die Gallerte senden und mittels dieser in Beziehung zum Entoderm treten. Dieses stellt sich als ein kompliziertes Netz- werk sich veriistelnder Réhren dar, welche in den verschiedensten Richtungen in der Gallerte hinziehen und, dem Ektoderm zu, feine Ausliufer aussenden. Eine Stiitzlamelle lief sich zwischen Gallerte und oberem Ektoderm nicht konstatieren; sie ist vielleicht zwischen jener und dem unteren Ektoderm vorhanden, da hier die Zellen glatte Muskelfasern besitzen. Ganglienzellen sind in beiden Epithelien in grofer Menge anzutreffen; sie geben sehr deutliche Bilder ihrer Struktur. Ich werde diese so genau als méglich schildern und hierbei auch auf die strukturellen Verhaltnisse anderer, im ersten Teil dieser Arbeit schon erwahnter nervéser Zellen niher eingehen. Es fallt sofort auf, da8 in den Ganglienzellfortsitzen (Fig. 3, 4u.5) nur Fasern sich finden, die im grofen ganzen parallel zu den Umrissen jener verlaufen. Von einer maschenartigen An- ordnung gewundener Faden, wie sie im Geriist indifferenter Zellen nachweisbar ist, zeigt sich nicht das Geringste; nur hie und da (Fig. 4) ist der Verlauf der Linen mehr geschlingelt als im all- gemeinen (Fig. 3). Gehen diinnere Auslaufer von den starkeren ab, so biegt ein Teil der Fibrillen in diese ein, und zwar von beiden Seiten her, oder, besser gesagt: die in dem feineren Fort- satz enthaltenen Faden strahlen nach rechts und links in den starkeren aus. Am Centrum der Zelle, in der Gegend des Kerns, kommt es daher- zu einem Austausch der Geriistbalken aller, hier sich vereinigenden, Auslaiufer untereinander; der Zellkérper wird also, bei Anwesenheit mehrerer Fortsatze (Fig. 5), in den ver- schiedensten Richtungen von Fibrillen durchsetzt; von einem Fort- 412 Karl Camillo Schneider, satz ziehen Linen zu jedem anderen. Bei Anwesenheit von nur 2 Auslaufern jedoch gleicht die Kerngegend jedem anderen Teil eines Fortsatzstranges; die Faden desselben ziehen in der Richtung, die sie innehatten, am Kern voriiber und vereinigen sich dann wieder, wie erst. In den genannten Figuren habe ich dies nicht dargestellt, sondern die Protoplasmafasern im Umkreis des Kerns weggelassen, um dessen Struktur zeigen zu kénnen. Diese ist im Gegensatz zu der so abweichenden des Protoplasmas vollig gleich jener, von den indifferenten Zellen geschilderten (wo sie mit der der ganzen Zelle tibereinstimmt); das Kerngeriist ist also an den Strukturveranderungen, die zweifellos zur Bildung der be- schriebenen Ganglienzellen fiihren, véllig unbeteiligt. Wenn jene in bestimmtem Verhaltnis zur Funktion der nervésen Elemente stehen, so wahrt hingegen die Kernstruktur ihre Ausbildung, die, wie wir fanden, fiir die Thatigkeit der Chromatinkérner, also fiir die Ernahrung der Zelle, vorteilhaft erschien. Es zeigt sich aber noch mehr Auffallendes in der Protoplasma- struktur der Ganglienzellen. Auer sehr zarten Fibrillen, die wir als einfache Linen auffassen kénnen, finden sich auch starkere, wie besonders in Fig. 5. Die Zellen erhalten hierdurch ein Aus- sehen, welches von dem der nervésen Elemente der Medusen wesentlich abweicht; die kraftigeren Faden sind meist auf die Mitte der Auslaufer beschrankt, treten aber sowohl in den dicken als selbst in sehr feinen auf. Da sie jedoch z. B. in dem Fortsatz, den Figur 4 darstellt, fast ganz mangeln, so ist zu bedenken, ob ihre Anwesenheit nicht eine anormale, durch Reagentienwirkung bedingte, ist. Ihre Genese diirfen wir uns jedenfalls derart erklaren, daf Linen sich zu solch groben Balken vereinigen (wohl verkleben) ; wie wir sehen werden, kommen solche Verkittungen zu ,,Polylinen“ vielfach normalerweise im Protoplasma vor; immerhin kénnte fir diesen speziellen Fall ja auch die Einwirkung der Osmium-Essig- siure verantwortlich gemacht werden. Hierfiir spricht auch eine vergleichende Betrachtung der Auslaufer in Fig. 4 und 3. In ersterer fiillt die gleichmafig zarte Geriistsubstanz (wenigstens in dem dicken Fortsatz) den Auslaiufer vollig aus, wahrend in letzterer die Fasern fast ganz auf die mittleren Partieen beschrankt erscheinen. Man nimmt deutlich die Grenze des Fortsatzes als zarte Linie, die vielleicht Ausdruck einer Membran ist, wahr; zwischen dieser und der Achse ist stellenweis keine Fibrille zu erkennen. Auch die hoéchst unregelmafige Formbegrenzung der Figur 5, in welcher die Fortsitze hie und da sich zerfasern Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 413 und scharfe Konturen tiberhaupt mangeln, kann als Beweis der Anormalitaét angefiihrt werden. Wesentlich abweichend von diesen Elementen sind die Ganglien- zellen der Forskalea und Apolemia struiert. Ich bin im ersten Teil der Arbeit auf eine Strukturschilderung derselben nicht ein- gegangen, sondern habe sie mir fiir den zweiten Teil aufgespart, um den Stoff des Ganzen nicht zu sehr zu zerreifen und das Zusammengehirige (die Strukturschilderungen) der vergleichenden Lektiire im Zusammenhang darzubieten. Eine vollstandige Ver- kniipfung der verschiedenen Beobachtungen tiber dieselben Elemente auch bei den iibrigen hier zur Schilderung kommenden Coelenteraten verbot sich aber aus dem Grunde, daf auch noch einige organo- logische Befunde in diesem zweiten Teil der Arbeit zur Be- sprechung gelangen. Die Ganglienzellen im Ektoderm der Pneumatophore von Apolemia sind auferordentlich regelmabig geformt (Fig. 6). Die Fortsaitze zeigen durchgehend scharfe Umrisse und eine sehr gleichmaBige Anordnung des Geriistes, die allerdings von der bei Velella beschriebenen wesentlich verschieden ist. Man erkennt langsverlaufende, gestreckte Fasern und andere, beliebig gewundene, welche jene durchflechten, so dafi sich ein dichtes Maschenwerk ergiebt. An den Verzweigungspunkten der Auslaufer, wie auch in der Kerngegend, kommt es (ganz wie bei den Ganglienzellen der Velella und anderer Coelenteraten) zur Verteilung der Liangslinen auf simtliche Fortsitze der Zelle. (Auch hier habe ich das Proto- plasmageriist am Kern nicht dargestellt, um die ganzlich ab- weichende strukturelle Beschaffenheit desselben, die mit der aller Apolemiakerne harmoniert, wiedergeben zu koénnen.) Hier ist auch die angegebene Geriistanordnung am besten wahrzunehmen ; an den Auslaufern selbst, vor allem den feineren, jedoch macht sich eine Modifikation bemerkbar, die fiir die schmachtigen Fort- siitze der Ganglienzellen (und auch anderer) ganz allgemein gilt: es tritt eine Vereinigung der Linen untereinander ein, die bis zur Bildung voéllig homogener Strange fihrt. Die allerzartesten Aus- laufer erscheinen deshalb stets ganz strukturlos; aber auch stirkere kénnen eine homogene Beschaffenheit zum Ausdruck bringen, wenn, wie hier bei Apolemia (Fig. 6), die Linen sehr dicht zusammengedringt sind. In diese kompakten Strange (deren Entstehung aus den Befunden mit gréfter Sicherheit zu erschliefen ist) gehen auch die gewunden verlaufenden Fibrillen, welche die gestreckten durchflechten, mit ein, wie aus der Figur zu ersehen 414 Karl Camillo Schneider, ist; in Gegensatz zu den bei Velella beschriebnen Polylinen, die wir ,,einfache‘S nennen wollen, miissen wir die hier gefundenen als ,zusammengesetzte bezeichnen. Wir werden solchen noch haufig in den folgenden Schilderungen begegnen. Die Struktur der Riesenganglienzellen am Stamm der Forskalea ist der soeben von den -nervésen Gebilden der Apolemiapneumatophore geschilderten im wesentlichen gleich. Die Figg. 7, 8 und 9 (wie auch die im ersten Teil der Arbeit gegebe- nen (Fig. 49, Taf. XI) zeigen ebenfalls parallel ziehende Lings- fasern, die unter den verschiedenen Ausliufern ausgetauscht wer- den, und gewundene, welche jene durchflechten. Je nach der Form der Zellen sind aber die gestreckten Fasern.in bestimmter Weise angeordnet. Liegt ein einkerniges Element vor (Figg. 8 u. 49 des ersten Teiles, Taf. XI), so sehen wir in diesem, den. cylin- drischen, kegel- oder keulenférmigen Umrissen desselben entspre- chend, die Langsfasern parallel den Wandungen, von den Aus- laufern her eintretend, nach oben ziehen und von hier aus auf der entgegengesetzten Seite nach abwiarts verlaufen, wo sie dann sich wieder auf die Auslaufer verteilen. Die gleiche Geriiststruk- tur findet sich auch bei den keulenférmigen Ganglienzellen der Carmarina hastata (S. 430) vor; sie ist leicht verstiindlich aus der Lagerung des Kerns zur nervésen Faser. Liegt er in dieser ein- gebettet, so ist der Fibrillenverlauf in seiner Umgebung derselbe, wie iiberall (siehe Fig. 9); erhebt er sich aber tiber das Niveau der Faser, so folgen ihm die Linen seiner Umgebung und miissen deshalb auf der einen Seite, je nach dem Austritt aus einem Fort- satz, empor-, auf der anderen herabsteigen. Ob diese Faser- anordnung und Zellausbildung Ausdruck einer gesteigerten ner- vosen Funktion ist, lift sich natiirlich nicht aus den morpho- logischen Befunden erschlieBen, indessen deutet die sehr wahr- scheinliche Ableitung unipolarer Zellen (siehe Carmarina), wie sie in den motorischen Centren sich vorfinden, von solch keu- len- (oder kolben-)formigen Elementen darauf hin. — In den Syncytien ist von einer entsprechenden Struktur nichts wahrzu- nehmen. Wie Fig. 7 und 50 des ersten Teiles, Taf. XII, lehren, haben wir in ihnen nur verdickte Teile der Nervenfasern zu er- kennen; wie hier, so ziehen auch dort die gestreckten Linen im angenommenen Verlauf durch die Anschwellungen hindurch, und es ergeben sich Abweichungen nur durch den Austausch der Ge- riistsubstanz der verschiedenen Ausliufer. Die Kerne sind wie- derum in ihrer Struktur vollig verschieden vom Protoplasma Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 415 ich habe in den Figuren jedoch die gestreckten Fasern des letz- teren in ihrem Verlauf iiber das Kerngeriist hinweg dargestellt. In einem Punkte unterscheiden sich die Ganglienzellen am Forskaleastamm von denen der Apolemiapneumatophore (wenig- stens den Befunden am konservierten Material nach) wesentlich, und es erklirt sich hieraus auch, warum — vor allem in den dickeren Fortsitzen — es nicht zur Vereinigung der Linen, zur Bildung homogener Stringe (Polylinum compositum) kommt. Man bemerkt hie und da an Stellen, wo eine Faser abgerissen wurde oder wo eine Quetschung statthatte, tropfenformige Geriistpar- tien auferhalb der Zell- oder Fasergrenzen (siehe Fig. 9 und Fig. 49 des ersten Teiles, Taf. X1); ja, es lassen sich solche Tropfen auch isoliert nachweisen, und sie fielen mir in dieser Situation iiberhaupt zuerst auf. An keiner anderen Zelle, trotzdem dal solche, wie die Epithelzellen des Stammes, oft sehr protoplasma- reich sind, beobachtete ich Gleiches, und es muf deshalb ange- nommen werden, da’ im Innern der Riesenzellen sich eine homo- gene Substanz vorfindet, die fliissiger ist, als die gewéhnliche Interfilarmasse. Analog zu den Verhdaltnissen bei héheren Tieren kénnen wir sie vielleicht als Hyaloplasma bezeichnen. Sie ist es jedenfalls, welche, von der Osmiumséure beeinflu’t, den Riesen- zellen einen dunkleren Farbenton verleiht, als er in der Umgebung sonst bemerkbar ist. Durch Druck wird sie ausgequetscht und reikt dabei Geriist mit sich fort. Der Verlauf der Linen in den Tropfen ist ein stark bogenformig gekriimmter; die Kriim- mungen ziehen ungefahr parallel der Tropfengrenzlinie und bilden ein ziemlich lockeres Maschenwerk. Von einer soliden Membran ist nichts wahrzunehmen. Je dtinner die Ausliufer der Riesenzellen werden, desto kompakter erscheint auch ihre Beschaffenheit; an den feinen Endigungen zeigt sich kein Unterschied zu denen anderer Gan- glienzellen; sie stellen, wie auf der Pneumatophore der Apolemia, homogene Polylinen dar. Ob in ihnen die fliissige Zwischenmasse fehlt, oder nur in anderer Form, vielleicht als soliderer Kitt der Linen auftritt, bleibt eine offene Frage. Betrefis Fig. 3 muf ich noch bemerken, da8 der helle ovale Fleck in der Nachbarschaft des Kernes mir in seiner Bedeutung unverstandlich geblieben ist. Er unterscheidet sich dadurch von der Umgebung, daf er nicht, wie diese, geschwarzt wurde, auch konnte ich nicht konstatieren, dai die gestreckten Linen ihn durchsetzen. Litteratur: Die Beschreibungen, die von den Ganglien- zellen der Scheibe der Velella vorliegen (Cuun, 7, berichtet am 416 Karl Camillo Schneider, ausfiihrlichsten tiber dieselben, CoHn u. Brysr, 4, schildern das Nervensystem von Porpita), beziehen sich nur auf Form, Lage und Verbindungsweise der nervésen Elemente. Ich vermag dazu nichts Neues beizufiigen; es gelang mir selbst nicht, den Zusam- menhang von Ganglienzellen und Epithelzellen, den Cuun konsta- tierte, zu beobachten, ohne dafi ich ihn indes nur im geringsten bestreiten will. Interessant waren mir KoroTNEFr’s Angaben (19) beziiglich der Struktur der Nervenzellen an der Blase von Physo- phora; sie lassen sich, wie mir scheint, mit den meinigen ganz gut in Kinklang setzen. KOrOTNEFF erkennt ein Bindel auferordentlich zarter Fibrillen == Achsencylinder, das von kérnigem Protoplasma == Markscheide umgeben ist. Die Scheide ist oft spindelférmig aufgehaiuft und fehlt in den Endverzweigungen ganz. Das kérnige Protoplasma der Autoren entspricht nun, wie ich in meiner frihe- ren Arbeit nachwies (24), dem von mir geschilderten Maschenwerk indifferenter Zellen (die Kreuzungspunkte der Linen erscheinen als Kérner); es ist also der Achsencylinder von gewundenen Fa- sern umsponnen. KorROTNEFF hat demnach tibersehen, da die gestreckten Langsfasern von den letzteren auch durchflochten wer- den. Wird der Faden diinner, so verliert sich die Markscheide, d. h. gestreckte, wie gewundene Fasern vereinigen sich zu einem homogenen Strang; ein Verschwinden der Scheide (der durch- flechtenden Linen) findet also nicht statt. Da sie indessen ganz fehlen kann, beweisen die Ganglienzellen der Velellascheibe (bei Carmarina werden wir Entsprechendes bemerken); die Anwesen- heit gewundener Linen, welche die langsverlaufenden durchflechten und umspinnen, ist also kein allgemeingiltiges Characteristicum der nervésen Elemente der Coelenteraten. Die Struktur der Epithelzellen des oberen Ektoderms am Scheibenrand der Velella giebt Fig. 10 wieder. Peripher ist das Maschenwerk ein indifferentes (diese Bezeichnung werde ich kiinf- tighin tiir das Geriist der Kiirze wegen anwenden, wenn es dem in indifferenten Zellen beobachteten in der Ausbildung entspricht; dort ist der Verlauf aller Linen ein wechselnder, diese also nicht zum Teil oder insgesamt einer speziell begiinstigten Funk- tion [Kontraktion, Stiitzleistung] angepaSt); hier befindet sich auch der Kern. Den Fortsatzen zu und in diesen selbst bemerkt man jedoch lingsverlaufende, gestreckte Fasern in das indifferente Maschenwerk eingelagert. Je schmiachtiger die Fortsitze, desto deutlicher pragt sich diese Geriistanordnung aus; auferdem zeigen sich auch grébere Balken, in gleicher Richtung wie die gestreckten o> Finige histologische Befunde an Coelenteraten. AIT Linen ziehend. Die feinsten Ausliufer erscheinen homogen, gleich denen der oben beschriebenen Ganglienzellen. Auch die basalen Fortsaitze der Zellen des unteren Ektoderms sind derart beschaften ; das Geriist des Zellkérpers entbehrt dagegen hier der gestreckten Linen, was in der Niedrigkeit der Zellen seine Erklarung findet. Die Cuticula ist eine dicke Membran im Sinne der von mir friiher (24) geschilderten. Sie stellt kein reines Abscheidungsprodukt der Zelle dar, sondern enthalt aufer einer homogenen Substanz auch Fibrillen; es handelt sich also zweifellos um eine Verkittung letzterer, welche die Linen in ihren Bewegungsleistungen behin- dert und durch diese Fixierung eine scharfe, dauernde Abgren- zung der Zelle gegen die Umgebung bewirkt. Die blauen Pigment- klumpen der Fig. 10 enthalten gleichfalls Geriist und entsprechen demnach in ihrer Ausbildung véllig den Chromatinklumpen, wie ich sie an anderer Stelle schilderte (24). Die Pigmentmasse, die vielleicht wie die sich farbende Substanz der Chromatinkérner an bestimmte Bildner (granula, plastidule) gebunden ist, erfiillt die Maschen des Geriistes, zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt, und fixiert Linen, indem sie dieselben in ihrem Bereiche an der Kontraktion hindert. Eine Frage von grofer Bedeutung fiir die Auffassung der Zellstrukturen ist die nach der Beschaffenheit und Bildung der derberen Strange, wie sie in den geschilderten Epithelzellen, aber sonst auch so hiufig bemerkbar sind. Ich werde an den gleich zur Beschreibung gelangenden Zellen den, wie ich glaube, zwingenden Beweis fiihren, daf wir unter den gréberen Balken nichts als Vereinigungen von Linen zu verstehen haben. Hierdurch wird eine neue Stiitze fiir die Ansicht gewonnen, welche alle so mannigfaltigen Strukturen der Zelle auf einige wenige Faktoren zuriickfiihrt und welche vor allem in den aktiven und _ passiven Arbeitsleistungen des Linons die Ursache so verschiedener und komplizierter Verhaltnisse erkennt. An den abgeplatteten (durch die Kontraktion des Stammes) Zellkérpern und diinnen Auslaufern der Epithelzellen des Forskalea- und Apolemiastammes aft sich die Struktur des Protoplasmas und ganz besonders das Verhiltnis der Polylinen zu dem Linar- maschenwerk vortrefflich studiren. Betrachten wir zuerst Figur 44 der Forskalea. Die Zelle ist in der Querrichtung des Stammes stark abgeplattet (sie ist rechtwinklig zu dieser Lage gesehen dargestellt); dies fallt besonders am Kern auf, der nach unten zu Bd, XXVIII. N. F. XX. 27 418 Karl Camillo Schneider, viel lichter, da viel diinner, erscheint und dessen Konturen gegen das Protoplasma nur schwierig zu bestimmen waren. Die Geriist- anordnung des letzteren ist im verjiingten Zellteil eine ausge- sprochen parallelfasrige (auch fiir die 3 basalen Auslaufer ist dies sofort bemerkbar); die gestreckten Fibrillen sind alle sehr zart, und kompaktere Bildungen zeigen sich erst an den Enden der Fortsatze, wo jedoch die Vereinigung von Linen zu den dickeren, homogenen Enden nicht deutlich hervortritt. Anders aber an den peripheren Ausléiufern gleicher Epithelzellen. Hier finden sich unter den lingsverlaufenden Linen (man kann sie in den schmach- tigen Protoplasmamengen mit gréSter Scharfe konstatieren und verfolgen) auch Polylinen von verschiedner Starke, welche in den zarten Fortsitzen am dicksten sind und diese schlieflich iiber- haupt nur reprisentieren (Figg. 13 u. 14). Im Geriist herrscht der Langsverlauf der Fasern vor, doch fehlt es auch nicht an indifferent, d. h. gewunden und nach beliebigen Richtungen ziehen- den Faden. An der Spaltungsstelle des Zellauslaufers, welchen Fig. 14 wiedergiebt und der in gréferem Mafstab als Fig. 13 gezeichnet ist, la8t sich nun die Bildung eines Polylinons sehr schén beobachten. Durch Zutritt einfacher Linen gewinnt der erst zarte Balken an Dicke und erreicht so den Durchmesser des Auslaufers, welcher in seinem weiteren Verlauf von ihm dargestellt wird. Am (jedenfalls kiinstlich erzeugten) Ende lést sich der untere Fortsatz in seine Bildner wieder auf (wofiir wir sicherlich den ReagentieneinfluS verantwortlich zu machen haben) und man gewinnt eine deutliche Vorstellung, welch eine Menge von Linen in einem Polylinon vereinigt sein kénnen, zu welchem sie mittels irgend einer Bindemasse verklebten. Es unterliegt fiir mich keinem Zweifel, da’, ebenso wie in Membranen, derartige anscheinend solide Gebilde durch Verkittung und nicht durch Verschmelzung entstehen; dafiir spricht erstens das Auftreten von Varikositaten an kompakten Ausliufern, welche aufgelockerte Abschnitte letzterer sind (siehe hiertiber S$. 431), zweitens der Nachweis deutlicher Struktur in konservierten Auslaiufern, die am lebenden Objekt homogen erschienen und haufig auch in homogenen, konservierten Fortsaétzen bei Anwendung stirkerer VergréSferungen (Nachweis zarter Streifungen), und drittens das Voriibergehende der Poli- linarbildungen in den wechselnden Auslaiufern bewegungsfahiger Gallertzellen (Ctenophoren), welch letztere im Zellkérper die dickeren Balken vermissen lassen, wihrend diese hingegen in den Fortsaitzen, die bald ausgesendet, bald eingezogen werden, auftreten. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. ALD Wie Fig. 14, so zeigt vor allem auch Fig. 15 sehr gut, daf durch (jedenfalls iibermaifigen) Einflu$ der Reagentien die sonst homogen erscheinenden Fortsatze (die also sich als Polylinen reprisentieren) in ihre letzten, faidigen Bestandteile aufgelockert werden kiénnen, und es la$t sich nirgens besser, als an solch anormalen Verhaltnissen, die feinste Struktur der fraglichen Ob- jekte studieren. Die Fibrillen dieses, in Fig. 15 dargestellten, centripetalen Auslaufers geben in ihrem Verlauf ein nur sehr un- deutliches Bild der Umrisse des letzteren; um so klarer beweisen sie aber eine Struktur desselben im oben geschilderten Sinne und die aus weniger drastischen Bildern erschlossene Beschatfenheit der Linen selbst. Wir vermégen diese, so iiberaus zarten, Faden als ganz gleichartig ausgebildete Fasern in ihrem oft véllig isolierten Verlaufe zwar schwierig, doch mit Sicherheit, auf gréSere Strecken zu verfolgen (wie wir dies ja auch bei Wimpern, vor allem den Bildnern der Ruderpliattchen der Ctenophoren, die als Linen auf- zufassen sind, vermégen), und wir konstatieren sehr gut die Ver- einigung zweier, dreier oder mehrerer zu dickeren Balken, zu den einfachen Vielfiden. Ganz Entsprechendes lehrt auch Fig. 13; wir diirfen deshalb, wie ich unbedenklich thue, aus der Beob- achtung dieser Bilder einen sicheren Schluf auf die Entstehung der so hiufig im Protoplasma nachweisbaren gréberen Faden- bildungen ziehen und diesen folgendermafen formulieren: Die derberen Geriistpartien des Maschenwerkes im Protoplasma ent- stehen wie die Membranen durch Verkittung von praformierten Linen; sie sind Abscheidungen der Grundmasse nur in dem Sinne, als der Kitt, welcher die Linen zu ihnen verbindet, jedenfalls aus jener herstammt (wo er vielleicht von ebenfalls praformierten granula abgeschieden wird). Der Kitt selbst kann, wie wir sehen werden, ein auferordentlich verschiedenartiger sein; aber selbst in starren Bildungen, wie in Skeletnadeln (siehe bei Alcyonium), sind immer die Linen als formgebende Elemente der vorliegen- den Bildungen aufzufassen. Gleichen Verhaltnissen, wie den soeben von Forskalea geschil- derten, begegnen wir am Stammepithel vom Apolemia. Ich werde deshalb die Beschreibung der hier vorliegenden Strukturen auf die einiger neu hinzutretender Momente beschranken. In Fig. 16 ist eine Epithelzelle dargestellt, deren Kérper an einer Stelle (rechts unten) ganz auSerordentlich abgeplattet ist, in noch stirkerem Mage, als wir dies an Fig. 12 konstatierten. Es fallt sofort auf, a7# 420 Karl Camillo Schneider, da hier das Geriist in ganz geringer Menge vorhanden ist, ja da es stellenweis gar nicht wahrgenommen werden kann. Der- artige flache Partien, die als schwimmhautartige bezeichnet werden, erscheinen dann véllig homogen und licht; trotzdem da8 sie des Geriistes zu entbehren scheinen, schlieen sie doch mit scharfer Begrenzung ab. Wenn es also dieselbe Substanz ist, welche sie und die Zwischenmasse im Protoplasmamaschenwerk bildet, so muf jene, die in letzterem ja fliissig ist, eine solidere Beschaffen- heit angenommen haben. Sie erscheint dem Kitt der Membranen abnlich, der ja das Erkennen der Linen in diesen sehr erschwert und meist unméglich macht; auch in ihr ist es nicht leicht, die wenigen vorhandenen Faden nachzuweisen. Deren Maschen er- scheinen um so weiter, je diinner und homogener die Haute aus gebildet sind; ob aber eine thatsdchliche Erweiterung jener in den meisten Fallen vorliegt, bleibt fraglich, da es in dicken Protoplasmaschichten durch die Durchkreuzung und Uberlagerung der Maschen durch andere sehr erschwert wird, den durchschnitt- lichen Durchmesser dieser genau zu bestimmen. (Wie ich in meiner Arbeit: ,,Untersuchungen tiber die Zelle“’ nachwies, stimmt er ungefahr iiberein mit dem von Bwitscutii (3) fiir die Proto- plasmawaben angegebenen, woraus ich auf die Identitat der Waben~ wandungen dieses Forschers mit den von mir beobachteten Linen schlof.) Sehr schéne Schwimmhautbildungen kommen spaterhin noch zur Beschreibung; siehe 8. 432. — Schon im ersten Teil dieser Arbeit hatte ich die Anwesenheit von Muskelbildungen innerhalb des Protoplasmas eines grofen Teiles der hier zu schil- dernden Epithelzellen hervorgehoben und die deutliche Faser- struktur jener betont. Fig. 18 stellt die bereits angegebenen Verhaltnisse in gréSerem Mafstabe dar und zeigt zugleich die Tingierung des kontraktilen Stranges durch Pikrokarmin. Als wesentlich mu8 vor allem die vollige Isolierung der Faden im Strang von indifferenten Linen erscheinen, und sie muf zugleich die Frage erwecken, ob die kontraktionsfahigen Faden als mit gestreckten Linen identisch tiberhaupt zu denken sind. Allein die Ubereinstimmung in der Dicke kann. diese Behauptung nicht erweisen; Fig. 17 indessen vermag die gegenteiligen Bedenken zu zerstreuen. Man bemerkt hier, wie ein von unten kommender Muskelstrang sich auflést, wie dessen Faden in das Protoplasma ausstrahlen (véllig gleich den Polstrahlen einer karyokinetischen Figur) und bald von Linen gar nicht mehr zu unterscheiden sind. Es ist dies ein jedenfalls anormaler Fall, denn gemeiniglich enden Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 421 die Strange an einer Zellgrenze scharf abgeschlossen, wie sie in ihrem Verlaufe waren, aber gerade derartige abweichende Vor- kommnisse sind in der Beurteilung von Strukturfragen (wie ja auch in so vielen anderen, man denke an die Arbeiten der Gebr. HertTWIG an Seeigeleiern unter Anwendung von Giften) von gréftem Werte. Folgt aber aus der gemachten Beobachtung die Identitat von Linen und kontraktilen Strangfasern (die von vornherein iuBerst walrscheinlich gedacht werden mufte, da ja die Linen auch kontraktil sind), so haben wir auch die Strange vom indifferenten Protoplasma abzuleiten. Das Wie ist allerdings nicht anzugeben; vielleicht sind aber die unter der Zellperipherie ver- laufenden gestreckten Linen, welche nicht durch Tingierung des Zellabschnittes, den sie erfiillen, von der Umgebung sich abheben, als einer Vorstufe eines Muskelfibrillenbiindels angehérig aufzu- fassen. Die Streckung der Linen wird auf die Auslaiuferbildung zuriickzufiihren sein; um aber die Isolierung der gestreckten Faden von indifferenten zu erkléren, ist man gezwungen, einen Zerfall dieser anzunehmen, und ein solcher wird schwerlich direkt beobachtet werden kénnen. Bemerkenswertes Licht auf die Ableitung der Muskelfasern vom Maschenwerke des Protoplasmageriistes wirft auch Fig. 19, die fiir den Stamm der Forskalea gilt. Wahrend die Muskelbander fast durchgehends nur lateral, an den Schmalseiten, zu Proto- plasma in Beziehung stehen (Fig. 20), ist das Band in Fig. 19 durchsetzt von solchem und hierdurch in eine Menge Abschnitte zerlegt, welche zum Teil direkt mit Protoplasma zusammen- hangen. Am normal ausgebildeten Band ist dies selbst an den Enden (Fig. 20) nicht mit Sicherheit nachweisbar, obgleich hie und da angedeutet; in diesem so zerrissenen (aber weder durch mechanische Eingriffe, noch durch Reagentienwirkung) Bande sieht man jedoch einzelne Teile desselben divergierend in das Maschenwerk des, dem Ganzen zu Grunde liegenden, Protoplasmas ausstrahlen und sich verlieren. Daf all diese Teile auch that- siichlich als Abschnitte eines sonst einheitlichen Bandes aufzufassen sind und nicht etwa Bildungen fiir sich reprasentieren, deren muskulése Natur fraglich wire, das beweist ihr Tinktionsvermégen, also die Anwesenheit einer fiir die beschriebenen Muskelbildungen charakteristischen, da stets zu beobachtenden, Zwischenmasse. Wir lernen hieraus sofort noch weiterhin, da die ganz allgemein konstatierbare Farbbarkeit dickerer Muskelbildungen nicht durch die zartesten Fibrillarbestandteile dieser gegeben ist (denn bei 492 Karl Camillo Schneider, der Ausstrahlung derselben ins Protoplasma erscheinen die Fibrillen genau so farblos wie die Linen), sondern daf hierfiir allein die Kittmasse letzterer verantwortlich zu machen ist, daf also der chemische Charakter des Muskels in der Beschaffenheit des Kittes begriindet ist. Die Beobachtung von Muskelstringen im Innern des Proto- plasmas von Epithelzellen, unter der Peripherie und parallel zur Langsachse dahinziehend, steht in starkem Gegensatz zu dem Gesetz der Zellpolaritaét, das Rani (22) aufstellt. Es giebt in der Zelle keine prinzipiellen Gegensa&tze von oben und unten; die »tendenz“, Muskeln immer am unteren Ende auszubilden, ist einfach die Folge der Einfliisse der Omgebung, der Lagerungs- weise. Das Maschenwerk wird in jedem Protoplasmaabschnitt von gleichartigen Linen gebildet, und diese besitzen hier wie dort die gleiche Fahigkeit, sich in bestimmter Weise Anforderungen anzupassen. Die Ableitung aller Gewebselemente von indifferenten Zellen (Furchungsprodukten) hatte die Ungiltigkeit obigen Gesetzes schon zeigen sollen; mit Sicherheit ergiebt sich diese aber aus dem Nachweis der Fadenstruktur in der Zelle, die ja auch den allgemeiner angenommenen Gegensatz von Protoplasma und Kern zuriickweist und zur Erklarung der Teilungsvorginge nicht ratsel- hafter, plotzlich auftretender oder dauernd existierender Bildungen (Kraftcentra!) benédtigt, sondern allein die gegebenen Fahigkeiten des Geriistes (Linen) dabei beriicksichtigt. Das Entoderm (Fig. 2) des Scheibenrandes der Velella stellt, wie oben angegeben, ein sehr kompliziertes Réhrensystem vor, wel- ches die méachtige Gallerte durchsetzt und mit den _ beiden Epithelien in direkte Verbindung tritt (in Ermangelung von Stiitz- lamellen). Median zwischen diesen haben die Roéhren, die sich beliebig teilen und mit anderen zusammentreten, den gréften Durchmesser; nach oben und unten zu laufen sie in auferordent- lich feine Bildungen aus, die nicht mehr als Réhren, sondern als Fortsitze zu bezeichnen sind und an die Fortsatze der ektoder- malen Epithelzellen herantreten. Die Réhren zeigen aufen eine glatte, fast homogene Beschaffenheit und lassen keine Andeutung von Zellgrenzen erkennen; das Protoplasma mit den Kernen ragt in das Innere hinein und verdickt sich oft zu wulstartigen Vor- springen. Die glatte Wandung ist demnach als eine Art Cuticula aufzufassen; in den feineren Ausliufern, wo man die Kerne ver- mift, scheint sie vom Protoplasma ganz isoliert vorzuliegen (viel- leicht entsprechend dem Sarkolemm der mesenchymatiésen Muskeln Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 423 der Ctenophoren [siehe dort]). Eine Struktur Jaft sich in ihr nicht konstatieren; die Linien, die in ihr entlang ziehen, sind Ausdruck von Faltungen. — Interessant am Entoderm ist weiter- hin die Anhaiufung von gelben, kugelrunden Zellen an den Roéhren zu kompakten, kugligen Massen. Jedenfalls gehéren diese glanzen- den, homogenen Gebilde der Velella nicht eigentiimlich an, son- dern sind Algen, die hier schmarotzen oder mit der Velalla in Symbiose leben. Ein Kern ist in ihnen leicht erkennbar; in der Form stimmen sie ganz tiberein mit den Algen, welche von den Gebriidern Herrwiae (16) fiir Actinien und Radiolarien, von diesen (15) und Hamann (13) fiir die Mundarme der Pelagia beschrieben wurden. Spezifische Gallertzellen (mesodermale Elemente) fand ich nicht, ebensowenig elastische Fasern in der homogenen Gallerte. Demnach wird der Zusammenhalt des Ganzen jedenfalls nur durch die Entodermréhren, die sich mit dem Ektoderm verbinden, be- wirkt. Im Scheibenkamm ist eine Stiitzlamellenbildung zu be- merken. Es befindet sich hier zwischen den ektodermalen Epi- thelien nichts als eine solide, dicke Platte, die Faserziige mit tberraschender Deutlichkeit in sich wahrnehmen 1aBt. Cuun (7) giebt von den ektodermalen Zellen an, daB sie basal in besenreiserartig auseinanderlaufende Auslaufer sich fortsetzen; er erwaihnt jedoch den Zusammenhang dieser Fortsitze mit dem Ektoderm nicht. In der Gallerte fand er keine isolierten zelligen Elemente, Bepor (2) beschreibt jedoch auBer den gelben, runden Zellen, die er aber nicht als Algen deutet, noch mesodermale, ana- stomosierende, verastelte Zellen, die vielleicht auf die Ganglien- zellen unter dem Epithel zu beziehen sind. Er selbst erklart sie, den Auslaufern zufolge, fiir nervéser Natur. B. Craspedote Medusen. Carmarina hastata E. Hagcx. Die Untersuchung beschrankte sich hier fast ganz auf die Region der Nervenringe. Ks galt vor allem, die Struktur der, in ihrer Natur als Ganglienzellen nicht anzuzweifelnden, Elemente des subepithelialen Ringes festzustellen, da hierdurch Stiitzen fiir die Deutung entsprechend struierter Gebilde anderer Species ge- wonnen werden konnten; von Wichtigkeit erschien es mir aber 424 Karl Camillo Schneider, auch, die Beobachtung der Gebriider Hertwie (15) tiber den Zu- sammenhang des unteren und oberen Nervenringes einer Nach- untersuchung zu ubnterziehen, da von vornherein gegen eine der- artige Verbindung durch eine dicke Stiitzlamelle hindurch Bedenken erhoben werden muSten. Ich glaube mit Sicherheit darthun zu kénnen, dafi ein solcher Zusammenhang nicht existiert, daf eine Durchsetzung der Lamelle von Nervenfasern oder anderen itiber- haupt nicht konstatiert werden kann. Es gelang mir auch, fir die Bilder, welche die Herrwia’s vom mazerierten Objekte zeich- ueten, den Grund des Irrtums aufzudecken; fiir die Darstellung eines Schnittes durch beide Nervenringe, wo auSerordentlich scharf der Durchtritt eines Faserbiindels durch die Lamelle wiedergegeben ist, war mir jedoch eine derartige Erklarung nicht méglich; ich kann nur behaupten, daf ein Durchtritt von Fibrillen nicht statt- hat. Um zu einem sicheren Entscheid zu gelangen, habe ich mich genau derselben vorziiglichen Methode, welche die Gebrider HertTwig anwendeten, bedient. Es werden die Epithelien und Nervenringe vorsichtig von der Lamelle mit Nadel und Pinsel ab- gelést, so daf diese in der Gegend zwischen Umbrella und Velum, wo auf der unteren Seite die Muskelfasern mangeln, vollig von allen bedeckenden Elementen isoliert ist. Die Gebriider Herrwia bemerkten nun eine Reihe kleiner Fibrillenbiindel auf der Stiitz- lamelle, welche durch feinste Offnungen diese durchsetzen. Der Zusammenhang der Biindel mit den Nervenfasern lieB sich nicht beobachten, da sie stets in geringer Entfernung von der Durch- trittsstelle abgerissen waren. An feinen Querschnitten jedoch sahen beide Forscher ,,von dem einen zum anderen Nervenring ein kleines Fibrillenbiindel durch die Scheibenwand hindurchtreten®. Meine Befunde sind folgende. Figg. 21—23 zeigen die Lamelle unterhalb des Nesselwulstes in isoliertem Zustande von oben (21), unten (22) und seitwirts (23) geschen. Links beginnt die Sub- umbrellarmuskulatur, rechts wiirde sich das Velum anschliefen. Die Lamelle ist véllig homogen, glashell und von bedeutender Stirke; die Durchsetzung derselben von Fasern miiSte also schon bei der Flachenbetrachtung durch Heben und Senken des Tubus nachweisbar sein. Nirgends aber finden sich solche Fasern, wohl aber treten sowohl von oben wie von unten Faden und Biindel solcher an die Lamelle heran. Die Bedeutung derselben ist leicht ersichtlich. Fig. 24 stellt das Epithel oberhalb des unteren Nerven- ringes im Zusammenhang abgeliést vor, und es zeigen sich hier basale Fortsiitze an denjenigen Ektodermzellen, welche direkt Einige histologische Befunde an Coelenteraten. A25 vom Ringe untersetzt, also von der Lamelle abgehoben werden und die sich genau in der Gegend der in Fig. 22 wiedergegebenen Fasern, die auf der Lamelle sich erheben, vorfinden. Letztere sind also Stiitzfasern, durch welche die Epithelzellen die Be- ziehungen zur Lamelle wahren; wie alle derartige, enden sie an letzterer, was eine seitliche Betrachtung schmaler, abgespaltener Lamellenstiicke mit Sicherheit wahrnehmen laft. — Die Betrach- tung von oben zeigt andere Verhiltnisse. Von einem Eintritt diinner Zellauslaufer, wie er soeben geschildert wurde, in die Lamelle ist hier nichts wahrzunehmen; ar der gleichen Stelle (neben der Umbrella) ist diese véllig glatt und von sich anheften- den Fasern frei; dagegen finden sich, der Velarseite genahert, dicke Aufsitze auf der Lamelle, die am freien Ende dichotomieren oder, wie Fig. 25 lehrt, in diinnere Fasern sich zerteilen. Sie ragen in den hohen Wulst der Nesselzelljugendstadien hinein, welcher den oberen Nervenring tiberdeckt, und stellen die Verbin- dung der Epithelfortsitze mit der Lamelle dar. Sie sind also vollige Analoga der auf der unteren Seite dieser bemerkten Stiitz- fasern; ihre so bedeutende Machtigkeit erklart sich leicht aus der auferordentlich weiten Abtrennung der Epithelzellen des Nessel- wulstes von der Lamelle, welche durch die massenhafte Anhaufung yon jungen Nesselzellen und die dicke Lage von Ganglienzellen (oberen Nervenring) bewirkt wurde. Nur durch die Aufsatze und ihre Verlingerungen, die Epithelzellausliufer, wird der Zusammen- halt dieser Zellenmassen gewahrt, und wie nétig ein solcher ist, zeigt Fig. 26, welche wiedergiebt, wie an die Sttitzfortsatze sich kleine indifferente Elemente, jedenfalls die Ausgangszellen fiir die Nesselzellentwickelung, anheften. — Es treten also sowohl yon oben wie von unten Fasern einzeln oder vereinigt an die Lamelle; sie durchsetzen diese aber nirgends, sondern heften sich daran blof an (in welcher Weise, wird gleich geschildert werden) ; andere Faserelemente jedoch, die zur Lamelle in Beziehung standen, sind sicher nicht vorhanden. Eine Verbindung des oberen mit dem unteren Nervenringe findet nicht statt. Die Gebriider Hertwic (15) haben die Elemente des Nessel- wulstes so ausfiihrlich geschildert, da8 ich nur weniges zuzufiigen habe. Betreffs der Deutung der sozenannten Knorpelzellen verweise ich auf den ersten Teil der Arbeit (bei Forskalea); hier wie dort han- delt es sich nicht um sekundir verinderte Nesselzellen oder spezifisch angepa8te Jugendformen, sondern um Entwickelungsformen normaler Art, wie auch hier die Behandlung mit 50-prozentiger Essigsaure 426 Karl Camillo Schneider, ergiebt. Ich habe dem Entwickelungsgange nicht naher nachge- forscht, da die gewonnenen Bilder véllig jenen im I. Teil beschrie- benen entsprachen; zum Beweis dieser Beobachtung gebe ich nur die 3 Figuren 27—29, von denen Fig. 27 die symmetrische An- ordnung der Linen, welche der Schlauchbildung vorausgeht, und Fige. 28 und 29 den Schlauch selbst aufSerhalb der Kapsel dar- stellen. — Von den Epithelzellen geben die Herrwia’s an, dab sie basal sich mehrfach gabeln und wohl an die Stiitzlamelle treten. Sie konnten eine Vereinigung beider nicht direkt kon- statieren. Fig. 26 zeigt die langsfasrige, derbe Struktur der Fortsitze, die sie als zur Stiitzleistung geeignet auffassen laft. Es wird hier der Ort sein, auf diese Bildungen naher einzugehen, da sich ein ganz ausgezeichnetes Beispiel darbietet. Zuerst aber bedarf der Begriff der Stiitzleistung einer Untersuchung. Die Stiitzleistung ist eine doppelte: sie besteht erstens in einer passiven Verkniipfung der isolierten Bestandteile der Gewebe, zweitens in der aktiven Wahrung der Form durch das Elasticitatsvermégen. Zur Bewirkung des Zusammenhaltes bedarf es, wie leicht vorstell- bar, keiner specifischen Umbildung der betreffenden Elemente, dazu geniigen Auslaiufer gewohnlicher Art, welche indessen durch den Einfilu8 der sie umgebenden, sich an sie anheftenden Elemente sekundir veriindert werden kénnen. Derartige Einfltisse aufert die Umgebung durch Ortsverinderung und reiche Anhaufung anderer Elemente im Umkreis der Stiitzbildungen. So werden die Epithelzellen des Nesselwulstes immer weiter von der Lamelle durch die anschwellende Menge der Nessel- und Nervenzellen ab- gehoben und dabei die anfangs plumperen Ausliufer linger aus- gezogen. Es ist klar, da8 diese Streckung sich auch auf den Teil der Linen iibertragen mu8, welche gerade in der Streckrichtung verlaufen, daher sehen wir in den Stiitzausliufern stets ein faserige Struktur angedeutet. Das charakteristische aber der nicht aus- gesprochen elastischen Stiitzelemente, die unregelmafige Ver- klebung von Linen zu Polylinen, findet seine Erklirung nur durch die Druckwirkung der umgebenden Zellen; da wir nun wissen, dafi deren Lage und Menge vielfachem Wechsel unterworfen ist, so miissen wir folgern, da8 die Linarverklebungen in den Sttitz- gebilden nur voriibergehende sind; wir diirfen also sagen: Die Stiitzgebilde erster Art kennzeichnen sich nur negativ durch den Mangel regelmafiger, dauernd ausgepragter Strukturen; auch kann von einer Konstanz der Form nicht die Rede sein. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 427 Ganz anders als die erwahnten Stiitzgebilde verhalten sich aber diejenigen, welche zugleich Elasticitaitsvermégen Aufern. Hierzu gehéren vor allem die Stiitzlamellen, tiber deren Bau die vorliegenden Verhiltnisse der Carmarina sehr guten Aufschluf geben. Betrachten wir einen kegelférmigen Aufsatz (Fig. 25) naher, so bemerken wir ihn aus dicht zusammengedrangten, ge- streckten und ungefahr parallel (nach unten zu ein wenig kon- vergierend) verlaufenden Fasern aufgebaut. Dieselben Fasern gehen am freien Ende des Aufsatzes in lockere Faserbiindel tiber, welche wir nach der obigen Erérterung als Zellfortsaitze oder als Reste derselben, wie sie die Zerstérung des geweblichen Zu- sammenhangs durch mechanische Kinfliisse hinterlief, zu betrachten haben. Die Fibrillen der Aufsitze sind also als Linen zu denken, die sich in besonderer Weise angeordnet haben. Am unteren Ende héren sie nun nicht auf, sondern gehen in die Lamelle ein, in der sie allerdings nur auf kurze Entfernung noch deutlich zu verfolgen sind, denn die Lamelle ist hier von so homogener Beschaffenheit, daf kaum eine zarte Streifung in ihr zu erkennen ist. Indessen ist schwerlich anzunehmen, daf die aus den Aufsitzen eintretenden Fasern in der Nahe des Eintrittes enden sollten. In allen bis jetzt untersuchten Lamellen gelang es, oft mit tiberraschender Deutlichkeit (Pneumatophore der Apolemia, Kamm der Velella- scheibe) Fasersysteme zu konstatieren; wir werden deshalb wohl nicht fehlgehen, wenn wir sie ganz allgemein voraussetzen. Und fiir diese Voraussetzung liefert uns der Befund an den Aufsatzen der Carmarina sogleich die Lisung der Frage nach der Abstam- mung der Fasern in der Lamelle. Meiner Ansicht nach ergiebt sich unzweifelhaft, dafs jene vom Protoplasma der Zellen sich her- leiten; da8 sie Linen sind. Daraus lat sich aber mit grofer Wahrscheinlichkeit folgern, daS die Anheftung der Epithelzellen iiberhaupt an die Lamelle durch Ubertritt von Linen aus dem Protoplasma in diese bewirkt wird. Es ergiebt sich hieraus sofort die Bedeutung der zackenformigen Fortsatze an der Basis mancher den Epithelzellen angehérigen Muskelfasern, wie ich sie mehrfach in meiner Arbeit tiber Hydra (23) nachwies. Die Fasern sind aber nicht die einzigen Bestandteile der Lamelle. Dies geht aus Fig. 25 mit gréfter Sicherheit hervor. Die geringere Deutlichkeit der Linen im Aufsatz als in den Zell- fortsitzen und im Protoplasma ist bedingt durch die Anwesenheit einer homogenen Bindemasse, deren Lichtbrechungsvermégen dem der Linen fast ganz oder ganz (z. B. in der Lamelle) gleichkommt. 