JEN A8LE.a Rrdbownrd 94 4 HARVARD UNIVERSITY el Ls LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY om home W&WA2 Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft Zu Jena. Dreissigster Band. Neue Folge, Dreiundzwanzigster Band. Mit 31 lithographischen Tafeln, 2 Lichtdrucktafeln und 19 Abbildungen im Texte. ee a Jena, Verlag von Gustav Fischer “1896. Inhalt. Grrmanos, Dr. N. K., Bothriocephalus schistochilos n. sp. Ein neuer Cestode aus dem Darm von Phoca barbata, Mit Tafel I u. IL und 1 Abbildung im Text RD SN Steg he dee cae et Jaworowsxr, A., Die Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singoriensis Laxm. mit Beriicksichtigung der Ab- dominalanhinge und der Fliigel bei den Insekten. Mit Tafel MP, TV .. Als Trestne, Dr. BertHonp, Kin ‘Beitrag ; zur heaters der Augen-, Rieter: und Kiemenmuskulatur der Haie und Rochen. Mit Tafel V—VII ... Firprinerr, Max, Uber die mit fan! Wiscecatekalet orbandenen spinalen Muskeln bei Selachiern Prran, Martanne, Neue Polycladen gesammelt von reer Ka- pitin Chierchia bei der Erdumschiffung der Korvette Vettor Pisani, von Herrn Prof. Dr. Kiikenthal im nordlichen Eis- meer und von Herrn Prof. Dr. Semon in Java. Mit Tafel VILI—XIII ie Hescurter, Kart, Uber Reeeneratoveyarr anes bei Tiuinbuieiien! Mit Tafel XIV und XV. : Brerent, Wactaw, Zur Kenntnis des Parablastes faa der Kee blatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. Mit Tafel XVI—XVIII und 4 Abbildungen im Text. . : Buiocu, Isaak, Die embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. Mit Tafel XIX—XXa . Harcket, Ernst, Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen AversacH, Leopotp, Untersuchungen iiber die Spermatogenese von Paludina vivipara. Mit Tafel XXI und XXII. Wrnxetmann, Dr. A. und Srravset, Dr. R., Uber einige Eigen- schaften der Réntgen’schen X-Strahlen. Mit Tafel XXIII mNG) OV shies Sema ea Liystow, Dr. v., Uber Taenia. (Hymenolepis) nana v. Srupoxp und murina Dus Mit 8 Abbildungen im Text Kwretniewsx1, Casimir R., Revision der Actinien, welche von Herrn Prof, Studer auf der Reise der Korvette Gazelle um die Erde gesammelt wurden. Mit Tafel XXV und XXVI Romer, Dr. phil. F., Studien tiber das Integument der Siuge- tiere. I. Die Entwickelung der Schuppen und Haare am Schwanze und an den Fiifen von Mus decumanus und einigen anderen Muriden. Mit Tafel XX VII und XXVIII DerEenporr, TuEeopor, Zur Entwickelungsgeschichte des Zahn- systems der Saugetiergattung Galeopithecus Pall. Mit Tafel XXIX—XXXII und 6 Abbildungen im Text. : Reeet, Faiz, Jahresbericht der medizinisch - naturwissensobatt- lichen Gosellschaft zu Jena fir das Jahr 1895 583 604 624 673 3 cy mi ee Pv, Al bes Sa JAN 20 1896 Bothriocephalus schistochilos n. sp. Ein neuer Cestode aus dem Darm von Phoca barbata. Von Dr. N. K. Germanos aus Macedonien. (Aus dem Zoologischen Laboratorium der Universitit Jena.) Mit Taf. I u. Il und 1 Figur im Text. Einleitung. Das Material zu vorliegender Untersuchung wurde mir yon dem Leiter der wissenschaftlichen Arbeiten im Zoologischen In- stitut zu Jena, dem Herrn Professor W. KUKenTHAL, zur Ver- fiigung gestellt, welchem ich an dieser Stelle fiir seine wertvolle Unterstiitzung bei meiner Arbeit meinen innigsten Dank aus- spreche. Die betreffenden Bothriocephalen stammen aus dem Darm von Phoca barbata und gehéren zur Ausbeute der Bremer Expedition nach Ostspitzbergen (W. KtkenrHaL und A. WaLTER 1889). Die Fixierung war mit heiSem Sublimat vorgenommen worden, und es waren die Tiere vorziiglich konserviert, so da die urspriinglich rein systematische Arbeit in anatomischer und histologischer Be- ziehung erweitert werden konnte. Es stellte sich bald heraus, da8 wir es hier mit einer neuen Species zu thun haben, deren Organisation, besonders der Aufbau des WassergefaBsystems, in vielen nicht unwesentlichen Punkten von der anderer Bothrio- cephalen abweicht, so da eine eingehendere Darstellung meiner Bd, XXX. N. F. XXIll, 1 2 N. K. Germanos, Ergebnisse und eine Vergleichung derselben mit den bei anderen bis jetzt untersuchten Bothriocephalen gewonnenen am Platze scheint. I. Das Aussere des Tieres. Was bei der auferen Betrachtung des Tieres auf den ersten Blick die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die eigentiimliche Form des Kérpers im allgemeinen, besonders aber die Gestalt des Kopfes, des Scolex. Letzterer (Taf. I, Fig. 1) ist im Ver- haltnis zur Groéfe des tbrigen Koérpers sehr grof und dick, er hat eine Linge von 1,8 mm, eine Breite von 1,2 mm und eine dorsoventrale Dicke von 1,5 mm und tragt zwei Sauggruben, welche in ihrer Stellung den Flachen des Korpers entsprechen und schon dem blofen Auge auffallend grof erscheinen, weil ihre Ran- der wie Ohrmuscheln sehr betrachtlich hervorragen. Betrachtet' man dieselben mit der Lupe, so bemerkt man, daf sie so weit und tief sind, daf der ganze Kopf beiderseits von ihnen einge- nommen wird und nur eine diinne, durchscheinende Scheidewand die beiden Gruben voneinander trennt. Die Form derselben ist je nach dem Grade der Zusammenneigung ihrer Seitenrander sehr verschieden; wenn diese Rander klaffen, haben die Gruben die Form eines Dreieckes, dessen Spitze nach dem Hals gerichtet ist und dessen Basis mit abgestutzten Ecken vorn am Scheitel liegt. Mit dem Zusammenfallen der Rander nehmen die Gruben die Form eines nach vorn und hinten verlingerten und spitz ausgezogenen Ovals oder eines Viereckes an oder haben eine ganz unregel- mafige Form. Immerhin aber kann man bemerken, daf in allen Fallen die Offnung der Grube in der vorderen Halfte viel weiter ist als in der hinteren, und auch da, wo die betrachtlich zu- sammengefallenen Rander fast giinzlich die Offnung schlieBen und nur eine oberflachliche Furche in der Mittellinie sichtbar lassen, bleibt doch oben nach dem Schéitel zu ein kleiner Porus erhalten. Die Seitenrainder der Gruben springen sehr auffallend in der Mitte des Kopfes hervor, sie werden aber nach dem Scheitel zu all- mahlich schmaler und biegen in die diinne Scheidewand der beiden Gruben um. In der Mitte des Scheitels sind die Rander stark reduziert und manchmal ganz verschwunden, so dal die Gruben- Offnungen mehr nach aufwarts als lateralwarts gerichtet sind und Bothriocephalus schistochilos n. sp. 3 man bei einer Ansicht von oben die ganze Hoéhlung der Grube bis in die Tiefe der inneren Flache des Unterrandes hinein sehen kann. Von der Mitte aus nach dem Hals zu werden die Rander allmahlich breiter und beriihren einander in der Mittellinie, so da’ sie auferlich nur eine seichte Furche erkennen lassen. Verfolgt man den Verlauf dieser Furche, so sieht man, da sie sich bis zum Hals fortsetzt und die Seitenrander bis zur Stelle ihrer Ver- wachsung auf dem Hals trennt, was sehr charakteristisch fiir die vorliegende Species ist (Taf. I, Fig. 1 u. 2). Je nach den Umgestaltungen der Gruben wechselt natiirlich auch die Form des ganzen Kopfes in ihrer Flachenansicht; im allgemeinen laft sie sich mit der Gestalt eines Herzens ver- gleichen, dessen spitzes Ende nach hinten gewandt ist und bis zum vierten oder fiinften Gliede reicht. In seitlicher An- sicht zeigt der Kopf eine viereckige Flache, deren obere Seite etwas nach oben gewoélbt und abgestumpft ist, deren hintere Seite, stark nach derselben Richtung eingebuchtet, den seitlichen Teilen der ersten Glieder freien Platz laBt. Die Sonderung der Proglottiden beginnt sofort hinter dem Kopfe, indem ein eigentlicher Hals fehlt; vor dem Beginn der eigentlichen Proglottiden aber bildet sich ein ringférmiger Wulst (Taf. I, Fig. 3 Wil), welcher die 2—3fache Linge der ersten Proglottis besitzt und sich stark iiber die Flache derselben er- hebt. Hinter dem Wulste beginnt sehr deutlich die Gliederung des Leibes. Bis zum ersten Drittel und manchmal bis zur Mitte des Kérpers nimmt die Linge und Breite der aufeinander folgen- den Glieder fortschreitend zu, von da ab aber haben gewéhnlich samtliche Glieder bis zum Ende des Korpers annahernd die gleiche Lange und nicht selten auch die gleiche Breite. Nur sehr ge- ringe Verschiedenheiten treten uns entgegen, namentlich in der Breite, die bei manchen Exemplaren abnimmt; dies ist aber nicht die Regel. Eine Ausnahme von der oben erwahnten Gleichheit der Glieder in der hinteren Kérperhalfte machen die zwei oder drei letzten Glieder, welche immer an Linge die vorhergehenden tibertreffen, waihrend sie an Breite hinter ihnen zuriickstehen; be- sonders das letzte Glied zeigt in der Mehrzahl der Falle mehr als doppelte Lange der vorhergehenden, keineswegs aber iibertrifft oder erreicht auch hier die Linge die Breite. Bei iiber 60 von mir untersuchten Exemplaren bin ich nur auf eine einzige Ausnahme von dieser Regel gestofen, wo sich die Breite eines l Br 4 N. K. Germanos, zum Teil schon abgetrennten Gliedes zur Lange desselben wie 2 zu 3 verhielt, doch konnte man erkennen, daf hier eine nach- trigliche Verstiimmelung vorlag, indem ein Stiick der Seitenflache abgebrochen war. Wie bei der Ergainzung das Verhiltnis der Lange zur Breite sich gestalten wiirde, lieS sich nicht mit Sicher- heit entscheiden. Die hinteren Riander der Glieder des vordersten K6rperteiles nehmen den Verlauf einer nach hinten gekriimmten Linie ein, wihrend die der tibrigen in fast gerader Linie verlaufen und die der Endglieder sich wieder etwas kriimmen (Taf. I, Fig. 1, 2 u. 4). Wollen wir jetzt die geschilderten Gréfenverhaltnisse in Zahlen ausdriicken, indem wir auch die gesamte Linge des K6r- pers und die Zahl der Glieder in Betracht ziehen, so ergiebt sich durchschnittlich bei den gréferen Exemplaren folgendes: Lange des Kérpers 24,0 mm Zahl der Glieder 69 Lange der mittleren Glieder 0,8 mm » des vorletzten Gliedes 0,9 _,, » des letzten Gliedes 1,6 Breite des dritten ze i OAS Je » der mittleren Glieder co ied » des vorletzten Gliedes 3,0 ,, » des letzten Gliedes 7 aa Die Lange des Koérpers ist nicht immer von der Zahl der Glieder abhangig; so fand ich z. B. die gré8te Zahl (69) bei einem Exemplare von 22 mm Ké6rperlinge, wahrend andere mit 22 und 24 mm Korperlinge nur 65 resp. 66 Glieder zahlten; dieselbe Zahl Glieder (65) fand ich auch bei einem viel kiirzeren Exem- plar, von 19 mm Ko6rperlange. Die Verteilung der Glieder auf die beiden Kérperhalften unter- liegt grofen Schwankungen, wie aus folgender Zusammenstellung zu ersehen ist: Lange des Zahl der ge- Zahl der Glieder der Korpers samten Glieder hinteren Kérperhilfte Exemplar a 19 mm 65 20 ey LPB 22 65 22 ” c > ae 66 18 ied SOi.i 60 20 “ e Vie... 47 13 BID. og ie 1! 55 18 ; g Gy Fp 45 14 eh 1698, 44 13 Bothriocephalus schistochilos n. sp. 5 Form des Koérpers und der einzelnen Glieder. Der Kérper hat im allgemeinen eine dorsoventral abgeplattete, flache Gestalt, besonders im vorderen Teile und in den Seiten- teilen der folgenden Glieder, wahrend das Mittelfeld der letzteren in Form eines Lingswulstes nach auSen vorspringt. Je nach den Schwankungen der Breite der Glieder in der hinteren Kérperhilfte nimmt der ganze Koérper die Form einer Lanzette oder einer Sohle und manchmal die eines Bandes an, welches nur gegen das eine Ende hin schmaler wird (Taf. I, Fig. 1). Das vordere Viertel oder Fiinftel des Kérpers, welches die unreifen Glieder enthalt, hat eine gleichartige Dicke, 0,6—0,8 mm, und sieht ganz hell aus; mit der Reifung der Glieder nimmt auch die Dicke zu und wachst schlieSlich zu 1,3—1,7 mm an, und nur die zwei oder drei letzten Glieder werden wieder etwas diinner. An den platten, in die Breite gezogenen Gliedern (Taf. I, Fig. 4) unterscheidet man aufer den zwei Seitenraindern (Sr) einen vorderen (A), dem Scolex zugewandten und einen diesem entgegengesetzten hinteren Rand (B), welcher tiber den vor- deren des folgenden Gliedes dachziegelartig tibergreift; ferner eine obere Dorsalflache und eine untere Ventralflache. Zu- dem unterscheidet man an den geschlechtsreifen Gliedern — am deutlichsten wenn man das Tier gegen das Licht halt — ein dunkleres Mittelfeld (£), von zwei helleren Seitenfeldern (DD) begrenzt. Das dunklere Aussehen des Mittelfeldes riihrt von den hier gelagerten und mit Eiern gefiillten Windungen des Uterus her. In der Medianlinie der Ventralfliche und nachst dem vorderen Gliedrande liegt eine Offnung, der Porus genitalis (P) (vergl. auch Taf. II, Fig. 13 P), dessen Form davon abhangt, ob der Cirrus hervorgestiilpt ist oder nicht; im ersteren Falle ist sie fast kreisrund und hat einen Durchmesser von 0,10—0,12 mm. Im letzteren Falle gewahrt sie das Bild eines Schlitzes, welcher quer zur Langsachse des Gliedes gestellt ist; unter solchen Ver- haltnissen betrug an den gréferen Gliedern der Lingendurch- messer 0,18—0,22 mm und der Breitendurchmesser 0,06—0,08 mm. In der Mehrzahl der Falle ist aus den hinteren Gliedern (Taf. I, Fig. 4) der Penis weit hervorgestiilpt und bald direkt nach oben hervorragend, bald nach hinten haingend oder nach vorn gekriimmt und bis zum vorderen Rande des vorhergehenden Gliedes reichend. Auffallende GréBe zeigte der Penis einiger Exemplare (Fig. 4) am vorletzten und am letzten Gliede, welches im Be- griff war sich abzulésen; der Penis bildete gleich nach dem 6 N. K. Germanos, Austritt aus dem Genitalporus zwei Windungen, wendete sich dann nach vorn und erreichte das Ende des vorhergehenden Gliedes. Der Porus genitalis bildet den Eingang in eine Grube, welche als Geschlechtskloake oder Sinus genitalis (Taf. II, Fig. 13 Sg) bezeichnet wird, weil in dieselbe einerseits das Vas deferens und andererseits die Vagina einmiinden. Dicht hinter dem Porus genitalis und nur 0,1—0,12 mm von ihm entfernt befindet sich die weibliche oder Uteruséffnung, mittelst deren der Uterus nach aufen miindet (Taf. IJ, Fig. 13 Uo, und Taf. I, Fig. 2 u. 4). Sie ist kleiner und meist unsichtbar bei den Gliedern mit hervorgestiilptem Penis, weil sich infolge dieses Vorgangs der Porus genitalis erweitert und der hintere Rand desselben die Rainder der weiblichen Offnung zu- sammendrangt. Der Durchmesser dieser Offnung betragt 0,03—0,04 mm. Der Abstand derselben vom hinteren Rande des zugehérigen Gliedes ist zwei- oder dreimal so grof als vom vorderen Rande. Der Bezirk rings um diese Offnungen herum nimmt gewohnlich eine weifliche Farbung an, und daher kommt es, daf die Bauch- flache in der Mittellinie einen langen, weiSlichen, am ersten ge- schlechtsreifen Gliede beginnenden und bis zum letzten reichenden Streifen zeigt. AuSerdem erhebt sich dieser Bezirk zur Bildung kleiner, papillenartiger Erhéhungen. Eine Langsfurche in der Mitte der Glieder auf der Dorsal- oder Ventralfliche lat sich niemals erkennen. Was die Ablésung der reifen Glieder anlangt, so finde ich beim vorliegenden Tiere, dafi sie nicht streckenweise, wie beim Bothriocephalus latus und cordatus'), sondern einzeln abgestofen werden. Dabei ist noch zu bemerken, da nach geschehener Ab- lésung das neue Endglied eine ganz regelmaBige Form zeigt. II. Uber den feineren Bau des Tieres. Bevor ich auf die einzelnen Teile des Tieres eingehe, will ich hier den allgemeinen Bau desselben im Umrif beschreiben. Wenn wir einen Querschnitt durch den Rumpf des Tieres unter schwacher Vergroéferung betrachten, so sehen wir, daf sich zwei neben- einander liegende Hauptabschnitte erkennen lassen, wovon die 1) Levckart, Die menschlichen Parasiten, S. 445. Bothriocephalus schistochilos n. sp. 7 periphere als Rindenschicht, die centrale als Mittel- schicht bezeichnet wird '). Die erstere hat ihrer mancherlei Gewebselemente wegen einen komplizierteren Bau und setzt sich aus folgenden Lagen zusammen. Zu auferst ist die ganze Oberflache des Ko6rpers mit einer starken, bei schwacher Vergréferung vollkommen homogen und strukturlos erscheinenden Membran, der Cuticula (Taf. I, Fig. 5, 6 C), umgeben, welche auch die zwei Saug- gruben und die Geschlechtséffnungen auskleidet. Es folgt dann eine Schicht von Bindegewebsfibrillen (#'b) und darunter eine Schicht von stabchenformigen Muskelfasern (S#), welche in der Langsrichtung der Glieder verlaufen und mit den Binde- gewebsfibrillen ein Gitter bilden. Ihnen schlieft sich eine Lage yon spindelférmigen und senkrecht zur Cuticula stehenden Zellen an (Sc), und nach innen folgt eine breite Parenchymzone, die die Dotterdriisen (Dd) birgt und nur im Bereiche des Mittelfeldes von denselben befreit ist. Die Grenze der Rindenschicht wird von den Schichten der Liangs- und Ringmuskulatur (Fig. 5, iLM, RM) gebildet. Die Mittelschicht ist von viel einfacherem Bau als die Rinden- schicht; sie besteht aus derselben Parenchymsubstanz, welche so- wohl hier wie auch in der Rindenschicht mit zahlreichen und ganz unregelmafig eingestreuten Kalkkérperchen (Fig. 5 u. 12) durchsetzt ist. In ihr sind eingebettet einmal die Geschlechts- organe und ferner die Hauptstamme des Nerven- und Wasser- gefaBsystems. Der ganze K6rper des Tieres, abgesehen von den Geschlechts- organen, zeigt sowohl in den jungen wie auch in den reifen Glie- dern den gleichen Bau, und es verhalt sich auch die Muskulatur- anordnung der Sauggruben genau so wie die des Rumpfes. 1) Exscuricut unterschied im Wurmleibe im ganzen neun Schichten; viel einfacher ist die von Sriepa gegebene Einteilung in drei Schichten, Mittel-, Rinden- und Muskelschicht. Es ist aber frag- lich, ob die Muskelschicht als eine besondere Schicht anzusehen ist, denn Muskeln verlaufen auch durch die Dicke des Gliedes in dorso- ventraler Richtung, wie auch in besonderer Lage unter der Cuticula. Deshalb ist heutzutage die Zerlegung des Cestodenleibes in Rinden- und Mittelschicht allgemein iiblich. Es muf aber betont werden, dai diese Einteilung eine durchaus kiinstliche und nur in praktischer Be- ziehung von Wert ist, weil dadurch die Lagerung der verschiedenen Organe bequemer angegeben werden kann. 8 N, K. Germanos, Cuticula. Was zunachst die Cuticula anlangt, so ist sie eine starke, homogene, strukturlose und ziemlich stark lichtbrechende Mem- bran, welche die ganze Oberfliche des Kérpers und der Saug- gruben iiberzieht, sich eine Strecke weit in die Geschlechtséffnun- gen fortsetzt und an verschiedenen Stellen und je nach dem Kon- traktionszustande verschieden dick ist. Im Rumpfe schwankt ihre Dicke zwischen 0,012 und 0,017 mm, aber in der Unterseite der iibereinander greifenden Rander der Glieder wird sie viel dinner und erreicht kaum die Halfte. Bei Anwendung starker Ver- gréBerung kann man an ihr drei verschiedene Schichten unter- scheiden (Taf. I, Fig. 6), welche sowohl auf Quer- wie auch auf Langsschnitten sehr deutlich hervortreten. Die dAuferste Schicht (a) von etwa 0,001—0,002 mm ist die diinnste, farbt sich, mit Karmin behandelt, dunkelrot und nimmt das Aussehen eines starren Hiutchens an, welches gleichsam wie die Epidermis einer jungen Pflanze die Rinde derselben tiberzieht. Die zweite und an- sehnlichste Schicht (b) wird vom Karmin viel heller gefarbt, bleibt sehr durchsichtig und hat tiber 0,008 mm Dicke. Unter dieser liegt endlich die dritte Schicht (c), welche vollkommen farblos bleibt, ein glashelles Aussehen zeigt und eine Dicke von 0,003 mm erreicht. Alle diese drei Schichten sind fest miteinander zu einem Ganzen verwachsen und von der darunter liegenden, weiter unten zu besprechenden Schicht der Bindegewebsfibrillen so leicht trennbar, da8 ich nicht selten die Cuticula losgelést und nach aufen verschoben fand, wahrend die Schicht der Fibrillen in festem Zusammenhang mit den unterliegenden Schichten stand. Wie aus den oben angegebenen Messungen zu ersehen ist, zeigt die Cuticula des vorliegenden Tieres eine sehr betrachtliche Dicke, was das Studium ihrer Zusammensetzung erleichtert. Trotz der sorgsamsten Hartungsmethoden aber, trotz der diinnsten und in verschiedener Weise behandelten Schnitte, vermochte ich in- dessen keine Spur von jenen vielbesprochenen Porenkandlen aufzufinden. Sommer und Lanpors'), welche das Vorhandensein solcher zuerst behaupteten, fiigen hinzu, da® diese Offnungen zum 1) Sommer und Lanpois, Uber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXII, 1872, S. 43. Bothriocephalus schistochilos n. sp. 9 Durchtritt der feinen Protoplasmafadchen dienen, und dieser Mei- nung schlossen sich spater andere Autoren, SCHIEFFERDECKER ‘), STEUDENER ?) an; v. Rosoz *) bestatigt zwar die Anwesenheit der- selben und giebt an, daf diese als auSerordentlich feine, helle oder dunkle Punkte erscheinen, er konnte aber den Durchtritt von protoplasmatischen Auslaéufern nicht wahrnehmen. Wri‘) hat das Vorhandensein von solchen nicht mit Bestimmtheit konstatieren kénnen, er glaubt aber sie vermuten zu diirfen und sagt, da8 sie nicht so zahlreich sind, wie die friiheren Autoren annehmen, und daf die Strichelung der Cuticula vielmehr durch die Harchen her- vorgerufen wird. In Riicksicht auf solche teils unbestimmte, teils widersprechende Ergebnisse und bei der Thatsache, daf ich auch auf den feinsten Flachenschnitten nicht die geringste Andeutung von solchen Poren, und noch weniger von Kérnern, Spalten, Liicken- raumen, welche nach v. Rosoz*) in der Cuticula von Solenophorus megalocephalus sich erkennen liefen, wahrnehmen konnte, glaube ich, daS8 Pintner®) das Richtige getroffen hat, indem er sagt, daf ,,alle diese porenartigen Giange und anderweitigen Hohlraume, die man in der Cuticula nicht allzu selten vorfindet, untriigliche Kennzeichen kiinstlichen Gefiiges an sich tragen und auf Ver- letzungen beim Einbetten und Schneiden zuriickzufiihren sind“. Schicht der Fibrillen und Stibchen. Wenn ich die Besprechung dieser beiden, aus verschiedenerlei Elementen bestehenden Schichten zusammenfasse, so liegt der Grund darin, daf ich in ihnen ein fest zusammengehaltenes Ganzes sehe, welches einerseits die Grenze zwischen Cuticula und K6rper- parenchym bildet und andererseits als Ansatzflache der Dorso- 1) ScurerrerpeckER, Beitrige zur Kenntnis des feineren Baues der Tanien, in dieser Zeitschrift, Bd. VIII, S. 471—476. 2) SrrupenEr, Untersuchungen iiber den feineren Bau der Cesto- den, in: Abhandlungen d. Naturf. Gesellschaft zu Halle, Sep.-Abdr., 1877; Be 4: 8) v. Roxzoz, Beitrige zur Kenntnis der Cestoden. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXXVII, 1887, S. 264. 4) Wit, Anatomie von Caryophyllaeus mutabilis Rup. Zeitschr. f. wiss. Zool,, Bd. LVI, 1893, Sep.-Abdr., S. 8, 5) v. Rozoz, a. a. O., S. 264. 6) Pintwer, Untersuchungen iiber den Bau des Bandwurmkorpers. Arb. aus d. Zool. Instit. d. Univ. Wien, Bd. III, 1880, Sep.-Abdr., 8. 53, 10 N. K. Germanos, ventralmuskeln und der spindelférmigen Subcuticularzellen dient. Die dicht unter der Cuticula liegende Schicht (Taf. I, Fig. 6 u. 7 Fb) besteht aus feinen, unverzweigten, stark lichtbrechen- den, elastischen Fibrillen, welche dem Breitendurchmesser des Gliedes parallel verlaufen und, in einer Kittsubstanz eingebettet, so dicht nebeneinander angeordnet sind, daf sie das Bild einer zarten, hellen und wellenférmig gestrichelten Membran gewahren. Wah- rend ihre Dicke je nach dem gréferen oder geringeren Kontrak- tionszustand wechselt und in der Dorsal- und Ventralflache im Durchschnitt 0,004—0,005 mm betragt, ist sie in den Seiten- randern stets viel diinner und mitunter kaum bei starker Ver- groékerung wahrnehmbar. Sommer und LaAnpors!), welche diese Fibrillen als in der Cuticula eingesprengt aufgefaft haben, geben an, dafi sie eine einfache Lage bilden, und dieser Meinung schlieBt sich auch v. Ropoz an; die Ergebnisse meiner Untersuchungen zeigen dagegen, da sie eine zweifache oder mehrfache Lage bilden. Allerdings kann man auf Flachenschnitten nicht ganz deutlich dies Verhalten wahrnehmen, denn die Sache wird sehr kompliziert durch die dazwischen liegenden Stiabchen; faft man aber auch die Querschnitte ins Auge, auf denen diese Schicht in gut mit Ha- matoxylin gefarbten Praparaten in ihrer ganzen Ausdehnung ge- strichelt erscheint, und zieht man in Erwagung, da die Dicke der einzelnen Fibrillen héchstens 0,002 mm betragt, wahrend die der ganzen Schicht tiber 0,004 mm ist, so ist mit Sicherheit zu ent- scheiden, dafi in dieser Schicht mehr als eine einfache Lage von Fibrillen eingereiht sind. Die zweite und tiefer liegende Schicht (Taf. I, Fig. 6 S¢ und 7 S#) besteht aus zarten Muskelfasern oder Stabchen (WILL) [SomMEr’s und Lanpors’ Muskelzellen|, welche in geringen und ganz regelmafigen Abstiinden voneinander gestreckt oder leicht wellig gekriimmt verlaufen und nach dem vorderen und _ hinteren Gliedrande gerichtet sind, so daB sie ein dichtes Gitter mit den Bindegewebsfibrillen bilden. Diese Stabchen kommunizieren weder miteinander, noch sind ihre Enden in zwei oder mehrere Aus- laufer gespalten, wie Sommer und Lanpors 2) bei Bothriocephalus latus fanden; auch haben sie in meinem Objekte keine spin- delférmige Gestalt, sondern sie zeigen auf ihrer ganzen — Lange fast dieselbe Dicke von 0,004—0,006 mm und sind nur 1) Sommer und Lanpors, a, a. O., S. 42. 2) Sommer und Lanpors, a. a. O., S. 43, Bothriocephalus schistochilos n. sp. 11 an den beiden Enden etwas zugespitzt. Zudem ist zu _be- merken, dafi ihr Querschnitt nicht kreisrund ist, sondern die Form eines Vier- oder Dreieckes mit abgestutzten Ecken oder die eines zugespitzten Ovals hat, dessen Liaingendurchmesser nicht selten den Breitendurchmesser um das Doppelte iibertrifit. AufSerdem zeigt die vorliegende Species eine Eigentiimlichkeit, die zum Teil auch, nach STEUDENER'), bei Liguliden vorkommt (STEUDENER hatte diese Gebilde als Lingsmuskeln bezeichnet); es giebt naim- lich innerhalb der ersten noch eine zweite Lage von Stabchen, die aber nicht in kontinuierlicher Reihe wie die ersten verlaufen. Schicht der Subcuticularzellen. Ich wende mich jetzt zur Schilderung der sogenannten S ub - cuticularzellen, Leuckart’s kérnerreichen Paren- chymschicht, welche im vorliegenden Objekte nach verschie- denen Richtungen hin von den friiheren Angaben abzuweichen scheinen. Wahrend sie nach Sommer und LaAnpors 2) eine zellige Grundlage von spindelférmigen, einer Hiillenmembran entbehrenden und miteinander verschmolzenen Zellen bilden, fand sie Srev- DENER *) als kegelférmige, palissadenartig nebeneinander stehende Zellen, so daf die Spitze des Kegels nach innen gerichtet ist, die Basis aber der Cuticula anliegt; v. Ropoz‘) beschreibt sie sehr eingehend und giebt an, daf sie auferst wechselnde Gestalt haben, durch eine homogene Intercellularsubstanz verbunden sind und durch nach verschiedenen Richtungen verlaufende Auslaiufer sowohl mit der Cuticula wie auch miteinander und mit den darunter liegenden Bindegewebszellen und Fibrillen in Verbindung treten. In der vorliegenden Species finde ich, daf diese Zellen (Taf. I, Fig. 5 u. 6 Se) stets eine schlanke, spindelférmige Gestalt ohne bedeutende Anschwellung der Mitte haben, ganz regelma8ig in parallelen und senk- recht zur Cuticula stehenden Lagen angeordnet sind und sehr dicht aneinander gedrangt stehen besonders im Mittelfelde der Dorsal- und Ventralflache; in den Seitenfeldern dagegen sind sie sehr locker gelegen, so daf man auf 1) SrevupEner, a. a. O., S. 8. 2) Sommer und Lannots, a, a. O., S. 44. 3) SrevpEner, a. a. O., S, 7. 4) v. Rosoz, a. a. O., 8. 267—268. 12 N. K. Germanos, den ersten Blick und auch bei schwacher Vergréferung erkennt, es mit gut voneinander abgegrenzten Zellen zu thun zu haben. Jede der tbereinander liegenden parallelen Lagen besteht nicht aus einer, sondern aus mehreren Reihen von Zellen, welche mit ihren spitz ausgezogenen Enden, bezw. mit ihren einfachen Auslaufern verbunden sind und nach dem Korper- innern zu allmahlich kleiner werden. Meistens sind die innersten so klein und so dicht aneinander gedrangt, da& sie sich zu einer schnurférmigen Reihe vereinigen (Taf. I, Fig. 5). Bei der Vergleichung von Quer- und Langsschnitten bemerkt man, dafi die tibereinander liegenden Lagen viel enger aneinander ge- drangt sind als die parallelen Reihen einer und derselben Lage. Wendet man starkere Vergréferung an, so sieht man, dafi die ein- zelnen Zellen eine Lange von 0,020—0,032 mm und eine Breite von 0,004 mm haben und einen ovalen bis rundlichen, in der An- schwellung der Spindel gelagerten Kern von 0,002 mm mit Kern- kérperchen besitzen, welcher von einem diinnen, feinkérnigen Protoplasma umgeben ist. An den beiden Enden, d. h. gegen die Cuticula einerseits und gegen das Innere des Kérpers andererseits setzt sich die Zelle in zwei Auslaiufer fort; der eine inseriert in der subcuticularen Fibrillen- Stabchenschicht, und durch den anderen tritt die Zelle in Verbindung mit einer zweiten, mehr nach innen liegenden Zelle; die Auslaufer der innersten Zellen jeder Reihe stehen in Zusammenhang mit dem bindegewebigen Parenchym und beriihren fast die darin eingelagerten Dotter- kammern. Mitunter verwachsen die Auslaufer zweier benach- barter Zellen. Von einer Spaltung der Auslaufer in sekundare Aste, von einer Verbindung der Zellen durch gegenseitige seitliche Fortsatze (v. Rospoz) oder von einer Verfilzung der nach der Cu- ticula ziehenden Ausliufer zur Bildung einer fibrillésen Schicht (Wit) war hier nichts zu sehen. Ebensowenig kann ich das Vor- handensein einer besonderen Intercellularsubstanz bestatigen. Es machen also die Subcuticularzellen bei der vorliegenden Species den Eindruck von unverastelten, spindelférmigen, kon- traktilen Faserzellen. Grundsubstanz oder Parenchym. Uber den Bau der Grundsubstanz oder des Paren- chyms, welches nach der herrschenden Ansicht den ganzen Kérper Bothriocephbalus schistochilos n. sp. 13 der Cestoden ausfiillt und den darin eingebetteten Organen als Stiitze dient, gehen die Ansichten sehr weit auseinander, obwohl durch die neueren Untersuchungen einzelne Fragen ihre Lésung gefunden haben. Wahrend Sriepa!) die Grundsubstanz des Bothriocepha- lus latus als einfache zellige Bindesubstanz, aus einer Menge von dicht aneinander gelagerten Zellen bestehend, bezeichnet, besteht sie nach Sommer und LaAnpors ”) aus grofen, auberst zahlreichen, rundlichen oder ovalen Zellen und einer wenig reichlichen Inter- cellularsubstanz, welche als ein Abscheidungsprodukt der Zellen erscheint und wie diese ein blasses, feinkérniges oder triibmole- kulares Aussehen hat. Andererseits findet ScHNEIDER *), daf die runden Zellen Sommer’s und Lanpors’ nichts anderes als die mit Fliissigkeit erfiillten Liickenraume sind, waihrend die Intercellular- substanz jener Autoren die wirklichen Parenchymzellen darstellt, in welchen die Kerne liegen, und zu diesen Resultaten fiihrten auch Scumipt’s‘*) neueste und sehr eingehende Untersuchungen. LreucKkartT beschreibt in der zweiten Auflage seines allbekannten Werkes ,,Uber die menschlichen Parasiten‘’) die Grundsubstanz als eine dicht gedrangte Zellenmasse, deren Zellen sich schon friih nach zweierlei Richtungen differenzieren, indem die einen ihre urspriingliche runde Form behalten, wahrend die anderen sich ver- asteln und zu einem Reticulum zusammentreten, das sich zwischen die ersteren einschiebt und sie in seine Maschenriume aufnimmt. Diese Auffassung Leuckart’s wird aber von ScumipT bestritten, welcher die Annahme runder Zellen einer Tauschung zuschreibt, sie waren nichts anderes als die von einer homogenen Masse er- fiillten Hohlriume. _ Ich habe zur Untersuchung dieser Gebilde die Alaun- und Boraxkarminfarbung angewendet und bin zu folgenden Resultaten gekommen: Im allgemeinen besteht die Grundsubstanz aus Binde- gewebszellen mit stark gefarbtem Kerne, die nach verschiedenen 1) Srrepa, Ein Beitrag zur Anatomie des Bothriocephalus latus, in Miztirr’s Archiv f. Anatomie und Physiologie, 1864. 2) Sommer und Lanpors, a. a. O., S. 44, 3) Scunemerz, Untersuchungen iiber Plathelminthen. Ber. der Oberhessischen Gesellsch. fiir Natur- u. Heilkunde, 14. Ber., S. 77. 4) Scummpt, Beitrige zur Kenntnis der Entwickelung der Ge- schlechtsorgane einiger Cestoden. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XLVI, 1888, Sep.-Abdr., 8. 6—11. 5) Lrvucxart, Die Parasiten des Menschen und die yon ihnen herrihrenden Krankheiten, 8. 969. 14 N. K. Germanos, Richtungen hin faserige Ausliufer entsenden und dadurch mit- einander in Verbindung treten, wodurch sich ein Maschenwerk im Sinne des Reticulums LeucKart’s bildet. Die Kerne der Zellen sind kreisférmig oder oval, von 0,003—0,004 mm Durchmesser, das umgebende Protoplasma erscheint homogen und entbehrt einer umgrenzenden Membran. Zwischen den Parenchymzellen bilden sich Liickenraume, die mit einer ungefarbten und homogenen Masse erfiillt sind, worin ich nie Kerne bemerken konnte. In dieser Hinsicht schlieSe ich mich Scumipt’s Ansicht an‘+), wonach ,samtliche Kerne in der ganz kontinuierlichen, netzartig ange- ordneten protoplasmatischen Grundsubstanz eingebettet sind“; was aber die Frage der Bildung dieses protoplasmatischen Maschen- werkes betrifft, so finde ich, wie gesagt, daB es durch die Ver- bindung der faserigen Auslaufer der Zellen gebildet wird und keineswegs durch Lamellen im Sinne Scumipt’s. Zudem finde ich im yvorliegenden Objekte einen Unterschied zwischen der diclt innerhalb der Subcuticularzellen befindlichen Parenchymzone und dem den iibrigen Kérper erftillenden Parenchym. Dort sind die Hoblraume viel griéfer, und die eigentlichen Parenchymzellen sehen aus, als ob sie keinen Zellleib besafen, so daf nur die abgehenden faserigen Auslaufer mit hie und da eingeschlossenen Kernen sicht- bar sind. Dies kommt daher, da8 die protoplasmatische Substanz fast giinzlich zur Bildung von Auslaufern verwendet wird, welche nicht nur die Verbindung der Zellen miteinander, sondern auch mit den zahlreichen Subcuticularzellen erméglichen. Im tbrigen kOrper sind dagegen die Hohlraume relativ kleiner und die Par- enchymzellen gréfer, obwohl sie sich wegen des Mangels einer umgrenzenden Membran und der Gleichartigkeit ihres Aussehens nur schwer von der Substanz der Hohlraume unterscheiden lassen. Zum Schluf will ich noch einiges tiber die Ansicht bemerken, wonach den Cestoden die Audeutung eines Céloms zugeschrieben wird. PAGENSTECHER ”) behauptet, bei Arhynchotaenia critica Pag. eine Art engen und unterbrochenen Spaltraumes gefunden zu haben, und sieht darin eine Unterbrechung des parenchymatésen Cha- rakters der Cestoden, eine Cédlomspalte. Es scheint aber, da8 diese Angaben auf einer fehlerhaften Konservierung oder sonstigen Behandlung des Objektes beruhen. Viel wichtiger sind die Mit- 1) Scumipt, a. a. O., 8. 7. 2) PacenstecHER, Zur Naturgeschichte der Cestoden. JZeitschr, f. wiss. Zool., Bd. XXX, 1880, 8. 177. Bothriocephalus schistochilos n, sp. 15 teilungen von Frarpont') und Grizssacn *), welche die Flimmer- trichter des WassergefaBsystems als mit lakunaren Hohlraiumen der Kérpersubstanz in Kommunikation stehend beschreiben und dieses Hohlriume- oder Lakunensystem als Célom auffassen wollen. Diesen Anschauungen gegentiber stehen jedoch PINTNER’s °) Ergebnisse, welcher die Trichter von Plasmazellen vollstandig ein- geschlossen findet und daraus zu folgendem Schluf kommt: ,Gerade das Geschlossensein der Flimmertrichter der Plathel- minthen, das Geschlossensein jener Organe, die bei den Anneliden ihren Ursprung frei in die Leibeshéhle nehmen, ist der beste und sicherste Beweis, dak diese letztere bei den Plathel- minthen absolut mangelt, daf man also mit vollkommenem Rechte und scharfer Trennung (soweit eine solche nach modernen Anschauungen iiberhaupt statthaft ist) die Anneliden als Célo- maten den Plathelminthen als Acélomaten_ gegeniiber- stellen darf.‘ Muskulatur. Die Muskulatur besteht aus einzeln verlaufenden oder mehr oder minder zu Gruppen vereinigten Fasern, welche, dem allgemeinen Plan der typischen Cestodenmuskulatur entsprechend, nach drei verschiedenen Richtungen verlaufen und daher als Langs-, Ring- und Dorsoventralmuskeln zu unterscheiden sind. Im _ einzelnen aber zeigt die vorliegende Species einige Abweichungen, welche sich auf die Laingsmuskulatur beziehen. 1) Aufer der subcuti- cularen oder peripheren (Taf. I, Fig. 5 pDM u. Fig. 6 pLM) und der inneren oder centralen (2M) Liaingsmuskelschicht fand ich zwischen den Subcuticularzellen und der Zone der Doiter- kammern noch eine dritte Lage von Langsmuskeln (Taf. I, Fig. 5 u. 6 mLM), die ich als mittlere Langsmuskel- schicht bezeichnen werde; 2) die centrale Langsmuskelschicht (LM) zeigt nicht die gewohnliche Anordnung in Biindeln. Was zunichst die periphere Schicht (pL) aiulangt, so besteht sie aus Fasern von 0,003—0,004 mm Dicke, welche teils 1) Frareont, Recherches sur |’appareil excréteur des Trématodes ete. Archive de Biologie, T. I, 1880. 2) GriespacH, Bindesubstanz und Célom der Cestoden. Biol. Centralblatt, Bd. III, 1884. 3) Printer, a. a. O., Nachtrag, 8. 80. 16 N. K. Germanos, einzeln, teils zu 2 oder 3 dicht nebeneinander in kleine Bindel oder Reihen angeordnet sind; einige von diesen Fasern riicken weiter nach innen zwischen die Subcuticularzellen vor und zeigen im Querschnitt eine so betrachtlich langliche Form, da sich der Langendurchmesser zum Breitendurchmesser wie 6 — 8 : 1 ver- halt. Die mittlere Schicht (mZM) liegt manchmal zwischen den Subcuticularzellen und den Dotterkammern, gewéhnlich aber zwischen den innersten Subcuticularzellen. Im letzten Falle bilden sich in regelmafigen Abstanden netzformige Zwischenraéume, worin die Muskelfasern biindelweise zu je 5—10 eingeschaltet sind; in der Regel sind einige der Fasern jedes Biindels aneinander ge- kittet. SreupENER!) fand zwar bei den Cestoden mit sehr kurzen und an den Verbindungsstellen stark eingekerbten Gliedern (Taen. tripunctata, Taen. infundibuliformis) eine Schicht von Langsmuskel- fasern unter der Subcuticularschicht (der Schicht der spindel- férmigen Zellen), das ist aber nichts anderes als die Lage der peripheren Langsmuskeln nach innen verschieben; indem aber in unserer Species die periphers Langsmuskel- schicht bestehen bleibt, kommt auch diese neue Schicht (mLM) zum Vorschein. Im ganzen finde ich also folgende Langsmuskelschichten: 1) die fest der Fibrillenschicht anliegenden Muskelstabchen (St); 2) die aufere oder periphere (pLJ/), 3) die mittlere (mZM) und 4) die innere oder centrale ((:LM/) Langs- muskelschicht. Was diese letztere anlangt, so ist sie, wie bei den anderen Cestoden, am stirksten entwickelt nicht nur im Verhaltnis zu den anderen Laingsmuskeln, sondern auch zur Ring- und Dorsoventral- muskulatur. Sie bildet eine Lage von glatten, kernlosen Fasern, welche sich veradsteln und miteinander anastomosieren und, von vorn nach hinten der Langsachse des Kérpers parallel verlaufend, das bindegewebige Korperparenchym durchsetzen. Sie verbreiten sich nicht nur durch die ganze Kette der Glieder, sondern sie setzen sich auch in den Kopf fort, wo sie sich baum- artig verzweigen und bis zu den Randern der Sauggruben ge- langen (Taf. I, Fig. 8 i2LM). Am stirksten tritt die Schicht im Mittelfeld der Glieder hervor, wo sie die ganze Strecke zwi- schen den Dotterkammern und den Ringmuskeln von etwa 0,060 bis 0,070 mm Breite einnimmt. Sie zeigt keine Anordnung in streckenweise liegende und durch Parenchym voneinander ge- 1) Sreupener, a, a. O., 8, 8. Bothriocephalus schistochilos n. sp. | 17 trennte Bindel, wie das bei anderen Bothriocephalen der Fall ist, sondern setzt sich kontinuierlich fort, und nicht selten schieben sich die einzelnen Fasern zwischen die Dotterkammern ein. Die Starke dieser Muskelfasern wie derjenigen der mittleren Schicht (mLM) betragt 0,004—0,006 mm. Innerhalb der inneren Lingsmuskelschicht liegen die Ring- muskeln, welche eine viel schwacher ausgebildete und 0,020 mm breite Lage bilden, die die Mittelschicht ringformig und unmittel- bar umhiillen. Die einzelnen Fasern haben eine Dicke von 0,005 mm und verlaufen, ohne miteinander zu anastomosieren, von einem Rande des Gliedes zum anderen, wo die meisten sich in mehrere kleine, in das Parenchym der Seitenrander hineindringende Aste verzweigen. Einen wesentlichen Unterschied von den Langsmuskeln zeigen diese wie auch die weiter unten zu beschreibenden Dorso- ventralmuskeln im Vorhandensein eines Kernes. LeEucKartT ') schreibt ihnen in der ersten Auflage seines Werkes keinen Kern zu, und Sommer und Lanpors”) konnten beim Bothriocephalus latus die Gegenwart eines Kernes nicht mit Sicherheit nach- weisen. Nach den neueren Untersuchungen aber von PinTNER °), HAMANN “*), Witt *) u. a. verhalt sich die Sache anders. WiLL z. B. giebt an, da8 bei Caryophyllaeus mutabilis die Dorsoventral- muskeln und die Muskeln der inneren Lage einen deutlichen Zell- leib mit Kern und Kernkérperchen zeigen, wahrend HAMANN so- wohl die subcuticulare wie auch die innere Langsmuskelschicht zu denjenigen Muskeln rechnet, welche keinen Rest ihrer Bil- dungszelle mehr zeigen. Im vorliegenden Objekte fand ich die Ringmuskeln als glatte Muskelfaser mit eingeschlossenen Kernen, waihrend den Dorsoventralmuskeln sehr grofe Bildungszellen mit deutlichem Kern und Kernkérperchen anliegen (Taf. I, Fig. 9). Witt glaubt auch noch fiir die Langsmuskeln der auferen Lage einen Kern annehmen zu miissen; nach einem solchen Kern habe ich in der gesamten Langsmuskulatur vergebens gesucht. Die Dorsoventralmuskeln zeigen in ihrer Gestalt und ihren Dimensionen Ubereinstimmung mit den Ringmuskeln, sie verlaufen 1) Levcxart, a. a. O., S. 168—170. 2) Sommer und Lanpors, a. a. O., S. 48. 3) Puntner, a. a. O., S. 62. 4) Hamann, Taenia lineata Gorzr, Zeitschr. f. wiss. Zoolog.,, Bd. XLII, S. 723, 1885. 5) Wu, a a. O., 8. 16—17. Bd, XXX. N. F. XXIM. to 18 N. K. Germanos, vereinzelt in dorsoventraler Richtung von Cuticula zu Cuticula und inserieren sich durch ihre zugespitzten Enden an die un- mittelbar unter der Cuticula liegende Bindegewebsfibrillenschicht. Wassergefisssystem. Uber dieses Organsystem der Cestoden, in welchem zuerst VAN BENEDEN') einen exkretorischen Apparat erkannt hatte, sind wir erst in neuerer Zeit ins Klare gekommen, besonders durch die vortrefflichen Arbeiten von PinTNER, welcher sowohl die Frage nach dem Verlauf und der histologischen Beschaffenheit der Ex- kretionsgefafe wie auch nach dem Ursprung und der Funktion der- selben fast in allen wesentlichen Punkten erschépfend behandelt. In betreff dieses Systems gestattete mir der Zustand meines Ma- terials, welches langere Zeit in Alkohol konserviert war, keine ein- gehenden Untersuchungen der Feinheiten, wie z. B. der Kapil- laren mit den Flimmertrichtern. Aber die Zahl und Lage der Hauptstamme des WassergefaBsystems, der soge- nannten Langsgefahe, im Kérpergewebe, ihren Ver- lauf in den verschiedenen Gegenden des Korpers und ihr Anastomosierungsverhalten vermochte ich aufs genaueste zu untersuchen und bin zu einigen interessanten Re- sultaten gekommen, die von den bei anderen Cestoden gefundenen Thatsachen sehr wesentlich abweichen. Die Ergebnisse der friiheren Autoren tiber das Wassergefal- system der Bothriocephaliden gehen sehr weit auseinander. Wah- rend BOrrcHER 2) am lebenden Bothriocephalus latus im Kopf und Halsteil jederseits drei seitliche Langsstimme beschreibt, die unter sich und mit den der anderen Seite durch Queranastomosen in Verbindung stehen, fand Stiepa *) bei demselben Tiere nur zwei sehr gering entwickelte Lingsstiimme, zwischen welchen jegliche Verbindung in den einzelnen Gliedern fehlte. Sommer und Lan- pois *) fanden an den jungen unreifen Gliedern des Bothriocepha- lus latus zwei SeitengefaBe jederseits und an geschlechtsreifen Glie- 1) van Benepren, Recherches sur les vers Cestodes du litoral de Belgique, in Mém. de l’Acad. Roy. de Belgique, Bd. XXX. 2) Borrcuer, Uber das oberflichliche Gefiifnetz yon Bothr. latus, in Vircnow’s Arch., Bd. XLYII, 8S. 370. 3) Srrepa, a. a. O., 8. 184. 4) Sommer und Lanpors, a. a. O., S. 50, Bothriocephalus schistochilos n. sp. 19 dern nur eins als Fortsetzung des 4uBeren der jungen Glieder, im ganzen also zwei, zwischen denen sich nirgends Quer- anastomosen fanden. Daf diese. Angaben Sommer’s und Lanpors’ unrichtig sind, erhellt daraus, dafi die betreffenden Au- toren die beiden Liangsstringe des Nervensystems fiir das Wasser- gefifsystem gehalten haben. SreupDENER ') giebt an, daf das Ge- fafsystem beim Bothriocephalus proboscideus und punctatus und beim Triaenophorus nodulosus mit zwei feinen GefaSstimmen im Kopf beginnt, die sich weiter im Hals in eine Anzahl Hauptlangs- stamme (8 weitere und 8 engere bei den ersten Arten und 8—10 bei Triaenophorus nodulosus) spalten und an der Grenze zwi- schen Rinden- und Mittelschicht verlaufen, undda8 die beiden iuBersten von ihnen, die in den Seiten- teilen liegen, am starksten entwickelt seien. Pinr- NER *) faBt seine Ergebnisse .iiber die Zahl und den Verlauf der Langsgefa8e in folgenden Worten zusammen: ,,Der Grundtypus fiir den Verlauf dieser Lingsgefife (der HauptgefaiBe) ist eine einfache bis an den Stirnrand des Kopfes vorgeschobene, aus einem dorsalen und einem ventralen Aste gebildete Schlinge in jeder K6rperhalfte, deren Neigung zur Insel- und Anastomosen- bildung bei den verschiedenen Arten eine Reihe komplizierter Ver- laufsformen liefert. Bei simtlichen Tanien, Tetrabothrien und Tetrarhynchen durchlaufen demnach auf jeder Kérperseite zwei, im ganzen also vier Langsstimme die Strobila, wahrend bei den Bothriocephaliden, Caryophylliden und Liguliden diese vier Stamme in eine individuell und Grtlich schwankende, bei den einzelnen Gattungen ungefahr zwischen 10 bis 24 wechselnde Anzahl von Langsstimmen zerfallen, die durch zahlreiche Queranastomosen mit bestimmtem Verlaufe untereinander in Verbindung stehen. Die vier Langsgefife sind im Jugendzustande alle ziemlich gleich stark und miinden simtlich in die kontraktile Endblase; spater erweitern sich die beiden ventral gelegenen Kanadle auf Kosten der dorsal gelegenen, die in sehr alten freien Gliedern und in sehr langen Ketten wie in denen der menschlichen Bandwirmer, zu atrophieren scheinen.“ v. Rozoz ?) beschreibt bei Solenophorus megalocephalus zwei Langsgefife auf jeder Seite, welche am Rande der Mittelschicht 1) SrevpEnsr, a. a. O., S. 13. 2) Pintyer, a, a. O., 8. 40. 3) v. Rozpoz, a. a, O., 8. 273. Q* 20 N. K. Germanos, in geringen Entfernungen nebeneinander mehr oder weniger wellen- formig verlaufen. Das aufere Lingsgefa& ist der Riickbildung unterworfen; sein Durchmesser nimmt in den reifen Gliedern fort- wahrend ab, und es verschwindet schliefSlich vor dem Auge des Beobachters, ,,so daf man in den hinteren Gliedern der Strobila nur mehr zwei Langsgefafe findet*. Vergleichen wir damit unsere eigenen Befunde. Zunachst zeigt die vorliegende Species im Bau des Wassergefafisystems eine 4uBerst auffallende RegelmaSigkeit; vom ersten jiingsten bis zu den ganz reifen Gliedern findet sich dieselbe Zahl, A die gleiche Lage und derselbe Verlauf der Langsgefa8e; es zeigt sich kein Unterschied in der thy Starke der GefaBe bei jiingeren und alteren Gliedern, und keine Atrophie- rung dieses oder jenes Gefafes auf Kosten der anderen. Auf einem Quer- schnitt durch irgend eine Stelle des Rumpfes sieht man bei Anwendung Starker VergréSerung zweierlei LangsgefaB8e, die sich sowohl nach ihrer Lage und Anastomosierungsweise wie auch nach ihrer Starke auf den ersten Blick unterscheiden lassen. Zu- erst finden wir in der Mittelschicht vier Stimme, centrale Langs- stimme (Figur d. Text. C’, C’, C,,C,); diese liegen stets innerhalb der beiden Nervenstringe (NV, NV‘) und zwar in bestimmtem Abstand von diesen und voneinander. Sie liegen zu je zweien B jederseits der Langsachse des Koérpers Schematischer Querschnitt durch den vorderen Teil eines Gliedes. a,—a,, die zwolf Lingsstimme des peripherischen Wassergefalssystems, C’ C’ und ©, C, die vier centralen Stimme des Wassergefafssystems. N, N' Nervenstriinge; Rm Schicht der Ringmuskeln zwischen Mittel-(J/) und Rindenschicht (2); Cb Cirrusbeutel. 222 2 die Zone der Mittelschicht, worin die Centralstimme eingelagert sind. AB Medianlinie, die beiden Seitenriinder verbindend. in einer Ebene (AB), welche durch die Seitenrander des Gliedes geht. Die ‘zwei Stéamme der einen Seite (C’, C”) stellen, wie ich weiter unten erkliren werde, die beiden Aste der Schlinge der einen Koérperhalfte dar, und die anderen (C,, C,) die der zwei- ten Schlinge. Man begegnet also auch hier dem von Pintner festgestellten Bothriocephalus schistochilos n. sp. 21 Grundtypus der zwei Schlingen, es bildet sich aber jede Schlinge nicht aus einem ventralen und einem dorsalen, sondern aus einem auferen (C’ resp. C,) und einem inneren (C” resp. C,) Aste, die sich stets in der Mitte der Mittelschicht finden, und niemals in der Grenze zwischen Mittel- und Rindenschicht oder in der Rindenschicht, wie bei den anderen Bothriocephalen. Was die gegenseitige Lage der Stimme anlangt, so sagt PintNER !) folgendes: ,,[ch fand die Entfernung der beiden Staimme einer Kérperhalfte von der Medianlinie nicht nur inkonstant, son- dern meist ohne ausgesprochenen Unterschied; dagegen ist ihre Lage gegen die Flachseiten des Kérpers stets genau ausgepragt.“ Ganz abweichend davon finde ich bei der vorliegenden Species die Stéimme in bestimmter Entfernung von der Medianlinie des Gliedes und voneinander, welche Entfernung natiirlich mit der Zunahme der Breite der Glieder gleichmaBig gréfer wird. Nehmen wir den Abstand des inneren Stammes C” oder C, (vgl. auch Taf. XIX, Fig. 10 Wog’b oder Wg‘b’) von der Medianlinie als 1, so zeigt sich dasselbe Verhaltnis zwischen den Stémmen C’ und C” oder C, und C, (Taf. I, Fig. 10 Wog’a und Wg’b, oder Wo‘a’ und Wg’‘b’). Nur hie und da tritt eine Verschiebung der inneren Stamme (C” und C,) an den Stellen ein, wo die stark ausge- dehnten Uteruswindungen sie nach aufen gedrangt haben. Der Verlauf dieser centralen Langsstamme durch die ganze Strecke des Ko6rpers ist ein zickzackformiger mit fast regelmafigen Knickungen, und aus diesem Grunde erscheinen die Querschnitte der Kanale bald genau auf der Linie A B (Figur des Textes), bald riicken sie etwas nach oben (nach der Dorsalseite) oder nach unten (nach der Ventralseite), und diese Verstellungen finden immer auf einer Zone z 2‘ 2’ 2’ statt, deren Breite 22 durch die Breite der genannten Zickzacklinie bedingt ist. Diesen Verlauf der einzelnen Kanale sieht man sehr deutlich auf Langsschnitten (Taf. II, Fig. 11). Andererseits fand ich durch die Untersuchung ver- schiedener Serien von Flachenschnitten die Lageverhaltnisse der vier erwihnten Lingsstémme wie auch die Art und Weise ihrer Verbindung durch Anastomosen, was ich in Fig. 10, Taf. II, schematisch zu deuten versucht habe. In Bezug auf die Anastomosierungsweise zeigen die beiden Aste jeder Schlinge ganz verschiedene und sehr eigentiimliche Ver- haltnisse. LErstens bilden sich zwischen den inneren Stammen 1) Pintner, a, a. O., S. 30. 22 N. K. Germanos, Wo'b und Wo'bd' (Taf. II, Fig. 10) Queranastomosen (Qa), die nicht in unbestimmter Zahl und unabhangig von der Glieder- teilung sind, wie SrEUDENER ') bei Bothriocephalus proboscideus und Bothriocephalus punctatus fand; es kommt vielmehr jedem Gliede eine Queranastomose zu, die in den unreifen Gliedern in fast gerader Linie, in den reifen etwas in der Mitte nach vorn ge- kriimmt dicht oberhalb des Cirrusbeutels des nachstfolgenden Gliedes verlauft. Die Zahl der Glieder entspricht genau der Zahl der Queranastomosen, und demgemaf tritt hier eine scharf aus- geprigte Segmentierung dieses Teiles des exkretorischen Systems ein. Alle vier Langsstimme zeigen annahernd gleiche Weite, welche 0,016—0,020 mm betragt; die der Queranastomosen ist 0,004—0,006 mm. Jeder dieser Aste Wg'b und Wg‘b’ tritt zweitens mit dem zu derselben Schlinge zugehérigen auBeren (der Wg‘b mit dem Wog‘a und der Wog‘b’ mit dem Wg‘a’) in Verbindung durch zahl- reiche Anastomosen (Am), die bald schnurgerade, bald gekriimmt oder wellenférmig verlaufen, mitunter gabelig gespalten sind und sich dann wieder miteinander vereinigen und auf diese Weise ein sehr kompliziertes Gefafnetz bilden. Direkte Verbindungen der zwei auferen Wog‘a und Wog‘a’ Aste oder des inneren der einen Schlinge mit dem Aueren der anderen treten nirgends auf. Verfolgen wir jetzt diese Lingsstimme in ihrem Verlauf bis zum Scolex hinauf, so zeigt sich folgendes: Indem sie die oben geschilderten Lage- und Abstandsverhaltnisse beibehalten und nur eine unerhebliche Verkleinerung ihres Durchmessers erfahren, treten sie in die Scheidewand ein, welche die zwei Sauggruben voneinander trennt, und gelangen bis zum Scheitel hinauf, wo sich die beiden Stamme jeder Korperhalfte zu einer Schlinge vereinigen ; von diesen entspringen zahlreiche nach verschiedenen Richtungen verlaufende kleinere und gréfere Zweige, welche sich wieder in feinere Gefafe spalten, die bald zu ihrem Muttergefa% zuriick- kehren, bald mit anderen Gefafen desselben oder des anderen Stammes in Verbindung treten. Auf diese Weise entsteht aus jeder Schlinge ein reiches Gefafnetz, welches die Sauggrubenrander der zugehérigen Seite versorgt. Man vermift hier die Quer- anastomosen zwischen den inneren Langsstéimmen, an deren Stelle verschiedene ganz unregelmafige Anastomosen auftreten. — So viel — iiber den in der Mittelschicht eingelagerten Komplex des Wasser- 1) SrevupEneEg, a. a. O., S. 13, Bothriocephalus schistochilos n. sp. 23 gefafsystems, fiir welchen ich die Benennung ,,centrales Wasser- gefiisssystem® als passendste betrachte. Auger diesem tritt uns zweitens eine Reihe von Langsstammen entgegen, die ebenso durch die ganze Kette hindurch verlaufen, die sich aber, wie gesagt, durch ihr geringes Lumen wie durch ihre Lage in der Rindenschicht und die ver- schiedene Anastomosierungsweise von den centralen Stimmen unterscheiden lassen. Sie sind in der Zwélfzahl, 6 auf jeder Korperhalfte, vorhanden (Figur des Textes a,—a,,) und liegen zwischen den Dotterkammern und den Subcuticularzellen, jedoch dringen sie hie und da tiefer ins Innere bis zur Schicht der inneren Langsmuskeln ein. Sie nehmen ihren Ursprung im Scolex von den Asten der Schlingen oder von davon abgehenden Abzweigungen, ziehen sich dorsal- oder ventralwarts nach der Peripherie, treten in die Rindenschicht ein und durchlaufen die Kette der Glieder in unregelmafigen Zickzacklinien (Taf. II, Fig. 11 Wg), indem sie in ihrem Verlauf durch verschiedenerlei Anastomosen und Inselbildungen ein zweites, von dem centralen unabhangiges Gefafnetz bilden, welches zum Unterschied als peripheres Wassergefisssystem bezeichnet werden soll. Kine Kommunikation dieses mit dem centralen Systeme laft sich nir- gends in der ganzen Kette der Glieder erkennen. Uberblicken wir die Ergebnisse der vorhergehenden Dar- stellung, so gelangen wir zu folgendem allgemeinen Bild: Das Netz der Hauptstamme beginnt im Scolex mit einer Schlinge jeder- seits der Medianlinie; die verlingerten Schenkel jeder Schlinge reprasentieren jederseits die genannten 2 gréferen centralen Langs- stimme, die von gleicher Starke sind, durch die Mittelschicht in der ganzen Strobila verlaufen und das centrale GefaSnetz bilden; zweitens entspringen im hinteren Scolexende aus jenem Komplex 12 diinnere Aste, die gleich in die Rindenschicht tiber- treten und durch das Gewebe derselben ebenso die ganze Strobila durchlaufen und das periphere Gefa8netz bilden, welches sich nirgends mehr in Kommunikation mit dem ersten befindet. Alle Langsstamme fand ich im letzten Gliede getrennt nach aufen miindend, weil ich in keinem der untersuchten Exemplare das urspriingliche Endglied vor mir hatte. In Bezug auf den histologischen Bau der Hauptstamme des Wassergefafsystems kann ich die Angaben PinTNER’s'), da sie 1) Pinrner, a, a. O., S, 21, 24 N. K. Germanos, ein wohlausgebildetes Epithel besitzen, das zweifelsohne als Matrix ihrer glashellen, homogenen Membran aufzufassen ist“, bestatigen und noch bemerken, daf die Epithelzellen bei der vorliegenden Species sehr dicht aneinander gereiht waren. Fassen wir die erlangten Resultate zusammen, so sehen wir, daf unsere Species in der Anordnung des Wassergefafsystems im allgemeinen und besonders der Centralstamme mit keinem der bis jetzt untersuchten Bothriocephalen tibereinstimmt; man kénnte vielmehr eine solche in gewissen Punkten mit den Tanien und mit Caryophyllaeus mutabilis annehmen. 1) Wahrend bei den anderen Bothriocephalen die urspriing- lichen Aste der Schlinge in eine Anzahl von Langsstammen zer- fallen, welche gleichwertig sind, weil alle gleichen Verlauf und ahnliche Anastomosierung zeigen und gleiche Lage in der Strobila einnehmen, tritt hier eine scharfe Differenzierung der Langsstémme ein in das System der centralen und der peri- pheren Langsstamme. 2) Wahrend bei den anderen Bothriocephalen alle Langs- stamme durch zahlreiche quere und schrage Anastomosen, welche aber unabhangig von der Gliederteilung sind, miteinander in Verbindung treten, zeigt sich bei unserer Species eine scharfe Sonderung des centralen von dem peripheren Systeme durch den Mangel in der ganzen Strobila jeder Kommunikation zwischen den beiden Systemen. Andererseits tritt im Centralsystem die auferst eigentiimliche Anastomosierungsart auf, die ich als Segmen- tierung des centralen Wassergefafsystems bezeichnet habe. 3) Alle vier Stamme des centralen (wie auch die des peri- pheren) Systems verlaufen durch die ganze Strobila bis zum letzten Gliede unverandert; sie behalten ihr urspriingliches Lumen bei, was bei anderen Cestoden nur im Jugendzustand sich findet. In Bezug auf die Queranastomosenbildung la8t sich hier grofe Ahnlichkeit mit den Taniaden erkennen. Nach den Angaben STEUDENER’s ') ,,tritt bei den Taniaden, sobald am Hals die Ab- schniirungen der einzelnen Glieder beginnen, auch die Bildung einer Queranastomose ein, welche bei allen Tanien ohne Ausnahme 1) SreupEner, a. a. O., S, 12. Bothriocephalus schistochilos n. sp. 25 am hinteren Rande eines jeden Gliedes verlauft und sich immer als ein einfaches Quergefaf, niemals als Wiederholung des Ge- fafringes im Kopf darstellt. Diese GefaSanastomose verbindet jederseits nur das grofe der beiden Gefafe, das kleine ist dabei gainzlich unbeteiligt“. Wenn wir die beiden gréferen Gefafe der Tanien (die ventral gelegenen nach PrntNeR) als den beiden inneren Centralstimmen (Taf. II, Fig. 10 Wg‘'b und Wg’‘b' und Figur des Textes C’ und C,) unserer Species entsprechend betrachten, so haben wir auch hier dasselbe Verhalten vor uns. Eine derartige Queranastomosenbildung beschreibt PINnTNER bei Tetrarhynchus longicollis, ebenso v. Rospoz bei Solenophorus megalocephalus. Andererseits kénnte man die in der vorliegenden Species scharf ausgesprochene Differenzierung des Wassergefafsystems in ein cen- trales und ein peripheres mit der etwas ahnlichen Anordnung des Wassergefafsystems bei Caryophyllaeus mutabilis vergleichen. Nach PINTNER ') ,,charakterisiert sich das GefaSsystem bei Caryophyl- laeus mutabilis hauptsaichlich durch eine scharf ausgesprochene Trennung der tiefer liegenden Hauptlangsstimme von einem se- kundaren oberflachlich gelegenen Gefaifnetz. Die Zahl der dickeren Hauptgefife schwankt zwischen 8 und 12. Je zwei derselben liegen einander naher als den iibrigen Stammen‘. Allerdings fehlt bei dieser Vergleichung ein sehr wichtiges Moment, ich meine die Lage der Staimme; denn bei Caryophyllaeus mutabilis sind auch die tieferen Hauptlingsstimme in der Rindenschicht eingelagert. Indes hat es sich durch die neuesten Untersuchungen von Witt”) herausgestellt, daf dies Verhalten nicht fiir die ganze Lange des Caryophyllaeus-Kérpers gilt. Zwar im Rumpfteile, wo die Dotterdriisen die Mittelschicht einnehmen, liegen die gesamten Hauptlingsstamme in der Parenchymlage der Rindenschicht, im Hals aber, wo die Dotterdriisen aufhéren, treten die 4 auf- steigenden Kanale*) in die Mittelschicht tiber und verlaufen inner- halb der Nervenhauptstamme. Man sieht daher auf einem Quer- schnitt durch den Halsteil (WiuL, Fig. des Textes II) 4 Stamme in der Mittelschicht, je 2 auf jeder Kérperseite eingelagert, wahrend die anderen ihre Lage in der Rindenschicht beibehalten. 1) Prvtner, a. a. O., S. 26. 2) Wut, a. a. O., 8S. 26. 3) Witt unterscheidet nach van Benepen und Frarpont auf- steigende und absteigende Hauptgefibfe. 26 N. K. Germanos, Nach diesen Befunden von Witx wird die Ahnlichkeit zwischen Caryophyllaeus mutabilis und unserer Species erhéht. Vollstandig ist allerdings die Ahnlichkeit nicht, doch glaube ich dieses in beschranktem Grade bei Caryophyllaeus mutabilis vorkommende Verhalten des WassergefaSsystems als Ausgangspunkt fiir die Er- klarung des Befundes bei meiner Species annehmen zu diirfen. In der letzteren zeigen die Subcuticularzellen einerseits und die Dotterdriisen und die Lagen der Langsmuskeln andererseits eine so grofe Ausdehnung, daf sie kaum noch freien Platz fiir das wohlausgebildete GefaBnetz des Wassergefafsystems lassen. Die Folge davon ist: ein Teil der Liangsstimme verschiebt sich all- mahlich nach innen bis zur Mittellinie des Kérpers und lagert sich jederseits der Uteruswindungen, wo kein anderes Organ auBer den Hoden existiert. Endlich trennt er sich ganzlich von dem peripheren GefaSnetz und wird zu einem besonderen und selb- standigen System, welches die Mittelschicht versorgt. Mit dieser Trennung und neuen Einlagerung der Langsstaémme sind weiter verbunden a) eine Vergréferung des Lumens der Hauptstamme und b) Veranderungen in der Art der Anastomosenbildung; es kénnte namlich eine komplizierte Anastomosierung zwischen den beiden inneren Langsstammen Wg‘b und Wg‘b’ (Taf. I, Fig. 10) wegen der dazwischen befindlichen und sehr machtig entwickelten Uteruswindungen u. s. w. nicht mehr stattfinden. Infolgedessen oblitterierten hier die Anastomosen und beschrankten sich auf eine einzige Queranastomose am _ hinteren Ende jedes Gliedes. Die Entwickelungsgeschichte hat nachzuweisen, ob und in welchen Entwickelungsstadien diese Vorgiange sich abspielen. 4) Was endlich die gegenseitige Lage der centralen Langs- stamme betrifft, so nimmt die vorliegende Species eine isolierte Stelle innerhalb der Klasse der Cestoden ein. Kalkkérperchen. Hier ware es am Platze, jene eigen- tiimlichen, lange Zeit hindurch, fiir Eier angesehenen Gebilde, die sogenannten Kalkkérperchen, mit wenigen Worten zu be- sprechen. Sie sind tiberall im bindegewebigen Parenchym und in gleicher Menge sowohl in der Rinden- wie in der Mittelschicht vorhanden und bald vereinzelt, bald gruppenweise eingestreut; es giebt kreisférmige mit einem Durchmesser von 0,016 und andere wieder mit nur 0,006 mm; ovale oder elliptische mit Langendurch- messer von 0,012 und 0,009 mm Breite, biskuitférmige oder drei- Bothriocephalus schistochilos n. sp. 27 eckige mit abgestutzten Ecken u. s. w. (Taf. II, Fig. 12). Sehr selten erscheinen sie ganz homogen, vielmals sind sie mit mehreren konzentrischen Streifen versehen und gewahren so das Aussehen von Starkekérnern. Mit Alaunkarmin gefarbt, tingieren sie sich nicht stark, sie zeigen aber die konzentrische Schichtung ausge- zeichnet, waihrend dieses Bild bei den mit Hamatoxylin gefarbten nicht so deutlich hervortritt. CLAPAREDE!) hatte bei Diplosto- mum rachiaeum HENLE und anderen Trematoden die Kalkkoérper- chen in den blasenartigen Endigungen der WassergefaSe gefunden und daher die Ansicht ausgesprochen, daf auch bei den Cestoden ein Zusammenhang zwischen Kalkkérperchen und Exkretionssystem existieren kénnte, ja er glaubte sogar, diesen Zusammenhang bei Triaenophorus nodulosus mehrmals mit Sicherheit erkannt zu haben. Dagegen vermochten die neueren Forscher diesen Vorgang nicht zu bestatigen, und auch ich kann auf Grund meiner Untersuchungen einen Zusammenhang von Kalkkérperchen und Exkretionssystem nicht finden. Geschlechtsorgane. Entsprechend dem allgemeinen Typus der Cestoden besitzt auch das vorliegende Tier in jedem Gliede einen hermaphro- ditischen Geschlechtsapparat. Die erste Anlage der Geschlechts- organe fand ich bei den verschiedenen untersuchten Exemplaren nach dem 20. Gliede, und 10 Glieder weiter war schon der Uterus mit reifen chitindsen Hiern erfiillt. Es kommen zuerst die mann- lichen und dann die weiblichen Organe zur Ausbildung, so da8 bei den unreifen Gliedern die Entwickelung der ersteren ziemlich fort- geschritten ist. Die reifen Glieder, von denen hier die Rede sein soll, zeigen alle den gleichen Bau, Anordnung und Ausbildung der Geschtechtsorgane. Der weibliche Geschlechtsapparat besteht aus der Vagina, dem Ovarium mit dem Oviductus und dem Uterus; dazu kommen noch die Dotterdriisen und die Schalendriisen. Zu dem mannlichen Apparat gehéren die Hoden mit den Samen- gaingen, das Vas deferens und der zur Stiitze derselben dienende Hohlmuskel und der Cirrusbeutel. Ich beginne mit der Beschreibung der weiblichen Organe, indem ich auf die- 1) Cuaparkpe, Die Kalkkérperchen der Trematoden, in Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. IX, S. 99. 28 N. K. Germanos, jenigen Punkte ausfiihrlicher eingehen werde, in denen das vor- liegende Tier mehr oder weniger von den iibrigen Bothriocephalen abweicht. Vagina. Wie ich schon bei der Besprechung der auferen Form des Tieres gesagt, liegt dem vorderen Gliedrande zunachst der Porus genitalis (Taf. I, Fig. 4 P, vergl. auch Taf. II, Fig. 13 P), welcher in eine trichterférmige, mit papillen- artigen Erhebungen belegte Grube, den Sinus genitalis (Sg) fiihrt, in dessen Grunde zwei Offnungen miinden: oben die des Endabschnittes des Vas deferens, die Cirruséffnung (Cro), unten die Vaginaéffnung (Vo), eine ovale oder rundliche mit einem Durchmesser von 0,030 mm. Die Vagina (Taf. II, Taf. 13 V) verlauft zuerst dicht unter dem Cirrusbeutel, erstreckt sich bis zum hinteren Ende desselben und beriihrt die Lage der Ring- muskeln, wo ihr Lumen sich halbkugelig erweitert; dann biegt sie um und zieht nach der Ventralflache (vergl. auch Taf. II, Fig. 15 V), den Uterus dorsalwarts von sich lassend. Hierauf wendet sie sich, immer ventral gelegen, nach dem hinteren Gliedrande und nach mehreren Windungen erreicht sie das Ovarium, dessen Mittelstiick sie iiberschreitet; am hinteren Ende des Gliedes an- gekommen, erweitert sie sich zu einer grofen, bald flaschen- formigen, bald ovalen Blase, dem Receptaculum seminis (Taf. II, Fig. 15 Rs), von dem ein enger Kanal zu dem Ovidukt fiihrt. Wir kénnen damit fiinf Abschnitte unterscheiden: 1) den Anfangskanal (SommrEr’s und Lanpors’ Scheideneingang) von der Vaginaéfinung bis zu der dorsalen Ringmuskellage von 0,006 mm Durchmesser; 2) die dorsale halbkugelige Erweiterung mit einem Durchmesser von 0,010—0,015 mm; dieses merkwiirdige Gebilde kommt bei keinem anderen Bothriocephalus vor, und ich glaube, daf seine Entstehung dem Umstande zuzuschreiben ist, daf’ hier durch zahlreiche Fasern der Scheidenkanal auf die Dor- salflache befestigt wird, wodurch eine Dehnung der dorsal ge- legenen Wand und damit eine Erweiterung seines Lumens an dieser Stelle zustande kommt; 3) den mittleren Kanal (Sommer’s und Lanpors’s Scheidenkanal)’ bis zum Receptaculum seminis, dessen Durchmesser an den verschiedenen Stellen je nach dem Fiillungsgrade mit Samenfliissigkeit und je nach dem verschiedenen von den Uterusschlingen ausgeiibten Druck ungemein wechselt und im Mittelwert von 0,008 mm Durchmesser ist; 4) das Recepta- culum seminis, welches, von der Ventralseite aus gesehen, links von dem Ovidukt liegt, eine Lange von 0,070 mm und eine Bothriocephalus schistochilos n. sp. 29 Breite von 0,040 mm besitzt, und 5) den in den Ovidukt iiber- fiihrenden Befruchtungsgang mit einem Durchmesser von 0,004 mm. Was die histologische Struktur der Vagina betrifft (Taf. IL, Fig. 14), so finde ich dieselbe mit einer homogenen, cuticula- iihnlichen Membran (17) im Innern ausgekleidet; diese Membran nimmt im Anfangskanal an Dicke zu und setzt sich bis zur Vagina- éffnung fort, wo sie, wie Leuckart schon bemerkt hat, in die Cuticularbedeckung des Koérpers tibergeht. Um diese Membran legt sich eine fast gleich dicke Schicht von Ringfasern (Rf) und endlich eine sparliche Reihe von Zellen, die fast parallel der Lings- achse des Kanals gerichtet sind. Ganz abweichend von diesem allgemeipen Verhalten zeigt das Receptaculum seminis eine innere epitheliale Auskleidung, deren Zellen, mit deutlichen Kernen ver- sehen, senkrecht zur Wandung des Organs stehen und eine Linge von 0,006 mm haben. Nach Cilien im Lumen der Vagina, wie sie Monrez+) von anderen Bothriocephalen beschreibt, habe ich vergebens gesucht; ebensowenig kann ich das Vorhandensein einer inneren Schicht von Zellen mit Kernen und ziemlich homogenem Protoplasma, wie v. Ropoz bei Solenophoras megalocephalus be- schreibt, konstatieren. Ovarium, Dotter- und Schalendriisen. Von den Driisen des weiblichen Geschlechtsapparats ist nur wenig zu sagen. Das Ovarium (Taf. II, Fig. 15 Ov) liegt dicht hinter der ven- tralen Ringmuskelschicht am hinteren Ende des Gliedes und stellt einen Driisenschlauch dar, bestehend aus zwei grofen, bis tiber die Mitte der Lange des Gliedes reichenden Seitenstiicken und einem dieselben am hinteren Ende des Gliedes verbindenden Mittelstiicke (Ms). Das ganze Ovarium wird von einer zarten, strukturlosen und glashellen Membran umgeben und umfaft eine grofe Menge von ovalen oder rundlichen Eizellen (Fig. 15 Ki und Fig. 16 £2), die aber meist dicht aneinander gedrangt liegen und dadurch eine langlich-polygonale oder dreieckige Gestalt an- nehmen. Der Durchmesser des Kernes betragt 0,002 mm und derjenige der ganzen Zelle 0,016 mm. Von der hinteren Seite des Mittelstiickes entspringt ein gemeinsamer Oviductus (Taf. II, Fig. 15 Ovd), ein anfanglich geraumiger Gang, welcher enger wird und den feinen Befruchtungsgang aufnimmt; nachher biegt er um und geht in den Anfangsteil des Uterus iiber; an der Stelle der 1) Montez, Memoires sur les Cestodes, 8, 148 (Traveaux de Institut zool, de Lille, T. III, Fasc. 2), 1881. 30 N. K. Germanos, Umbiegung miinden in ihn einerseits das Sammelrohr der Dotter- driisen und andererseits die Schalendriisen. Der Dotterstock (Taf. I, Fig. 5) ist ein umfangreicher Driisenapparat, welcher aus zahlreichen, in einfacher Lage und in regelmafigen Abstaénden voneinander im Parenchym der Rinden- schicht eingelagerten Dotterkammern oder Dotterdriisen (Dd) besteht. Letztere sind Zellenkomplexe von rundlicher oder ovaler Gestalt mit 0,040—0,060 mm Durchmesser ; sie bilden eine Lage rings um die innere Lingsmuskelschicht herum und _ lassen nur einen kleinen Bezirk am Mittelfeld der Ventral- und Dorsal- seite frei. In der Reihe der aufeinander folgenden Glieder sind sie derartig zerstreut, daf{i man die Dotterdriisen eines Gliedes nicht abgrenzen kann; vielmehr scheinen die Dotterginge der vordersten Kammer eines Gliedes [wie schon Erscuricut und spater SomMeR und Lanpois in ihrer Arbeit tiber Bothriocephalus latus beschrieben?)], zum Sammelrohr des vorangehenden Gliedes zu fiihren. Von jeder einzelnen Dotterdriise geht ein mit zarter Hiille versehener Ausfiihrungsgang; alle diese Gainge miinden ineinander und bilden ein ausgedehntes Réhrenwerk, von dem eine Anzahl vroéBerer Aste abgehen, die sich schlieSlich zu einem Sammelrohr (Taf. I, Fig. 15 Dr) vereinigen, welches in die Mittelschicht eintritt und in den Anfang des Uterus einmiindet. Eine Erweite- rung des Sammelrohres zu einem Dotterreservoir, wie SOMMER und Lanpors beschreiben ?), Ja8t sich hier nicht erkennen. Zu den weiblichen Geschlechtsdriisen gehéren endlich die Schalendriisen (Taf. II, Fig. 15 Sd), welche hinter und etwas rechts von dem Ovidukt liegen. Jede einzelne Driise stellt eine einfache, ei- oder birnférmige Zelle yon 0,020 mm Linge dar, welche durch einen Ausfiihrungsgang an der Stelle, wo der Ovidukt in den Uterus tibergeht, ausmiindet. Uterus. Der Uterus nimmt seinen Anfang von dem Ovidukt. Sein Anfangsteil (Taf. II, Fig. 15 U#) verlauft gerade gestreckt oder leicht gekrimmt unter dem Mittelstiick des Ovariums; von da aus schlagt er den Weg nach oben ein und beschreibt zwischen der Vagina und dem Vas deferens eine Anzahl von unregelmafigen und darmahnlichen kleineren oder gréSeren Windungen, welche die Membran der Ovarien etwas verdrangen und eine Art von sehr tiefen, meist bis zur seitlichen Wandung des Stiickes rei- 1) Sommer und Lanpots, a. a. O., 8S. 59. 2) Sommer und Lanpors, a. a. O., 8. 59. Bothriocephalus schistochilos n. sp. 31 chenden Einbuchtungen bilden, wo sie sich einschieben. Gewéhn- lich zihlt man 5—6 Schlingen jederseits der Medianlinie des Gliedes, von denen die obersten links nnd rechts von dem Cirrus- beutel und manchmal iiber dessen Niveau hinauf steigen. Das Endstiick der letzten Schlinge wendet sich nach der Ventralseite und endet auf derselben hinter dem Porus genitalis in eine selb- stindige Offnung (Taf. I, Fig. 2 u. 4 Vo, und Taf. Il, Fig. 13 u. 18 Uo), welche bald auf der Medianlinie des Kérpers, bald rechts, bald links von ihr liegt. Die Weite des Uterusschlauches in seinem Anfangsteile betragt 0,035—0,040 mm, von da ab aber nimmt sie sehr rasch zu, und weiterhin zeigen die Schlingen ein iibermabig weites Lumen, welches aber nicht durch die Entfernung der Schlinge von dem Anfangsteile bedingt ist, sondern nur von der jeweiligen starkeren oder geringeren Ansammlung von Kiern abhaugig ist. Die befruchteten chitindsen Eier haben eine ovale Form und scheinen in der vorliegenden Species von dem gewohnlichen Bau der Bothriocephalen-Eier nicht abzuweichen; der Lavgendurch- messer betragt 0,050—0,070 mm, der Breitendurchmesser 0,020 bis 0,030 mm und die Dicke der chitinédsen Hiille 0,004 mm. Miannliche Geschlechtsorgane. Der mannliche Geschlechtsapparat zeigt sich nicht so kom- pliziert wie die weiblichen Geschlechtsorgane; er umfaft die Hoden mit ihren Ausfihrungsgingen, das Vas deferens und seine muskulésen Stiitzapparate. Hoden. Die Hoden stellen sich dar als rundliche oder ovale blaschenformige Gebilde von 0,080—0,100 mm Durchmesser und sind in zwei- oder dreifacher Lage im Parenchym der Mittel- schicht, besonders im Bereiche der Mittelfelder eingelagert; auSer- dem aber dringen sie bis zu den Schlingen des Uterus vor. Jedes Blaschen, mit den Elementen des Samens gefiillt, wird von einer zarten Grenzmembran umgeben, welche sich in einen breiten Aus- fiihrungsgang fortsetzt. Dieser vereinigt sich mit anderen zu gréBeren Gangen, welche schlieBlich in einen, an der Riickenseite der Mittelschicht und oberhalb des Ovariums liegenden Sammel- raum einmiinden. Was ich besonders an dieser Stelle bemerken will, ist folgen- des: Erstens daf die Hodenblaschen, im Gegensatz zu den Angaben 374 N. K. Germanos, SomMeEr’s und LAnpois’ von Bothriocephalus latus+), eine leicht erkennbare Grenzmembran besitzen, und darin stimmt auch die vor- liegende Species mit den von anderen Forschern untersuchten Cesto- den iiberein. Zweitens zeigt diese Species eine Abweichung vom Bothriocephalus latus darin, daS alle Samengange eines Gliedes in den Sammelraum desselben Gliedes ein- miinden. Das Ergebnis Sommerr’s und Lanpois’?), das tibrigens bereits Erscuricut gefunden hat, wonach die Dottergange der vordersten Dotterdriisen eines Gliedes in das Sammelrohr des vor- hergehenden Gliedes miinden, findet auch bei unserer Species Be- statigung; ein solches Verhalten aber fand ich auch fiir die Samengiange nicht vor; vielmehr sah ich, da8 die Hodenblaschen jedes einzelnen Gliedes von denen des folgenden durch eine schmale Lage von Parenchym sehr deutlich abgegrenzt sind. Vas deferens. Das Vas deferens ist ein vielfach gewundener Schlauch von 0,007 mm Durchmesser, welcher, an der Riickenseite der Mittelschicht verlaufend, zahlreiche Windungen hinter und zwischen den Uteruswindungen beschreibt. Auf diese Weise steigt es bis fast zum vorderen Rande des Gliedes hinauf, wendet sich dann etwas ventralwarts und tritt in die muskulésen Stitzapparate hinein. lLetztere verhalten sich wie bei Bothriocephalus latus; der obere davon, der Cirrusbeutel (Taf. I, Fig. 5 Cb, und Taf. II, Fig. 13, 15 Cb), ist eiférmig, mit der stumpfen Seite nach riickwarts gerichtet, und nimmt die ganze Strecke von dem Sinus genitalis bis zur dorsalen Ringmuskelschicht ein, indem seine Langsachse senkrecht zur Langsachse des Gliedes steht. Die erékte Breite des Cirrusbeutels betragt 0,090 mm. Seine Wan- dung, die eine Dicke von 0,008 mm hat, wird von zarten, mit eroken Kernen versehenen und mehrfach miteinander verfilzten Muskelfasern gebildet, welchen sich Muskelfasern, von der Ventral- und Dorsalseite des Gliedes abbiegend, beimischen und zur Stiitze des ganzen Organes dienen. Von der Innenflache der Wandung entspringen zahlreiche Muskelfasern, welche radial verlaufen und sich an dem vielfach innerhalb des Cirrusbeutels gewundenen End- abschnitt des Vas deferens inserieren. Der zweite muskulése Apparat ist kugelig und von 0,030 mm Durchmesser. Seine Wandung hat eine Dicke von 0,006 mm, und die von der Innenflaiche entspringenden zarten, kernlosen und 1) Sommer und Lanpors, a, a, O., 8. 51. 2) Sommer und Lanpots, a, a O., S. 59. EE Bothriocephalus schistochilos n. sp. 30 cilienartigen Muskelfasern verlaufen strahlenformig zu dem durch- gehenden Vas deferens, an welchem sie sich befestigen. Dieser Hohlmuskel schlieBt sich an der Unterseite des hinteren Teiles des Cirrusbeutels an, jedoch nicht genau auf der Medianlinie des- selben, sondern er riickt rechts oder links etwas in die Hohe und sein Pol, welcher mit dem Cirrusbeutel in Beriihrang tritt, plattet sich gegen diesen ab. Mit diesen Lageveranderungen des Hohl- muskels steht auch der Verlauf der Vagina und die Lage ihrer halb- kugeligen Erweiterung in Zusammenhang; da wo der Hohlmuskel auf der rechten Seite der Cirrusblase angelagert ist, verlaiuft die Vagina links von demselben, und bei ihrem Weiterverlauf zur Dor- salseite bildet sie die halbkugelige Erweiterung, welche in diesem Falle links und dorsal von dem Hohlmuskel liegt; im niachst- folgenden Gliede verhalt sich die Sache umgekehrt. Der Endabschnitt des Vas deferens, welcher als Penis funk- tioniert, verlaéuft innerhalb des Cirrusbeutels, wo er mehrere Spiral- windungen bildet und in der oberen Offnung des Sinus genitalis (Taf. Il, Fig. 13 Cro) endet. Hier geht seine cuticulare Wan- dung, die in diesem Abschnitte des Samenleiters sehr stark ent- wickelt ist und in Langsfalten in das Lumen des Organs vor- springt, in die Cuticula der K6rperoberflache iiber. Was endlich die Frage nach der Funktion des Cirrus anlangt, so differieren die Ansichten der Autoren nach zwei Seiten hin. Die einen nehmen an, dafi der Cirrus, welcher tibrigens kein selbstindiges Organ ist, sondern der hervorstiilpbare Endabschnitt des Samenleiters, nicht die Bedeutung einer Begattung zu haben scheine. So z. B. sagt Srizrpa‘): ,,Eine Umbeugung des Penis in die unter demselben gelegene Vaginaléffnung zum Zwecke der Begattung habe ich niemals zu beobachten Gelegenheit gehabt.“ Ebenfalls a4ufern Sommer und Lanpors folgende Ansicht?): ,,Der Cirrus scheint tibrigens nicht die Bedeutung eines Kopulations- organes zn haben. Thatsache wenigstens ist, daf auch bei ein- gezogenem Cirrus ein Aussickern der Samenfliissigkeit aus der Offnung des Samenleiters in den Sinus genitalis und die Scheiden- éffnung stattfindet. Ferner hatten wir auch bei sorgfaltigster Un- tersuchung mehrerer hundert Glieder nicht einmal Gelegenheit, den Cirrus in der Scheide zu finden. Endlich laft ein Blick auf Taf. VII, Fig. 2 und das Lageverhaltnis des Scheideneingangs zur Cir- 1) Strep, a. 9. O., 8. 191. 2) Sommer und Lanpots, a. a. O., S. 55. Ba, XXX. N. F, XXIII, 3 34 N. K. Germanos, rusblase es nicht einmal als méglich erscheinen, da der Cirrus als Kopulationsorgan in die Scheide gelangen kénnte.“* Nach der zweiten Ansicht wird dem Cirrus die Bedeutung eines Kopulations- organes mit Sicherheit zugeschrieben. Ich will es dahingestellt sein lassen, ob man den Cirrus in die Vaginaléffnung eingestiilpt gesehen hat oder nicht, und stiitze mich bei der vorliegenden Species nur auf die Lageverhaltnisse der beiden Offnungen (Cirruséffaung und Vaginaléfinung) und auf die Art und Weise der Herausstiilpung des Cirrus. Mit Entschieden- heit kann man daraus schliefen, da& der Cirrus eines Gliedes zur Selbstbefruchtung nicht dienen kann. Nicht nur, weil die beiden Offnungen, wie Sommer und Lan- pois?) ganz richtig bemerken, so angeordnet sind, daf das Uberfiihren der Samenfliissigkeit aus der Offnung des Samenleiters (Taf. Hl, Fig. 13 Cro) in die Vaginaléffnung (Vo) ohne die Ver- mittelung irgend eines Organs vor sich gehen kann, sondern haupt- sachlich weil der Vorgang der Hervorstiilpung in der Weise vor sich geht, daf der Cirrus nur direkt nach dem Porus genitalis ausgestoBen wird; und an diesem Vorgang beteiligt sich nicht nur der Endabschnitt des Samenleiters, sondern auch der ganze vordere Teil des Cirrusbeutels riickt bis zum Porus genitalis vor, und manchmal ragt er sehr weit aus demselben heraus. In vielen Fallen fand ich fast die Halfte des Cirrusbeutels aus dem Porus genitalis heraushangend (Taf. II, Fig. 17 u. 18). Allerdings kann bei einer solchen Hervorstiilpung eine Umbeugung des Cirrus in die Vaginaléffnung desselben Gliedes zum Zwecke der Begat- tung nicht stattfinden. Wenn also dem Cirrus die Bedeutung eines Begattungsorgans zugeschrieben werden soll, so ware das nur méglich, wenn die Be- gattung zwischen den verschiedenen Gliedern eines Individuums oder zwischen den Gliedern verschiedener Individuen erfolgen wiirde. Il. Systematisches. Wenn wir zum Schlu& aus den Resultaten der vorliegenden - Untersuchung die systematische Stellung dieses Tieres bestimmen wollen, so finden wir, daB es eine Menge von Anklangen an die 1) Sommer und Lanpots, a, a. O., S, 56. a Bothriocephalus schistochilos n. sp. 35 Bothriocephaliden bietet und infolgedessen mit vollem Recht in dieser Familie eingereiht werden muS. Andererseits aber zeigt es eine Reihe von nicht unwesentlichen Besonderheiten, welche die Aufstellung einer neuen Species notwendig machen. Auf diese oben schon ausfiihrlich geschilderten und betonten Besonderheiten will ich nicht mehr eingehen; ich werde hier nur die vorliegende Species mit den anderen bis jetzt in Seehunden gefundenen Bo- thriocephalen insofern einer Vergleichung unterwerfen, als es nétig sein wird, um nachzuweisen, daf wir es hier mit einer neuen Species zu thun haben. Ks sind bis jetzt in Seehunden folgende Bothriocephalen ge- funden: Bothr. tetrapterus vy. Sres. in Phoca vitulina. Bothr. fasciatus Kr. in Phoca annellata und hispida. Bothr. elegans Kr. in Phoca cristata. Bothr. antarcticus Barrp in einer nicht bestimmten Phoca- Species. Bothr. variabilis Kr. in Phoca vitulina, cristata und barbata. Bothr. phocarum Fagr. (Taenia anthocephala Rup.) Bothr. lanceolatus Kr. in Phoca barbata. Bothr. hians Dies. in Phoca annellata und barbata und in Leptonyx monachus. ° (Bothr. Phocae foetidae Kr. ?) (Dibothrium hians Drss.) Bothr. cordatus Lreuck. in Trichechus rosmarus und Phoca barbata. Von diesen sind zuerst Bothr. tetrapterus, Bothr. fasciatus und Bothr. variabilis auSer Betracht zu lassen wegen der bei diesen vorhandenen Zwei- resp. Dreizahl (Bothr. variabilis) der Geschlechtséffnungen; ebenso sind Bothr. ele- gans und antarcticus auszuschlieBen wegen ihrer Ko6rper- groéfe, und weil bei ersterem die hintersten Glieder viel kiirzer sind (0,2 mm) und bei letzterem Anhangsel an den Grubenfliigel beschrieben wurden. Von den vier tibrigen hat Bothr. phocarum mit seinem ganz verschieden gebauten Kopfe und mit einer Kérperlange von 16 cm gar keine Ahnlichkeit mit unserer Species; ebenso Bothr, hians Dres., dessen Korperlinge iiber 30 cm betragt. Bothr. lanceolatus nahert sich etwas der vorliegenden Species in der Gréfe und Gestalt des Kérpers (lanzettférmig, 3 * in Phoca cristata und barbata. 36 N. K. Germanos, 1—3,5 cm Ké6rperlange); er besitzt aber eine viel gréfere Breite, von 6 mm und bei anderen Exemplaren von 12 mm und aufer- dem zeigt er, so viel aus der unvollstindigen Beschreibung KRABBE’s zu ersehen ist, groBe Unterschiede in der Ausbildung der Geschlechtsorgane, welche bei ihm schon im ersten Gliede sichtbar sind und im 13.—14. Gliede ausgebildete Kier besitzen. Endlich zeigt Bothr. cordatus Lruck. eine gewisse Ahn- lichkeit mit unserer Species in der Art und Weise der Gliederung des Kérpers und in der Gestalt des Scolex; in der Kérperlange findet sich aber ein enormer Unterschied (115 cm beim Bothr. cordatus). Es kommt dazu noch, um uns hier nur auf die duferen Merkmale zu beschranken, die ganz eigenttimliche Gestaltung der Rinder unserer Species, welche hinten gespalten sind und wie Ohrlappen herunter hangen. Dieses sehr charakteristische aufere Kennzeichen fiir die vorliegende neue Species veranlaft mich, ibr den Namen Bothrioeephalus schistochilos zu geben *). 1) Lyotog = gespalten, yeiAog —= Rand, Lyotozzrkog == mit ge- spaltenen Randern, Bothriocephalus schistochilos n. sp. 37 Erklirung der Abbildungen zu Tafel I u. II. In allen Figuren bedeutet: A vorderer Gliedrand ; B hinterer Gliedrand ; E Mittelfeld; D Seitenfelder ; | P Porus genitalis; | Sg Sinus genitalis ; Uo Uteruséffnung; Wg periphere Wassergefab- kanile; Wg’ centrale Wassergefabkaniile; N Nervenstrang; Kk Kalkkérperchen ; Hb Hodenblischen; Vd Vas deferens; Cro Cirruséffnung ; Cr Cirrus; Cb Cirrusbeutel ; Vo Vaginadffnung ; V Vagina; Rs Receptaculum seminis; Ov Ovarium; Ovd Ovidukt; Sd Schalendriisen; Ut Uterus; Dr Dottersammelrohr. C Cuticula; dufere, mittlere, | innere Schicht derselben; Fb Fibrillenschicht unter der | Cuticula; St Stabchenschicht ; pLM periphere, mLM wittlere, iLM innere Lingsmuskelschicht; Se Subcuticularzellen; Rm Ringmuskelschicht ; dvM Dorsoventralmuske!n ; | Die Erklarung der tibrigen vorkommenden Buchstaben findet sich bei den einzelnen Figuren angegeben. Tafel I, Fig, 1—9. Fig. 1. Kopf und die ersten Glieder von Bothr. schistochilos. Zeifi Ok. 2, 1/, A. Cam. luc. gezeichnet. Ansicht von der Ventralfliche. Fig. 2. Bothriocephalus schistochilos yon der Ventralfliche aus gesehen. LupenvergréBerung. Cam. lucida gezeichnet. (Die natiir- lichen Dimensionen des vorliegenden Exemplars sind folgende: Linge des Korpers 19,5 mm; gréfte Breite des Leibes 4 mm; Linge des Kopfes 1,4 mm; Breite des Kopfes 0,8 mm.) Fig. 3. Flachenschnitt durch den Kopf und die ersten Glieder. Lupenvergroferung. WH ringférmiger Wulst, Gl die ersten Glieder. 38 N. K. Germanos, Bothriocephalus schistochilos n. sp. Fig. 4. Der Endabschnitt des Kérpers zwei verschiedener Ex- emplare, viermal vergrofiert. Bei vier Gliedern ist der Cirrus heraus- gestiilpt. Fig. 5. Querschnitt durch ein geschlechtsreifes Glied in die Hohe des Cirrusbeutels. Zei® A. Ok. 2. Die Dotterkammern und die Hoden- blischen sind etwas stirker vergrdfert. Fig. 6. Ein Stiick des vorhergehenden Querschnittes, viel starker vergrobert. Zeib F. Ok. 4. Die Zellen etwas schematisch. Fig. 7. Flachensehnitt durch die Cuticula (a) und die darunter liegenden Schichten. Zeif D. Ok. 4. Fig. 8. Lingsschnitt durch den Kopf und die ersten Glieder, um die Lage und den Verlauf der inneren Lingsmuskeln zu zeigen. ZeiB A, Ok. 2. Fig. 9. Zwei dorsoventrale Muskelfasern mit Myoblasten. Zeib Apochromat. Ok. 12. Tafel Il, Fig. 10—18. Fig. 10. Schematische Darstellung der Lage und des Verlaufs der centralen Lingsstiimme des Wassergefifisystems durch Rekonstruk- tion aus einer Serie von Flichenschnitten. Die Ziffern zeigen die Zahl des betreffenden Gliedes an. Qa Queranastomosen zwischen den beiden inneren Lingsstimmen; Am Anastomosen zwischen dem inneren und dem duferen auf jeder Korperhalfte liegenden Stamme. Zeif Lite cas BOK. 2, Fig. 11. Lingsschnitt durch die Gegend des duferen Central- stammes gefiihrt, um den Verlauf des Stammes in zickzackformiger Linie anzugeben. Zeif® 1/, A. Ok. 2. Fig. 12, Kalkkérperchen aus verschiedenen Gegenden des Kor- pers. Zeif D. Ok. 3. Fig. 13. Liangsschnitt durch die Miindung der Geschlechts- organe. Zeifs D. Ok. 2. Fig. 14. Langsschnitt durch den mittleren Abschnitt der Va- gina. JZ homogene Membran; Rf Ringfasern; Cl Cellen. Zeib D. Ok. 4. Fig. 15. Schematische Darstellung der Lage und des Verlaufs der weiblichen Geschlechtsorgane, von der Ventralseite aus gesehen, Ei Eizellen; M homogene Membran; Ms Mittelstiick des Ovariums; Bg Befruchtungsgang. Zeif A. Ok. 4. Fig. 16. Einzelne Eizellen aus dem Ovarium. Zeif. D. Ok. 4. Fig. 17, Liangsschnitt durch drei aufeinander folgende Glieder, bei welchen ein grofer Teil des Cirrusbeutels herausgestiilpt ist. ZeiB 1/, A, Og. 2. Fig. 18. Flichenschnitt durch den vorderen und bis zum Porus. genitalis hervorgestiilpten Teil des Cirrusbeutels. Zeif D. Ok. 2. Die Entwickelung des Spinnapparates hei Trochosa singoriensis Laxm. mit Beriick- sichtigung der Abdominalanhange und der Fliigel bei den Insekten. Von A. Jaworowski in Lemberg. Mit Tafel III u. IV. Ein Blick in die Litteratur des Spinnapparates bei den Araneina zeigt uns sofort, daf derselbe weit besser in anatomischer als in entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht bekannt ist. Der ent- wickelungsgeschichtlichen Untersuchung stellten sich Schwierig- keiten in den Weg, die nicht leicht zu tiberwinden waren. Ich gelangte daher erst nach einer langen Reihe von Untersuchungen zu Resultaten, die vielleicht in einer viel kiirzeren Zeit in gleichem Mafstabe erzielt waren, wenn mir meine Standesobliegenheiten als Gymnasialprofessor es gestatteten, und ein frisches Material ') fort- wihrend zur Verfiigung gestanden ware. Da die Entwickelung der Spinnwarzen nur zum Teil und dies nur oberflachlich bekannt war, so hatte dies zur Folge, daf einer- seits die Ursache des Auftretens ihrer verschiedenen Anzahl (4 oder 6) bei den Araneina unbekannt blieb, andererseits bei den 1) Trochosa sing. findet sich bekanntlich am duBersten Rande Ostgaliziens und in der Ukraina vor. AO A, Jaworowski, Spinnen Organe, z. B. Cribellum vorkommen, deren Natur und Ent- stehung erst noch zu ermitteln nétig war. Der Spinnapparat bei Trochosa singoriensis waihrend der Ent- wickelung besteht aus folgenden Bestandteilen: aus a) den 6 Spinnwarzen samt den Spinndriisen, b) einem rudimentaren Cribel- lum, c) den Spinnklauen und d) einem Calamistrum. LEinen jeden dieser Bestandteile will ich einzeln besprechen, doch, wie die Ent- wickelungsgeschichte es erfordert, die Entstehung der Spinnwarzen und des Cribellums gleichzeitig behandeln. I. Die Entwickelung der Spinnwarzen, des Cribellums und der Spinndriisen. Heroup (26) kennt im embryonalen Zustande nur die Stelle, das Ende des Bauchfleckens“, an welcher die Spinnwarzen ent- stehen. CLAPAREDE (14) kannte die Entwickelung der Spinnwarzen noch nicht. In der Fig. 26 u. 27, Taf. III von Pholcus spilionides stellt er sie in der Zahl 4 dar, ohne eine nahere Angabe ther ihre erste Entstehungsart. SALENSKI (49) gebiihrt das Verdienst, zuerst behauptet zu haben, daf das dritte und vierte Paar der Abdominalanhainge am Schlu8 der Embryonalentwickelung sich in die Spinnwarzen um- wandelt, doch lieB er beziiglich der Entstehung der vollen Zahl der Spinnwarzen die Frage offen, indem er schreibt: ,,Von den drei Paaren der Spinnwarzen entwickeln sich in der zweiten Pe- riode nur zwei Paare. Das dritte Paar entwickelt sich bedeutend spater und auf eine ganz andere Weise. Dieser Unterschied in der Entwickelung entspricht dem Unter- schiede ihrer Lage und Groéfe. Das dritte Paar entwickelt sich nicht aus den AbdominalfiiRchen, sondern er- scheint zwischen dem ersten, tiber der nach hinten gelegenen Oeff- nung in Gestalt zweier konischen Erhebungen. Beim Embryo, wie auch beim entwickelten Tier sind sie bedeutend kleiner als die zwei letzten Paare.‘ Batrour (3) war beziiglich der Entwickelung der Spinn- warzen im Unklaren. Er glaubt, daf die vier Paare der Ab- dominalanhinge verschwinden, und zweifelt, ob sich die zwei letzten Paare in Spinnwarzen umwandeln. Locy (38, S. 82) bestatigt die Beobachtung von SALENSKI, Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 41 doch beziiglich der Entstehung des dritten Paares der Spinn- warzen ist er mit seinem Urteile sehr vorsichtig, wenn er sich, wie folgt, aufert: ,,In addition to these two large pairs there is a pair of smaller median mamillae, the origin of which I have not traced.“ Wie schwierig die Erkenntnis der Entwickelung der vollen Anzahl der Spinnwarzen sich auch anderen Forschern wahrend der Untersuchungen darbot, ergiebt sich aus ihren verschiedenen An- gaben. Schon vorher hatte ScuimkrewitTz (51) vermutet, da’ die Entwickelung der Spinnwarzen auf eine Art von Neubildung zu- riickzufiihren sei, eine Ansicht, die durch Untersuchungen von Barros (4, 8. 544) ihre Bestitigung findet. Der letztere schreibt: »les filiéres elles-mémes naissent a cette époque sous forme d’as- sez larges soulévements de la peau, situés a la limite postérieure des plaques sternales; elles n’apparaissent d’abord qu’au nombre de deux paires: la troisiéme, plus petite, ne se forme que plus tard.“ Morin (40) fiihrt die Angabe SaLensxt’s an, namlich daf das dritte und vierte Paar der Abdominalanhinge, d. i. am vierten und fiinften Abdominalsegment, zu Spinnwarzen werden, das zweite Paar hingegen, am dritten Abdominalsegment, der Riickbildung anheimfallt, was erst KisHinoye (31) ganz richtig abbildet. Der letztere Forscher glaubt auch, da die Entwickelung des dritten Spinnwarzenpaares bei Agalena erst nach dem Ausschliipfen ‘aus dem Eie, somit im postembryonalen Zustande, stattfinde. Die neuesten Untersuchungen finden wir in KorscHELT-HEIDER, Lehrbuch der vergleichenden Embryologie, vor. Es wird hier an- gegeben, daf die Spinnwarzen mit Riicksicht auf die Konstatierung einer gréferen Anzahl der Abdominalanhainge aus dem vierten und fiinften Paar hervorgehen, wozu vielleicht noch das sechste Paar miteinbezogen werden diirfte. Lane (36, S. 539) stellt es auf Grund vergleichend-anatomi- scher Betrachtungen als sehr wahrscheinlich hin, daf die zwei oder drei Paar Spinnwarzen rudimentire Abdominalgliedmafen seien, das Cribellum hingegen der letzte Rest eines weiteren (vierten) ab- dominalen Gliedmafenpaares sei. Wir sehen also, da8 die Entwickelung der vollen Anzahl der Spinnwarzen bis jetzt unbekannt ist, da’ aber auch das erste Ent- stehen derselben verschiedene Darstellungen erfahren hat. Meine Untersuchungen an Trochosa singoriensis berechtigen 42 A. Jaworowski, mich, die eben erzielten Resultate zu verdéffentlichen. Da es sich aber vor allem darum handelt, aus welchen Abdominalanhangs- paaren die Spinnwarzen entstehen, so muf ich die Ergebnisse der darauf gerichteten Untersuchungen gleich vorausschicken. Bekanntlich wird die Anzahl der Abdominalanhange mit vier Paaren angegeben (SALENSKI, BALFOuR, SCHIMKIEWITZ, KISHINOYE, Locy und Morin), bei Trochosa fand ich (27) seiner Zeit 5 Paare, das letzte jedoch stark reduziert, und CLAPAREDE hatte schon vor- her bei Clubione 6 Paare gefunden. Die Dislokation, resp. die Entwickelung der eben erwihnten Anhangspaare scheint ver- schieden zu sein. Satensxi fand bei Clubione, ScaimKrewiTz bei Agalena und seiner Zeit auch ich bei Trochosa am ersten Abdominal- segment kein Anhangspaar vor, CLAPAREDE, BALFOuR und andere zeichnen das erste Paar der Anhange am ersten Abdominalsegment, und die neuesten Untersuchungen von KorscHett und HeErper (32) sind insofern von Wichtigkeit, als sie bei einer nicht naher be- stimmten Spinnenart je ein Abdominalanhangspaar nicht nur am ersten, sondern auch am sechsten Segment als_ riickgebildet schildern, somit die Beobachtungen CLAPAREDE’s bestatigen. Der letzte Fall veranla8te mich zu wiederholten, seiner Zeit an vielen Embryonen angestellten Untersuchungen, und ich fand nun bei Trochosa folgendes vor. In einem Stadium, aber vor Reversion (Fig. 1) sind am zweiten, dritten, vierten und finften Abdominalsegment die Anhange in derselben Linie wie die Cephalothorax-Extremititen ausgebildet, nach hinten stufenweise immer kleiner und von verschiedener Form. Nach vorn von der Basis der Abdominalanhinge und gegen die Mittellinie des Kérpers ist in einem jeden Segment eine deutliche ektodermale Verdickung, die Anlage des Ganglions, sichtbar. Am ersten Abdominalsegment des Trochosaembryos treten bei einer stirkeren Vergré8erung dieselben Teile auf, doch ist das Abdominal- fichen ganz riickgebildet, wie dies aus der Fig. 2 zu ersehen ist. Kin derartiger Sachverhalt laf%t uns schlieBen, daf& alle Spinnen urspriinglich auch am ersten Abdominalsegment entsprechende An- hange hatten, doch im Laufe der Zeit ein Teil von ihnen sie schon friihzeitig der Riickbildung anheimfallen lieBen. Ich mu8 jedoch hier ausdriicklich bemerken, da mir die konstante Anzahl von sechs Paar Abdominalanhingen an der Bauchseite der Araneinen dennoch recht zweifelhaft scheint, da man in gewissen Fallen (Fig. 3) sie nicht nur am 2.—-6. Segment bei Trochosa sing. deut- lich entwickelt findet, sondern deutliche Spuren auch am 7.—10. Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 43 Segment mit nach hinten allmahlich abnehmender Gréfe zum Vorschein kommen. Ein derartiges Verhalten bringt die Spinnen nicht nur in eine nahere genetische Beziehung zu den Skorpionen, sondern macht es auch wahrscheinlich, daf sie ahnlich wie die In- sekten nach GRABER (19) in phylogenetischer Hinsicht von den polypoden bezw. pantopoden Formen, die etwa den Wiirmern ahn- lich waren, abzuleiten sind Die Riickbildung der Abdominalanhange bei Trochosa sing. findet weniger an vorderen, stark aber an den hinteren Segmenten des Abdomens statt. Am ersten Abdominalsegment ist der An- hang wahrend der Entwickelung schwach sichtbar, am zweiten dient er als Operculum iiber das Stigma der sog. Lunge, am dritten ist er gleichfalls deutlich entwickelt, doch wie Fig. 4 am Langsschnitte zeigt und wie es bereits auch KisHInovE (Fig. 34, Taf. XV) richtig zeichnet. Das Innere entwickelt kein Mesoderm- gewebe. Die Abdominalanhinge des vierten und fiinften Segmentes allein sind bevorzugt, sich im Laufe weiterer Entwickelung in die Spinnwarzen umzuwandeln, waihrend die Anhange tibrig gebliebener Abdominalsegmente, und zwar des dritten Segmentes, wo sie zu- weilen am stairksten entwickelt erscheinen, und des sechsten Seg- mentes, schon sehr friihzeitig ganz verschwinden und an der Warzenbildung tiberhaupt gar keinen Anteil nehmen (Fig. 5). Die Form der Abdominalanhange ist wihrend der Entwicke- lungszeit veranderlich. Ich habe mich schon friiher (27, 28) damit beschaftigt, doch gelang es mir nicht, seiner Zeit die Frage nach der Entwickelung der vollen Anzahl der Spinnwarzen endgiltig zu lésen. Vor der Reversion ist die Gestalt der Abdominalanhange einfach, zwei- oder auch dreilappig. Konstant ist die Form des Anhangs am zweiten uud sechsten Segment, am dritten hingegen ist sie zwei-, ja auch dreilappig (Fig. 6). Anders ist es nach der Reversion. In diesem Entwickelungsstadium und zwar in der Fig. 7 besitzt das vierte und fiinfte Paar der Abdominalanhange eine ganz charakteristische Form. In beiden Paaren bestehen die Abdominalanhange aus Doppelsickchen, die der Gréf%e nach im vierten Paare einander beinahe gleich sind, das Innensickchen aber d. i. das der Mittellinie des Kérpers naichst gelegene tiberlagert das AuSensackchen der Lange nach beinahe zur Hialfte. Beide Sackchen des vierten Paares, die ich sowie die des folgenden fiinften Paares der Kiirze halber als Exo- (ex) und Endopodit (en) bezeichne, sind von rundlich-elliptischer Form. Diese Teile des fiinften Abdominal- anhangs am fiinften Segment sind ungleich, das Endopodit ist be- 44 A. Jaworowski, deutend kleiner als das Exopodit, auf dem es ganz aufgelagert ist und mit dem es an der Basis verschmolzen erscheint. Es ist also klar, da8 in einem gewissen Entwickelungsstadium, wenn diese Sackchen aufeinander aufliegen (Fig. 5, 8), der Beobachter sie als eines vor sich zu sehen glaubt oder zu ganz irrigen Deutungen gelangt. Nicht minder wichtig fiir die Lésung der Frage nach der Entwickelung der vollen Anzahl der Spinnwarzen stellt sich der Sachverhalt in der Fig. 9 vor. Der Anhang am vierten Ab- dominalsegment scheint bei schwacher Vergréferung nur aus einem Sackchen zu bestehen, hingegen ist der des nachstfolgenden Seg- mentes derart entwickelt, da man hier sofort die beiden Bestand- teile der Extremitaét vor sich hat. Das Exopodit iibertrifft das Endopodit drei- bis viermal an Gréfe. Bei einer starkeren Ver- gréBerung, beim Heben und Senken des Mikroskoptubus reprasen- tiert sich der Anhang des vierten Segments nicht als ein ein- faches (Fig. 10), sondern als ein doppeltes Sackchen, wobei ein Sackchen an das andere von der Seite dicht angepreft ist. Der Anhang des fiinften Segments, und zwar das Exopodit, ist auch hier, wie ich seiner Zeit (28) bereits zur Kenntnis brachte, im em- bryonalen Zustande zweigliedrig (vergl. Fig. 8 aa,). Dies der Sachverhalt der Entwickelung der Abdominalanhange des vierten und fiinften Paares, und mit Hinsicht auf die bereits durch SaLenski konstatierte Thatsache, daf sie nach Verlagerung an das Kérperende unter gleichzeitiger AnschlieSung in der Mittel- linie (vergl. Fig. 5) die Spinnwarzen liefern, ergiebt sich von selbst die richtige Anzahl derselben. Die Exopodite des vierten Paares der Abdominalanhange liefern im Laufe weiterer Entwickelung das erste, vorderste Spinnwarzenpaar, die des fiinften Paares das hinterste, die Endopodite des vierten Paares verkiimmern, und die des fiinften Paares bilden das mittlere Spinnwarzenpaar. Cribellum. Da nun bei Trochosa, wie bemerkt, auch an dem vierten Segment der Anhang wabrend der Entwickelung ein Endopodit enthalt, so ist es selbstverstandlich, daf dieses im Falle seiner Persistenz im Laufe weiterer Entwickelung auch ein Spinn- warzenpaar liefern wiirde, dessen Lage eine Ahnliche ware, wie die der mittleren Spinnwarzen. Die Endopodite gehen jedoch in dem Mafe, wie sich diese Teile der Mittellinie nahern, wahrend. die Bauchsegmente, vom sechsten angefangen, bis zum After mit- einander verschmelzen und sich riickbilden, allmablich ein, und schon nach der ersten Hautung kann man an ihrer Stelle nur mit Schwierigkeit Ueberreste in Form eines stark riickgebildeten Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 45 Cribellums (Fig.-11 @ u. b), vorfinden, die spiter auch ganz ver- schwinden. Wir gelangen hiermit zu dem Schluf, da8 die Spinnen, die ein Cribellum besitzen, ein solches gleichfalls aus einem Paar der Endopodite entstehen liefen und, da dieselben ahnlich wie die des nachstfolgenden Paares eingliedrig waren, ihre Hohe infolge des Anpassungsvermégens allmahlich einbiiBten. Die Leiste, die das Cribellumfeld bei gewissen Spinnen in zwei gleiche Teile teilt, eptstand aus dem Zusammentreffen zweier chitindsen Wanden ent- sprechender Extremitaétenteile — ist aber auch diese verkiimmert oder ganz eingegangen, so ist diese Modifikation des Cribellums durch weitere Riickbildung leicht zu erklaren. So glaube ich nun das Wesen und Entstehen des Cribellums richtig begriindet zu haben. Es bleibt mir noch tibrig mitzuteilen, da wir bisher keine entwickelungsgeschichtliche Mitteilung hier- iiber besitzen, daher die Ansichten verschiedener Autoren geteilt sind. Vor allem sei hier noch hervorgehoben, daB CAMBRIDGE (11) bei der Spinne Oecobius 8 Spinnwarzen zeichnet, was vielleicht dadurch zu erklaren ist, daS die Cribellumendflichen iiber die basalen etwas gewOlbt waren, somit die entsprechenden Endopodite in der Riickbildung etwas zuriickgeblieben sind. BLackwauu (7) erklarte richtig das Cribellum, ohne jedoch Beweise zu licfern, als ein viertes Paar der ganzen Lange nach verwachsener Spinn- warzen und hielt an dieser Ansicht fest, da er auch in einer spateren Arbeit (8) davon nicht zuriickgetreten ist. Seine Ab- bildungen, Benennung und Beschreibung scheinen iibrigens auch dafiir zu sprechen, daf ihm kleine Erhebungen iiber die Ober- fliche zu bestehen schienen. Berraxau’s (5, 6) Untersuchungen bekraftigen diese Ansicht. Seine Beschreibung der Cribellum- spinndriisen, sowie das Endigen der Ausfiihrungsginge in sog. Spinnréhrchen, tubuli textorii, sprechen dafiir. Hiner entgegengesetzten Meinung ware unter anderen THORELL (55) zu nennen, welcher glaubte, da’ das Cribellum durchaus nicht aus einem Spinnwarzenpaar entstanden gedacht werden kénne. Da er jedoch in den Cribellumfeldern anfangs kleine Tracheenmiindungen enden sah, von dieser Ansicht spiter auch abkam, ohne etwas Entscheidendes anzugeben, so ist seine An- sicht als nicht stichhaltig anzusehen. Daf die Cribellumdriisen mit Geschlechtsfunktion, resp. mit der Bereitung des Cocons durch das Weibchen gewissermafen in Zusammenhang stehen, dies ist aus den Angaben von BerrHKau (6) und Smwon (54) ersichtlich, Nach ihnen ist das Cribellum bei den Weibchen und jungen 46 A. Jaworowski, Mannchen gut entwickelt, bei erwachsenen Mannchen hingegen be- reits rudimentar. Das Cribellum kann infolge der Riickbildung ganz eingehen, — ich sage infolge der Riickbildung, da, wie wir oben sahen (Fig. 7), ein solches im embryonalen Zustande durch die stark ent- wickelten Endopodite des vierten abdominalen Anhangspaares gut reprasentiert wird. Das Cribellum ist somit durchaus nicht als eine Neubildung bei den Spinnen, die sich durch Auftreten eines solchen Organs von den tibrigen Arachniden unterscheiden sollen, zu be- trachten — es ist nur ein wesentlicher und accommodierter Be- standteil der Abdominalanhinge. Auf eine ahnliche Weise, wie die Endopodite des vierten Paares der Abdominalanhainge eingiengen und das Cribellum liefern, ist dann auch die Riickbildung der mittleren Spinnwarzen zu er- klaren, insbesondere aber bei solchen Spinnen, die wahrend ihres Lebens verhaltnismafig wenig Spinnstoft zu liefern brauchen. Bei den Tetrapneumones im embryonalen Zustande diirfte man da interessante Resultate erzielen, und es wird sich ergeben, daf die Endopodite des fiinften Abdominalanhangspaares Ahnlich wie die des vierten ganz eingehen, somit nur die vier Expodite die be- kannte Spinnwarzenanzahl liefern. Spinndritisen. Im Anschlu8 an die Erklarung des Ent- stehens der Anzahl der Spinnwarzen (6 oder 4) sowie des Cri- bellums sei es mir gestattet, auch das mitzuteilen, was mir tiber die erste Entwickelung der Spinndriisen bekannt geworden ist. Vor allem mu8 ich jedoch erwahnen, daf tiber die Entwickelung der Spinndriisen Mortn (40) die erste Mitteilung macht. Es heiSt nach ihm, dafi diese in einem gewissen Stadium, an der Spitze des dritten Paares der Abdominalfii£chen und zwar in Form einer kleinen ektodermalen Einstiilpung beginnt. Eine ahnliche ekto- dermale Einstiilpung ist nach ihm am vierten Paar nicht sichtbar, doch glaubt er, da8 sie sich zur selben Zeit entwickeln miisse. Jene Einstilpung vergréSere sich, werde flaschenformig, der innere blind endigende Teil werde zur Driise, der zuriickgebliebene zum Ausfiihrungsgang. Mit diesen Angaben von Morin stehen meine Beobachtungen nicht in Einklang. Junge Trochosa singoriensis kommen ziemlich unentwickelt zur Welt, sie sehen z. B. noch nicht‘), und ihre 1) Dies diirfte vielleicht der Grund sein, warum sie von der Mutter noch eine gewisse Zeit nach dem Ausschliipfen auf dem Riicken getragen werden. Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 47 Spinnwarzen funktionieren erst nach einer spateren Hautung. Trochosa ist ein dankbares Untersuchungsobjekt zur Konstatierung der Art der Entwickelung der Spinndriisen, die sich hier im post- embryonalen Zustande entwickeln. Wenn wir jedoch vorerst Morin’s Fig. 31, Taf. IJ, und Fig. 18, Taf. IV, naher in Betracht ziehen, so scheint es mir, dal’ dieser Forscher einem Irrtume an- heimgefallen ist, was um so leichter stattfinden konnte, als ihm die Entwickelung der mittleren Spinnwarzen sowie die des Cribel- lums noch nicht bekannt war. Ks ist hier die Méglichkeit durch- aus nicht ausgeschlossen, daf wir an den Figuren, die die Schnitte vorstellen, die beiden Sackchen, das Endo- und Exopodit des Ab- dominalanhangs, vor uns haben, aber keineswegs eine Einstiilpung, die zur Bildung einer einzigen Spinndriise fiihren sollte. — Bei den Embryonen von ‘Trochosa singoriensis, welche sich bereits zum Ausschliipfen anschicken, findet man am Liangsschnitt durch die Spinnwarzen des vierten und fiinften Segments, da das Mesoderm- gewebe an dieser Stelle sehr stark ausgebildet und noch im steten Wachstum begriffen ist. Das die Spinnwarzen ausfiillende Ge- webe ist, wie die Fig. 4 zeigt, viel dichter und seine Kerne zu- weilen in parallele Reihen geordnet. Die Kerne des unter den Spinnwarzen liegenden Mesodermteiles sind mehr zerstreut. Von einer Einstilpung und Bildung der Spinndriisen im Sinne Mortn’s ist hier absolut nichts zu sehen. Erst wenn die jungen Trochosa zur Welt kommen, ist die Entwickelung der Spinndriisen zu sehen. Auch erachte ich als notwendig, den auBeren Bau der Spinn- warzen in den jiingsten Stadien kennen zu lernen, denn dadurch gelangen wir zur Erkenntnis, dafS das Spinnorgan alle seine Be- standteile nicht gleichzeitig, sondern allmahlich entwickelt. An einem Flachenschnitte in der Richtung der Spinnwarzen- muskel (Fig. 12) und ahnlicher ihm paralleler (Fig. 13) ist die An- lage der Spinndriisen bei der Trochosa vor der zweiten Hiutung schon ziemlich stark entwickelt. Im Mesodermgewebe zwischen dem Darm, den Kérperwanden und Spinnwarzenmuskeln (Fig. 12) ist eine gewisse Anzahl von dunkleren Stellen. Dies sind die Querschnitte der Spinndriisen von verschiedener Form. Auch an der Basis der Spinnwarzen ist eine gewisse Anzahl von Spinn- driisen entwickelt. Die letzteren sind verschieden gro’ und finden sich auch im Innenraum der Spinnwarze vor. An einem etwas schiefen Flachenschnitt erkennt man, da8 die Entwickelung der Spinndriisen und der Ausfihrungsginge nicht gleichzeitig ihren Anfang genommen hat (Fig. 14). Wahrend nim- 48 A. Jaworowski, lich die einen Spinndriisen von der Spinnwarze sich einstiilpen, sehr weit in das Innere des Mesodermgewebes eindringen, dabei bauchig oder cylinderformig werdeu, ihr Ausfiihrungsgang dem- entsprechend recht Jang ist, und dadurch Glandulae ampullaceae dar- stellen, sind die anderen in der Entwickelung spater aufgetreten. Ks liefern von den letzteren die eiven, die zu beiden Seiten spitz sind, die Glandulae tubuliformes, wahrend sich die anderen, die am wenigsten entwickelten, in die Glandulae aciniformes umwandeln. Bei gewohnlicher Betrachtung stellen sich die Spinndriisen als erobkérnige Gebilde dar, doch bei genauer Priifung und starken Vergréferungen erweist sich ihr Bau aus rundlichen, im Durch- schnitt 0,0047—0,0057 mm grofen, dicht aneinander angeschmieg- ten, mit Kernen versehenen Zellen (Fig. 15). Diese Zellen sind im Ausfiihrungsgang schon friihzeitig anzutreffen. Die Anlage der Spinndriise ist nicht auf jenes netzartige Mesodermgewebe zuriick- zuiiihren, sondern sie ist selbstandig, so dali’ man behaupten kann, daf die Driisen im Laufe ihrer weiteren Entwickelung in dieses hineinwachsen. In Anbetracht dessen, daf die Spinndriise, ana- tomisch untersucht, in ihrem Inneren mit keiner Cuticularmembran ausgekleidet ist, kénnte man verlockt sein, die Beobachtung Mo- rin’s, daf sie ektodermalen Ursprungs ware, nicht gut zu heifen und dies nur fiir den Ausfiihrungsgang gelten zu lassen — doch in Anbetracht dessen, daf sie wirkliche Cruraldriisen sind, wie dies ihre Entwickelungsgeschichte bestatigt, war ich bemiiht, speciell auf diesen Punkt noch weiter einzugehen, und gelangte hiermit zu folgendem Resultate. Das jiingste Stadium, das von mir beobachtet werden konnte, gewahrt die Ansicht, daf die Spinndriisen an den Spinnwarzen in Form von ektodermalen Einsenkungen in gréSerer Anzahl zur Entwickelung gelangen. Die so entstandenen Sackchen werden bald am apikalen Ende etwas erweitert und mit einem grob- kérnigen Inhalt versehen (Fig. 12), wobei die Spinndriisen, wenn sie noch in den Warzen vorhanden sind, zuweilen ein trauben- formiges Aussehen darbieten. Das nachstfolgende Stadium (Fig. 16) wird durch das weitere Wachsen der Spinndriise und Veranderung ihres Inhaltes veranlafSt. Die Spinndriisen selbst werden keulen- oder kolbenférmig, und dadurch tritt schon die deutliche Differen- zierung dieser Einstiilpung in ihre Bestandteile zum Vorschein, namlich in die eigentliche Driise, die bereits aus den Zellen auf- gebaut ist, und in den Ausfiihrungsgang, der sich in Form einer durchsichtigen Cuticularmembran vorstellt. Der Verlauf der weiteren Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm, 49 Entwickelung unterliegt schon geringen Abweichungen. Es wachst die eigentliche Driise infolge der enormen Langenausdehnung des Ausfiihrungsganges in das netzformige Mesodermgewebe (Fig. 16, 15) hinein, wobei ihre grobkérnigen Zellen nicht immer deutlich zum Vorschein gelangen. In der Fig. 15 ist es auch ersichtlich, da’ zwischen der Spinndriise und dem netzformigen Mesodermgewebe noch ein freier Raum iibrig geblieben ist. Mich diinkt, daf dieser infolge der durch Reagentien veranlaSten Kontraktion entstanden ist. Das Einbiegen des Ausfiihrungsganges gewisser Drisen kommt ziemlich spat im postembryonalen Leben zustande. Was nun die Entwickelung der Spinnkegel an den Spinn- warzen anbelangt, so mu ich hier die Bemerkung vorausschicken, daf es mir nicht gelungen ist, ihren Entwickelungsgang genau zu verfolgen. Schon sehr friihzeitig, gleich nach der ersten Hautung im postembryonalen Leben erscheinen die Spinnkegel an der Spitze der Spinnwarzen als ektodermale Ausstiilpungen. Ihre An- zah] zu dieser Zeit ist noch recht gering. An den vorderen Spinnwarzen (Fig. 17, 18) konnte ich ihrer nur 4 oder 6 zahlen, an den hinteren, und zwar bei den letzteren am Exopodit 6, und am Endopodit nur 4. Auch existiert bereits ein deutlicher Unterschied zwischen den Spinnkegeln beider Warzen- paare. Wahrend namlich an dem vorderen Warzenpaar die Basal- teile (Fig. 17, 18) niedrig, kegelférmig und stark aufgetrieben sind, sind sie an dem Exo- und Endopodit des hinteren Abdominal- anhangspaares (Fig. 19, 20) von gleicher Form, doch bedeutend in die Linge ausgezogen. Es sind dies die Unterschiede, die gleich im postembryonalen Leben auftreten und auch spater bei der Spinne erhalten bleiben. Die Basalteile der Spinnkegel, wie bereits erwihnt, miissen als ektodermale Ausstiilpungen, die End- teile dagegen als modifizierte Borsten angesehen werden. Letz- terer Fall wird insbesondere dadurch unterstiitzt, da an den Spinnkegeln manchmal Borsten ansitzen, die noch allseits ganz kleine Harchen an sich tragen, und die sie spiter ganz eingehen lassen. Die Borsten sind gerade oder sibelartig gekriimmt und werden erst zu Spinnréhrchen, wenn ihr vorderes, freies Ende mit einer Oeffnung versehen wird. Es ist nicht leicht, den Entwicke- lungsgang des Spinnréhrchens zu beobachten, es ist mir jedoch in gewissen Fallen zu konstatieren gelungen, daf sich in der Spitze der Borsten schwarze Flecken vorfinden (Fig. 18), deren Entstehen auf den Luftinhalt zuriickzufiihren ist. — Ungleich gro8 ist die Anzahl der Spinnkegel in spiteren Stadien. Bei einer erwachsenen Bd, XXX. N, F. XXII, 4 50 A. Jaworowski, Spinne finde ich an den vorderen Warzen 80—90, an den hinteren und zwar an dem Exopodit 80—100 und an dem Endopodit 48—55, woraus ersichtlich ist, da die gréfte und die kleinste Anzahl auf den entsprechenden Teilen des hinteren Spinnwarzen- paares vorherrscht. Il. Die Spinnklauen. Wie die Spinnklauen entstehen, welchen Verlauf ihre Ent- wickelung nimmt, dariiber haben wir in der Litteratur keine An- haltspunkte. HrRoLp, der eine eben aus dem Ei ausgeschlipfte Epeira, seine Fig. 7 u. 8, Taf. II, und eine andere nach der Hautung Fig. 9—12 gezeichnet hat, erwahnt von der Entwickelung dieses Organes tiberhaupt nichts. Bei der letzteren fand er, daf der Koérper nur mit kurzen steifen Borsten bedeckt ist. CLAPAREDE stimmt damit bei Lycosa agretica fiir den embryonalen Zustand iiberein, doch zeichnet er von einer nicht naher bestimmten Epeira-Art in der Fig. 54, Taf. VII, die Fife hier und da mit Borsten besetzt, das Endglied hingegen mit je zwei Krallen ver- sehen, — einen Fall, den wir bei den Araneina iiberall vorfinden und der sich bei vielen anderen Arthropoden wiederholt. Cxa- PAREDE’s Zeichnung kann ich jedoch nicht beistimmen, nach wel- cher bei den Spinnen auch auf den Pedipalpen zwei Krallen vor- kamen, da ich nicht nur bei Trochosa, sondern auch bei den anderen Spinnen eine solche stets in der Einzahl angetroffen habe, was als ein charakteristisches Merkmal fiir diesen Anhang des Cephalothorax gelten kann. Betrachten wir nun naher die in Rede stehenden Gebilde aller Cephalothorax-Anhange kurz vor der ersten Haiutung der Trochosa singoriensis. Fig. 21, 22 stellen das Endglied des ersten, zur Entwickelung gelangten Anhangs, der Mandibeln (Cheliceren), von beiden Seiten dar. Dieses ist an der Basis stark erweitert und an der Spitze hakenartig gekriimmt, an der Innenseite, von oben gesehen, besitzt es eine Reihe verschieden entwickelter Zihne, von denen der zweitunterste und der vorletzte die breiteste Basis be- sitzt, der letzte hingegen spitz ist und von den tibrigen durch das . Zustandekommen einer Liicke ziemlich entfernt liegt. Fig. 22 stellt denselben Anhang, von unten gesehen, vor. In beiden Fallen ist neben der Basis des Endteiles eine steife Borste eingelenkt. Entwickelung des Spinnapparates von Trochosa singor. Laxm. 51 Die Klaue der Pedipalpen (Fig. 28—25) ist an der Spitze des Anhangs in der Einzahl vorhanden. Sie besteht aus einem huf- eisenformigen Basalstiick und einem in der Mitte desselben von unten nach oben diinner werdenden, an der Spitze jedoch zu- weilen unter 90° gekriimmten Endteile, auf dessen konvexen Kriimmungsstellen manchmal ein oder zwei Hocker wahrnehm- bar sind. Das Endglied der iibrigen Cephalothorax-Extremitiaten ist stets mit zwei Hauptklauen und einer Zwischenklaue (Afterklaue) ver- sehen. Im wesentlichen besteht auch hier die Klaue aus ahn- lichen Bestandteilen, wie die der Pedipalpe, doch ist das Basal- stiick, weil es mittelbar an ein anderes stoSt, insofern modifiziert, als der Aufenarm des hufeisenférmigen Gebildes nach unten, d. h. gegen die Anheftungsstelle gesenkt ist. Die Innenseite dieser Klaue ist bisweilen héckerig, wie mit stumpfen Zahnchen besetzt. Zwischen den Innenarmen der hufeisenformigen Basalteile der Hauptklaue findet sich die sug. Afterklaue vor, die etwa die halbe Hohe der wirklichen Klaue erreicht. Sie gleicht einem stark entwickelten platten Zahne, dessen Aufenseite konvex und dessen Innenseite konkay gekriimmt ist (Fig. 26), somit im allgemeinen eine gleiche Form besitzt, wie die starker entwickelten ihr verwandten Hauptkrallen, abgesehen davon, da die konkave Seite infolge der noch nicht stattgefundenen Ein- biegung gar nicht sichtbar ist (Fig. 27, 28). Auf der Membran zwischen den Innenarmen beider hufeisenartiger Basalteile ist bis- weilen eine groéfere Gruppe abgestumpfter zahnartiger Hocker an- zutrefien (Fig. 29, 30), die in zahlreichen Fallen ganz fehlen. Alle Klauen haben einen Innenraum, sie sind, sozusagen, réhren- formig, und an ihrer Basis ist etwa in der Mitte, doch gegeniiber der Aufenseite, gleich wie bei vorher erwahnten Anhangen eine Borste gewachsen. Bemerkt sei hier noch, daf die Afterklaue zu- weilen fehlen kann. Was die Klauen des vierten, fiinften und sechsten Paares der Cephalothoraxanhange anbelangt, so sei hier bemerkt, daf wir sie von gleicher Beschaftenheit und einem gleich ahnlichen Baue wie bei den vorhergehenden Extremitaten vorfinden (Fig. 31). Die Entstehung dieser Klauen, die ich als Ur-, bezw. Em- bryonalklauen bezeichne, glaube ich in Anbetracht dessen, daf an den Extremitaéten auch andere gréfere und kleinere Borsten, die ersteren an der Spitze (Fig. 32) hakenartig gekriimmt erscheinen, yon diesen ableiten zu diirfen. Die Stellung und der Gebrauch 4% 52 A. Jaworowski, der an der Spitze der Extremitaét eingesenkten Borsten zog die Notwendigkeit ihrer Modifikation nach sich. Ich bemerke noch, daS die Urklauen, mit denen die Spinne zur Welt kommt, auch eigene Muskelfasern (s, s, Fig. 33) haben, durch die sie in gewissen Fallen ganz in das Innere des Fufbes eingezogen werden kénnen, so daf dadurch die Extremitat an der Spitze wie eingestiilpt erscheint. Ob diese Erscheinung auch mit irgend einer urspriinglichen Funktion verbunden war, dies wollen wir dahingestellt lassen; Thatsache ist es, daf die Muskelfasern spater eingehen und die Klauen samt der Cuticularhaut wahrend der nachsten Hautung abgestofen werden. Eine nicht minder grofe Schwierigkeit bietet uns die Ab- leitung der Spinn- resp. Kammklauen der Spinnen aus den Borsten durch Anpassung der Urklauen. Das, was ich hier mitteile, ist der erste Versuch, ihre Genesis aufzuklaren. Die erste Hautung wird bei Trochosa singoriensis dadurch eingeleitet, daB sich die Innenhaut von der duferen abhebt und zwischen den so gebildeten Chitinlagen eine dichte, kérnige Fliis- sigkeit auftritt, die die specielle Untersuchung der feineren Bestand- teile und die weiteren Vorginge in denselben zu beobachten nicht zulaBt (Fig. 34). Wahrend nun die definitive Extremitat infolge der Kontraktion der einzelnen Glieder (Fig. 35) auch die Gelenk- stellen gegen den Kérper einzieht und dadurch den Eindruck ge- wabrt, als ob sie in einer anderen wie neu entstanden ware, bilden sich an ihr die Haare, deren Verlauf der Entwickelung aus trichogenen Zellen ahnlich ist, wie WL. WAGNER (57) beschreibt und abbildet, und die Klauen aus. Nun beginnt ihr rasches Wachstum, es strecken sich die einzelnen Glieder und die Kamm- klauen erreichen die vorher beschriebenen Urklauen (Fig. 36), wo sie infolge des Druckes die urspriingliche Haut sprepgen und da- durch die Hautung der Extremitat einleiten. Sehen wir uns eine Kammklaue etwas genauer an, und zwar beginnen wir der Reihe nach von der ersten, die sich in der Kin- zahl an der Spitze der Pedipalpen vorfindet. Diese ist, wie Fig. 37 vorstellt, sichelformig, doch minder stark gebogen als die der FiiBe. Auf der Innenseite besitzt sie 6 Zahne, die von der Spitze gegen die Basis zu an GréBe abnehmen. Die ersten zwei sind am gréBten. An der Basis, hinter den kleinsten Zihnen, ist — eine Erhabenheit in Form eines gréferen, niedrigen, doch stark abgestumpften Zahnes. Die ersten zwei Zahne besitzen eine schwache Kriimmung. Sie sind, ahnlich wie die Spitze (der Spitz- Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 53 zahn), gestreift. Die Streifen verlaufen von der Riickenseite schief gegen die Innenseite und die Basis. Hinter dem Riicken dieser Klaue, in einer gewissen Entfernung von ihr, befindet sich eine Stachelborste. Die Kammklauen der iibrigen Extremitaiten sind stark sichelartig gekriimmt, doch ist der Kriimmungswinkel kleiner als der der Embryonalklauen. Am starksten sind sie am ersten und vierten Paar entwickelt. Die Form und die Anzahl der Zahne an denselben ist verschieden. Am ersten Paar der in Rede stehen- den Anhange (Fig. 38) besitzt die Klaue aufer der Spitze 13, am zweiten Paar 10 (Fig. 39), davon 2 ganz kleine, am dritten 8 (Fig. 40) und 2—3 ganz kleine nicht entwickelte, am vierten Paar 9 (Fig. 41), und 3 ganz kleine, wie am dritten Fufpaar. Viel deutlicher ist der Verlauf der Streifen an den Kammklauen als an denen der Pedipalpen. Die sogen. Afterklaue ist dadurch ausgezeichnet, daB sie etwa in der Mitte der Innen- seite einen recht spitzen, borstenartigen Zahn besitzt. Hinter der Riickenseite, in der nachsten Nahe der Klaue, wie an den Pedi- palpen findet sich kein Borstenstachel vor. Umgeben ist sie je- doch yon Haaren, welche von beiden Seiten scharf sageartig ge- zahnt sind. — Die Mandibelklaue (Fig. 42), insbesondere nach der zweiten und den folgenden Hautungen, verrat gewissermaBen die Entwickelungsvorginge der Pedipalpen und der Extremitaten. Auf der Innenseite sind auch hier 12 ganz stumpfe, niedrige, in einer Reihe dicht aneinander gestellte Zahne vorhanden, die bei den in der Entwickelung stark fortgeschrittenen und alten Individuen nicht vorzufinden waren. Es sei hier auch bemerkt, da in den Kiefer- klauen (Fig. 42) um diese Zeit die Entwickelung der Giftdriise, also ziemlich spat, zustande kommt. Dies ist insofern von Wich- tigkeit, als wir uns den Schlu& erlauben, daf die Spinnen, még- lich wie die Insekten, urspriinglich vielleicht von Pflanzensaften lebten, mit der Zeit jedoch an die tierische Nahrung angewohnt, auch die Giftdriise zur Bewialtigung der Beute entwickeln liefen. Bei dieser Gelegenheit mu ich noch Erwahnung thun, daB8 die Anzahl der Zahne in den Kammklauen der vier letzten Ce- phalothorax-Extremitaten erwachsener Spinnen geringer ist, als bei der soeben erwahnten, die noch ganz jung waren, In den Kamm- klauen des ersten Paares der Gangfiife sind 7 Zahne, davon die letzten 2 proximalen schwach entwickelt, — in denen des zweiten Paares auch 7, wovon ein Zahn mittelstark, die letzten 2 stufenweise in der Riickbildung begriffen sind, — in denen des dritten Paares 10, davon die letzten 2—3 stetig kleiner sind 54 A. Jaworowski, und in denen des vierten Paares der Beine 8 Zahne, wovon die 3 letzten rudimentaér geworden sind. Das Verhaltnis der Zahn- entwickelung in den Kammklauen der jungen Trochosa zu der der erwachsenen ist hier wie 13:10:10 (11): 12 zu 7:7:10:8. Die Anzahl der Zahne in den Klauen des dritten FufSpaares ist beinahe konstant, und die der Pedipalpen immer nur 6. Der Um- stand der Riickbildung der Zahne in den Kammklauen der Tro- © chosa singoriensis gestattet uns einen Schlu8 auf ihre Lebens- geschichte zu machen. Es scheint, daf sie urspriinglich, abnlich wie die heutige Epeira, eine Radspinne gewesen ist. Die Nah- rungsverhaltnisse mégen vielleicht beeinflu8t haben, da sie ihre Lebensweise im Laufe der Zeit anderte, sich in den Erdléchern verborgen hielt, um von da verschiedenen Insekten nachzustellen oder auf dieselben nachts auf die Jagd auszugehen. Das An- legen der Fangnetze ist bei ihr hiermit aufer Gebrauch gekommen, und damit in Zusammenhang ist auch die Riickbildung der ur- spriinglichen Anzahl der Zahne in ihren Klauen zu erklaren. Es entsteht nun die Frage, wie die Kammklauen aus den einfachen Embryonalklauen entstanden sind. Die Beantwortung der Frage scheint leicht zu sein, doch um so schwieriger ihre Begriindung. Ich habe schon oben erwahnt, daf vor dem Zustandekommen der Hautung zwischen der Haut und der Extremitiat eine triibe Fliissigkeit auftritt, die die direkte Beobachtung der Entwickelung der einzelnen Zahne an der Kammklaue unméglich macht (Fig. 34). Ich habe nun einen anderen Weg wahlen miissen und kam zu den Resultaten, die ich hier mitteile. So wie die Ur- oder Embryonalklauen aus den Borsten durch Entwickelung und starkere Einbiegung entstehen, so auch die Spinn- oder Kammklauen, doch ist die Entstehung der Zahne an ihnen auf sekundare Prozesse zuriickzufiihren. Betrachten wir die Spitze einer stark entwickelten Stachelborste derselben Extremitat (Fig. 43), so sehen wir, daf% sie an der Spitze gleichfalls einge- bogen erscheint und, von der Seite gesehen, eine ganze Reihe von stumpfen Zahnen trigt. Von einem jeden Zahn zieht sich schief aufwarts gegen die Basis eine seichte Vertiefung und zwar etwa bis zur Mittellinie, die die Borstendicke markiert. Diese Ver- - tiefungen bilden die Streifen, deren ich vorher Erwahnung that. Sie gehen, ohne die Richtung zu andern, gewohniich in eine punktierte Linie tiber (Fig. 44). Wird der Stachel nicht von der Seite, sondern so besichtigt, da8 er zum Teil auch die Innenseite Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 55 bloBstellt, so ergiebt es sich, daf die seichte Rinne gegen die Innenseite schief aufwarts steigt, genau an der Innenseite umbiegt, um wieder schief herunter, doch gegen die Riickseite ihren wei- teren Verlauf zu nehmen. Die Starke der Umbiegung dieser seichten Furche ist an verschiedenen Stellen verschieden. Schwa- cher ist sie an der Spitze, von da gegen die Basis ist sie im Zu- nehmen begriffen, bis sie endlich einen Rechten, alsdann die weiter entlegene einen spitzen Winkel bildet (Fig. 45). — Vergleichen wir nun die Kammklauen einer 5 mm grofen Spinne (Fig. 46) mit der Fig. 43, so ergeben sich 4hnliche Entwickelungszustinde an der Kammklaue wie an einer Stachelborste. a, @ und y .. . reprasen- tieren uns noch ahnliche Stadien, hingegen a, b c ... bereits Zahne, die durch das tiefe EKinschneiden der Furchen in die starker ent- wickelte Borste entstanden sind. Die Streifung der Klauenzihne glaube ich auf noch weitere, aber ahnliche Prozesse zuriickfiihren zu diirfen. Die Entwickelungsart der Kammklauen aus den einfachen Stachelborsten fiihrt uns in der Erkenntnis der Arthropodenhaare itiberhaupt um einen Schritt weiter. So schwer es auch ist, den Ausgangspunkt fiir die Entwickelung der Haare zu wiahlen, zu- mal die Borste als ein modifiziertes Haar angesehen wird, und dieses die Stachelbildung nach sich ziehen soll, so glaube ich in Anbetracht dessen, daf sich diese Epidermalbildungen als ein- fache Schlauche reprasentieren, nicht zu fehlen, wenn ich von einer embryonalen Borste, die an ihrer Oberflaiche glatt ist, den Aus- gangspunkt nehme. Wie nun die Zihne an der Kammklaue ent- stehen, habe ich schon oben beschrieben, ich muf nun hinzufiigen, daf bei der Haaranlage, wenn statt der Zihne entsprechende Teile in die Lange ausgezogen sind, sie dadurch die einseitig gefieder- ten Haare liefern, Wird aber die ganze Oberfliche der diinnen Epidermisausstiilpung derart gefurcht, da sie dadurch ihre Ent- wickelungssymmetrie dennoch beibehalt (Fig. 47, 48), so wird die Stachelborste zu beiden Seiten gezihnt, das Haar hingegen beider- Seits gefiedert. Die Symmetrie kann zuweilen bei den Borsten ge- stért sein (Fig. 49), wo sich auf der einen Seite an der Spitze zahnartige gré8ere Vorspriinge bilden. In dem Falle gehen die Furchen fast durch die ganze Lange der Borste parallel zu den Seitenrandern, Wie weiter das allseitig befiederte Haar bei den Spinnen entsteht, dies durch Beobachtung zu konstatieren, gelang mir nicht. Da die Fiederchen (die Harchen) auf der Oberflache des Haares sehr regelmafSig und in Reihen verteilt sind, darf man 56 A. Jaworowski, meines Erachtens diese Erscheinung gleichfalls auf eine ent- sprechende Teilung der peripheren Furchenregionen und Entwicke- lung entsprechender Ausstiilpungen zuriickfiihren. Die in Kalilauge ausgekochten Stachelborsten erwachsener Individuen zeigen, unter dem Mikroskope gepriift, ihr Lumen (Fig. 50) von Querdiaphragmen durchzogen, die sich, je niher sie der Spitze liegen, um so dichter aneinander anschliefen. Im Innern der so gebildeten Kammern findet sich ein feines sekundires Netz, gleichfalls aus Chitin gebildet. Il. Das Calamistrum. Cribellum und Calamistrum, dies sind die Organe, die heut- zutage verhaltnismafig wenige Spinnen haben, und die als ein charakteristisches Merkmal zur systematischen Einteilung dieser Arachnidenabteilung verwendet wurden. Bei Trochosa singoriensis kommen beide Organe im erwachsenen Zustande nicht vor, doch wahrend der embryonalen Entwickelung und kurz nach dem Aus- schliipfen aus dem Ei sind sie an entsprechenden Stellen in wei- terer Riickbildung noch anzutreffen. Vom Cribellum war oben die Rede, was jedoch das Cala- mistrum anbelangt, so sei hier bemerkt, da es schon sehr friih- zeitig, noch vor der Bedeckung des Embryos mit Haaren, bereits seine Anlage erlangt. In Fig. 51 sehen wir einen stark ent- wickelten Nery hervortreten, der sich zwiebelartig an die Hypo- dermis anschlieSt und an die Chitinhaut direkt anlehnt. Seiner histologischen Natur nach besteht er aus kleinen, 0,0076—0,0095 mm groBen Ganglienzellen, die im zwiebelartig verdickten Teile wie in Reihen angeordnet sind. Die letztere Thatsache macht auf mich den Eindruck, als ob daselbst ein Faserbiindel vorhanden wire. Bemerkt sei hier, daf die Chitinhaut, an die sich der Nerv anpreft, im optischen Schnitt wie gezihnelt erscheint. Die Cala- mistrumhaare fehlen zu der Zeit, als der Embryo aus dem Ei ausschliipft, ganzlich. Die zwiebelartige Verdickung des Nervs ist nicht immer leicht herauszufinden, ich habe daher der Orien- tierung halber, um das Aufsuchen dieses Teiles zu erleichtern, auch die embryonalen Muskeln in der Figur eingezeichnet. — Ein abnlicher Nerv, wie der des Calamistrums des letzten Extremi- titenpaares, ist auch in den drei ersten Extremitatenpaaren an- zutreffen, doch ist er viel schwacher und anders entwickelt. Im Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 57 allgemeinen ist seine Struktur homogen, nur an dem Anheftungs- punkt besitzt er einige Ganglienzellen. In der Fig. 52 ist der Punkt der Anheftung des entsprechenden Nervs an einen Muskel dargestellt, da, wie ich bemerke, der Calamistrumnery durch Ab- spaltung von dem die Extremitat versorgenden Hauptnerven ent- steht, doch in den Anhangspaaren schon sehr frihzeitig der Riick- bildung anheimfallt. Die Entwickelung des Calamistrumnerves in allen Extremitiaten, insbesondere im letzten Paar und zwar zur Zeit, als das soeben ausgeschliipfte Individuum noch die Urklauen besitzt, die Spinnkrallen hingegen erst in Entwickelung begriffen sind, gestattet uns den Schlu8 zu ziehen, daf diese Stellen bei den Ahnen der Spinnen urspriinglich eine Art von Fihlfunktion ausiibten, im letzten Fuf8paar aber gelangten diese Nerven zu einer besonderen Ausbildung, vielleicht deshalb, als dieses Organ bei An- fertigung von Netzen durch die Spinne gewissermafen als Zirkel zur Distanzmessung angewendet wurde. Einen ahnlichen Verlauf der Nerven in den Pedipalpen, sowie in den Mandibeln gelang es mir nicht zu konstatieren. Gelegentlich sei mir gestattet, da JuL. WAGNER (56) das sog. Hawer’sche Gehérorgan bei Ixodes eingehend studierte, ich hin- gegen die Zeichnungen und die genaue Beschreibung desselben einer der nachsten Abhandlungen beischlieBen werde, hier zur Kenntnis zn bringen, daf sich auch bei diesen Tieren am ersten Extremititenpaare das sog. Hater’sche Organ als ein dem Cala- mistrum homologes Fihlorgan entwickelt, zu dem durch Abspal- tung zwei Nerven herantreten und birnférmig anschwellen, ob- gleich sie unterhalb der Anschwellung je eine feine Abzweigung weiter aussenden. Anhang. Durch den Nachweis, daf die sog. Lungen bei Trochosa nicht aus den Kiemen, sondern aus dem vorderen Teil, dem Vorraum der Embryonaltrachee abzuleiten sind, ferner, daf auch die Kiemen durch Herausstiilpen der einzelnen Lungenrespirationslamellen nach aufen und ihre Anpassung an das Wasserleben der Tiere ent- standen gedacht werden kénnen, habe ich gezeigt, daf die Araneina nicht etwa von den Xiphosuren, sondern von den Tracheaten ab- zuleiten sind, ja daf auch die Crustaceen dem gemeinsamen Tra- cheatenstamme angehéren, Nehmen wir verschiedene Entwicke- 58 A. Jaworowski, lungsmomente der Spinne in Betracht, insbesondere den Umstand, daf die letzten Segmente hinter den Abdominalanhingen, die die Spinnwarzen liefern, an der Bauchseite eingehen und miteinander verschmelzen, wahrend sie sich an der Riickenseite, wenn auch ungleichmaBig, dennoch entwickeln, so gelangen wir zu dem Schluf, daf die Ahnen der Spinnen urspriinglich einer langlicheren Form angehérten, die mit Riicksicht auf die Anzahl der Abdominal- anhange polypode Formen waren, und deren Vorfahren, die Proto- tracheata, aus den Annelliden durch Anpassung an das Landleben entstanden gedacht werden kénnen. Es ist wahrscheinlich, da8 die Urformen vorerst ihren vorderen K6rperteil an das Luftleben anpaften und die vorderen Kérperanhange entwickeln lieBen, wah- rend der tibrige K6rperteil nur noch das Atmen im Wasser unter- hielt. Ein solcher Entwickelungszustand erlaubte den Tieren das Wasser zu verlassen, auf das Land oder auf Pflanzen zu kriechen, kiirzere oder langere Zeit in einem feuchten Medium zu verweilen, und auch den tibrigen Ko6rperteil an das Luftleben zu accommo- dieren. Erst im zweiten Entwickelungszeitraum konnten sich auch am Abdominalteil die Anhainge bilden, die Tiere polypod bezw. pantopod werden. Da aber bei diesen Tieren die vorderen An- hange auch friiher ihre Lokomotionsfahigkeit anfingen und infolge- dessen sich starker als die hinteren entwickelten, so kam es mit der Zeit zur Bildung zweier K6rperteile, eines vorderen, des Cephalo- thorax, an dem sich vorwiegend die Extremitaten und damit im Zusammenhang die dazu gehérigen Muskeln entwickelten, und eines hinteren, des Abdomens, in dem die vegetativen Organe ge- borgen werden. In das Detail der einzelnen Entwickelungsvorgange und K6r- permodifikationen bei dem Mangel an Thatsachen sich schon jetzt einzulassen, diinkt mir, ist nicht ratsam, doch will ich einen Punkt herausgreifen, der mit groBer Wahrscheinlichkeit fir meine Hypo- these biirgt. Die Erscheinung, daB auch bei den anderen Landtieren der Arthropodengruppe, so bei den Insekten, die Abdominalanhange vorhanden sind, veranla8t mich, diese miteinander zu vergleichen, und so gewissermafen einen phylogenetischen Beitrag tiber die Ahnen der Spinnen und Insekten zu schaffen. RaTuHKeE (46) war der erste Entdecker der Abdominalanhange bei den Insekten und deutete sie, wie spater auch AyeErs (1), als Kiemen. Bwrscuir (10), wenn auch nicht ganz ausdriicklich, Ko- WALEWSKI (33), GRABER (19, 20, 21, 22), HerpEr (25), Haase (24) Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 59 und auch BAtrour (2) stellen sie in eine Reihe mit den Thoracal- anhingen. WHeeLer (60, S. 500 u. 503) sagt zwar, daf diese Organe nur ,,umgebildete Fife sind, doch hebt er auch hervor, da8 man nicht berechtigt ist, anzunehmen, daf sie bei den In- sektenvorfahren eine andere Funktion hatten, als eine driisige, denn die Zellen beider Artenorgane, ob eingestiilpt oder ausge- stiilpt, unterscheiden sich nur durch ihre Stellung. Noch weiter ging CARrtiRE (12), er stellt den GliedmaSencharakter der Ab- dominalanhange vollig in Abrede. Zuletzt sei noch bemerkt, daf auch Parren (45) uns zweifelhaft lift, ob diese Anhange als eigentiimliche Sinnesorgane oder als Driisen anzusehen seien. CHOLODKOVSKY (13) schlof sich der ersteren Ansicht an. Der Grund der verschiedenen Auffassung abdominaler An- hinge, die bei den Insekten, nicht aber bei den Spinnen, speciell untersucht wurden, gipfelt vorziiglich in ihrer unvollstandigen Ent- wickelung und gleichzeitigen Existenz der Driisen. Die triftigsten Griinde fiir die Auffassung dieser Anhange als verkiimmerte Ex- tremitaten liefert uns unstreitig GraBer (21) in seiner letzten diese Frage behandelnden Arbeit. Wenn ich diesen Gegenstand hier etwas naher beriihre, so geschieht dies, um zu beweisen, dal die Abdominalanhange der Insekten, die denen bei Araneina ho- molog sind, nur als nicht entwickelte Lokomotionsorgane aufzu- fassen sind. Bei einem derartigen Sachverhalt tritt an uns auch vorerst die Frage heran, zu welcher Art wir die Spinndriisen der Araneina zu rechnen haben, und nach Beantwortung dieser noch die zweite, namlich, ob wir aAhnliche Driisen auch bei den In- sekten vorfinden kénnen. Beziiglich der ersten Frage lassen wir vorerst Eistq (16, S. 393) sprechen. Nach ihm heift es: ,,Fiir die Beurteilung der morphologischen Bedeutung der so exquisiten Spinndriisen der Araneiden ist ihr Bezugsverhaltnis, d. h. ihre Konzentrierung auf den Hinterleib im Bereiche des Afters nicht wenig hinderlich ge- wesen. Sie miinden zwar an dieser Stelle vermége mehrgliedriger Fortsitze; ob aber diese letzteren, die sog. Spinnwarzen, als ebenso viele modifizierte Extremitaten aufgefaht werden diirfen, dies schien bis vor kurzem noch iiberaus fraglich. Und doch ist die Entscheidung dieser Frage von grofer Wichtig- keit; denn sind erst einmal ihre Spinnwarzen als Homologon der tibrigen Rumpfanhange nachgewiesen, so kénnen wir auch mit um so mehr Recht und um so mehr Aussicht auf Zustimmung die 60 A. Jaworowski, Spinndriisen der Araneiden den Coxal- oder Spinndriisen der Myriopoden etc. vergleichen.“ Die Art und Weise der Entstehung der Spinnwarzenpaare aus den Abdominalanhingen bei Trochosa habe ich oben geschildert und hiermit auch den Extremitatencharakter der Anhange gezeigt. Die Thatsache jedoch, da8 bei Trochosa die Entwickelung der Spinndriisen an den Abdominalanhangen erst spater nachkommt, beweist, da8 solche sekundar erworben und Cruraldriisen sind. Die Abdominalanhinge gewisser Insekten (Hydrophilus piceus, Meloé scabriusculus) sind nach GRABER (20, 22) in einem gewissen Stadium denen der Spinnen, aus denen sich die Spinnwarzen ent- wickeln, ahnlich und nehmen eine sog. ,,zweilappige Form‘ an. Er unterscheidet bei Hydrophilus einen lateralen oder Stigma- lappen und einen medianen Lappen, die ich bei Trochosa ent- sprechend als Exo- und Endopodit bezeichnet habe, und sprach seine Meinung aus, daf der eine oder der andere der Riickbildung apheimfallt, somit einfach wird. Im letzteren Zustande kann der Abdominalanhang auch gegliedert erscheinen. Solche zweigliederige Abdominalanhange, die denen bei den Spinnen entsprechen, besitzen auch die Insekten. Herter (25) fand solche bei Hydrophilus, GraBer (18, 20) bei Melolontha, Hydrophilus, Stenobothrus und Mantis, Haase (24) bei Campodea, Nussaum (42, 43) bei Meloé, doch stehen sie auf einer verschie- denen Entwickelungsstufe insofern, als bei den einen der distale Teil, z. B. bei Mantis, einfach und bei den anderen hiéchstens seine Form dndert, dabei dennoch den urspriinglichen Charakter bei- behalt, wahrend er bei den anderen, z. B. bei Meloé, eine Einstilpung von driisigem Charakter enthalt. Der letztere Fall ist fiir uns von hoher Wichtigkeit, denn er erlaubt uns, die Abdominalanhange der Insekten und Spinnen auf ein urspriingliches einheitliches Entwickelungsschema zuriickzu- fiihren. Gewif sind als wichtigste darauf beziigliche Beobachtun- gen die von WHEELER (62) anzufiihren. Er sagt doch auch in seiner neueren Arbeit, daf die Anhange ,,in all their forms and stages“ den Eindruck rudimentarer Gebilde machen und auch vor- her (60, 61), da die Anhange sowohl bei Nepa als auch Cicada nachtriglich eingestiilpt werden, alsdann bei Cicada eine Sekretion mit eingeschlossenen Vakuolen, bei Nepa hingegen Faden bilden, die einen pinselartigen Biischel zusammensetzen. »Diese Faden“, sagt er, ,,sind oft wellenfoérmig gebogen und ihre oft rauhen Umrisse, sowie die Leichtigkeit, mit der sie miteinander Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 61 verkleben, zeigen, daf sie wahrscheinlich im lebenden Zustande des Embryo eine halbfliissige Konsistenz haben.‘ Diese wichtigen Angaben von WHEELER beweisen, daf dieses Driisenorgan bei Cicada und Nepa eine eingestiilpte Extremitaét, mit nachtraglicher Entwickelung der Driisenfunktion verkniipft ist, somit da hier ein gleicher Entwickelungsvorgang wie bei Trochosa herrscht. Ein cainogenetischer Unterschied ware hier héchstens anzufiihren, daf bei den Hemipteren spiter der Anhang unter die Oberfliche der Kérperwand eingesenkt wird, was durch die machtige Entwicke- lung der Driise und die Riickbildung des Anhangs zu erklaren ist. Haase (24) bezeichnet die zweigliedrigen Abdominalanhange bei Campodea als in der Entwickelung zuriickgebliebene Beine, die sich zu driisigen Organen umgebildet haben. Auch NusBaum be- hauptet, daf die Kinstilpung des Abdominalanhangs bei Meloé, und zwar am distalen Teile, eine Sekretionsmasse absondert, und zeichnet dies in der Figur 1 (42, S. 520) und 19 und 20, Taf. Il (43), in der letzteren Figur in zwei nacheinander folgenden An- hangen, doch wird dies durch nachbtragliche Untersuchungen und Beobachtungen von GraBer (21, 22) und CARRTHRE (12) nicht be- statigt, wobei der driisige Charakter der Zellen der Einstiilpung dennoch zugesprochen wird. Letzterer Fall fiihrt uns zu der An- nahme, daf gewisse Insekten, z. B. Meloé, Driisen im Stadium der Riickbildung besitzen, die aber infolge einer anderen Anpassung die Funktion des Secernierens einstellen, und wieder andere, z. B. Mantis, entweder solche gar nicht zur Entwickelung gelangen oder schon ganz eingehen liefen. Diese Umstande berechtigen mich, die zweigliedrigen und mit Driisen versehenen Anhange am Ab- domen der Insekten den Spinnwarzen der Araneina — den Schenkel- driisen von Peripatus, der kurzbeinigen Formen der Chilopoden und Diplopoden, ja auch der Crustaceen (36, 8. 338) als homolog gegeniiberzustellen. Araneina stehen nicht einzig und allein da, die aus den Cruraldriisen Spinnstoff bereiten. Larzet (37, I, 5. 13) schreibt: ,,Da8& solcher Stoff bei Lithobiiden und Scutigeriden ab- gesondert wird, ist zweifellos.“ Weiter (II, S. 2): ,Am Ende des Kérpers (der Symphyla) stehen zwei griffelformige, nach hinten ragende Gebilde, welche von einem Kanale durchbohrt sind, durch den das Absonderungsprodukt einer rechts und links liegenden schlauchformigen Spinndriise abflieBt.“ Da8 iibrigens diese durch WHEELER an den Hemipterenembryonen so schén entwickelten Driisen nicht als Stinkdriisen aufzufassen sind, das beweisen Graser’s Untersuchungen und liefern Belege dafiir. 62 A. Jaworowski, Die Frage, warum die Driisen, ich will sie Primitivspinndriisen nennen, bei allen Insekten der Verkiimmerung und Riickbildung anheimgefallen sind, hingegen bei den Arachniden, wenigstens bei Araneina sich zu so vollkommenen Organen entwickelt haben, ist nicht leicht zu beantworten. Man koénnte sie damit beantworten wollen, da selbst unter den Arachniden nur Skorpione und Spinnen Abdominalanhainge besitzen, die anderen hingegen infolge einer anderen Lebensweise mit der Zeit solche ganz einbiiBten; doch scheint es mir, daS dies zu ihrer Lésung insofern unzureichend erscheint, als sich umgekehrt auch gewisse Insekten ahnlich wie die Spinnen anpassen konnten, somit auch bei ihnen die Ent- wickelung der Spinnwarzen zustande gekommen ware. Zur Lésung dieser Frage ist wohl das Hauptargument auf das Zustande- kommen der Fliigel bei den Insekten zu richten, und dies sei mir gestattet naiher zu erértern. Bis heutzutage ist in der Phylogenie der Insekten eine der wichtigsten und interessantesten Fragen die nach der Eutwicke- lung ihrer Flugwerkzeuge. Doch ist ihre Lésung in ein tiefes Dunkel gehiillt. Gra@mnBAuR (17), Luppock (39) und REDTEN- BACHER (47) glauben die Tracheenkiemen der Ephemeridenlarven und die Fliigelanlagen als homodyname Bildungen ansehen zu diirfen, eine Ansicht, welche weiter Donen (15) mit den Elytren der Annelidenahnen der Insekten in Beziehung bringt. In An- betracht dessen, daf die gefliigelten Insekten von den im Wasser lebenden Formen abgeleitet werden miif&ten, stehen KorScHELT und Herper (32) in Anschlu8 an Kennet (30), welcher die phy- letische Reihe von Peripatus durch die Myriopoden und Thysa- nuren zu den Orthopteren darstellt, dieser Fligelbildungstheorie deshalb entgegen, weil das lauter an das Landleben angepaSte Formen sind. Es heiSt nach ihnen (8. 882): ,,Wir haben keine Ursache, anzunehmen, daf in die Vorfahrenreihe der gefliigelten Insekten (Pterygogenea) sich eine im Wasser lebende Ahnenform eingeschoben habe. Die Lebensweise der im Wasser vorkommen- den Larvenformen der Hemimetabola werden wir, ebenso wie ihre derselben angepaSten Respirationsorgane als sekundar erworben betrachten diirfen.* Auch Grassi (23) schlof sich der erwahnten Theorie der Fligelbildung bei den Insekten nicht an und glaubt sie auf eine Neuerwerbung, auf abgegliederte, selbstaéndig ge- wordene Faltenbildungen am Rande der Tergalplatten zuriickfihren zu diirfen. Diese Theorien, das Schwinden der Abdominalanhinge samt Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 63 Driisen bei den Insekten, veranlafte mich, einige Betrachtungen iiber die Genese des Entstehens der Flugwerkzeuge bei ihnen an- zustellen. Wohl liegen uns bereits entsprechende Entwickelungs- untersuchungen iiber die Fliigel der Insekten von WEISMANN (58, 59), vAN Rees (48), Kowatewski (34), Semper (53), Lan- pois (35), Pankritius (44), C. ScHAEFFER (50) u. a. vor, doch ist man hier kaum iiber die ersten Anfinge hinaus, man ist dar- iiber einig, da die Fliigel, ahnlich wie die tibrigen Extremitaten- anlagen, als einfache Hypodermisausstiilpungen innerhalb einer peripodialen Einsenkung angelegt werden. Gleiche Entwickelungserscheinungen diirften aber gleiche Ent- stehungsgriinde haben. Es ist klar, dafi bei der Ableitung der Arthropoden von den Wiirmern die Annahme berechtigt erscheint, daf die letzteren sich an das terrestrische Leben, an das Luft- leben hatten accommodieren miissen, d. h. gewisse Hypodermis- einsenkungen, die Tracheen entwickeln lassen. Ein derartiger Fortschritt in der Entwickelung dieser Organismen, um die Be- wegungen am feuchten, staubfreien Strande zu erleichtern, fiihrte sofort zur Bildung der Korperanhange. Die Entwickelungsge- schichte lehrt uns auch, daf die Bildung der Tracheen entweder gleichzeitig mit der der Extremitaten vor sich geht, oder die erstere der letzteren vorausliuft. Nun habe ich auch schon seiner Zeit gezeigt, da& die Entwickelung der Extremitaten samt ihren Anhangen von der der Tracheen, resp. sog. Lungen ab- hangig ist. Da die Riickbildung der Tracheen bei Trochosa von hinten schon langst stattgefunden hat, und unter dem dritten An- hangspaar in Ausnahmsfallen eine kleine Einstiilpung zu beobach- ten ist, so ist es selbstverstandlich, daf eine Figur, die uns GRABER liefert, und die das erste Entstehen der Abdominalglied- mafen veranschaulicht, um so willkommener erscheint, als da- durch ein sicheres Licht auf die Genese der Arthropodenextremitat geworfen wird. In dieser wertvollen Darstellung (20, Fig. 38° Taf. Ill) ist die Stigmenéffnung am zweiten Abdominalsegment mit sty bezeichnet, mit der die zweilappige Abdominalextremitat (ma,a und Ja,a) in unmittelbarem Zusammenhang steht. Mit Hin- weis auf die Auslegung, dafi durch das Ausstiilpen der Respira- tionslamellen die Bildung einzelner Anhange an der Extremitat der Arthropoden zu erklaren ist, kann man folgern, daf im ge- wissen Stadium nur ein wulst- bezw. sackartiger Vorsprung an- zutreffen ist. Diesen Fall diirfte Herprer’s Zeichnung bei Hydro- philus bestitigen. Durch weiteres Vorstiilpen der Tracheen kommt 64 A. Jaworowski, der zweite Lappen bei Hydrophilus zustande, und bei Gryllotalpa vulgaris nach GRABER auch der dritte. Im Laufe weiterer Ent- wickelung kénnen die einzelnen Lappen voneinander mehr ent- fernt oder modifiziert sein (vergl. GRABER (20), Fig. 42, Taf. II). In Anbetracht dessen, daf im embryonalen Zustande bei den Insekten die Gliedmafen einfach oder lappig durch das einseitige Tracheenvorstiilpen angelegt werden, ist es uns gestattet, in ge- wissen Fallen auch dort Konklusionen zu machen, wo gewisse charakteristische Merkmale stark modifiziert oder bedeutend ver- tuscht sind. Ein solcher Fall ist bei der Fliigelbildung der In- sekten zu beobachten, auf die ich sogleich eingehen will. Mit Beriicksichtigung der Tracheenverteilung auf dem Peri- patuskérper, ja auch bei den Myriopeden, insbesondere bei Scu- tigera (36, S. 494, 37 I, 8. 21), diirfen wir annehmen, daS auf den Thoraxsegmenten der Urinsekten noch je ein Paar zum Atmen dienende Hypodermiseinstiilpungen vorhanden waren, die mit der Zeit in der Funktion durch die tbrigen, insbesondere die abdo- minalen ersetzt, die Hautduplikaturenbildung in Form von Sack- chen, ahnlich den Abdominalanhangen, veranlaften, wahrend sie selbst verktiimmerten und eingingen. Das Vorkommen paariger Hautduplikaturen bei Calotermes nach Miier (41) an allen Thoraxsegmenten, von denen die am ersten verkiimmern, an den letzteren sich zu Fliigeln entwickeln, unterstiitzt unsere Annahme: Noch mehr findet sie ihre Bekraftigung durch die schénen Beobachtungen von WerrismMANN (59) an Corethra plumicormis. Bei ihr weist ein jedes Thoraxsegment 4 Imaginalscheiben ° auf: 2 ventrale und dorsale. Von den dorsalen Paaren ver- wandelt sich das des Mesothorax in die Fliigel, das des Meta- thorax in die Halteren um, wahrend aus der entsprechenden An- lage des Prothorax bei Corethra der stigmentragende Dornfortsatz der Puppe, bei Simulia dagegen ein Biischel von Tracheenkiemen hervorgeht. Die Entwickelung des Tracheenstigma an dem Dorn- fortsatz der Puppe bei Corethra miissen wir, da die Tracheen in diese Hautduplikaturen hineinwuchern, als sekundir erworben deuten, bei Simulia hingegen und ahnlich auch bei Chironomus die Entwickelung der Tracheenkiemen resp. der Kiemen aus den Tracheen auf den urspriinglichen Charakter zuriickfihren, wonach sich nach Zerspaltung der Hautduplikatur in derselben die Tra- cheen entwickelt haben. In Anbetracht dessen, daf am Keimstreif der Ephemera die Stigmen angelegt werden, ist zu schliefen, dal diese und andere ahnliche Insekten urspriinglich terrestrischer Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 65 Abstammung seien, und daf bei ihnen die Entwickelung der Kiemen auf eine gleiche Entstehungsart wie bei den Crustaceen zuriickzufiihren sein wird. Die sog. Tra- cheenkiemen, die infolge der Accommodation an das Wasser- leben entstanden, wiren somit der ersten Anlage nach mit der der Fligel ibriger Insekten ahntich und dadurch wird sich eben die Giltigkeit der GeGEenBAuR’schen Fliigeltheorie speciell fiir diese Insekten herausstellen. Daf die Fliigel bei den Urinsekten eine lange Zeit zur vollkommenen Entwickelung notig hatten, dies ist aus der Entwickelung derselben bei den ameta- bolen SechsfiiZern zu erschlieBen, wo sie nach einer jeden Hautung immer grofer, funktionsfihiger erscheinen. In Anbetracht dessen, als z. B. die jungen Blattiden mit Aus- nahme der Fliigel den Eltern fast vollkommen gleichen, diirfen wir annehmen, daf zur Zeit, als die Urinsekten an den Abdominal- anhangen die Spinndriisen entwickelt hatten, bei ihnen die Anlage der Fliigel schon vorhanden war und hiermit erst spater zur vollen Entwickelung kommen. — Es entsteht die Frage, ob das Ein- gehen der einen dieser Organe die Entwickelung der anderen zur Folge haben konnte. Mich diinkt, daf dieser Fall héchst wahr- scheinlich ist. Es wird zwar das Zustandekommen der Fliigel bei den Insekten anders erklart und KorscHeLt-HeErpEr (32, S. 883) notieren folgendes: ,,Man darf vielleicht annehmen, daf der Ubergang von der kriechenden Bewegungsweise zum Flug durch eine kletternde Bewegungsart vermittelt wurde, bei welcher ein- zelne Distanzen durch den Sprung zuriickgelegt wurden, was zur Ausbildung fallschirmartiger Verbreiterungen der Thoraxsegmente Anlaf gab. Der Ubergang von solchen, noch unbeweglichen, als Fallschirm zur Verwendung kommenden Hautduplikaturen zu ab- gegliederten, selbstandig thatigen Lokomotionswerkzeugen erscheint uns ziemlich plausibel.“* Dies ist bis jetzt gewif die zutreffendste Annahme, doch méchte ich sie nicht als eine wahrscheinliche zu bezeichnen wagen, denn das Insekt kénnte sich wahrend des Fallens nur zufalligerweise mit den Hautduplikaturen derart wenden, daf es diese als Fallschirm beniitzen kénnte, was doch mit dem Wesen der Adaption im Grunde genommen im Wider- spruche steht. Uebrigens giebt es auch Spinnen, die bedeutende Spriinge vollfiihren, und bei ihnen ist bis jetzt keine Spur von Fliigelanlagen bekannt. Meine Ansicht beziiglich der Notwendig- keit der Entstehung der Insektenfliigel lautet dahin, daf wir an- nehmen miissen, dafi die Urinsekten vor dem stirkeren Feinde Bd, XXX. N. F. XXII, 5 66 A. Jaworowski, fliehend mittels eines Spinnfadens sich herunterschnellen konnten, doch nach Voriibergehen der Gefahr zur Riickkehr auf den ur- spriinglichen Standpunkt alle Thatigkeit der an die Extremitaten und Fliigelduplikaturen angelegten Muskeln erwachen liefen. Mit den Extremitaten griffen sie an den Faden, durch die Bewegung und das Schlagen der Fliigelanlagen an die Luft erleichterten sie sich den Koérper in der Richtung des Fadens hinaufzuschnellen. Die weitere Anwendung und Accommodation der Fliigelanlagen fiihrte somit die Flugfunktion herbei (vergl. die Ansicht von SimrotH [54a]). Doch da die Urspinnen auch von lebender tieri- scher Beute gelebt zu haben scheinen, wie dies aus der friihzeitigen Entwickelung der Kieferklauendriise zu erschliefen ist, hingegen die Urinsekten als Pflanzenfresser von ihnen auch in dem Falle, als sie sich auf einem Faden heruntergeschnellt hatten, verfolgt wurden, glaube ich richtig zu urteilen, dai, da der Gebrauch der Fliigel ins Leben gerufen werden muB8te, die Riickbildung der Spinndriisen bei diesen Tieren als naturgemaf erscheint. Ich kann die Arbeit nicht zum Abschluf bringen, ohne der- jenigen Anhaltspunkte zu gedenken, die in phylogenetischer Hin- sicht fir die Arthropoden von Wichtigkeit waren. Am Ko6rperstamm der luftatmenden Arthropoden sind an den Anhangen ektodermale Driisen ausgebildet, die fiir unsere weitere Schluffolgerung von Nutzen sein diirften. Die Gift- und Spinn- driisen bei der Araneina, — die Speichel- und die Abdominal- driisen bei den Insekten, — die Gift- und die Speicheldriisen, deren letzteren KorscHeLtT-Herper (32) im Gegensatz zur An- gabe Hearucote’s (32, 8. 754) die ektodermale Abstammung wahrscheinlich machen, und die Hiiftdriisen der letzten 4—5 Bein- paare bei den Chilopoden, — und nur Hiiftdriisen an den Beinen gewisser Diplopoden, — weiter die Spinndriisen in den griffel- formigen Gebilden am Ende des Kérpers bei Symphyla, — die Schleimdriisen an der Spitze der Oralpapillen, und die Crural- driisen an der Basis der Fiifchen bei Peripatus, — ja auch die Speicheldriisen der Crustaceen (36, S. 344) diirften als Belege sein, daf diese Gebilde bei den Ahnen der Arthropoden lings des ganzen Kérperstammes als homologe Driisen, die den Cruraldriisen zuzuzahlen sind, ausgebildet waren. Der Grund, da die Driisen sich an den Kérperanhingen vorfinden, oder an der Basis der- selben dennoch im innigsten Zusammenhange mit ihnen stehen, berechtigt mich, den Vergleich derselben von Eistq (16, S. 403) mit den Borstendriisen der Parapodien der Capitelliden zu accep- Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 67 tieren, — und mit Hinsicht darauf, daf bei den Insekten und Spinnen sich zweizipfelige Abdominalanhange vorfinden, deren Ein- stiilpungen die Driisennatur verraten oder auch Spinnstoff liefern, und darin mit Parapodien der Annelliden eine groSe Ahnlichkeit zeigen, — bin ich der Ansicht, daf eben ihre Parapodien wirk- liche, nicht weiter entwickelte Extremitéten seien. Bei der Be- achtung der Ursache der Extremitaéten-Entwickelung bei den Spinnen, Insekten und den Crustaceen stellt sich heraus, daf die Erklarung der Kiemenexistenz neben den Parapodien an ihrer Dorsal- oder Ventralseite keine Schwierigkeit bereitet und so zu deuten wire, wie dies bei den Crustaceen gezeigt worden ist (29). Die Capitelliden und andere nichstverwandten Wiirmer scheinen mir somit an das Landleben angepafte Tiere gewesen zu sein, die vielleicht infolge der Nahrung oder anderer Verhaltnisse wieder in das Wasser zuriickgewandert sind. Entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen sind speciell fiir die erste Genesis der Parapodien héchst erwiinscht, dadurch kommen wir ins klare, daf die Proto- tracheata, und dies ist auch wahrscheinlich, unter diesen Wiirmern bezw. ihnen ahnlichen zu suchen sind. 5 * 68 A. Jaworowski, Verzeichnis der einschligigen Schriften. 1) H. Ayers, On the development of Oecanthus niveus etc. Mem. 2 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15) 16) 17) Boston Soc. nat. hist, III, 1884. J. M. Batrovr, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Uber- setzt von VertTer, 1. Bd., 1880. — Notes on the development of the Araneina. Quart. Journ. of Micr, Science, Vol. XX, 1880. J. Barrots, Recherches sur le développement des Araignées, Jour- nal de l’Anat. et de la Physiol., 1878. Pu, Bertuxav, Uber das sog. Cribellum L. Kocn’s. Sitzber. Niederrh. Ges, f. Nat. u. Heilkunde, 1875. — Uber das Cribellum und Calamistrum. Archiv f. Naturg., 1882. J. Buackwatt, On the number and structure of the mamulae em- ployed by Spiders in the process of spinning. Trans. Lin. Soe. London, XVIII. — A concise notice of observations. Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4), he, — A history of the Spiders of Great Britain and Ireland. Lon- don 1861, 1864. O. Btrscut1, Zur Entwickelungsgeschichte der Biene. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XX, 1870. O. P. 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Anz., No. 392, 1892. — Polnisch in: Muzeum, Bd, VIII, Lemberg 1892. 29) — Die Entwickelung der sog. Lungen bei den Arachniden und speciell bei Trochosa singoriensis Laxm. nebst Anhang tiber die Crustaceenkiemen. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 58, 1894. 30) J. v. Kennet, Die Verwandtschaftsverhiltnisse der Arthropoden. Schriften der Naturforscher - Gesellsch. zu Dorpat, Bd. VI, 1891. 31) K. Kisutnoye, On the development of Araneina. Journ. of the College of Sc. Univ. Japan, Vol. IV, 1890. 32) E. Korscuerr und K. Herprr, Lehrbuch der vergleichenden Ent- wickelungsgeschichte der wirbellosen Tiere. Jena 1891. 33) A. Kowatewsky, Embryologische Studien an Wiirmern und Ar- thropoden. Mem. Acad. Imp. Petersburg, 1871. 34) — Beitriige zur Kenntnis der nachembryonalen Entwickelung der Musciden, I. Teil. Zeitschr. f. wiss. Zool., 45. Bd., 1887, 35) H. Lanvois, Beitrage zur Entwickelungsgeschichte der Schmetter- lingsfliigel in der Raupe und Puppe. Zeitschr. f. wiss. Zool., 1, Bag ls7t. 36) A. Lane, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, 2. Abt., 1889. 87) R. Larzet, Die Myriopoden der dsterreichisch-ungarischen Mo- narchie, I. Halfte, 1880, Il. Halfte, 1884. 38) A. W. Locy, Observations on the development of Agelena naevia. Bulletin the Museum of Comp. Zodlogy at Havard College, Vol. XII, No. 3, Cambridge 1886. 39) J. Lussocx, Origin and Metamorphoses of Insects. Nature Series, London 1883, 70 A. Jaworowski, 40) J. Monin, Beitréige zur Entwickelungsgeschichte der Spinnen. Russisch, In: Schriften der neurussischen Naturforschergesell- schaft, Odessa 1888. Anzeige in: Biol. Centralblatt, Bd. VI, 1887. 41) F. Miézirr, Beitrige zur Kenntnis der Termiten. Jenaische Zeitschr. f. Naturw., 7. Bd., 18738. 42) J. Nuspaum, Zur Frage der Segmentierung des Keimstreifens und der Bauchanhange der Insekten-Embryonen. Biol. Ceatralbl., Bd. IX, 1889. 43) — Przyezynek do embryologii majka. (Beitrag zur Embryologie von Meloé.) Kosmos, Lemberg (Lwéw) 1891. 44) P. 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Weismann, Die nachembryonale Entwickelung der Musciden nach Beobachtungen an Musca yomitoria und Sarcophaga carnaria. Zeitschr, f. wiss. Zool., 14. Bd. 1864. 59) — Die Metamorphose von Corethra plumicornis, Zeitschr. f. wiss. Zool., 16. Bd., 1866. Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 71 60) W. M, Wuzeter, Uber driisenartige Gebilde im ersten Abdominal- segment der Hemipteren-Embryonen, Zool. Anz, 1889. 61) —- Homologues in Embryo Hemiptera of the appendages of the first abd. segment of other insects embryos. Americ. Naturalist, 1889. 62) — On the appendages of the first abdominalsegment of embryo insects. Transact. Wisc, Ac, of sciences, Vol. VIII, 1890. 12 A. Jaworowski, Erklirung der Abbildungen zu Tafel III u. IV. Allgemeine Bezeichnungen. a After; aa,—aa, Abdominalanhinge vom ersten bis zum sechsten Paar; ap Apicalglied; aw Ausfiihrungsgang der Spinndriise; b Basalglied; ¢ Célomsackwand; er riickgebildetes Cribellum; d Dotter; ds Darmschlauch; dw Darmwand; e ventrale Einsenkung (?) in dem Ganglion; eau Einbiegung des Ausfiihrungsganges der Spinndriise; eh EKihaut; en Endopodit; ex Exopodit; g,—g, Ganglien des ersten bis zum dritten Abdominalsegment; gd Giftdriise der Kieferklaue ; gda deren Ausfiihrungsgang; h die Haut; hs hintere Spinnwarze; m Spinnwarzenmuskel; ms mittlere Spinnwarzen; » Nerv; pr Procto- daeum; s Muskelfasersehne; sp Spinndriisen; vs vordere Spinnwarzen. Tafelgi, Samtliche Figuren von Trochosa singoriensis Lax. Fig. 1. Ein Embryo von Trochosa sing. vor der Reversion. Am ersten Abdominalsegment der Anhang aa, riickgebildet. Vergr. Zeif A; OK. 1. Fig. 2. Ein Teil des Embryo der vorhergehenden Figur ver- grofert. An den Ganglien ist wahrscheinlich eine Einsenkung vor- handen. Vergr. Zeif A, Ok. 4. Fig. 3. Ein Embryo vor der Reversion, Am Abdomen sind vom ersten bis zum yorletzten Leibessegment Abdominalanhinge vor- handen, vom siebenten jedoch angefangen in deutlichen Spuren. Vergr. ZeiB A, Ok, 1. Fig. 4. Kin Lingsschnitt durch einen Embryo nach der Re- version, um zu zeigen, dafi im dritten Abdominalanhang sich kein Gewebe differenziert, hingegen die nachstfolgenden sich in Spinn- warzen umwandeln. Vergr. Zeif D, Ok. 1. Fig. 5, Ein Embryo wiahrend, der Reversion, Die Abdominal- anhénge sind stark entwickelt, die des vierten und fiinften Segments bestehen aus Endo- und Exopodit, der des dritten stark verflacht und des sechsten schon riickgebildet. Vergr. Zeifi A, Ok. 1. Fig. 6. Die Abdominalanhinge eines Embryo vor der Reversion. Vergr. Zeif A, Ok. 1. Fig. 7. Der Endteil des Abdomens eines Embryo vor Abschlub der Reversion. Die Abdominalanhénge des vierten und fiinften Seg- ments wandeln sich in Spinnwarzen um. Vergr. Zeif A, Ok. 1. Entwickelung des Spinnapparates bei Trochosa singor. Laxm. 173 Fig. 8. Das Abdomen eines Embryo vor Abschluf der Reversion yon der Seite gesehen. Die Exopodite des vierten und fiinften Paares iiberdecken die Endopodite. Das Exopodit des fiinften Paares ist zweigliedrig. Vergr. Zei® A, Ok. 1. Fig. 9. Ein Teil des Abdomens eines Embryo vor Abschlufi der Reversion von unten gesehen. Das Endopodit des vierten Paares ist undeutlich, das des folgenden Paares vollkommen ausgebildet. Vergr. ZeiB C, Ok. 4. Fig. 10. Eine entsprechende Partie des vorhergehenden Embryo stirker vergréfert. Die Exopodite zwei-, die Endopodite eingliedrig. Vergr. Zeif D, Ok. 4. Fig. lla und b. Bei den ganz jungen Spinnen zwischen den Exopoditen des vierten Auhangspaares ein riickgebildetes Cribellum vorhanden, Das Cribellumfeld der Fig. 11a weist Zellen wahrschein- lich driisigen Charakters auf. Vergr. Zeif D, Ok. 3. Fig. 12. Ein Flachenschnitt durch den Endteil des Abdomens einer ganz jungen Spinne nach der zweiten Hautung. Vergr. Zeif C, Ok. 1. Fig. 13. Ein paralleler Flichenschnitt zu dem der vorhergehen- den Fig. Vergr. Zeif C, Ok. 1. Fig. 14. Ein etwas schiefer Flaichenschnitt durch den Endteil des Abdomens einer Spinne fast von gleichem Alter wie vorher, um die bereits differenzierten Spinndriisen zu zeigen. Vergr. Zei® D, Ok. 1. Fig. 15. Zwei Spinndriisen mit ihren Ausfiihrungsgingen einer Spinne von gleichem Alter wie in Fig. 14, umgeben vom wabigen Mesodermgewebe. Vergr. Zeif F, Ok, 1. Tafel TVs Fig. 16. Die Entwickelung der Spinndriisen noch vor dem Ein- dringen in das wabige Mesodermgewebe (Leber?) einer ganz jungen Spinne nach der zweiten Hiutung. Vergr. Zeif F, Ok. 1. Fig. 17. Die Spitze der vorderen Spinnwarze einer jungen Spinne nach der zweiten Hiiutung mit vier Spinnkegeln. Vergr. Zeif F, Ok. 1. Fig. 18. Dasselbe wie in der vorhergehenden Figur, doch mit sechs Spinnkegeln. Vergr. Zei® F, Ok. 1. Fig. 19. Ein Teil der Spitze der hinteren Spinnwarze, aus gleichem Entwickelungsstadium wie der Fig. 18, um die Gestalt der Spinnkegel zu demonstrieren. Vergr. Zeif F, Ok. 1. Fig. 20. Die Spitze der mittleren Spinnwarze von gleichem Alter wie Fig. 19 einer ganz jungen Spinne. Vergr. Zeif F, Ok. 4. Fig. 21 und 22. Die Mandibelklaue eines ausgeschliipften Em- bryos, und zwar in Fig. 21 von oben und in Fig. 22 von unten ge- sehen Vergr. Zeif F, Ok. 1. Fig. 23—25. Die Pedipalpenklaue einer eben aus dem Ki aus- geschliipften Spinne, in verschiedener Stellung und Ausbildung. Vergr. ZeiB F, Ok. 3. Fig. 26—30. Die Klauen der Extremitit des ersten Paares in verschiedener Form und Ausbildung des aus dem Ei ausgeschliipften Embryos. Vergrdferung der Fig. 26, 27, 28 und 30 ZeiS F, Ok. 3, hingegen der Fig. 29 Zei® D, Ok. 4. 74 321; 1 4 insgesamt | 4 | insgesamt | 13 | von 2 All. cyanea nach 5 Tagen| (eee 1) K.-Nr. = Kontrollnummer. Total; 60 Individuen. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 225 Die Angabe ,,mit A!‘‘ bedeutet, daf im Regenerate Anomalien der Segmentierung aufgetreten sind. Tabelle ITI. Von den iibrigen 107, die getétet wurden, lebten nach der Operation : | von 25 L. rubellus von 15 L. Herculeus K-N An- Regen. | K.-| An- “Regen. ear ||eablil’ ~Segm.,i.{\| Nr.| zahl| Segm. Stunden bis | 37 Tage {183} 1 3 6 Tage |131-135| 5 — L160 ar MIS) 1 3 Lae 60 | 1 4 | ih, 256 || , ra | 257 4—5 mit A !) insgesamt | 8 | insgesamt | 2 | von 29 All. foetida von 13 All. caliginosa | Au-| Regen. K.-| An- | Regen. K.-Nr. | zahl Segm. Nr.| zahl | Segm. 5 Tage 212 | 1 — Stunden bis|178 | 1 Se as 9 | 1 31/, 5 Tage 204 3 — i apees 211 1 ae 295 i 33, 149 1 3 9°, iag4l “4 et 15 - 153 1 4 Ale es 182) 1 — im 5 2 179 1 3 Be ie) 745 | a | 5 19 v5 150 1 4 unsegm. ee eee ae 4 7 233 2 Regen. a ia, 152 | 1 4 ni 4 30 4; 180 ASA MIG AGN Od 5 Has LEG oT 5 64 ,, | 284-286) 3 | 3 (3 mal) leben noch nach 2 Mo-| 418-423 6| 3: i(aisnal) Cate | 4 (1 mal) | insgesamt | 19 | | insgesamt | 9 | von 82 All. terrestris K.-Nr, | Anzahl | Regen. Segm. Stunden bis 11 Tage — 39 — 12.104, 10 | 157 oh 4 Ti it ae 174 1 | — he | 9 3 = 155 4—5 mit A! FL VN, | 186 i | a, ye 154 1 5 226 Kar! Hescheler, von 82 All. terrestris | K.-Nr, | Anzahl — Regen. Segm. 23 Tage 70 9 a= 184 | 3 DA rsa ds 0, | = 187 , 4 2511. 4 214 1 3—4 mit A! OT es. is O; l 9 29 is 213 1 — 37 - lis 1 3 56, 34 1 | 4—5 mit A! 62% 3 0, | undeutl. segm. Pa 3 4 Rad) | : S30 na 246 | 33), 247 5) 4 248 || 5 Ben Lens PE 1 ? Sail, a O 1 5 mit A! O90, wha 116 1 4 31/, Monate| 325 1 4 sone Te 35 1 3—4 mit A! movey Su P, 1 4—5 mit A! 9 3 0, ] 4 lebt noch (31/, Mon.)| 378 1 | 4 insgesamt 69 Aus Tabelle I geht zunachst hervor, daf von 167 Individuen dieser Versuchsreihe 60, also mehr als ein Drittel, kiirzere oder langere Zeit nach der Operation zu Grunde gingen; nun ist aber das Verhaltnis in Wirklichkeit ein wesentlich anderes, da von den in Tabelle II aufgefiihrten, zum Zwecke weiterer Untersuchung getéteten Exemplaren diejenigen eigentlich in Abzug gebracht werden miissen, welche kurz nach der Operation konserviert wur- den. So ware die Sterblichkeitsziffer noch eine bedeutend hohere. Andererseits ist die Sache doch nicht so schlimm, da das Ab- sterben derjenigen, welche eines natiirlichen Todes dahingingen, nachdem sie bereits zu regenerieren begonnen hatten, wiederum nicht auf Rechnung der ausgefiihrten Operation zu setzen ist. Von dem Standpunkte aus betrachtet, liegen die Verhaltnisse be- sonders bei All. terrestris sehr giinstig; dort sind eigentlich nur 6 in den ersten Tagen nach der Operation zu Grunde gegangen ; béser sieht es freilich bei L. rubellus und Herculeus aus. Fiir All. foetida mu8 erwaihnt werden, daf jene 7, welche im Verlaufe Uber Regenerationsvorgange bei Lumbriciden. 227 der ersten 10 Tage starben, die ersten waren, die von dieser Species operiert wurden; sie verteilten sich auf zwei verschiedene Versuche, und schon nahm ich an, daf bei dieser Art das Regene- rationsvermégen sehr schlecht entwickelt sei, als mich weitere Versuche gerade vom Gegenteil tiberzeugten, ein Beweis, wie man in diesen Fragen mit seinen Schliissen sehr vorsichtig sein mufB. L. castaneus und All. cyanea kommen nicht weiter in Betracht; die Falle sind nur der Vollstaindigkeit halber angefiihrt. Prozentzahlen wollen wir hier keine aufstellen; die Tabellen geben auch so einen ungefahren Einblick in die bei vorliegenden Versuchen waltenden Verhaltnisse. Verglichen mit den nach- folgenden, zeigen sie vor allem, daf’ bei Wegnahme dieser wenigen vorderen Segmente die Aussichten auf Regeneration bei fast allen untersuchten Arten sehr ginstige sind. Weiter konstatieren wir, daf in den seltensten Fallen die volle Zahl der abgeschnittenen Segmente regeneriert wird, und daf bei den Regeneraten sehr haufig Segmentanomalien auftreten. Beide Thatsachen wollen wir spater einlaflich besprechen. Zur Demonstration derselben wird unten eine Tabelle folgen, welche die in Betracht kommenden Falle zusammenstellt (Tab. IV). Uber den Einflu8 verschiedener einwirkender Faktoren, tiber die Schnelligkeit, mit der die Regenerate auftreten etc., wollen wir uns vorderhand jedes Urteils enthalten. Zunachst ziehen wir aus obigen zwei Tabellen jene Falle aus, in denen den Versuchstieren weniger als 5 Segmente abgeschnitten wurden: Tabelle III. oe aS Se, pcre Be eg Wo ae Waray tiles el Species 4| 3 és 3 g 80 Ep S32 is mis, |se| me |e . SB ine eveiideds a ee ma 1| L. rubellus | 60/53 Tage| 4 [| 4 I} 5. Tia 2 - B24).64) ) lid 3, Li.) 18D, 96 3| — 256176 ,, }47 | 31/, IL | 7. Xd. 94 4 All. foetida a Fn aw IL) 5.0 S94 5) — 393/18 ,, | 4 | Knospe L* | LES VE S5 6, — 424,21 , | 4 | = I |20. VII. 95 7) All. caliginosa |294/163/, Std. 4 | — II | 3. XIL. 94 8) — 295/24 eo — II | 3. XII. 94 9 All. terrestris |12645 a II | 22. V. 94 10) — 125/88 wie ten! == II | 22. V..94 11) — 186/21 Tage |41/, 31), II |18, VII. 94 12 — (214) 251/,,, | 4 |8—4mitA!| II |10, VIII. 94 13 — 2461 83__s,, l42/, 33), ER 1. XI. (94: 228 Karl Hescheler, Tabelle IV. Abgeschnitten 5 Segmente, Fille, bei denen ein segmentiertes Regenerat auftrat, zusammengestellt aus Tabellen I und II. Lebten Regene- | Ent- : Species K.- | nach der | rierte Seg- halten in Zeit der | Nr. Operation| mente | Tabelle Operation 1; L. rubellus (| 257/76 Tage|4—s mit A! II 7. XI. 94 | — Sra tor ae 4 il ill pe eee) 3 a 876/70 ,, |8—4mit Al} I 6. V. 95 4 — (97 ES 3 I 5. IV. 94 5] L. Herculeus/114/|60 _,, 4 Ds fous] Wit el Yara 6 — 183187 | i.) 3 I> A116. Vikas 7| — 113 64-0 d 3 sp 17. IV. 94 8 — Desa ik ageaaile ye SAN) SAE SRR ei ER erie 9). All. foetida | 153) Taig: 4 II 5. VIL. 94 10 = PSO pF 5 4 II | 5. VIL 94 11 — aD OT Alen! 4 II | 26, VI. 94 12) — Lhe 28, so. Byler aE eet ane Wa 13) — 418 | lebt noch 4 (res 20 Vil. o5 14) — 180/30 Tage|8—4mitA!) IL | 16. VII. 94 15 = 284/64 i, 3 II 16 — 285/64 ,, 3 II |. XI. 94 17 — 286/64 ,, 3 II 18] — 419 | lebt noch 3 II 19 — S00 ne) Brae SUE 20) = aot pee panhety PUN 20. VII. 95 21) — ADD APS. 11s 3 | IL 22 — 423, ia 4 3 II 23] = 392151 Tagel 2 (?) I 11. VI. 95 24) All. caligin. 225/36 __,, Sl) RL Heeavoe 25 — pi 4 slay Gamer 5 | - i 17, IV. 94 26 — 1956. 74a%: &. 4 | 7. S194 27 All.terrestris/154/22 _,, 5 II 6. VII. 94 28 — 248 Sas 3. 5 Yate 1. XI. 94 29 — PO, 85%; °5,; cee A || TD Ose eng 30) — 155/18 ,, l4—5'mitA!/ II | 6. VII. 94 31) a2 | 34/56 ©, ‘4S mit'A!| 9%)? 6.47 94 32 —- | P, |71/, Mon.j4—5 mit A!} IT 9. XI. 93 33| 187/24 Tage| , 4 | II 18. VII. 94 34) — WEE 62a\ on 4 | Tes Poe TMgs 35 =2 PeENeS | G2i ee 4 LY a 9. XI. 93 36 = 1879.79. set 4 {a 6. V. 95 37) — P2477 |88 es! 4 II 1. XI. 94 Anm. Bei All. foetida, laufende Nr. 23, wurde ein Fragezeichen gesetzt, weil die Segmentierung, die bei dem Individuum sehr langsam verlief, vermutlich noch nicht vollendet war; sonst steht dieser Fall, wo an Stelle von 5 nur 2 Segmente regeneriert wurden, einzig da. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 999 _| Lebten | Regene- | Ent- | Zeit dor Species nach der | rierte Seg- | halten in 0 ti aT. : peration | Operation) mente Tabelle 38|All, terrestris|116| 90 Tage | 4 II 17. IV. 94 39 — Peon Soe | 4 I 17. 1. 95 40 — 825 | 81/, Mon.) 4 |isreaa 8 I 18. I. 95 41| a rae | 4 Le ae 8, XI. 93 42 — |378 |lebt noch) 4 Il 6. V. 95 43, a4 35 |41/, Mon|3-—4mitA!| II | 6. IL 94 44, _ |184|23 Tage, 3 a, bs WEES 45) — Pa |) 55. | 3 II 9. XI. 93 46) = 59/58, (|| 3 I 5, III. 94 47 44 827/76 ,, 3 I 18, 1. 95 48 — 328 | 84 Xs 3 I 18, I. 95. Abnahme gré8erer vorderer Partien. Lassen wir nun die Resultate jener Falle folgen, bei denen 6—14 vorderste Segmente abgeschnitten wurden. Tabelle V. \2 2) | | oS : |K.-\Segmente regene-| Operiert Se | REECIeS | Nr. riert | a zs | Ss = 1)! 6 | All foetida (181 4 16. Vil. 94 2 || — _ 282 4 19. XI. 94 3 || — = 283 4 19. XI. 94 4) — — 380, kleine Knospe | 6. V. 95 5 | — — 391 p “ LL, Vis 7 oe 7 426 3 20. VIL. 95 BN seo - 427) 3 20. VII. 95 8 — |All. caliginosa\118| 3 | 17. LV. 94 9 — |All. terrestris |249| kleine Knospe | 1. XI. 94 10 |, — = 300 Ls 6. XIL 94 [1 — — 319} unsegm. Knospe | 17. I. 95 2) — -— 326 +t 18. I. 95 137 | L. rubellus | 3 +4 16. I. 94 al | — 4 | unsegm. Knospe | 16. I. 94 16 | — = 5 16. [. 94 16) — — 270 kleine Knospe | 15. XI. 94 17 | — — 323. 3 17. I. 95. 18 — All. foetida |210 3 10. VIII. 94 19 — — 425 8—4 mit A! |20. VIL 90 20 | — All. caliginosa|226\ca. 5 mit vielen A!/23. VIII. 94; 21, — All. terrestris | 23) — 25.1. 94 || Bemerkungen nach 44 ‘lagen getotet. nach 64 Tagen zum zwei- ten Mal operiert. do. stirbt nach 23 Tagen. 18 ” ” lebt noch. ” ” »” nach 97 Tagen getotet. stirbt nach 16 Tagen. nach 1 Stunde getotet. stirbt nach 35 Tagen. 31/, Mon. Tagen getotet. nach 78 ” 37 ” ” stirbt nach 51/, Monaten. 20 Tagen. ” ” 69 ” verloren nach 41 Tagen. lebt noch. ” ” nach 44 Tagen getotet. stirbt nach 21 Tagen ohne Regenerat, 230 Karl Hescheler, Species co bo Segmente abgeschnitt. | lo | All. rubellus . rubellus All. . rubellus All. foetida All. caliginosa| 244 All. terrestris L. rubellus All. caliginosa|194 All, terrestris L. rubelius AJl. terrestris All. terrestris 297 terrestris terrestris terrestris terrestris terrestris "3 e- iert K-Seemente regene| Onerer! | auertunge — 3. XII. 4 |nach 24 Stdn. getétet. 322 4 17. 1. 95 |stirbt nach 3 Monaten. 25 — 25. I. 94 |nach 21 Tagen tot ohne Regenerat. 271) kleine Knospe | 15, XI. 94 |stirbt nach 26 Tagen. 273 x i 15, SOR D4 |e se 298 — 3. XII, 94 [nach 21 Stdo. getotet. 320 5 17. I. 95 |stirbt nach 31/, Mon. 82| kleine Knospe | 15. III. 94 |stirbt nach 23 Tagen. 64| unsegm. Knospe! 7. III. 94 i Joe Css 68 6 7. III. 94 |nach 31/, Mon. getotet. 86 3 15. IIL. 94 |stirbt nach 3 Monaten. | 83) kleine Knospe | 15.111. 94 | _,, ». 28 Tagen. 272 . e TIES. COREY RAMEY PRE ale 274 . iy 15: RE 04a) ooh aware Deeds tee 26 = D5 AT OA al eT alles ohne Regenerat. | 87 4 15. III, 94 |stirbt nach 31/, Mon. 66 = HeLa: 4 » 1 Tagen. 144; ca. 5 mit A! | 26. VI. 94 |nach 43 Tagen getotet. a jundeutl. segment.) 1. V.95 |Gefunden ohne d. 10 Seg- mente, lebte noch 56 Tge. 275| kleine Knospe | 15. XI. 94 |stirbt nach 20 Tagen. 85 E 15, Tk, 94.) | o/b oleae 67| unsegm. _,, Cour OR 57, Sal ger 88\undeutl. segment.) 15. ILI. 94 | _,, ,, 86 Tagen 236 = 24. Vill 04). Soe 251 4 1. XI. 94 |gefdn, ohne d. 11 Segm., lebte noch 5 Mon. 170 _— 14. VII. 94/stirbt nach 14 Tagen ohne Regenerat. — 24, VILL. 94\stirbt nach 7 Tagen. 65 3 PORT, O41. 3) 31 /_ Mon: 89 5 15. T1194) eens) won 2638 7 13. XI, 94 |nach 5 Mon. getotet. 84| kleine Knospe |15. ILI. 94\stirbt nach 23 Tagen. 260)4 4, fn) 18M, 94 | eee — 30. VII. 94) _,, a ae) ” 90 4 15. IIL 94) ,, » & Monaten. 260 undeutl, 4 13. XI. 94 |nach 5 Mon. getotet. 20} kleine Knospe | 24. I. 94 |stirbt nach 21 Tagen. 21 3 24.1 4S tone a Pee, 22) kleine Knospe | 24.1. 94 ‘3 ad s 101 ee 5. LV. 94h ee ae iach ins 122) kleine Knospe | 10. V.94 | ,, » 1 Monat 198 o— BODY L041! » 10 Tagen. 45\undeutl. segment.' 13. II. 94 | _,, 3 Monaten. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 231 Um einen Uberblick iiber die Verteilung dieser Falle auf die einzelnen Species zu erlangen, stellen wir sie in folgender Tabelle entsprechend zusammen. Tabelle VI. Abge- | _ Abge- Anzahl | schnittene | Regeneriert| Anzahl | schnittene Regeneriert | Segmente ‘ Segmente ; L. rubellus | All. foetida | Sustid 4 unsegment, - 5 | 7 3 4 Knospe 7 6 Knospe 3 | 1 9 | Knospe : Knospe 3 : a 8 £ 3—4 mit A! 1 12 — 1 SSE Se a 11 | Knospe ee | ee Knospe All. caliginosa 2 13 : ae ” 1 | 6 | 3 te ale 1 eee Sania | § Sty oi SP RE ED sae 1 12 — 6 14 | Knospe ae Sli aa C5 Set Pas oe ee oa i eee | = ec duh ae All. terrestris All. terrestris ei | | et | Knospe | ze oe 0 , : : unsegment : | 2 at 6 undeutl. segment. 2 i | Knospe | = | unsegmentiert 3 7 = undeutl. segment. | Fi 4 11 a ey = bien Knospe 3 e 8 ” 3 12 5 a 7 5 ARORA ARTA 9 4 Knospe 7 13 4 3 9 6 pags 3 1 | 14 undeuti. segm. 232 Karl Hescheler, Neben der auch hier festzustellenden Thatsache, daf stets weniger Segmente regeneriert werden als abgeschnitten, sei nament- lich auch auf die Falle undeutlicher Segmentierung bei Indivi- duen, die sehr lange beobachtet wurden, aufmerksam gemacht. Die abgeschnittenen Segmente an und fiir sich wurden eben- falls kontrolliert und festgestellt, daB sie alle im Laufe einer Woche, seltener nach 9—10 Tagen starben. Einer gréSeren Anzahl von Individuen wurden die ersten 15 Segmente abgeschnitten aus dem bereits angefiihrten Grunde, fest- zustellen, ob die Geschlechtsorgane regeneriert werden. 61 solcher Falle liegen vor, die sich folgendermafSen verteilen: Lumbr. rubellus 10 L. Herculeus 1 All. foetida 2 All. caliginosa 12 All. terrestris 36 Pik Tabelle VIT. All. terrestris lebten nach Abnahme der 15 vordersten Segmente : { . | ee K.-Nr.| Regeneriert ales Bemerkungen 2—10 Tagel 19 | — | = med i aaa ts REG = TRE 98 acne. ly} XIII — 24. XI. 93 Vil A Rs; 2 XV — | 24. XT. 98 BNA 8 Bos He | GN i 24. XI. 93 |7 yregenerieren 9 Ee, | a 8 oe 18. I. 94 Oe eae tek), 20 6. XI. 93 a) See ll vy — (ROS BROS 1 Monat 1 |, 262 _— 13. XI. 94 i 48 5 | | 44 wenig 81/5 Monatel 5 46 4 # | 13. Il. 94 171 = (14. VIL. 94johne zu regene- | r rieren ’ 1) TE undeutl, 3-6. XI. 93 a | 2 261 | kleine Knospe| 13. XI. 94 a 1 | 338 4 22. 1.94 |nach 6 Mon. ge- Bac My NR totet All, caliginosa lebten nach Abnahme der 15 vordersten Segmente: 7 Tage |10{ — | —— Sommer 94 265 Knospe 13, XI. 94 11/, Monate| of 266 | § (13. XI. 94 Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 233 All. foetida lebten nach Abnahme der 15 vordersten Segmente : Operiert nee K.-Nr.! Regeneriert | yeti Bemerkungen i | Z 2 wy ee A eee eres Tote | 1) eV 6 Monate | 1 340 | kleine Knospe| 22. I. 95 " L. Herculeus lebte nach Abnahme der 15 vordersten Segmente : 3 Tage | 1 | 124, = — | 16. Vv. 94 | L. rubellus lebten nach Abnahme der 15 vordersten Segmente: 2—7 Tage a tet eal oad 20.1. 94 u,|2. Starben infolge Seminer 94 Chloroformwirkg. 50 Ae; | 1 | 268 kleine Knospe| 13. XI, 94 Nur All. terrestris zeigt Falle von ausgebildeten, segmen- tierten Regeneraten, und zwar bei 36 Individuen nur 5 mal. Wenn wir die Tabellen V—VII durehmustern, so zeigen sie deutlich, da8 die Regenerationsfihigkeit entsprechend dem steigen- den Verlust an vorderen Segmenten abnimmt. Die Sterblichkeits- ziffer wird héher; das Auftreten und die weitere Ausbildung der Regenerate verlangsamt sich oder, besser gesagt, variiert sehr in- dividuell (den letzteren Punkt besprechen wir spaiter genauer); stets werden weniger Segmente regeneriert, als abgeschnitten wurden, und zwar, das ist von Wichtigkeit, steigt die Zahl der neugebildeten Segmente, die Beschrankung vorausgesetzt, nicht irgendwie proportional der Zahl der abgeschnittenen Ringe; meist werden 4 regeneriert. Diese Verhaltnisse gelten nun in erster Linie fiir All. ter- restris; von den anderen Species sind zu wenig Beobachtungen vorhanden; doch darf aus einzelnen Fallen mit einiger Sicherheit geschlossen werden, daf auch fiir sie das Gleiche gilt, da’ zum mindesten auch hier eine Abnahme des Regenerationsvermégens mit steigendem Verlust an vorderen Segmenten zu konstatieren ist. Was die Stiicke, die aus den 15 ersten Segmenten bestanden, anbetrifft, so wurde festgestellt, daB sie meist innerhalb der ersten Woche starben; 1 von All. terrestris lebte 36 Tage, 2 von All. terrestris 40 Tage, ohne aber Zeichen von Regenerations- erscheinungen zu aufern. Um die Grenze des Regenerationsvermégens, soweit vordere Partien der Regenwiirmer in Betracht kommen, aufzufinden, wurden weiterhin gréfere Stiicke abgeschnitten. Dariiber sprechen die Tabellen VIII—X. Bd. XXX. N. F. XXIII. 16 234 | | ° | | | | | | 1 | == | Karl Hescheler, -Tabelle VIII. Abgeschnitten 16—30 Segmente. Stiick a Stiick b — = — tot nach 7 Tagen|tot nach 4 Monaten ie Be 7 | Ps &| Species A ‘Operiert am me 1| 16 All. foetidal339) 22. 1. 95 2) 17 L. rubellus 277| 15, XI. 94) ,, a Se |All. foetida |345, 28.1.95 | ,, ,, 4 a= Mee eeerrestr. (G42) ) 235.1295 vis. 0 | | 5) 18 L. rubellus /137;13. VI. 94|,, __,, 6 — All. foetida |239 24. VIII: 94),, _,, t iamele ealigin. |237/24. VIII. 94| ,, se 8| — | ,, terrestr. 13818. VI. 94/,, _,, | 9 pete oh 1188). Teva ete iy) — 199/81. VIL. Oe ae ieee V1 | — — (264/18. XI. 94/,, __,, 12) — i F276) 15.) KI94 Oo woe 13, 19 |L. rubellus |136 13. VI. 94 | ,, a] 14. — |All. foetida |238 24. VIIL. 94) 93 i 15) — | .,, caligin. (278) 15. XI. 94),, _,, IB 1843) 93, 1. OB ae 17) — {AIL terrestr..189)18. VII. 94) ,, ie 18 | 20 | ,, foetida (241/24. VIII. 94 ,, a 19; —|,, terrestr. 146 26 ov 1. G4 se tee 20) er 200181. VIL. 94) ..0 a. 21 | 28 |L. rubellus| 80/15. Ill. 94 ,, _,, 22) — ae 279).15: X1..94|,, 23 || — |All. terrestr.)201/31. VII. 94) s i 24 | 24 | ,, caligin. |202)3. VIII. 94! ,, ; 25] — | ,, terrestr.|341) 23. I. 95 | ,, Bs 26 25 | ,, foetida (844) 23. I. 95) ,, by 27 | 26 | ,, caligin. |203/3. VIII. 94 ,, __,, 28 27 ,, terrestr.|280/15. XI.94),, _,, 29 28 | ,, terrestr./281] 15. XT. 94 | ohne Regenerat. , |tot nach 7 Tagen. ” | ” ”> 10 ” , totnach 1 Monat ohne Regenerat. Tag tot nach 18 Tagen. Tagen ” ” 7 ” | | 99 ” 24 bekam nach 14 Tagen kleine Knospe, Tag totnach 1 Monat ohne _ Regenerat. Tagen/tot nach 7 Tagen. ” ” ” uJ 1/, Mon., ‘bekam nach 1 Monat kleine Knospe. , |tot nach 7 Tagen. Tag ” ” 3 ” Pacenl is very eb es ” | 99 os 7 ” ahs Seva Monat ' ohne Regenerat. Tag do. Tagen|tot nach 7 Tagen. Tag ”? ”? 8 ” ” ” >? 4 ” Tagen|verloren nach | Mon., bekam nach 12 Tagen kleine Knospe, _ ca. 1 mm lang. », |tot nach 7 Tagen. é 9 ” ” ! »” eisai) eke ae Ae » j|totnach 1 Monat ohne Regenerat, et do. » tot nach 2 Tagen. ” ” ” 7 ” Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 235 Am 2. V. 95 wurde ein gréferer Versuch in der Weise an- gestellt, daf 25 Exemplaren von Regenwiirmern 16—30 vorderste Segmente abgeschnitten wurden, namlich : 10 All. terrestris, 8 ,, foetida, , caliginosa, 5 Lumbr. rubellus. bo Die Stiicke a und b setzte ich in eine Kiste mit Erde und kontrollierte sie erst nach 1 Monat, da angenommen werden durfte, daf eine haufiger erfolgende Kontrolle die Versuche ungiinstig beeinflusse. Allein das Resultat war ganz entsprechend dem vor- herigen. Am 4. VI. 95 waren noch lebend: von Stiicken a keines, § BY b 2 All. terrestris 1.4. caligin. 3 ,, foetida Am 29. VI. 95 lebte noch 1 All. foetida ohne Regeneration. Am 31. VII. 95 war alles tot. Von den in Tabelle VIII angefiihrten Individuen hatten 9 einen Monat oder mehr nach der Operation tiberdauert und 2 da- von zu regenerieren begonnen; auferdem zeigte eines, das nach 24 Tagen starb, eine kleine Knospe. Im ganzen erstreckten sich diese Versuche der Abnahme von 16—30 vorderster Segmente auf L. rubellus 10 All. foetida 14 alle ohne Regeneration. ,, caligin. 7 , terrestris 23 54. Wegnahme gréferer Stiicke ist in den folgenden Tabellen be- sprochen, zunachst Fille, bei denen es sich mehr oder weniger um Halbierung des Individuums handelt. Dabei wird zunachst nur das Schicksal des hinteren Stiickes b betrachtet, das die vordere Halfte erginzen sollte. 16* 236 Karl Hescheler, Tabelle IX. Art der | Operiert | | Species | K.-Nr. Operation | am Stiick b | VAM terest | a” b (0. XI. latirbtimach) 3 Mon, mit Clitellum 37 38 ') 93 ohne regen. zuhaben, 2 || L. rubellus 397 a b | 15. VI. |stirbt nach 3 Mon. 7 em mit Clit. range |e, OS ohne Regeneration. 3 || All. terrestris} 402 a b | 38. VIL stirbt nach 7 Tagen 9 em mit Clit. 43 440| 92 4 L. rubellus 400 a b 3. VIL. “ aorren 7 7 cm mit Clit. rae Sa 95 5 || All. terrestris} 396 a b | 15. VI. lzeigt nach 1 Mon. eine 14 cm mit Clit. 4445 95 | deutl. Knospe, ¢a. | 1mm lang, stark mit | Blut erfiillt, entwic- | kelt sich nicht weiter, _ stirbt nach 1!/, Mon. 6 | L. rubellus 384 a b 6. V. ‘stirbt nach 9 Tagen. '8 em mit Clit.| oh Se dl | All. terrestris, 403 a bb: oe i ed ees 9 cm mit Clit. a9 500 95 8 || L. Herculeus 395 a Beer ek: Vale) sy leg ete ay 12 cm mit Clit. Ba REO 95°ah)| g | All. terrestris | 401 a Bie) SVS) a, eee es 15 em mit Clit. 57 Gaon 95 | 10 | All. terrestris} 398 a SRN CRS a OS ee Se 13 cm ohne Clit. 101.102). 95 ohne Regenerat, 11 || All. terrestris| 394 a b | 15. VI. |stirbt nach 10 Tagen. 14 em ohne Clit. "147 148. 95 12 |All. chlorotica| A, halbiert | 28. XI; , 4, 5 Mon. 93 | ohne Regeneration. a IIL 94 191 VIL. 94 |sterben in 7 Tagen, 13-22 || All. terrestris 413-417 . VII. 95 | 1 lebt 1 Monat ohne 289 a XI. 94 | Regeneration. 316 | I. 95 23 ||All. caliginosa 6 a 22. I. |lebt 41 Tage in Was- 8 cm ohne Clit. 94 ser ohne Regenerat. 24 |\All. caliginosa| 79 a 14. ILL. |stirbt nach 41 Tagen 7 cm mit Clit, 94 ohne Regenerat. 205 | 3. VIII. 25-27 || All. foetida 206 i 94 |sterben in 7 Tagen. 318 | 3. 1. 95 1) Diese Zahlen bezeichnen das letzte Segment des Stiickes a und das erste Segment des Stiickes b, vom Vorderende des ganzen Wurmes aus gezahit, Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 237 4 K.- Art der | Operiert fi | Species | Nr, | Operation a Stick b 28 L. rubellus | 76 | halbiert | 14, ILL. letirbt nach 34 Tagen ‘8 cm ohne Clit. 94 ohne Regenerat., 29 | L. rubellus (it! A 14, III. |tot nach 24 Tagen ‘6 ecm ohne Clit. 94 ohne Regenerat, 30 | All. terrestris}! A, a b | 31. X. |tot nach 10 Tagen. | ohne Clit. =3/, =1/, 93 31 | All. terrestris! A , halbiert | 31. X. |stirbt nach 4 Mon. | mit Clit. 93 ohne Regenerat. 32 | L. rubellus 383 | 3 6. V. 95 \stirbt nach 12 Tagen. 8 cm mit Clit. Tabelle X. Individuen, die in 3 Stiicke zerlegt wurden: : K.- Art der Operiert % | Species | | Operation yee Stiicke b und ¢ 1 | L, rubellus | 80} a bc | 15. III, |b, siehe Tab, VIII No. 21, 6 cm mit Clit. 2cm2em2cm| 94 bekam Knospe! Clit. e stirbt nach 11/, Mon. ohne Regeneration. 2| All. terrestris} 81 | 2 > © | 15, IIL. |b stirbt nach 8 Mon. ohne /12 cm mit Clit, 4cm 4cm 4¢ 94 Regeneration vorn, da- Clit. gegen hinten, s. spiter! ¢ stirbt nach 3 Mon. ohne Regeneration. 3 | All. terrestris | 192 ; i 18. VIL. |b u.c werden nach 10 Tag. 4 |4cm, 3 cm, jung Hl dreigetellt | 94 nicht mehr gefunden. 5 || All. caligin. | 204 ms | 3. VIIL |b u. c nach 4 Tagen tot. 6 cm mit Clit. 94 6 | L. Herculeus | 399} a bc | 3. VII. |b nach 7 Tagen tot. 15 em mit Clit. 47 2 OG. Oo en pve = 5 } Segmente 7 | All. terrestris | 381) a b e |6. V. 95|Die Zerlegung in a u. b er- 15 em mit Clit. a a folgt erst am 26. VI. 95. | Segmente b bekommt am 38. VII. 95 ! kleine Knospe, ent- wickelt sich aber nicht weiter, stirbt 2 Monate ] spater. | | ¢ stirbt nach 21/, Mon. | ohne Regeneration, 8 | L. rabellus 147|_ _b © | 28. VI. |b nach 7 Tagen tot. 18 em mit Clit. 3em 3cm 2 em O47 ic.) |S oes =! 238 Karl Hescheler, SchlieBlich wurden auch besondere Versuche angestellt, um die Behauptung von FreLpE zu priifen (siehe S. 206 dieser Ar- beit), daf hintere Partien von 30-40 Segmenten durch Ein- schieben von ,,Halbsegmenten‘’ wachsen. Im ganzen verwendete ich zu dieser Beobachtung 17 Indivi- duen (All. terr., caligin. und L. rub.), von denen jedes zuerst halbiert und die hintere Halfte sodann in 2, 3 oder 4 Stiicke mit 20—40 Segmenten zerlegt wurde. Alle diese letzteren Partien gingen im Verlaufe einer Woche gewéhnlich zu Grunde; eins von 39 Segmenten lebte 2 Monate, eins von 54 Segmenten 31/, Mo- nate. Letzteres (All. terr., K.-Nr. 382) zeigte auch Anfang von Regeneration. Im iibrigen konnte ein solches Einschieben von Halbsegmenten nie beobachtet werden; daneben kommen auch fir diesen Punkt die Stiicke b und c der Tab. IX und X in Betracht, bei welchen auch darauf geachtet wurde, und auch mit voll- standig negativem Resultat. Ob die Stiicke, welche Miss FIELDE durch die Hand gingen, nicht solche Anomalien der Segmentierung schon vor der Operation besaBen ? Im Anschlusse an diese Beobachtungen sei erwahnt, dali hier und da Stiicke, aus hinteren Partien von Regenwiirmern bestehend, fiir sich gefunden und auch weiter beobachtet wurden; ich habe 7 solcher Falle notiert; die Teile lebten 2 Monate in 4 Fallen, 20 Tage in 2, und 31/, Monate in 1, ohne daf sie wahrend dieser Zeit Zeichen von Regeneration geaiu8ert hatten. Dies sind meine Versuche, die von der Regeneration des Vorderendes oder, wenn man sich so ausdriicken darf, des Kopfes der Regenwirmer handeln. Aus denselben kann man nicht auf eine bestimmte Grenze dieses Vermégens schliefen; die Regene- rationsfahigkeit nimmt aber, das geht klar und deutlich hervor, schon im Bereiche der vordersten Segmente ab, und nach Ver- lust der 15 ersten Ringe tritt nur in wenigen Fallen Neubildung auf. Hier liegt auch bei meinen Versuchen die Grenze, von wo aus noch deutliche Regenerate hervorkamen; an Stellen, die weiter hinten liegen, waren solche nicht mehr zu beobachten; allein dort traten in einigen Fallen unzweifelhafte Regenerationsknospen auf, welche sich allerdings nicht weiter entwickelten; so Tab. VIII, Nr. 8 vom 19. Segment aus, Me og kL Se 19. iM i ak os 24: a Be ial. aaah Cea he) Vig se <5. SUR hgh OA la aes , Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 239 Endlich der oben citierte Fall, wo 54 hinterste Segmente eine solche Knospe zeigten; es fehlten hier etwa ?/, oder vielleicht 100 Segmente des Wurmes. Im ganzen also 6 Falle auf 126 Beobachtungen (jene 17, wo die hintere Halfte mehrfach geteilt wurde, nur als je eine gerechnet), ein deutlicher Beweis, daf wir es hier nicht mit der Regel, sondern mit Ausnahmen zu thun haben. Dies wird bestirkt durch die Thatsache, daf eine Menge solcher Stiicke Monate lang der Kontrolle unterlagen, ohne daf} sie wab- renddem Regeneration aufwiesen. Jedenfalls hat dieser Ersatz gréBerer vorderer Partien, wenn er wirklich vorkommt, fiir die Tiere keinen hohen praktischen Wert, da er offenbar auch im Freien nur sehr selten und nach langer Zeit eintritt. Es war deshalb wohl auch gerechtfertigt, diese Thatsache in Zusammenhang zu bringen mit der _,,Selbst- amputation“, wie wir vorgreifend bereits gethan haben, und wo darin eine Ubereinstimmung gefunden wurde, da die ,,Autotomie“ nur in der hinteren Halfte beobachtet werden konnte. Bei meinen Untersuchungen ging natiirlich eine Menge Wiirmer durch die Hand, welche nicht operiert wurden; bei allen wurde auf allfallig nachzuweisende Regenerate geachtet. Unter den ge- wif mehr als 1000 Exemplaren (500 allein wurden operiert) fand sich ein einziges Mal eines, an dem ein regeneriertes Vorderende nachzuweisen war: Am 10, VIII. 94 erhielt ich 1 Exemplar All. terrestris von 15 cm Lange und ohne Clitellum, das vorn 3 deutlich durch ge- ringere GréSe und hellere Farbung als regeneriert nachweisbare Segmente besa’; in der That hatten ihm auch nur die 3 ersten Segmente gefehlt, wie an der Lage der miannlichen Geschlechts- éffnungen zu erkennen war. Nun wollen wir aber daraus nicht den Schluss ziehen, dal diese Neubildung des Kopfes in der Natur wirklich so selten vor sich gehe; denn bei vielen Arten, namentlich rubellus, Herculeus, foetida etc., erlangen die neuen Segmente sehr bald den Charakter der alten, und so vermégen wir sie nicht mehr zu unterscheiden, falls sie auch zur Beobachtung gelangen. Hingegen besteht doch ein auffallender Unterschied gegenitiber der Haufigkeit, mit welcher regenerierte Hinterenden nachzu- weisen sind. Weiteres wollen wir aus diesen Versuchen vorderhand nicht ersehen; auf den Einflu8 verschiedener Faktoren der Regeneration, auf die Thatsache, dafi weniger Segmente entstehen, als abge- 240 Karl Hescheler, nommen wurden, auf das Auftreten von Anomalien etc. werden wir spater eintreten. Das kénnen wir aber wohl noch feststellen, daB mit Riick- sicht auf die Ausdehnung des Regenerationsvermégens, soweit es den Ersatz vorderer Partien betrifft, bei den untersuchten Species kein wesentlicher Unterschied besteht, wenn auch die Versuche in der grofen Mehrzahl sich auf All. terrestris beziehen. Erinnern wir uns jetzt wiederum der Angaben alterer Autoren. Jedenfalls sind durch die vorliegenden Versuche alle jene Aussagen bestitigt, welche behaupten, daf wenige Segmente des Kopfes, bis 8 oder 9, regeneriert werden kénnen (Ducks, QUATRE- FAGES, BAUDELOT, Horst, FIELDE); ebenso hat auch SPALLAN- ZANI recht mit der Angabe, daf kein zu grofes Stiick des Vorder- endes abgenommen werden diirfe, wenn sichere Regeneration dieser Partie eintreten soll; andererseits aber darf man nach den vor- liegenden Erfahrungen auch jene Autoren nicht der Unwahrheit bezichtigen, welche der Regenerationsfahigkeit keine Grenze setzen (BonNnET, REAUMUR, GINANNI, SANGIOVANNI); sie mégen mehr Gliick bei ihren Versuchen gehabt haben, und daf in einzelnen Fallen auch an weit hinten am Koérper gelegenen Stellen noch Regenerationserscheinungen zum Ersatz vorderer Partien auftreten kénnen, dafiir wurde soeben der Beweis geleistet. Ich erinnere daran, daS SPALLANZANI von allen Autoren der einzige ist, welcher beobachtet oder wenigstens beschrieben hat, daf weniger Segmente am Regenerate auftreten als abge- schnitten wurden. Regeneration von Hinterenden. Die Regeneration hinterer Partien am Regenwurm bietet ein wesentlich anderes Bild als die des Kopfes. Wahrend es sich bei letzterer im allgemeinen nur um Regenerate von unbedeutender Lange und aus wenigen Segmenten bestehend handelt, liegt beim Hinterende meist das gerade Gegenteil vor. Ich hatte am 3. IV. 94 zum ersten Male Gelegenheit, die Neubildung einer hinteren Partie von Anfang an zu verfolgen. Ein Exemplar von All. terrestris, 10 cm lang und ohne Clitellum, K.-Nr. 65, wurde am 7. III. 94 der vordersten 12 Segmente be- raubt; nachdem hier bereits die Regeneration begonnen hatte, nahm ich am obgenannten Tage ein sonderbares Anhangsel am Uber Regenerationsyorginge bei Lumbriciden. 241 Hinterende wahr; es zaihlte etwa 4 mm Lange und kaum 1 mm Breite, war undeutlich erkennbar segmentiert und hing wie ein junger Wurm aus dem Anus des alten heraus. Zuerst wufte ich nicht, was davon zu halten. Der Anhang wuchs aber rasch in die Lange und Breite; es war kein Zweifel mehr; es handelte sich um Ersatz verloren gegangener Teile, welcher Verlust statt- gefunden hatte, bevor der Wurm in meine Hinde gelangte. Nach etwa 4 Wochen war dieses Regenerat so breit wie die alten Seg- mente und bestand aus 12 Ringen. Ein solches Anhangsel ist in Fig. 1 dargestellt. Diese Art und Weise der Regeneration einmal konstatiert, war mir jetzt klar, warum Wiirmer oft sehr lange Schwanzenden von durchweg hellerer Farbe als der iibrige Kérper zeigen, Par- tien, von denen man iibrigens zum vornherein annehmen konnte, da8 sie kiirzlich regeneriert worden waren. AuSer dem oben beschriebenen Falle kamen mir noch 7 andere ahnliche unter die Augen; auch hier hatte keine Operation am Hinterende stattgefunden: 1) All. terrestris, 10 cm lang ohne Clit., wird am 6. VII. 94 mit einem Anhingsel gefunden, wie dies beim ersten Male beobachtet worden war. Das Exemplar wurde der ersten 5 Seg- mente beraubt, regenerierte diese in 22 Tagen, und zu gleicher Zeit nahm das Schwanzanhangsel an Linge und Breite zu. Die beiden Regenerationsvorginge stérten sich also gar nicht. K.-Nr. 154. Hinten ca. 20 Segmente regeneriert. 2) All. terrestris, 10 cm lang ohne Clit., K.-Nr. 159, zeigt am 10. VII. 94 ein Regenerat am Hinterende, das schon weiter vorgeschritten ist und eine ziemliche Linge besitzt. Auch Ver- lust und Wiederersatz vorderer Segmente zu gleicher Zeit. 3) All. terrestris, 8 cm ohne Clit, K.-Nr. 174. Am 16. VII. 94 werden die 5 ersten Segmente abgeschnitten. Am 30. VII. 94, nachdem vorn die Regeneration begonnen, tritt plotz- lich im Zwischenraum von 2 Tagen ein Schwanzanhang von '/, cm Lange und */, mm Breite auf. Die Segmentierung ist noch un- deutlich zu erkennen; an Schnitten werden mindestens 50 Seg- mente festgestellt. Siehe Fig. 1. 4) All. terrestris, 12 cm ohne Clit., K.-Nr. 196, gefunden am 30. VII. 94 mit Anhang. 5) All. terrestris, 11 cm ohne Clit., K.-Nr. 200, gefunden am 31. VII. 94 mit Anhang. 6) All. terrestris, 6 cm ohne Clit., K.-Nr. 307, am 19. XII. 94 242 Karl Hescheler, mit einem Anhang von 7 mm Lange und 1/, mm Breite gefunden; Segmentierung nicht genau zu erkennen; dagegen wird auf der Riickenseite eine regelmaSige Blutcirkulation beobachtet, und das Anhangsel selbst zeigt eine selbstandige Bewegung, unabhangig vom alten Teile. 7) All. terrestris, 8 cm mit schwach ausgebildetem Cli- tellum, K.-Nr. 404, am 8. VII. 95 mit sehr diinnem Anhang, der etwa 4 mm lang ist und aus einer undeutlich erkennbaren, grofen Zahl von Segmenten besteht, gefunden. Auer diesen Fallen, wo wir also nur indirekt, mit Riicksicht auf die Kiirze der Exemplare allerdings mit grofer Sicherheit, darauf schliefen kénnen, daf zuvor Teile verloren gegangen sind, kamen auch einige zur Beobachtung, wo die Wirmer an der re- generierenden Stelle selbst operiert worden waren. 1) All. chlorotica, K.-Nr. A, zerfallt am 28. XI. 93 durch Selbstamputation in 2 Halften; die vordere lebt 9 Monate, ohne deutliche Zeichen von Ersatz des verlorenen Teiles zu zeigen ; plétzlich tritt Ende August 1894 ein Schwanzanhang von 1 cm Lange mit vielen Segmenten auf; dieser gleicht 1 Monat spater vollkommen der alten vorderen Halfte; er besteht aus 20 Seg- menten. Der Wurm lebt noch bis zum 11. V. 95, im ganzen also 1'/, Jahre und bekommt im Friihjahr 95 ein Clitellum. 2) All. terrestris, K.-Nr. 81. Wird am 15. III. 94 in 3 Teile zerlegt, siehe Tab. X, No. 2. Stiick b bekommt am 10. IV. 94 ein Regenerat am Hinterende, das sich nicht so schnell entwickelt wie in den friiheren Fallen, doch gleich anfangs 3 mm Lange besitzt und aus einer Reihe von Segmenten besteht. Das Stiick stirbt am 20. VI.; der Anhang hat eine Lange von 7 mm erreicht. Hier regenerierte also ein Mittelstiick, das aus ungefahr 40 bis 50 Segmenten bestand. 3) All. terrestris, K.-Nr. 381. Dreigeteilt; Sttiick a, be- stehend aus 43 Segmenten, zeigt am 20. VII. 95 eine Knospe am Hinterende von 1 mm Lange; sie entwickelt sich aber nicht weiter, und das Stiick stirbt am 7. VIII. 95. Nun waren ja aber alle in den T'abellen IX und X aufge- fiihrten Exemplare, sowie jene, welche zur Kontrolle jener be- kannten Angabe von FIELDE operiert wurden, der hinteren Par- tien beraubt worden; was geschah mit den vorderen Teilen, haben sie nicht regeneriert? Bevor wir diese Frage beantworten, wollen wir noch einen anderen Punkt beriihren. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 243 Aus der Art und Weise, wie die Regenerate des Schwanzes auftreten und wie sie sich weiter entwickeln, kénnen wir also mit Sicherheit schlieBen, daf es sich um regenerierte Partien handelt, wenn ein Individuum gréBere oder kleinere Strecken mit hellerer Farbung, vielleicht noch von geringerer Breite aufweist. Ein solches Exemplar sehen wir in Fig. 2 dargestellt. Es wurde nun auch darauf Obacht gegeben, wie hiufig solche Individuen sich finden. Ich zahle natiirlich nur jene Faille auf, wo zugleich die Anzahl der regenerierten und nicht regenerierten Wiirmer notiert worden ist. Im November und Dezember 1894 fanden sich unter 24 All. terrestris 17 mit regenerierten Hinterenden, im August 1895 unter 32 derselben Species 19; dagegen besafi unter etwa 200 All. terrestris, die anfangs Mai 1895 kontrolliert wurden, keine einzige ein Regenerat. Zunachst wird autfallen, daf bis dahin fast nur von All. ter- restris die Rede war; nun, auch bei All. caliginosa wurden haufig solche regenerierte Teile beobachtet, da aber die Zahl der darauf- hin untersuchten Individuen geringer ist, will ich nichts Genaueres angeben. Dagegen ist bei All. foetida, L. rubellus und L. Her- culeus zu konstatieren, daf mir nie ein Exemplar in die Hande kam, bei dem man an der helleren Farbe des Hinterendes auf Regeneration hatte schlieBen kénnen, ausgenommen ein Individuum von L. rubellus, gefunden am 12. IV. 94, das einen deutlich re- generierten Schwanz besa’. Nun besteht aber kein Zweifel, daf auch diese Species ihre Hinterenden auf die oben beschriebene Art neu bilden kénnen (fiir All. foetida konnte ich dies sicher konstatieren; siehe hinten Einfluf’ der Temperatur!); allein ver- mutlich nehmen hier die neuen Teile so schnell die Pigmentierung an, daf sie bald nicht mehr von den alten zu unterscheiden sind, wahrend eben dieser ProzeB8 bei All. terrestris und caliginosa viel langsamer verlauft. Doch ist klar, da es hier weiteren sta- tistischen Materials und ausgedehnterer Untersuchungen bedarf, um zu sicheren Resultaten zu gelangen. Es wird ferner auffallen, daS unter der grofen Zahl von Regenwiirmern, die anfangs Mai gesammelt worden waren, kein einziger mit erkennbarem Regenerat sich fand, wahrend die letz- teren Individuen im Herbste sich in der Mehrzahl befinden. Wo- mit hangt dies zusammen? Einmal sind die Wiirmer im Frih- jabr und Sommer am ehesten Verletzungen ausgesetzt, da sie sich ja im Winter tief in die Erde verkriechen; allein es ist auch denkbar, daf solche, welche in den kalteren Monaten Teile ihres 244 Karl Hescheler, Kérpers verloren, die Regeneration auf die heife Jahreszeit auf- sparen, was sie ohne Schaden thun kénnen, da ja die verloren ge- gangenen Teile keine Organe enthalten, die nicht in den itiber- lebenden ebenfalls vorhanden waren. Der oben erwahnte Fall von All. chlorotica, die den Schwanz erst im Sommer des folgenden Jahres ersetzte, sowie andere Beobachtungen sprechen direkt fiir diese Annahme, Beobachtungen, welchen zufolge Regenwiirmer, die iiber den Winter in Vorratskisten aufbewahrt und denen spater keine neuen Individuen beigesellt wurden, im folgenden Sommer mit kiirzlich regenerierten Teilen gefunden worden waren. Uber die Lange der regenerierten Teile in ihrem Verhaltnisse zu den alten wurden bis jetzt keine Angaben gemacht; in den meisten Fallen betrug die absolute Lange des Regenerates 1—3 cm, im allgemeinen etwa '/, oder 1/, der Gesamtlinge. Einmal wurde eine All. terrestris von 12 cm Lange gefunden, die mindestens die hintere Hialfte regeneriert hatte; mehrmals kamen mir auch In- dividuen in die Hande, wo mehrmalige Regeneration vorlag und ein neues Regenerat aus dem vorhergehenden gesproft war, das jiingste immer an der hellsten Farbung erkennbar: eine Stufen- leiter von regenerierten Partien, wie sie SPALLANZANI schon be- schreibt. Uber die Grenze des Regenerationsvermégens, soweit es den Ersatz hinterer Partien betrifft, kann-ich keine genauen Angaben machen, da in allen den Fallen, die zur Beantwortung dieser Frage herangezogen werden kénnen, nur negative Resultate vorliegen, wie aus dem folgenden ersichtlich ist. Vergleiche tiber den Punkt iibrigens auch die Angaben der ilteren Autoren, wie sie am Ende des historischen Abschnittes zusammengestellt sind! Wir haben uns oben gefragt: was geschah denn mit dem Stiicke a eines halbierten Wurmes, oder wie verhielten sich die Hinterenden der Stiicke a und b eines dreigeteilten? Dariiber gaben uns die Tabellen IX und X keinen AufschluB. Zunichst wurde bereits erwihnt, da’ 6—15 vorderste Seg- mente fiir sich meist im Verlaufe einer Woche zu Grunde gingen; 15 Segmente lebten einmal noch 36, einmal 40 Tage nach der Operation; alle Stiicke, bestehend aus 16—30 vordersten Seg- menten, gingen im Verlaufe von 14 Tagen zu Grunde. Ich will es unterlassen, eine Erginzung zu den Tabellen IX und X zu geben und das Schicksal der Stiicke ausfiihrlich zu be- schreiben, die in Hinsicht auf die Regeneration des Hinterendes von Interesse sind. Es geniigt, festzustellen, daf mit Ausnahme Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 245 oben erwahnter 3 Falle bei allen anderen nie ein plétzliches Autf- treten eines Schwanzanhanges in der beschriebenen Art und Weise vorkam. Dennoch lebten die meisten dieser Stiicke Monate lang nach der Operation. Da liegt der Gedanke nahe, anzunehmen, daf diese sich durch langsames Hinzufiigen neuer Segmente, sozusagen unmerklich, wieder erginzten, und ebenso durfte vermutet werden, da8 vielleicht im Winter, wo jene Art der Regeneration von Hinterenden im allgemeinen nicht beobachtet worden war, eine solche langsame Wiedererzeugung vorkomme. Die Beantwortung dieser Frage besitzt ihre Schwierigkeiten ; denn es gehért nicht gerade zum Angenehmsten, an einem leben- den Wurme eine grofe Anzahl von Segmenten zu zahlen. Ich ver- suchte deshalb, eine Stelle in der Nahe des Hinterendes durch Tinktion mit Farbstoffen hervorzuheben, allein alle diese Flecke verschwanden nach kurzer Zeit; kleine Verwundungen, die als Zeichen angebracht wurden, fiihrten meist Selbstamputation her- bei; schieBlich habe ich mich dazu bequemt, mehrere Individuen wahrend langerer Zeit auf ihre Segmentzahl zu priifen; ein Fehler bei der Zaihlung ist um so eher ausgeschlossen, als ich diese Kon- trolle gewohnlich jede Woche, meist zweimal, vornahm, und in einzelnen Fallen nach dem Tode des Individuums die Richtigkeit der Angabe bestatigt werden konnte. So stehen mir 10 Beobach- tungen zu Gebote, und alle stimmen darin iiberein, daf% die Zahl der Segmente bei diesen Stiicken, denen also hintere Partien fehlten, wihrend mehr oder weniger langer Zeit dieselbe geblieben ist, und dies sowohl im Sommer wie im Winter. In anderen Fallen freilich, wo eine genaue Untersuchung nicht vorliegt, mul eine solche langsame Regeneration als méglich bezeichnet werden, und es sei also vorlaiufig dahingestellt, ob die Hinterenden blof auf jene zuerst beschriebene, rasche und sprungweise Art regene- riert werden, oder ob daneben noch eine allmalige Hinzufiigung neuer Segmente vorkommt. Es sei schlieBlich noch betont, daS in verschiedenen Fallen beobachtet wurde, daf Regeneration am Vorder- und Hinterende unabhangig von einander vor sich gehen, sei es, dal sie gleichzeitig erfolgen, sei es, daf eine von beiden tiberhaupt ausbleibt. Sehen wir uns noch bei den friiheren Autoren um: ReEAUMUR sagt, daf{ ein neues Hinterende allmalig gebildet werde; ob er wirklich eine solche langsame Regeneration beobachtet hat, oder ob der Ausdruck nicht wortlich zu nehmen ist, muf dahingestellt bleiben. Bonnet dagegen ist der erste, welcher das Auftreten 246 Kar! Hescheler, eines solchen Regenerates in Form eines Anhangsels beschreibt. Wenn man seine Auslassungen hieriiber vergleicht mit der oben gegebenen Beschreibung, so wird man eine vollstandige Uberein- stimmung der Beobachtungen feststellen kénnen: ,,L’appendice vermiforme qui observé de plus prés paraissoit étre un petit ver qui poussoit 4 l’extrémité du grand“ ist ein solches Anhangsel, bestehend aus vielen Segmenten, wie ich es wiederholt beobachten konnte. Dies sah BONNET im August. VANDELLI hat vermutlich Ahnliches gesehen, wenn er sagt, daf die Vorderenden ,,in praeciso extremo XIV parvos annulos subpallidos adeptae erant; haec aucta pars tenuis et acuta erat etc.*. Alle diese Regenerationsvorginge spielen sich im Sommer ab. SANGIOVANNI dagegen beschreibt die neuen Teile, welche am Hinterende entstehen, als durchsichtig, aber von namlichem Durch- messer wie die alten; sie bestehen aus 5—6 Ringen, und im Laufe eines Monates kommen 10 weitere hinzu. Diese Art der Regene- ration ist offenbar eher eine langsame, jedenfalls nicht jener an- deren beschriebenen entsprechend. Auch diese Vorgange fallen in den Sommer. Newport bemerkt, daf8B im Herbste auferordentlich haufig Wiirmer mit regenerierten Hinterenden gefunden werden. Regeneration auf schiefer Schnittflache. Bei allen bis dahin beschriebenen Operationen war durch einen geraden Schnitt quer zur Hauptachse des Tieres ein Teil abge- trennt worden. Nun wurden aber auch schiefe Schnitte aus- gefiihrt, die sich iiber mehrere Segmente erstreckten. Im hinteren Teile des Wurmes hatten dieselben, wie wir sahen, stets Ampu- tation des angeschnittenen Stiickes zur Folge, so daf hier keine weiteren Erfahrungen vorliegen; dagegen ging die Regeneration in den vorderen Partien des Tieres von der schiefen Schnittflache aus vor sich. Als Ubergang zu diesen Versuchen kénnen noch jene Faille angezogen werden, wo ein Segment nur halb abgeschnitten wurde, wie dies hier und da vorkam; in allen Fallen wurde dasselbe wieder erganzt; siehe Tab. III, K.-Nr. 256, 151, 186, 246, sowie Fig. 3 u. 4. In der Tabelle XI bedeuten die Zahlen unter ,,Art der Ope- ration“ immer die Nummer des Segmentes, von vorn gezahlt. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. Tabelle XI. en ice \Operiert | Species N ie Art der Operation eae Resultat L/All. terrestrisl59| —rrechts. ~—| 10. VII. |b bekommt nach 14 Ta- 10 cm ohne Clit.) a b 94 gen eine Knospe unter my | : i | ores = | rechtem Winkel zur | SA ea _Schnittfliache, streckt et | 4 9 sich bald gerade nach | links vorn. Getdtet nach 46 (von oben gesehen) | Tagen. Hat die ange- | schnittenen Segmente | erginzt u. davor 3 neue | statt 4. S. Fig. 5 u. 6. 2 All. terrestris|160 rechts 10. VII.\b nach 4 Tagen tot. 8 em ohne Clit. | a b 24 | AncSEae | 9 14 | | links | | (von oben gesehen) 3| L. rubellus 1161 unten 10. VII. |b nach 4 Tagen tot. | 9 cm mit Clit. | | b 94 | —<——— a 15 | oben | | (von rechts gesehen) | 4 All. terrestris231. rechts \24, VIII.|b nach 5 Tagen. tot. 11 cm mit Clit. a b 94 nn Saale 6 13 links (von oben gesehen) | 5 |All. caliginosa232 do. 24, VIII,b nach 5 Tagen tot. 8 em mit Clit. 94 6 All. caliginosa283 do. 24. VIII.b nach 5 Tagen tot. 8 cm mit Clit. (7. 94 All. terrestris|291 rechts | 30. XI. Bekommt nach 20 Tagen 9 em ohne Clit. ie 94 Knospe unter rechtem ee (lah Winkel zur Schnitt- 6 11 fliche; alte Segmente links erginzt mit A! ca. 4 (von oben gesehen) neue mit A! Getodtet nach 61/, Mon. Siehe Fig. 7—9. 248 Karl Hescheler, | x Operiert | | Species Ni Art der Operation | i | Resultat | All. foetida |292/ | rechts 30. XI. |Nach 20 Tagen Knospe 7 cm obne Clit. i oe a 94 unter 90°. en ee 3 neue Segmente, vor- | 8 13 derstes mit A! Alle | links alten zusammen durch (von oben gesehen) ein unsegment. Stiick erginzt. Nach 6 Mon. getotet. S. Fig. 10a, 11. All. terrestris|293 | a 30. XI. |Nach 20 Tagen Knospe | eee | 94 unter 90 °, rechts Wie 291 regeneriert, ay 11 aber mehr Anomalien. links Nach 61/, Mon. getétet. | (von oben gesehen) In den 4 Fallen, in welchen Regeneration eintrat, fand ein- mal normale Erginzung der angeschnittenen Segmente statt, drei- mal traten dabei Anomalien auf, in einem Fall wurde einfach ein unsegmentiertes Stiick eingeschoben; es ist dabei nicht anzu- nehmen, da nach so langer Zeit nachtraglich noch Segmentierung eingetreten ware; der Wurm zeigte schon 3 Monate vor seinem Tode dieses Aussehen. Lassen wir die schief angeschnittenen und erganzten Seg- mente auSer Betracht, so haben wir davor wieder das bekannte Verhalten, daf’ bei Wegnahme vorderer Segmente gewéhnlich nie mehr die volle Zahl reproduziert wird. Hier fiir 4 Segmente regeneriert 3, 4, ” ” 3—4, ve 3 Rs 4, Die Thatsache, daf die Regenerate zuerst unter einem Winkel von 90° aus der Schnittflache herauswuchsen, ist in voller Uber- einstimmung mit dem von Barrurtu (2) bei Regeneration des Schwanzes von Amphibienlarven konstatierten Verhalten, welches er in dem Satze zusammenfaSt : Die Achse des Regenerationsstiickes steht senk- recht auf der Schnittebene. BarrurtuH sucht die darauf folgende Geradstreckung vor allem auf die Wirkung der funktionellen Anpassung und der Schwer- kraft zuriickzufiihren, giebt aber daneben auch einer ordnenden Wirkung des Organismus selbst als eingreifendem Faktor Raum. ” ” 99 Uber Regenerationsvorgiinge bei Lumbriciden. 249 In den vorliegenden Fallen beim Regenwurm fallen die beiden ersten Faktoren wohl ganz auger Betracht; funktionelle Anpas- sung kénnte nur wirken, soweit es sich um die Nahrungsaufnahme handelt, von der aber erst die Rede sein kann, wenn die Streckung nach vorn bereits erfolgt ist. So bleibt als vor allem wirkend die innere richtende Kraft des Organismus. Wir wollen jetzt auf einzelne Faktoren eintreten, die bei den Regenerationsvorgiingen bestimmend einwirken, und zwar nur an Beispielen, die den Ersatz des Vorderendes betreffen. 1. Einflu8 der Species. Wir haben bereits konstatiert, daf’ der Umfang des Regene- rationsvermégens in der vorderen Region bei den einzelnen Arten kein wesentlich verschiedener ist. Anders verhalt es sich in Hin- sicht auf die Schnelligkeit der Regeneration bei Abnahme gleich grofer Stiicke. Um einen Vergleich ziehen zu kénnen, miissen andere beeinflussende Faktoren, vor allem Jahreszeit, Temperatur, Alter etc. auBer Betracht fallen. Nehmen wir zunachst Beispiele vom Sommer 1894: Operiert am 6. VII. 94 All. terrestris, K.-Nr. 154—157. Eintritt der Regeneration nach 6 Tagen (ich bezeichne damit das erste Erscheinen eines auSerlich deutlich erkennbaren Regenerates), Eintritt der Segmentierung nach 18—21 Tagen. Operiert am 10. VIII. 94 All. terrestris, K.-Nr. 213 u. 214. Eintritt der Regeneration nach 12 Tagen, f » segmentierung ,, 26 Operiert am 23. VIII. 94 All. caliginosa, Tone: 223—227. Kintritt der Regeneration nach 6 Tagen, : » segmentierung , 26 ,, Operiert am 5. VII. 94 All. foetida, K.-Nr. 149—153. Eintritt der Regeneration ach 4 Tagen, a » segmentierung ,, 11—13_,, Operiert am 16. VII. 94 All. foetida, K.-Nr. 179—181. Eintritt der Regeneration nach 4 Tagen, » Segmentierung ,, 16 __,, Operiert am "10. VIII. 94 All. foetida, K.-Nr. 210—212. Kintritt der Regeneration aan 6 Tagen, 3 » segmentierung ,, 20 _,, Bd, XXX. N. F. XXII, 17 250 Karl Hescheler, Winter 1893/94: Operiert am 8. XI. 93 und 9. XI. 93 All. terrestris, K.-Nr. O,—O, und P,—P,. Eintritt der Regeneration nach 13 Tagen, rs » Segmentierung ,, 37 " Operiert am 6. II. 94 All. terrestris, K.-Nr. 31—35. Eintritt der Regeneration nach 20 Tagen, 4 » segmentierung ,, 34 ,, Operiert am 17. IV. 94 All. terrestris, K.-Nr. 115 u. 116. Eintritt der Regeneration nach 12 Tagen, . » segmentierung ,, 25 _,, Operiert am 17. IV. 94 All. caliginosa, K.-Nr. 117 u. 118. Eintritt der Regeneration nach 10 Tagen, ms » Segmentierung ,, 25 ,, Operiert am 16. I. 94 Lumbr. rubellus, K.-Nr. 3—5. Eintritt der Regeneration nach 7 Tagen, a » segmentierung ,, 32 Operiert am 5. IV. 94 Lumbr. rubellus, K -Nr. oT. Eintritt der Regeneration nach 7 Tagen, x » segmentierung ,, 30 _,, Winter 1894/95: Operiert am 1. XI. 94 All. terrestris, K.-Nr. 245—249. Eintritt der Regeneration nach 14 Tagen, A: » segmentierung , 37 ,, Operiert am 7. XI. 94 All. caliginosa, K.-Nr. 254 u. 255. Eintritt der Regeneration nach 20 Tagen, Be » segmentierung ,, 34 ,, Operiert am 19. XI. 94 All. foetida, K.-Nr. 282--286. Eintritt der Regeneration nach 12 Tagen, us » segmentierung ,, 34 ,, Operiert am 7. XI. 94 Lumbr. rubellus, K.-Nr. 256 u. 257. Eintritt der Regeneration nach 20 Tagen, n » segmentierung , 34 ,, Es handelt sich hier um Tiere, die ausgewachsen waren und denen 5—7 vorderste Segmente abgeschnitten wurden. Die Re- sultate vom Sommer 1894 erwihne ich hier aus einem spiter zu besprechenden Grunde nicht. Aus den Angaben vom Sommer 1894 erhellt, daf All. terrestris und All. caliginosa ungefahr gleich schnell regenerieren, daf hingegen All. foetida, sowohl was den Beginn als den weiteren Verlauf der Regeneration betrifft, bedeutend rascher vorgeht. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 251 Aus den Resultaten der beiden Winter ist zu ersehen, daf bei allen beobachteten Arten im allgemeinen der Verlauf ein nimlicher ist, abgesehen davon, daf foetida und rubellus die Regeneration schneller beginnen. Der Winter scheint also den Unterschied auszugleichen. Von Lumbr. rubellus stehen mir vom Sommer zu wenig positive Resultate zu Gebote, um sichere Schliisse ziehen zu kénnen; doch konnte ich konstatieren, dafi diese Species rascher Regenerate aufweist als All. terrestris und caliginosa; im ganzen nimmt sie wohl eine Mittelstellung zwischen diesen beiden und All. foetida ein. SchlieSlich Lumbr. Herculeus. Dariiber folgendes: Operiert am 17. IV. 94 L. Herculeus, K.-Nr. 113 und 114. 1) Eintritt der Regeneration nach 16 Tagen, 2) 5 » segmentierung ,, 32 i Operiert am 16. VII. 94, K.-Nr. 183. 1) nach 10 Tagen, 2) ” 26 ” Operiert am 7. XI. 94, K.-Nr. 258. 1) nach 20 Tagen, QM ha, Wot 4, Diese Resultate stimmen im wesentlichen mit denen von All. terrestris und caliginosa. Auffallen muff hier aber die grofe Zahl derjenigen, 8 von 15 (siehe Tabelle I), welche innerhalb 14—21, einmal nach 35 Tagen starben, ohne Zeichen der Regeneration zu zeigen. Waren diese In- dividuen alle krank, und iibte dies einen Einflu8 aus? Ich kann es nicht beantworten. Dagegen bemerken wir bei naherem Zusehen, daf jene ohne Regeneration Verstorbenen alle von bedeutender Gréfke (16—20 cm) und im Besitze eines Clitellums waren, die regenerierenden Exemplare kleiner (1O—12 cm) und ohne Clitel- lum. Méglicherweise spielt also hier das Alter mit. Wir erinnern uns, daf schon R&AumuR bemerkt, daf von den verschiedenen Arten der Regenwiirmer 2 schneller regenerieren, ohne dal wir aus seinen Angaben ersehen, welche er damit meint. 2. EKinfluf der Jahreszeit und der Temperatur. Aus den oben zusammengestellten Beispielen geht bereits klar hervor, welch groSen Einflu8 Sommer und Winter auf die Regene- rationsgeschwindigkeit ausiiben. Im Sommer regenerieren alle der untersuchten Species schneller als im Winter, am bedeutendsten ist der Unterschied bei All- i7* 3° 252 Karl Hescheler, foetida, da der Winter die Differenzen tiberhaupt verwischt. Auch der allmalige Ubergang im Friihjahr ist aus den Angaben zu ersehen. Die Temperatur spielt dabei eine Hauptrolle; das geht aus folgendem hervor: Am 10. VIII. 94 wurden 3 All. foetida und 2 All. terrestris operiert; sie begannen zu regenerieren, die foetida friiher, wie ge- wohnlich; nach etwa 14 Tagen aber verlangsamte sich der Vor- gang sichtbar, zu gleicher Zeit war ein starker Temperatursturz eingetreten, sobald aber die kiihle Witterung ein Ende hatte, ging die Regeneration wieder rasch vor sich. So erklart sich jener spite Eintritt der Segmentierung bei All. foetida, K.-Nr. 210—212 (20 Tage gegeniiber 12—16). Ich lasse jetzt einige Resultate vom Sommer 1895 folgen: Operiert am 6. V. 95 All. terrestris, K.-Nr. 378 u. 379. 1) Eintritt der Regeneration nach 12 Tagen, 2) F » segmentierung ,, 30 Operiert am 11. VI. 95 All. foetida, K.-Nr. 391393. 1) nach 10 Tagen, 2) ” 3D ” Operiert am 20. VII. 95 All. foetida, K.-Nr. 418—422. 1) nach 10 Tagen, 2) » 22 ,, Operiert am 6. V. 95 Lumbr. rubellus, K.-Nr. 376 u. 377. 1) nach 12 Tagen, 2) 9 30 99 Diese Angaben decken sich in ihren Werten fast mit denen des Winters. Woher diese Verzégerung? Ich finde die Erklarung hierin: In diesem Sommer waren die Tépfe, in denen die Ver- suchstiere gehalten wurden, in die Nahe grofer Aquarien gestellt worden ; infolgedessen befanden sie sich an einem Orte mit relativ bedeutend niedrigerer Temperatur. Genaue Beobachtungen wah- rend einiger Wochen ergaben, daf die Differenz der Temperatur dieser Stelle und der anderer Laboratoriumsriume am Mittag oft bis 6° C betrug, und daf an jenem Orte das Thermometer tiberhaupt selten tiber 20° C zeigte. Um vollstindige Klarheit tiber diesen Punkt zu erlangen, wurden gleichzeitig mit den All. foetida, K.-Nr. 418—422, 5 andere, von gleicher Gréfe und in gleicher Weise operiert, der gewohnlichen Zimmertemperatur ausgesetzt. Sie zeigten 1) nach 4 Tagen Auftreten der Regenerationsknospen, 2) , 14 = ,, KEintritt der Segmentierung, d. h. die uns bekannten Verhaltnisse des Sommers; sie waren also den anderen um eine ganze Woche voraus. Uber Regenerationsvorgiinge bei Lumbriciden. 253 Den Einflu8 der Temperatur beurteilen zu kénnen, hatte ich im Winter 94/95 folgende Versuche angestellt : 1) Die operierten Tiere wurden in den mit Erde gefiillten GefifSen in einem Thermostaten bei einer konstanten Temperatur von 35° C gehalten. Es waren 3 All. terr., 1 Lumbr. rubellus, 1 All. foetida. Alle starben nach 2 Tagen, 10. XII. 94. 2) Dieser Versuch wurde unter Anwendung einer Temperatur von 29—30° C wiederholt am 27. XII. 94. Eingesetzt 1 All. terr., 2 calig., 1 foet., 1 rub. Davon starben 1 caligin. nach 2, 1 caligin. nach 8, 1 rubellus nach 4 Tagen. All. terrestris lebte 14 Tage, ohne indessen mit der Regeneration zu beginnen, wahrend All. foetida nach 4 Tagen beginnende Regeneration, nach 14 eintretende Segmentierung zeigte. Dieses Exemplar lebte im Thermostaten bis zum 26. III. 94, also im ganzen 3 Monate und _ regenerierte 3 Segmente an Stelle von 6 abgeschnittenen. Ich hole nach, daf allen diesen Versuchstieren 5—6 vorderste Segmente abgeschnitten worden waren. 3) 5 All. foetida wurden am 20. I. 95, nachdem ihnen 5—7 vorderste Segmente abgeschnitten worden waren, einer konstanten Temperatur von 29—30° C ausgesetzt; davon sterben 2 nach 3 Tagen, 1 nach 6, die beiden anderen zeigen nach 4 und 6 Tagen eine kleine Regenerationsknospe und nach 12 resp. 15 Tagen Be- ginn der Segmentierung. Sie verbringen im ganzen 65 Tage im Thermostaten und werden dann zu einer zweiten Operation ver- wendet. Einem derselben, K.-Nr. 331, waren 6'/, Segmente ab- geschnitten worden, und dabei zeigte sich am 6. Segmente rechter- seits eine Anomalie; das Tier regenerierte 5'/, Segmente ohne jede Anomalie. 4) Am 31. I. 95 wurden 5 All. terrestris, die 5--6 Seg- mente eingebiift hatten, in eine Temperatur von 29—30° C ge- bracht. Sie starben innerhalb 12 Tagen ohne Regeneration. 5) 3 All. terrestris, 1 All. caliginosa und 1 All. foetida werden am 3. I. 95 halbiert und die vorderen Halften dem Thermostaten (29-30 ° C) iibergeben. Nach 4 Tagen sterben 2 All. terr. und 1 All. calig.; 1 terrestris und 1 foetida lebten im Warmeofen, jene 65 Tage, diese 3 Monate. All. terrestris zeigte keine Regenerationserscheinungen, All. foetida dagegen be- kam nach 10 Tagen eine Schwanzknospe, die sich rasch ent- wickelte, gleich aus vielen Segmenten bestand, ganz wie es uns von der Regeneration der Hinterenden bekannt ist. Nach 1 Monat waren 40 neue Segmente zu zahlen. 254 Karl Hescheler, Diese Versuche zeigen, da’ bei All. foetida der Verlauf der Regenerationsvorginge ganz dem in der heifen Jahreszeit ent- sprach, wahrend bei den zwei anderen Species die blofe Erhéhung der Temperatur diese Wirkung nicht hervorbrachte. Warum dieser Unterschied? Ich glaube, wir finden die Er- klarung in der verschiedenen Lebensweise dieser Arten. All. foetida lebt vor allem im warmen Mist, an Orten, wo sehr hohe Tempera- turen, oft tiber 30° herrschen ; die anderen ziehen sich dagegen be- kanntlich sowohl bei sehr niedrigen wie sehr hohen Temperaturen in die Erde zuriick, wo sie etwa in mittlerer Jahrestemperatur des betreffenden Ortes sich befinden. So la8t sich wohl sagen, daf die Regenerationsgeschwindig- keit mit dem bekannten Unterschied im Sommer und Winter nicht als blofe Funktion der Temperatur betrachtet werden darf, son- dern abhingt von einem Optimum der Lebensbedingungen, das sich selbst wieder aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt. Welchen Einflu8 die Jahreszeit bei der Regeneration der Hinterenden austibt, haben wir schon besprochen. 3. Einflu8 der GréfSe des abgeschnittenen Stiickes auf die Geschwindigkeit der Regeneration. Es zeigte sich, dafi kein bemerkbarer Unterschied mit Riick- sicht auf das Auftreten und die Ausbildung der Regenerate be- stand, ob 4 oder 8 oder eine zwischen diesen Jiegende Zahl von vordersten Segmenten abgeschnitten wurde, und zwar bei allen Species, die in den Kreis der Untersuchung gezogen wurden. Diese Ubereinstimmung kann um so mehr mit Recht betont werden, weil vielfach die Individuen, denen verschieden lange Stiicke weg- genommen waren, im gleichen Topfe gehalten wurden '). Weniger als 4 Segmente wurden im allgemeinen nicht abge- schnitten; das Verhalten bei Operation von 1, 2 und 3 ersten Segmenten kann ich daher nicht beurteilen; einige solcher Falle kommen noch bei der ,mehrmaligen Regeneration“ zur Sprache. Fir Abnahme von 9 Segménten stehen uns 4 Falle zu Gebote (siehe Tabelle V): 2 All. terrestris, K.-Nr. 64 u. 68, operiert am 7. III. 94. 1) Beginn der Regeneration nach 7 Tagen, 2) ky » segmentierung ,, 27 ,, (K.-Nr. 68), “t is noch nicht nach 36 Tagen (K.-Nr. 64). 1) Vergleiche die gegenteilige Angabe von Dugas, 8. 204. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 255 1 All. terrestris, K.-Nr. 86, operiert am 15. III. 94. 1) nach 10 Tagen, Bren AG 10 Segmente abgeschnitten : All. terrestris, K.-Nr. 87, operiert am 15. III. 94. 1) nach 10 Tagen, Be AGS) 433 All. terrestris, K.-Nr. 144, operiert am 26. VI. 94. 1) nach 9 Tagen, a ae ar All. terrestris, K.-Nr. a, gefunden am 1. V. 95. 1) nach 14 Tagen (?), Bee AIS ae 11 Segmente abgeschnitten : All. terrestris, K.-Nr. 88, operiert am 15. III. 94. 1) nach 10 Tagen, 2) ” 46 ” All. terrestris, K.-Nr. 251, gefunden am 1. XI. 94. 1) nach 12 Tagen (?), 4 abe mtr naan 12 Segmente abgeschnitten : All. terrestris, K.-Nr. 65, operiert am 7. III. 94. 1) nach 7 Tagen, 2) ,, 27. ,, (nachher aber sehr langsamer Fort- gang der Regeneration). All. terrestris, K.-Nr. 89, operiert am 15. III. 94. 1) nach 10 Tagen, 2) » 58 » All. terrestris, K.-Nr. 263, operiert am 13. XI. 94. 1) nach 10 Tagen, 2) ” 67 ” 13 Segmente abgeschnitten : All. terrestris, K.-Nr. 90, operiert am 15. III. 94. 1) nach 10 Tagen, 2) ” 46 ” All. terrestris, K.-Nr. 260, operiert am 13. XI. 94. 1) nach 28 Tagen, 2) ,, 381/, Monaten. L. rubellus, K.-Nr. 267, operiert am 13. XI. 94. 1) nach 28 Tagen, 2) , 44 = ~«4, noch nicht. 256 Kar! Hescheler, 14 Segmente abgeschnitten: All. terrestris, K.-Nr. 45, operiert am 13. I. 94. 1) nach 10 Tagen, 2) ore. Cundentiich): L. rubellus, K.-Nr. 20 u. 21, operiert 24. I. 94. 1) nach 14 Tagen, 2) ” 56 ” Vergleichen wir diese Zahlen mit den fiir die gleiche Jahres- zeit und Species bei Abnahme von 5 Segmenten gegebenen Werten, so ergiebt sich, da’ vom Verlust von 9 Segmenten an etwa die Regenerationsgeschwindigkeit sich verlangsamt und zwar ungefahr proportional der gréSeren EinbufSe an Ringen; zugleich bemerken wir aber eine auffallige individuelle Variation, die sich um so mehr steigert, je gréBer der Verlust an Segmenten ist. Das Gleiche giebt sich auch bei Abnahme von 15 Segmenten kund, wie wir aus nachfolgender Tabelle ersehen: Tabelle XII. ; Operiert Beginn der Beginn der Seg- Seek am Regeneration | mentierung All. terrestris| 13. 11.94 |nach 10 Tagen. | nach 49—60 Tagen. (K.-Nr. 43—47) All terrestris) 6. XT.98 | 94, (Oooo ,, 4 Monaten. (K.-Nr, II) AM terrestris) 13. X1°94 "34/2 Mon: == (K.-Nr. 261) All. terrestris| 22. I. 95 » 982 Tagen j|nach 3 Monaten. (K.-Nr, 338) All. caliginosa|13. XI. 94; ,, 40 ae — (K.-Nr. 265 u. 266) All. foetida 22. I. 95 foe ha MODS: a5 (K.-Nr. 340) Lumbr.rubellus|13. XI.94| ,, 17 Tagen | —_— (K.-Nr. 268) Was jene Falle endlich anbetrifft, wo nach Wegnahme gréferer vorderer Partien noch Regenerationsknospen auftraten, so verweise ich auf Tabellen VIIJ—X, wo die betreffenden Daten bereits an- gegeben sind. Sie stehen im Einklang mit dem bereits Gesagten. Wir hatten friiher keine bestimmte Grenze fiir die Regene- ration vorderer Partien bestimmen kénnen, aber doch festgestellt, dafi in der Gegend des 15. Segmentes die Regenerationsfahigkeit in einer solchen Weise abgenommen hat, dafi Regenerationsknospen, Uber Regenerationsvorgdnge bei Lumbriciden, 257 die von weiter hinten hervorsprossen, nur noch als Ausnahmen zu betrachten sind. Ich will bei dieser Gelegenheit noch einmal die Griinde zusammenstellen, die fiir diese Annahme sprechen: 1) Bei Abnahme 15 vorderster Segmente tritt nur noch in einer geringen Anzahl von Fallen vollkommene Regeneration ein. 2) Dariiber hinaus konnten bei unseren Versuchen blof noch unvollkommene Regenerate beobachtet werden. 3) Die individuelle Variation in der Geschwindigkeit der Re- generation nimmt von der Abnahme von 9 Segmenten an pro- gressiv zu. 4) Es wird in allen Fallen nur eine beschrinkte Zahl vor- derster Segmente regeneriert, gewohnlich 3 oder 4 (beobachtetes Maximum 7, Tabelle V, Nr. 51), und hier zeigt sich keine Pro- gression entsprechend dem gréferen Verluste. 4, Einfluf des Alters der Individuen. Junge Tiere. Wir beriicksichtigen nur solche Individuen, denen 4— 8 erste Segmente abgenommen wurden. Es gingen von diesen Versuchsobjekten relativ viele zu Grunde, so daf nur wenig brauchbare Beispiele bleiben. 1) All. terrestris, 6 cm lang, K.-Nr. 59, operiert 5. III. 94. 1) Beginn der Regeneration nach 4 Tagen, 2) _ » segmentierung ,, 26 ,, 2) L. rubellus, 5 cm lang, K.-Nr. 60, operiert 5. III. 94. 1) nach 4 Tagen, 2) ” 16 ” 3) All. terrestris, 6 cm lang, K.-Nr. 184, operiert 18. VII. 94. 1) nach 6 Tagen, 2) ” 20 ” 4 u. 5) All. terrestris, 5 u. 3 cm lang, K.-Nr. 186 u. 187, operiert 18. VII. 94. 1) nach 6 Tagen, 2) ” 16 ” 6—9) All. terrestris, 4—6 cm lang, K.-Nr. 319—322, operiert VE 95, 1) nach 10 Tagen, 2) ” 38 ” 10) L. rubellus, 5 cm lang, K.-Nr. 323, operiert 17. I. 95. 1) nach 10 Tagen, 2) ag eae ee 258 Kar! Hescheler, 11) L. rubellus, 4 cm lang, K.-Nr. 324, operiert 18. I. 95. 1) nach 12 Tagen, 2) 9 37 9? 12—15) All. terrestris, 5—7 cm lang, K.-Nr. 325—328, operiert 18. I. 95. 1) nach 12 Tagen, 7a or Ra Fiir den Sommer sind vor allem Nr. 3—5 charakteristisch; sie wurden ungefahr gleichzeitig mit All. foetida, K.-Nr. 179—181 (siehe unter Einflu8 der Species) operiert und regenerierten gleich schnell wie diese. Fiir All. terrestris ist daher zu konstatieren, da junge Tiere im Sommer schneller regenerieren als alte. Die Beispiele vom Winter, 6—15, zeigen, daf kein Unter- schied besteht zwischen alten und jungen Tieren, abgesehen da- von, daf die Regenerate bei letzteren vielleicht etwas friiher er- scheinen. Der Winter tibt also auch in dieser Be- ziehung einen ausgleichenden EKinflu8 aus. Es handelt sich bei diesen Versuchen iibrigens nicht um ganz junge Exemplare; bei solchen diirften wohl die Differenzen noch grokere sein. Die Ergebnisse tiber den Einflu8 verschiedener Faktoren auf die Regeneration stimmen mit den bei anderen Tiergruppen ge- machten Erfahrungen tiberein, soweit es wenigstens Alter, Jahres- zeit und Temperatur betrifft. Erwahnt sei, da& CauLLery (13) erst kiirzlich auch fiir Ascidien (Circinalium concrescens) festge- stellt hat, daf die Geschwindigkeit der Regeneration in weitem Umfange von der Temperatur abhangig ist. Was die Ernahrung betrifft, von der im allgemeinen gilt, daf sie ohne Einfluf auf diese Vorginge sei, kann aus den vor- liegenden Versuchen kein Schlu& gezogen werden, da alle Objekte in Lauberde geziichtet wurden, also wohl stets reichlich Nahrung zur Verfiigung hatten. Doch kommt eine Nahrungsaufnahme bei den Experimenten, bei welchen vordere Segmente weggenommen wurden, fiir die friihen Stadien der Regeneration eigentlich gar nicht in Betracht. Es bleiben uns noch Falle mehrmaliger Regeneration des vorderen Teiles zu besprechen. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 259 Tabelle XIII. Unter der Rubrik ,,Operationen“ beziehen sich die Zahlenangaben immer auf die Segmente des intakten Tieres. Waren z. B. das erste Mal 5 Segmente abgeschnitten und 3 regeneriert worden, und es heift nun bei der 2. Operation re i" so bedeutet dies nicht, da jetzt 7 Segmente abgeschnitten wurden, sondern, da’ die Operationsstelle hinter dem 7. der urspriinglichen Segmente legt, d. h. in Wirklich- keit sind 8 regenerierte und 2 alte Segmente weggenommen worden. Opera- Intervall Species 7e | UC an Regenerationen | Operat. | 1 |All. terrestris/1. persion | 1. Regeneration 11 cm mit Clit. | 6.11.94 | nach 34 Tag. Segmentierg., K.-Nr. 34 ar | regeneriert 4 Segmente. 5 6 /|)56Tage 2. Operation, 2. Regeneration Seely wos stirbt nach 6 Tagen (Chlo- aa pram _ roform !). 7 8 2 |All. terrestris|l. Operation 1. Regeneration |10 cm ohne Clit.) 12. III. 94 | nach 15 Tagen Knospe. K.-Nr. 70 | “4 FE | 5 6 23 Tage 2. Operation 2. Regeneration | de “LV. 94 4 stirbt nach 5 Tagen (Chlo- H i eng: roform !). | Wing e 3 | L. rubellus j1. Operation) 1. Regeneration 8 cm mit Clit. | 16. I. 94 | nach 32 Tag. Segmentierg. | K.-Nr. 3 lO diel sae regeneriert 4 Segm. H 78 |} 78Tage | 2. Operation 2. Regeneration | ae ig | stirbt nach 3 Tagen (Chlo- | ‘shea Bao | roform !). 4 |All. terrestris|l. Operation, 1. Regeneration | 10 cm ohne Clit.| 9. XI. 93 | nach 37 Tag. Segmentierg., | K.-Nr. P, | g FE 71/, | regen, 4—5 Segm. mit A! 2. Operation|( Mon. 2. Regeneration 20. VI. 94 lebt 24 Tage ohne zu re- 2 E- | | generieren. 60 Aa | Operat. Intervall der Karl Hescheler, Regenerationen Species | Opera- tlonen 5 |All, terrestris| 1. Operation | | 12 em ohne Clit. | 17. IV. 94 | | K.-Nr. 116, mal aa | 0 66 | 2. Operation | 16. VII. 94) Sli | Ls lall. caliginosa| 1. Operation | 7 om. mit Clit. | 17. IV. 94 KNr, 117 Sa = Sits 2. Operation | 23. VII. 94| | — — 61/, 67/5 7)/All. ealiginosa) 1. Operation |71/. cm mit Clit.) 17. IV. 94 | K.-Nr. 118 =i ee Gry 2. Operation 3. Operation | 8. IX. 94 Soe DO 8 |All. terrestris) 1, Operation 12 cm mit Clit. | 8. XI. 93 K.-Nz,.O,, Sah io 5 6 | 2. Operation 8. VIII. 94 | | oe i omelette |All. caliginosa 1. Operation 12 cm mit Clit. | 7. XI. 94 | K.-Nr. 254 — = | 5 6 2. Operation 22. I. 95 4b Ca § 3. Operation | 8. IV. 95 23. VII. 94| Ta! Neled | 6t/, 61/, | 4 regen. 7 | | 1. Regeneration Segmentierg. nach 25 Tag., | regeneriert 4 Segm. 2. Regeneration stirbt nach 8 Tagen. 97 Tage 97 Tage 47 Tage 9 Mon. 76 Tage) 71 Tage | 99 1. Regeneration Segmentierg. nach 25 Tag., regeneriert 5 Segm. 2. Regeneration Knospe nach 10 Tagen, stirbt 15 ”? ” 1. Regeneration Beginn der Regen. n. 10 Tg., » «.Segment.,, 25 ,, regeneriert 3 Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 10 Tag., >) Jy epment. an? li), regeneriert 31/, Segm. 3. Regeneration stirbt nach 14 Tagen ohne zu regenerieren. 1. Regeneration Beg. der Regen. n. 13 Tag., » 9) Segment. ,, 37 regeneriert 4 Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 12 Tag., stirbt nach 1 Monat, un- ” | deutl. segmeutiert. 1. Regeneration regeneriert unsegm. Knospe. 2. Regeneration Beg. der Regen, n. 14 Tag., ” ” Segment. ” 47 ” regeneriert 4 Segmente. 3. Regeneration Beg. der Regen. n. 8 Tag., » Segment. ,, 43 ”? | regeneriert 3 Segm., stirbt nach 2 Monaten. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 261 all Species Opera- tionen der [ Operat. 10 |All. i} | | || 12 bs 7 em ohne Clit. caliginosal 7 em mit Chit. K.-Nr. 255 rubellus K.-Nr. 256 L. rubellus | 8 em ohne Clit. K.-Nr. 257 a: . Operation aN ep a G 2. Operation 22. I. 95 73 a 6 7 1. Operation 7. XI. 94 oT ea 4*/_ 4*/s 2. Operation 22. I. 95 ate oy 6 7 3. Operation 3. LY 95 SRE ZA bAls ¢ reg. reg. operiert im regen. Teile 1. Operation | 7, XI. 94 aa 12. pee | 22. I. 95 Fil la Gi | 3. Operation Se TV O5 _ ul 12 7. KI, 94 | | 13 | L. Herculeus tt, te ae /12 cm ohne Clit. K.-Nr. 258 ae ae b2: poe “i ip ee: | 8. Diersfon| | 3. ie - 71 Tage 76 Tage! 71 Tage eM Ys Tage or Tage Intervall! | Regeverationen | The ~ Regeneration j Beg. der Regen. n. 20 Tag., ay) ppmegment....o4) 1, regeneriert 4 Segm. 2. Regeneration nach 9 Tagen tot. 1. Regeneration Beg. der Regen. n. 20 Tag., » 959 segment.,, 34 ,, regeneriert 3!/, Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 14 Tag., ” ” Segment. ” 37 ” regeneriert 4 Segm. 3. Regeneration IBeg. der Regen. n. 8 Tag., | 99 ” Segment. ” 27 ” regeneriert 21/, Segm., | stirbt nach 46 Tagen. 1. Regeneration ‘Beg. der Regen. n. 20 Tag., | 99 ” Segment. ” 34 ” regen, 4—5 Segm. mit A! 2. Regeneration monstrose Ausstiilpung an der Schnittstelle. 3. Regeneration ‘Beg. der Regen. n. 15 Tag., _unsegm. Knospe, stirbt | _ nach 49 Tagen. 1. Regeneration Beg. der Regen. n. 20 Tag., ” ” Segment. » 34 ,, regeneriert 3 Segm. 2. Regeneration monstrése Ausstiilpung an | der Schnittstelle. | 3. Regeneration Beg. der Regen. n. 15 Tag., unsegm. Knospe, stirbt ' nach 53 Tagen. 262 Karl Hescheler, Intervall| | Species Opera- der | Regenerationen tionen Operat | 14 |All. terrestris) 1. Operation | 1. Regeneration 12 cm ohne Clit.) 1. XI. 94 Beg. der Regen. n. 14 Tag., K.-Nr. 246 way Ge eal) , Segment. ,, 37 ,, aol g st ban User 33/, Segm. 2. Operation 2. Regeneration 22 A985 Beg. der Regen. n. 16 Tag., | =) » 99 Negment. ,, 45__,, Oe 64 Tage tae 3 Segm. | te tee 3. Regeneration | | 27: EEO Beg. der Regen. n. 7 Tag., | | me = ..... lag BEBMenE.,. 40° |. eae regeneriert 3 Segm., also | | reg, reg. 2 mehr als abgeschnitten! _ im regen. |+76 Tage } Teile oper. 4, Operation 4, Regeneration | it Vie95 nach 4 Tagen tot. =a 38 ! 15 |All. terrestris) 1. Operation 1. Regeneration | 10 cm ohne Clit.) 1. XI. 94 — Beg. der Regen. n. 14 Tag., K.-Nr. 247 = = ” ” Segment. ” 37 ” 5 6 ‘483Tage| regeneriert 4 Segm. 2. Operation 2. Regeneration 22.1. 95 | Beg. der Regen. n. 16 Tag., 2 » 97 Segment. ,, 45 ,, | | 6 7 \ 64 Tage regeneriert 4 Segm. ! 8. Operation 3. Regeneration | O7) TI O5 Beg. der Regen. n. 10 Tag., | 4b » Segment.,, 50_,, | 1 8 regeneriert 3 Segm. ! | 4. Operation 76 Tage 4. Regeneration | 11. VI. 95 | pee nach 4 Tagen. | =i) | | 8 9 16 |All, terrestris} 1, Operation |, 1. Regeneration 10 cm ohne Clit.| 1. XI. 94 Beg. der Regen. n. 14Tag., | K.-Nr, 248 Sl 1) HegMeNts,,:3% 5, SMEG ahs oo| regeneriert 5 Segm. 2. Operation eae 2. Regeneration 22.1.95 | stirbt nach 1 Monat ohne =a hlee zu regenerieren. 6° 7 Uber Regenerationsvor gange bei Lumbriciden. 263 Opera- Species ange Interval], Regenerationen 1. Operation 19. XI, 94 = AY 2. Operation 22. I. 95 — ios 1, Operation 19, XI. 94 4+ 6.7 | 2. Operation | 22. I. 95 | ae 3-8 3. Operation | 26. III. 95 I 17] All. foetida 7 em ohne Clit. K.-Nr. 282 | — I 18) All. foetida 7 cm ohne Clit. K.-Nr. 283 4b 81], 87/, | 1. Operation | 19. XI. 94 — 5 6 | 2. Operation 22. I. 95 Sb Grd 3. Operation 26. [II. 95 == 8 9 | 4. Operation ‘Id Ne AC oe IT 12 sol All. foetida | 1. Operation | All. foetida | 7 em ohne Clit. K.-Nr. 284 1] 7 em ohne Clit. | 19. XI. 94 K.-Nr. 285 = . | 2. Operation 22. I. 95 ane Gr | i Regeneration Beg. der Regen. n. 12 Tag., ” ” Segment. » 34 regeneriert 4 Segm. 2. Regeneration nach 1 Tag tot. ” 1. Regeneration Beg. der Regen. n, 12 Tag » 9», Segment. ,, 34 64 Tage| regeneriert 4 Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 8 Tag,, » —-y Segment. ,, 40 regeneriert 4 Segm. | 3. Regeneration | iP / ” ” 63 Tage ‘Beg. der Regen. n. 10 Tag. ohne deutl. Segm., stirbt nach 21/, Monaten. 1, Regeneration Beg. der Regen, n. 12 Tag., |» 59 Segment. ,, 34 _,, 64Tage regeneriert 3 Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 8 Tag., » 97 Segment. ,, 40 regeneriert 3 Segm, 3. Regeneration Beg. der Regen. n. 10 Tag., » 95 Segment. ,, 45 regeneriert 4 Segm. 4. Regeneration nach 8 Tagen tot. ” 63 Tage ” 77 Tage 1. Regeneration Beg. der Regen. n. 12 Tag., > 5) Segment. ,, 34 regeneriert 3 Segm. 2. Regeneration Beg. der Regen. n. 8 Tag., » 9) Segment. ,, 40 regeneriert 3 Segm. ”? ” 264 Karl Hescheler, | 0 ial Tntervall) Species eres der | Regenerationen | y tionen | Operat. | HS: Operation 3, Regeneration | 26, III. 95 Beg. der Regen. n, 7 Tag., a ee 5: 9) NORMICNE. 4, of le 2 Liss regeneriert 2 Segm. reg. reg. im regen. |¢7/ Tage Teile oper, | 4. Operation 4. Regeneration | | 11. VI. 95 / Beg. der Regen. n. 9 Tag., | 4k ansegm. Knospe. | ve 29 Tage 5, Operation 6 5. Regeneration } 110, VIL. 95 bekommt nach 7 Tagen me sa eine Knospe, stirbt nach | ge de ee 10 Tagen. 21\| All. foetida | 1, Operation 1, Regeneration 7 em ohne Clit.) 19. XI. 94 Beg. der Regen. n. 12 Tag., RANG 286.) a »» 9, Segment. ,, 34 _,, | © sb 64 Tage) regeneriert 3 Segm. | 2. Operation 2. Regeneration 22. I. 95 Beg. der Regen. n. 8 Tag., 3 si ” ” Segment. ” 40 ” ; 63 Tage regeneriert 3 Segm. 3. Operation 3. Regeneration 26. III. 95 | Beg. der Regen. n. 7 Tag., | ie ara » 4, Segment, ,, 32 _,, reg, reg. regeneriert 2 Segm. im regen. 77 Tage, Teile oper. | 4, Operation 4, Regeneration iT Viv95 istirbt nach 11 Tagen. | == | 9*/_ 9*/5 22) All. foetida | 1, Operation | 5 em ohne Clit.| 20. I. 95 1, Regeneration ae Beg. der Regen. a: 4 Tag.. ea ae 6 Gay ”» 9 Segment. ey | ae 2 Ne mage! Tegen. 51/, Segm. (Ther- "| mostat), 2, Operation 2, Regeneration 26. III. 95 Beg. der Regen. n. 15 Tag. | 7 1/,64/, | ” ” Segment. ” 42 ” reg. reg. | regeneriert 2 Segm. im regen. (757 Tage Teile oper. Uber Regenerationsyorginge bei Lumbriciden. 265 | Opera: Tntervall ; Species Wee owen der Regenerationen | | Operat. | 3, Operation | 3. Regeneration | 22. V¥..95 Beg. der Regen. n. 8 Tag., | = Hy yy eemMents., 7240)". | | 214/, 64s regeneriert 3 Segm. (1 reg. reg. ! foes Tals 59 Tage mehr als zuvor!) | operiert | 4, Operation 4, Regeneration |20. VII. 95 inach 4 Tagen tot. | ake 8 9 All. foetida | 1. Operation 1. Regeneration 5 em ohne Clit. | 20. I. 95 Beg. der Regen. n. 6 Tag., | K.-Nr. 380 Co oe 3). gs MORMEDNIN LD) 6 of 65 Tage! reg, 4 Segm. (Thermost.). 2. Operation | 2. Regeneration 26, II. 95 | Beg. der Regen. n. 15 Tag., esa ie ae | 95 Segment, ,, 42° ,, hesdiack hee | regeneriert 2 Segm. _Teg. reg. 57 Tage im reg. Teile | { | operiert 3. Operation 3. Regeneration | 22, V. 95 Beg. der Regen. n. 9 Tag., SV = » 9», Segment,,, 35 ,, Sons” fo regeneriert 4 Segm. 4, Operation 4, Regeneration | eater 95 nach 7 Tagen Knospe, | e aie nach 11 Tagen tot. reg. reg. ‘im reg. Teile i | operiert | All. foetida 1. Operation | 1, Regeneration '5 em ohne Clit, | 27. XII. 94 | Beg.der Regen. n. 4 Tag., (gk is 1) A i ~~ ny HOQMent, ,, 14, | Gi ii4 89 Tage reg, 3 Segm. (Thermost.). | 2. Operation | 2. Regeneration | 26. TTT. 95 | Beg. der Regen. n. 16 Tag., | Pa Er | ” ” Segment. ” 35 ” | | ie ‘ | 57Tage| regeneriert 2 Segm. | 3, Operation | 3. Regeneration | 22. V.95 | nach 8 Tagen tot. Saree. | 10}, 11 Rd. XXX. N. F. XXII. 18 266 Karl Hescheler, Interval] A Opera ‘ Species re a der Regenerationen | Operat 25 all. “terrestris Ll. _ Operation Wi: 1. Regeneration |7 em ohne Clit.| 18. I. 95 regeneriert 4 Segm. | SK Naeis2oey| re 106 4 | 3) | i . Ta - | 2. Operation ay 2. Regeneration | 4, V. 95 nach 7 Tagen tot. | = | Gee o | a6 reg. reg. | im reg. Teile | operiert Von diesen 25 Individuen haben regeneriert : 2mal 1 All. terrestris (8), 2 ,, caliginosa (6, 7), 1 ,, foetida (24) im ganzen 4. 3mal 2 ,, terrestris (14, 15), 1 ,, caliginosa (9), 4 foetida (18, 19, 21, 22), 2 railce rubellus (11, 12), i » Herculeus (13) im ganzen 10 4mal 1 All. foetida (23), 5mal ee ecw). iiberhaupt mehrmals 16 Individuen ; nur 1mal regenerierten 9, namlich: 6 All. terrestris (1, 2, 4, 5, 16, 25), 1 ,, caliginosa (10), 1 ,, foetida (17), 1 Lumbr. rubellus (8). Es ist hierbei zu beachten, da in den ersten 3 Fallen bei der zweiten Operation Chloroformbetaubung angewandt wurde, um das abzuschneidende Regenerat schén ausgestreckt zu erhalten; die nachteilige Einwirkung, welche sich darauf zeigte, hie mich aber im weiteren von dieser Behandlung absehen. Vergleichen wir die Daten iiber die Geschwindigkeit der Re- — generation mit den oben bei Einflu8 der Species und Jahreszeit aufgestellten (siehe tibrigens auch jeweilen die Angaben bei der ersten Regeneration), so ergiebt sich, daf Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 267 bei der 2. Regeneration der Vorgang sich wesentlich verlangsamt, weniger, was die Zeit des ersten Auftretens der Regenerationsknospe als ihre weitere Ausbildung anbelangt ; bei der 3. Regeneration diese Verzégerung noch eine weit betrachtlichere ist. Wir stellen die Falle zum Beweise nochmals zusammen und sehen dabei ab von jenen, wo die Operation im regenerierten Teile stattfand. 2. Regeneration. Nr. 7 All. caliginosa, Segmentierung nach 21 Tagen im Juli, > © 3 terrestris, ‘ noch nicht nach 30 Tagen im Aug., Paai 9i54.%)) caliginoga: 33 nach 47 Tagen im Febr., ,, 11 Lumbr. rubellus, < Na (ne 3 . ,, 14 All. terrestris, e ar kee is - ” 15 ” ” ” ” 45 ” ” ” wale: &. « foetida, a Ba Ie, Oe § 2 AD 113; - 4a Aon: Phe ane POs 3, & Ry 10 ae ss ER pl Meee ‘, = ol AGy a We ULSD oni: E sf wo 2O, Pam Acpril: 3. Regeneration. Nr. 9 All. caliginosa, Segmentierung nach 43 Tagen im April, , 12 Lumbr. rubellus, 5 noch nicht nach 49 Tagen im April, Pris 01) ies Herculeus, re pS » nach 53 Tagen im April, , 15 All. terrestris, st nach 50 Tagen im April, mi iS: ees foetida, 5 noch nicht nach 2!/, Mon. im Friihjahr, iS ies . ¢ nach 45 Tagen im April, » 23 4, ” » » SP JUN. Dabei erinnern wir uns, daf es fiir die Regenerations- geschwindigkeit gleichgiiltig ist, ob 4 oder 8 vorderste Segmente abgeschnitten werden, so da8 also eine Verzégerung ihren Grund nicht in der Zahl der abgeschnittenen Segmente hat. Ziehen wir die Anzahl der regenerierten Segmente in Be- tracht und beriicksichtigen dabei, daf im allgemeinen weniger Segmente regeneriert werden, als verloren gingen, so ist Ls 268 Karl Hescheler, bei Nr. 7 All. caliginosa bei der 2. Regeneration keine Abnahme zu bemerken, eM 8 x ». + 2. Regen. keine Abnahme, , « & Abnahme um 1 Segm., .. » LLL. rubelus 2 0,2 /2,.8 ps keine’ Abnahme, oh ” 3. ” ” ” iD KOMPOAGD terrestris 840.) 4)) 2008 4 af i sp yy he A) Cie Zan aihienes sr ee a 1» ee” Keine Abualime, 1 ~SS,.~d ADnahme um 1 Segm., ot eG foetida 5 2s g~S Keine Abnahme, ” ” 19 ” ” ” ” 2. ” ” ” way Oe ag. eine hne um i Seam: (aber 1 altes mehr abgeschnitten), 4 OU uz. § ,, 2. Regen. keine Abnahme, ’ ” 3. ” ” ” ’ ” 21 ” ’ 5 2. ” ” ” ” ’ 3. ” ” ” hi 4 5 Pee arr 5h » 20 ,, foetida 2 2 Rog repens <5 eet; aed 21 eas 2 Dew i Paeet ” 22 Be) ” 4 2 ” 42 ” ” 2. ” 2 5 ugh ey.) Seema Oi) Pas ee 2» BO ay: 3 2 » 42 4, (April)2. ,, Auch hier ist jedenfalls eine Verlangsamung gegenitiber der 1. Regeneration zu beobachten ; wenn sie geringer ist als bei den aus alten Partien erzogenen Regeneraten, so mag dies eben auf Kosten eines geringeren Verlustes an Segmenten geschehen. Mehrmalige Regeneration hinterer Kérperabschnitte wurde experimentell nicht nachzuweisen versucht, dagegen ist bereits er- wahnt worden, daf sich einige Male Exemplare fanden, bei denen kein Zweifel bestand, da’ Regenerate des Schwanzes aus bereits vorhandenen regenerierten Partien herausgewachsen waren. Von friiheren Autoren hat einzig SPALLANZANI (50) mehr- malige Regeneration desselben Kérperteiles bei Regenwiirmern be- schrieben; er selbst macht dariiber keine bestimmte Angabe; Bonnet dagegen berichtet, dafS jener 3-malige Regeneration des Kopfes beobachtet habe. Auch in dieser Hinsicht stehen die Lumbriciden hinter ver- wandten Wiirmern zuriick; so erwahnt z. B. BONNET (8) von einem Lumbriculus, dak dieser seinen Kopf 8mal regeneriert und das 9. Mal noch eine Knospe erzeugt habe. Keiner der Wiirmer hat sich aber mehr als 12 mal erganzt. Naiden regenerieren mehr als 12 mal das gleiche Stiick ihres Kérpers (FRatssE, 21). Wir kommen noch auf zwei Punkte zu sprechen, die bei der | Regeneration des Kopfes aufgefallen sind, namlich: 1) da& weniger Segmente regeneriert werden, als verloren gingen; 2) da8 bei den Regeneraten sehr haufig Abnormitaten in der Segmentierung auftreten. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 271 1) Was den ersten Punkt anbetrifit, so interessiert vor allem, welchen Segmenten die regenerierten entsprechen. Im Maximum wurden 7 beobachtet auf 12 abgeschnittene, gewdhnlich werden aber nur mehr 3 oder 4 erzeugt, so auch, wenn 15 abgenommen wurden. Obschon hier von inneren Vorgaéngen bei der Regene- ration, wie sie nur an Schnitten untersucht werden kénnen, ganz abgesehen wird, will ich doch so viel verraten, daf bei fliichtigem Durchmustern der Praparate sofort klar wurde, dafi diese regene- rierten Segmente stets den vordersten entsprechen, d. h. wenn auf 15 abgeschnittene 4 regeneriert werden, so sind dies die 4 ersten eines intakten Wurmes. Daraus folgt nun der wichtige Schluf, daf die Geschlechts- organe nicht wieder ersetzt werden kénnen, wenn das eben Fest- gestellte als Regel gilt; denn diese Teile liegen in der Region vom 9. bis 15. Segmente. Von jenem Exemplare, das 7 Segmente re- generiert hat, besitze ich keine Schnitte; ist auch hier das Ge- sagte zutreffend, so wurden selbst in dem Fall die Geschlechts- organe nicht wieder ergéinzt. Ich halte den Einwand, dal nachtraglich noch mehr Segmente gebildet und die Wiirmer noch geschlechtsreif werden kénnen, ftir eine Reihe von Fallen als sicher ausgeschlossen, da die Indivi- duen so lange nach erfolgter Regeneration ohne weitere Verande- rung lebten, dafi man die Regenerate als endgiltig differenziert annehmen durfte. Eine solche vollendete Differenzierung der neu- gebildeten Gewebe war auch an verschiedenen Praparaten klar zu erkennen. Diese Kigenschaft der Regenwiirmer, nur ein sehr begrenztes Regenerat des Vorderendes liefern zu kénnen, scheinen sie mit keinem ihrer Verwandten zu teilen. Allerdings ist dariiber nur wenig bekannt. Von Lumbriculus wei BiLow (12) zu _ be- richten, da$ er im allgemeinen stets die Kopfsegmente (10) in ihrer vollen Zahl erginzt, und iiber den naiher verwandten Crio- drilus lacuum vernehmen wir von Coun (15) folgendes: »oeltener hatte ich Gelegenheit, zu sehen, daf der Kopfteil regeneriert wurde: so bildeten sich bei einem Wurm, welcher die ersten 11 Segmente verloren hatte, dieselben in genau der- selben Anzahl wieder.‘ 2) Auftreten von Abnormitiaten. Erst seit wenigen Jahren wurden die Anomalien der Segmentierung bei den Chato- poden einer genaueren Beobachtung gewiirdigt ; Cort (16), Morgan 35), BUCHANAN (11) haben sich iiber diesen Punkt ausgesprochen. 272 Karl Hescheler, Cori fiihrt die Entstehung dieser Anomalien auf die erste Entwickelung des Annelids zuriick; MorGAN ist derselben Ansicht, bringt aber einen guten Teil der Abnormitaéten auf Rechnung der Regeneration. Einmal ist das Verhaltnis der normalen zu den nicht normal segmentierten Wiirmern bei Embryonen und er- wachsenen Individuen ein anderes, dort weniger abnormale als hier, folglich miissen die Anomalien auch spater noch auftreten kénnen. Dann erwahnt er einen Fall, wo unter 525 Regenwiirmern 40 mit regenerierten Hinterenden gezihlt wurden, und von den Regeneraten waren blof 2 normal segmentiert. Cort bemerkt, dafi diese Stérungen am haufigsten im mittleren Teile des Kérpers zu finden seien, Morgan dagegen beschreibt eine Reihe solcher Anomalien vor dem 15. Segment (speciell fiir All. foetida). Meine Beobachtungen bestatigen die Richtigkeit der Ansicht, daf abnormale Segmentierung von der Regeneration herkommen kann, und im weiteren auch die ebenfalls von MorGAn gemachte Annahme, daf§ eine Verschiebung der méannlichen Geschlechts- éffMungen auf ein vor dem 15. gelegenes Segment auf Verlust und nachherige Wiedererzeugung vorderer Segmente zuriickzufihren sei. Das letztere ergiebt sich aus der Thatsache, dafi vorn weniger Segmente regeneriert werden, als verloren gingen; z. B. es seien 14 vordere Segmente abgeschnitten worden und dafir 4 regeneriert, dann werden die mannlichen Offnungen nachher im 5. Segmente liegen; oder es wurden 7 entfernt und 3 regeneriert, dann finden sich diese Teile auf dem 11. Segmente. Bei der Gelegenheit will ich erwahnen, daf mir einmal ein Exemplar von All. terrestris in die Hinde gelangte, das beide mannlichen Geschlechtséffnungen verdoppelt hatte; sie lagen auf dem 15. und 16. Segmente. Bei der Regeneration vorderer Partien auf Grund senkrecht zur Lingsachse des Tieres ausgefiihrter Operationen wurden im ganzen 12 Falle von Anomalien, die sich auf folgende Species verteilen : All. terrestris 7 All. foetida 2 » caliginosa 1 L. rubellus 2 beobachtet. Segmentierte Regenerate lagen iiberhaupt 80 vor. Das Verhaltnis ist daher 3:20; iibrigens konnte ich auch bei den Hinterenden, sofern sie regeneriert waren, keine solche Haufig- keit von Anomalien konstatieren, wie sie MORGAN einmal beobachtet hat; allerdings untersuchte ich vor allem All. terrestris, wahrend Uber Regenerationsvorgiuge bei Lumbriciden. 273 es sich in jenem Falle um All. foetida handelt. Eine genaue Kon- trolle iiber die Haufigkeit der Abnormititen an regenerierten Hinterenden habe ich nicht gefiihrt; einmal waren unter 19 All. terrestris mit regeneriertem Schwanzende 3 mit Segmentanomalien. Wenn wir einen Blick werfen auf die Tabellen I—VII und die Verteilung der Anomalien ins Auge fassen, so mu& auffallen, da die gréfte Zahl derselben in den Fallen vorkam, wo jeweilen am meisten Segmente regeneriert wurden, gleichgiltig wie viel ab- geschnitten waren; namentlich in Tabelle IV ist dies in die Augen springend. Anomalien treten sowohl im Sommer wie im Winter auf; da- gegen kénnte die eben erwdhnte Thatsache doch in Verbindung gebracht werden mit der von Cort geauBerten Ansicht, daf ein rascheres Wachstum, gewissermafen eine iiberhastete Arbeit, die Stérungen bedinge. Was die Art der Anomalien betrifft, unterscheiden Cort und MorGan 2 Gruppen, die letzterer als ,split metamerism“ und ,spiral metamerism* bezeichnet. Beide Arten konnte ich an den Regeneraten vorfinden. Wir wollen zum Schluf noch jene Falle genauer betrachten, von denen Abbildungen vorliegen, nimlich 6 Falle bei Regeneration des Vorderendes nach queren Schnitten, 3 resp. 2 Falle nach schiefen Schnitten und 1 Fall bei Regeneration des Hinterendes. 1) Fig. 12 und 13. All. terrestris, K.-Nr. 34. 5 Segmente abgeschnitten am 6. IJ. 94, regeneriert 4, davon das 4. ein ,split metamere“. Rechts zwei Halbsegmente. 2) Fig. 14 und 15. All. foetida, K.-Nr. 180. 5 Segmente abgeschnitten am 16. VII. 94, regeneriert 3—4. Kinfachster Fall von ,,spiral metamerism“. 3) Fig. 16. All. terrestris, K.-Nr. 155. 5 Segmente abgeschnitten am 6. VII. 94, regeneriert 4, davon das 1. ein ,split metamere“, indem rechts 2 halbe Segmente statt eines auftreten. Auferdem ist die Begrenzungslinie zwischen 3. und 4. Segment unten nicht geschlossen. 4) Fig. 17-19. - All; terrestris, K.-Nr. P,. 5 Segmente abgeschnitten am 9. XI. 93, regeneriert 4, das 3. Segment ein ,,split metamere“, links verdoppelt, doch lauft die Scheidelinie der Halbsegmente oben nicht aus, sondern verbindet sich mit der Grenzlinie des 3. und 4. Segmentes. 274 Karl Hescheler, 5) Fig. Fig. 20—22. All. terrestris, K.-Nr. 144. Abgeschnitten 10 vordere Segmente, am 26. VI. 94, regeneriert ca. 5 mit vielen Anomalien. Zunachst sind die regenerierten Segmente I—III vollstandig und normal, dann wird auf der linken Seite ein kleines Halb- segment (IV) eingeschaltet. Segment V ist ein ,,split metamere“ auf der linken Seite, die Scheidewand der Halbsegmente verbindet sich aber mit der Grenzlinie der Segmente V und VI. Segment VI ist auch ,,split‘‘ auf der rechten Seite, auch diese Scheidelinie lauft in die Grenzlinie der Hauptsegmente ein. Im ganzen treffen wir hier 5 regenerierte Hauptsegmente, davon 2 ,,split metameres“ und ein kleines eingeschaltetes Halb- segment. 6) Fig. 23—25. Die sonderbarsten Verhaltnisse zeigt All. caliginosa, K.-Nr. 226. Abgeschnitten 7 Segmente am 23. VIII. 94. Am Regenerat wird man bei fliichtigem Zusehen etwa 4 oder 5 Segmente unter- scheiden; bei genauerer Beobachtung zeigt sich, daf keine der Grenzlinien in sich selbst zuriickkehrt, und daf von allen nur die Linie I einen vollen Umgang macht, alle anderen aber '/, oder #/,. Unter den 4 Fallen, wo Regeneration auf schiefer Schnitt- flache beobachtet wurde (Tab. XI), waren 3 mit Segmentanomalien zu verzeichnen. 7) Fig. 10 und 11. All. foetida, K.-Nr. 292. Operiert 30. XI. 94. Segment 9—12 wurden rechts teilweise abgeschnitten. Fiir die fehlenden 8 vordersten Segmente werden 3 regeneriert, davon das 1. als ,,split metamere“, auf der rechten Seite doppelt. Die Segmente 9 bis 12 werden durch ein eigent- lich unsegmentiertes Stiick erginzt; in dem letzteren zeigt sich allerdings rechts eine Furche, die oben beginnt und unten in die alte Grenzlinie zwischen dem 11. und 12. Segment tibergeht. Von oben macht es den Eindruck, als ob das urspriingliche 9. Segment ergainzt worden, das 10., 11. und 12. dagegen nur durch ein un- gegliedertes Stiick vervollstindigt; von unten erblicken wir das 12. Segment wieder vollstandig, das 9., 10. und 11. dagegen durch ein gemeinsames Stiick verbunden. 8) Fig. 7-9. All. terrestris, K.-Nr. 291. Operiert 30. XI. 94. Segment 7—10 rechterseits angeschnitten. Fiir Segmente 1—6 sind 4 neue regeneriert, das letzte aber nicht normal nach hinten begrenzt worden, indem die scheidende Linie weder oben noch unten zusammenhingt, d. h. in Wirklichkeit ist Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 275 eine rechte und linke Grenzlinie, die sich nicht treffen, vorhanden. Segment 7—8 sind durch ein einziges Segmentstiick erginzt, wobei die Begrenzung nach vorn, wie oben beschrieben, unvollstandig und ebenso auch nach hinten, indem die Grenzlinie gegen das 9. Segment (O) sich unten nicht schlieft. | Abgesehen von diesen Unvollstandigkeiten in der Begrenzung, ist hier durch die Regeneration ein ,split me- tamere“ gebildet worden. Segment 9 und 10 sind, mit Ausnahme des Abschlusses von Segment 9 nach vorn, normal er- gainzt worden. 9) All. terrestris, K.-Nr. 293, abnlich operiert wie 291, bietet am Regenerat sehr komplizierte Segmentierungsverhiltnisse wie etwa No. 6. Eine Figur ist von diesem Fall nicht gegeben. 10) Big? 2)" All) terrestris’) K.-Nr: 263. Vorn 12 Segmente abgeschnitten am 13. XI. 94. Dafiir 7 regeneriert, das vorderste gréfer als die folgenden, alle normal. Besitzt zugleich regeneriertes Hinterende, an dem sich 2 Segment- anomalien zeigen. SchlieBlich sei nochmals an jene Beobachtung erinnert (siehe Versuche im Thermostaten, All. foetida), wo an Stelle eines mit Anomalie versehenen Teiles ein vollkommen normales Regenerat auftrat. Wir miissen noch mit einem Wort auf jene Vorkommnisse ein- treten, wo Verdoppelung ganzer Korperteile bei Lumbriciden beobachtet wurde, weil solche Abnormitéten auch mit der Regene- ration in Verbindung gebracht werden. FrienD (25) hat die dariiber bestehende Litteratur zusammen- gestellt, WriLramson (60) bespricht die Falle ausfiihrlich und fiihrt selbst ein Beispiel von Verdoppelung der hinteren Kérperhilfte bei Lumbricus terrestris (?) an. Er tritt auf die 3 Méglichkeiten ein, dali diese Mifbildung schon beim Embryo aufgetreten, daf sie das Produkt einer spateren Lingsteilung des Hinterendes oder das Resultat einer seitlichen Knospung sei. Er entscheidet sich fir keine dieser Erklarungen mit Bestimmtheit. ANprEws (1) beschreibt 2 Falle von Bifurkation in der Nahe des Hinterendes bei All. foetida. Er macht zunaichst darauf aufmerksam, wie selten solche Abnormitaéten auftreten. Das eine Exemplar war 276 Karl Hescheler, unter 480 Individuen das einzige seiner Art, das andere unter 560 Wiirmern. Der zweite dieser Fille ist von besonderem Interesse, weil die abnorme Bildung an einem héchst wahrscheinlich regene- rierten Abschnitte des K6rpers auftritt; dafiir sprechen die engeren Segmente und die vielen Segmentanomalien in diesem Teile. An- DREWS lat zwar auch der Auffassung Raum, daf eine nicht nor- male Ausbildung bei diesem Exemplar schon zur Embryonalzeit erfolgt sei. Das eine Schwanzende, das iibrigens eher einem seit- lichen Anhang gleich sieht, entbehrt in dem vorliegenden Falle des Darmrohres. Es mu besonders betont werden, daf dieser Anhang nicht an der Stelle sitzt, wo das vermutliche Regenerat beginnt, sondern weiter hinten, daf er also erst im Verlaufe der Regeneration und nicht in direkter Folge einer durch ihre Form die Bifurkation hervorrufenden Verletzung entstanden ist. ANDREWS glaubt, dafi Regenerationserscheinungen bei den meisten derartigen Fallen die Hauptrolle spielen. Er hat Experi- mente ausgefiihrt, um solche MiSbildungen zu erzeugen, allein alle ohne Erfolg. Dennoch halt er seine Ansicht fiir richtig, weil eben jene Falle sehr selten sind, wahrend Regeneration des Hinterendes auSerordentlich haufig vorkommt. Ich schlieSe mich dieser Ansicht an und erinnere daran, dai ich bei allen Operationen, die eine solche abnorme Regeneration des Hinterendes bezweckten, Selbstamputation beobachtete. Nun kann ja diese einmal ausbleiben und in der Folge dann eine jener seltenen Bifurkationen entstehen ; andererseits ist auch méglich, daf solche gréfere Abnormitaéten wie die einfachen Segmentanomalien relativ leichter im Verlaufe der Regeneration auftreten; die Art der Verletzung bleibt in diesem Falle ohne bestimmenden Kinflu’. Freilich ist bei dieser letzten Annahme fiir die Erklarung der eigentlichen Ursache der Stérung gar nichts oder nur wenig gewonnen '). Den Verlauf der Regeneration am Vorderende des Regenwurmes hat Miss Fretpe (20) folgendermafen beschrieben : 1) A union of the outer coat of the body with the lining of the alimentary canal, roughly healing the wound. 1) Es ist nicht ohne Interesse zu wissen, dass Bitow bei Lumbri- culus solche Doppelschwinze bei der Regeneration hat entstehen sehen, Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 277 2) A prolongation of these coats, forming a translucent white tube which could be protruded and retracted into the projecting border of the wound. This tube was at first a third or a half of the diameter of the body. 3) The formation of the lip or proboscis on the superior side of the end of the tube. 4) Segmentation proceeding from the anterior end of the re- generated part backward, until the normal number of segments were reproduced. 5) The deposit of coloring matter in the epidermis of the new segments, and their enlargement to the diameter of the old segments. Abgesehen von der Angabe, daf§ die normale Zahl der Seg- mente regeneriert werde, sind diese Beobachtungen sonst wohl zu- treffend. Ich kann bestiatigen, da immer zuerst die Proboscis gebildet wird, bevor die Segmentierung eintritt; dal die letztere von vorn nach hinten vor sich geht, so daf das dem alten Teile zunichst liegende Segment das jiingste ist, scheint mir wahr- scheinlich, allein mit voller Sicherheit kann diese Frage erst an Hand von Schnittpraparaten entschieden werden; ich unterlasse es deshalb, mich dariiber zu dufern und weise die Beantwortung in jenen Teil, in welchem von histo- und organogenetischen Vor- gangen die Rede sein soll. Wir wollen davon absehen, auf die Theorien, die an die Probleme der Regeneration gekniipft worden sind, einzutreten ; das vorliegende Material bietet zu wenig Gelegenheit, neue Gesichts- punkte hervorzuheben. Doch will ich nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, wie gerade die Gruppe der Oligochaeten imstande ist, uns reichlich Material zu liefern zur Beurteilung der von Lane (32) und vy. Kennex (31) vertretenen und wohl all- gemein angenommenen Ansicht, daf das Regenerationsvermégen als Anpassungserscheinung und in naher Beziehung zur unge- schlechtlichen Fortpflanzung stehend aufzufassen sei; auch die Frage, welche Beziehungen zwischen systematischer Stellung einer Art und ihrem Regenerationsvermégen bestehen, ein Punkt, der erst kiirzlich wieder von Nusspaum (41) und Logs (33) diskutiert worden ist, wird dabei ihre Wiirdigung finden. 278 Karl Hescheler, v. KENNEL hat eine Serie von Oligochiten zusammengestellt, anfangend mit Lumbriculus, die in steigender Reihenfolge Ein- richtungen zur Erleichterung der Teilungsvorginge zeigen, und in dhnlicher Weise gruppiert RanpoLtpH (45) Lumbricus, Tu- bifex, Lumbriculus, Nais, bei denen wir mit Riicksicht auf die histogenetischen Vorgiinge bei der Regeneration ein sich mit der Reihe fortlaufend steigerndes Vermégen antreffen. So ist wohl kein Zweifel, dafi auch fiir die auferen Vorginge eine aihnliche Serie vorhanden sein wird; mit Lumbriculus haben wir schon ein Stadium erreicht, wo reine Regenerations- und eigent- liche Fortpflanzungserscheinungen schwer zu scheiden sind. Es liegt nun auf der Hand, daf durch weitere Einschiebung von Awischenstadien und genaue Untersuchung derselben nach den verschiedensten Richtungen hin unsere Auffassung von der Phylo- genese der Regeneration und ihrer Beziehungen zur ungeschlecht- lichen Fortpflanzung eine wertvolle Verbreiterung und Vertiefung erfahren wiirde. In dieser Hinsicht ist aber noch viel zu arbeiten. Es sei nur der schon einige Male erwihnte Criodrilus lacuum angefiihrt, tiber dessen Regenerationsvermégen unsere Unkenntnis eine grofe ist, und doch wiirde diese Form vor allem des Interes- santen genug bieten. Seine nahe Verwandtschaft mit den eigent- lichen Lumbriciden auf der einen, das bei ihm viel starker ent- wickelte Regenerationsvermégen auf der anderen Seite sprechen dafiir. Dann vor allem auch Tubifex, tiber den in der Beziehung eingehende Untersuchungen durchaus fehlen. D’UpEKrm (53) schreibt in seiner ,,Histoire naturelle du Tubifex des ruisseaux“, die iibrigens schon 1855 publiziert wurde: ,,On n’observe pas chez les Tubifex rivulorum des reproductions par bourgeons. La re- production par scission naturelle ou artificielle n’a pas lieu non plus du moins d’une maniére compléte, c’est-a-dire que les deux parties d’un animal divisé ne redeviennent plus chacune un ani- mal complet. Il n’y a que la partie qui porte la‘ téte qui continue a vivre; et a la place de la partie divisée, il en recoit une autre. La partie privée de la téte continue 4 vivre pendant assez long- temps apres la scission, mais sans former de nouveaux segments céphaliques. Sous ce rapport, les Tubifex s’éloignent beaucoup des Lumbriculus, que l’on peut diviser 4 l’infini et toujours les diffé- rentes parties redeviennent des animaux complets.“ Demnach ware das Regenerationsvermégen bei Tubifex weniger ausgepragt als bei den eigentlichen Regenwiirmern, wahrend nach RANDOLPH’s Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 279 Angabe jene Form, was die histologischen Vorginge anbetrifft, fiir die Regeneration weit besser angepaSt ist als diese. Eine ge- naue Untersuchung scheint hier also sehr geboten. Die Frage, wie sich das Regenerationsvermégen zur systema- tischen Stellung einer Form verhiilt, diirfte wohl auch mit mehr Erfolg innerhalb einer kleineren Gruppe studiert werden. Lors (33) auBert sich, nachdem er darauf hingewiesen, wie sich in jeder Abteilung des Tierreiches Arten mit gréferem oder geringerem Regenerationsvermégen finden, dariiher folgendermafen: ,,Will man also die Regenerationsfihigkeit der Tiere fiir phylogenetische Zwecke verwerten, so darf das nur in Bezug auf die Angehérigen ein und derselben gréferen morphologischen Gruppe geschehen.“ Zusammenfassung. 1) Die Versuche erstrecken sich iiber Lumbricus rubellus. und Herculeus, Allolobophora foetida, terrestris und caliginosa. Die Mehrzahl bezieht sich auf All. terrestris. (Bestimmt nach Rosa, 48). 2) Die Regenwiirmer. (alle angefiihrten Arten plus All. chlo- rotica) zeigen Selbstamputation. In keinem der zur Beobachtung gelangten Falle trat dieselbe im vorderen Teile des Kérpers ein. Beziehung zur Regeneration. 3) Das Vorderende wird nur in beschranktem Mafe regene- riert. EKinmal tritt sichere Regeneration nur bei Abnahme ganz weniger Segmente ein; schon vom Verlust von 9 Segmenten an nimmt das Regenerationsvermégen schnell ab. Deutliche, seg- mentierte Regenerate wurden blof bei Abnahme von 15 Segmenten noch beobachtet. Bei Verlust gréSerer vorderer Partien traten noch ausnahmsweise Regenerationsknospen auf, die sich aber nicht weiter entwickelten. Eine bestimmte Grenze fiir die Regeneration des Kopfes existiert daher nicht. Dies gilt in erster Linie fir All. terrestris und mit grofer Wahrscheinlichkeit fiir die anderen angefiihrten Species. Die letzteren regenerieren sicher wenige vordere Segmente wieder. Fiir alle Arten wurde festgestellt, daf schon von der Abnahme von 4 Segmenten an stets eine geringere Zahl regeneriert wird, als abgeschnitten worden waren, ohne daf bei dieser Beschrankung eine progressive Zunahme bei steigendem Verlust an Segmenten bemerkbar ist. Gewohnlich werden etwa 4 regeneriert. 280 Karl Hescheler, 4) Die Regeneration des Hinterendes geht viel leichter vor sich, wie die zahlreichen Funde von Individuen mit regeneriertem Schwanze beweisen. Dennoch wurden bei den Versuchen relativ wenig Falle solcher Regenerationen beobachtet. Eine bestimmte Grenze dieses Vermégens kann deshalb nicht angegeben werden. Nach alteren Angaben vermégen wenige vordere Segmente (ca. 20) ein neues Hinterende zu erzeugen. Die Regeneration des Schwanzes geht, wie schon BONNET beobachtet hat, auf andere Weise vor sich, als die des Vorder- endes. Es tritt das Regenerat als langes, diinnes Anhangsel mit vielen Segmenten plétzlich auf. Die Beobachtungen sprechen da- fiir, daf’ diese Art der Regeneration vor allem in der warmeren Jahreszeit stattfindet. Ob daneben noch eine langsame Neu- bildung von hinteren Segmenten vorkommt, kann nicht sicher ent- schieden werden. Alle Falle, die zur Priifung dieser Frage heran- gezogen wurden, sprachen fiir das Gegenteil. 5) Regeneration am Vorder- und Hinterende ist unabhangig von einander ; es kénnen beide gleichzeitig vor sich gehen. 6) Auf schiefe Schnitte erfolgt hinten Selbstamputation, vorn Regeneration von der schiefen Schnittflache aus unter Erganzung der angeschnittenen Segmente. Es gilt. hier die von BARFURTH aufgestellte Regel: die Achse des Regenerationsstiickes steht senk- recht auf der Schnittebene. 7) Der Einfluf verschiedener Faktoren auf die Geschwindig- keit der Regeneration, konstatiert an Hand von Regeneraten des Vorderendes, zeigt sich folgendermafen: a) Die Species bedingt im Sommer einen Unterschied in der Geschwindigkeit der Regeneration; All. foetida regeneriert von den untersuchten Arten am schnellsten, im Winter verwischen sich. diese Differenzen, wenigstens was den weiteren Verlauf der Neu- bildung anbetrifft. b) Die Jahreszeit zeigt einen wesentlichen Einfluf ; im Sommer regenerieren alle Arten schneller als im Winter. Die Temperatur spielt dabei eine Hauptrolle; doch ist sie nicht der einzige in Be- tracht kommende Faktor (Versuche im Thermostaten). c) Es ruft keinen wesentlichen Unterschied in der Geschwindig- keit der Regeneration hervor, ob 4 oder 8 vorderste Segmente abgeschnitten werden; dagegen verlangsamt sich, vom Verluste von etwa 9 Segmenten an, die Geschwindigkeit ungefahr proportional der GréBe des abgeschnittenen Stiickes und zugleich tritt von da an eine auffallige individuelle Variation in den _ beztiglichen Zahlen ein. Uber Regenerationsvorgiinge bei Lumbriciden. 281 d) Junge Tiere regenerieren im Sommer schneller als alte, wihrend der Winter hier auch die Differenzen ausgleicht. 8) Mehrmalige Regeneration des Kopfes wurde bei allen Species beobachtet, im Maximum 5mal bei einer All. foetida. Dabei tritt mit der zunehmenden Zahl der Operationen eine steigende Verlangsamung des Regenerationsprozesses ein; der Um- fang des Vermégens, was die Zahl der Segmente betrifft, nimmt dagegen im allgemeinen nicht ab. Regenerate kénnen ebenso gut aus schon regeneriertem Gewebe hervorgehen; hierbei kann sich das Regenerationsvermégen sogar steigern. 9) Die Thatsache, daf am Vorderende stets weniger Segmente erzeugt werden als abgeschnitten worden waren, spricht dafiir, dab in den meisten Fallen keine Geschlechtsorgane regeneriert werden, da die neuen Segmente den vordersten entsprechen. 10) Es treten in den Regeneraten haufig Anomalien der Seg- mentierung auf, was mit der von Morgan geduferten Ansicht im Kinklang steht, daf solche Fille zu einem grofen Teile bei der Regeneration sich zeigen. Auch die Verschiebung der mannlichen Geschlechtséffnungen wird durch die unter 9 beriihrte Thatsache erklart. Nachtrag. Das Manuskript war beinahe fertig gestellt, als mir durch die Giite des Herrn Professor MorGan (36) seine neueste Ar- beit ,,A study of metamerism“ zukam. Wenn Mora@an auch die Regeneration der Regenwiirmer nicht zum Ziele seiner Unter- suchung gemacht hat, sondern die darauf sich beziehenden Unter- suchungen mehr zum Zwecke des Studiums anderer Fragen an- stellte, so sind doch die betreffenden Versuche zum Teil viel weit- gehender als die meinigen. Zu meinem Vergniigen konnte ich aber konstatieren, daf} meine Resultate sich mit jenen in grofer Ubereinstimmung befinden. Ich will auf diese umfassende Arbeit Morean’s nicht naher eintreten (sie ist iibrigens wohl jedem leicht zuganglich), sondern nur jene Punkte beriihren, auf die ich auch bei meinen Untersuchungen aufmerksam gemacht habe. In weiterer Ausfithrung seiner in der friiher citierten Arbeit niedergelegten Ideen iiber die Segmentanomalien giebt Morgan eine genaue Kinteilung aller vorkommenden Fille. Man wird die von mir beschriebenen Abnormititen leicht in die von ihm auf- Bd, XXX, N, F. XXIil, 19 282 Karl Hescheler, gestellten Kategorien einreihen kénnen. Dabei hat er den irre- fiihrenden Ausdruck ,,split metamere‘’ durch den den Thatsachen mehr entsprechenden ,compound metamere* ersetzt. Zu dem Kapitel ,,Variations in the position of the reproductive organs“ bietet der von mir angefiihrte Fall einer beidseitigen Ver- doppelung der minnlichen Geschlechtséffnungen, was er, so viel ich sehe, nie beobachtet hat, eine Ergainzung. Auch die von mir beobachteten Falle sprechen dafiir, da8 die von MorGan weiter ausgefiihrte Ansicht richtig, daf das Auftreten von Abnormititen in den Regeneraten in keiner Weise durch Vererbung beeinfluBt werde (S. 423). Der oben erwihnte Fall, da’ ein Regenerat des Kopfes keine Segmentanomalie zeigte, wihrend am abgeschnittenen Teile eine solche auftrat, sei bei der Gelegenheit nochmals an- gezogen. Der Autor konstatiert, da8 bei regenerierten Hinterenden Ab- normitiaten nur da fehlten, wo wenig Segmente neu gebildet wurden ; ich habe darauf aufmerksam gemacht, daf bei regenerierten Vorder- enden die Segmentanomalien am hiufigsten sind in Fillen, wo die meisten Segmente auftraten. Das Kapitel ,, Regeneration in earthworms“ interessiert uns aber vor allem. ,,There were several main problems that I wished to work out. First, the extent to which the earthworm could regenerate; secondly, the number of new segments that would reappear in the anterior end after the removal of a definite number ; thirdly, the presence or absence of abnormalities in the regenerated anterior segments.‘ Die Resultate sind, wie schon angefiihrt, iibereinstimmend mit den meinigen. Es werden fast immer weniger Segmente regeneriert, als abgeschnitten wurden, nur wenn 2 oder 3 Segmente verloren gingen (Beobachtungen, die bei meinen Untersuchungen fehlen), wurden bei 2 jedesmal, bei 3 gewohnlich alle ersetzt. Eine be- stimmte Grenze des Regenerationsvermégens fiir den Ersatz vorderer Partien konnte MorGan auch nicht feststellen. Doch hatten seine Versuche mehr Erfolg als die hier beschriebenen. Wahrend ich hinter dem 15. Segmente keine segmentierten Re- generate, sondern nur noch kleine Knospen beobachtete, fand er einen Wurm, der vom 20. Segment aus 4 oder 5 Segmente, einen, dem 30—40 vorderste Segmente fehlten, der 31/, Segmente re- generiert hatte, und schlieflich wird ein Fall erwahnt, wo bei einem mutmaflichen Verlust von 35—40 vorderen Segmenten 15 oder mehr sich neu bildeten. Uber Regenerationsvorgiinge bei Lumbriciden. 