428 Karl Camillo Schneider, Wir konstatieren also in den Lamellen: Ziige parallel und gestreckt verlaufender Linen und eine Verbindungsmasse. In der Lamelle der Luftflasche von Apolemia bemerkten wir zwei Richtungen, welche die Fasern innehielten; am Stamm der Apolemia lassen sich lings-, quer- und radialziehende (in den Septen) Fibrillenziige nachweisen; hier bei Carmarina und sonst meist verlaufen die Linen in einer Richtung, bei Forskalea in der Lamelle der Nahr- polypen fanden sich aber vereinzelte spiralige Fasern von star- kerem Durchmesser vor. Gemeinschaftlich ist allen elastischen Stiitzgebilden eine Tinktionsfaihigkeit in lichtem Rosa, die bald fast ganz zuriicktritt, bald auSerordentlich intensiv ist (elastisches Band der Nesselknépfe); es farbten sich dagegen die Muskeln gelblich-rot. Die Kittsubstanz jener ist also von der letzterer verschieden; da die Linen dieselben sind, so miissen wir also in der Bindemasse den Faktor erkennen, welcher das Elasticitats- vermégen ersterer bedingt. Eine chemische Analyse, die in den Lamellen eine ganz andere Beschaffenheit als in den Muskeln nachweist, besagt also nicht im geringsten, daf in den elastischen Gebilden Linarbestandteile nicht vorhanden sein kénnen — zu- gegeben deren Anwesenheit in den kontraktilen Substanzen —, sie lehrt uns einfach nur, daf’ andere Kittmassen als in den Muskeln abgeschieden wurden, und daf jene hauptsachlich es sind, welche den Gewebselementen ibren spezifischen Charakter verleihen (die Anord- nung der Fasern spielt selbstverstandlich dabei auch eine grofe Rolle). Bis jetzt lieBen sich dreierlei solch verschiedenartige Bindesubstanzen nachweisen: die bei Einwirkung von Osmium leicht sich schwarzende der Ganglienzellen; die durch Pikrokarmin sich gelbrétlich farbende der Muskeln und die durch Pikrokarmin licht oder intensiver rosa sich tingierende der elastischen Stiitzgebilde. Woher diese Sub- stanzen stammen, soll am Schluf dieser Arbeit einer Erwigung unterzogen werden. In der Mitteilung meiner Befunde iiber die Ganglienzellen der Nervenringe beschranke ich mich nur auf Schilderung der Struktur derselben, da alles tibrige auf sie Beziigliche von den Gebr. Hartwie (15) so vortrefflich dargethan wurde und meine Untersuchungen dem nichts Neues beifiigen. In den Figg. 31—39 ist eine Ubersicht tiber die mannigfaltigen Strukturbilder, welche man wahrnimmt, gegeben. Ich war iiberrascht, da’ selbst an ein und demselben Tier die Ausbildung der Ganglienzellen so verschiedenartig sein kénne; indessen scheint es, als wenn die Variationen voneinander ableitbar waren. Wahrend in Fig. 31 und 34 eine Geristanordnung, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 429 wie sie auch in den Auslaufern der Epithelzellen (am Stamm der Forskalea und Apolemia) sich zeigt, zur Beobachtung gelangt, in- dem gestreckte Langsfasern von indifferenten durchflochten werden, ist in Figg. 36 und 38 eine Streckung der Fasern ganz allgemein wahrnehmbar. Sdamtliche Fasern ziehen hier ungefihr parallel zu einander und zu den Wandungen des Auslaufers, nur durch geringe Biegungen kommen Verschlingungen des Geriistes zu- stande. Beide Ausbildungsweisen stehen sich aber nicht schroff gegeniiber, sondern scheinen durch Zwischenglieder vermittelt. So ist in Figg. 35 und 32 zu konstatieren, daf hier eine scharfe Unter- scheidung von indifferenten und gestreckten (d. h. ungefihr eine Richtung einhaltenden) Linen kaum méglich ist; man hat nur den Kindruck, als wenn einzelne Faden fast gestreckt, andere etwas gekriimmt, dritte starker gewunden verlaufen. So kommt wohl eine Verflechtung der Geriistbalken zustande, das Ganze hat aber nicht den Charakter eines Maschenwerkes, wie dies in Fig. 34 trotz der Streckung eines Teils der Linen der Fall ist. In Fig. 35 ist die Durchflechtung noch geringer; in Fig. 38 laufen die Faden fast véllig parallel. Interessant ist, da8 ein gleichartiger Verlauf der Linen um so ausgepragter ist, je mehr der multipolare Charakter der Zelle zuriicktritt. In Figur 31 haben wir jedenfalls das ur- spriinglichste Schema der nervésen Elemente zu erkennen, denn wir finden derartige Zellen z. B. bei Hydra und in den Epithelien der Hydroiden, wo es zu keiner Konzentration der Ganglienzellen kam. Ein gutes Beispiel hierfiir liefern die Ganglienzellen in den Nahrpolypen der Apolemia, deren eine in Fig. 40 wiedergegeben ist. Auch bei diesen sehen wir gestreckte Fasern von inditferenten durchflochten; in den feinsten Abschnitten der Ausliufer kommt es dann zur Vereinigung aller Faden zu zusammengesetzten Poly- linen. Zeigt jedoch eine Ganglienzelle, wie in Figg. 35 und 36, nur einen vom Zellkérper abgehenden Fortsatz, so sind simtliche Fasern mehr weniger gestreckt. (Wie schon oft bemerkt, ist selbst- verstandlich vom Geriist des Kerns abzusehen; dieses beteiligt sich an den Anpassungen des Protoplasmamaschenwerkes nicht.) Indessen werden wir dieser fiir Carmarina giltigen Beobachtung nicht allgemeine Bedeutung zuschreiben diirfen, denn wir sahen z. B. bei Velella in den multipolaren Ganglienzellen einen ziemlich gestreckten Faserverlauf; véllig parallel ziehend werden wir die Linen in den mesodermalen Ganglienzellen der Ctenophoren beob- achten; andererseits war die Geriistanordnung in denjenigen Riesen- zellen vom Stamm der Forskalea, die nur einseitig Fortsitze 430 Karl Camillo Schneider, abgeben und insofern wenigstens Fig. 30 ahneln, genau dieselbe wie in den tibrigen, mit Fortsiitzen an deu verschiedensten Stellen des Kérpers versehenen Zellen. Je mehr sich die Auslaufer auf eine Seite der Ganglienzelle beschrinken (Figg. 34—36), desto mehr pragt sich eine Anordnung der Langsfasern aus, wie wir sie schon in den soeben erwahnten Rie- senzellen (nicht in den Syncytien) des Forskaleastammes beobachten konnten. Die in den Zellkérper eintretenden Faden ziehen an der einen Seite desselben empor, biegen um und ziehen auf der anderen abwarts, wo sie dann in den zweiten Auslaufer eintreten (Fig. 34) oder in den einzigen vorhandenen zurickkehren (Figg. 35 u. 36). Diese Ausbildungsweise erinnert schon an jene der Ganglienzelien hoherer Tiere, und sie ist wohl zweifellos als Ausdruck hoéherer Leistungsfahigkeit der betrettenden Zelleu zu deuten. Derartige Gebilde werden nicht als einfache Leitbahnen der Reize aufzu- fassen sein. Wie auch die Gebr. Herrwic beobachteten, findet sich noch eine andere Art nervéser Elemente in der Nahe des Ringkanals im unteren Nervenringe vor. Man bemerkt hier zu einheitlichem Strang verbundene, ganz zarte Fibrillen mit eingelagerten Kernen. Ich habe in Fig. 37 ein Stiick dieses Stranges dargestellt; die Fibrillen darin verlaufen langs und sind gestreckt; nur hie und da zeigen sich schieifenartige Ausbiegungen aus dem gestreckten Verlauf, die aber fiir saimtliche Fibrillen der Seite, auf wel- cher die Verknotung bemerkbar ist, gelten und denen wohl kaum eine besondere Bedeutung zuzusprechen ist. Ob wir es nun hier mit einer Vereinigung vieler Ganglienzellen, deren Aus- laufer so auferordentlich zarte sind (isoliert kommen derartige Zellen in Menge vor), zu diesen Stringen oder mit Syncytialbil- dungen zu thun haben, ist eine schwer lisbare Frage. Fast méchte ich das letztere fiir wahrscheinlicher erachten, denn eine Beziehung der Kerne zu blof je einer Faser des Stranges ist nicht zu beob- achten; die Kerne liegen vielmehr gleichmaSig von samtlichen Fibrillen umsponnen im Innern. Die Struktur der Sinneszellen (Fig. 39) entspricht ganz der der Ganglienzellen, wie sie in Fig. 34 wiedergegeben ist. Der Unterschied gestreckter und indifferenter Fasern ist ziem- lich deutlich (wenigstens in dem vorliegenden Element) aus- geprigt; besonders auffaliend ist die vd6llige Streckung der Langsfasern in dem _ peripheren Fortsatz der Zelle, welcher das Sinneshaar tragt. Genau das Gleiche gilt auch fir die in Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 431 Fig. 41 dargestellte Sinneszelle der Apolemianihrpolypen (Mund- gegend), wo der Ubergang dieser Faden in die Wimpern, die in groBer Anzahl aufsitzen, mit Sicherheit zu erkennen ist. Welche Menge von Linen in den Ausliufern enthalten ist, erhellt aus der gleichen Figur, an der wir den einen basalen Fortsatz in seine Linarbestandteile aufgelést finden. Sehr klar bemerkt man dies aber auch an den eigentiimlichen Anschwellungen, die so haufig an den Auslaufern der Ganglienzellen konstatiert werden und als charakteristisch fiir die nervésen Elemente gelten. In Figg. 32 und 38 sind solche Bildungen, die als Varikositaten bezeichnet werden, gezeichnet; der homogene (Fig. 32) oder von eng neben- einander ziehenden Linen angefiillte (Fig. 38) Ausliufer erweitert sich plétzlich, um dann die erstere Beschaffenheit wieder anzu- nehmen. Es wird dies durch zeitweilige Auflésung des Zusammen- haltes der in ihn eingegangenen Linen bewirkt; diese verbreiten sich auf einen gréferen Raum, wobei sie, wie in Fig. 38, sich stark kriimmen, und vereinigen sich dann wieder in der alten Weise. Was die Ursache dieser Varikositatenbildungen ist, konnte ich nicht feststellen; vielleicht haben wir als solche einfach den Kinflu8 der Reagentien anzusehen (lokale Verquellung), wie ja auch die Gebriider Herrwic (15) annehmen. Die quergestreifte Muskulatur des Velums und der Subumbrella giebt Fig. 42 wieder. Die sonst blattartig neben- einander stehenden Binder sind hier ganz oder etwas umgebogen, so da8 wir einzelne auch viéllig von der Breitseite sehen. Wie bei Forskalea (Muskeln der Subumbrella der Schwimmglocken, Fig. 1) ziehen die Querlinien mit gré8ter Regelmafigkeit tiber alle Bander hin; nur an dem iibermaig kontrahierten Bande werden sie im mittleren Abschnitt desselben undeutlich. Nehmen wir an, dal es nur die substanzirmeren Teile der Binder (die dunkel ange- gebenen) sind, die sich kontrahieren, so erkennen wir die Ursache dafiir leicht darin, da die Unterschiede in der Substanzmeage durch die starke Kontraktion ausgeglichen werden. Deutlich bemerkt man die perlschnurartige Beschaffenheit an dem Auslaufer des Bandes rechts unten. Ein struktureller Unterschied der hellen und dunklen Partien ist nicht nachweisbar (wie bei Forskalea); auch das Tinktionsvermégen ist das gleiche. Ein Plattenepithel muf von vornherein als besonders geeignet zur Geriistuntersuchung erscheinen, da man es ja hier nur mit einer ganz zarten Lage von Protoplasma, die oft mit einem sehr feinen Schnitt an Diinne wetteifert, zu thun hat, 432 Karl Camillo Schneider, Carmarina bietet im Epithel der Umbrella vorziigliche Gelegenheit zu solchen Studien; die Zellen erreichen hier in Teilen ihres Be- zirkes ein derartig geringes Ma8 von Dicke, dafi selbst Zellmem- branen derber erscheinen. Fig. 43 stellt einen Fetzen dieses Epithels dar. Das Zellterritorium ist, da Grenzen mangeln, nur ungefahr nach der Lage der Kerne zu beurteilen. In deren Nahe schwillt das Protoplasma am starksten an (obgleich es auch hier ein sehr niedriges ist und der Kern deshalb flachgedriickt erscheint) ; von diesem aus, anderen Anschwellungen zu, verdiinnt es sich, wie es scheint (siehe die Figur) aber nicht gleichartig nach allen Seiten hin, sondern in zwei entgegengesetzten Richtungen, in denen sich eine Parallelfaserung bemerkbar macht, in geringerem Mabe, als in den tibrigen. Das Maschenwerk ist in den relativ dicken Partien der Zelle auSferordentlich klar wahrzunehmen ; man erkennt daf die Windungen, in welchen die einzelnen Linen verlaufen, nicht so bedeutende sind, wie es z. B. bei Betrachtung eines Schnittes (siehe meine Arbeit, 24) der Fall zu sein scheint; immer- hin ist fiir ein Plattenepithel ein verhaltnismaig gestreckter Ver- lauf der Linen leichter einzusehen, als in protoplasmareicben Zellen, da der Verlauf der Faden fast ganz auf eine Flache beschrankt ist. Die Parallelfaserung, welche auf der fast vélligen Streckung einzelner in einer bestimmten Richtung ziehender Linen beruht, macht sich am ganzen Epithel der Umbrella bemerkbar; ausgepragt ist sie natiirlich nur in den dickeren Partien der Zellen, denn in den iibrigen ist das Geriist tiberhaupt kaum, stellenweise gar nicht wahrnehmbar. Die wenigen hier ziehenden Linen bilden relativ weite Maschen; es ist jedoch immerhin méglich, daf man einzelne gar nicht wahrnimmt und daher der Maschendurchmesser bedeu- tender erscheint. Die Zwischenmasse tragt durch ihre hier homo- gene Beschaffenheit dazu bei, die Faden undeutlich zu machen — das Gleiche wurde S. 420 geschildert —; ob nun eine Verdichtung der Grundmasse (was zum mindesten ein sehr unklarer Begriff ist) oder die Verdrangung derselben durch einen in ihr abge- schiedenen homogenen Kitt eingetreten ist, Ja8t sich durch morphologische Untersuchungen nicht feststellen. Ich bin der Ansicht, da8 letzteres statthat, da ich unter Grundmasse tiberhaupt nur fliissige Ausscheidungsprodukte geformter Zellbestandtteile (Granulae) verstehe (siehe hieriiber in den SchluSbemerkungen). Wie bekannt, spannen sich zwischen den Stiitzlamellen der Umbrella und Subumbrella durch die Schirmgallerte Fasern (Fig. 44) aus, die als elastische bezeichnet werden. Sie sind véllig | Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 433 gestreckt, wenn die Gallerte nicht geschrumpft ist; sie dufern also Elasticitit, indem sie einem Drucke Widerstand leisten und aus einem durch Druck herbeigefiihrten Zustand, wie Fig. 44 ihn darstellt, in den vélliger Streckung zuriickzukehren sich bemiihen. Eine Struktur ist in ihnen absolut nicht wahrnehmbar; sie sind von durchaus homogener Beschaffenheit. Es méchte daher ganz willkiirlich erscheinen, auch fiir sie eine Linarstruktur zu be- haupten; da aber in anderen elastischen Gebilden eine Faser- struktur wirklich sich nachweisen lift, wie sogleich dar- gethan werden soll: so rechne ich auch erwahnte elastische Fasern zu den aus gestreckten Linen und einer spezifischen Kitt- masse bestehenden Gewebselementen, deren Fasern praformierte sind und vom Protoplasma abstammen. Aufer in der Funktion zeigen die Gallertfiden auch Ubereinstimmung in der Farbbarkeit mit den bekannten elastischen Gebilden; sie farben sich ebenso intensiv rosa, wie die Fasern des elastischen Bandes der Nessel- knépfe, und von diesen ist der Nachweis des Aufbaus aus zarten Fibrillen leicht zu fiihren. Denn zwar erscheinen sie auch bei Forskalea contorta (und ebenso der unbestimmten Agalmide) zu- meist von vollig gleichartiger Beschaffenheit, aber, wie wir es schon bei den Muskeln konstatierten, es sind die abweichenden Bildungen, gewissermafien die Monstrositaten, welche tiber die Strukturen den klarsten Aufschluf geben. Im ersten Teil der Arbeit habe ich eine elastische Faser beschrieben (Fig. 26), welche sich zu einem sehr diinnen Bandchen abfiachte. In diesem lief sich eine zarte Langsstreifung nachweisen; auferdem spalteten sich von ihm diinne Fibrillen ab, die jener Streifung entsprachen Vereinigen wir mit diesem Befunde noch den sich aus Fig. 45 ergebenden, wo die lokale Spaltung einer elastischen Faser in mehrere Lingsfaden von verschiedener, aber sich gleichbleiben- der Dicke dargestelit ist, so ergiebt sich mit gréSter Wahr- scheinlichkeit der Aufbau der betreffenden Fasern und ge- streckten Liangsfibrillen, deren Kittsubstanz zumeist eine so innige Vereinigung der Faden bewirkt, daf das Ganze ein homo- genes Aussehen erhilt. Fragen wir nun: woher stammen die Fibrillen, welche in diesen elastischen Elementen sich vorfinden? so giebt uns hieriiber der Zusammenhang der letzteren mit der Stiitzlamelle der Senkfaiden Auskunft. Ich glaube, dem oben gefiihrten Nachweise entsprechend, auch hier behaupten zu diirfen, da die Lamellenfiden mit Linen identisch sind; es Bd. XXVI, N. F. XX, 28 434 Karl Camillo Schneider, bilden also Linen durch Verkittung mittels einer spezifischen Bindemasse die elastischen Fasern. Daf zwischen dem Kitt dieser und der Lamellen ebenfalls kein prinzipieller Unterschied vorliegt, geht wiederum aus den Befunden an den Senkfiden hervor, denn es hat zwischen der intensiven Rosafirbung des Angelbandes und der weit lichteren der mafig stark entwickelten Lamelle am Be- ginn der Senkfaden ein allmahliches Ubergehen statt. Wahr- scheinlich ist Ursache hierfiir nur eine reichere Anhiufung des Kittes in den sich am Senkfaden ausbildenden elastischen Fasern. Daf es nur die Beschaffenheit jenes sein kann, welche, gesetzt die Richtigkeit des Identititsnachweises von Linen mit den Fibrillen der elastischen Elemente, diese tiberhaupt zu elastischen Gebiiden stempelt, bedarf kaum einer Erwihnung; denn da die Linen kon- traktionsfahige Elemente sind, so kann ihnen die Fahigkeit der Elasticitaét nur in sehr geringem Mage innewohnen. Die Tentakeln der Carmarina bilden ein ausgezeichnetes Untersuchungsobjekt. In der leicht isolierbaren Stiitzlamelle ist eine zarte Faserstruktur von Quer- und Liangsfalten wohl zu unterscheiden. Mit der Lamelle stehen die schlauchférmigen Aus- laufer der Nesselzellen (Fig. 46), die auch Hamann (12) beschreibt, in Zusammenhang, wobei sie sich meist basal in kurze Fasern auflésen. Wie die Membranen in der Umgebung der Kapseln, in welche sie tibergehen, sind sie von homogener Beschafienheit; ob deshalb und der Verbindung mit der Lamelle wegen den Fortsitzen die muskulése Natur abzustreiten ist, wie HAMANN dies will, erscheint mir fraglich; einfache Stiitzfortsitze sind meist nicht so regelmabig ausgebildet. Fig. 47 lehrt die auferordentliche Dehn- barkeit der Wandungen des Nesselschlauches. Sie stellt eiven solchen zum Teil ausgestiilpt dar; er ist erfillt von Sekret, von dem in die Kapsel zuriickfiihrenden, noch nicht erweiterten, und auferdem noch von anderen, durch Zufall mitgerissenen, Ab- schnitten des Schlauches. Ausgezeichnete Strukturbilder ergeben die Epithel- oder Deck- zellen der Tentakeln (Fig. 48). Gemaf ihrer bedeutenden Langs- | erstreckung zeigen sie eine ausgesprochene Langsfaserung. Die | Langsfasern verkleben vielfach zu verschieden kraftigen Polylinen; wihrend peripher unter der Cuticula das Protoplasma am reich- lichsten und sehr gleichmafig struiert ist, finden sich basal im ver- diinnten Zellkérper schroffe Kontraste zwischen derberen und sehr | zarten Partien. Die ersteren werden von Polylinen dargestellt, in f letzteren ist stellenweise das Geriist, wie ja auch in anderen | eee Kinige histologische Befunde an Coelenteraten. 435 schwimmhautartigen Bildungen, kaum wahrzunehmen. Ganz Ent- sprechendes lehrt auch die Betrachtung der Struktur der im L. Teil schon erwihnten Epithelmuskelzellen vom Mundrand der Apolemia- nihrpolypen (Fig. 40); auch hier ist eine Lingsfaserung gemal der Verlingerung des Zellkérpers in einer Achse deutlich aus- gepragt, und es kommt auch hier (jedenfalls durch den Druck der angelagerten Driisenzellen) zu Verdiinnungen des Protoplasmas, denen starkere Entwickelung durch Polylinenausbildung in an- deren Bezirken (siehe die mittlere Partie der Epithelzelle im Gegensatz zu den zwei seitlichen) das Gleichgewicht halt. In ersteren ist auch hier das Geriist nur schwer nachweisbar, da die Awischensubstanz an Homogenitat gewonnen hat; in letzteren sind die Balken dann um so reicher angehauft und untereinander ver- klebt. ‘ C. Hydroidpolypen. Pennaria cavolini. Das Ektoderm des Mauerblattes zeigt Epithelmuskelzellen von geringer Hohe und vakuolir angeordnetem Protoplasma (Fig. 49). Das Geriist ist nur in der Kerngegend reichlicher angehautft; es durchsetzt von hier aus den Raum der Zelle in verdichteten Strangen oder membranartigen Bildungen, die besonders als Grenzmembranen der Zelle von oft betrichtlicher Dicke sind. Da dabei Ver- klebungen des in der Kerngegend indifferent ausgebildeten Linar- maschenwerkes die Hauptrolle spielen, ist leicht ersichtlich ; immer sind die soliden Bildungen (Polylinen und Membranen) aber von lockerem Maschenwerk begleitet. Man muf sich indessen hiten, die zarten Maschen, welche iiber den Vakuolen eingezeichnet sind, auf solche Schicht indifferenten Geriistes zu beziehen; sie geben vielmehr Ausdruck der hier besonders miachtig ausgebildeten Cuticula. Dies ist mit Sicherheit durch Hebung und Senkung des Tubus nachweisbar ; die Cuticula grenzt unmittelbar an die darunter befindlichen Vakuolen. Bei oberflichlicher Betrachtung imponieren die hellen Maschenraume in der Cuticula als Kérnchen, und hieraus erkliren sich auch die vorliegenden Ansichten tiber eine Struktur in jener. Pennaria ist jedenfalls ein zur Beurteilung der Cuticula sehr geeignetes Objekt. —- Die Muskein sind glinzende, homogene 28 * 436 Karl Camillo Schneider, Fasern, wie allgemein bei den Hydroiden; auf ihnen sich aus- breitend zeigen sich hie und da Ganglienzellen (siehe die Figur), deren Protoplasma lingsverlaufende und indifferente Faden, wie in Fig. 31, enthalt. Die feinen Fortsitze sind homogen, wie ja ganz allgemein. Im Entoderm bemerkt man sehr verschiedenartige Epithel- zellen. Am Mundrand finden sich die in Figg. 50 u. 51 dargestellten Elemente; tiefer am Mauerblatt werden sie von den in Figg. 52, 53 und 54 gezeichneten vertreten. Betrachten wir die ersteren, so haben wir Fig. 50 als Deckzelle zu deuten, die jedenfalls zu den vorhandenen Muskelfasern in Beziehung steht (auf er diesen Gebilden finden sich am Mundrand nur noch Driisen- und Sinnes- zellen als epitheliale Elemente). Sie zeigt ein dichtes Geriist, in dem eine Lingsfaserstruktur nur schwach angedeutet ist; peripher trigt sie eine derbe GeiBel, welche wohl ein Verklebungsprodukt mehrerer Wimpern ist. Die Muskelzellen des Mauerblattes haben im Gegensatz zur Schmiachtigkeit jener einen plumpen Zellkérper (die verschiedenen Dickenverhaltnisse sind doch wohl nur als Aus- driicke verschiedener Ernahrungszustande aufzufassen), dessen gleichfalls dichtes Geriist von Nahrangsballen erfillt ist. Die Muskelfasern sind schwacher als im Ektoderm. Wie bei den Deck- oder Muskelzellen haben wir auch zwei Variationen der Sekret- zellen zu unterscheiden, die vielleicht gleichfalls nur 2 Zustande einer einzigen Zellart reprasentieren. Fig. 53 entspricht dem Typus einer K6érnchen-, Fig. 51 einer Becherzelle. In jener ist das Geriist ein ausgesprochen langsfaseriges, vor allem oberhalb des Kernes, wo grofe Mengen von Sekretkérnern angehauft sind, welche sich gelbbraunlich farben. In Geriistanordnung und Tinktion stimmen diese Zellen véllig mit den von Forskalea (Polypenento- derm) und Apolemia (Polypenmundrand) geschilderten Driisen- zellen iiberein. Von letzteren giebt Fig. 55 eine Darstellung; das Geriist ist ausgesprochen langsfaserig; am oberen Zellende ver- schlingen sich die Fasern untereinander. Kérner fehlen in manchen Zellen ganz; die Farbung der Zwischensubstanz deutet aber auf das Vorhandensein von Sekret hin. In den genau entsprechend gelagerten und geformten Zellen der Taster der Apolemia konn- ten jedoch Korner in Menge beobachtet werden; weiterhin giebt Korornerr von den Driisenzellen am Velellascheibenrande, die ich gleichfalls leer an Kérnern konstatierte, an, daf sie von solchen ganz erfiillt seien — daraus scheint hervorzugehen, dah der Gehalt an Sekret in Ballenform keinen Unterschied der Zellart, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 437 sondern nur des jeweiligen Zustandes der sekretorischen Thatig- keit und vielleicht der Einwirkung der Reagentien bedeutet. — In der zweiten, bei Pennaria beobachteten Sekretzellart sind Kérner ebenfalls nicht vorhanden; die starke Anschwellung des oberen Zellteiles, die durch grofe Anhaufung einer homogenen Substanz bedingt ist, lift aber eine Deutung des Elementes in anderem, als oben angegebenem Sinne nicht zu. Das Geriist ist aufer- ordentlich weitmaschig (Fig. 51), nur hie und da nimmt man die Kreuzungsstellen der Linen als intensiver glanzende Knoten wahr. Dem Kern genihert, tritt eine Verdichtung des Geriistes ein, und unterhalb des Kerns ist die Struktur die gleiche, wie in den am gleichen Ort auftretenden Deckzellen. — Schon in meiner Arbeit, tiber Hydra (23) habe ich versucht, auch diese Art der drisigen Gebilde mit den K6érnerzellen in Einklang zu bringen. Es zeigte sich, dafi bei Anwendung verschiedener Reagentien dieselben Zellen (an der Fufscheibe) entweder im letzteren oder im ersteren Modus vorlagen ; die in den Koérnerzellen isolierten Ballen waren demnach in den Becherzellen zu einer homogenen Sekretmasse, welche das, sonst lingsfaserige, Geriist auseinandertrieb, verschmolzen. Diese Beziehungen beweisen, daf ein prinzipieller Gegensatz beider Zell- arten nicht existiert; nichts liegt nun naiher, als die erwahnte Umbildung auch am lebenden Tier sich vollziehend anzunehmen. So kénnen ganz die gleichen Sekretzellen, z. B. der Pennaria, ihrer verschiedenen Lagerung wegen in verschiedenen Zustinden erschei- nen; es ware auch denkbar, dal sogar nebeneinander liegende Driisenelemente als Becher- und als Kérnerzellen auftreten, da die Zustinde sich méglicherweise auch in derselben Gegend nicht zu entsprechen brauchen. Damit soll nicht im geringsten behauptet sein, daf beide Modi nun immer vereinigt vorkommen miissen; die Abscheidung des Sekretes, dies einzig stichhaltige Characteristicum der Driisenelemente, kann ja auf die mannigfaltigste Weise vor sich gehen; Anordnung des Geriists und Form des Sekretes hingen yon nebensachlichen Erscheinungen ab, welche in den verschiedenen Zellen sehr verschieden sein kénnen. Die in Fig. 52 dargestellten Sinneszellen erinnern auBerordent- lich an die gleichen und gleichgelagerten Elemente der Hydra (23). Thre Struktur ist dieselbe, wie in den Sinneszellen der Apolemia- nahrpolypen (I. Teil). Ob die spitzzulaufende Form (b) auf ein Element, das sich zur Ganglienzelle umbildet (wie sie bei Hydra vorkommen) zu beziehen sei, konnte ich mit Sicherheit nicht ent- 438 Karl Camillo Schneider, scheiden; ich habe auch keine Ganglienzellen im Entoderm ange- troffen. Von den Tentakeln interessierten mich am meisten die Zellen des Entoderms, die sogenannten ,,Knorpelzellen“ (Fig. 56), welche wie Geldrollen hintereinander liegen. Ihre Wandungen sind sehr solid, ihr Protoplasma ist auf die mittlere Zellpartie, wo der Kern liegt, beschrankt. Es zeigt ganz dieselben struktu- rellen Umbildungen, wie in den ektodermalen Epithelmuskelzellen des Mauerblattes; durch Polylinen- und Membranbildung ergiebt sich die so feste Beschaffenheit des Ganzen. Dabei ordnen sich vielfach die Linen in Ziigen an, die, von den Wandungen einzeln kommend, ventral sich durchkreuzen und den Kern umspinnen. In den Wandungen hat die Verdichtung des Geriistes das héchste Maf erreicht; die auferordentlich derbe Struktur ist Ursache da- fiir, daf die Tentakeln nicht kontrahiert werden kénnen. Die Nesselzellen des Ektoderms der mit Nesselképfen ver- sehenen Tentakel haben Stilbildungen, welche auch Hamann (12) schildert. Die Zellen mit den kleinen Kapseln (Fig. 57) lassen einen feinen, gleichmaSig dicken Fortsvtz erkennen, der ganz mit den Fortsaitzen der Nesselzellen am Apolemiataster iibereinstimmt. Er wird, wie auch die Membran im Umkreis der Kapsel, von Protoplasma umsponnen; mit der Membran steht er in direkter, solider Verbindung. Anders jedoch bei den Zellen mit eréheren Kapseln (Fig. 58); auch hier existieren Stil und die Membran im Umkreis der Kapsel; beider Zusammenhang ist aber ein lockerer, das Geriist letzterer geht nach unten zu in eine parallelfaserige Verdickung des Protoplasmas (die auch von anderen, indifferenten Linen durchflochten wird) tiber, welche als Stil imponiert. Der Struktur wegen ist er deshalb sicher nicht als Muskelbildung auf- zufassen, vielmehr kann es sich nur um einen Stititzfortsatz handeln. Die homogene Beschaffenheit des Fortsatzes ersterer Zellen lait eine Deutung als Muskelgebilde ganz gut zu, wenn sie dieselbe auch nicht nétig macht; Hamann (12) kann demgemaf im Recht sein, wenn er diesen beiden Nesselzellarten die muskulése Natur auf Grund ihres Zusammenhangs mit der Lamelle abspricht; die Allgemeingiltigkeit dieser Ansicht widerlegen jedoch vor allem Cuun’s (6) Befunde an Physalia. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 439 D. Aecraspede Medusen. Pilema pulmo Hagcx. Die Epithel- und Sinneszellen der Sinnesgrube sind in ihren Strukturverhaltnissen in Figg. 59 und 60a und b dargestellt. Im Vergleich zu den Elementen der Hydroiden kann man hier von einer gewissen Gertistarmut sprechen, die noch ausgesprochener bei den Anthozoen sich bemerkbar macht. Die Elemente, vor allem die Sinneszellen (Figg. 60a u. b), sind von auferster Feinheit ; wihrend aber im gleichen Fall bei den Hydroiden das Geriist zu Polylinenbildungen verdichtet war (siehe Figg. 52 u. a.), ist es hier ganz im Gegenteil ein durchaus lockeres; es enthalt also die Zelle tiberhaupt weniger Linen als bei jenen Species ; zu Polylinen- bildungen kommt es nur in den feinsten Fortsitzen; dement- sprechend ist eine parallelfaserige Struktur auch viel weniger deutlich ausgeprigt. Je dicker die Zelle (Fig. 59), also je mehr Linen vorhanden, desto wahrscheinlicher sind einzelne gestreckte wahrzunehmen; vor allem unterscheiden sich die als Wimpern aus dem Protoplasma austretenden Linen schon in diesem als Lings- fasern von den indifferenten. — Ich gehe hier nicht auf diese interessanten Verhaltnisse naher ein, da das von den Anthozoen gelieferte reichlichere Material bessere Unterlagen bietet. Pelagia noctiluca Perr. u. Legs. An den Muskeln der Subumbrella ist das charakteristische der Querstreifung am besten zu erkennen. Die rundlichen Fasern erscheinen haiufig in den Endabschnitten vdllig glatt (Fig. 61), genau wie glatte Muskeln; der Ubergang in die ausgesprochen quergestreiften Partien erfolgt durch leise Anschwellung in be- stimmten Abstanden, die immer betrachtlicher wird, bis der perl- schnurartige Charakter der Fasern deutlich ausgepragt ist. Die substanzarmeren Stellen, welche an Dicke dem glatten Endabschnitt entsprechen, erscheinen dunkel; die dickeren licht, oder umgekehrt, je nach der Tubuseinstellung. Eine Strukturverschiedenheit ist nicht zu beobachten. Meiner Meinung nach geht aus diesem ganzen Befunde unzweifelhaft hervor, da zwischen glatter und quergestreifter Muskulatur der Coelenteraten nur der Unterschied 440 Karl Camillo Schneider, vorliegt, da in letzteren die Substanz in gewissen Abstiinden verdickt ist. Die Ursache dafiir haben wir vielleicht in der dauern- den Kontraktion kurzer Abschnitte der Fasern und Bander zu erkennen. Ist der ganze Muskel stark kontrahiert, so verschwinden die Dickenunterschiede (Fig. 122); die erst nicht verkiirzten Teile haben sich dann in gleicher Weise verdickt, wie jene. Wiederum kénnen aber auch die verdickten Partien den diinnen ahnlich oder gleich werden, indem in ihnen eine Verteilung der Knotensubstanz auf einen gréferen Raum eintritt; also wenn sie sich strecken. — Fragen wir nun nach dem Zweck dieser merkwiirdigen Einrichtung, so diirfen wir in folgendem Momente einige Aufklérung dariiber erwarten. Die quergestreifte Muskulatur findet sich an jenen Organen, die das Vermégen der rhythmischen Kontraktion besitzen (Schwimmeglocken der Siphonophoren, Subumbrella der Medusen) ; durch die Zerlegung der Muskelfasern in eine Menge ganz kurzer Stiicke, die sich nacheinander kontrahieren, ist, wie es scheint, die Méglichkeit einer raschen Streckung der Faser nach der Ver- kiirzung gegeben. Betrachten wir z. B. den Siphonophorenstamm, so miissen wir in der That zugestehen, da’ an diesem, trotz des so kolossal entwickelten Antagonisten der Lingsmuskeln, der Stiitz- lamelle, eine so rasche Streckung, wie sie in den Schwimmglocken statt hat, nicht denkbar ist. Die Zerlegung der hier befind- lichen Muskelzellen in zahllose winzige Abschnitte wird zweifellos, bei Unterstiitzung durch die Gallerte, die Ausdehnung der ganzen Bander begiinstigen. E. Octactinia. Alcyonium acaule Marron. Es fallt schwer, bei Anwendung des Osmium-Essigsaure- gemisches eine Alcyoniumkolonie gut zu konservieren; Tentakeln und Mundscheibe werden dabei fast ganz eingezogen. Die Zellen fallen auferordentlich leicht auseinander; sie sind zwar gut erhalten, ihre Orientierung ist aber schwierig. Man bemerkt sofort, dah fast siimmtliche Zellen sehr zarte, lang ausgezogne oder stark ab- geplattete Elemente sind; die Struktur ist zumeist in noch aus- gesprochenerem Mafe, als bei Pilema, eine lockere. Betrachten wir zunichst das Ektoderm. Am Mauerblatt besteht es aus einem Plattenepithel, das zeitweise ein driisiges Aussehen annimmt und von Nesselzellgruppen unterbrochen wird. Fig. 62 stellt eine Einige histologische Befunde an Coelenteraten. A4] Epithelzelle dar und Jat die schon mehrfach angegebene Struktur abgeplatteter Zellen gut erkennen. An den diinnsten Stellen wird das Aussehen ein homogenes; Geriist ist hier fast gar nicht wahr- nehmbar. Auffallend ist die Anwesenheit von runden, verschieden sroBen Kérnern im Protoplasma, die indessen viel reicher an Zahl in den subepithelialen und Gallertelementen sich vorfinden, wo sie relativ bedeutende Gréfie annehmen kénnen. Soviel ich konstatieren konnte, sind sie nach Art der Vakuolen als Kugeln zu deuten, deren Wandungen vom Geriist geliefert werden. Hierin stimmen sie véllig iiberein mit den im Entoderm der Forskaleapolypen ete., vor allem aber schén im Entoderm der Apolemiapneumatophore beobachteten Kérnern. Von letzteren giebt Fig. 63 ein genaues Strukturbild; es laft sich mit Sicherheit das Herantreten der in- differenten Linen an die Kugeln feststellen. Ob letztere Inhalt besitzen oder in der That Vakuolen vorstellen, konnte ich ebenso- wenig, wie ihre Bedeutung iiberhaupt, bestimmen. — Die sub- epithelialen Elemente des Mauerblattektoderms von Alcyonium sind zweifellos in die Tiefe gesunkene Epithelzellen selbst, da sie an Form ihnen durchaus ahneln. Je mehr sie in die Gallerte eindringen, desto variabler wird aber ihr Aussehen (man vergleiche die Bilder 64— 65). Zu Strukturstudien sind sie vorztiglich geeignet, da sie weder zu plump, noch zu zart sind; nur die Anwesenheit der Korner ist etwas stérend. Das Maschenwerk ist ein sehr lockeres (Fig. 64 vor allem); sehr auffallend aber ist das Fehlen fast jeder Parallelfaserung in den Ausliufern (Figg. 65 u. 66). Selbst in den schmichtigsten gewahrt man meist nur Faden, die von einer Wandung zur andern ziehen; eine Verklebung von Langs- fasern zu Polylinen ist nirgends zu konstatieren. — In der Gallerte kommt es nicht selten zu klumpenformiger Vereinigung mehrerer Zellen, wobei die Zellgrenzen mehr oder weniger deutlich erhalten bleiben (Fig. 67). Die Substanz der einzelnen Zellen ist in diesen verschieden verteilt; an der einen Stelle hauft sich das Proto- plasma sehr an, an einer anderen bildet es nur diinne Haute, in denen oft eine Erkennung der Struktur unméglich ist. Aus solchen Zellklumpen scheinen zum Teil die Spiculae hervorzugehen, denn wir erkennen in deren Jugendstadien manchmal mehrere Kerne. Immerhin kann dies nicht die Regel sein, wie ja auch die Grife der Spiculae eine sehr verschiedene ist; zumeist werden sie sich wohl aus einzelnen indifferenten Zellen, welche stark an Umfang zunehmen, entwickeln. Die Jugendstadien sind leicht kenntlich durch eine gewisse Regelmafigkeit der Form (Figg. 68 u. 69) und 442 Karl Camillo Schneider, Struktur, sowie durch lichte Farbe, die durch die Ablagerung einer braéunlichen, soliden Substanz bedingt ist. Man erkennt die Um- risse des spiéteren Spiculums schon in Fig. 68 angedeutet; es macht sich hier auch die Streckung eines Teils des Geriistes gel- tend. Parallel verlaufende Linen ziehen den Wandungen entlang oder durchsetzen den Zellkérper in querer und in der Langsrich- tung. In Fig. 69 ist dies sehr scharf ausgeprigt; der weitaus ero8te Teil der Fasern, vielleicht saimtliche, sind gestreckt und verlaufen in der geschilderten Weise, wohl auch in schrager Rich- tung von einem Buckel zum anderen. Die Zelle oder das Syncytium hat auf diesem Stadium einen braunlichen Ton angenommen; schreitet die Ablagerung der Kalksalze weiter vorwiirts, so wird das Geriist undeutlich, und in dem fertigen Spiculum (Fig. 70) sieht man nur eine homogene, stark glinzende Masse. — Diese Befunde iiber die Entstehung so solider, aus Kalksalzen aufgebauter, Gebilde sind von grofer Bedeutung, denn sie beweisen (und lassen uns fiir andere dhnliche Elemente vermuten), da’ auch derartigen homogenen Elementen eine Linarstruktur zu Grunde liegt, ebenso wie den Muskel- und elastischen Fasern, der Stiitzlamelle, den Chromatin- und Sekretklumpen. In der Grundmasse (von dort gelagerten Granula jedenfalls) erfolgt die Abscheidung der spezi- fischen Kittmasse zwischen die in besonders charakteristischer oder auch indifferenter Lage angeordneten Fasern. Durch die Fasern wird die Form, durch die homogenen Abscheidungsprodukte der chemische Charakter dieser Bildungen bewirkt. Die in Fig. 71 dargestellte Zelle stammt aus dem Ektoderm der Mundscheibe, wo sie mit der ungeheuren Masse der anderen auf Grund der zu ausgiebigen Mazeration ein unentwirrbares Chaos darstellte. Die Form und Struktur erinnert véllig an jene der eleichen Zellen der Actinien, und ich komme deshalb auf sie erst bei diesen zn sprechen. Sinnes- und Ganglienzellen vermochte ich in der Menge der langausgezogenen Elemente nicht zu unter- scheiden. Das Entoderm besteht am Mauerblatt aus Epithelmuskel- zellen, die gleichfalls sehr abgeplattet sind (Fig. 72). _Schwimm- hautartige Teile des Protoplasmas begleiten die Muskelfasern oft eine Strecke weit und geben dem Ganzen ein eigentiimliches Ge- prige. Aus dem Geriist erhebt sich eine starke, sehr lange Geifel; entgegengesetzt derselben zieht der kontraktile Faden, der einen ziemlich bedeutenden Durchmesser und rundliche Form hat. In Figg. 73 und 74 sehen wir zwei anormale Muskelfasern dargestellt, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 443 die iiber die Strukturverhiltnisse der kontraktilen Gebilde klaren Aufschluf bieten. Die wellenférmige Begrenzung des langs- faserigen Muskels auf der rechten Seite in Fig: 74 und die Vor- spriinge in Fig. 75 erklaéren sich aus unregelmabiger Kontraktion. Wahrend sich ein kleiner Teil der Fibrillen in ersterer Figur (auf der linken Seite) kontrahiert hat und aus diesem Grund die Grenzlinie dieser Seite gerade verlauft, blieben die anderen Fibrillen unverkiirzt (oder verkiirzten sich geringer) und muSten deshalb lokal aus dem gestreckten Verlauf des Muskels ausbiegen. In Fig. 74 sind die Verschiedenheiten in der Kontraktion weit be- deutender; es hat sich hier der mittlere Teil der Fibrillen stark verkiirzt, an der Peripherie jedoch ist aus unbekannten Griinden die Kontraktion lokal nicht eingetreten oder viel unvollkommener, deshalb treten wellen-, ja selbst zapfen- und dornenférmige Er- hebungen iiber das Niveau jener Fibrillen hervor. Dabei findet entweder ein allmahlicher Ubergang von den verkiirzten zu den weniger oder nicht verkiirzten Faden statt (siehe unteren Abschnitt der Figur), oder Biindel der letzteren erheben sich bogenférmig, isoliert tiber die Oberflache. An noch anderen Stellen scheint iiberhaupt eine Zerreifung von Fibrillen eingetreten zu_ sein, wenigstens kann man an manchen der spitzesten Dornen nicht das Eintreten und Wiederzuriickkehren der Fibrillen beobachten. — Allein durch die Annahme einer Faserstruktur in den Muskeln 1aBt sich eine derartige anormale Ausbildung erklaren. Erachte ich den Muskel als villig homogenes Gebilde, so ist es unbe- ereiflich, wie Teile desselben sich weniger kontrahieren sollten, als andere, da sie ja in unmittelbarstem Zusammenhang stehen. Da8 indessen diese Fibrillen, die notwendigerweise vorhanden sein miissen, mit Linen identisch sind, folgt aus diesen Befunden nicht; dariiber gaben uns Figuren wie 17 und 19 jedoch sicheren Auf- schlu8, und so diirfen wir den gleichen Ursprung auch wohl fir die hier beschriebenen Fibrillen in den Muskeln behaupten. In Fig. 75 ist ein Teil eines eleichfalls anormal beschaffenen Stamm- muskelbandes von der im I. Teil der Arbeit angefiihrten, unbe- stimmten Agalmide wiedergegeben. Auch hier sehen wir deutlich die mittleren Fibrillen, die im Band gut zu erkennen sind, ge- streckt, nach auSen zu eine Anzahl aber gekriimmt verlaufen. Es ergeben sich so zackenférmige Vorspriinge am Umrif des Bandes, die aus Verschiedenheit der Kontraktion der Muskelfibrillen leicht sich erkliren. 444 Karl Camillo Schneider, Im Entoderm finden sich auch in die Tiefe gesunkene Zellen, die denen des Ektoderms entsprechen (siehe Fig. 64). Ob sie gleichfalls in die Gallerte wandern und sich zu Spicula umbilden, konnte ich nicht feststellen. Litteratur. Histologische Angaben tiber Alcyonium mangeln fast ganz; ich konnte wenigstens trotz eifrigen Nachsuchens nur bei DANrELSSEN (10) eine Vermutung tiber die Abstammung der Spicula finden, auf Grund der Lagebeziehung; auch dieser Forscher leitet sie von Ektodermzellen her. Die Bestimmung der Species erfolgte nach v. Kocu’s (18) ausfiihrlicher Habitusbeschreibung. F. Hexactinia. Adamsia Rondeletii ANpR. Auch bei dieser Anthozoe gelang es mir nicht, trotz genauer Kinhaltung der von den Gebr. Herrwia (16) angegebenen Regeln, eine gute Konservierung der Mundscheibe zu erzielen. Indessen war es mir auch nicht méglich, sehr viel Zeit auf die Versuche zu verwenden; die geplante Untersuchung der Nervenschicht mute deshalb unterbleiben, mir um so unerwiinschter, als die Hertwie’s grofe Ganglienzellen aus ihr beschreiben. Die von mir gezeichneten Ganglienzellen stammen von den Tentakeln. — Die auferordentlich langen und diinnen Zellen des Ektoderms ent- sprechen dem in Fig. 71 von Alcyonium dargestellten Elemente des gleichen Ortes. Der langliche Kern zeigt das Chromatin zu- meist auf eine Randschicht beschrankt; Klumpen im Innern oder isolierte Kérner sind vor allem in den, wie geschrumpft erschei- nenden, Kernen der Sekretzellen (Figg. 80 u. 81) kaum zu erkennen. Das Protoplasma ist in den Deckzellen fast tiberall stark modi- fiziert. Oft trifft man nur peripher, basal und in der Kerngegend maschiges Geriist (Fig. 76); wenn es, wie in Fig. 77, fast in der ganzen Zelle sich vorfindet, ist es ein durchaus lockeres und ent- behrt der Parallelstruktur und der Polylinenbildungen. Allein in der Sinneszelle (Fig. 78) scheint die Vereinigung des Geriistes, das peripher noch zur Not erkannt werden kann, zu einem einzigen Polylinon, in dem nur durch den Kern eine Anschwellung eintritt, sich vollzogen zu haben; wir sehen einen homogenen Faden, der sich am oberen Ende in einige Maschen auflést und sich basal in gleich homogene, diinnere Fortsaitze, die ganz auferordentliche Feinheit (wie bei Carmarina im Nervenring) gewinnen kénnen, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 445 zerteilt. Wo in den Deckzellen (Fig. 76) das Maschenwerk nicht zu konstatieren ist, erblicken wir das Protoplasma zu flachen- artigen Bildungen zusammengeschrumpit, die in der Lingsrichtung Falten aufweisen. Basal und peripher zeigt sich durch allmahliches Deutlichwerden von Linen, dal jedenfalls auch die abgeplatteten Stellen Geriist enthalten, wahrscheinlich in der gleichen Weise, wie die schwimmhautartigen, Partieen, die wir schon an so vielen anderen Zellen fanden. An Driisenzellen finden sich, wie ja bekannt, sowohl] Kérnerzellen, als solche mit weitmaschigem Geriist, deren Inhalt sich nicht farbt, vor. In den ersteren ist eine Parallel- faserung (Fig. 79) sehr deutlich ausgesprochen, in letzteren (Fig. 80) dieselbe lockere Geriistanordnung, wie sie z. B. von Pennaria (S. 436, Fig. 51) beschrieben wurde. Nur der Unterschied liegt hier vor, daf} unterhalb der becherférmigen Erweiterung die in- differente Geriststruktur trotz der starken Verdiinnung des Zell- kérpers in der Langsachse eine Lingsfaserung nicht im geringsten angedeutet zeigt, wie dies bei Pennaria zu beobachten war. — Im Ektoderm der Tentakeln beobachtete ich neben den geschil- derten Zellen (zu denen noch die Nesselzellen kommen) Elemente, welche ich zuerst ftir Driisenzellen hielt, da ihr homogener Inhalt sich farbte (Fig. 81). Wahrend das Geriist unterhalb des Kerns in der fiir die Anthozoen charakteristischen Weise ausgebildet war, bildeten die Linen oberhalb autiallende Verschlingungen. Hier befand sich auch die sich tingierende homogene Substanz; in der Gegend des Kerns verliert sich das Tinktionsvermégen, ohne dal eine scharfe Grenze zu konstatieren ware. Dies ist jedoch an anderen, ganz ahnlichen Gebilden der Fall; in Figg. 82 und 83 zeigt sich der gefarbte Zellteil, der zugleich die eigentiimlich ver- schlungenen Fasern enthalt, scharf begrenzt. Seine Gestalt ist wechselnd, aber immer ausgesprochen cylinderformig; das inter- essanteste in den Gebilden ist aber die Verteilung des Geriistes. Es 1a8t sich mit Sicherheit feststellen, da’ der Innenraum nur von der homogenen Masse erfiillt ist; die Fasern umspinnen ihn oder vielmehr seine Wandung, denn die scharfe Grenze nach unten zu deutet auf das Vorhandensein einer Membran. Ganz unzwei- deutig beweist dies Fig. 84, wo ein Teil des tingierten Raumes scharf und sehr regelmafig umrissen, von Fasern nicht umsponnen, sich darstellt, wahrend die itibrige Partie der Kapsel von den Fasern in Spiralwindungen umzogen wird. All diese sonderbaren Bilder erinnerten mich lebhaft an die Nesselzelljugendformen, die ich bei Forskalea beschrieben habe; tiberdies stimmte die Form 446 Karl Camillo Schneider, des scharf umgrenzten Raumes in Fig. 84 ganz mit der der fer- tigen Nesselkapseln der Adamsia iiberein. Im Innern jenes zeigte sich nicht das Geringste, was auf einen Schiauch hatte bezogen werden kinnen; nur homogenes Sekret erfiillte ihn. Aus diesen Befunden glaube ich auch bei den Anthozoen auf eine Entstehung des Nesselschlauches auferhaib der Kapsel schlieBen zu_ diirfen; ich nehme dabei an, daf die Fasern, welche den sekretgefillten Raum umwinden, in gleicher Weise, wie die Fasern, welche in den ersten Entwickelungsstadien bei Forskalea die Kapsel symmetrisch umspinnen, zu deuten sind, d.h. zur Ausbildung des Schlauches dienen. Indessen teile ich diese Auffassung nur unter allem Vor- behalte mit, denn die Befunde aus so wenigen Bildern sind fiir die Deutung nicht geniigend; eine ausiiihrlichere Untersuchung war mir aber unméglich. Wir finden bei Adamsia aber nicht blo’ Elemente, welche in der Struktur von denen der Hydroiden sich wesentlich unter- scheiden; es giebt auch Zellen, die, bei entsprechender Funktion, die véllig gleiche Linaranordnung aufweisen. Betrachten wir nam- lich die Ganglienzellen der Tentakeln, von denen 2 in Figg. 85 und 86 wiedergegeben sind, so erkennen wir genau die gleichen, bekannten Verhiltnisse, wie wir sie bei den Hydroiden fanden. Die Ganglienzellen entsprechen in ihrer Form und Struktur ganz und gar dem in Fig. 34 (Carmarina) gezeichneten Typus; sowohl Zelikérper wie Auslaufer zeigen gestreckte Fibrillen, die von in- differenten durchfiochten werden, und in den feineren Fortsatzen kommt es zur Polylinenbildung, genau wie bei den Hydroiden. Auch in den Kernen entsprechen sie diesen, denn innerhalb der kugeligen oder ellipsoidischen Wandung, die mit indifferentem Maschenwerk erfiillt ist, findet sich das Chromatin in Kérnern gleichmaBig verteilt und auch zu einem Nucleolus vereinigt. Ich glaube, aus diesen verschiedenartigen Befunden den SchiuB ziehen zu diirfen, daB die Abweichungen einzelner Elemente (Deck- und Gallertzellen [bei Alcyonium] vor allem) von der Struktur, wie sie bei den Hydroiden so ailgemein verbreitet ist, sekundir erworbene sind. An manchen entsprechenden Gebilden finden wir Ubereinstimmung (Ganglien- und kérnige Driisenzellen) ; von prinzipiellen Diiferenzen in der Anordnung und Ausbildung des Maschenwerkes im Protoplasma und Kern kann also nicht die tede sein. Die muskelfreien Deckzellen, wie die anderen abwei- chenden Zellen, muBten sich jedenfalls bestimmten Verhaltnissen anpassen, welche bei den Hydroiden sich nicht bemerkbar machen, Finige histologische Befunde an Coelenteraten. 