283 Nun muf vor allem darauf hingewiesen werden, da Morcan alle Versuche an All. foetida anstellte, wihrend ich in erster Linie All. terrestris verwendete. Dennoch glaube ich nicht weit fehl gegangen zu sein, wenn ich oben betonte, daf der Um- fang des Regenerationsvermégens fiir den Ersatz des Kopfes bei den tiberhaupt in den Kreis meiner Untersuchung gezogenen Spe- cies (und dazu gehérte auch All. foetida) kein wesentlich ver- schiedener sei. Alle diese Fille, welche soeben erwahnt wurden, stellen eben nur Ausnahmen dar und Mor@an sagt ausdriicklich: » lhe tables show that posterior to the twelfth segment the power of regeneration rapidly decreases. Worms that have lost more segments than this number may live for some time and heal up the wound, or even regenerate imperfectly. But sooner or later the majority of these die.“ Andererseits folgt auch hieraus wieder, dafi man ein grofes Unrecht begeht, wenn man jene Angaben alter Autoren, da8 die beiden Halften eines ungefihr in der Mitte ent- zweigeschnittenen Wurmes sich beide wieder erginzen, ohne wei- teres als unwahr bezeichnet. Mora@an hat auch vordere Segmente schief abgeschnitten und kommt zum Schlusse, daf das Vermégen, angeschnittene Segmente wieder zu erginzen, weit gréfer ist als das, ganze Segmente zu regenerieren. Seine Beobachtung, da’ das Regenerat im rechten Winkel aus der Schnittebene heraustritt, kann ich, wie wir ge- sehen haben, nur bestatigen. Vordere Partien, bestehend aus wenigen bis etwa 30 Segmenten, sterben, ohne zu regenerieren, nach kirzerer oder laingerer Zeit; einmal regenerierten aber 24 vorderste Segmente ein Schwanz- stiick von 1/, Zoll Linge. (Vergleiche damit die Angaben 4lterer Autoren am Schlusse des historischen Teiles meiner Arbeit.) Ferner ist noch nachzutragen, da8 sich in dem neuesten Werk von Yves Dre“aGeE (18) ,,Sur lHérédité eine Anmerkung findet (S. 97), welche beweist, daf dieser Forscher bei den Regen- wiirmern auch Selbstamputation beobachtet hat. Er sagt: ,,J’ai constaté que les vers de terre, sectionnés longitudinalement ou obliquement, éliminent la partie oblique par une section spon- tanée transversale passant par l’extrémité proximale de la blessure et régénérent ensuite le fragment entier.“ 19'* 284 Karl Hescheler, Litteraturverzeichnis. 1) Anprews, E. A., Some abnormal Annelids. Quart. Journ. of Micr. Se., Vol. XXXVI, 1894, p. 435—460. 2) BarrurtH, D., Versuche zur funktionellen Anpassung. Archiv f. mikr, Anat., Bd. 37, 1891, p. 392—405. 3) — Regeneration. Erg. d. Anat. u. Entwicklgsg., Bd. 1—3, 1891—93. 4) Baupetor, De la régénération de |’extrémité céphalique chez le Lombric terrestre. Bull. de la Soc. des sc. nat. de Strasbourg, No. 4, 1869, p. 54—57. 5) Bepparp, F. E., A monograph of the order of Oligochaeta. Ox- ford 1895. 6) Brren, R. S., Vorlesungen iiber allgemeine Embryologie. Wies- baden 1895. yi) DE Brainvitte, M. H. D., Dictionnaire des sciences naturelles. Tom. 27, 1828. Article Lombric: ,,On a tenté sur eux des expériences sur la reproduction: quelques auteurs disent méme avoir vu que les deux moitiés d’un lombric coupé en deux deviennent un animal complet. Cela peut se concevoir pour la moitié antérieure parce- quelle contient presque toutes les parties essentielles de |’orga- nisation, et quil n’y a pour ainsi dire qu’un anus 4 se former; mais il n’est pas problable que la moitié postérieure puisse réparer la perte de l’estomac, des organes de la génération ect.“ 8) Bonnet, Cu., Traité d’insectologie. Seconde partie: Observations sur quelques espéces de vers d’eau douce, qui coupés par mor- ceaux, deviennent autant d’animaux complets. Paris 1745. ., 9) — — Oeuvres d’histoire naturelle et de philosophie. Neuchatel 1779—1788. Tome I. Traité d’insectologie, p. 242. Tome III. Considérations sur les corps organisés. Prem. Part. Chap. IV, p. 21, Chap. XI, p. 151, Sec. Part. Chap. I, p. 218. Tome IV, Contemplation de la nature, Partie VII, Chap. VIII, p. 264, Part. IX, Chap. II, p. 10. Tome V, Lettres 4 M. l’abbé Spat- Lanzani, L. IV, p.' 20, L. VY, p. 389. 10) Bosc, L. A. G., Histoire naturelle des Vers, 1827, T. I, p. 128 u. 215. Citiert von Ducks u. a. War fir mich nicht erhialtlich. 11) Bucwanan, Fx., Peculiarities in the segmentation of certain Poly- chaetes. Quart. Journ. of Mier. Se., Vol. XXXIV, 1898, p. 529—544. 12) 13) 14) 15) 16) 17) / 28) 29) Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 285 Biitow, C., Uber Teilungs- und Regenerationsvorginge bei Wiirmern (Lumbriculus variegatus G.). Archiv f, Naturg. v. Wureemann, Jahrg. 49, 1883, Bd. 1, p. 1—96. CautteRy, M., Contributions a l’ctude des Ascidies composées. Bull. scient. de la France et de la Belg., Tom. XXVII, 1895. Speciell S, 112 u. ff. Craparipr, E., Les Annélides chétopodes du golfe de Naples. Mém. de la soc. phys. et @hist. nat. de Genéve, T. 19, 1868, 8. 340. Litteraturangaben iiber Regeneration bei Lumbricus und eigene Beobachtungen an marinen Wiirmern. Cotttn, A., Criodrilus lacuum Horrm. Ein Beitrag zur Kenntnis der Oligochaeten. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd, 46, 1888, S. 471— 497. Cori, ©. J., Uber Anomalien der Segmentierung bei Anneliden und deren Bedeutung fiir die Theorie der Metamerie. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 54, 1892, S, 569—578. Darwin, Cu., Die Bildung der Ackererde durch die Thitigkeit der Wiirmer. Ubersetzt von J. V. Carus, 1882. Detace, Yves, La structure du protoplasma et les théories sur Vhérédité. Paris 1895, p. 97. Ducts, A., Recherches sur la circulation, la respiration et la re- production des Annélides abranches. Annal. d. sc. nat. T. XV, 1828. Spec. 8. 316 u. ff. Fretpg, A. M., Observations on tenacity of life and regeneration of excised parts in Lumbricus terrestris. Proceed. of the Acad. of nat. sc. of Philadelphia, 1885, .p. 20. FraissE, P., Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbeltieren. Cassel u. Berlin 1885, Freperice, L., L’autotomie ou la mutilation active dans le regne animal. Bull. de l’Acad. roy, de Belgique, 3° sér. T. XXVI, 1893, p. 758—772. Frenzet, J., Uber die Selbstverstiimmelung (Autotomie) der Tiere. Priieer’s Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 50, 1891, S. 191—214. Frrepianper, B., Beitraége zur Physiologie des Centralnervensystems und des Bewegungsmechanismus der Regenwiirmer. Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 58, 1894, p. 168—206. Frrenp, H., Hare-lip in earthworms. Nature, 2. Febr. 1893, p. 316, Grnannt, Lettere intorno alla recente scoperta degl’ Insetti che si moltiplicano mediante le sezioni de’ loro corpi. Raccolta d’opuscoli scientifici e filologici (Angelo Calogiera), Tomo 37, Venezia 1747, p. 255. Grass, E. §., Lumbricorum terrestrium Regeneratio, Acta Ac. Nat. Curios., 1689, p. 202. Von eigentlicher Regeneration nicht die Rede; alchemistisches Zeug. Horrmetster, W., Die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwiirmer. Braunschweig 1845, Horst, R., Het Herstellingsvermogen der Dieren. Tijdsch. d. Neder]. dierkund, Vereenig., Deel VI, Leiden 1882—85, p. 39. a 286 Karl Hescheler, 30) Horst R., Het Herstellingsvermogen van Lumbricus. Tijdschr. d. Nederl. dierk. Vereenig., 2. Serie, Deel I, 1885—87, p. XXXII. 31) Kennet, J. v., Uber Teilung und Knospung der Tiere. Dorpat 1888. 32) Lane, ARNOLD, Uber den Einflu8 der festsitzenden Lebensweise auf die Tiere. Jena 1888, 33) Loxs, J., Bemerkungen iiber Regeneration. Arch. f. Entwicklgsmech., II. Bd., 2. Heft, 1895, p. 250—256. 34) Mitne-Epwarps, H., Lecons sur la physiologie et |’anatomie com- parée de l’homme et des animaux, Tome VIII, Paris 1863, 72. legon, p. 299. 35) Morean, T. H., Spiral modification of metamerism. Journ. of Morph., Vol. VII, 1892, p. 245—-251. 36) — — A study of metamerism. Quart. Journ. of micr. Sc., Vol. XXXVII, 1895, p. 395—476. 37) Mitrer, O. F., Von den Wiirmern des siifen und salzigen Wassers. Kopenhagen 1771. p- 42 Anm. 18: ,,Man darf sicher schliefSen, dag diejenigen Thiere, an denen wir das Vermégen die verlohrenen Glieder durch neue zu ersetzen, bemerken, solche manchmal durch einen oder anderen Zufall verlieren; so wie man Ursache hat zu vermuthen, daf die man bey zerstiimmelten Gliedern noch am Leben findet, ein solches Vermégen besitzen. Ich habe einige der Arten, welche auf Kosten ihrer Glieder den unersittlichen Geist unserer Naturforscher unterhalten, in ihrer Freyheit und ohne da’ Men- schen-Hinde es hatten thun kénnen, zerstiimmelt gefunden: Ey- dechsen, die den Schwanz, Schnecken, die das eine Horn, Regen- wirmer, die den hinteren Theil, und Naiden, die den Kopf ver- miBten.‘ 38) — — Vermium terrestrium et fluviatilium historia. 1773. II. Teil, p. 11: ,,Partium amissarum et mutilatarum redintegratio, quam in Infusoriis aegre experiri licet, Helminthicis et Testaceis vulgaris est. In uno tamen genere difficilius quam in altero procedit, species quoque ejusdem generis amissas partes facilius aut difficilius restituunt, quin etiam partes ejusdem speciei non aeque facile pullulant. Sic in Naide quavis pars amissa intra paucas horas restituitur, in Lumbrico post plures dies, in L. ter- restri vix antica pars, in L. variegato utraque, si vel vicies trans- secetur “ 39) Murray, A. J. G., Observationes de Lumbricorum setis. Got- tingae 1769 oder Opuscula, Bd. II, 1785—86. Enthalt nichts tiber Regenerationsvorginge bei Regenwiirmern trotz gegenteiliger Angabe von Mintnr-Epwarps. Ebensowenig war etwas in dieser Richtung in folgenden Arbeiten Murray's zu finden: Commentatio de redintegratione partium corporis animalis nexu suo solutarum vel amissarum. Gottingae 1787. De redin- tegratione partium cochleis limacibusque praecisarum. Opuscula, Bd. I. 40) Newrort, G., On the reproduction of lost parts in Earthworms. Proc. of the Linn. Soc, London, Vol. II, 1853, p. 256. 41) 42) 48) 44) Ad) 46) Al) 48) 49) 50) 51) Uber Regenerationsvorgiinge bei Lumbriciden. 287 Nusspaum, M., Die mit der Entwickelung fortschreitende Differen- zierung der Zellen. Sitz.-Ber. der niederrhein. Ges. f, Natur- u Heilkunde, Bonn 1894, p. 81—94. Orgtey, L., Morphological and biological observations on Criodri- lus lacuum Horrmetster, Quart. Journ. of micr. Sc., Vol. XX VII, 1887, p. 551—560. Perrier, Ep., Etudes sur l’organisation des Lombriciens terrestres. Arch. de zool. expér. et. gén., T. III, 1874, p. 331—530. QuatreFackEs, A. pr, Histoire naturelle des Annélés marins et d’eau douce. Paris 1865, T, I, p. 124. Ranpoten, H., The regeneration of the tail in Lumbriculus. Journ. of Morph., Vol. VII, 1892, p. 317—344. Reaumor, R. A. pg, Mémoires pour servir a |’histoire des Insectes. T. VI, Préface. Paris 1742. (Fiir diese Arbeit lag die Ausgabe von Amsterdam 1748 vor.) Reni, F., Opusculorum pars tertia sive de animalculis vivis quae in corporibus animalium vivyorum reperiuntur observationes, Lugduni Batavorum 1729. Rosa, D., Revisione dei Lumbricidi. Mem. Accad, Torino, T. XLII, 1893, p- 399—476. SANGIOVANNI, Uber die Reproduction des Regenwurms. Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde von Frorizp, VII. Bd., 1824. SpaLtanzani, L., Prodromo di un opera da imprimersi sopra le riproduzioni animali. Modena 1768. Citiert nach der franz. Ubersetzung: Programme ou précis d'un ouvrage sur les repro- ductions animales; traduit de lItalien par M. B.... de la Sabionne, Geneve 1768. Chap. II. Reproduction du ver-de-terre. Tourpes, J., Notices sur la vie litteraire de Spatnanzani. 2. édit. Milan 1800. 8. 30 Anm. ,,Prodromo ect....Cet opuscule, qu'on a traduit en francais, en allemand et en anglais, nest qu’un précis d’un grand ouvrage que SpaLLaNzaNI se proposait de donner sur les reproductions animales. Quoiqu’il l’ait plusieurs fois annoncé, ne la jamais publié. Je lui en demandai un jour les motifs; il me répondit que les détails et les éclaircissements de son ami Bonnet avalent rendu son écrit inutile et superflu.“ TreMBLEY, A., Mémoires pour servir a l’histoire d’un genre de polypes d’eau douce a bras en forme de cornes. Leide 1744. D’Uprxem, J., Histoire naturelle du Tubifex des ruisseaux. Mém. cour. et mém. des sav. étr. publ. p. l’acad. roy. Belg., T. XXVI, 1855, Speciell p. 32. VatxisNeRI, A., Sopra alcuni reproduzioni de Lombrichi terrestri. Diese Arbeit war trotz vielseitiger Bemiithungen nicht aufzu- finden; sie wird iibrigens auch in der Bibliotheca zoologica (Carus und EncEtmann) nicht citiert; dagegen findet sich bei SpaLLanzanI obige Angabe und, wohl als blofe Kopie hiervon, auch bei Mitne-Epwarps, Wahrscheinlich wurde das Manuskript, das SpaLLanzANI zugianglich war, nie gedruckt. Es handelt sich 288 Karl Hescheler, dabei offenbar um den bei Vanpgtius angefiihrten A. VALLISNERI ; denn der altere und bekanntere A. VatuisneRI starb 1730, wah- rend SpALLANZANI von dem in Frage kommenden sagt, dak er »1768 professeur actuel d’histoire naturelle 4 Padoue“ gewesen. 55) Vatmont pE Bomarg, Dictionnaire raisonné universel d’histoire naturelle, Vol. VI, 1775. Article: Ver de terre, p. 421. Die erste Auflage (1769) enthalt nichts iiber seine eigenen Versuche. 56) Vanpetit Dominici (Vanpexr1), Dissertationes tres. Patavii 1758, Diss. III. De vermium seu Lumbricorum terrae reproductione. 57) Voer, C., Vorlesungen iiber niitzliche und schadliche, verkannte und verliumdete Tiere. Leipzig 1864. S. 91: ,,Eines Vorurteiles mu8 ich hier noch erwahnen. Gartner haben mir 6fters Regenwiirmer gezeigt, an deren Leib der so0- genannte Giirtel, ein roter, mehrere Linien breiter Ring, besonders angeschwollen war. ,,,,Da sehen Sie, der ist gewif mit dem Spaten mitten voneinander geschnitten worden und wieder zu- sammengeheilt.“‘“ Ich wei nicht, ob Regenwiirmer, wie andere niedere Tiere, einen verlorenen Teil wieder zu ersetzen vermégen ; es liegen keine weiteren Erfahrungen dariiber vor. Aber das weifi ein jeder Naturforscher, dafS jeder Regenwurm einen solchen Giirtel besitzt, der besonders zur Begattungszeit stark anschwillt und in dem Fortpflanzungsgeschift eine wesentliche Rolle spielt. So viel Hunderte von Wiirmern auch bei dem Umgraben eines Gartenbeetes zerschnitten werden, so habe ich doch nie einen vernarbten oder in der Reproduktion begriffenen Wurm gefunden und glaube deshalb, dai die getrennten Teile sehr bald sterben upd zu Grunde gehen.“ 58) Weismann, A., Das Keimplasma, eine Theorie der Vererbung. Jena 1892. 59) Witurams, Tu., Report on the British Annelida. Report of the 21. Meeting of the Brit. assoc. for the advanc. of Se. 1851. London 1852, p. 247. 60) Wrutramson, H. C., On a bifid earthworm. The ann. and mag. of nat. hist., Vol. 13, Marz 1894, p. 217. 61) Writxis, Toomaz, Opera omnia, Genevae 1676. V. De anima brutorum. Cap. III, p. 20. Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. 289 Figurenerklarung. Tafel XIV. Fig. 1. Allolobophora terrestris, K.-Nr, 174, Hinter- ende mit frischem Regenerat des Schwanzes. Von der rechten Seite. MB = mediane Borsten. SB = Seitenborsten. Lineare Vergr. 7/,. Fig. 2. Allolobophora terrestris, K-Nr. 263. Vorn 7 Segmente an Stelle von 12 regeneriert; Hinterende auch regeneriert mit Segmentanomalien (SA). Von oben. Lin. Vergr. 3/,. Fig. 3. Allolobophora foetida, K.-Nr. 151. Vorderende, regeneriert 3!/, Segmente an Stelle von 4!/,. Von oben, Lin. Vergr. 7/;. Fig. 4. Dasselbe von unten. Fig. 5. Allolobophora terrestris, K.-Nr. 159. Segment 58 auf der rechten Seite angeschnitten und wieder erganzt, davor 3 neue Segmente an Stelle von 4. Von oben. I—IIT neue Segmente, 5—9 alte. Lin. Vergr. !°/,. Fig. 6. Dasselbe von unten. Fig. 7. Allolobophora terrestris, K.-Nr. 291, Erklarung s. §. 98. Von oben. Lin. Vergr. '°/,. Fig. 8. Dasselbe von unten. Fig. 9. Dasselbe von der rechten Seite. Fig. 10. Allolobophora foetida, K.-Nr. 292. Erklarung s. §. 98. Von oben. Lin. Vergr. °/,;. Sp... = Split metamere. Fig. 11. Dasselbe von unten. Tafel XV. Fig. 12. Allolobophora terrestris, K.-Nr. 34. Regene- riert 4 Segmente an Stelle von 5, letztes rechts doppelt. Von oben. Vergr. °/,- Fig. 13. Dasselbe von unten. Fig. 14. Allolobophora foetida, K.-Nr, 180. Regene- riert 3—4 Segmente (I—IV), ,,spiral metamere“ (Spir.M.), abge- schnitten 5. Von der linken Seite. Lin. Vergr. 7/,. Fig. 15. Dasselbe von unten. 290 K. Hescheler, Uber Regenerationsvorginge bei Lumbriciden. Fig. 16. Allolobophora terrestris, K.-Nr. 155. Erklirung s. §. 273. Von unten. Lin. Vergr. 7/,. Fig. 17. Allolobophora terrestris, K.-Nr. P,. Regene- riert 4 Segmente an Stelle von 5, das 3. Segment ein ,,split me- tamere“. Die Scheidelinie der beiden Halbsegmente geht aber auf der linken Seite in die Grenzlinie zwischen III und IV iiber. Von oben. Lin. Vergr. */,. Fig. 18. Dasselbe von der linken Seite. Fig. 19. Dasselbe von unten. Fig. 20. Allolobophora terrestris, K.-Nr, 144. Erklirung s. 8. 274. Von oben. Lin. Vergr. “/,. Fig. 21. Dasselbe von der linken Seite. Fig. 22. Dasselbe von unten. Fig. 238. Allolobophora caliginosa,K.-Nr. 226. Erklérung s. 8. 274. Von oben, Lin. Vergr. °/,. Fig. 24. Dasselbe von der linken Seite. Fig, 25. Dasselbe von unten. Fig. 26. Lumbricus rubellus, K.-Nr. 60, RKegeneriert normal 4 Segmente, abgeschnitten 4. Von oben. Lin, Vergr. °/;. Fig. 27. Dasselbe von unten. Zur Kenntnis des Parablastes und der Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. Von Waclaw Berent. Mit Tafel XVI—XVIII und 4 Figuren im Text. Die ersten Entwickelungsprozesse der Knochenfische waren Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und vieler Kontroversen. Die Streitpunkte, um die es sich hier hauptsachlich handelt, treten schon in scharfer Form bei den ersten Embryologen zu Tage. Nach Cart Ernst von BAr (8) sondert sich das Blastoderm in ein seréses und ein Schleimblatt, von dem sich dann das zwischenliegende Gefafblatt differenziert. Abgesehen von dem Mechanismus dieser Sonderung 1Ja8t sich derselbe Grundgedanke bei den meisten Forschern finden; so bei RATHKE (67), REMAK (69), Rreneck (70), Stricker (75), Wert (79), OELLACHER (61), His (35), Horrmann (39), GOrrE (24), HAECKEL (26), KINGSLEY und Conn (46), ZinGLER (83), GORONOWITSCH (23), v. KOWALEWSKI (49), Ryper (72), Hennecuy (30) und Wiison (82). LEREBOULLET (54) fand unter dem Blastoderm eine proto- plasmatische feinkérnige Masse mit unregelmafig eingestreuten Kernen. Aus dieser Lage (,,feuillet muqueux von LEREBOULLET, spiter ,,Parablast‘* von Kier, ,,couche intermédiaire’ vAN Bam- BEKE’S) soll sich das Darmblatt bilden. Dieser Schilderung schlieBen sich, aufer Kuemn (47) und van BAMBEKE (6), KUPFFER (51), OwsIaAnnikow (62), vAN BenepEeN (9), Brook (13) und Lworr (59) an. Das Jahr 1894 brachte zwei Arbeiten, in welchen die beiden entgegengesetzten Standpunkte aufs energischste verteidigt werden. ZIEGLER (86) stellt seine friiheren Beobachtungen bei den Tele- ostiern und Selachiern zusammen und spricht den Dotterkernen 292 Waclaw Berent, jede Beteiligung beim Aufbau des Embryos ab. Dies soll auch als vorlaufige Mitteilung fiir die Végel gelten. Dieser Forscher hofft, daf es der Lehre iiber den Anteil der Merocyten (Dotterkerne) beim Aufbau des Embryos ebenso gehen werde, wie es der von der freien Entstehung dieser Kerne im Parablast ergangen ist: neue Beobachtungen werden ihr alle Stiitzpunkte entziehen. Gleichzeitig erschien eine Arbeit von Lworr (59), in welcher das Entoderm der Selachier und Teleostier aus dem Parablast ab- geleitet wird. Der Autor geht sogar an Hand seiner vergleichen- den Untersuchungen so weit, daf er die Bildung des Darmblattes durch Gastrulation bei allen Wirbeltieren leugnet. Was die Salmoniden im Speciellen betrifft, so sind sie, dank der Leichtigkeit, mit welcher das Material beschafft werden kann, beinahe zum klassischen Untersuchungsobjekt geworden. Eine ganze Reihe von Forschern haben Lachs und Forelle untersucht. Es seien hier von den neueren His, OrLLACcHER, KiLern, GOTTE und vor allem ZiEGLER, HorrMaNNn und HEeNNEGUY genannt. Trotz- dem blieben noch die wichtigsten Punkte streitig, und wenn man auch wenige thatsachliche Angaben zu Gunsten dieser oder jener Auffassung anfiihren kann, so ist jede in dieser Richtung aufge- nommene Untersuchung berechtigt und begriindet, zumal die Frage so eng mit der Gastrulationsfrage zusammenhangt. Ich will nicht versiumen, gleich an dieser Stelle zu bemerken, da8 ich dem bekannten Untersucher der Forellenentwickelung HENNEGUY (27—30) in vielen Punkten beipflichten muf; was aber das spatere Schicksal des Parablastes anbelangt, so lassen die HenneGuy’schen Angaben viel zu wiinschen iibrig. Beweisende Bilder der Ablésung der Zellen fehlen, und die nicht gerade ge- rechtfertigten hypothetischen Vermutungen des Autors iiber die AusstoSung nukleirer Parablastkiigelchen gaben schon Anlaf zu Mifverstandnissen. Was die Bildung des Darmblattes anbelangt, so weiche ich prinzipiell von HenNeGuy ab: erstens darin, daf ich die Forelle in der Bildung des Darmblattes nicht allen Wirbeltieren gegen- iiberstelle (was aufer HeENNEGUY auch OELLACHER [61] thut), son- dern hier wie tiberall das einschichtige (nicht 3—4-schichtige) Auf- . treten desselben behaupte; zweitens bildet sich das Darmblatt nach meiner Erfahrung nicht durch Abspaltung von der sekundaren Schicht, sondern durch sehr friihzeitige Differenzierung. Beim Studium dieser feinen Verhaltnisse kommt es sehr auf die Fixierungsmethode an. Dieselbe soll nicht nur die histo- logischen Verhaltnisse schonen, sondern auch die Zellgrenzen még- Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 293 lichst hervortreten lassen. Die hier zur Anwendung gekommene Fixierung hat, wie ich glaube, diesen Vorteil. — Die kiinstlich nach russischer Methode befruchteten und in einem gewoéhnlichen Fischbrutapparat geztichteten Forelleneier wurden in einem Ge- misch von konzentrierter wisseriger Sublimatlésung und Kisessig (80 T. konzentrierter wasseriger Sublimatlésung auf 20 T. Eisessig) fixiert, langsam in steigenden Alkohol von 30—70 Proz. iibertragen, dann im 80-proz. Jodalkohol ausgewaschen. Hier wurde die Keimscheibe sorgfaltig mit einem Rasiermesser abgeschnitten, in 80-, 90-proz. bis absoluten Alkohol iibergefiihrt, mittelst Xylols in Parafin gebracht, eingebettet und auf gewéhnliche Weise in Schnitt- serien zerlegt. Die Aufklebung der Schnittbander geschah mit destilliertem Wasser. Als Farbungsmittel (Durchfirbung und Schnittfarbung) wurden Boraxkarmin und Hamalaun gebraucht. Der letztere Farbstoff ist vorzuziehen. Sollte der umfassenden Litteratur auf entsprechende Weise Rechnung getragen werden, so wiirden die Besprechungen fremder Angaben einen viel gré8eren Raum in Anspruch nehmen, als der beschrankte Rahmen dieser Mitteilung gestattet. Um die Arbeit nicht allzu sehr mit Citaten zu tiberladen, muf ich mich nur auf eingehende Besprechung neuerer Angaben beschranken, die teils im Widerspruch zu dem hier Mitgeteilten stehen, teils als Be- kraftigung desselben dienen kénnen. Die Untersuchungen wurden im zoologischen Laboratorium der Universitat Ziirich unter Leitung des Herrn Prof. Dr. ARNOLD Lane ausgefiihrt. Dem hochgeehrten Lehrer erlaube ich mir an dieser Stelle meinen bleibenden Dank auszusprechen. Dankbar verpflichtet bin ich ferner dem Herrn Prof. Dr. Pa. Sr6HrR, welcher mir gestattete, die Serien der Forellenentwickelung aus der Samm- lung des Anatomischen Institutes zum Vergleiche zu benutzen. I. Anteil des Parablastes beim Aufbau des Embryo. Seitdem LrreBouLier (54) unter der Keimscheibe der Kno- chenfische eine feinkérnige protoplasmatische Masse mit einge- streuten Kernen entdeckt hat, gab dieselbe Anlaf zu allen még- lichen Deutungen. Es wurde schon erwihnt, da dieser Forscher und nach ihm vAN BaAmBEKE (6), Kuprrer (51), Kier (47), OwSIANNIKOW (62) und Lworr (59) das Darmblatt von dieser proto- plasmatischen Lage ableiten. vAN BENEDEN (9) und Brook (13) 294 Waclaw Berent, lassen die ganze untere Schicht (Mesoderm plus Entoderm) auf diese Weise sich bilden. Fiir Zreaurr (84), GoRoNowITscH (23), WENKENBACH (80) spielt der Parablast nur eine ernihrende Rolle. Einige altere Forscher, wie C. E. von Badr (3), Baum- GARTNER (7), Max Scuunze (76) und Fitippr (20) vermuten, da aus den Dotterkernen das Blut entstehe. C. Voa@r (78), nach welchem sich iibrigens jede Zelle des Embryo in Blutzelle um- wandeln kann, sah nach der Differenzierung der Organe eine hii- matogene Zellenlage iiber dem Dotter, die aber nicht aus Dotter entstehen soll. Kuprrer (51a) sah ferner auf dem Dotter Zellen, die sich zu Blutzellen umwandeln sollen. Diese Vermutungen glaubt in letzter Zeit Hugo Genscu (21) bestatigen zu kénnen ; er schreibt den Dotterkernen die ausschlieBliche Funktion der Blutbildung zu und beansprucht sogar fiir diese Gebilde den Namen Hamatoblasten. Uber die Genese des Parablastes verdanken wir die ersten Angaben AaGassiz und Wuitman (1), denen sich einstimmig KINGSLEY und Conn (46). v. KOWALEwSKI (49), HOFFMANN (43) in seiner letzten Arbeit, Winson (82) und Henneauy (30) ange- schlossen haben. Die Segmente, die am Anfang mit ihrer Basis im Zusammenhang mit dem Nahrungsdotter bleiben, teilen sich iiquatorial; die obere Zelle schniirt sich ab, wahrend die untere samt ihrem Kern mit dem Dotter im Zusammenhang bleibt: ein Vorgang, der sich auf der ganzen Bodenfliche der Keimscheibe (IKOWALEWSKI) oder nur an ihrem Rande abspielt. Die Ansicht iiber die endogene Entstehung der Kerne darf wohl heute als iiberwundener Standpunkt gelten *). a) Das Verhalten des Parablastes bei der Furchung. Ich beginne die Schilderung vom 3. Tage nach der Befruch- tung: Die sich furchende Keimscheibe liegt auf einer feinkérnigen 1) Nach der seltenen Einstimmigkeit betreffs dieses Punktes bei den letzten Autoren und nach den schénen und beweisenden Bildern ist es jedenfalls sonderbar, wenn Mc Intros und Prince (60) 1890 die endogene Entstehung der Kerne als méglich erachten. Sie schreiben dariiber folgendes: ,,Observations do not strongly support the view that the nuclei of the periblast migrate from the archiblast, but prob- ably they arise in the periblast itself.‘ —- Um eine ,,Migration“ handelt es sich, wie man aus dem eben Erwihnten sieht, nicht, Im iibrigen scheinen sie die Henneeuy’schen und Horrmann’schen Arbeiten (30 und 48) nicht zu kennen. Die Untersuchungen von KowaLEwskI werden zu wenig beriicksichtigt. Die Wutson’sche Arbeit ist ein Jahr spater erschienen. Parablast u. Keimbliatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 295 protoplasmatischen Masse, der vielbesprochenen intermediiren Schicht. Dieselbe ist nach unten mit Dotterpartikelchen stark iiberladen; allmahlich erhalten die Dotterpartikelchen Ubergewicht gegeniiber dem protoplasmatischen Teile; es treten grofe blasen- artige Vakuolen auf; die Dotterpartikelchen werden zu Dotter- klumpen; noch niher dem Centrum stellt der Dotter eine homo- gene, kompakte Masse dar. In der intermediaren Schicht selbst lassen sich deutlich zwei Teile unterscheiden: ein peripherer, am Rande des Eies liegender, breiter Saum und eine centrale, diinne Partie (Taf. XVI, Fig. 1). van BAamBeke und HENNEGUY haben diesen Unterschied hervorgehoben und nennen den breiten Saum , bourrelet- oder zone périphérique‘. Den diinnen centralen Teil beschreibt VAN BAMBEKE von Anfang an als eine strukturlose Lamelle, welche den Dotter von der Keimscheibe trennt. Dieses paft wohl auf das Stadium, auf welchem er die intermediiire Schicht gesehen hat, nicht aber auf friihere. Fig. 1 lift erkennen, da die centrale Partie nichts weiter ist, als ein verschmilerter Teil der Randverdickung, die genau dieselbe Struktur hat, was auch Agassiz und WuitmAN und Wirson schildern. Bei der Forelle lassen sich ferner in dem centralen Teile ruhende Kerne nachweisen, wihrend in der Randverdickung beinahe ausschlieflich Kernteilungsfiguren vorkommen. Die Mitosen stehen oft so dicht aneinander, da man die, einer jeden Spindel zukommenden, Centro- somen schwer auseinanderhalten kann (Taf. XVI, Fig. 2). Die sehr selten vorkommenden ruhenden Kerne zeigen in der Rand- verdickung strahlige Anordnung des Protoplasmas. In der intermediéren Schicht lassen sich weiter andere Ele- mente finden, die sich scharf von der kérnigen Grundmasse ab- heben und welche alle zu der Kategorie der Fett- und Dotter- konkretionen zu rechnen sind. Einige derselben wurden von den Autoren hier und da in den Abbildungen mitgezeichnet und von HrENNEGUY im ovarialen Ei eines Gymnotus beschrieben. Die- selben lassen sich auch sehr deutlich im Parablast nachweisen. Fig. 3 zeigt eine Reihe solcher Gebilde; es sind kugelige Gebilde, welche stark lichtbrechende K6érner enthalten. Die Kérner sind, wie aus dem Vergleich der unter a, b und c abgebildeten Kugeln sich ergiebt, von verschiedener Gréfe und Zahl; oft sind sie so dicht in einer Kugel zusammengehauft, daf man die Kon- turen der einzelnen nicht mehr zu unterscheiden vermag. Nicht selten sieht man auch einen Kern in der Kugel (d). — Alle diese Gebilde sind offenbar in verschiedenem Grade zusammengeflossene 296 Waclaw Berent, Fettkugeln; als solche verraten sie sich durch ihr starkes Brechungs- vermégen und ihr Verhalten gegeniiber Reagentien. Daneben kommen auch Dotterpartikelchen vor, welche sich von den tibrigen Einschliissen durch ihr mattes Aussehen, geringe Brechungsfahig- keit, sowie durch ihre intensive Farbbarkeit unterscheiden (e). Man wird sofort eine vollstindige Homologie zwischen diesen Gebilden und den von Batrour im weifen Dotter des Hiihnchens beschriebenen Elementen erkennen. Das unter e abgebildete Ge- bilde entspricht den im gelben Dotter des Hiihnchens vorgefundenen Elementen. Zur intermediaren Schicht zuriickkehrend, sei gleich erwahnt, da8 von ihrer Randverdickung hauptsachlich die Nachfurchung vor sich geht. Weder OELLACHER noch Kugtn, die die Furchung des Forelleneies studierten, haben dieselbe beobachtet; HeENNEGUY sah in seiner ,,zone périphérique’’ Erhebungen mit einem von strahliger Struktur des Protoplasmas umgebenen Kern und schlieSt mit Recht, dafi sich vom Parablast Zellen loslésen, um sich an den Keim anzuschlieBen. Direkte Ablésung, mit einer mitotischen Kernteilung verbunden, wurde bei der Forelle nicht gesehen, und doch tritt der Vorgang vielleicht noch deutlicher zu Tage, als es KowALEwsklI (49) fiir den Goldfisch und HorrmMann (43) fiir den Lachs schildern. Fig. 5 (Taf. XVI) zeigt bei der Forelle vier neben- einander liegende Zellen, die alle Stufen dieser Abfurchung er- kennen lassen. Die Abbildung spricht fiir sich selbst, so da8 ein weiteres Verweilen bei diesem Punkte itiberfliissig erscheint. Gegentiber KOwALEwsKI mu ich mit HorrmMann betonen, daf in diesem Stadium kein Unterschied zwischen den abgefurchten Zellen und den eigentlichen Blastodermzellen festzustellen ist. Zwar ist die intermediare Schicht nach unten zu dunkler und grob- kérniger, als das Protoplasma der Blastodermzellen, doch ist der Ubergang ein so allmahlicher, da8 man hier keine scharfe Grenze ziehen kann; 6fter erscheint der obere Teil einer sich abfurchen- den Zelle heller, der untere dunkler, wie tiberhaupt die Farbungs- merkmale eine sehr unbestiindige Eigenschaft waren. Ubrigens gesteht auch KOowALEwsk1 zu, da die Verschiedenheit nur sehr kurze Zeit sich bemerken laSt, und daf man spater nicht sagen kann, welche die primaire Blastodermzelle und welche die abge- furchte ist. Der Vorgang der Abfurchung ist, versteht sich, nicht auf allen Schnitten des betreffenden Stadiums zu sehen, 6fters sind auf der ganzen Lange alle Zellen vom Dotter abgelést und die neue Nachfurchung ist noch nicht vorbereitet. Am besten Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 297 sieht man den Zusammenhang der Blastodermscheibe mit der inter- mediiren Schicht und die Nachfurchung auf tangentialen Schnitten, weil man dort die Randverdickung in ihrer ganzen Ausdehnung trifft (Taf. XVI, Fig. 7 und 8). Hennecuy sah.bei der Forelle im centralen Teil kein Para- blast, sondern nur, wie VAN BAMBEKE, eine strukturlose Lamelle, welche die Segmente scharf vom Dotter trennen soll. Dieses ist indessen nicht richtig. Auf dem Stadium, das gerade der Fig. 62 von HENNEGUY entspricht, und wo die centrale Partie unter schwacher Vergréferung als strukturlose Lamelle (vAN BAMBEKE) zu sehen ist, habe ich gelegentlich Zellen gefunden, die mit breiter Basis mit dieser Lamelle im Zusammenhang Dlieben (Fig. 6). Es ist, als ob der Ubergang der intermediaren Schicht zum Dotter in dieser Zelle selbst beginne; denn ihr unterer Teil ist schon reicher an Dotterpartikelchen, als an Protoplasma. Die strahlige Anordnung derselben 1é8t sich auch nach unten zwischen den Dotterteilen verfolgen. Der Mangel an Protoplasma ist wohl die einzige Ursache, warum von hier aus sehr sparlich Zellen abge- furcht werden. Diesem Umstand schreibe ich auch zu, daf in der centralen Partie der intermediaéren Schicht nur ruhende Kerne angetroffen werden. In viel spiateren Stadien, da, wo sich die Keimblatter zu differenzieren beginnen, sieht man unter der Keimscheibe eine ziemlich starke intermediiire Schicht. Sie wird dann von der Randverdickung aus gebildet, indem sich dieselbe rasch nach dem Centrum hin ausbreitet. Dieses wurde beinahe von allen Forschern, wenn nicht beschrieben, so doch abgebildet. Eine Ausnahme macht der von M. v. KowaLewskI (49) unter- suchte Carassius auratus. Derselbe unterscheidet sich von der Forelle wie von allen bisher beschriebenen Knochenfischen dadurch, dafi hier keine Verbreitung von der Randverdickung stattfindet ; die zukiinftige intermediiire Schicht bildet sich als Uberbleibsel des Protoplasmas nach der Nachfurchung auf der ganzen Bodenflaiche des Blastoderms. Ein noch yon ihm untersuchter Macropode scheint mehr mit allen iibrigen Knochenfischen zu harmonieren; er hat eine Randverdickung, aber dafiir keine centrale Partie, vielmehr eine Lamelle im Sinne vAN BAMBEKE’s, von welcher aus keine Nachfurchung stattfinden soll. Dieses veranla8t KowaLewsk1, zwei Gruppen der Bildung der intermediiren Schicht zu unterscheiden. Bei der ersten Gruppe soll die Koncentration des Protoplasmas noch lange nach dem Bd. XXX. N. F. XXII. 90 298 Waclaw Berent, Auftreten der Horizontalfurche fortdauern; dieselbe schneidet nach oben kaum die Halfte des zum Aufbau des Embryos notigen Eiplasmas ab; es tritt daher an der ganzen Bodenflache des Kies eine Nachfurchung ein. Bei der zweiten Gruppe soll die Kon- centration beim Auftreten der ersten Furche ihr Ende erreicht haben, die Furche selbst trennt das Blastoderm beinahe voll- stindig vom Dotter ab (ausgenommen ist eine dine, kernlose Lage unter dem Blastoderm); die Vermehrung der Zellen ge- schieht ausschlieBlich auf Kosten der schon vorhandenen; die inter- mediare Schicht soll sich von den Randzellen des Blastoderms am Ende der Furchung bilden. Der Macropode soll eine Uber- gangsstufe vorstellen, da hier die Furchungsebene an der Stelle der spiteren Randverdickung noch Protoplasma tbrig 1aft, von wo auch die Nachfurchung vor sich geht. Es existiert ein nicht zu verkennender Unterschied in dem Verhalten des Parablastes zwischen Carassius und den itbrigen Knochenfischen, doch scheint mir, da8 die primare Ursache der Verschiedenheit nicht in der Schnelligkeit der Konzentration, son- dern in der Art und Weise, wie diese geschieht, zu sehen ist. Auch darf man, streng genommen, nicht behaupten, daf die Fur- chungsebenen das ganze Protoplasma, aufer der diinnen centralen Lage von Anfang an von dem Dotter trennen. Berichten doch AGassiz und WuHrITMAN, daf die Randzellen noch lange Zeit mit dem protoplasmatischen Uberzug des Dotters in Verbindung bleiben. Sehr deutlich sprechen sich dariiber auch CunninGHAm (18) und Mc InrosH und Prince (60) aus. Dasselbe lassen ferner die Abbildungen von Winson (Fig. 15, 16, 17) erkennen. — Die inter- mediire Schicht soll im zweiten Falle aus den Randzellen des Blastoderms stammen. Zwar spricht auch WILSON von einer »Verschmelzung einiger Blastodermzellen“ oder davon, dal ,,the marginal cells have been metamorphosed into the periblast wall", jedoch ist dies nur insofern richtig, als man (auch mit diesem Forscher) im Auge behalt, da diese Randzellen nichts in sich Abgeschlossenes, vom Dotter vollstindig Getrenntes darstellen. Sie hingen vielmehr kontinuierlich zusammen mit dem _ proto- plasmatischen Uberzug, der durch allmihliche Konzentration die Keimscheibe geliefert hat. Dieser protoplasmatische Uberzug - (Entoblastrinde, couche corticale) ist nichts anderes als das beim Carassius auratus unter dem ganzen Boden der Keimscheibe be- findliche Protoplasma. Der amerikanische Embryologe RypERr (72) machte zuerst Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 299 darauf aufmerksam, daf die Keimscheibe nicht bei allen Teleostiern auf gleiche Weise gebildet wird. Beim Gadus umgiebt das Proto- plasma den Dotter und sammelt sich, dem Rande des Eies folgend, zur Keimscheibe, bei einigen Clupeoiden (Clupea, Alosa, Pomo- lobus) kommen dazu noch kleinere Ziige von dem Innern des Dotters. Das Ei der Forelle lift wegen seiner Gréfe und Un- durchsichtigkeit diese Verhaltnisse im Leben nicht durchblicken; wir haben aber soeben konstatiert, daB 1) die Nachfurchung zwar hauptsichlich vom Rande vor sich geht, 2) dafi sie aber in der centralen Partie nicht ausgeschlossen ist, 3) daf die centrale Partie sich nachtraglich auf Kosten der Randverdickung vergréfert. Diese drei Eigenschaften bezeugen, daf wir es hier mit ahnlichen Ver- haltnissen in Bezug auf die Keimscheibe zu thun haben wie bei den Clupeoiden. Erinnern wir uns ferner an das Verhalten beim Carassius, so haben wir eine Kontinuitét der Erscheinung vor uns, und die verschiedene Bildungsweise der intermediaéren Schicht wird sich leicht auf die verschiedene Richtung der Konzentration des Protoplasmas im Ei zuriickfiihren lassen. Im ersten Falle diirfte die Konzentration des Protoplasmas vom Dotter in allen Richtungen vor sich gehen (Carassius aura- tus). Im dritten Falle geschieht sie nur in Ziigen am Rande der Dotterkugel (die meisten Knochenfische: Ctenolabrus, Merlucius nach KinesLey und Conn (46) und Agassiz und WuHiTmAN (1); Crenilabrus, Tinca nach JAnosik; ‘l'rachinus nach Brook (11); Gadus, Trigla nach CunNINGHAM (17); Serranus nach WILSON (82); Gadus nach Ryper (72) und die grofe Zahl der von Mc Iyrosa und Prince untersuchten Fische). Ubergangsstufen werden durch solche Kier reprisentiert, wo zwar das meiste Protoplasma vom Rande zustrémt, wobei aber kleinere Ziige von der Mitte, wenig- stens am Anfang, nicht ausgeschlossen sind (Fall 2) — hierher: Forelle und nach RypEr: Clupea, Alosa, Pomolobus. 20* 300 Waclaw Berent, Dieses stimmt vollstindig mit dem iiberein, was wir auch dank anderen Autoren iiber die Konzentration des Protoplasmas im Ei wissen. So berichtet KowaLewski tiber den Carassius auratus (Fall I), daf& das Protoplasma von der QOberflaiche des Eies in ganzen Schichten, von dem Innern in Ziigen gegen den Keimpol strémt. Nach Janosmk (45) und Lisr (58) umgiebt das Protoplasma den Dotter bei Crenilabrus und Tinca (Fall IJ) und sammelt sich erst spiter an einem Pol. Kina@stey’s (46) Figuren 9, 10 und 11 veranschaulichen in schéner Weise, wie sich die Keimscheibe durch seitlichen Zuflu8 bildet. Mc Inrosn und PRINCE hatten Eier vor sich, die ebenfalls unter das dritte der hier ge- gebenen Schemata fallen. Nach ihnen ist das Parablast eine An- haufung von Protoplasma, welches zu spit an dem animalen Pol angekommen ist, um in die Keimscheibe einbezogen zu werden (60, p. 715). Das, was OrLLAcHEeR (61) als protoplasmatisches Maschenwerk unter der Keimscheibe der Forelle (Fall II) be- schreibt, samt der hier erwahnten Nachfurchung: — alles dies deutet auf einen geringen Zuflu8 von der Mitte des Kies'). Wo die Konzentration des Protoplasmas wie beim Carassius (1), Forelle (II), Macropode (111) noch wahrend der Furchung lingere Zeit andauert, kommt es zu einer deutlich ausgepragten Nach- furchung. Aber auch bei Ctenolabrus, nach AGAssiz und WuiT- MAN, und Serranus, nach Wiison, lassen sich bei der Furchung gewisse Verhaltnisse als Nachfurchung deuten. Mit Recht be- merkt Hennecuy (30), daf zwischen Furchung und Nachfurchung keine scharfe Grenze zu ziehen, und da’ der zweite Prozef als Folge des ersten aufzufassen sei. Er sagt (S. 462): ,,Les premiers segments se détachent en effet du disque germinatif de la meme maniére que les cellules parablastiques se séparent du parablast ; dans le premier cas, les cellules sont trés volumineuses par rapport 4 la masse parablastique, dans le second cas elles sont beaucoup plus petites.“ Eine Zelle, die von einer solchen abstammt, welche mit dem Protoplasma des Dotters (sei dasselbe unter der ganzen Boden- fliche der Keimscheibe oder nur als Entoblastrinde vorhanden) zu- sammenhangt, kann als nachgefurchte bezeichnet werden. Auf der 1) Die Sammlung des Protoplasmas zur Keimscheibe kann mit merkwiirdigen Kontraktionen des Dotters, wie solche von Stricker (75), Avsert (2), Leresoutter (54), vaAN BamBrxe (6) gesehen und ein- gehender von Ramson (66) studiert worden sind, verbunden sein, Parablast u. Keimbliatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische, 301 Wison’schen Figur 17 (Schema I) kénnte man die von der Zelle a stammende Tochterzelle eine nachgefurchte nennen. Dariiber wire kein Zweifel, wenn die Entoblastrinde 6 machtiger wire, so dah die Tochterzelle als Knospe er- schiene. Ware z. B. die Rand- G — zelle mit der Entoblastrinde dunk- CRT ler gefarbt, etwa wie der Parablast . <= x em der Forelle, so kénnte man mit ie XN noch mehr Berechtigung ihre Po, : Tochterzelle als nachgefurcht be- Nae zeichnen. Dieses Verhalten haben ih, Y wir auf dem Stadium der zwei- Bt schichtigen Keimscheibe bei Cte- (, nolabrus -— AGassiz und Wait- A SD. MAN — (Schema II und III). Und 6 Dy trotzdem behaupten die Autoren, a daf bei diesem Fische keine Nach- a a furchung existiere. 7 Sie sprechen von Parablast iiberhaupt dann, wenn er sich voll- i>. stindig vom Blastoderm gesondert Pine hat. Daf sie aber mit ihrer Deu- Sage tung nicht gut verstanden wurden, Ee bezeugt schon der Umstand, daf X / KOWALEWSKI nur auf Rechnung | dieser Autoren manchen Fischen \V, die Nachfurchung abspricht, Hen- NEGUY (p. 469) sie im Gegenteil unter denjenigen Forschern citiert, die das Entoderm vom Parablast ableiten. b) Das weitere Schicksal des Parablastes. Bei Carassius kommen nach beendeter Furchung die Kerne der intermediaren Schicht zur Ruhe; bei der Forelle tritt, wie bereits HenneGuY richtig hervorhebt, diese Erscheinung noch vor dem Schlusse der Furchung ein. Die strahlige Anordnung des Protoplasmas um die Kerne verschwindet bald; einige Zeit haben dieselben das Aussehen wie in Fig. 1 in der centralen Partie; bald wachsen sie jedoch zu gréSeren Gebilden an und, was das Wichtigste ist, vermehren sich weiter direkt durch einfache Frag- mentation. 302 Waclaw Berent, Diese sind die wahren Kerne der intermedidren Schicht, wenigstens werden sie meistens als solche beschrieben. Daf die- selben sich friiher indirekt teilen, haben AGasstz und WHITMAN, RAUBER, KOWALEWSKI, HorrMANN, KINGSLEY und Conn, WILson und HrnngeGuy gesehen. Der direkte Teilungsmodus wird von allen Autoren erkannt. Die Dottereinschliisse, die friiher sparlich in der kérnigen Masse des Parablastes vorhanden waren, kommen jetzt immer reichlicher vor und werden von da an samt den sich loslésenden Zellen ins Blastoderm iibergefiihrt. Fiir dieses Stadium kénnte man die Definition vAN BAMBEKE’s beibehalten, nach der die inter- mediare Schicht eine Einheit ,,de moindre dignité ist. Und zwar nicht nur in Bezug auf das Blastoderm, sondern auch beziig- lich ihrer friiheren Beschaffenheit. KOowALEwsKI redet z. B. erst von diesem Punkte an von einer intermediaren Schicht. Die Membran der Kerne wird permeabel und die Kerne selbst wachsen zu groBen Gebilden an, oder, richtiger gesagt, sie quellen auf. Ihr Inhalt besteht aus einer klaren Fliissigkeit, in welcher die Chromatinsubstanz in ungeordneten Faden mit knotigen An- schwellungen und in Klumpen zerstreut ist. Fig. 14a (Taf. XVD stellt einen solchen Kern bei starker Vergréferung dar. In einigen (sicher nicht in allen) sieht man einen Nucleolus, der, nebenbei gesagt, sehr leicht mit einer knotigen Anschwellung verwechselt werden kann. Man mu8 zu den starksten Vergréferungen greifen, um an der regelmafigen Umgrenzung und dem mehr homogenen Aussehen solche Nukleolen von knotigen Anschwellungen der Chromatinfaden zu unterscheiden. — Solche Gebilde teilen sich in der Weise, daf ihr Nucleolus dabei in zwei Stiicke zerfallt und dann die Finschniirung erfolet (Taf. XVI, Fig. 13d und 14b). Anders liegen die Verhaltnisse da, wo sich kein deutlicher Nu- cleolus nachweisen la8t. Hier scheint eine Ansammlung der Chro- matinsubstanz an den Polen die Teilung einzuleiten und eine mittlere Einschniirung sie selbst zu zerlegen. Indessen habe ich nur ein einziges Bild gesehen, welches tiber die Teilung solcher Kerne einen naheren Aufschluf zu geben vermag (Fig. 9b). Aufer den starkeren Chromatinfaiden, die hier nicht unregelmabig sind, sondern, wie gesagt, an den Polen auftreten, sieht man von einer Seite die Einschniirung und von derselben einen dunkleren Schatten quer iiber den Kern, der wohl der Ausdruck einer Ver- dichtung an dieser Stelle ist. — Endlich kommt ein dritter Tei- lungsmodus vor, der an eine Art Knospung erinnert. Ofters sieht Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 303 man an einem schon zu grofen Dimensionen angewachsenen Kerne einen kleinen mit einem Nucleolus versehenen aufsitzen; oft trifft man auch 2—3 solcher Knospen an einem Kerne (Fig. 14¢, d). Als Vorstufe dieses Teilungsmodus diirfte ein in der Fig. 14e abgebildeter Kern zu betrachten sein, wo man in der Ecke einen von hellerer Zone umgebenen Nucleolus sieht. So viel wire in wenigen Ziigen iiber den direkten Teilungs- modus der Kerne der intermediaéren Schicht zu berichten. Der Vorgang ist hier nicht so deutlich wie bei der indirekten Teilung der Kerne. Man findet oft genug Endresultate der Teilung, aber héchst selten Zwischenstufen. Diesem Umstand ist es wohl zu- zuschreiben, dai bei den Autoren so wenig tiber den Vorgang selbst zu finden ist. Nur Hugo Genscu hat Ahnliches bei seinen Hamatoblasten abgebildet; doch scheint mir, daf er dabei auch einige Fettkongregationen mit Dotterkernen verwechselt hat. Die durch direkte Teilung gebildeten Kerne haben mehr oder weniger regelmafige Umrisse (Fig. 14b) und bleiben eine Zeit lang unverandert. Ihre gréferen Mutterkerne wachsen bald zu Gebilden von riesigen Dimensionen und sonderbarsten Gestalten an; oft sind zwei aufgetriebene Gebilde durch einen dicken Strang miteinander verbunden oder sie sind ganz unregelmafig zerflossen ; die auBeren Konturen sind haufig schon verwischt (in Fig. 14 sieht man sie blof von einer Seite). Die so zerfallenden Kerne legen sich oft aneinander und verschmelzen (14g, rechts). So entstehen kolossale, unregelmafige, intensiv gefarbte Klumpen, die namentlich auf spateren Stadien angetroffen werden (Fig. 14 g—m). Alles dies sind Degenerationserscheinungen, wie sie OELLACHER, KOWALEWSKI, GENSCH und HENNEGUY gesehen haben, und wie sie ZIEGLER ausfiihrlich fiir Selachier beschreibt. Es sei nochmals bemerkt, daf nicht alle Kerne diese Um- wandlung gleichzeitig durchmachen. Neben den total zerflossenen Kernen, ohne irgendwie nachweisbare Konturen, finden sich noch solche von regelmafig runder oder ovaler Form, auch kommt es vor, da’ ein schon zerflieSender Kern an einem Ende eine Knospe mit deutlichem Nucleolus tragt (Fig. 14g). Die letzte noch zu erwahnende Eigenschaft der Kerne ist ihr ungleiches Fiarbungs- vermégen, ein Unterschied, auf welchen auch Rickert bei Se- lachiern hinwies und unter den Merocyten helle, chromatinarme und dunkle, chromatinreiche unterschied. Letztere stellen dunkle knotige Gebilde dar, die, wie ich zu sehen glaube, viel zahlreicher in alteren Stadien vorkommen. 304 Waclaw Berent, Vom Parablast lésen sich auch Zellen ab, ahnlich wie wahrend der Furchung, nur mit dem Unterschied, dafi diese Ablésung nicht durch mitotische, sondern durch direkte Kernteilung eingeleitet wird. Fiir eine derartige Abfurchung treten die meisten Forscher ein: LEREBOULLET (54), Kuprrer (51a), OwsSiaANNikow (62), VAN BENEDEN (9), VAN BAMBEKE (6), Brook (13), CUNNINGHAM (17), KINGSLEY und Conn (46), Kuen (47), Horrmann (43) und Lworr (59). — Aaassiz und Wurman (1), KowaLewsk1 (49) und Wiison (82) wollen der intermediaren Schicht zu dieser Zeit nur eine er- nihrende Funktion zuerkennen, welche Meinung auch von Zrmc- LER (84, 86) energisch verfochten wird. Fir Wenkrenpacu (80) scheint die Ablésung der Zellen als ,,héchst zweifelhaft*, trotz- dem seine Fig. 6, die ein Versinken der Zellen ins Parablast illustrieren soll, eigentlich geeignet ware, nur die Ablésung zu be- weisen, worauf schon Lworr treffend aufmerksam machte. Uber die Art und Weise, in welcher die Zellen abgefurcht werden, sprechen sich nur wenige Forscher aus. VAN BENEDEN sah neben den vollstandig vom Dotter abgelésten Zellen solche, die zur Halfte mit demselben zusammenhangen. Uberzeugende Bilder von diesem Vorgang giebt nur Horrmann (43) fiir den Lachs; Kuen (47) und Hennecuy (30), welche fiir die Forelle diese Abfurchung annehmen, haben sie direkt nicht verfolgt. Der letzte Forscher stellt dariiber hypothetische Betrachtungen an, die zum Teil recht sonderbar klingen. Er aft die im Parablast durch direkte Teilung gebildeten Kerne (,,globules parablastiques) an die Peripherie wandern, um dort als solche ausgestoBen zu werden. Dann giebt er zu, da es schwer sei, sich vorzustellen, dafi die abgelésten Gebilde nur aus Nuclein bestehen, und glaubt annchmen zu miissen, daf ,,le protoplasma ambiant entre aussi pour une certaine partie a leur constitutions. Dementsprechend glaubt er zwar die ,,globules parablastiques‘‘ in jedem Blatte verfolgen zu kénnep, doch sollen sie dort resorbiert werden und keine Rolle bei der Bildung der Organe spiclen. ZIEGLER (86), der HenneGuy zu Gunsten seiner Auffassung anfiihrt, glaubt sie einfach durch Dotterkiigelchen er- setzen zu kénnen und behalt fiir sie den Namen Parablastkiigel- chen bei. Ich habe nichts bemerkt, was auf eine Emigration der Kerne von tieferen Lagen des Parablastes an die Peripherie deuten kénnte, und keine Spur von Ausstofung loser Dotterkugeln ohne Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 305 Protoplasma und Kern gefunden. Der Vorgang der Ablésung der Zellen vom Parablast wird auf diesem Stadium wohl wie bei der Nachfurchung zu erklaren sein. Die ganz peripher gelegenen Kerne erzeugen, indem sie sich teilen, eine Hervorragung der Parablastmasse, die samt ihren Kernen als Zellen vom Mutterboden abgelést werden. Das Schicksal der tiefer liegenden Kerne wird wohl das sein, daf sie gleich den gréferen Mutterkernen einer all- mihlichen Degeneration verfallen. Von einer Ausstofung nuklearer Parablastkiigelchen kann bei Forelle und Lachs keine Rede sein. Was man zu Gesicht be- kommt, sind typische, sich allmahlich loslésende Zellen, wie sie VAN BENEDEN beschreibt und Horrmann fiir den Lachs abbildet. Die Fig. 9, 10, 11, 12 (Taf. XVI) stellen solche Zellen vor. In Fig. 10 habe ich auch die dariiber liegenden Blastodermzellen gezeichnet, um anzugeben, da8 kein Unterschied zwischen beiderlei Elementen existiert. In dem Mafe, als die Randverdickung sich nach dem Centrum zu ausbreitet, findet auch dort die Nach- furchung statt, sie ist jedoch auf spateren Stadien viel seltener. — Es ist aber wiederum nicht ausschlieBlich die Randverdickung, welche die Zellen liefert. Auf einem Schnitt einer Lachsserie sah ich unter der fadendiinnen Lamelle einen protoplasmatischen Keil mit undeutlichem Kern eingesenkt, und bei der Forelle fand sich ungefahr an derselben Stelle eine abgefurchte Zelle. Das mag immerhin sehr selten vorkommen, deutet aber jedenfalls auf eine hier friiher persistierende Schicht. Im allgemeinen unterscheiden sich die abgefurchten Zellen von den tibrigen Blastodermelementen nicht, doch trennen sich ge- legentlich von der intermediaren Schicht solche ab, die sich durch ihre Gréfe und dunkle Farbung des Kernes (dunkler chromatin- reicher Dotterkern) von den anderen stark abheben (Taf. XVI, Fig. 15). Diese sind es wohl, die Kier (47) im Auge hat, wenn er von Zellen spricht, die in ihren ,,larger masses and all characters denote their origin from parablast“. Auch Horrmann beschreibt gréfere abgeléste Zellen, die stark mit Dotterschollen beladen sind. Dieselben lésen sich meistens etwas spater ab, kurz vor dem Umschlag der Rander oder auch nach demselben. Auch die in Fig. 17 (Taf. XVII) abgebildete kolossale Zelle ge- hért in diese Kategorie. Die Dotterkugel ist eigentlich nicht in die Zelle eingeschlossen, sie ist ihr vielmehr nachgewandert. Wie man aus der Figur ersieht, ist sie nicht von allen Seiten mit Protoplasma umgeben, unten liegt sie frei auf dem Dotter. Der 306 Waclaw Berent, schmale, zellige Uberzug steht unten und seitlich mit der inter- mediaren Schicht kontinuierlich in Verbindung. Links sieht man ein langliches Fragment eines Kernes, der schon seiner dunkleren Farbung und starken, faidigen und knotigen Struktur nach als ab- geléster Kern der intermediaren Schicht sich verrat. Er liegt der Kugel flach auf, so daf man ihn nicht in seiner ganzen Lange treffen kann; drei Schnitte weiter sehen wir ihn so, wie ihn Fig. 16b zeigt. Es fragt sich aber, was ist das spatere Schicksal der aus- gestoBenen Zellen tberhaupt? welche Rolle spielen sie beim Auf- bau des Embryos? LEREBOULLET (54) beschreibt die intermediiére Schicht selbst und legt ihr schon den Namen ,,feuillet muqueux‘ bei; er glaubt, daf sich aus ihr der Darm bilde. — Kuprrer untersuchte eben- falls durchsichtige Eier und beobachtete itiber dem Dotter Zellen, die das Entoderm liefern sollen. — OwsIANNnikOw hat. eine direkte Ablésung der Zellen ebenfalls nicht verfolgt; aber in der inter- mediaren Schicht (Nebenkeim, wie er sie nennt) bemerkte er solche, die den dartiber liegenden vollstandig gleichen; im iibrigen be- ruhen seine Annahmen auf Vermutungen. ,,Dem Auge pragen sich Verschiedenheiten ein“, — sagt er, um das Ausstofen seiner Nebenkeimzellen zu beweisen. ,,Die Zellen legen sich an einer Stelle so, da8 sie ein besonderes Blatt zu liefern scheinen.“. ... Zwischen diesem scheinbaren Blatt und dem, welches weiter ab- eebildet wird (62, Fig. 3) giebt es kein Bindeglied. Uber die Bildung des mittleren Blattes erfahrt man nichts. — VAN BENEDEN (9) leitet das Entoderm ebenfalls von nach- gefurchten Zellen ab. ,,La couche intermédiaire forme le plancher de la cavité de la segmentation, cependant sur cette couche re- posent ¢a et la quelques cellules arrondies, dont les caractéres sont tres semblables a ceux qui distinguent les cellules de la couche profonde de blastodisque.‘‘ Diese Zellen sollen von der intermediaéren Schicht stammen; denn aufer den vollstandig ge- trennten giebt es solche, die noch mit der intermediaren Schicht zusammenhangen. Die vollstaindige Ausbildung des Entoderms wurde gleichfalls nicht verfolgt. VAN BenepENn halt es auch fir méglich, daf das Mesoderm gleichfalls von der intermediaren Schicht und zwar von ihrer Randverdickung abstamme. Die Schilderung der Vorgainge, wie sie VAN BAMBEKE (6) giebt, ist zum mindesten unvollstindig, was der Autor selbst be- kennt. Er hat namlich nichts gesehen, was auf eine Emigration Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 307 der Zellen aus der intermediiren Schicht hindeutet und lat des- halb das Entoderm in der intermediaren Schicht in situ sich bilden. Schon zu der Zeit, da die intermediire Schicht eine diinne cen- trale Lage mit Randverdickung vorstellt und die Kerne nur in dieser Verdickung zu sehen sind, wird sie als ein besonderes Keimblatt aufgefaft. ,,Deux feuillets bien distincts‘* — unter- scheidet dann vAN BAMBEKE, — ,,l’un supérieur, plus considérable, Vautre inférieur, beaucoup plus faible, formé par la couche inter- médiaire.“‘ — Die weitere Differenzierung konnte ebenfalls nicht verfolgt werden. Ein Schnitt durch einen viel alteren Embryo, welcher dann gezeichnet wird, la8t die oben erwahnten zwei Blatter unterscheiden; ein mehr nach hinten gefiihrter zeigt ganz deutlich 3 fertige Keimblatter. Das untere ,,feuillet muqueux“ (folgert vAN BAmBEKE) hat sich in der intermediaren Schicht durch Zelldifferenzierung um die Kerne gebildet. — An vAN BAMBEKE schlieSt sich am meisten KuprreR an. Um die endogen ent- standenen und sich regelmafig anordnenden Kerne des Parablastes differenziert sich das Protoplasma zu Zellen, und die so gebildete Lage stellt das Entoderm dar. — CunninGHAM, KINGSLEY und Conn vermuten nur, daf die abgefurchten Zellen einen Teil des Hypoblastes liefern. Nach Brook (13) entsteht nicht nur das Entoderm, sondern auch das Mesoderm aus den nachgefurchten Zellen. Nach Mc Inross und Prince (60) haben die ausgestofenen Zellen einen Anteil beim Aufbau des Darmblattes. Neuerdings ist Lworr fiir die Bildung des Darmblattes aus dem Entoderm aufgetreten, und zwar ist er dazu auf folgendem Wege gelangt: Auf einem Praparat ist eine kiinstliche Spalte zwischen dem Dotter und der intermediaren Schicht entstanden, ,daraus folgt, da8 der Zusammenhang der intermediaren Schicht mit der Embryonalanlage ein innigerer ist, als mit dem Dotter. Da friither das Blastoderm vom Dotter getrennt war, so entsteht die Frage, worauf beruht auf diesem Stadium der Zusammenhang der Embryonalanlage mit der intermediaren Schicht, die nichts anderes ist, als die oberflichliche Lage des Dotters?“* Diese Frage wird an Hand einer zweiten Abbildung beantwortet. Es ist ein Querschnitt, auf dem die Chorda schon gut differenziert ist, je- doch von dem Parietallappen noch nicht vollkommen getrennt er- scheint; unter dem Parietallappen sieht man die Entodermlage, die zwar nach der Schilderung bald mehr, bald weniger deutlich auftritt, aber auf der Abbildung ganz scharf und deutlich von der intermediiren Schicht getrennt erscheint. Unter der Chorda ist 308 Waclaw Berent, nur die intermediare Schicht samt Kernen zu sehen. Hier ist das Entoderm noch nicht gebildet, meint Lworr. — Die Lage ist so innig mit der intermediaren Schicht ver- bunden und geht stellenweise so allmahlich in dieselbe tiber, dab ihre genetische Beziehung keinem Zweifel unterliegen kann.“ An anderer Stelle (p. 121) schreibt Lworr: ,,Auf dem Querschnitt von Gobius haben wir gesehen, daf die Entodermlamelle, aus der sich spater der Darm bildet, unterhalb der Mesodermplatten schon fertig ist; unterhalb der Chorda aber sieht man noch keine Zell- grenzen, sondern blof’ eine plasmatische Schicht mit Kernen. Auf einem etwas spéteren Stadium sieht man schon eine ununter- brochene Zellenreihe. Es liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, daf der mittlere Teil der Reihe sich aus der plasmatischen Schicht gebildet hat.“ Also einmal darf man keinen Zweifel haben, das andere mal ist es blof Wahrscheinlichkeit. Wie bekannt, tritt bei den meisten Knochenfischen, wie bei- nahe bei allen Wirbeltieren!), das Entoderm unter der Chorda zuletzt auf. Dieses Verhalten ist auch die wichtigste Stiitze fiir die theoretischen Deutungen der Keimblatterbildung von Herrwia. Es wird im allgemeinen angenommen, daf sich die freien Rander des Darmblattes unterhalb der Chorda nahern und verwachsen, wie das auch in neuester Zeit von Wriuson fiir Serranus gezeigt wurde. Zwischen dem Stadium, wo das Entoderm unter der Chorda fehlt und wo es vollstandig gebildet ist, vermag Lworr kein Zwischenstadium anzugeben, um die Prioritaét seiner Deutung gegentiber friiheren Annahmen zu bekraftigen. Huco GEnNscH (21) nennt die Kerne der intermediaren Schicht ,Hamatoblasten“; sie sollen, wie der Name sagt, Blutkérperchen bilden. Und zwar hat er sich die Aufgabe insofern erleichtert, als er die intermediare Schicht kurzweg als sekundares Entoderm deutet. Dariiber liegt das Ektoderm, ,,seitlich am Embryo war das Mesoderm zu sehen‘. Es bleiben noch Zellen zwischen Ekto- derm und intermediarer Schicht tibrig. Sie als Blutbildner zu deuten lag nicht so fern, in Anbetracht der AuSerungen friiherer Autoren iiber die Entstehung des Blutes. Direkte Ablésung der Kerne hat GenscnH nicht gesehen, wie das auch an Flachen- praparaten nicht zu konstatieren ist. Der genetische Zusammen- - hang zwischen der intermediaren Schicht und den spateren Blut- 1) Ausnahme machen aufer Forelle, Lachs, Labrax, auch, nach iibereinstimmenden Angaben, die Anuren. Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 309 zellen ist nicht erwiesen und ZreGLER vermutet, daf sich GENScH durch die Abnlichkeit dieser Gebilde mit den wirklichen meso- dermalen Blutzellen habe irre fiihren lassen. Fiir den parablasti- schen Ursprung des Blutes tritt ferner Ryper (72) ein. Nach ZIEGLER (84), WENKENBACH (81) und WILSON (82) entsteht das Blut aus dem Mesoderm. His (34, 38) leitet vom Parablast das Blut, die Anlagen der Wandungen der primitiven GefafSe, samtliche Bindesubstanzen ab (His’sche Parablasttheorie). Was das Schicksal der nachgefurchten Zellen betrifft, sei zu- letzt die Ansicht HorrmMann’s erwihnt: er zweifelt nicht daran, dafi die Merocyten (ausgestofene Zellen) den gréften Anteil an der Bildung des Hypoblastes haben; aber er will nicht mit Be- stimmtheit behaupten, ,,dafi es allein die Holocyten sind (urspriing- liche Blastodermzellen), welche das Epiblast bilden, und da8 sich die Merocyten nicht daran beteiligen“. Die Frage, wie sie letzthin Horrmann formuliert hat, ist in- dessen nicht leicht zu beantworten. Die meisten nachgefurchten Zellen sind den tibrigen Blastodermzellen gleich und es ist nicht méglich, sie in der Keimscheibe zu verfolgen. Ungleich den iibrigen Blastodermzellen sind die gelegentlich auf spiteren Stadien sich abfurchenden groferen, mit Dotter be- ladenen Zellen, die einen grofen, stark gefarbten chromatinreichen Kern besitzen, — und diese sind es, von denen wir eine nahere Auskunft erwarten kénnen. Ich habe schon gelegentlich auf eine kolossale Dotterzelle ganz unter der Keimscheibe aufmerksam ve- macht (Fig. 17, Taf. XVII). Figur 18 zeigt eine ebensolche Zelle, dicht unter der Deckschicht!). Daf diese Dotterkugel, wie man vielleicht einwenden kénnte, nicht friiher hier lag, etwa bei der Sammlung des Protoplasmas im Ei eingewandert ist, dariiber be- lehrt der drittfolgende Schnitt. Hier sehen wir einen dunkeln, knotigen, schon 6fter besprochenen Kern, der mindestens um das Doppelte an Gréfe die iibrigen Kerne tibertrifft (Fig. 18 b). — Auf derselben Serie, nur einige Schnitte weiter, sieht man eine Zelle doppelt so grof wie die anderen mit dreifach gréferem Kern (Fig. 18 c) *). 1) Leider ist die Deckschicht hier zerrissen, was wohl in An- betracht der Lage der Kugel nicht zu vermeiden war. Den Zu- sammenhang der Teile sieht man iibrigens gut. 2) Die Lage dieser Zelle ist in Fig. 18a durch ein Kreuz an- gedeutet. 310 Waclaw Berent, Es sei hier gleich die Frage beantwortet, die wohl bei Be- trachtung der Figuren auftauchen kann: wie sind diese Zellen dort hinauf gewandert? Nach meiner Ansicht kénnte das auf doppeltem Wege geschehen. HorrmMAnn hat eine sich eben ab- lésende Zelle gesehen, an der kiinftigen Umbiegungsstelle des Blastoderms. Die Deckschicht war zu der Zeit noch nicht tiber den Dotter gewachsen. Man muf sich nun eine solche Zelle ab- gelést denken und die Deckschicht dariiber gewachsen, und wir haben das Verhalten, wie in Fig. 17. Die zweite Méglichkeit, und die einzige zugleich, fiir die nicht am oberen Rande abgefurchten Zellen, ist die, welche auf ungleicher Teilungsintensitaét der Zellen beruht. Dadurch wird eine unten oder in der Mitte gedachte Zelle einem héchst komplizierten Druck- und Schubwechsel unter- liegen, der sie schlieBSlich bis nach oben treiben kann. Dieses trifft aber auf friihere Stadien, als das in Fig. 17 dargestellte, zu, in welcher Abbildung sich die Zellen noch nicht in dem Mafe gegenseitig abgeflacht haben. In Fig. 10 z. B. ist der Vorgang noch nicht so weit vorgeriickt. So gezwungen eine solche Erklarung erscheinen mag, ist sie doch die einzige, die man hier geben kann. Daf die Zellen sich nicht alle im gleichen Ma8e teilen, davon habe ich mich geniigend, nicht nur an meinen Praparaten, sondern auch an fremden Ab- bildungen, tiberzeugt. Dieses kann sich sogar bis ins Extrem steigern. Fig. 47 gehért einem Stadium an, auf dem sich in der Keimscheibe der Embryonalwulst zu differenzieren beginnt. In der Mitte (zukiinftiger Embryonalwulst) sieht man grofe Zellen, die dreimal so grof$ als die tibrigen sind; sie sind auch heller und zeigen noch schén die Sonnenstruktur des Protoplasmas um die Kerne. Diese Zellen gehéren eigentlich den ersten Furchungs- stadien an. — Es giebt ferner markante Zellen anderer Art, die sich im Blastoderm verfolgen lassen. Ihr Protoplasma umschlieSt in Form eines Ringes eine Vakuole. Der Kern ist meist plattgedriickt und liegt flach auf der letzteren (Fig. 11 a, 13a und b). — Wie soll man sich die Entstehung der Vakuolen denken? Sind sie ent- standen durch Resorption des Dotters in den abgefurchten Zellen oder sind sie schon so primar aus der vakuolenreichen inter- mediiren Schicht gebildet? Ich glaube, dal beides der Fall sein kann. Auger den in der Fig. 13b und ¢ abgebildeten, die deutlich auf die erste Vermutung hindeuten, habe ich solche gesehen, die sich von der in Fig. 17 abgebildeten dadurch unterscheiden, dal die Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 311 Dotterkugel in der Mitte fehlte und der Protoplasmamantel ein wenig breiter war. Solche Vakuolenzellen kommen jedenfalls nicht oft vor und bleiben auch nicht lange unveraindert im Blastoderm. Auf spa- teren Stadien sieht man sie gar nicht mehr. Uber die Art und Weise, wie solche Zellen sich zu regelmifigen Blastodermzellen umbilden, giebt eine Zelle, die ich im sekundaren Blatt einer, etwa auf dem Stadium der Fig. 35 stehenden Keimscheibe ge- funden habe, den besten Aufschlu8 (Taf. XVI, Fig. 13f). Sie zeigt einen von einer Seite abgeflachten Kern, analog den unter a und b (Fig. 13) abgebildeten; das Protoplasma fiillt die ganze Zelle aus, ist aber nach der Mitte zu merklich heller. Nachdem ich solche Vakuolenzellen unter der Keimscheibe ge- sehen, suchte ich sie im itibrigen Blastoderm, — und auf dem Stadium der anfanglichen Differenzierung der Keimbliatter waren solche in der That im sekundaren Blatte zu finden. Im Ektoderm konnte ich sie bei der Forelle nicht bemerken, wohl aber in einer Langsschnittserie vom Lachsei, welches gerade auf dem Stadium stand, das dem der Forelle in der Zeichnung (Taf. XVIII, Fig. 36) wiedergegebenen Stadium entspricht. Die Zellen waren auf dem Schnitt zu finden, der ungefihr durch die Mediane ging, an der Stelle also, wo sich der Medularwulst schon bildet. Fig. 16 (Taf. XVI) zeigt die unteren Zellen des Ektoderms schon cylindrisch ausgezogen, die oberen polygonal und zwischen beiden die Va- kuolenzelle. Sie unterscheidet sich von der in Fig. 13 abgebildeten dadurch, daf ihr Protoplasmamantel dicker war; der Kern ist wie dort von einer Seite abgeflacht. — Alles, was hier iiber die intermediire Schicht mitgeteilt wurde, glaube ich in Folgendem zusammenfassen zu kénnen: Der Parablast, eine mit der Keimscheibe zu- sammenhangende protoplasmatische Lage, die vom Dotter wahrend der Furchung noch weiteren Zuflub erhalt, giebt anfangs durch indirekte, dann durch direkte Kernteilung dem Blastoderm Zellen ab, welche aber in keinem genetischen Zusammenhang mit irgend einem Blatte stehen, vielmehr in die Bildung der ganzen Keimscheibe, aller Keimblatter einbezogen werden. 312 Waclaw Berent, II. Die Keimblitter-Differenzierung. Es sei zunachst das Wichtigste iiber die allgemein bekannten Vorginge kurz rekapituliert: Die durchgefurchte Keimscheibe breitet sich auf dem Dotter aus, verdiinnt sich in der Mitte und bildet einen Randwulst, welcher an einer Stelle machtiger er- scheint. Diese Stelle ist der Embryonalschild, von welchem aus sich der Embryo bildet. Ein Langsschnitt eines etwas spateren Stadiums bietet fiir alle Fische beinahe gleiche Verhaltnisse: ein nach hinten zu sich erweiterndes Blatt, das Ektoderm, darunter das umgeschlagene sekundire Blatt, ,,das zungenformig nach vorne wichst“. Ein Querschnitt zeigt vom Randwulst aus ebenfalls eine umgeschlagene Lage. Die sekundire Schicht legt sich somit durch ringformige Umstiilpung des Ektoderms an, welche aber an der Stelle des Embryonalschildes machtiger ist und wo allein das eigentliche Hypoblast gebildet wird. Hier beginnen die Meinungen auseinander zu gehen. Nach den meisten Forschern bildet sich das sekundare Blatt vom oberen durch Einstiilpung: Harcken (26), GOrre (24), ZreGLeR (83), Hennecuy (30), v. KowaLewski (49), CUNNINGHAM (17), KINGSLEY und Conn (46), JAnosik (45), M’Iyrosa und Prince (60), WILSON (82). Nach His (34), Horrmann (39, 41), Ryper (72), KUPFFER (51) und OgLLAcHER (61) scheidet es sich von der Keimscheibe durch Abspaltung. Einige altere Forscher, so Rrieneck (70), Srricker (75), Wem (79) behaupten fiir die Forelle, dal die unteren Zellen der Keimscheibe auf den Boden der Furchungs- hohle fallen und so das sekundire Blatt liefern. Die mit Hiilfe neuerer Methoden aufgenommenen Untersuchungen haben diese Behauptungen in keiner Weise bestatigt. Am besten eignen sich zu Untersuchungen iiber diesen Gegen- stand die von KINGSLEY und Conn und CuNNINGHAM untersuchten Kier, wo sich eine einzellige Lage umschlaigt, am wenigsten aber die Forelle. Denn hier spielen sich, wie schon ZIEGLER (83) her- vorhebt, gleichzeitig zweierlei Vorginge ab: Ausbreitung der Keimscheibe und Umschlag. Derselbe Autor machte darauf auf- merksam, daf beim Lachs sich der Vorgang viel deutlicher ge- stalte; die Keimscheibe hat sich schon gut ausgebreitet, bevor der Umschlag beginnt. Dieses Verhalten bringt auf den Gedanken, da’ zwischen Einstiilpung und Spaltung in gewisser Beziehung kein Unterschied besteht und diese Momente sich gegenseitig er- ginzen kiénnen, so dafi das zweite als die Folge des ersten er- Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 313 scheinen kann. In der That mu, wenn sich der verdickte Teil der Keimscheibe am Dotter staut und die Ausbreitung in dem- selben Sinne noch weiter wirkt, in den oberen und unteren Zellen eine entgegengesetzte Bewegungsrichtung eintreten, die eine Zer- reifung zur Folge hat. Die Ursache bleibt dennoch die Um- stiilpung und nach dem erfolgten Auftreten der Spalte findet die- selbe unbehindert weiter statt. Als Griinde, die eher fiir eine Einstilpung als Zerreifung sprechen, seien meinerseits folgende erwaihnt. Den Kernteilungs- figuren begegnen wir, trotzdem sie hier und da an verschiedenen Stellen angetroffen werden, doch vorwiegend am Umschlagsrand. Beinahe auf jedem Schnitte sieht man hier Mitosen, deren cha- rakteristische Lage als ein zweiter Beleg dienen kann. Sie liegen nicht beliebig in den Zellen, sondern sind alle nach den mecha- nischen Zuglinien des Umschlags orientiert, wie man aus Fig. 28, 30 (Taf. XVII) und 35 (Taf. XVIIT) ersehen kann. In Fig. 35 s ist eine Zelle zu sehen, die zwar eine kleine Biegung hat, doch nicht so charakteristisch, wie eine auf gleicher Héhe liegende in einer anderen Serie. Solche Zellen muSten waihrend der Teilung eine Kriimmung erlitten haben, was an der ganzen Form der Zelle zu erkennen ist. Der letzte Grund, der mich zur Annahme eines Umschlags zwingt, soll spiter besprochen werden. Hier sei nur darauf hingewiesen, da’ auf den Fig. 28—30 die Ansatzstelle der differenzierten, helleren Zellen sich immer mehr nach vorn ver- schiebt. Der in manchen Figuren wiedergegebene Zwischenraum beider Schenkel scheint kein normales Verhalten zu sein. Er fehlt in der Fig. 35 sowie an den Querschnitten. HrnNnEGuy sagt, er habe ihn nur an Osmiumpraparaten gesehen. Auch GoORONOWITSCH beobachtete einen solchen Zwischenraum, doch behauptet er, dal derselbe nicht immer zu treffen sei. KinasLey und Conn, Cun- NINGHAM zeichnen ihn nicht, wohl aber GOrre und His. So aber, wie ihn der letztgenannte Forscher zeichnet: unregelmabig, zackig und oft mit losen, zwischen den Schenkeln liegenden Zellen (34, Taf. XVII, Fig. 2), habe ich ihn nie beobachten kénnen. Quer- schnitte durch das Fi in der Gegend des Embryonalschildes be- lehren uns ferner, daf wir es hier von friihesten Stadien an mit zwei Teilen des sekundiren Blattes zu thun haben: mit einer medianen Verdickung (8—4 Zellen dick), welche die Chorda- anlage reprasentiert und seitlichen zweischichtigen Lagen, die zu Mesodermplatten werden. Bd, XXX. N. F. XXII, 91 314 Waclaw Berent, Die Deckschicht. Bevor ich auf die Entwickelung des Entoderms eingehe, miissen hier einige Bemerkungen iiber die Entwickelung der Deck- schicht vorausgeschickt werden. Im allgemeinen wird angenommen, sie differenziere sich durch Abflachung der aufersten Zellen des Blastoderms. Der Name selbst riihrt von GOrrE (24) her, der sie als ,,vergiingliche Sonderung des oberen Keimblattes, welche fiir morphologische Wirbeltierentwickelung ohne Bedeutung ist‘ charakterisierte. Daf die Deckschicht eine Sonderung und nicht etwa ein Blatt ist, dagegen wird wohl nicht gestritten, daB sie aber eine Sonderung des oberen Keimblattes ist, dagegen liefe sich einwenden, daf sie sich zu der Zeit bildet, wo von der Keim- blatterdifferenzierung noch keine Rede sein kann. Korrekter kénnte man sie daher als Sonderung der Keimscheibe bezeichnen. Was den Vorgang der Abplattung betrifft, so erfolgt er nach G6OrTE gleichzeitig an der ganzen Oberflache des Keimes, ,,und wenn ein Teil der Deckschicht etwas triger erscheint, so ist es gerade der iuBerste Saum, dessen Zellen die anderen an Gréfe meist tiber- treffen. Nach OELLAcHER (61) vollzieht sich dies ganz umge- kehrt: die Abflachung seiner Hornschicht geschieht erst an den Seiten, dann in der Mitte. GoronowirscH (23) nahert sich den Angaben von GOrrr, indem er ein Stadium beschreibt, wo die Deckschicht im centralen Teil der Keimscheibe stiirker abge- flacht war. Der Eindruck, den ich bekommen habe, ist der, dal der Vorgang sich itiberhaupt ganz unregelmifig vollzieht. Einige Zellen waren schon abgeflacht und entsprechend dunkler geworden, wihrend gleich daneben noch solche lagen, welche total den anderen Furchungszellen glichen und dazu noch in Teilung be- griffen waren, um, ehe sie in die Deckschicht einbezogen werden, der Keimscheibe noch eine Zelle zu liefern (Fig. 19). Oft auch bemerkt man zwischen den abgeflachten Zellen gréfere Zellen ein- geklemmt (‘Taf. XVII, Fig. 20). — Bei den abgeflachten Zellen stehen die Kernplatten bei der Teilung vertikal, soda sie wieder Deck- schichtzellen liefern. Auf einem und demselben Schnitte lat sich oft in der Deckschichtlage eine vertikale Kernplatte in abge- © flachter Zelle und eine horizontale, in runder oder polygonaler Zelle bemerken. Fig. 21 stellt die Deckschicht auf einem weiteren Stadium dar; auch hier sieht man noch die ungleiche Abflachung der Zellen. Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 315 Bei der Abplattung ziehen sich die Zellen erst in die Quere, dann in die Linge, wie dies das Fragment eines Langsschnittes (Fig. 22) zeigt, ferner die Reihenfolge der Langsschnitte Fig. 25—27. Die Zellen haben hier eine Parallelepipedonform. Von den nachsten Tagen (8. und 9.) stehen mir nur Quer- schnitte zur Verfiigung; aber diese geben vielleicht die besten Aufschliisse iiber die weiteren Details der Differenzierung der Deckschicht. Fig. 23a (Taf. XVII) zeigt die Deckschicht auf den letzten, b auf dem vorletzten Schnitt: sie ist hier gleichmafig ab- geplattet ; c stellt sie auf dem ersten, d auf dem zweiten Schnitt dar: Hier sehen wir in der Mitte einige Zellen, die sich noch nicht abgeflacht haben, ein wenig heller sind und den Zellen der iibrigen Keimscheibe vollstandig gleichen, vielleicht, daf sie die- selben ein klein wenig an Gréfe tibertreffen. Der sechste Schnitt, Fig. 23e zeigt noch diese Verschiedenheit, weiter nach vorn ver- schwindet sie. Dasselbe kann man auf Querschnitten des folgen- den Tages sehen. Fig. 24 (Taf. XVII) stellt einen medianen Langsschnitt von einer 10 Tage alten Keimscheibe dar und zeigt ebenfalls dasselbe Ver- halten: die hinteren Zellen haben sich nicht abgeflacht, sie stehen zwar im Zusammenhang mit der Deckschicht, lassen sich aber von den Keimscheibenzellen nicht scharf trennen, sowohl ihrer Gréfe als auch ihrer helleren Farbung nach. In Fig. 25 ist der hintere Teil desselben Schnittes bei starker Vergréferung ge- zeichnet. Auch andere Autoren weisen, wenn auch nicht deutlich, auf diese Verhiiltnisse hin. So meint GOrrr, daf der duBere Saum der Deckschicht in der Abplattung triiger erscheine. KOwWALEWSKI halt dafiir, daf die abgeflachten Zellen am Rande des Blastoderms in runde, dann polygonal werdende Zellen tibergehen. Seine Fig. 14 la8t den Ubergang nur von einer Seite erkennen. Ferner kann man nach GoronowirscH ,hier und da den Ubergang der aiuBersten Zellen der Deckschicht in die Zellen des Randteils des Blastoderms verfolgen“ und ,,in dem Randgebiet, wo die Deck- schicht aufhért, haben ihre Zellen einen indifferenten Charakter‘’. — Auf der Fig. 24 ist die Deckschicht selbst, sowie der vordere und hintere Rand der Keimscheibe mit Projektionsapparat gezeichnet, das iibrige schematisch ausgefiillt. Sie soll nur zeigen, dal die Deckschicht am entgegengesetzten Rand keine solche Verschieden- heit aufweist (entsprechend den Querschnitten Fig. 25). Auf Fig. 26, die sich gleich der vorangehenden anschlieft, hat die 2 316 Waclaw Berent, Deckschicht angefangen, sich auch in der Richtung von vorn nach hinten abzuflachen. Sie ist auch ein wenig dunkler geworden, ihre Randzellen haben ihre Form und Groéfe beibehalten. Das- selbe, nur weiter vorgeschritten, sieht man in der Fig. 27. Was bei dieser Figur noch speziell betont werden mu, ist die Ver- schiedenheit der Randzellen, nicht nur von den Deckschichtzellen, sondern auch von den Keimzellen. Sie sind auch heller als die letzteren und tiberragen dieselben an Grofe. Der nachstfolgende Tag zeigt schon das Verhalten, wie es auf Fig. 21 dargestellt ist. Die Deckschicht greift tiber die Keim- scheibe und endet iiber dem Dotter, die gréferen, helleren Zellen sind unter derselben in der Ecke zu sehen. Es ist jedenfalls ein erofer Sprung zwischen den beiden Stadien; aber eine kleine An- deutung tiber den Vorgang finde ich darin, daf sich néamlich zu dieser Zeit die Deckschicht stark in die Lange auszubreiten be- ginnt und ihre Zellen in lebhafter Teilung begriffen sind. Fig. 32 zeigt von derselben Serie ein Deckschichtfragment unter noch stiirkerer Vergréferung. An diesem Tage hat sich auch die Um- stiilpung der sekundiiren Schicht vollzogen, die mit der Keim- scheibe zusammenhingenden grofen Randzellen sind mitgezogen worden. Trotzdem sich diese Zellen nur unter starker Vergréferung wahrnehmen lassen, konnten sie nicht von allen Forschern der Forellenentwickelung unbemerkt geblieben sein. HENNEGUy, dem wir die genauesten Angaben tiber diesen Fisch verdanken, hat sie gesehen und schreibt dariiber Folgendes: ,,Les cellules marginales de la couche enveloppante sont plus développées qu celles qui constituent le reste de la couche. Souvent elles donnent naissance i des cellules qui font saillie dans le canal périgerminatif et ten- dent a le combler. .. Je n’ ai pu constatér leur existence chez la truite qu’ au moment de la réflexion de l’éctoderme et il m’a été impossible de suivre leur évolution ultérieure.“ Das Entoderm. Das weitere Schicksal dieser Zellen ist aus der Reihenfolge der Fig. 28, 29, 30, Taf. XVII und Fig. 35, 36, Taf. XVII ersichtlich, | — sie sind es, die das Darmblatt liefern. In Fig. 29 sind sie keil- formig nach unten versenkt, in Fig. 30 ist der Vorgang noch weiter vorgeschritten; Fig. 31 zeigt schon eine deutliche Lage hellerer Zellen, ebenso Fig. 35. Die Stelle, wo das Entoderm in das untere Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 317 Blatt tibergeht, verschiebt sich immer mehr nach unten und vorn, was ein deutlicher Ausdruck des Umschlags der sekundaren Schicht ist. Diese Entodermlage ist deutlich von den dariiber liegenden Zellen zu unterscheiden, trotzdem sie nicht tiberall scharf abgesetzt ist; sie ist namlich viel heller und in friiheren Stadien aus linglichen Zellen zusammengesetzt; wenn man sie einmal ge- sehen hat, ist sie nicht mehr zu verkennen, sowohl auf Langs- als auf Querschnitten. — Fig. 47, Taf. XVIII stellt einen Querschnitt durch die Stelle dar, wo die oberen Keimblatter in einer in- differenten Zellenmasse (,,Schwanzknospe‘) zusammenhangen. Unten sieht man gut die Entodermlage, die sich seitlich noch nicht voll- staindig ausgebreitet hat. In spateren Stadien, wo sich die Wurzel des Darmblattes mehr nach vorn verschoben hat, ist diese Lage unter der ,,Schwanzknospe“ nicht mehr zu finden. Von allen Autoren, welche die Entwickelung der Knochen- fische studiert haben, ist es allein M. v. KowaLewsk1 (49), der diese Entodermbildungszellen beim Gobius gesehen und sie auch weiter verfolgt hat. Sein Studienobjekt zeigt diese Verhaltnisse viel deutlicher, sie lassen sich sogar bei schwacher VergréB8erung beobachten. Dasselbe hat er auch bei ,,Carassius“‘ gefunden, doch, wie er selbst meint, nicht mehr so schén. Bei der Forelle scheint der Vorgang noch undeutlicher zu sein, denn er ist ausschlieflich nur bei starker VergréSerung zu erkennen. Genannter Autor hat die Entodermbildungszellen auf dem Stadium gesehen, das meiner Fig. 28 entspricht und ist daher geneigt, sie von Blastodermzellen abzuleiten, die beim Umschlag desselben in der Ecke blieben und nicht nachgeschleppt wurden. Er verfolgte sie auch nur bis zu einem Stadium, das zwischen meinen Fig. 29 und 30 steht und glaubt deshalb in einem Nachtrag, in dem er sich speciell mit der Kurrrer’schen Blase befaBt (50), daf die beschriebene Anlage nur den hinteren Teil des definierten Entoderms bildet. Die Anlage der Kuprrer’schen Blase steht nicht im direkten Verhaltnis zu der grofzelligen Anlage, sondern sie ist auf nachtragliche Wuche- rung des schon gebildeten Entoderms zuriickzufiihren (Fig. 36, Taf. XVIII); so wenigstens bei der Forelle. Auf die Entwickelung der Kuprrer’schen Blase will ich unten mit einigen Worten zuriickkommen. Obgleich ich den Zusammenhang der Entodermbildungszellen in friiheren Stadien mit der Deckschicht zu zeigen bemiiht war, will ich durchaus nicht behaupten, da’ das Entoderm etwa durch Umschlag der Deckschicht sich bildet. Von einem wahren Um- 318 Waclaw Berent, schlag der Deckschicht kann durchaus keine Rede sein. Auch mochte ich diese Zellen auf dem Stadium der Fig. 27 nicht in- different nennen, wie es GoronowrrscH fiir die Randzellen der Deckschicht thut. Gegen die letzteren verhalten sie sich wohl indifferent, aber im Verhaltnis zum Blastoderm sind sie eben differenzierte Teile desselben. — In der geschilderten Entoderm- bildung moéchte ich im Gegensatze zu KowALewskI, der fiir sie einen Gastrulationsmodus aufstellt, nicht ein primares, sondern ein abgeleitetes Verhalten erblicken. Obgleich die meisten Ar- beiten, in denen das Darmblatt vom primaren Entoderm abge- leitet wird, die Frage nicht eingehend genug behandeln, so ist es die ausfiihrliche Abhandlung von Wiuson (82), die eine derartige Bildung des Darmblattes tiber jeden Zweifel erhebt. Sein Objekt ist auch wegen der relativen Dicke des Hypoblastes tibersichtlicher als alle anderen. Worin sich W1Lson von den andern Forschern unterscheidet, ist, da er das Entoderm sich nicht abspalten, sondern differenzieren la&t, und daf diese Differenzierung gleich nach Beginn des Umschlags erfolgt. Es werden zwei ein- schichtige Lagen gebildet (Anlage des Mesoderms plus Chorda und die Anlage des Darmblattes), die dann weiter nach vorn wachsen (vgl. Winson Fig. 46, 47, 43, 44. — Schema I und IL.) { & ‘ & A 2 ,, ; PSY Ww \ © US Ill Wahrend also bei anderen Fischen eine Differenzierung des sekundiren Blattes erst nach dem beendeten Umschlag eintritt, Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische, 319 ist sie hier zeitlich verschoben und zwar gleich nach dem Anfang derselben. Man braucht sich nur zu denken, daf diese Differen- zierung zeitlich noch weiter zuriickgreift, ferner, da’ die sekun- dare Schicht viel machtiger sei und wir kommen zu dem Ver- halten der Forelle (Schema IID). So befremdend die beschriebene Bildung des Entoderms bei diesem Fisch erscheinen mag, erweist sie sich doch als Spezial- fall von der allgemeinen Regel der Differenzierung dieses Blattes aus der unteren Schicht. Im iibrigen kann eine derartige Bildungsweise des Darm- blattes verbreiteter sein, als es bisher angenommen wurde. Go- bius, Carassius und Forelle sind nicht allzu nahe stehende Knochen- fische '). Bei allen Wirbeltieren ist das Darmblatt in seinem ersten Auftreten einschichtig, fiir Salmoniden wird von HorrmMann, ZrEc- LER und GOTTE dasselbe angegeben. OELLACHER behauptet da- gegen, dafi bei der Forelle das Darmblatt zwei- bis dreischichtig erscheine und der letzte Untersucher der Forellenentwickelung, HENNEGUY, spricht sogar von einer drei- bis vierschichtigen Lage. Nach meinen Erfahrungen ist das Darmblatt nicht nur bei seinem Auftreten einschichtig, sondern es behalt noch lange diesen Bau. Wenn die Zellen der Chorda und der Mesodermplatten, oben cy- lindrisch, unten polygonal sind, erscheinen die des Entoderms mit ihren Lingsachsen horizontal gestellt; sie sind ferner, wie schon erértert, ein wenig heller als die tibrigen Zellen. Die beiden Eigenschaften lassen das Darmblatt gut von den dariberliegenden Zellen unterscheiden (Fig. 47, 45 und 46, Taf. XVIII). Das ist jedoch nur mit Hilfe starker Vergréferungen zu erkennen, bei schwacher Vergréferung erscheint das Entoderm nur stellenweise von den iibrigen Blastodermzellen getrennt. Bei Betrachtung solcher Bilder kann man mit GOrrrE zu der Vorstellung gelangen, daf das Darmblatt stellenweise mit dem dariiber liegenden Meso- derm verschmelze. In jedem zweifelhaften Falle wird die starkere Vergréferung gerade das Gegenteil bezeugen. 1) So sieht man z. B. bei van Bampexe’s Fig, 5 (6), die einen medianen Liingsschnitt durch die hintere Region einer noch nicht in Keimblitter differenzierten Keimscheibe wiedergiebt, bei total undeut- lichen Zellgrenzen in der Ecke drei grdfere, scharf begrenzte Zellen mit markant hervortretendem Nucleus. Es ist wohl mdéglich, daB die- selben dort eine ahnliche Bedeutung haben, wie in unserem Falle, 320 Waclaw Berent, Unter der Chorda behalt das Darmblatt seinen einschichtigen Bau am langsten; lateralwarts beginnt die einschichtige Lage hier und da zweischichtig zu werden (Fig. 33, Taf. XVII). Wo der freie Raum oder die Druckverhiltnisse es gestatten, teilen sich die Zellen aquatorial (Fig. 45, links), an Stellen aber, wo im Gegen- teil der Druck stirker wird (z. B. wenn eine Vacuole die Keim- scheibe hebt), zwaingt sich das Entoderm als sehr schmale Lamelle durch, um gleich dahinter wieder dicker zu werden (Fig. 34). In spateren Stadien ist das Entoderm stellenweise so deutlich zweischichtig, daf es sogar bei schwacher Vergréferung gut wahr- genommen werden kann. Dieses fiihrt HeENNEGuy zu der merk- wiirdigen Annahme, daf die Zahl der Schichten sich nachtraglich vermindere. Darm und Kuprrer’sche Blase. Der Darm der Knochenfische soll nach AGAss1z und WHITMAN (1), Horrmann (40), Witson (82), Hennecuy (30) und Lworr (59) durch Faltenbildung entstehen; ZreGLER (85) berichtet beim Lachs von einer soliden Anlage desselben '). Wenn man bei der Forelle von einer Faltenbildung sprechen wollte, so wiirde dieselbe jedenfalls nicht als eine laterale, sondern vielmehr als eine mediane Auffaltung aufzufassen sein, d. h. die faltenbildende Kraft kime nicht von der Seite, sondern von der Mitte. Zu einer deutlich ausgepragten Falte kommt es bei der Forelle nie; die Héhlung erscheint als Spaltéffnung. Die unter der Mitte der Chorda gelegenen Zellen sind in der Fig. 37 in Ausbreitung und Teilung begritfen, dadurch werden die seitlichen gezwungen auszuweichen, stofen aber auf Widerstand der rechts und links gelegenen Zellen. Dem _ beider- seitigen Drucke passen sie sich so an, daf sie in schiefe Stellung geraten (Fig. 38). Bei noch weiter anhaltendem Drucke klappen sie in horizontale Stellung um und legen sich mit ihrer breiten Seite auf den Dotter. Sie haben hier den stirksten Grad der Abflachung erreicht, sie sind schmal und lang ge- worden, ihre Kerne stark oval zusammengedriickt (Fig. 39). Die Entstehung der Héhlung ist dadurch zu erklaren, daf der Druck — von der Mitte noch weiter andauert, die seitlichen Zellen aber, bis 1) Die verschiedenen Angaben beziehen sich nur auf den mitt- leren und hinteren Teil des Darmes, In der Branchialgegend bildet er sich durchwegs durch Faltung. Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 321 auf den héchsten Grad abgeflacht, halten jetzt den Druck aus, dadurch wird eine Spannung entstehen, die schlieSlich zur Bildung einer Spalte fiihrt. ZreaLEeR (83) scheint eine ahnliche Bildungs- weise beim Lachs beobachtet zu haben, indem er kurz von einer soliden Anlage berichtet. Diese Bilder lassen sich auch schwer- lich dahin interpretieren, daS die Falten sich dicht aneinander lagern und verschmelzen, wie es HenNEGUY annimmt. Lworr, dessen Objekt eine deutliche Falte zeigt, hat im Bauchteil dieser Falte mitotische Figuren gefunden und kann deshalb mit voller Berechtigung auch in diesem Falle von einer medianen Auffaltung sprechen. Somit waren die Anfangsstadien in beiden Fallen der Darmbildung (solide Anlage und Faltung) die gleichen: Teilung der Zellen in der Mediane, die zur Abflachung und Schiefstellung der seitlichen Zellen fiihrt. Es lat sich nun denken, daf die seitlichen Zellen im zweiten Falle nicht einer weiteren Verschiebung zur horizontalen Lage fahig sind (sei es durch den gréferen Gegendruck seitlicher Zellen, sei es aus anderem Grunde), und daf schon auf diesem Stadium eine Spannung entsteht, die zur Abhebung fiihrt. Sobald sich der mittlere Teil emporgehoben hat, wird die Spannung wieder kleiner, die Vermehrung der Zellen in der Mitte wird nun zur Abflachung der seitlichen Zellen fihren und sie dadurch mit ihren zugekehrten Boe Waclaw Berent, Enden einander nahern; ein Vorgang, der gleichzeitig mit einer horizontalen Teilung der letzteren Hand in Hand gehen kann. Anders la&t sich die verschiedene Bildungsweise des Darmes bei den Knochenfischen nicht erklaren, wenn man in beiden Fallen die mediane Auffaltung acceptieren will. Lworr laft die untere Wand des Darmes sich frei aus dem Dotter durch Nachfurchung bilden. Die beigegebenen Zeichnungen sind aber nicht imstande, diese Anschauungen zu beweisen. Seine Figuren 39 und 40 stellen blof& die Falten dar, 41 einen voll- stindigen Darm, welcher sich sogar schon von dem Entoderm ab- gegliedert hat. Die untere Wand kann sich ebenso gut durch Entgegenwachsen der Rander und Teilung der abgeflachten Zellen bilden. (Daf diese Zellen sich auch wirklich teilen, sieht man aus meiner Fig. 39, Taf. XVIII, wo rechts die Kerne eine Vor- bereitung dazu zeigen.) Der einzige Hinweis darauf, daf die Zellen der ventralen Wand flacher sind, kann in Anbetracht der vielfach erwahnten Abflachung nicht als Beweis einer Nachfurchung dienen. Dieser Entwickelungsmodus des Darmes, wie wir ihn fiir die Forelle konstatiert haben, tritt noch deutlicher zu Tage bei der Entstehung seines hintersten, differenzierten und verganglichen Teiles, bei der Bildung der Kuprrer’schen Blase. Dieses Gebilde wurde zuerst von Kuprrer (51, 52) an durch- sichtigen Knochenfischembryonen gefunden und als rudimentire Allantois gedeutet. Banrour (5) halt sie fiir homolog dem post- analen Darme der Selachier, ihnlich D. ScHwaArz (73). — HENNE- Guy, der dieses Gebilde bei der Forelle fand, glaubt, daf sich die Deutung Kuprrer’s noch heute verteidigen lat. Cunnine- HAM (18) ist in den Fehler verfallen, als Kuprrer’sche Blase eine Dottervakuole zu deuten, was aus seiner Fig. 3 klar ersicht- lich ist. Auch AGassiz und Wurrman, KinGsLey und Conn und ZIEGLER wurde derselbe Vorwurf zu teil; sie alle berichten, da die Blase ventral vom Parablaste begrenzt wird. Im Zusammenhang damit wollen sie dieses Gebilde als einen Teil der Gastralhéhle auf- fassen. Bei den Selachiern naimlich ist das umgeschlagene Ento- derm (dorsale Wand der Hdéhle) im hinteren Teil, vom Dotter (ventrale Wand) abgehoben, bei den Teleostiern liegt der hintere Umschlagsrand dem Dotter dicht an, und was vom Dotter abge- hoben ist, ist ein weiter nach vorn gelegener Teil des Urdarms, die Kuprrer’sche Héhle. — Kuprrer schildert die Blase als von Parablast u. Keimbliatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 323 deutlichem Epithel begrenzt, ebenso BALrour. Nach Scuwarz, dem wir die genauesten Angaben tiber dieses Organ verdanken, entsteht im hinteren Teil des verdickten Darmblattes ein Lumen, das die Kuprrer’sche Hohle repréasentiert. Ebenso schildert HENNEGUY die Entstehung dieser Hoéhle bei der Forelle, welchen Angaben ich vollstindig beipflichten muf. An einer nahe der Schwanzknospe gelegenen Stelle fangen die Zellen des Entoderms an sich rasch zu vermehren (Fig. 36). In der gebildeten Zellenmasse tritt ein Lumen auf, welches dorsal von cylindrischen Zellen, ventral von abgeflachten begrenzt wird Eingehender auSert sich Henneauy nicht iiber die Bildung dieses Lumens. ScHwarz spricht nur von ,,einer eigentiimlichen, nicht niher zu beschreibenden Gruppierung der Zellen‘‘. — Wenn ich nun auf die Bildung der Kurrrer’schen Hohle noch zuriickkomme, so geschieht es, wie gesagt, nur darum, weil sich auch hier das Lumen ahnlich wie beim Darm bildet. Fig. 40, Taf. XVIII, stellt einen Querschnitt durch die schon mehrfach erwihnte Anschwellung des Entoderms (Fig. 36) dar. Hier lait sich wiederum konstatieren, da’ die mittleren Zellen sich am energischsten teilen und die seitlichen in schiefe Stellung zwingen. Es kommt aber ein neuer Umstand hinzu: die mittleren Zellen strecken sich und nehmen eine cylindrische Form an (Fig. 41), die schief gestellten teilen sich ebenfalls, wenn auch nicht so schnell. Es entsteht eine zweischichtige Lage hoher Cylinder- und abgeplatteter, langgestreckter Zellen. Die Spannung, die dank dem Druck von der Mitte weiterwirkt, fiihrt endlich zur Trennung beider Lagen (Fig. 42). Die unteren Zellen platten sich nachtraglich noch weiter ab (Fig. 45). Ob die Trennung immer so vor sich geht, daf eine doppelte Spalte auftritt, kann ich nicht sagen; indessen ist das sehr méglich, schon in Anbetracht, daf sich der mittlere Teil am energischsten teilt; hier muf also eine mehr als zweischichtige Lage entstehen. An einem alteren Embryo, wo die Kuprrer’sche Blase schon gut ausgebildet ist und die untere Wand sich ab- flacht (Fig. 44), sieht man in der Mitte einen héheren Wulst, der stellenweise zwei Zellenlagen aufweist. Dieses diirfte auch fiir den gegebenen Bildungsmodus sprechen. M. Kowatewski (50) hat tiber die Entstehung der Kuprrrr- schen Blase ganz eigenartige Ansichten geaufert. Die mehrfach erwahnten differenzierten Zellen des Blastoderms, die nach den letzten Angaben des Autors nur den hinteren Teil des Darm- 324 Waclaw Berent, blattes bilden, sollen sich radiiir um eine kleine, der Deckschicht zugewandte Aushéhlung gruppieren. Diese Aushdhlung ist der ,zuerst zum Vorschein kommende Teil des Gastraldarmes“ resp. der Kuprrer’schen Blase. Die der intermediaéren Schicht an- liegenden, differenzierten Entodermzellen sollen die ventrale und vordere Begrenzung der Kuprrer’schen Blase bilden. Die weiter beschriebene Etappe in der Entwickelung der Kuprrer’schen Blase soll ein ovales Gebilde vorstellen, dessen Zellen um eine in der Liingsachse des Embryos gelegene Linie radiir angeordnet sind. Die untere einschichtige Wand dieses ovalen Gebildes soll sich in Form eines dicht der intermedidren Schicht anliegenden, aus 3—4 Zellen bestehenden Stranges bis an die Deckschicht fort- setzen. Dieser Zellenstrang wird als Rudiment des Canalis neur- entericus gedeutet. Er verschwindet in dem Mage, als die Blase weiter nach vorn riickt und ein deutliches Lumen bekommt. Die so gebildete Kuprrer’sche Blase stellt einen kleinen Teil des Gastraldarmes vor, von dem nach vorn ,,eine nimmer hohle, sondern solide Verlangerung desselben abgeht, ein mit Mesodermanlagen zusammenhangender Strang, der die Chorda und den Darm bildet*. Trotzdem man eigentlich abwarten sollte, bis eine sachliche Begriindung dieser kurzen und nicht ganz klaren Mitteilungen erfolge'), so lassen sich doch schon jetzt einige Punkte hervor- heben, die durchaus nicht zu Gunsten dieser Auffassung sprechen. Erstens habe ich bei der Forelle nichts gesehen, was sich als Blastoporus resp. Gastralhéhle in dem oben erwahnten Sinne deuten lieBe. Die Entodermbildungszellen lagen immer dem Blastoderm dicht an. Zweitens wurde die Entstehung der Hohle fiir die Forelle in Ubereinstimmung mit Hennecuy als eine nachtragliche Ver- dickung des Entoderms (verursacht durch lebhafte Zellenteilung an dieser Stelle) geschildert. Was den soliden Strang vor der Kuprrer’schen Blase betrifft, von dem sich Chorda und Darm- blatt bilden soll, so handelt es sich hier wohl um einen Beobach- tungsfehler. Haben doch alle Forscher zur Zeit, wenn die Kuprrer’sche Blase gebildet ist,, ein wohl zu unterscheidendes Darmblatt gesehen und die Zugehoérigkeit der Kuprrer’schen Blase zu demselben hervorgehoben. Da, wo das Entoderm unter der Chorda spiater auftritt, bildet es sich durch Verwachsung der Rander unter der Chorda. Der Vorgang geschieht in der Regel viel friiher, als sich die Blase gebildet hat. Ein einheitlicher **1) Die Mitteilung ist iibrigens 1886 erschienen. Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 325 Zellenstrang hinter derselben wurde zu dieser Zeit nicht beobachtet. Endlich, wie kann sich nach alledem das seitliche, in die Bildung des Darmblattes nicht einbezogene Entoderm bilden? Offenbar durch Abspaltung von den Mesodermlappen. Wir hatten also nach KowALEwskI einen dreifachen Ursprung des Darmblattes. Ferner ist auch merkwiirdig genug, daf sich Darm und Chorda anfangs in der Mitte und dann nach vorn und hinten differen- zieren sollen. Die Entwickelung der Kuprrer’schen Blase, wie sie bei der Forelle so deutlich zu Tage tritt, labt dieses Gebilde am ehesten mit dem postanalen Darme der Selachier vergleichen, was auch BaLrour und Scuwarz thun. Die Deutung der Blase als Allantois, wie Kuprrer und HENNeGuy wollen, sté’t jedenfalls auf einige Schwierigkeiten. Die Kuprrer’sche Blase hat keine splanchnische Bedeckung wie die Allantois der Reptilien, Végel und Siugetiere, was mit dem Fehlen des Amnions zusammenhangt. Die Allantois der héheren Wirbeltiere entsteht viel spater als das Amnion, kann somit als jiingeres Gebilde aufgefaft werden. Schon das Vor- kommen derselben ohne Amnion diirfte nicht ohne weiteres auf ein primires Verhalten deuten!). Endlich findet man bei den Amphibien nichts, was sich als Amnion deuten liefe. Fiir die exkretorische oder respiratorische Funktion’ der Blase lassen sich bei den Knochenfischen schwer irgend welche Anhaltspunkte finden. Freilich wurden auch hier die Merocyten herbeigezogen. Mesoderm und Chorda. Die mediane Verdickung, wie sie oben beschrieben wurde, differenziert sich immer mehr von den seitlichen Teilen des se- kundiiren Blattes, bis sie sich als definitive Chordaanlage von ihm abschniirt. Der Vorgang schreitet im allgemeinen von hinten nach vorn fort. Thre gréf%te Entwickelung hat sie auf diesem Stadium gleich hinter der Schwanzknospe; weiter nach vorn ist sie durch die Wucherung des Ektoderms plattgedriickt und ein wenig in den Dotter eingequetscht, an den vordersten Schnitten ist die mediane Verdickung nicht mehr so deutlich von den seitlichen Teilen ab- gehoben. Fig. 45, Taf. XVIII, stellt die Chordaanlage von einem 20 Tage alten Embryo dar, Fig. 46 ein um einen Tag alteres Stadium. 1) Allerdings hat His (36) bei Haifischembryonen Spuren yon Falten, die er als rudimentire Amnionfalten deutet, beschrieben. 326 Waclaw Berent, Auf beiden Stadien ist die Chorda noch nicht von der sekundaren Schicht abgesondert, und das Ento- derm ist unter ihr schon gut zu unterscheiden. Den Punkt mu ich stark betonen, weil er den Schilderungen von GoronowitscH (23) und M’InrosH und Prince (60) gegen- iibersteht. Nach dem ersten Forscher soll sich das Entoderm samt einer medianen Verdickung (Chordaanlage) vom sekundiren Blatte spalten und die Chordaanlage sich nachtriglich vom Ento- derm lésen. Nach M’ InrosH und PrINcE ist die Chorda ebenfalls ein Produkt des Hypoblastes und zwar eine Proliferation seines medianen Teiles. Die Forscher gehen indessen von einem relativ sehr spaiten Stadium aus, auf dem die Mesodermplatten schon von der Chorda getrennt sind. Die Chordaanlage hangt ebenso gut mit dem ektodermalen Medullarstrang wie mit dem Hypoblast zu- sammen; es wurden weder hier noch dort Abgrenzungen kon- statiert. Ferner ist auf ihrer Fig. 5a, Pl. IV, unter der Chorda- anlage (die hier auch mit dem Ektoderm kontinuierlich zusammen- haingt) iiberhaupt kein Hypoblast zu sehen; das Vorkommen des- selben in dieser Region soll sich durch das Vorwirtszwingen des schon gebildeten hinteren Teiles erkliren. OELLACHER (61) beschrieb fiir die Forelle, wie bekannt, einen ganz anderen Entwickelungsmodus der Chorda und des Medullar- rohres. Eine feine Spalte soll die Keimscheibe in ein oberes und unteres Blatt scheiden. Diese Spalte tritt nur seitlich auf; in der Medianebene bleibt ein aus konzentrischen Zellen bestehender ,Achsenstrang, von welchem sich dann die Chorda und das Medullarrohr differenzieren. Die konzentrische Anordnung der Zellen in der Mediane ist in der That zu beobachten, tritt aber bei starker Vergréferung nicht so deutlich hervor (Fig. 45). Sie wurde bei den Salmoniden von allen Nachfolgern OELLACHER’S gesehen, aber ebenso gut wurde eine Grenzlinie in der Mediane in den friihesten Entwickelungsstadien konstatiert, und dies nicht pur bei den Salmoniden, sondern durchweg bei allen untersuchten Knochenfischen. — Auch fiir RaDWANER (64) machte es eine Reihe von Querschnitten wahrscheinlich, da’ die Chorda ein Ge- bilde des diuferen Keimblattes ist. Doch hat er Schnittserien nicht gebraucht und giebt nicht an, von welcher Region die ab- vebildeten Schnitte stammen. Seine Fig. 2, die als Beweis an- gefiihrt wird, stammt (wie man aus der Dicke der oberen Schicht, der Lage der Mesodermlappen mit ziemlicher Sicherheit sagen kann) aus der Gegend der Schwanzknospe, dort, wo die beiden Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 327 Blatter ineinander iibergehen. Der Ubergang vollzieht sich in der That erst in der Medianebene, dann seitlich. Bilder, wie Rap- WANER’S Fig. 2, lassen sich bis in die spatesten Stadien in der betreffenden Region bemerken. Fir Horrmanm ist die Chorda bei den Knochenfischen (und speciell bei der Forelle) ein direktes Produkt des Entoderms. Der Vorgang soll auf folgende Weise vor sich gehen: Die drei Keimblatter liegen vorerst tibereinander geschichtet, das Ektoderm bildet in der Mediane den Medullarkiel und drangt die Mesoderm- zellen seitlich, bis schlieflich in der Mediane das Ektoderm direkt das Entoderm berihrt; das Mesoderm bildet jetzt zwei seitliche Zellenlagen. Die Chorda bildet sich als Wucherung des Entoderms an seiner Beriihrungsstelle mit dem Ektoderm. Trotzdem die letzten Angaben des Forschers beziiglich des Parablastes (43) bei den Salmoniden gewifi genau sind, konnte ich, was die Entwickelung der Chorda anbetrifft, nicht die ge- ringste Andeutung des beschriebenen Vorgangs finden und muf mich vielmehr auf die Seite GOrrH’s stellen, welcher die Chorda der Forelle vom sekundiren Blatt ableitet. — Der Kiel dringt nie so weit ein, bis er das Mesoderm in zwei seitliche Lagen trennt und mit dem Entoderm in Berithrung kommt. Die bei- gegebenen Zeichnungen Fig. 45 und 46, Taf. XVIII, zeigen so deut- lich, wie man nur wiinschen kann, die Chordaanlage in kontinuier- lichem Zusammenhang mit den Mesodermplatten, darunter das Entoderm, dessen Zellen, wie gesagt, von denjenigen der Chorda und des Mesoderms sich deutlich unterscheiden. Ofters wird CALBERLA (14) als derjenige angefiihrt, der eine entodermale Entstehung der Chorda fiir Teleostier nachgewiesen hat (so z. B. von L. Geriacnw [22] oder Horrmann [40]). In- dessen sagt der Forscher nichts, was einer anderen Anschauung gegeniibergestellt werden darf. ,,Die Chorda‘‘, schreibt er, ,,ent- steht zweifellos aus dem primaéren Entoderm. Das Mesoderm ent- steht aus dem primaren Entoderm, gleichzeitig mit der Anlage der Chorda.“ Ferner entsteht das Darmblatt aus dieser Schicht ; kurzum, es bilden sich Chorda, Mesoderm und Darmblatt aus einer Schicht, dem primiiren (oder, wenn man will, dem palin- genetischen) Entoderm. Nun differenziert sich das Darmblatt (das sekundire, eigentliche Entoderm oder Enteroderm, wie es auch genannt wurde) viel friiher von der gemeinschaftlichen Anlage als die iibrigen Teile. Die Differenzierung kann sogar bald nach dem Anfang der Invagination stattfinden (Wrson) oder zeitlich noch 328 Waclaw Berent, weiter zuriickgreifen, wie bei der Forelle. Chorda und Mesoderm bleiben also noch lange Zeit, nachdem sich das Darmblatt gebildet hat, miteinander in Verbindung. Es ist Sache der Auffassung, die zwischenliegende Schicht im Ganzen als Mesoderm zu deuten und die Chorda vom Mesoderm abzuleiten, wie es GOrre fiir die Forelle thut, oder von zusammenhingenden ,,Anlagen“ der Chorda und des Mesoderms zu sprechen. Fiir die letztere Annahme liefe sich das sehr friihzeitige Erscheinen der medianen Verdickung anfiihren. Das Auftreten einer zusammenhingenden Mesoderm- und Chordaanlage kommt nicht ausschlieBlich den Teleostiern zu. Ks laBt sich in diesem Sinne eine weitgehende Homologie zwischen Teleostiern, Ganoiden, Anuren und wohl auch Urodelen ziehen. 3ei allen diesen Tieren treten beiderlei Anlagen als eine kon- tinuierliche Schicht auf. Was die Urodelen anbetrifft, so wird zwar von O. Hertrwia (31), ferner von CALBERLA (15), ScHWINK (74) und ERLANGER (19) behauptet, da’ das Mesoderm zu beiden Seiten der Chordaanlage als paarige Doppellamelle gebildet wird, doch stehen auf anderer Seite die Beobachtungen von GOTTE (25), Betionci (8), Houssay (44) und Lworr (59), die auch fiir diese Tiere das Auftreten einer zusammenhangenden Anlage beschreiben. Ferner wird fiir die Anuren auch von ScHwink zugegeben, dal hier Chorda und Mesoderm als zusammenhiingende Lage gebildet werden. Die Selachier kénnen am allerwenigsten zur Vergleichung herangezogen werden. BorN meint in einem Referate in den Fortschritten fiir Anatomie und Entwickelungsgeschichte, da8 die- selben in der Bildung des Mesoderms wie in der Gastrulation eine Riickkehr zum primitiven Verhalten des Amphioxus vorstellen. Diese Deutung stiitzt sich auf die Arbeit der Briider ZreaLer, und nur sie allein ist es, die einen solchen Vergleich gestattet. Danach entsteht das ganze Darmblatt durch Einstiilpung, und das axiale Mesoderm entsteht durch Wucherung beiderseits der Chorda; das peristomale Mesoderm wird den Polzellen des Amphioxus gleich gesetzt, die, nebenbei gesagt, von’ Lworr und Wixson vollstandig in Abrede gestellt werden. — Fir die Cyclostomen wird die Bil- dung des Mesoderms von GOrre dadurch erklart, daf' mit der — Dotteranhiufung in den Makromeren die Urdarmhéhle verengt wurde. Infolgedessen wird das Material fiir das Mesoderm seit- lich und nach oben abgegrenzt. In noch héherem Mage kénnte man dies fiir Teleostier behaupten. Da dieselbe Bildungsweise des Mesoderms und der Chorda bei allen Wirbeltieren sich wieder- Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 329 holt, so laft sich, indem man am primdren Verhalten des Am- phioxus festhalten will, kaum an etwas anderes als an ein Zuriick- verlegen der Anlagen auf friihere Stadien denken. Allgemeines. Die Gastrula der Knochenfische wurde von verschiedenen Seiten zu erkliren versucht; so vor allem von HArEcKEL (26), ZIEGLER (83, 85) und O. Hertwie (32), deren jeder eine originelle Auffassung vertritt '). Nach HarckeEt ist die Teleostiergastrula eine typische Disco- gastrula. Die Umstiilpung vom Randwulst gleicht der Blastula- einstiilpung. Die umgeschlagene Schicht (das Entoderm) wachst ,als ein immer enger werdendes Diaphragma in die Keimhdéhle hinein‘. Der Umschlagsrand entspricht dem Urmundrand. — HenneGuy, der sich dieser Deutung anschlieft, laft sich die Blastula vom Amphioxus offen denken und um eine Dottersphare einstiilpen. Die obige Erklarung wurde schon verschiedentlich be- sprochen (BaLrour [4], S. 548—553, Wiuson [82], S. 262). Der Haupteinwand, den man dieser Auffassung gemacht hat, ist die Asymmetrie der Gastrula bei allen Wirbeltieren und bei den Teleostiern insbesondere. Zwar wird hier eine ringformige Ein- stiilpung angelegt, doch schreitet sie nur an der hinteren, dem Embryonalschild entsprechenden Stelle fort, und von da aus bildet sich der eigentliche Hypoblast. Zimauer’s Deutung, der sich auch Wixson anschliefSt, kann als eine Korrektion der HarcKet’schen Gastrula in dem oben erwaihnten Sinne betrachtet werden. Die Dotterzellen der Amphibien werden der Dottermasse plus inter- mediire Schicht der Teleostier homolog gesetzt, was auch Bat- rour fiir die Selachier thut. In beiden Fallen erfolgt der Um- schlag um die dorsale Lippe. Die ventrale Lippe der Amphibien gleicht dem oberen Pol der Teleostier, das Wachsen des oberen 1) Kurrrer (53), Kotzmann (49) und Kowatewsxr (50) miissen hier noch genannt werden. Der erste Forscher bricht in seiner gréBeren Arbeit beim Anfang der Schilderung der Teleostiergastrula ab, und die vor 11 Jahren versprochene Fortsetzung ist nicht erfolgt. Zudem widersprechen seine Oberflichenbilder der Forelleneier den friiheren von OxLLacHER, wie den spiiteren von Henngcuy. Kott- MaNN’s abweichende Deutung wurde von Witson besprochen, Die Auffassung von Kowatrwsxr habe ich bei Gelegenheit der Kuprrgr- schen Blase erwihnt. Bd, XXX. N, F. XXIll. 22 330 Waclaw Berent, Poles um den Dotter dem Uberwachsen der Mikromeren iiber die Dotterzellen. Das Archenteron befindet sich hier, wie dort zwischen dem Dotter und der umgeschlagenen Schicht. Der einzige Unterschied, das Fehlen der Verbindung zwischen dem Dotter und dem eingestiilpten Teil, kann nach Wison als Anpassung an die Bildung des Darmes aufgefaBt werden. Es tritt eine Arbeitsteilung im Hypoblast ein: der dorsale Teil iiber- nimmt die Funktion der Entodermbildung, der ventrale wird zum Nahrungsmaterial. ZieGLER und Winson stimmen ferner darin tberein, daf der vordere Umschlag nur als peristomales Meso- derm aufzufassen sei. Herrwia scheint ein Gleiches auch fiir die Amphibien anzunehmen (Lehrb., 4. Aufl., Fig. 58). — Bei den Teleostiern hat er seine Bedeutung verloren und wird zur rudi- mentiren Anlage — zum extraembryonalen Keimring, welcher nachher mit dem dorsalen Umschlagsrand verschmilzt. Was das Schicksal des Urmundes betrifft, so wurde schon erwahnt, daf Harcket den Umschlagsrand als Urmundsrand deutet. Witson, HENNEGUY und ScHwarz setzen die indifferente Kaudalmasse, ,,die Schwanzknospe“, dem Primitivstreifen der Amnioten homolog, und in der That gestattet der Bau dieses Ge- bildes, indem alle drei Blatter in einer indifferenten Lage zu- sammenhingen, sowie auch seine Lage, die mit der anfanglichen Lage des Primitivstreifens der Amnioten entspricht, am ehesten einen solchen Vergleich. Nach Hertwie (32) darf der obere Umwachsungsrand der Teleostier nicht mit der ventralen Lippe der Amphibien ver- glichen, sondern héchstens der ,,Randzone‘, in welcher vegetative und animale Zellen ineinander tibergehen, gleichgesetzt werden. Das Schicksal des Urmundes ist nach Hrertwic, wie bekannt, folgendes: Die Urmundlippe fallt am Beginn der Einstiilpung mit dem Rand der Keimscheibe zusammen, bekommt aber bald eine nach der Scheibenmitte gerichtete Ausbuchtung. Diese ist da- durch entstanden, dafi die rechte und linke Halfte der zuerst ge- bildeten Urmundslippe sich in der, Lingsachse des Embryos in dem Make, als sich die Keimscheibe tiber den Dotter ausbreitet, zu- sammenlegen (Lehrb., 4. Aufl., und ,,Urmund und Spina bifida“, S. 445). Der Vorgang kommt erst dadurch zum AbschluS, dab - sich die seitlichen Urmundslippen durch Ausbildung der ventralen Lippe miteinander verbinden. Der Unterschied zwischen Teleostiern einerseits, Selachiern und Amnioten andererseits beruht auf einer SchlieSung des Urmundes bei den letzteren. Hier wird er schon Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische, 331 geschlossen, noch ehe die Keimscheibe den Dotter umwachsen hat. Der im ersten Falle ,,randstandige* Embryo kommt mehr in die Mitte des Blastoderms zu liegen '). Wie nach HarscHeK die Verengung des Urmundes beim Amphioxus durch Verwachsung der Rander erfolgt, welche zum groéfkten Teil die spitere Riickenlinie bilden, so wird auch hier der Anfang des Urmundes am Anfang der Chorda und der Zwischenhirngegend zu suchen sein“. Das hintere Ende des Ur- mundes wird zum After. — Die einzelnen Bildungsstadien, sagt HERTWIG, zeigen uns immer einen kleinen, dem jeweiligen Sta- dium entsprechenden Teil des Urmundes geéffnet. Will man den Begriff von seiner ganzen Ausdehnung bekommen, so muf man sich den Urmund in seiner ganzen Lange gedéffnet denken. Der- gleichen sollen die bekannten Froschmifbildungen vorstellen, wo der Urmund klafft und sich tiber die ganze Riickengegend des Embryos ausdehnt. Schon von LEREBOULLET wird tiber eine ahn- liche Mifbildung beim Hechtembryo berichtet, ferner wurde eine solche von Rauper bei der Forelle beobachtet. Bei einem normal sich entwickelnden Knochenfischembryo aft sich indessen ein der- artiger Schlu8 des Urmundes nicht beobachten; die Schilderung von Hertwic stiitzt sich, wie bekannt, auf die Konkrescenztheorie von His, der eine solche Bildung des Embryos erstens fir die Selachier, dann fiir die Knochenfische behauptet (36, 37). RAUBER (68a), CunnincHAM (17) und Ryper (73) schliefen sich dieser Theorie an; andererseits wurde sie aber aufs energischste an- gegriffen. So von Banrour (5), welcher sie ad absurdum zu fiihren sucht. Ferner sprechen sich HenneG@uy und Lworr ent- schieden gegen dieselbe aus. Unter anderem meint BaLrour, dafi, wenn die Medullarrinne der Selachier sich geschlossen hat und an ihrem hinteren Ende mit dem Darmkanal in Verbindung steht (was sehr friihzeitig geschieht), kein weiteres Langenwachs- tum durch Konkrescenz erfolgen kénne. Man miifte also an- nehmen, daf nur ein kleiner Teil des Kérpers durch Konkrescenz gebildet werde, wahrend der tibrige durch Intussusception wachst. HenneGuy bemerkt, dafi, nachdem sich die Kuprrerr’sche Blase gebildet hat, die Konkrescenz nur hinter derselben (im 1) Auch dieser Unterschied ist wohl nicht so scharf. Bei einem von Miss Cornetia Crarr (16) untersuchten Teleostier (Batrachus Tau) kommen die Keimscheibenriinder hinter der Embryonalanlage in einer lingeren Verwachsungsstrecke zur Vereinigung, 22* 332 Waclaw Berent, Embryo nach vorn) stattfinden kann, da sich im anderen Falle dieselbe immer mehr und mehr von der Schwanzgegend entfernen miifte, wihrend sich im Gegenteil konstatieren aft, da sie sich nach hinten ausdehnt. Ferner konstatiert der Autor an Hand der Messungen von His, daf der Teleostierembryo bis zum Schlusse des Blastoderms mit der Partie wachst, welche zwischen der KuprFer’schen Blase und den Urwirbeln gelegen ist. Sich fragend, wie diese Beobachtungen mit der Konkrescenztheorie in Einklang zu bringen seien, sieht er nur zwei Méglichkeiten: 1) der Rand- wulst (bestehend aus Ektoderm und umgeschlagenem Entoderm) legt sich mit seinen iuBeren Randern in der Mediane zusammen, dann wird in der Langsachse des Embryos eine axiale cellulaire Masse entstehen, die erst lateralwairts das gesonderte Ekto- und Entoderm erkennen lassen wird, oder 2) bevor sich der Randwulst in der Mediane mit seinen Halften zusammenzulegen beginnt, ver- schmelzen die gesonderten Ekto- und Entoderm zu einer indiffe- renten Zellenschicht, die sich erst nachtraglich in Zellen des Ekto-, Meso- und Entoderms differenziert. Beide Moéglichkeiten sind nicht annehmbar, da die Schnitte vor der Kuprrer’schen Blase zu jeder Zeit gut differenziertes Ektoderm, Entoderm und Chorda mit den Mesodermplatten erkennen lassen. Lworr sagt kurzweg, dafi eine Bildung des Urmundes, wie sie Hertwic beschreibt, von keinem Menschen gesehen wurde. Was er Positives fiir Axolotl angiebt, ist in der That recht ver- schieden von den Hertrwia’schen Figuren. Er sieht keinen Vor- sprung nach vorn in der Langsachse des Embryos. Der Urmund, anfangs hufeisenformig, wird immer enger, bildet sich zu einem Ring um, bis er sich endlich mit zwei lateralen Lippen schlieBt. Bei den Knochenfischen hingt diese Frage mit der nach der Umwachsung des Blastoderms tiber den Dotter eng zusammen. Und in dieser Hinsicht ist man noch lange nicht zu einer be- friedigenden Antwort gekommen. His (37) sieht den Kopfteil des Embryos als fixiert an. Der vordere Teil der Keimscheibe umwachst den Dotter energischer als der hintere; der Embryo bildet sich durch Konkrescenz. — Nach OELLACHER (61) ist im Gegenteil der hintere Teil der Keim- scheibe (also auch das Schwanzende des Embryos) als fixiert zu betrachten, der vordere Teil umwiichst den Dotter; der Embryo wachst durch Intussusception. Die meisten Forscher nahmen eine gleichmabige Umwachsung von allen Seiten an, nach Kuprrer (51) soll sich dabei die Keim- Parablast u. Keimbliitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 333 scheibe um den centralen festen Punkt in dem Sinne drehen, daf sich der Embryo parallel zu sich selbst um 180° verschiebt. Mit diesen drei Behauptungen sind alle Méglichkeiten der Umwachsung erschépft (ausgenommen vielleicht die Annahme einer langsameren Umwachsung des vorderen Teiles und schnelleren des hinteren). Schon diese Zusammenstellung bezeugt, wie unsicher die Schluffolgerungen sind, die von einer dieser Méglichkeiten ausgehen. Die Forelleneier eignen sich zur Entscheidung der Frage weniger als alle anderen; einmal ihrer Gréfe wegen, die eine Schnittfiihrung durch das Ei unméglich macht, zweitens ihrer runden Form wegen, welche eine einwandsfreie Orientierung aus- schlieft 1). Von ahnlichen Uberlegungen wurde wohl Hennecuy geleitet, indem er sich zwischen den Angaben von Kuprrer und OELLACHER nicht entschliefen kann. Um so mehr mu man_ be- dauern, dafi der Mangel an Material KowALewsk1 nicht erlaubte, die Frage endgiltig zu lésen. Dieser Forscher hatte ovale Kier eines unbekannten Teleostiers vor sich und hat in allerfriihesten Stadien eine Verschiebung des hintersten Randes_ konstatiert. Nach der Lage des fertigen Embryos zu urteilen, wiirde aber der hintere Rand bald zur Ruhe kommen und die weitere Umwachsung nur von dem vorderen Rand der Keimscheibe aus vor sich gehen. Zwischenstadien fehlen, wie gesagt. Und somit bleibt eine der wichtigsten Fragen in der Entwickelung der Knochenfische noch offen. Ganz negativ gegen die Gastrulationsfrage bei den Wirbel- tieren verhalt sich ein hier schon mehrfach erwahnter Autor, Lworr (59), dessen Arbeit, wie man hoffen darf, von vielen Seiten eine Replik herausfordern wird. Der Forscher hat die Ent- wickelung des Amphioxus einer Kontrolle unterzogen, ferner Cyclostomen, Amphibien, Selachier, Teleostier und Reptilien auf die Keimblatterbildung nochmals untersucht und kommt zu dem Schlusse, daf alle unsere theoretischen Vorstellungen tiber die Entwickelung der Wirbeltiere (Bildung des Entoderms durch Gastrulation, entodermale Chordaentwickelung, Entstehung des Mesoderms vom Entoderm, Colom als Urdarmdivertikel) jeder that- sichlichen Grundlage entbehren. Zu einer Kritik dieser Angaben ist wohl nur der berechtigt, der mit ebenso viel Thatsachen- 1) Wenn Witson (82) z. B. bei Serranus das hintere Ende sich nicht verschieben laft, weil seine relative Lage zu der Fettkugel die gleiche bleibt, so ist dies wohl im runden Hi kein allzu exaktes Ma’, 334 Waclaw Berent, material diesen Behauptungen entgegentreten kann. Hier wurde vorlaufig fiir die Knochenfische eine der Lworr’schen entgegen- gesetzte Meinung vertreten und gezeigt, da’, was diese Tiere be- trifft, seine Angaben viel zu unvollstandig sind, um die Bildung des Darmblattes aus dem Dotter zu beweisen. Aber auch sonst drangen sich beim Studium seines Werkes Fragen auf, die die Grundlagen der Beweisfiihrung beriihren. Lworr geht vom Am- phioxus aus, und indem er die Makromeren nach HarscHek als Entoderm-, die Mikromeren als Ektodermzellen deutet, lift er im Gegensatz zu bisherigen Erfahrungen beiderlei Zellenarten sich einstiilpen, und zwar verlauft der Vorgang so, dafi die Mikromeren die dorsale Wand der Hoéhle bilden. Aus dieser dorsalen Wand (,,ektoblastogene dorsale Platte‘) bildet sich das Mesoderm und die Chorda. Aus den Makromeren entsteht der Darm. Lworr verwahrt sich zwar ausdriicklich dagegen, im allgemeinen in friiheren Stadien die Makromeren kurzweg als Entodermzellen zu deuten, und giebt zu, daf dieselben, indem sie sich teilen, ebenso Ektoderm- wie Entodermzellen liefern. ,,Bei der Unterscheidung der primaren Keimblatter“, meint er, ,,muf man zundachst ins Klare bringen, welche Elemente oder welche Schicht den Darm bildet‘‘, und wenn Lworr schon bei der Blastula des Amphioxus Entodermzellen unterscheidet, so ist es nur deswegen, weil diese eben den Darm liefern. Sofern also die innere Schicht der Gastrula einartige Zellen bilden, darf man von Entoderm sprechen, denn auch nach Lworr ist es gleichgiltig, ob von diesen Zellen etwas anderes aufer dem Darm gebildet wird. Wenn es aber zweierlei Zellen sind, wie beim Amphioxus (nach Lworr), dann sind die Makromeren ausschlieflich als Entoderm zu bezeichnen. Es fragt sich, inwiefern man sogar auf diesem Stadium den Unterschied prazisieren darf, ob die Mikromeren, trotzdem sie eingestiilpt werden, als Ektoderm gedeutet werden kénnen und nicht etwa jenem Teil der Makromeren gleich sind, ,,die etwas anderes aufer dem Darm bilden sollen“. Daf die Makromeren friiher ‘oder spater zu Entodermzellen werden, das wird stillschweigend angenommen; daf es aber nicht immer der Fall zu sein braucht, dariiber belehrt uns z. B. die — Entwickelung einer ganzen Reihe von Kalkschwaimmen (Sycandra, Ascandra, Leucandra) [ScnuuzE, 77]1). Das Ei furcht sich erstens 1) Vgl. auch: Dernpy, On the pseudogastrula-stage in the de- velopment of calcareous sponges, in Proc. Roy. Soc. Victoria, 1890. Parablast u. Keimblitterdifferenzieruug im Ei der Knochenfische. 335 aiqual, dann ein wenig inaqual, so daf’ ein Unterschied zwischen Mikro- und Makromeren entsteht. Es bildet sich eine ,,Amphi- blastula‘ von grofen, kérnigen Zellen und sekundar gestreckten kleineren Geifelzellen. Die grofen stiilpen sich ein, es bildet sich eine ,,Pseudogastrula“*. Nachdem der Embryo ausgeschliipft ist, nimmt die Pseudogastrula ihre friihere Blastulaform wieder an, und es bildet sich die definive Gastrula in umgekehrter Weise: die kleineren Zellen stiilpen sich ein, die gréferen werden zum Ekto- derm. — Erstens kénnte man hier denken, da eine und dieselbe Schicht einmal als Ektoderm, dann als Entoderm fungiert. Zwar verlaBt die Larve auf dem Stadium der Pseudogastrula die Radiar- tuben und gelangt nach aufen, doch wandelt sie sich bald in eine Blastula um. Ob die zuerst eingestiilpte Schicht die ernihrende Funktion eines Entoderms ausibt, ist nicht sicher. Aber viel wichtiger ist es, daS in der definitiven Gastrula das Entoderm von kleineren Zellen gebildet wird. ScHuuzeE selbst macht auf dieses Verhalten besonders auf- merksam: ,,Es folgt daraus, da’ die Figuration der bei der Furchung entstandenen Elemente fiir ihre Bestimmung als Teile des einen oder des anderen Keimblattes keineswegs so charak- teristisch und entscheidend ist, wie man wohl friiher glaubte.‘* — Gegen dieses Beispiel kénnte man vielleicht einwenden, daf die Stammesverwandtschaft der Schwimme mit den iibrigen Metazoen und die entsprechende Homologie der Keimblatter von einigen Forschern bestritten, von den anderen mit gréfter Reserve auf- genommen wird. Ein ahnliches Verhalten der Furchungssegmente lassen aber auch einige Antozonen erkennen, wie man aus den Abbildungen von KowALewsxk1 und Marron (Ann. Mus. Hist. Nat., Marseille, Vol. I, 1883) ersehen kann. Friihzeitig tritt in den Furchungssegmenten ein Unterschied zwischen den inneren, kérnigen, kleineren Zellen, die zu Entodermzellen werden, und gréferen Ektodermzellen ein. Ein Gastropode, Neritina fluviatilis, zeigt das Verhaltnis der beiden Blastomeren in noch deutlicherem Lichte. Die Makromeren liefern wie bei den tibrigen telolecithalen Eiern die Mikromeren; aber nicht alle Mikromeren werden zu Ektodermzellen, ein Teil derselben wird zu Entoderm, und der Urdarm wird teils von Makro-, teils von Mikromeren gebildet’ (BLocHMANN, 10)*). _ 1) Abnliches Verhalten findet man auch bei Planorbis. Rast, Uber den pedincle of invagination und das Ende der Furchung bei Planorbis, Morph. Jahrb., 1880. 336 Waclaw Berent, Der Urdarm wird also gebildet: 1) durch Makromeren, 2) durch Mikromeren, 3) durch Makro- und Mikromeren zugleich. — Kann man in Anbetracht dieses Verhaltens einen Unterschied zwischen den beiden Gebilden machen? Ist es nicht zum min- desten ebenso gerechtfertigt, beiderlei Blastomeren als indifferente Zellen aufzufassen, die sich nur durch verschiedenen Dottergehalt unterscheiden, und von einer Gastrula im allgemeinen auf dem Stadium des zweischichtigen Keimes, ungeachtet der Gréfe der Zellen, zu sprechen ? Auch Lworr 1a8t die beiden Zellenarten allmahlich ineinander iibergehen, und die lateralen Teile der Mesodermfalten sollen von Makromeren gebildet werden, was der Autor als doppelten Ursprung des Mesoderms deutet. Fir die iibrigen Wirbeltiere soll die Gastrula auch nicht zu- treffen. Es aft sich hier nichts von einer Einstiilpung, die zur Darmbildung fiihrt, bemerken, und als Gastrulation ist nur ein solcher Einstiilpungsproze8 zu bezeichnen, der direkt oder indirekt zur Bildung des Darmes fiihrt. Die Darmbildungszellen (Dotter- zellen der Amphibien und Cyclostomen, Dotter samt Merocyten der Fische) werden von Mikromeren umwachsen. Was eingestiilpt wird, ist hier eine ektoblastogene Chorda und Mesodermanlage, die in keinem Verhialtnis zur Bildung des Darmes steht. Lworr sucht an seinen Priparaten den ausschlieSlichen Anteil der Dotterzellen (resp. der intermediadren Schicht) beim Aufbau des Darmblattes bei Cyclostomen, Amphibien, Selachiern, Teleostiern und Reptilien zu beweisen. Auf der anderen Seite stehen aber die Beobachtungen vieler Autoren, die fiir alle diese Tiere das Darmblatt durch das umgeschlagene Blatt ausschlieBlich oder wenigstens teilweise bilden lassen. Fiir Cyclostomen nehmen Batrour und viele andere Forscher an, daf sich der Darm aus zweierlei Zellen bildet. Fiir Ganoiden wird einstimmig die Differenzierung des Darmblattes vom primaren Entoderm behauptet. Bei den Amphibien ist die Frage bis jetzt noch streitig. Wahrend die einen, beide Zellenarten sich daran beteiligen lassen, entsteht es nach anderen durch Auseinander- weichen der Dotterzellen. Bei den Selachiern schreiben beinahe alle Autoren dem umgeschlagenen Hypoblast eine Rolle beim Auf- bau des Darmblattes zu, die Briider ZimGueR lassen das ganze Entoderm sich einstiilpen. Wie es mit den Teleostiern steht, wurde ja eingehend besprochen. Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochentische. 337 Als die vorliegende Arbeit schon fertig war und dem Druck iiberliefert werden sollte, bekam ich die ganz neuen Publikationen von SAMASSA (87, 88, 89) in die Hinde; sie miissen an dieser Stelle eine kurze Besprechung finden. Der Umstand, daf zwei Autoren gleichzeitig und unabhangig voneinander die Gastrulation bei den Wirbeltieren einer Kritik unterziehen und dieselbe ganz oder teilweise verwerfen, ist an und fiir sich schon charakteristisch. Diese Kritik ist es, was die beiden Autoren nahert, sonst unter- scheiden sie sich beinahe in allen wesentlichen Punkten. Wahrend Lworr eine Einstiilpung tiberall anerkennt, die jedoch, wie mehr- fach erwihnt, eine ektodermale Chorda und Mesodermanlage bildet, leugnet sie SAmassa bei den meroblastischen Eiern ganzlich, und wo dieselbe fiir ihn noch vorhanden ist (beim Amphioxus und teilweise bei den Amphibien), ist es eben eine Gastrulation , die zur Bildung des Entoderms fiihrt. Lworr leitet das Entoderm bei den meroblastischen Kiern von den Dotterkernen ab (und darauf beruht ja seine Gegeniiberstellung des Darmblattes der Anlage der Chorda und des Mesoderms); SAMASSA Wiederum leugnet jeglichen Anteil der Dotterkerme beim Aufbau des Embryos. Lworr be- gniigt sich, zu zeigen, daf die Keimblattdifferenzierung bei den Wirbeltieren nichts mit der Gastrulation zu thun hat, fiir Samassa liegt die Starke der Gastraeatheorie vor allem darin, dafi sie von allen Hypothesen tiber den Ursprung der Metazoen die gréfte innere Wabrscheinlichkeit hat‘ und auferdem ,,in der Ontogenie der meisten urspriinglichen und dotterfreien Formen ihre Be- statigung findet‘‘, und er sieht sie auch beinahe palingenetisch rein beim Amphioxus, cénogenetisch verandert bei den Amphibien ; bei den meroblastischen Kiern soll sie ginzlich fehlen: canogene- tisch vollstindig unterdriickt sein. — Auch geht SAMASSA meiner Ansicht nach viel methodischer zu Werke. Er sucht sich einer- seits auf die Begriffe ,Gastrula, ,,Gastrulation“ eine klare Ant- wort zu verschafien und fragt sich zweitens, inwiefern die Teilung Anhaltspunkte fir die Bestimmung der Keimblatter giebt. Und hier trifft Lworr seitens dieses Autors ganz derselbe Vorwurf, den ich ihm an Hand zweier Beispiele, welche sich viel- leicht vermehren lassen, aus dem Gebiet der Entwickelung der Wirbellosen gemacht habe, namlich: inwiefern darf man die Makromeren als Entoderm-, die Mikromeren als Ektodermzellen 338 Waclaw Berent, deuten? — ,,Wenn aber“, lesen wir, ,nur die Zellen Entoderm- zellen sind, aus denen der Darm entsteht, so ist nicht gut ein- zusehen, wie aus denselben noch etwas anderes gebildet werden kann als der Darm.“ . .. Spater stellt sich heraus, dafi auch ein Teil des Mesoderms aus dem Entoderm entstehen soll. Woran sind denn die Entodermzellen zu unterscheiden; vielleicht daran, dafi sie von Mikromeren umwachsen sind? Dann sind also die Mikromeren wohl Ektoderm, von einem friiheren Stadium wird dies aber ausdriicklich geleugnet. . . Woher kommt dann auf ein- mal die Berechtigung, die Keimblatter nach der GréSe der Zellen zu unterscheiden? — An anderer Stelle heift es: ,,Falls die Beobachtungen Lworr’s tiber die Entwickelung der Wirbeltiere mit totaler Furchung richtig sind, so folgt meiner Ansicht nach aus denselben weiter nichts, als daf} die Auffassung der Makromeren als Entoderm, der Mikromeren als Ektoderm, welche von den meisten Forschern vertreten wird, irrtiimlich ist, da’ vielmehr beide Zellenarten zur Bildung des Urdarms verwendet werden, wobei die Mikromeren die Chorda und einen Teil des Mesoderms bilden.“* Samassa sucht die Frage, inwiefern man die Mikromeren (resp. animale Zellen) und Makromeren (vegetative Zellen) zur Bestimmung der Keimblatter verwenden kann, auf folgende Weise zu loésen: Bei Ascidien wird der Urdarm nur aus den vegetativen Zellen gebildet und nach tibereinstimmenden Angaben der Beob- achter der Ascidienentwickelung gehen Chorda und Mesoderm aus dem Urdarm hervor (folglich aus den vegetativen Zellen). — Bei Amphibien versuchte der Autor diese Frage auf experimen- tellem Wege durch Abtétung der vegetativen Zellen mittelst In- duktionsschlagen zu lésen (88). Das Hauptergebnis, auf welches es hier hauptsachlich ankommt, ist das, daf{ man bei einem Ei mit abgetéteten vegetativen Zellen an der Stelle, wo bei normaler Ent- wickelung der Urmund liegen wiirde, eine umgebogene Lage sieht, die beim Vergleiche mit dem sich normal entwickelnden Embryo als dorsaler Urdarm gedeutet wird. In einem Falle, wo die vege- tativen Zellen zwar nicht getétet, doch in ihrer Entwickelung ge- schadigt wurden, entwickelte sich der Embryo so weit, daf die ‘Anlage der Chorda deutlich sichtbar wurde. Bei Ascidien wurde der dorsale Urdarm und folglich auch die Chorda, aus den vegetativen Zellen gebildet, bei den Am- phibien aus den animalen: somit ,gewabrt die Furchung fiir die Bestimmung der Keimblatter keinerlei Anhaltspunkte“, Parablast u. Keimblitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 339 Zur Gastrulation zuriickkehrend, findet sie der Autor beinahe rein palingenetisch beim Amphioxus (auf die bilaterale Symmetrie dieser Gastrula wurde ja schon von mehreren Seiten aufmerksam gemacht); bei den Amphibien vollzieht sich die Gastrulation nur um die dorsale Lippe, auf der ventralen Seite ist sie caénogenetisch stark beeinfluf{t: sie wird hier gar nicht vollzogen. Nun folgen die Angaben des Autors fiir meroblastische Hier *), die mit meinen Erfahrungen bei den Knochenfischen in manchem nicht tibereinstimmen. Zunaichst der Anteil der Dotterkerne bei der Bildung der Keimscheibe. Im Gegensatz zu den Annahmen von Ba.rour, ScuuLz, Swaren, KASTSCHENKO u. a.”), sollen die Dotterkerne keinen Anteil an der Bildung der embryonalen Gewebe der Sela- chier haben. Dagegen, dafi man die entsprechenden Befunde bei den Teleostiern nicht ohne weiteres auf die Selachier iibertragen darf, sprechen bei den letzteren gewichtige Beobachtungen das Erscheinen der Dotterkerne betreffend. Wahrend bei den Knochen- fischen die neuesten Autoren alle einig dariiber sind, da8 die Dotterkerne von den Furchungskernen abzuleiten sind, ist dies bei den Selachiern zum mindesten zweifelhaft. — KastscHENKO hat auf dem Stadium zweier Furchungszellen eine Anzahl Dotterkerne bemerkt, Rickert beobachtete dieselben noch vor der Vereinigung der Vorkerne; er fihrt sie somit auf tberschiissig eingedrungene Samenfiden zuriick, wofiir eine weitere Stiitze darin gefunden wird, daf die Dotterkerne halb so viel Chromosomen enthalten als die Furchungskerne. Von Samassa wird Torapo citiert, der fir die Reptilien urspriinglich eine Polyspermie annahm, sich aber bald tiberzeugte, daf er es mit gewissen Protoplasmaansammlungen zu thun hat, und daf physiologische Polyspermie bei den Rep- tilien nicht vorkommt. Samassa meint dies bestatigen zu kénnen, verwahrt sich aber gegen die Ubertragung dieser Befunde auf die Selachier. Auch umgekehrt diirfte eine solche Ubertragung auf die Teleostier nicht statthaft sein. Bei diesen Fischen wurde Ahnliches, wie KastscuHenko und Rickert bei Selachiern ge- sehen, von keinem Forscher beobachtet, auch Samassa nimmt gleich 1) Es handelt sich hier um die Eier von Selachiern und Tele- ostiern; bei den Sauropsiden soll die Keimblatterdifferenzierung be- trachtlich verschieden sein, worauf hier nicht eingegangen werden kann. 2) Den betreffenden Litteraturnachweis siehe bei Lworr und Samassa, 340 Waclaw Berent, den anderen Forschern an, daf die Dotterkerne der Teleostier anderen Ursprungs sind, daf sie von den Furchungskernen ab- stammen. Und wird einmal der verschiedene Ursprung der Dotter- kerne fiir die beiden Fischgruppen angenommen, so ist dic Még- lichkeit ihres verschiedenen Verhaltens nicht ausgeschlossen. Und dennoch sollen auch bei den Knochenfischen die Dotterkerne keinen Anteil am Aufbau der Keimscheibe haben ‘). Rickert laft tibrigens die Méglichkeit offen, daf nicht alle Merocyten der Selachier von den tberschiissigen Samenfaden ab- zuleiten sind. Ohne naher darauf eingehen zu k6nnen, verweise ich nur auf Samassa’s Fig. 46, Taf. XIII, welche ein 4lteres Furchungsstadium vom Scyllium canicula vorstellt. Eine Zelle hangt zur Halfte mit dem Dotter zusammen, auferdem sieht man unter ihr tief im Dotter einen Kern, der auf der Figur als Furchungskern zum Unterschied von den iibrigen Dotterkernen bezeichnet wird. Fragt man sich, was aus diesem Kerne wird, so kann die Antwort nach alledem, was man von dem Autor itiber die Furchungskerne erfahrt, nur die sein, da8 er sich mit einem Teil des Protoplasmas vom Parablast abschniirt. Und ist dies nicht eine Nachfurchung? Man braucht sich dieses Verhalten bei den Teleostiern nur gesteigert zu denken: namlich, daf mehr Furchungskerne, ahnlich wie in der Fig. 46, in den Parablast zu liegen kommen. Uberdies glaube ich, da8 hier vorerst ein Mif- verstandnis in der Deutung vorliegt. Da& die direkt sich teilenden Kerne eine Nachfurchung unterhalten, tritt besonders bei den Salmoniden (und diese hat der Forscher untersucht) so deutlich zu Tage, dafi es einfach schwer ist, dieselbe zu iibersehen. In Anbetracht der erwaihnten Fig. 46 (die sich tbrigens auf die Selachier bezieht) glaube ich, da& der Autor den Vorgang wohl bemerkt, denselben aber von der Furchung nicht unterscheidet oder nicht unterscheiden will. Indessen werden im allgemeinen die Zellen, die mit dem Parablast kontinuierlich zusammenhangen und welche, dank der Teilung der in der kontinuierlichen Schicht eingeschlossenen Kerne, als Knospen sich abschniiren, als nach- gefurcht bezeichnet. (Vergleiche iibrigens das itiber Furchung und Nachfurchung auf S. 300 Gesagte.) Es handelt sich hier offenbar nur um Nachfurchung auf spa- teren Stadien, wobei sich die Kerne des Parablastes schon direkt 1) Die Angaben fiir die Teleostier sind vor der Hand als vor- laufige Mitteilung zu betrachten. Parablast u. Keimbliatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 341 teilen. Trotzdem bei den Selachiern der Anteil der Merocyten am Aufbau des Embryos mit Bestimmtheit ausgeschlossen wird, findet man doch folgende Klausel: ,,Die bestimmten Angaben RtcKkert’s iiber diesen Punkt (das Abschniiren einiger Dotter- kerne mit dem umgebenden Dotter und EKinwandern derselben in die Gewebe, um dort zu Grunde zu gehen) will ich durchaus nicht in Zweifel ziehen, ich glaube aber, daf sie speciell bei Torpedo Giltigkeit haben.“ Sollte man auch fiir die Knochenfische eine ihnliche Klausel vorbehalten kénnen!)