447 aber auch bei den Acraspeden auftreten. Dariiber Ansichten auf- zustellen, ware aber nur an Hand eines reichlichen Materials moglich. Fig. 87 stellt eine Muskelzelle aus dem Entoderm der Septen dar, welche in tiberraschend klarer Weise die Fibrillarstruktur der kontraktilen Substanz zeigt. Diese ist lokal aufgelockert, und man nimmt deutlich wahr, wie die homogene Faser sich in eine Menge parallel ziehender Fibrillen zerlegt, welche spater wieder zusammentreten. Jedenfalls reprisentiert dieser Befund eine anor- male Ausbildungsweise, aber, wie wir schon 6fters gesehen haben, sind diese fiir die Erkennung der Struktur auferordentlich auf- schluBgebend und lehrveich. Litteratur. Meine Beobachtungen fiigen denen der Hertwia’s (16), von Hetper’s (14), Witson’s (25), Mac Murricu’s (20) u. a. nur betreffs der Strukturfragen und der Nesseizellentwicklung Neues zu. In Bezug auf letztere weicht meine Darstellung we- sentlich von der Wriison’s ab, da dieser fiir Hoplophoria coralligens die intrakapsulire Entwickelung des Nesselschlauches angiebt. Nach ihm enthalten die jungen Nesselzellen eine fein granuliire Substanz, die sich intensiv mit Hamatoxylin farbt. Jede Kapsel zeigt auch noch eine Anzahl grofer Korner. In anderen ist der Inhalt fliissig, aber er enthalt einen oder zwei kurze, unregel- maBige Faden. Writson glaubt, da’ diese aus den Kérnern her- vorgehen und da diese auf Kosten des fein-granuliren Inhalts wachsen und eine Kette bilden. Dabei verfliissigt sich der Kapsel- inhalt und die Kette wird zum gliinzenden Faden. — Diese An- schauung enthalt das Neue, daf sie den Schlauch aus Sekret, das vom Protoplasma isoliert ist, hervorgehen li8t, wihrend sonst all- gemein jener als durch Einwucherung und Umbildung von Proto- plasma entstehend angenommen wird. G. Ctenophoren. R. Hertwie (17) nimmt in Gegensatz zu Emer (11) und Cuun (5) das Vorhandensein nervéser Elemente in der Gallerte der Ctenophoren an, und ich teile diese Ansicht volikommen, auch in Hinsicht auf die so bezeichneten Zellen. In Fig. 88 (Eucharis multicornis) sehen wir derartige Elemente und typische Muskel- fasern in Zusammenhang. Es liegt zwischen beiden der Unterschied vor, daf letztere meist kraftige Strange bilden und nur an den Enden sich in diinnere Faden, die besenreiserartig auseinandergehen 448 Karl Camillo Schneider, zerlegen, wihrend erstere sehr zarte Fasern darstellen, die tiberall im Verlauf Auslaufer abzugeben vermégen. Beide Elemente lassen meist von Struktur nichts erkennen; sie erscheinen homogen, besitzen an den Punkten, wo Kerne ihnen angefiigt sind, gewohnlich etwas indifferentes Protoplasma und kénnen durch Briickenbildung auch mit ihresgleichen in Verbindung treten. Doch bemerkt man an den Ganglienzellen hie und da Varikositéten, auch an Abgangs- stellen der Fortsitze ist die Fasersubstanz lockerer. Es zeigt sich hier, da8 die homogene Nervenfaser aus feinsten Fibrillen besteht, die jedenfalls véllig parallel ziehen, denn in den varikésen An- schwellungen kommt es nur zu unbedeutender Verschlingung der Linen. Wenn ein Fortsatzende an eine Muskelfaser herantritt, erscheinen die Fibrillen jenes gelockert; sie gehen direkt in das Protoplasma der an den Vereinigungsorten mit Kernen versehenen Muskelfasern iiber. Bei Beroe ovata ist dies besonders klar zu ersehen. Wie bekannt, liegen hier die Kerne und undifferenzirtes Protoplasma im Innern der aus zarten, ganz gestreckt und parallel ziehenden Fibrillen bestehenden, kontraktilen Substanz der Muskelzellen. Bei Zusammentritt von diesen und Ganglienzellen (Fig. 89) erhebt sich indifferentes Protoplasma bis an die Peripherie der kontraktilen Masse und geht direkten Faidenaustausch mit den aufgelockerten Enden der nervésen Fasern ein. Interessant ist hierbei, da einzelne Faden letzterer auch in das Sarkolemm der Muskelzelle iiberzugehen scheinen. Vielleicht laBt sich hieraus auf ein Neurolemm der Ganglienzellfortsitze schliefen ; auch kénnte man auf die Beschafienheit der Hiillen nach Art anderer Mem- branen folgern, obgleich an isolierten Sarkolemmstiicken von einer Faserstruktur nichts Sicheres nachzuweisen ist. Mit Pikrokarmin farbt sich die kontraktile Substanz lebhaft gelblichrot ; auch hier werden wir diese Tinktion aus der Beschatien- heit des Kittes der zarten Fibrillen erklaren diirfen. An den drei- eckigen Verbindungsstiicken (90) mehrerer Muskelfasern und den Enden dieser, wo sie in eine Menge feinerer Fasern dichotomieren (Fig. 91), kommt es zur Bildung zarter, schwimmhautartiger Par- tien, in welche einzelne der gestreckten Fibrillen einstrahlen und so eine zarte Maschenstruktur in ihnen bewirken. In derartigen flachenhaften Bildungen liegen haufig, wie bekannt, Kerne; deren Struktur ist die bekannte, oben oft geschilderte. Isolierte Linen von ganz enormer Lange finden sich in den Ruderplattchen. Es bestehen diese, wie bekannt, aus sehr feinen, oft kaum zu verfolgenden Wimpern, die, untereinander | Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 449 verklebt, hohen Epithelzellen aufsitzen (Fig. 92). In diesen ist eine Liingsfaserung deutlich ausgeprigt; aufer den langsverlaufen- den Linen finden sich, wie bei den Hydroiden in ahnlichen Gebil- den, noch indifferente. Erstere durchsetzen die Cuticula und ragen als die erwaihnten Wimpern nach aufen. Es ist dies mit gréSter Sicherheit nachzuweisen und stellt die kontraktile Natur der Linen im Protoplasma iiber jeden Zweifel.' Kurze Ubersicht der Befunde iiber die Struktur der Gewebselemente. A) An den Muskeln: Muskelbildungen kénnen in jeder Region der Zelle auftreten, sowohl basal (Fig. 53), wie epithelial (Fig. 17), oder central (Fig. 18); sie sind entweder ganz von Protoplasma eingehiillt (Fig. 18) oder nur teilweise (Fig. 53) oder gar nicht (Fig. 89). Wie es sich in einzelnen Fallen be- stimmt nachweisen, in anderen wahrscheinlich machen lief, be- stehen die Muskeln aus gestreckten, parallel angeordneten Linen, welche durch eine spezifische Kittmasse verbunden sind; diese Vereinigung kann bald lose (Figg. 18 im II. u. 42 im I. Teil), bald sehr innig (Figg. 89, 20) sein. Entsprechend der Arbeitsleistung der Muskeln — durch Kontraktion 2 Punkte, zwischen denen sie sich ausspannen, einander zu n&ahern —, vermissen wir Seiten- zweige, die unter rechtem oder fast rechtem Winkel vom Muskel abgehen, durchaus, wihrend dichotomische Endverzwei- gungen der Kontraktionsfahigkeit keinen Abbruch thun. In dieser Eigenschaft haben wir ein gutes morphologisches Unter- scheidungsmerkmal der Muskeln von den Nervenfasern (siehe weiteres bei Ganglienzellen). — Der Unterschied der glatten von der perlschnurartigen Muskulatur ist fiir die Charakteristik der Muskeln tiberhaupt ganz bedeutungslos (s. 8. 440). B) An Stiitz- und elastischen Bildungen: Zur Stiitzleistung dienen entweder Teile der Zellen oder diese ganz oder kernlose Gebilde. Zu ersteren gehéren neben vielen Mem- branen (z. B. Kernmembranen, siehe hierzu meine Unter- suchungen tiber die Zelle [24], S. 35 u. a.) vor allem die Poly- Bd. XXVII, N. F. XX, 29 450 Karl Camillo Schneider, linenbildungen der Stiitzzellen (Figg. 56, 26); zu den zweiten die Spicula (Figg. 68—70), zu den letzteren die Stiitzlamellen und elastischen Fasern. Fiir alle diese Gebilde lief es sich beweisen oder wahrscheinlich machen, daf sie aus verklebten Linen bestehen ; waihrend diese Verklebung bei den nur stiitzleistenden Elementen aber eine einheitliche Anordnung der Linen nicht voraussetzt, ist dies fiir jene, welchen auch Elasticitatsvermégen innewohnt, Vor- bedingung. Daher sind die Linen in den elastischen Fasern und Stiitzlamellen parallelfaserig angeordnet; in letzteren lassen sich oft verschiedene, Fasersysteme nachweisen (Fig. 60. im I. Teil). Die Muskeln sind von Stiitzausliufern durch die regelmafige struk- turelle, wie morphologische Ausbildung leicht zu unterscheiden; von den elastischen Fasern in allen Fallen nur durch die Tinktion, denn auch die kontraktile Faser kann des Zusammenhangs mit Zellen entbehren, und die elastischen halten ebenfalls in vielen Fallen eine gerade Verlaufsrichtung inne und entbehren der Seiten- zweige. Ihre Arbeitsleistung besteht darin, die einmal gegebene Form zu wahren; ist also der gestreckte Verlauf der urspriing- liche, so wird die Faser, bei durch Druck herbeigefiihrten Ab- weichungen, in jenen zuriickzukehren, sich bemtihen; ist er hin- gegen ein durch Zug erzwungener, so ist es das Bestreben der Faser, sich wieder in Windungen zu legen. Da in diesen, wie in den Muskelfasern, Linen und zwar in gleicher Anordnung sich vorfinden, so kann die verschiedene Leistungsfaihigkeit beider Elemente nur aus der Beschafienheit des Kittes resultieren (siehe bei indifferenten Zellen). C) An den nervésen Elementen: Diese sind Zellen, welche in toto (die Kerne selbstverstaindlich ausgenommen) einer einzigen Funktion, der Reiziibertragung, dienen. Da auch in- differentes Protoplasma diese Fahigkeit besitzt, so kann in den besonderen Geriistanordnungen kein charakteristisches Merkmal gesehen werden; der Reiz wird in der Zwischenmasse sich aus- breiten und um so schneller in einer Richtung fortschrei- ten, je mehr sich der Zellkérper iu dieser entwickelt, je strangartiger er ausgebildet ist. Wichtig zur Erkennung von Ganglienzellen erscheint also die Form derselben, die jedoch in den Extremen der indifferenten Zelle mit pseudopodienartigen Auslaufern und der Muskelzelle mit parallelfaseriger Substanz sich nahern kann (Ctenophorengallerte). In letzterem Falle ist die Abgabe seitlicher Ausliufer unter jedem Winkel allein Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 451 entscheidend. Durch Nachweis von spezifischen, zur Reizleitung besonders geeigneten Substanzen in der Grundmasse (wahr- scheinlich in Riesenzellen des Forskaleastammes, doch auch in anderen Ganglienzellen, die, mit Osmiumsiure behandelt, sich star- ker schwiirzen als andere Elemente) ist die Natur der Ganglien- zellen am sichersten festzustellen. Auf Anwesenheit solcher homo- genen Substanzen und Verquellung derselben bei Reagentienein- wirkung beruht jedenfalls auch die Varikositétenbildung. D) An den driisigen Elementen: Diese sind charak- terisiert durch die reichliche Anwesenheit homogener Substanzen zwischen den Linen des Geriistes. Die Anordnung desselben ist eine sehr wechselnde (selbst in Zellen, welche dasselbe Sekret abscheiden, siehe hierzu meine Befunde an Hydra, 8. 330 von Arbeit 23), folglich fiir die Abscheidung der Sekrete ganz un- wesentliche. Diese erfolgt in der Grundmasse; es treten hier die Sekrete als Kérner, Ballen und formlose Massen auf. Wie es scheint, sind letztere oft als sekundire Vereinigungen ersterer aufzufassen. E) An den Nesselzellen: Dies sind Sekretzellen, in wel- chen eine plétzliche Sekretentladung durch Apparate, die aus dem Geriist hervorgingen, erfolgt. Als letztere finden sich stets die Nesselkapseln mit 2 Wandungen und einer schlauchformigen Ver- lingerung, welche auferhalb der Kapsel angelegt (wenigstens in den von mir beobachteten Fallen), in diese eingestiilpt (wodurch ist fraglich) und bei der Entleerung vom Sekret mit diesem aus- gepreBt wird (um eine Wirkung jenes auf gréfere Entfernung hin zu erméglichen); dann in vielen Fallen muskulése Membranen, im Umkreis der Kapseln und Stile, die an die Stiitzlamelle tre- ten. Cnun’s (6) bedeutungsvoller Nachweis quergestreifter Mus- kulatur in diesen Gebilden la8t die Entleerung des Sekretes durch Funktion der genannten Linargebilde unzweifelhaft erscheinen. Bei Mangel an umgebenden Membranen und Stilen ware das kontraktionsfahige Element jedoch allein in der auferen Kapsel- wandung zu suchen, da die Struktur der inneren Wand sie zur AuBerung dieser Funktion nicht befihigt (siehe oben im IL. Teil dieser Arbeit). F) An indifferenten Zellen: Sie sind charakterisiert durch véllige Gleichartigkeit in der Beschaffenheit des Proto- 29% 452 Karl Camillo Schneider, plasmas. Die leicht geschlangelten, gegenseitig im Verlauf an- einander angepaften Linen durchsetzen eine anscheinend homo- gene Grundmasse; Veranderungen in der Geriistanordnung und Beschaffenheit der Grundmasse sind nur voriibergehende und Aus- druck von Bewegungen der Zelle (z. B. die Streckung einzelner Fasern in den Fortsatzen). Werden sie zu dauernden, so nimmt die Zelle den Charakter eines der oben erwahnten Elemente (oder anderer, die in dieser Arbeit nicht behandelt wurden) an. Sie sind sammt und sonders von indifferenten Zellen abzuleiten, denn die Zellen der Blastula sind gleichfalls derartige (die epithe- liale Lage widerstreitet dem Charakter des indifferenten Elements ganz und gar nicht). Betrachten wir nun kurz, wie diese Um- bildungen sich vollziehen mégen *). Zuerst muf ich meine Charakteristik der indifferenten Zelle noch erweitern. Auf Grund der ALrMANN’schen (1), Macar’schen (21), Zosa’schen (26) und der Befunde anderer Forscher gestaltet sie sich folgendermafen : Die indifferente Zelle besteht aus dem Linarmaschen- werk, welches das bewegungsfahige Element darstellt, und einer Unmenge von Granula, welche die Umsetzung der Nahrstoffe und Sekretabscheidung besorgen. Die Liicken zwischen beiden werden von Sekreten der Granula und den Umsetzungsprodukten ausgefiillt (= Grundsubstanz). (Die Granula sind als Zoa = einfachste Lebe- wesen [siehe meinen Aufsatz im Biologischen Centralblatt, Bd. XI, Nr. 24] oder als Konglomerate derselben, die Linen als reihenférmige Vereinigungen solcher aufzufassen.) Die Umbildung der indifferenten Zellen in spezifisch leistungsfahige Elemente geschieht durch Anpassung beider Zellsubstanzen (der Kern ist hiervon ganz aus- genommen). Kin Muskel entsteht durch Streckung, Parallelanordnung und Isolierung eines kleineren oder gréBeren Teils, vielleicht auch aller, Linen des Protoplasmas und durch Abscheidung einer Kitt- masse seitens der Granula, deren Bedeutung fiir die Kontraktion ganz nebensachlich ist und nur den Zusammenhalt der Linen (wohl auch die Reiziibertragung) besorsgt. 1) Ich mache die folgenden Angaben nur, um diese Arbeit so vollstindig, als moglich zu gestalten; es kann wohl sein, da betrefts mancher Einzelheiten Irrtiimer vorliegen, der Gedanke aber der Ab- leitung iiberhaupt ist zweifellos richtig, und man wird sich diese kaum einfacher, als die folgenden Bemerkungen es iibersichtlich zu- sammenstellen, denken konnen. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 453 Elastische Gebilde entstehen durch Streckung und Parallelanordnung der Linen in einem oder mehreren Systemen und durch Abscheidung einer Kittmasse von seiten der Granula, welche die Kontraktion der Linen unméglich macht; die parallel- faserige Linenanordnung bedingt im Verein mit der Beschaffenheit der Kittmasse das Elasticitaétsvermégen des ganzen Elementes. Bei reinen Stiitzbildungen ist die Anordnung des Geriistes eine ver- schiedenartige, nicht einheitliche (z. B. in den Spicula); hier ist nur die Soliditét der Bindemasse mafgebend. Nervése Elemente entstehen zwar durch Arbeitsleistung der Linen, denn die kompakten Zellkérper werden in langgestreckte Leitbahnen tibergefiihrt; fiir die Reizleistung speziell ist die Be- weeung der Linen aber bedeutungslos, denn jene wird zweifellos durch eine besonders hierzu geeignete Zwischenmasse vermittelt, die von den Granula abstammt (bei den urspriinglichsten Gan- glienzellen dient vielleicht einfach die gewdhnliche Zwischen- masse als Reizleiter). Die jeweilige Anordnung der Linen ist eine Folge ihrer Arbeitsleistung, durch welche die geeignete Form der Zelle sich ergab; als solche ist die strangférmige zu _ be- trachten, da sie die méglichst geringe Schwaichung des Reizes (wie sie durch Zerstreuung auf grofe Protoplasmamassen bedinet wiirde) und die Ubertragung des Reizes auf méglichst viel Zellen erlaubt. Driisenzellen entstehen durch reiche Sekretabsonderung der Granula; die Geriistverainderungen dabei sind Folgen derselben und nur fiir die morphologische Charakteristik von Bedeutung. Man kann die Sekretzellen als Gegenstiicke der Muskelzellen auf- fassen; bei diesen ist die Anordnung der Linen das Wichtige, da- gegen die Abscheidung der Kittmasse durch die Granula von sehr nebensachlicher Bedeutung; in den Driisenzellen ist umgekehrt die Arbeit der Granula wesentlich, die Geriistanordnung unwesentlich. Nesselzellen, die kompliziertesten Elemente der Coelente- raten, entstehen durch intensive Thatigkeit von Granula (Abschei- dung des Nesselsekretes) und gesetzmafige Anordnung eines Teils der Linen. Denn wenn wir die auSere Kapselwand fir kon- traktionsfahig ansehen, so miissen wir in ihr eine besondere Linar- anordnung annehmen (vielleicht ringférmig die innere Wand um- spannend). In dieser Verteilung der Funktion auf Geriist und Sekret entsprechen die Nesselzellen den elastischen Gebilden, bei welchen Kitt und Parallelanordnung der gestreckten Linen Be- dingung zur Arbeitsleistung des Ganzen ist; nur liegt der Unter- 454 Karl Camillo Schneider, schied vor, da die Nesselzellen auf Reize, also gewissermafen aktiv, funktionieren — die Muskeln der Wandung kontrahieren sich, und das Sekret lihmt oder tétet das Beuteobjekt —, in den elastischen Gebilden aber Kitt wie Fasern nur auf mechanische Einfliisse, also in passiver Weise, reagieren. Erwahnt sei noch zum Schluf, daf ich mir die Abscheidung der verschiedenen Zwischensubstanzen nicht von ein und derselben Art Granula vollzogen denke, sondern annehme, daf wir aus den Differenzen jener auf Unterschiede in der Beschaffenheit dieser schlieBen kénnen. In der indifferenten Zelle miissen diese bereits angedeutet sein, denn bei der raschen Entwickelung des Tiers aus den Furchungszellen kann eine Anpassung sich nicht vollziehen ; den Anforderungen entsprechend, wird spater nur die Zahl der gerade geeigneten Granula in den verschiedenen Elementen die der andern tberwiegen. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 455 e Litteraturverzeiehnis. Erster Teil. 1. Bepor, M., Recherches sur les cellules urticantes. 1. Vélellides — Physalides. Recueil z. Suisse, T. 4, 8S. 51—70. 2. Cuun, C., Zur Morphologie der Siphonophoren, Zool. Anz., 10. Jahrg. 3. — — Die canarischen Siphonophoren; I. Stephanomyes superba etc. Abhandlungen der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft, 1891. 4. Craus, C., Uber Halistemma tergestinum n. sp. Arbeiten aus d. zool. Institut z. Wien, 1878. 5. Hertwic, O. u. R., Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, 1878. 6. Jicxert, C. F., Der Bau der Hydropolypen. I. u. Il. Morphol. 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Ektoderm des Polypen: Jugend- stadien der groBen ovalen Nesselkapseln aus dem basalen Wulste; sie sind dem wahrscheinlichen Entwickelungsgange gemafi ange- ordnet; die mit wi bezeichneten Stellen beziehen sich auf die Widerhaken. Fig. 17 u. 18. Forskalea contorta. Ektoderm des Polypen: Stiitzzellen aus dem basalen Wulste. Fig. 19. Forskalea. Entoderm des Polypen: isolierte Epithel- muskelzelle (Nihrzelle). ' Fig. 20. Forskalea contorta. Entoderm des Polypen: Niahr- zelle und Driisenzelle in natiirlicher Aneinanderlagerung von oben gesehen. Fig. 21. Forskalea contorta. Kntoderm des Polypen: isolierte Driisenzelle. Fig. 22 u. 23. Forskalea contorta. Entoderm des Polypen: indifferente Zellen. Fig. 24. Forskalea. Querschnitt des Faugfadens; Orientie- rungsbild. Fig. 25. Forskalea. Fangfaden: durch Mazeration isoliertes Lingsstiick, etwa einem Langsschnitt entsprechend; man sieht eine leistenartige Erhebung der Stiitzlamelle von der Seite, zugleich die Fortsitze letzterer in den mit Entodermresten ausgekleidvten inneren Kanal. 458 Karl Camillo Schneider, Fig. 26. Forskalea contorta. Fangfaden: genaues Bild einer Stiitzlamellenleiste von der Seite gesehen; daneben isolierte (abge-. sprengte) Fasern. Tafel XI. Figur 27—49. Fig. 27. Forskalea contorta. Fangfaden: Entodermsyncytium, wie es zwischen den inneren Fortsitzen der Lamelle liegt. Fig. 28. Forskalea contorta. Fangfaden: Epithelfetzen mit jugendlichen Nesselzellen. Fig. 29. Forskalea contorta. Fangfaden: jugendliche Nessel- zellen. Fig. 30. Forskalea. Nesselknopf: Stiicke der elastischen Band- schlinge und elastische Fasern der oberen Fliche des Knopfes. Die Anordnung letzterer hat durch die Zerstdrung des Knopfes sehr an Regelmifigkeit verloren. Fig. 31. Forskalea contorta. Nesselknopf: Stiick des Angelbandes, z. T, aufgelést in die es zusammensetzenden elastischen Fasern. Fig. 32. Forskalea contorta. Nesselknopf: elastische Fasern mit Nesselzellen (kleinere Form). Fig. 38. Forskalea contorta. Nesselknopf: Ubersichtsbild des ganzen’ Knopfes. Fig. 34. Forskalea contorta. Nesselknopf: Stiick einer elastischen Faser des Endfadens. Fig. 35. Forskalea contorta. Nesselknopf: isolierte grofe, ovale Nesselkapsel. Fig, 36. Forskalea contorta. Nesselknopf: Teil einer solchen, um den Zusammenhang von Schlauch- und innerer Kapselmembran darzustellen. Fig. 37. Forskalea contorta. Nesselknopf: kleinere Form der Nesselkapseln mit teilweis ausgestiilptem Schlauche. Fig. 38 u. 39. Forskalea contorta. Nesselkuopf: grofe Form mit teilweis ausgestiilptem Schlauche. Fig. 40. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: Ubersichtsbild. Fig. 41. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: Teil des Angel- bandes mit den elastischen Fasern und Zellen des Entoderms. Fig. 42. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: isolierte Muskel- zelle. Fig. 48. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- fetzen von der Lateralfliche; Ubersichtsbild von oben geschen. Fig. 44. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- fetzen ebendaher von der Seite gesehen. Fig. 45. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: isolierte Epithelzelle von oben gesehen, Fig. 46. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: gan- glienzelliihnliche Epithelzelle. Fig. 47. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- fetzen der dorsalen Fliche von der Seite gesehen. Fig. 48. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- fetzen von ebendaher von oben gesehen. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 459 Fig. 49. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: zwei Elemente des subepithelialen, dorsalen Medianstreifens; die rechte Zelle mit einem, wohl durch Druck, ausgequetschten Protoplasma- tropfen. Tafel XII. Figur 50—63. Fig. 50. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Riesen- syncytium ebendaher in seinen Lagebeziehungen zum Epithel. Fig. 51. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Aus- laufer der Elemente des Medianstreifens in teilweiser Lagebeziehung zum Epithel. Fig. 52. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: isoliertes Langsmuskelband. Fig. 53. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der Mundregion: Epithelmuskelzelle. Fig. 54. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der Mundregion: Sinneszelle. Fig. 55. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der Mundregion: Nesselzelle. Fig. 56. Apolemia uvaria. Ektoderm der Tasterspitze: kleine Nesselzellform. Fig. 57. Apolemia uvaria. Pneumatophore: ektodermale Epithel- zelle von oben gesehen. Fig. 58. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Epithelfetzen des Ektoderms, Ubersichtsbild von oben gesehen. Fig. 59. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Zelle aus dem Entoderm. Fig. 60. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Stiick des inneren Ektoderms (Luftflasche) mit isolierter Lamelle. Fig. 61. Apolemia uvaria. Ektoderm des Stammes: Epithel- fetzen von der Seite gesehen; eine Zelle ist nach oben iibergeschlagen, die langgestreckte, diinne nach unten. Fig. 62. Apolemia uvaria, Ektoderm des Stammes: ganglien- zellahnliches Element. Fig. 63. Apolemia uvaria. Ektoderm des Stammes: zwei Epithel- zellen zur Darstellung der intraprotoplasmatischen Muskelbildungen. Tafel XIII Figur 1—14. Fig. 1. Forskalea contorta. Schwimmglocke: quergestreifte Muskelbinder aus der Subumbrella, Fig. 2. Velella spiraus: Stiick des Scheibenrandes. Figg. 3—5. Velella spiraus. Ektoderm der Scheibe: Ganglien- zellen. Fig. 6. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Ganglienzelle. Figg. 7—9. Forskalea. Stamm: Riesenzellen. 460 Karl Camillo Schneider, Figg. 10, 11. Velella. Scheibe: Epithelzellen, 10 von oben, 11 von unten. Figg. 12, 13. Forskalea. Stamm: Epithelzellen, 12 seitlich, 13 von oben gesehen. Fig. 14. Forskalea. Stamm: peripherer Fortsatz einer Epithelzelle. Tafel XIV. Figur 15—41. Fig. 15. Forskalea, Stamm: basaler Fortsatz einer Epithelzelle. Figg. 16, 17. Apolemia. Stamm: Epithelzellen, 17 mit Muskel- bildungen. Fig, 18. Apolemia. Stamm: Teil einer Epithelzelle mit Muskel- bildung, stark vergréfert. Figg. 19, 20. Forskalea. Stamm: Muskelbinder. Figg. 21—23. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes : Stiitzlamelle, 21 von oben, 22 von unten, 23 seitlich geschen. Fig. 24. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Epithel uber unterem Nervenring. Fig. 25. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Aufsatz auf Stiitzlamelle. Fig. 26. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Stiitz- fortsatz der Epithelzellen des Nesselwulstes mit anhaftenden in- differenten Zellen. Figg. 27— 29. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Nesselzelljugendformen. Fig. 30. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Epithel- zelle der Subumbrella. Figg. 31— 38. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Ganglienzellen (oder Teile derselben) aus den Nervenringen. Fig. 39. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Sinnes- zelle yom oberen Nervenring. Fig. 40. Apolemia. Polyp: ektodermale Epithelmuskelzelle mit Ganglien- und Sinneszelle (Ubergangsform zur G.-Zelle) aus Mundregion. Fig. 41. Apolemia. Polyp: Sinneszelle der Mundregion. Tafel XIV. Figur 42 —71. Fig. 42. Carmarina. Subumbrella: quergestreifte Muskelbinder. Fig. 43. Carmarina. Umbrella: Plattenepithelzelle. Fig. 44. Carmarina. Gallerte: elastische Faser. Fig. 45. Forskalea. Nesselknopf: elastische Faser des Angel- bandes. Fig. 46. Carmarina. Tentakel: Nesselzelle. Fig. 47. Carmarina, Tentakel: Nesselkapsel mit teilweis aus- gestiilptem Schlauch. Fig. 48. Carmarina. Tentakel: Epithelzelle im Ektoderm. Fig. 49. Pennaria cavolini: Ektodermfetzen des Mauerblattes. Figg. 50, 51. Pennaria cavolini. Mundgegend des Entoderms: 50 Epithelzelle, 51 Driisenzelle. Figg. 52—54. Pennaria cavolini. Mauerblatt des Entoderms: 52 Epithelz., 53 Driisenz., 54 Sinneszelle. Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 461 Fig. 55. Apolemia. Polyp: ektodermale Driisenzelle aus Mund- gegend. Fig. 56. Pennaria. Tentakel: Entoderm. Figg. 57, 58. Pennaria. Tentakel: Nesselzellen, 57 kleine, 58 grofe. Figg. 59, 60. Pilema pulmo. Sinnesgrube: 59 Epithelz., 60 Sinneszelle. Fig. 61. Pelagia noctiluca. Subumbrella: quergestreifte Muskel- faser. Fig. 62. Alcyonium acaule. Mauerblatt: Ektodermzelle (Platten- epithel. Fig. 63. Apolemia. Pneumatophore: Stiick einer Entodermzelle. Figg. 64— 66. Alcyonium. Gallertzellen. Fig. 67. Aleyonium. Zellklumpen aus Gallerte. Figg. 68 — 70. Alcyoniuml Entwickelung der Spicula, Fig. 71. Alcyoniym: Epithelzelle der Mundscheibe. Tafel XVI Figur 72—992. Fig. 72. Alcyonium. Muskelzelle aus Entoderm. Figg. 73, 74. Aleyonium. Anormal ausgebildete Teile ento- dermaler Muskelzellen. Fig. 75. Agalmide. Stamm: Stiick eines Muskelbandes. Figg. 76, 77. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Epithelzellen. Fig. 78. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Sinneszelle. Figg. 79, 80. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Driisenzellen. Figg. 81—84. Adamsia Rondeletii. Tentakel: Entwickelung der Nesselzellen. Figg. 85, 86. Adamsia Rondeletii. Tentakel: Ganglienzellen. Fig. 87. Adamsia Rondeletii: Entodermale Muskelzelle. Fig. 88. Eucharis multicornis. Gallerte: Muskel- und Ganglien- zelle in Verbindung. Fig. 89. Beroe ovata. Gallerte: Muskel- und Ganglienzelle in Verbindung. Fig. 90. Beroe ovata. Gallerte: Verbindungsstiick zweier Muskelfasern. Fig. 91. Beroe ovata. Gallerte: Ausliiufer einer Muskelfaser. Fig. 92, Beroe ovata. Wimperzelle aus Ruderplattchen. Bezeichnungen, die fiir alle Figuren gelten: Tafel X—XII. pr = Protoplama. mf == Muskelfaser. k = Kern. mbil = Muskelbildung. ty = ausgetretene Protoplasma- el] = elastische Faser. tropfen. nk == Nesselkapsel. pr. k = Protoplasmakirner. nschl == Nesselschlauch. chr. kl = Chromatinklumpen. iu. Ww = fubere Kapselwandung. sb — Sekretballen. 1. Ww == innere Wand, 462 K. ©. Schneider, Histolog. Befunde an Coelenteraten. schl. w == Schlauchwand. drz = Driisenzelle. wi == Widerhaken. ec = Ektoderm. kn = Knopf. en == Untoderm. ep. @ == Epithelzelle. stl == Stiitzlamelle. b. f = basale Fortsiitze. a == Angelband. p. f = periphere Fortsitze. nz. p == Nesselzellpolster. g. £ == Ganglienzelle. endf == Endfaden. gz. f = Ganglienzellfortsatze. Tafel XII[—XVI. j.==. Linon. sark == Sarkolemm. pl == Polylinon. ty = ausgetretne Tropfen der Inter- gl == gestrecktes Linon. filarsubstanz mit Geriist. gwl == gewundenes Linon. pr. k == Protoplasmakérner. m == Membran. nah.k == Nahrungskérper. c = Caticula. s.b == Sekretballen. id. pr = indifferentes Protoplasma. pk — Pigmentkérner. schwh = schwimmhautartige, zarte, nk == Nesselkapsel. fast oder ganz strukturlose nschl == Nesselschlauch. Protoplasmaschichten. du.w == diugere Wandung. i; == Kern: 7.W == innere Wandung. mf — Muskelfaser. schl.w = Schlauchwandung. mb == Muskelband. sti) Still mbil == Muskelbildung. stf = Stiitzfortsatz. qu. mf == quergestreifte Muskel- 1g — indifferente Zellen. faser. gz = Ganglienzellen. s.a.st==substanzarme | Stellen gzf == Ganglienzellfortsitze. s.r, st = substanzreiche {der qu. Mf. stl = Stiitzlamelle. wim == Wimpern. Simtliche VergréRerungen sind mit Hartnack, Ocular [, und Reichert, Immersion !/,,, erzielt worden. Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. Von Dr. Harriet Randolph. (Aus dem zoologischen Laboratorium beider Hochschulen in Ziirich.) Mit Tafel XVII—XIX. Die Anneliden, welche im nachfolgenden beschrieben werden sollen, wurden Ende Juni und in der ersten Woche Juli 189! in einer Tiefe von 10—12 m im Aiirichersee gefischt. Sie gehéren zwei Species an, von denen die eine noch nicht vollstandig be- schrieben ist. Uber die andere habe ich in der betreffenden Litte- ratur keine Angabe finden kénnen. Herrn Professor Lane bin ich fiir Ratschlige und fir die Erlaubnis zur Benutzung seiner Bibliothek sowohl fiir diese als fiir eine andere Arbeit zu gréftem Danke verpflichtet. Die Wiirmer wurden mir von Herrn Dr. J. Heuscuer, Assistenten am zoologischen Laboratorium beider Hochschulen, zur Bearbeitung iiberlassen. Seiner Giite verdanke ich auch noch neues Material. Die erste Form scheint die Saenuris velutina GruBE (6) zu sein. Ich schlage aber fiir diese Art, gestiitzt auf Griinde, die spiter dargethan werden sollen, den Namen Embolocephalus velutinus vor. Saenuris velutina ist von Vespovsky (8) in das Verzeichnis der Species incertae sedis gestellt worden, weil die Beschreibung keinen bestimmten Platz rechtfertigt. Die von GRUBE herriihrende Beschreibung lautet folgendermafen : ,Die zweite Annelide, die man vorlaufig auch zu dieser Gattung rechnen mag, obschon sie in der oberen der beiden Borstenzeilen nur Haarborsten und in der unteren blof zwei Hakenborsten be- 464 Harriet Randolph, sitzt (S. velutina Gr.), fallt sogleich dadurch auf, daf ihr ganzer Kérper dicht mit kurzen weichen Papillen besetzt ist; ihr Kopf- lappen ist dreieckig, etwas breiter als lang und mit dem ersten Segment so zuriickziehbar, da zuweilen das zweite Segment mit seinen Borsten den Vorderrand des Leibes bildet. Die Farbung ist graulich oder ockerbraun mit weifer Giirtelbinde vom neunten bis zwélften Segment. Die Haarborsten der oberen Zeile stehen nur zu je zwei, die Hakenborsten der unteren Zeile mit erst bei stiirkerer Vergroéferung deutlich zweizahniger Spitze zu je zwei oder einzeln, wodurch sich diese Art von Nais papillosa Kxsst. des Ladogasees unterscheidet.“ Diese Merkmale der Saenuris velutina stimmen sehr mit denen des Embolocephalus velutinus vom Ziirichersee tiberein. Zu den erwaihnten Farben kommt auch manchmal Schwarz, entweder iiberall in der Kopfgegend oder in einigen Segmenten hinter dem Giirtel, hinzu. Auch weicht die Zahl der Riickenborsten ab. Embolo- cephalus velutinus hat ein bis vier Borsten in den Riickenbiindeln. Sind weniger als vier vorhanden, so diirfte dies auf Rechnung zufalliger Verluste zu setzen sein. Die Zahl der Segmente betrigt 40—70, die Lange des Koérpers 3—95 cm. Die Zuriickziehbarkeit des Kopfes ist ein auffallendes Merk- mal. Auf den leisesten Reiz hin verschwindet der Kopf plétzlich und kommt erst nach einiger Zeit wieder zum Vorschein. In- zwischen aber bewegt sich der Wurm lebhaft und, wie es scheint, ganz normal herum mit dem zweiten Segment als Vorderende des Leibes. (Fig. 1). Der vorgestreckte Kopflappen ist, von der Seite gesehen, stumpf und relativ breit. Von der Unterseite ragt ein trompeten- formiger Riissel vor, mit dickem oberem und unterem Rande und mit diinnen membranartigen Seitenrandern (Fig. 2). Wenn der Riissel nicht ausgestiilpt ist, so sieht man unten nur eine dicke Lippe (Fig. 3). Die Verhaltnisse der Teile im zuriickgezogenen Zu- stande sind in Fig. 4 abgebildet. Das Zuriickziehen geschieht durch starke Muskeln, welche sich von der Wand des Kopfes und Riissels bis zu der Leibeswand des zweiten, dritten und der fol- genden Segmente erstrecken. Kine genauere Untersuchung zeigt, daf die dicht gestellten Pa- pillen nicht der Hypodermis, sondern einer ahnlichen Hiilse ange- horen, wie sie bei Slavina appendiculata Vespovsky vorkommt. Die Papillen sind kegelférmig, fast gleich grof und bestehen zum groSten Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 465 Teil aus zusammengekitteten Bakterien und Fremdkorperchen (Fig. 5). Die durchsichtige Kittsubstanz ist zasammenhingend um die Ba- sis der Papillen herum und bildet eine cylindrische Hiille um den Kérper des Wurmes (Fig. 6). Diese Hiille ist so innig an der Cuti- cula befestigt, dali es meistens unméglich ist, sie wegzunehmen. Der Versuch, es zu thun, scheint dem Wurm schmerzhaft zu sein. Wenn die Wiirmer einige Zeit im Aquarium gehalten werden, so lésen sich in einigen Fallen die Hiilsen teilweise los, und der Kérper wird frei. Dann beginnt sofort die Bildung einer neuen zarten Hiilse, und die gewéhnliche Hille wird bald verdeckt von einem veristelten baumformigen Gewachse von in Gallerte einge- betteten Bakterien — leicht zu verwechseln mit einem mit Ol- tropfen erfiillten Pilze. Aufer den Exemplaren, welche die von Gruse_ geschilderte Farbung aufweisen, giebt es auch solche mit weniger auffallender Farbung. Einige zeigen nur eine zarte graue Farbe. Bei starker Vergréferung erscheinen alle Papillen einfarbig. Worauf die Farbung beruht, weif ich nicht; sie wird durch PERE- ny ische Fliissigkeit rasch zerstort. Der Kérper ist in allen Regionen mit nicht retraktilen Sinnes- papillen ausgestattet. Diese gleichen im wesentlichen den Sinnes- hiigeln von Slavina appendiculata Vespovsky und weichen nur in ihrer Form und Innervation etwas ab (Fig. 7). Sie sind einfache Ausstiilpungen der Hypodermis mitsammt ihrer Cuticula, und sie tragen an ihrer Spitze mehrere Sinneshaare. Im Innern der Papillen und in Zusammenhang mit den Haaren finden sich Stébchen, deren proximale Enden in kérnigem Protoplasma verschwinden (Fig. 7). Auf Schnitten sieht man, dal jedes Stabchen in einer langen Zelle endigt, die am proximalen Ende mit einem Fortsatz versehen ist (Fig. 8). Obwohl ich mit Goldchlorid und mit Osmiumsaure_be- handelte Praparate durchgesehen habe, habe ich keine besonderen Ganglienzellenstringe finden kénnen, welche jenen von VEsDOVSKY fiir Slavina appendiculata beschriebenen entsprochen hatten. Die Sinnespapillen sind in zwei Reihen um jedes Segment an- geordnet, in derselben Ebene wie die Borsten und die Dissepi- nente (Fig. 1). Am letzten Segmente ‘sind sie zahlreicher und unregelmakig gruppiert. Wie vorhin erwahnt wurde, sind die Sinnespapillen nicht retraktil. Daf die Sinneshiigel nicht retraktil sind, ist auch fiir Slavina appendiculata charakteristisch, und da- durch unterscheiden sich diese Papillen von denjenigen der Chaeto- gastriden und der Enchytraeiden. Bd, XXVII. N. F. XX. 30 466 Harriet Randolph, Augen fehlen. Das Gehirnganglion wird bei jeder Bewegung des Kopfes mehr oder weniger gedriickt. Deshalb ist seine Gestalt sehr verdnder- lich. Fig. 9 ist nach dem Leben gezeichnet und stellt die Normal- form dar. Die Riickenborsten sind alle haarformig und finden sich einzeln oder zu zweien, dreien oder vieren in einem Biindel. Alle ausge- bildeten Borsten sind gleich lang. Sind weniger als vier vor- handen, so sind wahrscheinlich Borsten verloren gegangen (Fig. 1). Jedes Bauchbiindel hat zwei schwach gekriimmte und stumpfe oder undeutlich gespaltene Borsten (Fig. 10). Die Hypodermis ist reichlich mit Driisen ausgestattet, welche die Kittsubstanz der Hiilse absondern (Fig. 6). Der Bau des Giirtels stimmt mit der Beschreibung iiberein, welche VEspovsk Y fiir die niederen Oligochaeten gegeben hat. Es sind zwei Arten von Driisenzellen zu unterscheiden (Fig. 11). Die kleineren finden sich paarweise zusammen; sie sehen oberflachlich aus wie in Fig. 12. Die Papillen der Hiilse sind in der Giirtelgegend durch eine Kruste ersetzt. Der Verlaut der BlutgefaBe konnte wegen der Undurchsich- tigkeit der Hiilse, der grofen Empfindlichkeit des Kopfes und der hiufigen Retraktionsbewegungen, die er ausfiihrt, in der vorderen Region nicht ermittelt werden. In der Region des Mittelkérpers geht yom Riickengefah jederseits unmittelbar vor dem Dissepiment ein Seitengefaifs ab. Dieses Seitengefals erstreckt sich bis zu der Kiérperwand, biegt dann nach vorn um und geht an das vordere Dissepiment; hier kriimmt es sich nach der Bauchseite und nach hinten, verlauft unter dem Bauchmark nach hinten, um eine kurze Strecke vor seiner Ursprungsstelle dorsalwarts um das Bauchmark umzubiegen und hier wahrscheinlich in das Bauchgefaf einzu- miinden (Fig. 13). Wegen der Undurchsichtigkeit der Hiilse konnten auch die Nephridien nicht im lebenden Zustande iiberall beobachtet wer- den. In Schnittserien aber lassen sie sich zwischen Segment VU/VUI und VILI/IX beobachten. Nachher fangen sie wieder zwischen Segment XII/XIII an. Bei der Grésse der Nephridien dieser Art lassen sich die Trichterzellen und Endblasen aulser- ordentlich leicht erkennen. Der Giirtel nimmt die Halfte des Segments X und die Seg- mente XL und XIT ein. Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 467 Die Geschlechtsorgane haben folgende Lage: Hoden 19, Nabe. yomT) oboe Segnient x Hierstéckes tp © fect. af XI AuBere Offnungen der Sameritdaelien STII Samentrichter Byer). 4). a AuBere Offnungen der Samonlaiee UA OT PMG bey 9 AG Mie. ano! Be ae wey RIX ID Diese Anordnung stimmt mit der nach Vrspovsky fir die Tubificiden bestehenden tiberein, mit Ausnahme des Eileiters, dessen Lage in dieser Familie noch nicht festgestellt wurde. Bei einer Tubifexart, welche ich zum Vergleich untersuchte, ist seine Lage wie oben. Bei Embolocephalus velutinus sind die Hoden am Dissepimente befestigt wie bei den Tubificiden, im Gegensatz zu den Verhiait- nissen der Naidomorphen (z. B. Stylaria lacustris), wo sie mehr bauchwarts mit der Kérperwand verbunden sind. Auch die Eierstécke sind an dem Dissepimente befestigt (Fig. 15); sie flottieren nicht frei in der Leibeshdhle, wie dies bei den Naidomorphen die Regel ist. Die Samentaschen — sie sind in einem Paar vorhanden — 6ffnen sich unmittelbar vor den Bauchborsten des Segments X nach aufen. Diese Lagebeziehungen zwischen Bauchborsten und Samentaschené6ffnungen sind nach VeEJpovsky typisch fiir die Naidomorphen und Tubificiden '). Die Samentaschen der beobachteten Individuen waren mit Spermatophoren erfiillt und erstreckten sich durch die Riicken- gegend des folgenden Segments. Fig. 16a ist nach einer Samen- tasche entworfen, die aus einem Rif der Kérperwand hervorge- quollen war. Die Schichten der Kérperwand wiederholen sich in der Wand der Samentaschen (Fig. 17). Die geschwollenen Driisen- zellen der inneren Epithelschicht sondern, nach Vespovsky, die Kittsubstanz der Spermatophoren ab (Fig. 18). Die Spermatophoren zeigen die drei von VEsJDOvsKyY beschrie- benen Schichten: die innere von den Spermatozoenképfchen ge- 1) Bei der yon mir untersuchten Art, welche ich leider nicht naiher bestimmte, 6ffnen sich die Samentaschen auf der Seite un- mittelbar iiber der ganglidsen Seitenlinie. Die Offnungen der Samen- leiter liegen mehr ventralwiirts auf der Seite, doeh auferhalb der Bauchborstenreihe. 30* 468 Harriet Randolph, bildete kérnige Schicht, die cylindrische hyaline Schicht von Kitt- substanz, und die hervorragenden a Enden der Spermatozoen- schwiinze (Fig. 16 b). Die Borstendriisen, welche in Segment X hinter den Samen- taschendffnungen liegen, haben eine Abanderung erfahren. Den gewohnlichen Driisenzellen ist eine besondere Driise zugesellt, welche nach der Mitte, ein wenig nach hinten und ventral von der Borstendriise liegt. Diese accessorische Driise miindet in die Borstendriise hinein. In ihrer Mitte findet sich ein Gang nach der Basis der Borste. Jedes Biindel enthalt nur eine Borste. Ich habe eine solche accessorische Driise nirgends erwahnt gefunden (Pig nd Ota bend): In dem Dissepimente zwischen Segment X und XI liegt der ungeheuer grofe Trichter des Samenleiters. Seme Wande er- strecken sich beinahe bis zum nachsten Dissepimente. Der Bau ist in Fig. 20 dargestellt. Der Leiter ist kiirzer als bei den untersuchten Tubificiden-Exemplaren. Der Unterschied in der GréSe seiner beiden Teile ist geringer, und der grofe Teil fangt erst weiter vom Trichter an (Fig. 21, 22). Das Atrium und die zu diesem gehérigen Driisen sind nicht von den gleichnamigen Or- ganen der Tubificidenart zu unterscheiden (Fig. 33, 34, 35). Die Atrialifinungen liegen in einer Linie mit den Bauchborsten, welche aber in diesem Segmente fehlen. Der Eileiter besteht aus einem grofen, dickwandigen Trichter und einem kurzen, zwischen den beiden Muskelschichten des Disse- pimentes nach aufen miindenden Gange (Fig. 23, 24). Ein ahn- liches Organ kommt bei der von mir beobachteten Tubifexart in dem zwischen Segment XI und XII liegenden Dissepimente vor. Bei dieser Familie ist bisher, soviel ich weil, ein Eileiter noch nicht beschrieben worden. Ich habe keine Spur von Knospungserscheinungen gesehen. Im ruhenden Zustande bilden die Wiirmer einen verwickelten Kniuel. Jeder Versuch, diesen zu entwirren, hatte nur den Er- folg, da die Wiirmer noch dichter zusammenhielten, und sie liefen sich eher zerreifen als auseinanderlésen. Nach GruseE unterscheidet sich diese Art durch die Anord- nung der Borsten von Nais papillosa Kuessl. vom Ladogasee, und von Tubifex papillosus Ciap., einer marinen Art. Diese zwei Arten sollen mit ahnlichen Papillen bedeckt sein. CLAPAREDE beschreibt einen anderen marinen Anneliden von St. Vaast als Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 469 »pechschwarzen Wurm mit weifem Kopfende und rosafarbenem Giirtel (3). Saenuris velutina findet sich in ZscHOKKE’s Verzeichnis (9) der Fauna der Gebirgsseen oft angedeutet. Foret berichtet (5): ,,Cette belle espéce de Chétopode.. . est trés abondante dans la région profonde de beaucoup de lacs. Je Vai péchée dans les lacs Léman, Bourget, Annecy, Neuchatel, Zurich; ASPER la signale dans le lac de Come. Jusqu’a présent je ne l’ai jamais rencontré dans la région littorale ni du Léman ni d’ aucun autre lac. Mais il y a tant de variétés dans le facies limoneux de la région littorale que je ne puis me flatter de les avoir toutes explorées. Peut-étre aussi provient-il de la faune des eaux souterraines, et le trouverons- nous dans les puits de la terre ferme en compagnie du Niphargus et de I’ Asellus aveugles; la couleur brune, jaune ou orangée de ce ver ne semble cependant pas favorable a cette derniére alter- native; les animaux cavicoles étant en général d’un blanc mat, non-pigmenté. Toujours est-il que ce ver est actuellement presque la seule espéce dont l origine nous soit absolument imconnue.“ In dieser Beziehung ist es interessant zu konstatieren, dal auch die CLARAPEDE’sche marine Form eine Ahnliche Hise und bunte Farbung aufweist. Unter den beobachteten Wiirmern fanden sich einige Exem- plare einer Art, welche, soweit ich weil, noch nicht beschrieben worden ist. In vielen Punkten sind sie der ersten Form sehr ahnlich, und beide Formen zusammen bilden eine einheitliche, den iibrigen Tubificiden gegeniiberzustellende Gruppe. Wegen des Zu- sammenfaltens der Kopfregion gebe ich dieser Art den Namen Embolocephalus plicatus. Durchschnittlich ist die Lange des Korpers 4 cm und die Segmentzahl 50. Die Tiere sind den wenigen bunten Indi- viduen des Embolocephalus velutinus sehr ahnlich, und erst bei starkerer Vergréferung kann man die zwei Arten nach den Borsten unterscheiden. Der Kopf ist zuriickziehbar (Fig. 25), nicht aber in derselben Weise wie bei Embolocephalus velutinus. Die vordere Gegend des E. velutinus ist in die nachstfolgenden Segmente hineingezogen wie ein Teil eines Fernrohres in einen anderen; in E. plicatus aber 470 Harriet Randolph, ist die Kopfgegend wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet (Fig. 26). Bei dieser Art existiert kein Riissel. Die Hiilse ist bei beiden Arten ahnlich, nur bei E. plicatus etwas schwacher (Fig. 27). Die Sinnespapillen sind nicht zuriickziehbar. Sie sind der Form und dem allgemeinen Bau nach denen des E. velutinus ahn- lich, aber schlanker und hyaliner (Fig. 28). Die Nervenzellen sind an*dem lebenden Exemplar deutlich erkennbar. Ich habe auch hier keine besonderen Ganglienzellen finden kénnen. Die Sinnes- papillen sind in zwei Ringen um jedes Segment angeordnet, mit gelegentlichen Spuren eines dritten. Die regelmafig vorkommen- den Ringe sind von den Dissepimenten gleich weit entfernt, und einer liegt in der Ebene der Borsten. Augen fehlen. Das Gehirnganglion und die Schlundkommissur sind in Figg. 29 und 30 abgebildet. Die Borsten unterscheiden sich betrachtlich von denjenigen des Embolocephalus velutinus. In den Riickenbiindeln finden sich in der Regel drei Paar schlanke, haarférmige Borsten und drei schwach geschweifte und am Ende gespaltene Borsten (Fig. 31). Die Bauchborsten sind dick und stark gekriimmt (Fig. 32). Die Ab- bildungen wurden alle nach einem und demselben Exemplar ge- zeichnet, somit zeigen sie die Variation innerhalb eines Indivi- duums. Es sind meistens zwei in einem Biindel; vor dem Giirtel aber kommen zwei bis fiinf vor. Die Hypodermis ist im allgemeinen derjenigen des Embolo- cephalus velutinus ahnlich (Fig. 36). Uber die Anordnung der BlutgefaBe bin ich nicht ins Klare gekommen. Nephridien kommen, wie ich an Schnittserien konstatierte, zwischen Segment VI/VII und VII/VIII vor. Der Giirtel wird aus einem Teil des Segments X und aus den Segmenten 'XI und XII gebildet. Lage und Bau der Ge- schlechtsorgane sind ganz ahnlich wie bei Embolocephalus velu- tinus. E. plicatus unterscheidet sich indessen dadurch, daf der Samenleiter tiberall dieselbe GréSe besitzt, und daf die Bauch- borstendriisen des Segmentes X unverdndert sind. Da nur kleine Spuren von Spermatophoren vorhanden waren, so kann ich tber ihre Form nichts Bestimmtes mitteilen. Auch hier habe ich keine Knospungserscheinungen gesehen. Da weder bei E. velutinus noch bei E. plicatus alle Individuen Beitrag zur Kenutnis der ‘Tubificiden. 