? Die Frage wiirde sich also darauf zuriickfiihren, ob die abgeschniirten Zellen zum Aufbau der Gewebe verbraucht werden oder blof dort einwandern, um resorbiert zu werden. Daf diese abgeschniirten Zellen nicht mit Dotter, sondern mit Protoplasma umgeben sind, scheint fiir mich in Anbetracht solcher Bilder, wie ich sie in Fig. 11 und 12 ab- gebildet habe, sicher. Dieselben sind auch allen tibrigen Zellen gleich, und es laft sich an ihnen nichts erkennen, was ihren spiteren Zerfall bedingen sollte; im Gegenteil glaubte ich zu sehen, daf die mit Dotterkugeln beladenen Zellen oder die ,,Vakuolen- zellen* (Fig. 13a, b, c) sich zu regelmafigen Blastodermzellen umwandeln (Fig. 13f). Nur die relativ auf sehr spiten Stadien sich abfurchenden Zellen mit dem gro8en, knotigen, dunklen Kern, seien dieselben frei oder mit Dotter beladen (wie solche in den Fig. 15, 17, 18b und c¢ abgebildet sind), zeigen, an dem Kern namlich, die beginnende Degeneration, und nur von diesen diirfte man behaupten, daf sie nachtraglich dem Zerfall unterliegen. Trotzdem man beim Anblick der meisten nachgefurchten Zellen keinen Anhaltspunkt fiir die Behauptung hat, da8 sie einer spateren Degeneration unterliegen, so hat andererseits die Annahme, daf sie zum Aufbau der Embryonalgewebe verbraucht werden, dennoch einen schwachen Punkt, den ich nicht verschweigen will. Die Kerne, die sich im Parablast direkt teilen, kénnen diesen Teilungsmodus unméglich bewahrt haben. Zweierlei Zellenver- mebrung im Embryo anzunehmen, wire zum mindesten sonderbar, Daf die Zellen, nachdem sie in die Keimscheibe gelangen, sich auf einmal mitotisch zu teilen beginnen, ist auch nicht ohne Weiteres wahrscheinlich. 1) Und thut man dies Rtcxerr zu Liebe, so sollte man fiir die Behauptungen Kuprrer’s, van BrEnepEN’s, VAN Bamseke’s, Broox’s, die von solchen Zellen das Entoderm ableiten, wenigstens die Méglichkeit ihrer spiteren Resorption reservieren. 342 Waclaw Berent, Die nachgefurchten Zellen stelle ich, wie erwihnt, in keinen genetischen Zusammenhang zu irgend einem Keimblatt und miéchte darin eine Nebenerscheinung, verursacht durch die Art der Furchung und des Sammelns des Protoplasmas im Ei, erblicken. Und dieses aindert an der Frage der Gastrulation bei den Tele- ostiern gar nichts. Ein wichtiger Unterschied ist, da die primairen Keimblatter bei Teleostiern nach SaAmassa durch Abspaltung sich bilden sollen. Es wurde erwahnt (S. 312), da die meisten Autoren sich fiir die Einstiilpung aussprechen, wahrend einige an der Abspaltung fest- halten; auch wurde es betont, dafi die Salmoniden zur Entscheidung der Frage kein giinstiges Objekt sind. Die Lage der mitotischen Figuren schien mir hier auf eine Umbiegung und Umschlag zu deuten; die Wiuson’schen Abbildungen aber, die sich auf Serranus beziehen (82, Fig. 43, 44, 46, 47), scheinen die Méglichkeit einer Abspaltung auszuschlieBen. Eine andere Frage ist die, ob der Prozef, den ich mit dem wenig passenden Worte ,,Umschlag“ mehrfach benannte, auch als Gastrulation gedeutet werden kann, denn eine Einstiilpung, wie sie bei holoblastischen Eiern vor- kommt und sich phylogenetisch bei der Gastraea nach HAmcKEL vollzogen haben soll, ist der Vorgang eben nicht. Anders lautet dieselbe Frage: ob bei den Teleostiern ein Gastrulastadium vor- handen ist oder nicht? SAMASSA antwortet darauf verneinend, denn ein entsprechender Vergleich der Gastrula beim Amphioxus wird ,,immer daran scheitern, da8 die ventrale Urdarmwand fehlt und der ventrale Darmverschluf viel spater erfolgt“ und dies ,,durch einen Prozef, dem beim Amphioxus nichts entspricht“. Auf §. 330 wurde gesagt, wie WiLson diesen Unterschied erklart: es sei eine Arbeitsteilung im Hypoblast eingetreten, der dorsale tibernimmt die Funktion der Entodermbildung, der ventrale wird zum Nahrungsmaterial. Ein ahnlicher Gedankengang findet sich bei Samassa: ,,Es kann aber sein, daf gerade die grofe Masse des Dotters diesen Effekt hervorbringt (die Vorschiebung der morphologischen Funk- tionen von den vegetativen Zellen auf die animalen), indem in einem bestimmten phylogenetischen Stadium sich das Bildungs- | plasma vom Dotter zuriickzieht und so der Keim dem Dotter gegeniiber in eine mehr unabhangige Stellung gelangt.“ Wir haben aber eine Lage von Bildungsplasma in dem Dotter — ich meine den Parablast, und dieser diirfte wohl den Parablast u. Keimbliitterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 343 vegetativen Zellen des Amphioxus entsprechen. Da derselbe aber nicht die gleiche morphologische Rolle spielt (Bildung der ven- tralen Urdarmwand), so lassen sich die Teile nicht homolo- gisieren, und wenn ich Samassa richtig verstehe, diirfte das Vorhandensein desselben vielmehr die Richtung andeuten, in welcher die cinogenetische Beeinflussung seitens des Dotters statt- gefunden hat. 344 1) Waclaw Berent, Litteraturverzeichnis. Agassiz und Wuirman, On the development of some pelagic fish-eggs. Preliminary notice. Proceedings of the American Acad. of Arts and Sciences, Vol. XX, 1884. AvuperT, H., Beitrige zur Entwickelungsgeschichte der Fische. Zeitschrift fiir wiss. Zool., Bd. V, 1854. v. Basr, C. E., Entwickelungsgeschichte der Fische. Leipzig 1838. Batrour, F. M, A monograph on the development of Elasmo- branche Fishes. London 1878. — A treatise on comp. embryology. London 1878. van Bampexe, C., Recherches sur l’embryologie des poissons osseux. Mémoires couronnés et mémoires des savants ¢trangers publ. par. l’Acad. 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Kowatewsx1, M., Uber die ersten Entwickelungsprozesse der Knochenfische. Zeitschr. f. wiss. Zool., XIII, 1886. 50) — Die Gastrulation und die sogenannte Allantois bei den Knochenfischen, Berichte der Phys.-med. Societét zu Erlangen, Juni 1886. 51) Kuprrer, C., Beobachtungen iiber die Entwickelung der Knochen- fische. Arch. fiir mikr. Anat., IV, 1868. 51a) — Die Entwickelung des Hiirings im Ei. Jahresberichte der Kommission zur wiss. Untersuchung d. deutschen Meere in Kiel. Fiir die Jahre 1874—-76. Berlin 1878. 52) — Die Entstehung der Allantois und die Gastrula der Wirbel- tiere. Zool. Anz., 1879. 53) — Die Gastrulation an den meroblastischen Eiern der Wirbel- tiere etc. Arch. f, Anat. u. Entwickelungsgesch., 1882—1884. 54) Leresovttet, M., Recherches sur le développement du Brochet, de la Perche et de |’Ecrévisse. Ann. des Se. Nat. 4. S. I, 1854. 55) — Recherches d’embryologie comparée sur le développement de la Truite, du Lézard et du Limnée. Ann. des Sc, Nat. 4. S. 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Ges, in Freiburg i/B., Bd. VIII, 1894. 87) Samassa, P., Studien iiber den Einfluf des Dotters auf die Gastru- lation und die Bildung der primiiren Keimblitter der Wirbeltiere. I. Selachier. Archiv fiir Entwickelungsmechanik der Organismen, Bd, II, 1895. 88) — dt. IL. Amphibien. Ibidem. 89) — Uber die Bildung der primiiren Keimblitter bei den Wirbel- tieren. Verhandlungen der Deutschen zoologischen Gesellschaft, 1895. Tafelerklirung. Die Abbildungen wurden mittels Camera und zwar die meisten bei Leitz Ok. 1, Ob. 7 entworfen. Tatel AVI. Fig. 1. Schnitt durch die Keimscheibe am 3. Tage nach der Befruchtung. Fig. 2. Mitotische Kernteilungsfiguren im Parablast. Fig. 8. Fettkongregationen. Fig. 4, 5 u. 6. Schnittfragmente durch die Keimscheibe zur De- monstration der nachgefurchten Zellen. Fig. 7 u., 8. Querschnitte durch die Keimscheibe, Ok. 1, Ob. 3. Fig. 9 u. 10. Schnittfragmente durch altere Keimscheiben der Forelle. Parablast u. Keimblatterdifferenzierung im Ei der Knochenfische. 349 Fig. 11 u. 12. Dito vom Lachs. Fig. 13a, b u. c. Vakuolenzellen aus dem unteren Teil der Keimscheibe der Forelle. Fig. 14. Merocyten in Teilung und Degeneration. Fig. 15. Unterer Teil der Keimscheibe nach der Sonderung der priméren Keimblatter mit einer nachgefurchten grofen Zelle. Fig. 16. Ein Teil des Medullarwulstes eines 19 Tage alten Lachs- embryos. v == Vakuolenzelle. Tafel XVII. Fig. 17. Keimscheibenfragment mit einer nachgefurchten, mit Dotterkugel beladenen Zelle. Fig. 17b. Der Kern der Zelle. Fig. 18a u. b. Dito, Fig. 18c. Eine Zelle aus derselben Serie; ihre Lage ist in 18a mit einem * angedeutet. Fig. 19, 20, 21, 22. Obere Fragmente der Keimscheibe vom 5. bis 7. Tage. Fig. 23a—e. Deckschichtfragmente von einer Keimscheibe 8 Tage nach der Befruchtung. Fig. 24. Medianer Lingsschnitt einer 10 Tage alten Keimscheibe. Fig. 25. Der hintere Teil desselben Schnittes in starkerer Ver- groberung. Fig. 26 u. 27. Die hinteren Teile der medianen Langsachnitte (11. und 138. Tag). Fig. 28 u. 29. Mediane Langsschnitte durch die Keimscheibe einer Forelle, 14. und 15. Tag nach der Befruchtung. Fig. 30 u. 31. Dito, 16. und 17. Tag. Fig. 32. Deckschichtfragment aus dem Stadium Fig. 28. Fig. 33 u. 34. Teile der Laingsschnitte von einer 19 Tage alten Keimscheibe. e = Entoderm. Tafel XVIII. Fig. 35 u. 36, Mediane Liangsschnitte durch die Kmbryonen der Forelle, 18. und 19. Tag nach der Befruchtung. Fig. 37, 38 u. 39. Entwickelungsstadien des Darmes. Fig. 40-44. Entwickelungsstadien der Kuprrer’schen Blase. Fig. 45 u. 46. Querschnitte durch die 20 und 21 Tage alten Embryonen. Fig. 47. Querschnitt durch die ,,Schwanzknospe“ (18 Tage alt). e = Entoderm. Fig. 48. Querschnitt durch die Keimscheibe, 6 Tage nach der Befruchtung. = die in der Teilung zuriickgebliebenen Zellen. Die embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. Von Isaak Bloch. Hierzu Tafel XIX—XXa. I. Einleitung. Methode der Untersuchung. Vorliegende Arbeit wurde im Jahre 1893 begonnen und muBte dann verschiedener Hindernisse wegen unterbrochen werden. Ihr Abschlu8 konnte daher erst Ende 1895 erfolgen. Sie bringt das Resultat von Untersuchungen, welche im zoologischen-vergleichend- anatomischen Laboratorium beider Hochschulen in Ziirich ange- stellt wurden. Mit Freude ergreife ich an dieser Stelle die Ge- legenheit, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. ARNOLD LanG, fiir das liebevolle Interesse und die niitzlichen Ratschlage, die er mir zu teil werden lief, meinen tiefgefiihlten Dank aus- zusprechen. Manchen fordernden Wink verdanke ich noch der regen Teilnabme des seither leider verstorbenen Dr. KARL FIEDLER. Herrn Prof. Dr. Scur6rER bin ich fiir die Weisung, die er mir zur Beschaffung des Materials zukommen lie’, zu Dank verpflichtet. Dasselbe stammt aus dem Lago Maggiore und wurde an den Ufern der Isola Bella gesammelt. ’ Die Aufgabe, die ich mir zuerst stellte, bestand darin, den Entwickelungsgang des Darmkanales der Gastropoden festzustellen. Da ich aber bald einsah, daf der Umfang zu gro8 wiirde, wenn — eine allseitige und alle einschligige Litteratur berticksichtigende Untersuchung durchgefiihrt worden ware, entschlo8 ich mich, nur ein oder wenige Organe méglichst genau in ihrem Entwickelungs- gang zu verfolgen. So wurde aus der Arbeit eine Entwickelungs- geschichte der Radula von ihrem ersten Auftreten an. Das Unter- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 351 suchungsmaterial hierfiir bildete Paludina vivipara, deren ich mir eine grofe Anzahl beschaffen muSte, um moglichst viele Em- bryonen erhalten zu kénnen. Paludina vivipara ist bekanntlich lebendig gebirend, und die Embryonen wurden vor der Geburt den weiblichen Individuen entnommen. Mit Leypie (3) und Er- LANGER (24) kann ich hier konstatieren, daf’ Embryonen in den ersten Entwickelungsstadien nur selten zu finden sind. Ich ziehe daraus den Schluf, daf die ersten Entwickelungsphasen jedenfalls in sehr kurzer Zeit durchlaufen werden, muf aber immerhin be- merken, daf meinerseits die Embryonen erst in den Monaten Juni und Juli gesammelt wurden, zu einer Zeit, wo die meisten Em- bryonen die ersten Stufen der Entwickelung vielleicht schon hinter sich hatten. Ebenfalls kann ich die Beobachtung Leypia’s be- stitigen, daf kleine weibliche Individuen oft mehr Embryonen ent- halten als die grofen. Die dem miitterlichen Uterus entnommenen Embryonen wurden nun sorgfaltig ihrer Eihiille durch Aufstechen entledigt und nachher, um auch die letzten Spuren des den Embryo umgebenden Eiweifes zu entfernen, in physiologischer Kochsalz- lésung ausgewaschen. Zur Fixierung wurden verschiedene Me- thoden angewandt. Einige Embryonen brachte ich in Pikrin- schwefelsiure, welcher einige Tropfen Osmiumsiure beigemengt waren, andere wurden fixiert mit reiner Pikrinschwefelsiure, wieder andere mit Pikrinessigséure und Pikrinsalpeterséure. Die Pikrin- salpetersaiure erachte ich als das beste Fixierungsmittel fiir diese sehr zarten Embryonen, indem die Gewebe am schénsten erhalten bleiben. Nach dem Auswaschen mit stark verdtinntem und Har- tung mit mehr und mehr konzentriertem Alkohol wurden die Ob- jekte gefarbt und auch hier wieder verschiedene Mittel angewandt. Die besten Praparate lieferten mir die mit Himalaun gefarbten Em- bryonen, waihrend die mit GRENACHER’s alkoholischem Boraxkarmin behandelten etwas leiden wegen des nachherigen Auswaschens mit salzsaurem Alkohol; immerhin darf bei alteren Embryonen, wo sich schon eine ziemlich starke Schale ausgebildet hat, auch bei anderen Farbungsmethoden die Behandlung mit salzsaurem Alkoho] nicht umgangen werden. Die also vorbereiteten und all- mahlich in Paraffin tibergefiihrten Embryonen wurden dann in Serien geschnitten, die Schnittdicke betrug 1/;,, bis 4/399 mm. Besondere Schwierigkeiten bereitete das Orientieren fiir die Schnitt- richtung bei diesen sehr kleinen Embryonen. Ich wandte ein etwas modifiziertes Verfahren, das ERLANGER (24) angiebt, mit Erfolg an, und wenn es mir so gelang, fiir diese kleinen Embryonen ziemlich genaue Lings- und Querschnitte zu erhalten, so war der 352 Isaak Bloch, Zufall dennoch nicht klein, daf auch der auferst wenig umfang- reiche Abschnitt der Radulatasche genau durchschnitten wurde (vgl. Fig. 2, 3, 4, 5, 7 etc.). Die Zeichnungen wurden mit Hilfe des ABBE’schen Zeichnungsapparates hergesteilt bei einer 112- bis 300-fachen VergréSerung. Zur Herstellung von allgemeinen Orientierungsbildern muften einige Schnittserien vollstaéndig ab- gezeichnet werden, die erhaltenen Bilder wurden ausgeschnitten und ihrer Reihenfolge nach auf Nadeln gesteckt, die selbst auf einer Korkplatte befestigt waren ; zwischen je zwei ausgeschnittenen Figuren wurde ein kleines Kartontafelchen eingeschaltet, so daf, wie es sich aus einer Berechnung ergab, die Dicke des Bildes plus Kartontaéfelchen im Verhaltnis zur gezeichneten Grose unge- fahr der Dicke des Schnittes im Verhaltnis zu seiner Gréfe ent- sprach. Auf diese Weise wurde ein kérperliches Ubersichtsbild erhalten, an welchem der Verlauf und Zusammenhang der einzelnen Organe studiert werden konnte. Der sichere Nachweis frisch ab- gesonderten Chitins, das keine der angewandten Farben annimmt, konnte nur mit Zuhilfenahme des Asse’schen Beleuchtungs- apparates geleistet werden. Il. Gesehichtliches. Schon im Altertume bildete die Radula der Mollusken den Gegenstand der Aufmerksamkeit. Angaben, die fiir die Wissen- schaft von grofem Werte wurden, finden wir dagegen erst in diesem Jahrhundert. Die ersten genaueren Untersuchungen ver- danken wir Loven, ferner TroscHen (1), welcher wahrscheinlich als erster die Vermutung aussprach, ,,ob diese Platten (namlich der Radula) vielleicht durch Vorschieben erginzt werden; dann ware der nach hinten vorstehende Cylinder gleichsam die Werk- statt fiir die Bereitung neuer Platten“ (1836). Dieser Vermutung verlieh er eine Stiitze durch die Beobachtung, dafi er die Platten hinten weniger deutlich und fest, und vorn dagegen haufig sehr abgenutzt fand. Ganz ahnlich spricht sich 10 Jahre spiter LEBERT (2) aus, der namentlich auch den hohen systematischen ~ Wert der Radula erkannte und eine ganze Reihe von Mollusken in Bezug auf die Mundorgane untersuchte. Wahrend eine Reihe von Arbeiten sich nachher mehr mit der auferen und anatomischen Beschreibung beschaftigten, so folgten wieder etwa 10 Jahre spater Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara, 353 Publikationen, in denen die ersten Hypothesen iiber die Bildungs- weise der Radula mit Bestimmtheit ausgesprochen wurden. Wah- rend die betreffenden Forscher dartiber einig waren, daf die Radulascheide, in welcher der hintere Teil der Radula verborgen liegt, als Bildungsstitte des Reiborganes zu betrachten sei, so widersprachen sie sich sehr tiber die Art der Entstehung der Reibmembran. Namentlich stehen sich die Ansichten S—MPER’s (5) und K6LLIKER’s (6) gegeniiber, wahrend andere Forscher sich mehr der einen oder anderen Hypothese anschlossen, ohne selbst neue Vermutungen auszusprechen. Ich nenne hier CLAPAREDE (4), Huprecut (7) etc. Semper kam in seinen Betrachtungen zu dem Resultate, daf das Gréferwerden der Zahne dadurch zu erklaren sei, dafi von Zeit zu Zeit eine Hiautung stattfinde, und so die ganze Reibmembran, d. h. die vielen Zihnchen zusammen mit der basalen Platte, auf der diese stehen, durch eine neue ersetzt wiirde; die gesamte Reibmembran wiirde vom unteren Epithel der Radulascheide gebildet. — Dieser Theorie SzmpER’s, die er nicht durch ,,schlagende Beweise“ stiitzen konnte, stand KOLLIKER mit der anderen Hypothese gegeniiber, daf allerdings das untere Epithel an der Bildung beteiligt sei, aber nur insofern, als von demselben die die Zahnchen tragende basale Platte ausgeschieden werde, wahrend die Zahnchen von einem ,,besonderen Gebilde, das von der oberen Mittellinie der Zungenscheide in ihre Héhlung hange“, erzeugt werden. KOLLIKER nennt dieses Gebilde ,,Zungenkeim“ oder die ,,Matrix‘‘ der Ziihnchen und behauptet, daf ,,die Zunge der genaue Abdruck der inneren Oberflache der Zungenscheide sei, von der sie auch in der That gebildet werde. An eine Hautung nach der Theorie SemprrR’s denkt KOLLIKER nicht. Wieder sind fiir die folgende Zeit eine ganze Reihe von Ar- beiten zu verzeichnen, die sich bald der einen, bald der anderen ausgesprochenen Ansicht anschlossen, im tibrigen aber mehr auBere Beschreibungen brachten, die indes fiir die Systematik von gréftem Werte wurden. — Die ersten Forscher, denen wir in der Litteratur begegnen, und die es unternahmen, an diesen alten Hypothesen zu riitteln, sind etwa 20 Jahre spater (1878) TrincHEsE (10), sowie gleichzeitig SHarp (15) und Ricker (14), deren beide Ar- beiten im gleichen Jahre erschienen (1883). Eine neue Theorie wurde durch die genannten Autoren begriindet, eine Theorie, die durch spitere Arbeiten erginzt wurde und die sich in ihren wich- tigsten Punkten erhalten hat bis auf den heutigen Tag. Nach derselben haben wir als Bildungsstatte der Reibmembran weder 354 Isaak Bloch, das untere noch das obere Epithel noch den tiber dem oberen Epithel gelegenen ,,Zungenkeim“ KOLLIKER’s zu betrachten, sondern bestimmte Zellgruppen ganz im Hintergrund der Radulascheide, die von einem spateren Autor ,,Odontoblasten“ bezeichnet wurden, sind die Urheber der Zahnbildung, indem von denselben immer neue Querreihen von Zihnen abgesondert werden, wahrend die vorderen Querreihen durch das Nachwachsen der im Hintergrunde gebildeten vorgeschoben und so nach und nach durch neue ersetzt werden. Ob die odontogenen Zellgruppen immer dieselben und also als Bildner der gesamten sich immer ersetzenden Radula zu betrachten seien, oder ob auch diese Odontoblasten durch neue ersetzt werden, dariiber finden wir hier sowohl als auch bei den spaiter zu citierenden Autoren Widerspriiche. — Wohl angeregt durch diese neuen Resultate, durch welche die alten Ansichten SEMPER’s und KOLLIKER’s verdrangt wurden, so dafs sie heute nur noch historisches Interesse verdienen, unternahm es dann ROSSLER (16), die Untersuchungen, die TRINCHESE, SHARP und RUCKER an- gebahnt hatten, fortzusetzen und weiter auszudehnen, da diese Autoren sich nur mit einzelnen Tieren beschaftigt hatten. So brachte uns das Jahr 1885 die wertvolle Arbeit R6OssLER’s, in welcher eine vergleichende Ubersicht der Radulabildung aller Mollusken gegeben wurde. Der Grundgedanke ist also schon in den Veréffentlichungen der friiheren Autoren enthalten, und die Hoffnung, welcher Ricker am Ende seiner Arbeit Ausdruck gab, dafi nimlich die fiir die Radula von Helix pomatia gefundenen Resultate sich verallgemeinern lassen, wurde durch die Unter- suchungen R6ssLER’s aufs glinzendste bestitigt. Die neuen Ge- sichtspunkte, welche R6ssteErR auf Grund seiner umfangreichen Forschungen aufstellte, lassen sich etwa durch folgende Satze wiedergeben: 1) Die Zihne der Radula werden bei allen Mol- lusken von besonderen Zellgruppen im Hintergrunde der Radula- scheide, den sogenannten Odontoblasten, gebildet. 2) Die Odonto- blasten sind besondere Epithelzellen. 3) Die Zihne weisen eine mit dem Gesamtwachstum des’ Tieres zunehmende GréB8e auf. 4) Entweder finden wir wenige grofe Odontoblasten zu einem fast ringformig geschlossenen Wulst vereinigt und dies ist der Fall bei Pulmonaten und Opisthobranchien, oder 5) viele und schmale— Odontoblasten bilden ein halbkugelig gewélbtes Polster, letzteres treffen wir bei Prosobranchien, Placophoreu, Heteropoden und Cephalopoden. Bei Pulmonaten und Opisthobranchien erzeugen 4 oder 5 Zellen einen Zahn und eine die Basalmembran. 6) Die Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 355 gleiche Zellgruppe erzeugt alle Zahne einer Langsreihe (Wider- spruch mit SHarp, Ricker und anderen, siehe unten). 7) Das Polster zerfaillt in so viele Abteilungen, als Zaihne in einer Quer- reihe sind, deren Gestalt der Oberflache der zeugenden Zellgruppen entspricht. 8) Eine Verdickung der Basalplatte findet nicht statt, aber eine Verdichtung. 9) Die Zahne werden vollendet durch follikelartige Zellgruppen des oberen Epithels der Zungenscheide, die eine Art Schmelzschicht um die Zahne bilden; diese ist optisch isotrop, der Zahnkern polarisiert das Licht schwach. 10) Das basale Epithel bildet eine mit der Radula nur schwach verbundene Subradularmembran. 11) Die Vorwartsbewegung der Radula er- folgt durch das Wachstum der hinteren Teile im Zusammenhang mit den umliegenden Geweben, mit der Unterstiitzung der Mus- kulatur der vorderen Partien der Radulatasche. — Was Punkt 9, 10 und 11 anbelangt, so finden wir diese Beobachtungen bereits in den Arbeiten von SHARP und Ricker, und es ist unbedingt das Verdienst SHarp’s, als erster auf die Bedeutung des oberen Epithels der Radulascheide hingewiesen zu haben, trotzdem in den neueren Lehrbiichern dies als die Entdeckung ROssLER’s hinge- stellt wird. Die Absicht ist fern von uns, den wertvollen Erfolgen ROssLer’s irgendwie zu nahe treten oder sie schmalern zu wollen, aber — suum cuique — SHarp ist der erste, der die Ansicht aus- gesprochen hat, daf& die Zahne nach ihrer Bildung noch eine Art Schmelziiberzug (seine sogenannten ,,Kkappen“) nachtraglich von den oberen Zellen erhalten. Auch Ricker spricht sich schon dahin aus, daf diese Zellen den Zahn fertigzustellen hatten. Nachdem nun diese neue Theorie durch die Untersuchungen RO6sster’s eine feste Stiitze und sichere Grundlage erhalten hatte, erschienen verschiedene Arbeiten, welche die jetzige Erklarung der Radulabildung bestatigten. Unter diesen nenne ich die von GaRNAULT (18), Lacaze-Duruters (19), Fou (20), von JHERING (26), Pruvor (27), Puare (28), Wrren (31), HeuscHer (35), THIELE (39) und anderen. Wenn diese genannten Autoren auch noch in manchen Punkten von den Darstellungen RdssLER’s ab- weichen, Punkte, von denen im Laufe der Abhandlung die Rede sein soll, so stimmen sie doch alle im Prinzip mit der neu ge- schilderten Bildungsweise iiberein. Wenn ich nun nach solchem Sachverhalte es noch einmal unternahm, die Bildung der Radula zum Gegenstand einer Unter- suchung zu machen, so geschah dies aus zwei Griinden: einmal, weil ich in der ganzen Litteratur, die ich konsultierte, nur spar- 356 Isaak Bloch, liche oder sozusagen keine Untersuchungen getroffen habe, die sich mit der embryonalen Entwickelung der Radula befaBt hatten, wenigstens seit dem Entstehen der neuen Theorie; die oben an- gefiihrten Autoren untersuchten fast alle die Neubildung der schon vorhandenen und ausgebildeten Radula; andererseits geschieht dies deshalb, weil eine solche embryonale Untersuchung tber manche Punkte, iiber die die Forscher heute noch sich wider- sprechen, und von denen unten die Rede sein wird, Licht ver- breiten und fiir die Richtigkeit der neuen Hypothese gewi8 den schénsten Beweis liefern kann. — Mit der embryonalen Ent- wickelung beschaftigten sich schon TroscHeL (1), der_,,diese Organe nicht nur bei erwachsenen Exemplaren, sondern auch schon bei ungeborenen Jungen dieser Tiere schon mit derselben Nettig- keit und Vollstandigkeit vorhanden fand“, ebenso Leypie (3) und SEMPER (5). Spater finden wir nur noch Untersuchungen, die sich vielleicht mit der allerersten Anlage der Radulascheide be- schaftigten, ohne ihre weitere Ausbildung zu verfolgen, so die- jenigen von Rasu (9), Fou (11), Parren (17), Sarasin (13), Er- LANGER (24, 25), KowaLEvsky (86) etc. Aus neuester Zeit ist endlich eine Arbeit von Svrerki (38) zu verzeichnen, der sich speciell mit den Verschiedenheiten der Radula in verschiedenen, auch embryonalen Lebensstadien befaft. Ohne auf die erste An- lage der einzelnen Teile einzutreten, beschaftigt er sich nament- lich mit den verschiedenen Veranderungen, welche die Radula- zahne im Laufe der Zeit erfahren. Auch auf diese Arbeit muf ich im speciellen Teil zuriickkommen. Ill. Specieller Teil. Entwickelung der Radula. Gern hatte ich die Entwickelung des Darmkanales ,,ab ovo‘ verfolgt, aber in dem Untersuchungsmaterial, das mir in sehr reichlichem Mag zur Verfiigung stand, waren ganz junge Stadien, wie schon oben angedeutet wurde, nur sporadisch anzutreffen. Das befruchtete Ei und wenigzellige Stadien habe ich gar nicht . mehr getroffen. Lrypia (3) beschreibt das Ei als Zelle mit blas- chenférmigem Kern, der zwei auseinandergeriickte Nucleoli be- sitzt. Im Eileiter hat er viele Spermatozoiden gefunden, die von der Samentasche dem Ei entgegengehen. — Ich selbst habe Spermatozoiden (Fig. 13) oft in ganzen Haufen im vorderen Darm- Embryonale Entwickelung der Radula yon Paludina vivipara. 357 abschnitt junger und besonders alterer Embryonen, die in ihrer Entwickelung schon so weit vorgeschritten waren, da die Geburt jedenfalls in kiirzester Frist erfolgt ware, gesehen; nie waren diese Samenzellen weiter zu verfolgen, als bis zur Eintrittsstelle in den Oesophagus ; entweder sind sie vom Eileiter aus in die Eihiille der Embryonen eingedrungen und wurden dann durch die schon aus- gebildeten Mundorgane aufgenommen, oder da ich die Embryonen in lebendem Zustande in physiologische Kochsalzlésung brachte und die Eihiille aufstach, ware es méglich, dafi diese Spermato- zoiden, die der Eihiille anhafteten, einfach mitkamen und dann erst von den Embryonen, die, einmal befreit, schon herumkriechen konnten, aufgenommen wurden. ‘Trotzdem ich Samenzellen im Schlunde so vieler Embryonen mit Sicherheit gesehen habe, wage ich es nicht, einen bestimmten Schluf zu ziehen iiber die Art und Weise, wie diese dahin gelangten. — Furchungsstadien werden von LrypiG nur ganz wenige beschrieben. Nach ERLANGER (24) und anderen Autoren soll die Furchung eine ,,totale und nahezu aquale sein, welche schliefSlich zur Bildung einer Blastula mit sehr kleiner, spaltformiger Furchungshéhle fiihrt‘. Nach EriLANncer bildet sich spiter eine Gastrula, welche zwei Zellschichten auf- weist, das Ektoderm und das Entoderm, zwischen beiden eine Furchungshohle. Ein langlicher Urmund fihrt in die Urdarmhéhle. Alle Zellen dieses Stadiums sind zunichst noch gleichwertig. Spiter verengt sich der Urmund, er wird bei dem sich weiter bildenden Darme zum After, die dorsalen Ektodermzellen werden dicker als die ventralen. Der bis jetzt gebildete Urdarm ist dazu bestimmt, Enddarm, Magen und Leber zu bilden. Auf spateren Stadien, deren richtige Darstellung ERLANGER’s (24) ich selbst bestatigen kann, ist die Anlage des Mundes zu konstatieren. Die- selbe aufert sich zuerst als eine Verdickung der dem Urmund gegeniiberliegenden Ektodermzellen des animalen Poles. Dieser Verdickung folgt dann eine Einstiilpung, welche dem hinteren und mittleren Teil des Darmes mehr und mehr entgegenwachst bis zur Beriihrung; schlieflich erfolgt ein Durchbruch. Unterdessen hat sich dorsal das Velum, ventral die Fufanlage gebildet, welche vorderhand ebenfalls nur in einer sehr starken Verdickung der betreffenden Ektodermzellen besteht. Zwischen Fuf und Velum befindet sich der Mund. Der mittlere Darm hat durch Abschniirung ventral die Leber gebildet, die mit dem Magen in offener Kom- munikation steht. Fig. 1 stellt den vorderen Abschnitt eines etwas schief aus- 358 Isaak Bloch, gefallenen Schnittes vor in sagittaler Richtung, an welchem durch die hell gezeichneten Zellen des Velums (v) sofort die dorsale Seite zu erkennen ist. Diese Zellen heben sich deutlich von den iibrigen ab, sie nehmen keine oder nur wenig Farbe an, und zwar bei allen Farbungsmethoden, welche Anwendung fanden. Diese Zellen sind bedeutend gréfer als die tibrigen, kleine Vakuolen treten im Innern auf, und auferdem sind sie mit Cilien bekleidet, was an spdteren Stadien mit Deutlichkeit zu erkennen ist (vgl. Fig. 2). Zwischen diesen Velarzellen finden sich sehr hohe Cy- linderzellen, die ektodermale Anlage der Filer (fi) bezeichnend. Nach hinten gehen die Zellen des Velums in eine ganz diinne Zellschicht iiber, die den Kérper bekleidet, nach vorn biegen sie um, um mit dem Mund (m) die Eintrittsstelle in den Darm zu bilden. Die Zellen, die hier Mund und Schlundanlage (schl) be- grenzen, zeigen namentlich auf der ventralen Seite besondere Be- schaffenheit, indem die Darmwand hier eine aufiallende Verdickung aufweist. Diese deutet uns die Stelle an, wo spater der kom- plizierte Kauapparat sich bildet. Die Zellen sind plasma- und kérnerreich, tief gefarbt. Eine schwache Einbuchtung ist als erstes Auftreten der Radulatasche (rt) zu betrachten. Der Darm geht dann nach aufen wieder in weniger gefarbte und hohe Cylinder- zellen iiber, welchen ventralwiarts verdickte stark gefarbte Ektoderm- zellen folgen — die FuSanlage (fw) — die endlich, wie dies dorsal der Fall ist, sich in die diinne Zellschicht der Kérperbedeckung fortsetzen. msd bedeutet die spindelférmigen, durch Fortsatze maschig miteinander verbundenen Zellen des Mesoderms, dessen Entstehen ERLANGER (24, 37) genau beschrieben hat. Eine be- sondere Anhaufung dieser Zellen finden wir schon auf diesem Sta- dium unter der Anlage der Radulatasche, jedoch noch nicht stark hervortretend. Von besonderer Bedeutung ist uns nun dieses Stadium wegen des ersten Auftretens der Radulascheide, die zwar hier nur durch eine seichte Vertiefung dokumentiert wird. Da, wie dies schon angedeutet wurde, der Mund und Schlund als ektodermale Ein- stiilpung entstehen, und diese erste Radulafalte ganz am vorderen Ende, unmittelbar hinter der Mundstelle sichtbar ist, so kénnen wir den ganzen Radularapparat als eine ekto- dermale Bildung qualifizieren (vgl. tibrigens auch Fig. 2). Ich mu zwar eingestehen, da’ es auferordentlich schwer ist, auf diesen Stadien noch genau die Grenze anzugeben, wo Ektoderm und Entoderm ineinander iibergehen. Zwar nimmt OswaLp (34) Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 359 nach seinen Untersuchungen, die er an erwachsenen Tieren ange- stellt hat, an, da als Ubergangsstelle des ektodermalen und ento- dermalen Darmes diejenige zu betrachten sei, wo die Cuticular- bildung, die sonst das ‘iuBere K6rperepithel bekleidet und auch ein Stiick weit im Darm bis in den Oesophagus hinein zu erfolgen sei, nicht mehr auftrete. Nun ist aber an diesen jungen Em- bryonen noch keine Spur von Cuticularbildungen oder Chitin- absonderungen wahrzunehmen, so daf wenigstens in dieser Hin- sicht eine Beurteilung selbst vom embryologischen Standpunkt aus schwer wird. Auf der anderen Seite tritt die Radulafalte bei Paludina vivipara erst auf, wenn Ektoderm und Entoderm bereits ineinander tibergehen und der vollstandige Durchbruch des Darmes erfolgt ist. Jedoch spricht die Lage des ersten embryonalen Auf- tretens unmittelbar hinter dem ektodermal entstandenen Munde durchaus fiir die ektodermale Herkunft der Tasche. (Weitere Stiitzpunkte siehe unten.) Die in Fig. 1 nur angedeutete Vertiefung, welche die Radula- tasche bezeichnet, senkt sich mehr und mehr ein, wie dies aus Fig. 2 ersichtlich ist, und wird zunachst zu einem rundlichen Sackchen, das auf ca. 10 Sagittalschnitten verfolgt werden kann. SaRASIN (13) findet ebenfalls die embryonale Zungenscheide von Bithynia tentaculata als ,,Hohlkugel, von der ein enger Aus- fiihrungsgang in die Mundhohle einmiindet zu einer Zeit, wo noch keine beginnende Radulabildung zu konstatieren ist‘. — Auch Fig. 2 ist ein sagittaler Lingsschnitt eines in der Entwickelung ziemlich vorgeschrittenen Embryos; beziiglich der Orientierung muf bemerkt werden, daf der Schnitt gleichsam das Spiegelbild zu Fig. 1 vorstellt. Der Embryo hat sich stark verlingert, bereits hat sich in diesem Stadium eine Mantelhéhle durch Auftreten einer Mantelfalte gebildet, die aber in der Figur nicht mehr gezeichnet ist. Eine durch Einstiilpung entstandene Schalendriise hat schon eine ‘iuBerst feine Schale abgesondert. Auf unserem Bilde sehen wir wieder dorsal die hier nun viel deutlicheren Zellen des Velums mit ihrer Cilienbekleidung (v). Der Mund (m) fiihrt in einen stark verlangerten Oesophagus (oe), wahrend die ventralen stark ver- dickten Zellen des in Fig. 1 gezeichneten Darmes sich hier ein- gesenkt haben, um die Radulatasche (rt) zu bilden, die von tief gefarbten hohen Cylinderzellen gebildet ist; dieselben gehen nach hinten in die nach und nach niedriger werdenden Zellen des Oeso- phagus (oe), vorn in die des Mundes (m) tiber. Die mesodermale Zellanhiufung (msd), die schon in Fig. 1 angedeutet war, hat sich 360 Isaak Bloch, bedeutend verstarkt, besonders vor, aber auch schon hinter der Tasche. Die vordere, der Mundhéhle zugekehrte Anhaufung ragt in eine Ausbuchtung hinein, welche als die Anlage der spateren Zunge (zu) bezeichnet werden kann; diese steht also durch ihre auBerste Zelllage, dem Zungenepithel, in Verbindung mit der Tasche, ebenso nach vorn mit einer weiteren auf diesem Stadium noch sehr schwachen Vertiefung, welche der spiteren Entwickelung ge- maf und nach dem Vorschlag R6ssuEr’s (16) Anlage der Sub- lingualfalte (sbl) genannt werden soll. Ventral hat sich der Fuf mit erofer Deutlichkeit (fw) durch eine Vertiefung unter dem Kopfe abgehoben. Auf diesem Stadium sieht man auch in die Mesoderm- zellen eingestreut jene merkwiirdigen, sogenannten Nuchalzellen (nu), die sich durch besondere GréSe und den deutlich sichtbaren Kern vor allen anderen Mesodermzellen auszeichnen. Wir finden sie tiber und unter dem Oesophagus regellos zerstreut. Dieselben haben ihren Namen daher erhalten, weil sie besonders in der Nackengegend zu finden sind. (Uber ihre Bedeutung, die noch nicht recht klar ist, vgl. ERLANGER, 24, 25.) Was nun die Entstehung der Radulatasche als eine ekto- dermale Einsenkung der Wandung des vordersten Darmabschnittes anbelangt, so scheint mir diese Bildungsweise allgemein zu sein in den verschiedensten Gruppen der Mollusken. So wurde zunachst schon von Lrypie (3) die Mund- und Schlundanlage von Paludina vivipara als besondere Bildung, unabhingig von der Bildung der iibrigen Darmabschnitte, gefunden. Ebenso lat ERLANGER (24) den ganzen vorderen Darmkanal bis zum Magen aus dem Kkto- dem hervorgehen. Bei vielen Mollusken bildet sich — und dies scheint mir die ektodermale Entstehungsweise am meisten zu stiitzen — die Radulatasche als Einsenkung vor dem Durchbruch der Mundeinstiilpung in den itibrigen Darmkanal. Dies wurde beobachtet von KowALEvsky (12) an Chitonlarven, von PATTEN (17) an Patella, einem Vertreter der Gastropoden, von Rasu (9) an Planorbisembryonen. In einigen Fallen wurde die Radulafalte sogar schon gefunden, noch bevor sich der Vorderdarm vollig ein- gesenkt hat; so findet For (11) ftir Helix pomatia, daf die Radula- einsenkung infolgedessen ganz an die Oberfliiche des Embryos zu liegen kommt. Auch fiir Cephalopoden wurde die Zungentasche — als Einbuchtung des vordersten Darmabschnittes beschrieben, so fiir Loligo vulgaris von KorscHett und Heimer (36), vgl. die Originalzeichnung dieser Autoren. Ebenso stimmen die Zeichnungen SARASIN’s (13), die nach embryonalen Schnitten von Bithynia an- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 361 gefertigt wurden, mit den von mir gefundenen Bildern iiberein, indem auch hier der Mund mit Radulaanlage als ektodermale Ein- stilpung wiedergegeben ist, und zwar hier vor dem Durchbruch des Vorder- in den Mitteldarm. Die fernere Entwickelung der Mundorgane finden wir an Sta- dien, deren allgemeine Kérperform derjenigen des erwachsenen Tieres schon sehr ihnlich ist, und denen Fig. 3, 4 und 5 ent- nomimen sind. — Fig. 3 ist ein Langsschnitt durch einen ganzen Embryo; derselbe wurde schematisiert und soll mehr der all- gemeinen Orientierung dienen, sowie zum Beweise dafir, da’ zur Zeit, wo die Radula sich erst auszubilden anfangt, die meisten tibrigen Organe sich schon angelegt haben. Ventral ist der vollstindig abgesetzte Ful} (fw), der bei Embryonen dieser Stadien, welche von ihrer Eihiille befreit werden, bereits als Lokomotionsapparat gebraucht werden kann. Vorn ist der Mund (m) mit Zunge (zw) und Radulatasche (rf), in der nun eine Chitinabsonderung (rd) sichtbar wird, unter der Zunge die Sublingualfalte (sbl), dann der Oesophagus (oe), der hier fast in seiner ganzen Lange getroffen ist. Kine schwache Einbuchtung laBt jetzt schon die Anlage der Subésophagealfalte (sboe) erkennen (ihre Bedeutung siehe unten). Hinten sind weitere Stiicke, die zum Darmtractus gehéren (d), der schlieSlich in der Mantelhéhle (mh) nach aufen miindet. Das Entstehen der letzteren ist von ERLANGER genau untersucht. Meine Priaparate und die herge- stellten Orientierungsbilder fiir den allgemeinen Verlauf der Organe stimmen mit den Zeichnungen ErRLANGER’s tberein. — Ferner sehen wir auf dieser Figur das Pericard (p), welches durch Ein- stiilpung das Herz (h) gebildet hat. Uber und unter dem Oeso- phagus sind die Visceralstringe (vs), die Chiastoneurie bildend. In der Mantelhéhle (mh) finden wir endlich die Anlage der Kiemen- falten (&) und auf dem Mantel die Schalendriise (sch) des Mantel- randes. Fig. 4 und 5 zeigen uns den vordersten Abschnitt bei starkerer Vergréferung und mit méglichst genauer Wiedergabe der einzelnen Verhiltnisse. In Fig. 4 hat sich die auf dem friiheren Stadium noch rundliche Radulatasche rt) vielleicht um das Anderthalbfache verlangert. Vorn hat sie sich im Verhiltnis zum Gesamtlumen stark verengt, steht aber in Kommunikation mit dem Oesophagus. Wiahrend die Verbindung mit dem Oesophagus nur etwa auf 4 Schnitten zu verfolgen ist, treffen wir den hinteren Teil der Tasche auf 10—11 aufeinander folgenden Bildern, so daf also das Lumen Bd. XXX. N. F, XXIII, 94 362 Isaak Block, hinten 2—3mal so grof ist wie vorn. Die Kommunikation des Oesophagus mit der Tasche ist auch auf Fig. 6 zu sehen, welche den Querschnitt eines noch etwas jiingeren Stadiums wiedergiebt, wo noch keine Chitinabsonderung sichtbar ist. Die Verbindungs- stelle zwischen Darm und Tasche ist noch relativ weit. Der Oesophagus (oe) zeigt auf seiner oberen Wand zu beiden Seiten Ausbuchtungen (oef), oder von der Mitte hangt eine Leiste herab, die sich aber nur so weit auf den Schnitten verfolgen aft, als Teile der Radulatasche (rt) auf den Praparaten sichtbar sind. Zwischen den hell gezeichneten und mit Cilien bewaffneten Zellen des Ve- lums (v) sind die Fiihleranlagen (f%), in starker ektodermaler Ver- dickung bestehend, zu sehen. Fig. 6 beweist uns ferner, daf die mesodermale Zellanhiufung (msd) unter und tiber der Radula- tasche, die sich iibrigens wieder verstirkt hat, auch zu beiden Seiten anzutreffen ist, oder ein Vergleich aller Quer- und Lings- schnitte ergiebt, daf die ganze Tasche von dicht anliegenden Zellen (msd) umgeben ist, dafi die stirkste Ansammlung dort zu finden ist, wo wir in den Zungenfortsatz gefiihrt werden, also unter der Tasche und ebenso iiber derselben. Hinter der Tasche fehlt die Anhiufung (Fig. 4, 5). Statt dieser finden wir nur eine diinne Schicht von Mesodermzellen oder nur vereinzelte Zellen, die héchstens noch mit ihren Fortsaitzen in Verbindung stehen. Es ist das die Anlage einer spaiteren Bindegewebsschicht, die die ganze Tasche umgiebt. Ein weiteres Entwickelungsstadium zeigt uns Fig. 5, eben- falls ein Langsschnitt, von welchem nur der Kopfteil gezeichnet ist, der nach unten in den Ful (fw) tibergeht. Die dauferste Schicht, die denselben begrenzt, besteht aus hohen Cylinderzellen, die in dem Mafe, als sie sich dem Munde (m) nach oben nahern, an Hohe abnehmen, um in eine Schicht von mehr flachen Cylinder- zellen tiberzugehen, die deutlich auffallende Kerne besitzen. Ebenso besteht das Ektoderm auf der oberen Kopfseite aus ganz platt- gedriickten, langlichen Zellen mit nicht sehr kérnerreichem Plasma. Beim Ubergang dieser Zellschicht in das Epithel der Mundhéhle, also bei der Eintrittsstelle in das Darminnere verindern die Zellen fast ohne Vermittelung ihre Gestalt, indem sie namentlich auf der oberen Seite bedeutende Héhe aufweisen. Auf der unteren Seite . bildet das Epithel die nun viel tiefer gewordene Sublingualfalte (sbl), tiber welcher sich jetzt der schon starke Zungenfortsatz (zu) erhebt. Er nahert sich der oberen Schlundwand, um hier, wie LEBERT (2) sagt, ,,einen Engpaf zu bilden, wo (spater) die Nah- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara, 363 rung zerrieben werden kann“. Im Innern des Fortsatzes ist die starke Mesodermzellanhaufung (msd). Die oft lang gestreckten Fortsiitze dieser Zellen zeigen bereits ziemlich regelmafige strang- artige Anordnung, es ist jedenfalls die Vorbereitung des spater stark muskulésen Apparates. Die Mesodermzellen sind ihrer meist geringen GréSe wegen ohne Kern gezeichnet. — Die Radulatasche (rt) hat sich noch mehr eingesenkt, der Kingang in dieselbe ist im Verhiltnis zum inneren Lumen noch enger geworden, wahrend letzteres, je weiter wir nach hinten kommen, immer grofer wird und sich zu hinterst in einen sackartigen, etwas nach oben auf- gestiilpten Teil erweitert. — Die die Tasche begrenzenden Zellen zeigen entsprechend ihren spateren verschiedenartigen Funktionen schon recht verschiedene Beschaffenheit. Besonders heben sich vor allen iibrigen die Zellen der hinteren T'aschenwand ab, die wir als die Matrixzellen des Radulaapparates bezeichnen kénnen. Dieselben haben sowohl die Basalplatte (bp) als auch die Zaihnchen, die spiter auf derselben stehen, zu bilden, es sind also die von Rossier bezeichneten ,,Odontoblasten“ (od), die héchsten Zellen, die in der Figur zu finden sind. Sie zeigen die stirkste Tinktions- fihigkeit, weisen das kérnerreichste Plasma auf, so daf die Kerne sich oft nur mit Schwierigkeit nachweisen lassen. Da diese Wand- zellen in der Mitte etwa am gréSten sind, nach oben und unten dagegen an Hohe etwas abnehmen, so bilden sie eine schwache nach vorn gerichtete Hervorwélbung, die der Form der spater sich bildenden Zihne ungefaihr entspricht. Nach unten gehen diese Zellen ganz allmahlich in die niedrigeren Zellen des _basalen Epithels (wet) tiber, wo die Kerne wieder mit grofer Deutlichkeit zu sehen sind, und das iibrige Protoplasma relativ nur wenig Farbstoft aufgenommen hat. Was die Lage der Kerne anbelangt, so finden wir dieselben, wie dies aus allen Figuren hervorgebt, immer auf der der Leibeshéhle zugekehrten Seite des Tieres. Die Hohe der hinteren Zellen betragt auf diesem Stadium oft das Vierfache der unteren Epithelzellen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Zellen der oberen Taschenwand (oet). Dieselben scheinen in starker Bildung und Vermehrung begriffen zu sein, so dafi sie sich gegenseitig draingen, sehr lang und oft an den Enden zugespitzt werden. Sie wachsen aneinander vorbei, und da sie hauptsachlich nur auf medianen und ihnen benachbarten Lingsschnitten in dieser Form zu treffen sind, bilden sie eine von hinten nach vorn sich ziehende und von der Mitte der Taschendecke herabhingende Leiste, die nicht zum 24 364 Isaak Bloch, geringsten Teil das nach vorn immer mehr sich geltend machende Schwinden des Taschenlumens bedingt. Nach unten sind diese Zellen oft in feine Auslaufer ausgezogen, die tief ins Innere hinab- hingen und oft eine gegenseitige Verbindung zeigen. Ob diese Zellen schon Chitinmassen abgesondert haben, laft sich an diesen Schnitten nicht feststellen, jedoch weist der spitere Entwickelungs- gang mit Wahrscheinlichkeit darauf hin. Die AufSenseite der oberen Taschenwand zeigt entsprechend der ins Innere ragenden medianen Leiste eine Vertiefung, in welcher sich Mesodermzellen strang- artig anordnen, um spiter eine Stiitze fiir die Radulascheide zu bilden. Fig. 14a ist ein Querschnitt durch eine Radula dieses Stadiums im vorderen und 14b im weiter hinten gelegenen Ab- schnitt. Aus beiden Schnitten geht hervor, daf die obere Taschen- seite (oet) sich rinnenférmig eingesenkt hat, um die eben be- schriebene Leiste zu bilden. Von besonderer Bedeutung scheinen mir die in Fig. 4 und 5 wiedergegebenen Stadien zur Beurteilung der ersten Entstehung der eigentlichen Radula zu sein, d. h. jenes Organes, welches bei den meisten Mollusken die Zunge iiberzieht und bei der Bewegung der letzteren zum Zerreiben der aufgenommenen Nahrung dient. — In Fig. 4 beobachten wir eine diinne Schicht farblosen Chitins (in der Figur schwarz gezeichnet). Diese Chitinplatte (bp) ist etwa ein Drittel so dick wie die Zelllage, auf der sie ruht, und erstreckt sich vorn bis auf die Héhe des Zungenfortsatzes. Hinten ist sie leicht aufgewélbt, sich der Form der Tasche anschmiegend, und ist bei Anwendung des Asse’schen Beleuchtungsapparates mit scharfen Konturen sichtbar. Auf Querschnitten (Fig. 14a u. b) erkennen wir, daf die Chitinplatte (bp) nach beiden Seiten wie die Tasche selbst leicht aufgebogen und infolgedessen rinnenartig ist. Da ich auf keinen gleichaltrigen und jiingeren Stadien diese Chitinabsonderung etwa nur im hinteren Teile gefunden habe, bin ich zu der Annahme gezwungen, dafi diese Chitinschicht durchaus eine Absonderung aller unter ihr liegen- der Zellen ist. Zu dieser Annahme fiihrt mich ferner der Umstand, daf absolut alle Zellen, auf denen in diesem Stadium Chitin ruht, gleichartig und ziemlich hoch sind und jene tiefdunkle Farbung zeigen, wie dies bei alteren Embryonen nur an den Zellen zu sehen ist, welche die hintere Wand bilden und oben all- gemein als Matrixzellen bezeichnet wurden. LEinen weiteren, nicht zu unterschaitzenden Beweis fiir diese Annahme liefert mir die Thatsache, da’ die junge Chitinplatte auf einigen Stadien noch in Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 365 Felder geteilt ist und Konturen erkennen laft, die den Zellgrenzen entsprechen. Ahnliche Beobachtungen beschreibt schon KOLLIKER (6) von der Cuticula des Magens bei Aplysia depilans sowie von einer ganzen Reihe untersuchter Cuticularbildungen. Die ,,schichten- weise Streifung“ halt K6Lu«eEr fiir ,,den Ausdruck der schichten- weisen Apposition der Substanz“‘, wahrend seine ,,Langsstreifen, welche um die Breite der unterliegenden Epithelzellen voneinander abstehen und genau den Grenzlinien derselben entsprechen, ein- fach den Anteil der einzelnen Zellen an der Bildung des Zahnes andeuten‘‘. — Ich schlieSe aus meinen Befunden, daf das Chitin eben abgesondert wurde und die Fixierung des Embryos statt- gefunden hatte, noch bevor diese EKinzelabsonderungen verschmolzen waren. Man kénnte daran denken, da8 das Chitin beim Schneiden vielleicht zerrissen ist, dann aber wire die angedeutete Struktur nicht so regelmaBig und auf alteren Stadien ebenso gut, wenn nicht noch eher, anzutreffen, indem bei starkerer Chitinabsonderung der Schnitt mehr gefihrdet wire. Zudem weisen meine Praparate im iibrigen nicht die geringste Verletzung auf. — Die Zellen der oberen Wand (oe¢) zeigen auf diesem Stadium noch keine Diffe- renzierung. — Vergleichen wir nun das in Fig. 5 wiedergegebene Stadium eines etwas alteren Embryos, so sehen wir, da8 die Matrixzellen, d. h. die Bildner des Chitins nur noch in der Tiefe der Scheide zu finden sind. Dies folgt aus dem Umstand, daf auffallend stark gefarbte Zellen nur noch die hintere Wand bilden, waihrend unten weniger gefarbte, bedeutend niedrigere Zellen zu treffen sind, d. h. die Tasche hat sich durch starke Zellvermehrung bedeutend verlangert, so da8 die Bildungsstatte der Platte nun ganz im Hintergrund zu suchen ist. Dort findet jetzt auch eine reichliche Chitinsekretion statt, die, solange die Tasche noch nicht ihre definitive Gestalt und vollstindige Linge erreicht hat, sich einfach an die vorderen schon gebildeten Teile ansetzt und mit ihnen verschmilzt. An ein Vorwartsschieben einer hinten immer neu sich ersetzenden Platte ist vorderhand absolut noch nicht zu denken, weil die Absonderung auf ziemlich alteren Stadien nach vorn sich nie weiter verfolgen labt, als bis gegen die Hohe des Zungenfortsatzes, d. h. bis dahin, wo wir dieselbe schon vom ersten Auftreten an wahrnehmen konnten (Fig. 4). Noch deutlicher und zur Gewifheit werden diese Folgerungen bei Betrachtung von Fig. 7. Die Radulatasche hat seit Beginn der ersten Chitin- absonderung vielleicht eine 3—4fache Verlangerung nach _ hinten erfahren; der Hohlraum im Hintergrunde, der namentlich durch 366 Isaak Bloch, Ausbuchtung nach oben entstanden ist, hat an Umfang zuge- nommen, wihrend die vordere Kommunikationsstelle mit dem Oesophagus immer relativ sehr eng bleibt. Daf die Chitinabsonde- rung immer aufs neue stattgefunden hat, ist daraus ersichtlich, da auch sie an Masse bedeutend zugenommen hat. Da8 sie sich ferner hinten neu bildet und sich an die schon vorhandenen Teile nur anlagert und diese nicht vorschiebt, geht daraus hervor, da8 die Platte hinten vielleicht viermal so machtig ist wie vorn, wo sie ihre urspriingliche Dicke beibehalten hat, und immer noch am gleichen Orte wo friiher, d. h. am Ausgang der Tasche auf der Hohe der Zunge, endet. Die Zellen, auf denen die Lamelle jetzt ruht, sondern, wenigstens im vorderen Abschnitt, kein Chitin mehr ab. Rossier (16) hat in seiner Untersuchung tiber Radulabildung hauptsichlich fiir Pulmonaten und Opisthobranchien, aber auch fiir Prosobranchien und die meisten tibrigen Mollusken nachge- wiesen, daf wenigstens im erwachsenen Zustande sowohl die Zahn- chen als auch die Basalplatte, auf der jene ruhen, von dem hin- teren Polster aus gebildet, da dieselben dann durch fortwihrende Neubildung von hinten nach vorwarts geschoben werden, um die abgenutzten Teile der Reibmembran vorn konstant zu ersetzen. Ich glaube, fiir Embryonen einen etwas modifizierten Bildungs- proze8 nachgewiesen zu haben, indem von hinten immer neue Teile an die Basalplatte angelagert werden. Indes liegt darin durchaus noch kein Widerspruch mit der Ansicht R6ssiEr’s. Meine Untersuchung bezieht sich nur auf junge, oft kaum 1 mm grofe Paludinen, in relativ kurzer Zeit verliangert sich die Radulatasche und zwar nach hinten, wihrend vorn die Absonderung immer am gleichen Orte und in ziemlich gleicher Menge zu finden ist. Mir scheint nun: sobald die Tasche, die sich bis zur Vollbildung noch um ein ganz Betrichtliches zu verlangern hat, vollstindig ausgewachsen ist, d. h. wenn der ganze Frefapparat fiir den der Geburtsreife nahen Embryo gebildet ist, so wird es noétig, daf die vorderen Teile von hinten durch neue ersetzt werden. Da die Tasche nach hinten sich nun nicht mehr oder héchstens ganz wenig und lang- sam verlangert, so bleibt eben nichts anderes mehr iibrig, als daf bei der Chitinabsonderung der nun ganz in der Tiefe liegenden Matrixzellen die vorderen Teile der Sekretion weggeschoben werden. Im iibrigen weisen auch meine Praparate, die alteren Stadien an- gehéren (Fig. 8, 9, 15, s. unten), auf eine Bildungsweise oder, besser Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 367 gesagt, Neubildung der Radula hin, die von der RdssLER’schen Darstellung wenigstens in dieser Beziehung kaum mehr abweicht. — Bis zur vollen Langenausbildung mégen sogar eine Zeitlang beide Prozesse, d. h. ein Vorwartsschieben und gleichzeitiges Ansetzen hinten neu sich bildender Teile, nebeneinander stattfinden. Denn 1) der Umstand, da8 die spater auftretenden Zihnchen zuerst nur in der Tasche, auf alteren Stadien aber auch auf dem Zungen- fortsatz zu treffen sind, ferner dafi im vorderen Abschnitt der Radulatasche spiter keine Zellen mit sekretorischer Funktion mehr getroffen werden, fiihrt zur Annahme, daf die chitinésen Se- kretionsprodukte hinten gebildet und dann vorwarts geschoben werden. 2) Die noch nicht definitive Lingenausbildung spricht auch noch bei alteren Stadien fiir den ersten Bildungsmodus, d. h. fiir die Anlagerung neu gebildeter Teile an die schon abgesonderten. Auf diese Weise erhalten wir eine Auffassung iiber das allmah- liche Entstehen der Radula, die uns am plausibelsten erscheinen mug, indem an ein unvermitteltes Ubergehen der Anlagerung in ein nachheriges Vorwartsschieben selbstverstandlich nicht zu denken ist. Ich habe oben dargestellt, wie urspriinglich die ganze basale Zellschicht (wet) zur Absonderung einer chitindsen Lamelle ge- fiihrt hat (Fig. 4), und wie an sp&teren Stadien (Fig. 5, 7, 8, 9, 12 etc.) nur noch die Zellen ganz im Hintergrunde an der Se- kretion teilnehmen. Wir haben uns infolgedessen noch dariiber Rechenschaft zu geben, wie dieser Ubergang stattgefunden haben mag. Da sind zwei Annahmen méglich. Entweder sind die ur- spriinglichen basalen Matrixzellen unter der abgesonderten Basal- platte weg durch reiche Vermehrung der vorderen Zellen nach hinten geriickt; und dieser Vorgang ware nicht ausgeschlossen, da, wie dies schon von Ricker (14) und R6dssuer (16) allerdings an ausgewachsenen Tieren nachgewiesen wurde, ein inniger Kontakt zwischen der basalen Platte und der unter ihr liegenden Zell- schicht nicht stattfindet; oder dann miissen wir annehmen, daf die Zellen, durch welche diese erste Sekretion stattfand, sich bald erschépfen und sich so in die niedrigen gewéhnlichen Epithelzellen umwandeln, wie wir sie an 4lteren Tieren eben immer finden. Die basalen Zellen wiirden dann spiter in ihrer sekretorischen Arbeit abgelést von den hinteren Zellen, die ja in der That auch jene tiefdunkle Farbung haben wie urspriinglich die basalen Zellen. Diese letztere Annahme scheint mir die natiirlichste und erklart uns gleichzeitig aufs beste den oben beschriebenen Modus der 368 Ysaak Bloch, spiteren Anlagerung neuer Chitinteile an die schon gebildeten. — Nach TRINCHESE (10) soll, wie dies schon lange von SEMPER (5) und KOLLIKER (6) dargestellt wurde, auch noch im erwachsenen Zustand die Basalplatte vom unterliegenden Epithel gebildet werden; mit dieser Annahme kann ich mich aber absolut nicht einverstanden erklairen, da schon fiir Embryonen dieses Epithel so diinn wird (Fig. 7, 8, 9), daB ein anderer Sekretionsherd, namlich im Hintergrunde der Scheide, angenommen werden muB. Ich habe friiher auf die Veranderungen aufmerksam gemacht, welche die Zellen der oberen Taschenwand im Laufe der Ent- wickelung erfahren haben. Ihr weiteres Schicksal laft sich leicht verfolgen auf den Stadien, wo die Basalplatte schon betrachtlich entwickelt ist (Fig. 7, 12 oe¢). Schon aus Fig. 5 war ersichtlich, daf die der Innenseite der Tasche zugekehrten Enden der Zellen keine zusammenhangende, fortlaufende Linie mehr bilden, sondern diese ist unregelmafig geworden, die Zellen haben sich verlangert und sind in fast farblose Spitzen ausgezogen (Fig. 7), die gegen die unter ihnen liegende Basalmembran (bp) gerichtet sind. Nur selten lassen sich in diesen farblosen Enden Kerne nachweisen. Eine Beriihrung dieser Spitzen mit der Basalplatte findet auf dieser Stufe der Entwickelung durchaus nicht statt. Dennoch konnte ich mich des Eindruckes nicht erwehren, als wiirden von diesen Zellen auch Absonderungen stattfinden, welche die Basalplatte mit einer besonderen, resistenzfahigen Schicht zu tiberziehen haben. Auf alteren Stadien (Fig. 12, etwas lateraler Lingsschnitt) ist es «u- dem oft schwer zu entscheiden, ob zwischen den aufersten feinen Spitzen und der Basalplatte nicht ein wirklicher Kontakt statt- findet. Die Spitzen sind gegen die Platte hin auSerdem oft merk- wiirdig verbreitert, und ganz sicher habe ich manchmal neben der stark hervortretenden Hauptkontur der Basalplatte noch eine ganz feine zweite, der ersten parallele Kontur sehen kénnen, deren Abstand von der Hauptkontur aber so gering ist, daB ihre Beobach- tung leicht entgeht. An alteren Stadien ist diese zweite Kontur wieder schwieriger nachzuweisen, Wahrscheinlich wegen der innigen Verschmelzung. Auf diese Weise kann es uns begreiflich werden, warum diese Zellgebilde (oet), deren spitere sehr nahe Beziehung zur Zahnbildung SHArpe (15) und R6sster (16) an vielen Mol- lusken hervorgehoben haben, und auf die wir unten selbst noch zu reden kommen, schon lange vorbereitet werden, bevor iiber- haupt nur eine Spur eines Zahnes zu finden ist. Die Bildungs- stiitte dieser Zellen ist unschwer zu finden. Schon in Fig. 5 Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 369 scheinen sie von der hinteren Wand aus nach vorn gedrangt zu werden. In Fig. 7 und 12, sowie auf alteren Stadien (Fig. 8 u. 9) sehen wir diese Ansicht bestarkt, indem den schon gebildeten Zaipfchen, die von der oberen Wand herunterhangen, von hinten neue folgen, die aber erst in Bildung begriffen sind, und wie die neuen Stiicke der Basalplatte den alteren von hinten sich an- reihen, so reihen sich diese Zapfchen bei der stets sich ver- langernden Tasche an die bereits gebildeten vorderen. In Fig. 7 und namentlich in Fig. 12 sehen wir hinter den schon vorhandenen Zapfchen kleinere noch nicht vollendete, und hinter diesen solche, die sich erst von der Taschendecke herabgelassen haben. Danach ist also der Entstehungsort der Zaipfchen die Zellgruppe (2g), die sich oberhalb der stark tingierten und stark sekretionsfahigen Zellen befindet, von denen die Basalplatte und spiéter auch die feinen Zahnchen abgesondert werden. Der Ubergang dieser Zell- gruppe (zg) in die Odontoblasten (od) ist ein ganz allmahlicher. — Zu diesem Stadium will ich noch bemerken, daf die starke Mesodermzellanhaéufung auf der Radula, von der oben schon die Rede war (msd), immer deutlicher zum Ausdruck kommt, um den von ROssLER bezeichneten ,,Bindegewebspfropf* zu bilden. Wie aus den Untersuchungen Sempsr’s (5), Riicker’s (14), ROssier’s (16), PLaTr’s (22) und anderer hervorgeht, haben wir es spater mit einem Organ zu thun, das hauptsichlich aus muskulésen sowie bindegewebigen Zellen besteht, und dessen Hauptfunktion darin gipfelt, einen Stiitzapparat fiir die Radula zu bilden. Auch sollen bei vielen Mollusken, wie dies namentlich von LacazE-DUTHIERS (19) und anderen dargethan wird, knorpelige Elemente nicht zu verkennen sein. Wir kommen nun auf die Entstehung der Zahnchen zu sprechen, die den integrierendsten Teil der Reibmembran bilden, und die bei ausgewachsenen Paludinen auf der Basalplatte stehen. Ich habe lange nach Stadien gesucht, wobei ich die allererste Zahn- bildung hatte konstatieren kénnen. Im ganzen habe ich gegen 200 Paludinaembryonen in Serien geschnitten und glaube, daf vom ersten Auftreten der Radulafalte an mir kein entscheidendes Sta- dium entgangen ist; dennoch war es mir unmoglich, Priparate zu entdecken, wo nur ganz wenige, die ersten Zihnchen zu finden gewesen waren. Entweder waren die Praparate in dem Zustande, dem Fig. 7 und 12 entnommen sind — und diese Stadien be- zeichne ich als die altesten vor dem Auftreten der Zahnchen — oder dann war die Tasche bis vorn gegen den Austritt aus der 370 Isaak Bloch, Scheide schon mit Zahnchen angefillt. Ich habe schon daraut aufmerksam gemacht, daf die Chitinabsonderung in dem Mafe zu- nimmt, als die Tasche nach hinten sich verlingert, so daf wir wohl annehmen diirfen, da’, wenn die Radulascheide einmal ihrer definitiven Ausbildung nahegeriickt und zur Zahnbildung voll- stiindig vorbereitet ist, die Chitinabsonderung fiir die Basalplatte und die Zihnchen in so reichlichem Mae und so rasch statt- findet, daB die Beobachtung der ersten Zahnbildung uns wohl ent- gehen kann. Ubrigens la8t sich die Zahnbildung an den in Fig. 8, 9 und 15 wiedergegebenen Stadien dennoch verfolgen, und ich bin durchaus der Ansicht, da8 die ersten Zaihnchen, wie SHaArp, RicKER und ROssLER an ausgewachsenen Tieren die Neubildung beschrieben haben, in gleicher Weise, d. h. hinten entstehen. Trotz- dem die Zahnchen bald in so grofer Zahl und bis fast nach vorn zu finden sind, so ist jene alte Ansicht friiherer Forscher voll- stiindig ausgeschlossen, nach der die Zaihnchen und die Basal- platte von der oberen Zellwand (den herabhaingenden Zapfchen, oe¢) oder vom basalen Epithel (wet) gebildet werden. Fig. 9 und 15 sind Schnitte durch den hinteren Radula- abschnitt jiingerer und Fig. 8 durch den eines alteren Stadiums, teils median, teils lateral. Alle Stufen erginzen sich und geben nach meinem Dafiirhalten geniigenden Aufschlu8 iiber die Ent- stehungsweise der Zaihnchen und bilden gleichzeitig in manchen Punkten eine Bestatigung der Untersuchungen eben angefiihrter Autoren. In Fig. 8 wurde iiber der Radula wegziehend der Oeso- phagus (oe) gezeichnet (schematisiert). — Besonders will ich noch darauf hinweisen, dafi Fig. 15 (noch etwas jiinger als Stadium von Fig. 9) an GréBe dem Stadium von Fig. 12 nachsteht, obgleich in Fig. 12 noch keine Zaihnchen, wohl aber in Fig. 15 solche mit grofer Deutlichkeit zu sehen sind. Allerdings spielt der Gréfen- unterschied keine allzu stark ins Gewicht fallende Rolle, denn schon ERLANGER hat darauf hingewiesen, und ich muf diese Beobachtung bestitigen, daf oft kleinere Embryonen schon be- deutend weiter entwickelt sind als ziemlich gréBere. Die allge- meine Kérperorganisation der Stadien von Fig. 12 und Fig. 15 beweist mir, daf diese beiden Embryonen trotz des vorhandenen Grofenunterschiedes in ihrer Ausbildung nicht zu weit auseinander- stehen konnten. Vergleichen wir nun Fig. 12 mit Fig. 15 sowie mit Fig. 9 und 8, so ergiebt sich alsbald, da8 die Aufgabe der hinteren Zell- wand, die immer dicker geworden ist, sich in eine zwiefache ge- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara, 371 teilt hat. In allen Figuren finden wir, daf die Zellen des unteren Taschenepithels (wet), sobald sie im Hintergrunde der Scheide nach oben biegen, allmahlich ihre Struktur andern, indem sie auffallig lang, kérnerreich und besonders tinktionsfahig sind. Hervor- tretender Dicke begegnen wir in Fig. 8 und 9. Ich habe diese Zellen oben allgemein als ,,Matrixzellen‘‘ bezeichnet. Kine Arbeits- teilung findet nun in dem Sinne statt, als nur die unteren dieser Zellen die Basalplatte absondern, wihrend die oberen, die ,,Odonto- blasten‘‘, speciell die Zihnchen, die auf der Basalplatte stehen, zu bilden haben. Dabei habe ich mir bei Betrachtung meiner Pra- parate folgende, von der RéssLEeR’schen Darstellung abweichende Anschauung erworben. Urspriinglich wird, und dies ist sicher nachgewiesen, nur die Basalplatte gebildet, die in Fig. 7 und 12 schon eine bedeutende Dicke erreicht hat. Vergleichen wir nun mit diesen Praiparaten diejenigen, wo die Zihnchen zu finden sind (Fig. 8, 9 und 15), so sehen wir, daf hier die Basalplatte relativ diinner ist als auf jiingeren Stadien, bei noch alteren Embryonen ist sie noch diinner, und zwar am Sekretionsorte selbst, wo von einer Verdichtung noch nicht die Rede sein kann. Ich glaube deshalb, daf’ nunmehr die reichlichere Chitinabsonderung in den tiefer gelegenen Zellen stattfindet, welche in der That in der Farbung eher dunkler sind als die oberen, wihrend in diesen die Sekretion eine langsamere ist und der unteren noch nicht folgen kann. Da nun in der alteren, mehr ausgewachsenen Radulascheide die neu gebildeten Teile der Basalplatte die schon gebildeten nach vorwirts schieben, findet im oberen Teil, wo die Sekretion noch nicht so schnell stattfindet, ein ZerreiBen oder vielmehr ein Ab- heben von der Zellunterlage statt, d. h. die Chitinabsonderung bildet die auf der Basalplatte stehenden und mit ihr innig ver- bundenen Zihnchen. Ich glaube nicht, dafi die Basalplatte und die Zahnchen gesondert ausgeschieden werden und erst nachtrag- lich miteinander verschmelzen; denn sonst miifte man an den jiingsten und erst in Ausbildung begriffenen Zihnchen sicher eine Trennungslinie wahrnehmen. Statt dessen sehen wir in Fig. 9 und 15, wie je ein Zihnchen (zch) sich eben von den Odonto- blasten abgelést hat, mitgerissen durch die sich fortschiebende Basalplatte, wahrend in Fig. 8 das noch nicht ausgebildete Zahnchen mit den odontogenen Zellen in Kontakt ist, und in allen Fallen laSt sich die Verbindung mit der basalen Platte nachweisen. Auch sind die Ziihnchen in Bezug auf die Form nicht von so grofer RegelmaBigkeit, als daf an ein solches Mitreifen nicht gedacht abe Isaak Bloch, werden kénnte. Wiirden die Zahnchen isoliert von der Basal- platte abgesondert, und wiirde erst ein nachtragliches Verschmelzen stattfinden, so ware die notwendige Schluffolgerung, daf die Chitin- absonderung der Odontoblasten von Zeit zu Zeit, und zwar je nach der Bildung eines Zahnes unterbrochen wiirde. Dies glaube ich aber nicht annehmen zu kénnen, die Sekretion findet auch in den Odontoblasten konstant statt, nur nicht in dem _ reichlichen Mage, wie in den unteren Teilen. Die Trennungslinien der Zahnchen in ihren basalen Teilen lassen sich oft noch weit in die Basalplatte hinein verfolgen, laufen aber in ganz fein werdenden Konturen aus, die fast parallel mit der Basalplatte sind. Der unterste Teil der Zahnchen, d. h. der allmahliche Ubergang in die basale Platte, wird von den meisten Autoren als Zahnful be- zeichnet. Der Umstand nun, daf Basalplatte und Zahnchen sich immer als ein zusammenhaingendes Ganzes, durch keine Unter- brechung Getrenntes zeigen, lassen meine Schluffolgerungen als gerechtfertigt erscheinen. Dieser Auffassung will ich unten weitere Erérterungen widmen. — Eine Beobachtung muf ich noch er- wihnen. Oft sieht man schon an jiingeren Stadien (Fig. 3, 4, 5, 7) die Basalplatte nicht an den unteren Matrixzellen enden, sondern sie besitzt noch einen aufgewélbten, scheinbar sich an die spateren Odontoblasten anschmiegenden Teil, und es sieht so aus, als hatten wir hier die Bildung des ersten Zahnes vor uns. Warum findet hier noch kein Lostrennen vom Zellenpolster statt? Ganz einfach, weil die Absonderung noch eine gleichmafige ist, und die Basal- platte noch nicht vorwarts geschoben wird, sondern durch An- setzen neuer Teile hinten sich vergréfert, und weil der hintere Abschnitt der Radulatasche noch weit in die Tiefe riickt und diese Aufwélbung selbst Material fiir die vorderhand noch immer miach- tiger werdende Basalplatte liefert. — RéssLer hat in seiner Unter- suchung bereits die Ausbildung der odontogenen Zellwand be- schrieben. An jiingeren Stadien ohne Zahnchen ist diese durchaus noch einheitlich. Spatere Stadien mit auftretender Zahnbildung stimmen iiberein mit ROssLER’s Quer- und Horizontalschnitten an ausgewachsenen Tieren. ,,Das Polster zerfallt in so viele Unter- abteilungen, als Zahne in einer Querreihe der Radula sind, deren’ Vielgestaltigkeit durch die wechselnde Oberflache und die Hohen- unterschiede der zeugenden Zellgruppen bedingt wird; der halb- kugelférmige Wulst, der von der oberen resp. hinteren Wand kommt, enthalt die den 7 Zahnplatten des taenioglossen Gebisses entsprechenden odontogenen Zellgruppen“ (Auszug). Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 373 Hand in Hand mit den Verdnderungen, welche durch Auf- treten der Zaihnchen auf der unteren Seite der Tasche sich ein- gestellt haben, geht noch eine kleine Umwandlung der Zellen, die von der Decke der Tasche herabhingen und schon lange vor dem Auftreten der Zahnchen sich konstatieren lieBen. Wahrend diese Zellgruppen auf friiheren Stadien noch ziemlich unregelmabig auf- traten, durch Bildung von Auslaufern sich unten oft zu beriihren schienen (Fig. 12), so zeigen sie jetzt eine groBe Gesetzmifbigkeit in ihrem Auftreten wie in ihrer Ausbildung, indem zwischen je zwei aufeinander folgende Zahnchen ein solches Zaipfchen herunter- kommt. Mit der Bildung eines Zahnes treffen wir im Hintergrunde die Bildung eines Zapfens, der in dem Male, als er zusammen mit dem Zahn nach vorn riickt, mit diesem einen innigeren Kontakt bildet und ziemlich genau die Form des Zahnes wiederholt. Es ist also nicht umgekehrt, wie KOLLIKER (14) annimmt, dal die Zahne der ,,genaue Abdruck der inneren Oberflache“ sind. Denn vor dem Vorhandensein der Zahnchen sind die Zapfchen ganz unregelmafig ausgebildet (Fig. 5, 7, 12). Der Modus, nach welchem die Beriihrung von Zahnchen und Zapfchen stattfindet, ist nicht ganz unregelmifig. In Fig. 15 findet eine svulche fiir den hin- tersten, also jiingsten Zahn noch nicht statt, wohl aber fiir den zweiten, wihrend der dritte schon recht innig verbunden ist mit den herabhingenden Zellen. Fig. 9 zeigt schon eine Beriihrung des ersten Zahnes, doch kommt es auch hier erst beim dritten zu innigem Aneinanderschliefen, ahnlich in Fig. 8, wo sogar erst der vierte Zahn vollstandig mit den Zapfchen verbunden ist. Hier ist der erste Zahn aber noch nicht fertig ausgebildet. Gleich- zeitig treffen wir die Abstande der jiingsten Zahnchen voneinander, also im Hintergrunde viel gréfer als vorn, wo diese Gebilde sich oft sehr dicht folgen. Daraus laBt sich schliefen: je weiter vorn die Zihne stehen, und je dichter sie sich folgen, um so inniger wird gleichzeitig der Kontakt mit den follikelartigen Zipfchen, und um so tiefer ragen diese zwischen die Zaihnchen hinein. Oft lassen sie sich bis zur Basalplatte verfolgen, und der Schlufs liegt nahe, daf, wie auf friiheren Stadien (ohne Zihnchen) diese Zellen die basale Platte mit einer besonderen Schicht zu tiberziehen haben, dies auch jetzt noch zu geschehen hat zwischen den Zahnchen; ebenso kénnen aber auch gleichzeitig diese mit einer besonders widerstandsfahigen Schicht bekleidet werden, wahrend anderseits ein Wiederverschmelzen der einzelnen Zahnchen, die sich durch Drangen von hinten sehr nahe zu stehen kommen, verunmdglicht 374 Isaak Bloch, ist. Die Aufgabe, die Zihne mit einer Art Schmelzschicht zu iiberdecken, haben zuerst SHARP und ROSSLER diesen Zellen zu- geschrieben, und die ganze Entwickelung scheint mir auch fiir diese Auffassung zu sprechen. — Oft lassen sich die Zellgrenzen in den Zapfchen nur noch mit grofer Schwierigkeit nachweisen, Zellkerne findet man in den Zapfchen selbst relativ nur wenige, dafiir aber um so mehr direkt iiber denselben (Fig. 7, 12, 15 mit Hamalaun gefirbt), wihrend die untersten, meist farblosen Spitzen oft nur noch in feinen Konturen zu erkennen sind, so daf es in der That sehr wahrscheinlich wird, daf hier eine Chitinabsonderung stattfindet. Jedenfalls kann aber eine solche nur auf der der Zunge zugekehrten Seite, also auf dem Riicken der Zahnchen statt- finden. Denn eine genaue Betrachtung belehrt, daS die Zapfchen die Zihne nur einseitig beriihren, und dal zwischen je einem Zaipfchen- und Zahnchenpaar ein kleiner Hohlraum zu finden ist, der allerdings in dem MaBe, als wir nach vorn kommen, kleiner wird. Dafiir aber kénnen wir anderseits annehmen, daf vorn die letzte Chitinabsonderung bereits geschehen und der Zahn voll- stindig ausgebildet ist. Diese Ansicht wird erhartet durch die Tinktion, indem die Zihnchen hier ziemlich viel Farbstoff in sich aufgenommen haben (eine Kigenschaft alteren und erharteten Chitins), wahrend im Hintergrund der Tasche das frische ab- gesonderte Chitin auch nicht die Spur von Farbstoffen aufgesogen hat. — Fiir unsere Anschauung spricht ferner die Ausbildung der Ziihnchen am erwachsenen Tier. LEBERT (2) beschreibt die Ra- -dulatasche von Paludina als ein Organ von durchschnittlich 6 mm Lange, wovon etwa die eine Halfte im Divertikel verborgen liege. Der Durchmesser der Scheide betrage kaum tiber 1 mm und er- scheine nur am Ende etwas ausgeschweift. Die Radula selbst ist ,eine Chorda, welche aus 7 Langsreihen kleiner, dachziegelférmig sich zum Teil deckender Platten besteht, welche fast in ihrer Zu- sammenfiigung den Schuppen der Fische gleichen“...... ,»Man kann sich leicht iiberzeugen, da8 sie alle vertikal oder schief auf einem feinen, hautigen, durchsichtigen Gebilde aufstehen (die oben beschriebene Basalplatte), welches ihnen als Basis dient.“ ..... »sieht man die Platten (die Zihnchen) im Profil, so zeigen sie sich leicht gebogen, ein wenig sichelf6rmig (s. unsere Fig.). Sie tragen am oberen Ende kleinere Zaihnchen“ (die obersten Teile der plattenartig verbreiteten Zaihnchen zeigen am erwachsenen Tier nimlich feine Spitzen). Nach dieser Beschreibung lift sich schliefen, da’ die Zaihnchen, die auch schon in der embryonalen Embryonale Entwickelung der Radula yon Paludina vivipara. 375 Radulatasche diese gebogene Form zeigen und spiter die Zunge iiberziehen, namentlich mit den obersten Spitzen und dem der Zunge zugekehrten, oberen Teil zum Zerreiben der Nahrung dienen. Und dies ist auch der Grund, weshalb eine Verstiirkung des Zahnes durch Auftragen einer besonderen Schicht nur auf der einen Seite geschieht, wenigstens bei Paludina vivipara (vergl. Fig. 16). Viel- leicht ist dies auch noch bei anderen Prosobranchien mit ahnlicher Radula der Fall; denn in der That scheinen auch nach den Zeich- nungen RickeEr’s (14) diese oberen Epithelzellen die Zahnchen nur einseitig zu beriihren. — Seine Vermutung, dal die Zapfchen beim Vorschreiten der Radula abgerissen werden, wird durch gar keine Beobachtung bestitigt und widerspricht auch ganz der Entste- hungsweise und weiteren Ausbildung; die Zapfchen riicken selb- stindig vor, da ja, wie oben dargethan wurde, eine Beriihrung mit den Zahnchen erst beim dritten oder vierten Zahn stattfindet. — Rossier giebt nun an, dal diese Zaipfchen alle Liicken aus- fiillen; nach meinen Befunden scheint diese Thatsache also nicht allgemein zu sein. Ferner berichtet ROssiEr, dal das obere Epithel, nachdem es die Zahne fertig gebildet habe, einer dicken Cuticula den Ursprung gebe, die wie Sperrhaken in die Zaihnchen eingreife und sie vor dem Druck der Frefbewegung schiitze. Bei Paludina ist sowohl im embryonalen Zustand, wie aus meinen Praparaten hervorgeht, als auch beim erwachsenen Tier, wie ROsSLER be- richtet, von solchen Sperrhaken nichts zu konstatieren. Sie scheinen hier eben nicht nétig zu sein, weil die Tasche Jang genug ist, und die jiingsten Radulateile aus diesem Grunde bei der Bewegung der Zunge nicht aus ihrer Scheide herausgezogen werden kénnen. Wir haben ferner die Frage zu beantworten, was mit den Zahnchen und Zaipfchen spater geschieht, da dieselben an alteren Embryonen und ausgewachsenen Paludinen durch die sich neu bildenden Elemente vorwartsgeschoben werden. Ich lasse hier zu- nichst ROssLer, der diese Frage eingehend beleuchtet hat, sprechen. Er sagt: ,,Die cuticularen Hécker (die oben beschriebenen und cuticularisierenden Zapfchen) werden mit dem oberen Epithel von der Radula abgehoben und aus den Liicken zwischen den Zihnen herausgezogen. Als Resultat dieser Bewegung ist unterhalb der Miindung des Oesophagus eine starke Falte mit dickem Cuticular- belag, gebildet durch die austretenden Epithel- und Bindegewebs- teile.* In der That habe ich schon bei Beschreibung von Fig. 3 eine schwache Einbuchtung iiber der Radulatasche als Vorbildung der Subésophagealfalte, wie sie R6sster bezeichnet hat, hervor- 376 Isaak Bloch, gehoben. Die Falte bleibt noch lange sehr gering und wird erst spiter, wenn die Radulatasche in reicher Zahnbildung begriffen ist, tief und nimmt eine Form an, wie sie ROSSLER beschrieben und in Figuren wiedergegeben hat. Nach R6ssLteR ,,muf auch das basale Epithel nach vorn bewegt werden, das indessen nicht in dem Mage vorriicken kann, wie die aufliegende Radula. Eine der Subésophagealfalte entsprechende Verdickung an der oberen Basis der Zunge ist ebenfalls vorhanden (unsere friiher bezeichnete Sublingualfalte, die schon in jungen Stadien angedeutet ist, vergl. Fig. 2, 3, 4, 5 sbl), aber bedeutend schwacher, da sie nur vom basalen Epithel gebildet wird, dessen Zellen ihr Volumen auf der Zunge bedeutend verringern. Ein starker Chitinbelag findet sich dort ebenfalls, an dem die abgenutzte Radula zerschellt nach vor- hergegangener Auflockerung der Basalmembran“ (Auszug). — Als treibende Kraft fiir das Vorriicken der Radula will K6LLIKER (6) den Druck der umgebenden Muskelmassen und die zerrende FreB- bewegung ansehen und nicht den Druck hinten sich neu bildender Teile. R6sstER hat diese Ansicht widerlegt und schreibt die Hauptursache der Vorwiartsbewegung dem Nachwachsen neuer Teile, unterstiitzt allerdings durch die Muskelbewegung, zu. Ich glaube, den wichtigen Argumenten ROssLER’s noch das weitere bei- fiigen zu kénnen, da8 schon bei Embryonen ganz sicher ein Nach- schieben nach vorn stattfinden muf, indem vorn Zihne sind, wo doch friiher noch keine waren; diese werden aber hinten gebildet, und zwar zu einer Zeit, da von einer zerrenden Frelfbewegung keine Rede sein kann, indem der ganze FrefSapparat ja noch gar nicht in Aktivitaét ist. — Ich habe in Fig. 16 den vordersten Ab- schnitt der Zunge in einem Langsschnitt wiedergegeben. Derselbe ist etwas lateral, so daf die Mundéffnung fast geschlossen er- scheint. Die Zaihnchen sind schon bis vorn auf die Zunge geriickt, und in der tiefgewordenen Sublingualfalte sehen wir den Chitin- belag und die vordersten Zahnchen, wahrend an friiheren Stadien noch keine Spur von chitinésen Gebilden wahrzunehmen ist; es sieht ganz aus, als ob die Oberflaiche der Chitinplatte, welche in der Sublingualfalte sichtbar ist, durch den Druck der nachwach- senden Zaihnchen sich schwach in Kriimmungen gelegt hatte. — Besonders méchte ich an dieser Stelle noch auf die Thatsache hinweisen, daf, trotzdem Fig. 16 bei gleicher Vergréferung ge- zeichnet ist wie Fig. 8, 9 etc., und trotzdem Fig. 16 einem be- deutend Alteren Stadium angehért, dennoch die Zahnchen des spiteren Stadiums viel kleiner sind. Dies ist einzig dadurch zu Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 377 erklaren, da die Zahnchen von Fig. 16 eben die altesten sind, d. h. diejenigen, die am friihesten abgesondert wurden, zur Zeit, als der Embryo und die Radulascheide noch klein waren. Daran ist selbstverstandlich nicht zu denken, daf diese Zaihnchen durch Reiben sich schon abgenutzt hatten, denn der Embryo war ja zur Zeit der Abtétung noch in der Eihille. Dagegen scheint es mir héchst wahrscheinlich, daf die Zihnchen, die sich auf dem aufer- ordentlich diinn gewordenen Epithel der Zunge befinden, sobald der Embryo seine Hiille verlaft und ein selbstandiges Leben be- ginnt, schon in der Sublingualfalte zerstért und abgerissen werden, um méoglichst bald durch neue ersetzt zu sein; ich konnte mich des Eindruckes nicht erwehren, daf das epitheliale Gewebe, welches von den Zahnspitzen der vordersten Zahnchen beriihrt wird, durch den Druck dieser gelitten hat. Ein kiinstliches ZerreiZen der Gewebe kann ich nicht annehmen, da der Schnitt sonst unver- sehrt ist, und die Zihnchen noch in vollem Kontakt mit den unter ihnen liegenden Teilen sind, und weil ich auch keine abgefallenen Chitinstiicke in der Mundhoéhle oder der Sublingualfalte zu ent- decken imstande bin. — Ich weif nicht, welcher Art die von der neugeborenen Paludina aufgenommene Nahrung ist, und ob sich dieselbe von derjenigen unterscheidet, welche das Tier spater zu sich nimmt; aber so viel ist sicher, da’ das neugeborene Tier, wenn es auch schon mit allen Mundteilen bewaffnet zur Welt kommt, noch nicht den gleich starken Frefapparat besitzt, der das Gleiche zu leisten imstande ist, wie die bedeutend gréSeren Teile des Reibapparates spaterer Lebensstadien, und da8 diese jingsten und ersten Zaihnchen, die beim Fressen zuerst gebraucht werden, bald durch die neuen und grdéSeren von hinten ersetzt werden miissen. Was nun den Vergleich unserer Befunde mit den Ansichten anderer Autoren anbelangt, so kann ich mich verschiedenen aus- gesprochenen Meinungen anschliefen, wahrend ich einigen anderen entgegenzutreten gezwungen bin. Dies betrifft vornehmlich die Frage, ob die ganze Radulabildung als eine Art Cuticularisierung der zeugenden Zellen im Sinne Wriren’s (31) aufzufassen sei, oder ob wir es mit einer Ausscheidung nach der Darstellung R6ssLErR’s und anderer zu thun haben; ferner ob immer dieselbe Odonto- blastengruppe als die Bildner aller Zahnreihen zu betrachten seien, oder ob wir auch hier an einen gelegentlichen Ersatz zu denken Bd. XXX, yn, F, XXIII. 25 378 Isaak Bloch, haben. Da diese Fragen ineinander greifen, will ich sie auch einer gemeinsamen Eroérterung unterziehen. Was die alte Auffassung TrincHESE’s (10) anbelangt, dal nimlich die odontogenen Zellen sich nach und nach in Stabchen verwandeln, die schlieSlich die Zahnchen bilden, so daf wir es also nicht mit einer Sekretion, sondern mit einer Zellumwandlung zu thun hatten, so wurde diese zuerst widerlegt von SHarp, RUCKER und nachher von Rd6ssLER, welche annehmen, daf die Zellen die Chitinplatten ausscheiden. Dieser Ansicht schliefen sich eine ganze Reihe von Forschern an, wihrend neuerdings TRINCHESE’S Auffassung einen Verteidiger in Wiren (31, 32) gefunden hat, welcher behauptet, die ganze Radulabildung sei zu homologisieren mit der Cuticularbildung des 4uferen Kérperepithels, und 1) an- nimmt, da diese Cuticula wie auch die ganze Radula durch Um- wandlung der Zellen entstehe. Diese Ansicht sucht er nament- lich dadurch zu stiitzen, dafi er zwischen den Zellen des Korper- epithels und dessen Cuticula keine scharfe Grenze wahrnehmen kann, und zweitens dadurch, da8 er die Radula von Chaetoderma nitidulum einfach als Fortsetzung der auferen Cuticula mit ,,lokaler Verdickung“ findet. Von der Radula dieses Tieres sagt unser Gewahrsmann allerdings, daf sie ,nur aus einem einzigen, kegel- formigen Stachel oder Zahn bestehe, dessen Basis die ganze Radula- tasche ausfiille’’, und nennt dieselbe im Vergleich mit der Radula der tibrigen Mollusken ein rudimentires Gebilde. Ahnlich spricht sich WirEN tiber die Radula von Proneomenia acuminata aus, welche sich dem bei Prosobranchien und Chitonen herrschenden Typus naihere; seine Behauptungen, welche er verallgemeinert, be- ziehen sich aber auSerdem auf Untersuchungen, die an Chiton, Buccinum, Littorina und anderen Prosobranchien, sowie an Helix pomatia angestellt wurden. 2) Nachdem eine Odontoblastengruppe durch Cuticularisierung in seinem Sinne einen Zahn gebildet hatten, wiirden sie in gewohnliche Epithelzellen umgewandelt und durch eine neue Odontoblastengruppe ersetzt werden. — Was nun den ersten Punkt anbelangt, daf namlich die Zelle allmahlich sich in die Cuticula verwandle, ahnlich wie sich vielleicht die Cuticula der pflanzlichen Zellmembran durch Verdickung derselben bilde, so mu ich WrrEN entschieden entgegentreten. Denn einmal kann ich zwischen Absonderung und absondernden Zellen mit gré8ter Deutlichkeit eine scharfe Linie wahr- nehmen, auch da, wo die Sekretion ganz frisch ist, so daf diese wichtigste Stiitze der Wrren’schen Auffassung ent- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 379 zogen wire. Das Gleiche sagt, TateLe (39) von der Cuticula der ijiuBeren Kérperhaut bei Neomenia grandis n. sp.: ,,Die gewohn- lichen Hypodermiszellen sind in der Regel aufen etwas abgerundet und hier durch einen deutlichen Umrif gegen die Cuticular- substanz abgegrenzt; in feinen Schnitten habe ich das deutlich gesehen, wihrend Wirtn angiebt, da Cuticula und Zellen durch keine scharfe Grenze geschieden sind.“ Ebenso ist nach THIELE die Hypodermis von Proneomenia neapolitana TuHiELE und Pro- peomenia vagans gegen die Cuticula scharf abgegrenzt. Zu gleichen Resultaten kommt PLATE (30) bei der Untersuchung der Kiefer von Dentalium dentale, und diese Kiefer waren gewif ebenso gut wie die Radula als blofe Cuticularisierung zu betrachten, nament- lich da dieselben ja in der Regel in die gew6hnliche Cuticula tiber- gehen. Die Kiefer von Dentalium sind etwa 4mal so dick als ihre Matrixzellen. Ebenso deutet die Figur PLaTe’s (22), die nach den Kiefern von Daudebardia rufa entworfen wurde, darauf hin, daf wir es mit einer allmahlichen Sekretion zu thun haben. Unter- suchungen, die gegen Wiren’s Auffassung sprechen, kénnte ich noch eine ganze Reihe anfiihren, so die von RUcKer (14), K61- LIKER (6), SHarp (15), Heuscner (35), Pruvot (27) etc. Wie endlich meine eigenen Befunde unzweideutig fiir die Auffassung sprechen, daf es sich um eine Sekretion der Matrixzellen handelt, so lagt sich auf der anderen Seite aus denselben schliefen, daB die gleiche Odontoblastengruppe durch mehr- malige Sekretion sich an der Zahnbildung beteiligt. Denn wie aus meinen Priparaten hervorgeht (Fig. 12, 15, 7, 8, 9), sind die odontogenen Zellen viel zu hoch, als da sie nach ein- maliger Cuticularisierung im Sinne Wrren’s und Abstofung der cuticularisierten Schicht in das relativ sehr diinne basale Epithel iibergehen kénnten. Mindestens miiften wir dann annehmen, dal die Verwandlung der au8ersten Zellteile in die chitindsen Massen mehrere Male nacheinander erfolgte, bis diese Zellen erschépft wiren und in Bezug auf Gréfe die Form der basalen Epithel- zellen angenommen hatten. Oder soll der ganze dicke Zellwulst (Fig. 8, 9), nachdem er durch Cuticularisierung ein relativ so diinnes Zahnplattchen gebildet hat, sich in das auferordentlich diinne Epithel verwandeln und durch ein neues Zellpolster ersetzt werden, bevor ein zweiter Zahn gebildet werden kann? Dagegen spricht doch sicher der grofe Unterschied der eigentlichen Odonto- blasten und des Basalepithels, sowie namentlich auch der all- mahliche Ubergang der einen Zellgruppen in die anderen. — Im 25 * 380 Isaak Bloch, weiteren wiirde, wenn anders Wrren’s Darstellung richtig ware, die Frage zu beantworten sein, wie sich die Zellen verhalten, die die Basalplatte absondern, welche doch eine kontinuierliche Schicht bildet, oder findet fiir diese Zellen doch Sekretion statt? Oder ist es moglich, da8 die Odontoblasten, nachdem sie im Sinne WiREN’s durch Cuticularisierung einen Zahn gebildet haben, zuerst in die unteren Zellen iibergehen, um die Basalplatte auszuscheiden ? Finden hier beide Prozesse, d. h. Cuticularisierung nach der Dar- stellung Wrren’s und Sekretion statt? Ist es endlich bei einer solchen Annahme méglich, da8, da die Zahnchen nach ihrem ersten Auftreten bald bis vorn auf die Zunge wahrgenommen werden konnen, die Umwandlung der Odontoblasten in gewohnliche Epithel- zellen so rasch vor sich gehe ? Ganz anders stellen wir uns nun zur Wiren’schen Hypothese, wenn wir die Cuticularbildung als Umwandlung der Zellen be- trachten, insofern eben die Ausscheidung von Sekretionsstoffen auch eine Umwandlung ist, trotzdem auch dann noch nicht ver- gessen werden darf, daf die Radula ein so kompliziertes Gebilde ist, daB sie nicht als eine einfache, sondern min- destens hoch differenzierte Cuticularbildung an- gesehen werden kann. Sie mag, wie ich nach den embryonalen Befunden selbst darzuthun versuchen will, in der That aus einer urspriinglich einfachen Cuticularisierung hervorgegangen sein, hat sich aber zu einem so komplizierten Apparat entwickelt, daf von einem einfachen Bildungsmodus nicht mehr die Rede sein kann. Wenn wir nun die Cuticularisierung in unserem Sinne auf- fassen, so ist es auSerordentlich schwer, zwischen Cuticulabildung und Sekretion eine scharfe Grenze zu ziehen. Jedenfalls ist der Unterschied kein prinzipieller, sondern mehr ein gradueller; d. h. wenn Zellen einmal gewisse Stoffe absondern, die dann erharten, so pflegen wir das Cuticulabildung zu nennen, wahrend wir eher geneigt sind, von Sekretion zu sprechen, wenn eine solche Ab- sonderung langere Zeit andauert. Es spricht nun fiir eine Auffassung der Radula als das Re- sultat einer Cuticularisierung schon ihre ganze Entstehungsweise. Die Radulatasche ist ihrer Entwickelung nach eine Einstiilpung des urspriinglich an der Oberflache des Tieres gewesenen Epithels oder Ektoderms. Die Zellen, welche die Radulascheide bilden, stehen auch im erwachsenen Zustand immer in Verbindung mit jener Zellschicht und ebenso ist es Thatsache, daf ein allmahlicher Ubergang der Radula in die gewdéhnliche Cuticula, die in der Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 381 Mundhohle und auf der Korperoberflache getroffen wird, konstatiert werden kann. Auferdem ist die allererste Anlage der Radula, jene einfache erste chitindse Lamelle (Fig. 3, 4, 5) nichts anderes, als eine starke Cuticula, gebildet durch die unter ihr liegenden Zellen, und die spater von hinten verstarkt wird durch neue, sich an- lagernde Chitinmassen, die von neuen hinteren Zellen ausgeschieden werden. Ebenso ist das erste Auftreten der Zahnchen eine Cuticularisierung, daftir spricht ihr inniger Zusammenhang mit der basalen Cuticularplatte, sowie der Umstand, da8 die absondernden Zellen auch hier mit der Zeit ersetzt werden; denn ich halte es durchaus fiir wahrscheinlich, dafi diese sogenannten Odontoblasten, nachdem sie eine gewisse Menge Cuticula, d. h. Zahnchen gebildet haben, in das basale diinne Epithel tibergehen, aber nicht, nachdem sie nach der Darstellung Wrren’s einen Zahn gebildet haben, sondern ganz nach und nach, so da dieselben Zellen, die zuerst an der Bildung der oberen Zahnstiicke beteiligt sind, spaéter an der Bil- dung der unteren Zahnteile und schlieSlich selbst der Basalplatte mitwirken, um dann endlich im basalen Epithel aufzugehen. Die Zeit der starksten Sekretion ist die, in der die Zellen an der Bildung der Basalplatte thatig sind. Nur so kénnen wir es ver- stehen, daf vom Hintergrunde der Scheide zuerst relativ nur kleine, mit der GréSenzunahme des Tieres aber immer gréBere Zahne abgesondert werden; es werden eben die alten Odonto- blasten nach und nach erschépft und durch neue kraftigere und gréfere ersetzt. Und diese neuen Odontoblasten bilden sich aus jenem gleichen Zellkomplex, welcher auch das obere Epithel immer wieder neu bildet. Auch diese Annahme hat nichts Unwahrschein- liches an sich; denn sowohl das obere Epithel wie auch die ge- bildeten Odontoblasten haben die gleiche Aufgabe, namlich die Absonderung von Chitin, und auch die oberen Zellen riicken all- mahlich nach yorn und werden langsam erschépft. Ich stiitze meine Darstellungsweise nun allerdings nicht durch beobachtete Zellteilungen und Kernfiguren, was bei diesen kleinen Zellen sehr schwer wire, sondern hauptsachlich durch den allmahlichen Uber- gang jenes eben erwihnten Zellkomplexes in die Zellen des oberen Epithels einerseits und in die Odontoblasten andererseits, sowie durch den allmahlichen Ubergang der Odontoblasten in die ba- salen Epithelzellen. Ebenso spricht die ganze Entstehungsweise der Taschenzellen fiir unsere Ansicht, und gerade darin, daf die Zellen allmahlich erschépft werden und sich umwandeln, sehe ich noch den Vorgang, der als Cuticularisierung zu qualifizieren ist. 382 © Isaak Bloch, Diese Anschauung, die ich mir gewonnen habe, steht nun allerdings im Widerspruch mit ROssLer, welcher annimmt, daf dieselbe Odontoblastengruppe alle Zaihne derselben Liangsreihe erzeuge. Dann muf ich aber fragen, wie es méglich ist, daf die gleichen odontogenen Zellen spater gréfere Zihne abzusondern im- stande sind, daf ferner diese thatigen Zellen, trotzdem sie in so iiberaus reichlicher Sekretion begriffen sind, immer noch gréfer werden? Woher sollten diese Zellen so reichliche Nahrungsstoffe beziehen, da doch der als Stiitz- und ebensogut als Ernahrungs- apparat funktionierende ,,Bindegewebepfropf* sich nicht hinter den Odontoblasten, sondern auf dem obern Teil der Radula und auch iiber jenen Zellen, die immer in Neubildung begriffen sind, be- findet, wahrend hinter den Odontoblasten nur eine duferst diinne Bindegewebeschicht getroffen wird? Ich will allerdings nicht ver- kennen, daf zwischen der Radulabildung mit vielen schmalen Odontoblasten, zu denen Paludina gehort, und jener mit nur wenig odontogenen Zellen noch ein grofer Unterschied besteht, und ich kann mich mit dem Vorschlag v. JHERING’S (26) einverstanden er- klaren, die odontogenen Zellen der ersten Gruppe ,,Odontoblasten“, die der zweiten mit nur 4 oder 5 solchen Zellen ,,Odontophyten“ zu nennen. — ROssLeR hat aber die Resultate, die an Opistho- branchien und Pulmonaten gefunden wurden, also an der Gruppe mit ,,Odontophyten“, auch tibertragen auf die andere Gruppe mit anderer Radulabildung und mit ,,Odontoblasten“, die Prosobran- chien etc. — Ich glaube nun, dafi die Radulabildung der Opistho- branchien und Pulmonaten einfach als eine noch hohere Differen- zierung der Cuticularausscheidung zu betrachten ist, daf dieselben Zellen viel langer sich an der Zahnbildung beteiligen, mu aber mit Ricker annehmen, dafi nach und nach doch auch hier eine Erschépfung dieser Zellen und allmahlicher Uebergang in das basale Epithel stattfindet, trotzdem ich mich mit dem von ihm geschilderten Uebergang nicht in allen Teilen vollstandig einver- standen erklaren kann. Ebenso scheint mir auch SuHarp nicht das Richtige zu treffen, indem er annimmt, daf eine Zelle den Zahn bilde und dann absterbe. Eine neue odontogene Zelle wiirde dann gebildet durch Teilung der nachst zuriickliegenden Zelle. Diese Teilung hat SHarp aber, wie er selbst sagt, gar nicht be- obachtet, sondern er will sich durch diese Auffassung blof eine Erklarung verschaffen, daf die Zahne von der Zellunterlage ab- gehoben und getrennt und nicht zu einer kontinuierlichen Schicht werden wie die Basalmembran; denn auch er glaubt nicht daran, Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 383 daf die Chitinsekretion einer Zelle zeitweise unterbrochen werde, um dann wieder von neuem zu beginnen. Ich habe bereits oben mitgeteilt, dafi an der embryonalen Radula von Paludina Zahn und Basalmembran schon vom ersten Auftreten an verbunden sind, da8 aber dort, wo die Zahnspitze gebildet wird, die jiingsten Odonto- blasten sind, deren Sekretion eben beginnt, die dann durch den Druck der viel staérkeren Basalplattenausscheidung von der Unter- lage abgehoben wird. Bei diesem Erklarungsversuch kénnen wir auch verstehen, warum die Zaihnchen nicht alle vollig gleich sind und eine immerhin noch ziemlich grofe Formverschiedenheit bei demselben Tier aufweisen. — Fiir ganz unzutreffend halte ich die Meinung Srmrorn’s (23), welcher sagt, dali die cuticularen Sperr- haken, von denen friiher die Rede war, bei der FreSbewegung die neuen eben erzeugten Zahnreihen von den bildenden Zellen los- lésen, damit diese zur Abscheidung einer neuen ,,vollig kon- gruenten“ schreiten kénnen. Wie bei dieser zeitlich sehr unregel- mabigen Bewegung ,,vollig kongruente‘’ Zahne entstehen sollen, kann ich nicht einsehen. Zudem mii£te bei Embryonen schon eine solche Frefbewegung stattfinden; auch besitzt Paludina gar keine solche Sperrhaken, und wie miifte man sich endlich dieses Zerren vorstellen bei den Mollusken, die eine aufgerollte Radulascheide haben, die die Lange des Korpers selbst tibertrifft? — Was den Ersatz der Odontoblasten durch neue anbelangt, so sagt Fou (20): ,,La lamelle qui les relie (namlich die Zahne) parait étre sécrétée par la méme couche épithéliale, qui donne naissance aux dents“. ..... il resterait 4 savoir comment se comporte cet organe odontogéne pendant la naissance successive des nouvelles rangées de dents qui s’ajoutent au bord postérieur de la radule a mesure que l’animal grossit et que la bandelette s’allonge. Etant donnée la forme complexe de la matrice épithé- liale, un déplacement de cette derniére ou des dents en voie de formation semble inadmissible et lon est amené a présumer, que de nouveaux bourrelets ou gradins dentaires doivent s’ajouter en arriere de ceux qui existent, tandisque les plus anciens se résor- beraient. Telle est du moins l’explication qui semble la plus na- turelle.* Wahrend ich Fou vollstandig beistimme, wenn er fir notig halt, da8 an Stelle der alten Polster (bourrelets) neue treten, so muf ich der von ihm vorgeschlagenen Bildungsweise absolut widersprechen, eine Bildungsweise, die er weder durch Figuren noch sonstige Anhaltspunkte zu stiitzen vermag. Im weiteren nimmt R6ssLeR an, da’ die Radula sich schneller 384 Isaak Bloch, nach vorn bewege, als das unter ihr liegende Epithel. Ich kann mir nicht denken, wie die Basalplatte, die die Zahnchen tragt und nach den Praparaten mit ihrem Epithel in inniger Verbindung zu sein scheint, tiber diese Zellschicht hinweggleite. Da ist nur eine Méglichkeit, nimlich die Zellen bewegen sich mit der Basal- platte nach vorn. Zwar findet RUckErR und RO6ssLER zwischen Basalepithel und Basalplatte noch eine Subradularmembran, welche mit der Basalplatte keinen innigen Kontakt haben und iiber welche hinweg die Basalplatte gleiten soll. Aber einmal ist an der em- bryonalen Radulascheide, die sich noch auferordentlich zu ver- langern hat, noch nichts von einer solchen Subradularmembran, die eine sekundére Ausscheidung der basalen Epithelzellen ist, zu bemerken, und andererseits giebt ROSSLER selbst an, daB diese eben- falls chitindse Zwischenschicht auch bei erwachsenen Tieren erst etwa in der Mitte ihren Anfang nehme und immer schwach ver- bunden bleibe mit der Basalplatte. Also miisste auch nach ROssLER mindestens noch in der hinteren Radulahalfte die basalen Zellen mit der Basalplatte vorwartsschreiten, und es wiirde jene Subradular- membran erst nétig, wenn die Zellen in der Vorwartsbewegung der starken Sekretion wegen dem Vorschreiten der Chitinmassen nicht mehr gleichen Schritt zu halten imstande sind, was auch wahrscheinlich ist, da die Umwandlung der Odontoblasten in ge- wohnliche Epithelzellen nur eine ganz langsame sein kann. — Auch nach WireEN ist die Subradularmembran ein sekundares Ge- bilde, das nur bei Mollusken mit solcher Radula angetroffen wird, bei denen ein Ersatz der vorderen Teile stattfindet. Auch die Subradularmembran ist ein cuticulares Gebilde. Nach RéssLer werden ferner Zahn und Basalmembran getrennt abgesondert und verschmelzen erst nachtraglich. Ich habe keinen Grund, in diese Angaben R6ssuer’s Zweifel zu setzen und kann wenigstens fiir die Molluskengruppe mit ,,Odontophyten“ die Rich- tigkeit dieser Annahme anerkennen; aber auch das wiirde unseren Erklarungsversuch, wie der neu gebildete Chitinzahn sich von seiner Unterlage list, nicht aufheben, indem dann jene Druck- wirkung der vorwiartsschreitenden Basalplatte sich einfach erst nach der Verschmelzung geltend machen wiirde. Dies scheinen ~ namentlich auch Riicker’s Figuren zu bestatigen, und nach SHaRp sollen Zahn und Basalplatte auch bei einem Vertreter mit ,,Odonto- phyten“ schon nach dem ersten Auftreten verwachsen sein. Auch spricht er sich mit Bestimmtheit dahin aus, daf mehrere Zellen gleichzeitig, und nicht successive zur Bildung eines Zahnes beitragen. Fon (20), welcher glaubt, daf zuerst die Spitze der Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 385 Zabne, dann ihr Basalteil und endlich die Basalmembran gebildet wiirde, ist bereits von PLATE (27) in treffender Weise widerlegt. Endlich kann ich noch zu gunsten meiner Auffassung die Beobachtungen THIELE’s (39), Pruvor’s (27) und PLare’s (28) an- fiihren. THieLe findet die Basalmembran ,,ohne scharfe Grenze in die gelb glanzende Substanz der Platten iibergehend“; so bei Proneomenia neapolitana, wihrend fiir Proneomenia vagans sogar das Vorhandensein einer einheitlichen Basalmembran in Abrede gestellt wird. ,,Zwischen den Zihnen der einzelnen Laingsreihen scheinen basale Verbindungen zu existieren, aber wahrscheinlich sind es nur die Basalteile der einzelnen Zahne, die bis zur Be- rihrung einander genahert, mit einander verschmolzen sind.“ Da die Radula dieser Tiere duferst einfach ist und also mehr eine embryonale Ausbildung zeigt, so kommen wir auch hier zum Er- gebnis, daf Basalmembran und Zahne urspriinglich dieselbe Aus- scheidung sind, die sich erst spater in diese Teile trennt. Bei der Gruppe mit ,,Odontophyten“ tritt dann eine héhere Differen- zierung ein, so daf Basalplatte und Zaihnchen sogar gesondert ausgeschieden werden und erst nachtraglich verwachsen, und noch im ausgebildeten Zustand eine wenn auch nicht sehr scharfe Grenze der Zahne gegen die untere Platte erkennen lassen. Auch THIELE kann sich das Vorriicken der Zihne nur durch Wachs- tumserscheinung des Epithels erkliren, und meint namentlich, da er noch mehrere Falle erwahnt, wo eine wirkliche Basalmembran fehlt, daf nur durch eine solche Annahme es verstaindlich werden kénne, wie bei diesen Tieren die Zihnchen ohne gegenseitige basale Verbindung nach vorn riicken. — Auch Wren findet die allerdings rudimentaére Radula von Proneomenia acuminata ,,nicht frei, son- dern mit dem Epithel zusammenhingend‘‘. — Pruyor sagt von Paramenia impexa: ,,Au lieu de deux formations indépendantes, une lame chitineuse de soutien continue d’une part et de l’autre la série des denticules venant ultérieurement s’y souder, nous trouvons des crochets qui se forment chacun tout d’une piéce et restent séparés les uns des autres toute la vie.‘ — Nach PLATE ist endlich ,,die Basilarmembran der Radula von Cadulus subfusi- formis an den Seitenteilen, wo sie nicht mehr mit Zahnchen be- setzt ist, ganz ungewohnlich dick.“ Auch die embryonale Platte von Paludina vivipara ist zur Zeit, da noch keine Zahnchen exi- stieren, ,,ungewohnlich dick“, ganz einfach, weil eben die Zahnchen ein Stiick Basalplatte sind (vgl. Fig. 7, 12). Ob nun die Darstellungsweise, die durch die Entwickelung 386 Isaak Bloch, der Radula gewonnen wurde, sich auch auf jene Gruppe mit ,Odontophyten“ iibertragen lasse, das kann mit Sicherheit nur eine embryonale Untersuchung entscheiden. Eine letzte Frage, die noch an dieser Stelle der Erérterung unterzogen werden muf, ist die, ob, wenn die ersten embryonalen Zabne aufzutreten beginnen, diese schon von Anfang an mit der nimlichen Reihenzahl vorhanden sind, wie im ausgewachsenen Zustand, d. h. ob die Anzahl der Langsreihen von Anfang an konstant ist. Ich habe mich mit dieser Frage, die sich nicht leicht entscheiden la8t, nicht mehr eingehend beschaftigt, glaube sie aber bejahen zu miissen. Ob die embryonalen Zahne oben mit den feinen Spitzen versehen sind, wie sie schon LeBErT be- schrieben hat, entgeht natiirlich der mikroskopischen Beobachtung, die sich auf Schnittserien stiitzt, und ich kann auch hier nur die Vermutung aussprechen, da’ die Zaihnchen von Anfang an die definitive Form haben und spater also nur noch an Gréfe zu- nehmen. Die Bestiatigung dieser Annahme finde ich schon bei TROSCHEL (1), wihrend Semper (5) behauptet, daf an jiingeren Stadien weniger Reihen vorkommen. In allen Stadien, sagt er, kénnen von vorn bis zu hinterst fiir dasselbe Individuum gleich viel Zaihne, die auf eine Querreihe fallen, konstatiert werden; dadurch konnte SEMPER seiner Hiutungstheorie eine Stiitze geben. Nun habe ich in Querschnitten von Embryonen, wo allerdings die Zahn- bildung schon in vollstem Gange war, die Zahl von Polstern be- obachtet, die derjenigen der Zahnplattenreihen des erwachsenen Tieres entspricht; die Schnitte stimmen itiberein mit denen, die R6ssLER wiedergegeben hat, weshalb eine Reproduktion meinerseits unterlassen wurde. Jedenfalls kann Sremper’s Beobachtung nur irrtiimlich sein; denn wenn auch noch spater mehr Reihen vor- handen wiren, so miiften mindestens Jugendstadien gefunden werden, wo die Zahl der Liangsreihen oder der Zahne pro Quer- reihe in hinteren und vorderen Abschnitten variabel ist, da ja alle Reihen hinten gebildet und allmahlich nach vorn geschoben werden. SrerKI (38), der embryonale Mollusken untersucht hat, deren . Radula eine groBe Zahl von Langsreihen besitzt, ist zu dem Re- sultat gekommen, daf& auch die Form der Zahne, nicht nur ihre Grée, in der Jugend viel einfacher sei, da der urspriing- lichen Reihenzahl neue Léangsreihen hinzugeftigt werden, und da8 die Radula eine wahre Metamorphose durchmache. Er be- Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 387 statigt meine Beobachtung, daf die Radula sich schnell entwickelt (,,the Radula develop rather rapidly‘), und zwar schneller ver- haltnismaBig, als das Wachstum des Tieres stattfinde. Srerkr JaBt dann die Frage offen, ob die stetige Umwandlung der Radula nur bis zum Reifezustand des Tieres gehe oder noch weiter. Jeden- falls kénnen, und das wird auch von STERKI betont, embryonale Untersuchungen auch in dieser Hinsicht von grofem Werte werden. Ich stelle nun die gewonnenen Resultate in folgende Sitze zusammen : 1) Die Radulascheide ist eine Ausstiilpung des ektodermal ent- standenen Vorderdarmes. 2) Der Radulaapparat bildet sich erst aus, wenn die meisten Organe im Kérper schon entwickelt sind, immerhin laft sich eine einfache Radulafalte schon ziemlich frihzeitig, in einigen Fallen sogar, bevor der Mund sich eingestiilpt hat, konstatieren. 3) Zuerst wird eine chitindse Lamelle (die Basalplatte) abge- sondert, der erst spater die Bildung von Zahnchen folgt. 4) Diese Lamelle ist ein Sekretionsprodukt der unteren (ba- salen) Zellen. Neue Chitinteile lagern sich in der langer werdenden Tasche hinten an und werden durch neue Zellen abgesondert, wahrend die urspriinglichen Matrixzellen durch allmahliche Er- schépfung in die niedrigen Zellen des basalen Epithels tibergehen. 5) Die ins Innere der Radulascheide hangenden follikelartigen Zellgruppen der oberen Taschenwand werden schon lange vor dem Auftreten der Zahnchen gebildet, und haben schon auf die em- bryonale Basalplatte eine besondere Schicht aufzutragen. Die Form dieser Zellen ist vor dem Vorhandensein der Zahnchen eine unregelmafige. 6) Die Beriihrung dieser Zellgruppen mit den spater auf- tretenden Zahnchen ist wenigstens bei Paludina nur eine ein- seitige, so daf auch das Uberziehen mit einer besonderen wider- standsfihigen Schicht nur einseitig angenommen werden kann. 7) Die Zabhnchen bilden sich bei Paludina von Anfang an in Kontakt mit der Basalplatte und sind als dieselbe Bildung auf- zufassen. 8) Auch die Odontoblasten werden nach und nach durch neue sekretorische Zellen ersetzt. Sie erschépfen sich allmahlich und verwandeln sich in die Zellen, welche die Basalplatte absondern, um schlieflich in den basalen Epithelzellen aufzugehen. Immerhin beteiligt sich die gleiche Odontoblastengruppe an der Bildung mehrerer Zahne. 388 Isaak Bloch, 9) Alle Gebilde der Radula stammen vom urspriinglichen gleichen einfachen und einheitlichen Epithel her. 10) Die jiingsten Zabne auf der Zunge sind auferordentlich klein und miissen bald durch gréBere ersetzt werden. Solche sind hinten auch schon vorhanden. 11) Die Radula kann ihrem Entstehen nach als eine urspriing- lich einfache Cuticulabildung qualifiziert werden, die sich aber zu einer hoch differenzierten entwickeit hat; so scheint es nach der embryonalen Untersuchung bei den Mollusken mit ,,Odontoblasten“ zu sein, wahrscheinlich ist dies auch der Fall bei den Mollusken mit ,,Odontophyten‘. Anhang. Ich habe gelegentlich meiner Radulauntersuchung auch das erste Auftreten der Speicheldriisen konstatieren kénnen. Dieselbe bildet sich wie die Radula erst spat aus und ist ebenfalls ekto- dermaler Herkunft. Fig. 10 und 11 sind zwei aufeinanderfolgende Querschnitte durch das ganze Tier, Fig. 17a und b zwei sich folgende laterale Langsschnitte durch die obere Oesophaguswand. Dem Embryo, dem Fig. 10 und 11 entnommen sind, ist durch eine kleine Unvorsichtigkeit der eine Fiihler abgerissen worden, und er wurde in der Zeichnung schematisiert wieder erganzt. Da die Schnitte, nach denen diese Figuren entworfen wurden, als wohl- gelungene bezeichnet werden kénnen, so will ich hier nur kurz er- wahnen, dafi die Speicheldriise zuerst sich nur als kleine, paarige Ausstiilpung (sp) der oberen Oesophaguswand anlegt, die dann immer mehr sich nach hinten verlingert und spater auch seitliche Aussackungen treibt. Im tbrigen verweise ich auf Fig. 10, 11 und 17. Embryonale Entwickelung der Radula von Paludina vivipara. 389 Litteraturverzeichnis. (In chronologischer Reihenfolge.) 1) Troscnet, E. H., Uber die Mundteile einheimischer Schnecken. Wieem. Arch. f. Naturg., 2. Jahrg., Bd. 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Allgemeine Bezeichnungen. au = Auge. | oet — oberes Epithel der Radula. bp = Basalplatte. | p = Pericard. cg = Cerebralganglion. | pg = Pedalganglion. dad = Darm. | rd = Radula, ekt == Ektoderm. | rt = Radulatasche. fu = Fub. | sbl = Sublingualfalte. fi = Fihler. | sboe — Subésophagealfalte, fh — Herz, | sch = Schalendriise. k = Kiemen. |" schl = Schlund. m == Mund. | sp = Speicheldriise. mh == Mantelhohle. | uet = unteres Epithel der msd == Mesoderm. Radula. msk = Muskelstringe. v = Velum. nu == Nuchalzellen. vs = Visceralstrang. od = Odontoblasten. zch = Zahochen. oe = Ocsophagus. zg == Zellgruppe. oef == Oecsophagusfalten. | gu == Zunge. Tafel XIX, Fig. 1. Langsschnitt durch einen noch jungen Embryo mit be- ginnender Radulafaltenbildung. Fig. 2. Langsschnitt durch ein 4lteres Stadium mit deutlicher Radulafalte. In beiden Figuren ist nur der vordere Abschnitt des Tieres gezeichnet, Fig. 38. Liangsschnitt durch einen ganzen Paludina-Embryo in ausgebildeterem Zustande (schematisiert). Fig. 4. Langsschnitt durch den Kopfteil eines Embryos mit auf- tretender Radulaausscheidung. Fig. 6. Querschnitt eines etwas jiingeren Embryos. Oberer und vorderer Abschnitt. Fig. 7. Liangaschnitt durch die Mundorgane, Radula, Zunge, Radulascheide etc, 392 «I. Bloch, Embryon. Entw. d. Radula von Paludina vivipara, Tafel XxX Fig. 5. Wie Fig. 4, weiter entwickelt. Fig. 8. Liangsschnitt durch den hinteren Radulaabschnitt mit auftretender Zahnbildung. Uber der Radula der Oesophagus. Fig. 9. Wie Fig. 8. Fig. 10. Querschnitt durch den vorderen Abschnitt eines Tieres. Auf diesem Schnitte kommt neben der Speicheldriisenanlage das Nerven- system zum besonderen Ausdruck. Der abgefallene Fiihler in schema- tislerter Weise rekonstruiert. Fig. 11. Wie Fig. 10. Die Speicheldriise ist hier im Schnitt getroffen. Fig. 12. Liangsschnitt einer noch jiingeren Radula ohne Zihnchen. Hinterer Teil. Fig. 13. Spermatozoiden, die im Schlunde der Embryonen ge- funden wurden. Tafel XXa. Fig. 14a und b. Querschnitte durch eine Radula in verschie- denen Abschnitten, noch ohne Zahnbildung. Fig. 15. Wie Fig. 8 und 9. Fig. 16. Lingsschnitt durch den vyordersten Zungenabschnitt eines bald reifen Embryos, Fig. 17a und b. Zwei aufeinanderfolgende Lingsschnitte der oberen Oesophaguswand mit Speicheldriisenausstiilpung. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 1487 Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen. Vorlaufige Mittheilung vou Ernst Haeckel, Jena. Vorgetragen in der Sitzung der Medicinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena am 13. December 1895, Die Bearbeitung der Echinodermen fiir den zweiten Theil meiner ,,Systematischen Phylogenie’’, welche im Laufe des ver- flossenen Sommers ausgefiihrt wurde, veranlafte mich zu neuen morphologischen und phylogenetischen Untersuchungen. Daraus ergaben sich neue Anschauungen tiber den Ursprung dieses eigen- thiimlichen Thierstammes und iiber die Verwandtschafts-Beziehungen seiner verschiedenen Classen. Da dieselben geeignet erscheinen, einige wichtige Aufgaben dieses ebenso schwierigen als interes- santen Gebietes ihrer Lésung naher zu fiihren, und da die An- sichten dariiber noch heute sehr weit auseinandergehen, gestatte ich mir, einige Ergebnisse meiner Studien nachstehend kurz mit- zutheilen. Die ausfiihrliche Begriindung derselben behalte ich mir fir den zweiten Theil meiner ,,Systematischen Phylogenie“ vor, welcher im Jahre 1896 erscheinen wird. 1. Die Echinodermen bilden einen abgeschlossenen selbstandi- gen Stamm der Metazoen, welcher nur an seiner einheitlichen Wurzel durch eine verbindende Zwischengruppe mit dem ancestralen Bd, XXX. N, F. XXIII. 26 394 Ernst Haeckel, Stamme der enterocoelen Wiirmer zusammenhangt. Die gemein- same Stammgruppe dieses monophyletischen Stammes ist in keiner der fiinf lebenden Echinodermen-Classen zu suchen, son- dern in einer ausgestorbenen Classe, welche in cambrischer oder schon in pracambrischer Zeit gelebt hat. 2. Versteinerte, wohl erhaltene Uberreste dieser palaeo- zoischen Stammclasse finden sich zahlreich in den cam- brischen und silurischen Sediment-Gebirgen vor, sind aber bisher irrthiimlich zu den Cystoideen gestellt worden; sie sind von diesen letzteren als besondere Classe abzutrennen, fiir welche ich wegen der urnendhnlichen Gestalt ihrer Panzerkapsel die Bezeichnung Amphoridea vorschlage (,,Urnensterne‘“). 3. Die hypothetische Organisation dieser Amphorideen, von welchen wir blof die fossile getafelte Theca und deren wichtige Offnungen kennen, entspricht nach meiner Uberzeugung derjenigen, welche 1888 von dem scharfsinnigen Begriinder der Pentactaea- Theorie in seiner Abhandlung tiber ,,Die Entwickelung der Synapta digitata und die Stammesgeschichte der Echinodermen* mit Hiilfe des biogenetischen Grundgesetzes klar definirt worden ist (vergl. Bd. XXII dieser Zeitschrift). Man kénnte daher diese Stammklasse der Echinodermen auch als Pentactarien be- zeichnen, wenn nicht dieser Name aus mehrfachen Griinden un- zweckmabig erschiene. 4. Die verschiedenen Genera der Amphorideen lassen sich auf vier Familien vertheilen: 1) Archaeocystida, 2) Aristocystida, 3) Palaeocystida und 4) Anomocystida. Von den echten Cy stoi- deen, zu welchen dieselben bisher gestellt wurden, unterscheiden sie sich wesentlich durch den gianzlichen Mangel der Am- bulacra, die Abwesenheit jener fiinf charakteristischen ,,Am- bulacral-Felder“, in deren perradialen Mittellinien die 5 Radial- Canale des Ambulacralsystems, die 5 anliegenden perradialen Nerven-Stamme, Blutgefiffe u. s. w. in aboraler Direction verlaufen. 5. Der wurmférmige Kérper der Amphorideen zeigt daher auch in der Tafelung seines festen Platten-Panzers keine Spur von Pentaradial-Structur, obwohl die Zusammensetzung und die histologische Structur der Platten keinen Zweifel an ihrer Echinodermen-Natur gestatten. Von gréSter Bedeutung fir ihre naturgemaie Auffassung sind auSerdem die Offnungen des Kérpers, und deren Vergleichung mit denjenigen der Cystoideen und Holothurien. 6. Die auBere Gestalt der Theca oder Panzerkapsel ist bei Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen. 395 den meisten Amphorideen eiférmig oder birnformig, oft einer Ascidie ihnlich. Das diinnere (untere) Ende geht gewoéhnlich in einen kurzen Stiel iiber, mittelst dessen das Thier am Boden be- festigt war (wenigstens in der Jugend); am entgegengesetzten oberen Pole der verticalen Hauptaxe liegt die Mundéffnung. Man wiirde daher die Grundform fiir monaxon erklaren kénnen, wenn nicht stets durch eine zweite, excentrische Offnung die Lage des Afters bestimmt bezeichnet wiirde; derselbe ist meistens durch eine ,,Klappenpyramide“ geschlossen, wie bei den ihnlichen Cystoideen und einigen Holothurien. 7. Die Linie, welche die centrale Mundéffnung und die ex- centrische Afteréffnung der Amphorideen direct verbindet, be- trachten wir (— ebenso wie bei den Cystoideen und Crinoideen —) als die Mittellinie der Ventralseite. Demnach ist die ideale Vertikal-Ebene, welche wir durch diese ventrale Median-Linie und die verticale Hauptaxe legen, die Median-Ebene oder Sagittal-Ebene; dieselbe theilt den bilateral-symmetrischen Kérper in zwei spiegelgleiche Halften, rechtes und linkes Antimer. Die drei geometrischen Punkte, welche die Lage der Median-Ebene immer klar bestimmen, sind: I. das Centrum des Mundes, II. das Centrum des Afters, III. das Centrum des aboralen Stiel-Endes oder der Basis. 8. Zwischen den beiden constanten Darm-Offnungen zeigt die Theca der meisten (— nicht aller —) Amphorideen noch eine dritte Offnung, die wir ebenso wie bei den Cystoideen als Geni- tal-Miindung deuten. Dieser kleine Gonoporus liegt zwischen Mund und After etwas asymmetrisch, meistens links von der ven- tralen Median-Linie. Bisweilen riickt der Gonoporus sehr nahe an den After heran; wenn der erstere fehlt, ist er wahrscheinlich mit letzterem verschmolzen; die Geschlechtsproducte werden dann durch den After entleert (Holocystis, Dendrocystis u. A.). 9. Einige Amphorideen besitzen aufer den angefiihrten drei Kapsel-Offnungen noch eine vierte. Am deutlichsten ist dieselbe bei Aristocystis; sie liegt hier als ein Querspalt gleich hinter dem rechten Mundwinkel (etwas rechts von der ventralen Median-Linie). Ich halte sie fiir den Hydroporus, die einfache aufere Offnung des kurzen Steincanals (Hydroductus), welcher Wasser in den Hydrocircus fihrt (den WassergefaBring des Mundes). Bei Deuto- cystis liegt zwischen Mund und After (etwas links von der Bauch- linie) eine groke dreitheilige Offnung; ich vermuthe, da das vordere (orale) Loch der Hydroporus ist, die beiden hinteren (aboralen) 26* 396 Ernst Haeckel, Locher die paarigen Geschlechtséffnungen (wie bei der Tiefsee- Holothurie Elpidia purpurea). 10. Wahrend in den alteren, anscheinend monaxonen Fa- milien, den Archaeocystiden, Aristocystiden und Palaeocystiden, die bilaterale Symmetrie des inneren Kérperbaues nur durch die Lage der beiden Darméffnungen auferlich angedeutet wird, er- scheint dieselbe sehr scharf ausgesprochen in der merkwiirdigen jingeren Familie der Anomocystiden. Diese haben die festsitzende Lebensweise aufgegeben und sich wahrscheinlich kriechend (— viel- leicht auch schwimmend —) auf dem Meeresboden fortbewegt; dadurch hat der Kérper die Form eines flachen Schildkréten- Panzers angenommen, dessen convexe Riickenseite anders getéfelt ist als die plane oder concave Bauchseite ; der modificirte Stiel, dessen angeheftetes Ende sich abgelést hat, scheint als Locomo- tions-Organ gewirkt zu haben. 11. Als Brachiola oder ,.\rmchen* bezeichnen wir bei den Amphorideen (wie bei den Cystoideen) die skelethaltigen Glied- mafen, welche im Kranze den Mund umgeben, und aus denen die hoher entwickelten Arme (Brachia) der Crinoideen hervorgegangen sind; sie dienen als Stiitzen und Trager der ambulacralen Mund- fiihler, welche beim lebenden Thiere einen ,,Jentakel-Canal‘‘ vom Hydrocircus erhielten. Diese wichtigen Mundanhange entsprechen den Mundfiihlern der Holothurien; sie sind bei den Amphorideen die einzigen Extremitéten, da am iibrigen K6rper ambulacrale Fif&chen, Tentakeln, Kiemen u. s. w. ganzlich fehlen. Nach dem verschiedenen Verhalten der Mundfiihler und der Panzerkapsel unterscheide ich in der Classe der Amphorideen vier Familien. 12. Erste Familie: Archaeocystida (oder Protamphorida). Hypothetische Stammfamilie aller Echinodermen. Hypothe- tische Genera: Archaeocystis. Pentactaea. Protamphora. Palamphora. Stephanocystis. Amphorideen ohne Tafel-Skelet, mit contractiler Muskelwand des kelchférmigen Kérpers, der am Meeresboden durch einen musculésen Stiel festgeheftet war. Das Skelet beschrankte sich auf die Ablagerung zerstreuter Kalkstabe und strahliger Kalkkérper (Vierstrahler), welche im Bindegewebe des dicken Corium ohne Zusammenhang lagen. Am Oral-Pol der verticalen Hauptaxe lag der Mund, umgeben von einem Kranze einfacher contractiler Tentakeln (ohne Brachiolen). Zwischen dem centralen Mund und dem excentrischen After befanden sich nahe bei einander zwei kleine Offnungen, der vordere Hydroporus und der hintere Gonoporus. Die Annahme einer solchen (pracambri- Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen. 397 schen) Stammfamilie wird begriindet durch die Homologie der Pentactula-Larve bei simmtlichen Echinodermen-Classen. Der Be- griinder der Pentactaea-Theorie schrieb der Stammgattung (Pent- actaea) fiinf einfache Tentakeln zu; es ist aber wahrscheinlich, dai die Zahl derselben in den verschiedenen Genera variirte. Wir kénnten als hypothetische Gattungen unterscheiden: Archaeo- cystis mit 3 Tentakeln (wie Arachnocystis unter den Palaeo- cystiden); Pentactaea mit 5 Tentakeln; Protamphora mit 15 Ten- takeln; Palamphora mit 25 Tentakeln ; Stephanamphora mit einem Kranze von zahlreichen Tentakeln (ahnlich Loxosoma oder einem anderen einfachen Bryozoon). Daf dreistrahlige Amphorideen den fiinfstrahligen vorausgingen, wird durch die Vergleichung von Arachnocystis, Echinosphaera, Hemicosmites u. A. wahrscheinlich. Auch bei einigen fiinfstrahligen Amphorideen und Cystoideen (z. B. Glyptosphaera) zeichnen sich drei primaire Tentakeln (ein unpaarer frontaler und ein Paar posterale) vor zwei secundaren aus (den zwischen ersterem und letzteren stehenden lateralen). 13. Zweite Familie: Aristocystida (oder Caryocystida). Genera: Aristocystis, Deutocystis, Orocystis, Holocystis, Caryo- cystis, Dendrocystis). Amphorideen ohne Brachiolen, mit mon- axoner Form der getifelten Theca, welche meistens durch einen kurzen Stiel am Meeresboden befestigt war. Die skeletlosen Ten- takeln, die die Mundéffnung unmittelbar umgaben, werden sich wohl ahnlich wie bei den Archaeocystiden verhalten haben; auch die drei Kapsel-Offnungen sind dieselben. Ebenso wird die innere Organisation dieselbe gewesen sein, welche der Griinder der Pent- actaea-Theorie seiner hypothetischen Stammform der Echinodermen zuschrieb. Sie unterscheiden sich von diesen durch die Erwerbung eines zusammenhangenden Platten-Panzers. Die Aristocystiden sind gepanzerte Archaeocystiden. (Die 5 subtegminalen Ambulacren, welche als ,,Hydrophora palmata‘ bei emem Fragment einer angeblichen Aristocystis beschrieben wurden, gehéren nicht zu diesem Genus, sondern zu einer echten Cystoideen-Form : Pyrocystis oder einer verwandten Glyptocystide.) 14. Dritte Familie: Palaeocystida (— oder Echino- sphaerida sensu restricto! —). Genera: Echinosphaera, Arachno- cystis, Palaeocystis, Comarocystis. Amphorideen mit 3—5 oder mehr radialen Brachiolen, mit monaxoner Form der getafelten Theca; am Meeresboden festgeheftet (im Alter bisweilen frei), da- her mit verticaler Hauptaxe, Mund oben. Die circoralen Primar- Tentakeln (3, 5 oder mehr) entwickelten sich starker, verastelten 398 Ernst Haeckel, sich und erhielten zur Stiitze ein gegliedertes Skelet; auf diesen einzeiligen oder zweizeiligen Mundarmchen (Brachiola) standen die Secundér-Tentakeln vermuthlich zahlreich in alternirenden oder gegenstandigen Reihen, bei Comarocystis gestiitzt durch Pinnu- lae. Auch wenn sich an der Oralseite der circoralen (— direct vom Mundrohr entspringenden! —) freien Brachiolen ,,Ambulacral- Furchen“ stairker auspraigten (Echinosphaera), ging doch deren Bildung niemals in aboraler Direction auf die Theca tiber. 15. Vierte Familie: Anomocystida (oder Pleurocystida). Genera: Trochocystis, Mitrocystis, Pleurocystis, Anomocystis, Atelocystis. Amphorideen mit paarigen, lateralen Brachiolen, mit bilateral-symmetrischer Form der abgeplatteten, einem Crustaceen ahnlichen Theca. Die frei beweglichen Thiere krochen am Meeres- boden, mit horizontaler Hauptaxe (gleich den Holothurien), der Mund voran (ein Paar Brachiolen, antennen-ahnlich, am Stirnrande) ; der gegliederte, abgeléste Stiel, bei Einigen einem Crustaceen- Schwanz ahnlich, scheint bei der Locomotion mitgewirkt zu haben. 16. Die innere Organisation des Malakoms der Ampho- rideen, tber welches uns die fossilen Panzerkapseln — abgesehen von den wichtigen Offnungen! — nur sehr wenig Aufschluf geben kénnen, laBt sich bis zu einem gewissen Grade von Wahrschein- lichkeit erschlieBen aus der vergleichenden Anatomie und Onto- genie der iibrigen Echinodermen, besonders der Holothurien. Wir diirfen danach annehmen, daf die Amphorideen einen ein- fachen Darmcanal mit Mund und After besafen, angeheftet durch ein Mesenterium; zu beiden Seiten des letzteren hingen ein paar einfache Gonaden. Das Ambulacral-System behielt noch die ur- spriingliche einfache Bildung bei, welche wir bei den heutigen Pentactula-Larven finden: Ein einfacher kurzer Steinkanal (Hydro- ductus) miindete nach auBen durch einen einfachen Hydroporus (entweder direct oder vereinigt mit dem Gonoporus); nach innen fiihrte derselbe in den einfachen Hydrocircus (den circoralen Wassergefaf -Ring); von letzterem gingen nur die Canale in die circoralen Tentakeln ab, aber keine ,,Radial-Candle“ an die Leibeswand; echte ,,Ambulacra“ fehlten noch ganz. 17. Die echten Cystoideen, deren wesentliche Verschiedenheit von den dazu gerechneten Amphorideen bisher nicht erkannt war, unterscheiden sich von ihnen in erster Linie durch die Ausbildung von echten Ambulacra, d. h. von fiinf perradialen Bezirken des Kelches oder Perisoms, in welchen 5 ambulacrale ,,Radial-Canale“ oder Principal-Candale in aboraler Direction (!) verlaufen; von Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen. 399 diesen gehen die Aste fiir die zahlreichen ,, Thecal-Ambuletten“ ab, die charakteristischen ,,Fiifchen“ und ,,Tentakeln‘t‘ des Rumpfes, welche als secundére Anhainge von den primaren ,,Oral- Ambuletten“ oder den ,,Mundtentakeln“ wohl zu unterscheiden sind. 18. Die aufere Gestalt und auch die Panzer-Tafelung ist bei den Cystoideen noch sehr abnlich derjenigen ihrer unmittelbaren Vorfahren, der ascidienformigen Amphorideen. Sie unterscheiden sich aber von ihnen sofort — innerlich wie auferlich — durch die Pentaradial-Structur der Theca, welche durch die Aus- bildung der 5 perradialen, vom Munde ausgehenden Ambulacral- Rinnen bedingt wird. Man darf diese, in die Kapselwand einge- lagerten ,,Nahrungsiurchen oder Tentakel-Rinnen“ nicht als _,,an- gewachsene Arme‘ bezeichnen (wie noch jetzt haufig geschielit). 19. Die Grundform der Theca ist demnach bei den Cystoideen — wie bei allen iibrigen Echinodermen (nur die Ampho- rideen ausgenommen!) bilateral-pentaradial und zugleich stets ein wenig asymmetrisch; die ventrale Mittellinie bildet auch hier wie bei den Amphorideen und Crinoideen die Linie, welche auf der freien Oberseite der Theca die centrale Mund6ffnung mit der excentrischen Afteréffnung verbindet; die leichte Asymmetrie beider Antimeren wird auch hier dadurch angedeutet, daf der Gonoporus meistens nicht genau in der ventralen Median-Linie sich éffnet, sondern etwas seitlich von derselben (gew6hnlich links). 20. Die Offnungen der Theca, auf deren richtige Deu- tung das gréfte Gewicht zu legen ist, verhielten sich bei den Cystoideen urspriinglich ebenso, wie bei ihren Vorfahren, den Amphorideen. Urspringlich sind vier Miindungen innerer Organe vorhanden; Glyptosphaera zeigt dieselben ebenso deutlich, wie Aristocystis. Der centrale Mund (amfoberen Pole der verticalen Hauptaxe) ist mit dem excentrischen After durch die (ideale) ventrale Median-Linie verbunden; etwas seitlich von derselben liegt (niher dem After) der Gonoporus und nadher dem Munde der Hydroporus (,,Rhombus"). Bei anderen Cystoideen ist letztere Offnung nicht erkennbar, wahrscheinlich oft mit der Genitaléffnung vereinigt. Bei den Agelacystiden sind nur Mund und After deut- lich; dann miindete der Gonoporus wohl in den Enddarm ein. Indessen ist beziiglich der Kapsel-Offnungen stets zu bedenken, daf dieselben (mit Ausnahme des Mundes) auch bei lebenden grofen Echinodermen oft sehr klein und schwer zu entdecken sind. 21. Die Structur der Panzerplatten, welche bisher oft in erster Linie zur Unterscheidung der Cystoideen-Familien 400 Ernst Haeckel, benutzt wurde, ist hier ebensowenig dafiir von Bedeutung, wie bei den Amphorideen. Bei ganz nahe verwandten Gattungen einer Familie zeigen sich die polygonalen Tafeln der Theca bald solid, porenlos, bald fein porés, bald grob porés ; die Poren sind bald einfach, bald paarig (Doppel-Poren), bald an den Tafel - Nahten rhombisch gruppiert (Poren-Rauten). Diese Platten-Structuren be- sitzen keinerlei Beziehung zum Ambulacral-System und diirfen nicht den ventralen ,,Kelchporen‘ der Crinoideen (multiplicirten Steinkanalen) verglichen werden. Der sichere Nachweis, da’ die porésen Panzerplatten haufig sowohl an der inneren als an der auferen Flache von einer soliden homogenen Deckschicht tiber- zogen sind, lehrt deutlich, da’ die Poren-Bildungen nur auf innere Skelet-Structuren zu beziehen sind; die Platten liegen und ent- stehen hier, wie bei allen Echinodermen, im mesodermalen Binde- gewebe des Corium, nicht auferhalb desselben. 22. Die Phylogenese der Ambulacren lat sich inner- halb der Cystoideen-Familien Schritt fiir Schritt verfolgen, am klarsten bei den Pomocystiden (Sphaeronites). Die 5 circoralen Primar-Tentakeln riicken von den 5 Ecken des Mundes weg und wandern in distaler und aboraler Richtung auf die Kapselwand hiniiber. Dabei bilden sie an ihrer ventralen (oder oralen) Seite die 5 Nahrungsfurchen oder ,,Ambulacral-Rinnen“, die perradialen Ausgangs-Linien der so mannichfaltig differenzirten ,,Ambulacral- Felder“. Die kleine Gelenkfacette, welche sich am Ende jeder Ambulacral-Rinne und jedes Astes derselben findet, bezeichnet den Ansatz einer Pinnulette und eines dadurch gestiitzten Tentakels. (Als Pinnulettae bezeichnen wir die einfachen oder gegliederten Skeletstabchen, die als Tentakel-Stiitzen auf den Ambulacren der K apsel stehen, im Gegensatze zu den ahnlichen Pinnulae der freien Crinoiden- A rme und den Brachiola, welche bei einigen Amphorideen [Palaeocystiden] den Mundkranz bilden). 23. Die Differenzirung der Ambulacren, und die damit in Correlation erfolgende, verschiedene Anordnung der Pinnuletten und Tentakeln, diet uns in erster Linie zur Unter- scheidung von sechs Familien der echten Cystoidea; auferdem kommt dabei auch die Tafelung des Platten-Panzers in Betracht.. Urspriinglich ist derselbe aus sehr zahlreichen und kleinen, irre- gulir-polygonalen Tafelchen zusammengesetzt (so bei den Pomo- cystida, Fungocystida, Agelacystida — und vielleicht auch bei den Ascocystida). Spater verschmelzen die Tafelchen und treten zur Bildung von gréferen, oft regelmaifig geordneten Tafeln zusammen (so bei den Callocystida und Glyptocystida). Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen, 401 24. Erste Familie: Pomocystida (= Sphaeronitida p. p.). Genera: Sphaeronites, Pomocystis, Eucystis, Proteocystis. Cysto- ideen mit zahlreichen irreguliren Panzerplatten, mit 3 oder 5 kurzen Ambulacral-Rinnen, welche sich nur in wenige (je 3 oder 5) kurze Aste teilen. Das Mundfeld war daher von einem Kranze von wenigen (meist 15 oder 25) Pinnuletten, und ebenso vielen Ten- takeln umgeben, welche in 2 oder 3 alternirenden Reihen standen. Besonders interessant sind in dieser Familie die zahlreichen Arten der Gattung Sphaeronites, da sie die erste Entstehung und die stufenweise Entwickelung der Ambulacren gewissermaf8en in statu nascendi zeigen, ganz entsprechend den bekannten Bildungsstufen in der Ontogenie der héheren Echinodermen 25. Zweite Familie: Fungoeystida (oder Glyptosphaerida). Genera: Glyptosphaera, Protocrinus, Fungocystis, Malocystis. Cystoideen mit zahlreichen irreguliren Panzer-Platten und mit 3 oder 5 langen Ambulacral-Rinnen, welche sich unregelmaBig ver- asteln und in weitlaufiger Anordnung der irregulaéren Seitendste weit tiber die Kapsel hinkriechen. Oft sind, vom dreispaltigen Munde ausgehend, 3 starkere primaire Ambulacren zu_ unter- scheiden, ein frontales (dem After gegentiber) und 2 posterale (zu beiden Seiten des Afters); von letzteren zweigen sich als schwichere secundire Aste die 2 lateralen Ambulacren ab. 26. Dritte Familie: Agelacystida (oder Agelacrinida). Genera: Agelacrinus, Agelacystis, Hemicystis, Gomphocystis, Astroblastus, Mesites. Cystoideen mit sehr zahlreichen kleinen Platten oder Schtippchen, welche im oralen und im aboralen Theile der Kapsel oft sehr verschiedene Form und Anordnung zeigen. 5 Ambulacra sehr ausgedehnt und regelmifig gefiedert, die langen Ambulacral-Rinnen mit je 2 Reihen von Saumplattchen. Zwischen dem centralen Munde und der excentrischen Klappen- Pyramide des Afters ist keine dritte Offnung erkennbar. 27. Vierte Familie: Calloeystida (oder Apiocystida) Genera: Callocystis, Apiocystis, Sphaerocystis, Pseudocrinus, Lepadocrinus. Cystoideen mit einer geringen Zahl von gro8en, irregularen oder subregularen Panzer-Platten, die meistens in 3—4 Zonen geordnet sind; einzelne (8—5) Tafeln sind in Madre- poriten verwandelt (,,.Kammrauten oder Pectinirhombi‘‘, gewoéhn- lich mit ,,Porenrauten’ verwechselt). Ambulacra 2—5, band- formig, oft unregelmafig verastelt und ungleich vertheilt ; die langen offenen Ambulacral-Rinnen jederseits mit Saumplaittchen uud Pinnu- letten besetzt. 402 Ernst Haeckel, 28. Finfte Familie: G@lyptocystida (oder Caryocri- nida p. p.). Genera: Sycocystis (= Echinencrinus), Pyrocystis, Glyptocystis (= Chirocrinus), Mimocystis, Homocystis. Cystoideen mit einer geringen Zahl von grofen, irregularen oder subregularen Panzerplatten, die meistens in 3—6 alternirenden Zonen geordnet sind. Ein Kranz von (5—25) schlanken, gegliederten Brachiolen trennt die Dorsal-Kapsel (,,Kelch“) von der Ventral-Kapsel (,,Kelch- decke'), wie bei den Crinoideen. 5 verdeckte oder subtegminale Ambulacral-Réhren (unter denen die Ambulacral-Canale liegen) gehen von dem centralen Munde ab und spalten sich alsbald in 5 facherformige ,,subtegminale Ambulacra‘‘ (= Hydrophora palmata). Meistens geht jedes Ambulacral-Rohr in 5 divergente Aste aus (daher ein Kranz von 25 Armchen). 29. Sechste Familie: Ascocystida (oder Ascothuria). Genera: Ascocystis, Thuriocystis, Acanthocystis (Macrocystella ?). Cystoideen mit langgestrecktem, fiinfseitig-prismatischem oder cylindrischem Kérper, der einer regularen Holothurie (Pentacta, Oucumaria) ahnlich, biegsam und in ganz eigenthiimlicher Weise netzartig gepanzert ist. In der Jugend am Aboral-Pol durch einen kurzen schwachen Stiel befestigt, wurde das Thier spater frei und bewegte sich wahrscheinlich kriechend in horizontaler Lage der Langsaxe, gleich einer Holothurie. 5 erhabene Rippen (— nicht 6, wie der irrthiimlich construirte Querschnitt von Ascocystis zeigt —) ziehen parallel in der ganzen Lange des schlauchférmigen Kérpers hin und bezeichnen wahrscheinlich die Lage von 5 subtegminalen Ambulacral-Canilen. Die pentagonale Peripherie des abgestutzten Mundfeldes ist bei Ascocystis mit einem Kranze von 25 schlanken zweizeiligen Brachiolen umgeben. Von dem convexen Bogen der Mundéffnung gehen 5 subtegminale Ambulacral-Rinnen an die Basis der 5 Mundarme, von denen sich jeder in 5 Armchen spaltet. Die héchst merkwiirdige Gattung Ascocystis, deren bedeutungsvoller Kérperbau bisher ganz tiber- sehen wurde, ist vielleicht keine Cystoidee, sondern eine echte silu- rische Holothurie, oder auch ein Glied jener uralten Ver- bindungs-Gruppe, welche von den Cystoideen (— oder direct von den Amphorideen —) zu den Holothurien hiniiberfiihrte. 30. Die Holothurien sind unter den lebenden 5 Echino- dermen-Classen diejenigen, welche sich in wichtigen Merkmalen von der gemeinsamen Stammgruppe des ganzen Stammes, den Protamphoriden, am wenigsten entfernt haben. Der Ubergang von der urspriinglichen bilateralen in die spiter erworbene penta- Die cambrische Stammgruppe der Echinodermen. 403 radiale Organisation hat bei ihnen noch nicht die Geschlechts- driisen betroffen; sie besitzen nur ein Gonaden-Paar, und eine einfache Geschlechtséftnung, gleich den Cystoideen und Ampho- rideen. Wir kénnen daher diese drei Classen unter dem Begriffe der Monorechonia zusammenfassen (oder ,,Anactinogonidiata‘). Die fiinf anderen Echinodermen-Classen hingegen besitzen urspriing- lich fiinf Gonaden-Paare und 5 oder « X 5 Geschlechtsétfnungen ; sie stehen jenen als Pentorchonia gegentiber (oder ,,Actino- gonidiata“). 31. Die Paraxon-Driise, jenes vieldeutige ,,Axial-Organ“ oder ,,Dorsal-Organ‘‘, welches bald als Herz, bald als Lymph- driise, bald als Niere etc. beschrieben wurde, und welches nur den Pentorchonien zukommt, ist nach meiner Ansicht der unpaare paraxiale (— nicht axiale! —) Stamm der urspriinglichen Ge- schlechtsdriise; er ist durch Arbeitswechsel aus dem Gonoductus der Monorchonien entstanden; daher erklart es sich, daf das so- genannte Dorsal-Organ den Holothurien ebenso fehlt, wie es den Cystoideen und Amphorideen gefehlt hat. 32. Die Gruppe der Pentorchonien setzt sich nach meiner Ansicht aus zwei verschiedenen Cladomen oder Hauptclassen zu- sammen, die unabhingig von einander aus verschiedenen Zweigen der Cystoideen entstanden sind, den Pelmatozoen und Echinozoen. Beide Gruppen unterscheiden sich auch im Verhalten der Ge- schlechtsorgane und im Bau der Paraxon-Driise. Die Pelmato- zoa (Blastoidea und Crinoidea) sind Orocineta; ihr Paraxon- Sinus (= Axial-Sinus) geht am Oral-Pol in einen circoralen Blut- sinus iiber, und der Gonaden-Stamm spaltet sich hier (auf der Bauchseite) in 5 perradiale Aste. Die Echinozoa hingegen (Echi- nidea, Ophiurea und Asteridea) sind Pygocineta; ihr Paraxon-Sinus steht umgekehrt am Aboral-Pol mit einem periproctalen Blutsinus in Zusammenhang, und der Gonaden-Stamm spaltet sich hier (auf der Riickenseite) in 5 imterradiale Aste. Die Divergenz dieser Gruppen geht bis in die silurische Periode zuriick. Jena, am 15, December 1895. 404 E. Haeckel, Die Stammgruppe der Echinodermen. Phylogenetische Beziehungen der acht Echinodermen-Classen. Crinoidea., Asteridea, % Ophiurea, / Blastoidea. / | / / Echinidea. “i Holothurea. \ , \ sini ¥ fe tae ea. I, Cladoma: Monorchonia Echinodermen mit einem Gonoden-Paar, ohne Paraxon- 1 2. Holothurea. Driise und ohne genitalen Ring-Sinus. 3 . Cystoidea, IIA. Orocincta Genitaler Blutsinus Eee : J circoral. | 5. Crinoidea. Gonoden-Stimme II, Cladoma: Pentorchonia perradial. Echinodermen mit fiinf Gonoden- Paaren, mit Paraxon-Driise und IIB. Pygocincta mit genitalem Ring-Sinus. Genitaler Blutsinus 6. Echinidea. 7. Ophiurea. periproctal. 