471 zu gleicher Zeit geschlechtsreif wurden, so war die Méglichkeit, Knospungserscheinungen zu finden — wenn sie tiberhaupt bei diesen Arten vorkommeu — nicht ganz ausgeschlossen. Die Lage der Geschlechtsorgane ist bei beiden Wiirmern die fiir die Tubificiden charakteristische, und im Bau zeigen beide Wiirmer nur kleine Abweichungen voneinander und von den Tubi- ficiden. In dem einen Fall sind die Borsten typische Naidomorphen- borsten und in dem anderen haben sie eine bis jetzt nur bei den Tubificiden bekannte Form. Wegen des Vorhandenseins der nicht retractilen Sinnes- organe habe ich zuerst geglaubt, daf die zwei Wiirmer zwei neue Arten der Gattung Slavina darstellen. ‘Sie hatten dann eine Unterabteilung gebildet, der Gruppe von Bousrietp (2) gegen- iibergestellt durch die Retractilitaét des Kopfes, das Fehlen der Augen und das Vorhandensein der Riickenborsten in allen borsten- tragenden Segmenten. Die Lage und der Bau der Geschlechtsorgane aber beweist eine nahe Verwandtschaft mit den Tubificiden. Da diese Organe bei Slavina noch nicht beschrieben sind, ist es unméglich, die ge- nauen Beziehungen zu dieser Gattung festzustellen. Wenn nach LANKESTER und Bourne (1) die ,,Cephalization‘ als ein generisches Unterscheidungsmerkmal anzusehen ist, so mul das Vorhandensein der Riickenborsten an allen borstentragenden Segmenten diese Wiirmer von Slavina generisch trennen, welches auch die Familie sei, der diese Gattung angehdrt. Nach Vespovsky sind Saenuris velutina Grube, Nais papillosa KESSLER und Spirosperma ferox Eisen wahrscheinlich identisch, ,,Dieser Beschreibung nach ist zu schliefen, daf die vermeintliche Saenuris eine besondere Stellung zwischen den Tubificiden — wenn sie tiberhaupt zu dieser Gruppe gehért — einnehmen muf. Saenuris velutina ist wahrscheinlich mit KmssLer’s Nais papillosa identisch, die jedoch eine besondere Gattung bildet und bereits von E1smn als Spirosperma ferox beschrieben wurde.‘ GRUBE (a. a. O.) unterscheidet seme Art durch die Form der Borsten. Was die dritte Art anbetrifit, so stimmt sie nach der Be- schreibung weder mit Saenuris noch mit den hier beschriebenen Wiirmern iiberein. Ersen giebt an (4): 1. More than one kind of spines present, viz. hair-spines, comb- like spines and forked spines; two of which kinds are always present. AT2 Harriet Randolph, A. The cephalic ganglion anteriorly furnished with a large conical processus. The spermatophores are extremely long and spirally coiled. The oviduct is single. Spirosperma. Spirosperma nov. gen. The cephalic ganglion anteriorly furnished with a large conical processus which does not branch in the cephalic lobe of the body. The posterior margin is concave. ‘The spermatophore is very long and narrow, and spirally coiled, surrounded by a pellucid sack-like membrane. The integument is thickly covered with dark convex papillae. S. ferox n. sp. The penis sheath is chitinous, but only half as long as the penis proper, which is considerably swollen outside the penis sheath. The oviduct is single, muscular, not chitinous and longer than the penis proper. The forked spines in the front segments are furnished with several prongs. The length of the body is about 20 mm. A cingulum is very conspicuous in adult specimens. Habitat: Sweden, Motala river, in shallow water, also in the lake of If6 in Scania, where it was taken by Professor W. LILLJEBORG at a depth of 25 fathoms.“ GruBE hat die Verwandtschaftsbeziehungen seiner Art erkannt und richtig dargestellt. Der Gattungsname aber hat so vielen Formen angehort, die seitdem in verschiedene andere Gattungen verteilt worden sind, da’ er keine diagnostizierbare Gattung mehr bezeichnet. Um also Verwirrung zu vermeiden, schlage ich als Gattungsname Embolocephalus vor. Die erste Form wird dann Embolocephalus velutinus (den friiheren von Grune gegebenen Artnamen beibehaltend), und die zweite Embolocephalus plicatus heifen. Familie Tubificiden. Gattung Embolocephalus n. g. fo) Eine aus Bakterien, Fremdkérperchen und einer von dem Wurm abgesonderten Kittsubstanz gebildete Hiilse vorhanden. Augen fehlen. Nicht retraktile Sinnesorgane in Ringen um den Kérper herum. Der Kopf retraktil. Riickenborsten in allen borstentragenden Segmenten. Borsten der Riickenreihen haar- formig. Riickenreihen mit oder ohne geschweifte gespaltene Bor- sten. In den Bauchreihen gekriimmte Borsten, welche einfach, ge- spalten, gegabelt oder kammférmig sein kénnen. Bauchborsten des XI. Segmentes fehlen, wenigstens wihrend der Geschlechtsreife. Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 473 Embolocephalus velutinus (Saenuris velutina GRuUBE). Riissel vorhanden. Sinnespapillen in zwei Ringen um jedes Segment. Riickenborsten haarférmig, vier in jedem Biindel; Bauch- borsten zwei, gekriimmt, einfach oder undeutlich gespalten. Bauch- borstenscheiden in Segment X mit einer accessorischen Driise versehen. Nephridien zwischen den Segmenten VII/VIU und VITI/IX. Embolocephalus plicatus n. sp. Ohne Riissel. Sinnespapillen in zwei oder mehreren Ringen um jedes Segment. In den Riickenreihen in der Regel drei Paar haarformige und drei kurze gespaltene und schwach gestreifte Borsten. Die Bauchbiindel enthalten zwei bis fiinf stark gekriimmte und gegabelte oder kammférmige Borsten. Nephridien zwischen den Segmenten VI/VII und VII/VIII. A74 Harriet Randolph, Litteraturverzeiehnis. 1. Bournr, A. G., Notes on the Naidoform Oligochaeta. Quart. Journ. Mier. Sci., Vol. 32, Part 3. 2. Bousrienp, E. C., On Slavina and Ophidonais, Journ. Linn. Soc., Vol. 19, 1886. 8. CraparepE, E., Beobachtungen tiber Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte wirbelloser Tiere. Leipzig 1863. 4, Etsen, G., Preliminary Report on Genera and Species of Tubi- ficidae. Bihang K. Svenska Vet. Akad. Handlingar, Bd. 5, No. 16. 5. Foret, F. A., La faune profonde des lacs suisses. Noue Denkschr. der allg. Schweiz. Gesell. Naturw. 29, 1885, 6. Grouse, E., Untersuchungen iiber die phys. Beschaffenheit und die Flora und Fauna der Schweizer Seen. 56. Jahresber. der Schles. Gesellsch., 1878, 8. 116. 7. Levcxarr’s Bericht —- Wiremanny’s Archiv, Jahrg. 35, 1869. 8. Vespovsxy, F., System und Morphologie der Oligochaeten. Prag 1884. 9, ZscHoxKE, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Fauna von Ge- birgsseen. Zool. Anz., 14. Jahrg. 1891, No. 360 u. 361. Erklirung der Abbildungen. Fir alle Figuren gitiltige Bezeichnungen. A = Atrium. D = Dissepiment. AD = Atrialdriise. Dr = Drie. B = Bauchmark. F = Fortsatz. Bg = Bauchgefab. G = Gehirnganglion, B.B.d. = dorsale Borstenbiindel. Gg == Gang. B.B.v. = ventrale Borstenbiinde!l. H = Hiilse. B.F = Borstenfollikel. Hy = Hypodermis. .G = bDlasiges Gewebe. 2 eke ——_oKwopt. C = Cuticula. K. lL = Kopflappen. es Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 475 L.M. = Liangsmuskel. Sp. == Spermatophore. M. = Muskel. St. — Stibchen. M.D. = Mitteldarm. S. H. = Sinneshaar. N. = Nerven. S.L. —= Samenleiter. P. = Papillen der Hiilse. S. P. = Sinnespapillen. Q.M. = Quermuskeln. S.Z. == Sinneszelle. R. = Riissel. U.L. == Unterlippe. S. = Schwanz. X. = Borstenebene. Sch. c. = Schlundkommissur. Z. —= Borstenscheide. Patel XVik. Embolocephalus velutinus. Fig. 1. Vordere Segmente mit zuriickgezogenem Kopf, von aufen, X 110. Fig. 2. Kopf mit ausgestiilptem Riissel. Fig. 3. Kopf mit eingestiilptem Riissel. Fig. 4. Vertikaler Lingsschnitt der vorderen Segmente in zu- riickgezogenem Zustande, 150. Fig. 4a. Schlundkommissur aus derselben Serie. Fig. 5. Papillen der Hiilse, 360. Fig. 6. Querschnitt der Kérperwand, 300. Fig. 7. Sinnespapillen von einem lebenden Exemplar. Fig. 8. Sinnespapillen aus einem Querschnitt, 480. Fig, 9. a. Gehirn von oben. b. Hinterer Teil des Gehirns von der Seite. c. Querschnitt des Bauchmarks, & 150. Fig. 10. Bauchborste, 100. Fig. 11. Hypodermis yom Giirtel. Zweierlei Driisen. Aus einem Querschnitt, 480. Fig. 12. Hypodermis von der Fliache, & 480. Fig. 13. Seitengefiéif eines mittleren Segmentes. Fig. 1, 4, 4b, 5, 6, 8, 9c, 10, 11, 12 mit der Camera gezeichnet. Patel XVIIT. Embolocephalus velutinus. Fig. 14. Teil eines Nephridiums, Fig. 15. Eierstock, & 100. Fig. 16. a. Receptaculum seminis, 50." b. Teil einer Spermatophore bei stiarkerer Vergrdéfe- rung, < 480. Fig. 17. Receptaculum seminis. Querschnitt durch das Aus- mindungsrohr, & 300. Fig. 18. Receptaculum seminis. Wandschichten, 480. Fig. 19. Bauchborstendriise im Segment X. Fig. 19a. Lingsschnitt, aus einer Querschnittserie, X 300. b, c,d. Dieselbe quergeschnitten, aus einer horizontalen Liangsschnittserie, 300. 476 Harriet Randolph, Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. Fig. 20. Léangsschnitt eines Samentrichters & 150. Fig. 21. Liangsschnitt eines Samenleiters in der Nihe vom Trichter, 480. Fig. 22. Liangsschnitt eines Samenleiters in der Nihe vom Atrium, 480. Fig. 23. Kileitertrichter, aus einem vertikalen Liingsschnitt, < 250. Fig. 24. Hileitertrichter, aus einem horizontalen Lingsschnitt, SX 250. Alle Figuren, mit Ausnahme von 14, mit Camera gezeichnet. Tafel XIX. Embolocephalus plicatus. Fig. 25. Vertikaler Langsschnitt der vorderen Segmente, Kopf zuriickgezogen. Fig. 26. Vordere Segmente, 50. Fig. 27. Hautpapillen, 250. Fig. 28. Sinnespapillen vom lebenden Wurm. Fig. 29. Gehirn. Fig. 30. Schlundkommissur. Fig. 31. Riickenborsten. a 300, b & 480. Fig. 32. Bauchborsten. a und b X 150, ¢ und d & 250. Fig. 33. Samenleiter und Atrium, vom horizont. Schnitte, 300. Fig. 34. Atrium und Atrialdriise, 150. Fig. 85. Samentrichter, 250, Fig. 36. Gewdhnliche Hypodermis mit Driise, x 480. Alle Figuren, mit Ausnahme von 28, 29, 30, mit Camera ge- zeichnet. : Zur Anatomie und Histologie der Proneomenia Siuiteri Hubrecht. Von J. Heuseher. (Aus dem zoologischen Laboratorium beider Hochschulen in Ziirich.) Mit Tafel XX—XXIII und 4 Abbildungen im Texte. Die Gelegenheit zu den nachfolgenden Untersuchungen ver- danke ich dem Wohlwollen und der auferordentlichen Giite des Herrn Professor Dr. ArNoLD LaneG, der mir zwei in Schnitt- serien zerlegte Exemplare von Proneomenia Sluiteri Huprecur zur Untersuchung iiberlief. Hierfiir sowohl wie fiir die Winke und Ratschlage, mit denen mich mein hochverehrter Lehrer viel- fach unterstiitzte, und fiir die Zeichnungen, die er mir zur Ver- figung stellte, spreche ich ihm meinen tiefsten Dank aus. Auch Herrn Privatdozent Dr. Kari FirpLer, der sich stets in freundlichster Weise um meine Arbeit interessierte und mir namentlich bei Beschaffung von Litteratur behiilflich war, bin ich zu grofem Danke verpflichtet. Ke Pronemenia Sluiteri Huser. gehért der niedersten Gruppe der Mollusken, den Aplacophoren oder Solenogastren an, die mit den Placophoren oder Chitoniden zusammen die Klasse der Amphineura bilden. Die Species ist erst seit kurzem (1882) und bisher nur 478 J. Heuscher, in 3 Exemplaren bekannt geworden. Zwei derselben, worunter ein defektes, von Dr. C. P. Sxurrer in einer Tiefe von 110 und 160 Faden in der ,,Barents-Sea“ gefangen, wurden von Prof. Huprecut sorgfaltig untersucht und beschrieben (7). Das dritte Exemplar ist laut einer Mitteilung von HANSEN (6) im Museum zu Bergen aufbewahrt. Auf der ,,Bremer Expedition nach Ost- Spitzbergen 1889“, die von Prof. W. KikenTHAL und Dr. WALTER geleitet war, wurden weitere zwei Exemplare erbeutet, sorgfaltig konserviert und Herrn Prof. Lana in Ziirich zur Untersuchung zugestellt. Herr Prof. KUkENTHAL hatte die Giite, folgende No- tizen aus seinem Tagebuche mitzuteilen: ,,Neomenia wurde zwei- mal gefangen, beide Male im nordlichen Teile der Olgastrabe, zwischen Ko6nig-Karls-Inseln, Nordostland und Barentsland. ‘Tiefe am 4. Juli: 80 Faden (160 m); Boden steinig: mit zihem, blau- lichem Schlamm; am 17. Juli: 70 Faden (140 m); Boden: nur sandig-steinig. Die Tiere zeigten auffalligerweise nicht die ge- ringste Bewegung.“ Prof. Lane fixierte zunachst die auBere Form durch Messung und Zeichnung (Fig. 1). Die Tiere gleichen einem kurzen, dicken Fig. 1. Proneomenia Sluiteri Hupr, Totalansicht: A von der lateralen, B von der ventralen Seite. o Mund, cl Cloake (aus LAnG: Lehrbuch der vergleichenden Anatomie). Wurm, sind wegen aus der Haut vorragender Kalkspiculae rauh anzufiihlen, steif und au8erlich chitinig-hart, so daf nur ganz ge- ringfiigige Bewegung:n mdéglich sind. Auf der Ventralseite sehen wir (Fig. 1 B) zunachst vorn eine kleine Langsspalte 0, die Mund- éfmung. Etwas hinter derselben beginnt eine Furche, die Bauch- rinne, die sich bis nahe zum Hinterende zieht, wo sie in die Cloake (cl) iibergeht. In dieser ventralen Furche liegt eine Langs- falte verborgen, der auferst reduzierte, rudimentare Fu8. Uber der Cloake befindet sich mediodorsal eine kleine Vertiefung des Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 479 Integumentes. Die Tiere sind mit einer Lage von mit Dia- tomeenschalen vermengtem Detritus, der ziemlich fest anhaftet, bedeckt. Das gréfere Exemplar hatte eine Lange von 98 mm. Die maximale dorso-ventrale Hohe betrug (25 mm vom Vorderende entfernt) 10 mm bei gleicher Maximalbreite. Die geringste Hohe (7 mm) befindet sich bei gleicher Breite etwa 16 mm vom hin- tersten Ende entfernt. An der eingeschniirten Stelle bei der Cloake (Fig. 1) betrug die Héhe 8 mm, die Breite 6 mm. Die Linge der Mundspalte war 4 mm; 1 mm weiter hinten begann die Bauchfurche. Die Cloakenspalte beginnt 6 mm yom Hinter- ende des Kérpers und ist 2 mm lang. Das kleinere Exemplar hatte eine Linge von 75 mm, eine Maximalhéhe von 10 mm und eine grifSte Breite von 91/, mm. Integument. Das Integument von Proneomenia Sluiteri Hupr. besteht aus zwei Schichten, einer diinnen Hypodermis und einer machtig ent- wickelten Cuticula. An der Hypodermis lassen sich verschieden differenzierte Elemente unterscheiden. Eine Lage kleiner kubischer Zellen liegt unmittelbar der Ringmuskulatur des Korpers auf und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, mit Ausnahme der Bauchrinne uid elniger unten zu erwahnender Stellen. Diese eigentlichen Hypo- dermiszellen im engeren Sinne enthalten verhaltnismabig grobe Kerne, die sich mit Karmin lebhalt tingieren, und feinkérniges Protoplasma (ig. 2hy). Aus der Hypodermis steigen in mehr oder weniger radiarer Richtung sehr zahlreiche Gewebestrange in die Cuticula hinauf. Die Zellen, aus denen sich diese Strange zusammensetzen, sind langgestreckt, und ihre Grenzen in Form von spiraligen Linien meist deutlich sichtbar (Fig. 2s). Die Kerne liegen mit ihrer Flache den Zellwanden an, sind lang-elliptisch, flach und fein gekérnelt. Wir kénnen dickere und diinnere Striinge unterscheiden, und je nach dem Alter differieren beide Sorten auch unter sich selbst in der Linge. Im iibrigen sehen sie sich abnlich, verbinden jedoch verschiedene Driisen mit der Cuticula. Die diinneren unter ihnen ragen kaum iiber die Mitte der Cuticula hinaus und endigen in einer bulbésen Anschwellung, in 480 J. Heuscher, welcher eine Kalknadel mit ihrem proximalen Ende wie in einem Becherchen sitzt. Ein solches Spiculabecherchen (Fig. 2 spb) be- steht aus 8—10 Zellen und stellt ohne Zweifel eine Driise dar, in welcher die Kalksubstanz der Spicula ausgeschieden wird. Die jiingsten Becherchen mit den kleinsten Nadeln liegen noch in der Hypodermis und geben derselben ein etwas unregelmifiges Aus- sehen. Eine Lage zweitjiingster Spiculadriisen hat sich erst wenig in die Cuticula erhoben, dann folgen, indem wir nach aufen fortschreiten, eine 2., 3., 4. Lage von Becherchen u. s. w., die sich etwas weiter, aber auf den entsprechenden Altersstufen ungefahr gleich weit von der Hypodermis entfernt haben. Die auSerste Lage erreicht oder tberschreitet auch um ein Geringes die Mitte, der Cuticula; in der oberen Halfte der letzteren finde ich die Nadeln ohne Verbindung mit der Hypodermis, dennoch bleiben sie auch dort in der gleichen regelmaSigen Anordnung, wenigstens an den Stellen, wo sie schief zur Kérperachse stehen und in mehreren (bis zu 12) Lagen vorhanden sind. Husrecnur hat hieraus den (wir mir scheint, richtigen) Schlu8 gezogen, daf die Cuticula, oder , Jnterspicularsubstanz“ wie er sie nennt, eine bedeutende Festig- keit haben mu8S und durch Zuwachs von innen nach aufen ge- schoben wird, m. a. W., daf die Hypodermiszellen an ihrer AufSen- seite besténdig neue Cuticularsubstanz ausscheiden. Die Form der Spicula zeigt Fig. 2. Tbr Querschnitt ist kreisrund, im Innern sind sie von einem Hohlraum durchzogen. Ihre Anordnung in der Cuticula an den verschiedenen K6rperstellen ist von HUBRECHT ausfiihrlich beschrieben worden (7). Nachdem die Spicula voll- stiindig ausgebildet sind, scheinen die sie erzeugenden Driisen samt ihren Stielen durch Riickbildung zu verschwinden. Eine andere Kategorie von Cuticulardriisen finden wir am Ende der dickeren, die Cuticula durchsetzenden Strange. Wah- rend die Spiculabecher schon vor der Mitte der Cuticula voll- stindig ausgebildet sind, erreichen die eben erwahnten Driisen das Stadium ihrer Vollendung erst gegen die Oberfliche hin. Sie sind keulenférmig oder flaschenférmig. An ihrem Grunde finden wir eine groéfere Zahl langgestreckter Zellen, deren Grenzen sel- ten deutlich zu sehen sind und die langgestreckte, fast cylin- drische, an beiden Enden abgerundete Kerne mit starker Tink- tionsfahigkeit fiir Karmin enthalten. Diese Zellen sondern ein zunichst grobkérniges, gegen aufen sich aber immer feiner zer- teilendes Sekret aus (Fig. 2¢d), das den keulenformigen Hohlraum zum Teil oder ganz erfiillt. In jungen, noch unausgebildetn Dri- Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 481 sen, die in den tieferen Lagen der Cuticula, in der Region der Spiculabecher liegen, sieht man aufer einigen der vorerwahnten gestreckten Zellen fast nur grobkérnigen Inhalt. Die physiologische Bedeutung dieser Driisen liegt weniger auf der Hand, als diejenige der Spiculadriisen. KowALEVSKY und Marion beschreiben ahnliche Bildungen aus dem Integument ihrer Proneomenia vagans (18, p. 31 und Pl. 3, Fig. 3 u. 6; ferner Pl. 7, Fig. 13 bei Proneo- menia aglaopheniae, Fig. 15 von Pron. desiderata und Fig. 18 von Pron. gorgonophila) und sprechen sich tiber deren Bedeutung ganz bestimmt aus: ,,En tout cas, les papilles que nous signalons actuellement ne peuvent étre rapportées qu’ a la secretion de la couche gélatineuse (Cuticula) elle-méme.‘‘ Die histologische Struk- tur der erwihnten Driisen von Pron. Sluiteri weicht zwar sowohl in der Driise selbst, als auch in ihrem Verbindungsstrang mit der Hypodermis wesentlich ab von derjenigen dieser mit ihnen offen- bar homologen Papillen von Pron. vagans. Dennoch méchte ich ihnen ganz dieselbe Bedeutung zuschreiben. Man sieht namlich an vielen Stellen, daf die Driisen sich trichterférmig direkt in die aufere Lage der Cuticula 6ffnen, und ihr Inhalt scheint, sich immer feiner zerteilend, in die Cuticula selbst tiberzugehen (Fig. 3). Von vielen dieser Driisen aus gehen feine, fadenformige Aus- liufer, die sich verzweigen und an ein Pilzmycelium bei schwacher Vergriferung erinnern (Fig. 3). Sie strahlen von der Drise kegelformig aus und sind in den Praparaten zum Teil durch- schnitten. Ihr Querschnitt ist in der Interspicularsubstanz in Form eines hellen, ziemlich stark lichtbrechenden Kreischens sicht- bar. Die vollstaindig erhaltenen Strahlen lassen sich bis an die Oberflache der Cuticula verfolgen und lésen sich bei sehr starker VergréSerung in hyaline Kérnchen auf. In der Cloakengegend, ventralwairts von jenen blindsackfor- migen Einstiilpungen, die Husrecur als Byssusdriisen deutet, nimmt die Hypodermis, bevor sie in das Epithel jener Gruben iibergeht, einen anderen Charakter an. Die kubischen Zellen wer- den durch ein ziemlich hohes Cylinderepithel ersetzt. Der Zell- inhalt ist durch Pikrinsiure gelblich gefarbt und erscheint deut- lich gekérnelt. An manchen Stellen sind die Zellen gegen die Cuticula hin offen, indem die Kérnelung nach aufen hin immer feiner wird und schlieflich in der Cuticula entweder vdllig ver- schwindet oder in eine mehr oder weniger deutliche Streifung iibergeht (Fig. 4). Die Hypodermis ist an dieser Stelle in leb- Bd. XXVIL,. N, FP. XX. 31 482 J. Heuscher, hafter sekretorischer Thatigkeit begriffen und scheidet offenbar Cuticularsubstanz aus. Uber der Cloakengegend finden wir in der dorsalen Mediane eine becherférmige Ausstiilpung der Hypodermis, die begleitet ist von einer Kinsenkung der Cuticula (Fig. 5). Husrecur hat das Organ bei seinen Exemplaren von Pron. Sluiteri ebenfalls beob- achtet, und da er einen starken Nerven bis nahe an dasselbe hat verfolgen kénnen, halt er es fir ein Sinnesorgan; ,,the organ at all events does not appear to be subservient to any glandular secretion“. KOWALEVSKY et Marion (18) beschreiben ein gleich gelegenes Organ von Lepidomenia hystrix als ,,petit crypte sensitif, ferner bei Pron. vagans und Pron. aglaopheniae, wo der ,,bouton sensi- tif sehr voluminés ist. Pruvor (22) hatte Gelegenheit, die entsprechenden Organe an lebenden Tieren zu beobachten, und bildet mehrere derselben in ausgestrecktem Zustande ab. Am auffallendsten ist das Organ bei Paramenia impexa, wo es stark iiber die Cuticula hervorragt, aber bei der geringsten Beriihrung sofort zuriickgezogen und ein- gestilpt wird (22, p. 759). Auf allen diesen (und ahnlichen Or- ganen in der Kopfregion) hat Pruvor feine Fiihlfaden (,,soies tac- tiles“) entdeckt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daS in den angefiihrten Fallen in diesen ,,boutons“ Sinnesorgane zu suchen sind, und es ware nichts natiirlicher als die Annahme, daf die becherférmige Hypodermisausstiilpung bei Pron. Sluiteri als ana- loges Organ in zuriickgezogenem Zustande aufzufassen sei. Den- noch bin ich von der Richtigkeit einer solchen Annahme noch nicht tiberzeugt. Alle in Frage stehenden Organe, die Pruvor nach ihrer auSeren Erscheinung sehr klar und deutlich abbildet (22, bouton sensitif caudal de Dondersia flavens Fig. 82 u. 82a; bouton caudal de Paramenia impexa Fig. 83; organe sensitif cau- dal de Proneomenia vagans Fig. 87), zeigen ausnahmslos eine regelmafige Anordnung der Spicula, die viel kleiner sind als die gewohnlichen Nadeln und auch in ihrer Form vollstaéndig von den letzteren abweichen. Ferner sind, wie oben erwahnt, alle diese Organe besetzt mit einer gréSeren Anzahl feiner, nicht wimpern- der Faden (soies tactiles). In Bezug auf die histologische Struk- tur des Organs geben KowAtevsky et Marion einige Details: Bei Lepidomenia hystrix liegt am Grund des Organs unter der hier lokal verdickten Hypodermis eine zweite Lage groB8er Zellen, welche sie geneigt sind als nervése Elemente zu be- Yur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 483 trachten. Bei Proneomenia vagans finden sie die Anlage mehrerer boutons“, deren Bau aber wesentlich abweicht von demjenigen bei Lep. hystrix. Die Organe sind hier eingeschlossen in die Cuticula. Die Hypodermis buchtet sich konkav nach oben aus und wird mehrschichtig+). Die Zellen der obersten Lage firben sich stark, wihrend die Stielzellen des Organs alle hyalin sind. Die letzteren werden als nervése Elemente betrachtet. Ganz gleich ist ein zweites, weiter vorn gelegenes Organ beschaffen. Eine dritte Hypodermisausstiilpung scheint eine Gruppe von Schleimdriisen darzustellen. Ein Nery, der zu diesen Organen fiihren wiirde, ist nicht entdeckt worden. Wenn ich das in Frage stehende Gebilde von Pron. Sluiteri in den Schnitten des Herrn Prof. Lana mit den von KowALEVSKy et Marion bei Lepidomenia hystrix und von Pruyot bei Don- dersia flavens, Paramenia impexa und Pron. vagans entdeckten Organen vergleiche, so finde ich als tibereinstimmend nur die Lage der betreffenden Bildungen. Die Hypodermisausstiilpung yon Pron. Sluiteri macht in den Schnitten nicht den Kindruck eines zuriickgezogenen Organs (siehe Fig. 5). Aber auch ange- nommen, es wiirde ein solches vorliegen, und zugegeben, da die charakteristischen feinen Fiihlfiden in diesem Zustande nur schwer oder gar nicht sichtbar waren, so miiften doch die, wie es scheint, ebenfalls fiir die Organe charakteristischen kleinen Kalkplattchen neben den gewdhnlichen Spicula zu entdecken sein. Davon ist aber keine Spur sichtbar, auch Husrecut deutet nichts derartiges an. Die Hypodermisausbuchtung ist in die Cuticula einge- schlossen und hat keine direkte Bertihrung mit der AuBenwelt. Die oben beriihrte Thatsache, da’ KowaLrvsxy et Marion bei Pron. vagans aufer einer kleineren weiter vorn gelegenen Hypodermisbildung (18b, Fig. 4, Pl. 3), welche, um mich des wortlichen Ausdrucks der Autoren zu bedienen, ,,semble indiquer une sorte d’ état intermédiaire entre le bouton sensitif en question et les papilles hypodermiques ordinaires“ (p. 33), noch zwei boutons von genau gleicher histologischer Beschaffenheit gefun- 1) ,,La partie creuse ainsi produite par le refoulement de lV hypoderm est occupée par une formation cellulaire tres apparente, dont la base consiste en plusieurs cellules fusiformes grouppées en faisceaux et dont le sommet correspond a un seul élément cellulaire plus gros 4 moyau trés net et & contenu d’ aspect gélatineux“, pag. 32. o1* 484 J. Heuscher, den haben, wahrend nur ein posterio-dorsales Sinnesorgan vor- kommt (18, Fig. A., Pl. 3; und 22, Pl. 31, Fig. 87), scheint mir auch einigen Zweifel zu rechtfertigen daran, daf diese Hypodermis- ausbuchtungen mit dem ,,organe sensitif caudal‘ Pruvot’s identisch seien, um so mehr, als die ,,boutons“ wie bei Pron. Sluiteri von der Cuticularmasse bedeckt sind. Der Hypodermisausbuchtung kommt bei letzterer Form eine Einsenkung der Cuticula eine Strecke weit entgegen (siehe Fig. 5). Die dadurch entstandene Grube ist mit Detritus gefiillt, der durch eine schleimige Masse, welche von der dufersten Schicht der Integumentes nicht scharf gesondert ist, zusammengehalten zu werden scheint. Die Hypodermis hat im Innern des Bechers einen spezifischen Charakter. Sie besteht aus einer einzigen Lage etwas lang- licher, oft birnférmiger Zellen. Husrecut 1a8t unentschieden, ob sie bewimpert seien oder nicht. Die Frage darf entschieden ver- neint werden. Der Zellinhalt ist wenig gefarbt, deutlich gekér- nelt und geht in die (schleimige?) Cuticularmasse uber, welche die Héhlung zum Teil erfiillt. Ringsum sind am Innenrande der Vertiefung zahlreiche Driisenzellen gelagert, die sich von den ge- wohnlichen Cuticulardriisen nicht zu unterscheiden scheinen. Die innere Becherwand ist offenbar sekretorisch thitig, die Aufenwand wird durch gewéhnliche Hypodermis mit ihren oben besprochenen verschiedenartigen Driisenfortsaitzen gebildet. Von yorn und hinten treten aus der Langsmuskulatur der Kérperwand zahlreiche, sich haufig kreuzende Muskelfasern in das Organ. Ob ein Nervenstrang, der ungefahr in der dorsalen Mediane gegen die Hypodermisausbuchtung verliuft, in dieselbe eintritt oder nicht, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden, da das Priparat an der entscheidenden Stelle einen kleinen Rif hat. Irgendwelche Elemente, die als Sinnesorgane gedeutet werden kénnten, habe ich weder in den Lings- noch in den Querschnitten gefunden. Der erwiahnte, benachbarte Nery scheint seine Fasern nur an die Muskulatur abzugeben. Ein weiteres Epidermisorgan findet sich zu beiden Seiten des Tieres am Eingang in die Cloake, wo die Hypodermis sich blindsackartig in das Muskelgewebe einstilpt. Husrecur hat das Organ bei Pron. Sluiteri entdeckt und, ohne sich bestimmt iiber dessen Funktion auszusprechen, es mit einer primitiven Byssus- driise verglichen. Er fand die Einstiilpung gefiillt mit einem Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 485 wabigen Sekret, das nach aufen sich in die gewéhnliche Cuticula verliert und von parallelen Réhren durchzogen ist, die zum Teil in eine centrale Héhlung miinden. In den Roéhren glaubte er ein feinfadiges Sekret zu sehen, was ihn veranlafte, das Organ mit einer Byssusdriise zu vergleichen. Ein ahnliches Organ fand er bei Neomenia, gefiillt ,,with what looks like larges spicules perpendiculary placed, although calcareous matter does not seem to be contained in them“ (7, p. 12). Offenbar hatte Huprecur sein Exemplar von Pron. Sluiteri voll- standig entkalkt und nur Querschnitte zur Verfiigung, deren Bilder eine Tauschung veranlaB8ten. Das Epithel der Gruben ist die direkte Fortsetzuug der Hypodermis und kleidet die Wande ringsum bis in die Tiefe aus. Gegen das blinde Ende hin legt es sich mehrfach in Falten und ist offenbar sekretorisch thatig. Der Hohlraum der Grube ist mit sehr langen Spicula dicht gefiillt und die ziemlich geringen Zwischenriume zwischen denselben mit einer Substanz, die am Rande der Grube in die gewoéhnliche Cuticula unmerklich iiber- geht und von ihr wohl nicht wesentlich verschieden ist. Die Spiculabildung in diesen Gruben konnte nicht genau verfolgt wer- den, sie scheint in etwas anderer Weise vor sich zu gehen, als in der tbrigen Cuticula. Ich konnte keine becherférmigen Spi- culardriisen entdecken. Die Nadeln scheinen von Zellen am Grunde und vielleicht auch an den Wanden der Grube gebildet zu werden und mit der Interspicularsubstanz nach auSen zu wandern. Fig. 6 stellt einen Langsschnitt durch den Grund einer solchen Grube dar. Kowa.evsky et Marion (18) beschreiben fiir Proneomenia vagans eine gleich gelegene, verwandte Bildung als Begattungs- organ (,,spicule d’ accouplement“). PRuvor hatte Gelegenheit, das- selbe in 3 verschiedenen Entwickelungsstadien zu beobachten. Fiir Neomenia carinata sind von verschiedenen Autoren zwei seitliche »Penis“ nachgewiesen worden. Es kommt mir wahrscheinlich vor, daf diese Spiculabiindel von Proneomenia als Hilfsorgane bei der Begattung mitwirken; in welcher Weise — ob als Reiz-, Haft- oder wirkliches Begat- tungsorgan — mu spitere Beobachtung lebender Tiere ent- scheiden. Als Penis méchte ich das Organ in keinem Falle be- zeichnen. Obschon wir den zweiten Hauptbestandteil des Integumentes, die Cuticula, schon mehrfach erwihnt haben, miissen wir doch mit 486 J. Heouscher, einigen Worten darauf zuriickkommen. Husrecut bezeichnet sie als eine chintinahnliche Masse, die durch Sauren und Alkalien keine sichtbare Veranderung erleidet, so daf nach Entkalkung die Hohlraume, in denen vorher die Spicula lagen, vollstandig unver- andert bleiben. Pikrokarmin farbt die Masse leicht rosa. Soweit sich nach fertigen Schnitten, vollstaindig und unvollstindig ent- kalkten, ein Urteil bilden la®t, kann ich die Darstellung Hus- RECHT’S nur bestatigen. Die grofe Festigkeit und geringe Bieg- samkeit der Tiere ist ohne Zweifel auSer der Masse der einge- lagerten Kalknadeln auch der Festigkeit der chitin-ahnlichen Cuticularsubstanz zuzuschreiben. KoOwALevsKy et Marron be- zeichnen diese Bildung bei Proneomenia vagans ais ,,une épaisse couche cuticulaire gélatineuse et élastique“; ebenso Pruvor. Muskulatur. Die Muskulatur der Pron. Sluiteri ist von Husrecut, und die mit ihr im ganzen tibereinstimmende anderer Neomenien von den iibrigen Autoren so vollstandig beschrieben worden, daf ich mich nicht veranlaft finde, ausfiihrlicher darauf einzutreten. Ich begniige mich damit, einige wesentliche Punkte anzufihren. Wir finden: 1) Eine Schicht von Ringsmuskulatur unter dem Integument und darunter eine Lage von Lingsmuskeln, welche ventralwarts zu beiden Seiten tiber dem Fue stark verdickt sind. Die beiden Schichten bilden den Hautmuskelschlauch. 2) Ringmuskulatur um den Vorderdarm und radiare Muskel- biindel zwischen diesem und der K6érperwand, die in ihrer Ge- samtheit als Pharyngealmuskulatur bezeichnet werden kénnen. 3) Transverse Muskulatur, welche am Vorder- und Hinterende reichlich den Korper durchzieht und sich auch als eine Art Septen in der Region des Mitteldarmes in regelmafigen Abstainden wiederholt (Fig. 7). Die von den Seiten herkommenden Fasern kreuzen sich tiber dem Fufe. 4) Kine Muskelschicht (,,Septe“ der Autoren) tiber dem Fuf; sie bildet aber keine kompakte Platte, sondern besteht einfach aus einer Menge selbstaindiger, durch kleine Liicken voneinander getrennter Muskelbiindel, die von einer Korperseite zur anderen ziehen. | Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 487 5) Aufhingemuskulatur zur Befestigung des Darms und der Driisen an _ der Koérperwand. 6) Muskulatur der Drii- sen. 7) Spinkter der Cloake. Durch die in Punkt 3 angefiihrten Septen er- scheint das Kdérperinnere segmentiert. Auferdem ist die Segmentation ausge- sprochen durch die sich regelmabig wiederholenden Darmausstiilpungen, die Kin- Shale ea schniirungen der Zwitter- iS,” Quershnitt im dor Region des Mit driise und teilweise durch 3 in den Mitteldarm vorspringende Septen, 4 Hoden, 5 Ovarialteil der Gonade, 6 Cuticula das Nervensystem. (aus LANG, Lehrbuch d. vergl. Anat.) Der Fufs. Der Fu ist wenig entwickelt und stellt blo’ eine Langsfalte der Kérperwand (streckenweise mit sekundaren Falten) dar, die sich von der ventralen Integumentbriicke hinter dem Munde direkt bis zur Cloakenéffnung erstreckt, aber nirgends iiber die Bauch- grube hinausragt (siehe 7, Pl. 2, Fig. 22 u. 24 und Pl. 3, Fig. 32). Er ist seiner ganzen Linge nach mit wimperndem Cylin- derepithel bedeckt, ebenso die Wand der Bauchfurche. Eine Aus- nahme macht bei dem einen von Prof. Lana’s Exemplaren eine schmale Strecke an der Cloakenmiindung, wo eine einfache Spi- culalage vollstandig bis zur Fufwurzel reicht; beim zweiten Exem- plare sehe ich hievon nichts. Zu beiden Seiten des Fufes finden wir der ganzen Lange nach ein Driisenpolster, bestehend aus ein- zelligen, birnférmigen Driisen, die sich gegen das vordere und hintere Ende stark haufen. Den vorderen Theil dieser Driise hat Husrecut als vordere Fufdriise bezeichnet. Die Fuffurche zeigt an ihrem vorderen Ende eine Einsenkung, und ihr Epithel ist ziemlich stark gefaltet, einen baumformig verzweigten Ausfiihrungs- gang der Fufsdriise aber, wie ihn Husprecut beschreibt, kann ich weder in dem einen (Querschnitte), noch in dem anderen (Lings- schnitte) von Prof. Lane’s Exemplaren finden. Im iibrigen stimmt 488 J. Heuscher, der Bau dieser Driisenzellen vollstindig iiberein mit der Beschrei- bung Husrecut’s. Die Driisenzellen sind umhiillt von einem fei- nen Netz von Bindegewebe. Ihr Protoplasma ist kérnig und durchsichtig; der Kern tritt scharf hervor durch intensive Far- bung. Neben diesen Zellen finde ich, hauptsichlich etwas in die Tiefe verlagert, aber nicht streng von den anderen geschieden, solche Zellen, deren Protoplasma sich durch das Karmin etwas gefarbt hat, sie scheinen jedoch nur in anderen Stadien der sekre- torischen Thatigkeit zu stehen, wir finden auch zahlreiche Uber- gange zwischen beiden Erscheinungsformen der Driisenzellen. Die Driisen entleeren ihr Sekret in die Bauchfurche, indem es intercellular durch das Epithel derselben dringt. Das Sekret ist Schleim, der, wie Pruvor an anderen lebenden Neomenien beobachtet hat, bei Fortbewegung des Tieres die zuriickgelegte Wegstrecke tiberzieht, an welchem die Tiere sich aber gelegentlich auch aufhangen kénnen (22, p. 757), wie dies auch von anderen Mollusken (z. B. Schnecken) bekannt ist. Die ,,hintere FuSdriise“, von der vorderen nicht scharf abgesetzt und wohl aus denselben Elementen gebildet, begleitet den FuS seiner ganzen Linge nach zu beiden Seiten und setzt sich wie jene aus einer grofen Zahl einzelliger Driisen zusammen, die ihr schleimiges Sekret durch die Epidermis in die Bauchfurche ergiefen. Gegen die Cloake hin findet wieder eine starke Anhaufung der Driisenelemente statt. Sie finden sich dort in zusammenhangender Masse nicht nur zu beiden Seiten des Fufes, sondern auch tiber der ventralen Mediane. Nach Huprecut reagieren sie auf Pikrokarmin etwas anders als die gewohnlichen Fufdriisen. Ich finde jedoch mitten unter etwas abweichend gefarbten Driisenzellen auch solche, die sich durch nichts von den gewohnlichen FuSdriisen zu unterscheiden scheinen, und glaube darum auch hier die etwas verschiedene Reaktion nur auf verschiedene Stadien der Sekretion beziehen zu miissen. Die Bauchfurche zeigt hier Falten, die tief in die Driise ein- dringen, deren Epithel aber dasselbe ist, wie in der Bauchfurche selbst. Die Driisen 6ffnen sich wiederum intercellular in diese Vertiefungen. Eine Verbindung der Bauchgrube mit dem Ko6rper- hohlraum, wie sie Husrecntr auf einigen Schnitten gesehen zu haben vermutet, findet hier entschieden nicht statt. Hingegen kann ich bestitigen, da8 die Driisenmasse von den Pedalkom- missuren aus innerviert wird. Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. Das Nervensystem. 489 Wie schon Husrecut ausgefiihrt hat, stimmt das Nerven- system von Proneomenia im allgemeinen iiberein mit demjenigen der anderen Amphineuren. Ich lasse eine Vergleichung des Ner- vensystems von Proneomenia Sluiteri Husprecnutr (7), Dondersia festiva Husr. (8), Neomenia carinata TuLLB. (26), Lepidomenia hystrix Kowaeysky et Marion (18) und Paramenia impexa Pruvor (22 ) folgen: | Pron. Sluiteri | Dondersia |Neom. carinata| L. hystrix Husr. | festiva Horr. TULLB. Kow. et MAr. 1. Sublingualring | vorhanden | nicht nachge- |vorhanden aber fehlt wiesen ohne Sublin- gualganglion 2. Cerebropedalkom- | vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden missur | 3. Pedalnerven | vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden (doppelter Strang) Querkommissuren a) zwischen den vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden vordersten Pe- dalganglien b) zwischen den vorhanden vorhanden ? fehlt vorhanden hintersten Pe- dalganglien ce) Ubrige Pedal-| besonders hin-|regelmiiBig ent-|besonders vorn| besonders in kommissuren j/ten entwickelt wickelt entwickelt |der Mitte ent- wickelt d) Ubrige Pedal-| undeutlich sehr deutlich undeutlich undeutlich ganglien 4 Vordere Pleural- fehlen fehlen vorhanden vorhanden ganglien (Visceral- | ganglien) | 5. Pleuralnerven ent-\direkt aus demjaus der Cere-jaus den Visce-jaus den Visce- springen : Gehirn bro-Pedalkom-| ralganglien ralganglien missur 6. Dorsale Kommis-| vorhanden ? vorhanden vorhanden sur zwischen den hinteren Pleural- ganglien | | | | | Param. impexa PRUVOT unvollstindig, Kommissur zw. d. Sublingual- ganglien fehlt vorhanden vorhanden vorhanden fehlt | unregelmabig wenig ent- wickelt undeutlich ue. fehlen aus dem Gehirn vorhanden — we) —) J. Heuscher, Das Cerebralganglion von Pronemenia Sluiteri ist wenig entwickelt, die beiden vorderen Pedalganglien (Fig 87) oder die Pleuralganglien (Fig. 8 4) machen zusammen nahezu die- selbe Nervenmasse aus wie das Gehirn. Es besteht, wie alle iibrigen Ganglien und die gré- Seren Leitungsstrange aus einer Hiille von Nervenzellen und einer inneren fibrillaren Masse (vide 7, Pl. 4, Fig. 41—44). Sechs Ner- venpaare nehmen aus demselben ihren Ursprung. Das 1. derselben geht auf der frontalen Seiteab. Jeder der beiden Nerven teilt sich sehr bald in 2 Aste, einen inneren oberen und einen auferen unteren. Von den inneren Asten geht fast unmittel- bar nach dem Austritt aus dem Gehirn je ein Zweig nach unten und vorn. Die beiden Hauptaste lassen sich leicht verfolgen und besorgen unter Abgabe kraftiger Seitenzweige die starke Musku- latur des vorderen K6rperendes. Das 2. Nervenpaar entspringt unmittelbar hinter der Austritts- stelle des ersten Paares basal- warts aus dem Seitenteil des Gehirns, verlauft zunachst gerad- linig lateralwarts, biegt dann nach unten und zieht, sich vielfach verzweigend, beiderseits gegen die Rander der Mundhohle, indem es sich in den Muskelbiindeln daselbst verliert. Das 3. Paar geht wieder latero-basal aus dem Gehirn hervor und hat einen ahnlichen Verlauf wie das 2. Paar. Das 4. Nervenpaar geht aus der lateralen Mitte des Gehirns hervor und beteiligt sich stark an der Innervation der Kérperwinde. Ein Zweig geht rechts und einer links schief riickwarts nach unten. Sie bilden seitlich unten am Pharynx je ein Ganglion (Sublingualganglion) die durch eine “Bid 8 ‘sula}sAsuaaleaN sep vuTayos “INSSIMMUMOY[VNSaqng Ey ‘uNssimIWOY[Vpeg o}sdapIOA ZT ‘uainssiwMoy -[epoeg etaqury TT ‘OT ‘3ueystepeg aayur ¢@ ‘10}q01 Q ‘uOI[SURdepag SoystopioA 2» ‘UOlSouRs[ensulqug 9g Suey3ueg udepuddearpioqnueseS ro1p usp nz WOANSSIMIMIOY o[¥sTOp uayes snv g ‘Nn F UOA foasuyys|vioywT] Jap uaeysuvyg ¢ ‘pF ‘¢ ‘a8uRus[edojey Z ‘uol[savs[eiqeley T nT oes Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 491 Kommissur miteinander in Verbindung stehen, wie dies auch Husrecut gefunden hat. Das 5. Nervenpaar bildet die Cerebro- pedal-Kommissur und stellt zusammen mit den im Vergleich zum Gehirn voluminésen vordern Pedalganglien und deren Querkom- missur einen zweiten Nervenring um den Vorderdarm dar. Das 6. Paar tritt hinten oben aus dem Gehirn und hat die grote Quer- schnittfliche unter den Gehirnnerven. Es verlaiuft zunachst lateral- warts, dann schrag nach hinten und unten gegen die Kérperwand, nahe bis zur lateralen Mitte derselben, um dann in ziemlich gerader Richtung bis gegen das Hinterende des Kérpers zu ziehen. Es sind dies die beiden Lateralnerven. Die Pedalnerven verlaufen von den vorderen Pedalganglien aus parallel bis zur Cloake. Im hinteren Teil derselben, in der Gegend unterhalb der Nephridien zaihlte ich 14 starke Querkom- missuren, welche in ganz kurzen Zwischenriumen aufeinander folgen, ahnlich wie dies v. Grarr fiir den vorderen Teil des Pedalnervensystems von Neomenia carinata TuLuse. beschreibt (3). Da, wo die Querkommissuren aus den Langsstaémmen ent- springen, finden sich kleine Anschwellungen, die in dem Schema Fig. 7 zu klein dargestellt sind, aber immerhin an Ausdehnung weit zuriickstehen hinter den vorderen Pedal- und den Sublingual- ganglien. Husrecut beschreibt fiir Proneomenia eine regelmafige Reihe yon Querkommissuren der Pedalnerven. Es ist mir nicht gelun- gen, dieselben ebenfalls nachzuweisen. Wohl sehe ich weiter vorn in ziemlich regelmafigen Zwischenraumen Nerven aus den Langs- stammen in die FuSgegend sich abzweigen, aber eine Vereinigung derselben von beiden Seiten her kann ich nicht auffinden. Sie sind auch viel diinner als die kraftigen Pedalkommissuren unter der Nephridialgegend und haben eine andere Lage. Die letzteren stehen senkrecht zu den Langsstammen und sind ganz direkte Verbindungswege, die mehr oder weniger horizontal, und nicht in die Fuf’gegend verlaufen, wie dies Husrecat darstellt auf Pl. 2, Fig. 24, die anderen aber entspringen den Langsstammen unter spitzem Winkel, ziehen schief abwarts in die Fufmuskulatur und verzweigen sich dort (siehe Fig. 8). Der Verlauf der Lateralnerven ist zum Teil oben schon an- gedeutet worden. Sie ziehen vom Vorderteil des Kérpers ziem- lich in der lateralen Mitte nach hinten, wo sie, in der Nihe des Rectums angelangt, ein kleineres Ganglion bilden. Dann wenden sie sich mehr gegen das Ko6rperinnere und etwas abwarts, um 492 J. Heuscher, seitlich, nahe der Basis des Rectums, zwischen diesem und den Nephridien eine starke Anschwellung (Fig. 8 4) zu bilden; hierauf setzt sich der Strang gegen die Cloakengegend fort und endet in einem Schlufganglion (Fig. 85) von geringerer Gréfe. Von diesen beiden Ganglien gehen dorsalwirts Kommissuren aus, die hintere iiber die Miindung des Rectums in die Cloake, die vor- dere iiber das Rectum. Beide Kommissuren sind so stark wie die dicksten Pedalkommissuren. Husrecutr schon hat die Ver- mutung ausgesprochen, es méchten die Lateralstrange durch eine dorsale Kommissur in der Analgegend verbunden sein. Wir fin- den also seine Vermutung durch die Existenz zweier Kommissuren mehr als bestatigt. Wie vom Gehirnganglion aus in das vordere Kérperende, so gehen von den letzten Lateralganglien aus in das hintere Ende des Kérpers zahlreiche Nerven aus, die sich in der dichten Mus- kulatur dieser Region reichlich verzweigen. Der ganzen Lange der Lateralnerven nach finden sich in regelmaBigen Abstinden deutliche Ganglien. Von diesen aus gehen Verzweigungen, welche die Muskulatur der K6rperwand und der Septen innervieren, die einen dieser Zweige gehen dorsalwarts, die anderen ventralwarts, und zwar die Hauptstimme unmittelbar unter dem Hautmuskel- schlauch. Die dorsalen Zweige geben meist in regelmafigen Ab- stinden Seitenzweige an die Muskelbiindel ab und lassen sich vielfach bis gegen die dorsale Mediane hin verfolgen, eine Ver- einigung der links- und rechtsseitigen Zweige habe ich nicht ge- sehen. Die Verzweigungen der ventralen Aste sind komplizierter und im Hautmuskelschlauch bis unterhalb der Pedalstrange zu verfolgen. Huprecut findet, da$ ,,a regular series of transverse commissures, similar to those between the two pedal nerves, con- nect the two lateral with the two pedal nerves‘ (7, p. 20, und Pl. 4, Fig. 40). Die regelmafige Folge der dorsalen sowohl als der ventralen Seitenzweige der Lateralnerven haben wir bereits bestatigt, regelmafSige Verbindungsstrange zwischen Lateral- und Pedalnerven hingegen konnte ich nicht auffinden, héchstens hie und da eine ganz feine Anastomose. Viele Nervenstémme namentlich am vorderen und hinteren Kérperende nehmen von ihrem Ursprung bis zum Ende sehr un- regelmikig an Dicke ab. Hiaufig zeigen sie unregelmafige, fast bandartige Verbreiterungen. Sekundaére und tertiire Verzweig- ungen erreichen nicht selten die Dicke des primaren Nerven. Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 495 Kreislauf und Respiration. In Bezug auf die Kreislauf- und Respirationsverhiltnisse herrscht noch einige Unklarheit. Husrecut bezeichnet den Blut- kreislauf ,.mit Ausnahme eines dorsalen und eines ventralen Sinus“ als vollstindig lakunir. Ich méchte auch diese ,,Ausnahme“ strei- chen, denn irgendwelche besondere Wandung kann ich an diesen Blutwegen nicht entdecken, sie unterscheiden sich von den tbrigen zahlreichen Lakunen des Koérpers durch nichts, als durch ihre Lage. Der sogenannte Riickensinus bildet denn auch durchaus kein einheitliches Gebilde, sondern besteht aus einer grofen An- zahl von langgestreckten Hohlriumen, zwischen denen vielfach Muskelziige verlaufen. Auf gréSere Strecken wird diese Blutbahn aus der dorsalen Mediane vollstiindig verdrangt durch die voll- kommen an die Kérperwand hinauf riickende Zwitterdriise, so daf das Blut seinen Weg zu beiden Seiten dieses Organes suchen muff, was nicht der Fall sein k6énnte, wenn ein wirklicher, mit eigener Wandung ausgestatteter Blutsinus vorhanden ware. Das Herz hingt, wie schon Husrecut beobachtet hat, in den hintern Teil des Pericardiums hinab und ist an der Kérperwand aufgehingt, welche, wie Husprecut ebenfalls erwaihnt, die eigene Wand des Organs nach oben ersetzt. Husrecut bezeichnet das Herz als sackfo6rmig, mit radialen Fasern durchsetzt und mit Wanden, in denen eine starke Entwickelung von Muskelgewebe und auferdem auch Bindegewebe vorhanden ist. KowaLevsky und Marron (18) geben fiir Proneomenia desiderata und Pron. aglaopheniae Abbil- dungen des Herzens. Das Herz der letzteren Form erscheint zweihéhlig (coeur ,,a deux loges‘). Pruvor (22) bezeichnet das Herz der Neomenien nur als kontraktilen Teil des Sinus dorsalis, — welcher yon einer Einbuchtung des Kiersackes (poche ovigére = Pericard) gebildet werde (22, Pl. 27, Fig. 15, 19). Wir kommen bei Besprechung des Urogenitalapparates hierauf zuriick. Das Herz der Proneomenia besteht in der That aus zwei dorsalen Ein- stiilpungen des Pericards, einer vorderen und einer hinteren, die nach oben offen bleiben, wie die beiden Exemplare des Herrn Prof. Lane iibereinstimmend zeigen. (Das eine Exemplar ist in der Herzgegend in Quer-, das andere in horizontale Liingsschnitte zerlegt.) Die hintere dieser nach oben offenen, beziehungsweise durch die Kérperwand gedeckten Taschen liegt mit ihrem oberen 494 J. Heuscher, und hinteren Ende, hierZim Horizontalschnitt ein gleichschenkliges Dreieck bildend, unmittelbar zwischen den Miindungen der Nephri- dien in das Pericard und steht hier insoweit in offener Verbindung mit Lakunen im dorsalen Hinterteil des Kérpers, als die letzteren vom Herzen nicht abgeschlossen, sondern nur in allen Richtungen von zahlreichen Muskelfasern durchzogen sind, zwischen denen Blutkérperchen in grofer Anzahl liegen. Die Spitze des oben genannten Dreiecks ist nach vorn gerichtet, und hier steht die hintere Tasche des Herzens mit der vorderen in offener Kom- munikation. Schreiten wir in der Serie der Horizontalschnitte etwas ventralwirts vor, so treffen wir jederseits einen etwas nach vorn gerichteten seitlichen Anhang an, der in manchen Schnitten zu der Vermutung Anlaf giebt, diese Anhangsel méchten als Vorhéfe aufzufassen sein, wie dies Huprecut thut. Allein sowohl die Horizontal- als auch die Querschnitte zeigen, dali diese Aus- stilpungen wohl mit dem Herzen in durchaus offener Verbindung stehen, aber mit keiner anderen Blutbahn zusammenhangen, also auch nicht als Vorhéfe betrachtet werden kénnen, es sei denn, daS wir eine Riickbildung im Laufe der phylogenetischen Ent- wickelung voraussetzen. Als Urtypus des Mollusken miissen wir wohl Formen annehmen, welche Kiemen und Vorhéfe besaSen (19). Es lieBe sich denken, daS die Kiemen infolge der Lebensweise der Tiere im Schlamm sich zuriickgebildet hatten, da sie, fort- wahrend von Schlamm bedeckt, nicht richtig funktionieren konn- ten, so dafi die Atmung in anderer Weise vollzogen werden multe. Die Thatsache, da bei naheren und ferneren Verwandten unter den tiefstehenden Mollusken (Neomenia, Chaetoderma, Chiton) Kiemen vorkommen, bei der letztgenannten Form auch deutliche Vorhéfe entwickelt sind, diirfte dieser Annahme zur Stiitze dienen. Setzen wir dieselbe einmal als richtig voraus, so wird es auch verstaéndlich sein, da mit den Kiemen auch die Blutwege, welche das Herz mit demselben verbanden, sich zuriickbildeten und die Vorkammern zur VergréSerung des Herzens mehr und mehr in dasselbe einbezogen wurden. So tiberlegend, kénnte man die bei- den seitlichen Aussackungen des Herzens als rudimentiare Vor- hofe auffassen. Einer solchen Annahme gegentiber scheint mir jedoch der primitive Zustand des Herzens selbst in die Wagschale zu fallen. Da die Rinder des Pericards sich oben nicht schliefSen, bleibt das Herz gewissermafen auf embryonalem Entwickelungs- stadium stehen, ein Verhalten, das mit der gleichzeitigen Ausbil- dung abgeschlossener Vorhéfe kaum in Einklang zu_bringen Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 495 ware, und doch ist andererseits nicht recht einzusehen, warum das Herz selbst aus einem urspriinglich vollkommenen Zustand in ein embryonales Stadium zuriickgesunken sein sollte. Ich wage es nicht, eine bestimmtere Ansicht dariiber auszusprechen, ob der Zustand des Herzens ein urspriinglicher sei, in welchem Falle von Vorkammern nicht gesprochen werden kénnte (Ansicht Pruvot’s), oder ob die schon von Husrecutr erwihnten Herzanhange von Pron. Sluiteri (kha Fig. 9) als rudimentire Vorkammern aufge- faSt werden diirfen. Vielleicht giebt spiter die Ontogenie des Tieres hieriiber besseren Aufschlul. Die hintere Herztasche 1a8t auf Querschnitten leicht 2 Ab- teilungen unterscheiden, eine obere und eine untere. Die letztere ist stark und unregelmifig kontrahiert und von der ersteren durch dicht stehende Muskelbiindel getrennt, jedoch nur unvollstindig, so daf die Blutkérperchen zwischen den Muskelfasern durch- passieren kénnen. Die Wand der unteren Herzabteilung ist viel- fach gefaltet, eine Folge der Kontraktion der Muskelfibrillen, die sich an dieselbe ansetzen. Das Blut ist aus dem unteren Herzteil nahezu ausgepreft, desto dichter stehen die Blutkérperchen in der oberen Abteilung. Auch diese ist von Muskelfasern durch- zogen, doch fallen dieselben der Menge der Blutkérperchen wegen, und weil sie nicht kontrahiert sind, weniger ins Auge. Kine Ab- bildung wird tibrigens die Verhaltnisse besser klarlegen als eine lange Beschreibung (Fig. 9). Die vordere Tasche des Herzens ist insofern einfacher gebaut, als sich an derselben nicht zwei besondere Abteilungen unter- scheiden lassen; im iibrigen ist der Bau ein ahnlicher. Die Lagebeziehung beider Herztaschen ist schematisch dar- gestellt in Fig. 9a. Von der vorderen Herztasche aus gelangt das Blut zunichst durch ein Gefiecht von Muskelfasern, welche Hohlraume zwischen sich offen lassen, auf der Riickenseite, zunichst unmittelbar unter der Kérperwand, nach vorn. Weiter findet das Blut seinen Weg zwischen den Ausfiihrgingen der Zwitterdriise hindurch und wendet sich dann, da dieses Organ stellenweise ganz an die obere Korper- wand hinaufriickt, seitlich nach unten, um die Hohlriume zwischen Zwitterdriise und Darmsicken zu passieren. An Stellen, wo die erstere, von der dorsalen Kérperwand sich lostrennend, etwas nach unten riickt, ist sie durch Muskelstrange an derselben auf- gehingt, und zwischen diese Strange treten Blutkérperchen in Menge ein, ebenso zwischen die Aufhingebinder des Coecums im 496 J. Heuscher, vorderen Kérperteil. Bei schwacher Vergréferung hat es oft den Anschein, als waren hier scharf abgegrenzte Blutriume vorhanden, bei stirkerer Vergréferung sieht man jedoch, daS die Aufhange- binder nicht aus kontinuierlichem Gewebe aufgebaut sind, sondern iiberall nur aus einzelnen, losen Fasern bestehen, die zwischen sich Blutkérperchen in grofer Zahl durchtreten lassen. Wir haben es also auch hier nur mit Lakunen, nicht mit geschlossenen Blut- bahnen zu thun. Das Vorderende des K6rpers ist stark mit Blut gefiilt. AuBerordentlich dicht gedrangt sind die Blutkérperchen in den Mundfalten, die in den Hohlraum des Mundes vorspringen. Dort ist das Blut nur durch eine einzige Schicht von Wimperzellen von allfallig durch den Mund aufgenommenem Meerwasser ge- trennt. Der ,,ventrale Sinus“, den Husprecutr fiir Proneomenia Sluiteri anfiihrt und der von anderen Forschern bei verwandten Species ebenfalls als solcher benannt wird, bildet ebensowenig einen geschlossenen Blutweg wie der ,,Riickensinus“. Das ,,Septum“, welches den ,,ventralen Sinus‘ von den tibrigen Lakunen des Kér- pers trennt, besteht keineswegs aus dicht zusammenhaingendem Gewebe, sondern nur aus einer Masse von Muskelfasern, die zwi- schen sich Spalten offen lassen und den Durchtritt der Blutzellen gestatten. Ich finde in der ganzen Linge des ,,Septums‘ zwischen — den Muskelfasern sehr zahlreiche Blutkérperchen, viel mehr als im ,»inus“ selbst. Méglich, aber nicht sehr wahrscheinlich ist, daf sie durch die Préparation zum Teil aus dem letzteren wegge- schwemmt worden sind (nicht sehr wahrscheinlich darum, weil das Fehlen der Blutzellen im ,,ventralen Sinus“ in den meisten Schnitten auffillt, wiaihrend doch andere Hohlriume in denselben Praiparaten ganz damit ausgefiillt sind). Ein wirklicher Sinus kann diese Héhlung auch darum nicht sein, weil sie hinten ein- fach aufhért, blind endigt, indem das ,,Septum‘ sich der Mus- kulatur der Kérperwand anschlieBt. Abhnlich scheinen diese Ver- hialtnisse bei anderen Neomenien zu sein (v. GRAFF, 3, PRuvOT, 22). Beziiglich der Atmung kann ich nur bestatigen, was HuBREecHT schon mitgeteilt hat. Ein lokalisiertes Atmungsorgan wie bei Neomenia und Chaetoderma ist nicht vorhanden, dagegen sind die Stellen, wo vermutlich Gasaustausch mit der Umgebung stattfinden kann, zahlreich. Die Falten der Mundhéhle sowohl wie des Rec- tums sind zahlreich und grof$ und ganz prall mit Blutkérperchen gefiillt. Das Blut ist hier nur durch eine Zellenlage von durch Mund oder Cloake eindringendem Meerwasser getrennt, und diese Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 497 Zellen sind lang bewimpert. Massenhaft sind die Blutkérperchen auch tiberall zwischen den Aussackungen des Mitteldarms, der ebenfalls nur eine einzige Zellenlage dick ist. Es erscheint dem- nach wahrscheinlich, daf der Darm in seiner ganzen Ausdehnung auch mit der Funktion der Atmung betraut ist. Die Blutkérperchen sind rundlich, verhiltnismaifig gro’ und ihr Kern wandstindig. Die von Husprecnt beschriebene spindel- formige Struktur in ihrer Achse finde ich nirgends, sie darf wohl der Einwirkung der Reagentien zugeschrieben werden. Der Verdauungsapparat. Der Verdauungsapparat lift leicht drei Hauptabschnitte unter- scheiden: Vorderdarm, Mitteldarm und Enddarm. Vorder- und Enddarm sind kurz, der Mitteldarm hingegen nimmt den grdéfSten Teil des Koérperhohlraums in Anspruch. Der Ubergang vom Vor- derdarm zum Mittelstiick ist ein plotzlicher, derjenige vom letz- teren zum Enddarm weniger unvermittelt. Die Mundéffnung (0 Fig. 1) liegt in der ventralen Mediane nahe dem vorderen Koérperende und stellt eine Liangsspalte vor. Die Spicula tragende Cuticula setzt sich ziemlich tief in die Mundspalte fort, unmittelbar bis an die Grenze der geraiumigen Mundhohle (Fig. 10) und ist auch hier von einer Schicht anschei- nend durch Schleim zusammengehaltenem Detritus iiberkleidet. Die Mundhohle setzt sich etwas iiber das Vorderende der Mund- spalte hinaus fort, indem sie sich allmihlich verengt. Ihre Wan- dung tragt in diesem Teile zahlreiche zottenartig vorspringende Papillen (Fig. 11), die sich an der rechten und linken Seitenwand der Mundhohle nach hinten eine Strecke weit fortsetzen. Diese Zotten sind ganz anders gebaut als die tibrigen Mundfalten, von denen wir unten sprechen. Fig. 11 zeigt ihre Anordnung im praoralen Teil der Mundhéhle, deren laterale und frontale Wand sie vollstindig einnehmen, wie auch aus Husrecut’s Fig. 29, P]. 3, die einen Horizontalschnitt darstellt, ersichtlich ist. Weiter riickwirts werden die Papillen unten und oben zuriickgedrangt, indem yon der Basis der lateralen Mundwand aus, sowie oberhalb der Zotten rechts und links je eine grofe hohle Falte ins Lumen der Mundhohle vorspringt (Fig. 10). Die Zotten zeigen, in ver- schiedenen Richtungen der Linge nach geschnitten, immer das- selbe Bild. Fig. 12 stellt den Liingsschnitt durch eine Zotte bei starkerer Vergroferung dar. Biel No FL x, 32 498 J. Houscher, Das Epithel der Mundhohle geht direkt in das Gewebe der Zotte tiber, welches rings um die centrale Achse nur eine Zell- schicht machtig ist und ein ziemlich hohes Cylinderepithel bildet. Die Nuclei liegen der Achse nahe und heben sich nicht besonders deutlich vom tibrigen Plasma ab, besitzen aber einen intensiv ge- gefarbten Nucleolus. Der iibrige Zellinhalt ist gekérnelt und das ganze Gebilde von einem Saum umbhiillt, der cuticularer Natur zu sein scheint. Wir haben es hier offenbar mit einem spezi- fischen Organ zu thun. Husrecur ist geneigt, ihm die Funktion als Kieme zuzuschreiben. In diesem Punkte bin ich anderer Ansicht. An Molluskenkiemen treffen wir immer ein Wimperepithel, das fiir die Zufuhr von frischem Atmungswasser sorgt, als aufere Begrenzung. Hier ist aber ein Wimperepithel nicht vorhanden. Wo Gasaustausch stattfinden soll, da muff das Blut freien Zutritt haben, in diese Zotten tritt aber kein Blut ein. Sie sind gegen die Wand der Mundhéhle hin geschlossen, nur einige axile Fi- brillen treten ins Innere der Zotte ein. Ob es nervése Elemente oder blofe Stiitzgebilde sind, kann ich nicht entscheiden. Jeden- falls hat das Organ mit der Atmung nichts zu thun. Es ist wohl dasselbe, was KowALEvsky et Marion fiir Proneomenia vagans als ,,papilles labiales“ bezeichnen (18, Pl. 3, Fig. 6), doch sollen diese bewimpert sein, was bei Pron. Sluiteri, wie schon ge- sagt, nicht der Fall ist; auBerdem finden dieselben Autoren Gan- glien tiber der Basis der Papillen, die ich in den Praparaten des Herrn Prof. Lana nicht entdecken kann. Damit will ich jedoch keineswegs die Ansicht der oben genannten Forscher anzweifeln, da8 diese Zotten ein Sinnesorgan (Tastorgan?) darstellen, welches durch Kontraktion der Mundmuskulatur aus der Mundhohle vor- gestreckt werden kann. Einen ganz anderen Bau zeigen die tibrigen Falten der Mund- hohle. Jederseits treffen wir zwei Sacke an, die eine Querschnitt- flaiche ungefihr von der GréSe eines Kiemenblattchens von Gam- marus pulex besitzen. Ihre Wandung besteht aus einer einzigen Lage von Cylinderepithel, das mit langen Cilien besetzt ist. Ihr Innenraum ist mit Blutkérperchen prall gefiillt. An ihrer Basis steht der Innenraum der Falten in vollstandig offener Verbindung mit den blutfiihrenden Lakunen des Korpers. Die Muskelfasern, welche den Faltenraum durchziehen und sich an dessen Wandung anheften, machen es wahrscheinlich, daf sie durch Kontraktion die Blutkérperchen hinauspressen und den Hohlraum neu fiillen Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 499 kénnen, wihrend die langen Wimpern fir frisches Atmungswasser sorgen. Die Ansicht Husrecnur’s, daf durch die diinne Wandung dieser Falten ausgiebiger Gasaustausch stattfinden kénne, ist ge- wif gerechtfertigt. Ja man diirfte wohl diese Ausbuchtungen der Mundhohle geradezu als (sekundar entstandene) Kiemenwiilste be- zeichnen. Auch die Decke der Mundhoéhle zeigt Einbuchtungen und vielfache Faltelung. Eine solche gréfere Einbuchtung ist in dem Schnitt Fig. 10 df getroffen. Aufer den drei bedeutenderen aufen bewimperten Blutraumen im vorderen Teil der Mundhohle (Fig, 11 bri) finde ich an der Munddecke keine erheblichen mit Blut gefiillten Aussackungen. In der Decke der Mundhoéhle ist reichlich Muskulatur ent- wickelt. Im Grunde des Oesophagus liegt in einer Kinsenkung ver- borgen eine winzig kleine Radula. Vor derselben erhebt sich in der Radulatasche eine Falte, deren Spitze aus hohem Saulen- epithel besteht, welches nach vorn in das gewohnliche Epithel des Oesophagus, nach unten und hinten in das Gewebe iibergeht, welches die Reibplatte der Radula tragt (Fig. 13). Die Radula liegt auf einem muskulésen, mit einer Epithel- schicht tiberkleideten Wulste, der Zunge (z). An der Basis des hinteren Zungenendes findet sich ein Polster von hohen, dtinnen Cylinderzellen (Fig. 14 odb), entsprechend den Odontoblasten, wie sie ROssteR (25) bei seinen erfolgreichen Untersuchungen an Prosobranchien, Placophoren, Cephalopoden und Heteropoden ge- funden hat. Ihr gekérnelter Inhalt geht in das hintere Ende der Radulaplatte tiber. An das Polster schliefen sich, das hinterste Ende der Radula- platte iiberlagernd, unregelmifig geordnete Zellen. Die ganze histologische Beschaffenheit der Radulabasis wiederholt den Typus, wie ihn ROssuER fiir die oben genannten Mollusken schildert. Wir diirfen daher annehmen, daf die Bildung der Radula in ahnlicher Weise vor sich gehe, wie bei den Placophoren. Die Form der Zahne ist aus den Figuren 14 und 15 ersicht- lich. Ich zahlte auf Querschnitten 15 Liangsreihen. Wie viele Zahne auf einer solchen stehen, habe ich nicht ganz sicher fest- stellen kénnen, es sind ihrer etwa 60. Alle Zahne sind gleich beschaffen. Das ganze Gebilde macht den Eindruck eines kiimmerlich entwickelten Organs, mit dem das Tier wenig ausrichten wird. 290% 32° 500 J. Heuscher, Knorpelgewebe an der Basis der Zunge fehlt, hingegen finden wir zur Seite der Radula in Muskel- und Bindegewebe eingelagert, wie auch Husprecaut meldet, grofe Zellen, die an primitives Knorpelgewebe erinnern. Statt eine detaillierte Beschreibung davon zu geben, ver- weise ich auf Figg. 13—16, wo diese Verhaltnisse dargestellt sind. Die langen, paarigen Speicheldriisen, die sich auf der Bauch- seite weit nach hinten erstrecken, und ihre gemeinschaftliche Einwiindung in den Pharynx sind von Husrecut beschrieben wor- den, und ich finde seine Angaben durch die Praparate des Herrn Prof. Lana bestatigt, ebenso seine Darstellung des Osophageal- epithels. Auch beziiglich der Beschaffenheit des Mitteldarms bleibt mir im wesentlichen nur itbrig, die Untersuchungen Huprecut’s zu bestatigen. Der Mitteldarm zeichnet sich aus durch seine reiche und regelmaBige Gliederung. Eine Ansicht unter Lupenvergrée- rung, die Herr Prof. Lana gezeichnet und mir giitigst zur Ver- fiigung gestellt hat, zeigt Fig. 17. — Vom centralen Darmlumen Fig. 17. Liangsschnitt durch die Region des Mitteldarms. Oben die Zwitter- driise, darunter die Darmnischen 1., 2., 3. Ordnung, Originalzeichnung von Prof. Dr. A. LAne. gehen zahlreiche, regelmafig angeordnete Falten nach den Seiten hin und bilden nischenartige Ausbuchtungen. Man kann dreierlei Falten unterscheiden: primére, sekundare und tertiare, die in ganz regelmafiger Folge miteinander wechseln. Diese Regelmafigkeit in der Gliederung des Darmes vermisse ich in Husrecut’s Fig. Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 501 48 (7). Das centrale Darmlumen macht in den Schnitten etwa ein Drittel der ganzen Darmbreite aus, wahrend jederseits ein Drittel auf die Ausbuchtungen kommt. Die centralen Partien des Darmkanals bestehen aus einer Schicht von Wimperzellen. Die Aussackungen dagegen sind durchaus driisiger Natur und sondern Sekretballen in groBer Menge ab. Sie diirften eine Hepatopankreas darstellen, die auch beim ausgewachsenen Tiere auf embryonalem Stadium stehen bleibt. Statt einer ausfiihrlichen Beschreibung gebe ich in Fig. 19 eine Abbildung der histologischen Struktur des Darmkanals. Sie stimmt im ganzen tiberein mit der Dar- stellung HuBREcHT’s. Dorsalwiarts dringt eine Darmfalte tief in die Zwitterdriise hinein und scheidet diese in ihrem ventralen Teil in eine rechte und linke Halfte. Das obere Ende der Falte verlauft nicht in gerader Linie, sondern im Zickzack, was auf Horizontalschnitten sehr schén zu sehen ist. Das Epithel dieser dorsalen Ausbuch- tung ist sehr lang bewimpert und entbehrt der Driisenzellen voll- staindig. Eine blindsackférmige Ausstiilpung (,,Coecum intestinale‘‘) zieht sich vom Mitteldarm aus dorsalwarts tiber die Pharyngeal- partie weg und endet in der Nahe des Cerebralganglions. Die dorsale Wand derselben ist gréftenteils und namentlich in der Mediane lang bewimpert, die tibrige Wand besteht aus Driisen- epithel wie die tibrigen Darmaussackungen. Die Zwischenriume zwischen den Darmfalten sind wie bei Huprecut’s Exemplaren grofenteils mit Blutkérperchen dicht ge- fillt und von Strecke zu Strecke mit enger zusammenhangen- den Muskelfasern, den sogenannten Septen, durchzogen. Andere radiair verlaufende Muskelbiindel heften den Darm an der K6rper- wand fest. Das Rectum ist vollstandig mit langbewimpertem Epithel aus- gekleidet und tief gefaltet (Fig. 20). Eine Lamelle von Rings- muskulatur umgiebt den Enddarm, und zwischen dieser und der Darmwand liegen massenhaft Blutkérperchen, so daf die Hohl- riaume ganz von denselben ausgefiillt erscheinen (Fig. 20). Es stimmen auch diese Verhaltnisse mit den Befunden Husrecut’s vollstindig iiberein. Der Darminhalt beider Exemplare von Pron. Sluiteri, die mir zur Untersuchung vorgelegen sind, besteht hauptsachlich aus Sekretballen, die sich in vielen Darmnischen in grofer Menge an- gehauft haben, aus Kliimpchen aufgenommener Nahrung, deren 502 J. Heuscher, Herkunft ich nicht bestimmen kann, ferner aus kleinen Krebsen (Entomostraken), deren Muskulatur zum Teil noch deutlich er- halten ist. Ich fand in Vorder- und Mitteldarm solche Cruster in Mehrzahl, so daS die Annahme, sie méchten zur natiirlichen Nahrung des Tieres gehéren, wohl kaum zu bestreiten ist. Hus- RECHT fand in der Cloake eines seiner Exemplare einen Faeces- klumpen mit Diatomeenschalen, weshalb er diese Algen als die natiirliche Nahrung des Tieres betrachtet. Das eine schlieSt aber das andere nicht aus, es scheint also Pron. Sluiteri sowohl pflanz- liche als tierische Stoffe zu ihrer Ernahrung zu beniitzen. Das Urogenitalsystem. Pron. Sluiteri ist ein Hermaphrodit mit sehr voluminéser Zwitterdriise. Diese liegt dorsal zwischen Kérperwand und Darm, an welchen sie sich eng anschlieBt. Sie reicht vom Pericard bis zur Pharyngealgegend und ist deutlich doppelt angelegt. Dic beide Halften trennende Scheidewand verlauft jedoch nicht in der dorsalen Mitte, sondern wendet sich zickzackformig oder bogig nach links und rechts, wie der Horizontalabschnitt Fig. 21 zeigt. Die Scheidewand folgt unten dem zickzackformigen Verlauf der in die Zwitterdriise hinaufragenden Darmrinne. An der vorderen Spitze und nach hinten gegen das Pericardium hin trennen sich die beiden Halften der paarigen Zwitterdriise, und jede geht hier iiber in einen kurzen Gang, der die reifen Geschlechtsprodukte ins Pericard hinein leitet (,,Pericardialginge“ Wirin, 28). Im Pericard fand ich keine Geschlechtsprodukte, doch ist nicht daran zu zwei- feln, da8 sie diesen Sack, worin bei verwandten Formen Kier oder Spermatozoen gefunden wurden (Husrecut, TULLBERG, Kowa- LEVsKyY et Marion, Pruvor) passieren. Aus dem Pericard (,,egg- bag’ TULLBERG’s, ,,poche origére“ Pruvor’s) fiihren zwei Réhren zunachst nach hinten (Fig. 22 7), dann in einem Bogen lateral- wirts nach unten, hierauf wieder nach vorn und etwas aufwarts, gleichzeitig ihren Querschnitt verkleinernd, um dann plotzlich um- zubiegen in die gro8en Driisen DD (Fig. 22). Unmittelbar vor der Umbiegungsstelle miindet in die Rohren jederseits eine schlauchférmige Driise (Fig. 22 vs). Die Bilder, welche ich von dieser letzteren erhalte, decken sich nicht mit der Darstellung Husrecat’s. Wahrend dieser Forscher sie als ein netzartig verzweigtes Organ abbildet, finde ich einen unverzweig- ten, gewundenen Schlauch. Namentlich die Horizontalschnitte Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 503 haben mir ganz untriigliche Bilder geliefert, wie sie Husrecat offenbar bei seinem einzigen unverletztem Exemplar nicht zur Verfiigung standen. Die grofen Driisen DE (Fig. 22) besitzen ein gemeinsames Endstiick mit breiter Miindung in die Cloake. Die selbstandigen Seitenstticke sind durch zwei EKinschntirungen in drei Abteilungen gegliedert (1, 2, 3, Fig. 22). Daf die Zwitterdriise durch eine in Querfalten gelegte Scheide- wand in eine rechte und eine linke Halfte getrennt wird, ist oben schon bemerkt worden. Die Scheidewand bildet ein strukturloses, an einzelnen Stellen schwach faseriges Hiutchen. Durch das ganze Or- gan hindurch liegt demselben das Keimepithel unmittelbar auf (ke Fig. 23). Dieses besteht aus Eizelien und Spermatoblasten. Im dor- salen Teil der Zwitterdriise sind nur Eizellen vorhanden, im ven- tralen Teil dagegen finden sich auch Spermatozoen-Mutterzellen. Die beiden Elemente sind in jungen Stadien nicht voneinander zu unterscheiden. Die Eizellen bleiben lange Zeit in Verbindung mit der Scheidewand und werden langgestreckt-birnfo6rmig (Fig. 21 u. 23). Sie enthalten einen grofen, nach Behandlung mit Lithion- karmin wenig tingierten Nucleus und zwei sehr intensiv gefairbte Nucleoli, von denen der eine den andern an Gréfe meist vielfach iibertrifft. In dieser Beziehung weicht Pron. Sluiteri ab von Chaetoderma nitidulum Loven, das kiirzlich von Wireén (28) aus- fiihrlich beschrieben worden ist, und bei welchem der genannte Forscher nie zwei Keimflecke gesehen hat. Auch die Entwickelung der Kier stimmt im einzelnen nicht mit derjenigen bei Chaeto- derma tiberein. Wahrend WirENn bei diesem in den Keimkernen urspriinglich gar keinen Keimfleck, sondern ,nur eine Menge gleichfoérmiger Kérner“ findet, besitzen, wie auch Husrecut mit- teilt, schon ganz kleine Eizellen mindestens einen deutlichen Nucleolus. Auch die Beobachtung Husrecut’s, daf gelegentlich drei Nucleoli vorkommen, kann ich bestitigen, hingegen finde ich im Gegensatz zu Husrecut, daf die Eier von einer deutlichen, wenn auch zarten Membran umgeben sind. Ob dieselbe von der Eizelle selbst ausgeschieden oder von einer Art Follikelepithel geliefert wird, wie nach Wiren bei Chaetoderma, kann ich nicht sicher entscheiden. Einen Kern, wie ihn Wirtn auf Taf. VI, Fig. 2 (28) in der Eihiille von Chaetoderma abbildet, habe ich nirgends gefunden. Weder Husrecur noch irgend ein anderer Forscher erwahnt das Vorhandensein eines Follikelepithels bei Neomenien; dagegen 504 J. Heuscher, beschreibt WrrEN ein solches fiir Chaetoderma nitidulum LovEéNn (28). Kin Epithel, allerdings ein sehr reduziertes und nicht tber- all deutlich sichtbares, das als Follikelepithel gedeutet werden kann, findet sich bei Pron. Sluiteri ebenfalls vor (Fig. 23 fe). Es besteht aus Zellen mit sehr kleinen Kernen, welche haufig durch Plasmafibrillen an der Scheidewand befestigt zu sein scheinen. Méglich ist allerdings, daf die faserige Struktur des Plasmas eine Folge der Praparation ist. Zellgrenzen sind am Follikelepithel nicht wahrzunehmen. Die Entwickelung der Spermatozoen genau festzustellen, gelang mir nicht. Sie scheint nach demselben Typus vor sich zu gehen, wie bei Chaetoderma. Im unteren Teil der Zwitterdriise sehen wir (Fig. 23 spbl) Keimzellen, in denen ich meist nur einen Nucleolus beobachtete. Das sind die Spermatoblasten. Ihr Zellkern scheint eine Vielteilung einzugehen, indem er sich auflést in eine Menge kleiner Korner. Die Zellgrenzen verschwimmen, und der Zellinhalt entfernt sich von der Keimfalte. Die K6érnergruppen, welche die Kerne der kiinftigen Spermatozoen bilden, bleiben noch einige Zeit anscheinend in der urspriinglichen Lagerungsform beisammen. An anderen Stellen der Schnitte sieht man Hiufchen, die von weniger zahlreichen, aber gréferen Kérnern gebildet werden. In der Masse solcher Kérnergruppen treten da und dort Biischel von Spermatozoen auf, deren Képfe alle nach der gleichen Seite ge- richtet sind, deren Schwanze aber noch nicht vollstandig vonein- ander getrennt erscheinen, daneben finden sich Haufen regellos durcheinander liegender, wie es scheint, ausgewachsener Sper- matozoén. Diese besitzen einen cylindrischen, nach vorn konisch zugespitzten, hinten flach abgerundeten Kern. Sind es die Schwanze dieser Spermatozoén, was HusrecaT als eiweifSartige Masse von eigentiimlich fadigem Aussehen bezeichnet? (7, p. 44.) HUBRECHT sah in dieser Masse auch Blutkérperchen. Diese diirften jedoch bei der Priparation an diesen Ort gelangt sein, denn der die Zwitterdriise bergende Raum ist durch eine Haut nach aufen ab- geschlossen und steht mit keinem Blutwege in Verbindung. Zwei Zwitterginge (zwg Fig. 22) fiihren die Geschlechts- produkte in das Pericard. Die Wandung dieser Gange springt mit zahlreichen Falten in das Lumen vor und ist mit kraftigen Wimpern bekleidet. Das Pericard ist ein Sack, der sich, wie auch Huprecut be- richtet, dorsalwirts der Kérperwand, ventralwarts dem Darm an- legt, eine Strecke weit reicht er auch zu beiden Seiten des Rec- Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 505 tums bis etwa zum ersten Drittel desselben herab. An seiner Aufenseite heften sich Muskelbiindel an, die teils zur dorsalen und lateralen Kérperwand, teils auch nach unten gegen die Ei- weifdriise verlaufen. In der dorsalen Mitte bildet das Pericard zwei sackformige Einbuchtungen in den eigenen Innenraum (Fig. 22), die wir oben schon als Herz bezeichnet haben. Eine eigene Wand besitzt dasselbe nicht, die einzige kontinuierliche Zellschicht, die es begrenzt, ist die Pericardialwand. Diese hat hier einen etwas anderen histologischen Charakter als im tibrigen Teil. Wah- rend die laterale und ventrale Wand von einer Schicht kleiner kubischer Zellen gebildet wird, geht dieses Gewebe am Herz- rand iiber in ein niedriges Plattenepithel (Fig. 9). Pruvor be- zeichnet das Pericard als Eiersack (,,poche origére“) und bestrei- tet die Berechtigung, diese Tasche als Pericard zu bezeichnen. Unzweifelhaft ist, daB die Geschlechtsprodukte den Raum passieren. Husrecut fand bei einer Pron. Sluiteri einen Kierklumpen darin, und bei verwandten Species haben andere Forscher in diesem Organ ebenfalls Geschlechtsprodukte gefunden. In Prof. LAN@’s Exemplaren fand ich das Pericard leer; es gelang mir auch nicht, irgendwo gefurchte Eier zu entdecken, wie sie HuBrecut gesehen hat. Aus dem Pericard fiihrt ein Paar von Réhren, die als Nephri- dien betrachtet werden. (Pruvor anerkennt diese Bezeichnung nicht.) Ihr Verlauf bei Pron. Sluiteri ist aus Fig. 22 ersichtlich und weicht von Husprecut’s Darstellung insofern ab, als der un- tere Schenkel der Réhren sich weiter lateralwarts zieht und auf der duBeren Seite unter dem Anhang vs, zwischen diesem und der Enddriise (DD Fig. 22), verliuft, dann nach oben steigt und an der Spitze der Enddriise einmiindet, fast unmittelbar, nachdem sich der gewundene Schlauch vs mit ihm vereinigt hat. In Bezug auf die histologische Struktur der Nephridialréhren kann ich bestitigen, was durch die Untersuchung Husrecut’s schon bekannt geworden ist, und nur ergianzend beifiigen, da8 in der Wand zwischen den Wimperzellen auch secernierende Drisen- zellen vorhanden sind, ahnlich wie sie Wrren (28) kiirzlich fiir Chaetoderma nitidulum Lovin nachgewiesen hat. Das Sekret dieser Driisenzellen macht nach der Praparation den Eindruck einer schleimig-faserigen Masse. Die blindschlauchformigen Anhinge der Nephridien (7, Pl, 4, Fig. 46), von Pruvor als Samentaschen (,,vésicules séminales“‘) bezeichnet, sind ebenfalls mit einem Driisen- epithel ausgekleidet. Wir kénnen zweierlei Zellen darin unter- 506 J. Heuscher, scheiden. Beide Formen sind lang-cylindrisch und diinn. Die einen besitzen einen basalen Kern von rundlicher Gestalt mit deutlichem Nucleolus. Ihr Inhalt ist fein gekérnelt und grenzt sich je nach der Phase der Sekretionsthatigkeit entweder ziemlich scharf gegen das Lumen des Schlauches ab oder verliert sich in eine kérnig- streifige Substanz, in welcher Zellwainde nicht mehr sichtbar sind. Diese Zellen (Fig. 25) setzen den gréften Teil der Schlauchwand zusammen. Gegen die Miindung des Organs in die Driisen DD treffen wir einen kleinen Wulst, in welchem die Kerne der Faden- zellen nicht grundstandig, sondern gegen das Schlauchlumen vor- geriickt sind. Auch in ihrer Form weichen die Kerne yon den- jenigen der tibrigen Schlauchwandzellen ab, indem sie cylindrisch langgestreckt erscheinen und nur an beiden Enden abgerundet sind. Ein Nucleolus ist nicht zu unterscheiden, der Kerninhalt locker, fein gekérnelt (Fig. 26). In der Nahe der Miindung des Organs finde ich (Fig. 26) lange, schleimige Faden ins Lumen vorragen, die je mit einem Haufchen kleiner K6érner an der Wand in Verbindung stehen. Pruvor fand bei einzelnen Species zahlreiche Spermatozoen in den ,,vésicules séminales“, alle mit gegen die Wand gerichtetem Kopf und ins Lumen hinausragendem Schwanz. Diese Mitteilung la8t mich vermuten, da8 die oben genannten Faden Spermatozoen- schwinze seien und die Kérnerhaufchen zerfallene (infolge der Praparation?) Kerne derselben seien, daf also die Bezeichnung ,samentasche, welche Pruvor dem Organ giebt, auch fiir Pron. Sluiteri zutreffend sei. Das distale Endstiick der Geschlechtswege bildet eine dick- wandige Driise, die Pruvor als Schalendriise bezeichnet. Kowa- LEVSKY und MARION nennen sie ,,matrice‘‘; Wrren wahlt fiir das Roéhrensystem zwischen Pericard und Cloake den neutralen Namen ,,Cloakenginge“. Im vorderen Teil der Driisen (DD Fig. 22) fin- den sich gegen das Lumen hin zwischen langgestreckten Driisen- zellen auch Wimperzellen eingekeilt, abnlich (wenn auch nicht mit jener schematischen Deutlichkeit zu sehen) wie in Wiren’s Abbil- dung von Chaetoderma (28, Fig. 9, Taf. 6). Im letzten Abschnitt, von der tiefen Einschniirung an, scheint das Rohr ausschlieflich sekretorisch thatig zu sein. Ich finde dort gar keine Wimper- zellen, sondern eine einzige Lage au8erordentlich langer Faden- zellen, deren Kerne mehr oder weniger grundstandig sind (Fig. 27), und deren Inhalt aus einer perlschnurartigen Reihe von Sekret- kiigelchen besteht. Nicht selten sieht man, wie auch HusREcHT — Zur Anatomie u. Histologie der Pronecomenia Sluiteri Husr. 507 erwahnt, gréfere Sekretballen in oder zwischen den Zellen. Im Endabschnitt vereinigen sich die beiden Réhren und miinden ge- meinsam in die Cloake (Fig. 22). Der ganze zusammenhangende Apparat, bestehend aus der paarigen Zwitterdriise mit ihren Ausfiihrgiingen, dem Herzen, dem Pericard, sowie dem Réhrensystem, welches das letztere mit der Cloake verbindet, ist von den Autoren sehr verschieden aufgefabt worden. Beziiglich des Herzens habe ich oben schon die Ansicht ge- ‘iufert, da dasselbe auf embryonalem Stadium stehen bleibe. Die nachfolgende schematische Fig. I stellt dasselbe dar; denken wir uns die Rander des Pericards P sowohl, als diejenigen von dessen Einbuchtung H oben vereinigt, so haben wir ein in das Pericard eingeschlossenes Herz vor uns. Dieser Vorgang geht in ahnlicher Weise wahrend der Km- bryonalentwickelung anderer Mollusken vor sich, z. B. bei Paludina vivipara, wo die Anlage des Herzens ebenfalls aus dem Pericard durch Einstiilpung hervorgeht, wie R. v. ERLANGER in schén- ster Weise nachgewiesen hat (1). Der Einwurf Pruvor’s, daf die Wand des sogenannten Herzens der Neomenien dem Ge- schlechtsapparat angehére, daf die beiden Organe (kontraktiler Teil des Sinus dorsalis und ,,poche origére) vollstindig unab- hangig seien, und da ihre Beziehung ,,n’est qu un rapport de juxtaposition en quelque sorte accidentelle dirfte kaum stichhaltig sein. Genau dasselbe liefe sich sagen iiher das em- bryonale Herz von Paludina, und doch wird dort aus der Ein- stiilpung ein Herz mit Ventrikel und Atrium. Daf Organe bei niederen Tieren zeitlebens auf einer primitiven Stufe stehen blei- ben, die von héheren Tieren im Laufe ihrer Ontogenie nur kurz passiert werden, ist doch nichts Au8ergewohnliches. Bei allen an- deren Molluskenklassen bezeichnet man den Gewebebeutel, der das Herz umgiebt, als Pericard, als sekundare Leibeshéhle. War- 508 J. Heuscher, um sollten wir das, nachdem wir das pulsierende Kreislauforgan der Neomenien als echtes Herz betrachten miissen, bei diesen Tieren nicht auch thun ? Pruvor wendet gegen diese Autfassung ferner ein, dal die , poche origere zeitweise mit Eiern gefiillt, und dann das Herz funktionsunfahig werde. Ob dies bei Pron. Sluiteri je der Fall ist oder nicht, kann ich nicht entscheiden, aber selbst wenn die Funk- tion des Organs voribergehend beeintrachtigt wiirde, so kénnte dies an der Auffassung desselben als Herz nichts andern. Aus der Thatsache, daf die Geschlechtswege vom Anfang bis zum Ende ununterbrochen und von der ,,cavité générale“ ganzlich verschieden sind, schlieft Pruvor ,,qu’il n’y ala ni péricarde ni organes segmentaires, ni rein, mais une matrice (= sac origere), des oviductes et une glande coquilliere ... .“ Der gleiche Autor behauptet, da’ das Epithel des Pericards (bei Dondersia banyu- lensis) Spermatozoen bilden kénne. Nach dem, was ich oben iiber die Bildung dieser Geschlechtszellen geiufert habe, kommt mir dies wenigstens in der von Pruvot gegebenen Darstellung unwahr- scheinlich vor, sollten die Spermatozoen nicht aus der Zwitterdriise hierher gewandert sein ? Schon Husrecutr hat darauf aufmerksam gemacht, daf die direkte Ausfuhr der Geschlechtsprodukte durch die Nieren bei den Neomenien unter den Mollusken nicht einzig dasteht, dal dasselbe stattfindet bei Patella, Fissureila, den niedersten Lamelli- branchiern, und um noch einige Beispiele anzufiihren, fiigen wir bei die Rhipidoglossen Turbo, Trochus, Dentalium. Ebenso haufig ist der Zusammenhang zwischen Pericard und den Gonaden, gehen doch die Wucherungen aus der Wand des Pericards hervor und bleiben oft zeitlebens mit ihr verbunden (Cephalopoden). Die Nephriden ihrerseits sind bei allen Mollusken Kanale, welche die Leibeshohle (Pericard) mit der AuSenwelt ver- binden (Bosanus’sches Organ der Lamellibranchier) und Exkre- tionsstoffe ausscheiden kénnen. Bei den Neomenien ist beides zugeich der Fall: Zusammen- hang der Gonaden mit dem Pericard einerseits, des letzteren mit der Aufenwelt anderseits. Diese Auffassung, die schon Huprecut verteten hat, scheint mir nicht widerlegt zu sein. Ob nun die Nephridien (,,Cloakenabginge‘' Wirtn’s) die Funktion als Niere beibehalten haben oder nicht, ist vom morphologischen und ver- gleichend-anatomischen Standpunkte aus von untergeordneter Be- deutung. Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 509 Es bleibt nun noch tibrig, zu notieren, daf sich in den ver- schiedensten Teilen des Kérpers der von mir untersuchten Exem- plare von Pron. Sluiteri, wo tiberhaupt der Blutstrom cirkulieren konnte, kleine rundliche Zellhiufchen vorfanden (Fig. 28). Diese sind von einer gemeinsamen Hiilse umschlossen und liegen inner- halb derselben, bald dichter, bald lockerer, in der Anzahl von 8 —12 Sttick. Die einen dieser Kiigelchen enthalten kleine Zellen mit deutlichem Kern und sind r6tlich gefirbt. Bei anderen solchen Zellkugeln sieht man keine Kerne, es sind anscheinend leere Zelihiute mit Rissen und durch das Pikrokarmin gelb gefarbt. Uber das Wesen und die Funktion dieser Gebilde bin ich nicht ins Klare gekommen. Endlich muf ich noch einen eigentiimlichen Kérper erwahnen, den ich bei einem der Exemplare hinter dem Gehirnganglion, zwi- schen diesem und der vorderen Spitze des Coecum intestinale gefunden habe. Es ist eine kleine Kapsel von etwa 1 mm Durch- messer mit verhaltnismifig dicker Wandung, in welcher hie und da grofe Zellkerne sichtbar sind. Das Lumen der Kapsel erscheint unregelmaifig durchwachsen und dessen Wandung mit einem cuti- cularen Uberzug belegt. Rings um diesen Kérper finde ich eine Masse von Blutkérperchen angesammelt. Genauere histologische Details konnte ich nicht herausfinden. Wie dieser K6érper zu deuten ist, ob wir es mit einem verkapselten Parasiten oder mit einem Organ der Proneomenia zu thun haben, vermag ich nicht zu entscheiden. Ich fand die Kapsel nur in dem einen Exemplar, und Huprecut, der doch so genau uutersucht hat, berichtet nichts davon. Die Wabhrscheinlichkeit, da’ hier ein Organ von Pron. Sluiteri vorliege, ist also nicht gro’, doch glaubte ich, das Vor- -kommnis erwihnen zu sollen. 510 J. Heuscher, Figurenerklirung. Tafel XX—XXIII. Fig. 1 siehe Text 8. 478. Fig. 2. Ein Stiick vom Integument der Pron. Sluiteri. hy = Hypodermis, spb = Spiculadriisen, d — Detritus, cu — Cuticula, cd == Cuticulardriisen, sp — Spicula. Fig. 3. Gewéhnliche Cuticulardriisen, die sich iiberall in der Haut vorfinden, in Sekretion begriffen. Fig. 4. Cuticula am Rand der Spiculagruben (Fig. 6). Fig. 5. Anterio-dorsale Ausstiilpung der Hypodermis und Ein- senkung in der Cuticula (,,Sinnesgrube). hy == Hypodermis, g —= mit Detritus gefillte Grube in der Cuticula cw. Fig. 6. Mit Nadeln gefiillte Grube neben der Cloake. sp = Spicula, eingebettet in cw = Cuticularmasse, hy = Hypodermis, mu == Muskulatur. Fig. 7 siehe Text S. 487. Fig. 8 siehe Text S. 490. Fig. 9. Herz und Pericard. H = Herz, py = Pericard, Mur = Ringmuskulatur der Kérperwand, Mul = Lingsmuskulatur der Kérperwand, Muh — Muskulatur des Herzens. Fig. 10. Querschnitt durch die Gegend der Mundspalte. Msp = Mundspalte, f = mit Blut gefiillte Wiilste der Mundwand, df = durchschnittene Falten der dorsalen Mundwand, c = Gehirn, Cu = Cuticula, Mu —= Muskulatur, n — Nerv, d = Detritus. Fig. 11. Querschnitt durch die praorale Mundgegend. 1, 2, 3 blutfiihrende Falten, z = aus der Mundwand vorspringende Zotten. Fig 12. Eine Mundzotte stiirker vergréfert. em = Epithel der Mundwand, cu = cuticulire Aufenschicht. Fig. 13. Die Radula. w = Wulst vor der Radula, 2 = Zunge, r —= Radula, odb = Odontoblasten. Fig. 14. Hintere Basis der Radula. odb = Odontoblasten, za == Zaihne, zu — Zungenmuskulatur. Fig. 15. Flachenansicht der Radula. Fig. 16. Gewebestiick neben der Zungenbasis. Fig. 17 siehe Text S. 500. Fig. 19. Darmepithel. de — Driisenepithel, we — Wimper- epithel, sb = Sekretballen. Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 511 Fig. 20. Querschnitt durch das Rectum. 6/ = Blutkérperchen, Mu = Muskulatur. Fig. 21. Horizontalschnitt durch den oberen Teil der Zwitter- driise oor um die Faltung der Scheidewand zu zeigen. s = Scheidewand, e — Eier. Fig. 22. Urogenitalsystem. Zwd = Zwitterdriise, Zwg = Zwittergiinge, » — Pericard, h — Herz, 0 — Offnung in die Cloake. n == Nephridien, vs = Samentaschen, DD = Driisen (Eiweif-?), S = Enddriise (Suhalesdrixe 2) Fig. 23. Vertikaler Lingsschnitt durch die Zwitterdriise. e: = Eier, sp == Spermatozoen, fo = Follikelzellen, s == Scheidewand, spb == Spermatoblasten. Fig. 24. Spermatozoen. Fig. 25. Epithel der Samentasche (vs Fig. 20). Fig. 26. Epithel der Samentasche (vs Fig. 20) an ihrer Miin- dung in das Nephridium. An der Wandung Spermatozoen: Sp. Fig. 27. Epithel der Driise S, Fig. 20 (Schalendriise). Fig. 28, Im Blute schwimmende Zellhiufchen. Litteraturverzeichnis. 1. Exnancrr, R. v., Zur Entwickelung der Paludina vivipara. Morpholog. Jahrbuch von GrcEnBaur, Bd. 17, 1891. 2. Grarr, L. v., Anatomie des Chaetoderma nitidulum. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 26, 1876. 3. — — Neomenia und Chaetoderma. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 28, 1877. 4, Hatter, Beta, Die Organisation der Chitonen der Adria. Arbeiten aus dem zool. Institut Wien, 1882 u. 1883. 5, Hansen, G. A., Anatomisk Bescrivelse af Chaetoderma nitidulum Lovin. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne, Bd. 22, 1887. 6. — — Neomenia, Proneomenia und Chaetoderma. Bergens Museums Aarsberetning for 1888. 7. Husrecut, A. A. W., Proneomenia Sluiteri gen. et sp. n., with remarks upon the anatomy and histology of the Amphineura. Niederl, Archiv f. Zool., Supplem. Bd. 2, 1881/1882. 8. — — Dondersia festivagen. et sp.n. Dondors Festbundel 1888. 9. — — Note relative aux études sur les Neomenia de M. M. Kowatevsky et Marton dans le Zool. Anz. Nr. 103, p. 61. Zool. Anz,, Bd. 5, p. 84 (1882). — Archives de zool. expérim. et gén., Bd. 10, Nr. 3, 1882. 10. — — A contribution to the morphology of the Amphineura, Quart. Journal of Microsc. Science, Bd, 22, London, 1882. 512 J. Heuscher, Zur Anat. u. Histolog. d. Pron. Sluiteri Huse. 11. Juerinc, H. v., Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken, Leipzig, 1877. 12. — — Bemerkungen iiber Neomenia und iiber die Amphi- neuren im allgemeinen, Morphol. Jahrb., Bd. 4, 1878. 13. Kortn, J., og Daniztssen D. C., Beskrivelse over nye Arter henhorende til, Slaegten Solenopus. Arch. for Math. og Naturvidensk, Christiania, 1877. 14. Kowatrvsxy, A. O., Uber den Bau und die Lebensweise von Neomenia gorgoniphilus n. sp. Zool. Anz., Bd. 3, p. 190 (1880). 15. Kowaevsxy, A. O. et Marton, A., Etudes sur les Neomenia. Zool. Anz., Bd. 5, p. 61 (1882). 16. — — Organisation de Lepidomenia hystrix, nouveau type de Solénogastre. Comptes rend., T. 103, p. 757 (1886). 17. — — Sur les espéeces de Proneomenia des cdtes de Pro- vence. Comptes rendus, T. 106 (1888). 18. — — Contributions a )’ histoire des Solénogastres ou Aplaco- phores. Annales du Mus. d’hist. nat. de Marseille, Zoologie, T. 3, Mémoire Nr. 1, 1887. 19. Lane, Annotp, Lehrbuch d. vergl. Anatomie, VII. Kap., 1892. 20. Norman, A. M., On the occurrence of Neomenia (Solenopus) in the British Sea. Ann. and Mag. of nat hist., Bd. 4, 1879. 