8. Asteridea. Gonoden-Stamme interradial, - Amphoridea. Untersuchungen iiber die Spermatogenese LY. N. VAN VII VIII IX von Paludina vivipara. Von Prof. Leopold Auerbach in Breslau. Hierzu Tafel XXI u. XXII. Inhalt: . Vorbemerkungen, . Untersuchungsverfahren und Periodicitaét der Samenbildung. Kil. Ursprung und Teilung der Samenzellen. a) Entstehung der Spermatogonien. b) Die ruhende Spermatogonie. c) Nebenkern und Teilung der Spermatogonien. d) Die folgenden Zellgenerationen, Erste Periode der Ausbildung der haarférmigen Spermien, Entwickelung der wurmférmigen Spermien. Syntaxis der zweierlei Spermien und weitere Ausbildung der haarformigen. . Riickblick, . Litteraturverzeichnis. . Tafelerklairung. I. Vorbemerkungen. In einer friiheren, im April 1894 verdéffentlichten, die Samen- elemente verschiedener Tiere behandelnden Mitteilung (1h) hatte ich in demjenigen Abschnitte, der Paludina viv. betrifft, als Er- gebnis meiner Untersuchung u. a. berichtet, daf mit dem durch SIEBOLD (26) im Jahre 1836 zuerst bekannt gemachten Dimorphis- mus der Samenelemente jener Gattung — vgl. auch Leypia (16) und M. y. Brunn (4) — zugleich ein wesentlicher Unterschied in 406 Leopold Auerbach, der tinktionellen Reaktionsweise der zweierlei spermatischen Ge- bilde verbunden ist. Wahrend nimlich der Kopf der sogenannten ,Haarformigen“* Samenelemente, ganz wie bei anderen befruch- tungskraftigen Samenfaiden — vgl. AUERBACH (1 e) — nach meinen Doppelfarbungen sehr schén blau, der Schwanz rot gefarbt ist, enthalten die wurmférmigen Samenelemente kein Kérnchen kyano- philer Substanz, erscheinen vielmehr neben jenen ersteren, also unter dem Einflusse der nimlichen Doppeltinktion rein rot, ein- schlieBlich ihres sogenannten Kopfes, eines sehr kleinen vor- dersten, iibrigens nicht scharf abgesetzten Abschnittes. Aus diesen Umstainden und aus dem Eindringen des Achsenstranges in den sogenannten Kopfteil habe ich auch geschlossen, daf derselbe nicht als ein dem Kopfe anderer Samenfaden homologer Abschnitt, viel- mehr als ein dem vorderen Ende des Schwanzes, allenfalls dem Mittel- oder Verbindungsstiicke der Vertebraten-Spermien ver- gleichbarer Teil anzusehen sei, wonach also diese wurmférmigen Gebilde eigentlich Samenfiden ohne Kopf seien. Ich hob dabei hervor, daf diese Thatsache sehr gut zu einer Ermittelung M. v. Brunn’s (12) stimme, nach welcher nur die haarférmigen Elemente in die Kier eindringen, wahrend den wurmférmigen keine Beteiligung am Befruchtungsakte zukommt. Da _ bekanntlich ge- rade der Kopf des in ein Ei eingedrungenen Samenfadens und eventuell an nicht fadenformigen Samenelementen, wie denjenigen der Nematoden, ein kyanophiler Innenkérper des Vorderteils !) der- jenige Bestandteil ist, der die Karyosomen des Spermakerns liefert und so einen Hauptfaktor der befruchtenden Wirkung dar- stellt, so mul} der Mangel solchen Materials an sich schon die wurinférmigen Gebilde als zu jener wichtigen Funktion nicht be- anlagt stempeln. Es bliebe nur die Frage iibrig, ob sie irgend eine andere Rolle bei den die Fortpflanzung vermittelnden Vor- gingen spielen. Fiir eine solche haben sich aber friiher gar keine Anhaltspunkte gefunden, abgesehen von einer dlteren Angabe Leypia’s (16), dahin lautend, da’ in dem die befruchteten Kier umhiillenden Eiweif} auch wurmférmige Spermien zu finden seien. Diese Behauptung, selbst als richtig angenommen, wiirde doch nur 1) Ich habe festgestellt, da’ bei Ascaris megalocephala derjenige kuglige Bestandteil des Spermiums, der nach van BENEDEN zum minn- lichen Pronucleus wird, nach meiner Meinung jedoch nur fiir die Karyosomen dieses Pronucleus das Material enthalten diirfte, ganz aus kyanophiler Substanz besteht (1h, S. 36). Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. I. 407 eine Thatsache betreffen, die schwer fiir unsere Frage zu _ver- werten sein diirfte. Sie ist aber tiberdies von Brunw als unzu- treffend bestritten und nach dem Gange, den die Dinge in den weiblichen Leitungswegen von Paludina nehmen, als unméglich hin- gestellt worden. Brunn gelangte deshalb zu der Ansicht, die wurmférmigen Elemente seien ganzlich funktionslose Gebilde. Diese letzte Schluffolgerung nun schien mir tiber das Ziel hinauszuschiefen, theoretisch unwahrscheinlich und méglicherweise durch noch tiefer in alle Phasen des Prozesses eindringende Beobachtungen widerlegbar zu sein. Ich auferte mich dariiber mit den Worten: ,,[{mmerhin bleibt es befremdlich, da’ so typisch und massenhaft entstehende, sehr lebendige Gebilde ganz bedeutungs- los sein sollten; und ich glaube, da wir in so weit gehender nega- tiver Richtung ein abschlieBendes und absprechendes Urteil zu fallen noch nicht in der Lage sind.“ Ich dachte dabei. vorzugs- weise. an eine in irgend einem Vorstadium des Befruchtungs- prozesses stattfindende Beeinflussung der haarformigen Spermien durch die wurmférmigen, und in Erinnerung an meine friiheren Beobachtungen bei Dytiscus marginalis (1f) namentlich an etwas, das der in diesem Kafer von mir gefundenen Konjugation je zweier Samenfaiden ahnlich sein kénnte. Es sei mir gestattet, die be- ziigliche Stelle aus meinen ,,Spermatologischen Mitteilungen‘ hier anzufihren : »friher habe ich bei Dytiscus nachgewiesen, dab in den Mannchen dieser Art an einer bestimmten Stelle ihres Genitalschlauches sich ge- setzmahig immer je zwei der Samenfiden in bestimmter Weise kopu- lieren und nach langem, sehr innigem Aneinanderhaften spiter wieder auseinanderweichen, und ich habe die Vermutung ausgesprochen, dab wihrend der innigen Vereinigung der Képfe, die wie bei konjugierten Infusorien fast einer Verschmelzung gleichkommt, ein Stoffaustausch zum Zweck einer volligen Ausgleichung etwaiger feinerer stofflicher Differenzen stattfinden médge. Ich habe ebenso diesen merkwiirdigen Konjugationsvorgang wie auch die bekannte, so weit verbreitete Bil- dung von Biindeln der Spermien im Hoden aus dem Bediirfnis nach einem solchen Austausch und Ausgleich zu erkliren gesucht, als einem Mittel, die auf die Nachkommenschaft zu vererbenden Eigenschaften moglichst gleichmifig unter die befruchtenden Elemente zu verteilen und so die Variabilitét einzuschrinken, also einen hédheren Grad von Konstanz der Art zu sichern. Allerdings muf es dabei um den Aus- gleich sehr feiner Mischungs- oder Konstitutionsverschiedenheiten der einzelnen Samenelemente zu thun sein, um solche, die sich fiir jetzt noch der direkten Wahrnehmung entziehen. Und im besonderen war auch bei Dytiscus keine duSerlich hervortretende Dualitiéit zu ermitteln. Bei Paludina hingegen haben wir ja zwei Anten unter sich sehr ab- 408 Leopold Auerbach, weichender Samenfaden, und ich wollte nachsehen, ob etwa auch hier irgendwo im Genitalsystem Konjugation eines haarformigen mit einem wurmférmigen Spermium zu finden sei, womit ja auch die uns wider- strebende Annahme einer ginzlichen funktionellen Bedeutungslosigkeit der wurmformigen Elemente beseitigt sein wirde. Freilich mufte ich mir sagen, dai nicht gerade viel Aussicht sei, so etwas zu finden, erstens weil es sehr auffallig wire, wenn eine derartige Thatsache den vielen friiheren Beobachtern des Gegenstandes entgangen ware, und dann gerade wegen der allzu grofen Verschiedenheit der beiden Formen. In der That war auch nach dieser Richtung hin das Re- sultat meiner Beobachtungen ein negatives. Da jedoch infolge aiuBerer Umstiinde meine Untersuchung nicht umfassend und stetig genug war, so mochte ich tiber die allgemeine Frage der Funktion oder giinz- lichen Funktionslosigkeit der wurmférmigen Spermien hier nicht ent- schieden haben. Die Zukunft kénnte in dieser Hinsicht vielleicht doch noch eine Uberraschung bringen.“ (1h, 8. 20.) Nach dieser Richtung hin meine Untersuchung weiterzufihren, lag mir also sehr nahe. Aber noch eine zweite in meinen Erérterungen beriihrte Frage hatte ich offen lassen miissen und einstweilen nur durch eine Hypothese beantworten kénnen. Sie bezog sich auf die Ent- stehungsweise der wurmférmigen Spermien von Paludina und der homologen Elemente der Prosobranchier tiberhaupt, und zwar auf den ersten einleitenden Vorgang ihrer differentiellen Ausbildung aus einzelnen der Hodenzellen; und sie war angeregt durch eine iibereinstimmende Angabe der genannten friiheren Erforscher des Gegenstandes. Sowohl nach der Beschreibung Brunn’s als der spiteren, die Species Murex brandaris betreffenden von KOHLER (14) gehéren die Bildungszellen, welche zu den wurmférmigen Spermien auswachsen, zu der Generationsfolge der tibrigen Samen- zellen. Die erste Divergenz der Entwickelung besteht nun nach jenen Berichten darin, da’, wihrend die sozusagen zur Haarform tendierenden Zellen sich auf mitotischem Wege weiterteilen, an jenen ersteren ein ganz anderer, den Kern der Zelle betreifender Vorgang sich abspielt. Danach erleidet namlich der Kern der betreffenden Zelle eine Fragmentation in eine Anzahl Teilstiicke, so dafi eine Zeit lang die Zelle 3—4 und mehr _ kleinere, iibrigens verdichtete Kerne enthalt. Die meisten derselben ver- schwinden, indem sie in Kérnchen zerfallen und weiter ganz auf- gelést zu werden scheinen, so daS nur einer tibrig bleibt. Dieser riickt an die Wandung der Zelle und liefert das Material fiir die Bildung des Achsenstranges, resp. des Achsenfaserbiindels im Laufe der Umgestaltung der Zelle zu dem wurmférmigen Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. I. 409 Samenkérperchen, wie sie von den beiden Autoren sehr eingehend beschrieben worden ist. Insoweit es sich nun um dieses Aus- wachsen und die damit verbundene feinere Ausgestaltung des Ge- bildes handelt, hatten auch meine Praparate im wesentlichen nur Bestitigendes ergeben. Die anfiangliche Fragmentation des Kerns hatte ich zwar nicht finden kénnen, glaubte aber bei der Uber- einstimmung in den Berichten der beiden Forscher nicht daran zWweifeln zu diirfen, und kniipfte daran eine durch meine tinktio- nellen Befunde veranlafite Deutung. Ich iuferte mich folgender- maven (1h, 8. 26): »An diesem ganzen, in mehrfacher Beziehung fiir die allgemeine Spermatogenese wichtigen Vorgange ist in betreff meines erwihnten, auf tinktionellem Wege erlangten Ergebnisses — nimlich des Mangels an kyanophiler Substanz in den wurmfodrmigen Spermien — der erste Akt, also die Fragmentierung des urspriinglichen Kerns der Bildungs- zelle wahrscheinlich von besonderer Bedeutung. Zu meinem Bedauern habe ich das angeblich mehrkernige Stadium derselben, das bei Palu- dina sehr schnell voriibergehen soll, nicht nach Wunsch angetroffen. Ich kann deshalb einstweilen nur vyermuten, da’ bei der erwahnten Fragmentation des Kerns alle kyanophile Substanz in die zum Unter- gang bestimmten Teile tibergeht und dann mit diesen entweder auf- gelést und zersetzt oder vielleicht auch aus der Zelle ausgeschieden werden mag, wahrend der bestehenbleibende und zur Bildung des Achsenfadens benutzte Kernteil nur erythrophile Bestandteile des Mutter- kerns zurtickbehaélt. So wiirde die ganze Erscheinung der Frag- mentation einen Sinn erhalten und den thatsichlichen Mangel der kyanophilen Substanz in dem wurmférmigen Samenelemente erkliren. Der Vorgang wiirde iibrigens Analogie haben mit demjenigen, der bei der Bildung des pflanzlichen Pollens stattfindet, wo nach Rosgn’s Er- mittelung (21a) eine ebensolche itio in partes der beiden Substanzen des Mutterkerns in die beiden Tochterkerne hinein erfolgt. Es wiirde jedoch der Unterschied obwalten, dafS in den beiden Fallen das Ziel des Prozesses in entgegengesetzter Richtung lige; denn wahrend bei der Pollenbildung dem kyanophilen Kern die wesentliche Bestimmung und Funktion zukommt, hingegen der erythrophile, sogenannte vege- tative Kern nur eine Nebenrolle zu spielen hat, wirden in unserem Falle umgekehrt die kyanophilen Kerne eliminiert, der erythrophile aber zu der wesentlichen Aufgabe der Herstellung des Samenelementes mitverwandt werden. Ich hoffe, durch erneute Untersuchung den hier ausgesprochenen, hypothetischen Gedanken einer Priifung unter- werfen zu kénnen, um ihn irgend einer, sei es bestiitigenden oder verneinenden oder vielleicht auch modifizierenden Entscheidung zu- zufihren.“ Es lag mir also ob, auch in dieser Hinsicht meine Ergebnisse zu erganzen. Die beiden eben erwahnten Probleme nun, die sich bei meinen friiheren Untersuchungen mir aufgedringt hatten, waren in erster Bd, XXX, N. F. XXII, 27 410 Leopold Auerbach, Linie fiir mich veranlassend, im Jahre 1894 die Vorgainge im Hoden von Paludina von neuem zu studieren. Ich gelangte dabei betreffs jener mich hauptsichlich beschaftigenden Fragen in kurzer Zeit zu positiven und iiberraschenden Ergebnissen. Zugleich aber wollte ich auch die Gelegenheit zur Ermittelung der gesamten Spermatogenese nicht unbenutzt lassen, einer an diesem Objekte ungewohnlich komplizierten, langen und vielgliedrigen Kette von Vorgingen. Fir das Studium einiger feinster Verhiltnisse ist iiberdies der Hoden von Paludina ein besonders schwieriges Ob- jekt, sowohl wegen der Kleinheit der Samenzellen als auch wegen ungeordneter Lagerung der Entwickelungsstufen. Auch die Auf- klarung friiherer, z. T. abweichender Angaben habe ich mir an- gelegen sein lassen, eine miihsame Aufgabe, die mehrfach erneute, bis in den Sommer des Jahres 1895 sich hinziehende Unter- suchungen nétig machte und eine bedeutende Verzégerung dieser Publikation verursachte. Manches klarstellend und nach meiner Meinung sichernd, habe ich freilich hinsichtlich einzelner Punkte, namentlich betreffs der Centrosomen auch Liicken bestehen lassen miissen. Was ich nun Positives ermittelt habe, werde ich im folgenden mitteilen, Erginzungen der Zukunft tiberlassend. II. Untersuchungsverfahren und Periodicitit der Samenbildung. Man erkennt die mannlichen Individuen von Paludina an der Ungleichheit der beiden Fiihler. Wahrend bei den Weibchen beide Fiihler lang und spitzig sind, ist bei den Mannchen der rechte kiirzer, breit, platt und vorn abgerundet. Ubrigens sind die Mannchen durchschnittlich erheblich kleiner als die Weibchen. Man kann deshalb, falls das ersterwihnte Merkmal wegen hart- nackiger Zuriickgezogenheit der Tiere in ihren Gehausen unbenutz- bar ist, die Chance, nach Abbruch der Schale ein Mannchen vor- zufinden, dadurch sehr vergréSern, da’ man es an kleineren In- dividuen versucht, da selbst die weniger als halbwiichsigen Mann- chen schon geschlechtsreif sind. Nach Herauslésung aus der Schale findet man an dem Einge- weidesacke des Mainnchens, und zwar an dessen der Spindel des Ge- hiiuses zugekehrter Seite, zwei goldgelbe Partien, deren kleinere nahe der Spitze des Eingeweidesackes gelegen ist und beinahe bis an diese reicht, wihrend die gréfere iiber die untere Hialfte des Sackes an dessen innerer Seite sich erstreckt. Dies sind die beiden durch die Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. II. 411 diinne Haut hindurchschimmernden Hoden, die also nicht bilateral- symmetrisch, sondern hintereinander angelegt sind. Sie stellen iibrigens nicht wohl isolierbare Organe dar, sondern sind nur Hoden- gewebsmassen, die ohne besondere Umhiillung oder Scheidewand nach innen zu an das Lebergewebe angefiigt, aufen aber von der Haut iiberzogen sind. — Wenn ausnahmsweise diese Hoden statt der gold- gelben eine viel hellere oder sogar milchweife Farbe zeigen, so ist die Ursache dieser Abweichung immer eine reichliche Beherbergung von Cercarien und Redien; und so massenhaft sind 6fters diese Parasiten, die sich auf Kosten des eigentlichen Gewebes ernihren, eingelagert, daf sie dieses atrophisch machen, Solche Individuen sind deshalb fiir die Untersuchung der Spermatogenese unbrauchbar. Von dem normalen Hodengewebe aber fertigte ich sowohl Schnitte als auch Dissociationspriparate an, letztere nur von frischem, tiber- lebendem Material mit nachtriglicher Fixierung. Zur Stiickhartung, also zur Vorbereitung des Schnittverfahrens fand ich konzentrierte wisserige Sublimatlésung, ohne jeden Zusatz kalt angewandt, als ein auch fiir unser Objekt vortreffliches und zugleich bequemes Fixierungs- mittel. Damit habe ich auch meine Untersuchung hauptsichlich durch- gefihrt und fast alles hier zu Beschreibende, soweit es nicht schon am frischen Material erkennbar war, darstellen und in Dauerpraéparaten festlegen kénnen. Auch macht diese Art der Vorbehandlung die von mir benutzten Doppelfirbungen besonders leicht und sicher gelingen. Von anderen probierten Fixationsmitteln will ich nur noch die Fremmine’sche Chrom-Osmium-Essigsiure-Mischung erwahnen, mit der Piatner (18e) an demselben Objekt gearbeitet hat. Nach Durch- fiihrung meiner Untersuchung mit Sublimat sah ich mich in Riick- sicht auf einige Angaben des eben genannten Forschers veranlabt, auch noch die yon ihm benutzte Fixierungsweise und, auf diese folgend, teils seine Art der Himatoxylinfarbung, teils andere, kom- binierte Tinktionen zu versuchen. Die Ergebnisse waren indessen in allem wesentlichen den vorher erhaltenen gleich. Die Fxremmrne’sche Mischung bringt, wie ich fand, auf unser Objekt angewandt, kraft ihres Osmiumgehaltes in einem Punkte, der immerhin einige Beach- tung erheischt, einen besonderen Vorteil mit sich, der in der Erhal- tung gewisser charakteristischer fettreicher Dotterkiigelchen fiir Balsam- priparate besteht, worauf ich noch zuriickkommen werde. Ubrigens verursacht diese Behandlung einen gewissen Grad von Aufquellung der Zellen, die jedoch, da sie nicht mit eingreifenden Strukturverande- rungen verbunden ist, nichts schadet, sondern eher die Untersuchung erleichtert, freilich bei Messungen der Zellen in Rechnung zu ziehen ist. Hingegen ist nach dieser Vorbehandlung die Doppelfarbung und namentlich die Aufnahme der blauen (sog. basischen) Farben sehr er- schwert. Diese kann jedoch gelingen, wenn das Objekt nur kurze Zeit, 1/,—1 Stunde in dem bewuften Hirtungsmittel verweilt hat und dann sehr griindlich, 2—38 Tage lang in Wasser wieder aus- gelaugt worden ist, was im iibrigen dem Priiparate nichts schadet. Schnitte von 8 w Dicke zeigen sehr schén alle Entwickelungs- phasen der beiderlei Samenelemente, sind jedoch wenig geeignet fiir at 412 Leopold Auerbach, das Studium der fertigen Samenfiden, sowohl weil diese zumeist sehr dicht aneinander und an anderen Inhaltsbestandteilen des Hoden- schlauches anliegen, als auch hauptsiichlich, weil die haarformigen Spermien nur selten, die langen wurmfdrmigen sogar niemals in ihrer ganzen Linge zur Anschauung kommen, sondern irgendwie durch- schnittensind, nicht selten auch in Form reiner Querschnitte sich darbieten. Es sind demnach fiir deren Gesamtansicht und auch, um im lebendigen Zustande ihre charakteristischen Bewegungsarten beob- achten zu konnen, Dissociationspraparate unentbehrlich; und nebenher zeigen diese, unregelmibig zerstreut, auch zahlreiche Entwickelungs- zellen, welche die verschiedenen Staffeln der Spermatogenese darstellen. Ferner finden sich darin die grofen platten Wandkerne der Acini isoliert und in Flachenansicht, was in Schnitten nur selten der Fall ist. Solche Isolation der Gewebselemente gelingt leicht entweder durch Zerzupfen mit Nadeln oder in folgender Weise. Ich fasse ein mit der Schere ausgeschnittenes kleines Stiickchen des Hodens an seiner iiuBeren Seite mit einer feinen Pincette und streiche entweder die Schnittfliche iiber die trockene Glasplatte oder — und dies ist in den meisten Beziehungen noch vorteilhafter — ich verreibe in einem auf den Objekttrager getriufelten Trépfchen des Blutes der Schnecke. Dieser Blutstropfen mag, wenn es sich um Beobachtung der Lebens- erscheinungen handelt, reichlich bemessen sein, kann ibrigens fiir den letzteren Zweck auch durch ein Trépfchen physiologischer Kochsalz- ldsung ersetzt werden. Hingegen darf, wenn Herstellung eines Dauer- praparates beabsichtigt wird, das Blutstrépfechen nur minimal, etwa stecknadelkopfgroB sein und ist bei raschem Verreiben des Gewebs- stiickchens zu einer diinnen Schicht auszubreiten, weil sonst die isolierten Gewebsteilchen flottierend bleiben, ohne zu einer Haftung an der Glasplatte zu gelangen, und so von der hinzuzufiigenden Hiartungsfliissigkeit fortgespiilt werden. Durch Antrocknen aber die Teilchen festzulegen, ist im allgemeinen durchaus unratsam und nur fiir einen ganz besonderen Zweck zu empfehlen, niimlich zur Demon- stration des Achsenstranges der wurmfdrmigen Samenfiden in Lings- ansicht, eines Bestandteils, der nach Eintrocknung besonders scharf hervortritt, wahrend im iibrigen bei diesem Verfahren der feinere Bau aller Gewebselemente und namentlich der Zellen in hohem Mage ge- schadigt, auferdem auch die Firbbarkeit beeintrichtigt wird. Es mub deshalb auch bei den erwiéhnten Manipulationen rasch verfahren und namentlich nach Verstreichen des Objekts auf der trockenen Glasplatte die Hiartungsfliissigkeit augenblicklich aufgetriufelt, aber auch nach Verteilung in einem Blutstrépfehen sehr bald iibergeschichtet werden. Als Fixierungsmittel ist fiir solche Priparate einfache wiisserige Sublimatlésung nicht brauchbar, weil diese zwar die histologischen Elemente hiartet, nicht aber zugleich das Menstruum, in welchem diese suspendiert sind, so daf sie in der Fliissigkeit schwebend bleiben und bei den weiteren Operationen abgeschwemmt werden. Wohl aber ist fiir unseren jetzigen Zweck Alkohol oder auch eine mit einer mibigen Menge Alkohols versetzte Sublimatlésung geeignet. Besonders be- wihrte sich die schon friiher (1d) yon mir empfohlene Mischung, be- Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. II. 413 stehend aus 4 Teilen Sublimat, 25 Teilen Alkohol und 75 Teilen Wasser, welche sofort die diinne Schicht des Gewebsbreies zur Ge- rinnung und festen Haftung auf dem Objekttrager bringt und die Formelemente vortrefflich und ohne erhebliche Schrumpfung fixiert, Sie leistet dies in wenigen Sekunden, darf indessen, wenn vor Ver- dunstung bewahrt, auch beliebig lange einwirken. Sie ist darauf durch absoluten Alkohol zu verdriingen. — Ubrigens wird man auch bei Beabsichtigung des Schnittverfahrens gut thun, vorerst von einem kleinen Stiickchen des frischen Hodens ein Dissociationspraparat an- zufertigen, um sich zu tberzeugen, dai das Organ frei von Cercarien ist. Eine massenhafte Einlagerung solcher ist ja, wie erwahnt, schon bei diuferlicher Betrachtung des Hodens an seiner Farbe zu erkennen; aber selbst eine ma$ige Menge jener Parasiten, die man nicht so leicht makroskopisch, wohl aber in einem Tropfchen des frischen Hoden- breies schon bei schwacher Vergrof%erung augenblicklich bemerkt, be- eintrichtigt den Wert der Schnittpriparate und kann in diesen zu Tauschungen fiihren, weshalb es ratsam ist, ein solches Individuum zu verwerfen und ein anderes in Angriff zu nehmen, Bei all den erwiahnten Vorziigen der Dissociation sind dieser doch in anderen Hinsichten reguliire feine Schnitte sehr iiberlegen. Zur Anfertigung solecher wurde das gehirtete aber noch ungefirbte Gewebs- stiickchen nach bekannten Regeln zur Einbettung in Paraffin gebracht und mikrotomiert. Die Schnitte wurden auf dem Objekttrager teils mittels der P. Mayzr’schen Eiweif-Glycerinmischung, teils durch An- trocknen nach Befeuchtung mit Wasser befestigt und darauf das Pa- raffin durch Xylol und dieses durch absoluten Alkohol verdringt. Sowohl die Brei- als auch die Schnittpraparate wurden, eben noch etwas vom Alkohol feucht, auf dem Objekttriger tingiert, und zwar meistens einer Doppelférbung in Rot und Blau unterworfen. Zu diesem Zwecke benutzte ich abwechselnd mehrere Kombina- tionen, namlich — aufer einer spiter besonders zu erwahnenden — entweder Methylgriin, einige Male kombiniert mit Karmin, meistens jedoch mit Siiurefuchsin, oder letzteren Rotstoff kombiniert mit Vik- toriablau, in bald genauer anzugebender Weise. Alle drei Kombina- tionen haben mir iibereinstimmende und vortreffliche Resultate ge- liefert. Nur diirfen einerseits die Objekte, resp. die Schnitte nicht gar zu lang, d. h. nicht Wochen und Monate lang in Alkohol gelegen haben; andererseits darf auch das firbende Material nicht zu alt sein, was besonders yon wissrigen, namentlich verdiinnten Loésungen der Auilinfarbstoffe, aber auch des Himatoxylins, und noch mehr von Gemischen solcher gilt. Des genaueren aber habe ich die genannten kombinierten Far- bungen nach mehreren besonderen Methoden bewerkstelligt, die sich im ganzen gleich gut bewahrt haben. Ich hebe folgende hervor: A) Karmin mit Methylgriin. Das Priparat kommt fiir 36 Stunden oder linger in Grrtacn’sche Karminlésung, wird dann nach Abspiilung in Wasser in beliebig ver- 414 Leopold Auerbach, diinnte wisserige Methylgriinlésung fiir einige Zeit, je nach der Kon- zentration derselben fiir eine halbe bis zu mehreren Stunden ein- gestellt und dann zur Beseitigung der Uberfiarbung fiir 5—15 Minuten in absoluten Alkohol gebracht. — Diese Methode liefert im allgemeinen sehr schéne Priaparate und ganz dieselben Ergebnisse wie die anderen. Ich habe sie indessen nur selten angewandt und kann deshalb auch nicht sagen, ob sie alle die vielen Hinzelheiten, auf die es ankommt, ebenso deutlich zeigt wie die jetzt folgenden. B) Saéurefuchsin und Methylgrin. Ba) Simultan, Wihrend es fiir diese Art der Doppelfarbung bei den ausgebildeten Samenelementen und so manchen anderen Zellen auf ein sehr genaues Mischungsverhiltnis der beiden Farbstoffe nicht ankommt und die be- ziigliche, friiher (1d) von mir angegebene Verfahrungsweise, obwohl sie nicht gerade exakt ist, sich dennoch als ganz ausreichend er- wiesen hat, so ist es hingegen nicht ganz ebenso bei spermatogene- tischen Untersuchungen. Ich bin aber jetzt in der Lage, eine ge- nauere, auch fiir diesen Zweck sich bewdhrende Vorschrift zu geben. Man bereite sich zwei einfache Liésungen, indem man einen Teil Methylgriin und ebenso einen Teil Saéurefuchsin in je 1000 Teilen Wasser lost. Der letzteren, némlich der roten Loésung, fiige man ein klein wenig Essigsiure hinzu und zwar auf je 50 g einen Tropfen einer 10- proz. wisserigen Eisessiglésung. Dann mische man 2 Teile der roten mit 3 Teilen der blaugriinen Fliissigkeit. Filtrieren des Gemisches ist kaum nétig; will man es aber thun, so benutze man ein vorher mit Methylgriin gefarbtes Filter, weil das Papier von diesem Farbstoff viel mehr absorbiert als vom Siure- fuchsin und dadurch, namentlich bei kleiner Quantitat der zu filtrieren- den Fliissigkeit, das Mischungsverhiltnis derselben nicht ganz un- _wesentlich andert.” ‘In die kombinierte Lésung wird nun die dia Pra- parat tragende Glasplatte fiir 5—-15 Minuten eingestellt, nachdem von letzterer der Alkohol méglichst beseitigt und nur das Praparat selbst noch etwas feucht gelassen worden ist. Es darf tibrigens auch linger, als angegeben, in der tingierenden Fliissigkeit verweilen, was jedoch meistens nicht nétig ist und die folgende Operation umstindlicher macht. Das notwendige Minimum der Tinktionsdauer wichst natiir- lich mit der Dicke der zu farbenden Schicht, bei einem Schnitte aber auch mit der Flachenausdehnung desselben, indem, wie aufmerksame Beobachtung ergiebt, die Aufnahme der Farbstoffe immer viel stiirker als von der freien Fliche vom freien Rande des Schnittes her erfolgt, — an diesem schnell sich steigert und von hier aus langsam nach der Mitte hin fortschreitet, so da®B eine Zeit lang ein mittleres, nur sehr schwach gefirbtes Feld vorhanden ist, wiihrend eine Randzone schon intensiv tingiert ist. Aber auch die Temperatur hat einen sehr merk- lichen Einfiu® und zwar derart, dai’ héhere Temperatur vorzugsweise die Absorption des Methylgriin beschleunigt, niedere die letztere Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. II. 415 hemmt. Als Optimum der Temperatur glaube ich nach meinen Er- fahrungen eine solche von 20—25° C ansehen zu miissen, Aus der kombinierten Farbelésung werde das Priparat unmittelbar, namentlich ohne inzwischen mit Wasser in Beriihrung zu kommen, in stirksten Alkohol tibertragen, und zwar je nach dem Grade der Uberfarbung fiir 5—-15 Minuten, kann jedoch diesem Extraktions- mittel ofters ohne Schaden auch bis zu einer Stunde und dariiber aus- gesetzt bleiben. Bei noch linger und namentlich tagelang andauern- der Einwirkung des Alkohols bleibt zwar an den Kéopfen der ent- wickelten Samenfiden die blaue Farbung (selbst nach Monaten) voll- staindig erhalten; hingegen sieht man an den sonstigen Zellen die blaue Farbung ihrer kyanophilen Bestandteile mit der Zeit mehr und mehr erblassen, und dies um so schneller, je weniger die Qualitét des sogen. absoluten Alkohols sich der eines wirklich absolut wasser- freien nihert. Es liegt deshalb nahe, zu vermuten, daf der, wenn auch nur 1—2 Proz. betragende Gehalt an Wasser mit der Zeit die unerwiinschte Wirkung hervorbringt'). Jedoch reicht die angegebene kurze Zeitdauer der Entfarbung vollstindig zu der nétigen Differen- zierung aus, Bb) Successivy. 1) Das Priaparat verweilt zuerst in der angegebenen Sdurefuchsin- Loésung, die ihm binnen 5—15 Minuten eine brillant rote Farbung erteilt, wird dann in absolutem Alkohol abgespiilt und darauf wie oben mit der kombinierten Lésung behandelt. Diese Modifikation hat nur betreffs eines einzelnen, spiter noch zu besprechenden Punktes einen Vorzug, wihrend ihr im iibrigen das sub Ba) angefiihrte einfachere Verfahren gleichkommt. Der Fuchsingehalt der Nachfarbungsfliissig- keit erfiillt hier nur den Zweck, durch eine gewisse Sittigung des Wassers mit diesem Farbstoff dessen Extraktion aus den vorher damit tingierten Teilen zu verhindern. Es ist namlich nicht etwa auf das Fuchsinbad folgend auch eine einfache wasserige Methylgriinlosung zulissig; und ebensowenig wiirde eine Umkehrung dieser Folge zum Ziele fiihren, weil bei derartigem Vorgehen die zuerst eingedrungene Farbe durch das Wasser der zweiten Lésung wieder ausgezogen wird. Wohl aber ist die successive Anwendung einfacher Lésungen in folgender Weise mit gutem Erfolge thunlich. 2) Das Priparat wird zuerst in wiisseriger Methylgriinlosung tingiert, dann 5—10 Minuten lang in absolutem Alkohol entfarbt, darauf in eine absolut-alkoholische moglichst konzentrierte Losung des Siurefuchsins fiir 5—10 Minuten eingestellt, um dann nach Abspiilung in absolutem Alkohol der Xylol-Balsam-Behandlung unterworfen zu werden. Da, wie ich hore, im Handel auch ein in Alkohol ganz un- 1) Wie ich hier nur beilaufig andeuten will, geht aus der eben erwahnten Thatsache wie auch noch aus anderen hervor, daB es eonuse Abstufungen der peti giebt. Den héchsten Grad derselben besitzen die Képfe der amenfaden. 416 Leopold Auerbach, lésliches Séurefuchsin vorkommen soll, so bemerke ich, da’ mein Farb- stoff teils von Grtsier in Leipzig entnommen und mit der Be- zeichnung: ,,Fuchsin G@ nach Weterrt versehen, teils aber auch von Kautpaum in Berlin bezogen war, iibrigens in beiden Fallen auch die- jenigen Reaktionen lieferte, welche in Scuutz und Jutius’ Tabellen (31) als charakteristisch und unterscheidend fiir das Siurefuchsin angegeben sind. Diese Substanz ist aber auch in stirkstem Alkohol in be- deutendem Mabe ldslich, uud zwar mit einer ein wenig ins Violette spielenden Farbung, und liefert, auch so geldst, eine vortreffliche, widerstandsfihige, namentlich durch Alkohol nicht extrahierbare Rot- firbung der Priparate (wahrend im Gegensatze hierzu, wie ich bei- laufig einschalten will, alkoholische Methylgrtinlésung nach meiner Erfahrung gar nicht tingiert). Bei der hier besprochenen Tinktions- folge aber erhalt sich auch die Blaufarbung der kyanophilen Bestand- teile, und sie liefert deshalb schlieflich ganz den Ergebnissen der erst aufgefiihrten Methode gleichende Differenzierungen. C) Sdurefuchsin und Viktoriablau. Da diese beiden Farbstoffe, in wisserigen Losungen zusammen- gemischt, sich sofort unter Bildung eines Niederschlages zersetzen, so ist nur eine successive Anwendung derselben in einer der soeben unter Bb2) angefiihrten entsprechenden Weise, so aber mit bestem Erfolge, ausfuhrbar. Das dem Alkohol entnommene Priparat wird 12—20 Stunden lang in einer wiasserigen, mafig verdiinnten Lésung des Victoriablau gebadet, sodann entweder unmittelbar oder allenfalls nach kurzem Abspiilen in Wasser durch starken Alkohol ca. 10 Minuten lang von dem iiberschiissigen Blaustoff befreit. Das Alkoholbad darf nicht viel iiber die angegebene Zeit verlangert werden, weil ja das Priparat dann nochmals in alkoholischer Fliissigkeit zu verweilen hat und bei prolongierter Einwirkung des Alkohols die Extraktion dieses Blaustoffes zu weitgehend wird. Nach geniigendem Erblassen, dessen richtigen Grad man mit blofBem Auge erkennen lernt, wird das Pri- parat fiir 5—10 Minuten in die alkoholische Losung des Siurefuchsins gebracht, worauf wieder kurze Abspiilung in Alkohol und die Xylol- Balsam-Behandlung folgt. — Auch vom Viktoriablau gilt iibrigens, daf eine alkoholische Lésung desselben keine Firbekraft besitzt; und schon eine makige Beimischung von Alkohol zur wisserigen Lésung beein- trichtigt merklich die Wirksamkeit. Aufer den genannten Doppeltinktionen habe ich aber zum Zwecke der Nachpriifung gewisser Angaben Piarymr’s vielfach auch: D) Alaunkarmin kombiniert mit Bleu de Lyon versucht, nacheinander auf die Praiparate einwirkend, des Vergleichs halber in einzelnen Fallen mit Umkehrung der Reihenfolge, und aufer auf unser diesmaliges Hauptobjekt auch auf die Samenzellen und Samen- fiiden anderer Tiere angewandt, woriiber ich weiter unten noch Niiheres mitteile, Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IT. A17 Sodann aber habe ich mehrfach auch mit: E) Hamatoxylin gefirbt, und zwar teils Béumer’sches nach bekannten Regeln benutzt, teils die Verbindung mit Eisen nach der von M. HeipEnwarn an- gegebenen Methode, mit besonderen, spater zu erwahnenden Er- gebnissen. Die irgendwie gefirbten Priparate wurden aus dem Alkohol immer successive in eine Reihe von Alkohol- Xylol-Mischungen mit steigendem Xylolgehalt, sodann in reines Xylol gebracht, um schlief- lich in mit etwas Xylol verdiinntem Kanadabalsam eingeschlossen zu werden. So viel iiber das Technische, dem ich jedoch noch einiges andere hinzufiigen muf. Es hat sich mir herausgestellt, da& zur richtigen Be- urteilung der spermatogenetischen Vorgange ge- naue Messungen der Samenzellen unentbehrlich sind. Sie kénnen ohne wesentliche Verschiedenheit der Resultate ebenso wohl am frischen wie auch an dem mit Sublimat oder der obigen Sublimat-Alkohol-Mischung geharteten Objekte vorgenommen werden, da, wie ich mich durch besondere Versuche tiberzeugt habe, im letzteren Falle die Gesamtschrumpfung der Zellen, d. h. die Verringerung ihres Durchmessers nur gering, etwa == 1/,, im Durchmesser, jedenfalls im Verhiltnisse zu denjenigen Differenzen, auf die es ankommt, unbetrichtlich ist. Hingegen tritt, wie ich schon erwahnte, bei der Behandlung mit der FLemmine’schen Mischung eine Quellung der Zellen ein, die bis zu '/, im Durch- messer betragen kann, sei dies nun unmittelbare Wirkung des Reagens oder Folge des nachtraglichen Auswasserns. Fiir ver- gleichende Messungen bietet sich iibrigens auch Gelegenheit genug an Objekten, die den gleichen Vorbedingungen ausgesetzt waren. Da in Schnittpraparaten angeschnittene Zellen, resp. kleine ab- getrennte Segmente solcher vorkommen, die gelegentlich Irrtum veranlassen, naimlich einen zu kleinen Durchmesser vortaéuschen kénnen, so ist es am sichersten, die Messungen an Dissociations- praparaten anzustellen; doch schiitzt einige Vorsicht auch bei der Untersuchung von Schnitten vor den zu vermeidenden Fehlern. Genauerer Messungen bedarf man besonders zur Bestimmung der Zellgeneration, mit der man es im Einzelfalle zu thun hat. Und zwar ist die Unentbehrlichkeit dieser indirekten Bestimmungs- weise verursacht durch gewisse Eigentiimlichkeiten des thatigen Paludina-Hodens. Dieser bietet nimlich in jedem einzelnen unter- 418 Leopold Auerbach, suchten Individuum nur einen Bruchteil der sehr zahlreichen Ent- wickelungsphasen dar; und dabei ist weder in der raumlichen An- ordnung der Elemente noch in einer etwa mit der Jahreszeit fort- schreitenden Aufeinanderfolge eine Richtschnur gegeben fiir die Kombinierung der Einzelbefunde. Die in dieser Hinsicht thatsach- lich obwaltenden Verhaltnisse will ich, so schwierig dies ist, ver- suchen, etwas naher zu charakterisieren. Die Produktion des Samens geht mindestens wahrend der warmeren Halfte des Jahres, vom April bis Ende Oktober immer- wahrend vor sich. Gleichwohl findet man immer nur an zer- streuten, weit auseinanderliegenden Stellen der Sekretionsfliche je eine Gruppe von Spermatogonien, waihrend die groBen Zwischen- riume felderweise von anderen Gruppen stets betrachtlich vor- geschrittener, obwohl bis zu verschiedenen Punkten des Prozesses gelangter Elemente besetzt sind. Zu spateren Zeitpunkten werden diese Felder ihrerseits wieder zur Bildung von Spermatogonien schreiten. Innerhalb jeder einzelnen Gruppe befinden sich samt- liche Elemente genau oder doch annahernd genau auf dem gleichen Entwickeluogspunkte. Hingegen stehen die benachbarten Gruppen auf sehr verschiedenen, meist weit auseinanderliegenden Stufen. Niemals findet sich an irgend einer Stelle eine Folge von Ent- wickelungszustianden in geordnetem Nebeneinander, weder schichten- weise noch in flachenhafter oder linearer Aufreihung; vielmehr sind die tiberhaupt im Praparate vorkommenden Phasen mannig- fach zwischen einander verstreut. So grof aber dieser Wirrwarr auch ist, tiber den sich schon friihere Beobachter beklagt haben, so lassen sich demselben doch gewisse Ziige absehen und die Ursachen der Unordnung erkennen. Ich bin zu folgender An- schauung gelangt: Die von einzelnen Flecken der Wandung der Hodenréhrchen ausgehende Produktion der Spermatogonien erfolgt schubweise mit langen Pausen. Ist nun an einem solchen kleinen Felde eine Lage von Spermatogonien erzeugt und gehéren diese zur Entwickelungs- reihe der haarférmigen Spermien, so bleiben sie an ihrer urspriing- lichen Stelle, dicht an dem Entstehungsfelde liegen, allenfalls zu einem rundlichen Haufchen sich zusammenscharend, und machen hier ihre simtlichen Teilungen durch, namlich vier, wie ich anti- cipierend hinzufiige, und auSerdem noch in der letzten, d. i. der fiinften Generation einen Teil der Umbildung zum Samenfaden bis zu einem bestimmten Punkte hin. Dann aber zerstreuen sich diese halbfertigen Samenfiden in das geraumige Innere des Schlauches Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IT. 419 hinein, um hier, zwischen anderen Elementen liegend, vollstandig ausgebildet zu werden. Infolgedessen findet man dicht an der Schlauchwandung angelagert Gruppen oder Haufchen, bestehend, je nach der erreichten Teilungsstufe, aus gréferen oder kleineren Zellen, die aber in jedem einzelnen Haufchen gleich grof und im allgemeinen gleich weit vorgeschritten sind. — Neigt hingegen eine Gruppe der Zellen erster Generation zur Hervorbringung wurmférmiger Spermien, so bleibt sie nur eine kurze Weile an der Schlauchwandung und gerat verhaltnismaBig friih tiefer in die Héhlung des Schlauches hinein, wo sie sich bald unter Aus- einanderweichen der Zellen lockert, beides wohl deshalb, weil ihre Entwickelung in viel kiirzerer Zeit zu einem Punkte gelangt, wo jede der Zellen eines betrachtlichen Spielraumes zur Ausstreckung nach zwei Seiten hin bedarf. — Die in beiden Fallen frei ge- wordenen Stellen der Schlauchwand kénnen nun friher oder spater zu einer neuen Produktion von Ursamenzellen schreiten. Sehr oft geschieht dies erst nach langerer Pause, wihrend deren ein solcher Flachenbezirk meistens von einem Biindel der beinahe reifen, aus dem Inneren wieder nach der Peripherie hingewanderten Samen- fiden der einen oder anderen Form derart eingenommen wird, daf die Spitze des Biindels in die plasmatische Substanz der Wandung eingesenkt ist und hiermit deren produktive Thatigkeit behindert. Auf andere Stellen, denen nur Rundzellen oberflachlich anliegen, mag auch der starke Innendruck, welcher in den mit Zellen und fertigen Samenfaden vollgepfropften Hodenréhrchen zeitweise herrscht, hemmend einwirken. Auf den erwahnten Wechsel des Orts und der Anordnung der Samenfaden werde ich spiter noch zuriickkommen. Hier will ich nur noch hinzufiigen, da diese Be- wegungen wieder Verschiebungen der anderen Elemente und ge- legentlich auch Verdrangungen der erwahnten Zellenhaiufchen von ihrer urspriinglichen Lagerungsstatte bewirken. Nun kénnte man meinen, da8 diese Art fortwahrender Samen- produktion, dieses so oft wiederholte, an verschiedenen Stellen nacheinander erfolgende Einsetzen des spermatogenetischen Pro- zesses fiir den Beobachter sehr giinstig sein miisse durch Dar- bietung aller Entwickelungsstufen in jedem untersuchten Indivi- duum. Leider ist es jedoch bei weitem anders. Es waltet da ein sehr merkwiirdiges Verhalten ob, das sich vielleicht auch an anderen Tieren wiederfinden diirfte, mir jedoch bei Paludina be- sonders auffallig gewesen ist. Wenn man namlick an einem einzelnen Individuum die Haufchen der Samen- 420 Leopold Auerbach, zellen untereinander vergleicht, so zeigt sich, da8 sie zwar auf verschiedenen, jedoch weit auseinander- liegenden Staffeln der sehr langen Entwickelungs- leiter sich befinden. Mit anderen Worten: es sind in jedem mannlichen Individuum zu irgend einem Zeit- punkte jedesmal nur einige Glieder der langen Kette vertreten. Im besonderen aber ergiebt sich dabei, daf, so weit es den mitotischen Zellteilungsprozeh anlangt, alle zu einer und derselben Zellgeneration gehérenden Elemente im ganzen Hodengewebe, und zwar in beiden Ansammlungen desselben, genau oder doch fast genau auf der gleichen Stufe des Prozesses stehen. Es ist dabei wahrscheinlich der rasche Ablauf desselben von einigem Ejinflusse, was ich bald noch naher zu erklaren versuchen werde. Etwas anders ist es deshalb auch mit der letzten Zellgenera- tion, die keiner Teilung unterworfen ist, sondern sich zu den Samen- faden ausbildet, eine Umgestaltungsperiode, die selbst wieder aus einer grofen Reihe von Phasen zusammengesetzt ist und offenbar eine lange Zeit in Anspruch nimmt. Da pflegen sich denn aus dieser Periode in jedem Mannchen, ja sogar im einzelnen Praparate eine gréfere Anzahl von Abstufungen vorzufinden, ohne jedoch eine vollstandige oder eng geschlossene Reihe zu bilden, sondern immer noch liickenhaft, iibrigens immer gruppenweise verteilt, d. h. so, da in jedem einzelnen Haufchen nur eine Phase vertreten ist. Andererseits haben auch die Zellen erster Generation als solche eine langere Lebensdauer, weil sie vor ihrem Eintritt in die Mitose Zeit zu ihrem eigenen und eigenartigen Heranwachsen und Indivi- dualisieren brauchen. Es kommt deshalb vor, daf sich an ver- schiedenen Stellen eines Priparates einesteils Spermatogonien in solchen Anfangszustinden, anderenteils solche mit spiaten Stadien der Mitose darbieten. Fiir die Kernprozesse hingegen gilt das oben Gesagte. Trifft man z. B. Zellen der zweiten Generation ‘im Schleifenstadium, so ist im, gesamten Hodengewebe des In- dividuums massenhaft das Gleiche zu finden, und zwar in Samenzellen dieser Gréfe ausschlieSlich nur dieses Stadium an- zutreffen, wihrend in den iibrigen der Teilung unterworfenen Zellgenerationen noch die eine und andere Phase vertreten ist, hingegen die viel gréfere Anzahl der Zwischenstufen fehlt. Diese letzteren kommen dann wieder in anderen Individuen zum Vorschein. Ks trifft sich freilich ausnahmsweise, daf z. B. in einem Haufchen, dessen Zellen sich im Stadium der Faser- Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. II. 421 spindel mit ,, Aquatorialplatte“ befinden, eine oder ein Paar dieser Zellen ein wenig vorausgeeilt sind, so daf die Teilplatten schon mehr oder weniger voneinander abgeriickt sind. Und ihn- liches geringes Vorauseilen oder Zuriickbleiben einzelner Zellen findet sich hier und da auch in den anderen Stadien. Diese kleinen und seltenen Abweicbungen andern jedoch kaum etwas an der im groSen und ganzen sich bewahrenden Regel. Wenn es nun schon nach dem vorerst Mitgeteilten unzweifel- haft ist, daf an jeder einzelnen Stelle der samenerzeugenden Flache nur von Zeit zu Zeit eine Neuproduktion von Spermatogonien statt- findet, so ist aus dem jetzt Hinzugefiigten meines Erachtens weiter zu schlieBen, da’ eine periodische Neuproduktion jedes- mal an sehr vielen Stellen genau gleichzeitig in Gang kommt, und daf die gleichzeitig entstandenen Zellen sich a tempo weiterentwickeln. Wahrend sie aber damit noch beschaftigt und in ihren Teilungen schon vorgeschritten sind, setzt von anderen Stellen aus ein never Nachschub ein, der das gleiche Tempo innehalt u.s. w. Ein solcher Gang der Dinge liefBe sich in gewissem Grade vergleichen mit einem von einem grofen Chore gesungenen Kanon, bei dem man zu jedem einzelnen Zeit- punkte nur eine kleine Anzahl der in der ganzen Melodie ent- haltenen Tone gleichzeitig zu héren bekommt. Das plétzlich abge- tétete Organstiickchen giebt aber ebenfalls nur das Bild des in einem bestimmten Zeitpunkte nebeneinander Vorhandenen. Nur mochte ich den Vergleich insofern nicht zu weit treiben, als ich nicht be- haupten will, da die Zwischenzeiten der Nachschiibe so genau geregelt und so gleich abgemessene seien, wie bei einem Kanon, und da also, wie in letzterem immer bestimmte Téne zusammen- klingen, so auch in unserem Falle immer genau bestimmte Ent- wickelungsstufen nebeneinander vorkommen. Wenn aber jene Pausen nur iiberhaupt betrachtliche sind, und wenn andererseits die Mitosen alle gleichmafig rasch ablaufen, und damit auch zur unmittelbaren Folge die Zellteilung haben, d. h. Uber- fihrung in die nachste Zellgeneration, so kann offenbar kein Spiterer Produktionsschub mit einem friiheren in der gleichen Nummer der Generationsfolge zusammentreffen, ausgenommen die erste und die letzte Generation. Es ist namlich leicht er- klarlich, da’ in der sich nicht mehr teilenden finften Zell- generation, die als solche sehr lange im Hoden verweilt, weil sie noch eine langwierige Umgestaltung durchzumachen hat, daf also in dieser sich Gruppen aus mehreren Produktionsschiiben 422 Leopold Auerbach, zusammenfinden und daher Gruppen mit je verschiedenen Phasen der Ausbildung nebeneinander vorkommen. Andererseits ist auch das, was ich oben, 8. 420, von den Spermatogonien sagte, sehr wohl mit dem obigen Gedankengange vereinbar. Die eben entstehenden werden erst dann in die Mitose hineingeraten, wenn ihre unmittel- baren Vorginger bereits mindestens zu Zellen zweiter, wenn nicht dritter Generation geworden sind. Es ware erwiinscht, fiir das eben charakterisierte Verhalten einen geniigend bezeichnenden kurzen Ausdruck benutzen zu kénnen, der auch kein Mifverstindnis gestattet. Einen solchen in jeder Beziehung befriedigenden zu finden, diirfte indes schwer sein. Am ehesten kénnte man noch auf Grund des eben gemachten Ver- gleichs die Bezeichnung: ,kanonartige Periodik“ gebrauchen, deren ich mich auch, obwohl sie vielleicht etwas zu viel besagt, eventuell noch bedienen werde. Nach der praktischen Seite hin ergiebt sich aber aus dem Gesagten die Notwendigkeit, die Untersuchung auf eine grofe Anzahl Individuen auszudehnen, wobei man immer noch yom Zu- fall begiinstigt sein mu, um annahernd alle Zustinde der Zellen zu Gesicht zu bekommen. Brunn hat von den Mitosen zu seiner grofen Verwunderung fast nur das Knauelstadium gesehen, diese Kernknauel aber meist in grofen Mengen beisammen gefunden, welche letztere Thatsache ja ganz zu meinen Erfahrungen stimmt. Mit Recht glaubt er, da8 trotzdem spatere Kernfiguren wohl vor- handen und ihm nur aus irgend einem Grunde entgangen sein mégen. Wenn nur die Untersuchung extensiv genug und zugleich unter Anwendung der starksten optischen Hilfsmittel durchgefihrt wird, so gelingt es, in Samenzellen von vier verschiedenen GréSen alle fiir die Mitose im allgemeinen charakteristischen Phasen, und in einer dieser Zellgenerationen noch eine ungewohnliche, besonders eingeschobene, fiir die Spermatogenese specifische zu erkennen. Ill. Ursprung und Teilung der Samenzellen. IIIa) Entstehung der Spermatogonien. Indem ich jetzt zu der Darstellung meiner Befunde im ein- zelnen tibergehe, beginne ich mit dem, was mich meine Beobach- tungen betreffs der Entstehungsweise der priméiren Samenzellen gelehrt haben, zunaéchst mit besonderem Hinblicke auf diejenigen Spermatogenese yon Paludina vivipara, — Abschn. IILa. 423 unter ihnen, deren Nachkommen die haarfirmigen Spermien sind. Das Hodengewebe von Paludina setzt sich bekanntlich aus Blindsicken zusammen, deren blindes Ende im allgemeinen nach aufen gerichtet ist und an die Haut des Kingeweidesackes an- stéBt. Diese Blindsackchen sind aber doch so lang gestreckt, daf sie mehr den Namen von Schlauchen verdienen als denjenigen von Ampullen. Manche derselben sind sogar lang genug, um etwas gebogen oder gewunden zu verlaufen, und zwar derart, da sie auch mit einer Strecke ihrer Langseite der Haut des Eingeweide- sackes anliegen kénnen. Ihre eigene Wandung wird zu auBerst, abgesehen von sehr diinnen, zwischen den Schlauchen sich hin- ziehenden Bindegewebsschichten, von einer fast homogenen, mit sparsamen kleinen blassen Kernen besetzten Haut gebildet. In Ubereinstimmung mit Brunn und Kouter finde ich, dal in den erwachsenen Tieren die Schlauchwandung an ihrer Innen- flache nicht mit einer Lage von Zellen ausgekleidet, sondern von einer kontinuierlichen Schicht eines zarten Protoplasmas iiber- zogen ist (Fig. 1 u. 2), das eine Anzahl grofer, eigentiimlicher, bald niher zu besprechender Kerne einschlieSt, letztere stellen- weise in reichlicher Anhaufung, anderenteils sparsam zerstreut. Bei sehr jungen Tieren scheint dieses kernhaltige Protoplasma nicht blof ein Wandbelag zu sein, vielmehr, vom blinden Ende des Schlauches anfangend, eine Strecke desselben ganz auszufiillen, um erst weiter abwarts hohl zu werden und sich als Wandiiberzug fortzusetzen. Als ein Syncytium diirfte es aus einer nachtraglichen Verschmelzung embryonaler Zellen hervorgegangen sein. Auch wo es als Wandschicht auftritt, ist diese an Dicke sehr ungleich, hier diinn, dort hervorgewulstet. Gegen Ende des Sommers ist sie, durch lange Samenproduktion erschépft, auf ein Minimum redu- ziert, beginnt aber schon im November wieder anzuwachsen. Dieses ungeformte Protoplasma ist nun, wie schon Brunn gefunden hat, reichlich beladen mit goldgelben Trépfchen oder Kiigelchen einer éligen oder doch sehr fetthaltigen Substanz. Ich bemerke, daS von letzteren nach Einbettung in Paraffin und an Balsampraéparaten tiberhaupt nichts zu sehen ist, falls Alkohol, Sublimat, Pikrinsiure zur Hirtung des Objekts angewandt waren, weil die mit jenem Verfahren yverbundene Xylolbehandlung oder irgend eine analoge alle fettigen Substanzen aus dem Objekte auszieht. Selbst starker Alkohol extrahiert schon bei gewéhnlicher Temperatur einen griingelben Stoff, der nur zu einem kleinen Teile den Pigmentzellen der Haut entstammt, groftenteils aus jenen Einlagerungen in das Hoden- protoplasma. Um in letzterem die Erscheinung der goldgelben Kiigelchen 424 Leopold Auerbach, als solche wahrzunehmen, muf man entweder ein dem lebenden Tiere entnommenes Stiickchen des Hodens in dessen Blute zerzupfen, und zwar ohne allzu weit gehende Zertriimmerung, oder nach Hartung in Sublimat und kurzem Auswiissern aus freier Hand einen moglichst diinnen Schnitt anfertigen und diesen nach Aufhellung durch Glycerin untersuchen. Es zeigt sich, dai die goldgelben Koérperchen von sehr verschiedener GréSe sind, von feinsten Kiéruchen bis zu 3 und selbst 4 « Durchmesser. Meist iiberwiegen die feinen; doch kommen auch Stellen yor, und besonders gehiiuft in einzelnen Individuen, wo die erofen, tropfenihnlichen vorherrschen. Ich erwahne diese Einzel- heiten, weil sie spater bei einer kontroversen Frage in Betracht kommen werden, und weil diese fettigen Kérperchen, wie schon Bruyn hervorgehoben hat, in die Samenzellen iibergehen und eine Art Dotter- stoff darstellen, der in den Zellen allmihlich verbraucht wird. — Man kann indessen diese Dotterkiigelchen auch fiir Balsampriparate fixieren und so, wenn auch mit anderer Firbung, in haltbarer Weise zur An- echauung bringen dadurch, da’ man eine Osmiumsiure enthaltende Lésung, am besten die Fremmine’sche, zur ersten Hartung benutzt. Die gelben Trépfchen werden da geschwiirzt und in dieser Verbindung widerstehen sie der lésenden Kraft des Xylols und der dtherischen Ole; oder vielleicht bleibt auch nur an ihrer Stelle das reduzierte Osmium zuriick. Genug, sie erscheinen als schwarze Koérperchen im Balsampriiparate wieder. Man sieht dann in den Durchschnitten der Hodenréhrehen das Lumen eines jeden umsdéumt von einem Kranze der schwarzen Kiigelchen (Fig. 1), was namentlich bei stiirkerer Ver- gréBerung ein sehr zierliches Bild darbietet. Auch kommt erst so die wahre Dicke des Wandbelages oder Keimlagers zur richtigen An- schauung, wahrend in anderweitigen Praparaten nach Extraktion der so zahlreichen Dottertrépfchen die ganze Schicht in sich zusammen- sinkt und zum Teil wie zerrissen aussieht. Auch ist die Verfolgung des Schicksals der Dotterkérperchen nach deren Ubertritt in die Samenzellen nur bei diesem Verfahren méglich, bei dem man freilich auch einige Nachteile mit in den Kauf nehmen muf, Die erwibnten Kerne des Wandungs-Protoplasmas sind (Fig. 2 Smk u. Fig. 3), entsprechend ihrer Einlagerung in eine diinne Substanzlage, sehr abgeplattete Gebilde, in der Flachenansicht aber yon stattlicher GréSe. Umfang und Form derselben kann man vorzugsweise in Dissociationspraparaten ermitteln, in denen sie viel- fach isoliert sich darbieten und sich natiirlich meist auf die flache Seite legen. Aus solchen Praparaten wiirde man freilich nicht er- schlieBen kénnen, wo diese Kerne in situ sich befunden und welchen. feineren Teilen sie angehért haben. Es ist deshalb giinstig, daf doch auch in Schnittpriparaten einzelne Stellen sich finden, wo ein Teil der Schlauchwand flachenhaft in die Ebene des Schnittes gefallen ist und so eine Flachenansicht und Identifizierung der Kerne gestattet, die tibrigens auch durch ihre sonstigen Higen- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, IILa. 425 tiimlichkeiten erleichtert wird. Hinsichtlich ihrer Form zeigt sich nun, dafi sie in der Ansicht auf die flache Seite bald einer ziem- lich lang gestreckten Ellipse, bald mehr dem Langsschnitt einer dicken Spindel gleichen oder auch von unregelmafigem Kontur begrenzt, tibrigens aber, obwohl alle von ansehnlicher, so doch von ungleicher Gréfe sind. Der Langsdurchmesser schwankt zwischen 15 und 34 w, der Querdurchmesser von 14—24 uw, und es kommen Verhaltnisse vor, wie 26:8, 24:15, 19:15, 15:14 und andere dazwischen liegende. Der mittlere Durchmesser des einzelnen Kerns aber wechselt nach meiner Schitzung von 14—30 wu, was ich nur anfiihre, um von der ungleichen Gréfe dieser Kerne eine ungefahre Vorstellung zu geben. Sie lassen eine sehr deutliche und scharf begrenzte Kernmembran erkennen und sind im Innern sehr reichlich granuliert. Diese Granulierung hat aber das Charakte- ristische, dafi immer neben sehr feinen Kérnchen eine Schar gréBerer, kugelig geformter Innenkérper hervortritt (Fig. 3), die in jedem einzelnen dieser Kerne von ziemlich gleichmafigem Durchmesser sind, hingegen bei Vergleichung der Kerne untereinander an Groéfe variieren. Und zwar sind sie um so ansehniicher, je geringer ihre Anzahl im Verhaltnis zur Gréfe des ganzen Kerns ist. Ihr Durch- messer schwankt demnach von ca. 1~—2,5 w, ihre Anzahl im ein- zelnen Kerne von 4—20—30. In den letzteren Fallen sind nur sparsam feine Kérnchen dazwischen gelagert. Es la8t dies alles vermuten, dali wahrend des Lebens mannigfache Veranderungen an ihnen vor sich gehen mégen, Anwachsen, Teilungen, Ver- schmelzungen jener gréferen und kleineren Inhaltskérperchen, Vor- gange, die méglicherweise zu der noch zu erwdhnenden Vermeh- rungsweise der Kerne in Beziehung stehen. — Was die tinktio- nellen Reaktionen dieser Kerne anlangt, so hat schon Brunn bei seinen einfachen Tinktionen gefunden, da sie durch eine hoch- gradige Chromatophilie ausgezeichnet sind. Bei meinen Doppel- tinktionen nun zeigte sich, da8 sie in allen ihren Bestandteilen nicht nur zunachst beide Farbstoffe, den roten wie den blauen, in reichlicher Menge aufnehmen, sondern auch wahrend der Ent- farbung in Alkohol den blauen sehr lange festhalten, demnach erst spiter als die tibrigen Bestandteile des Praparats eine farbige Differenzierung erhalten. Ist aber diese erreicht, so erscheinen die feinen Koérnchen teils lichtblau, teils rein rot, wahrend die groéferen Innenkugeln eine violette bis kirschrote Farbung zeigen. Letztere Mischfarbe scheint mir dafiir zu sprechen — und ich werde spiter noch weitere Griinde fiir diese Auffassung bei- Bd. XXX. N. F. XXIII. 28 426 Leopold Auerbach, bringen — daf die Substanz der gréferen Kugeln aus zweierlei durcheinander gemischten Molekiilen besteht, die nach der Tinktion, wenn man jedes fiir sich betrachten kénnte, teils rot, teils blau aussehen wiirden. Die Dunkelheit des kombinierten Farbenein- drucks wiirde sich aus der abwechselnden und summierten Ab- sorption roter und blauer Lichtstrahlen erklaren, wie es ja ganz iihnlich bei der oben, S. 414, sub. Ba aufgefiihrten kombinierten Farbstofflésung der Fall ist. Hinsichtlich der Form dieser Kerne aber bedarf das oben Angegebene noch einer Ergiinzung. Brunn hat eine Proliferation dieser Kerne auf dem Wege multipler Teilung beschrieben. Ich habe nun auch 6fters tiefe und scharfe Einschniirungen gefunden, durch die der Kern ein gelapptes Aussehen erhalt, ferner dicht an einen solchen anschliefend einen kleinen runden Kern von sonst dhnlicher Beschaffenheit, was ganz den Eindruck machte, als sei er ein abgeschniirter Teil des gréferen. Ferner kam es vor, dafS eine Kette von 3 bis 4 dhnlichen Kernen von mittlerer Grife die Stelle eines grofen vertrat (Fig. 3c und d). Hin- sichtlich der Deutung dieser Erscheinungen trage ich kein Be- denken, mich Brunn anzuschliefen in der Annahme einer Pro- liferation auf dem Wege amitotischer Teilung. Diese scheint mir iibrigens vorzugsweise in den ersten Frihlingsmonaten reichlich im Gange zu sein. Ich mache noch darauf aufmerksam, daf sich auf diese Weise auch die auffallend ungleiche Gréfe der besagten Kerne erklirt, die doch ihre Ursache haben mu und sehr wohl darin haben kann, daf einerseits die einzelnen durch reichlichere und geringere Abschniirung von Tochterkernen mehr oder weniger an Substanz und Umfang verloren haben, und daf andererseits manche der kleinen Tochterzellen unter Bewahrung ihres allgemeinen Charakters allmahlich wieder zur vollen Groéfe heranwachsen. Letztere Annahme hat zur Voraussetzung, dal mindestens ein Teil der Tochterkerne zum Ersatz ihrer Mutter- kerne und zur Fortfiihrung derselben Funktion bestimmt ist. Daran schlieBt sich aber die wéitere Frage, ob nicht den anderen, und zwar dann wohl der Mehrzahl jener Tochterkerne eine weiter- gehende Bestimmung, nimlich eine direkte Beziehung zur Spermato- genese zukomme. Hierfiir aber kommen die folgenden Thatsachen in Betracht. Neben jenen grofen, zum Teil gelappten oder kettenformig zerfallenden Kernen sind in dem Wandungsprotoplasma der Hoden- schlauche zeitweise in grofer Menge kleine runde Kerne sichtbar, Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. IIa. 427 die wohl isoliert, wenn auch meist gruppenweise versammelt sind, je zwei griéBere Innenkiigelchen neben feinen Kérnchen einschlieSen und sich tinktionell wie die grofen verhalten. Die Art ihrer Zu- sammenordnung deutet darauf hin, daf die zu einer Gruppe ge- hérigen wohl aus einem gemeinschaftlichen Mutterkerne entstanden sein mégen. Von diesen kleinen Rundkernen nun geht unzweifel- haft die Bildung der Samenzellen aus. Nach Brunw sollen sie durch ein- bis zweimalige mitotische Teilung diejenigen Kerne liefern, um welche sich die Samenzellen erster Generation bilden. Nach meinen Beobachtungen jedoch kommen an ihnen, solangesieim Wandungsprotoplasma liegen, keine Mitosen vor, und sie sind vielmehr bestimmt, unmittel- bar zu den Kernen der Spermatogonien zu werden, eine Differenz der Wahrnehmungen, die ich weiter unten hoffe aufklairen zu kénnen. In jedem Falle gehen sie mitotischen Teilungen entgegen, mit der Aufgabe, an sich wie durch ihre Abkémmlinge die wichtigste Rolle in der Spermatogenese zu spielen. Es ist nur eben die Frage, ob sie von jenen ersterwihnten grofen abstammen, und zwar, da an letzteren mitotische Vorginge nie zu beobachten sind, als Produkte der vorhin besprochenen amitotischen Ab- schniirungen. Schon Brunn hat diese Frage bejaht und diese Art der Abkunft mit aller Bestimmtheit behauptet; und er hat deshalb den grofen Kernen des Wandungsprotoplasma den Namen: ,»samenmutterkerne* gegeben. Ich kann meinerseits nur sagen, daf auch ich einen solchen Zusammenhang nach dem Gesammt- eindrucke der Erscheinungen fiir durchaus wahrscheinlich halte, um so mehr als ich nicht absehen kann, woher die spermato- genetischen Kerne sonst ihren Ursprung nehmen sollten. Man kénnte sich ja vorstellen, dafi in einer friiheren Lebensperiode des Tieres besondere Mutterkerne vorhanden waren, als deren Abkémmlinge, die jetzt in Rede stehenden durch immer von neuem wiederholte Teilungen sowohl fiir die Samenbildung als fiir ihre eigene Fortpflanzung sorgen. Aber eine solche Vermutung wirde in dem Thatsichlichen, wie es sich mir darstellte, keine Unter- stiitzung finden. Es spricht dagegen erstens, daf die Rundkerne des Wandbelages oder Keimlagers in jeder sommerlichen Fort- pflanzungsperiode zur Bildung von Spermatogonien derart ver- braucht werden, daf’ von ihnen im Herbste nichts mehr zu finden ist und schwerlich noch einige iibrig geblieben sein kénnen, von denen, etwa mittels reichlich wiederholter Teilungen, eine neue Epoche der Spermatogenese ausgehen kénnte, wahrend anderer- PA 428 Leopold Auerbach, seits von den ,,SSamenmutterkernen“ immer genug vorhanden sind. Auch ist ein anderer Zweck der Proliferation der letzteren weder einleuchtend noch vermutungsweise zu begriinden. Ubrigens ist ja auch in anderen Falleu von mehreren Beobachtern als Einleitung des spermatogonetischen Prozesses eine direkte Kernteilung wahr- genommen worden, auf welche dann erst eine Reihe mitotischer Teilungen folgt, so von La VaAverre (15) und Nusssaum (17) und es sind auch analoge Wandungskerne an Hodenréhrchen oder Hodenacinis schon friiher als Ersatzkeime aufgefaSt worden, wie von GROBBEN (9). Es wire demnach in unserem Falle kaum ndétig gewesen, die gleiche Ansicht ausfiihrlicher zu verteidigen, wenn nicht neuerdings, da das Vorkommen amitotischer Kernteilungen nicht mehr zu bestreiten ist, doch die Neigung herrschend wire, der letzteren mindestens jede nachhaltige und nachwirkende repro- duktive Bedeutung abzusprechen und sie sogar als Anzeichen einer gewissen Entartung, namentlich eines Riickschrittes der pro- duktiven Fahigkeit anzusehen. Wenn der direkten Kernteilung iiberhaupt eine Zellteilung folge, resp. um einen so abgespaltenen Kern eine junge Zelle sich bilde, so sollen doch diese Tochter- zellen zu keiner weiteren Vermehrung Anlage haben und nament- lich nicht mehr imstande sein, wieder in mitotische Prozesse einzutreten. — Vergl. u. a. E. H. ZreGLER u. vom Ratu (20a, 29, 30). Dieser Ansicht wiirde ja der vorhin angenommene Verlauf unseres Falles ganzlich widersprechen. Indessen ist die allge- meine Frage des Wertes der amitotischen Teilung doch wohl noch nicht in jenem Sinne spruchreif; und es ist jene ihr ungiinstige Meinung, so sehr sie fiir eine Reihe von Fallen zutreffen mag, doch noch nicht der Ausdruck eines derartig gesicherten allge- meinen Gesetzes, dafS im einzelnen Falle die Beurteilung des Thatsachlichen sich danach zu richten hatte. So denkt iiber die Sache neuerdings auch Fremmine (8f). Ubrigens sind mir Degenerationserscheinungen an den fraglichen Kernen, wie solche RatH an den homologen Wandungskernen bei Astacus beob- achtet hat, an unserem Objekt in keiner Jahreszeit begegnet. Betreffs unseres Falles aber spricht eben — wenigstens fiir so | lange, als nicht positive gegenteilige Wahrnehmungen vorliegen werden — aller Anschein dafiir, daf die grofen Proto- plasmakerne der Hodenschliuche als Samen- mutterkerne fungieren, indem sichvon ihnendurch amitotische Teilung, resp. durch multiple Zer- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IILa. 429 schniirungen Tochterkerne abspalten, die spater die Kerne der Samenzellenliefern, wie das schon Brunn angenommen hat. Wie geschieht das nun? Brunn hat des weiteren behauptet, daf die auf dem angegebenen Wege entstandenen Rundkerne, wahrend sie noch in dem ungeformten Wandungpsrotoplasma eingebettet sind, eine mitotische Teilung durchmachen, auf welche wohl auch eine zweite folge. Diese Angabe kann ich aber, wie gesagt, nicht bestitigen; denn ich habe nicht nur niemals der- artiges gesehen, sondern auch gewisse, weiter unten zu besprechende Verhaltnisse kennen gelernt, welche jene Angabe als dadurch ver- anlaft erklaren kénnen, daf Brunn einige mitotische Teilungen, die in Wirklichkeit an wohlformierten, im Lumen des Schlauchs aber nahe seiner Wandung gelagerten Zellen sich abspielen, in- folge einer Mangelhaftigkeit einzelner seiner Praparate irrtiimlich in das Wandprotoplasma verlegt haben diirfte. Entgegen seiner Darstellung kann ich nach meinen Wahrnehmungen nur annehmen, daf8 die von den Samenmutterkernen abgeschniirten Rundkerne selbst und unmittelbar zu Kernen der Spermatogonien werden, resp. ausnahmsweise zu Kernen gewisser runder Mutterzellen der Spermatogonien, von denen ich noch zu sprechen haben werde. Von letzterer Variante einstweilen abgesehen, ist aber die gewohnliche unmittelbare Entstehungsweise der Spermatogonien so, wie sie schon Brunn und KoEster geschildert haben. Indem der Rundkern gegen die innere freie Fliche der Protoplasmaschicht vorriickt, w6lbt sich ein Buckel der letzteren tiber ihn empor, und dieser streckt sich allmahlich immer weiter in die Héhlung des Schlauchs hinein aus, den Kern unter seiner Kuppel tragend und an seinem entgegengesetzten Ende sich erst halsartig verengernd und dann zuspitzend, worauf er eine Zeitlang mittels eines kurzen, diinnen Fadchens an dem Wandbelag hangen bleibt. Der so her- ausgewachsene Kérper hat also die Gestalt eines auf der Spitze stehenden Kegels mit gewélbter Basis. Da fast immer von einer ganzen Gruppe nahe bei einander gelegener Kerne der namliche Bildungsproze8 gleichzeitig ausgeht, so sieht man in den Schnitt- bildern meistens eine Reihe solcher kegel- oder keulenformiger Zellen, eine dicht neben der anderen, zum Teil sich an den Seiten- wanden abplattend, ihre Kerne aber alle nahe der freien Basal- fliche tragend (Fig. 1, 2, 4,9). Jedoch kommt es bei sehr dichter Zusammendrangung dieser herauswachsenden Kérper auch vor, daf ein und der andere derselben die umgekehrte Gestalt annimmt, 430 Leopold Auerbach, mit der breiten Basis in den Wandbelag iibergehend und sich mit dem zugespitzten Teile in die Liicke zwischen den benach- barten, normal gestellten Kegeln einzwangend; und dann liegt sein Kern aufer der Reihe der iibrigen in dem breiten, der Wandung nahen Teile des Kegels (Fig. 4 bei a). Die normal ge- stellten aber bleiben nicht lange im Zusammenhange mit dem Wandungsprotoplasma. Der kurze, von der Spitze ausgehende Faden reift; und damit ist die Zelle von ihrem Mutterboden los- gelést, worauf sie sich bald zu einer vollkommenen Kugel ab- rundet und das freigewordene Spermatogonium darstellt. Auch diese Verainderungen machen im allgemeinen die zu einer Gruppe gehérigen Elemente gleichzeitig durch, infolgedessen gewohnlich ein Haufchen solcher kugelférmigen Spermatogonien in unmittelbarer Nahe der Schlauchwandung zu finden ist (Fig. 1 und 2 Sg.). Bei sehr praller Anfiillung eines Schlauchs durch Zellen und Samen- faden kénnen auch die Spermatogonien eines Haufens durch gegen- seitige Pressung zeitweise polyedrisch werden. Nur die wenigen umgekehrt gestellten Kegel kénnen den beschriebenen Ablésungs- prozeB nicht ebenso schnell mitmachen wie die anderen, bediirfen vielmehr zu diesem Zwecke erst einer Umformung. Nachdem sie durch Abriicken ihrer Nachbarn freien Raum gewonnen haben, schiebt sich die Hauptmasse der Leibessubstanz mit dem Kerne nach dem freien Ende, so da’ das aufsitzende Ende diinn und so die Ablésung der Zelle vorbereitet wird. So erklare ich mir den gelegentlichen Befund einzelner, noch keulenférmiger, in das Haufchen der Kugeln hineinragender Zellen. Im typischen Verlaufe der Spermatogenese treten die so ge- bildeten Samenzellen erster Generation, welche nach ihrer Ab- rundung im natiirlichen Zustande gegen 15 «~ Durchmesser aufweisen und einen blaschenférmigen Kern von ca. 7 4« Durchmesser enthalten, ohne vorher zu wachsen, in kurzer Frist in diejenigen inneren Veranderungen ein, die mit der Bildung eines Nebenkerns beginnen, dann in einen mehrgliedrigen mitotischen Proze’ tiber- gehen und eventuell durch diesen hindurch zur Zweiteilung und damit zur Herstellung der zweiten, aus kleineren Zellen bestehenden Generation fiihren. Ich sagte ,,eventuell, weil letzteres nur bei’ denjenigen Zellen der Fall ist, deren Nachkommen zu haarférmigen Spermien werden. Die Einleitung zur weiteren specifischen Um- bildung beginnt also meist binnen kurzer Zeit nach Ablésung der Primarzelle. Ja es ist sogar, obwohl nicht die Regel, doch gar nicht selten, daf schon zur Zeit der Kegelform der Zellen, Spermatogenese von Paludina yvivipara, — Abschn. IIa. 431 noch wahrend ihrer Anheftung am Keimlager die Bildung des Nebenkerns in Gang kommt und bis zu dessen vollstandiger Herstellung ablauft (Fig. 9), und da’ dann erst, jedoch vor Be- ginn der eigentlichen Mitose, die Ablésung der Zelle erfolgt. Dies mute ich hier vorlaufig im allgemeinen erwahnen, obwohl ich nicht sogleich zu einer genaueren Schilderung dieser wichtigen Vorgange tibergehen kann, weil vorher noch gewisse bemerkens- werte Varianten der anfanglichen Schicksale der Zellen erster Generation, resp. modifizierte Entstehungsweisen der Spermatogonien zu besprechen sind und auferdem der feinere Bau der letzteren noch etwas niher ins Auge zu fassen ist. Anlangend den ersteren Punkt, so sei nochmals betont, daf der eben angegebene Gang der Dinge der regelmafige und bei weitem vorherrschende ist. In den warmeren Monaten des Jahres ist bei der Mehrzahl der Individuen im Hoden tiberhaupt keine Zelle zu finden, die einen Durchmesser von mehr als 14 w hatte; diese gréften aber sind ihrem Volumen nach augenscheinlich iibereinstimmend mit den noch kegelférmigen, der Wandung an- hangenden, sind also Zellen erster Generation, die sich im tibrigen entweder durch wiederholte Teilungen in immer kleinere Tochter- und Enkelzellen als Spermatogonien erweisen, oder aber zum anderen Teile, wie wir noch sehen werden, als Bildungszellen der wurmférmigen Spermien fungieren. Daneben kommen jedoch zeitweise, und zwar anscheinend am haufigsten zu Ende des Winters und im ersten Friihjahr, frei in der Héhlung der Hodenschlauche liegend, gréfere Rundzellen und eigentiimliche Zellenkomplexe vor. Bei deren Beschreibung werde ich diejenige Gréfe des Zell- kerns, die nach Obigem den Spermatogonien eigen ist, also einen Durchmesser desselben von 7 w als Normalgréfe bezeichnen. Zuerst erwihne ich nun einkernige, meist auch gruppenweise vorkommende Kugeln von 15—16 w Durchmesser mit entsprechend vergréBertem Kerne, sodann noch gréfere, zweikernige von 17 ww Durchmesser, also nach einer leicht anzustellenden Be- rechnung von dem doppelten Volumen der Spermatogonien, wahrend ihre beiden Kerne wieder normalen Durchmesser haben (Fig. 6a), ferner andere zweikernige von 18—20 w Durchmesser mit wieder vergréBerten Kernen und schlieSlich vierkernige Ballen von 21—22 u Durchmesser, also dem vierfachen Volumen der Spermatogonien mit Kernen, die wieder von normalem Durch- messer sind (Fig. 6c). Eine noch héhere Steigerung der Gesamt- gréfe und der Kernzahl ist an solchen ungegliederten Kugeln von 432 Leopold Auerbach, mir nicht beobachtet worden; ich habe indessen auf Grund einer bald zu erwaihnenden Thatsache Veranlassung, zu vermuten, dah derartiges doch, wenn auch seltener, vorkommt. — Daran, daf alle diese Gebilde etwa Kunstprodukte seien, im besonderen durch die Behandlung des Objekts abgeléste und dann abgerundete Portionen des Keimlagers, ist gar nicht zu denken. Gegen diesen Verdacht mu8 ich sie schiitzen im Hinblick auf eine Auerung Brunn’s, die sich wahrscheinlich auf sie bezieht. Er schaltet namlich in seine Besprechung des Knauelstadiums der Samen- zellen folgende Zwischenbemerkung ein: ,,Zur ungefalschten Er- kenntnis dieser Verhiltnisse ist es nétig, gewisse Vorsichtsmah- regeln bei der Beobachtung im Auge zu behalten. Zerzupft man den Hodeninhalt frisch im Blute des Tieres, so bilden sich infolge der weichen, beinahe fliissigen Konsistenz des Protoplasmas zahl- reiche Koérper, welche die Vorstellung erwecken, als ob die Kerne in runden Zellen eingeschlossen seien. Das gemeinschaftliche Protoplasma ist zerstért worden, und jeder Kern hat einen mehr oder weniger starken Mantel davon erhalten. Durch denselben Vorgang sind auch die bisweilen sehr groBen Kernkugeln zu er- klaren, die schon vielfach zu falschen Vorstellungen veranlaft haben. ... Auch auf Schnitten begegnete ich derartigen Kunst- produkten, aber nur selten.““ Obwohl aus dem Zusammenhange seiner Darstellung nicht véllig klar hervorgeht, auf welche Dinge diese Bemerkungen Brunn’s sich beziehen sollen, so erscheint es mir doch, als habe er die hier in Rede stehenden tibergro8en, teils ein-, teils mehrkernigen Kugeln im Auge gehabt. Auf diese aber ist seine Auffassung gewif nicht anwendbar. Vorerst muf ich bemerken, daS in Zupfpraparaten Fetzen des Protoplasma- belags der Schlauche sehr haufig vorkommen, ohne daf sie sich zu Kugeln abgerundet hatten, und daf tiberdies derartige Bruch- stiicke des Keimlagers immer mit den diesem eigenen goldgelben Fettkérnchen beladen, die grofen kernhaltigen Kugeln dagegen von solchen frei sind. Sodann aber spricht absolut gegen die Deutung der letzteren als mechanisch auf jene Art entstandene Artefakte der Umstand, daf sie nicht blof nach Zerzupfen des frischen Hodengewebes, sondern auch ebenso oft nach Erhartung. des Organs in Schnitten desselben anzutrelfen sind. AuSerdem aber fordern die wichtigen, jetzt noch hinzuzufiigenden That- sachen zu einer ganz anderen Erklarung auf. — Es kommen nimlich haufig genug aufer den aus einheitlichem Protoplasma bestehenden zweikernigen Kugeln von ca. 17 mw Durchmesser Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IIIa. 433 messer auch ebenso grofe vor, deren Kérper jedoch durch eine zwischen den beiden Kernen hindurchgehende Scheideflache in zwei gleiche Halften geteilt ist (Fig. 6b), also eigentlich aus zwei halbkugeligen, mit den ebenen Flachen sich beriihrenden Zellen besteht. Am Rande dieser gemeinschaftlichen Grenzfliche ist zu- weilen ein kleiner Kinschnitt als Zeichen einer ringsherum laufenden, seichten, aber spitzwinkeligen Furche zu bemerken. Jede der beiden halbkugeligen Zellen hat natiirlich das Volumen einer Spermato- gonie. Dementsprechend finden sich auch unter den vierkernigen Kugeln von tiber 20 « Durchmesser solche, die in zwei aufeinander senkrechten Richtungen zerkliiftet, also ganz ahnlich aus vier Zellen mit je einem Kern zusammengesetzt sind, wie ein Froschei auf der zweiten Furchungsstufe (Fig. 6d). Aus dem Gesamt- volumen des Komplexes ergiebt sich fiir die GréBe der Teilzellen das gleiche Resultat wie vorhin. Ja, ich begegnete sogar ein paar- mal Fragmenten noch umfangreicherer Komplexe von keilférmigen Zellen der némlichen Gréfe, die so viel erkennen lieBen, daS mehr als vier der letzteren, vielleicht acht zu einer Kugel zusammen- gefiigt waren. Diese sind es eben, die mich vermuten lassen, daf auch bis achtkernige ungeteilte Ballen vorkommen mégen. Hinzu- fiigen mu ich noch, daf die zwei- und mehrgliederigen Komplex- kugeln gewohnlich in anderen Individuen anzutreffen sind als die ungeteilten. Das kann nach friither (S. 420—422) Gesagtem nicht im geringsten hindern, einen Zusammenhang zwischen beiden Reihen vorauszusetzen. Dieser aber ist, wie ich nicht zweifle, folgender. Unter Umstainden, namentlich bei niederer Temperatur, tritt eine Hemmung der eigentiimlichen Umbildungen der Hodenzellen erster Generation ein. Anstatt, wie sonst, sofort zur Mitose und typischen Weiterentwickelung iiberzugehen, wachsen sie zunachst unter Aufnahme von Nahrungsmaterial zu gréferen Zellen heran. Sobald sie ungefahr das doppelte Volumen erreicht haben, tritt Zweiteilung des Kerns ein und O6fters bald darauf zwischen den beiden jungen Kernen, in einem gréften Kreise der Kugel, Ein- und Durchfurchung und damit Zerfillung in zwei gleiche halbkugelige Zellen. Andere Male jedoch bleibt nach der ersten Kernteilung einstweilen die Furchung aus; die Zelle waichst weiter bis annahernd zum Vierfachen des urspriinglichen Volumens, worauf nochmalige Kernteilung, also Herstellung einer vierkernigen Zelle und dann doppelte Furchung mit Spaltung in vier den Kugelraum ausfiillende Zellkérper folgt. Zuweilen scheint auch diese Art der Vermehrung noch einen Schritt weiter zu gehen. So plausibel 434 Leopold Auerbach, mir indes diese Deutung der Dinge schien, sobald ich die er- wahnten Befunde gesammelt hatte, so litten doch die Beobachtungen einstweilen noch an einem Mangel, der einige Zweifel in mir auf- recht erhielt, namentlich nach der Richtung hin, ob nicht etwa Zusammentreten und Verschmelzung von Zellen die beschriebenen Erscheinungen verursachen kénnte. Gegen einen solchen Modus sprachen freilich die unverkennbare Vergréferung einzelner Kerne und einkerniger Zellen. Wag mir aber noch fehlte, lag darin, da8 ich langere Zeit hindurch von dem Vorgange der Kernteilung selbst an diesen groSen Gebilden nichts zu Gesichte bekommen hatte, weder Mitosen noch Anzeichen einer direkten Kernzerschnii- rung. Spater aber stief ich doch auf ein Individuum, das reich- liches Material zur Ausfiillung auch dieser Liicke bot, namlich zahlreiche jener tibergrofen, ein- bis vierkernigen Rundzellen, und unter den zweikernigen reichlich solche, deren beide Kerne sich in deutlichster Mitose, namentlich im Knauel- und Schleifenstadium befanden, resp. in einem Dauerpraparate noch befinden. Es sind also mitotische Prozesse, die in den hypertrophischen Primar- zellen des Hodens zur Kernvermehrung und Furchung fiihren. Eine sich darbietende Frage wire noch die, ob in mehr als zwei- gliedrigen Komplexen immer die Furchung erst nach Herstellung von vier oder mehr Kernen eintritt, oder ob auch nach der ersten Zweiteilung der Zelle noch ein weiteres Anwachsen der agglutiniert bleibenden Tochterzellen stattfinden und von er- neuter Mitose und Zerkliiftung gefolgt sein kann. Jedoch habe ich fiir letzteren Modus keine Anhaltspunkte gefunden, wahrend fiir den ersteren die vierkernigen ungeteilten Protoplasmaballen sprechen. Wenn sich nun hierin ein Unterschied gegen den ge- wohnlichen Typus der Eifurchungen zeigt, so ist nicht zu ver- gessen, daf in unserem Falle ein anderes Moment hineinspielt, indem die gesteigerte Zerkliiftung an Zunahme der Gesamtmasse durch Wachstum gekniipft ist. Im ganzen haben diese Vorgange auch Ahnlichkeit mit den Anfangsstadien desjenigen, der im Hoden verschiedener Tiere zur Bildung von Samenfollikeln oder Spermato- cysten fiihrt, deren oberflachliche Elemente eine Hiillmembran konstituieren '). In unserem jetzigen Falle kommt es indessen ~ niemals zu einer solchen und iiberhaupt nicht zu so kleinzelligen Anhaufungen. Auch ist die Bestimmung des Vorganges eine andere. Das Ziel desselben kann nur darin bestehen, da& auf 1) z, B, auch bei Dytiscus marg. (6, S. 186). Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIa, 435 einem Umwege wiederum Spermatogonien geliefert werden, und zwar Spermatogonien in dem weiteren Sinne des Worts, daf darin die Ursprungszellen ebensowohl der haarférmigen, wie der wurmférmigen Spermien inbegriffen sind. Wenn zu irgend einem Zeitpunkte die halbkugeligen oder keil- oder pyramiden- formigen Zellen sich voneinander lésen und abrunden, so miissen sie nach ihrer Gréfe, ihrem Bau und ihren ererbten Qualitaten den direkt entstandenen Spermatogonien gleichen. Auf diesem Wege sind sie auch gelegentlich zu ertappen. In Zupfpraparaten fand ich wiederholt eine Gruppe entsprechend grofer kegelférmiger Zellen, die mit ihren in kurze Faden ausgezogenen Spitzen in einem Punkte zusammenhingen, also radial gegen ein gemein- schaftliches Centrum gerichtet waren, eine Anordnung und ein Rest von Zusammenhang, die sich leicht auf die eben erdrterten Verhaltnisse zuriickfiihren lassen, hingegen, so viel ich sehe, auf nichts anderes. Es schiebt sich demnach unter Umstinden zwischen die Entstehung der primaren Hodenzellen und deren typisch spermatogenetische Teilung, eine intermedidre, andersartige, namlich mit Wachstum verbundene und der Form nach furchungs- ahnliche Proliferation ein, deren Endprodukte wieder den Primarzellen gleichen und deren ge- wohnliche Rolle tibernehmen. Das letztere ist freilich eine Annahme, die augenblicklich nicht ganz positiv bewiesen werden kann, jedoch héchst wahrschein- lich ist, weil eine andere Verwendung nicht abzusehen ist. In dem Falle, der in Fig. 6d abgebildet ist, hat in den 4 keil- formigen Tochterzellen bereits die Bildung des Nebenkerns stattge- funden. Diese Einleitung zur Mitose kénnte nun auf die Herstellung eines achtteiligen Komplexes hinzielen, Noch wahrscheinlicher ist es jedoch, daf die 4 Zellen nahe daran sind, sich voneinander zu trennen, sich abzurunden und dann unmittelbar in die spermatogenetischen Prozesse einzutreten, ganz analog, wie 6fters auch in den noch am Keimlager haftenden kegelférmigen Primiarzellen eine antizipierte Her- stellung des Nebenkerns erfolgt. Wenn ich im Hinblick auf die zweierlei Samenfiden unseres Tieres anfangs daran dachte, dak jene irregular entstandenen Zellen vielleicht ausschlieBlich dazu bestimmt seien, die wurm- formigen Spermien zu liefern, so mute ich doch diese Idee bald fallen lassen, hauptsachlich wegen der geringen Haufigkeit jener Vorkommnisse im Verhiltnis zu der regelmafigen massenhaften 436 Leopold Auerbach, Produktion der wurmf6rmigen Elemente, und weil sich im iibrigen zeigte, dafi letztere fiir gewohnlich auf kurzem Wege aus primaren Hodenzellen sich herleiten, wie spater noch beschrieben werden soll. Es ist also viel wahrscheinlicher, daf die durch die Furchun- gen gelieferten Zellen mit den primaren Hodenzellen gleich rangieren ; und es liegt gar kein Grund vor, zu glauben, da8 nicht auch die zur Befruchtungsfunktion bestimmten haarformigen Samenfaden aus ihnen hervorgehen kénnten. Daf andererseits eben diese Zellen zuweilen auch die Entwickelungsrichtung zum wurmférmigen Samenké6rper einschlagen kénnen, geht aus einer Thatsache hervor, die ich im Abschnitt V beibringen werde. Gleichwohl kénnte hinsichtlich ihrer Benennung eine etwas unbequeme Frage erhoben werden, die freilich eben nur einen Namen betrifft. Sollen wir sie, weil sie ja Abkémmlinge, zum Teil sogar Enkel der primaren Hodenzellen sind, nach der von La VALETTE eingefiihrten Terminologie Spermatocyten nennen oder Spermatogonien, welches letztere ich oben schon gethan habe? Es wird sich aber zeigen, daf sie, um eventuell haar- formige Spermien zu liefern, nach den Gesetzen der Spermato- genese bei Paludina genau dieselben Schicksale, auch die gleiche Anzahl von Teilungen durchzumachen haben, wie die gewéhn- lichen, regular entstandenen Spermatogonien, also mit diesen den gleichen Wert haben wiirden. Und das ist ja in sachlicher Hin- sicht das Wesentliche. Indem sie aber teilweise auch wurmférmigen Spermien den Ursprung geben, so treten sie auch hiermit wiederum, wie spater ebenfalls ersichtlich werden wird, an die Seite gewisser primirer Hodenzellen und sind in einem weiteren Sinne des Worts auch Spermatogonien. So kénnen wir sagen: Bei Paludina haben die Sper- matogonien eine zweifache Entstehungsweise, indem sie teils unmittelbar, teils mittelbar aus dem proto- plasmatischen Wandbelage der Hodenschlauche entstammen. Die meisten sind primare, aus dem Keimlager hervorgesprosste Zellen, andere jedoch aus einer intermediaren, furchungsahnlichen Pro- liferation eben jener Zellen hervorgegangen. Hier ist nun der Ort, auf einen anderen besonderen Punkt ein- zugehen, um einer gewissen, m. E, nicht gzutreffenden Behauptung einige Worte zu widmen. Die friiheren Beobachter haben die Meinung ausgesprochen, die Spermatogonien blieben andauernd durch einen Faden in Zusammenhang mit dem Mutterboden, dem sie ent- sprossen, und ebenso blieben ihre, durch wiederholte Teilung ent- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, IIIa. 437 standenen Tochter- resp. Enkel- oder Urenkelzellen alle untereinander und mit dem Keimlager durch protoplasmatische Fadchen verbunden, Dies kann ich indes nicht bestitigen. Wobl kommen aus besonderen Ursachen stellenweise fadige Zusammenhinge vor, wie ich ja einen solchen kiirzlich (S. 435) erwadhnt habe und spiter betreffs der vor- letzten Zellgeneration noch zu erwiahnen haben werde, ohne daf jedoch in diesen Fallen auch eine Verbindung mit dem Keimlager vorhanden wire. Aber von einer allgemeinen Kontinuitiéit der zu einer Familie gehorenden Samenzellen unter sich und mit dem Mutterboden hat sich mir nichts gezeigt. Auch habe ich niemals baumformige Verzweigungen von Fiidchen gesehen, wie sie jener Vorstellung gemif vorauszusetzen waren. Was im besonderen die Spermatogonien anlangt, so erscheinen diese nach Zuriicklegung des kegelfoérmigen Stadiums meist als durch- weg kreisfOrmig begrenzte Korper, ohne da an ihnen ein hervor- ragendes Spitzchen oder ein anhingendcs Faidchen zu bemerken wire, wie man das sogar auch aus Brunn’s und Koruter’s Abbildungen ent- nehmen kann. Manchmal sind sie durch dichte Zusammenlagerung facettiert, und dann ist fiir viele derselben gar kein Raum zu einer Verbindung mit der Schlauchwandung vorhanden. Wenn aber nach Dissociation des frischen Objekts manche Samenzellen in eine Spitze mit fadenartiger Verlingerung ausgezogen erscheinen, so sind das offenbar mechanische Verunstaltungen, die durch Ankleben an das Objektglas und seitlichen Zug herbeigefiihrt worden sind. Und aus ihnlicher Ursache kann auch zuweilen zwischen zwei aneinander haftenden Zellen ein Verbindungsfaden ausgezogen werden. Ein theoretisches Bediirfnis aber, systematische Dauerverbindung anzu- nehmen, ist gewif nicht vorhanden. Insoweit etwa die Samenzellen einer Ernaéhrung und der Sauerstoffzufuhr bediirfen sollten, kénnen diese ja auch durch die umspiilende Hodenflissigkeit vermittelt werden. Machen doch auch die Blutkérperchen héherer Tiere, wihrend sie im Plasma schwimmen, allerlei Umbildungen und mitotische Teilungen durch, Selbst die Eier und Samenzellen der Nematoden, deren lang andauernder Zusammenhang mit der Rhachis vorbildlich fiir fhnliche Vorstellungen geworden ist, lésen sich doch aus dieser Verbindung zu einem Zeitpunkte los, wo ihnen noch sehr wichtige Prozesse bevor- stehen. Sogar die schon selbstindige Ortsbewegungen ausfiihrenden Sauienfiiden k6nnen noch nachtraglich, fern von ihrem Ursprungsorte, gewisse Umgestaltungen durchmachen, wie ich dies schon friiher fiir Dytiscus angegeben habe (1f) und auch in unserem jetzigen Falle noch schildern werde. Uberhaupt ist die neuerdings herrschende Neigung, im feineren Bau der lebenden Wesen moglichst iiberall Kon- tinuitét der festeren Bestandteile anzunehmen, auf die Samenzellen um so weniger anwendbar, als ja der ganze spermatogenetische Prozeb auf die Bildung isolierter, mit freier Ortsbewegung begabter Einzel- wesen hinauslauft. Iilb. Die ruhende Spermatogonie. Die jungen Spermatogonien sind also nach ihrer Ablésung kugelférmige, eventuell und voriibergehend durch Pressung poly- 438 Leopold Auerbach, edrische Zellen. Betreffs ihres inneren Baues kommt es zwar, wie gesagt, ziemlich oft vor, da’ gewisse vorbereitende Verande- rungen, die der Mitose vorangehen, schon vor der Ablésung vom Mutterboden in ihnen ausgebildet sind; jedoch ist dies nicht gerade die iiberwiegende Regel. Sehen wir also einstweilen hier- von ab und betrachten wir ihren gewoéhnlichen Anfangszustand, der relativ ein Ruhezustand ist, etwas naher, und zwar zunachst in seiner méglichst natiirlichen Erhaltung, wie er nach Zerzupfung des frischen Objekts im Blute des Tieres, ohne weiteren Zusatz, unmittelbar sich darstellt. Das ist um so nétiger, als dabei Er- ginzungen des in Balsampraparaten Wiederzufindenden gewonnen werden. Die mattgraue Protoplasmakugel von 14—15 uw Durchmesser schlieBt einen, ein wenig excentrisch gelegenen, blaschenfoérmigen Kern von 6—-7 ww Durchmesser ein, in welchem meist zwei ver- haltnismaBig grofe Nucleoli bemerkbar sind. Letztere heben sich wohl von dem iibrigen, helleren Inhalte des Kernblaschens deut- lich genug ab, sind jedoch kaum stirker lichtbrechend als die Zellsubstanz, vielmehr von fast dem gleichen Aussehen wie diese. Statt der zwei Kernkérperchen kann auch ein einziges, etwas gréBeres, oder es kénnen andererseits auch drei vorhanden sein, von denen dann mindestens zwei kleiner sind als gewoéhnlich (Fig. 5a). Der Zellkérper ist an seinem Umfange von einer feinen, dunkeln Linie eingefaft; und durch Zusatz von Essigsaure von 1—2 Proz. kommt hier aufs deutlichste eine auch nach innen sehr scharf begrenzte Zellmembran zum Vor- schein, von welcher das innere Cytoplasma unter der Einwirkung des Reagens ganz oder teilweise sich zuriickgezogen und abgelést hat (Fig. 5b). Es wird sich spiter zeigen, daf im Laufe der weiteren Entwickelung eine solche membranése Hiille ganz von selbst erkennbar und durch organische Veranderungen grofenteils isoliert wird, da’ sie indessen bei aller scharfen Begrenzung doch nur eine besonders verdichtete, sonst aber kaum chemisch ver- iinderte Grenzschicht des Cytoplasmas sein diirfte. Um so mehr ist es von Belang, dieselbe auch schon im Ruhezustande als einen dauernden Bestandteil der Zelle nachweisen zu kénnen. — In der Zellsubstanz selbst aber ist auffer dem Kerne noch ein anderer Einschlu8 sehr auffallig, naimlich ein in der Nahe der Zell- peripherie eingebettetes, farbloses, aber sehr glinzendes Kiigel- chen (Fig. 5a, b), das in seltenen Fallen auch durch zwei kleinere vertreten ist. Mit etwa ausgetretenen Nukleolen haben diese Spermatogenese yon Paludina vivipara, — Abschn. IIIb. 439 Kérperchen keine Ahnlichkeit; sie sind viel stirker lichtbrechend. Auch zeigt sich, daf daneben die beiden Nukleolen im Kern un- versehrt weiter bestehen, ferner aber, daf in letzterem selbst niemals ein so dunkel glinzendes Kérperchen zu finden ist. Dieser EinschluS der Zellsubstanz erinnert an das im Leibe der Knorpel- zellen 6fters eingelagerte Fetttrépfchen. Uberdies beweisen auch seine Beseitigung durch Xylolbehandlung und seine Schwarzung durch Osmium, daf es aus Fett oder einer fettreichen Dotter- substanz besteht. Dann stellt sich bei starker VergréSerung heraus, daf die geschwirzte Substanz 6fters nicht kompakt ist, vielmehr ein Haufchen dicht zusammengelagerter kleiner Kérnchen. Sie diirfte eine Mitgift von Nahrstoff fiir das Spermatogonium sein und aus dem goldgelben Fettstoff des Keimlagers herstammen. Indem ich es, wie auch Bruny, fiir wahrscheinlich halte, da® von jenem etwas in die hervorknospenden Spermatogonien iibertritt, will ich jedoch nicht verhehlen, da’ dieser Zusammenhang sich nicht so ohne weiteres behaupten la®t. Zunachst wiire es falsch, es fiir geradezu unvermeidlich zu halten, da’ das herauswachsende Protoplasma etwas von den gelben Dotterkiigelchen mit sich nehme. Fiir die Méglich- keit des Gegenteils zeugt sogar ein dem unseren sehr nahe stehender Fall. Duvat (6a) beschreibt bei Helix, wie eine Anzahl Samenzellen, die er Spermatoblasten nennt, die aber unseren Spermatogonien homolog sind, gleich Knospen aus einer gemeinschaftlichen Mutterzelle hervor- sprossen. Letztere, die offenbar einer Portion des bei Paludina wahr- zunehmenden Keimlagers entspricht, enthilt aufer einer Anzahl Kerne auch viele fettglinzende Kigelchen, wihrend von solchen in den her- vorgesproBten, keulenformigen, mit jener Mutterzelle noch zusammen- hangenden Spermatogonien nichts zu sehen ist und an der Wurzel ihres Stiels eine scharfe Grenze gerade durch das Aufhéren jener Ein- lagerungen gegeben ist. Die Fetttrépfchen werden also bei Helix in dem Mutterboden zuriickgelassen und es wird nur ein Kern in die Tochterzelle iibernommen. Nehmen wir nun auch an, da’ bei Paludina wirklich Dotter in die Zellen iibertritt, so bedarf doch zweierlei einer Erklarung, namlich erstens die Farblosigkeit des in den Spermatogonien ein- geschlossenen Dotterstoffs und zweitens der Umstand, dal fast immer nur eine kugelige Dottermasse von ziemlich genau be- stimmtem, nimlich 2 w betragendem Durchmesser zu finden ist, wahrend doch die gelben Trépfchen des Keimlagers von sehr ver- schiedener, zwischen weiten Grenzen schwankender Groéfe sind. Brunn hat freilich angegeben, die Samenzellen enthielten, gleich den Kiern derselben Species, zahlreiche und zwar gelbe Fett- trépfchen, die sie auch auf ihre Tochterzellen iibertriigen ; jedoch kann ich dieser Schilderung nicht beitreten. Ich habe niemals 440 Leopold Auerbach, goldgelbe Einschliisse in irgend einer Samenzelle von Paludina und habe auch die Dotterkérperchen des eben geschilderten Aussehens nur in den Spermatogonien, nicht in deren Nachkémmlingen an- getroffen, wenn ich mich vor Tauschungen, wie sie Zupfpraparate mit sich bringen kénnen, hiitete. Ich glaube demnach, daf aus dem Keimlager in das hervorkommende Spermatogonium nur kleinste Dotterkérperchen eintreten, und zwar gerade so viele, daS sie zusammen einen Kugelraum von ca. 2 « Durchmesser ausfiillen wiirden, daf diese dann, wahrend die Zelle sich indi- viduell abschlieft, zu einem runden Haufen dicht versammelt werden und vielleicht sogar zu einem Kérper zusammenflieSen, dabei aber sehr schnell ihre gelbe Farbung derart verlieren, daf sie ganz farblos werden. Letzteres ist wohl das erste Zeichen ihrer intracelluliren Assimilation. Diese macht itibrigens sehr bald weitere und weitgehende Fortschritte, in einer Art, die sich namentlich in mit FLemmine’scher Mischung hergestellten Pri- paraten gut verfolgen l4ft. Die Dotterkugel wird allmahlich verzehrt. Und zwar beginnt der Schwund an einem Punkte ihrer Oberflache, wo sich ein konkaver Ausschnitt bildet, der, gréfer werdend, zu einer Sichelform des Restes der Masse fiihrt (Fig. 5c, 9b), bis auch dieser verschwindet. Ofters dringt auch schon friih- zeitig von dem anfanglichen Ausschnitte her die Auflésung in Form feiner Spalten in den Rest der Dottersubstanz ein, wodurch dieser in eine Anzahl keilf6rmiger oder polygonaler Stiicke zer- kliiftet und durch deren Verkleinerung dann wieder zu einem losen Kérnerhaufen wird, um so desto leichter ganz verzehrt zu werden. Dies alles geht freilich langsam vor sich. Die Auf- zehrung des Dotters zieht sich bis zum Anfangsstadium der Kern- mitose hin. Namentlich ist auch nach der bald zu beschreibenden Herstellung des Nebenkerns oftmals noch ein Rest des _ ge- schwarzten Kérnerhaufens wahrnehmbar. Wenn jedoch das Kniuel- stadium erreicht ist, hat er sich ganz verloren. Und dement- sprechend habe ich auch in den Tochter- und Enkelzellen nichts mehr davon finden kénnen. Betrachten wir nun aber die Spermatogonien in Sublimat- priparaten — in denen sie itibrigens, wenn isoliert liegend, um. ein weniges geschrumpft, namlich auf einen Durchmesser von 13 bis 14 « reduziert sind — nach der Doppeltinktion, so ergiebt sich, da’ aus letzterer der Zellenleib mit roter Farbe hervorgeht. Da- bei erscheint die Zellsubstanz, in toto angesehen, fast homogen, obwohl sie dies thatsichlich nicht ist. Hat es namlich der Zufall Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn., IIIb. 441 gefiigt, da’ der Schnitt ein diinnes Segment der Zelle abgetrennt hat, so sieht man dieses differenziert in ein dunkler rot gefarbtes, sehr zierliches Netzwerk feiner Faden mit engen Maschen und breiten, sternférmigen Knotenpunkten und eine die Zwischenraume des feinen Netzwerkes ausfillende klare, nur ganz blaf rosafarbige Grundsubstanz (Fig. 8a'). Es stellt sich also deutlich eine Zu- sammensetzung der Zellsubstanz aus einem Spongio- und einem Hyaloplasma oder einer Filar- und Interfilar-Substanz heraus. Das Netzwerk aber ist, wie die Vergleichung derartiger Bilder unter- einander ergiebt, durch die ganze Zelle hindurch gleichmabig dicht und nur an der Grenze des Kerns zu einer Membran des letzteren verdichtet. Ich betone die eben geschilderte Struktur der Zellsubstanz besonders noch deshalb, weil sie in einem spateren Stadium eine wesentliche Anderung erfahrt. Im Inneren des Kerns aber sind die feinen Kérnchen licht- blau, die gréferen Nukleolen hingegen sind in einer dunklen Niiance tingiert, die je nach der angewandten Art der Doppel- tinktion etwas verschieden ausfallt, immer aber auf eine Summie- rung von Rot und Blau zuriickzufiihren ist. Im besonderen nach dem oben sub B.b.1 angefiihrten Verfahren erscheinen die Nukle- olen in einem dunkel violetten oder sogenannten kirschroten Farbentone. Als Ursache dieser Mischfarbe aber ergiebt sich ein Strukturverhaltnis, das freilich nur bei sehr heller ABBE’scher Beleuchtung mit der Immersionslinse zu erkennen ist. Der Nucleolus zeigt naimlich einen centralen granat- roten Teil und eine diesen umhillende blaue Rinde‘*). Ich vermute, daf der centrale Teil an sich hochrot tingiert sein mag, und daf nur, weil die Lichtstrahlen zweimal, unterhalb und oberhalb, eine absorbierende blaue Schicht zu durchdringen haben, jene diistere Abart von Rot verursacht wird. Viel leichter ist tibrigens die innere Differenzierung des Nucleolus zu erkennen, wenn man nur einfach mit Methylgriin oder Viktoria- blau tingiert und dann geniigend durch absoluten Alkohol entfarbt hat, indem dann der Nucleolus eine ganz farblose helle Mitte zeigt, die von einer blauen Randschicht eingefaft ist. Ebenso ist es aber auch meistens, wenn nach dem oben sub B.b.2 und C angegebenen Methoden tingiert worden war, wahrscheinlich weil 1) Das Gleiche findet sich iibrigens bei Paludina auch an den Nucleolis anderer Organe, z. B. denen der Leberzellen und an den sehr langgestreckten Zellen einer Driise des Mantels, Bd, XXX. N. F. XX, 29 442 Leopold Auerbach, der rote Farbstoff nicht durch die vorher mit blauem impragnierte Rinde durchzudringen vermag'). Es besteht also mindestens eine Zeit lang der Nucleolus aus einer erythrophilen Centralmasse und einer kyanophilen Rinde. Daran kniipft sich die Frage, ob dieser Bau der Nukleolen vielleicht von Anfang an und auch schon in den Mutterkernen durchweg vorhanden ist und sich nur oftmals der Wahrnehmung entzieht, oder vielmehr sich aus einer anfanglichen Durchmischung beider Substanzen nachtraglich herausbildet. Letz- teres wiirde bedeuten, daf die kyanophilen Molekiile an die Ober- fliche riicken, um hier die Rindenschicht zu bilden. Ich kann einen solchen Vorgang nicht fiir unwahrscheinlich halten, da ich Ahnliches schon friiher bei der Entwickelung der Blutkérperchen von Rana beobachtet habe (1d, 8. 744). So, wie ich es eben beschrieben habe, sind die Sperma- togonien beschaffen, so lange sie noch nicht in ihren Fortpflanzungs- prozef eingetreten sind, ein relativer Ruhezustand, der kiirzere oder langere Zeit andauern mag. Wesentlich der gleiche Bau ist iibrigens in der Regel auch wahrend der anfanglichen Kegelform dieser Zellen und ihres Anhangens an dem Keimlager nachweis- bar. Wie ich jedoch schon andeutete, wird zuweilen der Ruhe- zustand in der Art tbersprungen, daf ein zur Vorbereitung der Mitose gehériger Vorgang schon zur Zeit der Kegelform einsetzt und bis zu einem gewissen Grade fortscheitet, worauf erst die Ablésung und Abrundung der Zelle folgt, der innere Prozef aber jedenfalls sogleich sich weiter fortspinnt. Danach kann man es natiirlich diesen Zellen nicht mehr ansehen, ob sie ein kugeliges Ruhestadium durchgemacht haben oder nicht. Auch die ein- leitenden Vorgange sind in beiden Fallen im wesentlichen ganz gleich und zeigen nur dem aéuferen Umrif entsprechende formale Differenzen, wie ich bald noch naher erlautern werde. IIIc) Nebenkern und Teilung der Spermatogonien. Zunichst gilt die Beschreibung derjenigen vorherrschenden Modalitat, bei welcher der Beginn der inneren Veranderungen in dem schon kugelférmigen Spermatogonium einsetzt. Sie betreffen gleichzeitig den Kern und den Zellenleib. Fassen wir zuerst den letzteren ins Auge. Die Zellsubstanz erfahrt eine allmahlich vor 1) Gerade deshalb war ich darauf gekommen, die Methode B.b, 1 zu versuchen, was auch den erstrebten Erfolg hatte. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc, 443 sich gehende innere Differenzierung, die zur Bildung eines Nebenkerns fiihrt. Brunn sagt ausdriicklich, er habe von Diffe- renzierung im Protoplasma der Samenzellen nichts gesehen und weiterhin (4, S. 498): ,,Die Nebenkerne habe ich nicht beo- bachtet“, und auch KorstEer erwahnt solcher nicht, wohl aber PLatnerR. Der Nebenkern ist aber gerade in den Samen- zellen von Paludina sehr deutlich ausgebildet und in meinen Praparaten scharf hervortretend. Hinsichtlich seiner Entstehung kann ich nach meinen Befunden nur mit La VALETTE, der zuerst eine solche Bildung in gewissen Samenzellen entdeckt hat (15), darin iibereinstimmen, daf er in einer Ansammlung stark ver- dichteten Protoplasmas besteht, also aus der Zellsubstanz selbst sich herausbildet. Und zwar kann ich diesen Vorgang durch eine Reihe von Zwischenstufen hindurch verfolgen, die jetzt so, wie sie im axialen Schnittbilde sich darstellen, beschrieben werden sollen. Es stellt sich namlich bald heraus, da8 ein Durchmesser der Zelle den Wert einer Hauptachse bekommt; und die Beschreibung soll nun diejenige Ansicht des Objekts wiedergeben, die dann entsteht, wenn die Achse horizontal, d. h. in der Ebene des mikroskopischen Gesichtsfeldes liegt, ein Fall, der in allen Phasen des Vorgangs oft genug zu finden ist. Es ergiebt sich nun aus der Vergleichung der Einzelfalle folgendes. Wahrend anfangs die Leibessubstanz der Zelle von gleich- mifiger Beschaffenheit ist, bildet sich dann zuerst an der Peri- pherie, dicht an der Zellenmembran eine schmale Zone von hellerem, blasser gefarbtem Aussehen (Fig. 8b), welche hierdurch sowohl die scharf begrenzte dunklere Zellmembran deutlicher hervortreten lat, als auch mit weniger scharfer Begrenzung von der inneren Hauptmasse des Cytoplasma absticht. Allmahlich verbreitert sich die Zone des blassen AuSenprotoplasma, jedoch nicht gleichmafig, sondern am meisten an der von dem excentrisch gelegenen Kern entferntesten Stelle, infolge dessen die ent- sprechende Halfte der Zone Sichelform annimmt; und zugleich wird der tibrige, mehr nach innen gelegene Teil des Cytoplasma immer dichter, was sich durch gréfere Dunkelheit, bezw. inten- sivere Rotfarbung zu erkennen giebt (Fig. 8b). Es ist offenbar, daf diesem Innenprotoplasma feste Substanz aus dem lockerer werdenden AufSenprotoplasma zugefiihrt wird. Wegen der ex- centrischen Stellung des Kernes ist auch die Zone des dunkleren Innenprotoplasma in der Mittelgegend der Zelle viel breiter als jenseits des Kernes, wo sie sich nur als schmaler Substanzstreifen 29* 444 Leopold Auerbach, zwischen Kern und Zellmembran darstellt, wahrend sie in der breiten Halfte ebenfalls Sichelform hat. Unter steigender Ver- breiterung der blassen AufSensichel wird nun die innere schmaler und wiirde es noch mehr werden, wenn nicht die Substanz ihrer jenseits des Kernes befindlichen Fortsetzung gréStenteils nach der Seite der Sichel heriiberwanderte und in diese einbezogen wiirde. Hierdurch wird der Kern in eine noch mehr excentrische Stellung gebracht und ganz nahe an die Zellmemwbran hinangeschoben. Diese Stelle der Zelle mag deshalb als Kernpol und der ihm gegeniiberliegende Punkt als Gegenpol bezeichnet werden. Die die beiden Pole verbindende Linie also, die durch den Kern und die breitesten Teile der Sicheln zieht, kiénnen wir als Achse der Zelle ansehen. Weiterhin geht nun in der Innensichel eine fernere sekundire Verdichtung in folgender Art vor sich. Es treten in ihr, in ziemlicher Anzahl zerstreut, noch intensiver ge- firbte, brillant rote Kiigelchen von verschiedener GréSe auf, jeden- falls durch Zusammenballung feinster Teilchen entstehend, indem die Zwischensubstanz dabei an Intensitét der Farbung verliert (Fig. 8c). Allmahlich riicken dann diese Kiigelchen samtlich nach dem axialen Teile der Sichel und lagern sich hier zu einem dichten Haufen zusammen, der noch eine Zeitlang als ein Kon- glomerat zu erkennen ist, dann aber zu einem kompakten rund- lichen Kérper zusammenschmilzt, der mit dem Kerne in Beriihrung und kleiner als dieser ist, immerhin aber einen Durchmesser von 4—5 wu aufweist und in grellem Rot aus seiner Umgebung hervor- springt (Fig. 8d). Wéahrenddessen hat sich durch die Konzen- trierung der dichteren Substanz auf den rundlichen Nebenkern die Erscheinung der beiden Sicheln verwischt, und diese sind bald gar nicht mehr zu unterscheiden, sondern nur noch der kompakte rundliche Kérper und das restierende Cytoplasma, das voluminéser und lockerer ist. Ersterer aber ist nicht blo8 durch die Intensitat seiner Farbung ausgezeichnet, sondern auch durch einen anderen Farbenton, indem er durch eine hochrote Niiance von dem mehr karmoisinroten oder sogar rétlichgrauen Aufencytoplasma absticht (Fig. 8d). Ich erachte diesen scharf begrenzten, verdichteten Teil des Zellenleibes als homolog mit den sonst als Nebenkerne der - Samenzellen beschriebenen Gebilden und behalte deshalb fiir ihn die Bezeichnung als ,, Nebenkern“ bei, obgleich es ungiinstig ist, daB dieser Name leicht die Vorstellung erwecken kann, als handle es sich dabei um einen zweiten Kern oder auch nur um etwas kernahnliches. Er soll eben nur einen neben dem Kern in Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 445 der Zelle vorhandenen besonderen Koérper bedeuten. Dieser Neben- kern ist iibrigens offenbar auch homolog der in neuerer Zeit auf pflanzlichem Gebiete beobachteten, vor Beginn der Mitosen ringsum den Kern bekleidenden, verdichteten und als Kinoplasma be- zeichneten Schicht der Zellsubstanz (vgl. z. B. Rosen, 21b). In dieser letzteren Form ist der Proze8, wie aus Obigem einleuchten wird, auf einer friiheren Stufe stehen geblieben, die bei den Tieren eben in der Art iiberschritten wird, daf sich das Kinoplasma ganz nach einer Seite des Kernes hin zu einem rundlichen, zu- weilen unregelmabig eckigen Kérper zusammenzieht+). Auch in seiner weiteren Funktion erweist sich der Nebenkern als ein Kino- plasma in demselben Sinne wie dasjenige der Pflanzen. Die Veranderung der Zellsubstanz geht indessen bei Paludina noch etwas weiter, als ich oben geschildert habe. Eine Zeitlang hat das den Nebenkern umlagernde Cytoplasma noch das Aussehen einer zwar blassen und in einer anderen Nuance gefarbten, jedoch anscheinend kontinuierlichen, nur etwa feinkérnigen Substanz. Weiterhin aber wird wahrend der letzten Konsolidierung des Nebenkerns durch fortschreitende Abgabe festen Stoffes an diesen das AuSenprotoplasma nicht nur wasseriger, sondern auch im morphologischen Sinne rarefiziert, namlich unter Bildung von grofen anastomosierenden Liicken in ein lockeres, weitmaschiges Strang- und Fadenwerk verwandelt, das jetzt als solches schon in der ganzen, unverletzten Zelle zu erkennen ist. Da nach dem oben S. 441 Mitgeteilten schon friiher und von Anfang an eine dichtere, netzformig angeordnete Fadensubstanz als ein Constituens des Zellenleibes zu erkennen 1) Ich crinnere namentlich an den eckigen Nebenkern in den Samenzellen der Pulmonaten, wie er von Piatner beschrieben worden und in der That hier schon in der frischen, iiberlebenden Zelle, selbst bei schwacher Vergré8erung, auffallig und deutlich zu sehen ist, Ich be- merke dabei, da$ ich in im Winter frisch eingefangenen Exemplaren von Paludina auch Samenzellen dieses Stadiums angetroffen habe, in welchen der Nebenkern demjenigen der Pulmonaten insofern ahnlicher war, als er, wie dieser, von dem Kern etwas abgeriickt und merkwiirdiger- weise zugleich eckig geworden war. Vielleicht hingt das in beiden Fallen damit zusammen, da® zwischen der Fertigstellung des Neben- kerns und dem Beginn des mitotischen Kernprozesses eine Pause ein- tritt, was also bei den Pulmonaten regular, bei Paludina nur in der Winterruhe der Fall sein wiirde, die iibrigens keine absolute Ruhe ist. Bei Paludina hat auch Pratver den Nebenkern in runder Form ab- gebildet. 446 Leopold Auerbach, war, so handelt es sich wohl bei der jetzigen Rarefikation in der Hauptsache darum, da8 viele Querverbindungen des Netzes zer- rissen und dadurch die Maschenraume groéfer werden. Aber ich mu doch hinzufiigen, daf letztere jetzt vollig farblos, wie ganz leer aussehen, also wohl nur mit Zellsaft erfiillt sein mégen. Zuletzt aber steigert sich dieser Schwund des Aufenprotoplasmas derart, da8B schlieBlich der Kern samt dem ihm anhaften- den Nebenkerne in einer Zellfliissigkeit schwebt, nur suspendiert durch eine geringe Anzahl sehr feiner Protoplasmafaden, die imgrofenund ganzen radial gegen eine an der Peripherie der Zelle iibrig gebliebene, kontinuierliche Grenzschicht, die Zell- membran, gerichtet und mit dieser verbunden sind. (Fig. 8e). Hie und da zeigen diese Faden nach der Peripherie gerichtete Gabelungen und heften sich also mit zwei oder mehr Zweiglein an die Grenzmembran, wahrend ich es zweifelhaft lassen muf, ob auch einzelne Verbindungsbriicken der Faden untereinander bis zuletzt sich erhalten. Dieser bemerkenswerte, fiir das vor- liegende Stadium charakteristische Bau der Zelle zeigt sich ganz ebenso an solchen Praparaten, die auf Grund einer Vorbehandlung mit Chrom-Osmium-Kssigsaure oder Pikrin-Schwefelsaiure gewonnen wurden. Daf die ganze Erscheinung nicht etwa auf eine durch die Erhartungsmittel verschuldete Verunstaltung zuriickzufiihren ist, lehrt die Vergleichung mit dem intakten Protoplasma anderer in dem namlichen Praparaten vorhandener Samenzellen friiherer Stadien und die Verfolgung des ganzen Entwickelungsganges. Auch konnte ich, nachdem ich diese Verhdltnisse einmal kennen gelernt hatte, das Wesentliche derselben sogar auch an frischen im Blute des Tieres verteilten Zellen mit Hilfe des apro- chromatischen Trockensystems: 0,95—4 von Zeiss wiederfinden. Es sind also der grofe, von Zellsaft erfiillte Raum und die diesen durchsetzenden Suspensionsfaden natiirliche Bildungen; nur mégen letztere im Leben nicht ganz so fein, sondern etwas breitere und weiche Strange sein. Wenn’ ich iibrigens dieselben der An- schaulichkeit wegen Suspensionsfaden genannt habe, so will ich doch nicht unterlassen zu bemerken, daf sie nicht simtlich | straff gespannt sind, daf man vielmehr einzelne in einem Bogen oder auch mehrfach gekriimmt verlaufen sieht. Ihre Aufgabe diirfte also nicht eine blo’ mechanische, sondern auch die sein, den organischen Zusammenhang des im Nebenkerne konzentrierten Teils der Zellsubstanz mit der auferen Grenzschicht zu erhalten. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 447 Zur Erganzung dieser Schilderung muf ich nun auch noch auf diejenigen Falle eingehen, in denen die innere Umgestaltung schon in den noch kegel- oder keulenformigen, mit ihrer Spitze dem Wandbelage aufsitzenden Spermatogonien beginnt und mehr oder weniger weit, selbst bis zur voélligen Herstellung des Neben- kerns fortschreiten kann. Damit sind natiirlich gewisse, wenn auch nicht wesentliche Modifikationen der Formverhiltnisse ver- bunden (Fig. 9 a und b). Der Kern liegt dann immer ziemlich hart an der dem Lumen des Schlauchs zugewandten, gewdlbten Basis des Kegels. Die betreffende Stelle der Basalfliche ent- spricht also dem Kernpole, die Spitze der Zelle dem Gegenpole. Der dem letzteren zugewandten Seite des Kerns liegt der Neben- kern an, welcher unter diesen Umstainden selbst eine kegelférmige, nach der Zellspitze hin verjiingte Gestalt anzunehmen pflegt. Da hier das Aufenprotoplasma nicht auf einen sichelférmigen Raum verteilt ist, sondern einen breiteren, mehr geschlossenen, fast drei- eckigen Bereich einnimmt, so laft sich seine Beschaffenheit und Struktur fast noch besser erkennen als in den kugelférmigen Exemplaren der Spermatogonien. Es kommt zuweilen auch in der ersteren zu der beschriebenen Rarefizierung des AuSenprotoplasmas. Spatestens aber nach Herstellung dieses Zustandes oder schon etwas friiher miissen sich auch diese Zellen von dem Keimlager ablésen und abrunden; denn alle spateren Stufen des Entwicke- lungsfortschritts habe ich nur in abgelésten kugelf6rmigen Spermato- gonien vorgefunden. Einige Worte muf ich jetzt auch dem Verbleib der Dotter- substanz wahrend der geschilderten Vorginge widmen, nach Beobachtung an mit FLemmMine’scher Mischung behandelten Ob- jekten (s. oben 8. 411 u. 424). Anfangs ist meist noch ein Rest jener Substanz als ein halbmondformiges oder difformes Haufchen ge- schwirzter Kérnchen zu sehen, und zwar bald in der inneren, bald in der auferen Sichel oder an der Grenze beider. Spiter, wenn der rundliche Nebenkern sich konstituiert, liegt ein etwaiger Rest dieser Kérnchen immer im lockeren Aufenprotoplasma, eventuell, d. h. wenn es noch kegelférmige Zellen betrifft, immer nahe der Spitze der Zelle. Ist es aber bereits zu der hochgradigen Rare- fizierung des Aufen-Cytoplasma gekommen, so sind nur selten noch ein Paar jener Kérnchen an einem der Suspensionsfaden zu finden; meist ist jetzt der Dotter ganz aufgezehrt. Nach dieser Schilderung der Entstehungsweise des Nebenkerns liegt es mir nun noch ob, meine Ergebnisse mit denjenigen friiherer 448 Leopold Auerbach, Forscher, seien diese auch an anderen Tieren gewonnen, soweit mir solche bekannt geworden sind, zu vergleichen. Zunichst habe ich PLATNER zu erwdhnen. Dieser Beobachter hat in seinen ersten, eben- falls die Sexualzellen von Schnecken betreffenden Arbeiten (18 a—c) behauptet, der Nebenkern entstehe aus Bestandteilen des Kerns, das eine Mal so, dafi eine Schleife von Kernsubstanz aus dem Inneren des Kerns herausschliipfe und durch Verschlingungen einen rundlichen Koérper neben dem Kern bilde, das andere Mal so, dai nach Teilung des Nucleolus eine Art direkter Teilung des ganzen Kerns in zwei Tochterkerne stattfinde, von denen der kleinere den Nebenkern dar- stelle, und er hat diese Vorginge im Einzelnen sehr genau be- schrieben und durch Abbildungen illustriert. Trotzdem sind diese An- gaben sicherlich irrig. Piarner selbst scheint nachtriglich, ohne es ausdriicklich zu sagen, von jenen Vorstellungen zuriickgekommen zu sein. Seine spateren, ganz anders lautenden, zwar nicht die Spermato- gonien, sondern Samenzellen spaterer Generation, also die Neubildung eines Nebenkerns nach einer mitotischen Zellteilung betreffenden AuBerungen kommen der Wahrheit niaher, ohne iibrigens priicisiert zu sein und unter sich ganz iibereinzustimmen. Auf diese werde ich noch zuriickkommen. — Hingegen decken sich meine Ergebnisse fast vollstiindig mit denjenigen, die La Vaterre (15d) an der kleinen Hausschabe erhalten hat, sowohl betreffs der direkten Hervorbildung des Nebenkerns aus der Zellsubstanz, als auch betreffs der besonderen Form der Erscheinungen, unter denen dieser Vorgang geschieht. Nur in einzelnen Punkten weichen unsere Befunde voneinander ab. So sind nach dem, was ich gesehen habe, die ,,Cytomikrosomen“, die zum Nebenkern zusammentreten, nicht praformierte Gebilde, In einer vorangehenden Phase und ebenso in spiter folgenden ist weder der Nebenkern als solcher, noch sind vereinzelte Mikrosomen in der Zell- substanz bemerkbar. Vielmehr entstehen letztere jedesmal, wenn ein Nebenkern geschaffen werden soll, ad hoc, als relativ ansehnliche Korperchen im dunkleren Innenprotoplasma, wahrscheinlich durch Konfluenz und Abrundung von Knoten des filaren Netzes. Sie sind auch uater sich von ungleicher Gréfe, was man so lange erkennen kann, bis sie zur Nebenkernmasse ginzlich verschmolzen sind, — So- dann aber michte ich noch folgende Differenz hervorheben. La VALETTE giebt an, daf nach Fertigstellung des Nebenkerns auferhalb desselben, im Kernraume zerstreut, noch eine Anzahl glinzender Mikrosomen iibrig bleiben. Dies sind jedoch bei Paludina nur Zwischen- stufen. Hier werden allmiéhlich simtliche Kiigelchen zur Konsti- tuierung des Nebenkerns verwandt. Ja es wird sogar bei Paludina nachtraglich noch zur Vergréferung des Nebenkerns Substanz aus dem schon gelockerten Aufencytoplasma herangezogen, was eben dessen. hochgradige Rarefizierung zur Folge hat, wie ich sie oben beschrieben habe. — Ks sind alle diese von mir konstatierten Verhiltnisse des- hab nicht ganz unwichtig, weil sie m. E, zu der Ansicht fiihren miissen, dai der Nebenkern keineswegs aus einem eigen- artigen, in die Zellsubstanz eingesprengten Material, sondern nur aus besonders verdichtetem Cytoplasma Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IIIc. 449 besteht. —- Im iibrigen aber herrscht, wie gesagt, zwischen La Vatertz’s und meinen Ergebnissen eine mir sebr erfreuliche Uberein- stimmung, die um so mehr die Richtigkeit der Thatsachen verbiirgt, als ich letztere an ganz anders vorbehandelten Objekten festgestellt habe. Hinsichtlich der Beschaffenheit des fertigen Nebenkerns aber habe ich noch einige Differenzen meiner Wahrnehmungen mit denjenigen PratnEr’s zu besprechen. Dieser Autor hat an den Nebenkernen der Samenzellen von Pulmonaten dunkle, strahlig angeordnete Streifen dargestellt, die spiter, in zwei Portionen auseinanderfahrend, an die Spitzen der Kernfigur riicken und zu den Polstrahlungen werden sollen (18e). In der That ist in einem seiner Priparate von Limax agrestis, das ich seiner Freundlichkeit verdanke, etwas dem ersten Teile der Angabe Entsprechendes, nimlich an dem noch ungeteilten Nebenkern die Streifung zu sehen, wihrend in mehreren anderen seiner der Zwitterdriise yon Helix pomatia entnommenen Priparate ein solches feineres Strukturverhaltnis kaum, d. h. nur in sparlichen und unbestimmten Andeutungen hier und da zu erkennen ist. Auch in meinen eigenen Priparationen von der letzteren Species ist nichts von einem Zerfall in Stibehen cder auch nur von einer streifigen Zeichnung zu finden, Ich will es dahingestellt sein lassen, inwieweit letztere, wo sie auftritt, einem naturgemifen Vorgang entspricht. Fir Paludina, die Pratner ebenfalls untersucht hat, beschreibt er diese Strahlen nicht; hingegen bildet er in seiner Fig. 1 der Tafel IX eine Samenzelle ab, in welcher der Nebenkern eine Art Knauel oder Schleifenkomplex enthalt, der eine merkwiirdige Ahnlichkeit mit dem Knduelstadium des eigentlichen Kerns unserer Samenzellen hat. Ich habe nun bei Paludina weder von strahligen Streifen, die ja PLATNER an diesem Objekte auch nicht erwihnt, noch auch von seiner Knauel- form des Nebenkerns etwas finden kénnen, weder an meinen zahl- reichen Sublimatpriparaten, noch als ich die Hoden zweier Mannchen mit denselben Hilfsmitteln wie Pravner, unter Nachahmung seiner Hartungs- und Farbungsweise behandelt hatte. Auch dann zeigte sich der Nebenkern im fertigen Zustande als ein homogener Koérper, im unfertigen als ein Aggregat von Kiigelchen, unter denen tibrigens niemals eines oder zwei sich besonders auszeichneten. — Letztere Bemerkung bezieht sich schon auf das jetzt Folgende. Pxtarner be- schreibt nimlich an Pulmonaten aufer den Strahlungen als Einschlub jedes Nebenkerns ein Paar besondere Kiigelchen, die er als Centro- somen ansieht und spiiter an die Spitzen der Faserspindel hinriicken laBt. An letzterer sind solche Kérper in der That vorhanden, worauf ich noch zu sprechen komme. An den Nebenkernen aber kann ich sie zu meinem Bedauern selbst an den Priatner’schen Priaparaten von Limax und Helix nicht finden. Fir Paludina steht mir keines seiner Priparate zu Gebote. Fiir diese Gattung tibrigens erwihnt er im Texte seiner Darstellung selbst nichts von Centrosomen und _ bildet auch keine solchen ab. Nur in der Tafelerklirung sagt er betreffs der erwihnten Fig. 1 der Taf. IX, die Faden seien alle nach dem im Nebenkern ruhenden Centrosoma orientiert, das aber in der Abbildung selbst nicht zu erkennen ist. Vielleicht hat er hier mehr theoretisch 450 Leopold Auerbach, das, was er bei Pulmonaten gesehen hatte oder gesehen zu haben glaubte, auch auf Paludina iibertragen. In meinen eigenen Paludina- Praéparaten aber habe ich nichts in den Nebenkernen gefunden, was ich als Centrosoma hatte ansprechen kdnnen, weder in den mit Sublimat und einigen anderen Fixierungsmitteln noch in den nach dem Pxatyer’schen Verfahren hergestellten. Es ist ja miSlich, mit negativen Beobachtungen positiven entgegenzutreten; und ich méchte auch iiber letztere nicht absprechend urteilen, um so weniger gegen- iiber einem Forscher, der manche feine Verhialtnisse vortrefflich er- kannt hat; aber ich mu doch sagen, daf ich nicht in der Lage bin, diese besonderer Angaben PxatNneER’s za bestiitigen, und kann dem noch folgendes hinzufiigen. Um hinsichtlich der Centrosomen, wenn még- lich, zu einem positiven Resultate zu gelangen, versuchte ich auch die von M. Hremernwarn angegebene Eisen-Himatoxylin-Farbung. Wirk- lich gelang es mir damit auch, in dem Stadium der Faserspindel an den Spitzen der letzteren die Centrosomen und zwar als geschwirzte Kiigelchen darzustellen, worauf ich noch zuriickkommen werde; aber in eben denselben Priaparaten suchte ich in den vielen, einer anderen Zellgeneration angehdrenden Zellen des jetzt uns interessierenden Sta- diums vergebens nach etwas in den Nebenkernen, das ich fiir ein Centrosoma hitte ansehen kénnen. Ich kann demnach nicht umhin, die beziiglichen Angaben Pxiatner’s in Zweifel zu ziehen. Und ich kann es einstweilen nicht fiir ausgeschlossen halten, da’, wenigstens bei Paludina, die Centrosomen nicht praformierte oder doch schon in dem Stadium des Nebenkerns vorhandene Gebilde sind, vielmehr sich vielleicht erst zu einem spateren Zeitpunkte der Mitose ad hoc heraus- bilden. Ich gehe nun zu den gleichzeitig mit der beschriebenen Differenzierung des Zellenleibes in Gang kommenden Verdnde- rungen des Kerns tiber. Die ersten betreffen sein Inneres. Die in der Kernhéhle befindlichen, bis dahin, soviel ich sehe, getrennt gewesenen Kérperchen treten simtlich miteinander durch Faden in Verbindung und bilden so ein Netz- oder Geriistwerk. Auch die meist zu zweien vorhandenen Nucleoli liegen nicht in Maschen- raumen, sondern in Knotenpunkten des Netzes. Die Faden und ihre kleineren Konfluenzstellen sind schén und gleichmafig licht- blau tingiert; die Nukleolen hingegen zeigen noch die oben charakterisierte dunkle Mischfarbe und Zusammensetzung, wobei von ihrer blauen Rinde Verbindungsfiden zu den nachsten Knoten des Netzes ausgehen. So bleibt es auch bis zur Fertig- | stellung des Nebenkerns und noch eine Zeitlang wihrend der dann folgenden machtigen Anschwellung des Kern- blaschens. Letztere ist eine in unserem Falle besonders auf- fallige und weitgehende, den Gang der Dinge wesentlich be- einflussende Thatsache. Die Vergréferung des Kerns beginnt Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 451 vielleicht schon im Stadium der beiden Sicheln, jedoch anfangs in sehr langsamem Tempo, so daf sie zu dieser Zeit noch gering- fiigig und zuweilen kaum zu konstatieren ist. Sobald jedoch der Nebenkern hergestellt ist, steigert sie sich progressiv derart, daf die Kernhéhle schlieBlich einen Durchmesser erreicht, der mehr als 0,9 desjenigen der ganzen Zelle betragt (Fig. 8 f und g), da- bei im ganzen ihre kugelige Gestalt beibehaltend. Es fihrt dies zu einem vollig veranderten Aussehen des ganzen Zellgebildes. Da namlich der Kern bei Beginn dieses Vorgangs sehr ex- centrisch, nahe dem Kernpole seine Lage hat, so findet sich natiirlich Raum zu seiner Ausdehnung am meisten in der Richtung nach dem Gegenpole, in abnehmendem Mage nach den Seiten hin, am wenigsten in der Richtung nach dem Kernpole. Es verschiebt sich also das Centrum des Hohlraums unter Annaherung an das Centrum der ganzen Zelle; und die dem Gegenpole zugewandte Halfte des Kernumfangs nahert sich diesem mehr und mehr. Hierdurch wird der ihr an- liegende Nebenkern allmahlich nach dem Gegen- pole hingeschoben bis zur Beriihrung mit der Zell- membran. Und weiterhin wird sogar unter wach- sendem Drucke seitens des anschwellenden Kerns der Nebenkern in eine andere Form gepresst, nam- lich in diejenige eines plankonvexen oder konkav- konvexen Meniscus, der im optischen Querschnitte sichelformig erscheint und zwischen Kerngrenze und Zellmembran eingezwingt ist (Fig. 8 g, h, i, k). Die Suspensionsfaden scheinen sich waihrend des Vorgangs, nach einigen Anzeichen zu schliefen, selbstindig zu verkiirzen, indem sie im allgemeinen mehr als friiher geradlinig ausgespannt er- scheinen. Am Ende dieses Akts ist von ihnen schon deshalb nichts mehr zu sehen, weil die iibrigens mit der Auftreibung immer diinner gewordene Kernmembran sich schlieflich nicht nur der Zellmembran dicht anlegt, sondern sogar mit dieser, sowie auch mit dem Material der Suspensionsfiden und mit dem Neben- kern zu einer einzigen, auch dann noch diinnen Haut verschmilzt, die nur am Gegenpole eine flach-linsenférmige Verdickung, aus der Substanz des Nebenkerns gebildet, darbietet. Die Verschmel- zung dieser Teile kann uns deshalb nicht erstaunlich sein, weil sie ja aus dem gleichen Stoff bestehen, nimlich simtlich nur ver- dichtete Partien der wesentlichen Substanz des Zellenleibes sind. Die erwahnte linsenformige Verdickung am Gegenpole springt 452 Leopold Auerbach, gewohnlich nach innen hin vor und schneidet so ein kleines Seg- ment des kugelf6rmigen Hohlraums ab; jedoch kommt es auch gar nicht selten vor, daf sie unter gesteigertem Druck nach aufen hin verdrangt wird, somit wie ein kleiner Hiigel der Oberflache der Kugel aufsitzt, im mikroskopischen Bilde die Form eines Fingerringes mit angefiigtem Steine nachahmend (Fig. 8 h, i). Wer die so veranderten Zellen ohne Vorbereitung sieht, kénnte sie sehr leicht fiir freie Kerne halten, die mit etwas dickerer Kernmembran versehen sind, namentlich in Dissociationspraparaten mit dem Verdachte, da’ sie infolge der angewandten Manipula- tionen aus den Zellen ausgetreten seien, und dies um so eher, als ja bei der verschiedenen zufalligen Lage der einzelnen Zellen nur in wenigen derselben die lokale Verdickung der scheinbaren Kernmembran im Profilbilde sichtbar ist, sonst aber vielfach nur bei sorgfaltigster Beachtung der oberen und unteren Flache als ein mehr dunkelroter Fleck bemerkbar wird. Bei den ahnlichen Bildern in Schnitten freilich, in denen solche Gebilde meist massenhaft ganz dicht bei einander liegen, wiirde die irrtiimliche Auffassung nicht Jange vorhalten. In der That ist aber die Zell- substanz auf eine sehr diinne Schicht an der Oberflache reduziert, und der Kern ist nur noch eine sehr grofe, das Fadenwerk ber- gende Héhle, die aber vorlaufig noch scharf begrenzt ist. Die ganze Zelle aber ist jetzt wirklich ein Blaischen. — Wenn wir nun noch die Frage aufwerfen, wohin denn der Zellsaft d. i. die vorher so reichliche extranukleér angesammelte Fliissigkeit ge- kommen ist, so kann es darauf nur eine Antwort geben. Sie ist in die Kernhéhle (endosmotisch ?) eingedrungen, hat das Mate- rial zu deren Vergréferung und mittels steigenden intranuklearen Drucks die Kraft zur Verdringung und Umformung der festen Zellsubstanz geliefert, so weit nicht etwa in dieser eigene Bewe- gungskrafte mitgewirkt haben. Falls die Suspensionsfiden an der Kernmembran ziehen und diese damit zugleich ausdehnen sollten, so miifte dies direkt auf Filtration des Zellsaftes in den Kern- raum hinein hinwirken. In jedem Falle aber wird diese Ein- str6mung dadurch begiinstigt, dal schon vorher der Zellsaft aus den feinen Interstitien der festen Zellsubstanz ausgeprelt war und, in groéferen Raiumen angesammelt, die Kernmembran unmittelbar umspiilte. Hingegen ist das Cytoplasma iiberall nach aufen zuriickgewichen; von ihm ist auch in die so sehr vergré8erte Hohle vorlaufig noch nichts eingedrungen. Letztere sieht sehr hell aus, enthalt im Verhaltnis zu ihrer Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 453 Griéfe nur wenig feste, geformte Substanz; denn das noch in ihr yorhandene Netz feiner, blau tingierter Faden ist natiirlich sehr ausgezerrt und weitmaschig (Fig. 8 f). Auch die beiden Nuk- leolen erhalten sich wahrend der Aufquellung des Kerns noch langere Zeit hindurch, freilich vielleicht nur scheinbar so lange in ihrer urspriinglichen Verfassung. Es sind namlich in dem schon betrichtlich ausgedehnten Kerne immer noch, wie friher, zwei eréfere Knotenpunkte des Netzwerks, ungefihr von der Grofe der Nukleolen, zu sehen, denen jedoch die rote Beimischung des Farbentons fehlt, die sie friiher auszeichnete. Spater aber, in der zweiten Hilfte des betreffenden Zeitraums wird es immer deut- licher, daf die rote Fiillmasse der Nukleolen abhanden kommt, unter Verainderungen auch der Rinde derselben, wodurch der Nucleolus als solcher zu existieren aufhért. Zu dieser Zeit sind nimlich in manchen der Zellen die Nukleolen nur ver- treten durch zwei Stellen, wo eine Anzahl der Knoten des Netzes zu einem kleinen Kranze aneinander gedrangt sind, der so gro oder nur wenig gréfer ist, als es friiher der Nucleolus war, und ein farbloses, leeres Innere umschlieSt. Ich glaube dies so deuten zu diirfen, da’ die Stellen, wo Faden von der Rinde des Nucleolus abgingen, sich verdickt haben auf Kosten der Zwischenpartien, die erst diinner wurden und dann Liicken bekamen, sodaf die Rinde schlieflich zu einem sphirischen Netzwerk wurde, das durch seine Oeffnungen die erythrophile Centralsubstanz entweichen lie8, sei es daS diese unter Zerfall in ihre Molekiile aufgelést wurde oder als Ganzes durch eine der Maschen austrat. Ersteres muf ich nach dem unmittelbaren Eindrucke der Erscheinungen deshalb fiir das Wahrscheinlichere halten, weil ich in diesem Stadium niemals zwischen den Faden des Netzwerks oder itiber- haupt in dem ganzen Hohlraume ein rotes Kiigelchen habe ent- decken kénnen. Auflésung der Nukleolen ist ja auch sonst in vielen Fallen bei.Einleitung der Mitose anzunehmen Veranlassung gewesen. Ich selbst habe vor langer Zeit bei Ascaris nigrovenosa unter Beobachtung des befruchteten Eies in dessen lebendigem Zustande, an den Pronucleis, kurz vor deren Verschmelzung die so deutlichen Nucleoli unter meinen Augen erblassen und schnell ganz dahinschwinden sehen (1a, 8. 213 u. 228). Auch der neueste Unter- sucher mitotischer Zellteilungen auf pflanzlichem Gebiete, Rosen (21b), hat sich nicht nur von dem Vorkommen einer volligen Auf- lésung der Nukleolen tiberzeugt, sondern in gewissen Fallen, in denen dieser Vorgang ein langsamer ist, sogar den Gang der Auflésung 454 Leopold Auerbach, naher verfolgen kénnen, wobei sich zeigte, daS an einem oder einigen oberflachlichen Punkten des Nucleolus die Aufzehrung be- ginnt und von da aus weiterschreitet, so daf gleichsam ange- fressene Nucleoli zur Fixierung kamen. Wenn iibrigens in unserem Falle Auflésung der Nukleolen friiher erfolgen sollte, als man ihr Verschwinden erkennen kann, so kénnte dieses Ereignis auch ur- sichlich mitwirken bei der enormen Anschwellung der Kernhohle. Durch die Vermischung der Nukleolarsubstanz mit dem Kernsaft wiirde dieser ja konzentrierter werden und endosmotisch Wasser aus der umgebenden Zellsubstanz anziehen und so unbeschadet der friiher von mir hypothetisch beriihrten Momente zu dem Er- folge beitragen kénnen. — Indessen hat die Sache doch noch eine andere Seite, welche eine Entscheidung in obigem Sinne erschwert. Es wird sich zeigen, daf wahrend der nachstfolgenden Phase des Prozesses, nimlich wihrend des Knauelstadiums, in derselben Hohle wieder ein bis zwei rote Kiigelchen auftauchen. Diese miiSten also Neubildungen sein. Wir diirfen jedoch andererseits auch daran denken, daf sie vielleicht mit den Centralk6érpern der friiheren Nukleolen identisch sind, die sich doch erhalten und nur eine Zeitlang dem Blicke des Beobachters entzogen haben, etwa da- durch, daf sie iiber die Kerngrenze hinaus in den Bereich der Zellsubstanz entschliipft waren. Das ist um so eher méglich, als wahrend der Anschwellung des Kerns die Kernmembran zwar noch vorhanden ist, aber immer zarter wird, also diese am Um- fange der Kernhéhle verdichtete Grenzschicht des Cytoplasma ') 1) So, némlich als verdichtete Grenzschicht des Cyto- plasma habe ich schon im Jahre 1874 als der erste die Kern- membran aufgefaft und sie deshalb eine ,innere Zellmembran“ genannt, die zuweilen auch durch Erweichung und Riickbildung in gewohnliche Zellsubstanz abhanden kommen kénne (la S, 12, 164 und le 8S.6u.8. 19). Es stand dies in notwendigem Zusammenhang mit meiner genetischen Auffassung des Kerns als einer Héhle oder Vakuole im Cytoplasma, in welcher specifische Kern- bestandteile angesammelt und formiiert werden. Meine Ansicht wurde eine Zeitlang 6fters erwadhnt und ausfiihrlich reproduziert, z. B. von SrrasBuRGER in den beiden ersten Auflagen seiner Schrift: ,,Uber Zellbildung und Zellteilung“ (28a) und von SottwEpeL (27). Sie fand: jedoch laingere Zeit hindurch keinen Anklang und wurde sogar leb- haft bestritten, so von SrrasBurGER selbst und von Bwrscaxr (5a); auch wurden andere Vorstellungen iiber die Entstehungsweise der Kernmembran und ihr Verhdltnis zum Kerninhalte entwickelt, wie auferdem auch von Scuwatpe (24). Spiiter aber wurde meine Auf- fassung mehrfach wieder aufgenommen, und namentlich zeigt sich zu derselben SrrasBuRGER in spiteren Arbeiten vollig bekehrt. Nament- Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IIIc, 455 zu erweichen beginnt. Daf ein solcher Ubertritt sich wirklich ereignen kann, dafiir sprechen wiederum die Beobachtungen RoseEn’s, nach dessen Angaben in manchen pflanzlichen Zellen die Nucleoli trotz ihrer reguliren Tendenz zur Auflésung zuweilen doch ganz oder bruchstiickweise in das Cytoplasma hinausriicken und hier leicht wiederzufinden sind, weil sie aus dem zarteren, nur schwach tingierten pflanzlichen Cytoplasma durch dunklere Farbung hervor- stechen. In unserem Falle waren die Bedingungen fiir ihre Be- merkbarkeit um so weniger giinstig, als es eigentlich nur der an sich dichtere Nebenkern sein kénnte, in welchem die Kiigelchen sich verstecken. Ich erinnere daran, da’ F. Hermann in seiner Arbeit tiber die Samenbildung bei Salamandra und Mus domestica (11) ein mit dem Nebenkerne verbundenes, nach seiner Art der Doppel- tinktion durch besondere Farbung ausgezeichnetes Kiigelchen be- schrieben und betreffs seines Ursprungs zwar nicht festgestellt, aber doch vermutet hat, daf es wohl aus dem eigentlichen Kern hervorgekommen sein mége. Fir unseren Fall wiifSte ich freilich etwas Positives zur Unterstiitzung einer solchen Vorstellung nicht beizubringen. Daran kénnte schuld sein, da8 rote Kiigelchen, ein- gebettet in eine andere intensiv rote Substanz, sich leicht der Wahrnehmung entziehen. Eventuell nun wiirde diese Einlagerung lich hat er sie in 28¢ zu Ofters wiederholten Malen (S. 481, 483, 530, 533, 534, 569) und ebenso auch in 28d (S. 30) mit immer er- neuertem Nachdruck ausgesprochen, und zwar ganz in Ubereinstimmung mit der friiher yon mir entwickelten Vorstellung, dabei jedoch diese von ihm vorher bekémpfte und erst spiter angenommene Anschauung durchweg so vorgetragen, daf der Ursprung derselben in Vergessenheit geraten und die Meinung entstehen konnte, sie gehe von ihm aus, wie denn auch Heuser (18) und Gurenarp (10), denen wohl meine 4lteren Publikationen unbekannt waren, die aus diesen herstammende Auf- fassung als eigenste Originalansicht SrraspuraEr’s angesehen haben. Vermége ihres Ursprungs eben kann die Kernmembran sich ge- legentlich durch Erweichung wieder in lockeres Cytoplasma umwandeln, wie das bei jeder mitotischen Zellteilung geschieht. Aufer dieser gewohnlichen Kernmembran kann aber, wie ich spater gefunden habe, in manchen Zustiinden der Zellen sich noch eine zweite, jener auf der Innenseite anliegende ausbilden, die aus inneren Kernteilen ihren Ursprung nimmt, und zwar aus kyanophiler Kernsubstanz, indem letztere sich zu einer kontinuierlichen Belagsschicht der Kernmembran umgestaltet, Ein Beispiel dieser Art werde ich weiter unten bei der Umbildung der letzten Samenzellen niiher zu schildern haben, Abnliches kommt aber auch in anderen Zellen yor, Solche Fille hatte ich im Sinne, als ich in einer friiheren Abhandlung (1d) andeutungsweise von dem Vorkommen einer doppelten Kernmembran sprach, deren eine als cytogene, die andere als karyogene zu bezeichnen sei, 456 Leopold Auerbach, nur voriibergehend sein; in einer etwas spiteren Zeit wiirden jene Kiigelchen wiederum in die Kernhéhle hinein ausgestofen werden. — Dies ist jedoch alles sehr zweifelhaft. Fest steht nur, da’ in dem Netzstadium die Nucleoli als solche verschwinden, und daf ihre Rindensubstanz auf die angegebene Art zu einem Teile des intranukleiren Netzwerks wird, der anfangs noch unterscheidbar ist, dann aber durch Auseinanderriicken der Knotenpunkte sich in dem iibrigen Fadennetze verliert. Bald aber erfahrt dieses eine Umwandlung. Es folgt jetzt das Knaiuelstadium (Fig. 8g). Der intensiv blau tingierte Knauel besteht anscheinend aus einem einzigen ansehnlichen und durch- weg gleichmafig dicken Faden. Es sind namlich jetzt freie Faden- enden nicht zu sehen, und man koénnte sogar an einen in sich selbst zuriickkehrenden Faden denken. Mit Sicherheit jedoch abt sich die Kontinuitét deshalb nicht behaupten, weil da, wo der Knaiuel den Nebenkern beriihrt, die Verhiltnisse nicht so klar zu durchschauen sind, daf etwaige, gerade in dieser Gegend vor- handene Unterbrechungsstellen des Fadens fiir ausgeschlossen gelten kénnten. Waren solche vorhanden, so wiirde das ver- schlungene Gebilde vou vornherein aus mehreren Faden bestehen. Viele Gipfel der Fadenbiegungen kommen der Grenze der Kern- héhle oder, wie man sie jetzt auch nennen kénnte, der Zellhéhle ziemlich nahe, so daS der lockere Knauel den Hohlraum beinahe ausfiillt. In Betreff der feineren Verhaltnisse dieses Stadiums sagt Brunn, der gerade dieses Stadium reichlich angetroffen hat, folgendes: ,,Charakteristisch ist, daf dem Knauel eine scharfe Begrenzung gegen das Protoplasma fehlt; der glinzende bestimmte Umrif des Kerns ist verschwunden, und die Binnenriume des Kniuels stehen in direkter Kommunikation mit dem umgebenden Protoplasma“ (4, 8. 