21. Pruvor, G., Sur quelques Néoméniées nouvelles de la Médi- terranée. Archiv. d. zool. exp. et gén., T. 8, 1890. 22. — — Sur l organisation de quelques Néoméniens des cotes de France. Archiv de zool. expér. et gén., 2. Série, T. 9, 1891, Nr. 4. 23. — — Sur le prétendu appareil circulatoire et des organes eénitaux des Néoméniées. Comptes rendus, T. 111, Juli-Dez. 1890. 24. — — Sur le développement d’un Solénogastre. Comptes rendus, T. 111, Juli-Dez. 1890. 25, Résster, T., Die Bildung der Radula bei den cephalophoren Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 41 (1885). 26. Tuttperc, F., Neomenia, a new genus of invertebrate ani- mals. Bihang til Kongl. Sv. Vet. Akad. Handl., Bd. 8, Nr. 13 (1875). 27. Wirtn, A., Mitteilungen iiber den Bau des Chaetoderma nitidulum Lovin. Biologiska Féreningens Forhandlingar, Bd. 3, Nr. 7 (1891). 28. — — Studien iiber die Solenogastres, I. Monographie des Chaetoderma nitidulum Lovin. Kongl. Svenska Vet. Akad. Handlingar, Bd. 24, Nr. 12, Stockholm, 1892. 29. TEtsenEER, Pavux, Sur le pied de Chitonellus et des Aplaco- phora. Bull. scient. de la France et de la Belgique, Bd. 22, 1890. (Kam mir leider erst nach Schluf8 meiner Arbeit zu Gesicht.) Uber den Bau und die Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. Von Dr. phil. F. Rémer. Assistent am zoologischen Institut in Jena. Mit Tafel XXIV und XXV. I. Einleitung. Unter dem wenig zutreffenden Namen Edentata vereinigt man immer noch eine Anzahl Saugetiere zu einer Ordnung, deren tiber- einstimmende Merkmale mehr negativ als positiv sind. Aber die Aufgabe, dieselben nach ihrer natiirlichen Verwandtschaft zu gruppieren, wird, ganz abgesehen von der Unsicherheit der in Betracht kommenden palaontologischen Urkunden, einerseits durch unsere Unbekanntschaft mit ihrer Ontogenie, andererseits durch die Liickenhaftigkeit unserer Kenntnisse von ihrem anatomischen Bau sehr erschwert. Ist es doch bisher trotz zahlreicher Arbeiten von Rapp, GERVAIS, MiLNE-Epwarps, Flower, THOMAS, PARKER, KUKENTHAL u. a. noch nicht einmal gelungen, die Akten tiber das Gebif’ der Edentaten zu schliefen! Von den genannten Forschern haben bereits MiLNE-EDWARDS und FLower angedeutet bezw. ausfiihrlich dargelegt, daf die Eden- taten eine polymorphe Ordnung sind, deren Mitglieder in ver- schiedene natiirliche Ordnungen zerlegt werden kénnten. Sodann haben W. K. Parker und O. THomAs auf Grund ihrer Unter- suchungen tiber das Gebif der Edentaten versucht, denselben eine Bd, XXVII. N. F. XX, 33 514 ¥. Romer, andere systematische Stellung zu geben und sie als Paratheria neben die iibrigen Saugetiere zu stellen, eine Einteilung, die M. Weber (22) in seiner Arbeit tiber das Genus Manis ,,bei dem derzeitigen lickenhaften Zustand unserer Kenntnis vom Ge- bi8 der Edentaten“ als ,,unrichtig oder wenigstens nicht beweis- kraftig hinstellt. In dieser Arbeit hat WreBer durch Untersuchungen an einer Reihe von Embryonen von Manis javanica, tricuspis und longi- caudata manche unrichtige Angaben und Liicken in unserer Kenntnis der Edentaten beseitigt und ausgefiillt. Diese Durch- forschung eines reichlichen Materials behandelt die verschiedensten Organe, von denen wohl die ausftihrlichste Bearbeitung dem Inte- gument zu Teil geworden ist. Denn die Haut der Saugetiere ist ein phylogenetisch héchst wertvolles Organ, weil sie einerseits eine ganz auferordentliche Gabe der Anpassung und Spezialisierung besitzt, andererseits aber vielleicht auch als eins der konser- vativsten Organe bezeichnet werden kann. Und in der Ordnung der Edentaten, die sich ja durch die mannigfachste Kérper- bedeckung auszeichnen (ich erwihne nur Orycteropus, Bradypus, Manis und Dasypus), hat gerade die Haut zur Aufstellung der verschiedenartigsten Ansichten gefiihrt, die vielfach, um An- kniipfungspunkte zu finden, auf Reptilien zuriickgehen zu miissen glaubten. Besonders aber waren es die Schuppen von Manis und Dasypus, iiber die man sich immer nicht einig werden konnte, ob man sie mit den Haaren der Sauzetiere, den Schuppen der Rep- tilien oder mit den Nageln vergleichen sollte. Nach W. K. Par- KER’s Vorschlag sollte man sie sogar fiir Haare halten, die durch eine reichliche Masse von Epidermiszellen zusammengebacken sind ! Diese Frage trat mir zuniichst in den Weg, als ich mir bei dem Durchlesen von Werper’s Arbeit (22), auf die ich durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. KUKkentuat, hin- vewiesen wurde, eine bestimmte Vorstellung von den Verwandt- schaftsverhaltnissen des Genus Manis und Dasypus machen wollte. Mit grofer Freude ergriff ich daher die mir von Herrn Prof. KUKENTHAL dargebotene Gelegenheit, den Bau und die Ent- wickelung der Haut des Genus Dasypus an einer Reihe vorziiglich konservierter Embryonen einer Untersuchung zu unterwerfen, wie dies von WEBER beim Genus Manis geschehen war. Wenn daher die folgenden Untersuchungen ein wenig zur Lésung der bezeich- neten Frage beizutragen imstande sind, so gebiihrt das Verdienst vor allem dem Herrn Prof. Dr. KUKENTHAL, und es sei mir ge- Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 515 stattet, diesem meinem hochverehrten Lehrer fir die Anregung zu dieser Arbeit, sowie fiir die giitige Unterstiitzung und das In- teresse, das mir bei allen meinen Arbeiten in hohem MaBe ent- gegengebracht wurde, besonders aber fiir die liebenswiirdige Uber- lassung des herrlichen Materials auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen und herzlichen Dank auszusprechen ! Il. Historischer Teil. Dem Berichte tiber die zu dieser Arbeit angestellten Unter- suchungen und deren Ergebnissen will ich zunachst in objektiver Weise eine kurze Zusammenfassung der betreffenden Arbeiten friiherer Forscher vorausschicken. Die Beurteilung dieser An- sichten und deren Verwertung fiir die vorliegende Arbeit mégen aber in einem anderen Teile Platz finden. Zum besseren Ver- stindnis der Arbeiten ist es vielleicht notwendig, eine kurze Be- schreibung der Haut eines ausgewachsenen Giirteltieres vorangehen zu lassen. 1. Morphologisches. An dem Panzer von Dasypus novemcinctus L. (D. peba DEsm. Tatu novemcinctus BLUMENB.) kann man, wie bei allen Giirtel- tieren, unterscheiden zwischen dem eigentlichen Panzer und den Girteln. Der eigentliche Panzer besteht aus dem Schulter- und Hiift- oder Kreuzschild und wird gebildet aus Querreihen fiinf- oder sechseckiger Tafeln. Dieselben bestehen aus verknécherten Erhebungen der Cutis, welche von einer stark verhornten Epi- dermis bedeckt sind. Zwischen diese gréferen oder ,,Haupt- schuppen“ schieben sich kleinere, unregelmaBige Schuppen, welche man mit dem Namen ,,Furchungsschuppen“ bezeichnet hat. Die Giirtel, welche der Gruppe den Namen ,,Giirteltiere‘’ verliehen haben, bedecken in wechselnder Anzahl nur den Riicken und die Seiten des Kérpers und unterscheiden sich gerade durch die Reihenordnung der Schilder von dem Schuppenkleide anderer Saugetiere. Sie werden bedeckt von zweierlei Arten von Schuppen, welche sich durch ihre Gréfe erheblich von einander unterschei- den1). Beide sind mehr oder weniger einem gleichschenkligen 1) Es sei hier nur kurz zum besseren Verstandnis der folgenden Arbeiten auf die allgemeinste Form der Schuppen hingewiesen; die Unterschiede bei Dasypus novemcinctus, villosus und setosus sollen an geeigneter Stelle ausfiihrlich besprochen werden. 33* 516 F. Romer, Dreieck zu vergleichen, von denen die gréferen Hauptschuppen mit der Basis, die dazwischen liegenden, kleineren Furchungs- schuppen mit der Spitze schwanzwirts schauen. Die Giirteltiere tragen nur auf der Oberseite einen Panzer; die Unterseite ihres Leibes wird von gréberen oder feineren, borstenartigen Haaren bedeckt, und solche Borsten finden sich auch in der Ein- oder Mehrzahl unter dem hinteren Rand der Schuppen auf den Giirteln. So viel zur vorlaiufigen Orientierung. 2. Die Arbeiten ilterer Autoren. Die Litteratur tiber die Giirteltiere ist nicht sehr reichhaltig; da aber im Verlauf der Arbeit auch noch andere Edentaten in den Kreis der Betrachtungen gezogen werden sollen, werden hier- bei naturgemaf einige Arbeiten eine kurze Beriicksichtigung er- fahren miissen, die sich nicht direkt auf unser Thema beziehen. Die alteren, ohne ausreichende optische Hilfsmittel und geeignetes Material entworfenen Arbeiten beschrinken sich nur auf dufere Beschreibungen, deren Verstandnis in mancher Beziehung viel zu wiinschen tibrig lat. Die alteste mir bekannt gewordene Arbeit, in welcher des Integuments der Edentaten Erwaihnung gethan wird, ist eine Arbeit von 1) Rupotear (1), Uber H ornbildungen, 1815. Derselbe vergleicht die Schuppen von Manis mit den Nageln; es seien die- selben aber keineswegs knochenartig, wie einige Schriftsteller (Linné, TIrEDEMANN) behauptet hatten. Nur bei den Tatus (Dasy- pus) lage eine Knochenmasse unter der Oberhaut. 2) Heusincer (2), System der Histologie, 1822. Von ihm ist das Grundprinzip, ,,die Schuppen der Reptilien sind Cu- tispapillen“ zuerst hervorgehoben worden. Er kniipft daran Be- trachtungen tiber die Schuppengebilde einiger Saugetiere und geht dabei aus ,,von den reinen Epidermoidalschuppen des Biber- und Rattenschwanzes, aus denen die wahren Schuppen und Giirtel all- miahlich hervorgehen“. Die Oberhaut des Biberschwanzes wird durch eine Anzahl von Furchen in sechseckige Stiicke zerschnitten. Dieselben bestehen meist aus einem Paar tibereinander liegender Blatter und sind noch mit ihrem ganzen Rande auf der nur wenig verinderten Lederhaut befestigt. Mehr ausgebildet sind schon die Schuppengebilde auf dem Schwanze mehrerer anderer Nager. Sie bestehen ebenfalls aus tibereinander liegenden Oberhautblatt- chen, von denen aber das oberste auf drei Seiten frei ist und nur an der Basis an das darunter liegende Blittchen und an die Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 517 Lederhaut angewachsen ist. Zwischen den Randern der Schuppen stehen Haare. Den Panzer der Giirteltiere stellt Heustncer mit manchen anderen Schriftstellern zum ,,Horngewebe“, obschon doch die Mit- teilungen DAuBENTON’s den richtigen Platz, welchen diese Bildungen im histologischen System einzunehmen haben, andeuten. Dieser schreibt: ,,Wenn man diese Schale im Feuer verkalken laBt, so lésen sich alle Stiicke von selbst ab, werden klingend und weil. Da ich einige zerbrach, so nahm ich inwendig wahr, da ein Teil von ihnen fest und dicht und der andere fachrig und schwamm- ahnlich war, wie ein Knochen (Stirnbein eines Kaninchens), welchen ich mit hatte verkalken lassen.“ Spater schlof sich BLAINVILLE ') dieser Auffassung an. Obschon nun Heusrncer die Haut der Giirteltiere nicht selbst untersucht hat, zweifelt er an DAuBEN- ToN’s Mitteilungen und glaubt vielmehr, daf diese Teile dem Horngewebe angehérende Absonderungen der Lederhaut sind, denn‘, schreibt er, ,,aus den Schilderungen von Burron und CuvIER ergiebt sich, daf die Schuppen oder Panzer dieser Tiere an manchen Stellen der Haut (namentlich am Bauche) mit ein- zelnen Buckeln anfangen, die doch wohl nur unvollkommen aus- gebildete Schuppen sind, unter denen sich noch eine Lederhaut findet; ist die Lederhaut unter den gréferen Schuppen und Pan- zern wirklich ganz fehlend, so ist sie auf eine ahnliche Art ver- dringt, wie in den Walfischen. Die Giirtel sind offenbar in ihrer Textur den Schalen der Schildkréten und somit den Mollusken ahnlicher, sie weichen mehr von dem Haar und Nagelgebilde ab“. 3) E. p Aron (3), Fossile Panzerfragmente der Edentaten, 1833, giebt in der Einleitung seiner Abhandlung eine kurze Beschreibung und Erklarung des Panzers der Giirtel- tiere, der aus einer innigen Verbindung vieler kleiner Knochen- stiicke besteht, tiber die sich ein diinner Haut- oder hornartiger Uberzug der Oberhaut legt. Den Panzer teilt er in Schulter- und Hiiftschild, zwischen denen die gegeneinander beweglichen Giirtel liegen. p’ALTON versucht, aus mehreren fossilen Panzerstiicken den Panzer der ausgestorbenen Giirteltiere zu konstruieren, und vergleicht denselben mit dem des Dasypus niger, bei dem sich die Epidermis zu den Knochen zum Teil so verhalt, wie bei den 1) Die beiden Arbeiten von Davsenton und Bxainvitte standen mir leider nicht zur Verfiigung; ich entnahm diese Mitteilungen einer spaiteren Arbeit Lrypie’s. 518 F. Romer, Schildkréten der Padd zu den knéchernen Schildern. Es gehen namlich viele Stiicke der Epidermis tiber die Nahte der Knochen hinweg, so dafi die Skulpturen beim schwarzen Giirteltier im wesentlichen iibereinstimmend erscheinen mit denen der fossilen Panzerfragmente. Indem er nun die letzteren mit denen der lebenden Arten zusammenhalt, kommt er zu dem Schlu8, daf sich fiir alle Eigenschaften der ersteren bei diesen die entsprechenden Bildungen finden, nur mit dem Unterschied, daf alle fossilen Stiicke von einem und demselben Tier herriihren, dagegen die Eigenschaften desselben nicht alle in einer lebenden Art beisammen gefunden werden. Da die meisten fossilen Schildchen groBe Ahn- lichkeit mit denen vom schwarzen Dasypus zeigen, so vermutet p’ALTon, daf die Epidermis des Dasypus der Urwelt, wie jene des D. niger, ein von der Einteilung der Knochenschilder ab- weichendes Getifel dargestellt habe und zwischen den Schuppen der Oberhaut starke Haare vorhanden gewesen seien. 4) W. v. Rapp (5), Anatomische Untersuchungen iiber die Edentaten, 1843, weisen auf die eigentiimlichen Bildungen der allgemeinen Bedeckungen der Edentaten hin, wo- von sonst in der Klasse der Séugetiere kein Beispiel angetroffen wiirde. ,,Bei Manis ist die Haut mit hornartigen Schuppen be- deckt, bei Dasypus ist sie mit Ausnahme der unteren Seite des Leibes verknéchert. Die auSere Flaiche der Knochentafeln ist von einem diinnen Matpicui’schen Netz mit der Oberhaut bedeckt. An den nicht verknécherten Stellen hat die Haut borstenartige Haare, auch zwischen den knéchernen Teilen der Haut stehen einzelne kurze Haare. Bei Manis ist die Haut mit grofen, dach- ziegelf6rmig tbereinander liegenden, dicken, hornartigen Schuppen bedeckt, zwischen denen einzelne kurze Haare hervorragen. Bei Myrmecophaga tamandua Cuv. ist der Schwanz, besonders gegen sein Ende hin, mit kleinen, breiten Schuppen bedeckt, wie bei einigen Nage- und Beuteltieren.“ 5) H. Meyer (6 u. 7), Uber den Bau der Haut von Dasypus, 1848 u. 49. Wahrend sich die friiheren Autoren, welche sich mit dem Bau der Haut von Dasypus beschaftigt haben, im ganzen auf déufere Beschreibung derselben beschranken, giebt MryrerR uns zuerst eine Beschreibung der histologischen Struktur. Doch fehlen bei ihm noch Mitteilungen tiber die Ent- wickelung des Panzers, was aber nicht wunderbar erscheint, da Meyer als Material zu seinen Untersuchungen ,,Stiicke von trocken aufbewahrter Haut von Das. novemcinctus” angiebt, Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 519 Nach ihm entspricht der Anordnung der Knochenplattchen, die teilweise zu einem festen Panzer verbunden, teilweise zu gegen- einander beweglichen Giirteln angeordnet sind, eine Umwandlung der Epidermis zu regelmafig angeordneten Hornschuppen. Ent- gegen der Ansicht Rapp’s, da auf der oberen Flache der Knochen- tafein ein diinnes Matprcnur’sches Netz mit der Oberhaut liege, laft Meyer die Knochenplittchen von allen Seiten von der Sub- stanz der Cutis umgeben sein. Jedes Knochenplattchen tragt un- gefahr in seiner Mitte eine ovale, nach hinten zu etwas breitere Schuppe. Die Furchen zwischen den Knochenplattchen werden dann durch kleinere Schiippchen nach einem besonderen System gedeckt, welche Meyer, wie oben schon erwahnt, mit dem Namen ,Furchungsschuppen“ bezeichnet. Jede Schuppe ist napfformig vertieft und liegt mit der vertieften Seite der Haut auf. Von Epidermoidalbildungen erwaihnt Mryrr Haarsicke, welche sich zwischen den Hornschuppen befinden und in Locher der Knochen- plittchen eingesenkt sind. Diese Lécher finden sich an den Knochenplattchen des Panzers an denjenigen Stellen, an welchen die Linien zwischen je zwei Furchungsschuppen an den Rand der Hauptschuppe stofen. Die Haare, welche in diesen Sackchen ent- springen, sind hell, marklos und kurz, meistens treten sie gar nicht auf die Oberfliche der Haut hervor. 6) F. Leypic (10), Uber die auSeren Bedeckungen der Saugetiere, 1859. Wenn auch schon frithere Arbeiten darauf hingewiesen hatten, dafi die Schuppen als Papillarbildungen aufzufassen seien, so gebtihrt doch dem unermiidlichen Forscher Leypie das Verdienst, durch eine Reihe von grundlegenden Ar- beiten diese Vermutungen zu Thatsachen gemacht zu haben. Den Papillen, deren jeder Schuppe eine entspricht, schreibt Lrypia physiologisch die Bedeutung eines Ernahrungsorganes zu, das die Gefafie gewissermafen in die Epidermis hineinfiihrt und dadurch eine raschere und allseitigere Durchsickerung der Haut ermég- licht, als wenn dieselbe von einer durchweg ebenen Lederhaut besorgt wird. Die Schuppen der Manidae vergleicht Lrypia mit den Schuppen mancher Fische, weil die Lederhaut fiir jede Schuppe eine freie Verlangerung oder Matrix bildet; sie sind aber den Fischschuppen darin ganz unahnlich, daf’, wahrend bei diesen die bindegewebige Matrix verkalkt und die eigentliche Substanz der Schuppe erzeugt, hier bei Manis jene, die freien Hautfortsatze iiber- 520 F. Romer, ziehende Epidermisschicht durch Verdickung und Erhartung ,,gleich einem Nagel‘ die Substanz der Schuppe formt. ‘ In betreff der Hautknochen der Giirteltiere verwirft er HEu- SINGER’S Ansicht, der den Panzer zum*Horngewebe stellt und thut DAUBENTON’S Mitteilungen Erwahnung, die mit seinen Beobach- tungen tbereinstimmen. Dagegen widerlegt er Mryer’s Ansicht, der die Knochenplattchen auch oben noch von der Cutis umgeben sein la8t, und beweist an dem Riicken von Dasypus novemcinctus entnommenen Hautstiicken, daf die Epidermisschilder der Knochen- substanz unmittelbar aufliegen. Die Talgdriisen ,,an den sehr ver- einzelt stehenden Haaren‘t sind Lrypia bekannt gewesen, die Schweifdriisen hat er aber nicht gefunden. 7. C. Kersert (19), Uber die Haut der Reptilien und anderer Wirbeltiere, 1877, behandelt in eingehender Weise die Bedeckungen der verschiedenartigsten Wirbeltiere, giebt gute histologische Einzelheiten und sorgfaltige Abbildungen. Zunachst unterwirft er die verschiedenen Schichten der Reptilienhaut, die Epidermis und Cutis, sowie die Entwickelung derselben einer ein- gehenden Untersuchung. Sodann hat er die Entwickelung des In- teguments der Giirteltiere an zwei Embryonen von Das. novem- cinctus untersucht. Seine Beschreibung der Haut des ausge- wachsenen Tieres lehnt sich im wesentlichen an H. Meyer an, Die von Meyer aufgestellte Behauptung, da die Knochenplattchen von Bindegewebe allseitig umgeben sind, kann KERBERT wegen der Unzulanglichkeit seines Materials nicht im Leypre’schen Sinne, der die Epidermisschilder der Knochensubstanz unmittelbar auf- liegen lat, entscheiden. Die Mitteilung MryEr’s itiber das Vor- kommen von Haaren zwischen den Schuppen erganzt KERBERT dahin, daf nicht nur zwischen denselben, sondern auch am hin- teren freien Rande derselben an den Giirteln deutliche Haare wahrzunehmen sind. Die Giirtel erklart Kerperr fiir grofe Haut- falten, die nach dem hinteren Ende des Tieres umgebogen sind. In seiner Abbildung von dem Langsschnitt durch den Girtel eines Embryos von Dasypus novemcinctus zeichnet KERBERT die Epi- dermis nach aufen hin durch eine helle, aus glatten Zellen be- stehende, ununterbrochene Schicht begrenzt, die sich scharf von der darunter liegenden Zellschicht abgrenzt. Er deutet dieselbe als Epitrichialschicht, wie er sie bei Végeln und Reptilien nach- gewiesen hat. Beziiglich der Haare glaubt er, daf sich dieselben zunachst an den Giirteln entwickeln, denn er fand dort bereits wohl ent- Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 521 wickelte Haare mit Talgdriisen, an dem Panzer dagegen nur erst Zellwucherungen der Schleimschicht in die Cutis. Den Panzer selbst halt er fiir eine sekundire Knochenbildung. Am Schlu8 seiner Arbeit erwaihnt Kerperr die Arbeiten GOrTe’s und REISssNER’s, nach denen es nicht mehr zweifelhaft sein soll, da die erste Anlage eines Haares eine wirkliche Papille darstellt. Er schlieSt daraus, dafi es nicht mehr wunderbar sein kann, daf es auch unter den Siugetieren Individuen mit schuppen- artiger Hautbedeckung giebt (Dasypus, Schwanz von Castor). Denn wihrend diese Papillen bei den meisten Saugetieren durch die wuchernde Schleimschicht in die Tiefe der Cutis gedrangt wiirden, um hier Haare zu bilden, so bildeten sie sich dagegen am Schwanze von Castor und bei Dasypus zu schuppenartigen Gebilden aus, auf dieselbe Weise, wie es bei den Reptilienschuppen stattfindet. Im Verlauf meiner Arbeit werde ich noch mehrfach Gelegen~ heit finden, auf diese Arbeit KrerBert’s zuriickzukommen. 8) M. Weper (21), Beitrage zur Anatomie und Ent- wickelung des Genus Manis, 1891. In meiner Einleitung nahm ich bereits mehrfach Gelegenheit, auf diese wichtige Arbeit WeseEr’s hinzuweisen. Ich méchte hier auf den Inhalt derselben noch etwas ausfiihrlicher eingehen, da sie fiir den Vergleich zwischen Giirtel- und Schuppentieren hiaufiger und eingehender wird herangezogen werden miissen. Die Schuppen der Manidae bedecken den Kérper mit Aus- nahme von Bauch, Kehle und Innenfliche der Extremitaten in dachziegelférmigen Reihen von verschiedener Zahl bei den einzel- nen Arten. Sie sind dreieckig oder rhombisch, bald langgestreckt, bald dreispitzig von Form und braun oder gelblich von Farbe. Jede Schuppe sitzt einem dreieckigen oder rhombischen Hautstiicke auf, das sich iiber das Niveau der Haut erhebt und eine sehr in die Breite entwickelte papillare Erhebung bildet. Auf einem Langsschnitt sieht man demgemaf die Lederhaut, entsprechend der Schuppe, zu einer dorso-ventral stark abgeplatteten Papille sich erheben, die in die Schuppe hineinragt und mit der schwanz- warts schauenden Spitze sich tiber das Niveau der Haut erhebt. Die Entwickelung dieser Schuppen untersuchte WEBER an einer Reihe von Embryonen verschiedenen Alters und fand, daf es bei einem 17 cm langen Embryo nur erst zur Entwickelung der oben beschriebenen Papillen gekommen war, daf aber die Bildung der Schuppensubstanz erst anfing, indem die oberste Lage der die Cutis gleichmafig iiberziehenden Epidermis aus verhornten Platt- Bo? F. Romer, chen bestand, in denen teilweise kein Kernrest mehr nachzuweisen war. Kin Embryo von 30 cm Linge wies insofern einen erheb- lichen Fortschritt auf, als es bei ihm bereits zur Bildung eigent- licher, wenn auch kleiner Schuppen gekommen war. Die Papille hatte wenig an Gréfe zugenommen, hingegen zeigte die Epidermis bereits zahlreiche Lagen feinster, verhornter Plattchen, welche nach der Spitze der Papille zu fest aneinander gefiigt waren und somit Anteil am Aufbau der Schuppen genommen hatten. Es geht also aus den Untersuchungen hervor, dafi zunichst eine starke papillare Erhebung der Cutis stattfindet, deren Epidermisiiberzug ganz all- mahlich Anla8 zur Bildung der eigentlichen Hornschuppe giebt. Die Schuppen von Manis sind Hornbildungen der Epidermis, die auf abgeflachten, nach hinten umgebogenen, das Niveau der Haut tiberragenden Papillen der Lederhaut sich bilden. Morpho- logisch schreibt Werper diesen Gebilden die Bedeutung einer Schuppe zu, im Sinne der Schuppen der Reptilien. Von diesen Schuppen unterscheiden sich die Schuppen der Manidae im wesent- lichen uur dadurch, dass der hornige Uberbau seinem _histo- logischen Wesen nach bei beiden verschieden ist, und da der- selbe bei den Reptilien durch die Hautung regelmafig abgeworfen wird, mithin voribergehender Natur ist, wahrend die Horn- schuppen der Manidae bleibende Gebilde sind. Werser sieht die beiden Organe nicht als vollstandig homolog an, meint aber wohl, dafi beide gemeinschaftlichem Boden entstammen, und daf weiterhin die Schuppen der Manidae sich in spezifischer Weise fortgebildet haben und insofern Bildungen sui generis sind, als auf dem Boden einer von den Reptilien her ererbten ‘Bildung (Schuppenpapille) ein, geweblich den Nageln sich anschliefendes Gebilde (Schuppe, Hornschuppe) sich entwickelt hat, eine Kom- bination, der man bei den Reptilien nicht begegnet. Daran knipit WeBrr mit Recht die Frage, ob denn diese Ge- bilde ausschlieBliches Eigentum der Schuppentiere seien, wovon bei anderen Saugetieren nichts zu finden sei; oder aber, ob sich auch anderwarts im Kreise der Saugetiere noch Hautgebilde er- halten hatten, die man auf nicht zu langem Umwege auf Reptilien- schuppen zuriickfiihren kénnte ? Zu dem Ende untersuchte WrBER Saugetiere verschiedener Ordnungen und zwar Anomalurus, Castor, Myrmecophaga, Didelphys, Mus musculus und Mus decumanus, teils Embryonen, teils ausge- wachsene Exemplare, bei denen sich meist am Schwanz eine Schuppenbildung erhalten hat. Er fand, daf bei allen diesen Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 523 Tieren die Hornschuppe ebenfalls einen epidermoidalen Uberzug iiber eine langgestreckte, das Niveau der Haut. tiberragende Cutis- papille bildet. Werser schlieft daraus, da sich von einer Haut- bedeckung, die sich bei den Reptilien, als fiir diese Tiere charakteristisch, in voller Entwickelung befindet, bei den Sauge- tieren noch Reste erhalten haben. Diese Schuppenbildung ist zu- meist noch am Schwanze anzutreffen und in der Regel nur bei solchen Saéugern, deren Schwanz eine Beschrankung in der Be- haarung aufweist. Darin nun, daf die Manidae am ganzen Kérper von diesen Schuppen bedeckt sind, erblickt WEBER einen Beweis, da diese Beschuppung friiher eine allgemeine gewesen sein muf, und es sei vielleicht auf demselben Wege der Panzer der Giirteltiere abzuleiten, vielleicht auch der Panzer der Cetaceen, dessen Be- deutung von KUKeNTHAL (23) zuerst klargelegt worden ist. Die Behaarung der Manidae ist eine sparliche. Unter jeder Schuppe sitzen einzelne borstenartige, marklose Haare von ein- fachem Bau und verhialtnismafig starker Papille. In dem ganz- lichen Fehlen der Talgdriisen an diesen Haaren, sowie in der spaten Entwickelung derselben (bei einem Fétus von 30 cm Lange fanden sich die Haare erst in Form von Epitheleinsenkungen) sieht WeBER eine Riickbildung des Haarkleides, die sich bei der grofen Masse der Haare zunachst darin auferte, dafS die Talgdriisen der Haare nicht mehr zur Entwickelung kamen. Nur in der Anal- gegend blieben die Talgdriisen erhalten und entwickelten sich so- gar in spezifischer Weise weiter. Aus dem spaten embryonalen Auftreten der Haare glaubt Wrser schlieBen zu kénnen, dafs das Haarkleid der Manidae, das stets nur eine diirftige Entwickelung erfahren hatte, noch dazu eine spitere Riickbildung erlitt, die sich zunachst recht auffallig auferte in einem Schwunde der appendiku- laren acinésen Driisen desselben. Beziiglich der Verwandtschaft von Manis mit den iibrigen Edentaten enthalt WrBer sich jedes Schlusses, ebenso wie er auf die Abstammung der Manidae nicht eingeht. Unter den besprochenen Arbeiten haben einige ausfiihrlicher Platz finden miissen, die sich nicht direkt auf unser Thema zu beziehen scheinen. Dies geschah jedoch, um fiir die kritische Be- handlung der Schuppenfrage eine méglichst breite und umfassende Grundlage zu geben. Ich habe aber absichtlich die Untersuchungen 524 F. Romer, der friiheren Autoren moglichst objektiv angefiihrt und habe es vermieden, hier auf die Schliisse, welche jeder Forscher auf seine Untersuchungen aufgebaut hat, einzugehen. Dieselben sollen in einem besonderen kritischen Teil behandelt werden und zwar erst dann, wenn ich eine Reihe von Untersuchungen gegeben habe, die ich an verschiedenen Embryonen der Giirteltiere anstellte. Auch hierbei werde ich mich zundchst jeder SchluSfolgerung enthalten und nur die gefundenen Thatsachen angeben. Ill. Eigene Untersuchungen. In der Sammlung des Herrn Prof. Dr. KUkenrHaL, die mir bereitwilligst zur Verfiigung gestellt wurde, befanden sich folgende Embryonen : 1) Dasypus novemcinctus L.: 9 Embryonen verschie- denen Alters von 5, 6, 7, 11 und 12 cm Nacken-Steiflange. 2) Dasypus villosus Drsm.: 6 Embryonen verschiedenen Alters von 10, 11 und 12 cm Lange. Sodann stand mir zur Verfiigung ein erwachsener Dasypus setosus L. der hiesigen zoologischen Sammlung, in Alkohol kon- serviert, und ein ausgestopfter Dasypus novemcinctus L. Die Embryonen waren alle gut konserviert und eigneten sich auch zum Studium der feinsten histologischen Einzelheiten. 1) Untersuchungen an Dasypus novemcinctus. Es wurden zunadchst einem Embryo von 5 cm Lange zwei Stiick- chen Haut vom Schulterpanzer und Girtel entnommen und Langs- schnitte durch dieselben gemacht. Einen solchen Schnitt, welcher zwei Giirtel ganz getroffen hat, zeigt Fig. 1. Man sieht hier deut- lich, da sich die Lederhaut zu einer mehr oder weniger drei- eckigen, mit ihrer abgerundeten Spitze schwanzwarts schauenden Papille erhebt, welche das Niveau der Haut tiberragt. Eine tberall gleichmafig dicke Epidermis tiberzieht dieselbe und biegt an der Spitze der Papille zu einer tiefen, nach vorn gerichteten Einbuch- tung um, von wo aus sie dann wieder allmahlich zur nachst- folgenden Papille ansteigt. Diese Einbuchtung liegt in Falten zusammengeschlagen unter der Papille, also unter dem oberen Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 525 Teil des Giirtels. Von der Entwickelung eigentlicher Schuppen kann hier noch keine Rede sein, nur die Schuppenpapillen, die einander dachziegelartig tiberdecken, sind ausgebildet. Die Bildung der Schuppensubstanz aber nimmt erst ihren Anfang. Denn be- trachten wir die histologische Struktur der Epidermis mit scharfer Vergréferung etwas eingehender, so sehen wir (Figg. 2 und 3), daf derselben eine Lage ganz feiner, langgestreckter Zellen auf- gelagert ist, welche stark lichtbrechend sind, sich gegen Farbstoff vollkommen indifferent verhalten, keine Spur von Kernrest mehr aufweisen und zuweilen sogar auch ihre Konturen verloren haben. Dieses sind unzweifelhaft verhorute Plattchen, welche den ersten Anfang der Entwickelung der Schuppensubstanz darstellen. Die Verhornung ist jedoch noch nicht iiberall gleichmafig aufgetreten, sondern zumeist nur in der Mitte der Schuppenpapille, wo die Plattchen manchmal in fortlaufender Reihe nebeneinander liegen, manchmal aber auch nur vereinzelt auftreten und noch Zellen mit deutlichen Kernen an der Begrenzung der Oberfliche teilnehmen lassen. An der Spitze der Papille, sowie in der Falte zwischen zwei Papillen, ist von einer eintretenden Verhornung noch nichts zu sehen. Unter den verhornten Plattchen folgt eine Lage stark abgeplatteter Zellen (Fig. 3) mit deutlichen, langlichen oder spindel- formigen Kernen, welche sich noch intensiv gefarbt haben. Darunter liegen zwei bis drei Lagen polygonaler oder kubischer Zellen, welche aber meistens stark abgeflacht sind. Die Kerne haben mannigfache Gestalt, sind teils kugelig, teils linsenférmig, teils langlich-rund. Das Protoplasma dieser Zellen ist fein granuliert, wahrend der Inhalt des Kernes mehr grobkérnig zu sein scheint und oft einen Nucleolus aufweist. Die tiefste Lage der Epidermis hat runde, ovale oder endlich mehr oder weniger schén ausge- pragte Cylinderzellen, welche auf der Cutis aufsitzen und deren runde, manchmal auch ovale Kerne senkrecht zur Oberflaiche stehen. Man kann somit auch hier eine Kinteilung der Epidermis in drei Schichten vornehmen: Stratum corneum, Stratum lucidum und Rete Malpighii; wahrend die Zellen des St. corneum keine Farbung mehr angenommen haben und das Rete Malpighii immer lebhaft gefarbt erscheint, nimmt das Stratum lucidum auch in dieser Beziehung die Mitte zwischen den genannten Zellenlagen ein. Der Epidermisiiberzug ist jedoch nicht auf der ganzen Papille gleichmaSig, sondern zeigt einen erheblichen Unterschied in seiner Dorsal- und Ventralflache insofern, als er auf der Ventralflache, d. h. unterhalb der Papille, wie iiberhaupt in der ganzen Haut- 526 F. Romer, falte erheblich diinner ist, von dort nach der Spitze der Papille allmahlich an Gréfe zunimmt, um an der Umbiegungsstelle sein Maximum zu erreichen (Fig. 2). Von Epidermoidalbildungen sind hier die Haare zu erwahnen. Am erwachsenen Tier findet man an dem hinteren freien Ende jeder Schuppe eines Giirtels ein bis zwei lange, steife Haare, welche ziemlich in der Ebene der Schuppe stehen und mit ihrer Spitze schwanzwarts gerichtet sind. Von diesen Haaren finden wir bei unserem Embryo von 14 cm Linge bereits die Anlagen. Sie bestehen aus Zellwucherungen der Schleimschicht, welche bereits tief in die Cutis eingedrungen sind (Fig. 2). An der Spitze des Haarkeimes hat auch schon eine lebhafte Wucherung der Cutiszellen stattgefunden, die erste Bildung der Haarpapille. AuSerdem finden sich aber noch auf der ganzen Papille zahl- reiche Epitheleinsenkungen, welche ebenfalls als Haaranlagen auf- zufassen sind. Dieselben sind jedoch in der Entwickelung noch nicht so weit vorgeschritten wie die an der Spitze der Papille stehenden Haare. Aus den bisherigen Beobachtungen geht schon zur Geniige hervor, dai zunachst eine papillenartige Erhebung der Lederhaut stattfindet, deren Epidermistiiberzug dann allmahlich anfangt, die spatere Hornschuppe zu bilden. Die Cutis hat einen ausgepragt faserigen Bau (Fig. 2 u. 3); es ordnen sich die Fasern so, da die meisten eine senkrechte Richtung zur Epidermis annehmen. Die Zellkerne sind deutlich rund oder oval. Dicht unter der Epidermis, sowie namentlich am ubteren Rande der Papille liegen sie viel dichter als in der Mitte derselben, so daf die Papille deutlich gegen die darunter liegende Bindegewebs- und Muskelschicht abgesetzt erscheint. Unter dem Papillarkérper zieht ein Strang von derben Bindegewebsfasern, welcher nach der Spitze der Papille zu verliuft und dort bis dicht an die Epidermis herantritt. Unter der Papille verlaufen grofe und starke Biindel von quergestreiften Muskeln. Vergleichen wir diese Schnitte durch die Giirtel mit einem Schnitt, welcher durch den Schulter- oder Halspanzer gelegt wurde (Fig. 5), so sehen wir, daf die Cutispapillen zwar nicht in der Weise entwickelt sind, wie an den Girteln'); immerhin hat 1) Die Papillen bieten sich hier in etwas anderer Form, weil wir hier Querschnitte vor uns haben, d, h. Schnitte, welche senk- recht zur Lingsachse des Korpers gelegt sind. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 527 aber auch hier eine Erhebung der Cutis stattgefunden, welche deutlich eine Schuppenanlage erkennen laft. Die Epidermis ent- spricht genau derjenigen der Giirtel; auch hier ist bereits eine Bildung der Hornsubstanz durch Verhornung der obersten Zellen, in denen keine Kerne mehr nachzuweisen sind, eingetreten. Unter den verhornten Plaittchen zeigt die Epidermis dieselben polygonalen Zellen, sowie die schéne Cylinderzellenlage, wie bei den oben be- schriebenen Schnitten des Giirtels. Zwischen den Papillen hat eine tiefe Einsenkung der Epidermis stattgefunden, die von einer starken Zellwucherung der Cutis umlagert ist. Bei starker Ver- eréBerung zeigt dieselbe auffallende Ahnlichkeit mit den an den Giirteln gefundenen Haaranlagen, nur ist hier die dichte Lage der Cutiszellen in der ganzen Umgebung der Einsenkung auffallig. Eine Papille (Fig. 5) zeigt uns auch 2 Haare im Querschnitt. Dieselben sind mindestens ebenso weit entwickelt, wie die grofen Borsten der Giirtel und es erhellt daraus, da von einer friiheren Entwickelung der Haare an den Giirteln, wie sie KeRBERT gesehen haben will, keine Rede sein kann. Betrachten wir nun die oben geschilderten Verhiltnisse an einem alteren Embryo von 7 cm Lange, wie sie uns die Figuren 7, 10 und 11 darstellen. Auf den ersten Blick sieht man, daf ein erheblicher Fortschritt stattgefunden hat. Die ganze Papille hat an Lange zugenommen. Der Epidermisiiberzug scheint be- deutend dicker zu sein, der Verhornungsprozef ist riistig voran- geschritten, und somit haben die Schuppen schon eine betracht- liche Dicke erhalten. Der Horniiberzug ist nicht tiberall gleich- miifig dick, so ist er namentlich an der Spitze und der Basis der Papille noch sehr gering, ja stellenweise noch kaum wahrzu- nehmen. Auf dem Praparat, welchem die Abbildung 10 ent- nommen ist, hat sich die Haut zwischen den Giirteln durch die Behandlungsweise etwas stark hervorgedriickt, so daf die Ent- fernung zwischen 2 Giirteln hier gréSer erscheint, als es in Wirk- lichkeit der Fall ist. In natiirlicher Lage legt die Falte unter den Giirteln, die sich dachziegelartig bedecken. Im iibrigen ist die Epidermis gerade so, wie die der jiingeren Stadien; zu unterst die typische Cylinderzellenlage, dariiber einige Lagen flacher Zellen mit Kernen, die sich noch intensiv gefarbt haben, und zu oberst die abgeflachten und bereits ver- hornten Zellen ohne jeden Kernrest. Bei scharfer VergréSerung, wie sie uns Fig. 11 zeigt, sieht man, daf die Hornplattchen nach 528 F. Romer, der Spitze der Papille zu fest und dicht aneinander liegen; nach der Basis wird ihre Anordnung lockerer. Auffallend sind in diesem Stadium die grofen Haaranlagen, zunichst die Borsten am Ende einer jeden Schuppe, sodann die zahlreichen Haare mitten in der Papille. Die GréSenzunahme ist eine ganz bedeutende gewesen, auch hat die Bildung der Haar- papille durch Wucherung der Cutiszellen gewonnen. Besonders auffallig aber ist die grofe Driisenanlage, die sich immer nur ein- seitig findet, und zwar an den grofen Haaren an der Spitze der Papille auf der unteren, d. h. auf der der Papillenspitze zugekehrten Seite. Diese Driisenanlage entsteht als eine sekundare Ausstiil- pung der Haaranlage, ist aber von derselben insofern verschieden, als zwischen den Zellkernen beider ein erheblicher Unterschied besteht. Wahrend nimlich die Kerne des breiten Haares mehr oder weniger spindelférmig und mit der Liingsachse gegen die Mitte des Haares gerichtet sind, sind diejenigen der Driisenanlage kreisrund. An der Haaranlage findet sich fernerhin beiderseits eine solide Wuche- rung der duferen Wurzelscheide, die wir als Anlage der Haar- balgdriisen ansprechen miissen, so daf fiir die lange Driisenanlage nur die Deutung einer Schweifdriise tibrig bleibt, eine Vermutung, die durch spitere Stadien bestitigt wird. An dem grofen Haar, der spateren-Borste, macht die Epidermis einen tiefen Einschnitt zum Durchbruch des Haares, wihrend sie iiber die anderen, mitten in der Papille stehenden Haaranlagen meist ohne die geringste Vertiefung hinwegzieht. Die Cutis zeigt aufer der oben bereits erwahnten Verlange- rung der gesamten Papille keine Veranderung. Die Breite der Papille hat eher ab- als zugenommen. Die entsprechenden Verhiltnisse des Schulterpanzers bringt Fig. 7 zur Darstellung. Hierzu ist wenig hinzuzufiigen, da die oben gegebene Schilderung der Epidermis und Haaranlagen der Giirtel auch fiir diese Schnitte pa8t. In schéner Weise kommt hier der Unter- schied zwischen Haar- und Schweifdriisenanlage zu Tage, von der letztere die erstere an Linge weit iibertrifft. Eine scharfe Ab- grenzung der Schuppen hat auch hier noch nicht stattgefunden. In bezug auf den knéchernen Panzer der Giirteltiere mu8 be- merkt werden, daf bei einem Embryo von 5 und 7 cm Lange von einer Anlage des eigentlichen Panzers und der Hautknochen noch nichts zu merken war. Es muf also unsere ndchste Aufgabe sein, beziiglich dieser Verhiltnisse ein alteres Stadium zu studieren und die weitere Entwickelung der Hornschuppe sowie der Haare Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 529 und Schweifidriisen zu verfolgen. Hierzu nahm ich den Altesten mir zu Gebote stehenden Embryo von 12 cm Linge. Schnitte durch denselben, die uns in vollkommenster Weise die gewiinschte Aufklarung geben, sind in Fig. 15 und 16 abgebildet. Beginnen wir auch hier mit der Betrachtung der Epidermis, so kénnen wir an derselben zwei ganz deutlich voneinander getrennte, ungefahr gleich dicke Lagen unterscheiden ; zu oberst eine helle, homogene Schicht, deren Zellen als blattartig aufeinander liegende Plattchen ohne jeglichen Kernrest erscheinen — die wohlentwickelte Schuppe. Darunter eine zweite Schicht, welche gegen die Epidermis der friiheren Stadien keine Verainderung aufweist. Es sind also hier die Zonen der lebenden protoplasmatischen und der nicht mehr lebensfihigen, verhornten Zellen scharf gegeneinander abgegrenzt man unterscheidet sie leicht als das Stratum corneum und das? Stratum Malpighii. In bezug auf ihre Dickenverhaltnisse sind an der Schuppe deutliche Unterschiede wahrnehmbar; gegen Ende der Papille erreicht die Schuppe ihre gréfte Dicke, nach der Basis zu nimmt sie allmahlich ab und geht ohne sonderlich scharfe Grenze in eine diinne, verhornte Gewebsmasse, die sich bis zur Spitze der nachstfolgenden Papille hinzieht, tiber. Auf diese Weise ist die Hautfalte zwischen der Basis einer Papille und der Spitze der niachstfolgenden ebenfalls mit hornigen, aber bedeutend diinneren und lockeren Gewebsmassen iiberdeckt, die ebenso wie die Schuppe durch Verhornung der Epidermis entstanden, aber dennoch weit verschieden von derselben sind. An der Spitze der Papille fallt die Schuppe gegen das dieselbe durchbrechende Haar hin steil ab. Die Haaranlagen haben eine erhebliche Anderung erfahren. War bei einem Embryo von 5 cm Lange ein GrodfSenunterschied zwischen den einzelnen Haaranlagen nicht wahrzunehmen und bei dem Embryo kaum ein Haar beziiglich der eigenen oder der Schweifdriisenanlage zuriickgeblieben, so besteht bei einem Embryo von 12 cm ein so wesentlicher Unterschied zwischen den grofen Haaren an der Spitze der Papille und den tibrigen Haaren, dal wir letztere sofort als in der Entwickelung zuriickgeblieben be- zeichnen miissen. Die grofe Borste ist beziiglich ihrer Einzel- heiten, Haarschaft, Haarbalg, Papille und Talgdriise bereits voll- kommen entwickelt und iiberragt das Niveau der Haut um ein betrachtliches Stiick. Unvergleichlich weniger haben die iibrigen Haare in der Mitte der Papille zugenommen; es hat zwar eine Gréfenzunahme stattgefunden und auch eine Anlage der Talg- Bd. XXVII. N. F. XX, 34 530 F. Romer, driisen und der Haarpapille, jedoch ist der Unterschied ein so gewaltiger, daf wir nicht umhin kénnen, diese Anlagen als rudi- mentir zu bezeichnen. Die Vermutungen tiber die Schweifdriisen- anlage haben sich bestatigt; man sieht auf diesem Stadium (Fig. 15) eine typisch ausgebildete Schweifdriise, wie man sie sich schéner nicht denken kann. Ein langer, unverastelter Ausfiihrungs- gang, der oben dicht unter der Epidermis in den Haarbalg aus- miindet, verlauft gerade oder nur wenig gekrimmt in die Cutis und endigt in einem vielfach gewundenen Knauel. Auf feinere histologische Einzelheiten brauche ich hier nicht weiter einzu- gehen; fiir die vorliegende Arbeit geniigt es, das Vorhandensein derselben nachgewiesen zu haben. Aber auch diese SchweifSdriisen erliegen spaterhin vielfach einer Riickbildung bei der Entstehung des knéchernen Panzers. Daf dieselbe bei einem Embryo von 12 cm schon begonnen hatte, fihlt man, wenn man die kleinen Hautstiickchen dem Embryo mit der Scheere entnimmt. Es muSte daher eine geeignete Entkalkungsmafregel vorgenommen werden, um die Haut schnittfahig zu machen. Nach Fig. 15, auf welcher die Verknécherung an _ yerschie- denen Stellen bereits eingetreten ist, kann es nicht mehr zweifel- haft sein, da’ die Bildung des Knochenpanzers durch eine sekun- dire Verknécherung der Cutis vor sich gegangen ist. Dieselbe kann an mehreren Stellen ganz unabhangig voneinander auftreten. Hernach verschmelzen die einzelnen Stiicke, deren Langsachse mit der Lingsachse der Papille annahernd parallel verlauft, mit- einander zu einem einheitlichen Panzer. Die Verknécherung be- ginnt allemal, wie meine sémtlichen Schnitte zeigen, zwischen den Haaren und Schweifdriisen der Cutispapille, so daf sich dieselben noch eine Zeit lang ungestért weiterentwickeln kénnen. Bei der spateren Verschmelzuug der einzelnen Stiicke bleibt nun vielfach ein kleiner Bezirk um die Haare unverknéchert, so dal der Pan- zer des erwachsenen Tieres zwischen den Knochenplattchen feine Locher aufweist; jedoch nicht iiberall, denn vielfach sind auch die einzelnen Knochenplattchen fest miteinander verschmolzen, die Haare und Schweildriisen sind alsdann von der Verknécherung auseinandergerissen und verdrangt worden. Ein Beispiel daftir liefert Fig. 16, wo der Knochen Haare und SchweiSdriisen in zwei Teile getrennt hat, so daf sich iiber demselben der Rest des Driisenkanals, unter demselben der Rest des Driisenknauels be- findet, welche dann alsbald einer allmahlichen Riickbildung unter- liegen. Schon aus diesen Beobachtungen geht deutlich hervor, Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 531 daf der Knochenpanzer der Giirteltiere eine sekundare Neu- erwerbung ist, die zur teilweisen Rickbildung der Haare und SchweiSdriisen gefihrt hat. Uber die Entwickelung der Schuppen am Schulterpanzer eines Embryo von 12 cm Lange giebt uns Fig. 14 die gewiinschte Aufklirung. Wahrend hier auf einem friiheren Stadium eine scharfe Abgrenzung der Schuppen noch nicht zu sehen war, sind jetzt Haupt- und Furchungsschuppen deutlich erkennbar und durch entsprechende Einsenkung der Epidermis scharf voneinander ge- trennt. Auf jeder Hauptschuppe liegen vier im Querschnitt ge- troffene Haare, wahrend die Furchungsschuppen stets frei von solchen sind. Eine Verknécherung, wie sie an den Giirteln (Fig. 15) zu sehen war, ist hier noch nicht eingetreten, woraus zu zu ersehen ist, daS die Verknécherung zunachst an den Giirteln sich geht. Wenn ich zum Schlusse noch einmal die Ergebnisse der Unter- suchungeu an Das. novemcinctus zusammenfasse, so hat sich er- geben, da’ bei der Entwickelung des Girtelpanzers zunachst eine starke papillare Erhebung der Leder- haut stattfindet, deren Epidermisitiberzug ganz allmahlich Anlaf giebt zur Bildung der eigent- lichen Hornschuppen. Der Knochen entsteht durch eine sekundare Verknécherung der Cutispapillen, welche an verschiedenen Stellen vereinzelt auf- tritt und spater zu einem einheitlichen Panzer verschmilzt. Dadurch werden die in der Mitte der Papille, d. h. zwischen den einzelnen Schuppen, sich anlegenden Haare und Schweifdriisen teilweise verdrangt und unterliegen einer bal- digen Riickbildung. An einigen Stellen ist die Verknécherung nicht vollkommen, und es bleiben feine Locher zum Durchtritt der Haare erhalten. Diese Haaresind aber nur in _frihester Jugend vorhanden und verschwinden mit zunehmendem Alter ebenfalls. 2. Dasypus villosus. Dasypus villosus unterscheidet sich von Dasypus novemcinctus zunichst dadurch, daf’ zwischen Schulter und Hiiftpanzer meist nur 6 oder 7 voneinander getrennte, bewegliche Giirtel entwickelt sind. Vergleicht man zwei etwa gleichalterige Embryonen mit- einander, so mul sofort der gewaltige Unterschied in der Haut 34* 532 F. Romer, der beiden Tiere auffallen. Wahrend Das. novemcinctus eine helle, fast weife, glatte Haut besitzt, an der schon bei oberflachlicher Betrachtung die wohl ausgebildeten Schuppen, die Haupt- und Furchungsschuppen, sowohl an den Girteln, wie am Schulter- und Hiiftpanzer, in die Augen fallen miissen, ist die Haut von Das. villosus schmutzig-grau und runzelig und erst bei genauerer Be- trachtung mit der Lupe kann man die einzelnen Schuppen wahr- nehmen. Sie sind erheblich verschieden von denen des Das. novem- cinctus. Zunachst sind die Schuppen noch nicht scharf von- einander abgegrenzt; in der Mitte liegt wohl die mit ihrer breiten Seite nach dem Schwanze hin gerichtete Hauptschuppe, wenn sie auch nicht so deutlich hervortritt. Aber statt der bei Das. novem- cinctus daneben liegenden einheitlichen, mit der Spitze nach hinten gerichteten, kleinen Furchungsschuppen sieht man_ hier jederseits von der Hauptschuppe vier bis fiinf kleinere Schiippchen, die noch deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Zwischen den selben sieht man kleine dunkle Punkte, die sich bei scharfer Betrach- tung als Durchtrittsstellen der in der Papille stehenden Haare er- geben. Die letzteren sind aber noch nicht allgemein zum Durchbruch gekommen, nur hie und da tiberragt ein Haar das Niveau der Haut. Die vier bis fiinf kleinen Schiippchen zu beiden Seiten der Haupt- schuppe vereinigen sich mit derselben zu gréferen Schuppen, die durch tiefe Furchen voneinander abgegrenzt sind. Unter dem hinteren Rande einer jeden solchen Schuppe schauen mebhrere, manchmal sechs bis acht, Borsten hervor, die sich vor denen eines gleichalterigen Das. novemcinctus an Linge und Zahl aus- zeichnen. Zwischen Dasypus novemcinctus und villosus besteht also ein erheblicher Unterschied erstlich in der Beschuppung, die bei ersterem bereits deutlich ausgebildet und in Haupt- und Furchungsschuppe differenziert ist, wahrend sie bei letzterem noch kaum zu sehen ist, und zweitens in der Behaarung, und zwar insofern, als bei Das. novemcinctus nur an dem hinteren Rande der Schuppe ver- einzelte Haare zum Durchbruch gelangt sind, wahrend sich bei Das. villosus nicht nur hier zahlreiche, sondern auch zwischen den Schuppen einzelne Haare zeigen. Von Das. villosus standen mir sechs Embryonen zur Ver- figung, die aber leider nur einen ganz geringen Gréfen- und Altersunterschied aufwiesen und zwischen 10—12 cm differierten. Gleichwohl glaubte ich dieselben zum Vergleich heranziehen zu miissen. | Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 533 Kinen Einblick in diese Verhaltnisse gewahrt uns ein Liangs- schnitt durch die Giirtel (ig. 12). Hier ist es allerdings schon zur Bildung einer eigentlichen Cutispapille gekommen, die sich iiber das Niveau der Haut erhebt und mit ihrer Spitze schwanz- warts schaut. Jedoch hinter der Papille des Das. novemcinctus, die wir in der Fig. 1 gesehen haben, steht sie an Lange und an Schénheit der Ausbildung bedeutend zuriick. Der Epidermisiiber- zug ist erheblich breiter und weist in seiner ganzen Lange, sowohl auf der Papille als auch in der Hautfalte keinen Unterschied in seiner Dicke auf. Von dem Beginn einer Verhornung ist noch nichts zu sehen, denn die Epidermiszellen sind tiberall gleich- mafig gefairbt und besitzen noch alle Kerne, die allerdings in bezug auf ihre Gréfe und Farbung weniger deutlich hervortreten. Den oben erwihnten Unterschied in der Behaarung zeigt Fig. 12 deutlich. Was zunachst die Borste am hinteren Ende der Papille betrifft, so ist vor allem die Lange und Starke’ derselben zu erwahnen. Sodann sind auch hier die Haare zwischen den Papillen zum Durchbruch gelangt!). Sie sind ebenfalls vollkommen entwickelt und lassen einen Haarbalg, Schaft, Papille und Talg- driisen deutlich erkennen. Hierdurch unterscheiden sie sich er- heblich von den Haaren des Das. novemcinctus, welche sogar bei einem etwas alteren Embryo noch nicht zur Ausbildung eines Haarschaftes gekommen sind (Fig. 15) und eben erst in Begriff stehen, eine Talgdriise anzulegen, deren vollstandige Entwickelung aber an vielen Haaren tiberhaupt nicht mehr erreicht wird, da dieselben inzwischen von der Verknécherung verdrangt werden. Entsprechend den bei Das. villosus noch erkennbaren und deutlich abgegrenzten Schiippchen und den dazwischen stehenden Haaren macht auch die Epidermis zwischen denselben eine tiefe Hin- senkung. Auffallend ist das Fehlen der Schweifdriisen, von denen ich bei Das. villosus nirgendwo auch nur eine Spur gefun- den habe. So grof nun der Unterschied in der Entwickelung der beider- seitigen Haare ist, so grof ist auch die Ubereinstimmung in der Stellung und Zahl derselben. So namentlich am Schulterpanzer, 1) Der in Fig. 12 abgebildete Schnitt hat die die Furchungs- schuppe zusammensetzenden kleineren Schiippchen getroffen, ist aber nicht ganz parallel zu der Hauptschuppe gelegt, so da das 1. und 3. Haar nicht ganz zu sehen ist; letzteres ist sogar nur eben ange- schnitten. Doch wie sich in meiner Serie verfolgen lift, sind hier alle drei Haare zum Durchbruch gelangt. 534 F, Romer, den die Fig. 13 und 14 zur Darstellung bringen. Es liegen bei beiden Tieren jedesmal vier Haare dicht zusammen. Jedoch ist es auch hier bei Das. villosus noch nicht zur Ausbildung eigentlicher Schuppen gekommen; die Epidermis tiberzieht die Cutis wellenférmig, deren einzelne, an Gréfe wenig verschiedene Erhebungen vielleicht der spiteren Schuppe entsprechen kénnen ; die Schuppen selbst aber sind noch nicht ausgebildet. Bei Das. novemcinctus dagegen sind Haupt- und Furchungsschuppen deut- lich voneinander geschieden und von einer dicken Hornschuppe bedeckt. Die vier erwiaihnten Haare liegen jedesmal in der Haupt- schuppe, wogegen die Furchungsschuppen niemals Haare aufzu- weisen haben. Doch auch hier tritt wieder der Uuterschied in der Entwickelung der Haare klar zu Tage: die Haare des Das. novemcinctus sind erheblich kleiner, sie sind rudimentar. Die Entwickelung der Schuppen, sowie den Beginn der Ver- knécherung und das Verhalten der Haare bei derselben konnte ich leider nicht weiter verfolgen, da mir die hierzu noétigen Alteren Stadien von Das. villosus fehlten. Schnitte durch einen 2 cm langeren Embryo ergaben keine Resultate, da die Entwickelung der Schuppen und Haare nicht weiter vorgeschritten war. IV. Kritischer Teil. Durch meine vorstehenden und die friiheren Untersuchungen alterer Autoren scheint mir ein ausreichendes Thatsachenmaterial geliefert worden zu sein, um darauf eine Erklarung von der mor- phologischen und phylogenetischen Bedeutung des Giirteltierpanzers zu begriinden. Fir den wichtigsten Befund halte ich die embryonal ange- legten Haare des Dasypus novemcinctus, die schon allein gentigen, uns eine richtige Vorstellung von den Vorfahren der Giirteltiere zu geben, da wir gezwungen sind, uns dieselben als echte Sdugetiere mit dichtem Haarkleid und wohlent- wickelten SchweifSdrisen vorzustellen. Doch diese letzte Frage soll in einem spiteren Teil erst dann ausfiihrlich behandelt werden, wenn wir unsere Ansicht iiber die morpho- logische Bedeutung der Schuppen auf Grund der vorliegenden Unter- suchungen geaufert haben. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 535 1. Die morphologische Bedeutung der Schuppen. Bei der Beantwortung dieser Frage muf ich mich an M. WeseER anlehnen und sie fiir die Schuppen der Giirteltiere ebenso beantworten, wie WEBER sie fiir die Schuppen der Manidae beant- wortet hat, denen er die morphologische Bedeutung einer Schuppe im Sinne der Schuppen der Reptilien beilegt. Ich verstehe hier- unter mit WEBER eine Papille der Lederhaut, die sich tiber das Niveau der Haut erhebt und von einer Epidermis tberzogen ist, welche die spitere Hornschuppe entstehen lift. Zwischen den Schuppen der Reptilien und Giirteltiere besteht aber ein grof8er Unterschied in der Gestalt und Form der Schuppen. Bei den ersteren sind die Papillen verhaltnismafig klein und etwa einem gleichschenkligen Dreieck zu vergleichen, welches nur mit der Basis aufgewachsen ist, mit dem weitaus gréBeren Teil aber frei nach hinten ragt. Bei Dasypus dagegen stellt ein jeder, den Kérper halbkreisférmig umziehende Giirtel gewissermafen eine einzige groBe Papille dar, die zum weitaus gréSten Teil festge- wachsen ist und nur mit der duSersten Spitze iiber den nachst- folgenden Giirtel hinwegragt. Uber diese groBe Papille zieht die Epidermis gleichmaBig hinweg und entwickelt die harte, hornige Substanz. Der Unterschied zwischen den Schuppen der Reptilien und der Dasypodidae besteht also vor allem darin, da8 bei letz- teren nicht fiir jedeSchuppe eine besondere Papille erhalten bleibt, sondern daf alle Schuppen eines Giirtels einer einzigen, durch Verschmelzung entstandenen Papille aufsitzen. AuSerdem aber unterscheiden sich von solchen Reptilienschuppen die Schuppen der Edentaten noch dadurch, daf der Horniiberzug seinem histolo- gischen Wesen nach bei beiden verschieden ist, und dafi derselbe bei den Reptilien nur voriibergehender Natur ist und periodisch durch die Hautung abgeworfen wird, wahrend er bei den Schuppen- und Giirteltieren ein bleibendes Gebilde darstellt. Man kann die Schuppen der Reptilien and Giirteltiere dennoch immerhin als homo- loge Gebilde ansehen, insofern als sie sich in gleicher Weise entwickeln, muf sich aber wohl hiiten, letztere, so wie sie vor uns liegen, direkt auf Reptilienschuppen zuriickfiihren zu wollen und als etwas von denselben Ererbtes anzusehen. Denn wir haben oben schon ausdriicklich erwahnt, da’ die Dasypodidae von be- haarten Sdugetieren abstammen. Nur das Vermégen der Giirtel- tierhaut, solche Papillen und Schuppen zu entwickeln, ist das von 536 F. Romer, den Reptilien Ererbte'). Solchergestalt ist unsere Meinung tiber die morphologische Bedeutung der Schuppen der Giirteltiere in Ubereinstimmung mit Wesrr’s Erklirung beziiglich der morpholo- gischen Bedeutung der Schuppen der Manidae. Ehe man jedoch hierauf weitere Schliisse auf die Abstammung und Verwandtschaft der beiden Gruppen griindet, wird es besser sein, zunachst die Ansichten, welche die friiheren Autoren tiber das Integument der Giirteltiere geéuSert haben, einer kritischen Betrachtung zu unter- werfen. 2. Die Ansichten friiherer Autoren. Die Arbeiten, welche bisher tiber das Integument der Giirtel- tiere erschienen sind, beschranken sich im grofen und ganzen auf auBere Beschreibungen, was jedoch nicht wunderbar erscheinen wird, wenn man bedenkt, daf die Arbeiten zum Teil in einer Zeit erschienen sind, als der Begriff der Zelle noch kaum begriindet war und die optischen Hilfsmittel auch noch auf einer unvyoll- kommenen Stufe standen. Trotzdem haben sich auf diese Unter- suchungen mannigfache Ansichten und Vorstellungen aufgebaut, die vielfach Anlaf zu voreiligen Verkniipfungen gegeben haben. Abgesehen von Rupotput (1), der erkannt hat, daf der Pan- zer der Giirteltiere aus Knochen besteht, hat wohl Heusincer (2) das Verdienst, sich zuerst eingehender mit den Schuppen in den verschiedenen Gruppen der Siugetiere befaft zu haben. Die gréberen Verhiiltnisse beurteilt er sehr gut, dagegen fehlen histolo- gische Einzelheiten noch vollkommen. Das Grundprinzip _,,die Schuppen der Reptilien sind Cutispapillen“ ist von HEUSINGER zuerst aufgestellt und ausgefiihrt worden. Seine Auffassung der Schuppen am Schwanze verschiedener Sauger (Biber, Ratte), aus denen er als reine Epidermoidalgebilde die wahren Schuppen und Giirtel allmahlich hervorgehen lassen will, ist aber irrtiimlich. Er denkt sich namlich den Biberschwanz durch eine grofe Anzahl epidermoidaler Einsenkungen in sechseckige Hautstiickchen zer- legt, die sich allmahlich immer tiefer einsenken und dadurch zur Entwickelung der wahren Schuppen und Giirtel fiihren. Die wahre 1) Hierbei ist natiirlich nicht an die heutigen Reptilien zu denken, die ja genetisch iiberhaupt nichts mit den Saugetieren zu thun haben, sondern an lingst ausgestorbene Proreptilien, die als die gemeinsamen Vorfahren der heutigen Reptilien und Siugetiere ange- sehen werden. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 537 Ursache fiir die Beschuppung des Biberschwanzes hat er aber nicht erkannt; dieselbe liegt nimlich tiefer. Denn wie WEBER (22) in seinen Untersuchungen an einem jungen Castor canadensis deut- lich bewiesen hat, hat auch hier eine papillire Erhebung der Cutis stattgefunden, und es liegt eine jede sog. Schwanzschuppe auf einer riesigen Lederhautpapille. Noch eigentiimlicher ist Heusincer’s Ansicht tiber die Entstehung des ganzen Panzers der Giirteltiere, obschon dessen knécherne Natur bereits von DAauBEeNTON (p. 517) durch einen Verbrennungsprozef festgestellt und von RupOLPHI in die Litteratur eingefiihrt worden war. HerusincEr erklart den- selben, ohne jemals selbst Untersuchungen dariiber angestellt zu haben, fiir ,dem Horngewebe angehorige Absonderungen der Lederhaut“. Fiir immer beseitigt wurden diese irrtiimlichen Ansichten von vy. Rapp (5) in seinen grundlegenden anatomischen Untersuchungen iiber die Edentaten. Nach Rapp besteht der Panzer der Giirtel- tiere aus zwei Schichten, der verknécherten Lederhaut und den dariiberliegenden hornartigen Epidermoidalschuppen. Waren so- mit die gréberen Verhialtnisse erst richtig erkannt, so konnte man auch an eine Untersuchung der histologischen Einzelheiten heran- treten. Die ersten Mitteilungen dariiber verdanken wir H. Meyer (6), die fiir alle spateren Zeiten ma8gebend geworden sind und deren Exaktheit man um so mehr bewundern muf, wenn man bedenkt, da8 Meyer zu seinen Untersuchungen, wie er selbst angiebt, »stiicke von trocken aufbewahrter Haut des Das. novemcinctus* benutzte. Die Zusammensetzung des Panzers aus Knochenplattchen, die sich an Schulter und Hiifte zu einem festen Panzer, am Riicken zu gegeneinander beweglichen Giirteln anordnen, hat Meyer zu- erst beschrieben. Der Anordnung derselben entsprechen die durch regelmigige Umwandlung der Epidermis entstandenen Hornschuppen. Dieselben lift er jedoch nicht direkt mit den Knochentafeln in Verbindung treten, sondern unterscheidet iiber den letzteren noch eine besondere Schicht der Cutis). Diese Frage, ob die Schuppen den Knochentafeln direkt aufliegen (Leypia), oder ob sich zwischen 1) Er behauptet sogar, dafs die Kmnochenplittchen yon allen Seiten von der Substanz der Cutis umgeben seien, und teilt die Cutis demnach in drei Schichten, als erste Schicht: die Lederhaut iiber den Knochenplattchen, als zweite Schicht: die Knochenplittchen, und als dritte: die Lederhaut unter den Knochenplittchen. Diese Ansicht ist spiterhin yon Lrypie widerlegt worden. 538 F. Romer, dieselben noch eine besondere Schicht der Cutis (MEyER) oder ein MAupicui’sches Netz (v. Rapp) einschiebe, hat in der spateren Litteratur manchen Staub aufgewirbelt, und auch heute sind die Akten dariiber noch nicht geschlossen. Krrsert (18), der, so- weit mir bekannt geworden, sich zuletzt mit der Frage beschaftigt hat, mufte dieselbe wegen der Unzulinglichkeit seines Materials offen lassen und auch mir ist es leider nicht méglich, dieselbe definitiv aus der Welt zu schaffen, denn auch bei meinem Embryo war es noch nicht zur vélligen Verknécherung der Papille ge- kommen. Immerhin méchte ich mich aber an Lrypie, der die Schuppen den Knochentafeln direkt aufliegen la8t, anschliefen. Mryer war auch der Erste, der seine Untersuchungen auf die Haare des Dasypus ausdehnte. So fand er die Lécher fiir die Haarsicke in den Knochenplattchen an derjenigen Stelle, an welcher die Linien zwischen je zwei Furchungsschuppen an den Rand der Hauptschuppe stofen, und diese Locher fand ich eben- falls, wenn auch nicht allgemein, an einem ausgestopften Dasypus novemcinctus der hiesigen zoologischen Sammlung. Man _ sieht also, daf ein kleiner Bezirk der Cutispapille rings um die Haare unverknéchert bleibt. Manchmal jedoch sind die Knochenplattchen fest miteinander verwachsen, so daf von dem urspriinglichen Stand- ort der Haare nichts mehr zu sehen ist. Daf dieselben bereits beim Eintritt der Verknécherung verdrangt und riickgebildet werden kénnen, hat ja die Untersuchung bewiesen (Fig. 15). Entsprechend den Léchern der Knochenplattchen finden sich auch auf den Horn- schuppen, dort, wo Haupt- und Furchungsschuppen aneinander stoen, feine Poren, die Durchtrittsstellen der Haare. Jedoch ist die Zahl derselben bedeutend geringer als die Zahl der Locher in den Knochenplittchen, so daS nicht fiir jedes der letzteren eine Offnung zwischen der Hornschuppe vorhanden ist. Die Haare, die ja ohnehin sehr kurz, hell und marklos sind, treten nur sehr selten, worauf Mryer bereits hinwies, iiber die Oberflaiche der Haut heraus und auch dann nur in der friihesten Jugend. Sonder- barerweise erwahnt Mryrer die unter dem hinteren Rande der Schuppen stehenden Haare mit keinem Wort; unzweifelhaft ist aber anzunehmen, daf ihm dieselben bekannt gewesen sind, da sie immerhin leichter zu finden sind, als die feinen Offnungen in den Knochenplattchen. Er scheint hierauf aber keinen besonderen Wert gelegt zu haben. Diese Untersuchungen Mryer’s fanden dann ihre Bestatigungen und Erganzungen durch den unermiidlichen Forscher Leypie (10), Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 539 der in seinen Arbeiten iiber die Bedeckungen der Sdaugetiere be- sonders zur Lisung der Frage nach der Bedeutung der Schuppen beigetragen hat. Wie oben bereits erwahnt, la8t Leypic die Hornschuppe der Papille unmittelbar aufliegen, eine Ansicht, der wir uns anschliefen méchten‘). Ebenso méchten wir uns beziiglich der Bedeutung der Schuppe an denselben Autor anschliefen, der die Schuppen vom histologi- schen Gesichtspunkte aus mit den Nageln vergleicht, dabei aber betont, da die Schuppen darin gleichen, daf die Lederhaut fiir jede Schuppe eine kolossale Papille bildet. Physiologisch schreibt Leypic der Papille die Bedeutung eines Ernahrungsorganes der Epidermis zu, welches die Gefaife in dieselbe hineinfihrt und da- durch eine raschere und allseitigere Durchsickerung der ernahren- den Fliissigkeit erméglicht, die bei einer gewissen Dicke der Epidermis nur langsamer in die vielen Zellen eindringen kénnte, wenn sie yon der durchweg ebenen Lederhaut besorgt wird. Daher richtet sich auch die Starke des Papillenkérpers nach der Dicke der dariiber liegenden Epidermis, da die Ernahrung eines dicken Oberhautgebildes es notwendig macht, daf in ihrer Substanz viele Ernahrungsherde — und das sind die gefaSfithrenden Papillen — zugegen sind. Da Leypia das Vorhandensein von SchweiSdriisen bei Dasypus novemcinctus in Abrede stellt und nur ,,die machtigen Talgdriisen an den vereinzelt stehenden Haaren‘: beschreibt, so ist zu ver- muten, dafi Leypic, da seine Embryonen noch nicht so weit ent- wickelt waren, um die Schweifdriisen als solche zu erkennen, die ersten Anlagen derselben fiir Talgdriisen gehalten hat. Die Kenntnisse yon dem Integument der Giirteltiere wurden dann noch erweitert von Kersert (19), der Untersuchungen tiber die Entwickelung desselben an zwei allerdings gleichalterigen Em- bryonen von Dasypus novemcinctus angestellt hat. Was zuniichst das AufSere seiner Embryonen betrifft, so scheint KerRBERT tibersehen zu haben, daS es auch Girteltiere mit weniger als neun Giirteln giebt. Denn er deutet zwei hintere seitliche Falten seines Embryos als ,noch nicht vollkommen ausgebildete Giirtel', wozu jedoch zu bemerken ist, dafi diese Falten zeitlebens erhalten bleiben und niemals in der Mitte zu einem vollkommenen Giirtel zusammenwachsen. An einem erwachsenen Giirteltier, mag es nun neun, acht oder gar nur sieben Giirtel haben, ist der letzte 1) Vergl. S. 537, 540 F. Romer, Giirtel stets nur durch zwei seitliche Falten angedeutet und in der Mitte mit dem Hiiftpanzer verwachsen. Auch sind die Schuppen in der Mitte des letzten Giirtels bereits viel runder als an den Seiten und ahneln mehr den Schuppen des Hiiftpanzers. Hier sind ja die Giirtel, die doch nur eine seitliche Bewegung der Wirbel- siiule erméglichen sollen, tiberfliissig, da eine Bewegung des Beckens ausgeschlossen ist. In Bezug auf die histologische Struktur der Haut des aus- gewachsenen Tieres schlieSt Kerpert sich im wesentlichen an Meyer und LeypiG an und erwahnt nur noch, daf auch am hin- teren freien Rande der Hornschuppen an den Giirteln deutliche Haare hervortreten. Seiner Beschreibung der histologischen © Struktur der Epidermis und Cutis, die er noch durch eine gute Abbildung eines Giirtelschnittes erlaiutert hat, muf ich im allge- meinen beistimmen und finde sie auch durch meine Schnitte be- statigt. Jedoch iiber die Auffassung der glatten, kernlosen Zellen in der obersten Schicht der Epidermis scheint er anderer Ansicht gewesen zu sein. Er erblickt in diesen Zellen, ,,welche sich leicht ablésen und an einigen Stellen gar nicht mehr vorhanden sind“, den Rest einer Epitrichialschicht und zeichnet dieselbe in seiner Abbildung als ununterbrochene, die Epidermis gleichmafig tiber- ziehende Schicht, an der man an einigen Stellen noch deutliche Kerne wahrnehmen kann. Wahrend wir also in Ubereinstimmung mit WEBER (22) in diesen glatten, kernlosen Zellen, die sich immer nur in der Mitte der Cutispapille gezeigt haben, die Anlage einer Schuppe, also den ersten Anfang einer Bedeckung zu sehen glau- ben, deutet Kersert dieselbe als Rudiment einer Epitrichialschicht, also als Rest einer im friihesten Embryonalleben vorhanden ge- wesenen Bedeckung, die an einigen Stellen bereits nicht mehr vor- handen ist. Er bezieht sich dabei auf Wrecker (11), der ebenfalls ein Epitrichium bei Dasypus novemcinctus nachgewiesen haben soll. WerELcKER jedoch erblickt nur in den von uns als verhornte Plattchen bezeichneten Zellen ,eine dem Epitrichium analoge Bil- dung“ und sagt ausdriicklich, ,,daf’ ein Epitrichium bei Dasypus novemcinctus nicht vorkommt“. Auch kénnte das Epitrichium in diesem Stadium, wo die Haare bereits tiber die Haut hervor- gebrochen sind, der Epidermis nicht so fest anliegen, wie es auf Kersert’s Abbildung den Anschein hat, es hatte dasselbe ja be- reits von den die Haut durchbrechenden Haaren in die Hohe ge- hoben werden miissen. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 541 Beziiglich der Haare ist Kerpert der Ansicht, daf sich die- selben zuerst an den Giirteln und erst spiter an dem Panzer entwickeln. Ich habe aber einen Unterschied in der GroéSe oder der zeitlichen Entwickelung der Haare nicht finden kénnen, denn wie die Fig. 7 und 10 beweisen, sind dieselben am Giirtel und Schulterpanzer desselben Embryos gleich weit entwickelt. In den Talgdriisen hat KeERBeRT sich ebenso wie Leypia@ geirrt. Er be- zeichnet in seiner Abbildung eine lange einseitige Driise, welche auf der der Papillenspitze zugekehrten Seite des Haares liegt und demselben an Lange fast gleichkommt, als Talgdriise. Wie wir aber oben gesehen haben (Fig. 15), kann es nur eine Schweildriise sein, denn es finden sich ja aufer derselben noch beide, vollstin- dig ausgebildete Talgdriisen. Krrperr scheint keine Schnittserien angefertigt zu haben, er hatte sonst auf den weiteren Schnitten die Talgdriisen finden miissen. Denn nach dem Eintritt der Ver- knécherung zu urteilen, entspricht sein Schnitt einem Embryo von 12—13 cm Lange; es werden also bei demselben die Talgdriisen schon vorhanden gewesen sein. Altere Embryonen, bei denen die Verknécherung schon weiter vorgeschritten war, hat KERBERT auch nicht zur Verfigung gehabt, weshalb er auch, wie an anderer Stelle bereits erwihnt wurde, die Frage, ob die Schuppen den Knochenplattchen unmittelbar aufliegen oder nicht, unbeantwortet lassen mubte. Aus dem ersten Auftreten der Verknécherung in der Cutis- papille schlieBt KerBperr jedoch mit Recht, daf die Bildung der Hautknochen und somit des Panzers der Giirteltiere in derselben Weise vor sich geht, wie bei der sog. sekundaéren Knochenbildung. Am Schlusse seiner Arbeit macht Kerperr dann noch einen wenig gliicklichen Versuch, die schuppenartigen Hautbedeckungen in der Reihe der Saugetiere (Dasypus, Schwanz von Castor u.s. w.) mit den Haaren und Federn zu homologisieren. Er nimmt dabei mit GOrrr, REISSNER, STUDER u. a. an, da die erste Anlage des Haares beim Menschen und allen iibrigen Saiugetieren nicht eine Einsenkung des Rete Malpighii in die Cutis sei, sondern, wie bei den Schuppen und Federn, eine Erhebung der Cutis in die Kpi- dermis, also eine wahre Papille. Denn wahrend diese Papillen bei den meisten Saugetieren durch die wuchernde Schleimschicht in die Tiefe der Cutis gedrangt wiirden, um hier Haare zu bilden, so bildeten sie sich am Schwanz von Castor und beim Dasypus zu schuppenartigen Gebilden aus, auf dieselbe Weise, wie dies bei den Reptilien stattfindet. Es ist dies jedoch eine Auffassung, die 542 F. Romer, ich nicht mit KerBrrt teilen kann. Schuppen und Federn sind homologe Gebilde und entstehen beide aus einer papillaren Er- hebung der Cutis, die Haare aber haben mit denSchuppen als solchen nichts zu thun. Die erste Anlage der Haare ist doch wohl ebenso wie die der Zahne (soweit sie sich als Schutzgebilde in der Haut entwickeln z. B. bei den Selachiern) auf eine EKinsenkung der Epidermis in die Cutis zuriickzufibren, zu welcher die Cutispapille erst sekundair zum Zweck der besseren Ernahrung und Befestigung hinzugetreten ist. Fir eine solche Erklarung fiir die Entstehung der Haare aus einer Kinsenkung der Epidermis in die Cutis spricht auch die reihenfoérmige Anord- nung der Haare, wie sie ja bei allen Sdugern mehr oder weniger deutlich ausgepragt ist. Wenn auch noch grofes Dunkel herrscht beziiglich der Form und des Baues der Haare bei ihrem ersten phylogenetischen Auf- treten, so mu man doch wohl mit W. Haaxke (25) annehmen, da8 das Haarkleid von Reptilien ahnlichen?) Vorfahren erworben wurde in einer Zeit, wo das Klima eine durch kalte Winter und kihle Sommer bedingte, erhebliche und schnell zunehmende Abkihlung erfuhr. Einem solchen Klima konnten nur Tiere mit einem schlecht wirmeleitenden und deshalb warmhaltenden MHaarkleid, dessen Entstehung durch Naturziichtung wahrscheinlich mit der Er- warmung des Blutes Hand in Hand ging, erfolgreich trotzen. Da man sich nun nicht denken kann, dafi erst nach einem Schwund des Schuppenkleides der erste Schritt zur Entwickelung eines Haarkleides gethan wurde, ist man zu der Annahme gezwungen, da die Entstehung der Haare mit dem Schwund der Schuppen gleichzeitig stattfand, und daf die Haare bereits auftraten, als die Schuppen noch vorhanden waren. Die Haare konnten natiirlich die harten und festen Schuppen nicht durchbrechen, sondern konnten sich nur zwischen denselben bezw. unter dem _hinteren freien Rand derselben entwickeln. Zwischen den Schuppen, die durch eine papilliire Erhebung der Cutis entstanden sind, konnte nicht noch eine zweite papillare Erhebung der Cutis stattfinden, und es konnten die Haare nur aus einer Einsenkung der Epidermis, wie sie ja stets zwischen zwei Schuppen zu finden ist, hervorgehen. Auf Querschnitten durch ein beliebiges Stiickchen Reptilienhaut sieht man namlich zwischen den Schuppen stets eine Kinsenkung der Epidermis, ahnlich derjenigen der Haaranlage, deren Seiten 1) Vergl. S. 536 Anmerkung. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 543 um so naher aneinander liegen, je dichter die Schuppen zusammen- stehen. In dieser Epidermiseinsenkung erblicke ich den Ort fiir die Entstehung der Haare, aus welcher die Heare durch eine Ver- hornung der Epithelzellen hervorgegangen sind. Somit waren die Schuppen das Bedingende und regelten die An- ordnung der Haare. Freilich hat es auch nicht gefehlt an Autoren, welche die wirtelférmige Stellung der Haare als das primire ansehen, die die Form der Schuppen bedingt haben soll! Wenn auch hiermit die mir bekannt gewordenen Arbeiten tiber das Integument der Giirteltiere erschépft sind, so méchte ich doch noch auf die Arbeit WrBrr’s (22) iiber das Genus Manis, welche ich bereits im Vorhergehenden des 6fteren anfiihren mute, etwas niher eingehen, zumal ich auch dieser Arbeit die Anregung zur Behandlung des vorliegenden 'Themas verdanke. WeseER hat durch seine Untersuchungen an einer Reihe von Embryonen eine genaue, bis ins einzelne gehende Beschreibung von der Entwickelung des Integuments der Manidae geliefert, mit welcher meine Resultate beziiglich der Entwickelung der Haut der Dasypodidae vollkommen tibereinstimmen. Die Schuppen von Manis und Dasypus sind Hornbildungen der Epidermis, die sich auf abgeflachten, das Niveau der Haut iiberragenden Papillen der Cutis bilden. In der Entwickelung sowie in der histologischen Struktur derselben ist kein Unterschied vorhanden. Bei beiden be- steht die Epidermis in ihrer tiefsten Lage aus schénen Cylinderzellen mit langlichen Kernen, deren Langsachse senkrecht zur Oberflaiche des Kérpers steht. Dariiber lagern Zellen von kubischer oder un- deutlich polygonaler Gestalt mit runden Kernen. Allmahlich gehen diese in abgeflachte Zellen mit immer undeutlicher wer- denden Kernen iiber, denen sich nach aufen diinne, verhornte Plattchen ohne jegliche Spur von Kernen anschlieSfen. Diese Ver- hornung tritt bei beiden Tieren gemeinsam in der Mitte der Pa- pille auf und dehnt sich dann allmahlich nach beiden Seiten hin aus. Die Schuppen legen sich also bei Manis nnd Dasypus in gleicher Weise an. In der spateren Entwickelung tritt dann aber ein erheblicher Unterschied ein, indem bei Manis die Schuppen bedeutend linger und breiter werden und an drei Seiten zum weitaus gréferen Teil voéllig frei bleiben. Bei Dasypus aber stofen die Schuppen mit ihren Seiten hart aneinander, so daf nur der hintere Rand frei bleibt. Dieser Unterschied ist zuriickzufiihren auf die Verschiedenartigkeit der Cutispapillen. Letztere sind nam- lich bei Manis von vornherein linger und iiberragen die nachst- 544 F. Romer, folgenden um eine bedeutendes Stiick, wahrend diejenigen des Dasy- pus an Linge zuriickstehen und nur mit der aufersten Spitze sich tiber die nachstfolgenden dachziegelartig heriiberlegen. So- dann bleibt bei Manis die urspriingliche Form der Papille zeit- lebens erhalten; bei Dasypus dagegen lagern sich die Papillen fest aneinander und verschmelzen beim Eintritt der Verknécherung mit den benachbarten zu einem einheitlichen Giirtel, der dann gewissermagen eine einzige den Kérper halbkreisformig umgebende Papille darstellt. Es ist dies aber nur ein geringer Unterschied, der sich biologisch leicht erklaren lat und auf den verschiedenen Grad der Anpassung zuriickzufitihren ist. Beide Tiere waren ur- spriinglich mit einem Schuppenkleid bedeckt, das einem gemein- schaftlichen Boden entstammt, wie noch heute die gleichartige Anlage desselben zeigt. Dann aber haben sich die Schuppen in spezifischer Weise fortgebildet: bei Manis blieb die Schuppen- natur mehr oder weniger in ihrer urspriinglichen Form erhalten, bei Dasypus dagegen geniigte fiir die angenommene unterirdische, erabende Lebensweise ein einfaches Schuppenkleid nicht mehr, es trat eine sekundéire Verknécherung der Cutis ein, die zur Aus- bildung eines festen Hautpanzers fiihrte. Dieser Neugestaltung mute sich natiirlich auch die Schuppe fiigen und eine dement- sprechende Form annehmen. Trotzdem aber sind beide Schuppen homologe Gebilde, deren morphologische Bedeutung bereits oben (S. 535) ausfiihrlich besprochen wurde. Als erheblicherer Unterschied in dem Integument des Manis und Dasypus sind die Haare zu erwahnen. In der Jugend stehen bei Manis ebenfalls am Aufenrande jeder Schuppe ein bis vier Borsten, die aber im spiteren Leben ebenso wie bei Dasypus abgerieben werden und verschwinden. Jedoch ist die Entwickelung derselben eine auffallend spite. Wrprr fand die- selben bei einem Embryo von 30 cm Lange nur erst in Gestalt eines in die Lederhaut eindringenden Epithelzapfens. Sodann fehlen allen Haaren mit Ausnahme der Tast- und Analhaare die Talgdriisen. Werper schlieft aus diesen beiden Erscheinungen, ,daB das ganze Haarkleid der Manidae, das wohl stets ein diirftiges gewesen sei, eine Riickbildung erlitten habe“. Die Riickbildung des Haarkleides ist jedenfalls eingetreten und zeigt sich zunachst darin, daf die Talgdriisen nicht mehr zur Entwickelung kamen, und in dem spéten Auftreten der Haare. Jedoch ist nicht einzu- sehen, weshalb das Haarkleid der Manidae stets ein diirftiges ge- wesen sein soll. Bei Dasypus sind nicht nur am hinteren Rande Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 545 der Schuppe wie bei Manis, sondern auch noch zwischen den Schuppen zahlreiche Haare vorhanden oder werden wenigstens an- gelegt. Es ist nun wahrscheinlich, da8 auch bei den Manidae, die wir uns doch wohl ebenso wie die Dasypodidae aus Saugetieren mit echtem Haarkleid entstanden denken miissen, in fritherer Zeit, als sich die Schuppenbedeckung beider Tiere noch nicht in so spezifischer Weise fortentwickelt hatte, zwischen den Schuppen zahlreiche Haare gestanden haben. Die Entstehung der fiir die kleinen Schuppentiere auffallend grofen Schuppen kann man sich wohl erklaren aus einer Verschmelzung mehrerer kleiner Schuppen, ebenso wie bei den Dasypodidae samtliche Schuppen zu einem grofen Giirtel verschmelzen. Mit der Verschmelzung jedoch mute eine Riickbildung der Haare Hand in Hand gehen, denn unter den groBen und dicken Schuppen konnten die Haare nicht mehr zum Durchbruch gelangen; sie werden sich noch eine Zeitlang angelegt haben, sind dann aber mehr und mehr rickgebildet worden und allmahlich ganzlich verschwunden, so daf sie heute nur noch am hinteren freien Rande der Schuppe zum Vorschein kommen. Bei Dasypus konnten sich die Haare zwischen den Schuppen noch so lange erhalten, weil hier die Schuppen mit ihren Seiten nur an- einander stofen, aber nicht iibereinander liegen. Bei Manis jedoch greift eine jede Schuppe mit ihren beiden Seiten weit tiber die benachbarte. Die Haare hatten also hier, wenn sie noch an die Oberfliche gelangen wollten, eine Krimmung machen miissen und wiirden dann eine seitliche Richtung eingenommen haben. Mit der Entwickelung der groBen Schuppen, die sich dachziegelartig iibereinander legen, wurde somit dem Haarkleid der Manidae die Entwickelungsméglichkeit abgeschnitten. Die Borsten unter dem hinteren Rande der Schuppen dagegen konnten sich trotzdem noch weiter entwickeln; denn da ihre Richtung und Stellung mit der der Schuppen iibereinstimmte, wurden sie von denselben wenig in ihrer Entwickelung gestért. Immerhin ist aber auch hier, da sie ja doch bei dem viel besser schiitzenden Schuppenkleid tberfliissig geworden sind, eine allmahliche Riickbildung eingetreten, die sich vor allem in dem Schwund der Talgdriisen zeigt. Da8 sich dieselben immer noch anlegen, obwohl] sie véllig zwecklos sind und fir den Wiarmeschutz sicherlich nicht mehr in Betracht kommen kénnen, ist eben nur auf eine ,,konservative Eigenschaft der Haut zuriick- zufiihren. Ein ahnliches Beispiel dazu liefern die Wale. Bei die- sen Riesensiugern finden sich noch einzelne dicke Borsten, die etwa fufweit auseinander stehen und fiir den Warmeschutz keine Bd, XXVIII, N. F. XX. 35 546 F. Romer, Bedeutung mehr haben; denn derselbe ist von einer fiir die Wassertiere viel praktischeren Fettschicht tibernommen worden. Wir sind somit zu dem bereits mehrfach erwahnten Resultat gelangt, dafi die schuppenartigen Bedeckungen der Manidae und Dasypodidae homologe Gebilde und insofern den Schuppen der Reptilien zu vergleichen sind, als sie sich ebenso wie diese auf machtigen papillenartigen Erhebungen der Lederhaut anlegen. Sie sind jedoch nicht so, wie sie vor uns liegen, als etwas von den Reptilien Ererbtes anzusehen, sondern nur das Vermégen der Haut der Edentaten, solche Schuppen zu bilden, ist das von den Repti- lien Ererbte. Beide Gruppen aber, Manis und Dasypus, sind von echten Haartieren abzuleiten und ihre jetzige schuppenartige Kérperbedeckung ist als eine sekundaire Neuerwerbung aufzufassen, die durch Anpassung an die ahnliche, grabende Lebens- weise entstanden ist und sich bei beiden Tieren in specifischer Weise fortgebildet hat. Hierin bin ich anderer Ansicht wie WrsBrEr, welcher die Schuppen der Manidae sowie einiger anderer Saugetiere, z. B. am Schwanz von Anomaluris, Myrmecophaga, Castor, Mus musculus und decumanus, ,,als Reste einer Hautbedeckung‘ auffaBt, ,,die wir noch in voller Entwickelung bei den Reptilien, als fiir diese Tiere charakteristisch, antreffen“. Ich kann dieser Auffassung nicht beistimmen, denn meines Erachtens sind auch dies sekun- dare Anpassungserscheinungen, die von echten Haartieren erworben wurden, weil ihnen dieselben fiir ihre Lebensweise, z. B. fiir den Schwanz als Greif- und Stiitzorgan, vorteilhafter waren als die weniger feste Haarbekleidung. Fiir die Schuppen am Schwanz des Anomalurus scheint Wreper einer ahnlichen Erklarung nicht abhold gewesen zu sein, wenn er die Schuppenbildung am Schwanz dieses Tieres, der zum Klettern als ausgiebigste Stiitze gebraucht wird, als besonders zweckmafige Einrichtung hinstellt. Er halt es aber fiir unwahrscheinlich, da’ dieselben sich ganz neu und ohne ererbte Basis entwickelt haben. Die ererbte Basis ist aber doch in dem wunderbaren Differenzierungsvermégen der Haut, das ja in allen Tiergruppen zu finden ist, gegeben. Die anderen von WeBER angefiihrten Schuppen (Castor, Mus musculus u. s. w.) méchte ich auf denselben Grund zuriickfiihren, mu mich aber einer eingehenden Besprechung enthalten, da ich dieselben nicht selbst untersucht habe. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 547 Immerhin aber berechtigen diese schuppenartigen Bedeckungen in der Reihe der Saugetiere, die sich infolge eines von den Repti- lien her ererbten Vermégens der Haut entwickeln, also gewisser- mafen als ein Riickschlag aufzufassen sind, zu dem Schluf, da8 eine derartige Bedeckung friiher allgemein gewesen ist und den ganzen Koérper, wenigstens die dorsalen Teile desselben, bedeckt hat. Hiermit im Einklang steht ja auch die Ableitung der Sauge- tiere von Reptilien-ahnlichen Vorfahren. Nur darf man dabei nicht vergessen, daf wir hier nicht die Schuppen in ihrer ur- spriinglichen Form vor uns haben, sondern eine sekundire Schuppe, die sich an echten Haartieren, denn das beweisen die embryonalen Haare von Manis und Dasypus, von neuem entwickelt hat und auf eine Anpassung der Haut an die Lebensweise zurick- zufiihren ist. VY. Phylogenetischer Teil. Nachdem ich im Vorhergehenden, auf Grund eigener Unter- suchungen tiber die Entwickelung des Integuments der Giirteltiere an einer Reihe von Embryonen, eine kritische Beleuchtung der friiheren Arbeiten, sowie der darauf gegriindeten Schliisse gegeben habe, ist es wohl angiingig, einige Betrachtungen itiber die phylo- genetische Bedeutung des Panzers, sowie tiber die individuelle Verschiedenheit desselben innerhalb des Genus Dasypus anzu- kniipfen. 1. Verwandtschaft zwischen Manis und Dasypus. Auf die Verwandtschaft von Manis und Dasypus wurde be- reits mehrfach hingedeutet. Wie die Entwickelungsgeschichte zeigt, stammen beide von echten, typischen Haartieren ab, die infolge einer neu angenommenen Lebensweise eine neue Kérper- bedeckung erworben haben. Urspriinglich wird sie aus einfachen kleinen Schuppen bestanden haben, aus denen divergent, in- folge der etwas abweichenden Lebensweise und des mannigfachen Differenzierungsvermégens der Haut, die jetzige verschiedenartige Bedeckung der Schuppen- und Giirteltiere hervorgegangen ist. Beide entstammen also gemeinsamem Boden, haben sich aber dann in specifischer Weise fortent- wickelt. 35 * 548 F, Romer, Wir hatten also in den Manidae und Dasypodidae Tiere zu erblicken, die sekundar ein den Reptilienahnen ahnliches Schuppen- kleid erworben haben. Ein ahnliches Verhalten zeigen die Wale. Denn seitdem KUKENTHAL (23) bei den Zahnwalen Reste von Hautplatten aufge- funden, auf die Bedeutung derselben als Hautpanzer hingewiesen und aus den an der Oberlippe vorkommenden Embryonalhaaren auf das gleichzeitige Vorhandensein eines friiheren Haarkleides geschlossen hatte, unterliegt es keinem Zweifel mehr, daS auch die Wale von panzertragenden Vorfahren abzuleiten sind, die als echte Haartiere den Panzer sekundir erworben haben, um ihn dann spa&ter wieder zu verlieren. Wenn nun auch die Schuppentiere durch das spiarliche und embryonal sehr spat sich entwickelnde Haarkleid weiter von den Vorfahren entfernt zu sein scheinen, als die Giirteltiere, so sind sie doch nicht unbedingt als wesentlich alter anzusehen. Denn wie ich im vorhergehenden Teil bereits ausfiihrlich dargelegt habe, mufte bei den Schuppentieren durch die eigentiimliche, dachziegel- artige Lage der Schuppen sehr bald das Haarkleid einer voll- stindigen Riickbildung unterliegen, wahrend bei den Giirteltieren die Haare nur auf die Begrenzungslinien der aneinanderstoenden Schuppen beschrinkt wurden und hier immer noch zum Durch- bruch gelangen kénnen. Bei den Schuppentieren bildeten sich die Schuppen in spe- cifischer Weise weiter und wurden durch Verschmelzung gréfer und stirker. Den Giirteltieren aber konnte ein einfaches Schuppen- kleid bei der angenommenen unterirdischen Lebensweise nicht ge- niigend Schutz gewahren. Denn durch die standige Beriihrung mit den harten Gegenstanden hatte der Kérper einen gréferen Druck zu ertragen und es bedurfte einer festen Bedeckung, welche diesem Druck widerstehen und von den inneren Organen Ver- letzungen fernhalten konnte. Eine solche Stiitze wurde geschaffen durch eine Verknécherung der Cutis, wie sie ja fiir manche Tiere, namentlich fiir die Reptilien, charakteristisch ist. Diese Ver- knécherung trat zunachst an vielen Stellen vereinzelt auf und fiihrte dann durch Verschmelzung der einzelnen Bezirke an Schulter und Hiifte zu einem einheitlichen Panzer, auf dem Riicken aber und an den Seiten des Kérpers, wo eine freie Be- weglichkeit nicht gehindert werden durfte, zu gegeneinander be- weglichen Giirtehn. Der Panzer entstand also durch eine sekundaére Verknécherung der Cutis, ist so- Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 549 mit eine Neuerwerbung durch Anpassung an das umgebende Medium. 2. Anpassungserscheinungen im Skelett der Girteltiere. Die grabende Lebensweise, auf welche die gewaltige Um- iinderung in der Korperbedeckung zuriickzufiihren ist, konnte natiirlich nach dem Gesetz von der Korrelation der Organe auch auf die iibrigen Skeletteile nicht ohne Einfluf bleiben. Der schwere Panzer erforderte eine geeignete Stiitze und dement- sprechend sind die Rippen der Giirteltiere erheblich starker und breiter geworden, so da8 sie sich fast gegenseitig bertihren. Die vorderste Sternalrippe ist mit der entsprechenden Vertebralrippe zu einem einheitlichen, breiten Knochenstiick verschmolzen. Auch die iibrigen Sternalrippen sind fest verknéchert und artikulieren mit den Vertebralrippen und dem bedeutend verstaérkten Brust- bein. Die Abanderung hat besonders diejenigen Organe betroffen, die von der grabenden Lebensweise in erster Linie in Anspruch genommen wurden, die Extremititen. Humerus und Ulna, sowie Femur und Tibia weisen grofe Starke auf und sind mit scharfen Vorspriingen und Kanten zum Ansatz der kraftigen Grabmuskeln reichlich versehen. In der Fossa subscapulatis hat sich eine sekundare Crista gebildet. Die Fife sind in der trefflichsten Weise an die Grabfunktion angepaBt. Wie bekannt besitzen die Giirteltiere eine grofe Geschicklich- keit, sich in wenigen Minuten selbst in die festeste Erde einzu- graben; ein festgetretener Weg ist ihnen kein Hindernis. Dazu bedarf es natiirlich recht scharfer und starker Zehen, und diese sind vorne wie hinten vorhanden. Die VorderfiiBe, welche in erster Linie die feste Erde aufzuscharren haben, sind besonders kraftig und lang, trotzdem aber schmal und spitz. Der finfte Finger ist vollstandig verloren gegangen, der erste und vierte Finger sind kurz und diinn, der zweite und dritte dagegen um so kriftiger. Beide sind mit breiten Krallen versehen, namentlich der dritte Finger, dessen gekriimmte Nagelphalanx so lang ist, wie die beiden anderen Phalangen zusammen. An den hinteren Extremitaéten, denen die Aufgabe zufallt, die von den vorderen Extremitaten gelockerten Erdmassen nach riick- warts fortzuscharren, sind besonders drei Zehen stark und stehen weit auseinander, um eine méglichst breite Schaufel herzustellen. Die erste und fiinfte Zehe sind auch hier bedeutend reduziert. 