449). Dies wirde ja sehr gut zu dem, was ich an einigen anderen Arten von Zellen schon in diesem Stadium der Mitose gesehen habe, und zu meiner langst gediuSerten Ansicht iiber das Wesen der indirekten Zellteilung stimmen; aber ich muS doch sagen, da jene AuSerung auf das jetzige Stadium unseres Objekts nicht zutrifft. Richtig ist daran, da8 die Kern- membran als besondere Schicht nicht mehr existiert, und zwar deshalb, weil sie mit der Zellmembran und dem Nebenkern ver- schmolzen ist. Ferner kommt in Betracht, dal die Fliissigkeit, welche friiher die Zellsubstanz durchtrankte, gréStenteils in die Kernhoéhle hinein diffundiert ist, also jetzt die Zwischenraume des Knauels ausfiillen hilft. Diese Binnenraume kommunizieren nun Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IILe, 457 mit der peripherischen Zone der Hohle, nicht aber mit dem Cyto- plasma. Die Grenzfliche der Héhle aber gegen die diinne, sie blasenartig umgebende Cytoplasmaschicht ist noch scharf ausge- sprochen; und da an dieser Grenzfliche eine Fliissigkeit und eine feste Substanz zusammenstoBen, so kann hier von einer Kommuni- kation nicht gut die Rede sein, aufer etwa einer intermolekuliren, die ja aber nie fehlt. In der sehr erweiterten Zellhéhle ist aber jetzt aufer dem gewundenen blauen Fadenwerk nicht selten noch etwas anderes zu sehen, worauf ich schon oben hindeutete, namlich ein rot tin- giertes, scharf konturiertes Kiigelchen. Dieses hat seine Lage meist zwischen den Windungen des blauen Fadenwerks, durch dieses sehr verdeckt, so daf es, wenn iiberhaupt, doch nur mit Schwierigkeit zu erkenner ist. Ausnahmsweise jedoch liegt es zur Seite des Knauels und fallt dann von selbst ins Auge (Fig. 8 g). Es erhalt sich bis in das bald zu beschreibende Schleifenstadium hinein, wihrend dessen es noch lange als gesondertes, frei schwebendes Kérperchen zu konstatieren ist (Fig. 8h). Einige Male konnte ich tibrigens sogar zwei solcher roter Kiigelchen er- kennen. Ob diese Zweizahl etwa Regel ist und nur, teils infolge Angeschnittenseins vieler Zellen, teils wegen der Schwierigkeit der Beobachtung, selten festzustellen ist, oder wirklich nur ausnahms- weise vorkommt, oder auch eine typische Zweiteilung des urspriing- lichen Kiigelchens bedeutet, mu ich dahingestellt sein lassen, ebenso auch, ob sie etwa bestimmt sein mégen, spater als Centro- somen zu funktionieren. Letztere Natur ihnen zuzusprechen, wire ich um so mehr geneigt, als ja auch in anderen Fallen in diesem Stadium schon Centrosomen gesehen worden sind; nur will damit nicht recht stimmen, daf sie so leicht tingierbar sind, und dafi sie spiter wieder zeitweilig verschwinden. Die Ungewifheit ihrer Herkunft resp. ihrer etwaigen Beziehungen zu den friiheren Nukleolen habe ich schon oben besprochen. Ihre Existenz im Kniuel- und im Schleifenstadium ist jedoch eine Thatsache, die ich auch in anderen, ebenfalls Gasteropoden betreffenden Fallen, nim- lich in den Samenzellen von Limnaeus stagnalis, von Planorbis und von Helix Pomatia, und zwar an diesen Pulmonaten als eine noch leichter zu beobachtende Erscheinung aufgefunden habe. Ich hatte bei Paludina diese Thatsache lange Zeit iibersehen, weil sich hier der Erkennung Schwierigkeiten gegeniiberstellen. Erst als ich durch die viel leichteren Wahrnehmungen an den Pulmonaten auf die Sache aufmerksam geworden war, fand ich sie auch an Paludina. Bd. XXX. N. F, XXIII, 30 458 Leopold Auerbach, Einige anzukniipfende Erwigungen verschiebe ich bis zur Be- sprechung des folgenden Stadiums. Der Kniuelzustand kann kaum sehr lange andauern; denn es finden sich zwischen den dieses Bild darbietenden Zellen 6fters eine ziemliche Anzahl, die schon dem folgenden, dem Schleifen- stadium angehéren, welches dann wieder in anderen Individuen unvermischt vorliegt. Jetzt sind in dem Hohlraume einige ge- sonderte Fadenstiicke enthalten, deren jedes in einem etwa huf- eisenformigen Bogen gekriimmt ist, also eine Anzahl ,,Schleifen, um diesen iiblich gewordenen Terminus beizubehalten. Und zwar habe ich oft genug feststellen kénnen, da8 vier solcher Schleifen fiir die Samenzellen von Paludina typisch sind. Ks ist also ent- weder ein langer Faden in vier Stiicke zerfallen, oder es ist eine schon von Anfang an vorhandene Diskontinuitaét jetzt durch eine gewisse Streckung der Einzelteile erst erkennbar geworden. Dies ist so gemeint, daf die Faden unter Ausgleichung ihrer mehr- fachen Kriimmungen die gréfere Bogenform annehmen. Fast hat es den Anschein, als ob damit eine Verkiirzung und Verdickung der Fadenstiicke verbunden sei, also schon jetzt die spiter viel weiter gehende Kontraktion derselben beginne. In vielen Zellen dieses Stadiums zeigt sich nun eine gewisse typische Anordnung der vier Schleifen, indem diese ihre Scheitelwélbungen samtlich nach einer Seite hin richten, naimlich nach der der Cytoplasma- sichel gegeniiberliegenden Seite, also nach der Gegend des Kern- pols hin. Und zwar fuBt jeder der Bogen mit seinen zwei freien Enden auf jener Sichel und ragt mit seinem Gipfel mehr oder weniger weit iiber die Mitte des Hohlraums hinweg, éfters bis in die Nahe der gegeniiberliegenden Protoplasmawandung, ohne jedoch diese ganz zu erreichen. Manche der gekriimmten Bogenschenkel schmiegen sich in erheblicher Strecke dem seitlichen Umfange der Héhle an, aber auch diese an der Grenzfliche verlaufende Strecke wendet sich schlieSlich nach innen, so daS die verbindende Scheitelkriimmung in einem gewissen Abstande von dem oberen Pole verbleibt (Fig. 8h). Dieses polare Segment bleibt also frei von blauen Faden. Es entspricht dies im wesent- lichen einer zuerst von Rasi bemerkten Anordnungsweise der Schleifen. Der Mittelpunkt des freien Feldes ist aber identisch mit dem oben von mir aus bestimmtem Grunde so bezeichneten ,Xernpol’’; und es ist also jetzt die Umgebung des Kernpols zu dem Rasu’schen Polfelde geworden. Freilich ist die Erschei- nung in unserem Falle meist nicht besonders elegant, schon des- et ee ss OO ——— Saar Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc, 459 halb, weil viele der Schleifen ganz im Innern der Héhle stecken, ohne mit deren Seitenwand in Berihrung zu kommen, auferdem aber auch, weil sich im einzelnen mancherlei Unregelmafigkeiten einmischen, betreffend sowohl die gegenseitige Stellung der Schleifen zu einander, als auch die Hohenlage ihrer Gipfel. Insofern nam- lich jede Schleife als eine ungefahr ebene Figur betrachtet werden kann, so stehen diese Schleifenebenen zuweilen ziemlich parallel zu einander und zur Achse der Zelle; viel 6fter jedoch sind sie nicht blof divergent nach dem Kernpole, sondern auch seitlich in Winkeln gegeneinander gestellt. Ja es kommt sogar nicht selten vor, daf eine Schleife die andere umgreift, ihre Linien sich also kreuzen. Sodann aber kommen die vier Schleifen mit ihren Scheitelkriimmungen fast niemals dem Kernpole gleich nahe, ohne daf doch auch in diesen Differenzen irgend eine Regelmafigkeit stattfande. Diese Ungleichheit in der Héhenlage der Schleifen- gipfel ist aber einesteils bedingt durch verschiedene Kriimmung der Schleifen, die bald schlanker geformt, bald breit ausgebogen sind; anderenteils aber ist sie verursacht durch wirklich ver- schiedene Lange der Faden, eine Ungleichheit, die viel- leicht theoretischen Voraussetzungen widersprechen mag, jedoch thatsaichlich nicht abzuweisen, zuweilen sogar sehr betrachtlich ist, méglicherweise aber hinsichtlich der Quantitaét der Substanz durch verschiedene Dicke, namentlich der knopfartig angeschwolle- nen Fadenenden kompensiert und sekundér entstanden, namlich Folge vorzeitiger Kontraktion einzelner Schleifen ist. Infolge aller dieser Umstande kommen nur selten so regelmafige und zierliche Bilder heraus, wie eines in Fig. 8h dargestellt ist. Immerhin ist in allen diesen Fallen die Orientierung der Schleifen nach den Polen gut kenntlich. Die beiden Enden jedes Fadens fufen nahe bei einander auf der Sichel, und die Scheitelkriimmung sieht nach dem Kernpole hin. Es ist dies eine erste Phase des Schleifenstadiums, die wir als die Phase der geordneten Schleifen bezeichnen kénnen. In einem bald folgenden Zeitraume aber lésen sich die Schleifen von dem Boden, dem sie aufsafen, ab und nehmen bald andere Arten von Kriimmungen und andere, sehr unregelmabige Lagen in dem Hohlraume an, der sie birgt (Fig. 8i). Indem an jedem einzelnen Fadenstiicke die freien Enden auseinanderweichen, bekommt es 6fters eine haarnadelihnliche Form und geht dann in diejenige eines flachen Bogens oder auch einer S-formigen oder selbst ein wenig spiraligen Kriimmung iiber. Dabei geraten die 30* 460 Leopold Auerbach, vier Faden in die mannigfachsten Lagen zu einander und zu der Achse der Zelle, so daf ihre freien Enden nach den verschiedensten Richtungen hinsehen. Teilweise, jedoch eben nur teilweise, schmiegen sie sich auch jetzt der Grenzfliche der kugelférmigen Zellhéhle an. Zellen dieses Zustandes sieht man 6fters massenhaft bei- sammen, aber auch denjenigen der vorigen Erscheinungsweise ver- einzelt beigemischt, als Fille, die in der Entwickelung ihren Ge- nossen ein wenig vorausgeeilt sind. Die jetzigen Kriimmungen der Faden wiirden es ja an sich kaum noch rechtfertigen, von Schleifen zu sprechen; immerhin kénnen wir in Riicksicht auf den vorangegangenen Zustand den jetzigen als Phase der abge- lésten und verlagerten Schleifen bezeichnen (Fig. 8 i). Jetzt ist iibrigens 6fter als bei der friiheren Anordnung zu er- kennen, da8 die Enden der Faden wie ein Sondenknopf verdickt sind. Dies ist wohl der Beginn einer Langskontraktion, die, wie ich bald begriinden werde, wahrscheinlich mit Zerfallung eines jeden Fadens in vier kurze Stiicke verbunden ist. — Da tibrigens bei der Umwandlung des vorigen Zustandes in den jetzigen die Frage entsteht, durch welche Krafte die Anderungen bewirkt werden mégen, und im besonderen, ob etwa zwischen den Schleifen ausgespannte kontraktile Faden im Spiele seien, so habe ich mich sehr bemiiht, solche Linienfiiden zu finden, habe aber nichts davon erschauen kénnen. Sollten sie dennoch vorhanden sein, so miissen sie nicht blof& sehr fein sein, sondern namentlich auch der Tingierbarkeit durch die von mir benutzten Farbstoffe ginz- lich entbehren, was ich besonders betone, weil es fiir eine spater zu besprechende Frage von Wichtigkeit ist. Hinzufiigen muf ich noch, dai von dem einfachen oder doppelten roten oder rot- braunen Kiigelchen, das noch zur Zeit der geordneten Schleifen zu konstatieren ist, in der jetzigen Phase nirgends mehr etwas aufzufinden war. Es mu& sich also wieder verloren oder durch Eindringen in das Cytoplasma, resp. in die Nebenkernsubstanz versteckt haben. Von der durch FLEMMING zuerst entdeckten, so wichtigen Langsspaltung der Faden, die ja fiir eine Reihe von Fiillen fest- gestellt ist, habe ich an unserem Objekte nichts wahrnehmen kénnen. Eine solche wiirde auch nicht recht in den weiteren Gang der Dinge hineinpassen, da, wie wir sehen werden, die Faden nicht als solche, d. h. nicht in Fadenform in das Spindel- stadium eintreten. Hingegen tritt eine andere Art der Zerteilung der Faden ein, naimlich Zerfall derselben in sechzehn, bald sich ab- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc, 461 rundende Stiicke, also jedes einzelnen Fadens in vier solche. Ich finde vielfach, und zwar meist untermischt mit mehr oder weniger Formen des letzt besprochenen Schleifenstadiums, ebensolche blasenartige Zellen, deren grofe Héhle jedoch nicht mehr die Faden, sondern statt deren 16 oder beinahe 16 rundliche, zum Teil fast genau kugelige, blau tingierte Kérperchen enthalt, die ziemlich gleichmakig im Raume zerstreut und vielleicht durch un- sichtbare, aber ganz gewif} nicht durch tingierte Fadchen mit- einander verbunden sind, itibrigens im Durchmesser die Dicke der friiheren Faden iibertreffen (Fig. 8k). Diesem Befunde gegeniiber habe ich mich anfangs skeptisch verhalten, aus Besorgnis vor einer optischen Tauschung, die etwa dadurch bedingt sein kénnte, daf die verdickten Enden der Faden und einzelne Umbiegungs- stellen derselben besonders stark hervortreten. Allein die groke Zahl der Einzelfalle, in denen niemals etwas von verbindenden Fadenstrecken zu finden war und der Vergleich mit den nebenan liegenden, noch Schleifen enthaltenden Zellen beseitigten jeden Zweifel. Auferdem aber fiigt sich der jetzt vorliegende Zustand als notwendiger Uebergang zu dem nachstfolgenden, in Fig. 8 1 dargestellten vortrefilich in die Kette der Veranderungen ein. Anlangend die Anzahl der Zerfallsstiicke, so glaube ich die Zahl 16 als die gesetzmaBige ansehen zu diirfen. Zuweilen konnte ich genau 16 zahlen, niemals mehr. Wenn in anderen Einzelfallen nur 13—15 zu unterscheiden waren, so kann dies in Schnittpraparaten sehr wohl durch Anschnitt der Zelle, sonst auch durch gegenseitige Deckung einzelner Innenkérperchen ver- ursacht gewesen sein. Ks ist wohl kaum etwas anderes zu ver- muten, als da die Zerfallung der Faden durch Querteilungen erfolgt, die iibrigens nicht einfache Zerspaltungen zu sein brauchen. Zu meinem Bedauern habe ich gerade an den Spermatogonien, deren Gréfie eine relativ leichtere Beobachtung ermdglicht hatte, keine Zwischenstufen zwischen den Phasen i und k angetroffen; nur bei der gleichen Folge von Veranderungen an den Samenzellen der dritten Generation glaube ich vermittelnde Zustaénde erkannt zu haben. Danach wiirde der Faden aufer seinen beiden Endan- schwellungen noch zwei mittlere bekommen, die auf Kosten der drei verbindenden Fadenstrecken anschwellen, und es wiirden die letz- teren, nachdem sie sehr diinn geworden sind, einreifen, zuerst die mittlere, dann die beiden anderen. Da jedoch bei der Kleinheit der genannten Zellenart die Beobachtung der feinen Innenteile und besonders die Sicherstellung dieser Verhaltnisse schwierig ist, so 462 Leopold Auerbach, mochte ich das oben Gesagte nur mit Vorbehalt ausgesprochen haben. Wie aber auch die Zerfallung in vier Stiicke herbeigefiihrt werden mége, so ist doch das Resultat als Thatsache sehr auf- fallend. Welchen Sinn und Zweck dieselbe wohl haben kénne, wird erst aus dem weiteren Verlaufe des Prozesses vermutungs- weise sich beurteilen lassen; und ich werde auf diese Frage weiter unten zuriickkommen. So reichlich nun aber einerseits das eben Geschilderte und andererseits die spater folgende Hauptphase, namlich die Faser- spindel mit Aquatorialplatte in meinen Praparaten vertreten sind, so stehen mir doch betreffs des Ubergangs des ersteren Zustandes in den letzteren leider nur sehr sparsame Beobachtungen zu Ge- bote, darunter freilich eine m. E. sehr lehrreiche Zwischen- form. In einem meiner Praparate befindet sich in einem Hoden- schlauche eine Gruppe von acht Zellen, von je 13—14 « Durch- messer, also acht Samenzellen erster Generation, die alle die in Fig. 81 wiedergegebene Verfassung zeigen. Die Zelle ist ein klein wenig in die Lange gezogen, kurz-elliptisch. Da sich die eine Achse als Hauptachse der Zelle erweist, so kénnen wir die auf ihr senkrechte Ebene als aquatoriale ansehen. In der Aquatorialen Zone aber zeigen mehrere der Zellen eine leichte Ausbauchung des Umrisses, so dafi die Gesamtform sich derjenigen einer breiten Spindel mit abgestutzten und abgerundeten Spitzen nihert. Die wesentlichste Verainderung aber betrifft den inneren Bau. Wahrend in den vorigen Stadien nur an einer Stelle der cytoplasmatischen AuBenschicht eine halbmondfoérmige Verdickung da war, sind jetzt deren zwei gleich grofe vorhanden, und zwar an zwei sich diametral gegeniiber stehenden Punkten. Niimlich an den Enden der lingeren Achse befindet sich je eine solche Anhaufung von dichtem, rot tingiertem Protoplasma, mit der Zellmembran scheinbar ver- schmolzen, wenigstens ohne bemerkbare Scheidung von dieser, hingegen an der nach dem Hohlraume hinsehenden Seite nicht mehr so scharf begrenzt, sondern wie flockig oder gefranst. Und von diesen letzteren Zacken gehen in der Richtung nach der Aquatorialebene hin divergierende, auerst feine und blasse, eben noch erkennbare Faden aus. In der Mittelgegend des _hellen- Hohlraums aber, und zwar in einer Querzone von einer gewissen Breite, die etwa einem Fiinftel der Langsachse entspricht, sind eine Anzahl kleiner, rundlich-eckiger Koérperchen zerstreut. In den einzelnen Zellen zaihle ich 9—14 solcher Karyosomen. Da jedoch diese Zellen unzweifelhaft samtlich der Lange nach etwas wie: a ee Re oe we Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IIIc. 463 angeschnitten sind, so ist die Vermutung erlaubt, da wohl in jeder sechzehn solcher blau tingierbaren Ko6rperchen vorhanden waren. Daf an diese sich die erwahnten feinen Fadchen teilweise ansetzen, ist nicht unwahrscheinlich, jedoch nicht mit Bestimmt- heit zu erkennen. — Ks ist nun offenbar, daf hier die Zellen bei ihrer Arbeit, die Faserspindel herzustellen, ertappt sind. Wie aber sind die friiheren Verhaltnisse in die eben geschilderten iiber- gefiihrt worden? Mir erscheinen zwei Annahmen aus den That- sachen erschlieSbar und kaum abweisbar zu sein. Fiirs erste muf sich die friihere sichelformige Anhaufung von cytoplasmatischer, resp. Nebenkernsubstanz in zwei Massen zerteilt haben, die dann durch Wanderung der einen oder beider lings der Grenzflache der Hoéhle an entgegengesetzte Punkte der Zellperipherie gelangten, im ersteren Falle unter Beibehaltung der alten Zellachse, im letzteren unter Bildung einer neuen solchen. Andeutungen eines solchen Vorgangs glaubte ich auch hier und da schon im Stadium der zerfallenen Schleifen gesehen zu haben, naimlich zwei verdickte Stellen der cytoplasmatischen Umfassungsschicht, teils nahe bei einander, teils um einen Quadranten und mehr voneinander ent- fernt; jedoch der Umstand, da8 dies immer Zellen betraf, die nicht frei dalagen, sondern von ihresgleichen dicht umgeben waren, liefS eine gewisse Unsicherheit der Beurteilung nicht tber- winden. Sollte jedoch zu dieser Zeit noch nichts derartiges sich ereignen, so muff es etwas spater geschehen. Daf vielleicht die zwei friiher im Schleifenraume sichtbar gewesenen Kiigelchen nach Kintritt in die cytoplasmatische Masse Veranlassung zu deren Zweiteilung geben kénnten, sei nur als eine ganz unbestimmte Méglichkeit ausgesprochen. Die sechzehn Teilstiicke der Schleifen sind nun alle in eine aquatoriale Zone der Zelle geriickt. Noch liegen sie weder genau in einer Ebene noch sehr nahe bei einander, sondern gleichsam zwischen zwei Wendekreisen zu beiden Seiten des Aquators zer- streut, immerhin diesem viel naher als den Polen. Bei, ihrem Zusammenriicken in diese Gegend mégen wohl die feinen Fadchen mitgewirkt haben, die von den beiden polaren Cytoplasmaansamm- lungen nach dem Aquator hin ausstrahlen; und eben dieselben werden sie spiter einander noch naher bringen. Der ganze Kom- plex dieser Fadchen ist tibrigens vorlaufig noch sehr verschieden von der spiteren Faserspindel; denn jener besteht nur aus wenigen, auferst feinen und deshalb kaum als gefarbt erkennbaren, aus- einander gespreizten Faserchen, deren Gesamtmasse vergleichs- 464 Leopold Auerbach, weise sehr gering ist. Ich will deshalb auch nicht die Méglich- keit bestreiten, daf die jetzigen Faserchen nicht in ihrer ganzen Lange Ausstrahlungen des Protoplasmas seien, sondern vielleicht nukleire Lininfaiden, die an die Fransen der cytoplasmatischen Sicheln angeheftet sind. Auch andere wesentliche Veradnderungen hat der jetzige Ubergangszustand noch durchzumachen, wie bald einleuchten wird. Alle die Umgestaltungen aber, die von dem Stadium der zerfallenen Schleifen zu demjenigen der eigentlichen Spindel hiniiberfiihren, scheinen relativ schnell abzulaufen, wenn man dies aus der Seltenheit der Befunde von Zwischenstufen schliefen darf. Sehr haufig dagegen anzutreffen sind kleinere oder gréfSere Haufchen von Zellen, welche durch die eingeschlossene Faser- spindel mit Aquatorialplatte in vollendeter Ausbildung charakte- risiert und sehr in die Augen fallend sind (Fig. 8mu.n). Die sogenannte achromatische Spindel, die aber bei meinen Tinktions- weisen immer lebhaft rot gefarbt erscheint, ist im Verhaltnis zu ihrer Hohe sehr breit, so dafi der Querdurchmesser dem Héhen- durchmesser gleichkommt oder diesen noch um etwas iibertrifft. Im Aquator der Spindel sind nach ihrer Herstellung anfangs vier dunkelblau gefarbte Kérner, d. h. kurz-spindelférmige Chromo- somen, ein jedes etwa von der Gestalt eines Weizenkorns, in Langsstellung nebeneinander angebracht. Die Vierzahl ist sehr bequem in Polaransichten festzustellen, welche im Mittelfelde der Spindel vier runde blaue Flecken zur Anschauung bringen, aber auch ganz gut bei Seitenansichten unter wechselnder Einstellung des Focus. Oft genug sieht man bei hoherer Einstellung drei der Korner, wie in Fig. 8m, bei tiefer dann noch das vierte. Diese vier Karyosomen sind aber nicht auf die ganze Breite der Spindel verteilt, sondern, wie ich schon andeutete, in deren Mitte zusammen- gedrangt, so dafi auch hier derjenige Teil der Spindel, in dem sie sitzen, als Centralspindel von einem diese umbhiillenden auferen Fasermantel unterschieden werden kann. — Sehen wir uns aber die Umgebung der Spindel naher an, so ergiebt sich jetzt eine eigentiim- liche Beschaffenheit der Zelle. Diese ist jetzt eine sehr zartwandige Blase mit rot tingierter, durchweg gleichmafig diinner Grenzmembran - und einer Héhlung, die aufer der roten Spindel mit ihren blauen Be- satzkérperchen und sehr kleinen polar situierten Centrosomen, ent- weder gar nichts von sichtbarer fester Substanz enthalt oder héchstens von einigen wenigen, iiberaus zarten Fadchen durchsetzt ist. Gianzlich sind die beiden Cytoplasmaanhaufungen, die eben noch in polarer Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 465 Gegentiberstellung auffallig gewesen waren, von ihrem Orte ver- schwunden. Die Spitzen der Spindel kommen der diinnen Zell- membran recht nahe, sind aber immer noch durch einen merk- lichen Zwischenraum von'ihr getrennt. Letzterer ist in vielen dieser Zellen anscheinend leer, wihrend in anderen mit den starksten optischen Hilfsmitteln eine den kleinen Raum tiberbriickende fein- faserige Substanz zu bemerken ist, die sich 6fters als aus einigen wenigen, an der Spitze der Spindel entspringenden und nach der Zellmembran hin divergierenden Faden bestehend erkennen 1abt und also einer Polstrahlung im kleinsten Ma8stabe entspricht. Wahrscheinlich sind diese zarten polaren Suspensionsfiden der Spindel im Leben jedes Mal vorhanden und nur 6fters bei der Erhartung zerrissen und zusammengeschnurrt. Der Breite nach nimmt in frei liegenden, kugelférmigen Zellen die Spindel ?/,—*/, des Querdurchmessers der ganzen Zelle ein. Die Spindel ist also rings herum von einer Art Spaltraum umgeben, der, abgesehen von den kurzen Polfiiden, anscheinend nur Fliissigkeit, jedenfalls in der Regel nichts Gefairbtes enthalt. Das ist sehr verschieden von dem, was bei der gleichen Behandlungsweise an sonstigen Zellen und sogar an den homologen Samenzellen anderer Tiere, z. B. Helix Pom., im Stadium der Faserspindel zu finden ist, indem hier der die Spindel umgebende Zellraum von einem freilich lockeren und blassen Cytoplasma erfiillt ist. Es geht also bei Paludina in den Samenzellen fast das ganze Cytoplasma in ver- dichtetem Zustande in der Faserspindel auf, indem nur ein ge- ringer Rest desselben fiir die winzigen Polstrahlungen verwandt wird, im iibrigen aber die Spindel von Fliissigkeit umspiilt ist. Noch auffallender als in frei liegenden, kugelférmigen Zellen ist der die Spindel umgebende Hohlraum dann, wenn die Zellen massenhaft zusammengedringt sind, wie es in Schnittpriparaten haufig zu finden ist. Die Spermatogonien sind dann zu polyedrischen K6érpern geworden; und die diinnen Zellmembranen sind so an- einander geschmiegt, daf sie zusammen ein Wabenwerk ausmachen, ahnlich manchen pflanzlichen Zellparenchymen, und in jedem dieser Facher schwebt frei eine Spindel. In diesem Zustande sind aber simtliche Einzelzellen etwas gréfer als sonst die isolierten kugligen Spermatogonien nach der Erhartung; sie haben im Mittel etwa 15 « Durchmesser und gleichen somit in der Gréfe mehr den frischen Spermatogonien. Ich glaube mir dies so erklaéren zu kénnen, daf der Zusammenhalt der Zellen in etwas die mit der Krhartung sonst verbundene Flachenschrumpfung der Zellmembranen " 466 Leopold Auerbach, behindert. Die Spindeln hingegen gehen aus der Hartung mit den gleichen Dimensionen hervor wie in den kugligen Zellen. Infolge- dessen liegen sie in einer erheblich geraumigeren Héhle, von der sie im Querdurchmesser nur etwa die Halfte ausfiillen. Unter diesen Umstanden ist von den wenigen zarten Suspensionsfadchen, welche die organische Verbindung der Spindel mit der Zellmembran aufrecht erhalten, in der Regel fast gar nichts mehr zu sehen; und die Spindel bietet den Anblick eines frei in der Héhle schwebenden Kérpers. Jene Fadchen mégen bei ihrer Zartheit unter den angegebenen Umstinden um so leichter zerrissen und zusammengefahren sein. Reste derselben erhalten sich am ehesten an der Spitze der Spindel. Von Centrosomen etwas zu sehen, ist mir an unserem Objekte lange Zeit hindurch nicht gelungen, obwohl mir solche in den Samenzellen anderer Tiere, z. B. von Ascaris meg., nach ganz der gleichen Behandlungsweise sehr schén zur Anschauung ge- kommen waren. Es lag nahe, zu vermuten, da sie an unserem Objekte besonders klein, zart und leicht zerstérbar seien, vielleicht aber bei anderer Vorbehandlung doch hervortreten kénnten. Um etwas in dieser Richtung zu versuchen, unterwarf ich zunachst einige Hodenstiickchen einer dahin abgedinderten Vorbehandlung, daf ich der fixierenden Sublimatlésung Eisessig im Verhaltnis von 4, 4/2 und 1 Proz. beimischte, kam aber damit nicht zum Ziele; vielmehr hatten diese Zusitze noch die iible Wirkung, daf bei guter Erhaltung der Karyosomen doch die Faserspindel destruiert, nimlich in eine kriimlige und schlecht begrenzte Masse ver- wandelt wurde. Sonstige fiir Sichtbarmachung jener Struktur- elemente empfohlene Fixierungsgemische gaben auch kein besseres Resultat. Auf anderem Wege jedoch erreichte ich mehr, und zwar indem ich meine einfach mit Sublimat fixierten Praparate mit Kisenhamatoxylinlack nach M. Hermennarn tingierte. Die Centrosomen zeigten sich dann zwar nicht an jeder im Spindel- stadium befindlichen Zelle, jedoch an vielen derselben, nimlich an den beiden Spitzen der Spindel je ein schwarz gefarbtes Kiigelchen, sehr klein, von nur 0,3 4 Durchmesser (Fig. 10 a). Von diesen Kiigelchen gehen nach den Polen zu die schon erwihnten diver- gierenden Fadchen ab. Teilungssymptome habe ich in der Regel an diesen Ktigelchen nicht gefunden, jedoch vollendete Verdoppelung derselben in einigen Fallen (Fig. 10b). Ich kann mich freilich nicht der Meinung anschliefen, dab be- sagte schwarze Farbenreaktion ein specifisches Characteristicum der Centrosomen sei, Diese halten sogar den Farbstoff weniger fest, als Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IIIc. 467 dies andere Bestandteile der Priiparate thun. Anfangs nimlich farben sich intensiv schwarz: in erster Linie alle kyanophilen Be- standteile, wie die Képfe der Samenfiden (abgesehen von den wurm- férmigen bei Paludina), ferner wihrend der Mitose die Karyosomen und ebenso im ruhenden Kerne alle sonst blau firbbaren Kérncheu und Fidchen, sowie auch bei Paludina die Rindensubstanz der Nucleoli — auferdem aber auch in zweiter Linie die Nebenkerne und deren Derivate, z. B. auch den Achsenstrang der wurmférmigen Spermien, hingegen nur schwach das gewohnliche lockere Cytoplasma, Fiir die weitere Differenzierung kommt nun alles auf die Zeitdauer der zum Verfahren gehérigen Entfairbungsprozedur an. Wenn man die Wirkung der letzteren niher verfolgt, so zeigt sich folgendes: Zuerst giebt die lockere Zellsubstanz den schwarzen Farbstoff ab; dann thun es ziem- lich gleichzeitig die Centrosomen und die Nebenkerne, bald darauf auch die Derivate der letzteren, viel spiter die Chromosomen, und ganz zuletzt auch die Kopfe der reifen Spermien, d. h. bei Paludina der haarformigen!), wiahrend die wurmfdrmigen schon liangst entfirbt sind, was ich weiter unten auf seine Ursachen zuriickfiihren werde. Freilich treten, wie das ja bei allen Tinktionsmethoden so geht, nicht alle Zellen eines Priparats ganz genau gleichzeitig in den namlichen Grad der Entfairbung ein. Vielmehr ist diese infolge von mancherlei Neben- umstanden an einzelnen Zellen etwas weiter vorgeschritten als an anderen. Auf letztere Art und aus der angegebenen Reihenfolge mag man es denn vielleicht auch erkliren kénnen, dafS an mancher Faserspindel wohl noch im Aquator die Karyosomen unangegriffen in tiefer Schwirze sich darstellen, ohne da$B von den Centrosomen noch etwas zu sehen ware, an anderen hingegen beiderlei Kérperchen gleichzeitig zur Anschauung kommen, wihrend das Umgekehrte, nimlich Hervor- treten der Centrosomen neben entfarbten oder auch nur blasser ge- wordenen Karyosomen, niemals zu finden ist. Wenn also selbst nach Anwendung dieser relativ giinstigsten Fiirbungsweise an so manchen Faserspindeln mit Aquatorialplatte Polkérperchen nicht zur Erscheinung kommen, so wiirde deren Fehlen nach obiger Deutung nur ein scheinbares sein. Ob indessen diese Erklirung durchweg an- nehmbar ist, erscheint mir zweifelhaft. 1) Das Gleiche gilt auch fiir die Samenfiden der Amphibien; und ich will namentlich gegentiber einer Behauptung Ficr’s (7) hervorheben, daf das Mittelstiick bei der Eisenhimatoxylinfarbung gar kcinen Vorzug vor dem tibrigen Schwanzfaden genieBt. Es wird freilich etwas spater als letzteres vollig ent- firbt; aber das liegt nur daran, da es dicker ist. Man kann genau verfolgen, wie die Entfirbung von der Oberfliche nach der Achse hin fortschreitet, und sieht deshalb eine Zeitlang, namentlich im Mittelstiick, einen axialen schwarzen Streifen. Zu dieser Erscheinung trigt wohl auch bei, daf in der That der Achsenstrang linger der Extraktion des Farbstoffes widersteht, als der ihn um- gebende Mantel. Jedoch ist man bei dieser Methode nie sicher, ob man den Achsenstrang in seiner richtigen Breite sieht; denn die schwarze Achse wird im Kisensalzbade mit der Zeit immer diinner, um schlieflich ganz zu verschwinden. Noch laingere Zeit aber bleibt dann bei ganz entfairbtem Mittelstiick der Kopf noch schwarz tingiert. Mit der Zeit indessen wird auch dieser véllig entférbt. Durch diese Thatsachen ist eine materielle Identifizierung des Mittelstiicks mit einem Centrosom nicht zu begriinden; und damit ist auch den aus einer solechen Voraussetzung hergeleiteten Folgerungen der Boden entzogen. 468 Leopold Auerbach, Vielleicht stellen die scheinbar negativen Falle ein vorge- schrittenes Stadium dar, indem das Centrosom, nachdem es seine Schuldigkeit bei Herstellung der Faserspindel gethan hat, ent- weder tiberhaupt oder doch von dem Orte an der Spitze der Spindel verschwindet. In dieser Beziehung sei nochmals erwahnt, daf ich in einem Falle, freilich nur an einer einzigen Zelle, an beiden Spitzen der Spindel statt eines Centrosoms je zwei kleinere schwarze Kiigelchen ziemlich nahe bei einander vorfinde, was also auf Zweiteilung des Centrosoms als Vorbereitung fiir die nachste Zellteilung hin- deutet. In Verfolgung dieser letzteren Angelegenheit weiter zu sicheren Ergebnissen zu gelangen, war mir bisher unmdglich. Ich muf mich deshalb mit dem Gesagten begniigen. Wenn wir uns nun fragen, wie dieser Zustand der Zelle aus der oben, S. 462—463 beschriebenen und in Fig. 81 veranschaulichten Zwischenphase der zwei Cytoplasmaanhaufungen hervorgegangen sein mag, so scheinen mir folgende Annahmen naheliegend und naturgemaf zu sein. Zum ersten miissen die dort in der Mittel- zone zerstreut gewesenen kyanophilen Kérperchen genau in die Aquatorebene, und in dieser ganz nahe aneinander geriickt worden sein. Da ferner statt jener 16 kleinen Kérperchen jetzt nur 4 gréfere da sind, so ist weiter zu folgern, daS je 4 der ersteren von neuem zu einem verschmolzen sind. Dies mag nach der ganzen Vorgeschichte dieser Kérperchen einen Augenblick lang als eine hinsichtlich ihres Zwecks schwer be- ereifliche Umstandlichkeit erscheinen. Gleichwohl braucht die vorangegangene Zerfillung der 4 Faden des Schleifenstadiums in 16 Teilstiicke und die Wiedervereinigung der letzteren zu 4 grékeren Kérpern nicht sinnlos und iiberfliissig zu sein. Es ist nimlich durch diese Folge von Vorgingen Gelegenheit gegeben, da8 Teilstiicke aus mehreren Faden zu einem neuen Karyosom zusammentreten ; und im giinstigsten Falle werden von den 4 zu einer Einheit verschmelzenden auch nicht 2 aus einem und dem- selben Faden herstammen, sondern jedes aus einem anderen, so da8 der resultierende Kérper Substanz aus allen 4 Faden in sich zusammenfaBt. Darin ware, indem bei der Verschmelzung die feinsten Teilchen der Einzelstiicke durcheinander gemischt werden, ein Mittel gegeben, die Ubertragung etwaiger feinerer sub- stantieller Verschiedenheiten der 4 Faden auf die Karyosomen des Spindelstadiums zu verhindern, also diese qualitativ gleich zu machen. Dies wird auch eine Versorgung der beiden Tochterzellen mit qualitativ gleicher Kernsubstanz begiinstigen. Zwar giebt jedes Spermatogenese vou Paludina vivipara, — Abschn. IIIc. 469 der vier Aquatorialkérperchen des Spindelstadiums einen Teil seiner Substanz an jede der beiden Tochterzellen ab; jedoch scheint, wie wir sehen werden, nicht oft eine genaue Halbierung jedes einzelnen Karyosoms zu gelingen. Eine solche Ungenauigkeit wird nur wenig auf sich haben, wenn die 4 Korper substantiell gleich be- schatfen sind und ein Minus seitens des einen durch ein Plus seitens eines Genossen kompensiert wird, wahrend im Falle differenter Qualitaét daraus eine Verschiedenheit in den Tochter- zellen resultieren wiirde. — Sei nun aber dieser Gedankengang zutreffend oder nicht, so weisen jedenfalls die von mir beobach- teten Thatsachen deutlich eine solche Abwechselung von Zerfallung und Wiederverschmelzung der Karyosomen in unserem Falle nach. Eine zweite wesentliche Frage aber betrifft die Herstellung der Faserspindel selbst. In diesem Punkte nun kann in unserem Falle m. E. nicht der geringste Zweifel dariiber obwalten, dah die rot tingierte und faserige Hauptmasse der Spindel im wesent- lichen von der Zellsubstanz geliefert worden ist, und da8 im be- sonderen die beiden vorher dagewesenen, hauptsichlich aus Neben- kernsubstanz gebildeten polaren Menisci zur Herstellung der Spindel verwendet worden und in dieser aufgegangen sind. Denn einerseits ist es undenkbar, daf die Spindel sich aus den winzigen, nicht tingierbaren Lininfiden des Kernes gebildet haben kénnte. Wenn wir auch annehmen, da die in Fig. 81 von den Menisci nach dem Aquator hinziehenden blassen Fadchen nukleare Linin- fiden seien, so wiirde doch ihre Quantitét nur einem kleinen Bruchteile der spateren Faserspindel entsprechen; und auferdem mite sich ihre Farbbarkeit wesentlich geindert haben; denn die Spindelfasern werden durch Saurefuchsin intensiv rot tingiert. Andererseits aber sind ja die beiden Cytoplasmaportionen, die in Form der Menisci an den Polen ihren Sitz hatten, jetzt nicht mehr an der Peripherie zu finden. Sie kénnen auch nicht in der iibrigen peripherischen Substanzlage, der Zellmembran, sich ver- loren haben; denn diese ist nicht dicker geworden als im vorigen Stadium. Es ist also gar nicht abzusehen, wohin die Dbeiden Massen gekommen sein sollten, wenn sie nicht in die Spindel iibergegangen sind, bezw. diese formiert haben. Auch ist allem Anschein nach das aus den beiden Polarsegmenten entwichene Quantum protoplasmatischer Substanz gerade ausreichend zur Herstellung der Spindel, besonders unter Beriicksichtigung des Umstandes, dafi ja in dieser nicht mehr eine so kompakte Masse, sondern die mehr lockere Fiigung eines Faseraggregates vorliegt. Die Umbildung in dieses ist wohl aber kaum anders als so zu 470 Leopold Auerbach, denken, da8 die Menisci zu einem gewissen Zeitpunkte, vielleicht unter Mitwirkung eines in jedem derselben steckenden Centrosoms, in die Héhle hinein divergierende Pseudopodien, Substanzstrahlen ausstrecken, von denen einige auf die Karyosomen treffen, sich an diese heften und sie nach dem centralen Teile der Zelle hin- iiberziehen, so zur Centralspindel zusammentretend, waihrend andere Ausliufer sich entweder mit ihnen entgegenkommenden Strahlen direkt verbinden oder auch bis zum entgegengesetzten Pole hin verlingern und nach der axialen Gegend der Zelle verschieben, um durch Zusammenlagerung hier die Aufenspindel, d. i. den Fasermantel der Centralspindel zu bilden. Wenn die zwischen den Menisken und den Karyosomen ausgespannten zarten Fadchen der letzten Zwischenphase Lininfiden sind, so mégen sie wohl den Ausstrahlungen des Cytoplasmas gewissermafen als Leitfaden dienen, an denen entlang jenes sicher zu seinen Zielen hin- gelangt. Der bei weitem gréSte Teil der Masse jedes Meniscus wiirde so in die Spindel hiniibertreten, wahrend ein sehr kleiner Rest sich zu den wenigen und kurzen, von den Spindelspitzen aus, resp. von den Centrosomen nach aufen hin divergierenden Fadchen umbilden wiirde, die den Polstrahlungen der Eier ent- sprechen. Jedenfalls geht aus der vergleichenden Betrachtung der letzten Stadien so viel mit Sicherheit hervor, daf die Materie der Spindelfasern Zellsubstanz ist, und zwar hauptsachlich aus demjenigen Teile derselben stammend, der sich in dem Nebenkern verdichtet hatte, welcher letztere allerdings bei Paludina fast die gesamte Zellsubstanz in sich aufgenommen hat, wie aus friher Dargelegtem ersichtlich war '). Ein Zellkern als Ganzes existiert nun gewil nicht mehr. Wenn man, nachdem schon langst die Kern- membran als differenzierte Schicht verschwunden und in dem Zellenleibe aufgegangen war, doch in den beiden, dem jetzigen vorangegangenen Stadien die grofe Héhle der Zelle allenfalls noch 1) Die Entstehung der sog. ,jachromatischen“ Spindel aus Zell- substanz oder doch unter wesentlicher Beteiligung der letzteren ist betreffs anderer Zellen schon von mehreren Autoren behauptet und der Lehre Fremmine’s, der ihre Bildung aus Kernbestandteilen, den - spiiter sog. Lininfaden, annimmt, gegeniibergestellt worden, zuerst wohl von STRASBURGER an gewissen Pflanzenzellen (28b u. c), ohne das jedoch daran erinnert worden wire, dafB damit ein wesentlicher Faktor der von mir im Jahre 1874 ausgesprochenen Auffassung des ganzen Prozesses, nimlich das Eindringen von Zellsubstanz in den Kernraum und die Zusammensetzung der bipolaren Figur aus Cytoplasma und alten Kernbestandteilen bestiitigt wurde (vgl. 1a, S. 220 ff. und 1b). Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 471 als sehr vergréfSerte Kernhéhle auffassen und damit wenigstens diesen geschlossenen Raum als Reprasentanten des Zellkerns an- sehen konnte, so geht das doch jetzt nicht mehr an; denn dieser Raum ist gréftenteils durch Zellsubstanz erfiillt; und die Hohle existiert nur noch als ein schmaler, schalenférmig die Spindel umgebender Spalt, der tiberdies in den Polgegenden von Proto- plasmafiden durchsetzt ist +). Die Spindel selbst aber kann nicht als metamorphosierter Kern angesehen werden, sowohl wegen ihrer Entstehungsweise, als wegen ihrer Zukunft, die nachweislich darin besteht, dafi ihre beiden Hialften in den Leib der Tochterzellen iibergehen oder, wie fiir unser Objekt beinahe gesagt werden darf, zum Leibe der Tochterzellen werden. Die Karyosomen aber sind 4 getrennte Kérperchen, die nur eine, wenn auch gewif sebr wichtige, Art der stofflich verschiedenen Bestandteile des Kerns reprasentieren, und sie sind tiberdies in Protoplasmafaden 1) In unserem Falle ist immerhin noch etwas von einer Hohle vorhanden, die sogar scharf genug begrenzt ist. In vielen anderen Zellen hingegen, und zwar in solchen, die einen im Verhaltnis zum Kern viel gréBeren Leib, also viel reichlichere Zellsubstanz besitzen, schwillt eine innere Schicht des nach der Spindelbildung in gréGerer Menge iibrig bleibenden Cytoplasmas unter Aufnahme von Kernsaft derart an, da® sie von allen Seiten her tief in den die Spindel um- gebenden Hohlraum eindringt und sich in aufgelockertem Zustande dieser naihert, so da®B die Héhle ganz unscharf begrenzt oder iiber- haupt nicht mehr zu unterscheiden ist. Fremmine hat betreffs solcher Faille sich dahin ausgesprochen, das Zellprotoplasma sei in diesem Stadium in eine dufSere dunklere und eine innere hellere Lage differenziert; und das ist ja richtig, bedarf aber m. E. der Ergiinzung, daB die Differenzierung auf die eben angegebene Art herbeigefiihrt wird, wie ich das schon im Jahre 1874 angab, indem ich schrieb, des Protoplasma innere, der Kernhéhle benachbarte Schicht sauge allmih- lich den Kernsaft auf, indem sie dabei anschwellend in den Raum der Kernhéhle eindringe (1 a, S. 221—222). So hat spiiter die Sache auch SrRasBURGER in seinen neueren Schriften dargestellt (28c, S. 484, 485, 491), jedoch auch hier wieder, ohne daran zu erinnern, da ich mich liingst in dem gleichen Sinne ausgesprochen hatte. In manchen Zellen also wird um diese Zeit der Rest der Kernhéhle durch Aus- fiillung mit lockerem, wasserreichem Cytoplasma in einen unscharf be- grenzten, etwas blasseren Centralteil des Zellenleibes umgewandelt. Allmiblich findet sich dann Ausgleichung der Dichtigkeit mit dem diuferen Cytoplasma ein, In sich furchenden Eiern vollends verschwindet sogar sehr schnell der helle Hof um die Spindeln, und ist in ge- wissen Fallen das Fasersystem dieser Spindeln mit den von den Pol- strahlungen ausgehenden seitlichen Bogenlinien des Dotters in un- mittelbarer Beriihrung. Damit ist auch jede Spur einer Kern- hohle abhanden gekommen. 472 Leopold Auerbach, eingelagert. Sie kénnen demnach, auch wenn wir sie in Gedanken zusammenfassen, weder qualitativ, noch der Form nach als ein Kern gelten. Der Zellkern ist eben im morphologi- schen Sinne nicht mehr da; er ist dadurch unter- gegangen, dali seine Bestandteile auseinanderge- fahren und teilweisemolekular mit der Zellsubstanz vermischt, teilweise als sichtbare Koérperchen in diskrete Strukturteile des Cytoplasmas eingefiigt sind. Wenn aber kein Zellkern vorhanden ist, so kann auch von keiner Kernteilung, weder einer in- direkten noch sonst wie zu benennenden, die Rede sein. Vielmehr kénnen die weiter folgenden Ver- inderungen nur eine Neubildung zweier junger Kerne zum Ziele haben, wobei natiirlich diejenigen specifisch nukleiren Materialien, die zur Konstitution des friiheren Kerns gehért haben, unter Verteilung auf die beiden neuen Kerne Ver- wendung finden werden. Und wenn dabei auch teilweise das Prinzip morphologischer Zweiteilung zu wichtiger Mitwirkung ge- langt, so betrifft diese doch nicht den Kern als solchen, sondern eine Anzahl geformter Uberreste desselben. Ein weiterer Schritt naimlich ist die bald eintretende Zwei- teilung der Karyosomen, deren jedes, obwohl vor kurzem aus vier kleineren Stiicken zusammengebacken, doch in der Zwischenzeit eine kompakte Masse gewesen war. Die vier Kérperchen zerfallen in acht, und zwar durch Lingsspaltung jedes einzelnen. Diese greift also nicht in der Aquatorialebene ein, sondern in einer auf dieser senkrechten, wenn auch nicht gerade meridionalen Ebene. Das ergeben wahrend und nach erfolgter Zerfallung sowohl Seiten- ansichten als auch solche vom Pole her. Erstere gestatten zwar keine genaue Zahlung, lassen jedoch so viel erkennen, da8 eine gréRere Anzahl jetzt schlankerer Spindelkérperchen in einer Ebene nebeneinander gruppiert sind (Fig. 8n). Und zwar halten diese in der Regel sehr genau die gleiche Front inne; und nur aus- nahmsweise zeigt sich eines nach einem Pole hin etwas verschoben. In Polansichten aber sind oft genug gerade acht kleine rundliche Querschnitte der blauen Kérperchen in einer Ebene sichtbar, andere - Male freilich nur sieben oder sechs, darunter aber ein oder zwei viel grifere, was auf manchmal ungleichzeitige Langsteilung der einzelnen Karyosomen hinweist, die auch zuweilen in der Langsansicht be- merkbar ist (Fig. 8n und 0). Die Kérperchen sind jedoch nicht in einem Kranze um ein Mittelfeld herum angeordnet, sondern zum Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 473 Teil nach innen geriickt, also unregelmaBig in einem centralen Felde der Aquatorebene der Spindel zerstreut. Sie miissen also nach der longitudinalen Zerspaltung seitlich auseinanderweichen. Bemerkenswert ist noch, daf diese Querschnitte der Karyosomen, auch wenn deren acht beisammen sind, nur selten gleich grof er- scheinen, und daf kleinere unregelmabig zwischen gréferen verteilt sind. Die Gesamtheit der Umstinde gestattet nicht, diese Un- gleichheit auf Schiefschnitte zu beziehen, die eine Anzahl der K6érperchen in ihrer dicken Mitte, andere naiher dem schmalen Ende getroffen hatten, und ebenso auch nicht auf die seltenen Falle von Langsverlagerung einzelner derselben. Es scheint dem- nach, daf wirklich éfters die Zerfallung zwei etwas an GriBe verschiedene Teilstiicke liefert. Darauf bezog sich das, was ich oben, S. 469, tiber ungenaue Halbierung der Karyosomen und die dadurch gesteigerte Wichtigkeit ihrer qualitativen Uberein- stimmung gesagt habe. Auferdem aber zeigen sich ziemlich oft statt der acht kleinen Querschnitte nur sieben oder sechs, dann aber unter diesen ein bis zwei ungewohnlich grofe, Falle, die wohl auf ungleichzeitige, bei einzelnen Gliedern der Gruppe ver- zogerte Teilung schliefSen lassen. Bisher hatten die Karyosomen die Aquatorebene noch nicht verlassen. Dies erfolgt jedoch einige Zeit darauf in der bekannten Weise. Ks bilden sich zwei Gruppen von je vier Karyo- somen, die nach den beiden Polen hin auseinander- weichen. Daf sich dabei jedes Paar von Schwester-Karyosomen auf die beiden Gruppen verteile, ist unter den obwaltenden Um- stainden nicht durch positive Anhaltspunkte zu begriinden, jedoch aus theoretischen Griinden sehr wahrscheinlich. Bei der Be- wegung nach den Polen hin bleiben die vier Kérperchen jeder Gruppe immer nebeneinander in einer Querebene angeordnet; und so im Gleichschritt vorriickend, gelangen sie, und zwar anscheinend sehr rasch, bis nahe an die Spitzen der Spindel, wo sie ohne sofortige Umwandlung wieder etwas linger verweilen; denn sie sind in dieser Endlage sehr oft anzutreffen, wahrend sie viel seltener auf ihrer Wanderung ertappt werden. — Der Weg aber, den sie zuriick- gelegt haben, ist erheblich linger, als es die urspriingliche Form der Spindel und der ganzen Zelle gestatten wiirde. Diese werden nimlich wahrend des Vorgangs in axialer Richtung gedehnt, so daf Formen entstehen, wie sie in Fig. 8p u. q wiedergegeben sind. Fassen wir einen Zeitpunkt nahe vor dem Schlusse der Wanderung ins Auge (Fig. 8q), so Bd, XXX, N, F, XXIII. 31 474 Leopold Auerbach, sehen wir zwischen den beiden Karyosomengruppen ein relativ langes cylindrisches Biindel geradliniger, rot tingierter Ver- bindungsfiden ausgespannt, das an sich schon etwas langer ist als die friihere Achse der Spindel, entsprechend aber auch schmaler, als diese frither in der Aquatorebene war. Die Art der Tingie- rung und alle sonstigen Verhaltnisse lassen keinen Zweifel dariiber, daf8 das Biindel der Verbindungsfasern ein Teil der friiheren Spindel ist. Es miissen also bei der unter Spannung und vielleicht auch aktiver Kontraktion erfolgenden Geradstreckung der Fasern die Mittelteile derselben naher an die Zellachse herangeriickt sein. Jenseits der Karyosomengruppe ist einstweilen noch eine kurze Fortsetzung des Faserkérpers bemerkbar, indem eine Anzahl Faden nach einem nahen Punkte hin konvergieren und so in den beiden Polarsegmenten je ein niedriges, kegelférmiges Endstiick der Figur formieren. Dieses wird aber bald, indem die Karyo- somen noch etwas weiter vorriicken, fast ganz abgeflacht, so dal die Spindel jetzt zu einem betrachtlich langeren, faserigen Cylinder wird, dessen Enden die beiden Querreihen der blauen Kérperchen einnehmen. Gleichzeitig wird aber auch die ganze Zelle, deren Umril durch die Zellmembran markiert ist, zu der Form eines Cylinders mit gewolbten Endflachen umgewandelt. Die kleinen Zwischenraume zwischen diesen Endflachen und den Karyosomengruppen werden von einer blafrot tingierten, zarten Substanz ausgefiillt, deren Struktur nicht genauer zu erkennen ist. Die Mechanik dieser Um- gestaltung der auBeren Form der Zelle diirfte nicht leicht zu er- klaren sein. Sie ist jedenfalls eine Folge der Ausstreckung des inneren Faserkérpers. Da jedoch letzterer nicht starr genug er- scheint, um leicht einen wirksamen Druck desselben auf die Pol- gegenden der Zellmembran annehmen zu lassen, so diirfte noch ein anderer, verschleierter Faktor mitwirken. Falls etwa trotz des Mangels positiver Nachweisbarkeit von den Seitenflichen der Spindel einige zarte Faden quer nach der Zellmembran hiniber ausgespannt sein sollten, so mite die Annaherung der Mantel- fasern der Spindel an die Zellachse auch einen Zug auf die Zell- membran in der Richtung zur Achse hin ausiiben, was weiter ein Ausweichen des fliissigen Teils des Zellinhalts nach den Polen und damit Verlingerung der Zelle zur Folge haben wiirde. Betreffs der weiteren Veranderungen der Karyosomen habe ich éfters so viel gesehen, daf diese aus ihrer kurzen, gedrungenen Gestalt wieder in fadige Form tibergehen, und daf diese ge- bogenen oder geschlangelten Faden zu einer Art dichten Kniuels Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIIc. 475 zusammentreten, also das Dispirem FLemMina’s. Bei der Um- bildung zu Fiden scheint es aber so zuzugehen, daf das Koérper- chen sich nicht einfach verlaingert, sondern zuerst ein Loch be- kommt und damit in einen kleinen Ring verwandelt wird, der dann, an einer Stelle aufbrechend, einen anfangs kurzen, spater sich verlingernden Faden liefert; doch spreche ich das nur mit Vorbehalt aus, da mir aus dieser Ubergangszeit nur einige wenige, deutlich in diesem Sinne sprechende Bilder aufgestofen sind. Wiihrenddessen geht aber auch mit dem anderen Haupt- bestandteil der Zelle eine wesentliche Verinderung vor sich. Das Biindel der Verbindungsfasern verliert seine parallelfasrige Struktur und schwillt zu einer fast homogen erscheinenden, etwas blasser rot tingierbaren Masse an, also zu gewohnlichem Cytoplasma, das bald die ganze Zelle ausfiillt. Auch in den polaren Segmenten ist dann der kleine Raum zwischen Zellmembran und Kniuel von kontinuierlichem Protoplasma eingenommen. So ist wieder die Zellsubstanz in derjenigen Verfassung, die ihr im Ruhezustande der Zelle zukam, hergestellt, und zwar hauptsichlich auf Kosten der Spindelfasern. Die beiden blau tingierten, dichten Kniauel liegen jetzt ganz im Protoplasma eingebettet. Als Zellkerne kénnen sie einstweilen noch nicht angesehen werden. Denn sie reprisen- tieren nur eines, wenn auch ein sehr wichtiges, der qualitativ ver- schiedenen Konstituentien eines Zellkerns, naimlich die kyanophile Kernsubstanz, und es fehlt zur Vollendung noch der Einschlu8 in eine von Kernsaft erfiillte Héhle, es fehlt die Nukleolarsubstanz und die Kernmembran. Bald aber lockern sich die Knauel etwas, und es werden helle, farblose Interstitien zwischen den blauen Faden sichtbar. Und weiterhin sind an Stelle der beiden Knauel richtige blaschenférmige Kerne vorhanden mit einer rot tingierten Kernmembrau, einem oder zwei kirschroten Nucleolis und einer gréferen Zahl feiner blauer Innenkérnchen, von denen ich es wegen der Kleinheit und Feinheit des Objekts zweifelhaft lassen muf, ob sie bis zur naichsten Mitose durch zarte Faden netzartig verbunden bleiben oder fiir eine Zeitlang isoliert werden. Abgesehen von dieser Umordnung der kyanophilen Substanz kann die Vervollstindigung und Neu- gestaltung des Kerns nur dadurch erreicht worden sein, daf zwischen den Knauelfaden und um sie herum eine Flissigkeit, Kernsaft, sich ansammelte, in Form eines Tropfens und mit dem Aussehen einer Vakuole im Protoplasma, daf ferner in diese hinein 31* 476 Leopold Auerbach, Nukleolarsubstanz ausgeschieden wurde und eine Grenzschicht des Protoplasmas zur Membran sich verdichtete *). Das Ganze ist also jetzt eine von gleichmafigem Cytoplasma erfiillte Zelle mit zwei blaschenférmigen Kernen von gewohnlicher Beschaffenheit. Und in diesem Zustande verharrt das Gebilde kiirzere oder langere Zeit. Von den oben, 8. 431, erwihnten zwei- kernigen Doppelspermatogonien unterscheidet es sich sowohl durch die erheblich geringeren Dimensionen des Ganzen und der Kerne als auch durch die Gestalt, indem jene kuglig oder doch an- nihernd so geformt sind, dieses hingegen linger gestreckt, einem Cylinder mit gewélbten Endflaichen und héchstens ganz flach aus- gebauchter Mantelflache ahnlich ist. Erst nach Herstellung dieses Zustandes folgt die Zweiteilung des Zellenleibes, und zwar auf dem Wege einfacher Durchschnii- rung im Aquator. Eine anfangs oberflichliche konkave Kinsenkung wird bald spitzwinklig und geht in eine scharfe EKin- und Durch- schniirung iiber, wobei die in der Trennung begriffenen Halften sich zu Kugeln abrunden und nach der vollstéindigen Zertrennung zuweilen noch eine Zeitlang in Beriihrung beisammen bleiben, spiter aber sich voneinander mehr entfernen. Dies sind die Samenzellen zweiter Generation. IlId) Die folgenden Zellgenerationen. Auf die beschriebene erste mitotische Teilung im Hoden folgen nun noch drei andere, so dafi im ganzen fiinf Generationen von Samenzellen ge- bildet werden. Diese Behauptung steht in Widerspruch zu einer Angabe von Brunn, der nur drei Generationen annimmt, ohne indessen diese Meinung naiher zu begriinden. Die Sache verhalt sich aber folgendermafen. Unmittelbar kann man aus den mikroskopischen Bildern die Zahl der Generationen nicht erkennen; denn welche Orientierung der Schnittrichtung man auch wihlen mége, so zeigt sich doch 1) Ich kann demnach nicht umhin, auf Grund sowohl der hier dargestellten Beobachtungen, wie anderer Fille mitotischer Zellteilung in den wesentlichen Hauptpunkten diejenige Ansicht itiber die Neu- bildung der Kerne bei der indirekten Zellteilung fest- zuhalten, welche ich schon im Jahre 1874 und 1876 (la- c) ausge- sprochen habe, nur daf mir damals, weil ich zu jener Zeit blof am lebenden Objekte und mit weniger vollkommenen Hilfsmitteln unter- suchte, das Aggregat fadiger Substanz, das als Anregungs- und Aus- gangspunkt fiir die Kernbildung dient, unsichtbar geblieben war. eee . ee Se eee Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. III 4d. 477 nirgends eine Schichtung oder Aufreihung jener, vielmehr, wie schon friiher erértert wurde (S. 418), ein buntes Durcheinander der verschiedensten Entwickelungsstufen. Unter diesen Um- stinden ist man ganz darauf angewiesen, aus der ver- schiedenen Gré8e der Samenzellen auf die Anzahl der Generationen zu schlieBen, was aber auch nur dann thunlich sein wird, wenn eine gewisse Regelmafigkeit der Abstufungen mit gréferen Intervallen sich herausstellt. Ich fiihrte deshalb sehr zahlreiche, moéglichst genaue Messungen der Zelldurchmesser aus, und zwar unter Beniitzung des apochro- matischen Ol - Immersions - Objektivs 1,30—3 von ZeIss und eines in Hundertstel eines Millimeters eingeteilten Okular-Mikro- meters. Als ich nun die so erhaltenen Zahlen verglich, zeigte sich zu meiner Befriedigung die eben ausgesprochene Voraussetzung erfiillt. Es ergaben sich an den Sublimatpraparaten einschliefSlich der Spermatogonien fiinf GréBenstufen von folgenden Durch- messern: 1) 13—14 mw, 2) 10—11 mw, 3) 8—9 wu, 4) 6—7 un, 5) 5—6 wu. Die beiden letzten Stufen sind durch den unmittel- baren Augenschein noch leichter zu unterscheiden, als die an- gegebenen Zahlen vielleicht vermuten lassen wirden, und zwar erstens deshalb, weil die meisten Zellen der vierten Stufe sich mehr der Zahl 7, die meisten der fiinften Stufe sich mehr der Zahl 5 nahern, und zweitens aus dem allgemeinen Grunde, weil bei der einfachen Besichtigung nicht die lineare, sondern die viel bedeutendere Flachendifferenz zur Geltung kommt. Es _ wiirden also schon nach dem Ergebnisse dieser Messungen fiinf Genera- tionen anzunehmen sein. Ich kam aber dann noch auf folgende Erwagung. Es handelt sich ja durchweg um Zweiteilung in zwei gleich gro’e Tochter- zellen. Nun ist einerseits gar kein Grund vorhanden, anzunehmen, dafi dieser Vorgang mit einem Substanzverluste verbunden sei, und andererseits ist es bei der raschen Folge der Teilungen héchst unwahrscheinlich, dafSi in den kurzen Pausen die Tochterzellen wachsen sollten. Es ist also zunaichst zu vermuten, daf das Vo- lumen jeder Tochterzelle der Halfte des Volumens ihrer Mutter- zelle gleich ist und gleich bleibt, bis sie selbst wieder zur Teilung gelangt oder, wie die Zellen letzter Generation, anderweitige be- deutende Umwandlung erfahrt. Ich beschlo& nun, durch Rechnung zu ermitteln, wie sich zu diesem supponierten Prinzipe die Er- gebnisse der Messungen stellen mégen. Das Volumen einer kug- ligen Zelle lift sich ja aus dem Diameter, resp. dem Radius nach 478 Leopold Auerbach, der bekannten Formel ‘/, 2 7° berechnen; und fir die zweite bis fiinfte Stufe ist das so erhaltene kubische Maf mit dem halben Volumen der vorangegangenen Stufe zu vergleichen. Zu meiner Genugthuung ergab sich auf diese Art eine sehr gute Uberein- stimmung der zu vergleichenden Zahlen, wie die hier folgende tabellarische Zusammenstellung zeigt : Maasse der 5 Generationen der Samenzellen von Paludina vivipara. a b c d e | f | g e o = s 28 a oy a | o uw Oo (>) Be fe ‘) 3 | Ne sey Se Pures — o wa rey ® ¢ ge on SS pee 3 2 9 g 2B ; ire} oEo As ‘ o = 54 | Radius 3 Ror oF) i Generation E Ss =e a. |o os 2 | g cP) o g "S a D> E | es Be |em5| 4 a a3 ° 3 so FP = ae ihe age ae = bas u u uu Kub.-u | Kub.-u I = Spermato- | eae gonien \13—14| 13,5 | 6,75 | 1288 | ES TL) guermato- (LOH, 1053,| 5:25 | 8060 )) 644 | ee ries geo 8.5 |. 4.25 \--390%, baago | ees cyten | ; 38 1V 6—7 | 6,5 3,25 144 Tete) ees V= Spermioblasten, 5—6 | 5,5 | 2,75 ° 67 iin Igoe | ees unmittelbar nach | ah ihrer Entstehung | BS Man sieht, daf die in der Kolumne e stehenden, nach dem Durchmesser berechneten Volumina der zweiten bis fiinften Stufe sehr anndhernd jedesmal der Halfte des Volumens der vorange- gangenen Generation gleichkommen. Und ich vermute, daf die Uber- einstinmung noch vollkommener sein wiirde, wenn noch genauere Messungen zu Grunde gelegt werden kénnten. Ubrigens liefe sich in solchen Fallen eine gewisse Ubersicht tiber die Sachlage schon gewinnen auf Grund der Thatsache, daf der Durchmesser einer Kugel sich zu dem Durchmesser einer zweiten Kugel von dem halben Volumen der ersteren ungefihr wie 5:4 verhalt, was ja auch zwischen zwei aufeinander folgenden Zahlen der Kolumne c der Fall ist. Durch diese Verhaltnisse bewahrt sich nun meine Annahme der fiinf Zellgenerationen vollends, und zugleich sprechen sie dafiir, dafi in der That wihrend dieser Zellteilungsfolgen weder Verlust noch Zuwachs von Substanz stattfindet. Insoweit das Gleiche Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. III d, 479 auch fiir andere Falle der Spermatogenese vorausgesetzt werden darf, wiirde sich iibrigens das hier betonte Prinzip der wieder- holten Halbierung, wie ich meine, auch heuristisch fruchtbar er- weisen kénnen, indem schon aus dem Verhaltnis der Durchmesser der ersten und letzten Generation die Anzahl der dazwischen liegenden zu erschliefen ware, natiirlich mit Vorbehalt der Be- stitigung durch Wahrnehmung, und indem ebenso auch Liicken in der Reihe zu erneuter Untersuchung auffordern wiirden '). 1) Kin Beispiel mag dies erlautern. Fremmine (8d) nimmt bei Salam. mac. wihrend der Spermatogenese im engeren Sinne drei Generationen von Samenzellen an, die er mit 0, ¢ und d bezeichnet und deren Durchmesser er auf 29, 19 und 14,5 mw bestimmt hat. Die unten entworfene, der obigen analoge Tabelle zeigt nun, daf bei Berechnung der Zellyolumina nach den Durchmessern das Volumen der letzten Generation tiberraschend genau }/, desjenigen der ersten Generation betraigt (vgl. Kolumne y, I und IV), was auf zwei Zwischengenerationen statt der einen von FLEMMING angenommenen hinweist. Weiter zeigt sich, dafi das Vol. IV beinahe der Hilfte des Vol, Ill gleichkommt, daf hingegen letzteres nur wenig mehr als !/, des Vol. I betrigt. Es miisste also bei Teilung von Fxremmine’s b-Zelle in zwei c-Zellen fast die Halfte der Substanz eingebibt worden sein. Man wird zugeben, dafi dies sehr unwahrscheinlich ist. Ich wage deshalb die Vermutung, dafi noch eine, Fiemmine entgangene, zwischen 6 und ¢ liegende Generation von ca. 23 u Durchmesser vorhanden ist. Schiebe ich diese hypothetisch dazwischen, so stimmt alles recht wohl. Ja es wiirde sich sogar dann mit nur einer einzigen geringfiigigen Abanderung der von Fiemmine angegebenen Durchmesser eine mathematisch genau dem Postulate entsprechende Reihe ergeben (s. Kolumne «). In die folgende Tabelle habe ich demnach die von mir vermutete, als zweite einzuschiebende Generation mit aufge- nommen: Samenzellen von Salam. mac. to et gc Nodal sAecdtial shatigh Bo aiisl revues Volumen be-| , : Zell |porochnot ans fechnet durch) yweventiste Generation durehmesser dem Radius pee fee ‘/‘Durchmesser v Kub.-p. Kub.-p. U. I= 2 nach Fiemmine | 29 nach Fx. 12 767 29 II, von mir supponiert 23 6 369 6383,5 23,1 Ill = ¢ nach Ft. 19 n. Fr. 3 589 3191,5 18,3 IV = d nach FL. 14,5 n. FL. 1596 1595,5 145 Sollte aber etwa die hier supponierte Zellgeneration von ca. 23 u Durchmesser nicht aufzufinden sein, so wiirde gleichwohl die hier an- gestellte Betrachtung eine Belehrung enthalten, betreffend den bei dem Ubergange yon b nach ¢ SHS aSES Substanzverlust. — Auch 480 Leopold Auerbach, Diese fiinf Generationen von Samenzellen entstehen nun, die erste auf dem Wege der anfangs beschriebenen Hervorsprossung aus dem Keimlager, die anderen durch vier aufeinander folgende mitotische Teilungsakte, deren ersten an den Spermatogonien ab- lanfenden ich ja ausfiihrlich geschildert habe, wahrend ich betreffs der folgenden bald noch Naheres beibringen werde. Zuvor méchte ich nur noch folgendes bemerken: Meinem Nachweise gegeniiber kann ich die Angabe Brunn’s, nach der auf die Bildung der Spermatogonien nur ein oder zwei mitotische Teilungen folgen sollen, nur als auf unvollkommener Beobachtung beruhend an- sehen. Der Fehler diirfte mit dem anderen zusammenhangen, dafi Brunn geglaubt hat, an den kleinen Kernen des Keimlagers einen bis zwei mitotische Vermehrungsakte gefunden zu haben, wo solche aber nach meinen Wahrnehmungen nicht vorkommen (s. oben S. 429). Danach wiirden im ganzen auch bei ihm, wenn auch in etwas unbestimmter Weise, vier aufeinander folgende mitotische Cyklen herauskommen, von denen er jedoch nur zwei auf eigentliche Samenzellen bezogen hat. Ob etwa seine Behand- lung der Objekte mit heifer Sublimatlésung stellenweise Ver- backung herbeigefiihrt und diese so dem Wandungsprotoplasma ahnlich gemacht haben mag, oder welche sonstigen auferen Um- stande zu seiner Behauptung beigetragen haben médgen, kann un- erértert bleiben. Auf eine géiinzliche Aufklarung der Differenz muf ich schon deshalb verzichten, weil Brunn keine Messungen der Samenzellen angestellt hat, die allein eine Vergleichung er- méglichen wiirden. Die von mir erbrachten Nachweise aber, so wie auch die jetzt noch anzufiihrenden Einzelheiten beziehen sich alle auf wohl formierte und allseitig scharf begrenzte, im Schlauch- lumen liegende oder aus diesem bei der praparatorischen Dissocia- tion ausgetretene Zellen, deren Stufenfolge durch Bestimmung der Durchmesser gesichert ist. Was nun die Art und Weise der weiteren Zellteilungen an- langt, so verlaufen diese im grofen und ganzen so wie die erste, oben genauer beschriebene. Es wiederholen sich also die gleichen Ratu (20b) nimmt bei Salam. mac. eine Zellgeneration mehr an als . Ftemminc. Jedoch wiirden die von ihm beobachteten neu hinzukommen- den Zellen an den Anfang der Reihe zu stehen kommen; denn sie sind crower als die von Fremmine’s erster Generation, und zwar bis 45 « im Durchmesser, was nicht recht mit dem hier vertretenen Prinzipe stimmen will. Vollstiindige Aufklirung der Verhialtnisse bei Salam. mac. wird erst yon weiteren darauf gerichteten Untersuchungen zu erwarten sein. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. III d. 481 Erscheinungen in immer kleinerem Mafstabe. Trotz der recht gering werdenden Dimensionen sind namentlich die zierlichen Bilder des Schleifen- und des Faserspindelstadiums und der folgenden, einem Dyaster entsprechenden Phase mit starken Linsensystemen sehr wohl zu erkennen und gestatten auch oft- mals eine Zihlung der Karyosomen. In einzelnen Punkten stellen sich Besonderheiten heraus, auf die ich noch eingehen werde, wihrend es im iibrigen, insoweit die Vorgainge mit denjenigen der ersten Teilung sich decken, keiner erneuten Schilderung be- darf. Nur zwei Punkte der Ubereinstimmung méchte ich noch besonders hervorheben, namlich erstens, daf jedesmal auf die friiher angegebene Weise ein Nebenkern gebildet wird, und zweitens, daB, entgegen dem in anderen Fallen von Spermatogenese Gefundenen, an unserem Objekte simtliche Teilungen mit einem blaschenférmigen Ruhezustande des Kerns ab- schliefen. Kiner besonderen Besprechung bedarf der Ubergang des Schleifenstadiums in dasjenige der Faserspindel. Jedesmal tritt wiederum Zerfallung der kyanophilen Faden ein, und zwar bei der zweiten und dritten Zellgeneration in sechzehn zu Kugeln sich abrundende Teilstiicke, bei der vierten Generation in eine viel- leicht noch gréfere, aber nicht bestimmbare Zahl feinster Kérnchen. Und zwar geschieht dies schon zu einer Zeit, wo noch ein ein- heitlicher, ungeteilter Meniscus als Verdickung der cytoplasma- tischen Schicht vorhanden ist, also Ahnlich wie in Fig. 8k, nur in kleinerem Mafstabe. Wie mir die Zerfaillung der Faden in runde Teilstiicke nach Beobachtungen an der dritten Zellgeneration vor sich zu gehen schien, habe ich schon oben bei den Spermato- gonien angegeben. An den Zellen zweiter Generation habe ich etwas weiteres zur Uberfiihrung nach der Faserspindel hin nicht finden kénnen, halte es jedoch fiir wahrscheinlich, daf jetzt die Zweiteilung des Meniscus mit der in ihm enthaltenen Nebenkernmasse, die Ver- sammlung der kleinen Karyosomen in einer aquatorialen Zone und iiberhaupt die Herstellung eines Zustandes folgen wird, wie er oben an den Spermatogonien geschildert (Fig. 81) und als zur Herstellung der Faserspindel unmittelbar gehérig bezeichnet wurde. Fiir die Zellen der dritten Generation hingegen treten nach meinen Befunden neue Thatsachen hinzu. Hier schiebt sich namlich eine Reihe von Vorgangen ein, die auf die Bildung eines sogenannten 482 Leopold Auerbach, Viererstadiums hinauslauft, wie es auch bei Salam. mac. schon durch FLEMMING und neuerdings durch vom Ratu (20b) und, wie ich aus letzterer Abhandlung entnehme, bei verschiedenen niederen Tieren durch Bovert, Hanxina, Braver gefunden und studiert worden ist. Dieses ist dadurch charakterisiert, dafi in der er- weiterten Kernhéhle sechzehn kleine rundliche Karyosomen, an- geordnet in vier Gruppen zu vier Einzelkérperchen, vorhanden sind. Ein solcher Zustand entsteht aber bei Paludina auf anderem Wege als nach Ratn bei Salam. mac., nimlich in unserem Falle aus dem Schleifenstadium hervorgehend und vermittelt durch die erwahnte Zerteilung der vier Faden in je vier Stiicke. Neben den Zellen mit sechzehn gleichmafig zerstreuten Kiigelchen finden sich in der dritten Generation zunachst auch solche, in welchen jene Innenkérperchen zu acht Paaren angeordnet sind, die wiederum in ungefahr gleichen Abstanden voneinander und naher der Grenz- flache der Hoble situiert sind. Und zwar liegen die beiden Kér- perchen jedes Paares dicht bei einander und sind etwas gegen- einander abgeplattet (Fig. lla). Sodann aber treten je zwei solcher Paare zu einer Gruppe von vier Koérperchen zusammen und zugleich noch naher, schlieflich ganz dicht an die Grenzflache der Hohle hinan (Fig. 11b). In diesen Vierergruppen wird all- mahlich die gegenseitige Anschmiegung der EKinzelkérperchen noch inniger als vorher. In manchen derselben erkennt man die Zu- sammensetzung aus vier Teilen noch ganz gut, in anderen un- vollkommener, wihrend wieder andere scheinbar zu einem einheit- lichen Kérperchen zusammengeschwei8t sind. Ob hier eine voll- stindige Verschmelzung oder nur eine Art Verklebung stattfindet, aft sich nicht entscheiden. Jedenfalls aber bleibt, wie die Er- scheinungen des folgenden Stadiums lehren werden, eine erleichterte Teilbarkeit in vier Stiicke zuriick. Sehen wir von letzterer einst- weilen ab, so ist schon jetzt erreicht, was in den friiheren Zell- generationen erst in einer folgenden Phase, naimlich wahrend der Bildung der Faserspindel erzielt wurde, namlich ein Gehalt an vier gré8eren kernformigen Karyosomen, die wohl auf demselben Wege wie sonst in eine Faserspindel eingefiigt zu werden be- stimmt sind. Als Sinn und Zweck aber des beschriebenen, in Zer- fallung und Wiedervereinigung bestehenden Zickzackkurses wird sich auch aus dem weiteren Verlaufe der Dinge nichts anderes entnehmen lassen, als was ich schon betreffs des analogen Ge- schehens in den friiheren Zellgenerationen oben auf 5. 468 zur Erwagung gestellt habe, Es ist wiederum gestattet, zu vermuten, Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. III d. 483 daf jeder der vier Faden des Schleifenstadiums zu jeder der vier Gruppen einen Beitrag liefert zum Zweck besserer Vermischung der kyanophilen Substanz und damit zur Ausgleichung etwaiger qualitativer Verschiedenheiten, die den vier Schleifen angehaftet haben kénnten. Die Vereinigung der vier runden Kdérperchen, bestehe sie nun in einer volligen Verschmelzung oder auch nur in einer innigen Anschmiegung, giebt jedenfalls Gelegenheit zu einem Austausch von Molekiilen differenter Art und damit zu einer gleichmafigeren Durchmengung und Verteilung derselben. Eine solche scheint ja tiberhaupt eine der wesentlichsten Aufgaben aller mitotischen Prozesse zu sein. Wenn nun aus der durch FLEMMING entdeckten Langsspaltung der Chromosomen und der damit ge- gebenen Méglichkeit der Uberweisung je eines Spaltstiicks an je eine der beiden Zellhalften so deutlich hervorleuchtet, da’ es darauf ankommt, den beiden Tochterzellen méglichst gleichwertige Kernsubstanz zuzufiihren, so diirfte doch zu diesem Zeitpunkte die Erreichung jenes Zieles schon in hohem Mafe vorbereitet sein mittels derjenigen Durchmischung des Materials, welche die Sub- stanzverschiebungen wahrend des Netz-, Knauel- und Schleifen- stadiums mit sich gebracht haben. Bei den Samenzellen nun ge- schieht in dieser Richtung noch etwas mehr, und diese Steigerung der auch sonst obwaltenden Tendenz erscheint mir wohl erklar- lich. Wenn die Ausgleichung und gleichmafige Verteilung der specifischen Kernsubstanz im allgemeinen die Bestimmung hat, die Eigenschaften der Mutterzelle auf beide Tochterzellen zu_iiber- tragen'), so hat das bei den Samenzellen noch den umfassenderen Sinn der Vererbung der Eigenschaften des vaterlichen Organismus auf seine Nachkommenschaft. Danach geht aus den besprochenen Thatsachen das Bestreben hervor, méglichst viele Eigen- schaften des Vaters auf jedes Mitglied der Nachkommenschaft zu vererben. Und dies ist unleugbar gleichbedeutend mit Ein- schrankung der Variabilitat, mit Sicherung eines 1) Diese Tendenz kann bei den somatischen oder Gewebszellen wohl nur da in vollem Mafe vorausgesetzt werden, wo es sich bei der Zellteilung um einfaches Wachstum oder Ersatz einer gleich- formigen Zellenmasse, also um Erzeugung gleichwertiger Zellen handelt, wihrend die namentlich in der embryonalen Entwickelung und ebenso bei der Regeneration komplizierter Organe so wichtigen Differen- zierungen der Zellen an feinere Modifikationen der Mitosen gekniipft sein dirften, die zum Teil vielleicht auch der mikroskopischen Er- forschung zuginglich sein kénnen. 484 Leopold Auerbach, héheren Grades von Konstanz der Art. Daf fiir eine solche, wenigstens in den héher organisierten Abteilungen der jetzt lebenden Tierwelt obwaltende Tendenz noch einige Reihen anderer Thatsachen aus der Geschichte der Samenelemente zu sprechen scheinen, indem sie als weitere Hilfsmittel fiir dieselbe angesehen werden kénnen, habe ich schon frither an einer anderen Stelle betont *). Zwischenvorginge, die ich nicht gefunden habe, die aber ver- mutlich wiederum durch einen der Fig. 8b entsprechenden und nur durch die geringere Zahl von vier rundlichen Kérperchen in der Aquatorialzone unterschiedenen Zustand hindurchgehen, fiihren auch an der dritten Zellgeneration zu einer Faserspindel, deren Bild sich kaum von demjenigen der friiheren unterscheidet. Wiederum liegen anfangs vier weizenkornformige Karyosomen in der Aquatorebene der Spindel. Von deren Zusammensetzung aus je vier kleinen Koérperchen ist jetzt meist nichts mehr zu be- merken, und nur hier und da zeigen sich Spuren davon als leichte seitliche oder terminale Einkerbungen. Gleichwohl tritt bei ihrer folgenden Selbstteilung eine Abweichung von dem ge- wohnlichen Verhalten in der Art ein, da& aufer Langsspaltung zugleich eine quere Zertrennung 1) In diesem Sinne habe ich niimlich schon in meiner Arbeit iiber das Sperma von Dytiscus marg. (1f) der bei Vertebraten, Hexa- poden und Mollusken so allgemein in den Hoden auftretenden Ver- einigung der Spermien zu Biindeln, sowie auch den bei vielen In- sekten auferdem noch in einem spiteren Stadium wieder sich ein- stellenden Agglutinationen der Spermienképfe, darunter auch der von mir nachgewiesenen paarigen Kopulation der Dytiscus-Spermien die Aufgabe zugeschrieben, einen Stoffaustausch und Ausgleich zwischen den Képfen der Samenfaden zu bedingen und dadurch einen hoheren Grad von Konstanz der Art herbeizufiihren. Wenn hinsichtlich der Phylogenese die Wichtigkeit des Variierens mit Recht ganz besonders und fast ausschlieflich betont worden ist, so muf doch auf der anderen Seite und gerade bei Anerkennung des Prinzips der Verdnderlichkeit der hohe Grad von Konstanz, der den meisten Arten jetziger Lebe- wesen hoherer Stufen eigen ist, unsere Verwunderung erregen. Zu deren Erklarung liefert nun zwar die Geschichte der weiblichen Keim- zellen, der Eier, soweit sie bis jetzt bekannt geworden ist, keine hervorragenden Anhaltspunkte; wohl aber glaube ich, daf betreffs der Vererbung von viterlicher Seite die erwihnten an den Samen- elementen teils wihrend ihrer Entstehung, teils nach dieser zu ver- schiedenen Zeiten auftretenden, so eigentiimlichen Erscheinungen in der angegebenen Richtung verwertbar sind. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, III d. 485 erfolgt, so dak jedes Karyosom wieder in vier Teilstiicke zerfallt. Von den so entstandenen sech- zehn Kérperchen wandern dann je acht nach dem einen und dem anderen Pole hin, in einer Front vor- riickend, zuletzt aber sich zu einem rundlichen Hiufchen grup- pierend. Es ergiebt sich also bei der Entstehung der vierten Zellgeneration in der That eine Verdoppelung der Anzahl der Karyosomen, wie es ahnlich auch schon an gewissen Samenzellen anderer Tiere, z. B. bei Salam. mac. seitens Ratn’s wahrge- nommen worden ist. In diesen letzteren Fallen erklart sich die Verdoppelung einfach daraus, daf} nach der Darstellung des ge- nannten Forschers die im Viererstadium zusammengruppierten vier Kiigelchen niemals miteinander in innige Beriihrung treten, sondern einander nur genihert bleiben und so auch in die Spindel gelangen, worauf einfach aus jeder Gruppe zwei nach je einem Pole vor- riicken. Aber auch in unserem Falle der Vereinigung der vier Kérperchen zu einem gréferen diirfte doch an den Berihrungs- flachen nur Kontinuitaét von geringerer Widerstandsfaihigkeit her- gestellt, also ein gewisser Grad von Spaltbarkeit zuriickgeblieben sein, die den Zerfall in vier statt der sonstigen zwei Stiicke be- giinstigt. — Im tibrigen aber hat die Verdoppelung in unserem Falle keine weiteren bemerkbaren Folgen, indem die sich an- schlieBenden Vorgainge im wesentlichen ganz so wie sonst ver- laufen. Im besonderen ist hier kein Ausbleiben des nachsten Ruhestadiums zu konstatieren. Vielmehr bildet sich aus den beiden Karyosomenhaufchen und um sie herum wieder je ein blaschenformiger Kern, der sehr fein verteilte, hell- blau tingierte Kérnchen und einen Nucleolus enthilt. Wahrend- dessen ist auch wieder der Zellraum auf Kosten der Faserspindel ganz von lockerem Protoplasma erfiillt worden. Und bald darauf folgt dann wieder mittels Durchschniirung der Zelle im Aquator ihre ginzliche Zweiteilung. So ist die vierte Generation der Samenzellen in Form isolierter, kugliger, einen blaschenformigen Kern einschliefender Gebilde hergestellt. Diese schreiten dann zu einer abermaligen Zweiteilung, welche die letzte der Serie ist. Auch in ihrem Verlaufe zerfallen die Schleifen in eine gréSere Anzahl feiner Kérnchen, die sich freilich nicht zihlen lassen. Sehr klar und bestimmt hingegen ist die Frage der Zahl der Karyosomen an der Faserspindel dahin zu entscheiden, daf in deren Aquator wieder wie friiher vier etwas lingliche Kérperchen nebeneinander aufgepflanzt sind. Durch 486 Leopold Auerbach, einfache Langsspaltung werden diese wieder zu acht, deren je vier wieder an die beiden Pole der Spindel wandern, um hier zur Neu- bildung zweier junger blischenformiger Kerne das Ihrige beizu- tragen. Dies ist im Vergleich zu der Anzahl von Karyosomen, die in der vorigen Zellgeneration in die Bildung der neuen Kerne eintraten, eine Reduktion der Zahl auf die Halfte. Hierin liegt nun zwar ein Punkt der Ubereinstimmung mit dem, was seit Wrs- MANN’s ersten Anregungen und Einblicken in einer Reihe anderer Falle von Spermatogenese gefunden wurde; jedoch sind auch wesentliche Unterschiede hervorzuheben. Fiirs erste ist die Re- duktion hier nicht an Uberspringen eines Ruhestadiums gekniipft, vielmehr gewissermaSen durch ein solches Ruhestadium vermittelt. Hauptsichlich bemerkenswert aber ist, daf es bei der Vierzahl bleibt, da8 nur eine relative, die vorangegangene Verdoppelung wieder aufbebende und die typische Zahl definitiv wiederher- stellende Reduktion statthat. Denn die besprochene Zweiteilung ist die letzte in der Reihe, und es ist keine Gelegenheit zu einer nochmaligen Reduktion gegeben. Die jetzt entstandenen Zellen, die dazu bestimmt sind, sich auf bald zu beschreibende Weise in Spermien umzuwandeln, haben also Kerne, die ebenso wie die Samenzellen zweiter Generation auf Grund von vier Karyosomen sich gebildet haben). Dies steht nicht in Ubereinstimmung mit dem, was z. B. bei Salamandra und von O. Hertwia auch bei Ascaris meg. festgestellt worden ist; und es entspricht tiberhaupt nicht dem Begriffe der Reduktionsteilung, wie er von WEISMANN begriindet worden ist, und ihrer angenommenen Bedeutung fiir die Fortpflanzung. Diesen Mangel an Analogie kann ich hier nur auf Grund meiner Wahrnehmungen konstatieren, ohne etwa daraus weitgreifende Schliisse ziehen zu wollen, weil ja die Samenbildung bei Paludina iiberhaupt mit ganz ungewohnlichen Abweichungen und Komplikationen verkniipft ist, wie auch meine weitere Dar- stellung zeigen wird. Aber wenn auch bei Paludina,keine absolute Reduktion der Zahl der Karyosomen erreicht wird, so ergiebt sich dagegen eine um so gréfere Reduktion der Masse der kyanophilen Substanz, also nach der herrschenden Vorstellung der Masse der © Vererbungssubstanz. Da, wie ich nachgewiesen habe, wihrend der 1) Ob die Vierzahl auch fiir die Mitosen der sonstigen Kérper- zellen von Paludina typisch ist, hatte ich nicht Gelegenheit zu er- mitteln, Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IIT d. 487 Spermatogenese kein Wachstum der Zellen eingreift, vielmehr aus- schlieSlich wiederholte Halbierung ihrer Substanz stattfindet und dabei auch die Karyosomen sichtlich proportional kleiner und kleiner werden, so ist schlieSlich in den Samenbildungszellen das Quantum der kyanophilen Substanz sogar auf ein Sechzehntel des- jenigen der Spermatogonien reduziert. Ich méchte zur Erwigung stellen, ob eine so resultierende Reduktion der Masse nicht eben- falls von Bedeutung, ja sogar fiir gewisse Postulate WrISMANN’s verwertbar sein kann, und fiir diese sogar in héherem Mabe als die Reduktion der Zahl. Letztere hat ja, wo sie eintritt, sicher- lich die Wirkung, unter spaterem Hinzutreten der Karyosomen der andersgeschlechtlichen Keimzelle die fiir die Species typische Zahl zu erhalten, und sie dient also diesem besonderen morpho- logischen Charakter. Hingegen wird sie sonstigen physiologischen Einflu8, namentlich betreffs Vererbung anderer Qualitaten nur dann und nur insoweit ausiiben kénnen, als damit zugleich Reduktion der Masse verbunden ist, z. B. dann nicht, wenn die Reduktion der Zahl durch Verschmelzung je zweier Chromosomen zu einem herbeigefiihrt wird. Ist doch tiberhaupt die Zahl der Karyosomen nur fiir eine bestimmte Zeit des Teilungsvorgangs giltig, an eine voriibergehende Anordnungsweise der Molekiile geknipft, die im Ruhestadium wieder aufgelést wird +), und steigert sich doch so- gar wahrend der Mitose die regulire Zahl zu gewissen Zeitpunkten auf das Doppelte und Vierfache. Ist aber das Quantum der spe- zifischen Kernsubstanz das MaSgebende, so ist eigentlich jede Zell- teilung eine Reduktionsteilung. Nur wird bei den somatischen Zellen meistens die Reduktion durch nachtragliches Wachstum wieder ausgeglichen, wihrend bei den Fortpflanzungszellen keine selbstandige Substanzvermehrung nachfolgt, sondern nur diejenige, die bei der Befruchtung von der andersgeschlechtlichen Keimzelle geliefert wird. Im Hinblick auf letzteren Zuschuf wiirde Reduk- tion auf die Halfte geniigen. Wenn nun bei Paludina durch vier- malige Halbierung der Samenzellen sogar Verringerung auf ein Sechzehntel erzielt wird, so lehrt dies zunachst, daf dieser Bruch- 1) Die von mehreren Seiten ausgesprochene Meinung, dal die Selbstiindigkeit der Karyosomen sogar auch wahrend des Ruhezustandes erhalten bleibe, scheint mir fiir die meisten Falle in den Thatsachen keine geniigende Begriindung zu finden und auch dadurch nicht an- nehmbarer zu werden, dafi man den Begriff einer physiologischen Individualitét zu Hilfe nimmt, die doch kaum gesondert von morpho- logischer Individualitét zu denken ist, 488 Leopold Auerbach, teil fiir den Zweck der Befruchtung und zugleich der Vererbung der vaterlichen Eigenschaften geniigt. Nebenbei aber ist nicht zu iibersehen, da sowohl in unserem wie in vielen anderen Fallen die resultierende Kleinheit der einzelnen Samenelemente und deren vermehrte Anzahl besondere Vorteile fiir die Sicherung der Fort- pflanzung mit sich bringen. Auch die Beziehungen dieser Ver- haltnisse zu allgemeineren Vererbungstheoremen diirften Beach- tung verdienen, z. B. betretts der Idee WerrtsmAnn’s, da es auf Vermeidung der Anhaufung allzu vieler verschiedenartiger Ahnen- plasmen ankomme. Obzwar mit jener Art von Reduktion keine unmittelbare Vernichtung lastiger Teilchen verbunden ist, so hat sie doch deren Verteilung und wahrscheinlich auch ungleiche Ver- teilung auf eine gréfere Anzahl von Individuen zur Folge, indem ja die individuelle Verschiedenheit der Nachkommenschaft auch auf eine solche der Fortpflanzungszellen, im besonderen der Samen- elemente hinweist. Und da die tiberwiegende Mehrzahl der letzteren zu Grunde geht, ohne zur Funktion zu gelangen, so werden auch dadurch sehr viele atavistische Besonderheiten sogar aus der Species eliminiert werden kénnen. — Ich habe mir diese Hin- deutungen gestattet, um die beriihrten Punkte zur Erwagung zu stellen, ohne hier einer weitlaufigeren Diskussion derselben Raum gewahren zu konnen. Die Zellen fiinfter Generation, die dazu bestimmt sind, durch Umgestaltung zu den haarformigen Spermien zu werden, sollen eben deshalb im folgenden als Spermioblasten bezeichnet werden!). Bevor ich aber zu dieser Metamorphose ibergehe, mu8 ich erst noch einiger zuweilen vorher eintretender Besonder- heiten gedenken, welche die Samenzellen vierter und finfter Gene- ration, utd zwar mehr das AuBerliche derselben betretfen, jedoch nicht iibergangen werden kénnen. Zunachst habe ich zu erwahnen, daf die Zellen der beiden letzten Generationen zuweilen aus der rundlichen in Kegelform 1) So gern ich die von La Vaterrs, diesem um unsere Kenntnis der Evtwickelung der Samenelemente so sehr verdienten Forscher ein- gefihrten Benennungen: ,,Spermatogonie“ und ,,Spermatocyte‘’ an- nehme, so kann ich doch aus sprachlichen Griinden nicht umhin, seinen dritten Terminus: ,,Spermatide“ zu vermeiden; denn die damit gemeinten Zellen sind ja nicht Abkémmlinge des Samens, sondern im Gegenteile Vorstufen seiner Elemente. Hingegen deckt sich die oben von mir vorgeschlagene Bezeichnung vollstaéndig mit der Bedeutung der betreffenden Zellen. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. III d. 489 iibergehen, was mit ihren Aggregationen zusammenhingt. Die aus einer Gruppe gleichzeitig und dicht nebeneinander entstandener Spermatogonien durch wiederholte Zellteilungen hervorgegangene kleinzellige Schar von Spermatocyten nimmt oftmals die Form eines runden, auf einer Seite der Schlauchwandung anliegenden, auf der anderen tief in die Héhlung des Schlauchs vorspringenden Haufens an. Zuweilen nun geschieht es, daf ein solcher Zell- komplex ganz von der Wandung des Schlauchs abgelést wird, und dann werden die oberflachlich gelegenen Zellen des Haufens kegel- férmig. In Dissociationspraparaten sieht man gelegentlich so be- schaffene Aggregate kleiner Zellen, oder Fragmente solcher flot- tieren. Sie sind nicht von einer endothelahnlichen Cysten- oder Follikelhaut umgeben. Daf aber die oberflichliche Lage kegel- formiger Zellen nicht einer Hiillhaut gleichwertig ist, geht daraus hervor, dafi die kleinsten dieser Haufchen ganz und gar aus einer Schicht solcher Kegelzellchen bestehen, die, radial gestellt, einen kleinen, centralen, von einer strukturlosen Substanz erfiillten Raum umschliefen, welche letztere wohl durch Untergang einer oder einiger centraler Zellen entstanden sein mag (Fig. 7a). Wenn nun Komplexe dieser Art durch die Praparation zertriimmert waren, so stief ich einige Male auf die Thatsache, daf je zwei der kleinen Kegelzellen, die durch ihren Kern: von wenig tiber 2 « Durch- messer als solche der fiinften Generation gekennzeichnet waren, da8 also je zwei solche Zellen mit ihren Spitzen verwachsen waren, d. h. in einen gemeinschaftlichen kurzen Stiel ausliefen, der ent- weder homogen erschien oder eine longitudinale Trennungslinie zeigte (Fig. 7b). Ich schliefe daraus, daf bei dieser Art der An- ordnung die Zweiteilung der kegelférmigen Zellen vierter Gene- ration als Laingsteilung auf Grund einer quergestellten Teilungs- figur erfolgen mag, und daf der gemeinschaftliche Stiel ein Rest des Zusammenhangs der beiden Zellenleiber ist. Jedoch ist dieser Modus nur eine ziemlich selten auftretende Variante; denn fir ge- wohnlich sehe ich auch in der vierten Generation die Teilung an runden Zellen sich yollziehen. Ubrigens ist an den so entstandenen Spermioblasten die Kegelform wohl nur ein voriibergehender Zu- stand; sie diirften sich nach Lockerung des gegenseitigen Zu- sammenhangs wieder abrunden, bevor sie sich weiter ausbilden. Jedenfalls habe ich wahrend des Bestehens der Kegelform an ihnen nur ein gleichférmiges Cytoplasma und einen blaschen- formigen Kern im Ruhezustande bemerkt, also jeden Anfang einer Bd, XXX, N, F. XXID, 32 490 Leopold Auerbach, Umbildung zu Samenfiden vermift. — Hinzufiigen moéchte ich noch, da die eben geschilderten Erscheinungen zu der oben, S. 436 ff., erwahnten und von mir bestrittenen Annahme eines fadigen Zusammenhangs simtlicher Zellgenerationen beigetragen haben kénnen. Ein anderes bemerkenswertes Vorkommnis ist folgendes. Aufer den reguliren einkernigen Spermioblasten von 5,5 « Durchmesser finden sich auch, und dann zuweilen ziemlich reichlich, gréfere von dem doppelten, seltener von dem drei- bis fiinffachen Volumen mit je 2—5 Kernen, und zwar Kernen, die in ihrem Durchmesser genau denjenigen der kleinen regularen Spermioblasten gleichen. Ich werde spiter mitteilean, wie auch diese mehrkernigen Ge- bilde zur Samenbereitung beitragen, indem aus jedem derselben so viel Samenfaden hervorgehen, als Kerne darin steckten. Hier aber erhebt sich die Frage nach der Ent- stehungsweise jener mehrkernigen Spermioblasten. Die zwei- kernigen nun wiirden sich leicht so erklairen lassen, daf an einer Zelle vierter Generation nach Ablauf der Mitose und nach Her- stellung der beiden jungen Kerne die Teilung des Zellen- leibes ausbleibt. Das mag auch teilweise wirklich so sein. Und fiir die vierkernigen kénnte man allenfalls supponieren, da8 das ndmliche schon an einer Zelle dritter Generation geschieht, und daf nach einer weiteren Kernverdoppelung die nimliche Trigheit des Zellenleibes sich geltend macht. Hin- gegen ware eine solche Deutung auf die drei- und fiinfkernigen wegen der ungeraden Zahl nicht anwendbar, auch nicht mit der Hilfshypothese, daf einer der Kerne einen Verdoppelungsprozeb mehr durchlaufen habe als der andere oder die anderen; denn letzterer Vermutung wiirde absolut entgegenstehen, daf auch bei ungerader Zahl siimtliche in dem Gebilde enthaltenen Kerne den gleichen und richtigen Durchmesser von etwas tiber 2 w haben. Es bleibt demnach m. E. nur iibrig, anzunehmen, daf zuweilen, und wahrscheinlich gerade wihrend der auf S. 489 erwahnten Aggregation die Zellenleiber von 3—5_ kleinen einkernigen Spermioblasten miteinander verschmelzen und zu einem mehrkernigen Ganzen sich abrunden, und zwar da. dies im lebenden K6rper aus inneren Ursachen geschieht. Denn an Artefakte durch Zusammenflicken wihrend der Praparation ist deshalb nicht zu denken, weil diese Dinge sich nicht blof nach Dissociation frischen Materials, sondern auch in Schnitten ge- harteter Hodenstiickchen finden. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IV. 491 IV. Erste Periode der Ausbildung der haarférmigen Spermien. Ich bin nun an dem Punkte angelangt, wo es sich um die Ausgestaltung der Samenfaden selbst handelt. Die ersten Verinderungen an den Spermioblasten betreffen fast gleichzeitig den Zellenleib und den Kern, beginnen indes doch wohl etwas friiher an dem ersteren. Und zwar wiederholen sich im Cytoplasma ganz diejenigen Vorgiinge, die in den friiheren Zell- generationen zur Bildung des Nebenkerns gefiihrt haben. Auch hier entsteht ein solcher auf dem friiher geschilderten Wege durch Verdichtung des Cytoplasma. Wenn der Nebenkern fertig ist, so stellt er einen runden, brillant rot sich tingierenden Kérper dar, von einem Durchmesser, der reichlich der Halfte desjenigen des Kerns gleichkommt und letzteren anfangs in einem Punkte be- riihrt, bald aber ihm in etwas gréferer Ausdehnung angeschmiegt ist (Fig. 12b). Die Linie, welche durch die Mittelpunkte des Kerns und Nebenkerns bestimmt ist, erweist sich bald als Achse der Zelle, die dann auch zur Achse des Samenfadens wird. Die so vereinigten beiden Kérper sind wieder, wie in dem entsprechen- den Stadium der friiheren Zellgenerationen, von einer Héhlung um- geben, die sie von der jetzt erkennbaren, zwar sehr feinen, jedoch deutlich rot tingierten Zellmembran trennt und von einigen sehr zarten, die organische Verbindung herstellenden Faden durchsetzt ist. Diese Hoéhle ist am seitlichen Umfange erheblich breiter als in den beiden Polgegenden, wo sie nur schmale Spalten darstellt. Denn der Kern liegt jetzt sehr excentrisch, dem einen Pole sehr nahe, ohne jedoch die Zellmembran zu beriihren ; und das Gleiche gilt von dem Nebenkern. Ich werde denjenigen Punkt der Zell- peripherie, der dem Kern am nichsten ist, wieder Kernpol, den entgegengesetzten Gegenpol nennen. Inzwischen hat sich auch der Kern durch folgende Vorgange wesentlich veriindert. Wahrend die Nebenkernbildung im Gange ist, verschmelzen die zahlreichen sehr feinen (hellblauen) Kérnchen im Kern zu einigen gréferen, jetzt nach Tingierung dunkler blau erscheinenden Kliimpchen yon unbestimmter Zahl und ungleicher GréBe; und diese Kliimpchen legen sich bald an die innere Flache der Kernmembran an, nur denjenigen kleinen Abschnitt derselben freilassend, der mit dem Nebenkern in Beriihrung und jetzt sogar anscheinend mit diesem verschmolzen ist, hingegen am _ tibrigen gréBberen Teile der Kernwandung ziemlich gleichmabig verteilt $2* 492 Leopold Auerbach, (Fig. 12b). Anfangs etwa halbkuglig nach innen vorspringend, platten sie sich bald darauf ab, indem sie sich ausbreiten, bis sie alle miteinander zu einer kontinuierlichen Schicht zusammenfliefen (Fig. 12c). So ist eine aus kyanophiler Substanz bestehende, relativ dicke innere Belagsschicht der Kernmembran gebildet, die etwa drei Viertel der letzteren tiberzieht, nur an der Gegenpolseite des Kerns fehlt und an der Grenze dieses Segments mit einem zugescharften Rande versehen ist. Die blau tingierte Kapsel hat also an der Gegenpolseite ein Loch, das durch den Nebenkern ab- gesperrt ist (Fig. 12d). An ihrer Aufenflache ist aus optischen Ursachen die sehr feine eigentliche Kernmembran jetzt kaum mehr oder doch nur schwer zu erkennen. Hingegen ist in ihrer Héhlung jetzt eine iiberraschende Erscheinung aufgetreten, nimlich ein sehr kleines aber scharf begrenztes, brillant rot gefarbtes Kiigelchen, von dem bis dahin nichts zu sehen gewesen war (Fig. 12), c, d). Daf es wirklich im Inneren des Kerns liegt, bleibt nicht im ge- ringsten zweifelhaft. Dies hebe ich zur Verhiitung eines Mib- verstandnisses deshalb hervor, weil etwas spiter ein anderes rot farbbares, freilich betraichtlich gréferes Kérperchen als aufen dem Kerne anliegend zu beobachten ist, wovon noch besonders die Rede sein wird. Hinsichtlich der Herkunft jenes intranukledren Kiigel- chens aber kann ich nur vermuten, dafi es einem Nucleolus ent- spricht, dessen kyanophile Rinde abgelést und mit der tbrigen gleichartigen Substanz nach der Kernwandung hingezogen wurde. Nach seiner Befreiung, resp. bei seinem ersten Hervortreten liegt es in der Mittelgegend oder sogar naiher dem blinden Ende der blauen Kapsel, wandert jedoch allmahlich nach der Gegenpolseite . hin, bis es mit dem Nebenkern in Beriihrung tritt und dann in diesem sich verliert (Fig. 12e). Und zwar scheint es mir, da8 es mit diesem wirklich verschmilzt und in dessen Substanz aufgeht. Dies kann deshalb etwas unsicher erscheinen, weil bei meiner Tinktionsweise beide in Rede stehende Kérper in gleicher Weise rot gefarbt werden; und es wire ja denkbar, da’ mittels anderer Behandlung selbstandige Fortexistenz des Ktigelchens auch nach seinem Austritt aus dem Kern sich erweisen liefe. Indessen kann ich dies aus dem Grunde nicht gerade fiir wahrscheinlich halten, weil auch in den folgenden morphologischen Veranderungen kein Kiigelchen von dieser Kleinheit eine besondere Rolle spielt. Nach dem Austritt des (roten) Kiigelchens aber enthalt die (blaue) Kapsel in ihrem Innenraum keine sichtbaren Formbestandteile mehr, sondern nur eine farblose, homogene, wahrscheinlich fliissige Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IV. 493, Substanz. In diesem Zustande verharrt sie langere Zeit, wahrend auferhalb die beiden bald zu schildernden Ereignisse vor sich gehen; und sie behalt dabei einstweilen auch ihre durch den Nebenkern gedeckte weite Offnung, zuweilen mit der geringfigigen Verinderung ihrer Gestalt, da% sie sich gegen die Offnung hin etwas streckt und verschmalert, so daf der optische Durchschnitt nicht mehr drei Vierteln eines Kreises, sondern mehr einer Huf- eisenform entspricht. Die Vorgiange aber, die sich weiter an dem protoplasmatischen Teil der Zelle abspielen, sind folgende. Zuerst trennt sich von dem Nebenkern etwa ein Viertel seiner Masse ab, und dieses Stiickchen wandert lings des Kernumfangs, auSerhalb desselben nach der entgegengesetzten Seite der Zelle, wo es sich am Kern- pole in der Spalte zwischen Zellmembran und Kern festlegt (Fig. 12f u. g), mit beiden in Beriihrung, als ein rundliches, nur durch die Einklemmung etwas abgeplattetes Kérperchen. Man kann es auf der Wanderung an den verschiedensten Stellen zur Seite des Kerns ertappen; am 6ftesten sieht man es natiirlich da, wo es zur Ruhe gekommen ist und liegen bleibt, also am vorderen Pole. Es hat etwa das vierfache Volumen des aus dem Kern ausge- tretenen roten Kiigelchens, so daf keine Veranlassung vorliegt, es mit diesem zu identifizieren. Es ist m. E. einfach eine Portion des den Nebenkern ausmachenden verdichteten Cytoplasmas, mit der Bestimmung, spaiter zu dem Spitzenstiick zu werden, mit dem eine Zeit lang der Samenfaden bewaffnet ist. — Insoweit es sich um das Thatsachliche handelt, ist die eben besprochene Erscheinung auch schon von PLATNER (18e) ganz ahnlich gesehen und eben- falls zur Anlage des Spitzenstiicks in Beziehung gesetzt worden: PLATNER glaubte jedoch das bewuSte Koérperchen als das Centro- soma der Zelle ansehen zu sollen und nahm somit an, daf das Centrosoma zum Spitzenstiick werde, ohne indessen diese Meinung irgendwie zu begriinden. Wahrscheinlichkeit kann ich derselben aber nicht zusprechen, zuerst schon deshalb nicht, weil mir jenes Kérperchen so leicht sichtbar und auffillig gewesen ist, wahrend ich sonst bei der gleichen Vorbehandlung selbst in denjenigen Stadien, wo Centrosomen am ehesten zu erwarten und am leich- testen zu finden gewesen waren, beim besten Willen nichts von solchen zu erkennen yermochte. Auferdem ist jenes Protoplasma- kliimpchen im Verhaltnis zum Durchmesser der Zelle doch wohl viel zu grof fiir ein Centrosoma. Ich kann es wohl fiir méglich halten, daf das Material des friiheren Centrosoma mit darin steckt, aber 494 Leopold Auerbach, nicht jener Identifizierung beipflichten, vielmehr nur feststellen, da8 die Substanz des Spitzenstiicks ein abgetrennter Teil des Nebenkerns ist. Kinige Zeit darauf zerfallt der gréfere Rest des Nebenkerns von neuem, und zwar diesmal durch zwei aufeinander senkrechte Meridianfurchen in vier gleiche Teile, die auf den Innenseiten aneinander haften bleiben, nach aufen hingegen mit getrennten Wolbungen vorspringen. Man sieht deshalb bei der Aufsicht auf den Gegenpol eine sehr zierliche vierteilige Rosette (Fig. 120); und noch deutlicher ist das Bild, wenn solche Rosetten, durch den Schnitt von ihren Zellen quer abgetrennt, isoliert im Gesichtsfelde liegen und bei der Aufsicht ihren Querschnitt darbieten. In der Seitenansicht der Zelle wird der gefurchte Zustand des Neben- kerns fast nur dann deutlich, wenn eine der Trennungsfurchen in der oberen Mittellinie liegt; und dann hat es den Anschein, als sei der Nebenkern nur in zwei Stiicke zerfallt (Fig. 12g, h). Allein die ersterwihnten Bilder lassen tiber die Vierteilung nicht den ge- ringsten Zweifel tibrig. — Ubrigens hat schon Bruyn in diesem Stadium an der gleichen Stelle vier, gleichsam die Ecken eines Quadrats einnehmende Piinktchen bemerkt, die er jedoch glaubte fiir den optischen Ausdruck eines Ringes halten zu miissen, der flaschenhalsabnlich dem geéffneten Kern aufsitze. Die vier Piinkt- chen waren jedenfalls die vier vorspringenden Ecken der Rosctte. Thatsachlich aber deckt diese die tiberdies schon verengte und bald ganz verschwindende Offnung der blauen Kapsel zu. Der Randteil der letzteren biegt sich namlich um diese Zeit allmihlich nach innen und wachst dann zusammen, so da schlieSlich der rosettenformig gewordene Nebenkern einer geschlossenen Hohl- kugel anliegt. Der Nebenkern ist also jetzt ein durchfurchter solider Kérper. Als solechen hat ihn auch schon Piarner (18e) ganz richtig er- kannt und als vierteiligen Nebenkern gedeutet, auch eine Abbildung der Rosettenform, ahnlich der meinigen, geliefert, jedoch mit der Ab- weichung, dafi von ihm im Centrum der Rosette ein besonderer kleiner Kreis gezeichnet ist, um den herum sich die vier anderen Stiicke gruppieren. Das centrale Ringlein soll den optischen Querschnitt eines Fadens bedeuten, der nach Puatner’s Annahme, vom Kern aus- . gehend, die Mitte der Rosette durchsetzen, dann in den Schwanz iiber- treten und hier dessen Achsenstrang darstellen soll, was mutatis mu- tandis auch mit Brunn’s Angaben iibereinstimmen wiirde. Ich muf indes sageo, dai ich von einem soichen Faden weder im Querschnitt noch in der Lingsansicht etwas habe sehen kédnnen. Gerade die er- wihnten isolierten Rosetten meiner Priiparate zeigen, da die vier Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. IV. 495 Teile mit ihren inneren, etwas abgerundeten Kanten nahe zusammen- stoBen, so wie ich es in Fig. 120 gezeichnet habe. Ein so dicker Centralfaden, wie ihn Prarner sowohl innerhalb der Rosette wie auch an Lingsansichten der Zelle auferhalb jener dargestellt hat, existiert ganz gewib nicht. Sollte aber ein viel feinerer, etwa demjenigen gleichend, den Pratner selbst in den viel grodferen Spermioblasten der Pulmonaten abbildet, wirklich existieren, so wiirde er dennoch in unserem Falle unsichtbar bleiben; denn innerhalb der Rosette wiirde er sich in dem Schatten der in der Achse zusammenstofenden Teile verlieren, und auferhalb derselben wiirde er keinen Raum finden, sich zu zeigen, weil die Rosette vorn dem Kern und hinten der Zell- membran dicht anliegt. In letzterem Punkte kann ich auch die Puatyer’schen Figuren 9e u. f seiner Taf. [X, die hinter der Rosette noch ein reichliches Protoplasmafeld enthalten und damit schon in diesem Stadium die Zelle birnférmig erscheinen lassen, nicht natur- getreu finden. Ich darf aber nicht unterlassen zu erwahnen, daf in solchen Priparaten, die aus Hartung mit FLemmine’scher Lésung her- vorgegangen sind, in der Achse der Rosette oder nach deren Ver- langerung in der Achse des entsprechenden Stabchenbiindels ein feiner schwarzer Strich sichtbar ist, den ich indessen glaube nur fir einen Osmium-Niederschlag in dem kapillaren Raume zwischen den vier Kanten der Staébchen halten zu miissen. Denn er reicht immer nur so weit wie der letztere; weder am Kern noch jenseits nach dem Schwanze zu ist eine Fortsetzung der Linie zu sehen, obwohl in den spateren Stadien nach der letzteren Richtung hin Raum vorhanden wire. Ubrigens werde ich bald zeigen, da® bei Paludina das Haupt- material fiir den Achsenstrang in dem rosettenformigen Korper selbst gegeben ist. Zuvor will ich nur noch bemerken, daB sich inzwischen die Gesamtgréfe der ganzen noch runden Zelle vermindert hat, indem ihr Durchmesser von 5,5 « auf 4,5 « herabgegangen ist, haupt- sichlich durch Abgabe von Zellsaft nach auBen, d. h. durch Aus- tritt derjenigen Flissigkeit, die zwischen der Zellmembran und dem Kern-Nebenkern-Komplex angesammelt war, also unter Ver- schmilerung des betretfenden Spaltraums, zum geringeren Teile auch durch eine eben merkliche Zusammenziehung des Kern- blaschens selbst. Indem dann beides weiter fortschreitet, geschieht die Kernverkleinerung in starkerem Mafe. Das Kernblaschen kon- trahiert sich bis zum Verlust seiner Héhle und wird dadurch zu einer soliden und kompakten, durch die Tinktion dunkelblauen Kugel von ca. 1,5 « Durchmesser (Fig. 12i). Jedoch erfolgt diese Kontraktion nicht in einfacher Weise konzentrisch. Vielmehr ist sie mit besonderen Verschiebungen der kyanophilen Substanz ver- bunden, die ein ganz eigentiimliches Zwischenstadium verursachen (Fig. 12h). Eine Zeit lang namlich erscheint die blaue, jetzt ge- 496 Leopold Auerbach, schlossene Kapsel im optischen Querschnitt nicht als einfacher Ring von rund herum gleichmafiger Dicke, sondern in der durch die Figur wiedergegebenen Form. Die Kernsubstanz ist haupt- sichlich in zwei quergestellten plankonvexen Menisci angesammelt, die einen Spalt zwischen sich lassen, der zuweilen von einigen sehr feinen Faden tiberbriickt ist. Am Rande dieses Spalts wird vermut- lich der Rest des Kernsafts ausgetrieben; denn der Spalt wird immer schmaler, bis schlieSlich die beiden blauen Schichten in Berithrung kommen und zu einem soliden K6érper vereinigt werden (Fig. 121). Der Zwischenraum zwischen diesem jetzt kompakten Kern und der Zellmembran ist durch die Verdichtung des ersteren kaum breiter geworden, weil zugleich die Zelle im ganzen durch Ab- gabe von Fliissigkeit nach aufen sich weiter zu verkleinern fort- fabrt und schlieBlich auf 3,5 uw im Durchmesser reduziert wird. Der Achsenteil dieses kleinen Blaschens ist jetzt durch eine Kette von drei soliden Kérperchen eingenommen, deren mittelstes blau, die anderen rot tingiert sind, namlich der Anlage des Spitzen- stiicks, der Kernkugel und dem viergeteilten Nebenkern. An den Polen beriihren der erst- und der letztgenannte die Zellmembran ; seitlich aber wird die Verbindung der letzteren mit den axialen Teilen nur durch einige wenige, iiberaus feine Fadchen vermittelt, die nicht immer gut erhalten sind. Nun tritt die erste Spur des Schwanzes in die Erscheinung als ein auferst feiner und kurzer fadenformiger Auswuchs der Zellmembran an der Stelle, wo ihr innen der rosettenférmige Korper anliegt (Fig. 121). Von einem direkten Zusammenhang mit diesem oder von einem Durchtreten durch denselben, oder gar von einem Hineinragen des Fadchens in den Kern, der ja iibrigens jetzt ein kompakter Korper ist, ist nichts zu sehen; und ich habe keinen Grund, etwas anderes anzunehmen, als daf das Fadchen einfach aus der Zellmembran, dieser gesonderten peri- pherischen Schicht des Cytoplasma, hervorgesproft ist. Nach seiner ersten Entstehung ist dieser Anhang so zart und, wie es scheint, auch so leicht einer Schadigung durch die angewandten Reagentien fahig, daf’ er nicht sehr oft in seiner natiirlichen Form zu sehen ist. Dann an Lange und Starke wachsend, wird er all-— mahlich widerstandsfahiger und leichter erkennbar. Sein Wachs- tum erfolgt, wie ich vermuten mu, nur auf Kosten der Zell- membran, die ja auch weiterhin bis fast zur Unkenntlichkeit diinn wird. Diesen Anhang kénnen wir zutreffend als ,,primaren Schwanzfaden“* benennen. Denn er reprisentiert nicht die Anlage Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IV. 497 des ganzen kiinftigen Schwanzes, sondern nur die Anlage des- jenigen hinteren, etwa ?/, des ganzen Schwanzes ausmachenden Abschnitts, den schon Brunn unterschieden hat, und den ich als Endstiick aufgefaft habe (1h). Zu der Vervollstindigung durch das Hauptstiick ist aber schon das Material vorbereitet. Uberhaupt sind jetzt schon alle Formbestandteile des haar- formigen Spermiums der Anlage nach vorhanden; und die kommen- den Vorginge laufen im wesentlichen auf Langsstreckung der ge- gebenen Teile hinaus. Bei ihrer Schilderung werde ich mich von nun an gelegentlich der jetzt berechtigten und unzweideutigen Be- zeichnungen : ,,vorn‘’ und ,,hinten“’ bedienen. Die erste der weiteren Veranderungen betrifft den rosetten- formigen Korper mit seiner Umgebung. Er streckt sich in der Richtung seiner Achse mehr und mehr aus, irdem er unter Ver- ringerung seines Querdurchmessers langer wird, und zwar mit seinem hinteren Ende kaudalwarts vordrangt und dabei den hin- teren Pol der Zellmembran mit dem hier angefiigten Schwanz- faden vor sich her treibt. Dadurch wird auch die hintere Halfte der Zellmembran in die Linge gezogen, und die ganze Zelle er- halt damit Birnform (Fig. 12h, i). Selbstverstandlich beteiligen sich an der Langsstreckung des Nebenkerns alle vier Lappen der Rosette; und zwar werden diese hiermit in vier Stiibchen ver- wandelt, die, dicht aneinander gefiigt, mit je einer Kante in der Achse zusammenstofen. — Diese Beobachtung stimmt in der Hauptsache tiberein mit einer Wahrnehmung, die schon BUTSCHLI (5b) bei der Samenbildung von mehreren Insekten und La Va- LETTE (15d) bei Stenobothrus dorsalis gemacht haben, indem diese Forscher ebenfalls ein Paar in der Zelle aus dem Nebenkern ge- bildete langliche Koérperchen mit dem Schwanz in Verbindung treten sahen. Wenn sie nun in den erwahnten Fallen nur zwei solche Stabchen fanden, so ist demgegeniiber bei Paludina an der Vierzahl nicht zu zweifeln. Ubrigens ist diese Differenz nicht von grofem Belange, um so weniger, als die Zusammensetzung aus vier parallelen Stabchen nur ein voriibergehender Zustand ist. Indem namlich das Stabchenbiindel sich immer mehr in die Lange streckt, verliert sich mit der Zeit jede Spur der Langs- furchung. Die vier Stabchen scheinen zu einem einheitlichen homogenen Cylinder zu verschmelzen. Mit der fortschreitenden Streckung ist natiirlich auch Verschmalerung verbunden, jedoch soviel ich sehe, keine Substanzverminderung, die LA VALETTE in seinem Falle angenommen hat. — Es ist iibrigens noch die sonder- 498 Leopold Auerbach, bare Thatsache zu erwahnen, daf wihrend der Lingsstreckung des aus der Verschmelung der Stibchen entstandenen Kérpers dessen Wurzelteil anfangs stairker verschmilert wird als der distale Teil, ja anscheinend sogar Substanz aus dem ersteren nach dem letzteren hinstrémt, so daf dieser Kérper fiir eine Zeit lang die Form einer schlanken Keule annimmt (Fig. 12k) und erst mit weiterer Streckung wieder cylindrisch wird. Das hat schon Brunn eben- falls bemerkt, abgesehen von seiner Deutung dieses Kérpers als einer aus der Kernwandung herausgewachsenen Réhre, von der er sagt: ,,Die dickste Stelle befindet sich immer am entferntesten vom Kopfteil, und erst wenn die Verdickung bis zum Ende des definitiven Mittelstiicks vorgeschritten ist, findet eine vollstandige Ausgleichung der Starke dieses Abschnitts statt‘' (12, S. 463). Dies ist auferdem auch insofern richtig, als der Stabchen- kérper in der That die Hauptmasse des vorderen Abschnitts des Schwanzes liefert. Und zwar geschieht dies nach meiner Beobach- tung auf folgende Weise. Je mehr er sich in der Richtung nach hinten ausstreckt, desto mehr wird durch ihn auch die hintere Halfte der Zellmembran in die Linge gezogen und zu einem ihn umgebenden Schlauche umgewandelt, bis sie sich schlieSlich dem axialen Cylinder dicht anschmiegt (Fig. 12i, k, 1). Damit ist der- jenige vordere Abschnitt des Schwanzes angelegt, den Brunwn als sehr verlingertes Mittelstiick angesehen hat, den ich jedoch in meiner friiheren beziiglichen Abhandlung (1h) aus dort entwickelten Griinden als vereinigtes Mittel- und Hauptstiick, resp. als unge- gliedertes Hauptstiick gedeutet habe, und dem sich hinten der inzwischen gewachsene Primarfaden als Endstiick anschlieBt. Die Teile brauchen sich nur weiter in die Lange zu dehnen, um den beim reifen Spermium wahrzunehmenden Zustand zu_ erreichen (Bigt 42.2 01 167); Indes ist bei letzterem an dem Schwanze weniger Detail der Struktur zu erkennen als in dem eben geschilderten Entwickelungs- stadium. Denn der vom Nebenkern gelieferte Centralteil des Haupt- stiicks ist offenbar ein Achsenstrang. Nun ist in den ausgereiften haarformigen Spermien von Paludina auch im vorderen Abschnitt kein Achsenfaden zu erkennen, woran vermutlich die auSerordent- liche Feinheit des ganzen Gebildes schuld hat. Durch die eben erlauterte Entwickelung wird es aber in noch héherem Grade als auBerdem durch Griinde der Analogie wahrscheinlich, da’ auch im reifen Zustande das Hauptstiick des Schwanzes von einem Achsenfaden durchzogen sein diirfte, dessen Hiille eine Fort- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IV. 499 setzung der Zellmembran ist und hinten in einen soliden Auslaufer, das Endstiick, iibergeht. Der in der Entwickelungszeit noch be- stehende Unterschied in der Dicke der beiden Abschnitte wird mit der Zeit viel geringer, sowohl durch weitergehende Langsstreckung des vorderen als auch durch Dickenwachstum des hinteren, nament- lich in seinem an den ersteren anstoBenden Teile. SchlieSlich ist der Ubergang des einen in den anderen ein so glatter, oder doch in einzelnen Fallen die Absetzung an dieser Stelle eine so mini- male, da8 es nur durch aufmerksamste und feinste Beobachtung Brunnw hat gelingen kénnen, die Gliederung des Schwanzes in zwei Abschnitte zu erkennen, was ich dann bestatigen konnte. Wegen des Naiheren muf ich auf Brunn’s (4) und meine beziigliche Ab- handlung (1h) verweisen. Wenn aber meine durch die Ent- wickelungsgeschichte gestiitzte Auffassung richtig ist, da8 der vordere Abschnitt derjenige Teil des Schwanzes ist, der unter Mit- beteiligung des Nebenkerns auf die beschriebene Weise entstand, daf also der durch den Nebenkern gelieferte Achsenfaden gerade so weit reicht wie der vordere Abschnitt, so liegt darin ein weiterer, zu den von mir friiher beigebrachten hinzutretender Grund dafiir, den vorderen Abschnitt nicht mit Bruny fiir ein ungewohnlich langes Mittelstiick zu betrachten, sondern das Hauptstiick darin inbegriffen zu sehen; denn wo sonst ein Achsenfaden deutlich ist, beschrankt er sich ja nie auf das Mittelstiick allein. Wenn anderer- seits mehrfach als etwas Typisches angenommen worden ist, daf am hinteren Ende aller Samenfaden der Achsenstrang nackt hervor- trete, so muf ich es mir versagen, hier in eine umfassende Dis- kussion dieser Ansicht, die ich nicht teile, einzutreten, und will nur bemerken, daf die Entstehungsweise des Schwanzes bei Palu- dina nicht fiir jene Ansicht spricht. Es ware ja allenfalls denk- bar, wenn es auch nicht beobachtet ist, da’ der Achsenstrang nachtraglich auch in den Primarfaden, also in den hinteren Ab- schnitt hineinwachse; aber ein besonderer Umstand spricht selbst gegen eine solche Vermutung, namlich die sehr geringe Farbbar- keit des Endstiicks, durch die es besonders von dem vorderen Abschnitte absticht, da ja der Achsenstrang gewohnlich der am starksten farbbare Bestandteil des Schwanzes ist. Nun muf ich aber wieder auf einen friiheren Zeitpunkt zuriick- greifen, um die wahrend der Ausbildung des Schwanzes an den vorderen Teilen des Spermioblasten sich vollzichenden Umgestal- tungen zu schildern, was mit wenigen Satzen geschehen kann. Zu der Zeit, wo der rosettenférmige Nebenkern sich schon etwas ge- 500 Leopold Auerbach, streckt hat und damit die ganze Zelle birnférmig geworden ist, also etwa zwischen den in den Figuren 12i und 12k veranschau- lichten Zustanden, beginnt auch der in Gestalt einer soliden, blau tingierbaren Kugel vorhandene Kern sich in der Richtung der Achse auszustrecken und damit den vorn ihm anliegenden Proto- plasmakérper und durch diesen auch den vorderen Pol der Zell- membran vor sich her zu schieben. Der Kern selbst wird dabei zuerst ellipsoidisch (Fig. 12k), dann zu einem Cylinder mit ge- wolbten Endflaichen (Fig. 121), der schlieBSlich eine Linge von etwa 5 w erreicht. Sodann aber wird er am vorderen Ende zugespitzt (Fig. 12m). Und damit ist eine erste Periode seiner Umgestal- tung vollendet. — Die Zellmembran schlieft sich natiirlich dieser Langsdehnung und Formveranderung an, wodurch sie dem seit- lichen Umfange des cylindrischen Kerns bis fast zur Beriihrung genahert wird. Doch bleibt diese schlauchformige Hiille noch lange deutlich sichtbar, ja sogar lingere Zeit noch durch einen feinen Spalt von dem Kern getrennt, wahrend sie sich im Bereiche des Schwanzes schon dicht an den Achsencylinder angelegt hat und deshalb hier bei ihrer Zartheit und der iibereinstimmenden Far- bung nicht mehr zu unterscheiden ist. Hierdurch und durch den Unterschied in der Breite ist auch eine scharfe Absetzung des Schwanzes von dem vorderen Komplex bedingt. — Das vor dem Kern befindliche Cytoplasma - Kérperchen bleibt wihrend der Streckung des Kerns eine Zeit lang noch rundlich. Gegen das Ende jenes Vorgangs aber streckt es seinerseits eine Spitze nach vorn hinaus und wird so zu einem erst stumpfen, dann schlankeren Kegel, dem sich der vorderste Teil der Zellmembran in der nam- lichen Form anschlieft. So dokumentiert jetzt dieser, nach dem vorderen Ende gewanderte und hier festgelagerte Teil des Neben- kerns auch durch die Form, die er annimmt, seine Bestimmung als Spitzenstiick. Mit den eben beschriebenen Veranderungen ist eine erste Periode der Ausbildung des haarférmigen Spermiums abgeschlossen und eine vorlaufige Form desselben hergestellt, die einige Zeit hin- durch ziemlich unverandert anzudauern scheint. In dieser Zeit aber und bei dieser Form bekommt das Spermium schon spontane Beweglichkeit und damit die Fahig- keit zur Ortsbewegung, wie gelegentlich in Zupfpraparaten wahrzunehmen ist. Und diese ihre physiologische Eigenschaft ist, wie sich zeigen wird, von Wichtigkeit fiir die Einleitung der zweiten Periode ihrer Ausbildung. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IV. 501 Hier muf ich nun noch einige Worte den zugehérigen mehr- kernigen Spermioblasten widmen, die ich oben auf S. 490 ge- schildert habe. Die Beobachtung lehrt, daf ein solcher Cyto- plasmaballen mit mehreren Kernen fiinfter Generation, ohne einst- weilen zerteilt zu werden, als gemeinschaftliche Ent- wickelungsgrundlage fiir mehrere Samenfiden fungiert, deren so viele aus ihm gebildet werden, als er Kerne enthalt!). Und zwar geschieht dies betreffs der axialen Teile jedes einzelnen Spermiums ganz nach dem Modus, den ich fiir die einfachen Spermioblasten oben genau be- schrieben habe, nur dai eine Zeit lang eine gemeinschaftliche Zell- membran die mehrfachen Anlagen umschlieft. Zuerst bildet sich durch Verdichtung aus dem Cytoplasma fiir jeden Kern ein Neben- kern, an ersteren sich dicht anlegend, und dann treten beide in die friiher geschilderten Veranuderungen ein. Auffallend ist dabei, dafi die mit diesem Vorgange verbundene Rarefizierung des peri- pherischen Cytoplasma nicht so weitgehend ist, wie in den ein- fachen Spermioblasten und in den friiheren Samenzellen. Die weitere Umbildung habe ich in solchen Komplexen so weit ver- folgen kénnen, bis nach Abgabe des Anlagematenals des Spitzen- stiicks der Rest des Nebenkerns eingekerbt, also rosettenférmig geworden war. Vielleicht geht es auch innerhalb der gemein- schaftlichen Zellmembran noch etwas weiter. Jedenfalls mu aber kurz vor oder wihrend der Langsstreckung dieser Anlagen auch Ein- und Durchschnirung der Zellmembran, also Sonderung in zwei oder mehrere Individuen erfolgen. Denn Zusammenhang weiter ausgebildeter, d. h. bis zu der Form der Fig. 12h, i etc. ge- langter Samenkorper war nie wahrzunehmen, wiirde mir aber bei seiner Auffalligkeit wohl nicht entgangen sein. — Bemerkenswert ist aber noch die folgende Thatsache. Die gegenseitige Stellung der Achsen der innerhalb einer gemeinschaftlichen Hiille sich ent- wickelnden Individuen ist keine bestimmte, sondern von Fall zu Fall wechselnd. Bei den Doppel-Spermioblasten sind bald die beiden Kerne parallel und gleich gerichtet, so daB die beiden Nebenkerne nahe bei einander liegen, bald divergieren die beiden Achsen mehr oder weniger, selbst bis zu 180°, d. h. bis zur Oppositionsstellung (Fig. 12 t, u, v). Bei mehr als zwei Kernen 1) Ahnliche Doppelspermioblasten scheint auch La Vaterre bei Blatta germ. beobachtet zu haben (15d, S, 4), 502 Leopold Auerbach, sind die Streckungsachsen meist untereinander divergierend, und zwar in unregelmabiger Weise. Vierkernige Komplexe zeigen in- dessen zuweilen eine so regelmafige Anordnung, wie sie in Fig. 12 w wiedergegeben ist. Diese Verschiedenheiten scheinen also die Entwickelung nicht merklich zu beeinflussen, nur daf spater die zur Sonderung der Individuen fiihrenden Einschnitirungen der Zell- membran sich jenen Stellungen werden anpassen miissen. — Es drangt sich da eine Frage hervor, die auch am einfachen Spermio- blasten aufgeworfen werden kénnte. Was ist eigentlich die Ur- sache, daf die Achse in diese oder jene Richtung zu liegen kommt? Ist das Bestimmende diejenige Stelle des Kerns, an die sich ge- rade der Nebenkern angelegt hat, und ist die Offnung der Kern- kapsel nach dieser Seite hin eine Folgeerscheinung? Oder ist schon vorher im Kern eine polare Differenzierung gegeben und zugleich dafiir gesorgt, daB der Nebenkern sich gerade an einen Pol, und zwar an einen bestimmten Pol anfiigt? Es lat sich ja einstweilen diese Alternative nicht entscheiden; aber das erstere diirfte doch wohl wahrscheinlicher sein. Im ganzen aber verdient die Thatsache der zwei- und mehr- kernigen Spermioblasten noch von einer anderen Seite her Beach- tung. Denken wir uns einmal, da’ bei Ausbildung zweier Indivi- duen in einer Zelle deren Trennung nicht vollstindig durchgefiihrt wiirde, so entstinde ein Doppel-Spermium, dessen Paarigkeit nicht durch nachtragliche Kopulation zweier Samenfaden herbeigefiihrt wiire, was bisher nur bei Dytiscus von mir wahrgenommen worden ist, sondern in der Entstehung als Zwillingswesen ihre Ursache hatte. Bei Paludina ereignet sich das nicht, wie. es scheint, auch nicht ausnahmsweise. Es ist indes die Frage, ob nicht manche Vorkommnisse bei anderen Tieren auf ahnliche Verhiltnisse zuriick- zufiihren sein méchten. Méglicherweise kénnten sich so die von SELENKA (25) bei Didelphys beobachteten Zwillingsspermien er- kliren (vgl. meine Bemerkung in 1g), deren Genese noch nicht untersucht ist. Mit noch gréferer Wahrscheinlichkeit ist anzu- nehmen, dali etwas dem hier Vorausgesetzten Entsprechendes in der Spermatogenese von Mysis im Spiele ist, wo nach den An- gaben von SARS aus je einer Samenzelle durch ,,Furchung“ der- selben drei Spermien gebildet werden, die noch lange zusammen- hiangen. Die oben als Endergebnis der ersten Periode der Ausbildung geschilderte Form des eigentlichen Paludina-Spermiums wird spater einer Weiterentwickelung zugefiihrt, zu der ich jedoch nicht un- Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. V. 503 mittelbar iibergehen kann. Wir miissen die noch unfertigen Ge- bilde fiir eine Weile aus dem Auge lassen. Denn der Fortschritt ihrer Umgestaltung ist an sehr merkwirdige Bedingungen ge- kniipft, hangt von neu hinzutretenden auferen Verhiltnissen ab. Nachdem niimlich jener Zustand erreicht ist, entwickeln sich diese Gebilde nicht an dem Orte weiter, an dem sie sich bisher be- funden haben, d. h. an der Wandung des Hodenschlauchs, und auch nicht in fortbestehender Zusammenhaufung mit ihresgleichen, sondern nach Zerstreuung der Gruppe in einer Art von Symbiose mit den wurmfé6rmigen Samenelementen. Ich muf deshalb vorerst von letzteren sprechen, und zwar zunachst von ihrer Entstehungsweise, hinsichtlich deren ich an den Angaben friiherer Beobachter einiges zu berichtigen und Wesentliches hin- zuzufiigen habe. V. Entwickelung der wurmférmigen Spermien. Diese im reifen Sperma von Paludina neben den haarférmigen Elementen in so grofer Menge vorhandenen sonderbaren Gebilde, zu deren Charakteristik ich bei einer fritheren Gelegenheit (1h) einen neuen wesentlichen Punkt, nimlich den ginzlichen Mangel an kyanophiler Substanz hinzugefiigt habe, entstehen, wie schon Lreypic und dann auch die anderen Untersucher fanden, gleich- zeitig mit den haarformigen und neben diesen in je einem und demselben Hodenschlauche, und wie diese aus besonderen Hauf- chen oder Gruppen von Zellen, die sich alle ganz oder doch bei- nahe auf dem gleichen Punkte der Entwickelung befinden. Doch kommen ausnahmsweise auch vereinzelte Elemente dieser Art vor. Hinsichtlich ihrer Abstammung stimmen nun beide neueren Beobachter, Brunn betreffs Paludina und KoEHLER betretis Murex brandaris, darin tiberein, daf sie ihren ersten Ursprung gerade so wie die Stammzellen der haarférmigen Elemente aus dem Keim- lager, d. i. dem protoplasmatischen Belage der Wandung des Hodenschlauchs herleiten, nimlich aus je einem hervorknospenden, einen Kern einschlieBenden Auswuchs desselben. Ich habe alle Ursache, mich dem anzuschliefen, obwohl diese Annahme bei Paludina gewissermafen nur auf einem Riickschlusse beruhen, nicht schon wihrend dieser Entstehung selbst erkannt werden kann. Denn man kann es bei unserer Species nicht so, wie dies nach KorHLer bei Murex der Fall sein soll, den einzelnen hervor- 504 Leopold Auerbach, knospenden oder eben abgelésten Samenzellen ansehen, welche der beiden Entwickelungsrichtungen sie einschlagen werden. Viel- mehr sind sie anfangs, so tief die Beobachtung einzudringen ver- mag, alle ganz gleich beschaften; ja sie machen sogar eine Zeit lang ahnliche Verinderungen durch; und erst in einem spateren Zeitpunkte wird eine Differenzierung der Entwickelungstendenz evident. Nach Brunw soll nun dieser Zeitpunkt nicht blo8 sehr weit- ab liegen, sondern sogar in eine spite Generation der Samenzellen fallen, und zwar in seine vorletzte, die seine vierte Kerngenera- tion, obwohl nur seine zweite Zellgeneration ist und meiner vierten Zell- und Kerngeneration entsprechen wiirde (vgl. oben S. 480). Es sollen nach Brunn die auf die Wurmform hinzielenden Zellen nur ,eine Teilung weniger durchmachen“ als die anderen. Dem kann ich nun durchaus nicht beistimmen. Zu diesem Ergebnisse kann Brunn nur gelangt sein durch Unterlassung von Messungen und durch irrtiimliche Schatzung der Gréfe der betreffenden Zellen; denn nur aus der Groéfe laBt sich ja die Nummer der Generation erschlieBen. Nach meinen unzweideutigen Be- funden aber tritt gew6hnlich schon in der ersten Zellgeneration, der auch die Spermatogonien ange- héren, einige Zeit nach deren Ablésung von der Schlauchwand und nach Ablauf gewisser, ihnen allen gemeinsamer Vorgange die differente Wei- terentwickelung ein, die fiir die zweite Art von Zellen dadurch charakterisiert ist, daf es bei ihnen iiberhaupt gar nicht zu einer Zellteilung kommt, vielmehr statt deren zur Umbildung in ein wurm- formiges Spermium. Ich will nicht unterlassen, schon hier hinzuzufiigen, da’ im Hochsommer manchmal ausnahmsweise auch einige Zellen der zweiten Generation die abweichende Entwicke- lungsrichtung einschlagen, worauf ich noch zuriickkommen werde. Das waren also Zellen der viertletzten Generation. Hingegen habe ich an noch kleineren, also an solchen dritter und vorletzter Stufe bisher nie etwas Einschlagiges bemerkt. Sehen wir also zunachst von jenem seltenen Vorkommnis ab, so sind die Bildungszellen der wurmférmigen Spermien — die ich, um ein kurzes Wort zu haben, weiterhin W-Zellen nennen will — es sind also die W-Zellen gewohnlich Schwesterzellen der Spermatogonien. KorHLER (14) ist bei Murex brand. zu dem gleichen Resultate gekommen. Doch sind betreffs einiger besonderen Punkte auch Verschiedenheiten Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V. 505 der beiden Fille zu konstatieren. AuSerdem mischen sich bei dem letztgenannten Autor einige dem herrschenden Sprachgebrauche entgegengesetzte Bezeichnungsweisen, resp. abweichende Anwen- dungen bekannter Termini ein, die an der Ubereinstimmung des Sachlichen irre machen kénnen, wenn man nicht die einzelnen Angaben genau vergleicht. Er nennt die W-Zellen: ,,cellules meéres des spermatozoides vermiformes‘, obgleich auch nach seiner Darstellung keine Teilung derselben stattfindet, sondern jede der- selben sich in toto zu einem wurmférmigen Samenkérper um- bildet. Diese seine cellules méres sind also die Vergleichs- objekte +). Ferner nennt er ,,Spermatogonien“ nicht blo’ gewisse Zellen erster Generation, sondern auch deren durch mitotische Teilung erzeugte Tochterzellen, obwohl letztere kleiner sind und anders beschaffene, mehr denen der Spermatocyten ahnliche Kerne haben *). Sehen wir aber hiervon ab und halten wir uns an die zugehérigen Zellen erster Generation, die eigentlichen Spermato- gonien, so ist der Schlu8, zu dem er gelangt, wohlbegriindet, und dieser ist in der Hauptsache mit meinem Befunde in Uberein- stimmung. Jedoch sind folgende sachliche Ungleichheiten hervor- zuheben. Bei Murex lassen sich nach KOEHLER die W-Zellen schon wahrend ihrer Entstehung und namentlich unmittelbar nach ihrer Ablésung als solche erkennen und von den eigentlichen Spermato- gonien unterscheiden, denn sie sind von vornherein gréfer, be- kommen eine viel scharfere Begrenzung, sogar eine Hiillmembran, fallen dann in die Héhlung des Schlauchs hinein und wachsen hier noch machtig an, bevor sie in die ihnen zukommende Umbildung eintreten, waihrend die Spermatogonien kleiner, angeblich nackt und zart begrenzt, tiberdies lingere Zeit durch feine Fidchen mit der Schlauchwand und untereinander verbunden sind und _ nicht an Volumen zunehmen. Bei Paludina nun sind ganz gewif so 1) ,,Les cellules meres (d. i, die W-Zellen) se déyveloppent pa- rallélement aux spermatogonies; elles ont la méme valeur morpho- logique que ces derniéres; mais il n’ y a entre ces deux sortes d’élé- ments aucune relation de filiation. C’est donc au stade de spermato- gonie, gue les éléments du testicule commencent 4 subir une évolution différente (14, S. 121). 2) ,,Les cellules filles sont des spermatogonies.... On remarque, que les spermatogonies les plus agées, un peu plus petites que les plus jeunes, qui sont voisines de la paroi des ampoules testiculaires, ont un noyau plus homogéne .... , qui se rapproche du noyau des spermatocytes (ibid. S. 122). Bd, XXX, N, F. XXII. 33 506 Leopold Auerbach, bedeutende oder tiberhaupt auffallende anfingliche Verschieden- heiten beider Arten von Zellen nicht vorhanden; ja ich habe auch feinere nicht bemerkt. Die Zellen der ersten Generation und ebenso auch eventuell die aus der oben, S. 431 ff. geschilderten inter- mediiren Proliferation hervorgehenden, also siimtliche in die spe- cifischen Weiterbildungen eintretende Zellen sind anfangs alle gleich beschaffen, im Bau und an Grodfe; und keine von ihnen nimmt nach ihrer Ablésung und Abrundung an Volumen zu. Auch wenn spiter in einigen von ihnen die zur Wurmform fihrenden Veriinderungen in Gang kommen, so haben diese W-Zellen noch einen Durchmesser von 13—14 « wie die Spermatogonien. Bei der lingere Zeit bestehenden Gleichheit des Aussehens der beiden nur durch ihre Tendenz verschiedenen Zellenarten kann ich unter Verweisung auf das oben, 8. 438—441, tiber die Spermatogonien Gesagte unterlassen, die anfingliche Beschaffenheit der W-Zellen besonders zu beschreiben und mich jetzt zu ihren kommenden eigentiimlichen Schicksalen wenden. Betreffs ihrer eigenartigen Weiterentwickelung sind nun die Ergebnisse Brunn’s bei Paludina und Kornier’s bei Murex im wesentlichen ziemlich gleichlautend. Den ersten Abschnitt der Umbildung schildern beide Forscher folgendermafen. Der Kern der Zelle werde zuerst homogen und zerfalle dann in eine nicht genau bestimmte Anzahl von Stiicken durch einen einfachen Prozef der Fragmentation, der mit regulirer Teilung nichts gemein habe. Von diesen Zerfallstiicken erhalte sich jedoch nur eines, wihrend die tibrigen weiter zerfallen und dann ganz aufgelést werden. Das iibriggebliebene grofe Kernfragment aber, das von rundlicher Ge- stalt ist, lege sich an einen Punkt der Zellperipherie an und sende hier eine Anzahl feiner Faden aus, die durch die Zellbegrenzung hindurch nach aufen vordringen, wo sie auch bald, wahrend die Zelle noch kuglig ist, in schlagende Bewegung geraten und das Wimperbiischel darstellen, das bei Paludina auch an den reifen wurmférmigen Spermien dauernd existiert und thiatig ist, wihrend es bei Murex bei Zeiten wieder verschwindet. Durch die Aus- sendung der Wimpern hat das Kernstiick nur wenig an Substanz ver- loren. Der groBe Rest desselben soll nach BruNN an den entgegen- - gesetzten peripherischen Punkt der Zelle, also an deren vorderes Ende wandern, und zwar hierhin geschoben durch das von hinten her in die Zellsubstanz hineinwachsende Cilienbiischel. Letzteres stelle, so weit es intracellular verliuft, den faserigen Achsenstrang dar, wihrend der unverbrauchte Rest des Kerns vorn zum Kopfe Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. Y. 507 des wurmférmigen Spermiums werde. KOEHLER konnte an den homologen Elementen yon Murex, die auch im reifen Zustande keinen Kopf haben, feststellen, da der vermeintliche Kern wah- rend seiner Wanderung nach vorn zur Herstellung des centralen Faserbiindels verbraucht wird; und es wird sich zeigen, dai Ent- sprechendes, wenn auch in etwas anderer Weise auch bei Paludina der Fall ist. Als iibereinstimmend aber bei den friiheren Autoren ist hervorzuheben, da8 nach ihnen ein Fragment des urspriinglichen Zellkerns das Material fiir das Wimperbiischel und fiir den Central- faden liefertn soll, wiaihrend sie sehr wohl erkannten, da der gréBere Teil der friiheren Kernsubstanz abhanden kommt. Welchen Sinn wohl die Beseitigung so vieler Kernsubstanz haben kann, wird von den Autoren nicht erértert. (Bruny, 4, 8. 464 ff., KoEHLER, 14, S. 133 ff.) *). 1) Da die Zeitschrift, die Korutrr’s Abhandlung enthilt, weniger verbreitet ist, so seien einige seiner betreffenden Siitze hier in ihrem Wortlaute wiedergegeben: ,,Les plus jeunes de ces cellules ne ren- ferment jamais quun seul noyau, qui présente des grosses granula- tions de chromatine, disposées parfois sous forme de reticulum grossier., Les cellules plus agées renferment plusieurs noyaux, trois ou quatre ordinairement, quelquefois plus; mais ces noyaux n’ont pas les mémes charactéres que dans les cellules jeunes. . . . Ces noyaux sont d’ail- leurs destinés 4 disparaitre, en se fragmentant en un certain nombre de morceaux, qui se dissolyent dans le protoplasma cellulaire. Je n’ai jamais rencontré dans les cellules d’une certaine taille des figures caryocinétiques..,. Cette multiplication des noyaux n’est pas, & proprement parler, une division au sens restreint. . . . L’accroisse- ment du nombre des noyaux est sans doute en rélation avec l’augmen- tation de taille, qui doit étre assez rapide, de ces cellules. La cellule devenant plus grosse, le noyau s’aggrandit aussi et & un certain moment, il se fragmente, passivement en quelque sorte; car il a déja probablement perdu beaucoup de son activité. ... Le premier acte de transformation de ces cellules, ainsi modifidées on spermatozoides vermiformes consiste dans la formation d’un faisceau de filaments, qui font saillie 4 la surface de la cellule. J’ai souvent vu le faisceau s’implanter par sa base sur un des noyaux de la cellule, et je crois comme Bruny, que ces filaments sont formés par la substance de ce noyau.... Un seul de ces noyaux est employé ala formation du filament central, On observe les autres longtemps pendant le développement des spermatozoides, mais ils doivent disparaitre avant que celui-ci ne soit définitivement constitué. — La multiplication de ces noyaux chez Murex est un phénoméne different de la fragmen- tation décrite chez la Paludine, . . . Chez le Murex le noyau produit dautres noyaux aussi gros que lui, formant des masses & contours 33 * 508 Leopold Auerbach, Nach meinen Beobachtungen an Paludina sind nun zwar einige der Erscheinungen, auf welche die Darstellung beider Autoren sich griindet, leicht wiederzufinden, jedoch ganz anders zu deuten, wihrend ich andere durchaus nicht bestiatigen kann. So habe ich in den Samenzellen, von der ersten bis einschliefSlich der vierten Generation derselben, niemals einen homogen gewordenen Kern gesehen, und ebensowenig etwas als Fragmentation oder direkte Teilung eines Kerns Aufzufassendes. AuSerdem aber fehlen in jenen Darstellungen gewisse, die Einleitung des Prozesses_ be- treffende Thatsachen; und durch diese nebst den mittels der Doppelfairbung erreichten Differenzierungen erscheint doch der Zusammenhang der Dinge in einem ganz anderen Lichte. Mein Ergebnis ist folgendes. Alle Zellen der ersten Generation, auf die es ja hier vor- zugsweise ankommt, entstehen auf dem nimlichen, oben bei den Spermatogonien geschilderten Wege, und alle durchlaufen, nach- dem sie individualisiert sind, in ganz iibereinstimmender Weise eine lange Reihe derjenigen Verinderungen, die bei den Spermato- gonien zur Teilung fiihren, nimlich die Nebenkernbildung und die Mitose bis zum Dyaster. Erst von dieser Phase ab schlagt ein sroker Teil der Zellen eine andere Entwickelungsrichtung ein, die ohne Zellteilung nur in einer Umbildung zum wurmférmigen Spermium besteht. Diese letzteren Zellen sind die W-Zellen. Ob die Disposition zu dieser besonderen Entwickelung schon von vorn- herein in ihnen gesteckt hat, oder erst mit der Zeit unter unbe- kannten Einfliissen erzeugt wurde, lift sich ja einstweilen nicht arrondis, dont la taille permet de dire, que les cellules sont multi- nucleées, L’un de ces noyaux fournit le filament cen- tral, tandis que les autres continueront 4 exister pendant longtemps encore et ne disparaitront que dans la derniére periode du développe- ment des spermatozoides. Chez la Paludine au contraire la cellule reste toujours uninucleée; ce noyau se fragmente en morceaux, qui disparaitront successivement dans le protoplasma, et il ne restera plus, qu’ un fragment unique, qui formera ie bouquet des cils.“ — Die sogenannten Kernfragmente scheinen sich demnach bei Murex relatiy linger zu erhalten als bei Paludina. Sonst aber diirfte die von KorstEr betonte Verschiedenheit kaum den Wert haben, den er ihr zuschreibt und kaum die Ubereinstimmung mit den Vorgingen bei Paludina beeintriichtigen, um so weniger, als ja die Art der Kern- vermehrung auch bei Murex als Fragmentation anerkannt wird. Und auch gewisse wihrend dieses Vorgangs von KorHLer wahrgenommene, hier nicht von mir reproduzierte feinere Details kénnen an der Haupt- sache nichts dndern. Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. V. 509 entscheiden. Jedenfalls aber kénnen wir diejenigen Zellen, denen das besagte Schicksal bevorsteht, schon von ihrer Entstehung an als W-Zellen auffassen, und fiir diese ergiebt sich nun aus obigem: Auch die W-Zellen, die anfangs ganz den Sper- matogonien gleichen, machen genau wie diese die Nebenkernbildung und die Reihe der mitotischen Vorgange bis zum Dyaster durch. Dann aber tritt foleende Abweichung des Verlaufs ein. Die vier Karyosomen jeder der beiden polaren Gruppen, an- statt wie sonst zusammenzuhalten und in eine riick- laufige Metamorphose und neue Kernbildung ein- zugehen, weichen imGegenteil seitlich auseinander und runden sich zur Form kleiner Kugeln ab, teilen sich auch sehr bald, gleichzeitig oder succes- Sive, ein jedes in zwei Halften, so da8 nahe bei den Polen der Zelle je eine lockere Gruppe von 4—8, eventuell ungleich grofen, durch Zwischen- riume getrennten, (blau tingierten) Koérperchen zur Erscheinung kommt (Fig. 13b). Dieser Anfang der Zer- streuung und Zerteilung der Karyosomen tritt ein, waihrend unter gleichzeitiger Wiederabrundung der Zelle zu annaihernder Kugel- form die Fasersubstanz der Spindel, d. h. jetzt das Biindel der Verbindungsfasern darin begriffen ist sich zu deformieren, seitlich auszubreiten und in diffuses, die ganze Zelle erfiillendes Cyto- plasma umzuwandeln. Beides geschieht gleichzeitig. Daher sieht man auch an den meisten dieser Zellen mit zwei polar situierten Gruppen kleiner, mehr oder weniger voneinander abgeriickter kyanophiler Koérperchen die friihere, wiaihrend der Mitose be- standene Zellhéhle verschwunden, d. bh. ganz von lockerem Cyto- plasma ausgefiillt, das auch zwischen die einzelnen blau tingier- baren Kérperchen eingedrungen ist, tibrigens durchweg gleichartig erscheint. Zuweilen aber, namlich wenn man einzelne dieser W-Zellen auf einem etwas friiheren Zeitpunkte ihrer Verainderung ertappt, kann man sehr wohl noch einen unzweideutigen Rest der Ver- bindungsfasern erkennen, namlich im axialen Teile der Zelle eine sehr merkliche Langsstreifung des Cytoplasma, in der Richtung von der einen Karyosomengruppe zur anderen (Fig. 13a). Auf letztere Erscheinung zu stofen und sie mehrmals wiederzufinden war mir sehr willkommen. Man kann es ja bis dahin den Zellen gar nicht ansehen, ob sie zu den W-Zellen gehéren werden. Nun hatte ich zwar aus den sehr haufig sich darbietenden Zustanden 510 Leopold Auerbach, der Fig. 13b schon deren Vorgeschichte so erschlossen, wie ich sie hier aufgestellt habe, und zweifelte auch gar nicht an der Richtigkeit meiner Vermutung; aber es fehlte doch ein Mittelglied. Als solches war mir nun die zuweilen noch vorfindliche Spur der Verbindungsfasern sehr erfreulich, die den Zusammenhang mit einem vorangegangenen Dyaster-Stadium positiv begriindet und nachweist. — Wie aber dieser Anfangszustand der divergenten Entwickelung als erster Schritt auf dem Wege zur Bildung eines wurmférmigen Spermiums sich erweist, wird bald ersichtlich werden. Die jetzt unmittelbar in das Cytoplasma eingebetteten kleinen Karyosomen fahren immer weiter auseinander, eine Zeit lang noch die Aquatorialgegend frei lassend (Fig. 13c), spater aber von beiden Polseiten her auch in den Mittelraum eindringend, so da8 sie dann unregelmafig im ganzen Zellraume verteilt sind (Fig. 13d). Dann ist nicht mehr zu erkennen, welcher der beiden Gruppen jedes einzelne der kyanophilen Kiigelchen angehért hat; und es sind dann tiberhaupt zwei Pole der Zelle einstweilen nicht mehr zu unterscheiden. Der Durchmesser der Zelle bleibt dabei unveraindert; er betragt nach wie vor 13—-14 w. — Der letztbeschriebene Zustand hat offenbar auch Brunw vor- gelegen. Er giebt die Zahl der dunkeln Innenkérper nicht be- stimmt an, sagt nur, sie sei eine betrachtliche, mehr oder minder grofe. Wenn ich aber seine hierauf vorzugsweise beziigliche Ab- bildung, seine Fig. 8, naéher ansehe, so finde ich in den meisten Zellen des dargestellten Haufchens acht solche Innenkérper, in anderen noch einige mehr. Und das stimmt ja im ganzen mit meinem Befunde iiberein, nur daf nach meiner Wahrnehmung diese K6érperchen auf ganz andere Art entstanden sind, als BRuUNN an- nahm. Bei Murex diirften vermutlich, trotz der anders lautenden Angaben KoEHLErR’s, ihre Herkunft und Entstehungsweise die namliche sein wie bei Paludina, vielleicht aber andere anfangliche Zahlenverhaltnisse obwalten. KOEHLER selbst ist nicht auf ein ge- naueres Studium der Mitosen eingegangen. Der weitere Verlauf schlieSt nun zwei Reihen gleichzeitig vor sich gehender Veranderungen in sich. Die kyanophilen Ké6rper- - chen zerfallen weiterhin successive in immer kleinere K6rnchen, die vermége ihrer blauen Tingierung eine Zeit lang noch gut er- kennbar sind. Wahrenddessen spielen sich aber auch in der ibrigen Zellsubstanz Veranderungen ab. In dem rosa gefirbten Cytoplasma zeigen sich eine Anzahl verdichteter Stellen von Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. V. 511 intensiv roter Farbung, die sich dann zu scharfer begrenzten, brillant roten Kérpern abrunden (Fig 13d). Fast immer sind diese roten Kugeln unmittelbar in das restierende, fein netzformige Cytoplasma eingebettet; und ich halte dies fiir den natiirlichen Zustand. In einer meiner Serien fand ich indes die Sache durch- weg so, daf jede dieser hochroten Kugeln in einer Vakuole lag, die ich geneigt bin, fiir ein Kunstprodukt, jedenfalls aber fiir etwas Abnormes zu halten, von dem wir absehen kénnen. Nach einiger Zeit treten die 4—6, oder mehr im Zellraum zerstreuten, rot tingierten Kérper, denen sich zuweilen noch einige inzwischen gebildete kleine Ktigelchen von ahnlicher Beschaffenheit anschliefen, zu einer einzigen gréferen Masse von gegen 4 uw im Durchmesser zusammen, die spater eine wichtige Rolle zu spielen hat (Fig. 13f). Es ist aber einleuchtend, daf dieser aus verdichteter Zellsubstanz bestehende Kérper seiner Entwickelung wie seinem Aussehen nach analog ist dem Nebenkerne in den anderen Samenzellen, wie er sich in diesen vor jeder Teilung und, was hier besonders in Be- tracht kommt, auch in den Spermioblasten vor ihrer Umbildung in die haarformigen Samenfaden einfindet. Und wenn in dem jetzigen Falle bei der EKinleitung des Vorgangs nicht wie dort die Phase zweier Sicheln zur Erscheinung kommt, so liegt das einfach daran, daf die W-Zellen jetzt kernlos sind, da8 also der sich bildende Nebenkern der Anlehnung an einen anderen blaschen- formigen Kérper entbehrt. Da nun unter diesen Umstanden die Bezeichnung ,,Nebenkern“, sofern ein eigentlicher oder Hauptkern fehlt, noch mehr als sonst etwas Schiefes an sich haben wiirde, so werde ich ihn im Folgenden unter dem Namen ,,Cy toplasma- kern‘ wieder erwahnen. Inzwischen sind die zerstreuten kyanophilen K6rnchen in immer kleinere Staubchen zerfallen, die bald auch nicht mehr zu unterscheiden sind und doch in anderer Weise ihre Existenz ver- raten. Indem namlich ihre feinsten Partikelchen gleichmaig ver- teilt werden, verleihen sie der den Cytoplasmakern umgebenden, bis dahin rosa gefairbten Zellsubstanz einen Anhauch von violett, oder vielleicht richtiger gesagt, einen eigentiimlichen Stich ins Graurote (Fig. 13g—m). Schon meinen Vorgingern ist es_ bei ihren einfachen Tinktionen aufgefallen, daf um diese Zeit die Zell- substanz eine dunklere Farbung annimmt als sonst; diese beruht eben auf der Impragnierung mit den aus dem Zerfall der Karyo- somen herriihrenden, stark chromatophilen Molekiilen. Der Cyto- plasmakern aber behalt seine hochrote Farbe; in ihn dringt also 512 Leopold Auerbach, nichts von der Kernsubstanz ein. Die dunklere Niiance der tin- gierten Zellsubstanz erhalt sich bis in die spitere Zeit hinein, wo die Umformung der ganzen Zelle in eine Spindelgestalt beginnt, um noch spater wieder einer rein roten Fairbung Platz zu machen, worauf ich noch zuriickkommen werde. Nebenher ist aber noch folgendes beachtenswert. Sobald der Cytoplasmakern gebildet ist, zeigt die tibrige Zell- substanz bei starken Vergréferungen ein aufserordent- lich lockeres, schwammiges Gefiige. Man sieht helle, schmale Interstitien zwischen gefirbten, geriistartig verbun- denen Balkchen; und fast regelmafig, obwohl nicht ausnahmslos, ist auch eine grofe runde Vakuole oder einige kleinere solche bemerkbar (Fig. 13e, f etc.). Hierzu sei noch folgendes bemerkt: Die Vakuolen kénnen sich schon zu der Zeit bilden, wo noch distinkte blaue Kérnchen im Cytoplasma wahr- nehmbar sind. Dann kommt es, obwohl selten, vor, daf sich eine Anzahl der blauen Koérnchen gerade der Peripherie einer Vakuole anlagern, und das kann bei schwacher Vergréferung oder fliichti- gem Ansehen die Tauschung hervorrufen, als sei das ein richtiger kleiner Zellkern mit wandstandigen ,,Chromatinkérnern“ (Fig. 13 f) ; genauere Untersuchung aber, die Beriicksichtigung anderer, weiter abliegender blauer Kiigelchen und die Vergleichung mit der grofen Mehrzahl der gleichartigen Zellen belehren iiber die wahre Natur der Erscheinung. Ks ist also jetzt verhaltnismafig viel Fliissig- keit in diesem Teile der Zellsubstanz angehauft. Das ist ja auch ganz natiirlich, weil eben ein groBer Teil der festeren Substanz dieses Bereichs in den Cytcplasmakern tibergegangen ist. Noch autfalliger ist diese Rarefaktion der Zellsubstanz spiter waihrend der Spindelform des Gebildes, vielleicht weil der Cytoplasmakern allmahlich noch weiter auf Kosten der tibrigen Zellsubstanz wiichst. Diese Beschaffenheit des Zellenleibes ist nicht ohne Belang fiir einige spater zu besprechende Punkte. Der Cytoplasmakern spielt nun des weiteren die Rolle, da8 er das Material fiir den Achsenstrang oder Centralfaden sowie fiir das dem wurmférmigen Spermium eigene hintere Wimperbiischel liefert. Hierin liegt, sofern die Herkunft und der chemische ~ Charakter des Substrates in Betracht kommen, eine wesentliche Abweichung von den Ergebnissen BruNN’s und KOEHLER’s, welche die namliche Rolle einem Fragmente des friiheren Zellkerns zu- geschrieben haben. Es ist ja nach obigem der in Betracht kom- mende Innenkérper nicht ein eigentlicher Zellkern, auch nicht ein Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V, 513 Fragment des friiheren Zellkerns, und er enthalt auch nichts von der specifischen kyanophilen Kernsubstanz; vielmehr ist er ein reines Verdichtungsprodukt des Cytoplasma und hat ebenso nach seiner Entstehung wie nach seiner Qualitaét den Wert eines Neben- kerns.§ Demnach sind Achsenstrang und Wimper- bischel rein cytoplasmatische Gebilde. Hinsichtlich des Formalen der gesamten Umbildung aber stimmen meine Befunde mit denjenigen der genannten Autoren im grofen und ganzen wohl iiberein, namentlich betreffs des Ganges der Umgestaltung der Ge- samtform, wihrend ich iiber die inneren Vorgiinge doch auch Modi- fizierendes und Erginzendes zu berichten habe. Zuniichst finde ich nicht, daf’ der Cytoplasmakern vor Beginn seiner formativen Lei- stungen immer dicht an die Peripherie der Zelle hinriicke. Er liegt um diese Zeit nur mehr oder weniger excentrisch, zuweilen fast im Centrum der Zelle, nur ausnahmsweise dicht an der Peripherie. Wo er aber auch liege, macht er, bevor es zur Bildung des Wimperbiischels kommt, eine Reihe sehr eigentiimlicher Verainde- rungen durch, die den friiheren Beobachtern ginzlich und auch mir liingere Zeit hindurch entgangen sind, weil sie in Sublimat- praparaten nicht immer gut fixiert und nur hier und da erkennbar sind, wahrend sie in solchen Objekten besonders gut hervortreten, die mit Fremmine’scher Lisung gehartet waren. Zuerst wird der Cytoplasmakern hohl durch Differenzierung in eine dunkle Rinde und einen blassen Centralraum, welcher letztere schlieBlich so hell und scharf begrenzt erscheint, daB er wie eine grofe centrale Vakuole aussieht (Fig. 13h). Weiterhin aber wird die Vakuole excentrisch, dadurch, daf die Rindensubstanz sich mehr nach einer Seite der Hohlkugel hiniiberzieht, infolge dessen diese jetzt bei giinstiger Lage im optischen Querschnitt als ein Ring erscheint, dessen eine Halfte sichelférmig, dessen andere Halfte eine schmale Linie ist. Unter Steigerung dieser Substanzverschiebung bekommt darauf die diinne Halfte der Wandung ein Loch, das allmahlich groker wird, bis die Rindensubstanz die Form eines die Vakuole nur zur Halfte umschlieBenden Schilchens hat (Fig. 13i). Dieses biegt sich dann zu der flacheren Form eines konkay-konvexen Meniscus aus, dessen hohler Seite die Vakuole noch eine kurze Zeit hindurch anliegt (Fig. 15k). Der ganze Vorgang erfiillt offen- bar den Zweck einer noch weiter gesteigerten Konzentration der festen Substanz des Cytoplasmakerns durch Ausscheidung von Fliissigkeit in Form der Vakuole. Letztere zergeht meistens bald darauf unter langsamem Eindringen lockerer Zellsubstanz von der 514 Leopold Auerbach, Umgebung her, so dafi in der Nachbarschaft des verdichteten Teils eine Zeitlang noch ein gréferer, unregelmakig begrenzter, verwaschener Flecken hellerer Substanz bemerklich bleibt. In selteneren Fallen scheint die Vakuole nach seitlichem Abriicken in das lockere Cytoplasma hinein noch etwas langere Zeit Bestand zu haben neben der von friiherher schon vorhandenen. Der ver- dichtete Cytoplasmakern selbst aber geht inzwischen in die Form eines anfangs gekriimmten (Fig. 131), sodann geraden Stabchens iiber, welches sich so einstellt, daB es, von geringen Abweichungen abgesehen, in einem Durchmesser der Zellkugel liegt, und das eine etwas zugespitzte Ende nach dem niachstliegenden Punkte der Zellperipherie hinsieht (Fig. 13m). Dieser Durchmesser wird zur Langsachse des sich formierenden Gebildes; und damit hat nun die Zelle wieder zwei Pole. Darauf streckt sich das Stabchen immer mehr in die Linge, und zwar gleichzeitig nach beiden Richtungen hin, vielleicht jedoch etwas schneller nach dem ihm naher liegenden Pole zu, jedenfalls diesen friiher erreichend. Ist dies geschehen, so wachst es an dieser Stelle noch eine Strecke weit tiber die Zellgrenze hinaus ins Freie, in Form eines am freien Ende zugespitzten Schwanzanhanges der Zelle, zu einer Zeit, wo diese entweder noch Kugelform besitzt, oder sich schon am vorderen Ende etwas zugespitzt hat, worauf dann bald der Uebergang der ganzen Zelle in eine Spindelform beginnt, so daf mehrenteils ein der Fig. 13n entsprechendes Formbild zur An- schauung kommt. Ob zu dieser Zeit eine Zellmembran, die beim Heraussprossen des Schwanzes entweder durchbrochen oder aus- gestilpt werden mite, tiberhaupt als gesonderte Schicht noch existiert, ist mir zweifelhaft. Sollte eine solche feine Hiille den Schwanz anfangs einscheiden, so miifte sie doch in kiirzester Zeit mit der Substanz des herausgewachsenen Teils des Achsenstranges vollig in eins verschmelzen, wie die weitere Veranderung lehrt. Es zerfallt namlich sehr bald der ganze Schwanzanhang in eine gréBere Anzahl feiner, nach ihrem freien Ende hin schlank zuge- spitzter Cilien, die pinsel- oder quastenartig an der Ansatzstelle zusammengefaft bleiben, hingegen unter bald sich kundgebender aktiver Bewegungsfihigkeit divergierend auseinandergespreizt | werden kénnen und auch jede fiir sich schlingelnde Bewegungen auszufiihren vermégen. Damit ist das Wimperbiischel hergestellt (Fig. 130, p,q), das bei Paludina wahrend der ganzen Lebens- dauerfdes wurmférmigen Spermiums als Anhang seines hinteren Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V. 515 Endes Bestand hat und in Thatigkeit bleibt'). Dessen Ansatz- stelle ist also jetzt als hinterer Pol der Zelle gekennzeichnet. Der Zerfall in feine Faden mag von dem Wimperbischel aus in den intracellularen Teil des Achsenstranges hinein fortschreiten. Kine lingsfaserige Struktur des Achsenstranges ist auch bei Paludina namentlich in frischen Exemplaren der noch in der Entwickelung begriffenen Formen 6fters zu erkennen, wie schon BRUNN ange- geben hat, der dies jedoch als ein Hineinwachsen der Wimpern in die Zellsubstanz ansah. In spateren Stadien und vollends bei reifen Exemplaren ist infolge dichterer Fiigung der Fasern wenig mehr dayon zu sehen. Noch starker tritt iibrigens, nach der Dar- stellung Kornier’s an den homologen Bildungszellen bei Murex in einem gewissen Stadium der parallelfaserige Bau der Achsen- stranganlage hervor, um spater auch wieder wegen dichterer Zu- sammenfassung unkenntlich zu werden. Bei Paludina scheint in- dessen ein Stiickchen am vordersten Ende der Anlage von dem faserigen Zerfall frei zu bleiben. Inzwischen hat sich aber dieser Strang auch nach vorn hin verlangert; und unter der Einwirkung dieses inneren Vorganges ist auch die gesamte Zelle zu der Form einer Spindel ausgestreckt worden, die anfangs im Querdurch- messer noch ziemlich breit ist (Fig. 13n). Nachdem dann das vordere, dickere und rundliche Ende des Stranges nahe an dem vorderen, etwas abgerundeten Ende der Spindel angelangt ist, durchbricht es, wie auch Brunn gefunden hat, nicht die Zellgrenze, sondern bleibt jetzt und auch weiterhin immer von einer diinnen oberflichlichen Substanzlage des Cytoplasmas bedeckt und umhiillt. Mitsamt dieser Umhiillung bildet es die Anlage des spateren Kopfchens des Spermiums. Brunn hat aufer Acht gelassen, dal dieses Verhaltnis nicht ganz im Kinklang steht mit seiner Behaup- tung, der Kern werde, nach Abgabe des Wimperbiischels und einer darauf folgenden Wanderung zum vorderen Pole, hier zum Kopfe des Samenfadens. Diese Angabe bedarf, auch abgesehen von der qualitativen Natur des Materials, aus einem doppelten Grunde einer Berichtigung, erstens weil bei weitem der gréBte Teil jenes Mate- rials zur Herstellung des Achsenstranges verausgabt und nur ein winziger Rest desselben zur Bildung des Képfchens mit verwandt 1) Auf Grund dieser genetischen Beobachtungen hat sich meine friiher (1 h) ausgesprochene Auffassung iiber das Verhiiltnis des Achsen- stranges zum Wimperbiischel erheblich modifiziert und der Vorstellungs- weise der friiheren Beobachter genihert. 516 Leopold Auerbach, wird und zweitens, weil dieser Rest nicht das ganze Koépfchen ausmacht, sondern nur dessen Inneres als vorderstes Ende des Achsenstranges ausfiillt. — Die weitere Umbildung besteht nun in der allmahlichen Umwandlung der Spindelgestalt der Zelle in die Form einer Schnur, die um ein Vielfaches linger ist als jene. Und zwar beginnt diese Umformung in der Vordergegend der Spindel. Infolge immer weitergehender Langsstreckung des Achsenstranges schiebt dessen vorderes Ende beim Vordrangen seine cytoplasmatische Haube vor sich her und dehnt so den vorderen Teil der Spindelzelle zu einem langen, schmalen, bieg- samen Halse aus, unter Verschmalerung auch des Restes der Spindel, wahrend deren hinteres Ende einstweilen nur eine schlankere Zuspitzung erhalt, wodurch das Ganze in seinem Um- risse etwa der Form des Infusoriums Lacrimaria Olor dahnelt (Fig. 130), um so mehr, wenn schon jetzt, was aber selten der Fall ist, auch das Képfchen sich zu markieren beginnt. Bevor ich aber in der Schilderung der Formveranderungen fortfahre, muf ich hier einige Worte einschalten tiber die jetzige tinktionelle Reaktion des Gebildes in ihrer Beziehung zu dem schlieBlichen Schicksale der in dem Zellkérper in feinster Ver- teilung zuriickgebliebenen Kernsubstanz. Ich habe dabei anzukniipfen an das oben, 8S. 511—512 Eréorterte. Die dort erwahnte, nach der Doppeltinktion sich zeigende grau-violette Farbung der lockeren Zellsubstanz, die ich als gerade durch ihre Impragnierung mit Molekiilen der kyanophilen Kernsubstanz verursacht angenommen habe, erhalt sich bis in die Zeit der Spindelform der Zelle hinein ; ja sie macht sich sogar aus bald anzugebendem Grunde zuweilen bei Betrachtung der aéuBeren Substanzlage noch starker geltend als friiher. Darauf aber, in der Zeit, wo die Spindel vorn einen Hals ausstreckt, verliert sich allmahlich der dunkle, ins Bliuliche spielende Ton vollstandig, um wieder einem reinen Rosa Platz zu machen, aus dem der Achsenstrang und der Rest des Cytoplasma- kerns mit intensiverem Rot hervorspringen; und diese reine Rot- farbung bleibt auch in Zukunft’ die gleiche und ist auch dem reifen wurmférmigen Spermium in allen seinen Bestandteilen nach der Doppeltinktion eigen. Die kyanophilen Staubchen verschwin- den also ganz aus der Zelle, und es entsteht die Frage, wie dies geschehe. Ich sehe nur zwei Méglichkeiten. Entweder die Mole- kiile werden durch chemische Umsetzung oder Zersetzung derartig verandert, dai ihnen andere Farbenreaktion zukommt, oder aber sie werden aus der Zelle ausgeschieden. Welcher Teil dieser Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V. 517 Alternative der Wirklichkeit entsprechen mag, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Ich mu& jedoch sagen, dafi ich mehr ge- neigt bin, die zweite Modalitit als wahrscheinlichere anzusehen, und zwar aus folgendem Grunde. Ich habe unter den schon ei- formig oder zu Spindeln gewordenen W -Zellen auch einzelne gefunden, die bei genauer Einstellung des Mikroskops auf die horizontale Mittelebene des Objekts in auffalliger Weise erkennen liefen, daS das Innere der Zelle, auch abgesehen vom Cytoplasma- kern, rein rot war, und dafi nur eine peripherische Lage von erékerer oder geringerer Breite den gemischten Farbenton an sich hatte, und zwar diesen besonders deutlich mit blaulichem An- hauche (Fig. 13n). Nun ware es ja denkbar, dafi die chemische Verinderung im centralen Teile der Zelle beginne. Aber viel niher liegt doch die Deutung, dali die kyanophilen Molekiile von einem gewissen Zeitpunkte an nach der Oberfliche der Zelle hin geschoben werden, um durch diese hindurch successive ausgestofen zu werden. Diese Vorstellung ist um so leichter annehmbar, als, wie wir noch sehen werden, gleichzeitig eine Ausscheidung von Wasser aus der Zelle ihren Anfang nimmt, die zur Hinausspiilung jener nukleiren Molekiile beitragen kann. Wie dem aber auch sei, so steht doch so viel fest, da’ um die angegebene Zeit die W-Zelle aller ihrer kyanophilen Substanz ledig wird. Sie hat jetzt weder im morphologischen Sinne einen Zellkern, noch enthalt sie etwas von der wichtigsten und am meisten eigenartigen Substanz der Zellkerne. Die Umgestaltung der Gesamtform geht aber rastlos weiter. Zu der schwanenhalsahnlichen Verlingerung der Spindel am vorderen Teile gesellt sich bald eine ahnliche, nur kiirzere am entgegenge- setzten Ende, indem auch der hinterste, das Wimperbiischel tragende Teil sich zu einem ahnlichen, schnurf6rmigen Anhange ausstreckt, der eine Zeitlang noch durch eine spindelférmige Anschwellung in den vorderen schlank cylindrischen Teil iibergeht und wie dieser auf deren Kosten sich auch weiter verlingert. Da dies an beiden in etwas wechselndem, namentlich individuell verschiedenem Ver- haltnis geschieht, so ist der relative Ort der zwischen ihnen liegenden Anschwellung, des Restes der Spindel, etwas unbestimmt. Am gewohnlichsten hat dieser etwa an der Grenze des hintersten und vorletzten Viertels, selten weiter nach vorn, 6fter noch weiter hinten seine Stelle (Fig. 13p). Er wird entweder im ganzen 518 Leopold Auerbach, immer kiirzer und schmaler, bis die Ausgleichung mit den cylin- drischen Stiicken vollendet ist, oder er zerfallt auch in seltenen Fallen wihrend der Streckung in eine Kette von zwei bis drei kleineren Spindeln mit cylindrischen Verbindungsstiicken, deren Ausgleichung nachtraglich erfolgt. Im allgemeinen aber wird auf die angegebene Art die Form der Spindel in die einer Schnur verwandelt, und werden tiberhaupt Gestalt und Bau des wurm- formigen Spermiums im wesentlichen hergestellt, nur daf es einst- weilen noch erheblich breiter ist als im reifen Zustande. — Be- treffs des Verhaltens des Achsenstrangs in der eben besprochenen Ausbildungsperiode habe ich aber noch einiger eigentiimlicher That- sachen zu gedenken. Die eine ist schon von KOEHLER bei Murex beobachtet worden und, obwohl von Brunn nicht erwahnt, auch bei Paludina vorkommend. In der Zeit nimlich, wo das Gebilde noch ganz oder teilweise Spindelform hat, liegt der Faserstrang nicht immer in der Achse, sondern manchmal seitwarts derselben, ganz nahe der Oberflache in einer entsprechend gebogenen Meridian- linie der Spindel, zuweilen sogar eine wulstige Hervorragung lings dieser Linie verursachend. Erst ebenmafig mit der Langsdehnung und Einengung jeder Strecke kommt, sobald dieselbe cylindrisch geworden ist, der Strang in deren Achse und damit schlieflich in die Achse des ganzen schnurférmigen Gebildes zu liegen. — So- dann aber ist es lehrreich, zu finden, daf zuweilen wahrend der Spindelform der Zelle der Achsenstrang nicht geradlinig oder ein- fach nach der Kriimmung des Meridians gebogen ist, sondern stark geschlingelt verlauft, was schon DuvaL (6) bemerkt hat. Diese Form kann nur dadurch bedingt sein, da’ der Cytoplasma- kern, resp. der Achsenstrang sich schneller in die Linge ausge- streckt hat, als das ihn umgebende Cytoplasma. Die Umgestaltung des axialen Teils ist demnach das Primire, wahrend die Form- verinderung der iibrigen Leibesmasse zwar auch als aktiv plastisch charakterisiert ist, jedoch mehr in sekundirem Anschluf an das Lingenwachstum des Achsenstranges erfolgt. Mit der Gesamtstreckung des ganzen Gebildes ist jedoch noch etwas Anderes verbunden, namlich ein erheblicher Substanzverlust. Wenn das Spermium vollig cylindrisch geworden ist, merkt man schon beim blofen Ansehen einigermafen, da es einen kleineren Raum ausfiillt als die Zelle, aus der es entstanden ist, und die Messungen bestitigen diesen Kindruck. Es ist jetzt im mdglichst natiirlichen Zustande — d. h. namentlich nach Vermeidung kiinst- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V. 519 licher Dehnung!) — einschlieBlich des Wimperbiischels 175—200 uw, im Mittel 190 w lang bei einer Breite, die wenig um 2 wu herum schwankt, hat also, als Cylinder berechnet, ein Volumen von un- gefiihr 600 Kub.-u, d. h. kaum halb soviel, als zuerst in der Form einer runden Zelle und noch zur Zeit der Spindelform, eine Differenz, gegen welche die méglichen Fehler in der Messung und der Bestimmung der Mittelwerte doch sehr geringfiigig sind. Es hat also eine betrichtliche Verdichtung stattgefunden. Und zwar ist offenbar sehr viel Zellsaft abhanden gekommen, namentlich jenes nach Herstellung des Cytoplasmakerns so reichlich sichtbare interstitielle oder interfilare, und auferdem in einer oder zwei runden Vakuolen angesammelte Fluidum des Zellleibes nach aufen abgegeben worden. In der That ist schon wihrend des Uber- gangs der Spindel- in die Schnurform keine Vakuole mehr zu sehen. Diese gehen ein. Und auch das sonstige schwammige Aussehen des Cytoplasmas hat sich nach und nach verloren; an seiner Stelle ist eine viel kompaktere Beschaffenheit des den Achsenstrang umhiillenden Protoplasmamantels ersichtlich. Dieser Verdichtungsprozef geht aber nach Gewinnung der Schnur- form noch weiter und bewirkt eine fernere, allmahliche Ver- schmiilerung , infolgedessen das ganz ausgereifte wurmférmige Spermium nur einen Querdurchmesser von ca. 1,7 uw, also ein Volumen von nur etwa 450 Kub.-w hat, was freilich, weil nament- lich der Querdurchmesser nicht genau genug ermittelt werden kann, nur als eine ungefihr zutreffende Bestimmung hingestellt werden soll. Noch auf eine andere Art aber giebt sich die nach- trigliche Verdichtung kund. Die eben schnurférmig gewordenen 1) Namentlich diirfen zu diesen Messungen nicht Aufstrich- praparate gebraucht werden, die deshalb sehr zur Benutzung verlocken kénnen, weil in ihnen diese Art Samenfiden meist geradlinig aus- gestreckt vorliegen, jedoch eben dadurch Irrungen herbeifiihren, indem sich zeigt, daB bei jener Procedur die Samenfiden, zuerst an einem Punkte anklebend, mehr oder weniger in die Linge gedehnt werden, so dafi Mae herauskommen, die weit iiber die natiirliche Maximal- lange hinausgehen. Es sind also zur Messung nur Priparate ver- wendbar, die mittels Zerzupfung in einem reichlichen Tropfen Fliissig- keit hergestellt sind. In solchen freilich zeigen die wurmférmigen Samenkorper meist so vielfache unregelmiifige Biegungen, da’ immer nur wenige Exemplare zu finden sind, an denen sich eine sorgfaltige Liingenbestimmung ausfiihren lift. Es war infolgedessen sehr miih- sam, mich der Resultate zu versichern, die in den obigen und in den weiter unten noch anzufiihrenden Zahlen ausgedriickt sind. 520 Leopold Auerbach, Elemente nimlich, die leicht an ihrer gréferen Breite kenntlich sind, lassen immer in ihrem Inneren den dunkeln Achsenstrang leicht erkennen, wahrend dieser an den ganz ausgereiften nur nach besonderer Behandlungsweise hervortritt, besonders nach An- trocknung des frischen Objekts, daher auch leichter am Rande der Dissociationspriparate, sonst aber nur ausnahmsweise. Durch die Verdichtung des Protoplasmamantels ist eben annihernd eine Ausgleichung sowohl des Lichtbrechungsvermégens wie der tinktio- nellen Farbenintensitét herbeigefiihrt worden. Das Sichtbarwerden aber des Centralfadens im Trockenpraparate erklare ich mir auf folgende Weise. Bei der Beriihrung mit der Glasplatte klebt zu- nichst an dieser das Gebilde mit breiter Flache an. Infolgedessen kann es sich bei der Verdunstung nicht der Quere nach zusammen- ziehen, sondern nur im senkrechten Durchmesser, wird also in ein plattes Band verwandelt. Besonders diinn wird dabei infolge Ent- weichens des immerhin noch gréferen Wassergehaltes der Cyto- plasmamantel, waihrend der axiale Faden nur wenig an Substanz verliert. So entsteht zu beiden Seiten des letzteren je ein sehr diinner, durchsichtiger Streifen, zwischen denen der dickere und dunkle Strang scharf hervortritt. Die angegebenen Mage gelten jedoch iiberhaupt nur fiir die Mehrzahl der wurmfé6rmigen Spermien, besonders der im Mai bis Juli auftretenden. Nebenher aber giebt es auch noch kleinere. Es kommt hier eine Thatsache in Betracht, auf die ich schon oben, S. 504 hingedeutet habe. Nach einer Reihe im Mai bis Mitte des Juli untersuchter Paludina-Mannchen, welche konstant die oben angegebenen Mafverhaltnisse der W-Zellen und der Pro- dukte derselben aufgewiesen hatten, stief} ich spiter auf andere Individuen, deren Spermatogonien zwar nebst ihren Abkémm- lingen sich ganz wie sonst verhielten, deren W-Zellen hingegen, als solche kenntlich durch die in der Figur 13 a—m abgebildeten Zustiinde, von abweichendem Ausmafe waren, indem neben solchen von dem mir als normal bekannten Durchmesser von 13—14 u gruppenweise auch andere von nur 10—11 « Durchmesser vorkamen, und weiterhin noch auf ein Individuum, in welchem durch den ganzen Hoden hindurch solche kleinere W-Zellen vorherrschend’ waren. Und dementsprechend erschienen auch deren Umbildungs- formen proportional kleiner. Ich glaube das so deuten zu miissen, daf unter Umstiinden auch Samenzellen zweiter Generation die abweichende Entwickelungsrichtung nach der Wurmform hin ein- schlagen kénnen. Da letztere mit Sistierung der Proliferation ver- Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. V. 521 bunden ist, so ware es ja denkbar, daf} entweder unter dem Ein- flusse besonderer Verhaltnisse der Ernihrung und der auferen Temperatur oder vielleicht auch aus inneren Ursachen zeitweilig die Zellproliferation derartig gesteigert wird, da eine zweite Tei- lung der Samenzellen erfolgt, bevor die immanente Tendenz zur anderen Art der Weiterentwickelung zum Durchbruch gelangt. Welches aber auch die Ursachen sein mégen, die Thatsache, da8 auch Zellen zweiter Generation zu W-Zellen werden kénnen, war nicht abzuweisen. — Da nun nach meinen sonstigen Erfahrungen bei Paludina an ein nachtrigliches Wachstum solcher Zellen nicht zu denken ist, so war eine notwendige Folgerung die, daf in dem reifen Samen neben gréBeren auch kleinere wurmférmige Spermien anzutreffen sein miiSten. Und das hat sich auch bestitigt. Ich hatte friher auf die GréSendifferenzen dieser Gebilde nicht ge- niigend geachtet; und wenn ich in einer friiheren Abhandlung (1h) die Liinge dieser Samenfaden einfach auf 190 w bestimmt habe, so weil ich jetzt, daB dies nur fiir die gréfere Sorte als Mittel- zahl giltig ist. Bei ausgedehnter Vergleichung zeigte sich, daf die Linge, das Wimperbiischel mit eingerechnet, zwischen 140 —200 u schwankt, auch dann, wenn fiir Erhaltung der Formverhiltnisse im moglichst natiirlichen Zustande gesorgt war (vgl. die Anm. auf S. 519). Nun kame es noch darauf an, ob innerhalb des angegebenen Spielraums die Mittelstufen fehlen, so daf schon hin- sichtlich der Lange zwei GréSenordnungen unterschieden werden kénnten. Das kann ich nun nicht behaupten. Es kommen, ob- wohl in geringer Anzahl, auch Exemplare von 160—180 w Linge vor. Indessen ist das Langenmaf8 allein fiir die aufgeworfene Frage nicht entscheidend; denn fiir diese kommt es ja auf das Volumen, also im Einzelfalle aufer der Linge auch auf die Breite an. Lange und Breite stehen aber, wie der Augenschein lehrt, nicht in einem bestimmten, immer gleichen Verhaltnisse zu einander, was teils mit der wahrend der Ausreifung nachweisbaren allmah- lichen Verschmilerung zusammenhangen, teils auch definitive in- dividuelle Verschiedenheit der einzelnen Exemplare bedeuten mag, wie solche auch bei den Samenelementen anderer Tiere vor- kommt, im besonderen nach KorHuerR bei Murex brand., und zwar hier ebenfalls an den Samenkérpern zweiter Art, denen im reifen Zustande teils schlankere, teils gedrungenere Spindelform eigen ist. Unter diesen Umstinden ist eine ganz einwandsfreie Entscheidung im Sinne des obigen Postulats nicht méglich ge- wesen. Davon jedoch konnte ich mich tiberzeugen, daf unter den Bd. XXX. N. F. XXIII, 34 522 Leopold Auerbach, kurzen Exemplaren auch solche vorkommen, die zu den diinnsten gehéren, und daf andererseits unter den langen auch ziemlich viele vergleichsweise dicke sich finden; und im ganzen habe ich doch den Eindruck zweier Gréfenklassen erhalten. So liegt der Schluf nahe, da die gréferen aus Zellen erster, die kleineren aus Zellen zweiter Generation, naémlich den schon erwahnten kleineren W-Zellen ihren Ursprung genommen haben mogen. Nach allem waren also die Bildungszellen der wurmférmigen Spermien teils Schwestern, teils Schwestertéchter der eigentlichen Spermatogonien. Die Art und Weise der Weiterbildung der kleineren ist im tibrigen ganz tibereinstimmend mit derjenigen der gréferen. Auch bleibt eine Wendung zu dieser Bildungsrichtung nach allem, was ich gesehen habe, auf Mitglieder der beiden ersten Zellgenerationen beschrankt. Hierdurch ist es auch hauptsichlich bedingt, dafi die wurm- formigen Spermien an Masse und Volumen die erst aus der fiinften Zellgeneration hervorgehenden haarfoérmigen um ein Viel- faches iibertreffen. Der Spermioblast hat ja nach seiner Ent- stehung nur ein Volumen, das gleich ist dem sechzehnten Teile desjenigen einer grofen W-Zelle und gleich dem achten Teile des- jenigen einer kleineren W-Zelle. Hierzu kommt dann freilich noch das ungleiche Maf der mit der Ausbildung und Ausreifung ver- bundenen Verdichtung. Daf eine solche an beiden Formen so hochgradig eintritt, ist ja beachtenswert genug; aber sie ist doch, wie eine leichte Berechnung ergiebt, bei dem haarférmigen Samen- faden noch bedeutender als bei dem wurmférmigen. So viel tiber meine die Entwickelung der letzteren betreffenden Beobachtungen, denen ich jedoch noch einiges Historische und Kritische hinzufiigen muf. Nachdem ich schon oben hervorgehoben habe, in welchen wesent- lichen Punkten meine beziiglichen Ergebnisse mit denjenigen Brunn’s und Koruuer’s iibereinstimmen, -und in welchen sie yon diesen ab- weichen oder Erginzungen bringen, werde ich nun noch die Angaben zweier anderer Beobachter vergleichend heranzuziehen haben. — Zu- nachst ist auf die dlteren, von Duvat herrihrenden, dessen Unter- suchung jener der beiden erstgenannten Autoren vorangegangen war (6b), niéiher einzugehen, obwohl dies eine etwas umstiindliche Aufgabe ist. Ich kann diese aber um so weniger umgehen, als Duvat betreffs eines Punktes, abweichend yon den beiden spiteren Autoren, zu dem gleichen Resultate gekommen ist wie ich, indem auch er annahm, dab der eigentliche Kern der Zelle an dem Aufbau des wurmfdrmigen Spermiums gar nicht beteiligt sei, sondern verschwinde, Leider kann Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V, 523 ich mich aber dieser Ubereinstimmung deshalb nicht freuen, weil die Beobachtungen, auf die Duvat seine Ansicht griindet, irrtiimlich sind. Er 1a8t namlich den eigentlichen Zellkern noch zu einer Zeit be- stehen, wo der Achsenstrang angelegt wird, ja sogar, wenn dieser schon in seiner ganzen Linge ausgebildet ist, und zwar als einen neben dem Achsenstrang und von diesem ganz getrennt im Cytoplasma eingebetteten Kérper, wihrend doch thatsachlich der Kern um diese Zeit nicht bloB Jlangst aufgehdrt hat, als geschlossener Korper zu existieren, sondern auch yon seinen zerstreuten Bestandteilen keine Spur mehr mikroskopisch erkennbar ist. Nach Duvat soll erst viel spiter, wenn die spindelférmige W-Zelle schon eine halsartige Verlangerung aus- gestreckt hat, der vermeintliche Kern erblassen und sich verlieren. Mit Recht hat nun Brunn die Existenz eines neben dem Achsenstrange eingelagerten Kerns bestritten. Wenn er an ein Kunstprodukt denkt, so mag er auch damit fiir einzelne Fille das Richtige getroffen haben. In anderen Fillen hingegen diirften gewisse naturgemafe Thatsachen Duvat's irrtiimliche Auffassung veranlaBt haben. Ich nenne zuerst die oben erwiihnte, gerade waihrend des von Duvat ins Auge gefaften Zeitraums sehr gewohnlich im seitlichen Protoplasma befindliche Vaku- ole, an deren Rande sich iibrigens, wie bei allen langer bestehenden Vakuolen, 6fters eine verdichtete Grenzschicht des Cytoplasma aus- bildet, die sich auch starker farbt. So kann bei fliichtiger Betrach- tung der Eindruck eines Zellkerns hervorgerufen werden. Noch mehr aber wird dies der Fall sein, wenn die auf S, 512 erwihnte und in Fig. 13f abgebildete, freilich seltene Erscheinung hinzukommt, Da Duvat der Vakuole nicht besonders gedenkt, die Zeit ihres Ver- schwindens aber gerade mit der von ihm angegebenen zusammenfiallt, so diirfte sich am ehesten auf diese Mifdeutung seine Angabe zuriickfiihren lassen. Daf es sich iibrigens dabei nicht um einen wesentlichen Bestandteil der Zelle handelt, geht schon daraus hervor, da8 er zuweilen yon yvorn- herein fehlt, und da® andere Male statt der einen Vakuole zwei oder selbst drei in der Zelle vorhanden sein kénnen. Auch Brunn’s be- treffende Abbildungen zeigen eine deutliche Vakuole, eventuell zwei solche in einer Spindelzelle, — Nichstdem aber méchte ich doch noch ein anderes Vorkommnis erwaéhnen. Bei der Entstehung des Cyto- plasmakerns aus zusammentretenden Kiigelchen ereignet es sich wohl auch einmal, da6 eines oder ein Paar der letzteren iiberschiissig sind oder den Anschlu8 an die Hauptmasse versiumen, hingegen eventuell mit einander sich vereinigen. Dann bDleibt fiir eine Weile und bis nach teilweiser Herstellung des Achsenstranges im seitlichen Cytoplasma ein kleiner verdichteter Nebenkérper zuriick, der erst dann allmahlich wieder erweicht wird und in die iibrige Zellsubstanz aufgeht. Vielleicht sind Dovat auch solche Fille begegnet und von ihm besonders ins Auge gefaBt worden. Bei einfacher Tinktion konnte er sehr wohl jenes Kérperchen fiir einen solide gewordenen Zellkern ansehen, wie ja auch die spiiteren Beobachter den Hauptkérper in ahnlicher Weise irrtiimlich aufgefaBt haben. — Duvat hat also den wirklichen Zer- stérungsprozeB des wahren Kerns nicht beobachtet, der ja in einer viel friiheren Zeit erfolgt, und zwar eingeleitet durch eine normale Mitose, 34 * 524 Leopold Auerbach, Die Frage aber, aus welchem Materiale der Achsenstrang gebildet werde, d. h. derjenige Bestandteil, den wir so nennen, den er jedoch fiir den ganzen kiinftigen Samenfaden halt (s. unten die Anmerkung), diese Frage hat er nicht beantwortet, kaum gestreift, am wenigsten dabei an ein einem Nebenkern verwandtes Gebilde gedacht, vielmehr nach einem solchen, seiner Theorie gemif, als Material fiir die Herstellung des Kopfes gesucht, jedoch vergeblich ‘), Jetzt aber muf ich auch noch Piatner’s gedenken, der in seinen » Beitriigen“ (18e, 8. 143) auch der Entstehungsgeschichte der wurm- formigen Spermien vou Paludina eine Seite der Abhandlung widmet, die freilich, ohne von Abbildungen begleitet zu sein, nur einige fliichtige Andeutungen enthilt. Bei der Fassung, die diese seitens des Autors erhalten haben, bin ich gendétigt, sie hier wértlich zu re- produzieren. Er sagt: ,,Ich komme jetzt zur Bildung der grofen Spermatosomen,. Meine Untersuchungen iiber die Entstehung der Spermatiden, aus welchen diese hervorgehen, sind noch nicht abge- schlossen, Ich beginne daher mit einem spiteren Stadium. Die Spermatide zeigt ein auSerordentlich entwickeltes Protoplasma, In 1) Die betreffenden Stellen aus Duvat’s Abhandlung fiihre ich mit Aus- lassung einiger unwesentlicher Zwischensitze hier nach ihrem Wortlaute an. Zum Verstindnisse derselben muf ich aber einige Bemerkungen tiber die Termi- nologie des Autors voranschicken. Er nennt Spermatoblast diejenige Zelle, aus welcher oder genauer in welcher nach seiner Meinung das wurmférmige Sper- mium gebildet wird. Er halt nimlich den Achsenstrang fiir den ganzen Korper des Spermiums, indem die tibrige Zellsubstanz spiter von jenem abfalle oder durch Resorption verschwinde. Unter dem von ihm vergeblich gesuchten Globule cephalique aber versteht er einen nach seinen anderweitigen Ergeb- nissen vorausgesetzten extranuklediren Bestandteil der Samenzelle, aus welchem nach seiner (irrigen) Meinung der Kopf jeder Art von Samenfiden gebildet werden soll. Die hier wiederzugebenden Satze lauten nun: ,»On voit ici le spermatoblaste piriforme avec une ex- trémité légérement effilée; il contient son noyau; de plus, chose remarquable, il est déjai pourvu de cils vibratiles; il en differt cependant en ce que ces cils pénétrent assez profondement dans le corps cellulaire et semblent s’implanter sur une petite masse, plus foncée que le protoplasma ambiant. Que représente cette petite masse, point de convergence des cils? C’est ce quil nous serait difficile de préciser... Ce que nous avons observé le plus souvent, comme état plus avancé d’évolution, c’est la forme, ou dans le spermatoblaste, conservant encore son noyau, est déja apparule corps cylindrique du future spermatozoide (d. i. in Wirklichkeit der Achsenstrang) ,,avec les cils adhérents 4 l’une de ses extrémités. La petite masse sombre, qui formait le point de convergence des cils, était elle done le prémier rudiment du corps du spermatozoide ? Mais alors, ouestle globule cephalique, dont on constate si facilement la pré- sence précoce dans les spermatoblastes de |’ Helix? Ce sont la des questions, auxquelles nous ne saurions repondre.... Nous pouvons cependant remarquer que sur le sp. vermif. achevé la téte est relativement assez peu distincte, et que par suite il n’est pas étonnant, que le globule céphalique, premiére trace de son apparition, puisse démeurer complétement invisible... Ici nous voyons le spermatozoide bien distinct dans le spermatoblaste, et dautant plus distinct, que par l’effet du réactif (?) ,,il s’est contourné en une serie d’ondulations irreguliéres‘ (Vgl. oben S. 518). ,Le spermatoblaste, quile contient, renferme encore une trace de noyau, lequel ne es donc bien évidemment aucune part 4 la formation du spermato- zoide.“ Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. V. 525 diesem findet sich ein verhiltnismiabig kleiner Kern, dessen Chromatin peripher gelegen ist, und zwar besonders an dem yorderen Ende sich weiterhin anhiuft, wobei sich der ganze Kern mehr und mehr in die Linge streckt, so daf er stabchsnformig wird. Augerdem enthilt die Zelle noch einen dunkeln, rosettenformig gestalteten Kérper, den Nebenkern, sowie endlich das Centrosoma, das dem Kern dicht anliegt und bei seiner Streckung sich an die Spitze begiebt, wiihrend am entgegengesetzten Pole des Kerns der Achsenfaden sich ansetzt. Meist gewabrt man im Protoplasma noch eine Anzahl unregelmifiger Granu- lationen, Der stibchenformige Kern riickt nun mehr und mehr gegen die Spitze der Zelle, die er schlieflich nach aufen vorstiilpt. Das Protoplasma zieht sich dabei an dem Achsenfaden immer weiter herunter, ihn so mit einer Hiille umkleidend. In diesem Protoplasma- rest gewahrt man noch lange den rosettenformigen Nebenkern, bis er sich schlieSlich allmiahlich aufldst. Brunn giebt hiervon ganz richtige Abbildungen; so ist namentlich in seiner Fig. 11 der rosettenférmige Nebenkern ganz charakteristisch wiedergegeben... Das ausgebildete Spermatosoma zeigt nach Fiarbung mit Alaunkarmin und Bleu de Lyon folgende Abteilungen, Das vorderste Ende des Kopfes ist schwach blau gefirbt und setzt sich hierdurch gegen den daran sich ansetzen- den stiibchenférmigen, rot tingierten Teil ab, Es entspricht dem Centrosoma, der darauf folgende Teil des Kopfes hingegen dem Kern. Letzterer geht durch eine schmale blasse Ubergangsstelle, die man als Hals bezeichnen konnte, tiber in den langen Schwanz, der in das be- kannte Wimperbiischel ausliuft... Die Abweichungen, welche die vorstehende Schilderung von der Brunn’s zeigt, sind, wie man sieht, nur geringe.“ Zuniichst kann ich nun der letzteren Bemerkung nicht zustimmen ; ich finde keine wesentliche Ubereinstimmung zwischen den Ansichten der beiden Autoren; doch ist es nicht noétig, hierauf naher einzugehen. Vollig aber weichen die Angaben Piatner’s yon meinen Ergebnissen ab. Denn er lat den Kern der Zelle, wie bei anderen richtigen Samenfiden, stabchenformig und zum Kopfe des reifen Samenkérpers werden, wiihrend nach meinen oben dargelegten Befunden der eigent- liche Kern auf sehr eigentiimliche Weise friihzeitig ginzlich untergeht. Ein Beriihrungspunkt unserer Ansichten kénnte darin zu _liegen scheinen, dai auch PLatner etwas einem Nebenkern Analoges vor- handen sein lift; aber was er fiir einen solchen hilt, ist keiner und ist nicht identisch mit meinem Cytoplasmakern. Denn jener angeb- liche Nebenkern Prarner’s soll seitlich in dem den Achsenstrang um- hiillenden Protoplasma liegen bleiben und sich spiter auflésen, ahnlich wie der vermeintliche Kern Duvat’s, wihrend doch in Wirklichkeit der Cytoplasmakern gerade zur Bildung des Achsenstranges und des Kopfchens in friiher angegebener Weise verbraucht wird, PLatner beruft sich zwar auf vermeintlich entsprechende Abbildungen Brounn’s; aber das, was in den letzteren in der seitlichen Zellsubstanz der Spindel liegt, ist weder ,,rosettenférmig“, noch hat es das dunkle Aus- sehen eines Nebenkerns, noch hat Brunn den Fehler begangen, es fiir einen solchen zu halten. Es ist das sowohl in natura, wie in 526 Leopold Auerbach, Brunn’s Figuren offenbar eine Vakuole, die manchmal auch doppelt in der Zellsubstanz dieser Spindeln existiert. Ich verweise auf das, was ich oben, S, 512 iiber die Entstehung dieser Vakuole, und S, 523 bei der Kritik Duvat’s sonst iiber dieselbe gesagt habe. Die oben er- wahnte, allerdings in ein friiheres Stadium fallende, gelegentliche An- lagerung kleiner ,,Chromatinkérnchen“ an den Rand einer solchen Vakuole war vielleicht Veranlassung zu Piatner’s Schilderung eines »kleinen Kerns, dessen Chromatin peripher gelegen ist“. Die Rosetten- form des vermeintlichen ,,Nebenkerns“’ hat Piatner wohl mehr yon der Bildungsgeschichte der haarformigen Spermien, wo er sie richtig wahrgenommen hatte, hierher tibertragen. Auch ein Centrosoma an der vorderen Spitze des Kerns, resp. beim reifen Samenkorper an der vorderen Spitze des Kopfchens zu finden, war Puatner jedenfalls per analogiam geneigt auf Grund seiner ahnlichen Ansicht betreffs der haarfoérmigen Spermien, da ihm der fundamentele Unterschied zwischen beiden Arten von Samenfaden unbekannt war. Aber selbst betreffs der haarformigen Elemente habe ich seine Annahme oben bestreiten miissen. Inzwischen ist diese Vorstellung, die in allgemeiner Geltung fiir alle Samenfaden von mehreren Seiten angenommen wurde, auch von Bovert als unbegriindet erkannt worden (3). Ich meinerseits habe an den W-Zellen und den reifen wurmfdrmigen Spermien von einem Centrosoma tiberhaupt nichts gesehen. Uber die beziiglichen tinktionellen Angaben Prarner’s werde ich mich bald noch niher aussprechen. Im ganzen ist es offenbar, dai dieser Forscher diesem Teil der Spermatogenese von Paludina nur sehr fliichtige Beobachtungen gewidmet hat; und so gern ich oben seinen Wahrnehmungen iiber die Ausbildungsweise der haarférmigen Ele- mente, trotz einiger Abweichungen meinerseits, Anerkennung gezollt habe, so mu8 ich hingegen seine Angaben iiber die Entstehung der wurmférmigen als ginzlich verfehlt erachten. Nach Erledigung der Entstehungs- und Entwickelungs- geschichte der wurmférmigen Samengebilde muf ich jetzt noch die Aufmerksamkeit fiir einige Bemerkungen tiber ihren reifen Zu- stand in Anspruch nehmen. Hinsichtlich ihrer Lebenseigenschaften und der Vergleichbar- keit ihrer Abschnitte mit denjenigen anderer Samenfaden verweise ich auf die Darstellungen SreBoLD’s (26), Leypia’s (16), Brunn’s (4) und auf meine eigenen, in meine erste betreffende Mitteilung (1h) eingefiigten Bemerkungen. Anlangend aber ihren feineren Bau kann ich hier einige neue Beobachtungen von mir _hinzu- fiigen. Die erste ist folgende. Bekanntlich hat BaLLowirz (2) an den Samenfiden verschiedener héherer Tiere eine spiralige Struktur der AuSensubstanz am Mittelstiick und am Haupt- stiick entdeckt. In schénster Weise zeigte sich mir nun Entsprechendes auch an den wurmfoérmigen Spermien von Paludina, und zwar in der ganzen Linge Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. V, 527 ihres Kérpers mit Ausschlu8 des Képfchens und natiirlich des Wimperbiischels. Die Erscheinung tritt nur hervor an nicht ein- getrockneten Exemplaren nach Hartung derselben, sowohl in Dis- sociations- wie in Schnittpraparaten, auBerdem auch nach _halb- stiindigem Verweilen frischer Isolationspriparate in der feuchten Kammer, jedoch bei weitem nicht an jedem einzelnen Spermium, auch nicht in allen Préparaten, sondern nur hier und da, stellen- weise an ganzen Gruppen, so dafi unverkennbar AufSere Neben- umstande der Vorbehandlung zu ihrer Verdeutlichung beitragen. Das schnurférmige Hauptstiick sieht dann wie fein geringelt aus (Fig. 13r). Sollte dies der Ausdruck einer spiraligen Struktur sein, was wohl méglich ist, so wiirde doch die Spirale nur einen minimalen Steigungswinkel haben. In diesem Sinne war ich um so mehr geneigt, die Sache aufzufassen, als ja nach BALLowirTz an den Samenfaden anderer Tiere der spiralige Ver- lauf deutlich ist. Indessen habe ich doch in unserem Falle nicht in positiver Weise dartiber ins Reine kommen kénnen, ob sehr flache Spiralwindungen oder geschlossene, aneinander gereihte Ringe vorliegen. Eines von beiden ist aber sicher der Fall. Ob nun freilich diese Struktur schon im lebendigen Zustande voll aus- gebildet oder erst durch die Behandlung hervorgerufen sein mag, eventuell ob eine wirkliche Zusammensetzung aus Windungen oder nur ein spiralig herumlaufender Verdichtungsstreifen Ursache der Erscheinung ist, diirfte schwer zu entscheiden sein. Zum min- desten beweist aber diese, da in dem Molekulargefiige der Hiill- schicht, resp. in dem Grade ihrer Kohasion Ungleichheiten vor- handen sind, die unter Umstinden sichtbar werden oder sogar den Zerfall der Schicht in ein spiraliges Band, eventuell in geschlossene Ringe begiinstigen. Da die Entstehungsgeschichte der Hiillschicht auf eine derartige Zusammensetzung nicht hinweist, so scheint mir die Annahme berechtigt, da& diese Struktur oder Disposition erst eine Folge sein moéchte der ununterbrochen schlingelnden Bewegungen des Spermiums, also auf dem Wege funktioneller An- passung im Sinne von Roux (22a) erworben. In der That ist die Ringelung nur an reifen Exemplaren zu finden, die, wie wir noch sehen werden, schon im Hoden ihre Eigenbewegung in Aktion setzen. Einmal ausgebildet, kénnen diese Ringe oder Windungen bei der schlangelnden Bewegung eine dhnliche Rolle spielen, wie diejenigen in der Haut eines Ringelwurms, indem sie auf der konkaven Seite jeder entstehenden Biegung konvergent, 528 Leopold Auerbach, auf der konvexen divergent werden. Bei dieser Annahme wire nur das auffallend und einstweilen nicht recht einpassend, dal eine ahnliche Struktur auch an dem Mittelstiicke vieler Samen- fiiden und an diesen besonders deutlich hervortritt, obwohl gerade die Mittelstiicke anscheinend die schlingelnde Bewegung nicht mitmachen. Indessen wiirde dies fiir die einzelnen in Frage kommenden Fille erst noch besonders zu untersuchen und klar zu stellen sein. In jedem Falle aber ist es bemerkenswert, daf die in Rede stehende Erscheinung an der Aufenschicht sich nicht nur auf die funktionell gleichwertigen Samenfaden sehr verschie- dener Gattungen, sondern auch auf die der gewohnlichen Be- stimmung entzogenen, jedoch in der schlangelnden Bewegung iiber- einstimmenden wurmférmigen Elemente von Paludina erstreckt. Was den Achsenstrang anlangt, so sei hier noch folgendes bemerkt. Wo derselbe an beinahe oder ganz reifen Exemplaren unterscheidbar ist, da ist zwar sein Zusammenhang mit dem Wimperbiischel nicht gerade direkt klar zu sehen, weil an der Ubergangsstelle die Umbiegung der umbhiillenden Mantelschicht zur Endfliche eine gewisse Verdunkelung verursacht; jedoch ist jener Zusammenhang aus den _ besonderen obwaltenden Verhaltnissen mit annahernder Sicherheit zu erschlieBen. Das hintere Ende des schnurférmigen K6rpers ist bei den einzelnen Exemplaren etwas verschieden gestaltet, vielleicht nur infolge wechselnder Kontraktionszustinde. Bald ist es etwas zugespitzt, bald abgerundet, bald auch fast quer abgestutzt. Im ersteren Falle wurzelt das Wimperbiischel an der Spitze, in den beiden letzteren an einem centralen Punkte, genauer gesagt an einem sehr kleinen centralen Felde jener Endfliche (Fig. 13p, q), in welchem die FuSpunkte der Cilien dicht beisammen liegen. Und bis zu eben diesem Punkte reicht von innen her der Centralfaden. Man erhalt so unabweisbar den Eindruck, da’ das Wimperbiischel eine direkte Fortsetzung des Achsenstrangs, sein aufgefasertes Ende ist, was ja auch schon aus der oben gegebenen Entwicke- lungsgeschichte hervorging. Ich will aber nicht unerwahnt lassen, daf ganz ausnahmsweise auch Exemplare sich finden, in denen der Achsenstrang nicht ganz bis zur Wurzel des Cilienbiischels — heranreicht, ein wenig vor letzterer aufhérend und eine helle Liicke iibrig lassend. Sowohl der letztere Umstand wie die Selten- heit des Vorkommnisses gestatten m. E. keinen Zweifel dariiber, daf nur eine durch die Austrocknung oder das Erhartungsmittel verschuldete ZerreiSung die Ursache der abnormen Erscheinung ist. — Die Anzahl der Cilien ist ungefihr zwélf; vielleicht sind Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. V. 529 es auch einige mehr, jedoch nicht tiber sechzehn. Die Lange der Cilien betrigt beim reifen Spermium ca. 25 «, wahrend sie in der Ausbildungszeit desselben, wie schon Brunn mit Recht bemerkt hat, eine Zeit lang viel betrachtlicher ist, und zwar nach meiner Messung bis tiber 50 « erreicht. Wie ihre nachtragliche Verkiirzung herbei- gefihrt wird, ist nicht positiv zu sagen; mdglich wire es aber, daf das Wimperbiischel bei der mit der Ausbildung verbundenen Laingsentwickelung des Spermiums eine Strecke weit in den Kérper hineingezogen wird, um unter Zusammendrangung der Cilien den Achsenstrang verlingern zu helfen. Ahnliches hat auch KorHLer als Ursache des géanzlichen Verschwindens des Wimperbiischels an den homologen Gebilden von Murex angenommen. In der Nahe des vorderen Endes verjiingt sich meistens der schnurfoérmige Kérper zu einer diinneren Strecke, die zuletzt wieder mit einer kleinen Verdickung endet, welche letztere tibrigens keine ganz bestimmte Gestalt hat, sondern Verschiedenheiten des Um- risses zeigt. Wohl am hiaufigsten stellt sie einen lainglichen Cy- linder dar, der der Lange nach etwas gebogen und am freien Ende abgerundet ist (Fig. 13q). Andere Male ist sie mehr sonden- knopfahnlich. Dies ist der sogenannte Kopf des Spermiums, der also durch eine Art Hals in den Kérper iibergeht. Jedoch sind die betreffenden Differenzen der Dicke nur geringfiigig. Ja es kann sogar die terminale Verdickung ganz fehlen. Auch wo sie sich in irgend einer Form zeigt, ist doch eine schirfere Absetzung dieses Teils nicht vorhanden, weder duferlich noch im Inneren, indem nirgends eine quere Trennungslinie und an der Oberfliche nur eine sehr flache Konkavitét hinter der Endanschwellung zu bemerken ist. Zuweilen, wie gesagt, fehlt auch diese, und das K6épfchen markiert sich nur durch etwas dunklere Rotfirbung, welche dadurch verursacht ist, da% hier die Achsenstrangsubstanz iiberwiegt und nur von einem sehr diinnen Uberzuge bedeckt ist. Der Achsenstrang naimlich verjiingt sich ebenfalls in der Hals- gegend zu einem diinnen Fadchen, das, in das Koépfchen ein- tretend, hier auch seinerseits mit einer Anschwellung abschlieBt. An noch nicht ausgereiften Exemplaren kann man das zuweilen gut sehen. Besonders klar aber ist dieses Verhiltnis zu erkennen, wenn, wie dies in Sublimatpraparaten nicht ganz selten vorkommt, an diesem Vorderteile des Spermiums die Mantelschicht geborsten und ganz abgelist ist, so daB das Centralfiidchen nackt vorliegt. Man sieht es dann aus dem Inneren des K®6rpers heraustreten und mit einem Knépfchen enden, das um ein Weniges, aber immer- hin merklich kleiner ist als sonst der sogenannte Kopf. 530 Leopold Auerbach, Ich sage: ,,der sogenannte“, weil die Bezeichnung ,,Kopf* ein Mifverstindnis veranlassen kann und in der That bisher mit der nicht zutreffenden Vorstellung einer Homologie mit dem Kopfe anderer Samenfaden verbunden gewesen ist. Wie schon friiher (1h), so muf ich auch hier nochmals folgenden wichtigen Punkt be- tonen. Der sogenannte Kopf des wurmférmigen Spermiums von Paludina ist durchaus nicht homolog dem Kopfe anderer richtiger Samenfaiden. Denn er ist nicht aus einem Zellkern entstanden, und er enthalt auSerdem das Endstiick des Achsenstrangs, der in ihm mit einer Anschwel- lung endet, wie sonst im Mittelstiick anderer Samenfaiden. Seiner Entstehung gemaf enthalt auBerdem dieses K6pfchen nichts von kyanophiler Substanz. Im besonderen giebt es nach Tinktion mit Methylgriin oder Victoriablau bei der nachfolgenden Entfarbung in Alkohol mindestens gleichzeitig mit dem langen Hauptstiick, ja sogar wegen seiner Diinne meist noch friiher als dieses den blauen Farbstoff wieder ganzlich ab; und bei all den anfangs dieser Abhandlung aufgefiihrten Methoden der Doppelfarbung geht es aus der Procedur mit derselben rein roten Farbe hervor, wie auch die iibrige Hauptmasse des Gebildes. — Hier mu8 ich nun eine einschlagige Angabe PLATNER’s besprechen, obwohl der von ihm gebrauchte Blaustoff iiberhaupt nicht in die Reihe derjenigen ge- hért, die zu differentiellen Farbungen besonders geeignet sind. Und zwar muf ich um so mehr auf seine Behauptung eingehen, als er sie mit seiner Ansicht iiber die Beteiligung des Centrosoma an dem Aufbau des Képfchens in Verbindung bringt. PLAaTNER (18e) berichtet, folgendes gefunden zu haben: Wenn man die wurmférmigen Spermien erst mit Alaunkarmin und dann mit Bleu de Lyon tingiere, so zeige sich schlieflich das vordere Ende des K6épfchens schwach blau, alle iibrigen Teile des Samenfadens in roter Farbe. Diese Angabe kann ich aber durchaus nicht be- statigen, obgleich ich mir viele Miihe gegeben habe, die Erscheinung herzustellen. Naheres iiber seine Tingierungsmethode hat PLATNER nicht mitgeteilt. Bei meinen 6fters mit kleinen Varianten des Verfahrens wiederholten Versuchen fand ich aber immer folgen- des. Im Alaunkarmin farbt sich zunichst das ganze wurmférmige . Spermium blafrot. Stellt man nun das Objekt in eine, sei es wasserige oder wasserig-alkoholische, beliebig verdiinnte Loésung von Bleu de Lyon ein, so wird in kurzer Zeit das ganze wurm- formige Spermium blau, ohne bei kurzem Abspiilen in Alkohol etwa streckenweise diese Farbung zu verlieren. Versuchte ich Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, V. 531 aber durch lange Einwirkung des Alkohols eine Differenzierung zu bewirken, so gelang auch dies niemals. Wohl wird langsam, d. h. im Verlaufe von Tagen und Wochen die blaue Farbung merklich blasser und geht schlieSlich in ein mattes Grau iiber; aber dieses herrscht gleichmakig tiber die ganze Lange des Spermiums ein- schlieflich des Képfchens, auch des vordersten Endes des letzteren. Die rote Grundfirbung kommt nicht wieder zum Vorschein *). Dabei ist es lehrreich, zum Vergleiche die nebenbei im Praparate vorhandenen, runden Samenzellen ins Auge zu fassen. An diesen zeigt nach der prolongierten Extraktion durch Alkohol der Zellen- leib dieselbe mattgraue Farbung, wie die wurmférmigen Spermien ; an den Kernen hingegen sind die Karyosomen schon karmoisin- rot gefirbt, was nicht verwundern wird, da ja das Karmin eine sogenannte Kernfarbe ist. Die wurmférmigen Spermien bestehen aber, wie sich hier wieder zeigt, ganz und gar aus Cytoplasma, von dem der Achsenstrang auch seiner Entstehung nach nur eine verdichtete Partie ist. Wenn also das sogenannte Képfchen der wurmférmigen Spermien, dieses kurze vorderste Stiickchen derselben, das tibrigens schmaler ist als der iibrige schnurférmige Koérper, in den es ohne Grenzfliche tibergeht, tiberhaupt als etwas Besonderes betrachtet werden soll, dann wiirde es nur dem Mittelstiicke anderer Samen- fiden vergleichbar sein. Die wurmférmigen Elemente des Sperma sind also Samenfaden ohne Kopf. Eines rich- tigen Kopfteils kénnen sie aber auch entbehren, da sie keine be- fruchtende Wirkung auf ein Ei auszuiiben haben. Wenn ich zur Erleichterung der Beschreibung das kleine keulenférmige Vorder- ende des wurmférmigen Spermiums oben einige Male als_,,K6pf- chen‘ angefiihrt habe und dies auch im Folgenden thun werde, so weil} der Leser jetzt, daf diese Bezeichnung sich nur auf die Form, hingegen nicht auf eine Homologie beziehen soll. VI. Syntaxis der zweierlei Spermien und weitere Ausbildung der haarférmigen. (Fig. 14a—d und Fig. 12 n—s). Oben, S. 503, habe ich schon kund gethan, daf die haar- formigen Spermien iiber das in Fig. 12 m abgebildete Entwickelungs- 1) Wie sich bei diesem kombinierten Farbungsverfahren die haar- formigen Spermien und die Samenfiden anderer Tiere verhalten, werde ich weiter unten mitteilen. 532 Leopold Auerbach, stadium nicht ohne weiteres hinausgelangen, sondern erst nachdem sie ihren bisherigen Ort verlassen und die Zusammenlagerung mit ihresgleichen aufgegeben haben. Ich habe dort auch schon ange- deutet, daf sie eine neue Vergesellschaftung aufsuchen, und zwar mit ihren inzwischen in dem namlichen Hodenschlauche ausge- bildeten wurmférmigen Genossen. Dies geht nun aus folgender Erscheinungsreihe hervor. Schon Ende Mai, noch haufiger aber im Hochsommer findet man in vielen mannlichen Individuen ein- zelne oder fast alle Hodenschlauche sehr angeschwollen, auch verlangert und prall angefiillt mit zahllosen Spermien beider Sorten, neben einer verminderten Anzahl von Samenzellen ver- schiedener Groéfe, welche letzteren meist dicht an der Schlauch- wandung einen sehr schmalen, vielfach unterbrochenen Streifen einnehmen. Die zweierlei Samenfaiden aber haben eine eigenttimliche gesetzmaSige Anordnung an- genommen. Sie sind nimlich in bestimmter Weise zu gemeinschaftlichen Bindeln zusammengefisgt. Gehen wir bei der Beschreibung von den wurmférmigen aus, so sind diese jetzt fertig ausgebildeten Elemente zu breiten Biindeln versammelt, in deren jedem oftmals 50—100 und mehr Individuen ihrer ganzen Lange nach parallel und dicht aneinander liegen, alle gleich gerichtet, namlich so, dafi ihre Képfchen alle an einem Ende des Biindels zusammenliegen und hier entweder in einer Front oder in einer gebogenen Endfliche des Biindels aneinander gereiht sind. Mit diesem ihrem Vorderende sind die Biindel immer gegen die Schlauchwandung gerichtet und an diese, even- tuell ihren Zellbelag nahezu anstoBend. Liegt eines longitudinal, so reicht es mit dem Vorderende bis zum blinden Ende des Schlauchs, liegt es schief oder quer, so kommt sein Vorderende einer Stelle der seitlichen Schlauchwandung nahe. Die aus den K6pfchen bestehende Front des Biindels ist so entweder mit den der Schlauchwandung anliegenden Rundzellen in Beriihrung, oder es hat sogar diese schon verdrangt ‘und beiseite geschoben, So daf sie unmittelbar mit dem protoplasmatischen Uberzuge der Schlauchwandung in Kontakt ist; ja es hat zuweilen den Anschein, als seien die K6épfchen in die Protoplasmaschicht eingesenkt. Diese Biindel bestehen jedoch nicht blo8 aus den wurmférmigen Elementen. Vielmehr sind in sie auch zahlreiche haarférmige Spermien eingestreut, zwischen jenen ersteren eingeklemmt und ebenfalls langsgerichtet. Jedes haarformige Spermium nimmt bei seiner Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. VI. 533 relativen Kiirze nur einen PBruchteil der Linge des Biindels in Anspruch; und es wiirden selbst in einer und derselben Langs- fuge mehrere jener kurzen Samenfaden hintereinander Platz finden. Sie sind deshalb auch thatsachlich anfangs und lange Zeit hin- durch nicht in einem Querniveau nebeneinander gereiht, sondern iiber die ganze Linge und Breite des Bindels unregelmifbig zer- streut und nach allen Dimensionen durch Zwischenriume von- einander getrennt, die von den Kérpern der wurmférmigen Ele- mente ausgefiillt werden. Zuweilen zeigt sich wohl ein gewisser Grad von Regelmifigkeit in der Verteilung; haufiger jedoch ist diese ungleich, und die haarférmigen Elemente kénnen selbst in einem grofen Teile des Biindels sparsam gesat, dafiir in einem anderen Bezirke zusammengehauft, nimlich einander sehr genihert sein. Niemals aber beritihren sich bei dieser Anord- nung zwei haarférmige Spermien gegenseitig, sind vielmehr immer nach allen Seiten hin durch min- destens ein wurmférmiges voneinander getrennt. Ja es scheint, da’ fast immer zwei oder mehrere solche dazwischen liegen, so daf jedes haarformige Individuum fiir sich von einer An- zahl wurmférmiger eingeschlossen ist. Natiirlich ist unter diesen Umstianden in jeder Querzone des Gemengebiindels die Zahl der haarformigen Elemente viel geringer als die der wurmférmigen; doch wird dies grofenteils dadurch wieder ausgeglichen, da8 eine Menge anderer Individuen der ersteren Form auf zahlreiche andere Querniveaus des Biindels verteilt sind (Fig. 14). Im ganzen moégen aber vielleicht die haarférmigen in der Minderzahl sein, ein Verhialtnis, das sich tibrigens bei verschiedenen Biindeln auch wieder dem Grade nach ungleich gestaltet. — Hinsichtlich der Stellung aber, welche jedes einzelne der haarférmigen Elemente im Biindel einnimmt, ist noch als bemerkenswert folgendes hervor- zuheben. Im grofen und ganzen sind sie den wurm- formigen gleich gerichtet, d. h. ihr Kopfende sieht eben- falls nach dem Vorderende des Biindels und nach der Schlauch- wandung, ein Verhalten, das ihre Normalstellung genannt sein mag. In manchen Biindeln ist nur diese zu finden. Jedoch kommt es auch nicht ganz selten vor, daf in einem dieser Biindel einige wenige der kleinen Elemente die umgekehrte Stellung eingenommen haben, namlich mit der Spitze ihres Kopfes dem hinteren Ende des Biindels zugekehrt sind, und aus- nahmsweise sogar, daf ein etwas griéferer Bruchteil der Gesamt- zahl, jedoch, so viel ich gesehen hahe, immer weniger als ein Zehntel derselben durch die antinormale Stellung sich auszeichnen, 534 Leopold Auerbach, Man kann alle diese Verhaltnisse sehr leicht und bestimmt er- kennen, obwohl bei der dichten Fiigung der Faden die feinen Schwinze der haarférmigen Gebilde, weil zwischen den Kérpern der wurmférmigen verborgen, nicht zu unterscheiden sind, sondern nur die zugespitzten und infolge der Doppelfarbung sehr scharf hervortretenden Képfe derselben, welche intensiv blau aus der rot tingierten Masse der wurmférmigen hervorspringen (Fig. 14a—d). Wenn jedoch der Akt des Schneidens einmal das Gefiige eines Biindels gelockert und auseinander gezerrt hat, so kann man darin gelegentlich auch ein ganzes haarférmiges Klement zu Gesicht bekommen. Aber auch dann fand ich dieses niemals isoliert, sondern immer mit seinem Kopfe mindestens an einem der wurm- formigen Elemente anhaftend. Mit dieser Vermengung und Zusammenschliefung der zweierlei Spermien ist nun aber der Beginn der zweiten Periode der Ausbildung der haarférmi- gen verknitipft, und zwar regelmafig verknipft; ja sie ist obligatorisch an jene Gemeinschaft gebun- den, also durch letztere bedingt. AufSerdem aber erweist sie sich als eine besondere Periode auch dadurch, daf mit ihrem Beginne die Umgestaltung nicht etwa einfach an das schon Erreichte anknip- fend und dieses benutzend in der bisherigen Rich- tung weitergeht, vielmehr zuerst in gewissem Grade riickgingig wird, um einen neuen Weg zur Gewinnung der definitiven Form einzuschlagen. Und zwar scheint sie unter den neuen Verhaltnissen mit raschestem Anlauf in Gang zu kommen. Immer findet sich ném- lich jetzt eine gegen friiher (Fig. 12m) veradnderte Form des Kopfes, mindestens die bald als erste der zweiten Periode zu be- schreibende, oder noch weiter vorgeschrittene. Ferner ist es eine auffallende und wichtige Thatsache, daf meistens die vielen, in einem und demselben Gemengebiindel verstreuten haarfoérmigen Elemente sich simtlich genau auf der gleichen Stufe der fortschreitenden Ausbil- dung befinden, wihrend in anderen Bindeln wieder andere, und so bei Vergleichung vieler Bindel simtliche Stufen der Umgestaltung bis beinahe zur definitiven Form vertreten sind. Wenn ich eben die Thatsache des gleichmafigen Entwickelungsfortschrittes in je einem Biindel durch das Wértchen ,,meistens“‘ etwas eingeschraénkt habe, Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. VI. 535 so bezieht sich dies auf gewisse seltene Ausnahmefalle von be- stimmtem Charakter, von denen ich spiter noch sprechen werde. Im allgemeinen aber ist die Ubereinstimmung der Formen in je einem Biindel ebenso frappant, wie andererseits die Verschieden- heit, welche in diesem Punkte selbst zwischen mehreren in dem- selben Hodenschlauche nahe nebeneinander befindlichen Biindeln obwalten kann. Beyor ich nun zur Beschreibung des Umwandlungsvorganges selbst iibergehe, mu ich vorher noch einige Worte der Frage widmen, auf welche Weise wohl die beschriebenen Gemengebiindel zustande kommen mogen. Hierfiir sehe ich nun keine andere Méglichkeit ab, als daf die spontane Beweglichkeit der beiderlei Spermien, ihre Fahigkeit zu aktiver Lokomotion das Resultat herbeifiihrt. Die Beobachtung frischer Zupfpriparate zeigt ge- legentlich, daf’ schon die auf der Stufe der Fig. 12m _ befindlichen Individuen sich bewegen. Diese diirften also, wahrend die wurm- formigen Elemente sich parallel aneinander legen, zwischen diese hineinschliipfen und so in den Fugen des Biindels sich einbetten. Ein solches Benehmen fallt in das Gebiet des Cytotropismus, um diesen neuerdings von Roux (22b u. c) aufgestellten und durch neue Beobachtungen begriindeten Begriff in Anwendung zu bringen. Freilich sollte man sich vergegenwartigen, da8 alle sogenannten »lropismen“ nur im allgemeinen die Tendenz zu einem bestimmten Resultate bezeichnen, ohne tiber die wirkenden Ursachen, tiber die Hilfsmittel und die Vorginge, welche zum Ziele fiihren, etwas auszusagen. Ich bin aber, wie ich nicht verhehlen will, schon lange der Ansicht, daf bei so manchen ,,Tropismen“ oder durch ein mit ,,Taxis‘’ endigendes Wort benannten Vorgingen etwas Psychisches im Spiele ist, daf die betreffenden Wesen, seien es nun einzellige oder vielzellige Geschépfe oder zellige Elemente eines héheren Organismus, Empfindung besitzen, auf variierende Empfindungen durch wechselnde Bewegungen reagieren, resp. ihre Bewegungen nach jenen einrichten und kraft eines ererbten Triebes die ihrer Empfindung oder ihrer Funktion giinstigen Orte auf- suchen. Besonders diirfte fiir die mit aktiver Lokomotion begabten Samenfiden, also auch fiir die uns jetzt beschaftigenden keine andere Vorstellung naher liegen. Jedenfalls kann die hier be- schriebene Aggregation nur durch eine ,Selbstordnung* erzielt werden. Und diese schafft erst die notwendigen Be- dingungen fiir die Weiterentwickelung der haar- formigen Elemente. 536 Leopold Auerbach, Letztere besteht nun vorzugsweise in einer Reihe von Um- gestaltungen des Kopfs. Eine gewisse gleichzeitig weitergehende Streckung des Schwanzes entzieht sich in dieser Periode der Beobachtung und giebt sich erst spiter kund. Selbstverstindlich ist der jetzt zu beschreibende Entwickelungsgang aus Kombination der Formen erschlossen worden, die sich bei Vergleichung zahl- reicher Gemengebiindel darbieten. In den Abbildungen, Fig. 12 u. 14, habe ich bei weitem nicht alle von mir beobachteten Abstufungen wiedergegeben, sondern nur einige, die indes gentigen diirften. Zuerst ereignet sich nun unter den neuen Verhaltnissen etwas ganz Unerwartetes. Der friiher schon einmal ge- streckte und cylindrisch gewordene Kopf des haar- formigen Spermiums zieht sich wieder zu einer Kugel zusammen. Trotz dieser wieder kugligen Gestalt des Kerns bietet aber das Ganze, falls der Zufall bei der Praparation es aus seiner Lage heraus gentigend isoliert hat, einen voéllig an- deren Anblick dar als der friihere, ebenfalls durch kugeligen Kern charakterisierte Zustand von Fig. 12i. Denn die Zell- membran liegt jetzt dem Kerne dicht an, vorn in ein kleines, spitziges, auch rot tingiertes Stiftchen, das Spitzenstiick tber- gehend ; und der friiher in der Zellhéhle gelegene, vierteilige Neben- kern ist ja zum Achsenfaden des vorderen Abschnitts des Schwanzes geworden. Darauf aber (Fig. 14a und 12n) streckt der kugelige Kern selbst vorn ein Spitzchen vor, welches das rote Ansatzstiick vor sich her schiebt. Weiterhin wachst jene Kernspitze auf Kosten der Kugel immer mehr in die Lange, an der Basis breiter werdend (Fig. 14b und 120). So ahnelt das Ganze zuerst etwa einem Polsternagel, dann einer Stecknadel mit um so kleine- rem Nadelkopfe, je linger der spitzige Teil ausgezogen ist. Schliel- lich wird auch der Rest der Kugel verbraucht. Danach wiirde jetzt der Kopf des Spermiums die Gestalt eines Pfriemens haben, wenn er inzwischen gerade gestreckt geblieben wire. Dem ist jedoch nicht so. Schon wahrend der schlanke Abschnitt hinten noch in eine kugelige Anschwellung iibergeht, finden sich an seinem vordersten Teile flache wellige Biegungen ein, erst eine nichst der Spitze, dann dahinter eine zweite, dritte u. s. w. Die jedesmal hinterste Biegung ist aber immer lingere Zeit hindurch noch durch ein gerades Stiick mit der an den Schwanz grenzen- den kugeligen Anschwellung yerbunden (Fig. 14¢ und 12p, q, r). Erst in dem Mafe, als das gerade Stiick sich nach hinten ver- Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, VI. 537 langert, wird es vorn in die wellige Gestaltung einbezogen, indem diese ebenmafig riickwarts sich ausdehnt. Die cinmal entstandenen, urspriinglich ganz seichten Einbiegungen werden aber allmahlich merklich tiefer, und zugleich wird es immer deutlicher, daf sie nicht in einer Ebene verlaufen, sondern sich korkzieherartig um eine ideale Achse herumwinden. Die spiralige Umgestaltung be- ginnt also an der Spitze des Kopfes und schreitet von hier aus nach hinten fort. Wenn zuletzt auch der hinterste, dickste Teil des Pfriemens die spiralige Umbildung durchgemacht hat, so sind damit reichlich sieben Windungen hergestellt (Fig. 14d und 12s). Und damit ist im wesentlichen die charakteristische Form des Kopfes unserer Spermien erreicht, abgesehen von der Anzahl der Spiralwindungen, die spéter in noch anzugebender Weise auf sechs reduziert wird. In dieser Gestalt geben nach einiger Zeit auf bald zu schil- dernde Art die haarférmigen Spermien ihre Association mit den wurmnférmigen auf und sind dann natiirlich frei, resp. unter anderen Verhaltnissen im Hodenschlauch anzutreffen. Hingegen habe ich niemals eine der der Serie n—s der Fig. 12 angehérigen Vor- stufen auferhalb der Gemengebiindel gesehen. Sie kommen nur in diesen vor. Ihre Entstehung hangt also offenbar von der Aggregation mit den wurmférmigen Elementen ab. Daraus folgt aber, daf die letzteren in ihrem Kontakte mit den ersteren auf diese einen Einfluf ausiiben, welcher deren Weiterbildung fordert. Welcher Art diese Einwirkung sein, worin sie bestehen mége, ist ja ganzlich ratselhaft. Ebenso kann ich auch nicht die Frage beantworten, ob zugleich umgekehrt die wurmférmigen Elemente eine Beeinflussung seitens der haarformigen erfahren mégen, was etwa nach dem Prinzipe der Gegenseitigkeit zu vermuten ware. Es liegt da ein schwieriges, aber ansprechendes Problem vor. In jedem Falle aber waltet in den Gemenge- biindeln ein physiologisches Verhaltnis zwischen den beiden Arten der Spermien ob. Vielleicht kénnte man dasselbe eine ,,Symbiose“ nennen; ich will es jedoch wegen moglicher Einwendungen gegen Anwendung des letzteren Terminus einfach als ,Syntaxis“ (Zusammenordnung) bezeichnen. Auf Grund der eben geschilderten und er- wogenen Thatsachen ist aber zugleich die frihere Annahme einer ginzlichen Funktionslosigkeit der wurmférmigen Elemente widerlegt. Wenn sie nach der Begattung im weiblichen Kérper keine Thatigkeit weiter auszuiiben Ba, XXX. N. F. XXII, 35 538 Leopold Auerbach, haben sollten, so spielen sie doch schon im Hoden eine gewisse Rolle, deren Bedeutung durch die Folgeerscheinungen sprechend illustriert wird. Nun habe ich aber noch iiber den weiteren Verlauf der Jugend- geschichte der haarférmigen Spermien zu berichten. Wihrend der beschriebenen Umbildung war jedes dieser Ele- mente unverriickt auf seinem einmal eingenommenen Platze ge- blieben. Bald darauf aber zeigt sich ein neues Phinomen. Um die Zeit, wo die Korkzieherform des Kopfes der haarférmigen ganz hergestellt ist, oder wenig spater lockert sich das Biindel der wurm- formigen Elemente, indem diese seitlich etwas auseinanderweichen, entweder in ihrer ganzen Linge, also einander parallel bleibend (Fig. 2B) oder bei teilweisem Raummangel wenigstens nach vorn hin divergierend (Fig. 2A). Darauf begeben sich die mit ihrem Spiralkopf ausgestatteten kleinen Samenfaiden auf eine Wanderung langs der Fugen zwischen den wurmférmigen Gebilden, und zwar in der Richtung nach dem Vorderende des Biindels, um auf diese Art schlieSlich vorn aus dem Biindel hinauszuschliipfen. Der Weg, den zu diesem Zwecke die einzelnen zuriickzulegen haben, ist ja sehr ungleich lang, betragt fiir die hinten situierten ein Mehrfaches von dem der vorn eingelagerten. Sie miiften dem- nach ceteris paribus zu sehr verschiedenen Zeitpunkten ins Freie gelangen. Allein es geschieht anders. Jene Differenzen werden merkwiirdigerweise durch andere Umstinde ausgeglichen, entweder fiir die ganze Schar oder doch fiir grofe Abteilungen derselben. Sei es nun, daf die weiter hinten gelegenen Individuen etwas friiher mit ihrer Ausbildung fertig werden, also die Reise friiher antreten kénnen, sei es daf sie auf dieser schneller vorwarts- kommen, genug, sie holen ihre Genossen auf der Wanderung ein. Die nachste Folge davon ist Anhaufung aller oder doch sehr vieler haarfo6rmiger Elemente im vordersten Teile des Biindels und bald darauf eine mehr regelmifige Zusammenordnung der Quere nach. Entweder bildet sich, tiber die ganze Breite des Biindels ausge- dehnt, eine von den haarformigen Elementen reichlich besetzte Querschicht, dies jedoch seltener, oder es formieren sich in ihnlicher Weise mehrere getrennte Rotten, die auch staffel- formig etwas gegeneinander verschoben sein kénnen (Fig. 14d). Der ganze dahinter gelegene, viel gréBere Abschnitt des Biindels ist jetzt entweder ganz frei von haarférmigen Elementen oder nur noch von einigen wenigen Nachziiglern besetzt, die den Anschlul versiumt haben. Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. VI. 539 Besondere Erwihnung verdienen hier noch die zuweilen, je- doch auch dann nur in geringer Zahl vorhandenen, verkehrt in dem Biindel eingebetteten Exemplare. Diese halten in der Ent- wickelung mit den anderen gleichen Schritt, machen aber dann deren Wanderung nicht mit, wenigstens nicht in der gleichen Rich- tung. Ich glaube aber annehmen zu diirfen, dal sie in entgegen- gesetzter Richtung ebenfalls aus dem Biindel auswandern, insofern ich dies aus ihrer Anhiufung im hintersten Teile eines Biindels schlieBen darf, wobei sie aber immer ihrer geringen Anzahl wegen nur zerstreut, nicht in einer geschlossenen Querreihe anzutreffen sind. Zu erklaren, durch welche Krafte die Vorwirtsbewegung im Biindel bewirkt werde, hat einige Schwierigkeit. Das Nachst- liegende ist ja, die eigene aktive Bewegungsfahigkeit der haar- formigen Elemente heranzuziehen. Allein im freien Zustande wird die Lokomotion derselben durch schlagende Bewegungen des Schwanzes vermittelt, zu denen im Gefiige des Biindels, auch nach dessen Lockerung, nur wenig und ungentigender Spielraum vor- handen ist. Es muf also eine modifizierte Art ihrer spontanen Lokomotion vorausgesetzt werden, oder es kénnte auch mithelfen, da8 sie durch Bewegungen der sie umgebenden wurmformigen Ele- mente vorwartsgeschoben werden. Hier ist nun der Ort, um auf den Ausnahmefall zuriick- zukommen, daf in einem Biindel mehr als eine Ausbildungsstufe der haarformigen Elemente vertreten ist. Damit hat es folgende Bewandtnis. In einem meiner Priparate ist ein Gemengebiindel zu finden, in welchem die spiralképfig gewordenen Elemente bereits vorn versammelt und gruppenweise nebeneinander gereiht sind, wahrend, von dieser Partie getrennt durch eine von solchen Formen ent- leerte Mittelzone, hinten eine Gegend des Biindels folgt, in der zerstreut Képfe von einer viel friiheren Form sichtbar sind, der Fig. 120 nahe stehend. Es liegen nun zur Erklarung dieses un- gewohnlichen Vorkommens zwei Méglichkeiten vor. Die eine ist, da diese Individuen durch irgend eine Ursache in ihrer Weiter- entwickelung gehemmt worden sind; jedoch ist dies bei der nor- malen Ausbildung so vieler anderer Genossen sowohl an sich, wie auch wegen der GleichmaBigkeit des Zuriickbleibens wenig wahr- scheinlich. Die andere Eventualitét aber, die mir plausibler er- scheint, ist ein neuer Nachschub kiirzlich aus der ersten Aus- bildungsperiode hervorgegangener Individuen. Danach wiirden in einzelnen Fallen, wihrend die beinahe reifen nach vorn riicken, 35 * 540 Leopold Auerbach, neue, soeben mit der ersten Periode ihrer Ausbildung fertige in die Fugen des hinteren Teils des Biindels hineinschliipfen. Doch kann dies nach dem Gesagten nur ein seltenes Ereignis sein. Nach dieser Einschaltung sind jetzt die in normaler Richtung auswandernden Elemente wieder ins Auge zu fassen. Wir haben dieselben verlassen, als sie in dichten Querreihen geordnet waren. Jetzt riicken nun diese Kompagnien, eine jede im Gleichschritt, weiter vor, bis die vorderen Spitzen der spiraligen Képfe zwischen den Képfchen der wurmférmigen Elemente angelangt, also auch der Schlauchwandung ganz nahe gekommen sind. Zuweilen sieht man die ganze, flache oder stairker gewélbte vordere Endfliche des Biindels von den blauen Spiralképfen besetzt, andere Male nur einen Teil dieser Endfliche, waihrend eine oder mehrere andere Gruppen der wandernden Spermien auch schon nahe am Ziele sind. An diesem angelangt sich vollends aus der Einklemmung auf die bisherige Weise herauszuarbeiten, wiirde ihnen wegen Mangels an Raum zu weiterem Vorriicken nicht gelingen. Dennoch werden sie ganz befreit, und zwar wohl dadurch, da’ um diese Zeit die wurm- formigen Elemente beginnen sich nach riickwarts zuriickzuziehen und so die zwischen ihnen befindlichen kleinen Samenfaden vorn ent- weichen zu lassen (Fig. 2A u. B). Thatsichlich ragt ein immer langeres Stiick der blauen Spiralen hervor, dann diese ganz, und schlieflich sind diese Individuen vollig herausgelést, wihrend die Schaar der wurmférmigen noch einige Zeit in loser Zusammen- lagerung etwas tiefer im Inneren des Schlauchs zu finden ist. Die gleichzeitig frei gewordenen haarférmigen Spermien ver- einigen sich aber sofort wieder unter sich zu neuen Biindeln von je 10—830 gleich gerichteten Individuen, indem die Koépfe sich seit- lich genau aneinander legen und namentlich mit ihrem an den Schwanz anstofenden dickeren Ende fest aneinander haften, waih- rend die spitzigen Vorderenden in einem geringen Abstande von- einander bleiben, immerhin so, dal} die Képfe im ganzen gegen- einander konvergieren (Fig. 1@h). Der Zusammenhalt ist so innig, daf auch in Dissociationspraparaten solche ganze Biindel vielfach sich vorfinden. Diese Art der Aggregation entspricht nun ganz den auch bei so vielen anderen Tieren im Hoden vorfind-— lichen Spermien-Biindeln, iiber deren wahrscheinliche physiologische Bedeutung ich mich in meiner Abhandlung iiber Dytiscus (1 f) ausgesprochen habe. In unserem jetzigen Falle wird es aber vollig klar, was sich sonst nicht oft nachweisen lat, daB diese Biindel Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. VI. 541 durch nachtragliche Zusammenordnung von Individuen entstehen, die vorher ziemlich weit voneinander entfernt gewesen waren und sehr leicht aus verschiedenen Spermioblastenhaufchen herstammen kénnen. In ihrer natiirlichen Lage, wie sie in Schnittpraparaten sich darstellt, sind auch diese Biindel immer ziemlich senkrecht gegen die Schlauchwandung gestellt und mit dieser in inniger Beriihrung. Auferdem findet man aber auch hier und da an einer Wandstelle in ahnlicher Position ein vereinzeltes Spermium der gleichen Form oder einige solche lose nebeneinander (Fig. 2). Vielleicht sind das Individuen, die vorher verkehrt im Gemengebiindel gesteckt hatten (S. 533 u. 539), dann aus dessen hinterem Ende herausgeschliipft waren und wegen ihrer geringen Anzahl und raumlichen Zerstreuung nicht so leicht Zusammenschluf mit anderen finden konnten. Diese vereinzelten Exemplare lassen gewisse Feinheiten der Struktur noch leichter erkennen, als die in einem Biindel dicht zusammen- gehauften. In beiden Fallen zeigt sich bei starkster VergréSerung und guter Konservierung des Wandungsprotoplasma, daf die Spitzen der Spermienképfe in dieses Protoplasma eingesenkt sind, als sei damit die Befriedigung irgend eines stofflichen Bediirfnisses bezweckt. Dieses raumliche Verhaltnis waltet sogar dann ob, wenn die Protoplasmalage an ihrer inneren Flache von Samenzellen be- legt ist. Der Kopf des Spermiums steckt dann teilweise zwischen diesen Zellen, nichtsdestoweniger mit seiner Spitze bis nahe an die Basalmembran der Schlauchwand reichend. Er mufB sich also zwischen die Zellen hineingebohrt haben, um an und in die aufere Schicht zu gelangen. Auch ein Biindel sieht man nicht selten seit- lich von Rundzellen umlagert, so daf der Eindruck entsteht, es habe sich auch unter Verdrangung der Zellen seinen Weg zum Wandungsprotoplasma gesucht. Ferner aber zeigt sich an den Spermien dieser Phase auch jetzt noch der gewundene blaue Kopf oftmals von einer roten Linie umsaumt; d. h. die ihn umbhiillende Zellmembran ist noch erkennbar. Das Gleiche gilt von dem Spitzen- stiick, das selbst, wenn es schon in der Protoplasmaschicht steckt, von dieser durch seine intensiver rote Farbe absticht. In solcher Stellung und Gruppierung nun verweilen diese bei- nahe reifen Samenfaden wahrscheinlich recht lange Zeit, nach der Haufigkeit des Vorkommens dieser Situation zu schlieBen. End- lich ziehen sie sich aber doch von der Wandung los, geraten mehr in das Innere der Schlauchhéhle hinein. Die Biindel fahren hier auseinander. Infolgedessen sind dann stellenweise im Hoden zahl- 542 Leopold Auerbach, reiche isolierte Exemplare dieser Art in ungeordneter Lage und in wirrem Durcheinander mit wurmférmigen zu finden. Und in dieser Vermengung gelangen sie auch in den Ausfiihrungsgang und zur Kjakulation. Wenn man nun die haarférmigen Spermien aus den letzt- erwahnten Biindeln unter sich und mit den spater wieder isolierten und ganz reifen genauer vergleicht, so ergiebt sich, dafi in der Zwischenzeit noch merkliche Verénderungen an ihnen vorgehen. Die Kopfspirale wird unter Minderung ihres Steigungswinkels kiirzer und breiter; zugleich aber wird die Anzahl ihrer Windungen von 71/, auf 6 reduziert. Also werden nicht nur die Windungen einander genahert, sondern auch die ganze Spirale etwas auf- gedrillt. AufSerdem aber wird die sie bekleidende, rot tingierbare Membran diinner, schlieSlich so sehr, daf’ sie in ihrer dichten An- lagerung an die blaue Kernsubstanz nicht mehr zu unterscheiden ist. Und auch das Spitzenstiick schwindet allmahlich dahin. An beinahe reifen Exemplaren kann man es 6fters noch in verkleiner- tem Zustande, als ein kurzes rotes Spitzchen sehen. An ganz reifen aber ist bei Paludina jede sichtbare Spur jenes Aufsatzes abhanden gekommen, sehr im Gegensatze zu dem an anderen Gastropoden zu Beobachtenden, z. B. an den reifen Samenfaiden von Helix pom., deren blau tingiertem, pfriemenformigem Kopfe vorn ein rotes Stiftchen als Spitzenstiick ansitzt. An dieses Schwinden der eben genannten Bestandteile kniipft sich die Frage, was aus ihrer Substanz werden mége. Dariiber kann ich nur eine Vermutung aufern. Um die gleiche Zeit verlangert sich der Schwanz bedeutend, ohne dabei im ganzen diinner zu werden. Das ihm zuwachsende Material kann nun sehr wohl von der protoplasmatischen Kopfscheide und dem mit dieser zusammen- hingenden Spitzenstiick geliefert werden. Deren Substanz diirfte unter molekuléren Verschiebungen grofenteils in den Schwanz hineinwandern, um hier namentlich dem Wachstum des zweiten, hinteren Schwanzabschnitts zu gute zu kommen, der ja an- scheinend von vorn herein (vgl. oben S. 496) aus der protoplasma- tischen Grenzmembran herausgewachsen ist und aus dieser schon friiher das Material zu seiner Vergréferung bezogen hat. Die Annahme aber, da8 die protoplasmatische Hiillmembran des Kopfs nur auferst verdiinnt, jedoch nicht ganzlich beseitigt wird, stiitzt sich auf die vorauszusetzende Analogie mit den Samenkérpern héherer Tiere, an denen in neuerer Zeit nach den Ergebnissen einiger vortrefflichen Beobachter und auch nach meinen eigenen, Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. VI. 543 friiher mitgeteilten Befunden (fe u. 1f) eine derartige Ein- scheidung des Kopfs unzweideutig konstatiert werden kann. Ich bin also nach allen meinen Beobachtungen ganz derjenigen Ansicht, welche zuerst LA VALETTE ausgesprochen hat, daf nam- lich tiberall das reife Spermium nicht nur den Wert einer ganzen Zelle hat, sondern auch an seinem Kopfteile noch von einer peri- pherischen Schicht der Zellsubstanz eingefaBt ist. Hiermit wiire das, was ich tiber das Genetische der haarférmigen Spermien zu sagen hatte, erledigt, wenn ich mich nicht noch mit einer das Spitzenstiick betreffenden, sehr eigentiimlichen Ansicht PuatNER’s auseinanderzusetzen hatte. Dieser Beobachter hat der vor- dersten Windung des Spiralkopfes den Wert eines Spitzenstiicks zu- geschrieben und auf diese Auffassung um so mehr Wert gelegt, als er annahm, dafi dieses vermeintliche Spitzenstiick aus der Substanz des Centrosoma gebildet werde, was er durch eine besondere tinktionelle Differenzierung stiitzen zu k6nnen glaubte. Es sei bemerkt, daw PLaTNER angiebt, die Kopfspirale habe wenig mehr als fiinf Windun- gen, wonach also die bei Zahlung von hinten her finfte Windung diejenige ware, die hier in Betracht kime. Jene Zahlenangabe ist aber nicht zutreffend; vielmehr sind — abgesehen von dem Plus von 11/, Windungen am unfertigen Gebilde — auch im reifen Zustande, wie schon Brunn richtig angegeben hat, beinahe sechs Windungen vorhanden, von denen allerdings die erste an den Schwanz stofende steiler und weniger ausladend ist als die iibrigen, auferdem auch nach dem Schwanze zu in ein geradliniges Stiickchen ausliuft (Fig. 12 2), wihrend andererseits die vorderste aus einem sehr feinen Stiick des Fadens besteht, das bei seiner Zartheit und schwachen Farbung leicht iibersehen werden kann. Namentlich das allerletzte Ende dieser vordersten Windung bereitet durch seine Feinheit der Wahrnehmung Schwierigkeit. Ich will aber zugeben, daf ihr vielleicht ein Viertel zu einem vollen Umgange fehlt (Fig. 12z). Natiirlich kann nur diese letztere als vorderste Windung diejenige sein, auf welche sich die jetzige Diskussion zu beziehen hat, wie auch nur diese sich wirklich tinktionell einigermafen von den iibrigen unterscheidet. Sie erscheint nimlich am ganz reifen Spermium nach jeder Art von Tinktion viel schwicher gefirbt, als alle hinteren Windungen und nach Anwendung von Methylgriin sogar fast farblos, jedoch auch im letzteren Falle ohne scharfe Abgrenzung gegen den gefarbten Teil. Nach Benutzung von Viktoriablau ist der Abfall der Firbung geringer; sie zeigt sich dann in einem zwar blassen, aber deutlichen Blau. Und iéhnlich ver- halt es sich mit allen den Rotfiirbungen, denen iiberhaupt die wesent- liche Substanz des Kopfes zugiinglich ist, wie denen durch Karmin, Kosin, Safranin, Bekanntlich zeigt sich Entsprechendes auch an den Samenfiden anderer Tiere, naémlich — ganz abgesehen von einem etwa besonders vorhandenen Aufsatze, Spitzenstiicke oder Kopfkappe — an dem eigentlich nukleaéren Teile des Kopfes nach der Tinktion ein auffallend blasser Farbenton des vordersten Teils. Dieser ist nun in erster Linie und hauptsiachlich der Zuschirfung des Kopfes nach 544 Leopold Auerbach, vorn hin zuzuschreiben, also dem Umstande, dafi man durch eine sehr diinne gefarbte Schicht hindurchsieht'). Bei Paludina ist dies auch in hohem Mae der Fall, Gleichwohl scheint auferdem an dieser Stelle noch eine besondere Beschaffenheit der Substanz im Spiele zu sein, infolge einer Verainderung, die wahrend der letzten Ausreifung eintritt. Es sind niamlich zu der Zeit, wo die spiraligen Képfe aus den Gemengebiindeln austreten, und auch noch eine Weile spiter die vordersten Windungen merklich besser farbbar als am ganz reifen Spermium, Ich denke mir, daf an diesen wie an anderen Samenfaden wihrend der Reifung der Endteil der nukleairen Kopfmasse eine be- sonders weitgehende Verdichtung erfahren, gleichsam fiir leichteres Kindringen in ein Ei gestahlt und gerade dadurch in seiner Tingier- barkeit beeintraéchtigt werden mag, Es ist klar, dai hochgradige Dichtigkeit, wenn sie eine gewisse Grenze iiberschreitet, der Durch- farbung hinderlich sein muf durch Verengerung derjenigen Inter- stitien, in welche sonst die Farbstoffteilchen eindringen. — Nun be- ruft sich aber PLatner auf ein anderes, von ihm erlangtes tinktionelles Ergebnis. Er fand nach der schon oben erwahnten kombinierten Tinktion mit Vorfairbung in Alaunkarmin und Nachfarbung in Bleu de Lyon den groften Teil der Spirale rot, hingegen ihre vorderste Windung ,,schwach blau“ gefaérbt. Den letzten Teil dieser Behaup- tung kann ich nun zwar nicht geradezu bestitigen, indem ich bei wiederholter methodischer ?) Nachpriifung an der letzten Windung keine bestimmbare Farbung zu erkennen vermochte, will aber zugeben, 1) Besonders beweisend sind hierfiir Beobachtungen an den menschlichen Spermien. Werden deren Koépfe mit Methylgriin gefarbt, so zeigen die auf der flachen Seite liegenden ihren an den Schwanz anstofenden dicken Teil dunkel- blau, wahrend ein vorderes Feld, das die ganze Breite und etwa die halbe Lange des Kopfes einnimmt, nur mit einem Anhauch von Blau behaftet ist oder fast farblos erscheint, ohne tibrigens durch eine scharfe Linie von dem dunkeln Teile abgegrenzt zu sein. Sieht man sich hingegen die zufallig auf eine Kante gestellten Képfe an, so zeigen sich diese auch in ihrem schmalen, d. h. abge- platteten Vorderteile gesittigt blau, weil jetzt auch vorn eine hohe lichtabsor- bierende Schicht wirksam ist. Zugleich ergiebt sich, da& der Vorderabschnitt an den einzelnen Exemplaren etwas verschiedene relative Ausdehnung hat, nim- lich etwa '/, bis ?/, der Gesamtlinge des Kopfes ausmacht, gerade wie auch das helle Feld bei der Flachenansicht. Die Blaufirbung des Vorderteils durch Methylgriin beweist nun absolut, daB dieser ebenfalls nukleiren Ursprungs ist, chemisch betrachtet aus der gleichen Substanz besteht wie der hintere und mit diesem in kontinuierlichem Zusammenhange, ein integrierender Teil des Kopfes ist, was ich nicht ohne Grund besonders betone. Trotzdem mu& ich aus ander- weitigen Erfahrungen, die ich z. T. hier noch fliichtig beriihren werde, schlieBen, daB dem platten vorderen Abschnitte doch auch eine qualitative Verschieden- heit gegeniiber dem hinteren anhaftet, die aber nur physikalischer Natur sein kann und vielleicht in einer besonders hochgradigen Verdichtung besteht (vel. die im ‘l'ext folgenden Bemerkungen). 2) Bei der zu diesem Verfahren gehérigen Nachfarbung beginnt die blaue Impragnierung der Spermienképfe an deren vorderem Ende und schreitet von hier nach hinten fort, wahrend die Entfirbung in Alkohol den umgekehrten Weg verfolgt. Man kann deshalb bei ungeniigendem Zeitaufwande fiir beide Prozeduren aufer der vordersten Windung auch noch die niachste und eventuell die zweitnachste blau, alle hinteren hingegen rot :finden. Und Entsprechendes gilt auch mutatis mutandis fiir die noch leichter zu beobachtenden grofen Képfe der Tritonspermien. Spermatogenese yon Paludina vivipara. — Abschn. VI. 545 dafi diese fiir ein anderes Auge eventuell einen Stich ins Blauliche zu haben scheinen konnte!). Wire dem aber auch so, so wiirde damit doch ihre Substanz keineswegs als die eines Centrosoma nach- gewiesen sein, da sonst nicht das Geringste dariiber bekannt ist, dab Bleu de Lyon gerade auf Centrosomen specifisch tingierend wirke. Uberdies zeigt sich, da® bei dem Pxiarner’schen Verfahren auch der Schwanz des Spermiums blau gefirbt wird, und zwar sicherer und intensiver als die vorderste Spiralwindung; man miibte also kon- sequenterweise schliefen, daf aueh der ganze Schwanz vom Centro- soma abstamme. Daf eine solche Abstammung nicht einmal fiir das wirkliche Spitzenstiick nachweisbar ist, habe ich oben, 8, 493, dar- gethan. Und daf die vorderste Spiralwindung iiberhaupt nicht ein umgewandeltes Spitzenstiick sein kann, geht, auch wenn man von dem Mangel der Abgrenzung und von der gebogenen Form absehen will, aus der ganzen yon mir dargelegten Entwickelung geniigend hervor. Uber die Bewegungsart der haarférmigen Spermien sowohl, als der wurmférmigen, sowie auch tiber einige andere Punkte habe ich mich ausfiihrlicher in meiner ersten beziiglichen Mitteilung (1h) ausgesprochen, auf welche, als das hier Gebotene erganzend, hingewiesen sel. VII. Riieckblick. Bei der Fiille der besprochenen Thatsachen ware es unthun- lich, deren Gesamtheit in einer Rekapitulation unterzubringen. Nur einige hervorragende, z. T. eigenartige Ziige dieser Spermato- genese gestatte ich mir nochmals hervorzuheben. Betreffs der Entstehung der haarférmigen Spermien hat sich herausgestellt, daf infolge viermal wiederholter mitotischer Teilung der Spermatogonien und ihrer Abkémmlingszellen im ganzen fiinf Generationen von Samenzellen auftreten, deren letzte durch die zu den haarformigen Spermien sich um- bildenden Zellen, d. h. nach meiner Benennungsweise durch die 1) Ich mufé das um so mehr fiir moglich halten, als ich Entsprechendes an den Samenkorpern einiger Wirbeltiere wirklich konstatieren konnte, und zwar gerade nach griindlicher und geregelter Durchfiihrung der Pxarner’schen Tinktion. Am auffallendsten ist die Erscheinung wieder an den Elementen des menschlichen Sperma, an denen der hintere dicke Teil des Kopfes rot, der vordere platte hingegen blaBblau wird. Aber gerade die letztere Thatsache beweist, in Verbindung mit den in der Anm. 1 auf S. 544 beigebrachten, dab die differente Farbung nicht den Sinn haben kann, den Puatyer ibr unterlegt, sondern einer anderen Erklirung bedarf, die sich tiberhaupt nicht auf eine morphologische Gliederung beziehen wird. Hieriiber und tiber weitere damit zusammenhangende Punkte behalte ich mir eingehendere Auferungen fir ein anderes Mal vor. 546 Leopold Auerbach, Spermioblasten dargestellt wird. Die Teilungen erfolgen ohne zwischengeschobenes Wachstum der Zellen, infolgedessen der Spermioblast, sowie er unmittel- bar nach seinem Hervorgehen aus der letzten Tei- lung beschaffen ist, ein Sechzehntel der Masse des Spermatogoniums enthalt. Diese Proportion diirfte auch fiir die einzelnen wesentlichen Bestandteile der verglichenen Zellen gelten, da iiberhaupt in den Samenzellen verschiedener Gréfe das quantitative Verhaltnis der konstituierenden Bestandteile zu einan- der immer sich gleich zu bleiben scheint. Hinsichtlich der mitotischen und der damit zusammenhangen- den Vorgiinge stehen ja meine Befunde im grofen und ganzen in erfreulicher Ubereinstimmung mit dem in analogen Fallen von anderen Forschern Wahrgenommenen. Gewisse Unvollkommen- heiten meiner Ergebnisse, besonders auch betreffs der Centro- somen, bedaure ich; sie waren verursacht einesteils durch die besondere Ungunst des Objekts, anderenteils vielleicht auch durch die Art meiner, wegen anderer Vorteile bevorzugten Vorbehand- lung. Wenn mir nun, auch abgesehen von Verschiedenheiten der subjektiven Auffassung, in einigen Punkten ungewohnliche Modi- fikationen der Erscheinungen entgegengetreten sind, so stellen diese wohl z. T. besondere Eigentiimlichkeiten der untersuchten Tiergattung oder Familie dar, wie es sich ja tberhaupt schon ge- zeigt hat, da8 bei prinzipieller Ubereinstimmung sich doch nicht alles iiberall nach einer Schablone gestaltet. Einige meiner viel- leicht etwas auffailligen Ergebnisse beriihren freilich Fragen von allgemeinerer Wichtigkeit. Aus der Gesamtheit meiner die Tei- lungsvorginge betreffenden Resultate méchte ich namentlich die folgenden nochmals in Erinnerung bringen. Der Nebenkern entsteht nachweislich allmah- lich durch Verdichtung des Cytoplasma. Er er- fihrt in der Zeit zwischen dem Schleifen- und dem Spindelstadium eine Teilung in zwei gleiche Por- tionen, die sich nach zwei gegeniiberliegenden Polen der Zelle hinbegeben, von wo aus sie durch Aus- strahlungen ihrer Substanz gemeinsam die Faser- spindel formieren. Die Faserspindel besteht also hauptsachlich aus modifizierter Zellsubstanz, wie sie sich ja auch nach Erfiillung ihrer Aufgabe wie- der in diffuses, den ganzen Zellraum einnehmendes lockeres Cytoplasma ausbreitet. Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn. VI. 547 Die Grundzahl der Karyosomen ist vier. Am Ende des Schleifenstadiums zerfallen jedesmal die vier Fiden in sechzehn Stiicke, die sich zu Kigel- chen abrunden und vor der Kinlagerung in die Faser- spindel wieder zu vier Karyosomen von gedrunge- ner Form vereinigen, eine Prozedur, tiber deren Bedeutung ich mich oben vermutungsweise ausgesprochen habe. In der dritten Zellgeneration nimmt dieser Vorgang die Form des,,Viererstadiums* an und findet sich auch die Abweichung ein, da an der Faserspindel jedes der vier Karyosomen, statt wie sonst in zwei, dies- malin vier Teilstiicke zerfallt, so da8 acht Koérper- chen nach jedem Pole hinwandern. Diese Modifika- tion hat jedoch bei Paludina kein Uberspringen eines Ruhezustandes der Kerne zur Folge. In der vierten Generation enthalt die Faserspindel wieder vier Karyo- somen, welche nach Zweiteilung wie gewohnlich vier Tochterkaryo- somen nach jedem Pol hin abgeben. Dies ist eine Wiederaufhebung der vorangegangenen Verdoppelung. Hingegen ist demnach bei Paludina mit der letzten Teilung keine absolute Reduktion der Zahl der Karyosomen verbunden, indem in die Kerne der Spermioblasten wieder vier Karyosomen eintreten, also eben so viele, wie in die Kerne der zweiten und dritten Generation der Samenzellen. Wohl aber ist durch die wiederholte Halbierung eine sehr bedeutende Reduktion der Masse der kyanophilen Substanz bedingt, welche dadurch auf ein Sechzehntel des Betrages, den sie in den Spermato- gonien hatte, herabgemindert wird; und es kann auch diese Art von Reduktion nicht ohne Einflu8 auf die Vererbungsverhiltnisse bleiben. Bei der Umbildung des Spermioblasten zu dem haarf6rmigen Spermium wird zuerst, ganz wie friiher, ein Nebenkern gebildet. Dieser liefert nach Verschmelzung mit dem aus dem Kerne ausgetrete- nen Nucleolus das Material sowohl zum Spitzen- stiick, als auch zu einem wesentlichen Bestandteile des Schwanzes, nimlich dem in der Entwickelungs- zeit noch kenntlichen Achsenstrang. Letzteres ge- schieht so, da& der betreffende abgetrennte Teil des Nebenkerns sich nach vierfacher Einkerbung zu einem Biindel von vier Stabchen ausstreckt, das, 548 Leopold Auerbach, umhillt von der sich anschmiegenden Zellmembran, den vorderen Abschnitt des Schwanzes bildet, wel- chem ein aus dieser Membran herausgesprofter Faden als hinterer Abschnitt des Schwanzes ange- fiigt ist. Der die Art der Verwendung des Nebenkerns be- treffende Teil der Beobachtung deckt sich grofenteils mit friiheren Befunden von BirrscHii, LA VALETTE und PLatTNER. Jedoch war des letztgenannten Autors angeblich aus dem Kerne_hervor- gesproBter Centralfaden nicht zu konstatieren. In Betreff der wurmférmigen Samenfaden aber hat sich fol- gendes herausgestellt: Diejenigen Zellen, die zu den wurmférmigen Spermien sich umbilden, gehoren der ersten oder ausnahmsweise der zweiten Zellgene- ration an. Sie gleichen anfangs ihren Schwester- zellen und machen dann, ganz wie diese, einen mito- tischen Proze8 durch bis kurz vor das Dispirem- stadium. Jetzt beginnt die abweichende Weiter- entwickelung damit, daf in den beiden Polgegenden die je vier Karyosomen auseinanderweichen und dabei durch Zweiteilung an Zahl zunehmen. Diese jetzt in diffuses Cytoplasma eingebetteten kleinen Koérperchen, welche die gesamte kyanophile Substanz der Zelle darstellen, zerstreuen sich weiterhin im ganzen Zellraume und zerfallen nach und nach in immer feinere und feinere Staubchen, die sich dann eine Zeitlang nur noch durch den dunkleren Farbenton der Zellsubstanz verraten, bis auch dieser verschwindet. Zweifelhaft bleibt nur, ob die Molekiile der kyanophilen Kernsubstanz schlieBlich chemisch zerstért oderan der Oberflache der Zelle ausgeschieden werden. Auf eine oder die andere Art aber werden sie ganzlich beseitigt. Da- nach ist und bleibt fernerhin diese Bildungszelle kernlos im weitesten Sinne des Wortes. Denn der- jenige dunklere Innenkoérper, der zur Bildung des Achsenstranges verbraucht wird und den friheren Beobachtern als ein Fragment des Kernes gegolten hat, ist thatsachlich protoplasmatischer Natur und hat den Wert eines Nebenkerns, der ersichtlich durch Verdichtung eines Teiles des Cytoplasma neu entsteht. Da ein eigentlicher Kern fehlt, so habe ich ihn Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn, VII. 549 als Cytoplasmakern bezeichnet. Wenn nun die schon friiher (1h) von mir ermittelte und kundgegebene Thatsache, daf die wurmférmigen Spermien ganzlich eines Gehaltes an kyanophiler Substanz entbehren, bisher in genetischem Betracht noch ratselhaft war, um so mehr als nach den friiheren Autoren ein Fragment des Kerns bestehen bleiben sollte, so ist diese Sache jetzt véllig auf- geklairt, bis auf den einen Punkt, ob es ein chemischer oder ein mechanischer Vorgang sein mag, durch den jene Substanz nach ihrem molekularen Zerfall schlieBlich ganz beseitigt wird. Meine friiher ausgesprochene Vermutung aber, daf die wurm- formigen Spermien doch wohl nicht so ganzlich funktionslos sein diirften, ist jetzt bestatigt. Die oben geschilderte Syn- taxis der zweierlei Samenelemente ist mit Erschei- nungen verknipft, die den sicheren Schlu8 begrin- den, daf die haarférmigenSpermien zu ihrer letzten Ausbildung eines allseitigen und anhaltenden Kon- takts mit den wurmférmigen bediirfen, da letztere in dieser Richtung einen seiner Wirksamkeit nach bestimmten, seinem sonstigen Wesen nach freilich noch ratselhaften Einfluf austiben. Und das ist wohl keine unwichtige Funktion. Ob aber damit die Leistungsfihig- keit der wurmférmigen Samenelemente erschépft und ihre Rolle ausgespielt ist, werden erst zukiinftige Forschungen zu lehren haben. 550 Leopold Auerbach, VII. Litteratur. 1) AuprBacn, a) Organologische Studien, Heft I u. Il, Breslau 1874. b) Zur Lehre von der Vermehrung der Zellkerne. Centralbl. f. d. med. W., 1876. c) Zelle und Zellkern. Beitr. zur Biologie der Pflanzen, her- ausg. v. F. Conn, II, 1876, 8. 1—21. d) Zur Kenntnis der tierischen Zellen, Sitzgsber. der Berl. Akad. d. Wissensch., 1890, 8S. 735—-749. e) Uber einen sexuellen Gegensatz in der Chromatophilie der Keimsubstanzen, ebenda 1891, 8. 718—750. f) Uber merkwiirdige Vorginge am Sperma von Dytiscus marg., ebenda 1893, S. 185—203. g) Zu den Bemerkungen des Herrn Dr. Battowrrz, betr. das Sperma von Dytiscus margin. Anat. Anz., VIII, Nr. 18—19, 1893. h) Spermatologische Mitteilungen. Jahresber, der Schles. Ges. iiber 1894, Zoologisch-botanische Sektion, 8. 11—38. 2) Battowrrz, Weitere Beob. iiber den feineren Bau der Siugetier- Spermatozoen. Zeitschr. f. wiss, Zool., LII. 3) Bovert, Uber das Verhalten der Centrosomen bei der Befruchtung des Seeigeleies. Verhandl. der Phys.- med. Ges. zu Wiirzburg, N. F. Bd, XXI, 1895, 4) Max v. Brunn, Untersuchungen tiber die doppelte Form der Samen- kérper von Paludina viv. Arch. f. mikr. Anat, XXIII, S. 413— 499, 1884. 5) Burscuir, a) Studien tiber die ersten Entwickelungsvorgiinge der Eizelle. Abhandl. d. Senkenbergischen naturf. Ges., Bd. X. b) Entwickelung der Samenfiaden, Zeitschr. f. wiss. Zool., XXI. 6) Duvat, a) Recherches sur la spermatogénése, étudiée chez quel- ques Gasteropodes pulmonés. Revue des Sc. Nat., VII, No. 3, 1878. b) Recherches sur la spermatogénése. Journal de micro- graphie, T. III, p. 22. 7) R. Ficx, a) Befruchtung des Axolotl-Eies. Anat, Anz., VII, 1892. b) Reifung und Befruchtung des Axolotl-Eies, Zeitschr. f. wiss. Zool., LVI, 1893. 8) Fremmine, a) Zellsubstanz, Kern- und Zellteilung, Leipzig 1882. b) Beitriige zur Kenntnis der Zelle, II, Arch. f. mikr. Anat., XVIII, 1880. Spermatogenese von Paludina vivipara, — Abschn, VIII. 551 c) Entwickelung der Samenfaden bei Salamandra, ebenda, XVIII, 8. 2383—250, 1880. d) Neue Beitr. zur Kenntnis der Zelle, ebenda, X XIX, 1887. e) Weitere Beobachtungen tiber die Entwickelung der Sperma- tosomen bei Sal. mac., ebenda, XXXI, S. 71—97, 1888. f) Artikel: ,,Zelle“ in ,,Ergebnisse der Anat, u. Entw.-Ge- schichte“, herausg. v. Merxet u. Bonnet, Bd. 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Anat., XVIII, 1880. 18) Prater, a) Uber die Spermatogenese bei den Pulmonaten. Arch. f. mikr. Anat., XXV, S. 564—581. b) Uber die Entstehung des Nebenkerns, Arch. f. mikr. Anat., XXVI, 8S. 343—369. ce) Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten, ebenda, XX VI, S. 599—621. d) Die Karyokinese bei den Lepidopteren. Internationale Mo- natsschr. f. Anat. u. Histol., III, 1886. e) Beitrag zur Kenntnis der Zelle und ihrer Teilung. Arch, f, mikr, Anat., XXXIII, 8. 125—152. 19) Rast, Uber Zellteilung. Morphologisches Jahrbuch, X. 20) vom Raru, a) Bedeutung der amitotischen Kernteilung im Hoden. Zool. Anz., XIV, Nr. 374—3876, 1891. b) Beitrag zur Kenntnis der Spermatogenese von Sal. mac. Zeitschr. f. wiss. Zool., LVII, 1898. 21) Rosen, a) Beitrag zur Kenntnis der Pflanzenzelle, 1. Mitteil., in Beitr. z. Biologie der Pflanzen, herausg, von F. Coun, Bd. V; 1892. b) Desgl., 3, Mitteil., ebenda, Bd, VII, 1895. 552 Leopold Auerbach, 22) W. Roux, a) Der Kampf der Teile (Leipzig 1881), auch in des Verf, Gesammelte Abh., I, Leipzig 1895, 8. 135. b) Uber Selbstordnung der Furchungszellen, Ber. des Naturw. Vereins zu Innsbruck, Marz und April 1893, c) Uber den Cytotropismus der Furchungszellen, Arch. f. Entwickelungsmechanik der Organismen, Bd. I, S. 43—68 u. S. 161—202. 23) Scuuzz und Junius, Tabellarische Ubersicht der kiinstlichen orga- nischen Farbstoffe, 2. Aufl,, Berlin 1891. 24) Scuwatsr, Bemerkungen iiber die Kerne der Ganglienzellen. Jen. Zeitschr, f. Naturw., X, 1876. 25) Setenxa, Entw.-Geschichte des Opossum. Wiesbaden 1886, 26) vy. Sresotp, Uber die Spermatozoen der wirbellosen Tiere. MinuEn’s Arch. f. Anat. u. Physiol., 1836. 27) Sotrwepet, Freie Zellbildung im Embryosack der Angiospermen. Jen. Zeitschr. f, Naturw., XV, 1881. 28) Srraspurcer, a) Uber Zellbildung und Zellteilung, 1. u. 2. Aufl, Jena 1875 u. 1876. b) Desgl., 3. Aufl, Jena 1880. ce) Uber den Teilungsvorgang etc., Arch. f.mikr. Anat., XXI, 1882. d) Kern~ und Zellteilung im Pflanzenreiche. Jena 1888. 29) E. H. Ziecter, Die biologische Bedeutung der amitotischen Kern- teilung. Biol. Centralbl., XI, 8. 372—389, 1891. 30) ZrecrzR und vom Ratu, Die amitotische Kernteilung bei den Ar- thropoden, ebenda, S. 744—755. 31) Weismann, a) Uber die Zah] der Richtungskérper und ihre Be- deutung fiir die Vererbung. Jena 1887. b) Amphimixis. Jena 1891. IX. Erklirung der Abbildungen. MEE EL DOM Fig. 1. Querschnitte dreier Hodenschléuche nach Hartung mit Chrom-Osmium-Essigsiiure, Man sieht an jedem derselben ringsherum das Keimlager mit den durch Osmium geschwirzten Dotterkiigelchen (vgl. S. 424). Sgk Noch mit dem Keimlager zusammenhingende kegelférmige Spermatogonien. Sg Abgeliste und abgerundete Spermato- gonien. Sc Spermatocyten verschiedener Generationen. Wz W-Zellen., bg Querschnitte longitudinal im Schlauche gelagerter, bereits ge- lockerter Biindel der wurmférmigen Spermien. bh Biindel beinahe reifer haarformiger Spermien. — Der Schnitt hat die Hodenréhrchen ~ ganz nahe ihrem blinden Ende getroffen, und zwar die beiden grdferen an der Umbiegung der seitlichen in die abschlieBende Wandung. Man sieht deshalb das Keimlager teilweise im Flachschnitt und ebenso auch diejenigen Zellengruppen, welche scheinbar im Inneren der Schlauch- héhle liegen, thatsiichlich aber Haéufchen angehdrt haben, die der Ab- schluBwandung angelagert waren. Vergr. ca. 200. Spermatogenese von Paludina vivipara. — Abschn. IX. 553 Fig. 2. Durchschnitt durch die Grenzgegend zwischen Hoden- und Lebergewebe. LL Leberréhrehen. A, B, C Hodenréhrchen, schief durch- schnitten. In dem Zwischenraum zwischen ersteren und letzteren befindet sich lockeres Bindegewebe. Smk Samenmutterkerne in situ, durch- schnitten. Sz Dem Keimlager anliegende Gruppen von Samenzellen ver- schiedener Generation. bg Querschnitte durch longitudinal im Schlauche gelagerte Gemengebiindel. Die unregelmifig zerstreuten dunkeln Punkte sind Querschnitte der blau tingierten Képfe eingelagerter haarformiger Spermien. Gb Auswanderung der haarférmigen Spermien aus den Gemengebiindeln. Erginzung zu Fig. 14. Vergr. 300. Fig. 3. Samenmutterkerne in Flachenansicht. a und b: aus Dissociationspriparaten. c und d: aus Schnitten. oc: Abschniirung eines Tochterkerns, d: Durch mehrfache Zerschniirung entstandene Kette von Tochte:zellen. Vergr. 1000. Fig. 4. Eine Reihe nebeneinander hervyorgesprofiter, noch kegel- formiger Spermatogonien. Bei a ein solches zwischen seinen Nach- barn eingekeilt und mit seinem breiten Teile auf der Schlauchwandung fuBend. Vergr. ca. 320. Fig. 5. Nach ihrer Ablésung frei liegende Spermatogonien. a: frisch im Blute des Tieres. dt Dottertropfen. b: nach Behandlung mit 1-proz. Essigs., Zellmembran durch Ablésung des Cytoplasma sichtbar. e: ein Spermatogonium in der Bildung des Nebenkerns begriffen, Sta- dium der beiden Sicheln, mit FLemmrne’scher Lésung behandelt. Der Dottertropfen ist teilweise verzehrt, halbmondférmig. Vergr. 1000. Fig. 6. Intermediare Proliferation der primaren Samenzellen (vel. S. 481—435). a: Eine gewachsene und zweikernig gewordene Zelle. b: Zweiteilung einer solechen durch Furchung. c: Eine noch mehr herangewachsene, vierkernig gewordene Zelle. d: Eine ebensolche ist durch Furchung in vier Tochterzellen geteilt; in letzteren ist noch wahrend ihres Zusammenhangs die Nebenkernbildung weit vor- geschritten. Vergr. 1000. Fig. 7. a: Aggregierte Samenzellen vierter Generation. b: Eine solche wahrend der Aggregation durch Lingsteilung in zwei, noch teilweise zusammenhingende Spermioblasten zerfallen. Vergr. ca, 2200. Fig. 8. Spermatogonien nach Fixierung mit Sublimat und Doppel- firbung, Teilungsproze®B. a: Ruhende Spermatogonie. a1: Diinner Durchschnitt des Zellenleibes, netzformige Struktur des Cytoplasma, b—e: Bildung des Nebenkerns (vgl. S, 443—446). f: Anschwellen des Kerns, Andrangen des Nebenkerns an die Zellmembran. g: Kniuel- stadium. h: Stadium der geordneten Schleifen. i: Stadium der ver- lagerten Schleifen. k: Die vier Faden sind in sechzehn Kiigelchen zerfallen, 1: Ubergang zur Bildung der Faserspindel. m: Fertige Faserspindel. n: Lingsteilung der aquatorialen Karyosomen. o: Quer- schnitt durch die Aquatorialgegend. p und q: Wanderung der Tochter- karyosomen nach den Polen. Vergr. 1400. Fig. 9. Kegelfoérmige Primirzellen mit hergestelltem Nebenkern, Doppeifairbung. a: Nach Hartung mit Sublimat. b: Nach Fixierung mit Chrom-Osmium-Essigsiure; das Dottermaterial, teilweise verzehrt, nahe dem schmalen Ende gelegen. Vergr, 1400. Bd. XXX. N. F. XXII, 36 554 L. Auerbach, Spermatogenese vy. Paludina viv. — IX. Fig. 10. Spermatogonien im Stadium der Faserspindel, mit Sublimat fixiert und mit Eisen-Haimatoxylinlack nach M. HerpEnnain gefirbt. An den Spitzen der Spindel die Centrosomen sichtbar, bei a einfach, bei b durch Teilung verdoppelt. Vergr. 800. Fig. 11, Samenzellen dritter Generation. Bei a acht Paare kleiner Karyosomen. b: Viererstadium (vgl. 8. 482). Vergr. 1400. Tafel XXII. Fig. 12. Ausbildung der Spermioblasten zu den haarférmigen Spermien. A. a: Ruhender Spermioblast. b—m: Erste Periode der Umbildung (vgl. S. 491—500). B. n—s: Zweite Periode der Umbildung wihrend der Syntaxis; es ist nur die blau tingierte Hauptmasse des Kopfs der Samenkérper in ihrer Umformung dargestellt (vgl. 8. 536— 537). C: Spermioblasten-Komplexe, in der Weiterbildung begriffen. t, u, v: Doppelspermioblasten in verschiedenen Phasen der Aus- bildung. w=: Quadruplex-Spermioblast (vgl. 8. 501—502), D.z: Ein reifes haarférmiges Spermium. x: Schraubenzieherfoérmiger Kopf. o1 und o?: Die beiden Abteilungen des Schwanzes. Vergr. von a—w = 1300, z = 1000. Fig. 18. Entwickelung der wurmférmigen Spermien. a: W-Zelle mit noch deutlicher Spur ihres Hervorgehens aus dem Dyaster-Stadium einer Mitose. b: W-Zelle mit zwei polaren Gruppen kleiner Karyo- somen. c—g: Weiterer Zerfall und Zerstreuung der Karyosomen und Bildung des Cytoplasmakerns. h—n: Umwandelung des Cytoplasma- kerns in den Achsenstrang. Der in n am hinteren Pole hinaus- gewachsene Teil des Achsenstrangs ist bei o in das Wimperbiischel zerfallen. o, p: Weitere Umbildung zur Schnurform. q: Ein reifes wurmférmiges Spermium im optischen Lingsschnitt. (NB: 0, p, q haben die gleiche Doppeltinktion durchgemacht wie a—n.) r: Ringe- lung oder Spiralstruktur der Mantelschicht des reifen wurmférmigen Spermiums. Vergr. von a—p und r = 1400, q = 1000. Fig. 14. Syntaxis der zweierlei Spermien, wahrend deren die zweite Periode der Ausbildung der haarférmigen abliuft, entsprechend Fig. 12 n—s. In a—c sind einige der Zwischenformen angedeutet. Wegen der dichten Fiigung erkennt man nur die durch ihre blaue Farbung abstechenden Képfe. In d ist das Gefiige gelockert und sind die beinahe reifen haarférmigen Spermien auf der Wanderung nach dem vorderen Ende des Gemengebiindels. Vergr. ca. 500, Ergianzend hierzu ist Fig. 2. ; Berichtigungen. Auf S. 515, Zeile 5 des Textes von unten ist das Wort ,,ist“ zu streichen, Auf S. 521, Z. 4 von oben statt ,,zweite Teilung“ zu setzen: »oweiteilung. Ueber einige Eigenschaften der Roéntgen’schen X-Strahlen’). (Vorlaufige Mittheilung.) Von Dr. A. Winkelmann und Dr. R. Straubel, Professor Privatdocent an der Universitat Jena. Hierzu Tafel XXIII u. XXIV. Die im Folgenden beschriebenen Untersuchungen beziehen sich auf verschiedene Eigenschaften der ROnrcEN’schen Strahlen und behandeln: I. Die Brechbarkeit durch Metallprismen von Eisen, Kupfer, Zink, Silber und Blei ; II. die Reflexion ; III. die Durchlassigkeit verschiedener Glaser und deren Be- standtheile fiir die Strahlen; IV. die Wirkung der Strahlen auf die empfindliche photo- graphische Schicht der Trockenplatten ; V. die diffuse Ausbreitung der Strahlen durch verschiedene Medien ; VI. die Umwandlung der ROnTGEN’schen Strahlen vermittelst Flufspath; die Ermittelung der Wellenlange der vom Flufspath ausgesandten Strahlen; die Anwendung des Flufspaths, um die Empfindlichkeit photographischer Platten fiir ‘R6nrGEn’sche Strahlen auf mehr als das Hundertfache zu steigern. 1) Theilweise in der Sitzung der med.-naturw. Gesellschaft zu Jena am 21. Februar 1896 vorgetragen. 36 * 556 A. Winkelmann und R. Straubel, I 1) ROnTGEN hat bereits die Brechbarkeit der X-Strahlen fiir eine Reihe von Substanzen untersucht. Versuche mit Wasser und Schwefelkohlenstoff ergaben gar keine Ablenkung; mit einem Hart- gummi- und Aluminiumprisma wurden Bilder erhalten, an denen man vielleicht eine Ablenkung erkennen konnte. Doch war die Sache sehr unsicher und der Brechungsexponent der X-Strahlen in den zuletzt genannten Substanzen wiirde héchstens 1,05 sein. Versuche mit Prismen von dichteren Metallen lieferten RONTGEN wegen der geringen Durchlassigkeit und der in Folge dessen geringen Intensitét der durchgelassenen Strahlen kein sicheres Resultat. 2) Hier haben wir zunichst angekniipft. Es wurden 5 Me- talle untersucht und zwar in folgender Anordnung. Nahe an einer horizontal gehaltenen Hrrrorrr’schen Réhre'!) wurde eine quadratische Bleiplatte von 20 cm Seite und 1,3 mm Dicke mit einem vertikalen Spalt, der 11 mm hoch und 1,7 mm breit war, vertikal aufgestellt. In einem Abstand von 45 mm stand eine zweite Bleiplatte gleicher Dicke und gleicher Gréfe wie die erste. Die- selbe hatte einen 26 mm hohen und mehrere mm breiten Spalt, der aber durch zwei Bleistreifen, die genau abgeglichene, ebene Begrenzungsflachen hatten, bis auf eine Breite von 0,26 mm wieder verschlossen wurde. Ferner war der Spalt, dessen Lings- richtung vertikal war, durch zwei horizontale Bleistreifen von 4.5 mm Breite, in drei tiber einander liegende, genau gleich breite und annahernd gleich hohe Abtheilungen getheilt; diese Bilei- streifen waren auf der Seite befestigt, welche der Hrrrorrr’schen Roéhre zugekehrt war. Auf der anderen Seite der Platte und zwar auf den vertikalen Bleistreifen wurden drei Metallprismen mit Wachs derart befestigt, daf die Ablenkung durch das obere und untere derjenigen durch das mittlere Prisma entgegen- gesetzt wurde. Die Prismen hatten einen brechenden Winkel von nahezu 30° und wurden so auf dem Spalt befestigt, dag die 1) Die von uns benutzten geraden Hrrrorr’schen Réhren waren von Herrn Dr. H. Geissler Nachf. Franz Miller in Bonn geliefert. Der Induktionsapparat hatte im Maxim. 50 cm Schlagweite; er wurde bei unseren Versuchen mit 12 Akkumulatoren getrieben; der primiire Strom hatte eine mittlere Stromstirke von 1,5 Amp. — Die Réhren waren so wirksam, dafs man einen Platincyaniirschirm in dem ganzen Untersuchungsraum, selbst wenn der Schirm 11 m von der Réhre ent- fernt war, noch aufleuchten sah. Ueber einige Eigenschaften der Rontgen’schen X-Strahlen. 557 X-Strahlen méglichst geringe Dicken der Prismen zu durchlaufen hatten. — In einem Abstande von 45 mm von den Prismen wurde eine kleine Cassette mit einer empfindlichen Platte verschlossen aufgestellt. Die Expositionszeit betrug beim Blei 40 Min., bei den iibrigen Metallen 20 Min. 3) Die drei Spaltbilder in jeder Aufnahme sind durch Zwischen- raume, welche von den quer gelegten Bleistiicken herriihren, von einander getrennt (vgl. Tafel I, wo die Bilder in natiirlicher Grofe wiedergegeben sind; die Reproduktion ist nur mangelhaft gelungen). Sie zeigen simmtlich das gleiche Verhalten: die drei Bilder liegen nicht genau in einer Linie, sondern das mittlere Bild ist gegentiber der Verbindungslinie des oberen und unteren Bildes seitlich verschoben. Diese Verschiebung betragt etwa 0,2 mm; ein Unterschied fir die verschiedenen Metalle la8t sich nicht mit Sicherheit erkennen. Nimmt man an, daf die genannte Verschiebung durch Brechung herbeigefiihrt ist, so ergibt sich, dafS der Brechungsexponent der Metalle fiir die X-Strahlen kleiner als 1 ist. Durch eine einfache Rechnung findet man aus den angegebenen Zahlen den Brechungs- exponenten nm = 1—0,0038. 4) Um zu untersuchen, ob etwa die Spalttheile selbst nicht genau in einer Linie lagen, wurde eine photographische Aufnahme der Spaltbilder ohne Prismen ausgefiihrt; diese Aufnahme lieB nicht die geringste Verschiebung des mittleren Bildes gegeniiber den beiden anderen erkennen. 5) Beriicksichtigt man, da8 die Intensitét der durchgelassenen Strahlen mit wachsender Dicke der Metallprismen abnimmt, so kénnte man versucht sein, die geringe Verschiebung der Bilder gegen einander hieraus zu erklaren. Es ist indessen unwahr- scheinlich, daf diese Erklarung zulissig ist, wenigstens findet sich in dem Aussehen der Spaltbilder keine Unterstiitzung fiir diese Ansicht, da eine unsymmetrische Intensitaitsvertheilung auf den Bildern nicht wahrzunehmen ist. 6) Der angegebene Werth » = 1 — 0,0038 bezieht sich auf den Brechungsexponenten von Metall gegen Luft. Da iiber den Brechungsexponenten der Luft gegen den leeren Raum fiir die ROnrGen’schen Strahlen nichts bekannt ist, lat sich eine Reduktion des angegebenen Werthes auf den leeren Raum nicht vornehmen. Immerhin machen die vorliegenden Versuche, in Verbindung mit den bereits von RONTGEN angestellten es wahrscheinlich, daf alle 558 A. Winkelmann und R. Straubel, Kérper ohne Ausnahme fiir die ROnrGeN’schen Strahlen einen Brechungsexponenten haben, der nur sehr wenig von | verschieden ist. Dies deutet darauf hin, dafi die RONTGEN’schen Strahlen weit im Ultravioletten zu suchen sind, also eine sehr kleine Wellen- lange besitzen. Denn nach der Theorie von HetMHoitz') con- vergirt der Brechungsexponent fiir unendliche kleine Wellenlangen gegen 1. mi 7) Die diffuse Reflexion der X-Strahlen wurde bereits von ROnTGEN an den Metallen Platin, Blei und Zink nachgewiesen ; dagegen konnte er beim Aluminium keine Reflexion wahrnehmen. Unsere Versuche wurden in thnlicher Weise wie bei RONTGEN ausgefiihrt. Es wurde aus der Cassette die metallene Zwischen- wand herausgenommen, um die davon herriihrende Metallreflexion zu verhindern. Es wurde die Reflexion bei folgenden Substanzen constatirt: Stanniol, Zink, Messing, Blei, Silber, Kupfer, Stahl, Aluminium, Flintglas. 8) Am stirksten wurde die Reflexion beim Stanniol gefunden; die Dicke der Schicht zeigte sich von Einfluf’, denn legt man ein Blatt (0,011 mm dick) und dann 6 aufeinander geschichtete Stan- niolblatter neben einander, so sieht man deutlich, daf die 6 Blatter starker reflektiren, als das einzelne Blatt; eine Vermehrung der 6 Blatter auf 12 oder mehr hatte keinen Einflu8’ mehr. Von Interesse ist die Frage, ob die Aufeinanderschichtung der Blatter eine andere Wirkung ergiebt, als eine entsprechende Vermehrung der Dicke der reflektirenden Substanz, ob also der Sitz der Reflexion hauptsiichlich an den Grenzflaichen oder im Innern der Substanzen zu suchen ist. Versuche dieser Art sollen spaiter mitgetheilt werden. 9) Kin Versuch, um bei einer hoch polirten Stahlplatte re gel- maifige Reflexion nachzuweisen, hatte keinen Erfolg. Ill. 10) Daf verschiedene Glaser sich beim Durchgange der X-Strahlen verschieden verhalten, ist bereits durch RONTGEN nach- gewiesen; besonders konstatirte er, da’ Bleiglaser sehr viel weniger durchlassen, als bleifreie Gliser. Um fiir eine gréBere Anzahl 1) Hetmunortz, Pogg. Ann., Bd. 154. Wied. Ann., Bd, 48, Herr Professor W. Voret hat nach einer miindlichen Mittheilung in dem 2. Bande seines ,,Compendiums der theoretischen Physik“ besonders hierauf hingewiesen. Ueber einige Eigenschaften der Roéntgen’schen X-Strahlen. 559 Glaser die Durchlissigkeit zu priifen, wurden 23 Glassorten der Untersuchung unterworfen. Die Glasstiickchen hatten sammtlich die gleiche Dicke von 2,9 mm und waren 2 qcem gro. Die photographische Aufnahme (Tafel Il) zeigt die grofe Ver- schiedenheit der Durchlassigkeit; die Reproduktion giebt nur fiir die erste Reihe die Unterschiede wieder. AuSer dem Bleigehalt ist besonders die Phosphorsaure und der Baryt der Durchlassigkeit schadlich. 11) Um den Kinflu8 der einzelnen Bestandtheile naher zu priifen, wurden dieselben fiir sich untersucht. Es ergab sich, da8 am besten durchlassig war: A. Borsiure, Natriumsalpeter, 97°/, Soda, Thonerde (Alu- miniumoxyd) ; weniger durchlissig waren: B. Kaliumsalpeter, Zinkoxyd, Sand, Pottasche; am wenigsten durchlassig erwiesen sich: C. Bleioxyd, Mennige, Antimonoxyd, Salpeters. Baryt. Der Unterschied der Gruppen A und B ist kleiner, als jener der Gruppen B und C. IV. 12) LaSt man die RONTGEn’schen Strahlen zwei photographische Trockenplatten, die beide so gestellt sind, daf die empfindlichen Schichten den Strahlen zugekehrt sind, nach einander durchsetzen, so zeigt auch die an zweiter Stelle getroffene Platte eine deutliche Wirkung; dieselbe ist allerdings geringer als auf der ersten Platte. Folgender Versuch beweist aber, da die Abschwachung, welche die zweite Platte erkennen laBt, fast allein durch die Glasmasse der ersten Platte, nicht aber durch die empfindliche Gelatinehaut veranlaft ist. Es wurde eine photographische Platte in zwei Theile zerschnitten und die eine Halfte von der empfindlichen Schicht befreit. Die beiden Halften wurden auf einer zweiten Platte neben einander gelegt und die Kombination der Wirkung der Strahlen so ausgesetzt, daf zuerst die beiden Halften und dann die zweite empfindliche Platte von den Strahlen getroffen wurde. Die letztere lie’ nach der Entwickelung keinen Unterschied erkennen. Hieraus geht hervor, daf die empfindliche Schicht einer Trockenplatte nur einen sehr geringen Bruchtheil der R6nrGEn’schen Strahlen absorbirt, den weitaus gréften Theil also durchgehen aft. 13) RonrGen hat die Frage offen gelassen, ob die chemische Wirkung auf die Silbersalze der photographischen Platte direkt 560 A. Winkelmann und R. Straubel, von den X-Strahlen ausgeiibt wird, oder ob eine Fluorescenz- wirkung, sei es der empfindlichen Schicht, sei es des Glases, die Wirkung bedingt. Wir glauben durch folgende Versuche entschieden zu haben, daf die Fluorescenz keine oder nur eine sehr geringe Rolle bei dem Vorgange spielt. Lat man die X-Strahlen auf eine photographische Platte wirken, deren empfindliche Schicht von den Strahlen abgewandt ist und die zum Theil von einer Glasplatte berihrt wird, so zeigt sich keine Wirkung der be- riihrenden Glasplatte. Hatte diese Platte fluorescirend auf die empfindliche Schicht eingewirkt, so hatte sie sich abbilden miissen. Der zweite Versuch wurde in gleicher Weise ausgeftihrt, nur wurde jetzt die empfindliche Schicht der ersten Platte zum Theil von einer empfindlichen Schicht einer zweiten Platte beriihrt. Auch diese Anordnung zeigte eine ganz gleichmafige Wirkung der X-Strahlen, woraus folgt, daB auch die zweite empfindliche Gelatine- haut keinen erkennbaren Betrag durch Fluorescenzwirkung zu der auf der ersten Schicht beobachteten Wirkung beitragt. Will man also Fluorescenz und eine indirekte photochemische Wirkung annehmen, so bleibt jedenfalls nur die Méglichkeit eines Fluorescenzlichtes, das bereits in einer gegen die Gelatineschicht sehr geringen Schichtdicke von der Gelatine stark absorbirt wird. V. 14) Bei den Versuchen, welche zur Bestimmung an Brechungs- exponenten der X-Strahlen mittels Metallprismen ausgefiihrt wurden, bildete sich auf der photographischen Platte die Metallklemme ab, mit der die Cassette gehalten wurde. Da die ganze Cassette, die 15 cm hoch und 11 cm breit war, in dem geometrischen Schatten der Bleiplatten lag, war eine direkte Wirkung der X-Strahlen ausgeschlossen. Mehrfache Abanderung der Versuche ergab, dal das Holz des Experimentirtisches, auf dem der Apparat auf- gebaut war, die Ursache der erwaihnten Abbildung war; denn als die Apparate auf einer grofen Kisenplatte montirt waren, blieb die Wirkung aus. Auch subjektiv, naémlich vermittels des fluorescirenden Schirmes, war die Wirkung deutlich zu sehen. Aus der That- sache, daf eine Verstirkung des Bleischirmes nichts an der Er- - scheinung anderte, war zu erkennen, da diese jedenfalls nicht von den durchgelassenen Strahlen herriihren konnte. Diese Be- obachtungen waren die Veranlassung zu einer weiteren Unter- suchung, welche folgendermaBen ausgefiihrt wurde. 15) Sammtliche Apparate standen auf einem Eisenplanum von Ueber einige Eigenschaften der Réntgen’schen X-Strahlen. 561 40 cm Breite und 60 cm Linge. Die Hirrorrr’sche Rohre wurde in horizontaler Richtung in einer Entfernung von 11 cm von dem genannten Planum gehalten. Vor der Rohre in der Richtung der Strahlen in einem Abstand von 8 cm stand eine Eisenplatte von 22.5 cm Hohe, 34 cm Breite und 5 cm Dicke. Der Rohre gegen- iiber auf der anderen Seite der Eisenplatte in einer Entfernung von 7,5 cm wurde ein schwarzer Schirm’ mit Bariumplatincyantir bestrichen aufgestellt. Dieser Schirm befand sich in einem Kastchen, dessen Seitenwinde mit Bleiplatten von 1,3 mm Dicke bedeckt waren; das Kastchen lag vollkommen in dem geometrischen Schatten der Eisenplatte. Stellt man dann eine Holzplatte (54 cm hoch, 70 em breit, 4,5 em dick) zwischen den Schirm und die Eisen- platte, so leuchtet der Schirm auf; dasselbe geschieht in noch starkerem Mae, wenn die Holzplatte zwischen dem Rohre und der Eisenplatte aufgestellt wird. Wird endlich die Holzplatte oberhalb der Eisenplatte vertikal, parallel dieser Platte, gehalten, ohne letztere zu beriihren, so leuchtet der Schirm noch heller als in den beiden genannten Versuchen. 16) In ahnlicher Weise wie Holz verhielten sich: Paraffin und Kohle (aus einem Element entnommen), Schellak, Papier (ein Buch), Hartkautschuk, Glas, Stanniol (2 Blatter), Aluminium, verzinktes Eisenblech. Die Koérper sind der Starke ihrer Wirkung nach geordnet, sodaf Paraffin und Kohle die beste Wirkung besitzen. 17) Die Versuche wurden vielfach abgeindert, immer ergab sich das gleiche Resultat, daf die Wirkung nicht durch eine diffuse Reflexion der von den X-Strahlen getroffenen Theile bedingt wird (denn bei der unter 15 beschriebenen Anordnung kénnen die reflektirten Strahlen den Bariumplatincyantir-Schirm gar nicht treffen), sondern da8 die von den Strahlen getroffenen Korper nach allen Seiten (nicht blo& nach aufen, sondern auch nach innen) die Strahlen aussenden, also diffus ausbreiten. In VI ist ein Ver- such beschrieben, welcher die photographische Wirkung der diffusen Ausbreitung zeigt. 18) Aufer den genannten Kérpern wurden viele Fliissigkeiten 562 A. Winkelmann und R., Straubel, untersucht. Auch hier zeigten sich deutliche Wirkungen, bei denen aber die Méglichkeit einer diffusen Reflexion nicht ausgeschlossen war. VL 19) Bei den unter II beschriebenen Reflexionsversuchen wurde auch eine gréfere Anzahl von Krystallen untersucht. Hierbei zeigte sich, daS der Flu&spath eine enorme Wirkung hervorrief ; die Stellen der photographischen Schicht, an welchen der Fluf- spath gelegen hatte, wurden bei der Entwicklung so schwarz, als ob sie direct vom Tageslicht getroffen waren. Um zu erfahren, ob hier ein Zufall vorliege, wurden gleichzeitig mehrere Flu8spath- krystalle mit der empfindlichen Schicht in Beriihrung gebracht; aber alle zeigten das gleiche Resultat. 20) DaB diese starke Wirkung des Flufspaths nicht durch Reflexion veranlaft ist, ergiebt sich unmittelbar daraus, da durch eine einmalige Reflexion héchstens die doppelte Intensitaét gegen- iiber jener ohne Reflexion erreicht wird. In dem vorliegenden Falle war aber die Intensitaét an den vom Flufspath bedeckten Stellen mindestens 100 Mal so grof, als anderswo. 21) Es muf daher durch den Flufspath eine Umwandlung der ROntGeEnN’schen Strahlen in solche anderer Wellenlinge eintreten, die im Folgenden der Kiirze halber als FluSspath- strahlen bezeichnet werden mdégen. 22) Daf in der That eine Umwandlung stattgefunden hat, ergiebt sich aus zahlreichen Versuchen. Die R6nTGEn’schen Strahlen treffen bei diesen Versuchen, ebenso wie bei den Reflexionsver- suchen, zuerst das Glas der photographischen Platte, dann die empfindliche Schicht und endlich den Flufspath. Legt man zwischen die empfindliche Schicht und den Flufspath ein diinnes Blatt von Papier oder von Stanniol, so hort die Wirkung des Fluf- spaths vollstandig auf. Da die Rénrcen’schen Strahlen durch diinne Schichten von Papier und Stanniol fast ungeschwacht hin- durchgehen, so folgt aus dem Versuch, da’ die Flu8spathstrahlen im Gegensatz zu den ROnrGEN’schen Strahlen Papier und Stanniol nicht zu durchsetzen vermégen. 23) Wir haben den Brechungsexponenten der Flu8spathstrahlen zu bestimmen gesucht. Hierzu wurde ein Flufspathprisma be- nutzt, nachdem konstatirt war, da die Strahlen von den Glasern stirker, als vom Flufspath selbst, absorbiert werden. Die Anordnung der Versuche war folgende: Die Hirrorrr’sche Ueber einige Eigenschaften der Rontgen’schen X-Strahlen. 563 Rohre war horizontal aufgestellt und sandte die RONTGEN’schen X-Strahlen auf die Objektivéffnung einer photographischen Camera, deren Objektiv entfernt war. An Stelle des Objektivs wurde (vom Rohr aus gesehen) zuerst ein Blatt schwarzen Cartonpapiers und dann ein Bleispalt eingesetzt. Hinter diesem befand sich eine Flufspathplatte (die auf einer Seite rauh gemacht war, und deren rauhe Seite der Hirrorrr’schen Roéhre zugekehrt wurde), welche den Zweck hatte, die durch den Bleispalt tretenden R6NTGEN’schen Strahlen in Flu8spathstrahlen zu verwandeln. Dann folgte eine grofe Blei- platte mit einem zweiten Spalt von 18 mm Hohe und 1,4 mm Breite. Auf der Bleiplatte war ein FlufSspathprisma von 19°48‘ brechendem Winkel so gesetzt, daB die obere Halfte des Spaltes frei blieb. Auf der photographischen Platte, die 76,35 mm vom Spalt entfernt stand, erhielt man dann das abgelenkte und das unabgelenkte Spaltbild'); der Abstand dieser Bilder war 13,7 mm. Aus diesen Daten ergiebt sich der Brechungsexponent fiir die Flu8spathstrahlen, die durch Umwandlung der ROnrGeEn’schen Strahlen entstehen, wenn man sich mit zwei Decimalen begniigt n = 1,48. Nach der Beobachtung von Sarasin?) entspricht diesem Brechungsexponenten sehr nahe die Linie Cd,, des Cadmium- spektrums mit der Wellenlinge 219.10-°. Nimmt man an, was wahrscheinlich ist, da’ die von uns untersuchten Flufspathstrahlen Transversalwellen darstellen, so wiirde ihnen die angegebene Wellenlinge als mittlerer Werth angehéren, die Strahlen also weit im Ultravioletten liegen. 24) Eine Untersuchung der Frage, welche Schichtdicke des FluSspaths geniigt, um eine Wirkung auf der photographischen Platte hervorzubringen, hat gezeigt, daf’ schon sehr kleine Dicken von wenigen hundertel Millimeter einen Eindruck hinterlassen. Ferner zeigte sich aber auch, daf Fluispathplatten, die auf beiden Seiten hoch polirt waren, unwirksam sind. Dieselben Platten werden sofort wirksam, sobald eine Seite rauh gemacht wird. Die Frage, wie dies zu erklaren sei, namentlich ob bei Wegnahme der Politur- schicht eine Wirkung sich geltend macht, ist noch zu untersuchen. 1) Bei der Fortfiihrung der Versuche ist zur Erlangung ge- nauerer Resultate beabsichtigt, a) mit drei Flufspathprismen in gleicher Anordnung, wie unter I bei Verwendung der Metallprismen, zu arbeiten, b) einen Spektrographen mit Flufspathlinsen zu ver- wenden. 2) Sarasmy. Vgl. Lanpott-Bérnsretn, Tabellen, II. Aufl., pg. 386. 564 A. Winkelmann und R. Straubel, 25) Legt man auf die empfindliche Schicht einer photo- graphischen Platte ein Flufspathstiick, welches auf der einen Seite polirt, auf der andern rauh ist, und aft die ROnrGEn’schen Strahlen zuerst durch den Flufspath gehen und erst dann auf die empfind- liche Schicht wirken, so ist die Wirkung des FluSspaths dieselbe wie bei der friiheren Anordnung unter 22. Es war dies Resultat, nachdem erkannt war, daf die Wirkung nicht durch Reflexion veranlaft wird, zu erwarten. 26) Durch die Anwendung des Flufspaths la8t sich die Em- pfindlichkeit der photographischen Platten fiir die R6nre@EN’schen Strahlen ganz auferordentlich steigern. Schon in weniger als einer Sekunde erhalt man deutliche Wirkungen ; es wurden Knochen- aufnahmen in wenigen Sekunden ausgefiihrt. 27) Wie sehr die Empfindlichkeit durch die Anwendung des FluSspaths gesteigert wird, geht aus folgendem Versuch hervor, welcher zugleich die in 17 beschriebene diffuse Aus- breitung der ROnrcEn’schen Strahlen in festen Kérpern beweist. In einem Pappkistchen, das zur Verpackung photographischer Platten gedient hatte, wurde der Boden mit einer Bleiplatte von 1,3 mm Dicke bedeckt; auf der Bleiplatte lag eine photegraphische Platte mit der Schicht nach oben und auf dieser eine kleinere quadratische Flufspathplatte. Nachdem das Pappkastchen ver- schlossen war, wurde es den X-Strahlen, welche von unten nach oben wirkten, waihrend 40 Sekunden ausgesetzt. Beim Entwickeln zeigte sich eine deutliche Abbildung der Flufspathplatte in der auferen Begrenzung, d. h. die Rander des Bildes waren dunkel, wihrend die Mitte hell blieb. Hieraus geht hervor, daf die Wirkung nicht durch die Strahlen hervorgerufen war, welche senk- recht die untere horizontale Wand des Kastchens getroffen und etwa das Blei durchgesetzt hatten, sondern daf die Schwarzung der Rander durch Strahlen bedingt war, die die Seitenwande des Pappkastchens erreicht und sich von da diffus nach allen Seiten bis zum Flufspath ausgebreitet hatten; hier wurden sie umgewandelt und wirkten dann auf die den Randern nichst gelegenen Theile der empfindlichen Schicht. Da8 diese Erklarung die richtige ist, ergiebt sich aus dem weiteren Versuche, der zeigte, daf die - erwaihnte Abbildung ausblieb, wenn nicht blof die untere Wand des Kastchens, sondern auch die tibrigen Wande mit Blei aus- gelegt waren. 28) Wenn die angegebene Methode nur auf Flufspath-Platten angewiesen ware, wiirde ihrer praktischen Verwendung manche Ueber einige Eigenschaften der Réntgen’schen X-Strahlen. 