550 F. Romer, Wir sehen also somit, welchen gewaltigen Einflu8 die grabende Lebensweise auf das ganze Skelett der Giirteltiere ausgeiibt hat. 3. Individuelle Verschiedenheiten des Panzers bei Dasypus novemcinctus, villosus und setosus. Wir hatten unseren bisherigen Betrachtungen hauptsachlich Das. novemcinctus, an dessen Embryonen ja auch in erster Linie die Untersuchungen iiber die Entwickelung des Panzers angestellt wurden, zu Grunde gelegt. Wir natten an demselben die gewaltige, auf die grabende Lebensweise zuriickzuftihrende Umanderung im Skelett verfolgt und hatten bereits auf die nahe Verwandtschaft mit den Schuppentieren trotz der verschiedenartigen Bedeckungen hingewiesen. Beide Gruppen sind als Zweige einer gemeinsamen Stammform anzusehen. Es bleibt uns nun noch iibrig, unter den verschiedenen Ver- tretern des Genus Dasypus eine Umschau zu halten und die Ver- schiedenheiten in der Bedeckung der einzelnen Species durch phylo- genetische Verkniipfungen zu tiberbriicken. Hierbei kommen vor allem drei Vertreter des Genus Dasypus in Betracht und zwar Das. villosus Desm., Das. setosus Pr. v. Wrep und Das. novem- cinctus L. Die iibrigen Species schliefen sich eng an diese drei Formen an. Beziiglich derselben la8t sich die Frage aufstellen, ob sich die verschiedenen lebenden Giirteltiere bereits alle gleich- weit von der urspriinglichen Stammform entfernt haben, oder ob sich unter denselben noch Formen finden, welche mehr oder weniger zu der gemeinsamen Stammform iiberleiten. In dem dritten Teil meiner Arbeit hatte ich bereits auf den erheblichen Unterschied in dem Panzer des Das. novemcinctus und villosus hingewiesen. Bei einem Embryo des letzteren von 15 cm Lange war es noch nicht zur Bildung eigentlicher Hornschuppen gekommen; Haupt- und Furchungsschuppen waren als solche noch nicht erkennbar und die vier bis fiinf, die letztere zusammensetzenden Schiippchen durch Furchen scharf voneinander getrennt (Fig. 18 und 19). Zwischen je zwei derselben und zwar dort, wo dieselben an die Hauptschuppe stofen, fanden sich wohlentwickelte Haare, die schon fast allgemein (Fig. 15) zum Durchbruch gelangt waren, wenn sie auch hinter den unter dem hinteren Rande der Schuppe stehen- den Haaren an Lange zuriickstanden. Die Verknécherung der Cutispapille aber hatte noch nicht begonnen. Bei Das. novem- cinctus dagegen waren in einem gleichalterigen Stadium die Horn- Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 5D schuppen, sowie Haupt- und Furchungsschuppen bereits vollstindig ausgebildet (Fig. 17) und eine Zusammensetzung der letzteren aus mehreren kleinen Schiippchen nicht mehr erkennbar. Haare waren nur an dem hinteren Rande der Schuppen zum Durchbruch ge- kommen und die Verknécherung bereits eingetreten. Da jedoch auf Schnitten durch die Giirtel desselben Embryos zwischen den Schuppen zahlreiche Haare standen und der Panzer eines er- wachsenen Das. novemcinctus nach Entfernung der Hornschuppen auf der Begrenzungslinie der Haupt- und Furchungsschuppen an einigen Stellen, wenn auch nicht allgemein, noch feine Lécher aufwies, welche genau der Lage der Haarfollikel zwischen den die Furchungsschuppe zusammensetzenden Schiippchen des Das. villosus entsprechen, so ist man genédtigt, auch die Schuppe des Das. novemcinctus auf eine Verschmelzung zahlreicher kleiner Schiippchen zuriickzufihren. Das. villosus 1a8t uns somit die Entstehung der eigentimlichen Form der Hornschuppen des Das. novemcinctus verstehen und leitet, da es bei ihm noch nicht zur Rtickbildung des Haarkleides ge- kommen ist, zu der Stammform, als einem echten Haartier, iiber. Diese gréfere Entfaltung des Haarkleides erhalt sich bei Das. villosus zeitlebens. Im erwachsenen Zustand zeigt er am Panzer und an den Giirteln lange Borsten, wahrend dieselben bei Das. novemcinctus nur in der ersten Jugend zu finden sind und spater sehr bald abgerieben werden und ver- schwinden. Embryonal hat jedoch auch hier das Haarkleid noch dieselbe Entfaltung (Fig. 10 und 16); viele Haare erleiden aber bei der Verknécherung der Cutis eine vollstindige Rickbildung, und dementsprechend sind auch an dem Panzer des erwachsenen Tieres die einzelnen Knochenplattchen fest miteimander ver- schmolzen. Wahrend Dasypus villosus auf einer tie- feren Stufe der Entwickelung stehen geblieben ist, hat Das. novemcinctus durch Specialisierung seines Integuments sich weiter von der Stammform ent- - fernt und zeigt uns nur noch embryonal, was bei Das. villosus zeitlebens erhalten bleibt. Mit der hoheren Ausbildung der grabenden Lebensweise ging bei Das. novemcinctus auch eine Verinderung des Skelettes Hand in Hand. Das zeigt sich besonders in der Ausbildung der Extremititen als Grabbeine. Auch hierin ist Das. villosus Ubergangsform, denn der urspriingliche fiinfzehige Typus der 552 F. Romer, FiiBe ist noch erhalten. Die vorderen Extremitaiten sind plump und breit, und die einzelnen Zehen zeigen wenig Verschieden- heiten; nur die zweite Zehe itibertrifft die anderen an Groéfe nud Starke. Von einer besonders kraftigen Entwickelung der Nagel, wie sie am Das. novemcinctus konstatiert wurde, ist keine Rede. Der dritte Vertreter des Genus Dasypus, Dasypus_ setosus, unterscheidet sich von Das. villosus und novemcinctus sowohl durch seine KérpergréBe, als auch durch die Gréfe und Machtigkeit seiner Schuppen. Der Schulterpanzer setzt sich aus dicken, poly- gonalen Schuppen zusammen, wahrend Giirtel und Hiiftpanzer mit langlichen, 0,8 cm breiten und 1,2—1,8 cm langen Schuppen be- deckt sind. Ihre gréfte Linge erreichen sie auf der Mitte der vordersten Giirtel, um nach hinten zu allmahlich kiirzer zu werden, so da8 auf dem Hiiftpanzer ihre Langsachse die Breitenachse kaum iibertrifft. In ihrer Form unterscheiden sie sich ebenfalls von denen des Das. novemcinctus und nahern sich mehr denen des Das. villosus, mit denen sie auch noch die Zusammensetzung aus einer gréferen, mittleren Hauptschuppe und zahlreichen, diese umgebenden, kleinen Schiippchen gemeinsam haben. Sie alle bilden zusammen eine groBe Schuppe von der Gestalt eines Rechtecks. Die benachbarten Schuppen legen sich jedoch nicht fest aneinander, sondern sind durch einen schmalen, etwas hervortretenden Streifen runzeliger Haut voneinander getrennt. Der Zahl und Anordnung dieser kleinen Schuppen entspricht auch die Zahl und Anordnung der Knochenplattchen, jedoch sind sie miteinander zu einem gréBeren, der grofen Schuppe entsprechenden Plattchen ver- schmolzen. An demselben kann man aber noch deutlich die Um- grenzungslinien der kleinen Plattchen erkennen. Ebenso wie zwi- schen den Schuppen ist auch zwischen den Knochenplattchen eine Schicht knorpeliger Masse eingefiigt, welche eine geringe Be- wegung der Giirtel zulast. Uber die Haare ist noch hinzuzufiigen, daf bei Das. setosus unter dem hinteren Rande jeder Schuppe ein oder zwei steife Borsten von 1 bis 2 cm Lange hervorschauen. Zwischen den Schuppen aber sind keine Haare vorhanden und zwischen den Knochenplattchen auch nichts mehr von ihrem friiheren Standort zu sehen. Es ist also bei Das. setosus, bis auf wenige am hinteren Rande der Schuppe stehende Haare, eine vollstandige Re- duktion des Haarkleides eingetreten. Derselbe hat sich somit von der Stammform noch weiter entfernt als Das. novemcinctus. Wie weit embryonal die Entwickelung des Haar- Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 553 kleides “geht, konnte ich nicht entscheiden, da mir von Das. seto- sus keine Embryonen zur Untersuchung vorlagen. In den Extremititen zeigt Das. setosus in sofern Uberein- stimmung mit Das. villosus als sich der fiinfzehige Typus auch bei ihm noch erhalten hat. Aber die Differenz in der Starke und GréBe der einzelnen Zehen ist erheblicher als bei Das. villosus, denn die drei mittelsten Zehen sind stark entwickelt und tiber- treffen die erste und fiinfte ganz bedeutend. Diese Ubereinstim- mung mit Das. villosus in der Zahl der Zehen und der Form der Schuppen berechtigen zu einem Schlu8 auf phylogenetische Be- ziehungen zwischen Das. villosus und setosus. Das. setosus hat sich einerseits von Das. villosus abgezweigt, wie ich dies anderer- seits fiir Das. novemcinctus nachgewiesen habe. Das. villosus ist die phylogenetisch altere Form, von der Das. novemcinctus sich bereits weiter entfernt hat, da es bei ihm zur Rickbildung einer Zehe ge- kommen ist. Fiir die Verschiedenartigkeit in der Beschuppung des Das. novemcinctus und setosus, sowie fiir die Zusammensetzung der Giirtel aus Knochenplaittchen verschiedener Gestalt méchte ich eine mechanische Erklirung in Anspruch nehmen. Jeder Giirtel 1af%t sich mit einem Gewdlbe vergleichen, das nach dem verschiedenen Grad seiner Kriimmung auch eine ver- schiedene Bauart erforderte. Bei Das. setosus sind die Giirtel sehr flach und haben nur einen geringen Kriimmungsradius; sie sind durch grofe Hautfalten voneinander getrennt und haben durchweg eine horizontale Lage. Die Giirtel des Das. novem- cinctus verhalten sich wesentlich anders, denn ihre unteren Ran- der sind erheblich genahert und iibersteigen damit die Gréfe eines Halbkreises bei weitem. Zudem ist die Haut zwischen den ein- zelnen Giirteln in tiefe, unter dem oberen Rand der Giirtel lie- gende Falten geschlagen, die Giirtel sind dadurch nahe aneinander geriickt und schieben sich dachziegelartig tibereinander, so dah jeder Giirtel von seinem vorderen bis hinteren Rande eine Stei- gung erfahrt. FaSt man beide Rander eines Giirtels als Teile eines Kreises auf, so hat der hintere einen gréferen Radius und Umfang als der vordere und bedarf demnach zu seinem Bau auch einer gréferen Menge Materials. Hierin ist meines Erachtens der Hauptgrund fiir die eigentiimliche Form der Schuppen und Kno- chenplattchen am Giirtel des Das. novemcinctus zu suchen. Jeder Giirtel ist hier in sich verschmolzen und stellt ein einheitliches, 554. F. Rémer, festes Gefiige dar. Wie man nun ein stark gekriimmtes Bogen- gewolbe nicht aus gleichmafig viereckigen Backsteinen erbauen kann, sondern, um eine méglichst grofe Festigkeit zu erzielen, besondere, der jeweiligen Form angepafte Steine dazu verwenden muh, so bedurfte es auch zum Aufbau der stark gekriimmten und festgefiigten Giirtel des Das. novemcinctus besonders geformter Knochenplaittchen und Schuppen. Dieses Bediirfnis wurde erfiillt durch die dreieckige Form der Knochenplattchen, deren breite Seite am hinteren und héher legendem Rande der Giirtel, welche eine gréfere Menge Materials erforderte, gelegen ist. Der am vorderen Rande zwischen den Spitzen der Knochenplattchen ent- standene kleinen Zwischenraum ist nach dem gleichen Prinzip mit umgekehrt liegenden, kleineren Plattchen ausgefiillt. Diese der eigentiimlichen Kriimmung der Giirtel angepaBte Form der Bausteine — und das sind ja die Knochenplattchen — erméglichte eine grofe Festigkeit des ganzen Gebaudes. Bei Das. setosus ist die Konstruktion der Giirtel wesentlich anders; die Kriimmung ist verhaltnismafig gering, und die Kno- chenplattchen eines Giirtels sind nicht miteinander verschmolzen. Dementsprechend ist auch die Bauart eine andere. Wie man nun zum Bau eines flachen Gewélbes mit geringer Kriimmung gleich- mafig geformte Steine verwenden kann und die durch die Kriim- mung bedingten, ungleichen Zwischenriume zwischen den Steinen durch eine mehr oder minder gro’e Menge Moértel ausgleicht, so sind auch die Giirtel des Das. setotus aus gleichmafig viereckigen Knochenplattchen und Schuppen zusammengesetzt und die Zwi- schenraumen zwischen denselben durch eine Schicht knorpeliger Masse ausgefiillt. Es bleibt dadurch eine Beweglichkeit des ein- zelnen Giirtels erhalten, wahrend sie bei Das. novemcinctus, wo die Form der Knochenpliattchen der Kriimmung der Giirtel be- sonders angepaft ist, fest verschmolzen sind. In der Form und der Anordnung der Schuppen zeigt Das. setosus groBe Ubereinstimmung mit Das. villosus, mit dem er auch, wie oben bereits erwahnt, den fiinfzehigen Typus der Ex- tremitaten gemeinsam hat. Wir sind somit berechtigt, Das. villosus als altere, Das. setosus als phylo- genetisch jingere Form anzusehen. Jena, im Mai 1892. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere, 555 VI. Litteraturzerzeichnis. Die im Text hinter den Autorennamen angegebenen Zahlen be- ziehen sich auf die Nummern der betreffenden Arbeit im folgenden Verzeichnis. 1. Rupotrni, K. A., Uber Hornbildungen, Abhandlungen der Koénig]. Akademie der Wissenschaften in Berlin aus den Jahren 1814 —15, Berlin, 1818. 2. Hrustnerr, C. F., System der Histologie. I. Teil: Histo- graphie, II. Teil: Bildungs- und Horngewebe. LEisenach, 1822 u. 23. 3. p Auton, E., Uber fossile Panzerfragmente und die dazu ge- horigen Knocheniiberreste von Edentaten. Physikalische Abhand- lungen, 1833. 4, Raruxs, H., Entwickelungsgeschichte der Natter (Coluber natrix). Kénigsberg, 1839. 5. von Rapp, W., Anatomische Untersuchungen iiber die Eden- taten. Tiibingen, 1843. 6. Meyex, H., Uber den Bau der Haut des Giirteltieres. Archiv fiir Anatomie und Physiologie von Jon. Mtirer, Berlin, 1848. 7. — — Uber den Bau der Haut von Dasypus und der Stacheln von Raja. Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesell- schaft in Ziirich, Bd. 1, 1849, Ziirich. 8. ScoweEnK, Gust., De formatione pennae. Dorpati Livonorum, 1848. 9. Rerssner, E., Beitrige zur Kenntnis der Haare des Men- schen und der Séugetiere. Breslau, 1854. 10. Leyvic, Fr., Uber die auferen Bedeckungen der Siugetiere. Miier’s Archiv fir Anatomie und Physiologie von 1859, Leipzig, 1859. 11. Weucxer, H., Uber die Entwickelung und den Bau der Haut und Haare bei Bradypus. Halle, 1864. 12. Gorrrz, A., Zur Morphologie der Haare. Archiv fiir mikr. Anatomie von Max Scuutrzz, Bd. 4, Bonn 1848. 13. Cartier, O., Vorliufige Mitteilungen iiber den feineren Bau der Epidermis bei den Reptilien. Verhandlungen der Physikal.- medizinischen Gesellschaft in Wiirzburg, Bd. 3, N. F., Wiirzburg, 1872. 556 F. Romer, 14. Canrrer, O., Studien iiber den feineren Bau der Haut der sana Ebendaselbst, 1872. 15. — — Studien iiber den feineren Bau der Haut der Rep- tilien. Ebendaselbst, 1873. 16. Sruper, Ta., Die Entwickelung der Federn. Inaugural- Dissertation, Bern, 1878. 17. Leypie, FR., Uber die ‘duferen Bedeckungen der Reptilien und Amphibien. Archiv fiir mikroskop. Anatomie von M. Scuutrzz, Bd. 9, 1878... 18. — — Uber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Ebendaselbst, Bd. 12, 1876. 19, KeRBERT, Gs Uber die Haut der Reptilieon und anderer Wirbeltiere. Archiv fiir mikroskop. Anatomie, Bd. 13, 1877. 20. Barrett, A., Beitrige zur Kenntnis des Baues der Reptilien- haut. Bend acelbat, Bd. 17, 1880. 21. von JuErine, H., Uber die Fortpflanzung der Giirteltiere. Sitzungsbericht der oniel Akademie der Wissenschaften in Berlin, Bd. 48, 1885. 22. Weper, M., Beitrige zur Anatomie und Entwickelung des Genus Manis. Separat-Abdruck aus ,,Zoologische Erlebnisse einer Reise in Niederlandisch-Ostindien“, Leiden, 1891, E. F Brill. 23. KiixenTHaL, W., Uber Reste eines Henteanmae bei Zahn- walen. Anatomischer Anieigor 5. Jahrg., 1890, Nr. 8. 24. Remce, F., Untersuchungen iiber aie Horngebilde der Sdugetierhaut. Archiv fir mikroskop. Anatomie, Bd. 30, 1887. 25. Ktxenruat, W., Uber die Anpassung von Siugetieren an das Leben im Wasser. Zoologische Jahrbiicher von Sreneren, Bd. 5, Abteilung fiir Systematik. 26. Haaxe, W., Uber die Entstehung des Siugetiers. Biolog. Centralblatt, Bd. 8, Erlangen, 1889. 27. FLowER, W. H., Einleitung in die Osteologie der Séugetiere. Leipzig, 1888. 28. v. Kéutreer, A., Zur Entwickelungsgeschichte der duferen Haut. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 2, 29. Watpryer, W., Atlas der menschlichen und tierischen Haare. Lahr, 1884. 30. Herrwic, O., Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. 3. Aufl., 1890. Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere, 557 VII. Figurenerklirung. Tafel XXIV— XXvV. e = Epidermis, hp = Haarpapille, c = Cutis, sp == Schuppe, h = Haaranlage, k = Verknécherung. s = Schweifdriise, Fig. 1. Langsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von Das. novemcinctus von 5 cm Linge. In den Papillen die Haar- anlagen. Fig, 2. Die Mitte desselben Schnittes, stirker vergréfert. Fig. 3. Ein Stiickchen desselben Schnittes bei sehr starker Vergréferung, um die drei verschiedenen Lagen der Epidermis zu zeigen. Fig. 4. Eine Haaranlage desselben Schnittes bei starker Ver- groferung. Fig. 5. Querschnitt durch ein dem Schulterpanzer entnommenes Hautstiickchen. Fig. 6. Eine Haaranlage des Schulterpanzers stark vergrofert. Fig. 7. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers bei einem Embryo von 6 cm Linge. Haaranlagen mit den dazu ge- hérigen Schweifdriisen. Fig. 8. Eine Haar- und Schweifdriisenanlage stark vergrofert. Fig. 9. Die Anlage der grofen Borste an der Spitze der Pa- pille bei einem Embryo von 6 cm Linge. Fig. 10. Dasselbe bei einem Embryo von 7 cm Linge. Fig, 11. Langsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von Das. novemcinctus von 7 cm Linge. MHaar- und Schweifdriisen- anlage. Fig. 12. Lingsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von Das. villosus von 10 cm Linge. Fig. 18. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers des- selben Embryos. 55S F. Rémer, Uber Bau u. Entwickelung des Panzers d. Giirteltiere. Fig. 14. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers eines Embryos von Das. noveme. von 12 cm Linge. Fig. 15. Liangsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von Das. novemcinctus von 12 cm Linge. LEintritt der Verknécherung. Fig. 16. Ein Stiickchen desselben Stadiums stark vergrdéfert. Fig. 17. Die Schuppen eines Embryos von Das. noveme. von 12 cm Linge, 2 mal vergrofert. Fig. 18. Die Schuppen eines Embryos von Das. villosus von 12 cm Linge. 2mal vergrdfert. Plankton- Composition. Vorlaufige Mittheilung von Ernst Haeckel. (Vorgetrageu in der Sitzung der Medizinisch-naturwissenschaftl. Gesellschaft zu Jena am 25. November 1892.) Im Herbst 1891 erhielt ich durch die Giite des Herrn A. _ Poppe (in Vegesack bei Bremen) eine héchst werthvolle Sammlung von oceanischem Plankton. Dieselbe umfasst nicht weniger als 532 verschiedene Fange, welche von Herrn Capitain J. Hen- DORFF (aus Bremen) auf dem Segelschiffe ,. Werner“ im Ver- laufe von sechs Jahren (vom Mai 1883 bis August 1889) ge- sammelt wurden. Der grésste Theil der Sammlung, die mir Herr Poppe in liberalster Weise zur Untersuchung anvertraute, befand sich in vortrefilichem Zustande, so dass eine befriedigende quali- tative und quantitative Analyse derselben innerhalb der mir er- wiinschten Grenzen durchzufiihren war. Nach Ausscheidung einer Anzahl von Glasern, welche entweder eine zu geringe Menge Plankton oder nur einzelne isolirte gréssere pelagische Thiere ent- hielten, blieben 404 Glaser zur Analyse tibrig. Davon kommen 210 auf den Atlantischen Ocean (128 auf die nérdliche, 82 auf die siidliche Halfte), 182 auf den Indischen Ocean (38 auf die nordliche, 144 auf die stidliche Hemisphire) und 12 auf den siid- dstlichen Teil des Pacifischen Oceans. Die Methode der Plankton-Analyse, welche ich bei Un- tersuchung dieses reichhaltigen Materials durchfiihrte, bestand in der Schitzung der verschiedenen Bestandtheile nach Zehntheilen und Procenten des Volumens. Diese Methode ist nicht 560 Ernst Haeckel, »exact“ und erscheint zunachst vielleicht wenig zuverlassig. Wenn man aber (— wie ich —) seit achtunddreissig Jahren mehrere Tausend von Plankton-Fangen untersucht hat, erlangt man durch Ubung eine solche Fertigkeit in der Volum-Schitzung, dass die unvermeidlichen Fehler dieser ,,Wahrscheinlichkeits - Rechnung“ fiir den von mir verfolgten Zweck ihre Bedeutung verlieren. Dieser Zweck aber bestand fiir mich vor allem in der Entscheidung der schwebenden Frage, ob das Plankton im Ocean gleichmiassig oder ungleichmissig vertheilt und zusammengesetzt ist. Nach meiner Uberzeugung ist die Masse und Zusammensetzung des Plankton eine sehr variable und oscillante Grésse, abhaingig von den Ver- schiedenheiten der localen, temporalen, klimatischen und corren- tischen Verhaltnisse. Nach der Ansicht von Victor HENsEN hin- gegen und der von ihm geleiteten Kieler Schule ist die Vertheilung und Zusammensetzung des Plankton im Ocean héchst gleichmassig und bestaindig. Nun wenn Letzteres der Fall ist, hat die von HENSEN vorgeschlagene und durchgefiihrte Methode der ,Individuen- ZLahlung (— die ,,oceanische Populations-Statistik“’ —) einigen Werth; sie ist dagegen voéllig verfehlt und werthlos (— ja sogar irrefiihrend! —-), wenn meine Ansicht richtig ist. Vergl. dariiber meine ,,Plankton-Studien“ (1890). Zur Entscheidung dieser wichtigen Hauptfragen ist die ver- gleichende Analyse einer sehr grossen Zahl von Plankton- Fangen aus den verschiedensten Theilen des Oceans, wie sie mir HENpDoRFF’s Sammlung lieferte, von héchstem Werthe. Es geniigt dabei zunichst vier Hauptformen des Plankton zu unter- scheiden: monotones, praevalentes, polymiktes und pantomiktes Plankton. In jeder dieser vier Hauptformen kann dann weiter- hin eine Anzahl von Unterarten unterschieden werden, je nachdem die héchst mannichfaltige Zusammensetzung des Plankton durch die wechselnde Betheiligung der einzelnen pelagischen Thierformen und Formen-Gruppen abgedindert wird. Unter den 404 Plankton- Fangen der HenporFr’schen Sammlung gehéren 152 zum mono- tonen, 178 zum praevalenten, 53 zum polymikten und 21 zum pantomikten Plankton. (Vergl. die nachstehende Tabelle.) I. Monotones Plankton. 152 Fange. Der weitaus grosste Theil des Plankton — mindestens neun Zehntel des ganzen Volumen — ist aus Massen einer einzigen Form oder Formen- gruppe gebildet; das monotone Plankton ist uniform, wenn Plankton-Composition. 561 nur eine einzige Species, pluriform, wenn mehrere Species die Masse zusammensetzen. Unter den 152 monotonen Plankton- Fiingen finden sich 57 Falle von Copepoden (36 uniform und 21 pluriform); 34 Crustaceen (verschiedener Ordnungen); 21 Radio- larien (meist pluriforme Polycyttarien); 9 Oscillatorien (meist uni- form Trichodesmium), 8 Cnidarien (gewohnlich mehr Siphonophoren als Medusen), 5 Schizopoden (uniform), 5 Diatomeen (pluriform), 4 Salpen (uniform), 3 Sagitten (uniform), 2 Astrolarven (verschie- schiedene Formen von Echinodermen-Larven). Nur je einmal wurde das monotone Plankton von folgenden Formen gebildet: 1 Halo- sphaera (uniform), 1 Pteropoden (pluriform), 1 Copelaten (mehrere Arten von Appendicarien und Vexillarien), 1 Amphipoden (uniform). Beispiel (in Volumen-Procenten): Monotones Copepoden- Plankton (uniform) aus dem Nord-Atlantik: Copepoda (eine Calanus-Art) 92 Pct., Sagitta 4 Pct., Radiolaria 3 Pct., Mikroplankton 1 Pet. (Unter Mikroplankton verstehe ich jenen bunt gemischten pulverformigen Rest [oder ,,Bodensatz“|, der in den meisten Plank- tonglisern nach Entleerung der griéberen Massen iibrig bleibt und aus sehr verschiedenartigen kleinen Organismen, hauptsachlich Protisten besteht [Diatomeen, Globigerinen, Tintinnoiden, pela- gische Larven von Wirmern und Echinodermen, Fischeier etc. ].) Anderes Beispiel: Monotones Radiolarien-Plankton (pluriform) aus dem Indischen Ozean: Radiolarien 90 Pct. (Polycyttaria 71, Acantharia 12, Phaeodaria 7), Copepoda 4 Pct., Sagitta 3 Pct., Globigerina 2 Pct., Mikroplankton 1 Pet. II. Priivalentes Plankton. 178 Fange. Die griéssere Halfte des ganzen Volumen, mindestens die volle Halfte (— aber weniger als neun Zehntel! —), ist aus Massen einer ein- zigen Form oder Formengruppe gebildet; auch beim pravalenten Plankton kann, wie beim monotonen, die uniforme Zusammen- setzung (eine einzige Species der tiberwiegenden Gruppe) und die pluriforme (mehrere Species) unterschieden werden. Multi- form nenne ich das pravalente Plankton dann, wenn mindestens 10 verschiedene Genera und 50 Species sich an der Composition betheiligen. Unter den 178 pravalenten Plankton-Fangen der Collection HENporFrF finden sich 53 Radiolarien (pluriform), 48 Crustaceen (sehr gemischt), 17 Sagitten (uniform), 12 Salpen (meist uniform), 12 Cnidarien (meist gemischt aus Siphonophoren, Me- dusen und Ctenophoren), 11 Oscillatorien (Trichodesmium, uni- Bd, XXVII, N. F. XX. 36 562 Ernst Haeckel, Tabelle tiber die generelle Plankton- Hauptformen des | "tcopich | ‘epiech | Ektropiach (1—14 monoton, Ostlich |Westlich} Ostlich |Westlich) Ostlich |Westlich 15—31 privalent) v. 30° | 'v.'30° |) v. 30°) v.'30° 1 vw 30% | y2302 We Tey) We Bey | Wee) We Gog ae LL. 4) Wi 1. Monot. Copepoda . 5 2 | 6 8 ee a) 2. Monot. Crustacea 5 1 10 1 — 1 3. Monot. Radiolaria . 2 1 3 i _ 1 4. Monot. Oscillatoria . _ = 2th aa = ie 5. Monot. Cnidaria le 2 1 1 1 -- 6. Monot. Schizopoda . 1 | on ais @4) = 2 7. Monot. Diatomea splotieys ma — Le Pe 8. Monot. Salpa . 1 1 ey uy ty 1 9. Monot. Sagitta . . Se ee pl ws La 10. Monot. Astrolarvae . sa —- | — ra ES #4 11—14. Monot. Diversa | 1a‘) | 1b1) | let) | — st os 15. Priv. Radiolaria. . 4 4 5 4 il 1 16. Priv. Crustacea. . 6 1 14 4 4 2 17. Priv. Sagitta .. °. = —_ 2 1 2 -— 18. Priv. Salpa 4 aa 2 1 | Ef 19. Priv. Cnidaria 2 1 38 2 be ae 20. Priv. Oscillatoria . Biel WI — 4 -- 1 21. Priv. Copepoda. . | 1 | — 2 1 1 = 22. Priv. Siphonophorae 2 — 1 = — — 23. Prav. Diatomea . hid gl _ = = a 24—31. Priv. Diversa . le) | — 15 ig1)| °—"'" |. th*) "(ae 32. Polymiktes. . . . | 6 ae ttn be 2 1 33. Pantomiktes — | 2 5 ea 1 al Summa local. | 42 | 22 65. o| 88k, 20eu\ tama 1) a. Monotones Halosphaera-Pl. — b. Monotones Pteropoden-Pl. — Fisch-P]. — f. Privalentes Fisch-Eier-Pl. — g. Privalentes Globigerinen-P]. — k. Privalentes Noctiluken-P]. — m. Priivalentes Copelaten-Pl. — n. Priivalentes on > We Plankton-Composition. Composition der Collection Hendorff. Indisch. Ocean | Indisch. Ocean | Pacific. Composition der pra- Ektropisch Tropisch Ocean | valenten Formenmasse Ri cetfich MObtlich jeu Fal sense eR oly iene cn ae eae vy 80° | vy. 80° Siidlich N drdlich Siidéstl. | mehreren (pluriform) oder 6.L. | 6. E. | Aea| ¥- Aea Teil | vielen Arten (multiform) 9 3 3 4 1 57 | Copepoda meist uniform 5 1 5 4 1 34 Crustacea | pluriform fi = 5 1 — | 21 | Radiolaria | pluriform — — | 8 1 — | 9 | Oscillator. | meist uniform aod = 2 _ -- 8 | Cnidaria | meist pluriform 1 1 == = _ 5 Schizopoda) uniform = = 4 1 — 5 | Diatomea multiform 1 o — —- | = 4 | Salpa uniform 1 az: 1 ee 1 3 | Sagitta uniform — — 2 = oan — 2 | Astrolarv. | pluriform as ia 1d 2) ee ais 4 | Diversa — uniform 17 2 5 6 1 53 | Radiolaria | pluriform 4 2 5 6 — 48 | Crustacea | pluriform i | LS | 2 1 17 Sagitta meist uniform BNL St) 15 carga es 1 | 12 | Salpa | meist uniform = LET WAS |e 2 | 12 | Cnidaria | meist multif, — — | 2 | — web 11 Oscillator. | meist uniform 4 a a eae 1 10 Copepoda | meist pluriform 1 1 ae eee NE |e lp Siphonoph.| pluriform _ — 1 | if — |; 2&2 Diatomea | multiform = ied In, In 1)) set nl |S ae | 8 Diversa meist uniform 5 1 Fame ie SA el) 3 53 Diversa multiform -- 1 | De uel os | 21 | Diversa omniform 66 | 13 65 SB hat Domai ARE. al c. Monotones Amphipoden-Pl. — d. Monotones Copelaten-Pl. — e. Pravalentes h. Priavalentes Schizopoden-Pl. i. Pravalentes Daphniden-Pl. (Evadne). — Astrolarven-P]. 36* 564 Ernst Haeckel, form), 10 Copepoden (meist pluriform), 5 Siphonophoren (meist Calyconecten), 2 Diatomeen (multiform). Nur je einmal wurde das pravalente Plankton aus folgenden 8 Gruppen gebildet: 1 junge Fische (uniform), 1 Fischeier, 1 Thalamophoren (meist Globigerinen), 1 Schizopoden (pluriform), 1 Daphniden (Evadne), 1 Noctiluken (uni- form), 1 Copelaten (mehrere Appendicarien-Arten) und 1 Astro- larven (mehrere verschiedene Echinodermen-Larven). Beispiel: Pravalentes Salpen-Plankton aus dem Siidatlantischen Ocean: Salpa (uniform) 83 Pct., Crustacea diversa 8 Pct., Sagitta 4 Pet., Radiolarien 3 Pct., Mikroplankton 2 Pct. Ill. Polymiktes Plankton. 53 Fange. Die Masse des Plankton ist aus vielen verschiedenen Formen oder Formengruppen dergestalt zusammengesetzt, dass keine einzige derselben die Halfte des ganzen Volumen erreicht; héchstens kann eine einzelne Art oder Artengruppe bis zu 49 Procent betragen. Ge- wohnlich ist das polymikte Plankton (im Durchschnitt!) multi- form, und so zusammengesetzt, dass die gréssten Procent-Satze (20—49) verschiedene Crustaceen bilden, und unter diesen iiber- wiegend die Copepoden. ODarauf folgen meistens die Sagitten (15—30 Procent), dann die Salpen (10—40 Procent), die Radio- larien (5—45 Procent) und die Cnidarien (5—49 Procent); in ge- ringeren Quantitaten betheiligen sich meistens an der Composition die iibrigen, oben angefiihrten Gruppen. Selbstverstandlich ist die Zusammensetzung des polymikten Plankton héchst mannich- faltig, um so verschiedenartiger, je mehr verschiedene Arten, Gat- tungen und Familien daran Theil nehmen. Beispiel: Poly- miktes Radiolarien - Plankton aus dem Siid-Indischen Ocean: Radiolaria diversa (multiform) 42 Pct., Crustaceen (pluri- form) 25 Pct., Siphonophoren 17 Pct., Pteropoden 6 Pet., Sagitta 5 Pet., Oscillatoria 4 Pct., Mikroplankton 1 Pet. IV. Pantomiktes Plankton. 21 Fange. Die Masse des Plank- ton ist aus sehr zahlreichen verschiedenen Arten, Familien und Classen iusserst bunt zusammengesetzt, dergestalt, dass selbst eine kleine Probe desselben gewissermaassen ein Miniatur-Bild der generellen Plankton-Composition iiberhaupt dar- stellt; alle oder doch die meisten darin iiberhaupt vorkommenden Formen-Gruppen sind durch eine oder mehrere Arten vertreten; keine iiberwiegt an Volumen die anderen bedeutend. Gewéhulich er- Plankton-Composition. 565 reichen selbst die dominirenden Formen-Gruppen im pantomikten (oder omniformen) Plankton nur ein oder zwei Zehntheile. Ich trenne diese besondere Hauptform des pantomikten (omni- formen) vom polymikten (multiformen) Plankton ab, weil sie eine héchst characteristische und interessante Composition bil- det; sie findet sich nur in den wirmeren Meeren, meistens in der Tropen-Zone. Ks gehéren hierher jene wunderbaren und ausserst formenreichen Plankton-Modificationen, welche ich in meinem Challenger- Report 1887 als ,,Mira-Praiparate“ bezeichnet hatte. Beispiel: Pantomiktes Plankton aus dem 4qua- torialen Atlantik: Crustacea (vieler verschiedener Gattungen und Arten) 19 Pet., Sagitta 17 Pct., Radiolaria (multiform) 16 Pect., Salpa 14 Pct., Siphonophora 12 Pct., Medusae 8 Pet., Alciope 5 Pct., Globigerina 4 Pct., Fischeier 3 Pct., Mikroplankton 2 Pet. Die Vertheilung der 33 verschiedenen, vorstehend aufge- fiihrten Hauptformen des Plankton, wie sie in den 404 Fangen der Henporrr’schen Sammlung vorliegen, erléutert die vorher- gehnde Tabelle. Die eingehende Beschreibung derselben und die Angabe ihrer besonderen Zusammensetzung nach Volumen- Procenten der einzelnen Formen behalte ich einer grésseren Arbeit vor. In dieser werde ich zugleich die Einwinde wider- legen, welche im Laufe der beiden letzten Jahre von HENSEN und seiner Kieler Schule gegen meine Plankton-Studien (1890) erhoben worden sind. Die planktologischen Thatsachen, welche sich aus dem vergleichenden Studium der reichen HEenporrr’schen Sammlung ergeben, liefern eine glainzende Bestatigung meiner An- sichten, und eine volle Widerlegung der Hernsen’schen Theorien. Die Tabellen, in denen ich die héchst mannichfaltige Zu- sammensetzung der 404 Plankton-Fange von Henporrr ziffernmassig darthun werde, diirften an sich schon fiir die Entscheidung der schwebenden Plankton- Fragen einen sehr hohen empirischen Werth besitzen. Sie gewinnen aber noch dadurch eine besondere Bedeutung, dass Herr Capitaén Henporrr tiber seine 532 Plankton- Ziige ein sehr sorgfaltiges und vollstandiges Journal gefiihrt hat. In diesem ausgezeichneten planktologischen Journale ist bei jedem einzelnen Fange nicht allein Zeit und Ort genau ange- geben (Datum und Tageszeit, geographische Lange und Breite), sondern auch die Temperatur von Wasser und Luft, die Beschaffen- heit des Meeres und des Wetters, sowie die besonderen Erschei- nungen, welche diesem ausgezeichneten und gewissenhaften Beob- achter dabei auffielen. 566 Ernst Haeckel, Plankton-Composition. Wenn ich hier schon Herrn Capitain Henporrr fir diese seine wissenschaftlichen Verdienste meinen aufrichtigen Dank ab- statte, so muss ich denselben nicht minder Herrn A. Poppe ent- richten, dem Besitzer dieser héchst werthvollen Pl.-Sammlung. Indem mir derselbe ihre volle Benutzung in liberalster Weise ge- stattete, lieferte er mir die erwiinschten Mittel zur Férderung und partiellen Lésung jener grossen planktologischen Probleme, welche seit 38 Jahren einen Lieblingszweig meiner biologischen Studien bilden, den Grundlagen meiner vor zwei Jahren ver- éffentlichten ,,Plankton-Studien“. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 1066 1 —) 3 Toye or \ 5 \) 4 @ Jenaische Leitsduift, Bd. AXVIE omna Ver] ¥ Gustav Fschep_ J, Rawitz deb, Lith. Anst vA Giltsch dana fy ; s _ 7” y « . - ‘4 - 4 - - ‘ 4 > 1 : a , r p . —— a 7 - ‘ c \ < - ; / “ ; s ¥ 7 ati i 3 = . \L 5 fh - a o < ; : - - ; ‘7 ' , a ’ r 7 — i ) - a . * 1 - ay i LS » = ‘ - : ' 3 Z » , . x a =i oy n - - { 1 i . & f \ . . i = : : -, a ’ i 4 ' a \ 4 ” - Taf, I Jenuische Leischrift Ba. XXVIL. Ro ONS Ht popedt Tea VS : OTT Oy ity, ets Hin . tt a we > = Jenaische Zeitschritt Bd.XXVil. ; Taf- ML. £6. pee eae so I : cee pad. y) \ (a gc a. | / — - : = = ay hulk aS : : a a ri i Lak Wo * Senaische Zeitschrift Ba. XXVI. G84, ee =r 1 Liars “nese Me BaKg eo a ; o— B & L@ ® es i @- @- S ~aesaaTo soe ereh hot a ES fe “ geese a, at ‘ @ AiG" e° © ate @ @HHHs 8 Lith. Anst A Giltsch,dena. Yerl v GustaY Fischer Jens Rawitz del, x = che Zeitschrift, Bd. XXVIL. Tena © a ™ i t —— Vf | , ’ a ae es ? > eee oe D t . ‘ vine ‘ ¢ ' i ' at iy _ ¥ Jenaische Zeitsduift Bd.XXVI. A. = ee —— Ch CT ee _# Cpeneearseee® | 0 . Taf. We md. mad. aH ae fon Mt t 2: n dena Lith Anstw.A Galtsch ferae peteetteeg,. . mM, | | \@ pr Rawitz del. sigontalg tis ere ad Gusta wie, x {Mi} A) Me Tak IX. Se : gts Dag oy be ae NS A Soy S Be ey VaillvGustay Fischer Jena.» ; Lith. Anst.v.A Giltsch Jena. = Jenaische Zeitschrift, Bd. XXVIL == « stv. A.Gilts! Lith, An Fischer Jena. eT ges er chneid “ n u K.f \ ng) i ; & 5 os he > a oe an * = : 7 ’ - , ' “~ - L! + _ 7 ' = 7 2 = ey - : 77 - a = 7 =e a) =. 7 = io a 7 log > cam a > i /_-& 7 : , & ' = ewe i \ . - 7 oo , oO = " ob ——— 7 yy iv ve =— Ap . \ 7 » + ee 7 ce ’ ; y _ | = rie | — an > , - > 7 : 8 : re y 7 - 7 - * , 9 i =. : 7 _ i ——- : a 7 . 7 te 76 iy 7 7 : g as a i ‘ 7 - me , a i - ni ’ - a4 sf o 7 : 7 UP : - os i 6 id = S ’ - =— - a kati’ 7 rs Oe ; 7 = 7 = , 7 ’ - v . 7 , Se - é : ; a _ : : . : 7 nny a 8 _ -P Bre Xe <= 5)))) = — She, SS ees kde, Jenaische Zeitschrift, Ba. XXVIL Giltsch Lith Anst v. A. rs Jena, Very Gustav } Ger vez, ochnei K.C.S ——" a = ‘ | { . - _Senaische Zeitsdaitt, Bd. XXVW. N waaraeecr p schivh-- anes Lith.AnstwA Giltsch. Jena ' ay fi Jenaische Leitscduitt, Ba. XXVI. Mt a i D nh I —-ungehilire Zelleontur \ \ Ton 4 , | ; | i \ AUT 2 ey \\\\\ AG te ey mUbUtgitauaeae COTTE TT — | y A Giltsch, Jena “Y ‘ ; 7 i j d 1 i, | F & ‘ : nai : - m a : “? : * fi = ; hk i 7 ; By va Ry = = 7 Fi ; i | - ' . : ; : ©e ' L) eee 3 y ' | ae, _ j . — ~ \ al > Jenaische Zeitschrift, Bd. XXVIL fe A) “Le -.schivh K.C. Schneider geza, Lith Ansty. A Giltsch, Jens 7 Fay ir 7 A A Jenaische Zeitschrift Bd.XXIT. So ate Anst.v. A Giksch dena ‘SB a ae lay -weie : . ra a . ; ri . : ry i. ; 7 ae A i= ; é S ——— . — : a . | . : 1? ‘ fon = i i + 4 ‘ - ; : é = 1 { r ' 1 ‘ = e . ~ : : i a 1 es = — if : S, ‘ “4 Po 2 eS eS ee st a a ae Lp . Ca 7 = oe “) y ae a ae 4 Jenaische Zeitschrift Bd _XXV1. Taf. XX emusche ZMUSAriYt BANU. S S > SNe, 7 ed_ Le Gustay Fischer ite Ha ins ¥ > £9) 2 > , a> OOS [aistsh feltolfefoedstetlol*sfe SSeceore io a Sater Dz J.Heuscher del. S-UacecocongeoeToos Ver Gustay Fischer, Jena ne, Lapeg ly Gustav Fischer, Jens XNIL Tat. Jenaische Ueitachrift. Ba. XXVIL eS esa eeEnt ee Gusfay Fischer rs 3 = ? a { - Jenaische Zeitschrift Bd XN. je © iy +, {o—wi 26 b--- Se. ®ea - FischerJena 2s aot fot Seg Tath Aneto A LIGLARST VAY it Jenaische Zeitschrift ; dia fiir herausgegeben von der zu Jena. Siebenundzwanzigster Band. Neue Folge, Zwanzigster Band. Mit 8 ithograpyiwcned Tafeln. Preis: 12 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft , ee | 1892. | | VATURWISSENSCHAPT ; Erstes und zweites Heft. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die ae ae ck Ausgegeben am 27, August 1892. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Vorlaufige Anzeige. Ende September wird erscheinen: , Dr. F. v. Tavel, Vergleichende Morphologie der Pilze. TYE) pe wee preydl PPE Wege und Ziele biologischer Forschung. Mit 7 lithographischen Tafeln. Preis: 5 Mark. Dr. Richard Hertwig, o. 6. Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der Universitat Miinchen. Lehrbuch der Zoologie. Mit 568 Abbildungen. Preis broschiert 10 Mark, gebunden 11 Mark. | Dr. med. Albert Oppel, Assistent fiir Histologie an der Anatomischen Anstalt der Universitat Miinchen. Vergleichung des Entwicklungsgrades der Organe zu verschiedenen Entwicklungszeiten bei Wirbeltieren. Preis: 7 Mark, Dr. Richard Semon, a. o. Professor an der Universitat Jena. Studien iiber den Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbelthiere. Dargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis glutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. Preis: 12 Mark. Inhalt. Seite Rawirz, Dr. Bernuarp, Der Mantelrand der Acephalen. Dritter Teil: Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrachtungen. Mite Pala Vi See ee EAE a oe A 1 FRENZEL, Prof. Jowannes, Ueber einige argentinische Gregarinen. Ein Beitrag zur Organisation und Physiologie der Gregarinen GuGreanpl. Wet erento oe OO MESS o) Tet n Re Ein Seitenstiick zu Brehms Tierleben. Soeben erschien der II. (SchluB-) Band von: PFLANZENLEBEN von Prof. Dr..A. Kerner vu. Marilaun. Das Hauptwerk des beriihmten Pflanzenbiologen! Glinzend geschrieben, ausgezeichnet durch hohen innern Gehalt und geschmiickt mit nahezu 1000 originalen Abbildungen im Text und 40 Chromotafeln yon wissenschaftlicher Treue und kiinst- lerischer Vollendung, bildet es eine prachtige Gabe fiir alle Freunde der Pflanzenwelt, ein Hausbuch edelster Art, das in der populirwissenschaftlichen Litteratur ohnegleichen dasteht, Preis in 2 Halbfranzbiinden gebunden 32 Mark. Prospekte gratis durch alle Buchhandlungen. Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig. Tia mein. Natural. geg. 30 Pf. in Madagascar! deutsch. Briefm., w. bei Bestellg. elnrechne. F. Sikora, Naturaliste, Annanarivo, Madagascar, via Marseille. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Dr, Robert Wiedersheim, 0. 6. Professor der Anatomie und Direktor des anatomischen und se cathend anatomischen Instituts der Universitat Freiburg i. Br. Das Gliedmassenskelett der Wirbelthiere mit besonderer Beriicksichtigung des Schulter- und Beckengiirtels bei Fischen, Amphibien und Reptilien. Mit 40 Figuren im Texte und einem Atlas von 17 Tafeln. Preis: 24 Mark. ee eee ee ee Frommaunsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1030 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Dr. Leonhard Sohncke, ord. Professor der Physik an der technischen Hochschule zu Miinchen. Cemeinverstandliche Vortrage aus dem Gebiete der Physik. Mit 27 Abbildungen im Texte, Preis: 4 Mark. Inhalt: 1. Was dann? 2. Ueber den Zustand und die Ziele der heutigen Physik. 3. Ueber Wellenbewegung. 4. Die Umwdlzung unserer Anschauungen vom Wesen der elektrischen Wirkungen. 5. Aus der Molekularwelt. 6. Einige optische Erscheinungen der Atmosphiare. 7. Ueber das Gewitter. 8. Neuere Theorien der Luft- und Gewitter-Elektricitat. 9, Wandernde Berge. August Weismann, Professor der Zoologie an der Universitat Freiburg i. Br. Amphimixis oder die Vermischung der Individuen. Mit 12 Abbildungen im Texte. Preis: 3 Mark 60 Pf. Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung fiir die Selektionstheorie. 1886. Preis: 2 Mark 50 Pf, Ueber die Dauer des Lebens. Vortrag gehalten in der zwelten allgemeinen Sitzung der 54, Versammliong dentscher Naturforscher tnd Aermte in Salzburg am 21. September 1881. 1882. Preis: 1 Mark 50 Pf. Die Kontinuitat des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung, Zweite Auflage. 1892. Preis: 2 Mark 50 Pfennige. Ueber Leben und Tod. Eine biologische Studie. Zweite Auflage. 1802. Mit 2 Holzschnitten. Preis: 2 Mark. JUN 8 1899 Jenaische Zeitschrift 669% NATURWISSENSCHAFT | von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, | Siebenundzwanzigster Band. Neue Folge, Zwanzigster Band. Drittes und Viertes Heft. Mit 17 lithographischen Tafeln und 4 Abbildungen im Texte. Preis: 12 Mark. Jena, Verlag von Gustav Fischer 1893. L Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 6. Februar 1893. | \ eee? oir eae eee | ee ad sews [eer page we SO a Cr fel heey jaa) Verlag von Gustav Fischer in Jena. Dr. Fr. Dreyer, Wege und Ziele biologischer Forschung. Mit 7 lithographischen Tafeln. Preis: 5 Mark. Dr. Oscar Hertwig, 0. 6, Professor der Anatomie und Direktor des II. Anatomischen Instituts an der Universitat Berlin, Die Zelle und die Gewebe. Grundzige der allgemeinen Anatomie und Physiologie. Erster Theil. Mit 168 Abbildungen im Texte. Preis: 8 Mark. Inhalt: Erstes Capitel. Die Geschichte der Zellentheorie. Die Geschichte der Proto- plasmatheorie. — Zweites Capitel. Die chemisch-physikalischen und morphologischen Higen- schaften der Zelle. — Drittes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. I. Die Be- wegungserscheinungen: — Viertes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. II. Die Reizerscheinungen. — Fiinftes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. III. Stoffwechsel und formative Thiatigkeit. — Sechstes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. IV. Die Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Theilung. — Siebentes Capitel. Die Lebens- eigenschaften der Zelle. V. Die Erscheinungen und das Wesen der Befruchtung. — Achtes Capitel. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, Kern und Zellproduct. — Neuntes Capitel. Die Zelle als Anlage eines Organismus (Vererbungstheorieen). Dr. Hans Molisch, Professor der Botanik in Graz, Die Pflanze in ihren Beziehungen zum Eisen, Eine physiologische Studie. Mit einer farbigen Tafel. — Preis 3 Mark. Dr. Bernhard Rawitz, Privatdozent an der Universitat Berlin, Der Mantelrand der Acephalen. Dritter Theil: Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrachtungen. Mit 7 Tafeln und 5 Abbildungen im Text. — Preis: 13 Mark. -_ Poh ake Seite Antipas, Dr. Gr., Eine neue Art von Drymonema. Mit Tafel IX 337 Gresster, Dr. Rupotr, Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pilanwen yi MEER Se ee go gil att. ena re Scuneiper, Dr. Kart Camitto, Einige histologische Befunde an Coelenteraten. Mit Tafel X—XVI..... . ore Ranvotpu, Dr. Harrret, Beitrag zur Kenntnis der Tubifieiden. Mit; Patel: OC Vr OR ee kk wc al 3 ee Hevuscuer, J.. Zur Anatomie und Histologie der Proneomenia Sluiteri Hubrecht. Mit Tafel XX—XXIII und 4 Ab- bildungen im Texte . . 5 477 Rouer, Dr. phil. F., Uber den ibe una die nt oioEauines cage Panzers der Gurteltiene. Mit Tafel XXIV—XXV . » 4d19 HakrckeL, Ernst, Plankton-Composition. Vorliufige Mitteilung . 559 Dr. August Weismann, Professor in Freiburg i. as Keimplasma, eine Theorie ‘er Vererbung. Mit 24 Abbildungen im Text. — Preis: 12 Mark. Inhalt: Einleitung. A. Historischer Theil. B. Sachlicher Theil. Erstes Buch: | Maiterielle Grundlage der Vererbungserscheinungen. Capitel I. Das Keimplasma. — Zweites Buch: Die Vererbung bei einelterlicher Fortpflanzung. Capitel II. Die Regeneration. — Capitel III. Vermehrung durch Theilung. — Capitel IV. Vermehrung dureh Knospung. — Capitel V. Die idioplasmatische Grundlage des Generationswechsels. — Capitel VI. Die Bildung der Keimzellen. — Capitel VII. Zusammenfassung des zweiten Buches. — Drittes Buch: Die Vererbungserscheinungen bei geschlechtlicher Fortpflanzung. LEinleitung. Wesen der sexuellen Fortpflanzung, Capitel VIII. Verinderung des Keimplasmas durch Amphimixis. — Capitel IX. Die Ontogenese unter der Leitung des amphimixotischen Keim- plasmas. — Capitel X. Die Erscheinungen des Riickschlages abgeleitet aus dem amphi- mixotischen Keimplasma. — Capitel XI. Dimorphismus und Polymorphismus. — Capitel XII. Zweifelhafte Vererbungserscheinungen. — Viertes Buch: Die Abianderung der Arten in ihrer idioplasmatischen Wurzel. Capitel XIII. Die vermeintliche Vererbung erworbener Higenschaften. — Capitel XIV. Variation. Aufsatze tber Vererbung Wd verwandte biclogische Fragen. Mit 19 Abbildungen im Text. — Preis 12 Mark. Inhalt: Ueber die Dauer des Lebens (1882). — Ueber die Vererbung (1883). — Ueber Leben und Tod (1884). — Die Continuitaét des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung (1885). — Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung fiir die Selek- tionstheorie (1886). — Ueber die Zahl der Richtungskérper und iiber ihre Bedeutung fiir die Vererbung (1887). — Vermeintliche botanische Beweise fiir eine Vererbung erworbener Eigenschaften (1888). — Ueber die Hypothese einer Vererbung von Verletzungen (1889). — Ueber den Riickschritt in der Natur (1886). — Gedanken iiber Musik bei Thieren und beim J oder die Vermischung der Individuen (1891). Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1066 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Dr. Richard Semon, a. 0. Professor an der Universitat Jena. Studien iiber den Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbelthiere. Jargelegt an der Entwickelung dieses Organsystems bei Ichthyophis glutinosus. Mit 14 lithographischen Tafeln. Preis: 12 Mark. Eduard Strasburger, o. 6. Professor der Botanik an der Universitit Bonn. Histologische Beitrage, Inhalt: I. Ueber das Verhalten des Pollens und die Befruchtungs- vorgiinge bei den Gymnospermen. II. Schwiirmsporen, Gameten, pflanzliche Spermatozoiden und das Wesen der Befruchtung. Mit 3 lithographischen Tafeln. Preis: 7 Mark. Dr. F. von Tavel, Docent der Botanik am Kidgen. Polytechnikum in Ziirich. Vergleichende Morphologie der Pilze. Mit 90 Holzschnitten. -— Preis: 6 Mark. Dr. Robert Wiedersheim, o. 6. Professor und Direktor des anatomischen und vergleichend-anatomischen Instituts der Universitat Freiburg i. Br. Jas Gliedmassenskelet der Wirbelthiere mit besonderer Beriicksichtigung des Schulter- und Beckengiirtels bei Fischen, Amphibien und Reptilien. Mit 40 Figuren im Texte und einem Atlas von 17 Tafeln. Preis: 24 Mark. ef Zz - emu | 3 2044 072 2 a ee