565 Schwierigkeit entgegenstehen, besonders wenn es sich um grofere abzubildende Gegenstiinde handelt. Denn grofe tadellose Fluf- spathplatten sind kaum zu haben, mangelhafte Platten mit Spriingen lassen sich aber deshalb nicht gut verwerthen, weil alle Unvoll- kommenheiten der Platte ebenfalls mit abgebildet werden. Wir haben deshalb versucht, ob nicht ebensogute Wirkungen, wie mit wasserhellen, klaren, auf der einen Seite rauh gemachten Platten, sich mit Flu8spath-Pulvern erreichen lassen. Verreibt man kleine Flufspathstiickchen zu moéglichst feinem Staub, so ist die Wirkung bedeutend abgeschwacht; wahlt man gréfere Stiick- chen, so bilden sich die einzelnen Stiickchen mehr oder weniger gut ab, soda eine so behandelte photographische Platte den Ein- druck macht, als ob sie marmorirt ware. Dagegen haben sich Stiickchen etwa ‘von der GréSe von 0,3 mm gut bewahrt; wir haben dieselben erhalten, indem wir grobere Flufspathstiicke durch eine Miihle gehen lieBen und durch Sieben den feineren Staub entfernten. Legt man von diesen kleinen FluSspathkrystallen eine geniigende Menge in eine Cassette, darauf eine photographische Platte, soda8 die empfindliche Schicht an dem Flufspath anliegt, so erhalt man bei Anwendung der ROnrGEN’schen Strahlen in wenig Sekunden die gewiinschte Abbildung der Gegenstiinde, welche auf der Glasplatte, getrennt durch das Cassettenholz oder Papier, liegen. Die dunklen Theile der Platte zeigen zwar auch hier noch eine feinere Marmorirung, die bei Flu8spathplatten fehlt, aber fiir die meisten Zwecke ganz belanglos ist. Wir haben die Absicht, den Versuch zu machen, die kleinen Flufspathkrystalle der photo- graphischen Schicht direkt einzuverleiben. Jena, Physikalisches Institut, 27. Marz 1896. Nachtrag. Im folgenden erlauben wir uns noch einige weitere Beobach- tungen hinzuzufiigen : 29) Nachdem die auferordentlich starke Wirkung des Fluf- spaths gegeniiber den X-Strahlen konstatirt war, wurde eine grofere Anzahl verschiedener Krystalle untersucht. Es ergab sich, daf mehrere Krystalle Wirkungen ahnlicher Art ausiibten, wie der Flu8spath, wenn auch in viel schwicherem Mae; hierzu gehéren Célestin, Schwerspath, Baryt, Strontianit. Nur der Zirkon gab Wirkungen, welche denen des FluSspaths sich anniherten. Eine weitere Verfolgung dieser Beobachtung bewies aber, daf dic Wirkung eines Krystalles je nach dem Fundort desselben sehr ver- schieden sein kann. So wirkte ein Zirkon von Ceylon bedeutend stiirker, als ein solcher aus Miask. 30) Hierdurch war nahegelegt, auch verschiedene Flu8spath- krystalle zu untersuchen. Es wurden uns solche aus 15 ver- schiedenen Fundorten durch Herrn Prof. Dr. Linck aus dem hiesigen mineralogischen Institut in freundlichster Weise zur Ver- fiigung gestellt. Die Wirkung dieser Flufspathe war eine sehr verschiedene: bei einigen konnte man iiberhaupt keine Wirkung bei kurzer Expositionsdauer wahrnehmen; bei anderen waren schwache Wirkungen zu konstatiren; am stirksten war die Wir- kung der Krystalle, welche wir friiher zu unseren Versuchen be- nutzt hatten, und welche aus der Schweiz von der Oltschenalp bei Brienz stammten. Diesen kamen die Flufspathe aus dem Breisgau sehr nahe. Im Folgenden haben wir die Krystalle nach ihrer Wirksamkeit gegentiber den, RONTGEN’schen X-Strahlen ge- ordnet; gleichzeitig ist die Farbe des Krystalles angegeben. Die Zusammenfassung der Fundorte durch eine Klammer bedeutet, daf die Wirkung der betreffenden Krystalle sich als nahezu gleich erwies. 1) Oltschenalp bei Brienz (farblos, durchsichtig), 2) Breisgau!) (farblos, durchsichtig), 3) Gotthardt (pfirsichroth), 4) » (grin), 1) Eine genauere Ortsangabe war nicht zu ermitteln. Uber einige Eigenschaften d. Réntgen’schen X-Strahlen. Nachtrag. 567 5) Bergheim im Oberelsaf (weil, plattenformig), 6) Freiberg in Sachsen (hellgelb), 7) Marienberg in Sachsen (griinlich), | 8) Altenberg in Sachsen (violett), 9) Annaberg in Sachsen (gelbbraun), 10) é (hellgelb), 11) Grafschaft Derbyshire in England (griin), 12) Stolberg im Harz (derb), 13) Grafschaft Derbyshire in England (griin), 14) England’) (violett), 15) Weardale, Cumberland (blaBolive), 16) Sachsen!) (hochgelb). Die Ursache dieser starken Verschiedenheit lift sich noch nicht angeben. Eine chemische Untersuchung des Krystalls No. 1, welcher, wie erwahnt, eine sehr starke Wirkung gab, wurde auf Veranlassung des Herrn Prof. Dr. Knorr im hiesigen chemischen Laboratorium durch Herrn Dr. Scumipr ausgefiihrt: es fand sich eine Spur von Eisen und eine bestimmbare Menge von Magnesium. 31) Die Wirkung des FluSspaths haingt inde nicht allein von dem Krystall selbst resp. seinem Fundort ab, sondern auch von aiuferen Umstanden. Zuniichst ist die Réhre, welche die X- Strahlen liefert, von Bedeutung. Setzt man namlich Krystalle, welche verschieden wirksam sind, gleichzeitig den X-Strahlen aus, so zeigt sich auf der photographischen Platte, da das Intensitits- verhaltnis fiir die beiden Krystalle durchaus nicht konstant ist, sondern vielfach durch die Réhre bedingt wird, welche zur An- wendung kam. Hieraus geht hervor, daf verschiedene Roéhren auch verschiedene Strahlen aussenden kénnen. Das _ Intensi- titsverhiltnis fir die verschiedenen Krystalle, welches den Angaben unter 30) zu Grunde gelegt ist, ist deshalb streng genommen nur fir die Réhre giltig, welche bei der Beobach- tung benutzt wurde. Da ferner die Rébren selbst wiederum keine konstanten Resultate liefern — die Wirkung kann mit wachsender Zeit zu- und abnehmen — so ist die genaue Be- stimmung eines Intensitaétsverhaltnisses, welchem verschiedene Ex- positionszeiten zu Grunde liegen, auferordentlich erschwert. Dazu kommt noch, da8 die photographischen Platten — auch wenn sie gleicher Herkunft sind — gegeniiber der Flu8spathwirkung eben- falls grofe Unterschiede zeigen kénnen; denn wir haben Platten 1) Eine genauere Ortsangabe war nicht zu ermitteln. 568 A. Winkelmann und R. Straubel, gefunden, bei denen die genannte Wirkung auf weniger als */,, der friiher ermittelten abgeschwacht war. Alle diese Erfahrungen lieBen die friiher unter 20) mitgetheilte Angabe, daf der Flufspath die Wirkung der X-Strahlen auf die photographische Schicht auf den 100fachen Betrag zu steigern vermége, einer Revision bediirftig erscheinen. Hierbei stellte sich heraus, da8 die Zahl 100 nicht erreicht wird, sondern durch 30 bis 35 zu ersetzen ist. Dabei bleibt aber, wie wohl kaum be- sonders hervorzuheben noéthig ist, bestehen, da’ man mit Hilfe des Flu8spaths auch mit relativ schwachen Réhren innerhalb weniger Sekunden Aufnahmen machen kann. Dieselben zeigen aber nicht so scharfe Begrenzungen, wie die Photographien ohne Flufspath und zwar deshalb, weil die von den Strahlen getroffenen Flub- spaththeilchen nicht bloB nach einer Richtung Strahlen aussenden, sondern nach allen Richtungen. Der am SchluS unter 28) in Aussicht genommene Versuch, die kleinen Flufspathkrystalle der photographischen Schicht direkt einzuverleiben, wurde von Herrn Scuiirraur in dankenswerther Weise ausgefiihrt. Indessen ist bisher noch kein Erfolg erzielt. 32) Unter 23) ist die Fortfiihrung der Versuche, welche tiber die Brechbarkeit der von Flufspath ausgesandten Strahlen Aufschluf geben sollen, in Aussicht gestellt. Diese Versuche haben zu fol- gendem Ergebnis gefihrt. a) Es wurden Versuche mit 3 Flu8spathprismen von 35° brechendem Winkel ausgefiihrt und die Anordnung ebenso ge- trofien, wie unter I bei den Metallprismen angegeben ist. Um uns aber unabhangig von den Abstinden zu machen, welche nur schwer mit Genauigkeit zu messen sind, wurden bei ganz unver- anderter Aufstellung zwei verschiedene Aufnahmen gemacht: ein- mal fiir die Strahlen, welche vom FlufSspath ausgesandt werden (vgl. 23), dann fiir die Strahlen, welche von einer Wasserstofiréhre ausgesandt wurden, von denen die Wellenlingen von Hy an in Be- tracht kommen. Fiir die Flufspathstrahlen fand sich der Abstand der Spaltbilder auf der photographischen Platte gleich 42,0 mm, fiir die Wasserstofistrahlen gleich 40,2 mm. Hieraus berechnet sich der mittlere Brechungsexponent der Flufspathstrahlen zu 1,46, - wihrend friiher nach einem weniger genauen Verfahren 1,48 ge- funden wurde. Dem Brechungsexponenten 1,46 entspricht nach den Beobachtungen von SARASIN?!) die Wellenlange 274 - 10-° mm. 1) Lanpoxr-Bérnstern, Tabellen, Il, Aufi., S. 386. Uber einige Eigenschaften d. Réntgen’schen X-Strahlen. Nachtrag. 569 b) Einen genaueren Aufschlu8 tiber die Flufspathstrahlen er- halt man durch die Ermittelung des Spektrums. An der Spalt- éffmung von 0,55 mm eines Kollimators wurde eine Flufspathplatte befestigt, welche die von der Hrrrorr’schen Réhre ausgehenden X-Strahlen in Flufspathstrahlen verwandelte. Der Kollimator ent- hielt eine Quarzlinse von 25 cm Brennweite und 32 mm Offnung. Die aus dem Kollimator austretenden Strahlen fielen auf ein 60° Cornu’sches Doppelprisma von 35 mm Héhe und 40 mm Seite. Dieses ist aus einem rechts- und einem linksdrehenden 30 ° Quarz- prisma so zusammengesetzt, daS die optischen Achsen auf der Beriihrungsfliche senkrecht stehen. Die Prismen waren mit Glycerin, das sich durch grofe Ultraviolettempfindlichkeit aus- zeichnet, verkittet. Zur Projektion des Spektrums wurde eine Quarzlinse von 30 cm Brennweite und 32 mm Offnung benutzt ‘). Infolge der bedeutenden Fokusdifferenzen fiir die verschiedenen Teile des Spektrums darf die photographische Platte nicht senk- recht zu den bildentwerfenden Strahlen stehen, sondern muf gegen diese stark geneigt sein. Die richtige Entfernung und Neigung wurde durch Probiren gefunden. Direkt unter das Fluorescenzspektrum des FluSspaths wurden die Spektren von Thallium, Zink und Aluminium photographiert und zu diesem Zwecke tiber den vertikalen Spalt des Kollimators ein ungefahr 2 mm breiter horizontaler Spalt verschoben; der 10 mm hohe Vertikalspalt erlaubte so 5 Aufnahmen auf einer Platte zu machen. Das Thalliumspektrum wurde durch Verdampfen von Thalliumchlorid im Bunsen-Brenner, das Zink- und Aluminium- spektrum durch Uberspringen des Induktionsfunkens zwischen Elektroden der beiden Stoffe unter Einschaltung einer grofen Leydener Flasche erhalten. Die Aufnahme des Flufspathspektrums beanspruchte ungefahr 30, die der Vergleichsspektren 1 bis 2 Minuten. Die photographische Wirkung der Flufspathstrahlen beginnt auf unseren Platten bei 4 = 396 - 10-* mm, erreicht ein Maximum ungefahr bei 280 - 10° und hort bei 233 - 10~° auf; weitere In- tensitatsmaxima scheinen nicht vorhanden zu sein, doch ist zu beachten, dali die gewahlte Spaltbreite feinere Abstufungen leicht verdecken konnte. Das obige Resultat ist in geniigender Uberein- stimmung mit dem unter a) gefundenen, wo als mittlere Wellen- linge 274 - 10 © mm angegeben ist. 1) Die Quarzlinsen und Quarzprismen wurden uns von Herrn Dr. V. Scuumann, dem wir auch an dieser Stelle unseren verbind- lichen Dank aussprechen, iiberlassen. Bd, XXX, N, F. XXII. 37 570 Winkelmann u, Straubel, Réntg. X-Strahlen. Nachtrag. 33) Um den Einfluf der seltenen Erden auf die X-Strahlen kennen zu lernen, wurden von Herrn Dr. Scnorr in der hiesigen Glasfabrik eine Reihe neuer Glaser hergestellt; dieselben hatten eine méglichst gleichmafige Zusammensetzung bis auf die cha- rakteristischen Erden, deren Gehalt zwischen 10 und 5 Proz. lag. Als Beispiel mége die Zusammensetzung des Zirkonglases mit- getheilt werden; es enthielt : 14,5 K,0; 5,3 Na,O; 2,0 CaO; 0,2 As,O, ; 8,0 B,0,; 60,0 SiO,; 10,0 ZrO,. Die Glaser wurden zunachst auf die Frage hin untersucht, ob sie wie der FluSspath die X-Strahlen umzuwandeln imstande sind. Die Strahlen trafen daher zunichst das Glas der photo- graphischen Platte, dann die empfindliche Schicht und zuletzt das zu untersuchende Glas. Das Glas mit Zirkon zeigte eine deutliche Wirkung, die aber ganz bedeutend schwacher war, als die des Flufspaths; eine ge- ringere Wirkung als das Zirkonglas zeigte ein Glas mit Didym und ein solches mit Erbium; die Glaser mit Beryll, Uran, Cerium, Thorium zeigten gar keine Wirkung. Ferner wurde die Durchlassigkeit der Glaser gepriift. Es sind hierbei nur jene Glaser vollkommen vergleichbar, deren Zu- sammensetzung bis auf die seltenen Erden tibereinstimmt. Die Glaser sind in der folgenden Tabelle nach der Giite ihrer Durchlassigkeit geordnet; gleichzeitig ist das Atomgewicht der Erden und das specifische Gewicht der entsprechenden Oxyde angegeben. Atomgewicht Specifisches Gewicht der Erden der Oxyde 1) Zirkonglas 90 5,713 2) Didymglas 142 6,95 3) Ceriumglas 140 6,74 4) Thoriumglas 231 9,86. Das Zirkonglas laft am besten die X-Strahlen durch; das Thoriumglas laft in der benutzten Dicke von 3,8 mm keine merk- bare Menge mehr durch. Man bemerkt, da’ die Atomgewichte und die specifischen Gewichte der Oxyde mit wachsender Un- durchlassigkeit, abgesehen von einer kleinen Differenz, ebenfalls - wachsen. Jena, den 30. Mai 1896. Ueber Taenia (Hymenolepis) nana v. SieBoLp und murina Dui. Von Dr v. Linstow in G6ttingen. Mit 8 Figuren im Text. BrnHArz und v. SreBoup beschrieben 1852 eine sehr kleine Tanie, die sie in unzihligen Exemplaren im Darm eines Knaben in Egypten gefunden hatten; diese Beobachtung blieb durch lange Jahre die einzige, bis der Parasit, Taenia nana, neuerdings in das Subgenus Hymenolepis gestellt, von Grassi in Sicilien wieder auf- gefunden wurde, wo er seinen neueren Mitteilungen nach sehr haufig ist. Grassi und CaLanpruccio erklaérten nun Taenia nana des Menschen fiir identisch mit Taenia murina der Ratten, eine Be- hauptung, der besonders von Montez widersprochen wurde; da aber Grassi und Rovetii in ihrem letzten gréferen Werk iiber die Entwickelungsgeschichte der Tanien wiederum die Identitaét beider Formen behaupten, habe ich den Versuch gemacht, durch ein Studium der Anatomie beider Arten die Frage zu lésen. Taenia nana, Die auSere Form yon Taenia nana ist von LeuckarT') und RAILuieEt ”?) wiedergegeben; man sieht eine sehr kleine Tanie mit Gliedern, die stets breiter sind als lang, der sogenannte Halsteil 1) 2. Aufl. 8. 832, Fig. 340. 2) §, 293, Fig. 190, 37* 572 vy. Linstow, ist schmaler als der Skolex, die letzten Glieder verschmilern sich wieder etwas, so dafi das Hinterende abgerundet erscheint. Die Linge wird angegeben von Binwarz und vy. Stespoup auf 13,5—22,6 mm, von Leuckart auf 15, Srein bestimmt 12—15, Grasst und CALANDRUCCIO 8—15, Sonstno 24—25, BLANCHARD 10—15, selten 20—25 mm als die Linge; meine Exemplare, welche ich der Giite des Herrn Dr. P. Sonstno in Pisa verdanke, waren bis 14 mm lang. BILHARZ und y. SIEBOLD geben an, der Hals sei schmal und lang, hinten nehme der Kérper an Breite zu und hier seien die Proglottiden 3—4mal so breit wie der Skolex; Leuckarr giebt die gréfte Breite auf 0,53 mm an, SreIn bestimmt die Breite dicht hinter dem Skolex auf 0,1, hinten auf 0,7 mm; auch Son- sino nennt als gréf’te Breite 0,7 mm; Raiwumer 0,5—0,7 mm; wihrend ich dicht hinter dem Skolex 0,081 mm und hinten 0,48 mm mag; die Linge der letzten Proglottiden betrug bei meinen Exemplaren 0,088 mm. Die Gesamtzahl der Glieder giebt Leuckarr auf 150—170 oder 190—195, Sretn auf 150 an; ich bin zu einem sicheren Re- sultate nicht gekommen, da vorn im Kdérper der Beginn der Gliederung undeutlich ist. Als Breite des Skolex nennen Leuckart 0,33 mm; STEIN 0,45 mm; BLancHARD 0,25—0,33, nach meinen Messungen betragt sie 0,23—0,25 mm. Am Scheitel steht ein Rostellum mit einem einfachen Hakenkranz; als Zahl der Haken nennen LEucKART 22—24 oder 24—28, Grasst und CALANDRUCCIO 24—28, MonrEz 24, MrerTENS 24—28, Sonsino 24, BLANCHARD 24—28—30, ich fand 24; ihre Linge bestimmen Montez mit 0,015—0,018 mm, Mertens mit 0,015—0,016 mm, Leuckartr mit 0,018 mm, BLan- CHARD mit 0,015—0,018 mm, ich maf 0,0182 mm. Was ihre Form betrifft, so halte ich weder Leuckart’s noch Rat.ret’s Zeichnung fiir ganz zutreffend; von LeucKkartr’s Abbildungen ist der Wurzelast der einen’) zu kurz, der anderen”) zu lang, wah- rend der Hebelast Raruimr’s*) zu breit ist; meine Zeichnung halt zwischen diesen dreien die Mitte (Fig. III); die Haken sind schén gebogen, Hakenast oder Kralle und Hebelast sind fast gleich lang, der Wurzelast ist diinner als letzterer. 1) 2. Aufl., S. 833, Fig. 341 a, 2) ibid., S. 996, Fig. 409 B. 3) 8. 294, Fig. 191. Taenia (Hymenolepis) nana v. Sresotp und murina Duy. 573 Die Saugnipfe sind nach Leuckarr 0,09—0,10 mm grof, nach BLANcHARD 0,09—0,105 mm, meinen Messungen nach 0,104 mm. Sehr merkwiirdig ist ein Verhalten derselben, auf welches BLANCHARD und Grasst aufmerksam machen; die Saugnipfe kénnen sich armartig verlingern, einer nach dem anderen, und zwar so, dal} sie mit dem Skolex nur durch einen Stiel verbunden sind, letzterer aber kann abreiffen und so kénnen alle vier Saug- nipfe verloren gehen; man findet dann am Skolex hinter dem das Rostellum enthaltenden Scheitelteil vier flache Gruben; in diesem Zustande hat BLANcHARD ‘) den Skolex abgebildet. Die Rindenschicht (Fig. I a), welche aus Cuticula, Haut- muskeln und den sogenannten Subcuticularzellen besteht, ist miachtig entwickelt, sie macht !/, des ganzen Dickendurchmessers aus, ein Umstand, der bei der Vergleichung von Taenia nana und murina von Bedeutung ist. Von dem hinter dem Rostellum liegenden Gehirnganglion zieht jederseits ein Langsnerv durch die Gliederkette, der wie ge- wohnlich nach aufen von den Gefafen liegt (Fig. I n). Die Ge- fae sind schon von Grassi gesehen, der angiebt, 2 dickere und 2 diinnere beobachtet zu haben; dasselbe habe auch ich gefunden ; die dickeren liegen an der Ventral-, die diinneren an der Dorsal- seite (Fig. I g). Den Bau der Geschlechtsorgane hat Leuckart’) beschrieben und in einem schematischen Frontalbilde einer Proglottide abge- bildet; nach ihm tritt die Geschlechtsreife in einer aus 190—195 Gliedern bestehenden Kette in der 90.—106. Proglottide auf; dem- entsprechend fand ich an einem 14 mm langen Exemplar 7,8 mm vom Skolex entfernt die Geschlechtsreife eingetreten; die funk- tionierenden Geschlechtsorgane verschwinden aber sehr bald wieder, bald sind die Glieder nur noch von reifen Eiern und einigen spater zu erwihnenden tibrig gebliebenen Organen erfiillt, wodurch das Studium der Geschlechtsorgane sehr erschwert wird. Ich habe dieselben in Querschnitten gepriift und die zu einer Proglottide gehérenden Bilder in ein Bild vereinigt (Fig. I), um die Lage der Organe zu einander zu zeigen. Durch ZscHoKKE kennen wir die Anatomie von zwei Hyme- nolepis-Arten, diminuta und relicta, welche mit der unserer beiden Arten gro8e Ahnlichkeit haben. Drei grofe Hoden liegen mehr 1) Les Téniadés du genre Hymenolepis, p. 10, Fig. 3. 2) 2. Aufl. 8. 996, Fig. 408 A. 574 v. Linstow, der Dorsalseite und dem Hinterende der Proglottide genahert; an der Ventralseite in der Mitte findet sich der Dotterstock, dorsal davon die Schalendriise, seitlich links und rechts fliigelf6rmig der Keimstock, dorsal seitlich der Cirrusbeutel, mehr nach innen und etwas mehr ventral das Receptaculum seminis, so findet man die Organe bei allen vier genannten Arten (Fig. I u. 1)*). Die Geschlechtséffnungen liegen alle einseitig links, etwas vor der Mitte des Seitenrandes. Die drei Hoden sind etwa gleich grof, sie legen eng neben- einander (Fig. I h), zwei liegen dicht an der Rindenschicht an der Dorsalflache, der zumeist rechts gelegene mehr nach der Mitte zu. Der Cirrusbeutel (Fig. I c) ist kolbenférmig und nimmt etwa ein Drittel des Querdurchmessers ein. Der Cirrus wird selten vorgestreckt gefunden; in diesem Falle ist er 0,026 mm lang und 0,0029 mm breit. Dicht ventralwarts von ihm miindet die Vagina, welche nach der Mittellinie zu zu einem kolbenférmigen Receptaculum seminis anschwillt (Fig. I r), dessen Ende die Mittellinie beriihrt. Der Keimstock ist gelappt und besteht aus zwei Fliigeln, daher GrAsst und CALANDRUCCIO zwei Keimstécke, einen linken und einen rechten annehmen (Fig. I 4); die Zellen sind 0,0104 mm grof und achromatisch, die grofen, schwach farbbaren Kerne messen 0,0065 mm, die stark farbbaren Kernkérperchen 0,0026 mm. Der Dotterstock bildet ein rundliches, langlich-rundes Organ (Fig. I d); die 0,0023 mm grofen Zellen farben sich schwach, die Kerne messen 0,0008 mm. Die Schalendriise (Fig. I s) besteht aus achromatischen Zellen, deren scharf markierte Kerne sich gut farben. In den Gliedern, welche reife Kier enthalten, erkennt man noch den Cirrusbeutel (Fig. II ¢) und das Receptaculum (Fig. II 1); letzteres liegt links von der Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel des Querdurchmessers. Die Kier verdienen mit besonderer Sorgfalt studiert zu werden, denn die Beschreibung der einzelnen Autoren differiert in ver- schiedenen Punkten, und gerade sie sind besonders wichtig zur Entscheidung der Frage, ob T. nana und murina identisch sind, — wie auch durch ihr Auftreten in den Faces schon mehrere Male die Anwesenheit von T. nana im lebenden Menschen konstatiert ist. BILHARZ und y. SrepoLtp nennen die Eier kugelrund und 1) Zscnuoxxe, Tab. I—II, Fig. 21—30. Taenia (Hymenolepis) nana y. Sresotp und murina Dov. 575 0,026 mm gro’; Leuckart') beschreibt sie ebenfalls kugelrund und 0,04—0,058 mm grof, die Oncosphiire von 2 diinnen Hiillen umgeben und 0,023—0,044 mm gro’; Srern nennt Eier und Onco- sphire kugelférmig und die ersteren zweischalig; Grasst und Ca- LANDRUCCIO geben an, sie seien zweischalig und oval, 0,043—0,053 mm lang und 0,035—0,040 mm breit, und die innere Eischale sei mit zwei langen, gewundenen, an,den Polen befestigten Faden versehen; Montez findet die Oncosphire kugelig und 0,018 mm grof; nach Mertens sind die Kier oval und 0,047—0,048 mm lang und 0,038—0,039 mm breit; BLANCHARD findet 3 Eihiillen, die auSere ist 0,030—0,037 mm, ausnahmsweise 0,050 —0,055 mm lang, die mittlere 0,024—0,027 und 0,020 mm, die innere 0,016—0,019 mm; an jedem Pol befindet sich an der inneren Hiille ein kaum bemerkbares kleines Knétchen. Es ist nicht notig, darauf aufmerksam zu machen, wie sehr diese Angaben verschieden sind. Nach meinen Beobachtungen sind die Kier in der Regel kugel- rund, seltener findet man auch ovale; die zeigen 2 Hiillen, von denen die diufere zart und etwas unregelmafig begrenzt ist, die innere ist regelmafig und scharf doppelt konturiert; sie zeigt an 2 einander gegentiberstehenden Punkten je eine wenig deutliche Auflagerung, von der ein fadenformiger Anhang ausgeht, der 3—4- mal so lang wie das Ei ist; diese beiden Faden liegen aufgerollt zwischen den beiden Kihiillen und kénnen eine mittlere, dritte vortauschen (Fig. IV); die aiuSere Hiille mifSt 0,039, die innere 0,028 mm; die Haken der Oncosphare messen 0,0092 mm, bei einem besonders langgestreckten Ei war die Adufere Hiille 0,043 mm lang und 0,031 mm breit, die innere 0,029 und 0,024 mm. Uber die Entwickelung ist nichts bekannt; bei der grofen Verwandtschaft mit T. murina mu man die Moéglichkeit einer direkten Entwickelung denken; Grassi gab Eier enthaltende Pro- glottiden an einen Knaben und konstatierte nachher die Tanie im Darm, bemerkt aber dazu, da’ das Experiment wenig be- weisend sei, da die Tinie auf Sicilien sehr haufig sei. Taenia nana kommt besonders bei Kindern vor und mitunter in auBer- ordentlicher Menge, Grassi schitzt in einem Falle die Anzahl auf 4000—5000. Dann treten mehr oder weniger schwere Sté- rungen auf: bheftige Leibschmerzen, Durchfille, Abmagerung, mit- unter Fieber und Stérungen des Nervensystems, Coma, Kopf- 1) 2. Aufl. S. 836, Fig. 343. 576 v. Linstow, schmerz, epileptiforme Anfalle, Sehstérungen, Atemnot, Geistes- stérungen. Vermutlich sondern die Tanien einen giftigen Stoff, ein Leukomain ab, wie wir es von Bothriocephalus latus, Cysti- cercus cellulosae, Echinococcus, Taenia expansa, Ascaris lumbri- coides und megalocephala, Ankylostomum duodenale und Trichina spiralis wissen. Das Vaterland von Taenia nana ist Italien, besonders Sicilien (GRASSI, CALANDRUCCIO, ROVELLI, AIROLDI, VISCONTI, SEGRE, PER- RONCITO, SENNA, SONSINO, Orsi, Comint), Serbien (BLANCHARD), Ruf- land (ZocRAF), Deutschland -Kéln (Mertens), England (Ransom), Egypten (Brtnarz, Innis), Nordamerika (Spooner), Siidamerika (WERNICKE, BLANCHARD, Lutz), Asien-Siam (RascH). Die Beobach- tungen in Serbien, RuSland, Deutschland, England, Asien und Amerika sind ganz vereinzelt dastehende; vielleicht ist die Tanie wegen ihrer Kleinheit oft der Beobachtung entgangen. Taenia murina. Die Linge von Taenia murina giebt Dusarpin auf 25 mm an, SrossicH auf 45 mm, Grassi auf 33—35—40 mm, BLANCHARD auf 25—40 mm, meine Exemplare erreichten eine Linge von 23 mm, waren aber unvollstindig. Schon in der GréSe liegt ein merklicher Unterschied zwischen T. nana und murina, und wenn GRAssi meint, erstere sei eine kleinere Varietit der letzteren, so ist dagegen anzufiihren, daf es wohl méglich ware, daf eine Tanie, welche den kleinen Darm der Ratte bewohnt, in dem grofen des Menschen sich zu einer gréferen Form entwickeln kénnte, nicht aber umgekehrt; Méanr ') sagt: »C’est une remarque, que nous avons souvent faite, que, quand on rencontre la méme espéce d’helminthes chez des hétes d’espéces différentes, mais toujours voisines, les helminthes sont plus grands chez les hétes des espéces les plus grandes.“ Die Proglottiden sind nach DusArprin vorn 0,15, weiter hinten 0,55, dann 0,9 mm breit; ich fand die Breite vorn dicht hinter dem Skolex 0,32 mm, die geschlechtsreifen Glieder sind 0,35 mm ~ breit, 0,097 mm dick und 0,044 mm lang; die letzten Glieder sind 0,82 mm breit bei einer Lange von 0,13 mm. Den Skolex nennt Dusarprin 0,32 mm breit, SrossicH sagt, er sei nicht breiter als der folgende Kérper; auch ich fand den Skolex 0,32 mm breit, 1) Bullet. soc. zoolog. France, T. XX, 1895, p. 175. Taenia (Hymenolepis) nana v. Srezorp und murina Duy. 577 genau so breit wie den sogenannten Halsteil, wahrend bei T. nana der Hals viel schmaler als der Skolex ist. DusarRDIN ') findet 20—24 Haken von 0,015—0,017 mm Lange, KRrapBe 2) ebenfalls 20—24, die 0,010—0,013 mm lang sind, ich beobachtete 23—24 Haken von 0,0169 mm Linge; die Form ahnelt sehr derjenigen der Haken von T. nana; verhaltnismafig sind Haken- und Hebelast etwas kiirzer (Fig. 3). Die Saugnapfe nennt Dusarpin 0,08 mm gros, ich fand sie 0,079 mm gro8, so dag der Durchmesser der Saugnapfe sich zu dem des Skolex verhalt wie 1:4, bei T. nana aber wie 1: 2,3. Auf Querschnitten erkennt man, daf die Dicke der geschlechts- reifen Glieder sich verhalt zur Breite wie 5:18, bei T. nana, die verhiltnismabig viel dicker ist, wie 3:7; die Rindenschicht (Fig. 1 a) ist schmal; sie macht '/,, des Dickendurchmessers aus, bei T. nana 1/,. Die Nerven (Fig. 1 ») und die Gefafe (Fig. 1 g) bieten nichts Bemerkenswertes; auch hier verlauft, wie bei T. nana, das gréfere Gefaif an der Ventralseite. Der Kontur der Proglottidenkette ist sageformig, die Ge- schlechtséffnungen liegen einseitig in der Mitte des Gliedrandes. Man findet 3 sehr gro&e Hoden (Fig. 1 h), der mittlere ist stets viel kleiner als die seitlichen, welche fast die ganze Dicke der Markschicht von der Riicken- nach der Bauchseite hin ein- nehmen; auf einem Querschnitt verhalt sich der Gesamtraum, welchen die Hoden einnehmen, zu dem der Proglottide wie 1: 3, bei T. nana wie 1:8; bei T. murina ist ein Hode sehr viel groéfer, bei T. nana etwa eben so gro8 wie der Dotterstock. Der Cirrusbeutel (Fig. 1c) ist kolbenformig, er nimmt '/, des Querdurchmessers ein; der mitunter frei heraustretende Cirrus ist sehr klein, 0,01 mm lang und 0,0028 mm breit. Die Vagina liegt auch hier an der Ventralseite des Cirrus- beutels und schwillt nach innen zu einem birnformigen Recepta- culum seminis an (Fig. 1 r); es reicht auf Querschnitten bis zu 2/, der Transversallinie, bei T. nana bis zur Halfte. Der Dotterstock liegt in der Mittellinie, der Ventralflache gendhert (Fig. 1 d); die schwach firbbaren Zellen sind 0,0039 mm, ihr Kern ist 0,0021 mm grof8; an ihn legt sich rechts und links der zweifliigelige Keimstock (Fig. 1 /); seine achromatischen 1) Tab. XII, Fig. A. 2) Tab, III, Fig. 56—59. 578 v. Linstow, Zellen messen 0,013 mm; der blasige, sich schwach farbende Kern mift 0,0028 mm, dorsalwirts vom Dotterstock liegt die kleine Schalendriise (Fig. 1 s) mit achromatischen Zellen, der kleine Kern aber farbt sich stark. In den Kier enthaltenden Gliedern bemerkt man noch den Cirrusbeutel (Fig. 2 c) und das Receptaculum se- minis (Fig. 2 7); letzteres, das bei T. nana in den Kier ent- haltenden Gliedern an der Grenze des linken Drittels der Quer- linie liegt, findet sich bei T. murina etwa in deren Mitte. Die Kier beschreibt Dusarpin ') als elliptisch, mit 3 Hiillen, die auBere ist 0,065 mm, die mittlere 0,05 mm lang; die innere aber ist citronenformig, die Oncosphire ist 0,029—0,030 mm erok, die Haken messen 0,015—0,016 mm. Krappe?) hat die Kier nicht beschrieben, aber abgebildet; man erkennt die ovale Form und 3 Hiillen; Srosstcu sagt, die Kier zeigten 3 Hiillen und die innerste sei an jedem Pol mit einem Knépfchen versehen ; ebenso lautet die Beschreibung Grassi’s; Moniez nennt die Onco- sphire oval und 0,027 mm lang und 0,021 mm breit. Nach meinen Beobachtungen haben die ovalen Kier 3 Hiillen; die aufere ist 0,049—0,054 mm lang und 0,042—0,047 mm breit; die mittlere ist unregelmafig faltig, die innere ist citronenférmig, an jedem Pol steht ein deutliches Knépfchen (Fig. 4); die Lange betragt 0,031, die Breite 0,023 mm. Vergleicht man mit diesen Eiern die von T. nana, welche meistens kugelrund und zweischalig sind, und deren innere Hiille 2 lange Faden tragt, so sind die Unter- schiede auffallend genug. Die Entwickelung von Taenia murina hat Grasst in Ver- bindung mit CaALANDRUCCIO und Rove.ui gefunden ; er verfiitterte Kier enthaltende Proglottiden an Ratten und fand, dali in deren Darmzotten sich aus der Oncosphire ein Cysticercoid bildete, das genau dem Skolex der Tanie glich; das Experiment gelang meistens nur, wenn die Ratten mehr als einen und weniger als drei Monate alt waren; die Eischale wird vom Magensaft gelést, sonst miifte die Tanie sich im Darm bald ins MaBlose vermehren ; 24—36—50 Stunden nach der Fiitterung mit Proglottiden wurden die Cysti- cercoiden in den Zotten der Darmschleimhaut beobachtet, in 3—5—8 Tagen zeigten sich frei im Darm sehr zahlreiche kleine Tanien von 2—3—4 mm Lange. Was das Cysticercoid von allen anderen bekannten unterscheidet, ist der Mangel jeglicher Hiille, 1) Tab. XII, Fig. A,. 2) Tab. VII, Fig. 108, Taenia (Hymenolepis) nana v. Srezotp und murina Dos. 579 die bei anderen Formen mitunter eine stark entwickelte, dreifache ist; auch fehlt der sonst in der Regel beobachtete lange Schwanz- anhang. Ein Zwischenwirt fehlt, und daher miissen wir die Ent- wickelung eine direkte nennen; BLANCHARD!) bestreitet dieses, indem er sagt: ,,En réalité, le développement n’est point direct: nous nous trouvons en présence d’un Cestode qui a pour hote intermédiaire le Rat et pour hdéte définitif également le Rat.“ Es miiBte aber heiBen le méme Rat, denn die Tanie macht ihren ganzen Entwickelungsgang in demselben Tiere durch. Derselbe ist héchst merkwiirdig, weil bei Tanien bisher niemals etwas Ahn- liches beobachtet ist, und weil eine Anzahl von sehr nahe ver- wandten, zu Hymenolepis gehérigen Tanien in Insekten und Myria- poden lebende Cysticercoiden haben, wie Sremn, ViLLor, GRASSI und ich gezeigt haben. Die Wohntiere sind Mus decumanus, musculus und pumilus und Myoxus quercinus, das Vaterland aber ist Danemark (KRABBE), Deutschland (Hameln, v. Linstow, Heidelberg, Grassi), Frank- reich (Dusarpin, Montez, FAvARCQ, BLANCHARD) und Italien, be- sonders Sicilien (GRASSI, STOSSICH). Wegen der angegebenen Unterschiede der Lange, des Ver- haltnisses der Dicke zur Breite, des Verhaltnisses der Breite des Halses zu der des Skolex, des Verhaltnisses des Durchmessers der Saugnipfe zu der des Skolex, der Zahl, Gréfe und Form der Haken, der Dicke der Rindenschicht, der GréSe der Hoden, der Lage des Receptaculum seminis in den Kier enthaltenden Gliedern, der Bildung der Kier, der geographischen Verbreitung halte ich Taenia (Hymenolepis) nana und murina fiir zwei verschiedene Arten; T. nana ist in Europa, Asien, Afrika und Amerika ge- funden. T. murina nur in Europa, in Deutschland und auf Sicilien beriihren sich die Gebiete beider. Die Ansicht, da8 Taenia nana und T. murina zwei verschiedene Arten sind, teilt Monrez, dessen vortreffliches Werk Traité de parasitologie mir erst wahrend des Korrekturlesens zu Handen kam. 1) Hymenolepis, S. 26. 580 y. Linstow, \ Ss ete ST er ae a ae I Erklirung der Abbildungen. a Rindenschicht, g Gefaib, m Nerv, h Hoden, c Cirrusbeutel, k Keimstock, d Dotterstock, s Schalendriise, » Receptaculum seminis. I—I1V Taenia nana, 1—4 Taenia murina. I u. 1 Querschnitte; die zu einer Proglottide gehérenden Schnitte sind zu einem Bilde vereinigt. II u. 2 Umrisse von mit EKiern erfiillten Gliedern. III u. 3 Haken. IV u. 4 Eier. Taenia (Hymenolepis) nana v. Srezorp und murina Dvs. 581 Litteratur. Krassr, Helmintholog. Undersdgels., Kjébenhavn 1840, p. 40, Tab. III, Fig. 56—59, Tab. VII, Fig. 108. Dusarvin, Histoire naturelle des Helminthes, Paris 1845, p. 563—565, Tab. XII, Fig. A 1-~ 6. v. Srepotp u, Brrgarz, Ein Beitrag zur Helminthographia humana. 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Rascu, Uber einen Fall von Taenia nana in Siam. Deutsche Medizinal- zeitung, Berlin 1894, No, 13, S. 143. Lutz, Beobachtungen tiber die als Taenia nana und flavopunctata be- kannten Bandwiirmer des Menschen. Centralbl. f. Bakt. u, Para- sitenk., Bd. XVI, Jena 1894, 8S, 61—67. Srosstcx, Notizie elmintologiche. Bollet. Adriat, sc. natur. Trieste, vol. XVI, 1895, p. 43, Tab. IV, Fig. 12—18. Raituirt, Traité de zoologie médicale et agric., 2. édit., Paris 1895, p. 291—293, Montez, Traité de parasitologie animale et végétale appliquée a la médecine, Paris 1896, p. 233—240. Revision der Actinien, welche von Herrn Prof. Studer auf der Reise der Korvette Gazelle um die Erde gesammelt wurden. Von Casimir R. Kwietniewski. (Aus dem Zoologischen Institut der Universitit Miinchen.) Hierzu Tafel XXV u. XXVI. Die, waihrend der Reise der Korvette Gazelle um die Erde gesammelten Actinien, wurden von Herrn Professor STupER in Bern untersucht und bestimmt. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in den Berichten der Berliner Akademie aus dem Jahre 1878 veréffentlicht!). Bei der Untersuchung hat SrupEr nur den iuferen Bau der Actinien beriicksichtigt und die Artbestimmungen ausschlieBlich auf duBere Merkmale begriindet. Spitere Unter- suchungen der Actinien, hauptsichlich die von HeErtrwia, haben aber gezeigt, wie sehr man bei der Bestimmung der Aktinien Riicksicht auf die innere Organisation nehmen mul. So ergab sich die Notwendigkeit, die erwihnten Aktinien einer Revision zu unterwerfen. Zu diesem Zwecke wurde ein Teil derselben auf Wunsch des Herrn Prof. HeErrwia vom Berliner Museum an das Zoologische Institut in Miinchen geschickt und von Herrn Prof. Hertwic mir zur Untersuchung anvertraut. — Dafiir, sowie fiir 1) Monatsberichte der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1878 (S, 524). Zweite Abteilung der Anthozoa polyactinia, welche wihrend der Reise 8S. M. S. Korvette Gazelle um die Erde gesammelt wurden; bearbeitet von Professor Dr. Tu. SrupEr in Bern. 584 Casimir R. Kwietniewski, den freundlichen Beistand wihrend der ganzen Arbeit, sei es mir an dieser Stelle gestattet meinem hochverehrten Lehrer den innigsten Dank auszusprechen. Aufrichtige Dankbarkeit bin ich ebenfalls Herrn Prof. Hoyer in Warschau schuldig, welcher mir wihrend meines Aufenthaltes in dieser Stadt einen Platz in seinem Laboratorium zum Zweck der Ausfertigung der nétigen mikro- skopischen Zeichnungen giitigst zur Verfiigung gestellt hat. In dem zugeschickten Materiale habe ich acht der von STUDER beschriebenen Arten gefunden. Dies sind: Edwardsia kerguelensis, Bunodes kerguelensis, Cereus brevicornis, Calliactis marmorata, Corynactis carnea und Cryptodendrum adhaesivum. Von jeder Art war meistens nur ein Exemplar vorhanden, und fast alle mit der Bemerkung versehen, daf sie zuriickgeschickt werden sollen. Aus diesem Grunde konnte ich blof drei Arten, nimlich Edwardsia kerguelensis, Halcampa purpurea und Corynactis carnea vollstindig anatomisch zu untersuchen. Bei den iibrigen Arten mute ich mich auf die Untersuchung der Tentakeln, der Mundscheibe, des Ringmuskels etc. beschranken. Dabei habe ich so verfahren, dal ich aus den betreffenden K6rperstellen ein ganz kleines Stiickchen herausschnitt und zur Verfertigung der mikroskopischen Praparate verwertete. — Das Material war im allgemeinen ziemlich gut er- halten, wenn auch nicht zu histologischen Untersuchungen geeignet. Zur Farbung habe ich Pikrokarmin gebraucht. Diese Far- bungsmethode hat den Vorteil, da die ganze Stiitzlamelle, auch die feinsten Ausliufer derselben, intensiv rot gefarbt werden, wiihrend die Epithelien nach der Behandlung mit alkoholischer Pikrinsaiurelésung eine gelbliche Farbung erhalten. Fam. Ilyanthidae. Die Familie der Ilyanthiden ist in dem von mir untersuchten Material durch 2 Arten vertreten, welche von SrupER Edwardsia kerguelensis und Haleampa purpurea genannt wurden. KEhe ich mit der Beschreibung derselben beginne, muf ich mit einigen Worten — auf eine von CARLGREN gemachte Einteilung der Ilyanthiden in 3 Unterfamilien eingehen. CARLGREN') unterscheidet And- vakianae, charakterisiert durch die Anwesenheit von Cincliden und Acontien, und Halcampinae und Halcampomorphinae, welche beide 1) Oscar Carteren, Studien tiber nordische Actinien, 1893, S. 38. Revision der von Strupgrr gesammelten Actinien. 585 diese Merkmale vermissen lassen, sich aber dadurch voneinander unterscheiden, daf die Halcampinen einen mesodermalen, und die Halcampomorphinen einen entodermalen Ringmuskel besitzen. Fiir die Halcampinen stellt CARLGREN die Gattung Halcampa als Typus auf. Er stellt sich dabei in Widerspruch mit R. Hertwic, welcher umgekehrt die Anwesenheit eines entodermalen Ringmuskels als Merkmal der Gattung Halcampa auffihrt. Es gilt hier zu ent- scheiden, wer bei der Aufstellung der Gattungsdiagnose Recht hat. Das kann nur geschehen, wenn man die Species Halcampa chrys- anthellum, welche von GossE als Typus fiir die Gattung Hal- campa aufgestellt wurde, auf die Beschaffenheit des Sphincters untersucht. Ich habe mich vergeblich bemitht, eigenes Unter- suchungsmaterial zu erhalten; dagegen fand ich in der Litteratur zwei anatomische Beschreibungen der Halcampa chrysanthellum, die eine von Happon'), die andere von FAurRor *). Der englische Forscher, welcher mehrmals die Gelegenheit gehabt hat, Halcampa chrysanthellum zu untersuchen, giebt in der Diagnose des Genus Halcampa an: ,no sharply defined circular muscle“; und Faurort schreibt iiber H. chrysanthellum: ,,Quant au sphincter circulaire de lextrémité supérieure de la colonne, qui, selon Hertwia et Happon, n’est pas trés distinct, not sharply defined, je n’en ai trouvé trace“ (p. 132). Demnach mu man die von Hertrwica fiir das Genus Halcampa aufgestellte Diagnose aufrecht erhalten, woraus dann weiter folgt, da8 man auch den Namen der Unterfamilie Halcampinen fir Formen ohne mesodermalen Sphincter anwenden muf. Da es nun in der That, wie wir sehen werden, echte Halcampiden mit mesodermalen Sphinctern giebt, ist es zweckmiafig, fiir diese Formen neue Bezeichnungen der Gattungen und Unterfamilie zu wihlen. Ich schlage nun fiir die Gattung den Namen Halianthus, fiir die Unterfamilie den Namen Halianthinae vor. Zu dem Genus Halianthus sollten demnach gezahlt werden: Halcampa duodecimcirrata Sars, Halcampa arctica Carter. — Formen mit 12 Tentakeln. — Die, mit mehreren Tentakelcyklen versehene Halianthinen fasse ich zusammen unter dem Gattungs- namen Halianthella, von welcher Gattung ich eine Art, Hali- anthella kerguelensis, untersucht habe. 1) Happon, A revision of the British Actiniae, 1889, p. 333. 2) L. Favror, Etudes sur les Actinies. Arch, de zool. exp. et générale, 1895, No. 1—2. Bd, XXX. N, F. XXII. 38 586 Casimir R. Kwietniewski, Subfam. Haleampinae. Teil der Subfam. Halcampinae der Autoren. Ilyanthiden mit 6 Paar vollstandigen Septen. Koérper geteilt in Capitulum, Scapus und Physa. Sphincter schwach, entodermal oder fehlt. Haleampa purpurea Srovp. STuDER giebt folgende Beschreibung von dieser Art: ,,Kérper gestreckt, wurmférmig, sehr zart, so daf die 12 Septen durch die K6érperwand durchscheinen, der K6rper nach hinten zu verdiinnt und 1af%t am Ende einen Porus erkennen. Die Tentakeln stehen um den Mund in einer Reihe in der Zahl von 12 und sind cy- lindrisch, lang, fadenformig. Die Linge betragt im Leben bei ausgestrecktem Koérper bis 45 mm.“ Nach meiner eigenen Untersuchung ist der Kérper in drei Partien geteilt: Capitulum, Scapus und Physa, um hier die von GossE fiir Edwardsien eingefiihrten Bezeichnungen zu gebrauchen. Der Scapus ist etwas linger als beide andere Kérperpartien zu- sammengenommen. Das Capitulum ist sehr zart, diinn, und an Stellen, wo das Kérperepithel abgestreift war, ganz durchsichtig, wodurch in dieser Kérperpartie am deutlichsten die Septeninser- tionen hervortreten. Vom Scapus hebt sich das Capitulum deut- lich ab, deutlicher als die Physa, welche eine konische Form be- sitzt und sehr dickwandig, derb und muskulés ist. Am aboralen Ende ist eine ganz deutliche, ziemlich grofe Offnung vorhanden. Dagegen konnte ich andere, seitliche Offnungen, wie sie bei ver- schiedenen Halcampinen beschrieben worden sind (HeErTwiG, CARL- GREN), auch auf Schnitten nicht nachweisen. Am Rande der, etwas hervorgewélbten Mundscheibe stehen zWwolf einfache zugespitzte Tentakel. Ihre Linge ist ungefihr gleich dem Durchmesser der Mundscheibe; alle Tentakeln sind von gleicher Linge und stehen in einem Kreise. Die Mundscheibe besitzt deutliche radiire Furchen, welche den zwolf Septeninsertionen entsprechen. Die Muskulatur ist schwach ausgebildet. Die radiiren, entodermalen Muskeln bilden eine wenig und gleichférmig gefaltete Schicht. Sie bietet sonst nichts Interessantes. Die Mundéffnung scheint rund und von Lippenwiilsten be- grenzt zu sein, was aber wegen schlechter Erhaltung der be- Revision der von SrupER gesammelten Actinien. 587 treffenden Teile, nicht mit Sicherheit ermittelt werden konnte. Das Schlundrohr ist kurz, eng, diinn, mit mehreren queren Falten versehen. Die Septeninsertionen rufen Langsfaltung hervor ; eigent- liche Schlundrinnen scheinen aber vollstiéndig zu fehlen. Am Schlundrohre inserieren simtliche Septen, welche in Zwolf- zahl vorhanden sind. Die Septen sind paarig angeordnet; zwei Paar Richtungs- septen tragen die abgewandten, die vier tibrigen Septenpaare zuge- wandte Lingsmuskel. Alle 12 Septen sind gleich stark entwickelt ; die acht Septen des Edwardsiastadiums sind in dieser Beziehung von den anderen nicht zu unterscheiden. Was die Beschaffenheit der Septen anbetrifft, so sind sie ver- haltnismafkig breit, sehr diinn und zart, jedoch mit starken Muskeln ausgestattet (Taf. XXV, Fig. 4). Die Geschlechtsorgane bilden einen breiten, quergefalteten Saum am freien Rande des Septums. Der Querschnitt des Lingsmuskels (die Fahne) (Taf. XXV, Fig. 1) ist nierenfoérmig, von beiden Seiten ziemlich tief von dem Septum abgeschniirt. Die Falten der Langsmuskelschicht sind lang, vielfach veristelt und zeigen eine zarte, dendritische Struktur. Der Lingsmuskel verlauft in beinahe gleicher Entfernung von dem freien Rande des Septums und von dem Mauerblatte. Oben ist er am stirksten; gegen unten zu werden die Muskelfalten immer schwicher und einfacher. Aufer dem Langsmuskel findet sich am Septum ein starker Muskelstrang, welcher dicht an das Mauerblatt angrenzt. In der Physa nimmt er bedeutend an Starke zu und lauft mit dem eigent- lichen Liangsmuskel zusammen (Taf. XXV, Fig. 3). Diesem marginalen Lingsmuskel ist der Parietobasilarmuskel in Lage opponiert. Er lauft vom oberen Ende des Capitulums bis in die Physa hinunter. Beide Muskeln sind der Groéfe und der Gestalt nach gleich. Zusammen bilden sie dicht am Mauer- blatte einen starken Wulst. Die, bei dem untersuchten Exemplare sehr kleinen Geschlechts- follikel entwickeln sich in einem breiten, sehr zarten Saum des Septums, welcher unmittelbar unterhalb des Schlundrohres beginnt und bis zur Grenze zwischen dem Scapus und der Physa reicht. Am freien Rande der Septen befinden sich schwach ent- wickelte Mesenterialfilamente. Dieselben verlaufen wenig gekniuelt und reichen so weit wie die Geschlechtsorgane hinunter. Im oberen Verlauf sind die Filamente dreiteilig; an einer kurzen Strecke befinden sich namlich auSer dem Nesseldriisenstreifen zwei 38 * 588 Casimir R. Kwietniewski, seitliche Flimmerstreifen. Schon in der oberen Partie des Scapus aber fehlen diese letzteren, und das Filament wird dann blo8 vom Nesseldriisenstreifen gebildet. Die Muskulatur des Mauerblattes besteht aus einer ento- dermalen Muskelschicht, welche ganz besonders stark in der Physa ausgebildet ist (Taf. XXV, Fig. 2). Im Scapus und Capitulum sind die Muskelfalten schwach; von einem entodermalen Ring- muskel kann eigentlich nicht die Rede sein. Ebenso gut fehlt auch ein mesodermaler Sphincter. Mit Halcampa clavus Herrw. hat die beschriebene Art viel Ahnlichkeit !); Happon hat sogar vermutet, da& sie mit derselben identisch ist. Er sagt: ,,It is difficult to understand why Dr. Hertwia did not adopt H. purpurea Srup. as the name of this species“ (H. clavus) *). Diese Ansicht Happon’s ist unhaltbar, da trotz der Ahnlich- keit wichtige Unterschiede vorhanden sind. Um die Hauptunterschiede zwischen diesen zwei Arten hervor- zuheben: Die Halcampa clavus besitzt keinen terminalen Porus, welcher fiir H. purpurea charakteristisch ist; dagegen seitliche Offmungen in der Physa, welche der H. purpurea fehlen. Bei Halcampa clavus findet sich ein erheblicher GréSenunterschied zwischen den 8 Septen des Edwardsiatypus und den itibrigen 4 Septen, waihrend bei Halcampa purpurea alle Septen untereinander gleich sind. Subfam. Halianthinae. Ilyanthiden mit 6 Paar vollstindigen Septen. Der Kérper geteilt in Capitulum, Scapus, Physa; Sphincter mesodermal. Gen. Halianthella gen. nov. Halianthinen mit mehr als 12, Tentakeln. Halianthella kerguelensis. StupeEr hat irrtiimlich diese Actinie als eine Edwardsia-Art (E. kerguelensis) auf folgende Weise beschrieben: ,,Cylindrisch, 1) R. Hertwie, Actinien der Challengerexpedition, 1882, S, 82. 2) Happon, A revision of the British Actiniae, I, 1889, p. 336. Revision der von Sruper gesammelten Actinien. 589 wurmférmig, die vordere Region (Capitulum, Gossr) mit der Ten- takelscheibe kurz, zart. Die Centralregion mit einer gelblichen rauhen Epidermis bedeckt, welcher feine Basaltkérner anhaften. Tentakel 20, kurz, cylindrisch. Lange 4—5 cm. Capitulum und Physa purpurn. Mittelteil braunlich-rot* (S. 546). Bei naherer Untersuchung hat es sich herausgestellt, da es durchaus keine Edwardsia-Art ist. Der allgemeine Habitus, so- wie das Vorhandensein von vierundzwanzig paarig angeordneten Septen, wovon sechs Paar erster (unter diesen zwei Paar Rich- tungssepten) und sechs Paar zweiter Ordnung sind, haben gezeigt, da8 es sich hier um eine Ilyanthide handelt. — Die Actinie be- sitzt einen mesodermalen Ringmuskel (Taf. XXVI, Fig. 8), ist dem- nach, wie es schon oben auseinandergesetzt wurde, zu der Unter- familie der Halianthinen zu stellen. Durch den Besitz von mehr als 12 Tentakeln unterscheidet sich diese Form von Halianthus- Arten; ich habe also fiir dieselbe eine neue Gattung Halianthella aufgestellt. Ich gehe tiber zu der Beschreibung der Organisation der Halianthella kerguelensis, welche ich auf einem von zwei zuge- schickten Exemplaren studiert habe. Der Kérper ist geteilt in Capitulum, Scapus und Physa, das Capitulum mit der Mundscheibe und Tentakeln an dem Unter- suchungsmaterial eingestiilpt und von dem am oberen Ende stark zusammengeschniirten Scapus vollstindig tiberdeckt. Das Capi- tulum durchziehen sechs tiefe Langsfurchen, welche sich auch auf die zusammengeschniirte Partie des Scapus erstrecken und bei der Betrachtung von oben ganz deutlich zu sehen sind. — Das Mauer- blatt ist ziemlich derb, rauh, mit zahlreichen kleinen unregel- maSigen Runzeln und Falten bedeckt, inkrustiert mit Steinpartikel- chen, Sand etc. Die mittlere Partie des Scapus ist ocker gelb. — Gegen unten verschmalert sich der Scapus allmahlich und geht in die blasenférmige Physa iiber. Dieselbe ist an der Unterseite flach und besitzt keinen terminalen Porus. Die Mundscheibe trigt am Rande zwei alternierende Kreise von kurzen, dicken, zugespitzten Tentakeln. StupEr’s Angaben iiber die Tentakelzahl sind nicht genau. Von vornherein miifSten sie schon Bedenken erwecken, da, obwohl im Text (S. 546) die Zahl der Tentakeln auf 20 bestimmt wird, auf der einen Zeichnung (a) (Fig. 21, Taf. V) 18, auf der anderen (b) — welche dasselbe Tier in anderer Lage darstellen soll — blo8 16 Ten- takeln abgebildet sind! 590 Casimir R. Kwietniewski, Auf dem von mir untersuchten Exemplare habe ich 22 Ten- takeln gefunden. Bei vollstiandig entwickelten Tieren betragt wahr- scheinlich die Tentakelzahl 24. An ihren Spitzen besitzen die Tentakeln terminale Offnungen, welche ich auf Schnitten festgestellt habe. Die Muskulatur der Mundscheibe und der Tentakeln ist ziemlich schwach entwickelt; die ektodermale Muskelschicht bildet kleine, zusammengesetzte Falten. Kine aufergewohnlich tippige Ausbildung der Nesselzellen ist fiir das Epithel der Mundscheibe und der Tentakeln charakteristisch. Die Nesselzellen stehen dicht bei einander gedrangt und fiillen fast vollstindig das ganze Epithel aus. Das Schlundrohr ist in kontrahiertem Zustande stark zu- sammengefaltet ; dadurch erscheint es sehr kurz, etwas kiirzer als das eingestiilpte Capitulum. Besondere Schlundrinnen in dem Sinne wie bei den meisten Hexactinien, d. h. tiefe Langsfurchen an den Insertionsstellen der Richtungssepten, sind nicht vorhanden ; das Schlundrohr ist aber versehen mit mehreren — bei dem unter- suchten Exemplare mit neun — tiefen, rinnenartigen Furchen, welche von der Mundéffnung bis zum unteren Rand des Schlund- rohres in ziemlich gleichen Abstanden verlaufen, mit den Septen- insertionen nicht korrespondierend. Auer den Liangsfurchen sind etwa fiinf tiefe, quere, zu sich parallel verlaufende Falten vorhanden, wodurch die ganze Oberfliche des Schlundrohres in viereckige, polsterartige Felder zerteilt wird. Von den 12 Septenpaaren erreichen das Schlundrohr 6 Paar Septen erster Ordnung und hangen mit demselben in ganzer Linge zusammen ; 6 Paar Septen zweiter Ordnung dagegen sind unvoll- kommen und inserieren an der Mundscheibe. Die Septen sind diinn, zart, durchscheinend. Die Haupt- septen oben breit, durch ein grofes, marginales Stoma durchbohrt, verschmilern sich rasch unterhalb des Schlundrohres und _bilden in der unteren Halfte des Kérpers nur ganz schmale Leisten am Mauerblatte ohne Geschlechtsorgane und Mesenterialfilamente. Letztere sind beschrankt auf eine kurze Strecke des Septums, - unmittelbar unterhalb des Schlundrohres. Die Geschlechtsorgane — im vorliegenden Fall Ovarien — machen bei makroskopischer Betrachtung den Eindruck einer kompakten, traubigen Masse. Die Mesenterialfilamente sind in ihrem oberen Verlaufe drei- teilig. Zu dem breiten Nesseldriisenstreifen gesellen sich zwei seitliche Flimmerstreifen und bilden am freien Rande des Septums Revision der von SrupErR gesammelten Actinien. 591 einen ansehnlichen Wulst, welcher sich so weit nach unten wie die Geschlechtsorgane erstreckt. Unterhalb dieser Stelle fehlen den Mesenterialfilamenten die Flimmerstreifen. Sie winden sich vielfach zusammen, bilden einen nicht besonders grofen Kniuel und héren etwa oberhalb des unteren Drittels des Scapus auf. Das oben Gesagte bezieht sich nur auf die Septen erster Ordnung. Die Septen zweiter Ordnung sind sehr schmal, ver- breitern sich nur wenig in der oberen Partie des Kérpers und inserieren an der Mundscheibe. Die Geschlechtsorgane und Mes- enterialfilamente fehlen den Septen zweiter Ordnung vollstandig. In der Physa werden samtliche Septen breiter und laufen in ihrer Mitte zusammen. Was die Muskulatur der Septen erster Ordnung betrifft, so ist sie sehr stark ausgebildet. Die Lingsmuskeln, unten schwach und von geringer Dicke, nehmen an Gréfe gegen oben bedeutend zu und bilden unterhalb der Mundscheibe dicke, abgerundete Polster, welche auf Querschnitten schén dendritisch verastelte, in die Falten der Muskelschicht hineindringende Auslaufer der Stiitz- lamelle zeigen (Taf. XXV, Fig. 5). Der Lingsmuskel ist nicht auf der ganzen Oberflache des Septums vorhanden, sondern ist scharf umgrenzt und bildet einen Strang, welcher viel naher dem Schlundrohre und dem freien Rand des Septums als dem Mauer- blatte verlauft. — Die tibrige Oberfliche der Langsfaserschicht zeigt kaum eine Faltung; nur dicht am Mauerblatte kommt es zu einer groéferen Anhaufung (Taf. XXV, Fig. 5 L’m) der Muskel- falten, welche dem Parietobasilarmuskel opponiert ist. Mit der Entfernung vom Mauerblatte, nehmen die Falten allmahlich an Gréfe ab und verschwinden bald gianzlich. Der Parietobasilarmuskel ist gut ausgebildet; er verlauft von der oberen Partie des Mauerblattes bis zum Fufende des Sep- tums. Der Muskel ist scharf umgrenzt, wodurch er sich schon auf den ersten Blick von dem bereits beschriebenen Teile des Langs- muskels unterscheidet (Taf. XXV, Fig. 5 Pbm). Bei.:den Septen zweiter Ordnung sind die Laingsmuskelfalten auf der ganzen Seite des Septums zerstreut und gehen am freien Rande in die Falten des ahnlich geschaffenen Parietobasilarmuskels iiber, so, daf das Septum auf beiden Seiten beinahe symmetrisch geformt ist und auf den Querschnitten ein federférmiges Aus- sehen besitzt. Zum Schluf habe ich noch einige Worte iiber den meso- dermalen Ringmuskel zu sagen. Derselbe erstreckt sich in der, 592 Casimir R. Kwietniewski, dem Entoderm anliegenden Partie der Stiitzlamelle des Capitulums und zerfallt in zwei Partien. Die gréfere, untere Partie (welche bei der Einstiilpung des Capitulums oberhalb der anderen zu liegen kommt) fingt an an der Grenze zwischen dem Scapus und Capi- tulum, und verschwindet allmahlich in der oberen Hialfte dieses letzteren. Die obere, kleinere Partie liegt nahe der Mundscheibe und befindet sich mehr in der Mitte der Stiitzlamelle (Taf. XX VI, Fig. 8). Die, in die Stiitzlamelle eingebetteten Muskelstrange sind nahe bei einander gelagert, an der betreffenden Stelle die Bindesubstanz bis auf mehr oder weniger diinne, untereinander anastomosierende Lamellen verdrangend. Von dem Entoderm sind die Muskelstrange ebenfalls nur durch eine ganz schmale Schicht der Bindesubstanz getrennt. Fam. Antheadae. Bolocera kerguelensis Srup. basis bedeutend kleiner als die Scheibe, der Koérper daher umgekehrt stumpf-kegelférmig. Die Kérperwand derb, mit un- regelmaifigen Erhabenheiten, welche durch rechtwinklig sich kreuzende Furchen begrenzt werden‘). Ringfurchen sind nament- lich gegen die Basis stark entwickelt. Die nicht retraktilen Ten- takeln sind spindelférmig mit einer leichten Anschwellung am Ende und fallen im Tode leicht ab. Sie stehen in mehreren Reihen, bei einem grofen Exemplar in 7, wovon die innerste die langsten Tentakel enthalt. Der Mund ist sehr weit und dehnbar, bei den aus der Tiefe heraufgebrachten Exemplaren dringte sich der Schlund ganz aus der Mundéffnung hervor. Bei dem gréSten von zwei Exemplaren, welche NW. von Kerguelen aus 120 Faden ge- fischt wurden, maf die Tentakelscheibe im Durchmesser 12 cm, die Héhe des Tieres 8 cm. Die Farbe war im Leben rosenrot, die Tentakel gelblich-rot bis fleischfarben, die Mundlippen braun- rot’ (S. 544). Auf Grund dieser seiner Beschreibung reiht StupErR, wie auch ANGELO ANDRES die Bolocera den Bunodiden ein. Mit Recht ist 1) Ich méchte die Bemerkung hinzufiigen, da die Ringfurchen am Mauerblatte nur durch die Kontraktion des Kérpers hervor- gerufen sind. Revision der yon Sruper gesammelten Actinien. 593 dies von Mc Murricu und CArLGRen mit Riicksicht auf die Be- schaffenheit des Ringmuskels beanstandet worden. Die Bunodiden besitzen einen typisch cirkumskripten, starken entodermalen Ring- muskel. Bolocera gleicht in der Beschaffenheit des Sphincters den Antheaden. CARrLGREN ‘) hat infolgedessen auch das Genus Bo- locera zu den Antheaden anfangs hiniibergezogen; in einer Nach- schrift 7) erklart er sich dagegen mit Mc Murricu *) einverstanden, welcher mit Riicksicht auf die merkwiirdige Beschaffenheit der Tentakel (Anwesenheit eines basalen Tentakelsphincters) eine be- sondere Familie der Boloceriden gebildet hat. Ich halte es nicht fiir zweckmaBig, auf Grund eines so wenig auffalligen und in der Gruppe der Actinien — soweit wir wissen — nirgends wieder- kehrenden Merkmals eine neue Familie zu bilden, und stelle die Gattung Bolocera zu den Antheaden. Das einzige Exemplar der Bolocera kerguelensis war mit der Bemerkung versehen, daf es zuriickgeschickt werden soll. Aus diesem Grunde mufSte ich meine Untersuchung auf den Ring- muskel, die Tentakeln und die Mundscheibe beschranken. Auf die Untersuchung der inneren Organisation dieser Actinie muSte ich verzichten, so daf ich iiber die Stellung der Septen, iiber Ge- schlechtsorgane etc. keine Angaben machen kann. Dem auferen Habitus nach ahnelt Bolocera kerguelensis der Bol. longicornis Caruer. auferordentlich; die Ringmuskeln beider Formen aber weichen ziemlich stark voneinander ab. Der Sphincter der Bol. longicornis*) ist zusammengesetzt aus einfachen, nicht verastelten Muskelfalten, welche nach oben und unten allmahlich in die Ringmuskulatur des Mauerblattes iibergehen; er ist also typisch diffus. Der Ringmuskel der Bolocera kerguelensis besteht zwar auch aus zahlreichen Muskelfalten, welche nach abwiarts all- mahlich in die Ringmuskulatur des Mauerblattes iibergehen, die- selben sind aber vielfach verdstelt; auferdem besitzt der Ring- muskel am oberen Rande einen starken, verastelten Muskelast, welcher nach aufwarts scharf von der Ringmuskulatur des Mauer- blattes abgegrenzt erscheint (Taf. XX VI, Fig. 11). 1) O, Carteren, Studien iiber nordische Actinien, 1893, S. 49. 2) ibid., S. 137. 3) Mc Mourricu, Report on the Actiniae. Scientific results of explorations by the U. 8, Fish Commission Steamer Albatross, 1893, p. 153. 4) O. Carterey, Nordische Aktinien, 8. 53, vgl. Taf. VII, Fig. 6. 594 Casimir R. Kwietniewski, Dieselbe Beschaffenheit des Ringmuskels wie bei Bolocera kerguelensis, zeigen auch Bol. occidua Mc Mur. und Bol. pannosa Mc Mur. Der Bol. brevicornis Mc Mur. dagegen fehlt der oben erwahnte obere Ast, wodurch sie sich der Bol. longicornis nahert. Der Tentakelsphincter, welcher bei mehreren Bolocera-Arten beobachtet wurde, ist ebenfalls bei B. kerguelensis vorhanden, und zwar stark entwickelt (Taf. XXVI, Fig. 10). An der Basis des Tentakels, wenig oberhalb des Ursprungs aus der Mundscheibe, befindet sich eine starke, ringformige Falte der Stiitzlamelle, auf welche die entodermale Ringmuskelschicht des Tentakels iibergeht und am freien Rande der Falte einen starken Ringmuskel durch vielfache Einfaltung der Muskelschicht bildet. Auf dem Querschnitte sieht die Ringfalte aus wie ein langer Stiel, welcher in das Lumen des Tentakels hineinragt und dessen Ende sich in einige starke, astformige Auslaufer der Stiitz- lamelle fortsezt, welche selbst wieder seitliche Ausbuchtungen treiben, wodurch ein dendritisches Aussehen des Muskels zustande kommt. Durch die Kontraktion des Muskels wird die Offnung der Ringfalte verschlossen, und der Hohlraum des Tentakels voll- stindig von der Gastralhohle getrennt. Das leichte Abfallen der Tentakel ist dadurch bedingt, dal unterhalb der Ringfalte, am Ubergang des Tentakels in die Mund- scheibe, die Stiitzlamelle bedeutend verdiinnt ist (Taf. XXVI, Fig. 10*). Die Bedeutung dieser eigentiimlichen Einrichtung ist bis jetzt noch gar nicht bekannt. Die Oberfliche des Tentakels ist bedeckt mit zahlreichen, deutlichen Langsfurchen, welche durch Unebenheiten der Stiitz- lamelle hervorgerufen sind. Dieselbe besitzt auf der Oberflache starke Langsrippen, welche auf dem Querschnitte wie gréfere oder kleinere Fortsitze der Stiitzlamelle aussehen. Sie sind entweder schmal und zugespitzt, oder breiter und endigen stumpf (Taf. XXVI, Fig. 9). [ Die starke Entwickelung der ektodermalen Lingsmuskulatur der Tentakel kommt zustande durch Zusammenfaltung der Muskel- faserschicht. Die Falten bedecken gleichmafig die ganze Ober- - fliche der Stiitzlamelle, welche in dieselben diinne, lange Fortsatze entsendet, welche auf dem Querschnitte zarte Astchen bilden (Taf. XXV, Fig. 7). Die ektodermale Muskulatur der Mundscheibe ist dagegen schwach ausgebildet und bietet sonst nichts Bemerkenswertes. Revision der von Sruper gesammelten Actinien. 595 Was die terminale Offnung des Tentakels anbetrifft, so konnte ich sie auch auf Schnitten nicht nachweisen. Auf die Schilderung des histologischen Baues der Gewebe muf ich verzichten, weil das Material nicht zu solchen Unter- suchungen geeignet war. Ich beschranke mich auf die Bemerkung, da8 die eingehend yon CarLaren (s. 8S. 54) bei Bolocera longi- cornis beschriebene Struktur der Stiitzlamelle der Tentakeln auch fiir B. kerguelensis charakteristisch ist. Anthea (?) kerguelensis. Mit dem Namen Bunodes kerguelensis hat StupeEr eine Actinie bezeichnet, von der er folgende Beschreibung giebt: ,,Cy- lindrisch aus breiter Basis, welche Steine oder Algen tiberzieht, aufsteigend auf 24 mm, Dicke 12—14 mm. Die Scheibe wenig breiter als der Kérper. Der Rand mit zwei Reihen kurzer cy- lindrischer, sich gleichmafig verschmilernder Tentakeln. Das obere Vierteil der Séule besetzt mit mehreren Reihen gleich grofer Warzchen. — Farbe des Kérpers rosenrot, der Tentakeln purpurn. Warzchen weif (S. 548). Da es sich nicht um einen Bunodes handelt, hat das Fehlen eines starken entodermalen Ringmuskels, welcher fiir die Familie der Bunodiden charakteristisch ist, gezeigt. Bei der untersuchten Actinie ist in der Gegend, wo sonst der Ringmuskel vorhanden zu sein pflegt, die cirkulaire Muskellamelle wenig eingefaltet, kaum stirker als an den anderen Stellen des Mauerblattes, so daf man kaum von einem diffusen Ringmuskel reden kann. Das einzige Exemplar, das ich zur Untersuchung erhalten habe, war ziemlich stark kontrahiert. Die FuSscheibe und die untere Partie des Kérpers breiter als die obere. Die Mundscheibe und teilweise auch die Tentakeln waren infolge der Kontraktion zugedeckt. Das Kérperepithel war nicht gut erhalten, so da’ es nicht méglich war, die auf der Zeichnung (Taf. IV, Fig. 16) ab- gebildeten Langsfurchen zu sehen. Auch die Warzchen sind sehr undeutlich geworden, und ihre angebliche Anordnung in Langs- reihen, je zwischen zwei Furchen (s. die Abbildung), tiberhaupt nicht mehr zu erkennen. Von der natiirlichen Farbung ist keine Spur mehr erhalten geblieben das ganze Tier sieht gelblich-weif aus. 596 Casimir R. Kwietniewski, Die Tentakeln, ca. 48 in Anzahl, sind einfach, zugespitzt, bis 7 mm lang; gestellt in zwei alternierenden Kreisen (?). Alle Ten- takeln gleich lang; nicht wie es auf der Zeichnung dargestellt ist, da8 die Tentakeln der inneren Reihe bedeutend kiirzer sind als die der peripheren Reihe. Aus dem Mitgeteilten geht hervor, da8 das Tier zu den An- theaden gehért. Leider macht die schlechte Konservierung eine genaue Untersuchung unméglich. Auch die SrupeEr’sche Abbil- dung ist mangelhaft. Ich mu8 es daher zweifelhaft lassen, ob die Kinreihung in die Gattung Anthea sich aufrecht erhalten 1aBt. Fam. Sagartidae. Cereus brevicornis Srup. »K6rper bei ausgebreiteter Tentakelscheibe cylindrisch, die Mundscheibe kreisrund, wenig breiter als der Kérper. Die Ten- takeln sehr zahlreich, in 6 Reihen, kurz, konisch, an der Basis etwas eingeschniirt, die innerste Reihe beginnt im halben Radius der Scheibe, die inneren Tentakeln sind die léngsten, erreichen mit der Spitze aber den Scheibenrand nicht. Zusammengezogen, ist das Tier stumpf-kegelf6rmig, die Haut runzlig in Felder ab- geteilt. Die Poren fiir Acontia sind tiberall unregelmabig verteilt. Hohe 46 mm. Breite der Scheibe 25 mm“ (S. 542). Die Untersuchung des oberen Randes der Korperwand zeigt das Vorhandensein eines sehr stark entwickelten mesodermalen Ringmuskels, durch welchen die Sagartiden ausgezeichnet sind. Die in die Stiitzlamelle eingebetteten Strange des Ringmuskels sind etagenfoérmig tibereinander gelagert und voneinander durch mehr oder weniger diinne, vielfach miteinander anastomosierende Quer- und Langsbalken getrennt (Taf. XXVI, Fig. 14). Aus den namlichen Griinden, wie bei Bolocera, durfte ich auch bei Cereus meine Untersuchung nicht auf die innere Organisation des Tieres erstrecken. Calliactis marmorata. Ahnliche Struktur des Ringmuskels wie Cereus brevicornis zeigt auch die Calliactis marmorata. Ich gebe keine Abbildung von diesem Ringmuskel, da ich wegen der schlechten Konservierung keine zum Zeichnen geeignete Praparate erhalten habe. Revision der von Stuprr gesammelten Actinien. 597 Fam, Corallimorphidae Hertwia. Corynactis carnea Srvp, STupDER giebt folgende Beschreibung von dieser Art: ,,Polypen cylindrisch, 6—-7 mm hoch, Durchmesser 6 mm. Die Kérperwand zart, fleischig, fein gestreift. Tentakeln zahlreich, in zwei Reihen; die innere so lang wie der Scheibenradius, deutlich geknépft, die aiuBere nur halb so lang. Fleischfarben, nur um den Scheibenrand ein grasgriiner Ring“ (8. 542). Von zwei Exemplaren dieser Art, welche im zugeschickten Materiale vorhanden waren, wurde ein Exemplar vollstaindig in Liings- und Querschnitte zerlegt und zur Untersuchung der inneren Organisation verwendet. Zu der von SrupER gegebenen Beschreibung des Auferen kann man hinzufiigen, daf die Tiere eine ziemlich breite, fest- sitzende Fulscheibe besitzen, und daf die Lingsfurchen am Mauer- blatte keine regelmafige Anordnung zeigen; sie entsprechen nicht den Septeninsertionen, wie es bei den Actinien so haufig der Fall ist. Was die Anordnung der Tentakeln anbetrifft, so stimmen meine Beobachtungen mit den von Sruper gemachten Angaben nicht iiberein. Meinen Untersuchungen nach, sind zweierlei ‘Ten- takeln vorhanden: periphere und scheibenstindige, oder Haupt- und Nebententakeln. Der periphere Tentakelkreis ist zusammen- gesetzt aus Tentakeln von verschiedenem Alter und verschiedener Gréfe, wobei die alteren, groéferen Tentakeln durch die spater ge- bildeten von ihren Platzen etwas nach innen zu verdringt sind; es ist aber ihre urspriingliche Randstellung nicht zu verkennen. Die Gréfe der peripheren Tentakeln, deren Zahl bei dem von mir untersuchten Exemplare 39 betrug, wechselt von 11'/, bis 4 mm. Ks aft sich im allgemeinen sagen, daf die gréferen Tentakeln mit den kleineren alternieren; doch ist es nicht még- lich, aus der Gréfe einen Riickschlu8 zu machen, welchem Cyklus ein Tentakel angehért. Die Bestimmung wird auch dadurch be- deutend erschwert, da der vierte Tentakelcyklus wahrscheinlich nicht vollstandig entwickelt ist. Mit dieser Annahme stimmt die Thatsache tiberein, daf auch die Septen vierter Ordnung nur teilweise ausgebildet sind. Auger den Haupttentakeln sind zahlreiche Nebententakeln vorhanden, welche auf der Mundscheibe in radiaéren Reihen stehen. 598 Casimir R. Kwietniewski, In einer Reihe findet man 2 oder 3 Tentakeln hintereinander, wobei der innerste Tentakel der kleinste ist, und am meisten von den anderen gesondert, etwa auf der halben Linge des Scheiben- radius steht. Die Tentakeln einer Reihe kommunizieren alle mit demselben Fach. Den Mundscheibesektoren, welche die Interseptalriume ab- schliefen, fehlen die Nebententakeln. Mit jedem Zwischenfach also kommuniziert nur ein einziger, peripherer Tentakel; mit dem Binnenfach dagegen eine Reihe von drei bis vier, den peripheren Tentakel miteingerechnet. Was die Muskulatur der Tentakeln anbelangt, so ist sie ziem- lich schwach. Sie besteht aus einer ganz schwachen Schicht der entodermalen Muskeln und einer stirkeren, faltenbildenden ekto- dermalen Muskulatur. Die Falten sind in Gruppen gesammelt, welche auf Querschnitten zierliche Biischel darstellen. Das ge- knépfte Ende des Tentakels ist fast muskellos und besitzt keine terminale Offnung. Die Mundscheibe ist glatt und diinn. In ihrer Mitte befindet sich eine ovale Hervorwélbung, welche die spaltformige Mund- dffmung umgiebt. Die Lippen bilden mehrere — bei dem unter- suchten Exemplare 19 — ungefahr gleich starke Wiilste, welche voneinander durch deutliche, ziemlich tiefe Furchen abgegrenzt sind. Diese Furchen gehen auf das Schlundrohr iiber. Die Muskulatur der Mundscheibe besteht wie gewoéhnlich aus den cirkuliren entodermalen und radiairen ektodermalen Muskeln- Die entodermale Muskulatur ist sehr schwach; die ektodermale etwas stairker, der ektodermalen Muskulatur der Tentakel sehr ahnlich. Das Schlundrohr ist im Querschnitte oval, nicht besonders weit. Es verlaufen seiner Lange nach in geringer Entfernung von- einander mehrere starke Rippen (Taf. XXVI, Fig. 13), welche oben in die Lippenwiilste tibergehen. Die Rippen ragen in das Lumen des Schlundrohres hervor und fassen zwischen sich Rinnen, welche riicksichtlich ihrer Gréfe den eigentlichen Schlundrinnen, an welche die Richtungssepten inseriert sind, nicht nachstehen. Die Rippen entsprechen nicht den Septeninsertionen am Schlund- rohre; nur die Septenpaare zweiter Ordnung, welche in beiden lateralen primiren Zwischenfaichern sich befinden, inserieren an die durch die Leistenpaare gebildeten Rinnen, so wie es bei den Richtungssepten der Fall ist. Die Zahl der Rippen betrug bei dem untersuchten Exemplare Revision der von Sruprr gesammelten Actinien, 599 19; davon 8 auf der einen, 11 auf der anderen Halfte des Schlund- rohrs, von den Schlundrinnen aus gerechnet. Ahnliche Bildungen am Schlundrohre wurden schon z. B. von R. Hertwic bei Sicyonis crassa beschrieben; jedoch mit dem Unterschiede, da8 bei dieser Form die Schlundfalten von den In- sertionsstellen der Septen entspringen. Wir wenden uns zur Beschreibung der Septen. Dieselben sind in vier Cyklen entwickelt; beim ganz reifen Tier sollten also 48 Septenpaare vorhanden sein. Die Septen sind diinn und im allgemeinen nur mit schwachen Muskeln ausgestattet. Es sind zwei Paar Richtungssepten vor- handen, welche an die wenig ausgepragten Schlundrinnen inserieren. Die Septen erster und zweiter Ordnung sind allein vollstandig, d. h. sie erreichen das Schlundrohr; untereinander sind sie fast gleich stark. Die Septen dritter Ordnung dagegen sind bedeutend schwicher, nur etwa ein Drittel oder halb so breit wie die erst- genannten Septen. Die Laingsmuskulatur der Septen bildet eine, auf der ganzen Septenseite schwach wellenférmig gefaltete Muskelschicht; ein lokalisierter Liaingsmuskelstrang kommt nicht zustande. — Der Parietobasilarmuskel ist eine einfache, gar nicht gefaltete Muskel- schicht am Ursprung jedes Septums auf der dem Langsmuskel abgewandten Seite. Was den vierten Septencyklus anbetrifft, so war er bei dem untersuchten, nicht ganz reifen Tier noch nicht vollstandig ent- wickelt. Von den 24 Paar Septen vierter Ordnung, welche einer Hexactinie zukommen, waren nur fiinf Paar vorhanden, welche simtlich einer K6rperhalfte angehérten. Eine Gesetzmafigkeit in dem Auftreten der Septen des sich anlegenden Cyklus, war nicht zu bestimmen: drei Paar der vorhandenen Septen haben sich in Fachern zwischen Septenpaaren Il und III, zwei tibrige zwischen I und III entwickelt. Das Fehlen der Geschlechtsorgane laft sich aus der Unreife des Tieres erklaren. Der Ringmuskel (Taf. XXVI, Fig. 12) ist entodermal, schwach ausgebildet. Er besteht aus mehreren, verhiltnismafig weit von- einander entfernten, zusammengesetzten Muskelfalten, von welchen die oberste die stairkste ist. Nach unten zu gehen die Falten des Sphincters in die gewéhnliche cirkulire Muskulatur des Mauer- blattes iiber. 600 Casimir R. Kwietniewski, Fam. Cryptodendridae. Cryptodendrum adhaesivum Ktounz. Korper breit, niedrig, grof, pilzformig. Hohe ca. 5 cm, Breite der Fufscheibe ca. 6 cm, der Mundscheibe ca. 9 cm. Die Fub- scheibe breit, festsitzend, mit tiefen radiiren Furchen bedeckt. Das Mauerblatt derb, in kontrahiertem Zustande mit queren Falten und Runzeln bedeckt, die aber keine regelmafige Anordnung auf- weisen. Papillen, Warzen etc. nicht vorhanden. Die Farbe nach den Angaben von STupDER grin. Oberhalb der FuSscheibe ist der Kérper tief eingeschniirt ; er verbreitert sich nach oben von hier aus bedeutend. Die Mund- scheibe ist sehr breit, am Rande stark gefaltet und schirmformig nach aufen gebogen, fast ginzlich von kurzen, verastelten Ten- takeln bedeckt, welche nur die Umgebung des Mundes frei lassen. Die Tentakeln sind radiiér angeordnet'!); sie stehen ziemlich dicht bei einander, nur die innersten stehen mehr vereinzelt. Was den Bau der Tentakeln anbetrifit, so sind sie zusammengesetzt aus einem ganz kurzen, weiten Stamm und wenigen Zweigen, welche von dem Stamm terminal entspringen und mehrere seitliche, faden- formige Ausbuchtungen treiben. Nicht simtliche Tentakeln zeigen den gleichen Bau; es ist eine ziemlich breite Randzone vorhanden, in welcher die Tentakeln einfach, kurz, keulenférmig sind. An der Peripherie der Mundscheibe sind wieder verastelte Tentakeln vorhanden, welche in einer einfachen Reihe geordnet sind. Die Mundéfinung ist sehr gro8, rund, ,,mit zwei gegeniiber- liegenden Doppelwiilsten“ (Kiunz.), welche wahrscheinlich den Schlundrinnen entsprechen. Das Schlundrohr ist weit, lang, mit zwei tiefen, von dicken Wiilsten begrenzten Schlundrinnen. Die innere Organisation dieser interessanten Actinie konnte ich leider nicht untersuchen, weil ‘das Exemplar zuriickgeschickt werden sollte. Es ist desto mehr zu bedauern, als bis jetzt — so viel ich weiS — das Cryptodendrum anatomisch noch nicht untersucht worden ist; man weil’ also nichts iiber die Septen- stellung, Verteilung der Geschlechtsorgane ete. 1) Ktunzrnerr, Korallen des Roten Meeres, 1877, S. 86. — Auf dem zugeschickten Exemplare war die radiére Anordnung der Tentakeln nicht deutlich zu erkennen. Revision der yon SrupEk gesammelten Actinien, 601 Die Schnitte durch den oberen Rand des Mauerblattes zeigten das Vorhandensein eines schwachen, entodermalen, cirkumskripten Sphincters (Taf. XXVI, Fig. 15). Ich habe die Gelegenheit gehabt, die von Ceylon stammende Heterodactyla sp. zu untersuchen — eine Form, die als nahe ver- wandt mit Cryptodendrum angesehen wird. Trotz einer grofen Ahnlichkeit beider Formen besitzt die Heterodactyla keinen Ring- muskel, wihrend Cryptodendrum, wie es bereits gesagt wurde, einen solchen besitzt. Es ist aber trotzdem nicht unméglich, da die beiden Formen ziemlich nahe miteinander verwandt sind, weil ja auch bei Cryptodendrum der Sphincter verhaltnismafig sehr klein und schwach ist. Miinchen, November 1895. Bd. XXX, N, F. XX, 39 602 Casimir R. Kwietniewski, Figurenerklirung. Tafel XXV. Halcampa purpurea, Fig. 1. Querschnitt durch das Septum unterhalb des Schlund- rohrs. Zeif abgeschr. B, Ok. 2. Fig. 2. Querschnitt durch die Ringmuskulatur der Physa. Zeif AA Ok. 1. Fig. 3. Querschnitt durch die untere Partie des Septums (in Physa). Zeifs abgeschr, B, Ok. 2. Fig. 4. Das Septum. Natiirliche Grife. 7’ Tentakel, Cap Capi- tulum, Sca Scapus, Phy Physa. Halianthella kerguelensis. Fig. 5. Querschnitt durch das Hauptseptum auf der Hohe des Schlundrohrs. Zeif abgeschr. B, Ok. 1. S Septum, Mb Mauerblatt, Oe Schlundrohr. Fig. 6. Tentakel, Querschn. ZeiB AA, Ok. 1. Bolocera kerguelensia. Fig. 7. Querschnitt durch die longitudinale Muskulatur des Ten- takels. Muskelfaser nur teilweise ausgefiihrt, das Ektoderm wegge- lassen. Zeifis DD, Ok. 1. ec Ektoderm, en Entoderm, si Stiitzlamelle, ms, M/s die Muskel- schicht, Zm Langsmuskel des Septums, LL’m die am Mauerblatte ver- laufende Partie der Lingsmuskulatur des Septums, Pbm Parietobasilar- muskel, ov Kier, g Geschlechtsorgane, mf Mesenterialfilamente. Tafel XXVI, Halianthella kerguelensis. Fig. 8. Querschnitt durch den Ringmuskel. Leitz abgeschr. 3, Ok, 1 (Tubus -++ 4,7 om). Bolocera kerguelensis, Fig. 9. Querschnitt durch den Tentakel. Zeif abgeschr. AA, Ok. 1. Fig. 10. Querschnitt durch den Sphincter des Tentakels. 7’ Ten- takel, RIM Ringmuskel. Zei® abgeschr. B. Ok. 2. Fig. 11. Querschnitt durch den Ringmuskel. Zeifi B, Ok. 1. (Verkleinert um !/,). Revision der von Stuper gesammelten Actinien. 603 Corynactis carnea. Fig. 12. Querschnitt durch den Ringmuskel. Leitz 3, Ok. 1. (Verkleinert um 1/,.) Fig. 13. Querschnitt durch das Schlundrohr. R Richtungs- septen, S® Septen zweiter Ordnung. Cereus brevicornis, Fig. 14. Querschnitt durch den Ringmuskel. Leitz 3, Ok. 1. (Verkleinert um 1/,.) Cryptodendrum adhaesivum, Fig. 15. Querschnitt durch den Ringmuskel. Zei® B, Ok. 3. (Verkleinert um 1/,.) ec Ektoderm, en Entoderm, s/ Stiitzlamelle, 7b Mauerblatt, rm, RMs Ringmuskel, mes. Rm mesodermaler Ringmuskel, ms Muskel- schicht. 39* Studien tiber das Integument der Saugetiere. I. Die Entwickelung der Schuppen und Haare am Schwanze und an den Fiussen von Mus decumanus und einigen anderen Muriden. Von Dr. phil. F. Rémer, - Assistenten am Zoologischen Institute der Universitat Jena. Hierzu Tafel XXVII u. XXVIII. Schon ARNSTEIN erwihnte (1, 1876) gelegentlich einer Unter- suchung iiber den Verlauf der Nerven im Mauseschwanz die eigen- tiimliche Anordnung der Haare an demselben, ,,die in parallelen Reihen angeordnet sind und zwar so, daf zwischen je drei Haaren ein Zwischenraum bleibt, wahrend die zu einer Gruppe gehorigen Haarbilge so nahe aneinander geriickt sind, da8 ihre Talgdriisen sich beriihren“‘. Wrber jedoch war der erste (2, 1892), welcher die hohe phylogenetische Bedeutung der Schuppen am Schwanz der Ratten und Mause betonte und auf ihre wichtigen Beziehungen zu den Haaren aufmerksam machte. Er erkannte, daf hier echte Hornschuppen vorliegen, die stark ‘abgeflachten, kaum noch das Niveau der Haut iiberragenden Papillen aufsitzen. Die Anordnung dieser Schuppen zu einer bei den einzelnen Arten verschieden grofen Anzahl von Schuppenringen und die unter ihrem Hinter- rande stehenden Haare, die demgemif eine wirtelférmige Stellung einnehmen, fiihrten WEBER zu dem Schluf, da’ die Schuppen das Primére waren und die Anordnung der Haare bedingt hitten. Diese Schuppen, die sich noch bei einer Anzahl anderer Sauge- Studien iiber das Integument der Siugetiere. 605 tiere erhalten haben (Castor, Myrmecophaga, Didelphys u. a.), be- trachtet WEBER als Reste einer friiher allgemeineren Schuppen- bekleidung, die man auf nicht zu langem Umwege auf die Rep- tilienschuppen zuriickfiihren kann. Bei einigen Formen (Anomal- urus, Manis) haben sie sich in specifischer Weise weiterent- wickelt. — Damit hatte WeBEr die Frage nach der Herkunft des Schuppen- und Haarkleides der Saugetiere allgemein angeregt und die Veranlassung zu allen neueren Untersuchungen gegeben. Von Arbeiten, welche diesen Gedanken Werper’s weiterspannen und auf eine breitere Basis zu stellen suchten, beriihren das vorliegende Thema besonders die Arbeiten von pE MertJERE (5, 1893) und Renu (9 und 10, 1894). Ersterer richtete sein Augenmerk vor- nehmlich auf die Anordnung der Haare und fand, daf die Haare, welche auf den beschuppten Teilen der Haut in alternierenden Gruppen stehen, bei vielen Saiugetieren auch auf den unbeschuppten Teilen der Haut ebensolche Gruppen bilden, welche in alternieren- den Reihen tiber den Kérper verteilt sind oder sich wenigstens auf eine derartige Anordnung zuriickfiihren lassen. Er schlo8 aus diesen Befunden mit Recht, daf die jetzt schuppenlosen Teile der Haut friiher gleichfalls Schuppen trugen; die Schuppen selbst gingen verloren, die Anordnung der Haare weist aber noch auf ihr friiheres Vorhandensein. Letzterer suchte festzustellen, wo, systematisch und topographisch, Schuppen zu finden sind und hat durch seine ausgedehnten Untersuchungen die Zahl der Sauge- tierarten, welche an irgend einer Ko6rperstelle in gréferer oder geringerer Ausdehnung Schuppen aufzuweisen haben, auf nahezu 500 erhéht. Da die Schuppen besonders in den niedersten Ord- nungen der Saugetiere vorkommen (Marsupialier, Eden- taten, Insectivoren, Cetaceen, Rodentier), so folgerte Ren, daf sie etwas von den Vorfahren ‘der Saiuger Ererbtes vor- stellen, und dali die Urséuger selbst ein Schuppenkleid besessen haben. Beide Autoren bedienten sich in ihren Arbeiten vorwiegend der systematisch morphologischen Untersuchungsmethode; sie stu- dierten die topographischen Beziehungen der Schuppen und Haare an erwachsenen Tieren und suchten auf diesem Wege ihre all- gemeine Verbreitung, sodann aber auch ihre phylogenetische Be- deutung zu ergriinden und erklairen. Die Ontogenie dieser Haut- gebilde wurde dabei nur wenig beriicksichtigt. Speciell fiir den Rattenschwanz erwahnt pE MEIrErRE nur, daf von den hinter einer jeden Schuppe hervortretenden Haaren zuerst das starkere ,,Mittel- 606 F, Romer, haar“ durchbricht und erst spater die ,,lateralen Haare“ auf- treten. Genauer ist die Entwickelung der Schuppen bisher tiber- haupt nur bei zwei Edentaten verfolgt worden, bei Manis (und nebenbei auch an Anomalurus und Castor) von M. WrsBer (2, 1892) und bei Dasypus von mir (4, 1893). Ich halte es daher fiir angemessen, die Schuppenbildungen und die in ihrer Begleitung auftretenden Haare verschiedener Arten und Ordnungen von Siugetieren in ihrem ontogonetischen und histologischen Auf- bau zu verfolgen, um festzustellen, ob sich auch darin eine so groke Ubereinstimmung zeigt, wie in ihrer Anordnung und Lage beim erwachsenen Tier. Schuppentiere und Girteltiere sind mit Hornschuppen bedeckt, welche in ihrer Form, Gréfe und Anordnung recht verschieden, in ihrem histologischen Aufbau aber gleich sind. Bei ersteren treten embryonal erst sehr spat und nur unter dem hinteren Rande der Schuppe einzelne marklose Haare auf; Talg- und Schweif- driisen fehlen ginzlich. Bei letzteren finden sich schon friih nicht nur unter dem hinteren Rande, sondern auch zwischen den ein- zelnen Schuppen zahlreiche Haare mit Talgdriisen und wohlent- wickelte Schweifdriisen, welche spater bei der Verknécherung des Panzers teilweise wieder verloren gehen. Mag man nun darin bei den Schuppentieren die letzten Reste eines einstmals schéneren Haar- kleides erblicken, dem durch die dachziegelartige Lage der grofen Hornschuppen die Entwickelungsméglichkeit genommen wurde, und die Schuppentiere von echten Haartieren ableiten (ROMER), oder an- nehmen, daf ihr Haarkleid stets nur ein diirftiges gewesen ist, eine spaitere Riickbildung erfubr und sie daher mehr oder weniger direkt an schuppentragende Stammformen anzuschliefen sind (WEBER), — die Vorfahren der Giirteltiere miissen wir angesichts der wohlentwickelten Schweifdriisen und Haare unter den echten Haartieren suchen. Auf Grund dieser beiden abweichenden Befunde hatte ich darauf hinge- wiesen (7, 1893), daf’ man, wenn sich die Schuppen auch vornehm- lich in den untersten Ordnungen der Siugetiere finden, doch jeden einzelnen Fall erst embryologisch untersuchen muf, um festzustellen, wo die Schuppen und wo die Haare in Riick- oder Fortbildung begriffen sind, ehe man die Schuppenfrage verallgemeinern kann. Vor allen Dingen kann tiberhaupt nur die mikroskopische Unter- suchung entscheiden, wo echte Schuppen vorliegen und wo nicht. Nach Weser (2, 1892) charakterisiert die echte Schuppe_,,eine flache, bilateral-symmetrische, mit ihrer Spitze schwanzwarts schauende Papille der Cutis, welche von der Hornbildung der Studien tiber das Integument der Siugetiere. 607 Kpidermis tiberdeckt wird“. Diese Cutispapille, welche die Schuppe von rein epidermoidalen Bildungen unterscheidet, ist aber nur auf Schnitten mikroskopisch zu erkennen. Ren (10. 1894) glaubt noch ein zweites, rein duSerliches Erkennungsmittel gefunden zu haben in ,,einer mehr oder minder regelmafigen Anordnung iiber einen bestimmten Kérperteil hin“ und halt allein auf Grund dieser An- ordnung die verschiedenartigen Hauterhebungen an den Beinen und unter den FiiSen, mégen sie nun Schuppen, Warzen, Granu- lationen, Felderung oder sonst wie benannt sein, fiir ,,echte Be- schuppung, wenn auch in modifizierter Gestalt‘. Doch scheint mir dieses Erkennungsmittel, selbst bei der gré8ten ,,Ubung des Blickes“ nicht auszureichen und leicht zu falschen Deutungen zu fiihren. Von der Gattung Mus untersuchte Ren eine Reihe von Arten und fand in der Schuppenbildung am Schwanze verschiedene Ab- stufungen. Bei wenigen Arten sind sie sehr grof mit dickem Hornbelag, bei manchen aber auch ganz klein und zugleich von den Haaren tiberdeckt. Auch an den Fiifen ist die Ausbildung sehr wechselnd, ,,Horn- und Hautschuppen oder -Tafeln, aber auch Koérnelungen oder sogen. Warzen finden sich iiberall dorsal und’ ventral, an erster Stelle oft noch in Querreihen. Auch die Zehen sind dorsal und ventral wohl immer geringelt, wenn auch nur mit Querringen, die durch die Haare markiert werden. Auch an den Fiien stehen fiir gewohnlich hinter jeder Schuppe, bezw. ihrem friiheren Platze 3 Haare, von denen das mittelste das starkste ist‘‘. Dasselbe Verhalten der Haare und Schuppen beschreibt auch JENTINK fiir die von ihm benannte Mus armandvillei (8. 1893). Ich habe mir nun vorgenommen, die Anlagen der Schuppen und Haare an einer Reihe verschiedener Saugetiere zu verfolgen, um die Beobachtungen und Auffassungen der anderen Autoren ent- wickelungsgeschichtlich zu ergainzen und festzustellen, wo einer- seits die Schuppen als alte, primaire Bildungen aufzufassen sind, welche die Stellung der Haare regelten, wo aber andererseits se- kundiare Verhaltnisse mitspielen, welche eine andere Deutung recht- fertigen und noétig machen, und wahlte als erstes Objekt Schwanz und Fiie der weiBen Ratte, Mus decumanus Patt. Albino, die ja auSerordentlich leicht und schnell in allen gewiinschten Sta- dien zu ziichten ist. Einige Schwierigkeit bietet dabei nur die genaue Bestimmung des Alters der Embryonen und somit des Zeitpunktes, wo die Abtétung des Muttertieres erfolgen mu. Fir den vorliegenden Fall ist allerdings die genaueste Altersbestimmung 608 F. Romer, nicht von Belang, zumal die verschiedenen Embryonen oder Jungen eines Wurfes durchaus nicht alle gleich gro8 sind und auf gleicher Entwickelungsstufe stehen. Es geniigt, eine Reihe auf- einander folgender Stadien der Hautentwickelung zu haben. Meine Altersangaben — z. B. Embryo 25 Tage alt, juvenis 6 Stunden alt, u. s. w. — bedeuten die Zeit, welche von der ersten Begattung bis zur Abtétung und Konservierung der Embryonen, resp. von der — Geburt bis zur Konservierung der jungen Tiere verflossen ist. Am geeignetsten zur Konservierung erwies sich PErENNy’sche Lésung, wodurch die Zellkonturen besonders scharf hervortreten. Zur Farbung benutzte ich am liebsten ein Gemisch von 1 Proz. Bleu de Lyon und alkoholischem Boraxkarmin (1: 8)1'), wodurch sich die Cutis von der Epidermis, namentlich aber das Stratum cor- neum von den tibrigen Schichten der Epidermis deutlich abhebt. Die Kerne sind durchweg rot, die Cutis, die Muskulatur und die verhornten Schichten der Epidermis dagegen licht blau gefarbt. Zum Vergleich dienten einige auslandische Muriden, Mus spec. juv. aus Ternate, die mir Herr Prof. KikenrHat aus seiner Sammlung giitigst zur Verfiigung stellte, eine Sammlung afrikanischer Muriden — Mus barbarus juv. aus Kame- run, Mus musculoides Tem. aus Bismarckburg (Togo) und einige nicht naher bestimmte Embryonen aus Ostafrika — welche mir von dem Kéniglichen Museum fiir Naturkunde in Berlin bereitwilligst tiberlassen wurde, und endlich junge und erwachsene Exemplare der Hausmaus und der echten Hausratte, Mus rat- tus L., welch’ letztere ich dem Jagdgliick meines Vaters am Niederrhein verdanke. Allen diesen Herren, welche mich mit Material unterstiitzten, sage ich auch an dieser Stelle meinen ver- bindlichsten Dank! 1. Das Integument des Schwanzes. Meine Erwartungen, mit denen ich an die Untersuchung des Rattenschwanzes herantrat, haben sich durchaus nicht erfiillt. Wenn anders man den Schwanz als ein indifferentes Endglied des . Rumpfes betrachtet, an dem sich noch primitive Zustande erhalten konnten, so durfte man erwarten, in der Entwickelung seines In- teguments noch Anklange an friihere Zeiten zu finden. So hoffte 1) Siehe L. Drtwer, diese Zeitschrift, Bd. XXVIII, S. 296, Anmerk, Studien iiber das Integument der Siugetiere. 609 ich speciell Aufschluf zu erhalten tiber die topographischen Be- ziehungen der Schuppen und Haare bei ihren ersten Anlagen, die vielleicht fiir die Phylogenie des Haares von Wichtigkeit sein konnten. Ich war daher sehr enttaiuscht, zu sehen, daf hier die Haare viel friiher auftreten als die Schuppen, allerdings — und das will ich hier gleich vorweg bemerken — in ganz regel- maSiger Anordnung, die man unbedingt auf alte Zustinde zurickfihren mufB. Die Differenzierung der Haut erfolgt tiberhaupt verhaltnis- mafig spat; bei einem Embryo von 26 Tagen, also nur wenige Tage vor der Geburt, sind weder Haar- noch Schuppenanlagen vorhanden. Die Epidermis bietet bis zu diesem Stadium keine Sonderheiten, ein Stratum corneum (Fig. 1) ist noch nicht ent- wickelt, nur wenige Kerne der obersten Lage sind abgeplattet und spindelférmig geworden. Die Kerne des Rete Malpighi sind auferst lebhaft gefarbt, aber noch ist keine Veranderung in ihrer Form oder Gruppierung wahrzunehmen, die als erste Anlage eines Haares gedeutet werden kénnte. Unter den Zellen der Cutis hat dagegen schon eine lebhafte Vermehrung stattgefunden, welche namentlich die obersten 2—5 Lagen unter der Epidermis betrifft. Diese kénnte man vielleicht als die ersten Anlagen der Cutispapillen, also des Schuppenkleides, deuten, doch laft sich dagegen ein- wenden, daf die Vermehrung nicht an einzelnen Stellen ein- getreten ist, etwa wie bei den ersten Anlagen der Haare, sondern rings um den Schwanz herum ganz gleichmifig in den obersten Lagen der Cutis. Sodann findet man auch auf den ferneren Sta- dien (Fig. 2—4) noch keine Erhebung der Cutis zu Papillen, ob- schon die Vermehrung ihrer Zellen noch ganz gewaltig zuge- nommen hat und sich auch auf die tieferen Lagen erstreckt. Immerhin mégen aber hierin noch die letzten Reste einer ehemals viel gréferen Bedeutung und Entwickelung der Cutis zu erblicken sein ; die Cutis hat in friiheren Perioden viel mehr leisten miissen: die Ausbildung machtiger Cutispapillen. Diese Papillen sind im Laufe der Zeit in ihrer Bedeutung zuriickgetreten und geschwun- den, aber die Gewohnheit, sie anzulegen, ist geblieben und fihrt heute noch zu einer intensiven Vermehrung der Cutiszellen auf friiher Stufe. Freilich kénnen auch mechanische Finfliisse die Ur- sache dieser starken Vermehrung sein; die verhaltnismaBig diinne Cutis hat am Schwanze als einem kraftigen und lebhaften Be- wegungsorgan, zumal bei der harten und dicken Haut viel Druck und Zug zu erleiden und muf daher besonders fest und straff gefiigt sein. 610 F. Romer, Bei einem 27 Tage alten Embryo treten die ersten Haar- anlagen auf (Fig. 2). Sie bieten an und fiir sich nichts Merk- wiirdiges; wir sehen dieselbe Vergréferung und meilerartige An- ordnung der Kerne des Rete Malpighi wie bei anderen Tieren. Bemerkenswert ist aber ihre regelmifige Anordnung in gleichen Abstinden rings um den Schwanz herum (Fig. 3 u. 4). Thre Zahl ist bei den einzelnen Individuen etwas verschieden, doch lege ich darauf keinen besonderen Wert. Sie schwankt eben mit der Gréfe und Dicke des Schwanzes und demzufolge nimmt auch ihre Zahl nach der Spitze des Schwanzes zu ab; an der Schwanzbasis sind die meisten, an der Spitze die wenigsten vorhanden. Die Epidermis zeigt sonst gegen Fig. 1 nur wenige Fortschritte. Die héchst unregelmafigen Zacken an der Oberfliche (Fig. 2) sind Kunst- oder Schrumpfungsprodukte, die allemal dann eintreten, wenn man beim Wechseln des Alkohols nicht schnell genug zu Werke geht, so dafi der Alkohol an der Oberflache des Objektes verdunstet, was ja bei starkeren Konzentrationsgraden allzu leicht erfolgt. In Fig. 3 und 4 erscheint die Oberflache der Epidermis mehr in natiirlicher Erhaltung; hier ist schon ein St. corneum entwickelt. Auch auf diesem Stadium hat sich die Cutis noch nicht zu Papillen erhoben. Die durch die Haaranlagen entstandenen Ein- senkungen der Epidermis fassen allerdings Erhebungen der Cutis zwischen sich, welche grofen Papillen ahnlich sehen. Doch kann ich ihnen den Charakter einer Cutispapille nicht zusprechen. Neben Einsenkungen sind naturgemaf auch Erhebungen vorhanden, denn wo es Thaler giebt, giebt es auch Berge. Hier sind aber die Berge tiberall gleich hoch; sie bilden gewissermafen ein Hoch- plateau, in welches sich die Haaranlagen gleichmafig einsenken. Auch ist hier die Vermehrung der Cutiszellen allgemein und um- siumt als gleichmafig starkes Band Erhebungen wie Einsenkungen. Urspriinglich (Fig. 1) tiberall parallel der Epidermis verlaufend, wird es spaiter von den Haaranlagen in die Tiefe und zusammen- gedraingt, manchmal auch seitlich etwas auseinandergeschoben, denn bei einigen Haaranlagen liegen die Cutiszellen direkt unter den Haaranlagen weniger dicht, seitlich daneben aber sehr dicht. Es erhebt sich nun die Frage, wodurch die regelmaBige An- ordnung der Haare bedingt wird? Nach pe Metere schaut beim erwachsenen Tier unter dem hinteren Rande einer jeden Schuppe ein stirkeres Mittelhaar hervor, welches zuerst durch- bricht, und neben dem erst spater jederseits ein oder — wie ich hin- Studien iiber das Integument der Siugetiere. 611 zufiigen kann — mebhrere laterale Haare erscheinen. Demgemal miissen auch die Anlagen der Mittelhaare zuerst auftreten (Fig. 2—4), und erst spater rechts und links von ihnen die Anlagen der lateralen Haare (Fig. 6). Die Zahl der Mittelhaare eines jeden Schuppen- ringes entspricht der Anzahl der Schuppen desselben Ringes, aber die Haare legen sich bereits in ihrer spiteren Anordnung an, ehe auch nur die Andeutungen der Schuppen vorhanden sind, von denen sie nachher abhangen. Zweifelsohne lat sich diese An- ordnung nur aus den topographischen Beziehungen der Haare zu den Schuppen erklaren, es fragt sich nur: zu welchen Schuppen ? Zu den Schuppen, unter denen sie heute noch stehen, oder zu den langst geschwundenen Schuppen alterer Vorfahren, unter denen sie iiberhaupt vielleicht zuerst ins Dasein traten? Fiir die letztere Annahme spricht allenthalben im Tierreich die Stellung und Grup- pierung der Haare auf beschuppten und unbeschuppten Teilen der Haut (pE Metere). Die Haare haben sich einstmals unter dem hin- teren Rande der Schuppen entwickelt, die Schuppen schwanden mehr oder weniger, aber die Haare behielten ihre alte Gruppierung noch bei, die spater wieder von Wichtigkeit wurde, als abermals Schuppen zu ihnen in Beziehungen traten. Ich will natiirlich damit nicht be- haupten, daf diese letzten Schuppen vollstandig neue Erwerbungen sind. Sie haben aber einmal an Bedeutung und Entwickelung ver- loren, aus welcher Zeit die Haare ihr Recht herleiten, sich friiher anzulegen, sind dann wieder in den Vordergrund getreten und muften ihre alte Anordnung wieder einnehmen, welche die Haare so schén bewahrt hatten. Ihren Platz und die Beherrschung der Haare im ausgebildeten Zustande erwarben sie wieder, aber des Rechtes der friiheren Anlage gingen sie verlustig. Mit der ersten Annahme, daf die Schuppen in der vorliegenden Form, wie wir sie heute am Rattenschwanz finden, alte Erbstiicke sind, die die Stellung der Haare regelten, laBt sich das heutige vorzeitige Auftreten der Haare ungezwungen erklaren, wenn man zur Cano- genie seine Zuflucht nimmt. Die Haare gewannen immer mehr an Bedeutung vor den Schuppen, traten mehr und mehr in den Vordergrund und legten sich vor ihnen an, aber immer noch in der gesetzmafigen Anordnung, in welcher sie im erwachsenen Zu- stande von ihnen abhangig ‘sind. Utilitatsgriinde wei ich fiir beide F alle, warum einmal die Haare, das andere Mal wieder die Schuppen pravalierten, nicht anzufiihren. Eine Abhangigkeit der Beschuppung der Schwiinze von der Lebensweise der betreffenden Tiere la8t sich bei der Unregelmafigkeit des Auftretens von 612 F. Romer, Schuppen auch bei ganz nahe verwandten Arten mit gleicher Lebensweise nicht nachweisen. Ich glaube aber, wir bediirfen solcher Griinde nicht, es gentigt uns, schon jetzt konstatieren zu kénnen, daf die Schuppen des Rattenschwanzes, so wie sie am erwachsenen Tier auftreten, durchaus nicht alte primitive Bildungen sind, sondern da8 hier bereits sekundare Modifizierungen mit- gespielt haben. Fig. 8 zeigt die Anlage zweier lateralen Haare bei starker Vergréerung, welche in derselben Weise erfolgt wie bei dem Mittel- haar; auch sind die Anlagen absolut nicht kleiner als die ersten Anlagen der Mittelhaare, der jetzige GréSenunterschied resultiert also zumeist nur aus dem gréferen Alter und vielleicht auch aus der besseren Ernahrung des anfangs alleinigen und nachher stets starkeren Kostgingers der Epidermis. Das Mittelhaar ist be- trachtlich gewachsen, in die Tiefe geriickt und schrag gestellt. In Fig. 6 sind die Anlagen von vier Mittelhaaren mit je zwei seitlichen Haaren abgebildet. Auf Langsschnitten (Fig. 5 und 7) sieht man zwischen zwei groferen Anlagen weniger tiefe Ein- senkungen der Epidermis, deren Rete Malpighi-Zellen lebhaft ge- firbt sind und sich stellenweise zu meilerartigen Haaranlagen gruppiert haben. Die Haaranlagen liegen dicht zusammen, aber auch zwischen ihnen ist die Epidermis eingesenkt, so daf um den ganzen Schwanz herum eine solche Epidermisrinne lauft. Auf den jiingeren Stadien (Fig. 5), kurz vor der Geburt, ist dieses Abwechseln schén ausgepragt oder vielleicht im Schnitte gliicklich getroffen, so daB zwischen zwei Mittelhaaren je eine solche Rinne liegt. Auf den alteren Stadien (Fig. 7) sind die Haare bereits weiter auseinandergeriickt und nicht mehr genau in einer geraden Linie gelagert, so daf es schwer ist, alle Mittelhaare auf einem Schnitt zu treffen. Die letzteren haben bereits eine deutlich schrage Stellung angenommen, und dementsprechend schiebt sich die Cutis tiber die Haaranlagen hinweg. Man kénnte hierin die ersten Anlagen der Cutispapillen erblicken, denn die oberste Grenze der Cutis ist durchaus nicht mehr so gleichmafig wie im friiheren Alter (Fig. 3 und 4). Jedoch ist die Vermehrung der Cutiszellen — hier absolut nicht starker; die Zellen liegen unter den Ein- senkungen der Epidermis ebenso dicht wie an den Erhebungen der Cutis. Die ganze Konfiguration ist jedenfalls in erster Linie auf die Einsenkungen der Epidermis, die Haaranlagen zuriick- zufiihren und die Beteiligung der Cutis, wenn sie iiberhaupt vor- handen ist, noch auferst gering. Die Fig. 9 und 10 stellen Quer- Studien iiber das Integument der Siugetiere, 613 schnitte von einer 2 Tage alten Ratte dar. Hier liegen schon drei fast gleich starke Haare zusammen in einer bogenartigen Erhebung der Cutis, durch eine Furche der Epidermis von- einander getrennt. Verfolgt man aber die Serie weiter nach vorn oder nach hinten (Fig. 10), so zeigt sich doch die gréfere Liinge und Dicke des Mittelhaares, die obere Grenze der Cutis wird eben, und es treten noch neue Haaranlagen an jeder Gruppe auf. Die Fig. 11 und 12 veranschaulichen dies noch besser. Die Schnitt- richtung ist zufallig fast parallel dem Haarringe gelegt, so da fast alle Haare an ihrer Verbindungsstelle mit der Epidermis ge- troffen sind. In Fig. 11 haben zwei Gruppen je fiinf, in Fig. 12 beide Gruppen nur vier Haare. Beide Zahlen kommen neben- einander vor, aber die Fiinfzahl scheint die haiufigere zu sein; man trifit aber die auSersten Haare, die jiinger und daher noch kiirzer sind, nur auf wenigen Schnitten. Zwischen den Gruppen liegen alternierend die Querschnitte der Mittelhaare der nachstfolgenden Gruppe, welche allemal unter der vorhergehenden wurzeln. Im weiteren Verlaufe der Serie erscheinen dann allmahlich die Neben- haare, erst eines, dann zwei jederseits, wahrend die Haare der obersten Schicht verschwinden. In der Tiefe riicken dann alsbald wieder die Mittelhaare der dritten Reihe ein u. s. w. In diesem Alter hat bereits die Ausbildung und Verhornung des Haarschaftes angefangen. Bei drei Haaren (Fig. 12) ist er schon als kleiner, festgeschlossener Stab in die Epidermis vorgeschoben, aber noch lebhaft gefairbt; bei zwei Haaren ist er dagegen schon stark ver- hornt und nicht mehr gefarbt. Die Talgdriisen beginnen sich aus- zustiilpen. In allen Abbildungen (Fig. 7—13) umgiebt den ganzen Schwanz ringsum eine starke Hornlage, welche an ihrer Oberfliche zwar einige unregelmabige Zacken und Wélbungen zeigt, im iibrigen aber der Epidermis vollig glatt aufliegt und nirgendwo eine Ab- grenzung in Ringe oder Schuppen erkennen 1aBt. Fig. 15 zeigt die Gruppierung noch deutlicher; es sind fiinf verschiedene Haarringe getrotien. Der Schwanz dieses Tieres fiel allerdings durch seine Kiirze auf; es schienen die einzelnen Ringe dichter zusammengedringt zu sein. Eine Ziahlung derselben oder ein Vergleich mit der Anzahl bei anderen Tieren war nicht mig- lich, da duferlich ja noch nichts von den Haarringen wahrzu- nehmen war. Ich glaube aber aus der Serie ersehen zu kinnen, dak die Zahl kaum geringer ist als bei anderen Embryonen. Von den beiden untersten Reihen sind nur die Mittelhaare getroffen, die am tiefsten in der Schwanzhaut wurzeln, und zwar dicht an ihrem 614 F. Romer, proximalen Ende, an der Haarzwiebel, daher im Bilde auch die stiirksten. Die alternierend dariiber liegende Reihe ist weiter vorn vor der Haarzwiebel getroffen und daher viel diinner. Die dritte Reihe zeigt bereits jederseits ein laterales und die vierte je zwei laterale Haare. Oben in der Epidermis sieht man dann noch einige Querschnitte der fiinften Reihe, deren Haarschiafte schon teilweise angelegt sind, aber die Haut noch nicht tiberragen. In Fig. 14 dringen von oben her drei Einschnitte in die Epidermis ein, die eine regelmaiige Einteilung dieser in Felder oder Schuppen zu verursachen scheinen. Sie liegen allemal tiber der tiefsten Stelle der Epidermis und gerade tiber dem Mittelhaar, zu dem sie auch naihere Beziehungen haben, denn im weiteren Verlauf der Serie zeigt sich, da’ es die Stelle ist, an welcher der Schaft des Mittelhaares die Epidermis durchdringt. Sie sind bereits durch die Epidermis bis zum St. corneum vorgedrungen. In Fig. 15 scheint diese Einteilung der Epidermis noch allgemeiner, man sieht aber hier deutlich, da8 die oberen Hornzapfchen zu den darunter liegenden Haaren gehéren und sich bis zu diesen verfolgen lassen. Die Hornschicht ist an diesem Vorgange insofern aktiv beteiligt, als sie auch ihrerseits von oben her in diese Spalten eindringt, sobald sie durch den Druck des von unten kommenden Haar- schaftes klaffen. Manchmal klafft die Epidermis bereits, wenn erst ein ganz kleiner, noch lebhaft gefirbter Haarschaft angelegt ist, wie z. B. in Fig. 12. Nattirlich wird dadurch auch teilweise eine wellige Oberflache der Hornschicht veranlaft (Fig. 15). Daf sie aber trotzdem noch eine einheitliche, nicht geteilte Schicht bildet, zeigt die in continuo abgehobene obere Partie. In Fig. 16 sehen wir vier vollstandig ausgebildete Haare, mit kraftigem Schaft. Sie sind durch die Hornlage bis zum obersten Rande derselben vor- gedrungen, haben sie aber noch nicht durchbrochen oder abge- hoben, sondern sich an ihrer Oberflaiche leicht umgebogen. Nicht viele Haare sind so weit entwickelt und es scheint mir daher die Kraft der wenigen Haare noch nicht auszureichen zur Sprengung oder Abhebung der Hornschicht. Die Erhebung der Cutis zu Pa- pillen ist weiter fortgeschritten; mit der gréSeren Schragstellung der Haare schiebt sich auch die Cutis mehr und mehr falten- artig tiber sie hinweg und bildet schlieBlich groBe, den ganzen Schwanz umgreifende Falten, zwischen denen in der Tiefe die Haare stehen. Dariiber legt sich ganz gleichmifig tiber den ganzen Schwanz eine Horndecke, welche vor dem Durchbruch der Haare noch keine Einteilung in Schuppen oder Furchen erkennen Studien tiber das Integument der Siugetiere. 615 lift. Die geringen Wélbungen tiber jedem Haar (Fig. 16) sind auf den Druck derselben zuriickzufiihren. Spater, wenn die Haare zahlreicher und starker geworden sind, erfolgt allgemein und gleich- miafig der Durchbruch und damit die Sprengung der Hornschicht an den betreffenden Haarringen. Das Resultat dieser Sprengung zeigt Fig. 17, ein Langsschnitt durch die Schwanzhaut einer erwachsenen Ratte. Die Erhebungen der Cutis sind héher und langer geworden, iiberragen das allgemeine Niveau der Haut bedeutend und um- geben den Schwanz gleichmafig als parallele Falten. Damit hat die Horndecke ihren einheitlichen Charakter verloren und lat zwei verschieden dicke Partien erkennen, eine diinnere in der Ein- senkung, wo die Haare stehen, und eine dickere auf den Erhebun- gen der Cutis, den eigentlichen Hornringen oder Schuppen. Zwischen ihnen kann man deutlich die Rifstellen erkennen, an welchen die Haare die Hornschicht gesprengt haben. Sie ist hier am diinnsten, und es ist wohl anzunehmen, dal’ mit dem Durchbruch der Haare ein Teil der Hornsubstanz zerrissen wird. Die untersten Schichten sind einfach durchbohrt, aber in ihrer Lage nicht verdndert; die obersten dagegen sind zerrissen und zum Teil auch abgehoben, aber nicht nur an dem betreffenden Punkte, wo die Haare heraus- treten, sondern auch zwischen den Haaren auf dem ganzen Ring, so daf hier die Hornschicht fast tiberall diinner ist. Nur selten trifft man zwischen den Haaren Stellen, an denen die Hornschicht nicht EKinbufe an ihrer Dicke erlitten hat und der Schicht auf den Ringen an Dicke nicht nachsteht. Am hinteren freien Ende der Schuppen ragen die zerrissenen Enden frei vor, und man kann ihre Schichtung und Zusammensetzung noch deutlich erkennen. Daf aber die Hornschicht auf dem ganzen Schwanze noch ein- heitlich ist, dafiir sprechen diejenigen Praparate, an denen sie sich infolge der Konservierung oder des Schneidens sowohl auf als zwischen den Ringen in continuo abgehoben hat. Die lockere Schichtung der Schuppen ist selbst an alten Tieren noch allge- mein. Die Fig. 18 und 19 geben noch Querschnitte durch die Schwanzhaut alter, ausgewachsener Ratten. Der eine Schnitt (Fig. 18) ist durch das untere, tiefere Ende eines Schuppenringes gelegt und zeigt deutlich die Abgrenzung der Cutiserhebungen, der Schuppenpapillen, durch Vertiefungen der Epidermis. Da- durch wird auch eine Einteilung in Hornschuppen hervorgerufen, obschon die Hornschicht auch in den Furchen von derselben Dicke ist. Die Gruppierung der Haare ist dieselbe, vier und fiinf Haare in einer Schuppe. In der linken Gruppe tritt der gréfte Unter- 616 F. Romer, schied zwischen Mittel- und Seitenhaaren deutlich hervor, indem das Mittelhaar am starksten, die beiden iuBersten am schwachsten sind. Die Talgdriisen sind stark ausgebildet, alle nach unten ge- dringt und dicht aneinander gelagert. Auffallend ist, da in manchen Haarbilgen noch ein zweiter, schwiicherer Haarschaft steckt: auch vielleicht ein Beweis der tberreichen Hornbildung. Der Schnitt, dem die Fig. 19 entnommen ist, stammt von einer Hausratte, Mus rattus L., her und ist hart auf der Grenze zwischen zwei Schuppenringen gefiihrt. Zu oberst sieht man noch an drei Stellen die letzten Reste des vorhergehenden Ringes. Die Haare sind gerade an ihrem Austritt aus der Epidermis getroffen, welche sie wallartig umfaft. Die Abgrenzung des Hornringes in einzelne Schuppen ist hier nicht deutlich, weiter zuriick aber ebenso gut ausgeprigt wie bei der Wanderratte. Beide Ratten- arten unterscheiden sich in ihrer Schwanzhaut nur dadurch, da die Papillen der Hausratte flacher und gestreckter sind, sie er- heben sich nur wenig tiber das allgemeine Niveau der Haut, und da8 die Haare mit ihren Wurzeln kaum unter den vorhergehenden Ring reichen. Die dicke Hornlage auf den Ringen ist stark pig- mentiert, wihrend in den Thialern jegliches Pigment fehlt. Hier scheinen die schwarzen Haare alles Pigment fiir sich beansprucht zu haben. Die iibrigen untersuchten (meist afrikanischen) Arten geben zu besonderen Bemerkungen keinen Anlaf. Da ich von jeder Art meist nur 1 Exemplar zur Verfiigung hatte, konnte ich natiirlich die ganze Entwickelung der Schwanzhaut nicht verfolgen ; ich glaube aber aus den einzelnen Altersstufen entnehmen zu kénnen, daf sie nicht wesentlich anders verliuft und zu anderer Deutung Anula8 giebt. Die Unterschiede beziehen sich meist auf die Form und Hohe der Schuppenringe und auf die gréfere oder geringere Dichtigkeit der Haare. Bei Mus barbuarus ist der Schwanz auferordentlich dicht behaart. Eine Gruppierung der Haare zu dreien ist zu er- kennen, aber wenig schén ausgebildet. Die Papillen der Cutis iiberragen das Niveau der Haut nur wenig und die Hornschicht bedeckt die Erhebungen wie Kinsenkungen alle gleichmafig, so dal ihre Oberflache absolut glatt und eben ist. Bei Mus spec. juv. aus Ternate stehen die Haare nicht in Gruppen, sondern einzeln, sie sind in diesem Stadium schon weit entwickelt und wurzeln auSerordendlich tief, aber die Epidermis ist noch vollkommen glatt, ebenso wie die nur sehr diinne Hornschicht. Mus musculus L. hat auch nur niedrige Cutispapillen, die nur wenig hervortreten, Studien iiber das Integument der Siiugetiere. 617 wohl aber die Haargruppen, deren Haare hier ganz nahe aneinander geriickt sind, so da’ die Talgdriisen sich beriihren. Wenn wir die Entwickelung der Schwanzhaut noch einmal kurz tiberblicken, so zeigt sich, daf die Haare sich vor den Schuppen anlegen und bereits bei ihrer ersten Anlage in ganz bestimmter Anordnung und Gruppierung auftreten, die man als altes Erbstiick ihrer phylogenetischen Entstehung auffassen muf. Sie haben einst- mals wahrscheinlich in nahen topographischen Beziehungen zu den Schuppen gestanden und behalten diese Stellung noch bei; sie legen sich noch heute in alternierenden Gruppen zu vier oder fiinf Haaren an, wobei ein Haar, das spitere Mittelhaar, zuerst auftritt und erst spiter, wenn diese weiter auseinandergeritickt sind, erscheinen die seitlichen Haare. Nichstdem haben wir als Reste aus friiherer Zeit anzusehen die bedeutende Vermehrung der Cutiszellen und die starke Abscheidung der Hornsubstanz, die schon friih zur Aus- bildung einer allgemeinen Hornschicht fiihrt. Beides deutet auf ein einstmals gut und friih entwickeltes Schuppenkleid, aber es ist dasselbe heute nicht mehr von Bedeutung und daher seine Ent- wickelung in den Hintergrund getreten. Erst nachdem die Haare schon einen hohen Grad der Ausbildung erreicht haben, erfolgt mit ihrer Schragstellung eine ringformige Erhebung der Cutis, welche den ganzen Schwanz umegreift und sich schrig tiber die Haare hinwegschiebt. Die dickere Hornschicht ist auch in diesem Stadium noch einheitlich und eben, erst die durchbrechenden Haare be- dingen eine bestimmte Einteilung dieser Schicht in dickere Er- hebungen und diinnere Vertiefungen, zu denen dann noch an be- stimmten Stellen auf den Ringen eine Einteilung in Schuppen hinzukommt, die aber nur wenig hervortreten. Die Untersuchung hat also gezeigt, daw die heutigen Schuppen des Rattenschwanzes nicht als alte Erb- stiicke der Reptilien-aihnlichen Vorfahren betrachtet werden kénnen, sondern ahnlich wie bei Anomalurus modifizierte Gebilde sind, die sekundaire Abainde- rung erfahren haben. Weser’s Ansicht, das die Schuppen die Stellung der Haare bedingt hatten, 1a8t sich voll und ganz aufrecht erhalten und wird bestatigt durch die Anordnung und Gruppierung der Haare bei ihrer ersten Anlage. Aber dieser Satz gilt nicht fiir die Schuppen, wie sie heute am Schwanz des erwachsenen Tieres vor uns liegen; es sind zwar echte Hornschuppen, die sich histologisch unbedingt Bd, XXX, N, F. XXIII, 40 618 F. Romer, an die Reptilien anschlieBen, auch beziiglich der Cutisbildungen, aber sie treten in anderer Form und Lage auf. Sie erheben sich als ringfirmige, parallele Falten um den ganzen Schwanz herum, deren zunachst einheitliche Hornschicht von den durchbrechenden Haaren zerrissen und in dickere und diinnere Partien geschieden wird. Sie miissen sich also von den durchbrechenden Haaren beein- flussen lassen, wie oben (S. 611) bereits des niheren erliutert wurde. 2. Das Integument der Fiisse. Uber die Entwickelung der Haut der FiiSe kann ich mich kurz fassen; sie verlaiuft zeitlich ebenso wie die Haut des Schwanzes. Die jiingeren Stadien, wenige Tage vor der Geburt, zeigen eine einfache, glatte Epidermis ohne eine Spur von Haaranlagen und Hornbildungen. Wahrend die Oberseite der Fiife noch fast glatt ist, giebt es auf der Unterseite in den Gelenken der Zehen zahl- reiche Falten und Erhebungen, tiber die aber die Epidermis ohne jegliche Verainderung der Cutis oder des Rete Malpighi ebenso glatt hinwegzieht wie tiber die Oberseite. Die Haare legen sich auf der Oberseite der Fie in zuniichst ziemlich regelmafigen Abstanden an und greifen auch auf die Seiten und die hinteren Teile der FiiSe tiber, aber die eigentliche Sohle bleibt véllig frei, so dafi sie im Querschnitt durch einen Fu mehr als die Hilfte des Randes besetzt haben. Mit der weiteren Entwickelung der Haare tritt auch eine starke Hornentwickelung ein, die gleichmabig alle Teile des FuSes ergreift und sowohl die Erhebungen wie die Falten mit einer einheitlichen Hornlage iiberdeckt. An ihrer ‘iiuferen Fliche ist sie mit allerhand unregelmaiBigen Zacken und Erhebungen versehen, an der inneren Seite, mit der sie der Epi- dermis aufliegt, dagegen vollig glatt und eben, wie man an den- jenigen Praparaten, an denen sie sich in continuo abgehoben hat, feststellen kann. An der Unterseite der Fii%e, in den Gelenken der Zehen, ist sie vielfach geknickt und iibereinander gelegt. Nun- mehr erfolgen die Anlagen der seitlichen Haare, je eines rechts und links von dem ersten Haar, woraus dann im weiteren Stadium ein dhnliches Bild resultiert, wie wir am Schwanz in Fig. 13 kennen lernten. Doch bestehen hier die Gruppen meistens nur aus drei, selten aus vier Haaren, und es liegen stets mehrere Haarreihen Studien iiber das Integument der Siugetiere. 619 tibereinander. Die Dreihaargruppen sind scharf voneinander ge- schieden, da zwischen den Gruppen ein gréferer Zwischenraum bleibt als zwischen den einzelnen Haaren. Diese Scheidung tritt schon zu Tage, ehe eine Abgrenzung der Cutis in zugehérige Pa- pillen erreicht wird. Dieselbe kommt erst spiter zustande, aber sie ist auch dann nur sehr schwach und erhebt sich kaum iiber das Niveau der Haut; die Hornschicht tiberdeckt aber die ganze Ober- fliche gleichmabig. An der Unterseite der FiiSe erregen noch unsere besondere Aufmerksamkeit die dicken Schwielen oder Ballen, deren die Ratte an jedem Ful 5 bis 6 gréfere oder kleinere aufzuweisen hat. Fig. 20 zeigt uns einen Schnitt durch eine gréBere Schwiele; dieselbe ist durch und durch mit einem dichten Knauel von Schweifdriisen durch- setzt. Ihre Anlage lait sich genau verfolgen, sie beginnt an einer absolut ebenen Haut, an welcher weder Haaranlagen, noch irgend welche Erhebungen der Cutis zu verzeichnen sind. Die kleinen Schwielen haben nur 4—5 Schweifdriisen, die gréferen, weiter vorn unter der Zehe gelegenen, zahlreiche, die sich mit langem Kanal tief in die Unterhaut einsenken und dort in dicht aufge- rollten Kniueln endigen. In Fig. 20 sieht man fiinf solcher Driisen fast auf ihrer ganzen Linge getroffen. Daneben und dazwischen finden sich noch die nur eben angeschnittenen Giinge zahlreicher anderer, die sich in der Serie weiter verfolgen lassen. Dadurch entstehen im Bilde scheinbar papillenartige Erhebungen der Cutis zwischen den Epithelzapfen der Schweifdriisen. Bei erwachsenen Tieren sind die Schweifidriisen auf ihrer ganzen Linge in dichtem, festem Bindegewebe eingeschlossen, welches den Schwielen den notigen Halt und Festigkeit giebt. Die Bedeutung der Schweifdriisen lift sich unschwer erraten. Sie liefern den Ballen der Fiife den nétigen fettigen Uberzug, ver- leihen ihnen dadurch Geschmeidigkeit und schiitzen sie vor Feuchtig- keit. Diese Fufsballen sind der einzige Ort, an denen solche machtige Schweifdriisen vorkommen; dem Schwanz und den FiiBen, auf der Oberseite, wie auf der iibrigen véllig nackten Sohle, fehlen sie voll- kommen. Die Offnung durch die Hornschicht konnte ich nicht beobachten. Schon in der Epidermis ist der Gang nur zu erkennen, wenn er mit schmutzigem Sekret vollgepfropft ist. Es ergiebt sich also aus diesen Befunden vollkommen der Mangel der Schuppen auf den Fiien. Die Sohlen sind mit einer dicken Hornlage bedeckt, die auch die vielen Falten und Rinnen unter den Gelenken gleichmabig 40 * 620 F. Romer, iiberzieht, aber nirgendwo irgendwie an Schuppen erinnert. Auf der Oberseite legen sich die Haare mit charakteristischer Gruppierung zu dreien an und liegen in alternierender Ordnung schon in mehreren Schichten dicht tibereinander, wenn sich die Oberfliche mit einer dichten Hornlage umgiebt. Nirgends zeigt diese bei der Wanderratte eine Abgrenzung und Kinteilung in Schuppen, und wenn solche bei einigen Arten vor- kommen, so sind sie zweifellos nachtrigliche Bildungen, welche ebenso wie am Schwanze sich erst nach den Haaren anlegen und die Stellung und Anordnung derselben nicht bedingt haben kénnen. Der Grund hierfiir liegt weiter zuriick in der phylogenetischen Entwickelungsreihe und kann nur in einem alten Schuppenkleide der Vorfahren gesucht werden. An dem Beispiel der Ratte glaube ich gezeigt zu haben, wie wichtig es ist fiir die richtige Deutung der Siugetierschuppen, ihre Entwickelung zu kennen. Ich wollte mit dieser kurzen Schilderung zu weiterem, eingehenderem Studium ahnlicher Bildungen anregen. Dadurch wird ein gréferes Vergleichsmaterial geschaffen und der Schuppenfrage eine breitere Basis gegeben, vielleicht gleichzeitig auch die Frage nach der Phylogenie des Haares geférdert, auf die ich hier absichtlich nicht eingegangen bin. Ich méchte mir diese Erérterung fiir eine spitere Arbeit, welche die Haare und Schuppen der Monotremen und Marsupialier behandeln soll, wozu mir Herr Prof. Semon sein ganzes umfangreiches Material in liebens- wiirdigster Weise tiberlief, aufheben. Erwahnen will ich nur noch, daf die MAurer’sche Ableitung des Haares (3, 1892) aus den Hautsinnesorganen der Amphibien durch die vorliegende Arbeit gar nicht beriihrt wird. Denn ich pflichte Maurer vollkommen bei, dali die Beziehungen der Schuppen und Haare zu einander nur topographischer Natur sind, wie ich hier und anderwarts (7, 1893) mehrfach betont habe. Jena, Februar 1896. Studien tiber das Integument der Siugetiere. 621 Litteratur-Verzeichnis. 1) 1876. C. Arnsrern, Die Nerven der behaarten Haut. Wiener Sitzgsber., math.-naturw. Klasse, Bd. LX XIV. 2) 1892. M. Wesrr, Beitriige zur Anatomie und Entwickelung des Genus Manis. Zool, Ergebnisse einer Reise in Niederl.-Ostindien, Leiden, Bd. IL. 3) 1892. F. Maurer, Hautsinnesorgane, Feder- und Haaranlage. Morphol. Jahrb., Bd. XVIII. 4) 1893. F. Rémer, Uber den Bau und die Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. Jenaische Zeitschr., Bd. X XVII. 5) 1893. J. C. H. pz Merern, Over de haren de zoogdieren, Leiden 1893. 6) 1893. M. Weser, Bemerkungen tiber den Ursprung der Haare und iiber Schuppen bei Séugetieren. Anat. Anz., Bd. VIII. 7) 1893. F. Romer, Zur Frage nach demUrsprunge der Schuppen der Siugetiere. Anat. Anz., Bd. VIII. 8) 1893. F. A. Jentinx, On a new species of Rat from the Island of Flores. Zool. Ergebnisse einer Reise in Niederland.-Ostindien, Bd. III, Leiden. 9) 1894. L. Res, Die Schuppen der Siugetiere. Verhandlungen der Naturw. Ver. Hamburg, 1893. Ein Vortrag. 10) 1894. LL, Res, Die Schuppen der Saugetiere. Jenaische Zeitschr., Bd. XXIX. Figuren-Erklirung. (Die Figuren 1—19 simtlich aus Schnitten durch die Haut des Schwanzes.) Tafel XXVII, Fig. 1. Mus decumanus Pau, Albino, Embryo, 25 Tage alt. Querschnitt. Zei® Ok. 2, Obj. D. Eine einfache glatte Epi- dermis. In der Cutis einige lebhaft gefirbte Leukocyten. Fig. 2. Desgl. Embryo, 27 Tage alt. Querschn, Ok. 2, Obj. D. Die ersten Anlagen der Mittelhaare. Fig. 3. Von demselben Embryo. Querschn. Ok. 2, Obj. A. 6 Haaranlagen in regelmiSiger Anordnung, 622 F. Rémer, Studien iiber das Integument det Siugetiere. Fig. 4. Desgl, Embryo, kurz vor der Geburt. Querschn. Ok. 4, Obj. A. 4 Haaranlagen in gleichen Abstinden, darunter die Cutis- zellen in starker Vermehrung und ein dichtes Band gleichmafig unter der Epidermis bildend. Fig. 5. Desgl. Embryo, kurz vor der Geburt. Lingsschn. Ok. 2, Obj. A. Fig. 6. Von demselben Embryo, Querschn. Ok. 2, Obj. A. 4 Anlagen der stirkeren Mittelhaare mit je 2 Anlagen der seit- lichen Haare. Fig. 7. Desgl. neonatus. Langsschn. Ok. 2, Obj. A. Die Ent- wickelung der Mittelhaare weiter vorgeschritten; die Cutis beginnt sich zu erheben. Fig. 8. Desgl. juv., 6 St. alt. Querschn. Ok. 2, Obj. D. Die Anlagen der seitlichen Haare bei stirkerer Vergroferung. Fig. 9. Desgl, juv., 2 Tage alt. Querschn. Ok. 2, Obj. A. 5 Gruppen mit je 3 Haaren, dariiber die bogenartige Erhebung der Cutis. Fig.» 10. Von demselben Tier. Querschn. Ok. 2, Obj. A. Auf der Grenze zwischen 2 Haargruppen die Anlage noch weiterer seit- licher Haare. Fig. 11. Desgl. juv., 3 Tage alt. Querschn. Ok. 2, Obj. A. Zwei Gruppen zu 5 und eine zu 4 Haaren. Fig. 12. Desgl. juv., 5 Tage alt. Querschn. Ok. 2, Obj. A. Die erste Anlage des Hornschaftes. Tafel XXVIII. Fig. 18. Desgl. juv., 5 Tage alt. Querschn, Ok. 2, Obj. A. 5 Haarreihen iibereinander gelagert. Fig. 14. Desgl. juv., 3 Tage alt. Querschn. Ok. 2, Obj. A. Uber den Mittelhaaren die Stellen, an denen ihre Schifte die Epi- dermis durchbrechen. Fig, 15. Desgl. juv., 5 Tage alt. Liangsschn, Ok. 2, Obj, A. Man sieht, dafi die oberen Einschnitte zu den Haaren gehéren. Oben eine abgeléste Schicht des St. corneum. Fig. 16. Desgl. juv., 7 Tage alt. Lingsschn. Ok. 2, Obj. A. Kombinationsbild aus zwei verschiedenen Schnitten, denen je 2 Haare entnommen sind. Die Haarschichten durchdringen die Hornschicht bis zu ihrem obersten Kande und biegen sich dort um, Fig. 17. Desgl. juv., 3 Wochen alt. Liangsschn. Ok. 2, Obj. A/,. Kombinationsbild aus zwei verschiedenen Schnitten. Fig. 18. Desgl. erwachsen. Querschn. Ok. 2, Obj. A/, Fig. 19. Mus rattus L., erwachsen. Querschn. Ok, 2, Obj. A/,. Fig. 20. Mus decumanus Patt, Albino. Liingsschnitt durch einen Fufballen. Ok. 2, Obj. A/,. 5 lange Schweibdriisen, die auf dem Schnitt ganz getroffen sind. Zur Entwickelungsgeschichte des Zahnsystems der Saugetier-Gattung Galeopithecus Pall. Von Theodor Dependorf. Hierzu Tafel XXIX—XXXII und 6 Figuren im Text. In den letzten Jahren ist die embryologische Untersuchung der Zahnsysteme der Saugetiere eine reiche Fundgrube fir die Forschung auf diesem Gebiete geworden, und besonders die alteren Saugetiergattungen haben wertvolle Aufschliisse allgemeiner Art gegeben. Es sind aber noch viele Liicken vorhanden, und eine derselben auszufiillen, ist der Zweck vorliegender Arbeit. Die nichste Veranlassung dazu ergab sich aus der Uberweisung von Material von Galeopithecus, welches Herr Prof. KiUKENTHAL von seiner letzten Reise in die Molukken heimgebracht hatte. Eine entwickelungsgeschichtliche Untersuchung dieser seltenen und in- teressanten Siéiugetiergruppe stand bis jetzt noch aus. Herr Prof. KiUkENTHAL hatte die Liebenswiirdigkeit, mir einen kleinen Embryo sowie jiingere und altere Exemplare zur Verfiigung zu stellen. Ich halte es fiir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer hierfiir wie fiir seine giitige Unterstiitzung waihrend meiner Arbeit meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Eine willkommene Er- weiterung meines Materiales erhielt ich, indem mir der Direktor des naturhistorischen Museums zu Hamburg einen weiteren, etwas gréferen Embryo zur Untersuchung iiberlieB. Ich gestatte mir an dieser Stelle Herrn Prof. Kripein fiir diese bereitwillige Uber- lassung meinen herzlichen Dank zu sagen. Es waren also folgende Altersstufen, die ich einer ein- gehenden Untersuchung unterziehen konnte. 624 Theodor Dependorf, Stadium A. Embryo I. Gesamtlinge, gemessen von der Schnauzenspitze iiber den Riicken bis sumi@adger. =... : 5 SO eens BAB 3: $l.” Deselercueny) 5... Lo a » C. WNeugeborenes: Manmeuen ) 2... H » Verhandlungen. Compte Rendu., 678 Bologna Florenz Mailand Neapel ” ” Perugia Pisa ” Turin Caen ” ” Marseille Paris ” ” Briissel ” ” ” Liwen Liittich Amsterdam Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Naturforschende Gesellschaft Mitteilungen. Institut National Genevois Mémoires. 5 ¥ Bulletin. Société de physique et d’histoire naturelle Mémoires. Italien. Accademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna Memorie. ve i Rendiconto. Societa botanica Italiana Nuovo Giornale. 2 o ‘ Bullettino. Societa Italiana di Scienze Naturali Atti. es ‘ af Memorie. R. Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche Atti. = Rendiconti. Zoologische Station Mitteilungen. Accademia medico-chirurgica Atti e Rendiconti. Societa Toscana di Scienze Natural Atti. 7s Processi verbali. Archives Italiennes de Biologie. Archivio per le Scienze Mediche. R. Accademia delle Scienze Memorie. Atti. Osservazioni met- eorologiche. ” ” PP ” ” ” Frankreich. Société Linnéenne de Normandie Bulletin. Mémoires. Mémoires. ” ” ” Musée Vhistoire naturelle (Zoologie) Annales. ” ” 7 Musée d’histoire naturelle Archives. Société zoologique de France Mémoires. ‘3 ‘ " Bulletin. Belgien. Académie R. des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts Bulletins. 53 x Annuaire. Société entomologique Annales. Mémoires. ” ee Cellule Archives de Biologie. Holland. K. Akademie van Wetenschapen Wis- en natuurkundige Afdeeling Verhandelingen. Verslagen. Jaarboek. ” ”) ” ”) Ort: Amsterdam ” ’s Gravenhage Haarlem ” Leiden Cambridge n Dublin Edinburgh ” ” ” London Oxford Kopenhagen ” Christiania ” 7 Stockholm Upsala ” ” Jahresbericht. 679 Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: K. Zoologisch Genootschap Natura artis magistra Bijdragen. . =A Tijdschrift. K. Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indie Tijdschrift. Musée Teyler Archives. = ‘i Catalogue. Nederlandsche Dierkundige Ver- eeniging Tijdschrift. Grofbrittannien. Philosophical Society Transactions, 3 ms Proceedings. The R. Dublin Society Transactions, ns 3 : Proceedings. Royal Society Transactions. ~ e Proceedings. R. Physical Society Proceedings. R. College of Physicians Reports. Linnean Society Transactions. ‘: - Journal. R. Microscopical Society Journal. Royal Society Philos. Transac- tions. Ee fs Proceedings. Zoological Society Transactions. Proceedings, Quarterly ‘Journal of Microscopical Science. Dinemark. K. Danske Videnskaberner Selskab Skrifter. ei ‘4 : » Oversicht. Norwegen. Norske Medicinske Selskab Forhandlinger. Norsk Magazin. ; Archiv for Mathematik og Naturvidenskab Schweden. Nordiskt Medicinskt Arkiv. Svenska Likare Siallskap Hygiea. Forhandlingar. Handlingar. Ofversigt. Bihang. Lefnadstecknin- gar. Nova Acta. Bulletin of the Geolog. Instit. Likare Férenings Forhandlingar. ) ” ” K. Svenska Vetenskap-Akademie ” ” ” 7 n ” Kong]. Vetenskapssocietet Universitit 680 126) 127) 128) 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136) 137) 138) 139) 140) 141) 142) 143) 144) 145) 146) 147) 148) 149) 150) 151) 152) 153) 154) 155) Ort: Helsingfors Katharinenburg Moskau St. Petersburg ” Jassy Halifax Montreal Otawa ” Baltimore ” Boston ” ” Cambridge ” Granville (Ohio) St. Louis Nebraska New Haven New Vouk Philadelphia ” Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: RuS8land. Finska Vetenskaps Societet Acta. a x, i Ofversigt. - " be Bidrag till Kanne- dom of Finnlands Natur och Folk. us : ‘. Observations mé- téorolog. Société Ouralienne de médecine Mémoires. Société Impériale des naturalistes Mémoires. - - es ¥ Bulletin. Comité géologique Mémoires. 7 Bulletin. Ruminien. Société des médecins et des na- turalistes Bulletin. Nordamerika. I. Canada. The Nova Scotian Institute of Transactions and Natural Science Proceedings. Royal Society of Canada Proceedings. Geolog. and Nat. History Survey of Canada Reports. a 4 Catalogues. II. Vereinigte Staaten. John Hopkins University Studies from the Biol. Laboratory. ‘ “s Circulars. Society of Natural History Memoirs, - - m “i Proceedings. a » - is Occasional Pa- pers. Mus. of Comparative Zoilogy Memoirs. na; f _ Annual Report. wale 14 b: Bulletins. Denison University Bull. of the Scien- ; tific Laboratories. Missouri Botanical Garden Annual Report. University of Nebraska University - Stu- dies. Connecticut Academy of Arts and Sciences Transactions. The American Journal of Science. Journal of Comparat. Medicine. Academy of Natural Sciences Proceedings. The American Naturalist, Ort: 156) Washington : 158) 159) r 160) ” 161) : 162) - 163) Santiago 164) ” 165) Cordoba 166) 2 167) Melbourne 168) if 169) Sydney 170) “ 171) Tokio 172) ) Jahresbericht. 681 Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: U. S. National Museum Bulletins. 5, a3 mn Proceedings. Smithsonian Institution Bulletins. U. St. Geological Survey Bulletins. . os es Annual Reports. ‘, - * Monographs. U. S. Dep. of Agriculture, Div. of Ornithol, and Mammology Bulletins. Sitidamerika. I, Chile Deutscher wissensch. Verein Verhandlungen. Société Scientifique du Chili Actes. II, Argentinien. Academia Nacional de Ciencias Actas. ” ” ” ” Boletin. Australien. Royal Society of Victoria Proceedings. - 4 fe ‘ Transactions Royal Society of New South Wales Journal and Pro- ceedings. Binnean- ,: | » r Proceedings. Japan. College of Science, Imperial Uni- versity Journal. Medicinische Fakultiit der K. Universitat Journal. Die Gesellschaft spricht fiir alle Schenkungen ihren Dank aus. Die Hingiinge wurden den Satzungen entsprechend der Universitats- bibliothek iiberwiesen. III. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1895: 1) Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft, Bd. XXIX, Heft 3 und 4 (Doppelheft), und Bd. XXX, Heft 1; 2) Denkschriften der Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Gesell- schaft, Bd. V, Heft 2, und Bd. VIII, Heft 2 (dieselben bilden das 4. und 5, Heft des Smmon’schen Werkes). Von dem obengenannten Doppelheft der Zeitschrift wurden im ganzen (fiir Austausch, Abonnement und den Buchhandel) 238 Ex- emplare versandt (von dem 1. Heft des 30. Bandes bis jetzt 219 Exemplare), von dem 2. Heft des VIII. Bandes der Denkschriften im ganzen 93 Exemplare ausgegeben, und zwar 71 fiir den Buch- handel, 7 Freiexemplare und 17 Exemplare an die Gesellschaft, die Versendung des Heftes 2 vom V. Bd. ist noch nicht erfolgt. Bd, XXX, N, F. XXIII. 44 682 Jahresbericht. IV. Der Kassenbericht wurde von Herrn Tuomas gepriift und fiir richtig befunden. Die EHinnahme betrug 2848 Mark, die Ausgaben betrugen 1812 Mark, bleibt ein Barvorrat von 1036 Mark. V. Die Gesellschaft hatte wihrend des verflossenen Jahres den Tod zweier Ehrenmitglieder und eines Mitgliedes zu beklagen: 1) Am 11. Juni starb in Jena Franz von Rien, Excellenz, welcher der Gesellschaft seit ihrer Begriindung angehért hat. Nach der Grabrede von Prof. Rreprnt gedachte der Vorsitzende in der un- mittelbar nach der Beerdigung stattfindenden Sitzung kurz seiner Verdienste um die Gesellschaft; die zahlreichen Anwesenden gaben durch Erheben von den Sitzen ihrer Wertschitzung des Ver- blichenen Ausdruck. 2) Am 29. Juni verschied in London Tuomas Huxtey; seinen Verdiensten und seinem Andenken widmete Prof. Harcxen in der Sitzung am 12. Juli eine Ansprache (s. oben), den Vorsitzenden beauftragte die Versammlung mit der Absendung eines Beileidschreibens an die Witwe. des hochverdienten Natur- forschers. 38) Zu Anfang des Sommers starb Prof. Brimumr. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten: Fritz Reeser, I. Vorsitzender, Ernst Harcxet, II. Vorsitzender, Max Firsrincer, Redakteur, Kart Konrap Mitier, Bibliothekar. Die Tauschkommission wurde gebildet von dem Vorstand und den Herren Gustav Fiscuer, Ernst Sraut, Apotr WINKELMANN. In der Schlufsitzung des Jahres wurde an Stelle des statu- tarisch ausscheidenden I. Vorsitzenden Herr Lrususcuer gewihlt. Die iibrigen Mitglieder und die Herren der Tausch- kommission wurden durch Zuruf wieder gewihlt. Neueingetreten ist 1, angemeldet 2 neue Mitgleder, so da’ der Abgang an ordent- lichen Mitghedern am Schluf8 des Jahres gerade wieder ausge- glichen ist. Es umfa8t die Gesellschaft alsdann 3 EKhrenmitglieder und 96 ordentliche Mitglieder. Mitgliederverzeichnis. Friihere Ehrenmitglieder waren die Herren: Jahr der Ernennung. Karu Scurmpmr (fF 1867) 1855 Dietrich Grore Kinser (7 1862) 1857 Lovis Sorer (fF 1890) ‘ 1864 Apert VON Brzoip (fF 1868) 1866 Tuomas Huxiny (7 1895) 1867 Marruras Jacosp Scuiemen (+ 1881) 1878 Oskar Scumipt (fF 1886) 1878 Cuartes Darwin (7 1882) 1878 Franz von Riep (7 1895) 1892. I. Ehrenmitglieder. 1) Kari Gueensaur, Heidelberg 1873 2) Orromar Domricu, Meiningen 1892 3) Ernst Hancxst, Jena (1861) 1894. Jahresbericht. 683 II. Ordentliche Mitglieder. Jahr der Aufnahme. 1) Prof. Dr. Ernst ABBE Jena 1863 2) Prof. Dr. Frrix AvERBACH u 1889 3) Prof. Dr. Karu von BAarpDELEBEN rs 1873 4) Dr. Gustav Bacuus, Assistenzarzt i. 1894 5) Prof. Dr. Witneum BrepERMANN Pri liel eseic: 6) Prof. Dr. Orro BinswancErR Bs 1882 7) Dr. Frrrz Bockrtmann, prakt. Arzt Rudolstadt 1875 8) Dr. Hermann Braus, Assistenzarzt Jena 1894 9) Dr. Frrepr. Bucusinper, Gymnasialprof. a. D. OOO 10) Dr. Orro BirstenBinpEr, Assistenzart » 1894 11) Wituetm Buz, Realschuldirektor a. D. LETS GD 12) Dr. Steerrrep CzapsKi AV ISSS 13) Prof. Dr. BertHotp DELBrtcK iM ASOD 14) Prof. Dr. Wirue~tm DetMer aM ho fA) 15) Dr. Leo Drtwymr, Assistenzarzt » 1894 16) Dr. Paut Dunern, Assistenzarzt » 1894 17) Wituetm Eper, Medizinalassessor £1893 18) Dr. Herricu Eeeerine, Geh. Staatsrat, Univ.- Kurator Le bole, 19) Dr. Gustav Eicunorn, prakt. Arzt INTE 20) Prof. Dr. Hermann ENGELHARDT pWiietl slo! >) 21) Dr. Gustav Fiscuser, Verlagsbuchhindler » 1885 22) Prof. Dr. Gorrnogp FREGE ae SE 23) Prof. Dr. Max Firsrincer, Hofrat Pie: Keicie) 24) Dr. Curistran GincGz, Privatdozent WA VEUD 25) Prof. Dr. Avucust Gartner, Hofrat ett SSG 26) Dr. Gixsz, prakt. Arzt Ake ls tis 27) Prof. Dr. Grore Gorz a) ESRD 28) Prof. Dr. Turopor Freiherr von DER GouTz » 1885 29) Dr. Frerprnanp Gumprecut, Assistenzarzt Eig hers) 30) Prof. Dr. Hernricn HarcKet, » 1884 31) Dr. Jonann Hyort Christiania 1896 32) Gustav Jonas, Apotheker Jena 1890 33) Prof. Dr. Jonannes KussEn bE iciele 34) Dr. Orro Knorr, Privatdozent » SASSO 35) Prof. Dr. Lupwie Knorr 55 Se) 36) Rupotr Kocn, Bankier » 1893 37) Wituetm Kocn, Bankier a Soe 38) Dr. Kart Konmscu, Gymnasiallehrer a TSoM 39) Prof. Dr. Lupotr Krenn LS ASOD 40) Dr. W. Krey, Kaiser]. Chin. Oberbeamter a. D. Mat oro, 74 41) Frivz Kriecer, Geh. Justizrat, Oberlandesgerichtsrat ,, 1889 42) Prof. Dr. Witty Kitxentuan LS) tSSC 43) Dr. Witne tm Leups, Assistenzarzt ey TSOe 44) Prof. Dr. Gzorc Leususcusr, Bezirksarzt 5 ASBe 45) Prof. Dr. G. Linck » 1894 46) Hermann Maser, Rechtsanwalt 5; £893 47) Dr. Marrs, Assistent an der Ohrenklinik » 1896 48) Dr. Max Marrtuss, Privatdozent 5» L891 44* 684 Jahresbericht. Jahr der Aufnahme. 49) Dr. Paut Mruirzer, prakt. Arzt Jena 1893 50) Prof. Dr. Winnrim Miruer, Geheimer Hofrat 5( 3. L865 51) Dr. Karn Konrad Minune, Oberbibliothekar sf) 189m 52) Prof. Dr. Ricuarp NeuMEISTER » 1890 53) Dr. Hermann Opermiiuer, Assistenzarzt ait bees 54) Dr. Max Ovrerwee, Stabsarzt 5 A8si 55) Prof. Dr. Epuarp Prcuugn-Léscue Erlangen 1884 56) Dr. Emit Pretrrer, Fabrikdirektor a. D. Jena 1887 57) Prof. Dr. Tnropor PFrerrrEer se See 58) Dr. Avotr Pinrz, Privatdozent » 1884 59) Ernst Prurz, Institutslehrer 5 (1898 60) Gorrn. Prtssinc, Fabrikdirektor » 1890 61) Dr. Karu Purricn 51 8on 62) Prof. Dr. Frirz RecEn x) ese 63) Prof. Dr. Bernnarp Riepex, Hofrat aon ‘Lesa 64) Dr. Paut RiepEn Aa Loe 65) Dr. Frirz Romer, Assistent am zool. Institut 3) 189s 66) Dr. Leo SacusE, Gymnasialprofessor a. D. ere) LSes 67) Prof. Dr. Hermann ScuArrer » 1855 68) Prof. Dr. Lupwie ScninuBace sein LSbG 69) L. Scuimmetrrennic, Postdirektor a. D. peso 70) Dr. Orro Scuort, Fabrikdirektor 5) 2882 71) Prof. Dr. Sra. Bernnarp Scuunrze, Geh. Hofrat ,, 1858 72) Paun Scuuirzz, Oberinspektor aot 18a8 73) Prof. Dr. Konrap von SEELHORST .(}) 1898 74) Prof. Dr. Morrrz Semen, Geh. Medizinalrat » 1864 75) Prof. Dr. Ricwarp Semon 4 , L886 87) Dr. Aurrep WetckeEr, Assistenzarzt 1 L892, 88) Dr. Tuxopor Werte, Assistenzarzt mbps)! 89) Frreprico Wiecmann, Apotheker nt, L898 90) Prof. Dr. Aponr Wiyxetmann, Hofrat » 1886 91) Dr. Wineetm Winter, Privatgelehrter pee! ots | 92) Dr. Apvonr Wrrzen, Privatdozent arth Soe 93) Prof. Dr. Lupwia Wo.rr hss) 94) Prof. Dr. THropor ZinHEN »( | £886 95) Prof. Dr. Paut ZrmmMERMANN sl 2896 96) Sanititsrat Dr. Zoper » 1894. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 1539 vce actrw a A rd: juslay Mischer el Jenuische Zeitschrift Bd. XEN. V An Noga !) y i *\h nigh (Ox Mjhy,, Waid ¥ TRF ARS Ne PRPGPNAIIAS vin @ @ @ hig. 1. as | TO | , Biman Tih. “9 *@ Es inaische Zeitschitt Bd. XXV gz 5 Lith Ar & Miller, Jena Ma LA LANNY, Zeit » M = [PENS RST er ipnmenric east ORERESYY 5 { = Jenaische Zeitschrift Ba XXX... aa . Taf V. 1/Mustelus).y,. Jet ar Napkin, V f E Noi Nhe ! m ” ?(Torpedo/. au ica rm FIT rmrsit gee 6 Tamale, " —«-OlRhinobatus). 3 (Raja): a tl ye a ‘Nophsp 4 FI FW TM rm rs a wv Gustav Fischer Jon = = s 3 = Verlv.0 pete ; Lith. Ansty. A Giltsch Jer & Jenuische Zeitschrift Bd. XXX. 10{Torpedo,ventr,/ A---lsm -—Usl atu I (Mustelus, ventr.) HI) Nils \ ‘ 12/Rhinobatus, ventr) ms i Br, ji i lls. -C5U, dy 5/Mustelus, lat Ven ee i a (imam? Pi Pni fy | / / 1/ Vi Raja ,ventr. / Ver! v GustavFischer Jens Lith. Anstw: A Giltsch Taf WI. Jena. oJ re ; |, ar ee » =~ ’ = on r Jenaische Zeitschrift Bd XXX. 15(Rhinobatus, dors.) 13 (Raja dors.) = adic LLL B.Tiesing w A.Giltsch gez Verl 7 Gustav Fischer Jena Senarsche Zeitschrift, BA.XXX. Taf Vi. Fina y|| pV 0.0 0 IN) TWAAl 0% oy ‘ mn } j 00" Oh 28 you Gustav Fischer in Jena Lith Anst-vKWesserJena Le Taf. IX. Jenaische Leitschrift, Bd. XXX. , OOPS GS ap aN ELT eT aT DAY Papel 0 h SSS 9.0 wane rd ie 3 = 2 Sz at ——— 7 ass © Ye garee : os 4 . ae q ‘sb phe oe mo ‘y ie — ee Ho ee Cg SS as 0 h —~ — a set) | Tnth AnstvK Wesser, Jenz. Verlag von Gustav Fischer in Jeng Pete = me > "= 7 — ry 5 a = : — See a A aac ry = - = 4 . 7 2m Jenaische Zeitschrifi, Bd. XXX. Oru--}----=-=--- Q nee 7 a* peeem Fait INT) = Verlag von Gustav Fischer in Jena Tih AnseiWe ith AnswwKWessexJena. 4 — Jenaische Leitschrift, Bd. XXX. Fig. 1. da . Verlag mm Gustav Fischer in Jena Tan b Lm. ks : aa —" yo = - cs « Ss Pas 7 7 7 ’ Jenaische Zeitschrift, Bd. XXX . a ee SS Verlag von Gustav Ascher m Jena _ Jenarsche Zeitschrift, Ba. XXX, Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lith AnctyKWesser Jena Jenaische Zeitschritt Bd. XXX. Taf XTV. (ed Mi eh Mal add A a j wu / —t-+-4 heeded Le LL LLL Clg labibiahedsetu \ TP1PY PVE tet peor PBN HPL PUPP iq V. § Isiay Fischer Jena i jscher vena Tath Ansty 6.0 Miller al a LUM ANSE, U.U MWe? 9 ena Jenaische Zeitschritt Bd, XXX Teel XV. Ti cs TT SpirM. ig. 95. Fig. 24. _ Fig. 8b. ae Fig. 18c. gEEReei Otero Fig.79. Tie reo be gS. oN . rs « Jena rr “5 5 Lith uatv.6,0 Muller, dena. Verlag v Gustay Fischer. Jena Lith Anct v GG Miller Jena. i Jenaische Leitschritt Bd. XXX. Tap AIK ye Mie oes RR i e \S “Cag oe a aa = APH J. Bloch gez nPrasp Valagy Gustav Fischer Jena TithAnstv:Go Miler Jena. J Bloch. gez.n Praep. Verlag.Gustay Fischer Jena. Lith Anst.@.0 MillerJena Tap 3X2 | Fig. 14. rer heat oN 3 Tose, We (AN ITE ae, Pee — V Tay v. Oustav sischer Jena. ” 4. < » ee aie ee eee oe eee ee | ; Jenaische Zeitschrifi. Bd AA, Verlag yon Gustav Fischer indena > 7 OP OP Eel ess eon a a rel i tele riel cet eri tear > i "WY ae Jenaische Leitschrift, Ba XIX. Fig. 72 eed ad @ @ b @ 8 Rak ENS een, Semi ae Jéne cher ix Fis Verlag von Gustav Jenatsche ZLettschrift Bd. XXX. Jhne_ Prismen. ilber. Winkelmann & Straubel phot. visen. Kupfer. Ble. Zink. Lichtdruck von J, B. Odernetter, Miinchen. Tafel XXII. ——s usYyoOUN|A, Ya)euUseaqO @ ff UOA YONIpP}YyoIT ‘youd jeqnesjs ww UUPWEXUI A, al el eB aL TED A VVY ‘PQ ft4yosjia7 ayrsivual Jenaische eit. Bd XEN. GN oe Ms ___€3 Kwvietrieweki , dal. Vian yiustavtscher Jing